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^ÄJUIft^^ 



Zeitschrift 



des 



Vereins für hessische Geschichte 

und Landeskunde. 



.-^^*<- 



Neue Folge. Dreiundzwanzigster Band. 

(Der ganzen Folge XXXIII. Band.) 




Kassel. 

Im Commissionsverlage von A. Freyscbmidt's Buchhandlung 

(G. Dufayel.) 

1898. 



DD 
Y4-6 



Druck von L. Doli in Kass«>l. 



Inhalt 



Seite 
I. Politik Hessen-Kassels im österreichischen Erbfolgekrieg 

bis zum Dresdener Frieden. Von Moriz von Rauch . 1 — 138 
II. Die Geschichte der französischen Kolonie Frauenberg 

bei Marburg. Von Dr. Eduard Wintzer 139—180 

III. Landgraf Wilhelm IV. von Hessen auf der Brautsuche. 

Von Dr. Ribbeck 181—203 

IV. Hans Christoph Fuchs der Ältere zu Wallenburg und 
Arnschwang, ein humanistischer Ritter des 16. Jahr- 
hunderts. Von Dr. Otto Gerland 204—246 

V. Landgraf Wilhelm IV. von Hessen und der nieder- 
ländische Aufstand bis zum Tode Wilhelms von Oranien. 
Von Dr. Ribbeck 247—293 

VI. Briefe eines marburger Studenten aus den Jahren 

1606—1611. Von Prof. G. Freiherr von der Ropp . 294—408 
VII. Das Kloster Georgenberg bei Frankenberg und das 

dasige Augustinerinnenhaus. Von August Heldmann . 409 — 450 

Vin. Vom Melsunger Gerichte. Von Dr. L. Armbrust . . 451—466 




I. 

Die Politik Hessen-Kassels im österreichischen 
Erbfolgekrieg bis zum Dresdener Frieden. 

Von 
Dr. phil. Moriz von Rauch. 

1, Kapitel. 

Stellung Hessen-Kassels vor dem österreichischen 
Erbfolgekrieg; Subsidienvertrag mit England im 

Mai 1740. 

|er österreichische Erbfolgekrieg hat über das Schicksal 
einer der grössten unter den damaligen Monarchieen 
entschieden, fast sämtliche Staaten Europas haben sich an 
diesem weltgeschichtlichen Kampf beteiligt. Sind es in einem 
solchen Krieg nat argem äss die grossen Mächte, die den Aus- 
schlag geben, so ist es doch bei der ausserordentlichen Bedeu- 
tung, die Österreichs Los für die Zukunft Deutschlands hatte, 
auch von Interesse zu verfolgen, wie sich die kleineren deutschen 
Staaten beim Kampf der grossen verhalten, wie sie sich im 
Gewirr der Interessen zwischen ihnen hindurchwinden, wie 
sie, für sich allein ohnmächtig, aber als Verbündete doch 
nicht zu verachten, von den grossen Mächten umworben 
werden und hierbei Vorteile für sich zu erringen suchen. 
Ein Staat, dessen Bundesgenossenschaft seiner militärischen 
Leistungsfähigkeit wegen stets gesucht wurde, war Hessen- 
Kassel, das. Dank seiner tüchtigen Armee, eine im Verhältnis 
zur Grösse und Bevölkerungszahl des Landes bedeutende 
Rolle in der Geschichte der neueren Zeit gespielt hat. 
Freilich war Hessens Stellung im 18. Jahrhundert nicht mehr 

N. F. Bd. XXIII. 1 




dieselbe, wie 200 Jahre früher vor der Teilung der hessischen 
Lande, als Philipp der Grossmütige als Vorkämpfer des 
Protestantismus und des deutschen Fürstentums gegen die 
habsburgische Weltmacht in die Schranken trat, oder im 
30jährigen Krieg, als Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel 
fast allein unter den deutschen Fürsten als Verbündete 
Schwedens und Frankreichs ausharrte im Kampf gegen 
Osterreich. Die kleineren deutschen Territorien waren seither 
in ihrer politischen Bedeutung immer mehr hinter den allein 
lebensfähigen grösseren Staaten zurückgetreten ; dabei war 
ihre wirtschaftliche Lage infolge des 30jährigen Krieges, der 
Überlegenheit des Auslands und der Kleinheit der Wirtschafts- 
gebiete durchweg äusserst schlecht ; die ewige . finanzielle 
Bedrängnis machte den kleinen Fürsten das Halten einer 
grösseren Truppenmacht, das erste Erfordernis, um noch eine 
Rolle spielen zu können, unmöglich und so mussten sie denn, 
um trotzdem Geld hierfür aufzubringen, zu dem Auskunfts- 
mittel greifen, dass sie mit fremden Mächten Subsidien- 
verträge abschlössen. Aber damit begaben sie sich des 
Rechts auf eine selbständige Politik, „die Waffen, die sie 
führten, erhöhten den Glanz ihres Namens, gaben ihnen aber 
keine äussere Selbständigkeit" ^) : wenn sich die Interessen 
des Subsidien gebenden und empfangenden Staats nicht voll- 
ständig deckten, was doch nicht immer der Fall sein konnte, 
so mussten die unnatürlichsten Verhältnisse entstehen, und 
dies ist vielleicht niemals so grell an den Tag getreten, als bei 
der Politik Hessen-Kassels im österreichischen Erbfolgekrieg. 
Seit 1730 regierte in Hessen der älteste Sohn Land- 
graf Karls, Friedrich L, der, 1676 geboren, im Jahr 1720 
anstelle seiner Gemahlin, der Schwester Karls XH., König 
von Schweden geworden war. So ergab sich für Hessen 
derselbe, wenig erspriessliche Zustand, in dem sich auch 
Sachsen und Hannover befanden : der Herrscher war im 
Besitz einer fremden Königskrone, das Land aber hatte hier- 
von nicht nur keinen Nutzen, sondern es lag auch, abge- 
sehen von den durch die Abwesenheit des Souverains ent- 



») Ranke, Gesammelte Werke, XXIX, 92. 



stellenden Misslichkeiten^ die Gefahr nahe, dass das Stamm- 
land in die ihm fremde Politik eines auswärtigen Staates 
hineingezogen wurde. Wäre Schweden noch das mächtige 
Reich des 17. Jahrhunderts und Friedrich L, wie seine letzten 
Vorgänger auf dem Thron, unumschränkter Herrscher gewesen, 
so hätte er Hessen wohl auch manche Vorteile verschaffen 
können ; aber der schwedische Staat lag seit dem nordischen 
Krieg völlig darnieder und die Macht des Königtums war 
nach dem Tod Karls XH. in einer Weise eingeschränkt 
worden, dass der König so gut wie nichts mehr zu sagen 
hatte. Das Regiment führte eine engherzige, bestechliche 
Aristokratie, die ewig unter sich haderte in wüstem Partei- 
gezänk und nur darin einig war, dass der König nicht wieder 
zu Macht gelangen dürfe. Friedrich war nicht die Persönlich- 
keit sich in dieser schwierigen Lage zurechtzufinden. Hatte 
er im spanischen Erbfolgekrieg, in dem Hessen eine be- 
deutende Truppenmacht im Dienst der Seemächte ins Feld 
stellte, zwar keine grossen Feldherrngaben ^), aber Mut und 
Tapferkeit an den Tag gelegt, so besass er doch keineswegs 
die Eigenschaften eines Herrschers: ohne eigene Initiative 
und ohne Energie, schwankend in seinen Entschlüssen und 
fremden Einflüssen leicht zugänglich, kümmerte er sich nur 
wenig um die Regierungsgeschäfte und war zufrieden, wenn 
man ihn nur in Ruhe liess^). Er ernannte bei seinem 
Regierungsantritt in Hessen zum Statthalter seinen Bruder 
Prinz Wilhelm^), den späteren Wilhelm VIH., der bei dem 



*) Beidemal, als er selbständig koDimandierte, am Speyerbach und 
bei Castiglione, wurde er geschlagen [Christian Eöth, Geschichte von 
Hessen, S. 325). 

*) Friedrich der Grosse sagte von ihm: il considere sa royaute 
avec les yeux dont un vieux lieutenant-colonel invalide rogarde un 
petit gouvernement, qui lui procure une retraite honorabie (histoire de 
mon temps [Redaktion von 1746, herausgegeben von M. Posner, Publi- 
kationen aus den preussischen Staatsarchiven , Bd. IV] S. 177 ; der 
französische Gesandte in Stockholm, Graf Casteja: il ne travaille Jamals 
ce qui fait qu'il a peu de considoration (momoires du duc de Luynes sur 
la cour de Louis XV, II, 149); der englische Gesandte Burnaby : er 
spreche selbst bei Audienzen nur von der Jagd (Fr, v. Räumer^ König 
Friedrich II. und seine Zeit, S. 123). 

«) Hochfürstlicher Lebenslauf Wilhelms VIII., Cassel 1760; 
Th. Hartwig, der Anschiuss Hessen-Cassels an Preussen im 7jährigen 

1* 



hohen Älter Landgraf Karls schon vorher die Regiemngs- 
geschäfte geleitet hatte. Wilhelm, um 6 Jahre jünger als 
sein Bruder, hatte wie dieser im spanischen Erbfolgekrieg 
tapfer gegen die Franzosen gekämpft und war im Dienst 
Hollands zum General der Kavallerie aufgestiegen ; er brachte 
auch nach dem Krieg einen grossen Teil des Jahres in den 
Niederlanden zu und blieb auch, als er Statthalter und bei 
der Kinderlosigkeit seines Bruders Thronfolger von Hessen 
geworden war, in seinem holländischen Dienstverhältnis, aus 
dem er erst in den 40er Jahren ausschied; im Jahr 1733 
wurde er dazu ausersehen, die von den Generalstaaten an- 
lässlich des Maastrichter Streitfalls mit Preussen zusammen- 
gezogenen 15000 Mann zu befehligen^). Mit mehreren von 
den leitenden Persönlichkeiten im Haag stand er in brief- 
lichem Verkehr, was bei der hervorragenden Stellung der 
Niederlande in den diplomatischen Angelegenheiten hohen 
Wert für ihn hatte. Prinz Wilhelm war im Gegensatz zu 
seinem Bruder ein Mann von staatsmännischer Befähigung 
und diplomatischem Geschick, wohl vertraut mit allen Ver- 
hältnissen in der deutschen und europäischen Politik, voll 
Energie, zäh und fest, wenn er sich einmal etwas vorge- 
nommen hatte, aufs eifrigste thätig für das Wohl des Landes 
und noch im Alter die Regierungsgeschäfte persönlich leitend. 
Dass Wilhelm auch höhere Bildung und feines Kunstverständnis 
besass, dafür legt die Kasseler Gemäldegalerie, die ihm ihr 
Dasein verdankt, noch heute Zeugnis ab. Der Statthalter 
war wie sein Ahne Landgraf Philipp ein eifriger Protestant 
und durchdrungen von der Hoheit des deutschen Fürsten- 
tums; beides musste ihn in Gegensatz zu dem katholischen 
Haus Habsburg und seiner „Tyrannei" bringen. Wilhelms 
politisches Ideal war ein enges Verhältnis Hessens zu England, 
wo er noch unter Wilhelm lU., seinem Paten, 1 Jahr zuge- 
bracht hatte, zu Holland, das ja damals stets mit England 
Hand in Hand gieng, und womöglich auch zu Preussen, mit 

Krieg (Kasseler Gymnasial program in 1868) S. 10; v. Rommel, Geschichte 
von Hessen, X, 45—48. 

*) J. O. Droysetif Geschichte der preussisohen Politik, IV, 3, 190. 



dessen Herrscherhaus der Kasseler Hof durch den gemein- 
schaftlichen reformierten Glauben und viele verwandtschaft- 
liche Beziehungen verbunden war. Dagegen stand der Prinz 
Frankreich, das dem deutschen Volk seit den Kriegen 
Ludwigs XIV. als der Erbfeind galt, mit dem ganzen Hass 
seiner leidenschaftlichen Seele und dem tiefsten Misstrauen 
gegenüber und geriet sofort in stürmische deutsch-patriotische 
Aufwallung, wenn er auf den Übermut der Franzosen zu 
sprechen kam^). Als Statthalter hatte Wilhelm nicht ganz 
freie Hand ; er musste bei wichtigeren Angelegenheiten in 
Stockholm, wo König Friedrich eine hessische Kanzlei hatte, 
um dessen Genehmigung nachsuchen, was natürlich den 
Geschäftsgang sehr verlangsamte. Übrigens pflegte der König 
stets auf die Intentionen seines ihm geistig weit überlegenen 
Bruders, mit dem er im besten Verhältnis stand, einzugehen, 
und der Prinz wusste auch seine Vorschläge so anzubringen, 
dass Friedrich kaum merkte, dass er geleitet wurde. Wenn 
die Zeit drängte, nahm es Wilhelm auch bei wichtigen 
Dingen auf sich selbständig zu handeln. So war die 
Persönlichkeit des Statthalters sehr geeignet, Hessen die Un- 
annehmlichkeiten der Doppelregierung vergessen zu lassen. 
Beim Regierungsantritt Friedrichs I. stand der Kasseler 
Hof in nahen Beziehungen zu England, während das Ver- 
hältnis zum Kaiser gespannt war. Karl VI. war nämlich bei 
den ßastatter Friedensverhandlungen in dem alten Streit 
Hessen-Kassels mit der Nebenlinie Hessen-Rotenburg um die 
Festung Rheinfels trotz der Verdienste, die sich Landgraf 
Karl im spanischen Erbfolgekrieg um seine Sache erworben 
hatte, doch für die katholischen Rotenburger eingetreten ^). 
Es nützte den Landgrafen nichts, dass er im Türkenkrieg 
von 1717 dem Kaiser 2300 Mann zu Hilfe schickte, dass er 

*) Lo sang allomand mo bouille dans mes voines, quand je vois 
la suffisanco de cos gens et les airs qu'ils se donnont. (Wilhelm an 
Friedrich 5. März 1742 [Marburgor Archiv]). (Die folgenden Zitate sind, 
wenn nichts anderes angeführt ist, aus dem Marburger Archiv, dessen 
Herren Beamten ich, wie auch denen der Kasseler Bibliothek, für ihr 
überaus freundliches Entgegenkommen meinen besten Dank ausspreche.) 

*) C. von Stamford, das Regiment Prinz Maximilian von Hessen- 
Kassel 1717—1720, S. 28. 



6 

sich in dem bald darauf in Italien gegen die Spanier aus- 
brechenden Krieg erbot, dieses Korps auf 10000 Mann zu 
erhöhen^): 1718 musste ßheinfels den Rotenburgern aus- 
geliefert werden. Als nun im Jahr 1725 gegen den Kaiser und 
Spanien in Herrenhausen ein englisch-französch-preussisches 
Bündnis zustande kam, schloss sich auch Landgraf Karl 
dieser Partei an und gieng im März 1726 mit England, wie 
schon früher in den Jahren 1702 und 1706, einen Subsidien- 
vertrag ein^). Aber die Gruppierung der Mächte veränderte 
sich nach kurzer Zeit vollständig; im Wiener Vertrag von 
1731 trat England, wie schon früher Preussen, wieder in ein 
näheres Verhältnis zum Kaiser, und nun fand es auch der 
Kasseler Hof gut, diesem Beispiel zu folgen, zumal da bei 
dem bevorstehenden Aussterben der Grafen von Hanau, deren 
Besitzungen kraft alter Verträge zum Teil an das Kasseler 
Haus fallen sollten, eine günstige Gesinnung des Reichsober- 
haupts von hohem Wert war ^). So wurde denn nach persön- 
lichen Verhandlungen Prinz Wilhelms mit dem Grafen 
Seckendorff im Jahr 1733 ein Bündnis mit Österreich ab- 
geschlossen^), worin Hessen die pragmatische Sanktion 
garantierte und 3200 Mann Bundeshilfe zusagte^), während 
der Kaiser seine Unterstützung bei der Hanauer Erbfolge ®), 
sowie in der Rheinfelser Streitsache versprach*^). Wirklich 



1) a von Siamford, a. a. 0. S. 126 f. 

*) Der Vertrag bei RousseU recueil historiquo III, 322—327; nach 
Bommel (in Ersch und Grubers Encyklopädie II, 33, 346) bekam Land- 
graf Karl Dei seinem Beitritt zur Herrenhäuser Allianz Garantieen bezüglich 
der Hanauer Erbfolge; nach Rousset S. 321 ist er der Allianz nicht 
förmlich beigetreten, weil er auf die Aufforderung des Kaisers, sich an 
der österreichisch-spanischen Allianz zu beteiligen, nicht eingegangen war, 
aber doch auch nicht gleich darauf mit der Gegenpartei abschliessen 
wollte; so begnügte er sich mit dem englischen Subsidienvertrag. 

*) Dass dies der Grund zu dem Bündnis gewesen sei, schrieb 
Wilhelm am 30. Januar 1741 an den hessischen Geschäftsträger in London, 
Logationsrat Justus Heinrich Alt, sowie an seinen Bruder Friedrich. 

*) Lebenslauf Wilhelms VlIL, S. 24. 

6) Wilhelm an Alt, 30. Januar 1741. 

®) Teuthorriy Geschichte der Hessen, X, 789. 

') Nach dem „Versuch einer Lebensbeschreibung dos Feldmarschalls 
Grafen Seckendoi-ff% IV, 196-197 trat Hessen schon 1732 der Wiener 
Allianz bei und garantierte die pragmatische Sanktion ; ein Subsidien- 
vertrag für 10 000 Mann scheiterte an Friedrichs I. Widerstand; 1733 



wurde 1734 die Festung Rheinfels auf Befehl Karls VI. von 
den Rotenburgern zurückgegeben ^) und im polnischen Erb- 
folgekrieg kämpften ausser dem hessischen Reichskontingent 
3200 Hessen am Rhein in kaiserlichem Sold gegen die 
Franzosen ^). 

Aber die Freundschaft mit Osterreich war nicht von 
langer Dauer. Im Jahr 1736 starb der letzte Graf von 
Hanau; Prinz Wilhelm, zu dessen Gunsten König Friedrich 
1735 auf die Erbschaft verzichtet hatte ^), bekam die am 
Main gelegenen hanau-münzenbergschen Lande mit der Stadt 
Hanau, während die grösstenteils auf dem linken Rheinufer 
liegende Grafschaft Hanau-Lichtenberg an die Darmstädter 
Linie fiel. Über einzelne Gebietsteile geriet der Prinz mit 
dem verwandten Hof in erbitterten Streit, auch Kurmainz 
und Kursachsen machten gewisse Ansprüche, und da stellte 
sich nun die kaiserliche Regierung in allem auf Seiten der 
Gegner des Kassel'schen Hauses. Wilhelm hielt dies für eine 
Verletzung des Vertrags von 1733 ; war er schon seiner 
ganzen politischen und religiösen Anschauung nach kein 
Freund der Habsburger, so wurde seine Stimmung gegen 
Osterreich jetzt geradezu feindselig und er war überzeugt, 
dass Hessen von Seiten der Habsburger, wenn diese noch 
mehr Macht im Reich errängen, das Schlimmste zu erwarten 
hätte *). Diese Gesinnung des Prinzen gegen Österreich ist 
auf seine Politik im Erbfolgekrieg von grossem Einfluss gewesen. 

gelang es dann Seckendorff, die Bewilligung der 3200 Mann von Hessen 
zu erlangen, und zwar ohne dass man sich österreichischerseits zu Hilfs- 
geldern verpflichtet hätte (IV, 213—14) ; letzteres ist jedoch unrichtig ; 
denn Wilhelm vergleicht in einem Schreiben vom 5. März 1742 an seinen 
Bruder den damals mit Karl VII. abgeschlossenen Subsidien vertrag mit 
dem österreichischen von 1733. 

^) Geheimaitikel über Rhoinfels im preussisch-hossischen Bündnis- 
vertrag von 1743 (Th. Hartwig^ der Übertritt des Erbprinzen Friedrich 
von Hossen-Cassel zum Katholicismus, S. 237). 

') F. W. Strieder^ Grundlage zur Militärgeschichte dos landgräflich 
hessischen Corps S. 22. 

*) Leben und Thaton des Königs von Schweden Friederici (1736), 
S. 1005. 

*) Wilhelm an Friedrich 30. Januar 1741; „conduite de la maison 
archiducale d'Autriche onvers la sor. maison de Hesse-Cassel depuis 
200 ans" (3. September 1744 von Wilhelm an den hessischen Geschäfts- 
träger im Haag geschickt). 



8 

Ausser den kaiserlichen Hilfsgeldern im polnischen Erb- 
folgekrieg hatte Hessen seit dem Ablauf des englischen Ver- 
trags vom Jahr 1726 keine Subsidien mehr bezogen ^). Die 
Lage der Finanzen war aber derartig, dass, obwohl die 
Truppenzahl bedeutend herabgesetzt worden war ^) — der 
englische Vertrag hatte auf 12 000 Mann gelautet — , doch 
ohne Subsidien auch die Weitererhaltung des kleinen noch 
bestehenden Korps fraglich wurde. Diese Finanznot dauerte 
schon lange ; das hessische Land war eben arm, es fehlte an 
Handel und Industrie; Landgraf Karls Reformen auf diesem 
Gebiet halten keine nachhallige Besserung herbeizuführen 
vermocht und andrerseits hatten seine Bauten riesige Summen 
verschlungen. Durch Friedrichs schwedisches Königtum wurde 
viel Geld aus Hessen herausgezogen ^), denn sein Einkommen 
aus Schweden war nur gering; überdies verzichtete er gegen 
ein schwedisches Krongut für seine unehelichen Söhne auf 
655000 Thaler Subsidiengelder, die Schweden noch aus der 
Zeit Karls XIL Hessen schuldete^). Nachdem schon 1717 
wegen Geldmangels der Abmarsch der für den Kaiser in den 
Türkenkrieg ziehenden Truppen verzögert worden war^), 
musste 1724 der Landtag angegangen werden, weil das Kon- 
tributions-Quantum zur Erhaltung der Truppen nicht aus- 
reichte®). Als dann 1734 beim Krieg gegen Frankreich die 
Kriegskasse wieder nicht über genügende Gelder verfügte, 
bewilligten die Landstände eine ausserordentliche Landes- 
defensionssteuer von 600000 Thalern''). Wie aber sollte es 



') Ein von Droysen IV, 3, 303 erwähnter onglisch-hossischer Sub- 
sidionvertrag von 1736 für 4(X)0 Mann hat nicht existiert. 

*) Strieder^ Hessische Militärgeschichte S. 22. 

') von Siamfordy Gottfried Ernst von Wutginau (Zeitschrift für 
hessische Geschichte und Landeskunde Vll]) S. 264; v. Stamford-Röth^ 
Geschichte von Hessen S. 376. Geheimcrat von der Asseburg berechnete 
Hessens Opfer, für das schwedische Königtum auf 3 Millionen (Thaler?) 
(Friedrich an Asseburg 15. März 1740). 

*) Ersch und Örubers Allgemeine Eucyklopädie I, 50, 110—111 
(v. Bommel, Friedrich I.); v. Stamford, AVutginau Ö. 264. 

6) V, Stamford, Wutginau S. 250. 

^) Landtagsabschied von 1724 (Ständische Landesbibliothek zu Kassel 
Mss. Hass. fol. 48 b). 

^) Landtagsabschied von 1734 (a. a. 0.); B, W, Pfeiffer^ Geschichte 
der landständischen Verfassung in Kurhessen S. 150. 



gehen, wenn diese Summe aufgebraucht war ? Vergeblich sann 
der Statthalter auf Mittel und Wege, wie er dann den Unter- 
halt der Truppen bestreiten könnte; denn noch mehr wollte 
er doch das kleine Korps, das Hessen noch besass, nicht ver- 
ringern ! Die Hoffnung auf einen, holländischen Subsidien- 
antrag schlug fehP); schon dachte Wilhelm daran trotz der 
Erschöpfung des Landes die Stände ^) um eine neue Steuer 
anzugehen ^), da schien endlich im Anfang des Jahres 1739 
eine Aussicht auf Subsidien sich darzubieten : im Februar 
erhielt der Statthalter ein Schreiben von dem hannoverschen 
Geheimerat Freiherrn von Erffa mit der Mitteilung, es sei 
ihm aus London gemeldet worden, wenn die hessischen 
Truppen noch verfügbar seien, so werde man sich englischer- 
seits, wenn es die Lage erfordere, in erster Linie an den 
Kasseler Hof wenden*). Wilhelm, der damals mit England 
auch wegen einer Heirat seines einzigen Sohnes Friedrich 
mit einer Tochter König Georgs H. in Unterhandlung stand, 
redete in einem Schreiben nach Stockholm seinem Bruder 
eifrig zu, an Erffa eine zustimmende Antwort abgehen zu 
lassen, da die Erneuerung des alten Bündnisses mit England 
für Hessen bei etwaigen politischen Verwicklungen von' grossem 
Wert sein könne und vor allem, weil ein Subsidienvertrag 
die Erhaltung und Vermehrung der Truppen ermöglichen 
werde ^). König Friedrich erteilte seine Zustimmung zu Ver- 



*) Wilholm an Gehoimerat von der Asseburg 27. Januar 1739. 

«) Erat 1736 hatten diese 100000 Thalor (schon früher 200000 
Thalor) bewilligt zur Abfindung Sachsens für seine Ansprüche auf hanau- 
schos Gebiet (Pfeiffer^ Vorfassung in Kurhessen S. 186). 

*) Bezeichnend für Wilhelms Stimmung ist ein Schreiben, das er 
nach dem Einlaufen des englischen Subsidienantrags an Friedrich richtete 
(12. September 1739) : il semble que Dieu par sa oonte vouille nous tirer 
de tous los ombarras, dont les finances de Votre Majosto sont menaooes 
dopuis longtemps et auxquels Tesprit humain ne savait plus trouvor aucuu 
romede ni ressource, et dans le temps, oü il n'y avait pas d'autro parti 
ä prendre qu'ä implorer pour ainsi dire les Etats du pays pour augmenter 
los contributions malgro Tepulsement dos pauvros sujets pour faire sub- 
sister et soutonir le potit corps de troupos, il ne tiont ä prosent qu'ä 
Votre M^jeste de le pouvoir augmonter memo, sans qu'il on coüte ni au 
pays ni ä Votro Msgosto, et de romottro toutes los affaires sur piod. 

*) Geheimerat von Erffa aus Hannover an Wilhelm, 13. Febr. 1739. 

*) Wilholm an Friedrich, 16. Februar 1739. 



10 

handlungen mit Eiffa ^) und der Prinz schrieb an diesen, man 
habe hessischersei ts die Hände frei und sehe den englischen 
Propositionen entgegen ^), Aber es erfolgte keine Antwort, 
denn König Georg von England hatte indessen mit Dänemark 
einen Subsidienvertrag abgeschlossen •'^). 

' Dennoch hoffte Wilhelm noch immer auf englische Sub- 
sidien und schrieb auch in diesem Sinne an seinen Bruder 
nach Stockholm ^). Obwohl nun dieser im Frühjahr selbst 
gewünscht hatte, dass die Verhandlungen mit Erffa wegen 
der schwedischen Verhältnisse möglichst geheim betrieben 
werden sollten, wusste er jetzt, als im Juli der Heiratskontrakt 
zwischen Prinz Friedrich von Hessen und Georgs H. Tochter 
Maria abgeschlossen wurde ^), nichts Besseres zu thun, als 
bei der Notifikation dieser Verlobung dem schwedischen 
Kanzleipräsidenten Graf Gyllenborg mitzuteilen, Hessen habe 
Aussicht auf einen englischen Subsidienantrag ®). Ein Bündnis 
Hessens mit England war aber durchaus nicht nach dem Sinn 
Gyllenborgs und der von ihm geführten Partei der Hüte. 
Diese hatten nämlich auf dem letzten Reichstag ihre Gegner, 
die Mützen, welche für das ruhebedürftige Schweden ein 
freundschaftliches Verhältnis zu Russland und England für 
das Angemessenste hielten, in den Hintergrund gedrängt und 
— sehr gegen den Wunsch Prinz Wilhelms') — ein längst 
von ihnen betriebenes Bündnis Schwedens mit Frankreich 
zustande gebracht ; mit Hilfe französischen Geldes hofften sie 



») Friedrieb an Wilhelm, 3. März 1739. 

2) Wilhelm an Asseburg, 10. April 1739. 

^) Über die Gründe des Vertrags s. William Coxey memoires of 
the life and administration of Walpole IV, 95. 

*) Wilhelm an Friedrich, 20. Juli 1739. 

^) Der Heiratskontrakt wurde am 16. Juli 1739 im AVestminister- 
palast von Alt und dem hannoverschen Geheimerat von Steinberg abge- 
schlossen „sowohl zur Befestigung der zwischen beyden Königlichen Chur- 
und Füi-stlichen Häusern längst hergebrachten Freundschaft und guthen 
Vernehmens als auch zum Besten der protestantischen Religion*. Die 
Kinder aus der Ehe sollten nicht ohne die Einwilligung des Königs von 
England vorheiratet worden. 

^) Malmström (Sveriges politiska historia fian Karl XII död tili 
statshvälfningen 1772, 2. Aufl. 1893, II, 379—382) hat das Folgende und 
die Sendung Asseburgs nach Paris kurz dargestellt (mit Benutzung des 
Marburger Archivs). 

') Wilhelm an Asseburg, Anfangs Januar 1739. 



11 

die an Russland verlorenen Provinzen zurückzuerobern '). 
Unter diesen Umständen konnte es Gyllenborg und seiner 
Partei natürlich nicht gleichgiltig sein, wenn ihr König als 
Landgraf von Hessen seine Truppen dem mit Russland be- 
freundeten, mit Frankreich aber gespannt stehenden König 
von England zur Verfügung stellte. Sie beschlossen daher 
König Friedrich hiervon abzuhalten und zu einem Subsidien- 
vertrag Frankreich zu bestimmen. Wirklich Hess sich der 
schwache König im August zu folgender Erklärung herbei: 
er habe Grund einen englischen Subsidienantrag für Hessen 
zu erwarten und wünsche bei den engen schwedisch-fran- 
zösischen Beziehungen den Versailler Hof hiervon in Kenntnis 
zu setzen; Gyllenborg solle daher dem französischen Ge- 
sandten Graf Saint Severin mitteilen : der finanzielle Zustand 
Hessens mache einen Subsidienvertrag notwendig und der 
König wünsche, da er die Interessen Schwedens und Hessens 
zugleich wahrnehmen wolle, in erster Linie von Frankreich 
etwaige Propositionen hierüber zu hören ^). Prinz Wilhelm 
war natürlich voll Schrecken über diesen Schritt seines 
Bruders ; er war schon mit Schwedens franzosenfreundlicher 
Politik durchaus nicht einverstanden und nun sollte auch 
Hessen in diese hineingezogen werden. Er betrachte, schrieb 
der Prinz an den Geheimerat Freiherrn von der Asseburg ^), 
der damals der hessischen Kanzlei in Stockholm vorstand, 
einen Subsidienvertrag mit Frankreich als den Ruin des 
hessischen Hauses, da ein solcher sowohl beim Kaiser als 
bei den Protestanten den grössten Anstoss erregen würde; 
er werde mit allen Mitteln zu verhindern suchen, dass es so 



*) Ernst Horrmann, GiistÄV II f. und die politischen Parteien 
Schwedens, 1. Abteilung (Historisches Taschenbuch 1856) S. 349 f.. 

*) Asseburg aus Stockholm an Wilhelm, 25. August; Friedrich an 
Wilhelm, 15. September 1739. Vergl. rocueil des instructious donnos 
aux ambassadeurs de France II. (Suede) S. 359. 

*) Freiherr Johann Ludwig von der Asseburg, geboren 11. September 
1700, gestorben 2. Januar 1764, war schon 1729 in diplomatischer Sen- 
dung nach Russland geschickt worden und wurde in der Folge zu ver- 
schiedenen Gesandtschaften venvendet; nach König Friedrichs Tod zog 
er sich auf seine Güter (bei Halberstadt) zurück. (Denkwürdigkeiten des 
Freiherm Achatz Ferdinand von der Asseburg, Berlin 1840 S. 21—22). 



12 

weit komme ^). Und wenige Tage nach der Nachricht von 
des Königs Erklärung an den französischen Gesandten traf 
der ersehnte englische Antrag in Kassel ein : der hessische 
Geschäftsträger in London, Legationsrat Alt, meldete am 
1. September dem Statthalter, der Staatssekretär Lord Harring- 
ton habe ihm mitgeteilt, König Georg wünsche bei dem be- 
vorstehenden Krieg Englands gegen Spanien einen Subsidien- 
vertrag für 6000 Mann mit Hessen abzuschliessen ^) ; und 
gleich darauf erschien Geheimerat von Erffa in Hanau, wo 
sich Prinz Wilhelm damals befand, um mit ihm im Auftrag 
König Georgs „von ein und ander Angelegenheit zu ver- 
handeln". Sie entwarfen ein Vertragsprojekt ^), welches aber 
von Harrington nicht gut geheissen wurde, weil Wilhelm 
aus 2 früheren englisch-hessischen Verträgen je die besten 
Bedingungen ausgewählt hatte ^) ; der Staatssekretär erklärte, 
Hessen müsse zu denselben Bedingungen abschliessen wie 
Dänemark 5), das für 3 Jahre 5000 Fussgänger und 1000 
Reiter bereit zu halten hatte und dafür im Frieden jährlich 
250000 Thaler und im Krieg, wo der Sold der Truppen von 
England bezahlt wurde, 150 000 Thaler erhielt und ausserdem 
zur Mobilmachung 80 Thaler für 1 Reiter, 30 Thaler für 1 
Fussgänger®). Wilhelm erklärte sich bereit auf diese Be- 
dingungen einzugehen. König Georg, der in die Verhandlungen 
Erifas von seinen englischen Ministern nur Lord Harrington 
eingeweiht hatte, geriet übrigens nachträglich in Verlegenheit, 
dass er über einen englischen Vertrag durch einen hannover- 
schen Geheimerat hatte verhandeln lassen ; das konnte, wenn 
es bekannt wurde, in England einen Sturm der Entrüstung 
hervorrufen ; deshalb wurde Wilhelm bedeutet, in den dem 



>) Wilhelm an Assoburg, 8. und 29. Soptoraber 1739. 

*) Bericht Alts aus London 1. September 1739; die Kriegserklärung 
Spaniens erfolgte am 25. August. (Brosche Geschichte von England VllI, 
269) ; vielleicht hatte man auch in London von König Friedrichs Erklärung 
an den französischen Gesandten gehört und suchte deshalb sich Hessens 
zu versichern. 

*) Wilhelm aus Hanau an Friedrich, 22. September 1739. 

*) Wilhelm an Friedrich, 27. Oktober 1739. 

6) Bericht Alts vom 16. Oktober 1739. 

6) Bericht Alts vom 4. September 1739. 



13 

englischen Ministerium vorzulegenden Schriftstücken den 
Namen Erffas nicht zu nennen ^)/ 

Während so der Statthalter mit König Georg bereits 
einig geworden war über den Vertrag, war es noch sehr 
fraglich, wie sich König Friedrich dazu stellen würde. Wilhelm 
hatte seinem Bruder in einem ganz begeisterten Brief von 
dem englischen Antrag berichtet : Gott in seiner Güte, schrieb 
er, scheine Hessen aus seiner traurigen Lage befreien zu 
wollen; es hänge nu|: von der Zustimmung des Königs ab, 
das Truppenkorps ohne Kosten für ihn selbst oder für das 
Land nicht nur zu erhalten, sondern auch zu vermehren. 
Zugleich malte der Prinz die Folgen eines Bundes mit Frank- 
reich in den schwärzesten Farben aus: Hessen würde alle 
seine Freunde im Reich verlieren und der Kaiser würde die 
Gelegenheit benutzen, ihm Schaden zuzufügen; Frankreich 
aber habe seine Verbündeten stets im Stich gelassen, was 
das hessische Haus selbst schon erfahren habe^). König 
Friedrich befand sich in einer schwierigen Lage ; er gebe zu, 
schrieb er an den Statthalter, dass vom hessischen Stand- 
punkt aus ohne Zögern auf den englischen Antrag einzugehen 
wäre, aber er müsse auch auf die schwedischen Verhältnisse 
Rücksicht nehmen und vorerst einmal die französische Ant- 
wort auf seine Erklärung vom August abwarten^). Zum 
Glück für Wilhelm war die Antwort, die endlich Ende Oktober 
von dem französischen Gesandtschaftssekretär überreicht 
wurde, ganz allgemein gehalten^). Da sich aber auf diese 
Weise die Sache noch lange hinziehen konnte und anzunehmen 
war, dass man englischerseits bald auf Vollziehung des Ver- 
trags dringen werde, so entwarf Asseburg ^) mit dem damals 
in Schweden weilenden General von Diemar^), der als ehe- 



:! 



Bericht Alts vom 9. Oktober 1739. 

Wilhelm an Friedrich 12. September 1739; vergl. 8. 9 Anm. 3). 
8) Friedrich an Wilhelm 26. September 1739. 
*) Bericht Asseburgs aus Paris an Friedrich 3. Februar 1740. 
') £r selbst nennt sich l'auteur et Tacteur ensemble (Asseburg an 
Wilhelm 26. Februar 1740). 

^) Freiherr Ernst Hartmann von Diemar, General der Kavallerie 
und Oberstallmeister, war am 24. Juni 1682 geboren und stand zuerst in 
hessischen, dann in ansbachschen, hierauf wieder in hessischen Diensten ; 



14 

maliger Gesandter Landgraf Karls in Stockholm die dortigen 
Verhältnisse gut kannte, und mit den Räten der hessischen 
Kanzlei folgenden Plan, um möglichst bald von Frankreich 
loszukommen : Asseburg sollte vom König nach Paris ge- 
schickt werden, scheinbar um über einen Subsidienvertrag zu 
verhandeln, in Wahrheit aber, um der französischen Regierung 
zu erklären, ein etwaiger Subsidienvertrag Hessens mit einer 
anderen Macht werde auf die schwedische Politik keinerlei 
Einfluss ausüben ; auf diese Weise, hoffte Asseburg, werde 
König Friedrich von Seiten E'rankreichs freie Hand bekommen 
und in Schweden werde man ihm dann über den Vertrag 
mit England keine Vorwürfe machen können ; König Georg 
sollte in den ganzen Plan eingeweiht werden ^). König 
Friedrich willigte in die Sendung Asseburgs nach Paris ein; 
wenn er auch wohl nicht wusste, dass dieser unter allen 
Umständen einen Subsidienvertrag mit Frankreich verhindern 
wollte ^), so hätte er es doch selbst gern gesehen, wenn 
Asseburg die Zustimmung der französischen Regierung zu 
einem englisch-hessischen Vertrag von Paris zurückgebracht 
hätte ; hoffentlich, schrieb der König an Prinz Wilhelm, werde 
sich Kardinal Fleury überzeugen lassen, dass ein solcher 

er begleitete den Prinzen Friedrich nach Schweden und stand ihm in 
seinen ersten Regierungsjahren als Gesandter Landgraf Karls mit seinem 
EÄt zur Seite; 1725 aber musste er wegen Einmischung in die schwedischen 
Angelegenheiten abberufen werden (p. Stamford^ Wutginau S. 263 f.), 
schloss dann 1726 im Westminsterpalast den hessischen Subsidienvertrag 
mit England ab (vgl. S. 6) und trat 1735 in österreichische, 1738 aber 
zum drittenmal in hessische Dienste, im Jahr darauf begab er sich nach 
Stockholm und war mit Ässeburg aufs eifrigste für das Zustandekommen 
des hessisch-englischen Bündnisses thätig; in Stockholm deshalb vielfach 
angefeindet, fiel er 1740 beim König in Ungnade, weil er — w^ohl im 
Einverständnis mit Prinz Wilhelm — die Entfernung der Maitresse des 
Königs, Gräfin Taube, die zur französischen Partei hielt, betrieben hatte; 
er nahm seinen Abschied und hielt sich zunächst in England auf (Diemar 
aus London an "Wilhelm 6. Januar 1741), blieb aber stets in vertrauten 
Beziehungen zum Statthalter ; hierauf trat- er zum zweitenmal in östcr- 
^-eichischo Dienste und wurde Generalfeldmarschall. 1744 wurde er 
Landeskommenthur des Deutschordens in Marburg und starb am 16. Juli 
1756 auf seinem Gut Deb^rndorf bei Nürnberg. (Strieder, Hessische Militär- 
geschichto S. 78; Joh. Andr, Hofmann^ Hessischer Kriegsstaat 11, 489). 

*) Asseburg aus Stockholm an Wilhelm 30. Oktober 1739. 

*) Asseburg schrieb am 27. Oktober an Oberstlieutenant von Miltitz, 
der König habe den Plan ^en parti", am 30. an Wilhelm, er habe ihn 
^entierement*^ gebilligt. 



15 

Vertrag die nordischen Verhältnisse nicht berühre, und danii 
bei seinem bekannten Geiz den Beutel seines Königs ge- 
schlossen halten. Wenn man aber — dies ist bezeichnend für 
König Friedrichs Standpunkt — ausser den englischen Sub- 
sidien auch von Fraiikreich eine Summe erlangen könne, so sei 
es um so besser ^). Für den König handelte es sich eben nur 
um das Geld an sich ; ob es von England oder von Frankreich 
oder von beiden zugleich kam, war ihm ziemlich gleichgiltig, 
wenn er nur keine persönlichen Unannehmlichkeiten dabei 
bekam. Was den Statthalter betrifft, so war er mit Asseburgs 
Sendung nicht einverstanden ; denn einerseits war es fraglich, 
wie sich König Georg zu dem Plan stellen würde, andrerseits 
aber konnte Hessen Frankreich gegenüber, wenn man dort 
den Subsidienvertrag wirklich wünschte, in die peinlichste 
Lage kommen. So suchte Wilhelm, als Asseburg im No- 
vember nach Kassel kam, seine Reise nach Paris zu hinter- 
treiben. Er schickte deshalb zugleich mit der von seinem 
Bruder zu unterschreibenden Instruktion für Asseburg eine 
Vorstellung von sich selbst und vom Kasseler Geheimerat^) 
nach Stockholm, Asseburgs Sendung möchte, da sie beim 
Beich, beim Corpus Evangelicorum und bei den Seemächten 
Anstoss erregen und den Feinden des hessischen Hauses zur 
Handhabe dienen würde, unterbleiben. Für den Fall, dass 
der König einwillige, legte der Statthalter gleich eine von 
ihm zu unterschreibende Vollmacht für den mit England zu 
schliessenden Vertrag bei^). Aber König Friedrich wollte 
die nun einmal beschlossene Sendung Asseburgs nach Frank- 
reich nicht mehr rückgängig machen und wurde sogar 
ernstlich böse, als sich dessen Reise von Kassel nach 
Paris so lange verzögerte^). Dass er aber auch jetzt noch 
einen Vertrag mit Frankreich nicht wünschte^), bewies er 



*) Friedrich an Wilhelm 13. November 1739, ähnlich am gleichen 
Tag an Assebnrg. 

') von Adelebsen, von Danckclmann, von der Assoburg, von Borck. 

8) Wilhelm an Friedrich 9. Dezember 1739. 

*) Wilhelm an Friedrich 3. Januar 1740. 

*) Das meint Malmström (II, 381); in Wahrheit wünschte der König 
erst im März 1740, von schwedischer Seite beeintlusst, eine Zeit lang den 
Abschiuss mit Frankreich. 



16 

durch das Unterschreiben der von Wilhelm nach Stockholm 
geschickten Instruktion für Asseburg ^), welche einen Ab- 
schluss mit dem Versailler Hof geradezu unmöglich machte. 
Dieser Instruktion zufolge sollte Asseburg der französischen 
Regierung erklären, er selbst könne sich nicht denken, auf 
welche Weise sich der Kasseler Hof, ohne sich hierbei 
aufs äusserste auszusetzen, Frankreich nützlich erweisen 
könnte; deshalb möchte man französischerseits einen An- 
trag stellen, bei dem beide Teile ihren Vorteil fänden. Schlüge 
nun die französische Regierung einen Subsidienvertrag vor, 
so sollte Asseburg sagen, die Hessen dürften in diesem Fall 
nicht gegen das Reich oder irgend einen Reichsstand, noch 
gegen AUierte des Reichs oder die Erblande des Kaisers ver- 
wendet werden ; Frankreich müsste ihnen freien Durchmarsch 
bis zum Kriegsschauplatz verschaiBFen und die Hälfte des 
hessischen Korps müsste stets im Land gelassen werden. Da 
sich der Versailler Hof auf solche Bedingungen unmöglich 
einlassen könne, so werde vielleicht Neutralität Hessens vor- 
geschlagen und eine massige Summe dafür geboten werden ; 
in diesem Fall sollte sich Asseburg zwar nicht ganz ab- 
lehnend verhalten, aber doch die Schwierigkeiten betonen, 
besonders auch hervorheben, dass Hessen im Fall der Neu- 
tralität wegen der feindlichen Durchmärsche doch ein Korps 
Truppen brauche, das dann Frankreich keinerlei Nutzen bringe, 
sondern nur Kosten verursache. Würde Asseburg daraufhin 
gefragt, wozu er denn dann eigentlich gesandt worden sei, 
so sollte er erwidern, „dass der eigentliche Zweck der Mission 
sei die wahre Freundschaft seines Herrn sowohl als Land- 
grafen als König von Schweden gegen Frankreich zu bezeugen, 
die Schwürigkeiten vorzustellen, gegenwärtig in nähere Ver- 
bündnüss zu entriren, und die Versicherung zu thun, dass 
Wir dem ohngeachtet bei dem einmal etabliertem Systemate 
in Schweden bleiben, solches kräftig unterstützen und es bei 
allen Gelegenheiten in unserem Königreich zeigen wollen ; da 



M Der König hatte gar nicht gewollt, dass diese Instruktion nach 
Stockholm geschickt werde; "Wilhelm tliat dies nur, um Zeit zu gewinnen. 



17 

aber die Situation unserer Erbländer ein gleiches anjetzo 
nicht gestatten wollte, und dennoch eine gewisse Hülfe er- 
forderten, um unsere ünterthanen zu soulagieren, So wurde 
sich Frankreich nicht missfallen lassen, dass wir die avan- 
tageuse Offerte von England acceptierten, um so viel mehr, 
da es nur auf ein Corps Trouppen von 6000 Mann ankäme, 
welche England jederzeit von anderen teutschen Fürsten be- 
kommen könnte, und diese Überlassung nur auf 3 Jahre 
stipulirt würde, welches um so mehr indifferent sein könnte, 
da ein so kleines Corps die englische Macht nicht ver- 
mehrte ^)." Mit dieser Instruktion reiste Asseburg zu Beginn 
des Jahres 1740 nach Paris ^). Den König von England hatte 
Wilhelm eingeweiht ; doch sah dieser die Sendung Asseburgs 
nicht gerne ^); er fürchtete wohl, dass es doch zu einem 
Bund Hessens mit Frankreich kommen könnte, der Statthalter 
suchte ihn jedoch hierüber zu beruhigen*). 

In Paris hatte Asseburg Anfangs Februar eine Unter- 
redung mit dem Staatssekretär Amelot. Dieser war natürlich 
höchst erstaunt, als Asseburg nur von den Gefahren sprach, 
die Hessen bei einem Bündnis mit Frankreich zu erwarten habe, 
und auf Amelots Frage, ob er denn keine Propositionen zu 
machen habe, dies verneinte. Aus der Frage des Staats- 
sekretärs, warum denn dann das schwedische Ministerium 
und der schwedische Gesandte am Versailler Hof, Graf Tessin, 
so sehr auf einen französisch-hessischen Vertrag drängen, 
gewann Asseburg den Eindruck, dass der französischen Re- 
gierung selbst an dem Vertrag wenig gelegen sei^). Einige 

*) iDstniktion für Asseburg, am 9. Dezember von Kassel oach Stock- 
holm, am 25. Dezember nnterschrieben nach Kassel zurückgeschickt. 

2) Von einem Auftrag Asseburgs, um Frankreichs Zustimmung zu 
der Kandidatur des Prinzen Friedrich von Hessen für den schwedischen 
Thron zu werben, wovon Droysen (IV, 3, 406) spricht, ist aus der um- 
fangreichen Korrespondenz Asseburgs mit Friedrich und Wilhelm nirgends 
etwas zu ersehen; überhaupt scheint man sich am Kasseler Hof nicht 
sehr um dieses Projekt bemüht zu haben; nur Anfangs 1740 erwähnt es 
der Statthalter einmal in einem Schreiben an Alt und Ende 1742 bittet 
er seinen Bruder „das Haus Hessen den Ständen zu empfehlen.'' 

•) Georg II. an "Wilhelm 1. Januar 1740. 

*) Wilhelm an Alt, 6. Januar, an Georg II. 14. Januar 1740. 

*) Bericht Asseburgs aus Paris an Friedrich (die Berichte giengen 
über Kassel) 3. Februar 1740. 

N. P. Bd. XXIII. 2 



18 

Tage darauf besprach er den englischen Antrag offen mit 
Amelot und beantwortete dessen Frage, ob der Kasseler Hol^ 
wenn man in Versailles nichts dagegen einzuwenden habe, 
mit England abschliessen werde^ mit Ja \). Auch von Kardinal 
Fleury wurde Asseburg empfangen und wiederholte ihm, was 
er schon Amelot mitgeteilt hatte ^). Indessen wurde König 
Friedrich von beiden Parteien bearbeitet: Prinz Wilhelm 
schrieb ihm, der Kardinal wolle die Sache hinausziehen bis 
zum Schluss des englischen Parlaments, weil dann der Sab- 
sidienvertrag mit England nicht mehr möglich sei; schon 
werde man in London zurückhaltend gegen Alt ^) ; der König 
solle deshalb am Versailler Hof auf eine bestimmte Antwort 
dringen lassen^). Friedrich schwankte beständig: am gleichen 
Tag, an dem er dem Statthalter schrieb, er ziehe der schwe- 
dischen Verhältnisse wegen ein französisches Bündnis dem 
englischen vor, schickte er ihm die Vollmacht für den Ab- 
schluss mit England unterschrieben zurück, allerdings mit 
dem Befehl, noch keinen Gebrauch davon zu machen^). 
Gyllenborg und seine Partei setzten alle Hebel an, den König 
zum Bündnis mit Frankreich zu veranlassen; als sich Graf 
Tessin beklagte, dass Asseburg in Paris stets von einem 
Vertrag mit England rede, mischte sich auch der Reichsrat in 
die Sache ein und forderte König Friedrich geradezu auf, mit 
Frankreich abzuschliessen ^). Wirklich Hess sich dieser nun 
völlig einschüchtern und schrieb an Assebui^, wenn der 
Versailler Hof auf seine Bedingungen eingehe, so sei er mit 
dem Abschluss eines Vertrags mit Frankreich einverstanden'); 
hiervon machte jedoch Asseburg, der übrigens, wie auch der 
Statthalter, den König bereits vollständig von der Gegen- 
partei gewonnen glaubte, in Paris keine Mitteilung. Er hatte 
unterdessen dem französischen Ministerium eine Denkschrift 



*) Bericht Asseburgs an Friedrich 10. Februar 1740. 

») Bericht Asseburgs 24. Februar 1740. 

«) Bericht Alts 26. Januar 1740. 

') Wilhelm an Friedrich, 2. und 8. Februar 1740. 

») Friedrich an Wilhelm, 27. Februar 1740. 

«) Diemar aus Stockholm an Wilhelm, 22. März 1740. 

^) Friedrich an Asseburg, 15. und 29. März 1740. 



19 

überreicht, worin er seine mündlichen Eröffnungen an Araelot 
und Fleury wiederholte ^). In der Entgegnung des Ministeriums 
war dem Erstaunen des Versailler Hofs Ausdruck gegeben, 
dass Asseburg nur gekommen sei, um Frankreichs Zustimmung 
zu einem anderweitigen Bündnis Hessens zu erlangen, und zu- 
gleich die Hoffnung ausgesprochen, dass die hessischen Truppen 
wenigstens nicht gegen Frankreich verwendet würden ^). Der 
Statthalter nannte diese vollständig sachgemässe Antwort, als 
er sie nach Stockholm sandte, vag und hochmütig, und 
wiederholte dem König, der Kardinal wolle die Sache nur 
hinausziehen, um Hessen den englischen Subsidienvertrag un- 
möglich zu machen ^). Und wirklich Hess sich nun der König 
von General Diemar, den hessischen Räten und dem eng- 
lischen Gesandten*) überreden und erteilte am 22. April 
seinem Bruder die Erlaubnis, von seiner Vollmacht zum Ver- 
trag mit England Gebrauch zu machen^); am 20. Mai, einen 
Tag, nachdem Prinzessin Maria von England durch Prokuration 
mit Prinz Friedrich von Hessen vermählt worden war, wurde 
von Legationsrat Alt in London ein englisch-^hessischer Allianz- 
und Subsidienvertrag abgeschlossen. Hessen erhielt noch 
etwas bessere Bedingungen als Dänemark ®), indem die Dauer 
des Vertrags auf 4 Jahre und die Zahl der Reiter unter den 
6000 Mann auf 1200 festgesetzt wurde. Die hessischen Truppen 
sollten nicht auf der Flotte oder jenseits des Meers — ausser 
bei einem Angriff auf England — und nicht gegen Schweden 
oder eine schwedische Provinz verwendet werden. Wenn 
Hessen selbst angegriffen würde, so sollten sie nicht nur ins 
Land zurückkehren dürfen, sondern England sollte auch selbst 
Hilfe schicken „bis zu einem guten und vorteilhaften Frieden." 
Ebenso sollte Hessen England im Angriffsfall unterstützen ''). 



*) Denkschrift Asseburgs vom 22. März 1740. 

2) Antwort des französischen Ministeriums auf Asseburgs Denk- 
schrift 30. März 1740. 

») Wilhelm an Friedrich 9. April 1740. 

*) Malmström, 11, 381. 

») Friedrich an Wilhelm 22. April 1740. 

6) vergl. S. 12. 

^) Der Vertrag wurde am 30. Mai von Wilhelm an Friedrich ge- 
schickt; Lord Mahon (history of England III, 188) nennt ihn one of the 

2* 



20 

So stand der Statthalter endlich am Ziel seiner Wünsche 
und Hessen war Dank seiner Festigkeit davor bewahrt worden, 
ein Anhängsel der schwedischen Politik zu werden und dadurch 
ins französische Fahrwasser zu geraten. 

Asseburg begab sich unter dem Vorwand, er müsse 
dem König mündlich Bericht erstatten ^), von Paris nach 
Stockholm zurück, wo die französische Partei den König 
vergeblich dahin zu bringen suchte, ihn über seine Ver- 
handlungen in Paris zur Rechenschaft zu ziehen^). Seine 
Stellung in Stockholm war jedoch unhaltbar geworden, er 
kehrte anfangs 1741 nach Kassel zurück. 



2. Kapitel. 



Der erste schlesische Krieg; Marsch nach Hannover 
im Herbst 1741; Subsidienvertrag mit Kaiser 
Karl VII. im März 1742; Feldzug in Bayern. 

Als der Subsidienvertrag Hessens mit England ab- 
geschlossen wurde, befand sich diese Macht schon seit ge- 
raumer Zeit wegen kolonialer Streitigkeiten im Seekrieg mit 
Spanien ; Frankreich schickte sich an, dem durch den bour- 
bonischen Familientraktat von 1733 enge mit ihm ver- 
bündeten Madrider Hof gegen England zu Hilfe zu kommen, 
der Kampf der Germanen und Romanen um die Herrschaft 
jenseits des Meeres nahm seinen Anfang. Da starb im 
Oktober 1740 Kaiser Karl VI., der letzte Habsburger; und 
nun stand auch das festländische Europa am Vorabend eines 



least justifiable acts of bis (Walpoles) whole administration ; vgl. Qrün- 
hagen, Geschichte des 1. schlesi sehen Krieges I, 33. 

*) Asseburgs 2. Memoire an das französische Ministerium vom 
14. Mai 1740. 

*) Diemar aus London an Wilhelm 24. Februar 1741. Die fran- 
zösische Regierung hatte den Eindruck, dass Asseburg n'avait d'autre 
objet quo de faire comprondre que, si Pinteret de la Suede etait de se 
tonir unie ä la France, il etait au contraire de Tinteret du landgraviat 
de Hesse-Cassel de ne point se soparer du roi de la Grande-Bretagne 
commo clecteur de Hanovre (recueil des instructions II [Suede], S. 360. 



21 

grossen Krieges um die Lande der österreichischen Monarchie. 
Als erster unter den Feinden der habsburgischen Erbtochter 
erhob sich der junge König von Preussen, Friedrich IL ; im 
Dezember 1740 rückte er in Schlesien ein. Prinz Wilhelm, 
der erkannte, dass schwere kriegerische Verwicklungen bevor- 
ständen, hätte, um für alle Fälle gerüstet zu sein, gerne die 
4 Infanterie- und 2 Dragonerregimenter in Stand gesetzt, 
die Hessen ausser den 6000 Mann, die an England vergeben 
waren, übrig blieben *) ; doch musste dies wegen Geldmangels 
vorerst unterbleiben. Sowohl Osterreich als Preussen be- 
mühten sich um die Bundesgenossenschaft Hessens. Im 
Januar 1741 ersuchte der Wiener Hof um Zusendung der 
im österreichisch-hessischen Vertrag von 1733 festgesetzten 
Bundeshilfe von 3200 Mann^); der Statthalter riet seinem 
Bruder unbedingt davon ab, Maria Theresia zu unterstützen, 
vollends gegen das protestantische, seit Alters mit dem 
Kasseler Hof befreundete Preussen ^). Der Wiener Hof hatte 
den Prinzen neuerdings wieder dadurch gekränkt, dass der 
hessische Gesandte von Cranz nicht wie die übrigen eine 
Deklaration über die österreichisch -bayerischen Erbfolge- 
streitigkeiten erhielt*), während Friedrich IL von Preussen, 
dem sein Vater noch kurz vor seinem Tode ein gutes Ein- 
vernehmen mit dem Kasseler Hof angeraten hatte ^), gleich 
im Anfang seiner Regierung für des Statthalters Interessen 
eingetreten war. Als nämlich im Sommer 1740 der Kurfürst 
von Mainz den hanau - münzenbergschen Ort Rumpenheim, 
für den er die Hoheit in Anspruch nahm, besetzen Hess, 
schickte Friedrich IL, an den sich Wilhelm, wie auch an 
Hannover, um Beistand gewandt hatte, sofort ein energisches 
Abmahnungsschreiben nach Mainz und trat auch am kaiser- 
lichen Hof, der dem Kurfürsten günstig gesinnt war, für den 



>) Wilhelm an Friedrich 29. Dezember 1740. 

a Maria Theresia 18. Januar, Graf Colloredo 20. Januar an Wilhelm ; 
ieresia an Friedrich prs. 3. Februar 1741; vgl. S. 6. 
») Wilhelm an Friedrich 30. Jan. 1741. 

*) Bericht Alts 17. Januar, Wilhelm an Alt 9. Februar 1741; der 
Hofkanzler Graf Sinzendorf sagte nachher, Cranz sei nur vergessen worden. 
^) Ranke XXVIII, 299. 



22 

Prinzen ein ^), was ihm dieser sehr hoch anrechnete ^). Unter 
diesen Umständen war es natürlich, dass der Statthalter, 
dem sein Bruder die Antwort auf das österreichische Gesuch 
vollständig überlassen hatte ^), dem Reichsvizekanzler Graf 
Colloredo, der im März in Kassel erschien, die Erklärung 
abgab, Hessen werde die 3200 Mann nicht senden, da der 
Vertrag von 1733 von österreichischer Seite in keiner Weise 
erfüllt worden sei und ausserdem die wenigen Truppen, die 
nach dem englischen Vertrag noch übrig blieben, zum Schutz 
des Landes unentbehrlich seien ^). Ein anti-österreichischer 
Schritt war es auch, dass sich Hessen und Hanau von dem 
dem Wiener Hof ergebenen oberrheinischen Kreis trennten ^). 
Noch vor dem Eintreffen Graf Colloredos war der preus- 
sische Legationsrat von Korff als Gesandter in Kassel er- 
schienen, um auf Erneuerung der 1688 geschlossenen, 
1714 erneuten Allianz®) seines Hofs mit Hessen anzutragen; 
zugleich sollte er sondieren, ob sein König vielleicht einige 
hessische Regimenter in seinen Sold bekommen könnte und 
zu welchen Bedingungen ''). Der Statthalter riet seinem 
Bruder, die Sache hinauszuziehen, da man nicht wissen 
könne, wie der Krieg um Schlesien verlaufe^). Im Mai 
erhielt Korff die mündliche Antwort, man sei hessischerseits 
zur Erneuerung des Bündnisses bereit, doch müsse mit 
Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse Verschiedenes 
modifiziert werden und man bitte daher um einen Entwurf 
von preussischer Seite ®). Wilhelm fürchtete nämlich , bei 
der einfachen Erneuerung des Bundes sich am Krieg um 



*) Wilhelm an Friedrich 13. und 16. Juni 1741 ; Politische Korres- 
pondenz Friedrichs d. Gr. I, 9 — 10; Koser, Preussische Staatsschnften I, 
1 f. ; Droysm V. 1, 71—73. 

«) Wilhelm au Friedrich IL 21. Dezember 1740. 

^) Friedrich an den österreichischen Residenten in Stockholm 
4. Februar 1741; 

*) Wilhelm au Friedrich 23. März 1741. 

6) Wilhelm an Friedrich 23. Februar 1741. 

^) Gedruckt bei von Moerner, Kurbrandenburgs Staatsvorträgo von 
1601 bis 1701, S. 501-503. 

7) Pol. Korresp. I, 189—190. 

8) Wilhelm an Friedrich 23. Februar 1741. 
ö) Antwort an Korff 6. Mai 1741. 



23 

« 

Schlesien beteiligen zu müssen ; auf Änderungen wollte man 
sich aber preussischerseits nicht einlassen^) und Ende Juni 
wurde Korff von Kassel abberufen. 

Bei dem Soldverhältnis Hessens zu England, der Nach- 
barschaft zu Hannover und den verwandtschaftlichen Be- 
ziehungen der Herrscherhäuser war für den Kasseler Hof 
das Verhalten König Georgs H. im Krieg zwischen Osterreich 
und Preussen von grosser Bedeutung; König Friedrich sprach 
es auch dem Statthalter gegenüber aus, die hessische Politik 
müsse sich nach der hannoverschen richten^). Ende Januar 
liess Harrington nach Kassel melden, die 6000 Hessen sollten 
sich in 2 Monaten marschfertig halten^). Wilhelm beauf- 
tragte Alt zu sondieren, für welchen Zweck die Truppen 
bestimmt seien *). Er wusste nichts von den Plänen Georgs H., 
der, voll Eifersucht auf das emporsteigende Preussen, damals 
an einem „guten Conzert" zwischen England, Hannover, 
Osterreich, Sachsen, Holland und Kussland arbeitete, um 
seinem Neffen von Preussen „die Flügel zu beschneiden" ^) ; 
es war in London schon davon die Rede, in Hannover eine 
englisch-hannoversche Armee, mit der sich die dänischen 
und hessischen Söldner vereinigen sollten, gegen Preussen 
aufzustellen ^). Aber das gute Konzert oder, wie es Friedrich 
von Preussen nannte, das „ehrlose Komplott" König Georgs 
kam nicht zustande ; er selbst trat im entscheidenden Moment 
zurück, weil Frankreich Miene machte, den Kurfürsten von 
Bayern bei der Geltendmachung seiner Ansprüche auf die 
habsburgischen Lande gegen den Wiener Hof zu unterstützen^). 
Aber wenn Georg auch seine Eroberungspläne gegen Preussen 
aufgab, so hielt er es doch im Interesse des europäischen 
Gleichgewichts für geboten, dem bedrängten Wiener Hof die 

») Wilhelm an Friedrich 8. Juni 1741. 

«) Friedrich an Wilhelm 7. Februar 1741. 

*) Bericht Alts an Wilhelm 24. Januar 1741 ; vom 25. März an 
wurden die Truppen von England besoldet. 

*) Wilhelm an Alt 16. Februar 1741. 

*) Koser ^ König Friedrich der Grosse I, 88 f. 

ö) Bericht Alts 18. April 1741. 

') Koser I, 101; Oriinhagen, Geschichte des ersten schlesischen 
Kriegs I, 317. 



24 

vertragsmässige Hilfe zu schicken. Am 19. April erklärte er 
in seiner Thronrede, er gedenke seinen Verpflichtungen für 
die pragmatische Sanktion nachzukommen und habe deshalb 
in Kopenhagen und Kassel Ordre gegeben, die in englischem 
Sold stehenden Truppen marschbereit zu halten. Das Parla- 
ment bewilligte hierauf 300000 Pfd. St. zur Unterstützung 
der Königin von Ungarn und zugleich die Gelder für 6000 
Hessen ^), wodurch der Statthalter instandgesetzt wurde, die 
Präsenzziffer der übrigbleibenden Regimenter zu erhöhen ^). 
Wilhelm war mit der Unterstützung des Wiener Hofes durch 
England durchaus nicht einverstanden, sondern hielt es für 
die Aufgabe der englischen Politik, zwischen Österreich und 
Preussen zu vermitteln, wobei er am liebsten selbst mit- 
gewirkt hätte ^) ; durch „rigoureuse declarationes" der See- 
mächte aber, meinte er, werde Maria Theresia einem Vergleich 
noch abgeneigter, der König von Preussen aber B^rankreich 
und Bayern in die Arme getrieben werden*). Nachdem 
Georgs H. Neigung zu Osterreich durch seine Thronrede 
allgemein bekannt geworden war, lag für den Kasseler Hof 
die Befürchtung nahe, die 6000 Mann könnten gegen Preussen 
verwendet werden, zumal da eine preussische Armee unter 
dem Fürst von Anhalt schon seit April bei Magdeburg stand, 
Sachsen und Hannover gleichermassen bedrohend^). Der 
Statthalter erhielt ein Schreiben von seinem Bruder, die 
Hessen dürften keinenfalls gegen Preussen kämpfen ®) ; er 
selbst schrieb an Alt, dies gienge gegen die preussisch- 
hessische Erbverbrüderung und zöge die verderblichsten 
Folgen für den Kasseler Hof nach sich; England könne 
diesem nicht zumuten, seine Truppen für ein katholisches 
Haus gegen ein protestantisches fechten zu lassen; ob die 
Hessen nicht in Italien oder Brabant verwendet werden 



») Bericht Alts vom 25. April 1741. 
«) Friedrich an Wilhelm 16. Mai 1741, vergl. S. 21. 
«) Wilhelm an Alt 3. April 1741. 

*) Wilhelm an Alt 1. Mai 1741; wirklich schloss Friedrich IL 
einen Monat darauf das Breslauer Bündnis mit Frankreich ab. 
^) Pol. Korresp. I, 217. 
6) Friedrich an Wilhelm 28. April 1741. 



25 

könnten ? *). Im Vertrag freilich war nur der Dienst gegen 
die Staaten des Königs von Schweden ausgenommen. Wilhelm 
schickte, als der . König von England im Sommer nach 
Hannover kam, den Oberstlieutenant von Miltitz dorthin, um 
Georg, wie alljährlich, bei seiner Ankunft auf dem Festland 
zu begrüssen und zugleich wegen des Kämpfens gegen Preussen 
Vorstellungen zu machen. Miltitz erklärte Lord Harrington, 
man hoffe in Kassel bestimmt, dass der König dies nicht 
verlangen werde ; „übrigens aber würden allenfalls die ge- 
nommenen engagements ohne einige Massgebung erfüllet 
werden" 2). Bald darauf kam der Statthalter selbst nach 
Hannover; er erlangte zwar keine bestimmten Zusagen, doch 
verfehlten seine Vorstellungen ihren Eindruck auf König 
Georg nicht ^), zumal da der dänische Hof ebenfalls Schwierig- 
keiten machte und auch der sächsische, auf dessen Mit- 
wirkung der König gerechnet hatte, sich als unzuverlässig 
erwies^). Unter diesen Umständen unterbUeb trotz des 
Drängens des Wiener Hofs ein militärisches Vorgehen Georgs 
gegen Friedrich H. ^). Die Abneigung des Kasseler Hofes, 
seine Truppen gegen Preussen verwenden zu lassen, blieb 
übrigens nicht verborgen ; in London sprach man schon 
im Mai davon ®) ; auch in Berlin war man darüber unterrichtet; 
Wilhelm selbst hatte Korff vertraulich zu verstehen gegeben, 
er werde eine Beteiligung der Hessen am Kampf gegen 
Preussen, wenn irgend möglich, zu verhindern suchen '), und 
es geschah wohl zur Bestärkung des Statthalters in seiner 
preussenfreundlichen Gesinnung, wenn der Gesandte Fried- 
richs n. in Hannover, von Plotho, im Auftrag seines Königs 
Alt gegenüber wieder auf das preussisch-hessische Bündnis 
zu sprechen kam^). 

») WUhelm an Alt 8. Mai 1741. 

«) Instruktion für Miltitz 31. Mai; Bericht Miltitz' 6. Juni 1741. 
') Wilhelm an Friedrich 3. Juli 1741 : j'ai liou de croire que mos 
representations ont eu leur effet. 

*) Bericht Alts aus Hannover 24. Juli 1741. 

^) Oriinhagen I, 410 f. 

®) Bericht Alts aus London 19. Mai 1741. 

') Wilhelm an Alt 14. August 1741. 

®) Bericht Alts aus Hannover 24. Juli 1741. 



26 

Indessen hatte sich die französische Kegierung zur 
Unterstützung des Kurfürsten von Bayern entschlossen ; nach- 
dem sich die Bayern schon Ende Juli Passaus bemächtigt 
hatten, überschritt im August eine französische Armee die 
deutsche Grenze, um mit ihnen vereint in Osterreich ein- 
zudringen ; eine zweite Armee führte . Marschall Maillebois 
vom Niederrhein her gegen Hannover, worauf König Georg 
den Prinzen Wilhelm aufforderte, die 6000 Mann sofort zum 
Schutz seines Stammlands aufbrechen zu lassen^); am 19. 
und 20. September überschritten sie die hannoversche Grenze, 
geführt von Landgraf Karls jüngstem Sohn Prinz Georg, der 
eine Zeit lang im preussischen Heer gedient und im polnischen 
Erbfolgekrieg das hessische Kontingent befehligt hatte ^). 
Die 6000 Hessen bezogen ein Lager bei Grohnde an der 
Weser unterhalb von Hameln, in der Nähe eines hannoverschen 
Korps, während ein zweites Korps Hannoveraner, zu dem 
von Verden aus 6000 Dänen stossen sollten, bei Nienburg 
stand ^). Aber es kam zu keinem Zusammenstoss mit den 
Franzosen; König Georg, der sein Stammland im Westen 
von Maillebois, im Osten vom Fürst von Anhalt bedroht 
sah, hatte schon im August seinen Geheimerat von Hardenberg 
nach Paris gesandt, um über Neutralität Hannovers zu ver- 
handeln, und sich zugleich um die Fürsprache seines 
preussischen Neffen bemüht^), wobei ihn Prinz Wilhelm 
durch ein Schreiben an Friedrich H. zu unterstützen suchte % 
Die Neutralität wurde gewährt, doch musste sich Georg ver- 
pflichten, bei der Kaiserwahl seine kurfürstliche Stimme 
Karl Albert von Bayern zu geben, Maria Theresia nicht mehr 
zu unterstützen und seine Hilfstruppen zu entlassen ^). Ende 
Oktober brachen die Hessen wieder in ihre Heimat auf. Der 

9 

Statthalter erhielt von König Georg für den Fall eines An- 



>) Wilhelm an Friedrich 12. September 1741. 
*) Teuthoriif Geschichte der Hessen X, 813; v. EommeU Geschichte 
von Ilcssen, X, 54—60. 

^) Prinz Georg aus Grohnde an Friedrich 8. Oktober 1741. 

*) Koser I, 137 ; Pol. Korrosp. J, 350. 

^) Pol. Korresp. I, 374. 

^) Qrünhagen I, 460; Pol. Korresp. 1, 413. 



27 

griffs der Mailleboisscben Armee auf Hessen das Versprechen 
sofortiger Hilfeleistung *) ; doch gab ihm der französische 
Gesandte am englischen Hof, Bussy, die Versicherung, der 
Kasseler Hof habe bei den engen Beziehungen Frankreichs 
zu Schweden nichts zu befürchten ^). Der Prinz war, wie 
auch König Friedrich, der beim Herannahen der Franzosen 
bereits an ein Separatabkommen für Hessen gedacht hatte ^), 
sehr damit einverstanden, dass die Sache so friedlich ab- 
gelaufen war. Wilhelm glaubte, dass Georg H. nun auch 
als König von England seine Politik von der des Wiener 
Hofes trennen und sich dem Kurfürsten von Bayern, dem die 
Kaiserkrone jetzt sicher war, sowie dem König von Preussen 
aufrichtig nähern werde ^). Diese irrige Voraussetzung des 
Statthalters hatte für die hessische Politik der nächsten Zeit 
schwerwiegende Folgen. 

Indessen hatte seit dem Tod Karls VI. die deutschen 
Höfe die Frage beschäftigt, wer den so lange von dem habs- 
burgischen Haus besetzten Kaiserthron nun einnehmen solle. 
Dass die Kurfürsten allein zur Kaiserwahl berechtigt waren, 
wurde von den fürstlichen Häusern, welche jenen zum Teil 
an Macht nicht nachstanden, bitter empfunden; daher fand 
ein Vorschlag der fränkischen Markgrafen, die altfürstlichen 
Häuser sollten zur Geltendmachung ihrer Rechte eine Einung 
schliessen ^), beim Kasseler Hof und den meisten anderen 
Beifall und im April 1741 trat eine Gesandtenkonferenz zu 
diesem Zweck in Offenbach zusammen ®). Die Kurfürsten 
standen diesem Vorgehen natürlicherweise mit Misstrauen 



») Georg IL an Wilhelm 16. Oktober 1741. 

«) Wilhelm an Friedrich 17. Oktober 1741. 

3) Friedrich an Wilhelm 12. September 1741. 

*) W^ilhelm an Friedrich 10. Oktober 1741. 

^) Wilhelm an Friedrich 19. Januar 1741. Schon vor dos Kaisers 
Tod war dem hessischen Reichstagsgesandten von Wülckonitz von dem 
dänischen, von Bernstorff, eine „nähere Zusammensetzung der potenten 
fürstlichen Häuser*' vorgeschlagen worden zum Schutz der evangelischen 
Religion, zur Aufrechterhaltung der Fürstenrechto gegenüber den Kur- 
fürsten und um bei einer Kaiserwahl gemeinsame Beschlüsse fassen zu 
können (Bericht Wülckenitz' aus Regensburg 7. Üärz 1740). 

^) Hessen war durch Herrn v. Heringen vertreten (r. Loen^ kleine 
Schriften II, 145). 



28 

gegenüber und Friedrich von Preussen liess durch Korff den 
Prinzen Wilhelm, den er für den Anstifter der ganzen Sache 
hielt, „vor gewissen Deliberations-Punkta von gar zu weiter 
Ausschau freundvetterlich abmahnen", da es sonst zu 
Kollisionen zwischen Fürsten und Kurfürsten kommen könnte *). 
Übrigens wurde in Offenbach und Frankfurt, wohin der 
Kongress nachher übersiedelte, keine dauernde Einung ge- 
schaffen ; doch setzte der Kongress 45 Postulate auf, die 
dann dem Kurerzkanzler überreicht und in der Wahlkapitulation 
zum Teil berücksichtigt wurden^). Indessen hatte an den 
kurfürstlichen Höfen bezüglich der Kaiserwahl der bayerisch- 
französische Einfluss lange mit dem österreichischen gerungen; 
während Graf Colloredo für den Gemahl Maria Theresias, 
Franz von Toskana, warb, war der gewandte Marschall 
Belleisle für die Kanditatur Karl Alberts von Bayern thätig^) ; 
Frankreichs Einfluss und Geld, verbunden mit seinem kriege- 
rischen Vorgehen, errangen den Sieg; als auch Georg IL 
dem bayerischen Kurfürsten seine Stimme zusagen musste, 
stand dessen Wahl nichts mehr im Wege. 

Prinz Wilhelm kam Karl Albert mit warmem Herzen 
entgegen ; bei seiner feindseligen Gesinnung gegen das Haus 
Habsburg musste er die Wahl eines Kaisers aus anderem 
Haus mit Freuden begrüssen, und einer sächsischen Kandidatur, 
von der einmal die Rede war, zog er die bayerische ent- 
schieden vor*); denn Hessen stand zu Bayern in freund- 
schaftlichen Beziehungen ; in den Streitigkeiten um die 
Hanauer Erbschaft hatte der Kurfürst zu Wilhelm gehalten^) 
und in den Jahren 1738 — 40 war — allerdings ohne Resultat — 



*) Korff an einen der hessischen Gehoimräte 17. März 1741 ; 
Wilhelm liess antworten, der Kongress, den er übrigens nicht angeregt 
habe, lasse sich jetzt nicht mehr rückgängig machen. 

^) Ä. Dove^ das Zeitalter Friedrichs d. Gr. und Josephs II. I, 120 ; 
Th, Eetgel, der österreichische Erbfolgestreit und die Kaiserwahl Karls VII., 
S. 91 und S. 231. 

8) Heigd, S. 97 f. und S. 118 f. 

*) Wilhelm an Friedrich, 14. August 1741. 

5) Wilhelm an Friedrich 10. Oktober 1741. 



29 

über ein Bündnis zwischen beiden Staaten verhandelt worden '). 
Das einzige, was Prinz Wilhelm an dem Kurfürsten nicht 
gefiel, war seine Abhängigkeit von Frankreich, aber er dachte 
wohl, wenn Karl Albert einmal Kaiser und Herr der öster- 
reichischen Lande sei, werde er sich von dem französischen 
Einfluss losmachen. Ein gutes Verhältnis zum künftigen 
Reichsoberhaupt hielt der Statthalter um so mehr für er- 
strebenswert, als Hessen dies unter den österreichischen 
Kaisern oft schmerzlich entbehrt hatte, und jetzt, wo durch 
den bevorstehenden Zusammenbruch der habsburgischen 
Monarchie die Gestalt des Reichs sich von Grund aus zu 
ändern schien, konnte es da nicht auch sonst zu Umwälzungen 
kommen, wobei es für die Freunde des Kaisers etwas zu 
gewinnen gab ? Solche Erwägungen waren es, die in Wilhelm 
den Gedanken an einen Bund mit Karl Albert aufsteigen 
liessen, und zwar war es besonders Ein Ziel, das ihm hierbei 
vor Augen schwebte : die Kurwürde ; wenn Böhmen an Bayern 
fiel, war eine Kur erledigt und diese gedachte der Prinz als 
Preis für die Unterstützung des künftigen Kaisers seinem 
Haus zu erringen. 

Die Politik des Statthalters wurde in der nächsten Zeit 
ganz von dem Streben nach der Kurwürde bestimmt. Zwar 
schrieb er seinem Bruder, Preussen und Frankreich hätten 
diesen Gedanken bei ihm angeregt^); in Wahrheit aber war er 
es, der bei diesen Mächten über ihre Einwilligung sondieren 
liess^); natürlich beteuerten ihm beide Höfe im Hinblick auf 
die für ihren bayerischen Verbündeten zu gewinnende Bundes- 
genossenschaft Hessens ihre Freundschaft*), auf bestimmte 

*) Der Vorschlag gieng von bayerischer Seite aus, die Reichstags- 
gesandten von Wülckenitz und von Praidlohn führten in Regensburg die 
Verhandlungen; als das Bündnis schon dem Abschluss nahe schien, zog 
sich Bayern zurück, wie der Statthalter meinte, wegen des hessisch- 
englischen Bündnisses (Instruktion für Generalmajor von Donop 
20. November 1741). 

») Wilhelm an Friedrich 19. Dezember 1741. 

8) Graf Podewils 20. Januar 1742 an Friedrich IT. : ou brigue 
SGcretement la dignite electoralo ä Cassel — on a sende dejä de long 
le terrain, si Ton osait bien s* adresser ä Votre Majeste pour obtenir son 
assistance (Pol. Korr. II, 26). 

*) Miltitz aus Hanau an den hessischen Rat Gehebe in Stockholm 
2. Dezember 1741. 



30 

Zusagen Hessen sie sich jedoch nicht ein. An Bayern selbst 
fand die erste Annäherung des Kasseler Hofes dadurch statt, 
dass Ende November der Generalmajor von Donop ^) zu Karl 
Albert gesandt wurde, um ihm im Namen König Friedrichs 
und des Statthalters zu seiner bevorstehenden Wahl zum 
Kaiser Glück zu wünschen. Donop bekam die Instruktion, 
von sich aus weder von dem früher projektierten Bündnis 
mit Bayern, noch von der Kurwürde zu sprechen, wenn man 
aber bayerischerseits davon anfange, darauf einzugehen und 
zu erklären, der Kasseler Hof werde einem Bund mit Bayern 
nicht abgeneigt sein^). Donop wurde in München zuvor- 
kommend empfangen ^) und begab sich von dort zu Karl 
Albert nach Prag, das eben den Österreichern entrissen 
worden war. Indessen waren in Kassel fast zu gleicher Zeit 
von englischer und von bayerischer Seite Subsidienanträge 
eingelaufen : am 1. Dezember berichtete Alt aus London, der 
König von England wünsche die in seinem Sold stehenden 
6000 Hessen auf 10000 zu erhöhen*), und am 6. Dezember 
schrieb Karl Albert an Prinz Wilhelm, er möchte ihm 2 In- 
fanterieregimenter und 1000 Reiter in Sold geben ^). Wäre 
es dem Prinzen nur um das Geld zu thun gewesen, so hätte 
er jedenfalls mit England abgeschlossen, das gute Bedingungen 



*) August Moriz von Donop, Erbherr zu SchÖttmar im Lippeschen, 
geboren 5. Juli 1696, trat zuerst in dänische, dann in hessische Dienste 
und wurde Oberhofmeister beim Erbprinzen Friedrich, dorn er bei seinem 
mehrjährigen Aufenthalt in Genf beigegeben war. Als im Mai 1740 
Prinzessin Maria von England dem Prinzen durch Procuration angetraut 
ward, wurde Donop vom Statthalter zu dieser Feierlichkeit nach England 
gesandt; bald darauf wurde er Generalmajor und war dann 4 Jahre lang 
Gesandter bei Karl VII. und dessen Sohn Max Joseph ; in dieser Stellung, 
die bei den nahen Beziehungen des Prinzen Wilhelm zu Karl VII. sehr 
wichtig war, schloss Donop mehrere Verträge ab. 1748 wurde er geheimer 
Staatsminister und Präsident des Kriegskollegiums; vergeblich wurde 
1756 von französischer Seite versucht, ihn durch Bestechung dahin zu 
bringen, dass er für Neutralität Hessens wirke; 1761 starb er in Rinteln 
Strieder^ hessische Militärgeschichte S. 345; Hof mann ^ hessischer Kriegs- 
staat II, 932—933 und 527; Denkwürdigkeiten Asseburgs S. 33; Ersch 
und Orubers Allgemeine Encyklopädie XXVII, 166). 

2) Instruktion für Donop 20. November 1741. 

8) Bericht Donops aus München 2. Dezember 1741. 
Bericht Alts 1. Dezember 1741. 
Karl Albert aus Prag an Wilhelm 6. Dezember 1741. 



? 



31 

gab und prompt zahlte ; aber politischen Vorteil konnte Hessen 
viel eher durch den künftigen Kaiser erlangen, der bei seinen 
Unternehmungen gegen den Wiener Hof so sehr vom Glück 
begünstigt schien. Schon war der Statthalter dem Gedanken 
an ein bayerisches Bündnis so nahe getreten, dass er seinem 
Bruder entschieden abriet, auf den englischen Antrag einzu- 
gehen, während er früher, als englischerseits von einer 
eventuellen Vermehrung ^) der hessischen Soldtruppen ge- 
sprochen wurde, sehr dafür gewesen war ^) ; er schrieb nach 
Stockholm, durch einen neuen Vertrag mit England werde 
man bei Preussen und Bayern, die beide Hessen günstig 
gesinnt seien, Anstoss erregen und Frankreich reizen, während 
durch die Freundschaft dieser Mächte manche Vorteile und 
vielleicht die Kurwürde zu erlangen sei ^). Von dem bayerischen 
Antrag erwähnte er noch nichts : er wollte vorher erfahren, 
was Bayern biete und verlange*); deshalb wies er Donop 
jetzt an, die Kurwürde aufs Tapet zu bringen und über die 
etwaigen Bedingungen zu sondieren^). Als Donop, der in 
Prag sehr freundlich aufgenommen war, die Rede auf die 
Kurwürde brachte, erklärte Karl Albert, er selbst werde gerne 
das Seinige dazu beitragen, aber man müsse, da eine neue 
protestantische Kur bei den Katholiken Missfallen erregen 
werde, zugleich auch eine katholische schaffen ^). 

Wilhelm hielt sich, um der Wahlstadt Frankfurt nahe 
zu sein, in Hanau auf und verkehrte viel mit den in Frank- 
furt befindlichen Anhängern der bayerisch-französischen Partei; 



*) Eine solche fürchtete man auch in Versailles (rocuoil des 
Instructions II [Suedo], S. 361). 

2) Wilhelm an Friedrich 9. Februai' 1741. 

^) Wilhelm an Friedrich 19. Dezember 1741. 

*) Man fürchtete anfangs in Kassel, Karl Albert werde Trennung 
Hessens von England verlangen (renoncer aux engageraents anterieurs) 
(Miltitz an Gehebo 2. Dezember 1741). 

^) Wilhelm an Donop 14. Dezember 1741. 

6) Bericht Donops aus Prag 8. Januar 1742. Nach Eanke XXIX, 34 
war einmal davon dio Rede, neben Hessen das Erzherzogtum Österreich 
unter Franz von Toskana zum Kurfürstentum zu machen; doch bezieht 
sich dies auf eine spätere Zeit; jetzt gedachte ja Karl Albort Österreich 
selbst zu bekommen. Eine hessische Kur schlägt auch das von Dove 
(I, 192, Anm. 1) erwähnte Pazifikationsprojokt eines Regensburgers von 
1743 vor. 



32 

er empfieng in Hanau den Besuch des Marschalls Belleisle^ 
als dieser von Böhmen zurückkehrte, und sprach mit ihm 
über Karl Alberts Bitte um hessische Truppen, doch ärgerte 
sich der Prinz über das hochfahrende Wesen des Franzosen^). 
Der Kurfürst von Köln, Karl Alberts Bruder, war längere 
Zeit in Hanau zu Besuch bei Wilhelm ^). Bestärkt wurde 
der Prinz in seiner Hinneigung zu Bayern durch seinen 
Bruder, König Friedrich , der sich mit der Ablehnung des 
englischen Antrags „sowohl vom schwedischen als vom 
hessischen Standpunkt" einverstanden erklärte und einem 
Bund mit Bayern und dadurch mit Frankreich sehr geneigt 
war^). Die französische Diplomatie, die, wie Donop erfuhr, 
auch bei dem bayerischem Subsidienantrag die Hand mit im 
Spiel gehabt hatte ^), versäumte nicht, den König durch 
allerhand Versprechungen in dieser Gesinnung zu bestärken. 
Schon hoflTte er nicht nur die Kurwürde, sondern auch Ge- 
bietserweiterung für Hessen erlangen zu können^), auch der 
Statthalter Hess durch Donop bei Karl Albert hierüber 
sondieren®). Der Geheimerat in Kassel sah die Sache 
nüchterner an : er riet in einem Gutachten vom 24. Dezember 
entschieden ab von dem Bündnis mit Karl Albert; ein 
bayerischer Subsidienvertrag, war darin ausgeführt, sei dasselbe 
wie ein französischer; Frankreich müsse doch die Truppen 
bezahlen ; das Land aber sei schutzlos, wenn man noch mehr 
Truppen hergebe '). Wilhelm sah die Schattenseiten des 
bayerischen Bündnisses wohl ein ; besonders machte es ihm 
Sorge, wie sich Hessens Verhältnis zu England dabei ge- 
stalten werde ; er Hess daher durch Alt bei Harrington 
sondieren, wie sich die englische Regierung zu einem Sub- 

1) Wilhelm an Friedrich 6. Januar; an Harrington 7. Januar 1742: 
cette hauteur qui n'est permise qu'ä sa nation ; wahrscheinlich verhielt 
sich Bolleisle zurückhaltend den Ansprüchen Wilhelms gegenüber. 

2) Wilhelm an Donop 3. Januar 1742. 

8j Vergl. recueil des instructions VII, 361. 

*) Bericht Donops aus Prag 28. Dezember 1741. 

*) Friedrich an Wilhelm 29. Dezember 1741 und 5. Januar 1742; 
eine Gebietserweiterung hielt Friedrich für nötig „pour mieux soutenir 
la doponso*' (der Kurwürde). 

®) Wilhelm an Donop 3. Januar 1742. 

^) Gutachten des hessischen Geheimerats vom 24. Dezember 1741. 



33 

sidienvertrag des Kasseler Hofes mit Karl Albert, dem man 
als dem künftigen Kaiser seine Bitte um hessische Truppen 
nicht gern abschlage, stellen würde ^). Die Antwort Harringtons 
lautete nicht, wie man erwarten sollte, ernstlich abmahnend 
oder gar entrüstet, sondern er drückte Alt nur sein Erstaunen 
aus, dass der Statthalter auf zwei verschiedene Seiten 
hessische Truppen stellen wolle, und erklärte, König Georg 
hätte die Regimenter, die der Kasseler Hof noch zur Ver- 
fügung habe, zwar lieber selbst in Sold genommen, habe 
aber gegen einen hessisch-bayerischen Subsidienvertrag nichts 
einzuwenden^). Übrigens liess Georg H. als Kurfürst von 
Hannover damals durch den Geheimerat von Münchhausen 
selbst über einen Freundschaftsvertrag mit Karl Albert unter- 
handeln^) und da dachte der Statthalter, der hierüber sehr 
erfreut war, mit Recht, dann stehe es auch ihm frei, sich 
mit Bayern zu verbünden *). Den Ausschlag gab für Wilhelm 
eine Zusammenkunft, die er kurz vor der Kaiserwahl mit 
Karl Albert, der von Prag zurückgekehrt war, in Mannheim 
hatte ^) ; er erklärte ihm hier, er werde auf alles eingehen, was 
nicht gegen den englischen Vertrag Verstösse, worauf ihm 
Karl Albert die Versicherung gab, er suche selbst die Freund- 
schaft der Seemächte, und ihn bat, dies den König von 
England wissen zu lassen ; hinsichtlich der Kurwürde wieder- 
holte er, was er bereits Donop mitgeteilt hatte®). Wilhelm 
war sehr befriedigt von seinem Empfang ; am 24. Januar 
erfolgte die Kaiserwahl und die Festlichkeiten in Frankfurt 
übertäubten die für den neuen Kaiser so schlimmen Nach- 
richten von dem Vordringen der Österreicher in Bayern. 
Nachdem Wilhelm noch ein Schreiben von seinem Bruder 
erhalten hatte, worin sich dieser mit dem bayerischen Bündnis 



=! 



Wilhelm an Alt 23. Dezember 1741. 

Bericht Alts 12. Januar; Alt an Oberappelationsgerichtsrat GalkhofF 
9. Januar 1742. 

») Droysmy V, 1, 404, 416, 430 ; Pol. Korr. U, 85 ; Tagebuch 
Karls VII. (herausgegeben von Heigel) S. 47, 

*) Wilhelm an Friedrich 9. Februar 1742. 

») In Karls VII. Tagebuch S. 47 wird Wilhelms Besuch erwähnt. 
•) Wilhelm an Friedrich 24. Januar 1742 ; das England Betreffende 
berichtete Wilhelm am 30. Januar an Harrington. 

N. P. Bd. xxiii. 3 



34 

einverstanden erklärte, sobald Karl Albert Kaiser sei^), be- 
gannen in Frankfurt die Verhandlungen zwischen den hessischen 
Bevollmächtigten , Kammerpräsident von Wülckenitz und 
Komitialgesandten von Borck, mit den bayerischen, General- 
feldmarschallieutenant Graf Piosasque de Non und Vize- 
kanzler von Praidlohn; am 2. März kam der ünionsvertrag ^) 
zwischen Bayern und Hessen nebst der Truppenkonvention 
zum Abschluss. Ausser gegenseitiger Unterstützung auf dem 
Reichstag wurde festgesetzt, dass, wenn die Lande eines 
Kontrahenten angegriffen würden (doch nicht, wenn er den 
Krieg selbst angefangen hätte), Bayern Hessen mit 6000 und 
Hessen Bayern mit 3000 Mann, darunter Vs Kavallerie, zu 
unterstützen habe. Bemerkenswert ist, dass zu den Landen 
des Kaisers auch Böhmen und Oberösterreich gerechnet 
wurde „und was sonst noch von österreichischen Erblanden 
Seiner Römisch Kaiserlichen Majestät bei erfolgendem Friedens- 
schluss zugehen wird". Dazu kamen fünf Geheimartikel. 
Erstens versprach der Kaiser, beim Reich zu beantragen und 
durch seine Alliierten dafür wirken zu lassen, dass das 
hessische Haus die Kurwürde erhalte, doch unter Beibehaltung 
der bisherigen Religionsproportion im Kurfürstenkollegium. 
Zweitens verpflichtete er sich, die Belehnung der Fürsten 
und Grafen von Waldeck ruhen zu lassen bis zu einer 
gründlichen Untersuchung, ob diese, wie unter den letzten 
Regierungen, direkt durch den Kaiser oder durch das Haus 
Hessen zu geschehen habe. Drittens versprach der Kaiser, 
die Streitsache mit Darmstadt um das hanau'sche Amt Baben- 
hausen ^), das böhmisches Lehen war, noch einmal unter- 
suchen zu lassen und bei den sonstigen Erbstreitigkeiten 
beider Linien das Kasseler Haus gegen etwaige Übergriffe 
Darmstadts zu unterstützen. Viertens verpflichtete er sich, 
di(i Garantie der hessischen und hanau'schen Lande seitens 

') Friedrich an Wilhelm 16. Januar 1742. 

2) I)or Vertrag mit 4 (statt 5) Geheimartikeln erwähnt bei 
von Aretiny Verzeichnis der bayerischen Staatsverträge 1503—1819, S. 64. 

^) Babenhausen, Stadt im jetzigen hessen-darmstädt'schen Kreis 
Dieburg; der Streit wurde erst 1773 durch Teilung des Amtes beigelegt, 
die Stadt selbst fiel an die Kasseler Linie {Teutfiom, XI, 157). 



35 

seiner Alliierten, insbesondere Frankreichs, Preussens und 
Sachsens, auszuwirken. Fünftens wurde festgesetzt, dass das 
Bündnis des Kasseler Hofes mit England weiter bestehen 
und die in kaiserlichen Sold tretenden Hessen weder gegen 
ihre Landsleute, noch gegen englische oder hannover'sche 
Truppen kämpfen sollten ; dafür verpflichtete sich der Kasseler 
Hof, Sorge zu tragen, dass die in englischem Sold stehenden 
6000 Mann „nie direkte gegen den Kaiser und seine Länder" 
verwendet würden. Vermöge der Truppenkonvention traten 
3 hessische Infanterieregimenter zu 800 Mann und ein 
Dragoner regiment zu 640 Mann^) in die Dienste des Kaisers; 
der Infanterie sollten 6 Feldstücke mit Mannschaft und 
Zubehör beigegeben werden. Das hessische Korps sollte, 
wenn irgend möglich, nicht getrennt werden und stets unter 
dem Kommando seines Generals bleiben. Zur Mobilmachung 
hatte der Kaiser 90000 Gulden Rheinisch zu zahlen und 
von der Übernahme des Korps an monatlich 30000 Gulden; 
Brot, Fourage und Munition hatte die kaiserliche Kriegs- 
kommission zu liefern. Der Ersatz der Gefallenen und Ver- 
wundeten, von denen 3 wie 1 Gefallener zählten, war eben- 
falls Sache des Kaisers und zwar sollte für 1 Dragoner mit 
Pferd 150 Gulden, für 1 Pferd 112 Gulden 30 Kreuzer, für 
1 Dragoner oder Infanteristen 36 Gulden bezahlt werden. 
Der Ersatz der Deserteure dagegen und der an Krankheiten 
Gestorbenen, sowie alles Übrige, fiel der Kasseler Kriegskasse 
zur Last. 

Der Statthalter und der König waren beide sehr be- 
friedigt von dem Vertrag. Besonders erfreut war Wilhelm 
über die Zusage der Kurwürde, wenn er auch bedauerte, dass 
nicht zugleich eine Gebietserweiterung stipuliert worden war. 
Die Truppen konvention freilich war pekuniär lange nicht so 
günstig, wie die mit England 2); der Statthalter verglich sie 
mit dem im Jahr 1733 mit Karl VI. geschlossenen Vertrag 



') Die vier Kavallerieregimenter in englischem Dienst zählten nur 
je 31G Mann. 

') II s'en faut du tout que nous en tirions les memos sonimes. 

3* 



36 

and meinte^ man werde wohl noch daraufzahlen müssen^); 
doch, schrieb er seinem Bruder, werde Hessen hierfür entschädigt 
durch den sicheren Gewinn der Freundschaft des Kaisers; 
wie viel diese wert sei, hätten die Freunde der habsburgischen 
Kaiser oft erfahren, künftig werde nun das hessische Haus 
keine Ungerechtigkeiten mehr leiden müssen. England gegen- 
über glaubte Wilhelm durch den 5. Geheimartikel genug 
gethan zu haben ^) ; in Wahrheit aber verletzte er den eng- 
lischen Vertrag, wenn er dem Kaiser eigenmächtig die Zusage 
gab, die 6000 Mann im englischen Sold sollten nicht gegen 
ihn verwendet werden ; wenn England auf dem ihm zustehenden 
Verfügungsrecht über diese Truppen bestand, so konnte es 
die grössten Schwierigkeiten geben. Oberhaupt war die 
hessische Politik durch den Frankfurter Vertrag auf eine ge- 
fahrliche Bahn geraten. Die lockende Aussicht auf den Kur- 
hut Hess Wilhelm übersehen, wie abenteuerlich ein gleich- 
zeitiges Bündnis mit England und dem Kaiser war. An sich 
war ja das Streben nach der Kurwürde gewiss berechtigt: 
das hessische Haus hätte durch sie ohne Zweifel höheres 
Ansehen im Reich und vielleicht auch sonstige politische 
Vorteile erlangt^). Aber Wilhelm musste doch bedenken, in 
welche Lage Hessen kommen konnte, wenn England, wie es 
König Georgs Thronrede vom Dezember in Aussicht stellte *), 
Maria Theresia noch weiter unterstützte. War auch durch 
den 5. Separatartikel ein direktes Kämpfen der beiden 
hessischen Korps gegen einander ausgeschlossen, so war es 
doch schlimm genug, wenn sie auf zwei entgegengesetzten 
Seiten standen. Zur Entschuldigung Wilhelms kann man an- 
führen, dass er die feste Erwartung hegte, Georg H. werde 
sich als Kurfürst von Hannover mit dem Kaiser verbünden 
und infolgedessen auch als König von England in ein freund- 



*) II nV aura aucon profit, 11 faudra que Votre Miyeste y motte 
encore en quelque fa9on du sien. 

») Wilhelm an Friedrich 5. März 1742. 

"J „Für die Kurfürsten giebt es immer Gelegenheit, Acquisitionen 
zu macnen'*, schrieb Miltitz an Gehebe am 2. Dezember 1741. 

*) H&igel, 8. 243. 



37 

liebes Verhältnis zu ihm treten ^) ; ein Bund des deutschen 
Kaisers mit den Seemächten war das politische Ideal des 
Prinzen und für die Wiederherstellung dieses „alten Systems", 
wie es ihm vom spanischen Erbfolgekrieg her vertraut war, 
suchte er stets bei England wie beim Kaiser zu wirken. Er 
bedachte hierbei nic];it, dass die mächtigen habsburgischen 
Kaiser begehrenswertere Bundesgenossen für die Seemächte 
gewesen waren als Karl VII. und dass das Bindemittel zwischen 
jenen der gemeinsame Gegensatz zu Frankreich gebildet hatte, 
während ein von den Franzosen abhängiger Kaiser wie Karl VII. 
England notwendigerweise unsympathisch sein musste. Dass 
es im englischen Interesse lag, den österreichischen Staat, 
das Hauptbollwerk gegen Frankreich, in seinem Machtumfang 
aufrecht zu erhalten, dafür fehlte es Wilhelm bei seiner Ab- 
neigung gegen das Haus Habsburg an Verständnis. Und er 
hätte dies um so eher einsehen sollen, als er selbst der 
entschiedenste Gegner Frankreichs war; des Kaisers Abhängig- 
keit von den Franzosen und ihre Einmischung in die deutschen 
Angelegenheiten waren ihm ein Greuel; ihr anmassendes 
Wesen empörte ihn, den stolzen deutschen Reichsfürsten, 
und er sprach seinem Bruder gegenüber die Befürchtung aus, 
wenn man nicht bei Zeiten Massregeln ergreife, werde noch 
ganz Deutschland unter das französische Joch kommen^). 
Bildete es zu dieser Gesinnung nicht den schreiendsten 
Widerspruch, wenn Wilhelm mit dem Kaiser, der die Franzosen 
ins Land gerufen hatte, ein Bündnis abschloss und einen 
Subsidienvertrag, zu dem, wie der Prinz wohl wusste, Frank- 
reich das Geld lieferte? Aber freilich, ohne die französische 
Zustimmung konnte der Statthalter auch nicht hoffen, dass 
der Kaiser seinem Haus die ersehnte Kurwürde verleihe; 
und so liess er sich durch seinen dynastischen Ehrgeiz zu 
einer höchst unnatürlichen Politik verleiten. 



^) Wilhelm an Friedrich 5. März, an Alt 11. April und nooh 
9. Juli 1742. 

') Am 5. März klagt Wilhelm seinem Bruder, dass der Kaiser 
„keinen Hofrat ernenne, ohne die Franzosen zu befragen'^, vergl. S. 5, 
Anm. 1. 



38 

Der bayerisch-hessische Vertrag wurde den Königen von 
England, Frankreich, Preussen und Polen, sowie den Kur- 
fürsten von der Pfalz und von Köln bekannt gegeben ^) ; auf 
Verlangen des preussischen Gesandten beim Kaiser, Kling- 
gräffen, bekam dessen Regierung, sowie die französische, 
auch die Geheimartikel mitgeteilt, ausgenommen den über 
das Verhältnis Hessens zu England^). Dort war indessen 
im Februar das Ministerium Walpole gefallen und an Stelle 
Harringtons war Lord Carteret Staatssekretär des Auswärtigen 
geworden. Die englische Politik, bisher vorsichtig und fried- 
liebend, nahm unter ihm einen ausgesprochen antifranzösischen, 
kriegerischen Charakter an ; mit aller Energie gedachte er 
die Königin von Ungarn gegen ihre Feinde zu unterstützen 
und den König von Preussen womöglich von diesen abzu- 
ziehen^). Unter solchen Umständen konnte natürlich auch 
von einem Freundschaftsvertrag Hannovers mit dem Kaiser 
nicht mehr die Rede sein ^). Der bayerisch-hessische Vertrag 
erregte in England ^) und in Holland ®) grosses Aufsehen, 
namentlich die Garantie Böhmens und Oberösterreichs; 
Carteret machte den vergeblichen Versuch, wenigstens die 
Ratifikation des Subsidientraktats zu verhindern '). Wilhelm 
war mit der dem Kaiser ungünstigen Wendung der englischen 
Politik sehr unzufrieden, dazu kamen die fortgesetzten 
militärischen Erfolge der Österreicher ; wenn er dies alles 
hätte voraussehen können, schrieb der Prinz an seinen 
Bruder, so hätte er den Vertrag mit dem Kaiser noch nicht 
abgeschlossen. Er fürchtete auch, es könnte im Parlament 
mit der Bewilligung der Gelder für die 6000 Mann Schwierig- 



1) Wilhelm an Donop 17. April 1742. 

2) Donop an Miltitz 13. April, Wilhelm an Donop 17. April 1742. 
*) Koser^ preussische Staatsschriften aus der Regierungszeit Fried- 
richs IL, I, 561-64. 

*) Wilhelm (an Alt 11. April 1742) und der Kaiser selbst (Tagebuch 
Karls VII., S. 53) glaubten, der Vertrag sei nur wegen des englischen 
Ministerwechsels nicht zustande gekommen. 

») Bericht Alts 16. März 1742. 

®) Wilhelm an Friedrich 1. Mai; Memoire Wilhelms für den 
hessischen Geschäftsträger Mann im Haag, 30. Juli 1742. 

7) Bericht Alts 27. März 1742. 



39 

keiten geben ^), doch wurde im Mai alles ohne Anstand be- 
willigt^); hatte doch England, wenn es, wie Carteret plante, 
auf dem Kontinent in den Krieg eingreifen wollte, die Hessen 
nötig, zumal da Dänemark nach Ablauf des englischen Ver- 
trags seine Truppen an Frankreich gegeben hatte ^). Der 
Anfang zu den von Carteret geplanten Unternehmungen wurde 
bereits gemacht: Ende Mai landeten die ersten englischen 
Truppen in Ostende*). 

Indessen war die im Vertrag mit dem Kaiser festgesetzte 
Zeit für den Abmarsch der 3000 Hessen nach Bayern ge- 
kommen, Wilhelm weigerte sich jedoch anfangs, sie marschieren 
zu lassen, da die vom Kaiser versprochenen Garantieen seiner 
Verbündeten für das hessische Gebiet noch nicht eingetroffen 
waren ^). Der Prinz fürchtete nämlich, dass, falls die 6000 
Hessen im englischen Sold zum Kampf gegen Frankreich 
bestimmt würden, die noch immer am Niederrhein stehende 
Armee des Marschalls Maillebois an Hessen Rache nehmen 
werde. Auf die inständigen Bitten des Kaisers jedoch, der 
die Versicherung gab, er werde, wenn es nötig sei, die 
3000 Mann nach Hessen zurückkehren lassen, entschloss sich 
Wilhelm schliesslich, sie abmarschieren zu lassen®); die 
Garantieen Preussens und Frankreichs liefen übrigens bald 
darauf ein. 

So brachen denn die 3000 Hessen ') unter Anführung 
des Generalmajors von Clement^) Ende Mai aus Hessen auf 
und vereinigten sich am 10. Juli mit der kaiserlichen Armee ^), 
die unter Graf Törring mit einem pfälzischen Hilfskorps bei 



») Wilhelm an Friedrich 27. März und 5. Mai 1742. 

«) Bericht Alts 25. Mai 1742. 

^ Droysen V, 1, 425. 

*) Mann aus dem Haag an Miltitz 29. Mai 1742. 

^) Wilhelm an Karl VII. 14. Mai 1742. 

ö) Karl VII. aus Frankfurt an Wilhelm 17. Mai 1742. 

^) Die Infanterie-Regimenter Waidenheim, Clement, Donop und 
das Loibdragoner-Regiment. 

®) Etienne de Clement, aus Anjou, trat aus hannoverischen in 
hessische Dienste und war seit 1736 General; er starb am 17. Juli 1744, 
67 jährig, in Mannheim (Strieder y hessische Militärgeschiohte S. 325, 
Bericht Donops aus Frankfurt 18. Juli 1744). 

») Bericht Clements aus Platling 10. Juli 1742. 



40 

Platling an der unteren Isar stand ; in der Nähe, bei Deggen- 
dorf an der Donau, befand sich ein französisches Korps, 
während die Österreicher unter Graf KhevenhüUer südlich 
von den Verbündeten bei Vilshofen standen. Die Hessen 
kamen zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf dem Kriegsschau- 
platz an: Preussen hatte eben in Breslau seinen Frieden 
gemacht, Sachsen wandte sich ebenfalls vom Kaiser ab, die 
Franzosen hatten in Böhmen Unglück und waren des Kriegs 
in Deutschland gründlich überdrüssig ^). Die kaiserliche Armee 
war, wie auch das bei ihr in Bayern stehende französische 
Korps, nur gering an Zahl ^) ; dazu war die Heeresleitung 
mangelhaft und die Generale stets uneinig; doch wurde der 
unfähige Törring bald durch den Marschall Graf Seckendorff, 
der aus österreichischen in bayerische Dienste getreten war, 
ersetzt. Die Verpflegung Hess viel zu wünschen übrig, stets 
fehlte es an Brot und Fourage. Dabei war das Verhältnis 
zwischen den deutschen und französischen Truppen äusserst 
schlecht, auch die Hessen, von denen übrigens 2 Kompagnieen 
bei der Ankunft in Bayern meuterten, gerieten sofort mit 
den Franzosen an einander^). Von Ende Juli bis Anfang 
September standen die hessischen Truppen, mit einer gleichen 
Anzahl Bayern und Pfälzer vereint, unter General Minucci 
bei Ganacker und Pilsting auf dem linken Isarufer, während 
das rechte Ufer von den Österreichern unter Menzel besetzt 
war*). Es kam zwar zu keinen grösseren Gefechten, aber 
die österreichischen Husaren Hessen die Kaiserlichen nie zu 
Ruhe kommen und das hessische Korps hatte viel durch 
Krankheiten zu leiden ^). Anfangs September verliess Secken- 
dorff mit der kaiserlichen Armee die Stellung an der Isar, 
wobei die Nachhut von Minuccis Korps, bei der sich auch 
das Dragoner-Regiment und 3 Kompagnieen von den Hessen 



1) Barike, XXIX, 25 ; v. Ametk, Maria Theresia II, 104 f. ; dtic 
de Broglie, Frederio 11 et Lonis XV, I, 241. 
^) Broglie I, 6. 

') Berichte Clements aus Neumarkt (an einen Geheimerat) 18. Juni, 
aus Platiing 10. Juli 1742. 

Bericht Donops aus Frankfurt 28. Juli 1742. 

Bericht Clements aus dem Lager bei Pilsting 29. August 1742. 



? 



41 

befanden, gleich nach dem Aufbruch von Pilsting von Menzel 
attakiert wurde*); als dann, durch das Erscheinen der 
Maillebois^schen Armee in Böhmen veranlasst, KhevenhüUer 
mit seiner Hauptmacht ebenfalls dorthin zog^ gelang es 
Seckendorff, mit den Bayern, Pfälzern und Hessen — Frank- 
reichs bayerische Armee war auch nach Böhmen abmarschiert — 
das von den Österreichern nur noch schwach besetzte Stamm- 
land des Kaisers fast ganz zurückzuerobern. Zwar machten 
die Österreicher, als sich Maillebois Ende Oktober aus Böhmen 
zurückzog, neue Yorstösse, attakierten Braunau und drangen 
auch aufs linke Innufer vor^), doch Hess es der Winter zu 
keinen grösseren Unternehmungen mehr kommen; Mitte 
Dezember bezogen die Kaiserlichen die Winterquartiere, worauf 
Wilhelm längst beim Kaiser gedrängt hatte ; die hessischen 
Regimenter, schwer leidend unter Krankheit und Kälte, wurden 
auf Salzburg^schem Gebiet, links von der Salzach und Saalach, 
untergebracht ^). 

Während so das eine hessische Korps in Bayern für 
den Kaiser focht, verwendete König Georg von England die 
in seinem Sold stehenden hessischen Truppen zu Gunsten 
Maria Theresias ; im August erhielten die 6000 Mann, sowie 
16000 Hannoveraner in englischem Sold, Ordre, nach den 
österreichischen Niederlanden zu marschieren*), wohin der 
König schon vorher 16000 Engländer hatte übersetzen lassen. 
Lord Stair, der den Oberbefehl über die englischen Truppen 
führte, trug sich mit den kühnsten Angriffsplänen gegen 
Frankreich, bemühte sich aber vergeblich, die Holländer zur 
Teilnahme an Englands kriegerischen Absichten zu gewinnen. 
Mitte September setzten sich die 6000 Hessen, wieder unter 



*) Bericht Clements vom 10. September, Donops vom 11. and 
15. September 1742 ; v. Hoffmann, das bayerische 4. Infanterie-Regiment 
1706-1806, S. 249. 

*) Bericht Clements aus Braunau 26. November, aus Alt-Ötting 
30. November 1742. 

■) Bericht Clements aus Laufen a./Salzach 21. Dezember 1742. 
Seckendorff schrieb an den Kaiser, es sei ein Glück, dass der Feind den 
Vorwand gegeben habe, die Hessen ins Salzburg'sche zu legen, in Bayern 
wäre keine Möglichkeit, sie zu ernähren (v, Hoffmanuy S. 260). 

*) Wilhelm an Friedrich 9. August 1742. 



42 

Prinz Georgs Kommando *), in Marsch nach den Niederlanden 
und kampierten dort zunächst bei Vilvorden in der Nähe 
von Brüssel^), ohne dass es noch zu einem kriegerischen 
Vorgehen gekommen wäre ; nachher wurden sie nach Brüssel 
selbst gelegt^). 



3. KjiPITEL. 



Vermittelungsversuche Prinz Wilhelms zu Gunsten 
des Kaisers vom Sommer 1742 an; Bündnis mit 

Preussen im März 1743. 

Waren die Hessen an den militärischen Ereignissen 
des Jahres 1742 nicht in hervorragender Weise beteiligt, so 
schien es dafür, eine Zeit lang, als sei Prinz Wilhelm be- 
rufen, auf diplomatischem Wege dem Kaiser zum Frieden 
zu verhelfen. Der Statthalter war durch seine Beziehungen 
zu Karl VII. einerseits, zu Georg IL andrerseits zum Ver- 
mittler besonders geeignet, dabei besass er diplomatisches 
Geschick und war selbst von dem aufrichtigen Wunsch nach 
Frieden in Deutschland beseelt. Der Kaiser befand sich nach 
dem Sonderfrieden Preussens in übler Lage; sein Stamm- 
land war fast ganz in den Händen der Österreicher, die 
Franzosen in Böhmen leisteten nur wenig und kümmerten 
sich nicht um den Kaiser; so fasste er den Entschluss, sich 
durch den Prinzen Wilhelm an Georg 11. zu wenden, um 
durch ihn zum Frieden zu gelangen. Er schrieb am 27. Juni 
an den Prinzen, er hege die feste Zuversicht, dass es König 



*) Instruktion für Prinz Georg 10. September 1742; die Hessen 
bestanden aus 6 Infanterie-Regimentern (Garde, Grenadiers, König, Prinz 
Friedrich, Prinz Maximilian, Prinz Georg) zu 818 Mann und 4 Kavallerie- 
Regimentern (Leibregiment, Prinz Maximilian, Gräffendoi-ff, Isenburg) zu 
316 Mann, betrugen also zusammen 6172 Mann. 

*) Bericht Prinz Georgs aus Vilvorden 1. November 1742. 

*) Bericht Prinz Georgs aus Brüssel 3. Dezember 1742. 



43 

Georg nicht dahin kommen lasse, dass man ihn der Lande 
beraube, auf die er gerechten Anspruch habe, sondern dass 
ihm der König einen ehrenvollen Frieden verschaffen werde ^. 
Wilhelm, der längst ein Einvernehmen zwischem dem Kaiser 
d England wünschte und hierfür zu wirken suchte, war 
sehr erfreut, dass Karl nun die Hand dazu bot; dabei 
schmeichelte es auch dem Prinzen, vom Kaiser zum Ver- 
mittler ausersehen zu sein. Er schickte das Schreiben nach 
London und sprach zugleich Georg 11. und Carteret gegen- 
über die Hoffnung aus, dass England sich des Kaisers an- 
nehmen werde, wobei er es nicht unterlassen konnte, den 
König auch um seine Unterstützung bezüglich der Kurwürde, 
die der Kaiser dem hessischen Haus bereits zugesagt habe, 
zu bitten ^). An den Kaiser schrieb Wilhelm, er sei fest 
überzeugt, dass König Georg Willens sei, Karl auf dem 
kaiserlichen Thron festzuhalten und ihm zu der einem Kaiser 
gebührenden Machtstellung zu verhelfen; dabei verhehlte er 
ihm jedoch nicht, dass sich Karl dann von Frankreich trennen 
müsse ^). Der Kaiser erwiderte, er werde stets das Wohl 
des Reichs seinem persönlichen Vorteil vorangehen lassen 
und sich bemühen, das einer Verständigung mit England im 
Weg stehende Hindernis — er meinte das französische 
Bündnis — zu beseitigen*). Und wirklich schien es gerade 
jetzt, als ob es zu einem Bruch des Kaisers mit Frankreich 
kommen könnte; er erfuhr nämlich von Friedensverhandlungen 
Belleisles mit den Österreichern % was einen solchen Eindruck 
auf ihn machte, dass er Donop — dieser war jetzt als Ge- 
sandter beim Kaiser beglaubigt — erklärte, er werde sein 
Möglichstes thun, um von einem Alliierten loszukommen, der 
die Ursache sei von allem Unglück seines Hauses®). Karl 
diktierte Donop die Bedingungen, unter welchen er mit Maria 

1) Karl VII. aus Frankfurt an Prinz Wilhelm 27. Juni 1742. 

*) Wilhelm an Alt, an Georg II., an Carteret 2. Juli 1742. 

») Wilhelm an Karl VH. 30. Juni 1742. 

*) Karl VII. an Wilhelm 2. Juli 1742. 

*) Vergl. Anieth II, 106. 

®) Qu'il ferait tout son possible pour se debarasser d^un allie qui 
etait cause de tous les malheurs de sa maison (Bericht Donops aus 
Frankfurt 14. Juli 1742). 



44 

Theresia Frieden zu schliessen gedachte; dieses Schriftstück, 
sowie ein neues Schreiben des Kaisers für Georg IL brachte 
Donop dem Prinzen persönlich nach Kassel ^). Karl ver- 
langte vom Wiener Hof: Oberösterreich oder statt dessen 
die Niederlande, Böhmen bis zur Moldau, Tirol (dieses Land 
unter allen Umständen) und die österreichischen Besitzungen 
in Schwaben ; Mantua sollte stets dem Kaiser als solchem 
gehören. Wenn man in Wien darauf nicht eingienge, so 
sollte König Georg andere Gebiete zur Entschädigung Karls 
vorschlagen, diese müssten aber jährlich mindestens 6 Millionen 
Gulden abwerfen; Bayern sollte Königreich werden^). Mit 
so vergrösserter Macht gedachte der Kaiser zum Schutz des 
Reichs ein Heer von 40000 Mann zu halten, die mit den 
Truppen des Reichs auf 100000 steigen sollten; weiter 
wünschte er eine Liga zwischen den Seemächten, Hannover, 
Hessen, Preussen, Köln, Pfalz, Bayern, Württemberg und 
Sachsen ; diese Liga sollte stets das Gleichgewicht in Europa 
aufrecht halten und durch Vermittelung etwaiger Streitig- 
keiten einen Krieg für immer verhindern. Es ist wirklich 
kaum zu begreifen, wie wenig Karl mit den gegebenen Ver- 
hältnissen rechnete; er, der besiegte, landflüchtige Fürst, 
dem es an Truppen wie an Geld fehlte, dessen Alliierte eben 
jetzt an Frieden dachten, er mutete der stolzen Frau, die im 
tiefsten Unglück nicht verzagt war, zu, 'dass sie ihm jetzt, 
wo das Glück ihr günstig war, die Hälfte ihrer Lande frei- 
willig abtrete ; man kann solche Forderungen in solcher Lage 
wirklich nur als naiv bezeichnen. Zu gleicher Zeit wie Donop 
traf der hessische Geschäftsträger im Haag, Mann, in Kassel 
ein mit Eröffnungen Lord Stairs für den Prinzen; der Lord 
suchte Wilhelm für den Plan zu gewinnen, für den Kaiser 
Elsass, Lothringen, die Freigrafschaft und die Bistümer Metz, 
Toul, Verdun von Frankreich zurückzuerobern, Bayern selbst 

^) „Ideen des Kaisers^ an Donop diktiert und am 16. Juli Wilhelm 
übergeben. 

*) Ähnliche Gedanken sprach der Kaiser auch seinem Gesandten 
im Haag, Graf Seinsheim, gegenüber aus (Korrespondenz Karls VII. mit 
Seinsheim, herausgegeben von Th, Heigel, Abhandlungen der bayerischen 
Akademie, Bd. XiV, 1. Abt., S. 108—109. 



45 

aber an Österreich fallen zu lassen ^). Eroberung französischen 
Landes zur Entschädigung Karls hatte Stair auch dem preus- 
sischen Gesandten im Haag, Graf Podewils, vorgeschlagen^), 
sowie dem Kaiser selbst durch dessen dortigen Gesandten 
Graf Seinsheim ^). Karl aber, im Vollgefühl seines guten 
Rechts auf die habsburgische Erbschaft, wünschte gerade Ab- 
tretungen österreichischen Landes und wies Stairs chimärische 
Eroberungsprojekte weit von sich*). Wilhelm hatte bei einem 
derartigen Auseinandergehen der Ansichten wenig Hoffnung 
auf einen glücklichen Erfolg der Verhandlung^). Wirklich 
entsprachen die Antworten Georgs und Carterets nicht den 
Erwartungen des Kaisers, sie lauteten ähnlich wie Stairs Er- 
öffnungen an Seinsheim ^). Besonders verletzte es den Kaiser, 
dass Carteret bezüglich der Trennung Karls von den Franzosen 
den Ausdruck gebraucht hatte „se d^livrer d'un maitre''; 
empört schrieb er an Wilhelm, ein deutscher Kaiser kenne 
nur Gott als seinen Herrn '^). Mündlich hatte Carteret Alt 
mitgeteilt, sein König sei gerne bereit, dem Kaiser eine Ent- 
schädigung zu verschaffen, doch keinenfalls auf Kosten Maria 
Theresias; zugleich spielte er auf Zurückziehung der 3000 
Hessen aus dem kaiserlichen Sold an, da der Vertrag mit 
dem Kaiser dem Kasseler Hof doch nichts mehr nützen 
könne®), um König Georg für die Verhandlung günstig zu 
stimmen, ersuchte Wilhelm den Kaiser wirklich um die Ent- 
lassung der Truppen, doch gieng dieser natürlich nicht darauf 
ein^). Auf Lord Stairs Eröffnungen antwortete der Prinz, 
derartige Projekte könnten zu keinem Resultat führen, es 
liege im allgemeinen Interesse, dass Bayern in angemessener 



? 



*) Am 12. Juli mündlich von Stair an Mann mitgeteilt; Wilhelm 
an Friedrich 19. Juli. 

Droysen V, 2, 17. 

Seinsheim aus dem Haag an Karl VIJ. 15. Juli (der Kaiser 
schickte die Kopieen der Konespondenz nach Kassel). 

*) Korrespondenz Karls mit Seinsheim S. 110. 

») WUhelm an Friedrich 19. JuU 1742. 

®) Wilhelm an Karl VII. 24. Juli; die Antworten wurden am 
18. Juli Alt übergeben. 

n Karl VII. an Wühelm 29. Juli 1742. 

8) Bericht Alts 13. Juli 1742. 

») Wilhelm an Donop 28. Juli; Bericht Donops 29. Juli 1742. 



46 

Weise vergrössert werde, da es sonst niemals zu einem ernst- 
gemeinten Frieden kommen könne ^). Zugleich schickte er 
dem Lord das vom Kaiser an Donop Diktierte; Stair Hess 
sich aber nicht irre machen, sondern verlangte jetzt vom Kaiser 
sogar aktive Beteiligung am Krieg gegen Frankreich, wofür 
ihm England Subsidien liefern werde ; die Räumung Bayerns 
aber wollte er ihm auch dann nicht garantieren, da er es 
ja Osterreich zudachte^). Karl war mit Recht empört über 
solche Zumutungen ^). Er hatte am 29. Juli noch einmal 
„Reflexionen" an Wilhelm geschickt^), der sie König Georg 
übermitteln sollte ; der Kaiser blieb dabei, dass Bayern König- 
reich werden müsse mit einem Mehreinkommen von 6 Millionen 
Gulden ; im Geheimen Hess er Georg mitteilen, er wünsche, dass 
ein Teil der Entschädigung die österreichischen Niederlande seien, 
zum Beweis, dass er sich aufs engste mit den Seemächten ver- 
bünden wolle, ohne die er sich im Besitz der Niederlande 
doch nicht halten könne ^) ; für ein grosses Zugeständnis von 
seiner Seite hielt es Karl, wenn er sich zu Heiratsverbindungen 
seiner Familie mit dem Haus Lothringen bereit erklärte. 
Die Antwort aus London war wieder unbefriedigend, man 
hielt dort daran- fest, dass Osterreich keine Abtretungen zu- 
gemutet werden dürften; Wilhelm riet nun dem Kaiser, vor- 
erst nur die Rückgabe Bayerns zu verlangen ^). Während 
Karl durch seinen Gesandten in London, Freiherrn von Hass- 
lang, noch weiter verhandeln Hess '^) und in zwei Kommissions- 
dekreten seine Geneigtheit zum Frieden beteuerte ^), übergab 
Ende September Lord Stair dem Grafen Seinsheim ein 
Friedensprojekt ^) , das den in österreichischen Diensten 



») Wilhelm an Stair 24. Juli 1742. 

«) Seinsheim an Karl VII. 31. Juü 1742. 

*) Korrespondenz Karls mit Seinsheim S. 114 f. 

*) „Reflexionen'' Karls VU., am 29. Juli 1742 an Wilhelm geschickt 

*) La raison principale pourquoi l'Empereur souhaiterait avoir les 
Pays-Bas est pour que les Puissances Maritimes voyent d'autant plus 
clairement qu'il veut s'unir etroitement avec elles, n'y pouvant etre soutenu 
que par elles. 

8) Wilhelm an Karl VII. 13. August 1742. 

7) Karl VII. an Wilhelm 18. August 1742. 

«) Dr(yysm V, 2, 27. 

*) Am 25. September von Seinsheim an den Kaiser geschickt. 



47 

stehenden Herzog von Aremberg zum Verfasser hatte; es 
enthielt folgende Vorschläge: der Kaiser erhält Bayern als 
Königreich und dazu die österreichischen Besitzungen in 
Schwaben, dagegen tritt er das Innviertel oder ^) das östlich 
von der Naab liegende Stück der Oberpfalz an Maria Theresia 
ab ; das Bistum Passau wird für Osterreich säkularisiert, der 
Kaiser verwendet sich beim Papst dafür, dass für den Bischof 
aus elsässischen Territorien ein anderes Bistum errichtet 
wird. Der Grossherzog von Toskana wird römischer König 
und der Kaiser garantiert die pragmatische Sanktion ; das 
Reich vermittelt den Frieden Österreichs mit Frankreich. 
Karl war entrüstet über diese Vorschläge^), um so mehr als 
sich durch Maillebois' Zug nach Böhmen seine militärische 
Lage bedeutend gebessert hatte, indem die Österreicher nun 
gezwungen wurden, aus Bayern zu weichen. Auch Wilhelm, 
der übrigens Maillebois' Marsch sehr ungern gesehen hatte, 
weil Karl dadurch wieder fester an Frankreich gekettet 
wurde 3), hielt den Plan für unannehmbar*). Der Kaiser 
teilte als Antwort auf das Aremberg'sche Projekt Seinsheim 
seine Bedingungen mit ^) : er bestand darauf, dass er zu seiner 
Entschädigung entweder Böhmen erhalten müsse oder, wenn 
dies nicht durchzuführen sei, für Bayern die Königskrone 
mit einer bedeutenden Arrondierung, wobei die Neuburg'schen 
und Sulzbach'schen Lande sein müssten. Zur militärischen 
Sicherheit Bayerns verlangte Karl den Besitz von Passau 
— das Bistum sollte säkularisiert^) und der Bischof ander- 

*) Droysen, der das Projekt erwähnt (V, 2, 29), setzt irrig „und* 
statt „oder*'. 

*) Berichte Donops vom 2. und 4. Oktober 1742. Charakteristisch 
für das Auseinandergehen der Ansiebten ist es, dass auch Maria Tberesia 
durchaus nicbt mit dem Projekt einverstanden war {Ameth II, 203 mit 
Anm. 23 und 24). 

8) Wilhelm an Karl VII. ca. 10. August 1742. 

*) Wilhelm an Donop 5. Oktober 1742. 

^) Korrespondenz Karls mit Seinsheim S. 122—124. 

®) Th. Volbehr (Der Ursprung der Säkularisationsprojekte in den 
Jahren 1742 und 43, Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. 26, S.263 f.), 
der zu beweisen sucht, „dass der Kaiser niemals einen Säkularisations- 
vorschlag gemacht, ja dem Gedanken selbst unsympathisch gegenüber- 
festanden hat'' (S. 274), sagt, Karl habe hier nur die Stadt und Festung 
'assau im Auge gehabt, nicht aber das Bistum und „spreche, um Ver- 



48 

weitig entschädigt werden — , Eger und Kufstein, sowie wo- 
möglich Oberösterreich bis zur Enns ^). War so sowohl von 
Seiten Arembergs als des Kaisers von der Säkularisation 
eines einzelnen Bistums die Rede ^), so erhielt Donop, der 
sich damals beim Prinzen in Wolkersdorf^) befand, bald 
darauf von dem kaiserlichen Minister Graf Preysing ein 
Projekt zugeschickt, das zur Entschädigung des Kaisers eine 
Säkularisation grossen Stils vorschlug; Preysing äusserte 
sich in keiner Weise über den Plan oder seine Herkunft*). 
Der Prinz aber sah voraus, dass ein Säkularisationsprojekt 
im ganzen katholischen Deutschland die grösste Erbitterung 
gegen den Kaiser hervorrufen werde, und Hess diesem daher 
durch Donop erklären, als wahrhaft guter Freund Karls könne 
er sich nicht mit einem Plan befassen, der seiner Sache so 
sehr schaden könne. Der Kaiser sagte Donop darauf, das 
Projekt stamme nicht von ihm, sondern aus Berlin vom 
General Schmettau; er selbst habe es auch von Anfang an 
missbilligt ^). In Wahrheit war Karl dem von Schmettau 



Wechslungen vorzubeugen, geradezu von der Stadt Passau** (S. 268 — 269) ; 
in Wahrheit sagte Karl in seinem Schreiben an Seinsheim schlechthin 
„ Passau ** : dass er aber thatsächlich die Säkularisation des Bistums, aller- 
dings gegen Entschädigung des Bischofs, wünschte, geht aus einem am 
2. Oktober an Prinz Wilhelm geschickten „Contrememoire* Karls hervor, 
worin er zu den einzelnen Punkten des Aremberg'schen Projekts seine 
Gegenvorschläge macht ; es heisst darin : L^empereur fera tout son possible 
tant aupres de l'empire qu'aupres du papo pour qu^en sa favour les 
dites cessions soient approuvees, s'offrant en revanche, pour que l'empire 
n'y perde rien, d'y porter la memo charge dont Teveche de Passau etait 
redevable et attend avec impatience, quelle sera l'indemnisation reelle 
qu'on veut donner ä l'eveque, et cela d'autaut plus parce que cet eveche 
est fonde par la maison de Baviere, laquelle ne saurait par consequence 
jamais consent! r que ses pays viennent dans des mains etrangeres. 

^) Das Contrememoire nennt ausserdem Tirol bis zum Inn. 

') Ebenso sprach man in Wien einmal davon, nach Eroberung des 
Elsass das Bistum Strassburg zu säkularisieren [Ranke XXIX, 32). 

*) Dorf mit Schloss in der Nähe von Frankenberg. 

*) Preysing aus Frankfurt an Donop 10. Oktober 1742. 

*) Bericht Donops 20. Oktober 1742. Schmettau scheint das Projekt 
ohne Wissen seiner Regierang an den Kaiser geschickt zu haben: jeden- 
falls wusste Klinggräffen von nichts ; denn er berichtet {Ranke XXIX, 30, 
Anm. 1) erst am 24. November an seinen Hof, man denke in Frankfurt 
an Säkularisationen ; am 27. November und 8. Dezember schreibt er dann 
von einem diesbezüglichen Plan — es war dies jedenfalls der von Wilhelm 
zurückgewiesene Schmettau'sche — , von dem der Kaiser wünsche, dass 
sich ein Dritter seiner annehme; daraufhin wurde der preussische Ge- 



49 

angeregten Gedanken an eine grössere Säkularisation schon 
sehr nahe getreten. Wozu hätte er sonst das Projekt an 
Wilhelm schicken lassen ? Musste dieser nicht denken, er 
solle davon Gebrauch machen ? Auch dem Grafen Seinsheim 
teilte der Kaiser das Projekt mit, und zwar noch ehe er es 
an den Prinzen sandte ^). Übrigens war er sich wohl be- 
wusst, dass er, wenn er auf Säkularisationen ausgieng, einen 
gefährlichen Weg betrat, er empfahl daher Donop das tiefste 
Geheimnis an^). 

Vom Kriegsschauplatz liefen bald wieder ungünstige 
Nachrichten für den Kaiser ein: Marschall Maillebois zog 
sich, ohne etwas ausgerichtet zu haben, aus Böhmen zurück 
und Ende November giengen die Österreicher wieder ofifensiv 
gegen das kaum befreite Bayern vor. Den grössten Schrecken 
aber erregte es am kaiserlichen Hof, als zu derselben Zeit 
die Nachricht einlief, Lord Stair habe Ordre, mit seiner 
englisch-hannöverisch-hessischen Armee und einem Korps 
Österreicher nach der Gegend von Frankfurt zu marschieren ; 
niemand wusste, was die Engländer mit diesem Marsch be- 
zweckten, ob sie etwa direkt gegen den Kaiser vorgehen 
wollten. Wilhelm hielt nun jede Hoffnung auf Frieden für 
ausgeschlossen^). Dazu konnte er selbst in die peinlichste 
Lage geraten : wenn die „pragmatische Armee" Lord Stairs 
sich wirklich gegen den Kaiser wandte, so standen sich die 



sandte in London, Andrie, instruiert, der dortigen Regierung mitzuteilen, 
man wisse sicher, dass der Kaiser auf Säkularisationen eingehen werde, 
wenn der Vorschlag von anderen ausgehe {Droysen V, 2, 41); übrigens 
hatte man preussischerseits den Londoner Hof schon im August auf dieses 
Auskunftsmittel hingewiesen (Pol. Korr. II, 249, 254, 255), nachdem 
Graf Podewils bei Friedrich IL den Gedanken an Säkularisationen früher 
angeregt hatte {Droysen V, 1, 23). Ranke (XXIX, 30) spricht von einer 
hervorragenden Beteiligung von Kui'pfalz an den Säkularisationsprojokten ; 
Donop erwähnt nie etwas von pfälzischem Einfluss auf den Kaiser (vergl. 
Dove I, 194 Anm. 1) ; doch spricht es für eine Mitwirkung von Pfalz, dass 
Kai'l bei seinen Friedensprojekten stets that, als könne er über Neuburg 
und Sulzbach frei verfügen. Auch Hasslang soll später, als er Carteret 
das berüchtigte „Hasslang'sche'* Projekt vortrug, auf einen Vorschlag von 
Pfalz hingewiesen haben (Droysen V, 2, 56). 

*) Korrespondenz Karls mit Seinsheim S. 124: je vous envoie un 
projet qui a ete fait par quelqu'un en Prusse qui m'est attache. 

«) Bericht Donops vom 20. Oktober 1742. 

8) Wilhelm an Friedrich 29. November 1742. 

N. F. Bd. XXIII. 4 



50 

beiden hessischen Korps im Felde gegenüber. Von Karl in 
seiner elenden Lage konnte der Prinz nicht verlangen, dass 
er die 3000 Hessen entlasse ; der Kaiser sprach im Gegenteil 
Donop gegenüber die Erwartung aus, dass Wilhelm sich, falls 
die Engländer thatsächlich gegen ihn vorgiengen, des Geheim- 
artikels im bayerisch-hessischen Vertrag erinnern werde ^). 
Wessen aber hatte sich der Statthalter von England zu ver- 
sehen, wenn man dort von seiner leichtsinnigen Zusage an 
den Kaiser erfuhr, die 6000 Hessen in englischem Sold nicht 
gegen ihn verwenden zu lassen? Jetzt erst zeigte es sich 
recht deutlich, wie unnatürlich das doppelte Soldverhältnis 
des Kasseler Hofes war. Wilhelm war der Ansicht, dass er 
sich dem Marsch der hessischen Truppen mit der prag- 
matischen Armee nicht entziehen könne, und gab auch seinem 
Bruder Prinz Georg auf seine Anfrage hin diesbezügliche 
Ordre ^) ; wenn es aber gegen Kaiser und Reich gehe, schrieb 
er an König Friedrich nach Stockholm, dann handle es sich 
darum, sich mit guter Manier aus der Affaire zu ziehen ; 
doch müsse man vorsichtig sein wegen der Subsidien^). 
Indessen verzog sich das Gewitter noch einmal : der Plan 
eines Marsches nach Deutschland wurde von der englischen 
Regierung für das Jahr 1742 aufgegeben. 

Da der Kaiser nach Maillebois' Rückzug einer Vermitte- 
lung wieder sehr geneigt war*), so erbot sich Wilhelm, selbst 
einen Akkomodationsplan zu entwerfen^); Karl war damit 
einverstanden und der Prinz entwarf mit Donop, der zu 
diesem Zweck im Dezember in Wolkersdorf erschien, 
folgendes Projekt ^) : Bayern wird Königreich ; Maria Theresia 
tritt Karl, den sie als Kaiser anerkennt, ihre Besitzungen in 
Schwaben ab und verpflichtet sich, ihm im Verein mit ihren 
Verbündeten einen Landzuwachs mit 6 Millionen Einkommen 
zu verschaffen. Einstweilen giebt sie ihm für die Hälfte dieser 



») Bericht Donops 1. Dezember 1742. 

*) Wilhelm an Prinz Georg 2S. November 1742. 

8) Wilhelm an Friedrich 29. November 1742. 

*) Bericht Donops 24. November 1742. 

6) Wilhelm an Donop 27. November 1742. 

ö) Vom 12. Dezember 1742. 



51 

Summe eine Hypothek, etwa die Niederlande; die andere 
Hälfte übernehmen die Seemächte als Subsidien für die 
kaiserlichen Truppen. Die Stadt Passau nimmt nach Über- 
einkunft mit dem Bischof bayerische Garnison auf. Die 
böhmische Eurstimme fällt wieder an Österreich und der 
Kaiser anerkennt die pragmatische Sanktion. Ausserdem 
verpflichtet er sich, zu England und dessen Verbündeten, 
sobald er hiezu imstande ist, in das engste Verhältnis 
zu treten, um das Gleichgewicht im Reich zu erhalten und 
um die dem Reich entfremdeten Gebiete zurückzugewinnen *). 
Dem Plan waren noch folgende zwei Artikel beigefügt, zu 
deren Genehmigung Karl, wenn er auf das Hauptprojekt 
eingienge, noch nachträglich durch Donop veranlasst werden 
sollte: Der Kaiser erklärt der französischen Regierung, er 
habe ihre Hilfe nicht mehr nötig und ersuche sie, ihre 
Truppen zurückzuziehen. Wenn daraufhin die Franzosen 
Bayern und Deutschland nicht räumen, so vereinigt der 
Kaiser seine Truppen mit denen Englands oder der englischen 
Verbündeten und womöglich mit denen der benachbarten 
Reichskreise und jagt die Franzosen über den Rhein zurück. 
Also Wilhelm beabsichtigte im Grunde ganz dasselbe, was 
Lord Stair im Sommer dem Kaiser vorgeschlagen hatte: 
aktive Beteiligung Karls an einem Krieg Englands und 
Österreichs gegen Frankreich und Eroberung der einst dem 
Reich entrissenen Länder zur Entschädigung Karls für seine 
Ansprüche auf Österreich. So sehr der Plan des Prinzen 
vom deutschen Standpunkt aus Anerkennung verdient, so 
ist es doch unbegreiflich, dass er es für möglich hielt, der 
Kaiser, der über Stairs Pläne so empört gewesen war, könnte 
sich entschliessen, gegen seinen bisherigen Verbündeten zu 
kämpfen, dessen Allianz ihm trotz vorübergehender Miss- 
stimmungen doch wirklich Herzenssache war, was freilich 
Wilhelm in seinem Franzosenhass nie begreifen konnte. Der 



1) Sa Majeste s'ongage pour Ello et pour Sa maisoD, sitOfc qu*£lle 
scra en etat, d'agir dans des liaisons les plus etroites avec rAogleterre 
et ses allies pour tout co qui pourra legarder Te^uiübro de Tempire et 
pour y rejoindro Ics morceanx, qui en ont ete detachos succosivomoDt. 

4* 



B2 

Kaiser erklärte zwar Donop, er werde Wilhelms Projekt „mit 
einigen Änderungen'^ nach London schicken ^), in Wahrheit 
aber nahm er in den Pazifikationsplan, den er in den letzten 
Tagen des Jahres 1742 an seinen Gesandten Hasslang sandte, 
nur einige untergeordnete Punkte aus dem Projekt des 
Prinzen auf; Karl verlangte in seinem Plan die Erhebung 
Bayerns zum Königreich und von Österreich die böhmischen 
Kreise Pilsen und Brachin, Tirol bis zum Inn mit Kufstein 
und das österreichische Schwaben, sowie eine Entschädigung 
in den Niederlanden an Pfalz für Neuburg und Sulzbach, 
die ebenfalls an Bayern fallen sollten. Gienge der Wiener 
Hof auf diese Bedingungen nicht ein, so sollten die ver- 
mittelnden Mächte Bayern ein Arrondissement mit 6 Millionen 
Gulden Mehreinkommen verschaffen. Da Carteret im No- 
vember Hasslang gegenüber auf Säkularisationen zur Ent- 
schädigung des Kaisers angespielt hatte ^), so begieng Karl 
die Unvorsichtigkeit, seinem Plan ein Apostille beizufügen, 
in welchem ebenfalls auf dieses Auskunftsmittel hingewiesen 
war ^). Hasslang, dem Carteret wenige Tage zuvor berichtet 
hatte, der preussische Gesandte habe ihm mitgeteilt, Karl 
werde mit einer Säkularisation einverstanden sein^), setzte 
den Lord, nachdem dieser das kaiserliche Projekt für unan- 
nehmbar erklärt hatte, von dem Apostille in Kenntnis^). 



*) Bericht Donops vom 29. Dezember 1742. 

*) Bericht Donops vom 3. Dezember 1742; Hasslang berichtete 
dem Kaiser am 20. November über Carterets AndeutungeD. 

^) Das „Hasslaog^sche Projekt* (gedruckt im Haag 1743) wurde 
am 1. Januar 1743 in Kopie von Donop an Wilhelm geschickt; das 
Apostille teilte man Donop natürlich nicht mit, da man ja die Gegner- 
schaft des Prinzen gegen die Säkularisationsprojekte kannte. 

*) Hasslang aus London an Preysing 11. Januar 1743, vergl. S. 48 
Anm. 5. 

6) Bericht Alts vom 15. Januar 1743. Volbehr (S. 273 f.) stellt die 
Existenz des Apostilles in Abrede. Aber die Schilderung Alts, dem 
Carteret die Sache gleich nach seiner Unterredung mit Hasslang (dieser 
erhielt das Projekt, obwohl es noch im Dezember von Frankfurt ab- 
gegangen war, wegen anhaltender Stürme erst am 14. Januar) mitteilte, 
stimmt im Wesentlichen überein mit dem von Droysen (V, 2, 56 Anm. 2) 
angeführten Bericht des Grafen Podewils aus dem Haag, sowie mit dem 
Bericht dos österreichischen Gesandten in London, Baron Wasner, vom 
15. Januar 1743 {Ameth II, 207 ff.). Auch Donop, dessen Berichte vom 



53 

Von diesem Vorgehen Hasslangs erfuhr jedoch der Gesandte 
Maria Theresias in London, Baron Wasner, und auf seinen 
Bericht hin Hess sich der Wiener Hof die Gelegenheit nicht 
entgehen, dem Kaiser, der die Kirche berauben wolle, im 
Reich Feinde zu erwecken. Wirklich erhob sich beim Klerus 
bis hinauf zum Papst ein wahrer Entrüstungssturm gegen 
Karl, der sich schliesslich genötigt sah, alles zu leugnen, 
wobei ihn Carteret unterstützte durch die Erklärung, wenn 
überhaupt zwischen ihm und Hasslang von Säkularisationen die 
Rede gewesen sei, so habe er selbst den Anlass dazu gegeben ^). 
So war es jetzt an den Tag getreten, wie richtig Prinz 



Januar 1743 im Marburger Archiv fehlen, schilderte Wilhelm die SSache 
ähnlich, denn der Prinz erwidert ihm am 29. Januar 1743 : ce quo Mylord 
Carteret a dit touchant la secularisation ne m'etonne pas tant que i'apostille 
DU le sousentendu que monsieur de Haslang a fait paraitre dans son 
second (anfangs Dezember hatte Hasslang ebenfalls einen Plan Karls in 
London mitgeteilt) plan, ainsi que notice vous en a ete donne au meme 
sujet. Der Kaiser schreibt am 17. Februar 1743 an Seinsheim: vous 
savez le mauvais usage qu'on a fait ä Londres des points de pures idees 
qui sur l'instance reiteree de la dite cour y avaient passes seulement 
en guise de brouillon ayant ete sans signature et sans autre marque 
legale (Korrespondenz Karls mit Seinsheim S. 130); erst später, als der 
Lärm über das kaiserliche Säkularisationsprojekt immer grösser wurde, 
leugnete Karl die ganze Sache. Wenn Volb^r (S. 271) die Worte des 
Kaisers on acceptera toujours cette secularisation avec lo consentiment 
du pape (ähnlich Karls VII. Tagebuch S. 79) als „eine dem Sinn nach 
definitive Zurückweisung des Antrags" auffasst, so ist dies nicht richtig; 
der Kaiser hatte wirklich die Naivetät zu glauben, er könne die Zu- 
stimmung des Papstes und des Reiches erlangen, wie er sie auch in 
seinem Contrememoire vom Oktober für die Säkularisation Passaus zu 
erreichen gedachte (S. 47 Anm. 6). Die Antwort Karls auf den 
preussischen Säkularisations verschlag vom 21. Jan. 1743 (Pol. Korr. II, 318), 
die Volbehr (S. 270) als Beweis für die Abneigung des Kaisers gegen 
Säkularisationen anführt, kommt nicht in Betracht, weil damals die 
Indiskretionen mit dem Hasslang'schen Projekt schon begangen worden 
waren. Obrigens war auch in Frankfurt das Geheimnis nicht bewahrt 
worden : noch vor Hasslangs Unterredung mit Carteret sprach man dort 
davon, der Kaiser habe ein Säkularisationsprojekt nach London geschickt, 
sogar der Nuntius erfuhr es (Wilhelm an Donop 12., 15. und 
19. Januar 1743). 

Volbehr S. 274, Droysm V, 2, 56. Dass Carteret das Thema 
zuerst berührt hatte, war ja auch richtig. Wenn der Lord den Kaiser 
durch seine Erklärung unterstützte, so hatte dies seinen Grund darin, 
dass er und König Georg dem Plan, den Kaiser durch Säkularisationen 
zu entschädigen, gar nicht so unsympathisch gegenüber standen, wie sie 
Wasner glauben machen wollten ; diesen Eindruck hatte auch Maria 
Theresia (Ämeth II, 210). Wahrscheinlich hofifte Georg selbst bei einer 
Säkularisation einige Stifter für Hannover zu erlangen. 



54 

Wilhelm gehandelt hatte, wenn er sich im Interesse des 
Kaisers nicht mit dem Schmettau'schen Projekt hatte be- 
fassen wollen. Der Prinz war übrigens wegen der Verhand- 
lungen Karls durch Hasslang verstimmt und erklärte, keine 
Vermittelung mehr übernehmen zu wollen, wenn man ihm 
nicht wenigstens die Instruktionen an Hasslang mitteile ^). 
Anfangs Februar schickte jedoch der Kaiser Donop noch 
einmal zu Wilhelm mit einem neuen Friedensplan ^j, den er 
mit dem spanischen Gesandten Graf Montijo entworfen hatte. 
Der Prinz sandte das Projekt nach London, doch lautete die 
Antwort nicht befriedigend^). 

Während so alle Bemühungen Wilhelms für den Kaiser 
vergeblich waren, kam für Hessen selbst in dieser Zeit ein 
Bündnis zustande, an welchem dem Statthalter sehr viel ge- 
legen war, nämlich mit Preussen. Nachdem im Frühjahr 1741 
die von Friedrich IL gewünschte Erneuerung der alten 
preussisch-hessischen Allianz nicht zustande gekommen war*), 
schickte im September darauf der hessische Geheimerats- 
präsident von Adelebsen auf eine Aufforderung von preussischer 
Seite hin ein neues Vertragsprojekt nach Berlin ; die Antwort 
darauf aber war dilatorisch, da Friedrich IL für den Augen- 
blick wenig an dem Bündnis mit dem Kasseler Hof lag^), 
dagegen interessierte er sich als Verbündeter des Kaisers sehr 
für das Zustandekommen des bayerisch- hessischen Subsidien- 
vertrags^) und Hess sich nach dessen Abschluss herbei, die 
Besitzungen des Kasseler Hauses zu garantieren"^). Als der 
König von Prinz Wilhelm auch um seine Unterstützung be- 
züglich der hessischen Kurwürde angegangen wurde, liess er 
im Mai 1742 Donop durch KlinggräflFen mitteilen, er sei hierzu 
bereit, verlange aber als Gegenleistung ein hessisches Bataillon 



*) Wilhelm an Donop 1. und 15. Januar 1743. 
«) Wilhelm an Friedrich 4. Februar 1743. 
2) Wilhelm an Donop 2. März 1743. 
*) Vergl. S. 22-23. 

*) Graf Podewiks an Adelebsen 12. October 1741; Vergl. Pol. Korr. I, 
366 (Adelebsen wird hier irrig Alten genannt). 
8) Pol. Korr. II, 42-43 und 129. 
7) Die Garantie ist datiert Breslau 13. Mai 1742; vergl. S. 34u.39. 



55 

wenn das Kasseler Haus die Kurwürde erlangt habe, und für 
jetzt das Versprechen, dass die hessischen Truppen weder 
gegen ihn selbst noch gegen seine Verbündeten in Deutsch- 
land und Flandern verwendet werden sollten. Letzteres 
wurde von Donop abgelehnt, da der Kasseler Hof England 
gegenüber nicht wortbrüchig werden dürfe, doch fügte er 
„als Freund, nicht als Gesandter" hinzu, der englische Ver- 
trag laufe ja in 2 Jahren ab^). Die Verhandlungen wurden 
für das Erste nicht fortgesetzt, im August jedoch erklärte 
KlinggräflFen Donop, sein König werde alles für die hessische 
Kurwürde thun, wenn der Kasseler Hof Schlesien garantiere 
und ihm ein Bataillon überlasse (en pur don) sowie 12 schöne 
Leute für das Regiment König von Preussen.^) Der Statt- 
halter konnte sich nur schwer entschliessen, das Bataillon zu 
versprechen; auch die Garantie Schlesiens hätte er, wie auch 
sein Bruder Friedrich, gerne umgangen, denn er sah wohl 
ein, dass zwischen Preussen und Osterreich leicht ein neuer 
Krieg um dieses Land entstehen könne. Aber andrerseits 
lag ihm doch sehr viel an dem preussischen Bündnis, denn 
er sagte sich, dass ohne Friedrichs H. Unterstützung sein 
Haus die ersehnte Kurwürde nie erlangen könne ^); so gieng 
er denn auf die von Klinggräffen gestellten Bedingungen ein 
und schickte ihm im September durch Donop ein Projekt für 
den Vertrag.*) Es gab noch einige Schwierigkeiten, weil der 
Statthalter nur die Mannschaft zu einem neu zu bildenden 
Bataillon bewilligen wollte, während preussischerseits ein 
altes hessisches Bataillon mit Offizieren und vollständiger 
Ausrüstung verlangt wurde ^). Man einigte sich schliesslich 
darauf, dass aus Offizieren und Soldaten von alten Bataillons 
ein neues gebildet werden solle ^). Am 23. März 1743 schlössen 



») Bericht Donops vom 12. Mai 1742 : vergl. S. 29 und Pol. Korr. IL 
20 und 137. 

') Bericht Donops vom 4. August 1742; 

^) Wilhelm an Friedrich 23. August und 20. September, Friedrich 
an Wilhelm 7. September 1742. 

*) Wilhelm an Donop 20. September 1742. 

^) Bericht Donops 6. November, Wilhelm an Donop 10. No- 
vember 1742. 

®) Bericht Donops 1. Dezember 1742. 



56 

Klinggräffen und Donop in Frankfurt den Vertrag ') ab als 
Erneuerung des „immerwährenden Bündnisses" von 1688 
beziehungsweise 1714. Die Kriegshilfe, welche Preussen 
Hessen im Angriffsfall zu leisten hatte, wurde „in Ansehung 
des considerablen Anwachsses" der preussischen Lande auf 
9 Bataillons und 12 Eskadrons erhöht^), die hessische Hilfe- 
leistung blieb, wie schon 1688, 2000 Fussgänger und 1000 
Reiter. Von den Geheimartikeln enthielt der erste die 
Garantie der beiderseitigen Länder; von den preussischen 
wurden Schlesien und Glatz, von den hessischen die Graf- 
schaft Hanau „und was ohnstreitig dazu gehöret*' namentlich 
genannt; bezüglich der Streitigkeiten mit Darmstadt um die 
Hanauer Erbschaft, besonders um Babenhausen, versprach der 
König von Preussen seine guten Dienste. Im 2. Geheim- 
artikel verpflichtete er sich, für die Kurwürde Hessens ein- 
zutreten und auch bei seinen Allierten dafür zu wirken, wo- 
gegen der Kasseler Hof versprach, ihm nach Erlangung der 
Kurwürde „ein Bataillon von 800 Köpfen nebst den Ober- 
und Unter-Offizieren und was sonst ausser Gewehr und 
Mondur dazu gehöhrt, vor alle Zeiten als eigen zu überlassen," 
Im 3. Geheimartikel verpflichteten sich beide Kontrahenten, 
den Protestantismus kräftig zu unterstützen, sowie für Auf- 
hebung der Ryswyker Klausel und Entschädigung der 
Hugenotten für ihren zurückgelassenen Besitz einzutreten ; 
im 4., auf Einigkeit zwischen Reformierten und Lutheranern 
hinzuwirken. Im 5. Geheimartikel versprach der König von 
Preussen dafür einzutreten, dass die Festung Rheinfels ^) 
samt der Stadt St. Goar und übrigem Zubehör „Erblich und 
irrevocabiliter" beim Kasseler Haus verbleiben solle und zwar 
ohne Entschädigung an die Rotenburger Linie. 

Der Statthalter wurde bei dem Vertrag mit Preussen, 
wie einst bei dem mit dem Kaiser, in erster Linie von dem 
Gedanken an die Kurwürde geleitet; doch entsprach das 

*) Gedruckt bei Th. Hartwig, der Übertritt des Erbprinzen Friedrich 
von Hessen-Kassel zum Eatholicismus S. 225 f. 

«) Im Vertrag von 1688: 4000 Fussgänger, 2000 Reiter (von 
Mörner, Kurbrandenburgs Staatsverträge von 1601—1700 S. 502). 

8) Vergl. S. 5—7. 



57 

Bündnis zugleich den alten hessischen Traditionen ; zudem 
stand der Kaiser, Hessens Allierter, ebenfalls im Bund mit 
Preussen und auch König Georg von England hatte im No- 
vember 1742 trotz aller Gegensätze eine Defensivallianz mit 
Friedrich IL abgeschlossen. Auffallend ist im preussisch- 
hessischen Vertrag der Artikel über die 800 Mann; wenn 
der Kasseler Hof auch kein Geld für ihre Abtretung erhalten 
sollte, sondern die Aussicht auf den in politischer Beziehung 
ja recht wertvollen Kurhut, so lässt sich doch diese Ab- 
machung weniger entschuldigen als ein Subsidienvertrag ; 
denn bei einem solchen blieben die Regimenter doch stets 
hessische und kehrten nach dem Friedensschluss in die 
Heimat zurück; hier aber wurden die 800 Mann, indem sie 
für immer dem König von Preussen zu eigen sein sollten, 
rein als Waare behandelt, es sollte ihnen geradezu ein 
anderes Vaterland aufgedrängt werden. Auf der anderen 
Seite erwartet man von einem Friedrich dem Grossen nicht 
die Forderung der „12 schönen Leute ;'' dieser Artikel wurde 
übrigens auf Wilhelms Wunsch als zu geringfügig nicht in 
den Vertrag aufgenommen ^). Der König von Preussen schlug 
den Vertrag mit Hessen sehr gering an, er bezeichnete ihn 
als lumpig (traite de bibus) und glaubte nicht daran^ dass 
das Kasseler Haus je ins Kurkollegium aufgenommen werde ^). 
Das Bündnis hätte übrigens insofern einen gewissen Wert 
für Friedrich bekommen können, als er damals, um dem 
österreichisch-englischen Einfluss entgegenzuwirken^), die 
Aufstellung einer Neutralitätsarmee von Seiten des Reichs 
betrieb ^), wobei die Mitwirkung des gut kaiserlich gesinnten 
und militärisch leistungsfähigen Kasseler Hofes sehr wichtig 
war^). Aber das Projekt des Königs fand wenig Anklang 
im Reich ; auch der Kaiser entwickelte nicht die nötige 
Energie^) und der Marsch der pragmatischen Armee nach 



») Wilhelm an Donop 23. October 1742. 

«) Pol. Korr. II, 305—306 und 355. 

*) Histoire de mon temps S. 275. 

*) Preussische Staatsschriften I, 369 f: Pol. Korr. II, 302 f. 

6) Vergl. Pol. Korr. II, 386; Droysm V, 2, 45. 

8) Pol. Korr. ü, 386. 



58 

Deutschland machte den Plan vollends aussichtslos. Der 
Reichstag sprach sich im Mai 1743 nach langer Verschleppung 
zwar für Vermittlung des Reiclis zwischen dem Kaiser und 
der Königin von Ungarn aus, erwähnte aber die Neutralitäts- 
armee mit keinem Wort^). Der Kasseler Hof war Ende 
Februar durch ein kaiserliches Schreiben aufgefordert worden, 
sein Kontingent zu der projektierten Armee zu stellen und 
das Werk möglichst zu befördern^), aber erst 2 Monate 
später, als die Sache längst aussichtslos war, ergieng die 
Ordre an den Reichstagsgesandten, mit den kaiserlichen 
Ministern darüber in Unterhandlung zu treten ^) ; das hessische 
Votum auf dem Reichstag erklärte sich für „eine Vermittlung 
durch das Reich und andere Puissancen^' *). Die ablehnende 
Haltung Hessens in Bezug auf die Neutralitätsarmee ist sehr 
erklärlich : da der grösste Teil der hessischen Truppen bei 
der pragmatischen Armee stand, so konnte sich der Statt- 
halter nicht an einem Projekt beteiligen, das, wie er sicherhch 
ahnte, in erster Linie gegen die englische Einmischung in 
Deutschland gerichtet war •'). 



4. Kapitel. 



MiHtärische Ereignisse im Jahr 1743; Friedens- 
verhandlungen zu Hanau. 

Wa.s Wilhelm schon im Jahr 1742 so sehr befürchtet 
hatte, war jetzt zur Wahrheit geworden : die pragmatische 
Armee erhielt trotz der Vorstellungen des Königs von Preussen*) 



») Dove I, 98-203. 

2) Karl VII. an Wilhelm 28. Februar 1743. 

8) 20. April 1743. 

*) Gedruckt in der Historischen Sammlung von Staatsschrifton 
unter Kaiser Karl VII. II, 172 174. 

^) Droysen, V, 2, 42. 

*) Koser t König Friedrich der Grosse I, 194—195. 



59 

Ordre, nach Deutschland zu marschieren. Die englische 
Regierung wusste nicht, ob sie dabei auf die Hessen zählen 
könne ; denn es war bekannt, dass der Marsch ins Reich dem 
Statthalter ein Greuel war, und nun verbreitete auch noch 
der französische Gesandte am Reichstag, Blondel, der König 
von Schweden habe Ordre gegeben, die Hessen im englischen 
Sold dürften nicht gegen den Kaiser '), ja auch nicht gegen 
dessen Hilfstruppen in Deutschland ^) verwendet werden. 
Carteret Hess beim König in Stockholm durch den englischen 
Gesandten Guy Dickens anfragen, ob an den französischen 
Behauptungen etwas Wahres sei ; Friedrich erwiderte, er 
hoffe, dass seine Truppen nicht zum Dienst gegen den Kaiser 
bestimmt seien, da dies mit seiner Stellung als Reichsfürst 
nicht vereinbar wäre^); in einem Schreiben an den Statt- 
halter, der durch die umlaufenden Gerüchte England gegen- 
über in grosse Verlegenheit gekommen war, gab der König 
zu, er habe vielleicht gesprächsweise zu dem französischen 
Gesandten etwas Ahnliches geäussert, wie Blondel behaupte ^). 
Die englische Regierung griff zu dem Auskunftsmittel, die 
6000 Hessen im Februar, während die übrige pragmatische 
Armee nach Deutschland aufbrach, als Besatzung in die 
Festungen Mons, Ath und Charleroi zu legen ^); es war, wie 
Prinz Georg selbst an den Statthalter schrieb, eine Art von 
ehrenvoller Gefangenschaft ^j. In England, wo die fremden 
Soldtruppen unpopulär waren, erregten die Gerüchte über 
die Hessen grosses Ärgernis '^) ; war es doch nicht unbekannt 
geblieben, dass sich der Kasseler Hof auch vor 2 Jahren 
gesträubt hatte, seine Truppen gegen Preussen verwenden 
zu lassen ; die Opposition im Parlament, vor allen Lord 

*) Friedrich an Wilhelm 29. Januar; Wilhelm an Friedrich 
7. Februar 1743. 

«) Wilhelm an Donop 8. Januar 1743. 

8) Friedrich an Wilhelm 29. Januar; Alt an Wilhelm 19. Februar 1743. 

*) Friedrich an Wilhelm 22. Februar 1743. 

^) Prinz Georg aus Mons an Wilhelm 3. März, Bericht Alts 
19. Februar 1743; vergl. Carlyle, history of Friedrich IL, VIJ, 275. 
Coxe, memoirs of tho administration of Pelhara I, 65. 

*) Prinz Georg aus Mons an Wilhelm, 24. März 1743. 

^) Bericht Alts 5. Februar 1743 : les Hessois ne sont pas oxomptes 
de la plus cruelle oritique. 



60 

Chesterfield, bemächtigte sich der Sache; diese Söldlinge, 
hiess es, seien England nur zur Last; doch wurde ein An- 
trag, den König um Vorlegung der auf den Marsch der Hessen 
nach Deutschland bezüglichen Schriftstücke zu ersuchen, mit 
148 gegen 134 Stimmen abgelehnt ^). Carteret hatte indessen 
auch beim Statthalter wegen der Behauptungen Blondels 
nachfragen lassen, wobei er sich auf Wilhelms einstige Er- 
klärung berief, der bayerisch-hessische Vertrag thue den 
Verpflichtungen des Kasseler Hofes gegen England in keiner 
Weise Abbruch^). Der Prinz Hess nun den Geheimartikel 
mitteilen, in dem er sich verpflichtet hatte, dafür Sorge zu 
tragen, dass die Hessen im englischen Sold nie direkt gegen 
den Kaiser und seine Länder verwendet werden sollten; er 
fügte bei, es Verstösse ausserdem gegen die Reichsgesetze, 
dass ein Reichsfürst seine Truppen gegen den Kaiser kämpfen 
lasse; gegen die Franzosen könne England die Hessen ver- 
wenden, ausser wenn jene die kaiserlichen Lande verteidigten^). 
Carteret war mit Recht über die von Wilhelm ohne Vorwissen 
der englischen Regierung übernommene Verpflichtung erbittert; 
er sagte höhnend zu Alt, dann brauche man ja nur unter 
alle Heeresteile der Gegner einige Bayern oder Hessen zu 
mischen, so könne England seine hessischen Truppen gegen 
niemand mehr verwenden ; er drohte auch, mit dem Kasseler 
Hof zu brechen ^). Nach einiger Zeit verlangte der Minister 
eine bestimmte Antwort von Wilhelm, ob er auf die hessischen 
Truppen rechnen könne, worauf der Prinz wiederholte, er 
halte sich genau an den Wortlaut des Geheimartikels: die 
6000 Mann könnten überall verwendet werden, ausser gegen 
die Truppen des Kaisers und gegen das Land Bayern^); zu- 
gleich wies er Donop an, dafür Sorge zu tragen, dass die 
3000 Hessen im kaiserlichen Sold nicht ausserhalb Bayerns 
verwendet oder mit den Franzosen vereinigt werden sollten % 



») Bericht Alts 22. Februar; Wilhelm an Friedrich 4. März 1743. 

«) Bericht Alts 19. Februar 1743. 

8) Wilhelm aa Alt 4. März 1743. 

*) Bericht Alts Mitte März 1743. 

») Wilhelm an Alt 25. April 1743. 

ö) Wilhelm an Donop 27. April, 11. Mai und 15. Juni 1743. 



61 

Prinz Georg hatte indessen — schon vor Wilhelms letzter 
Erklärung an Carteret — von England aus Ordre bekommen, 
mit seinen 6000 Mann der pragmatischen Armee nach Deutsch- 
land nachzufolgen *) ; er begann den Marsch Mitte Mai und 
langte am 25. Juni in der Gegend von Hanaii an ; einem 
Befehl des englischen Königs gemäss, der eben bei der prag- 
matischen Armee, die bei Aschaffenburg stand^ angekommen 
war, machte der Prinz nun, nachdem er sich mit 8 aus 
ihrer Heimat kommenden hannoverschen Bataillons vereinigt 
hatte, Halt, schlug ein Lager bei Dörnigheim unterhalb 
Hanau und besetzte die Kinzigübergänge. Georg H. wollte 
nämlich mit der pragmatischen Armee mainabwärts ziehen 
und sich bei Hanau mit Prinz Georg vereinigen; auf diesem 
Marsch verlegten jedoch die Franzosen — der Versailler Hof 
hatte ein neues Heer unter dem Herzog von Noailles nach 
Deutschland geschickt — den Pragmatikern den Weg, diese 
aber errangen trotz der guten Dispositionen Noailles' am 
27. Juni den Sieg bei Dettingen^), worauf die geplante Ver- 
einigung bei Hanau stattfand^). So standen die Hessen nur 
wenige Stunden vom Schlachtfelde entfernt, ohne selbst ins 
Feuer zu kommen. Dies war jedoch hessischerseits keines- 
wegs beabsichtigt; bei Noailles' Armee waren ja weder Bayern 
noch Hessen und zur Niederlage der Franzosen hätte der 
Statthalter seine Truppen gewiss mit Freuden beitragen 
lassen, so wenig er auch sonst mit den Pragmatikern sym- 
pathisierte. 

Während die Bundesgenossen des Kaisers bei Dettingen 
geschlagen wurden, stand es in Bayern selbst noch schlimmer 
um seine Sache. Prinz Wilhelm war sehr gegen die Rück- 
kehr Karls von Frankfurt nach München gewesen, da er 
befürchtete, der französische Einfluss werde sich dort noch 
mehr geltend machen*); dennoch war der Kaiser, nachdem 
er vorher Hessen das Privilegium de non appellando verliehen 

*) Prinz Georg aus Mons an Wilhelm 17. April 1743. 
«) Dove I, 211-212. 

*) Prinz Georg an Wilhelm 15. Juni aus Andernach, 25. Juni aus 
Vilbel, 29. Juni 1743 aus Dörnigheim. 

*) Wilhelm an Donop 1. Januar und 6. April 1743. 



62 

hatte '), im April nach seinem Stammland gereist. Schon 
hatten die Österreicher die Feindseligkeiten mit einem Einfall 
in die Oberpfalz begonnen ; weiter südlich schien es Anfangs, 
als sollte ihr erster Angriff den Hessen gelten, die schon im 
Winter mehrmals durch Gerächte vom Nahen des Feindes 
alarmiert worden waren und in ihren Salzburger Quartieren 
viel unter Krankheiten, schlechter Verpflegung und feindseliger 
Gesinnung der Einwohner gelitten hatten ^). Als im März 
wieder Bewegungen der Österreicher gemeldet wurden, zog 
General Clement sein Korps zusammen ^) ; doch wandte sich 
der Feind bald mehr nach Norden und die Hessen erhielten 
von General Minucci Ordre, über Burghausen gegen Braunau 
am Inn zu marschieren, wo sich die kaiserliche Armee ver- 
einigen sollte ; die Vorkehrungen für die Verpflegung der 
Truppen waren wieder die denkbar schlechtesten, es fehlte 
an allem, die Folge war eine massenhafte Desertion bei den 
Hessen*). Als Clement bei Marktl — wenige Stunden von 
Braunau — angekommen war, näherten sich am 9. Mai die 
Österreicher in bedrohlicher Weise dem von Minucci bei 
Simbach auf dem linken Innufer gegenüber von Braunau 
bezogenen Lager; der General schickte nach Marktl um 
Hilfe, worauf die Hessen und ein mit ihnen vereinigtes 
bayerisches Dragonerregiment sich in Marsch gegen Simbach 
setzten ; aber unterwegs erhielt die Infanterie Ordre wieder 
umzukehren, um Marktl zu halten; die hessischen und 
bayerischen Dragoner jedoch beteiligten sich noch an dem 
Gefecht bei Simbach, in welchem die Kaiserlichen vollständig 
geschlagen wurden ; doch betrug der Verlust der Hessen nur 
2 Tote, 8 Verwundete und 20 Gefangene, unter letzteren 



*) „Sans ma soUicitatioD" schreibt Wilhelm am 4. März 1743 an 
Friedrich; vergl. Bommel IX, 19. 

*) Berichte Clements aus Laufen vom 2. Januar, 6. Februar, 
25. März 1743; v. Hoffmann^ das 4. bayerische Infanterieregiment 1706—1806, 
S. 261. Dass das hessische Korps, wie Maria Theresia an Khevenhüller 
schrieb {Ämeih II, 217), auf die Hälfte herabgesunken wäre, ist natürlich 
sehr übertrieben. 

**) Bericht Clements aus Laufen 28. März 1743. 

•*) Bericht Donops aus München 30. April, Clements aus Marktl 
4. Mai 1743. 



63 

befand sich der Kommandeur des Dragonerregiments, Oberst 
von Meysenbug; die anderen retteten sich, wie auch der 
grösste Teil der Bayern, über den Inn nach Braunau, um- 
giengen dann die Österreicher und stiessen wieder zu General 
Clement ^j. Schon vor der Simbacher Niederlage der Bayern 
war weiter nördlich bei Pfarrkirchen eine französische Ab- 
teilung gefangen genommen worden, worauf sich die Franzosen 
hinter die Isar zurückzogen. Dieser traurige Beginn des 
Feldzugs wirkte niederschmetternd am Hof des Kaisers in 
München ; seine Lage war verzweifelt : in Bayern die Oster- 
reicher im Vordringen und die Franzosen unter dem Herzog 
von Broglie unzuverlässig und widerwillig, bei Frankfurt die 
pragmatische Armee. In dieser Not dachte der Kaiser wieder 
an eine Vermittlung des Königs von England und Hess daher 
am Abend des 13. Mai Donop im tiefsten Geheimnis zu einer 
Audienz bitten. Dieser beschwor ihn, er möchte dem Prinzen 
Wilhelm, der im BegriflF stand, einer Einladung Friedrichs IL 
nach Berlin zu folgen, und für die Rückreise seinen Besuch 
am hannoverischen Hof angesagt hatte ^), Vollmacht zur 
Verhandlung mit König Georg schicken ; doch werde der 
Kaiser, fügte Donop hinzu, sich dann von Frankreich trennen 
und den Gedanken an Gebietserweiterung aufgeben müssen. 
Davon wollte Karl zwar nichts hören ^), entschloss sich aber, 
als die Nachrichten vom Kriegsschauplatz immer schlechter 
lauteten, nach einigen Tagen doch dazu, sich durch Wilhelm 
an den König von England zu wenden *), während zu gleicher 
Zeit in Frankfurt die Kaiserin mit dem Lord Stair über den 
Frieden verhandelte^). In einem Schreiben vom 18. Mai 
bat der Kaiser den Prinzen, er möchte König Georg in seinem 
Namen mitteilen, er sei bereit, für die Wiederherstellung des 
Friedens seine Interessen zu opfern, und überlasse es daher 



*) Bericht Clements aus Borgheim bei Maiktl 12. Mai, Meysonbugs aus 
Wels 19. Mai, Donops aus München 11. Mai 1743; Tagebuch Karls VII., S. 83. 
') Ein hessischer Geheimrat an Alt 2. Mai 1743. 
») Bericht Donops 15. Mai 1743 

*) >, „ 18. ,, 1743. 

») „ „ 25. „ 1743, vergl. Pol. Korr. II, 373; Droysen 

V, 2, 70. 



64 

dem König, zwischen ihm und dem Wiener Hof den Frieden 
zu vermitteln, vorausgesetzt, dass die Bedingungen vereinbar 
seien mit seiner Ehre und der einem deutschen Kaiser ge- 
bührenden Machtstellung und dass er es vor seiner Nach- 
kommenschaft verantworten könne ^). Karl gedachte also 
noch keineswegs auf seine Ansprüche zu verzichten, wenn 
er sich auch hütete, etwas Bestimmtes zu verlangen. Wilhelm 
erhielt des Kaisers Schreiben in Berlin, wohin ihn Friedrich IL 
zu einer Revue eingeladen hatte; der Prinz gewann am 
Berliner Hof den Eindruck, als ob der König dem Kaiser 
zwar wohlgesinnt sei, sich aber selbst in nichts einzulassen 
gedenke; von Karls Brief erwähnte er nichts, um die englische 
Vermittlung nicht zu verderben ^). Am 4. Juni traf der 
Prinz in Hannover ein und übergab König Georg das kaiser- 
liche Schreiben; dieser erklärte, Karl möchte sich nach 
Frankfurt begeben, vorher könne er sich auf nichts einlassen; 
von Seiten Maria Theresias, die man übrigens wie auch 
Holland von den Verhandlungen benachrichtigen müsse, Ab- 
tretungen für den Kaiser zu verlangen, sei unmöglich, doch 
hoflfe er andere Mittel zu seiner Entschädigung zu finden, 
sei es auf Kosten Frankreichs oder durch Säkularisationen. 
Carteret redete dem Prinzen zu, wenn der Kaiser in Frank- 
furt sei, nach Hanau zu kommen wegen der Friedensver- 
handlung. Als Wilhelm anfragte, ob man englischerseits 
geneigt sei, gegebenen Falls den kaiserlichen Truppen Subsidien 
zu gewähren, was ein Hanptanliegen Karls war, verhielt sich 
der Lord nicht ablehnend, erklärte aber, man müsste vorher 
in England das Terrain sondieren. Der Prinz war mit dem 
Anfang der Verhandlungen nicht gerade unzufrieden, schrieb 
aber an den Kaiser, Trennung von den Franzosen sei unbedingt 
nötig, um etwas zu erreichen ^). Er erhielt noch in Hannover 
ein zweites Schreiben vom Kaiser, in dem dieser als Basis 
der Friedensverhandlung vorschlug : die Truppen der krieg- 



1) Karl Vll. an Wilhelm 18. Mai 1743. 
«) Wilhelm aus Berlin an Donop 29. und 30. Mai 1743. 
•) Wilhelm aus Hannover an Karl VII. 6., an Donop 6, 7. und 
8. Juni 1743. 



65 

führenden Mächte kehren in ihre Heimat zurück, ebenso die 
deutschen Hilfstruppen, die nicht im Sold einer kriegführen- 
den Macht stehen ; die fremden Hilfstrnppen verlassen das 
Reich ; die Grenzplätze, wie Eger, Passau, Schärding, werden 
von Reichstruppen besetzt, die Gefangenen und die Artillerie 
zurückgegeben ^). Also der Kaiser hätte hiernach nicht nur 
Bayern zurückbekommen, sondern auch die pfälzischen und 
hessischen Hilfstruppen behalten dürfen, während die Öster- 
reicher, die pragmatischen Truppen und allerdings auch die 
Franzosen hätten in ihre Heimat zurückkehren müssen. 
Wenn der Kaiser noch solche Forderungen stellte, ist es 
kein Wunder, dass er mit Wilhelms Bericht über dessen 
Unterredung mit Georg unzufrieden war; er erklärte Donop, 
auf so vage Versprechungen hin könne er sich nicht von 
seinen Verbündeten trennen, er ergebe sich nicht auf Gnade 
und Ungnade ; doch sei er bereit nach Frankfurt zu kommen, 
wenn man ihm Bayern zurückgebe — er hatte unterdessen 
von München nach Augsburg flüchten müssen — und ihn 
instandsetze, seine Truppen zu unterhalten ^). Als König 
Georg und Carteret von Hannover zur pragmatischen Armee 
abgiengen, hielt sich der Lord einen Tag in Kassel auf; der 
Prinz fand ihn etwas zugänglicher als in Hannover, er schien 
dem Wunsch Wilhelms, die kaiserlichen Truppen sollten als 
neutral betrachtet werden, nun eher geneigt^), der Prinz 
stellte für diesen Fall in Aussicht, die 3000 Hessen an Eng- 
land zu geben*). 

Indessen hatten die Österreicher fast ganz Bayern er- 
obert; ohne ernstlichen Widerstand waren die Bayern mit 
ihren deutschen Hilfstruppen wie die Franzosen überall 
zurückgewichen ; bei Ingolstadt schien es, als sollten sie 
endlich wieder zum Stehen kommen, aber Marschall Broglie 
Hess sich, obwohl er Verstärkung erhielt, auch hier nicht 
halten, sondern zog sich noch weiter zurück nach Donauwörth. 



») Karl VII. und Donop au Wilhelm 2. Juni 1743. 
') Bericht Donops aus Augsburg 11. Juni 1743. 
8) Wilhelm an Donop 18. Juni 1743. 
*) Instruktion für Alt 24. Juni 1743. 

N. F. Bd. XJCIII. 5 



66 

Donop beschwor den Kaiser, seine Truppen nicht mit den 
Franzosen ziehen zu lassen, da sich sonst die Hessen von 
den Kaiserlichen trennen müssten ^), was von Seiten der 
Pfälzer bereits geschehen war^); Prinz Wilhelm schickte 
Ordre an Clement, wenn die bayerische Armee mit der 
französischen an den Rhein ziehe, so solle er sich neutral 
erklären, „da eine solche Demarche mit anderen Verbindungen 
ohnmöglich zu combinieren stehet*'^). Aber soweit sollte es 
nicht kommen; als Broglie den Kaiser von Donauwörth aus 
auffordern Hess, sich mit ihm gegen den Neckar zurückzu- 
ziehen, entschloss sich Karl, seine Truppen auf neutrales 
Gebiet übertreten zu lassen ^), was ihm Donop schon früher 
geraten hatte ^) ; er teilte diesem mit, er sei jetzt fest ent- 
schlossen, sich von Frankreich zu trennen und sich dem 
Reich und den Seemächten in die Arme zu werfen, er hoffe 
Wilhelm in Frankfurt zu sehen®); gleich darauf reiste er 
dorthin ab. Am 27. Juni, dem Tag der Dettinger Schlacht, 
schloss dann Seckendorff mit Graf Khevenhüller die Neutra- 
litätskonvention von Niederschönfeld '^) ; dieser zufolge begab 
sich die kaiserliche Armee, unbehelHgt von den Österreichern, 
nach Wemding, einer bayerischen Exklave zwischen neu- 
burgischem, ansbachischem und öttingischem Gebiet. Die 
Hessen, die durch den unglücklichen Feldzug sehr dezimiert 
waren, wurden in Ammersbach bei Wemding untergebracht ^). 

*) Bericht Donops aus Augsburg 25. Juni 1743. 

2) Bericht Donops aus Augsburg 21. Juni 1743. 

8) Wilhelm an Clement 25. Juni 1743. 

*) Karls VII. Tagebuch S. 90 f. ; Droysen V, 2, 80. 

*) Bericht Donops aus Augsburg 21. Juni 1743. 

®) Bericht Donops aus Augsburg 25. Juni 1743. 

') Georg Preuss (der Friede zu Füssen 1745, Historische Abhand- 
lungen von Eeigel und Oraueri^ Heft VI, S. 15. Anmerkung 1) sagt, 
Seckendorff habe die Konvention ohne Ermächtigung des Kaisers und 
wohl mehr in österreichischem als in bayerischem Interesse abgeschlossen. 
In "Wahrheit hatte der Kaiser den Marsch auf neutrales Gebiet und eine 
diesbezügliche Erklärung, sowie eine Besprechung Seckendorffs mit den 
österreichischen Generalen selbst angeordnet (Tagebuch S. 91); nur eine 
förmliche Neutralitätskonvention wünschte er nicht, da er sich für einen 
etwaigen Marsch nach Philippsburg oder den Entsatz von Ingolstadt nicht 
die Hände binden wollte (Tagebuch S. 94 und 98); die Neutralität der 
kaiserlichen Truppen hielt übrigens auch Friedrich IL für das einzige 
Mittel sie zu retten (histoire de mon temps S. 289). 

^) Bericht Clements aus Wemding 11. Juli 1743. 



67 

So schmachvoll diese Konvention an sich war, so 
konnte sie vielleicht doch die gute Folge für den Kaiser 
haben, eine Verständigung mit England zu erleichtern ; denn 
Karl hatte sich nun — wenigstens militärisch — wirklich von den 
Franzosen getrennt, allerdings nicht aus freier Entschliessung, 
sondern weil ihn Marschall Broglie im Stich gelassen hatte. 
Der Kaiser setzte jetzt thatsächlich seine Hoffnung auf die 
englische Vermittlung ; in Frankfurt angekommen Hess er 
König Georg und Carteret, die sich seit der Dettinger Schlacht 
in Hanau befanden, durch Donop sagen, er sei zu jedem 
vernünftigen Frieden (accomodement raisonnable) bereit^). 
Dazu stimmte es freilich nicht, dass Karl den Marschall 
Noailles um Fortsetzung der französischen Subsidien bat^); 
übrigens riet ihm dieser selbst zum Frieden, wenn er sich 
nur nicht gegen Frankreich erkläre^). Auf die Nachricht 
von des Kaisers Ankunft in Frankfurt reiste Prinz W^ilhelm 
mit Asseburg ebenfalls dorthin, empfieng am 5. Juli Voll- 
macht von Karl zur Verhandlung mit König Georg, sowie 
die Propositionen des Kaisers, und begab sich damit nach 
Hanau. Da in diesen Propositionen von einem Verzicht 
Karls auf seine österreichischen Ansprüche nicht die Rede 
war*) und sich andrerseits auch Carteret Anfangs wenig 
entgegenkommend zeigte, so machten die Verhandlungen 
grosse Schwierigkeiten ^). Der Prinz jedoch, welcher un- 
ermüdlich thätig war und beständig zwischen Hanau und 



») Bericht Donops aus Frankfurt 29. Juni 1743 ; 

') Noailles an Ludwig XV. 8. Juli (correspondance de Louis XV 
et du marechal de Noailles I, 141). 

8) Karls Yll. Tagebuch S. 96. 

*) Preussische Staatsschriften I, 633—034; die hier abgedruckte 
Denkschrift des Prinzen Wilhelm über die Hanauer Verhandlungen ist 
nicht, wie Droysen (V, 2, 90 Anm. 1) meint, .bald nach der Verhandlung" 
geschrieben worden, sondern erst im Spätsommer 1744; Wilhelm suchte 
durch sie seinen inzwischen erfolgten Bruch mit England zu rechtfertigen 
und bemühte sich deshalb, Carterets Verfahien als möglichst rücksichts- 
los und unehrlicli darzustellen (vergl. S. 107 f.); die Denkschrift ist also 
keineswegs objektiv; verfasst wurde sie von Asseburg (Bericht Donops 
2. Dezember 1744). 

*) Staatsschriften I, 634. 

5* 



68 

Prankfurt hin- und herreiste ^), gab die Hoffnung auf eine 
schliessliche Einigung nicht auf. Nachdem die Verhand- 
lungen schon 8 Tage gedauert hatten, erschien ein Ab- 
gesandter des Königs von Preussen, Graf Finckenstein, in 
Hanau, um gleichfalls daran teilzunehmen. Wilhelm hatte 
nämlich — entgegen seinem Verhalten in Berlin — Fried- 
rich IL von seinen Besprechungen mit König Georg in 
Hannover in Kenntnis gesetzt und ihm geschrieben, jetzt sei 
der Augenblick da, wo der König zur Herstellung des 
Friedens das Seine beitragen könne ^). Friedrich, der eine 
Einigung des Kaisers mit England ohne Preussens Anteil- 
nahme nicht wünschte^), antwortete dem Prinzen, er selbst 
sei dafür, dass der Kaiser Frieden schliesse, und werde so- 
fort jemand bevollmächtigen, an der Verhandlung teilzu- 
nehmen*). Der Prinz, welcher von der Abneigung König 
Georgs gegen Preussen keine rechte Vorstellung hatte, hielt 
die Mitwirkung Friedrichs H. für äusserst wertvoll^), Georg 
und Carteret dagegen waren von der Ankunft des preussischen 
Gesandten sehr wenig erbaut und Finckenstein konnte in 
einer Unterredung, die er am 15. Juli mit dem Lord hatte, 
es nicht erreichen, zu der Friedensverhandlung beigezogen 
zu werden^). Am Abend desselben Tages kam Prinz Wil- 
helm mit Carteret über einen Friedensvertrag '^) überein, der 
aus folgenden Bedingungen bestand: Der Kaiser sollte die 
Franzosen veranlassen, den Boden des Reichs zu verlassen, 
dagegen war von der Anfangs vom Kaiser verlangten**) Ent- 
fernung der österreichischen und pragmatischen Armee nicht 
die Rede; er sollte für sich und seine Nachkommen auf 
seine österreichischen Anspräche verzichten und Maria 
Theresia als Königin von Ungarn und Böhmen anerkennen, 

*) Des Herrn von Loen gesammelte Schrifton U^ 315—316. 
') Wilhelm an Donop 29. Juni ; vergl. Droysen V, 2, 84 mit 
Anm. 2. 

8) Pol. Korr. II, 373. 

4) Desgl. n, 378-379. 

^) Wilhelm an Donop 29. Juni 1743; vergl. Pol. Korr. II, 889. 

«) Pol. Korr. II, 390—391 ; Droysen, V, 2, 02 f. 

') Staatsschriften I, 635-636. 

«) Desgl. I, 633. 



69 

dafür Bayern — und zwar als Königreich — zurückerhalten 
und von der Königin als Kaiser anerkannt werden. Wegen 
des Verlustes der französischen Subsidien und der Erschöpfung 
Bayerns sollte Karl zu seinem Unterhalt eine monatliche 
Summe bekommen — natürlich von England — , bis man 
im Verein mit den Seemächten die Mittel gefunden hätte, 
sein Einkommen auf eine sichere Weise zu erhöhen ; mit 
anderen Worten : man versprach dem Kaiser Gebietserweiterung. 
Sehr wichtig war der scheinbar harmlose Artikel: Der Kaiser 
bemüht sich unverzüglich, im Verein mit dem König von 
England, eine Einigung mit dem Reich zu erzielen, um ge- 
meinsam mit den Seemächten und anderen Mächten Frank- 
reich zu einem sicheren und allgemeinen Frieden in Europa 
zu vermögen."^) Dieser Artikel stellte in verhüllter Weise 
die Teilnahme von Kaiser und Reich am Krieg Österreichs 
und Englands gegen Frankreich in Aussicht, was Wilhelm 
schon in seinem Plan vom Dezember 1742 vorgeschlagen ^) 
und Carteret in seiner Entgegnung auf des Kaisers erste 
Propositionen angedeutet hatte ^) ; der Lord war der Ansicht, 
dass ohne Kaiser und Reich nichts gegen Frankreich aus* 
gerichtet werden könne ^). In einem Brief nach Stockholm 
sprach es der Statthalter offen aus, dass dies der Haupt- 
gegenstand der Verhandlung sei^j. Auch der Kaiser selbst 
fasste den Artikel so auf und war deshalb nicht damit ein- 
verstanden, was er aber verschwiegt). Gegen den Gewinn 
der kaiserlichen Bundesgenossenschaft also stellte Carteret 



*) Faire consentir ä heisst es in der Denkschrift; in einem Conzept 
zu derselben (3. September 1744 an Mann ins Haag geschickt) heisst es 
obiiger; auch Karl VII. spricht in seinem Tagebuch (S. 96) von obiiger; 
die spätere Abschwächung ist nicht unwichtig. 

*) Vergl. S. 51. 

®) Staatsschriften I, 634: apres que l'empereur et l'empire auraient 
forme un concert d'ovacuor Tempire des FrauQais. 

■») Wilhelm an Alt 14. November 1744. 




pr. 

Rheinübergang 

travaille do son mieux; c'est la bäse de la negociation;;avec Tempereur 
que de le faire prondre parti contre la France. 
«) Karls VII. Tagebuch S. 96. 



70 

Karl Namens Englands die monatlichen Subsidien in Aus- 
sicht ; diese sollten — so war es geplant — zur Ernährung 
von 15 — 20000 Mann dienen, die der Kaiser zu einer Reichs- 
armee stellen sollte ^). Es wäre ja auch widersinnig gewesen, 
wenn England den Kaiser, ohne dass dieser Krieg führte, 
mit Geld unterstützt hätte. In einem geheimen Assecuranz- 
projekt^) machte sich König Georg anheischig, Karl noch 
weitere Vorteile zu verschaffen, doch nicht auf Kosten der 
Königin von Ungarn — d. h. entweder auf Kosten Frank- 
reichs oder durch Säkularisationen — und ihm, abgesehen von 
der monatlichen Summe, 300000 Thaler auszuzahlen, und zwar 
100000 sofort nach der Unterzeichnung des Vertrages, die 
übrigen 200000 nach und nach von 20 zu 20 Tagen ^j. Da- 
gegen bestimmte ein Geheimartikel, der noch zuletzt von eng- 
lischer Seite verlangt wurde, dass der Kaiser die deutschen — 
d. h. also die hannoverischen — Interessen König Georgs bei jeder 
Gelegenheit kräftig unterstützen solle*). Als alles fertig war, 
erklärte Carteret, er werde, wenn König Georg etwas an dem 
Vertrag auszusetzen habe, Wilhelm sofort Meldung machon, 
andernfalls sei alles in Ordnung. Da der Lord nichts mehr 
von sich hören Hess, glaubten der Prinz und Asseburg ge- 
wonnenes Spiel zu haben ; „endlich ist die Sache im Reinen," 



») Wilhehn an Alt 14. Oktober 1744. 

«) Staatsschrifton I, 636. 

*) De lui compter incessament trois cent mille ecus, savoir cont 
mille ecus immediatement apres la Signatare de ceci et les autres deux 
cent mille successivement de 20 ä 20jours; Staatsschrifteu I, 638 fohlen 
die Worte savoir cent mille ecus, was den Anschein erweckt, als wären 
dem Kaiser ausser den 300000 noch 200000 Thaler versprochen worden; 
von Wiese (die englische parlamentarische Opposition während des öster- 
reichischen Erbfolgokriegs, S. 29) hat sich dadurch irre führen lassen. 

*) D'appuyer efficacement les interets de Sa M^este Britannique en 
Allemagne dans toutes les occasions qui se presenteront. Wilhelm er- 
wähnte in seiner Denkschrift den Artikel nicht, sei es um König Georg 
keine Unannehmlichkeiten in England zu erwecken, oder um den Kaiser 
Preussen gegenüber nicht in Verlegenheit zu bringen. Carteret hat den 
Geheimartikel natürlich nicht nach England geschickt und die Lords von 
der Regentschaft hatten also nicht so Unrecht, wenn sie später die Ver- 
mutung aussprachen, that they were not let into the whole secret but 
that there was ßome German job at the bottom of it (Marchmont 
papers I, 56). 



71 

schrieb dieser am anderen Morgen frohlockend an Donop ^) ; 
aber als sie Mittags von Wilhelms Schloss Philippsruhe nach 
Hanau hereinkamen, wo sie alles zur Zeichnung des Ver- 
trages bereit glaubten, erklärte Carteret auf einmal, das 
Projekt müsse zur Begutachtung durch die Regentschaft nach 
England geschickt werden; alle Vorstellungen Wilhelms und 
Asseburgs waren vergeblich ^). Der Prinz hoffte übrigens 
zuversichtlich auf eine günstige Entscheidung der Regent- 
schaft ^) ; aber am 1 . August brachte der nach England ge- 
sandte Courier einen abschlägigen Bescheid. So war das 
Friedenswerk gescheitert; Wilhelm gab jede Hoffnung auf 
eine Einigung auf und verliess bitter enttäuscht Hanau ; der 
Kaiser Hess durch Hasslang noch längere Zeit weiter ver- 
handeln, doch, wie vorauszusehen war, ohne Erfolg. 

Der Prinz hat später behauptet, es sei Carteret mit 
der Friedensverhandlung gar nicht Ernst gewesen und das 
Vertragsprojekt sei überhaupt nicht von ihm nach Eng- 
land geschickt worden^). Letzteres erwies sich jedoch 
als unrichtig, das Projekt ist wirklich nach England ab- 
gegangen^). Droysen, Koser und v. Wiese nehmen aber 
an, der Lord habe trotzdem unehrlich an dem Kaiser ge- 
handelt, indem er der ablehnenden Antwort der Regentschaft 
im voraus sicher gewesen sei ^) ; sie berufen sich dabei auf 
ein Schreiben des Herzogs von Newcastle vom 31. Mai (a. St.), 
worin dieser Carteret vor den Machinationen Prinz Wilhelms 
warnte und dem Lord seine Gründe gegen den von König 
Georg gewünschten Frieden mit dem Kaiser darlegte : gerade 

*) Asseburg aus Schloss Philippsruhe bei Hanau an Donop 16. Juli 
1743 (Morgens): enfin est Taffairo dans son sac, on a accorde la somme, 
passe tous les poiuts et le peu de changements qu'on a fait et un article 
secrot qu'on y a ajoute ne peuvent porter aucun prejudice ä la conclusion 
de cette importante affaire. 

*) Asseburg an Donop 16. Juli 1743 (Abends). 

^) Asseburg an Donop 1. August 1743. 

*) Staatsschriften I, 638 ; Friedrich der Grosse urteilte über Carteret: 



lo ministre anglais se joua grossierement et en depit de la bonne foi du 

sse ; Carteret etait un fourbe qui parlait le langage des 

honnetes gens (histoire de mou temps S. 293 ; in der Redaktion von 



prince de Hesse 



1775 ist dieser Passus weggelassen). 
») Vergl. S. 108. 
«) Droysm Y, 2, 95—96, Staatsschriften I, 627 (Koser), v. Wiese S. 29. 



72 

im Bündnis mit Karl, schrieb Newcastle, liege die Schwäche 
Frankreichs und dies müsse von England ausgenützt werden ^). 
Ist aber von Lord Carteret anzunehmen, dass er sich darauf- 
hin sofort dem Willen seiner Kollegen fügte, er, von dem 
der Ausspruch berichtet wurde „Gebt einem Mann die Krone 
auf seine Seite und er kann allem Trotz bieten''?') Viel- 
mehr gedachte der Lord, der im Gegensatz zu Newcastle die 
Bundesgenossenschaft mit dem Kaiser bei dem geplanten 
Angriffskrieg gegen Frankreich für sehr wertvoll hielt ^), den 
Widerstand seiner Kollegen gegen den Frieden mit Karl 
dadurch zu überwinden, dass er sie überhaupt ignorierte : er 
hatte offenbar vor, den Frieden mit dem Kaiser abzuschliessen, 
ohne bei der Regentschaft anzufragen^); er hoffte, wenn er 
— die Krone auf seiner Seite — dem Parlament den voll- 
zogenen Vertrag vorlege, so werde sich kein Widerstand er- 
heben, zumal da die englische Politik unter seiner Leitung 
unbestreitbar grosse Erfolge errungen hatte. Aber der König, 
so sehr er auch — schon mit Rücksicht auf Hannover — den 
Frieden mit dem Kaiser wünschen mochte, versagte sich 
dieser kühnen Politik seines Ministers; als ihm Carteret am 
Abend des 15. Juli den Vertrag vorlegte, bekam er kon- 
stitutionelle Bedenken und verlangte, dass die Zustimmung 
der Regentschaft eingeholt werden müsse ^), welche dann das 



*) TF. Coxej memoirs of the administration of Henry Pelham I, 74 : 
I know prinoe William^s artifices and viows ; and therefore Iwas sorry 
he intended to make you a visit, though 1 tbink bis oöers aro no more 
than what have been made on hundred times. The emperor is the weak 
part of their union ; he is more than half conquered already ; there we 
inust press e France, and there we shall e get the better of them. 

«) Droysm V, 2, 326. 

■) Vergl. S. 69; dass Carteret den Frieden mit Karl wirklich 
wünschte, nimmt auch Ranke (XXIX, 43—45) an; vergi. Marchmont 
papers I, 48; König Georg selbst war über die Ablehnung des Vertrags 
seitens der Regentschaft sehr verstimmt (Bericht Alts vom 29. Sep- 
tember 1744; Staatsschriften I, 628 Anm. 2). 

*) Sonst hätte er dies Wilhelm nicht erst im letzten Augenblick 
mitgeteilt. 

*) Dadurch, dass Carteret den Vertrag nach England sandte, 
kapitulierte er vor der Regentschaft ; vergl. Droysen V, 2, 96 ; Newcastle 
schrieb an seinen Bruder Pelham : it is piain, we have got the better of bim 
(Carteret) and our master has been surprisingly firm {Goxe, Pelham 1, 88). 



73 

Projekt mit der schon von Newcastle angeführten Motivierung ^) 
ablehnte. Anders lässt sich die plötzliche Umwandlung des 
Lords vom 15. auf 16. Juli gar nicht erklären ; er sprach es 
auch Asseburg gegenüber aus, der König wolle ihn nicht 
unterstützen und redete davon, er wolle nicht um des Kaisers 
willen seinen Kopf aufs Schaffot bringen ^) ; auch später 
stellte Carteret dem preussischen Gesandten Andrie die Sache 
ähnlich dar '). Es wäre übrigens auch gar nicht einzusehen, 
was der Lord, wenn es ihm mit dem Frieden nicht Ernst ge- 
wesen wäre, mit der ganzen langen Verhandlung eigentlich 
bezweckt hätte ; die einzige Folge davon musste notwendig 
Groll und Erbitterung des Kaisers und Prinz Wilhelms gegen 
England sein. Ausserdem wäre es doch auch Carteret kaum 
zuzutrauen, dass er sich mit dem hilfesuchenden, unglück- 
lichen Kaiser ohne Zweck eine solche, geradezu diabolische 
Komödie erlaubt hätte *). Gesetzt übrigens , der Vertrag 
zwischen dem Kaiser und Georg IL wäre zustande gekommen, 
so ist es sehr zweifelhaft, wie sich der Wiener Hof, der von 
der Hanauer Verhandlung gar nicht ^) oder doch jedenfalls 
nicht eingehend unterrichtet war, dazu verhalten hätte. 
Maria Theresia, der Prinz Wilhelm als Vermittler schon an 
sich unsympathisch war^), wäre gewiss mit den grossen Zu- 

^) Staatsschriften 1, 637; später gaben die Minister an, sie hätten 
das Projekt abgelehnt wegen der dem Kaiser auf unbestimmte Zeit 
bewilligten Geldsummen (Bericht Alts 26. September 1744 ; Staats- 
schriften 1, 629). Carteret, dem natürlich daran lag, seinen Kollegon zu 
verbergen, dass er sie hatte umgehen wollen, teilte übrigens die stipulierten 
Artikel nur als „Projekt" mit und die Polhams waren später eretaunt 
von Alt zu hören, wie nahe der Vertrag seinem Abschluss gewesen war 
(Bericht Alts 25. September 1744). 

*) Droysen V, 2, 95. 

*) Lord Carteret has expressed his sorrow that these propositions 
(die Uanauor) were not signed and said to Andrie: You know, one cannot 
always guide one's master (Mitteilung Andries an Marchmont, Marchmout 
papors 1, 26). 

'') Carteret hat sowohl gleich nach dem Scheitern der Hanauer 
Verhandlungen, als im Jahr darauf Alt gegenüber stets seine Unschuld 
hieran beteuert (Berichte Alts vom 21. August 1743 [aus Castcl b. Mainz] 
und vom 25. September 1744); vergl. Staatsschriften I, 628. 

^) So Prmss (der Friede zu Füssen) S. 63; vergl. Pol. Korr. H, 458; 
Ameth (II, 297^ spricht sich nicht deutlich au&. 

®) Man nörte von einer Äusserung Graf Cobenzls, die Königin 
werde zu jeder Unterhandlung mit dem Kaiser die Hand bieten, sofern 



74 

sagen Englands an den Kaiser nicht einverstanden gewesen, 
um so weniger, als sie sich damals durch den Erwerb 
Bayerns für den Verlust Schlesiens schadlos zu halten ge- 
dachte ^). Aber andererseits war der Wiener Hof gänzlich 
abhängig von England, ohne dessen Subsidien ihm die 
Führung des Kriegs unmöglich gewesen wäre. So hat die 
englische Regierung bald darauf Österreich zum Wormser 
Vertrag mit Sardinien gezwungen, der dem Wiener Hof weite 
Landstriche in Italien kostete ^). Und hat nicht England im 
Jahr 1745 auch gegen den Willen Maria There^as mit Preussen 
die Konvention von Hannover geschlossen ? Schlimmer als 
ein etwaiger Widerstand Österreichs gegen die Hanauer 
Stipulationen war es, dass der Kaiser nicht ehrlich dabei zu 
Werke gieng. Nicht nur betrachtete er den Verzicht auf 
die österreichischen Ansprüche für seine Nachkommen, ob- 
wohl diese besonders angeführt waren, nicht als bindend, 
sondern er war auch entschlossen, dem Artikel, dass er 
gemeinsam mit dem Reich Frankreich zam Frieden vermögen 
solle, seine Anerkennung zu versagen ^). Dadurch wäre aber 
der Hauptzweck Carterets, der Gewinn der kaiserlichen Bundes- 
genossenschaft gegen Frankreich, hinfällig geworden und 
folglich wäre auch jeder Grund für England weggefallen, zu 
Gunsten des Kaisers Opfer zu bringen. Es ist nicht zu 
leugnen: der Hanauer Vertrag war nicht durchzuführen; die 
politischen Anschauungen der beiden Parteien giengen zu 
weit auseinander. 



sio nicht durch Prinz Wilhelm gehe {Droysefii V, 2, 94) ; der Prinz selbst 
spricht in einem Sclireiben an Uarrington am 25. Januar 1745 von la 
repugnance qu'a eu la reine de Hongrie de mou entreniiso. 

>) Arneth II, 297. 

2> Arneth 11. 279-296. 

8) Karls VII. Tagebuch S. 96 vergl. S. 69. 



75 
5. Kapitel. 



Vollständige Abwendung von England, Abschluss 
der Frankfurter Union im Mai 1744. 

Wenn Prinz Wilhelm auch den Versicherungen Carterets, 
dass er an der Ablehnung des Hanauer Vertrags keine Schuld 
trage, halb und halb Glauben schenkte ^), so hinterliess doch 
das Scheitern der dortigen Friedensverhandlungen bei ihm 
eine tiefgehende Missstimmung gegen England und speziell 
gegen den leitenden Minister. Trotzdem dachte der Prinz 
keineswegs daran, in seiner Politik dem Londoner Hof gegen- 
über eine Änderung eintreten zu lassen; als im September 
Carteret mit Alt über die Erneuerung des im Mai 1744 ab- 
laufenden Subsidienvertrages sprach, war Wilhelm sofort 
bereit, darauf einzugehen ^) , doch erklärte der Lord, sich 
vorerst auf nichts Bestimmtes einlassen zu können ^). Als 
aber Carteret im Oktober durch Hanau kam , sprach er mit 
dem Prinzen nicht nur über die Vertragserneuerung, sondern 
auch über Vei^mehrung der hessischen Soldtruppen und sein 
Begleiter Villiers, der englische Gesandte in Dresden, schlug 
sogar vor, Hessen solle sich von jetzt ab als kriegführende 
Macht im Bund mit England am Krieg beteiligen, dann 
werde es auch beim Friedensschluss greifbare Vorteile davon- 
tragen^). Der Prinz erklärte sich zur Verlängerung des Ver- 
trags bereit, lehnte aber eine Vermehrung der Truppen ab, 
da er nur noch 1 Infanterie- und 1 Dragonerregiment zur 
Verfügung habe, die zur Sicherheit des Landes und als Be- 



*) Wilhelm aus Aachen an Alt 14. September 1743. 

') Wilhelm aus Aachen an Alt 14. September 1743. 

^) Wilhelm aus Hanau an Alt 8. Oktober 1743; Alt hörte später 
von einer Äusserung König Georgs, Carteret habe gefürchtet, die Regent- 
schaft in London werde zu einem neuen Vertrag mit Hessen so wenig 
ihre Zustimmung geben, wie zu dem Hanauer Friedensprojekt (Bericht 
Alts 29. September 1744). 

*) Changer la fagon passive dont nous avions ete lies jusqu' ici 
avec l'Angleterre en activite et agir dorenavant efficacoment avec eile 
afin d'en pouvoir tirer des fruits nets, lorsqu'il s'agira d'une pacification 
generale. England war übrigens damals selbst nur mit Spanien im Krieg. 



76 

Satzung von Rlieinfels unentbehrlich seien *). Zur grossen 
Befriedigung des Statthalters wurde den 6000 Hessen, die 
den ebenso unblutigen als unfruchtbaren Feldzug der prag- 
matischen Armee auf dem linken Rheinufer mitgemacht 
hatten, von der englischen Regierung gestattet, den Winter 
in ihrer Heimat zuzubringen, während Anfangs bestimmt ge- 
wesen war, sie sollten wieder in den Niederlanden Quartiere 
bekommen^). Unterdessen lag die Armee des Kaisers mit 
dem in seinem Sold stehenden hessischen Korps seit Anfang 
Juli bei Wemding ; Karl trug sich eine Zeit lang trotz der 
Konvention von Niederschönfeld mit dem Gedanken, Secken- 
dorfF solle mit diesen Truppen Ingolstadt entsetzen ^). Wilhelm, 
der dieses Unternehmen für äusserst gefährlich hielt, riet 
dem Kaiser dringend davon ab und deutete ihm an, dass er 
dabei auf die Mitwirkung der Hessen nicht zu rechnen habe ^) ; 
wirklich schickte der Prinz Ordre an Clement, sich an einem 
etwaigen Marsch Seckendorffs auf Ingolstadt nicht zu be- 
teiligen^); die Sache wurde übrigens bald gegenstandslos, 
indem sich die Festung den Österreichern ergab. Im No- 
vember endlich kehrten die Hessen, nachdem der Statthalter 
schon lange beim Kaiser darauf gedrungen hatte, in die 
Heimat zurück, zu gleicher Zeit wie ihre Landsleute, die aus 
dem gegnerischen Lager kamen. 



*) Wilhelm aus Hanau an Friedrich 20. Oktober; Instruktion für 
Alt 19. Oktober 1743. 

') Nach einem Bericht des Prinzen Georg (aus Laubeuheim b. Mainz 
18. Oktober 1743) wurde dies deshalb rückgängig gemacht, weil die für 
die Hessen bestimmten niederländischen Quai'tiere von den Hannoveranern 
eingenommen wurden, mit deren Unterbringung im Kölnischen man mit 
dem Kurfürsten nicht einig geworden war. 

«) Vergl. Karls VII. Tagebuch S. 98. Dass Seckendorff den Entsatz 
Ingolstadts, wie Pretiss (der Friede von Füssen S. 15 Anm. 1) meint, 
leicht hätte bewerkstelligen können, ist, vollends wenn sich die Hessen 
nicht beteiligten, sehr unwahrscheinlich; nach dem jämmerlichen Feldzug 
in Bayern konnte der Marschall wahrhaftig nicht mehr viel Vertrauen 
zu seinen Truppen haben, das Offizierskorps war nach Friedrichs II. 
Zeugnis (Pol. Korr. II, 422) grösstenteils „pitoyable"; es war gewiss 
besser, die letzten Truppen des Kaisers nicht der Vernichtung aus- 
zusetzen. 

*) Wilhelm aus Aachen an Donop 30. August, an Karl VII. 
7. September 1743. 

^) Wilhelm aus Aachen an Clement 30. August 1743. 



77 

So unnatürlich und unwürdig auch das doppelte Sold- 
verhältnis des Kasseler Hofes war, so sehr Wilhelm beiden 
Teilen gegenüber in Verlegenheit gekommen war, so scheint 
ihm doch gar nicht der Gedanke gekommen zu sein, den 
Ablauf des englischen Vertrags zu benutzen, um dieser 
Zwitterstellung ein Ende zu machen. Die Anregung hierzu 
ist von aussen an ihn herangetreten : im November berichtete 
Donop, die französischen Diplomaten in Frankfurt, wie auch 
Klingräffen, sprächen beständig davon, wie grosse Vorteile 
der Kasseler Hof erlangen könne, wenn er den englischen 
Vertrag nicht mehr erneuere*). Als sich der Prinz so von 
beiden Seiten umworben sah — Villiers hatte ihm ja ähnliche 
Andeutungen gemacht ^) — , stieg die Hoffnung in ihm auf, 
es werde sich vielleicht Gelegenheit bieten, durch völligen 
Übertritt zu einer der kriegführenden Parteien eine Gebiets- 
erweiterung für Hessen zu erlangen. Dieser Gedanke war 
von jetzt an massgebend für seine ganze Politik, wie er 
sich früher von der Hoffnung auf die Kurwürde hatte leiten 
lassen. Noch wusste er nicht, auf welche Seite er sich 
stellen sollte: hier das seit alters mit Hessen befreundete, 
glaubensverwandte England, das aber mit dem verhassten 
Wiener Hof im engsten Einvernehmen stand, dort der hoch- 
verehrte Kaiser, aber er in völliger Abhängigkeit von Frank- 
reich^). So von beiden Seiten zugleich angezogen und ab- 
gestossen, beschloss der Statthalter, sich derjenigen Partei 
anzuschliessen, welche ihm die besten Aussichten auf einen 
Gebietszuwachs geben würde ; mit anderen Worten : er wollte 
sich an den Meistbietenden verkaufen. Der Prinz gab deshalb 
Donop ^j und Alt^) Ordre zu sondieren, was er von der 

*) Bericht Donops aus Frankfurt 19. November 1743. 

«) Vergl. 8. 75. 

^) Wilhelm an Friedrich 6. Dezember 1743 : ce n'est pas que je 
me docide pour ce parti (England), quoiqu'il seit le plus naturel, mais 
c'ost Tempereur, qui me cause le plus grand et le seul embarras, et 
Ton ne peut Fabandonner. 

*) Wilhelm an Donop 23. November 1743. 

*) Wilhelm an Alt 25. November 1743: 11 est naturel que nous 
tächions de nous garantir pour Tavenir d^une Situation aussi difficile (das 
doppelte Soldverhältnis) et comme les subsidcs, quo nous avons tiros 
jusqu' ici, ont ä la verite retabli nos finances mais no sauraieut procurer 



78 

Partei des Kaisers, beziehungsweise von England für den 
völligen Übertritt Hessens zu erwarten habe ; den Finanzen, 
schrieb er an Alt, sei durch die bisherigen Subsidien wieder 
aufgeholfen, jetzt handle es sich darum, eine Gebietserweiterung 
zu erlangen. Die Antworten Donops und Alts waren wenig 
befriedigend für Wilhelm ; in Frankfurt bemühte sich zwar 
Chavigny^), der neuernannte Gesandte Frankreichs beim 
Kaiser, sehr um Donop, doch stellte er dem Kasseler Hof 
ausser dem Kurhut und französischen Subsidien nichts Posi- 
tives in Aussicht^); Carteret aber gieng auf Alts Anspielungen 
gar nicht ein und wünschte nur zu erfahren, ob Wilhelm 
den Subsidienvertrag unter den bisherigen Bedingungen zu 
erneuern gedenke ^). 

Fühlte sich der Prinz durch Carterets Schroffheit ver- 
letzt, so wurde er andererseits dem übertritt zum Kaiser 
durch sein Verhältnis zu Friedrich H. näher gebracht, mit 
dem er über eine Union unter den Reichsständen und die 
Aufstellung einer Neutralitätsarmee in Unterhandlung stand. 
Der Kaiser hatte dieses alte Projekt Friedrichs H. im Sommer 
wieder aufgegriffen, der König selbst aber wollte damals 
— wohl wegen der schlechten Erfahrungen, die er im Früh- 
jahr damit gemacht hatte — nichts davon wissen ^) ; als 
sich jedoch nach dem Scheitern der Hanauer Verhandlungen 
Prinz Wilhelm und zugleich der Mannheimer Hof in derselben 
Angelegenheit an ihn wendeten, trat der König der Sache 
näher; er Hess Wilhelm antworten, er möchte im Verein mit 
dem Kaiser daran arbeiten, einige von den mächtigeren 
Reichsständen für den Plan zu gewinnen ; sei dies geschehen, 
so werde Preussen beitreten und im Frühjahr ein starkes 

un agrandissement reol ä la niaisoD, quo cependant la Situation presente 
de rAllemagno, qui parait devoir devenir oncore plus critiquo, pourrait 
bien offrir dos occasions propres pour fairo des acquisitions convenables, 
il est necessaire, de savoir de quelle fa9on l'Angleterre voudrait nous 
aider ä en profiter et ce quo uous aurions ä esperer d'elle dans le temps 
d'une pacificatioD generale. 

*) Über Chavigny vergl. duc de Broglie^ Frederic II. et Louis XV, 
II, 158-159. 

') Berichte Donops vom 26. November und 10. Dezember 1743. 

8) Bericht Alts vom 27. Dezember 1743. 

*) Pol. Korn II, 386. 



79 

Kontingent zu der projektierten Armee stellen ^) ; dass Friedrich 
die Neutralitätsarmee erst für das kommende Jahr wünschte, 
hatte seinen Grund darin, dass er bei der damaligen Sachlage 
die Einmischung der Engländer fürchtete ^). Der König selbst 
bemühte sich, auf einer Reise an verschiedene deutsche Höfe 
Teilnehmer für die Assoziation zu werben, aber der öster- 
reichische Einfluss im Reich war wieder sehr gestiegen ; 
weder bei seinen Schwägern in Baireuth und Ansbach, noch 
bei Würzburg - Bamberg , Württemberg oder Gotha fand 
Friedrich für seine Vorschläge Gehör ^). Dennoch gab der 
König die Hoffnung nicht auf, dass sich ausser Pfalz und 
Hessen noch weitere Theilnehmer finden würden ; französisches 
Geld sollte die deutschen Fürsten für den Kaiser gewinnen; 
Friedrich wünschte daher, dass der Kaiser ein Assoziations- 
projekt nach Versailles schicken solle ^); er lud den Prinzen 
Wilhelm im Interesse der Union nach Berlin ein und erwies 
ihm zugleich die Aufmerksamkeit, ihm aus Charlottenburg 
Porzellan zu schicken, welches dem Prinzen früher besonders 
gut gefallen hatte ^). Der Statthalter nahm die Einladung 
an und schickte Ende November Asseburg voraus nach 
Berlin, um auszukundschaften, „wohin man dasigerseits ab- 
ziele und was man sich dahero für das Haus zu versprechen 
hätte" ; bei Gelegenheit sollte Asseburg darauf hinweisen, „ob 
es nicht möglich sein könnte, durch Ihro Majestät Vermittelung 
das alte Systema wieder zu retablieren und denen Seepuissancen 
andere Mittel und Mächte ausser dem Hause Osterreich zur 
Feststellung der Balance in Europa zu zeigen"®). Am 
13. Dezember hatte Asseburg in Berlin eine längere Audienz 
bei König Friedrich, über die er dem Statthalter ausführlich 
berichtete ^) ; der König führte ihn in ein zweites Antichambre, 
näherte sich dem Kamin und stand hier schweigend fast eine 



') Pol. Korr. II, 403—404 ; vergl. Koser 1, 203. 

^) Pol. Korr. II 404 453. 

») Koser I, 202-204^ histoire de mon temps S. 300. 

*) Pol. Korr. II, 425. 

">) Pol. Korr. II, 409, 444, 446. 

*) Instruktion für Asseburg 27. November 1743. 

') Bericht Asseburgs aus Berlin Mitte Dezember 1743. 



80 

halbe Viertelstunde, das Gesicht gegen das Feuer gewendet, 
wie um sich zu wärmen; dann kehrte er sich gegen Asseburg 
und sagte : wenn man im Reich nicht Ordnung herstelle, so 
sei Österreichs Despotismus zu befürchten und davon werde 
Hessen vor allen betroffen werden ; er zähle daher bei seinen 
Plänen besonders auf den Kasseler Hof; den Prinzen Wilhelm 
betrachte er als den ersten Fürsten des Reichs; sei er dies 
auch nicht an Macht, so habe er doch jedenfalls mehr Geist 
als alle anderen oder vielmehr, er sei der einzige, der Geist 
habe; er sei überzeugt, dass, wenn Wilhelm das Beispiel 
gebe, die anderen bei dem Ansehen, das er geniesse, nicht 
zögern werden, ihm zu folgen ^). Frankreich habe sich er- 
boten, es dem Kaiser zu ermöglichen, dass er seine Truppen 
auf 25000 Mann erhöhe; da aber dann das kaiserliche Heer 
grossenteils aus neuangeworbener Mannschaft bestände, so 
habe er in Versailles vorgeschlagen, man möchte den Kaiser 
lieber Hilfstruppen anwerben lassen und habe dabei auf die 
6000 jetzt in englischen Sold stehenden Hessen hingewiesen ^). 
Mit diesen und den Kontingenten anderer Fürsten könne 
man eine Neutralitätsarmee bilden, die nur defensiv auftreten 
und die Vermittlung des Reichs ermöglichen solle. Sonst 
werde Frankreich eines Tages den Kaiser seinem Schicksal 
überlassen und mit der Königin von Ungarn Frieden schliessen ^). 
Preussen werde sich auch dann noch gegen den Wiener Hof 
halten können, nicht aber die anderen deutschen Staaten. 
Asseburg dankte dem König für sein Vertrauen, erklärte 



>) Je considere le prince Guillaume comme le premier Etat de 
Pempire ; s'il n'en a pas les forces, il a toujours plus d'esprit que les 
autres ou plutot le soul qui en ait et je suis persuade que, vu la justice que 
tout le monde lui rend et la confiance qu'on a en lui, que les autres ne 
balanceront pas de le suivre, aussitot qu'il voudra en donner Pexemple. 

«) Vcrgl. Pol. Korr. II, 492; Friedrichs II. Kabinetssekrctär Eichel 
sagt hier von den 6000 Hessen, dass sie recht tüchtige Soldaten seien. 
Der Kaiser wollte übrigens Anfangs durchaus nichts von dem preussischen 
Vorschlag wissen, sondern wünschte Erhöhung seiner eigenen Trappen 
(recueii des instractions VII {BaviereJ S. 254 u. 255. 

*) Je crains que sans cela la France ne jette enfin le bonnet sur 
le moulin et ne diso aux princes d'Alleraagne : si vous ne voulez pas 
soutenir votre empereur, je ne m'en melerai pas non plus et je ferai 
mon accomodement avec la reine de Hongrie. 



81 

aber dann seiner Instruktion gemäss, der Kasseler Hof habe 
sich sozusagen verpflichtet, den englischen Vertrag fort- 
zusetzen. Der König zeigte darauf eine unzufriedene Miene 
und sagte, er würde, wenn die 6000 Hessen in kaiserliche 
Dienste träten, für pünktliche Bezahlung Sorge tragen. So- 
bald die Neutralitätsarmee einmal da sei, werde er selbst 
handeln und wer auf seine Pläne eingehe, werde es nicht zu 
bereuen haben. Bald darauf traf Prinz Wilhelm selbst in 
Berlin ein und blieb etwa 3 Wochen dort ; aber es gelang 
dem König nicht, den Prinzen zum Bruch mit England zu 
veranlassen ; wahrscheinlich verhielt sich Friedrich bezüglich 
der von Wilhelm gewünschten „Vorteile für Hessen" zurück- 
haltend. Auf die projektierte Union setzte der Statthalter 
keine sehr grossen Hoffnungen, er rechnete ausser auf den 
Kaiser, Preussen und Hessen nur auf Pfalz, Württemberg, 
die fränkischen Markgrafen und Öchwedisch-Pommern, wo ja 
sein Bruder Herzog war ; dabei fürchtete er, die Assoziation 
werde die Seemächte verletzen und neuen Krieg anfachen; 
die Neutralitätsarmee aber, meinte er, werde von jedem Teil- 
nehmer zu seinem Schutz verlangt werden. Ausserdem miss- 
traute der Prinz dem Hof von Versailles und hielt es für 
nicht unmöglich, dass die Franzosen den Kasseler Hof bis 
zum Ablauf des englischen Vertrags hinhalten wollten, um 
die 6000 Mann auf diese Weise ausser Wirksamkeit zu 
setzen oder sie selbst billiger zu bekommen ^). Auf Carterets 
Anfrage, ob Hessen den Vertrag erneuere, antwortete der 
Statthalter, im Herbst wäre ihm dies möglich gewesen, jetzt 
aber sei sein Bruder, der König, dem die französische Partei 
grosse Anerbietungen mache, dagegen und er könne für 
nichts garantieren^). Wilhelm schrieb dies nur, um die 
englische Regierung zu Zugeständnissen zu veranlassen, denn 
am gleichen Tag schlug er seinem Bruder vor, den Vertrag 
mit England noch auf 1 Jahr zu verlängern , damit man 
dann im nächsten Jahr, wo auch der Vertrag mit dem Kaiser 



>) Wilhelm aus ßerlin an Friedrich 7. Januar 1744. 

«) Wilhelm aus Berlin an Alt 31. Dezember 1743 und 7. Januar 1744. 

N. F. Bd. XXIII. 6 



82 

ablaufe, über sämtliche Truppen frei verfügen könne ^) ; der 
König erklärte sich damit einverstanden, wenn er es auch 
vorgezogen hätte, die Truppen an Holland oder an Preussen 
zu geben ^). 

So schien es zu Anfang des Jahres 1744, als werde der 
Kasseler Hof vorerst noch in dem doppelten Soldverhältnis 
verharren. Nun aber begann Chavigny, der mit viel Geschick 
für die Sache Frankreichs und des Kaisers thätig war, sich 
mit grossem Eifer zu bemühen, Hessen ganz auf die kaiser- 
liche Seite herüberzuziehen. Er war im Dezember von Frank- 
furt nach Paris gereist, um die französische Regierung zu 
veranlassen, den deutschen Fürsten Subsidien zu bewilligen; 
der preussische Gesandte am Versailler Hof, Chambrier, war 
im gleichen Sinne thätig^). Chavigny hatte jedoch kein 
leichtes Spiel ; der Staatssekretär des Auswärtigen, Amelot, 
der jenseits des Rheins nur Lüge und Treulosigkeit sah, war 
gegen die Bewilligung von Subsidien und überhaupt gegen 
den Krieg in Deutschland ; wie könne man, meinte er, einem 
Fürsten wie Wilhelm von Hessen trauen, der, nachdem er 
Jahre lang reichliche Subsidien von England bezogen habe, 
jetzt zur Gegenpartei überzugehen gedenke?*) Auch der 
Finanzminister Orry sprach aus naheliegenden Gründen 
gegen Chavigny^). Aber, unterstützt vom Herzog von 
Noailles, errang dieser schliesslich doch den Sieg und kehrte 
Ende Januar mit der Vollmacht zum Abschluss der pro- 
jektierten Union und mit einem Credit von 10 Millionen 
Francs nach Frankfurt zurück^). Noch ehe er ankam, liess 
der Kaiser, von Chavignys gutem Erfolg unterrichtet, dem 
Prinzen Wilhelm mitteilen, der Versailler Hof werde ihn in- 
standsetzen, die 6000 Hessen in Sold zu nehmen, der Prinz 
möchte also den englischen Vertrag nicht erneuern '); 



*) Wilhelm aus Berlin an Friedrich 7. Januar 1744. 

«) Friedrich an Wilhelm 28. Januar 1744. 

8) Pol. Korr. 11, 492; vorgl. II, 431—432. 

*) Broglie, Frederic II. et Louis XV, II, 165. 

») Pol. Korr. III, 21. 

6) Broglie, II 164-165. 

') Bericht Donops 18. Januar 1744; vergl. Karls VII. Tagebuch S. 110 . 



83 

Chavigny, der schon von Paris aus an Wilhelm geschrieben 
hatte '), machte sich, unterstützt von Klinggräflfen und den 
kaiserlichen Ministern, sofort nach seiner Rückkehr daran, 
den Kasseler Hof zu gewinnen; der Statthalter, erklärte er 
Donop, werde beim Kaiser und bei Prankreich mehr Unter- 
stützung finden, als einst Landgraf Karl auf dem Utrechter 
Kongress^) in Bezug auf Rheinfels bei Karl VI.; Hessen 
müsse greifbare Vorteile (des avantages reels) bekommen, 
Wilhelm solle nur Propositionen machen ; in Versailles 
wünsche man sehr, die seit über 60 Jahren zwischen Frank- 
reich und Hessen bestehenden ,, Missverständnisse'' beizulegen. 
Zugleich schickte Chavigny dem Prinzen durch Donop ein 
Projekt für die Union, worin er statt der von Friedrich II. 
gewünschten Assoziation der Kreise, die zu viel Zeit kosten 
würde, eine Liga nach dem Muster des Rheinbunds von 1658 
vorschlugt). Wilhelm, der überzeugt war, dass ein derartiger 
Bund nur Frankreich zugutekäme, war durchaus nicht ein- 
verstanden mit dem Projekt*), ebenso wenig der König von 
Preussen ^), der ausserdem über das lange Zögern der fran- 
zösischen Regierung, die 6000 Hessen anzuwerben, sehr un- 
gehalten war und befürchtete, diese seien jezt bereits wieder 
an England vergeben ^). Hatte Chavignys Unionsprojekt nicht 
Wilhelms Beifall, so machten dagegen seine übrigen Er- 
öffnungen grossen Eindruck auf den Prinzen; er Hess daher 
Donop Mitte Februar zu einer Besprechung nach Kassel 
kommen '^) ; Chavigny bot durch ihn dem Statthalter für 
seinen Übergang zum Kaiser Folgendes: Frankreich stimmt 
der hessischen Kurwürde zu, unterstützt den Kasseler Hof, 
eine Gebietserweiterung zu erlangen, bewilligt den 6000 

*) Chavigny aus Paris an Wilhelm 18. Januar 1744. 

2) Chavigny meinte den Rastatter Kongress ; in Utrecht hatte Land- 
graf Karl Rheinfels von den Seemächten und Frankreich zugesprochen 
bekommen (v. Stamford, das Regiment Prinz Maximilian von Eessen- 
Cassel 1717-1720. S. 28). 

*) Bericht Donops 4. Februar 1744 mit Memoire Chavignys. 

*) Wilhelm an Donop 8. Februar 1744. 

^) Droysen Y, 2, 237—239. 

«) Pol. Korr. III, 22, 23, 31. 

^) Friedrich II. wies KlinggräEFen an, ihm über das Resultat von 
Donops Reise zu berichten (Pol. Korr. III, 33). 

6 * 



84 

Mann — und eventuell noch weiteren 2000 — die gleichen 
Subsidien wie bisher England und zahlt einen Teil davon 
auch im Frieden ^). Wilhelm schrieb nach Stockholm, die 
Anerbietungen seien sehr verlockend ^) ; doch war er noch 
keineswegs entschieden, mit England zu brechen ; eben jetzt 
traf ein Schreiben von Carteret in Kassel ein, die 6000 
Hessen sollten sich bereit halten, nach den Niederlanden zu 
marschieren ^). Der Prinz antwortete zwar zustimmend — er 
gab auch Prinz Georg Ordre, alles zum Abmarsch vor- 
zubereiten*) — , verlangte aber zugleich von England Zahlung 
der rückständigen Gelder und erklärte, er habe Ordre von 
seinem Bruder, den Vertrag mit England nicht zu erneuern 
ohne die Zusage eines greifbaren Vorteils (avantage reel) und 
die Garantie, dass nie Hessen gegen Hessen verwendet 
würden,^). Carterets Schreiben Hess Wilhelm durch Donop 
in Frankfurt bekannt geben, um dadurch für seine Forderungen 
eher Gehör zu finden ; zugleich verlangte er vom Kaiser die 
Zusicherung folgender „Vorbedingungen": Der Kaiser bezahlt, 
ehe hessischerseits irgend eine Erklärung in England gemacht 
wird, im voraus für 1 Jahr die gleichen Subsidien wie bis- 
her England und diese Gelder verbleiben, auch wenn der 
Subsidienvertrag mit dem Kaiser nicht zustandekommt, dem 
Kasseler Hof, damit diesem das Truppenkorps nicht zur Last 
fällt; ausserdem verpflichtet sich der Kaiser, auch die von 
England rückständigen Subsidien zu bezahlen®)* Karl er- 
klärte sich einverstanden, wies aber Donop wegen der 



*) Die französische Kegierung hatte gehofft, für 1 Million Gulden 
6O0O oder 8000 Hessen in Sold nehmen zu können ; letzteres hätte etwa 
dem bayerisch-hessischen Vertrag von 1742 entsprochen, und diesen sollte 
Chavigny nach seiner Instruktion zum Vorbild nehmen oder womöglich 
noch weiter heruntergehen, da sich ja die Verwendung der Hessen gegen 
Österreich mit dem politischen Vorteil des Kasseler Hofes deckte. 
Friedenssubsidien sollte Cbavigny in Aussicht stellen, um den Statthalter 
dadurch zu billigen KriegSbubsidien geneigt zu machen und um Hessen 
auch für die Zeit nach dem Frieden an den Versailler Hof zu fesseln 
(recucil des Instructions VII, 242—243). 

2) Wilhelm an Friedrich 18. Februar 1744. 

3) Carteret an Wilhelm 10. Februar 1744. 

^) Wilhelm an Prinz Georg 20. Februar 1744. 

ö) Wilhelm an Carteret und an Alt 20. Februar 1744. 

®) Instruktion für Donop 21. Februar 1744. 



85 

Zahlungen an Chavigny, „da dies nicht von ihm abhänge/* 
Dieser jammerte zwar über die Höhe der geforderten Summe ^) — 
Subsidien, Sold und ausserordentliche Ausgaben betrugen 
für die 6000 Mann im Jahr 1184461 Thaler — , erklärte 
sich aber schliesslich bereit darauf einzugehen und verstand 
sich auch dazu, dass die 6000 Mann mit Frankreich nichts 
zu thun haben, sondern lediglich zum Wohl des Reichs ver- 
wendet werden sollten ^). Der Kaiser Hess Wilhelm sagen, 
er betrachte diesen Tag als den glücklichsten seines Lebens. 
Aber Chavigny hatte seine Hintergedanken: er entwarf eine 
scheinbar ganz harmlose Präliminarkonvention ^), durch deren 
Unterschrift sich aber Wilhelm im voraus gebunden hätte, 
in die Union einzutreten und die 6000 Mann dem Kaiser in 
Sold zu geben; um die Vorteile, die er durch seinen Über- 
tritt zu erlangen gedachte, wäre es, wenn man seiner sicher 
war, natürlich geschehen gewesen. Aber der Prinz, stets 
voll Misstrauen gegen Frankreich, verwarf die Präliminar- 
konvention vollständig und erklärte Chavigny durch Donop, 
vor Erfüllung seiner Vorbedingungen könne überhaupt von 
nichts Schriftlichem die Rede sein*). In diesen Tagen schickte 
Carteret die Marschordre für die 6000 Mann nach den Nieder- 
landen und sprach zugleich die Hoffnung aus, der Kasseler 
Hof werde jetzt den Vertrag erneuern^); Wilhelm, der die 
Marschordre nur für ein Mittel hielt ihn hierzu zu bringen, 
erwiderte, die 6000 Mann werden nicht marschieren, ehe die 
rückständigen Gelder von England bezahlt seien ^). Natürlich 
schickte er die Marschordre sofort nach Frankfurt, wo sie 
ihren Eindruck nicht verfehlte ^). Chavigny unterschrieb nun 
am 2. März ein von Willielm verfasstes Schriftstück, wodurch 

») Vergl. Karls VII. Tagebuch S. HO. 

*) Bericht Donops 23. Februar 1744 (Jamals sous les drapeaux de 
la France, mais pour le bion et le repos de i'Empirc). 

^) Es hiess darin : um Hessen zu ermöglichen, die 6000 Mann aus 
dem englischen Sold zu ziehen und zum Besten dos Kaisers und der 
Union, an welcher Hessen teilnimmt, zu verwenden, verpflichtet sich 
Frankreich etc. (Bericht Donops vom 24. Februar 1744). 

*) Wilhelm an Donop 26. Februar 1744. 

°) Carteret an Wilhelm 21. Februar 1744. 

®) Wilhelm an Carteret und an Alt 1. März 1744. 

7) Bericht Donops 2. März 1744. 



86 

er sich verpflichtete, innerhalb von drei Wochen dem Kaiser 
für die Freimachung (degagement) der 6000 Hessen 1184461 
Thaler in guten Wechseln zu liefern und ihm in spätestens 
6 Monaten die Zahlung der englischen Rückstände zu er- 
möglichen; dagegen versprach Wilhelm im Namen seines 
Bruders, des Königs, nach Übergabe der Wechsel sich sofort 
von England loszusagen und Donop zu bevollmächtigen, über 
einen Vertrag mit dem Kaiser zu verhandeln ; wenn dieser 
zustandekäme, sollte Frankreich den Kaiser instandsetzen, 
die hessischen Truppen ebenso zu bezahlen, wie bisher 
England '). Man sieht, wie sehr Wilhelm es vermied, sich 
in irgend welcher Weise vorher zu binden. Doch rückte der 
Prinz, der sich auch an den Verhandlungen über die Union 
lebhaft beteiligte, der kaiserlichen Partei immer näher; ein 
Beweis dafür ist, dass er nun seinem Bruder Georg schrieb, 
die Kavallerie solle, da sich der Marsch der 6000 Mann noch 
hinausziehen werde, wieder in ihre Quartiere zurückkehren ^). 
Aber gerade jetzt erfuhr Wilhelm von den Vorkehrungen des 
Versailler Hofs, dem Stuart Karl Eduard eine Landung in 
Grossbritannien zu ermöglichen, und diese Nachricht schreckte 
den Prinzen wieder von einem Bruch mit England zurück. 
Nun könne er, schrieb er an Donop, mit dem Kaiser nicht 
mehr weiter verhandeln und noch weniger zu Frankreich in 
irgend welche Beziehungen treten ; denn durch dieses Projekt 
drohe dem ganzen Protestantismus Gefahr. Ausserdem könne 
er die allerdings sehr entfernte Aussicht seines Hauses 
auf den englischen Thron ^) nicht selbst mit zerstören helfen. 
Diese Aussicht sei der einzige Gewinn, den man von einer 



*) .,Assurances" vom 28. Februar, am 2. März von Chavigny unter- 
schrieben. 

*) Wilhelm an Prinz Georg 8. März 1744. 

*) Diese Aussicht war allordings sehr entfernt; denn Maria von 
England, die Gemahlin des hessischen Erbprinzen, hatte nicht nur 2 
Brüder, von denen der ältere selbst schon 4 Kinder hatte, sondern auch 
3 Schwestern, die ihr im Alter vorangiengen ; 2 von diesen waren aller- 
dings unverheiratet, eine aber, die Prinzessin von Uranien, hatte ein 
Kind. Aber freilich waren, was Erbfolge betrifft, oft schon die un- 
wahrscheinlichsten Fälle eingeti'eten ; wie war das Haus Hannover in 
England zur Krone gelangt! 



87 

englischen Heirat habe; denn die Mitgift sei massig und ihr 
Genuss den Prinzessinnen selbst vorbehalten. Wenn ein 
Schwiegersohn des Königs Anlass zur Unzufriedenheit gebe, 
so könne durch eine Parlamentsakte seine Nachkommen- 
schaft von der Thronfolge ausgeschlossen werden. Die pro- 
jektirte Union werde durch die Stuart'sche Expedition in 
Frage gestellt; denn dadurch Hessen sich viele Fürsten ab- 
schrecken, Gotha werde nun mit Holland abschliessen. 
Donop solle unvorztiglich um eine Audienz beim Kaiser bitten 
und auch Chavigny erklären, dass nun die ganze Sachlage 
verändert sei ^). Karl, der das Stuart'sche Projekt selbst 
missbilligte ^), war über diese Wendung bei Wilhelm sehr 
niedergeschlagen; er versprach, beim Versailler Hof dahin zu 
wirken, dass man das Projekt aufgebe, und Hess den Statt- 
halter dringend bitten, nichts zu überstürzen ^). Trotzdem 
Hess dieser Carteret durch Alt melden, da es mit einer Landung 
Karl Eduards Ernst zu werden scheine, so biete er die 
6000 Mann zur Verteidigung Englands an, und zwar nicht 
nur bis zum Ablauf des Vertrags, sondern für die ganze 
Dauer der Gefahr^). Wilhelm glaubte übrigens, wie er an 
Donop schrieb, nicht, dass sein Anerbieten angenommen werde ; 
er wusste, dass englischerseits schon 6000 Holländer requiriert 
waren, und dachte, die Nation werde nicht noch mehr fremde 
Truppen im Land haben wollen ; aber er musste doch da- 
rauf gefasst sein, dass, wenn der Stuart viel Anhang in 
England fand, man ihn beim Wort nehmen werde ; dass es 
ihm wirklich Ernst war mit seinem Anerbieten, beweist sein 
Befehl an Donop, Chavigny's Zahlung vorerst noch hinzu- 
halten. Der Statthalter gedachte übrigens für den Fall, dass 
die 6000 nach England abgiengen, dennoch der Union bei- 
zutreten, da er die Stuart'sche Expedition als eine Sache 
ganz für «ich betrachtete^), wie er ja auch die Truppen 



») Wilhelm an Donop 10. März 1744, vergl. Broglü II, 211. 
«) Karls VII. Tagebuch S. 113. 
») Bericht Donops 13. März 1744. 
*) Wilhelm an Alt 16. März 1744. 
*) Wilhelm an Donop 17. März 1744. 



88 

lediglich zur Verteidigung Englands angeboten hatte. Wie 
wenig er seine sonstige Politik von der Stuart'schen An- 
gelegenheit abhängig machte, zeigt, dass er gerade damals 
mit dem kaiserlichen Hof über den Feldzugsplan verhandelte ^). 
Wilhelm teilte sein Anerbieten an England sowohl in Frank- 
furt als in Berlin mit. In Frankfurt war namentlich Chavigny 
sehr bestürzt darüber und gab sich die grösste Mühe, den 
Prinzen zu beruhigen ^j. Auch Friedrich IL, der vergeblich 
versucht hatte, Wilhelms Bedenken über die Stuart'sche 
Expedition zu zerstreuen^), war sehr unangenehm berührt; 
er hatte schon sicher auf Hessen gerechnet und fürchtete 
nun, Carteret werde die 6000 Mann festhalten*); der König 
antwortete dem Statthalter in ziemlich unfreundlicher Weise 
(d'une maniere assez seche) ^), gab jedoch die Hoffnung nicht 
auf, ihn bei der kaiserlichen Partei zu erhalten, übrigens 
hatte unterdessen der Versailler Hof das Stuart'sche Projekt, 
nachdem in der Nacht vom 6. auf 7. März die Transport- 
flotte durch einen Sturm zerstört worden war, aufgegeben^). 
Am 6. April kam Carterets Antwort auf Wilhelms Anerbieten : 
in England selbst habe man für die Hessen keine Verwendung, 
da bereits 6000 Holländer requiriert seien ; man hoffe aber, 
dass die Hessen nach den Niederlanden marschieren und dass 
der Vertrag erneuert werde '^). Der Prinz erwiderte, nach 
den Niederlanden könne er bei der dermaligen Lage in 
Deutschland die 6000 Mann nicht schicken und auch den 
Vertrag könne er nicht erneuern, da er die Truppen voraus- 
sichtlich zur Sicherheit des eignen Landes nötig habe^). 
„Nun ist das Eis gebrochen'*, schrieb Wilhelm am gleichen 
Tage an Donop®) und liess bald darauf dem Kaiser und 



») Bericht Donops vom 28. März, Karl VII. an Wilhelm 29. März, 
Wilhelm an Karl VII. 31. März 1744. 

«) Berichte Donops vom 21 und 23. März 1744. 

«) Pol. Korr. III. 60-61. 

4) Pol. Korr. III, 74—75. 

») Pol. Korr. III, 73; vergl. III, 75. 

ß) Comto de Pajol, les guerres sous Louis XV, VI, 170—171. 

7) Carteret an Wilhelm 27. März 1744. 

8) Wilhelm an Carteret 7. April 1744. 
«) Wilhelm an Donop 7. April 1744. 



89 

Chavigny*) seine Absage an England mitteilen und letzteren 
um die Übergabe der Wechsel ersuchen ^). Chavigny suchte 
wieder vergeblich durch die Fassung der Quittung Wilhelm zum 
Vertrag mit dem Kaiser im voraus zu verpflichten; schliesslich 
lieferte er aber am 29. April die Wechsel an Donop aus ^). 
Unterdessen waren die Verhandlungen über die Union 
schon weit vorgeschritten ; im Februar entwarf Chavigny 
mit dem kaiserlichen Minister Graf Bünau *) ein Projekt, 
das jedoch Wilhelm für gänzlich verfehlt hielt, da Frankreich 
darin als aktiver Teilnehmer an der Union gedacht war. 
Der Prinz dagegen wünschte nur eine Verbindung der Reichs- 
fürsten mit dem Kaiser und unter einander ; erst wenn dieser 
Bund einmal geschlossen sei, meinte er, könne man eventuell 
noch andere Mächte zum Beitritt auffordern^). Friedrich 
von Preussen, dem Wilhelm seine Ansicht über Chavignys 
Plan mitteilte, gab ihm vollständig Recht ; der König schrieb 
dem Prinzen am 9. März, er wünsche eine Union unter den 
„wohlgesinnten" Reichsständen — von einer Kreisassoziation 
war er zurückgekommen — , und zwar solle der Vertrag in 
„ganz unschuldigen und allgemeinen Ausdrücken'^ abgefasst 
werden, so dass man ihn jedermann, sogar der Königin von 
Ungarn, mitteilen könne; Frankreich aber solle erst nach 
Abschluss der Union zum Beitritt aufgefordert werden, und 
zwar erst, wenn es eine energische Kriegführung beginne. 
Der König fügte bei, er werde Klinggräffen Ordre geben, in 
allem gemeinsam mit Donop vorzugehen ^), und versprach, 

») Auch Friedrich IL teilte er es mit (Pol. Korr. 111, 103, vergl. 111, 
98 und 101). 

«) Wilhelm an Donop 14. April 1744. 

8) Bericht Donops 30. April 1744; nach Droysen V, 2, 265 hat 
Graf Rothenburg, der damals von Friedrich nach Paris geschickt worden 
war, zur Auszahlung des Geldes beigetragen. 

^) Broglie (S. 270) nennt irrig den hessischen Gesandten als Mit- 
arbeiter Chavignys. 

6) Wilhelm an Donop 26. Februar 1744. 

®) Klinggräffen wurde wirklich später angewiesen d'agir confi- 
demment avec ce general Donop, doch sollte dieser von den geheimen 
Abmachungen Friedrichs mit dem Kaiser und Frankreich nichts erfahren 
(Pol. Korr. III, 102); Donop wusste übrigens, dass der König mit dem 
Kaiser über die Abtretung eines Teils von ßöhmen verhandeln liess 
(Berichte Donops vom 16. März und 7. April 1744), 



90 

Hessen, wenn es wegen seiner Stellungnahme angegriffen 
werde, mit aller Macht zu unterstützen ; zugleich sandte 
er Wilhelm die Kopie eines von ihm entworfenen Plans 
für die Union, den er wenige Tage vorher an Klinggräffen 
geschickt hatte ^). Der Prinz war mit diesem Projekt 
völlig einverstanden^) und als der Kaiser und Pfalz ^) es 
— mit unbedeutenden Modifikationen*) — ebenfalls genehmigten, 
gab er Donop am 25. April Vollmacht, die Union — doch 
nicht vor Klinggräffen — zu unterzeichnen^). 

Indessen hatte Wilhelm Projekte entworfen für die 
zugleich mit der Union zu schliessenden Partikularverträge 
Hessens mit dem Kaiser, Preussen und Frankreich ; was diese 
drei Mächte für Hessen stipulieren würden, war ja für ihn die 
Hauptsache; zuerst teilte er die 3 Projekte Friedrich H. mit. 
Der Prinz verlangte im Vertragsprojekt mit Preussen ^), dass 
der König den Partikular vertrag Hessens mit dem Kaiser 
garantieren und besonders für pünktliche Bezahlung der 
kaiserlichen Subsidien seitens Frankreichs Sorge tragen solle. 
Ausserdem sollte Friedrich IL beim Friedensschluss als conditio 
sine qua non festsetzen, dass das hessische Haus nicht nur 
die Kurwürde erhalte, sondern auch „zu desto besserer deren 
Unterhaltung*', wenn es zu einer Säkularisation käme, das 
Bistum Paderborn, die Abteien Fulda und Corvey und die 4 
in Hessen liegenden mainzischen Städte Fritzlar, Naumburg, 
Neustadt und Amöneburg; wenn aber keine Säkularisation 
stattfände, die Reichsstädte Frankfurt, Wetzlar, Friedberg 
und Mühlhausen und die 4 mainzischen Städte sowie das 
Eichsfeld, wofür der Kurfürst von Mainz anderweitig ent- 



1) Pol. Korr. III, 53-55; vergl. III, 49-53. 

«) Wilhelm an Donop 14. März 1744. 

8) Bericht Donops vom 18. April 1744. 

*) Vergl. Pol. Korr. III, 52 Anmerkung. 

») Wilhelm an Donop 25. April 1744. 

6) Gedruckt Pol. Korr. III, 113—14 mit den von Friedrich II. 
für Klinggräffen dazu gemachten Bemerkungen; letztere waren von 
Friedrich II., dessen Schreiben an Klinggräffen über Kassel ging, auch 
für Wilhelm selbst bestimmt, während er sich in dem an den Prinzen 
gerichteten Brief ganz allgemein ausdrückte. Das Bündnisprojekt wird 
erwähnt von Hermann Meyer, der Plan eines evangelischen Fürstenbunds 
im 7jährigen Kriege S. 24, Anm. 4. 



91 

schädigt werden sollte. Wahrlich, der Statthalter machte 
für den Übertritt von 6000 Mann, die ausserdem sehr gut 
bezahlt wurden, keine kleinen Ansprüche. Nach P^ulda, 
Paderborn und Corvey streckte das hessische Haus freilich 
schon lange die Hand aus und hatte sie auch während des 
30jährigen Kriegs wirklich längere Zeit im Besitz gehabt*). 
Man sieht übrigens, dass der Gedanke an Säkularisationen 
zur Zeit Karls VII. überall in der Luft lag; hatte Wilhelm 
dem Kaiser früher dringend abgeraten hieran zu rühren, so 
war dies lediglich geschehen, um Karl vor dem Odium eines 
Kirchenräubers zu bewahren, thatsächlich stand der Prinz 
schon vollständig auf dem Boden der revolutionären Politik, 
durch die später im Reichsdeputationshauptschluss das alte 
Reich umgestaltet wurde. Wie wenig Wilhelm speziell an 
das Reich dachte, sieht man daraus, dass er es für möglich 
hielt, Frankfurt, die Wahl- und Krönungsstadt der deutschen 
Kaiser, und Wetzlar, den Sitz des Reichskammergerichts, zu 
hessischen Landstädten zu machen. Der König von Preussen 
erklärte sich bereit, dem Kasseler Hof alles zuzusagen, 
worüber dieser mit Frankreich einig werde; er verhehlte 
Wilhelm nicht, dass er den Gewinn der geistlichen Herr- 
schaften kaum für möglich halte, eher noch nach einem 
glücklichen Krieg die Mediatisierung von Reichsstädten^); der 
König wünschte sich in diesem Fall das preussische Werbe- 
recht vorzubehalten. Friedrich hatte früher sehr wenig auf 
eine Allianz mit Hessen gehalten ^), jetzt schlug er die Bundes- 
genossenschaft des Kasseler Hofes viel höher an, wozu wohl 
neben Wilhelms Eingehen auf die Reichspolitik des Königs auch 
des Statthalters 2 maliger Aufenthalt in Berlin beigetragen 
hat. Um das hessische Haus noch mehr an sich zu fesseln, 
schlug Friedrich auch eine neue Hei rats Verbindung mit dem 
seinigen vor^): Markgraf Karl von Brandenburg-Schwedt 



1) RommeU Geschichte von Hessen, VllI, 183 f. und 762 f. 

*) 14 Tage später schreibt der König an Klinggräffen, er halte auch 
dies nicht für möglich (Pol. Korr. III, 137.) 

8) Vergl. S. 57. 

*) Histoire de mon temps S. 312; die erste Frau Landgraf Friedrichs, 
des schwedischen Königs, war, wie auch die Mutter Landgraf Karls, eine 



92 

verlobte sich mit des Statthalters einziger Tochter Marie 
Amalie ^). Der König benutzte seinen Einfluss auf Wilhelm, 
um ihn zu veranlassen, die 3000 in bayerischem Sold stehen- 
den Hessen zur kaiserlichen Armee marschieren zu lassen. 
Es war nämlich geplant, dass Seckendorff, dessen Truppen 
in Franken überwintert hatten, bei Philippsburg die hessischen 
und pfälzischen Hilfsvölker an sich ziehen und so lange dort 
verweilen solle, bis die Franzosen eine kräftige Offensive 
begännen; dann sollten die Kaiserlichen nach Bayern vor- 
rücken ^). Der Statthalter war aber nicht damit einverstanden, 
dass zu Seckendorffs Armee auch 12000 Franzosen stossen 
sollten, und fürchtete ausserdem, der Krieg könnte sich von 
Philippsburg — die Österreicher standen am Neckar — aufs 
linke Rhein ufer hinüberziehen ; er wünschte daher seine 
Truppen erst dann mit Seckendorff zu vereinigen, wenn 
dieser gegen Bayern vorgehe^); als sich aber der König von 
Preussen den Vorstellungen des kaiserlichen Hofes anschloss, 
gab Wilhelm General Clement doch Befehl, mit den 3000 
Mann nach Philippsburg zu marschieren^). 

Indessen verhandelte Donop in Frankfurt über die mit 
dem Kaiser und mit Frankreich zu schliessenden Partikular- 
verträge ^). Chavigny erklärte ihm, sein Hof könne aus 
Rücksicht auf den Kaiser Hessen keine geistlichen Gebiete 
zusagen, in Bezug auf Reichsstädte zeigte er sich eher 
geneigt; auf das Verlangen, dass Frankreich die hessische 
Kurwürde befördern möchte, gieng er sofort ein, nach einigem 
Zögern auch darauf, dass Hessen noch nach Beendigung des 
Kriegs eine Zeit lang Subsidien für 9 — 10000 Mann vom 
Versailler Hof erhalten solle®). Im Projekt zu dem Vertrag 

brandenburgische Prinzessin gewesen und der erste preussische König 
hatte in erster Ehe eine hessische Prinzessin zur Frau. 

*) Marie Amalie starb noch als Braut zu Ende des Jahres 1744. 

A Der Feldzugsplan wurde am 28. März an Wilhelm geschickt. 

^) Wilhelm an Donop 31. März und 30. April, an Seckendoi*ff 
30. April 1744. 

*) Pol. Korr. III, 112; Seckendorff aus Frankfurt an Wilhelm 
28. April, Wilhelm an Donop 4. Mai 1744. 

^) Die Projekte schickte Wilhelm am 28. April an Donop. 

®) Bericht Donops vom 5. Mai 1744; als Chavigny mit Beziehung 
auf die FriedeDsubsidien fragte, ob man dann nicht dafür die Kriegssubsidien 



93 

mit dem Kaiser hatte der Statthalter die zu erlangenden 
Gebiete nicht mit Namen angeführt wegen etwaiger Skrupel 
Karls vor Säkularisationen ') ; Preussen und Frankreich gegen- 
über aber gedachte er sich nicht mit der Zusage einer Ge- 
bietserweiterung im Allgemeinen zu begnügen; wenn die 
von ihm vorgeschlagenen Gebiete, schrieb er an Donop^ 
Chavigny und Klingräffen nicht genehm seien, so möchten 
sie andere vorschlagen ; der Zuwachs müsse entweder Hessen 
gut arrondieren oder beträchtlich sein; Donop könne, wenn 
man keinen Ausweg finde, — von sich aus — die Aufmerk- 
samkeit auf die alten Ansprüche des hessischen Hauses auf 
das Herzogtum Brabant lenken ; das würde bei keinem 
deutschen Hof Ärgernis erregen^). Nachdem lange vergeb- 
lich über die hessische Gebietserweiterung verhandelt worden 
war, griff Donop zu diesem Auskunftsmittel und fand allge- 
meinen Beifall ^) ; Wilhelm aber, der noch nicht nachgeben 
wollte und wohl einsah, dass er Brabant doch nicht bekommen 
werde, gab Donop Ordre zu sagen, er, der Prinz, habe diesen 
Vorschlag nicht gebilligt; ausserdem verlangte er jetzt noch, 
dass seine 6000 Mann erst dann zur kaiserlichen Armee 
stossen sollten, wenn diese im Reich vorgehe; darauf sollte 
Donop unter allen Umständen bestehen*). Indessen hatte 
der König von Preussen, der übrigens über die hessischen 
Ansprüche ungehalten war, sich entschlossen, seine Zu- 



ermässigen könne, schrieb Wilhelm an Donop (9. Mai), davon dürfe keine 
Rede sein; „cola pourrait etre d'une dangereuse consequence, si nous 
nous raccrochons jamais avec l'AngleteiTe; oette derniere raison est pour- 
tant meilleur ä penser qu' ä dire!" 

1) Wilhelm an Donop 28. April 1744. 

*) Wilhelm an Donop 12. Mai 1744. Der im Herzogtum Brabant regie- 
rende Zweig des brabantischen Hauses starb im Jahr 1355 mit Johann lil., 
einem Urgrossneffen Heinrich des Kindes, des Stifters der hessisch-bra- 
bantischen Linie, aus, doch ist nicht nachweisbar, dass Hessen damals 
Erbansprüche machte. Johanns Tochter Johanna, deren Ehe mit Wenzel 
von Luxemburg kinderlos war, setzte Anton, einen Sohn Philipps des 
Kühnen von Burgund, als Enkel ihrer Schwester Margareta zum Erben 
ein ; als Antons Söhne, Johann und Philipp, beide kinderlos starben, folgte 
1430 deren Vetter Philipp der Gute von Burgund; der Protest Ludwigs 
dos Friedsamen von Hessen war vergebhch. {Rommel, II, 33—51 und 
IX, 15 ; Ottokar Lorenx, Genealogischer Hand- und Schulatlas Tafel XIV.). 

8) Bericht Donops 18. Mai 1744. 

*) Wilhelm an Donop 21. Mai 1744. 



94 

Stimmung zu einem Geheimartikel des ünionsvertrages 2U 
geben, der die Einladung zum Beitritt Frankreichs als Garant 
des Westfälischen Friedens enthielt ^) ; auch auf kaiserlicher 
und pfälzischer Seite war man damit einverstanden ; Wilhelm 
aber, dem nach der Kriegserklärung des Versailler Hofes an 
Österreich der Beitritt Frankreichs zur Union doppelt unan- 
genehm war ^), suchte diesen wenigstens noch hinauszuziehen, 
wenn er auch einsah, dass Hessen schliesslich nachgeben 
müsse ^). Da Donop keine Vollmacht für den Geheimartikel 
erhielt, so beschloss man, die Union allein zu unterzeichnen ; 
es geschah dies am 22. Mai durch Törring, Klinggräffen, den 
pfälzischen Gesandten von Wachtendonck und Donop. Darauf 
erklärte dieser, Wilhelm gehe auf das Auskunftsmittel mit 
Brabant nicht ein ; wieder wurde lange beraten, wobei von 
Seiten Chavignys vorgeschlagen wurde, Hessen einen Teil 
von Hannover zu versprechen ; auf Wilhelms Forderung in 
Betreff des Marschs der Truppen erklärte Törring sich nicht 
einlassen zu können*). Auch am Tag darauf wurde keine 
Einigung erzielt; der Kaiser Hess Donop rufen, um ihm zu 
sagen, wie sehr er diese Schwierigkeiten bedauere^). Dieser 
fürchtete schon, es werde sich alles zerschlagen ; man gebe 
ihm zu verstehen, schrieb er an Oberstlieutenant von Miltitz, 
der Kasseler Hof wolle nur das Geld einstecken und dann 
wieder zu England zurückkehren ; die Ehre des Statthalters 
stehe auf dem Spiel, wenn der Versailler Hof die Verhand- 
lungen abbreche und dann verbreite, der Vertrag sei nicht 
zustandegekommen, weil Hessen Ansprüche erhoben habe, 
die gegen die Reichsverfassung verstiessen ; der Kasseler Hof 
werde es noch mit allen Parteien verderben ^). Aber Wilhelm 
lenkte nun. ein : am 26. Mai schickte er Donop die Vollmacht 



n Pol. Korr. II, 137-138, vergl. 139, 150; über die frühere 
Stellung des Königs zum Beitritt Frankreichs s. S. 89. 

*) Wilhelm an Friedrich 26. Mai 1744; die Kriegserklärung war 
am 26. April erfolgt. 

») Wilhelm an Donop 19. Mai 1744. 

*) Bericht Donops 24. Mai 1744; Wilhelm instruierte darauf Donop, 
sich auf die Zusage hannoverischen Gebiets keinenfalls einzulassen. 

») Bericht Donops 25. Mai 1744. 

«) Donop an Miltitz 25. Mai 1744. 



95 

2ur Einladung Frankreichs und schrieb zugleich an den 
Kaiser, er sei entschlossen, mit allem nachzugeben ausser 
mit dem Marsch der 6000 Mann ; er könne sein Land nicht 
von Truppen entblössen, denn es sei zu erwarten, dass die 
Österreicher, wenn sie von seinem Eintritt in die Union er- 
führen, Hessen nicht mehr schonen würden. An Donop 
schrieb er, lieber zahle er das empfangene Geld zurück, als 
dass er den Ruin des Vaterlandes riskiere ^). Am Tag zuvor 
hatte der Statthalter Asseburg zu Friedrich II. geschickt, 
der sich damals in Pyrmont befand ; er hielt dem König 
gegenüber die namentliche Nennung der Gebietserweiterung 
noch aufrecht, doch wohl nur, um seine Fürsprache bezüglich 
des Marsches der 6000 desto sicherer zu erhalten. Und 
diesen Zweck erreichte er auch: Friedrich erklärte es zwar 
in seinem Antwortschreiben für unmöglich, Hessen geistliche 
Herrschaften oder Reichsstädte zuzusagen, hielt aber die 
Forderung Wilhelms, seine Truppen vorerst noch zum Schutz 
des Landes zu behalten, für berechtigt; ausserdem glaubte 
er Seckendorffs Armee auch ohne die 6000 Hessen hinlänglich 
stark, um sich bei Philippsburg zu halten, und andererseits 
zur Offensive auch mit ihnen zu schwach; der König Hess 
daher dem Kaiser und Chavigny mitteilen, seiner Ansicht 
nach könne man die Hessen in ihrem Land lassen, bis er selbst 
seine Operationen beginne und die Österreicher sich zurück- 
zögen ^). Friedrichs Eingreifen war nicht mehr nötig ; Wilhelms 
Brief an den Kaiser hatte in Frankfurt Eindruck gemacht und 
am 30. Mai war in einer Konferenz bei Törring endlich eine 
Einigung erzielt worden ; der Artikel über die 6000 Mann 
wurde auf des Kaisers eigenem Vorschlag folgendermassen 
gefasst: die Hessen halten sich bereit zu marschieren auf 
die Ordre des Kaisers, dieser wird aber ihren Abmarsch 
nicht verlangen, solange die österreichische Armee Hessen 



1) Wilhelm an Karl VII. und an Donop 26. Mai 1744. Dove (1, 181) 
erwähnt einen Erlass des Wiener Hofs an Khevenhüller vom Januar 1743, 
worin Hessen — im Gegensatz zu Pfalz — zu milder Behandlung be- 
stimmt wird wegen des Sold Verhältnisses und der Verwandtschaft mit 
dem Londoner Hof. 

2) Pol. Korr. 111, 151—52, 167—68. 



96 

und Hanau Grund zur Beunruhigung *) geben kann. So hatte 
also in der militärischen Frage der Statthalter gesiegt. 
Bezüglich der Gebietserweiterung verpflichteten sich Frank- 
reich und Preussen, falls die Ansprüche des hessischen Hauses 
auf Brabant nicht durchführbar seien, durch eine neue Kon- 
vention dem Kasseler Hof in gemeinsamem Vorgehen ein 
Äquivalent dafür zu verschaffen^). Am 6. Juni unterschrieb 
Donop mit den übrigen Bevollmächtigten die Einladungs- 
und Beitrittsakte Frankreichs zur Union, am 13. schloss er mit 
Törring die Partikularkonvention ^) und den Subsidienvertrag 
zwischen Hessen und dem Kaiser ab. Die Partikularkonvention 
enthielt folgende Bestimmungen : Das Bündnis vom März 1742 
mit seinen Separatartikeln wird bestätigt. Der Kasseler Hof 
verpflichtet sich, den Kaiser zur Eroberung seiner Erblande 
und zur Erlangung einer hinlänglichen Genugthuung für seine 
österreichischen Ansprüche mit weiteren 6000 Mann zu 
unterstützen*). Wenn Hessen angegriffen wird oder begründete 
Ursache vorhanden ist, dies zu befürchten, so können diese 
Truppen zurückgezogen werden, desgleichen, wenn die 
Zahlungen nicht pünktlich erfolgen. Der Kaiser verpflichtet 
sich, Hessen im Angriffsfall mit einer der Gefahr proportio- 
nierten Macht zu unterstützen. Wenn etwas gegen die eng- 
lische Thronfolge unternommen wird, so steht es dem Kasseler 
Hof frei, seine sämmtlichen Truppen sofort zur Unterstützung 
des englischen Königshauses zu verwenden, doch wird er 
trotzdem in Deutschland dazu beitragen, dass der Kaiser für 
seine Ansprüche befriedigt und die Ruhe wieder hergestellt 
wird. Die Zahlungen für die 6000 Mann erfolgen halbjährlich 
und im voraus, nach dem Friedensschluss erhält der Kasseler 
Hof noch 3 Jahre lang je 250000 Thaler. In einem Separat- 
artikel versprach der Kaiser dafür einzutreten, dass das 
hessische Haus beim Frieden die Kurwürde erhalte sowie 



*) Donner d'inquiotude fondee; Wilhehn erreichte nachher noch, 
dass fondee gestrichen wurde (Berichte Donops vom 1. und 13. Juni 1744). 

*) Berichte Donops vom 30. Mai und 1, Juni 1744. 

') Erwähnt bei v. Aretin^ Verzeichnis der bayerischen Staatver- 
träge S. 65. 

*) Über den Abmarsch der 6000 Mann vergl. S. 95. 



97 

„eine sattsame Genugthuung wegen der alten Ansprüche auf 
das Herzogtum Brabant oder ein annehmliches Äquivalent 
an Land und Leuten" ; in einem zweiten verpflichtete er sich, 
die von England rückständigen Gelder, falls sie am 20. August 
noch nicht bezahlt seien, in 9 monatlichen Raten dem Kasseler 
Hof zu vergüten. In der Truppenkonvention wurde bestimmt: 
der Kaiser zahlt für die 6000 Mann (4800 zu Fuss, 1200 zu 
Pferd, 12 Geschütze) alles in allem in einem Sommermonat 
98 663 Thaler ^), in einem Wintermonat (aber nur, wenn das 
Korps thatsächlich Ruhe geniesst) 81032 Thaler. Für einen 
gefallenen Reiter mit Pferd werden vom Kaiser 115V2 Thaler, 
für ein Pferd allein 80, für einen Reiter allein 35^2, für 
einen Infanteristen oder Artilleristen 43^8 Thaler bezahlt^), 
für einen aus der Gefangenschaft losgekauften Mann ^/a, für 
einen Verwundeten Vs dieser Summen. In den kaiserlichen 
Erblanden darf für das hessische Korps keine Mannschaft 
geworben werden. 

Am gleichen Tag, an dem die Verträge Hessens mit 
dem Kaiser abgeschlossen wurden, unterschrieb Chavigny ihffe 
Garantie^) seitens des Versailler Hofes; die einzelnen Be- 
stimmungen waren folgende: Frankreich garantiert die 
hessischen und hanau'schen Lande, sowie die Erfüllung aller 
zwischen dem Kaiser und dem Kasseler Hof festgesetzten 
Punkte; es verbürgt sich für die pünktliche Bezahlung der 
kaiserlichen Subsidien und eventuell der englischen Rück- 
stände ; der Versailler Hof verspricht Hessen seine Mitwirkung 
für die Erlangung der Kurwürde und einer Gebietserweiterung*). 
Bis der Kasseler Hof im ruhigen Besitz der neuen Erwerbung 
ist (en attendant que — soit en possession tranquille), wird ihn 
Frankreich instandsetzen, die jetzt im kaiserlichen Sold 
stehenden 9000 Mann fernerhin zu erhalten, damit der neue 
Besitz gegen einen etwaigen Angriff verteidigt werden kann; 



») Dies betrüge in einem Jahr 1 183 956 Thaler ; Chavigny zahlte 
am 29. April 1184461 Thaler. 

') Vergl. die bedeutend niedrigeren Summen in der Konvention für 
die 3000 Manu (S. 35). 

*) Erwähnt bei Flassan, histoire de la diplomatie frauQaise V, 449. 

*) Vergl. S. 96. 
N. p. Bd. xxni. 7 



98 

Wenn aber die hessischen Streitkräfte nicht ausreichen, so 
wird Frankreich selbst die nötige Hilfe schicken. Weiterhin 
verspricht der Versailler Hof, nach dem Frieden die von 
Hessen noch vom 30jährigen Krieg her beanspruchten rück- 
ständigen französischen Subsidiengelder zu zahlen ^) , der 
Kasseler Hof hat die Beweise hierfür beizubringen. Wenn 
nach Ablauf der 3 Jahre nach dem Frieden, in welchen 
Hessen vom Kaiser noch jährlich 250000 Thaler erhält, 
Frankreich mit dem Kasseler Hof einen neuen Subsidien- 
vertrag abschliesst, so sollen jene alten Rückstände in Rech- 
nung kommen. 

Am 27. Juli wurde auch der preussisch-h essische Parti- 
kularvertrag ^) von Klinggräffen und Donop unterschrieben. 
Das Bündnis vom März 1743 mit seinen Separatartikeln wurde 
erneuert ; der König von Preussen versprach Hessen, falls es 
angegriffen würde, mit möglichster Macht — in Wilhelms 
Entwurf hiess es „mit Dero Macht", was preussischerseits um- 
geändert wurde ^), — zu unterstützen; er verpflichtete sich, 
falls die kaiserlichen Subsidien und die englischen Rück- 
stände nicht bezahlt würden, beim Kaiser und bei Frankreich 
Vorstellungen deswegen zu machen*). Ausserdem versprach 
er seine Unterstützung bezüglich der Kurwürde und der 
Gebietserweiterung ^). 

So waren denn endlich alle Verträge zum glücklichen 
Abschluss gelangt ; die unwürdige Zwitterstellung des Kasseler 
Hofs hatte ihr Ende erreicht und er war ganz ins kaiserliche 
Lager übergetreten, doch auch jetzt noch keineswegs als 
kriegführende Macht, sondern lediglich als Hilfsmacht des 
Kaisers unter Wahrung der Neutralität. Die Auspizien für 

*) Schon 1725 hatte der französische Gesandte in England die 
Zahlung dieser Rückstände (25000 Pfd. St.) versprochen, König Friedrich 
instruierte dann im Jahr 1740 Asseburg, als dieser in Paris weilte, den 
Versailler Hof daran zu mahnen (Friedrich an Asseburg 15. und 29. März 
1740) ; vergl. Rommel VIII, 245. 

*) Veröffentlicht von Max Lehmann in der Historischen Zeitschrift, 
Bd. 69, S. 74-78. 

8) Pol. Korr. III, 198. 

*) Man hütete sich also preussischerseits vor einer förmlichen 
Garantie; vergl. Pol. Korr. III, 138. 

">) Vergl. S. 96. 



99 

die kaiserliche Partei schienen günstig zu sein : hatte sich 
doch Preussen wieder zur Teilnahme am Krieg verpflichtet 
und von Frankreich, das pekuniär der Sache des Kaisers so 
sehr Vorschub leistete, war zu erwarten, dass es nun endlich 
auch militärisch mehr Energie zeigen werde. Von den 
kleineren deutschen Staaten hatten sich an der Union frei- 
lich nur Pfalz und Hessen beteiligt, doch war zu hoffen, 
dass sich nach einigen kriegerischen Erfolgen noch andere 
Fürsten zum Beitritt entschlössen. Prinz Wilhelm war 
mit dem in den Einzelverträgen Erreichten sehr zu- 
frieden und er hatte auch allen Grund dazu. Die er- 
sehnte Gebietserweiterung war ihm vom Kaiser, von Preussen 
und von Frankreich zugesagt worden, wie auch die Kur- 
würde. Die 6000 Mann wurden ebenso gut bezahlt, wie 
bisher von England, und ausserdem sollte Hessen auch 
nach dem Frieden noch bedeutende Geldsummen erhalten. 
Das Land war für die nächste Zeit durch die zuletzt noch 
erreichte Klausel über den Marsch der 6000 Mann sicher- 
gestellt, und ausserdem hatten sich der Kaiser, Preussen 
und Frankreich verpflichtet, Hessen im Angriffsfall Hilfe zu 
schicken. Wilhelm konnte wirklich nicht mehr verlangen, 
und dabei hatte der Kasseler Hof Preussen und dem Kaiser 
gegenüber — ausser der Sendung der 6000 Mann — keine 
neuen, Frankreich gegenüber überhaupt keine Verpflichtungen 
übernommen. Um das Hauptziel ^) Wilhelms, die Gebiets- 
erweiterung, zu erreichen, waren freilich grosse Erfolge im 
Felde nötig; sonst nützten alle Versprechungen, die der 
Kasseler Hof von den grossen Mächten erhalten hatte, nichts. 



*) Miltitz schrieb am 30. Mai an Donop : nos intentions sont pures 
et nettes et ce n'est pas Targent qui nous a determine, mais les esperances 
qu'on nous a fait naitre pour ragrandissement de la s^e maison et la 
devotion aveugle que nous avons pour Sa Majeste Imperiale sont los 
uniques motifs qui nous ont fait risquer le pas, car argeut pour argent; 
celui de l'Angleterro etait aussi bien que l'autre et on risquait moins. 



100 



6. Kapitel. 



Bemühungen Wilhelms um Erw^eiterung der 
Union; Feldzug am Rhein und in Bayern; Ver- 
hältnis zu England. 

Nachdem Wilhelm auf die kaiserliche Seite übergetreten 
war, bemühte er sich eifrig, unter den Reichsfürsten neue 
Mitglieder für die Union zu werben ; bei grösserer Beteiligung 
der kleineren Staaten hätten diese naturgemäss eine an- 
gesehenere Stellung in der Union bekommen, als jetzt, wo 
Pfalz und Hessen allein neben den grossen Mächten standen. 
Der Prinz war daher schon im Frühjahr durchaus nicht damit 
einverstanden, dass Friedrich von Preussen die fränkischen 
Markgrafen und Württemberg nicht zur Union aufzufordern 
wünschte als zu wenig leistungsfähig und den Österreichern 
zu sehr ausgesetzt^). Besonders lag Wilhelm daran, seinen 
Bruder, König Friedrich, als Herzog von Pommern für die 
Union zu gewinnen ; er schlug ihm schon im April vor, der- 
selben beizutreten und 1000 Mann zu stellen, und der König 
zeigte sich geneigt^). Auch Friedrich von Preussen inter- 
essierte sich auf Wilhelms Anregung hin für den Beitritt 
Schwedisch-Pommerns ^) ; er bat auch den Prinzen, bei seinem 
Bruder einer Allianz Schwedens mit Preussen, beziehungs- 
weise mit Preussen und Russland, das Wort zu reden*). 
Der Statthalter that dies und suchte die Gelegenheit zu be- 
nützen, auch zwischen Hessen und Schweden eine nähere 

Verbindung herzustellen^). Aber Schweden stand seit dem 

f» 

unglücklichen, durch den Frieden von Abo beendeten Krieg 
vollständig unter russischem Einfluss und der in St. Peters- 
burg allmächtige Kanzler Bestushew begann damals auf 



:i 



Wilhelm an Donop l8. April 1744; vergi. Pol. Korr. III, 49. 

Wilhelm an Friedrich 7., Friedrich an Wilhelm 28. April 1744. 
8) Pol. Korr. III, 139. 
*) Pol. Korr. UI, 196-197. 

*) Wilhelm an Friedrich 5. Aug. 1744: stipuler quelques liaisons 
entre Sa couronne et Ses pays hereditaires. 



101 

die österreichisch-englische Seite zu neigen *) ; er machte dem 
schwedischen Gesandten am russischen Hof Vorstellungen 
gegen Pommerns Eintritt in die Union ^) und infolge davon 
gieng die schwedische Regierung trotz der Aufforderung der 
ünionsmitglieder ^) nicht hierauf ein. Auch über den Eintritt 
des Herzogs von Holstein-Gottorp, des Neffen der Zarin 
Elisabeth, korrespondierte Wilhelm mit seinem Bruder; der 
Herzog sollte durch seinen Vormund, den schwedischen Thron- 
folger Adolf Friedrich von Holstein, gewonnen werden^); 
aber auch hier trat der russische Einfluss hindernd in den 
Weg^). Die Höfe von Weimar und Gotha suchte der Statt- 
halter durch Sendung des Oberstlieutenants von Miltitz zu 
gewinnen, den wankelmütigen Kurfürsten von Köln durch 
den Grafen Isenburg ®) ; aber alle diese Fürsten, wie auch 
die Höfe von Dresden, Würzburg und Braunschweig zeigten 
sich gleichgiltig oder feindlich'); nur das bedeutungslose 
Lüttich, wo ein Bruder des Kaisers Bischof geworden war, 
wurde für die Union ^ gewonnen®). 

Auch die militärischen Operationen der Frankfurter 
linierten waren wenig erfolgreich. Die 3000 ' Hessen im 
kaiserlichen Sold brachen Mitte Mai unter Clement aus 
der Heimat auf und vereinigten sich am 9. Juni mit den 
kaiserlichen Truppen *), die unter Seckendorffs Kommando 
bei Philippsburg standen. Auf dem anderen Ufer des 
Rheins, bei Germersheim, stand eine französische Armee 
unter Marschall Coigny. Als die Österreicher vom Neckar 
her gegen den Rhein zogen, gieng Seckendorff mit seinen 
Truppen, wie es Wilhelm befürchtet hatte ^®), Ende Juni 



») Koser, König Friedrich d. Gr. I, 223—224. 

*) Gehebe an einen hessischen Geheimerat 10. November 1744. 

«) Pol. Korr. III, 231 Anm. 1 und 294 ; Friedrich an Wilhelm 
18. September 1744. 

*) Friedrich an Wilhelm 18. September 1744 ; vergl. Pol. Korr. III 
249 und 300. 

*) Gehebe an Miltitz 8. Dezember 1744. 

«) Wilhelm an Donop 16. Juni 1744. 

^) Wilhelm an Donop 30. Juni, an Friedrich 12. Dezember 1744, 
18. Januar 1745. 

*) Udgar Zevort, le marquis d' Argenson S. 77 ; vergl. Pol. Korr. III, 147. 

•) Bericht Clements aus dem Lager bei Rheinsheim 10. Juni 1744 
»0) Vergl. S. 92. 



102 

aufe linke Rheinufer über; wenige Tage darauf gelang 
es den Österreichern unter Karl von Lothringen, oberhalb 
von Philippsburg gleichfalls überzusetzen, während die Ver- 
bündeten, den feindlichen Übergang weiter nördlich ver- 
mutend, gegen Speier gezogen waren. Sie kehrten nun um ^) 
und erstürmten am 5. Juli nach hartem Kampf die von der 
österreichischen Avantgarde unter Nadasdy besetzten Lauter- 
burger Linien. Die Hessen , die auf dem linken Flügel 
standen, wurden beim Sturm auf die feindlichen Schanzen, 
wobei sie den Lauterbach zu passieren hatten, zweimal zu- 
rückgeworfen, erst beim dritten Anlauf gelang es ihnen sich 
festzusetzen; ihre Tapferkeit wurde vom Kaiser wie von 
Seckendorff rühmend erwähnt ^). Der Verlust der Hessen 
betrug 64 Tote, 257 Verwundete, 16 Vermisste; unter den 
Toten befand sich der Generalmajor von Waidenheim, der 
das Korps in Abwesenheit Clements, welcher krank in Mann- 
heim lag und bald darauf starb, befehligt hatte ^); Kommandeur 
wurde jetzt der Generalmajor von Mansbach*). Seckendorflf 
und Coigny marschierten nun zuerst in die Gegend von 
Hagenau, dann aber vereinigten sie sich bei Strassburg mit 
einer zweiten französischen Armee, die bisher unter dem 
Oberbefehl König Ludwigs XV. in den Niederlanden gekämpft 
hatte; durch eine schwere Erkrankung des Königs in Metz 
wurden jedoch alle Operationen der Verbündeten gelähmt. Als 
die Lebensgefahr vorüber war, drang Chavigny in Donop, der 
Statthalter möchte, wie es der Kaiser und der Kurfürst von 
der Pfalz gethan hatten, dem König durch einen Gesandten 
zu seiner Wiederherstellung Glück wünschen lassen. Wilhelmi 
der trotz der Frankfurter Union seinen Widerwillen und 



*) Bericht des Generalmajors von Waldenheim aus Germersheim 
1. Juli 1744. 

«) Seckendorff aus Hagenau an Wilhelm 22. Juli 1744; Karls VII. 
Tagebuch S. 125 (le general des Hessois, dont les troupes se sont fort 
distinguees). 

^) Bericht des Obersts von Germann aus Altstadt b./Weissenburg 
6. Juli 1744; mündlicher Bericht des Hauptmanns Wenzell an "Wilhelm. 

■*) Mansbach wurde auch Chef des Regiments Waidenheim; das 
Regiment Clement erhielt Oberst von Baumbach (Strieder, hessische 
Militärgeschichte S. 306 und 311—312). 



103 

sein Misstrauen gegen Frankreich durchaus nicht verloren 
hatte, war zuerst keineswegs dazu geneigt^), sandte aber 
schliesslich doch Anfangs September Donop mit einem Glück- 
wunschschreiben nach Metz. Dieser hatte eine Audienz beim 
König ^) und bekam hinsichtlich der rückständigen kaiser- 
lichen Zahlungen — für die 30C0 Mann hatte der Kasseler 
Hof seit 1 Jahr nichts mehr erhalten ^) — die besten Ver- 
sprechungen *). Indessen war auf die Kunde von Friedrichs II. 
Einfall in Böhmen Karl von Lothringen Ende August — fast 
unbehelligt von den Verbündeten — über den Rhein zurück- 
gegangen und marschierte in Eilmärschen nach Böhmen; 
Seckendorff folgte ihm langsam, während die Franzosen 
Freiburg belagerten. Nachdem die österreichische Armee 
Westdeutschland verlassen, konnten die 6000 Hessen ohne 
Gefahr für das Land zur Unterstützung des Kaisers ver- 
wendet werden ; Anfangs September brachen sie auf das Er- 
suchen des Kaisers^) — auch Friedrich H. wandte sich an 
den Statthalter^) — von Hessen auf, um durchs Fränkische 
gegen die bayerische Grenze zu marschieren, wo sie sich 
mit der vom Elsass heranziehenden kaiserlichen Armee ver- 
einigen sollten. Das Kommando führte, nachdem Prinz Georg 
nach Lösung des englischen Soldverhältnisses zurückgetreten 
war '), der 24jährige Erbprinz Friedrich ; auch die 3000 Mann 
des Generals von Mansbach sollten ihm unterstellt werden; 
doch wurde der Prinz angewiesen, sich stets des Beirats der 
Generale von Brandt, von Mansbach und von Dalwigk zu 
bedienen, wovon diese in Kenntnis gesetzt wurden^). Am 
29. September fand bei Nördlingen die Vereinigung mit 
Seckendorff statt ^), dessen Armee mit den 9000 Hessen und 



*) "Wilhelm ao Donop 25. August 1744. 
*) Bericht Donops aus Metz 9. September 1744. 
") Wilhelm an Donop 11. August 1744. 
*) Donop an Asseburg 13. September 1744. 
*) Karl Vll. aus Frankfurt an Wilhelm 15. August 1744. 
0) Pol. Korr. III, 246—247, vergl. 236. 
^) Friedrich an Wilhelm 22. Mai 1744. 

8) Instruktion vom 28. August 1744 für Prinz Friedrich und die 
Generale von Brandt, von Mansbach, von Dalwigk. 

*) Bericht Prinz Friedrichs vom 1. Oktober 1744. 



104 

einem ihm überlassenen französischen Korps nun 33 000 Mann 
betrug ^) ; 5000 Pfälzer, sowie französische Kavallerie, wurden 
noch erwartet. Jetzt galt es die Rückeroberung Bayerns, die 
keine grossen Schwierigkeiten machte, da die Österreicher 
nur geringe Streitkräfte zurückgelassen hatten und nirgends 
ernstlichen Widerstand leisteten ; am 2. Oktober fiel Donau- 
wörth, am 19. München den Verbündeten in die Hände ; der 
Kaiser eilte, nachdem ihn Prinz Wilhelm noch vorher in 
Frankfurt besucht hatte'), in sein Stammland zurück; am 
22. Oktober hielt er bei Dachau eine Heerschau über Secken- 
dorffs Armee ab, wobei ihm die Schönheit und treffliche 
Ausrüstung der neu angekommenen hessischen Truppen be- 
sonders auffiel ^). Nachdem Ende November Burghausen ge- 
fallen war, befand sich ausser dem Innviertel und der Festung 
Ingolstadt ganz Bayern in den Händen der Kaiserlichen, die 
Franzosen zwangen indessen Freiburg zur Kapitulation. Nun 
handelte es sich um die Winterquartiere. Prinz Wilhelm, 
der schon seit Oktober den Kaiser zur Beendigung des Feld- 
zugs drängte, hätte die 3000 Mann, welche stark mitgenommen 
waren, gerne in Hessen überwintern lassen *) ; Karl aber Hess 
sich hierauf nicht ein, da er, wie er dem Prinzen schrieb, 
die Truppen zur Behauptung Bayerns notwendig brauche und 
der Feldzug im nächsten Jahr frühe begonnen werden müsse ^). 
Der Statthalter fügte sich — Hessen selbst war durch den 
Marschall Maillebois, der nach Freiburgs Übergabe mit 50000 
Mann am Main und ander Lahn Winterquartiere bezogen hatte, 
geschützt — , wies aber Donop an, um so mehr am kaiser- 
liphen Hofe auf die Bezahlung der Soldrückstände zu dringen ®), 



*) Pajol^ les guerres sous Louis XV, II, 409 und 439. Droysen 
(V, 2, 316 Anm. 1) giebt die Hessen nur auf 5000 Mann an. 

2) Wilhelm aus Frankfurt an Friedrich 3. Oktober 1744. 

*j Karls VII. Tagebuch S. 139: quant aux troupes hessoiscs, la 
beaute et la proprete de ces troupes ne sauraient etre sui-pasöees, leurs 
regiments etaient quasi tous habilles de neuf, leurs chevaux de la meme 
couleur, eleves comme ceux de ma garde, en un uiot, on ne saurait rion 
voir au-dessus de cela. 

*) Wilhelm an Donop 17. Oktober 1744. 

'^) Karl VII. aus dem Lager bei Vilshofen an Wilhelm 17. No- 
vember 1744. 

®) Wilhelm an Donop 24. November 1744. 



105 

die für die 3000 Mann, trotz des Abzugs von fast 70000 Gulden 
für Römermonate ^), auf 300000 Gulden angeschwollen waren; 
der französche Intendant de Sechelles versprach, die Zahlungen 
künftig zu übernehmen, und Belleisle gab Donop Hoffnung, 
dass Frankreich auch die Rückstände tilgen werde ^). Mit 
den in Bayern für seine Truppen bestimmten Winterquartieren 
war Wilhelm höchst unzufrieden: die Hessen sollten längs 
der Donau — zum Teil auch auf dem linken Ufer — von 
Straubing bis Vilshofen, sowie an der unteren Isar unter- 
gebracht werden ^). Der Statthalter erklärte, seine Truppen 
dürften keinesfalls durch die Donau getrennt werden und Viis- 
hofen sei zu sehr ausgesetzt*). Die Posten jenseits der Donau 
wurden nun den Franzosen zugewiesen, die aber, als die 
Österreicher im Dezember einen Vorstoss machten, Stadtam- 
hof und andere Punkte ohne Kampf aufgaben ^) ; hinsichtlich 
Vilshofens gab der Statthalter nach und liess es auch ge- 
schehen, dass die starke hessische Besatzung dieses Orts 
einem bayerischen General unterstellt wurde®). Das Haupt- 
quartier des Prinzen Friedrich, über den sich übrigens Donop, 
sein ehemaliger Oberhofmeister, recht ungünstig aussprach ''), 
befand sich in Landshut ; doch wünschte der Statthalter, dass 
sein Sohn, wenn mit den Quartieren alles im Reinen sei, 
nach Kassel zurückkehre, womit der Prinz sehr wenig ein- 
verstanden war ®) ; er bemühte sich während des Winters um 



1) Wilhelm an Clement 12. Februar 1743. 

*) Berichte Donops vom 2. November aus dem kaiserlichen Haupt- 
quartier und 2. Dezember 1744 aus München 

*) Törring aus dem Lager bei Vilshofen an Wilhelm 18. November 1744. 

*) Wilhelm 27. November an Karl VII. und Tömiig, 28. November 
1744 an Donop. 

^) Bericht Donops 30. Dezember 1744; Würdinger^ der Ausgang 
dos österreichischen Erbfolgekiiegs in Bayern (Oberbayorisches Archiv 
Bd. 46) S. 59. 

^) Bericht Donops 8. Dezember 1744. 

^) Donop an Asseburg 2. Januar 1746: Je ne saurais vous cacher 
que je perds de plus en plus la bonne opinion, quo j'ai eu de lui ; il n'y 
a pas moyon de le faire reflechir et quand ses passions s'empareut de 
lui, rien n'est capable de le dompter; il est impossible que je puisse vous 
dire tout ce que j'ai sur le coeur ä ce sujet. 

*) Wilhelm an Prinz Friedrich 28. November 1744 und 5. Januar 
1745; Bericht Prinz Friedrichs 29. Dezember 1744 (aus Landshut). 



106 

die Formierung einer Kompagnie Husaren ^), einer Waffen- 
gattung, die bisher, ausser vorübergehend während des 
spanischen Erbfolgekriegs ^), in der hessischen Armee nicht 
vertreten war ; die 27 Husaren, die Friedrich bis Januar 1745 
zusammenbrachte, bestanden fast ausschliesslich aus öster- 
reichischen Deserteuren ^). Der Statthalter selbst gieng damit 
um, wenn die englischen Rückstände bezahlt würden, 3 neue 
Infanterieregimenter auszuheben, um zum Schutz des Landes 
Truppen zur Verfügung zu haben ; denn er hatte ausser den 
9000 Mann im kaiserlichen Dienst nur 1 Infanterieregiment*), 
das die Besatzung von Rheinfels bildete, und 1 Dragoner- 
regiment ^), von dem aber nur 1 Schwadron montiert war^). 

Zu Ende des Jahres empfieng der Statthalter als Mit- 
glied der Union den Besuch Belleisles, der von München nach 
Berlin reiste, um sich mit Friedrich IL über den Feldzugs- 
plan zu beraten ; auf der Weiterreise von Kassel wurde der 
Marschall am 20. Dezember in Elbingrode — Wilhelm selbst 
hatte ihm zu dieser Route als der am wenigsten gefährlichen 
geraten ') — von dem dortigen hannoverischen Amtmann 
festgenommen und dann als Gefangener nach England ge- 
bracht, was für die kaiserliche Partei ein schwerer Schlag 
war. Dagegen wurde der kurze Zeit vorher erfolgte Rück- 
tritt Lord Carterets, des Vorkämpfers der englisch-öster- 
reichischen Allianz, von den Frankfurter linierten mit grosser 
Genugthuung begrüsst. 

Das Verhältnis Hessens zu England war, seitdem Wilhelm 
auf die Erneuerung des Subsidienvertrags nicht eingegangen 
war, natürlicherweise gespannt. Man machte damals in London 
Alt gegenüber kein Hehl daraus, wie grossen Unwillen es 
erregte, dass die Hessen, für die England so viel Geld aus- 



*) Bericht Prinz Friedrichs aus Landshut 8. Dezember 1744. 

') Strieder^ MilitKrgeschichte des landgräflich hessischen Korps S. 223. 

*) Bericht Prinz Friedrichs 9. Januar 1745; die Husaren standen 
unter einem aus Sachsen stammenden Rittmeister d'Aulnay. 

^) Hessenstein. 

*) Prinz von Gotha. 

ö) Wilhelm an Donop U. August; an Friedrich 24. Oktober 1744. 

^) 0. Franke^ Von Elbingrode nach Windsor, S. 251 (Zeitschrift des 
Harzvereins für Geschichte und Alterthumskunde XI). 



107 

gegeben hatte, ohne dass sie ein einziges Mal ins Feuer 
gekommen waren, nun zur Gegenpartei übergiengen; es war 
sogar, wie Alt erfuhr, im Unterhaus davon die Rede, den 
Kasseler Hof für alle Zeit von Subsidien vertragen auszu- 
schliessen ^). Trotz dieser Stimmung Hess der Statthalter 
Alt stets auf Bezahlung der Soldrückstände dringen, wobei 
er um so weniger Erfolg hatte, als Carteret wusste, dass 
sich der Versailler Hof für den Fall, dass sich England 
weigere, zur Zahlung verpflichtet hatte ^). Im September, als 
sich die 6000 Hessen in Marsch setzten, um zur kaiserlichen 
Armee zu stossen, liess Wilhelm der englischen Regierung 
die Mitteilung machen, sein Bruder habe sich als Reichsfürst 
für verpflichtet gehalten, seine Truppen dem Kaiser in Sold 
zu geben. Zugleich schickte er an Alt eine Denkschrift^) 
über die Hanauer Verhandlungen ; aus dieser, schrieb er, gehe 
hervor, dass er, der Statthalter, nicht daran schuldig sei, 
dass der Kasseler Hof an dem alten Bündnis mit England 
nicht festgehalten habe; öflfentlich*) wolle er diejenigen, 
durch welche dies verhindert worden sei, nicht blossstellen ; 
dagegen solle Alt die Denkschrift denen bekannt geben, die 
er noch für Freunde Hessens halte ^). Am gleichen Tag 
schickte sie der Prinz auch an Mann, den hessischen Ge- 
schäftsträger im Haag, um sie den leitenden Persönlichkeiten 
der Niederlande mitzuteilen^). Die Denkschrift sollte also 
zur Rechtfertigung von Wilhelms Politik dienen, aber die 
Motivierung des hessischen Parteiwechsels durch Carterets 
Benehmen in Hanau entsprach keineswegs den Thatsachen ; 
der Prinz hat sich erst viel später zum Bruch mit England 



1) Bericht Alts 24. AprU 1744. 

«) Bericht Alts 31. Juli 1744; Pol. Korr. UI, 201. 

») Vergl. S. 67 Anm. 4. 

*) Später liess Wilhelm die Denkschrift auch am Berliner Hof 
mitteilen (Pol. Korr. III, 309), der sie dann drucken lassen wollte; doch 
stellten sich Hindernisse in den Weg (Staatsschriften I, 62.3 und 631); 
nach des Kaisers Tod veröffentlichte dessen Sohn Max Joseph die Denk- 
schrift in Foim eines Zirkularrescripts an seine Gesandten (Staats- 
schriften I, 632). 

6) Wilhelm au Alt 3. September 1744. 

®) Wilhelm an Mann 3. September 1744. 



108 

entschlossen M- Diß Hanauer Verhandlungen wurden damals 
auch von preussischer Seite gegen das Ministerium Carteret 
ausgenützt; in den Flugschriften exposö des motifs^) und 
remarques d'un bon patriote allemand machte der Berliner 
Hof dem Lord zum Vorwurf, dass er auf die Friedens- 
anerbietungen des Kaisers, der in Hanau nur die Rückgabe 
seiner Erblande verlangt habe^), nicht eingegangen sei*). 
Die Opposition im Parlament, welche gegen die Fortführung 
des für England äusserst kostspieligen Eontinentalkriegs war, 
griff dies begierig auf und machte die heftigsten Angriffe 
gegen Carteret ^) ; sie verband sich zu dessen Sturz mit den 
auf den Lord eifersüchtigen Kollegen Carterets im Ministerium, 
dem Herzog von Newcastle und seinem Bruder Heinrich 
Pelham ®). Der preussische Gesandte Andrie unterstützte die 
Opposition in ihrem Vorgehen gegen den Minister'), während 
Prinz Wilhelm, der durch seine Denkschrift lediglich seine 
Politik hatte rechtfertigen wollen, Alt ausdrücklich verbot, 
sich an Angriffen auf die englische Regierung zu beteiligen®), 
und Andrie's Machinationen missbilligte % Alt hatte indessen 
Wilhelms Denkschrift den Pelhams und Harrington mit- 
geteilt; er hörte von ihnen, dass Carteret einstens die 
Hanauer Artikel wirklich nach England geschickt hatte ^®); 
übrigens sprach die Mehrzahl derer, die von der Denkschrift 
erfuhren, Alt gegenüber aus, der eigentliche Grund für Hessens 
Parteiwechsel sei doch das Streben nach der Kurwürde und 
nach Landerwerb gewesen ^^). Carteret bemühte sich ver- 

») Vergl. S. 75 f. 

*) Das expose wurde Wilhelm von Friedrich IL mitgeteilt (PoL 
Korr. III, 246). 

•) Dies war unrichtig, der Kaiser verlangte auch Erhöhung seiner 
Revenuen, also Gebietserweiterung, vergl. S. 69. 

*) Staatsschrifton I, 445-446. 

*) Staatsschriften I, 581 f. 

*) von Wiese, die englische parlamentarische Opposition S. 73 f. 

^) Staatsschriften I, 623 f. 

•) Wilhelm an Alt 3. Oktober 1744: il est permis ä un ministre 
de diro la verite et de mettre les gens au fait des raisons, qui ont fait 
agir son maitre de teile ou teile fa9on, mais il ne lui convient pas de 
vouloir animer les esprits des sujets contre leur sou verain. 

») Wilhelm an Alt 25. Oktober 1744, 

10) Bericht Alts 25. September 1744. 

»») Bericht Alts 16. Oktober 1744. 



lOÖ 

geblich, von Alt die Denkschrift zu bekommen; er erklärte 
ihm, er brauche die Öffentlichkeit nicht zu scheuen^ aber 
aus bestimmten Gründen und mit Rücksicht auf andere wäre 
es ihm lieber gewesen, wenn nicht mehr an die Hanauer 
Angelegenheit gerührt worden wäre ^). Carteret vermochte 
es nicht, sich gegen den Ansturm der vereinigten parla- 
mentarischen und ministeriellen Opposition zu halten; als 
die Majorität des Ministeriums im November von König 
Georg die Entlassung Lord Granvilles — so hiess Carteret 
seit dem Tod seiner Mutter — forderte, musste sich der 
König fügen und der Minister trat zurück^); Staatssekretär 
des Auswärtigen für die deutschen und nordischen Angelegen- 
heiten wurde wieder Lord Harrington, zu dem Prinz Wilhelm 
während seiner früheren Amtsthätigkeit freundliche Be- 
ziehungen gehabt hatte ^). Als Alt dem Lord zu seiner Er- 
nennung Glück wünschte, sprach dieser davon, wie angenehm 
es ihm wäre, einen Weg finden zu können für die Wieder- 
herstellung des guten Einvernehmens zwischen England und 
dem Kasseler Hof ; da ihm aber Hessens jetzige Engagements 
nicht bekannt seien, so könne er nichts im voraus ver- 
sprechen*); ähnlich sprach sich Newcastle aus. Wilhelm, 
der von dem neuen Ministerium einen Umschwung in der 
englischen Politik erwartete, Hess darauf Harrington durch 
Alt erklären, wenn ihn auch die Umstände zu einer zeit- 
weiligen Trennung von den Seemächten genötigt hätten, so 



») Bericht Alts 25. September 1744, vergl. v. Wiese, 8. 46-47. 
Carteret hatte allen Grund, wenn er sich vor dem Wiederanfrühren der 
Hanauer Angelegenheit scheute; das Eingeständnis seiner damaligen 
Niederlage durch seine Kollegen musste ihm, besonders jetzt, wo er in 
seiner Stellung schwankte, sehr peinlich sein; auch konnte es bekannt 
werden, dass er den Vertrag ohne Wissen der Regentschaft hatte zeichnen 
wollen ; vor allem hätte der hannoversche Geheimartikel — dass Wilhelm 
diesen verschwieg in der Denkschrift, wusste der Lord nicht — einen 
Entrüstungssturm gegen ihn und den König hervorrufen können. Ausser- 
dem war anzunehmen, dass Carterets Hanauer Stipulationen den Wiener 
Hof gegen England verstimmen würden. 

*) v(m Wieset S. 77. 

^) Am 14. Oktober hatte Wilhelm an Alt geschrieben, er sei über- 
zeugt, wenn Harrington die Hanauer Verhandlung geführt hätte, so würde 
das alte System noch fortbestehen. 

^) Bericht Alts vom 11. Dezember 1744. 



HO 

bleibe er doch England stets ergeben ^). In einer zweiten 
Unterredung mit Alt äusserte der Staatssekretär, er habe mit 
den übrigen Ministern einstens sehr bedauert, dass Carteret 
nicht im Jahr 1743 bei seinem Aufenthalt in Deutschland 
den Subsidien vertrag mit Hessen erneuert habe ^). Darauf 
Hess ihm der Statthalter erwidern, er zähle auf Harringtons 
gute Dispositionen zur Wiederherstellung der alten Freundschaft 
und werde seinerseits mit Eifer darauf eingehen, sobald dies 
möglich sei, ohne Treue und Glauben zu verletzen; wenn 
der Kaiser sterbe — Wilhelm wusste bereits um Karls ge- 
fährliche Erkrankung — , werde wohl sein Sohn Frieden 
schliessen ; dann werde das hessische Korps ins Land zurück- 
kehren^). Wenn man auch von diesem letzten Schreiben 
Wilhelms, bei dem ihm schon der bevorstehende Tod des 
Kaisers vor Augen schwebte, absieht, so ist doch die Be- 
deutung des freundschaftlichen Meinungsaustausches zwischen 
dem Statthalter und Harrington nicht zu vorkennen. Nicht 
als ob Wilhelm von der Partei des Kaisers hätte abiallen 
wollen; er hoffte vielmehr, England werde dem Kaiser zu 
einem annehmbaren Frieden verhelfen*), und dann wäre er 
selbst mit Freuden zu dem alten Bundesgenossen zurück- 
gekehrt, um so mehr, als ihm der grosse Einfluss Frankreichs 
in Deutschland schwere Sorge machte^). 

Die Hoffnungen, welche der Statthalter auf die Union ge- 
setzt hatte, waren nicht in Erfüllung gegangen, auch nach dem 
Abzüge der Österreicher aus Süddeutschland waren keine neuen 
Mitglieder beigetreten, es war sogar von einer Gegenliga der 
österreichisch gesinnten Reichsfürsten die Rede ^). Militärisch 
hatte die Union allerdings den Erfolg errungen, Bayern zurück- 
zuerobern ; aber dies war lediglich eine Folge des preussischen 
Einfalls in Böhmen ; und dieser selbst war nicht nur gänzlich 

») Wilhelm an Alt 24. Dezember 1744. 

«) Bericht Alts 15. Januar 1745, vergl. S. 75. 

8) Er wollte damit sagen, dass er Frankreich gegenüber keine 
Verpflichtungen habe. (Wilhelm an Alt 25. Januar 1745.) 

*) Wilhelm an Alt 24. Dezember 1744: etablir l'empereur d'une 
fa^on solide. 

*) Wilhelm an Donop 22. Dezember 1744. 

«) Pol. Korr. IH, 333 Anm. 2; Dope 1, 283. 



111 

gescheitert, sondern die Österreicher brachen sogar in Schlesien 
ein. Friedrich II. begehrte auf Grund des Vertrags von 1743 
vom Kasseler Hof Hilfe*); der Statthalter antwortete, da 
sämtliche hessische Truppen in Bayern ständen, so sei die 
Hilfeleistung unmöglich; doch dachte er für den Fall, dass 
der König darauf beharre, ihm die 3000 Mann im kaiserlichen 
Sold, für welche der Vertrag am 2. März 1745 ablief, zu über- 
lassen ^). Auch abgesehen von dem preussischen Gesuch 
war Wilhelm nicht von vornherein entschlossen, diesen Ver- 
trag zu erneuern ; er hatte, als der Kaiser ihn im November 
darum bitten liess^), eine dilatorische Antwort gegeben und 
Hess einstweilen durch Donop wegen besserer Bedingungen 
sondieren *) ; nachher schrieb er aber nach Stockholm, man 
werde sich der Erneuerung des Vertrags nicht entziehen 
können ^). Zu Ende des Jahres wurde hessischerseits auch 
mit Pfalz über ein Bündnis verhandelt; die Anregung hiezu 
kam von pfälzischer Seite und da es damals schien, als werde 
der junge Kurfürst Karl Theodor Reformen einführen, so 
glaubte Wilhelm, das Bündnis könne vielleicht in der Zukunft, 
wenn Pfalz finanziell und militärisch leistungsfähiger werde, 
für Hessen von Vorteil sein ^ ; der Reichstagsgesandte 
von Wülckenitz wurde also zur Verhandlung bevollmächtigt ^) ; 
der Kasseler Hof wünschte von Pfalz die Garantie von Rhein- 
fels zu erhalten und Unterstützung bei den Streitigkeiten 
um die Hanauer Erbschaft, sowie bei seinem Streben nach 
der Kurwürde, der pfälzische Hof von Hessen die Garantie 
Mannheims und Unterstützung in Rheinschiffahrtsangelegen- 
heiten, sowie zur Wiedererlangung einst durch Mainz und 
Trier entrissenen Gebiets. Doch sollte die gegenseitige Unter- 
stützung nur in guten Diensten bestehen®). Der Tod des 
Kaisers machte den Verhandlungen über das Bündnis ein Ende. 

*) Friedrich II. ao Friedrich (1.) und Wilhelm 19. Dezember 1744. 

«) Wilhelm an Friedrich (1.) 31. Dezember 1744 und 18. Januar 1745. 

«) Bericht Donops 17. November 1744. 

*) Wilhelm an Donop 24. November 1744. 

*; Wilhelm an Friedrich 14. Dezember 1744. 

•) Asseburg an Gohebe 24. Oktober, Wilhelm an Friedrich 12. Dez. 1744. 

^) Wilhelm an Friedrich 14. Dezember 1744. 

8) Wilhelm an Friedrich 18. Januar 1746. 



112 
7. Kapitel. 



Tod des Kaisers; Bedrohung Hessens durch die 
Österreicher; Feldzug in Bayern; Neutralitäts- 
erklärung des hessischen Korps. 

Am 20. Januar 1745 starb Kaiser Karl VII. Dieser 
Todesfall war bei der damaligen Lage von der grössten 
Bedeutung, speziell auch für den Kasseler Hof, dessen 
Politik in der letzten Zeit wesentlich durch das persönliche 
Verhältnis des Statthalters zum Kaiser bestimmt worden war. 
Donop erklärte in München, die hessischen Truppen könnten 
dem neuen Kurfürsten Max Joseph den Treueid nicht schwören, 
ehe diesbezügliche Ordre aus Kassel komme; an Prinz Friedrich 
schrieb er, seine Ansicht sei, dass sich die Hessen bis dahin 
auf die Defensive beschränken sollten '). Der Prinz hielt 
einen Kriegsrat, in welchem einstimmig beschlossen wurde, 
bei der neuen Regierung auf einen Waffenstillstand zu dringen 
und sich vorerst in der Defensive zu halten ^). Donop geriet 
in grosse Verlegenheit, dass der Prinz die Sache so öffentlich 
betrieb, und warnte ihn eindringlich vor übereilten Mass- 
regeln ^). Bald darauf kam eine Ordre vom Statthalter, die 
Truppen sollten wie bisher mit den kaiserlichen vereint 
bleiben und gemeinschaftlich mit ihnen handeln *), was Donop 
sofort an Prinz Friedrich und am kurfürstlichen Hofe mit- 
teilte, wo das Verhalten des Prinzen begreifliches Aufsehen 
erregt hatte ^). Der Statthalter selbst war sehr erzürnt über 
die Eigenmächtigkeit seines Sohnes und befahl ihm, sofort 
nach Kassel zurückzukehren®); an seine Stelle setzte er den 
Generalmajor von Brandt') und gab ihm ausdrücklichen 



*) Donop an Asseburg 20. Januar, an Prinz Friedrich 21. Januar 1745. 
*) Prinz Friedrich an Donop 22. Januar 1745 
^) Donop an Prinz Friedrich 26. Januar 1745. 
*) "Wilhelm an Donop 27. Januar 1745. 
*) Törring an Donop 2. Februar 1745. 
«) Vergl. S. 106. 

'') Christian Friedrich von Brandt, geboren in der Neumark, ge- 
storben in Schottland (Hofmann, hessischer Kriegsstaat II, 506). 



113 

Befehl, des Prinzen Ordre bezüglich der Defensive zu widei*- 
rufen ^). Wilhelm hegte die Hoffnung, dass der junge Kur- 
fürst die österreichischen Ansprüche seines Vaters fallen lassen 
und sich mit dem Wiener Hof versöhnen werde ; er instruierte 
Donop, die Friedenspartei in München insgeheim zu unter- 
stützen. Am liebsten hätte er sich sofort ganz vom Krieg 
zurückgezogen und sich wieder an England angeschlossen, 
aber er war sich bewusst, dass er auf seine Verbündeten 
Rücksicht nehmen müsse. Bezüglich der hessischen Truppen 
war er der Ansicht, dass die im Jahr 1742 dem Kaiser über- 
lassenen 3000 Mann dem bayerischen Hause mehr verpflichtet 
seien als die 6000 Mann ; denn diese, schrieb er an Donop, 
seien dem Kaiser nur infolge der Union gegeben worden, 
deren Hauptpunkte durch Karls Tod hinfällig seien, und er 
habe also ein gewisses Recht sie zurückzuziehen; da sie 
aber bis zum 20. Mai vorausbezahlt seien und es grausam 
wäre, den Kurfürsten seinen Feinden preiszugeben, so wolle 
er das ganze Korps in Bayern lassen ; bis zum Ablauf der 
Konventionen — am 2. März beziehungsweise 20. Mai — 
werde sich die politische Lage klären^). Im gleichen Sinn 
schrieb der Statthalter an seinen Bruder nach Stockholm ^). Um 
Friedrichs von Preussen Ansicht über die Lage kennen zu 
lernen, sandte er Asseburg nach Berlin ; der Mannheimer Hof 
schickte ebenfalls einen Gesandten nach Berlin, einen anderen 
nach Kassel, um sich über die zu ergreifenden Massregeln zu 
besprechen *) ; die pfälzischen Truppen, deren General Zastrow 
ähnliche Beschlüsse gefasst hatte wie Prinz Friedrich, be- 
kamen Ordre, wie bisher gemeinschaftlich mit den Bayern 
zu wirken^). Der Kurfürst von Bayern hatte indessen be- 
schlossen , an den Ansprüchen seines Vaters festzuhalten, 
doch war eine grosse Partei, an deren Spitze die verwittwete 
Kaiserin stand, für einen Ausgleich mit Österreich und suchte 



') Wilhelm an Brandt 3. Februar 1745. 

') Wilhelm ao Donop 27. Januar 1745. 

8) Wilhelm an Friedrich 28. Jauuar 1745. 

*) Wilhelm an Donop 27. Januar 1745; Pol. Korr. IV, 32. 

*) Bericht Donops 19. Februar 1745. 

N F. Bd. XXIIL 8 



114 

in diesem Sinne zu wirken. Dass die Frankfurter Union 
nach dem Tod des Kaisers auf schwachen Füssen stand, sah 
man am Münchener Hofe wohl ein; Max Joseph Hess den 
Prinzen Wilhelm durch Donop dringend bitten, nichts zu 
überstürzen ^) ; waren doch bei der Schwäche der kaiserlichen 
Armee die 9000 Hessen zum Schutz Bayerns unbedingt nötig. 
Auch Chavigny schrieb gleich nach des Kaisers Tod an den 
Statthalter und gab sich die grösste Mühe, Hessen bei der 
kaiserlichen Partei zu erhalten. Anfangs Februar erschien 
der französische Gesandte beim Reichstag, de la Noue, in 
Kassel : er brachte kein Beglaubigungsschreiben mit, sondern 
nur einen Brief des Staatssekretärs Argenson, worin er an- 
gewiesen wurde, sich zu erkundigen: was der Kasseler Hof 
nach dem Tod des Kaisers mit seinen Truppen beschlossen 
habe, wie lange die Verträge mit dem Kaiser noch liefen 
und worin sie beständen. Wilhelm erklärte dem Abgesandten, 
er habe die hessischen Truppen beordert, bis zu neuem Befehl 
mit den Bayern vereint zu bleiben, die Verträge liefen im 
März und Mai ab ; ihr Inhalt müsse doch der französischen 
Regierung bekannt sein^). Bald darauf kehrte Asseburg von 
Berlin zurück; er brachte die bündigsten Versicherungen 
Friedrichs H. mit, den Kasseler Hof nicht zu verlassen, was 
der König dem Statthalter auch brieflich bestätigte^); über 
die politische Lage erklärte sich Friedrich vorerst noch nicht 
aussprechen zu können, deutete aber dem Prinzen an, dass 
er durch Vermittlung Englands den Frieden herzustellen hoffe *). 
Dem französischen Gesandten Valory hatte Asseburg 



*) Bericht Donops 22. Januar 1745. 

*) Wilhelm an Friedrich 12. Februar 1745. Am Versailler Hof 
war man thatsächlich über die hessischen Verhältnisse keineswegs 
orientiert; unbegreiflich ist, dass man sich nicht an Chavigny wandte, 
der doch alles genau wussto. Der Minister des Auswärtigen, Argenson, 
schrieb auf de la Neues Bericlit über seine Reise nach Kassel : cette 
depßche a fort occupe le conseil. Oü en sont les traitos avec Hesse? 
JSi cette fin des traites est veritable, voilä Tarmee de Baviere sans troupes, 
Celles de Hesse ne tenant plus ä rien. Fiat lux. (Zevort^ le marquis 
d'Ärgenson S. 81) 

8) Pol. Korr. IV, 44; vergl. IV, 21, 32, 38, 56-57, 98, 101, 127. 

4) Wilhelm an Friedrich 23. Febr. 1745 ; vergl. Pol. Korr. IV, 
21 — 23 und später. 



115 

in Berlin erklärt , wenn die Maillebois'sche Armee ^) ihre 
Posten an der Lahn verlasse und Hessen dem Herzog von 
Aremberg preisgebe — dieser war Anfangs Februar mit einer 
österreichisch-hannoverisch-holländischen Armee vom Nieder- 
rhein nach der Lahn aufgebrochen^) — , so werde der Statt- 
halter seine Truppen zum Schutz des Landes aus Bayern 
zurückrufen ^). Dieser Fall trat nun ein : die Franzosen 
zogen sich in aller Schnelligkeit von der Lahn zurück bis 
hinter den Main und Hessen stand dem nachrückenden 
Aremberg offen. Wilhelm war mit Recht empört über die 
Schlaffheit der Franzosen. Während er sein Land durch sie 
geschützt glaubte, giengen sie nun auf und davon, ehe ein 
Schuss gefallen war. Er sah sich der Gnade der Österreicher 
preisgegeben, von denen er bei der feindseligen Gesinnung 
Maria Theresias gegen ihn wenig Gutes erwartete, zumal da 
die Jülich'Berg'schen Lande für die Politik ihres Kurfürsten 
schwer hatten büssen müssen. An Donop schrieb der Statt- 
halter, er solle Chavigny mitteilen und auch Max Joseph 
darauf vorbereiten , dass er auf die erste Demonstration 
Arembergs hin seine Truppen aus Bayern zurückrufen werde. 
Er sei verantwortlich für die hessischen Lande*) und da er 
hauptsächlich seinen Bruder zum Bund mit dem Kaiser ver- 
anlasst habe, so würde ihn der schwerste Vorwurf treffen, 
wenn die Unterthanen durch dieses Bündnis zu leiden hätten^). 
Wenn sich Franzosen und Bayern dem Abmarsch der Hessen 
nach der Heimat widersetzten, so werde sich das hessische 
Korps zu helfen wissen. Unter dem Eindruck des französischen 



1) Vergl. S. 104. 

') Ereignisse beim Heer des Herzogs von Aremberg 1745 (Öster- 
reichische militärische Zeitschrift 1826, 111, 223 f.). 

8) Wilhelm an Donop 23. Februar 1745. 

*) König Friedrich hatte dem Statthalter nach dem Tod des Kaisers 
ausdrücklich freie Hand gegeben ; er schrieb im Februar : je me repose 
ä votre bonne conduite et votre savoir-faire. 

*) Wilhelm an Donop 23. Februar 1745 : je dois songor preferable- 
ment ä conserver Ses (seines Bruders) Etats. Vous devez comprendre 
qu'ayant porte ou du moins anime le penchant du roi mon frere pour le 
nouveau Systeme que nous avons pris, je serais reprochable au possible 
d'en faire souffrir des sujets qui se pretent si bien au intentions des ses 
maitres. 

8* 



116 

Rückmarschs antwortete der Prinz auf ein Schreiben zweier 
seiner holländischen Freunde, die ihn zur Rückkehr zu seinen 
alten Verbündeten aufforderten, in entgegenkommender Weise ^) 
und teilte auch Harrington mit, sobald Bayern Frieden schliesse, 
habe er freie Hand zu einem Vertrag mit England ^). In 
München erregte Donops Drohung mit dem Zurückziehen der 
Hessen grosse Bestürzung; Törring — er hatte an Secken- 
dorffs ^) Stelle wieder den Oberbefehl übernommen — „klagte 
und seufzte", Chavigny versicherte, wenn Prinz Conti an die 
Stelle Maillebois' trete, werde der Krieg energischer gefuhrt 
werden. Er teilte Donop mit, das Geld zur halbjährlichen 
Vorausbezahlung der 6000 Mann werde am 20. Mai bereit 
sein, und suchte den Kasseler Hof auch zur Erneuerung des 
Vertrags für die 3000 Mann zu veranlassen *). Der Statthalter 
Hess antworten, er sei hierzu nicht in der Lage, werde aber 
das Korps so lange im Dienst des Kurfürsten lassen, als es 
mit der Sicherheit Hessens vereinbar sei^). Valory wandte 
sich wegen der Verlängerung der hessischen Verträge an den 
König von Preussen; dieser erklärte, das beste Mittel, den 
Statthalter hiezu zu veranlassen, sei eine energische Krieg- 
führung von Seiten Maillebois' ®) ; der König war in Furcht, 
die Österreicher könnten in Hessen einrücken und Wilhelm 
zur Zurückziehung seiner Truppen aus Bayern nötigen '^) ; er 
machte auch König Ludwig XV. eigens darauf aufmerksam, 
wie viel bei dem offenbaren Bestreben der Feinde, die Union 



*) Wilhelm an seine Freunde Weideren und Forck 23. Februar 1745. 

«) Wilhelm an Alt 22. Februar 1745. 

*J Seckendoiff legte zu Ende des Jahres 1744 den Oberbefehl 
nieder; Prinz Wilhelm hatte vergeblich versucht, ihn zurückzuhalten 
(Wilhelm an Donop 24. November 1744); am 10. Januar 1745 übernahm 
der Marschall auf Karls VII. Befohl das Kommando wieder wegen 
Erkrankung seines Nachfolgers Törring fSeckendorff an Wilhelm 
13. Januar 1745), legte es jedoch nach des iaisera Tod definitiv nieder. 
Im Gegensatz zu Törring stand Seokondorfif mit Prinz Wilhelm und den 
hessischen Generalen stets in gutem Verhältnis. 0. Seeländer (Graf 
Seckendorff und die Publizistik zum Frieden zu Füssen S. 44 Anmerkung) 
weiss von der ersten Niederlegung des Befehls nichts. 

4) Berichte Donops vom 2. und 16. März 1745. 

6) Wilhelm an Donop 23. März 1745. 

«) Pol. Korr. IV, 103. 

') Pol. Korr. IV, 65. 



117 

zu sprengen, von der Maillebois'schen Armee abhänge ^). Was 
er und der Statthalter befürchteten, trat ein: am 12. März 
erhielt Wilhelm ein Schreiben Arembergs aus Ems, sein Heer 
sei im Begriff in Hessen einzumarschieren ; ob die Union 
vom König von Schweden nach Karls VH. Tod erneuert 
worden sei? Wo sich die hessischen Truppen befänden und 
was für Ordres sie hätten? Er habe dies zu seiner Instruktion 
zu wissen nötig und hoffe, dass es die Konjunkturen zulassen, 
dass er Land und Leute „mit der dem König von Schweden 
gebührenden schuldigsten Attention" behandeln könne ^. 
Wollte Wilhelm sein Land nicht ruinieren lassen, so musste 
er sich dem Druck Arembergs fügen ; er schrieb also an ihn, 
die Union sei nicht erneuert worden, die hessischen Truppen 
seien bekanntlich in Bayern in den Winterquartieren und 
hätten die Ordre erhalten, „daselbst so lange vor ihre Sicher- 
heit zu sorgen, bis ein zu wünschender baldiger Erfolg denen- 
selben erlauben wirdt in hiesige Lande zurückzukehren^'. Er 
hoffe, dass wenn Aremberg unumgänglich Hessen berühren 
müsse, das Land und seine durch Truppendurchzüge schon 
aufs äusserste mitgenommenen Bewohner „auf eine reichs- 
konstitutionsmässige Weise" behandelt würden, um so mehr 
als sich sein Bruder stets „in denen Schranken einer voll- 
kommenen Neutralität gehalten und auch in Zukunft darbei 
zu bleiben fest entschlossen sei*'^). 

Zugleich schickte der Statthalter Ordre an General 
von Brandt, „dass die Hessen gegen die Ostreichische 
Trouppen ferner offensive nicht agiren sollten"; der Befehl 
war folgendermassen erläutert: „Gleichwie sich nun hieraus 
von Selbsten verstehet, dass Sie sich dem ohngehindert vor 
wie nach in gutem defensionsstand halten, zu denen binnen 
den damaligen Quartieren zu solchem Ende zu nehmen 
nötigen mesures noch ferner mit concourriren, auch in dem 
Fall eines Angriffs von Üstreichischer Seite den zu Ihrer und 



») Pol. Korr. IV, 78. 

*) Aremberg aus Ems an Wilhelm 10. März 1745. 
^) Wilhelm im Namen seines Bruders an Aremberg 12. März 1745 ; 
über die Neutralität Hessens vergl. S. 98. 



118 

der dasigen Gegenden cönservation und Vertheydigung er- 
forderlichen Wiederstand ohnumgänglich thun müssen, hin- 
gegen aber zu keinerlei ausser solchen Quartieren gehenden 
und auf einen Angriff gegen die Ostreichische Trouppen ab- 
zielenden detachement noch sonsten zu einigen offensiven 
Operationen, bei was Gelegenheit Ihnen solche zugemuthet 
werden möchten, sich gebrauchen lassen sollen, so wolle 
derselbe (Brandt) mit allmöglichstem Geheimnis und Vorsicht, 
die diesfalls nötige ordres an diejenigen nachgesetzte Officiers, 
so hier und in den Commandos, besonders denenjenigen zu 
Straubing und Vilshofen, ohnverlangt ertheilen und sonsten 
dessen genaue Beobachtung und Befolgung sich bestens an- 
gelegen sein lassen". Ausserdem wurde Brandt angewiesen, 
sich in zweifelhaften Fällen an Donop zu wenden^). An 
diesen schrieb der Statthalter, er rufe die ganze Welt zum 
Zeugnis auf, dass er nicht anders habe handeln können; er 
hätte sonst sein Land dem Verderben preisgegeben, ohne 
irgend welchen Nutzen für die Verbündeten. Wenn Aremberg 
sich mit seiner Erklärung nicht begnüge, müsse er vielleicht 
die Truppen aus Bayern zurückrufen. Wilhelm hielt dafür, 
dass der Wiener Hof planmässig darauf ausgehe, Hessen und 
Pfalz von der Union abzuziehen^). Die Ordre an Brandt 
gelangte nicht an ihre Adresse, sondern wurde in Vilbel von 
den bereits gegen Wilhelm misstrauischen Franzosen auf- 
gefangen und in Maillebois' Hauptquartier gebracht^), was 
übrigens insofern ziemlich gleichgiltig war, als Donop die 
Ordre am Münchener Hofe und vor Chavigny nicht geheim 
halten sollte. Obwohl die Franzosen indessen wieder vor- 
gerückt waren, so dass der Prinz selbst glaubte, sie würden 
die Österreicher ins Gebirge zurückwerfen, wiederholte er 
dennoch die Ordre für Brandt^). Zugleich war er bemüht, 
durch Harrington und seine holländischen Freunde von Oster- 
reich Schonung für die hessischen Lande zu erwirken ; wirklich 



1) Ordre für Brandt 12. bezw. 16. März 1745. 

«) Wilhelm an Donop 12. März 1745. 

«) Vergl. Pol. Korr. IV, 161. 

*) Wilhelm an Donop 16. März 1745. 



119 

wurden seitens der Seemächte, die auf die hessischen Truppen 
spekulierten und den Statthalter fortgesetzt deswegen be- 
arbeiten *), beim Wiener Hof Schritte gethan ^) und Aremberg 
war, wie Donop hörte, „in Verzweiflung", Hessen wegen der 
Verwendung der Seemächte nicht ebenso behandeln zu können 
wie Jülich- Berg ^). Am Inn begannen indessen die Öster- 
reicher sich zu regen, nachdem schon im Januar Feldmarschall 
von Thüngen in die Oberpfalz eingedrungen war. Am Tag, 
da Donop die Ordre für Brandt erhielt, meldete ihm Törring 
von Bewegungen des Feinds, worauf Donop ihn, sowie 
Chavigny, von der Ordre in Kenntnis setzte ; Törring bat, es 
wenigstens geheim zu halten, und sprach die Hoffnung aus, 
dass die Hessen einem etwaigen Angriff auf die bayerischen 
Quartiere nicht ruhig zusehen würden ; dies würde nur zu 
ihrem eigenen Verderben führen. Donop erwiderte, er glaube 
nicht, dass die Ordre so aufzufassen sei, die Hessen dürften 
sich nur nicht an einem Angriff auf die österreichischen 
Quartiere beteiligen ; in diesem Sinn schrieb er auch an 
Brandt^) und der Statthalter erwiderte auf Donops Anfrage, 
diese Auffassung der Ordre sei richtig, die Hessen dürften 
die Bayern nicht im Stich lassen ^). Max Joseph schrieb 
einen flehentlichen Brief an Wilhelm, er möchte ihn in seiner 
Not nicht verlassen und die Ordre an die hessischen Truppen, 
von denen die Erhaltung Bayerns abhänge, zurücknehmen, 
um so mehr als sich Aremberg zurückgezogen habe^). Auch 
Friedrich von Preussen wandte sich an den Statthalter ; er 
erkannte zwar die Hessen von Seiten Arembergs drohende 



1) Wilhelm an Friedrich 23. März 1745 : mes amis de HoUando me 
tiennent l'epee dans les reins pour passer incessaraent du moins aux traite 
prealable de subside; vergl. Preuss S. 71 Anm. 3. 

2) Beriebt Alts 15. März 1745. 

^) Aremberg sollte geäussert haben, qu'il etait au desespoir de se 
voir les mains liees ä l'egard du pays de Hesse; que si cela ne dependait 
que de la reine, sa maitresse, qu^il n'y agirait peut-etre pas mieux (als 
in Jülich), mais que les puissances maritimes voulaient absolument qu'on 
menageat la Hesse de toutes les fa^ons (Bericht Donops 12. März 1745). 

4) Bericht Donops 24. März 1745, Donop an Brandt 23. März 1745. 

5) Wilhelm an Donop 30. März 1745. 

®) Max Joseph aus München an Wilhelm 24. März; vergl. Pol. 
Korr. IV, 124. 



120 

Gefahr an, bat den Prinzen aber doch dringend, die Ordre zu 
widerrufen, da sonst der Kurfürst von Bayern von den Öster- 
reichern zum Frieden gezwungen und so ein ünionsmitglied 
nach dem anderen von ihnen niedergeworfen werde ^). Fran- 
zösischerseits drängte man auch in Stockholm auf Zurück- 
nahme der Ordre ^). Wilhelm antwortete Max Joseph, die 
Hessen dürften die benachbarten bayerischen Quartiere unter- 
stützen, dachte aber nicht daran, die Ordre zu widerrufen, da 
die von Aremberg drohende Gefahr keineswegs vorüber war^). 
In München fürchtete man, der Feind sei schon von Wilhelms 
Schreiben an Aremberg unterrichtet und werde deshalb den 
Angriff allein auf die Bayern richten*). 

Am 21. März überschritten die Österreicher unter Feld- 
marschall Batthyani den Inn und warfen zuerst die bayerischen 
Posten im Rott-Thal südlich von Vilshofen über den Haufen. 
Die Verbündeten beschlossen nun, das Land zwischen Isar und 
Inn aufzugeben, angeblich wegen der Weigerung des hessischen 
Obersts von üffeln, einen Ausfall aus Vilshofen zu machen ^). Am 
28. März zog Batthyani vor Vilshofen ; der bayerische Komman- 



1) Pol. Korr. IV, 105—107 ; vergl. IV, 114 und 161. 

2) Friedrich an Wilhelm 16. April 1745. 

8) Wilhelm an Max Joseph und an Donop 31. März 1745. 

4) Bericht Donops vom 24. März 1745. Ranke (XXIX, 140) meint 
im Gegenteil, Batthyani habe seinen Hauptangriff auf das hauptsächlich 
von Hessen besetzte Vilshofen gerichtet, weil er von diesen am wenigsten 
Widerstand erwartete; auch Würdinger (der Ausgang des österreichischen 
Erbfolgekriegs in Bayern, Oberbayerisches Archiv Bd. 46) S. 83 f. nimmt 
einen Zusammenhang von Wilhelms Schreiben an Aremberg — Würdinger 
spricht irrig von einer Konvention zwischen beiden — und Batthyanis 
Feldzugsplan an; dies ist aber unrichtig. Der Angriff auf Vilshofen, dem 
die Aufhebung der kleinen Posten in der Umgebung naturgemäss voraus- 
gehen musste, war schon lange geplant, da sich Batthyani von der Er- 
oberung dieses wichtigen Punkts moralisch wie militärisch viel versprach ; 
doch machte er sich auf starken Widerstand gefasst, „weil die meisten 
und besten Truppen der Verbündeten, vornehmlich Hessen, dort standen". 
Maria Theresia genehmigte das Unternehmen (Der Winterfeldzug in 
Bayern 1745, österreichische militärische Zeitschrift 1822, 11, 306 ff.). 
Erst am 12. April teilte Batthyani Brandt mit, er sei von Wien aus von 
Wilhelms Ordre in Kenntnis gesetzt worden ; eine direkte Nachricht durch 
Aremberg, an den das Schreiben des Prinzen am 12. März abgegangen 
war, hat Batthyani also, als er am 21. mit der Überschreitung des Inn 
die Offensive begann, offenbar nicht gehabt, sonst hätte er sich gewiss 
schon damals an Brandt gewendet. 

*) Bericht Donops 25. März 1745. 



121 

dant du ChafFat weigerte die Obergabe trotz der Vorstellungen 
der hessischen Offiziere, die den Widerstand für aussichtslos 
hielten *) ; die Stadt wurde nun beschossen, eine Vorstadt 
geriet in Brand und die Verteidiger flüchteten in die Stadt 
selbst, wobei der Feind mit eindrang. Nun ergab sich die 
ganze Besatzung von Vilshofen : 2 ganze hessische Infanterie- 
regimenter ^) und 550 Mann von 3 anderen hessischen Regi- 
mentern ^), dazu ein Teil eines bayerischen Infanterieregiments, 
einige Schwadronen Husaren und eine Freikompagnie fielen 
in österreichische Gefangenschaft; an Toten und Verwun- 
deten betrug der Verlust der Hessen keine 100 Mann^). 
Auf diese Katastrophe hin hielten die Verbündeten, um so 
mehr, als auf die Hessen nicht mehr zu rechnen war^), 
nirgends mehr Stand ; es wurde beschlossen, auch das Land 
zwischen Isar und Lech aufzugeben, der Kurfürst flüchtete 
nach Augsburg. Am 9. April wurden im Schloss Isareck 
noch 280 Hessen®) gefangen genommen"^). 

Der Statthalter schickte auf die Nachricht von dem 
Unglück bei Vilshofen 3 Ordres für Brandt an Donop ab ; 



*) Oberst von OermanD und von Uffeln und Oberstlieuteoant 
von Gilsa aus Linz an Brandt 7. April 1745. Dass Vilshofen, wie v. Hoff- 
mann (das 4. bayerische lofanterierogimont 1706—1806) S. 291 angiebt, 
schon am 25. und 26. März angegriffen , die Österreicher jedoch beidemal 
energisch zurückgewiesen wurden, wird sonst nirgends angegeben und ist 
sicher unrichtig. 

*) Die Regimenter König und Prinz Georg. 

^ Garde, Prinz Maximilian, Baumbach. 

4) Berichte Donops 31. März, 2. und 5. April; Wilhelm an Mann 
12. April 1745, In der Anmerkung bei Ranke (XXIX, 140) über die 
Eroberung von Vilshofen ist der 2. und 3. Bericht KlinggrUffens auf 
25. und 31. Dezember (statt März) datiert; öarlyle (VIII, 103J und Dove 
(I, 297, Anm. 1) konstatieren die chronologische UnmÖglicnkeit, ohne 
zu merken, wo der Fehler eigentlich steckt. Pajol (les guerres sous 
Louis XV, II, 446—447) wird durch diese Anmerkung verleitet, die 
Weigerung der Hessen, offensiv vorzugehen, den Fall Vilshofens und 
das Zurückweichen der Kaiserlichen hinter die Isar auf das Ende des 
Jahres 1744 zu verlegen ; dies hält ihn jedoch nicht ab, die Winter- 
quartiere der Hessen richtig (zwischen Inn, Isar und Donau) anzugeben 
(II, 449) und Vilshofen am 28. März 1745 noch einmal von den Öster- 
reichern nehmen zu lassen (II, 471). 

») Würdinger S. 84 und 87; Preuss S. 76. 

*) Darunter der Rest des Regiments Baumbach. 

^) Bericht Donops vom 12. April, Brandt aus Neufahrn b./Freising 
an Donop 11. April 1745. 



122 

in der ersten wurde dem General befohlen, die hessischen 
Truppen zusammenzuziehen — dies war indessen bei Lands- 
hut geschehen — ; die zweite und dritte Ordre sollte Donop 
erst an Brandt abschicken, wenn er es nöti^ fände ; die 
zweite enthielt den Befehl, falls die Hessen abgeschnitten 
würden oder sonst Widerstand unmöglich sei, die Neutralität 
zu ergreifen ; die dritte, sich sofort neutral zu erklären. Am 
Lech, schrieb der Prinz an Donop, werde der Widerstand 
gegen die Österreicher nicht erfolgreicher sein als am Inn 
und an der Isar; einen Übergang der Hessen auf das linke 
ßheinufer werde er aber niemals gestatten ; das Truppenkorps, 
„Hessens Peru", müsse dem Land erhalten bleiben *). Am 
7. April sandte Aremberg aus Montabaur ein zweites Schreiben 
an den Statthalter: er habe Ordre, Hessen und Hanau als 
feindliche Länder zu behandeln und Kontributionen aufzuer- 
legen, wenn der Statthalter nicht seine Truppen aus Bayern 
zurückrufe und sich von den Feinden der Königin von Ungarn 
trenne^). Wilhelm hätte, wie er an Mann schrieb^), am 
liebsten dem Druck der Österreicher nachgegeben und die 
Truppen zurückgerufen, aber er fürchtete die Rache der 
Franzosen, die in Hanau schon als Freunde durch ihre grossen 
Ansprüche das Land ruinierten ; so ^.zwischen Hammer und 
Amboss" blieb ihm nichts übrig, als Aremberg eine dilatorische 
Antwort zu geben, indem er sich auf seine frühere Erklärung 
berief*). Wirklich schob Aremberg, der ein „nachdrucksames'* 
Abmahnungsschreiben aus Holland erhalten hatte, die mili- 
tärische Exekution auf und bat in Wien um Verhaltungs- 
massregeln ^). Der Prinz dachte daran, zum Schutz der 
Grenze wenigstens das Dragonerregiment aus Bayern zurück- 
kommen zu lassen, um so mehr als der Vertrag für die 

*) Wilhelm an Donop (und an Brandt) 7. April 1745: ce corps de 
troupes fait notre Perou ; on le perdant nous perdrons toutes nos rossourses. 

') Aremberg aus Montabaur an Wilhelm 7. April 1745. 

*) Wilhelm an Mann 9. April 1745: sil les Fran9ai8 n'etaient pas ä 
porteo et que je n'eusse pas ä craindre leurs ressentiments, vous devinerez 
bien que je preudrais mon parti sans balancer et que je profitorais de la 
douce violence, dont on menace les Etats du roi, mais me trouvant entre 
Penclume et le marteau — . 

*) Wilhelm an Aremberg 9. April 1745. 

*) Aremberg aus Vallendar an Wilhelm 19. April 1745. 



123 

3000 Mann abgelaufen war und die Vilshofener Gefangenen 
mit den Dragonern zusammen etwa diese Zahl ausmachten^); 
doch kam der Plan nicht zur Ausführung. Mitte April er- 
schien der frühere französische Gesandtschaftssekretär in 
Wien, Vincent, in Kassel, um als ständiger Gesandter des 
Versailler Hofs hier zu bleiben. Als Chavigny dies Donop 
vorher ankündigte 2), war der Statthalter wenig erbaut über 
die Neuerung ^) ; er glaubte, Vincent werde nur geschickt, um 
ihn zu überwachen *). Ursprünglich war die Sendung wegen 
der Verlängerung der Subsidienverträge, um die sich auch 
der französische Gesandte in Stockholm bemühte^), beschlossen 
worden ; als sich aber die Dinge in Bayern weiter ent- 
wickelten, erhielt Vincent bald Ordre, die Vertragserneuerung 
nicht mehr zu betreiben, sondern sich auf die Überwachung 
Wilhelms zu beschränken; übrigens sollte er sich sorgfältig 
hüten, den Anschein zu erwecken, als wollte der Versailler 
Hof dem Statthalter irgend welche Vorwürfe machen ^). 

Indessen erhielt Brandt — die Hessen waren von Lands- 
hut über Moosburg, wo sie sich mit den Bayern vereinigten, 
und Freising gegen Dachau marschiert — ein Schreiben von 
Batthyani vom 12. April, worin dieser mitteilte, er sei zwar 
von Wien aus verständigt worden, dass das hessische Korps 
nur für seine eigene Sicherheit sorge, doch müsse er die 
Hessen, so lange sie mit Öesterreichs Feinden vereinigt seien, 
ebenfalls als solche betrachten"^). Am 16. April erhielt dann 
Brandt — er stand nun nicht mehr weit von Augsburg an 
der oberen Glon — Wilhelms 2. Ordre von Donop zuge- 
schickt, zu deren Absendung sich dieser entschlossen hatte 
auf die Kunde von der Niederlage, die Graf Segur mit den 
Franzosen und Pfälzern, die sich östlich von Augsburg mit 
den Bayern und Hessen hätten vereinigen sollen ®), bei 

1) Wilhelm an Donop 10. April 1745. 

«) Bericht Donops 24. März 1745. 

3) Wilhelm an Donop 30. März 1745. 

*) Wilhelm an Mann 22. April 1742: veiller sur notre conduite. 

^) Friedrich an Wilhelm 16. April 1745. 

®) Zevort, le marquis d'Argenson S. 82 — 83. 

^) Batthyani aus Landshut an Brandt 12. April 1745. 

«) Vergl. Würdinger S. 90—91. 



124 

Pfaffenhofen am 15. durch Batthyani erlitten hatte. Donop 
teilte die Absendung der Ordre dem Kurfürsten und den 
Gesandten der ünionsstaaten mit; Chavigny und KlinggräfFen 
machten ihm bittere Vorwürfe, dass der Kasseler Hof seine 
Verbündeten verlasse; Wilhelms Ordre, die Hessen sollten 
sich auf die Defensive beschränken, sei an allem Unglück 
schuld ^). Am 17. April hatte Brandt, der sich scheute, die 
Verantwortung der Neutralitätserklärung auf sich zu nehmen ^), 
in Friedberg bei Augsburg, wo die Bayern und Hessen in- 
zwischen angekommen waren, eine Zusammenkunft mit Donop ; 
als dieser nachher in Augsburg auf seine Frage, was nun 
beabsichtigt sei, den Bescheid erhielt, die bayerische Armee 
werde sich an den Neckar zurückziehen und von dort aus 
mit den Franzosen vereint Bayern zurückerobern, erklärte 
er offen, das hessische Korps werde sich hieran nicht be- 
teiligen. Als er am nächsten Morgen — es war der 18. April 
— hörte, die Bayern seien im Begriff den Lech zu über- 
schreiten und der Kurfürst schicke sich an nach Mannheim 
zu flüchten, sandte er die letzte Ordre an Brandt; dieser 
erhielt sie auf dem Weg nach Augsburg, wo er Donop mit- 
teilte, Törring sei bei ihm gewesen und habe gesagt, er 
rechne nicht mehr auf die Hessen, sie sollten hingehen, wo 
sie wollten ^). Hessischerseits wurde nun ein Trompeter an 
den Kommandanten der österreichischen Avantgarde, Prinz 
Lobkowitz, geschickt mit der Neutralitätserklärung und der 
Bitte um Einstellung der Feindseligkeiten ; der Prinz Hess 
erwidern, die Hessen sollten bei Lechhausen (gegenüber von 
Augsburg) stehen bleiben. Törring ^) hatte nach seinem Über- 
gang über den Lech beide Brücken abbrechen lassen, so dass 
das hessische Korps ohne die Neutralitätserklärung verloren 



:) 



Bericht Donops aus Augsburg 17. April 1745. 
Brandt 16. April 1745 an Donop: die 2. Ordre ist „sehr spitz 
und mir zu hoch''. 

*) Anders als der Bericht Donops (19. April) lautet die Darstellung 
bei Würdinger (S. 92—93); doch ist die Angabe, Törring hätte ohne die 
Neutralitätserklärung der Hessen noch einen Kampf gewagt, sicher unrichtig. 
*) Bericht Donops aus Augsburg 22. April 1745: Törring sei von 
jeher ein Gegner der Hessen gewesen; „gräce ä Dieu que nous sommes 
hors de ses pattes; pour moi, je le meprise souverainement*^. 



125 

gewesen wäre ^). Bayerischerseits wurde nachher behauptet, 
die Hessen hätten bei der Trennung von den Bayern auf 
diese geschossen ^) ; doch ergab eine Untersuchung nur, dass 
einige Hessen mit einer bayerischen Husarenpatrouille hand- 
gemein geworden waren, und das Schiessen wurde auf Rech- 
nung der verfolgenden Österreicher gesetzt^). 

Indessen siegte bei Max Joseph die Friedenspartei; er 
gab den Gedanken an die Flucht nach Mannheim auf*) und 
schickte an den Fürsten von Furstenberg, der schon längere 
Zeit, unterstützt von Seckendorff, in Füssen mit Graf Colloredo 
unterhandelte, Ordre, den Frieden abzuschliessen ^) ; am 
22. April kam er zustande: der Kurfürst verzichtete auf alle 
seine österreichischen Ansprüche und versprach seine Kur- 
stimme bei der Kaiserwahl dem Grossherzog Franz ^). 

Prinz Wilhelm war sehr erfreut, durch die Neutralitäts- 
erklärung seine Truppen gerettet zu sehen; der Hof und 
ganz Kassel, schrieb Asseburg an Donop, sei erfüllt davon; 
Vincent sei der einzige, der sich nicht darüber freue'). Da- 
gegen war der Statthalter sehr unangenehm berührt, dass 
Max Joseph ohne sein Vorwissen über den Frieden verhandelt 
hatte und Hessen im Füssener Vertrag nicht erwähnt war®); 
dies Verstösse gegen die Verträge, schrieb der Prinz an 
Donop; hätte ihm der Kurfürst mitgeteilt, wie nahe er am 



^) Bericht Donops aus Augsburg 19. April 1745. 

*) Der tapfere bayerische Kaminfeger Franz Carl Cura giebt in 
seinem Tagebuch (herausgegeben von Würdinger im Oberbayerischen 
Archiv Bd. 88) S. 40 an, über 20 bayerische Husaren, darunter er selbst, 
seien von 364 (!) hessischen Deserteuren (also nicht von der hessischen 
Armee aus) verwundet worden. 

8j Bericht Donops 25. April, Bericht Brandts 22. April 1745 aus 
Oberhausen. 

*) Nach Donops Bericht war schon alles darauf vorbereitet und die 
Flucht unterblieb nur, weil Max Joseph, nachdem die Franzosen die 
Lechbrücke bei Rain aufgegeben hatten, sich auf der Reise für nicht ge- 
nügend gesichert hielt. Die hessische Neutralitätserklärung war wohl 
nicht von EinflusB auf den Entschluss des Kurfürsten ; er wusste ja schon 
vorher, dass auf die Hessen eigenthch nicht mehr zu rechnen war. 

«^) Bericht Donops 19. April 1745. 

•) Vergl. Ameth 111, 21 ff.; Preuss, der Friede zu Füssen. 

^) Asseburg an Donop 24. April 1745. 

^) Fürsten berg hatte ohne Erfolg versucht, Pfalz und Hessen in 
den Frieden mit aufzunehmen (Pretiss, der Friede zu Füssen S. 85). 



126 

Friedensschluss sei, so wäre die Neutralitätserklärung viel- 
leicht gar nicht nötig gewesen. Wilhelm gab Donop Ordre, in 
München an den Artikel des Vertrags von 1744 zu erinnern, 
worin dem Kasseler Hof nach dem Frieden noch 3 Jahre lang 
je 250000 Thaier zugesagt waren; er wisse wohl, schrieb er, 
dass dies unter den jetzigen Verhältnissen nicht zu erreichen 
sei, aber Donop müsse doch auf dem Artikel bestehen, damit 
Hessen dafür beim allgemeinen Frieden desto sicherer die 
Unterstützung des Mnnchener Hofs gewinne zur vollständigen 
Durchführung (conserver en son entier) des 1. Geheimartikels *). 
Es wäre unbegreiflich, wenn der Statthalter nach diesem 
jammervollen Ende des Kriegs wirklich die Erlangung der 
Kurwürde oder gar einer Gebietserweiterung für möglich ge- 
halten hätte. Chavigny machte gleich nach der Neutralitäts- 
erklärung der Hessen einen Versuch, den Kasseler Hof auf 
der französischen Seite festzuhalten. Er Hess Donop durch 
Klinggräffen sagen, er hoffe, dass der Prinz seine Truppen 
nur zur Ergänzung nach Hessen zurückrufe, nicht aber, um 
ein anderes Engagement zu nehmen. Ob man nicht jetzt in 
einem Geheimvertrag über eine massige Subsidie überein- 
kommen könne, bis die Sache der Frankfurter linierten wieder 
günstiger stehe? Wenn dann Wilhelm bei der Politik der 
Union verharren wolle, so werde der Versailler Hof die bis- 
herigen Subsidien fortsetzen ^). Aber hessischersei ts gieng 
man auf die Lockungen Chavignys nicht ein. 

Die hessische Politik und Kriegführung seit dem Tod 
Kaiser Karls VH. bietet mit ihren halben Massregeln kein 
erfreuliches Bild. Es war eben den kleinen deutschen Staaten 
mit ihren geringen Streitkräften unmöglich, neben den grossen 
Mächten selbständig aufzutreten : sobald sich ein feindliches 
Korps der Landesgrenze näherte, wurde die ganze Politik 
über den Haufen geworfen. Das zweideutige Benehmen der 
Hessen ist zwar gewiss nicht allein schuld an dem jämmer- 
lichen Verlauf des Kriegs in Bayern — bei der Zerfahrenheit, 
die dort seit des Kaisers Tod herrschte, hätten die Oster- 

1) Vergl. S. 96—97. Wilhelm an Donop 27. April 1745. 
«) Bericht Donops 19. April 1745. 



127 

reicher sicherlich auch ohne dies Erfolge errungen — , aber 
es lässt sich doch nicht leugnen, dass Wilhelms erste Ordre 
an Brandt sehr nachteilige Folgen gehabt und die Katastrophe 
in Bayern militärisch wie moralisch beschleunigt hat. Für 
das Interesse des Kurfürsten wäre es vielleicht noch besser 
gewesen, wenn der Statthalter auf Arembergs Drohung hin 
die Truppen gleich hätte neutral erklären lassen ; man hätte 
dann bayerischerseits doch gewusst, woran man war. Wilhelm 
hätte dies auch gewiss gethan, wenn er sich nicht vor der 
Rache der Franzosen gefürchtet hätte ; denn er hatte nach 
dem Tod des Kaisers innerlich mit der Union gebrochen und 
hatte schon wieder ein künftiges Bündnis mit den Seemächten 
im Auge; auch die Stimmung in der hessischen Armee war 
der Fortsetzung des Kriegs nach dem Tod des Kaisers ab- 
geneigt ^). Des Verrats ^) kann man den Prinzen nicht be- 
zichtigen. Er war nach dem Vertrag mit dem Kaiser voll- 
ständig berechtigt, sobald Hessen bedroht war, die 6000 Mann 
zurückzurufen ^), und hatte für diesen Fall sogar Anspruch 
auf Hilfeleistung von Bayern, Preussen und Frankreich; die 
3000 Mann hätte er schon längst wegen des Rückstands der 
Zahlungen zurückziehen können. Wilhelm hatte auch am 
Münchener Hof und in Berlin Valory ankündigen lassen, er 
könne, wenn Maillebois sein Land nicht gegen die Oster- 
reicher schütze, für nichts garantieren, und, als die Franzosen 
trotzdem das hessische Land seinem Schicksal überliessen 
und der Prinz sich durch Arembergs Drohungen zu der ver- 
hängnisvollen Ordre an Brandt entschliessen musste, that er 
diesen Schritt nicht etwa hinter dem Rücken der Verbündeten, 
sondern Donop setzte den Münchener Hof in Kenntnis davon. 



*) Dies ergiebt sich ausser aus dem Resultat des Kriegsrats von 
Prinz Friedrich (s. S. 112) aus einem Schreiben Donops an Asseburg 
(29. Januar) : je sais qu'ii se tient des discours fort indiscrets parmi noa 
gens et qu'on no fait pas difficulte de dire pubiiquement qu'on n'agira 
plus et qu'on s'en retournera incessament dans notre pays. 

*) Broglie (Marie-Therese imperatrice 1, 317) nennt ihn un prince 
volage et perfide ; Zevort (Argenson S. 83) sagt : l'ordre envoye aux troupes 
hessoises ressemblait fort ä une trahison ; auch Würdinger (S. 83) spricht 
von Verrat. 

«) s. S. 96. 



128 

Die Neutralitätserklärung aber war ein Akt der Selbst- 
erhaltung ; die Sache des Kurfürsten war verloren , jeder 
suchte sich zu retten, wie er konnte; der Münchener Hof 
hatte ja selbst schon lange ohne Wissen seiner Verbündeten 
über den Frieden verhandelt und schloss wenige Tage nach 
der hessischen Neutralitätserklärung den Füssener Frieden ohne 
Rücksicht auf die übrigen ünionsmitglieder ab. Bayerischer- 
seits war man übrigens weit davon entfernt, dem Kasseler 
Hof aus seinem Verhalten einen Vorwurf zu machen. Donop 
hatte wenige Tage nach dem Frieden eine Audienz bei dem 
Kurfürsten, wobei dieser den Statthalter seiner Freundschaft 
versichern Hess ; auch verwendete er sich bald darauf „als 
Vikarius des Reichs und Alliierter Hessens" bei den Öster- 
reichern für die hessischen Truppen^). 



8. Kapitel. 



Abführung des hessischen Korps nach Ingolstadt ; 
Subsidienvertrag mit England im Juni 1745; 

Friede zu Dresden. 

Der Statthalter war entschlossen, seine Truppen, wenn 
sie sich in der Heimat erholt hätten, an England oder Hol- 
land zu geben ; gleich nach der Nachricht von der Neutralitäts- 
erklärung Hess er Harrington durch Alt mitteilen, er habe 
nun die Hände frei und sei zu einem Subsidienvertrag be- 
reit^. Aber wenn der Prinz gedacht hatte, er könne frei 
über seine Truppen verfügen, so sollte er sich hierin ge- 
täuscht sehen; der Wiener Hof, über Hessens Parteinahme 



») Vergl. S. 132. 

«) Wilhelm an Alt 26. April 1745; an seinen Bruder Friedrich 
schrieb der Prinz am 1. Mai, er beginne ä travailler ä un nouvoau projet 
d^accomodement avec les anciens amis. 



129 

für den verstorbenen Kaiser höchst erbittert ^), gedachte sie 
nicht so leichten Kaufs ziehen zu lassen. Wer bürgte Maria 
Theresia dafür, dass die Hessen, wenn sie sich ihrer nicht 
versicherte, nicht in wenigen Wochen auf französischer oder 
preussischer Seite wieder gegen sie fechten würden? Wer 
konnte wissen, ob nicht der Statthalter nur deshalb mit den 
Seemächten wieder angeknüpft hatte, damit seine Lande 
schonend behandelt würden? Man behauptete sogar in Wien 
zu wissen, Wilhelm habe Vincent gegenüber geäussert, er 
werde seine Truppen weder an Osterreich noch an dessen 
Verbündete geben ^). Aber selbst wenn es dem Statthalter 
mit seinen Verhandlungen mit den Seemächten Ernst war, 
konnte nicht Prinz Conti ^), Maillebois' Nachfolger, jeden 
Tag in Hessen einrücken und ihm die Pistole auf die 
Brust setzen, nachdem Aremberg mit diesem Verfahren seinen 
Zweck so gut erreicht hatte? Solche Erwägungen führten in 
Wien zu dem Beschluss, das hessische Korps, das in seiner 
Stellung bei Augsburg völlig in der Gewalt der Österreicher 
war, nicht eher abziehen zu lassen, als bis der Statthalter 
mit England abgeschlossen hätte. Zwei Tage nach der 
Neutralitätserklärung waren die Hessen nach Wiederher- 
stellung der abgebrochenen Brücke von Lechhausen auf das 
Augsburger Ufer nach Oberhausen übergegangen^); am 
27. April wollten sie den Marsch nach der Heimat beginnen; 
ein Teil war bereits von Oberhausen nordwärts nach Norden- 
dorf marschiert ^), als Batthyani Brandt melden liess, er möchte 

M "Wessen man den Wiener Hof für fähig hielt, beweist das Ge- 
rücht, Osterreich wolle nicht nur Babenhausen, sondern ganz Hanau an 
Darmstadt geben, Hersfeld, Schaumburg und Plesse an Hannover (Aus- 
zug eines Schreibens aus Frankfurt vom 2. Mai 1745). 

^) Der österreichische Kanzler ülfeld erwähnte dies dem holländischen 
Botschaftssekretär Dorte gegenüber (Dorte aus Wien 2. Juni an den 
Grosspensionär). 

^) Dass der Statthalter Conti den Durchmarsch durch Hessen ver- 
weigerte, wie Droysen (V, 2, 452) angiebt, wird nirgends bestätigt; Wil- 
helm wäre ohne Truppen nicht in der Lage dazu gewesen. 

*) Bericht Donops aus Augsburg 22. April 1745. 

^) Ein höhnendes Gedicht „bei dem erfreulichen Abmarsch eines 
ansehnlichen Korps der tapferen Hessen*^ erschien bei dieser Gelegenheit 
in Augsburg. 

N. F. Bd. XXIII. 9 



13Ö 

den Weitermarsch noch um einige Tage verschieben^ weil die 
Gegend um Donauwörth überall mit österreichischen Truppen 
belegt sei. Zwei Tage später kam dann die überraschende 
Meldung, Battbyani könne den Abmarsch nicht gestatten, 
ehe man sich hessischerseits anheischig gemacht habe, erstens 
„im Verein mit den Truppen der Reichskreise zur Befreiung 
des Kurfürsten von Mainz, dann zur Versicherung der freien 
Eaiserwahl mittelst Entfernung fremder Truppen sich werk- 
thätig verwenden zu wollen**, zweitens „dieses Korps Truppen 
in englischen oder holländischen Sold zu überlassen^* ^). Das- 
selbe schrieb Batthyani auch an den Statthalter; zugleich er- 
hielt Asseburg ein Schreiben von dem jetzt in österreichischen 
Diensten stehenden General Diemar, worin dieser berichtete, 
Maria Theresia habe erklärt, sie fordere kein Lösegeld für 
die hessischen Gefangenen, verlange aber, dass der Kasseler 
Hof zur österreichischen Partei übertrete ^). Wilhelm gedachte, 
obwohl er eine Versöhnung mit Österreich als geboten ansah ^) 
und selbst einen Bund mit den Seemächten wünschte, sich 
doch der gewaltthätigen Zumutung des Wiener Hofes nicht 
zu fügen ; um so weniger, als er wegen der Armee des Prinzen 
Conti noch nicht offen auf die Seite der Gegner Frankreichs 
treten wollte ^). Er stellte dies dem holländischen Gesandten 
in Wien, Burmannia, an den er sich wegen des Rückmarschs 
der Truppen wandte, vor und fügte bei, Massregeln, wie sie 
der Wiener Hof ergriffen habe, seien bei seiner Neigung zu 
einem Bund mit den Seemächten nicht nur unnötig, sondern 
könnten nur schaden; auch den Grosspensionär Hess Wil- 
helm durch Mann bitten, sich in Wien für die Freilassung 
der hessischen Truppen zu verwenden. An Brandt schickte 
der Prinz eine Deklaration über die Neutralität des hessischen 
Korps, welche dieser durch den General von Mansbach an 
Batthyani nach Neuburg übersandte, indem er ihn zugleich 



^) Promemoria Donops für den Kurfürsten von Bayern 11. Mai 1745. 
*) Asseburg an Donop 8. Mai 1745. 
«) Wilhelm an Friedrich 24. April 1745. 

*) Wilhelm an Brandt 4. Mai, an den holländischen Gesandten 
Bnrmannia in Wien 3. Mai 1745. 



unter Berufung auf Artikel 13 des Püssener Friedens, worin 
den Hilfstruppen des Kurfürsten in Bayern freier Abzug zu- 
gestanden wurde, bat^ die Hessen nach ihrer Heimat marschieren 
zu lassen. Aber auf österreichischer Seite erklärte man, der 
Artikel finde auf das hessische Korps keine Anwendung^ da 
dieses am Tag des Füssener Friedens sich schon ausserhalb 
Bayerns {Oberhausen lag auf Augsburg^schem Gebiet) be- 
funden habe ^). Wie es in Wahrheit gemeint war, konnte 
man daraus ersehen, dass am 8. Mai ein pfälzisches Korps 
bei Lechhausen, also in Bayern, von den Österreichern um- 
ringt, zur Ergebung genötigt und kriegsgefangen nach Neu- 
burg abgeführt wurde ; zugleich machten sie auch Miene, die 
Hessen einzuschliessen ^). Wilhelm glaubte noch immer, dass 
Batthyani die Hessen anders behandeln werde als die Pfälzer, 
weil sie weit zahlreicher waren — sie betrugen noch nahe- 
zu 6000 Mann — und mit Rücksicht auf die Seemächte^). 
Diese aber waren offenbar von dem Vorgehen des Wiener 
Hofs unterrichtet und damit einverstanden % Der Prinz sandte 
den Kriegsrat von Miltitz nach Bayern an Batthyani und gab 
ihm ein Blanquet mit; nur auf die Vereinigung der Hessen 
mit den Österreichern sollte er sich unter keinen Umständen 
einlassen^ womöglich aber Aufschub der Entscheidung er- 
langen und dann in Wien selbst Vorstellungen machen; zu 
diesem Zweck bekam er Schreiben Wilhelms an Maria Theresia, 
ihren Gemahl, Burmannia und den englischen Gesandten 
Robinson mit^). An Brandt schickte Wilhelm die höchst 
unklare Ordre, er solle, wenn man österreichischerseits vor 
Miltitz^ Ankunft etwas unternehme, „sich in Positur setzen 
und allenfalls einer solchen unrechtmässigen Gewalt den ge- 
hörigen Widerstand thun, auch in Zeiten die nötigen 
dispositiones darauf machen und alsdann die Extremität ab- 



Dorte aus Wien an WUhelm 16. Mai 1745. 

') Proraemoria Donops 11. Mai 174Ö. 

8) Wilhelm an Donop 18. Mai 1746. 

*) Burmannia, der angeUioh krank war, hatte Wilhelms Schreiben 
nur durch seinen Sekretär beantworten lassen, der Ausflüchte gebrauchte 
wie „er habe Ulfeid nicht getroffen". 

6) Instruktion für Miltitz 16. Mai 1745. 

9* 



132 

warten; jedoch wenn es zu dieser kommen sollte, bei der 
offenbar überlegenen und grösseren Macht alsdann lieber die 
Gefangenschaft annehmen und das Korps and dessen honnear 
so gut und füglich als möglich retten" ^). Donop hatte in- 
dessen dem Kurfürsten von Bayern auf Wilhelms Wunsch 
ein Promemoria überreicht und ihn um seine Vermittlung 
gebeten ; Max Joseph versprach sein Möglichstes zu thun ^) 
und schickte den Oberst de la Ros6e wegen der hessischen 
Angelegenheit ins österreichische Hauptquartier nach Neuburg, 
wo ihm der Feldmarschall Traun eine beruhigende Erklärung 
gab % Aber am 18. Mai gegen Abend erschien im hessischen 
Lager der österreichische Generalfeldwachtmeister Graf 
von Lucchesi und verlangte im Auftrag Trauns und Batthyanis 
von den hessischen Generalen die Unterschrift folgender Er- 
klärung: es sei Maria Theresias letzter Entschluss, dass, da 
die österreichische Armee weiter vorrücke gegen die Fran- 
zosen, die Hessen sich in die Festung Ingolstadt zurückziehen 
sollten, bis ,;Werkthätige Versicherung" geschehen sei, dass 
sie in englische oder holländische Dienste treten werden; 
man sei keineswegs gesonnen, sie in Kriegsgefangenschaft zu 
nehmen, sondern nur sie in Verwahrung zu behalten; die 
„natürliche Folge*' hiervon ergebe, dass sie Feuer- und 
Seitengewehr nebst Fahnen und Standarten dem Komman- 
danten von Ingolstadt übergeben müssten. Also schmähliche 
Entwaffnung des hessischen Korps war von den Österreichern 
beschlossen; dass die Hessen nicht als gefangen betrachtet 
werden sollten, klang geradezu wie Hohn. 24 Stunden Be- 
denkzeit wurden gewährt; nach Ablauf dieser Frist, deutete 
man an, würden die Österreicher über die Hessen herfallen. 
Die Lage Brandts war verzweifelt: der Feind war weit über- 
legen, die Hessen getrennt — ein Teil bei Oberhausen, der 
andere bei Nordendorf — , dazu viele nicht in wehrhaftem 
Zustand; die Zufuhr von Lebensmitteln abgeschnitten, eine 



1) Wilhelm an Brandt 15. Mai 1745. 
•) Bericht Donops 12. Mai 1745. 
«) Bericht Donops 22. Mai 1745. 



133 

Sendang Mansbachs nach Neuburg wurde nicht genehmigt, 
geschweige denn das Abwarten neuer Ordres aus Kassel; da 
entschloss sich Brandt mit den übrigen Generalen am 19. 
Mittags zur Unterschrift ^). Der Statthalter war ausser sich ; 
er erklärte, er werde diese Konvention nie ratifizieren und 
schickte sofort Ordre an Brandt, er solle, wenn das hessische 
Korps schon auf dem Weg nach Ingolstadt sei, sofort Halt 
machen lassen und sich allem anderen eher aussetzen als der 
Schmach der Waffenauslieferung ^). Miltitz, der inzwischen 
in Neuburg angekommen war, bot alles auf, um die 
Kapitulation rückgängig zu machen ; er bot den Österreichern 
carte blanche, aber es war alles umsonst. Als Wilhelms 
Courier an Brandt eintraf, befand sich der grössere Teil der 
Hessen bereits in Ingolstadt^); auf dem Marsch dorthin fand 
grosse Desertion statt. Übrigens wurde die Kapitulation 
durch Traun in manchem gemildert: die Hessen durften mit 
klingendem Spiel in Ingolstadt einziehen und ihre Waffen 
und Fahnen selbst nach dem Zeughaus bringen, Offiziere und 
Unteroffiziere durften die Waffen behalten, ebenso 200 Mann 
wegen des Wachtdienstes ; auch sollten keine Hessen von den 
Österreichern angeworben werden. Der Kommandant von 
Ingolstadt kam Brandt mit Höflichkeit entgegen^). Der 
Statthalter beruhigte sich nach und nach, als er sich über- 
zeugte, dass Widerstand vergeblich gewesen wäre; es sei 
immer noch besser so, schrieb er seinem Bruder nach Stock- 
holm, als wenn die Trappen vernichtet worden wären ^)! 
Friedrich war Anfangs ebenfalls empört über die Kapitulation 
und wollte Brandt verabschieden, was aber auf Wilhelms Für- 
sprache hin unterblieb®). 

Wenn der Statthalter die hessischen Truppen befreien 
wollte, so musste er eilen, mit England oder Holland einen 
Subsidien vertrag zu schliessen; Newcastle und Chesterfield 



*) Bericht Brandts aus Nordendorf 20. Mai 1745. 

«) Wilhelm an üonop 25. Mai 1745. 

*) Wilhelm an Donop 5. Juni 1746. 

*) Berichte Brandts aus Ingolstadt 27. Mai, 7. und 21. Juni 1745. 

») Wilhelm an Friedrich 29. Mai, an Alt 1. Juni 1745. 

•) Friedrich an Wilhelm 11. Juni, Wilhehu an Friedrich 26. Juni 1745. 



134 

sagten zu Alt, es sei die höchste Zeit dazu, sonst könne es 
noch die grössten Schwierigkeiten geben '). So schickte 
denn Wilhelm, nachdem Harrington, der nach Hannover 
reiste, im Haag mit Mann eine Unterredung gehabt hatte, 
am 11. Juni Assebnrg nach Hannover wegen eines Vertrags. 
König Georg drückte seine Freude aus, dass der Kasseler Hof 
wieder zu seinen alten Verbündeten zurückkehren wolle, und 
am 16. Juni schloss Asseburg mit Harrington einen Subsidien- 
vertrag ab, konnte es aber nicht erreichen, dass dies im 
Namen der Niederlande geschehe, was der Statthalter mit 
Rücksicht auf seinen Bruder gewünscht hatte, weil dieser 
einem Bund mit England, das mit dem Versailler Hof in 
offenem Krieg lag, abgeneigt war^). Hessen überliess König 
Georg 6000 Mann auf 4 Jahre; nach einem Monat sollten 
diese Truppen nach den Niederlanden marschieren. Die Be- 
dingungen waren die gleichen wie im Vertrag von 1740, nur 
dass die Mobilmachungsgelder natürlicherweise wegfielen. 
Die alten Soldrückstände — */9 davon, nämlich 448 000 Gulden, 
hatte Frankreich bezahlt^) — sollten getilgt werden. Auf 
9000 Mann erklärte sich Harrington ohne Bücksprache mit 
seinen Kollegen nicht einlassen zu können, dagegen verlangte 
er einen Geheimartikel, dass der Kasseler Hof für den Fall, 
dass England noch ein Truppenkorps brauche, 3000 Mann, 
darunter 600 Dragoner, bereit halten solle ; er wollte damit 
vorbeugen, dass Hessen seine übrigen Truppen nicht wieder, 
wie im Jahr 1742, in einer der englischen Politik wider- 
streitenden Weise anwende. Auf Wilhelms Wunsch, dass der 
Dienst gegen den König von Preussen und andere Beichs- 
fürsten ausgenommen werden solle, gieng Harrington nicht 
ein, ebensowenig auf das Anerbieten, ob nicht der Kasseler 
Hof für immer die 10000 Mann stellen könnte, welche Eng- 
land den Niederlanden im Angriffsfall vertragsmässig zu 
stellen hatte*). 

Bericht Alts 28. Mai 1745. 
Friedrich an Wühelm 4. Mai 1745. 
Bericht Donops 3. Juli 1745. 
*) Vertrag zu Hannover 16. Juni 1745. Instruktion für ÄBseburg 
9. Juni, Bericht Asseburgs aus Hannover an Friedrich 18. Juni 1745. 



135 

Der Statthalter war in Sorge, ob sein Bruder den Ver- 
trag auch ratifizieren werde; denn Friedrich hatte ihm, als 
er von dem Gewaltakt der Österreicher gegen seine Truppen 
erfuhr, geschrieben, lieber wolle er seine Truppen den Türken 
geben, als sie für das Interesse der Königin von Ungarn 
verwenden lassen^). Trotzdem ratifizierte der König den 
Vertrag, machte aber die Bedingung, dass die Hessen nie 
ohne seine ausdrückliche Zustimmung einem österreichischen 
General unterstellt werden sollten'), was Harrington im 
Namen König Georgs zugestand. Die hessischen Truppen — 
sowohl die in Ingolstadt als die Kriegsgefangenen, welche 
nach Wiener-Neustadt gebracht worden waren, — erhielten 
sofort nach dem Abschluss des englischen Subsidienvertrags 
die Erlaubnis, nach der Heimat zu marschieren^). Donop 
verliess nun den Münchener Hof*) und Vincent wurde, als 
man in Versailles den Abschluss Hessens mit England er- 
fuhr, von Kassel abberufen ^). 

Friedrich von Preussen hatte im Mai, als die Öster- 
reicher wieder in Schlesien einbrachen, wieder um das vertrags- 
mässige Hilfskorps nachgesucht, da er, für den Fall, dass der 
Kasseler Hof seine Truppen nicht gegen Österreich und Sachsen 
fechten Hesse, als Besatzung von Berlin, Magdeburg und Glogau 
zu verwenden gedachte^). Hessischerseits wurde damals er- 
widert, die Hilfesendung sei unmöglich, da die Truppen noch in 
Ingolstadt von den Österreichern festgehalten würden '). Nun, 
nachdem sie freigeworden waren, wiederholte der König, der 
übrigens von Wilhelm über den englischen Vertrag unter- 
richtet worden war®), sein Verlangen®), bekam aber die 

») Friedrich an Wilhelm 11. Juni 1745; vergl. Pol. Korr. IV, 206. 

•) Friedrich an Wilhelm 12. Juli 1745. 

^) Wilhehn an Donop 3. Juli 1745. 

*) Donop wurde im Frühjahr 1746 noch einmal nach München ge- 
sandt wegen der rückständigen Qelder für die 3000 Mann (Denkwürdig- 
keiten des Freiherm Achatz Ferdinand von der Asseburg S.-35). 

*) Zevort, Argenson S. 85. 

0) Friedrich fi. an Friedrich (I.) und Wilhelm 8. Mai 1745, vergl. 
Pol. Korr. IV, 41 und S. 111. 

') Friedrich (I.) aus Kongsör an Friedrich II. 27. Juni 1745 (das 
Schreiben war in Kassel entworfen); vergl. PoL Korr. IV, 193. 
Pol. Korr. IV, 215. 
Friedrich II. aus Potsdam an Friedrich (1.) und Wilhelm 27. Juli 1745. 



? 



136 

Antwort, was der Kasseler Hof ausser den an England ge- 
gebenen Trappen zur Verfügung habe, sei in diesem Jahr 
nicht mehr marschfähig und ausserdem ebenfalls schon den 
Seemächten verpflichtet ^). Da Friedrich 11. einsah, dass dem 
Statthalter nach der Abführung seiner Truppen nach Ingolstadt 
nichts anderes übriggeblieben war als der Übertritt auf die 
englische Seite ^), so blieben die Beziehungen Hessens zu 
Preussen die freundschaftlichsten. Wilhelm suchte auch zur 
Versöhnung des Berliner Hofs mit England beizutragen; er 
selbst und Asseburg waren im August in dieser Richtung in 
Hannover thätig, doch zog man es dort zum lebhaften Bedauern 
des Statthalters vor, direkt mit Preussen zu verhandeln^): 
am 26. August schloss Harrington mit Andrie die den 
Breslauer Frieden erneuernde Konvention von Hannover ab. 
In diesen Präliminarfrieden, der von dem Wiener Hof freilich 
abgelehnt wurde, wurde Hessen, wie auch Pfalz, mit auf- 
genommen, ohne jedoch die ersehnte Kurwürde zu erlangen, 
um die sich Friedrich von Preussen bei seinen früheren 
Friedensverhandlungen mit England, wenn auch ohne grossen 
Eifer, für den Kasseler Hof bemüht hatte*). 

Ende August zogen die 6000 Hessen, nun wieder unter 
Prinz Friedrichs Kommando, nach einmonatlichem Aufenthalt 
in der Heimat nach den österreichischen Niederlanden, um 
dann im nächsten Jahre bei der Niederwerfung des Stuart'schen 
Aufstands in Schottland ^) und nachher — auch die General- 
staaten hatten indessen 3000 Hessen angeworben ^) — wieder 
in den Niederlanden Verwendung zu finden. Aber die Hessen 
kämpften jetzt lediglich als Söldner, politisch war der Kasseler 
Hof nicht mehr am Krieg beteiligt. Als der Statthalter Anfangs 



^) Friedrich (I.) aus Hahnstadt an Friodrich II. 14. September 1745; 
vergl. S. 134. 

») Pol. Korr. IV, 215. 

*) Berichte Asseburgs aus HanDover 13. und 15. August 1745; 
vergl. Pol. Korr. IV, 267, Anm. 4; Wilhelm aus Ystadt an Asseburg 
22. August 1745. 

*) Pol. Korr. IV, 132; vergl. IV, lOl. 

*) von Sta/mfordf die Heerfahrt des Prinzen Friedrich von Hessen 
Dach Schottland (Zeitschrift für hessische Geschichte X, 49 f.). 

ö) Desgl. S, 67. 



137 

Oktober von einer zum Besuch seines Bruders unternommenen 
Reise nach Schonen zurückkehrte, war der Grossherzog von 
Toskana zum Kaiser erwählt und der Wiener Hof hatte 
damit trotz seiner schweren Niederlagen gegen Preussen 
wenigstens im Reich seine alte Stellung wieder errungen. 
Wilhelm glaubte es unter diesen umständen nicht umgehen 
zu können, dem neuen Kaiserpaar in Frankfurt seine Auf- 
wartung zu machen ^) ; nachdem er Asseburg vorausgeschickt 
hatte, um zu sondieren, wie sein Besuch aufgenommen würde, 
begab er sich Mitte Oktober nach Frankfurt. Der Kaiser 
empfieng den Prinzen sehr liebenswürdig (fort gracieux), 
während die Aufnahme von Seiten Maria Theresias kühl 
war (un peu de froid et de serieux) ; glaubte doch Wilhelm 
zu wissen, dass er als Anstifter aller gegen Österreich ge- 
richteten Pläne gelte. Bei einem zweiten Besuch war jedoch 
auch die Kaiserin, nach einigen Aufklärungen von beiden 
Seiten, etwas zugänglicher (assez gracieuse) ^). 

Das Ende des Jahres brachte noch den Frieden zwischen 
Preussen und Österreich, nachdem die Hoffnung Maria There- 
sias, den preussischen König im Verein mit Sachsen doch noch 
niederzuwerfen, gescheitert war. Der Kasseler Hof wurde durch 
Friedrich H. in den Dresdener Frieden mit aufgenommen; 
Wilhelm rechnete dies dem König hoch an und schickte zu 
Anfang des Jahres 1746 Asseburg nach Berlin, um ihm 
dafür zu danken und zum Frieden Glück zu wünschen^). 
Wahrlich, der Statthalter war sehr heruntergegangen mit 
seinen Ansprüchen, wenn er über den blossen Miteinschluss 
Hessens in den Frieden schon die lebhafteste Freude empfand ; 
mit den Träumen von Kurhut und Gebietserweiterung war 
es vorbei. Aber wenn Wilhelm auch keine Erfolge erzielt 



1) Wilhelm aus Bützow i. Mecklenburg (der Statthalter besuchte 
hier auf dem Rückweg von Schweden seine Schwester Sofie Charlotte, 
die Wittwe'eines mecklenburgischen Herzogs) an Asseburg 28. September, 
an Friedrich 29. September 1745. 

^) Wilhelm aus Hanau an Friedrich 18. Oktober 1745; Friedrich 
d. Gr. sagt in der histoire de mon temps (S. 387) von Maria Theresia: 
eile poussa la fierte jusqu'ä etre grossiere euvors le prince Ouillaume 
de Hesse. 

^) Instruktion für Asseburg 17. Januar 1746. 



138 

hat, so verdient doch der Eifer und die rastlose Tbätigkeit, 
womit er nach seinem Ziel^ die Macht Hessens zu erhöhen, 
gestrebt hat, alle Anerkennung, und wenn auch in seiner 
Politik — besonders vom heutigen Standpunkt aus — 
manches unbegreiflich erscheint, so hat er doch stets das 
Wohl seines Landes dabei im Auge gehabt. Jedenfalls 
unterscheidet er sich in der Ausübung seines Herrscher- 
berufs vorteilhaft von den meisten Fürsten ;seiner Zeit, die, 
in die Genüsse des Hoflebens versunken,' die Regierung ihres 
Landes Günstlingen überliessen. 

In die Zukunft sah der Prinz schwarz; das wieder er- 
starkte Ansehen Österreichs im Beich, der an einzelnen Höfen 
herrschende Einfluss Frankreichs und dessen Eintreten für 
die Stuarts erfüllten ihn mit schwerer Besorgnis für den 
Protestantismus; er sah dagegen nur ein Mittel: den An- 
schluss Preussens an die Seemächte; und dieser Partei, 
meinte er, müssten sich auch die Reichsstände anschliessen ^). 
Wilhelm sollte dieses „gute System" nicht nur noch erleben, 
sondern auch selbst mit Land und Volk dafür einstehen : als 
treuer Verbündeter Englands und Preussens gegen seine alten 
Gegner Frankreich und Österreich hat er im 7jährigen Krieg 
noch im höchsten Alter in die Verbannung gehen und fern 
von seiner Hauptstadt sterben müssen, indess die hessischen 
Truppen im Kampf gegen die Franzosen mehr Ruhm erwarben, 
als einst im österreichischen Erbfolgekrieg. 



*) Wilhelm ans Hanau an Friedrich 18. Oktober 1745. 




IL 

Die Geschichte der französischen Kolonie 
Franenberg: bei Marburg:« 

Nach den Akten des Marburger Staatsarchivs 

und aaderen Quellen 

von 

Dr. Eduard Wintzer, 
Oberlehrer in Marburg. 




lie Kolonisationen des 17. und 18. Jahrhunderts in den 
protestantischen Ländern waren fast immer die Folge 
gewaltsamer Gegenreformation in den katholischen. Das 
religiöse Interesse leitete zunächst sowohl die Auswanderer 
als die Schutzbietenden; doch waren für letztere zugleich 
die volkswirtschaftlichen Gründe entscheidend. Deutschland 
war nach dem 30 jährigen Krieg ganz besonders darauf an- 
gewiesen, recht viel tüchtige Leute aus dem Auslände herbei- 
zuziehen. 

Der Landgraf Carl von Hessen-Cassel, wie der grosse 
Kurfürst und die drei ersten preussischen Könige ein warmer 
Verehrer des Colbertschen Manufaktur- und Merkantilsystems 
und auch reformierter Fürst, fühlte sich wie jene vornehmlich 
dazu berufen, den flüchtigen Glaubensgenossen aus Frankreich 
und Piemont sein Land zu dessen wirtschaftlichem Vorteil 
zu öffnen ^). Er erliess schon am 18. April 1686, also noch 



*) Der Zeitgenosse J, J. Winkelmann (Beschreibung von Hessen 
1697 S. 390) erwähnt nur den wirtschaftlichen Grund. 



140 

vor der Aufhebung des Edikts von Nantes, die erste Ein- 
ladung an die fremden reformierten Gewerbe- und Handel- 
treibenden, worin er ihnen vielerlei günstige Zusagen machte, 
und am 12. Dezember wurde dieselbe in französischer Sprache 
erneuert und erweitert^). An 3500 Personen Hessen sich in 
dem Lande nieder, 1400 allein in der Stadt Gassei, die übrigen 
an ungefähr 30 verschiedenen Orten im Nieder- und Ober- 
fürstentum ^. 



1) Die Schicksale der Familien Qautier, 
Brunet und Guigues, bis zu ihrer Ankunft in 

Marburg. 

Die auf der höchsten Höhe des reichbewaldeten Lahn- 
bergs bei Marburg liegende, nach der verfallenen Burg be- 
nannte französische Kolonie Frauenberg ist von Marburg aus 
auf Veranlassung des Professors der Theologie und der Zeit 
nach ersten Predigers an der französisch-reformierten Gemeinde 
daselbst, ThomasGautier, gegründet worden. Dieser und 
die ersten Kolonisten des Frauenbergs standen schon von 
ihrer alten Heimat her in naher Beziehung. Wir wollen sie 
zuerst in dem Lande aufsuchen, wo ihre Wiege stand, ihre 
dortigen Verhältnisse und Schicksale, soweit die Nachrichten 
reichen, kennen lernen und ihnen dann nach Marburg und 
zum Frauenberge folgen. 

Die zwei Familien, die durch Gautier am Frauenberge 
angesiedelt wurden, hiessen Brunet und Guigues. Sie 
und die G a u t i e r waren von Haus aus reformierte Waldenser, 
und ihre Heimat lag in den Waldenser Thälern auf der Ost- 
seite der cottischen Alpen. Die Gautier und Brunet wohnten 
in dem nördlichsten dieser Thäler, in Pragelas, auch Val du 
Cluson oder Glusone genannt nach einem Zuflüsse des mit 
dem Po am Monte Viso entspringenden und in denselben 

») Sammlung hess. L. 0. III. S. 289 und 303. 

^j Casparson^ Kurze Geschichte der H.-Cass. franz. Colonieen. 
Cassel 1785. Chr. von Rommd^ Zur Geschichte der franz. Colonieen in 
H.-C. (Z. d. V. f. hess. Gesch., 7. Band. Cassel 1858,) 



141 

mündenden Pellice. Die Familie Guigues wohnte in dem 
südlich benachbarten und mit seinem Flusse, der Germanasca, 
bei La P^rouse ins Val Cluson einmündenden Thale Saint- 
Martin. Yillaret im unteren Val Cluson ist der Geburtsort 
Gautiers, zwei Meilen oberhalb liegt Fenestrelles, wo er eine 
Zeit lang Pfarrer war, und eine halbe Meile weiter, wie 
Fenestrelles am nördlichsten Laufe des Flusses, in Usseaux 
waren die Brunet ansässig. 

Pral oder Praly im Thale Saint-Martin war der Wohn- 
ort der Familie Guigues. Damals, als diese drei Familien 
dort noch wohnten, war das Thal Pragelas französisch, ein 
Theil der Dauphine, welche hier an der Westseite der Alpen 
angrenzt, während das Thal Saint-Martin zum Herzogtum 
Savoyen und Piemont gehörte. Südlich liegen die anderen 
piemontesischen Waldenser Thäler, von Angrogne und von 
Luserne, am Pellice und am oberen Po. Durch den ütrechter 
Frieden, der 1713 dem Spanischen Erbfolgekriege ein Ende 
machte, kam durch Tausch auch das Thal Pragelas an 
Piemont, Wie so oft in Grenzgegenden die beiden benach- 
barten Sprachen in einander übergehen, so ist es auch hier 
mit der französischen und italienischen der Fall. Die Namen 
der drei Familien sprechen dafür, dass alle französischer Ab- 
kunft waren. 

Unter den angegebenen Umständen ist es leicht er- 
klärlich, dass sowohl die französische als die piemontesische 
Geschichte auf die Schicksale dieser drei Familien eingewirkt 
haben muss. 

Die Geschichte dieser Waldenser ist durch die Beweise 
von hohem Glaubensmute namentlich für das protestantische 
Bewusstsein sehr erhebend, aber im ganzen auch tieftraurig, 
wenn man sieht, wie sie Jahrhunderte lang immer wieder 
von neuem die grausamsten Verfolgungen von den franzö- 
sischen Königen und den savoyischen Herzogen der römischen 
Kirche zu Liebe haben dulden müssen. Gerade das Thal 
von Pragelas galt als die älteste Ansiedlung der Waldenser 
in den Westalpen, wohin sie sich in die Einsamkeit zurück* 
gezogen hatten, nachdem ihrem Glaubensführer Waldus und 



i4ä 

den Seinigen das Predigen verboten war, und nachdem Papst 
und Konzil sie im Jahre 1184 mit dem Banne belegt hatten. 

Die Vermutung läge wohl nahe, dass unsere drei Fa- 
milien altansässig in den Thälern waren; die bescheidenen 
äusseren Verhältnisse, die dort herrschten, und namentlich 
die häufigen Verfolgungen konnten neue Ansiedler ohne Not 
nicht wohl anlocken. Doch ist es immerhin möglich, dass 
die Familie Brunet erst kürzere Zeit dort wohnte, wenn 
man folgende Thatsache in Erwägung zieht: Im Jahre 1630 
wütete in furchtbarer Weise namentlich in den Waldenser 
Thälern, auch zu Pral im Thale Saint-Martin, die Pest, wo- 
durch zwei Drittel der ganzen Bevölkerung, mehr als 12000 
Menschen, hingerafft wurden. Von fünfzehn Waldenser 
Pastoren, die am 12. September d. J. zu einer Synode ver- 
einigt waren, lebten nach einigen Monaten nur noch zwei. 
In jedem der drei piemontesischen Thäler blieb schliesslich 
nur noch ein Pastor übrig. Der erste, welcher von Genf aus 
den Thälern zu Hülfe kam, war der Pastor Brunet*). 
Er kam im December 1630, sechs Wochen, bevor die Pest 
aufgehört hatte. Andere Prediger folgten ihm später, und 
obgleich die italienische Sprache bisher in den Predigten und 
Unterweisungen der Waldenser Gebrauch gewesen war, musste 
man nun an ihre Stelle die französische setzen. Seitdem 
begann überhaupt ein regelmässiger Verkehr der Waldenser 
Kirchen mit der von Genf, obwohl bereits ein Jahrhundert 
vorher im Jahre 1532 auf der Synode zu Angrogne eine Ver- 
ständigung und der Anschluss der Waldenser an die Genfer 
Reformation, also an die reformierte Kirche, erfolgt war. 
Der Pastor Brunet war daher wahrscheinlich kein eigentlicher 
Waldenser, sondern ein französischer Reformierter, der in 
Genf studiert hatte. Reformierte Brunets kamen damals 
z. B. in dem Städtchen Ard^che in Languedoc vor. Von dort 
entkam 1685 ein Kirchenältester Brunet mit 70 seiner Ge- 
meindeglieder glücklich nach Deutschland, wo sie von dem 
Grafen von Solms-Braunfels im Dorfe Daubhausen angesiedelt 



»; Muston, Ulsrael des Alpes. Paris 1851. IL 8. 183. 



14ä 

Wurden, in dem noch heute der Name Brunei zahlreich sich 
vorfindet ^). 

Dass unser Marburger Refugie Brunet ein Doctor der 
Medizin war, würde aus seiner Herkunft aus einer Pastoren- 
familie sich leichter erklären. Auch könnten nahe Beziehungen 
der Familie, die sich mindestens schon um 1645 in Usseaux 
wohnhaft findet, zu Bewohnern des Thaies Saint-Martin in 
Piemont durch die frühere Wirksamkeit des Pastors daselbst 
in helleres Licht gestellt werden. 

Doch auch abgesehen davon hatten die Bewohner der 
beiden Thäler zu gegenseitiger Hilfe in Not und Gefahr von 
jeher treu zusammengehalten. 

Im Jahre 1655, als eine der grausamsten Verfolgungen 
gegen die piemontesischen Waldenser ausbrach, welche man 
mit dem Namen der piemontesischen Ostern bezeichnet, 
wurden die Bewohner von Saint-Martin noch rechtzeitig von 
der Annäherung der Mörderbanden Galeazzos benachrichtigt, 
um nach dem Thale von Pragelas entkommen zu können. 
Die Herzogin-Mutter Christine, eine Tochter Heinrichs IV., 
die Urheberin dieser Metzelei, schrieb an den französischen 
Hof, den piemontesischen Staatsangehörigen diese Zuflucht 
zu entziehen. Aber Mazarin liess sie in Ruhe, und so fanden 
sie Gelegenheit sich zu sammeln, zu bewaffnen, und in Ver- 
bindung mit einer Menge ihrer Glaubensgenossen von Pragela 
und Queiras konnten sie ihre Heimat mit Gewalt wieder in 
Besitz nehmen. 

Die alt-waldensische Herkunft Gautier^s ist wohl zweifel- 
los. Er war am 2. März 1638 zu Villaret im Val Gluson 
geboren, ^h Jahr vor Ludwig XIV. Sein Vater Thomas, 
Königlicher Notar und Orts Vorsteher in Villaret, der ihm 
schon früh 1651 durch den Tod entrissen wurde, war wie 
seine Mutter Jane Didier dem reformierten Glauben innig 
zugethan. Aus der begeisterten Schilderung des Waldenser 
Landes mit seinen Bergriesen und seinen anmuthigen Thälern, 



») TT. 0. von Hontf Der Finger Gottes. 1877. 



144 

mit seinen wegelosen Strecken, die so oft der gefährdeten 
Freiheit der Bewohner zum Schutz gedient hatten, aus der 
Hinweisung auf die ruhmvolle Geschichte in den Kämpfen 
mit dem römischen Reich und dem römischen Papsttum er- 
kennen wir die Liebe Gautiers zu seiner Waldenser Heimat, 
von der er oft genug seinen Freunden gesprochen haben 
mag^). Nur wenn er selber Waldenser war, konnte ihm die 
piemontesische Waldenser Kirche die Widerlegungsschrift 
gegen die Angriffe von römischer Seite aufgetragen haben, 
die im Jahre 1670 zu Genf erschien^). 

Gautier war, nachdem er zuerst in Die in der Dauphine 
Philosophie, dann in Genf Theologie studiert hatte, von seiner 
Provinzial-Synode, die damals 1669 zu Embrun tagte, sofort 
als Prediger nach Fenestrelles im Thale von Pragela geschickt. 
Es konnte nicht ausbleiben, dass die durch die Jesuiten ent- 
fachte Yerfolgungswut auch ihn bald ereilte, umsomehr, da 
er durch seine hohe Begabung, seinen Glaubensmut und seine 
Gewandtheit im Kampfe gegen die Jesuiten und in der Ver- 
teidigung der reformierten Interessen gegen die immer feind- 
seliger auftretende Staatsgewalt im ganzen Thale und über- 
haupt in der Provinz sich bald hohes Ansehen und Vertrauen 
bei seinen Glaubensgenossen erworben hatte. Weil er vor 
8 Jahren in einer Predigt, die er als Student vor der Provinzial- 
Synode zu Dieu-le-Fit gehalten, die römische Kirche ein 
Babel genannt haben sollte, wurde er 1674 verhaftet und 
zur Ausserdienstsetzung auf 6 Monate verurteilt. Kaum hatte 
er sein Amt wieder angetreten, wurde eine alte unerwiesene 
Beschuldigung aus dem Jahre 1672 hervorgeholt und wiederum 
zu seiner Verhaftung benutzt^); er sollte damals in einer 
Predigt die Seinigen aufgefordert haben, für die Holländer 
zu beten, mit denen der Krieg begonnen hatte. Weil der 



») Harscher^ Historia Vitae et Mortis Gauteri. Oratio Parentalis 
13. Juni 1709, Marburg. Einige genauere Angaben über G.'s Leben finden 
sich bei Haag, La France protestante. Paris 1855. (unter „Gautier".) 

') Reponse pour les egiises des valJees de Piemont au Sieur Illumine 
Faverot Geneve 1679. 

^) So nach La France prot. a. a. 0., während nach Harscher un- 
wahrscheinlich beide Anklagen in einem Verfahren behandelt werden. 



145 

Verdacht sich als unbegründet erwies, musste er wieder ent- 
lassen werden, aber die Kosten tragen. 1676 gehörte er zu 
den Abgeordneten der reformierten Kirche der Dauphine, die 
in Paris vergeblich beim Könige Gehör um Abstellung der 
unerträglichen Verletzungen des Edikts von Nantes zu er- 
langen suchten. 

Auch im Thale von Pragelas ging die Gegenreformation 
mit Gewaltschritten immer weiter vor *). Im Jahre 1678 
wurden dort und in dem benachbarten Thale von Oulx 50 
bis 60 protestantische Kultusstätten, die durch das Eklikt 
nicht gestattet sein sollten, niedergerissen oder geschlossen. 
Auch die Tempel von Fenestrelles und von Usseaux, dem 
W^ohnorte der Brunet, gehörten dazu. Hier widersetzten 
sich die Reformierten, und eine Gompagnie Dragoner musste 
den W^iderstand brechen. Am 7. Dezember 1679 wurde den 
Pastoren verboten, ausserhalb ihrer Wohnorte zu predigen, 
und den Laien, ihrerseits religiöse Versammlungen abzuhalten. 
Endlich, am 7. Mai 1685, erfolgte der Hauptschlag durch 
Königlichen Gonseils-Beschluss : die beständige Untersagung 
des reformierten Kultus im Thale von Pragelas und die Nieder- 
reissung aller seiner Tempel. 

Gautier verliess 1678 zum Leidwesen seiner Gemeinde 
Fenestrelles und nahm auf den Rat der zu Embrun ver-*"^ 
sammelten Provinzial-Synode eine Berufung nach Die als 
Prediger und Professor der Theologie an. Der streng synodal^ 
aristokratischen Kirchenverfassung in Frankreich mussten sich 
Prediger und Gemeinde beugen. 

Sein Aufenthalt in Die dauerte nur 6 Jahre. Am 
11. September 1684 wurde die seit 70 Jahren rühmlich 
bestehende Universität aufgehoben und durch Beschluss vom 
24. Mai 1685 auch die reformierte Kirchengemeinde zu Die 
unterdrückt. Am 18. Oktober 1685 erliess endlich der König 
den Widerruf des Edikts von Nantes. Dadurch wurde Gautiers 
Wirksamkeit nicht nur in Die, sondern in ganz Frankreich 
ein jähes Ende bereitet. 

1) Ät-naud, Histoire des protestants du Dauphine I—III. Paris 1875 
u. 1876. MtMim, L'Israel des Alpes I— IV. Paris 1851. 

N. F. Bd. XXIII. 10 



Jede Ausübung des reformierten Religionskultus war 
untersagt. An die Pastoren erging der strenge Befehl, das 
Königreich in vierzehn Tagen zu verlassen und, unter An- 
drohung der Galeerenstrafe,' keine geistlichen Amtshandlungen 
vorzunehmen. Den Predigern dagegen, welche übertraten, 
war eine Pension versprochen, die um ein Drittel ihr bis- 
heriges Gehalt überstieg und zur Hälfte auch auf ihre Witwen 
übergehen sollte. Denjenigen unter ihnen, die den Advokaten- 
beruf ergreifen wollten, sollte das akademische Studium erlassen 
werden. Den Eltern wurde verboten, ihre Kinder in der 
reformierten Religion zu unterrichten^ und befohlen, sie in 
die katholischen Kirchen zu schicken. Nichtbefolgung zog 
bedeutende Geldstrafen nach sich. An alle Entflohenen erging 
ein gerichtlicher Befehl^ in Zeit von vier Monaten nach Frank- 
reich zurückzukehren, widrigenfalls ihre Güter der Krone ver- 
fallen seien. Galeerenstrafe für die Männer^ lebenslängliche Ein- 
schliessung für die Frauen war für diejenigen festgesetzt, 
welche ohne Erlaubnis das Land verliessen. 

Seit der Aufhebung der reformierten Gemeinde zu Die 
war Gautier wie ein Geächteter auf Schritt und Tritt von 
den katholischen Fanatikern verfolgt. Er irrte in der Dauphin^ 
umher^ wurde im Dorfe Buissi^re aufgegriffen^ im Flecken 
und Fort Barraux an der Isere einige Monate im Gefängnis 
gehalten, dann^ nachdem man ihm vergeblich zugesetzt hatte, 
seinen Glauben zu wechseln, wieder entlassen. Als er sich 
darauf, statt einen kürzeren Weg über die Grenze zu wählen, 
nach Grenoble begab, um seine Gattin und Kinder von dort 
mit sich zu nehmen^), wurde er hier von dem Ortsvorsteher 
le Bret und dem Bischof le Camus wiederum aufs heftigste 
bedrängt^ den katholischen Glauben anzunehmen. Man gab 
endlich den Versuch auf^ erklärte ihn für einen hartnäckigen, 

^) Bommel fi. Z. YII S. 111 nimmt an, dass G. bei jenem Umher- 
irren von Frau und Kindern begleitet gewesen sei. Dies ist an sich 
unwahrscheinlich und widerspricht den Bemerkungen Earsckers a. a. 0. 
S. 31. ,,ductus amore coningis, quam etiam salvam oupiebat cum caris 
liberorum pignoribus, Gratianopolin rediit^^ und S. 32 „noo exigua fidei 
oonstanter seiTatae lande omanda, cum absente marito contra gravissimos 
quosque insultus yirtute ac pietate eximia ipsa sese tuita sit. 



U1 

unverbesserlichen Menschen und befahl ihm, innerhalb vier* 
zehn Tagen das Königreich zu verlassen ^). Nunmehr reiste 
er mit seiner Gattin^ die auch während seiner Abwesenheit 
glänzende Proben ihrer Glaubenstreue abgelegt hatte, und 
seinen beiden Kindern, die noch im zarten Alter waren, mit 
notgedrungener Zurücklassung seiner schönen Bibliothek, zu- 
nächst nachf Genf. Da ihm aber auch hier auf Verlangen 
der französischen Regierung der Aufenthalt unmöglich gemacht 
wurde, weil man so nahe der Grenze seinen grossen Einfluss 
auf die Reformierten in Frankreich fürchtete^ begab er sich 
nach Zürich, wo er vierzehn Monate blieb. Er verbrachte 
diese Zeit im Verkehr mit dortigen Gelehrten^ mit wissenschaft- 
lichen Arbeiten und mit eifriger Fürsorge für seine armen 
flüchtigen Landsleute^ die immer zahlreicher hier und sonst 
in der Schweiz sich einfanden. Dann erhielt er einen Ruf 
als Professor der Theologie an die Universität Marburg, wo 
durch den Tod von Johann Heinius die vierte Stelle erledigt 
war. Er folgte demselben^ unternahm anfangs 1687 die Reise 
von Zürich nach Hessen^ stellte sich bei Hofe vor und trat 
am 2. März neuen Stils, am 20. Februar a. St., in Marburg 
sein Amt an. 

Trotz jener strengen Gesetze gegen die Auswanderung^ 
die auch oft genug zur Anwendung gelangten^ verliessen 
doch viele Hunderttausende aus ganz Frankreich in Begleitung 
ihrer ausgewiesenen Pastoren das Land, um in der Fremde 
ihren Glauben für sich und ihre Kinder bewahren zu können. 
Man steigerte deshalb die Strafen^ setzte sogar die Todes- 
strafe fest für die Flüchtenden; den Angebern wurde ein 
Teil der Habe der Flüchtigen, denen alles genommen wurde, 
versprochen; die Auswanderung nahm doch ihren Fortgang. 
Sie erstreckte sich auf alle französischen Provinzen ; doch die 
Dauphin^ wegen der Nähe Savoyens und der Schweiz, wohin 
auf den vielen abgelegenen Gebirgspfaden sicherer zu gelangen 



>) Die Bemerkung des Job. TiiemanD dict. Schunk In Vitae Prof. 
Theologiae Marburgensium, Marb. 1727, Artikel Qautier (S. 267--270), passt 
also nicht genau: ,,Cum afTiictissima fatnilia .truculentas persecutorum 
man US effugit." 

10* 



148 

war, auch weil dort die Reformierten besonders zahlreich 
waren, lieferten eine hervorragend grosse Menge von Aus- 
wanderern. 

Aus dem Thale von Pragelas begann schon 1.685 der 
Auszug. Bis Ende desselben verliessen sechshundert Waldenser 
ihre dortige Heimat, sechshundert andere folgten im Frühjahr 
1686, im August 1687 noch weitere achth ändert*). 

Diejenigen^ welche zunächst noch im Lande blieben, zu 
denen auch unsere Brunets gehörten, gingen zu den religiösen 
Versammlungen ihrer Brüder in Piemont, also nach dem be- 
nachbarten Thale Saint-Martin. Sie scheuten die bedeutenden 
Märsche nicht; zu denen sie bereits Samstags aufbrechen 
mussten, um erst am Montag zurückzukehren. Ihr Glaubens- 
eifer machte ihnen dieses Opfer leicht. 

Ludwig XIY. geriet in Zorn, als er es hörte, und 
schrieb am 7. Dezember 1685 an seinen Gesandten beim 
Herzog von Savoyen, er solle demselben mitteilen, er sei ent- 
schlossen, diese Vereitelung seiner Massregeln durch Piemont 
nicht zu dulden. Die Gegenwart der Waldenser von Piemont 
an den Grenzen seiner Staaten verursache die Auswanderung 
seiner Unterthanen. 

Der Herzog wagte nicht, diesen drohenden Wink un- 
beachtet zu lassen. Ende 1685 erliess er ein Edikt, worin 
den Waldensern verboten wurde, einen ihrer französischen 
Glaubensgenossen bei sich aufzunehmen. Letzteren befahl 
er, Piemont zu verlassen oder im Laufe von acht Tagen, unter 
Strafe des Kerkers, ihren Glauben abzuschwören. 

Anfangs 1686 ^) brach dann die Katastrophe über die 
Waldenser in Piemont herein, die ihnen und ihrer Kirche den 
gänzlichen Untergang zu bringen schien, eingeleitet Donners- 
tag den 31. Januar 1686 durch das Edikt, welches dem fran- 
zösischen von 1685 entsprach. 

Es fehlt freilich jeder Anhalt für eine bestimmte An- 
nahme, welches Geschick die Familie Guigues aus Pral im 
Thale Saint-Martin in der nun folgenden schrecklichen Zeit 

*) Amatid, a. a. 0. S. 102. 

«) Muston, L'lsrael des Alpes, II, 8. 521 ff. 



149 

betroffen habe. War auch ihr Hab und Gut durch den 
unvermuteten Überfall ihres Thaies durch Gatinat völlig 
oder zum grössten Teil geraubt oder vernichtet worden? 
Waren auch von dieser Familie teuere Glieder der Blutgier 
der Feinde zum Opfer gefallen wie der Pfarrer Leydet von 
Pral, der in einer Höhle sich verbergend, entdeckt^ gefoltert 
und hingerichtet wurde, bis zum letzten Augenblick freudig 
seinen Glauben bekennend? Waren auch ihnen Kinder ge- 
raubt? Waren die Überlebenden ins Gefängnis geworfen? 
Gehörte Jaques Guigues, der mit seiner Gattin Marie Peyrot, 
aber ohne Kinder, nach Marburg gelangte^ jenen Tapferen an^ 
die aus den Schlupfwinkeln der Gebirge hervorbrechend, 
wieder ihre Thäler zurückeroberten, dann freien Abzug nach 
der Schweiz erhielten und am 25. November 1686 in Genf 
eintrafen ? Oder gehörten sie zu denjenigen, die ins Gefängnis 
geworfen, den Wunden und Entbehrungen darin nicht erlegen 
und durch das Edikt vom 3. Januar 1687 unter der Bedingung 
befreit worden waren, dass sie auf vorgeschriebenen Wegen 
über den Mont-Genis die savoyischen Staaten verliessen? 
Entweder schlössen sie sich dann dem ersten Zuge im Januar 
oder dem zweiten Ende Februar an. 

Marie war in dem Schreckensjahr erst 24 Jahre alt, 
Jaques wohl wenig älter. Sie starb schon sechs Jahre später 
auf dem Frauenberg. Legten die furchtbaren Erlebnisse den 
Keim des Todes in sie? Wann und wie ist Jaques' alter 
Vater Jean Guigues gestorben, der nicht mit in die neue 
Heimat gekommen ist? Wahrscheinlich trafen die Guigues 
erst in der Schweiz mit den Brunets und Gautiers^ die aus 
dem Thal Pragelas entflohen waren, zusammen; denn den 
piemontesischen Waldensern war damals die Betretung des 
französischen Gebiets ganz unmöglich gemacht. Die Aussicht 
auf eine sichere Ansiedelung, die ihnen von Marburg her 
Gautier machte, und die Verwandtschaft oder Freundschaft, 
die sie an die beiden französischen Waldenser Familien band, 
mochte die Guigues bewegen, den Gedanken an die Rückkehr 
in die Heimat endgültig aufzugeben. Bekanntlich kehrten 
im Jahre 1690 die in der Schweiz zurückgebliebenen Waldenser^ 



150 

von Schweizer Freiwilligen unterstützt, siegreich in ihre Thäler 
zurück. Victor Amadeus lY., der damals wieder mit Frank- 
reich gebrochen hatte, Hess es geschehen. Auch ihre Pastoren 
erhielten im Juni 1690 ihre Freiheit wieder. 

Wenn wir über die Zeit der Ankunft von Thomas Gautier 
mit Frau und Kindern in Marburg bestimmte Nachricht haben, 
so sind wir dagegen in dieser Beziehung für die Familien 
Brunet, Guigues nur auf Vermutungen angewiesen. Bestimmt 
behauptet ist deren Aufenthalt in Marburg und Umgegend erst 
im Jahre 1688. Jedoch ist aus den besonderen Umständen 
wahrscheinlich, däss sie schon 1687, und zwar gegen Ende 
dieses Jahres, nach Marburg kamen ^). Zur Zeitbestimmung 
dient folgendes: Die erste Erwähnung der Bruneis im Marburger 
französischen Kirchenbuch geschieht im Februar 1689, wo ein 
21 Monate altes Kind Thomas Brunets , das in Usseaux ge- 
boren ist, beerdigt wird. Darnach waren sie also im Mai 1687, 
als die Geburt stattfand, noch in Usseaux. Es wird damit 
sehr wahrscheinlich, dass sie mit Bücksicht auf die Mutter 
und das Kind erst dem Zuge von Auswanderern, der im August 
1687 aus dem Thale Pragelas aufbrach^ sich anschlössen. 
G. Lennep^J berichtet ferner: »Im November und December 
1687 kamen sehr viele französische Befugi^s in Marburg an«. 
Dass die ihnen verwandten Gautier aus Villaret, insbesondere 
die Mutter des Professors, auch mit ihnen zogen, ist zu ver- 
muten. Ihr Weg führte sie jedenfalls alle durch die Savoyer 
Alpen zunächst in die befreundete Schweiz. Hier werden 
sie mit den ihnen auch nahestehenden Guigues zusammen- 
getroffen seiu; um sodann vereint von dort der Einladung 
ihres Freundes Gautier nach Marburg zu folgen. Sie scheinen 
alle glücklich über die französische Grenze gekommen zu 
sein; entweder auf geheimen Pfaden oder durch die Nachsicht 
der mitleidigen Beamten. Von den Savoyarden ist bekannt, 



*) Von der Schwester der Frau Guigues, Jane Peyrot, ist bei ihrer 
Vermählung mit Ant. Favre am 13. Februar 1696 ausdrücklich bemerkt, 
dass sie vor 10 Jahren in dieses Land geflohen sei. 

^) 0, Lennep^ Ursprung und heutige Beschaffenheit sämtlicher 
französischen Colonieen in den fürstlich hessischen Landen (Manuskript 
im Marb. St.-Arch.). 



151 

dass sie die französischen Flüchtlinge meist ungehindert durch 
ihr Land ziehen Hessen^ sich sogar gutmütig ihnen als Führer 
anboten. Auf einem früheren Zuge waren freihch Madeleine 
und Jeanne Gautier, vielleicht zwei Verwandte Gautiers, auch 
aus Yillaret, verhaftet und auf Parlamentsbeschluss vom 
30. April 1687 zu zwei Monaten Einschliessung in das Haus 
zur Verbreitung des katholischen Glaubens in Grenoble ein- 
geschlossen worden. Ob sie imstande gewesen ^ind, den Be- 
kehrungs-Zwangsmassregeln, die hier gegen sie angewandt 
wurden, Widerstand zu leisten, wissen wir nicht 

Die Familie Gautier, die nach zweijährigem Umherirren 
endlich in Marburg zur Buhe kam, bestand ausser dem Professor 
aus dessen Gattin Francisca Elisabeth, der Tochter des Parla- 
ments-Advokaten Pierre Segaud in Grenoble^ ferner aus diesem 
seinem Schwiegervater^ der neun Jahre später als französischer 
Kirchenältester in Marburg starb, aus seinen zwei Kindern 
Thomas und Maria und aus seiner 75 Jahr alten Mutter Jane 
Disdier. Lßtztere aber wurde noch in demselben Jahre, am 
11. Dezember 1687, wahrscheinlich infolge der furchtbaren 
Aufregungen und Anstrengungen der Flucht^ den Ihrigen 
durch den Tod entrissen. 

Der Doktor der Medizin, Thomas Brunet, aus Dsseaux 
kam nach den Ausweisen des Kirchenbuchs mit Gattin und 
sechs Kindern nach Marburg. Er war damals 39 Jahre alt 
und seine Frau Anna Gautier ein Jahr jünger. Das fort- 
gesetzt vertraute Verhältnis der beiden Familien Gautier und 
Brunet macht es wahrscheinlich, dass Brunets Frau eine 
Schwester Gautiers war, jedenfalls war sie eine nahe Ver- 
wandte ^). Der älteste Sohn Thomas war bereits siebzehn 
Jahre alt, das Geburtsjahr des zweiten Sohnes Johann ist 
nicht zu ermitteln. Thomas und Jean wurden die Stamm- 
halter der aus den zwei Brunetschen Höfen auf dem Frauen- 
berg hervorgegangenen Familien. Die vier anderen Kinder, 



*) Die Verwandtschaft geht aus den Akten des Streites zwischen 
Gautier und Papin im Marborger Uni versitäts- Archiv bestimmt hervor, 
ebenso aus dem Testamente der Frau Oautier. YergL auch meine Schrift : 
Denis Papin's Erlebnisse in Jiarburg, Marburg 18^, S. 40 f. 



152 

Alexandre, Marie, Michel und Charles, starben früh innerhalb 
der Jahre 1689 and 1696. Die Familienüberlieferang weiss 
noch von einer Tochter Jeanne Marie, die in Frankreich 
zurückgeblieben sei, weil sie sich nicht von ihrem Verlobten 
habe trennen wollen. Bei den Brunets war auch noch eine 
acht Jahre alte Nichte der Frau Brunet, Marie Renier, wahr- 
scheinlich ihre Schwestertochter. Ihre Eltern waren Pierre 
Benier und Jane Gautier, auch aus dem Yal-Cluson. Das 
Mädchen starb schon am 1. April 1695 auf dem Frauenberg. 
Eine im Jahre 1862 vom Prauenberge aus angestellte 
Ermittelung nach Verwandten im Thale Pragelas wurde durch 
den Syndikus Blanc in Fenestrelles dahin beantwortet, dass 
Michel Brunet, ein Bruder von Thomas dem Mediziner, dort 
geblieben sei. Derselbe habe aus seiner Ehe mit Marie 
Perrot ^) zwei Söhne gehabt, Jean und Pierre, die ihr ganzes 
Vermögen durchgebracht hätten. Pierre sei ohne Nachkommen 
gestorben, Jean habe einen Sohn Louis gehabt, der sich in 
die Gemeinde Fraise d^Usseaux begeben habe, von dem ein 
Louis abstammte, dessen Sohn ein noch jetzt lebender Louis 
Brunet, Gutsbesitzer in Fraise d'Usseaux, sei, der sich als 
»Euer ergebenster Verwandter« selbst mit unterschreibt. Er 
lebte damals in bescheidenen Verhältnissen. Zwei Generationen 
sind dabei jedenfalls übersprungen. Von der angeblich zurück- 
gebliebenen Jeanne Marie Brunet und deren Nachkommen 
hatten sie nichts erfahren können, weil ein Teil der Staats- 
register teils verbrannt, teils nach dem Übergang des Landes 
an das Königreich Sardinien nach Grenoble gekommen sei 



2. Die Gründung der Kolonie Frauenberg. 

Wie Gautier im allgemeinen das Vertrauen^ das der 
Landgraf Karl in ihn setzte, mit grosser Hingebung dazu 
benutzte, seinen Landsleuten, die namentlich aus Die und 
aus anderen Teilen der Dauphine in immer grösserer Menge 
nach Marburg kamen, feste Wohnorte, auskömmliche Be- 

^) Das Marburger K.-B. weist aus, dass auch aus Usseaux eine 
Jane Perrot dorthin gelangte, die 40 Jahre alt, dort 1688 starb. 



153 

schäftigung, französische Seelsorger und eigene Gotteshäuser 
zu verschaffen, so hatte er auch schon vor der Ankunft der 
Brunet und Guigues aufs beste für diese gesorgt. 

Der von Marburg aus sichtbare, damals noch mit umfang- 
reicheren Burgtrümmern gekrönte Gipfel des Frauenberges 
hatte ihn bald an sich gelockt. Wie konnte er sich erfreuen 
an der herrlichen Aussicht von dem über die umliegenden 
Höhen frei sich erhebenden Burgberge. Hier schaute er über 
die weit ausgedehnten prächtigen Bergwälder hinweg und in 
das zwischen den Bergen in langem Laufe sich hinziehende 
fruchtbare und liebliche Lahnthal. In dessen oberen Theile 
winkte ihm seine neue, bald liebgewonnene Heimatstadt 
Marburg entgegen mit ihrem erhabenen Fürstenschlosse, 
ihren Kirchen und ihrer Universität. Aus den weiten Fluren, 
über die sein Blick schweifte, erhoben sich noch an vierzig 
Ortschaften, teils landgräflicher, teils mainzischer Zugehörig- 
keit, alle bewohnt von biederen, gutherzigen Hessen, die, 
dem Beispiele des Landgrafen folgend, seinen vom Schicksal 
so schwer getroflfenen Landsleuten freundlich entgegenkamen. 
Von seinen orts- und geschichtskundigen Marburger Kollegen 
konnte er leicht erfahren, was es mit dieser Burg für eine 
Bewandtnis habe, zunächst dass dieselbe mit ihrer nächsten 
Umgebung landgräfliches Besitztum sei ^). 

Da dieses gänzlich unbenutzt da lag und zu dem, was für 
die neuen Ansiedlungen verfügbar war, gehörte, so wandte 
sich Thomas Gantier deshalb an den Landgrafen Karl. Schon 
am 30. Juni 1687 wurde darauf vom Landgrafen eine Reso- 
lution erlassen, dass der wüste Ort am Frauenberg von der 
Regierung zu Marburg zum Rotten und Bebauen angewiesen 
werden solle. Nachdem mittlerweile durch die Beamten alles 
dazu Nötige ermittelt und festgestellt war, vollzog am 
2. September 1687 der Landgraf den Erbleihebrief über den 
Frauenberg für solche Kolonisten, die der Professor Gautier 
dazu auswählen würde ^. 

^) O. Landau, Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer, 
2. Bd., S. 201-206, Cassel 1833. 

") Lennep^ Abb. von d. Leihe zu Landsiedelrocht, im Cod. Probat., 
a 829. 



154 

Gautier hatte den besonderen Wunsch ausgesprochen, 
dass denselben zur Erbauung der nötigen Wohnhäuser, Ställe 
und Scheuern die an dem alten Schlosse befindlichen Steine 
samt einem Teile des erforderlichen Kalks und Strohs wie 
auch das gesamte Bauholz frei überlassen werden möchte, 
was bis auf die Herbeischaffung auch bewilligt wurde. Sie 
und ihre Erben auf dem Gute sollten von allen Diensten, 
Geschoss, Steuern, Gontributionen und Einquartierungen frei 
bleiben. Die Besitzung wurde in 9 verschiedenen Teilen auf- 
gezählt. Ausbedungen wurde, dass' nach den zehn Freijahren 
die Inhaber das nächste Jahr darauf 100 Thaler zum Mejer- 
zins und auf Grund einer Abschätzung der jährlichen Ein- 
künfte von da an einen jährlichen Zins entrichten sollten. 
Sie sollten befugt sein, das Gut mit den darauf haftenden 
Rechten zu verkaufen, jedoch unter Vorbehalt des landes- 
herrlichen Vorkaufsrechts. Das zu ihrer Haushaltung nötige 
Wellenholz und Reisig sollte ihnen auf gehöriges Anmelden 
jährlich forstfrei angewiesen werden. 

Wir dürfen wohl annehmen, dass Gautier die Familien 
Brun.et und Guigues längst für den Frauenberg bestimmt 
hatte; aber er mochte abwarten wollen, ob diese selbst sich 
mit dem Besitztum, wenn sie es in Augenschein genommen 
hatten, zufrieden erklären würden. 

Sie mussten bei dieser Besichtigung freilich finden, dass 
sehr schwere Arbeit ihrer harrte, ehe sie aus diesem ver- 
wilderten Boden Gewinn ziehen könnten, und dass auch 
dieser keine glänzenden Aussichten darbot. Auf einen Haupt- 
erwerbszweig mussten sie von vornherein verzichten, den 
ihre heimischen Thäler ihnen geboten hatten, nämlich auf 
die Seiden- und Weinkultur. Schliesslich war wohl der 
Hauptgrund, der sie zur Annahme dieses Besitzes bestimmte, 
nicht nur die Gewissheit, dass sie an ihrem Freunde Gautier 
einen treuen Helfer und Förderer fernerhin haben würden, 
sondern auch, dass sie damit der unsäglichen Not und 
Bedrängnis ihrer früheren Heimat durch die Festhaltung an 
ihrem evangelischen Bekenntnis für sich und ihre Kinder 



166 

gänzlich enthoben sein würden. So nahmen sie denn im 
Vertrauen auf Gottes Hilfe und mit Dank gegen ihre Wohl- 
thäter, den Landgrafen und Gautier, die Gabe an. Von den 
beiden Männern Brunet und Guigues war wohl nur der 
letztere in der Landwirtschaft erfahren ; bei Brunet, dem Arzt, 
ist dies nicht wahrscheinlich. Sein älterer Sohn Thomas 
und sein Freund Guigues richteten das Gut erst ein und 
brachten es in regelmässigen Betrieb. Das Ganze wurde 
von vornherein in zwei gleiche Teile geteilt, einen für die 
Familie Guigues, den anderen für die Familie Brunet, indem 
wohl vorausgesehen wurde, dass eine weitere Teilung die 
Besitzer in zu dürftige Umstände versetzen würde. Der 
förmliche Besitzantritt fand erst im nächsten Jahre 1688, und 
zwar am St. Peterstage, am 29. Juni, statt. Bis dahin waren 
ihre zunächst noch sehr bescheidenen Wohn- und Wirtschafts- 
gebäude fertiggestellt und ein Teil des besseren ihnen über- 
wiesenen Landes in Betrieb genommen. Die Bausteine holten 
sie sich von der Burgruine. Als die Burg gebaut wurde, 
war das aus Basaltsteinen bestehende Mauerwerk auf die 
Stärke von 0,30 — 0,45 m von innen und aussen mit Sand- 
steinquadern verblendet worden, die ohne grosse Mühe ent- 
fernt werden konnten und ein ausgezeichnetes Baumaterial 
gewährten. Auch die im inneren Burghof durch den Einsturz 
aufgehäuften Steine, deren im Jahre 1870 bei den vor- 
genommenen Nachgrabungen nur noch wenige sich vor- 
fanden, mögen sie benutzt haben. Bauholz und einen Teil 
des Kalkes konnten sie sich aus den fiskalischen Waldungen 
und Brennereien ohne Entgelt abholen : doch hatten sie auch 
selber innerhalb ihres Besitztums am Frauenberg einigen 
Waldwuchs. Bei alledem waren aber nicht geringe Ausgaben 
zu bestreiten für die Arbeit an ihren Gebäuden, füf An- 
schaffung von Haus- und Ackergeräten, von Vieh u. s. w. 
Nach den harten Bestimmungen, die in Frankreich gegen die 
Auswanderer erlassen waren, konnten namentlich die Franzosen 
Brunet nur Spärliches von ihrem Vermögen gerettet haben, 
wodurch die entstehenden Kosten der Einrichtung nicht ge- 
deckt wurden. Der vermögendere Gautier half ihnen in 



156 

freundschaftlichster Weise aus, indem er ihnen 350 Thaler V 
vorstreckte, die mit staatlicher Erlaubnis jährlich verzinslich 
als Hypothek auf die Kolonie eingetragen wurden^). Nach 
dem 1709 erfolgenden Tode Gautiers überbrachten die Kolo- 
nisten seiner Witwe, die erst am 3. März 1736 zu Marburg 
starb, alljährlich die Zinsen. Die dauernde Freundschaft der 
Familien Gautier^ Brunet und Guigues zeigte sich darin^ dass 
Pastor Gautier 1699 bei der Taufe einem Sohne des jüngeren 
Thomas und 1700 einem Sohne des Johann Brunet seinen 
Namen verlieh. Marie Gautier war mit ihrem Bruder Thomas 
1697 Patin einer Tochter Marie des jüngeren Thomas Brunet. 
Ebenso erhielt der Sohn des Jaques Guigues nach seinen 
Paten, dem Pastor Gautier und seiner Frau, 1680 den Namen 
Thomas, und ein Sohn dieses Thomas wurde 1715 nach 
seiner Patin, Frau Pastor Fran^oise Gautier, Franz, vollständig 
Peter Franz, genannt. 

Diese- vertrauten Beziehungen wurden dadurch befördert, 
dass die Frauenberger Kolonisten anfänglich bei der fran- 
zösischen Kirche in Marburg eingepfarrt waren. Von dem 
Doctor Brunet, der bereits am 29. Dezember 1693 in Marburg, 
wo er wahrscheinlich mit seiner Frau und seinen jüngeren 
Kindern^) seinen Wohnsitz behalten hatte, starb und auf 
dem Kirchhof am Frankfurter Thor*) begraben wurde, ist es 
nicht berichtet % wohl aber von seinem ältesten Sohn Thomas, 
dass er auch Kirchenältester war, so 1709, 1710, 1712 und 
noch 1732. Jaques Guigues unterschreibt einmal 1710 als 
hinzugezogener Chef de famille mit die Kirchenrechnung. 
Als nun aber die Nachkommen der drei Befugi^s auf dem 



^) In dem Testament der Frau Oautier von 1730 sind es nur 
323 Thaler. 

') Die unbegründete Vermutung Papins, dass G. seinen armen 
Verwandten auf dem Frauenberg einen Teil der kircbl. Armengelder ge- 
schenkt habe, scheint dadurch entstanden zu sein. 

3) Das jüngste, Alexandre, wird zufällig auf dem Frauenberg 1689 
gestorben sein. 

*) 8o im Kirchenbuch bezeichnet; es wird aber der am Barfüsser 
Thor gemeint sein, der 1865 geschlossen ist. 

^) Als Chef de famille unterschrieb auch er am 22. Mai 1693 das 
Bann-Urteil gegen Papin. Vergl. Pap. Erl. a. a. 0. ö. 40. 



Frauenberg der französischen Sprache nicht mehr genügend 
mächtig waren, fingen sie an, sich zu der 1715 neu gebildeten 
deutsch-reformierten Kirche in dem nahe gelegenen Dorfe 
Cappel zu halten, der die Brnnets noch jetzt angehören. 

Durch Vergleichung der Kirchenbücher von Marburg 
und Cappel lässt sich das nachweisen. Während der Name 
des Thomas Brunet und seine eigene Unterschrift als Ältesten 
noch 1732 im Marburger Kirchenbuche vorkommt, ist bereits 
1735 seiner hier nur in so fern gedacht, dass er der Marburger 
Kirche 20 Thaler schuldig sei, für die er nie die Zinsen be- 
zahlt habe. Der Kirchenvorstand beschliesst, den Sohn zur 
Berichtigung der Schuld kommen, und^ wenn er sich weigert, 
ihn durch den Bentmeister citieren zu lassen. 

Die letzten Einträge ins Marburger Taufregister sind für die 
Brunets im Jahre 1711, für die Guigues 1712 geschehen; die 
ersten in Cappel kommen sowohl für die Brunets als für die 
Guigues im Jahre 1715 vor. In diesem Jahre wird auch ein 
Brunet »auf französische Manier« von dem Cappeler Pfarrer 
begraben. Dieser Pfarrer, Johann Niklas Scherer, dem übrigens 
zugleich die Marburger Schloss- und Garnisongemeinde unter- 
stellt war, gewährte auch 1719 dem Johann Brunet ein Dar- 
lehen aus der Cappeler Kirchenkasse. Seit 1830 sind Cappel und 
Frauenberg als beständiges Vicariat der zweiten ref. Pfarrei Mar- 
burg übertragen, so, dass alle vierzehn Tage Sonntags und jeden 
zweiten Festtag eine Predigt und viermal im Jahre Communion 
in Cappel stattfindet. Der Konfirmanden-Unterricht, gemein- 
sam mit den Marburger Kindern, wird von den beiden Pfarrern 
im Winterhalbjahr in Marburg erteilt *)• Beerdigt aber 
wurden die Frauenberger von Anfang an auf dem Kirchhof des 
am nächsten gelegenen Dorfes Beltershansen, mit einer be- 
kannten Ausnahme im Jahre 1695, wo ein Sohn von Thomas 
Brunet in Bortshausen zu Grabe gebracht wurde. Die Lutheraner 
des Frauenbergs, meistens die Frauen und Dienstboten, die 
aus den ganz lutherischen Dörfern der Umgegend stammten, 



^) Eochhuth^ Statistik der ev. Kirche im Regierungsbezirk Cassel, 
S. G50— 52. Cassel 1872. 



156 

und die späteren Bewohner des Guigueschen Hofes gehörten 
kirchlich nach Beltershausen, einem Vicariat von Witteisberg. 
In Ansehung der öffentlichen Verwaltung waren die Frauen- 
berger der Gemeinde Beltershausen zuständig, gerichtlich dem 
Gerichte Witteisberg und dem Amte zu Marburg. Der Renterei 
in Marburg mussten sie den Erbleiliezins entrichten. Un- 
mittelbar am herrschaftlichen Walde wohnhaft^ hatten sie 
viele Beziehungen zum Forstamte in Marburg. 



3. Die weitere Geschichte der Kolonie Frauenberg 
in den zweihundert Jahren seit ihrer Gründung. 

Es bleibt uns jetzt noch übrig, aus dem vorhandenen 
Aktenmaterial; welches sich auf dem Marburger Königlichen 
Staats-Archive befindet, einen Blick auf die eigentümlichen 
rechtlichen Verhältnisse der französischen Kolohie Frauenberg 
zu werfen; wie sie sich im Laufe des nunmehr 210jährigen 
Bestehens derselben entwickelt haben. Es bietet sich nämlich 
kein Anhalt dafür^ dass von den Nachkommen jener einge- 
wanderten Stammväter irgend einer aus den bescheidenen 
Umständen, in die sie hier ursprünglich versetzt wurden^ 
hervorgetreten sei und in Hessen oder einem anderen Lande 
eine Bedeutung erlangt habe, die noch einer besonderen Hervor- 
hebung bedürfte. Wie der Stammbaum zeigt, scheinen sie 
alle als einfache Landwirte oder auch Handwerker und Lohn- 
arbeiter in der Nähe geblieben zu sein. 

Seit der Begründung der Kolonie im Jahre 1688 ver- 
lautet erst wieder etwas von derselben im Jahre 1696, also 
8 Jahre später. Der Doktor Brunet war 1693 in Marburg 
gestorben, seine Frau am 18. Februar 1696 auf dem Frauen- 
berge. Von allen Brunets Kindern waren auf dem Frauen- 
berg nur Thomas und Jean übrig, ersterer damals 26 Jahre 
alt. Jaques Guigues' Frau, Marie Peyrot, war 1693 gestorben, 
und er hatte seit dem 18. September dess. J. eine zweite 
Frau, Jane Bouiliane aus Quint in der Dauphine, geheiratet. 
Sein Sohn aus 1. Ehe, Thomas, war 1696 6 Jahre alt. Am 



159 

10. Oktober 1696 wandten sich die beiden Kolonisten Thomas 
Brnnet und Jaques Guiges von Marburg aus mit einem 
französisch abgefassten Bittgesuche an den Landgrafen, der 
seine Resolution darauf ebenfalls von Marburg den 16. Ok- 
tober erteilte. Sie baten um die Concession zur Anlegung 
einer Branntweinbrennerei, die ihnen auch gewährt wurde. 

Zu einer Benutzung dieser Concession ist es aber nicht 
gekommen. Die Familientradition weiss darüber, dass man 
auf dem Conradshofe nach Wasser gegraben habe, aber 
erfolglos^). Da für eine Brennerei nicht genügendes Wasser 
zu beschaffen war, gab man die Absicht wieder auf. 

Für den älteren der beiden Gebrüder Brunet, Thomas, 
war es nach dem Tode auch der Mutter notwendig geworden, 
für das verwaiste Haus sich nach einer Hausfrau umzusehen. 
Am 7. Februar 1697 führte er als solche eine Landsmännin^ 
Marie Guillelmont, die Tochter von Jean G. und Susanne 
Reydes aus Chambons im Val Cluson heim. In einer zweiten 
Ehe war er mit Marie Bonnet; ebenfalls aus Chambons, ver- 
mählt, endlich noch in einer dritten mit einer Deutschen, 
Namens Katharina. 

Sein jüngerer Bruder Jean heiratete 1699 Madeleine 
Bonnet, die Tochter von David B. und Marie Guillelmont 
aus Chambons. Marie und Madeleine Bonnet^ die Gattinnen 
von Thomas und Jean Brunet^ waren wahrscheinlich Schwestern. 
Ebenso liegt die Vermutung sehr nahe, dass beide Cousinen 
der Maria Guillelmont, der ersten Frau von Thomas, waren. 
Jean vermählte sich auch noch ein zweites Mal, am 31. Juli 
1705, mit einer Deutschen^ Anna Katharina Seherer aus 
Cappel. 

Im Jahre 1698 gingen die im Erbleihebrief bewilligten 
zehn Freiheitsjahre zu Ende, und war es dann also bestimmt^ 
dass die Inhaber der Güter das erste Jahr darnach 100 Thaler 
in die Renterei zu Marburg bezahlen sollten. Wegen der 



^) Die Kolonisten haben schon seit längerer Zeit einen gemeinsamen 
Bronnen an den Höfen, der sehr gutes und auch für sie und die Wirt« 
Schäften genug Wasser enthält Für den Notfall giebt es im kühlen 
Walde in der Nähe noch einige Quellen. 



160 

folgenden Jahre aber sollte ihnen auf erfolgte Abschätzang 
ihrer jährlichen Einkünfte als jährlicher Zins ein verhältnis- 
mässiges Quantum angesetzt werden. Wie sich später heraus- 
stellte, fand aber weder in den Jahren 1698 und 1708 die 
Zahlung der 100 Thaler statt, noch wurde der jährliche Zins 
auf ihre Güter festgesetzt. Wohl erging im Jahre 1708 am 
16. Juni von Seiten der landgräflichen Regierung in Cassel 
infolge eines Berichts der fürstlichen Rentkammer daselbst 
ein Befehl an die Renterei in Marburg, genau zu untersuchen 
und zu berichten, wie lange die bewilligten Freijahre sich 
erstrecken, wieviel Morgen Land sie bisher innegehabt und 
frei besessen haben, auch welcher Zins darauf zu setzen, 
gewöhnlich sei. 

Aus unbekannten Gründen kam es aber doch nicht in 
diesem Jahre zur Abwickelung dieser Angelegenheit, obwohl 
bereits im Jahre 1699 eine amtliche Messung und Kartierung 
der von den Kolonisten benutzten Bodenfläche durch den 
Landmesser Hermann Rudolphi stattgefunden hatte und eine 
Zeichnung darüber gemacht war. In diesem Risse, dessen 
Copie, wenn auch unvollständig, sich noch vorfindet, ist der 
ganze Besitz noch in zwei Hälften für Jaques Guigues und 
Thomas Brunet geteilt. Nach dem Verzeichnis auf der alten 
Karte besassen sie überhaupt 240^8 Acker 13^1 Ruten, 
darunter 16^8 Acker IOV4 Ruten Rottland. Diese Messung 
war aber, wie später amtlicherseits zugestanden wurde, nicht 
ganz zuverlässig. Warum nun aber trotz dieser Vermessung 
im Jahre 1699 und des Auftrages an die Marburger Renterei 
im Jahre 1708 der eigentliche fiskalische Zweck nicht erreicht 
wurde, dafür kann man vielleicht nur die wohlwollenden Be- 
mühungen des Professor Gautier als Grund annehmen, der 
seinen persönlichen Einfluss beim Landgrafen aufgeboten 
haben mag, seine mit der Not der Existenz kämpfenden 
Landsleute für eine Zeit lang noch mit den drückenden Ab«- 
gaben zu verschonen. 

Im Jahre 1709 am 27. Mai starb ihr Beschützer, der 
noch auf seinem Sterbelager, wie sein Biograph Harscher 
berichtet, darin seine Befriedigung fand, dass er allen fran- 



161 

zösischen Kolonieen in der Nachbarschaft der Stadt, so viel 
er gekonnt, Vorteile verschafft habe ^). 

Im Jahre 1711 erging eine gleiche Aufforderung wie drei 
Jahre vorher an den Marburger Rentmeister, aber ebenfalls 
ohne Erfolg. 

Erst im Jahre 1715 erfahren wir zunächst von Gründen, 
warum bisher die Zahlung noch nicht geordnet war. Die- 
selben sind in einem Memorial des Marburger Rentmeisters 
enthalten : Sie könnten die hundert Thaler und den Zins 
von allen den Gütern, die im Erbleihebriefe angegeben seien, 
nicht bezahlen, weil sie mehr als 70 Morgen Wüstung davon 
hätten liegen lassen müssen. Für das gerottete Land seien 
sie bereit, einen angemessenen Zins zu zahlen. Schon vor- 
mals sei dasselbe von ihm vorgestellt worden, aber keine 
Verordnung darauf erfolgt. 

Eine eingehende Besichtigung mit Zuziehung von zwei 
Gerichtsschöpfen, Andreas Gescher aus Witteisberg und Martin 
Nau aus Beltershausen, erwies die Richtigkeit ihrer Aussage 
betreffs der Brauchbarkeit und der wirklich von ihnen in 
Benutzung genommenen Güter. Der Bericht darüber wird 
noch genauer bestimmt in der 15 Jahre später, 1730, erfolgenden 
Eingabe um Renovation des Erbleihebriefs. Es ergab sich: 
„ad 1) 2 Morgen Triesch zu einem Garten vor der alten 
Mauer. Es sind aber dieselben lauter Steinhaufen und Klippen 
und nicht zu gebrauchen, 2) den Morgen Wiese daselbst haben 
wir in Benutzung, 3) die zwei lichten Plätze im Buchwalde 
,,I)er Balderscheidt" sowie 4) der Grund am Löhnberge, der 
Hetscher genannt, und 5) die Wiese am Löhnberge über 
Bortschhausen. 3, 4 und 5 sollen praeter propter 21 — 24 
Fuder Heu ausmachen, allein es werden auf diesen drei 
Stücken überall beinahe nur 6 (8J Fuder Heu und dazu kein 
Krommet gemacht. 6) sind uns die 4 Morgen Schlechters- 
wiesen am Löhnberge jenseits der Kirchhainer Strasse zu 
teil geworden, dieselben sind gar schlecht und der Entlegen- 



') Harscher^ Historia Thoniae Gauterii, S. 40 „tum equidem modeste 
commemorabat, se omnibus, quae in vicioia huius urbis sunt, coloniis 
Gallonim, quanta potuerit commoda praestitisse'*. 

N. F. Bd. XXIII. 11 



162 

heit halben nicht zu nutzen. 7) und 8) 5 Acker Triesch 
unter dem Garten und c. 40 Morgen von der Ebsdörfer Strasse 
bis an den Frauenberg haben wir angewiesen bekommen. 
9) aber das Stück Wüstung von c. 24 Morgen am Ebsdörfer 
Feld bis an den Ballerscheidt haben die Gemeinden Ebsdorf 
und Beltershausen unter sich geteilt und uns davon nichts 
zugestehen wollen. Ein Drittel Feld, so an der Sonnenseite 
liegt, ist trocken und gut, ein Drittel hinter und neben dem 
Frauenberg ist zwar eben so gut. Wie es aber gegen Abend 
und im Wildfrass liegt, wird es für mittelmässig gehalten, 
und ein Drittel ist nass, liegt tief, ist schlecht, weil es dem 
Misswachs unterworfen ist, auch leichtlich verwintert." 

Sie waren erbötig, 30 Möth partim, d. h. zur Hälfte 
Korn, zur Hälfte Hafer, zu geben. Wenn sie zwar in den 
ersten Jahren von diesen Wüstungen wohl 40 Geschock Korn 
gezogen, dass sie also weit mehr geben müssten, so wollte 
es doch nun an der Besserung mangeln, das Feld sei aus- 
gesogen, in welcher Erwägung der jährliche Canon auf das 
dermalen in Bhu genommene Hoffeld mit Zuziehung der 
Schöpfen auf Hochf. Rentkammer Gnädige Ratification auf 
8 Malter oder 32 Möth partim billig und erträglich gehalten 
wird. Die Franzosen sind damit einverstanden, bitten aber, 
dass sie dies Jahr 1715 noch mit deren Lieferung verschont 
bleiben möchten. Betreffs der 100 Thaler aber und der für 
die 17 Jahre von 1698 bis 1715 nachträglicher Entrichtung 
von 17 X 8 = 136 Malter partim wollten sie sich zu nichts 
verstehen. Der Rentmeister mochte hierbei mit Recht denken : 
„Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren", und 
drängte nicht weiter darauf. Von 1716 an fand also endlich 
die regelmässige jährliche Entrichtung des Erbleihezinses in 
Naturalien statt. Doch galt das, was 1715 abgemacht war, 
nur als eine Interim-Regulierung, bis dem Privileg gemäss 
erst die 100 Thaler für die Erbleihe gezahlt wären. Die 
Sache kam also noch nicht sobald aus der Welt. 

Das Jahr 1716 hat für die Familie Brunet eine grosse 
Bedeutung, indem im Herbste desselben der Bau des zweiten 
Brunetschen Wohnhauses, des später sogenannten Konrads- 



163 

hauses begonnen wurde, dessen Fertigstellung im nächsten 
Fiülijaiir erfolgte. Am 23. October 1716 wurde dem Thomas 
Hrnnef, (Ua- durch die damit verbundene Teilung des Eigen- 
tums genötigt war, sich zu seiner Wohnung, dem „Thomas- 
liause", eine neue Scheuer zu bauen, einiges Bauholz dazu 
halbforstfrei bewilligt. Derselbe richtete darauf am 3. Januar 
1717 mit Hülfe des erwähnten Predigers der reformierten 
Gemeinde in und um Cappel, Johann Niclas Scherer, ein 
Bittgesuch an den Landgrafen, welches in mehrfacher Be- 
ziehung für die Personen und ihre Verhältnisse charakte- 
ristisch ist. Er dankt für das Bewilligte und wünscht von 
dem gütigen Gott Wiedervergeltung. „Wann aber, durchl. 
gnädiger Fürst und Herr, ich gar ein armer Mann und meine 
Familie diesen Winter über fast nicht durchzubringen weiss, 
indem die Zimmerleut meinen geringen Vorrat dergestalt 
consumiren helfen, dass nach Lieferung meines diesjährigen 
Pachtzinses in Hochf. Renterei nichts vor mich übrig be- 
halten habe, so dass schon unser Brot, Korn kaufen muss 
und ich also nicht weiss, wie die Hälfte des empfangenen 
Bauholzes zahlen sollte, ich auch solche Scheuer, ob sie 
schon notwendig brauchte, nicht zu bauen angefangen hätte, 
wenn nicht in der Meinung gewesen, dass wenigstens das 
nötige Bauholz, Stückstecken und Zaungerten laut Erbleihe 
forstfrei erhalten würde, so bitte ich mir auch die andere 
Hälfte zu schenken. Ich werde den lieben Gott mit meinem 
Weib und Kindern stets anrufen, dass er solches an 
E. Hf I). und dem ganzen Hf Haus in Gnaden reichlich 
belohnen wolle". 

Der Pfarrer bezeugt, dass Thomas Br. in der That sich 
und seine Familie kümmerlich durchbringen müsse. 

Gleicherweise, auch wieder mit Bezeugung und Unter- 
schrift des Pfarrers, bittet auch Jean Brunet, „armer Ein- 
wohner auf dem Frauenberge'', in einem Schreiben vom 
31. Januar 1717, mit Berufung auf dem Erbleihebrief, der 
dem Professor Gautier selig erteilt sei, ihm gleich seinem 
JMitnachbarn die bekommenen 35 Stämme Bauholz nebst dazu 

ertorderhchem Kalk, Steinen, Stroh, Stückstecken, Latten 

11* 



164 

und Zaungerten zu seinem Hausbau zu schenken, „damit 
ich künftigen Sommer mit der Hülfe Gottes dieses angefangene 
Haus wohnbar machen lassen kann". Vorher heisst es in 
dem Schreiben: „dass ich aus Ermangelung eines absonder- 
lichen Wohnhauses bis dahero mich mit meinem Bruder 
unter einem Dache kümmerlich behelfen müssen und nun- 
mehro aber, da unsere Familien je länger je mehr anwachsen, 
genötigt worden, ein neues Wohnhaus anzubauen, welches 
auch bereits aufgeschlagen und ich aus E. Hf. D. Waldung, 
dem Oberwald und Schneise, 35 Stämme Bauholz dazu be- 
kommen, welches herbeizuschaffen mich wegen der weiten 
Entlegenheit gar viel gekostet. Des Zimmerlohns und anderer 
schweren Kosten nicht zu gedenken, zu deren Abzahlung ein 
Kapital aus dem Gotteskasten zu Cappel lehnen musste, da 
es doch nur aufgeschlagen und gedeckt ist". 

Ob Jeans Gesuch bewilligt worden, ist aus den Akten 
nicht ersichtlich, doch ist es wohl nicht zu bezweifeln. 

Durch die mehrfachen Bezugnahmen auf den Erbleihe- 
brief waren die Fragen über die besonderen Rechte und 
Privilegien der Kolonisten wiederholt zur Erörterung ge- 
kommen. Sie wurden sich besonderer Vorrechte vor anderen 
Bauern bewusst und bestanden den Behörden gegenüber 
darauf. Zunächst handelte es sich um ihre Verpflich- 
tung, im Gericht zu erscheinen. Wahrscheinlich ist 
in dem ohne Angabe von Zeit und Ort abgefassten Akten- 
stück das Gericht Witteisberg gemeint. Ich erinnere auch 
an die zu der Ertragsabschätzung 1715 hinzugezogenen beiden 
Gerichtsschöpfen aus Beltershausen und Witteisberg. Die 
Gerichtsprotokolle von 1707 bis 1718 wiesen aus, dass sie 
von 1707 bis 1718 alle Zeit im Gericht erschienen waren. 
So lange nur zwei Familien auf dem Frauenberg wohnten, 
war gestattet worden, dass im Verhinderungsfalle nur einer 
der beiden Kolonisten zu erscheinen brauchte. So geschah es 
auch bis 1719. Doch seitdem, bis zum Jahre 1730, wo die 
Sache zur amtlichen Erörterung kam, blieben sie alle drei 
zurück. Der Berichterstatter weiss nicht, ob die ihnen deshalb 
gebührende Strafe zur Vollstreckung gekommen ist Er sagt. 



165 

sie wollten sich deshalb vom Gericht freimachen und anderen 
herrschaftlichen Pächtern gleichgehalten werden, weil sie nun- 
mehr Pacht gäben. Doch seien die Einwohner der Hahner 
Heide auf dieselbe Art dahin gesetzt worden^ und obwohl sie 
auch schon lange Pacht gegeben, erschienen sie dennoch am 
Gericht. Weiter ist von der Sache nicht die Rede. 

Von 1726 an bis zum Jahre 1738 zog sich ein sehr 
lebhafter, für die drei Frauenberger Kolonisten, die sich jetzt 
herrschaftliche Erbpächter nennen, zeitweise höchst auf- 
regender Streit betreffs Zahlung eines Zehnten für neu er- 
worbenes Rottland in Grösse von 11 Morgen. Da durch 
die Teilung die Güter der Gebrüder Brnnet sehr klein ge- 
worden waren, mussten sie darauf ausgehen, mehr bebautes 
Land zu erwerben.* Aus dem Umstände, dass nicht alles 
Land, was im Erbleihebrief angegeben war, in ihre Hände 
gekommen war, so die vier Morgen Schlechters - Wiesen, 
namentlich aber das Stück Wüstung am Ebsdorfer Feld bis 
an den Balderscheid, welches nach ihrer Angabe die Ge- 
meinden Ebsdorf und Beltershausen unter sich geteilt hatten 
und ihnen nicht zurückgeben wollten, glaubten sie berechtigt 
zu sein, die neu erworbenen 11 Morgen Wüstung am Ebsdorfer 
Weg und dem Balderscheid, das Rottland der Zippen, d. h. 
Zipfel genannt (im Cataster von Cappel mit 1774 Acker 19y2 
Ruten bemessen), als Ersatz für das ihnen Fehlende und Vor- 
behaltene in ihr Erbleihegut mit einzubeziehen und dafür 
einen entsprechend höheren Pachtzins zu entrichten. Aber 
weder Regierung und Rentkammer zu Cassel noch die 
Renterei in Marburg wollten sich darauf einlassen. Es wurden 
ihnen 4 Mt Gerste als Zehnte dafür aufgelegt, die von 
1729 an zu zahlen seien. Einige Beltershäuser hatten die- 
selben Stücke gewünscht und dies dafür geboten. Das Aus- 
bleiben der Lieferung veranlasste im Jahre 1731 den Rent- 
meister Meurer, ihnen, ihrer Remonstration ungeachtet, einen 
Executor einzulegen. Ihre Bittschrift dagegen vom 1. Dez. 
1731 scheint sie von der Execution zunächst befreit zu 
haben. Jedoch erhoben sie schon am 28. Juli 1732 neue 
Beschwerde wegen Auflegung des Zehnten und der Schnitt- 



166 

hämmel, welche doch von keinem herrschaftliclien Pächter 
gefordert, würden. Zu einer glatten Entscheidung des Streites 
kam es aber noch lange nicht. Man möchte annehmen, dass 
die Regierung gegen die französche Kolonie besonders rück- 
sichtsvoll vorgegangen sei und möglichst alle Härte vermieden 
habe. Wahrscheinlich wirkte in dieser Beziehung auch die Für- 
sprache des betreffenden, für die Interessen der französischen 
Kolonieen angestellten, Kommissars. Im Jahre 1735, als der 
Kammerrat Kunckels über dieselbe noch nicht erledigte Sache 
zum Bericht aufgefordert war, muss dieser zu Gunsten der 
Kolonisten geantwortet haben; denn seit der Zeit bis zum 
Frühjahr 1738 blieben sie wegen jener Forderungen ganz 
unbelästigt. Jetzt aber führte der Rentmeister Duntzer die 
Sache zu Ende. Er drohte, sie pfänden und gefänglich aufs 
Schloss bringen zu lassen. Nun gaben sie nach und ver- 
standen sich zu dem Zehnten, baten aber, den verlangten 
Thaler Zins für den Acker auf V2 Thaler herabzusetzen. 
Wir erfahren dann später, dass sie den Zehnten und die 
Contribution für die 11 Morgen Land nach Cappel entrichteten. 
Noch während des Verlaufs dieser unangenehmen An- 
gelegenheit spielte sich für die Kolonisten im Jahre 1730 
eine ähnliche andere ab. Als im Jahre 1730 am 23. März 
der Landgraf Karl gestorben und Friedrich I., zugleich König 
von Schweden und Landgraf von Hessen, ihm gefolgt war, 
wurde die Erneuerung des Erbleihebriefs verlangt, die 
natürlich mit Kosten verknüpft war. Weil sie bei ihren 
dürftigen Verhältnissen diese gerne vermieden hätten und 
mit der Ausführung zurückhielten, wurde ihnen eine Strafe 
von 20 Thalern angedroht, und dass sie zu gewärtigen hätten, 
dass nach vier Wochen der von ihnen in Erbpacht genommene 
Hof an den Meistbietenden ausgeboten würde. Infolgedessen 
kamen sie darum ein, dass sie mit Ausbringung eines Leih- 
briefes und der deshalb angedrohten Strafe von 20 Thalern 
verschont würden. Doch scheinen sie sich bald überzeugt 
zu haben, dass sie die Erneuerung des Erbleihebriefes nicht 
umgehen konnten, und nun beantragten sie dieselbe, doch 
mit der Bitte um eine Herabsetzung des bisherigen Pacht- 



167 

zinses in Anbetracht ihres schlechten und dem Wildfrass so 
sehr ausgesetzten Landes. Die Renovation fand 1731 statt, 
aber ohne die gewünschte Verminderung des Canons; denn 
wir finden später immer wieder denselben Ansatz: 8 Malter 
partim. 

Ein wichtiger Besitzwechsel ging auf dem Frauenberg vor 
sich, da Peter Guigues in Konkurs geriet und 1776 Heinrich 
Schneider aus Langenstein im Amte Kirchhain, also kein Fran- 
zose, meistbietend dessen Gut an sich brachte und auf sein 
Ansuchen die Belehnung über dasselbe mit den gleichen 
Rechten erhielt. 

1783 lesen wir in den Frauenberger Akten zum ersten 
Mal von dem Kommissar der Kolonie. Die Erb- 
beständer kamen darum ein, dass der Rat und Oberschultheis 
Leutenant Hille zu Marburg zu ihrem Kommissar bestellt 
werden möchte. Sie schreiben : „Wir haben sonst jederzeit 
gleich anderen französischen Kolonieen einen Kommissar in 
Marburg und zuletzt den dasigen Rentnereibeamten, nun- 
mehrigen Amtsrat Wetzel gehabt. Seit verschiedenen Jahren 
aber haben wir, ohne dass wir selbst die Ursache dieser Ver- 
änderung wissen, unter dem Hf. Beamten zu Kirchhain ge- 
standen. Weil aber Kirchhain beinahe 2*/» Stunden vom 
Frauenberg entfernt ist, und es uns daher beschwerlich war, 
um einer jeden oft geringfügigen Sache diesen Weg zu thun, 
so sind wir bald zu diesem, bald zu jenem Dorf gerechnet 
worden, man hat uns aus diesem Grunde mancherlei Onera auf- 
zubürden gesucht, welche sowohl den Privilegien der französi- 
schen Kolonieen als auch den unsrigen geradezu entgegen sind. 
Die hauptsächlichste Ursache der widerrechtlichen Auflagen 
möchte wohl darin liegen, weil die Beamten zu Kirchhain von 
der Verfassung und den Privilegien der französischen Kolonieen 
nicht gehörig informiert gewesen sind." Weil nun der Amt- 
mann Stippius jetzt von Kirchhayn nach Rauschenberg ver- 
setzt ist, bitten sie um Hille^s Bestellung, „da uns derselbe 
nicht nur viel näher ist, sondern auch nach vieljährigen Er- 
fahrungen die Rechte der französischen Kolonieen genauer 
kennt und ohnehin auch bereits Kommissar über die Kolonie 



168 

Totenhausen ist/' Aus einem Aktenstück vom Jahre 1767, 
also 13 Jahre früher, ersehen wir^ dass damals noch der 
Rentmeister Adjunkt Wetzel das Referat über den Frauenberg 
an die Regierung hatte, aber die Polizeigewalt dem Amtmann 
in Kirchhain zustand. 

Nicht ohne Interesse ist wohl ein Urteil über die Be- 
wohner des Frauenbergs aus dieser Zeit von Dr. K. W. Justi 
in Marburg, enthalten in dem „Journal von und für Deutsch- 
land" vom Jahre 1788: „Obgleich die französische Sprache 
bei diesen Kolonisten nun gänzlich ausgestorben ist (denn 
vor einigen Jahren starb noch die letzte alte Frau, die 
freilich sehr verdorbenes Französisch reden konnte), so 
findet man dem ungeachtet bei ihnen noch Spuren der ihrer 
Nation sonst so eigenen Höflichkeit." 

Die Erneuerung des Erbleihebriefs zu Anfang des Jahres 
1786, nach dem Regierungsantritt des Landgrafen Wilhelm IX. 
am 31. Oktober 1785, wurde nun seitens der Hofleute ohne 
Zaudern beantragt. Dass dasselbe der Fall gewesen war, 
als im Jahre 1751 Wilhelm VIII. seinem Bruder Friedrich I. 
gefolgt war, ist wohl nicht zweifelhaft, wenn auch davon in 
den Akten nichts erwähnt wird. Im Original-Steuer-Kataster 
der Gemeinde Beltershausen, Landgericht Marburg, publiziert 
1845, findet sich unter dem Titel „Vom Kurstaate ausge- 
gebene Güter" auch folgender Eintrag: Ein Erbleihegut, 
der Hof oder die Kolonie Frauenberg genannt, worüber beim 
Regierungsantritt des Landesregenten ein neuer Leihebrief 
erteilt wird. 

Im Jahre 1798 wurde mit Genehmigung der Regierung 
vom 18. April auf Grund eines Berichts des Forstamts Marburg 
vom 14. Dezember 1797 die Wiese am Löhnberg über Borts- 
hausen (E. L. Br. No. 5) zu 2 Fuder Heu und der Grund am 
Löhnberge, der Hetscher genannt, unweit Ronhausen zu 
6 Fuder Heu (Nr. 4) gegen zwei andere gleich grosse, an ihren 
Höfen und Gärten gelegene, wüste Strecken umgetauscht. 
Von dieser Wüstung sollte keine weitere Abgabe an Geld 
und Früchten als der einmal bestimmte Pachtzins gegeben 
werden. Der Tauschbrief selbst ist am 17. Mai 1800 aus- 



169 

gefertigt. Die damaligen Erbpächter waren Conrad Rein, 
Thomas Brunet (IV) und Johann Heinrich Schneider. 

Die nächsten Akten führen uns in die Zeit der west- 
fälischen Regierung unter Jerome Bonaparte von 1806 — 1813. 

Jedenfalls fussend auf die in ihrem Leihebrief zuge- 
sicherten Freiheiten von Kriegsleistungen, Einquartierungen, 
Contributionen u. a , benutzte der Erbbeständer Schneider, 
im Namen auch der zwei anderen, ein Kaiserliches Dekret 
vom 24. Februar 1809, welches dazu aufforderte, Ansprüche 
oder Forderungen an die dem Kaiser vorbehaltenen Domänen 
bei dem General-Liquidator Herrn von der Malsburg anzu- 
melden, um eine Entschädigung für die nicht unbedeutenden, 
in dem noch erhaltenen Verzeichnis aufgeführten Leistungen 
zu erhalten. Es handelt sich in demselben um Grundsteuer, 
Gendarmen-Verpflegungsgelder, Kriegskosten, Fleischlieferungs- 
geld, Beiträge zu den Kriegsfuhren, Rationen Heu, Stroh und 
Hafer, Dienstfuhren, Dienstgeld, Personalsteuern, Einquar- 
tierungsgeld. Ein noch vorhandener Steuerzettel für 1813 
enthält die Ortsbezeichnung: Werra-Departement, Distrikt 
Marburg, Kreis Marburg, Canton Ebsdorf, Colonie Frauenberg. 

Auch ist ein Auszug aus der Bonitierungs-Tabelle vom 
28. November 1812 vorhanden. Darnach bringt Eckhard 
Schneiders Gut einen Ertrag von 407 ^ 24 ^ 2 /Sj, das 
des Heinrich Brunet (Conradshaus) 263 g{f; 22 Sj^ 2 ^, des 
Johannes Brunet (Thomashaus) 255 !J{fj 22 ^ 11 ä). 

Nachdem der Kurfürst Wilhelm L (früher Landgraf 
Wilhelm IX.) nach der Schlacht bei Leipzig die Regierung 
über sein Land wieder angetreten hatte, kehrten auch die 
alten Verhältnisse zurück. Doch wehrten sich die Kolonisten 
vergeblich gegen die neuen Landesschulden-Tilgungssteuern. 
Auf ihre Eingabe dagegen vom 2. Juni 1815 wurde ihnen 
die abweisende Antwort, es sei eine Personal-Abgabe, daher 
keine Exemtion auf Grund ihrer hergebrachten Grundsteuer- 
Freiheit zuzulassen 

1821 starb Kurfürst Wilhelm L, und ihm folgte sein 
Sohn Wilhelm U. von 1821—1847. Natürlich wurde auch 
jetzt wieder der Erbleihebrief erneuert, nachdem amtlich be- 



170 

zeugt war, dass die jetzigen Erbleihebeständer fleissige Land- 
wirte und redliche Unterthanen seien, auch die Abgaben ge- 
hörig entrichtet hätten. 

Der Erbleihebrief erinnerte immer wieder an Stücke 
Landes, die sie besitzen sollten, aber wirklich nicht in Besitz 
hatten. Dazu gehörte das, was ihnen die Beltershäuser und 
Ebsdorfer genommen hatten, und die Schlechterswiese. Diese 
lag sehr weit vom Frauenberg entfernt auf dem Schröcker 
Gleichen hinter der Kirchhainer Strasse, und deshalb hatten 
sie dieselbe auch gar nicht in Besitz genommen, wie sie auch 
auf der alten Karte von 1699 nicht verzeichnet war. Da 
sie dagegen die sogenannte Einsiedler- Wiese im Eselsgrund 
später besassen, die durch einen Graben und durch Berge 
eingeschlossen war und ihnen näher lag, so äusserte bei einer 
amtlichen Vermessung ihres Eigentums im Jahre 1837 die 
Kommission die Vermutung, sie hätten die erstere früher 
einmal gegen die letztere vertauscht. Im Jahre 1824 aber 
wurde ihnen auf ihr Ansuchen mit Berufung auf den Leih- 
brief die Schlechterswiese wirklich eingeräumt, zugemessen 
und versteint. 

An der nördlichen Waldgrenze der Kolonie Frauenberg, 
ganz in der Nähe des Gebäudekomplexes der drei Hofleute liegt 
noch ein viertes kleines Gehöft, das in einer Secundogenitur 
aus dem Conradshause sich bis heute auch auf einen Brunet, 
Namens Conrad, vererbt hat. Dieses Gehöft wurde im Jahre 
1830 errichtet und knüpften sich an dasselbe Verhandlungen 
mit der Behörde, die sich bis zum Jahre 1842 hinzogen. 
Es hatte damit folgende Bewandtnis: Johann Heinrich Brunet 
legte seinem ältesten Sohne und Hofnachfolger Conrad in 
dessen Ehe- und Anschlags-Kontracte vom 30. Mai 1829 die 
Verpflichtung auf, seinem jüngeren Bruder Johannes zu ge- 
statten, auf ein Zubehör des Gesamtgutes sich ein Wohn- 
haus zu errichten und dies als solches zu benutzen, ihm 
auch das dazu gehörige Grundstück, bestehend aus 13 Ruten 
Hofraum und 1 Acker Wiese, als Eigentum abzutreten. Sollte 
dies aber polizeilich nicht gestattet werden, müsse er ihm 
ein anderes Stück Land von zwei Mesten Aussaat übertragen. 



171 

Nachdem nun dein Johannes von Pohzeivvegen die Erlaubnis 
erteilt worden war, erbaute er auf der Stelle ein Wohn- 
gebiiudo, nahm sicli eine Frau, erhielt mehrere Kinder und 
verschaffte als Leinweber und Schankwirt sich und seiner 
Familie den Lebensunterhalt. Im Jahre 1842 aber, nach- 
dem der Ratifikationsgehülfe Hesse in Beltershausen die 
Anzeige von einer von ihm wahrgenommenen Entfremdung 
zweier Grundstücke aus dem Leihebestande des Hofes Frauen- 
berg gemacht hatte, zog die Behörde das Geschehene in 
nähere Untersuchung. Der Rentmeister Führer in Marburg 
berichtete darüber an die Kurfürstl. Ober-Finanz-Kammer in 
Cassel unter dem 28. April 1842. Die Gestattung hätte 
nicht ohne die Beistimmung des Obereigentümers stattfinden 
dürfen. Das Gut liege am Walde, und eine Vermehrung der 
Familie könne in Bezug auf Forstfrevel nicht gewünscht 
werden. Sonst seien die Grundstücke noch beisammen, mit 
der Ausnahme, dass die sub 9 im Leihbriefe aufgeführten 
24 Morgen Wüstung durch üsucaption auf Beltershäuser Ein- 
wohner — die Ebsdorfer sind jetzt nicht mehr erwähnt — 
grösstenteils schon in älterer Zeit übergegangen sein sollten. 
Konrad Brunet erklärte sich in dem Termine in der Amts- 
renterei bereit , entweder seinen Bruder als seinen Mieter 
anzusehen oder andere gleichwertige Grundstücke in das 
Leihegut einzusetzen. Der später geladene Johannes verstand 
sich aber nicht dazu, dass die Grundstücke als Zubehörungen 
des Leihegutes angesehen und dadurch seiner freien Disposition 
gänzlich entzogen würden. Am 25. Mai 1842 wurde im 
Schlusstermin unter Zustimmung beider Brüder durch den 
l\entm( ister Führer der Streit in der Weise erledigt, dass 
Coiuad sich unter der Bedingung, dass Johannes sich ver- 
bindlich mache, die in Rede stehenden Grundstücke nicht 
mit weiteren Wohngebäuden zu bebauen und auch seinen 
Nachkommen diese Verbindlichkeit aufzuerlegen, bereit er- 
klärte, ein anderes gleichwertiges Eirbgrundstück in das 
Frauenbergsgut einzusetzen, womit Johannes zufrieden war. 
Übrigens kauften Johannes oder seine Nachkommen sich noch 
in Beltershausen und Moischt an , und er pachtete unter 



172 

anderen im Jahre 1829 ein fiskalisches Grundstück in Klein- 
seelheim, die herrschaftliche Dornwiese, IIV2 Acker 32 Ruten 
gross, auf 3 Jahre für 28 Thaler 2 Albus und bei der Er- 
neuerung der Pacht 1832 um 27 Thaler 4 Albus. 

Am 24. April 1834 ging ein Prozess zu Ende, den die 
Kolonisten mit dem Fiskus wegen der Wegebausteuern führten, 
die ihnen neu auferlegt waren, und von denen sie auf Grund 
ihres Erbleihebriefs frei zu sein behaupteten. Das Obergericht 
entschied damals zu ihren Gunsten. Sie hatten diese Wege- 
bausteuern bereits von 1820 an bis 1834 gezahlt. Der Ober- 
gerichtsbescheid vom 24. April 1834 hatte bestimmt, die 
Entschädigung sollte mittelst verhältnismässiger Ermässigung 
des schuldigen Erbleihezinses erfolgen. Die Vergütung unter- 
blieb bis zum Jahre 1838. Erst am 3. Mai dieses Jahres 
erging der Beschluss des Ober-Finanz-Kollegiums in Cassel, 
es sollen ihnen 1 ^{\ 24 Alb. jährlich, bis zur Abtragung, 
am Erbleihezinse vergütet werden. 

Diese vier Jahre währende Verzögerung hatte aber darin 
ihren Grund, dass das Ober-Finanz-Kollegium sofort nach 
Erledigung jenes Prozesses eine Veranlassung gefunden zu 
haben glaubte, die Entschädigung zurückzuhalten. Es war 
ihm nämlich die Vermutung nahe gelegt worden, dass die 
Erbleihebeständer mit einem noch weit höheren Betrage im 
Rückstande seien. Am 6. Juli 1834 erging die Aufforderung 
an die Amtsrenterei in Marburg, wegen der rückständigen 
100 Thaler für den Erbleihebrief zu berichten, und ob der 
bisher entrichtete Erbleihezins von 8 Maltern partim nicht 
zu gering bemessen sei. Vier Jahre dauerte die von Cassel 
aus sehr energisch betriebene Untersuchung dieser Sache, 
die fast den grössten Teil des vorhandenen Aktenmaterials 
über die Frauenberg-Kolonie einnimmt, aber auch zu Gunsten 
der Kolonisten ihren Abschluss fand. 

Die Antwort der Amts - Renterei in Marburg vom 
8. Oktober 1834 lautete zunächst sehr ungünstig für die 
Frauenberger. Der Rentmeister von Würthen führt ver- 
gleichsweise das Erblehngut zu Hof Cappelle an: „Wenn 
dies im ganzen auch besseren Grund und Boden hat, des- 



173 

halb auch mehr produziert, so hat der Frauenberg nach 
damaliger Grösse 67 Acker mehr als Cappelle, letzteres 
aber die doppelten Abgaben. Bei einer neuen Abschätzung 
würden sich wohl statt der 8 Malter mindestens 12 Malter 
ergeben. Der Hof Cappelle liefert 2 Malter Weizen, 15 Malter 
Korn, 16 Malter Hafer, 7 Malter Gerste, 2 Hühner, 3 Ctr. 
Heu, 2 Thaler. 

Der Rentmeister ist aber später der Meinung, ein 
Prozess könnte vielleicht nicht zum Vorteil des Staates aus- 
fallen. 

Die Regierung beruhigt sich nicht dabei, sondern ordnet 
am 19. Mai 1836 eine Kommission an, um über den Ertrag 
des Erbleihegutes zu einem zuverlässigen Resultat zu gelangen. 
Dieselbe soll bestehen aus dem Ökonomen Usener zu Marburg, 
dem Amtmann Pauli zu Hof Fortsbach und dem Ausschuss-Vor- 
stand Grau zu Heskem. An Useners Stelle, der unabkömmlich 
ist, wird der Ökonom Philipp Kaiser zu Ebsdorf bestimmt. 
Da sich aber nachträglich herausstellt, dass auch Kaiser 
nicht teilnehmen kann, weil er zum Deputierten in Cassel 
gewählt ist, und auch Pauli darum bittet, ihn ganz davon 
zu lassen, tritt die Kommission gar nicht in Thätigkeit. 

Es ergiebt sich auch bald ein neuer Umstand, der die 
Regierung veranlasst, von der Abschätzung der Ertragsfähig- 
keit zunächst abzusehen und die Untersuchung in ein ganz 
anderes Fahrwasser zu lenken. 

Der Archivar des Ober- Finanz-Kollegiums, Kanzleirat 
Kessler, glaubte aus den Akten ermittelt zu haben, dass im 
Laufe der Zeit Anrottungen von Waldboden zu dem Guts- 
bestande stattgefunden haben müssten ohne Zinsregulierung. 
Dafür spreche auch der Umstand, dass früher, namentlich im 
Bezirk des Oberfürstentums, bedeutende derartige Anrottungen 
eigenmächtig erfolgt seien. Daraufhin erhielt die Marburger 
Anitsrenterei am 22. Dezember 1836 den Auftrag, mit mög- 
lichster Kostenersparnis eine genaue Untersuchung der Flächen- 
grösse durch den Landmesser zu veranlassen, aus den älteren 
Renterei- Akten das Einschlagende zu ermitteln und auch die 
Forstinspektion zu Rate zu ziehen. 



174 

Bei der Grenzbegehung stellt sich heraus, dass im Um- 
fang keine Änderung vorgegangen ist; auch geschieht von 
Seiten der Forstbehörden wegen Verrückung der Grenze keine 
Einrede. Das Resultat der Messung durch den Landmesser 
Rühl von Rauisch-Holzhausen war folgendes: 

Nach dem jetzigen Mess- Ver- 
zeichnis besitzen sie überhau])t . 240V8 Acker 13 V4 Ruten 

Nach den alten Angaben be- 
sassen sie 220^/8 „ 4^2 „ 

Sie besitzen also jetzt ... 19^'4 Acker 8^/4 Ruten 
mehr als die Morgenzahl der alten Karte von 1699 besagt. 
Doch wird dabei bemerkt, dass die Messungen des Herrn 
Rudolphi nicht sehr zuverlässig sind. 

Die Casseler Regierung scheint nun zunächst vermutet 
zu haben, dass die hiermit ermittelte Differenz dadurch ent- 
standen sei, dass die Ruine des Frauenbergs und die um die- 
selbe gelegene Wüstung, die auf etwas mehr, auf 22'^/4 Acker 
I7V2 Ruten, ausgemessen war, ursprünglich nicht zum Erb- 
leihgute gehörte, und ging vielleicht mit der Absicht um, den 
Ausgleich dadurch zu gewinnen, dass sie dieses Areal mit 
der von einer hessischen Landesfürstin erbauten Burg wieder 
zum unmittelbaren Staats- oder Dominial-Eigentum machte. 
Deshalb erging am 10. Oktober 1837 ein Schreiben an den 
Rentmeister, die Erbleihbeständer zur Erklärung aufzufordern, 
wann ihnen diese im Vermessungs-Protokoll aufgeführten 
22^/4 Acker 17^2 R. Wüstung um die Ruine Frauenberg zur 
Benutzung und von welcher Behörde und durch welche Ver- 
fügung eingegeben seien, und ob und welchen Zins sie dafür 
bezahlt hätten. Auch solle deshalb bei der Forstinspektion 
nachgeforscht werden. 

In dem Protokoll vom 25. Oktober d. J. erklären Ben- 
jamin und Conrad Brunet und Heinrich Schneider, dass diese 
Fläche von Anfang an zum Gute gehört habe und schon 
von ihren Vorgängern benutzt worden sei. Sie sei übrigens 
mit Gesträuchern ganz bewachsen und könne im günstigsten 
Falle von ihnen nur zur Hute benutzt werden ; dermalen 
würden die Steine davon zum Bau d«^r herrschaftlichen Strasse 



175 

gebrochen, was sie aus dem Grunde auch nicht verhindert 
hätten. 

Der Rentmeister lullt in einem Schreiben vom 5. No- 
vember ihre Angaben für um so wahrscheinlicher, als auch 
der Forstinspektion nichts von einer besonderen Überweisung 
bekannt sei. 

Die Zugehörigkeit der Ruine zur Kolonie blieb seitdem 
keinem Zweifel unterworfen. Eine gewisse Einschränkung des 
Besitzstandes fand in neuester Zeit in sofern statt, dass die 
drei Eigentümer Eckhardt Schneider, Johannes und Conrad 
Brunet, übrigens ohne Datum, einen Revers unterschrieben 
und dessen Eintragung ins Grundbuch zugaben, dass sie 
der Königlichen Regierung zu Cassel oder der Kreisbau- 
verwaltung zu Marburg gestatten, diejenigen Reparaturen 
auszuführen, welche dieselbe zur Erhaltung der Ruine für 
notwendig erachtet, dass sie ebenfalls die Benutzung der 
dahin führenden Wege und Lagerplätze zugeben , indem 
sie hierbei versichern, auch ihrerseits beitragen zu wollen, 
dass die Ruine in ihrem jetzigen Zustande erhalten und 
keinerlei Steine und Bauteile von den noch stehenden 
Mauern entnommen werden, sowie sie sich dessen enthalten 
wollen, selbst Baumaterial von der bestehenden Ruine zu 
entnehmen, vor allen Dingen aber auch die von der Königl. 
Regierung ausgeführten Reparaturen daran unangetastet zu 
lassen. 

Die Basaltsteine des Steinbruchs am Frauenberge sind 
auch weiterhin vom Staate zur Befestigung der Staatsstrassen 
benutzt worden. Die Eigentümer haben denselben seit dem 
Jahre 1884 an den Staat, dann an die Communalverwaltung 
für jährlich 180 Mark verpachtet, von denen jeder der drei 
Eigentümer ein Drittel erhält. Der steile Absturz zum Stein- 
bruch in der Nähe der Ruine ist leider durch Unachtsamkeit 
schon vor längerer Zeit entstanden ; jetzt dürfen nur unten 
in grösserer Entfernung von den Vertikalen der Gipfelfläche 
Steine gebrochen werden. 

Im Jahre 1842 zahlte der Staat, als er einen Fahrweg 
über das Eigentum des H. Schneider nach dem Steinbruche 



176 

anlegte, demselben für die einstweilige Abtretung des Ge- 
brauchsrechtes an diesem Wege, so lange der Steinbruch 
vom Staate benutzt werde, ein für allemal 25 Thaler. 

Nachdem sich der vom Staate beabsichtigte Ausgleich 
durch Übernahme der Ruine zu Ende 1837 als rechtlich 
unstatthaft herausgestellt hatte, kam die Ober-Finanz-Kammer 
anfangs 1838 auf die Wegebausteuer als ein ihr geeignet 
scheinendes Ausgleichsobjekt zurück. Die Fruchtrenterei sollte 
den Erbbeständern mitteilen, man sei geneigt, ein Überein- 
kommen dahin zu treffen, dass von ihnen statt des Erbleihe- 
zins-Ansatzes die Entrichtung der schuldigen Wegebausteuer 
im Betrage von 2 ,<??/; 15 Sj^ jährlich, von Zeit deren Schuldig- 
keit an, übernommen werde. Der Vorteil für sie liege darin, 
dass der Zinszusatz 4. ^j 19 >^, also "i 0if> 4 ^ mehr, be- 
tragen würde. 

Man muss sich diesen eigentümlichen Vorschlag so 
erklären, dass das O.-F.-K. dadurch zu einer Ablösung eines 
lästigen Privilegs gelangen wollte, wie ja überhaupt die 
staatlichen Verhältnisse jener Zeit dazu drängten, alle noch 
vorhandenen Privilegien abzuschaffen. 

Die Erbbeständer behaupteten, die ihnen auf der alten 
Karte überwiesene Grundfläche nicht vergrössert zu haben. 
Nur dann wollten sie sich zu einer Erhöhung ihres Zinses 
oder auch zur Entrichtung der Wegebausteuer bereit erklären, 
wenn die nach der alten Karte ihnen zukommende Boden- 
fläche am Balderscheid, wovon 1 Acker mehr wert sei als 
zwei der ihrigen, ihrem Besitz hinzugefügt werde. Sie 
wünschten übrigens selbst eine Abschätzung des Ertrags 
ihrer sämtlichen Grundstücke, überzeugt, dass sich dadurch 
die Wahrheit ihrer Aussage, als sei ihr dermaliger Erbleihe- 
zins dem Ertrag vollkommen angemessen, bestätigen würde. 

Nach Ablehnung ihres Vorschlages machte die Ober- 
Finanz-Kammer noch einen Anlauf, die Sache ins Reine zu 
bringen. Sie ersuchte die Renterei, baldigst zu ermitteln, 
welcher jährliche Ertrag von den 20 Acker Rottland und zu 
welchem Geldwerte die Nutzung anzunehmen, auch wie diese 
Grundfläche am zweckmässigsten entweder als Land oder 



177 

Wiese zu benutzen oder etwa zum Walde zu schlagen 
und der Forstverwaltung zu überweisen sei. Auch Rühl solle 
sich gutachtlich äussern. 

Das Gutachten des Oberfeldmessers führte die Sache 
nun bald zu Ende. Derselbe schreibt am 20. März 1838: 
„Der Überschuss des Flächeninhalts von 19^/4 Acker 8^/4 R. 
ist aus den verschiedenen Teilen, welche kleiner angegeben 
sind, als sie wirkliche Grösse haben, und aus der Anrottung 
von der Wüstung des Frauenbergs, wovon keine Grösse an- 
gegeben war, entstanden. Der Wert von dem, was an der 
Wüstung angerottet ist, ist von keiner grossen Bedeutung, 
indem die Erbbeständer angerottete Teile selbst wieder wüst 
liegen lassen, und, wo es gut ist, stehen alte un verwerfliche 
gehauene Malsteine, wovon sie nichts abgeben werden. Es 
fehlen ihnen auch noch 11 Vs Acker 5 R. Ich wüsste daher 
nicht, wo und wie ihnen die beinahe 20 Acker abgenommen 
werden sollten, indem noch nicht ausgemacht ist, ob die 
sechzehnschuhige Rute, womit der Frauenberg gemessen 
worden, der Schuh Marburger Mass war, welcher stärker als 
der Kasseische Kataster-Fuss ist, folglich der Inhalt kleiner 
ausfallen musste, wie ich dies bei Ortschaften, die von dem- 
selben Landmesser mit der sechzehnschuhigen Rute gemessen, 
erfahren habe.*' 

Als dann noch am 7. April 1838 derselbe Landmesser 
auf eine Anfrage betreffs eines Kostenanschlags für die Aus- 
messung jedes einzelnen der drei Kolonisten-Grundstücke 
diesen ungefähr angegeben, zugleich aber bemerkt hatte, er 
sei wegen dringender Geschäfte jetzt nicht imstande, die 
Messung vorzunehmen, ist weiterhin von der ganzen Sache 
in den Akten keine Rede mehr. 

Eine Angelegenheit, die von der frühesten Zeit der 
Kolonie bis in die neueste hinein das Nachdenken und Be- 
mühen unserer Frauenberger mit Recht sehr in Anspruch 
genommen hat, nämlich das Abhandenkommen der 24 Morgen 
Wüstung vom Ebsdorfer Feld bis an den Balderscheid, ist 
unaufgeklärt geblieben. Man begreift nicht, wie es mög- 
lich war, dass von einem herrschaftlichen Erbleihegute, 

N. F. Bd. XXIII. 12 



178 

ohne Wissen der Erbleiher und ihrer Herrschaft, ein 
grosses Stück Land entwendet werden konnte. Oder 
wussten es beide und gaben es stillschweigend zu, die 
Erbleiher, weil sie das Land für wertlos hielten, wovon sie 
dann später zu ihrer bitteren Enttäuschung eines anderen 
belehrt wurden, die Regierung, weil sie durch Ausscheidung 
des Landes aus dem Erbleihegut, zumal da es auch von ihr 
für sehr geringwertig gehalten wurde, jedenfalls grössere 
Einkünfte und sonstige Vorteile hatte. Aus demselben Grunde 
hat dann wohl auch Joh. Hofmeister oder dessen Nachkomme 
die letzten noch wüste liegenden 1^/2 Morgen im Jahre 1848 un- 
gehindert urbar machen können, wobei sich übrigens heraus- 
gestellt hat, dass sie wirklich nicht viel wert sind. Durch 
die Verkoppelung der Gemarkung Beltershausen sind nun 
auch die früheren Besitz Verhältnisse dieses ganzen Grund- 
stücks vollständig verwischt, indem die beiden Gutsbesitzer 
Hoss und Nau die einzigen Eigentümer geworden sind. 

Die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts brachte auch 
für die Hofbesitzer des Frauenbergs die Ablösung ihrer 
Naturallieferung und machte ihr bisheriges Erbleihegut von 
jedem Eigentumsrechte des Staates oder des Landesfürsten frei. 

Am 6. Juli 1850 wurde auf Grund des Gesetzes vom 
26. August 1848 der Entschädigungsvertrag zwischen dem 
Staate und den Besitzern des Frauenbergs abgeschlossen. 
Danach hatten die drei zusammen 944 Thaler 1^6 Pfg., 
verzinslich zu 5 pCt., vom 11. November 1849 an, der Amts- 
Geld-Renterei in Marburg zu zahlen und bis zum Abtrage 
zu verzinsen. Auf Benjamin und Conrad Brunet fielen davon 
je 221 ^ 10 ^ 4V2 i) und auf Heinrich Schneider 501 ^ 
10 ^ 9 ^. 

Seitdem das frühere Erbleihegut freies Eigentum der 
Frauenberger geworden war, konnten diese darüber natürlich 
beliebig nach den allgemeinen rechtlichen Bestimmungen 
verfügen. Da ihr Besitz eine aufs beste zusammengelegte 
besondere Gemarkung bildete, brauchten sie, wie auch der 
Hof Capelle, nicht an der Beltershäuser Verkoppelung teilzu- 
nehmen. Doch bot sich die beste Gelegenheit, die entlegenen 



179 

Stücke gegen solche mit dem Gute unmittelbar zusammen- 
hängende zu vertauschen. So geschah es 1869 mit dem 
Dachsgrund im Staatswald Balderscheid und 1882 mit der 
Einsiedler- und Schlechterswiese. Dafür wurden vom Fiskus 
entsprechende, ans Frauenberggut angrenzende Waldstücke 
ausgerodet und übergeben. Der Dachsgrund, einst gutes 
Ackerland, ist jetzt ein stattlicher Fichtenwald geworden. 

Von den drei Kolonisten- Wohnhäusern liegt das Thomas- 
haus nicht mehr auf der alten Stelle, es ist 1853 an der 
gegenüberliegenden Ostseite der durch das Gehöft nach Borts- 
hausen führenden Gasse neu aufgebaut. An das Conradshaus, 
woran ein Balken im Westen noch die ursprüngliche An- 
gabe des Baujahrs 1716 zeigt, ist erst in neuester Zeit nord- 
wärts ein kleiner Saal angebaut worden, und gegenüber 
an der Westseite des Hofraums ist ein Logierhaus für Sommer- 
frischler und Wald- und Luftkurgäste entstanden. In dem 
Konradshause lebt zwar auch jetzt noch ein altes Brunet'sches 
Ehepaar, Johann Eckardt und Anna Catharina, geb. Lorch, 
aber nur im Auszug, und der Hof ist, nachdem alle Kinder 
früh gestorben, seit einigen Jahren durch Kauf an Johannes 
Heuser aus Ebsdorf übergegangen. Sowohl im Konrads- als 
auch im Thomashause bestehen schon seit vielen Jahren 
Kaffee-, seit einigen Jahren auch Schenkwirtschaften, wo sich 
an schönen Tagen, und sobald die Wege gangbar sind, zahl- 
reiche Besucher, namentlich von Marburg, aber auch aus 
vielen umliegenden Ortschaften in den Häusern oder auf den 
dafür eingerichteten Baumhöfen einfinden, um mit der herr- 
lichen Aussicht von der nahen Ruine hier eine gute leibliche 
Erquickung und Erholung von dem anstrengenden Spazier- 
gange zu verbinden. 

Um den Zusammenhang der heutigen Bewohner des 

Frauenberges mit den ersten Kolonisten übersichtlicher zu 

machen, diene die angehängte Stammtafel der hier noch 

allein in Betracht kommenden Brunets, soweit sich dieselbe 

aus den Kirchenbüchern und aus mündlichen Mitteilungen 

feststellen Hess. Es wird übrigens versichert, dass Nach- 

12* 



180 

kommen der Guigues vom Prauenberge jetzt auf einer Mühle 
bei Wetzlar in guten Verhältnissen leben. 

Wir sind hiermit am Schlüsse unserer Geschichte der 
französischen Kolonie Frauenberg angelangt. Es ist ein Stück 
Kirchen-, Kultur- und Rechtsgeschichte, was in derselben 
an unserm Auge; vorübergezogen ist, sich anknüpfend an 
zwei einfache Familien, von denen die eine nun schon über 
zwei Jahrhunderte einen der stolzesten Berge des Hessen- 
landes, ja Deutschlands, nicht nur bewohnt, sondern auch 
sein Eigen nennt, als Rechtsnachfolgerin eines der berühm- 
testen deutschen Fürstengeschlechter, des Hauses Brabant. 
So unscheinbar jene Familie auch ist, so hat ihre Geschichte 
doch gezeigt, dass sie es verdient, nicht der Vergessenheit 
anheim zu fallen : durch ihre Glaubenstreue, ihre ünverdrossen- 
heit und Standhaftigkeit im Kampfe des Lebens und durch 
ihre Biederkeit, die ihr bei Hohen und Niedrigen weit und 
breit im Lande Vertrauen erweckt. Der Segen Gottes ruhte 
und ruhe auch fernerhin auf ihr und auf der Kolonie 
Frauenberg ! 





IIL 

Landgraf Wilhelm IV. von Hessen 
auf der Brantsnche. 

von 

Dr. Ribbeck, 
Archivar in Marburg. 

n der reichen Natur Philipps des Grossmütigen war ein 
stark sinnlicher Zug, der ihn selber in tödtliche Ver- 
legenheiten brachte, sein Familienleben zerrüttete und die 
neue Lehre, zu der er sich bekannte, auf das Schwerste 
compromittierte. Dieser sinnliche Zug findet sich auch bei 
seiner Nachkommenschaft aus beiden Ehen wieder. Für die 
Söhne aus der Hauptehe wird dies bezeugt durch den be- 
kannten Brief an Christoph von Würtemberg vom 25. März 
1561 ^). In diesem ist die Rede von Ausschweifungen schlimmer 
Art, welche den jungen Prinzen durch das Gerücht zur Last 
gelegt wurden. Der Landgraf hebt allerdings hervor, dass 
seine Söhne diese Gerüchte Lügen gestraft hätten, aber dass 
er selber von ihrer Grundlosigkeit nicht überzeugt war, be- 
weist doch der Umstand, dass er in eben jenem Briefe den 
ihm befreundeten Christoph ersuchte, seinen zweiten Sohn 
Ludwig auf einige Zeit an seinen Hof und unter seine Auf- 
sicht zu nehmen. 

Auch Ludwigs älterer Bruder Wilhelm war von jenem 
erwähnten sinnlichen Zuge nicht frei. Dies wird bezeugt 
schon durch das Vorhandensein verschiedener Kinder von 



M Gedruckt in Mosers patriotischem Archiv für Deutschland Bd. 9 



(1788) S. 123 ff. 



182 

ihm, die illegitimen Verhältnissen entstammten. Unter diesen 
Umständen und schon damit die Nachfolge gesichert werde, 
ist es begreiflich, wenn der Vater auf seine baldige Ver- 
mählung drängte. Allein Wilhelm ging nicht eben mit sonder- 
lichem Eifer auf die väterlichen Wünsche ein, teils aus einer 
gewissen Scheu sich zu binden, teils weil seine pecuniäre 
Lage ihm zu Lebzeiten des Vaters die Führung eines Haus- 
haltes nicht zu gestatten schien. Wir besitzen von ihm eine 
Instruktion aus dem Jahre 1566 nach seiner Vermählung für 
den Rat seines Vaters, Simon Bing, der ihm von den Ständen 
eine Beisteuer zu seinem Haushalt erwirken sollte ^). Es wird 
darin ausgeführt, wie er obwohl der Vater ihm versprochen, 
er solle gehalten werden wie der verstorbene Johann Friedrich 
von Sachsen als Prinz, er doch nur 5 — 600 Gulden jährlich 
bekommen habe, während Prinzen anderer Fürstenhäuser 
6000 Gulden jährlich hätten. 

Unter diesen Umständen ist es begreiflich, wenn Wilhelm 
einem Eheprojekt, das zu Anfang des Jahres 1561 von aussen 
an ihn herantrat, nur geringen Eifer entgegenbrachte. Zu 
jener Zeit tagte in Naumburg eine fürstliche Versammlung, 
die bezweckte gegenüber dem Tridentiner Concil eine Einigung 
sämmtlicher deutschen Protestanten auf die Augsburgische 
Confession herbeizuführen. Auf diesem Tage, dem auch 
Philipp von Hessen und sein zweiter Sohn Ludwig beiwohnten, 
spielte Herzog Johann Friedrich der Mittlere von Sachsen 
eine hervorragende Rolle. Dieser war kurz zuvor in Marburg 
gewesen und hatte sich Wilhelm gegenüber erboten, ihm ge- 
legentlich jener Versammlung die Bekanntschaft einer für ihn 
geeigneten Prinzessin zu verschaffen. Es war dies Amalie 
(geb. 1547), Tochter des Herzogs Philipp von Pommern- 
Wolgast und der Maria, deren Vater der Kurfürst Johann 
der Beständige von Sachsen gewesen, welche in Begleitung 
ihrer Eltern jene Versammlung besuchen wollte. Wilhelm 
hatte sich damals dem Plane nicht abgeneigt gezeigt. Auf 
das Ausserste verstimmte es ihn aber nun, als er aus den 



*) Rommel: Hoss. Geschichte Bd. IV S. 446. 



183 

Briefen Johann Friedrichs und seines Bruders Ludwig, die 
ihn fortwährend zum Besuche des Naumburger Tages dräng- 
ten ^), ersah, dass die Herzogin von Pommern und ihre Tochter 
von seinen Absichten unterrichtet seien. Denn nun musste 
er fürchten, für den Fall, dass ihm das Mädchen nicht ge- 
fiele, in eine sehr peinliche Lage zu geraten^). Dass und 
welche Bedenken in ihm gegen diese Verbindung aufgestiegen 
waren, erfahren wir aus einem Briefe an Simon Bing, der 
den alten Landgrafen auf jenen Tag begleitet hatte ^). Der 
Brautschatz sei, wie er gehört, nicht übermässig gross, die 
Freundschaft weit entlegen und die Person selber solle nicht 
gross hübsch sein. Verlaufe aber diese Brautwerbung ergeb- 
nislos, so werde sein Vater einer jeder späteren ein gewisses 
Misstrauen entgegen bringen, ein solches Misslingen werde 
den Verdacht in ihm bestärken, dass sein Erstgeborener zu 
seinen Lebzeiten überhaupt nicht zur Ehe zu schreiten ge- 
denke. Auch könne er, dem der Vater in seiner Abwesen- 
heit die Verwaltung des Landes anvertraut, vor dessen Rück- 
kehr dieses nicht verlassen*). Von dieser letzteren Meinung 
sucht ihn der Bruder abzubringen, aber dass Wilhelm in 
diesem Punkte richtiger gesehen und ihm ein eigenmächtiges 
Erscheinen in Naumburg übel gesegnet worden wäre^), bewies 
ihm ein Brief Simon Bings ^). Dieser teilt ihm mit, dass die 
Verhältnisse sich geändert hätten. Johann Friedrich, unter 
dem Einflüsse seiner flacianisch gesinnten Theologen stehend, 
hatte verlangt, dass in die neu aufzustellende Präfation zum 
Augsburgischen Bekenntnis eine ausdrückliche Verurteilung 
aller derjenigen aufgenommen werden sollte, welche sich 
offen oder versteckt zu den Zwinglianern hielten, war hierüber 
mit seinem eigenen Schwiegervater, dem Kurfürsten Friedrich 



*) In Briefen vom 14. und 25. Januar 1561. Alle für diesen Auf- 
satz benutzten Aktenstücke entstammen dem Marburger Staatsarchiv. 

2) Wilhelm an Job. Friedrich den 3. Febr. 1561. 

8) Vom 3. Febr. 

*) Nach Rommel Bd. IV S. 464 fürchtete er, in seiner Abwesenheit 
würden die Mäuse (Margarethe und ihre Kinder) das alabasterne Gemach 
fressen 

^) Wilhelm an Job. Friedrich den 13. Febr. 

ö) Vom 7, Febr. 



184 

von der Pfalz und dem Landgrafen hart aneinander geraten 
und verstimmt in seine Residenz Weimar abgereist. Unter 
diesen Umständen hielt der alte Landgraf das Kommen seines 
Sohnes nicht für wünschenswert und Hess ihm durch Simon 
Bing schreiben, er solle erst seine, des Vaters, Rückkehr ab- 
warten '). Darüber wurde aber der Herzogin von Pommern 
die Zeit zu lang und sie reiste mit ihrer Tochter ab. 

Der Verlauf dieser Angelegenheit hatte nicht dazu bei- 
tragen können, dem alten Landgrafen seinen Argwohn in 
betreff der Ehescheu seines Sohnes zu benehmen. In diesem 
Sinne schrieb er kurze Zeit später in jenem eben erwähnten 
Brief an den Herzog Christoph: „Und wiewol wir unsern 
Sohn, Landgrafen Wilhelm an viel Orten ermahnt, ein fürst- 
liches Fräulein zu nehmen, so haben ihm doch die, so er 
bis dahin besichtiget, nicht gefallen wollen, aus Ursachen, 
die er angezeigt. Und hoffen darum, so L. Ludwig ein Jahr 
zwey oder drey an E. L. Hofe ist und E. L. andere geborene 
Tochter sehen und sich mit ihr freundlich und ehrlich unter- 
reden (indessen sie auch erwachsen), sollte diese Beywohnung, 
wie wir hoffen, unseres Sohnes L. Ludwigs bey E. L. das wirken, 
dass beyde in ehlichen Stand zu Hause kommen möchten 2)". 

Nach dieser Stelle scheint es, als sei auch für Wilhelm 
ein Aufenthalt am Stuttgarter Hofe beabsichtigt gewesen und 
die Sache war wohl so gedacht, dass er die älteste Prinzessin 
Hedwig (geb. 1547), Ludwig aber die zweite Elisabeth (geb. 
1548) heimführen sollte. Auf Hedwig hatte ihn seine Schwester 
Barbara, die Witwe des Herzogs Georg von Mömpelgard, schon 
im Jahre 1553 ^) hingewiesen, „sie sei sehr hübsch und wohl- 
erzogen, fast in ihrer (Barbaras) Länge, aber freilich noch 
sehr zurück, erst dreizehn Jahre alt*^ und ihn dringend ge- 
beten, doch ja recht bald den Herzog in Stuttgart zu be- 
suchen. Aufforderung und Anpreisung hatte sie ihm dann im 
nächsten Jahre wiederholt*). 



*) Joh. Friedrich an Wilhelm den 10. Febr. 
«) A. a. 0. S. 124. 
^) Brief vom 8. Sept. 
*) Brief vom 4. Sept. 



185 

Ungefähr zur selben Zeit, im Oktober 1560, als Wilhelm 
gelegentlich der Heimfiihrung seiner Schwester, der an den 
Pfalzgrafen Ludwig vermählten Elisabeth, mit Herzog Christoph 
in Heidelberg zusammentraf, hatte L. Philipp dem Sohne ans 
Herz gelegt, falls die würtembergischen Prinzessinnen den 
Vater nicht begleiteten, sie in ihrem eigenem Lande aufzu- 
suchen ^). Die angestrebte Bekanntschaft scheint aber damals 
noch nicht gemacht worden zu sein oder wenigstens nicht 
zu dem vom Philipp gewünschten Resultat geführt zu haben. 
Dies sollte erst viel später der Fall sein. Vorläufig wurde 
Wilhelms Aufmerksamkeit auf ganz andere Parthien hin- 
gelenkt. 

Zunächst durch Wilhelm von Oranien. Dieser, durch 
seine Heirat mit Anna von Sachsen, Philipps Enkelin, dem 
hessischen Fürstenhause verwandt, lud den jungen Land- 
grafen, um ihm, wie er sich ausdrückte, zu einem „bessern 
und christlichen Leben und Wandel" zu verhelfen, im Früh- 
ling des Jahres 1562 ein, eine Reise nach den Niederlanden 
zu thun, wo er eine passende Frau für ihn wisse. Wer 
darunter gemeint war, lässt sich nicht mehr feststellen. 
Wilhelm von Hessen bedauerte, von diesem Anerbieten vor- 
läufig keinen Gebrauch machen zu können, vielleicht könne 
er zu Ostern 1563 unter dem Vorwande, das Land und die 
merkwürdigen Baulichkeiten desselben kennen zu lernen, 
nach den Niederlanden reisen, doch bitte er sich aus, dass 
nichts von seiner eigentlichen Absicht unter die Leute komme ^). 
Als indess jener Termin herannahte, war es Wilhelm un- 
möglich sein Versprechen zu erfüllen. Um jene Zeit sollte 
nämlich die Heimführung von Wilhelms Schwester Christine 
durch Erich XIV. von Schweden erfolgen und der älteste 
Bruder der Schwester das Geleit geben ^). Hinterher ergaben 
sich freilich umstände, welche den Abschluss jener Heirat 
hinauszögerten und schliesslich trat ein Zwischenfall ein. 



^) Nebeninstruktion für Wilhelm vom 16. Oct. 1660. 

2) Qroen van Prinsterer: Archives de la maison d'Orange- Nassau, 
T. I. 1 S. 133. Brief vom 31. März 1562. 

3) A. a. 0. S. 154 Brief vom 12. März 1663» 



186 

der sie überhaupt unmöglich machte. In Kopenhagen — 
Dänemark befand sich damals im Krieg mit Schweden — 
wurde nämlich ein Agent Königs Erichs, Anton Wastlin, 
aufgegriffen, der ein Schreiben desselben an Elisabeth von 
England bei sich trug. In diesem hielt Erich um die Hand 
der jungfräulichen Königin an, indem er seine Werbung um 
die hessische Prinzessin, welche er doch schon in den 
Kirchen seines Landes als künftige Königin hatte verkündigen 
lassen, für nicht ernsthaft gemeint erklärte^). Zur Ent- 
schädigung für das Haus Hessen wollte der König, wie 
Wastlin von dessen eigener Schwester Cäcilia gehört zu 
haben behauptete, dem Landgrafen Wilhelm diese seine 
Schwester zur Frau geben, diese hatte aber verständiger 
Weise den Wunsch geäussert, den ihr bestimmten Bräutigam 
wenigstens erst kennen zu lernen^). 

Jener Brief wurde nebst der Aussage des Engländers 
abschriftlich nach Cassel mitgetheilt, was natürlich den so- 
fortigen Abbruch der Heiratsverhandlungen zur Folge hatte. 

Unter den Bewerbern um die Hand der Elisabeth ist 
auch Wilhelm genannt worden^), doch ist in den betreffen- 
den Aktenstücken nur davon die Rede, dass Landgraf Philipp 
irgend einen seiner Söhne auf eine Zeitlang an den englischen 
Hof senden solle, wozu es aber nicht gekommen ist*). 

In der landgräflichen Familie hegte man nach wie vor 
den lebhaften Wunsch, den Thronfolger bald zu einer Ver- 
mählung schreiten zu sehen. Ein Zeugnis hierfür bietet ins- 
besondere der Briefwechsel mit seiner Schwester der Pfalzgräfin 
Elisabeth. Das Verhältnis zwischen den beiden Geschwistern 
war ein sehr inniges, Wilhelm wird zuweilen scherzweise als 
Mutter der Pfalzgräfin bezeichnet, wohl weil er, der 7 Jahre 
ältere, bei der früh Verwaisten Mutterstelle vertreten hatte. 



*) Der Brief ist gedruckt bei Ledderhose Kl. Schriften Bd. 3 
S. 216. Vgl. Ronifriel Bd. VI. S. 455. 

*) Aussage des Wastlin vom 20. März 1564. 

3) Von Rommel Bd. IV. Anm. S. 382. ff, 

*) Zu Anfang 1559 hat Landgraf Philipp mit Wolfgang von Pfalz- 
Zweibrücken über die Verbindung eines seiner Söhne mit Elisabeth ver- 
handelt, doch ohne der Sache weitere Folge zu geben. 



187 

So macht er ihr einmal den scherzhaften Vorwurf, sie habe, 
als sie seinem Kämmerer Bastian von Weitershausen ihr vor 
Kurzem geborenes Töchterchen gezeigt, es nicht der Mühe 
wert gehalten, dasselbe aus dem Schlaf zu wecken, damit 
jener ihm, dem Landgrafen, hätte sagen können, wem es 
ähnlich sähe, sie hätte sich doch denken können, dass er als 
die „Grossmutter" dieses gern wissen wollte^). Elisabeth 
nun schreibt ihm (am 20. Aug. 1561): Er wundere sich, dass 
sie ihn immer zum Heiraten dränge, aber sie habe verhofft, 
es sei vielleicht ganz gestillt mit der „Brecken"^), dass er 
wieder ganz guten Frieden habe. 

Sie errinnert ihn daran, was die heilige Schrifl zum 
Preise des Ehestandes sage, wer ausserhalb desselben lebe, 
verfalle leicht den Ausschweifungen. Sie kenne wohl seine 
Gründe dagegen, aber darüber werde ihm Gott weghelfen^). 
Dagegen spricht Wilhelm in einem Briefe vom 30. Januar 
1562 von einer bestimmten Person, die ihm Elisabeth in 
einem Schreiben vom 11. Januar zur Ehe empfohlen*). In 
einer Nachschrift erkundigte er sich mit einer gewissen Ge- 
flissentlichkeit danach, ob es wahr sei, dass Elisabeths Schwager 
der Pfalzgraf Johann Casimir, sich um die Hand der Renate 
von Lothringen bewerbe. 

Wilhelms jüngerer Bruder Ludwig kam ihm mit dem 
entscheidenden Entschlüsse zuvor. Seine Erkorene war Hedwig, 
die älteste Tochter des Herzogs Christoph, an dessen Hofe 
er diese Jahre hindurch weilte, und der Anna Maria von 
Brandenburg-Anspach. Seinem eigenen Vater hatte er seine 
Absichten vorläufig nur im Allgemeinen mitgeteilt, ohne den 
Namen der Betreffenden zu nennen ^) und hatte anfangs einen 
günstigen Bescheid erhalten. Später war der alte Landgraf 
umgeschlagen, wie Ludwig meinte, durch die Ismaeliten d. h. 

') Rommel Bd. V. S. 465 Änm. 7. 

*) =: Hündin, Femininum von Bracke, hier vulgärer Ausdruck für 
Maitresse. 

3) In den Akten. 

*) Rommel a. a. 0. denkt hier an Sabine von Würtemberg, aber 
jedenfalls mit Unrecht. Keinen von beiden Briefen habe ich in den Akten 
finden können. 

^) Wohl weil Hedwig eigentlich für Wilhelm bestimmt war. 



188 

Margarethe von der Saale und ihre Sippschaft umgestimmt, 
und hatte dem Sohne erklärt, er dürfe frühestens 2 Jahre 
nach dem älteren Bruder heiraten. Ludwig wandte sich in 
dieser Not an eben diesen Bruder, dem zuerst er den Namen 
der Braut nannte^ mit der Bitte um seine Fürsprache, die 
Wilhelm auch bereitwilligst zusagte und mit Erfolg einlegte *). 
Ludwigs Hochzeit fand am 10. Mai 1563, die Heimfährung 
der Braut nach Darmstadt, das ihm als Wohnsitz angewiesen 
war, erst zwei Jahr später statt ^). 

Im Spätherbste 1662 nahmen beide Brüder in Ver- 
tretung ihres Vaters an jenem Fürstentage teil, der sich ge- 
legentlich der Wahl Maximilians H. zum römischen König 
zu Frankfurt versammelte^), unter den Anwesenden befand 
sich auch Renate, die Schwester des Herzogs von Lothringen, 
in die sich Wilhelm heftig verliebte. Ludwig schreibt ihm 
hierüber, es gehe das Gerücht, Wilhelm habe es der Prinzessin 
angethan und der Kurfürst von Sachsen sei deswegen so 
lange in Frankfurt geblieben, um in seinem Interesse die 
Werbung bei den Verwandten zu betreiben*). Wilhelm ver- 
mochte die Wahrheit des Gerüchtes, soweit es seine Person 
anging, nicht zu bestreiten, erklärte aber, der Kurfürst würde 
seiner Familienbeziehungen wegen zum Freiwerber sehr wenig 
geeignet gewesen sein. Kurfürst August war nämlich ver- 
mählt mit Anna, der Tochter Christian III. von Dänemark, 
dieser aber und sein Vater Friedrich waren emporgekommen 
durch die Vertreibung Christians II. des letzten ünionskönigs 
und Christian IL war Renates Grossvater. Nicht durch den 
Kurfürsten, sondern durch den Herzog Christoph habe er an 
die nahen Verwandten der Prinzessin, den Cardinal von 
Lothringen und den Herzog von Guise heranzukommen ge- 
hofft, da sei die Nachricht angelangt, dass Guise erschossen sei^). 



*) Ludwigs Brief an Wilhelm vom 14. April 1562 bei Rommel 
Bd. IV S. 443. 

«) Rommd S. 379 und Akten. 

8) Rommel S. 444. 

*) Ludwig an Wilhelm 5. Dez. 1552. 

*) Wilhelm an Ludwig den 12. Dez. 62. Das Gerücht war diesmal 
den Thatsachen vorangeeilt. Guise wurde erst im Jahre 63 ermordet. 



18Ö 

Bemerkenswert ist, wie Wilhelm hier gar keinen An- 
stoss daran nimmt, dass die Familie seiner Erkorenen fana- 
tisch katholisch war. Auch würde seine Bewerbung, selbst 
wenn er sie energisch betrieben hätte, schwerlich von Erfolg 
gekrönt gewesen sein, da Renatens Mutter schon mit Bäck- 
sicht auf die dänischen Restaurationspläne andere Dinge mit 
ihr vorhatte^). Renate heiratete, nachdem König Erich XIV. 
von Schweden mit ihr dieselbe Komödie aufgeführt wie mit 
der hessischen Christine, den streng katholischen Herzog 
Wilhelm von Baiern. 

Inzwischen brachte die liebende Schwester eine andere 
Partie in Vorschlag. Am Hofe zu Amberg, wo Elisabeth 
und ihr Gemahl Ludwig residierten, erschien ihre Schwägerin 
Anna Elisabeth von der Pfalz, die bei ihrem Schwager, Herzog 
Johann Wilhelm in Weimar verweilt hatte und nun mit den 
Geschwistern die heimatlichen Gefilde aufsuchte. Elisabeth 
stellte ihrem Bruder die junge Fürstin — sie war 1545 ge- 
boren — als eine Person ohne alle Mängel hin, nur habe 
sie leider schlechte Zähne. „Das wirt E. L. nit gefallen, man 
must es E. L. aber bestellen und E. L. eine Frau furmoUen (vor- 
malen?) an allen manghel, E. L. ist wol so ein hupsch beison 
dazu ^)". Bekanntlich war Wilhelm nicht eben durch Leibes- 
schönheit ausgezeichnet. Auf den Vorschlag der Schwester 
scheint er nicht näher eingegangen zu sein, er hat also doch 
wohl schlechte Zähne als einen wesentlichen Mangel betrachtet. 
Anna Elisabeth heiratete später seinen Bruder Philipp. 

Kurz vor Ende des Jahres 1563 schreibt Elisabeth 
ihrem Bruder, sie schenke ihm nichts zum neuen Jahr^ da 
es nicht Sitte sei, dass Kinder ihre „Mutter" beschenkten. 
Doch sende sie ihm einen Neuj ahrs wünsch : Gott möge ihm 
eine frume gotsfurchtige schone Gemahl bescheren, doch 
muste sie nicht so gar hupsch sein, E. L. werden ihnen 
sunsten furchten und möchten ihn die alten Menner müssen 
auf den Dienst merken. Er müsse sie aber zur Hochzeit 



') Vgl. V. Bexold: Johann Casimirs Briefe Bd. I S. 14 Anna. 1. 
Ooetx: Briefe und Akten zur Geschichte des XVI. J. Bd. V No. 317. 
a) Elisabeth an Wilhelm 17. Dez. 1563. 



19Ö 

einladen, was ihr Bruder Ludwig schnöder Weise nicht gethan. 
Aus Rücksicht auf seine schmalen Mittel könne er eine Heirat 
nicht mehr von der Hand weisen, da Cassel nun ausgebaut 
sei ^). Sie meinte das neue Haus auf dem Schlosse zu Cassel, 
das Wilhelm auf eigene Kosten hatte aufführen lassen^). 

Wie empfänglich das Herz des Landgrafen für weibliche 
Schönheit war, darüber belehrt uns eine briefliche Äusserung 
gegen seinen Bruder Ludwig. Ihre Schwester Christine hatte 
nach dem Scheitern der schwedischen Werbung sich mit dem 
Herzog Adolf von Holstein vermählt und Wilhelm ihr nach 
ihrer neuen Heimat das Geleit gegeben. Nach seiner Rück- 
kehr schrieb er an Ludwig ^) und auch an andere Verwandte 
ganz begeistert von dem „holsteinischen Frauenzimmer^' das 
noch weit freundlicher gewesen sei, als das königliche und 
lothringische auf dem frankfurter Wahltag. Ludwig antwortete 
darauf mit einer etwas cynischen Bemerkung*). 

Da Ludwigs eigene Ehe nun schon fast ins dritte Jahr 
kinderlos geblieben war, begann der ältere Bruder auf das 
Drängen seiner Angehörigen hin sich angelegentlicher mit 
Heiratsplänen zu beschäftigen. Aus dem Beginn des Jahres 
1565 liegen uns zwei solche vor. 

Jenem oben^) erwähnten Briefe an Simon Bing aus dem 
Jahr 1561 war ein loses Blatt beigefügt, mittelst dessen 
Wilhelm den getreuen Rat auf eine seiner Meinung nach 
passende Partie hinweist. Der Herzog von Jülich solle fünf 
Töchter haben und nur einen Sohn^). Jede der Töchter 
bekomme 50000 Gulden mit. Die älteste, 13 Jahre alt (in 
Wahrheit 11), solle sehr hübsch sein. Auch sei ja die Mög- 
lichkeit vorhanden, dass der Bruder früh sterbe (was ja in 
Wahrheit auch eingetreten ist) und so die Lande an die 
älteste Tochter und ihren Gatten fielen und „was so erworben 
wird, seht ihr wohl, das bleibt." 



1) Elisabeth an Wilhelm 17. Dez. 1563. 

2) Bommel Bd. IV. S. 426 S. 490 unteo. 

«) A. a. 0. S. 443, 444. Brief vom 11. Juni 1565. 

*) Vgl. Rommel a. a. 0. 

^) Auf S. 183. 

*) Der zweite Sohn Johann Wilhelm wurde erst 1562 geboren. 



191 

Wilhelm hatte es damals dem Simon Bing anheimgestellt, 
ob er seinem Vater von diesem Project Mitteilung machen 
wolle oder nicht und Bing hatte es, wie es scheint, unter- 
lassen, wahrscheinlich doch wohl, weil er vermutete, dass 
Philipp wegen der Religionsverschiedenheit — der Herzog 
von Jülich hielt in jenen Jahren eine mittlere Linie zwischen 
der alten und neuen Lehre inne, bekannte sich aber äusser- 
lich zu der alten — einer solchen Verbindung ^ abgeneigt 
sein werde. Jetzt zu Beginn des Jahres 1565 nahm der 
junge Landgraf hinter dem Rücken seines Vaters die Sache 
von Neuem auf. Sein Mittelsmann war Dr. Aegidius Mommer. 
Dieser, zu Limburg an der Maas geboren, war einer der ersten 
gewesen, die sich an der neuen Universität Marburg den 
Doktorhut geholt, und hatte dort bis 1558 als Rechtslehrer 
gewirkt. In diesem Jahre von Herzog Wilhelm von Jülich 
zu seinem Rat ernannt, war er in dessen Dienst bis 1563 
gewesen ^). Margarethe von der Saale hatte ihn einmal wegen 
der Erbfolgeberechtigung ihrer Kinder befragt, allerdings mit 
negativem Erfolg. Vielleicht war dies mit ein Grund dazu, 
dass Wilhelm den Mann jetzt mit dieser delikaten Aufgabe 
betraute, bei dem Herzoge für ihn zu werben. Aus einem 
wohl absichtlich dunkel gehaltenem Schreiben des Mommer^) 
scheint hervorzugehen, dass er sich der Triftigkeit der Gründe 
aus denen die Sache sowohl dem alten Landgrafen und den 
Seinen als auch den jülichschen Räten verborgen bleiben 
sollte, wohl bewusst war, dagegen den Kaiser als einen 
Förderer derselben betrachtete. Wilhelm hatte ihm, der kurz 
vorher über Cassel nach dem Niederrhein gereist war, seinen 
Secretär Johann Kaufung nach Düsseldorf gesandt, der mit 
ihm im tiefsten Geheimnis zusammenkam. Nachdem Dr. 
Mommer vorsichtiger Weise erst die Abreise des Erzbischofs 
von Cöln und des Grafen von Mors abgewartet, nahm er 
Audienz bei'm Herzog und trug ihm, der den Landgrafen 
auf dem frankfurter Wahltag von 1562 kennen gelernt, 

^) Vgl. den Artikel über ihn von Woldemar Harless in der all- 
gomoiiien deutschen Hiographie. 

*) Vom 17. Januar. S. Beilage. 



192 

dessen Werbung vor, seinen mündlichen Vortrag mit einem 
Memorial seines Auftraggebers unterstützend. Der Herzog 
gab ihm einen abschlägigen Bescheid. Seine Tochter Maria 
Eleonore — sie war 1550 geboren — sei noch zu jung zum 
Heiraten, er gedenke nicht sie vor dem vollendeten 13. Jahre 
zu verloben, vor vollendeten 20. Jahre zu vermählen, damit 
er sehen könne, was für ein Mensch aus ihr würde. Seiner 
Gemahlin Maria — Tochter des Königs Ferdinand, geboren 
1531 verheiratet 1546 — habe die zu frühe Vermählung 
lebenslängliches Siechtum — sie war gerade damals sehr 
leidend — eingetragen, wovor er die ohnedies zarte Tochter 
bewahren wolle ^). Bedenkt man nun, dass eben jene Prin- 
zessin es war, durch welche die Ansprüche auf die Jülichsche 
Erbschaft später an das Haus Hohenzollern kamen, so wird 
man ermessen können, welche Aussichten dem Hause Hessen 
durch den abschlägigen Bescheid des Herzogs zerstört wurden, 
Aussichten, die Wilhelm, wie wir gesehen, richtig zu würdigen 
verstand. 

Ungefähr zu derselben Zeit beschäftigte den Landgrafen 
vielleicht noch ein anderes Eheprojekt. Unter seinen Papieren 
befindet sich ein Memorial^), in welchem es für angemessen 
erklärt wird, etwa durch Vermittelung der dem hessischen 
Hause verwandten Gräfin von Teklenburg über die lehns- 
rechtlichen und vormundschafllichen Verhältnisse des gräf- 
lichen Hauses Rietberg Erkundigungen einziehen zu lassen. 
Der letzte männliche Spross dieses Hauses, Graf Johann, 
war im Jahre 1562 verstorben und hatte seine Witwe Agnes, 
eine geborene Gräfin von Bentheim-Steinfurt mit 2 Töchtern, 
Ermgard und Walburg, zurückgelassen. Da Rietberg hessisches 
Lehn war, das durch den Tod des letzten männlichen Inhabers 
an den Lehnsherrn zurückfiel — für den Augenblick war die 

^) Bericht Mominers vom 24. Januar und ein undatierter des 
Secretärs. Bommel lag nur der letztere vor, in dem der Name des 
Herzogs nicht enthalten war. Bommel riet nun (Bd. IV S. 445) merk- 
würdiger Weise auf den Herzog Christoph von Würtemberg, obwohl auf 
dessen Familienverhältnisse der Inhalt des Berichtes gar nicht zutraf 
und nahm infolge dessen an, Wilhelm habe seinem eigenen Bruder Ludwig 
die Braut wegschnappen wollen. 

«) Vom 23. Januar 1565. 



193 

Grafschaft freilich von den Executionstruppen des west- 
fälischen Kreises besetzt V), — so hatte der alte Landgraf schon 
im Jahre 1563 der Gräfin Witwe nahe legen lassen, falls sie 
ihre älteste Tochter einem seiner Söhne 2), vermählte und das 
junge Paar mit einigen ihrer friesischen Besitzungen ausstatte, 
wolle er dasselbe mit der Grafschaft Rietberg belehnen^). 
Es waren nämlich durch Heirat die friesischen Herrschaften 
Wittmund, Esens und Stedersdorf an das gräfliche Haus ge- 
kommen, Herrschaften, welche von dem Herzoge von Geldern 
d. h. jetzt von dem Könige von Spanien zu Lehne gingen. 
Ob dieser geneigt sein werde, dem Hause Hessen die Be- 
lehnung zu erteilen, war freilich die Frage. Zweifelhaft ist, 
ob Wilhelm diese Partie für sich oder schon jetzt wie ein 
Jahr später ^j für seinen Bruder Philipp ins Auge gefasst 
hat. Jedenfalls scheinen die Rietbergischen Herrschaften, 
die schon früher den Grafen Ludwig von Nassau einen un- 
zweideutigen Korb erteilt^) keine Lust gehabt zu haben, sich 
auf die Sache, die auch gar nicht offiziell an sie herange- 
bracht worden zu sein scheint, einzulassen und hessischer 
Seits hat man darauf nicht bestanden. Denn auch ohne 
dass eine derartige Familienverbindung vorausgegangen wäre, 
wurden die jungen Gräfinnen am 28. Mai 1665 mit der Graf- 
schaft Rietberg belehnt. 

Bald darauf gelangte Wilhelm nach langem vergeblichen 
Umhertasten endlich dazu, eine Lebensgefährtin zu finden. 
Im Juli 1565 weilte er, wie es scheint, im Interesse seiner 
Schwester Barbara, in Würtemberg ^). Den ursprünglich auf 
länger berechneten Aufenthalt in Stuttgart musste er auf 



1) Vgl. Bommel Bd. IV S. 366 ff. 

2) Nach Bommel Bd. V. S. 332 wollte er sie erst einem der 
„Tsmaeiiten*^ dann dem L. Philipp dem J. geben. 

^) L. Philipp an Roishausen u. Bing den 22. Januar 1563. 

*j Vgl. Bommel Bd. V. 812 Anm. 309. 

6) Prinsierer a. a. 0. T. I, 1 8. 145, 173, 366. Blök: Correspondentie 
van un betreffende Lodewijk van Nassau S. 22 ff. Hier heisst es auf 
S. 24: Von den beiden hessischen Werbungen hat er (der Kurfürst von 
Cöln) sich vernehmen lassen, dass bis dahin (Oct. 1564) ahn die Mutter 
nichts ornstlichs und weitter nicht als flunkreden gelangt sein sollte. 

^) Barbara an L. Philipp den 20. Juni 65. 

N. F. Bd. XXIII. 13 



194 

Befehl seines Vaters abkürzen^), aber er wollte das Land 
nicht verlassen^), ohne beim I^Herzog um die Hand seiner 
dritten Tochter Sabine angehalten zu haben. Der Herzog, 
bei dem Wilhelm die Werbung vorbringen Hess, bat sich Zeit 
zur Überlegung aus, indem er durch seinen Secretär Franz 
Kurz in ziemlich umständlicher Weise seine Bedenken dar- 
legen Hess. Einmal habe er seinem seligen Vater versprechen 
müssen, keines seiner Kinder zu einer Heirat zu zwingen, 
es komme also darauf an, Sabinens Willensmeinung zu er- 
kunden. Dann erschien es ihm bedenklich, diese zu ver- 
mählen, solange ihre ältere Schwester (Elisabeth, die spätere 
Gräfin von Henneberg) noch keinen Mann gefunden. End- 
lich sei es ihm misslich, wenn zwei Brüder zwei Schwestern 
zur Ehe hätten, besonders, wenn, wie in diesem Fall, die 
ältere dem jüngeren, die jüngere dem älteren vermählt wäre, 
dies gebe nur Anlass zu Streit und Widerwillen. Doch nahm 
er es nicht übel auf, dass Wilhelm mit Sabine von der Sache 
schon geredet und forderte ihn auf, durch Hans von Berlepsch 
seine Werbung zu wiederholen^). Dieser trug dann noch 
einmal ausführlich die Gründe vor, die seinen Auftraggeber 
zu seiner Bitte veranlasst, den Wunsch des Vaters zum Hause 
Würtemberg in verwandtschaftliche Beziehungen zu treten, 
die Hochachtung, die Wilhelm vor dem Herzog und den 
Seinen hege, endlich die unvergleichlichen Eigenschaften von 
Fräulein Sabine*) und er konnte dem Landgrafen nach Darm- 
stadt hin, wo sich dieser bei seinem Bruder Ludwig aufhielt, 
die Zusage des Herzogs mitteilen, falls sein Vater in den ge- 
wohnten Formen die Werbung vorbrächte^). 

In einem Briefe an seine Schwägerin Hedwig am Schlüsse 
des Jahres®) erwähnt Wilhelm, dass sie es gewesen, die ihm 
auf dem neuen Schlosse (wohl zu Darmstadt ?) die Nachricht 



') 'Wilhelm an Ludwig den 7. Juli 66. 

*) Er war nachher bei Barbara in Reichenweier. 

*) Bericht des Franz Kurz. Tübingen den 10. Juli* 

*) Instruction für Hans von Berlepsch den 16. Juli. 

*) Bericht des Berlepsch vom 23. Juli. 

») Vom 28. Dez. 



195 

von dem günstigen Fortgang seiner Werbung gebracht ^), 
wofür er ihr ein Botenbrot versprochen habe. Dieses in Ge- 
stalt eines kunstvoll bearbeiteten Bisamknopfes übersendet er 
jetzt. Er habe es schon im September in Bestellung gegeben 
und es habe gleich nach Michaelis vollendet sein sollen, doch 
habe der kunstreiche Meister in Nürnberg es erst am Ende 
des Jahres liefern können und auch dann nicht ganz so, wie 
er, der Landgraf, es bestellt. 

Indess noch ehe die feierliche Gesandtschaft des alten 
Landgrafen nach Stuttgart abging, schien ein ärgerlicher 
Zwischenfall die erfreulichen Aussichten auf die Zukunft zu 
trüben. Ein würtembergischer Hofmeister, Christian von 
Kutzleben, hatte der Heimführung der Prinzessin Hedwig 
nach Darmstadt beigewohnt und war nach Stuttgart zurück- 
gekehrt voll von den thörichtesten Gerüchten über den neuen 
Bräutigam, die er mit Behagen vor dem „adeligen Frauen- 
zimmer" und der fürstlichen Braut auskramte. Der Land- 
graf ziere sich so seltsam und so närrisch, er sei alt und 
wolle sie nur zwingen, ihn zu nehmen, es müsse etwas da- 
hinter sein. In Cassel sei er alle Tage voll Weines und laufe 
mit blossem Kopf gegen den Wind, zwei Kolben in den 
Händen, mit denen er um sich schlage. ^) Ganz wirkungslos 
scheinen diese Reden selbst an der Braut nicht vorüber- 
gegangen zu sein, wenigstens sah sich Hedwig gen öthigt, den 
Schwager gegen Mutter und Schwester energisch in Schutz 
zu nehmen. Die erstere, von ihr daran erinnert, wie sie 
selber den Töchtern immer eingeschärft, dass eine Frau die 
Fehler ihres Mannes übersehen und ihm nachgeben müsse, 
erklärte diesen Grundsatz auch jetzt noch aufrecht zu er- 
halten und sprach ihre Freude darüber aus, dass Sabine trotz 
jener thörichten Reden an ihrem Entschluss festhalte. ^) Sabine 



^) Wohl auf einen Brief der Mutter hin, von dem uns ein un- 
datierter Auszug erhalten folgenden Inhalts: „Liebe Hedwig, weiss uns 
alle ziemlich gesund und lass dich wissen, dass es mit der Sabine ge* 
willigt ist. 

*-*) Undatierter Brief der alten Herzogin an Bedwig. 

3) Ebd. 

13* 



196 

aber schrieb der Schwester^), sie wolle witziger werden 
und sich nicht mehr an böse Mäuler kehren. Wilhelm selber 
scheint von jenem Zwischenfall erst später erfahren zu haben, 
wenigstens ist ein Entschuldigungsschreiben des Herrn von 
Kutzleben an ihn erst vom 30. Januar 1566 datirt. ^) Dieser 
gesteht darin zu, den Landgrafen in Gegenwart der Prinzessin 
und ihrer Hofdamen als einen wunderbarlichen Herrn, einen 
Sterngucker und er wisse nicht was bezeichnet zu haben, 
doch sei dies nur im Scherze geschehen und nicht etwa, um 
die Heirath zu vereiteln. Auf die Wahrheit dieser Aussage 
habe er das Abendmahl genommen, wofür er den Hofprediger 
Magister Balthasar Bichbach als Zeugen aufführt. 

So begegneten die Gesandten des alten Landgrafen, 
Burkhard von Cram, Bastian von Weitershausen und Heinrich 
Lersener in der Hauptsache freundlichstem Entgegenkommen. 
Die Verhandlungen, die sie zu führen hatten, drehten sich 
hauptsächlich um Mitgift, Morgengabe und Witthum sowie 
um Zeit und Ort der Hochzeit. Da Herzog Christoph die- 
selbe weder auf alleinige Kosten in Stuttgart noch, wie die 
Gesandten darauf vorschlugen, auf gemeinsame in Frankfurt 
halten wollte, so blieb nur eine Stadt in Hessen übrig. In 
Cassel wollte sie der Landgraf nicht haben aus dem osten- 
siblen Grunde, weil die Pest im Lande sei, die unter diesen 
umständen leicht in die Hauptstadt eingeschleppt werden 
könnte, in Wahrheit aber, weil er fürchtete, dass wenn der 
Herzog und seine Begleitung das ganze Land von Giessen 
nach Cassel durchzögen, dieses zu sehr mitgenommen werden 
möchte. So blieb nur Marburg übrig, was bei der Enge des 
Schlosses und .der Stadt und dem Mangel an geeigneten 
Stallungen eine Beschränkung der Zahl der Einzuladenden 
zur Folge hatte. Als Zeitpunkt der Hochzeit kam für den 
Landgrafen nur der 10. Februar oder 10. Juli in Betracht, da 
in der Zwischenzeit aus Mangel an Wildpret und Heu für die 
Verpflegung der Gäste nicht ordentlich gesorgt werden könne. ^) 



*) Am 4. August. 
*) Bei den Acten. 
^) Philipp an die Abgesandten den 29. August. 



197 

Vorerst schien es, als werde von jenen beiden Terminen 
der spätere gewählt werden müssen, da der Gesundheits- 
zustand des Bräutigams sehr wenig befriedigend war. Wilhelm 
litt seit einiger Zeit am Quartanfieber, das ihn gerade in den 
Tagen, als die feierliche Werbung stattfand, wieder heimsucht. 
Er selber fürchtete, wenn die Anfälle bis zum Beginn des 
Winters nicht nachliessen, würde wohl eine Verschiebung der 
Hochzeit bis zum Sommer nothwendig werden. ^) Allein das 
Fieber blieb in der That aus, nachdem es ihn 12 Wochen 
lang geplagt. Er berichtet hierüber seinem Schwiegervater 
in folgender Weise: „Was meine quartane betrifft, die hat 
mich nunmehr Gott lob dreizehnmal verlassen, hoffe der- 
halben, die Strafe werde nunmehr über sein, denn sich alle 
Dinge sonsten gar wol mit mir schicken. Es hat mich aber 
die verfluchte Plage dermassen von Leib und Farbe gebracht, 
dass ich einem, den man begraben will, ehnlicher sehe als 
einem, der Hochzeit haben will. Darumb habe ich gar 
weisslich gethan, dass ich zuvor gefreyet habe. Dann zu 
besorgen stünde, dass mich jetzo kein schönes Fräulein bald 
nemen würde, wann sie meine Gestalt sehe, doch hoffe ich, 
der Farbe soll mir mit der Zeit wieder werden und fürchte 
mich des Leibs halber, dass mir dessen mehr wieder werde, 
als ich begere. ^) 

Seiner Schwiegermutter hatte Wilhelm geschrieben, das 
Fieber habe ihm diesmal den Wolfszahn gezeigt („getzeugt"). 
Die Herzogin verstand dies fälschlicher Weise dahin, als 
habe er sagen wollen, es habe ihm den Wolfszahn ausgezogen 
(„getzugt") und schrieb ihm darauf die folgenden Neckereien : 
„Dass E. L. hoffen, dass es E. L. den Wolfs Zan gezucht 
hab, so hab ichs aber nit orthentlich versten kunnen, wie's 
an Auslechung hab, aber in dieser Land Ard hat man an 
schon Sprichword, das man sacht, es ist kan Man, der hat 
an Wolfs Zan, hat er anderes das Maul nit foll, und wo es 
E. L. so reden, so wer es gut, dass es sie alle zucht hat 



1) Wilhelm an Philipp den 11. September. 
«) Wilhelm an Christoph den 23. Deoember. 



198 

und E. L. gute an die Stad weren gewachsen, hof aber, es 
solten nie kanne gehabt haben*^ ^) Wilhelm klärte die Her- 
zogin alsbald über ihre irrthümliche Auslegung jenes Aus- 
druckes auf; er habe damit nur sagen wollen, dass ihm das 
Fieber „einen untreuen Bossen gerissen" habe. „Dass aber 
die Weiber in E. L. Landart ire Menner der Wolfszahn 
halber in der bösen Verdacht halten, darvon appellire ich 
bis auf vorstehendem Reichstag cum omnibus sollemnitatibus. ^ 

Charakteristisch für den Verkehr zwischen Bräutigam 
und Braut ist ein Schreiben der letzteren^), in dem sich 
diese gegen den Vorwurf verwahrt, als könne sie ihr Gesinde 
nicht meistern. Ihre zwei Jungfrauen und die Magd habe 
sie gut in Zucht, nur eine „die Regin*' habe ihr gesagt, sie 
(Sabine) sei ja noch so jung, wie wolle sie schon so streng 
sein? und offen erklärt, sie könne den Leuten nicht ver- 
zeihen, die sie um ein Ding gestraft, wenn sie Unrecht 
gethan. Sie, die Sabine, habe aber auch nicht geruht, als 
bis die Person aus dem Hause gewesen sei. Sie nennt 
ihren Verlobten immer „Vetter und Bruder", wie er sie 
„Muhme und Schwester". 

Noch kurz nach der Vermählung wird von den in ihr 
Land zurückreisenden Schwiegereltern eine Frage berührt, 
auf deren Regelung nach ihrem Sinne sie bestanden, das 
künftige Verhältniss des jungen Paares zu Margarethe von 
der Saale und ihren Kindern. Schon ehe sie ihm das 
Jawort gab, hatte Sabine daran Anstoss genommen. Die 
Eltern drangen nun darauf, dass ihrer Tochter jede Berührung 
mit dieser Gesellschaft erspart bleibe. Die Herzogin fürchtete 
nicht nur, dass diese dadurch in schlechten Ruf kommen 
könne, sondern sogar, dass Margarethe ihr etwas ein- 
geben könne, was sie unfruchtbar machen und vielleicht 
selbst ihr Leben gefährden möchte. Wilhelm gab in dieser 
Hinsicht die beruhigendsten Zusicherungen. *) 



^) Dio Herzogin an Wilhelm den 3. Deo. 
') Wilhelm an die Herzogin den 17. Dec. 
8) Vom 15. Januar 1566. 

*) Die Herzogin an Wilhelm den 18. Febr. 66. Wilhelm an die 
Herzogin den 19. Febr. 



199 

Wohl hauptsächlich aus diesem Grunde sträubte er sich 
gegen das Verlangen des Vaters, das junge Paar möge bei 
ihm im Hause bleiben. Offiziell führte er freilich andere 
Gründe an. Er fürchtete, dass die Ruhe und Bequemlichkeit 
durch den jugendlichen Haushalt gestört werde und zwischen 
dem beiderseitigen Gesinde Zwietracht entstünde. Er führte 
verschiedene Fürstensöhne aus anderen Häusern an, bei denen 
sich gleichfalls die Nothwendigkeit eines abgesonderten Haus- 
haltes herausgestellt habe, „üeberdiess sehe ich", fährt er 
fort, „wie mirs albereit pflegt zu ergehen, nemblich dass 
alles das ienige, so verschwendet und versoffen wird, man 
gemainiglich mir und mainem Gesinde pflegt zuzurechnen 
und uns zu imputiren, als ob wir die einzige ürsach weren, 
dass keine Ordenunge in diesem und ienem am Hoffe konte 
gehalten werden, wie viel mehr wurde dan solche über mich 
gehen, wan ich mein Gemahl auch am Hoffe hette. Dan, 
wan, frembde Frauwen von Adel oder andere zugeschwaigen, 
vilaicht ire Frau Mutter selbst oder ire Gefreundte etzliche 
uns besuchen wurden, so wurde iederman schraien, wir weren 
die, so unserm Hern Vater ein ünrhu und einen Unkosten 
über den andern mechte." 

Charakteristisch für die strenge Zucht, unter der Land- 
graf Philipp die Seinigen hielt, ist der folgende Passus: 
„Dass ich dan auch main Gemahel so hart solt einzien und 
einsperren lassen, alsetwan meine Schwestern gehalten seind 
worden, solchs ist sie bei iren Eltern nit gewonet". ^) 

In der That hat Wilhelm in den ersten Monaten nach 
seiner Vermählung in Marburg residiert, doch finden wir ihn 
zu Ende des Jahres wieder in Cassel, wozu ihn wohl die 
Rücksicht auf den leidenden Zustand des Vaters bestimmte. 

Am 10. Februar 1566 fand zu Marburg die Vermählung 
statt. Sie leitete einen Ehebund ein, in dem beide Theile 
Befriedigung und Glück fanden. Als er nach 15 Jahren am 
17. August 1581 durch Sabinens Tod gelöst wurde, war die 
Trauer des Zurückbleibenden tief und dauernd. Trotzdem 



1) Actenstück überschrieben: Motive und Ursachen u. s. w. 



200 

trat man schon nach einem halben Jahre mit Vorschlägen zu 
einem neuen Ehebündnisse an ihn heran. Diese gingen aus 
von Kurfürst August von Sachsen und die Ausersehene war 
Maria, die zweite Tochter des Herzogs Julius von Braun- 
schweig (geb. 1566). August beauftragte im Februar 1582 
Hans von Berlepsch nach Cassel zu reisen, um den Land- 
grafen in diesem Sinne zu bearbeiten. Berlepsch hatte gegen 
diese Mission die lebhaftesten Bedenken, da der Schmerz des 
Verwittweten noch zu frisch sei. ^) Wie begründet diese Be- 
fürchtungen gewesen, zeigte die Aufnahme, die seine Werbung 
fand. ^) Sie erregte des Landgrafen ünmuth, ihm trat das 
Wasser in die Augen, er konnte lange nicht reden. Endlich 
fragte er den Abgesandten, ob er meine, dass er seines 
„lieben Beynichen" so bald vergessen könne und solle. Er 
Hess den guten Absichten des Kurfürsten alle Gerechtigkeit 
widerfahren, aber man könne ihm diese Heirath, die ihm 
auch von anderer Seite angetragen sei, nicht zumuthen. Er 
habe die betreffende Person, seit sie erwachsen, nie gesehen 
und wisse nicht, wie sie nicht allein von Leib, sondern auch 
von Sinn, Gemüt, Sitten und Geberden beschaffen sei, auch 
ob sie dermassen, wie es seine verstorbene fromme Gemahlin 
gethan, verstehen würde, sich in seinen wunderlichen Kopf 
und Weise zu richten und mit Wartung und allem zu schicken. 
Da seine Gemahlin ihm einen Sohn und 4 Töchter hinter- 
lassen, so habe er an Erben keinen Mangel. Da er bald 
über 50 hinaus und schon mit mancherlei Beschwerden des 
Alters behaftet sei, so sei einer jungen Fürstin die Heirat 
mit ihm nicht zuzumuten. Eine Verbindung seines Hauses 
mit dem braunschweigischen sei ihm erwünscht und angenehm, 
aber nur in der Weise, dass seine älteste Tochter Anna 
Maria dem ältesten braunschweigischen Prinzen , Heinrich 
Julius, vermählt werde, wie man schon früher vorgehabt. 
Bei diesem abschlägigen Bescheide beharrte Wilhelm trotz 
verschiedener Versuche des Kurfürsten, ihn umzustimmen. 



^) August an Hans von Berlepsch den 7. Februar 1582. 

•) Berlepsch an August den 15. Februar. 

') Berlepsch an August den 5. März, Vgl. diese Zeitschrift Bd. V 85. 



201 

Seine Schwägerin Hedwig regte bei der braun- 
schweigischen Herzogin die von Wilhelm erwähnte, schon 
zu Sabinens Lebzeiten geplant gewesene Verbindung der 
beiderseitigen Kinder wieder an, erhielt aber nur eine aus- 
weichende Antwort ^). Dagegen versuchte die Kurfürstin Anna 
von Sachsen durch Wilhelms andere Schwägerin, Elisabeth 
von Henneberg, im Sinne des sächsischen Vorschlags auf ihn 
einzuwirken, aber auch diese hatte keinen besseren Erfolg^. 
Inzwischen war es dem Landgrafen lange klar geworden, 
dass der Kurfürst und seine Gemahlin mit ihrem Eheprojecte 
ziemlich eigennützige Absichten verfolgten. Dem ältesten 
braunschweigischen Prinzen w^ollten sie nämlich ihre eigene 
Tochter Dorothea vermählen^), und für die ihm auf diese 
Weise entgehende Verbindung mit dem Hause Braunschweig 
sollte Wilhelm auf die angegebene Art entschädigt werden. 
Damit schlugen sie aber zwei Fliegen mit einer Klappe, 
insofern als, wenn die braunschweigische Prinzessin durch 
die Vermählung mit Wilhelm aus dem Hause kam, die 
Stellung ihrer eigenen Tochter in demselben dadurch eine 
bessere werden musste*). 

Die braunschweigischen Herrschaften wussten sich über 
Wilhelms abschlägigen Bescheid bald zu trösten, indem sie 
ihre Tochter noch im Laufe desselben Jahres mit dem Herzog 
Franz von Sachsen-Lauenburg vermählten ^). Dass ein solcher 
Plan bestehe, hatte der Landgraf schon früher erfahren^). 
Da die Verhandlungen noch nicht definitiv abgebrochen ge- 
wesen waren, man vielmehr eine Zusammenkunft in Aus- 
sicht genommen hatte, so bezeichnete der Landgraf seinen 
Schwägerinnen gegenüber dieses Verfahren scherzend als 



*) Hedwig an die Herzogin von Braunschweig den 26. Juni. 
Hedwig an Wilhelm den 10. Juli. 

■^) Die Kurfürstin an Elisabeth den 4. August und 15. September. 
Elisabeth an die Kurfürstin (undatirt). Einen Brief Wilhelms an Elisabeth 
erwähnt Rommel, Bd. V, S. 819, Aum. 317. 

3) Die Vermählung kam erst am 26. September 1585 zu Stande. 

*) Wilhelm an Berlepsch den 22. April 1582. 

^) Am 10. November 82. 

^) Durch ein von einem Ungenannten übersandtes Schreiben des 
Gabriel von Douop (Acten). 



I 

! 202 

einen Korb „durch den er gefallen sei". Diese erwiderten, 
es sei doch die Frage, wer von beiden Teilen den andern 
durch den Korb geworfen habe. Er werde hoffentlich nicht 
so sehr bekümmert sein, dass sie gleich kommen müssten, ihn 
zu trösten ^). 

Diesen und andern^) Verlockungen gegenüber hat so 
Wilhelm seinem „Beinchen" bis zu seinem 10 Jahre später 
erfolgenden Tode die Treue gewahrt. Er unterscheidet sich 
dadurch vorteilhaft von manchem seiner Zeitgenossen, ins 
besondere von dem ihm ungefähr gleichalterigen Kurfürsten 
August von Sachsen. Dieser führte ein halbes Jahr nach 
dem Tode seiner „Mutter Anna", mit der er fast 4 Jahre 
lang in glücklichster Ehe gelebt, ein 13 jähriges Fräulein von 
Anhalt heim, um freilich schon einen Monat darnach das 
Zeitliche zu segnen. 



Beilage. 



Dr. Aegidius Mommer an (Landgraf Wilhelm). 

Düsseldorf 1565, Januar 17. 
Illustrissime atque clementissime Princeps. Que V. C. 
mihi in mandatis per Secretarium ß. Cassellis reliquit, 
accurate et diligenter summaque cum observantia atque 
reverentia accepi. Nee interea unquam huius rei immemor 
fui dedique omnem operam, ut oportuna aliquando huiusce 
rei se offerret occasio : hec mihi hactenus aperta non adfuit, 
operta mihi vero subinde contigit. Non dubito Jovem nestrum 
nonnihil sensisse, quid rerum agatur. Ex semidiis rem cum 
multis communicare non usque adeo certis de causis con- 



*) Hedwig und Elisabeth an Wilhelm den 21. September 1582. 

*) Bommel^ Bd. V, S. 319, Anm. 317 berichtet, dass ihm 1583 eine 
schöne Witwe von der italienischen Grenze mit 12000 Thalern jährlichen 
Einkommens angetragen worden sei. 



203 

sultum videtur. Maior nulla unquam inter Proceres Imperii 
sententia est, quam que a Cesare ipso pronunciatur eiusque 
celerrima solet esse executio maxime apud eos, qui illius 
Maiestati atque auctoritati nihil unquam denegabunt. Frustra 
dii minornm gentium sollicitantur, presertim ubi in consiliis 
de Numinis observantia atque cultura di versa animis sedet 
sententia, sed vincet omnia Cesar. Optarim Cassellis, cum 
eo loci praeterirem, V. C. conveniendi facultatem milii fuisse, 
sed cum id huius temporis commode fieri non potuerit, 
quicquid huiusce rei est, in aliud tempus differendum erit. 
Si quid in V. C. negotio unquam possem, is semper ero, qui 
hactenus fui V. C. obsequentissimus famulus atque minister, 
obnixe et supplex rogans ut V. C, que revera inter omnes 
illustrissimas Imperii Romani Proceres doctissima, inter omnes 
doctos illustrissima est, hoc mihi qualecumque atque audax 
scriptum eo, quo hactenus, id est benigne atque clementi 
vultu accipiat. 

Datum Dusseldorpii XVII. Januarii Anno 1565. 




IV. 

Hans Christoph Fachs der Ältere zu Wallen- 

bnrg nnd Arnschwang^ ein humanistischer 

Ritter des 16. Jahrhunderts. 

Von 
Dr. Otto Gerland, Senator in Hildesheim. 

„Fuchs, Hans Christoph der Ältere war Erbherr auf 
Wallenburg und Arnschwang in Franken (»Eques Francus 
P. m.«) — Dies ist alles, was bis jetzt auch trotz der sorg- 
fältigsten und mühevollsten Forschungen über ihn bekannt 
geworden ist*^ So sagt über ihn J. Fran ck in der allgemeinen 
deutschen Biographie^), und auch Kurtz sagt in seiner 
Litteraturgeschichte ^), es sei über Fuchs nicht das mindeste 
bekannt. Auch Goe decke ^) weiss von ihm nichts zu 
sagen, als dass J. C. Fuchs der Verfasser des Mückenkriegs 
sei und dass Johann Christoph Fuchs die Psalmen Davids 
paraphrasiert habe und Mitarbeiter am Votum Posthimelissaeum 
gewesen sei, ohne zu wissen, dass diese verschiedenen Ver- 
fasser ein und dieselbe Person seien. Wir wissen aber doch 
mehr von diesem Manne, und was ich über ihn nach lang- 
jährigen Studien habe zusammenbringen können, soll im 
nachfolgenden erzählt werden. 

Als Quellen dienen mir hierbei neben den weiter 
unten angeführt werdenden Ausgaben von Fuchsens Werken 

1. Mitteilungen des Königlichen Allgemeinen Reichs- 
archivs zu München vom 24. Oktober 1895 zu 
E. N. 1709. 



») AUg. Deutsche Biographie, Bd. VIII, S. 163. 

*) Geschichte der Deutschen Liiteratur, Bd. II, 8. 103. 

3) Grandriss, S. 510, 107, 590, 105. 



205 

2. Akten des Königlichen Staatsarchivs zu Marburg und 

3. Mitteilungen des Königlich Bayerischen Regierungs- 
rats Ludwig Fuchs v. Bimbach, bzw. des Königlichen 
Kreisarchivars Dr. SchefFler zu Würzburg aus den 
genealogischen Sammlungen des würzburgischen 
Lehenpropstes Fabritius aus dem 17. Jahrhundert. 

An Litteratur habe ich benutzt: 

1. Allgemeine De u tsche Biogra p hie, Bd. VIII, 
Bd. XXVIII. 

2. CoUegii Posthimelissaei votum. Hoc est, ebrielatis 
detestatio, atque potationis saltationisque eiuratio. 
Francofurti ad Moenum 1573. 

3. Gaspary: Geschichte der Italienischen Literatur, 
IL Bd., Berlin 1888. 

4. Gau he: Des heiligen römischen Reichs Genealogisch- 
Historisches Adels-Lexikon, Leipzig 1740. 

5. Geisthirt: Historia Schmalcaldica. Schmalkalden 
und Leipzig 1881 fif. 

6. G e n t h e : J. C. Fuchses heroisch-komisches Gedicht 
der Mückenkrieg. Eisleben 1833. 

7. Goedecke: Grundriss zur Geschichte der deutschen 
Dichtung, II. Auflage, Bd. II, Dresden 1886. 

8. Hafner: Die Herrschaft Schmalkalden, Bd. II, 
(Schmalkalden 1810), Bd. UI (Meiningen 1820). 

9. J ö r d e n s : Lexikon Deutscher Dichter und Prosaiker, 
Bd. VI, Leipzig 1817. 

10. Könnecke: Hessisches Buchdruckerbuch. Marburg 
in Hessen 1894. 

11. Kurtz: Geschichte der deutschen National-Litteratur, 
Bd. II, Leipzig 1856. 

12. V. Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. IV, Kassel 
1830; Bd. VI, Kassel 1837. 

13. Schultes: Diplomatische Geschichte des Gräflichen 
Hauses Henneberg, Bd. II, Hildburghausen 1791. 

14. Wagner: Geschichte der Stadt und Herrschaft 
Schmalkalden. Marburg und Leipzig 1849. 

15. Zedier: Grosses Universal-Lexikon aller Wissen- 
schaften und Künste, Bd. 57. Leipzig 1748. 



ä06 

Ausser dem Herrn Regierungsrat Ludwig Fuchs von 
Bimbach verdankeich auch Herrn Professor Dr. Schröder 
zu Marburg wesentliche Förderung bei dieser Arbeit und 
verfehle deshalb nicht, den genannten Herren hier meinen 
verbindlichsten Dank abzustatten. 



i) Einleitung. Geschichte der Familie Fuchs. 

In der Herrschaft (dem jetzigen Kreis) Schmalkalden 
etwa dreiviertel Meilen nördlich der gleichnamigen Stadt 
liegen auf dem sich steil über dem Thal der Truse er- 
hebenden Höhnberg die Trümmer der Wallenburg, deren 
mit einem steinernen Helm gekrönter Bergfried weithinaus 
in das Werrathal grüsst, während von den übrigen Gebäuden 
nur noch die unter dem Schutt der zusammen gebrochenen 
Wände begrabenen Überreste vorhanden sind. Auf einer in 
den Sammlungen des Vereins für Hennebergische Geschichte 
und Landeskunde zu Schmalkalden aufbewahrten, in Ol ge- 
malten grossen Wandkarte der Herrschaft Schmalkalden von 
1676 ist die Burg noch als erhalten dargestellt; man sieht 
dort ausser dem Bergfried noch den Palas mit hohen Giebel- 
wänden und einem mit hohem spitzigen Ziegeldach versehenen 
runden Treppenturm, dessen Trümmer jetzt wie ein Brunnen- 
schacht erscheinen. Einige wenige auf dem Burgberg ge- 
fundene Gegenstände, wie eine kursächsische Silbermünze 
von 1492, ein Stück von einer grün glasierten Ofenkachel, 
ein halbes Pferdegebiss, ein Nagel von einem Thorbeschlag 
und ein Gerät zur Prüfung des Metallgehalts der Erze — 
eine sogenannte Kapelle — sind das einzige, was von dem 
Innern der Burg gerettet worden ist. Zu der Burg gehörte ^) 
ein nicht unbedeutender Besitz von Waldungen mit guten 
Jagdgründen, ein Vorwerk, der (Au-) Wallenburger Hof, das 
Dorf Aue unter Wallenburg, davon Auwallenburg genannt 
(ein Name, der allmählich auf das Schloss übertragen worden 
ist), Bergwerke — lag doch das Schloss zwischen den reichen 

') Schuttes Bd. II Urkundenbuch S. 337. 



^01 

Erzlagern des Stahlbergs und der Mommel — Schleif- und 
Hammerwerke, Schneid- und Mahlmühlen, eine Schankstatt 
und die Gerichtsbarkeit über die ganze Besitzung. Durch 
verschiedene Hände gegangen, gelangte das Schloss mit seinem 
Zubehör 1522 an einen Zweig der Dornheimer Linie des noch 
jetzt in ünterfranken blühenden Geschlechtes der Fuchs 
von Bimbach und Dornheim, der wie das ganze Ge- 
schlecht in Gold einen springenden schwarzen Fuchs und auf 
dem Helm den Fuchs auf niederer Stulpmütze sitzend führte ^). 

Wie diese Linie der Fuchs nach der im allgemeinen in 
hessischem und hennebergischem Gesamtbesitz stehenden Herr- 
schaft Schmalkalden kam, ist nicht festzustellen, eine Ver- 
mutung darüber wird uns noch weiter unten beschäftigen. 
Wir wissen nur, dass Graf Wilhelm IV. von Henneberg 
das ihm allein zustehende Schloss Wallenburg nebst Zubehör 
am 6. April 1522 dem Ritter Christoph Fuchs, Amt- 
mann zu Bamberg und „lieben Getreuen" des Bischofs Georg 
zu Bamberg, zu Lehn gab, wobei er sich nur die Jagd auf 
Rotwild und die Bergwerke auf Gold-, Silber- und Kupfer- 
erze, erstere beiden jedoch nur, sofern Gold und Silber den 
Wert des Kupfers überwiegen sollten, vorbehielt, alle übrigen 
Bergwerke aber, Berggericht und Bergordnung und alle übrige 
Jagd, namentlich auf Bären, Sauen, Rehe und Hasen auf 
Christoph Fuchs und dessen Bruder Thomas Fuchs, 
Amtmann zu Schneeberg übertrugt); am gleichen Tag wurde 
zwischen den Parteien ein Vertrag über den Blutbann ab- 
geschlossen^). Thomas Fuchs dürfte auf den Familen- 
gütern in der Oberpfalz zurückgeblieben sein, da wir den 
Wallenburger Zweig stets in Mitbesitz dieser Güter finden. 
Der Umfang der mit der Wallenburg verbundenen Gerichts- 
barkeit mag zeitweise streitig gewesen sein, und es sind wohl 
die als Anlage I und II mitgeteilten, dem Marburger Staats- 
archiv entnommenen Schreiben von 1538 darauf zurückzu- 



1) Mitteil, des Königl. Bayer, allg. Reichsarchivs v. 24. Okt. 1895; 
Geülhirt I S. 15. 

2) Schultes ürk. Buch S. 337 ; Hafner Bd. II S. 141 ; Wagner S. 169. 
») Schultes U. B. S. 341. 



208 

führen. Da der Name Christoph in unserm Zweig der Familie 
Fuchs mehrfach vorkommt, so ist es, wenn kein besonderer 
Zusatz dabei gemacht ist, zweifelhaft, wer im einzelnen Fall 
unter den verschiedenen Trägern dieses Namens gemeint sei. 
Die oben genannten Briefe sind aber bereits für den Sohn 
des Erwerbers der Wallenburg in Anspruch zu nehmen, den 
Helden dieser Darstellung, da der Vater zur Zeit der Aus- 
stellung dieser Schreiben nicht mehr am Leben war. Am 
14. März 1525 belehnte Wilhelm von Henneberg den 
Christoph Fuchs auch mit dem BergregaP). Als 1534 
Landgraf Philipp der Grossmütige den Herzog Ulrich 
von Württemberg wieder in dessen Land einsetzte, schloss 
sich ihm Christoph Fuchs als Hauptmann des Fussvolks 
an und blieb in der Schlacht bei Laufen am 13. Mai 1534, 
wo er neben dem Landgrafen erschossen wurde. Er, ein 
Kürassier und ein Trompeter waren die einzigen Toten, die 
das hessisch -württembergische Heer zu beklagen hatte ^). 
Christoph Fuchs war verheiratet, den Namen seiner Ge- 
mahlin anzugeben bin ich aber nicht im Stande; er hatte 
auch mehrere Kinder, ganz bestimmt unsern Johann 
Christoph Fuchs den Älteren, Jakob Fuchs und 
vielleicht auch David Fuchs. Es ist aber nicht ausge- 
schlossen, dass dieser letztere ein Sohn des nachträglich mit 
der Wallenburg mitbeliehenen Thomas Fuchs gewesen 
ist; denn nach den Fabritius'schen Sammlungen^) besass er 
einen Sohn Johann Christoph Fuchs den Jüngeren, 
der gelegentlich des noch Abschnitt H unter 1 näher zu er- 
wähnenden Vertrags über den Verkauf der Wallenburg 1580*) 
neben Joh. Christophs Bruder Jakob als des ersteren Vetter 
und als sukzedierender Lehnsagnat bezeichnet wird, so dass 
man annehmen müsste, Thomas Fuchs habe keine Lehns- 
erben hinterlassen, wenn man nicht glauben wollte, dass 
dessen Stamm bei dem Verkauf der Burg unberücksichtigt ge- 
blieben sei, was mindestens unwahrscheinlich, wenn nicht 

1) Schultes U. B. S. 342. 

*) V. Rommel IV, S. 157. 

3) Fahritius Geneal.* Samml. Bd. IV und V (Adel. f. 17.) 339. 

*) Eäfnet' Bd. Ill S. 249, 419; Wagner S. 170. 



209 

geradezu ausgeschlossen ist. Ob Christoph Fuchs eine 
Tochter gehabt hat, ist ungewiss, es wird zwar ein Schwager 
seines Sohnes Johann Christoph in der Person des Roman 
von Hocholting, Pflegers zu Kötzting, im Jahr 1582 
erwähnt^), aber es ist aus dieser Erwähnung nicht zu 
schliessen, ob dieser Schwager der Gatte einer Schwester 
oder der Bruder von Johann Christophs Gemahlin gewesen 
ist. Wenn aus dem Landshuter Kreisarchiv die Mitteilung 
erfolgt, Johann Christoph Fuchs der Jüngere sei ein 
Sohn des älteren Johann Christoph gewesen, so beruht dies 
auf einen Irrtum, da letzterer wie bemerkt in dem Kauf- 
vertrag von 1580 ersteren seinen Vetter nennt ^). Nach 
alledem und den weiteren Fabritius'schen Nachrichten ergiebt 
sich folgende Stammtafel der uns hier beschäftigenden Linie 
des Geschlechtes der Fuchs : 



N. N. Fuchs. 

I 



Christoph Fuchs, vermählt mit N. N. 



ohann (Hans) Christoph 

Fuchs der Ältere, 

vermählt mit N. N. 



Jakob Fuchs, 
vermählt mit N. N. 



Thomas Fuchs, 
vermählt mit N. N. 



? David Fuchs, 
vermählt mit Anna Tochter 
des Hans Fuchs zum Schnee- 
berg u V. Schwarzen- 

stein. 

I 

Hans Christoph Fuchs der 

Jüngere, f 1641, 

vermählt mit Sabine v. 

Gumpenberg 



Maria Katharina 

Fuchs, 
)rm. an Hs. Wilh. 
V. Wildenstein. 



Hans Friedrich Fuchs 

der Ältere, 

verm. mit Adam. 

Barb. v. Crailsheim. 



Dorothea Magdalena 

Fuchs, 
verm. an Georg Wolf- 
gang V. Wildenstein. 



Anna Elisabeth 
Fuchs, 

verm. an Heinrich v. 

Wallenfeld auf Lich- 
tenberg, t 1650. 



Hans Christoph Fuchs, 
geb. 1618. 



*) Mitteil, des Königl. Bayr. Allg. Reichsarchivs. 
«) Wie zu 1. 

N. F. BcL XXIU. 14 



210 

Über den Hans Fuchs, den Vater von David Fuchs 
Gemahlin kann ich nichts näheres angeben. G a u h e ^) 
erwähnt noch zweier weiterer Glieder des Geschlechts: 
Jacobus und Appollinaris Fuchs, die sich beide 
zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch ihre Gelehrsamkeit 
ausgezeichnet haben. Jacobus wird derselbe sein, welchen 
Genthe^) als Jakob Fuchs den Älteren bezeichnet, 
der um das Jahr 1523 zu Würzburg Domherr war, auch 
als eques Francus bezeichnet wird und eine Schrift: „von 
dem vereelichten standt der geistlichen" in demselben 
Jahr herausgegeben hat. Über beide Personen bin ich nicht 
im Stand, genaueres anzugeben, vielleicht aber dürfen wir 
aus der Bezeichnung des Jakob Fuchs als des Alteren an- 
nehmen, dass er diese im Gegensatz zu dem in der Stamm- 
tafel genannten Jakob Fuchs geführt habe und etwa ein 
Bruder von dessen Vater Christoph gewesen sei. Der Titel 
der von ihm verfassten Schrift lässt darauf schliessen, dass 
die Fuchs sich frühzeitig auf die Seite der Reformation ge- 
stellt haben, und dies könnte vielleicht der Grund dafür ge- 
wesen sein, dass Christoph Fuchs aus Bamberg fortgezogen 
ist, wobei er in das hessisch- hennebergische Gebiet kam. 
Ein ähnlicher Umzug seiner Nachkommen wird uns später 
nochmals begegnen. 

Von den in der Stammtafel genannten Personen wissen 
wir noch^), dass David Fuchs 1553 mit Arnschwang in 
der Oberpfalz, vier Stunden von Waldmünchen, belehnt wurde. 
Jakob Fuchs war 1582 Pfleger zu Cham in der Oberpfalz, 
auch in der Nähe von Arnschwang, und siegelte in diesem 
Jahr eine Urkunde als Jakob Fuchs zu Arnschwang 
auf Katzberg; 1599 erwähnt er, dass der Wildbann zu 
Arnschwang bereits seinem Bruder Johann Christoph und 
seinen Voreltern zugestanden habe. Johann Christoph 
Fuchs der Jüngere soll sich nach G a u h e ums Jahr 
1675 durch Gelehrsamkeit ausgezeichnet haben und kur- 



1) Oauhe, S. 573. 

*) Mückenkrieg, S. 6. 

®) Mitteil, des Königl. Bayer. Allg. Reichsarchivs. 



211 

pfälzischer geheimder Rat, Pfleger zu Wetterfels, Oberforst- 
und Jägermeister und Hofrichter zu Amberg gewesen sein. 
Von dessen Sohn Johannes Friedrich Fuchs erzählt 
G a u h e , dass er Herr auf Winkler-Schönsee und kur- 
pfälzischer geheimder Rat, Landmarschall und Pfleger zu 
Waldingen gewesen sei und sich im 30jährigen Krieg der 
Religion wegen nach Nürnberg begeben habe. Johann 
Christoph Fuchs der Jüngere hat nach Geisthirt am 
31. Dezember 1636 in das Stammbuch des gleichfalls nach 
Nürnberg geflohenen oberpfälzischen Pfarrers Georg Ecken- 
berg eingetragen: 

Non me divitiae, non ars, non gloria mundi 

Salvabunt, Christi morte beatus ero. 

(Johann Christoph Fuchs von Wallenburg.) 

Einige Jahre vorher hatte er in das Stammbuch Otto 
Heinrich L., Barons v. Herberstein, geschrieben: 

Mutata fortuna mutantur amici! 

Meinem hochgeehrten Herrn und Patrono schreibe ich 
dieses zum Angedenken in Nürnberg d. 27. Januar 1633. 
Johann Christoph Fuchs von Wallenburg. Dazu ist das 
Wappen gemalt, jedoch mit rotem Fuchs. 

0. H. V. Herberstein hat dem Eintrag H. C. Fuchses 
beigesetzt: Ao. 1641 d. 8. Junii ist zu Nürnberg in Gott ver- 
schieden Endesbenannter H. Fuchs, Churpfältzischer gewesener 
Rath, Landmarschall in der Oberpfaltz und Pfleger zu Wald- 
münchen. 

Johann Friedrich Fuchs trug in das Stammbuch 
des aus Krain vertriebenen Johann Ambtmann von der Hayden 
am 18. August 1636 zu Nürnberg denselben Spruch : Mutata 
fortuna etc. und am 5. August 1640 denselben Satz in das 
Stammbuch Franz Christ. Ambtmanns von der Hayden ein ^). 

Gauhe^) erwähnt noch einen Johannes Fuchs 
von Wallenburg auf Arnschwang, der als kurpfälzischer 
Rat und Pfleger zu Cham gelebt und „der Vater Johann 



1) Bd. VI, S. 76. 

2) Qeisthirt, Bd. VI, S. 76. 
8) S. 573. 

14* 



212 

Wilhelms auf Rheinkam worden" ; ersterer ist vielleicht 
der letzte der Stammtafel, die sich dann um ein Glied ver- 
mehren würde. 

Wie wir sehen, hat sich die Familie auch nach dem 
Verkauf des Schlosses Wallenburg noch stets nach diesem 
genannt. 

a. Johann Christoph Fuchs der Ältere.^) 

Wenden wir uns nun unserem Johann (Hans) 
Christoph Fuchs dem Älteren, dem ja diese Dar- 
stellung eigentlich gemidmet ist, insbesondere zu und be- 
trachten wir 

1) dessen äussere Lebensschicksale. 

Nach Geisthirt^), dessen Mitteilungen meist auf guten 
Quellen beruhen, ist er, dessen Rufname Christoph war, auf 
Schloss Wallenburg geboren. Da sein Vater das Schloss am 
6. April 1522 erwarb, aber bereits am 13. Mai 1534 starb, 
so muss Johann Christoph innerhalb dieser Zeitgrenzen ge- 
boren sein. Wir werden nicht irren, wenn wir annehmen, 
dass er ziemlich im Anfang der 1520er Jahre geboren sei, 
da er bereits 1538 die Schreiben in Anlage I und II erlassen 
hat. Wo und wie er ausgebildet wurde, können wir nicht 
sagen, es sind darüber keine Spuren gefunden worden. 
Jedenfalls wurde er der Sitte seiner Zeit gemäss nicht nur 
humanistisch gebildet, so dass wir ihn als Dichter in der 
lateinischen und deutschen Sprache, als Kenner des Italienischen, 
der alten Geschichte und Mythologie kennen lernen, sondern 
auch in die religiösen Fragen vertiefte er sich, was ihn zu 
der (zu 2) noch zu besprechenden ümdichtung der Psalmen 
veranlasst haben wird. Daneben hielt er sich an verschiedenen 
Fürstenhöfen auf und erhielt auch die nötige Ausbildung als 
Kriegsmann und Jäger, wie dies aus seinen noch zu er- 
wähnenden Briefen und auch aus seinem Hauptgedicht „Mucken- 
krieg" hervorgeht. In diesem schildert er die Schlachtordnungen, 



*) Jördens S. 120 nennt ihn merkwürdiger Weise Johann Christoph 
Fuchs, Senior zu Wallenburg. 
«) Bd. I S. 94. 



213 

die Einzelgefechte und die Belagerungsarbeiten ganz der da- 
maligen Kriegskunst entsprechend und leitet auch namentlich 
mehrfach lebhafte Vergleiche von der Saujagd, einer gerade 
in der Umgegend der Wallenburg häufig geübten Jagd, ab, 
z. B. Buch II V. 411 ff.: 

„Der Held aber daucht einen seyn 
Ein vngehewres hauwendes Schwein / 
Vnter eim gantzen hauffen Hund / 
Das noch frisch ist vnd vnverwund / 
Vnd noch kein Borst verloren hat," 
oder Buch III V. 602 ff : 

. „Da stund er wie ein hawend Schwein / 
Das sich abarbeit mit den Hunden / 
Thut hir ein dort einen verwunden." 

Er widmete sich der Verwaltung seiner verschiedenen 
Güter, wie er dann 1547 mit seinen oberpfälzischen Hinter- 
sassen einen Vergleich abschloss ^), und was auch daraus 
hervorgeht, dass er 1562 mit seinem Vetter Johann Christoph 
Fuchs dem Jüngeren um Minderung der Lehntaxe vom Gute 
Rotenstadt in der Oberpfalz, zwei Stunden von Weiden, 
nachsucht ^). 

Dann finden wir ihn in näherer Beziehung zu ver- 
schiedenen Fürsten und an verschiedenen Höfen. Aus den 
beiden in Anlage III und IV hier mitgeteilten, gleichfalls im 
Königlichen Staatsarchiv zu Marburg aufbewahrten Briefen 
erhellt, dass Fuchs in näherer Beziehung zu Landgraf 
Ludwig IV. von Hessen-Marburg (1537 — 1604) stand, 
der mit Hedwig, der ältesten Tochter Herzog Christophs 
von Württemberg seit 10. Mai 1563 vermählt war und 
von 1563 — 1565 zu Darmstadt residierte ^). Wir finden Fuchs 
in Beziehungen zu dem Erzherzog Ferdinand von 
Österreich, dem Gemahl der Philippine Wels er, der 
bis zu seines Vaters, des Kaisers Ferdinand I. Tode 
zu Schloss Bürglitz in Böhmen residierte, dann aber Tirol 

*) Mitteil, des K. B. allg. Reichsarchivs, 

«) Wie zu 1. 

8) V. Rommel, VI, 8. 3ö ff. 



214 

erhielt und dies Land 1565 in Besitz nahm. Wir finden 
Fuchs auch in Beziehungen zum Stuttgarter Hof und selbst- 
verständlich auch zu dem seines Landesherrn zu Heidelberg, 
an welchem Ort er öfter oder länger gewesen zu sein scheint. 
In den beiden genannten Briefen, geschrieben zu Heidelberg 
am 25. Oktober 1565 und zu Elping (?) an der Donau am 
16. Januar 1566, entschuldigt sich Fuchs beim Landgrafen 
Ludwig, dass er aus Rücksicht auf den Erzherzog Ferdinand, 
den Herzog Christoph und dessen Sohn Eberhard verhindert 
gewesen sei, Ludwig aufzuwarten, spricht aber gleichzeitig 
die Hoffnung aus, ihn auf dem Reichstag zu Augsburg, dem 
ersten, den Kaiser Maximilian II. (1566) abhielt, und 
auf dem über die Einführung der reformierten Religion in 
der Pfalz verhandelt wurde, zu treffen, und versichert seine 
treue Ergebenheit gegen das Haus Hessen. 

Dann lebte Johann Christoph Fuchs vorzugsweise auf 
Schloss Wallenburg ^), wenn er auch, wie wir sehen werden, 
einzelne Reisen in die Heimat seines Geschlechts auch ferner 
unternahm. Von Wallenburg aus trat er in nähere Bezieh- 
ungen zu dem in dem seit 1560 zu einem Schloss hergerichteten 
vormaligen Kloster Herrenbreitungen an der Werra wohn- 
haften Grafen Poppo XII. von Henneberg, und auf 
der Wallenburg verfasste er seine hauptsächlichsten Werke, 
für die er den Verleger in dem unternehmenden Buchdrucker 
Michael Schmuck zu Schmalkalden ^) fand. Als er im 



*) Geisthirt I S 64 65. 

*) Vergl. über Schmuck: Könnecke, S. 322 ff.; Oeistkirt I, S. 15, 
65, II, S. 149, VI, S. 71; Oerland in dieser Zeitschrift N. F., Bd. XVI, 
S. 200. Als weitere ausser den bei Geisthirt a. a. 0. genannten (haupt- 
sächlichsten) Drucken Schmucks kann ich weiter angeben : 

1. Phil argyrus Ecclesiastae; der Geltmann mit seinen 
sieben fümemsten thörichten Eigenschaften, vom Königlichen Prediger 
Salomone entworffen, etc. durch M. Hermannum Heinrychum Frey, 
Pfarrherrn zu Schweinfurt 8<^, 1589. (Auf der herzoglichen Bibliothek zu 
Wolfenbüttel befindlich). 

2. Ant. Probi, Sup. Gen. oratio de Frid. Myconio, primo Thuring 
Evangelista 1597. 

3. M. Georg, Homs Hierampelos 1585. 

4. M. Wilkii, Eect. Goth., quando possint juvenes in academias 
transmitti, 1598. 

5. ützinger, Prozess des jüngsten Gerichts in 14 Predigten zu 
Schmalkalden gehalten 1589. 



215 

Frühjahr 1574 eine Geschäftsreise nach Nürnberg und ßegens- 
burg ausführte, erfuhr er unterwegs, dass Graf Poppo, der 
ihm im Traum noch als ganz gesund erschienen war, ge- 
storben sei, und verfertigte auf den Dahingeschiedenen ein 
Leichengedicht (Epicedium), auf das wir im weiteren Verlauf 
dieser Darstellung noch zurückkommen werden^). 

Mit verschiedenen Gelehrten seiner Zeit stand Fuchs 
im regen Verkehr. Seine paraphrasis in omnes psalmos 
(siehe 2) hat er seinem Freund Johannes Stengel^) 
eigenhändig gewidmet; Christophorus Wiener^) widmete 
unserm Fuchs das zwölfte Buch seiner 1585 erschienenen 
Panegyrica Sacrorum durch uns von Geisthirt mitgeteilte 
Verse, auf die wir bei der Schilderung von Johann Christophs 
fernerer Amtsthätigkeit zurückkommen werden, und Nicolaus 
Reusnerus*), Ictus, Poeta und Consiliarius Saxonicus 
widmete in seinen opera poetica, Teil III, S. 114 seinem 
Freunde Fuchs ein besonderes Gedicht. Endlich stand Fuchs 
auch in nahen Beziehungen zu dem Heidelberger gelehrten 



6. Veitkirchs Predigten' 1598. 

7. Winkolraann^s I^ichenpredigt auf den Kurfürsten zu Sachsen 
August 1586. 

8. Leichenpredigt auf Johann Herzog zu Sachsen 1604. 

9. Zahlreiche Hochzeits-, Leichen- und sonstige Predigten von 
liieren. Pfnor, Pfarrer zu Thann und vielen anderen Geistlichen. 

10. Die auf Schmuck selbst von einem Diakonus gehaltene Leichen- 
predigt 1606. 

Schmuck starb 1606, sein Sohn verlegte das Geschäft später nach 
Schleusingen. 

Die Mitteilungen zu 2—10 verdanke ich der Güte des Herrn 
Gymnasiallehrers Morgenstern zu Schleusingen, wo eine grosse Zahl der 
Seh muckschen Drucke in der Gymnasialbibliothek vorhanden sein dürften. 

') Vergl. Qeisthirt a. a. 0., I, S. 9.5, IV, S. 1, 74. 

2) Über Johannes Stengel kann ich nichts genaueres ermitteln, 

8) Christoph Winer, ein Poeta, Mathematikus, Prediger und 
Medicus, geb. zu Grossen-Lupnitz bei Eisenach, Konrektor zu Gotha, dann 
Pfarrer zu Sundhauseu, wo er 1594 entlassen wurde, weil er lehrte, dass 
im Abendmahl Christi Blut nicht leiblich, sondern geistig empfangen 
werde, starb 1597 auf seinem Gut zu Sundhausen an der Pest, Zedier^ 
Bd. 57, S. 816. 

*) Nikolaus Reusner, Rechtsgelehrter und Polyhistor, geb. 
1545 zu Löwenberg, starb 1602 zu Jena, wo er seit 1589 als Professor 
die Rechtswissenschaften lehrte; er stammte aus einer altadligen Familie, 
die aus Ungarn und Siebenbürgen nach Schlesien gezogen war. Allg. 
Deutsche Biographie, Bd. 28, 8. 299 ff. 



216 

Poetenkreis, der sich um Johannes Posthius^) und 
Paulus Melissus^) schaarte. In der 1573 herausgegebenen 
Gedichtsammlung gegen die Trunkenheit und Völlerei: 

Collegii Posthimelissaei votum. Hoc est, ebrietalis 
detestatio atque potationis saltationisque eiuratio. 
Francof a. M. Joh. Lucienbergius 1573^) 
finden sich auch zwei Gedichte von Fuchs, die wir als die 
ältesten uns überlieferten betrachten müssen. 

1. D. 2b. Eine Ode von 22 Strophen: 

Johannes Christof erus 
Fuchs in Wallenburg 
Johanni Posthio Medico et 
Poetae opt. 
beginnend : 

Reddit ut rerum simulacra gemma, 
ßeddit ut formas speculum venustas, 
Reddit ut bellae faciem puellae 

Purior unda, 

Sic tuae, Posthi, pietas renidet 
Mentis ex voti Domino sacrati 
Versibus, turpem quibus execraris 

Ebrietatem. 

2. D. 4 a. 

Eiusdem epigramma. 
Non est mentitus, madidissime lurco bibonum 

Infami superans ebrietate Deum, 
Qui tibi fortunas vitamque perire bibendo 

Dixit, et in Stygias te properare domos. 

Im Verzeichnis, der an dieser Sammlung beteiligten 



^) Johannes Posthius, geb. zu Germersheim am 15. Oktober 
1537, gestorben als Leibarzt des Kurfürsten von der Pfalz zu Mossbach 
am 24. Juni 1597. 

2) Paulus Melissus Schedius, Poeta laureatus, geb. zu 
Meirichstadt am 20. November 1539, gestorben zu Heidelberg am 
3. Februar 1602. 

*) Dieses Büchlein, das ich auf einer Reihe grösserer Bibliotheken 
vergeblich gesucht habe, ist mir durch gütige Mitteilung des flerm 
Professors Dr. Schröder zu Marburg zu Händen gekommen. 



217 

Dichter (G. 6 b) wird Fuchs Joan. Christophorus Fuchs, eq. 
Franc genannt. 

Übrigens wird diese Gesellschaft von Dichtern gerade 

kein Mässigkeitsverein gewesen sein, da auch der grosse 

Trinker Helius Eobanus Hessus dazu gehört und zu 
der Gedichtsammlung beigesteuert hat. 

Es zog aber Fuchs immer wieder nach seinem Stamm- 
land, der Oberpfalz, zurück, wo er auch, abgesehen von der 
Nähe seiner Verwandtschaft, mehr Aussicht auf eine hervor- 
ragendere Stellung hatte als in der Herrschaft Schmalkalden, 
in der damals mit Rücksicht auf das bevorstehende Erlöschen 
des Hennebergischen Fürstenhauses, ein Ereignis, das Ende 
1583 ^) auch eintrat, alles in der Schwebe war. So über- 
nahm er dann 1579 das Vizedominat zu Amberg, das er 
längere Jahre bekleidet hat^). Der Besitz der Wallenburg 
muss ihm nicht mehr wertvoll genug erschienen sein ; denn, 
um die Mittel „zur Besserung des Schlosses Arnschwang" zu 
erhalten, verkaufte er bereits am Tage Jacobi Apostoli 
(25. Juli) 1580 die Wallenburg nebst allem Zubehör an Eitel 
von Boyneburg zu Lengsfeld, Erbvogt zu Bar ch- 
f e 1 d ^) , für 22 000 Gulden fränkischer Währung, den Gulden 
zu 21 Groschen und den Groschen zu 12 Pfennigen ge- 
rechnet, und für 500 wichtige Goldgulden an seine Ehefrau 
zur Libnus. Die Zustimmung zu diesem Verkauf erteilten 
Jakob Fuchs auf Kaabergk, pfälzischer Pfleger zu Cham 
und Hans Christoph Fuchs der Jüngere auf Stein- 
bergk und Rottenstadt als sein Bruder und Vetter und 
„sukzedirenden Lehensagnaten" bezeichnet. (Vergl. oben I.) 

Aus diesem Vertrag ersehen wir zugleich, dass Hans 
Christoph der Altere verheiratet war, wenn auch leider der 
Namen seiner Gemahlin nicht genannt wird, und auch, dass 
er, wenn er überhaupt mit Kindern gesegnet war, doch 
wenigstens keine Söhne hatte, weil diese sonst auch als 



1) Schulies a. a. 0., S. 207 ff. 

*) Geisthirt VI, S. 75 ; Mitteil. d. Königi. Bayer. Allg. Reichsarchivs. 

3) Hafner, Bd. III, S. 249, 419 ; Wagner, 8. 170. 



218 

sukzedierende Lehnsagnaten ihre Zustimmung zu dem Ver- 
kauf hätten geben müssen. 

Von nun an widmete Fuchs sich ganz seinen neuen 
Ämtern. 1682 unterschreibt er sich in einem Brief an seinen 
Schwager Roman von Hochol ting als „der oberen kur- 
fürstlichen Pfalz in Baiern Vicedom", 1585 erscheint er in einer 
Urkunde der Eyb von Runding als Landmarschall zu 
Ränkam ^) und seine Stellung in jener |Zeit schildert uns 
Winer^) an der bereits angeführten Stelle mit folgenden 
Worten : 

Ibimus Ambergam, favet urbs haec inclyta Christo, 

Et generi nostro, Pieridumque Choro. 
Praesidet hie aulae pars praestantissima gentis 

Aonidum, Vates Fuchsius ille pius. 
Fuchsins antiquae Francorum e gente creatus, 

Fortis eques celebri nobiliumque domo, 
Arnsvangae gentis, cui quondam pristina sedes 

Arx Wallenburgum stemma genusque dedit. 
Summa Palatinae gentis nunc frena gubernat, 

Quam regit imperio Principis ipse loco. 
Vir bonus et prudens, et amans pietatis et aequi, 

Carus item doctis, carior atque Deo. 
Unde illum populo Princeps Ludovicus et urbi 

Praefecit, reliquis praetulit atque viris. 
1587 leistet J. Chr. Fuchs dem Ludwig von Eyb 
Zeugschaft und siegelt 1592 eine Urkunde des Georg 
Wilhelm von Eyb gegen Johann Chr istop h Fuchs 
zu Schönsee den Jüngeren über ein Darlehn von 
400 Gulden. Weitere ^) Nachrichten sind über ihn nicht vor- 
handen, da aber, wie schon (zu I) hervorgehoben, sein Bruder 
Jakob 1599 sagt, dass der Wildbann zu Arnschwang „schon 
seinem Bruder Christoph und seinen Voreltern zustand", 
dies also auf etwas vergangenes hinweist, so dürfen wir 
sicher annehmen, dass unser Johann Christoph der Altere 



*) Mitteil, des Königi. Bayer. Allg. Reichsarchivs. 

«) Qeisthirt 1, S. 95. 

3) Mitteil, des Königi. Bayer. Allg. Reichsarchivs. 



219 

damals schon tot war, wenn wir auch nicht wissen, wann 
und wo er gestorben ist ; er hätte danach immer das würdige 
Alter von etwa 70 Jahren erreicht gehabt. Die Nachrichten 
über seinen Tod und sein Begräbnis mögen bei der nicht all- 
zulange danach über die Oberpfalz hereingebrochenen Gegen- 
reformation, die ja die noch übrigen Glieder der Familie 
Fuchs zur Auswanderung zwang, verloren gegangen sein. 

Sind die so zusammen gestellten Lebensnachrichten 
auch immerhin etwas dürftig, so, zeigen sie uns doch das 
Bild eines den damaligen Verhältnissen entsprechend allseitig 
gebildeten Ritters, der neben den Interessen der Ritterschaft 
auch die geistigen Interessen hoch schätzte und in der Lage 
war, hervorragende Amter zu bekleiden. 

Wenden wir uns nun 
2) Johann Christoph Fuchsens Dichtungen 
zu. 

Ausser seinen besonders zu besprechenden grösseren 
Werken und deren bereits erwähnten Beiträgen zum Votum 
Posthimelissaeum sind uns durch Geisthirt zwei kleinere 
Gedichte erhalten. 

Das erste ist ein Leichengedicht oder Epicedium auf den 
1574 verstorbenen Grafen Poppe XII. von Henne- 
berg, in dem er die Reise, auf der ihm Poppos Tod mit- 
geteilt wurde, und die Gefühle über den Trauerfall recht 
humanistisch beschreibt ^). 

Das zweite, eine Supplicatio pro serenitate, mag in 
Anl. V mitgeteilt werden, wenn es auch schon bei Geisthirt 
I, S. 92 abgedruckt ist; es dürfte 1588, also schon in der 
Oberpfalz entstanden sein, denn den Sommer dieses Jahres 
bezeugt uns G e i s t h i r t ^) als von so stetigem Regen heim- 
gesucht, dass in Folge der Witterung eine grosse Teuerung 
entstanden sei. Sie ist im sapphischem Versmass an den 
„Rector Olympi" gerichtet und gleichfalls ein rechtes Kind 
ihrer Zeit. Geisthirt bezeichnet sie als bis dahin un- 
gedruckt. 

*) Man lese es nach bei Oeisthtrt I, S. 74. 
>) IV, S. 23. 



220 

J. C. Fuchsens selbständige grössere Werke sind: 

a) seine Paraphrasis in omnes Psalmos von 
1574 und 

b) der Muckenkrieg von 1580. 
Betrachten wir beide Werke im einzelnen. 

a) Das erste führt den Titel: 

Jo. Christoph ori Fuchs Senior is in Wallen- 
burg et Arnschwang equ. fr. Paraphrasis 
in cm n es Psalmos Davidisvariocarminum 
genere expressa. Schmalchaldiae Michael 
Schmuck imprimebat Anno MDLXXIIII. 
Von diesem Buch, das schon Geisthirt „ein rar Büchlein" 
nennt ^), ist noch ein Exemplar in der Sankt Andreas-Bibliothek 
zu Eisleben vorhanden, dessen Einsicht und Benutzung mir 
durch die Güte des zeitigen Bibliothekars Herrn Professor 
Dr. Grössner 1888 ermöglicht worden ist. Das Exemplar 
trägt unten auf dem Titelblatt eine vom Dichter selbst ein- 
geschriebene Widmung : Suo Joanni Stengelio D. dd. Joh. 
Christ. Fuchs Ao. i 74. Auf dem Titelblatt ist zwischen dem 
Titel selbst und der Angabe des Druckers ein Holzschnitt an- 
gebracht, der Gott Vater mit Krone und Reichsapfel über 
Wolken darstellt; darunter kniet in einer Landschaft der in 
königliche Gewänder gekleidete David, vor dem eine Harfe 
liegt. Das Buch in Oktav enthält die Bogen A bis A a 5, 
eine Seite Errata und zwei leere Blätter ohne Seitenzahlen, 
A 1 ist das Titelblatt. Auf A 2 ist folgende Widmung an 
den späteren Kurfürsten Ludwig von der Pfalz abgedruckt: 
Illustrissimo Principi et Domino, D. Ludovico Palatino 
Rheni, Bavariae Duci, etc. ac Provinciae superioris Palatinatus 
Gubernatori vigilantiss, Domino suo clementissimo. S. D. 
Traxit ut Amphion, Thebarum moenia quondam 

Aedificaturus, carmine saxa suo, 
Sic quoque viva Deo structurus templa venusto 

Carmine Jessiades pectora nostro trahit. 
Quo docet, exponit non intellecta, futura 
Praedicit, tollit numina laude Dei, 

^) VI,'S. 71. 



221 

Promittit, queritur, carpit, poenasque minatur, 

Solatur, supplex orat et acta canit. 
Hujus ego cantus dulcedine tractus, et esse 

Structurae cupiens pars quotacunque sacrae. 
Quicquid habet Latii cecini ad modulamina plectri 

Tempore, quo reliquos solvit amica quies. 
Nam labor iste fuit longe mihi suavior alto 

Somno, qui dulci membra quiete rigat 
Hos ego iucundos princeps tibi magne labores 

Dedico, doctrinam qui colis atque foves, 
Impuras hominura mentes quae purgat et inter 

Coelorum proceres nos radiäre facit. 
Tu placido vultu, quo das his ocia terris, 
Parva rudis Musae suseipe dona, Vale. 

T. illustrissimae celsitrudini 
addictiss. 

Jo. Christophorus 
Fuchs senior. 
Eine schönere und treffendere Äusserung über Inhalt 
und Bedeutung der Psalmen Davids ist nicht zu denken. 
Wir sehen auch aus dieser Vorrede, wie treu Fuchs seinem 
evangelischen Glauben anhing und wie hoch er den Pfalz- 
grafen Ludwig verehrte. 

Fuchs hat die Psalmen in fünf Bücher geteilt, deren 
jedes die Überschrift trägt: Jo. Christophori Fuchs Senioris 
Equ. Fr. Paraphrasis in Primum (und so fort mit der zu- 
treffenden Zahl) librum Psalmorum. Buch I enthält Ps. 1 — 41, 
Buch 11 Ps. 42—72, Buch III Ps. 73—89, Buch IV 
Ps. 90—106 und endlich Buch V Ps. 107—150. Die Über- 
setzung ist eine freie, nicht den ursprünglichen Bibelversen 
angepasste; Ps. 119 z. B., der in der Bibel 178 Verse hat, 
ist in 22 octonarii von je 8, zusammen 176 Strophen ein- 
geteilt. Der humanistische Geist leuchtet aus jeder Zeile 
hervor, und es mutet uns heute sonderbar an, wenn wir 
z. B. Gott als rector olympi angerufen hören, wenn der 
Himmel überhaupt immer als der Olymp bezeichnet wird, 
wenn wir in Ps. 75 (der Herr hat einen Becher in der Hand 



und mit starkem Wein voll eingeschenkt nnd schenkt aas 
demselben, aber die Gottlosen müssen alle trinken und die 
Hefen aussaufen) wenn wir hier also dem Lyäus and wenn 
wir in Ps, 121 und 139 der Cyntbia begegnen. Wie aber 
die Darstellung der Passionsgescbichte in der Tracht der 
Zeit des Malers den Menschen des Mittelalters diese Ereignisse 
so nahe brachte, als hätten sie selbst sie erlebt, so hat viel- 
leicht auch diese humanistische Aus drucks weise den gebildeten 
Kreisen der Renaisaancezeit mehr Eindruck gemacht als es 
eine streng wörtliche Übersetzung vermocht hätte. Lieben 
wir es doch auch jetzt noch mehr, die Gestalten der heiligen 
Geschichte idealisiert, als, wie es manche Künstler lieben, 
streng historisch richtig dargestellt zu sehen. Was die Vers- 
masse anlangt, so hat unser Dichter mit besonderer Vorliebe 
die sapphische Strophe, Distichen und einfache Hexameter 
angewandt: die sapphische Strophe kommt 42 mal vor ^), 
Distichen finden wir 32 mal ^), einfache Hexameter sind 21 mal 
gebraucht^). Diese Versmasse dürften Fuchs also wohl am 
geläufigsten gewesen sein. 

Von sonstigen antiken oder antikisierenden Strophen 
kommen vor: 

ein Vers bestehend aus einem Spondaeus, zwei Daktylen , 
einem Trochäus und einer langen Silbe in vierzeiligen Strophen 
sechsmal*), 

das erste archilochische System viermal^), 
das zweite pythiambiscbe System biebenmal ^), 
das erste pythiambiscbe System dreimal '), 
ein jambischer Trimeter in Ps. 139, 
der phaläcische Vers fünfmal^), 

I) Ps. 2, 6, 10, 15. 18, 21, 2.% 39, 32, 33, 36, 38, 42, 45, B2, 58, 
60. 63, 65, 68, 71, 74, 7fi, 81, Ö4, 89, 90, 93, 97, 101, 104, 107, HO, 
117, 119, 12-i, 127, 130, 131, 142, 146, 148. 

») Pb. 1, 3, 5. a, 13, 17, 20, 20, 30, 34, 37, 43, 48, 61, 55, 69, 61, 
64, 66, 73, 77, 82. 83, 98, 102, 108. 115, 120, 123, 129, 136, 141. 

») Pb. S, 11, 14, IB. 24, 27, 39, 44, 46, 50, 69, 72, 78, 87, 91, 99, 
105, 114, 124, 137. 147. 

*) Ps. 7 -ib, 54, 67, 83, 118, 131. 

') Ps. 12, 57, 94, 146. 

■) Ps. 16, 53, 62, 85, 103, 132, 140. 

' Pa. 28, 40, 121. 

") Pb. 86, %, 113, 126, 144. 



223 

das jambische System sechsmal ^) und endlich 
das dritte archilogische System viermal ^j. 
Es ist vielleicht kein Zufall, dass die letztgenannten 
verwickeiteren Versmasse meist in den höheren Nummern der 
Psalmen angewandt sind. 

Schon mehr einen Anklang an die Neuzeit, ja an das 
evangelische Kirchenlied, welches sich damals bekanntlich 
mächtig entwickelte und sich auch vielfach, namentlich in 
den reformierten Ländern so eng als möglich an die Psalmen 
anschloss, zeigen die in vierfüssigen Jamben übertragenen 
Psalmen. In ungleich langen Strophen und ungereimt er- 
scheinen sie in Psalm 22, 79, 116 und 135, ganz ohne 
Stropheneinteilung und ohne Reim in Ps. 109, in ungleich 
langen Strophen und zweizeilig gereimt in Ps. 4, in vierzeilige 
Strophen geteilt, ungereimt in Ps. 35, 70, 92, 100 und 126, 
gereimt aber in Ps. 31, 49, 56 und 75. 

Hierher kann man auch Ps. 111, 138 und 149 nehmen, 
die in drei je aus einem Vorschlag und drei Trochäen 
(u — u — u — 0) bestehenden Versen gebildeten Strophen ge- 
dichtet sind. 

In Anlage VI mögen einige dieser Übersetzungen als 
Beispiel wiedergegeben werden, wobei soweit möglich auf den 
charakteristischen Inhalt der Übertragungen Rücksicht ge- 
nommen worden ist. 

Das zweite selbständige Werk ist 

b) Der „Mucken krieg, ein artiges Gedicht, wie 

die Mucken neben jren Consorten sich wieder die 

Amaysen vnd jren Beystand zu Felde gelagert, 

auch endlich zu beyden Seiten ein starkes treffen, 

vnd grewliche Schlacht miteinander gehalten haben ; 

in drei Büchern abgetheilt. 1580 gedruckt zu 

Schmalkalden bey Michael Schmuck". 

Ob noch ein Abdruck dieser ersten Ausgabe vorhanden 

ist, erscheint mir zweifelhaft; Jördens kennt sie nicht, 

G e n t h e und 6 o e d e c ke haben sie nicht vor Augen gehabt, 

») Ps. 41. 106, 112, 128, 143, 150. 
«) Ps. 47, 80, 95, 133. 



224 

da sie sie nur nach Gottscheds Handatlas anführen. Ich habe 
sie auf den Bibliotheken zu Berlin, Eisleben, Göttingen, Jena, 
Kassel, Marburg, Schleusingen, Schmalkalden, Wolfenbüttel 
und Würzburg vergebens gesucht, auch noch in keinem 
antiquarischen Katalog gefunden, obwohl ich solche seit 
langen Jahren danach durchsucht habe. Geisthirt kennt 
so viel Sachen aus Fuchsens Feder und Schmucks Verlag, 
den Muckenkrieg erwähnt er aber mit keiner Silbe, auch ihm 
muss er also unbekannt geblieben sein. Ich möchte daher 
glauben, dass von dieser Ausgabe ein Abdruck nicht mehr 
vorhanden ist. Sie ist vielleicht nur in einer geringen An- 
zahl von Exemplaren abgezogen, was wohl auch daraus zu 
schliessen sein möchte, dass bereits bald nachher — die 
Jahreszahl ist nicht bekannt — eine neue Ausgabe und 
zwar zu Amberg, wie wir sahen, seit 1579 der Wohnsitz 
unseres Dichters, unter dem Titel : 

„Muckenkrieg wider die Ameyssen, liblich und nützlich 
zu lesen" 
erschien, deren Drucker uns auch nicht überliefert ist (Genthe 
S. 11, Schnurr von Landsidel A iiii y^)^). 

Schon 1600 erschien eine dritte Ausgabe, die auf der 
Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel vorhanden ist und 
den Titel führt: 

„Muckenkrieg : Darin zu befinden, welcher gestalt die 
Mucken, neben jhren Mitverwanthen vnd Bundsgenossen, 
sich wider die Ameissen, vnd derselben Beistand, in 
merklicher anzal vnd übergrossem Heer zu Feld ge- 
lagert: Auch entlich zu beiden Theilen ein starkes 
treffen beschehen, vnd ein überauß greuliche vnd blutige 
Schlacht einander geliefert haben. Alles mit sondern 
fleiß verfasset in vnterschiedliche drey Bücher. Gantz 
kurtzweilig zu lesen. Gedruckt zu Muckenthal bey 
Ameißhoffen. Im Jahr 1600". 

Auf dem Titelblatt über der Angabe des Druckorts sind 
in einem Holzschnitt die beiden feindlichen Könige dargestellt, 

^) Diese Ausgabe ist. Ooedccko auch unbekannt. Vergl. Bd. JI, S. 402. 



225 

wie sie auf anderen Insekten beritten mit krummen Säbeln 
auf einander losgehen. 

Wo diese aus 116 Seiten Oktav bestehende Ausgabe 
erschienen ist, bleibt dunkel, der umstand, dass ihr auf der 
Wolfenbütteler Bibliothek befindliches Exemplar mit einem 
andern bei Schmuck erschienenen Buche (Frey's Philargyrus 
ecclesiastae oder der Geldmann) in einen Band in ein Blatt 
eines geschriebenen Evangeliars zusammen gebunden ist, lässt 
gewiss nicht den Schluss zu, dass der Druck dieser Ausgabe 
von Schmuck erfolgt sei, der fast stets bereit war, sich als 
Drucker anzugeben. Wir werden uns also damit bescheiden 
müssen, dass wir nicht wissen, wer diese Ausgabe bewirkt 
hat. Wenn Schnurr nach einer ungenauen Mitteilung 
eines Bücher-Katalogs der Ostermesse von 1611 noch einer 
anderen Ausgabe des Gedichts gedenkt, ohne Angabe des 
Druckorts und der Jahreszahl, so möchte dies, wie schon 
Gent he darlegt, eine irrtümliche Annahme sein. 

Der gedachte Balthasar Schnurr von Land- 
siedel hat dann 1612 zu Strassburg eine — auf der Biblio- 
thek zu Wolfenbüttel befindliche — Umarbeitung des Mücken- 
kriegs unter dem Titel: 

„Ein schönes Gedicht, der Ameisen- und Mucken- 
krieg" u. s. w, 
angeblich nach Fuchsens Manuskript herausgegeben, und 
endlich wurde das Gedicht von Huldreich Wohlgemut 
in seinem 1625 zu Frankfurt a. M. erschienenen Werk: 
„Newer vnd vollkommener Esopus" wieder abgedruckt. Dann 
folgten die Schrecken des 30jährigen Krieges, die alles deutsche 
Leben erstickten, und erst die Freude am Wiedererwachen 
des deutschen Vaterlandes nach den Freiheitskriegen brachte 
das Gedicht durch Gent he wieder zur Auferstehung, der 
es nach der Ausgabe von 1600 selbständig im Jahre 1833 
herausgab und 1846 seiner Ausgabe der deutschen Dichtungen 
einverleibte, während J. G. Büsching die Schnurrsche Um- 
arbeitung 1806 zu Leipzig erneuert herausgegeben hatte *). 



*) Ooedecke a. a. 0. S. 610. 

N. F. Bd. XXIII. 15 



226 

Die Erfindung des Gedichts rührt nicht von Fuchs 
her. Er sagt selbst in der „Vorrede an den Leser": 

„Dieser Krieg ist vor vielen Jharn 
Anfangs von eim beschrieben worn 
Der sich genannt Cocalium, 
Mit einer art der Carminura, 
Drinn er vermischt Welsch mit Latein. 
Wie dieser Verß bey vns mag seyn": 
(Hie jacet in Dreckis qui modo Reuter erat. 

Oder: 
Hei mihi Strassburgum quod non queo 

schauuere turnum, 
Cumque bovis quod non possum zechare 

Gesellis.) 

Den hab ich nach möglichem fleiß 
Verändert vnd auf meine weiß 
In teutscher sprach Reimen gebracht. 
Hab ich jn nicht also gemacht 
Daß er mög jedermann gefallen, 
Hab ichs doch guter meinung allen 
Zu angenemen dienst gethan, 
Die jren lust bißweilen han 
Solche kurtzweilige gedieht 
Zu lesen. Acht mich auch verpflicht, 
Das gering pfündlein, welchs mir Gott 
Genediglich verliehen hat, 
Mitzutheilen, nicht zu vergraben, 
Damit man dessen nutz mög haben. 

Der ursprüngliche Bearbeiter des Stoffes ist Teofilo 
Folengo (Merlinus Cocajus, geb. 8 Nov. 1492 zu 
Cipada bei Mantua, gestorben 9. Dezember 1644 im Kloster 
Sta. Croce in Campese bei Baseano und das Gedicht unter 
dem Titel Moscheis, wie Genthe annimmt vor 1517, heraus- 
gab ^). Dies Werk hat Fuchs vorgelegen, und er hat es in 

*) Oaspary II, S. 522, 525; Genthe S. 5. Gaspary giebt keine 
Jahreszahl für das Erscheinen dieses Gedichtes an. Folengo^s Gedicht 
ist in niakaronischen Versen verfasst. 



227 

freier Bearbeitung ins Deutsche übertragen. Er nennt sich 
auf den Titelblättern der bei seinen Lebzeiten erschienenen 
Ausgaben nicht, und ebenso verhält es sich mit der Ausgabe 
von 1600; nur die mitgeteilte Vorrede an den Leser ist mit 
den Buchstaben H. C. F. unterzeichnet. Dennoch aber ist 
es nie einem Zweifel unterworfen gewesen, dass er der 
Dichter sei, und Schnurr vonLandsiedel bezeichnet 
ihn ganz ausdrücklich in der Vorrede zu seiner Bearbeitung 
als den Dichter, indem er als Titel der in seine Hände ge- 
langten Handschrift angiebt : „Der Eymmeisen vnnd Mucken- 
krieg, sehr Kurtzweilig zu Lesen. Beschrieben durch Hanß 
Christoffen Fuchs, den Eltern, in Wallenburg vnd Armschwang, 
Equitem Francum P. m. 

Das Gedicht ist in drei Bücher eingeteilt, deren Inhalt 
Fuchs folgendermassen angiebt: 

In diesem Ersten Buch rüst sich 

Der Mücken Heer zum Amaißkrieg, 

Die jhnen groß schaden vnd höhn 

Bewiesen hatten. Auch kompt an 

Der Roßfliegen, Weinmücklein, Brämen 

Vnd Schnacken hülf. Die hauffen nemen 

Ihren Heerzug für über Meer, 

Segeln mit gutem W^ind daher. 
Im andern Buch da rüsten sich 

Gleicher gestalt mit gewalt zum krieg. 

Die Amaisen, vnd kommen jnen 

Die Wantzen, Leuse, Flöhe vnd Spinnen 

Zu hülff. Auch greifft die Mucken an 

Zu meer ein schreckliches Fortun. 

Kommen doch endlich an zu land, 

Schleiffens schloß Atricos genant. 

Belegern auch Crappa die Stadt 

Vnd weil dieselbig mangel hat 

An Proviant, kommen viel W^ägen 

Voll speis vnd tranck jn zu, dagegen 

W^ird Mustibibax der Held geschickt, 

Daß er dieselb der Stadt abstrickt, 

15* 



228 

Daß jm zwar nicht viel guts gebirt, 
Denn er darob gefangen wird. 
Siccaboron der wilde Knab 
Thut mit den Flöen ein feine prob. 
In der Stadt kömpt ein Meuterey 
An tag, vnd ruckt mit gewalt herbey 
Mit den Amaysen der tewre Held 
Granestor, vnd legt sich auch zu feld. 
Myrnura beut Siccaboron 
Einen kampff an, der wil nicht dran, 
Veracht jn, willigt daß ein Schlacht 
Den Krieg zu richten wird verbracht 
Im dritten Buch werden verbracht, 
Etlich Scharmützel vnd eine Schlacht, 
Bederseits ficht man ritterlich, 
Vnd steht lang im zweiffei der Sieg, 
Bis endlich Granestor das Feld 
Vnd die Victoriam erhelt. 
Sanguiler mit sein Bundsgenossen 
(Scamacaballen außgeschlossen. 
Welcher dringt durch der Spinnen netz 
Die sie gericht hatten) zu letzt 
Bleibt tod. Siccaboron der Held 
Lang in der Stadt zu wehr sich stellt. 
Darin er was thörlich gerennt. 
Doch endlich auch sein leben endt. 
(Ausgabe von 1600 S. 6, 48 und 85). 
Die Ortsnamen und die Haupthelden der Dichtung haben 
sämtlich aus dem Leben der kämpfenden Insekten abgeleitete 
Namen. Alle Ereignisse des Krieges sind mit grossem Humor 
geschildert, der durch das Eingreifen der Götter des Alter- 
tums und die Vergleiche mit der zeitgenössischen Kriegskunst 
wesentlich erhöht wird. Die in Folengo's makaronischen 
Versen liegende Komik verschwand allerdings in der einfach 
deutschen Bearbeitung des Stoffes durch Fuchs. Kurtz 
mag nicht Unrecht haben, wenn er den wesentlichen Grund 
zur Beliebtheit und Verbreitung des Gedichts, auf den wir 



229 

aus den verhältnismässig rasch auf einander gefolgten Aus- 
gaben schliessen dürfen, weniger in den poetischen Vorzügen 
des Werks als in dem damaligen Geschmack an den Ge- 
schichten aus dem Tierleben findet. Näher auf die Dichtung 
einzugehen, ist hier nicht der Ort, da sie ja jedermann in 
den Gent besehen Ausgaben zugängig ist. 

Nur der Vollständigkeit wegen mag noch erwähnt werden, 
dass Franck in der allgemeinen deutschen Biographie Fuchs 
noch ein drittes Buch zuschreibt, das nach dem auf der 
göttinger Bibliothek aufbewahrten Exemplar den Titel führt: 
„Kunst- vnd Wunderbüchlein, darinnen allerhand 
nützliche Sachen vnnd Kunststücke, verfasset vnd be- 
griffen", 
ein Buch, das im 17. Jahrhundert vielfach als Haushaltungs- 
buch benutzt worden sein soll. Woher Franck die Über- 
zeugung ableitet, dass Fuchs das Buch verfasst habe, ist 
mir nicht gelungen festzustellen. Der Titel der göttinger 
Ausgabe lautet nämlich weiter : 

„Itzunder wieder vfs neue sehr verbessert, vermehrt, 
auch mit einem nützlichen Register gezieret durch 
Balthasarum Schnurren von Landsiedel, 
Frankfurt a. M. 1631", 
und es ist zwar daraus zu schliessen, dass wir es mit einer 
späteren Ausgabe des schon früher erschienenen Buches zu 
thun haben, aber es erhellt weder aus der Fassung dieses 
Titels noch aus irgend einer sonstigen Bemerkung Schnurrs, 
dass er auch hier ein Werk unseres Fuchs neu bearbeitet 
wieder auflege, während er dies doch bei seiner Ausgabe des 
Mückenkrieges thut. Wir werden daher nicht berechtigt 
sein, dies Buch Fuchs zuzurechnen, doch mag darauf hin- 
gewiesen werden, dass es folgende Abschnitte enthält: 

1. Die Zubereitung von mancherlei Konfekten, Fisch- 
und Vogelfang, Wein-, Essig- und Bierbüchlein. 

2. Kochbuch für Kranke und Gesunde. 

3. Gartenbuch. 

4. Probierbüchlein auf Gold, Silber und Metall mit 
vielen alchemistischen Künsten. 



230 



5. Arzneibuch. 

6. Frauenbuch. 

7. Mahlerbüchlein. 

8. Rossarzneibüchlein. 

9. Wunderbuch. 



Anlagen. 

I. Durchleuchtiger, hochgeborner Fürst, Eurn fürstlichen 
genaden seind mein vnterdenig dinst zuuor genediger Herr, 

E. F. G. haben mir schreiben lassen, als seit ich einen newen 
Hamer vnd wehr in der vogtei zw Hernpreittungen in Eur 

F. G. oberkeit gebaut vnd gemacht haben und das alles hab 
ich mit merherm inhalt vnterdeniglich vernomen vnd gebe 
hirauf E. F. G. zw erkennen, das ich vor dreien jaren einen 
Hamer in der awe on mitel vff meinem grundt vnd Boden 
so gen Wallenburgk gehört gebaut auch mein wasser die 
Lautenbach genant vflF solchen Hamer geleit habe, vnd damit 
in eur fürstlich g. Oberkeiten gar nit gegriffen, auch solchs 
alles in die Vogtej gen Hernpreittungen nit gehört. Das aber 
dem also so mage ich solchs zw Recht genug darthun, auch 
der wegen E. F. G. neun Roth vermege des heiligen Reichs- 
ordenung rechtlich vmb leiden, vnd bith darauf E. F. G. 
die wollen mich on Recht nit entsetzen noch beschweren 
lassen das wil ich vmb E. F. G. vnterdeniglich zw verthinen 
willig sein. Datum Walenburg Donnerstags nach circum- 
cisionis dominj Anno etc. xxxviij. 

E. F. G. 

vnterdeniger 

Cristoff Fuchs ritter 
zw Wallenburgk. 

Auf der Aussenseite des Briefes als Adresse steht: 

DEm Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn 
Herrn philips lantgraue zw Hessen graue zw Catzenelpogen 
etc. meinem genedigen Herenn. 



231 

II. Wolgebornne Edele gestrennge vnd ernueste g. liebe 
Herrenn vettern Oheim Sweger vnd freunndt. Ich gib euch 
hiemit diese meine anlygunde beschwernus vnd gewalltsame 
hanndlung . so mir vonn dem Abbt zu Prayttingen . vnnd durch 
des durchleuchtigenn Fürsten meins g. herrenn des Lanndt- 
grauen zu Hessen . Amptleut vnd Renndtmeister zu Schmal- 
ckaltten . begegen. Dann vber das ich mich allezeit zu 
ordennlichem Rechtenn, auch mich nach vermög des heyligen 
Reichs Ordnung . auff hochgedachts meins g. herrn des Lanndt- 
graffen zu Hessen aigen Redt, zu recht erpotten habe. Vnd 
darzu sunderlich wider die jetzt Regirennde Römische Kayser- 
liche Maiestat . vnnsers allergnedigisten herrn mir gegeben 
schütz . schirm vnd freyhaitten etc. haben der Abbt zu 
Prayttingen . vnd meins g. herren des Lanndtgrauen zu 
Hessen Amptleut zu Schmalckalltten dem Friedtbotten oder 
gerichtsknecht zu Prayttingen in mein gerichtparkeit, so an 
mittell gein Wallenpurg gehört . inn das Dorff Awe geschickt 
vnd daselbs allen meinen vnndersassen vonn Hauß zu haus 
mit dem stabe zum Halßgericht gein Praittingen gewalltsam 
gebietten . auch mir einen Armen aus meinem gericht Wallen- 
burg nemen lassen , sollichs ist vorhinje mer gehört noch 
bescheen. Sy haben auch solichs zuthuen, weder fuegs noch 
Rechts. Dann die Awe gehört an mittell in das gericht gein 
Wallennburg. Das zeuge ich mich auff brieffliche vnd annde 
glaubwirdige vrkhunt. 

Zum Anndern so vnndersteet sich der Abbt zu Prayttingen 
vnd weist seinem öbermullner zum herges dohin, der schlicht 
vnd laytt das wasser die Luttenbach genant aus dem rechten 
erbfluss auff sein neulich gepautte müU . alles zu schaden 
vnd mercklichem nachteyll . mein vnd meiner hinderses^enn , 
hemmernn vnd plaßwerch in der Awe . vnangesehen . das 
solcher wasserfluß mein ist, vnd gein Wallennburg gehortt 
denn auch mein vorfaren vnd hindersessen in der Awe all- 
wegenn vnd lennger dann hundert Jar vff jr hemmer vnd 
plaßwerkh genutzt vnd innen gehabt haben. 

Zum Dritten hatt der Abbt zu Prayttingen sich aigen 
gewalts vnnderstanden vnd hatt neülicher zeitt seinen Frydt- 



232 

potten oder gerichtsknecht zu Prayttingen inn sein Dorfi 
zum herges geschickt. Derselbis Frydtpott hatt aus Beuelch 
des Abbts die gemayn zum herges mit wherennder hanndt 
zu sich genomen, sindt also freuenlich vnd gewaltsam in mein 
Fischwasser ganngen, haben das wasser abgeschlagen . vnd 
mit aigenem gewallt darinnen gefischt ires gefallenns. 

Zum Vierten so hat der hessisch Amptman zu Schmal- 
ckhalltten durch ein gemein zum herges, mir ein wheer in 
meinem wasser zerhawen lassen, vber das ich meines g. herrn 
Lanndtgraff zuuor selbs geschriben vnd für gewallt gebetten 
vnnd mich des wasserfluß vnd weers halben auff seiner Fr, 
g, aygen Rette zu recht erpotten habe zu beweysen das 
solichs gein wallennburg gehöre vnd mein sey. 

Zum Funfften so vnnderstett sich der Hessisch Ambt- 
man zu Schmalckalten, gibt auch für, er hab das vonn seinem 
g. herrn Landtgraff beuelch . vnd will auch den hohen 
wylldpant vnd gejaidt auff den Wallenburgischen hölltzern 
haben . lest allso mit gewalt stellen, jagenn vnd schiessen 
welichs vor nye mehr gehört noch bescheen ist, sonnder 
solcher klein vnd grosser wylldtpant gehört an mittell gein 
wallennburg . vnd steet mir zue. Das erpeitt ich mich mit 
briefflichem vnd anderm vrkhunden zu belegenn vnd zu- 
beweysen. 

Zum Sechsten so vnndersteen sie sich meins g. herrn des 
Landtgraff Rendtmeister, vnd Amptman zu Schmalckhalltten, 
vnd lassen in meinem forenn wasser oben bey dem hohen 
stein ann der Prottröder marck in meinem wasser Luttenbach 
genant, so gein Wallennburg gehört . vischen vnd wollen 
mich mit gewallt also aus meiner Poseß vnd gewher dauon 
tringen . vber das ich mich der vnd aller obgemelltter Sachen 
halb zu ordennlichem Rechten vnd zum vberfluß vff meins 
g. herrn des Lanndtgrauen zu Hessen aygen edell Rett, nach 
Innhallt des Reichs Ordnung zu Recht erpotten habe. Darumb 
ist ann Euer gnad vnd euch mein diennstlich vnnd freuntlich 
Biett, die wollen bedencken vnd beweegen was heut an mir, 
morgenn eins andern sein mag, mich als einen bey euch 
mitianerben gegen hochgedach. meinen g. herrn dem Lanndt- 



233 

graffen zu Hessen etc. verschreiben vff das sein Fürstlich gnad, 
angezeigtenn gewallt vnd newerung bey dem Abbt zum 
Prayttingen vnd bey jrenn Amptman vnd Renndtmeyster zu 
Schmaickhalltten forderlichenn abschaffe , vnd mich bey ge- 
thanen Recht erpitten bleyben . vnd darüber mich meiner 
Possess vnd gewher am Recht nit entsetzenn beschweren noch 
betrueben lassen. Das will ich umb Euch als umb mein 
g. liebe herrn vettern Oheim Schwegern vnd Freundt 
diennstlich vnd freuntlich verdiennenn. Datum Monntag nach 
sännet Matheus des heyligenn zwelffpotten tag Anno etc. xxxviij, 

gez. Cristoff Fuchs zu 
Wallennburg Ritter etc. 

Als Adresse auf der Aussenseite des Briefes steht: 

Dem Wollgebornnen Edellenn Gestrenngenn vnd Er- 
nuestenn Burgkhgraffen, Pawmeyster gekornn, vnnd gemeinenn 
das Schloß zum Rottennberg meinem g. lieben Herrenn 
Vettern Öheim Schwegernn vnnd Freunnden. 

HL Durchleuchtiger Hochgeborner Fürst E. F. Gnaden 
seien mein vnderthanige gantz willig vnd gehorsame Dienst 
jederzeit zuuor, gnediger Herr, Ewern F. gn. soll ich vnder- 
thanig nit vnuermeldet lassen, wie mir itzo anzeigt worden, 
dass der durchleuchtig hochgeborn Ertzhertzog Ferdinand 
zu Osterreich, in sehr kurtzer zeytt, in die Graffschafft Tirol 
sich begeben, vnd dieselbige Landschafft als nunmehr die 
gepur erfordert einnemen vnd die vnderthanen in huldigung 
nemen wolle, 

Dieweil nuhn itzige Ihrer f. gn. furgenomne Raiß disses 
orths erstmalß, auch eben zu vfnemung dero vnderthanen 
beschicht, so will mir souiel desto mehr gepurn, nit (mit?) meyner 
persohnlichen gegenwurtigkeit auch allda zusein. Wan aber 
E. F. G. meyner vnderthenigen gethanen erpietung, ich mich 
noch wol zuerindern, aber dabeneben auch waiß, daß dieselben 
mich deßwegen vß angeregten vrsachen, disfalß gnedig end- 
schuldigt haiton werden. So gelangt an dieselb mein gantz 
vnderthanig pitt, die wollen, daß ich itzo dißmalß meinem 
vnderthanigen erprieten, gleichwol wider mein verh(offen?) 



234 

nit gnug thun khonden, deßwegen mich gnedig aber da- 
beneben nichts weniger, für Ihren vndertheniger diener end- 
schuldigt halten, do mir auch solches als obgemelt nit fur- 
gefallen sollen E. F. Gn. für gewiß halten, daß ich meiner 
zusag nit wolte zuwider gethan haben, welches also E. F. G. 
welcher ich mich zu gnaden vnderthanig befehlen thue, ich 
nit verhalten sollen, Datum Heydelberg den 25. Octobris 
Anno etc. 65. 

E. F. G. 

Vnderthanig 
gantz williger 

gez. Cristoff Fuchs Ritter. 

Auf der Außenseite des Briefes als Adresse stand : 

Dem durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, 
Herrn Ludwigen Landtgrauen zu Hessen, grauen zu Catzen- 
elenbogen Dietz Ziegenheim und Nidda, meinem gnedigen 
Herren. 

IV. Durleuchtiger hochgeborner Fürst gnediger Herr, 
E. F. G. seyen mein vnnderthönig willig dienst in aller gehorsam 
berait. Gnediger Fürst vnnd Herr, ich zweyfel nit, mein vnder- 
thönig schreyben vnnd endtschluldigung (sie) warumben bey 
E. F. G. ich mich nit erzaigt, sey E. F. G. geantwurt worden . 
vnd wiewol mein gnediger Landtsfürst Ertzhertzog Ferdinandt 
derselben zeit, vnnd seydher, in Tyrol nit ankomen, hette 
ich woll lenger fischen vnnd jagen helffen mögen vnnd bin 
bißhero bey meinem gnedigen Fürsten vnnd Herrn, Hertzog 
Christoflf zu Würtembergk in großen genaden auflfenthalten 
worden, vnnd jetz jüngstlich verhoflft, mein auch gnediger 
Herr Hertzog Eberhardt wurde gain Augspurg ankomen sein, 
wolt ich mich bey lerer F. G. zugeschlagen vnnd bey der 
Haimfiirhrung vnnderthönig auflfgewarthet vnnd selbst bey 
E. F. G. entschuldigt haben, dan ich in vnnderthänigkait 
sondern lust gehabt, mit E. F. G. geliebten Herrn vatter 
vnnd gebrüedern in vnnderthönige kundtschafft zu komen . 
auch meine ob vnnd anligen, dorein ich durch die Hoch- 
geschornen vnbillich gefüerth, gehorsamlich vertrauet. Dieweil 



235 

es sich aber jetz nit schicken, hoff zu dem allmechtigen ich 
E. F. G. werden disen Reichstag auch besuchen, will ich 
mich vnnderthönig erzeigen, wo E. F. G. ich als ein armer 
vom adel sampt dem gantzen Hauß Hessen in einicherley 
weg gehorsamlich dienen köndt, solle ich auffrecht, treuw 
vnnd willig befunden werden. Dem allmechtigen lieben Gott 
E. F. G. mich derselben vnnderthönig beuelhendt. 

Datum Elping an der Thonaw den 16. Januarii anno etc. 66. 
Euer fürstlich Genaden 
vnderdeniger Diener 

gez. Cristoff Fuchs, Ritter. 

Auf der Aussenseite des Briefes als Adresse stand: 
Dem Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, 
Herrn Ludwigen, Landtgrauen zu Hessen, Grauen zu Katzen- 
elenbogen, Dietz, Dügenhaim, Nidda, meinem gnedigen Fürsten 
vnnd Herrn. 

V. Rector o celsi sapiens olympi, 

Fortis immensi dominator orbis, 
Qui moves solo simul et coerces 

omnia nutu. 

En negat mundo sua Titan ora, 
Moestos obvelat vasa luna vultus, 
Ecce, contristant tencbrosa fumis 

Nubila coelum. 

Auster insurgit nebulosus Euro 
Et Notus, fulgur tonitruque miscens, 
Crebrius justo furit inde fundit 

Aetheris imbres. 

Es quidem nostris, merito fatemur, 
Es lacessitus viciis ad iram, 
Frena vindictae cohibe sed alti 

Rector olympi. 

Siste grassantem pluvialis Austri 
Et Noti tristis rabiem, precamur, 
Crebriores atque minacis Euri 

Siste procellas. 



236 

Luna fac, nobis latitans, serenos 
Monstret ut vultus, tenebras repelle, 
Atque pandat, phoebiis radiis rednctis 

Rideat aether. 

Ne suis fruges pereant in herbis 
Aut Ceres nobis neget alma victum 
Humor aut crassus vicium salubres 

Spargat in auras.- 

Sic tibi reddet Pater alme grates 
Corporis nostri vigor omnis et te 
Sic vehet totus meritis ad astra 

Laudibus orbis. 



VI. Psalmus I. Beatus vir, qui non ambulat etc. 

Felix, cum coetu qui consultare malorum 

Non gaudet, nee amat dogmata falsa sequi : 
Non tenet a legum declinans tramite turbae, 

In scelerum quae se sorde volutat, iter: 
Nee derisorum sedet ad subsellia sannae, 

A qua relligio luditur atque Deus : 
Sed cupide verbo divino semper adhaeret, 

Ruminat et leges nocte dieque Dei. 
Dixeris bunc similem palmae, quam sevit amoeni 

Fluminis in viridi margine docta manus : 
Quae fert optatos maturo tempore fructus, 

Nee perdit Boreae turbine quassa comas. 
Sic pius, e Domini qui pendit lege, vigebit, 

Sentiet et coeptis fata secunda suis. 
Non ita divini gens impia nescia verbi, 

Sed levis infelix pulveris instar erit: 
Quem volucri gyro rapidi violentia venti 

Verrit, et in certo non sinit esse loco. 
Sic etenim flatu divinae agitabitur irae 

Impius, ut nusquam firmiter esse queat. 



237 

Mille reus scelerum causa cadet ante tribunal. 
Nee poterit salvos inter habere locum. 

Vt Deus acta boni novit, regit atque secundat, 
Sic, quem perdet, opus reddit inane mali, 



Psalmus XIX. Coeli enarrant gloriam Dei. 

Quanta sit aetherei, si nescis, gloria regis, 
Disce, renidentis quid testificentur olympi 
Culmina tot flammis, quid opus mirabile dextrae 
Praedicet artificis, quo non sapientior alter, 
Fabrica convexo nutantis pondere mundi. 
Inde quid ista manus possit, quae talia fecit, 
Cognosces. Vice perpetua quia cuncta revelant 
Facta stupenda Dei: simulac sol surgit ab undis, 
Luci, quam revehit, Domini miracula prodit, 
Hesperus haec eadem non cessat pandere nocti 
Venturae, quoties caput effert cincta tenebris. 
Hos idioma suae linguae gens quaelibet audit 
Edere. Telluris non est habitabilis ora, 
Tensilis ipsorum quam non contingat amussis: 
Extremis horum voces in finibus orbis 
Aetherii referunt oracula coelica regis, 
Splendida qui roseo posuit tentoria Phoebo 
In rutilante domo coeli, de qua, velut exit 
E thalamo sponsus gemmis auroque decorus, 
Exerit optati radiantia lumina vultus: 
Et ceu fortis, et ad cursum velut impiger heros 
Ardet praefixam metam contingere, gaudet 
Sic iter aethereum volucri percurrere rheda. 
Surgit ab extremo rubicundi margine coeli, 
Tingit et Hesperiis se tandem sessus in undis : 
Interea torret ferventi lampade mundum, 
Ipsius atque potest nemo evitare calores. 

Lex est pura Dei, recreatrix pectoris aegri, 
Ignarus sermo divinus fallere terras 



■ 238 

Erudit indoctosy et iniqui nescia maicent 
Laeticia moestas mentes praecepta tonantis, 
Lucida divini verbi mandata recludunt 
Lumina caeca : timor Domini mundissimus ullis 
Aeternis etiam non est variabilis annis, 
Tempus in omne pios scrvans: Decreta nee unquam 
ludicis aetherei cedunt ä tramite veri 
Norma et iusticiae, sunt nobiliora rubente 
Auro, sunt gemmis potiora micantibus, ater 
Quas in Erythraci legit Indus littore ponti, 
Thesaeum superant mira dulcedine neetar, 
Et vincunt horti Siculi quae mella ministrant. 
Haec infixa meae mentis penetralibus imis 
Totum curriculum vitae decreta gubernant. 
Et certe statuo: haec qui custodiverit, ipsum 
Praemia praesentis vitae numerosa manere, 
Nee non perpetuae dulcissima numero pacis. 

Ah quis scire potest quoties delinquat et erret? 
Quod tectum latet, ergo Deus tu dilue crimen. 
Fac ne regna mei sibi caeca superbia cordis 
Vendicet: a scelerum rigida sie compede per te 
Liber ero, sie delicto mundabor ab omni. 
Pacato placeant nostrae tibi carmina linguae, 
Inque sinu tacito quae mens mea vota volutat, 
Deus adintor mens, o spes certa salutis. 



Psalmus LVII. Miserere mei Deus, miserere. 

In te spem firmam posui, Moderator olympi, 

Tu miserere mihi. 
Donec fortunae tempestas transeat, alae 

Me tegat umbra tuae. 
Te compello^ fides cuius mihi rebus in arctis 

Cognita saepe fuit 
Te compello, poli qui me de sede tueris, 

Et mihi mittis opem 



239 

In Caput antoris qui probra retundis, et hostis 

Conteris ora mei: 
Qui te munificum promissorumque tenacem 

Omnibus esse probas, 
Inter enim rabido metuendos ore leones 

Tristis et exul ago. 
Sunt hominum mentes mihi flammae, saeva stupendis 

Quas ciet ira modis. 
Sunt hastae dentes et spicula, lingua sed ensis 

Cuspis acuta mihi. 
Se tua maiestas celsi super aetheris orbes 

Elevet, alme Deus: 
Et tua terrarum fiat manifesta per omnes 

Gloria summa piagas. 
Hostis composuit mihi casses, unde tremiscit 

Mens me quassa metu: 
Et fodit foveam, sed in illa denique talpa 

Gaecior ipse ruet 
Jam mea mens gestit, iam gestit mens mea laetis 

Te resonare sonis. 
Evigila, citharam cape, corripe nablia, ultae 

Gloriae musa meae. 
Ad iubar exurgens aurorae carmine dulci 

Astra ferire Übet. 
Teque patrem rerum cantu celebrare per orbis 

Glimata cuncta meo. 
Nam superat coeli bonitas tua culmina, nubes 

Inviolata fides. 
Se tua maiestas celsi super aetheris orbes 

Elevet, alme Deus: 
Et tua terrarum fiat manifesta per omnes 

Gloria summa piagas. 



Psalmus CXXI. Levavi oculos meos ad montes. 

Rebus in adversis mea lumina sublevo culmen 

Ad editorum montium : 



240 

Pectoris ande mei certam sperare salatem 

Andax solet fidacia. 
Aaxiliam venit a Domino mihi, cnias olympas 

Globnsqae terrae sunt opus. 
Quid stolide trepidas? non ille labare tuorum 

Pedum sin et constantiam. 
Sive die laxatur humus, seu sidera lucent, 

Qui te tuetur, excubat. 
Isacidum cnstos nunquam dormitat, inerte 

Nunquam sopore vincitur. 
Te curat superum Rector, tibi dexter adhaeret, 

Te sicut umbra contegit : 
Ne te 8ol medius tenues dum contrahit umbras 

Caloris urat spiculo: 
Nee te nocte maus implens humoribus artus 

Te laedat unquam Cynthia. 
Sit tibi Rex divüm defensor rebus in arctis, 

Vitae tuae sit parmula. 
Perpetuosque tuum coeptum finemque per annos 

Domi forisque prosperet. 



Psalmus CXni. Laudate pueri Dominum. 

Addicti superum patri puelli, 
Addietae superum patri puellae, 
Laudes unanimi sonate metro 
Uli, cui famulatur arx olympi. 
Ad cuius tonitru treraiscit orbis, 
Eius laudibus elevate nomen. 
Nomen magnificum Dei canatur^ 
Vulgetur, celebretur, invocetur, 
Telluris rudioris a iuventae 
Annis orbis ad ultimam senectam. 
Quas torret calor aestuans ab Indis 
Oris Hesperios adusque fluctus, 
Non cessent numeris potentiores 
Augustum Domini souare nomen: 



241 

Nee laudes Domini tenellulorum 
Lactentum celebrare cesset aetas. 
Nam reges supereminet potentes, 
Ingentes dominatur unus omnes: 
Et tranat rutilae beatiorum 
Sedis culmina gloria perenni. 
error malesane caecitatis 
Humanae, pietatis error expers, 
Quem nostro similem Deo Deorum 
Nüsti sideream domum tenenti? 
Occultat nihil amplitudo codi. 
Nil tellus varias habens latebras, 
Nil ponti, nihil aeris recessus, 
Infernae nihil occulunt tenebrae, 
Hie quod non oculos habens acutos 
Cernat multiplices poli per arbes. 
Coelestes animis potentiorum 
Non de more domos perambulantes, 
Sed de pulvere sublevare gaudet 
Despectos, humiles et exulantes: 
Et de stercore foetido misellos 
Erexisse solet pater benignus. 
Hos fidos sibi cognitos ut inter 
Primates populi sui reponat. 
Vitam quae sine prole tristiorem 
Multos foemina traxerat per annos, 
Hanc examine garrulo tenellae 
Prolis laetificat facitque matrem. 



Psalmus CXXV. Qui confidit in Domino. 

Ut rupem validam sacrae Sionis 
Non vi brat glomerans notus procellas, 
Non nigris movet udus Auster alis. 
Nee pennae quatiunt furentis Euri: 
Sic spes in Domino suas locantes 
Nunquam sors malefida, sors sinistra, 

N. i\ Bd. XXIII. 16 



242 

Nunquam vis strepitans potentiorum, 
Nunquam casus atrox loco movebit. 
Ut sanctam Solymen perarduorum 
Moles undique montium recingit: 
Sic Rector superüm suum popellum 
Ginget, donec erit dies et annus. 
Non semper dominatio malorum 
Regum progeniem premet piorum: 
Ipsius labefacta rebus arctis 
Ne mens a patre coelitum recedat. 
Fac illis bene, fac eos vigere, 
Rex divüm, tibi qui student placere: 
Verum quos iter avium libido 
Pravorum facit ambulare morum, 
lUos annumeret Deus scelestis, 
Illos permaneant acerba fata. 
Sed gens Isacidum serenitate 
Pacis non violabili fruatur. 



Psalmus CXXVIII. Beati omnes^ qui timent Dominum. 

Beatus ille, qui veretur inclytum 

Coelestis aulae principem 
Vitae rebellis sanctionum regulae 

Impuritate laedere : 
Et eius e durente recta ad aethera 

Exorbitare tramite. 
Haec quisquis es qui feceris, qui fixeris 

Haec mentis in recessibus: 
Paterna rura bobus exercens feres 

Labore digna praemia: 
Et farris affluentia turgescere 

Tuum videbis horreum. 
Divina te benignitas successibus 

Beabit optatissimis : 
Dabitque suaviter labore coramodis 

Partis honesto perfrui. 



243 

lucunda te et foecunda te consors thori 

Reddet parentem saepius: 
Cum vite certatura, foeta plurimis 

Quae pampinis et uvulis 
Diffundit omne per latus domus tuae 

Decus suum mirabile. 
Quot explicat parens olivae Palladis 

Arbor tenellos termites : 
Tot pignorum tecum dapes sumentium 

Te cinget ordo garrulus. 
Hac affluit felicitate, quem iuvat 

Timere regem coelitum. 
Ex arce qui Sionis amplitudine 

Te prosperabit gratiae: 
Cernas ut ipsi dedicatae sospites, 

Dum vivis, urbis incolas. 
Dabit tibi seni tuae propaginis 

Seros videre liberos: 
Et inclytos frui nepotes Isaci 

Pacis serenae commodis. 



Psalmus CXXXIII. Ecce quam bonum et quam 

iucundum. 

quam piis iucunda, quam res utilis 

Est amor et placidam pacem colens concordia 
Horum, pari fraterna quos coniunctio 

Sive fides eadem connexuit ligamine. 
Tarn candidis probabili concordiae 

Cedit odore liquor felicis ille balsami: 
(Juod ex Aaronis sacrato vertice 

Defluit ipsius et barbam togamqae proluit. 
Ut ille res, quem fundit in Sionia 

Pascua mons Libanus, facit virere gramina. 
Sic has domos, quas incolit concordia, 

Prosperat atque facit vigere Rector aetheris. 

16* 



244 



Psalmus C. Jabilate Deo omnis terra. 

iabilate maximo 
Telluris incolae Deo, 
Eiusque puri numini 
Scrvite puris cultibus. 

Non turbidi, sed gaudio 
Ovante mente, frontibus 
Et explicatis sistite 
Vos ipsius conspectui. 

Omnes boni cognoscite, 
Quod hie sit unicus Deus, 
Quod nemo sit vitae suae 
Autor, sed hie nos iinxerit: 

Quod hie levi de pulvere 
Terrae creatos feeerit 
Gentem suam nos unieam, 
Ovesque paseuae suae. 

Ergo Israeli perviae 
Intrate templi ianuas 
Donisque debitis Deo 
Deo referte gratias. 

Hymnis eanoris atrium 
Beplete templi, eanticis 
Gratis, et amplis ipsius 
Cantate nomen laudibus. 

Benignus est enim Deus, 
Eiusque magna lenitas 
Fidesque paeti foederis 
Finem vicesque neseiunt. 



245 



Psalmus LXXV. Confitebimur tibi Deus. 

Extollimas te laudibus, 
Te laudibus Rex tollimus 
Aeterne, prodimus tuae 
Stupenda facta dexterae. 

Nam sapplicum malis taum 
Votisque praesentissimum 
Est numen, in discrimine 
Promptissimum succurrere. 

Haec intonas oracula: 
Statuta quando tempora 
Illuxerint; aequissimam 
Iudex feram sententiam. 

Quassabit orbem tum tremor 
Et eius incolas pavor: 
Sed non cadent fundamina 
SufiFulta nostra dextera. 

Elata fastu pectora 
Hortabar alta cornua, 
Et impios potentiae 
Fidnciam deponere. 

Quid arrogans o Spiritus 
Tuis superbis viribus, 
Cristas quid altus erigis, 
Quid ore coelos impetis? 

Furis, quasi periculi 
Nihil timendum sit tibi 
Ab orbe saevi Circii, 
Euri, Noti, vel Africi. 

Scito, quod arbiter Deus 
Sit iustus: illum coelitus 
Ex plebe tollit infima 
Trudit sed hunc ad tartara. 



246 

Forti Lyaeo dextera 
Tenet referta pocula, 
Ex bis bibenda candidis 
Dat summa, feces improbis. 

Sed ipse Jacobi Deo 
Landes canam ter maximo: 
Bonis et invisissima 
Frangam malorum cornua: 

Emergat nt potentia 
Amantis aequi corrnta, 
Invicta virtns nt suum 
Decus resnmat perditnm. 




V. 

Landgraf Wilhelm lY. von Hessen 

und der niederländisehe Aufstand bis zum 

Tode Wilhelms von Oranien. 

Von 
Archivar Dr. Ribbeck. 

^Ife leuchtender das Verdienst ist, welches sich die helden- 
'fß mutigen Sprossen des Hauses Nassau um die Befreiung 
der Niederlande vom spanischen Joche erworben haben, ein 
desto düsterer Schatten fällt auf die andern deutschen 
protestantischen Fürsten. Sie schauten thatlos zu, wie diese 
herrlichen Lande von den Spaniern bedrückt und verheert 
wurden, und haben es an ihrem Teile mit verschuldet, dass 
jene dem Reiche auf immer entfremdet wurden. Eine Aus- 
nahme machen fast nur die Angehörigen des pfälzischen 
Kurhauses, Kurfürst Friedrich der Fromme und seine Söhne : 
Christoph, der auf der Mooker Heide sein junges Leben für 
die Sache der Freiheit dahingab und Johann Casimir, dessen 
Verhalten gegenüber dem Aufstande indess von Schwankungen 
nicht frei geblieben ist. Fast das Gleiche gilt von dem 
freilich viel weniger thatkräftigen Landgrafen Wilhelm IV. 
von Hessen, der den nassauischen Brüdern unter allen 
damaligen Fürsten vielleicht am nächsten stand. Ist doch 
von neueren Geschichtsschreibern gerade aus diesem Anlass 
der Vorwurf der Doppelzüngigkeit gegen ihn erhoben worden, 
ein Vorwurf, den auf sein richtiges Mass zurückzuführen, 
die Aufgabe der nachfolgenden Ausführungen ist. 



248 



I. Beziehungen des Landgrafen Wilhelm zu 
Oranien bis zum Tode Philipps des Grossmütigen 

(März 1567). 

Nachdem der langdauernde Streit um die katzenellen- 
bogische Erbschaft sein Ende erreicht hatte, lebten die be- 
nachbarten Häuser Hessen und Nassau-Dillenburg in freund- 
schaftlichen Beziehungen. Besonders intim erscheint das 
Verhältnis des Landgrafen Wilhelm zu dem dritten Sohne 
Wilhelms des Reichen, Ludwig, vertraulich Lutzgen genannt. 

Ludwigs ältester Bruder Wilhelm, Fürst, oder nach 
damaligem Sprachgebrauch Prinz von Oranien, trat im Jahre 
1561 mittelbar in verwandschaftliche Verbindung mit dem 
Hause Hessen. Er heiratete Anna, die Tochter des ver- 
storbenen Kurfürsten Moritz von Sachsen , eine Enkelin 
Philipps des Grossmütigen. Philipp hatte sich jener Ver- 
bindung allerdings widersetzt, weil Oranien damals noch 
katholisch war und keine Gewähr dafür zu bieten schien, 
dass seiner Gattin in den Niederlanden freie Religionsübung 
werde gestattet werden; vergebens war Kurfürst August von 
Sachsen, der Oheim und Vormund der Prinzessin, in den 
Landgrafen gedrungen, ihm seinen ältesten Sohn zu senden, 
damit er mit diesem über die Heirat verhandeln könne ^), 
Philipp hatte dies ziemlich schroff abgelehnt, da er sich von 
seinen Söhnen nicht dreinreden lassen wolle ^) und diesen 
die Teilnahme an der Hochzeitsfeier untersagt, der voll- 
zogenen Thatsache aber fügte er sich und Hess auch dem 
jungen Paar bei dem Durchzug durch sein Land eine gast- 
freundliche Aufnahme zu Teil werden. 

Ein engeres Verhältnis zwischen Oranien und Philipps 
ältestem Sohne scheint von dem ersteren angeregt worden 
zu sein, der dem jungen Landgrafen durch den hessischen 



*) Kurfürst August au Landgraf Philipp den 1. August und 
14. Dezember 1560 (Acten des Marburger Staatsarchivs. Da die Neu- 
ordnung der Marburger Acten noch nicht abgeschlossen ist, so ist eine 
genauere Angabe der betreffenden Signaturen ohne Zweck.) 

^) Am 29. Dezember 1560 bei Bommel^ Philipp der Grossmütige, 
Bd. lU. S. 324. 



249 

Kämmerer Bastian von Weitershausen sagen Hess, er wünsche 
mit ihm in Verbindung zu treten ^). 

Auf dem Frankfurter Fürstentage (November 1562), 
dem beide Fürsten beiwohnten, wurde zwischen ihnen die 
Einrichtung einer besonderen Botenpost von Cassel nach 
Breda, Oraniens Wohnsitz, verabredet^. Durch den Land- 
grafen suchte Oranien hier auf Sachsen und Brandenburg 
einzuwirken, damit sie sich bei Philipp von Spanien für die 
französischen und niederländischen Protestanten verwendeten^). 
Durch jenen Bastian von Weitershausen hatte der Prinz bei 
Wilhelm den Gedanken anregen lassen, sich mit einer Dame 
seiner Bekanntschaft zu vermählen und es wurde zu diesem 
Zwecke eine Reise in die Niederlande geplant, aus der dann 
freilich nichts wurde*). Als in Aussicht stand, dass der 
Landgraf seiner Schwester Christine bei ihrer Heimführung 
nach Schweden das Geleit geben sollte, bat er Oranien, es 
zu gestatten, dass sein Bruder Ludwig ihn auf dieser Reise 
begleite^). Der Prinz musste freilich ablehnen, da in den 
jetzigen aufgeregten Zeiten weder er selbst noch sein Bruder 
die Niederlande verlassen könnten ^). Doch beschränkte sich 
ihre Correspondenz keineswegs auf Familienangelegenheiten. 
So fragte Oranien um Rat, als ihm wegen der in seinem 
Fürstentum Orange überhandnehmenden Ketzerei der Papst 
einen drohenden Brief schrieb '^) und Wilhelm riet ihm, hier- 
gegen Frankreichs Hülfe anzurufen ®). Wie über die Welt- 
begebenheiten überhaupt, so hielten ihn namentlich über die 
französischen und niederländischen Dinge die Briefe der 
nassauischen Brüder auf dem Laufenden, und in den Ant- 



*) Wilhelm an Oranien am 31. März 1562 bei Qroen van Prinsterer, 
Archives de la maison d'Orange-Nassau I, 1, S. 133 f. S. Kolltgs, Wilhelm 
von Oranien und die Anfänge des Aufstandes der Niederlande, Bonn 1884, 
S. 30. 

«) Kolltgs, S, 30 ff. 

3) Räter, ,,Über die Anfänge des niederländischen Aufstandes" in 
der historischen Zeitschrift Bd. 58, S. 398. 

^) Prinsterer I, 1, S. 133. 

ö) Ebd. S. 154 (12. März 1563). 

6) Ebd. S. 155. 

7) Ebd. S. 199 den 13. Febr. 1564. 

8) Ebd. S. 210 den 3. März 1564. 



250 

Worten des Landgrafen macht sich schon jetzt der diesem 
eigentümliche vorsichtige und thatenscheue Zug bemerkbar. 
Wohl erkannte er früh, dass Granvella die verderbliche Rolle, 
die er als Ratgeber Karls V. in den deutschen Angelegen- 
heiten gespielt, nun unter Philipp in den Niederlanden fort- 
setze ^), aber es erschien ihm doch bedenklich, dass Oranien 
nebst Egmont und Hoorn wegen der Misshelligkeiten mit 
jenem den Sitzungen des königlichen Rates fernblieb^). Als 
die Verhältnisse gespannter wurden, die religiösen Be- 
drückungen zunahmen, und der Prinz ihn um seine Ver- 
wendung bei Kurfürsten und Fürsten ersuchte (den 22. März 
1566), konnte ihm Wilhelm diese nur bei seinem Schwieger- 
vater, dem Herzog von Würtemberg zusagen, da er den 
andern Fürsten wegen ihrer Freundschaft für Spanien miss- 
traute, und erteilte ihm den Rat, eine Deputation der Provinzen 
an den Augsburger Reichstag zu veranlassen, welche die 
Aufnahme derselben in den deutschen Religionsfrieden be- 
antragen sollte^). Als dann im Herbst 1566 in Flandern 
und andern Provinzen der Bildersturm losbrach, missbilligte 
Wilhelm jene Ausschweifungen in sehr milder Weise und 
bedauerte hauptsächlich das Umsichgreifen des Calvinismus 
und die unnützen Disputationen der Praedicanten über die 
Differenzen in der Abendmahlsfrage*). Er meinte, man 
müsse jene Praedicanten veranlassen, sich zur Augsburgischen 
Confession zu bekennen, damit die Kurfürsten und das Reich 
sich ihrer annehmen könnten, obgleich er für seine Person 
dem Unterschiede der beiden protestantischen Richtungen 
eine grosse Bedeutung nicht beilegte^). Dieselbe Ansicht 
sprach er auch gegen den Grafen Ludwig von Wittgenstein 
aus, den Oranien an die deutschen Fürsten der nieder- 
ländischen Verhältnisse wegen gesandt hatte und dem er 
allerhand Ratschläge gab, wie er seine Mission zweckmässig 



^) Ämoldi, Historische Denkwürdigkeiten S. 262, Brief vom 
17. August 1563 an Oranien. 

2) Brief vom 22. März 1564 bei Prinsterer S. 223. 
8) Am 31. März 1566 a. a. 0. I, 2, S. 69. 
*) Am 16. Sept. 1566 a. a. 0. S. 285. 
6) Den 13. Okt. 1566 a. a. 0. S. 390. 



251 

erledigen könne ^). In einem aus dem Dezember 1566 
stammenden Gutachten, welches Wilhelm und die hessischen 
Räte für den alten Landgrafen aufsetzten ^), schlagen sie vor, 
die Augsburgischen Confessions-Ver wandten sollten beim 
König von Spanien und dem Kaiser Fürbitte thun, dass man 
den Niederländern die Augsburgische Confession gestatten 
möchte, welche am besten geeignet sei, dem Calvinismus 
Eintrag zu thun und die Niederländer ermahne, den Streit 
de modo praesentiae unterweges zu lassen. Oranien wie sein 
Bruder Ludwig, deren Ansichten inbetreff dieses Punktes mit 
denen Wilhelms damals ganz übereinstimmten, waren auch 
in dieser Richtung thätig, hatten aber wenig Erfolg damit, 
da eben die calvinische Lehre bei den Praedicanten und den 
durch diese beherrschten niederen Volksschichten zu tief ein- 
gewurzelt war^). In der Frage, die damals den Prinzen und 
dessen Freunde lebhaft beschäftigte, ob er für seine Person 
sich zur Augsburgischen Confession, der er in seinem Herzen 
immer mehr zuneigte, dem Könige und der Öffentlichkeit 
gegenüber bekennen solle, war Wilhelm, trotzdem er das 
Gewicht der Gegengründe nicht verkannte, doch der Meinung*), 
der Prinz dürfe sich jedenfalls am papistischen Gottesdienst 
nicht länger beteiligen, wenn sich auch die Erklärung gegen- 
über dem Könige vielleicht noch hinausschieben lasse, aber 
auch diese letztere hielt er nicht nur für offener und ehr- 
licher, sondern auch für politisch klüger als längeres Dis- 
simulieren ^). lieber die Rechtmässigkeit eines etwaigen ge- 
waltsamen Widerstandes, derentwegen der Prinz bei ihm an- 
gefragt, äusserte sich der Landgraf in folgender Weise: „Es 
ist je wahr, dass sich die Underthanen nitt sollen ufflehnen, 
sondern in allen Dingen, die nit jegent Gott seint, wie 
Paulus sollichs selbst leheret, Gehorsamb leisten. Welcher 

») A. a. 0. S. 408, Oktober 1566. Vergl. das Schreiben an Johann 
von Nassau den 9. Nov. 1566 a. a. 0. S. 465. an Oranien den 27. Nov. 
a. a. 0. S. 489. 

2) Pr inster er I, 9, S. 37 t und Bhk, Correspondentie van an be- 
treffende Lodewijk van Nassau S. 162. 

3) A. a. 0. S. 390. 

*) In dem oben erwähnten Gutachten bei Bhk S. 162 fF. 
^) Prmsterer I, 2, S. 459. 



252 

Gestalt und Massen aber die Lände privilegiret, auch iren 
Herren verbunden seien und wie weitt sich ir Gehorsamb 
vermüge gedachter Privilegien erstrecken, zudem ob sie 
schuldig sein, sich und die iren umb der erkhanden gött- 
lichen Warheit willen von frembden Nationen so jämmerlich 
brennen und brathen zu lassen, das werden E. L. und Ire 
Mitverwandten ahm besten wissen, desgleichen, wer und 
welcher Massen und mit was Vermügen Ir einander zugethan 
und gewilt unpillicher Gewalt zu propulsiren". 

Gleichzeitig empfahl er ihm einen Diener seines Vaters, 
den Johann von Ratzenberg, der wohl im Stande sei, 
1000—2000 Pferde aufzubringen i). 

Dieselbe Anschauung findet sich ausgesprochen in der 
Instruktion für Wilhelms Rentmeister zu Frankenstein, Peter 
Klotz 2), den er im Januar 1567 an Graf Johann von Nassau, 
des Prinzen ältesten Bruder, nach Dillenburg sandte. Er liess 
diesen auffordern, Werbungen in Deutschland anzustellen, 
damit ein Schwert das andere in der Scheide halte, und 
führte ihm das Beispiel Magdeburgs vor Äugen. Ja Ludwig 
von Nassau hegte auf Grund gewisser Äusserungen des Land- 
grafen die Hoffnung, diesen selbst für den Dienst der Nieder- 
lande gewinnen zu können ^) (Oktober 1566). 

In seinem Interesse für die Niederlande war Wilhelm 
durchaus einig mit seinem Vater. Bei diesem wie bei andern 
deutschen Fürsten hatte Oranien im Februar 1567 durch 
seinen Bruder Ludwig anfragen lassen, ob er sich aus den 
Provinzen zurückziehen oder den Spaniern mit gewafifneter 
Hand widersetzen solle*). Darauf hatte der alte Landgraf 
auf dem Regensburger Reichstage die Bewilligung der Türken- 
hilfe von dem Versprechen der Abstellung der niederländischen 
Wirren abhängig machen wollen. Es ist möglich, dass der 
Tod dieses immer noch thatkräftigen Fürsten die hessische 



*) A. a. 0. S. 461. 

«) Vom' 16. Januar 1567 bei Blök, S. 62. 

8) Prinsterer, I, 2, S. 357, 405. 

*) Prinsterer I, 9, S. 52 f ff. 



253 

Aktion in dieser Richtung zunächst geschwächt hat^). Seine 
Söhne beschränkten sich darauf, mit den andern deutschen 
Fürsten Gesandte an die Regentin Margarethe von Parma 
zu schicken, die aber nichts ausrichteten und ziemlich schnöde 
behandelt wurden^). 

2. Oraniens Aufenthalt in Deutschland und Ver- 
such der Rückkehr (April 1567 bis Herbst 1568). 

Auf die Kunde von dem Herannahen Alba's hatte Oranien 
die Niederlande verlassen und sich auf sein Schloss Dillen- 
burg zurückgezogen (April 1567). Nachdem so der Bruch 
mit dem Könige erklärt war, wandte er sich immer ent- 
schiedener der neuen Lehre zu und unterhandelte mit dem 
Landgrafen über die Zusendung des lutherischen Predigers 
von Treysa^). Neben diesen religiösen Interessen betrieb er 
aber, je verhasster Alba's Schreckensregiment die spanische 
Herrschaft den Niederländern machte, um so eifriger den 
Plan, mit Waffengewalt seine Rückkehr zu erzwingen. 

Am 10. Januar 1568 fand zu Dillenburg die Taufe des 
am 14. November 1567 geborenen Prinzen Moritz von Oranien 
statt. Landgraf Wilhelm, dem eine Pathenstelle angetragen 
war, fand sich mit seinen Brüdern persönlich ein, damit es 
nicht den Anschein habe, als ob er den Verwandten und 
Freund in dessen bedrängter Lage verlasse*). Während 
seiner Anwesenheit in Dillenburg erfuhr man, dass der König 
von Spanien die in Burgund belegenen Besitzungen des 
Prinzen habe einziehen lassen^). Dieser feindliche Schritt 
musste natürlich Oranien in seinen kriegerischen Plänen be- 



») Wie Kluckhohn Briefe Friedrichs des Frommen Bd. II». S. 132 
annimmt. 

^) Prinsierer 13 8. 98. 

^) Prinsierer l] s] s! 100, 107: 9, S.63t. Der betreffende Prediger 
wurde ihm indes nicht, wie Ritter^ Deutsche Geschichte L 386 irr- 
tümlich angiebt, wirklich zugesandt, da er vorher starb (Jacobs, Juliane 
von Stolberg, Ahnfrau des Hauses Nassau- Oranien [1889], 8. 370, Anm. 159). 

*) Landgraf Wilhelm an Kurfürst August den 21. Jan. 68 {Prinsterer 
I, 3, S. 156). 

">) A. a. 0. 



254 

stärken. An diesen nahm, wenn wir einer Aussage ^) trauen 
dürfen, deren Wert freilich bestritten wird 2), auch der Land- 
graf lebhaften Anteil. Er soll dem Prinzen mit Zustimmung 
seiner Brüder in Aussicht gestellt haben, ihn mit Geld und 
Truppen unterstützen zu wollen und die Hoffnung geäussert 
haben, dass sie bald eine so schöne Jagd in Breda haben 
würden, wie jetzt in Dillenburg, nötigenfalls werde er ihn in 
eigener Person dorthin zurückführen. 

Sei dem, wie ihm wolle, jedenfalls sehen wir den Land- 
grafen in der nächsten Zeit bemüht, dem durch die Ein- 
ziehung seiner Güter mittellos gewordenen Prinzen beizu- 
springen. Neben August von Sachsen, dem Oheim der 
Prinzessin übernahm er die Verpflichtung für den standes- 
gemässen Unterhalt Oraniens und der Seinigen einzustehen^) 
und ersuchte seinen Schwiegervater, den Herzog von Würtem- 
berg, um Verwendung für ihn beim Kaiser*), der auch in 
der That bei dem Könige von Spanien ein Fürwort für die 
Wiederherstellung des Prinzen einlegte. In dieser Zeit ist 
der Briefwechsel zwischen Dillenburg und Cassel ein ausser- 
ordentlich reger. Die beiden Fürsten verfehlen nicht, einander 
alle ihnen zukommenden Zeitungen über die Ereignisse in 
Frankreich, Spanien und den Niederlanden mitzuteilen und 
der Landgraf Hess es an gutem Rat nicht mangeln. So riet 
er dem Prinzen, um den Kaiser sich günstig zu stimmen, 
eine Rechtfertigung seines Verhaltens zu veröffentlichen^). 
In demselben Briefe forderte er ihn auf, einen seiner Räte, 
etwa Johann Meissner, zu ihm zu senden, da er mit ihm 
Dinge zu besprechen habe, die sich der Feder nicht anver- 
trauen Hessen ^). Diese Sendung erfolgte am 7. April '^). Bei 



*) Des Jehan de Montigny, Sr- de Villers, der damals in der Um- 
gebung des Prinzen wai*, am 25. April 1568 von den Spaniern bei Dahlen 
gefangen und am 2. Mai 1568 einem Verhör unterworfen wurde (Corros- 
pondanco du cardinal de Oranvelle, Tom. III, p. 614 ff.). 

') von Ritter^ Deutsche Geschichte 1, 390, Anm. 1. 

») Prinsterer 1, 3, S. 159. 

*) A. a. 0. S. 161. 

») Wilhelm an Oranien den 1 1. März 1568 (Primterer I, 3, S. 185). 

•) Dieser Teil des Briefes ist bei Prinsterer nicht mit abgedruckt 

^) Oranien an Landgraf Wilhelm den 7. April 1568. 



255 

Gelegenheit derselben kam das Vorhaben eines niederländischen 
Kriegszugs zur Sprache^). Auch hat der Landgraf damals, 
wenn nicht schon früher, den Rat gegeben, der Prinz möge 
seine Erhebung durch ein Manifest rechtfertigen^). Dieses 
übersandte Oranien dem Landgrafen am 17. April mit der 
Bitte, die ihm gut scheinenden Änderungen daran vor- 
zunehmen ^) und teilte ihm gleichzeitig seinen Aufbruch nach 
Cöln mit. Vier Tage darauf benachrichtigte er ihn von 
Kloster Büdingen aus, dass sich gewisse ihm bekannte An- 
schlage auf Brüssel und Mastricht wegen Änderung der 
Verhältnisse leider nicht mehr ausführen Hessen*). 

Als Oraniens Vorläufer drangen zwei kleinere Heer- 
haufen, der eine unter Graf Hoogstraten durch das Jülicher 
Land bis an die Grenzen von Limburg und Geldern, der 
andere unter Ludwig von Nassau bis an die Grenzen von 
Groningen vor. Um die Bewegungen des ersteren zu be- 
obachten, hatte der Prinz sich nach Duisburg begeben. Dieser 
Haufe wurde von Roermonde auf Jülicher Gebiet zurück- 
gedrängt und bei Erkelenz und Dahlen vernichtet, der zweite 
erfocht bei Heiligerlee einen Öieg (23. Mai). Während der 
Abwesenheit des Prinzen von Dillenburg hielten dessen Rat 
Johann Meissner und Landgraf Wilhelm sich gegenseitig auf 
dem Laufenden^). Am 16. Juni sandte der Landgraf seinen 
Secretär Johann Kleinschmidt mit wichtigen Aufträgen an 
Meissner. Er hatte nämlich einen am 28. Mai geschriebenen 
Brief des kaiserlichen Rates Ulrich Zasius aus Wien er- 
halten, der ihm von grosser Wichtigkeit zu sein schien. Er 
glaubte daraus entnehmen zu dürfen, dass der Kaiser zwar 



*) Oranien an Wilhelm den 17. April {Prinsterer I, 3, S. 209): 
Das doch unser vorhabender anschlag, welchen wir E. L. durch unsern 
Kat Dr. Johann Meixnern zu erkhenen gegeben, noch in der geheimbt 
und ganz verborgen sein soll. 

2) Ebd. 

3) In der Justification des Prinzen vom 20. Juli sind die Bedenken, 
die der Prinz sich selber gemacht und dem Landgrafen zur Überlegung 
empfohlen, berücksichtigt. Das Manifest ist nicht gegen den König, 
sondern gegen Alba gerichtet und das Wort „Kriegsrüstung'* durch „De- 
fension" ersetzt, beides wohl auf den Rat des Landgrafen. 

*) Den 21. April 68. 
^) Marburger Acten. 



266 

für seine eigene Person die spanische Herrschaft in den 
Niederlanden nicht gern sehe, aber den Prinzen beargwöhne, 
als suche derselbe die Provinzen dem Hause Osterreich zu 
entfremden und unter eigene Botmässigkeit zu bringen. Dies 
schien ihm mit Andeutungen übereinzustimmen, die der 
kaiserliche Rat Christoph von Carlowitz ihm gegenüber früher 
hatte fallen lassen, sowie mit dem, was Graf Günther von 
Schwarzburg dem Prinzen als die Meinung des Kaisers be- 
zeichnet hatte '). Er glaubte, dass der Kaiser, der doch am 
12. Mai Mandate gegen das Unternehmen Oraniens hatte, 
ausgehen lassen, dahin gebracht werden könne, auf den 
König von Spanien einzuwirken, dass dem greulichen spanischen 
Regiment und der Inquisition in den Niederlanden ein Ende 
gemacht werde und legte es dem Prinzen nahe, in einem 
eigenen Schreiben die Unterschiebung ehrgeiziger Pläne von 
sich zu weisen ^). Als Antwort wurde dem Landgrafen durch 
Kleinschmidt ^) und den inzwischen nach Dillenburg zurück- 
gekehrten Prinzen*) die Absendung des Grafen lohann von 
Nassau an ihn und den Kurfürsten August^) in Aussicht 
gestellt. 

Diese Sendung stand in Zusammenhang mit dem Vor- 
haben des Prinzen, seinem Bruder folgend in die Niederlande 
einzubrechen. Indem er diesen Zug plante, handelte er nicht 
ohne Aussicht auf Unterstützung durch deutsche Fürsten 
und im Einvernehmen namentlich mit dem Landgrafen, der 
ihm mit Rat und Hilfe zur Seite ging®). In Gemeinschaft 
mit dem Kurfürsten von der Pfalz Hess er durch den pfälzischen 
Rat Ehem den Kurfürsten von Sachsen, dem er freilich grossen 



*) Wie Ludwig von Nassau am 15. Februar 1567 in Cassel er- 
zählte {Prinsterer I, 9, S. 58 f.) hatte der Kaiser zu Graf Günther gesagt : 
Ire Msy*. müsse der Nidderlendischen Hendel halber simulate handeln; 
dan ire Maj. habe in Spanien ire Söhne und seien so vil gelts zur flülf 
wieder den Türeken daselbst hero gewertig, Wan aber schon ire Maj. 
ernste mandata ausgehen lassen, soll man sichs nit annhemen. 

") Instruction für Kleinschmidt den IG. Juni: L. Wilhelm an 
K. August den 18. Juni. 

*) Am 18. Juni. 

*) Am 20. Juni. 

*) Vergl. die Instruction für Roishausen vom 27. Juni. 

•) Entgegengesetzter Ansicht ist Ritter^ Deutsche Geschichte I, S. 390. 



^b1 

Eifer nicht zutraute ^), ersuchen, den Prinzen mit Geld zu 
unterstützen und ihm verständige Kriegsräte beizuordnen 2). 
Letzteres lehnte August ab (13. Juni), dagegen erklärte er 
sich zu einer Geldhilfe bereit, falls die Sache geheim bleibe 
und Oranien ihm eine genaue Darlegung seiner Hülfsquellen 
und Alliirten gebe und ihm versprechen könne, dass auf eine 
Erhebung der niederländischen Städte zu zählen sei. Auch 
Johann von Nassau fand den Kurfürsten in einer nicht un- 
günstigen Stimmung. Er versicherte, dass er mit Gedanken 
an den Prinzen aufstehe und zu Bette gehe und wollte sogar 
den beabsichtigten Kriegszug für den Fall nicht widerraten, 
dass sich besonders gute Gelegenheit dazu vorfinden sollte, 
wiewohl er im Allgemeinen den Erfolg der Intercessionen 
dös Kaisers und der Kurfürsten bei dem König von Spanien, 
welche er auf dem nächsten Kurfürstentag zu Oberwesel in 
Antrag zu bringen gesonnen war, abzuwarten riet. 

Worauf es dem Prinzen vor Allem ankam, das war 
eine Geldhilfe von 2 — 300000 Gulden bei den deutschen 
Fürsten zu erwirken, um die von ihm geworbenen Truppen 
wenigstens für einen Monat besolden zu können. Der Kur- 
fürst von der Pfalz hatte sich auch schon zur Hergabe von 
100000 Gulden in ungemünztem Gelde bereit erklärt. August 
von Sachsen dagegen konnte nicht bestimmt werden, über 
seine gegenüber dem Dr. Ehem abgegebene Erklärung hinaus- 
zugehen und auch Herzog Johann Wilhelm von Weimar, 
Julius von Braunschweig, Markgraf Hans von Küstrin er- 
teilten ausweichende Antworten *). Landgraf Wilhelm seiner- 
seits sandte den Hofmarschall seines Vaters, den Obersten 
und Landvogt an der Diemel Friedrich von Roishausen nebst 
dem hessischen Kämmerer Georg von Scholley und dem aus 
Dresden zurückgekehrten Dr. Ehem zu Oranien, um Er- 

^) L. Wilhelm an L. Ludwig den 15. Juni 1568: Was aber des 
Printzen sach und Anliegen betrifft, darauf antwortett der Churfurst 
(August) gar leise iuxta iUud: donec eris felix. 

2) Brief Augusts vom 16. Juni bei KltuMokn II, S. 224. 

3) Ebd. 

*) Aufzeichnungen des früheren hessischen Kammerarchivars Kessler 
(auf dor Casseler Landesbibliothek) nach nicht mehr auffindbaren Acten 
des Kammerarchivs. 

N. ¥. Bd. XXIII. 17 



258 

kundignngen über den Fortgang des Unternehmens des 
Grafen Ludwig sowie über die Hilfsquellen einzuziehen^ auf 
die der Prinz bei seinem Kriegszuge zu rechnen habe. Sie 
sollten sich vergewissern, ob er glaube, wenn man ihm 
1 — 200000 Gulden verschaffe, die Sache durchführen zu 
können, im Falle er die Frage verneine, ihm davon abraten. 
Als Fürsten, um deren Beihilfe er sich bemühen könne, sollten 
sie ihm den Herzog Julius von Braunschweig, die Grafen 
von Hohenlohe, Oldenburg und Ostfriesland nennen. Doch 
müsse die Beteiligung der einzelnen Fürsten an seiner Sache, 
insbesondere die des Landgrafen, durchaus geheim bleiben. 
Der Prinz möge ein Ausschreiben ausgehen lassen, in dem 
er sein Unternehmen vor Kaiser und Reich rechtfertige, er 
solle darin aber nicht die Person des Königs von Spanien, 
sondern nur seine Räte angreifen und die Herstellung des 
Religionsfriedens, wie er im Reiche bestehe, als sein Ziel 
bezeichnen. Laute die Auskunft des Prinzen befriedigend, 
so sollten die Gesandten zum Herzog von Würtemberg weiter- 
gehen, er selber wolle dann mit seinen Brüdern sich in Ver- 
bindung setzen^). Da das Erscheinen der Gesandten in 
Dillenburg zu gefährlich gewesen sein würde, so trafen sie 
sich mit dem Prinzen in Friedelhausen an der Lahn, wo 
Roishausen seinen Wohnsitz hatte ^). Von hier aus gingen 
Ehem und Scholley zum Herzoge von Würtemberg, um dessen 
Unterstützung nachzusuchen. Dieser widerriet indes die 
ganze Sache, lehnte jede Hilfe ab und verwies auf die Ver- 
mittlung des Kaisers^). 

Ludwigs Unternehmung, die mit dem Siege bei Heiligerlee 
(23. Mai) so verheissungsvoU begonnen, wurde durch die 
Niederlage bei Jemmingen (21. Juli) jählings abgeschnitten. 
Durch diese Hiobspost wurde die ohnehin nicht sehr grosse 
Bereitwilligkeit der deutschen Protestanten, Oranien zu unter- 
stützen, nicht gerade verstärkt. Kurz zuvor (um den 14. Juli) 



1) Kluckhoktif S. 231, Instruction des Landgrafen vom 27. Juni (Acten). 
') L. Wilhelm an Oranien den 26. Juni. Bericht des Scholley 
Vom 30. Juni. 

») Kluckhokn II, 8* 232, Anra, 1. 



m 

hatte der Landgraf seinen Kammermeister Simon Bing an 
den Kurfürsten August von Sachsen entsandt, um ihn zur 
Hergabe einer Geldhilfe für den niederländischen Kriegszug 
zu bewegen. Bing hatte sich von dieser Mission keinen 
grossen Erfolg versprochen, aber sich dem Drängen seines 
Herrn fügen müssen^). In zwei Instructionen, welche er 
selbst verfasst und von deren einer er die Reinschrift zu 
desto mehrerer Geheimhaltung sogar eigenhändig angefertigt 
hatte, legte der Landgraf die Richtungslinien für das Ver- 
halten seines Gesandten dar. Dieser sollte nicht sofort und 
bestimmt auf Leistung einer Unterstützung dringen, auch 
vorstellig machen, wie der Landgraf es missbillige, dass der 
Prinz ohne weiteres und ohne noch eine Antwort auf die 
vorgebrachten Unterstützungsgesuche erhalten zu haben, zur 
Werbung von Kriegsvolk geschritten sei. Auf der andern 
Seite sollte er aber dem Kurfürsten die Folgen der Nicht- 
unterstützung des einmal begonnenen und nicht mehr rück- 
gängig zu machenden Unternehmens eindringlich vorhalten. 
Falls dieses misslinge, würden die Evangelischen unter dem 
Vorwande, dass sie dabei die Hand im Spiel gehabt, den 
ärgsten Anfeindungen ausgesetzt sein. Bereits habe Alba 
gegen seinen Herrn sich erboten, wenn er ihm nur Geld, 
um Truppen zu werben, zuschicke, ihm ganz Deutschland 
zu unterwerfen, die Deutschen seien verzagt wie die Hasen 
und würden sich nicht regen, wenn er komme. Ehrensache 
der deutschen Fürsten sei es, den übermütigen Spanier des 
Gegenteils zu überführen. Doch werde der Landgraf sich in 
dieses Unternehmen nicht ohne ihn, den Kurfürsten, einlassen, 
falls dieser aber mit 100000 Gulden sich beteilige, zusammen 
mit seinen Brüdern^) 30000 Gulden beisteuern, womit in 
der That von ihnen mehr als von dem Kurfürsten mit 
100000 Gulden geschehe. Keinenfalls könne er für seine 
Person mehreren Geldes sich entblössen, da er mit Ausgaben 



1) Bing an den Landgrafen den 26. Aug. 68. Vergl. Kessler, Prinz 
Wilhelm von Oranien und L. Wilhelm IV. von Hessen im „Hessenland", 
X. Jahrgang (1896), Nr. 18 u. 19. 

*) Später gab der Landgraf die genannte Summe allein her. 

17* 



260 

für Hessen stets stärker als seine Brüder in Ansprach ge-^ 
nommen werde, indem er vorn an der Spitze und dem Feuer 
am nächsten sitze ^). 

Auf das Gerücht von der Niederlage des Grafen Ludwig, 
welches den Thatsachen um einige Tage vorauseilte, beauf- 
tragte Wilhelm den Abgesandten, falls er den Kurfürsten 
schon gesprochen , und ihn günstig gestimmt gefunden, 
sogleich wieder umzukehren und zu erforschen, ob sich die 
Gesinnung desselben infolge dieses Ereignisses nicht geändert 
habe^). Aber gerade an demselben Tage (21. Juli), da der 
Landgraf jenen Brief schrieb und die Niederlage wirklich 
stattfand, langte Bing in Colditz ^), wo der Kurfürst sich 
damals aufhielt, an. In der dem Abgesandten am folgenden 
Tage gewährten Audienz erklärte sich August bereit, dem 
Prinzen unter der Bedingung strengster Geheimhaltung 
100000 Gulden auf 3 Jahre vorzustrecken. Die Summe 
sollte durch Wechsler in Leipzig dem Schwager des Prinzen, 
dem Grafen Günther von Schwarzburg, übergeben werden 
welcher dafür eine in Land und Leuten bestehende Caution 
zu stellen hätte ^). Nebenbei Hess der Kurfürst die Geneigtheit 
durchblicken, eine kleinere Summe, etwa 20 — 30000 Gulden, 
auch ohne Sicherstellung herzugeben ^). Diesen Neben- 
vorschlag beachtete Bing für den Augenblick nicht, da er 
wusste, dass es dem Prinzen auf eine grössere Summe ankam 
und er hoffte, der Graf werde sich zur Stellung jener Caution 
bereit finden lassen. Aber dieser wollte sich auf dieselbe 
nicht einlassen, weil er nur ein armer Graf sei und seine 
Brüder in die Verpfändung des Amtes Frankershausen nicht 
willigen würden. Auch konnte Oranien die geforderte Rück- 
bürgschaft nicht leisten % unter diesen Umständen erklärte, 



^) Kesslers Auszüge. 

') L. "Wilhelm an Bing den 21. Juli (Acten). 

^) Nicht Gohlis wie Kessler im Hessenland annimmt (im Original 
stand wohl „Colliz'*). 

*) Kessler, S. 258. 

*) Bing an Kf. August den 26. August fMarburger Acten). Vergl. 
Eommett Bd. 5, S. 531, der aber "Wahres und Falsches durchoinandermengt. 

®) Kessler a. a. 0. Vorgl. Kf. August an Bing den 10. August 
(Acten). 



261 

der Kurfürst die verlangte Summe nicht hergeben zu können 
und bearbeitete auch den Landgrafen in einem dem Prinzen 
ungünstigen Sinne. Er widerriet ihm, den Obersten von 
Roishausen zu Oranien zu beurlauben, wie dieser es ge- 
wünscht ; auch des Landgrafen Vater habe seinerzeit erklärt, 
er wolle weder heimlich noch öffentlich in diese Handlung 
sich einlassen ; schon wegen der abmahnenden kaiserlichen 
Mandate sei es höchst gefährlich, nach der Niederlage des 
Grafen Ludwig werde Alba nächstens noch die hessischen 
Vasallen und Lande bedrohen, wenn er Grund zum Argwohn 
habe, dass dem Prinzen von dorther Hülfe komme ^). In der 
That langten auch in diesen Tagen Nachrichten beim Land- 
grafen an, dass Alba mit seinen Truppen zu Rehden an der 
Ems lagere und an die Gräfin von Teklenburg das Ansinnen 
gerichtet habe, ihnen in ihrem Lande Quartier zu gewähren ^), 
von da bis ins Gebiet der Grafen von Rietberg, die hessische 
Vasallen waren, hatte er es aber nicht weit. Wilhelm 
instruierte denn auch seinen Secretär Johann Kauffung, den 
er an Oranien sandte^), in dem vom Kurfürsten gewünschten 
Sinne. In seiner Antwort hob jener hervor, da Roishausen 
nicht mehr hessischer Hofmarschall sei — er war es unter 
Philipp gewesen — und sein Landvogtamt noch nicht an- 
getreten habe, so könne die Mitwirkung dieses Mannes, der 
ihm unentbehrlich und als nassaaischer Lehnsmann zur 
Heeresfolge verpflichtet sei , den Landgrafen nicht com- 
promittieren ^). Gleichzeitig ersuchte der Prinz um ein Dar- 
lehen ^). Letzteres schlug Wilhelm ihm rund ab. Auf der 
Rückberufung Roishausens bestand er nicht mehr, wies aber 
jede Verantwortung für dessen Mitwirkung von sich. Im 
Übrigen hob er hervor, er habe dem Prinzen zu Cassel wie 
zu Dillenburg jede gewaltsame Erhebung gegen den König 
von Spanien, den er allezeit als einen gütigen und milden 



1) Rommely Bd. V, S. 631, Anm. 47. 

2) L. Wilhelm an L. Ludwig den 29. Juli. 

3) Den 28. Juli 1568 bei Pnnsterer I, 3, S. 273. 
*) Oranien an Wilhelm den 31. Juli. 

5) Oranien an Wilhelm den 29. Juli (Prinsterer 1, 9, S. 89 t). Ge- 
deukzettel Oraniens für Kauffung vom 31. Juli. ' 



262 

Herrn habe rühmen hören ^), widerraten und erklärt, er werde 
eine solche weder heimlich noch öffentlich unterstützen^). 
Man hat wegen dieses Verhaltens, das zu den früheren 
Äusserungen und Handlungen des Landgrafen freilich schlecht 
genug stimmt, diesem den Vorwurf der Feigheit und Doppel- 
züngigkeit nicht erspart^). Das Merkwürdige ist nun, dass 
nicht nur wenige Tage, nachdem er dem Prinzen das ver- 
langte Darlehen abgeschlagen, am 4. August, er^) ihm und 
seinem Bruder Johann von Nassau durch Friedrich von Rols- 
hausen, Simon Bing, Hans Tiegel und Georg Gericke gegen 
30000 Gulden vorstrecken Hess*), deren Rückerstattung nach 
Wiedererlangung der prinzlichen Güter versprochen wurde, 
sondern dass er auch durch Simon Bing, der sich aus- 
drücklich auf das grossmütige Vorgehen seines Gebieters 
berief, bei dem Kurfürsten von Sachsen über die Darlehns- 



*) Ähnlich spricht "Wilhelm vom Könige in einem Briefe an Ulrich 
Zasius vom 7. Juli, man kannte eben damals Philipp noch nicht. Vergl. 
auch Pnnsterer I, 2, S. 447. 

«) Wilhelm an Oranien am 27. (?) August 1568 bei Prinsterer I, 
3, S. 286. Das Datum ist sicher verlesen. Sämtliche Copien in Marburg 
haben den 2. August. 

8) Vergl. Prinsterer I, 3, 8. 276, Anm. 1. Bexold^ Briefe des 
Pfalzgrafen Johann Casimir I, S. 46. 

*) Nicht seine Brüder, wie Prinsterer I, 3, S. 275, Anm. 1 meint. 
Diese waren vielmehr dagegen, wie Wilhelm später erklärte, als er jene 
Schuld forderung auf seinen Namen übertragen liess (Bing an L. Wilhelm 
im August 1577 (Acten). Johann von Nassau an Oranien am 26. Mai 
1576 bei Prinsterer I, 5, S. 361.) In seinem Testamente vom 26. März 
1576 erklärte L. Wilhelm, er habe diese Summe mit Zustimmung seines 
Bruders Ludwig aus den von seinem Vater hinterlassenen, in der Festung 
Ziegenhain aufbewahrten sogenannten Defensionsgeldern entnommen. Nach 
Ritter, Deutsche Geschichte I, 390 erwirkte Friedrich III. von der Pfalz 
durch seine Verwendung wenigstens soviel, dass die hessischen Land^ 
grafen hinterher (?) doch noch 30 (XK) Gulden zuschössen. In den von 
ihm angeführten Belegstellen steht hiervon nichts. 

^) Beide Schuldscheine, der ursprüngliche und der veränderte im 
Marburger Staatsarchiv. Am 7. Mai 1570 fordert L. Wilhelm die Über- 
tragung der Forderung auf ihn (Instruction für Roishausen in den 
Acten). Im Mai 1577 hofft Johann von Nassau, dass Hessen von der 
Forderung etwas nachlassen werde (Prinsterer I, 6, S. 95, Anm. l\ 
Im Juli 1577 folgt die Sendung Winthers an Oranien (s. weiter unten), 
die resultatlos bleibt. In seinem Testament (1586, Juni 25.) erteilt L. 
Wilhelm seinem Sohne den Rat, nur gegen (jut und Pfand Geld aus- 
zuleihen. (Vergl. Rommely Bd. V, S. 708, Anm. 205, S. 831, Anm. 331.) 
Das Geld war damals noch nicht zurückgezahlt. 



263 

Sache weiter verhandeln Hess ^). Der Kurfürst machte aller- 
hand Winkelzüge, sprach bald von einer kleineren Summe, 
die er ohne Sicherheit, bald von der grösseren, die er nur 
gegen Sicherheit hergeben wollte, ohne dass etwas zu Stande 
kam ^). Das Ausbleiben der sächsischen Geldhilfe ist für 
den Ausgang des Feldzuges nicht ohne Bedeutung gewesen^). 
Jedenfalls haben aber der Landgraf und seine Beauftragten 
es in der Geldfrage an nichts fehlen lassen. 

Roishausen, der ruhig in oranischen Diensten blieb, 
verlegte freilich den von ihm gewählten Musterplatz (bei 
Wildungen)^), aber nicht auf Befehl Landgraf Wilhelms, 
sondern weil derselbe dem Feinde bekannt geworden war^). 
Während von ihm die landgräflichen Agenten überall aus- 
sprengen mussten, dass er nicht mehr in hessischen Diensten 
stehe ^), erstattete er dem Landgrafen über den Fortgang 
des Unternehmens fortwährenden Bericht, ohne dass von 
einer Verstimmung desselben das Geringste zu bemerken 
wäre ^). Auch seinem Lehnsmann Otto von der Malsburg, 
der für den Prinzen in der Soester Börde Truppen zusammen- 
zog, legte Wilhelm trotz seiner Furcht vor Alba nichts in 
den Weg und zeigte sich ängstlich besorgt, dass er nicht 



*) Bing an Kf. August den 16. Aug. 1568. 

«) Bing an L. Wilhehn den 22., 23. und 26. August 1568. 

^) Eolshausen an L. Wilhelm den 2. Sepi: „Es ist aber viel 
guther Zeit und Gelegenheit verseumpt worden ans der ürsach, dweil 
die 100000 Gulden, darauf der Prinz vertröstet worden, ausblieben sein". 
Rolshausen an Bing den 9. Sept. {Kessler, Auszüge). (Vgl. Oraniens Äusserung 
bei Brantomo, Capitaines etrangers pag. 179.) Und am 27. Sept. : „Wehr 
dass Gelt ankommen, so wolte man uff diese Stundt die beste Stodt in 
Brabant innen haben, dieweill es aber aussen plieben ist, hatt man zum 
Uffzug nicht kommen können, derohalben viel guter Anschlege zurück- 
gangen^. In der That scheiterte das Unternehmen schliesslich daran, 
dass wegen Geldmangels eine Meuterei unter den Truppen ausbrach. 

*) Rommely Bd. V, S. 532, Anm. 47. 

^) Bing an L. Wilhelm den 8. August. Ein eingelegtes Schreiben, 
auf welches Bing Bezug nimmt, ist nicht mehr bei den Acten. 

^) Dies schärft L. Wilhelm u. a. seinem Kanzler Meckbach ein, 
den er im Anschluss an den Kurfürstentag zu Bacharach nach Re^ens- 
burg entsandte (Sept. 68), damit er von dort aus mit anderen fürsthchen 
Abgeordneten beim Kaiser Schritte in der niederländischen Sache thue. 

^) Acten des Marburger Staatsarchivs. 



264 

etwa von dem nicht weit entfernten Grafen von der Megen 
überrannt werde ^). 

Hält man dies alles zusammen, so wird man sich der 
Erkenntnis nicht verschliessen können, dass jener Brief des 
Landgrafen, den man ihm so zum Vorwurfe gemacht hat 
gar nicht ernst gemeint war. Es war ein ostensibles Schreiben 
dazu bestimmt, herumgezeigt zu werden und seinen Verfasser 
von jedem Verdacht der Illoyalität gegenüber dem Hause 
Österreich zu entlasten. Ganz im Gegensatz zu jenem 
Schreiben hat er unter der Hand Alles gethan, das unter- 
nehmen des Prinzen zu fördern und es war nicht seine 
Schuld, wenn es fehlschlugt). Es schlug fehl, weil Oranien 
in den Niederlanden selbst den gehofften Beistand nicht fand. 
Von Alba Schritt für Schritt zurückgedrängt, musste er sich 
nach Frankreich werfen (17. November 1568), wo er eine 
Zeitlang die Hugenotten unterstützte, um schliesslich mit 
getäuschten Hoffnungen nach Deutschland zurückzukehren 
(Herbst 1569). 

3. Von Oraniens Rückkehr nach Deutschland bis 
zur Abberufung Albas (Herbst 1569 bis Herbst 1573). 

In Deutschland suchte Oranien vergeblich die verwandten 
Fürsten zur Unterstützung der bedrängten Protestanten im 
Auslände zu veranlassen. Von Meissen aus Hess er durch 
Doctor Ehem ^) bei dem Kurfürsten von Sachsen um eine 
Audienz nachsuchen^ um ihm Sachen vorzutragen^ die das 
Interesse Deutschlands, ja der ganzen Christenheit beträfen, 



L. Wilhelm an Bing den 20. Aug. 68. 

«) Euters Urteil über L. Wilhelm (Deutsche Gesch. I, 390), das 
mit den Worten schliesst: „vor dem Gedanken eines Krieges gegen den 
mächtigen Philipp schrak er zurück und wollte dazu weder rathen noch 
helfen*^; ist also nicht ganz zutre£Fend. Den Zeitgenossen gegenüber 
blieb übrigens die Beihülfe des Landgrafen in der That ein Geheimnis. 
Bo sagten die von den Spaniern gefangenen Schatzmeister und Zahlmeister 
des Prinzen auf der Folter aus, dass nur Pfalz diesen mit Geld unter- 
stützt habe. (Alba an Philipp n. den 20. Mai 1569 in der Correspondance 
Philippe II, t. II, p. 89). Und in einer Note „relative ä la position et 
aux projets du Prince d^Orange* aus dem December 1968 {Prinsterer I, 3, 
S. 311) wird dasselbe gesagt. 

3) Über dessen Sendung nach Dresden vergl. Klueldiokn II, 368. 



265 

allein August wollte weder ihn noch den Herrn von Hausson- 
ville, den Abgesandten der Königin von Navarra, empfangen *). 
In Weimar verkündeten die Prediger des Herzogs Johann 
Wilhelm, dass die französischen und niederländischen Pro- 
testanten Aufrührer und Sacramentierer seien, die man zu 
Paaren treiben müsse ^). 

Auch auf den Landgrafen muss das Misslingen jenes 
ersten Unternehmens und die ihm während desselben von 
Alba drohende Gefahr doch wohl nachhaltig abschreckend 
gewirkt haben, wenigstens sehen wir ihn gegenüber den 
niederländischen Dingen niemals wieder eine so active Stellung 
einnehmen wie im Jahre 1568. Wohl verhielt er sich gegen 
alle Versuche Albas und seines Herrn, ihn zu einer mehr 
oder weniger directen Begünstigung ihrer Sache zu ver- 
anlassen, ablehnend^), aber auch die nassauischen Fürsten 
hatten sich wohl seiner ständigen Sympathie, aber keiner 
Unterstützung oder wenigstens einer nur sehr mittelbaren *) zu 
erfreuen. Weigerte er sich doch, die gegen Oranien von Alba 
ausgesandten Meuchelmörder, Leute, die, obgleich Spanier, sich 
so gut aufs Trinken verstanden, dass man sie für bairische 
Edelleute hielt ^), falls sie sein Gebiet beträten, verhaften zu 
lassen (Januar 1570) und wies er doch den Vorschlag des 
Grafen von Anhalt unter den für Alba in Deutschland ge- 
worbenen Truppen eine Meuterei zu erregen als zu gefährlich 
zurück 6) (October 1572). 

Auf dem Kölner Kreistag (29. November 1568) ver- 
suchte der hessische Gesandte die Beratung darüber, wie 
das niederländische gefährliche Kriegswesen abzuwenden sei, 
zu verhindern ^) und der Landgraf selber zeigte sich gegen- 
über den Versuchen Oraniens, eine Anleihe von 30000 Kronen 
aufzubringen, unzugänghch (Nov. 1568 bis Febr. 1569)^). 

») Orauien an L. Wilhelm den 18. Dec. 1569 [Prinsterer I, 9, S. 107). 

«) Primterer I 3, S. 333. 

3) Bommel V, S. 533 ff. ; Primterer I, 3, S. 344, Anm. 

*) Wie durch die Verhinderung der Werbungen Herzog Erichs 
von Braunschweig, s. Bommel V, 535. 

5) Joh. V. Nassau an L. Wilhelm d. 17. Jan. 1570, L. Wilhelm an 
Johann d. 22. Jan. 

«) Kluclchohn II, 549, Anm. 1. — ^) Kluckhohn II, 269, Anm. 2. 

8) Ebd. 267, 282, 285, 288, Anm. 1. 



266 

Doch hatte er seine Bemühungen, den Kurfürsten August 
zur Hergabe einer Geldsumme zu bewegen, noch im Spät- 
herbst des Jahres 1568 fortgesetzt, indem er sich zu diesem 
Zwecke selber nach Dresden begab *), allerdings mit keinem 
Erfolge. Nur soviel erreichte er, dass der Kurfürst dem 
Grafen Johann von Nassau unter seiner, des Landgrafen 
Bürgschaft 10000 Gulden vorstreckte, wofür die nassauischen 
Familienkleinodien in Pfand gegeben werden sollten*). 

Bekanntlich gelang es der oranischen Partei erst am 
1. April 1572 durch die Überrumpelung Briels in den Nieder- 
landen festen Fuss zu fassen. Diesem glücklichen Schlage 
folgte die Erhebung mehrerer wichtigen Städte der nördlichen 
Provinzen. Der Landgraf betrachtete diese Erhebung mit 
skeptischen Augen ; ohne die Unterstützung Frankreichs oder 
Englands meinte er, würden die Aufständischen sich nicht 
behaupten können^). Die Unterstützung Frankreichs schien 
in der That in Aussicht zu stehen. Mit Hilfe der Hugenotten 
bemächtigte sich Graf Ludwig von Nassau am 23. Mai 1572 
der Festung Mons. Oranien selber überschritt am 8. Juli 
mit Truppen, die er in Deutschland geworben, den Rhein 
bei Duisburg und drang in Geldern ein. Noch während des 
Marsches trug er Sorge, den Landgrafen über die guten 
Aussichten seines Unternehmens zu unterrichten*). Die 
Pfälzer bemühten sich eifrig, die deutschen Protestanten für 
seine Sache zu gewinnen ^). Es scheinen auch Versprechungen 
in dieser Hinsicht erfolgt zu sein, aber der Umstand, dass 
der Kaiser die gewaltsame Erhebung missbilligte, verdarb 
alles wieder®). Doch Hessen sich auf die Nachricht, dass 
Adolf von Holstein für Alba werbe, Kurfürst August und 



») Prinsierer I, 3, S. 298, 300. 

•) Kltiekhohn 11, 330, Anm. 1 Marburger Acten. 

ä) An J. Schwartz den 9. Mai 72, an Julius von Braunschweig 
den 26. April. Vergl. einen Brief an Kf. August vom 7. Januar 1571 
über einen geplanten, aber nicht zur Ausführung gelangten Anschlag 
Oraniens (Acten). 

*) Oranien an Joh. von Nassau d. 7. Juli 72 {Prinsierer I, 3, S. 461). 

6j Kluckhohn 11, 450 u. 463. 

^) Oranien an Ludwig von Nassau d. 24. Juni 72 {Prinsierer I, 3, 
S. 449) : Les Princes d^AUemagne m'en avaient donne quelque esperance, 
mais tant cela a este renverse par la pratique et lettres de TEuipereur. 



267 

die hessischen Landgrafen herbei, zusammen mit Pfalzgraf 
Johann Kasimir den Herzog abzumahnen ^). Landgraf Wilhelm 
schrieb dem Schwager — Adolf hatte seine Schwester Christine 
zur Frau — noch im Besonderen einen abmahnenden Briefe), 
in dem er es als wünschenswert bezeichnete, dass in den 
Niederlanden die eingezogenen Güter restituirt und die Religion 
freigestellt werde und suchte auf ihn gelegentlich der Hoch- 
zeit des Königs von Dänemark (20. Juni 1572) durch den 
Kurfürsten von Sachsen einzuwirken ^). Allerdings vermochten 
sie nicht den Herzog, der sich auf eine ausdrückliche Er- 
mächtigung des Kaisers berufen konnte, umzustimmen*). 
Den Hoffnungen, die man eine Zeitlang nicht ohne 
Grund gehegt hatte, dass die von Coligny beeinflusste 
französische Krone sich der Niederländer annehmen werde, 
machte die Nachricht von der Bartholomäusnacht ein Ende. 
Unter dem Eindruck dieser Schreckenskunde versuchte 
Friedrich von der Pfalz die deutschen Protestanten zu ge- 
meinsamen Abwehrmassregeln zu bestimmen. Vom 16. bis 
23. September 1572 wurde zu Heidelberg von pfälzischen, 
badischen und brandenburg-ansbachischen Abgeordneten hier- 
über verhandelt. Der Abschied, in welchem das Ergebnis 
dieser Beratungen zusammengefasst wurde, enthielt folgenden 
Passus: „Um die Verbindung des französischen Kriegsvolkes 
mit dem des Herzogs von Alba zu verhindern, sei das Beste, 
den Prinzen von Oranien bei seiner jetzigen Expedition nach 
Möglichkeit auf den Beinen zu erhalten. Dadurch werde 
nicht allein der Gegner Vorhaben vom Reich und dessen 
Ständen abgewendet, sondern auch des Prinzen Kriegs- 
expedition zu beständigerem Frieden fähren können^). In 
gleichem Sinne hatte Landgraf Wilhelm am 5. September an 
Kursachsen, Brandenburg und andere Fürsten geschrieben. 



1) Am 18. Juni 1572 (Acten). 

*) Am 1. Juli {Prinsierer 1, 9, S. 133 f, der Laufenburg für Zapfen- 
burg als Ausstellungsort liest). 

3) L. Wilhelm an Pfalz den 9. Juli 72 (Acten). 

*) Schreiben des Herzogs vom 30. Juni (Acten). 

») Kluckhohn II, 289 ff. Vergl. hierzu das dort auf S. 523, Anm. 1 
Bemerkte. 



268 

Er hatte u. A. ausgeführt: „jetzt haftet es noch an dem 
einigen prinzen von Uranien ; liegt der nieder oder wird 
zurückgetrieben oder sonsten ausgemattet, so ist es nicht 
wenig zu besorgen, obschon die Chur- und forsten A. C. mit 
seiner, des prinzen Sachen nichts zu schaffen haben^ das 
doch der ander theil, so ferner bei zeiten nichts dargegen 
getrachtet, nicht underlassen werde, sein heil weiter zu ver- 
suchen und sich der guten gelegenheit zu gebrauchen"^). 

Merkwürdiger Weise protestierte Wilhelm später dagegen^ 
dass er gerathen haben sollte, den Prinzen auf den Beinen 
zu erhalten ^). Er sandte diesen Protest aber erst dann ab, 
als er die Nachricht bekommen, dass der Prinz, der nach 
anfänglichen Erfolgen Schritt für Schritt vor Alba hatte 
weichen müssen, am 6. October bei Ruremonde und Venlo 
seine Truppen abgedankt habe^). 

Mit Recht hielt ihm Kurfürst Friedrich entgegen, dass 
jene Aufforderung den Worten nach in dem Schreiben an 
Sachsen und Brandenburg freilich nicht ausgesprochen sei, 
dass sie aber dem Sinne nach sicher darin enthalten sei, 
ebenso wie in dem Heidelberger Abschied, dass man also 
volles Recht gehabt habe, wie dies in dem Concept eines 
Schreibens an Brandenburg geschehen sei, sich darauf zu 
berufen. Hiermit stimme auch überein, wie sich Landgraf 
Wilhelm gegenüber Johann Casimir gelegentlich der Taufe 
des Prinzen Moritz in Cassel geäussert*). Man sieht: auch 
jetzt wieder dasselbe Verfahren wie im Jahre 1568. Auch 
jetzt suchte der Landgraf, als das Glück der Sache, welcher 
seine Sympathie gehörte, den Rücken zu kehren schien, 
frühere Äusserungen abzuleugnen oder umzudeuten. Auf ihn 
selber fand nun Anwendung, was er am 30. Juli an Friedrich 
von der Pfalz geschrieben, dass „wann der Prinz in seinem 



») Kluckhohn II, S. 497. 

•) Am 12. October. L. Wilhelm an Kf. August (verdruckt statt 
K. Friedlich) ebd. S. 538. 

3) Ebd. In den Acten des Marburger St.-A. findet sich das Concept 
einer kürzeren Fassung, die auf Oraniens Rückzug noch nicht hinweist. 

*) Kluckfwhn II, 552 (Kf. Friedrich an Wilhelm den 10. Nov. 1672). 



269 

jetzigen vorgenommenen Zug Glück habe, man alsdann gütliche 
Unterhandlung nicht ausschlage, wo er aber unterliegen sollte, 
dass sich alsdann wenig Leute seiner annehmen würden" *)• 
Und doch war er derjenige, durch dessen Vermittlung Oranien 
auf andere Fürsten zu wirken gedachte ^). Das einzige, was 
er that, war, dass er gegenüber den von auswärts drohenden 
Gefahren eine Zusammenkunft der Fürsten vorschlug, aber 
bei der Indolenz, namentlich Sachsens, ohne Erfolg ^). 

Nicht nur aus Teilnahme für das verwandte Fürsten- 
haus und die niederländischen Glaubensgenossen empfand 
L. Wilhelm die Fortdauer des Krieges schmerzlich, sondern 
auch im Interesse seines eigenen Landes, dem, wie er am 
19. März 1573 an Kurfürst August schrieb, die kriegerischen 
Wirren im verflossenen Jahre wegen Störung der Commercien 
für 100 000 Gulden Schaden gethan hatten*). Freilich be- 
hauptete kurz darauf, am 4. April, der französische Gesandte 
Schomberg, der Landgraf habe dem Grafen Ludwig von Nassau 
vom Frieden abgeraten, damit nicht die ganze spanische 
Macht auf Frankreich falle ^). Allein auf Antrieb desselben 
Grafen Ludwig, der zu Ostern des Jahres bei ihm in Cassel 
war^), schrieb Wilhelm zur gleichen Zeit an die Kurfürsten 
von Sachsen und Mainz und den Bischof von Münster, damit 
sie den Kaiser für die Vermittelung des Friedens günstig 
stimmen sollten"^). Dem ersteren gegenüber betonte er, 
Oranien verfolge keine eigennützigen Zwecke, sondern wolle 
nur die Ausdehnung des deutschen Religionsfriedens auf die 
Niederlande, wenigstens in der Weise, dass die Protestanten 
nicht länger bedrückt würden, sondern ihnen gestattet werde, 
das Land zu verlassen und ihre Güter zu verkaufen ®). Hierfür 
konnte er sich auf das Zeugnis des Grafen Ludwig berufen, 



>) Kluckhohn II, 477. 
«) Prinsierer I, 3, S. 508. 
3) Kluckhohn II, 552, 550, Anm. 
*) Prinsierer I, 4, S. 36 f. 
^) Ebd. S. 52 t. 

^) Concept zu dem Schreiben aa Kf. August vom 30. Mai. 
') Au Ludwig von Nassau den 17. Mai 1573 {Prinsierer I, 4, S. 97). 
8) An Kf. August den (30.) Mai 1573 a. a. 0. S. 99. Das Datum 
erhellt aus den Acten. 



m 

der aber freilich betonte, dass sein Bruder nur im äussersteri 
Falle auf solche Bedingungen hin Frieden schliessen werde 
und daher das öffentliche Bekanntwerden derselben nicht 
wünschte ^), In der That wies Oranien auch bald darauf (im 
November) ähnliche Vorschläge von der Hand und erklärte, 
die Waffen nicht eher niederlegen zu wollen, als bis die 
Gleichberechtigung der Bekenntnisse anerkannt und die 
spanischen Truppen aus den Niederlanden entfernt seien ^), 
Da die Lage der Provinzen in diesem Jahre derartig 
war, dass sie ohne auswärtige Hilfe dem sicheren Untergang 
entgegenzugehen schienen, so versuchten Graf Ludwig und 
die Pfälzer im Verein mit den französischen Agenten den 
Landgrafen und andere deutsche Fürsten zu einer Verbindung 
mit Frankreich zu bewegen, welche sich gegen das Haus 
Österreich richten und auch den Niederlanden zu gute kommen 
sollte, aber alle solche Bemühungen scheiterten an seiner 
Loyalität und Vorsicht^. 

4. Statthalterschaft des Requesens, Friedensver- 
handlungen (Herbst 1573 bis Juni 1575). 

Als der Herzog von Alba durch Requesens ersetzt 
wurde, hoffte Landgraf Wilhelm, der neue Statthalter werde 
durch grössere Milde die Gemüter zu gewinnen vermögen*). 
So lange freilich die Niederlande durch Spanier verwaltet 
würden, sei, das sah er wohl ein, der Friede nicht denkbar ^). 
Den Bischof von Münster, der sich verächtlich über die 
Macht der Geusen aussprach, wies er auf die Bibel hin, die 
an so manchen Stellen zeige, wie Gott durch wenig Leute 
grosse Heerschaaren zunichte machen könne®). 

Glaubte er nun, dass die Geusen ausser der Hilfe Gottes 
keines weiteren Beistandes bedürften, oder war es übertriebene 
Vorsicht, er versagte ihnen nicht nur selber jede pekuniäre 



1) Ludwig von Nassau an L. Wilhelm den 25. Mai. 

*) Juste, Guülaume le Taciturne S. 144. 

8) Prinsterer I, 4, S. 97 f bis 118 f (August bis October 1573). 

*) L. Wilhelm an Münster den 20. Dec. 1573 (Prinsterer I, 4, S. 294. 

^) Wilhelm an den Grafen Hermann von Neuenarden 29. Januar 1574. 

«) Den 28. Januar 1574 bei Prinsterer I, 4, S. 294, Anm. 



2?1 

und militärische Unterstützung, sondern versuchte auch be- 
freundete Fürsten von einer solchen abzuhalten. So riet er 
dem Grafen Simon von der Lippe ^) ab, an dem Zuge des 
Pfalzgrafen Christoph zu gunsten der Aufständischen teil- 
zunehmen, so suchte er den Pfalzgrafen selber^) gleichwie 
später dessen Bruder Johann Casimir^) zurückzuhalten und 
warnte den ältesten Bruder, den Kurprinzen Ludwig, sich 
weder gegen Frankreich noch gegen Spanien einzulassen*). 
Von sich auf Andere schliessend, betrachtete er denn auch 
die Versuche Oraniens, ein Anlehen zu Stande zu bringen, 
mit zweifelnden Augen ^). Trotzdem bezeichnete Johann 
von Nassau ihn, allerdings einem hessischen ünterthanen ^) 
gegenüber als ein instrumentum Dei, dessen die Sache der 
Religion ebensowenig entraten könne wie Oraniens. Wenigstens 
ermüdete der Landgraf nicht in seinen Bemühungen bei be- 
freundeten Fürsten, dass sie den Kaiser zum Eingreifen be- 
stimmen sollten ^) und in der That übernahmen es die Kur- 
fürsten von Mainz und Sachsen die Vermittlung des Kaisers 
anzurufen ^). Auch stand er den nassauischen Brüdern immer- 
hin so nahe, dass — nach Aussage des Grafen Johann®) — 
kein Stand des Reiches nächst dem Pfälzer Kurfürsten den 
Spaniern verhasster war als er und sie sich bemühten, ihn 
von jeder Anteilnahme an den Friedensverhandlungen aus- 
zuschliessen. Als nun diese Friedensverhandlungen im 
Februar 1575 unter Assistenz eines kaiserlichen Bevoll- 
mächtigten, des Grafen Günther von Schwarzburg zu Breda 

>) Wilhelm an L. Georg den 21. Febr. 74. 

2) Priiisterer I, 4, S. 367; Klmkhohn 11, S. 641, Anm. 1. 

3) Ebd. S. 871. 

*) Den 17. Mai 1574 (a. a. 0. S. 676). 

^) An Mainz den 14. Juli 1574 bei Prinsterer I, 5, S. 33. 

6) An Scholley den 2. Februar 1575 a. a. 0. S. 135. 

^) Job. von Nassau an L. Wilhelm den 10. Juni 1574 : E. f. g. 
schreiben ahn die bewuste bede menner, den grossen (?) und den ver- 
enderten (?) man, hab ich gestern morgen für meiner abreisen und in 
warhoit gantz geheim von e. f. g. Secretaron mir lassen vorlesen, zweiffei 
nit, dieselbige werden ohne fruoht nit abgehen, E. f. g. wolle in solchem 
christlichen vorhaben nuhr fortfahren, den es feit nie ein bäum von 
einem streich. 

®) Wilhelm an Johann den 20. Juni 1574, 

») An Scholley den 2. Febr. 75 {Prinsterer I, 5 S. 136). 



ä7ä 

wirklich stattfanden, da glaubte der Landgraf den brieflichen 
Mitteilungen dieses Abgesandten za entnehmen, dass der 
Prinz von Oranien seine Sache von derjenigen der Provinzen 
trennen und namentlich auf religiösem Gebiet zuweitgehende 
Zugeständnisse machen könne und gab seinen diesbezüglichen 
Befürchtungen in Briefen Ausdruck ^). Zum Glück konnte 
Johann von Nassau den Landgrafen sehr bald über die Ab- 
sichten seines Bruders beruhigen^) und die Verhandlungen 
führten ja auch zu keinem Ergebnis. Auf der Heimreise 
vom Bredaer Congresse kam Graf Günther durch Marburg 
und Ziegenhain und hatte dem Hauptmann der letztgenannten 
Festung, dem hessischen Rathe Simon Bing interessante 
Dinge über die Niederländer zu berichten. Er meinte, ihr 
sehnlichster Wunsch sei es, einen der Söhne des Kaisers 
zum Fürsten zu haben. Nach Cassel zum Landgrafen wollte 
er nicht, denn gewisse Leute — es war ungewiss, ob er 
damit die Spanier oder den Kaiser und Sachsen meinte — 
hätten auf diesen sonderlich ein Auge^). 

5. Oraniens neue Ehe. Statthalterschaft des Don 
Juan d'Austria (Sommer 1575 bis Herbst 1578). 

Das bisherige gute Verhältnis zwischen dem Landgrafen 
und Oranien drohte eine unheilbare Störung zu erleiden 
durch eine Trübung ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen. 
Zwar, dass Anna von Sachsen sich vielfältig gegen ihren 
Gatten vergangen und des Ehebruchs so gut wie überwiesen 
sei, verkannten weder der Kurfürst von Sachsen noch Wilhelm 
von Hessen und sie drangen selber darauf, dass die unglück- 
liche und schuldige Frau in festen Gewahrsam gehalten werde*). 
Als aber Oranien noch bei Lebzeiten Annas und ohne von 
ihr gesetzlich geschieden zu sein unter Begünstigung des 
Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zu einer neuen Ehe mit 



*) An Kf. August den 24. März 1575 bei Prinsierer I, 5, S. 154. 
(VgL ebd. S. 143, 145.) 

«) Den 26. März 75. 

*) Bing an L. Wilhelm den 1. Juni 75. 

*) Rommel V, 534; Jtiste 170. 



273 

Charlotte von Bourbon schritt ^), empfanden beide Fürsten 
dies als eine persönliche . Kränkung und äusserten sich in 
den härtesten Ausdrücken über das Benehmen des Prinzen. 
Indes war wenigstens mit dem Landgrafen das Zerwürfnis 
nicht dauernd. Schon am 30. April 1576 berichtet Johann 
von Nassau dem Bruder, er selber, der Graf, stünde noch 
beim Landgrafen im alten Credo ^). Oranien machte ihm 
auch Mitteilung davon ^), dass die Staaten Holland und See- 
land mit den übrigen Provinzen Frieden geschlossen hätten. 
Dieser Friede, die sogenannte Genter Pacification, gewährte 
den Niederländern eine gewisse Unabhängigkeit von Spanien, 
aber ordnete an, dass die katholische Religion ihre alte 
Machtstellung behaupten sollte in den südlichen Provinzen, 
während für Holland und Seeland die Entscheidung über 
diesen Punkt den noch zu berufenden Generalstaaten aller 
Provinzen vorbehalten wurde. Diese letzteren Bestimmungen 
erregten das Misstrauen des Landgrafen. Auch missfiel ihm, 
dass der Prinz sich überhaupt auf ein Zusammenwirken mit 
den Katholiken eingelassen und er sagte daraus entspriessendes 
Unheil im Style der Bartholomäusnacht voraus *). Ausserdem 
fand er nicht mit Unrecht, dass Kaiser und Reich von diesem 
Frieden wenig Gewinn hätten^). Ebensowenig entging ihm 
aber, dass hieran die Unthätigkeit der deutschen Fürsten 
einen grossen Teil der Schuld trage, welche ohne alle höheren 
Gesichtspunkte nur den eigenen Nutzen suchten^). Auch 
dass er hierin mit den Andern in gleicher Verdammnis sei, 
konnte er sich nicht verhehlen, doch entschuldigte er sich 



1) Am 12. Juni 1575. 

2) Prinsterer I, 5, S. 344. 

3) Den 8. Nov. 1575 {Blök, S. 187 ff). 

*) An Johann von Nassau den 16. Nov. 1576 : Es scheine als „wan 
man den Printzen hiermit gern in den stock locken und uff die fleisch- 
bank lieffern wolle, zu welchen gedancken uns dan umb so viel anleitung 
gibtt, dieweil die deputirte von den Stetten und auch die Stetten selbst 
Pfaffen und Papisten seindt, dahero wir nicht vermuten können, daß sie 
es mit S. L. gutt meinen und besorgen, dieser friedt werde ein endt 
nehmen wie die hochzeit zu Pariß. 

ß) An denselben den 29. März 1577. 

^) An die Heidelberger Räte den 5. Januar 1577. An Julius von 
Braunschweig den 2. Dec. 1576 {Prinsterer I, 5, S. 548). 
N. F. Bd. xxiii. 18 



274 

damit, dass sein Land nur klein sei und er daher die 
Mächtigen nicht reizen dürfe ^). Auch seien die Niederländer 
ein unzuverlässiges Eaufmannsvolk^ das seinen Helfern die 
Unterstützung schlecht lohne ^). Durch die Bestätigung, welche 
der spanische Statthaltier Don Juan d'Austria der Pacification 
im Februar 1577 mittelst des sogenannten „beständigen 
Edictes" zu teil werden Hess, wurde dieselbe in einem Punkte 
noch verschlechtert, indem nämlich die Aufrechterhaltung 
der katholischen Religion im Allgemeinen betont wurde, ohne 
die Provinzen Holland und Seeland auszunehmen. Als infolge- 
dessen Herzog Julius von Braunschweig anregte, dass das 
Reich, weil in dem Edicte nur der päpstlichen Religion ge- 
dacht sei, deswegen Erinnerung thun solle, wies Wilhelm 
dies doch von der Hand, weil es dazu zu spät und doch 
vergeblich sei^). Auf die Nachricht, dass man in den Pro- 
vinzen Holland und Seeland die Ausübung der katholischen 
Religion nicht dulde, sprach er seine Missbilligung aus, 
„wollte Gott", schrieb er, „dass überall beide Religionen 
bei einander wären"*). 

Im Juli 1577 sandte der Landgraf seinen Amtmann zu 
Hauneck und Frauensee, Anton Winther, an Oranien. Derselbe 
sollte den Prinzen angehen, dass er die im Jahre 1568 vor- 
gestreckte Summe in Geld oder Waaren zurückerstatte oder 
in irgend einer Weise sicher stelle. Indes, da der Prinz 
beständig in der fürchterlichsten Geldverlegenheit sich befand, 
so war in dieser Beziehung nichts zu erreichen. Der Ab- 
gesandte sollte ferner Oranien zur Herstellung des Friedens 
beglückwünschen. Obwohl es den Anschein habe, „dass alle 
Dinge, sonderlich die Religion betreffend, noch nicht so gar 
richtig und klar, wie es wohl möchte gewünscht werden", 
so sei es doch „hier wiederum an dem, dass den Sachen ein 
guter Anfang gemacht, in dem nämlich der Artikel de statu 
Religionis im Gentischen Vertrag auf gemeiner Stende Consens 

^) Ad L. Ludwig den 1. März 1577. An Johann von Nassau den 
29. März. 

«) Ebd. 

8) Den 22. April 1577. 

*) An den Grafen von Neuenar den 18. Mai 1577. 



275 

verschoben, dan sonder Zweifel Gott mit seinem Geiste auch 
werde zugegen sein und die Sache, die sein proper Eigen 
sei, zu allem Besten richten und wenden werde". Auch er 
selber habe vor 25 Jahren, als der Passauische Vertrag auf* 
gerichtet werden sollte, der Religion halben dasjenige, das 
er wohl begehrte, nicht vollkommen erhalten können, sei 
aber doch dem Rate seines Vaters und anderer alter ver- 
ständiger Herren und Fürsten gefolgt, die es sich hätten ge- 
fallen lassen, dass dieser Artikel zu Beratung gemeiner Stände 
des Reichs sollte gezogen werden ^), was denn auch zum 
Guten ausgeschlagen sei. Ferner liess er den Prinzen warnen, 
sich auf den gemeinen Pöbel und die Communen zu ver- 
lassen ^). Oranien seinerseits hatte am 16. Juli Otto von 
Wolmerinckhausen mit mündlichen Mitteilungen über die 
Friedenstractaten in den Niederlanden an den Landgrafen 
geschickt^) und empfahl ihm am 28. Juli den englischen 
Gesandten Daniel Rogers, der im Auftrage seiner Königin 
ein engeres Bündnis zwischen den Protestanten aller Länder 
anregen sollte*), ein Plan der in diesem und im nächsten Jahre 
die Gemüter beschäftigen sollte, von Landgraf Wilhelm warm 
empfohlen wurde, aber an der Lauheit der meisten deutschen 
Fürsten scheiterte. 

In seiner Antwort an Winther wies Oranien den ihm 
von verschiedenen Seiten gemachten Vorwurf zurück, als 
habe er die Genter Pacification verletzt, während vielmehr 
Don Juan dieselbe nicht ausgeführt habe. Dass es in den 
Staaten von Brabant zur Einführung des deutschen Religions- 
friedens kommen werde, dazu sei leider wenig Hoffnung vor- 
handen, da diese Staaten alle papistisch seien ^). 

Zur selben Zeit, als der Abgesandte des Landgrafen 
bei Oranien weilte, stellte sich heraus, dass ein gutes Ein- 



•) Man vorgleiche hierzu die hessische Erklärung vom 30. Juni 
1552 bei v. Druffel: Briefe u. Acten zur Geschichte des 16. Jahrh., 
Bd. 111, S. 531. 

2) Instruction für Winther vom 8. Juli 1577. 

^) Nach den Acten. 

*) Bexold I, S. 272, Nr. 57, Anm. 1. 

^j Ivolation des Wintlier vom 8. August 1577. 

18* 



276 

vernehmen der Provinzen mit Don Juan unmöglich sei. In- 
dem Don Juan sich auf gewaltsame Weise Namurs be- 
mächtigte (24. Juli 1577), gab er ge wisser massen das Zeichen 
zum Wiederausbruch des Kampfes. An den damals in Frank- 
furt tagenden ßeichsdeputationstag (August bis November 1677) 
wandte er sich mit einer Schrift, die alle Schuld an den neu 
ausgebrochenen Zwistigkeiten auf Oranien warf. Als der Land- 
graf von dieser Schrift erfuhr, beauftragte er seine Gesandten 
beim Deputationstage, sie sollten, falls die niederländischen 
Dinge zur Sprache kämen, Folgendes anzeigen : Es sei zu An- 
fang leichter gewesen, diesem Kriege, der dem ganzen Reiche 
besonders aber dem Hessenlande so beschwerlich sei, ein Ende 
zu machen, wie dies Kaiser Maximilian und andere Reichs- 
fürsten so ernstlich gewünscht und geraten, dem Könige von 
Spanien und seinen Gubernatoren scheine aber nicht viel 
daran zu liegen und auch die Vermittlung des Reiches werde 
nicht viel nutzen. Wenn man aber dem Könige Hilfe thun 
und die Lande mit Gewalt unterwerfen wolle, so könne er, 
der Landgraf, sich Gewissens halber in nichts einlassen, 
bevor nicht der König sich entschlossen, die Religion frei- 
zustellen und Niemanden mehr deswegen zu verfolgen. Der 
fruchtlose Kampf gegen den Prinzen und die ihm ergebenen 
Provinzen habe schon über 400 Tonnen Geldes gekostet, 
jetzt da die Staaten für einen Mann stünden und des 
Schutzes ausländischer Potentaten gewärtig seien, reiche das 
Vermögen des Reiches nicht hin, sie mit Gewalt zu unter- 
werfen; um Zerschlagung etlicher hölzerner und steinerner 
Bilder einen so gewaltigen Krieg auf sich zu laden, würde 
allen Benachbarten höchst verdriesslich sein^). 

Bei seinem Widerstände gegen Don Juan und das 
Wiederaufleben der spanischen Fremdherrschaft hatte Oranien 
jetzt auch die südlichen Provinzen auf seiner Seite. Die 
Generalstaaten beriefen ihn nach Brüssel, wo er seinen Sitz 
im Staatsrat wieder einnahm und von den Ständen von 
Brabant zu ihrem Ruwaert erwählt wurde. Eine starke 



*) L. Wilhelm an die Gesandten den 2. Oct. 77. Vergl. Rommd V, 
S. 535. 



277 

katholische Partei, die ihm wie dem spanischen Statthalter 
gleiclimässig entgegen war, berief den Bruder des Kaisers, 
Erzherzog Mathias, zum Generalgouverneur, der ohne Wissen 
seiner Verwandten nach den Niederlanden entfloh und dem 
der Prinz sich freiwillig unterordnete. Der Landgraf, dem 
dieser Gang der Dinge bei seiner Loyalität gegen das Haus 
Österreich eigentlich höchst willkommen hätte sein müssen — 
hatte doch sein Kanzler Reinhard SchefFer noch vor Kurzem 
die Übertragung der Statthalterschaft an einen der Brüder 
des Kaisers als den besten Ausweg bezeichnet ^) — fürchtete 
daraus die Entstehung neuer Verwicklungen, indem das er- 
zürnte Spanien dem Reiche die Türken und Moscowiter auf 
den Hals hetzen werde ^). Die Verhältnisse in den Nieder- 
landen schienen ihm überhaupt dermassen verwirrt, dass er 
es für das Klügste erachtete, die Hände ganz davon zu lassen 
Das tiefste Misstrauen flösste ihm der umstand ein, dass 
protestantische und katholische Niederländer im Kampfe 
gegen Spanien Hand in Hand gingen. Dabei könne für die 
Sache der Religion nichts Gutes herauskommen. Als Graf 
Johann, von seinem Bruder und den Provinzen Holland und 
Seeland gedrängt, eine niederländische Bestallung anzunehmen, 
den Freund um Rat fragte, riet Wilhelm dringend, obwohl 
zum Glück vergeblich, ab. Er solle lieber an seine Familie 
und sein Land denken und sich nicht in diese unsicheren 
Verhältnisse begeben. Die Staaten hätten, anstatt neues 
Blutvergiessen hervorzurufen, besser daran gethan, sich Don 
Juan zu unterwerfen, diejenigen, die den Zorn des Königs 
zu fürchten gehabt, hätten auswandern können. Eine solche 
Bestallung dürfe man auch nur von der legitimen Obrigkeit 
annehmen, diese aber sei für die Niederlande der Kaiser. 
Sogar der gerade damals am Himmel stehende Komet musste 
dazu herhalten, das Gewicht dieser Warnungen zu verstärken^). 
Diese ganze Beurteilung der Sachlage war so ungerecht als 



*) An die Gesandten in Frankfurt den 27. üug. 
=») An Kf. August den 10. Nov. 1577. 

^) L. Wilhelm an Johann von Nassau den 22. Nov» 1577 und 
16. März 1578 bei Primterer I, 6, S. 253 und 317. 



278 

möglich und hätte dem schrullenhaftesten Legitimisten Ehre 
gemacht. Damit stimmt denn freilich sehr wenige dass ihm 
Oranien, der doch auf die wallonischen Provinzen Rücksicht 
zu nehmen hatte, in Sachen der Religion nie weit genug 
ging, dass er die calvinistischen Ausschreitungen in Flandern 
gegen die Katholiken ^) mit Freude begrüsste und meinte, die 
Pfaflfen hätten nur schon längst ausgetrieben werden sollen, 
denn wie könne man sich Glückes vermuten, wenn man 
Gottes Ehre, darüber der ganze Krieg entstanden, nicht allem 
Andern voransetze ^). Die Nachricht, dass man unter Ver- 
mittlung des Kaisers wieder über einen Religionsfrieden ver- 
handele, worauf er früher immer hingedrängt hatte, war ihm 
unter diesen Umständen gar nicht willkommen, denn dies 
heisse nur dem Vorschreiten der wahren Religion Halt ge- 
bieten, während bei der Fortdauer des Krieges noch Vieles 
hätte erreicht werden können, gerade so wie im Jahre 1552 
der Passauer Vertrag zu beklagen gewesen sei — man ver- 
gleiche oben die entgegengesetzte Äusserung — da ohne ihn 
die Protestanten mehr erreicht haben würden^). Nicht sehr 
im Einklang mit diesen Ansichten über den Wert eines 
Religionsfriedens stand es, dass er dem Abgesandten des 
Don Juan, Don Ramiro de Nunez, die Herstellung eines 
solchen ans Herz legte*) und die Vermittlung des Kaisers 
zu diesem Zwecke willkommen hiess, nur widerriet er die 
Beiziehung der geistlichen Kurfürsten, da diese in eine Frei- 
stellung der Religion nie willigen würden ^). Mit Bedauern 
erfüllte es ihn, dass die Staaten schliesslich von dem Erz- 
herzog Mathias so wenig wie von Don Juan etwas wissen 
und sich dem Herzog von Anjou, dem Bruder des Königs 
von Frankreich, in die Arme werfen wollten. Doch ver- 
kannte er nicht, dass das Haus Österreich hieran einen 
grossen Teil der Schuld trage, da es den Erzherzog nicht 

1) Vergl. Juste, S. 233. 

2) An Ehern den 19. Juli 1578, Bexoldl, 116 lag nur ein Fragment 
des Briefes vor. 

8) Ebd. 

*) Bexold 1, S. 314. An Sachsen 1578, October 2. 

^) An des Traos 1578, October 3. 



279 

unterstützt habe und selber in den Erblanden die Protestanten 
verfolge ^). Dass auch die Indolenz der deutschen Fürsten 
anzuklagen sei, hob selbst ein so eifriger Lutheraner wie 
Herzog Julius von Braunschweig hervor. Er meinte, es 
würde jetzt übel stehen, wenn die Vorfahren die Sachen 
nicht besser in Acht genommen hätten als es jetzt von Chur- 
fürsten und Fürsten, die ihren Jagden, wilden Säuen oder 
Wollust nachhingen, oder auch von denjenigen geschehe, 
welche dem Bauen und andern dergleichen Sachen oblägen ^). 
Gegen die allgemeine Fassung dieses Vorwurfs, den er freilich 
selber oft genug ausgesprochen, verwahrt sich indes der 
Landgraf. Es sei zweifelhaft, was besser sei, ob man sich 
des von Gott geschenkten Friedens erfreue oder wie die 
Vorfahren sich in auswärtige Händel mische und dadurch 
Krieg auf den Hals lade. Jenes könnten am ersten noch 
grosse Herren wie Sachsen, Brandenburg oder Württemberg, 
die unzerteilte Lande, stattliche Bergwerke, Weinwachs, Zoll 
und dergleichen Einkommen hätten, während dies den andern, 
die mit sich selbst zu Hinbringung ihres Standes genug zu 
thun hätten, schlecht anstehen würde ^). Als Pfalzgraf Johann 
Casimir auf die Aufforderung des Erzherzogs Matthias und 
der Königin von England den Niederländern zu Hülfe ziehen 
wollte, widerriet der Landgraf dies in Übereinstimmung mit 
des Pfalzgrafen Bruder Ludwig auf das Dringendste, da 
diesen Leuten einmal nicht zu trauen sei*). Nur dann wolle 
er die Sache mit günstigeren Augen ansehen, wenn Kaiser 
und Reich sich ihrer annehmen würden, in diesem Sinne 
habe er auch seine Gesandten zum Wormser Deputationstag 
instruiert^). In der That hatte er dieselben beauftragt, 
auf die Verbesserung des im Jahre 1548 mit Burgund ge- 
schlossenen Vertrages und Freistellung der Religion gemäss 
dem Religionsfrieden hinzuwirken ^. Doch gelangte die kaiser- 



1) An Pfalz und Sachsen 1578, August 1. 

2) An L. Wilhelm den 4. Febr. 1578. 

3) An Julius von Braunschweig den 10. Febr. 1578. 

4) Am 16. März (PHnsterer I, 6, S. 317). Am 1. Mai, 7. Mai (Acten). 
») Brief vom 7. Mai 1578. 

6) Vergl. den Brief an Julius von Braunschweig vom 4. April, auf 



280 

liehe Proposition wegen der Niederlande nur an die Abge- 
sandten der Kurfürsten. 

Ein Gesuch des Pfalzgrafen um ein Darlehen von 
6000 Thalern, das dieser durch Fabian von Dohna anbringen 
Hess ^), lehnte Wilhelm zuerst ab, da er im letzten Jahre für 
beinahe 40000 Thaler ausserordentliche Ausgaben gehabt^), 
Hess sich aber dann doch zur Hergabe von 2000 Thalern 
bereitfinden ^). Sein Widerstreben gegen den Zug selbst zog 
ihm von Seiten des Pfalzgrafen die spöttische Bemerkung zu, 
eine hohe kriegserfahrene Person *) habe geäussert, dergleichen 
Zweifel könnten nur von Weibern, Doktoren oder aus ver- 
zagten Herzen kommen ^), was den Landgrafen empfindlich 
ärgerte^. 

Dass der Pfalzgraf, als er wirklich in den Niederlanden 
erschien, sich mit Oranien ') nicht stellen konnte und bald 
in eine sehr prekäre Lage geriet, dass andererseits der 
Herzog von Anjou, der Bruder des Königs von Frankreich, 
nach dem Hennegau kam und die sogenannten „Malcontenten" 
im Gegensatz zum Erzherzog Matthias und zu Oranien sich 
auf ihn stützten, war dem Landgrafen ein neuer Beweis 
dafür, dass in den Niederlanden ein confusum chaos herrsche 
und dass er recht daran gethan, als er dem Pfalzgrafen ab- 
geraten, sich hinein zu begeben. Er befürchtete, dass 
infolge der Einmischung Anjous England, der Kaiser und 
Erzherzog Matthias sich von den Provinzen abwenden würden®). 



den er sich in der Instruction für seine Gesandten vom 20. April beruft 
(Acten des Deputationstages). Man vergleiche die ähnlichen Forderungen 
Johann Casimirs in dem Schreiben an seinen Bruder Ludwig vom 12. April 
(bei Bexold I, S. 299). 

') Instniction für Dohna vom 19. Mai. 

•) Antwort an Dohna vom 26. Mai. 

*) Johann Casimir an L. Wilhelm den 3. Juni 78. Er wollte noch 
weitere 2000 Thaler hergeben, aber Johann Casimir bedurfte ihrer nicht mehr. 

*) Lazarus Schwendi (K. Ludwig an L. Wilhelm den 5. Juni). 

*) Instruction für Dohna den 19. Mai. 

®) L. Wilhelm an Johann Casimir den 2. Juni. 

') Bittero Äusserungen über Oranien finden sich in den Briefen 
Wilhelms an Johann Casimir vom 2. Dccember und an Ehen vom 
15. Nov. 1578. 

8) An des Traos den 31. Juli 1578 bei Prinsterer I, 6, S. 427. An 
Ehom den 26. August und 13. Sept. 1578. 



281 

Dem gegenüber war es ihm höchst erfreulich zu hören, dass 
wenigstens die nördlichen Provinzen von den Franzosen 
nichts wissen , und am Kaiser festhalten wollten ^). Im 
Übrigen setzte er in die kriegerische Leistungsfähigkeit des 
Kaufmannsvolkes nur geringes Vertrauen. Sie schienen ihm 
geneigter, die steinernen Bilder als ihre Feinde zu stürmen. 
Denn die bilderstürmerischen Ausschreitungen, die jetzt 
namentlich in Flandern an der Tagesordnung waren und die 
er im Jahre 1566 so nachsichtig beurteilt hatte, verwarf er 
jetzt, hierin übrigens mit Oranien einverstanden, entschieden. 
„Wohl sei jeder Christ schuldig, die Lehre des Evangelii zu 
propagieren, „aber Kirchen und Bilder stürmen, item bona 
ecclesiastica zu occupieren und die arme Personen mit Gewalt 
auszutreiben, das finden wir nirgend in keinem Evangelio 
geschrieben, denn Paulus spricht: fugite, aber nicht : concutite 
Idola, so sollte man auch nach der Lehre Lutheri die Bilder 
eher außen Herzen nehmen, darnach würden sie wohl aus 
den Kirchen selbst kommen" ^). 

Durch den am 1. Oktober 1578 erfolgten Tod Don 
Juans sah Wilhelm eine Prophezeihung von sich erfüllt. Zu 
Anfang des Jahres hatte Don Juan nämlich, um die Furcht 
vor dem damals am Himmel stehenden Kometen zu verspotten, 
seine Truppen mit Fahnen versehen lassen, auf denen ein 
Komet gebildet war. Wilhelm hatte damals darauf aufmerksam 
gemacht, der Komet sei bei seinem ersten Erscheinen am 
grössten gewesen und habe nachher beständig abgenommen, 
ebenso könne es wohl mit seinem Verspotter sein^). Aber 
auch nach Don Juans Tod sah er die Verhältnisse trübe an 
und führte die missliche Lage der Dinge darauf zurück, dass 
die Staaten in fundamento religionis unter sich uneins und 
die Empörung gegen ihren König nicht recht sei^). 



An des Traos den 31. Oct. 1578. Ebd. S. 450. 
2) Ebd. 

^) August von Sachsen an L. Wilhelm d. 6. Nov. 1578. 
*) An des Traos den 13. Nov. 



282 



6. Vom Tode Don Juans bis zur Ermordung 
Oraniens (Herbst 1578 bis Juli 1584). 

Der Erfolg gab den Besorgnissen des Landgrafen hin- 
sichtlich der Religionsverschiedenheit Recht. Denn kurz 
darauf am 6. und 29. Januar 1579 wurden der Vertrag von 
Arras hier, die ütrechter Union dort geschlossen, welche 
die ersten Schritte zur Trennung der katholischen und 
protestantischen Provinzen darstellen, einer Trennung, welche 
nicht sowohl durch die Erfolge der spanischen Waffen als 
durch die religiöse Intoleranz auf beiden Seiten unvermeidlich 
wurde. Kann man aber darum dem Prinzen von Oranien 
Unrecht geben, wenn er bis zum letzten Augenblick an der 
Hoffnung festhielt, es werde möglich sein, die religiösen Ver- 
schiedenheiten hinter dem Hass gegen die Fremden und dem 
gemeinsamen Festhalten an den alten Privilegien zurücktreten 
zu lassen? Vielleicht war dieser Gedanke in einer Zeit 
religiöser Gährung undurchführbar und konnte überhaupt nur 
entstehen in dem Kopfe eines Mannes, der, weil er selbst 
den Glauben viermal gewechselt, den religiösen Streitigkeiten 
noch kühler gegenüberstand als der im Verhältnis zu den 
meisten seiner Zeitgenossen tolerante Landgraf. Hatte Jener 
sich aber klar gemacht, dass eine protestantische Politik wie 
er sie von Oranien verlangte, da die deutschen Fürsten sich 
ihr versagten, nur durchzuführen war im Gegensatz zum 
Hause Osterreich, im Bunde mit England und Frankreich? 

Don Juans Nachfolger, Prinz Alexander Farnese, setzte 
den Krieg mit weit grösserem Erfolg als Jener fort. Wilhelm 
fürchtete, Farnese werde „sich mit den Malcontenten, 
vielleicht auch mit Anjou vertragen" und dann den Prinzen 
angreifen und ihnen den „Backmeister" bringen, ob dann der 
gemeine Mann bis dahero beim Prinzen halten und sich der 
Gewalt erwehren könne, werde die Zeit geben. „Wir haben 
aber in keiner Historien erfahren, dass, qui nituntur factioni 
populari, jemals prosperiert seien. Quia populus hält Einen 
hoch, aldieweil es ihm wohl ^ehet, wo es ihm aber übel 



283 

gehet, so ist populus der erste, der uf seine defensores 
zuschlägt*' ^). 

Im Fortgang des Krieges begannen die Spanier sogar 
auf das Gebiet des Reiches überzugreifen, sie bemächtigten 
sich (Januar 1579) der Stadt Kerpen im Jülichschen und 
machten sich Köln lästig. Der Landgraf war auf dergleichen 
Übergriffe seit Langem gefasst gewesen und hatte haupt- 
sächlich aus diesem Grunde immer darauf gehalten, in der 
Nähe des Kriegsschauplatzes Berichterstatter zu haben, wie 
den Bürgermeister Pilgrim zu Köln, den Grafen Hermann von 
Neuenar, den französischen Secretär des Traos, die ihn auf 
dem Laufenden erhielten. Er hatte es schon immer beklagt, 
dass die andern deutschen Fürsten nicht ebenso dächten und 
anstatt gegen die drohende Gefahr bei Zeiten Vorkehrungen 
zu treffen, die Sache immer wieder auf die lange Bank 
schöben. „Denn man spricht albereit, was uns die frembde 
welsche Sachen angehen und ist so karg, ehe man ein hundert 
Kronen uff Kundschaft auswendete, ehe hinge man ein zwanzig 
tausent Kronen unsern schonen Frauen an Schmuck; darum 
und weil gemeinlich occasio furem macht, so haben wir 
Sorge, es werde einmal den Herren ein Rad an die Schiene 
laufen und sie vom Schlafe aufwecken"^}. 

Als nun die Spanier sich in Kerpen festgesetzt, machte 
Wilhelms Bruder, Landgraf Ludwig, den Schwager Ludwig 
von der Pfalz auf die (fefahr aufmerksam, dass sie sich 
baldigst über die dem Rheine zunächst liegenden Gegenden 
ergiessen könnten. Jener antwortete darauf sehr kühl, einen 
Einfall der Spanier habe wohl nicht die Pfalz, sondern Hessen 
zumeist zu fürchten, da schon Alba früher geäussert, er 
werde einstmals das Rüsthaus des Krieges, worunter er vor- 
nehmlich Nassau und Hessen verstanden, heimsuchen^). 
Wilhelm bemerkte zu jener Antwort, sie gemahne ihn an 
das „französische Lied": 



^) An des Traos den 7. December 1578. 

2) An des Traos 0. D. (1578, Aug.). 

3) Den 23. Januar 1579. 



284 

Me disoit 

Un jour un cocu, 

Quant on sa femrae fontoit: 

C'est Celle d'un autre. 

Übrigens habe Hessen mit den beiden grossen Potentaten 
Spanien und Frankreich immer gut gestanden, während Pfalz 
beide vielfältig gereizt und daher mehr zu befürchten habe ^) 
Er seinerseits wandte sich an die Erbeinigungsverwandten 
Sachsen und Brandenburg, fragte an, ob er vorkommenden 
Falles auf ihre Hülfe rechnen könne und bat, die Aufmerksam- 
keit der andern Kurfürsten auf diese Dinge zu lenken ^). Die 
Antworten, die er erhielt, lauteten nicht sehr verheissungsvoll 
Brandenburg erklärte sich zur Hilfe nur dann bereit, falls 
die Gefahr von Hessen unverschuldet sei, worauf Wilhelm 
spitz ei'widerte, ein Grund zum Angriff sei jederzeit leicht 
gefunden, „wenn man einen Hund schlagen will, so hat er 
Leder gessen" ^). Auch der Kurfürst von Sachsen meinte, 
dass besonders Nassau unter dem Scheine deutscher Freiheit 
Spanien und Frankreich vielfältig gereizt habe *). unter diesen 
Verhältnissen war es ein Glück zu nennen, dass die Spanier 
sich gegen Geldern wandten und die Gefahr für den Augen- 
blick vorüber war. 

Mit begreiflichem Interesse verfolgte der Landgraf die 
Friedensverhandlungen, die im Frühling und Sommer 1579 
zwischen niederländischen, spanischen und kaiserlichen Ab- 
geordneten zu Köln stattfanden. Er begleitete den Fortgang 
derselben, über den ihn rein x\gent des Traos auf dem Laufenden 
hielt, mit grösserem Optimismus als er durch die Verhält- 
nisse gerechtfertigt war. In Bezug auf die rein politischen 
Forderungen der Staaten freilich zeigte der Abgesandte des 
Königs, der Herzog von Terra Nova einiges Entgegenkommen, 
Er versprach Amnestie alles Geschehenen, Rückgabe der ein- 
gezogenen Güter und Ehrenstellen, Entfernung aller aus- 



») An L. Ludwig den 2. Febr. 79. 
2) Ebd. An Sachsen den 27. Jan. 79. 

») An Brandenburg den 17. Febr. 1579. Vergl. Bommel V, S. 596, 
Anni. 86. 

*) Ebd. 



285 

ländischen Truppen, Verwaltung der einzelnen Provinzen 
durch Einheimische^). Der Landgraf fand, dass der König von 
Spanien, dessen Milde und Vorsichtigkeit er noch ebenso wie 
früher ^) pries, den Staaten sehr weit entgegengekommen sei, 
so weit, dass, wenn er selber seinen Unterthanen soviel ein- 
räumen wollte, er sich nicht mehr für einen Herrn seiner 
Lande als nur dem Namen nach achten würde ^). Er vergass 
hierbei nur, dass die Niederlande eben von Alters her kein 
Einheitsstaat wie Hessen gewesen waren und dass ihre Ver- 
fassung eher der des Reiches zu vergleichen war. Eben nur 
das lose Gefüge des letzteren ermöglichte das Nebeneinander- 
bestehen beider Konfessionen, das der Landgraf auch für die 
Niederlande so sehr wünschte. Hiervon wollte aber der 
Konig nichts wissen, der vielmehr die Aufrechterhaltung der 
katholischen Religion für seine vornehmste Pflicht erklärte. 

Er glaubte schon sehr viel zu thun, wenn er durch 
seine Vertreter den Andersgläubigen für eine gewisse Frist, 
etwa für die Dauer von 4 Jahren, freien Aufenthalt in den 
Provinzen zusichern Hess, vorausgesetzt, dass sie kein Ärgernis 
gäben, d. h. auf die öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes 
verzichteten. Spätestens nach Ablauf dieser Frist sollten sie 
das Land räumen. Doch sollten sie ihre Güter durch Andere 
verwalten lassen können*). Dem hielten die Abgeordneten 
der Staaten mit Recht entgegen, dass hierdurch die Genter 
Pacification verletzt werde, welche den Provinzen Holland 
und Seeland die freie Übung der reformierten Religion zu- 
gestanden hatte. In den übrigen Provinzen sollten die 
Protestanten unbehelligt leben dürfen unter Verzicht auf die 
öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes, doch sollte es 
ihnen unbenommen sein, zu diesem Zwecke Städte, in denen 
solcher stadtfände, aufzusuchen ^). Man sieht, die beiden 



*) Responsum I Ducis Terrae Nouae etc. als Beilage zu dem Berichte 
dos dos Traos vom 29. Juni. 

') Vergl. üben S. 262. 

♦) An des Traos den 27. Juli 1Ö79. 

*) S. oben. 

^) Responsum Ordinum Belgii Deputatorum ad Media pacis ineundae 
otc. als Beilage zu dorn Bericht des de» Traos vom 20. Juli. 



286 

t^arteien gingen in ihren Forderungen recht weit auseinander^ 
der Landgraf aber meinte, in dem letzterwähnten Vorschlage 
einen Ausweg gefunden zu haben, gegen dessen Anwendung 
auch der König von Spanien nichts haben werde. So schlug 
er denn vor, es einige Jahre hindurch auf folgende Weise 
zu probieren. Jeder solle in seinem Hause unbehelligt gelassen 
werden und ihm verstattet sein, etliche Male in jedem Jahre 
Orte aufzusuchen, an denen die Religion, zu der er sich be- 
kenne, öffentlich ausgeübt werde. In der Zwischenzeit könne 
Gott auf bessere Mittel denken, denn der Obrigkeit und der 
Herstellung des Friedens müsse man viel zu Liebe thun und 
ein altes Sprichwort sei : Es ist besser schielen als blind sein ^). 

In seinen religionspolitischen Ansprüchen war also der 
Landgraf gegen früher sehr bescheiden geworden. Die Frage, 
wie es denn in den Provinzen Holland und Seeland gehalten 
werden sollte, berührte er dabei gar nicht. In der That kam 
denn auch zu Köln ebensowenig wie früher oder später eine 
Einigung zu Stande. 

Merkwürdig wie ein gewisses Misstrauen gegen Oranien 
bei Wilhelm zuweilen hervorbricht. Als der Prinz sich den 
calvinistischen Ausschreitungen der demokratischen Führer 
und des pfälzischen Predigers Dathenus in Gent entgegen- 
stemmte ^), beklagte der Landgraf sich darüber, dass Jener 
den Katholicismus dort wieder hergestellt habe und meinte, 
er finge in der Religion an zu wackeln und die Religions- 
verwandten wollten nichts mehr von ihm wissen^). Der 
Theologe Beza musste ihn erst darauf aufmerksam machen, 
dass Oranien kein souveräner Fürst sei, sondern mannigfache 
Rücksichten zu nehmen habe und dass es Unrecht sei, Anders- 
gläubige durch Zwang zu seiner Meinung zu bekehren*). 
Vielleicht hängt jene falsche Beurteilung Oraniens zusammen 
mit der Annäherung an die Calvinisten, von der Johann von 



») An des Traos den 27. Juli 1579. 
«) Juste, S. 258 ff. 

8) Vergl. BeKoU 1, S. 347 Nr. 172 aus dem Herbst 1579. 
*) An L. Wilhelm den 9. Dec. 1579 bei Heppe: Epistolae, quas 
Theod. Beza ad Wilhelmum IV. misit S. 22. Marburg 1860. 



287 

Nassau zu melden weiss ^) und die wohl eine Folge der 
Streitigkeiten um die Koncordienformel war. Dann konnte 
wieder Graf Johann dem Bruder berichten, Wilhelm habe 
seine Freude darüber geäussert, dass Oranien seine Verdienste 
um die niederländische Sache anerkenne, es sei wohl wahr, 
was Jener von ihm gesagt: Er ist der Einzige nächst Gott 
— unter den deutschen Fürsten nach dem Tode des Pfälzers — 
der uns erhält^). 

Aber zur selben Zeit erregte die berühmte Apologie 
Oraniens wegen der darin enthaltenen Angriffe gegen den 
König von Spanien, den Kaiser und die deutschen Fürsten 
seine lebhafte Missbilligung ^). An August von Sachsen, 
schrieb er darüber ^), er habe die Apologie erst nicht für 
echt gehalten, sondern für verfasst von Jemandem, der dem 
Prinzen schaden wolle. Da dieser sich aber selber öffentlich 
dazu bekannt, „parum abest, quin cum Cicerone dicamus, 
quod omnes stulti insaniant". Er wolle mit den Schmähungen, 
die zum Theil auch ihn selber beträfen, nichts zu schaffen 
haben. 

Richtig ist allerdings, dass die Apologie sehr scharfe 
Ausdrücke und zum Teil nicht begründete Beschuldigungen, 
die von Oraniens eigenen Freunden nicht gebilligt wurden, 
namentlich gegen den König von Spanien enthielt^), aber 
das wird entschuldbar erscheinen, wenn man bedenkt, dass 
sie die Antwort war auf eine Achtserklärung, die einen Preis 
auf den Kopf des Prinzen setzte. Seine Klagen über die 
ünthätigkeit des Kaisers und der deutschen Fürsten aber 
waren nur zu sehr begründet. 

Zu der Missstimmung des Landgrafen gegen den Prinzen 
trugen noch die Einflüsterungen Beutterichs, des vertrauten 
Rathes des Pfalzgrafen Johann Casimir, das Ihrige bei. Sollte 
doch Wilhelm auf eine derartige Einflüsterung hin gesagt 



1) Bei Prinsterer I, 7, S. 539. 
2} Ebd. S. 547 im April 1581. 
3) Ebd. S. 544, 547. 
*) Am 13. Mai 1581. 
^) Vergl. Jusie, S. 275 ff. 



288 

haben : „Wo das wahr ist, so kent ich den Prinzen nit mehr, 
wan er schon itzt für mir stünde"^). 

Da Kaiser und Reich die Niederlande im Stich Hessen, 
so entschlossen sich die Staaten auf den Antrieb Oraniens 
dem Herzog von Anjou (früher von Alengon) die Souverainität 
zu übertragen, sie ernannten ihn zum Herzog von Brabant 
und Grafen von Flandern, während Erzherzog Matthias das 
Land verliess (Febr. 1582). 

Je sehnlicher Wilhelm von Hessen gehofft hatte, dass 
vielleicht gerade der niederländische Aufstand dazu dienen 
werde, wieder eine engere Verbindung der ProviTazen mit 
dem Reiche herbeizuführen, desto schmerzlicher war ihm die 
Aussicht, sie ganz in die Hände der Franzosen gerathen zu 
sehen. Aber nicht weniger unheimlich bedünkte es ihn, dass, 
wie das kaiserliche Ausschreiben zu dem auf den 22. April 
1582 nach Augsburg berufenen Reichstage erwarten Hess, 
das Reich veranlasst werden sollte, die Franzosen mit Waffen- 
gewalt zu vertreiben. Denn dies hiess, wie er an seinen 
Bruder Ludwig schrieb ^), nichts anderes als einen allgemeinen 
Krieg entfesseln, die Polen nach der Mark, die Türken nach 
Osterreich, die Franzosen an den Rheinstrom bringen. Und 
dies um Länder willen, die ausser einer geringen Türkensteuer 
dem Reiche nichts leisteten und mit ihm weder in Religions- 
sachen, noch im Steuer- oder Münzwesen etwas gemein hatten. 

Schon im Jahre 1577 hatte sich Wilhelm auf dem 
Frankfurter Reichsdeputationstage jedem Versuche, das Reich 
zur Einmischung in die niederländischen Dinge und zwar zu 
Gunsten des Königs von Spanien und zum Nachteil der 
Protestanten zu veranlassen, widersetzt^). Auch jetzt war 
er zu dem gleichen Verhalten entschlossen. Auf einer Zu- 
sammenkunft zu Grünberg, die er mit seinen fürstlichen 
Brüdern am 28. März 1582 hatte, wurde die Instruction für 
die auf den Reichstag zu entsendenden hessischen Gesandten 
festgestellt. Nach dieser, die in einer kürzeren Fassung vom 

^) Johann von Nassau an Uranien bei Prinsierer I, 7, S. 543. 

«) Den 13. April 1582. 

») Roirwiel V, S. 535. S. oben S. 276. 



289 

28. März und einer ausführlicheren vom 28. Mai vorliegt — 
wegen des Todes des Kurfürsten von Mainz zögerte sich 
nämlich die Eröffnung des Reichstages bis zum 27. Juni 
hinaus — sollten die Gesandten, was die niederländischen 
Dinge betrifft, falls der Kaiser darauf dringen würde, den 
Herzog von Anjou für einen Reichsfeind zu erklären und 
gegen ihn mit den Waffen vorzugehen, darauf hinweisen, 
dass man sich dadurch nicht nur die Franzosen, sondern 
auch andere Nationen auf [den Hals ziehen würde. Würde 
von jener Seite behauptet, man müsse dem burgundischen 
Kreise, als einem Gliede des Reichs zu Hilfe kommen, so 
sollten die Gesandten darauf aufmerksam machen, dass diese 
Lande seit 1548 vom Reiche fast völlig gelöst seien und ihr 
Herrscher trotz der Abmahnungen von Seiten des Kaisers 
und des Reiches die jetzigen Unruhen veranlasst habe, ohne 
sie durch Gewährung des Religionsfriedens zu dämpfen. Der 
Kaiser sollte darauf hinzuwirken suchen, dass in denjenigen 
Provinzen, die noch nicht in Händen der Franzosen seien, 
der Religionsfriede eingeführt, die alten Privilegien wieder- 
hergestellt und Amnestie für das Vergangene gegeben würde, 
dies sei das beste Mittel, auch die Abgefallenen wieder zu 
gewinnen. Falls Anjou den Reichstag beschicken und als 
Herzog von Brabant Session im Fürstenrat verlangen würde, 
so sollten die Gesandten sich nach denen der andern Fürsten 
richten, jedenfalls aber eine Mittelstrasse halten und in dieser 
knifflichen Sache weder das Haus Österreich noch Anjou vor 
den Kopf stossen^). 

Darauf, den Reichstag in Person zu besuchen, musste 
der Landgraf verzichten, da er durch die Gicht sehr im 
Gehen behindert war. Er konnte, wie er seinem Bruder 
Ludwig schrieb, keine Treppe steigen, ohne einen Lakaien 
an jeder Seite zu haben, und er wollte nicht, dass man auf 
dem Reichstage mit Fingern auf ihn zeigen sollte^). 

Als am 9. Juli die kaiserlichen Propositionen vor den 



1) Die Instructionen wie das Folgende aus den Reichstagsacten des 
Marburger Archivs. 

2) Den 3. Juni 1582. 

N. F. Bd. XXIII. 19 



290 

Reichstag gebracht waren, fand Wilhelm die auf die Nieder- 
lande bezügliche, die sich in allgemeinen Klagen über die 
dortigen Zustände und das Verhalten der Reichsstände ihnen 
gegenüber erging, etwas weitläufig. Der Kaiser drang in die 
Stände, auf Mittel zu denken, wie der Friede in den Nieder- 
landen wiederhergestellt und jene Lande zum Beiche und 
dem Hause Österreich zurückgebracht werden könnten, wie 
ferner die den Prinzen benachbarten Stände vor den lästigen 
Ein- und Überfällen zu Lande und zur See sicherzustellen 
seien, wie endlich die Werbungen und Musterungen für fremde 
Kriegsdienste, die den Constitutionen des Reiches zuwider 
auf dem Boden desselben stattfänden, abgestellt werden 
könnten. Hierzu bemerkte der Landgraf, dass man freilich 
nicht besser daran sei, wenn man die Franzosen als wenn 
man die Spanier zu Nachbarn habe und Handel und Wandel 
litten durch den Krieg erheblichen Schaden. Das Beste 
wäre, einen Religionsfrieden herzustellen, aber der spanische 
König habe ja erklärt, er wolle eher die ganzen Lande in 
die Schanze schlagen als etwas in der Religion nachgeben 
oder, wie der spanische Gesandte Don Ramiro de Gusman 
sich ausgedrückt, als einen einzigen Lutheraner unter sich 
wissen. Nun habe man es dahin gebracht, dass ein schwererer 
Vogel im Neste sitze, von dem es lieisse: Turpius eiicitur 
quam non admittitur hospes. Dass aber die kaiserliche Pro- 
position den Reichsständen jede Verbindung mit fremden 
Potentaten, alle Werbungen für sie untersagen wollten, hielt 
er für einen Eingriff in die teutsche Freiheit ^). Er war 
sogar der Ansicht, früher habe man das liberum imperium 
gehabt, jetzt aber decliniere die libertas immer mehr zur 
servitus^). Man könne den Protestanten nicht zumuten, 
ihren Glaubensverwandten jeden Zuzug abzusperren und wo 
möglich die Gegner zu unterstützen. Erst wenn der Religions- 
friede hergestellt sei, Burgund sich den Reichsconstitutionen 
in Münz- und andern Sachen unterwerfe und sich verpflichte, 
ohne Bewilligung der Reichsstände nichts Gefährliches zu 

*) An K. Ludwig und Johann Casimir von der Pfalz den 26. Juli. 
') An K. Ludwig von der Pfalz den 24. August. 



^91 

unternehmen, sei es an der Zeit zu beratschlagen, wie fremden 
Potentaten der Zuzug abgestrickt werden könne ^). Da ver- 
lautete, Anjou wolle den Keichstag beschicken, schrieb der 
Landgraf seinen Gesandten^), man dürfe seine Botschaft nicht 
ohne Weiteres abweisen, besonders wenn er mit den von ihm 
eingenommenen Landen beim Reiche verharren wolle; viel- 
leicht könne man den König von Frankreich angehen, dass 
er seinen Bruder von dem Unternehmen abmahne. 

Der Vorschlag des Landgrafen, die Herstellung des 
Religionsfriedens zu empfehlen, wurde im Ausschuss des 
Fürstenrates für die niederländische Frage ausser von Hessen 
von Pfalz-Neuburg und Württemberg befürwortet, sie erlangten 
mit Mühe, dass man dem Plenum des Fürstenrates davon 
eine Andeutung thun wollte^). Im Fürstenrat aber war die 
Mehrheit nämlich die geistlichen Fürsten, verstärkt durch 
Osterreich, Baiern und Jülich für scharfe Edicte gegen alle 
Werbungen für Anjou und die Staaten, während solche für 
den König von Spanien als Glied des Reiches gestattet sein 
sollten*). Der Kurfürstenrat hingegen beschloss, das Reich 
solle sich der Niederlande wegen in keinen Krieg einlassen, 
auch keine der streitenden Parteien beschicken. Von der 
Werbung für Anjou sei nicht namentlich abzumahnen, dagegen 
die gegen ausländische Werbungen überhaupt gerichteten 
Edicte von Speier (1570) und Regensburg (1576) zu erneuern. 
Der Fürstenrat trat dem bei ^) und auch der Reichstagsabschied 
trug diese gegen die ursprünglichen katholischen Forderungen 
sehr abgeschwächte Fassung. 

Während so jedes Zerwürfnis des Reiches mit Anjou 
vermieden wurde, verschwand auch bald die so bedrohlich 
scheinende Gefahr, dass die Niederlande den Franzosen in 
die Hände gerieten. Anjou, darauf bedacht, sich eine selb- 
ständige Macht zu verschaffen, versuchte sich der Stadt 



^) An die Eäte in Augsburg den 14. Sept. 

^) An dieselben den 14. August. 

3) Die Räte in Augsburg an L. Wilhelm den 2. August. 

*) Dieselben den 5. August. Vergl BexoJd I, S. 509 Nr. 380. 

^) Die Räte zu Augsburg an L. "Wilhelm den 13. August. 

19* 



292 

Antwerpen zu bemächtigen. Der Versuch misslang (den 
17. Januar 1583) führte aber ein Blutbad herbei, machte 
Anjous Stellung unhaltbar und zwang ihn schliesslich das 
Land zu verlassen. Der Landgraf sah durch diesen Vorgang 
seine alte Meinung bestätigt, dass die Protestanten mit den 
Katholiken und nun gar mit den Urhebern der Bartholomäus- 
nacht nicht zusammenwirken dürften ^). Nun schien ihm der 
Moment gekommen, wo der Kaiser einschreiten und unter 
Herstellung des Religionsfriedens die Provinzen wieder an 
das Reich bringen könne ^). Aber Kaiser und Reich wussten 
auch diese Gelegenheit nicht zu benutzen. 

Seinen Anteil auch an dem persönlichen Ergehen 
Oraniens an den Tag zu legen, fand sich für den Landgrafen 
in jenen Jahren häufiger Veranlassung, da der Prinz in jener 
Zeit der Zielpunkt mannigfacher Mordanschläge war. Im 
März 1582 warf ihn das nur halb gelungene Attentat des 
Jaureguy auf ein langes Krankenlager. Am 29. März sprach 
Wilhelm dem Grafen Johann von Nassau seine Freude über 
das Misslingen des Attentates aus und übersandte ein Heil- 
mittel für die Wunde, auch Hess er sich für seine Sammlung 
der Porträts fürstlicher Zeitgenossen ein „Kontrefeit" des 
Prinzen und der Prinzessin schicken^). Die Wunde des 
Prinzen war in bester Heilung begriffen, als das Aufbrechen 
einer Ader einen gefährlichen Rückfall herbeiführte. Über 
die Veranlassung zu demselben wurde dem Landgrafen aus 
Antwerpen, wo das Attentat stattgefunden und der Prinz 
krank lag. Folgendes berichtet: Als Oranien gerade eine 
seiner Töchter bei sich gehabt, sei der Herzog von Anjou 
ins Zimmer gekommen, habe das Fräulein angesprochen und 
ihr einen Kuss gegeben. Darauf habe das Fräulein entrüstet 
erklärt, das schicke sich nicht, das möge in Frankreich Sitte 
sein, aber nicht in Deutschland. Hierüber habe der Prinz 
heftig lachen müssen und infolge dessen sei die Ader auf- 

^) An den Amtmann zu Schmalkalden und den Kanzler Meckbach 
den 21. Januar 1583 bei Prinsterer I, S. 141. 

') An K. August den 21. Januar 1583. An Johann von Nassau 
den 22. Febr. bei Prinsterer I, 8, S. 164. 

8) Den 4. Mai. 



293 

gebrochen ^). Trotzdem die Ärzte an seinem Aufkommen 
verzweifelten, kam er diesmal doch mit dem Leben davon, 
um 3 Jahr später am 10. Juli 1584 in Delft der Kugel des 
Gerard zu erliegen. Der Landgraf klagte auf die Nachricht 
von seinem Tode, dass der gute, fromme Josias Beigines 
einen so jämmerlichen Ausgang genommen ^\ Ausdrücke, die 
das Wesen des Prinzen freilich nicht eben trefifend wieder- 
geben. 

Wenn Johann Von Nassau den Landgrafen in einem 
Briefe^), in dem er ihn um seine Verwendung für Oraniens 
Hinterbliebene angeht, als dessen „fürnembsten Freund" be- 
zeichnete, so ist das wohl nur eine Höflichkeitsphrase ge- 
wesen. Als wirklichen Freund hat sich der Landgraf wohl 
nur im Jahre 1568 erwiesen, späterhin aber es an that- 
kräftiger Unterstützung, zum Teil daran freilich behindert 
durch die Kleinheit seines Landes, durchaus fehlen lassen 
und auch für die Politik des Prinzen nicht immer das richtige 
Verständnis gehabt. Die Erkenntnis dessen, was für Deutsch- 
land hier auf dem Spiele stand, ist ihm nicht fremd gewesen, 
aber auf seinen Willen hat sie nur sehr ungenügend zu 
wirken vermocht. An seinem bescheidenen Teile ist auch 
Wilhelm von Hessen nicht ohne Schuld daran, dass diese 
herrlichen Lande dem Reiche verloren gingen. 

^) L. Wilhelm an Johann von Nassau den 15. April 1582. 

2) An die Käte in Kassel den 12. Juli 1584. 

3) Vom 13. Juli. 1584. 





VI. 

Briefe eines marbnrger Studenten ans den 

Jahren 1606-1611. 

Herausgegeben von 
Prof. G. Freiherr von der Ropp. 

|ie nachfolgenden Briefe des marburger Studenten Johann 
Eberhard Schmidt verdanke ich der Liebenswürdig- 
keit des Herrn Pfarrer Allmenröder zu Oberbiel. Er hat sie 
vor einigen Jahren unter Akten des seiner Obhut unterstellten 
fürstlich solmsischen Archivs in Braunfels gefunden, zusammen 
mit gegen zwanzig weiteren Schreiben, welche derselbe Brief- 
steller als Angehöriger der Schule in Herborn in den Jahren 
1605 und 1606 an seinen Vater gerichtet. Diese Schüler- 
briefe hat Herr Prof. Deissmann in der „Denkschrift des 
königl. preuss. evang.-theolog. Seminars zu Herborn für die 
Jahre 1893—1897" veröffentlicht^) und zugleich ihren hohen 
Wert für die Erkenntnis der Zustände der herborner Schule 
eingehend erläutert. 

Dessenungeachtet können unsere Briefe den Anspruch auf 
eine weiter reichende Bedeutung erheben. In Marburg erwuchs 
der Schüler zu einem fleissigen Studenten, dessen Interessen- 
kreis sich zusehends ausdehnt, und neben der grösseren 
Mannigfaltigkeit der zur Behandlung gelangenden Gegenstände 
gewährt auch die Betrachtung des geistigen Entwicklungs- 
processes des Schreibenden einen eigentümlichen Reiz. 



^) Die hier S. 14 n. 4 abgedruckte undatirte lateinische Stilübung, 
welche lediglich mitteilt, dass der Schreiber keines Geldes bedürfe, gehört, 
wie bereits Deissmann vermutet, nach Marburg und zwar gemäss der 
Randbemerkung über das Carmen in das Jahr 1608, s. unten n. 29, 30, 



295 

Der Briefsteller war der Sohn ^) des solmsischen Schult- 
heissen Johann Schmidt in Hungen und dem solmsischen 
Gebiet entstammt auch die grosse Mehrzahl der Studien- 
genossen, deren die Schreiben gedenken. Fast alle sind 
Beamten- oder Pfarrerssöhne, meist nahe mit einander ver- 
wandt und bereits in Herborn zusammen auf der Schule ge- 
wesen ^). Auch in Marburg halten die „Wetterauer** fest 
zusammen und teilen treulich Freud und Leid, wenn es auch 
an Verstimmungen und Reibungen selbstverständlich nicht 
mangelt ^). 

Die Pest, welche im Herbst 1606 in Herborn ausbrach, 
veranlasste ihre Übersiedelung nach Marburg *). Hier wurden, 
wie die Universitätsmatrikel (f. 104 b, 105 und 105 b) ergiebt^), 
von den in unsern Briefen Aufgeführten zu gleicher Zeit als 
„paedagogici" recipirt : 

124 Johannes Eberhardus Fabritius Hoingensis 

125 Johannes Conradus Lohr Hoingensis 

126 Johannes Georgius Chelius Weissalanus 
128 Philippus Theophilus'ä Rhe Lichensis 
132 Nikolaus Weisselius Muschenheimensis 
142 Wigandus Lisfeldt Bellersheimensis 
148 Johannes Fabritius Muschenheimensis 
178 Mathaeus Grubius Welfersheimensis. 



*) Wann er geboren, bleibt unbekannt; sein Geburtstag war der 
6. März. Er feierte ihn 1609 in Marburg partim laetitia partim maestitia, 
weil der Vater kein Geld gesandt hatte, n. 36. 

2) So die Vettern Joh. Konrad Löhr, und die beiden Reguli (Zaun- 
schlifl'er); die beiden Emmelii u. A. Die Matrikeln der beiden Hochschulen 
weisen für diese Zeit überhaupt einen sehr regen Austausch von An- 
gehörigen auf. 

») S. n. 6. 

*) Leider ist n. 1 nur zur unteren Hälfte erhalten. 

^) Prof. Caesar hat die Matrikel zusammen mit den ihr einverleibten 
Universitätsannaien in 14 Abschnitten bis 1628 in den Einladungen zu 
den akademischen Eönigsgeburtstagsfeiern 1872—1886 abdrucken lassen 
(fortab citiert Caesar 1 ff.), leider jedoch von 1576 ab die Namen der 
Schüler nur zum geringsten Teil aufgenommen. Demzufolge fehlen bei 
ihm wie die Obenstehenden so auch fast sämtliche sonst in unsern Briefen 
Erwähnte. Auch die Nummern, welche in der Matrikel für Studirende 
und Paedagogici regelmässig durchlaufen, hat er fortgelassen, obgleich sie 
bei den Schülern manchen Aufschluss über den Zeitpunkt der Aufnahme 
gewähren, vergl. z. B. unten n. 1, 



296 

Hans Eberd war bereits im Mai 1606 in Herborn nach 
Prima versetzt worden ^) und stieg in Märburg vom 24. der- 
selben Klasse (n. 3) zum Primus auf (n. 20). Im Sommer 
1608 wurde er eximirt und in Anerkennung seiner Leistungen 
gewährte sein Landesherr, Graf Otto von Solms-Hungen, 
ihm ein Stipendium auf zwei Jahre (n. 32). Dieser Zuschuss 
gestattete ihm den vorschriftsmässigen philosophischen Kursus 
zu absolviren und im Herbst 1610 den Magistergrad zu er- 
werben, worauf er noch ein Semester in Marburg Jura 
studirte. Auch aus Marburg hat ihn dann die Pest, welche 
1611 die Universität nach Frankenberg auswandern liess, 
vertrieben, zumal sich die Aussicht zerschlug, Erzieher im 
Hause von Vultejus zu werden (n. 72). Ob sich dafür die in 
n. 71 erwähnte Hoffnung auf Erlangung einer ähnlichen 
Stellung in Heidelberg verwirklicht hat, wissen wir nicht. 
Über seinen weiteren Lebenslauf können die Akten des braun- 
felser Archivs vielleicht näheren Aufschluss geben. Bei der 
Briefsammlung befindet sich nur noch ein Bericht des münzen- 
berger Kellers Johann Grieb an den „ehrnvesten wolgelehrten 
hern Johan Eberd Schmidt, obristen secretario zu Hungen" 
vom 13. Februar 1621 über die Einquartierung ligistischer 
Truppen in zehn solmser Dörfern. 

Wichtiger als der Lebenslauf von Hans Eberd ist der 
Inhalt seiner Briefe. In ihrer kindlichen Treuherzigkeit und 
ungesuchten Einfalt gewähren sie uns einen trefflichen Einblick 
in die Verhältnisse des mittleren, wenn auch nicht wohl- 
habenden so doch behäbigen Bürgerstandes in Mittel- 
deutschland vor dem dreissigj ährigen Kriege. Und noch aus- 
giebiger sind sie für die Geschichte des höheren Schulwesens 
jener Zeit, sowie für die Erkenntnis des Wesens der täglichen 
Nöte und Freuden eines Scholaren. 

Das treffliche Verhältnis des Sohnes zu den Eltern und 
Geschwistern gelangt fast in jedem Briefe zum Ausdruck, und 
auch die töchterreichen Grosseltern (altvatter und altmotter) 



^) Deissmann n. 15. 



297 

Hayl ^) hatten sich in reichem Masse der Anhänglichkeit des 
hier und da etwas anspruchsvollen^) Enkels zu erfreuen. 
Die jüngeren Schwestern verfertigen für den Bruder „Schneub- 
tücher", Mutter und Grossmutter fügen den häuslichen 
Sendungen ausserordentliche „Guthaben'* bei, der Gross vater 
gewährt Bücher aus seiner Bibliothek und führt den Enkel 
bei Vultejus ein ; der Vater steht mit dem Sohne in ununter- 
brochenem Briefwechsel, besucht ihn v^iederholt in Marburg, 
um sich persönlich nach seinem Ergehen zu erkundigen, und 
trägt schliesslich die für seine Verhältnisse nicht unbeträcht- 
lichen Kosten der Disputation und Promotion des Sohnes 
ohne vieles Murren ^). Der Sohn wiederum sendet der Mutter 
und den Geschwistern fast regelmässig kleine Geschenke 
vom marburger Elisabethmarkt und zu Neujahr ^) „soweit der 
Beutel es leidet" ; er nimmt lebhaften Antheil an grösseren 
und kleineren Unfällen im elterlichen Hause ^), dringt v^ieder- 
holt darauf, dass auch dem Zweitgeborenen Karl gleich wie 
ihm selbst die Mittel zum Studium gewährt würden. Derlei 
kleine Züge Hessen sich leicht noch vermehren; hervorheben 
möchte ich nur die köstliche Auseinandersetzung über das 
ihm in die Schuhe geschobene Verschwinden des Rosinen- 
und Zuckervorrats der Mutter. Bei der Näscherei der grossen 
Rosinen hat der Student fleissig mitgewirkt, die kleinen 
dagegen und den Zucker unangetastet gelassen (n. 41). 

Das marburger Paedagogium befand sich bei dem Ein- 
tritt von Schmidt nicht in einem gedeihlichen Zustande^). 



^) Der Gross Väter war nach der Widmung der Dissertation, s. u., 
Priifekt und Rat des Grafen Otto von Solms-Hungen. Drei Töchter waren 
an den Vater Schmidt, den Keiler Löhr, Vater des vielgenannten Johann 
Konrad, und an den braunfelsischen Sekretair Mag. Martin Zaunschliffer, 
Vater der beiden Reguli, verheiratet. Die Personalien der letzteren s. bei 
Deissmann^ S. 7. Hinsichtlich des Vaters sei dazu nachgetragen, dass 
er 1586 in Marburg disputirte, v. d. Linde, Nass. Drucke 2, 5. 

2) Vergl. die anscheinend unerfüllt gebliebene Bitte um Überlassung 
eines Ringes, n. 60. 

3) Sein Schwager Löhr versagte dem Sohne die Promotion. 

*) Die heutige Sitte der Weihnachtsbescheerung existirte noch nicht. 

^) Vergl. die gutgemeinten, aber inhaltlich wie formell argen Verse 
in n. 17. 

^) Vergl. z. Folgenden Beppe, Beitr. z. Gesoh. des hess. Schulwesens 
im 17. Jahrh. (4 Suppl. Heft d. Zeitsohr, d. Ver. f. hess. Gesch.) S. 6 ff. 



298 

Die Einführung der sog. Verbesserungspunkte durch Landgraf 
Moriz — unsere Briefe gedenken ihrer und namentlich der 
dadurch veranlassten Gründung der Universität Giessen merk- 
würdiger Weise mit keinem Worte — hatte wie an der 
Universität so auch am Pädagogium den Abzug von Lehrern 
und Schülern zur Folge. Allein nach Giessen sollen 60 Schüler 
ausgewandert sein. Mit der Frequenz verlor sich aber auch 
die innere Ordnung, sodass neben dem Pädagogium eine 
Privatschule für Söhne von Edelleuten, Professoren und Be- 
amten erstand und Landgraf Moriz 1607 eine Visitation des 
Pädagogiums anbefahl. Die Kommission gab dem Pädagoge- 
archen unter Anderm den Rat, die schwierigeren Lectionen 
aus dem Lehrplan zu entfernen und die Anforderungen an 
die Schüler beim Abgange zur Universität herabzusetzen. 
Ob dieser Rat ebensowenig befolgt worden ist wie die übrigen 
Vorschläge der Kommission, wissen wir nicht ^) ; nach n. 2 
gab es in der marburger Schule jedenfalls bedeutend mehr 
Stunden und Exercitien als in der zu Herborn ^). Auch 
konnte der Pädagogearch im Frühjahr 1607 trotz alledem 
„eine ausbündige comoedia vom König Saul cum magno 
applauso spectatorum" von den Schülern aufführen lassen 
und damit den guten Stand der Anstalt bekunden. Auch 
Hans Eberd wirkte mit, wenigstens erbat er sich dazu vom 
Vater einige Batzen (n. 12). 

Er war denn auch sowohl mit dem Pädagogearchen, 
Theodor Vietor, als auch mit seinem Präceptor Lilius^ der 
für das Semester einen Reichsthaler erhielt, überaus zufrieden 



Die Namen der Lehrer und einzelner Schüler verz. Koch^ Gesch. d. Päda- 
gogiums in Marburg, zuerst 1828 erschienen und 1868 von Münscher im 
Gymnasialprogramm neu abgedruckt. Auf schultechnische Einzelheiten, 
wie das Dekurionenwesen (n. 3) u. a. gehe ich nicht ein. Vergl. die 
treffliche Übersicht bei Paulsen^ Gesch. d. gelehrt. Unterrichts " 1, Kap. 4 u. 6: 
Äussere Gestalt und Unterrichtsbetrieb der protestantischen Universitäten 
und Gelehi-tenschulen am Ende des 16. Jahrhunderts. 

*) Eine neue Visitation im Jahre 1616 ergab, dass Alles beim 
Alten geblieben und hatte den Erlass der hessischen Schulordnung von 
1618 zur Folge. 

2) Den Lektionsplan des Pädagogiums für d. Jahr 1607 hat Heppe 
S. 9 mitgeteilt. Vergl. die ältesten Statuten des Pädagogiums bei Hüae-' 
brand^ Urk. -Samml. über die Verfassung d, Univ, Marburg S, 96 ff, 



299 

and sorgte dafür, dass nach dem Grundsatz, kleine Geschenke 
erhalten die Freundschaft, von Hause hin und wieder ein 
Kuchen für den einen oder andern gesandt wurde. Vietor 
insbesondere bewährte sich in der Zeit der Not. Im Mai 1607 
befiel die Pest auch das Haus am Grün, welches Schmidt 
und Genossen bewohnten. Sie mussten es schleunig räumen, 
desgleichen ein zweites, und fanden schliesslich nach langem 
vergeblichen umherlaufen nur durch die Vermittlung von 
Vietor ein kleines Stübchen in der üntergasse, in dem sie 
zu fünft wohnten und kochten (n. 16 fiF.). Dazu mussten 
sie die Schule eine Zeitlang meiden, doch tröstete Hans 
Eberd den Vater mit der Versicherung, dass er dadurch nichts 
versäume^ und sich selbst durch Verspeisung eines für Lilius 
bestimmten mütterlichen Kuchens. 

Den breitesten Raum in den Briefen des Schülers wie 
des Studenten nimmt indessen, neben der Kleidung, die Sorge 
um die Leibesnahrung ein, und sie führt uns den Untergang 
der mittelalterlichen Lebensordnungen für die Angehörigen 
der Universitäten am auffälligsten vor Augen. Der mittelalter- 
liche Scholar wohnte regelmässig in den der Universität ge- 
hörigen Kollegienhäusern oder in den von ihr anerkannten 
Bursen unter der Aufsicht und Zucht der Magister. Die 
reichen Herren, welche für sich wohnten, bildeten ebenso 
Ausnahmen wie die armen Burschen, welche als Erzieher in 
Bärgerfamilien Aufnahme fanden. Diese Einrichtung hatte 
jedoch den Coelibat der Magister zur Voraussetzung und 
kam mit ihm im 16. Jahrhundert an den protestantischen 
Universitäten in Wegfall. Die Reformation machte dadurch 
den Scholar zum Studenten, der, mit Ausnahme der in 
Konvikten vereinigten Stipendiaten, sich selbst seine Wohnung 
und Nahrung suchen musste, dafür aber sein Leben nach 
eigener Neigung einrichten konnte. So spielen denn, wie 
bereits in den herborner Briefen so auch in unsern, Wohnung 
und Mittagstisch andauernd eine hervorragende Rolle, denn 
die wesentlichsten Lebensmittel sandte in unserm Falle das 
elterliche Haus und die Einrichtung und Führung eines ge- 
meinsamen Mittagstisches erwuchs zu einer Frage ersten 
Ranges für Hans Eberd. 



300 

Der Wohnungsverhältnisse gedenkt er, abgesehen von 
der durch die Pest verursachten Notlage (n. 16 fiF.), weniger 
eingehend, hauste aber bis auf den Sommer 1611 stets mit 
mehreren Kameraden zusammen und ofienbar recht eng ^). 
Doch äussert er sich wiederholt recht zufrieden über seine 
Wirtsleute und lobt deren Gefälligkeit. Die Wirtin kocht, 
erledigt kleine Besorgungen auf dem Markt und erhält zur 
Beförderung ihres guten Willens mitunter etwas Flachs oder 
dergleichen von Hause; er gewährt in der Regel Credit bis 
zum Beginn des nächsten Semesters und schiesst in dringenden 
Notfällen wohl auch einiges Geld vor. — Weit häufiger wird 
der Mittagstisch erwähnt. Je nach der Zahl der Teilnehmer 
entfiel für den Einzelnen die Pflicht, eine bestimmte Zeit 
hindurch für die Gesamtheit zu kochen, d. h. die Mahlzeit 
durch die Wirtin herrichten zu lassen. Die rechtzeitige Be- 
schaffung der nötigen Lebensmittel, das Entleihen solcher von 
Freunden, Ankauf, Aufbewahrung, Verwendung der Reste 
u. a. m. werden uns zum Teil mit köstlicher Naivetät und 
so eingehend geschildert, dass ich Liebhabern die Zusammen- 
stellung von Speisezetteln aus unsern Briefen nur empfehlen 
kann. Verwöhntere Gaumen werden vielleicht an manchem 
Anstoss nehmen ^) ; sie seien auf die Anerkennung verwiesen, 
welche Hans Eberd den Kochkünsten seines Vetters Johann 
Konrad zollte fn. 39). Andererseits lassen sich in manchen 
Zügen wie in den Gesetzen, welche der Mittagstisch sich 
giebt (n. 26), in der Verurteilung von Weissei zur Zurück- 
zahlung eines Darlehens durch die Tischgenossen (n. 53)^), 
unschwer die Anfänge des späteren landsmannschaftlichen 
Verbindungswesens erkennen *). 

Hans Eberd war offenbar ein braver Junge, etwas 



*) Vergl. die Mitbenutzung seines Bettes durch Chelius und die 
Bitte um ein Kissen, weil der tertius bey uns schlafft, n. 33, 34. 

') Z. B. daß flasschmalz viel besser den botter, n. 2; dagegen 
durchaus sachverständig in n. 33, Schweinefett sei die gemüs zu bezwingen 
nüzlicher als anderes. 

^) Woissel zahlte trotzdem nicht in baar, sondern liess Hans Eberd 
bei seinem Wirt, einem Schuhmacher, ein Paar Schuhe an Zahlungsstatt 
machen, n. 55. 

*) Vergl. die Schlesier, n. 22, 



301 

pedantisch, bedächtig und ehrbar in seinem Gehaben, ungleich 
seinem ihm trotz manchem Streit herzlich zugethanen Vetter 
Johann Konrad, der bereits in Herborn mitunter ausgeschlagen 
hatte und auch in Marburg das studentische Leben mit 
volleren Zügen genoss. Dennoch zwangen die Anspräche 
des täglichen Lebens auch des Schultheissen Sohn mehr als 
einmal zu kleinen Anleihen und Notbehelfen, wie sie die 
Studienzeit wohl Niemandem, der sie hat mit erleben dürfen, 
erspart. Indessen regelmässig beichtete er dem einsichtigen 
Vater, und wenn man vielleicht den Vorschlag inbetreff 
der Benutzung der seidenen Strümpfe des Vetters und die 
Aneignung des Dukatens des Grossvaters, wie sie n. 67 
schildert, bedenklich finden kann — ich möchte darin Bauern- 
schlauheit erblicken — so lässt sich dem gegenüber die un- 
verhüllte Betonung der Hoffnung auf eine angemessene 
„Lösung" bei Übersendung eines Carmen und die sittliche 
Entrüstung über die Anzweiflung seiner Autorschaft ins Feld 
führen (n. 29, 30). 

Ungleich weniger als von dem täglichen Leben erfahren 
wir von dem Gange des Studiums ^). Doch herrschte dazumal 
noch Lehr- und Lernzwang, Studienfreiheit gab es nicht, 
sodass der Student die Kenntnis des festgeregelten ünterrichts- 
kursus als selbstverständlich voraussetzen konnte. Nur über 
den Abschluss seiner philosophischen Studien durch Disputation 
und Erwerbung des Magistergrades verbreitet Hans Eberd 
sich eingehender, und diese Briefe (n. 55 ff.) erteilen in 
mancher Hinsicht neue Aufschlüsse über das Promotionswesen 
jener Zeit^). 

Rudolf Goclenius d. Ä., neben Vultejus wohl der be- 
liebteste Lehrer der damaligen Hochschule, der während 
seiner vieljährigen Wirksamkeit mehr als 600 Studirenden 
den Magisterhut aufgesetzt haben solP), erweckte auch in 
Hans Eberd den Wunsch, die Absolvirung des philosophischen 



') S. Paulsen a. a. 0., • 1, S. 256 fP. 

^) Am eingehendsten handelt hierüber K Born: Die Disputationen 
und Promotionen an den deutschen Universitäten, vornehmlich seit dem 
1«;. .lahih. (11. Beiheft z. Centralbl. f. Bibliothekswesen) Leipzig 1893. 

^) Dtlich, de urbe et academ. Marpurgensi ed. (Mesar 4, 44. 



m 

Karsas auch äusserlich und zwar zunächst durch eine öffent- 
liche Disputation zu dokumentiren. Die Ausführung der 
Absicht erheischte die Inanspruchnahme des Geldbeutels des 
Vaters. Präses, Drucker, Pedell wollten honorirt, ein kleines 
Convivium veranstaltet, auch eine angemessene Kleidung und 
ein Kranz „mit eychelln" beschaflft werden. Diese Schwierig- 
keiten wurden indessen um so leichter überwunden, als auch 
der Vater den Sohn stets zur Disputation ermahnt hatte 
(n. 56). So wurde denn die Abhandlung bereits vor Einlauf 
der väterlichen Antwort Goclenius vorgelegt und, nachdem 
dieser sie beim Genuss eines Viertel Weines durchgesehen, 
in den Druck gegeben. 

Die ständische Landesbibliothek in Kassel bewahrt ein 
Exemplar der Arbeit und diesem sind die nachstehenden 
Angaben entnommen. 

Der Titel lautet : »Disputatio physica continens quasdam 
TtQoragsig de finibus rerum naturalium cum annexa diatribe 
de monstris quam — praesidio — d. R. Goclenii senioris — 
praeceptoris sui venerandi, publice in majori philosophorum 
peripato exercitii gratia ^) ad candelam veritatis perlustrandam 
discutiendamque proponit Joannes Eberhardus Fabricius 
Hoingensis Wedderavus. Marpurgi Chattor um. Ex typotheca 
Rodolphi Hutvvelckeri a. Chr. 1610«. (3 Bogen, klein 4^, 
eng gedruckt). 

S. 2 enthält die übliche Widmung, welche einige Über- 
legung kostete. Auswahl; Reihenfolge und Bezeichnung der 
Angehörigen und Gönner wurde von Vater und Sohn erörtert 
und schliesslich wie folgt festgestellt: 

Amplissimis consultissimis longoque rerum usu et gravitate 
spectatissimis viris 

dn. Eberhardo Hiltmanno, illustris et generosissimi 
comitis ac domini, dn. Joannis Alberti; comitis in Solms etc. 



*) Vergl. die Auseinandersetzung über den Untorschied zwischen 
dem disputiren exercitii und dorn niagisterii gratia, sowie über die Gering* 
Schätzung des Baccalaureats in n. 58. Sie ergänzt die Ausführungen von 
Hörn S. 82 ff. über die Titelblätter-Formalien und giebt einen wertvollen 
ßeitrag zur Geschichte des Niedergangs des Baccalaureats. 



m 

ßraunfelsii praefecto dignissimo, patri suo lustrico omni 
reverentiae cultu sibi prosequendo. 

dn. mag. Joanni Hay], illastris item et generosissimi 
comitis magnanimique herois domini Ottonis comitis in Solms 
etc. Hoingae praefecto et consiliario fidelissimo, avo meo 
aeternum amando. 

item 

dn. mag. Martino Zaunschliffer supradicti comitis in 
Braunfels secretario, viro doctrina et virtute magno, cognato 
meo jugiter colendo. 

nee non 

gravissimis dignissimisque viris dn. Joanni Loer et dn. 
Joanni Schmidt, quaesturae et praeturae civitatis Hoingensis 
administratoribus sedulis et percautis, Uli cognato, huic patri 
unice colendis et suspiciendis. 

tandem 

reverendis doctissimisque viris dn. mag. Joanni Waldt 
et dn. Antonio Rodenschüttero Hoingensis et Langsdorffensis 
gregis Christi pastoribus fidelissimis et exercitatissimis, cognato 
et fautoribus suis peramandis. 

Has frugum suarum primitias pro multorum beneficiorum 
sera tandem aliqua pensione omnisque deinceps gratitudinis 
et observantiae certo chirographo submisse sistit, consecrat 
et exhibet 

Johannes Eberhardus Fabricius A. et R.*). 

Der Widmung folgt die gleichfalls übliche Vorrede, d. h. 
eine captatio benevolentiae lectoris, worauf der Text in 
62 nummerirten Sätzen de natura entium handelt und in 
50 weiteren die Frage: an natura intendat monstra? zu be- 
antworten unternimmt. Den Beschluss bilden, wiederum her- 
kömmlicher Weise, 18 „Corollaria" (sonst wohl superpondia 
oder auch mantissa genannt), die eigentlichen Streitsätze für 
die mündliche Disputation. 

Der Text enthält so gut wie nichts Eigenes und ist 
aus Citaten aus allerhand Autoren zusammengesetzt, ent- 



^) D. h. autor et respondens. 



S04 

sprechend dem im Prooemium ansgesprochenen Gestandnies: 
»Ego (cam AJbinio fractnm legendi hone jndicans, ut aemalenmr 
qaae in aliis probamas et quae in aliomm dictis acriptisve 
miramur in usum nostrum opportuna derivatione convertamm), 
Gollectam thesiam physicaram fiarraginem publicae censcosie 
subjicere constitui«. Mehr wurde auch nicht verlangt, wenn 
die Dissertation, wie in unserm Falle, vom Respondenten 
verfasst war. 

Von der Natur der CoroUaria dagegen mögen nsustb- 
stehende zeugen : 
5. Quaeritur : An si lapis posset loqui perfector (!) eaaet? Non 
7. Q. : An vir malus se vere possit amare? Non. 
10. Q.: An in divinis liceat quaerere quomodo? D.^ 
17. Male habet res cum appetitua sensitivns sub jugo liaJb«t 

rationem. 

Die Disputation fand am 8. September statt, nachdeia 
die Thesen hergebrachter Weise einige Tage zuvor vor d«r 
Kirche ans Brett geschlagen worden waren. Sie danerie 
drei Stunden und ihr folgte das Convivium, welches hoffentlidi 
ebenso ,,excellent" verlaufen sein wird, wie die Zeche vc» 
Johann Konrad^ der im November dem Beispiel des Vetters 
folgte (n. 64), 

Schwieriger war es, vom Vater die Erlaubnis zur Er- 
werbung der Magisterwurde zu erlangen. Die Höhe der Un- 
kosten'"^ Hessen ihn anfangs die Bitte des Sohnes versagen; 
ein Fürschreiben von Goclenius stimmte ihn indessen soweit 
um, dass er sich sogar in eigner Person und ausgestattet 
mit seinen besten Kleidern zu der Feier am 19. December 
in Marburg einfand. Leider müssen wir demzufolge eine 
nähere Beschreibung des durch die Gegenwart des Landgrafen 
Moriz verherrlichten Aktes entbehren^). 

Ergiebiger sind die Briefe für andere Bereiche aus der 
innern Geschichte unserer Hochschule. 

^) Dubito oder Dubium. 

') Sio werden Id n. 60 auf aogefahr 30 Golden berechnet, vergi. 
den Eingang von n. 66. 

") Die Univ.-Annalen, Caesar 11, 13, berichten kurz, dass im 
'*)ecember 1610 14 Magister promovirt worden seien. 



S05 

Das Institut der Pädagogen und Privatlehrer wird freilich 
in den herborner Briefen anschaulicher geschildert. In Herborn 
wohnte der Erzieher mit seinen Schülern zusammen, in Marburg 
mindestens nicht regelmässig, und der Primaner war nach 
n. 26, 27 mit seiner Abwesenheit ganz einverstanden. Dafür 
wird hier das Verhältnis und der persönliche Verkehr zwischen 
Professoren und Studenten weit öfter berührt und die Persön- 
lichkeiten von Vietor, Goclenius, Vultejus treten uns menschlich 
nahe, wenn wir den einen dem auf die Strasse gesetzten 
Schüler Mut zusprechen (n. 16 flf.), den andern bei einer 
Zeche (n. 64), den dritten im Hause (n. 62, 72) den Studenten 
anspornen, belehren oder ermahnen sehen. 

Weniger erfreulich stellt sich das Verhältnis zwischen 
Studenten und Bürgerschaft dar, doch ist zu beachten, dass 
unsere Briefe seiner nur bei Ausschreitungen, sei des einen, 
sei es des andern Teiles, gedenken und deshalb keinen voll- 
ständigen Aufschluss geben. Immerhin war die Stimmung 
der Bürgerschaft der Jurisdiktionellen Ausnahmestellung der 
Universitätsangehörigen nicht günstig, und dazu regte sich 
bei ihr der Verdacht, dass der Landesherr Partei für die 
Studenten ergreife (n. 69). Die Unruhen von 1605 gelegentlich 
der Einführung der Verbesserungspunkte waren noch unver- 
gessen ! 

Die Einzelfälle, über welche Hans Eberd berichtet, sind 
im übrigen sehr disparater Natur. Die Misshandlung eines 
Studenten durch einen Bürger war durch die Trunkenheit 
des ersteren veranlasst und ist in dem Process die Begründung 
der Ablehnung der von dem Kläger gestellten Zeugen be- 
achtenswert (n. 7, 9). Der zweite Fall, die Tödtung eines 
Ackerknechts durch einen Studenten, ist auch in den Uni- 
versitätsannalen (ed. Caesar 10, 26 ff.) breit und weitläufig 
dargestellt, doch schildert n. 22 das Gedränge vor dem Ge- 
fängnis, das Treiben der Studenten und die Beschwichtigungs- 
versuche der akademischen Behörden so anschaulich und 
drastisch, dass man sich des Eindrucks kaum erwehren 
kann, Rektor und Senat haben mehr Respekt vor den jungen 
Herren gehabt als umgekehrt. Auch die hiermit zeitlich 

N. F. Bd. XXIIL 20 



306 

zusammenfallende neue Ausstattung der Universität durch 
Landgraf Moriz, welche den durch die Gründung der Uni- 
versität Giessen entstandenen Einnahmenausfall ersetzen sollte, 
entspringt für Hans Eberd lediglich der Furcht vor dem an- 
gedrohten Abzug der Studenten, und er ärgert sich nicht 
wenig, dass nur die Professoren bedacht worden (n. 23, 24). 
Der dritte Fall (n. 68) illustriert den zu aller Zeit und an 
jeder Hochschule obwaltenden Gegensatz zwischen Studenten 
und Scharwache. Bemerkenswert ist hier die Wirkung des 
im 16. und 17. Jahrhundert so weit verbreiten Aberglaubens 
vom „Festsein** mancher Leute. Das börsgen, so bezeichnet 
Hans Eberd regelmässig die Studentenschaft, zog gegen den 
neuen Wachtmeister, der einst in Hungen die Strassen ge- 
pflastert, mit Stangen zu Felde, „dann weyl er fest, nicht 
durchstochen noch durchhawen kann werden, also ist kein 
besser remedium als stangenfuder**. 

Der bedenklichen Lockerung der Disciplin, welche sich 
auch in andern kleineren Zügen offenbart^), hatte der Senat 
1610 durch ein Edikt gegen das Fenstereinwerfen, Lärmen 
und Schiessen auf der Strasse und Eindringen in fremde 
Wohnungen zu begegnen gesucht (Caesar 11, 5). Aber der 
Erfolg war ausgeblieben und selbst der brave Hans Eberd 
berichtet uns schmunzelnd und mit sichtlichem Behagen, dass 
er zur Fastnachtszeit von einer sog. „Dischrückung** betroffen 
worden sei. Vermummte Gesellen überfielen den Ahnungs- 
losen des Abends in seiner Wohnung und wohl oder übel 
musste der des Geldes gänzlich Entblösste ihnen Wein vor- 
setzen, „denn nicht gespilt haben wollen, auch sie ledig ohne 
einen trunck zu dimittiren, wer mir gewaltig übel uffgemuzt 
worden** (n. 51). Das Schreiben ist ein kleines Kabinetsstück 
und erhält seine volle Beleuchtung durch das bald darauf 
erlassene Verbot von „Penalschmauss und Discbrückung**, 
welches der Universitätsmatrikel im Originaldruck einverleibt 
worden ist (Caesar 11, 10). 



nach dem 



1) Hans Eberd trifft z. ß. selbst als Schüler fast regelmässig erst 
em Beginn der Vorlesungen wieder in Marburg ein, n. 13, 31, 37, 43. 



30? 

Von sonstigen Universitätsnachrichten sei noch der 
Bericht über die erste Sektion einer Leiche durch den neuen 
Professor der Anatomie, Petraeus aus Schmalkalden, hervor- 
gehoben (n. 49). 

Hinsichtlich der Stadt ergeben die Briefe, dass Marburg 
dazumal für Handel und Gewerbe ungleich mehr als heute 
Mittelpunkt eines grösseren Kreises gewesen. Jetzt hat 
Giessen in dieser Hinsicht die Führung übernommen. Die 
Beleuchtung der Strassen war freilich unbekannt (n, 9) ^) und 
die Reinlichkeit der Gassen Hess vieles zu wünschen übrig 
(n. 27), aber der Elisabethmarkt übte trotz des Wegfalls der 
Pilger seine Anziehungskraft bis in die Wetterau hin aus, 
und wiederholt mu«s Hans Eberd die marburger Frucht- und 
Kornpreise nach Hause melden oder Bestellungen bei hiesigen, 
meist saumseligen Handwerkern erledigen. Beiläufig scheint 
der Hausierhandel der Sälzer von Allendorf eine ähnliche 
Rolle gespielt zu haben wie der Wein- und Fischhandel der 
Töpfer von Grossalmerode bis in die neueste Zeit (n. 45). 

Auf diesen wirtschaftlich günstigen Zustand der Stadt 
wirkte der häufige Aufenthalt des Landgrafen Moriz und 
seines Hofes unfraglich ebenso günstig ein wie auf den der 
Universität. „Praesentia principis Mauricii hunc locum studiis 
et reliquis rebus reddit exoptatissimum et delectissimum" 
ruft Hans Eberd aus (n. 30), und sorgsam verzeichnet er 
jedes Kommen des Fürsten, seine Gäste und Feste (n. 32), 
Musterungen und Ordnungen. Sein Verhalten findet nicht 
immer die Billigung des Briefstellers, aber seine Persönlichkeit 
und sein Thun erwarben sich unwiderstehlich dessen Achtung 
und Anerkennung. „Landgraf Moritz helt hofiF hie, besucht 
und träwet die lectiones fleisig zu besuchen, welches denn 
die professores embsig zu lesen und die auditores fleisig zu 
sein incitiret'* heisst es inbezug auf die Universität (n. 61), 
und noch drastischer lautet es inbetrefif der Stadt: „kein 
gassen, kein winckel oder kein ort ist in der stat, da er 
nicht hinkrieche" (n. 29). 

*) Vergl. auch den Übergang von der ünschlittkerze zur Rüböl- 
lampe, n. 47, 48. 

20 • 



30Ö 

So liefern unsere Briefe schliesslich auch zwar kleine 
und unscheinbare aber beachtenswerte Beiträge zur Charak- 
teristik dieses geistig hervorragendsten Fürsten seiner Zeit. 



Zum Abdruck sei bemerkt, dass die Briefe ausnahmelos 
an den Vater gerichtet sind. Sowohl um Wiederholungen 
zu vermeiden, als auch um Raum zu sparen, konnten deshalb 
Adressen und Unterschriften fortgelassen werden. 

Die Adressen lauten, so lange Hans Eberd sich auf dem 
Pädagogium befand, ähnlich wie in den herborner Briefen, 
abwechselnd lateinisch und deutsch, doch überwiegen die 
deutschen und von 1608 ab bedient sich der Student aus- 
schliesslich der Muttersprache. Die lateinische Adresse lautet 
in der Regel : Patri suo amantissimo et fidelissimo ^) Johanni 
Fabricio, praetorio Hoingensi, viro integerrimo ^), hae literae 
tradantur et in proprias advolent manus. Die deutsche: 
Dem ehrnhafften und vornehmen Johann Schmidden, schul- 
teissen zu Honigen, meinem freundlichen^) und vielgeliebten 
vatter, kome diser brif zu eigenen banden *). Honigen ^). 

Die Unterschriften dagegen lauten umgekehrt bei dem 
Schüler überwiegend : „ewer gehorsamer und getrewer söhn 
Hans Ebert", seltener Johan Eberhard Schmidt, während der 
Studentsich fast ausschliesslich: Filius obediens^) J. Eb. 
Fabricius') zeichnet. 1609 und 1610 fügt er gelegentlich 
— im Ganzen 7 Mal — den Namen philosophiae studiosus 
bei, 1611 ein Mal legum studiosus. 

Die Briefe sind je nach Umfang auf ganzen, halben und 
viertel Bogen geschrieben. Das Papier lieferte nach n. 60 
die grossväterliche Kanzlei und es weist auch durchgehends 
das gleiche Wasserzeichen auf. Der Briefverschluss, soweit 
er erhalten, erfolgte bis zur Beschaffung eines „pitschirs" 



*) Oder carissimo, suavissimo. 

^) Oder dignissimo. 

^) Oder lieben und getrewen. 

*) Oder zu behendigen, zu erpreohen. 

*) Hoingen, Hüngen. 

•) Oder toto animo obediens, deditissimus. 

') Ein Mal Faber, n, 18. 



309 

(n. 48, vergl. n. 15), in recht primitiver Weise mit Wachs; 
seit n. 47 mit Lack unter Aufdruck des Siegels. Dieses 
stellt einen Vogel in einem helmgekrönten Schilde dar; der 
Helm ist mit demselben Vogel geschmückt und an dessen 
Seiten die Buchstaben J. E. F. — H. eingraviert. 

Die Rechtschreibung der Texte ist regellos und unver- 
ändert wiedergegeben, nur die Häufung der Konsonanten 
in Wörtern wie inn, undt, baldt ist beseitigt^) und die Inter- 
punktion sinngemäss gestaltet worden. 



1. Mittagrstisch. Schulnachrichteu. — 1606 [Okt.]. 

Der Eingang des Schreibetis ^ handelte^ wie das Folgende 1606, 
ergiebtf von der Einrichtung des Miüagstisches und den daran 
Theilnehmenden^)^ welche die Zeit wenn an uns kochen ist 
(welche ist über 14 tag), werden sie herauff in uns losament 
komen. Und so wir ins pfarhers hauß von Muschenheim 
bey derselben würthin hetten lasen kochen, so hetten wir 
ihr eben so wol 2 thaler wie die andern musen geben, so 
bleiben wir bey unser würthin. Darft uns gar nichts schiken, 
es kom dann weider schreiben davon, und allen obend, weil 
doch Eller ^) vor unserm haus vorüber gehet, spricht er uns 
zu und gehet auch wieder mit uns heim^). Schreibt wider 
ob es euch gefalle oder niht, denn wir komen in 6 wochen 
der mühe alle ab, da wir sonst 24 wochen hetten zu laufen 
gehabt. Diser bott hat ewer petter Johan^), den der Schreiber 
von Bircklar bey ihm hett, hierauf geführet, und sein bey 
seiner deposition gewest. Ich hab hie den Ovidium niht 
können bekommen, bitt wölt altvattern ansprechen, das er 
mir des Ovidii metamorphosin schicke, und könt daselbig 

>) Nicht bei Verbalformen wie würdt, werdt, hatt u. dergl. m. 

2) Die obere Hälfte des Blattes fehlt. 

3) Die Namen Lisfeld und Busius ab Oberwalz sind noch zu er- 
kennen. 

*) Jobannes Eusebius Ellerus Bircklariensis trat 1603 in das Päda- 
gogium ein. Matrikel f. 79 n. 272. 
^) Seil, vom Essen. 
«) Fabritius Muschenheimensis s. S, 295. 



310 

mit nechster gelegenheid thun. Ich hab an Lilio^) ewert 
halben amicum praestantissimum, desgleichen an paedagoge- 
archa^) homine excellentissimo. Dismahl weiss ich euch 
nichts mehr zu schreiben, Wölt mit nechster gelegenheid 
mir den Ovidium und ein glönglin zwirn schicken. Marpurg 
anno 1606. 

2. Kleidung« Essen« Schule. Jahrmarkt« — 1606, Nov. 11« 

1606j Benutzt die Oelegenheii, um xu berichten, dass erstlich 

' unser studiren belangend, so wird daran kein mangel durch 
Gottes segen. Die kleidung anbelangend, so hab ich sonderlich 
nichts vonöden, dann nur allein ein paar schuhe oder ledder 
uf die alten. Das essen belangend, so haben wir nun uf 
den 12. hujus 14 tag kocht, darinn wir mit einer mas botter, 
mit dem grünen fleisch und dem schinken und 3 kaesen 
gelangt haben, und ein mit^) körn gebacken, davon 14 tag 
gessen. Und haben also noch rest zu kochen 5 wochen, 
dazu haben wir was meel anlangt genug und noch 5 achtmas 
botter. So wollet uns noch ein maß botter und ein mas 
flasschmalz (welcher viel besser den botter) schicken, so sein 
wir die zeit mit botter versorgt. Darnach wollet uns auch 
schicken 1 kaes oder 2 und 1 kaulkaes oder 20, und noch 
etwas von dürrfleisch ein Seiten oder schincken, welhes uns 
alles ohne einiges uschelden, den man weis wol wie das ist 
so man den disch vol hat, schicken. Zum lezsten gelt^ wie 
wol ich euch noch mein lebenlang umb kein gelt hab ge- 
schriben, weil ich [zu]*) haus bin gewest, so thue ich es 
doch izt, dann wir bezahlen all ding so halt, hier etc. Und 
must denken, so die zeit herüber ist, so hab ich darnach 
den gantzen winder essen und trincken saat, so uns Gott 
gesund last. — Vatter Dimpel ist uf meiner seiten ; er hat 



*) Conradus Lilius Marpurgensis wird 1603, Mai 24. immatrikulirt ; 
Lndovicus Lilius Marpurgeusis in demselben Jahre in das Pädagogium 
aufgenommen, Matr. f. 79 b n. 304. Fohlt in dem Vorzoichuiss der Lehrer 
bei Koch. 

») Theodor Vietor, vergl. Dilich u. Caesar 4, 87, 

8) Maß. 
zu fehlt Or. 



? 



V 



311 

mir ein grosen kaes gegeben (tacendum), darnach so haben 
wir Stams Heintzen söhn ein halb honig vor ein kaes geben, 
deren keiner über acht tag weret. Bittet das Oewünschte 
und mein ander hutschnur, welche vileicht uf der oberstuben 
in trisur ligt, durch den Boien^ der nach Marburg kommen 
tvirdy XU senden. Die praeceptores anbelangend, so haben 
wir an paedagogearcha, homine praestantissimo meoque fautore, 
und Lilio gute freund. Bey Lilio gehen wir privat und haben 
was anlangt studiren ein gantzen tag niht ein stund zeit, 
den da zu Herborn 6 lectiones waren, so sein hie 16 oder 17, 
und schreiben 6 oder 7 exercitia publice ein woch in der 
schul. — Hospes und hospita sein fromme ehrliche leut und 
gar dinsthafftig. Zum lezsten so hab ich euch auch wollen 
schreiben, 9 tag nach Martin ist ein marck hie, der Eisbether 
marck, und wie ich vernomen, so werden gewis der pfarher 
von Muschenheim, sein ayden Busius von Oberwalz, vatter 
Johan Dimpel von Minzenberg, Henrich Michael, Schreiber 
von Bircklar, heruf zihen. Wolt ihr nun, so ihr abkomen 
kond, mitzihen, so könd uns auch hie besehen, so stehts euch 
frey. Das diser bott aber mit supra dictis niht ausbleibe. 
Datum den 11. novembris Marpurgi ex musaeo anno 1606. 

3. Kleider. Lebensmittel. Sitzordnung in der Schule« Kirmes- 
Geschenke für Mutter und Geschwister. — [1606, Nov. 20]. 

Freundlicher lieber vatter. Ewer schreiben hab ich 1606, 
empfangen und daraus allerhand verstanden, und erstlich ^^' 
des Schreibens halben, so hatt vor 14 tagen Gerlachs fraw 
hinab wollen gehen und alzeit ufgeschubet, so haben die brif 
nicht hinab können komen, derhalb hab ich sie euch mit 
disen uberschickt, daraus ihr allerhandt zu vernemen. Den 
kragen anbelangt ist mir derselb unversehens mitgegeben 
worden, derhalben habt ihn wider zu empfangen. Wir haben 
albereit 3 wochen gekocht und noch 4 zu kochen, drumb 
wolt nicht weilen mit dem botten, sondern vortschicken so 
ihr keinen bekomen könt. So hatt sich Enders von Muschen- 
heim erbotten, sobald wider heruf zu gehen. Den wir dasselb 
was wir mitgenomen beynahe ufgessen. In den andern brifen 



312 

hab ich nichts unnötigs geschriben, wird uns alles vonöten 
thun. Und wölt ewern brif, weil ich ihn eher bekomen als 
ihr mein, gegen einander abzihen und was ich euch drin 
geschriben nahkommen. Des huts halber werdt ihr auch 
verstendigt werden und dergleichen wieviel gelt Johannes in 
seiner zeit verthan. Drumb weil ihr mir IV2 g. geschickt, 
will ^) ich die auslegen. Wisset das unser studia wol vort- 
gehen, Gott sey lob und dank. Mag nichts mehr schreiben ; 
so ihr etwas mehr begert zu wissen, schreibt mir, will euch 
mit nechster botschafft verstendigen. Es kan ja Henn mit 
einem hotten gehen, damit sie alles desto besser können 
tragen. Darnah unsere locos ihm paediog anlanget, so ist 
SnabeF) 14 in prima, ich 24, und Johan Conrad 25. Niclas^) 
von Muschenheim ist in 2 classe 16, und ewer petter von 
Muschenheim Faber ^) ist penultimus in 2 classe ; Lisfeldt ist 
in 4 decuria sextus, also ist er der 45 in 2 classe. Nos 
omnes adhuc Dei gratia valemus. 

Keine ^) krag bedarf ich, wölt aber bey Margarethen 
nobis carissiraae, anhalden, das ich ein schneubtuch oder 
2 krige. Die schuhe sein mir recht, wolt mir aber, weil ihr 
viel ledder habt, ein soln oder 4 uf alia und auch uf dise so 
sie zubrechen schicken. Matri meae carissimae schicke ich 
zur kermes von unserm marck^) ein kämm vor 6 albus, 
darnah ein stück kuchen, wollet solches meo nomine under 
die kleinen theilen. Grösere kermes hat der beutel niht 
leiden wollen. 

4. Lebensmittel. Geld. Geschenke. Kleidniigr. —- 1606, Nov. 26. 

1606 Dankt für das Uebersandte, hat noch 3 Woche^i zu 

Nov. 26. j^Q^f^Q^ y^Ytd bisher nur 1 Käse von 3 0, Va [Mas] Butter und 

1) will — auslegen übergeschrieben anstatt der durchstrichenen : 
hab ich Hartman noch ein halben darzu lasen thun, den Johan Conrad 
nichts mehr hat und ich ihm werd leihen muson. 

*) Christophorus Schnabelius Hoingensis war 1604 ins Pädagogium 
eingetreten, Matrikel f. 85 n. 13, 

8) Weissei. 

*) 8. n. 1 Anm. 5. 

*) Die Nachschrift am Rande. 

•) Nov. 19. 



V 



313 

6& Fleisch beim metzler gekauft und bezahlt; verhofif also, 
wir wollen mit dem izt geschickten langen, wo nicht, wird 
es an mittein nicht mangeln. Wir bezahlen all ding; ich 
hab Johan Conraden 19 albus gelehnt gehabt, wird mir sie 
wiedergeben, verhofF auch nun mit disem gelt zu langen. 
Das fleisch wollen wir einsalzen, wie auch das andere curiren 
uf das beste. Ich hoff, das motter ihr kermes animi grati 
memoria bekommen ; ob ihr daselbige gefallen oder nicht, 
hab ich nicht können verstehen; hett villeicht gern ein besser 
geschickt, quod tamen pro ratione temporis fiet. Ein däsch 
soll sie, Gott will, noch bekomen. Das auch der kam nicht 
verloren werde, ich hoff ihn noch zu sehen, wen ich kome. 
(Wer^) weiß wie lang ich hie bleibe, ich sag nihts weider, 
latet anguis in herba). Dankt der Mutter und Orossmutter 
für ihre guthaten. Das mitgenommene Oemilse hat 3 Wochen 
gelangt^ den wir alle tag einmal oder 3 drüber gangen; hat 
nun für die letxten 4 Wochen mit der Wirthin vereinbart, 
dass sie für einen Frankfurter Gulden alle Tage Gemüse gebe. 
Unser vitam anlangend ist es also, das keiner von den andern 
begert zu ziehen, es sey denn dass er mus, und wollen bei 
ander leben so lang es sein kann wie fratres. Haec mea 
declaratio. Das körn und frucht gelegenheit euch zu schreiben, 
hab der zeit nicht gehabt, den Enders den tag umb 6 uhr 
komen und den andern tag umb 6 weggangen; wills mit Eller 
Jörg dis woch noch schreiben. Sack und sacklin, döpfen und 
ander gezeug, so viel mir enthraten, schicken wir euch. Und 
liabt ihr erstlich vor euch zu nemen 2 dippen, ein sak, den 
leimetsen ermein, ^) das saklin da das salz inn wer. Der 
nechst nach uns wird speisen des pfarhers söhn von Bellers- 
heim Wiegand Lisfeldt. Den hut belangt wil ich noch warten 
bis diselbige botschaft von Bellersheim heruf gehet; wölt mir 
die hauben schicken, aber nicht so grob. Schuhe und sonst 
kleider anlangt, will ich mich behelfen. Ich weis nicht, ob 
mein runde hutschnur noch daheim ist; so es ist, könt sie 
mir auch schicken. — Marburg 1606^ Nov. 26, 

*) Wer — herba im Or. eingeklammert. 

■) Der erste Buchstabe korrigirt und undeutlich. 



314 

5. Kochzeit ^eht za Ende. Käse entliehen. Yerwendung 

der Reste. — 1606, Dec. 12. 

1606 Benutzt die Oelegentieit, um zu melden^ dass er noch 5 

Tage kochen muss und keinen Mangel gelitten hat; hat jedoch 
4 ß Käse gekauft und vorher von Lisfeld einen Käse entliehen, 
den wir noch nich restituiret, und haben 3 wochen lang die 
würthin uf den mark geschicket, einen wider zu kaufen, hat 
keinen können krigen; und ob wir sich schon erbotten, ihm 
dagegen Holländisch kaes zu kaufen, will er nicht sondern 
sein kaes dagegen haben; bittet deshalb, ihm durch Henne 
einen Käse und die Haube zu schicken; hat an Geld noch 1 
g. 11 albus, hofft damit zu langen, wiewol wenn mir ufhören,^) 
müssen wir ein virtel weins geben; hat noch übrig Weizen- 
mehl, davon er einen Kuchen backen lassen will, und die Hälfte 
von Reis und Erbsen^ können wir ins künftig halden; die 
würst haben wir bequemlich bei zeiten verspeist, das sie nicht 
zu schänden gegangen; das fleisch eingesalzt und kochen 
noch davon; botter belangt hoffen wir auch zu langen, und 
wird Lisfelds söhn bis donnerstag anfangen zu kochen; wir 
hoffen alle tag uf Hennen und den von Bellersheim, wo sie 
nicht innerhalb mitwochen komen, wird er übel stehen ; ich 
hoff, ihr werdt mir wieder schreiben, so der bott heruf ist 
und nach gelegenheid und ewern gutdincken etwas schicken. — 
Marburg, 1606 Dec, 12. 

6. Fruchtpreise. Haube. Verhältniss zu Loer Vater und Sohn. 

Geld. — [1606] Dec. 14. 

[1606] Herzallerlibster 2) vatter ! üf nechstes an euch mit Walter 

Dec. 14. pj^jjgjjj gethanes schreiben habt ihr mir bald respondiret, 
und was ihr in gegenwertigen brif von mir begert zu wissen 
will euch verstendigen. Die frucht belangt wird das körn 
allhie grose mas wie zu Herborn um 8 albus, die gersten acht- 
halb, die erbes 10 oder 11, der weiz umb 9 verkauft. Darnach 
das ihr allerhand von kleidung geschrieben, hab ich dismal 
euch disen gantzen winder darumb nichts zu klagen, wie ich 

*) Seil, zu kochen. 
') flerallerlibster Or. 



315 

aber umb den Christag die haube bekomme, so bin ich zu- 
frieden, den die haub einen wermer helt den der hud, sonderlich 
wie der windt einen so umb den köpf blaset Und auch vom 
cellario ^) geschriben wie das er zum halben theil in causa, 
mus ich auch bisweilen vom filio einen leiden, stell aber 
solches an seinen ort, nee te quid moveat sondern ich bin 
mit ihm zufrieden. Den mittwoch der künftig wollen wir Deo 
volente ein end zu kochen machen. In paterno tuo animo qui 
in me talis est ut nil desiderem, nil ego requiro. Mir müssen 

noch einen guten stos^) gelt in fine des kochens 

ledigen, den mir müssen ein virtel weins geben, auch sehen 
wie wir einen brod mähen. Ich hab noch 1 g. 6 albus. (Johan^) 
Conrad wird nicht gelt genung haben, werd ihm müssen 
lehnen). So Lisfeld kompt will ich euch wieder schreiben 
weil Jörg geeilet. Meo nomine rursus matrem ut spero adhuc 
bene valentem mihique charissimam, omnes etiam amore nobis 
conjunctos meo nomine plurimum salvere jubebitis. Datum 
Marpurg 14. decembris. 

7. Kochzeit bceudet. Haube. Pest auf der Ketzerbach« Pistorius 
in der Truiikeuheit von einem Bürger böse zugerichtet. — [1606], 

Dec. 17. 

Berichtet, dass unser kochens gestern den 16 hujus ein [1606] 
end genommen, damit wir ohn einigen mangel Gott lob wol ^^' ^^' 
concludirt haben ; so haben wir nun rhu und ihr auch, 
können unsern studiis abgewarten und haben den gantzen 
winter saat essen und trincken. Darnach lieber vatter, weil 
ihr geschriben, der hauben eine kost so viel wie der hut 
zween, so weis ich nicht, welches am rähtlichsten ist, stell 
solches zu ewrer gelegenheid, gutdincken und gefallen ; bittet 
iviederholt um Zuwendung seiner andern Hutbinde, die er 



*) Vater Loer. 

*) Das Ende der Zeile durch das Siegel zei-stört. 

3) Johann-lohnen durchstrichen und a. R. ereetzt durch; er hat 
izt noch 10 h. bekommen, sobald als ihr könd schickt mir nicht mehr 
den ein halben gülden bazen, darnach nichts mehr. Ich hab gesehen 
das cellarius Johan Conrad frey hat heraus gebutzt, doch ich hab noch 
gloider genung und beger nichts. 



316 

daheim gelassen, und um ein handswiP) oder 2, den die 
würthin hat uns also noch dargethan in dem wir gekocht 
haben, thnts aber nicht mehr. Die pest davon cellarios za 
wissen begert, ist es also mit^). Es ist uf der Eetzerbach 
beym Deutschen haus, das nun schrecklich weit von der 
rechten stat ist, in 3 häusern gewest, ist aber 4 wochen 
still gestanden, hoff aber, es soll sich stillen. Wir haben an 
Pistorio ^) ein besuchen spigel und exempel petulantiae *), 
davor wir uns fleisig, quod et facimus, hüten sollen. Solches 
alles weil ich doch izt der zeit hab ich euch zu schreiben 
nicht wollen underlasen. Es ist Ehwalds bruder von Muschen- 
heim am sonabend allhie gewesen und mit ihm gedruncken, 
das er bezeht ist heimgangen. So ist Dimpelius kommen, 
welchen er, als er wider nah heim wollen gehen, hat ihn 
Pistorius wollen beleiden. Und als er uf die gas kommen« 
hat er gegrischen, so hat ein burger gesagt, das der gut 
kerlen doch sich zu bett ligte und von der gassen ginge. 
So hat ihn Pistorius heslich geschmeht und herausgefordert, 
so ist er kommen und sein die zween über einander kommen, 
das ihn Pistorius heslich geworffen. Und als den burger 
übel hat wollen gehen, hat er geruffen, so ist noch ein burger 
kommen, seinem mitburger zu helfen. Als solches Pistorius, 
herr Hermans söhn, gesehen, hat er wollen ausreisen, und 
als er vor sein thür kommen, ist sie zugeschlossen. So kömpt 
der burger binden nach und gibt ihm ein streich mit einer 
dicken stangen uf den köpf, daran er zu leiden hat, den er 
hat ihm den köpf und hirnschal aller eingeschlagen. Und 
ist zu besorgen, das er sein leben lang nichts zu studiren 
taug, welches die ärzt sagen. Und als der burger den andern 
streich wollen führen, ist ein fraw kommen und ihn ufgehalden, 
den er doch gnung mit dem ein zu thun gehabt. Hiruf ist 
der man der ihn geschlagen, nicht der den Pistorius heraus- 



*) Handtuch, Zwehle. 

*) Die Universitätsannalen gedenken der Pest erst zum Jahre 1607 
{Caesar 10, 23). 

^) Johannes Pistorius Muschenheimensis trat 1603 in das Paoda- 
gogium ein, Matrikel f. 78 b n. 251. 

*) petulatianciae Or. 



317 

gefordert, carcerirt und wird also den donnerstag den 
17 J) hujus die sach vom landvogt ausgetragen werden; 
welcher nun wird verlihren und wie es gehen wird, will ich 
euch nechst verstendigen. Hiezu kömpt auch lieber vatter, 
das die böse schwachheid hie ist darzu kommen, also das er 
sie gar oft gehabt, hatt ihn aber nun ein weil wider verlassen. 
Was sich weider wird zutragen, will euch hertzlich gern ver- 
stendigen. Ecce carissime parens habes miserandae hujus 
tragoediae omnes circumstantias, und solche zeitung, ob Gott 
der allmechtig will, solt ihr nimmermehr von mir erfahren, 
sondern alles gutes. Aber lieber vatter, ich besorge mich, 
ich werde euch mit meinem vielen schreiben auch oftem 
verdrüslich sein, aber solhes wie ihr selbst abnehmen könt, 
ist filialis amoris indicium. Orüsst alle Angehörige^ hett in 
etwes gekauft nisi crumena ^) jam seu marsupium ^} morbo 
laboraret; ich hab noch V» g-, hab nichts mehr auszugeben, 
habt ihr botschaft, schickt mir mit supradictis ein bazen 
oder 3. Datum Marpurg 17. ^) decembris. 

8. Wirthin verlangt vorzeitig Zahlung. — 1606, Dec. 20. 

Hat underschidlich mahl geschrieben, hofft, dass der Vater 1606 
die B7iefe erhalten und bittet um Zusendung der darin ^^' ^^' 
e)'betenen hutbinden, handszwiln, den kees etc. ; hat 1 Oulden 
bis auf Christtag verborgt; darnach so hatten wir mit der 
würthin gedingt, das wir sie sollen abbezahlen, so wir ab- 
zöhen, so will sie das gelt izundt haben, so sind wir ihr in 
unser kochzeit vor allerhand gemus, milh etc. jeder 23 albus 
schuldig worden, will sie so bald bezahlt haben, drumb könnet 
Vorsehung thun, wie ich etwas bekomme. Dürft in keinen 
wegen sorgen, das ich gehe und verluder das gelt, den ich 
weis wie sawer es einem zukömpt. Ich hoff darnah Dimpel 
soll mir den gülden geben, und so wir die würthin ab- 
bezahlt, so hab ich noch den gülden, davor ich liht und 
sonst allerhand kaufifen will. — Marburg 1606, Dec, 20. 



») L. 18. 

«) Beutel. 

•) 17 korrigirt aus 16. 



SIÖ 

ft. Dank für Sendan^« Process Pistorius. Neujahrs^eschenke. — 

1606, Dec. 24. 

1606, Freundlicher lieber vatter. Aus ewerm schreiben hab 

' ich allerhand vernommen ewer gesundheid und contra, hofif 
es soll ob Gott will besser werden ^). Das ander> alles ist 
mir gelibdt kommen, soll angelegt sein. Die hud sein einer 
gattung gleich gut und fein ; die strumpf sein mir reht, und 
habt mit den hud reht gethan, last es mit der hauben bleiben. 
Das gelt belangt, solt ihr bis uf ostern kein Schreibens der- 
halben von mir bekommen. Pistorium belangt, so werden 
heut 3 zeugen abgehört, wie es weider wird gehen, will ich 
euch schreiben. Die pars contraria will seiner zeugen kein 
annehmen, erstlich den von Beilersheim, Lisfeld und Weissein 
niht, seyen sein landsleut und stubengesellen, darnah die 
magd auch nicht in seim haus, dieselb sey ein falscher zeug; 
Dimpeln auch niht, sey sein eidsbruder, und darnach noch 
ein burger allhie, der sein vetter ist, wollen ihn auch niht 
annehmen. Weis niht was geben wird. Gott der allmechtige 
behüte mich allzeit vor solchem fall! Den kees belangt 
hoff ich, ihr werdt Vorsehung thun, das er heruf kom ; ih 
halt, Hergen von Muschenheim komme nah den heiligen 
tagen wider heruff. Die schneubtücher sein mir vorwar ge- 
wünscht kommen von sororibus ; doch es hab sie gemacht 
wer da will, sentiet me gratum et memorem, et quia jam 
vis pecuniae non patitur alias animum gratum perspiciet, 
quisquis ex mihi charis suerit qui literarum mearum voluit 
esse satisfactor, den ich hatt newlich davon geshriben. Scriba, 
weis niht was es ist, hatt mein leuchtgen mit genomen, hetts 
niht vorthan umb viel gelt, mus alle tag in der naht über 
die gassen laufen, da wer es mir so gut zu. Eönd sehen 
das ich es wider bekomme. Omnia prospera de me speres 
volo, precor et opto. Snabelius^) ist in der promotion niht 
gewesen, hat solhes gelt, wie er sagt, an bücher gewendt, 
wiewol er dignissimus gewest wer. Sein 13 magistri et 



') S. n. 10 
«) S* n* 3. 



319 

3 doctores, alle medicinae, promovirt worden *). Des kees 
vergest niht, den ihn Lisfeld, der ihn uns gelehnt, alle tag 
bedürftig ist, must ihn mit einander schicken, uf 3 Ö" weigt 
er. Ih schicke Johan Conradgen, fratri charissimo, allhie 
ein newjärgen, auch den andern etwas ; könd sagen, ih hett 
kein gelt mehr gehabt, et omnes quos profecto ex animo 
diligo valetudine prospera et saluberrima uti meo nomine 
jube. Ih beger nihts mehr, ist etwas das ich gern hett und 
euch dünckt vonöden sein, so ich euch schreibe, hof ich 
animum paternum non defuturum sed mihi missurum. Alias 
plura. Datum raptim Marpurg den 24. decembris anno 1606. 
Matrem ^) aviam omnesque cognatos meo nomine ex Dei 
gratia ut valeant quam plurimum meo nomine jubeas volo. 

Hett woll dupfen und ander gezeug gehabt, will aber 
sehen wie ich sie euch mit gelegenheid schicke. 

Und weis niht wie ich euch soll genungsam dancksagen 
vor alles das ihr mir geschicket, dann auch das ihr mir so 
fein schicket darumb ich schrieb, wer werth so ichs niht 
erkennete, ut non filii legitimi nomine vocerer sed appeller 
filius degener. 

10. Bücherkauf. Oeld. Pistorius. Heizung zu thener. *- [1607], 

Jan. 10« 

Dankt für den übersandten Käse, hat ihn xurückgegeben, [1607 J 
hat ein halb ß zu viel gewigen ; Johann Conrad hat sein ^^* •^^^* 
Oemüsegeld und daxu für sich V2 Oulden erhalten, verthut 
viel mehr gelt als ich, den er hat 1 g. bey einem Minzen- 
bergensi entnommen, hat aber solhes so verklavert, das er 
nihts davor gekauft hat ; so hab ich wol auch 1 g. entnomen, 
aber solhes dergestalt: es stand mir ein gelegenheid, die ich 
niht besser hett können bekommen mit 2 büchern, so noch 
new und zween logici, mir so nutz und gut das es überaus ; 
dürft deshalben nicht sorgen, das der gülden übel angelegt, 
den ich niht underlasen können, solhe bücher umb halb gelt 



1) Am 18. und 22. Dec, Caesar 10, 19. 
') Nachschriften am Bande des Blattes. 



S2Ö 

Äu kaufen, sonderlich weil ich hiebevor noch kein logicum 
gekaufft hab und solhen zu mein studiis sehr bedarf. Hat von 
Dimpel noch einen halben Oulde7i, den er ihm geliehen, zu 
erhalten. Bittet um die 23 Albus Gemüsegeld, denn die 
würthin schweigt wol, hetts aber doch gern, xumal Johann 
Conrad seinen Antheil bezahlt hat; urird den vom Grossvater 
(altvater) gewünschten Katalog der nothwendigen Bücher mii- 
bnngeny damit er sie in der Messe [xu Frankfurt] besorge, 
weis aber niht wie lang wir hie bleiben. Gelt zu meim 
eignen usui bedarf ich nicht, wird genaue Rechnung mit- 
bringen. Der handel mit Pistorio ist noch nicht ausgetragen, 
geht nicht ein wenig gelt ihm druf, wies sich aber hinfort 
wird verlaufen, solt ihr künftig erfahren. Sonsten allerhand 
kleider belangt klag ich nichts. Fratrem Johannem Conradum 
convaluisse spero. — Ewer brief ist sehr kurtz gewesen, 
weis niht wie es kompt. Eller Jörgen söhn wird uns wol 
halten; maneat, rogo, tecum. Datae 10. januarii anno 1606. 
über alles aber das ich euch schreib prast ich mich 
nicht so sehr, den das wir so überaus thewer gedingt haben. 
Wir werden von jederman noch zu unserm schaden verspottet, 
den wir 6 thaler zu hitzen geben, da es doch umb 5 gülden 
gehitzt sonst wird. Cellarius hat viel zu stötzig gedingt 
wenn wir diesen winder vor 1 g. holtz gehabt hetten, wölden 
mir gelangt haben, den er sehr warm gewesen. Darauss 
so Gott will so wollen wir uf den sommer ein wenig besser 
und vorsichtiger in allem dingen, den wir sich izt vorwahr 
in allem weidt verguckt. 

11. Pest ^). Stiidcntcii und Professoren ziehen ab. — 1607, Jan. 29. 

jQQ'^ Herzallerliebster vatter. Ewern brif hab ich bekommen 

29. Jan. und daraus allerhand verstanden. Und weil ewer Jörg sobald 
weggezogen, das ich niht hab können widerschreiben, so ist 
so bald wider ein bott von Minzenberg kommen, mit welchem 
Pistorius und Dimpelius weggezogen. Und geh euch demnach 
hirmit zu verstehn, wie das in der zeit, alß ir weggezogen, 
so bald in ein haus kommen, darin sich das gantz haus ge- 

*) S» n. 7 Anm. 2. 



321 

legt und auch eins begraben. Doch beger niht hinwegzuzihen 
wiewol die andern all itzt willen hatten so bald mit den 
zween zu zihen, aber ich wolt niht, wiewol es nun niht kann 
verhütet werden. Und so ihr dis niht glaubet und vielleicht 
meinet, ich lüge, köndt ihr es wol vom Dimpelio erfahren, 
das bereits viil Studenten weggezogen sein, denn kein professor 
mehr liset. Doch ich will . . .^) secundum voluntatem et 
nutum paternum leben. Ist nicht von nöten, das ir mir den 
krug schicket, hab ihr noch gnug hie, den so ich komme 
nah dem examen, mus ich doch 10 oder 7 mit nemen, so 
darfs ichs nit. Denck auch es werdt nun zeit sein das 
[ir ei]n ^) geltstuck mir zu schicken zu schiist, des ich mich 
nun bis uf ostern beh[elfenj ^) will, wiwol ich werdt ausgeben 
müssen zu der comoetien, da man [in] ^) der band haben 
mus. Vielleicht so es noch in ein haus vortfehrt, werdt die 
schul transferirt, will auch niht, ir wollt dan, bis sie weg 
heirazihen, wiwoll die Lichenses über 8 tag auch werden 
heimzihen. So ist schon [der ^) professor, der poet ^)J, da ich 
euch newlich von sagt, weggezogen, so wirdt Goclenius itzt 
nach Cassel zihen und nicht wider kommen vor ostern. Doch 
was sich eins oder das ander wirdt zutragen, es sey was es 
will, will euch mit botschafft zuschreiben. Weis euch dismal 
niht mehr zu schreiben den seit alle cum matre suavissima 
dem lieben Gott befohlen. Datum Marpurgi 29. januari, 
anno epochae christianae 1607. 

12. Bitte um Ueld zur Komödie *). Examen. Pest. — 1607, Febr. 18. 

Freundlicher liber vatter. So ihr noch mit den unsrigen 1^07 , 
gesund seid, hör ichs gern ; mich belangt bin ich Gott lob 

^) Or. durchlöchert. 

*) der — poct im Or. elugeklammert. 

^) Hermann Kirchner. 

*) Eeppe^ Beitr. z. Gesch. d. hess. Schulwesens (Ztschr. f. hess. 
Gesell., 4 Suppl.) S. 11 berichtet, dass das Pädagogium im Frülyahr 1607 
durch seine Schüler „eine ausbündige comoedia vom König Säule magno 
cum api)Iauso spectatorum von m. Joanne Braschio (wofür der letztere 
der acadeiniae zu ehren und dem paedagogio zu lobe 12 guld. aufwendete"), 
aufführen Hess. 

N. F. Bd. XXIIL 21 



322 

noch wol uff. Ich verwunder mich, lieber vatter, das ich 
nun so lange zeit kein brif von euch empfangen noch etwas 
verstanden, wie es daheim steht, das ihr mir mit m. Casparn 
woll hett kennen schreiben, aber ihr vielleicht niht gewust, 
derohalben kann ich itzund nihts von euch begeren dan nur 
gelt. Und daselbige wegen des man izt zu der comoetien, 
so gehalten werden soll, gelts vonöten hatt, darumb, wie 
euch dinckt, kont mir doch ein bazen oder 10 schicken, der 
ich dazu bedürfe; will, wie es ausgegeben, euch rechenschafift 
geben, den ich die schuhe wil flicken lasen, dazu ich auch 
von denselbigen legen will. Ich will sehen, das ich mit 
gelegenheid mein alt geredt, den alten mantel und das lidirne 
wambs und sonstiges s]chicke ^), damit ich post examen mit 
ihnen desto besser uf dem weg fortkommen kann. Und den 
krug solt ihr daheim lassen, den ich ihn doch nun halt wider 
mitneme. Das examen wirdt über 3 wochen gehalden werden, 
so mus man noch 8 tag nach der exemption warten. Die 
pest hat hie ufhören zu grassiren und ist nihts mehr. De 
nostrorum carissime valetudine me certifices obnixe rogo. 
So ihr so bald kein botschafift habt, so schickt mir über ein 
tag oder 10 ea quae petivi mit Fabers von Muschenheim, 
ewers pettern bottschafft, die zu essen ihm bringen wird, und 
das gewis. Ich wil sehen das mater bald ein hupsch gebett- 
buch bekomme. So ihr vielleicht etwas zu wissen begert, 
so verstendigt mich, will ich euch verstendigen. Ex hisce 
vale dies plura. Datum Marpurg den 18. februarii anno 1607. 
Omnes suos ad nos pertinere scis valere jube. Dises 
eingelegte brifelein wölt sehen das er quam primum nach 
Minzenberg Dimpelio ewerm pettern zukome. 

13. Ankunft. Beginn de» Unterrichts und Kochens. Bezahlung 

des Wirthes. — 1607, April 22. 

1607, Freundlicher lieber vatter. Euch kurzlich hiemitt zu 

April 22, verstendigen, wie es uns gangen, habt ihr hirgegen zu ver- 

nemen, das wir bey guter tagzeit umb 6 uhr ankommen, 

1^——— ■■■■ ■■■ 

1) Loch Or. 



ä23 

frisch und gesund mit dem geschir. Die collocation ist am 
sambstag ^) gewesen, die lectiones den montag ^) angangen. 
Weis nicht quoti wir sein den wir noch nicht im pediog 
gewest ; will euch mit nechster bottschafft verstendigen, es 
ist noch aber kein Wedderawer komen ausgenomen wir. Ihr 
habt von Kappen zu empfangen mein alten mantel, das 
liddirne wambs dazu ihr das borchen . . .^) verbraucht 
werden, 2 paar socken, wir bis uf den winder hinzuhalden, 
4 alte schneubtucher. Wolt mit Emmelio das gelt so viel 
euch dinckt, das schlii . . .*) auch da mit schicken, und sampt 
den socken meine heuben biss uf den winder halden. Ihr 
habt auch zu empfangen ein schurtztuch, ein altes und newes, 
so in der kuhen gewesen; item ein sack darin 2 leib brots 
gewest. Sonst was noch hie ist haben wir eyl halben nicht 
könen einpacken, werden es mit gelegener bottschafft heim- 
schicken. Also fangen wir den don[ner]stag ^) den 22.®) hujus 
an zu kochen als fort bis das wir al bey ein seint, das die 
zeitt ausgetheilt wirdt. Den grosen sack oder ziehen, alles 
was drinnen ist, ist ewer, den der sack ist bas ürseln. Bey 
Conraden, so er sin ein zeitt lang gebraucht, habe zu fordern 
die cosmographiam. Weis euch dismals niht mehr zu schreiben, 
den das der wirth das gelt allen genomen wie es gelegt und also 
alles Gott lob bezahlt, wollen nun ferner unser studia favente 
Deo fort traiben, damit der sumptus und grose muhe an- 
gelegt sey. So ihr auch etwas wider begert zu wissen, will 
ich auch mit der ersten bottschaft verstendigen. Und halt 
diser schrifft, die niht so gar pur, eil halben zu gutt, will 
uf ain ander mal besser schreiben. Matrem verbis amicis 
meo nomine salvere et bonam spem promissi fovere jubere 
liaud dedigneris. Datum Marpurg den 22. aprilis a. 1607. 
Vestram ^) omnium valetudinem per tempus aestivum 
valde noxium curate diligentissime. 



1) Apr. 18. 

2) Apr. 20. 

«) Unloserlich, Oelfleck. 
*) Ende der Zeile verwischt. 
^) Ausgerissen. 
«) L. 23. 

y) A. R. 21* 



324 

14. Goldvorliältiiisse. Sitzordnung. Knclicii fttr die Lehrer. 

Klcidiiiigr. — 1607, Mai 9. 

1GÜ7, Freundlicher lieber vatter. So ihr sampt den ewerigen 

noch wol uff; ist es mir ein frewd zu hören. Mich belangend 
bin ich Got lob und danck noch wohl uff. Nachdem ich, 
lieber vatter, bottschafft hab gehabt, hab ich nicht under- 
lassen können, euch zu verstendigen deses was ihr zu wissen 
begert. Und anfanglich zwar als ich alles bezahlt und m. 
L[ilio] seinen reichsthaler gegeben, welchen ich von Johann 
Conraden genommen und ihm klein gelt dar vor gegeben, 
aber noch 10 albus schuldig, den so ich ihn alles bezahlt, 
hett ich mich zu sehr entblöst und nit kochen können. Und 
hat der hospes den reichsthaler vor 42 albus, den königs- 
thaler vor 46, den ducaten vor 2V2, den goltgulden vor 
2 gülden genommen. Darnach sein wir collocirt worden und 
bin ich erst 7 geworden, bin aber izt 9, weil noch andere 
jungen kommen sein ; hoff aber niht weider zu kommen. Das 
kochen belangt, haben wir die zeit halb gekocht, den es 
einen 19 tag ist, und haben noch Gott lob damit wir auch 
bis zu end gedrawen zu langen. Was wir aber noch gern 
hetten, auch erstlich vergessen haben, werdet ihr aus Johan 
Conrads schreiben können vernemen, dass mir izt kein gemas 
bekomen können, und was wir kochen das werden wir vorwar 
von dem unserigen kochen müssen, aber Gott lob noch keinen 
mangel gelitten. Johann Conrad hatt irst 3 gülden mit- 
genommen, dargegen ich 18 albus gehabt ; hat izt noch 
V2 gülden, schreibt seinem vatter wider umb gelt. Ich hab 
noch 2 gülden, hab aber meines so zu raht gehalden und 
genaw angegriffen, das ich izt nun noch hab, beger zu dem 
kochen nicht mehr. Ist das ich ein halben gülden oder wiviel 
es mag sein, entlehnen werde, kent ich allzeit widergeben ^). 

kompt schreiben, da er dan herkommen und sie 

bekommen kann. Meine kleidung, schuhe und anders belangt 
stehe ich Gottlob noch woll mit; wenn ich nur umb Jacobi 
hinaus uf meine Laubacher schuhe ein geläbgen bekomme, 

^) Dio untere Hälfte des Blattes mit der Adresse fohlt. 



325 

will ich mich wol den sommer hinaus leiden. Darnach so 
werdet ir wol wissen, wie ihr gesagt von einem kuchen 
paedagogearchae und Lilio zu verehren, welches so es izt 
nechst pfingsten mit einem hupschen geschehenen könde, 
nichts feineres könte sein, des auch mehr unsern favorem 
bey domino paedagogearchae behilten, denn viro isto nil 
nobis preciosius nil amabilius nobis unquam. Derhalben wer 
es gar hupsch und fein, so ihr ein hupschen kuchen ihm 
schickt, den der ihm newlich so wol gefallen das er seines 
oft gedacht. Mit dem mantel so ihr ihm werck seit, könt 
es lasen bleiben, den ich ihn lieber winders trag, da einer 
durch kain hecken geht, als sommers da ainer uf geburliche 
tag hin und wider lauft. Weis nichts dismals weider zu 
schreiben ; so ihr villeicht etwas begert, verstendigt mich 
zugleich mit disem, will ich euch verstendigen ; aber desen 
wes hirin gedacht und ich wider bericht sein mus, was ihr 
gegenberichts nothwendig bedürfen werden, bericht mich, vor- 
nehmlig . . .^) der halben. Und grust alle die ewrigen inter alios 
aviam avumque carissimum, matrem sororesque et ceteros 
meinthalben. Datum Marpurgi e musaeo d. 9. maii a. 1607. 

15. Wiederholung von Bitten« Tasche der Mutter. Siegrel« 

Laute. — 1607, Mai 23. 

Weil, lieber vatter, Mezel Winder ist ausblieben, so jJ^Pl]. 
könt ihr mit briifzeigern wol heruff verschaffen darumb wir 
geschriben umb einen feinen kuchen, umb ein wenig gelt, 
wie viel nun des mag sein und euch gefeit, ein wenig hirsen, 
ein geläpp uf meine alte schuhe und darnach auch ein 
phingsthäner kermes, ein dutschet ^) riemen oder etwas. Ich 
hab mutters däsch bey mir, um 11 albus eine hupsche däsch; 
ein habermann ^) hab ich umbsonst bekommen. Ich hoff auch 
ihr werdt, wie ich newelich geschriben, ein pitschir und ein 
blauten lasen verfertigen. Wie es mit Ehwalden, mit den 
Knöpfen undt wie es mit Conradten seiner bücher halber 

>) Unleserlich Or. 
•) Dutzend. 
*) Haferkorb, 



326 

stelle^ verstendigt mich. Datum raptim Marpurgi vibesiÖMi 
tertia may anno 1607. ' : 

Tricesimo hujus mensis may die, Deo nos bene javänte^ 
tempus nostrum coquendi finietur. Ob ihr von Eidel nnd 
wie ihr den briflf bekommen verstendigt mich. 

16. Pest im Hause« Haben mit Mühe ein Unterkommen gefnndeiiy 
dürfen niclit in die Scliule gelien. Was tlmn ? — [1607, Ende Mai]« 

1607 j Cuncta mutata repente. Lieber vatter. Ich kann euch 

EndeMai. zxjl schreiben nicht underlassen, sindemal grose not und elend 
uns dazu treibt. Es ist in dem haus, da wir mit der erst 
in gewohnt haben, ein fraw, welcher das haus ist, sie aber 
das haus verlehnt und uf dem schlos famuliret. Nun neben 
unserm haus oder in derselben gasse dieselbe fraw, die uf 
dem schlos ist, ein dochter hat gehabt, weihe gestorben. In 
welher frawen kranckheid ihr motter vom schlos, nulens 
volenS; hat musen gehen ihr billih als ihrer dochter zur band 
gehen. Als sie nun gestorben ein klein unmündig kind sie 
hinderlasen, welhes sie als avia hat genommen, und weil sie 
niht uf das schlos hat dürfen zihen, sie in uns hospitium 
als ihr haus jure, nobis vel repugnantibus, gezogen ist 
Ferner ist parvulus infans kranck worden, ein tag oder 10 
sehr schwach gelegen; nach disem hat hospita principalis 
vom schlos noch ein jung töchterlein gehabt, weihe sich als 
am dinstags morgen gelegt und des freytags morgen gestorben. 
Wir aber, ehe dis alles geschehen, mature satis emigravimus 
in ein haus, das zwischen ihrer und ihrer tochter haus steht, 
welhes mir wol in eil haben musen thun, den wir so balt 
kein ander stuben hatten können bekomen. Sindemal waren 
wir noch zwey stund drinn bliben, wiwol noch niemands ge- 
storben war, uns doch a lictore civitatis war drin zu bleiben 
gebotten worden. Nun sein wir in itzgemeltem haus ein tag 
gewest, so ist die fraw drumb angegangen worden, das sie 
uns sub tectu suum (!) recepirt hat, drumb uns auch e vestigio 
locum mutare gebotten. Uf dises sein wir in der statt 
adjuncto nobis a domino paedagogiarcha famulo umbgangen 
und ein losament dingen wollen, die leut aber, so bald sie 



Vi 



327 

erfahren, wo wir gewohnt, uns abgeschlagen ; zudem wir 
auch frequentatione paedagogei prohibirt, sindemal unser 
keiner nicht ein kranck aderlin hat. Auch ist ein solhe 
kranckheid hie eingefallen, das wer des abends frisch und 
gesund zu bett gangen, des morgends tod gewest. Exemplum: 
mein alt wirth, der Geisler beym schanckkeller, darin wir 
den winder gewohnt, ist den pfingstdinstag ^) in seinen 
sammetin schuhen in der kirch gewest, des morgends am 
andern tag tod gefunden. Desgleichen noch 3 ander weibs- 
persohnen an diser gehen schwachheid gestorben. (Hernah ^) 
auch noch ein Schneider nah dem haus gestorben). Was 
nun weiter gibt? Das wer dises. — Wir haben Gottlob 
den donnerstag nach pfingsten ^) auskekocht, all ding be- 
zahlt, auch nichts schuldig ; bitt aber mir das gelt zu schicken, 
drumb ich euch newlich geschriben. Non falsa scribo. 
Meinen Worten habt keinen glauben und schickt zusamen, 
ihr und die andern, ein hotten heruf, der es erfahr. Wie es 
nun anzugreiffen sey, wölt uns verstendigen. Es ist unmöglich, 
das es den sommer mit dem sterben anstehe, doch weil ich 
gekocht hab, das es einreist, so musten uns die andern gelt 
geben, davon wir hie bezahlen können. Und haben auch 
noch übrig, sed haec hactenus. Ich forcht, ihr seid halt 
meines briefsschreibens lesen müd, wie ich gleichfals des 
Schreibens, sed cogimur. Hirnah ihr euch zu richten und 
schreibt, wie es mit euch stehe. 

Filius tuus et reliqui ejusdem contubernales 
commensales singuli et universi. 

Vor^) disem allen dürft euch gar nicht entsezen, wir 
Gott lob noch all frisch und gesund. Schickt mir doch ein 
wenig gelt, uf das so ich ja hinweg mus zihen, mir das 
geringe allhie mit einem albus oder 10 oder 15 bezahlen. 
Mit den 2 gülden und 18 albus, die ihr mir gegeben, hab 
ich ausgekocht und auch Johann Conraden sein restirend 



Mai 26. 

2) Heruah — gestorben zwischen den Zeilen nachgetragen. 

3) Mai 28. 

*) Nachschrift a. R. 



328 

gelt vom thaler gegeben. Mit dem honigkuchenbecker oder 
sonst mit botschaft schreibt wider. Wir haben all ding aus 
dem haus, nur noch 2 kisten, aber nicht drinnen, weihe man 
bis uf den winder kan lasen stehen. 

Post scriptum ^). Nach langem umblauifen und fleisiger 
bitt paedagogiarchae haben wir noch ein stub in der Under- 
gassen bekommen, (welche ^) ein arme fraw et insuper nescio 
quales sint, und sein unser 5 in der stub, da kaum recht 
einer drinnen kann sein, den nur ein bett), darinn wir auch 
kochen. Und geben vor das alles da wir bisher gewohnet 
jure academico nicht ein heller oder pfennig. Und haben 
ein stub gedingt, daraus wir folgends 2 gülden 5 albus sollen 
geben. Halt ja derwegen unnötig, das ihr heruf kompt, soll 
ja einer heruf kommen, so könt es ein ander thun, den ihr 
den winder hie seit gewest. Allein mit dem honigkuchen- 
becker wölt mir das darumb ich nechst mit ihm geschriben 
hatt, schicken und sonderlich des ledders nicht vergessen. 
Es sein sieben Braunfelser in einem haus gewohnt, hart an 
uns, haben alle locum mutirt. Caspari Löeri filius jam 
coquit. Nos valemus Deo gratia, vale cum nostris bene 
juvante Deo. Schreibt mir doch mit disem hotten, was ewer 
meinung von dem allen sey gewest. An unserm disch sein 8 : 
ego, uterque Löer, filius praetoris Muschenheimensis, filius 
Georgii Bircklariensis, studiosus Giesensis et filius Ottonis 
Rhe Lichensis. WeiP) mir auch die pfingsten nicht viel 
kuchen haben gessen, bitt doch wölt uns ein sampt dem 
andern, wie ihr wol wist, schicken. Vale. 

AU*) die leut scheuhen sich vor uns und weil wir nicht 
in paediog dürfen gehen, weis ich nicht quid faciendum. 
Ich weis niht was hir zu thun ; mir sein in 30 losamenten 
gewest, so wie gefragt, wo mir gewohnet, ist es alsbald ab- 
geschlagen worden. Das sterben reist gar sehr hie ein. 



*) Auf einem anliegenden Zettel. 
*) welche — bett a. R. nachgetragen. 
2) Weil — schicken unterstrichen, 
*) All — ein a. ß. nachgetragen, 



329 



17. Dank für Sendung. Freude über des Vaters Erfolg in Huugen. 

Schulnachrichten — 1607, Jun. 3. 

Freundlicher lieber vatter. Ewer aller gesundheid hab 1607 y 
ich mit hertzlicher frewd vernommen, geb auch hinwider *'^^^- ^* 
unser gesundheid zu verstehen. Aus beigeligtem schreiben^), 
welches ich lang gehabt, habt ihr allerhand zu vernemen, 
den ich in solchem unsrem elendt, das wir vorwar gleich mit 
euch gehabt haben, haben wir keinen hotten können be- 
kommen, sein aber nun Gott lob alle beide daraus erledigt 
und in vorigem esse. Die zwen kaes hätten wir niht ge- 
durfft, den wir lang ausgekocht undt haben uberal aus unsrem 
kochen, da wir keinen mangel gehabt, übrig behalden 2 mas 
botter, 1 mas fett, ein schincken, zwey saitten speck und ein 
riemen rindfleisch ; haben gar kein mangel gehabt, wollen 
solches bis uf hyemem halten. Ich hab gezweiflet, ob wir 
die kaes solten behalden oder zurückschicken, hab [aber]^) 
doch mich bedacht und sie hir gehalten. Bin auch niht 
ein heller oder pfenning schuldig ; das kochgelt und fuh[r]gelt, 
will mich von disem den sommer über behelfen. Von der 
botter wollen wir neben der malzeit nach notturft den sommer 
über so wir hie bleiben genisen. Sed ad priora. Quid non 
chare pater preces apud Deum efficiunt. Hoc tibi de me 
persuadeas. Das ich, wie mich mater ein mal gelehrt, als 
Johannes frater meus ein mal kranck gewesen, das kein mal 
solt hingehen das ich niht ein mal vor ihn bette. Solche 
lehr hab ich bishero behalden und sag auch darzu, das kein 
mal ist hingangen da sich zu bitten geburet, das ich nicht 
von Gott solt gebeten haben 1. das er generoso gegen euch 
wöU ein genediges gemut verleihen, 2. das er euch wöll bey 
ewern ehren behalden, verissimum est. Welches, da es ge- 
schehen, ich certo Gottes genad kann abnemen. Sed jam 
tandem discussa secta et haeresis nostrorum Honigensium et 
pars quaeque in locum suum est restituta integrum. Ergo 



') N. 16. 
») Oder Or. 



330 

Maxima caelesti sit laus et gloria patri 

Maxima sit nato gloria lausque suo 

Maxima spiritui sit laus et gloria sacro 

Maxima sit triadi gloria lausque tibi 

Magna major Triadi^) sit maxima gloria tote 

Mensura cujus caelica regna carent. 

Nuncius gegen uns rogatus von euch und den ewrigen 
alles guts und ehrlichs gered; scilicet quia victores estis et jam 
in ipsos potentiam habetis. Welches so euch mislungen wer, 
er auch vielleicht anders geredt hett. — Beyde ßeguli^) sein 
hir und als sie vom paedagogearcha solten collociret werden, 
hatt er mich evociret und gesagt, ihr vatter hett geschriben, 
sie weren uns alzeit pares gewesen, wie ers machen sölt, 
was sie doch vor processus zu Herborn gehabt, und gleich 
darauf geandwort: isti sunt vobis multo minores, ego ipsis 
tribuam locum dignum. So ist der grose in secunda 10 undt 
der kleine 24. Wir aber sich societate ipsorum niht viel 
annehmen, den sie sich allhie mit ihren condiscipulis also 
hilten, das keiner gern niht viel mit ihn will zu thun haben. 
Ich hab nun lieber vatter uf disen sommer genug an essen 
und gelt, zur noth will sehen, das ich ein buch mir auch 
zeuge davon und doch auch vor mich behalte. Ego, Löer 
uterque, Faber Muschenheimensis et Weissei werden das 
paediog zu meiden gebotten, weil wir in dem haus gewest, 
aber können und lehrnen daheim so viel als immer im paediog, 
wiwol wir nichts verseumen, sondern all ding abschreiben. 
Wir betten gar kein hospitium können bekommen, wo nicht 
paedagogearcha, amicus verissimus et integerrimus, uns hett 
underbracht. Mit dem ledder könnet ihr verzihen und mir 
schicken so Wesselii speis (aber gewis) wirdt heruff gefuhrt. 
Ich schicke matri die täsche und den haberman; die täsch 
wirdt mir geborgt bey unserm alten w^ürth, welcher ein 



') Unterstrichon und a. R. durch sanctae trinitati erklärt Or. 

*) Johannes Eberhardus und Otto Regulus (Zaun schliffer) ans 
Braunfels wurden 1607 als Paedagogici inscribirt, Matrikel f. 110 n. 124 
und f. 110 b n. 134. Sie kamen aus Herborn und war ihr Verhältniss zu 
den Vettern schon dort nicht das beste gewesen. 



331 

sathler, bis wir wider heruff zihen ; hab niht gewust ob ich 
bockenkerner solt kauifen. Hatt mutter villeicht ein buch 
oder gefalt ihr die täsch, kan sie beides heruf schicken. So 
mir mater ain hain izt mäht ist genug, beger sonst nihts. 
Hab noch kleider und al das genung, hof aber ich werde 
ewer sammetin hosen, so ihr sie auslegt, of den winder be- 
kommen. Der bott ist mittwochs im 8 uhr hier kommen 
und im ailff wider weggangen. Fratres et sorores salvos 
spero, inter quos ut Carolus dihgenter instituatur rogo. Ich 
bin in 1 classe 10. Was Conrat mitt seinen bucher will 
anfangen, schreibt. Ich hab ein elendig gemärtel an den 
brifen. Ich hof uf das bitschir und uf die planten, welche 
mir sehr von nöten thut. So ihr über dises noch etwas 
begert zu wissen, schreibt, will euch mit nehster botschafft 
verständigen. Datum Marpurg d. 3. junii a. 1607. 

So matri die däsche gefeit, kan sie die kerner ab- 
schneiden und sie tragen. 

18, Scliuliiaclirichten. Pest* Kncheu für die Lehrer. 

Kleiduu^% — 1607, Jun. 8. 

Freundlicher lieber vatter. Euer gesundheit ist mir zu 1^07^^ 
vernehmen ein herzliche freud gewesen und geh euch hin- 
wider zu vernemen, wie das wir Gott lob noch alle wol uf 
und Deo gratia gesundt sein. Ist uns woll etwas elendig 
gangen aber doch izt wider und Gott sey lob und danck; 
undt ist das wir sich noch etwas zu trösten, uns nicht allein 
also gangen sonderen noch anderen 7, welche neben unsrem 
alten haus gewohnet haben, solches haben musen austehen, 
aus welchen 2 Reguli cum paedagogo, filius pastoris Leunensis ^) 
et filius cellarii Gridelensis qui dicitur Kammerer, Philippi 
Hiltmanni Braunfelsensis filius cum Martino Geisio Braunfelsensi, 
idem nobiscum pati sunt coacti. Sie aber gehen ins paediog, 

^) Thcodorus Dampfius Leunensis wird gleichzeitig mit den beiden 
Reguli, s. n. 17, Henricus Camerarius Butzbacensis und Nicolaus Hiltman 
HrauufoIsoDsis 1607 ins Paedagogium aufgenommen, Matrikel f. 110 n. 
122, 132, 133. Goisius wurde am 8. Mai 1607 immatrikulirt. Dampf 
disputirte 1613 in Herborn, desgl. Camerarius 1610 (phil.) und 1612 (jur.), 
V. d. Linde, Nass. Drucke 1 S. 132 u. 474, 149 f. n. 605. 607. 



Jun. 5. 



332 

wir aber weil wir in dem haus gewohnt, sein wol davon ab- 
gehalden worden. Und vorwar cum magna paediarchae molestia, 
welcher solches niht seinethalben sondern etlicher losen jungen 
halben geschehe, uns sagte, solten uns auch solches niht 
verdriesen lasen und ein kleine zeitt warten. Wie halt wir 
nun wider werden frequentiren, will ich euch verstendigen. 
Wir aber nihts desto weniger daheim so fleissig sein als je 
im paediog. Die pest anlangend dinkt mich, es werde gar kein 
bestandt haben, denn es also dröpfeliche vortfehrt und man 
nicht weis was es ist; wir aber uns wol in die stad gethan 
haben. In der einen gassen da wir in gewohnt haben, hir 
unden am Grünen, 7 gestorben sein, was noch in der statt 
ist. Das aber der veterator ^) Bessinger gesagt hatt, das ich 
so gleinmutig sey und mein sinn nach heim stehe, kann ich 
mich niht verwundern, den da in der zeit sie alle einer schryet, 
der andere packt die bucher in, der ander wölt morgen 
heimzihen, ich allein, ita me Dens (qui jam me verum scribere 
noscit) amet, das ich in solchem allen, das sie mir auch 
musen zeugnus geben, am starcksten und besten gehalden 
hab, hab aber gleichwohl gesagt, mir sey nihts umb das 
leben das ich so solt schlincken schlagen gehen, wölt viel 
lieber ins paediog gehen. Scilicet da der nequam niht hat be- 
kommen, was er gewolt, den da er uns das gelt gelifert, er 
gesagt, hie geb ich euch gelt, seid ihr rechtschaffene kerlen, 
so werdt ihr mir ja ein mas wein davor geben. Als er die nicht 
bekommen, hatt er woll, wie mehr mal zu Herborn geschehen, 
mit ligen umb sich musen werifen. Und mögt wohl wiessen, 
das ich in disem falle fortissimus et valetudine utens pros- 
perrima bin. Wir sein nun Gott lob uf die zeit, die wir 
noch hie bleiben, ein woch oder zehen, woll versorgt und 
ist nicht vonnöthen, das ihr carissime pater aut mater omnesque 
omnino nostri im geringsten hirinnen unsert halben bekümmert 
seyen, sed vos caute vos domi gerite, nos hie quod nostrum 
postulat officium, seduli apparebimus. Ist auch nicht von- 
nöthen, das ihr oder einer [von]^) euch hieruf mit Unkosten 



1) Schelm. — «) Von fehlt Or. 



333 

bewegt, es sey den das praetor Muschenheimensis mit filil 
speis beruf zu wenden sich nibt bemubete und unser ge- 
legenbeidt verneme; ist sonst gar nibt von nötben. Mit 
solber ^) Weisselii botscbafft weis icb nibts anders zu begeren 
dan ein stück ledders, damit icb meine scbube flicken lise, 
(und ^) ein mutter pfenninglein davor icb bisweilen, so icb 
aus dem garten bleiben soll, kirscben kauffe; icb bab das 
guldengelt nocb bey einander). Hoffe icb sollt nocb die planten 
vorm examine, ehe wir abziben, bekommen. Den kuchen 
belangt haben wirs also (et quidem ut recte mihi videtur) 
gethan, das weil jederman der uns kent, bishero ein eckel 
vor uns gehabt, auch etwas von uns zu nemen sich geschewt, 
bab ich ibn weder Lilio, viel weniger paediarchae offeriret, 
idque non sine consilio aliorum meorum, boflfe aber uff se- 
quentia, das das was billicb ist geschehen soll, und weil 
wir sonst haben können underkommen, sein unser fünf in 
eim kleinen stubgen und kochen noch alle zusamen, hoffe 
aber in eim tag oder 8 wider zu frequentiren, welches uns 
nocb genedig, den Brickmann von Minzenberg ^) hatt 7 wochen 
das paediog müssen meiden, darumb das er auch in eim haus 
nicht gewohnt sondern nur gewest wer. Betten und alles 
zur gotsforcbt gehörig, wisset das von uns nibts underlasen 
wirdt, den es heist „Disce bonos mores sie te comitantur 
bonores". Den baberman habe ich Bessingern nibt gegeben 
gehabt, wol im briff gesezt, aber als wir mitt einander sein 
hinaus gegangen, bab icb zu dem kerlen, der mir ibn gegeben 
hat, geben wollen und ibn holen, ist nicht daheim gewest 
sondern weggezochen, auch nocb nibt kommen, soll gewis ibn 
nf den sonabend mit Weisseis hotten bekommen. Hoffe auch 
die täsch werdt matri gefallen, wo nicht kan sie remittiren. 
Hans Jörgen quondam mihi suavissimum comitem, jam domi, 
ut puto, quem meo nomine salvere jubebis humanissime. Mit 
dem barstreng mantel könnet es bleiben lasen, den es levis 



*) solhem Or. 

^) und — einander a. R. nachgetragen. 



^) Conrad US Brickman Müntzebergensis trat 1603 in das Paedagogium 
ein, Matrikel f. 79 n. 283; wohl gleichzeitig wurde Johann Daniel Brick- 
mau am 5 Mai 1603 immatrikulirt. 



m 

materia ist, den Johan Conradi inantel bereits anfangt ztl 
reisen. Hoffe aber genzlich, ich werde uf den winder ewer 
sammetin hosen bekomen, will sie woll inbringen. Sonst an 
allem ding zu kleidung gehörig haben wir keinen mangel. Dift 
4 stuck oder sewen fleisch, die zwo mas botter, die 2 kaes 
wollen wir uf den winder halten, aber die gesalzen botter 
nah der malzeit nah notturft essen. Weis nihts mehr zu 
schreiben, ist das ihr begeret, schreibt mir proxime tribus 
literis, will euch significare. Datum Marpurg d. 8 junii 
anno 1607. 

19. Schulbesuch. Pest. Abzug von Studenten. Exemtion. 

[1607, Juni/Juli]. 

2ßQ'^ Freundlicher lieber vatter. Aus communi ad nos data 

/MmV'/w/i.epistola hab ich verstanden ewer begeren, geb ich hirgegen 
zu verstehen, das wir nun wider 8 tag ins paediog gangen 
und nichts verseumet. Sein mir wol zuvor [zu] haus blieben, 
wist das damals doppel so viel ist gestudirt als izt. Die 
pest anbelangt geht (eloquar an sileam?) hundertfeltige ge- 
schrey hie, davon ich doch eilents einen rechten wahren und 
wie ich ihn vernommen hab bericht thun will. Es stirbt 
hie, ja es stirbt und nicht ein wenig, den zum wenigsten 
kein tag ist, das man nicht 1, 2, 3, 4 etc. uf und ab begrab; 
so sein professores ungewiss , wo sie die academiam hin 
sollen legen, were sonst lang publicirt gewesen. Zu dem 
hats der rector lang angeschlagen, aber er sehr ungern hie 
von dannen weicht. So sein auch, wie ich ex communi 
studiosorum famulo vernommen, über die 50 studiosi weg- 
gezogen, so wollen auch Reguli von Braunfels, Hiltmannus, 
Dampf Leunensis heut wegziehen, aber wissen nicht wohin, 
denn sie verstanden, sie solten nach Honigen ad avum, wissen 
nicht obs sey, drumb wölts uns verstendigen. Es geht niht 
ab, ein gros sterben reist hie ein, den es alle Hessen schier 
eingenommen; alle tisch werden verstört und in summa, 
was uns hirin zu thun schreibt uns. Wir wollen doch nicht 
abzihen, es sey den gewis ob die schul hinwegkomme. Da 
den so sie hinwegkompt wir alles verwahren und wie ihr 



geschriben uf Muschenheim kommen wollen, auch was wir 
schuldig ein verzeichnus mitbringen wollen. Ad haec, quia 
spem exemptionis habeo, so schreibt mir doch consilio avi, 
wie ichs machen soll, ob ich, ehe ich wegziehe, a domino 
paedagogiarcha testimonium exemptionis petiren soll, welches 
so er es sich wegert, wölt ich ehe der 7 oder 8 wochen 
halben der schul nahzihen, wen ichs daselbst bekomen konte, 
den ich nun halt anderthalb jähr in prima gesessen. So ich 
nun izt ein weil daheim wer und wider darnah an ein ort 
zihen und wider ins paediog daselbst gehen solt, wer mir 
ungelegen. Kan aus dem paediog so viel studiren als drin. 
Drumb schreibt mir ein brief, den ich paediarchae kan uf- 
legen, ihr bittet, das er uns eximire, so thut ers gern. 
Drum was euch dunckt schreibt. Ich woll das ihr den hotten 
so halt wider heruf last gehen, das wir wisen woran wir 
weren, den wir niht ein tag gewis sein. Unser haben halt 
4 gekocht: ego, Lör major et minor et Weissei. So haben 
noch zu kochen Eidel, alter studiosus, Rehe Lichensis, Faber 
Muschenheimensis, und so unser 2 der schul nachzögen, so 
müsten die auch hernach die kochten. Man hat heut, da 
ich den brif bekommen, wider 3 begraben und 2 aus einem 
haus. Es ist ungewis, in wie viel heusen es ist, wölt sonst 
schreiben. Ich hab dem hotten so etwes ufgelatten, den so 
ich ja heimziehe, ich der last zu tragen leichter wer. Ich 
schicke euch 4 bticher, 2 hemder, 1 krag, 2 nachthauben, 
das new wams, den ichs niht durf den es gewis das wir 
niht hie bleiben. Die andern sein niht hie gewest, betten 
auch wol etwes ufgeladen; hett ich ihm den noch etwas uf- 
geladen ^), das möcht ihm nicht gefallen haben. Können 
aber doch noch underdes botschaft zu tragen bekomen. Weissei 
hat noch 6 tag zu kochen. Auch 2 schneubtuch, der ich 
ja noch 3 hie hab, und so wir hie bleiben, kann ich des aller 
entrathen, so wir aber heim ziehen, hab ich es zum besten. 
Ich hab noch 1 g. 3 h., [so] ^) wir weg[ziehen] ^) kan 
ich mir ein buch oder 2 gekaufen. 

^) Ufgeladen hett was ich ihm gegeben hett, das tautologisoh Or. 
«) Fehlt Or. 



336 



20. Pest. Küche. Wein. Schule. Kleider. — 1607, Okt. 22. 

1607, Salutem plurimam. Freundlicher lieber vatter. Wenn 

Okt. 22, jjjj. gajjjpt (Jen, unsrigen noch alle wol uif seidt, ist mir es 

ein grosse frewd zu hören. Mich belanget bin ich, Gott 
lob, noch wol uff frisch und gesundt. In ewerm izt an 
mich gethanem schreiben hab ich verstanden, wie das ihr 
erfahren, es fange die pest allhie zu Marpurg ufs new an 
zu grassiren, solches aber wie wenig es der warheid gemes, 
so wenig acht ich es bald noth davon zu schreiben, denn 
in mancher zeitt kein mensch hie gestorben, auch man von 
keinem sterben mehr weis. Das kochen belangendt haben 
wir die halbe zeit gekocht und hofen auch in diser gantzen 
zeit uns nicht vonnöthen sein werde, ohne kaesz. Unsere 
commensales belangendt habt ihr sie hie zu vernemen: ego, 
Löer uterque. Weissei, Lisfeldt, Faber, Michael ille Wilfers- 
heimensis ^), expectamus adhuc Camerarium Buzbazensem. 
Wir haben holz gekaufft und haben of gros pitten magistri 
Caspari Löers ejus filium bey uns genommen. Es sein uns 
zukommen 4 £b liht; diselbige spricht Johan Conrad seyen 
sein, doch sollen sie gegen den wein queit sein ; solhes ich aber 
gar nicht begert, dürft derwegen nihts mit was ürseln 
handelin, welche sie geschickt, den wir uns privatim den 
wein wölln nutz mähen. So haben selbst wir ein & gehabt, 
dargegen sie auch 5 ß müssen kauffen, mit welchen 10 S 
conjunctim wir wol wollen disen winder uns behelfen. Es 
sein in prima 26, desen Weysel 19, in secunda sein 40, in 
minori paedagogeo etlich und 50. So bin ich noch primus ^). 
Es ist magister Caspar Löhr an Ellero gewest, denselben 
angefangen zu tribuliren mit dem kochgelt, so hatt Eul sich 
erboten 20 albus zu geben, er aber noch nicht zufrieden 
sondern will ihn vor den rectorem fordern. Was sich weider 
zutragen wirdt, ob er es geben wird oder nicht, will ich 
euch berichten. Kann man darnah auch handeln. Summa 



*) Nicolaus Michael Wilfersheimensis wurde am 22. Okt. 1606 
immatrikulirt. 

«) Vgl. n. 22. 



357 

fruor domini paedagogearchae favore et benevolentia; is mea 
quibus potest modis studia promovet. Kleider belangt habjch 
gar kein mangel ohne das meine schuhe sich haaren, denn ich 
die newen halte; so ihr nun das ledder und schuster habt, 
so last mir doch ein paar schuhe und pantoflfeln oder wie 
es euch gefeit machen. Wir haben noch niths lediges, 
wollens euch sonst schicken, wollen aber doch alles uf ge- 
legenheid heim zu schicken halten. Ist etwas das ihr begert 
zu wissen verstendigt mich, will euch widerschreiben. Ich 
hoff ihr seid noch alle gesundt. Et vestram valetudinem 
summopere quibus potestis modis ad nostrum commodum 
conservate. Matrem omnesque bene mihi cupientes mep 
nomine saluta. Datae Marpurgi 22. octobris a. 1607. 

21. Billo um Schuhe, Käse, Obst. Neuigkeiten. — [1607, Nov.]. 

Freundlicher lieber vatter. Ich hoff ihr solt noch all .[I607 
gesund sein, ich Gott lob bin noch wol uf. Johan Conrad -^^'^J 
hat mit dem pulverknecht geschriben, mit demselbigen so 
ihr uns nicht könt geschicken, des uns doch sehr lieb wer, 
bitte ich, wolt es doch mit Gerlachs frawen unverzüglich 
schicken, aber wo eher desto lieber und besser, nemlich 
1. und so ihr sie habt, 2 paar schuhe, 2 kees von 7 £1, den 
sie Christoffel uns gelehnt und er nun kochen mus; mir 
haben vor 10 tagen ausgekocht. Bitt fleisig, wolt solche 
gelegenheid zu schicken nicht vorüber gehen lassen. Und 
so sie es thun will, schickt uns doch ein mest oder 2 biern 
oder öpfel, den die andern all mit ihnen hatten gebracht. 
So wird Johan Conrads vatter ihm auch gelt schicken. Ich 
hoff noch beger den ganzen winter nichts von euch. 

Nova. Mir haben ein newen magister im paediog, 
magistrum Aegidium Schroterum, apothecarii filium. Ist ein 
bott vor Marpurg gar elendig zugericht und geschlagen und 
mit dem leib uf 2 hern land gelegt gefunden, jedoch in des 
landgraven land begraben. Hat ein student ein bawers- 
knecht beym Schwan vorm thor mit eim dolch bey dem 
schulterblat hineingeworfen, der so bald gestorben, er aber 

N. F. Bd. XXUI. 22 



338 

von Studenten und aus dem carcere mit list hinweggebracht *). 
Ist ein man beym Langen oder Weysen stein bey Eirchhain 
erstochen. Ist uf disen marckt einem ein band und sonst 
glieder abgehawen etc. Was mir droben gebeten, bitt wöUts 
uns doch schicken. 

NB. Es hat der edel ^) Agricola, der das pulver euch 
verkauft hat, Christoffeln das gelt vors kochen musen geben, 
auch nicht ein «d^ nachgelassen, drumb wollt es mit Eller 
Jörg dort anfangen oder mir schreiben wie ichs machen 
soll, den w^egen ihres schmehens und scheltens will ichs 
ihrer keinem nachlasen^ quod memineris. Ich hab es in 
eyll geschrieben, bitt wolt der schrift zu gut halden. 

22. Schuhe. Huud. Kochgreld. Kleiduug:. Rechnuugeu. Schule 
zu Hun^cu. Todschlag. Studenteiiauflauf ^). — 1607, Dec« 7. 

lG07y Salutem plurimam. Freundlicher lieber vatter. Ewer 

/ ec. 7, schreiben sampt dem uns zugeschickten zeug, gelt auch ewer 
gesundheidt haben wir mit frewden vernommen. Wisset 
uns alle noch frisch und gesundt. Habt hiergegen zu wissen, 
das ich erstlich der schue halben so plumpfweis gehandlet, hab 
ich gemeint und genzlich verhoffet, weil der Löber auch 
in beysein meiner zugesagt, ihr werdt sie lang bekommen 
und euch uf instehenden winter mit schuhen wol versehen, 
solhes aber das ihr mich hirgegen bericht , so ich es in 
keinem fall gewist, hoff ich und bin der zuversiht, ihr 
werdt bey dem vätterlichen gemüt bleiben. Das ich sie 
aber soll alhie kauffen, ist das schlechste paar schuhe an 
20 oder 22 albus gesezt, derwegen dieweil ihr versichert, 
uf Christag mir zu schicken, will ich mich leiden, denn 
weil das fest izunder nahe ist, mus man den pedellen ein 
new jähr kauffen. Item so haben wir 2 wagen voll holz 
gekaufft, wollen wir noch einen kauffen, das also das gelt 



1) Am 13. Nov., Caesar 10, 26. S. n. 22. 

*) edel und Or. Die Nachschrift a. E. und wie der ganze Brief 
sehr schlecht geschrieben. 

3) Vgl. dazu die eingehende Darstellung der üniversitätsannalen, 
Caesar 10, 26 ff. 



339 

niht am geringsten niht soll verlohren sein, denn ich vom 
ersten gelt noch gehabt, auch dazu ein buch vor V2 g. 
gekaufft, auch im kochen gelangt, das ich nichts schuldig 
bliben , da Johan Conrad an 18 albus schuldt gemacht. 
Den hund belangend haben wir ihn uf 14 tag in der stuben 
gehabt, auch niht mit uns hinaus genommen; da ist er 
einsmals von Johan Conraden unversehens hinausgelasen 
und von Schlesiern ufgefangen , dem wir noch alle tag 
nachstellen, das wir ihn widerbekommen. Das werck an- 
belangt, davon ich geschriben mitt EUero und Agricola, bin 
ich bericht Agricolae als eines pulverhendelers knecht, der 
wolte in die Wedderaw fahren und dan von Honigen pulver 
das sie bestelt bringen. Nun ist der knecht niht nach 
Honigen sondern nach Fridberg gefahren. Sonst hatt ich euch 
geschriben unser kochgelt, so es sich thun lies nu einzuhalden, 
so ihr aber es vor unnöthig haltet, ist es mir wol genügt, weil 
er auch Christoffeln hat geben müssen. Sonst ihr schmehen 
belanget, ist es nur darumb, weil wir niht bey ihnen haben 
wollen wohnen noch kochen, solhe beide aber der paediarch 
niht haben wollen. Solches aber wörtlich zu melden, ist zwey- 
tracht zu vermeiden villeicht niht nötig. Meine kleider be- 
langt bin ich huud und ander kleider halben wol zufriden, allein 
so ihr mir entweder fuddertuch schicken wollet, so wölt ich 
alhie mein braune hosen wennden oder mihr mähen lasen, wo 
niht mir eine schlecht paar borchen hosen uf ein gewis zeit 
mähen lassen. So will ich euch alsdann mein grawe hosen 
und das weis borchen wambs zurückschicken, könd ihr Carlen 
ein kleid draus lasen mähen. Den mantel belangt pfleg ich 
seiner so fleisig ich kann und behelt er seine haar noch zimlich, 
drumb ich es gar vor unnötig halte, ein newen zu machen. 
Jedoch ewer will geschehe, das maas habt ihr sampt dem schuh- 
maas hiebey. Christens zettel belanget hab ich in einsmals 
under den briven hervorgesucht und gerechnet, das uf den 
V2 g., so ich ihm gegeben, über allen abzug, desen er doch 
eines sehr geringen aber qua conscientia gedencket, ihr ihm 
12 albus schuldig bleibt, so es in all flickwerck so hoch soll 

genommen werden wie ers gesezt. Ist der zettel wider ver- 

22* 



340 

worffen und bleibt hiebey, begert er mehr so mus er nfleged, 
afiirmanti enim incumbit probatio. Er hat viel, ja viel lanb 
brot bekommen, der er gar wenig gedenckt. — Den lehzettel 
belangt hab ich ihn von Munchoffman bekommen, aber ihn 
niht zu mir genommen, sondern als mir ihn gegen Eller Jörg 
ufgelegt Niclaus Spar, ewer factor, ihn hat zu sich genommen ; 
wird ohne zweifei bey demselben zu bekommen sein, drtimb 
ihr nachforschung bey ihm könt thun, ob er ihn hab oder niht ; 
so nicht, wem er ihn gegeben, denn es ist gewiss, das ich ihn 
uberliffert. Scholam nostram Honigensem belangt bitt ich 
euch ander guter leut halben umb Gotts willen, last niht zu, 
das officina virtutis, seminarium ecclesiae gar zu boden geht, 
den solhes hat wol gewust der keyser Julianus Apostata, als er 
die Christen sampt ihrem republicam hat wollen vertilgen, hat 
er zuerst die schul der Christen von grund zerstört, certo 
sciens das an schulen herkommen leut, die den gemeinen 
nutzen und die kirch Gottes defendiren guberniren und con- 
serviren können. Darumb thut an Gottes statt beforderung 
gegen die knaben, es geht ja sonst druff, und verordnet so 
etwas zu einem beneficio, exempli gratia Reppio, welcher zu- 
friden das sein dargegen zu legen, das der knab etwas stndire, 
auch der knab selbst bone indolis und ein lusten hat zu 
studiren. Carolum halt fleisig zur schulen gleich wie auch 
mich, des ich euch und Gott dem almechtigen grossen danck 
weis. Das paediog alhie belangt, halt sichs noch im alten 
streich uff 140 jungen uberal. Regulus major ist in prima 24, 
minor in secunda 9, Christoffel in tertia penultimus. Weissei 
in prima 20 ^). — Das wurmeel belangt halt ich es soll gut 
sein, und solt es mit milch oder sonst getränck alle morgen ihn 
eingeben. 

Nova. Es sein in kurtzem umb Marpurg herumb 4 tod- 
schläg geschehen, deren der ein von einem Studenten geschehen 
nichts guts ausbracht. Accipe rem ordine. Als der todschläg 
von etlichen truncken doch einen gewissen . . . ^) und Studenten 
gethan, haben sie den dolch in der wunden hinter dem schulter* 

1) S. n. 20. 
«) Loch Or. 



341 

blat lasen stecken und davon geeilet, da ihnen so baldt mit 
post ist nachgeeilet , und weil sie malae conscientiae stimu- 
lis acti und ufgehalden, haben sie niht von der stat kommen 
können und sein also ergriffen in des schulteisen haus braht 
und verwaht. Als solhes under die bors kommen, mähen sie 
ein Zulauf bey dem haus aber niht intromittirt worden. Zu- 
lezst aber permissu landvogts et rectoris zu den captivis 
hineingelasen, da ein solh wunderlich perlament angefangen, 
der eine der ist hinein, der ander hinaus gelaufFen, bis sie zu- 
lezst als sie andere kleider hineingetragen, den Studenten ver- 
kleidet und mit sich herus gebracht haben, da er alsbald die 
naht ist wegkommen. Sein gesellen wurden ein zeit lang im 
collegio behalden, darnah uf falsche berichtung und fug- 
schwenzen, so dem fursten wider die Studenten geschehen, als 
der fürst ergrimmet, ihn entbotten so ufs schlos ins gefengnus 
zu thun. Welches geschehen. Darauf der ganze häuf studio- 
sorum uf dem kirchhof zusamen kommen, deliberirt, des ein 
gedencken gehabt, es konde niht möglih sein, das sie privilegia 
hetten, den sonst dis niht geschehen wer, den in denselben von 
Carolo quinto vorsehen, das kein student under die weltliche 
band körne. Weil nun solhes wider die privilegia geschehen, 
wer zu vermuthen das nihts wer, sonderlich weil sie suspiciones 
hetten. Die vornembste privilegia der Studenten belangende 
waren vor etlih jähren uf grose bit landgraven Wilhelms von 
Vulteyo einzogen und verpunckelt worden ^), das also landgrave 
Wilhelm die Studenten desto besser packen könne, so sie uf 
kein privilegia passen dörften. Und ist noch einmal den 
andern tag ein versamlung geschehen, zum rector gangen, von 
ihm begert, das sie die Studenten los gieben oder sie wollen 
alle wegzihen, den sie uf der schul nihts mehr nuzen so die 
privilegia weg weren. Daruff ist das consistorium zusamen 
kommen und sein also von den studiosis getriben, die privilegia 
zu weissen, des sie alle uf dem consistorio geweinet, so lang 
druf verharret bis in die naht, das die Studenten, so das ganz 



1) 1575, hera von Caesar im LectioDSverzeichDiss für das Sommer- 
semester 1879. Herrn. Vuitejus war an der Abfassung nicht betheiligt. 
Justus Vuitejus bereits vor dem Erlass gestorben. 



342 

paediog ingenommen und den poeten, so ein oration recitiren 

wollt, warteten aber vergebens. Des andern tags haben sie 

sich umb 9 uhr wider all umb creuzgang im paediog uf 200 

und drüber versamlet, und nach gesehener oration, die der 

poöt gethan und sie darin vermahnt, das sie wollen zufrieden 

sein, haben sie abermal die privilegia begert zu sehen und zu 

lesen, da den der rector einen grosen brief mit einem grosen 

Siegel gezeigt und gelesen, desen inhalt gewest, das Carolus 

quintus 1541 die academi gekrundet, aber von der studiosorum 

freyheid nihts gedaht. Do die Studenten erregt und sie ge- 

triben, das sie wider den willen des fursten die Studenten vom 

schlos gethan und ganz los gegeben, da die sag gegangen, der 

fürst wer der tag ein gewiss kommen oder sey bereits hie und 

wer auch ein oration zu den Studenten thun, das sie inhilten, 

und wer auch über die alte privilegia noch newe hinzuthun zu 

gröstem gefallen der Studenten. Weihes lauter nihts und nur 

drumb geschehen, das sie diese Studenten also ufhilten. Gewis 

ist aber das der fürst, so er niht hie, gewis kommen wird ; 

was dan werd geschehen werd ihr selbst entweder mundlich 

oder von mir schriftlich erfahren. Der fluchtige aber ist 

ofentlich zu halsgericht primo vocirt, das er uf den 12. junii 

anno 1608 erschine und sein sah vertheidige. — Darnah so ist 

auch ein Jäger alhie ersoffen, das pferd aber ist davonkommen ; 

er ist gefunden und begraben. — Wollt ihr ja, das ich gar 

gern hette uf Christag 2 paar schuhe, ein einfehtig mit sampt 

einem sollledder und ein paar geduppelte; item mit der hosen, 

wie euch dinckt, heruf schicken. Kont ihr ein paar kuchen 

heruf schicken, das wir Lilio offeriren, den wir seiner gar 

wol genisen. Schicke matri ein haberman, den sie wol 

brauchen und anlegen kan. Reliquis vero meis et nostris viel 

guts et optima mei officia. Datae Marpurgi, d. 7. decembris 

anno 1607. 



23. Schuhe. Geld. Studenten aus dem Gefängniss entlassen. 

Promotion. — [1607], Dec. 23. 

7, Freundlich lieber vatten Als Leisen Hansen Conrad 

' hinweggefahren, ist Hartmann kurz hernach kommen und mir 



343 

die schuhe braht, so bitt ich euch doch wölt mir zu gut 
halden, das ich so oft drumb geschriben ; sie sein mir eben 
recht, so ihr mir aber wölt lasen mähen, last sie noch ein 
halb glied lenger mähen und neben am ball ein wenig enger. 
— Das gelt hab ich empfangen, soll kein mangel dran sein, 
das ich, wen ich holz davor gekaufFt und dem pedeln ein 
new jähr davon gegeben, den winter aus langen werd. Wir 
haben noch 13 wochen uf examen. Nehst sontag wird Loer 
minor anfangen zu kochen und kocht izt der von Wilvers- 
heim. — Die Studenten sind los gelasen uf vieles ihres zu- 
sammenlaufen und anhalden der andern allen. Der fürst wird 
uf newjarstag herkommen, wie die sag geht, und zu den 
alten privilegiis noch frische hinzuthun. Weihes lauter nihts, 
nur das er die Studenten beysammen halte, das sie sich nicht 
verstrewen, den über 700 Studenten hie sein und an 150 im 
paediog. Die promotion belangt kan ich vorwahr nihts gewis 
schreiben , den Goclenius nah Cassel gezogen , wird ohn 
zweivel den fursten uf die promotion invitiren. So ist gewis, 

das der fürst ^) so den geschefFten vorgefallen sein, 

so mus die pro[motion] *) sein halben difFerirt werden ; will 
gewis mit Dimpels boten verstendigen ; der magister sein 20. 
Christoffel hat 3 korb vol öpfel und 4 stattlihe küchen be- 
kommen, welher so mir genisen, mir sich mit ihm musen 
halden. Die hosen habt zu empfangen, 2 feslin hab ich 
mit ihm geschickt. So ihr mir wolt lasen schue mähen, so 
last sie vom Stumpf mähen. Datum Marpurg d. 23 decembris. 

24. Uiiiversitätsprivilegien. Schöufeld Rektor. Promotiou. 
Ausgabeiirechnaug'. — 1608, Jan. 14. 

Lieber vatter. Ewern briff hab ich bekommen und 1608, 
daraus ew er aller gesundheid verstanden, habt hirgegen hiraus ^^' 
auch unser gesundheid zu vernemen. — Wir haben nechst- 
vergangenen montag aus der oration, so der poet gehalden, 
verstanden, was und wie die privilegia gethan, weihe dise 
seind. Erstlich in einer iedern facultet hat er 3 oder 4 

') Endo der ZeiloD mit dem Siegel beim Oeffoen abgeschnitteD. 



344 

onÜMarios professores gemacht, die fleisig sollen profitiren, 
uff das die studiosi nihts zu klagen, welhes sie vor eines 
rehen. Darnach das solhe arbeit ihnen deste leihter sey, 
hat der fürst de suo et proprio all jähr noch ein summ gelt 
hinzugeschossen, davon ihnen gelohnet; welches Privilegium 
den thut vor die professores. Darnach hat er beschlossen 
alle die coUegia und auditoria zu renoviren, abzubrechen 
und ufs neue zu bawen, auch 4 classes separatim und sonders 
mähen, dazu er ein gros summ gelt gegeben, welche bey 
Vultejo ligt ^). Mehr sollen sie gewarten, wen ins künftig der 
fürst sein alt domicilium zu Marpurg wird einnehmen und 
allhie sein hofhaltung anfangen. Dis is uns in praesentia 
cancellarii, procancellarii, vicecancellarii und der rhäten ver- 
kündet. — D. Schönfeld ist am newen jahrstag rector aca- 
demiae et theologiae professor primarius et ecclesiastes et 
praeco verbi divini Ordinarius gemäht worden, quae officia 
summa cum laude et honore exegit. Postea die 7. januarii 
ist die promotio 20 magistrorum solenniter gehalden, in 
welcher Goclenius promotor gewesen, et filius pastoris Lichensis 
Wagneri fuit numero nonus ^). Mein kleider belangt hab ich 
gar kein mangel ; ih hab die hosen lasen wenden und futtern, 
davor ich 7 albos gegeben. Mir haben noch holz zur notturfft 
und verbrennen es, das mir uns damit betragen können. 
Das gelt anbelangt, weil ich sehe unde proficiscatur et mihi 
mittatur, hat mich bedünkt, es werde meines ampts sein, 
dasselbig erstlich wol anlegen und zu nuz vergelten. Darnah 
auch daz ir wisset, wo es hinkompt, derhalben habt ihr 
Verrechnung über das gelt, das ih diesen winter ausgeben, 
zu sehen. 1. zum kochen hat ich 3V2 gülden, davon ich 
allerhand hier und sonst gekauft; als mir mit dem kochen 
fertig worden, hab ich 20 albos übrig behalden, davor ich 
vor V» gülden ein buch gekauft, welches Goclenius gemacht, 
und der heller werth ; vor die andern 8 albos holz zusammen 

») Vgl. dio ÜDiv. AnnaleD, Caesar 10, 39. Die ZuweDdungen er- 
setzten den durch die Gründung der Universität Giessen entstandenen 
Ausfall an Einnahmen aus den darmstädtischen Gebieten und standen mit 
dem Studentenauflauf in keinem Zusammenhang, 

*) S. Caesar 10, 41 und unten n. 42. 



345 

gekaufft. 2. habt ihr mir wider geschickt underschiedlich 
2 gülden, davon ih geben 9 albos wider vor holz, 7 ajbos 
die hosen zn fudern, 6 albos dem pedellen zum newen jähr, 
welches übrig genug gewesen. Item wider 3 albos ein buch 
einzubinden, 3 albos wider an einem karren holz gelegt. 
Hab derohalben noch 24 albos vom alten und den ^/s gülden 
den ihr mir itz geschickt; wie ichs ausgebe solt ihr hinfort 
verstendigt werden. Den beiz zu machen will ich verschaffen, 
wie ihr mihr geschriben, und euch in kurtzem was er kosten 
wird, verstendigen. Ihr kont uns ja ein mahl ein paar kucheu 
schicken, der wir Lilio einen geben. Proxime plura. Dabantur 
raptim Marpurgi den 14. januarii 1608. 

25. Reise. Einrichtung:. Bruder Karl. — 1608, April 21. 

Salutem plurimam. Freundlicher lieber vatter. Euch 1608, 
sampt meiner lieben mutter hofl und wünsch ich allzeit ^' 
frisch und gesund, wisset mich woU auff. Mit gegenwertiger 
gelegenheid euch zu verstendigen hab ich vor gut angesehen. 
Erstlich aber wist, das wir nach unser ausfahrt durch einen 
unbekannden weg sind noch bis gen Allendorf kommen, da 
wir pernoctirt und folgendes tags umb 10 uhr zu Marpurg 
sind ankommen. Da wir nah genommenem einem freund- 
lichen abschied das new losament ingenommen haben. 
Kann euch auch nicht pergen, das ich nach begnügter meiner 
schuld hab 3 gülden übrig behalden, mit weihen ich wol 
auslangen will, denn vatter Döngel von Langsdorf, welchen 
wir aliorum jussu angesprochen, ein viaticum mitgetheilet 
hat. Wie mir mit dem kochen werden eintreten, will ich 
euch verstendigen. Habt auch hiraus zu mercken, was ich 
euch widergeschickt hab, nemlich die 2 ziehen, einen grosen 
sack, 2 gleinen sampt ewer schuhen, einen wircken leilach, 
einen strumpf, einen korf, ein kann, ein schneubduch. An 
essenspeis hab ich genung, kan vor ein schreckenberger 
50 eyer kaufen, mit welchen ich genung habe; wie es aber 
mit der botter ist, weis ich nicht, den meine motter 2 mas 
hat gegeben, so hab ich noch 3 eicht mas hiroben, so hat 



346 

was ^) Ursula ein mas nur gegeben ; stunde zu vergleichen, 
das wir die irst bekomen, denn wir sonst niht so gar wol 
langen, kan über ein woch oder 7 geschehen. Die bücher 
belangt; will ich mit dem man ufs nehest handeln, das er mir 
was ich ja nothwendig bedarf lasse, binde und borge bis zu 
instehender mes. So ihrs aber ir bezahlen wolt, will ich euch 
hirnehst verstendigen, was sie gekost. Könd ihr, so ihr 
hiruf wollet reisen, mit euch bringen. Des ich also nun Gott 
lob genungsam von euch versorgt und bestelt. Dazu euch 
Gott allzeit wolle bewahren, und seid sampt meiner liebsten 
mutter in seinem schuz und schirm im trewlich bevohlen. 
Dabantur Marpurgi 21. aprilis a. 1608. 

Ih schicke Carlen 4 bücher, 2 nomenclaturas, weihe der 
beste, das er sie consilio ludimoderatoris lehrne, ein bonum 
diem, daraus er wol lehrnen kan^ und darnah ein catehismus, 
da das Deutsch bey, kan das Lateinisch auswendig lehrnen 
in sommer ; er will angehalden und dem Schulmeister zum 
ersten bevohlen sein. So ich bis nechst kom, will ich ihm 
colloquia und ein grammaticam mitbringen, darinn er den 
andern winter anfange. Das er sie fleisig ufhebe und niht 
vertetschele. 

26. Mittagstischeiurichtung" und Bedarf. Lehrer. — 1608, Apr. 

1^08y Salutem a salutis authore. Freundlicher lieber vatter. 

^^* Nechst meines ahn euch gethanes schreiben werdet ihr 
zweivelsohn vom fuhrmann behendigt empfangen und daraus 
allerhand verstanden haben. Da ich den ob oder wie wir 
kochen werden noch nichts eigentlichs geschriben. Mittler 
zeit aber wir sich undergethan und nach geschehener losung 
das los zu kochen mir nechst nach dem der izt kocht ge- 
fallen ist, welches ich auch zu wegern oder ausschlagen nicht 
hab dörfen noch können thun. Ersuch euch derhalben dis- 
mahl freundlich, wie doch dasjenige was wir in unser hin- 
fahrt, beitz aus unahtsamkeid beides weil es niht aller dings 
zu bekommen gewessen, dahinden haben gelassen, mir doch 

*) L. bas. 



347 

so bald als ihr immer könd mit Hangen schicken wollet. 
Denn mein datum zu kochen strackes uf den ersten majum 
feldt, da das wes ich hirzu bedarf, kein verweilung noch 
remoram leiden kann. Was aber noch sey desen ich bedürftig 
wer, ist vors erste 4 G schmalzspeck, 5 mas gesalzen botter, 
wo sie zu bekommen were, und gedörte öpfel oder biernen 

^) es ist undereinander. Es hat ja mater aus den 

erfrornen öpfeln etwas gedört. [Hir] ^) kein gedürte biern zu 
bekommen weren, must sie je derselbigen nemen und der 
guten ein wenig drunder thun, das ich ja etwas bekommen 
mag (so viel als ihr entrathen könt). Denn noch nicht viel 
grün gemues allhie zu bekommen. Dazu ihr auch Hennen 
die eyer, die bey der band gewesen, ufladin könnet, das ich 
sie halb und Johan Conrad halb bekomme, das er also eine 
traglast bekomme. Die zeit aber meines kochens leufft strack 
uf 20 tage, denn unser 7 sind : ich, Löhr, Weissei, Lisfeld, 
Eisenwald Lichensis,^) monachus Grünigensis, Ellerus, alle 
gute kerlen. Dazu wir haben leges sampt angehenckten 
straffen gemäht, das einer koche wie der ander; keiner den 
andern beleidige noch verleze noch einigen anlas zur un- 
einigkeid oder zanckerei gebe, nach welchen klein und gros 
sich richten müssen. Es geht im handel, das wir einen 
paedagogum zu uns ins losament bekommen, ein gelehrten 
kerlen; da wir den von euch begeren zu wissen, wie woll 
ewer meinung sey, das wir ihm nah der stuben und bett ein 
b . . tens^) an gelt sollen thun, das wir sich bey dem pae- 
diarchen darnah wissen zu richten. In summa ob wir ihn 
disraahl bey uns ins haus sollen nehmen oder zu ihm gehen, 
ist sehr nothwendig zu wissen. Darumb uf dis mein schreiben, 
so bald ihr immer könd, mir sampt dem begerten zeug 
widerantwort schicket, denn wir ja sonst ein eignen botten 
wolten hinabschicken. Es sizen allhie uf 15 facinorosi und 
gefangene, deren 2 Marpurgenses und sonst noch einer von 
tag zu tag vermeint werden, das sie hinausgeführt und mit 



^) Endo von 2 Zeilen ausgerissen. 

2) Trat 1604 ins Paedagogium ein, Matrikel f. 85 n. 9. 

^) Unleserlich. 



348 

dem rath und virtheilen werden hingericht werden. Dises hab 
ich euch dis mahl nicht wollen verhalden, und erwarte eines 
gegenberichts und bescheids. Und seid dem almechtigen 
sampt meiner lieben mutter und allen den unsrigen in den 
schuz Gottes bevohlen. Dabantur Marpurgi raptim anno 
1608 die aprilis. 

Was und wie mir es in dem kochen wird gehen, will 
ich euch ins künftig berichten. Bitt wollet dem hotten den 
lohn geben. 

27. Lehrer. Kleidung. Fttrstliche Verordnung. Verbrecher« 

1608, Mai 6. 

1608y Freundlicher lieber vatter. Ewer schreiben sampt desen 

Mai 6 .... 

inhaldt und geschickten victualibus ist mir wol behendigt 

worden. Und hab aus dem brif verstanden, wie mir es mit 

dem vorgeschlagenen privato machen sollen, welhem bescheid 

mir also wollen nachkommen, den mich ja sonst der kerlen 

nicht viel lusten in unser stuben haben deuchte. Was ihr 

mir geschickt, ist dasselbe ufhebens und verwahrens werth, 

will derhalben dasselbe zum fleisigsten und trewlichsten uf- 

heben und verwahren. Ich schicke euch allhie zurück die 

Schachtel, 2 alte hembden, ein meelsack, ein paar willne 

underhosen, vor welchen ich das willen hempt uf den winder 

halld, ein tuch, ein säcklinn, ein topfen denn sonst gar keines 

mehr ledig, Karlen ein Schreibzeug, das er ufheb (man ^) mus 

es ufschrauben). So der mantel gemacht wird, so last den 

kragen etwas breit und lang machen und mit schnüren fuglich 

besezen, und das er etwas gefalden werde. Ih weis Gott lob 

nichts des ich bedarf; mit den buchern hat es kein noth, 

denn ich sie geborgt kan bekommen. Ih weis vor dismahl 

gar nihts weider zu schreiben ; ist etwes so bald ichs in 

vestrum adventum. Und seid sampt matre carissiraa Gott 

in seinen schütz bevohlen. Datum Marpurg den 6 maii 1608. 

Der fürst hat offendlich lasen befehlen, alle das geströh 

und hew, das das volck vor der statt in den heuserlin hat 

*) Zusatz a. R. 



ligen, in die statt zu schaffen. 2. soll kein bürger bey 
schwerer straff über naht ausbleiben. 3. sollen sie allen 
treck und gehölz von der gassen schaffen, das sie rein sey. 
4. sizen 3 kauffleute hir gefangen, weihe einen, doch ungern, 
erschossen. So kommen alle tag uf 9 oder 10, der woU uff 
30 all hir sein, und bürgen wollen werden. 5. Von tag zu 
tag wart man, wo man 3, so zum rath und virtheilen, und 
ein Zauberer arzt, so zum brennen verurtheilt, hinausführe. 

28. Mantel. Geld. Haudschuhe. — 1608, Mai 20. 

Patri suo quem novit semper ut fidelissimo ita dilectis- 1608, 
simo et in perpetuum honorando epistolium hoc ad proprias 
advolet manus. 

Freundlicher lieber vatter. Ich hoff ihr seid allesampt 
noch gesund ; mich belangend so bin ich Gott lob noch wol 
auf. Ich hatt uf den mantel diese pfingsten gewartet, weil 
ich ihn aber niht bekommen, hats nun kein noth ; dörft des- 
wegen kein eigenen hotten herschicken, sonder so euch villicht 
gelegenheid vorstöst, denselben sampt dem andern mir zu- 
schicken. — Das gelt belangt, hab ich 2V2 gülden gehabt, 
davor ich gekocht und nun fertig bin. Das ich nun dis nicht 
allein ufs kochen gewand sonder auch darbey sonst ausgeben, 
ist nicht ohn. Derhalben ihr auch villeicht wissen werdet, wie 
der Johan Conrad begert hat, den keiner ohne 6 gülden kann 
auskochen, derhalben ihr mir so viel der beutel leidet mit 
nächster botschafft schicken könnet. Mich wundert, dass 
Bellersheimensis ^) so wol mit gelt steht ; er hat izt ein golt- 
gulden bekommen und hir zuvor 3 gülden nah gethaner be- 
zahlung gehabt, und geht dis sein kochgelt nicht ahn, den 
so er kocht er speciatim noch anders bekompt. Ewers ge- 
habten Unglücks und gelidenen Schadens izt unnöthig ist zu 
gedencken, allein Gott sampt euch wache und hütte, daz 
gröser Unglück abgewendet werde. Vor die handschen sag 
auch grosen danck, will in gleichen matri was sie begert 

1) Lisfeld. 



350 

hir verschaffen. Ex hisce paucis jam vale. Datae raptim 
Marpurgi a. 1608 20. maii. 

Hodierno ^) die quatuor facinoroöi variis iisque acerbis- 
simis mortis generibus affecientur. 

29. Mantel zum Aboiidnialil. Widmung oinos Camiou. L« Moritz. — 

1608, Juni 17. 

lOOS, Salutem plurimam. So es euch noch woll gehet, lieber 

' vatter, wer es mir lieb; mich belanget bin ich Gottlob noch woll 
uff. Dismahl euch ettlicher sachen halben zu schreiben hab 
ich vor gut angesehen. Und erstlich den mantel belan- 
gend sampt den hembdern und kragen wer es mir lieb das 
sie verfertigt und mir zugeschickt werden, denn ich des 
mantels in 14 tagen bedürftig, weil ich zum nahtmahl gehen 
will. Darnah gegenwärtig packet belanget, hab ich so ein 
geringes Carmen nah gelegenheid der zeit, weihe ih dem 
studiren hab abbrechen dürfen, gemäht, verfertigt und euch, 
wie es von altem herkommen, sampt altvattern und dem 
keller gebunden, welhes ih verhoff, mir werdet zu gut halten 
und es vor gut nach der kurzen zeit, die ich dazu gehabt, 
annehmen. Altvatters brif belangend ist dis fere der inhalt, 
das ich mich excusire, diweil ich hiobevor so gar nihts nu 
oder einmahl geschriben, und zugleich auch warumb ih selbes 
Carmen euch hab zugeschickt ; das ih aber drinnen bisweilen 
gesezt, weil ich euch gebunden, so ist es billich, dass ihr 
euch löset. (Habs aber gleichwohl so deutlich niht gesezt 
sondern es obscure etwan berurth.) Dürft euch niht ver- 
drisen lassen, als wenn ich villeicht munera affectirt, sondern 
wisset das solhes moris ist und ich oft und vil mahl in andern 
carminibus derglichen gesehen. — Von Mauricio wer vil za 
schreiben aber ehe etwas hir geschiht, ist bey euch groser 
denn es je gedaht ist worden. Als er ist seiner fürstin of 
ein halb meil entgegen gezogen, hat er alle nobiles studiosos 
allhie uf pferden mit sich genommen und darnach zu hoff 
ad caenam invitiret. Kein gassen, kein winkel oder kein ort 

*) Auf der Rückseite unter der Adresse. 



351 

ist in der stat, da er niht hinkrieche. Er hat dem ausschuss 
lasen sagen, wo man das zweyt mal mit der trummen wird 
umbschlagen, das sie in ihrer rüstung fertigt werden, das ich 
halt, sie sollen villicht einem zugeschickt werden. Weis dis- 
mahl euch niht mehr zu schreiben. Datum Marpurg 
17 junii a. 1608. 

30. Carmen. Promotion. L. Moritz. Ausgaben. Todesfälle. — 

1608, Jnni 28. 

Freundlicher lieber vatter. Ewer sampt dem zuge- 1008^ 
schickten gezeugt hab ich woll behendigt empfangen, 2 krag ' 
2 hembder und den mantell, mit welchem ihr euch gnung- 
sam und woll gelöst. Sag derhalben sampt matri grosen 
danck davor. Altvatters briff belanget hab ich denselben, 
gar kurz und succincte geschrieben, woll verstanden und hat 
mich daruff nicht gespizet, war auch das Carmen derhalben 
nicht angestellt, aber weill es also ist, ist nicht auszuschlagen. 
Hab ohn noht gehalden (ob es sich woll gebühret) gratias 
ihm darvor zu sagen, soll keines wegs gleichwoll underlassen 
werden, es geschehe per literas oder coram, denn die zeit 
unsers adventus ist sehr kurz, in 6 oder 7 wochen. Omni 
enim tempore per tesquam hirta per saxa per ignes tibi, avo 
nostrisque universis mea constabunt officia, meo nomine tarnen 
gratias pro misso munere ut maximas ut diligentissime referre 
et me omni tempore relaturum esse significare non gravaberis. 
Mein Carmen belangend, vatter, findet sich je und alle zeitt 
Momi und Coili, welche etwas im hirn haben stecken, tibi 
sit dictum et a filio dictum accipe: es thut manchem in 
sein äugen wehe, ubi splendor aliquis virtutis aut eruditionis 
(quod a te sine invidia intellectum, a me vero sine arrogantia 
dictum esse accipias) in aliquo elucet. Haec dicta sufficiant. 
Und dörften woll ettlichen sagen, ich hab gethan wie die 
kräe (taceas velim), den als die krehe gesehen, das sie ganz 
schwarz fettern gehabt, hat sie alle vögel gebetten, das sie 
ihr doch wollten der bundachten fettern mittheilen, das sie 
ihr leib auch zieren könne, daher bey uns ist ein Sprichwort 
bey uns entstanden, ornare se alienis plnmis, welches pro* 



352 

verbium mir izt auch etliche dürften vorsingen. Haec omnia 
perplacida et porrecta fronte animoque legis velim. Gelegen- 
heid und ursach meines carminis haec sunt. Als Johan 
Conrad heimgezogen die pfingsten feyertag, da dann mir ge- 
meiniglich mit unsern büchern inducias oder ein stillstand 
mähen und rebus sacris abwarten, so ist dis modus animum 
relaxandi optimus, das man etwes lustig vor sich neme zu 
tractiren, damit der unlust und verdrus, so sich die zeit über 
in animo gesamlet, vertriben werde. Welches ich auch ge- 
than, welches Carmen ich auch gemacht, ih und kein ander. 
Ut vobis certius et liquidius constet, will ich, so ich komme^ 
all die Charten und brief, da ich es uf corrigirt und compo- 
nirt, mitbringen, da ihr den mein und niht eines andern 
werck erkennen sollt. Ja über das, so dies noch niht genung 
ist, weil ja mir in den feriis müsig gehen, will ich alles 
mistrawens und zweifeis zu verhüten, simile specimen mähen. 
Lieber vatter, dis versteht niht dahin, als wer es aus rhum- 
reisigen und hochprächtigen herzen gered, sondern das es 
mich verdreust, wenn man dergleichen etwes versucht, das 
den ein ander die nas drüber rumpelt ; pisci velim dictum sit. 
Zum letzten mein Carmen zu vertheidigen, neme ih alle die- 
jenige zu zeugen mit den ich umbgehe ; so ich komme wollen 
mirs weider erörtern, lila vero opinio animum tuum irrepat 
nolo, als das ich dem andern studiren abbrehe und solhem 
ding abwarte, solhes hab ich horis succisivis und neben- 
stunden gethan. In unserm coUegio hab ich 2 mahl latine 
declamirt und werd in vier wochen graece, welches ich den 
von domino magistro und paedagogearcha bescheiden, auch 
declamiren ; wils alles mitbringen, andere drüber lasen ur- 
theilen und zu defendiren mich understehen. Has literas, 
quas ex animo arroganti scriptae non sunt, vel supprimas 
vel paucis legendas communices impense etiam atque etiam 
rogo. 28 junii wird ein doctorat hie gehalden werden, da 
2 doctores juris werden promoviren; 1. Franciscus Klein, 
civitatis Goslar in Saxen syndicus, welher Goddei dochter 
genommen und doctorat und hochzeit mit einander helt. 
2. David Gurnofius auch juris. Cui solennitati princeps ipse 



353 

intererit^). Praesentia principis Mauricii hunc locum studiis 
et reliquis rebus reddit exoptatissimum. Mein schuld be- 
langend hütt ich mich so viel als ich kann viel schuld zu 
mähen. Ich hab mein Johannen wie auch noch andere 3 
musen lösen. Was dis halb jähr uf den tisch, weil er etwas 
gut gewesen, ist ufgangen, will ich in futurum parcius in- 
bringen. Register drüber will ich mitbringen. — WeilF) ich 
erfahren, das unser kirsbaum vor andern wol stehen, bitt ich 
sie zu verwahren und einmahen, welches gar kut studenten- 
kost anstad anders ist. Der mantel ist mir gar reht und 
bequem gemäht, will ich ja hoch gnug halden. Ih weis 
sonderlihs weiter nihts zu schreiben. Es sein 3 plözliche 
tod hie gewesen. Ein fraw ist in garten gegangen und tod 
drinnen funden. Ein man ist von der waht vom schlos 
kommen und so bald gestorben. 3. ein man hat ein kutschen 
in ein schewer wollen leiten, und weil die kutschen etwas 
hoch uf einem berglin gestanden, ist er vorn an die geiseil 
gegangen, und als die kutsch in lauf kimpt, ubernimpt sie 
den man und mitten in der schewer ist ein seul gestanden, 
wider weihe sie ihn gedrückt, gerennet und das herz ab- 
gestosen, das er so bald tod blieben. Princeps mustert sein 
volck lieisig und hat ihnen schützenröck laa^n mähen. Und 
geht das geschrei das sie vort sollen. Hisce vale, alias plura. 
Datum Marpurg 28. junii a. 1608. 

Matri propter collaria et indusia missa meo nomine 
gratias age immensas, sentiet illa officia in ingratum non esse 
locata. 

31. Ankunft. Einriclitung. — [1608, Okt.]. 

Freundlicher lieber vatter. Mir sind gesund ankommen [IGOS^ 
und in diesem haus ein ander bequemer losament vor eben das '■' 
gelt ingenommen ; wollen sehen ob wir noch ein bekandten 
zu uns können bekommen. Hie hapt ihr zu empfangen die 
schwartz laden, den kragen, ein par Überschlag, allerley duch 

1) Die Promotion fand am 25. Juni statt, vgl. Caesar 10, 42. 
Dieser Thoil des Briefes ist somit vor Juni 25. aufgesetzt worden. 

2) Der Scbluss dos Briefes ist mit flüchtiger Hand nachgetragen. 

N. F. Bd. XXIII 23 



354 

und sack werck. Ich hab willen mit den schnltlenten gemacht, 
das sie zu friden. Die lectiones sind vor etlich wenig tagen 
angangen. Sontags umb 8 uhr sind mir gen Marpnrg und 
sonabends umb 4 uhr gen Oströ£P kommen, allda pernoctirt. 
Ihr werd mit den andern dran sein etc. Erimns qnod jnssisti. 
Gott mit allen bevohlen. Matri salutem. 

Simon Gorgen will ich erfahren, wie bald die kindtanff ') 
(cum cupit) sein werd und bis nechst ihm zuschreiben. 

32, Geld« Haube. Stipendium. Kfiidtaufc. Kleiduugr. Theuemiig« 

Studium« Koruprcise« — 1608, Nov« 3. 

1608, Freundlicher lieber vatter. Ewer doppel schreiben 

^ ' ' sampt eingelegtem gelt und haube hab ich wol verwahrt be- 
kommen. Das gelt anlangt hab ich davon bezahlt und was 
übrig blieben zu mir genommen, dasselbige zu meinem nuzen 
zu brauchen, und will dasselbige also tractiren^ das ich so 
lang ich immer gereichen kann, davon ausgeb. Wir haben 
2 wagen voll holz vor zwen röder gülden gekauflfl, dasselbige 
nah nottur£Ft einhizen, und also leben das wir wissen, das 
ja unser facultas und geringes vermögen ertragen kan. Die 
haube belangt ist dieselbe reht, allein weis nicht wovon das 
kompt, das ich ettliche würm gleich keesmaden draus hab 
sehen fallen und gelesen^), halt aber wohl, wie mir andere 
gesagt, das dieselbige, so sie in die lufft getragen, wird ver- 
gehen. Will derselbigen zu infallender kelte also mich ge- 
brauchen, das sie uf izigen winder niht allein soll gemäht 
und gebraucht sein. — Das Stipendium belangend hab ich 
dasselbe mit grosem lust vernommen, und wist das ich nun 
ein bessere lust und mutigkeid bekommen, solhen ange- 
fangenen cursum philosophiae zu continuiren und vollenden, 
weil ich das zihl vor mir habe, nemlich die 2 jähr, darnah 
ich meine studia rihten will und mus. Dunckt mich aber 
gleichwohl, ihr habt es zu lang binausgestellt, uf anderthalb 
jähr wer mein meinung gewesen. Wie dem allem, was ihr 

») Die Taufe fand am 17. Okt. statt, Caesar 10, 41. S. h. 32. 
*) Offenbar Mottenraupen. 



355 

gemäht und gemäht ist, das ist sehr gut, und wo länger die 
gegebene zeit ist, desto mehrer und besser ioh mein officium 
ausrichten kann. Allein mir das anligt, ob es auch einen 
obligire und verbinde, das ein guter geselle, da ihm gelegen- 
heid ufstunde, von J. G. ^) zu ihren diensten avocirt und 
beruffen v^erde, und also warten wo in J. G. herschafft ein 
gelegenheid vor einen da wer. — Das kindauff belangt sind 
mir den zweyten tag umb 2 uhr hinaufkommen, allda von 
gebraten fleish und wein genung gehabt und daselbst, sie 
volente domino secretario, umb 8 uhr wider haben müsen 
erscheinen, den die caena, weil ein comedia gehalden, sich 
so lang hinaus erstreckt hat. Da mir den Gottlob genung 
gehabt und uns also gehalden, das wie ich hoff kein klag 
wird kommen. Under anderm secretarius gesagt und lange 
zeit mit mir red gehalden, da er den gesagt, es were vom 
generoso auch Vertröstung gegeben, wo das ich meine studia 
wol anlegte und in solhen terminis meines angefangenen 
lebens beharte, wolle J. G. auch gelegenheid und under- 
haldung mittheilen, desgleichen auch andere, nemlich Philips 
etc. vom stipendio gesagt, ich in solhem allem mih ange- 
nommen das ich ettwes davon wüste. Nah gehaltenem essen 
hat er uns zwey mahl bevohlen nechst kommenden morgen 
umb 7 uhr in seinem losament, welhes in domini Vulteji 
haus gehabt, ihn anzusprechen, welhem mir also nachkommen 
und sind in J. G. gemach zwey mahl gewesen, da er selbst 
ist zugegen gewesen ; er aber einen pfalzgraven und andere 
zwen graven bey sich gehabt, da mir denn under andern 
J. G. diener nach der gebühr gestanden. Da auch dominus 
secretarius ahn J. G. kommen, wein holen lassen und mit 
uns zween stando temperanter getruncken, da dan allerhand 
reden und inquisitiones in unser leben, studia und wandel 
von ihm geschehen, mir auch interrogati nah der gebühr 
ihm geandwortet haben. Den process und praht, der in der 
tauff und derselben handlung gehalden und getriben, auch 
andere ufzug und lustiren hernah, haben wir wol, wie auch 

') Ihren Gnaden; der Graf Otto von Solms-Hungen. S. n. 56. 

23* 



356 

andre stndiosi gesehen. In summa [wir sein wol gehalden. 
Den andern abend, weil mir niht nf das schlos geben mögen, 
baben mir mit J. 6. diener nf dem ratbans zn essen gangen, 
daselbst gar wol tractirt worden. — Hett aacb den mekack 
za empfangen *). — Hie babt ibr den scblüssel und ewer 
scbnbe zu empfangen. Die leinen strimpf kan icb disen 
winder, weil icb kein socken oder nibts bab, under die ge- 
strickten strimpf anziben^ und kond meiner docb, so ibr den 
scbubmacber zu eucb ins baus nemet, mit einem par scbuhe 
ingedenckt sein, den ibr was das ein paar genuzt selbst ge- 
sehen ; aber icb bab die läppen an den strimpfen lasen ab- 
nehmen, das sie niht gesehen werden. Es ist alles hir sehr 
thewer, gemus und anders, wegen der hoffbursch, welche in 
der stat hin und wider zu tisch geben und ist nibts das 
mich mehr gerewt, auch von der wurthen uns mehr ufge- 
rnckt, den das wir betten sollen ein paar sak mit ruhen 
mit uns gebraht haben. Sie auch noch sagt, es könne ein 
knecht mit einem pferd uns wol ein sack vol, so icht uns 
zu thun, herufbringen ; niht das sie nuzen davon hett, sondern 
das sie des lauffens und kauffens, des sie viel hett, ohn und queit 
zum theil möht werden. Ihr auch ein man von Groningen 
ein sack vol verheisen, den sie bekommen wird. Stell es 
euch heim. Das instrument belangt hett ihr warlicb darüber 
niht zu sorgen noch zu klagen gehapt, denn icb Deum testor 
wol in 4 oder 5 tagen niht drüber komme noch es uftbue 
sondern dies noctesque in philosophia elaborire, das icb den 
guten berg, der darin zu steigen ist, möge hinder mich 
legen und drüber kommen. Solhes so es geschehen, gehts 
darnah den berg hinab und ist alles leichter. Die frequens 
und menge der Studenten allbie ist sehr gros und viel frey- 
herr, ritter und stattliche kerlen, weihe der academiae zier 
und wolstandt sein. Lectiones, templum et alias spiritus 
sancti officinas diligenter a me frequentari, vitam pro spiritus 
sancti gratia inchoatam continuari^ officioque meo debito 
jugiter me incumbere, victu et amictu pro eo ut possum 
nostraqne facultas patitur, me uti et frui omniaque fine 

>) liost des Blattes, 3—4 Zeilen, abgerissen. 



357 

considerato fieri scito. Quicquid agis prudenter agas et 
respice finem, nam moderante Deo prospera cuncta cadunt. 
Matrem cum omnibus nostris carissimam bene valere meo 
nomine jubete. unser stuben anbelangt haben mir noch 
kein stubengesellen, den was zusamen will, das thuts und 
bestellte bey zeit ; wiwol wir ihrer betten können bekommen, 
so sie gar köndlih und vor uns waren, jedoch ist das precium 
tolerabile und studirt sich auch desto ruhiger, wo weniger 
in der stuben bey einander sizen. — Der rosenobel niht 
mehr als 6 franckfurter gülden hat gelden wollen. So ihr 
mir ein ledlein wolt lasen mähen, kond ihr bestellen, das 
es niht zu gar klein gemäht werde, aber das es fest und 
vil verwarth sey, den es alhie zu Marpurg vonöten thut, so 
will ich das wider euch zuschicken, den ich so viel dran 
verhüte als ich kann. Meinen gröwen mantel brauch ich 
zuweilen, so man in die erst lection morgens, do es finster 
noch etwes ist, und so ich bey abend oder sonst in regen 
und ungewitter gehe, auszugehen ; ist doch noch starck und 
vast genung hirnechst ihn sonst zu verkleiden oder zum rock 
zu gebrauchen. Das körn marpurger mas wird wie er sagt 
um 2 marpurger gülden verkaufft; der waiz marpurger mas 
umb 2 V2 gülden; sagt darnah, betten ihrer etliche 900 achtell 
körn umb 2 gülden 4^/2 albus gekaufft zu Weisell ^) beyn 
commeder ligen, und aht den weiz ein wie den andern, 
wolle auch weiz hirumb gewachsen lieber zu backen brauchen 
den der von uns. Datum Marpurgi a. 1608 d. 3 novembris. 

33. Hausluiltuug. Wirthiu. Reise nach Braunfels. Promotion« — 

1608, Dec. 3. 

Hat ivegen Mangel mi Oelegenheit lange nicht geschrieben. 1608, 
Weil! dann das gewohnliche datum und termin vor der thuer * * 
ist, da man aus frisch ingesammleter speis der haushaltung 
den Studenten pflegt mitzutheilen und zu schicken, und aber 
zu besorgen, das ihr niht so woU wissen mögt als mir die 
es allliie betrifft, als hab ich was mich anbelangt vor gut 

1) Niederweisel, Jobt^niterkomtliurei. 



358 

angesehen, euch ein kurzen catalogum za schicken, das ihr 
desto besser euch zu richten wisset. Hat sich bisher mit 
dem MHgenommeneii (2 Käse^ 2 Mass Butter, 2 Schinken 
U7id 1 Mass gesalxene Butter) beholfen und bedauert nicht 
mehr eingepackt xu haben\ bittet um Zusendung von frischem 
Fleisch, Würsten und was ihr habt, und namentlich um einen 
Topf Schweinefett, den dasselbig so viel ich mich dmff 
verstehe, die gemüs zu bezwingen nuzlicher. Femer Linsen^ 
Oerstenmehl, Rübe?i, Aepfel, Möhren etc. davon ich newiich 
geschriben. Und ja nicht meinen, das solhes unser bospitae 
zu vortheil oder nuz gereichen sole, den wir ja achtung dmff 
geben. Die hospita, weihe vor allen meinen gehapten 
wirthinnen mir gefeit und sich sehr woll umb uns verdinty 
hat um ein kauden flachs oder etlich gebeten^ derobalben 
ihren guten willen und zuthetigkeid gegen uns zu behalden und 
zu continuiren, will ich mein und ihretwegen sehr fieissig 
und hefFtig gebeten haben, ihrer ohne vergess mit ettlichen 
kauden gebüzter flachs, wie vill ihr sein, 6, 8 oder wie viel, 
zu einem newen jähr ingedenckt sein und mit nechster bot- 
schafFt, denn ich ihr gut Vertröstung gegeben, mir allhier 
zu schicken. Bittet um Bescheid, ob er in den Christtagen 
die in den Ferien stets verschobene Fahrt nach Braunfek 
machen soll. Regulus ivill 7iach Hause gehen und dominus 
praefectus, unser patte, hat ihm urie schon öfters befohlen^ 
mich mitzubringen ; hat daraufhin das euch bewuste Carmen 
verfertigt perpolirt und continuirt, um es ihm xu überreichen; 
tvürde auch noch andere Braunfelser xu Oefährten haben, 
Obn das die nechst kommende Cbristag mit feriis und 
promotionibus zubracht werden, und izt bereit, den 1. de- 
cembris sein coronirt 2 doctores juris, Andrecht, des canzlers 
söhn von Cassel, 2. Pistorius von Schwert aus Westphalen, 
3. Aizen von Hamburg, juris licentiatus. 2 doctores medicinae, 
1. Moltherus, da ihr von wist, der bey euch einsmahls ge- 
wesen, 2. Truppius von Hamm aus Westphalen '). Der 
Studiosus davon ich newiich geschriben, hat aus dem carcere 
gebrochen und sich nach Giessen gemacht; ist die sag, er 

») S. Caesar 10, 42. 



359 

sey da ingezogen, weis niht, obs sey oder niht. Mein stuben- 
gesell ist dismahls auch heimgezogen, hat ein pferd be- 
kommen, den einer von den Fidlern zu Weyssel hochzeil 
halten will. Bittet ausser um Fleisch und Gemüse auch um 
ein Paar Schuhe^ einen oder drei gute Kuchen, um eine 
Antwort von Anna Margaretha auf seinen Brief, Marburg^ 
1608, Dec. 3. 

Mir haben sonderlich weil der tertius bey uns schla£Fl 
niht ein so gutten läger, denn wir kein pölbet oder küssen 
haben^ könd uns ja des einen schicken. Item mirmatrem(!) 
ein paar andere leiltücher schicken, so will ich diese zurück- 
schicken, den sie zureis, sollten bald zutretten werden. 
Bittet um Antwort durch Chelius^ wann er die Sendung 
erwarten kann, 

34. Reise nach Brannfels. Chelins, Neujahrsgrüssc. — 1609, Jan« 1« 

Dankt für Schreiben^ Glückwunsch und Uebersendung 1009, 
von allerhand edulia und leibsnahrung und wünscht gleichfalls ' ^^* 
ein glückseliges neues jähr. Die Reise nach Braunfels ist 
unterblieben, iveil M. Martinus ein tag zuvor seim filio ge- 
schriben, er sollt ihm niht sub conspectum kommen ; was 
die Ursachen sind, weis ich nicht. Chelii leben und kost 
belangt, geht er allhie zu tisch, gibt ein woch ein röder 
gülden ; das er bey uns schiäfft und unsers betts usum habe, 
gibt er ein franckforder gülden, denn man sonst ein jähr aus 
einem bett 4 thaller gibt, ein halb jähr 2 thaler, welches 3 
gülden mäht; nun sez ich, wenn mir das bett von einem 
allhie gedingt betten, weil unser 3 gülden wert, is einem 
1 gülden, haben also unser bett verlehnt, wie sie von statt- 
lichen leuten verlehnt werden, da es doch niht also bestellt, 
wie sie allhie gemäht werden. Jedoch er woU damit zu- 
friden und mir uns woll mit einander betragen. Das fleisch 
hat 34 ß gewigen, mustet gegen das newlihe abzihen. AUt- 
vatters buch hab ich bekommen, welhes mir sehr gewünscht 
ist und grosen nuzen daraus haben kann, den darinnen uni- 
versa philosophia begriffen wird. Monachus von Groningen 



360 

aus der Wedderau ist in lezster gehaldener promotion 15 de- 
cembris under den magistris summa cum laude primo loco 
gesezt und creirt worden. Den samen werd ihr in der braunen 
hosen finden. WesseJius ist ein gute zeit her in patria ge- 
wessen, könd mit ihm, si tibi quid in votis est sciendum, 
mir schreiben, will euch certificiren. Munera quae fratribus 
et sororibus strenae loco mittam, sane mecum non habeo. 
Sunt siquidem hac in parte omnes feliciores et beatiores 
praedicandi quam ego, cum quotidie iuo aspectu et communi 
tecum nutrimento fruantur, cum mihi qualicunque portione 
hie sit acquiescendum. Strenam igitur a me cum matre 
accipe animum filialem et tua ad jussa tuaque nuta omni 
tempore paratum ; fratribus et sororibus impertire animum 
fraternum, quem ubivis locorum experientur talem qualem 
desiderant et pro re nata fortunae conditio requirit. Marpurg, 
calendis januarii a. 1609. 

Wollen also bey diessen kuchen und dem andern unser 
Christfest celebriren, davor ich matri tibique gratias sage 
quas possum immensas. Werd allerhand sack und tuchwerk 
neben ettlichen topfen, so ich zurükgeschickt, bekommen. 
Carlen hab ich ein Lobwasser quatuor vocum geschickt, den 
ich ein andern hab ; kann er diesen bald brauchen und 
verwahren. 

35. 

1609, Hat weder Nachricht erhalten noch welche gesandt • 

TP JtM> f)fi 

^ ' ' benütxt den Boten von Miischenheim, um mitxutheilen, dass er 
noch allerhand Essen nöthig habe ; das Uebersandte ist seit 
Neujahr zumeist aufgezehrt; bittet um Speck, Butter, Erbsen etc. 
und da der Bote es dorh nicht tragen kann, so lasst auch 
einige Laib Brot auf den Karren laden, den man bei unserm 
becker nicht allzeit bekommen kann. — Mir aber daneben 
ein wenig pecuniam zu schicken, wenns bey der band, wollt 
euch doch nicht graviren noch vergessen lassen. Marburg^ 
1609 Febr. 26. 



361 

36. Eiilschuldigrt, dass er sclleu geschrieben, — 1609 Mrz. 6. 

Danld für die übersandte Speise; dachte auch ein ^^09, 
. ... Marx 6. 

wenig pecuniolae zu finden aber vergebens, da ich mich nicht 

zu entsinnen gewusst, was wol die ursach sein möcht, denn 
ich ja in einer gutten lieben zeit kein pfennig gehabt; beim 
Abzug Ph Gidden u?id am 1. Jan. 1 Qidden, tvährend Jo- 
hann Conrad iviedei^holt welches erhalten hat und für mich 
hat auslegen müssen. Als ich nun in sothanen suspenso animo 
gestanden, ist mirs ja zu band von dem hotten erzehlt und 
gesagt worden, das weil ich mich nicht so viel bemüht, das 
ich euch schreiben könd. Ey so hett ihr auch so viel der 
weil nicht, das ihr mir etwes schriebet. Welche newe bot- 
schafft mich gar nicht betrübet noch einiges wegs bestürzt 
hat, denn ich so bald in dise gedancken kommen : das hat 
gute weg, wenn kein ander obstacul und schuld da ist als 
eben diese, dem ist wol zu helffen. Hat nicht geschrieben, 
iveil seit Neujahr kein Bote da geivesen und der jüngere Sohn 
des praetor Weisselius, der an die vier Tage hier bleiben 
ivollte^ abgereist war als ich ihin einen Brief brachte. Dann kam 
Magister Caspar Ehwald, Muschenheimensis ludimoderator, aber 
er besuchte uns nicht und ich tvusste nichts wo ihn zu finden^ 
als bin ich under disser occasion hinderher gangen und ja 
unzeitlich zwischen zween stüllen undergesessen ; verspricht 
Besseimng für die Zukunft und hofft, ihr ward mich excusa- 
tum und pristino loco gratiaeque restitutum haben und das- 
jenige darumb es sonderlich zu thun gewessen (pecuniam 
scilicet) mich ultra modum zu cariren nicht lassen, den es ja 
zeit und man bey uns niht umb ein teruncium umbsonst 
etwas bekompt. Dabantur Marpurgi sexto martii, qua ut 
puto dies mens est natalitius, quem adventu hujus nuntii 
partim laetitia partim maestitia recolirt und gehalden hab, 
anno 1609. 

Mein kleider sampt dem andern werk, so ich bedürfftig 
sein werd, wird euch der bott liflfern. Die zeit unser zukunfft 
weis ich so gar gewiss nicht, doch hab ich das datum uf 
sonabend vor oculi {18 Marx) gemäht, denn ja ihr viell 
bereits wegzihen und alle tag nun zihen werden. 



362 

37. Ankunft. Chelius. L. Moritz. Bücher. — 1609, Mai 13. 

Mi 13 Salutem. Wir sindt lieber vatter glücklich nach Vollender 

reis antreffen und ja niht so lang ausbliben, den man aller 
erst 4 oder 5 tag hat lectiones gehalden, welches mir in sehr 
geringer zeit sine ullo labore leichtlich können resarciren 
und vollends sine interruptione ad finem aestatis continuiren. 
Bey unser hospita können wir kochens halben niht wol zu- 
kommen, denn sie sonst neun frembde kerlen (so niht in 
ihrem sondern in einem hart anstossenden haus wohnen) alles 
umb den pfenning kaufft und kochet. Werden uns derhalben 
anderer gelegenheydt zu erfahren und zu gebrauchen von 
nöten haben. Chelius unser vorige und alter stubengesell 
ist nach geschehener Vergnügung der schulden, so uns und 
dem würth zugestanden, avecta suppellectili gen Altendorpf ^) 
ad salinas Hassiacas gezogen, daselbst sein studia zu con- 
tinuiren. Mauricius Hassiae landgravius ist an die 8 tag 
wider allhie gewest und noch hie ; hat bey sich den jungen 
margraven von Brandenburg, weihen man sagt, das er sins 
sey das herzogthumb Jülich, so izt villeicht lehr und ohne 
regenten steht, einzunemen. Georg Ellern köndt ihr uns nun 
heruff schicken, uff das doch einsmals mit den büchern etwas 
gehandelt werde, welhes den kaum, so es seinem anschlagen 
nach geschehen würdt oder kan etc. Dieses zur widerschrift 
zu bringen und euch zu verstendigen hab ich nicht under- 
lassen wollen. Interea omnes meo nomine salvere jubeto. 
Datum Sonnabend vor cantate, anno 1609. 

Ich hab ufl der weg zu Oestroff ein schien welche ab- 
gangen uffschlagen lassen. Meine bücher halb, welche ich 
niht zu gebrauchen, will ich bis nechst, weil izt zimlich 
uff dem kam gewest, zurückschicken, unser hospes ist hoff- 
schmidt, welcher abends und morgents zu haus, die ander 
zeit aber stets uf dem schlos arbeitet. Derhalben mir bey 
disem, si qua opus, können gefunden werden. Johann Con- 
radus ist dabey gepliben, das was ist ausgelegt worden, ich 
halb und er halb hab müssen darlegen. Mein klingen ist im 



*) Allendorf an der Werra. 



363 

auspacken und herufftragen verzollt worden. Ewer hut soll 
verfertigt werden. Mein calendarium, welchen ich wohl ge- 
sucht und niht finden können, so er villeicht sich wider findt, 
mir zu zu schicken wollt euch nicht beschweren. Nichts 
mehr denn euch alle dem lieben Gott bevohlen. 

38. Mittagstisch. Bücherkauf. — 1609, Mai 19. 

Wir haben ebener masen wie Wildius und Löer minor 1609, 
in unserm hospitio nicht wollen kochen, ob wir es schon 
gekondt und die hospita uns und ihnen zu kochen sich er- 
potten, denn sie sonst noch neun studiosos hat, den sie kocht 
und alles umb den pfenning kaufft, und mir mit unserm kochen 
ihnen nicht zu vergleichen gewesen, hetten demnach statt 
er weil warten müssen bis sie fertig und den andern ufge- 
tragen ; lässi sich deshalb gleich den Andern von der Frau 
von Haiis Hector kochen imd hat sich init Joh. Conrad in 
die Zeit derafi getheilt, dass Johann beginnen soll; Johann 
hat seine Vorräthe Z2ir Köchin tragen lassen, die ihm einen 
Sdirank daxu eingeräumt; bittet mit der fuhr welche die 
brawpfann abholen wird, gesalxene Butter, Linsen, Reis (den 
nach geschehener theilung einer 1 0» reis nur bekommen) 
und Kochbutter xu senden, damit ich ja auch Johan Conraden, 
wie er angefangen, mög gleich thun, wie ich den was er 
kocht ufzeichne ; was essig, eyer, grünkraut etc. anlangt, 
will ich hir umb das geld kauffen. Beim Verkauf der Bücher 
des Pastor von Odenhausen hat Georg gener die besten 
fettern ausgeropft und bey seiden gelegt, andetx hat ein 
marburger Student mir vor dem maull weggenommen; ich 
habe eine teutsche ganz übergöUte Herbornische bibel, welche 
Eydel umb 3 ^'^ gülden gezeugt, umb 2 gülden thornus be- 
kommen, und wer zu vermuten auch zu hoffen gewest, ich 
liett sie umb tolerabilius pretium bekommen können, wo nicht 
Weisselius zuvor solhen pact uf dis gelt gemacht hett, über 
welhes ich nicht hab weniger wollen bieten. Zu disem hab 
ich noch 2 in eim band gekaufft, weihe ihn 24 albus ge- 

Eller, ß. n. 37. 



364 

standen, ih vor 13 bekommen. — Die bucher sein gewaltig 
wolfeyl angeschlagen und wolfeyler verkaufft, also das groses 
lauffen darnach gewest ist, sodass Georg aus den besten 
über 22 gülden und drüber bekommen; was nun noch vor 
alte scarteken da sind, wird er schwerlich zu kauff bringen. 
Landgravius Mauricius hat sein Sommerlager allhie zu bleiben 
widerumb ufgeschlagen. Bitte xii Pfingsten ein Paar Sirümfe 
(von einer hübschen färb, welche mir auch nicht zu kurz) 
und ein Paar Schuhe nach heifolgendem Mass xu schicken. 
— 1609 (freytag nach cantate) Mai 19. 

39. Essen. Schuhe niul StrUmpfo. >\eis8cl. — [1609] Jon« 3. 

[1609], Hatte kiirxlich um Zftisendnng von Vorräthen gebeten, 

Juni 3. fif^^y^^if^ (iiß Fuhre, welche die Braupfanne abholen sollte; da 
letxtere nicht fertig tvird, so hat der Ueberbringer^ der kuchen- 
becker, der hier nächstens Korn abholen tvill, sich erboten 
alles 7nitx7ibri7igen, was er erhalten würde ^); es wird aber mein 
datum zu kochen sich anfangen mittwochen nach pfingsten 
über 4 wochen ^), und überall mir sein zu kochen 7 wochen. 
Modum den Johan Conrad im kochen und speissen observiret, 
consignir ich von mahle zu mahle, darnah ich mich dann 
reguliren will, uf das ich ihm respondir und gleich thue, 
denn er uns vorwahr sich wol helt und uf seiner Seiten uns 
zimlich tractirt. Brevis recapitulatio der victualien so ich 
gern hette ist diese: 1. gesalzen botter, denn er ein malzeit 
umb die ander kaes und botter ufFsezt ; 2. honig, 3. reis und 
hirsen 1 !ii, 4. linsen, 5. kochbotter, 6. ein stücklein schmalz- 
speck; soidet das vermisste Mass für ein Paar Schuhe bey 
dem newen schuster zu verfertigen, er soll sie über den reyen 
wol weiten ; bittet um ein Paar Strümpfe von feiner Farbe 
oder um 16 — 17 Bat\en^ damit er sie in Marburg kaufen 
kö7Uie. Es hat Weisselius seinem patri bevohlen, im ein 
paar viol färben zu kaufen, welches er darumb gethan hat, 
das sie sich uf sein kleid schickten. Sed haec clarius. Er 



1) Vgl. n. 38. 

*) Juli 5., s. n. 40. 



565 

ist ebenermasen wie ich (sed mecum est alia ratio) über sein 
kleider respectu aliorum uberdrüsig gewesen, und uneracht 
ob er schon 2 gute kleider hat, er zu einem kleid, inscio 
patre, violfarb lindisch tuch ausgenommen und bezahlt. Und 
weis nicht, ob sein vatter Wissenschaft drumb hab ; hett und 
wollt nicht gern, das ihr es euch vernehmen lässt, denn er 
ja allzeit uns insinuirt und verdächtig helt, wann seiner ding 
etliche an tag kommen, es geschehe durch uns. Und lezlich 
hat er zu diesem kleid ein pariser hut (quod novit parens) 
vor einen königsthaler gekauft, und sagt, hett noch nach 
bezahlung 3 gülden übrig, et quidem in numerato ! Habt 
hiemitt ewern hut zu empfangen, den ich ufs beste hab ver- 
fertigen lasen und 3 bazen geben. Es ist mein neben ge- 
samlet pecuniola, ohne die 1^1 2 gülden, die ihr mir geben, 
schir allgemach uf introitus, so mir hospiti et coquinae 
geben, item uf essig, eyer etc. kauffen usgelaufen. Ein 
kuchen oder zween und meinen pfingstkermes wollt under- 
desen auch nicht vergessen. Wer das duch gebleicht, könd 
mir mater die leilducher und zum paar strimpf flachsentuch 
schicken, will ich sie hir machen lassen. Datum Martispurgi, 
Sonnabend vor pfingsten. 

40. Essen. Geld. Musikunterricht. — 1600, Jul. 4. 

Hat weniger geschrieben, weil er nichts zu melden und 1609, 
bisher auch nichts nöthig hatte, weill ich mit Joh. Conraden *^"^* ^• 
7 Wochen gessen und heut dato solcher terminus ein end 
hat und das officium cibandi mir ist heimgefallen ; bittet des- 
halb, da er mit dem Mitgenommenen (ein eicht mas honig, 

1 mas kochbutter, linsen, reis) nicht auslcommen werde^ um 
Zusendung von gesalzener Butter, Kochbutter, 1 S oder 1 V2 
schmalzspeck. Conrad hat sontags jedesmahl ein pfund grün- 
fleisch oder 4 gekaufft, denn sonst einem solhe 2 waden und 

2 riemen nicht langten, meint ja das ich solhes euch berge ; 
falls die letzthiii erbetenen Schuhe nicht erhältlich^ sendet 
Sohllcder für die alten; inbetreff des Geldes stels nach ewer 
gelegenheid euch heim und bin ja wol zufrieden wenn ich so 



366 

woll als J. Conrad und andere meinesgleichen leidlich haben 
möge.^) — Datum Marpurgi, dienstag nach Johannis welcher 
in julium feit a. 1609. 

Gefelts und dünckt euch gut sein, das ich ein mond 
oder 2 mich läse ufm instrument lehren, kann ich ein monat 
mit einem gülden auskommen, denn ich zwar privatim horis 
successivis et plene extraordinariis, quae omnino a studiia 
vacant, lehrne aber doch, wie man wol selbst verstehn kan, 
sine fundamento^ denn niemand aus ihm selbst ein meister 
würd nisi accedat externa institutio. Und därft ganz nicht 
meinen, das es mir ein avocamentum a studiis sey, den ich 
in diesem fall wol weis was mir zu thun, und hett ir ja 
nicht gern, me sie aliis fieri inferiorem. Expecto responsnm. 

41. Veraiitworliiiigr wogen RosiiioiinUscIieroi. -— 1609, Jul. 16. 

IGOOy Freundlicher lieber vatter. Ewer an mich gethanes 

T 1 ' 1 f* 

schreiben hab ich wol behendigt bekommen und daraus ewer 
meinung vernommen wegen des entführten zuckers und rosein, 
dargegen ich meine resolution thue : 1. ob es schon sich lest 
ansehen als ein ding welches nicht so gar principal oder 
etwas antrifft, doch weil ihr ewer ursach habt, anderwehrts 
euch darnah zu richten. 2. ist dies mein zweyt argument : 
wann niemands mehr wehr in dem hause oder drin gewesen 
als ich allein, da ich daheim war, wers ein ding das ichs 
gethan hett. 3. solches gar nicht uf mich kan gelegt werden, 
denn der korb, darin es alles gewesen, lange zeit uf der 
oberstuben kammer gros und klein im gesiebt und angriff 
gestanden. 4. da es darnach schon in die kist gesezt, hat 
doch die kist alzeit ufgestanden und die Schlüssel drinnen 
gewesen, also das glaublich und vermudlich, das die andern 
auch drüber sein gegangen und zugegriffen. 5. ist es gar 
leichtlich und eine gute ausflucht der straff, wenn etwas be- 
gangen oder geschehen durch mishandlung, dasselbige zu 



*) Am Ivande von der Hand des V^atcrs bemerkt: gesalzen botter, 
*/2 mas honig, 1 mas kochbotter, 7« 8* spek, grün Heisch, newe schuh 
oder sohlleder, 2 gülden gelt, dach zu strumpfen. 



86? 

legen und zu werflfen uff den der nicht vorhanden sondern 

abwesend und sich nicht vertheidigen kan. 6. dunckt mich 

ungereimt sein, das izt allererst ist gespürt worden, das nicht 

ein kornlin da gewesen, als wenn underdes nieraands über 

dem korb gewesen denn izt allererst der gesehen oder sehen 

können was noch da war. Sondern es ist ja bisher noch 

etwas vorhanden gewesen, solches so lange es gewehrt, hat 

man nichts geklagt, nun aber da man es in instanti haben 

soll, spricht man, es sey aller damahls usgetrieben da ich 

drunnen war, da doch dismahls gleich oder under der band 

solhs hat können gespürt werden. 7. schreibt ihr ganz cate- 

gorice, es sey niht ein körnlin von den 3 stücken da gewessen, 

daruf ich andworte, das nicht so gar ohn das ich hab helfen 

mitzehren, aber von den grosen rosinen, welcher doch noch 

zimlich da gewesen ; aber von den kleinen rosinen und meus- 

zucker kann ichs niht bey mich lasen kommen, das solhes 

mir kann heymgeschoben werden, sindemahl derselben noch 

sehr viel da gewesen als ich weggezogen, und ja, da bis daher 

sind noch etwes da gewest, kein klag gefallen ist. Sag der- 

halben paucis, was die grosen rosein anlangt, hab ich mit 

geholfen, also das noch ziemlich etwas dagewesen, was aber 

das ander anlangt, sag ich, hab also damit gestanden, das 

ihr wol und genungsam desselb hett können brauchen. 8. es 

ist gewesen 1 ß gros und 1 ffi klein rosein und 1 ffi meus- 

zucker , welches S 3 bazen gekost ; was das ander weis 

ich nicht. 

Dieses hab ich euch hinwider zu grundlicher resolution 
und Offenbarung der warheidt nicht sollen noch wollen ver- 
halden, aus weihen meinen gesezten propositionibus ihr nun 
selber concludiren und abnehmen köndt, das es gar absonum, 
das sie nun aller erst kommen und solches uf mich legen, 
da doch ein lange zeit verlauffen, in welcher wol hat können 
gespührt und geklagt werden, das nichts mehr da wer. Thue 
euch allesampt hiemit in den schütz Gottes trewlich be- 
vehlen.. Dabantur Marpurgi 16. julii a. 1609. 



368 



IßOO Dank für Brief und EssenspeLä: nechstkommendeii 

jyH]^ freytag hab k-h halb gekocht Hans Hedor und Georg 
Wagner^ Organisi xu Lich^ haben des dechant söhn Ton Lieh, 
Just Wagnern,^) in nechstrerschienen tagen Ennckels, eines 
pfarhers toehter zn Wehm bey Willingen, ein jung meidlräi 
gefreyt, da sie izt hingezogen, den weinkanff zu hald^i. 
Barimann Weissely der mir Geld für ein Aehid Korn geben 
sollte, hat nichts verkauft und einen anreom hinterlassen, dem 
ich mit Johann Conrad iheilen sollte , da aber Johann noth 
halben ihn ganz haben icoUtey obgleich er noch 10 Twmos 
ton seiner Mutter bekommen, so hab ich mich mit ihm nicht 
mögen einlasen. Endlich was &tadere in Ubris anlangt hoff 
ich, es soll kein klag noch mangel sein, aber in instromento 
diseere reqairit nammos, den die docentes alsbald geld wollen 
haben, mos mich also mit mir und bey mir behelffen. Da- 
bantur Marpnrgi mane 5 a. 1609. [Ende JuliJ 

4^ Wäeliterlionier. Ma^. BaeknaBii. BegiBB der TorlesvBgm. — 

[1609] Okt. 24. 

J609 Lieber Tatter. Mir seindt Gott lob woll ankommen und 

[OÜ.24]. niig^f losament ingenommen ; wir hoffen also dies losament 
soll uns bequem sein. Ich hab nach wechterhömem in Tray 
Aolershanssen gefragt, hab aber an keinem ort nichts be- 
kommen können, wie ingleichen kein tranckgrüg, wie ich 
bevelh hatt, hab aber auch keine bekommen können, und 
zugleich auch kein measmeel, denn die apoteckem keins 
wollen verkauffen. Will aber sehen, das ich wechterhömer, 
die ich bestelt, bekomme und will hernach die blechene auch 
lasen machen and euch zuschicken. Die reichsthaler kann 
man vor 43 albus ausgeben. Bachmannus hat uns sein 
theses dedicirt^ scilicet denen allen die den sommer bey ihm 

'j AVurde am 28. Apr. IGOo immatrikolirt, 1606 Magister, s. d. 24. 

*) Johannes Daniel Bachinann Mintzenbergenzis wuiSe 1606 Mai 14 
immatriknlirt und vertheidigte 1609 eine Disputatio metaphysica naturam 
et categoriam entiam rationis exhibens (praeside R. Go<.'Ienio). Sie war, 
abgesehen von 4 Gönnern , adolescentibos stadiosissimis dn. Johanni 



369 

im collegio gewesen sein, drum schreibt mir mit dem hotten^ 
den avus zurückschicken wirt, wider, wie ich mich verhalden 
soll, (doch ^) denck ich, wie sie es machen, also mach ichs 
auch.) Es hat mit dem sterben kein noth mehr. Dasjenig 
was im fäsgen und schwarzen laden ist, steht euch zu. Die 
lectiones publicae sind noch nicht angangen, dan die im 
paediogogeo am montag erst angangen. Die bücher so 
ich hinab schicke kan Carlen brauchen ; ich hab sie uffge- 
schriben und wolt ihm ernstlich einbinden, das er sie ver- 
wahre. Euch alle dem lieben Gott bevehlend, 24. octobris. 

44. Bachmann. Lcbcusmittel. Bücher. — 1609 [Okt.]. 

Uff ewer schreiben hab ich nicht umbgehen können 
euch zu berichten und wisset erstlich, das mir Bachmannum 
zu einem privato wider haben, welcher in seiner disputation 
optime et summa omnium cum laude bestanden hat und uns 
desselben tages, da er Goclenium und andere magistros bey 
sich zu gast gehabt, uns auch geladen, sind auch bey ihm 
gewessen und hat ihm jeder pro dedicatione und vor sein 
mühe den sommer, einen reichsthaler geschenckt, damit er 
wol zufrieden gewessen. Wir haben die zeit ausgetheillet, die 
ich halb kochen will und Johann Conrad halb, drumb wird 
von nöthen sein, das inskünfftig was an einen oder den 
andern heruff geschickt wird, das mir dabey verstendigt 
werden, welchem under uns es zustehe, das es keinen irthumb 
gebe; also hab ich angefangen zu kochen und will so lang 
fortfahren, bis ich noch etwas habe, habe ich nichts mehr 
soll er anfangen bis ich wider bekom. Das gemus ist gewaltig 
thewer hie, sonderlich das kraut, desen jedes haupt, eins ins 
ander 20 ^ kostet, drumb wer es rhatsam, wenn fuhr heruff 
gehet, es sey wer es wöU, das ich noch ein fäsgen mit sawer 
kraut, welches newlig ist verseumbt worden, bekommen 
möge ; item linsen, welche ihr bey dem spengeler bekommen 

Dimpelio, dn. Johanni Venatori, dn. Johanni Busio, dn. Johanni Eberhardo 
Fabiitio, d. Johanni Chunrado Loehr, dn. Heniico Eberhardo Pincior, 
,iC(iualil)us suis et studiorum sociotato conjunctis — amicitiae Signum ge- 
widmet. (Ex. auf der Landesbibliothek zu Kassel.) 
*) doch — auch a. 11, nachgetragen Or. 

N. F. Bd. XXIII. 24 



m 

köndt, den er sie den tag da wir wegzogen^ gewaschen hat. 
Ich hoff, Ehwaldt werd das beste bey Carlen thun und ihn 
in allem fleisig underrichten ; so ihm bücher von nothen thun 
verstendigt mich erst znvor^ ob ich sie noch habe oder nicht, 
ehe ihr etwas kauffet. Halt an^ das ich d. pastoris buch, 
das noch bei Yietori ist, bekommen möge. Last ihr schuhe 
machen, bedenckt mich auch mit einem gutten paar. Matri 
salutem. Datum Marpurg a. 1609 in eille. 

Als ihr mit dem keller abrechnet, was er vor gelt in 
der mes hat vor euch ausgelegt, ist auch mit mir gerechnet 
worden das gelt, welches meine schuhe zu kaufen wer dargelegt 
worden oder nicht, sohls bericht mich mit ehester gelegen- 
heydt. Hat avus der bücher keine, so ich euch consigniret 
hatt, bitt ihn doch, das er mihr schicke oder zum wenigsten 
lehne zu preuchen Peucerum de divinatione; will ihm ufs 
ehest selbst schreiben. 



45. 

1600, TIat wechterhörner und bettwärme bestellt ; der Kupfer- 

^^^' Schmied will die letxtere ohie Stil und uf 4 ff schwer 
anfertigen^ das ß für ^'12 Quklen; auf der Messe sollen sie 
mit Stil billiger sein. Der Keller hat geschnebeUf alle über- 
sandten Rüben und Möhren gehörteyi Johann Conrad; tote 
verhält es sich damit und sind die in Frankfurt gekauften 
Schuhe bezahlt? Fragt an, ob sein Buch von Bon xurück 
gekommen und wo das Buch des Pastors, welches Victor ent- 
liehen, geblieben. J. Conrad hat 7 ß Lichte geliefert, so die- 
selben verbränndt sein, wirds geben an mir sein, drumb ob ihr 
underdes werdet lichter machen oder ob ihr sie wollet drunnen 
zu wegen bringen und mir schicken, verstendigt mich. Datum 
Marpurg, sontag nach Martini fNov. 12) 1609. 

Der Pasto7' von Muschenhei^n wird ohne Frage xum 
Elisabethmarkt nach Marburg kommen oder Jemand senden, 
drum verseumpt solh gelegenheid ja nicht. Ich wölt 1 S 
oder 4 castanien gekauft haben, so werden sie von den krämern 



371 

verkauft wie bei euch ; sonsten wenn sie mit den karren von 
den sälzern hergeführt werden, kann man das pfundt umb 
1 albus bekommen ; will hernach schicken. 

46. Kathschlag: über den Oangr des Studiums. — 1609 Nov. 19. 

Vo?i de7i 4 bestellten Wächterhörnern ist nur eins ge- ^^^^» 
rathen, welches ich euch hie schicke; weisz nicht obs ge- 
troffen oder obs wasz lauten werde. Will das blechene ver- 
fertigen lassen. Bittet durch den Ueberbringer die dem Pastor 
gehöngen und von Victor entliehenen disputationes ethicae 
domini Goclenii zu schicken oder zum wenigsten das wehr 
so es fertig ist, so habt ihr die blauten dagegen widerumb. 
J. Conrad verlangt von mir 2 Batzen^ welche der Keller in 
Frankfurt für Schuhe ausgelegt^ ebe?iso wie er bei dem Oe- 
müsc mihr hat wollen persuadiren, es wäre allesz sein ge- 
wesen ; bedarf noch einiger Rüben und etwas Kraut. Das 
ander belangend bin ich gar woll zufriden wie ihrs macht, 
allein vorbehalden das ich in studio philosophico usque ad 
gradum fortfahre. Darnach auch wenn einer sollt ex professo 
jura studiren, so gehört vill zeit dazu und mus einer vile 
jähr bis ins mannlich alter studiren. Exemplo est noster 
secretarius. Solches aber vill kosten wurde und zugleich 
euch beschwerlich sein, sonst post gradum ein jähr oder 
zwey oder was es were solches zu studiren, ging noch hin. 
Camerarius von Buzbach, der kellersen söhn ^), ein jung klein 
kerlen, hat allzeit Studium theologicum erwehlet und auch 
schir ein jähr die conciones excipirt, nichst desto weniger 
hat er animum mutiret und sich auf Studium juris begeben; 
solcher ist ein jähr nach uns eximirt. Item Emmel Wilfers- 
heimensis ^) auch sich uf jura begeben. Solche sag ich so 
sie ettwes praestiren wollen und zu seiner zeit können 
werden, meint ich, ich wollt, Deo volente, mich dazu acco- 
modiren ; stellt die Entscheidung dem Vater anheim, — Mar- 
purg den 2. sontag nach Martini 1609. 

S. n. 18. 

^) Zwei Emmolii worden 1606 Mai 16 immatrikolirt. 

24* 



372 

Wenn es mit obligiren und verbinden, wie es ja fallen 
möcht, sollt zugehen^ solches würdet ihr ohn zweifei nicht 
eingehen und ich zu gleichem wollt mein sinn nicht conjun- 
giren. 

47. Oellampe anstatt Lichte. NahmngrHmitteL Geld.^ — 

1609 Not. 30. 

7ÖÖÖ, Weil nun die zeit herbeyrücket, uff welche die brawpfann 

fertig zu machen ist vertröstet worden, und mir nun längst 
sich druff gedröstet in hoffnung, wir wurden durch solche 
gelegenheid von haus bekommen, dardurch wir disen winter 
rasten könden, als hab ich euch dismahls nicht underlassen 
wollen zu schreiben, wie mir der licht halben endlichen ent- 
schlossen sein. Sindemahl mir ein geraume zeit hero be- 
funden, das bey solchen übel gemachten gekaufften unschlitt 
lichten zu studieren ein unbequem ding ist und dem gesiebt 
mercklich nachtheil zufüget, als haben mir nach exempell 
anderer hinfort öli zu brauchen vorgenommen. Drum hab 
ich von dem lichtgelt eine ampell gekaufft, wann aber der 
oel hie nicht wol zu bekommen und mir wol wissendt ist, 
dasz ihr rübensamen habt, desen öel sich am allerbesten dazu 
schicket, als wollt ich gebeten haben, von demselben mir ein 
mas zu schicken, welches mir gegen einander wollen abzihen^ 
so mir rechnen werden, wasz 7 ß licht, welche er^) gegeben 
und dan die von mir gekaufte ampel und der künfftig kom- 
mende öel tragen werden ; bittet um einige Laib Brot, denn 
das mitgenommene Achtel Mehl langt nichts (denn es gar klein 
ist gewessen), ferner, falls geschlachtet worden, um allerhand 
für die Ferien, die er in Marburg verbringen iviü; sodann 
um 42 Albu^ Buchbinderlohn, die er uf Christlag erlegen 
muss — Johafin Conrad hat sein Oeld bereits erhalten und 
bezahlt — und um Oeld xum Holxkauf, denn es lest sich 
ansehen, als wolle es ein kalter winter werden ; mird seine 



*) A. R. von des Vaters Hand: 1 mas rübsamon ohli, 2 meste rücken- 
mehl oder ettlich laib brots, würst und grünfleisch, 42 albus buchbinder, 
1 g. oder was sein kann für [holzj. 

«) J. Conrad, s. n. 45. 



373 

Ausgabenrechnung demnächst schickefi^ hat bald Jcein Oeld 
mehr; das wechterhorn und bettwärme wird gewiss fertig 
werden. — Dabantur Marpurgi in die divi Andreae a. 1609. 

48. Oel. Oeld. Abrechnnngr, Petschaft. — [1609 Dec] 

Hofft auf baldige Zusendung des Oels^ um welches e?^ ^^^^ 
jüngst gebeten ; hat inztvischen hier Oel gekauft, welher sehr 
thewer ist ; muss den Buchbinder uf Christag bezahlen, bitt 
wollet mir solhes mit ehester gelegenheid schicken und vor 
mich etwas dazu schiessen ; hat 6 Wochen gekocht und für 
Essen^ Oemüse, Essig, Bier, Sülxe (silzen), Milchwerk, ge- 
sahene Butter, Backgeld und vor alles ander, welhes jedes zu 
specificiren unnötig, 8^/2 Oulden ausgegeben ; femer 1 Oulden 
für Iloh, V2 Ö. für die Ampel und ein nessel Oel, 10 Albus für 
2 Bücher, V2 Ö. zu Martini vor wein mit dem hospite ver- 
than, welhes uns der keller in discessu bevohlen ; 1 g. extra- 
ordinarie ausserhalb dem kochen, 1 g. dem pedellen vors 
zerbrochen wechterhorn, vorn gürtell, hosenbendell etc. ; weis 
balt niht obs euch dises alles also zu specificiren und zii 
lesen lästiger oder verdrislicher sein werde, lasz es derhalben 
bleiben und köndt euch genzlich überreden, das ich alles gelt 
was ich ausgegeben, wol angelegt und es jeder zeit zu ver- 
andworten bereit bin. Hoff derwegen, ihr werdet euch an 
diser ratione expensi begnügen lasen und mich dasz ich 
wider anhalte entschuldigt haben, denn die accidentia mancher- 
ley sein. — Marpurg, 1609. 

Die Bettwärme imrd gegen 2 G,, das blecherne Wächter- 
hörn 10 Albus kosten, ein messingen bittschirring, weihen ich 
euch graben lasse, wol wissendt, das ihr eines kleinen be- 
dürftig seyd, so stehts euch frey, 9 alb. ; ihr könnt das Oeld, 
icenn ihr ivollt, durch Dimpel von Minzenberg schicken, der 
ohne Zweifel in der nächsten Woche heruff uf die promo- 
tionem magistrorum zihen wird. 



374 



49. 



/^^^m Dankt für das Geld, hat Buchbinder und Bing 6e- 

xahlt ; die Bettwärrne soll mit der Braupfanne xusammen 
fertig werden; hatte das Wächterhorn bei einem Bleekarbeiter 
um 10 Albtcs bestellt, der es nach dem Muster der städtischen 
Homer anfertigen wollte; als er aber eins gesehen, hat er 
gemerckt, dass wedder seiner materi noch seines handtwerks 
dran sey, denn sie nicht aus blech gemacht sondern ans 
kupfer gegossen werden, welche arbeit den rothgiessern, wie 
sie genennet werden, zustehet; der Bothgiesser, %u dem er 
hierauf gegangen, fordert 2 schlechte Thaler für das Hörn, 
fragt an, ob er es bestellen soll ; den rinng habt ihr hie ; tmeder^ 
holt die Bitte um ein Mass Rüböl (welher keinen rauch 
giebt); die 7 U Licht, welche Conrad geliefert, kosten 29 
Albus, hat erst 16 verausgabt ; bittet auch um Erbsen und einige 
Laib Brod, die er gleichfalls entliehen ; fragt an, ob er nach 
Beendigung der Kochzeit heimkommen soll, hat noch 7 Wochen 
XU essen; hatte die Schuhe bereits vergessen, hofft mit dem 
mitgenommenen Paar auszukommen^ sie sind mir aber recht; 
hat an M. Ehwald gesehrieben und ihm Karl empfohlen. — 
Marburg 1610 Jan, 16. 

Diese zeitt hero hat ein junger medicus allhie mit 
nahmen Petraeus von Schmalkalden,^) einen dieb, welcher 
zuvor ist gehenckt worden, darnah herab gethan und ana- 
tomiret, das ist den ganzen leib zerlegt und jedes glieds 
natur, ampt und eigenschafft gezeiget, welches 6 oder 7 tag 
gewehret und mir selbst darbey gewesen. 

50. 

j^jQ Erinnert an die in den letzten Schreiben geäusserten 

Febr. 11, Bitten um Oel^ Lebensmittel und Brot oder 1 mist meell 

und an die Frage wegen seines Nachhausekommens^ zu 

welchem ich doch nicht gar so viel lust hab, sondern wollt 

das ich essen hie hett, wollt gleichwohl hinabziehen ettlicher 

*) Er wurde am 3. Jan. 1610 Ordinarius für Anatomie, Caesar 11., 5. 



376 

Sachen mich mit euch zu befragen. Hat von Dimpel 14 S 
Brot enUieheUy bittet, diese und das Oel, welches gar schwer- 
lich hie zu hekontmen, sei es durch den Ueberbringer sei es 
mit der fuhr und geschirr xu schicken, — Marburg, 1610 
Febr, 11 

51. FastuachtsüberfalL») — Keller Löhr. — 1610 Febr. 18. 

Dankt für Schreiben und Sendung; der Kupferschmied leio, 
hat die Bettwärme trotz vielfacher Mahnung noch gar Glicht ^^' ^*^* 
angefangen, sodass die Abbestellung keinen Verdruss ein- 
tragen ivird; wird, wie [der Vater wünscht, nach Hause 
komme/t und sich mit ihm über ettliche sachen berathen; 
möchte aber bald nach Marburg zurücklcehren und alsdann 
die essenspeis für den Sommer mitnehmen; bittet jedoch, ihm 
7nit dem Boten, den der Praetor von Muschenheim in acht 
Tagen 'tiach Marburg schicken wird, ein halb öell zu senden, 
liat von Weisselius ein nessel geborgt; ettlich sack und ge- 
zeug hab ich noch hir sampt dem fäsgen, hab solches diesser 
fuhr nicht mögen uffladen in sorg sie werden unwillig; hat 
das Oeld für die Bettwärme, welches der Vater geschenkt, 
an Weissei, so es nothwendig bedörffte, verliehen und während 
ich mit gelt nicht versehen, hat sich ein solcher fall zu- 
getragen. Weill es izundt um die fastenacht zeit ist und 
allerley handell getrieben worden, ist eben uff den abendt, 
da der keller kommen in der herberg gewesen, da Johann 
Conrad bei ihm gewesen und ich allein uff meinem museo 
gesessen, ist mir, der sich eines solchen ganz und gar nicht 
versehen noch verhofft, ein solcher uffzug und mummen- 
schanz in mein losament gekommen, das ich nicht gewust 
wie mir geschehen. Als sie nun nach gewonheid heraus- 
geschlagen und mich zu spiellen provociret, wie es denn mit 

') Vgl. hierzu das Mandat des derzeitigen Rektors, Landgraf Wil- 
helm, vom Nov. 1610 gegen „Pennaischmauss" und „Dischrückung," 
Caesar 11 S. 10. Die letztere, alter helluationis modus, wird geschildert : 
facto onim tanquam in praelium impetu, gulae studiosi in musea et 
cüticlavia aliorum irruunt, vina adferri sibi poscunt, nolentibus libros et 
vcstinioMta auferuut, ablata aliis oppignorant, qua plus quam hostili vi 
atqiio injuria deterriti novitii quidam et boni adolescentoß hinc discedere 
cuacti buut. Inaudita otiam in hostium castris baibarios. 



376 

solchen die mnmmenscfaantz tragen der branch ist, hab ich 
uff solch beysizen und provocation propter defectum pecuniae 
nicht können respondiren, hab derwegen underdesen zum 
keller in die herberg schicken und ihn umb ein wenig an- 
sprechen lassen. (Wer selbst zu ihm gangen, das börsge aber be- 
reits uff meiner stuben war.) Er aber weil er bereits schlaffen, 
hat mihr entboten, ich sollt den wärth ansprechen, das er 
sein glauben oder gelt vor mich interponiret, wollte er dar- 
nach pro me richtig machen. Hab derhalben, weil ich nicht 
beyzusezen gehabt, die schannz verloren und hab müssen 
ihnen, weicherer sechs gewesen, ein virthill wein verehren, 
denn nicht gespilt haben wollen, auch sie ledig ohne einen 
trunck zu dimittiren, wer mir gewaltig ubell uffgemuzt 
worden. Seind mir doch underdes noch unbekandt gewesen, 
bis sie sich detractis larvis zu erkennen gegeben, und sein 
mir solche kerlen bekandt gewesen, denn sie mit mihr 
in ein collegium gehen und ich zu ihnen gute kund 
hab. — Der keller ist, als er alles uff ein ort gemacht, mit 
etlichen männem^ die mit der sach zu thun gehabt, in des 
Hectors haus gegangen und daselbst in eine zech zum besten 
gegeben, dazu mihr und Weisselio, welcher bey mir gewesen, 
einen boten oder 2 geschickt. Weil aber Niclas krank ge- 
wesen und ich mit dem briffschreiben zu thun gehabt, son- 
derlich aber weil sie all miteinander gar bezecht gewesen, 
denn sie zuvor lange bey dem oberschulteissen gezecht hatten 
und mihr sich villeicht, so mir zu ihn gingen, rabensauUens 
(das ichs also nenn) und altercation besorgten, sind wir nicht 
zu ihm gangen. Welches er euch ohn zweivell möcht mit 
verdrus vorbringen, hab also hiemit wollen praeoccupirt und 
mich entschuldigt haben, sonderlich weil ich den abend zuvor 
mich saatt wein getrunken. — Datum Marpurg d. 18. februarii 
a. 1610. Der keller ist einmahl und ein geringe zeit uf 
unserm losament gewest, villeicht vor vilen geschefften. 

52. Anknnft. Durchzug von Soldaten. — 1610 Mai 3. 

1610y Lieber vatter ! Wir sind sicher und gesund bey gutter 

tagzeit zu Marpurg ankommen und unser alt losament in- 



377 

genommen, können aber noch nicht wissen, wo und mit 
weihen wir kochen werden, haben aber doch ein thei! fleisch 
und anders, das wir ohne einen koch ein weil leben können. 
Der pulvermacher hat zugesagt, in 14 tagen das restirende 
pulver naher Honigen zu liffern, das der von ihm bewilligte 
centner ganz werde. Heut donnerstag werden, geliebts Gott, 
7 doctores juris promovirt ; ihre nahmen aber und wo sie her 
sind, weis ich nit. Was sonsten das kriegsgeschrey und wesen 
anlanget ist es still allhie, nur das vor 8 tagen 236 reisigen 
sind durchgezogen, welche mit 1. Morizen soUdaten und 
ausschuss sind geleydet, das sie den geringsten schaden nicht 
gethan. Sie haben aber nicht sagen wollen, wohin oder zu 
welchen sie ziehen wollten. Nichts mehr dismahl, denn euch 
alle in Gottes schuz bevehlend. Signatum Marpurg 3. maii 
a. 1610. 

53. Mit tagrsti seil. Abrechnung. Ermordung K. Heinrichs IV. 

1610 Mai 21. 

Freundlicher lieber vatter. Ich hoff ihr seyd noch alle- lew, 
sampt frisch und gesund, wisset mich gleichfalls, Gott lob, ^^* ^^* 
noch wol uff. Dismahls hab ich euch verstendigen wollen, 
das kurz nachdem wir ankommen, hir mit börsgen einen 
disch gemacht, da ich den anfang zu speissen gethan und 
hab 12 tag gespeisset. Es sind aber unser 11: ich, Löer 
uterque. Weissei, mag. Bachmann, Hayl von Buchenbrücken, 
Busius uterque, Kreuterus Buzbacensis, Heckman von Langk, 
Faber Muschenheimensis, alle studiosi ohne Löer minor, 
Busius minor und Fabricius minor ^). Hab also mit dem das 
ich von haus mitgenommen wol gelanget und auch Gott lob 
übrig behalten. Allein weil ich Weisseis gelt nicht bekommen, 
Iiab ich entlehnen müssen, zu dem hat er mir uf anhalden 

*) Johannes Heilius Essen hoimensis Wotteravius wurde am 15. Sept. 
160S, Johann Bussius Gambacensis am 22. Okt. 1C06, Caspar Kreutoras 
Butzbachensis am 30. Apr. 1610, Johannes Hackmannus Langensis am 
6. Mai 16 JO immatrikulirt, Christophorus Lhör Bruchenbrükensis trat 1607, 
(leorgius Busius Gambacensis 1609 ins Paedagogium ein, Matrikel f. 110b 
n. 141, f. J?9b n. 138. Die Uobrigen s. S. 295, n. 1,43. Heil war im 
März 1610 in eine Prügelei mit Lithauem verwickelt, leistete aber einen 
Koiuiguiigsoid, Caesar 11 S. 9. 



378 

des tisches solches uf Johannis za zahlen versprochen. Dar- 
nach hab ich auch noch 6 laub wetterawisch brot von Basio 
entlehnet, solches ihr mir wol mit diser fuhr schicken könnet, 
uff das ich es wider gäbe. Ich hab vor ein gülden grün- 
fleisch genommen^ das ich also noch ein Seiten und zween 
riemen dürrfleisch übrig behalden, auch nur an 5 eichtmas 
botter verkocht, hab noch ein ganze mas übrig. Mit dieser 
fuhr schickt mir doch meine bläwen hosen, uff das, so ich 
dise läse machen, ich diselben habe. Desgleichen die spizen, 
davon mater weis, welche ich daheim gelassen, so sie von 
ulla sororum weren genommen oder sonst verlegt; und das 
stück damast wollet mihr schicken, und zugleich mich ver- 
ständigen, ob ich der welschen kragen tragen soll oder nicht. 
So ich soll, könnt ihr mihr ja uffm pfingstmark ein wenig 
leinwat kauffen ; zu einem oder 5 hab ich allbereit. Matris 
gurtell ist schon gemacht, weihen ich ihr uff den marckt 
schicken will. Dieses aber ist ein verzeichnus der ausgab 
meines gelts. 2 g. 12 tag vor hier, rechnet alle tag 8 mas, 
sampt dem zu bierribel und birbrot, alle mahlzeit 4 mas, 
sind unser 11 ; 14 albus vor allerhand gemüs, gersten, grün 
mus, mihrn ; 12 albus vor weck und milch ; 20 alb. vor 
kalbfleisch, das ich bezahlt, item hering, silzen, gelunng. 
Also nun dises mit dem winter Überschlag, hab ich den 
winter in 7 Wochen mit zween 3 g. 16 alb., den sommer izt 
3 g. 20 alb. verthan, mit wenig mühe hab nun noch lange 
zeit ruhe. Einen pfingsthaint kuchen will ich von euch 
bitten und gewertig sein. Und thue euch in Gottes scboz 
bevehlen und seinen segen euch allen und mihr wünschen. 
Marpurg d. 21. maii a. 1610. Item auch 13^2 alb. vor 
anderhalb mas wein mit Ehwalden verthan, welcher uf den 
appelssontag mit uns lustig gewesen. 

Nova vom könig in Frankreich, welcher von einem 
dazu von den Jesuiten bestellten schellmen uf seiner kutschen 
hinder 15 tausend man, welche er uf den musterplaz geführt, 
ist erstochen worden, werdt ihr bereits haben. Mauritius 
landgravius ist allhier und am mittwoch ein stattliche mu- 
sterung mit den reisigen und fusvolck gehalden und die rei- 



379 

sigen gegen das fusvolck schlachtsweis streiten lassen. Ist 
sehr lustig und listig zugangen. 

54. Müuzverhältuisse. L. Moritz. Soldatenmustcrun^. — 

1610 Jun. 2. 

Freundlicher lieber vatter. Ewer gesundheyd und pfingst- ^^70, 
frewden hab ich aus ewerm schreiben vernommen ; wisset 
auch mich noch wol uff. Gott behüte uns zusamen lang 
frisch und gesund. In meinem letzten schreiben hab ich des 
gelts gedacht, desen ich von haus nach abbezahlter schuld 
ungefehr umb zween gülden übrig behalden, welches ich aus- 
geben und noch darzu entlent hab 2^/j g., welches nachdem 
ich ausgekocht, weitter uff allerhand ist druff gangen, nemlich 
Va g. vor 1 Umschlag zu machen, 5 alb. meine calceos zu 
flicken und denn sonst allerhand viel accidentia und extra- 
ordinaria seindt, da gelt zu gehöret, auch zulezst, dasz ich 
bekenne, sit venia verbis, in dieser warmen zeit bisweilen 
ein heller uf ein trunck hier gehet. Auch habe ich das gelt 
von Weisselio nicht bekommen, hab mich vor oder nach 
Johanns tag nicht druff zu warten, jedoch will ich underdes 
zufriden sein. Der eine thaler, den ich mitgenommen, ist 
ein böser thaler gewesen, hat nicht anders als vor ein reichs 
gülden thaler ausgehen wollen ; must mich und dem er ge- 
wesen druff erinnern, das er daruff euch gebe und es ganz 
mache; es gelten aber die reichsthaler allhie gern 44 alb., 
ducaten 2 g. bazen 20 albus, königsthaller 52 alb. Der land- 
graf hat die zweite mosterung uff der nähe bey Marpurg ge- 
halden, da sein reisiger zeug mit dem gerüsten fusvolck in 
schanzen wacker mit einander sich gedommelt, und ist in 
groser solennitet und celebritet zugangen in beysein aller 
doctoren und professoren. Ist kurz hernach uff den muster- 
plaz, welcher um Wezflar soll gehalden werden, mit seinen 
gerüsten geharnischten und kürissen sampt 7 oder 8 Studenten 
gleichfalls gewapnet gezogen, da er bis noch ist und das 
volck mustert, welches so bald hinein wird geschickt werden. 
Der pulvermacher wird die ander woch das pulver lieffern. 
Ich hab dem Vigelio den brieff gebracht, welchen avus ge- 



380 

schrieben^ darin etlich gelt, 7 reichsthaller, gelegen und soll 
in die canzlei gelieffert werden, ein urtheil heraus za bringen ; 
welches sobald es geschieht, soll es euch fürderlich mit der 
quittung zugeschickt werden. Ich hat newlich von meinen 
hosen geschrieben , welche Emanuel izt hett können mit- 
tragen ; nur darumb das ich sie zuweilen anzihe, wenn ich 
die andern machen Hesse. Nichts mehr dismahl denn uns 
allesampt dem lieben Gott in seinen schuz bevehlendt. Datum 
Marpurg 2. junii a. 1610. 

55. Dispntatioii. Kosten. Abrccliiiaiigr* Dcdlcatloii der Thesen. — 

1610 [Juli 21.J 

Hat längere Zeit tvedei' ein Schreiben erhalten, ivohl ^^ 
der Erntearbeiten halber, noch eins abgesandt, weil es ihm so- ^ 
tvohl an Gelegenheit wie an materiam gemangeli\ ist jedoch 
inxwischen gleichfalls fleissig bei der Ernte gewesen ivnd ge- 
doilä sie mm auf Anrathen imd Eimahnung Anderer in die 
Scheuer (boden) xu bringen, dazu denn frembder leute hülff 
mus gebraucht werden, welches ohne gelt nicht geschehen 
kann. Hab derwegen ipsa re urgente nicht wollen nnder- 
lassen, euch mit dessem missiven anzusprechen, ein vatterliche 
und in ehrlichen loblichen vorhaben schuldige hülff und bey- 
standt mir zu leisten. Zwar meine disputatio ist verfertigt 
und wartet ad typographum getragen zu werden, in welcher 
ganzer sach ohne gelt nichts auszurichten ist. Habt aber 
hiebey die particularem computationem zu sehen, wie vil ich 
stücksweis gelts und wann ichs benötigt bin. Anfanglichs 
wenn ich den praesidem anspreche und ihm die theses zu 
sehen gebe, mus ich ein halb virthel weins haben. 2. in 
der truckerey den gesellen und corectori auch so viell oder 
mehr. 3. von einem bogen thesium zu trucken ein reichs- 
thaler, der hab ich 3 bogen. Dieses mus ich sobalt haben. 
Nach gehaltener disputation dem praesidi einen aureum, dem 
pedellen einen albus oder 10 zu leuten; item vors convivium 
und wein vor ein person oder 5 : praesidi, zween Opponenten, 
me et Löer. Und ehe ich disputire, will ich euch wider- 
schreiben etlicher Sachen halben von essenspeis^ knchen etc. 



381 

und könnet wol etwes willdtes zuwegen bringen, solches 
aber kann und mus in 14 tagen geschehen. Hat von Hecior 
keinesivegs 1 g. entliehen, Joh, Conrad hat von ihm 1 Du- 
katen geno7nmen, obwohl er 6 g, hatte als er anfing xu kochen^ 
und gegen 3 g, von Hause 7nithekomme7i hatte; hat von 
Weyssel nichts xzirückerhaltenfUnd mus mir an bezahlung ein 
paar schuhe von seinem würth, der ein schuster ist, lasen 
machen ; hat insgesammt bisher 5 g. 20 alb. (des alten gelts) 
erhalten und davon einen Theil am Johanstag verzecht, ferner 
5 umbschlag und 2 Wischtücher machen lassen, und was sich 
under der hand sonst ausgibet. Mein praeses wird sein der 
alte Goclenius. Nach altem gebrauch aber des dedicirens 
halben deliberier ich mit euch, denn ich zwar derer keinen 
die ich vorschlage, wol praeteriren kann, nemlich 1. suscep- 
torem praefectum Braunfelsensem, 2. avum, 3. m. Martinum, 
4. Anthonium, 5. nostrum pastorem, de hoc dubito et mentem 
tuam scire cupio, si placet, scire velim an sit praeditus gradu 
magisterii ; 6. cellarium, 7. ihr. Wie ich dise Ordnung aus- 
stellen oder mutiren soll, mus ich wissen ^) ; bittet um um- 
gehende Antwort und Geld binnen 2 Tagen, Der landvogt 
Rudolff Rauhe ist vor ettlichen tagen an einer nicht bekanten 
oder gemeinen schwachheydt gestorben, ligt zu begraben. 
Die furstin aber hat zu Cassel ein junges fräwlein geboren ^) ; 
bittet um certum responsum, bonum consensum, opportunum 
successum, debitum auxilium. r- Datum Marpurgi a. 1610. 
Dieses schreiben aber wollet so viel supprimiren, ne 
veniat ad alienas manus, auch so wenig daraus propaliren, 
so viel ihr immer könnet. 

56. Bitte um Antwort auf n. 55« Disputation. -— 1610. Aug. 1.^) 

Lieber vatter. Vor einem tag oder 10 hab ich mit 1610^ 
einem Juden von Minzenperg ein schreiben an euch abgehen ^^' ^* 

^) S. S. 302 f. 

'') Sabine, 1610 Juli 5. 

^) In dorso unter der Adresse bemerkt : Cito, citissime. Bitt 
doch dominum mag. Dimpeiium zu Groningen gantz fleissig, diesen prief 
nach Honingen zu schicken. Wollt ihm newes geschriben haben, wirdt 
solches vom fuhrmann erfahren. Vale. 



UscrK 4««^« i^h^lt, so ihrs bekommen, euch zweivelsohn be- 
kÄmit wJrd «v^JiUs Aber ob ihr langsam oder bald bekommen 
KäM^ viv'i« \<i^ nicht, sindemahl ich mich versehen hett, ihr 
wöivl^tv wio allzeit geschehen, an fürderlichem promoviren 
i^kI^I ttwngt^ln lasen, wird aber die ursach sein, das das 
^-^hir^iiWn Hich langsam zu banden kommen. Geh derhalben 
UW m^woriale ahn euch und halte ahn umb bericht desen 
vUxStWr ich bericht von euch begert. Auch welches ich ehr- 
Ui<AhU vergessen, wollt ich gern wissen, ob ich in der dedi- 
v^atiou altvattern soll ein praefectum generosi nostri so ge- 
Jitorben ist^) heisen oder wie ichs machen soll; bitt doch 
wollt solches mir sampt allem andern zuschriben. Die ursach 
davumb ich so eyle, macht die kurze zeit, die mir hir noch 
sein werden und dieselbe gar ungewiss. So ihr aber villeicht 
den prieff nicht bekommen, so must er von Schlum Juden 
von Minzenperg, welcher feil feil trägt, zu fordern sein. Hoff 
derhalben in kurzen tagen uf das darumb ich geschriben, 
und wollt mir doch ein kuchen oder zween schicken, denn 
vill mit ausrichten kann. Köndt ihr darnach widerumb über 
14 tag, so ich disputiren werde, wider ein hübschen schicken, 
den ich zum convivio habe. Euch allesampt Gott bevohlen. 
Datum in eyll, Marpurg d. 1. augusti a. 1610. 

Der ander briff ist nicht datirt gewesen, ist aber den 
21 julii gegeben. So ihr villeicht nicht haben wollt, das ich 
disputire, kann solches nicht umgewendet werden, denn schon 
Goclen die theses gesehen und ich ihn gesprochen, den ich 
gemeint, ob ich schon solches euch unbegrüst thete, es würde 
recht sein, weil mir alzeit sein dazu vermahnt worden. 

57* Disputation« Kosten* J. Conrad. Kleidung. — 1610 Angr. 4. 

1610, Freundlicher lieber vatter. Ewer schreiben sampt bey- 

-4i^. 4. ligendem gelt hab ich woU behändigt bekommen und aus 

dem schreiben ewer geschehene resolution verstanden. Thue 

mich derwegen zum ersten entschuldigen, das ich einen un* 

*) Graf Otto von SoIms-HuDgen war am 23. Juni 1610 bei Mols- 
heim gefallen. S. n. 32. 



datirten und nicht bezeichneten brief an euch geschickt, denn 
solches aus unwissenheid geschehen, denn der brief des abends 
geschriben, welchen ich des morgens hab wollen concludiren und 
warten, ob mir underdes noch etwas würde einfallen, aber des 
morgends in der eyl ohn beygesetzt datum versigelt. Hab so 
bald dran gedacht und leichtlich gemerkt, es würde irthumb 
geberen und drumb hirnach noch ein zettel hinab geschickt, da 
ich ihn gesezt hab. Mein disputiren anlangen thut weis ich am 
besten was zu thun ist, denn ich ja alle tag sehe studiosos 
disputiren, gegen welche ich mich halte, und darumb wol 
schlissen kann, was mir zu hoch oder zu wenig ist. Die 
Ordnung derer dedicanten will ich halten und kann ja nichts 
schaden, so ich euch darbey setze. Das convivium belangend 
kann ich das fleisch dazu beym mezler nehmen, so hab ich 
noch botter und dürrfleisch ; die andern gericht kann ich auch 
hie bekommen, so ich allein von euch ein fein paar kuchen 
bekomme und ein nessel gesalzen botter. Sonst weis ich 
nichts. Der wein gilt 9 albus hie, mus ich allzeit ein mas 
oder 12 haben ; köndt ich mit weniger davon kommen, wollt 
ichs gern thun. Dem trucker geb ich 3 ^h reichsthaler, einen 
zu 44 albus. Mit dem Goclenio hab ich getruncken 1 halb 
virthel weins, da er die theses durchsähe ; item den trucker- 
gesellen 18 albus. Könnet derwegen underdes uf Niclasen 
botschaft acht geben, die ihm sein essen bringen werden, 
und mir damit noch ein gülden oder 5 schicken. Item die 
kuchen und so ihr etwes sonst in ewer haushaltung hettet, 
das ich gebrauchen könte, wollet mir solches auch schicken, 
sey was es wöll. (Könnet^) es ein hoher gemahlter kuchen 
sein, wer mir so vil lieber und ehrlicher, doch die anderen 
unveracht). Meine theses werden den nechstkünftigen mit- 
wochen den 8. augusti fertig, so werde ich innerhalb 14 tagen 
disputiren. über 4 wochen hat unser tisch ein ende, achte 
alsdann mit euch vor gut, zu euch zu kommen. Ihr habt 
auch hie die quittung der 7 reichsthaler zu empfangen. So 
wird ja Johan Conrad auch ohn zweiffei nun auch disputiren, 
denn sein vatter ihm deswegen geschriben und vermahnt 

^) A. K. nachgetrageo. Or. 



384 

hat, weil ihr im gesagt^ wie ich ebener gestalt disputirM 
wolle. Wie wollet ihr dann mich (ignosce) abwendig und 
zaghaft machen. Hettaber solches nicht gethan, wo er nicht 
durch mein exempel wer bewogen worden. Wird derhalben 
nun auch widerumb botschaft vonnöten haben, die ihm gdit 
bringe, welcher ihr geniessen könnet, oder ja so mir das 
convivium könneten mit einander und uf ein mahl halten, 
were desto besser und ertreglicher. Solches wird die zeit 
geben, ob sichs schicken werde oder nicht. Ich hab mir 
müssen ein paar strimpf vor 36 albus ausnehmen und dieselben 
bezahlt, denn ich die newen nicht alle tag mögen anzihen« 
Sonst meine kleidung belangen thut, will ich mich behelfen, 
bis ich nach haus komme, da sie gebessert können werden« 
Ich hab im lezten schreiben gefragt, ob ich generosi comitis 
Ottonis bey altvatters nahmen gedenken soll und habs gethan, 
denn ich mehr exempel, da gleicher fall mir ist, in thesibas 
gesehen und gelesen. Dismahl weis ich nicht weiter zu 
schreiben, sondern will mich nun alle tag zur disputation 
schicken, euch aber alle sampt mir thue ich in Gottes schnz 
bevehlen. Datum Marpurg den 4. augusti a. 1610. 

58. Dank. Anschlag der Thesen. Unterschied des exercitii nnd 
magisterii gratia Dispntirens. — 1610 Aug. 9. 

^öiö, Salutem plurimam. Freundlicher lieber vatter. Das 

^' ' ich mit wenig Worten den anfang und eingangk meines 
Schreibens mache, befinde ich nichts mehrers bey mir, and 
da ich mein gemüt auschultire, dictirt und gebeut mir dasselb 
nichts höhers und vornehmers, dann das ich mich mit gröster 
und heyligster dancksagung und kindtlicher demut zu euch 
verfüge und uf das fleisigste mich bedancke, das ihr under 
und beneben so viel haus und amptsgeschäfften, sonderlich 
iziger zeiten, meiner ingedenck und dran seid, das mir nichts 
an dem so zu ehren und notthurft von nöten mangelle ; solches 
alles wie ich es zum fleisigsten erwege, also soll es in keiner 
zeit von mich vergessen und hindann gesetzt werden. Nun 
aber, ob ihr woll die Muschenheimer botschaft nicht so gar 
füglich habt können gebrauchen, hat solches nicht noch hoch 



ä85 

noth, denn ihr ohn zweifFel noch potschaft mit Johan Conraden 
haben könnet, mit welcher ihr mir das übrige gelt vollendt 
schicken könnet. Diessen ducaten aber belangend geht er 
gar gern vor 2 frankfurter gülden 16 alb. aus. Das ich aber 
weiters etwas von euch begere, dacht ich irgend, es solt bey ^) 
euch feiste hämmel haben ; wo nicht hats kein gefahr, ich 
wills hie bekommen wie es hie ist. Was mein disputation 
anlangend schlag ich dieselbige nechsten sontag den 12 augusti 
nach gewonheyd vor die kirchen ans brett. Über 6 tag her- 
nach, nemblich den 18 augusti, wird die disputation gehalten, 
wo nicht, quod Deus avertat, ich oder der praeses schwach 
oder irgend ein anstos von publicis negotiis bekämen ; weis 
aber gar nichts, das uns hindern möchte. Könnet derhalben 
den freytag zuvor, den 17. nemblich, oder wann ihr ein wenig 
zuvor potschaft habt, was ihr mir schicken wollet, anhero 
bringen lasen. Und wann ja Johan Conrads potschaft viel 
eher sollt heruff gehen, könnet ihr mit derselben zum we- 
nigsten das schicken, was sich ein zeit lang halten lis, und 
solltet ihr der kuchen halben eigen potschaft nemen, könnt 
ihrs gar bleiben lasen, wann wollt dann der kuchen halben 
ein eigenen boten herufFschicken. Ich wollt euch ein exem- 
plar von meinen thesibus geschickt haben, weil sie aber noch 
beym trucker und mit der nacht gewesen, das ich das 
schreiben uberliffert, hab ich sie nicht bekommen können ; 
werdet sie zu anderer zeit bekommen. Hiernechst fragt ihr 
und begert grundlich zu wissen den scopum und intent 
meiner angestelten disputation, ob sie exercitii oder magi- 
sterii acquirendi causa angefangen sey? Darauf geb ich euch 
zur andwort, das, ob man woll in disputiren entwedder ad 
exercitium oder ad magisterium sihet, werden doch dise zwey 
stück nicht re ipsa underscheiden, dann man woll exercitii 
gratia disputiren kann und doch daruff honorem magisterii 
petiren. Das aber die studiosi in ihren disputationibus bis- 
weilen des exercitii gedencken, sehen sie doch auch zu 
Zeiten primario uf magisterium, denn es nicht gebrauchlich 

^) bow Or. 

N. P. Bd. XXllI. 25 



386 

ist des magisterii gedenckeii, quia est Signum ambitionis, 
aber exercitii gratia est signum modestiae, ob schon ander 
solchem schein ein adspiratio ad magisterium verborgen ]igt 
und mit dem wort exercitii gratia verdecket wird. Das nun 
hinwiderumb die studiosi solches verhalten, geschieht viiler 
Ursachen wegen. Erstlich das sie nicht gern haben, das 
andere wissen villes vexirens halben, sonderlich wegen des 
baccalaurei, wie sie es nennen, welcher grad gar verächtlich 
ist, und mus einer bis uf die zeit des magisterii, nativitatis 
Christi, also genant werden. 2. können viel Ursachen and 
inopinati casus darzwischen fallen bis zu der zeit das einer 
irgend nicht promovirt, wegen abzihens, schwachheyd oder 
anderer zufall halben. Hat deswegen nicht gern, das am 
tag ist gewesen, das er hat wollen promoviren. 3. Ettliche 
halten es verborgen wegen der untuchtigkeid der person, 
armut der lehr und erudition, welche sie underdes noch za 
acquiriren sich understehen. Hat also einer jede zeit macht 
zu thun wie er will, wo er sich noch nicht anzeigt und des 
magisterii gedacht hat, abzusehen oder zu promoviren, sonder- 
lich wo er sieht, das wenig competitores da sein, die mit 
promoviren, oder aber das alles sehr thewer, welche zwey 
izt alle beydes im weg stehen. Denn beyds wenig und schlecht 
bors vorhanden ist und auch alles thewer, welches wegen 
es hoch hinaus laufFen wurde. Nun mich belangend, ob ich 
wohl uf und ab gedacht hab, ich das exercitii gratia dabey 
gesezt, also vorbehalten zu thun wie man will, auch nicht 
das ich eben mit dieser disputation wollte gradum petiren, 
denn ich mich noch nicht hinforo nicht zu disputiren ver- 
lobt hab. Zum beschlus : exercitii gratia disputiren ist exer- 
citii und magisterii gratia disputiren und verbindt keinen, 
aber dabey gesetzt magisterii gratia disputiren, ist woll auch 
exercitii gratia disputiren sed respicit et praesupponit exe- 
cutionem et eventum, ut de facto pro magisterio dispatasse 
dicamur. Dieses ist mein in dieser geringen sach resolution. • — 
Von brieffzeigern hab ich verstanden, das ihr jacturam eines 
pferds et quidem nobilissimi gelidden, welches mir nicht 
weniger als auch euch leyd ist. und wünsche hoffend, Gott 



387 

wolle solchen schaden und riss erstatten und an einem andern 
ort ersezen. Nechst kommenden sontag haben wir mercatum 
anniversarium s. Laurentii. Man will sagen, es wolle Mau- 
ricius Hassiae lantgravius seinen kindtaufF von Cassel naher 
Marpurg allhieher transferiren und celebriren. Dismahl nichts 
weyter als dem lieben Got alle bevohlen. Mater (!) cum 
patre cunctisque domesticis a me salvere jubemini. Datum 
Marpurg, den 9 augusti anno 1610. 

Könnet ihr ein häslein bey euch bekommen, solchen 
meinem praesidi zu ehren ufzusezen, oder ein paar junge 
gänslein, so sie zu bekommen, was köndt es schaden ? 

59. Dank für Sendung. Briefbestellung. — 1610 Aug. 18. 

Salutem plurimam. Freundlicher lieber vatter. Ewer ^^^^» 
schreiben sampt dem gelt und essenspeis hab ich gewünscht 
empfangen, also das mich dasselb gar nicht ufgehalten hat, 
will also daselb zurichten lassen, das ich hoff damit zu be- 
stehen. Hie schick ich euch ein exemplar von den thesibus, 
die andern will ich etwes rein inbinden lassen und sie mit 
mir bringen. Ich hoff mit dem gelt genung zu haben, wes 
ich bedarff noch zu kauffen. Hie schicke ich dise kragen 
uf ein forsorg, welche ich nicht vil zu tragen gedencke, so 
ich nicht mus, hab noch einen hie uf die weg behalden. Ich 
hett nicht gemeint, das Dimpel so segnis solt sein, den brieff 
zu lieffern, sonderlich da ich ihn so officiose gebeten und 
bitten lassen, solchen mit einem eigenen boten euch zuzu- 
schicken. Aber es ist nicht wunder, er hats mehr und anderen 
auch gethan. Der briff aber den ihr schreibt, das ihr ihn 
vom Judden noch nicht empfangen habt, wird der sein, den 
ihr newlich geschriben, das ihr ihn von einem Bellersheimer 
empfangen habt. Innerhalb 14 tage hat unser tisch ein ende. 
Ncwes dismahl hab ich nichts, also das ich mit disem meinen 
briff schlisse und euch allesampt in den schuz Gottes bevehle. 
Datum Marpurg, den 18 augusti anno 1610. 



25' 



388 

60« Disputation« Wünsclie. Unkosten der Magisterpromotion« -^ 

1610 Sept. 3. 

1610y Salutem. Gehorsam, kindliche lieb und trew euch zu- 

^ ' ' vor sampt wündschung alles guten. Freundlicher lieber vatter. 
Ewer resolutori an mich abgelauffen schreiben hab ich mit 
groser begierd erwartet, mit höchsten fleiss gewündschet und 
mit gröster frewd empfangen, darauss ewern sinn und mein- 
ung wol verstanden. Geb euch hiemit zu verstehen, das ich 
wol das gelt nechsten freytag zu mittag haben müst, hab 
aber bey decano paedagiarchae erlanget, das er mit mir kein 
noth haben soll, wo es nur nechst erleget werde, an welchem 
ihr nicht gebrechen werden lasset. Denselben freytag*) von 
11 bis 2 muss ich trey stundt schwizen und hie von einem^ 
dort von einem anlauff erwarten, welche auszustehen Gott 
mir gedult verleihe und verstand, geschicklichkeit und sein 
segen. Mein kleyd kann ich underdesz noch wol machen 
lassen und will es uf die mesz zu bezahlen ausnehmen. 
DörfFt aber die haube nicht mitschicken, denn es der gebrauch 
nicht ist; allein schicket mir eine von den zween gülden 
krüngen ^) oder binden, allzeit die gröste, und dazu ein kränz 
mit eychelln^ denn ich sehe hie was üblich und bräuchlich 
ist. Mein ja altmotter würde zu solchen meinen ehren mir 
einen von den ringen, die sie uns gezeigt hat, schicken oder 
schencken ; wüste nicht mit was ausschlag sie solches wegem 
könde oder abschlagen. Es ist noch zweivels voll, wie bald 
und gewiss die promotio sein werde, allzeit ist dieses gewiss, 
wie ich izt von decano verstanden, das sie noch vorm Christag 
sein werde; will derhalben alsdan, so ich widder potschaft 
bekomme und der sach underdess gewisser werde, euch zu- 
schreiben, das ihr alsdann mitsampt altvattern anhero kommet 
und solche solenniteten sehet und zieren helffet. Erwarte 
aber von euch mit nechster potschaft das gelt, welches ich 
halt specificiren will, ein ring, mein mantel, die geflechte 
binden mit einem eychelln kränz. Wann der knecht widder- 



1) Sept. 8. 

') Vgl. kringel, krengel = circulus, ambitus, Frisch. 



389 

umb wird herufF gehen, pitt, wollet ihm doch ein faslin mit 
wein von einer mas oder 8 schicken ; köndt ihr dazu etwas 
von wildpret bekommen, wer so viel so besser. Könte ich 
mir damit freunde machen, nicht zwar sie zu bestechen, 
sondern ihn eine angetragene benevolenz zu remunerieren. 
Partitio pecuniae: 9 reichsthaler (et quidem reichsthaler) zum 
examini; Ve reichsthaler alsdan dem pedellen vor seine mühe; 
1 reichsthaler dem oratori, der mein declamation revidiret 
und bey derselben ist wen sie gehalden wird ; ^/a thaler die 
theses zu trucken , die publice noch disputiret werden ; 2 g. 
zum convivio, das nach derselben disputation gehalden wird ; 
1 g. vor fackeln und feldtz eichen dem jungen der die fackel 
trägt ; 1 reichsthaler oder ungefehr in der contribution zur 
Verehrung, die dem promotori offeriret wird; 6 oder 5 g. 
zum convivio promotoriali, welches ungewiss, nachdem es 
verdingt wird. Lauffen noch ander incidentia mit ein, als 
nemblich Verehrung dem cantori, der uf dem actui pro- 
motionis musiciret, Verehrung den zinckenpläsern etc., welches 
alles ich euch specialius sagen werde, so ihr hieher kompi 
Pitt derwegen in disem fall, als* in meiner hochzeitstewer, 
ewer liberalitet und zuthätigkeid sehen lassen und zu solchen 
ehren mihr nichts mangeln lassen. Könnet mir schicken, 
was ihr könnet und wollet, soll euch ad teruncium usque 
verrechnet werden, allein das ich in allem wo es auslegens 
gilt bestehen könne. Werdet derhalben aus diesem meinem 
entwerffen sehen können, was euch heimfallen wird, ich an 
meinem ort will thun quod est in viribus. Und ^) wags Gott 
vollbringe es. So underdess was nöhtigs würd vorfallen, 
will ich mit künftiger gelegenheyd, so in 4 oder 5 tagen 
mir zukommen wird, euch zuschreiben. Euch allesampt mit 
mir göttlicher protection empfehlend. Gegeben Marpurg, 
3 septembris anno 1610. 

NB ! Pitt ganz fleissig, so altvatter noch nicht kommen, 
mit altmottern in die canzley jemand zu schicken und mir 
doch ein buch papier oder 3 geben, den es allhie nichts 
taugt, und ich solches sehr zu brauchen benötigt. 

^) Das Gesperrte im Or. mit grossen Buchstaben. 



390 

61. Ankunft. L. Moriz. — 1610 Sept. 27. 

leiOy Lieber vatter. Wir sind frisch und gesund zu Marpurg 

^' 'sontag^) umb 9 uhr ankommen, daselbst so bald bey unser 
alten köchin eingezogen, und mach ich den anfang im kochen. 
Unser sind 10 : 2 Löern, 2 Fabricii, 2 Busii, 2 Leuresii, Lis- 
feld, Gribius Wilfersheimensis. Es kocht einer 14 tag. Die 
zwo kannen, darinnen honig und latwergen innen gewest, 
sind umbgestürzt, welches, so ichs schon verhelen wollte, 
würdet ihrs doch an der laden wol sehen. Und haben also 
das ander so dabey gestanden, etwas beschmiret, hat aber 
kein noth, wann der schade nicht geschehen were. Das buch 
beim Schreiber könt ihr abfordern und mir mit gelegenheyd 
zuschicken. Landgraf Moriz helt hoff hie, besucht und träwet 
die lectiones fleisig zu besuchen, welches denn die professores 
embsig zu lesen und die auditores fleisig zu sein incitiret 
Diesmahl weis ich nichts mehr zu schreiben, denn ich wegen 
der kürze der zeit nichts erfahren ; so weis ich dismahl auch 
nichts darumb ich weyter schreibe, so mir in kochender zeit 
nichts einfeit. Es ist allhie noch kein new wein gewest, 
würd aber heut sontag ankommen und ohn zweivel under 
6 albus nicht verkauft werden. Gott bevohlen. Gegeben zu 
Marpurg, den 27 septembris anno 1610. 

62. Vnltejus. Rechtsstudium. — 1610 Okt. 27. 

1610, Freundlicher lieber vatter. Ewer schreiben beysampt 

dem gelt hab ich von Simon dem hotten wol behändiget 
empfangen, und meine es werden die darin liegenden boesen 
Pfenning in ihrem werth mit anderen vortkommen. Altvatter 
hat mir occasionem gemacht mit izigem schreiben, das ich 
zu domino Vultejo bin kommen, wie er dann in gleichem 
auch mich ihm trewlich und fleisig commendiret hat, welches 
ich bey des aus copia seines an d. Vultejum schreiben in 
meinem brief mir mitgetheilt, dann auch selbst aus doctoris 
verhalten gegen mich verstanden hab. Dann weil er aas 



Sept. 23. 



391 

avi schreiben verstanden, das ich werde nunmehr ad Studium 
juris mich begeben und darinnen seines consilii et manu- 
ductionis benöthigen, als hat er, doctor, wie ichs angreiffen 
lind compendiose pertractiren soll, mir sehr wol zu verstehen 
gegeben. Es hat auch altvatters Vorschrift vor mich so viel 
zuwegen gepracht, das er, doctor, mir hinfüro einen frey- 
willigen und liberum accessum ad se wollmeynend vergönnet 
und gestattet hat. Wegen welches alles ich nicht wüste, 
was mir liebers und angenemers hett wiederfahren können, 
und hoffe auch, ich wolle mich darinnen wol reguliren und 
caute verbanden, das solche von altvattern gegebene Vor- 
schrift und von ihm doctore angebottene benevolentia wol 
angewendet gebrauchet, mir aber zu keinem nachtheil jemals 
gereichen werde. Halte also davor, ich werde mein pecunio- 
lam, welches ich gehabt, an bücher anlegen, die er doctor 
mir zu kauffen und anfenglich zu prauchen genennet hat. 
Und pitte demnach lezlich, wollet doch bey notario Zuckelio 
anhalten, das ich das mir von dem keller vergönte buch 
füglich möge zur band bekommen, das ich das decretirte 
werck ad opus bringe. Thue euch hiemit alle in den schütz 
Gottes des allmechtigen trewlich bevehlen. Gegeben zu 
Marpurg, den 27 tag octobris anno 1610. 

63. Bücliorkauf. Magr. Sprenger. Vultejus. Mantel. — 1610 Nov. 2. 

Freundlicher lieber vatter. Ewer ahn mich gethanes l^^O. 
schreiben ist mir wol zu banden kommen und daraus ein- 
geführte Sachen wol verstanden. Geb euch derhalben hiemit 
widerumb zu wissen, das was die mir von doctore Vultejo 
angegebene bücher belangen thut, ich dabey auch domini 
niagistri Johannis Heyderici Sprengeri ^) rhat gelebet, und haben 
sie beyde in communicando consilio ubereingestimmet. Hett 
auch, wie dann ewer schreiben meldet, mit dem bücherkauffen 



*) Aus Marburg, wurde 1603 in Herborn eximii-t. S. v. d. Linde, 
Nassauer Drucke S. S. 212 n. 1080 (juristische Thesen v. 1604), S. 294 
n. 1797 (Gedicht auf seine Hochzeit am 13. März 1610) und S. 372 n. 63 
(Inimatiikulation des Mag. J. H. S. Marpurgensis, secretar. Hadamar am 
4. Mai 1603). 



392 

eingehalten, wo ich nicht gegenwertige gelegenheyd mit 
Sprengero angesehen und er selbst solche za kauffen mich 
nicht vermahnt hette. Das ihr aber wissen möget, was es 
vor eine gelegenheyd habe, das ich hierinnen magistrum 
Sprengerum bemellden thue, könnet ihr hiebey verstehen, 
das sein herr der hochwolgepome grav, herr Johann Ludwig 
von Nassaw, sich bey ihrer fürstlichen gnaden zu hoff be- 
geben und also diesen winter allhier verharren würd. Wenn 
dann er, gemeldter Sprengerus, auch hie bleiben würd und 
oft bey uns ist, als hat er, nachdem er mein vorhaben in 
studio juris vernommen, in betrachtung der freundtschaft, so 
er verschienen mit altvattern gemacht, in betrachtung auch 
des kellers und ferner zu Wohlgefallen euch selbsten, letzlich 
auch ihme zu einer kurtzweyl und die zeit zu vertreiben, mir 
aber zu nutz und beforderung, sich erpotten, diesen winter, 
wenn er hie ist, ein tag 2 stundt mit mihr zu halten, 
und darinnen mit disputiren in dem was vor mich ist also 
handeln und verfahren, das ich keinen schaden, räw oder 
missfallen daran haben werden soll. Dieses aber uff das 
füglichst und förderlichst anzufangen, wie er schon hat an- 
gefangen, hat er mihr solche bücher zu kauffen bevohlen, 
und ist gantz nichts daran gelegen. Denn erstlich solche 
bücher, weyl sie frisch und new, würdt sie ohn zweivell alt- 
vatter nicht haben; zum andern so seins nur trey, welche 
ich vor 2 gülden gekaufft und bezahlt habe ; zum dritten ge- 
sezt altvatter hett sie gehabt und mir gegeben, wollt ich sie 
doch gekaufft und mir zu eygen erzeyget haben, dann nisi 
prius mihi esset cautum und ich sie heute oder morgen wie 
zu befahren ist, wider herausgeben sollte und ich alsdann nichts 
haben. Hieran aber gar viel gelegen ist, das einer ein buch, 
darinnen er allzeit gelesen und ihm bekandt gemacht, allzeit be- 
halte, das er wo ein jedes anzutreffen sey, accurate wiesse, mehr 
als wann mit büchern viel variieren wille. Was ihr weydter 
wegen doctoris Vulteji gemeldet, will ich solches uff weyter er- 
kundigung deponiren ; allzeit das wahr ist, gelt nicht so sehr als 
anders etwas von frucht oder wildprätt ihm gefallig sey. Das 
bey euch liegende buch, wo nicht mit kurtzem Nicolaus hiruff 



393 

zihen würdt, wüst ich nicht, wann nicht andere gelegenheyd 
dazwischen fiele, wie mir es füglicher könte zukommen als 
mit der Bellersheimer fuhr, welche in 14 tagen ohne zweivell 
hieruff kommen würdt, derer ihr euch zu erkundigen und zu 
geprauchen hettet. Ewern alten mantel belangend, hette ich 
ihn wohl so paldt zurück geschicket, wann ich nicht gesehen, 
das er bey unstetem wetter, item abends zu tisch zu tragen 
und den andern zu custodiren dienlich were. Gleichwohl wo 
ihr solchen zu haben und zu prauchen willens, soll dies izt 
angezogen mein vortheil ewern nutzen oder notthurft nicht 
ufhaldten. Habt also ufF diesmahl dieses von mir zu einem 
widerantwortlichen schreiben, in welchem so ich ewers 
hoffens und begerens nach mich mit wiedderantwort nicht ver- 
halten, werdet ihr mich, so ich das schreiben ahn altvattern 
und dann mein ufF Johann Conradts disputation studieren 
einwenden werde , gnungsam entschuldiget halden. Thue 
euch hiemit in Gottes gnaden und gnädigen schuz trewlich 
bevehlen. Gegeben zu Marpurg, 2 novembris anni 1610. 

64. Sprenger. J, Conrads Disputation. Promotion. Bruder Karl. 
Aus^abenrechnun^. Wünsche. — 1610 Nov. 19. 

Salutem plurimam. Freundlicher lieber vatter. Ewer ^^^ jg^ 
schreiben sampt einligendem gelt und beygeschickten büchern 
hab ich wol behändigt empfangen, und hoff ich dieselbigen 
sollen zu meinem nutz und guetem gebrauch gelangen. Vor 
solches Studium und operam, die ihr anwendet mich zu pro- 
moviren, sag ich euch höchsten danck und will solches in 
der that scheinlich beweisen. Geb euch weytter hiruff zu 
wissen, das ich mit mag. Johann Heydderich Sprengern vort- 
fahre die stundt zu halten, wie er angefangen, mir die in- 
stitutiones juris zu expliciren und dann nach demselbigen 
horam in lingua Gallica zu halten ; hoffe derselbigen mühe 
werde ich kein räuwhe oder diffidentz haben. Johan Conrad 
hat vor 14 tagen disputiret, ich hab ihm opponiret, daruff 
haben wir ein excellenten zech gehabt, dabey paedagogiarcha 
Goclenius, Combachius ^) professor philosophiae und unser 

') Vgl. Düich ed. Caesar 4,33. 



394 

privatus^ mag. Heinzenberger^ ein magister so im haus wobnt| 
magister Bachmannus, Busius : dieses alles über Joban Conrads 
beuttel, wie in gleichem mir auch geschehen. Aber nicht 
genugsam kann ich euch schreiben, mit was treiben, anhalten, 
persuadiren, er^) an mir gewesen, das ich promoviren solle^ 
mit Vertröstung er wollte das beste thuen, und muhet mich 
auch noch^ das ichs nicht gethan, wo ihr nicht dawidder ge- 
rathen. Und gleichwohl wird Venator promoviren, der mit 
mir eximirt ist und noch nicht disputirt hat; item andere 
mehr die meiner studiorum socii und aequales gewesen sein. 
Die promotion wörd ungefehr in 4 wochen sein, und komme 
ich zu dieser nicht, ist doch uff instehenden lenzen eine 
zu Heydelberg, davon altvatter geschrieben, dazu so ihr nicht 
lust habt, ^) kann ich warten bis über ein jähr und under- 
desz mein facultet studiren. Und da ihr lust dazu habt^ will 
ich mein gelegenheyd darnach richten, das ich uff das end 
dieses winters ein disputationem ethicam halte, die doch 
nicht so viel kosten sollte als diese. Beger davon ewer 
guthincken, wenn ihr wollt, zu vernemen. Ich het gewollt, 
das am nechsten mahl, da mag. Ehwaldt, mit der kuthsch den 
Junckern hieher gepracht und deponieren lassen, dass Carlen 
zugleich wer mitgepracht und deponiret worden. Kann zu 
anderer zeit geschehen, nemblich mit kellers knecht, wenn 
er Johann Conraden würd essenspeis herführen. Und will 
hiebey gepetten haben, wollt euch solches gefallen lassen 
und uff dieselbe zeit hierhero schicken, will ich ihn, weyl 
ich kundtschaft mit den pedellen hab, deponiren lassen. Und 
wüst ja warlich nicht, das ich ewers gedinngs auch gedencke, 
ob ich ihn nicht ebener gestalt oder geringer wollt haben, 
denn so ich itzt 10 tage vor ihn gekocht hett, hett er ein 
halb jähr zu essen gehabt. Und sehe ich an meinem ort 
es vor nützlich ahn, das er in kurzem hierher käme, denn 
er vermercklichen sollt bey mir profitiren ; so were er ja auch 
an einem frembden orte, da ehr allerhand sehen und selbst 
eines frembden lebens gewohnen könte, Stells gleichfalls zu 

*) Goclenius. 
») hat Or. 



395 

ewerm guttünken. Wir haben mag. Compachium zu einem 
privato und sein unser 18, darunder 4 Ungarn, grose alte 
bartichte kerlen von 40 jähren. Die andern sind alle feine 
stattliche gelehrte studiosi. 

Ratio expensi über 11 V2 gülden gelt. Erstlich zum 
kochen: 2 g. vor hier von einem fass und das hier zu tragen, 
item 7 mas ; 18 albus mein mehl zu backen, und weyl ich 
mit meinem mehl nicht gelanget, habe ich noch vor 14 albus 
kaufen müssen, denn unser 12 sein; 20 alb. 4 mahl 
sillzen, jedes mahl vor 5 albus ; 6 alb. 2 mahl platteisen, ^) 
jedes paar 1 alb.; 3 alb. weck in milch; 9 alb. milch zu 
weckenmilch, reisbrey und haferbrey; 6 albus essig in seel- 
gereed, linsen, wursten etc. ; 2 albus sawerkrawt ; 2 alb. 2 
mahl rüben, mihrn ; 4 V2 alb. seelgereed, 20 ^ beringe 8 alb. 
V2 mas botter, 2 alb. licht, 1 alb. zwibbeln, 1 /di hafermeel, 

2 ^ gersten. Summa 5 g. 16 alb. b ^. — Paratitia Wesen- 
becii 18 pazen ; Comineus historicus 5 bazen; jurisprudentia 
Romana Vulteji 7 bazen ; institutiones juris Crispini 16 alb. ; 
ethica Danaei christiana 18 alb. Summa 3 g. 7 alb. — 

9 alb. mit dem knecht verthan, 14 ,d\ einem mann, so die 
laden helfen transportiren ; 10 /Sj krappen ^) an mein hosen ; 
1 alb. 1 ü castanien ; 2 bazen ein piccendilgien ^) uff mein 
new wambs zu machen ; 18 ^5^ handschuhe ; 7 alb. ahn meinem 
instrument etwas lasen machen; 10 ^ seydten; 4 alb hier 
cxtraordinarie; 12 alb. 1 halb virthel wein mit unserm ma- 
gister zu introitu. Summa 1 g. 16 albus. — 14 .^i eine 
bürsten; 5 alb. catechismus und münzordnung; 2 alb. schwerzen; 

3 alb. zu Martini über unserm tisch neben andern vortheylen 
verthan ; 6 alb. mit Sprengero ein mas wein verthan. Summa 
17 alb. 6 ^ : summa 11 g. 13 alb. 3 ^. (Uff*) dem marck 

10 alb. vor ein halb elen leinwat, 8 /Sj nadeln und speenadeln, 



^) „Plattoisen oder Schollen," Taxordnung von 1622. 

2) Ilakon, vgl. Limburger Chron. od Wyss (M. G. D. Chron. 4) 
S. 52,13: Disolbon lorsen (Hoson) hatten krappen, einen krappen bi dem 
aridorn von dor grosHon zohen an bit oben usz. 

^) ychnüreV vgl. cannetille, cantillen, gewundener Drath, Achsel- 
troddoln. 

*) UiT.— spizen a. B. nachgetragen. 



396 

3 alb. spizen.) Bitte wollt doch bey altvattem Dach diesen 
2 büchern fragen. Erstlich lexicon juridicum Schartii, 2. 
Bodinus de republica. Wolle ihm, wie billig gewesen were, 
zur dancksagnng dismahl geschriben haben, aber weyl ich 
besorgt, er würde schon hinweg sein, 2. weyl ich ihm newlich 
nach einander weytläuftig 2 mahl geschriben, 3. gesezt er 
sey noch daheim, er doch wegen vorstehender reisz meines 
Schreibens nicht abwarthen. Doch zum 4. ich uffs ehest mit 
gelegenheid, was mir gebüren ward jegen ihn, ich mich 
schriftlich zu erkennen verheise und gelobe. Mag. Sprengeros 
ist dismahl nicht hie sondern in der eyl nach Dillenporg 
geritten, aber sein herr ist und bleibt hie, so wird er ufe 
kürzst Widder kommen, soll altvatters schreiben ihm präsen« 
tiret und er, altvatter, widerantwort bekommen. Keine ca- 
stanien sind dismahl zu bekommen gewesen, doch so halt 
ihrer ankommen, will ich 4 oder 5 ß bey mich kaufen und 
euch füglich zuschicken. Innerhalb 8 tagen wird fuhr von 
Beilersheim heruff fahren, könnet derselben, si quid ad me 
scriptum velis geprauchen. Hettet wol dismahls ewers gueten 
weins ein fläschlin schicken können, denn mir allhie elende 
wehr haben. Kann uf ander mahl geschehen. Und wollet 
des nechstgedachten puches nicht vergessen. Und thue euch 
allesampt in Gottes schuz bevehlen. Gegeben zu Marpurg, 
19. novembris in die dominae Elisabethae anno 1610. 

65« EJiitrcteu von Ooclcnius fär Bewerbung mn die Ma^isterwärde« 

1610 Nov. 25. 

1010, Freundlicher lieber vatter. Ewern Wohlstand und gesund- 

' heyd zu vernehmen, was köndte mir liebers und angenehmers 
sein? Daran ich nun nicht zweivellend begehre desgleichen 
von mir zu halten und zu wissen. Und daneben euch nicht 
perrgen wollen, wasser gestalt in nechstverflossenen tagen er 
paedagogearcha ein schreiben an euch abgehen lassen, da- 
rinnen umb ewern will und consensum angehalten, dass wir 
mögen competitores bonorum magistralium uns einstellen 
und deshalben auch die zeitt ettliche tag lang zurückgeworffen. 
Solches nun alles ist mir unwissend geschehen und mir beyds 



397 

angenem zum theil auch ungelegen zu hören gewessen. Ein^ 
mal das er sich unserer so hoch annimpt und uns zu be- 
förderen re ipsa testatur; widderumb das er mit solchem 
seinem schreiben so lang verzogen und die zeit zu nahe 
herbey hat fliessen lassen. Dieses alles nuhn, es sei ge- 
schehen in waserley gestalt und condition, hoffe ich doch 
gentzlich, ihr werdet solch schreiben erkennen und erkandt 
haben, also das ihr vor dem termin, den er euch ohn zweivell 
drinnen gesetzt, ihr widderumb an hierher ewer meinung 
und Sentenz bringen lassen, denn es wol wunderliche deutung 
bey ihm finden möchte, das ihr uff sein schreiben so still 
gehalten und nicht widderantwortliche erklerung zugeschickt. 
In erwegung dessen, auch in befahrung seiner jegen uns 
ungehaldenheyd, als das wir mit unserm stillschweigen und 
keinen bescheyd solche solenniteten wollen hinderen odder 
ufflialten, hab ich nicht umbgehen wollen, euch deswegen 
zu schreiben und zu pitten, das wo ihr ewer meinung de- 
cretiret, dieselbe uffs kurzste in waserley qualitet zu tag und 
nacht anhero sendet, in allen andern einen besseren fortgang 
zu haben. Und zwahr wüste ich nicht, was es ufhalten könte, 
was mich anlanget, so hab ich meines gleichen. Ex parte 
vestra nullum adeo est impedimentum, so ich einen gülden 
oder 30 hette ; kleydung wollt ich hie ausnehmen, uf die 
mess zu bezahlen, und in Gottes nahmen solch ufstehend 
glück annehmen. Denn was kleydung anlanget, müsste ich 
mich ja dahin richten, das ich anderen, die mir gleich, höher 
und geringer seyn, proportionaliter gelte. Werdet deswegen 
meine meinung hiemit verstanden haben und dargegen mir 
ewere unversäumblich zu tag und nacht zuschreiben und 
damit euch selbsten zu berühmen, meinen nuzen aber nicht 
ufzuhalten, nicht begehren. Und so ihr in meine meinung 
incliniret, müstet ihr mir meinen mantel und futterduch hieher 
schicken, das ander will ich nach notturfft, nach gelegenheyd, 
nach notturfftigem wohlstandt und nach erforderung solcher 
ehren all hie woll verschaffen. Diesem sey nuhn wie es wolle, 
so werdet ihr in betrachtung der geringen zeit ganz forder- 
lieh mich wissen lassen, wessen ich mich in einem odder 



398 

dem andern theil zu verhalten haben werden solle. Thae 
euch allesampt hiemit göttlicher allmacht bevehlen. Gegeben 
Marpurg, den 25. novembris anno 1610. 

Die promotion wirdt sein die woch vor dem Christag 
odder hat euch paedagogearch ein anders geschrieben^ weys 
ich nicht. 

G6. Einladnng zur Promotion. — IGIO Dec. 11. 

IGlO, 1). Zwöllff thaler, darunder 2 königsthaler^ 

10 reichsthaler, item 10 g. klein gelt hab ich sampt dem 
mantel und binden ohne brieif wol empfangen und behendigt 
bekommen^ solches zur rechtmesiger ausgab zu pringen. Und 
ist nun an dem, das ich euch zu solchem meinem ehrentag 
lade. Wollt gern altvattern sonderlich durch schreiben ge- 
laden haben, aber wegen vieler geschafft nicht gekönt, wollt 
ihr derwegen meinthalben solche spartam uf euch nehmen, 
ihn laden und mittwochens abendt vor dem Christag*) all- 
hieher mit euch pringen. Was ihr vor gute kleyder habt, 
köndt ihr wol mitpringen, nemblich ewern trawermantel, dasz 
Brückisch borchen kleyd, denn er, princepS; item andere 
graffen und freyhern daruff geladen werden. Pitte derhalben 
nicht allein ganz Heisig, sondern begere auch ganz freundlich, 
ewer datum dahin zu machen, das ihr von anderen geschefiften 
gemüsiget mit altvattern anhero kommet und solche solenni- 
teten besehen und zieren helffet, solches würd mir zum 
wolsein und euch zur frewde gereichen, und daselbig in alle 
andere weg zu ewigen tagen mit kindlicher lieb und trew 
zu verwidderen, bin ich so schuldig so willig. Werdet aber 
den ring, den ihr ohn zweivell im vergessenen brief ver- 
schlossen, alsdann mitpringen, und weyl ja Johan Conrad 
nicht promoviren will, bas Urselln eychelln kränz mitnehmen, 
dann derselbig noch ganz und schön ist, unserer aber gar 
nicht zu prauchen stehet. Item so ihr könt das gedachte 
papier und ein paar solen ledder, so ihr habt, mit euch 
pringen. Köndt ihr cellarium mitpringen, wer mir lieb, würde 

1) Das Vorderblatt fehlt. 

«) Dec. 19. — Vgl Ouesar 21,13. 



899 

er ohn zweivel nach gehaltenem actu zur rewhe gepracht 
werden wegen seines grosen und vielen difFicultirens, damit 
er sein filium ufgehalden. In welchem fall, Gott lob, ich 
nichts zu klagen, sondern mir hefftig zu gratuliren weis. 
Weytter nichts weis ich zu schreiben oder euch zu verhalden, 
ohne das ich in zweivell gestanden, ob ich recht gethan hette, 
so ich andere gute freund als ein bräutigam zu meinem ehren- 
tag angesprochen hette, das solche wo nicht leiblich doch 
geistlich mit erschienen weren. Hab solches euch unbegrüst 
und zweivels voll nicht thun wollen. Gegeben zu Marpurg, 
11. decembris anno 1610. 

Könt ihr durch gelegenheyd mit einem potten, der uff 
euch ohn das warten mus, ein fäslein wein mitpringen, köndt 
ihr an vielen ohrten damit gratificiren. 

67. Strümpfe von J. Conrad. Dukaten des Grossvaters. — 

1610 Dec. 11. 

Lieber vatter. Weyl ich von Johan Conraden ver- lew, 
standen, dass er oftmahls seiner mutter von einem paar seyden ^^^- ^^• 
strimpf ihm zu schicken geschriben hat aber noch nicht be- 
kommen, also däucht mich, ihr könt solche mitpringen, das 
ich sie einmahl anzöge. Nicht zwar prachts oder stolz 
halben sondern beids das ich kein new paar kauifen dörffte, 
darnach auch weyl die strimpf hie sehr thewer und nichts- 
S(")llig sein. In erwegung dises köndt ihr, so ihr heruff- 
zihet, dieselben strimpf bey ihr fordern unvermerckt und 
daselb nicht so sehr das ich sie begehrt zu brauchen als das 
ihr sie im zu pringen wollt mitnehmen. Dises also zu 
schreiben hat mich gut gedünckt, gefelts euch nicht oder 
kan nicht effectuirt werden wegen irgends Verhinderung, will 
ich doch of ein forsorg ein paar ausnehmen mit vorbehält, 
weyl ich von hauss gewärtig wer, dieselben dem kremer, so 
ich meine bekam, wider zuzustellen und widerzunehmen. 
Bin also und bleib der strumpf mit dem ring, eychelkranz, 
solUeder und papier gewertig. Gegeben den 11. decembris, 
Marpurg anno 1610. 



400 

Post^) Es tawrete Johan Gonraden das fein golt widder 
nach hause zu schicken, hat derhalben etwas gethan, weys 
nicht obs recht oder unrecht. Vor unser theses dedication 
hat er zween ducaten zurück behalden und mir einen ge- 
geben, doch altvatter geschriben, wenn er nicht zufriden 
wer, sollt er sie allzeit bey uns widder finden. Ist er also 
causa hujus rei, und da er einen hat behalden und mir einen 
gegeben, hab ich ihn nichts wollen ausschlagen. Seyd lezlich 
noch einmahl geladen und kompt selbsttritt heruff. Valete. 
Könd mich excusiren non esse factum me jubente aut urgente, 
ne incurram in vitium avaritiae aut invidiae apud avum. 



68. Procoss wo?roii Todsclila^ eiiios Wacht meist ers*)« Milnz- 
onliiiiii^^). (locloiiiiis. Kniiikheitoii. Vnltejiis. King^. Bmder 

Karl. — 1611, Jan. 16. 

767/, Freundlicher lieber vatter. Nach eröffnung ewers an 

mich gethanes Schreibens ist mir nichts ähnlichers als von 
ewer gesundheyd zu lesen, auch da ich solche wol verstanden, 
nichts liebers noch angenehmers gewesen. Durch Gottes 
gnad bin ich noch starck, Got geb lang. Hiernechst begert 
ihr bericht über zwey ding. Erstlich über den process mit 
dem newlich entleibten Wachtmeister, zum andern was es 
vor einen vortgangk mit der münzordnung gewinne, und 
zwar erstlich, die bezüchtigten anfanger und ursächer dieses 
todschlags sind noch allesampt in harten haflFten und Ver- 
wahrsam, ohne das, wie man sagt, 1 oder 2 fuga sich 
salviret haben, welchen man gar nicht nachgesezet hat. Das 
malefitzurtheil ist auch allbereits über sie gehalten, aber 
noch nichts geschlossen ; läset sich doch ansehen, als werde 
es dahin gespielet, das sie mit einer geltstraff durchschnappen, 
sonderlich weyl der von der wacht verwundte studentenjung 
vor zween tagen mit tod abgangen, aber der auch verwundete 
nobilis noch in der cur ligt. Doch wie dem allem ist nechst 



^) Nachschrift auf einliogondom Zettel. 
') Vergl. Univ.- Annaion, Caesar 11, S. 5 f. 

8) Die Münzordnung wurde am 10. Nov. 1610 mit Wirkung vom 
1. Jan. ICH erlassen. Druck von Paul EgenolfT, Marburg 1610, 



401 

verschienenen montag das zweyte halsgericht angestelt ge- 
wessen, weys aber nicht durch was verhindernuss verplieben. 
In demselben auch mit interessirt ist filius pastoris Dick- 
haudii ^), ein buchbinders gesell allhie, welcher in solchem 
tumultu mit reichung eines rappirs einem Studenten ist bey- 
gesprungen und darüber vor ein todschleger angeklaget würdt. 
Solcher würdt ohn zweivell wol in die büchsen müssen blasen, 
wie er sich dann seihest getröstet hat. Zwar gewisses kann 
man nicht davon sagen; wo es hinaus will; allein es sich 
ansehen last, das J. F. G. gar ernsthaft und streng in den 
Sachen verfahren lest. Solches unangesehen ist das ander 
börsgen etlich mahl mit stangen under dem newen wacht- 
meyster gewesen, mit stangen sag ich, dann weyl er fest 
ist, nicht durchstochen noch durchhawen kann werden, alss 
ist kein besser remedium als stangenfuder» Solcher new 
angesetzte Wachtmeister ist seines handtwercks ein wegsezer 
und hat hiebevor das pflaster zu Hungen gemacht, wird euch 
ohn zweivel bekannt sein ; sein nam ist Barthell Soff. Die 
ursach aber dises von den Studenten gefasten hasz ist, das 
er zu strengk und ernsthaft ist in bestellung der wacht, 
beydes uff der gassen, dann auch sonderlich umb die ge- 
fangene, welche er ihr geschlecht hindangesezt zu hart an- 
fesselt. Endtlich was das halsgericht anbelanget, wird solches 
gewiss gehalten werden, das aber sie beklagten nicht zugegen 
als andere ubelthäter gestellet werden mögen, ist durch groser 
leut vorbitten zurückgetrieben. 

Die eingeführte müntzordnung belangend ist dieselbe 
nach geschehener in calendis januarii publication in strengen 
gang kommen, also das ettliche, so sich ihr haben wollen 
wieddersezen, in grose straff gerathen sein. Es hat aber 
solche gestalt darmit, das nun im ganzen Hessenland heller, 
so man Binger pfenning nennet, und pfenning sie seyen wie 
sie wollen, in einem werth und valor sind, und also heller 
pfenning und pfenning heller sind. Der albus wird zu 12 ^ 
gezehlt und bezahlt, mit vorbehält einer reduction desjenigen 

1) 1G08 wurde Georgias Guarinus alias Dückhudius Weisselianus 
ins Paedagogium aufgenommen. Matrikel f. 123 n. 10. 

N. F. BcL XXIII. 26 



402 

was nmb das gelt gekanft wird. Exempli gratia: ein ehlen 
duch vor 3 galden verkauft würdt per redactionem umb 
2 galden, den albus zu 12 /S{ verkauft^ et res eodem recidit. 
Wann aber solche reductio nicht vorbehalten wird, gibt man 
den album zu 8 /^. Weyl aber solch hellermüntz nichts 
nuzt in andern herschaften und orten zu negotiiren, als am 
Bhein im weinkauifen; zu Franckford in allerhand gewerb- 
schaften zu treiben, alss ist durch Vorschub eines Wechsel 
dahin die sach gepracht, das alles ander gelt umb heller 
gedauscht^ gesammlet würd und auif solch auslandisch parthiren 
zurückgehalten, sonderlich da solch ander gelt hie nicht aus- 
gegeben werden kann^ sondern nothwendigk muss verwechselt 
werden. In welchem allem dann gar kein verlust ist, denn 
silberne und gülden Sorten viel ein höher werth überkommen 
als sie zuvor gehabt haben. Dann ein ducaten vor 3 gülden 
ausgegeben würd; den albus 8 /^ oder 2 ^ albus 12 /^, 
ein goltgulden 2 g. 8 albus, 1 königsthaler 2 g. etc. Weyl 
dan derjenig so allhie sein will; heller haben muss, solche 
aber nirgendts dann in Hessenland tüchtig sind, alss mus 
güldene und silberne münz, so von auslandischen hieher ge- 
pracht, verwechselt und widerumb ahn solch auslandisch 
parthiren gewendet werden, und weyl die weynhern die 
hellem an frembden orten nicht anspringen können, als 
müssen sie andere Sorten, wollen sie derselben haben, völliglich 
wechseln. Weyl dann wiederumb solche von ihn thewer uf- 
gewechselte münz am ßhein etc. so hoch nicht gilt, alß 
haben sie zu erholung und relaxation desselben uf jede mas 
wein 4 ^ weyter gesezt, welches ihnen den schaden vor- 
sezet. Goclenius senior ist calendis januarii mit allerer Ver- 
wunderung zu einem rectori erkorn ; bei solchem seinem 
rectorat würd sich mit der zeit auch etwas verlaufen. Haupt- 
schwachheyd und die präun regieret gar sehr allhie, das 
bisweylen am tag 2, 3, 4 begraben werden, und wird des- 
wegen princeps halt ufbrechen. Ein planneckenhayen, so 
hiebevor der furstin von Morien ^) kuchenmeister gewesen 

^) Merlau; Maria TVittwe Landgraf Ludwigs III., s. Rotnmd^ Hess. 
Gesell. 6, 56. 



403 

und nun ein zeit lang allhie gewesen, da er sich heimlich 
von Morien entzogen und sein abschied hinder der thür 
genommen, disser hat vor 2 tagen den hals durch einen fall 
von einem pferd gebrochen. Disser hat einen bruder allhie, 
welcher dises principis consiliarius ist. Neben der euch 
ebrmahls mitgegebenen commission über doctoris Vulteji 
instrument hab ich ihm Organisten kurz hernach geschrieben 
und in gepetten, das er solch instrument uifs ehest wolle 
verfertigen. Könnet ihr nunmehr anhalten^), das geeylet 
und es fertig gemacht wurde, als were daraus zu spüren^ 
das mihr solche von doctore angemaste bitt fürderlich 
effectuiret hetten. Den begerten und beklagten ringk hab 
ich noch bey mihr, et ita me Dens bene amet, hab ich ihn 
dismahl von meinem finger^ daran ich ihn seydt newlich 
trage, nicht können ausbringen, auch hett ich den tod darob 
sollen leyden. Villeicht weyl der finger, weyl es gegen abend 
etwas ufgelaufen. Des morgends aber die botten mir zu 
früe sind hinweggegangen, und hett ihn dennoch dismahl 
auch nicht ausbringen können. Muss ihn mit vortheil von 
dem finger bringen, also das ihr ihn hiernechst gewiss sollt 
zu gewarten und zu empfangen haben, noch einig sorg oder 
klag deswegen entstehen soll, allein dismahl nicht gekönt, 
Deum testor. Gefiel es euch noch Carlen mit des kellers 
karrh heruifzuschicken, sollt er gedeponiret werden, könte 
man es den sommer mit ihm vornehmen wie man wollte. 
Izt aber hör ich, das ihr ihn wegen ingerissener haupt- 
schwachheyd habt abholen lassen, weyl es sich ahn lisse sehen, 
als wollte solche schwachheyd gefahr haben, und dann 
sonderlich auch weyl vetter Johann gestorben, daraus wir 
exempels genug haben, wie gar ungewiss hora mortis sey, 
und deswegen wir sich qualibet hora dazu sollen geschickt 
finden lassen. Mein schreiben ende ich mit der clausul, da 
ihr ewern brief mit geschlossen, und seze gegen die von 
euch zum studieren gethane vermahnung gute hoffnung und 
vertrawen und einsmahls geleiste prob, welche ein gröser 



^) anhielten Or. 

26* 



404 

stimnlus ad ulteriora sein ward; si qaidem me in hiis con^ 
quiescere libet. und hiermit euch, matri cnm domesticis et 
Omnibus aliis göttlichen segen, glück; protection wündschend, 
thue ich mich nechst Gott each allen commendiren^ bevehlen 
und damit mein schreiben schliessen. Gegeben zu Marpurg, 
16. januarii anni 1611. 

69. Krämer. Münzordnnng. Process. Mittagstisch. — 1611, 

Febr. 9. 

l^llf Antwortet auf die Frage des Vaters^ ob der Krämer 

Fßbf Q 

* vor der mess zu bezahlen und in waserley münz valor, dtw» 
der Krämer zufrieden ist, auch wenn die Zahlung geraume 
Zeit nach der Messe in der alten münzordnung erfolgte; und 
gesezt, er wollte uff die new müntzordnung bezahlt sein, 
welches er doch nicht begeret, so muste nach der regel der 
reduction entwedder die wehr geringer angeschlagen oder 
von dem gelt der virde theil abgezogen werden. Exempli 
gratia, welchem ich hiebevor bin schuldig gewesen 6 gülden 
alt wehrung, dem geb ich 4 gülden new. — Die studiosi 
captivi sind noch in der ha£ft und fahrt man fort mit dem 
malefizgericht; obs pro forma oder pro serio geschehe, ist 
nicht genung offenpar^ doch allzeit uf das erste will man 
mummeln, als solt es nur vor einen schein geschehen, den 
burgern suspitionem conniventiae, welche sie vielleicht meinen, 
das princeps sie gegen studiosos trage, zu benemen. Das 
gericht wird von senatoribus Marpurgensibus und ettlichen 
jurisconsultis besessen und sind zur anklag uf sie, studiosos, 
60 artikel gestellet. Johan Conrad ist nicht der letzt im 
kochen, sondern sein vetter Cristoifel Löer wird schliessen, 
also das wir innerhalb 4 wochen abziehen werden. Weysel 
ist Widder bey uns und hat sich durch einen contract mit 
den cibanten an den tisch incorporiret, will bis zum abzug 
hie pleiben. — Gegeben zu Marpurg, den 9. februarii a. 1611. 

70. Ankunft. Pest. Münzordnung. Lade. — 1611 Mai 5. 

1611, Ist gestern Abend um 5 Uhr gesund in Marburg an- 

Mai 6, gej^Qffi^en, der ihm mitgegebene Bote Heinrich hat das Bündel 



405 

m Allendorf, weiss nicht ob aus faulheyd seines leibes oder 
aus schwer der last, abgelegt, hab also daselbst ein andern 
dingen müssen, einen kleinen Jungen von 16 Jahren, der 
die Last ohne Klage bis Marburg getragen; hat ihm 6 Albus 
gegeben und mit Heinrich verabredet^ dass diese ihm von 
seinem Lohne in Rungen abgezogen werden sollen; hat im 
übrigen beide, Heinrich und den Jungen^ gespeyset, getränket 
und beherberget, also dass ihrer keiner deshalben klagen werden 
könne. Mein losament und tisch anbelangen thnt, kann ich noch 
zur zeyt nichts gewisses schreiben; weys auch nicht, ob ich 
mich darinnen lasen werde, denn es sich ansehen lest, auch 
kund und notorium ist, das pestis in ettlichen orten und 
gassen allhie iuris gethan, also das ungewiss, quid hoc 
tempore nubilo serus vesper laturus sit. Das hoffwesen ist 
ganz still und abgeschafft, wie auch turba studiosorum sehr 
dünn und gering, villeicht aus forcht itzgedachter ein- 
schleichender seuch. Die muntzordnung aber ist noch in 
vorigem esse, will gleichwohl ufs nechste und ehest, wie es 
damit gangen, euch zuschreiben. Würde Johan Conrad fuhr 
mitnehmen, so seyd doch darann, wie ich die fünf grose 
bücher möge mitbekommen; hett auch gewollt, das ich die 
bey herrn Liriaco stehende laden hir oben hette, denn beyde 
gehanck an der breyten laden, die ich habe, durch viel und 
offtes uff und abschlappen und wanderen zersprungen sein, 
also das ich nichts verwahrlichs darinnen ufhalten und 
verwahren kann. — Marpurg, den 5. maii a. 1611. 

71. Fest. Wohnung. Aussicht auf Stellung in Heidelberg. 
Lisfeld erkrankt. Zahluug. — 1611 Mai 11. 

Berichtet in Ergänzung seines letzten Schreibens ^i^ii, 
(No. 70), dass die unbeständigkeyd und scheinende trawrig- 
keyd allhie hat mir verpotten mich in eine gesellschaft mit 
zu interessieren, sintehmahl es sich last ansehen, als wölt es 
etwas allhie auskehren, welches ihr von zeygern dieses, so 
er richtig zubekennen will, erlehrnen könnet. Dann in der 
vorstatt Weydenhaussen nun allzeyt an die etliche und treysig 
gestorben sein, mit welchen dann auch zuweylen qines aus 



Maim 



406 

der statt mit anderlauft. Sollte es überhand nemen, würde 
foey zeyten de translatione scholae deliberiret werden. Gott 
sey davor, das nicht geschehe, dann ich aas verdrass mein 
gezeag in ein newes and frembdes losament za tragen^ in 
meiner vorigen herberg geplieben bin, darinnen ich ein klein 
beqaem and heymlich losament ingenommen; darinnen ich 
vermeinet diesen sommer vollends etwas zu leysten, wann 
ich nicht mit andern durch unvermeyntes einreysen der seuch 
uffzubrechen genötiget wurde. Sollte underdess mein ge- 
legenheyd zu Haydelpergk ufstehen, lieber vatter, so helft 
mir fort, das mir nicht ein ander ins nest falle. Hierbey 
lass ich mir in einem anstossenden haus kochen, and essen 
ich und Venator mit einander, kochen einer umb den ander 
mittages. und hett solches Johann Conrad auch gern gethan, 
wo er sich nicht vor seinem abziehen mit eytel Hessen in- 
gelosiret hett, von welchen er nun nicht abkommen kann; 
muss auch sein gedingte losament allein bewohnen, denn 
sein angenommener stubengesell Löhr ist ab nach Giessen 
gezogen, so ist der ihm substituirte Lisfeld in eine blözliche 
schwachheyd paroxismo febrili gerathen und lieget in einem 
frembden hauss zu bett. Was darauss werden würd, wird 
die zeyt geben. Dabey befind er grosse hauptsschmerzen, 
welche ihn zu underschiedenen und gewissen mahlen an- 
kommen. Müssen derhalben alle von tag zu tag erwarten, 
was infallen würd. Doch weyl man underdess sonder essen 
nicht leben kann und aber der mir zugegebene bott alles nicht 
ertragen könde, auch wohl dasjenige, was er hett tragen 
sollen, allhie besseres kauffs gefunden würd, als hoff und mein 
ich, es werde ewer wiedderwill dabey nicht sein, so ich brott, 
fleisch, botter etc. allhie kauifen, nach notturft verbrauchen 
werde, als sollches von hauss bringen lassen; bittet nur um 
einen pfingsthaynkuchen, den die Fuhre des Honigkuchen- 
bäckers oder der Bote, der die fünf Bücher bringen tvird, 
mitnehmen kann; hat den Krämer bezahlt^ so weyt es hat 
langen wollen, dann er die leichte ducaten in solchem verlor 
gar nicht hat nemen wollen, also das ich von ihrem werth 
etwas hab müssen lassen abgehen; hat die rohe materien 



407 

von büchern und einen umbschlag vergessen'; hat an Weysd 
geschrieben, biiiet für eine Antwort xu sorgen; fragt an^ ob 
ein Schreiben von Zaunschlieffer aus Heidelberg gekommen; 
was sonsten turbam stadiosorum anlanget^ ist sie noch in 
allem esse, also das derselbig wedder incrementum noch 
decrementum zu spüren. Marpurg, in eyll, den Sonnabend 
vor pfingsten, a. 1611. 



72. Hat die Stelluug eines Erziehers im Hanse von Yultejus nicht 

erhalten. Pest, — 1611, Mai 18. 

Hat Dr. Vultejus wegen seiner Studien consulürt und 1611, 
under andern das euch wohl bewuste paedagogi werck unver- * ' 
merckt erörtert; inbetreff des letzteren hat Vultejus so viel 
zu verstehen gegeben, das meinetwegen bey ihme wohl ge- 
worben, wie in gleichem auch er selbst meinetwegen bedenckens 
getragen hab, das aber solches widder verhoffen nicht effectuirt 
sei, hab er solche motiven^ das ich gern zue frieden und, das 
es nicht geschehen, frohe billich sein solt. Dann sagt er, 
mir vielleicht unwissend, was bey solchen jungen, ungeschickten, 
unruhigen jungen zu thuen were, an welche ich meine zeyt, 
derer ich ganz nicht entberen mit jactur meines studierens 
nicht hett anwenden sollen noch können, so were ich Gott 
lob desen Vermögens, das ich mit ruhe und nicht mit mühe 
mein studieren solte pertractiren, und noch zuer zeyt nach 
solcher gelegenheyd nicht streben, sondern solche anderen 
so besser der zeyt entbehren und schwerlicher auskommens 
hetten, gerne gönnen, wie dann an izigem seinem paedagogo 
wahr und kundpaar were, mit welchem er sich auch, wie 
mir denn selbst wissend, vor meinem anwerben in handlung 
eingelassen und nicht wohl wiedder abweysen können. Doch 
hette er mir in dem fall wohl willfahren wollen, so sie er- 
wachsen, zu publicis lectionibus gepracht und etwan ver- 
schicket hetten werden sollen. Sollt mich gleichwohl endlich 
zu ihme versehen und trösten, das ob ich nicht bey ihme 
zue hauss, ich mich doch alzeyt seiner hulf und rath anzu- 
messen und zu ersuchen fug und macht haben soll. Grüset 



408 

hiemit euch nnd altvattern ganz freundlich und fleisig. 
Bittet um Äntwm^t auf seine letzten Briefe und namentlick 
um die Zusendung der Bücher und des Umschlags; der 
Honigkuchenbäcker hat erklärt, er würde die Bücher gern 
mitgenommeji haben, wenn er sie erhalten hätte; das Sterben 
bessert sich nicht, sondern weytter und mehr allgemach ein- 
reyst. — Gegeben in aller eyl zue Marpurg, den 18. maii 
a. 1611. 





VII. 

Das Kloster S. Georgenberg bei Frankenberg 
nnd das dasige Angnstinerinnenhans. 

Von 

August Heldmann, 
Pfarrer zu Michelbach. 

|ie althessischen Klöster sind arm an Klosterchroniken; 
selbst Kopial- und Totenbücher sind nur selten vorhanden. 
Man ist deshalb hinsichtlich ihrer Geschichte wesentlich auf 
die vorhandenen Urkunden angewiesen und beschränkt. Für 
das Kloster Georgenberg und die verschiedenen Stadien seiner 
Entwickelung und Leitung kommt uns indessen der Lokal- 
chronist und fürstliche Kaplan Wigand Gerstenberger, gen. 
Bodenbender, aus Frankenberg durch seine Frankenberger 
Chronik zu Hilfe, deren Angaben mit den noch vorhandenen 
Urkunden der beiden Frankenberger Frauenklöster genau 
übereinstimmen und, soweit sie von allgemeiner Bedeutung 
sind, auch in die späteren hessischen Chroniken über- 
gegangen sind. 

Das Kloster Georgenberg bei Frankenberg, welches zu 
den grösseren hessischen Frauenklöstern zählt, hat alle übrigen 
hessischen Klöster um 40 Jahre überdauert. Deshalb ist 
auch sein Urkundenbestand ziemlich vollständig erhalten und 
bei der Uebernahme des Klosters in die staatlichen Archive 
gelangt. Der Urkundenbestand war noch im Anfang des 
17. Jahrhunderts; mit Ausnahme einer auch bei anderen hes- 
sischen Klosterurkundenbeständen vorkommenden Lücke im 
Anfange des 15. Jahrhunderts, wie es scheint, vollständig 



410 

erhalten. Als das kaiserliche Bestitationsedikt vom Jahre 1629 
auch auf das Kloster Georgenberg angewandt werden sollte, 
hatten die von der Regierung des Landgrafen Georg IL vei^ 
fassten Deduktionen noch mehr Urkunden zur Verfügung, als 
dermalen vorhanden sind. Aus diesen Deduktionen hat J, 
O. Estor im 3. Bande seiner Kleinen Schriften, 1753, eine 
Anzahl dieses Kloster betreffende Urkunden abdrucken lassen. 
Selbst noch im letzten Jahrhundert sind nicht wenige Ur^ 
künden, deren Inhalt indessen in den alten Bepertorien ver- 
zeichnet ist, dem Schicksale aller irdischen Erzeugnisse an- 
heimgefallen. Ebenso sind einige von C. P. Kopp, Geist- 
liche Gerichte etc. 1769 und in S. Wiirdtwein, Diöc. Mogunt. 
1768 ff. com. IX. gegebene Urkunden inzwischen verloren. 
Die Ursache der erwähnten Lücke im Anfange des 15. Jahr- 
hunderts wird vorerst unaufgeklärt bleiben müssen. Wenn 
auch um jene Zeit die Zuwendungen und Stiftungen für die 
Klöster abnahmen, so reicht dieser Umstand doch nicht hin, 
diese Lücke zu erklären. Das Urkundenmaterial befindet 
sich mit nur wenigen Ausnahmen im Staatsarchive zu Mar- 
burg. Die wenigen auf die Klosterreform im Ausgange des 
15. Jahrhunderts bezüglichen Urkunden zeigen, dass der 
kirchengeschichtlichen Forschung hier ein noch wenig er- 
forschtes Gebiet zur Erforschung dieser segensreichen kirch- 
lichen und klösterlichen Bewegung vorbehalten ist, zu welcher 
die nachfolgenden Zeilen wenigstens einen kleinen Beitrag zu 
bringen versuchen. 

Die Stadt Frankenberg hatte vor der Beformation nicht 
weniger ein reiches gottesdienstliches Leben und kirch- 
liche Anstalten, wie Marburg. Waren es in Marburg die 
Deutschherren, welchen die Pflege der Heiligtümer anvertraut 
war, so waren es in Frankenberg die Johanniterbrüder des 
Hauses Wiesenfeld , welche das Kirchenwesen seit dem 
Jahre 1392 leiteten, ohne dass die städtischen Bechte in der 
Verwaltung der äusseren Kirchensachen beeinträchtigt wurden. 
Wie der Frankenberger Chronist Wig. Gerstenberger berichtet, 
hatten seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts noch andere 



411 

Orden in besonderen Häusern Ordensbrüder stationiert, welche 
in der Fastenzeit wöchentlich einmal des Morgens von 8 bis 
10 Uhr predigten, nämlich die Wilhelmiten von Witzenhausen 
Montags, die Augustiner von Alsfeld Dienstags, die Karme- 
liter von Cassel Mittwochs, die Franziskaner von Marburg 
Donnerstags, die dasigen Dominikaner oder Predigermönche 
Freitags ; dann habe man darnach zu einer Messe geläutet, 
und diese vielen Gottesdienste, sagt er, sollten niemand Wunder 
nehmen, denn es seien zu der Zeit in Frankenberg viele 
Herrschaften auf dem Schloss, viele Edelleute und Burgmänner 
und viele reiche Bürger und Müssiggänger dort gewesen, 
dagegen Sonnabends sei des Wochenmarkts wegen die Pre- 
digt ausgefallen. Ebenso hätten diese Orden an Sonn- und 
Feiertagen nach der Essenszeit eine Stunde lang predigen 
lassen. Das Kloster Haina hatte eine eigene Kapelle auf der 
Haide. Ausser der Pfarrkirche St. Marien, welche seit dem 
Jahre 1286 erbaut wurde, und bei deren Grundsteinlegung 
am 8. April Landgraf Heinrich I. persönlich theilnahm und 
ein schönes Opfer auf dem Stein Unser lieben Frauen dar- 
brachte, waren die vom Kleriker Otto Fryling 1315 gestif- 
tete St. Johannes- und Marienkapelle auf dem Schafhofe 
unter dem Hain in der Neustadt, über welche die Familie 
Fryling das Patronatsrecht hatte, sowie die St. Mauritius- 
kirche des Klosters Georgenberg und die Kapelle zu Wickers- 
dorf die hauptsächlichsten kirchlichen Gebäude. Zu der 
letzteren fand jährlich am St. Urbanustag (25. Mai), sowie 
nach Wolkersdorf am Markustag (25. April) eine grosse Pro- 
zession statt. Eine Anstalt der Barmherzigkeit war das 
Elisabethenhospital in der Neustadt, nach der Edder hin ge- 
legen, das jedoch mit dem heutigen städtischen Hospital nicht 
identisch war. 

Im Jahre 1242 stiftete Konrad, Herr von Itter, zur 
Ehre der hl. Jungfrau und zum Seelenheile seiner Vorfahren 
ein Cisterzienser - Nonnenkloster zu Butzebach, einem 
kleinen unter Sachsenberg auf der heutigen Landesgrenze auf 
der linken Seite des Nuhneflusses, wo derselbe nach Süden 
biegend sich der Edder zuwendet, gelegenen Dorfe. Er über- 



412 

gab dasselbe einem Mönche Hermann von Bertlingdorf. Der 
Stiftungsbrief ist bezeugt von den Pfarrern zu Lotheim, Orke 
und Yöhl und zwei Brüdern zu Haina. Ob der Ort noch zum 
Stifte Mainz oder schon zum Stifte Cöln gehörte, dessen 
Grenze die Nuhne bildete, ist ungewiss. Erzbischof Konrad 
(von Hochstaden), der Erbauer des Cölner Doms, bestätigte 
1247 die Stiftung und Privilegien des Klosters und gab ihm 
in den Jahren 1248 und 1249 vier Kollekten- und Ablass* 
briefe für seine Diözesanen. Konrad war jedoch auch päpst- 
licher Legat, hat aber dem Kloster eine wesentlich nach 
Westfalen hin neigende Richtung gegeben, welche es bis 
zu seiner Aufhebung behalten hat. Konrad von Itter räumte 
den Nonnen seinen Haupthof (curia) zu Butzebach ein, gab 
dem Kloster die Villa Albernhausen und befreite es von dem 
Vogteigerichte. Er hatte dort ein Schloss (castellum). Ausser- 
dem wird wiederholt eine alte Umwallung erwähnt, welche 
einen ziemlichen Umfang gehabt haben muss^ da der Zehnten 
darin dem Kloster gegeben wird (1252). Ein von Johann 
von Deifeld lehnbares Dritteil dieser alten Umwallung bei 
Butzebach gab der Bürger Heinrich de Palude zu Medebach 
1257 dem Kloster. 

Doch schon 1245 genehmigten des Stifters Söhne Rein- 
hard und Konrad von Itter auf Bitte des Landgrafen Hein- 
rich von Thüringen und seiner Gemahlin Beatrix die Ver- 
legung des Klosters nach Hadebrandsdorf auf battenbergischem 
Gebiete vor die Stadt Frankenberg, wo dasselbe grösseren 
Schutz gegen die Fehden der Zeit genoss, und bestätigten 
die Stiftung ihres Vaters.^) Ein blühendes städtisches Ge- 
meinwesen ohne klösterliche Einrichtungen war nach der 
Sitte jener Zeit undenkbar. Zeugen dabei waren der Propst 
Konrad von Berich und der Pfarrer Eckhard zu Geismar, 
zu dessen Pastorat damals Frankenberg noch gehörte. Auch 
in der Folgezeit haben die Herren von Itter die Stiftung 
Konrads bestätigt und vermehrt, so namentlich Reinhard von 

^) Daher conventus in Hadebranzdorf (1249) genannt. Während 
die Cisterziensor-Männorklöster meist einsam gelogen waren, lagen die 
Frauenklöster in unmittelbarer Nähe der Städte und Dörfer. 



413 

Itter (1252) durch eine Hufe zu Morslo bei Butzebach und 
den erwähnten Haupthof zu Butzebach, den die Nonnen an- 
fangs bewohnt hatten, und (1257) durch den Zehnten in der 
alten ümwallung. Im Jahr 1253 ertheilte auch Erzbischof 
Gerhard I. von Mainz dem Kloster einen Kollekten- und Ab- 
lassbrief. 

Nach dem Aussterben des thüringischen Fürstenhauses 
nahm die Landgräfin Sophie dasselbe in ihren Schutz (11. Fe- 
bruar 1249). Damals waren die Klostergebäude noch im 
Bau begriffen. Die Kollekten, besonders aus dem Erzstifte 
Cöln, müssen reichlich eingegangen sein. Denn noch in dem- 
selben Jahre (1249) kaufte das Kloster je ein Gut zu Geismar 
von den Vögten von Keseberg, zu Bringhausen von Bertold 
Kule und zu Beltersdorf von den Brüdern von Meidersdorf, 
sowie die Mühle zu Butzebach. Auch die in der Umgegend 
begüterten Klöster unterstützten die neue Pflanzung. Das 
Kloster Weissenstein bei Cassel überliess ihr eine Hufe zu 
Nenchersdorf (1254) käuflich und das Albanusstift zu Mainz, 
welches die Zehnten nebst Pastorat zu Röddenau und einigen 
dasigen jetzt wüsten Orten besass, beschenkte das Kloster 
mit dem Zehnten zu Dornbrechtsdorf gegen Debernahme der 
Atzungskosten bei dem Send zu Röddenau und einen Zins 
von 2 Pfund Wachs. Im Laufe der Zeit fielen diese Wüst- 
ungen bei Röddenau und Birkenbringhausen fast sämmtlich 
dem Kloster zu. 

Am 1. Juni 1264 löste Widekind, Vogt von Keseberg, 
als Patron der Parochie Geismar die Kapelle der heran- 
wachsenden Stadt Frankenberg aus dem Pfarrverbande zu 
Geismar in- honorem beati Georgii martiris los. Papst 
Alexander IV. genehmigte darauf am 10. Oktober 1255 die 
Uebertragung des bis da dem König-Landgrafen Heinrich 
Raspo zugestandenen Patronatrechtes über die Frankenberger 
Kapelle auf das Kloster Georgenberg. Durch den Langs- 
dorfer Vertrag vom 11. September 1263 machten Sophie und 
ihr Sohn Heinrich I. die Städte Frankenberg und Grünberg 
zu mainzischem Lehen, das nach Erlöschen des hessischen 
Mannsstammes an das Erzstift fallen sollte. Als dann später 



414 

die heutige Pfarrkirche seit 1286*) erbaut worden war, in- 
korporierte Erzbischof Gerhard IL von Mainz, am 30. Mai 1291 
dieselbe dem Kloster, damit dasselbe den genügenden Unter- 
halt habe, mit dem Vorbehalt eines dieselbe bedienenden Priesters, 
welcher das zu seinem Unterhalte nötige Einkommen (con- 
grua) und zur Bestreitung der ihm obliegenden Lasten an 
den Bischof und Archidiakon vorab aus den Kircheneinkünften 
beziehen solle. Das Domkapitel zu Mainz bestätigte am 
14. März 1337 aufs neue diese Einverleibung. Bischof und 
Kapitel bezeichnen das Patronatrecht über die Kirche als 
ihnen zustehend. Das Kloster verpflichtete sich damals der 
Domkirche für diese Einverleibung zu einem jährlichen Zins 
von 2 Pfund Wachs (19. März). Doch schon 1293 hatte ein 
Priester Gerlach Goz aus Frankenberg eine päpstliche Ver- 
leihung der Pfarrstelle erschlichen, welche der Erzbischof 
durch Schreiben an den Dekan zu Kesterburg (21. Juli 1293) 
für ungültig erklärte, indem er einen Werner von Haubern 
zum Verweser bestellte. Es entstand darüber ein langer kano- 
nischer Prozess, in welchem das Kloster seine Vertretung 
dem Landgrafen übertrug. Gerlach Goz, dessen Bruder 
Heinrich Kanonikus des Stifts Wetter war, behauptete jedoch 
seine Stelle und erscheint noch 1290 darin. ^) 

Im Jahre 1302 gab Landgraf Heinrich L aufs neue das 
Präsentationsrecht der Pfarr- und Propststelle dem Kloster 
dergestalt, dass dasselbe unter Zuziehung der Burgmänner, 
Scheffen und Vornehmsten der Stadt eine zum Amt und zur 
Regierung der Kirche geeignete Person dem Landgrafen zur 
Bestätigung präsentieren, den Bestellten aber nicht ausser 
wegen Excesse oder Unvermögens entlassen solle. ^) Ob der 
Propst selbst stets Stadtpfarrer gewesen oder neben ihm ein 
Vikar mit dem Titel eines Stadtpfarrers, ist nicht gewiss. 
Diese Ordnung bestand bis zum Jahre 1392. 



') Den Tag der Grundsteinlegaog, welchen Rörtg, die Kirche za 
Frankenberg, S. 3 bezweifelt, gibt der Chronist Ahrahcum Satter, Diar. 
bist. 1582, S. 151 ausdrücklich an, den 8. April. 

«) Wmek, Hess. Urk. B. 111, S. 160. Böhmer- Will, Reg.-Mog. II, 360. 

') EstoTf Orig. juris publ. p. 300. Ledderhose, Kl. Schriften 
1795. 5,227. 



415 

Im Jahre 1392 (Dez. 7.) entzog Landgraf Hermann die 
Pfarrei Frankenberg dem Kloster Georgenberg und übergab 
sie unter Vorbehalt seines Patronatrechtes über die Altäre 
der Pfarrkirche dem Johanniterhause Wiesenfeld mit der 
Bestimmung, dass der Komthur von jetzt ab im Pfarrhause 
wohnen, das Haus Wiesenfeld aber mit 2 oder 3 Brüdern 
versehen solle, deren einer oder zwei Priester sein sollten. 
Dieselben sollten alle Tageszeiten (horae canonicae) halten, 
an den Quatembern (quatuor tempora) Mittwoch Abends 
Vigilie singen und Donnerstag Morgens eine feierliche Messe 
halten (solempniter celebrare). Sie sollten ferner dem Kloster 
Georgenberg 8 Pfund Heller jährlich auf Georgentag (23. April) 
geben und einen Klosterkaplan halten. Doch soll, wie be- 
merkt, den Landgrafen das Patronatrecht über die Altäre 
der Pfarrkirche, deren Altaristen dem Komthur gehorsam sein 
sollen, verbleiben, auch der Komthur und seine Brüder in 
allen Streitigkeiten mit dem Kloster Georgenberg die end- 
giltige Entscheidung bei den Landgrafen unter Ausschluss 
einer Appellation an die geistlichen Gerichte suchen und 
nehmen ; sie sollen ferner keinen Handel treiben, keine bürger- 
lichen Güter erwerben, etwa ihnen durch Testament zuge- 
fallene Güter aber binnen 8 Tagen nach dem Anfall ver- 
kaufen und im Falle der Unverkäufiichkeit in Geschoss, 
Steuer und Bede verhalten. Die äusseren Kirchensachen des 
Kirchenbaues und des Kirchenvermögens sollten, wie ander- 
wärts, den sog. Baumeistern verbleiben. 

Die Veranlassung zu dieser Aenderung der kirchlichen 
Leitung ist nicht ersichtlich, scheint aber mit dem Eintritt 
des damaligen Stadtpfarrers und Propstes in den Johanniter- 
orden zusammen zu hängen. Pfarrer war seit 1383 Gottfried 
von Diedenshausen, ein angesehener Herr, der letzte seines 
Geschlechts, welcher um 1430 als Bruder im Hause Wiesen- 
feld starb. Diese neue Kirchenleitung, welche bis 1527 be- 
stand, gab unter dem Komthur Heinrich von Dersch (1448 
bis 1478) zu vielen Klagen über nachlässige Versehung der 
Pfarrkirche Ursache, so dass das Provinzialkonzil des Jo- 
hanniterordens zu Speier im Jahre 1478 den Komthur sogar 



416 

mit Gefängnis bedrohte. Seit dem Ende des 15. Jahr- 
hunderts schwebten mehrfache Streitigkeiten zwischen den 
Johannitern und dem Kloster Georgenberg über gegenseitige 
Leistungen und Gefälle, besonders über die Haltung eines 
Elosterkaplans. Landgraf Wilhelm III. Hess am 8. Juli 1493 
einen für 20 Jahre giltigen Vergleich deshalb durch Schieds- 
freunde aufrichten. Im Jahre 1510 schlössen beide Theile 
über diese Leistungen einen neuen Vertrag. Im Jahr 1511 
verzichtete zwar das Haus Wiesenfeld auf die Kollation über 
die Altäre im Kloster, doch musste es laut der Vereinbarung 
von 1392 sich am 9. Februar 1512 aufs neue zur Haltung 
eines Kaplans verpflichten, welcher an den vier ersten Wochen- 
tagen im Kloster Messe halten sollte^ während ihm die übrigen 
Tage das Kloster vergüten musste. 

Das Kloster trug den Namen des hl. Ritters Georg, 
jenes römischen Hauptmanns aus Kappadocien (ecciesia oder 
monasterium s. Georgii extra muros Frankenberg) und dessen 
Bild im Konventssiegel. Auch die Kirche des Klosters trug 
den Namen eines tapfern römischen Hauptmanns und Mär- 
tyrers, des hl. Mauritius, des Führers der sog. thebaischen 
Legion. Das Kloster war reich an Reliquien, namentlich an 
solchen der Eilftausend Jungfrauen, sowie an Ablassbriefen, 
deren es fast von jedem mainzischen Weihbischof zu Erfurt 
hatte, im Ganzen mindestens 24, davon 5 nicht mehr vor- 
handen sind. Der merkwürdigste ist der des Italieners Jo- 
hann Angelus Arcimboldi, welcher päpstlicher Nuntius cum 
potestate legati a latere und Propst von Arcisate war. Joh. 
Angelus Arcimboldi, aus Mailand gebürtig, war vom Papste 
mit dem Vertrieb des Ablasses für den Bau der Peterskirche 
zu Rom in den nordischen Ländern sowie in den Diözesen 
Cöln, Bremen, Meissen und Cammin beauftragt und in den 
Jahren 1516 und 1517 namentlich in Lübeck thätig, wo er, 
wie Paolo Sarpi, der Geschichtschreiber des tridentinischen 
Konzils, sagt, sein Geschäft als Ablassprediger mit dem Ge- 
schicke eines vollendeten genuesischen Kaufmanns betrieb. 
Der erwähnte Ablassbrief, welcher zu Medebach 15. April 1517 
ausgestellt ist, also in demselben Jahre, in welchem Dr. Luther 



417 

zu Wittenberg gegen den Ablass auftrat, ist ein gedrucktes 
Formular, in welches je nach Ort und Personen das Nötige 
eingefügt ist. Angehängt ist ein besonderes Blatt mit den 
Namen der Empfänger, der Klosterpersonen des Georgenberg, 
51 weibliche und 8 männliche, und angeschrieben die Abso- 
hitionsformel. Es wird darin Sündenvergebung für die ärgsten 
Verbrechen und Schandthaten, an welche die Insassen des 
Klosters Georgenberg gewiss auch nicht einmal nur gedacht 
haben, z. B. Mordanschläge gegen den Papst, die Bischöfe 
und Prälaten, Waffenlieferungen an die Türken, Verfälschung 
päpstlicher Bullen u. s. w. verheissen und. die Herstellung 
der Reinheit und Unschuld des Taufstandes, für die Todes- 
stunde aber die offenen Himmelspforten zugesagt. Der Nun- 
tius erlaubt ihnen auch, weil, wie er vernommen, Deutsch- 
land kein Olivenöl hervorbringe, in der Fastenzeit Butter 
und Käse zu essen. ^) 



*) Arcimboldi begab sich darauf nach Kopenhagen, wo er von 
König Ciiristian II. die Erlaubniss zum Ablassvertrieb mit 1100 fl. er- 
kaufte, verwickelte sich aber tief in die Streitigkeiten der nordischen 
h'cicho. In Kopenhagen war er ein eifriger Anhänger des Königs, der 
ihn in seinem Interesse auch in Schweden verwenden wollte. In Stock- 
iiolm, wollin er 1518 kam, sparte jedoch der Reichsvorsteher Steen Sture 
im Streite mit dem Erzbischof Gustav Trolle von Upsala, dem Haupte 
der dänischen Unionspartei, kein Opfer diesen einflussreichen Mann zu 
gewinnen und versprach ihm das reiche Erzbistum Upsala. Arcimboldi 
teilte ihm dafür alle Geheimnisse, die er in Kopenhagen erfahren hatte, 
mit. Der Erzbischof Trolle wurde von der Reichsversammlung abgesetzt, 
Arcimboldi von den Domherrn gewählt und um seine Bestätigung bei dem 
Papste geboten. Arcimboldi wollte das Bistum durch den früheren 
nischof Jakob Ulfsen versehen lassen, aber in Italien die reichen Ein- 
künfte verzehren. Als Christian II. von dieser Untreue Kunde erhielt, 
licss er in seinem Zorn Arcimboldis ganze Habe, gesammelten Gelder 
und Kostbarkeiten, Eisen und Butter, zwei Schiffe voll, beschlagnahmen. 
Aiciniboldi musste eiligst aus Dänemark flüchten. Als er nach Lübeck 
zurückkam, fand er an den Kirchthüren eine Bulle angeschlagen, 
durch welche der Papst, der die Absetzung Trolles untersucht und 
der \yahl Arcimboldis die Bestätigung verweigert hatte, über Steen 
Sturo und alle, welche an dem Verfahren gegen Trolle teilgenommen, 
den Bann aussprach. Durch die Vorgänge in Wittenberg fand Arcim- 
boldi die Lage bereits so verändert, dass, wo ihn früher Glocken - 
geliiuto empfangen, er jetzt mit Hohn über den Ablass und über 
andere Anstösse der römischen Kirche überschüttet wurde. Arcimboldi 
nuissto sich durch einen Eid über die gegen Christian IL begangene 
Untreue reinigen, fiel aber doch bei dem Papste in Ungnade und wurde 
erst 1525, weil Kaiser Karl V. seiner Familie die Einnahme Mai- 
lands verdankte, zum Bischof von Novara bestellt. Er bestieg 

N. F. Bd. XXIIL 27 



418 

Am Sonnabend nach dem Johannistage, d. i. am Tage 
vor dem Ablasstag, wurde eine grosse Prozession aus der 
Pfarrkirche mit dem Heiligtum, mit Fahnen und Kerzen 
zum Kloster Georgenberg und von da unter dem Hain 
wieder zur Stadt vor der Vesper gehalten, ebenso am anderen 
Morgen von der Pfarrkirche zur Kapelle auf der Haide. Bis 
zum Jahre 1316 war der Sonntag Rogate der Ablasstag ge- 
wesen, wurde aber damals von Erzbischof Peter von Mainz, 
ebenso auch von demselben 1312 die Dedikationsfeier der 
Kapellen auf der Haide, unter dem Hain und zu Wickersdorf, 
sowie der Altäre des hl. Kreuzes und der hl. Barbara im 
Kloster auf den Sonntag nach Johannistag verlegt. Doch 
behielt der Sonntag Rogate auch noch in der Folgezeit eine 
durch Zierat und Geläute ausgezeichnete Feier.*) 

Grosse Unglücksfälle, namentlich Brände, welche vielen 
Klöstern verderblich wurden, haben das Kloster, soweit 
die Nachrichten lauten, nicht betroffen, wohl aber wurden 
seine Gebäude und die Obermühle durch einen Ausbruch des 
von Landgrafen Heinrich I. angelegten grossen Teiches im 
Jahre 1297 zerstört. 2) 

Die Klosterjungfrauen trugen weisses (graues) Kleid 
mit schwarzem Schleier, Skapulier und Gürtel, die Laien- 
schwestem braunes Habit. Der Orden hiess deshalb der 
graue Orden. In dem Kloster gab es mehrere Dignitäten, die 
der Aebtissin und Priorin, im 16. Jahrhundert auch noch die 
der Subpriorin, ausserdem gab es eine Küsterin, welche die 
gottesdienstlichen Geräte in Stand zu halten hatte, eine No- 
vizenmeisterin und Kellnerin. Zur Visitation der Cisterzienser- 



im Jahre 1550 sogar den erzbischöfLicheo Stuhl des hl. Ambrosius za 
Mailand; f 1555. Arcimboldi hat das Verdienst um die Wissenschaft, 
dass er auf seinen Ablassreisen die 5 ersten Bücher von Tacitus Annalen 
im Kloster Corvey entdeckt hat. Wetxer und Weite, K. Lexikon, 1, S. 1268. 
Herzog^ Realencyklopädie, 1, S. 616. 

') Die Dedikationsfeier der Hainkapelle in der Neustadt, in welcher 
es ausser dem St. Johannis-Evangelisten und St. Antoniusaltar auch einen 
St. Cyriakusaltar (1397) gab, wurde im Jahr 1399 auf dem Cyriakustag 
(8. August) verlegt. In dem grossen Brande am 9. Mai 1476 gieng diese 
Kapelle mit ihren 2 Glocken und 3 Altären zu Grunde. Kuckenbecker, 
Anal. Hass. V. 189. 

«) Anal. Hass. V, 187. 



419 

Nonnenklöster waren die Aebte benachbarter Ci&terzienser- 
klöster vom Generalkapitel zu Citeaux bestellt. Diese Vater- 
äbte mussten jährlich die ganze Ordnung, besonders die Ver- 
mögensverwaltung, einer Prüfung unterziehen. Sie setzten 
die Zahl der Nonnen fest, damit dieselben genügenden Unter- 
halt hätten und nicht durch eine Ueberzahl zu betteln ge- 
nötigt wären. Die Visitatoren bestellten den Nonnen ehr- 
bare und verständige Männer, meistens Mönche ihres Ordens, 
zu Beichtvätern. Das Kloster Georgenberg war jedoch bis 
ins 16. Jahrhundert dem Generalkapitel nicht unmittelbar 
unterstellt, sondern teils den Landgrafen, teils den Erz- 
bischöfen von Mainz. Die Zahl der Konventsschwestern setzte 
Erzbischof Peter im Jahre 1308 bei Meidung von Kirchen- 
strafen auf nur 36 fest, damit dieselben ihr genügendes Aus- 
kommen hätten. Im 15. Jahrhundert war die Zahl viel 
kleiner, 1517 hatte das Kloster, wie bemerkt, 51 weibliche 
und 8 männliche Insassen. 

Die Insassen der Cisterzienser-Nonnenklöster zerfielen 
in mehrere Klassen. Ausser den Konventsjungfrauen, welche 
meistens dem Adel oder den wohlhabenden Bürgerfamilien 
zu Frankenberg angehörten und im Kapitel Sitz und Stimme 
hatten, war darinnen eine beschränkte Zahl von Laien- 
schwestern. Beide werden bezeichnet und unterschieden als 
sorores und sustrices. Zur Besorgung von ökonomischen 
Arbeiten, zu welchen Frauen nicht im Stande waren, sowie 
der Vermögensverwaltung und des Gottesdienstes war auch 
männliches Personal erforderlich. Daher kommen auch meh- 
rere Laienbrüder, conversi ordinis oder conversi monialium, 
vom Konvente auch »unsere Mönche« genannt, vor, welche 
ins Kloster traten und das Ihrige dem Kloster zuwendeten. 
Das Verhältniss zu diesen Mönchen war jedoch kein befrie- 
digendes. Mit einigen derselben, welche über ihre Güter 
zum Nachteil des Klosters verfügen wollten, geriet das 
Jvlostor vor dem mainzischen Offizial zu Amöneburg in Streit, 
l^^inem derselben, dem Bürger Lolz Hille in der Neustadt, 
erlaubte der Konvent sogar ausserhalb des Klosters in der 

Stadt in weltlicher Kleidung zu wohnen (1388). Im 15. Jahr- 

27* 



420 

hundert werden auch Donaten, Pfründner, erwähnt, welche 
sich und das Ihrige gegen den Bezug einer Klosterpräbende 
ins Kloster wandten. Noch kurz vor der lutherischen Re- 
formation hatte sich des im Jahre 1503 verstorbenen Ritters 
Johann von Hatzfeld, Witwe, Katharina, geb. von Hatzfeld- 
Wildenberg, ins Kloster Georgenberg begeben, um dort ihren 
Witwenstand in einem geistlichen Leben zu beschliessen. 
Sie starb 1523 und schenkte dem Kloster einen grossen 
Kelch und Messgewänder und stiftete zu ihres Hauswirtes 
Seelenheil mit 80 6fl. ein ewiges Licht auf dem Kloster- 
kirchhof.^) 

Diese männlichen Personen verband man dadurch dem 
Kloster, dass man sie Profess thun Hess. Sie mussten dann, 
wie die Novizen, ein Probejahr durchmachen, nach dessen 
Ablauf vor dem versammelten Konvent erscheinen , beim 
Eintritt niederknieen und nach Vorhalt der Strenge der 
Ordensregel dem Orden dienen zu wollen und Keuschheit zu 
halten geloben und dem Eigentum entsagen. Nachdem 
dann die Ordensregel der Aebtissin auf den Schoss gelegt 
war, sprachen die Aufzunehmenden mit über dem Buch ge- 
falteten Händen zur Aebtissin : »Ich gelobe Euch Gehorsam 
bis zum Tode.« Darauf antwortete die Aebtessin: »Es gebe 
Dir Gott das ewige Leben,« der ganze Konvent aber sprach 
dazu: »Amen.« Die Aufgenommenen küssten die Ordensregel 
und verliessen dann den Kapitelsaal. So waren diese Männer 
an die gleiche Regel und Lebensweise gebunden, wie die 
Nonnen. 

Die Beichte wurde durch ein enges mit Eisenstäben 
versehenes Fenster abgelegt. Um des guten Rufes willen 
war es den Nonnen nicht gestattet, mit Personen, die nicht 
zum Orden gehörten, anders als durch ein solches Fenster 
zu reden. Nur die Aebtissin und Kellnerin durften in Be- 



^) Katharina war auf Befehl der mainzischen Richter vom 20. De- 
zember 1519, weil sie in einem Prozesse mit einem Scholaren wogen 
Zehnten und anderer Dinge den auferlegten Eid zu leisten in zwoi Ter- 
minen säumig gewesen, in den Kirchen zu Marburg, Wetter, Wiesonfeld, 
Frankenberg, Geismar und Röddenau bei angezündeten Lichtern und unter 
Glockenschlag exkommuniziert worden. 



421 

gleitung zweier Nonnen zur Besorgung der Geschäfte aus- 
gehen und mit der Welt anders, ebenso die Nonnen mit 
ihren Verwandten ohne Zeugen verkehren und reden, dagegen 
mit anderen Leuten nur in Gegenwart der Aebtissin. Der 
Visitator redete mit den Nonnen im Kapitelsaale. Ver- 
heiratete Frauen durften nicht im Kloster" wohnen. Im 
Kloster Georgenberg wurden jedoch bis zur Reform vom 
Jahre 1489 diese Bestimmungen nicht in dieser Strenge 
überall eingehalten. Einzelne Nonnen hatten noch ähnlich, 
wie die Kanonissen, Eigentum, über das sie verfügten, und 
das auch nicht einmal immer ohne Widerspruch und Verzicht 
der nächsten erbberechtigten Verwandten an das Kloster fiel. 

Auch die Pröpste in den Frauenklöstern waren häufig 
Ordenspersonen. Der Propst hatte die Leitung der äusseren 
Geschäfte des Klosters, namentlich der Vermögensverwaltung. 
Er wohnte bis 1392 im Pfarrhofe, von da an im Kloster. 
Nach einem Beschlüsse des Generalkapitels vom Jahre 1267 
sollten die Vorsteher nicht Pröpste oder Prioren, sondern 
nur Prokuratoren heissen. Indessen blieb es bei Georgenberg, 
wie überhaupt in Deutschland, vorerst bei dem herkömmlichen 
Titel. Auch wurde hier der Propst nicht, wie sonst vor- 
geschrieben war> durch den visitierenden Vaterabt, sondern 
durch den Landgrafen bestätigt. Ob der Propst auch stets 
der Beichtvater der Nonnen gewesen, wie dieses in kleineren 
Klöstern die Regel bildete, oder auch die Kapläne die Beichte 
hören mussten, ist nicht gewiss, doch das letztere wahr- 
scheinlich, da die Nonnen das hl. Abendmahl jährlich sieben- 
mal empfangen mussten. 

Zur Aufnahme ins Kloster bedurfte es eines Alters 
von wenigstens 10 Jahren. Jede Jungfrau oder Witwe, 
welche in das Kloster einzutreten beabsichtigte, wurde in das 
Kapitel geführt, kniete dort vor der Aebtissin nieder, letztere 
fragte sie: „was suchest Du?" Sie antwortete: „Gottes und 
Eure Gnade". Dann steht sie auf. Die Aebtissin hält eine 
Ansprache an sie: „Liebe, bist du in der Absicht hier, um 
den hl. Orden anzunehmen und das Ordenskleid zu empfangen, 
und willst du unserm Herrn gern hier dienen, so musst Du 



422 

zum ersten Gott deine Reinheit geloben und dein Eigentum 
übergeben, darfst kein Gut ohne den Willen deiner Oberin 
haben und musst deiner Oberin in jedem Stück gehorsam 
sein. Auch musst du dein Wesen umwandeln, demütig sein 
und gelassen in Worten und Werken, musst alle deine Arbeit 
treulich nach deinen Kräften thun. Aus diesem Kloster darfst 
du nicht gehen, ausser wo es zum Nutzen desselben geschieht, 
und dann auch nur mit Urlaub. Im Chor, Schlafsaal, Bemter 
und im Kreuzgang musst du Schweigen beobachten und die 
bestimmten Zeiten im Gebet zubringen." Der Eintrittstag 
war ein Freuden- und Ehrentag, an welchem die Verwandten 
und Freunde sich versammelten und dem Konvente ein fest- 
liches Mahl gaben. Die Aufgenommene machte dann ein 
Probejahr als Novize durch. Nach dessen Ablauf erfolgte 
die Aufnahme und Einkleidung durch den Vaterabt, in Georgen- 
berg durch den Propst. Die Novize wurde von der Novizen- 
meisterin ins Kapitel und dann in die Kirche geführt. Die 
Feier begann mit dem Gesang: „Komm, heiliger Geist'*. 
Singend: „Prüfe mich, Herr, und versuche mich, läutere 
meine Nieren und mein Herz" (Ps. 26, 2) tritt die Nonne 
vor den Altar, macht ein Kreuz, neigt sich und legt den 
Professbrief auf den Altar. Derselbe lautete : „Ich verspreche 
Euch, der Aebtissin und Euren Nachfolgern, in allen göttlichen, 
ordentlichen und redlichen Sachen gehorsam zu sein, und ein 
keusches, reines und wohlberüchtigtes Leben zu führen. Und 
würde ich hierin gebrechlich gefunden, so will ich darum die 
gesetzliche Pönitenz leiden und mich bessern. Würde mir 
ein Amt vom Kloster übertragen, so will ich dasselbe zu des 
Klosters Nutzen treulich fähren. So helfe mir Gott und 
seine Heiligen." Dann tritt sie zu den Altarstufen zurück 
und singt drei Mal: „Suscipe me", wirft sich dann nieder 
vor dem Altar, während der Chor der Jungfrauen singt: 
„Herr sei mir gnädig". Der Abt oder Propst weiht nun das 
Ordenskleid mit dem Gebete: „Herr Gott, Geber aller guten 
Gaben und Spender alles Segens, wir bitten dich inbrünstig, 
du wollest dies Gewand, welches deine Magd N. zum Zeichen 
deines Dienstes anziehen will, segnen und heiligen, damit sie 



423 

unter den übrigen Frauen erkannt werde als dir geweiht". 
Dann besprengt er das Gewand und die Nonne mit Weih- 
wasser, nimmt den Kopfschmuck (corona) vom Haupt und 
scheert ein wenig vom Haupthaar ab. Nachher zieht er ihr 
das weltliche Kleid aus mit den Worten: „Der Herr ziehe 
dir den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in 
rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit". Während die 
Neueingekleidete an den Altarstufen kniet, singt der Chor: 
„Salvam fac ancillam tuam", darnach betet der Propst: 
„Nimm, o Herr, deine Magd auf unter die Zahl deiner Gläubigen, 
und da wir sie in unsere Gemeinschaft aufgenommen haben, 
so gib ihr Beständigkeit auszuharren und Gnade, zur ewigen 
Seligkeit zu gelangen''. Die Feier schliesst mit der Kommunion. 
Die Eltern werden dabei darauf aufmerksam gemacht, dass 
es nach der Ordensregel nicht erlaubt ist, in die Welt zurück- 
zukehren ^). Die hauptsächlichste Beschäftigung der Nonnen 
war die Theilnahme am Gottesdienst und das kanonische 
Stundengebet. Daneben beschäftigten sie sich mit Feld- und 
Gartenarbeit und „ahmten in Allem den Ordensmännern nach". 
In den Klöstern Georgenberg und Caldern wurde auch die 
Spinnerei, Weberei und Färberei von Tuchen frühzeitig be- 
trieben, und die Fabrikate zu Markte gebracht und verkauft. 
Die Aebtissin wurde vom Konvent gewählt, musste 
wenigstens 30 Jahr alt sein und war stets aus dem Adel 
oder den ersten städtischen Geschlechtern. Sie hatte die 
Klosterzucht zu handhaben, war aber dem Visitator ver- 
antwortlich. Sie führte neben dem Konvent ein besonderes 
Siegel, welches eine Aebtissin mit dem Stabe zeigte. Von 
den Aebtissinnen sind verhältnissmässig nur wenige dem 
Namen nach bekannt: 

Kichmud oder Riginod, 1254, f vor 1261. 

Margaretha, 1330. 

Christina, 1337. 

Jutta von Gifflitz, um 1355. 

Mechtilde, 1373. 



') Winter^ Die Cisterzionser des nordÖBtIichen Deutschlands, 2, 10 fif. 



424 

Katharina von Bachenan aas der hinterländischen Familie, 

1378-1384. 
Bechte Ospracht von Münchhansen aus der Familie zu 

Frankenberg, 1394. 
Margaretha von Babenol, 1407. 
Agatha Claaer, 1434, resignierte. 
Mechtilde von Treisbach, 1446—1486. 
Anna Toley von Meschede, 1489 — 1515. 
Anna von Hatzfeld, 1523—1557. 
Eida von Hatzfeld, 1557—1567. 

Ebenso sind auch von den Pfarrern zu Frankenberg 
and Pröpsten des Klosters nar wenige dem Namen nach 
bekannt : 

Eckbert, Pleba^ zu Frankenberg, 1249—1252. 
M. von Bischofshausen, Propst. 1252. 
Symon, Pleban za Frankenberg, 1267 0- 
Gebhard, Propst zu Frankenberg und Dekan zu Kester- 

burg, 1268-1288. 
Gerlach Goyz, Pleban, 1293—1299, Propst, 1311- 
Heinrich von Rauschenberg, Propst, 1343. 
Heinrich von Dersch, religiosus, Propst, 1373. 
Gottfried von Diedenshausen, Propst und Pfarrer, 1383, 

t um 1430. 
Dietrich, Pfarrer, 1402. 
Hermann Wetzel, Pfarrer, 1403. 
Johann Wissen, Pfarrer, 1445—1448. 
Johannes, Propst, 1455. 
Hermann Günther, Propst, 1486—1490. 
Antonius, gewesener Abt zu Bredelar, Prokurator zu 

St. Georgenberg, 1490. 
Hermann, Prokurator, 1517. 
Heinemann Schele, frater, pastor plebejus, f 1517. 
Heinrich Soldan, welcher 1505 zu Erfurt studiert hatte, 

Pleban, nahm die Reformation nicht an und wurde 1528 

Priester an der Kapelle zu Brinkhausen in den Birken*). 

*) Kopp, Histor. Nachr. von den Herrn von Itter, 8. 189, 202, 
203, 206. 

«) Hess. Zeitschr. N. F. 17, 54. 



425 

Ausser dem König Heinrich Raspe von Thüringen, der 
Landgräfin Sophie und ihrem Sohne Heinrich I. wandten 
auch deren Nachkommen, sowie die Grafen von Battenberg, 
zu deren Gebiet die ganze Umgegend und auch Hadebrands- 
dorf gehörte, — es bestand darüber ums Jahr 1365 Streit, 
— dem Kloster ihre Gunst und Gnade zu. Graf Wittekind 
von Battenberg und seine Gattin Elisabeth verliehem ihm 
auf Bitten der Aebtissin Riginod und des Abtes Gottschalk 
von Haina die üblichen Freiheiten von der Civilgerichtsbar- 
keit und der Grafenbede (1256), jedoch unter Vorbehalt der 
wichtigeren Entscheidungen, zu denen die Kirche ausser 
Stande sei, für den Grafen und schenkten ihm für ihre in 
dasselbe eingetretene Tochter Margarethe einen Hof zu 
Röddenau (1286). Ebenso bestätigte Langraf Otto 1323 die 
dem Kloster schon 1291 von der Stadt Frankenberg verliehene 
Berechtigung, Tuche jeder Farbe anzufertigen und gleich 
den Bürgern auf dem Markte zu verkaufen. Die im Kloster 
und in der Stadt betriebene Wollenweberei war danach nicht 
unbedeutend. Auch Heinrich H. bestätigte 1336 die Pri- 
vilegien des Klosters. 

Aus den Klosterurkunden sind die Nonnen vieler früh 
erloschenen Geschlechter, welche Zuwendungen und Verkäufe 
an das Kloster gemacht haben, bekannt, die sonst selten oder 
gar nicht vorkommen, z. B. von Halgehausen, Röddenau, 
Rengershausen, Meidersdorf, Berghofen, Dunzelshausen, Belters- 
hausen, Beltersberg, Lilienberg, Scharfenberg, ganz besonders 
aber vieles über die städtischen Geschlechter zu Frankenberg: 
Fryling, von Münchhausen, von Cassel, von Battenberg, Goz, 
Süss, von Röddenau, Solde (Soldan), Gude (Gudenus), Lücke 
(Lauke, Lucanus) u. a., welche dem Kloster ihre Töchter 
zuführten, Güter verkauften und Jahrgedächtnisse darin 
stifteten. 

Das Kloster besass mehrfache P a t ro n a te. Schon 1254 
vereinbarte Adelheid von Beltersberg mit demselben eine 
wechselweise Bestellung des Kaplans zu Beltersberg; später 
teilte es dieselbe mit dem Hause Wiesenfeld. Ausserdem 
hatte es neben den von Fleckenbühl und von Erfurtshausen 



426 

einen Teil des Kirchenpatronats zu Niederasphe , dessen 
Herkunft unbekannt ist^). Eigentümlich war ihm ausser 
der Klosterkirche die alte Klosterkirche zu ßutzebach, deren 
Priester die Aebtissin präsentierte und deren Bau das Kloster 
zu besorgen hatte. Ueber den Margarethenaltar in der 
Haidekapelle übte es die Verleihung mit dem Kloster Haina 
gemeinsam aus, wenn derselbe einem Weltpriester verliehen 
wurde, während das Kloster Haina denselben an seine Ordens- 
glieder selbständig verleihen konnte. 

Die Zehnten zu Frankenberg und Hadebrandsdorf 
waren mainzische Lehen der Grafen von Solms und von 
Spanheim, von welchen wiederum die von Biedenfeld zu 
Berghofen u. A. und von diesen bürgerliche Familien damit 
belehnt waren. Im Jahre 1340 war Graf Siegfried von 
Wittgenstein vom Erzbischof Heinrich mit dem Zehnten zu 
Frankenberg, jedoch auf eine Ablösung mit 100 Mark belehnt. 
Das Kloster erwarb 1303 den halben Zehnten zu Hadebrands- 
dorf von den Gebrüdern Nagel mit Zustimmung der von 
Biedenfeld, 1291 den halben Zehnten zu Beltersdorf von 
Siegfried von Köddenau und 1305 den von Nassau lehn- 
rührigen Zehnten zu Beltersdorf von den Vögten von Keseberg, 
1385 den Zehnten in der Wüstung Beste bei Wangershausen 
von dem Schöffen Konrad von Röddenau mit Genehmigung 
des Lehnsherrn Adolf von Itter. 

Der Güterbesitz des Klosters beschränkte sich auf 
den heutigen Kreis Frankenberg und die Aemter Battenberg 
und Wetter. Nur weniges gieng darüber hinaus: ein Hof zu 
Wallau (1302), ein Gut zu Eisoff von Gerlach von Tudichen- 
berg (1270) erkauft, die Mühle daselbst, Güter zu Anzefahr, 
Münchhausen bei Amöneburg, ein Haupthof zu Mornshausen 
bei Dautphe. Der letztere war von Gumpert von Buchenau 
für seine ins Kloster aufgenommene Tochter Swenhild (1314) 



*) Dieser Teil beruhte wahrscheinlich auf dem Haupthofe zu 
Niederasphe, welchen das Kloster teils durch Kauf, teils als Seelgerät- 
stiftung von Siegfried Girbuch, welcher selbst ins Kloster trat, 1307 und 
1308 erhalten hatte. 



427 

geschenkt. Auf dem benachbarten waldeckischen und kur- 
cölnischen Gebiet hatte das Kloster kaum nennenswerten 
Besitz. Eine der wertvollsten Erwerbungen war der von 
den von Diedenshausen lehnrührige Hof Rodenbach bei 
Röddenau von dessen Lehnsträger Konrad von Berghofen (1297). 
Von diesem Hofe aus wurde auch die Mark des wüsten 
Frondorf gebaut. Rodenbach war ein grosses Vorwerk, 
welches vom Kloster selbst bewirtschaftet wurde und den 
Haushalt hauptsächlich unterhalten musste. Auch zu Franken- 
berg hatte das Kloster eigenen Ackerbaubetrieb, Pferde und 
Gesinde. 

Mit dem Nachlassen der religiösen Begeisterung seit 
dem Ausgang des 14. Jahrhunderts hatte auch das Kloster 
Georgenberg um seinen Besitz zu kämpfen. Die von den 
Humanisten aufgebrachte und von neueren Theologen und 
Nichttheologen nachgesprochene Meinung von dem Reichtum 
und Ueppigkeit der Klöster trifft wenigstens auf den grösseren 
Teil der hessischen Klöster bei der geringen Ertragsfähigkeit 
des Bodens nicht zu. Diese haben so gut, wie die Tagelöhner 
bei der Unsicherheit der Zeit mit der Not zu kämpfen ge- 
habt. Bei ausserordentlichen Ausgaben durch Bauten waren 
die Einnahmen unzureichend. Kollekten und Ablässe mussten 
dann zu Hilfe kommen. Schon um 1365 war ein Verfall ein- 
getreten. Im Jahre 1366 wies Papst ürban V. den Dekan 
des St. Stephansstifts zu Mainz an, die dem Kloster ent- 
wendeten Güter wieder beizubringen. Einen neuen Aufschwung 
gab dem Besitze des Klosters damals der Priester Heinrich 
Wigliard aus Frankenberg, Altarist des Kreuzaltars im Kloster, 
welcher nicht bloss selbst mehrere Güter dem Kloster zuwandte, 
sondern auch Käufe für dasselbe besorgte und die Rechte 
klarzustellen suchte, z. B. durch Erwerb beider Butzmühlen 
von verschiedenen Teilhabern. Landgraf Heinrich II. erteilte 
1364 einem von Wighard erkauften Hause in der Neustadt 
Frankenberg Freiheit von den bürgerlichen Lasten, obgleich 
dieser Fürst erst 1358 den Erwerb durch die Kirche in 
Frankenberg sehr beschränkt und bestimmt hatte, dass alle 
von der Kirche erworbenen bede- und geschosspflichtigen 



428 

Güter abgabenpflichtig bleiben sollten. Wighards Neffe 
Gerlach Wighard aus Frankenberg, welcher Schreiber des 
Kardinals Pileus war, erteilte 1383 seinem Oheim Vollmacht, 
auch über seine Güter zu Gunsten der Kirche zu verfügen. 
Auch die Pfarrkirche bedachte Heinrich Wighard mit mehreren 
Stiftungen, mit einer vor dem hl. Sakrament brennenden 
Ampel, mit 3 Wachskerzen, welche am Trinitatistage vor 
dem Hochaltar bis zur Oktave dieses Festes in der Frühmette, 
Messe und Vesper zur Ehre der hl. Dreieinigkeit brennen 
sollten, und mit Geschenken für die am Trinitatisfeste am 
Gottesdienste und an der Prozession des Markustages teil- 
nehmenden Priester, sowie an die Schüler und an die Kalands- 
herrn (1390). 

Einen zweiten Befehl, für die Beibringung der dem 
Kloster entwendeten Güter zu sorgen, erliess auf dessen 
Bitte das Konzil zu Basel, auf welchem der Orden durch 
28 Aebte vertreten war, an den Dekan zu Fritzlar (1434). 
Das Kloster, welches seinerseits durch Aufnahme von Donaten 
und andere Verpachtungsweise seiner Güter sich aufzuhelfen 
suchte, teilte unter der Aebtissin Mechtilde von Treisbach 
(1446—1486) den allgemeinen Verfall der Frauenklöster und 
hatte ungefähr die Stellung der weltlichen Kanonissenstifter. 
Im Jahre 1452 bestand sein Konvent nur noch aus 6 Jung- 
frauen. Seit dem Jahre 1445 drang das Generalkapitel zu 
Citeaux energisch auf eine Reformation der Klöster und 
schärfte seitdem oftmals den Vateräbten eine pünktlichere Aus- 
übung ihrer Visitationspflichten ein. Die Reform Georgen- 
bergs ist ihrem Verlauf und Wesen nach ziemlich dunkel. 
Erzbischof Adolf H. beabsichtigte und genehmigte auf eigenen 
Antrag des Klosters eine Reform am 9. Nov. 1465 dergestalt, 
dass nach dem Vorgange mehrerer Klöster in den Diözesen 
Hildesheim und Paderborn, namentlich zu Lemgo, Herford, 
Detmold u. a. laut einer Genehmigung des Papstes Pius H. 
vom Jahr 1460 die Patres des in demselben Jahr 1465 in ein 
Augustinerchorherrnkloster umgewandelten Klosters Volkar- 
dinghausen bei Arolsen oder die Patres des Kugelhauses zu 
Marburg dem Kloster unter Beibehaltung der bisherigen 



429 

Kleidung die Regel des Augustinerordens geben sollten ^). 
Diese Urkunde Adolfs IL, welche sich weder unter dem 
heutigen, noch unter dem früheren ürkundenbestande des 
Klosters findet, ist entweder gar nicht oder sicher wenigstens 
nicht sogleich zur Ausführung gekommen. Im Jahr 1483 
unternahm der Abt Johann von Citeaux persönlich eine 
Visitationsreise nach Deutschland, auf der er nach Alten- 
berg, Hessen und Thüringen kam. Auch Papst Innocenz Vlll. 
forderte 1487 infolge vieler Klagen der Fürsten Abstellung 
der Missbräuche und bedrohte den Orden mit Aufhebung. 
Die Reform Georgenbergs ist erst 24 Jahre nach jenem 
eigenen Antrage und zwar durch fremde Schwestern aus 
Westfalen erfolgt. Dass diese neuen Georgenberger Schwestern 
Augustinerinnen gewesen, wird zwar weder von dem Chronisten 
Wig. Gerstenberger, noch von den Urkunden ausdrücklich 
gesagt, ist aber wahrscheinlich, da die Augustiner damals 
der die Klöster reformierende und mit neuem Leben und 
Streben erfüllende Orden waren. Gewiss ist, dass diese 
Reform Georgenbergs mit der Klosterreform, welche Erzbischof 
Hermann IV. von Cöln, Landgraf Wilhelms III. Oheim und 
Vormund, in Westfalen eifrig betrieb, zusammenhing. Gersten- 
berger sagt: „1487 beschloss Landgraf Wilhelm das Kloster 
Georgenberg und in demselben Jahre kamen die Süstern 
vors erste und machten einen Konvent daselbst unter der 
Regel St. Augustini", ebenso in der hessisch-thüringischen 
Chronik: „1487 da kamen die Süstern uß Westphalin geyn 
Frankenberg und bestunden dar zu wohnen. Auch Hess 
Landgraf Wilhelm d. J. den Georgenberg zusliessen". „Im 
Jahre 1490 gab Landgraf Wilhelm den Süstern einen Freiheits- 
brief und nahm sie in seinen Schirm und Beschützung als 
andere geistliche Leute in Hessen, und sollten sich die Süstern 
ihrer Arbeit nähren und nicht des Bettelstabes leben, auf 
dass die Stadt nicht damit beschweret werde" ^). Aus dieser 

^) Die Urkunde auf Papier befindet sich im Archive zu Würzburg, 
ist aber weder besiegelt, noch in die gleichzeitigen Ingrossaturbücher 
eingetragen, kann daher ebensowohl eine Abschrift, wie ein ürkunden- 
entwurf sein. 

'') Kuchenbecker ^ Anal. Hass. V, 234; Schmincke^ Monum. Haas. II, 554. 



430 

Nachricht, welche fast wörtlich in alle übrigen hessischen 
Chroniken übergegangen ist^ hat man die Reformation 4^8 
Klosters Georgenberg für identisch gehalten mit diesem neaen 
Konvent unter der Augustinerregel. Es wird aber nur von 
Gerstenberger gesagt, dass in dem Jahre 1487^ in welchem 
Landgraf Wilhelm III. den Georgenberg „beschlossen" habe, 
auch Schwestern nach Frankenberg gekommen und daselbst 
einen Augustinerinnenkonvent gebildet haben. Auch der Aus- 
druck „beschloss" kehrt bei Gerstenberger und den anderen 
hessischen Chronisten hinsichtlich der Klosterreformen wieder*). 
Das „beschloss" ist eine Uebersetzung des lateinischen „clausit" 
und kann nur heissen mit Mauern umgeben und die Klausur 
einführen. So ist auch Georgenberg zur Handhabung strengerer 
Klosterzucht damals abgeschlossen worden. Es werden daher 
auch später (1512) Bestimmungen getroffen über die Aemter, 
welche an den innerhalb und ausserhalb der Klausur gelegenen 
Altären des Klosters gehalten wurden. Beide von Gersten- 
berger u. A. erzählten Vorgänge, der von den Schwestern 
gebildete Konvent und die georgenberger Klosterreform sind 
nicht identisch. 

Landgraf Wilhelm III. gab nämlich am Tage vor St. Johan- 
nis des Täufers Tag, 23. Juni 1490, dem Kloster Georgen- 
berg einen Freiheits- und Schutzbrief, „um ihres geistlichen 
reformierten Lebens willen'*, und übernahm die Bezahlung der 
Handschulden, „welche dieselben Jungfern in dem Kloster, 
als sie itzt von nuwem dar kommen sind, funden han". Er 
versprach, sie mit dem alten Propste Hermann Günther un- 
beschwert zu lassen, und befreite sie von der Mühlenzinse 

*) Kuchenhecker, Anal. Hass. III, 57 u. 67 ; VI, 403. In ähnlioher 
"Weise schreibt Graf Johann IV. von Nassau 1461 an den Prälaten von 
Arnstein : „also wir verstanden hain, das ir in meynunge sint, die junf- 
frauwen zu Keppel zu beslyssen, begern wir noch zu wissen, das uns 
solichs sehr woi gefeit, uf das syc des zu baß ombekrodet von der werüit 
(ungestört von der Welt) vorter me unsme hern gode dienen mogent*^. 
Hiernach widerlegt sich die Auslegung, welche Rom?nelf Gesch. von 
Hessen 3, 131 fP. dem Worte „beschliessen" gibt, welcher dasselbe mit 
„schliesson" und die Aufnahme neuer Mitglieder verbieten erklärt. Weder 
Georgenberg, noch Wirborg, noch Hainchen smd in diesem Sinne ge- 
schlossen worden, sondern haben bis zur Reformation weiter bestanden. 
„Violfach banden sich in der Zeit des Verfalles die Nonnen gar nicht mehr 
an die Klausur, sondern schritten in der Welt einher". Winter a. a. 0. 3, 32« 



431 

und anderen Diensten und fürstlichen Abgaben, auch sicherte 
er ihnen die Wiederbeibringung etwa abgebrachter Renten 
und Klostergefälle zu. Es sind dann auch in der Folge 
wiederholt Zuwendungen an das Kloster, Einkaufsgelder und 
dergleichen von Landgraf Wilhelm III. bestätigt und bereit- 
willig Dispensation vom Verbote des Erwerbs durch die tote 
Hand erteilt worden ; so (28. Februar 1492) beim Eintritt 
der Margarethe von Dernbach und ihrer Magd, bei der Zu- 
wendung einer Fischerei auf der Edder durch den Hofmeister 
Hans von Dörnberg (1494). Nach den obigen Worten ist es 
sicher, dass, gleichwie in den benachbarten westfälischen 
Frauenklöstern, auch in Georgenberg die Schwestern auf eine 
ganz geringe Zahl herabgegangen waren, dass die Wieder- 
besetzung und Reform des Klosters durch fremde, westfälische 
Schwestern erfolgt, und dass wahrscheinlich infolge dessen, 
sei es auf Anregung Erzbischof Hermanns IV. von Cöln oder 
des Landgrafen Wilhelm III. noch mehrere nach Frankenberg 
kamen, wo sie willige Aufnahme und ein für sie bereitetes 
Arbeitsfeld fanden und einen besonderen Konvent bildeten. 
Üb nun der Georgenberg laut der erwähnten päpstlichen 
Genehmigung von 1460 und der erzbischöflichen von 1465 
die Augustinerregel unter Beibehaltung der Cisterzienser- 
Kleidung und Namens angenommen oder auch die Cisterzienser- 
regel behalten, und die Augustinerinnen zu ihr übergetreten, 
darüber fehlen die Nachrichten. Das letztere ist nach der 
Nachricht Gerstenbergers das Wahrscheinlichere; er würde 
gewiss nicht unterlassen haben, eine solche förmliche Um- 
wandlung des Klosters zu berichten. Nach dem kanonischen 
Recht ist der üebertritt von der laxeren zu der strengeren 
Regel, als welche die der Cisterzienser gilt, erlaubt. Endlich 
nennt sich Georgenberg bis zur lutherischen Reformation 
stets „Cisterzienser Ordens'* ; die Cisterzienseroberen führten 
über das Kloster die Aufsicht und Visitation, und Antonius, 
der resignierte Abt des westfälischen Klosters Bredelar, er- 
scheint seit der Reform als Prokurator des Klosters Georgen- 
berg und in demselben wohnend. 

Der von Gerstenberger erwähnte neue Augustine- 



432 

rinnenkonvent bestand neben dem Georgenberg. Land- 
graf Wilhelm 111. gab nämlich am folgenden Tage, an St. 
Johannis des Täufers Tag, 24. Juni 1490 diesem Konvent 
ebenfalls einen Schutz- und Freiheitsbrief. Ein Priester 
Johann Eidotter hatte von dem Schultheiss Joh. Giebelhaus 
ein Haus, Hof, Scheuer und Garten gekauft und mit des 
Landgrafen Genehmigung die Augustinerinnen hineingesetzt. 
Diese Stiftung Eidotters bestätigte der Landgraf in diesem 
Schutzbrief vom 24. Juni 1490, dessen Inhalt Gerstenberger, 
wie bemerkt, kurz, aber richtig wiedergegeben hat, doch 
unter schwereren Bedingungen, als früher den Orden auf- 
erlegt waren. Er gab zwar diesem Hause die üblichen 
geistlichen und weltlichen Freiheiten, die Schwestern sollen 
sich jedoch ohne Betteln durch ihrer Hände Arbeit ernähren, 
zur Erhaltung ihres Hauses ihre Arbeiten verkaufen, aber 
keinen Handel als Kaufleute treiben. Sie dürfen so viele 
Personen aufnehmen, als ihnen bequem ist, und das Haus 
ertragen kann ; sie sollen von den weltlichen Gerichten be- 
freit, diese ihnen aber in der Beitreibung der Gefälle behilflich 
sein; sie sollen keine bedepflichtigen Güter erwerben, etwa 
ihnen zugewendete Güter binnen Jahresfrist verkaufen und, 
sofern solches nicht möglich, Bede und Geschoss davon 
entrichten. Dafür sollen die Schwestern Gott täglich für 
das hessische Fürstenhaus bitten. Sofern aber das Haus in 
seinem ehrbaren, geistlichen und züchtigen Leben nachlassen 
und in merkliche Gebrechen fallen sollte, behält sich der 
Landgraf vor, dasselbe durch den Prior zu Volkardinghausen 
und einen Pater des Fraterhauses (Kugelherrn) zum Löwen- 
bach zu Marburg zu visitieren, reformieren und zu einem 
geistlichen Leben anzuhalten. Sofern dann die Schwestern 
sich von dem wilden, ungeistlichen Leben nicht bekehren 
wollten, so soll ihnen ihr Gut genommen und an andere 
Orden und Geistlichkeit vergeben werden, damit alles zu 
Dienst, Lob und Ehre Gottes und der Seelen Heil unveräussert 
verwendet werde ^). 

») Kopialbuch Wilhelms 111., fol. 54 ff. Die Urkunde ist unge- 
druckt. 



433 

Ueber diesen Augustinerinnenkonvent liegen nur noch 
drei weitere, bis da bekannte, ungedruckte Urkunden vor: 

1. 1511, Okt. 7. verschreibt Wigands von Biedenfeld 
Witwe, Margarethe, geb. Huhn, nebst ihren' Kindern für eine 
Schuld von 22 fl., welche sie dem Henne Berghöfer zu Allen- 
dorf (bei Battenberg) schuldig gewesen, und an dessen Tochter 
Eischen Christmann und nach deren Eintritt in das Augustine- 
rinnenhaus an dieses gekommen, eine Rente von 12 Mesten 
Korn und 2 Mesten Hafer aus einem Landsiedelleihhofe zu 
Allendorf. Siegler ist der Burgmann Heinrich von Dersch 
d. J. zu Battenberg. An demselben Tage (Sergii et Bachi 
martirum) stellen die Mater Alheid Cappes, die Meisterin 
Anna Hecker, die Prokuratrix Kath. Eubel und der Konvent 
den Wiederlösungsrevers unter ihrem Konventssiegel aus.^) 

2. 1513, Juni 27. verpflichtet sich die Mater Alheid und 
der übrige Konvent gegen das Haus Wiesenfeld, welches sie 
vormals bei ihrem Anfange und auch jetzt bei dem Bau 
ihrer Kirche unterstützt hat, dem Pfarrer zu Frankenberg 
jährlich 18 Weisspfennige zu geben in der ersten Woche, 
„als wir das heiige olie vor ausser kirchen von ine laissen 
holen." Diese Urkunde ist laut obiger Bestimmung vom 
Prior Antonius zu Volkardinghausen und vom Kugelhauspater 
Bernhard Rotert zu Marburg genehmigi 

Ueber das Schwesternhaus und seine um 1513 
erbaute Kirche lassen uns die Chronisten Wig. Gersten- 
berger, Joh. Emmerich und der spätere Abraham Sauer völlig 
im Dunkeln. Auch bei den Neueren sucht man vergeblich 
Aufschluss. An einem Strebepfeiler der Südseite der heutigen 
reformierten Kirche zu Frankenberg findet sich die Jahr- 
zahl 1515.2) Man wird daher in dieser spätgothischen Kirche 
den im Jahr 1513 begonnenen Kirchenbau und im heutigen 
Hospital den Hof und das Haus der Augustinerinnen wieder zu 
erkennen haben. Auch sonst hat diese Kirche das Aussehen 
anderer Nonnenkirchen und von aussen nach der Stadtseite 

^) Diese Urkunde befindet sich im Milchling von Schönstadt'schen 
Familienarchive, jetzt im Kgl. Staatsarchiv zu Marburg. 

2) Eochhuth, K. Statistik, S. 654. Lotx, Baudenkmäler, S. 46. 

N. F. Bd. XXIIL 28 



434 

hin sichtbare Zeichen eines Zusammenhangs mit einem nahe 
gestandenen Gebäadekomplex durch einen Eingang auf den 
sog. Nonnenchor. Von einer sog. Krypta, welche in dieser 
Kirche von einigen Neueren erwähnt wird, kann keine Rede 
sein. Die Zeit der Krypten, welche sich in den romanischen 
Kirchen finden und zu gottesdienstlichem Gebrauche, nament- 
lich zu den Vigilien dienten, war längst vorüber. Das keller- 
artige Gewölbe dieser Kirche hat daher entweder wirklich 
als Keller oder nur als Unterbau zur Erhöhung des Chores 
gedient. 

Das Haus hat es in der kurzen Zeit seines Bestehens 
in Folge der ihm auferlegten Erwerbsbeschränkung zu keinem 
nennenswerten Besitz gebracht. Dasselbe hatte daher zur 
Zeit der Reformation nicht die Bedeutung anderer älterer 
Klöster, und nach der Abfindung seiner Schwestern wäre für 
den Landgrafen nichts übrig geblieben. In den drei vor- 
handenen Abfindungsregistern der Klosterpersonen in Hessen 
vom Jahre 1527 ff. werden die Augustinerinnen zu Franken- 
berg nicht aufgeführt. Diese auffallende Auslassung wird 
durch die dritte zu erwähnende Urkunde, welche Landgraf 
Philipp am 10. April 1529 ausgestellt hat, erklärt. Darnach 
hatten „die Sustern in der Stadt Frankenberg^' aus Unter- 
richtung der göttlich/in Schrift sich bereits aufgelöst, und der 
Landgraf ihnen erlaubt, zur Bezahlung ihrer Schulden, und 
damit jede Schwester „in einen anderen und besseren Stand 
sich begeben könne," ihre in und bei Frankenberg erwor- 
benen Güter zu verkaufen und den Erlös unter sich zu 
teilen. Weil jedoch ihre neuerbaute steinerne Kirche un- 
verkäuflich war, so übernahm der Landgraf dieselbe tausch- 
weise für 250 fl. Kaufgeld, welches er für das an den Rent- 
meister Joh. Sommerkorn verkaufte sog. Steinhaus zu Franken- 
berg ^) erhalten hatte, und liess diesen Betrag durch den 



*) Den grössten Gewinn aus der Aufhebung der Klöster wussten 
die Rentmeister und fürstlichen Käte zu ziehen, welche für ein geringes 
Kaufgeld beträchtliche Klostergütor an sich brachten, z. B. der Rent- 
meister Heinr. Orebe zu Homberg a. d. Ohm ein halbes Gut des Kugel- 
hauses zu Einhausen (1528), der Kanzler Feige eine Rente von 20 Mött 
Frucht, 4 Gänsen, 4 Hahnen, 2 Hühner aus einem Kugelhausgut zu 



435 

Kugelhausvogt Johann Thenner zu Marburg unter die 
Schwestern verteilen. ^) Wann und wie das Haus zum Ho- 
spitale geworden, darüber fehlen bis da alle Nachrichten. 
Seine Kirche wurde im Jahre 1679 der im Jahre 1662 ge- 
gründeten reformierten Gemeinde gegeben. 

Der bei der Auflösung des Augustinerinnenhauses vor- 
gefundene Kirchenornat und Vermögen war gering. Es waren 
vorhanden : 2 Kelche, von welchen die Schwestern einen be- 
hielten, den anderen in den vom Landgrafen angeordneten 
gemeinen „Kasten" abliefern mussten, 6 Caseln in den ver- 
schiedenen Farben schwarz, rot, blau, braun, lederfarb, von 
Sammet, Halbtuch und Damast. An Urkunden (Briefen) 
waren nur 21 Stück vorhanden, darunter die erwähnte Stif- 
tungsurkunde Landgraf Wilhelms HL und die Verwilligung 
der Stadt Frankenberg über das Haus und andere Güter. 
Von den übrigen 19 Briefen lautete einer über Va fl. Zins 
von einem Hause zu Fritzlar, einer über 2 Malter partim von 
einem Gütchen zu Münchhausen. Diese Gefälle waren von 
zwei Schwestern mitgebracht, — 2 Briefe über 4 Pfund 
Geldes von der sog. Hobewiese bei Amönau, 1 Brief über 
einen Garten bei der Edder, 4 Briefe über 4 Morgen Acker- 
land bei Frankenberg, 5 Briefe über 5 Morgen Acker, 4 
Briefe über 2 Gärten und 2 Aecker, lösbar durch die Familie 
Emmerich zu Frankenberg mit 100 fl. Diese Güter hatten 
die Schwestern im Gebrauch. Zwei Briefe lauteten über 
63 fl. Hauptgeld, wovon 50 fl. vor 37 Jahren von einer 



Niederwalgern, und den Zehnten zu Niederweimar (1528), der Statthalter 
Burkh. Gramm und seine Brüder das umfangreiche Johanniterhausgut zu 
Wiesenfeld, dessen Gebäude und Eisenwerk aus der Kirche sie verkauften 
und zu Geld machten, Dietrich, Herr zu Plesse, das Johanniterhaus zu 
Grebenau als Erbleihe (1527) u. s. w. 

1) Neuere {Hörig, 8. 58. Schenk, Kr. Frankenberg 1894, S. 187) 
beziehen diese Urkunde, welche in einer Abschrift Thenners vorhanden 
ist, unrichtig auf das Kloster Georgenberg, welches jedoch niemals 
als in der Stadt Frankenberg, sondern „bei Frankenberg gelegen", 
namentlich auch in den Urkunden Landgr. Philipps bezeichnet wird. 
Auch heissen die Insassen Georgenbergs selbst nach der luth. Refor- 
mation „Aebtissin und Konvent", während die Benennung der Augustine- 
rinnen als „Süstern" ganz mit der obigen Gerstenbergers übereinstimmt 
Endlich hat Georgenberg seiner Aufhebung und der Reformation Philipps- 
widersprochen und seine Kirche weiter gebraucht. 

28* 



436 

Schwester ins Haus gebracht waren, welche jetzt austrat und 
ihr Eingebrachtes zurückhaben wollte; die übrigen 13 fl. 
waren „aus fremden Händen gelöst".^) 

Im Kloster Georgenberg ist seit der Reform Landgr. 
Wilhelms HI. Anna Tholey Aebtissin. Der Name wird 
verschieden geschrieben : Toley, Tolei, Toleyge, Tuleige, Zu- 
leige ; sie stammte aus Westfalen, wo es in Brilon noch 1553 
eine Bürgerfamilie Toley oder von Toley gab.^) Sie wird 
einmal (1499) auch Anna von Meschede und der Geistliche 
Johann von Meschede (1508) ihr Bruder genannt. Der letztere 
wurde nebst dem Subprior Heinrich von Büren zu Marien- 
felde in die Bruderschaft des Klosters Georgenberg auf- 
genommen. Ausser der Subpriorissin Katharina von Ense 
begegnen auch noch andere westfälische Namen. Mit den 
neuen Schwestern kam neues Leben in das Kloster und 
in die ganzen kirchlichen Verhältnisse der Stadt. Im Jahre 
1493 (Juli 10.) bestätigte Erzbischof Bertold von Mainz die 
Statuten der dasigen Kalandsbruderschaft unter Erteilung 
eines 40tägigen Ablasses.^) Der Weihbischof Georg Fabri 
verlegte in demselben Jahre (13. Sept.) die Dedikationsfeier 
der St. Moritzkirche im Kloster von Sonntag nach Maria 
Himmelfahrt auf den Sonntag vor Michaelis. 

Im äusseren Bestände ist nach der Reform der Er- 
werb der Güter des mainzischen Albanustif tes 
d. h. der Pfarrei, des Zehnten und anderer Güter zu Röd- 
denau und dessen zugehörigen Wüstungen das wichtigste 
Ereignis. Das Albanusstift, zu Ehren des im Jahre 406 zu 
Mainz gestorbenen und bei der Stadt begrabenen Märtyrers 
Albanus vom Erzbischof Richolf ums Jahr 796 gegründet*), 
war schon vor dem Jahre 1108 zu Röddenau begütert. Im 
Jahre 1108 schenkte eine Gräfin Mathildis, deren Gemahl, 

^^ Verzeichnis der Klostergüter 1528. 

') Fahne, Urk. ß. des Geschlechts von Meschede, S. 185 und 186, 
wo Gerwin von Meschede, Bürger zu Brilon, für die Toley 's siegelt, also 
verwandt war. 

*^ Die Kalandsbruderschaft bestand in Frankenberg bereits seit 1337. . 

^2 lii seiner grossen Kirche wurde Karls d. Gr. Gemahlin Fastrada, 
sowie Kabanus Maurus und viele andere Erzbischöfe von Mainz be- 
graben. Wagner, Geistl. Stifte, 2, 334 ff. 



437 

Graf Meginfried, diesem Kloster einige Güter zu Krummel- 
bach mit Gewalt geraubt^), zur Sühne zwei Hufen mit zwei 
Hörigen und einige andere Güter zu Röddenau, welche ihr 
von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn Kunemund mit 
dessen unehelichem Halbbruder Ebbo in Gegenwart vieler 
Zeugen zu Battenfeld hierzu übergeben worden waren, dem 
Kloster. Da diese zwei Hufen dem Ebbo von seinem Vater 
Adalbert und seinem Bruder Kunemund zur Leibzucht be- 
stellt waren, so überliess der Abt Dietrich zu St. Alban, da- 
mit die Uebergabe desto fester sei, dem Ebbo die Zehnten 
zu Röddenau und Meidersdorf für seine Lebenszeit vorbehalt- 
lich ihres Heimfalls nach seinem Tode an das Kloster, wo- 
gegen Ebbo schon damals die zwei Hufen dem Kloster über- 
und aufliess. Das Kloster hatte zu Röddenau vordem einen 
besonderen Brüderkonvent stationiert. Auch die Vogtei und 
das Gericht zu Röddenau, genannt das Gericht in den vier 
Steinen, waren ein Lehen des Albanusstiftes, von welchem 
in älterer Zeit die von Helfenberg damit belehnt waren. 
Von diesen erkaufte es um 1350 Konrad von Diedenshausen. 
Nach dem Erlöschen der Diedenshausen ums Jahr 1400 kam 
dasselbe in den Streitigkeiten ihrer Allodialerben an die von 
Biedenfeld zu Berghofen, welche zwei Teile desselben am 
19. Dezember 1449 an Friedrich von Dersch als Brautschatz 
verpfändeten. Am 23. August 1480 wurden die Vettern 
Heinrich und Johann von Dersch vom Propste des Albanus- 
stiftes, Wilhelm von Wertheim, mit der Vogtei Röddenau 
und dem Gerichte in den vier Steinen zu Mannlehen belehnt. 
Mit der Umänderung dieses Benediktinerklosters in ein Ka- 
nonikatstift (1419) wurde demselben dieser entfernte und im 
Vergleiche zu seinen rheinischen Gütern wenig einträgliche 
Besitz lästig. Mit einigen dieser Güter, dem kleinen Zehnten 
zu Warmshausen, dem grossen zu Beltershausen, den ge- 
nannten zwei Hufen zu Röddenau und dem Rottzehnten zu 



1) Krummelbach ist eine Wüstung bei Erxdorf. Landau^ Wüste 
Ortschaften, S. 273. Der Graf Meginfried war ein Graf von Felsberg, 
Adalhcit uud sein Sohn Kunemund von Battenberg. Q, Schenk x/u 
Schiveimhergj Hess. Arohiv, 14, S. 705 ff. 



438 

Odersdorf war 1406 der Knappe Hermann von Geismar vom 
Stifte belehnt, andere zu Dornbrechtsdorf, Frondorf und Rek- 
kersdorf hatte das Stift schon frühzeitig (1254 und 1290) an 
Georgenberg überlassen. Das Stift hatte dann später durch 
seinen 1496 verstorbenen Kanonikus Syfert von Biedenfeld, 
welcher Inhaber des Pastorats zu Battenfeld war, die Auf- 
sicht führen lassen. Seitdem waren diese Einkünfte in Un- 
ordnung geraten. Das Stift, dem die Erhebung beschwerlich 
war, überliess daher am 22. Juni 1499 dem Kloster Georgen- 
berg diese Zehnten und Zinsgüter für 3 Jahre gegen eine 
jährliche Fruchtrente von 20 Malter und verkaufte ihm die- 
selben am 1. Mai 1503 wiederkäuflich für 1090 rheinische 
Gulden mit der Bedingung, dieselben niemals zu zersplittern. 
Gleichzeitig erkaufte das Kloster auch noch die andere Hälfte 
des von den von Biedenfeld lehnrührigen Zehnten zu Hade- 
brandsdorf von dem Schöffen Ludwig Dietrich zu Wetter fUr 
310 Gfl. Zur Beschaffung des Kaufgeldes verpfändete es 
einen beträchtlichen Teil seiher Güter. Der Pfarrer Men- 
gotus Snelle zu Wetter streckte ihm 100 fl. auf Güter bei 
Battenberg, 200 fl. auf solche zu Niederasphe vor. Der 
mainzische Weihbischof Joh. Bonemiich von Lasphe kam ihm 
am 1. August 1503 mit einem Indulgenzbrief zu Hilfe, und 
Erzbischof üriel inkorporierte ihm 1511 (Dez. 18.) mehrere 
damals durch den Tod ihrer Inhaber und durch Resignation 
erledigte geistliche Benefizien zu seiner besseren Unterhaltung. 
Die Verwaltung war jedoch so gut, dass schon im Jahre 1514 
diese Schulden gedeckt und die Pfandbriefe wieder eingelöst 
waren. Die erwähnte Einziehung von Altarbenefizien hing 
mit grösseren Umbauten der Klosterkapellen zusammen. 

Kurz vor der lutherischen Reformation hatte nämlich 
das Kloster seine Kirche neu gebaut oder umfangreich 
repariert. Es war dieses der dritte Kirchenbäu. In der 
ältesten Klosterkirche befanden sich drei Altäre, der Altar 
St. Moritz, der 1312 vom Ritter Eckhard von Helfenberg 
dotierte hl. Kreuzaltar und der im Jahre 1311 von dem 
georgenberger Propste, Mag. Gerlach Goz, des Bürgers Heinrich 
Goz Sohn und des wetteriscben Kanonikus Heinrich Goz 



439 

Bruder, aaf seine Kosten erbaute und mit Gütern zu Wesende 
bei Frankenau begabte St. Barbaraaltar, welchem die Bürgerin 
Zeisa Rabe bald nachher weitere Zinsen und einen Garten 
am geismar'schen Thore testamentarisch hinzufügte. Im 
Jahre 1337, in welchem auch die Pfarrkirche vollendet, deren 
alte Altäre abgebrochen, neu errichtet und dotiert wurden, 
wurde eine neue Klosterkirche, nova capella, auch „das Münster 
im Georgenberge'' genannt, erbaut mit drei Altären: 1. dem 
St. Johannis des Evangelisten, und St Jakobi d. A. Altar 
im Chor, 2. dem von der Nonne Mechthilde Süss (1337) 
dotierten Allerheiligenaltar, 3. dem Altar zur Not Gottes 
(altare angnstiarum, 1373) und St. Anna. Den Jakobusaltar 
im Chore hatte die Familie Fryling mit dem sog. Frylings- 
gute zu Münchhausen dotiert Für den AUerheiligenaltar 
hatte die genannte Nonne MechtUde Süss den Priester Gerlach 
Wetzel (1336) bestellt Im Jahre 1352 hatten der Schöffe 
Heinrich von Münchhausen und seine Erben diesen Altar zu 
verleihen. Beide Kapellen bestanden neben einander weiter, 
sicher bis zum Jahr 1511. An dem Kreuzaltare der alten 
Kapelle war der obige Priester Heinrich Wighard (1365 — 1395) 
Altarist. Im Jahre 1511 inkorporierte, wie erwähnt, Erz- 
bischof üriel dem Kloster auf seinen Antrag und zu seiner 
besseren Unterhaltung mehrere dieser Benefizien, welche zu 
dem Barbara-, Kreuz-, Not Gottes- und St Annen-*, Mauritius- 
und Allerheiligenaltare gehörten, üeber den näheren Zu- 
sammenhang dieser Einv^leibung mit den umbauten geben 
jedoch die Urkunden keinen Aufschluss. 

Noch im Jahre 1522 trat das Generalkapitel der 
reformatorischen Bewegxmg entgegen und verbot unter An- 
drohung der Exkommunikation allen und jedem im Orden 
die Annahme der neuen Lehre, „die von einem Menschen, 
Namens Luther, herrühren solle", und das Lesen seiner 
Schriften, welche von den Vorstehern der Stadienanstalten, 
wo sie bei den Schülern gefunden würden, verbrannt werden 
sollten ^). Ln Jahre 1523 ordnete da9 Generalkapitel g^en- 



1) Winter, a. a. 0. 3, 148. 



440 

über dem drohenden Zerfall durch die Reformation eine 
Visitation aller Klöster an. In Niederdeutschland sollte der 
Abt Gerhard zu Altenberg (Maria in Bergis) dieselbe vor- 
nehmen. Dieser übertrug sie für Georgenberg dem Abte zu 
Bredelar unter Zuziehung des Abtes zu Haina. Auch der 
junge Landgraf Philipp hatte noch am 24. Februar 1524 dem 
Kloster wegen „seines reformierten geistlichen Lebens" die 
unter seinen Vorfahren erteilten Freiheiten bestätigt. Da 
kam im Jahr 1527 auch über Hessen die Reformation. 
Der Landgraf hatte anfangs die Absicht, alle Klöster aufzu- 
heben und ihre Insassen mit Abfindungen zu entlassen. Nach 
dem am 9. September (Nativ. Mariae) 1527 aufgenommenen 
Register befanden sich 25 Jungfrauen, darunter 13 Adelige, 
und 22 Schwestern, also mit dem Prokurator und Kaplan 
ungefähr 50 Personen im Georgenberg. Hatte sich der 
Landgraf für seine Maassnahmen auf das Wort Gottes und das 
darin gebundene Gewissen berufen, so setzte ihm die Aebtissin 
Anna von Hatzfeld und der Konvent gleichfalls ihr in der 
Ordensregel gebundenes Gewissen entgegen. „Diese ob- 
geschriebenen (25) Jungfrauen, Mater und ganze Konvent 
sampt den Schwestern bitten den gnädigen Herrn, sie bei 
ihrer Regel und Statuten zu lassen und wider ihre Consciencien 
nicht zu dringen und sie allesamt im Kloster daselbst zu 
lassen." Die eigenhändige Resolution Philipps lautete: 
„Welche Personen vom Adel sein, sollen Macht haben, zu 
kiesen gegen Kaufungen oder Wetter, welche aber nicht vom 
Adel sein, gegen Germerode". Es gab also noch viele Ordens- 
personen, welche ihre Regel und Klöster nicht verlassen 
wollten ^). Diese sollten, soweit sie adelig waren, zu Kaufungen 
oder Wetter, die bürgerlichen zu Germerode untergebracht 



*) Anch das Cisterz.-Kl. Caldem, welches damals 41, darunter 
viele alte und schwache weibliche Insassen hatte, widersprach seiner 
Aufhebung. Landgraf Philipp gieng aber einfach damber hinweg, die 
Frauen wurden alle entlassen, nur der Aebtissin ausser einer Rente von 
8 fl. und 8 Malter Frucht, das Haus des Klosters zu Marburg eingeräumt. 
Wie viel politische Rücksichten für den Fortbestand Georgenbergs, des 
deutschen Hauses u. s. w. entscheidend gewesen sind, kann hier ausser Be- 
tracht gelassen werden. 



441 

werden. Seitens des Adels geschahen Erinnerungen an den 
Landgrafen. Der Adel hatte seine Töchter stets im Stifte 
Wetter versorgt. Mit Georgenberg war es nicht anders. 
Der Landgraf wurde milder und erklärte noch 1540 in seiner 
zu Marburg ausgegangenen Schrift gegen den Herzog Heinrich 
d. J. von Braunschweig, dass er die Ordenspersonen nicht 
aus den Klöstern hinaustreiben wolle, sondern, wer darin 
bleiben wolle, dem solle das gestattet sein, wenn sie nur 
sich „unserer Religion gemäss halten wollten"; so seien 
Gronau, Berbach, Georgenberg und das deutsche Haus zu 
Marburg in ihrem Zustande gelassen. Das Kanonissenstift 
Wetter wurde bald nach Ostern 1528 aufgehoben. Georgen- 
berg blieb bestehen. Die Jungfrauen behielten die klösterliche 
Kleidung und die Ordnung des kanonischen Stundengebets. 
Nach der Vereinbarung des Landgrafen mit den Landständen 
vom 15. Oktober 1527 wurde zur Vermögensverwaltung ein 
Klostervogt, der Rentmeister Joh. Sommerkorn (1528 — 1538), 
welcher jährlich Rechnung legen sollte, bestellt. Nach diesem 
erscheint der Rentmeister Heinrich Kraushain seit 1542 als 
solcher bei Erbleihen und Veräusserungen. Doch kommen 
auch selbständige Handlungen der Aebtissin, namentlich Güter- 
tausche vor. Auf eine Klage des Junkers Joh. Huhn wegen 
einer Fischerei am Hofgericht brachte die Aebtissin Anna 
von Hatzfeld die Sache an den Statthalter Georg von Kolmetsch, 
weil der Fürst alle ihre Güter habe inventarisieren lassen und 
die Jungfrauen nur die Leibzucht daran hätten. Der Land- 
graf wies, weil es sich um ein von seinen Vorfahren lehn- 
rühriges Wasser handele, den Statthalter an, den Rechtsweg 
abzuschneiden, den Huhn abzuweisen, ihm aber den Rekurs 
an den Landgrafen offen zu lassen (24. August 1542). 

Bei der im Jahre 1528 vorgenommenen Inventarisierung 
der Klostergüter war der Kirchenornat des Kl. Georgenberg 
nicht bloss nach der Ordnung der Cisterzienser einfach, 
sondern geradezu dürftig. Er bestand in 1 Kelch, welcher 
den Jungfrauen belassen wurde, und 6 Caseln, darunter zwei 
alte, in den Farben schwarz und grün je zwei, blau und 



442 

weiss je eine, aus Sammet, Seide, Damast und Halbtuch. 
Die Zahl der vorhandenen Briefe betrug 176. ^) 

Trotz des Protestes der Aebtissin und der Zustimmung 
aller Schwestern zu demselben gab es doch auch im Georgen- 
berg solche Naturen, welche sich aus dem Klostergewahrsam 
und dem inneren Widerspruch, in die sie teilweise in un- 
mündigem Alter hineingebracht waren, heraussehnten. Luthers 
Lehre von dem Unwert und der Verdienstlosigkeit des Kloster- 
lebens, das siegreiche Fortschreiten seines Werkes und das 
Beispiel anderer Klöster, aus welchen nach dem Berichte 
eines Zeitgenossen bereits seit dem Jahre 1522 zahlreiche 
Austritte erfolgt waren, entvölkerte auch den Georgenberg ^). 
Nachdem die Thüren geöffnet waren, traten die bürgerlichen 
Jungfrauen und Schwestern unter Verzicht an das Kloster 
gegen Fruchtrenten, welche im Betrage des beim Eintritt 
Eingebrachten ablösbar sein sollten, aus, während die Adeligen 
noch einige Jahre verblieben. 

Nachweisbar wurden abgefertigt: 

1. Eila Fett aus Wetter, 7. Dezember 1527 mit 7 Malter 
Frucht partim, ablösbar mit 130 fl. 

2. Katharine Herpels aus Wetter, 7. Dezember 1527 
mit 3 Malter aus dem Hainaer Hof zu Wetter, ablösbar 
mit 40 fl. 

3. Eischen Fett aus Wetter, 7. Dezember 1527 mit 
15 Malter Frucht partim, ablösbar mit 300 fl. 

4. Margarethe Schwimmen aus Marburg, 7. Dezember 
1527 mit 15 Malter Frucht partim aus dem Kugelhause 
zu Marburg, ablösbar mit 300 fl. Sie war schon binnen 
Jahresfrist verheiratet und quittiert mit ihrem Ehemanne 
Jost Oswalder 11. November 1528 über die Ablösung. 

5. Margarethe Orth und 

6. Christine Orth aus Marburg, 14. Dez. 1527, welche 
im Beisein des Rentmeisters Peter von Sachsen zu 
Wetter 300 fl. eingebracht, mit 15 Malter Frucht partim, 



1) Verz. der Klostergüter 1528, S. 405. 

*) Die chronistischen Aufzeichnungen des Bruder Göbel aus BH.- 
Böddeken. Zeitschr. für Vaterländische Gesch. Westfalens 1858, S. 189 fP. 



443 

ablösbar mit 300 fl. Sie waren Töchter des Rentmeisters 
Ludwig Orth. 

7. Katharine Orth aus Marburg, welche 100 fl. eingebracht, 
wurde mit einem Schuldbrief über 180 fl. „so zu Alsfeld 
im Augustinerkloster Eckhen Mainzer betrifft", entlassen. 

8. Margarethe Schwind 1528 mit 80 fl. 

9. Katharina Dippel wurde 1531 mit 15 fl. in Baar und 
einer Rente von 4 Malter und 4 Mesten partim aus 
zwei Klostergütern zu Allendorf bei Battenberg, ablösbar 
mit 115 fl., also in Summa mit 130 fl. abgefertigt. Sie 
starb 1543, worauf ihre Geschwister Günther und 
Gertraud diese 115 fl. erhielten. 

10. Elsa von Floxtorff stellte 6. Febr. 1532 Verzicht 
und Quittung aus. Die Summe ist nicht genannt. 

11. Katharina von Löwenstein im Jahre 1532 mit 100 fl. 

12. Gertrude Volk wein aus Attendorn 1532 mit 80 fl. 

13. Kunegunde aus Marburg 1532 mit 80 fl. 

14. Katharine Schütze aus Röddenau, welche sich in den 
Ehestand begeben, erhielt 1533 eine von ihrem Vater 
1521 dem Kloster verkaufte Wiese bei ihrem Hofe als 
Abfertigung zurück. 

15. Margarethe von Eppe, 1535 mit 200 fl. 

16. Johann Schuhe, der Klosterdiener, 1537 mit 30 fl. 

17. Katharina von Biedenfeld, 13. April 1537 mit 120 fl. 

18. Charitas von Oegenhausen aus Brilon, 26. Februar 
1538 mit 50 fl. Sie war die Schwester des Pastors 
Heinrich Oegenhausen zu Bigge an der Ruhr, welcher 
ihren Verzichtsbrief unterschrieb. 

Obwohl durch eine fürstliche Instruktion an eine 
Kommission, bestehend aus zwei Adeligen, dem Superin- 
tendenten Adam Krafft und Hauptmann Heinz von Lüder 
im Jahre 1528 die Aufnahme neuer Schwestern untersagt 
worden war, so wurden doch noch zwei weitere, Elisabeth 
von Wahlen und Apollonia von Grönebach, aufgenommen, 
wahrscheinlich zur Zeit des schmalkaldischen Krieges, wo der 
Erzbischof Sebastian von Mainz in Geltendmachung seiner 
Diözesanrechte auch dem Kloster Georgenberg seine gedruckten 



444 

Patente wegen Annehmung des Interims insinuieren liess, und 
diese das Kloster auch annahm. Als dieser Punkt im Jahre 
1629 gegen den Landgraf Georg II. zwecks Restitution des 
Klosters geltend gemacht wurde, half man sich mit der Aus- 
rede: diese zwei seien nicht als Ordenspersonen oder Schwestern, 
sondern als Jungfrauen aufgenommen worden ; Jungfrauen 
aufzunehmen, sei ihnen nicht verboten gewesen, gleichwie 
man hinsichtlich des Tragens des Ordenskleides sich auf den 
kanonischen Grundsatz berief: quod non habitus, sed professio 
monachum faciat. 

Die Aebtissin Anna von Hatzfeld übte noch 1556 nach 
dem Tode des Frühmessners zu Sachsenberg und Pfarrers 
der Butzbachskirche Konrad Feuring das Verleihungsrecht 
über diese Kirche, welche sie damals dem früheren Kloster- 
kaplan, dem Pfarrer Joh. Wiedenhofer zu Viermünden, verlieh, 
welcher darauf nebst dem Pfarrer zu Frankenberg und dem 
Diener der Aebtissin die Butzbachspfarrgüter „apprehendierte^', 
nach Empfang der Register die Lehnsleute belehnte und der 
Aebtissin Revers ausstellte (27. März 1556). Die Aebtissin 
hatte mit dem Vogte Heinrich Kraushain zu Feurings Leb- 
zeiten diese verfallende Kirche (1542 — 1554) restaurieren lassen 
und das Geld dazu durch Verpfändung von 5 in die Pfarr- 
kirche Butzbach gehörige Wiesenstücke in dem Nienzegrund 
auf 20 Jahre für 40 fl. an einen Bürger zu Frankenberg auf- 
gebracht. Die Aebtissin verpflichtete sich aber, nicht nur 
diese Wiesen nicht weiter zu verpfänden, noch mit Grund- 
zinsen zu beschweren, sondern auch etwaige Insage und 
Ausfall an diesen Wiesen aus anderen Klostergütern zu er- 
statten. 

Die Aebtissin Anna von Hatzfeld starb im Jahre 1557, 
wahrscheinlich zu Griefstedt, worauf der Landgraf eine Neu- 
wahl gestattete, aus welcher ihre Schwester Eida hervorgieng, 
bei deren im Jahre 1567 erfolgten Tode noch 7 Jungfrauen 
vorhanden waren. Diese richteten wenige Tage nachher an 
den Statthalter zu Marburg eine Bittschrift, dass der Land- 
graf, welcher sie bis da bei des Klosters Verwaltung gelassen 
und das vorige Mal eine neue Aebtissin zu wählen verstattet 



445 

habe, jetzt, wo sie ihr äusserstes Alter erreicht, ihre Un- 
vermöglichkeit ansehen und sie bei diesen Gütern belassen 
möge, die sie von ihrer Jugend auf mit saurer Arbeit hätten 
bessern helfen, um ihr Alter zu erhalten, und nach ihrem 
Ableben dem Fürsten unbeschwert zukommen würden. Weil 
sie nun nicht mehr viel zu thun im Stande seien, und doch 
ihren nötigen Unterhalt haben möchten, so bitten sie, dass 
Jemandem aus ihrer Freundschaft befohlen werden möge, zu 
ihnen zu ziehen, um ihre Haushaltung zu führen und sie 
Zeit ihres Lebens zu verpflegen, denn ein Fremder, führen 
sie aus, möchte vielleicht, an ihrem Alter und Unvermögen 
Verdruss haben, und ihnen nicht das Nötige gereicht werden, 
während sich ein Blutsfreund vor aller Welt dazu würde ver- 
pflichtet fühlen müssen, damit sie keinen Mangel litten ^). 

Mit der Reformation war ein allgemeiner Verfall des 
Kirchenvermögens eingetreten. Mit rauher, schonungsloser 
Hand waren die Stiftungen und Vermächtnisse zusammen- 
geworfen und das Gedächtnis der Stifter verwischt worden. 
Die Jahrgedächtnisse in den Kirchen und Klöstern, welche 
dasselbe den Nachkommen erhalten sollten, fielen mit der 
Messe dahin. Neue Stiftungen erfolgten infolge der Predigt 
von der Verdienstlosigkeit der guten Werke nicht mehr, die 
Ablässe und Opfer, die Eintrittszuwendungen hörten auf. Das 
Kloster Georgenberg konnte trotz seines grossen und im An- 
fange des 16. Jahrhunderts durch den Erwerb der Albanus- 
stiftsgüter zu Röddenau vermehrten Besitzes und trotzdem 
durch Austritt und Absterben die Zahl seiner Mitglieder auf 
wenige herabgegangen war, sich nicht mehr erhalten. Schon 
im Jahre 1538 hatte es ein Gut zu Bockendorf an das Hospital 
Haina verkaufen, 1537 eine Schuld von 80 fl. machen müssen. 
Die Schulden waren in der Folge bis zu 700 fl. gewachsen. 
Durch eine Vereinbarung vom 14. Dezember 1569 traten 
daher die noch vorhandenen 5 Klosterpersonen, die Priorin 
Anna Clauer, die Jungfrauen Margarethe und Elisabeth von 
Wahlen und die Schwestern Elisabeth Brungheimer und 



») Deduktion vom Jahre 1629, S. 624 S, 



446 

Apollonia von Grönebach das Kloster mit allen Gütern, Ge- 
fällen und Rechten, sowie allen Lasten und Schulden an den 
Landgrafen Ludwig IV. gegen ihre lebenslängliche Unterhaltung 
im Kloster ab. Der Uebergabsbrief ist vom Pfarrer und 
Superintendenten Kaspar Tholde und dem Bürgermeister und 
Bat zu Frankenberg besiegelt und im Namen der Jungfrauen 
vom Bentmeister Heinrich Kraushain in Gegenwart des 
hessischen Hofmeisters Joh. von Linsingen unterschrieben. 
Die Jungfrauen mussten die Klosterkleidung ablegen und ,,die 
Missbräuche abstellen, welche dem Worte Gottes nicht gemäss 
waren" (Sauer). Es wurde ihnen erlaubt, entweder in ihren 
Zimmern zu verbleiben oder unter Mitnahme ihrer Kleider 
zu ihren Verwandten zu ziehen^ ihnen auch weiter jährlich 
5 Mött Korn verwilligt, um auch fernerhin Almosen an die 
Armen spenden zu können. Der Landgraf Hess das Kloster 
durch den Bentmeister Kraushain in Besitz nehmen und 
seinen Besitz und Güter inventarisieren (6. Oktober 1567). 
Klostervogt war Adam Helfricb. Die letzte Schwester, 
Elisabeth Brungheimer, starb 1581.^) Ihre Hinterlassenschaft 
wurde auf Befehl des Fürsten ihren Verwandten übergeben. 
Heinrich Kraushain war der erste hessische Bentmeister, 
welcher im Kloster wohnte ; der letzte hessische und erste 
preussische Wilhelm Quentin war der letzte überhaupt 
(Februar 1869). Nach ihm wurde die Wohnung einem Ober- 
förster eingeräumt. 

Schon im 16. Jahrhundert diente das Kloster wiederholt, 
wie in der Gegenwart, zu Beamten Wohnungen, wenn die 
Beamten und Universität vor der Pest aus Marburg flüchteten. 
Es geschah dieses sechsmal : 1. im Jahre 1530; 2. vom Ok- 
tober 1554 bis März 1655 ; 3. vom August 1564 bis Mai 1665 ; 
4. im Herbst 1575 bis 2. Mai 1576; 5. im August 1585 bis 



') Wenn die von dem sog. städtischen Exercitienbuche als am 
15. März 1582 verstorben genannte Margarethe von ßicken anderwärts 
(Rörig, S. 59; Schenk, S. 188) als die letzte Klosterperson aufgeführt 
wird, so ist dieses ein Irrtum. Maigaretbe von Bicken, die Tanto des 
Kurfürsten Joh. Adam von Mainz, war die Witwe des Joh. HuhA zu 
Ellershausen und starb in dem huhnischen, früher treisbachischen Burg- 
sitz hinter der Pfarre. 



447 

Frühling 1586; 6. im Jahre 1611. Während des 3. Auszugs 
wohnte der Statthalter Burkhard Gramm darin, während des 
4. starb dort der hessische Kanzler Heinrich Lersner d. Ä. 
9. März 1576 und wurde in die Pfarrkirche begraben*). 

Die Mauritiuskirche des Klosters, welche in 
der Vorzeit einen Dachreiter hatte, war nach der Aufhebung 
des Klosters unbenutzt. Die grössere Glocke derselben über- 
liess Landgraf Moritz im Jahr 1608 der Pfarrkirche, deren 
Turm und B Glocken am Sonntage Exaudi 1607 infolge 
eines Blitzschlages zum zweiten Male zerstört worden waren. 
Die Klosterkirche wurde dann von Landgraf Wilhelm VL der 
im Jahre 1662 gegründeten reformierten Gemeinde überwiesen 
und^ als diese 1679 die Augustinerinnen- oder Hospitalkirche 
erhalten hatte , hielt der Prediger der 1687 angelegten 
Hugenottenkolonie Luisendorf Adraham Fontaine, welcher zu 
Frankenberg wohnte, in ihr (1688 — 1702) für diese Gemeinde 
französischen Gottesdienst, bis ihr Landgraf Karl im Jahre 1700 
eine Kirche am Orte erbaute. 

Die Patronate des Klosters, namentlich sein Teil 
an der Pfarrkirche zu Niederasphe ^), ferner das vom Albanus- 
stifte erworbene Patronat zu Röddenau, sowie das über die 
alte Butzbachsklosterkirche giengen auf die Landgrafen über, 
die sich jedoch den mit den Gütern überkommenen Bau- 
verpflichtungen möglichst zu entziehen suchten. Die 
Butzbachskirche, für deren Versehung noch Landgraf 
Ludwig IV. dem Pfarrer Wiedenhofer 1568 einen Zusatz von 
zwei Klaftern Holz aus den Waldungen der breiten Struth 
gewährt hatte, gieng ihrem Verfalle und Untergange entgegen. 
Sie war schon unter Landgraf Moritz so in Verfall, dass die 
unter Landgraf Georg IL eingesetzte Generalkirchenvisitations- 
kommission im Jahre 1629 sie ungesäumt zu verwahren an- 
ordnete, damit sie einer Kirche ähnlich sei. Vollends der 
spätere Landgraf Karl, welcher den eingewanderten Fran- 



*) Cäsar, Catalogus, 1878, pag. 18. 

*) Der Anteil der von Fleckenbühl und Erfurtshausen, bezw. Dersch 
an diesem Patronate gieng nach deren Erlöschen durch Belehnung mit 
ihren Gütern auf die Landgrafen zu Rumpenheim über. 



448 

zosen unter Verleihung weitgehender Privilegien auf Staats- 
kosten, Kirchen, Schulen und Pfarrhäuser baute und deren 
Prediger, Lehrer und Bürgermeister auf Kosten der deutschen 
Landeskinder besoldete und seine Residenz mit den gross- 
artigsten Prachtbauten schmückte, hatte so wenig ein Herz 
für diese Landebkinder, noch ein Bewusstsein der mit den 
Klostergütern überkommenen Verpflichtungen, dass die zur 
Butzbachskirche gehörigen Unterthanen nichts weiter, als ein 
offenes Patent der Regierung zu Marburg im Jahre 1717 er- 
halten konnten, um in Waldeck und im cölnischen katholischen 
Westfalen eine Kollekte zu ihrer Herstellung zu erheben. 
Sie wurde, nachdem die übrigen in alter Zeit zu ihr gehörigen 
Ortschaften im Laufe der Zeit sämtlich wüste geworden 
waren, nur noch von den Bewohnern der Butzmühlen und 
des Dorfs Hommershausen, und seitdem der lutherische Gottes- 
dienst zu Schreufa unter Landgraf Karl 1692 unterdrückt 
worden war, auch von den lutherischen Einwohnern zu 
Schreufa bis 1775, besucht. Am 7. Januar 1759 wurde aus 
ihr die Glocke gestohlen. Bei schlechter Witterung suchten 
die sachsenberger Schäfer mit ihren Heerden in ihr Schutz 
und Obdach. Dieselbe wurde daher endlich 1817 abgebrochen 
und nach Hommershausen verlegt, die Beibehaltung eines 
Stücks ihres Toten hofes aber dem Besitzer der unteren Butz- 
mühle gestattet (1827). 

Die Güter, welche den Landgrafen, bezw. dem 
hessischen Staate mit dem Kloster zufielen, waren ausser den 
erwähnten Zehnten viele einzelne Hufen und Grundstücke zu 
Frankenberg, viele Wiesen im Nienze- und Nuhnethal und 
unterhalb Sachsenberg. Das wertvollste Stück war der 
Hof Rodenba eh. Derselbe, im umfange von 365 Casseler 
Acker, war seit 1533 (Februar 14.) an einen Klosterdiener, 
seit 1542 geteilt an zwei Pächter auf 9 Jahre für ein Dritt- 
teil des Ertrags und sonstige Leistungen an Vieh und Fuhren 
verpachtet. Im vorigen Jahrhundert betrug die Pacht 146 Thlr. 
Im 17. Jahrhundert war die eine Hälfte an die Familie Grebe 
verpachtet, aus welcher die in der Neuzeit bekannten casseler 
Realschulmänner dieses Namens hervorgegangen sind; im 



449 

vorigen Jahrhundert waren Heinrich Trus und Joh. Beutel 
Pächter. Da der erstere verschuldet war und im Jahre 1777 
die Pacht zu Ende gieng, nahm der Rentmeister Lange zu 
Frankenberg den schon 1711 erwogenen Plan einer Vererb- 
leihung wieder auf und beantragte 19. November 1774 die 
Anlage eines Dorfes. Es bewarben sich alsbald die fran- 
zösischen Kolonisten zu Wiesenfeld auch um dieses Kloster- 
gut, um dasselbe mit 10 Familien aus ihren Kindern zu be- 
siedeln. Das Gesuch wurde jedoch durch Resolution vom 
3. März 1775 abgeschlagen und die Bittsteller angewiesen, 
sich lieber bei Cassel anzusiedeln. Hierzu zeigten dieselben 
sich jedoch nachgehends nicht geneigt. Zufolge einer fürst- 
lichen Resolution vom 4. April 1777 wurde die Anlage eines 
Dorfes verfügt, der Hof in 6 Portionen nebst 4 Plätzen 
für Handwerker geteilt und an deutsche Kolonisten aus 
Ernsthausen bei Frankenberg auf Erbleihe gegen einen jähr- 
lichen Zins von je 25 Thlr., sowie ein Laudemialgeld für 
dieses Erbleiherecht von zusammen 400 Thlr. im Jahre 1781 
ausgethan ^). Das nötige Bauholz wurde unter Verwendung 
der bisherigen Pachtgebäude den Kolonisten forstfrei geliefert, 
die Kosten der Vermessung und des Baumeisters vom Staate 
getragen. Jeder der 6 Beständer sollte jahrlich 4 Klafter 
Holz aus dem Staatswalde gegen Bezahlung erhalten, auch 
denselben auf Ansuchen die Teilung der Portion in zwei 
Hälften gestattet werden. Ebenso wurde den 4 Handwerkern 
ausser 4 Casseler Acker Land die Mitbenutzung der Hute 
gegen ein billiges Hirtengeld bewilligt^). Die Leihe wurde 



*) Diese Kolonisten waren Feter Gercke, Konrad ßaumann, Karl 
ßeinbott, Heinrich Gronau (später sein Eidam Heinrich Pfuhl), Jost 
Nicolaus Gronau (später sein Eidam Joh. Landau) und der bisherige 
Pächter Joh. Beutel (Joh. Jost Gross); die ersten Handwerker: der 
Schmied Daniel Heller aus Sachsen-Meiningen, der Scherenschleifer 
Konrad Schmelzer aus Böhmen und ein Maurer. 

*) Bericht der Kriegs- und Domänenkammer vom 18. März 1777 
und Allerh. Approbation vom 26. März 1777. Die Anlage eines besonderen 
Totenhofes wurde den Kolonisten 27. Juni 1788 abgeschlagen. Gleichwie 
die Pächter mussten auch die Kolonisten an die Pfarrei Röddenan einen 
6spänmgen Wagen Heu liefern. 

N. F. Bd. XXIII. 29 



450 

bei jedem Todesfall des Fürsten, wie des Lehnsbeständers 
erneuert^ das Lehnsverhältnis^ sowie die Steuerfreiheit schon 
unter der kurhessischen^ die Berechtigungen der Güter in der 
Neuzeit unter der jetzigen Regierung abgelöst und auf- 
gehoben. 







vm. 

Vom Melsiing:er Gerichte^). 

Von 

Dr. Lr. Armbrust. 
Simmem (RheinproT^inz.) 

n einer der ältesten Erwähnungen Melsungens ist vom 
Gaue Milisunge ^) die Rede. Der Umfang dieses Gerichts- 
bezirks wird sich mit den Grenzen des kirchlichen Sprengeis 
gedeckt haben, und diese lassen sich in ihrer frühesten Aus- 
dehnung ziemlich genau verfolgen. Die Melsunger waren 
nämlich vor Zeiten nach Grebenau eingepfarrt, und nach ur- 
kundlichem Zeugnisse^) hatte dies Grebenauer Kirchspiel fol- 
genden Umkreis. Es begann auf dem Wildesberge bei 
Swerzelvurde, dem vor 100 Jahren abgerissenen Hofe 
Schwerzelfurt. In der Nähe der Fahre überschritt die Pfarr- 
und Gerichtsgrenze die Fulda und ging auf dem linken Ufer 
nach Dakenbrunnon (HOB Dakenbrunnen, 1438 Tagken- 




>) Hauptsächliche Quellen : Melsunger Saalbuch von 1675 (Abschrift 
von 1787). Melsunger Kämmereibüoher seit 1640. Melsunger Urkunden 
und Akten im Marburger Staatsarchive (M. U. bezw. M. A.). Koppt 
Hessische Gerichtsverfassung. Maurer, Städteverfassung III, 280 fde. 

^) Pagus Milisunge bei Dronke, Traditiones Fuld. oap. VI, 97, 115. 
Weucky Hess. Landesgesch. II, 402 Anm. weist nach, dass die eine 
Schenkung im 11. Jahrhundeit stattgefunden hat, die andere wird 
schwerlich einer späteren Zeit angehören. 

») Wenck^ Hess. Landesgesch., Urk. zum II. Bd. Seite 12 Nr. X. 
Die angeblich am 31. Aug. 786 ausgestellte Urkunde ist „mindestens 
veiunechtot'': Sichel^ Karolinger Regesten 1867 S. 47. Böhmer^ Reg. Imp. 
(Mülilbacher). 1889. — Die Schrift weist auf das 11.— 12. Jahrhundert 
hin. Die Grenzen des Grebenauer Kirchspiels werden darin wohl richtig 
angegeben sein. 

29* 



452 

borne), einer Wüstung, die eine Viertelstunde unterhalb von 
Malsfeld zu suchen ist. Darauf durchschneidet sie in schräger 
Richtung den Markwald (das Beurische Holz) und führt an 
Medelhereshuson (Melgershausen) vorbei über Eessel- 
berg und Quiller. In dem Nisdenbahc, den sie kreuzt, 
möchte man den Freitagsgraben vermuthen. Man gelangt 
dann weiter nach H um b e n r o t , einer Oertlichkeit bei Wagen- 
furt, da es in einer Urkunde von 1457 heisst: „in dem 
Hommenrode bei Wainfort.'^ Bucenenwird d. h. Büchen- 
werra gegenüber macht die Grenze am linken Fuldaufer halt 
und geht im Flussbette wieder stromaufwärts (sursum per 
ejusdem fluminis alveum) bis zum Ste ini ncruce. Ein 
Kreuz bildete öfter ein Grenzzeichen ; so endete nach dem 
Saalbuche die Schwarzenbergische Fischerei des Landgrafen 
bei einem Kreuze vor Röhrenfurt. Dieses wird wohl nicht 
gemeint sein, sondern eher eine Stelle auf dem Steinfelde 
(auch „auf dem Stein" genannt) oberhalb von Körle, auf dem 
rechten Fuldaufer. Das Saalbuch erwähnt nämlich dort „vier 
Rodtäcker bei dem Steinkreuze." Der folgende Grenzort ist 
Breidenbahc. Ein Bach dieses Namens mündet dicht bei 
Röhrenfurt in die Fulda, und 1269 lagen zwei Dörfer, Alt- 
und Neubreitenbach, daran. Zwischen dem Breitenbache und 
dem Steinfelde bei Körle liegt das Scheidgehege, das von 
der alten Pfarrgrenze seinen Namen entlehnt haben kann 
(Scheid == Grenze). Dann wird man geradeswegs nach Norden 
bis zum Watdenbahc, dem Wattenbache geführt, darauf 
wieder südwärts zurück zur Milzisa (Mülmisch), deren 
oberer Lauf gemeint sein muss. In der Nähe von Eiterhagen 
geht die Grenze auf das linke Ufer der Mülmisch über und 
zwar in Massenbrunnon hin; diese Wasserader heisst 
jetzt „im nassen Born,*^ zwischen Eiterhagen und Kehren- 
bach. Ueber die folgenden beiden Grenzorte, Crepeles- 
sore und Rodenhart, sind nur Vermuthungen möglich. 
Crepelessore möchte man als „Krüppelssöhre'V) ,^leine 
Söhre** übersetzen, zumal da 1577 im benachbarten Gerichte 

^) Nach Vtlmars Idiotikon kommt im Hessischen Krepel statt 
Krüppel vor. 



453 

Spangenberg eine „hohe Soer^* vorkommt. Wenn der Name 
Söhre wirklich auf sor {dürr, trocken) zurückgeht, dann ist 
Crepelessore zwischen Kehrenbach und Quentel in der „dürren 
Wand*' zu suchen, auf welche die Wasserrinne „im nassen 
Born" in gerader Richtung hinweist. Die Grenzlinie zieht 
sich hierauf über Rodenhart hin (et sie super Rodenhart). 
Hart bezeichnet einen Wald. Man kann kaum im Zweifel 
sein, dass Rodenhart sich im Riedforste befindet. ^) Vom 
Riedforste führt die Grenze die Wald Strasse hinab (deor- 
sum per silvaticam viam) zurück nach Schwerzelfurt. Die 
in späteren Schriftstücken (z. B. 1534 — 1575) nicht selten 
erwähnte Waldstrasse wird 1387 als Grenze des M ei- 
sung er Stadtgebiets erwähnt.^) Jetzt heisst nur der 
Weg, der vom Riedforste über den Karlshagen geht bis zur 
alten Fuldabrücke der Stadt Melsungen Waldstrasse; früher 
muss sich diese Bezeichnung auch auf die Fortsetzung der 
Strasse über den Galgenberg erstreckt haben.^) 

Wenn die Deutung dieser alterthümlichen Grenznamen 
richtig ist, so umfasste das Grebenauer Kirchspiel und damit 
der ursprüngliche Melsunger Geriehtsbezirk nur folgende 
Ortschaften: Grebenau, Wagenfurt, Lobenhausen, 
(Neu- und Alt-Breitenbach), Röhrenfurt, (Wen- 
disdorf). Seh warzenberg, Eiterha'gen, Kehren- 
b'aeh? Melsungen, Obermelsungen, Fahre und 
(Schwerzelfurt)*) Von diesen Ortschaften wurde in un- 
bekannter Zeit Eiterhagen dem Melsunger Gerichte entzogen 
und als halber Schöppenstuhl dem Amte Neustadt-Kassel 
überwiesen. 

Als Melsungen zur Stadt erhoben wurde (vor 1265) er- 
weiterte man anscheinend den ursprünglichen Gerichtsbezirk. 

*) Hier darf nicht verschwiegen werden, dass der Pfiefrain unter 
dorn Galgenberge 1387 und 1575 den Namen Rodenstein führt, und 
dass liart auch „steinigen Boden*^ bezeichnen kann. Dann würde die 
silvatica via aber zu einem gewöhnlichen Waldwege herabsinken. 

^) Friedensburg, Landgraf Hermann IL und Erzbischof Adolf L 
von Mainz in der Zeitschr. f. hess. Gesch. N. F. XL Beilage 19 S. 280. 

8) Landau im Hessengau S. 99 und wörtlich danach Dr. Zilch im 
Melsunger Wochenblatt 1878 Nr. 17 ziehen mit Unrecht von Büchenwerra 
a'< dio Grenzen viel weiter. 

*) Dio eingeklammerten Ortsnamen sin4 "Wüstungen. 



454 

Gewöhnlich pflegte man nämlich bei der Gründung einer 
Stadt drei benachbarte Gerichte zu vereinigen. So kam wohl 
das Gericht Körle zum Melsunger Sprengel. Zu jenem Ge- 
richte gehörten die Ortschaften Emp fershausen, Körle, 
Albshausen und Wollrode. Dass Körle mit seiner Um- 
gebung auf dem rechten Fuldaufer einen eigenen Gerichts- 
bezirk bildete, dafür finden sich folgende Beweise. Körle 
hatte noch 1299 (später nicht mehr) einen eigenen Pfarrer 
und bildete eine Parochie, also ein Kirchspiel.^) Ein solches 
pflegte sich aber regelmässig an die uralte Gerichtseintheilnng 
anzuschliessen. Ausserdem spricht sich das Saalbuch von 
1575 ganz unzweideutig aus, dass in Körle alljährlich zwei- 
mal die landgräflichen Beamten Gericht halten mussten, eins 
auf Walpurgis, das andere auf Michaelis. Dort hatten dann 
die umliegenden Dörfer „ihre Rüge zu thun," nämlich Woll- 
rode, Albshausen, Wagenfurt, Lobenhausen und Emp- 
fershausen^). Mit Recht führt Kopp dieses Rügericht 
zu Körle auf ein altes Centgericht zurück. Wagenfurt und 
Lobenhausen werden hier zum Gerichte Körle gerechnet, die 
Grenzen dieses und des Melsunger Gerichts waren also um 
1575 verwischt. Den Bewohnern von Lobenhausen (ebenso 
wie denen von Empfershausen) legt das Saalbuch ausdrück- 
lich die Pflicht auf, nach Melsungen oder nach Körle zu 
gehn, wohin sie gerade von den Beamten vorgefordert 
würden. Aehnlich, wenn auch weniger deutlich, spricht es 
sich bei Wagenfurt aus. ^) Die Zugehörigkeit zu Melsungen 
war also noch nicht vergessen. Wie es scheint, hatte der 
Bezirk Körle seine Gerichtsstätte bei Empfershausen „am 
Steinmahl." Jakob Grimm erklärt diesen Flurnamen wenig- 
stens für eine alte Richtestätte (Ztschr. f. hess. Gesch. 1840 
II, 147). 



') Lennep, CJodex probationum zur Landsiedelleihe Marb. 1768 
Seite 442 Nr. 173: plebanum Conradum in Corle ecclesie . . . eoclesie 
seu parrocchiae in Corle. 

*) Diese Ortschaften werden mit Körle später als „Unteramt 
Melsungen '^ zasammengefasst, vgl. Seite 458 Anm. 1. 

») Blatt 114: Wainforth, Müßep , . . an die Gerichte volgen, wie 
andere ünterthanen im Ambte, 






455 

Um den Galgenberg unter der Koppe des Schöneberges, 
auf dem rechten Fuldaufer, gruppiren sich einige Ortschaften, 
die auch noch im Mittelalter zum Gerichte Melsungen ge- 
schlagen sein müssen. Dies sind Kehrenbach, das hart 
an der Grenze des Grebenauer Kirchspiels liegt und vielleicht 
diesem noch zuzurechnen ist, ferner Kirchhof, (Reinwerke- 
rode) und Adelshausen; letzteres wird 1438 erwähnt 
als „im Gerichte Melsungen gelegen/*^) Dagobertshausen 
und Ostheim, die früher in Homberg ihr Eecht suchten, 
wurden um 1542 vom Landgrafen Philipp nach Melsungen 
gewiesen. In dem adeligen Elfershausen hatte der 
Landgraf nur das Blutgericht („das höchste Gericht"),^) 

Zur Zeit der Reformation mag das Gericht Gux- 
h a g e n oder Breitenau den Zusammenhang mit dem städ- 
tischen Gerichte in Melsungen erlangt haben. Der Vorsitzende 
führte dort nach dem Saalbuche den Amtsnamen Vogt, wie 
in geistlichen Gebieten regelmässig die Blutrichter genannt 
wurden.^) Dieser Vogt war aber der Melsunger Schultheiss. 
Ihm standen etliche Schöffen aus der Stadt oder dem Amte 
zur Seite. 

Der Melsunger Bürgermeister sass als erster Schöffe zur 
Rechten des Schultheissen, die Schöffen aus Guxhagen, 
Ellenberg und Büchenwerra zur Linken. Zu diesen 
kam dann noch der Stadtschreiber, häufig auch zwei Raths- 
herren aus Melsungen. Der Vogt gab ihnen Kost und Lohn, 
während die Beamten und Schöffen, wenn sie beim Körler 
Gericht thätig waren, vom Landgrafen eine Entschädigung 
für die Mahlzeit erhielten. Die Melsunger Schöffen, die sich 
zum Breitenauer Gerichte oder zum Walpurgis- oder Mi- 
chaelisgericht nach Körle begaben, empfingen einen kleinen 
Beitrag aus der Stadtkasse. Später hielt man das Walpurgis- 
und Michaelisgericht auf dem Melsunger Rathhause, trotzdem 
blieb die Entschädigung der Schöffen bestehn. 1683 verbot 
der landgräfliche Revisor der Kämmereirechnungen jede Zah- 

*) Vgl. Landau, Hessengau S. 101. 

*) Nach dem Melsunger Saalbucbe vpu 1575. 

3) Maurer III, 494. 



456 

lung aus der Stadtkasse für die Theilnahme am Breitenauer 
Gerichte. ^) 

Zu den Gerichtspersonen gehörte, wie aus den vorher- 
gehenden Zeilen schon hervorgeht, einmal der herrschaft- 
liche Schultheis s. Er war ursprünglich Civilrichter, hatte 
dann auch den grössten Theil der Eriminalgerichtsbarkeit 
übernommen^), die anfangs in Breitenau dem Vogte und 
in Melsungen dem Burggrafen zukam. Um 1623 konnte 
man die angesehene Stellung des Burggrafen noch darin er- 
kennen, dass er ein bares Jahresgehalt von 30 Gulden bezog, 
während sich Schultheissund Bentschreiber mit je 18 Gulden 
begnügen mussten. Erst im vorigen Jahrhundert (1737) 
wurde das Burggrafenamt mit dem des Bentmeisters ver- 
schmolzen^); damals war der Burggraf aber bereits zum 
blossen Schlossverwalter herabgesunken. 

In der ältesten Zeit hiess der Schultheiss Villicus oder 
Verwalter, so kommt 1235 der Villicus Giselher vor.*) 
Seit 1269 ist dann aber stets vom Scultetus die Bede. *) 
Sechs Jahre später wird ein Scultetus von Melsungen mit 
Namen genannt: Gerhard (wahrscheinlich Sagittarius = 
Pfeil), der allem Anscheine nach 1288 noch Schultheiss war. 
Die Schultheissen nahm der Landgraf meist aus angesehenen 
Bürgerfamilien, zuweilen auch aus dem Adel. Dem letzteren 
ist mit Sicherheit wohl nur Johann von Hebeide (1452)') 
zuzurechnen, er stammte jedenfalls aus dem Bittergeschlechte 
derer von Falkenberg. Vielleicht hiess der Schultheiss 1269 
Bitter Giso Sprengel und war also ebenfalls adeligen 
Standes. Gerlach Tuker (1384) gehörte dagegen einer 
hervorragenden Bürgerfamilie Melsungens an. Ueberhaupt 
lässt sich, abgesehen von Henrich Kirchain (1400), der 



*) Naeh dem Melsunger Kämmereibuohe von 1683. 

«) Momr&r III, 494. 

») M. A. 

*) Landau^ Geschichte der Familie von Treffurt, in der Ztschr, 
für hess. Gesch. IX, 189 Anm. 

') Landau, Handschriftliche Bemerkungen zur Geschichte von 
Melsungen, auf der Kasseler Landesbibliothek. 

®) M. U. Die Zahlen bedeuten immer nur das erste und letzte 
Vorkommen in den Urkunden oder Akten. 



4 



457 

sich zwölf Jahre später Henrich von Kirchain nennt, bei 
fast allen folgenden Schultheissen ihre Herkunft aus Mel- 
sungen nachweisen. 1430 war Henne Pyen Schultheiss, 
1438 Johannes Struss, 1449 Hermann Flesser, 
1457 Hencze Flecke, vor 1486 Heintz Luley, 1490 
C 1 o b e s (Nicolaus) Fyge, 1535 Hans Phuraen, 1541 bis 
1601 Martin Berckhöffer. Offenbar verbargen sich aber 
unter dem letzteren Namen zwei verschiedene Männer, wohl 
Vater und Sohn ; denn 1561 studirte ein Martin Barckhover 
aus Melsungen auf der Universität Marburg.^) Aus Mel- 
sungen stammten ferner die Schultheissen Johann Lauze 
(1607), der zugleich Rentmeister war,^) Breithauwe (1614) 
Nikolaus: Ellenberger (1633—1653) und Johann, 
Konrad Brambeer, gleichfalls Rentmeister (1673 — 1693), 
der wohl nur vertretungsweise die richterlichen Geschäfte be- 
sorgte; nicht nachzuweisen ist die Abstammung von Christoph 
Seiler (1662—63), Johann Schmol (1668—71), Konrad 
Baumgarte (1680—88), Musculus (? vor 1697) und von 
dem ersten der drei Mitglieder der Familie Ostercamp, die in 
einem grossen Theile des vorigen Jahrhunderts (1697 — 1760) 
im Besitze des Schultheissenamts war. Als der letzte 
Schultheiss Ostercamp am 17. Mai 1760 im kräftigsten 
Mannesalter den Stürmen des Siebenjährigen Krieges erlag, 
war das hessische Ministerium einen Augenblick gewillt — 
wie es im 17. Jahrhundert mehrfach geschehen war — die 
Schultheissenstelle mit der des Rentmeisters zu vereinigen. 
Der damalige Rentmeister Karl Ludwig Reiche!, den man 
1737 auch zum Burggrafen ernannt hatte, war aber nicht 
juristisch vorgebildet und hieran scheiterte hauptsächlich die 
Vereinigung der beiden Aemter. Für Ostercamp wurde 
daher Lennep Amtsschultheiss, nach diesem bis 1770 Mer- 
geil. Das Amt Melsungen umfasste damals zwanzig Dörfer 
und fünf Höfe und zerfiel in das Oberamt, das Unteramt 

1) Stöhel, Hessische Studierende 1368—1600, in der Ztschr. f. 

hess. Gesch. N. F. V. Suppl. 

*) Melsunger Stadtbuch von 1598 im Marburger Staatsarchive. 



458 

und das Gericht Breitenau.^) Obwohl also ein Schaltheiss 
Arbeit genug fand, legte man 1776 die Aemter Melsungen 
und Felsberg zusammen. Der Sitz des Schultheissen, der 
nun meistens Amtmann genannt wurde, blieb aber Mel- 
sungen. Dahin siedelte denn auch der Amtmann Giesler 
(1776—1783) von Felsberg über, und nach ihm werden noch 
Amtmann Suabedissen (1786 — 1788) und Burchardi 
(1799) erwähnt. Mit der Westfalenzeit starb dann der Name 
des Schultheissen völlig aus. 

Neben dem Schultheissen, der die Untersuchung leitete 
und das Urtheil verkündete, sassen die Schöffen zu Ge- 
richt, die eigentlichen Urtheilsfinder. Vereinzelt scheinen 
sie auch Geschworene genannt zu sein (1373) In anderen 
hessischen Städten wurden sie jährlich neu gewählt. Dass 
dies in Melsungen auch der Fall war, darf man vermuthen« 
Jedenfalls finden sich aber dieselben Personen mehrere Jahre 
hinter einander als Schöffen. Also muss man mindestens 
eine regelmässige Wiederwahl annehmen. Im 16. Jahr- 
hundert ging, nach dem Ausdrucke des Saalbuches, die Wahl 
mit Wissen der Beamten vor sich und wurde von diesen be- 
stätigt. In unruhigen Zeiten nahm indessen die Herrschaft 
das Recht in Anspruch, die Schöffen ohne weiteres zu er- 
nennen. So erwählte Landgraf Hermann der Gelehrte (1379) 
zwölf Schöffen aus dem Rathe und verfügte, dass diese lebens- 
lang verbleiben sollten. ^) Die Zahl der Schöffen betrug schon 
1288 allem Anscheine nach zwölf, wie bei allen grösseren 
Gerichten. Unter ihnen waren der erste und der zweite 
Bürgermeister. Zeitweise wurde streng darauf gesehen, dass 
Vater und Sohn oder zwei Brüder nicht zu gleicher Zeit das 
Schöffenamt bekleideten. Leider kamen aber auch viele Ab- 



*) Zum Oberamte gehörten : Schwarzenberg, Kehrenbach, Kirchhof 
Obermelsuogen, Adelshausen, Dagobertshausen und Ostheim nebst den 
adligen Dorfschaften Malsfeld, Elfershausen und Schnegelshof. Im ünter- 
amte befanden sich: Körle, Lobenhausen, "Wagenfurt, Albshausen, Woll- 
rode, Empfershausen; im Gerichte ßreitenau: Guxhagen, Ellenborg, 
Büchenwerra, Kloster Breitenau, Hof Fahre, Schwerzelshof. Nach Kopp^ 
Hess. Gerichts verf. 

') Schmincke's Auszüge aus dem Reporter. Aulicam Ziogenhainense 
in der Kasseler Landesbibliothek. 



459 

weichungen von dieser bewährten und überall verbreiteten 
Bestimmung vor: 1288 waren Thitmar am Markte und sein 
Sohn Hermann Schöffen, 1412 Cort Schuler Bürgermeister 
und Henne Schuler Schöffe. In späteren Jahrhunderten, 
zumal nach dem Dreissigj ährigen Kriege, lassen sich noch 
mehr Beispiele nachweisen. Die Schöffen richteten nur nach 
dem Herkommen. Im 16. Jahrhundert weigerten sie sich 
einmal, beim ungebotenen Dinge ein Buch zu benutzen. 
Sie Sassen unter dem Vorsitze des Schultheissen über alle 
peinlichen Fälle zu Gericht, soweit diese nicht dem Landes- 
herrn vorbehalten blieben, ausserdem waren die Schöffen 
für die Personalklagen gegen Burgmannen zuständig ^). Da- 
gegen hatte der Bürgermeister (nicht der landgräfliche Schult- 
heiss) die Leitung der bürgerlichen Personal- und Bealsachen.^) 
Eifersüchtig wachte man darüber, dass der Schultheiss von 
solchen Angelegenheiten nichts vor seinen ßichterstuhl zog. 
Besonders nach dem Dreissigj ährigen Kriege erhoben sich 
darüber Zwistigkeiten. 1688 erlaubte der Schultheiss Baum- 
gardt (Baumgarte) einem Bürger, die Kuh, die ihm vom 
Bürgermeister abgepfändet war, ohne weiteres wieder aus 
dem Pfandstalle zu holen. Und 1693 nahm sich der Rent- 
meister Johann Konrad Brambeer, der zugleich das Richter- 
amt bekleidete, einen anderen Debergriff heraus: er wollte 
den Bürgern ihre Kaufbriefe und Wehrschaften, d. h. Ein- 
weisungen in ein neu erworbenes Eigenthum, bestätigen. 
Beide Male beklagten sich Bürgermeister und Rath bei' der 
Regierung und baten, „die Stadt in ihrer althergebrachten 
Jurisdiktion und Exekution zu schützen". Die Wehrschaften 
blieben dem Bürgermeister und Rathe bis in die Neuzeit, 
aber von den peinlichen Sachen wurden die Schöffen all- 
mählich ganz zurückgedrängt; diese standen, wie der Stadt- 
aktuar TilP) 1805 bemerkt, dem Schultheissen allein zu. 
Eine solche Beschränkung muss erst aus der Mitte des 
vorigen Jahrhunderts stammen. Denn 1644 führt das Mel- 



») Vgl. auch Maurer III, 259. 

*) Till, Nachrichten von der Stadt Molsungen § 13. Hdschr. auf 
der Kasseler Landesbibiiothek and dem Melsunger Bathhaose. . 



460 

sanger Kämmereibuch Ausgaben an für die Befragung der 
juristischen Fakultät in Kassel, die über die Folterung einer 
schweren Verbrecherin ihr Gutachten abgeben sollte; 1667 
werden die Kosten für ein peinliches Gericht angeführt, und 
noch 1712 liess die Stadt ein Holzgerüst aufschlagen für das 
peinliche Gericht über eine Witwe und deren Tochter ans 
Kirchhof. Da alle drei Fälle Verbrecher aus dem Oberamte 
und dem Gerichte Breitenau, aber nicht aus der Stadt be- 
trafen, so konnte die Stadt doch nur dann zu solchen Aus- 
gaben angehalten werden, wenn ihre Schöffen beim Gerichte 
noch mitwirkten. Später verschwinden diese Ausgaben in 
der That. 

Vereinzelt kam es vor, dass Melsunger Schöffen bei 
auswärtigen Gerichten mitwirkten, so in Lichtenau „zwei Bath- 
mannen" 1475 und „zwo Scheffen'^ 1616.^) 

Die Eidesformel, die die Melsunger Schöffen in den 
letzten Zeiten ihres Bestehens beim Antritte des Amtes 
schwören mussten, hat sich erhalten: Sie lautete: 

„Nachdem Ihr zu einem Gerichtsschöppen des Ge- 
richtsstuhls N. N. denominieret und erkoren worden, 
auch Amts und Obrigkeits wegen jetzo zu Ablegung 
Eurer Pflichten vorgestellet werdet: als sollet Ihr ge- 
loben und schwören zu Gott dem Allmächtigen und 
seinem heiligen Wort, dass Ihr in fürfallenden Irrungen 
und sonst in Gerichtssachen, dazu Ihr erfordert werden 
möchtet, jedesmals auf der Beamten Befehle willig er- 
scheinen^ dasjenige^ was strittig und Euch nebst anderen 
zu schlichten aufgetragen wird^ so viel an Euch ist, nach 
Eurem Verstand ohne einige Partheylichkeit in Acht 
nehmen, auch nicht ansehen wollt Freund, Gebrüder, 
Nachbarn und Gevatterschaften, niemanden weder aus 
Hass, Feindschafft, Gunst, Gabe und Geschencke oder 
aus eigenem Nutzen wissentlich und fürsetzlich be- 
schweren, sondern einem jeden, wer es auch sey, und 
so weit Euch zukommt, zu seinem Recht, und was der 

*) Siegdy Geschichte der Stadt Lichtenau in der Ztsohr. f. hess. 
Gesch. N. F. XXII, 51 Anm. 2. 



461 

Billigkeit gemäss ist^ verhelfen und in allem dergestalt 
Euch verhalten wollet, wie einem getreuen, verpflichteten 
Gerichtsschöppen, auch sonsten insgemein ehrlich- und 
aufrichtigen Leuten eigent und gebühret. Ihr sollt auch 
alles dasjenige, was Ihr strafbares erfahret, und wider 
die Hochfrstl. Edikte und Verordnungen ist, ohne An-^ 
sehen der Person der Obrigkeit ohnverzüglich anzeigen 
und darüber selbst gebührend halten. So wahr u. s. w/^ 

Das Gericht selbst, wenigstens das Bügegericht zu Gux-^ 
hagen, wurde folgendermassen gehegt. Der Vorsitzende, also 
der Schultheiss, begann: 

„Nachdem die Zeit nunmehro erschienen, dass die Rüge- 
gerichte pflegen gehalten zu werden, und dann der heutigö 
Tag dasselbe alhier zu halten anberahmet worden, als frage 

ich die Schöpfen : 

1. Frage. „Ob es Tag, Zeit und Stunde sey, dem 
Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn (voller Titel) ein Rüge- 
gerichte alhier zu hegen und zu halten?" 

Der Burgermeister zu Milsungen als erster Schöppe ant- 
wortet hierauf: 

Antwort: „Wann der Richter will und der ümstandt^) 
vorhanden, so dünket uns Zeit und Stunde zu seyn, . Ihru 
Hochfürstl. Durchlaucht unsern u. au w. ein Bögegericht alhier 
zu hegen und zu halten.** 

2. Frage. „So frage ich dann weiter, wie soll ich es 
dann halten, dass es Kraft und Macht habe?'' 

Antwort: „Der Herr Richter soll es h^en und halten, 
wie es Herkommen und gebräuchlich an diesem Ort und 
Gerichtsstuhle ist. Er soll das Unrecht verbieten und das 
Recht gebieten, wie auch dem Umstand alle Frevelworte ver^ 
bieten bey der Strafe; es soll auch keinernichts verschweigen, 
mit Reimen (?), Steinen, Scheltworten Schaden ihun, oder 
wie es Namen haben mag; es soll auch keiner herzutreteni 
er thue es dann mit Erlaubnüs des Herrn Richters.'* 



^) D. h. die HenunstehendeD, Zuiduniir. 



462 

Der Richter spricht : ,^So will ich dann Rügegericht 
auf solche Art und Weise, wie es von denen Schoppen an- 
jetzo vorgebracht worden, in Höchstgedachtem Ihro Hoch- 
fürstl. Durchl. Namen geheget haben. Wer nun dabey 
etwas anzuzeigen oder zu reden hat, derselbe kann solches 
gebührender Masen fürbringen'^ ^) 

Die Gerichte zerfielen, wie überall, in gebotene und 
ungebotene Dinge. Die letzteren waren der Ersatz für die 
alten Gaugerichte, stellten also die höhere Gerichtsbarkeit 
dar. Jährlich fanden drei ungebotene Dinge statt : am Drei- 
königstage (6. Januar), Philippi Jacobi oder Walpurgis (1. Mai) 
und Michaelis (29. September). Indessen hielt man sich nicht 
ängstlich an den Kalender. 1641 fand das Michaelisgericht 
am 4. Oktober statt, 1598 am 19. Oktober, das Dreikönigs- 
gericht 1599 am 8. März, 1601 am 2. April.«) Da die Ge- 
richte in früherer Zeit unter freiem Himmel abgehalten 
wurden, musste man auf Wind und Wetter Bücksicht nehmen. 
Und als später die Gerichtsstube auf dem Bathhause ein- 
gerichtet ward, gehörte die Unregelmässigkeit in der Tagung 
der ungebotenen Dinge bereits zum Herkommen. Bei den 
drei ungebotenen Gerichten bezahlte der Landgraf den 
Schöffen und Beamten die Mahlzeit. Dagegen pflegte er zu 
den sechs gebotenen Gerichten, die später als jene, jedesmal 
mit einem Zwischenräume von vierzehn Tagen stattfanden, 
keine Entschädigung zu leisten.^) 

Ein besonderes Becht hat sich in Melsungen nicht 
ausgebildet. Nur findet sich ein eigenthümliches Erbrecht, 
das aber auch in anderen Fuldastädten wiederkehrt. Wenn 
nämlich weder Kinder vorhanden sind, noch Testament, noch 
Ehevertrag, so fällt dem überlebenden Ehegatten die gesammte 
Erbschaft zu.*) 

Schlieeslich werfen wir noch einen Blick auf die 
Strafen, die das Melsunger Gericht verhängte. Die 

*) jKopjp, Hessische Gerichtsverf. 

^) Nach dem Melsunger Stadtbuche von 1598. Marb. Staatsarch. 
8) Melsunger Saalbuch von L575 in der Abschrift von 1737. 
^) Melsunger Stadtbuch (Brief des Bürgermeisters und Rathes an 
Volpert Riedesel vom 12. April 1623). IUI § 21. 



m 

schwersten Verbrecher wurden auf dem Kesselberge, dort wo 
der alte Melgershäuser Weg in den Wald eintritt, auf das 
Rad geflochten. 1575 und noch heutzutage heisst die Flur 
dort „vor dem Rade/^ In der Nähe, entweder auf der 
Melgershäuser oder auf der Nordeckschen Wiese, erhob sich 
ehemals der Galgen. Der Flurname „unter dem Galgen" 
(1575) ist zwar verschollen und vergessen, allein der Hohl- 
weg, der dorthin und weiter nach Melgershausen führt, heisst 
noch jetzt „die Galgengasse." Hier oben an dem Melgers- 
häuser Wege lag die Richtestätte in den letzten Jahrhunderten. 
Auf dem rechten Fuldaufer findet sich aber unter der Koppe 
des Schöneberges ein zweiter Galgenberg, schon im Saal- 
buche von 1575 häufig erwähnt. Die Yermuthung liegt nahe, 
dass hier die anfängliche Gerichtsstätte für die Ortschaften 
Kehrenbach, Kirchhof, Reinwerkerode und Adelshausen lag, 
die wir oben nicht in den ältesten Melsunger Gerichtsbezirk 
einzuschliessen vermochten. 

Wenn ein Galgen aufgerichtet wurde, dann läuteten die 
Glocken der Stadt, und die Bürger strömten nach der Richte- 
stätte. Sie brauchten aber keine Hand dabei zu rühren, 
auch wohnten Bürgermeister und Rath der Aufrichtung 
nicht bei. ^) 

Als Gefängnis wurde anfangs der Diebesturm 
zwischen dem Rotenburger und Fritzlarer Thore benutzt, der 
seit 1690 Eulenturm heisst.^) Trotz seines stattlichen und 
festen Aussehens bot er aber keine unbedingte Gewähr gegen 
den Ausbruch der Verhafteten. Einstmals war hier, wie der 
Rentmeister Philipp Hertzog am 9. Februar 1653 der Kasseler 
Regierung berichtete, ein Dieb untergebracht, der in Malsfeld 
etliche Mass Butter und Kochfett mittels Einsteigens ent- 
wendet hatte. Man schloss ihn im Turme an beiden Beinen 
mit Fesseln und Hess ihn durch zwei Wächter Tag und Nacht 
bewachen. Dreizehn Tage hielt das der Spitzbube aus, dann 
brannte er in einer Januarnacht durch und ward nicht mehr 
gesehen. Nach der Darstellung des Rentmeisters musste er 

*) Nach einem Aktenstücke von 1614. M. A. 
^} M. A. Melsunger Eämmereibach von 1690. 



464 

erst im Innern des Turmes vier Ellen in die Höhe klettern, 
dann durch ein Loch kriechen, durch das ein anderer kaum 
den Kopf stecken konnte, und endlich mit geschlossenen 
Fesseln fünf Ellen hoch herabspringen. Wahrscheinlich 
wird ihm der goldbeladene Esel die Sache etwas erleichtert 
haben. 1 676 brach abermals ein Dieb aus dem Diebesiurme 
aus, man fing ihn aber wieder und schickte ihn unter der 
Bedeckung von elf Ausschössern (Soldaten) nach Kassel. 
Nach diesen übelen Erfahrungen richtete man 1688 den „Ge- 
horsam^' am Brückenthore auf. ^) Allein hier scheint es den 
Spitzbuben nicht besser gefallen zu haben^ denn sie brachen 
seitdem noch eben so häufig aus. Erst das jetzige Gefängnis 
hinter dem Amtsgerichte, bei der alten „Hobestadt," wahr- 
scheinlich auf der Stätte des früheren Schlosses^ hält seine 
Insassen fester. 

Eine grosse Rolle spielten die Geldstrafen. Nach 
dem Saalbuche galt im allgemeinen der Grundsatz, dass die 
Bussen für alle Vergehen dem Landgrafen zufielen. Nur 
diejenigen Geldbussen, die bei Gelegenheit eines freien Jahr- 
markts den Straffälligen auferlegt wurden, waren Eigenthnm 
der Stadt; zumal wenn ein Händler eine Waare teurer ver- 
kaufte, als von den Beamten oder dem Bürgermeister fest- 
gesetzt war. Die Bussen vom Feldfrevel theilten Landgraf 
und Stadt mit einander, ebenso die Forstbussen aus dem 
alten Schöneberge ; die aus dem neuen kamen seit der Mitte 
des 16. Jahrhunderts der Stadt allein zu.^) Zeitweilig nahm 
die Stadt noch einen grösseren Teil der Gerichtskosten für 
sich in Anspruch, ob mit Recht, ist schwer zu entscheiden. 
Bei dem grossen Rathausbrande von 1554 waren viele wich- 
tige Urkunden verbrannt, darum suchten Bürgermeister und 
Rat ihre bisherigen Rechte und Befugnisse durch Nieder* 
Schrift und eidliche Erhärtung festzustellen. Unter dem 
Namen der unständigen Busse verlangten sie die Hälfte der 



*) Melsunger Kämmereibuch von 1676 und 1688. 

•) M. A. (Resolution des Landgrafen Wilhelm vom 4. Juni 1668). 
Kämmereibuch von 1640 und die Verzeichnisse der Forstbussen auf dem 
Melsunger Rathause. 



466 

Geldstrafen für Körperverletzung („als bludig und blaw und 
ander"). Unter der ständigen Busse gebührte der Stadt an- 
geblich die Hälfte der Geldstrafen, die aus üebertretungen 
beim Verkaufe und bei den freien Märkten und aus Feld- 
und Gartenfreveln flössen, und die gesammten Bussen für 
Waldfrevel auf dem Schöneberge. ^) 

Die Gerichte waren eine nicht unwichtige Einnahme- 
quelle für die Herrschaft und bereiteten ihr nur geringe 
Kosten. In einem nicht sehr günstigen Jahre vor dem 30- 
jährigen Kriege brachten sie 91 Gulden 2 Albus ein bei 
1137 Gulden 8 Albus ^/2 Heller Gesammteinnahme aus dem 
Amte; nur zwei Posten zeigten eine höhere Einnahme: das 
Kuhgeld 104 und das Forst- und Holzgeld 460 Gulden, und 
doch stand das gesammte Einkommen aus dem Amte Mel- 
sungen in diesem Jahre dem in der Mitte des 16. Jahr- 
hunderts um 300 Gulden nach. ^) 

In welchem Verhältnisse bei den alten Melsungern Ver- 
gehen und Strafen zu einander standen, darüber klärt ein 
Stücklein aus einem Bussverzeichnisse von 1459 und 1460 
auf.^) Ein Bürger wurde in eine Geldstrafe von 2 Pfund 
(etwa 5 Mark) genommen, weil er sich mit dem Henker auf 
dem Rathause gezankt und diesen thätlich beleidigt hatte. 
Ein anderer Mann war so gewaltthätig gegen ein Mädchen, 
dass es um Hülfe schrie ; ihn traf die verhältnismässig ge- 
ringe Strafe von 3 Pfund. Lebendigere Zeugnisse des Zeit- 
geistes sind die folgenden beiden Strafaufzeichnungen. Zwei 
Frauen hatten sich geschlagen. Vor dem Richter schob, wie 
immer in solchen Fällen, jede der anderen die Schuld zu. 
Der Schultheiss wusste sich zu helfen, er nahm seine Zuflucht 
zu einem Gottesurtheile. Welche von den beiden Frauen in 
einem Zweikampfe vor seinen Augen fiele, die sollte die drei 
Pfund bezahlen. Eine von denselben Frauen hatte ihrer 
Gegnerin nachgesagt, sie hätte sie verzaubert und ihr die 
Milch genommen. Die Sache schien so ernst, dass der Schult- 



') Till § 21. Stadtbuch von 1598. — «) M. A. 
3) Veröffentlicht von Landau in der Ztsohr. f. hess. Gesch. 1840, 
II, 376 ; darnach von Zilch im Melsunger Wochenbl. 1878 Nr. 31. 

N. F. Bd. XXIII. 30 



466 

heiss die eine Frau, sicherlich die angebliche Zaaberin, der 
Gnade des Landgrafen überwies. Damit wurde ein Gerichts- 
verfahren auf Tod und Leben eröffnet, denn nur die aller- 
schwersten Fälle hatte sich der Landgraf selbst vorbehalten. 
Dazu gehörten also auch die Hexenprozesse. Sonst galt 
immer, soweit es sich aus den Quellen erkennen läset, das 
Kasseler Obergericht als die höhere Instanz^ diet dem Mel- 
sunger Gerichte übergeordnet war.^) 



^) Eämxnereibücher von 1643, 1665 u. s. w. 



i*« 




Berichtignng. 

Stammtafel Brunet auf dem Frauenberge. Zu Johann ^ckardt 
nach „Altenteils"': 

Dieser hat den Hof schon wieder an seinen Schwiegersohn 
Johann Peter Dörr aus WoUershausen übertragen. 



(] 



Anlage B. 



Die Reihenfolge der Inhaber'der drei Höfe des 

Erbleihegutes Frauenberg. 



Thomas Brunet 
Sohn desDr.med.Thomas 

1) 1688—1734 [Br. 

2) 1746—1756 (f 1766) 

Thomas Brunet 
1734-17.46 (t 1746) 



Thomas Brunet 
1755-1800 (t 1803) 



Johannes Brunet 
1800-1834 (t 1835) 



Benjamin Brunet 
1834—1865 (t 1879) 

Johannes Brunet 
1865. 



Johann Brunet 
Sohn des Dr. med. Tho- 
mas Br., 
1699-1731 (t ?) 

Weigand ■ Brunet 
1731— ? 1771 (t 1778) 

Conrad Brunet; 
? 1771—1781 (t 1781) 

Conrad Rein 

(verm. mit derWitwe von 

Co. Br. und Vormund der 

Kinder) 1781—1799. 

Heinr. Brunet 
1799-1829 (t ?) 

Conrad Brunet 
1829—1865 (t 1874) 

Joh. Eckh. Brunet 
1865—1893 



Jacques Guigues 
1688-1727 



Thomas Guigues 
1727—1749 ? 



Peter Guigues 
? 1749-1776 



Joh. Hei. Schneider 
1776—1798 ? 

Heinr. Schneider 
? 1798—1812 ? 

Eckh. Schneider 
? 1812-1837 ? 

Heinr. Schneider 



Ex^kh. Schneider 



T , TT Joli- Erkel 

Johannes. Heuser vermählt mit EHsabeth 



1893. 



Schneider 
1884. 



Der Antritt des Besitzes im rechtlichen Sinne beginnt 
nach dem Ehe- und Anschlags- Vertrage von dem Tage der Ver- 
mählung ; doch führt der noch lebende Vater aus verschiedenen 
Gründen, namentlich, weil noch unerwachsene Kinder da sind, 
die Herrschaft im Hause meistens nqch länger. 



1 



Anlage B. 



Die Reihenfolge der Inhaber der drei Höfe des 

Erbleihegutea Frauenberg. 



Thomas Brunei 
Sohn desDr.med.Thomas 

1) 1688 1734 [Br. 

2) 1746 1755 (f 1766) 


Johann Brunei 
Sohn des Dr. med. Tho- 
mas Br., 
1699-1731 (t ?) 

Weigand Brunei 
1731-?1771 (t 1778) 


Jacques Guigues 
1688-1727 


Thomas Brunei 

1734—1746 (t 1746) 


Thomas Guigues 
1727-1749 ? 


• 


Conrad * Brunei: 
? 1771—1781 (t 1781) 


Peier Guigues 
? 1749-1776 


Thomas Brunei 
1755—1800 (t 1803) 


Conrad Rein 

(verm. mit derWitwe von 

Co. Br. und Vormund der 

Kinder) 1781-1799. 

Heinr. Brunei 
1799—1829 (t ?) 


Joh. Hei. Schneider 
1776 1798 ? 


Johannes Brunei 

1800 1834 (t 1835) 


Heinr. Schneider 

? 1798-1812 ? 
Eckh. Schneider 
. ? 1812-1837 ? 


Benjamin Brunei 
1834 1865 (t 1879) 


Conrad Brunei 
1829—1865 (t 1874) 


Heinr. Schneider 


Johannes Brunei 
1865. 


Joh. Eckh. Brunei 
1865 1893 


Eckh. Schneider 




Johannes. Heuser 
1893. 


Joh. Erkel 

vermählt mit Elisabeth 

Schneider 

1884. 



Der Aniriti des Besitzes im rechilichen Sinne beginni 
nach dem Ehe- und Anschlags- Verirage von dem Tage der Ver- 
mählung; doch führi der noch lebende Yaier aus verschiedenen 
Gründen, namentlich, weil noch unerwachsene Kinder da sind, 
die Herrschaft im Hause meistens npch länger. 



Zeitschrift 



^£reins für hessische Geschichte 
und Landeskunde. 



ße Folge. Dreiundzwanzigster Band 

(Der gtiiizcn Folge XXXIIi. Band.) 



fnotnininiunfrurlaiii« Ton A' Fresschniiiit's Suclilintiillufli; 



I 

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Biß drei GMße. djepfp()\ 

Fpaaeni 

MoLofsstah-l' 
Nach doTty KujUu 



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