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Full text of "Zeitschrift"

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ZEITSCHRIFT  ^DE^VEREIN^j 


'1/ 

FÜR 


THÜRINGISCHE  GESCHICHTE 


UND 


ALTERTUMSKUNDE,  T€^^ 

NEUE  FOLGE.    DREIZEHNTEK  BAND. 

DEK    GANZEN    FOLGE    EIN  UN  DZ  W  A  N  ZIG  S  TE  R  B  AN  D. 
Mit  2  Tafeln  und  3  Abbildungen. 


•»««• 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 
1903. 


Alle  Bechte  vorbehalten. 


1)1) 


-^  S  sy 


Inhalt. 

\bhaB41uifeH. 

I.  BUder  ans  dem  kirdüidiCD  nnd  eozüü»  Leben  im  Bereicfa 
des  jtingen  Herrogtmiie  Gotha  zur  Zeit  nnmittelhar 
rcr  nnd    bei    Begiiin    der  Refomation.     Von   Phurcr 

Fr.  Perthes  in  Höredgan  .         1 

II.  C'ber  die  Verwendung  da*  Klostergüter  im  Schwarx- 
burcischen  zur  Zdt  der  Refoimatioo.  Von  Pfarrer 
G.  Ei  nicke  in  Jnimairode  bei  ifcheniberg 10C> 

III.  Dr.  Johann  tod  Otthera,  Syndikus  und  ^hultheifi  der 
Stadt  Mühlhaneoi  in  Thor.     Von   Prof.   Dr.  Jordan 

in  Mühihausen  in  Thür. 1^ 

IV.  CT)er  die  Verwendung  der  Klo^tergüter  im  Schwarz- 
burgischoi  nir  Zeit  der  Reformation,  (i^chlnfi.)  Von 
P&mr  G.  Ei  nicke  in  Immenrode  ba  Schemberg  .    .     186 

V.  Die  von  Balenhu^en.  Nebst  Auszügen  au9  Urkunden  und 
Chroniken  zur  Geschichte  derer  von  Balenhus^i.    Von 

Dr.  L.  Armbrust  in  Marburg 220 

VI.  Inventarium  über  fahroide  Habe  im  Kloster  Mönchröden 

bei  Coburg,  aufgenommoi  am  Mittwoch  Francisci,  den 

4.    Oct.    im   Jahre    1531.      Mitgeteilt    von   Pfarr«-   Dr. 

Georg  Berbig  in  Schwarzhansai  b.  Thal  .    .    .    .    .    329 

VII.  Die  beiden   Burgra   in   Ilmenau.     Von   Geh.  Jüstizrat 

Schwanitz  in  Weimar 357 

vni.  Chorherrensiift  u.  Kommende  Porstaadmf.  Von  Prof.  Dr. 

ü.  Dobeuecker 362 

lUszellen.  '^ 

1.  Bisher  unbekannte  gleichzeitige  Aufzeichnungen  über  die 
kirchlichen  und  Schulverhältnisse  in  Gotha  nach  der 
Reformation  bis  zum  Jahre  15S4.  Aus  einer  Handschrift 
des  Gothaer  Gvmnasiums  zum  o^ten  Maie  hoausg^eben 

von  Prof.  Dr.'Max  Schneider .    161 

2.  Aui'grabungen  an  den  Hausbergburgen  bei  Jena.  Von 
Großh.  Sachs.  Landesgeometer  A.  Müller  in  Weimar.     173 

3.  Über  das  rote  Buch  von  Weimar.  Von  Großh.  Sachs. 
Landeegeometer  A.  Müller  in  Weimar     .    .    >.  .'  .    .     175 

Littefatar. 

1.  Geschichte  der  Stadt  Pößneck.  Pößneck  1902.  Von 
Professor  E.  Koch  in  Meiningen.     ........     181 

2.  \V  ü  nscher,  Harry:  Sagen,  Geschichten  und  BUderaus 
dem  Orlagau.  Erstes  Bandchen.  Pößneck  1902.  Von 
Professor  E.  Koch  in  Meiningen 183 

3.  Georg  Meyer,  Das  parlamentarische  Wahlrecht  Nach 
des  Verfassers  Tod  herausg^eben  von  G.  Jellinek,  Berlin, 

O.  Häring,  1901.    Von  Prof.  Dr.  Eduard  Rosen  thal    372 

4.  W.  S  t  i  e  d  a ,  Die  Anfänge  der  Porzellan fabrikatTon  auf  dem 
Thüringerwalde.  Jena,  G.  Fischer  1902.  Von  Geh.  Hofrat 
Prof.  Dr.  J.Piers torff 


IV  Inhalt. 

Seite 

5.  U.G.Jordan,  R. ,  Der  Übergang  der  Kaiserlichen  freien 
Reichsstadt  Mühlhaiisen  in  Thüringen  an  das  Königreich 
Preußen  1802.  Festschrift  der  Stadt  Mühlhausen  zur 
Jubelfeier  1902,  im  Auftrage  der  städtischen  Behörden  ver- 
faßt. Mühlhausen  in  Thür.  1902.  Von  O.  Dobenecker  380 
Overraann,  A. ,  Die  ersten  Jahre  der  preußischen  Herr- 
,  ■  Schaft  in  Erfurt,  1802—1806.  Erfurt,  Keyser'sche  ßuchh. 
1902.  (A.  u.  d.  T.:  Festschrift  zur  Feier  der  hundert- 
jährigen Zugehöriglieit  Erfurts  zu  Preußen.  Veranlaßt  und 
unterstützt  von  der  ötadt  Erfurt.)  VonO.  Doben  ecker    380 

7.  Bergner,  H. ,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren 
Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Kreise  ZiegenrOck  und 
Schleusingen.  Herausgegeben  von  der  Historischen 
Kommission    der  Provinz  Sachsen,     Halle,  O.   Hendel, 

j        1901.    Von  O.  Dobenecker 384 

8.  G  u  t  b  i  e  r .  H. ,  Die  Grabdenkmäler  der  Bergkirche  zu 
Langensalza.  30  Abbildungen  mit  erläuterndem  Text. 
Herausgegeben  vom  Gewerbeverein  zu  Langensalza,  1901. 
Kommissionsverlag  von  H.  Beltz   in  Langensalza.    Von 

O.  Dobenecker 386 

■  9.  Thiele,  R.,  Bilder  aus  Thüringens  Sage  und  Geschichte. 
Nach  Konrad  StoUes  Chronik.  Erfurt,  C.  Villaret  [1902]. 
Von  Otto  Dobenecker 387 

10.  Wilhelm,  Ottom  ar,  Tauf- und  Rufnamen  im  Herzog- 
tum Coburg.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen 
Namengebung.  Coburg,  Druck  von  A.  Rossteutscher, 
1902.     Von  0.  Dobenecker  . 387 

11.  Litterari  sehe  Mitteilung.  „Thüringens  Sturz", 
dramatische  Dichtung  in  2  Teilen  von  Hermann 
Groß  1er.     E.  Pierson,   Dresden  1902 .     ......    388 

12.  Übersicht  der  neuerdings  erschienenen  Litteratur  zur 
thüringischen  Geschichte  und  Altertumskunde.  Von 
Otto  Dobenecker 389 

Das  germanische  Museum  zu  Jena.  Von  Dr.  GustavEichhorn    403 
Aus    der    Jenaer    Gesellschaft    für   Urgeschichte.      Von    Dr. 

Gustav  Eichhorn 404 

I.  Bericht  über  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungs- 
festes des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und 
Altertumskunde.    Von  O.  Dobenecker    ....  J 

*  II.  Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins  für  Thür. 
Geschichte  und  Altertumskunde.  Vortrag,  gehalten 
am  Stiftungsfeste  des  Vereins  den  22.  Juni  1902 
in  den  akademischen  Ilosensälen  zu  Jena.  Von 
dem  Vorsitzenden  Prof.  Dr.  Ed.  Rosenthal    .     .  IX 

III.  Herzog  Ernst  der  Fromme.  Festvortrag,  gehalten 
bei  der  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes  des 
Vereins  für  Thüringische  Gescnichte  und  Altertums- 
kunde in  den  akademischen  Rosensälen  zu  Jena  den 

'       22.  Juni  1902.  Von  Dr.  Stephan  Stoy    ....  XXXVI 

IV.  Mitgliederverzeichnis.    Von  Dr.  G.  Fischer  .    .    .  LX 
V.  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen, 

mit  denen  der  Verein  für  Thüringische  Geschichte 
und  Altertumskunde  in  Schriftenaustausch  steht.  Von 
Bibüotheksdirektor  Dr.  K.  Müller    .    .    .    .     .     .     LXXII 


I. 

Bilder  aus  dem  kirchlichen  und   sozialen  Leben 
im   Bereich   des  jetzigen  Herzogtums  Gotha  zur  Zeit  un- 
mittelbar vor  und  bei  Beginn  der  Reformation  V- 

Von 

Fr.  Perthes,  Pfarrer  in  Hörseigau. 

Es  war  im  Jahre  1506,  da  ging  ein  allgemeines  Klagen 
und  Jammern  durch  die  Reihen  der  thüringischen  Geistlich- 
keit.     Von    diesem   Klagen    und    Jammern    redet  Conrad 


1)  Als  Hauptquellen  wurden  benutzt:  1)  Registrum  Subsidii 
Clero  Thuringiae  anno  1506  impositi,  herausgegeben  von  Dr.  Ulrich 
Stachele,  Zeitschr,  des  Vereins  f.  Thür.  Geschichte  u.  Altertums- 
kunde, N.  F.  Bd.  2,  S.  1—179.  —  2)  Der  Briefwechsel  des  Mutianus 
Rufus,  gesammelt  und  bearbeitet  von  Dr.  Carl  Krause,  Kassel  1885. 
—  3)  Der  Briefwechsel  des  ©enradus  Mutianus,  gesammelt  und 
bearbeitet  von  Dr.  Karl  Gillert,  nach  dessen  Tode  herausgegeben 
von  der  historischen  Kommission  der  Provinz  Sachsen ,  2  Bde., 
Halle  1890.  lieber  Mutian  vergleiche  noch  Dr.  Karl  Hagen, 
Deutschlands  litterarische  unc^  religiöse  Verhältnisse  im  Zeitalter 
der  Reformation,  Bd.  1,  Erlangen  1841 ;-  Dr.  F.  W.  Kampschulte, 
Die  Universität  Erfurt  in  ihrem  Verhältnis  zu  dem  Humanismus 
und  der  Reformation,  2  Bde.,  Trier  1858  u.  18öO;  Dr.  Dav.  Fried. 
Strauß,  Ulrich  von  Hütten,  4.-6.  Aufl.,  Bonn  1895 ;  Dr.  C.  Krause, 
Heüus  Erbanus  Hessus,  sein  Leben  und  seine  Werke,  2  Bde., 
Gotha  1879 ;  Dr.  C.  Krause,  Beiträge  zum  Texte,  zur  Chronologie 
imd  zur  Erklärung  der  Mutianischen  Briefe;  Dr.  C.  Krause, 
Schilderungen  Erfurter  Zustände  und  Sitten  aus  dem  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts,  Jahrbücher  der  Königlichen  Akademie  gemein- 
nütziger Wissenschaften  zu  Erfurt,  N.  F.  Heft  29,  Erfurt  1893; 
Dr.  C.  Krause ,  Bibliographisches  aus  Mutians  Briefen ,  Separat- 
abdruck aus  dem  Centralblatt  für  Bibliothekwesen,  ed.  Dr.  O. 
XXI.  1 


2  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Mutianus  Rufus,  der  gelehrte  Domherr  zu  Gotha, 
wenn  er  1506  an  seinen  Freund,  den  Hausverwalter  im 
Kloster  Georgenthal,  Heinrich  Fastnacht  von  Orb, 
mit  seinem  Humanistennamen  Urbanus  genannt,  schreibt 2): 
„Der  Erzbischof  von  Mainz  fordert  milde  Gaben  zur  Bei- 
hülfe, der  thüringische  Klerus  weigert  sich  zu  geben,  aber 
der  Erzbischof  wird  uns  kraft  seiner  Auctorität  zwingen, 
wird  durch  kirchliche  Censur  vom  Gottesdienst  \ins  aus- . 
schließen,  wird  uns  der  Kommunion  berauben,  mit  dem 
Anathema  uns  belegen,  wenn  wir  nicht  zu  Vernunft  und 
Gehorsam  zurückkehren,"  Triumphierend  fügt  aber  Mutian, 
ein  warmer  Freund  des  Klosters  Georgenthal,  hinzu : 
„Ihr  in  Georgenthal  werdet  diesen  Sturm  ruhig  be- 
lächeln, der  Antistes  von  Mainz  mag  nehmen,  vergeuden, 
verprassen,  euch  ist  bewilligt  worden,  nicht  zu  zahlen,  ihr 
seid  steuerfrei,  befreit  durch  das  Wohlwollen  des  heiligen 
Bernhard."  '  Es  handelt  sich  hier  um  die  Zahlung  eines 
sogenannten  subsidiums  charitativum,  das  von  den  Geist- 
lichen des  Mainzer  Sprengeis  in  Thüringen  durch  den  Erz- 
bischof in  Mainz  gefordert  wurde;  5  Prozent,  also  der 
zwanzigste    Teil    ihres  jährlichen    Einkommens    wurde    der 


Hartmann,  Leipzig  1892 ;  Dr.  C.  Krause,  Zur  Erklärung  einiger 
Stellen  der  Mutiauischen  Briefe ,  in  der  Vierteljahrsschrift  für 
Kultur  etc.  von  Dr.  L.  Geiger,  1.  Jahrg.,  Hft.  4,  Leipzig  1886; 
Dr.  E.  Einert,  Johann  Jäger  aus  Dornheim  als  Jugendfreund 
Luthers ,  Jena  1883 ;  Joh,  Ad.  Fr.  Hochgesang ,  Adjunkt  und 
Pfarrer  zu  Ulieben  und  Boilstedt,  Der  kirchliche  Zustand  in 
Gotha  zur  Zeit  der  Reformation  und  die  Veränderungen,  welche 
durch  dieselbe  herbeigeführt  wurden,  Gotha  1841.  ^-  4)  Allererste 
Visitationsacta  der  Prediger  im  Amt  Tenneberg  1526,  verführt  vom 
ersten  Superintendenten  zu  Gotha  Friderico  Myconio,  im  Koneistorial- 
archiv  zu  Gotha;  vergleiche  dazu  C.  A.  H.  Burkhardt:  Geschichte 
der  sächsischen  Kirchen  und  Schulvisitationen  von  1524—1545, 
Leipzig  1879  S,  12  ff.  und  [Brückner]  Kirchen-  und  Schulstaat  bei 
den  betreffenden  Ortschaften. 

2)  Gillert,  No.  XLII  u.  XLI.T ;  Krause's  Briefwechsel  No.  LXXIX 
u.  LXXXIV. 


zur  Zeit  der  Reformation.  3 

Geistlichkeit  abverlangt.  Der  Erzbischof  bedurfte  nämlich 
viel  Geld  zur  Erlangung  des  Palliiims,  und  dieses  Geld 
mußte  der  thüringische  Klerus  mitaufbringen. 

Für  die  damalige  Geistlichkeit  mag  ja  diese  Steuer- 
erhebung recht  schmerzlich  gewesen  sein,  uns  hat  sie  aber 
einen  erfreulichen  Nutzen  gebracht.  Wir  besitzen  noch 
das  Steuerregister,  vermittelst  dessen  jene  Steuer  eingehoben 
wurde,  und  aus  diesem  Register  können  wir  noch  die  kirch- 
liche Organisation  Thüringens  zu  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts,   unmittelbar  vor  der  Reformation,    kennen  lernen. 

Der  große  Mainzer  Sprengel  in  Thüringen  reichte 
etwa  von  Pößneck  bis  Kreuzburg,  vom  Harz  bis  an  de» 
Thüringer  Wald,  bis  in  die  Rhön  hinein,  cf.  Regesta  Diplom, 
bist.  Thuring.  I  Vorbemerkung  II.  Erzbischof  von  Mainz 
war  von  1504  bis  1508  Jakob  Von  Liebenstein,  der 
ließ  sein  Gebiet  in  Thüringen  von  Erfurt  aus  durch  den 
dort  wohnenden  Weihbischof  verwalten.  Weihbischof  war 
von  1498  bis  1508  Johann  Bonemiich  3)  aus  Laasphe, 
für  uns  interessant,  weil  er  nicht  nur  die  große  Glockei 
Maria  gloriosa  auf  dem  Erfurter  Dom  weihte,  sondern  auch 
im  Frühjahr  1507  den  jungen  Erfurter  Augustinermönch 
Martinus    Lutherus  ex  Mansfeldia  konsekrierte. 

Aus  jenem  Register  gMit  nun  hervor,  daß  der  Mainzer 
Sprengel  in  fünf  Archidiakonate  oder  Präposituren  eingeteilt 
wurde,  an  deren  Spitze  je  ein  Archidiakon  oder  Propst 
stand.  Zwei  dieser  Archidiakonen,  nämlich  der  vom  Dom 
und  der  von  St.  Severi,  hatten  ihren  Sitz  in  Erfurt,  die 
übrigen  drei  saßen  in  Dorla,  in  Jechaburg  und  in  Eisenach. 
Jedes  dieser  Archidiakonate  wurde  wieder  in  verschiedene 
Sedes  oder  Dekanate  eingeteilt,  denen  ein  Erzpriester  vor- 
stand. Das  Nähere  über  diese  kirchliche  Organisation, 
soweit  sie  die  jetzt  gothaischen  Orte  betrifft,  ist  aus  der 
nachstehenden  Tabelle  ersichtlich: 


3)  Koch,  Die  Erfurter  Weihbischöfe,  Zeitschrift  f.  Thür.  Gesch. 
u.  Altertumskunde  VI,  S.  83  f;  Feldkamm,  Die  Erfurter  Weihbischöfe 
in  Mitt.  des  V.  f.  d.  G.  u.  A.  von  Erfurt  XXI,  64  f. 

1* 


•4  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


I.    iPraepositura  Beatae 


No. 

Sedes 

Pfarrort 

PfRrrpr  ^^^®  ^®'"  ^irche 
rtarrer    ^^^  KapeUe 

Steuer- 
quote 

Vikar 

1 

Ilversgehofen  Bischieben 

1 

Eccl.  parochialis 

10  sohdos 

2 

Alkersleben 

Neuroda 

3       „ 

— 

3 

Kirchheim 

Grera 

j)            ))■ 

6V,    ,j 

— 

4 

, 

Thörei 

JJ             JJ 

4       „ 



5 

j» 

Molsdorf 

ß.  M.  V. 

9       „ 



6 

)j 

)j 

St.  Albani 

4^2     ,. 



7 

JJ 

Eischleben 

Eccl.  paroch. 

10       „ 

— 

8 

Rehstädt 

ij          ji 

2 



9 

jj 

Ichtershausen 

JJ          JJ 

20       „ 

— 

10 

'I 

— 

— 

1 

Unmittelbar  obiger  Präpositur  unterstanden :   Das  Kloster  Ichtershausen, 

3  marcas 


11 


14 

15 

16 

17 

18 
19 

20 

21 

22 

23 
24 

26 
26 

27 


Gotha  alias 
Wahlwinkl 


Gotha 


1 
Dekan 

u. 
Kapitel 


II.  Fraepositura  ecclesiae 

1    fertonem 
ratione 
paroch. 
3  loth 
3   marcas 
minus  1  fer- 
tonem   qui 
pertinet  ed 
Sedem 


Eccl.  Collegiata 
B.  M.  V. 

St.  Margarethae 
Eccl.  B.  M.  V. 


ZOT  Zeit  der  Reformation. 


•5 


Mariae  virginis  Erfartensis. 


Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 


Name  der 
Vikarie 


Name  des 
Vikars 


Höhe  und 

Art  der  Be- 

BolduDg 


Steuer- 
quote 


ChoruB    monia- 
lium 


St.  Joh.  Baptistae 


Propst  Erhard 


26  Schock 


es  steuerte:  5  marcas  35  flor.,  und  das  Kloster  Reinhardsbrunnen,  es  steuerte: 
3  fertones  >/•>  loth. 

Sanoti  Severi  Erfartensis. 


cf.  No.  54—59 
Eccl.  B.  M.  V. 


St.  Nicolai 
St.  Annae 

St.  Severi  et  4  coro- 

natorum 
Nova    Corporis 

Christi 
St.  Catharinae      , 
St.  Crucis 

St.    Johannes    et 

Thomas    ' 
Antiqua     Corporis 

Christi 
Undecim     millium 

Vir^. 
St.  Michaelis 
Omnium     aposto- 

lorum 
Felicis  et  adaucti 
St.  Erasmi  et  Georgii 
Trium  regum 


Joh.  Faber 
Martin  Schil 
» 

Heinr.  Syber 

Herm.    Stachel- 

bich 
Leonh.  Pruchsel 
Hermin    dictus 

Agnes 
Heinr.  Rentwig 

Heinr,  Schwab 

M.  Joh.  Reynber 

Heinr.  Burgkard 
Joh.  Schere 

D.  Joh.  Schoner 
Paul  Missener 
Joh.Weydemann 


23V8  Schock 
IV'2  Mit. 
14  Schock 

11  Schock 

13        „ 

12  „ 
25 

9        ..  . 
18        „ 
12        „ 

15        „ 

6V.   . 

9        „ 
12        „ 
6  jnarcas 
4  florenos 


lSch.24gr. 

04  „ 

-  52  „ 

-  30  „ 
lSch.22  „ 

-  36  „ 
lSch.l2„ 

-  40„ 

iSch.  — 

-  26  „ 

2  Seh.  6  i, 


Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


No. 


Sedes 


Pfarrort 


Pfarrer 


Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 


Steuer- 
quote 


Vikar 


28 

29 

30 
31 

32 


Gotha    alias 
Wahl  Winkel 


Gotha 


33 

34 
35 


36 

37 
38 
39 

40 
41 

42 


43 

44 
45 
46 

47 
48 
49 
50 


51 

52 
53 


54 

55 
56 


zur  Zeit  der  Reformation. 


Name  der  Kirchei 

Name  der 

Name  des 

Höhe  und 
Art  der  Be- 
soldung 

Steuer- 

oder Kapelle    ■ 

Vikarie 

Vikars 

quote 

Ewl.  B.  M.  V. 

St.  ßlasii 

Nie.  Schloborn 

15  Schock 
1  6   maldra 

ISch.  - 

r        V       V        V 

St.  Laurencii 

Joh.  Schmier 

•|frumenti  et 
1     avenae 

-   24  gr. 

V        V       n        rt 

St.  Alexii 

Joh.  Rospach 

12  Schock 

-    48  „ 

■n        r       n        T) 

St.    Ottiliae    et 
lodoci 

Joh.  Siffrid 

10        „ 

-    40  „ 

V            V          V            V 

St.  Margarethae  et 
decem       millium 
martyrum 

Joh.  Jungelhans 

-    42  „ 

1^            W          T?            Tl 

St.  Catharinae 

Peter  Karl 

12  Schock 

-    48- „ 

T       V      7)       yi 

St.  Martini  et  Nicolai 

Mich.  Falke 

12      „ 

-    4«  „ 

r        1-       •«        « 

St.  Barbarae 

TylomannMorch 

9      „ 
5^2  niald. 
fruinenti 

-.  36  „ 

11             Tl          Tl            T« 

St.     Bonifacii      et 
Wiperti 

Paul     Herberts- 
hausen 

— 

-    36  „ 

r*        V       y)        m 

Commenda  Nova 

Georg  Burkhard 

17  V.,  Schock 

-    40  „ 

V           V         V           V 

Cosmae  et  Daraiani 

Ernst  Storr 

17  v;    » 

1  Seh,  10  „ 

V        T       V        n 

St.  Vicentii 

Erhard  Ritter 

5  maldra 
frumenti 

ISch.  - 

V        yj       V        V 

Ad  summum  altare 

LaurentTreusche 

8  Schock 

-    22  gr. 

H             Tl          1?            Tl 

St.    Simplicii    et 
Faustini 

Hein.  Fuß 

50  florenos 

3  Seh,  - 

Hospitalis     Jo- 

? 

Nie.  Kirchener 

0  Schock 

-    24  gr. 

hannitarum  b. 

M.  Magdalenae 

Capella   in   foro 
St.  Jacobi 

St.     Thomas     et 

Georg  Wolfart 

12        „ 

-    44  „ 

Michaelis 

»> 

St.  Michaelis        ** 

Joh.  Salzmann 

18        „ 

ISch.  12  „ 

St.  Pauli  et  Erasmi 

Paul  Missener 

14        „ 

—    56  „ 

" 

St.  Jodoci 

Dr.     Sigism. 
Thomas 

14 

ISch.  — 

J} 

Secunda  St.  Jodoci 

Joh.  Königsee 

18        „ 

1    „   12  gr. 

In  Monte 

St.  Andreae         * 

Joh.  Weyner 

12        „ 

-    48  „ 

j)        >) 

9 

Joh.  Bufghard 

15 

ISch.  — 

In  Castro  Gotha 

St.  Elisabeth 

• 

Joh.  Salzmann 

4  talenta 
6V2  mald. 
frumenti 

1    „     - 

In  Praetörio 

St.  Gothardi 

D.    Henning 
Goede 

22  Schock 

1    „  28  gr. 

In  Leprosorio 

? 

Martin  Walich 

10        „ 

-    40  „ 

CapeUa  St.  Gan- 

? 

Joh.      Schindel- 

10 florenos 

-    48  „ 

golfi    extra 

kopf 

3»/,  agros 

muros 

vineti 

Eccl.  St.  Marga- 

St.  Thomae 

Joh.  Deckener 

4  maldra 

nihil 

rethae 

8  Schock 

)} 

St.  Nicolai 

Mart.  Plattfuß 

10  Schock 

_    40gr. 

)) 

St.  Catharinae 

Thomas  Nirer 

12'       „ 

-    48  „ 

Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


No. 


Sedes 


Pfarrort         Pfarrer 


Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 


Steuer- 
quote 


Vikar 


57 

58 

59 
60 
61 
62 
63 
64 
65 
66 


67 
68 
69 

70 

71 

72 

73 

74 
75 

76 

77 

78 

79 

80 


81 


Gotha    alias 
Wahlwinkel 


Gotha 


Leina 

Ohrdruf 

Tambach 

Boilstädt 

Waltershausen 


Ibenhain 
Waltershausen 


Eccl.  paroch.    3  loth 
„  „        13      „ 


1 

Früh- 

meß- 

ner 


Früh- 

meß- 

ner 

1 


zur  Zeit  der  Reformation. 


Name  der  Kirche 

Name  der 

Name  des 

Höhe  und 
Art  der  Be- 
soldung 

Steuer- 

oder Kapelle 

Vikarie 

Vikars 

quote 

Eccl.    St.    Mar- 

Omnium    Apostolo- 

Lud.  Kottelin 

12  Schock 

-   48gr. 

garethae 

rum 

» 

St  Jacobi  et  Micha- 
elis 

Joh.  Faber 

10        „ 

-    40  „ 

)> 

St.  Corporis  Christi 

Mart.  Fruttstädt 

21        „ 

1  Seh.  24  „ 

cf.  No.  80-82 



— 

— 

— 

cf.  No.  83 

— 

— 

z 

Eccl.  paroch. 

Beatae  M.  V. 

Heinr.  Lindener 

12  Schock 

—    48.,, 

))          i> 

? 

Hein.  Gruneberg 

33Va    '. 

2  Seh.  2  „ 
2  Pf. 

Altaris  St.  Andreae 

Hein.  Schosser 

20        „ 

1  Seh.  20  „ 

St.  Crucis 

Joh.  Scheffel 

14        „ 

—   56  „ 

))          » 

St.  Andreae 

Balth.    Roter- 
mund 

30        „ 

2  Seh.   — 

Eccl.   paroch.  in 
Ibennain 

Vic.  nova  B.  M.  V. 

Joh.  Mathis 

15        „ 

— 

Hospital 

St.  Elisabeth 

Joh.  Kunefeld 

22        ,. 

lSch.28gr. 

Castrum  Tenne- 

St.  Georgii 

Lic.    Joh.    Nit- 

12 

-   36  „ 

berg 

hart 

)> 

St.  Petri  efPauh 

Rotermund    in 
Waltershausen 

22        „ 

~ — 

Pro  Indagine 

St.  Crucis 

Joh.  de  Eyteleben 

12 

-    48  „ 

CapeUa  inmonte 

St.  Petri 

? 

2V2     » 

-     8  „ 

probe  Siebleben 

i 

In  villa  Siebleben 

11  millium  virginujn 

Adolf  Rue 

10        „ 

—    40  „ 

in  Arraario 

«* 

Eccl.    par.    in 

? 

Joh.  Salzmann 

13  Solidos 

-   24  „ 

Remstädt 

11  ,  Hufe 
Land 

Eccl.    par.    in 

Vic.  primissariae 

Keinem.     Zwil- 

32 Schock 

ISch.  8  „ 

Hörselgau 

« 

ling 

1  Maldnm 
frumenti 

Eccl.    par.    in 

Vic.  altaris             ' 

Joh.  Stimer 

12  Schock 

-T    48„ 

Warza 

Monasterium    in 

St.  Simonis'et  Judae 

M.  Joh.  Gysell 

6   m-.   fru- 

—       56      ,y 

Ohrdruf 

menti  et 
avenae, 
4  Schock  et 
certa  ligna 

»» 

St.  Martini 

Hein.  deHynden 

10  Schock 
51gr.,lflor. 
ö  Hühner, 

-    48  „ 

1    aucam  (?) 

2    plaustra 

lignorum 

10  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


No. 

1 
Sedes       1 

Pfarrort 

Pfarrer 

Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 

Steuer- 
quote 

Vikar 

82 

Gotha  ahas 
Wahl  Winkel 

Waltershausen 

— 

Eccl.  paroch. 

- 

1 

83 

» 

JJ 

— 

j>          j)    \ 

— 

1 

84 

» 

JJ 

— 

JJ          )) 

— 

1 

85 

)) 

)) 

— 

JJ          j> 

— 

1 

8e 

}j 

Hörseigau 

j)          )) 

8  loth 

— 

87 

i> 

Bättelstädt 

JJ          JJ 

3     j, 

— 

88 

» 

Mechterstädt 

JJ          JJ 

3     „ 

— 

89 

>) 

Remstädt 

JJ                       »T 

3     JJ 

— 

90 

>) 

U  elleben 

JJ                       JJ 

3     JJ 

— 

91 

)) 

Goldbach 

JJ                      JJ 

3     JJ 

— 

92 

)) 

Töpfleben    cum 
Mittelhausen 

JJ                      JJ 

3      „ 

— 

93 

)j 

Ostheim 

JJ                      JJ 

2      j, 

^ 

94 

jj 

Asbach 

JJ                       JJ 

— , 

95 

y> 

Fröttstädt 

JJ                       JJ 

— 

96 

*} 

Laucha 

1 

JJ                 •     JJ 

— 

97 

jj 

Schwarzhausen 

JJ                       JJ 

— 

98 

ij 

Ernstroda 

JJ                       JJ 

— 

99 

>> 

Wahl  Winkel 

JJ               •       JJ 

— 

100 

)) 

Schoenau   v.    d. 
W. 

J)                       JJ 

— 

101 

>j 

Hohenkirchen 

JJ                      JJ 

1 

— 

102 

jj 

Sundhausen 

St.  Wiperti 

— 

103 

5J 

j) 

St.  Nicolai 

— 

104 

J  J 

Ditharz 

Eccl.  paroch. 

— 

105 

JJ 

Kindleben 

JJ          JJ 

— 

106 

)> 

Alschleben*) 

JJ          j' 

— 

107 

JJ 

Tüttleben 

JJ          '> 

2     ", 

— 

108 

JJ 

Siebleben 

JJ          JJ 

2     „ 

— 

109 

JJ 

Schwabhausen 

JJ          j) 

2     j, 

— 

110 

JJ 

Emieben 

j)          j) 

2     „ 

— 

111 

JJ 

Trügleben 

JJ          j) 

2     j, 

— 

112 

Teutleben 

JJ          JJ 

2     j, 

— ' 

113 

J) 

Altenbergen 

JJ          j> 

2     j, 

— 

114 

JJ 

Warza 

"     .     " 

2     „ 

— 

115 

JJ 

Petriroda 

JJ          JJ 

lU    » 

— 

116 

Ruhla 

JJ          JJ 

v*  ,. 

— 

117 

Münsterge- 
hofen 

Gierstädt 

"j          >j 

16    Solidos 

■ — 

118 

JJ 

Gr.-Fahner 

1 

V             " 

16       „ 

— 

119 

JJ 

j)          JJ 

1 

4)  In.  dem  ßegistrum   Subs.  steht  „Wiltzleyben,"  ist  verschrieben,   muß 


zur  Zeit  der  Reformation. 


n 


Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 


Name  der 
Vikarie 


Name  des 

Vikars 


Höhe  uud 

Art  der  Be- 

soldung 


Steuer- 
quote 


Eccl.    pai'.     in 

Ohrdruf 
Eccl.par.inTam- 

bach 
Eccl.  St.  Blasii  m 

PYiedrichroda 
Eccl.     par.    in 

Winterstein 
cf.  No.  78 
cf.  No.  224 

cf.  No  77. 


Nova  St.  Crucis 

St.  Humberti 

Commenda      nova 

B.  M.  V. 
St.  Johannis 


cf.  No.  75  u.  76 


Joh.  Kutz 
Joh.  Reymber 
Friedr.  Winkler 
Barth.  Doliator 


26  Schock 

27  „ 

7        „ 
10        „ 


Eccl.  paroch. 


B.  M.  V.  et  triiun 
regum 


lSch.44gr. 
1  „  48  „ 
SOgr.lobol. 


Hein.  Schwab 


3  maldra, 
12  Schock 


58  gr.  1  Pf. 
1  ob. 


„Aeschleben"  heißen,  denn  Witzleben  wird  S.  59  aufgeführt. 


12  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


No. 

Sedes 

Pfarrort 

Pfarrer 

Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 

Steuer- 
quote 

Vikar 

120 

Münsterge- 
hofen 

Gr.-Fahner 

— 

\ 

— 

1 

121 

>> 

KL-Fahner 

1 

Eccl.  paroch. 

5  Sol. 

122 

Molschleben 

Burgtonna 

1 

>j           )) 

2  flor. 

— 

123 

» 

» 

— 

— 

— 

1 

124 

» 

Ballstädt 

1 

Eccl.  paroch. 

2  flor. 

125 

>; 

}i 

— 

— 

— 

1 

126 

)» 

Molschleben 

1 

Eccl.  paroch. 

2  flor. 

127 

)> 

» 

— 

— 

— 

1 

128 

» 

Buffleben 

1 

Eccl.  paroch. 

2  flor. 

129 

j' 

)) 

— 

— 

— 

1 

130 

)) 

Eschen  bergen 

1 

Eccl.  paroch. 

1  flor. 

131 

)) 

)) 

— 

— 

— 

1 

132 

)) 

Friemar 

1 

Eccl.  paroch. 

1  flor. 

133 

)» 

)) 

Früh- 
meß- 
ner 

134 

>7 

Aschara 

1 

Eccl.  paroch. 

V»  flor. 

135 

j) 

Westhausen 

1 

»                        7) 

19           79 



136 

jj 

PfuUendorf 

1 

JJ                         )1 

1/ 



137 

j) 

Hausen 

1 

'J                         ?J 

/9        n 



138 

)i 

Bienstädt    ' 

1 

?J                }y 

/9           J) 



139 

>} 

Töttelstädt 

1 

n                 jj 



140 

)) 

Offhausen   mor- 
tua 

1 

7»                         J) 

/»           77 

— 

141 

)) 

Neussis 

1 

77                         77 

(2           77 



142 

Wanders- 
ieben 

Liebenstein    et 
Gössel  filia  in- 
corporata 

1 

77                         77 

3  loth 

— 

143 

» 

Gräfenroda  et  fi- 
lia Geschwende 

1 

77                         7) 

? 

— 

144 

Gräfenroda 

— . 



__. 

1 

145 

Wechmar 

1 

Eccl.  paroch. 

9  loth 

146 

Frankenhain 

1 

77                         77 

1/ 

■ 

147 

Pferdingsleben 

1 

77                         77 

3^/,  " 

— 

148 

)f 

1 

zur  Zeit  der  Beformation. 


13 


Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 


Name  der 
Vikarie 


Name  des 

Vikars 


Höhe  und 
Art  der  Be- 
soldung 


Steuer- 
quote 


Eccl.  paroch. 


Capella  in  Burg- 
tonna 

Capella  in   Ball- 
städt 


Cap.  St.  Nicolai 
in  Molschleben 

Capella  St.  Jo- 
nannisinBuff- 
leben 

Capella    in 
Eschenbergen 


Eccl.    par.    in 
Friemar 


Eccl.  paroch. 


Eccl.  paroch. 


St.  Nicolai 


B.  M.  V. 


Commenda  nova 


Commenda  nova 


B.  M.  V. 


Eccl.  paroch. 


Joh.  Hane 


Joh.  Donatus 


Gerh.  Marschalk 
decauuB  Gothen- 
sis 

Joh.  Kesseler  in 
Molschleben 

Herrn.  Seber 


Joh.  Kesseler  in 
Molschleben 


Andr.  Teckener 


Joh.  Ottinwolf 


6  m.  frumenti 
et  ordei, 
8  Schock, 
10  pullos, 
1  agram 
vineti 


22  fl. 


5  Schock, 
1  Viertel 
Land 

1  Viertel 
Land 
lOVa  Sch. 

24  Schock 


12  Schock 


Joh.  Mohlburg   |ad  valorem 
I     7'  Schock 


-  21  gr. 


1  flor. 


1  nor. 


1  flor. 


-  22  gr. 


—  40  gr. 


-  21  gr. 


14  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


No. 

Sedes 

Pfarrort 

Pfarrer 

Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 

Steuer- 
quote 

Vikar 

149 

Wanders- 
ieben 

Seebergen 

1 

Eccl.  paroch. 

IV^  loth 

— 

150 

)) 

Cobstädtetßett- 
bach  major 

1 

»          ))    ^ 

1         „ 

— 

151 

)j 

GamstädtetEett- 
bach  minor 

1 

i>          )) 

1 

— 

152 

)> 

Apfelstädt 

1 

»)          )) 

1%     „ 

— 

153 

» 

Dietendorf 

1 

))          j> 

IV,    „ 



154 

}> 

Wölfis 

1 

))          )) 

4 



155 

?i 

Sülzenbrücken 

1 

j?          )j 

7 



156 

j) 

Güntherslebens) 

1 

B.  m:  V. 

1 



157 

)) 

Günthers-    |  ä 
leben         J-£| 

1 

St.  Petri 

1 

— 

158 

') 

Ingersleben  jS" 

1 

Eccl.  paroch. 

2V2     » 

— 

159 

>j 

,t 

— 

— 

— 

1 

160 

» 

}J 





1 

161 

>j 

Grabsieben 

1 

Eccl.  paroch. 

V,  loth 

162 

)> 

Himdsbrunn  de- 
.  solatum 

1 

1/* 

— 

163 

)> 

Hatstädt     deso- 
latum 

1 

— 

/a      1) 

— 

164 

)) 

Holzhausen 

1 

Eccl.  paroch. 

IV2      » 



165 

)j 

)) 

1 

~ 

1 

166 

)) 

167 

)) 

— 

— 

— 

— 

— 

168 

Herbsleben 

Herbsleben 

1 

Eccl.  paroch. 

25  Solidos 

169 

)i 

" 

1 

Capell.  in  Castro 
Herbsleben 

9      „ 

— 

170 

» 

» 

1 

Capell.  B.  M.V. 
in  Herbsleben 

11      » 

— 

171 

>) 

)> 

— 

• — ■ 

— 

1' 

172 

j> 

j) 

1 

173 

»j 

•)> 

— 

— 

— 

1 

174 

j» 

Grafen  tonna 

— 

Eccl.  paroch. 

20  Sol. 

•  — 

5)  Im  Registrum  Subs.  steht  Gummersleben,  das    bedeutet  „Günthers- 
wo  S.  65  Günthersleben  als  Gonresleibin  bezeichnet  wird; 


zur  2^t  der  Reformation. 


15 


Name  der  Kirche         Name  der 
oder  Kapelle               Vikarie 

Name  des 
Vikars 

Höhe  und 
Art  der  Be- 
soldung 

Steuer- 
quote 

— 

— 

— 

— 

— 

Eccl.  in  Ingers- 
leben 

St.  Petri  et  Pauli 
St.  Catharinae 

Heinr.  König 
Con.  Morch 

certos  mansos 
terrae  arabilis 
20  Schock 

Capell.  St.  Annae 
in  Holzhausen 
)rope  VVaasen- 
burg 
Eccl.  Harhausen 
Viaria    Capellae 
St.  Petri  et  Nico- 
lai in  Wegeszes 
cf.  No.  226 

St.  Crucis 
? 

Conr.  Eupsch 

Hein.  Heckmann 
*            ? 

4  maldra, 
5  agros 
vineti 

20  Schock 
? 

1  loth 

Eccl.  paroch. 

St.  Catharinae 

St.  Nicolai 
Corporis  Christi 

Joh.  Rudolf 

Heinr.  Schaub 
Alb.  Kremer 

3  maldr.  fru- 

menti,3ordei, 

3  avenae, 

5  solidos 

5  maldra 

6  Schock, 
IV,  agros 
vineti 

— '  51  gr 

lSch.l6„ 

-    ^4„ 

~ 

— 

— 

— 

— 

leben",   cf.  z.  B.  Fr.  Krügelstein:  Nachrichten  von  der  Stadt  Ohrdruf,  1844, 
nach  S.  607  heißt  die  Kirche  in  Günthersleben  „St.  Petri". 


16         Kirchliches  u,  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


No. 

Sedes 

Pfarrort 

Pfarrer 

Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 

Steuer- 
quote 

Vikar 

175 
176 

Herbsleben 

Gräfentonna 

1 

Capell.  in  Castro 
Gräfentonna 
—    \ 

20  Solidos 

1 

177 

TI 

T) 

— 

— 

— 

1 

178 
179 

V 

Ostertonna  cura 

mortua 
Ostertonna 

1 

Eccl.  paroch. 

12  Solidos 

1 

180 
181 

182 

n 
n 

Döllstädt 

1 
1 

Eccl.  paroch. 
Capell.  in  Castro 
Döllstädt 

25  Sohdos 
11       . 

1 

183 

V 

n 

— 

— 

— 

1 

184 

V 

V 

— 

— 

— 

1 

185 

V 

V 

— 

— 

— 

186 
187 

n 

Reifenheim  cura 

mortua 
Werningshausen 

1 
1 

Eccl.  paroch. 

10  Solidos 
15       „ 

— 

188 

189 
190 

191 
192 
193 

194 


.   III.  Praepositura 

Ufhofen  alias 

Hieben 

1 

Eccl.  paroch. 

? 



Salza 

n 

Eckardsleben 

1 

M                      V 

? 



n 

n 

1 

Capeila   in  Eck- 
ardsleben 

? 

— 

n 

Craula 

1 

Eccl.  paroch. 

•    ? 

— 

■n 

Wiegleben 

1 

)>               n 

? 

— 

V 

n 

1 

Capeila  in  Wieg- 
leben vacat 

? 

— 

Falken 

Nazza 

1 

Eccl.  paroch. 

V4  flor.' 

— 

zur  Zeit  der  Reformation. 


17. 


Nanie  der  Kirche         Name  der 

Name  des 

Höhe  und 
Art  der  Be- 
soldung 

Steuer- 

wler Kapelle    '           Vikarie 

Vikars 

quote 

In  choro  Gräfen- 

B.  M.  V. 

Matth.  Mergelt 

2    maldra, 

-  24  gr. 

tonna 

3  Schock 

In  medio  altaris 

Corporis  Christi  et 

Joh.  Cot 

8  maldra  fru- 

1  Seh.  20  „ 

parochialis   in 
Gräfentonna 

Fabiani     et     Se- 

menti, ordei 

bastian  i 

et    avenae, 

8  Schock, 

IV,   agros 

vineti 

Eccl.  paroch. 

Felicia  et  adaucti 

Burgh.  Hille 

3  mald.    fru- 
menti,  ordei 
et     avenae, 
2Sch.lflor. 

-    30  „ 

— 

— 

— 

]  solid. 

— 

Eccl.  paroch.  St. 

B.  M.  V. 

Hein.      Sartor 

4    maldra 

-    30  „ 

Petri 

Propst  in  Döll- 
städt 

frumenti, 

1  Schock 

Monasterium  St. 

St.  Ciriaci 

Hein.  Sartor 

3    maldra. 

-    54  „ 

Nicolai  in  Döll- 

7V,  Schock 

städt 

Eccl.  par.  St  Petri 
in  Döllstädt 

B.  M.  V. 

Tylora.  Albert 

14  Schock 

-    56  „ 

Monasterium   in 

St.  Nicolai 

}>           » 

2  maldra  fru- 

-   33, 

Döllstädt 

menti       et 
ordei. 

_ 

_ 

_ 

6  Schock 



— 

—           > 

— 

— 

— 

Dorlessis. 


XXI. 


18  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 


No. 

Sedes 

Pfarrort 

Pfarrer 

Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 

Steuer- 
quote 

Vikar 

195 
196 

Beringen 

Wangenheim 

n 

1 

Eccl.  paroch. 

V2  Marc. 

1 

197 

» 

7) 





1 

1^8 

199 
200 
201 

» 

>> 

Beringen  Mariae 

Tüngeda 

Haina 

V 

1 
] 
1 

Eccl.  paroch. 

n              n 
n             n 

V-,  Marc. 

V4   « 

1 

202 

)J 

n 

— 

' 

— 

1 

203 

» 

— 

— 

— 

— 

1 

204 
205 

Brüheim 

1 

Eccl.  paroch. 

1/4  Marc. 

1 

206 

207 
208 

Sonneborn 

5» 

1 

Eccl.  paroch. 

1/4  Marc. 

1 

1 

209 

» 

)) 

— 

— 

— 

1 

210 
211 

>> 

Hochlieim 

1 

Eccl.  paroch. 

i/g  Marc. 

Früh- 
raeß- 
ner 

212 
213 
214 

» 

Erffa 

— 

Eccl.  paroch. 

Vs  Marc. 

— 

}> 

— 

— 

1 

1 

215 

» 

Nordhofen 

1 

Eccl.  paroch. 

Vs  Marc. 

_. 

216 

1> 

)> 

1 

217 
218 
219 

» 

Ebenhein 
Wolfsberingen 

1 
1 

1 

Eccl.  paroch. 

Cap.  St.  Christo- 
pnori  alias  Tun- 
gerthai 1     prope 
Wangenheim 

i/g  Marc. 

/s         >> 

— 

zur  Zeit  der  Reformation. 


.19 


Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 


Name  der 
Vikarie 


Name  des 
Vikars 


Höhe  und 
Art  der  Be- 
soldung^ 


Steuer- 
quote 


Eccl.  paroch. 


Eccl.  paroch. 

T)  i: 

Capell.  S.  Jacobi 
prope  Haina 

Eccl.  paroch. 

}>  )> 

Eccl.  paroch. 


)>  » 


Eccl.  paroch. 


In  Castro  Erffa 
Eccl.  paroch. 


Eccl.  paroch. 


St.  Nicolai 
B.  M.  V. 

B.  M.  V. 

St.  Catharinae 

St.  Stephani 
B.  M.  V. 
St.  Andreae 
Nova  trium  regum 

? 


St.  üeorgei 
B.  M.  V. 


Joh.  Andreas 


Lic.    Matth. 
Meyger 


5  mald.  fru- 
menti  et  or 
dei,  11  Seh 
10  gr. 

20  flor. 


Joh.  de  Erffa2  mald.  fru 
decani  Salc-  j  menti,  8  fl 
ensis  1  Seh. 

Reinh.  Freybothß  mald.  fru 
I  menti,  4  Seh. 

Joh.  Arnold  ' 


M.Joh.Reinboth 

de  Tambach 
Fried.  Thomas 

D.    Henning 

Goede 
M.  Berth.  Deyn- 

hart 

Arnold  Bropen 


Heinr.  de  Erffa 
Joh.  de  Erffa 


Paul  Furmann 


4  Seh.  24  gr, 

20V,  flor. 

7  y. 2  mald.  im- 
menti 

9  mald.  fru- 
menti,5ordei 
4  avenae 
2^/2  Schock 

9  Schock 

2  mald.    fru- 
menti,  li/ 
avenae,   20 
Schock 

2   mald.  fru- 
menti    et 
ordei  minus 
1  quart.,  6 
Schock 


ISch.  24gr 


24 


-  18   „ 

-  27   „ 

-  24gr. 

lSch.56gr. 

1    „     7„ 
IPf.loboL 

-  30  gr. 


nihil 


20  Kirchliches  u.  soziales  Lehen  im  Herzogtum  Gotha 


No. 

Sedes 

Pfarrort 

Pfarrer 

Name  der  Kirche 
oder  Kapelle 

Steuer- 
quote 

Vikar 

220 

221 
222 

Beringen 

Hütscherode  va- 

cat  omnino 
Eeichenbach 

1 

1 

Eccl.  paroch. 
\ 

Vs  Marc. 

/8           >' 

1 

IV.  Fraepositura 


223 

224 
225 


227 
228 
229 
230 


Mihla  I  Neukirchen 

Lupnitz  Sättelstädt 

„  Schönau  a.  H. 


1 

Eccl.  paroch. 

1  loth 

1 

j)          )> 

3     „ 

1 

))          )> 

1      „ 

226  Greußen  Herbsleben 


Germar 


Körner 


Obermehler 


V.  Fraepositura 

cf.  No.  168—173        —  1 


Eccl.  Wiperti 
Eccl.  Mariae 

Eccl.  paroch. 


8  Solidos 
8     _^ 

4  Solidos 


Aus  vorstehender  Tabelle  geht  nun  hervor,  daß  im 
Bereich  des  jetzigen  Herzogtums  Gotha  120  Pfarrstellen, 
1  Dekan  und  14  Domherren  am  Marienstift  und  109  Vikarien 
vorhanden  waren,  die  Summe  der  Säkularkleriker,  die  zu 
dem  Subsiduum  beizusteuern  hatten,  betrug  demnach  244, 
rechnet  man  dazu  noch  die  Mönche  im  Augustinerkloster 
zu  Gotha,  in  den  Cistercienserklöstern  Georgenthal  und 
Volkenroda,  wie  in  der  Benediktinerabtei  Reinhardtsbrunnen, 
zusammen  mindestens  100 ,  so  ergiebt  sich  für  die  Zeit 
unmittelbar  vor  der  Reformation  eine  Gesamtsumme  von 
etwa  344  geistlichen  Personen,  durch  die  der  Bezirk  des 
jetzigen  Herzogtums  Gotha  kirchlich  versorgt  wurde,  dabei 
sind  die  Nonnen  im  Kreuzkloster  zu  Gotha  und  in  Ichters- 
hausen  nicht  mit  in  Anschlag  gebracht,  auch  die  Klöster 
_    zu  Döllstädt,  Gräfentonna  und  Wannigsroda  sind  unberück- 


zur  Zeit  der  Reformation. 


21 


danieder  Kirche 

Name  der 

Name  des 

Höhe  und 
Art  der  Be- 
soldung 

oder  Kapelle 

Vikarie 

^''ikars 

Eccl.  paroch. 

Nova    St.    Annae 
anno    1494  con- 
firmata 

Dr.  Job.  Pryell 

10« /2  flor. 

Eisenach. 

cf.  No.  87 

— 

— 

— 

Jechaburg. 

Capella  St.  Petri 

? 

Job.    de    Berle- 

10  Schock 

jrope    Herbs- 
eben,   spectat 

nessen 

' 

ad     Greußen, 

quia    est    sita 

ultra     fluraen 

Unstrut 

Eccl.  paroch. 

Nova  B.  M.  V. 

Conrad  Bolstädt 

16  Schock 

— 

— 

— 

— 

Steuer- 
quote 


42  gr. 


1  loth 


-  48gr. 


sichtigt  geblieben ,  weil  sie  1506  nicht  mehr  bestanden. 
Nach  Einführung  der  Reformation  und  nach  Einziehung 
der  Klöster  sank  diese  Zahl  ganz  bedeutend  herab,  denn 
aus  den  Visitationsprotokollen  von  1533^)  ergiebt  sich,  daß 
damals  im  Gothaischen  89  Pfarrdörfer,  35  Kirchdörfer, 
nebst  6  eingepfarrten  Dörfern,  vorhanden'  waren.  Heutzu- 
tage amtieren  etwa  120  Geistliche  im  Herzogtum. 

In  dem  Steuerregister  von  1506  werden  1-14  gothaische 
Orte  aufgeführt,  11  von  diesen  Orten  sind  jetzt  wüst, 
nämlich  Töpfleben,  Mittelhausen,  Ostheim,  Alschleben,  Off- 
hausen, Neussis,  Hatstädt,  Ostertonna,  Reifenhain,  Tünger- 
tail,  Wegeszes,  3  sind  jetzt  keine  selbständigen  Orte 
mehr,   nämlich    Kindleben,    Hundsbrunn    und    Hütscheroda. 


6)  Burkhardt,  Geschichte  der  Visitationen,  S.  127  ff. 


22  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Es  fehlen  in  dem  Register  folgende  gothaische  Orte: 
Ariesberg,  Bittstedt,  Burla,  Cabarz,  Catterfeld,  Crawinkel, 
Cumbach,  Deubach,  Dörrberg,  Ebenshausen,  Elgersburg, 
Engelsbach,  Ettenhausen,  Einsterbergen,  Fischbach,  Franken- 
roda,  Friedrichsanfang,  Gehlberg,  Georgenthal,  Gospiteroda, 
Gräfenhain,  Großtabarz,  Hallungen,  Hastrungsfeld,  Heerda, 
Herrenhof,  Hohenbergen,  Kälberfeld,  Kahlenberg,  Kettmanns- 
hausen.  Klein  -  Keula,  Klein  -  Schmalkalden,  Klein  -  Tabarz^ 
Kornhochheim,  Langenhain,  Lauterbach,  Louisenthal,  Mane- 
bach,  Mehlis,  Menteroda,  Metebach,  Naundorf,  Neudieten- 
dorf,  Neufrankenroda ,  Oberhof,  Osterberingen,  Rhoda,. 
Rippersroda,  Rödichen,  Schmerbach,  Schnepfenthal,  Schwarz- 
wald, Sondra,  Stedten,  Stutzhaus,  Tambuchshof,  Ti-asdorf,. 
Volkenroda ,  Weingarten,  Wipperoda,  Zella;  zusammen 
61  Ortschaften.  Davon  gehörten  Zella  und  Mehlis  nicht 
zum  Mainzer  Sprengel,  von  den  übrigen  Orten  hatten  die 
meisten  wohl  keinen  Pfarrer,  da  konnte  also  auch  keine 
Steuer  erhoben  werden,  einige  wenige  von  den  Orten  sind 
neuere  Gründungen,  etliche  mögen  auch  wohl  Klosterdörfer 
und  darum  frei  von  der  Abgabe  gewesen  sein. 

Wie  aus  der  obigen  Tabelle  hervorgeht,  ist  bei  den 
Pfarrern  nur  die  Steuerquote  angegeben,  während  bei  den 
Vikaren  die  Dotation  sehr  genau  verzeichnet  steht,  aber  auch 
aus  der  Steuerquote,  wie  sie  für  die  Pfarreien  aufgezeichnet 
ist,  wird  sich,  da,  wie  schon  angemerkt,  der  zwanzigste  Teil 
des  Jahreseinkommens  abgefordert  wurde,  herausrechnen 
lassen,  wie  hoch  ungefähr  die  Besoldung  der  Pfarrer  war. 
Wer  10  Solidos  oder  mehr,  wer  3  Lot  oder  mehr^ 
wer  2  Gulden  oder  mehr,  wer  ^/^  Mark  oder  mehr  steuern 
mußte,  der  hatte  ein  jährliches  Einkommen  von  mindestens 
40  Goldgulden,  „das  war  nach  den  Geldverhältnissen  des 
beginnenden  16.  Jahrhunderts  nicht  gerade  ein  glänzendes, 
aber   doch    ein   reichliches  Einkommen"'').     So  bezog  z.  B. 


7)  Seckendorf,  Commentarius  de  Lutheranismo,  Frankfurt  und 
Leipzig  1692,  Lib.  3,  S.  70. 


zur  Zeit  der  Reformation.  23 

Dr.  Bugenhagen  in  Wittenberg  auch  nur  60  ü.,  und 
noch  1533  empfiehlt  Justus  Jon as^)  bei  der  allgemeinen 
thüringischen  Visitation,  daß  den  Pfarrern,  welche  keine 
weiteren  Einkünfte  hätten ,  50  fl.  oder  doch  wenigstens 
40  fl.  gereicht  werden  möchten,  während  Melanchthon 
1525  an  Besoldung  100  fl.  und  aus  Gnaden  noch  einmal 
100  fl.  bezog.  Um  nun  zu  verstehen,  was  40  fl.  bedeutet, 
muß  man  bedenken^),  daß  man  zur  Zeit  der  Reformation 
für  1  fl.  so  viel  Roggen  kaufen  konnte,  wie  jetzt  für 
15  M.  75  Pfg.  —  Eine  Hufe  Landes  ertrug  5  fl.  Wert, 
macht  nach  jetzigem  Geldwerte  also  78  M.  75  Pfg.  Ein 
Fuder  Heu  wurde  mit  1  fl.  =  15  M.  75  Pfg.,  1  Malter 
Korn  mit  3  fl.  =  47  M.  25  Pfg.,  1  Mit.  Gerste  ebenso 
hoch,  1  Mit.  Hafer  mit  2  fl.  =  31  M.  50  Pfg.  veran- 
schlagt. Als  Herzog  Johann  Friedrich  1527 1^)  auf 
einer  Reise  nach  Düsseldorf  nach  Gotha  kam,  da  hatte  er 
folgende  Preise  zu  bezahlen  (der  meißnische  Gulden  hatte 
21  Gr.,  der  Groschen  12  Pfg.,  der  Pfennig  3  Heller) :  für 
1  Pfd.  Rindfleisch  5  Pfg.,  für  1  Pfd.  Schweinefleisch 
572  Pfg.,  für  Kalbfleisch  das  Pfund  3  Pfg.;  für  Hecht  das 
Pfund  11/2  Gr.,  für  Karpfen  k  Pfd.  1  Gr.,  für  1  Maß 
l'/g  Nößel  Schmerlen  7  Gr.,  für  2  Kapaunen  6  Gr.,  für 
1  Mandel  Eier  1  Gr.,  für  1  Pfd.  Butter  10  Pfg.,  für 
1  Schock  Äpfel  4  Gr.  Ein  Bote,  der  nach  Eisenach 
geschickt  wurde,  bekam  3  Gr.,  2  fl.  aber  mußte  er  be- 
zahlen „dem  Juden  zu  Gotha,  der  den  von  Wildenfels 
curirt,  zu  vertringken".  *Diese  Preise  muß  man  im  Auge 
behalten,  wenn  man  verstehen  will,  wie  behauptet  werden 
konnte,  daß  die  Pfarrer,  die  40  fl.,  nach  jetzigem  Geld- 
wert also  630  M.  einzunehmen  hatten ,  auskömmlich  be- 
soldet seien. 

Von  den  in   der  Tabelle  aufgeführten  120  Pfarrstellen 

8)  Seckendorf,  a.  a.  O. 

9)  Burkhardt,  Geschichte  der  Visitationen,  S.  XXIV  f. 

10)  H.  Heß,    Eine  Reiserechnung  aus  dem   Jahre  1527.    Zeit- 
schrift f.  Thür.  Geschichte  u.  AJtertumskde.,  N.  F.  Bd.  10,  S.  511  ff. 


24  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

erreichten  nur  40  ein  Einkommen  von  40  fl.,  während 
80  geringer  dotiert  waren.  Am  meisten  hatten  zu  steuern: 
die  Klöster  zu  Ichtershausen  und  Reinhardtsbrunnen,  so- 
wie das  Marienstift  in  Gotha.  Von  Pfarrern  erfreuten  sich 
der  höchsten  Besoldungen  die  Geistlichen  in  Herbsleben, 
Gräfentonna ,  Ichtershausen ,  Döllstädt,  Wfechmar,  Sülzen- 
brücken, Burgtonna,  Ballstädt,  Bufleben,  Wangenheim  und 
Großenberingen ,  während  am  geringsten  die  Pfarrer  in 
Neuroda,  Petriroda,  Ruhla,  Grabsieben,  Frankenhain,  Hunds- 
brunn und  Nazza  besoldet  waren. 

Die  109  im  Bereich  des  jetzigen  Herzogtums  Gotha 
vorhandenen  Vikarien  sind  mit  einer  Steuerquote  von 
3  Schock  bis  herab  zu  8  Groschen  eingestellt;  durch- 
schnittlich werden  diese  Vikare  nicht  einmal  1  Schock  zu 
steuern  gehabt  haben.  Nur  ein  Vikar  ist  vorhanden,  der 
8  Schock  zu  zahlen  hat,  dessen  Einkommen  belief  sich 
also  auf  60.  Schock  =  6  Mark  =  42  ß.  nur  3  Vikare 
zahlten  über  2  Schock,  hatten  demnach  28  fl.  einzu- 
nehmen. Wer  noch  so  glücklich  war,  1  Schock  abgeben 
zu  müssen,  erfreute  sich  einer  Besoldung  im  Werte  von 
14  fl.  Doch  verschlechterte  sich  die  Lage  der  Vikare  noch 
durch  folgenden  Umstand  :  wo  es  irgendwie  gute  Vikarei- 
besoldungen  gab,  da  verstanden  es  die  einflußreichen  Geist- 
lichen, besonders  aber  die  Erfurter  Juristen,  die  zum 
großen  Teil  als  Stiftsherren  auch  die  Priesterweihe  em- 
pfangen hatten,  sich  diese  Einkünfte  anzueignen.  Die 
Pfründenjagd,  der  Pfründenhandel  stand  damals  in  üppigster 
Blüte.  „Ut  nunc  sunt  saecula,  preces  sunt  irritae,  nisi 
altaria  nummis  emas"  schreibt  einmal  Mutian^*),  das 
bedeutet  doch:  „Bewerbungen  um  Pfründen  ohne  Geld- 
aufwendungen waren  damals  überhaupt  erfolglos."  Wer 
sich  in  Besitz  einer  Vikarei  gesetzt  hatte,  der  zog  die 
Erträge  der  Pfründe  ein,  ließ  aber  die  damit  verbundenen 
Pflichten,   das   Messelesen    an    bestimmten    Altären    und   zu 


11)  Gillert,  No.  381;  Krause,  No.  364. 


zur  Zeit  der  Reformation.  25  . 

den  vorgeschriebenen  Zeiten,  durch  Andere  erfüllen.  Die 
Pfründeninhaber  verauktionierten  sozusagen  das  Messelesen, 
und  der  Mindestfordernde  erhielt  die  Vikarie.  Da  es  eine 
Residenzpflicht  für  die  Pfründeninhaber  nicht  gab,  kam  es 
sehr  häufig  vor,  daß  eine  ganze  Anzahl  von  Vikarien  an 
verschiedenen  Orten  in  einer  Hand  sich  befanden.  So 
hatte  der  vorletzte  Dompropst  am  Marienstift  zu  Gotha, 
Gerhard  Marschalk  von  Gosserstädt,  nicht  nur 
in  Ballstädt,  sondern  auch  in  Gutenhausen,  in  Gosserstädt 
und  Rudersdorf  reichdotierte  Vikarien ;  der  Propst  am 
Marienstift  zu  Erfurt,  Licenciatus  juris  Johann  Nithard, 
war  sogar  in  Besitz  von  14  Vikarien,  und  zwar  1  in  Gotha,  ^ 
8  in  Erfurt,  1  in  Möbisburg,  1  in  Sömmerda,  1  in  Witz- 
leben, 1  in  Eisenach  und  1  in  Jechaburg.  Johann  Satz- 
mann in  Gotha  hatte  2  Vikarien,  1  am  Stift  in  Gotha 
und  1  in  Remstädt.  Conrad  Morch,  ebenfalls  Domherr 
in  Gotha,  ein  Hauptfeind  Mutians,  hatte  1  Vikarie  in 
Gotha  und  3  in  Erfurt. 

Daß  bei  solchen  Besoldungsverhältnissen,  die  man  im 
großen  und  ganzen  als  ärmliche  wird  bezeichnen  müssen, 
die  Ausschreibung  jenes  Subsidiums  die  Betreffenden  nicht 
angenehm  berührte,  ist  wohl  begreiflich,  doch  haben  die 
Geistlichen  in  den  gothaischen  Orten  trotzdem  recht  gut 
gezahlt,  nur  hinter  wenigen  Posten  steht  ein  „nihil".  In 
anderen  Gegenden  des  Mainzer  Spreugels  in  Thüringen  muß 
die  Armut  unter  den  Geistlichen  viel  größer  gewesen  sein. 
So  heißt  es  z.  B.  von  einem  Vikar  in  Stolberg:  „in  summa 
paupertate  obiit,  nihil  relinquens"  ;  weiter  von  einem  Vikar 
auf  Schloß  Schauenforst,  zur  Sedes  Oberweimar  gehörig: 
„valde  exilis  et  nihil  habet,  dann  die  Kost  uff  dem  Schloße 
der  Herren  Rewsszen  von  Plawe  zu  Grewtz  ideo  propter 
paupertatem  aufugit",  ähnlich  von  einem  Vikar  in  Willer- 
städt,  „in  summa  paupertate  obiit"  :  und  von  seinem  Nach- 
folger:  „devastavit  beneficium,  tandem  aufugit  extra 
dicoecesin". 

Was    nun    die  Art  der  Dotation  anbetrifft-,   so  ist  die- 


26  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

selbe  leider  nur  bei  den  Vikaren  angegeben,  und  zwar  nur 
bei  101  Vikaren.  Bei  der  Besoldung  dieser  Vikare  über- 
wiegt nun  die  Gelddotation  ganz  bedeutend,  in  69  Fällen 
giebt  es  reine  Gelddotation ,  dagegen  nur  in  4  Fällen 
reine  Fruchtdotation  (2  mal  in  der  Stadt  Gotha,  1  mal 
in  Herbsleben  und  1  mal  in  Sonneborn)  und  nur  1  mal 
reine  Landdotation  (in  Ingersleben),  in  17  Fällen  Geld- 
und  Fruchtdotation,  in  3  Fällen  Geld-  und  Landdotation, 
in  2  Fällen  Geld-  und  Weinbergdotation,  in  1  Fall  Geld-, 
Getreide  -  und  Weindotation  (Gräfentonna) ,  in  1  Fall 
Geld-,  Getreide-  und  Holzdodation  (Ohrdruf),  in  1  Fall 
Geld-,  Holz-  und  Hühnerdotation  (Ohrdruf),  in  1  Fall  Geld-, 
Getreide-,  Hühner-  und  Weinbergdotation  (Groß  -  Fahner) 
und  endlich  in  1  Fall  Getreide-  und  Weinbergdotation 
(Holzhausen).  Also  sämtliche  Vikare,  mit  Ausnahme  von  6, 
hatten  bei  ihrer  Besoldung  irgendwelche  Geldbezüge.  Wein- 
berge aber  besaßen  5  Vikare,  und  zwar  in  Gotha^  in  Herbs- 
leben, in  Groß-Fahner,  in  Holzhausen  und  in  Gräfentonna. 
Der  Weinbau  muß  früher  doch  auch  im  Gothaischen  nicht 
so  unbedeutend  gewesen  sein,  denn  noch  in  der  Ausgabe 
des  Schulmethodus  von  1662  heißt  es:  „Die  Schularbeit 
sol  durchs  gantze  Jahr  fleißig  verrichtet,  und  nicht  ehe  als 
in  der  Schnitt-Ernde,  wo  man  keinen  Weinwachs  hat,  in 
den  Dörfern  aufF  6  Wochen,  in  den  Städten  aber  auff 
4  Wochen,  ingleichen  bey  Kirchmessen  ein  par  Tage  unter- 
lassen werden.  Wo  aber  W^einlese  gehalten  wird,  darzu 
eine  ziemliche  Zeit  gehöret,  sol  die  Hälfite  der  gesetzten 
Zeit  in  der  Schnitt-Ernde,  und  die  übrige  in  der  Weinlese 
die  Schul- Arbeit  nachbleiben." 

25  Vikare  bekommen  Getreide,  und  zwar  alle,  mit 
Ausnahme  eines  Einzigen,  Roggen,  3  haben  neben  Roggen 
auch  noch  Hafer,  5  haben  neben  Roggen  auch  noch  Gerste, 
2  haben  neben  Korn  auch  noch  Gerste  und  Hafer.  Be- 
merkenswert ist,  daß  im  ganzen  Bereich  des  jetzigen 
Herzogtums  Gotha  bei  den  Vikaren  Weizendotation  nicht 
vorkommt,    das    schließt   nun    aber  freilich    nicht  aus,    daß 


zur  Zeit  der  Reformation.  27 

Pfarrer  Decimation  an  Weizen  gehabt  haben  mögen.  Da 
nur  bei  den  109  Vikaren,  nicht  aber  bei  den  120  Pfarrern 
die  Art  der  Dotation  angegeben  ist,  die  Pfarrer  aber 
sicherlich  nicht  nur  mit  barem  Gelde,  sondern  auch  mit 
Land  und  mit  Getreide  und  mit  Weinbergen  etc.  dotiert 
waren,  so  lassen  sich  aus  den  uns  bekannten  Dotations- 
gegenständen auf  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  sichere 
Schlüsse  wohl  kaum  ziehen. 

Daß  in  den  nach  dem  Walde  zu  gelegenen  Ortschaften 
die  Gelddotation  überwiegt,  und  daß  hier  an  einzelnen 
Orten  Dotation  an  Holz  vorkommt,  während  im  flachen 
Lande,  in  der  Gegend  um  Molschleben,  Gräfentonna  und 
Herbsleben  herum ,  die  Geistlichen  vielfach  auch  mit  Ge- 
treide besoldet  wurden,  ist  ja  eigentlich  selbstverständlich. 

Was  es  nun  mit  den  Vikaren  und  deren  Pflichten  für 
eine  Bewandtnis  hatte,  möge  an  einem  einzelnen  Beispiel, 
an  dem  Vikar  zu  Hörseigau  *  ^),  der  zugleich  rrühmeßner 
war,  gezeigt  werden ;  außer  in  Hörseigau  gab  es  solche 
„Frühherren"  „primissarii",  noch  in  Gotha,  in  Waltershausen^ 
in  Friemar,  in  Tambach  und  in  Hochheim  bei  Gotha.  Im 
Jahre  1453  wurde  mit  Bewilligung  Heinrichs  von 
Buttelstedt,  Dechanten  am  Liebfrauenstift  zu  Eisenach, 
—  auf  welches  Stift  im  Jahre  1433  das  Patronatsrecht  über 
die  Pfarrkirchen  zu  Sättelstädt  und  Hörseigau  übergegangen 
war^  3)  —  zu  Hörseigau  eine  ewige  Vikarei  und  Frühmesse 
über  dem  Frühaltar,  der  <^  geweihet  ist  in  die  Ehre  des 
heiligen  Kreuzes,  der  reinen  hochgelobten  Jungfrau  Maria 
und  Sankt  Katharinen  instauriert  und  gestiftet  mit  der 
Bestimmung,  daß  der  Besitzer  der  Frühmesse  alle  Woche 
fünf  ewige  Messen  darüber  lesen  soll,  allezeit  frühe  mit 
dem  Morgen  und  Tage,  nach  Bequemlichkeit  der  Zeit  und 
ungehindert  der  Pfarrmesse,  also  daß  der  Sonntag  soll  leer 


12)  Pfarrarchiv  in  Hörseigau. 

13)  [BrücknerJ  Kirchen-  u.  Schulstaat,  Bd.  2,  Heft  12,  S.  24;  cf. 
Pauliini  Annales  Isenac,  S.  112. 


28  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Ilcrzogtuiu  Gotha 

ausgehen  und  statt  dessen  ein  Tag  in  der  Woche,  welcher 
dem  Frühherrn  bequem  sein  will.  Auch  soll  der  Vikar 
einem  jeglichen  Besitzer  der  Pfarrei  zu  allen  Pesten,  an 
denen  es  sich  gebührt  Prozession  zu  halten,  gehorsam  sein 
in  Vespern,  IMessen,  Eeden,  und  an  welchem  Tage  in  der 
Woche  ein  Pest  fiele,  an  welchem  eine  Prühmcsse  zu  halten 
ist,  die  Alesse  soll  er  unter  der  Messe  auf  solch  Pest  halten, 
auf  daß  die  Leute  desto  fleißiger  in  der  „Ilomcsse"  bei  der 
Predigt  und  Gottesdienst  bleiben.  Derselbige  Vikar  soll 
auch  dem  Pfarrer,  so  der  von  Not  wegen  nicht  einheimisch 
oder  krank  wäre,  ob  sich  das  begäbe,  die  heiligen 
Sakramente  seinen  Pfarrleuten  zu  reichen  oder  zu  taufen 
behilflich  sein. 

Die  Besoldung  des  Vikars  ist  nun  folgende:  Zu  solcher 
Frühmesse  dem  Herren ,  der  die  besitzet  und  beleset, 
folgen  soll  1)  Eine  Hufe  Landes,  die  gelegen  ist  im  Felde 
und  Flur  zu  Grabsieben,  die  vor  langen  Jahren,  vor  alters, 
zu  demselben  Altar  bescheiden  ist.  2  i  Zwei  Schock  Geldes 
jährlichen  Zinses,  der  auf  7  Acker  feldiglichs  (das  sind 
21  Acker,  nämlich  7  Acker  im  Winterfeld,  7  Acker  im 
Sommerfeld  und  7  Acker  in  der  Brache)  ruht,  die  dem 
Herrn  von  Varnroda  zu  Lehn  gehen,  ein  gewisser  Härtung 
Linnung  hat  die  Vikarei  damit  beschenkt.  3)  hat  der 
Pfarrer  zu  Hörseigau,  Johann  Am  Markte,  dazu  ge- 
stiftet von  seinem  väterlichen  Erbe  in  Hörseigau  9  Schock 
Geldes  jährlichen  Zinses,  ebenso  haben  noch  andere  Leute 
Zinsen  an  den  Vikar  zu  zahlen,  so  daß  er  zusammen  an 
Geld  32  Schock  einzunehmen  hat.  Die  Heimbürgen  und 
die  ganze  Gemeinde  Hörseigau  wollen  Vormünder  sein,  solchen 
Zins  dem  Vikar  zu  reichen. 

Im  Jahre  1457  wurde  die  Hufe  Landes  zu  Grabs- 
ieben durch  den  ersten  Frühmeßner  in  Hörseigau,  Ludwig 
Brun,  durch  den  Heimbürgen  und  seine  vier  „Mete- 
kumpen",  sowie  durch  die  ganze  Gemeinde  einem  Grabs- 
leber  Manne  mit  Namen  Gurt  Grauwe  und  Käthe, 
seiner    ehelichen   Wirtin,    gelassen    und    zu    eigen    gethan, 


zur  Zeit  der  Reformation.  29 

wofür  der  Curt  Grauwe  dem  Vikar  an  jährlichen  Erb- 
zinsen und  Korngülten  zwei  Heger  Malter  schönen,  lauteren 
Roggen  und  zwei  Heger  Malter  schönen  Weizen,  beides 
schönes,  lauteres,  gefegtes  Getreide,  nebst  zwei  Michels- 
hühnern auf  seine  Kosten  gen  Hörseigau  zu  schicken  hat. 
—  Auch  sollen  die  Altarleute  verpflichtet  sein,  dem  Vikar 
von  des  Gotteshauses  wegen  zu  reichen :  Meßgewand,  Kelche, 
Bücher,  Wein,  Lichte,  und  was  sonst  nötig  ist,  der  Kirchner 
aber  soll  dem  Vikar,  gerade  so  wie  seinem  Pfarrer,  zu 
solcher  Frühmesse  Handreichung  thun  und  dienen  ohne 
Widerrede.  Auch  sollen  die  Altarleute  dem  Vikar  zu  jeg- 
lichem Weichfasten  (Weihefasten,  Quatemberfasten)  ein  Pfund 
Wachs  zu  Gelichten  geben  von  des  Gotteshauses  wegen, 
dabei  er  seine  Siebengezeiten  (das  sind  die  sogen,  horae 
canonicae)  und  sein  Gebet  gethun  mag.  Dagegen  hat 
der  Vikar  jährlich  zu  Michaeli  5  Schilling-Pfennige  dem 
Pfarrer  „vor  eyne  Wedirstattung,  das  man  nennet  Besteuer", 
zu  zahlen.  Sollte  ihm  ein  Haus  oder  Hof  gegeben  oder 
gekauft  werden,  das  soll  er,  ebenso  wie  das  Vieh,  das  er 
hält,  frei  haben,  nur  darauf  liegenden  Erbzins  und  Hirten- 
lohn soll  er  selbst  bezahlen.  Der  Vikar  hat  später  wirklich 
ein  Haus  bekommen.  Als  am  Mittwoch  nach  Andrea  1528 
von  der  Planitz,  Melanchthon,  Menius  und 
M  y  c  0  n  i  u  s  als  Visitatoren  in  Hörseigau  ^  * )  anwesend 
waren,  wurde  bestimmt,  daß  alles  Einkommen,  der  Vikarei 
gehörig,  ausgenommen  der  Vikarei  Behausung,  nach  Ab- 
sterben des  Vikars,  dem  Gotteshause  und  nicht  dem 
Pfarrer  heimfallen  soll.  Daher  stammt  ein  gut  Teil  des 
jetzigen  Hörselgauer  Kirchenvermögens. 

Eine  Fülle  von  geistlichen  Personen  war  also  im 
Gothaischen  in  der  Zeit  unmittelbar  vor  der  Reformation 
vorhanden,  die  Qualität  derselben  ließ  aber  leider,  mit 
wenigen   rühmlichen  Ausnahmen,    viel   zu    wünschen  übrig. 

Da,    wo   jetzt    in    der  Stadt  Gotha  das  Landratsamts- 


14)  Pfarrarchiv  in  Hörseigau. 


30  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

gebäude  steht,  lagen  am  Marienberg,  so  genannt  nach  der 
dort  sich  erhebenden  Marienkirche,  „etlich  viel  wunder- 
lustig erbauten  Canonikenhäuser",  in  einem  derselben,  das 
von  ihm  erkauft  und  nach  seinem  Behagen  eingerichtet 
war,  wohnte  seit  1502  Conrad  Mutianus  Rufus, 
Domherr  am  Marienstift,  Über  der  Eingangspforte  standen 
die  Worte  geschrieben:  „Beata  Tranquillitas."  Zur  ebenen 
Erde  waren  die  Wohnräume,  oben  die  Bibliothek.  Auf  der 
zu  den  unteren  Gemächern  führenden  Thür  stand  die  In- 
schrift: „Bonis  cuncta  pateant."  Wie  es  in  diesem  Hause 
aussah  und  wie  es  dort  zuging,  wird  uns  1515  von  dem 
dort  oft  verkehrenden  Poeten  Euricius  Cordus  folgender- 
maßen geschildert^^): 
„Abwärts  neigt  der  Olymp  und  entführt  den  Tag,  da  betret  ich 

Kufus'  Haus ;  an  das  Mahl  hat  er  sich  ebengesetzt. 
Gleich  thut  jegliche  Thür  sich  auf,  und  es  holen  die  Diener 

her  den  edelsten  Wein  aus  dem  gefülleten  Eaß, 
Reich  zwar  glänzte  im  Schmucke  die  hergerichtete  Tafel, 

selbst  mit  Lybischem  Mahl  waget  die  Küche  den  Kampf. 

Größere  Wonne  jedoch  als  der  Gaumen  schaffet  das  Ohr  mir, 

denn  zu  vernehmen  fürwahr  wähn'  ich  Orpheischen  Klang. 

Also  beredt  war  der  Sänger,  er  kürzte  zu  kleinen  Sekunden 

durch  sein  süßes  Gespräch  schleichende  Stunden  mir  ab, 

So,  wenn  duftet  die  Lese  des  Weins  auf  Hybläischen  Fluren, 

träufelt  aus  flüssiger  Zell'  goldener  Honig  hervor. 
Wer  nur  immer  verlangt,  einen  Mann  zu  sehen,  der  freundlich, 

bieder,  gelehrt  und  mit  echt  christlichem  Sinne  geziert. 
Den  nicht  leitet  der  Wahn  des  thörichten,  eitelen  Haufens,. 

der  seine  Tage  in  Ruh'  schließen  zu  können  begehrt: 
Suche  dies  Obdach  auf,  wo  gleich  wie  aus  Delphischer  Grotte 

er  als  zweiter  Apoll  kündet  prophetischen  Spruch. 
Und  daß  irre  der  Euß  nicht  gehe  in  schwankendem  Zweifel 

(nicht  zu  betreten  zu  oft  pflegen   Besucher  den  Weg) : 
Heimlich  hinter  dem  Dom  steht  still  verborgen  das  Häuschen 
schier  von  Dädalischer  Kunst  und  labyrinthischem  Bau, 

15)  Krause,  Briefwechsel,  S.  18  f. 


zur  Zeit  der  Reformation.  31  • 

Schon  ein  einziger  Blick  verräth  dir  das   „Ruhige  Leben" 

mit  zwei  Worten  sogleich  zeiget's  ein  Schildchen  dir  an. 
Ziehe  die  Schnur,  die  hier  von  des  Hauses  Giebel  herabhängt, 

gleich  schallt  klingender  Ton  drinnen  vom  Glöckchen  ausErz. 
Nicht  kommt  wangengeschminkt  eine  Thais,  die  Thüre  zu  öflfnen, 

denn  vor  solchem  Gezücht  schaudert  der  heilige  Ort; 
Nicht  hat  in  ewigem  Feuer  also  die  züchtige  Keuschheit 

Vestas  Tempel  gehegt,  wie  dieses  Haus  sie  bewahrt : 
Kommen   wird  ein  geschäftiger  Knab' ;  aus  dem  Fenster  sich 

biegend, 

fragt  er  dich,  wer  und  woher,  was  deines  Koramens  Begehr. 
Hebest  du  dann  die  Augen  empor,  so  wirst  du  die  Aufschrift. 

lesen:   „Dem  würdigen  Gast  öffnet  sich  jegliche  Thür". 
Doch  dein  Kommen  entweihe  ja  nicht  den  Musischen  Tempel ; 

siehe  zuvor,   ob  dich  Phöbus  zu  lieben  vermag. 
Keine  erwünschtere  Kunde  vermagst  du  zu  bringen,  als  wenn  du 

meldest:  den  scheußlichen  Feind  bändigte  CapnionsArm. 
Diesen    preise   du   hoch  und  heiße  den  Fürsten  der  Dichter 

noch  jahrhundertelang  leben  als  siegender  Held. 
Dann  wird  Rufus  sich  gern  als  lieber  Freund  dir  erweisen 

und  dich  grüßen  als  Glied  seines  geselligen  Bunds. 
Farbig  erglänzet  die  Wand  von  den  Wappen  vieler  Poeten 

welchen  er  also  geeint  dauernde  Liebe  gelobt. 
Sieh',  hier  tödtet  der  Storch  mit  klapperndem  Schnabel  die 

Schlange, 

deinen  liebenden  Sinn  zeigt,  Spalatinus,  er  an. 
Weiter  dorten  das  Hörn  Rubians    mit  Riemen   umwunden 

und  manch  anderes  Bild  zeiget  den  Blicken  sich  hier. 
Abervor  allem  der  Schwan,  das  Haupt  in  den  Wolken  Arerbergend 

dir  ist  solcher  mit  Recht,  hessischer  Dichter,  geweiht. 
Neben  ihm  kriecht  ein  winziges  Stück,  der  stachlige  Igel, 

dreifacher  Lorber  umgiebt  rings  ihn  mit  biegsamem  Zweig. 
Lächerlich  Thier,  wie  kommst  du  hierher  ?  wie  will  doch,  o  Rufus, 

häßliches  Eulengekreisch  passen  zum  Schwanengesang? 
Irret  denn  so  dein  Wahn  zu  Gunsten  unserer  Poßen, 

daß  du  den  Jüngling  werth  achtest  so  ehrenden  Ruhms  ? 


32  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Nicht  nach  meinem  Verdienst,  nein,  wie  es  gewogener  Sinn  dir 
eingiebt,  schätzest  du  mich,  stellst  mich  um  vieles  zu  hoch. 
Doch  wo  gerathe  ich  hin  ?  was  schweif  ich  in  solcherlei  Abweg  ? 
Jetzt  zum  begonnenen  Spiel  lenk'  ich  die  Leier  zurück." 
Hier  in  der  „Tranquillitas",  wie  das  Haus  Mutians 
allgemein  genannt  wurde ,  lebte  Mut  i'^a  n  unter  seinen 
Büchern,  „seinen  kostbarsten  Schätzen",  „der  einzigen 
Erholung  des  Lebens",  der  Wissenschaft.  Als  ihn  sein 
vertrautester  Freund  Urban,  der  Hausverwalter  im  Kloster 
Georgenthal,  bald  nach  Beginn  ihrer  Freundschaft  1505 
fragte,  warum  er  nicht  dem  Beispiel  seiner  Brüder,  von 
denen  der  eine  als  Kanzler  in  Kassel,  der  andere  als 
mainzischer  Küchenmeister  in  Erfurt  es  zu  ansehnlichen 
Stellungen  gebracht  hatten,  gefolgt  sei,  antwortete  er  ihm' ß): 
„Lieber  Urban,  diese  Meinung  von  mir  gieb  nur  auf. 
Mein  Ziel  ist  ein  anderes  als  das  meiner  Brüder.  Diese 
haben  den  Fürsten  und  der  Kurie,  dem  Ruhme  und  dem 
Reichtum  gedient  und  bei  den  Ungelehrten  einen  großen 
Namen  erlangt.  Auch  sind  sie  deshalb  nicht  zu  tadeln, 
vielmehr  zu  loben,  weil  der  eine  seinen  Kindern  ein  an- 
ständiges Erbe,  der  andere  sich  und  mir  nützen,  und  beide 
die  Familie  Mut  verherrlichen  wollten.  Mein  Ziel  ist  aber 
ein  anderes.  Alle  Mute  sind  dahingesunken,  nurMutian 
ist  noch  übrig.  Daher  suche  ich  nicht  den  gewöhnlichen 
Ruhm  und  Reichtum,  sondern  bin  mit  wenigem  zufrieden. 
Wenn  ich  dir  und  den  Deinigen  durch  die  Ehre  der  Wissen- 
schaft von  Nutzen  sein  kann,  so  wirst  du  um  nichts  ver- 
geblich bitten.  Wenn  du  aber  forderst,  was  die  Menge 
an  den  ruhmsüchtigen  Doktoren  bewundert,  dann  irrst  du 
dich  in  meinem  Charakter.  Mein  Leben  ruht  in  der  Stille 
der  Frömmigkeit  und  Wissenschaft.  Gott  und  den  heiligen 
Männern  und  der  Erkenntnis  des  ganzen  Altertums  ist  mein 
Streben  gewidmet." 

Hier   in    der  Tranquillitas  sammelten  sich,    eine  ganze 
Reihe    von    Jahren    hindurch,    um    Mutian    viele    junge 

16)  Gillert,  No.  3;  Krause,  No.  11. 


zur  Zeit  der  BefonnatioD.  33. 

Gelehrte,  die  von  Erfurt  nach  Gotha  pilgerten,  um  von 
dem  wegen  seiner  Gelehrsamkeit  allgemein  angestaunten 
Domherrn  Belehrung  und  Anregung  zu  empfangen.  M  utian 
aber  fand  seine  höchste  Freude  darin,  unter  diesen  füi:  die 
schönen  Wissenschaften  begeisterten  Jünglingen  für  die 
Pflege  und  Ausbreitung  der  klassischen  Stildien  zu  wirken. 
Eine  ganze  Anzahl  unter  diesen  jungen,  zu  der  lateinischen, 
durch  M  u  t  i  a  n  aus  der  scholastischen  Barbarei  heraus- 
geretteten Kohorte,  gehörigen  Jünglingen  haben  nachher  zu 
den  berühmten  Männern  gehört,  so  die  beiden  Erfurter 
Peter  Eberbach  und  Herbord  von  der  Marthen, 
der  Dichterkönig  Eoban  Hessus  in  Erfurt,  C  r  o  t  u  s. 
Rubianus,  Ulrich  von  Hütten,  EuriciusCordus, 
Justus  Menius,  Justus  Jonas,  Joachim  Came- 
rarius,  Johannes  Draco,  Johannes  Lang,  lauter 
Leute,  die  teils  in  der  humanistischen,  teils  in  der  refor- 
matorischen Bewegung  eine  bedeutsame  Rolle  gespielt 
haben. 

Hier  in  der  Tranquillitas,  hinter  der  Marienkirche, 
dem  Dome  zu  Gotha,  entstanden  nicht  nur  unter  den  Augen, 
sondern  auch  auf  Antrieb  und  unter  der  Leitung  M  u  t  i  a  n  s 
die  berühmten  Dunkelmännerbriefe^^).  Hat  sich  M  utian 
selbst  auch  nicht  schöpferisch  an  der  Abfassung  derselben 
beteiligt,  so  „hat  er  doch  die  Atmosphäre  geschaffen,  in 
der  diese  Satire  aufkommen  und  gedeihen  konnte,  er  hat 
den  Verfassern  den  Geist  eingehaucht,  der  sie  zu  dem  Werk 
befähigte".  Hier  in  der  Tranquillitas  kehrten  nicht  nur 
persönlich  oft  berühmte  Gelehrte  auf  der  Durchreise  bei 
dem  gastfreien  Kanoniker  ein,  sondern  in  dieses  Haus 
liefen  auch  zahlreiche  Briefe  ein  von  all.  den  Männern, 
die  zu  den  damals  führenden  Geistern  gehörten,  es  seien 
nur  Luther  und  Melanchthon,  Reuchlin  und 
Erasmus,  Willibald  Pirckheimer  und  Ulrich 
Zasius  genannt.    Solche  Briefe  wurden  ja  meistens  durch 


17)  Gillert,  S.  LXI. 
XXL 


34  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

junge  Grelehrte,  die  von  einem  Humanistenfübrer  zum 
anderen  wanderten,  überbracht ;  auf  die  gewöhnlichen  Boten, 
die  Briefe  bestellten,  ist  Mutian  schlecht  zu  sprechen,  so 
beschwert  er  sich  einmalig),  daß  ein  lucri  cupidus  Gothensium 
Cursor  ihm  die  Briefe  nicht  gäbe,  sondern  verkaufe,  er 
liefere  sie  ihm  nicht  eher  aus,  als  bis  ei*  das  Geld  in  der 
Hand   habe. 

Auch  bei  seinem  Kurfürsten  Friedrich  dena  Weisen 
stand  Mutian  in  hoher  Gunst  und  kraft  des  Ansehens, 
das  er  bei  diesem  Fürsten  genoß,  gelang  es  ihm  einmal, 
eine  Anzahl  eingekerkerter  Eisenacher  Bürger,  die  von  dem 
Hauptmann  von  Thun  peinlich  angeklagt  waren,  vom 
Tode  zu  erretten,  es  geschah  dies  im  Jahre  1513^^): 
Mutian  stand  während  des  „tollen  Jahres"  entschieden 
auf  Seiten  der  Gemeinde  und  gegen  die  Geschlechter,  ver- 
teidigte warm  die  Interessen  des  Volkes  gegen  die  An- 
sprüche Sachsens,  er  sympathisierte  in  dieser  Angelegenheit 
ganz  mit  Mainz,  obwohl  er  sonst  von  der  Geistlichkeit 
seiner  Zeit  nichts  wissen  will.  Bei  dieser  Parteistellung 
Mutians  ist  es  nicht  zu  verwundern,  daß  er  dem  sächsi- 
schen Rat  und  Hauptmann  Friedrich  von  Thun  nicht 
freundlich  gesinnt  ist.  Im  Anfang  des  Jahres  1513  teilte 
er  nun  seinem  Freunde  Ur  b  a  n  mit,  er  sei  in  großer  Besorgnis 
wegen  eines  peinlichen  Handels,  in  welchen  Eisenacher 
Bürger  verstrickt  seien,  vor  allem  sei  er  in  Sorge  um  einen 
gewissen  Conrad  Weiß,  der  sich  mit  unter  den  Ge- 
fangenen befinde.  (Was  die  Eisenacher  verbrochen  hatten, 
ist  leider  aus  den  betreffenden  Briefen  nicht  zu  ersehen.) 
Dieser  Weiß  sei  ein  fleißiger,  betriebsamer  Mann,  durch- 
aus brav  und  unschuldig,  er  gehöre  zu  den  angesehensten 
Senatoren  Eisenachs,  besitze  Eisenbergwerke,  sei  sehr  frei- 
gebig in  seinem  Hause  und  ein  Gönner  aller  Gelehrten. 
Dieser    Weiß    gehöre     nun     zu    den    Gefangengehaltenen, 


18)  Gillert,  No.  155;  Krause,  No.  133. 

19)  Gillert,  No.  248  u.  249;  Krause,  No.  229  u.  233. 


zur  Zeit  der  Reformation.  35 

neun  von  diesen  säßen  tief  im  Turm  eingesperrt.  Der 
summus  consul  und  ein  alter  Mann,  wie  auch  Weiß  be- 
fänden sich  in  hospitio  gleichsam  in  freier  Haft,  wenn  aber 
jenes  Wort  in  glossemate  juris:  „Discat  in  auctorem  poena 
redire  suum"  wahr  sei,  dann  zweifle  er  nicht,  daß  die  Ge- 
fangenen freigelassen  und  der  hinterlistige  Ankläger  in 
Strafe  verfallen  werde.  Über  die  Gerichtsverhandlung 
und  die  schließliche  Freilassung  der  Gefangenen  erzählt 
nun  Mutian  folgendes:  ,,Die  Fürsten  zürnten,  v.  Thun 
war  dem  Quästor  Oswald  günstig  gesinnt,  es  schien,  als 
ob  es  um  die  armen  Gefangenen  geschehen  wäre.  Die 
Senatoren  sollten  aus  dem  Senate  herausgedrängt  und 
ö  von  den  Gefangenen  mit  dem  Beile  hingerichtet  werden. 
Da  hat  man  sich  an  mich  gewendet,  hat  mich  um  Hilfe 
gebeten.  Man  erzählt  von  der  Hinterlist  des  Oswald  und 
von  seiner  Schlechtigkeit,  die  Unschuld  der  Bürger  wird 
besprochen.  Ich  untersuche  die  Sache  genauer.  Als  der 
Tag  der  Gerichtsverhandlung  herbeikommt,  da  haben  die 
Unglücklichen  zu  ihrem  Verteidiger  sich  den  Valentinus 
(einen  Erfurter  Juristen  Valentin  Jungermann  aus 
Zerbst)  genommen  und  ahnten  nicht,  daß  dieser  Mann  ins- 
geheim übereinstimmt  mit  den  Anhängern  v.  Tliuns  und 
den  Hofadvokatchen  (doctorelli,  qui  sunt  in  aula),  denn  die 
Verbannten  freuen  sich  hier  und  dort  an  dem  Unglück 
anderer,  nämlich  daß  sie,  wenn  sie  nun  ihres  Bürgerrechts 
beraubt  und  gebrandmarkt  sind,  nicht  allein  Schaden  zu 
erleiden  scheinen.  Man  sVgt  nämlich  allgemein,  was  auch 
wahr  ist,  für  die  Unglücklichen  sei  es  eine  Freude,  ein 
Trost,  Genossen  ihrer  Strafe  zu  haben.  Als  nun  die  Eise- 
nacher  in  solcher  Gefahr  schwebten,  da  schrieb  ich  an  den 
Churfürsten  einen  sehr  freundlichen  Brief.  Nun  höre  aber, 
bitte,  was  geschieht.  Verrammelt  haben  sozusagen  die  An- 
hänger Oswalds  den  Weg,  damit  niemand  zu  dem 
gnädigen  und  milden  Fürsten  Zugang  habe.  Weiß,  der 
gewesene  Ratsherr,  bittet  den  Pförtner  des  Fürsten  umsonst, 
man    gestattet    ihm    keinen    Zutritt.      Darum-   geht    er    zu 

3* 


36  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

irgend  einem  anderen  seiner  Bekannten,  der  palit  auf,  als 
der  Fürst  aus  der  Kirche  kommt,  und  gibt  ihm  sofort  meinen 
Brief.  Der  Fürst  ruft  alsbald  aus:  „Das  ist  ja  unseres 
Magisters  Informator"  (er  erkennt  an  der  Handschrift,  daß 
der  Brief  von  Mutian  sei,  Mutian  aber  war  der  Lehrer 
Spalatins  gewesen,  und  dieser  wieder  war  der  Erzieher 
des  Kurprinzen).  Er  ist  ganz  außer  sich  vor  Freude,  öffnet 
den  Brief  und  liest  im  Gehen.  Unterdessen  wird  die 
Gerichtsverhandlung  gehalten.  Den  Vorsitz  führt  v.  Thun 
und  der  berühmte  Soldat  W i s b a c h  (W olfvon  Weißen- 
bach) und  drei  Doctorchen.  Zuerst  erhebt  v.  Thun  die 
Anklage,  obwohl  er  als  Richter  fungiert,  dann  kommt  der 
geschwätzige  Kitzinger,  zuletzt  Oswald.  Sie  schreien 
alle :  Kreuzige,  kreuzige !  Solchem  leidenschaftlichen  Vor- 
gehen war  Valentinus  nicht  gewachsen,  oder  vielmehr 
er  wollte  es  nicht  sein.  Er  handelte  demnach  in  der  Art, 
daß  er,  wie  gedungene  Verteidiger  zu  thun  pflegen,  wenn 
er  den  Prozeß  nicht  gewönne,  doch  so  viel  wie  möglich 
Profit  daraus  zöge.  Jene  Rabulisten  wußten  aber  nicht, 
was  der  Fürst  vorhatte,  der,  durch  mein  Bittschreiben  be- 
wogen, die  Absicht  hatte,  seinen  Neffen,  den  Knaben  mit 
der  junonischen  Gestalt,  protestieren  zu  lassen.  Der 
protestierte,  der  Wut  wurde  entgegengetreten,  und  meine 
Klienten  wurden,  ihrer  Fesseln  entledigt,  nach  Hause  ent- 
lassen, jedoch  nicht  ohne  Drohung.  Wunderbar  schwirrte 
die  Fama  über  diesß  so  unerwartete  Sache  durch  die  Luft. 
Aus  dem  Rachen  des  Orkus  habe  ich  die  Unschuldigen 
gerettet.  Nichts  wurde  mir  dafür  gegeben,  ich  hatte 
nämlich  auch  nichts  gefordert.  Valentinus  erhielt 
10  Gulden.  Dies  habe  ich  deshalb  erzählt,  damit  Her- 
bord  (Herbord  von  der  Marthen,  Jurist  aus  Erfurt, 
humanistisch  gebildet,  1508 — 11  als  Nachfolger  Spalatins 
Lehrer  im  Kloster  Georgenthal,  1514  Stadtsyndikus  in 
Erfurt)  wisse  serviendum  esse  foro  et  curiae,  wenn  nämlich 
auf  der  einen  Seite  reicher  Geldgewinn  und  auf  der  anderen 
Seite  Dank  und  Ansehen  zu  erlangen  ist." 


zur  Zeit  der  Keformation.  37 

Von  ganz  besonderem  Interesse  ist  es  nun  aber,  zu 
beobachten,  wie  Mutian,  dieser  hervorragende  Humanist, 
im  Laufe  der  Jahre  sich  zu  Luther  und  seinem  Refor- 
mationswerk gestellt  hat,  wir  werden  aus  dem  Briefwechsel 
M  u  t  i  a  n  s  erkennen ,  wie  dieser  Domherr  in  Gotha  und 
seine  nächsten  Freunde  zuerst  voll  Begeisterung  Luther 
als  „den  frommen  Doctor",  als  „den  tapferen  Herold  Christi", 
als  „den  großen  Meister  der  Wissenschaften"  begrüßten; 
nachher  aber,  als  Luther  immer  entschiedener  auftrat, 
als  in  Erfurt  und  in  Gotha  das  Pfaffenstürmen  losbrach, 
als  das  Prädikantenunwesen  von  unheilvollster  Wirkung 
für  die  Erfurter  Universität  wurde  und  als  nun  gar 
die  Greuel  des  Bauernkrieges  das  Land  verwüsteten,  da 
tritt  an  die  Stelle  der  Verehrung  für  Luther  bittere  Klage 
wider  ihn;  als  „Feinde  des  Tumults"  schilt  man  die 
^wütenden  Lutheraner",  man  nennt  sie  „fanatische  Stein- 
werfer", und  zuletzt  giebt  man  Luther  und  sein  Evange- 
lium so  gut  wie  auf,  um  zu  Erasmus  und  seiner  Wissen- 
schaft zurückzukehren. 

Die  erste  Berührung  zwischen  Luther  und  Mutian 
fUllt  in  das  Jahr  1515.  Mutian  hat  von  einer  im 
Augustinerkloster  zu  Gotha  gehaltenen  Predigt  gehört,  die 
um  ihrer  Schärfe  willen  großes  Aufsehen  in  der  Stadt  ge- 
macht hat.  Erfragt  brieflich 20)  bei  Johann  Lange  aus 
Erfurt  an,  der  mit  Luther  zugleich  zur  Abhaltung  des 
alle  3  Jahre  üblichen  Kapitels  der  deutschen  Augustiner- 
kongregation in  Gotha  anwesend  war,  wer  der  acer  orator 
sei.  Es  erhält  die  Antwort,  der  scharfe  Redner,  der  am 
gestrigen  Tage  gegen  die  Sitten  der  kleinen  Heiligen 
geredet  habe,  sei  Dr.  Martin,  und  Dr.  Lange  bietet 
nun  alles  auf,  um  Mutian  für  Luther  günstig  zu 
stimmen,  es  gelingt  ihm  das  auch  einigermaßen,  denn  in  einem, 
wenige  Tage  darauf  geschriebenen  Briefe  bittet  M  u  t  i  a  n  ^i) 


20)  Gillert,  No.  490;  Krause,  No.  610, 

21)  GiUert,  No.  491 ;  Krause,  No.  611. 


38  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Lange  möchte  doch  Martin,  den  sehr  frommen  Doktor, 
herzlich  von  ihm  grüßen.  Im  Jahre  darauf  ist  Luther 
abermals  in  Gotha,  um  das  Augustinerkloster  zu  inspizieren. 
Es  ist  bezeichnend  für  die  Stellung  Luthers  zum  Humanis- 
mus, daß  er  sich  nicht  die  Zeit  nahm,  M  u  t  i  a  n  22)  zu  be- 
suchen, obwohl  ihn  seine  Visitationsarbeit  in  Gotha  nur 
sehr  kurze  Zeit  in  Anspruch  nahm,  sondern  daß  er  nur 
ein  freundliches,  ehrerbietiges  Schreiben  für  ihn  zurückläßt, 
es  ist  beachtenswert,  daß  Luther  in  diesem  Briefe  aus- 
drücklich sich  gegen  die  Meinung  verwahrt,  als  ob  er  darauf 
Anspruch  mache,  an  der  feinen,  humanistischen  Bildung  teil- 
zuhaben. Es  kam  Luther  schon  damals  nicht  sowohl 
auf  litterarische  Bildung,  sondern  vor  allem  auf  fromme 
Herzensbildung  an,  wie  das  herausklingt  aus  einer  Nach- 
schrift zu  jenem  Briefe,  in  der  Luther  schreibt  ^s):  ^^Noch 
Eines  melde  ich  Dir,  der  Pater  baccalaureus  Johann 
Lange,  den  Du  als  guten  Griechen  und  Lateiner,  aber, 
was  noch  mehr  werth  ist,  als  einen  Mann  von  aufrichtigem 
Herzen  kennst,  ist  von  mir  zum  Prior  des  Erfurter  Convents 
ernannt  worden." 

Wiederum  ist  aber  auch  für  M  u  t  i  a  n  charakteristisch, 
wenn  er  auf  die  soeben  angeführte  Benachrichtigung  an 
Joh.  Lange  am  1.  Juli  1516  schreibt 24);  ,,Durch  unsern 
Martin  bist  du  zum  Magister  Deines  Ordens  erwählt 
worden,  Gott  gebe  Gnade  dazu",  dann  aber  hinzufügt, 
er  selbst  würde  allerdings  die  litterarische  Muße  den 
umfassenden  Verwaltungsgeschäften  vorziehen ;  den  Huma- 
nisten ging  eben  nichts  über  das  behagliche  Sichdelektieren 
an  den  Wissenschaften. 

Wie  wenig  doch  das,  was  Herz  und  Sinn  der  Refor- 
matoren vor  allem  bewegte,  den  M  u  t  i  a  n  interessierte,  geht 
aus  einem  Brief  desselben  vom  Herbst  1516  an  J  0  h.  L  a  n  g  e  25) 

22)  KöstUn,  Martin  Luther,  Bd.  1,  S.  131. 

23)  Gillert,  No.  560;  Krause,  No.  622. 

24)  Gillert,  No.  561 ;  Krause,  No.  540. 

25)  GiUert,  No.  566;  Krause,  No.  543. 


zur  Zeit  der  Reformation.  39 

hervor.  Um  diese  Zeit  hatte  Luther  bei  Gelegenheit  der 
in  Heidelberg  stattfindenden  Promotion  eines  gewissen 
Bartholomäus  Bernhardi  Thesen  aufgestellt:  de  viri- 
bus et  voluntate  hominis  sine  gratia.  Diese  Thesen  warisn 
gedruckt  und  praecisis  titulis  von  Amsdorf  nach  Erfurt 
geschickt  worden,  sie  waren  auch  in  die  Hände  Mutians 
gekommen,  und  der  fragt  nun  bei  Lange  an,  ob  diese 
ohne  Namen  des  Verfassers  herausgekommene  Schrift  etwa 
von  ihm,  Lange,  sei.  Er,  M  u  t  i  a  n ,  steige  nicht  gern 
in  die  Ringbahn  herab,  weil  er  Neid  fürchte,  sollten  die 
Thesen  aber  von  Lange  herrühren,  so  werde  er,  um  der 
Freundschaft  willen,  doch  wagen ,  mit  ihm  darüber  zu 
disputieren.  Mutian  hatte  eben  für  diese  der  Reforma- 
toren Herz  so  sehr  in  Anspruch  nehmenden  Fragen  keinen 
Sinn  und  kein  Verständnis. 

Schon  um  diese  Zeit  hegt  Mutian  einige  Besorgnis, 
sein  Freund  Job.  Lange  könne  vielleicht  über  Au- 
toritäten neueren  Datums  die  älteren  hintansetzen.  Am 
1.  Dez.  1516  schreibt  er  an  Lange^^j:  „Wenn  Du  in  Gemein- 
schaft mit  Martin,  dem  sehr  gelehrten  Mann,  und  mit 
dem  großen  und  frommen  Staupitz,  die  Wonne  der 
Mönche,  an  göttlichen  Dingen  so  lebhaften  Antheil  nimmst, 
dann  möchte  es  doch,  mein  lieber  Lange,  nicht  mehr  wie 
billig  sein,  daß  Du  auch  denjenigen  Autoren,  die  die  höch- 
sten Autoritäten  in  unserer  Religion  sind  (er  hatte  soeben 
von  Hieronymus  und  anderen  alten  Vätern  gesprochen), 
in  Verehrung  und  Lieb^  zugethan  bleibst.  Diese,  von 
Anderen  verlassen,  scheinen  Deine  Treue  und  Deine  Hülfe 
zu  erbitten." 

Nichtsdestoweniger  versäumt  es  Mutian  nicht,  in 
einem  Briefe  an  Lange,  Dezember  1516  2^),  „dem  hoch- 
würdigen Staupitz  und  dem  verehrungswürdigen  Martin" 
Grüße  zu  bestellen. 


26)  GUlert,  No.  568;  Krause,  No.  624. 

27)  Gillert,  No.  570;  Kr«U8e,  No.  547. 


40  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Aus  dem  Jahre  1517  und  1518  haben  wir  leider 
keine  Briefe  von  Mutian,  in  denen  er  auf  Luther  und 
seinen  Ablaßstreit  zu  sprechen  käme.  Wenn  wir  aber  auf 
einen  Brief  Mutians  aus  dem  Jahre  1509  zurückgehen, 
den  er  an  seinen  Freund  Urban  in  Georgenthal  schrieb, 
so  werden  wir  mit  Recht  annehmen  dürffen,  daß  Mutian 
dem  Reformator  in  dessen  Kampfe  gegen  den  Ablaßhandel 
vollkommen  beigestimmt  haben  wird ;  Mutian  erzählt  28) : 
Im  Jahre  des  Heils  1509  sei  ein  Bote  aus  dem  Kloster 
Fulda  vor  dem  Märzbußtag  in  das  Stift  nach  Gotha  ge- 
kommen, habe  dort  ein  Schriftstück  produziert  und  sofort 
seinen  Auftrag  kund  gethan,  dahin  gehend:  Verstorbene, 
deren  Namen  nur  auf  ein  Pergamentblatt  geschrieben  zu 
werden  brauchten ,  sollten  gegen  Zahlung  einer  Summe 
Geldes  Ablaß  auf  7  Jahre  erhalten,  resp.  aus  dem  Feg- 
feuer errettet  werden.  Ueber  diesen  „schmutzigen  Handel" 
macht  sich  Mutian  nicht  nur  in  einem  Gedichte  lustig, 
sondern  er  bekennt  auch:  beim  Erscheinen  dieses  fuldaischen 
Mönches  sei  er  höchst  erstaunt  gewesen  und  habe  gedacht, 
entweder  sei  der  Bote  verrückt,  oder  er  wolle  die  Stifts- 
herren zum  Besten  haben.  Es  sei  ihm  bei  dieser  Gelegen- 
heit zum  Bewußtsein  gekommen,  wie  leider  so  viele  sogar 
die  Religion  dazu  mißbrauchen,  um  sich  Geld  zu  verschaffen ; 
und  daß  dies  doch  die  schlimmste  Art  von  Habsucht  sei, 
die  unter  dem  Scheine  der  Frömmigkeit  ihr  unheilvolles 
Wesen  treibe. 

In  einem  Briefe  vom  6.  April  151929)  an  Justus 
M  e  n  i  u  s  kommt  Mutian  zum  erstenmal  auf  Melanchthon 
zu  sprechen,  und  was  er  von  demselben  sagt,  zeigt,  wie 
hoch  er  diesen  Mann  schon  um  diese  Zeit  stellte :  Mutian 
hatte  gehört,  Menius  wollte  nach  Wittenberg  gehen,  um 
dort  Melanchthon  zu  hören,  „wenn  das  wirklich  der 
Fall  ist,  dann   würdest   Du  ein  glücklicher  und  gesegneter 


28)  Gillert,  No.  151 ;  Krause,  No.  582. 

29)  GiUert,  No.  583 ;  Krause,  No.  629. 


zur  Zeit  der  Reformation.  41 

Mann  sein,  Melanchthon  hat  mir  neulich  einen  sehr 
beredten  und,  was  mir  ganz  besondere  Freude  gemacht 
hat,  einen  sehr  freundschaftlichen  Brief  geschrieben.  Ici 
habe  gesehn,  ja  ich  habe  gesehn,  daß  das  wirklich  wahr 
ist,  was  E  r  a  s  m  u  s  über  diesen  schwäbischen  Jüngling 
einst  verkündigte,  Nichts  sei  in  der  Wissenschaft  so  ver- 
steckt, daß  es  diesem  Manne  entgehn  könne.  Darum  viel 
Olück  zu  Deiner  Keise  nach  Wittenberg." 

Als  Luther  unmittelbar  vor  der  Leipziger  Disputation 
stand,  und  nachdem  er  im  Dezember  1518  an  Reuchlin 
und  am  28.  März  1519  an  Erasmus  geschrieben  hatte, 
dadurch  aber  öjBfentlich  mit  den  Humanisten  in  Verbindung 
getreten  war,  benutzt  Spalatin  diese  günstige  Gelegen- 
heit, um  Mutian,  seinen  Gothaer  Lehrer  und  Freund, 
völlig  für  Luther  zu  gewinnen.  Am  7.  Mai  1519  schreibt 
er  an  Mutian^o^:  „Ich  habe  Dir  ja  schon  über  unseren 
Dr.  Martin  Luther,  den  Augustiner,  geschrieben,  ich 
weiß,  daß  Du  demselben  zu  geneigt  bist,  als  daß  Du  diesem 
Manne  übelwollen  kannst,  zumal  er  ein  so  guter  Christ  ist, 
■der  keine  menschliche  Gefahr  fürchtet,  der  lieber  Alles 
erdulden  will,  um  nur  nicht  Christus  und  seine  Wahrheit 
und  seine  Lehre  zu  verleugnen.  Gott  sei  Dank,  mit  der 
wahren  und  heiligen  Gottesgelahrtheit  leben  all  die  schönen 
Wissenschaften  wieder  so  auf,  daß  wir  hoffen  dürfen,  es 
werde  bald  die  Zeit  kommen,  wo  wir  alle  die  schönen 
Künste    in    reiner   und    geläuterter  Gestalt  haben  werden." 

Wie  sehr  man  in  den  humanistischen  Kreisen  Deutsch- 
lands um  diese  Zeit  begierig  war  zu  erfahren,  wie  Mutian 
über  Luther  und  sein  Werk  denke,  geht  hervor  aus 
einem  Briefe,  den  Mutian  Ende  1519  81)  von  dem  damals 
hochberühmten  Juristen  und  Humanisten  Ulrich  Zasius 
in  Freiburg  erhielt.  Zasius  schreibt  darin:  „Wie  Du 
über  Luther,  den  edelsten  aller  Männer,  urtheilst  —  über 


30)  Gillert,  No.  584;  Krause,  No.  630. 

31)  Gillert,  No.  587 ;  Krause,  No.  631. 


42         lürchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

gute  Mänuer  kannst  Du  nicht  schlecht  urtheilen  —  möchte 
ich  gern  wissen.  Bei  uns  in  Deutschland  gehn  die  An- 
sichten über  diesen  Mann  —  ich  möchte  ihn  einen  Heros 
nennen  —  weit  auseinander.  Alles  was  in  unserem  Vater- 
lande für  die  reine  Lehre  ist,  das  folgt  Luther  ohne  Aus- 
nahme, nur  die  Partei  der  Mönche  und  derjenigen  Theo- 
logen, die  man  die  Scholastiker  nennt  -^  natürlich  viele 
brave  Männer  ausgenommen  —  wollen  ihn  verdammt 
wissen  ....  Ich  selbst  erkenne  Luther  zwar  an,  habe 
aber  doch  Einiges  an  ihm  auszusetzen."  Das  Auftreten 
Luthers  gegen  die  päpstlichen  Dekretalen  (wie  es  von 
Luther  in  seinen  Thesen  gegen  Eck  geschehen  war) 
könne  er  nicht  billigen.  „Sonst  kann  ich  über  Luther 
nicht  anders,  als  über  den  besten  aller  Männer  urtheilen, 
insofern  ich  durch  ihn  und  seine  Lehren  um  ein  gut  Theil 
besser  habe  Christus  folgen  lernen  ....  ich  werde  nicht 
gegen  ihn  schreiben,  eine  Sünde  würde  ich  thun,  wenn  ich 
auch  nur  mit  einem  Wort  ihn  tadeln  wollte." 

Die  Antwort  Mutians  an  Zasius  besitzen  wir 
nicht  mehr,  doch  erfahren  wir  aus  einem  Briefe  Mutians 
an  Lange  vom  15.  Mai  1520^2^^  (j^ß  Mutian  gerade  um 
diese  Zeit  das  Auftreten  Luthers  recht  günstig,  in  ganz 
ähnlicher  Weise  wie  Zasius  und  Pirckheimer  beurteilte. 
Mutian  schreibt:  „Zasius  erhebt  unsern  Luther  bis 
in  den  Himmel,  Pirkheimer  schreibt  über  denselben, 
wenn  er  auch  seinen  Namen  nicht  nennt:  zu  keiner  Zeit 
wird  man  vergessen  dürfen,  daß  die  Wittenberger  so  weise 
gewesen  sind,  daß  sie  nach  so  vielen  Jahrhunderten  die 
Augen  wieder  geöffnet  und  angefangen  haben  das  Wahre 
von  dem  Falschen  zu  scheiden  und  die  verkehrte  Art  zu 
philosophiren  von  der  christlichen  Philosophie  zu  trennen." 
Dann  giebt  Mutian  sein  eigenes  Urteil  dahin  ab,  daß  er 
sagt:  „Wer  aber  ragt  unter  diesen  Gelehrten  so  hoch  empor^ 
als  der  tapfere  Herold  Christi  —  Martin!" 


32)  Gillert,  No.  589;  Krause,  No.  633. 


zur  Zeit  der  Reformation.  43 

Voll  Anerkennung  redet  Mutian  über  die  Reforma- 
toren auch  in  einem  Briefe  an  Lange  vom  24.  Mai  1520^3) 
Erasmus  freilich  stellt  er  darin  noch  höher :  „Wir  wissen 
Alle,  die  wir  uns  glück  wünschen  zu  der  von  Erasmus 
bewirkten  Herstellung  der  Theologie,  wie  unendlich  viel 
Nutzen  die  göttlichen  Verdienste  des  Erasmus  der  Sache 
des  Christentums  gebracht  haben.  Von  diesen  sind,  wie 
aus  ihrer  Quelle  hervorgegangen  Männer  wie  Oecolam- 
padius,  Philipp,  Martin,  welch  große  Meister  der 
Wissenschaft!  Wie  würde  es  überhaupt  mit  den  rechten 
Studien  stehn  ohne  Erasmus,  der  doch  der  vorzüglichste 
Kenner  der  beiden  Sprachen  ist."  Am  Schluß  dieses  Briefes 
rühmt  Mutian  den  eleganten  Stil  in  dem  Schreiben  des 
Beatus  Rhenanus  und  des  Z a s i u s ,  den  niemand  er- 
reiche mit  Ausnahme  von  Philipp  Melanchthon,  der 
sei  ihm  nach  Erasmus  der  erste. 

In  einem  Briefe  an  Lange  vom  1.  Juli  1520  ^^)  kommt 
Mutian  noch  einmal  auf  die  Beurteilung  Luthers  durch 
Zasius  zu  sprechen:  „Über  Martin  denkt  Zasius 
nicht  schlecht,  er  weiß,  daß  derselbe  erfahren  ist  in  unserer 
Theologie,  sowohl  der  älteren,  wie  der  neuereu.  Er  weiß, 
was  für  ein  großes  Licht  des  Augustinerordens  derselbe 
ist,  er  weiß,  wie  unerschrocken  derselbe  die  Angriffe  Vieler 
aushält.  Klar  und  deutlich  hat  er  erkannt,  daß  dieser 
Mann  so  unschuldiger  Weise  durch  die  priesterlichen  Richter- 
sprüche für  schuldig  erklärt  wurde.  Es  weiß,  wie  sehr  die 
üble  Nachrede,  er  sei  ein  Anhänger  des  Hu  ß ,  auf  ihm  lastet, 
wie  viel  Haß  das  glückliche  Böhmen  über  ihn  bringt.  Er 
glaubt,  es  würde  der  Ruhe  und  Eintracht  der  Völker  dien- 
licher sein,  wenn  dieser  Vater  sich  innerhalb  der  friedlichen 
und  schweigsamen  Mauern  seines  Klosters  zurückhielte  und 
es  den  Weltgeistlichen  und  Landpriestern  überließe  das 
göttliche    Gesetz   zu    predigen."     Dann  fügt  Mutian  noch 


33)  Gillert,  No.  590;  Krause.  No.  634. 

34)  Gillert,  No.  594;  Krause,  No.  636. 


44      Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

seine  eigene  Ansicht  hinzu,  und  man  hört  aus  seinen  Worten 
heraus,  wie  ihm  das  immer  entschiedener  werdende  Auf- 
treten Luthers  gar  wenig  gelallt.  „Es  gibt  auch  andere, 
weder  gottlose,  noch  ungelehrte  Leute,  ihre  Namen  will 
ich  verschweigen,  die  da  meinen,  es  sei  verbrecherisch  und 
unfromm,  wenn  Leo,  der  Gipfelpunkt  apostolischer  Majestät, 
von  einem  Menschen,  mag  er  noch  so  fromm  sein,  herunter- 
gerissen wird.  Ich  für  meine  Person  werde  Keinem  bei- 
treten, der  auf  Zwietracht,  Schmähung  und  Streit  ausgeht. 
Für  Jeden  das  gleiche  Recht,  ohne  Unterschied  der  Person. 
Mögen  jene  Männer  (Luther  und  seine  Anhänger)  an  dem 
Heiligen  rühren,  rütteln  an  dem,  was  man  nicht  rütteln 
darf,  mögen  sie  die  eingeschläferten  Nänien  der  Böhmen 
wieder  wachrufen,  mögen  sie  die  Achtung  vor  dem  römischen 
Stuhle  verletzen,  mit  solcher  Frechheit  will  der  Mann  in 
der  Tranquillitas  nichts  zu  thun  haben,  der  nur  in  seinem 
Inneren,  nicht  nach  außen  sich  vorsieht ;  und  diese  Be- 
scheidenheit zeugt  von  einem  friedlicheren  und  vielleicht 
klügerem  Sinn." 

Doch  in  einem  Briefe  vom  1.  März  1521  ^^)  an  den 
Kurfürsten  Friedrich  den  Weisen  spricht  Mutian 
wieder  mit  großer  Verehrung  von  Luther,  da  er  den  für 
eine  Professur  in  Wittenberg  vorgeschlagenen  Justus 
Jonas  bei  dem  Kurfürsten  nicht  besser  zu  empfehlen 
weiß  als  dadurch,  daß  er  über  Jonas  meldet,  derselbe  sei 
sehr  bekannt  mit  Luther  und  überaus  geliebt  von  dem 
göttlichen  Martin,  er  sei  überzeugt,  daß  viel  Volks  sich 
um  Jonas,  diesen  Prediger  Christi,  scharen  werde,  um- 
ihn,  als  einen  zweiten  Luther,  zu  hören. 

Wenige  Wochen  nachdem  Mutian  diesen  Brief  an 
den  Kurfürsten  geschrieben  hatte,  kam  der  Tag,  der  den 
Höhe-  und  Glanzpunkt  in  dem  Zusammengehen  von  Humanis- 
mus und  Reformation  bezeichnet.  Am  6.  April  1521  hielt 
Dr.  Luther,  auf  seiner  Reise  nach  Worms,    seinen  feier- 


35)  GiUert,  No.  603;  Krause,  No.  643. 


zur  Zeit  der  Refonnation.  45 

liehen  Einzug  in  Erfurt,  wobei  ihm  fast  die  gesamte 
Universität  unter  der  Führung  ihres  Rektors  Crotus 
Rubianus  voller  Begeisterung  das  Geleit  gab.  Aber 
schon  3  Tage  später,  am  9.  April,  begann  das  Erfurter 
Pfaffenstürmen,  das  sich  am  10.  bis  12.  Juni  wiederholte,  und 
das  Prädikantenunwesen  machte  sich  nun  bald  in  einer  so 
abschreckenden  Weise  breit,  daß  Crotus,  der  bisher  in 
Erfurt  allen  voran  für  Luther  eingetreten  war,  nicht  nur 
für  immer  Erfurt  verließ,  sondern  auch  völlig  von  Luther 
abfiel.  Die  Universität  ging  ihrem  traurigen  Ruin  entgegen ^ 
und  die  Glieder  des  Mutianischen  Bundes  zerstreuten  sich 
über  ganz  Deutschland,  nur  wenige  von  ihnen  blieben  der 
Sache  Luthers  treu.  Da  ist  es  wohl  begreiflich,  daß  bei 
Mutian  die  anfängliche  hohe  Verehrung  für  Luther  und 
seine  immerhin  bedingte  Zustimmung  zu  Luthers  Auf- 
treten nunmehr  einer  Gereiztheit,  ja  einem  Unwillen  gegen 
Luther  Platz  macht. 

Über  diesen  Unwillen  und  die  Gereiztheit  M  u  t  i  a  n  s 
hören  wir  in  dieser  Zeit  die  intimsten  Freunde  Mutians 
klagen.  Eobanus  Hessus,  der  berühmte  Dichterkönig 
in  Erfurt,  neben  Heinrich  Urban  wohl  der  treueste 
Anhänger  Mutians,  hatte  den  Ausspruch  gethan  ^6) ; 
„Luther  und  Erasmus  haben  beide  der  Welt  den  Weg 
zur  reineren  Frömmigkeit  gezeigt,  Luther  aber  hat  diesen 
Weg  nicht  nur  gezeigt,  sondern  auch  betreten,  er  hat  die 
Hacke  zur  Hand  genommen,  um  den  Weinberg  Christi  zu 
roden,  darum  ist  er  größer  als  Erasmus",  nun  klagt 
Eobanus  Hessus  in  einem  Briefe  vom  1.  Juni  1521  an 
Spalatin^^):  „Unserem  Mutian  zürne  ich  beinahe,  weil 
er  in  allen,  an  seine  Freunde  gerichteten  Briefen  Martin 
angreift.  Ich  glaube,  unsere  Freunde  Urban  und  Crotus 
haben  Dir  früher  schon  darüber  geschrieben.  Wir  ver- 
zeihen   aber   dem   guten  Vater,   der  ja  in  seinem  einsamen 


36)  Krause,  Eobanus  Hessus,  Bd.  1,  S.  316. 

37)  Gillert,  No.  605,  Beilage  1. 


46  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Hause  (insula)  mehr  an  Ruhe,  als  an  solchen  Lärm  ge- 
wöhnt ist.  Wir  werden  abwarten,  wohin  solche  Tragödie 
führt,  ob  sie  nicht  etwas  als  Comödie  abschließen  wird,  und 
träumen  einstweilen  in  unserer  Weise  fort." 

In  ähnlicher  Weise  spricht  sich  Urban  am  30.  Juli 
1521  gegen  Spalatin  aus  3^):  „Du  hast^  mich  neulich  ge- 
scholten, lieber  Bruder,  als  ob  ich  dem  Evangelium  die 
Verehrung  verkleinerte  wegen  der  Tumulte,  die  doch  stark 
genug  waren  (er  meint  das  Pfaffenstürmen  in  Erfurt).  Ich 
ertrage  das,  wie  ich  muß,  geduldig  und  gestehe,  daß  ich 
so  in  einiger  Gemüthsaufregung  geschrieben  habe,  als  ich 
sah,  wie  Windbeutel  der  schlechtesten  Art ,  unter  Miß- 
brauch des  lutherischen  Namens,  ihr  Wesen  treiben ,  in 
Wirklichkeit  aber  auf  Nichts  weniger  als  auf  das  Evangelium 
Werth  legen.  Du,  lieber  Freund,  wohnst  an  einem  fried- 
lichen Hofe,  wohnst  mit  dem  besten  und  friedlichsten 
Fürsten  zusammen,  würdest  Du  hier  (in  Erfurt)  wohnen. 
Du  würdest  wahrscheinlich  anders  denken.  Den  Dr.  Martin 
verehre  ich  als  den  gelehrtesten  und  treuesten  Herold  des 
Evangeliums,  aber  Streitigkeiten,  Parteiungen  und  Aufruhr 
muß  ich  verabscheuen.  Ich  habe  es  gesehn,  lieber  Bruder, 
ja  ich  habe  es  gesehn  jenes  grausame  Edict  König  Karls 
gegen  Martin  und  alle  Anhänger  desselben.  Ich  begreife 
nicht,  warum  der  gute  Jüngling  so  grausam  sich  zeigen 
will    gleich    bei  Beginn    seiner  Herrschaft.     Der   gute    und 

große  Gott  helfe,  daß  dieser  Handel  ein  gutes  Ende  nehme 

Unser  M  u  t  i  a  n  wird  fortwährend  vorsichtiger,  dennoch  weiß 
ich  nicht,  ob  er  eine  Sünde  that,  als  er  den  E  r  a  s  m  u  s 
dem  Luther  vorzog." 

Diese  Bevorzugung  des  Erasmus  vor  Luther,  der 
M  u  t  i  a  n  in  einem  Briefe  Ausdruck  gegeben  hatte,  war 
ihm  von  den  feurigen  Wittenbergern  sehr  übel  genommen 
worden.  Die  Angriffe,  die  Mutian  deswegen  von  den 
Lutheranern  erfuhr,  werden  manches  zu  seiner  Verätimmung 


38)  GiUert,  No.  605,  Beilage  2. 


zur  Zeit  der  Reformation.  47 

gegen  Luther  beigetragen  haben.  Er  klagt  darüber  am 
13.  Juni  1521  seinem  Freund  Lange  in  Erfurt 8» ):  ^Ich 
habe  mich  ganz  der  Ruhe  befleißigt,  bin  fern  geblieben  allem 
Streit,  allem  Lästern,  allen  Wuthausbrüchen,  und  dennoch 
haben  sich  Leute  gefunden,  die  da  böse  und  grimmig  auf 
mich  sind  und  heftig  gegen  mich  in  meiner  Tranquillitas. 
Mit  schiefen  Urtheilen  und  falschen  Verdächtigungen  er- 
füllen sie  Alles.  Sie  mißbrauchen  meine  Gelassenheit,  als 
ob  ich  nicht  wüßte,  wodurch  christliche  Ruhe  von  heid- 
nischer sich  unterscheidet.  Sie  sollten  doch  billigerweise, 
wenn  sie  gelehrte  Leute  sein  wollen,  einen  einigermaßen 
gebildeten  Mann,  und  wenn  sie  ungelehrt  sind,  doch  einen 
demselben  Herrn  dienenden  Priester  schonen,  einen  Mann, 
der  ihnen  doch  wegen  der  Lauterkeit  seines  Charakters, 
vor  Allem  aber  wegen  seiner  Selbstbeherrschung  im  Leben 
lieb  und  theuer  sein  sollte.  Wir  sind  doch  Bürger  eines 
Reiches.  Oder  leben  die  Leute  in  Wittenberg  unter  einem 
anderen  Gesetz,  als  die  Leute  in  Gotha?  Ich  habe  Luther 
und  Staupitz  verehrt,  schon  ehe  Philipp  angestellt  war. 
Ich  habe  Gott  gebeten,  daß  er  der  fürstlichen  Universität 
(Wittenberg)  einen  griechischen  Lehrer  geben  möge.  Unsre 
Bitte  wurde  erhört.  Der  Fürst  hat  unsern  Wunsch  erfüllt, 
ist  dem  Schüler  Reu  eh  lins  günstig  gewesen.  Ich  lobe 
und  danke  fortwährend.  Spalatin  und  Jonas  können 
das  bezeugen.  Unter  diesen  Umständen  setzt  mich  das 
Gerede  in  Erstaunen:  es  seien  unter  der  Schaar  seiner 
Schüler  Etliche,  die,  indem  sie  von  der  Weisheit  ihres 
Lehrers  (Luther)  abfielen ,  kein  Bedenken  tragen  in 
unserer  Tranquillitas,  ich  weiß  nicht  was  für  .eine  Ver- 
wirrung, anzurichten.  Das  macht  die  Meinigen  traurig  .  . 
Meine  Lebenszeit  ist  bald  zu  Ende,  kämpfen  mag  ich  nicht. 
Graue  Haare  rathen,  wenn  auch  nicht  zur  Trägheit,  so  doch 
zur  Muße,  rathen  eine  den  Kämpfen  gegenüber  sanfte  Gemüths- 
art  an.    Nun  wird  mir  vorgeworfen,  daß  ich  in  einem  Briefe 


39)  Gillert,  No.  605 ;  Krause,  No.  644. 


48  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

den  Erasmus  und  den  Philipp  dem  Luther  vorge- 
gezogen  hätte.  Was  soll  ich  thun?  Habe  ich  kein  Recht 
freimüthig  meine  Meinung  zu  äußern.  Wenn  es  Jemand 
kränkt,  daß  ich  nicht  zu  schmeicheln  verstehe,  so  werde 
ich  meinen  Tadler  zu  ertragen  wissen.  Ich  folge  nicht  der 
von  Allen  gefaßten  Meinung.  Ich  folge  der  Auctorität 
Weniger.  Wenn  mich  nun  um  dieser  Sache  willen  der 
Haß  der  Lutheraner  trifft,  nun,  das  war  doch  vielleicht 
ein  leichter  und  verzeihlicher  Irrthum.  Du  wirst  das  doch 
nicht  für  einen  mit  "Vorbedacht  gethanen,  sondern  für  einen 
Ausspruch  halten,  der  mir  durch  die  Nothwendigkeit  zu 
antworten,  nur  aufgedrungen  wurde.  Denen  aber,  die  auf 
mich  Angriffe  machen,  magst  du  zu  Gremüthe  führen,  daß 
sie  aus  Mißgunst  mir  so  feindlich  gesinnt  sind  und  daß  ich 
immer  ein  Mann  sein  werde,  wie  die  Gebildeten  ihn  sich 
wünschen  und  wie  sie  selbst  einer  sein  wollen.  Hier  hast 
du  meine  Klage  und  meine  Vertheidigung." 

Dasselbe  Thema  wird  auch  noch  in  einem  anderen 
Briefe  an  Lange  aus  der  Zeit  bald  nach  dem  13.  Juli 
1521  von  Mutian  behandelt*"):  „Sollten  jene  Neuerer 
wirklich  so  große  Thoren  sein,  zu  glauben,  Mutian  sei  ein 
Feind  der  Lutheraner  ....  Ich  komme  ganz  gut  mit  den 
Lutheranern  hin,  nenne  mir  zwei,  die  ich  lieber  habe  als 
C  r  0 1  u  s  und  Jonas....  Es  ärgert  mich  aber  und 
ekelt  mich  an  die  Streitbegier  jener  Männer,  die  wegen 
eines  einzigen,  und  noch  dazu  leichthin  geschriebenen 
Briefes  sogar  aufgebracht  sind,  als  ob  ich  gar  keine  Rück- 
sicht zu  nehmen  hätte  auf  meine  Mitcanoniker,  auf  ihre 
Sitten,  auf  ihr  gegenwärtiges  Leben.  Thüren  werden  mit 
Steinen  eingeworfen,  Fenster  zertrümmert.  Wir  leben 
mitten  in  der  Barbarei.  Ich  würde  ein  Thor  sein,  wenn 
ich  behaupten  wollte,  ich  stimmte  den  wüthendea 
Lutheranern  zu.  Die  heiligen  Väter  (Mutians  Mit- 
canoniker) würden  mich  in  nächtlicher  Wuth  todtschlagen^ 


40)  Gillert,  No.  606;  Krause,  No.  645. 


zur  Zeit  der  Reformation.  49 

deshalb  mögen  mir  nun  die  guten  Lutheraner  verzeihen. 
Ich  rufe  euer  Wohlwollen  und  eure  Klugheit  an.  Wenn 
ihr  an  meiner  Stelle  wäret,  ihr  guten  Leute,  was 
würdet  ihr  anders  thun  ?  Lebe  wohl  und  hemme  den  Angriff 
der   philippischen  Horde;    Auf!    gegen   die  Feinde,  Ich  bin 


euer 


t" 


Einen  neuen  Anlaß,  auf  die  „Lutheraner"  böse  zu  sein, 
fand  Mutian,  der  ein  heftiger  Antisemit  war,  in  dem  Um- 
stand ,  daß  auf  Luthers  Veranlassung  ein  Gelehrter 
jüdischer  Abstammung,  daß  Johann  Böschenstein 
als  Lehrer  der  hebräischen  Sprache  1518  nach  Wittenberg 
berufen  worden  war.  Noch  1524,  als  Böschenstein 
schon  längst  wieder  von  Wittenberg  fort  war,  schreibt 
Mutian  in  sehr  erregter  Weise  und  mit  viel  Übertreibung 
im  Februar  1524*1)  an  Erasmus:  „Es  schaden  die  schlechten 
christlichen  Hebräer,  indem  sie  unter  dem  Schein  der 
Frömmigkeit    die    einfache    Gläubigkeit    mit    wunderbarer 

Hinterlist    verderben Derjenige  Staat   begeht   nach 

meiner  Meinung  einen  großen  Fehler,  der,  um  Geld  auf 
Zinsen  zu  legen,  Juden  aufnimmt,  und  nicht  minder  irren 
diejenigen,  die  einen  getauften  Juden  an  die  Spitze  öffent- 
licher Unterrichtsanstalten  stellen.  Dieses  Geschlecht  strömt 
bei  Luther  zusammen,  es  erteilt  Ratschläge  und  wird 
hoch  geschätzt.  0  über  die  Zeiten  und  Sitten !  Das  alte  Testa- 
ment sollten  weniger  Verdächtige  auslegen.  Uns  möge 
erlaubt  sein,  nach  unserer  Väter  Art  Christum  zu  ehren 
und  unschuldig  zu  leben."  ♦Nachdem  Mutian  dem  Eras- 
mus den  Erfurter  Lehrer  Martin  Hunus,  als  Über- 
bringer dieses  Briefes,  empfohlen  hat,  fährt  er  fort:  „Dieser 
Hunus  haßt  den  Aufruhr  und  die  bösen  Männer,  die  auch 
Du  für  allzu  verwildert  hältst.  Der  weiß,  das  Luther  nur 
durch  Philipp  berühmt  geworden  ist,  der  kennt  die 
Frechheit  (audaciam)  des  Hütten  (früher  war  Mutian 
ganz  anders  auf  Hütten  zu  sprechen  gewesen).     Er  liebt 


41)  Gillert,  No.  620;  Krause,  No.  658. 
XXI. 


50  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Dich  leidenschaftlich,  hängt  dem  E  o  b  a  n  und  U  r  b  a  n  an, 
Beide  empfehle  ich  Dir.  Jonas,  Schalbus,  Draco 
(damals  Pfarrer  in  Waltershausen),  Crotus  sind  von  unserem 
Bunde  zu  den  Lutheranern  abgefallen.  (Der  Gesinnungs- 
wechsel des  Crotus  war  damals  also  dem  M  u  t  i  a  n  noch 
nicht  bekannt.)  Eoban  allein  hat,  aufbiein  Mahnen  hin, 
wieder  Vernunft  angenommen  (diesem  Urteil  würde  Eoban 
aber  durchaus  nicht  beigepflichtet  haben,  er  wollte  damals 
als  guter  Lutheraner  gelten).  Die  anderen  mögen  hingehen 
und  die  Menschen  verletzen,  ich  liebe  die  fanatischen  Stein- 
werfer nicht  ....  Sie  rufen  die  Nonnen  auf  und  wüten 
wie  Unsinnige;  mir  bringt  unterdessen  in  meiner  Tran- 
quillitas  die  Lektüre  des  E  r  a  s  m  u  s  Nutzen  und  Ver- 
gnügen." 

Das  zu  Pfingsten  1524  in  Gotha  stattfindende  Pfaffen - 
stürmen  wird  in  dem  Briefwechsel  nicht  ausdrücklich  er- 
wähnt, aber  schon  vor  diesem  Tumult  befindet  sich  Mutian 
in  so  dürftigen  Verhältnissen,  daß  er  den  mit  einigen  Be- 
gleitern auf  der  Reise  nach  Bretten  in  Gotha  einkehrenden 
Melanchthon  nicht  bei  sich  aufnehmen  und  bewirten 
kann.  Darüber  klagt  er  betrübt  in  einem  Briefe  an 
Game  rar  vom  16.  April  1524  ^2):  „Was  soll  ich  klagen? 
das  ist  nicht  meine  Art,  ich  kann  es  nicht,  es  schickt  sich 
nicht  für  mich.  Schmerzen  thut  es  mich  aber  doch,  daß 
ich,  meiner  langjährigen  Gewohnheit  entgegen,  zu  dem 
(Melanchthon)  kommen  mußte,  dessen  Begleiter  Du  warst, 
denn  viel  lieber  wäre  es  mir  gewesen,  Euch  zu  mir  ein- 
zuladen und  in  der  Gelehrtenherberge  aufzunehmen,  Euch 
mit  Wein  und  mit  einer,  wenn  auch  nicht  pontificalen,  so 
doch  mit  einer  bürgerlichen  (proletario)  Mahlzeit  zu  be- 
wirten." Die  Armut  habe  ihn  aber  daran  verhindert.  „Deinen 
Melanchthon,  nein,  unseren  Melanchthon,  der  weißer 
ist  wie  Schnee,  habe  ich  gesehen,  gesprochen,  umarmt  mit 
großer  Freude."     Am    Schluß    des  Briefes    ermahnt   er   den 


42)  Gillert,  No.  622;  Krause,  No.  660. 


zur  Zeit  der  Reformation.  5J 

Game  rar,  treu  bei  seinen  Studien  zu  verbleiben,  eine 
frühere  Zeit  habe  die  Wissenschaft  in  Nebel  gesehen,  jetzt 
aber  scheine  .  die  Sonne  hell,  „aber  ein  neuer  Sturm  mit 
seinen  Schrecken  ist  jetzt  im  Anzug,  daran  ist  aber  nicht 
die  Zeit  schuld,  sondern  daran  sind  die  Menschen  schuld". 

In  einem  Briefe  vom  9.  Mai  1524*^^  hören  wir  Sp  a  1  atin 
wiederum  einmal  den  Mutian  bitten,  er  möge  doch  der 
evangelischen  Sache  nicht  abhold  sein.  „Lebe  wohl",  ruft 
er  ihm  zu,  „lebe  wohl  mit  Urban  und  sei  dem  Evangelium 
und  in  aller  Weise  auch  uns  günstig  gesinnt." 

Mittlerweile,  etwa  August  1524,  war  Myconius  in 
Gotha  eingezogen.  Wie  sich  des  näheren  das  Verhältnis  _ 
zwischen  Mutian  und  Myconius  gestaltet  hat,  darüber 
fehlen  uns  die  Nachrichten.  In  seiner  Reformationgeschichte 
erwähnt  Myconius  später  den  Mutian  nur  mit  folgendem 
kurzen  Satze  *^):  Gott  hat  „ohne  Zweifel  viel  gelerter 
Bürger  und  sonderlich  Henricum  de  Frimaria ^^)^  der 
in  Sentensias  geschrieben,  auch  Do  et  crem  Chunradum 
R u f f  u m  Mucianum  einen  gelehrten  Philosophum  gehabt." 
Daß  aber  beide  Männer  sich  miteinander  begrüßt  haben  und 
daß  Myconius,  ebensowenig  wie  der  Kanzler  Brück,  die 
Hoffnung  aufgegeben  hatte,  es  werde  bei  Mutian  doch 
noch  ein  Wechsel  in  der  Gesinnung  eintreten,  geht  aus 
einem  Briefe  des  Myconius  an  Brück  vom  10.  Ok- 
tober 1624*6)  hervor.  „Es  trat  an  an  mich  heran  Mutian, 
der  berühmte  Tranquillarier,  und  brachte  seine  ganze  Ge- 
sinnung (totam  mentem)  ^um  Ausdruck  in  einem  einzigen 
Psalmspruch  (Ps.  34,  4).  Er  gab  mir  die  Hand  und  sagte : 
Magnificate   Dominum    mecum,    Mecum,    ut    nusti,    meum 

43)  Gillert,  No.  621 ;  Krause,  No.  659. 

44)  Fr.  Myconii  hist.  Reformationis,  ed.  E.  Sal.  Cyprian,  Gotha 
1715,  S.  100. 

45)  Th.  Kolde,  Die  deutsche  Augustiner -Congregation  etc., 
Gotha  1879,  S.  42  ff.,  48  ff.  Beyer;  Heinrich  von  Fnemar,  in  JMit- 
teilungen  des  Vereins  für  Geschichte  u.  Altertumskunde  in  Erfurt, 
Heft  0,  1871;  Sagittar.  bist.  Goth.,  S.151,  159,  Tenzel;  Supplem. 
reUq.  HI,  S.  49—57. 

46)  Gillert,  No.  621,  Beilage. 

4* 


52  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

cognomen  est,  als  ich  ihm  darauf  antwortete:  Das  werde 
ich  thun  nach  besten  Kräften,  die  der  darreichen  wird, 
dessen  Sache  wir  führen  —  Christus,  —  fiel  jener  wieder 
ein:  laßt  uns  seinen  Namen  erheben;  ich  antwortete:  Ihm 
allein  gebühret  Lob,  Ehre  und  Preis,  daß  ihn  alle  seine 
Kreaturen  erheben.  So  sind  wir  in  Frieden  voneinander 
geschieden.  Dies  wollte  ich  Dir  erzählen,  verehrter  Mann, 
weil  ich  weiß,  wie  sehr  Dein  christlicher  Geist  wünscht, 
daß  Mutian  dem  Evangelium  wohlgesinnt  sei.  Er  ist  ihm 
wohlgesinnt.  Der  Herr  gebe,  daß  einst  dieses  Licht  auf 
den  Leuchter  gesetzt  werde;  es  wird  geschehen,  wenn  es 
dem  Herrn  gefällt." 

Wenn  Mutian,  wie  wir  gehört  haben,  in  einem  Briefe 
vom  16.  April  1524  „einen  neuen  Sturm  mit  seineu 
Schrecken"  prophezeite,  so  sollte  diese  Vorausverkündigung 
nur  zu  bald  sich  erfüllen.  Nach  wenigen  Wochen  erfolgte 
das  Pfaffenstürmen  und  nach  kaum  Jahresfrist  der  Bauern- 
krieg mit  all'  seinem  Verderben. 

Mitten  unter  den  Schrecken  dieses  Bauernkrieges,  am 
27.  April  1525*'')  schrieb  Mutian  an  den  Kurfürsten,  von 
•dem  er  so  viel  Gunstbezeugungen  erhalten  hatte,  und  fleht 
ihn  um  Beistand  und  Unterstützung  an.  „Großmächtigster 
Purst  und  Herr!  Meine  Seele  ist  betrübt  bis  in  den  Tod. 
So  gewaltsam,  so  schrecklich,  so  grausam  verheert  das  rohe 
Landvolk,  ohne  Sitte,  ohne  Gesetz,  ohne  Religion  die  heiligen 
Tempel  unseres  Gottes  ....  Ein  jammervolles  Schauspiel 
gewähren  die  umherirrenden  Nonnen  und  Priester,  die  nicht 
freiwillig,  sondern  aus  Purcht,  von  den  Tempelschändern 
gesteinigt  zu  werden,  ihre  heiligen  Wohnsitze  verließen. 
Ich  Elender,  Unglückseliger,  schon  alternd  und  mit  grauem 
Haupte,  sehe  mich  genötigt  zu  betteln.  Unter  dem  groß- 
mütigsten und  löblichsten  Fürsten  muß  ich  bei  dem  äußersten 
Mangel  an  allem  Notwendigen  vor  Bekümmernis  sterben." 
In  seiner  Arglosigkeit  habe  er  sich  nichts  dergleichen  ver- 


47)  Gillert,  No.  625;  Krause,  No.  663. 


zur  Zeit  der  Beformacion.  53' 

sehen,  obwohl  er  jetzt  aus  den  Briefen  glaubwürdiger  Leute 
erkenne,  daß  die  Reichsstädte  es  seien,  die  unter  dem  Schirm 
des  Evangeliums  und  mit  Hilfe  der  Juden  die  Bauern  auf- 
reizen, in  der  Absicht,  nicht  allein  die  bischöflichen,  sondern 
auch  die  fürstlichen  Stühle  umzustürzen,  um  nach  Aus- 
rottung aller  erlauchten  Familien  einen  Volksstaat,  eine 
Republik  nach  dem  Vorbilde  der  Venezianer  oder  der  alten 
Griechen  zu  errichten  ....  „Diejenigen  täuschen  sich,  die 
da  meinen,  die  aufrührerischen  Bauern  tobten  nur,  um  den 
Clerus  zu  vernichten,  da  die  List  der  Reichsstädte  vielmehr 
darauf  aus  ist,  den  Zusammensturz  und  den  Untergang  des 
ganzen  Reiches  herbeizuführen,  d.  h.  gegen  die  Fürsten  zu- 
toben, die  zu  quälen,  die  in  Verwirrung  zu  bringen,  welche 
jene  Krämer  verächtlich  reine  Tyrannen  nennen  ....  Die 
Gewalt  der  unerfahrenen  Menge,  einmal  erregt,  ist  nicht 
so  leicht  im  Zaum  zu  halten  ....  Wenn  auch  die  Stifte 
zu  Eisenach  und  zu  Gotha  niemals  wiederhergestellt  werden, 
möge  es  mir  erlaubt  sein,  dem  Einfältigsten  und  Geringsten, 
in  diesem  Ruhesitz  (der  Tranquillitas),  den  ich  mir  gekauft, 
den  ich  mit  Büchern  ausgeschmückt,  den  ich  mir  zum 
sicheren  Zufluchtsort  in  meinen  alten  Tagen  ausersehen  habe, 
bis  an  das  Ende  meines  Lebens  zu  bleiben.  Auch  wenn 
die  Tempel  geschlossen,  die  heiligen  Bräuche  abgeschafft, 
die  Altäre  umgestürzt  sind,  werde  ich  Dich,  meinen  besten 
Schutzherrn  im  Tempel  meines  Herzens,  im  Evangelium,  in 
ewigem  Andenken  verehren.  Alter  und  Leibesschwachheit 
gestatten  mir  nicht  zu  wandern.  In  Gotha,  gütigster  Vater, 
in  Deinem  Gotha,  wo  ich  harmlos  22  Jahre  gelebt,  niemanden 
gekränkt,  aber  gedient  habe,  wem  ich  konnte,  "möchte  ich 
meine  alten  Tage  zubringen  ....  aber  dieses  Lebens  Not- 
durft wird  mir  gebrechen,  die  geistlichen  Einkünfte  sind 
aufgehoben.  Wovon  soll  ich  Unglücklicher  leben?  Durch- 
lauchtigster Fürst,  ich  werde  mit  wenigem  zufrieden  sein. 
Doch  ehrenwerten  und  gelehrten  Gästen  möge  mein  Haus  offen 
stehen.  Laß  mich  Brod  haben  und  etwas  Weniges  an  Geld 
für  Zukost.    Ich  bin,  ich  gestehe  es,  in  nicht  unbedeutende 


54         Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Schulden  geraten,  denn  ganze  vier  Jahre  ist  aus  Gerstungen 
keine  Zinsfrucht  gekommen.  Ich  kaufe  das  Brod  vom 
Bäcker,  den  Wein  von  der  Stadt.  Und  freilich  ein  sorg- 
fältiger Hauswirt  bin  ich  nicht,  wie  ja  solche  Unbedacht- 
samkeit den  Gelehrten  eigen  ist.  Demütig  falle  ich  Dir 
zu  Füßen  und  umfasse  deine  Knie,  meine  Rettung  liegt  in 
Deinen  Händen  ....  Deine  fromme  Weisheit  wird,  so  hoffe 
ich,  mir  eine  jährliche  Unterstützung  auswerfen,  damit  ich 
unter  dem  Schatten  Deiner  Flügel  den  Rest  meiner  Tage 
ohne  Furcht  und  Sorge  zubringen  kann.  Mögen  andere 
mit  dem  Klang  ihrer  Stimme  lehren,  ich  will  durch  Milde, 
Geduld,  Liebe  und  gutes  Beispiel,  durch  Wandel  nach 
evangelischer  Ordnung  und  christlicher  Lebensregel,  so- 
lange ich  lebe,  die  Gläubigen  zu  unterweisen  nicht  auf- 
hören." 

Dieser  Brief  wurde  dem  Kurfürsten,  der  am  5.  Mai 
1525  starb,  noch  in  seiner  Sterbestunde  von  Spalatin 
vorgelesen. 

Nach  einem  Briefe  des  Justus  Menius  an  Myco- 
nius  vom  24.  Juni  1525*^)  scheint  Mutian  in  seiner  ver- 
zweifelten Lage  damit  umgegangen  zu  sein,  sich  selbst  das 
Leben  zu  nehmen.  Menius  schreibt :  Myconius  könne 
gar  nicht  glauben,  wie  schwer  es  ihm  (Menius)  geworden 
sei,  seinen  Onkel  (den  Mutian)  von  seinem  Vorsatz  ab- 
zubringen, und  knüpft  daran  die  Bitte,  Myconius  möge 
doch  alles  thun,  was  er  könne,  um  die  Bauern  zu  veran- 
lassen, die  dem  Mutian  schuldigen  Zinsfrüchte  (es  scheint 
sich  um  Dezemfrucht  aus  Eschenbergen  gehandelt  zu  haben) 
unverkürzt  zu  zahlen. 

Am  28.  Juni  1525  wendet  sich  Mutian*^)  brieflich 
an  den  Kanzler  Brück  und  schildert  demselben  die 
mancherlei  Schädigungen  an  seinem  Einkommen,  das  er  von 
der  Pfarrei    zu  Gerstungen,    das    er    als  Domherr   am  Stift, 


48)  Gillert,  No.  625,  Beilage  3. 

49)  Gillert,  No.  626. 


zur  Zeit  der  Reformation.  55 

und  das  er  als  Vikar  an  einem  Altar  der  St.  Jakobskapelle 
in  Gotha  zu  beanspruchen  habe.  „Ich  hatte",  scheibt  er, 
„diesen  Altar,  aber  ich  habe  ihn  jetzt  nicht  mehr,  weil  die 
Hände  der  Tempelschänder  zugleich  mit  den  übrigen  Altären 
auch  diesen  meinen  Altar,  den  ich  mit  sehr  wertvollen  Bild- 
nissen ausgeschmückt  hatte,  zerstört  haben,  in  der  Meinung, 
sie  könnten  sich  auf  diese  Weise  der  auf  diesen  Altären  ruhen- 
den Abgaben  und  Dotationen  entziehen.  So  blind  ist  die  Hab- 
sucht der  Menschen.  Gott  sei  Dank,  daß  Du  mir  noch  günstig 
bist.  Götter  und  Göttinnen  mögen  die  Gesellschaft  der 
falschen  Propheten  verderben.  Ich  bin  niemals  vom  Evan- 
gelium abgefallen,  niemals  den  wütenden  Theologen  bei- 
getreten. Ich  bin  nicht  abhängig  vom  Papst  (papalis). 
Nichts  hat  mir  der  Papst  gegeben,  fast  alles  der  erlauchte 
Fürst,  deshalb  müßt  ihr  Männer  vom  Hof  mich  nun  auch 
schützen  im  Besitze  dessen,  was  mir  durch  die  Liebe  des 
Fürsten  von  meinen  Einkünften  noch  übrig  geblieben  ist." 

Endlich  sind  die  aufständischen  Bauern  gestillt,  darüber 
spricht  am  I.August  Eobanus  Hessus^")  dem  Mutian 
seine  Freude  aus  „Wir  freuen  uns  hier  (in  Erfurt),  daß 
eure  Plünderer  mit  der  augedrohten  Strafe  belegt  worden 
sind,  das  wird  heilsam  wirken  auf  alle  Uebrigen,  die  das- 
selbe versuchen  wollen.  Wir  wünschen  euch  und  uns  dazu 
Glück.  Deine  Standhaftigkeit  mitten  in  der  gefahrvollen 
Lage,  mitten  in  der,  durch  ganz  Deutschland  hin,  sich  breit 
machenden  Thorheit,  bewundern  alle  guten  Menschen.  Wir 
erheben  dich  mit  LobsprtJchen  bis  in  den  .Himmel,  so  oft 
auf  Dich  die  Rede  kommt,  und  sie  kommt  oft  auf  Dich  in 
Freundeskreisen,  bei  gemeinsamen  Trinkgelagen  und  bei 
sonstigen  Zusammenkünften." 

Am  6.  März  1526  macht  Urban  dem  Spalatin^^) 
Mitteilung  über  das  Schicksal  der  durch  den  Bauernkrieg 
aus   ihren  Klöstern   vertriebenen  Georgenthaler   und   Rein- 


50)  GiUert,  No.  627;  Krause,  No.  664. 

51)  GiUert,  No.  625,  Beilage  2. 


56  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

hardsbrunner  Mönche  und  erzählt  von  Mutian:  „Die 
Georgenthaler  Mönche  (sie  hatten  sich  bisher  im  Georgen- 
thaler Hof  zu  Erfurt,  den  TJ  r  b  a  n  verwaltete,  aufgehalten) 
sind  am  Tage  Maria  Reinigung  auf  Befehl  des  ehrenwerten 
Johann  Gräfendorf  nach  Gotha  übergesiedelt,  um  zu- 
sammen mit  den  Mönchen  von  ßeinhardsbrunnen  und  den 
Aurelianern  (das  sind  die  Gothaer  Augustiner)  in  dem 
Augustinerkloster  den  Rest  ihres  Lebens  zuzubringen.  Das 
ist  mir  sehr  nach  Wunsch  gewesen,  denn  äußerst  lästig  war 
es  für  mich,  besonders  bei  meinem  Kranksein,  mitten  unter 
so  viel  Lärm  und  Trubel  und  anderen  Unannehmlichkeiten, 
von  denen  ich  lieber  nicht  reden  will,  zu  leben.  Du  fragst, 
wie  unser  Mutian  Dir  gesinnt  ist.  Sehr  gut  ist  er  Dir 
gesinnt.  Warum  sollten  wir  den  als  Ehemann  (Spalatin 
hatte  sich  soeben,  unter  lebhaftem  Widerspruch  der  In- 
sassen des  Georgenstiftes  zu  Altenburg,  dessen  Domherr  er 
war,  verheiratet)  nicht  lieben,  den  wir  als  Unverheirateten 
verehrt  haben?  Ich  würde  in  der  That  auch  eine  Erau 
nehmen,  wenn  mich  nicht  meine  schwache  Gesundheit  und 
das  höhere  Alter  davon  abhielte.  Vieles  an  dem  Cölibat, 
besonders  dem  der  Mönche,  mißfällt  mir,  obwohl  Mutian 
anders  darüber  denkt.  Unser  Kurfürst  hat  dem  Mutian 
40  Goldgulden  geschenkt,  das  hat  mich  über  die  Maßen  ge- 
freut, möchte  doch  diese  günstige  Gesinnung  gegen  Mutian 
eine  recht  lange  andauernde  sein.  Er  ist  ein  armer,  aber 
so  unschuldiger  Mann." 

Nicht  mehr  lange  hat  Mutian  die  Gunst  seines  neuen 
Kurfürsten  bedurft.  Schon  wenige  Tage,  nachdem  U  r  b  a  n 
obiges  schrieb,  ist  Mutian,  54  Jahre  alt,  gestorben.  Er 
entschlief  am  Karfreitag,  den  30.  März  1526,  nachdem  er 
noch  am  Tage  vor  seinem  Tode  geschrieben  hatte  ^^):  „Vieles 
weiß  der  Bauer,  was  der  Philosoph  nicht  weiß.  Christus 
ist  für  uns  gestorben,  er  ist  unser  Leben,  das  glaube  ich 
gewiß."     Sein    alter  Freund  Crotus,    der   sich    damals   in 


52)  Krause,  Briefwechsel,  S.  LXV. 


zur  Zeit  der  Beformation.  57 

der  Nähe  von  Königsberg  i.  P.  aufhielt,  berichtet  über 
seinen  Tod '^3);  ^^Bei  zunehmender  Schwäche  sagte  er  Tag, 
ja  fast  Stunde  seines  Todes  voraus,  und  als  er  den  Tod 
nahen  fühlte,  ließ  er  sich  von  seinem  Diener  Marcel lus 
Regius  (dieser  war  später  Lehrer  in  Wittenberg)  einige 
Psalmen  und  Abschnitte  aus  den  Paulinischen  Briefen  über 
Christi  Verdienst  und  Auferstehung  vorlesen,  betete  da- 
zwischen um  Standhaftigkeit  und  Verachtung  des  Todes. 
Keine  Angstrufe  hörte  man,  man  bemerkte  kein  unruhiges 
Hin-  und  Herwerfen  des  Körpers.  Mit  göttlicher  Hülfe 
überwand  er  die  Bitterkeit  des  Todes.  Er  soll  gesagt 
haben :  „Erbarmer  Christus,  blicke  auf  Deinen  Knecht"  und . 
nachher:  „Dein  Wille  geschehe".  Das  war  sein  letztes 
Wort,  dann  entschlief  er  und  lag  ruhig,  wie  ein  Schlafender, 
nicht  wie  ein  Toter," 

Danach  werden  wir  wohl  behaupten  dürfen,  Mutian 
ist  zwar  nicht  als  „Lutheraner",  aber  doch  mit  dem  von 
ihm  so  lange  vergeblich  gesuchten  Frieden  im  Herzen  ge- 
storben. 

Eine  ganz  ähnliche  Stellung  wie  Mutian  nahm  auch 
dessen  treuester  Freund  Urban  der  reformatorischen  Be- 
wegung gegenüber  ein.  Briefe,  die  dieser  Ökonomus  im 
Kloster  Georgenthal  und  dann  Verwalter  des  Georgenthaler 
Hofes  in  Erfurt  in  den  Jahren  1524  und  1526  an  Spalatin 
schrieb,  sind  wohl  wert,  hier  noch  mitgeteilt  zu  werden,  sie 
zeigen,  wie  es  auch  ihm  recht  schwer  wurde,  in  die  neue 
Zeit  sich  einzuleben.  Am  14.  Februar  1524  5*)  bittet 
Urban  den  Spalatin  um  Auskunft  darüber,  was  auf  dem 
„berühmten  Konvent  der  Fürsten"  (der  Nürnberger  Reichs- 
tag von  1524  ist  gemeint)  verhandelt  werde.  „Man  sagt, 
der  König  von  England  sei  nach  Nürnberg  gehommen  und 
ebenso  auch  ein  Gesandter  Karls  V.  Wenn  doch  die 
Fürsten  alle  Kraft  anspannen  wollten,  um  Eintracht  in  der 
christlichen    Religion    wieder    herzustellen.     Überall    unter 

53)  Krause,  Briefwechsel,  S.  LXV. 

54)  GiUert,  No.  620,  Beilage  1. 


58  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

den  Volksstämmen  wird  schrecklich  tumultuiert.  Du  schriebst 
mir  neulich,  die  Schweiz  neige  bald  hierhin,  bald  dorthin 
und  doch  stehe  sie  auf  Seiten  des  Evangeliums.  Das 
scheint  mir  aber,  mit  Deiner  Erlaubnis,  kämpfen  zu  heißen, 
wie  stehen  die  denn  zum  Evangelium,  die  so  wetterwendisch 
bald  hierhin,  bald  dorthin  sich  neigen,  und  zwar  dahin, 
wo  gerade  die  meiste  Aussicht  auf  schmutziges  Geld  ist. 
Wahr  ist  der  Ausspruch  des  Dichters:  „Bei  denjenigen 
Menschen  ist  kein  Treu  und  Glaube,  die  dem  großen 
Haufen  folgen"  (qui  castra  sequuntur).  Die  halte  ich  nicht 
für  Christen,  die,  von  schmutziger  Geldgier  verleitet,  das 
Schwert  gegen  die  Brust  des  um  mich  verdienten  Bruders 
zücken.  Gott  verleihe  uns  seine  Gnade,  daß  wir  nicht  nur 
dem  Namen  nach,  sondern  mit  der  That  Evangelische  sind. 
Mutian  empfing  in  diesen  Tagen  durch  den  Beistand  des 
ehrenwerten  Gräfendorf  und  des  Herrn  Kanzlers 
(Brück)  16  Gulden  aus  der  Pfarrei  zu  Wira." 

Am  7.  März  1524  55)  spricht  Urban  dem  Spalatin 
den  Wunsch  aus,  ihn  zu  sehen  und  zu  sprechen,  vor  allem 
ihn  darüber  um  Rat  zu  fragen,  ob  er  (U  r  b  a  n)  denn  noch 
immer  mitten  unter  den  trinklustigen,  liederlichen,  un- 
ordentlich herumbummelnden  Klosterbrüdern  bleiben  müsse. 
„Ich  hatte  schon  gehofft,  es  werde  ein  Dekret  der  Fürsten 
in  Nürnberg  kommen,  nach  welchem  es  jedem  erlaubt  würde, 
das  Kloster  zu  verlassen,  ohne  dadurch  sich  Schande  zu- 
zuziehen. Aber  ich  höre,  die  guten  Fürsten  haben  nichts 
darüber  bestimmt,  haben  nur  Privatsachen  verhandelt,  sind 
untereinander  uneins  gewesen,  und  der  Kurfürst  ist,  unwillig 
darüber,  abgereist.  Ob  das  wahr  ist,  möchte  ich  gern 
wissen  und  ob  es  noch  etwas  anderes  giebt,  was  ich  dem 
Mutian  mitteilen  kann."  Nachdem  Urban  noch  gebeten 
hat,  dem  Kanzler  Brück  und  dem  Kämmerer  Gräfen- 
dorf dafür  zu  danken,  daß  sie  dem  Mutian,  „gewiß  auf 
Spalatins  Verwendung  hin",    die  aus  zwei  Jahren   rück- 


55)  Gillert,  No.  620,  Beilage  2. 


zur  Zeit  der  Reformation.  59 

ständige  Pfarrbesoldung  aus  Wira  verschafft  haben,  auch 
noch  nach  E  r  a  s  m  u  s  und  Hütten  gefragt  hat,  schließt  er 
mit  der  Bitte,  ihn  wissen  zu  lassen,  was  für  den  glücklichen 
Stand  der  Dinge,  besonders  für  den  lutherischen  Handel, 
zu  hoffen  sei. 

Ein  Brief  Ufbans  vom  20,  November  1524  5«)  an 
Spalatin  zeigt,  wie  man  in  der  Umgebung  M u t i a n s 
über  Thomas,  Münzer  und  über  den  Streit  zwischen 
Luther  und  Erasmus,  den  freien  Willen  betreffend, 
dachte:  „Ich  schicke  Dir  den  Brief  des  Thomas  Münz  er 
wieder  zurück.  Nichts  Verworreneres,  nichts  Dunkleres 
habe  ich  je  gelesen.  Man  sagt,  der  Mensch  sei  aus  Mühl- 
hausen vertrieben  worden,  und  wo  sich  Karlstadt  jetzt 
aufhält,  weiß  man  hier  durchaus  nicht.  Den  Brief  des 
Erasmus  an  Dich  und  sonstige  Neuigkeiten,  die  Du  mir 
geschickt  hattest,  habe  ich  dem  M  u  t  i  a  n  und  anderen  guten 
Freunden  mitgeteilt.  Sehr  begierig  bin  ich,  zu  sehen  und 
zu  lesen,  was  Dr.  Luther  oder  Du  gegen  den  freien 
Willen  zu  schreiben  haben  werdet.  Einige  meinen,  Luther 
habe  dem  Erasmus  nichts  zu  antworten  und  könne  ihm 
auch  nichts  antworten.  Auch  Mutian  sagt,  Erasmus 
habe  sehr  gelehrt  (eruditissime)  zu  Gunsten  des  freien 
Willens  geschrieben.  Ich  kann  über  so  hohe  Dinge,  weil 
sie  über  meine  Fassungskraft  hinausgehen,  ein  Urteil  nicht 
abgeben,  dennoch  billige  ich  an  Erasmus,  daß  er  be- 
scheiden schreibt  und  belekrt  zu  werden  wünscht,  auch  die 
Entscheidung  (Judicium)  dem  Leser  überläßt.  Sobald  er 
sich  davon  überzeugt  haben  wird,  daß  Luther  richtig  ge- 
urteilt hat,  wird  er  der  Ansicht  desselben  wohl  beipflichten. 
Mir  scheint  es  nämlich  nicht  wahrscheinlich,  daß  ein  so 
großer  und  bedeutender  Mann  etwas  gegen  sein  Gewissen 
schreibt."  Nachdem  Urban  noch  über  seinen  mangel- 
haften Gesundheitszustand  berichtet  hat,  bestellt  er 
Grüße     an     zwei    Erfurter    Gelehrte :     Engelmann    und 


56)  Gillert,  No.  620,  Beilage  3. 


60  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Sommering,  „die  Dich  von  Herzen  lieben,  aber  der 
Meinung  sind,  daß  Du  elendiglich  von  Luther  verführt 
worden  bist,  und  die  Dir  deshalb  eine  bessere  Gesinnung 
erflehen,  Sie  meinen  es  gut,  aber  ob  sie  richtig  urteilen,, 
ist  mir  zweifelhaft." 

Sehr  charakteristisch  für  die  Stellung  des  damaligen 
Humanismus  zur  Reformation  ist  folgender  Ausspruch 
Urbans  in  einem  Briefe  an  Spalatin  vom  19.  August 
1526^''):  „Wenn  etwas  Neues  geschieht,  was  zu  Gunsten 
des  Evangeliums  ist,  laß  mich's  wissen.  Ich  bin  gewiß  dem 
evangelischen  Handel  von  Herzen  günstig  gesinnt,  aber  ich 
vermag  nicht,  Erasmus  zu  hassen.  Wenn  ich  irre,  wisse, 
daß  ich  immer  Dein  bin  und  Dein  sein  werde." 

„Leben  denn  die  Leute  in  Wittenberg  unter  einem 
anderen  Gesetz  als  die  Leute  in  Gotha?"  hatte,  wie  wir 
hörten,  einst  Mutian  vorwurfsvoll  an  Johann  Lange, 
den  Haupt  Vertreter  der  „Lutheraner"  in  Erfurt,  geschrieben 
und  hinzugefügt:  „Sind  wir  denn  nicht  Bürger  eines 
Reiches?" 

Aus  den  vorstehenden  Briefen  M  u  t  i  a  n  s  und  Urbans, 
denke  ich,  geht  hervor,  daß  in  Gotha,  um  Mutian  herum, 
allerdings  ein  anderer  Wind  wehte  als  in  Wittenberg  um 
Luther  herum.  Gewiß  war  Mutian  eine  zu  religiöse 
Natur  und  Luther  eine  zu  gewaltige  Persönlichkeit,  als^ 
daß  nicht  Mutian  seines  Geistes  einen  Hauch  verspürt 
haben  sollte,  und  sicherlich  darf  nicht  geleugnet  werden, 
daß  der  Humanismus  überhaupt  und  Mutian  insbesondere 
bestrebt  gewesen  ist,  das  Reich,  in  welchem  er  neben  den 
Wittenbergern  Bürgerrecht  beansprucht,  das.  Reich  Gottes, 
zu  fördern.  Aber  wenn  wir  den  Humanisten  Eobanus 
Hessus  sagen  hörten,  Luther  sei  deshalb  größer  als 
Erasmus,  weil  er  den  Weg  zu  der  reineren  Frömmigkeit 
nicht  nur  gezeigt,  sondern  auch  betreten  und  die  Hacke  in 
die   Hand    genommen    habe,    um    den  Weinberg  Christi    zu 


57)  Gillert,  No.  620,  Beilage  4. 


zur  Zeit  der  Reformation.  61 

roden,  so  werden  wir,  wenn  wir  das  auf  Mut  i an  anwenden, 
demselben  den  Vorwurf  nicht  ersparen  können,  daß  er 
gerade  an  dem,  was  Luther  vor  Erasmus  auszeichnete, 
den  größten  Anstoß  genommen,  daß  er  dem  Reformator  ge- 
rade dieses  Roden  des  Weinberges  mit  tapferem  Mut  und 
starker  Hand  ganz  besonders  verübelt  hat. 

Das  ist  das  Tragische  in  dem  Leben  dieses  Humanisten, 
führers  in  Gotha,  daß  er,  der  sich  gestehen  mußte,  selbst 
durch  seine  ganze  Lebensarbeit  die  gegenwärtigen  Ereig- 
nisse mit  vorbereitet  zu  haben,  nun  nicht  den  Mut  fand,  statt 
der  Feder  die  Hacke  zur  Hand  zu  nehmen ;  sollte  es  wirk- 
lich Reformation  werden,  so  genügte  dazu  nicht  die  scharfe, 
leicht  über  das  Papier  dahin  fahrende  Feder  eines  Muti an, 
sondern  es  war  nötig  die  grobe,  den  Boden  tiefgründig  um- 
arbeitende Hacke  eines  Luther. 

Während  in  der  Tranquillitas  zu  Gotha  so  fleißige 
Studien  getrieben  und  so  ernste  Kämpfe  gekämpft  wurden, 
sah  es  in  den  übrigen  Kanonikerhäusern  ganz  anders  aus; 
darin  hausten  Männer,  die  von  Muti  an  das  allerschlechteste 
Zeugnis  erhalten,  waren  das  doch  Leute,  die  vollkommen 
unempfänglich  waren  für  die  jetzt  gerade  neu  auftauchenden 
wissenschaftlichen  Ideen,  die  wohl  handwerksmäßig  ihren 
priesterlichen  Pflichten  nachkamen,  aber  sonst  ihre  Stellung 
nur  dazu  benutzten,  um  ihre  hierarchischen  Gelüste,  ihre 
Habsucht  und  Geldgier  zu  befriedigen,  und  dabei,  was  das 
Schlimmste  war,  ein  grenzenlos  liederliches,  unsittliches  Leben 
führten.  Nur  der  Domprop^  Gerhard  Marschalk  von 
Gosserstedt  scheint  unter  dieser  größtenteils  verkommenen 
Gesellschaft  eine  rühmliche  Ausnahme  gemacht  zu  haben. 
Da  ist  es  denn  nicht  zu  verwundern,  daß  Mutian  in  Aus- 
drücken tiefer  Entrüstung  seinem  Unwillen  über  seine  Mit- 
kanoniker Luft  macht,  daß  er  ausruft:  „Die  Götter  mögen 
das  räudige  Vieh  in  die  Hölle  verstoßen!,  daß  er  seinem 
Freunde  Urban  klagt:  „Ich  bin  unter  so  vielen  Ungetümen 
auch  ganz  erstarrt,  wie  ein  träger,  stupider  Esel,  und  habe 
die   lateinische  Stimme,   habe   die   rechtschaffene.  Rede  des 


62  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Gelehrten  ganz  verloren  und  schreie  in  einem  fort  mit  jenen 
Eseln"  ;  da  ist  es  nicht  zu  verwundern,  daß  er  den  Versuch 
macht,  sich  vollstäiidig  gegen  jene  schlechten  Kollegen  ab- 
zuschließen, daß  es  sagt:  „Niemand  war,  noch  ist,  noch 
wird  sein  ein  Freund  Mutians,  als  wer  gut,  unbescholten 
und  gelehrt  ist."  —  Viel  Schlimmes  erz0,hlt  Mutian  be- 
sonders von  den  beiden  Domherren  Ludwig  Kötteling 
und  Konrad  Morch  —  er  nennt  sie  Lotius  und  Morus 
—  so  z.  B.  berichtet  er^s)  über  ein  Trinkgelage  wüstester 
Art,  das  diese  beiden  Männer  in  Schönau  v.  d.  W.  halten. 
Es  war  zu  Michaelis  1509  oder  1510,  da  fuhren  diese 
beiden  Männer  auf  einem  ihnen  vom  Abt  zu  Georgenthal 
gestellten  Wagen,  einer  Einladung  zur  Kirmse  folgend,  ange- 
than  mit  schrecklichem  Rausch  und  maßloser  Ereßbegier,  nach 
Schönau.  Von  diesen  wohlgenährten,  prächtig  gepflegten, 
aber  schlecht  unterrichteten ,  scheltenden ,  schimpfenden, 
heimtückischen  Menschen,  wert,  daß  sie  beständig  an 
Husten,  Schlafsucht,  Herzklopfen,  Wolf,  Leistenbruch  und 
böser  Krätze  zu  leiden  hätten,  weiß  man  nicht,  ob  sie  bei 
dem  vom  Abt  ihnen  gebotenen  fetten,  priesterlichen  Schmause 
mehr  in  die  Gurgel  hinabgegossen  oder  herausgebrochen 
haben,  schrecklicher  als  alle  Säue  und  Waldesel.  Nichts 
Religöses  haben  sie  an  sich  als  nur  ihr  priesterliches  Kleid, 
nicht  dem  Erlöser  dienen  sie,  nicht  der  Tugend,  sondern 
in  Geilheit  dienen  sie  der  Venus,  dienen  dem  Bauch  et 
quae  sub  ventre  sunt,  sind  immer  streitsüchtig,  immer  be- 
trunken, wo  aber  Betrunkenheit  ist,  da  ist  auch  Wut  und 
Begierde,  ita  secure  indulgent  genio,  ita  impudenter  post 
ingurgitationem  lapsabundi  implicantur  mulierum  amplexibus 
et  nudis  membris  et  spumante  mutino  saltant.  „Daher", 
so  fügt  Mutian  dieser  Schilderung  hinzu,  „sagt  das  Volk, 
wenn  unsere  Priester  in  so  schändlicher  Weise  sündigen, 
wird  es  auch  uns  erlaubt  sein,  ins  Blaue  hineinzuleben  und 
darauf  los  zu  sündigen."    Voll  Entrüstung  meldet  Mutiaü 


58)  Gülert,  No.  147;  Krause.  No.  91. 


zur  Zeit  der  Reformation.  63 

von  dem  Domherrn  Kötteling:  „Alles  opfert  er  seiner 
runzeligen,  schlotterigen  Delia,  squalida  scorta  et  foedae 
pelliculae  meliorem  partem  ecclesiastici  patrimonii  devorant." 
Diese  schamlose  Dimenwirtschaft  führte  zuletzt  zu  dem 
berüchtigten^  des  öfteren  beschriebenen  Pfaffenstürmen  in 
Gotha  zu  Pfingsten  1524. 

Besser  als  im  Stift  zu  Gotha  scheint  es  im  Augu- 
stinerkloster daselbst  gestanden  zu  haben.  Zwar  hielt 
Luther,  wie  wir  schon  hörten,  im  Frühjahr  1515  in  der 
Kirche  dieses  Klosters  eine  sehr  scharfe  Predigt  5^)  gegen 
die  Sucht,  andere  herabzusetzen  und  ihnen  Übles  nachzu- 
reden, aber  als  er  im  Mai  1516  das  Kloster  inspizierte, 
fand  er  dort  alles  so  in  Ordnung  ^%  daß  ihm  die  Inspektion 
nur  wenige  Stunden  kostete;  Mutian  hat  aber  trotzdem 
an  den  Augustinern  Allerlei  auszusetzen.  Er  beklagt  sich 
darüber,  daß  diese  Aurelianer  den  Canonikern  die  Oster- 
eier ß^)  wegschnappen,  er  hält  sich  darüber  auf^^-)^  ^^ß  ein 
Augustiner  zu  ihm  gekommen  wäre  und  ihn  gefragt  habe, 
ob  denn  das  richtig  sei,  wenn  man  behaupte:  leibliche 
Schwestern^  sind  Töchter,  die  dieselbe  Mutter  haben.  Bluts- 
verwandte aber  sind  Töchter,  die  ein  und  denselben  Vater 
haben.  Das  sei  doch  eine  Sache,  die  jeder  arborum  lector 
(?)  wisse.  Er  spottet  über  sie^^^,  weil  sie  meinen,  durch 
ihre  Fürbitten  vielen  Kranken  das  Leben  gerettet  zu  haben, 
„sie  reden  wohl  viel  davon,  daß  durch  ihre  Gebete  viele 
leben,  aber  von  den  Gestorbenen,  deren  Zahl  unendlich 
groß  ist,  schweigen  sie".  Et  setzt  hinzu:  „Der  Geiz  besudelt 
die  Theologen",  das  soll  doch  heißen:  die  Mönche  drängen 
sich  zu  solchen  Fürbitten  nur,  um  Geld  zu  verdienen. 

In  dem  Cisterziens  ernonnenkloster  zum  hei- 
ligen Kreuz  vor  dem  Brühl  stand  auch  nicht  alles  so,   wie 

59)  Theod.  Kolde  Martin  Luther,  Gotha  1884,  S.  89 ;  Luthers 
Werke  ed.:  Knaake  ßd.  I,  S.  19;  Gillert,  Bd.  II  S.  150  Anm.  2. 

60)  Kolde,  S.  90. 

61)  Gillert,  No.  475;  Krause,  N.  459. 

62)  Gillert,  No.  464;  Krause,  No.  445. 

63)  GiUert,  No.  94;  Krause,  No.  66. 


64  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

es  sollte.  Ein  Teil  der  Aufsicht  über  dieses  Kloster  stand 
dem  Abte  von  Georgenthal  zu,  er  hatte  die  Rechnungen  zu 
prüfen  6^)  und  die  Novizen  zu  weihen.  Fand  solche  Ein- 
segnung junger  Nonnen  statt,  so  pflegte  M  u  t  i  a  n  ,  als 
Domherr,  ein  Honorar  dazu  hinzuschicken,  und  wurde  da- 
für zu  der  Eeier  eingeladen,  ging  aber  nicht  hin,  weil  er 
nicht  mit  seinen,  von  ihm  so  verachteten  Kollegen  zu- 
sammen an  einem  Tische  sitzen  wollte.  „Ich  kann  darum", 
schreibt  er  spottend,  „auch  nicht  sagen,  ob  die  Nonnen 
dabei  getanzt  oder  gesungen  haben."  Wunderbarerweise 
hatte  noch  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  dies  Nonnen- 
kloster die  Verpflichtung  ^^),  beim  Abthun  eines  Verbrechers 
den  Scharfrichter  zu  besolden,  ihm  Leiter,  Stricke,  Rad  und 
alles,  was  dazu  nötig  war,  zu  bezahlen.  Sonst  war  das 
eigentlich  die  Pflicht  der  sogenannten  „unehrlichen-'  Leute  ^''), 
also  derjenigen,  die  nicht  zum  „Volk  in  Waffen"  gehörten, 
dazu  gehörten,  außer  den  Leibeigenen  auch  diejenigen,  die 
durch  ihren  Beruf  gehindert  waren  in  den  Krieg  zu  ziehen, 
weil  man  sie  zu  Hause  nicht  entbehren  konnte,  es  waren 
dies  vornehmlich  die  Hirten  und  die  Müller,  dazu  kamen 
noch  diejenigen,  welche  keine  eigentliche  Heimat  hatten, 
die  sogenannten  „fahrenden  Leute",  die  Schauspieler,  die 
Musikanten  u.  s.  w.,  wie  auch  die  Hofnarren,  endlich  noch 
die  öffentlichen  Dirnen  und  ihre  Wirte,  man  sagte  auch 
sprichwörtlich,  zul  den  unehrlichen  Leuten  gehören  alle 
vom  Schäfer  bis  zum  Schinder,  diese  beiden  standen  als 
Medizinmänner  im  Rufe  der  Zauberei.  Warum  nun  bei  uns 
in  Gotha  die  unschuldigen  Nonnen  jene  entehrende  Ver- 
pflichtung hatten,  weiß  ich  nicht  zu  melden. 


64)  Gillert,  No.  407 ;  Krause,  No.  408. 

65)  Gillert,  No.  316;  Krause,  No.  304. 

66)  Aug.  Victor  Eichard t.  Licht  und  Schatten,  Beiträge  zur 
Kulturgeschichte  in  Sachsen-Thüringen  im  16.  Jahrh.  Leipzig  1861 ; 
cf.  Zeitschr.  f.  Thür.  Geschichte  u.  Altertumskunde,  Bd.  IV,  S.  103. 

67)  Henne  am  ßhyn, :  Kulturgeschichte  des  deutschen  Volkes 
ßd,  I,  8.  404  f. 


zur  Zeit  der  Beformation.  65 

Im  August  1512^8)  stieg  Mutian  von  deinem  am 
Sperlingsberg  gelegenen  Hause  hinab  zum  Brühl,  stieg  hinab 
in  den  Nußgarten,  von  dem  das  Kreuzkloster  umgeben  war, 
nicht,  wie  er  sagt,  um  Nüsse  zu  suchen,  sondern  um, den 
Abt  von  Georgenthal  zu  sprechen.  Es  war  um  die  zweite 
Stunde,  und  da  die  Nonnen  noch  umherstanden,  begab  er 
sich  in  die  Kreuzkirche.  Da  sah  er  die  Stadt  Köln  mit 
den  schönen  Jungfrauen  auf  den  Schiffen,  aber  schon  einem 
nahen  Tode  verfallen.  In  der  Kreuzkirche  befand  sich  also 
damals  ein  Bild,  das  die  Geschichte  von  den  Elftausend  Jung- 
frauen darstellte.  Bei  Betrachtung  dieses  Bildes  dringen 
Töne  an  sein  Ohr,  bald  sind  es  Psalmen,  die  man  murmelt, 
bald  andere  Weisen,  die  man  trillert.  Voll  Verwunderung 
horcht  er  auf  die  vortreffliche  Harmonie  der  Weiberstimmen. 
Nachdem  das  Benedicamus  beendet  ist,  tritt  Mutian  an 
den  Abt  heran,  noch  ist  die  Äbtissin  —  es  war  Marga- 
retha  Kohlstettin  —  zugegen,  sie  giebt  ihm  die  Hand 
und  ergeht  sich  in  ebensolangen  Reden  über  das  Amt  eines 
neu  anzustellenden  Klosterschreibers,  wie  der  Abt,  dann 
endlich  kann  auch  Mutian  zu  Worte  kommen  iind  sagt 
zum  Abt:  Diese  Sache  wäre  ja  nun  wohl  abgemacht  und 
steht  gut,  aber  ich  habe  noch  einen  anderen  Freund,  der 
der  Empfehlung  wert  ist,  habt,  ich  beschwöre  Euch,  den 
Urban  lieb,  und  der  Abt  antwortet:  „ich  hab  ihn  lieb." 
Warum  Urban,  dieser  treue  Freund  Mutians,  immer 
wieder  der  Fürsprache  Mutians  beim  Abt  von  Georgen- 
thal bedurfte,  werden  wir  »gleich  hören. 

Zu  Johannis  wurden  vom  Senat  und  Volk  zu  Gotha 
Spiele  ^9)  mit  großem  Pomp  veranstaltet,  in  denen  die 
Thaten  und  die  Leiden  Christi  dargestellt  wurden.  Schon 
1505  werden  von  Mutian  solche  Passionsspiele  erwähnt"),  zu 
denen    damals   viele    Zuschauer   aus  Erfurt   herbeiströmten. 


68)  Gillert,  No.  202;  Krause,  No.  185. 

69)  GiUert,  No.  142 ;  Krause,  No.  139. 

70)  Gillert,  No.  28;  Krause,  No.  30. 
XXI. 


66  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Mutian  sagt  von  diesen  Spielen:  „Durch  dieses  Schau- 
spiel, oder  vielmehr  durch  diese  Tragödie  werden  die  Un- 
erfahrenen zur  Frömmigkeit  angeregt.  Das  Vorbild  des 
Gekreuzigten  weckt  Sanftmut,  Geduld  und  heilige  Sitten, 
zieht  auch  den  Einfältigen  zum  Himmel,  d.  h.  zur  Andacht 
und  zur  Freude  an  der  Gottheit."  Dann  \aber  rügt  er  das 
schamlose  Betragen  der  dabei  lachenden  und  Unsinn  trei- 
benden Nonnen  aus  dem  Kreuzkloster,  die  der  Aufführung 
beiwohnen.  Er  schreibt:  „Wir  sahen  jene  Klosterjungfrauen 
in  den  Reihen  stehen,  sahen  den  Propst  und  die  große 
Jungfrau  —  er  meint  die  Äbtissin  —  am  Altar  sitzen. 
Seht  doch,  sage  ich  bei  mir  selbst,  was  und  wie  vieles  euer 
Erlöser  und  Bräutigam  gelitten  hat,  indem  er  unsere  Sünde 
zu  seiner  Schuld  machte.  Nichts  giebt  doch  da  Anlaß  zu 
Mutwillen  und  Heiterkeit,  was  soll  denn  da  nun  eure  Aus- 
gelassenheit tmd  Schamlosigkeit?" 

Böse  Erfahrung  hatte  Mutian  in  Beziehung  auf  dies 
Kloster  gemacht.  Der  schon  oft  erwähnte  Klosterverwalter 
von  Georgenthal  U  r  b  a  n  war  in  ein  intimes  Verhältnis  zu 
einer  Nonne  dieses  Klosters  getreten,  das  nicht  ohne  Folgen 
blieb.  Gewaltiges  Aufsehen  erregte  es,  als  eine  „rapta 
Penelope"  heimlich  aus  dem  Kloster  entwichen  war.  In 
der  Stadt  bezeichnete  man  allgemein  Urban  als  den  Ver- 
führer. Demselben  drohte  daher  die  Entlassung  aus  seinem 
Amt.  Mutian  ist  auch  von  der  Schuld  seines  Freundes 
überzeugt,  bietet  aber  alles  auf,  um  ihn  aus  der  Schlinge 
zu  ziehen.  Der  Abt  kommt  nach  Gotha,  um  mit  Mutian 
über  diese  delikate  Angelegenheit  zu  verhandeln.  Mutian  ''^) 
sucht  dem  Abte  seinen  Verdacht  auszureden  und  das  Ver- 
brechen auf  einen  Offizier  der  Schloßwache  abzuwälzen  und 
ermahnt  den  Abt,  er  möge  doch  dafür  sorgen,  daß  die  um 
das  Kloster  führende  Mauer,  die  stellenweise  sehr  baufällig 
und  halb  eingefallen  war,  ausgebessert  werde,  damit  in 
Zukunft  sittenlosen  jungen  Leuten  jeder  Zutritt  unmöglich 


71j  Gillert,  No.  74;  Krause   No.  140. 


zur  Zeit  der  Reformation.  67' 

gemacht  werde.  —  Der  gute  Abt  wurde  in  der  That 
schwankend,  gebot  Stillschweigen  über  den  Vorfall  und  ließ 
Urban  in  seinem  Amte. 

Das  Verhalten  Mutians  in  dieser  Angelegenheit  ist 
durchaus  kein  rühmliches.  Er,  der  die  Unsittlichkeit  an 
seinen  ihm  so  verhaßten  Kollegen  im  Stifte  mit  Recht  aufs 
schärfste  tadelt,  ergeht  sich  diesmal,  wo  es  seinen  Freund 
betrifft,  in  so  zweideutigen  Scherzen  über  diese  Sache, 
daß  seine  Äußerungen  besser  nicht  mitgeteilt  werden. 

Eine  stadtbekannte  Persönlichkeit  in  Gotha  war  damals 
der  Vorsteher  des  Reinhardsb runner  Klosterhofes  da- 
selbst. 

Die  mehr  plebejischen  Cistercienser  und  die  aristo- 
kratischen, stolzen  Benediktiner  haben  sich  wohl  nie  gut 
miteinander  gestanden,  Georgenthal  und  Reinbardtsbrunnen 
waren  von  alters  her  nicht  gut  Freund  miteinander.  M u  ti a n , 
den  Cisterciensern  sehr  zugethan,  gefällt  sich  darin,  jenem 
stolzen  Benediktiner  Hausmeister  manch  Schlimmes  nach- 
zusagen. Friedrich  Hünerjäger ''2),  so  hieß  dieser 
Mann,  war  von  riesenhafter  Gestalt,  und  hatte  gewaltig 
große  Augen,  er  muß  eine  imponierende  Erscheinung  ge- 
wesen sein.  Er  galt  als  Nachfolger  ^S)  seines  kränkelnden 
Abtes,  wird  aber  von  Mutian  als  ein  nach  äußerer  Ehre 
namentlich  nach  Gunst  bei  Hofe,  nicht  immer  auf  dem 
Wege  des  Rechtes  und  guter  Sitte  wandelnder,  jedoch  viel- 
vermögender, überall  sich  vordrängender  Mann  geschildert, 
„roh  in  den  Wissenschaften,  groß  in  Barbarei,  nur  ein 
Kritikus,  ein  käuflicher  Charakter,  geübt  in  der  Führung 
von  Streitsachen,  Wahlumtrieben  nur  zu  ergeben-". 

In  Beziehung  auf  die  Aussicht  dieses  Benediktiners,  in 
Reinhardtsbrunnen  einmal  Abt  zu  werden,  sagt  Mutian: 
die  Bursfelder  Kongregation  verfahre  zwar  sehr  streng  und 
scharf  bei  Besetzung  der  Abtstellen,  „aber  das  Geld  dringt 
durch  und  überredet  gar  wirksam." 


72)  Giilert,  No.  29 ;  Krause,  No.  27. 
731  Giilert,  No.  324;  Krause,  No.  320. 


ß3  Kirchliches  u.  sozialos  Leben  im  Herzo<rtum  (lotha 

Es  war  am  Fronleichnamsfest  loOO''^),  da  stand  dieser 
stolze  Benediktiner,  dieser  aufgeblasene  Narr,  der  einst  den 
Mut  i  an  tief  gekränkt  hatte,  mit  dem  Ausspruch  schola- 
stischer Denkweise :  „Poeten  verderben  die  Universitäten", 
dieser  Mann  stand,  als  das  Volk,  in  devoter  Weise  in  der 
Marienkirche  versammelt ,  von  Bußthränen  überfloß,  mitten 
unter  den  patrizischen  Flüchtlingen  aus  Erfurt,  die  bei 
Beginn  der  damaligen  städtischen  Wirren  —  es  war  das 
sog.  tolle  Jahr  —  nach  Gotha  ausgewandert  waren,  so  daß 
alle  ihn  bemerken,  er  allen  auffallen  mußte.  „Ich  weiß 
nicht",  schreibt  Mut  i  an,  „was  die  Offiziere  der  Schloß- 
wache, was  die  Bürger,  was  die  übrigen  Besucher  der 
Kirche  über  die  Unverschämtheit  dieses  Klosterbruders  ge- 
dacht haben  werden ;  ich  hätte  mich  in  seiner  Stelle  bei 
dem  so  feierlichen  Pomp  des  Fronleichnamsfestes  nicht  so 
sehen  lassen  mögen,  denn  er  handelte  pflichtwidrig,  als  er 
ostentativ  sich  allen  darstellte,  er  durfte  doch  eigentlich 
gar  nicht  aus  seiner  Zelle  herausgehen,  gar  nicht  um  welt- 
liche Dinge  sich  bekümmern,  sondern  hätte  bei  Tag  und 
bei  Nacht  über  die  Gebete  Gottes  nachsinnen,  hätte  weinend 
und  seufzend,  mit  dem  Psalterium  in  der  Hand,  den  Tag 
des  Gerichtes  erwarten  müssen,  statt  dessen  läuft  dieser 
windige  Klosterbruder  von  Kirche  zu  Kirche  und  von  Dorf 
zu  Dorf,  nur  um  bei  Hof  und  bei  dem  Volk  sich  beliebt 
zu  machen",  von  ihm  gilt  in  vollem  Maße  das  Sprichwort  ^^j; 
Quidquid  agit  mundus,  monachus  vult  esse  secundus. 

Mit  wahrer  Wonne  berichtet  daher  Mutian^^)  später, 
daß  dieser  stolze,  unverschämte  Benediktiner,  der  bei  Hof  einst 
so  viel  durchzusetzen  vermochte,  nun  alles  Ansehen  verloren 
hat,  denn  weil  er,  fürstlichem  Befehl  zuwider,  gewisse' Gelder 
verausgabt  hat,  ist  er  von  dem  Quästor  zu  Gotha,  einem  harten 
und  unerbittlichen  Pfanne,  mit  400  Gulden  bestraft  worden; 
,.ob  er  die  Strafe  bezahlt  hat,  weiß  ich  nicht".    Bald  darauf 


71)  Gillert,  Xo.  128;  Krause,  No.  154. 
75)  Gillert,  No.  247;  Krause,  No.  228. 
701  Gillert,  No.  223;  Krause,  No.  201. 


zur  Zeit  der  Reformation.  (59, 

ist  eine  Dirne  in  das  Kloster  Reinhardtsbrunnen  gekommen 
und  hat  den  Oeconomus  Friedrich  verklagt.  „Welch 
schreckliches  Beispiel!"  ruft  Mutian  mit  Wohlbehagen  aus. 

In  Zeiten,  wo  eine  alte  und  eine  neue  Weltanschauung 
aufeinander  stoßen  und  miteinander  ringen,  da  pflegt  sich 
jedesmal  ein  wahrer  Heißhunger  nach  Übersinnlichem,  Ge- 
heimnißvollem  und  Wunderbarem  zu  zeigen,  so  war  das 
auch  der  Fall  in  der  Zeit  und  in  d  e  r  Gegend,  von  der 
wir  reden. 

Im  Juli  1515  wurden  in  der  Stadt  Gotha  von  den 
Kanzeln  herab  gewaltige  Strafpredigten  gehalten.  Anlaß 
dazu  gab  das  unheilvolle  Treiben  eines  Wahrsagers  '^^j,  eines. 
Chaldäers,  eines  Astrologen,  Traumdeuters  und  Falsch- 
propheten, man  nannte  ihn  nur  „den  weisen  Mann  von 
Tambach."  Dieser  Windbeutel,  in  welchem  Mutian  einen 
entlaufenen  und  verkappten  Mönch  vermutet,  war  früher 
Schreiber  des  Grafen  Balthasar  von  Schwarz. bürg 
in  Leutenberg  gewesen,  dann  finden  wir  ihn  in  Tambach. 
Schon  1506  wird  Urban  von  Mutian  aufgefordert,  sich 
von  jenem  Chaldäer  astrologische  Instrumente  geben  und 
sich  in  der  Handhabung  derselben  unterweisen  zu  lassen.  Im 
Jahre  1512  aber  nennt  Mutian  ihn  einen  heillosen  Menschen 
und  ist  sehr  böse,  daß  der  Abt  von  Georgenthal  die  Äuße- 
rung gethan  hat,  er  wolle,  er  hätte  nur  auch  erst  für 
Georgenthal  einen  solchen  weisen  Mann.  1515  finden  wir 
diesen  „verfluchten  Chaldäer"  in  Schönau  v.  d.  W.,  wo 
der  nichtswürdige  Magier  schändlich  betrügt.  Als  der  Graf 
Balthasar  von  Schwarzburg  einst  krank  gewesen, 
da  hatte  dessen  Hausfrau  gen  Tambach  geschickt  und 
bei  dem  Wahrsager  anfragen  lassen,  ob  ihr  Mann  bezaubert 
sei  oder  nicht.  Daraufhin  hatte  der  weise  Mann  von  Tam- 
bach einen  Streifen  Pergament  gesendet  „eitel  coracteres 
daraufgeschrieben",  mit  der  Bestimmung,  dasselbe  sollte  der 
Graf   um    den  Hals  hängen.     Man   hatte  es  aber  verbrannt 


77)  Ztschft.  f.  Thür  Geschichte  etc.,  N.  F.  Bd.  V,  S.  330—334. 


70  Kirchliches  ii.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

und  nicht  umgehängt.  Dieser  Mann  fand  Nachahmung, 
1515  schreibt  Mutian:  „Die  ganze  hiesige  Gegend  hat 
vier  solcher  Menschen,  und,  worüber  ich  mich  besonders 
ärgere,  zwei  der  Georgenthäler  Mönche  gehören  zu  dieser 
Zahl.  Deine  Schönauer  handeln  unsinnig,  der  neue  Prophet 
ist  dorthin  gekommen,  von  allen  Seiten  strö^mt  man  zu  ihm, 
er  weiß,  wo  Schätze  verborgen  liegen,  und  er  selbst  hat 
doch  nichts  und  ist  bettelarm.  Eines  schmerzt  mich,  daß 
Deine  überaus  einfältigen  Bauern  in  Schünau  eine  reine 
Jungfrau  diesem  verächtlichen  Ungeheuer  zur  Frau  gegeben 
haben,  damit  er  an  ihr  seinen  Spaß  habe."  Endlich  erfolgte 
Bestrafung.  Triumphierend  meldet  Mutian  im  Juli  1515: 
„Jener  schatzgrabende  Windbeutel,  der  nicht  nur  die  Einfalt 
Deiner  Bauern,  sondern  sogar  die  Leute  in  Gotha  und  un- 
zählige Menschen  täuschte  und  ihre  thörichte  Leichtgläubig- 
keit mißbrauchte ,  wird  im  Klostergewahrsam  gehalten. 
Einige  behaupten,  er  sei  in  Nürnberg  öffentlich  ausgepeitscht^ 
mit  Schanden  fortgejagt  und  des  Landes  verwiesen  worden, 
Andere  berichten,  er  sei  in  der  Stadt  Meißen  in  derselben 
Weise  bestraft  worden,  nachdem  man  ihn  durch  lange  Haft 
und  Banden  mürbe  gemacht.  Die  Prediger  des  hiesigen 
Clerus  reden  gewaltig  gegen  die  Leichtgläubigen  und 
schrecken  mit  furchtbaren  Drohungen  alle,  die  diesen  Ver- 
dei'ber  um  Pat  gefragt  haben." 

Im  Juli  1513  ^s)  ließ  Mutian  sich  von  seinem  Barbier 
friesieren,  der  Barbier  erzählte  ihm,  ein  Knabe  von  Mühl- 
berg habe  vor  einigen  Tagen  angefangen  auf  dem  Felde 
bei  Mühlberg  ein  kleines  Tempelchen  zu  bauen,  sofort  habe 
man  ein  Marienbild  und  ein  Kruzifix  hineingestellt,  dann 
seien  von  allen  Seiten  Menschen  herbeigeströmt,  Opfergaben 
seien  gespendet  worden ,  und  von  Wundern  habe  man 
sich  erzählt.  „So  macht",  fügt  M  ut  i  an  hinzu,  „ein  Knabe 
viele  Greise  zu  Knaben." 

Zwei  Monate  später  trieb  sich  ein   Chiromant,   Georg 


78)  Gillert,  No.  281;  Krause,  No.  267 


zur  Zeit  der  Reformation.  71 

Faustus  mit  Namen,  in  Erfurt  herum '^)  der  Heidelberger 
Halbgott  —  das  ist  der  berühmte  Faust  —  „der  reine 
Großthuer  und  Narr,  seine  Kunst,  wie  die  Kunst  aller 
Wahrsager,  ist  nichts  wert,  und  solche  Physiognomie  wiegt 
leichter  als  eine  Wasserspinne".  „Die  Ungebildeten  be- 
wundem ihn",  erzählt  Mutian,  „die  Theologen  erheben 
sich  gegen  ihn,  ich  habe  ihn  in  der  Herberge  schwatzen 
hören,  bin  aber  seinen  Prahlereien  nicht  entgegengetreten, 
was  geht  mich  fremder  Blödsinn  an?" 

Es  ist  kein  gutes  Zeichen  für  den  Bildungsgrad  der 
damaligen  „studierten"  Leute  in  der  Stadt  Gotha,  daß 
Mutian  hier  weder  unter  seinen  geistlichen,  noch  seinen 
juristischen  Kollegen  jemand  gehabt  zu  haben  scheint,  bei 
dem  er  wirkliches  Interesse  und  Verständnis  für  sein  wissen- 
schaftliches Streben  fand. 

Myconius  führt  in  seiner  Reformationsgeschichte  zwei 
Männer  aus  Gotha  auf,  die  er  als  Patrone  der  Gelehrten 
bezeichnet.  So  erzählt  er  von  Dieterich  Tunckel  ^*'),  daß 
derselbe  gewesen  sei  ein  amicus  eruditorum  et  päter  pau- 
perum,  da  aber  dieser  um  die  Stadt  und  ihre  Bürger  hoch- 
verdiente Mann  „keinen  Buchstaben  schreiben  noch  lesen 
kundt",  so  macht  es  dieser  Umstand  wohl  erklärlich,  daß 
Mutian  mit  demselben  in  keinen  Verkehr  trat,  ja  ihn  in 
keinem  seiner  Briefe  auch  nur  erwähnt,  während  Myconius 
ihm  nachrühmt:  „er  war  doch  aller  Gelerten  Vater  und 
Freund,  er  that  ihnen,  als  »ie  um  des  Pabstthums  willen  ver- 
folget und  angefochten  wurden,  viel  Freundschaft  .  .  .  . 
Dieser  Mann  hat  diese  Gnad  von  Gott,  daß  alle  böse 
Sachen,  die  weder  Fürst,  noch  Rath,  noch  Amt-Leut  ver- 
tragen konten,  wenn  es  für  ihm  kam,  so  vertrug  und  ver- 
einigt er  die  Leut.  Denn  er  hat  um  seiner  Erbarkeit, 
Fromkeit  und  Redlikeit  willen  grosse  Gunst  beyn  Leuten, 
und  folget  ihm  jederman  gern.     Als  er  aber  Alters  halben 


79)  Gillert,  No.  320;  Krause,  No.  307. 

80)  Myconins,  Bist,  ref.,  S.  56,  107. 


72         Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

starb,  de  war  ein  gemein  Trübnis  alles  Volks,  daß  fast  alle 
Menschen  der  gantzen  Stadt  mit  ihm  zum  Begräbnüß  ging 
und  war  ein  Klagen,  als  war  ihnen  allen  ihr  Vater  ge- 
storben. Er  wohnet  in  dem  hohen  Eck-Haus  gegen  dem 
Rathhaus  über,  an  Pforten-Gäßlein." 

Neben  Dieterich  Tünckel  wird  von  Mykonius  auch 
„Matthias  Lachenbeck s^)  der  F u c k e r  von  Augsburg 
etwa  Diener  auf  den  Hütten  zu  Hohenkirchen  als  Literatorum 
Patronus  et  pauperum  omnium  Pater"  aufgeführt.  Dieser 
Mann  war  Geschäftsführer  der  Eugger  auf  der  Schmelz- 
hütte zu  Hohenkirchen ^2j^  ^{q  ji^ijt  Ludwig  von  Georgen- 
thal 1492  angelegt,  die  dann  aber  das  Kloster  1495  an 
die  Gebrüder  Eugger  verkauft,  dabei  aber  wohlweislich  das 
Recht  sich  vorbehalten  hatte,  in  den  angrenzenden  Bächen 
Forellen  und  Aschen  zu  fangen.  Obwohl  Matthias  Lachen- 
b  e  c  k  dem  M  u  t  i  a  n  und  dessen  Freunden  mancherlei  gute 
Dienste  leistete,  da  er  ihnen  durch  die  Eugger'schen  Fuhr- 
leute ^3)  den  Brief-  und  Bücherverkehr  zwischen  Augsburg 
samt  Venedig  und  Georgenthal  resp.  Gotha  vermittelte,  so 
daß  M  u  t  i  a  n  auf  leichte  und  sichere  Art  sowohl  von  den 
Buchhändlern  in  Augsburg  ^*),  wie  von  dem  berühmten  Buch- 
drucker in  Venedig  Aldus  Manutius^^)  Bücher  bekommen 
konnte,  so  ist  Mutian,  wenn  er  auch  weiß,  daß  ihm  die 
Gunst  des  Lachenbeck  viele  Vorteile  verschafien  kann, 
doch  nicht  besonders  gut  auf  diesen  Mann  zu  sprechen,  er 
bezeichnet  ihn  als  einen  Mann  „reicher  als  Alkinous"  ^6)^ 
aber  trotz  seines  Reichtums  sei  er  doch  wenig  freigebig, 
borge    kein    Geld    ohne   Pfand,    nicht   ohne    Wucherzinsen, 


81)  Myconius,  Hist.  ref.,  S.  108. 

81)  Beck,  Geschichte  des  goth.  Landes,  Bd.  III,  S.  374  f. 

83)  Gillert,  No.  12,  13,  16,  2ö\  25^  33,  506;  Krause,  No.  22, 
23,  21,  39,  40,  41,  37,  491. 

84)  Gillert,  No.  105;  Krause,  No.  106. 

85)  Gillert,  No.  13,  14,  24,  25,  25%  25b,  25s  31,  33,  34,-  38,  124, 
140,  171,  185,  363,  507,  634;  Krause,  No.  23,  24,  35,  39,  40,  41,  43 
31,  37,  36,  111,  146,  137,  343,  589. 

86)  Gillert,  No.  154,  381 ;  Krause,  No.  152,  364. 


zur  Zeit  der  Reformation.  73 

ganz  nach  Art  der  Priester.  Er  hat  den  Lachenbeck 
in  Verdacht,  daß  derselbe  es  im  Geheimen  mit  Kötteling 
und  Morch,  den  erbittertsten  Feinden  Mutians  unter 
den  gothaischen  Domherren ,  halte  und  ihn  um  eine  er- 
giebige Pfründe  gebracht  habe.  Auf  der  Pfründenjagd 
sehen  wir  auch  Mutian  des  öfteren,  aber  „auf  Pfründen", 
sagt  er,  „gehe  ich  nur  der  Bücher  wegen  aus"  ^^),  während 
seine  Kollegen  nur  aus  Geldgier  zu  erlangen  trachteten, 
was  er  der  Wissenschaft  und  der  Wohlthätigkeit  zu  opfern 
gedachte.  —  Was  nun  aber  Mutian  in  Gotha  nicht  fand, 
das  fand  er  in  reichem  Maße  in  Georgenthal:  Männer,  mit 
denen  er  wissenschaftlich  verkehren  konnte. 

Zunächst  fand  er  dort  den  schon  oft  erwähnten  U  r  b  a  n , 
der  schon  als  Erfurter  Student  ein  Schüler  Mutians  ge- 
wesen war,  als  derselbe  vor  seiner  Reise  nach  Italien  an 
der  Erfurter  Universität  Vorlesungen  hielt.  Jetzt  nun,  nach- 
dem U  r  b  a  n  Oeconomus  in  Georgenthal  geworden  war, 
wurde  die  Irüliere  Bekanntschaft  erneuert.  Oft  kamen  die 
beiden  Männer  in  Gotha  oder  in  Georgenthal  oder  auch 
in  Schönau  ^^)  vor  dem  Walde,  wo  das  Kloster  ein  Gut 
besaß,  zusammen,  um  wissenschaftlichen  Studien  obzuliegen. 
Die  Klosterbibliothek  muß  ihre  Schätze  dazu  hergeben,  und 
U  r  b  a  n  ist  gern  bereit,  aus  den  Mitteln  des  Klosters  neue 
Bücher  anzuschaffen,  die  nach  dem  Gebrauch  der  Kloster- 
bibliothek einverleibt  wurden.  Öfter  hielt  sich  Mutian 
tagelang  in  der  „villa  Ujbans"  zu  Schönau  auf,  sich  an 
der  „lieblichen  Waldgegend"  erfreuend :  Er  schreibt  einmal : 
„Der  Ort  Belpratum,  Dein  Schönau,  trägt  den  Namen  mit 
Recht,  er  hat  die  schönsten  Auen,  Deine  Villa  diort  gefällt 
mir  wunderbar.  Das  Speisezimmer  gewährt  der  aufgehenden 
Sonne  Zutritt,  daneben  liegt  das  Schlafgemach.  Jene  Alte 
in  der  Villa  macht  vorzügliche  Käse,  sie  sind  herrlich  von 
Geschmack,    öfter   versuche    ich  sie.      Aus   guten    Gründen 

87)  GUlert,  No.  25;  Krause,  No.  39. 

88)  Gillert,  No.  14,  15,  65,  147,  252,  269,  323,  502,  502,  323; 
Krause,  No.  24,  25,  75,  91,  239,  254,  319,  489,  500,  5Ö4. 


74  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

liebe  ich  jenen  Aufenthalt:  einladend  ist  das  milde  Klima, 
die  Nähe  von  Gotha  und  Deines  Klosters,  die  einfachen 
Sitten  der  Menschen,  die  Wiesen  und  Obstbäume,  die  Felder 
und  Wälder,  die  Windungen  der  Leina.  Wenn  ich  von 
Ort  zu  Ort  das  Einzelne  besucht  habe,  werde  ich  die 
Urban'sche  Villa,  Deine  und  meine  Wonne,  in  Briefen 
beschreiben."  Doch  aber  auch  hier,  wenn  Mutian  seine 
Sommerfrische  in  ländlicher  Abgeschiedenheit  hielt,  wurden 
die  Studien  nicht  vergessen,  gelehrte  Bücher  wanderten  mit 
nach  Schönau. 

Als  dritter  im  Bunde  gesellte  sich  vom  Herbst  1505  an 
diesen  beiden  Männern  zu  Ge  org  Sp  alatinS'').  Es  hatte 
Mutian  viele  Mühe  gekostet,  es  dahin  zu  bringen,  daß 
Spalatin  die  Stelle  eines  Klosterlehrers  in  Georgenthal 
erhielt.  Er  rühmt  den  Spalatin  als  einen  geistvollen 
und  doch  dabei  so  bescheidenen  Jüngling,  der,  weil  in 
Nürnberg  erzogen,  das  eleganteste  Deutsch  spreche,  aber 
auch  das  Lateinische,  für  alle  Arten  von  Studien  ja  so  un- 
entbehrlich, vollkommen  beherrsche.  Er  hofft,  Spalatin 
sollte  gleichsam  ein  Mittler  werden  zwischen  Gotha  und 
Georgenthal,  wie  Christus  zwischen  Gott  und  Mensch,  da, 
wie  die  Philosophen  lehren,  zwei  Gegensätze  ohne  ein 
Mittleres  nicht  verbunden  werden  könnten,  und  als  nun 
endlich  Spalatin  das  Amt  bekommen  hat,  da  jubelt 
Mutian  voller  Freude ;  „o  welch  ein  schönes  Zusammen- 
leben, o  welch  eine  herrliche  Kameradschaft,  wenn  ihr 
doch  mit  mir  hier  in  Gotha  zusammenleben  könntet,  da 
das  aber  nicht  sein  kann,  so  wollen  wir  uns  ohne  Murren 
in  die  Notwendigkeit  schicken  und  uns  das  durch  wissen- 
schaftlichen Austausch  leichter  machen."  —  Von  nun  an 
wird  Mutian  nicht  müde,  diese  seine  beiden  Freunde  zu 
gemeinsamer  wissenschaftlicher  Thätigkeit  anzuspornen,  er 
giebt  ihnen  Themata  auf,    die  sie  schriftlich  zusammen  be- 

89)  Gillert,  S.  XXXIV;  Krause,  Briefwechsel,  S.  X;  [Brückner] 
Kirchen-  u.  Schulstaat,  Bd.  II,  St.  11,  S.  35;  Gelbke,  Kirchen-  u. 
Schul  Verfassung  im  Hzt.  Gotha,  II.  T.,  Bd.  I  S.  566. 


zur  Zeit  der  Reformation.  75 

arbeiten  sollen,  sie  sollen  gemeinschaftlich  ein  Leben  Jesu 
auf  Grund  der  Predigten  Leos  des  Großen  ^^)  schreiben, 
oder  auch  ein  Leben  des  heiligen  Bernhard  von  Clairvaux 
verfassen,  Urban  soll  über  das  Lob  der  Armut ^^),  Spalatin 
über  die  Frage  .sich  auslassen  ^^),  wenn  doch  Christus  der 
Weg,  die  Wahrheit  und  das  Leben  sei,  wie  denn  so  viele 
Jahrhunderte  vor  seiner  Geburt  die  Menschen  daran  ge- 
wesen. Auf  Antrieb  M  u  t  i  a  n  s  trat  S  p  a  1  a  t  i  n  in  den  geist- 
lichen Stand,  und  den  Bemühungen  Mutians  hatte  er  es 
zu  verdanken,  daß  er  1507  Pfarrer  in  Hohenkirchen  wurde. 
Diese  Pfründe  besaß  Spalatin  noch  im  Jahre  1524^^^,  ob- 
wohl er  schon  1508  Prinzenerzieher  am  Hofe  Friedrichs  des 
Weisen  geworden  war;  er  ließ,  wie  das  damals  ja  üblich  war, 
die  pfarramtlichen  Geschäfte  durch  einen  Vikar  besorgen. 
Nach  dem  Abgang  Spalatins  von  Georgenthal  wurde 
sein  Nachfolger  dort  Herebord  von  der  Marthen^*). 
Der  stammte  aus  einer  reichen  Erfurter  Patrizierfamilie ^ 
war  ein  reich  begabter  Jurist  und  schon  Magister,  als  er 
durch  M  u  t  i  a  n  dazu  bewogen,  sich  in  die  Stille  des  Klosters 
Georgenthal  zurückzog,  um  dort  nicht  nur  die  jungen 
Mönche  zu  unterrichten,  sondern  auch  sich  gründlich  auf 
seinen  Sachwalterberuf  vorzubereiten.  War  er  schon  von 
Erfurt  aus  oft  mit  vielen  jungen  Gelehrten  nach  Gotha  zu 
M  u  t  i  a  n  gewandert,  so  trat  er  nun  von  Georgenthal  aus 
erst  recht  in  regen  Verkehr  mit  dem  von  ihm  so  hoch- 
verehrten Domherrn.  Mit^  seinem  vom  Vater  ererbten 
Familienstolz  und  Juristenhochmut,  auch  mit  seinen  lockeren 
Sitten  machte  er  seinem  Freunde  in  Gotha  manche  Sorge, 
dieser  aber  ließ  doch  nicht  ab,  den  jungen  Mann,' auf  den 
er  die  schönsten  Hoffnungen  setzte,  zu  einem  tüchtigen 
Juristen  zu  erziehen. 


90)  Gillert,  No.  37;  Krause,  No.  38. 

91)  Gillert,  No.  95;  Krause,  No.  26. 

92)  Gillert,  No.  95;  Krause,  No.  26. 

93)  Gillert,  No.  620''. 

94)  Gillert,  S.  XVI ;  Krause,  Helius  Eobanus  Hessus,  Bd.  I,  S.  26  f. 


76  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Auch  mit  dem  Nachfolger  des  Herebord  von  der 
M  a  r t h e n  in  Georgenthal,  dem  Heinrich  Mus  hart 
von  Hersfeld  ^5^,  pflegte  Mutian  wissenschaftlichen  Verkehr, 
er  erkennt  das  Talent  und  das  Streben  des  Jünglings  an 
doch  zieht  er  sich  bald  mehr  und  mehr  von  ihm  zurück, 
da  er  argwöhnt,  daß  „Musardus"  öin  „Lotianer"  ein 
Anhänger  der  Feinde  Mutians,  geworden  sei. 

Wie  mi^  diesen  Klosterlehrern  in  Georgenthal,  hätte 
Mutian  auch  mit  dem  dortigen  Abte  gern  wissenschaftlich 
verkehrt,  aber  Johannes  III.  war  für  litterarischen  Um- 
gang leider  nicht  zu  haben.  Der  Abt  stammte  aus  der  in 
Thüringen  reich  begüterten  Familie  derer  von  Spitz- 
nase ^ß),  hatte  von  1491  an  in  Leipzig  studiert,  und  nach- 
dem er  1502  an  die  Spitze  des  Klosters  getreten  war, 
schickte  er  im  Lauf  der  Jahre  auch  eine  Anzahl  seiner 
jungen  Mönche  zum  Studium  nach  Leipzig,  wo  die  Cister- 
cienser  ein  eigenes  Studienkollegium  hatten.  Für  die  Kloster- 
bibliothek ließ  der  Abt,  wie  wir  schon  früher  hörten,  auf 
Bitten  Mutians,  durch  Urban  öfter  Bücher  anschaffen,  die 
dann  Mutian  eifrig  benützte ;  so  wanderten  z.  B.  einmal 
von  Georgenthal  nach  Gotha  Leos  Sermone,  die  Regeln 
Benedikts  und  des  Basilius  und  eine  gereimte  Chronik. 
Daß  der  Abt  einiges  Interesse  für  wissenschaftliche  Arbeiten 
hatte,  zeigt  der  Umstand  ^^),  daß  er  dem  Degenhard 
Pf  ef  fing  er,  einem  der  einflußreichsten  Räte  Friedrichs 
des  Weisen,  mit  dem  er  in  brieflichem  Verkehr  stand, 
„zweier  angezaigter  Ro.  keyser  geschieht  vnd  leben",  die 
er  für  ihn  hatte  „vmbschreiben"  lassen,  zusendet.  Mutian. 
und  der  Abt  beschenkten  sich  auch  gegenseitig  des  öfteren 
mit  Büchern.  So  hat  Mutian  dem  Abte  Erzählungen  von 
dem    schwäbischen    und    ungarischen    Bauernaufstände    ge- 

95)  Gillert,  No.  184 ;  Jahrbücher  der  Königlichen  Akademie 
gemeinnütziger  Wissenschaften   zu  Erfurt,  N.  F.  Heft  XIX,  S.  76. 

96)  Jahrbücher  der  Königl.  Akademie  etc.  zu  Erfurt,  N.  F. 
Heft  XIX,  S.  67. 

97)  Gillert,  No.  341;  Krause,  No.  276. 


zur  Zeit  der  Reformation.  77 

schenkt  ^^),  der  Abt  aber  dem  Domherrn  eine  scholastische 
Abhandlung  9^*)  verehrt,  die  zwar  gar  nichts,  wie  Mutian 
sagt,  wert  sei,  aber  er  freue  sich  doch,  aus  diesem  ö-eschenk 
das  Wohlwollen  des  Abtes  erkannt  zu  haben. 

Ein  andermal  übersendet  Mutian  dem  Abt  ein  altes 
Werk  über  Edelsteine  1°%  das  werde  ihm  gewiß  gefallen, 
denn  daraus  könne  er  die  verschiedenen  Arten  von  Edel- 
steinen kennen  lernen,  mit  denen  seine  Mitra  besetzt  sei. 
Mutian  erzählt  einmal,  den  Abt  bei  einem  Feste  der  Nonnen 
im  Kreuzkloster  gesehen  zu  haben,  angethan  mit  Tiara  und 
Pallium,  fügt  aber  hinzu :  0,  wie  viel  Nichtigkeit  liegt  doch 
in  diesen  Dingen.  Auch  ein  Prognostiken,  einen  astro- 
logischen Kalender  i^i),  macht  er  einmal  dem  Abte  zum 
Geschenk,  um  dessen  Gunst  sich  und  dem  Urban  zu  er- 
halten. Oft  rühmt  er  den  Abt  als  einen  guten,  humanen, 
gefälligen  Mann  und  erkennt  an,  daß  er  durch  das  Kloster, 
nämlich  durch  Übersendung  von  Fleisch  und  Fisch,  Butter 
und  Käse,  Bauholz  und  Brennholz,  aber  vor  allem  auch 
durch  die  ihm  geliehenen  Bücher  und  die  dort  angestellten 
Klosterlehrer  vielen  Nutzen  habe.  Das  wird  aber  auch  so 
ziemlich  alles  sein,  was  man  aus  den  vorhandenen  Quellen 
Lobenswertes  für  den  Abt  herausfinden  kann.  Zwar  hören 
wir  wohl,  wie  Mutian  den  Abt  als  sacratissimus  et 
generosus,  als  reverendissimus,  als  humanus  et  facilis  herus, 
als  vir  optimus,  amatissimus  abbas  u.  s.  w.  bezeichnet,  aber 
solch  ehrende  Prädikate  sind  nicht  immer  ganz  ernst  ge- 
meint. Wenn  Mutian  d*en  Abt  einmal  lobt  und  rühmt, 
dann  ist  jedesmal  irgend  eine  That  vorausgegangen,  durch 
welche  der  Abt  dem  Mutian  eine  Bitte  erhört,  einen 
Wunsch  erfüllt,  dem  Urban  eine  Gefälligkeit  erwiesen  hat. 

Sehr  zahlreich  sind  nun  aber  die  harten  Urteile,  die 
Mutian    über    diesen  Kirchenfürsten    in  Georgenthal  fällt. 


98)  GiUert,  No.  419;  Krause,  No.  407. 

99)  Gillert,  No.  429;  Krause,  No.  410. 

100)  Gillert,  No.  16  u.  20;  Krause  No.  21  u.  32. 

101)  Gillert,  No.  456;  Krause,  No.  334. 


78  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Schon  das- hat  er  an  ihm  auszusetzen,  daß  der  Abt  schlecht 
Latein  versteht,  er  erzählt  einmal,  er  habe  ihm  einen 
Brief  i°2)  geschrieben  aber  hui !  paulo  latinius,  hie  utor  idio- 
mate  vernaculo  und  spielt  damit  auf  das  geringe  Maß 
humaner  Bildung  an,  das  der  Abt  besaß.  Vom  Jahre  1508 
an,  nachdem  der  Abt  angefangen  hat,  (Jem  M  u  t  i  a  n  nicht 
mehr  jeden  Wunsch  zu  erfülllen,  wird  6r  in  den  Briefen 
immer  „Duronius"  genannt.  Ganz  besonders  aber  hat 
Mutian  zu  klagen  über  den  schlechten  Umgang,  den  der 
Abt  mit  nichtsnutzigen  Menschen  pflegt,  und  über  die 
wilden  Trinkgelage,  an  denen  er  seine  Freude  hat. 
„Bibas"  wird  er  daher  oft  von  Mutian  genannt.  Unglück- 
licherweise hatte  der  Abt  gerade  mit  den  Männern  am 
meisten  Verkehr,  die  die  erbittertsten  Feinde  M  u  t  i  a  n  s 
waren.  Die  Domherren  Kötteling,  Morch  und  Lindenor, 
der  Töpfermeister  „Figulus"  in  Gotha  und  der  Beamte 
des  Nonnenklosters  Bartholus,  „von  der  Mistgrube  zum 
Herde  der  Vesta  emporgehoben",  das  sind  die  intimsten 
Freunde  des  Abtes,  und  von  diesen  Männern  weiß  Mutian 
sehr  viel  Böses  zu  erzählen.  Er  ist  traurig  darüber  ^°3), 
daß  der  Abt,  trotz  aller  Warnung,  solch  unwürdigem  Um- 
gang nicht  entsagt,  er  sei  aber  leider  taub,  möge  sich 
aber  hüten,  daß  er  nicht  über  kurz  oder  lang  zu  Fall 
komme,  welch  lächerliche  Rolle  werde  er  dann  spielen, 
wenn  nun  alle  seine  Zechbrüder  herbeigelaufen  kämen  zur 
Hilfe  und  würden  ihm  doch  nicht  helfen  können.  „So 
sehr  sind  die  Äbte  unserer  ^o^)  Zeit  degeneriert." 

Gleichen    Tadel    spricht     auch    IJrbani*^5^    über    den- 
Abt    aus,    wenn    er   demselben    Schuld   giebt,    nur    deshalb 
wolle    der  Abt  ihn    aus    dem  Kloster  weg  haben,  damit  er 
selbst  dann  um  so  dreister  prassen  und  zechen  könnte  und 


102)  Gillert,  No.  6;  Krause,  No.  12. 

103)  Gillert,  No.  16;  Krause,  No.  21. 

104)  GiUert,  No.  56;  Krause,  No.  82. 

105)  Gillert,  No.  122  b;  Krause,  No.  116. 


zur  Zeit  der  Reformation.  7J) 

die  schlauen  Schmarotzer,  wie  Drohnen  umherschVärmeud, 
desto  ungehinderter  im  Kloster  sich  breit  machen  könnten, 
um  Mutwillen  zu  treiben,  „doch  über  den  entarteten  und 
thörichten  Duronius  wird  ein  überaus  scharfer  Reformator 
kommen,  dann  wird  der  Abt  zu  spät  wünschen,  die  schmach- 
vollen Thaten  ungeschehen  zu  machen".  —  Hart  urteilt 
Mutian  über  die  traurigen  Zustände,  die  in  dem  Kloster 
unter  einem  solchen  Abte  herrschen.  Dieser  Hirte,  sagt  er, 
habe  kein  Salz,  Herebord,  der  Klosterlehrer,  biete  der 
Herde  wohl  ein  wenig  Salz  an,  aber  die  krank  danieder- 
liegende Herde  wolle  daran  nicht  lecken,  hat  einen  Ekel 
vor  den  rechten  Studien."  Die  Schmeichler  dringen  bis  an 
das  Ohr  des  Abtes  mit  ihren  bösen  Schmeicheleien,  niemand 
versteht  den  Weizen  von  dem  Unkraut,  das  Wahre  von 
dem  Falschen,  das  Gute  von  dem  Bösen  zu  scheiden,  nicht 
eine  Genossenschaft  von  Mönchen,  sondern  eine  Genossen- 
schaft von  Drohnen,  von  Räubern  ist  das  Kloster.'' 

Bei  den  Zechgelagen,  die  gehalten  werden,  sucht  man 
ürban  und  Mutian  bei  dem  Abte  anzuschwärzen,  als 
einmal  der  Abt  mit  seinen  Kumpanen  eine  große  Zecherei 
abhielt,  als  es  sich  zeigte^''''):  „Gleich  und  Gleich  gesellt 
sich  gern"  und:  was  der  Gott  Bacchus  zusammenfügt,  das 
soll  der  Mensch  nicht  scheiden",  da  haben  sie  gesagt : 
„Mutian US  helt  keyn  messe,  Urbanus  ist  auch  ein  poete." 
Darum  hofft  denn  nun  auch  Mutian,  daß  auch  dem  Abte 
jenes  scharfe  Edikt  der  Fürsten  „gegen  die  gotslästerung 
vnd  das  unfledig  zutrinken"  zugegangen  sei,  „denn  das 
Trinken  schändet  die  Deutschen  und  die  anderen  Nationen 
bezeichnen  das  Zutrinken  als  einen  unserer  Nation  eigen- 
thümlichen,  häßlichen  Mackel" . 

Mit  Wein  ist  bei  dem  Abte  viel  zu  erreichen.  „Wenn 
der  Abt  zu  mir  kommt  ^°^),  dann  will  ich  ihm  eine  Flasche, 


106)  GUlert,  No,  124;  Krause,  No.  111. 

107)  Gillert,  No.  213;  Krause,  No.  220. 

108)  GiUert,  No.  266;  Krause,  No.  257. 

109)  Gillen,  No.  338;  Krause,  No.  230. 


80  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

nein  drei  Flaschen  Wein  vorsetzen  und  mit  ihm  trinken, 
imo  vomam,  damit  er  uns  nur  wieder  lieb  hat  und  uns 
nicht  von  sich  stößt." 

„Zwei  Tage  lang  hat  der  Abt  in  Grotha  gezecht.  Wir 
haben  unser,  er  hat  sein  Vergnügen  ^i^).  Mich  hat  er  nicht 
dazu  eingeladen,  aber  wohl  den  Tigi^ilus,  seine  Wonne, 
das  ist  einer  aus  der  Hefe  der  Menschheit."  —  „Ich  be- 
grüße m)  den  Abt  nicht  gern,  wenn  er  in  Gotha  ist,  denn 
Pigulus,  der  Schmutzige,  beschmutzt  alles  mit  seinen 
unzüchtigen  Witzen,  mit  solchen  Zechbrüdern  erfreut  sich 
der,  der  über  die  heiligen  Sitten  wachen  sollte."  — 
„Glaube  ^^^)  mir,  ich  würde  den  Abt  öfter  besuchen,  wenn 
mich,  nicht  etwa  bäurische  Scham,  sondern  eine  Scheu,  wie 
sie  einem  guten  und  gebildeten  Mann  geziemt,  nicht  gleich- 
sam zu  Hause  begrübe.  Aber  ich  werde  doch  wagen,  frei 
unter  den  Schlemmern  und  Schmeichlern  mich  zu  bewegen, 
oder  wenn  dem  Philosophen  der  Zugang,  durch  den  Haufen 
der  Zecher  versperrt,  nicht  offen  steht,  so  werde  ich  durch 
fremde  Hand  so  viel  Bier  und  Wein  auftragen  lassen,  ut 
Fauno  Satyrisque  venter  et  quae  sub  ventre  sunt,  tumeant." 
—  „Ich  weiß  nicht  ii3j^  -^^g  der  Abt  für  ein  Mensch  ist,  ob 
er  ein  Verschwender  oder  ein  Geizhalz  ist.  Fremden  giebt 
er.  Ich  habe  einst  gehört  ^i*),  als  er  abends  Gotha,  voll- 
getrunken und  schwankenden  Schrittes ,  verließ ,  da  hat 
B  r  e  n  g  bii  e  r  (ein  gothaischer  Ratsherr)  hinter  seinem  Rücken 
gesagt:  „Das  schat  mir  ein  Bodem",  damit  wollte  er  sagen, 
wenn  der  Abt  geblieben  wäre,  dann  hätte  ich  noch  von 
ihm  inter  pocula  tausend  Bretter  erhalten.  „Neulich  hat 
er  hier  tapfer  pokuliert,  mich  hat  er  nicht  eingeladen,  für 
die  Seinen  sorgt  er  schlecht,  aber  der  verfluchte  Figulus 
und  der  dumme  Prätor  vermögen  alles." 


110.)  Gillert,  No.  353;  Krause,  No.  333. 

111)  Gillert,  No.  461;  Krause,  No.  443. 

112)  Gillert,  No.  524;  Krause,  No.  506. 

113)  Gillert,  No.  134;  Krause,  No.  119. 

114)  Gillert,  No.  509;  Krause,  No.  512. 


zur  Zeit  der  Reformation.  3X 

Mutian  klagt  oft  darüber i^^),  daß  der  Abt  ganz  und 
gar  unter  der  Gewalt  dieser  seiner  unwürdigen  Zechge- 
nossen stehe,  der  Abt  ist  das,  was  die  „Lotianer"  (die 
Anhänger  des  Lotius,  wie  Kötteling  immer  genannt  wifd) 
aus  ihm  machen.  —  „Mit  unserem  Einfluß  ^^^)  auf  den  Abt 
ist  es  aus,  nichts  weiß  jetzt  Urbanus  mehr,  nichts  kennt 
Mutian,  wir  sind  nichts  mehr,  Morchus  aber  ist  beredt 
der  ist  weise,  der  ist  der  vorzüglichste,  der  hervorragende 
Mann." 

„Duronius^^'')  hat  seine  Freude  an  üppigen  Mahl- 
zeiten, er  ladet  Schauspieler  und  Possenreißer  ein,  die  leicht- 
sinnigsten Menschen,  die  sind  seine  Wonne.  Was  ist  das 
anders  als  die  reinste  Sklaverei.  Er  hat  nicht  gelernt,  was 
es  heißt,  mit  gebildeten,  braven,  liebenswürdigen  Menschen 
verkehren.  Leute  wie  Eigulus  und  die  Zitherspieler 
mögen  in  die  Unterwelt  verstoßen  werden.  Was  soll  ich 
von  Bartholus  sagen?  Zu  dem  Urteil  dieses  Narren 
nimmt  er  seine  Zuflucht  wie  zu  einem  Heiligenbilde,  den 
verehrt  er  wie  die  Ägypter  das  Krokodil.  Lotius  über- 
redet ihn  zu  allem,  was  er  will.  Morus  (Morch)  ist 
diesem  Priester  der  liebste.  Diese  beiden  räudigen  Übel 
herrschen  in  Georgenthal.  Der  Abt  gehorcht,  nein  er  ist 
ein  Sklave  ....  Damit  aber  diese  Leute  uns  nicht  ganz 
und  gar  auf  die  Seite  schieben,  werde  ich  mir  die  Gunst 
des  Abtes  zu  erhalten  suchen  um  jeden  Preis." 

Als  einst  der  Abt  den  Urban  daran  gehindert  hat, 
Bücher  in  Leipzig  zu  kauftn,  da  ist  Mutian  sehr  auf- 
gebracht und  schreibt  an  Urban^i^):  „Ja,  Duronius  ist 
daran  schuld,  nicht  Du,  Duronius,  denn  groß  ist  nicht 
nur  dessen  Übermut  (insolentia),  das  ist  ja  ein  Familien- 
fehler (familiäre)  der  Äbte  unseres  Zeitalters,  das  Brod 
Christi   macht  ja   mutwillig,    groß   ist  auch  seine  Blindheit 


115)  Gillert,  No.  282;  Krause,  No.  278. 

116)  Gillert,  No.  338;  Krause,  No.  230. 

117)  GUlert,  No.  385;  Krause,  No.  369. 

118)  Gillert,  No.  387;  Krause,  No.  373. 
XXI. 


82         Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

und  Thorheit,  die  sich  darin  zeigt,  daß  er  denen  glaubt 
denen  sonst  niemand  glaubt.  Ich  kann  mich  kaum  des 
Schimpfens  enthalten,  nur  eines  stoße  ich  wie  ein  Betrunkener 
heraus  (ich  habe  nämlich  auch  stark  gezecht):  Nichts  ist 
es  mit  der  klösterlichen  Heiligkeit  (sanctimonia),  und  wenn 
dieselbe  etwas  bedeutet,  so  bedeutet  äie  Unbesonnenheit 
und  Heuchelei,  Scheinheiligkeit  und  Verstellung.  Von  der 
Unsinnigkeit  und  Unflätigkeit  und  mannigfaltigen  Prahlerei 
will  ich  gar  nicht  reden.  Bald  prahlen  sie  mit  mönchischer 
Armut,  bald  mit  irgend  einer  anderen  Sache,  für  die  sie 
Beifall  verlangen,  man  kann  nämlich  auch  mit  häßlichen 
und  schändlichen  Dingen  prahlen,  nicht  nur  mit  herrlichen 
und  erhabenen." 

Daß  Mutian  beim  Briefschreiben  bene  ebrius  ge- 
wesen, gesteht  er  öfter  ein,  er  lebte  vielleicht  nach  dem 
Grundsatz,  den  sein  Schüler,  der  allezeit  trinklustige  Dichter- 
könig Eobanus  Hessus,  in  seinem  Buch  „Von  der  Er- 
haltung der  Gesundheit"  aufstellt:  „häufiger  Rausch  sei 
schädlich,  ein  seltener  jedoch  heilsam."  Mutian  besaß 
einen  Weinberg  in  der  Nähe  von  Erfurt,  allzu  schmackhaft 
muß  die  dortige  Kreszenz  aber  wohl  nicht  gewesen  sein, 
denn  als  er  einmal  Gäste  zu  Tisch  geladen  hat,  läßt  er  sich 
für  dieselben  Malvasier  kommen,  den  er  aus  Erfurt  bezieht. 
Für  den  geringen  Wert  des  Weines,  der  auf  Thüringens 
Bergen  wuchs ,  spricht  auch  der  Umstand ,  daß ,  als  in 
den  zwanziger  Jahren  des  16.  Jahrhunderts  nach  Walters- 
hausen der  Pfarrer  D  r  a  c  o  ^^^),  von  dem  wir  später  noch 
hören  werden ,  aus  Franken  übersiedelte ,  derselbe  nicht 
nur  einen  schweren  Wagen  voll  Bücher,  sondern  auch 
eine  stattliche  Anzahl  von  Fässern  voll  Frankenweines 
mitbrachte. 

Ein  Bruder  des  Abtes  Johannes  von  Spitznase, 
Heinrich  von  Spitznase i^O)^  -^^ar  im  Jahre  1520  Propst 

119)  Zeitschrift  f.  Thür.  Gesch.,  Bd.  VII,  S.  223. 

120)  Kein:  Thur.  Sacra,  Kloster  Ichtershausen ;  Weimar  1863, 
S.  33. 


zur  Zeit  der  Reformation.  33 

in  dem  Cistercienser-Nonnenkloster  zu  Ichters- 
hausen.  Ob  es  demselben  in  Ichtershausen  in  wirksamerer 
Weise  als  seinem  Bruder  in  Georgenthal  gelungen  ist,  Ordnung 
unter  den  seiner  Pflege  Anbefohlenen  herzustellen,  kann 
ich  nicht  melden;  daß  aber  dort  viel  zu  bessern  war,  ist 
sicher.  „Als^^ij  i486  infolge  einer  angeordneten  Reformation 
die  Disciplin  verschärft  werden  sollte,  da  haben  die  adligen 
Nonnen  in  Ichtershausen  förmlich  rebelliert.  Der  Beicht- 
vater Konrad  Ottonis  ist  genötigt  gewesen,  einen  ge- 
heimen Panzer  anzulegen,  und  mehrere  Nonnen  sind  zur 
Strafe  und  Besserung  in  fremde  Klöster  gebracht  worden: 
2  nach  Eisenach,  2  nach  Gotha  und  2  nach  Erfurt.  Viel 
scheint  das  aber  nicht  gefruchtet  zu  haben,  denn  1504 
fühlte  sich  der  Beichtvater  dort  gedrungen,  eine  außer- 
ordentliche Visitation  durch  den  Abt  von  St.  Peter  in 
Erfurt  zu  beantragen." 

Wie  es  nun  mit  den  Pfarrern  auf  dem  Lande 
stand,  darüber  giebt  Aufschluß  das  Protokoll,  das  My- 
co n  i  u  s  aufgestellt  hat  ^^^)  über  die  von  ihm  in  Verbindung 
mit  dem  Pfarrer  Dr.  Draco  in  Walterhausen  und  dem 
Amtmann  zu  Tenneberg  D i t z m a n n  Goldacker  im  Jahre 
1526  von  Mitfasten  bis  Ostern  mit  den  Pfarrern  in  der 
Pflege  Tenneberg  vorgenommene  Visitation.  Zu  dieser  Pflege 
gehörten  folgende  Orte:  Sundhausen  mit  2  Pfarrern, 
Wahlwinkel,  Hörseigau,  Teutleben,  Ülleben,  Pröttstädt, 
Leina,  Asbach,  Trügleben,  Laucha  und  Boilstädt.  Die  drei 
oben  genannten  Visitatoren  ließen  aus  diesen  11  Ortschaften 
auf  jeglichen  Pfarrer  2  Mann  fordern,  denen  bei  ihren 
Eiden  und  Pflichten  geboten  wurde,  „daß  sie  uns,-  das  wir 
sie  fragen,  die  Wahrheit  und  nit  anders  unterrichten  sollten. 
Aus  den  nun  mitzuteilenden  Antworten  der  vorgeforderten 
Bauern  und  aus  den  Censuren,  die  Myconius  den  einzelnen 

121)  Rein:  Thur.  Sacra,  Kloster  Ichtershausen,  S.  12 ff. 

122)  Allererste  Visitationsacta  der  Prediger  im  Amt  Tenneberg 
1526.  Im  Konsistorialarchiv  zu  Gotha;  s.  C.  A.  H.  Burkhardt: 
Geschichte  der  Sächsischen  Kirchen-  und  Schulvisitatioiien  S.  12  ff. 

6* 


34  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Pfarrern  giebt,  sehen  wir :  Unter  der  Landgeistlicbkeit  hat 
evangelischer  Sinn  nur  langsam  sich  eingebürgert.  Die 
meisten  Pfarrer  aus  der  papistischen  Zeit  „hingen  den 
Mantel  nach  dem  Winde,"  „stellten  sich  fast  alle,  als 
wollten  sie  gut  evangelisch  sein",  im  Grunde  aber  „kunten 
sie  sich  in  die  neue  Sach'  nit  gericht",  einzelne  bekundeten 
offen,  „die  Sach'  gefiele  ihnen  nichts,  wenn  sie  was  redeten 
und  thäten,  geschehe  es  wider  das  Gewissen",  wieder 
andere  „wollten  nicht  Evangelium  haben",  weil  sie  sich 
vor  ihren  Junkern  fürchteten,  auch  gab  es  Pfarrer,  die 
wuiiten  nicht  mehr  aus  noch  ein,  „wurden  gar  kleinmutig 
und  bestürzt,  als  wollt  und  sollt  das  heilige  Evangelium 
gar  umkahrt  und  verbotten  sein." 

Über  den  „Oberpfarrer"  in  Sundhausen  Johann  Renner 
sagen  die  „Gesandten":  „Hat  alleweg  Messe  gehalten,  Vigilien, 
E-eginam,  geweiht,  gesprengt,  lateinisch  getauft  bis  auf  nächst 
Weihnachten,  da  es  der  Amtmann  von  des  Kurfürsten  wegen 
verboten  hat,  sonst  hätt'  er  vielleicht  noch  nit  abgestanden. 
Sagt  das  Evangelium  nach  dem  Text,  legt's  aus,  so  ihm's 
gefällt.  Ist  viel  Klag'  und  Unwillens,  auch  Ärgernis  über 
ihn  von  Anderen,  die  in  andere  Kirchen  zum  Evangelium 
gehen.  Tauft  deutsch  und  Lateinisch,  danach  der  Mann 
haben  will,  das  dienet  dann  zu  Uneinigkeit.  Hat  vor  Weih- 
nachten noch  die  Kranken  geölt,  allweg  Sacramentum 
unter  Einer  Gestalt  geben.  Der  ist  fast  der  ärgst  und 
zornigst  Papist  in  der  ganzen  Pflege,  ärgert  viel,  habet 
scortum  et  liberos." 

Myconius  fügt  hinzu:  „Ist  bisher  der  heftigst  Feind 
und  Verlästerer  der  Lehre  des  Evangeliums  gewest,  allein 
aus  Zwang  muß  er  Lästern  ja  öffentlich  laßen.  Weiß  weder 
von  Sünde  noch  Gesetz,  Verheißung,  noch  Evangelium,  be- 
kundet selbst,  er  könnt'  in  die  neue  Sach'  sich  nit  gericht, 
gefällt  ihm  nichts,  wenn  er  was  redet  oder  thut,  geschieht's 
wider  sein  Gewissen." 

Von  dem  Pfarrer  Johann  Timbich  in  der  Unter- 
pfarre zu  Sundhausen  sagen  die  Bauern  :  „Ist  nit  tief,  sondern 


zur  Zeit  der  Reformation.  85 

seicht  gelehrt,  doch  nimmt  er  nichts  wider  das  Evangelium 
für.  Hat  doch  nun  ein  Jahr  lang  einen  frommen  Priester 
von  Gotha,  läßt  das  Evangelium  seinen  Völklein  predigen 
selbst  aber,  in  eigener  Person,  ist  er  nit  geschickt  solches 
zu  thun.  Das  Leben  könnte  man  dulden,  aber  Verstand  und 
Lehre  ist  noch  nit  da."  Myconius  urteilt:  „Ist  ungelehrt, 
hat  einen  einfältigen  Verstand  von  Hörensagen  auf  etliche 
Punkt  der  evangelischen  Lehre,  aber  zu  lehren  ist  er  zu 
schv^ach,  denn  die  Gab'  hat  ihm  Gott  nit  geben.  Ist  aber 
dem  Evangelium  nit  entgegen,  wie  er  sich  hat  merken 
lassen,  hat  er  nun  ein  Jahr  durch  einen  Gemietheten  predigen 
lassen,  daß  die  Bauern  nit  klagen  dürfen.  Will  uxorem 
haben,  nit  scortum." 

Die  Männer  von  Wahlwinkel  gaben  ihrem  Pfarrer 
Matthes  Treyse  ein  gut  Gezeugnis  von  Lehre  und  Leben, 
seien  wohl  zufrieden,  lassen  sich  genügen  an  dem,  das  Gott 
durch  ihn  giebet.  Ist  ehelich  worden.  Myconius  hat 
ihn  in  seiner  Beurteilung  übergangen. 

Von  dem  Pfarrer  in  Hörseigau  Ciliax  Zan  sagen  die 
Gesandten  :  „Ist  gelehrt,  thut  Fleiß  bei  dem  Evangelium,  hat 
viel  der  neuen  Büsher,  hält  alle  Dinge  nach  dem  Evangelium, 
hat  keine  Köchin,  auch  kein  ehelich  Weib,  haben  gar  kein 
Gebrechen,  allein  trinkt  zu  Zeiten  zu  sehr."  Mykonius 
sagt  am  Schluß  seiner  Beurteilung:  „Der  anderen  Pfarrer 
seien  Etlich  besser:  als  Herr  Ciliax  zu  Hörseigau,  den 
hat  der  Doctor  (Draco)  fxaminirt." 

Der  Pfarrer  Johann  Westhausen  in  Teutleben 
empfängt  von  seinen  Leuten  folgendes  Zeugnis :  „Ist  ehelich 
worden,  das  Leben  ist  zu  leiden,  aber  die  Lehre  ist  ja  aus 
dem  Evangelium,  aber  mit  allzuköstlich."  Myconius  ist 
noch  weniger  von  diesem  Manne  erbaut,  denn  er  sagt: 
„Ist  ungelehrt,  hat  keines  Punktes  gewissen  Verstand,  daß 
er  ihn  kräftig  lehren,  oder  aus  göttlichem  Munde  beweisen 
könnt.  Ist  neulich  ehelich  worden,  hat  doch  den  Namen 
gut  evangelisch.    Aber,  Herr  Gott,  wo  bleibt  sana  doctrina 


86  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

vor   die    kranken,    siechen,    zerbrochenen  Herzen.     Ja,  wer 
zeigt  denen  an,  daß  sie  krank,  siech,  zerbrochen  sind?" 

Über  den  Pfarrer  Kuntz  Salzmann  in  Ülleben 
geben  die  Bauern  ein  sehr  wenig  günstiges  Urteil  ab: 
„Hat  seine  Köchin  vor  ein  Jahr,  da  die  Bauern  aufstunden, 
vorgeben  sie  zu  ehelichen,  ließ  sich  zu  Gotha  aufbieten,  da 
aber  die  Bauern  gestillet  wurden,  hat  er  sie  bisher  noch 
nit  zur  Kirche  geführt,  hält  es  das  Volk  noch  für  Huren- 
volk, doch  will  er's  bald  nach  Ostern  ehelichen.  Wenn  es 
wohl  steht,  gibt  er  sich  gut  evangelisch  für,  so  bald  ein 
wenig  ein  Gerücht  kommt,  fallt  er  herum,  ist  dawider.  Ist 
papistisch  und  evangelisch,  wie  ihm  der  Mann  für  kommt. 
Sein  Volk  läuft  gen  Gotha  zur  Predigt.  Ist  ganz  ungelehrt." 
Myconius  stimmt  diesem  Urteil  zu  und  fügt  noch  bei, 
„Ungelehrt  und  weiß  doch  selbst  nit,  daß  er  ungelehrt  ist, 
kunt  fast  auf  die  oben  angezeigten  Punkte  Keines  geantwort, 
gab  darnach  für,  der  Bischof  hab  ihn  examinirt,  das  sollt 
man  genugsam  sein  laßen,  es  wäre  übereilt,  hat  keine  Bücher, 
daraus  er  unterrichtet  werden  möchte,  wankt  hin  und  wieder: 
für  Etlich  evangelisch,  für  Andere  dawider.  Ist  kein  wahrer 
Grund  da,  sagt  doch  er  woll'  studiren." 

Der  Fröttstedter  Pfarrer  Jörg  Hock  hat  mehr  Gnade 
bei  seinen  Leuten  gefunden:  „Lehrt  das  Evangelium,  gibt 
das  Sacrament  zu  Zeiten  in  Einer,  zu  Zeiten  in  beiden 
Gestalten.  „Lebet  sonst  gut  genug.  Myconius  stimmt 
im  ganzen  zu:  „Hat  Verstandes  genug  von  der  Summa 
christlicher  Lehre,  aber  er  hat  zu  Zeiten  merken  laßen, 
daß  er  wollt  den  Mantel  nach  dem  Winde  hängen.  Sed , 
potens  est  Deus  stabilire  illum." 

Der  Pfarrer  in  Leina  Er.  Bastian  stand  in  keinem 
guten  Rufe  in  seinem  Dorfe:  „Ist  nit  gelehrt,  geht  lieber  mit 
Vogel-  und  Waidwerk  um,  denn  mit  Studiren.  Das  Leben 
ist  so  hin.  Gibt  für,  sein  Köchin  sei  sein  Weib,  wir 
wissen's  aber  nit.  Er  ist  nit  allzutüchtig  zu  solchem  Amt. 
Ist  dazu  ein  Miethling,  die  Pfarr  ist  aber  eines  Papisten  zu 
Erfurt,  Johann  Rudolfs,    dem  muß   er  Pension   geben." 


zur  Zeit  der  Reformation.  87 

Myconius  urteilt  noch  schärfer:  „Hie  omnino  nihil  valet, 
sehr  ungelehrt,  fast  nichts  gewußt  von  allen  Punkten  der 
summa  fidei,  geht  mit  Jägerei  um,  ist  dazu  ein  Miethling, 
die  Pfarr  ist  eines  Thumbherren  zu  Erfurt.  Ich  weiß  mit 
meinem  Gewissen  ihm  nit  Christi  Schaf  zu  befehlen.  Gott 
gebe  dem  mehr  Verstandes  von  Glauben  und  Christo.  Gott 
aber  will  nit  immer  Mirackel  thun." 

In  Asbach  saß  der  Erzpriester  Lorenz  Propel,  mit 
dem  ist  es  aber  ganz  traurig  bestellt  gewesen  :  „Ist  ein  alter 
Pfaff,  lehrt  so  wohl  er's  vor  Alters  gelernt  hat,  ist  der  neuen 
Lehr  allweg  entgegen  gewest.  Gibt  Tauf  und  Sacrament 
nach  alter  papistischen  Weise.  Wenn  er  schon  viel  kunt, 
kann   er's   nit   gesag,   noch   gereden,    lehrt  uns   nichts  von 

Christo,   Glauben   oder   was   es   sei würde  oft  so 

irre  im  Evangelium,  daß  er  selbst  nit  weiß,  was  er  sagt, 
Summa:  Er  gefiele  ihnen  gar  nit,  seien  übel  versorgt,  be- 
gehrt, wie  sie  sagen,  eine  ganze  Gemeine,  daß  sie  einen 
besseren  hätten,  wenn  ihnen  Gott  durch  die  Obrigkeit  so 
gnädig  wäre  und  wollt  ihnen  einen  anderen  geben.  „My- 
conius ergänzt  das  Urteil  noch,  in  dem  er  sagt:  „Ist 
ehelich  worden,  aber  ehelich  werden,  ist  nit  genug  zu 
einem  Pastor  und  Lehrer  der  Gewissen,  macht  die  Anderen 
nit  heil  von  Sünden.  Hat  nie  etwas  Rechtes  gelesen,  sagt 
contritio  et  satisfactio  wäre  die  Kunst  Sünden  zu  trösten, 
daß  sie  ihrer  Sund'  ledig  würden.  Ist  ein  alter  Mann, 
übel  beredt,  begehrt  die  Gemeine  einen  anderen  wo 
möglich."  * 

Von  dem  Pfarrer  Johann  Schilling  in  Trügleben 
sagen  die  Gesandten:  „Er  lenkt  sich  ja  nach  dem  Evangelium, 
wenn  er's  gewissen  Verstand  hätt.  Ist  nit  wohlgelehrt, 
predigt  ja  Evangelium,  so  gut  er  vermag,  ist  ehelich;  des 
Lebens  halber  haben  sie  keinen  Mangel.  „Myconius  setzt 
hinzu:  „Ist  ehelich,  aber  ungelehrt,  studirt  nit,  hat  keinen 
gewissen  Verstand  noch  Grund  können  anzeigen  von  ob- 
genannten  Punkten  und  Summa  christlicher  Lehre,  giebt 
sich  doch  überall  vor  evangelisch  aus." 


88  Kirchliches  u.  Boziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Die  Leute  aus  Laue  ha  sagen:  „Es  habe  sie  der  Junker 
Andres  von  Teutleben  zum  ersten  nit  wollen  kommen 
lassen,  bis  der  Hauptmann  kurfürstlichen  Befehl  anzeige.  Sagen 
mit  großer  Furcht  ihres  Junkers,  sie  hätten  nit  großen  Ge- 
fallen an  ihm.  Hält  alle  Sonntag  lateinisch  Messe.  Halte 
Alles  das  wie  vor,  allein  neulich  hat  er^ angehoben  deutsch 
zu  taufen,  doch  macht  er's  auch  zu  Zeiten  lateinisch,  wie 
man's  haben  wollt.  Hängt  den  Mantel  nach  dem  Wind. 
Waren  die  Leutlein  recht  traurig,  sprechen,  was  sollen  wir 
sagen,  wenn  nit  unser  Junker  dazu  rät.  Der  Pfaff  hat  noch 
seine  Köchin  und  seine  Kinder.  Ist  papistisch  und  evan- 
gelisch." Myconius  setzt  ergänzend  hinzu:  ,,Hat  etwas 
Verstand  vom  Evangelio,  aber  sein  Junker  Endres  von  Teut- 
leben will  nit  Evangelium  haben,  so  macht's  damit  Pfaflf  wie 
sein  Junker  und  des  Junkers  seine  Vettern,  welche  Thumb- 
herren  sein  zu  Hildesheim.  Hat  noch  seine  Köchin,  mit 
der  sei  er  in  Unehe,  hält  noch  die  Ölung.  Ist  kein  Grund 
da  noch  zur  Zeit,  daß  er  Andere  lehren  sollt  den  Grund 
der  Seligkeit  in  Christo  und  sein  Wort." 

Über  Pfarrer  Johann  Engel  in  Boilstädt  sagen 
die  Bauern:  „An  dem  habe  die  arme  Gemeine  alleweg  großen 
Mangel  gehabt,  hat  alle  Dinge  gemacht  und  gehalten  wie 
es  sein  Junker  hat  haben  wollen,  Cuntz  von  Lissa 
Ist  gar  ein  Papist,  eines  bösen  Lebens,  von  Grund  un- 
gelehrt, begehren,  daß  sie  einen  Anderen  hätten.  „M|yconius 
urteilt:  „Johann  Engel  zu  Boilstädt  taugt  doch  gar  nichts 
weder  im  Verstände,  noch  Leben  und  Lehre.  Ist  Cuntz 
von  Lissa 's  Pfarrer  gewest.  Soll  noch  das  arme  Volk 
weisen." 

Es  sind  unfertige  Zustände,  die  uns  hier  entgegen- 
treten, an  den  Alten  war  mächtig  gerüttelt,  ja  es  war 
teilweise  völlig  über  den  Haufen  geworfen,  aber  das  Neue, 
das  an  die  Stelle  des  Alten  treten  sollte,  war  noch  so  total 
unfertig,  daß  es  den  alten  Pfarrern  wirklich  nicht  allzusehr 
verübelt  werden  darf,  wenn  sie  sozusagen  Flur-irre  wurden, 
wenn  sie  statt,  alsbald  mit  Begeisterung  für  Luther  und 


zur  Zeit  der  Reformation.  89 

sein  Werk  einzutreten,  vielmehr  zuerst  noch  in  betrübten 
EUagen  ihren  bedrückten  Herzen  Luft  machten.  Zwei  Bei- 
spiele mögen  die  Unfertigkeit  der  damaligen  Zustände  illu- 
strieren : 

Am  Bartholomäustage  lB25i23j  schickte  der  Pfarrer  zu 
Eischleben  einen  Boten  an  den  Pfarrer  Kisewetter  in 
Erfurt,  denn  „er  und  etliche  andere  Priester  waren  gar  klein- 
mutig und  bestürzt  worden,  als  wollt  und  sollt  das  heilige 
Evangelium  gar  umkahrt  und  verbotten  werden.  Sie  wollen 
nun  gern  Auskunft  haben  über  den  Verlauf  einer  Ver- 
sammlung, zu  der  der  Kurfürst  die  ganze  Priesterschaft  des 
Weimarischen  Amtes,  dazu  auch  etliche  Pfarrer  aus  Erfurt 
nach  Weimar  berufen  hatte.  Auf  dieser  Versammlung  war, 
so  lautet  die  Antwort  des  Pfarrers  Kisewetter,  den 
Pfarrern  befohlen  worden  durch  zwei  Predigten,  die  man 
ihnen  gehalten  hatte,  das  Wort  Gottes  und  Evangelium 
lauter  und  rein  zu  predigen,  ohne  allen  Zusatz  und  Ein- 
mischung menschlicher  Lehre,  und  zu  einem  ehrbaren  christ- 
lichen Leben  waren  sie  ermahnt  worden.  Dann  mittags 
hat  im  Beisein  des  Kurfürsten  und  anderer  hoher  Herren 
der  Ritter  und  fürstliche  Rath  Friedrich  vonThun  ihnen 
eine  Rede  gehalten,  in  der  er  sie  ermahnte,  in  diesen  ge- 
schwinden Läufften  das  Wort  Gottes  lauter  und  rein  zu 
predigen.  Es  soll  sich  niemand  entschuldigen,  als  wisse 
er's  nit,  oder  hab's  nit  gelernt,  wer  es  nit  kann  und  will 
doch  solch  Amt  verwesen,  der  soll  es  von  denjenigen  lernen, 
die  es  wissen.  Verächter  und  Leichtfertige  in  den  Dingen, 
so  Gott  und  sein  Wort  betreffen,  wollen  Ihrer  Fürstlichen 
Gnaden  in  ihrem  Fürstenthum  und  Herrschaft  nit  wissen. 
Auf  diesen  mündlichen  Befehl  werde  baldigst,  in  kurzen 
Tagen  unser  gnädiger  Herr  ein  Reformation  oder  Ordnung 
zurichten  und  durch  den  Druck  an  den  Tag  geben,  wie 
man  sich  mit  Singen,  Lesen,  Messhalten  und  in  anderen 
Sachen    oder  Ceremonien    allenthalben  halten  soll,   und  die 


123)  Eudolfi :  Gotha  Diplom,  I.  Theil  Kap.  XV,  §  18,  S.  149  f. 


90  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Statthalter  und  Amptleute  werden  dafür  sorgen,  daß  diesem 
Befehl  wohl  Folgung  geschehn  soll  und  muß.  Darauf  werden 
die  Pfarrer  entlassen.  Da  haben  aber  etliche  Grobe  und 
Ungelehrte  aus  der  Priesterschaft  glorirt  und  sich  gerühmt 
und  zu  den  Andern  gesagt:  ja  man  hat  uns  dennoch  nit 
verbotten  Vigilien  und  Seelmeß  zu  halten,  Salz  und  Wasser 
nit  zu  weihen  und  dergleichen.  Um  Klarheit  in  die  Sache 
zu  bringen,  werden  auf  Antrieb  des  Pfarrers  Kisewetter 
am  Nachmittag  sämmtliche  Pfarrer  noch  einmal  ins  fürstliche 
Schloß  zu  Weimar  gefordert,  und  den  ungelehrten  und  un- 
verständigen Tröpfen  wird  geboten,  daß  man  auch  in  den 
Ceremonien  es  halten  soll  in  aller  Form,  wie  man  hie  zu 
Weimar  und  in  anderen  Orten  es  nach  der  Schrift  hält." 
Ob  dadurch  nun  sofort  wirklich  volle  Klarheit  in  der  Sache 
geschafft  worden  ist,  möchte  ich  noch  bezweifeln. 

Am  Sonntag  nach  Purificationis  1527  schrieb  Dr.  Luther 
an  den  Kurfürsten ^^^) :  „Es  klagt  Dr.  Johann  Draconitis 
in  Waltershausen,  wie  er  sich  mit  den  Leuten  treiben  müße, 
so  ihm  sollen  zinsen  und  bitt  mich  an  Ew.  kurfürstlichen 
Gnaden  zu  schreiben,  daß  Ew.  kurfürstlichen  Gnaden  wolle 
verschaffen,  daß  ihm  nicht  noth  sei  so  zu  treiben,  denn  es 
ärgerlich  ist,  als  sei  es  Geiz,  so  es  doch  Noth  ist.  Ich  tröste 
sie  aber  alle  mit  der  zukünftigen  Visitation.  Aber  es  wird 
mir  lange,  und  sagen  auch  etliche  große  Hanßen,  sie  werde 
nachbleiben. 

Wo  dem  so  ist,  so  ist's  mir  mit  Pfarrhen,  Schulen  und 
Evangelio  in  diesem  Lande  aus,   sie  müßen  entlaufen,   denn 
sie   haben   nichts,   gehen   und   sehen  wie  die  Geister,  doch- 
davon  anders  Mals  weiter,  Ew.  Kurfürstliche  Gnaden  werden 
sich  wohl  wissen  zu  haben." 

Als  Dr.  Luther  10  Jahre  früher  sein  Reformations- 
werk begonnen  hatte  und  seine  95  Thesen  schier  in  14 
Tagen  durch  ganz  Deutschland  liefen,  da  werden  sie  auch 
im  Gothaischen  bekannt  geworden  sein,  und  ein  Mann  war 


124)  Zeitschrift  f.  Thür.  Geschichte,  Bd.  VII,  S.  225. 


zur  Zeit  der  Reformation.  91 

hier,  der  sicherlich  auf  diese  Thesen  und  auf  die  von  den- 
selben ausgehende  gewaltige  Bewegung  mit  großem  Interesse 
«gehorcht  haben  wird.  Das  war  Wiegang  Güldenapf ^^5) 
Pfarrer  zu  Waltershausen,  denn  derselbe  war  vor  Zeiten 
Luthers  Lehrer  —  wohl  in  Eisenach  —  gewesen  und 
aus  dem  freundlichen  Tone,  mit  dem  1526  Luther  über 
diesen  Waltershäuser  Pfarrer  schreibt,  darf  man  wohl 
schließen,  daß  der  Lehrer  von  vornherein  in  dem  reformato- 
rischen Kampfe  auf  seiten  seines  großen  Schülers  gestanden 
haben  wird.  Güldenapf  stand  mit  seinen  Waltershäuser 
Pfarrkindem  gerade  nicht  auf  bestem  Fuße,  1523  ließ  er  sich 
pensionieren,  denn  die  Leute  in  Waltershausen  hatten  es 
ihm  gewaltig  übelgenommen,  daß  er  von  der  Kanzel  herab, 
über  den  Handel  und  Wandel  der  Bürger  klagend,  gesagt 
hatte,  es  müßten  zwischen  den  Häusern  der  Krämer  und 
der  Fuhrleute  Mauern  aufgerichtet  werden.  Als  man  ihm 
nun  aber  seine  Pension  schuldig  blieb,  da  machte  sich  der 
alte  Mann  1526  auf  die  Reise  und  wanderte  nach  Witten- 
berg und  bat  Dr.  Luther  um  Hilfe  und  Beistand.  Darauf 
schrieb  Luther  an  den  Kurprinzen  Johann  Friedrich 
einen  Brief,  an  dessen  Schluß  es  heißt  126);  ^Weil  er  denn 
mein  Schulmeister  gewesen  und  ich  wohl  schuldig  wäre 
ihm  alle  Ehre  zu  thun,  bitte  ich,  Ew.  fürstlichen  Gnaden 
wollen  meinem  Schulmeister  nicht  laßen  solch'  pflichtig 
Geld  verfallen,  sondern  gnädig  verhelfen,  daß  er  nicht  müße 
in  seinen  alten  Tagen  betteln  gehn.  Hiermit  Gott  be- 
fohlen.    Amen!" 

Ob  Dr.  Luther  auf  seiner  Reise  nach  Worms  1521, 
als  er  von  Reinhardtsbrunnen  aus,  wo  er  sein  Nachtlager 
gehalten  haben  boU^^'^),  über  Waltershausen  nach  Eisenach 
zog,  seinen  alten  Lehrer  in  Waltershausen  begrüßt  hat,  kann 
ich    nicht   melden,   möglich   wäre  es  ja  schon.     Nach  einer 


125)  Zeitschrift  f.  Thür.  Geschichte,  Bd.  VII,  S.  221. 

126)  ebendaselbst  S.  225. 

127)  J.  H.  Merle  d'  Aubign4:  Geschichte  der  Reformation  im 
16.  Jahrh.,  Stuttgart  1861,  Bd.  II,  S.  217. 


92  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Waltershäuser  Chronik  ^^^)  soll  Luther  in  einem  Hause- 
auf dem  Waltershäuser  Markte  logiert  haben,  „als  er  zur 
Zeit  der  Reformation  hier  verweilte".  Wenn  dieselbe  Chronik 
erzählt,  „daß  Luthers  Bruder  Georg  (?)  bei  der  Gefangen- 
nahme Luthers  zwischen  Altenstein  und  Ruhla,  geängstigt 
um  seine  eigene  Person  und  bemüht,  die^  Schreckenskunde 
schnell  um  Hilfe  zu  verbreiten,  nach  Waltershausen  geeilt 
sei,  in  einem  Eckhause  am  Markt  Zuflucht  gefunden  und 
alsbald  berichtet  habe,  was  seinem  Bruder  begegnet  sei, 
aber  von  dem  dortigen  Pfarrer  Wiegang  Güldenapf 
damit  getröstet  und  beruhigt  sei,  daß  der  Bruder  in  ganz 
guten  Händen  und  geborgen  wäre",  so  ist  dagegen  zu  be- 
merken, daß  derjenige,  der  bei  der  Gefangennahme  floh, 
kein  Bruder  Luthers  war,  denn  Luther  ist  auf  seiner- 
Reise  nach  Worms  von  keinem  seiner  Brüder,  weder  von 
Jacob,  noch  von  Georg  (?)  begleitet  gewesen.  Der  „Bruder", 
der  mit  ihm  reiste,  war  vielmehr  ein  Augustinerbruder 
Luthers,  Namens  Pezensteiner  i29).  Qb  dieser  Pezen- 
Steiner  vielleicht  nach  Waltershausen  geflohen  ist  und- 
Trost  bei  dem  dortigen  Pfarrer  gefunden  hat,  darüber  ver- 
mag ich  Sicheres  nicht  zu  berichten. 

Von  gothaischen  Grafen,  Herren  und  Rittern  mußten 
mit  den  Herzögen  von  Sachsen  1521  mit  nach  Worms 
reiten ^^^) :  „BurckhardtHund,  Amtmann  zu  Gotha.  Er 
Georg  und  Wilhelm  vonHopffgarthen  zu  Heyneck, 
soll  einer  ihrer  Söhne  reiten,  so  es  ihnen  ihrer  Person 
halben  ungelegen.  Friedrich  von  Wangenheim  zum 
Winterstein.  Hans  von  Wangenheim,  oder  seiner 
Söhne  Einer.  Einer  von  S e e b a c h  zu  Fahnern.  Gangolf f 
von  Witzleben,  Amtmann  zu  Wachssenburg.  Burkhart 
von  Wangenheims  gelassen  Söhne  Einer.  Graf 
Philipps    oder    Graf   Ernst    von    Gleichen,    Graf 


128)  Dr.  C.  Polack :  Waltershäuser  Chronik,  Waltershausen  1854, 
S.  147. 

129)  J.  Köstlin,  Martin  Luther,  Berlin  1889,  S.  465,  cf.  S.  801, 
Anmerkung  zu  S.  465  und  Anmerkung  2  zu  S.  439. 

130)  Ztschft.  f.  Thür.  Geschichte,  Bd.  IV,  S.  141  f. 


zur  Zeit  der  Reformation.  93 

Siegmunds  Sohn  zu  Tonna  mit  5  Pferden.  Als  Amt- 
leute bleiben  daheim  Hans  Metzsch  und  Dietzmanu 
Ooldacker." 

Der  dritte  Nachfolger  Wiegand  Güldennapfs  in 
dem  Pfarramte  zu  Waltershausen  war  Dr.  D r  a c o  ^^^),  ein 
entschiedener  Anhänger  Luthers.  Als  der  Reformator 
1521  auf  der  Reise  nach  Worms  in  Erfurt  seinen  Einzug 
hielt,  da  hatte  D  r  a  c  o ,  obwohl  er  ein  Kanonikat  an  der 
St.  Severikirche  in  Erfurt  besaß,  aus  seiner  Begeisterung 
für  Luther  kein  Hehl  gemacht.  Das  sollte  er  aber  schwer 
büßen.  Schon  am  Tage  nach  Luthers  Abreise,  als  D  r  a  c  o 
zur  bestimmten  Stunde  in  seine  Kirche  eintrat,  wies  ihn 
der  Dechant  in  beschimpfender  Weise  aus  dem  Chore  hin- 
weg, soll  ihm  sein  Chorgewand  vom  Leibe  gerissen  und 
ihn  zur  Kirche  hinausgestoßen  haben.  Bald  darauf  verließ 
D  r  a  c  0  Erfurt  und  ging  nach  Wittenberg,  war  eine  Zeit 
lang  Pfarrer  zu  Miltenberg  in  Franken,  kehrte  noch  einmal 
nach  Wittenberg  zurück  und  kam  auf  Empfehlung  Luthers 
1624  als  Pfarrer  nach  Waltershausen.  Um  diese  Zeit  klagt 
M  u  t  i  a  n ,  der  mit  D  r  a  c  o  von  Erfurt  aus  viel  verkehrt 
hatte,  daß  dieser  sein  langjähriger  Freund  von  dem  huma- 
nistischen Bunde  nun  auch  zu  den  Lutheranern  abgefallen 
sei^^^j.  In  Waltershausen,  wohin  Draco,  wie  wir  schon 
hörten,  mit  vielen  Büchern  und  gutem  Frankenwein  ge- 
kommen war,  wo  er,  wie  wir  ebenfalls  schon  hörten,  mit 
seiner  Besoldung  viel  Not  hatte,  —  er  hat  mit  unaufhörlichen 
Klagen  darüber  Luther  lind  Melanchthon  viel  Plage 
gemacht,  —  hatte  Draco  beständig  Streit  nicht  nur  mit 
den  „Schulmeistern",  sondern  auch  mit  dem  Magistrate. 
Nachdem  er  mit  Myconius  und  Amtmann  Goldacker 
die  Examination  und  Verhörung  der  Pfarrer  in  der  Tenne- 
berger Pflege  abgehalten  hatte,  ist  dieser  unruhige,  auch 
wohl    unverträgliche,   von  Luther   vergeblich   zur  Geduld 

131)  Ztschft.    f.    Thflr.    Geschichte,    Bd.    VII,    S.  213—234 
cf.  Krause,  Eobanus  Hessus,  das  Register  unter  „Draco". 

132)  Gillert,  No.  620;  Krause,  No.  658. 


94  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

ermahnte  Mann  nicht  mehr  lange  im  Gothaischen  geblieben^ 
die  Waltershäuser  haben  ihn  hinweg  geärgert,  1528  zog  er 
nach  Eisenach,  wurde  später  Professor  in  Marburg  und 
Rostock,  hier  wurde  er  als  Antinomist  abgesetzt.  1561 — 1564 
war  er  Präsident  des  pomesanischen  Bistums  und  starb 
1566  in  Wittenberg.  Sein  Hauptwerk  war  die  biblia  pentapla, 
verdient  hat  er  sich  auch  gemacht  durch  die  Herausgabe 
des  Eobanischen  Briefwechsels. 

Zu  den  Männern  im  Gothaischen,  die  das  Werk  der 
Reformation  wesentlich  förderten,  gehört  auch  ein  Mitglied 
der  von  Wangenheimischen  Familie.  Myconius 
erzählt  133):  Anno  1524  um  das  Fest  Assumtionis  Mariae 
bin  ich  Friedrich  Mecum  hieher  gen  Gotha,  aus  des 
Rath's,  der  Gemeind,  des  Decani,  des  Stiifts  und  Amts  Bitt 
von  Herzog  Johannsen  zum  Prediger  verordnet  und  ge- 
schickt worden."  Dekan  des  Stiftes  war  damals  wahr- 
scheinlich nicht  mehr  Gerhard  Marschalk  von  Gosser- 
s t e d t ,  sondern  schon  Georg  von  Wangenheim i^*). 
Dieser  Georg  ist  einer  der  Wenigen,  die  aus  der  von 
Wangenheimischen  Familie  dem  geistlichen  Stande 
angehört  haben;  während  wir  unter  den  Töchtern  dieser 
Familie  wohl  zahlreiche  Beispiele  des  Eintritts  in  die  Klöster 
der  Nachbarschaft  finden,  so  namentlich  auch  Äbtissinnen 
des  Katherinen-Klosters  zu  Eisenach  als  dem  Wangen- 
heimschen  Geschlechte  angehörig,  erscheint  vor  Georg 
nur  noch  Friedrich  IL  1289—1330  als  Geistlicher. 
Georg  von  Wangenheim  hatte  schon  in  jungen  Jahren 
vom  Abt  zu  Hersfeld,  als  dem  Patron  des  St.  Marienstifts 
in  Gotha,  die  Propsteipräbende  bei  diesem  Kollegiatstifte 
erhalten   und  war,    obwohl  er  noch  seinen  Studien  auf  der 


133)  Myconius,  Hist.  Eeform.,  S.  70. 

134)  Fr.  Her.  Alb.  v.  Wangenheim,  Beiträge  zur  FamiUen- 
geschichte  der  Freiherrn  v.  Waugenheim,  S.  64,  358,  368,  398,  400; 
ebenderselbe,  Eegesten  u.  Urkunden  zu  dieser  Geschichte,  Bd.  I, 
No.  289,  Bd.  II,  No.  386;  Seckendorf,  Comment.  de  Lutheranismo, 
Lib.  II,  XXXVI,  B.  102;  Lib.  III,  XXV,  S,  70. 


zur  Zeit  der  Reformation.  95 

Universität  Wittenberg  oblag,  von  Seiten  des  Kurfürsten 
in  dieser  Würde  landesherrlich  bestätigt  worden.  Wenn 
nun  angegeben  wird^^s^^  (jaß  Gerhardus  Marschalcus 
de  Goserstet  Decan  in  Gotha  gewesen  sei  vom  Jahre 
1498 — 1524,  als  Todesjahr  dieses  Mannes  aber  1526  an- 
geführt wird  18^),  so  liegt  die  Vermutung  nahe,  daß  dieser 
vorletzte  Dekan  des  gothaischen  Stiftes,  der  1477  in  Erfurt 
immatrikuliert  worden  war  i^^),  danach  etwa  10  Jahre  älter 
als  Mutian  gewesen  ist  und  im  Jahre  1524  im  Anfang 
der  sechziger  Jahre  gestanden  haben  mag,  als  nun  Ernst 
wurde  mit  der  Einführung  der  Reformation  in  Gotha,  von 
seinem  Amte  zurückgetreten  ist  und  es  seinem  schon 
lange  vorher  bestimmten  Nachfolger,  eben  dem  Georg 
von  Wangenheim,  der  Luther  und  Melanchthon 
in  Wittenberg  gehört  hatte,  überlassen  hat,  den  Myconius 
nach  Gotha  zu  rufen.  Wie  dem  aber  auch  sein  mag, 
nachdem  Georg  1524  Propst  geworden  war,  ist  er  bei 
der  1528  veranstalteten  Visitation  mit  dem  ganzen  noch 
vorhandenen  Personal  des  Stiftes  öffentlich  zur  Reformation 
übergetreten,  denn  es  heißt  von  den  Mitgliedern  des  Stiftes 
„a  missis  abstinebant  et  conciones  evangelicas  admittebant", 
hat  sich  verheiratet  und  ist  „1533  neben  Justus  Menius, 
Friedrich  Myconius,  Georg  von  Denstedt  und 
Johannes  Cotta  zum  Visitator  in  Thüringen  erwählt 
worden".  Noch  50  Jahre  nach  seinem  Tode  wird  ihm  in 
einer  Leichenrede  auf  sÄnen  Sohn  Hartmann  nachge- 
rühmt, „daß  er  ein  vornehmer,  gelehrter  Mann  gewesen, 
welchen  die  Churfürsten  zu  Sachsen  neben  anderen  Diensten 
auch  sonderlich  zu  dem  hohen  Werk  der  Visitation  ge- 
braucht, welcher  auch  den  Studirenden  viel  Gutes  erzeigt 
und  ein  Freund  der  Gelehrten  gewesen." 

Allen    anderen  Förderern  der  Reformation  voran  steht 
nun    freilich  Friedrich  Myconius.     Wie    er   über   das 


135)  Sagittar,  Hist.  goth.,  S.  46. 

136)  [Brückner]  Kirchen-  und  Schulstaat,  III,  S£.  2,  S.  15. 

137)  GiUert,  No.  86,  Anmerk.  4. 


96  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Werk  der  Reformation  dachte,  und  in  welcher  Weise  er 
vorzugehen  riet,  damit  das  Evangelium  im  Gothaischen 
sich  ausbreite,  ist  aus  dem  schon  erwähnten  Protokoll 
über  die  Examination  der  Pfarrer  in  der  Pflege  Tenneberg 
im  Jahre  1526  zu  ersehen. 

Der  Amtmann,  an  den  kurfürstlicher  Befehl  gekommen 
war,  mit  Myconius  und  Draco  die  Pfarrer  des  Amtes 
Tenneberg  zu  verhören,  war,  wie  wir  schon  hörten,  der 
E/itter  Dietzmann  von  Goldacker,  der  als  hochfahrender, 
tyrannischer  Mann  geschildert  wird;  er  schickte,  so  wird 
erzählt,  die  Bauern  seiner  Pflege  zur  Frone  an  den  Rhein 
um  sich,  weil  er  ein  Feinschmecker  war,  auf  dem  billigsten 
Wege  von  dorther  Wein  holen  zu  lassen. 

Dieser  Amtmann  hatte  die  Pfarrer  aufgefordert,  daß  sie 
zu  Waltershausen  sich  vor  Myconius  und  Draco,  auch 
der  ganzen  Gemeine  und  wer  zuhören  wollt,  nicht  beschweren 
wollten  zu  predigen,  denn  das  Evangelium  soll  keine  heim- 
liche Lehre  sein,  der  man  sich  schämen  dürfte,  sondern  mag 
jedermanns  Urteil,  ja   auch  siebenfältig  Feuer  wohl  leiden. 

Die  meisten  Predigten  hörte  Dr.  Draco  in  Walters- . 
hausen,  da  Myconius  dorthin  zu  kommen  keine  Zeit  hatte, 
von  Pfarrer  Renners  Predigt ,  die  Myconius  hörte, 
sagt  derselbe:  „daß  er  (Renner)  keinen  gewissen  Verstand 
hat  weder  vom  Gesetz,  noch  Sünde,  noch  Evangelium;  Hat 
etliche  Dinge  auswendig  gelernt  aus  der  Vorrede  Martini 
über  den  Evangelisten,  was  Evangelium  für  eine  Lehre 
wäre."  Sein  Spruch  war  das  Wort  Pauli:  2.  Cor.  4  Quod  — 
imago  Dei.  Davon  sagt  er:  „Der  Gott  dieser  Welt  wäre 
der  allmächtige  Gott,  Schöpfer  Himmels  und  der  Erde.  Bracht 
etliche  Sprüche  vor,  die  anzeigen  Gott  sei  der  Welt  Herr, 
dahin  martert  er  das  Andere  fast  gar.  Aber  was  die 
Finsternis  sei,  die  das  Herz  verblendet,  was  das  Blenden 
wäre,  was  sei  die  Herrlichkeit  Christi,  was  derselben  Herrlich- 
keit Glanz,  wie  Christus  wäre  ein  Bildniß  Gottes,  sagt  er 
mit  keinem  Wort.  Ja  wie  soll  er's  sagen,  so  er  nichts  hier- 
von weiß,    die  Lehre  für  ketzerisch  hält,  die  er  anzeigt  und 


zur  Zeit  der  Reformation.  97 

lehrt.  Doch  soll  er  ein  Pfarrer  sein,  Schäflein  Christi  unter 
sich  haben,  die  er  weiden  soll.  0  weh  des  Weidens,  daß 
sie  kein  Wörtlein  davon  erfahren,  unter  seinem  Weiden  immer 
geruhiglich  dahinsterben  und  mit  Vigilien,  Glockenklang, 
Ölung,  geweihtem  Wasser  derweil  besprengt,  ja  ewig  ge- 
tränkt werden." 

Nachdem   die   Predigten    der   Pfarrer   abgehört   waren 
sind   die  Geistlichen  examiniert  worden.     Die  Punkte  aber, 
von    denen  Myconius    fragte,   waren  folgende:    „Weil  sie 
das  Volk  lehren  sollen,  wie  sie  von  Sünde  ledig,  mit  Gott 
versöhnt    werden    sollten,    ob    sie    einem    Häuflein    Sünder 
könnten  anzeigen  durch  Gottes  Wort,  was  Sünde  wäre ;  Was 
nennt   doch    die  Schrift  Sünde?    Was   ist  Sünde?   Wie  er- 
fährt das  Herz,  daß  eitel  Sünde  in  ihm  stecke?  Wer  weist 
und  zeigt  uns  die  Sünde  ?  Wie  wollt  ihr's  die  Leute  lehren  ? 
Was   für  Not   thut    das  Gesetz    einem  Herzen  an,  das  nun 
}^ieht,  daß  eitel  Sünde  in  ihm  ist?  ...  .  Womit  doch  Gott 
wiederum  das  Gewissen  tröste?  Wie  sie  doch  und  mit  was 
für  Lehre  sie  einen  Sünder  trösten  wollen  ?    Was  Gott  für 
promission  thue  ?  Durch  wen  uns  Alle  promission  und  Trost 
widerfahre   und   gegeben   werde?    Was  Christus  sei?   Was 
Evangelium,    Glaube,    Sacrament?     Was   im  Sakramönt  die 
Zusagung    und    das  Wort  ?     Was  das   Zeichen   sei  ?     Was 
rechte    christliche  Freiheit  sei?     Ob  man  auch  muß  Obrig- 
keit   gehorchen,    weil   uns   Christus   gefreiet  hat?    Wovon 
er   gefreiet   habe?    Ob    at>ch   Priestern   geziemt    ehelich  zu 
werden  ?  —  Und  ob  sie  zu  Zeiten  ungefähr  auf  eine  Frage 
antworteten,  versucht  ich  doch  einen  Gegenspruch,  den  die 
Papisten  gebraucht,    ob's  auch  ihr  Verstand  gewesen  wäre, 
denn  sie   stellten  sich   fast   alle,   als  wollten  sie  gut  evan- 
gelisch sein." 

Sein  Urteil  über  diejenigen,  die  er  verhört  und  exa- 
miniert hatte,  faßt  Myconius  in  die  Worte  zusammen, 
„daß  so  grausam  Blindheit,  Unverstand,  Unwissenheit,  Feind- 
schaft des  Lichtes  vermerkt  worden,  daß  schrecklich  ist 
zu  gedenken,  daß  solchen  Leuten  Kinder  Gottes  und  Schäf- 
XXI-  7 


98  Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

lein  Christi,  die  ja  doch  so  theuer,  als  durch  sein  Blut  und 
Sterben  erkauft  sind,  sollen  untergethan  werden",  er  meint 
„in  was  Ort  und  Schooß  sich  das  Gewissen  legen  soll, 
das  wüßten  etliche  Schäflein  viel  besser,  denn  solche  Hirten". 

Das  Protokoll  schließt  mit  einem  Abschnitt,  der  „con- 
silium"  überschrieben  ist,  und  in  welchem  Myconius  dem 
Kurfürsten  „sein  Bedenken  zu  solcher  Sach"  gehorsam  an- 
zeigen will. 

Da  verlangt  und  rät  er  denn,  „daß  die  Obrigkeit  ihres 
Amtes  brauchen  und  fleißig  sich  dazu  bemühen  laßen  soll, 
daß  göttlich  Wort  gefördert  werde  und  wo  die  Obrigkeit 
erforschen  kann,  da  geschickte,  gelehrte,  gottesfürchtige,  ver- 
ständige Leute  wären,  die  Anderen  Christum  lehren  und 
zeigen  könnten,  die  soll  sie  hervorziehn,  ihnen  Befehl  thun 
sie  senden  von  Gottes  wegen  und  solch'  arme  Leutlein 
durch  Solche  lehren  laßen,  unangesehn,  daß  sie  nicht  vom 
Bischof  geschickt  wurden,  die  sollte  man  auch  zuvor  exa- 
miniren,  ob  sie  auch  tüchtig  wären  Christum  zu  predigen" 

„Wo  nun  der  Prediger  zu  wenig  sind,  daß  man  nur 
etlichen  Dörfern  einen  eigenen  geben  könnte,  soll  man  es 
doch  so  machen,  daß  man's  an  solche  Orte  schickt  und 
stellt,  daß  die  allernächsten  Dorf  lein  auch  zur  Predigt 
gehn  könnten.  Ist  auch  nicht  noth,  daß  ein  Dorf  zwei  Pfarrer 
habe,  wie  Sundhausen.  Und  wo  die  Dörfer  gar  nahe  bei 
einander  wären,  könnte  wohl  Einer  zwei  Dörfer  versorgen 
mit  Lehren," 

In  Bezug  auf  die  Anstellung  von  E  p  h  o  r  e  n  rät  er : 
„In  eine  jegliche  Pflege  sollte  man  an  dem  besten  oder- 
vornehmsten  Ort,  Flecken  oder  Stadt  je  einen  geschickten, 
gelehrten  Mann  verordnen,  welcher  das  Evangelium  zu  lehren 
tüchtig.  Jedermann  Unterricht  geben  könnte,  auf  den  alle 
umliegenden  Pfarrgemeinden  Ministri  acht  hätten,  daß  sie 
bei  ihm  Unterricht  holen,  sich  vergleichen  mit  Ceremonien 
und  Lehren.  Doch  soll  er  kein  Herr  über  sie  sein,  nicht 
über  sie  herrschen,  sondern  sollen  Alle  gleich  sein,  sich 
Einer    des   Anderen  Diener   und   Mitknecht   erkennen,    und 


zur  Zeit  der  Reformation.  99' 

wo  Solcher  was  Unrechtes  von  Anderen  merket,  soll  er  ihn 
freundlich  vermahnen,  wo  es  aber  von  Nöthen  und  mit 
Worten  sich  nicht  ändern  und  vermahnen  laßen,  Solches 
der  Obrigkeit  anzeigen,  die  soll  Unfug  strafen,  denn  sie  ist 
eine  Straferin  des  Bösen." 

Auch  an  die  Einrichtung  von  Pfarrkonferenzen 
oder  Special  visitationen  hatMyconius  wohl  schon 
gedacht,  wenn  er  sagt  „er  halte  es  für  nützlich,  daß  Examen 
und  Verhörung  in  den  Pflegen  oft  gehalten  werde.  Auch 
das  muß  etwan  gewesen  sein,  sei  aber  danach  ein  Caland 
und  Quesserei  daraus  worden.  Hierzu  sollte  man  recht 
gelehrte,  gottesfürchtige,  gegründete  Männer  brauchen.  Denn  ■ 
also  hat  Paulus  eine  Versammlung  der  Bischöfe  von 
Ephesus  zu  Milet  vermahnt,  gelehrt  und  verwarnt,  Act.  20, 
und  Thimotheo  befohlen,  er  sollt  Etlichen  gebieten,  daß  sie 
nicht  unrecht  lehren.  1  Tim.  1.  Das  sollte  bald  alle 
Schwärmerei  und  Aufruhr  stillen.  Doch  müßt  man  zuäehn, 
daß  nicht  wieder  ein  Calandsfreßerei  und  Schlemmerei  oder 
Schenkerei  daraus  werde". 

In  Beziehung  auf  die  etwaige  Entsetzung  papi- 
stischer Priester  erteilt  Myconius  den  folgenden  Rat: 
„Welche  von  den  jetzigen  Priestern  etwas  tauglich  sind, 
die  laße  man  bleiben,  vermahne  sie  immer  zum  Fleiß  im 
Studiren,  Lesen,  Predigen  etc.  wie  Paulus  den  Thimotheus 
und  Titus  vermahnt.  Welche  aber  nicht  dazu  taugen,  wie 
sich  denn  Etliche  hören  ^aßen  und  wollen  an  der  Sache 
nicht,  mit  denen  sollte  man  freundlich  handeln,  daß  sie  der 
Sache  nur  bald  abstünden,  denn  es  ist  nicht  klein  Ding 
um  falsche  Lehre.  Hätten  sie  aber  was  an  die  Pfarrgüter 
gewandt,  die  merklich  gebessert  ....  mit  denen  soll  man 
glimpflich  verfahren  ....  Denn  uns  soll  hier  die  Liebe 
meistern,  daß  wir  ja  Niemand  zu  unfreundlich  verstoßen  oder 
vertreiben.  Das  Lehren  aber  befehle  man  einem  Anderen, 
der  geschickter  und  tauglicher  wäre  und  wo  man  an  et- 
lichen Orten  allzuviel  Ministros  hätte,  als  in  etlichen  Städten, 
sollt  man  die  wegnehmen,  solche  Ort  damit  besetzen". 

7* 


100       Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Sektiererei  und  Zwietracht  gegenüber  will  M y - 
conius  folgendes  Verfahren  angewandt  wissen:  „Weil  aber 
unser  Feind  der  Satan  nicht  ruht,  ist  ihm  auch  nicht  zu 
verdenken,  denn  es  kostet  ihm  sein  Haupt  und  Reich  mit  dem 
Evangelium,  daß  er  sich  an  irgend  einem  Ort  vermerken 
läßt,  daß  er  wollte  Sekten,  Zwietracht  oder  falsche  Lehre 
wieder  anrichten,  der  Bischof  oder  Pfarrer  desselben  Orts 
vermag  nicht  durch  kräftige  Lehre  und  Gewalt  des  all- 
mächtigen Wortes  Gottes  solche  Sache  zu  entscheiden  und 
zu  stillen,  da  sollte  die  Obrigkeit  einen  Anderen,  der  größere 
Gnade  und  Gabe  von  Gott  hat,  im  Worte  Gottes  kräftiger 
ist,  an  solchen  Ort  senden,  wider  den  Satan  mit  Gottes 
Wort  handeln  laßen,  daß  ja  die  Füchslein  gefangen  werden, 
weil  sie  noch  jung  sind,  wie  in  Cantic.  Gant,  befohlen.  Also 
hilft  Paulus  den  Korinthern  und  Galatern.  Wenn  Solcher 
aber  die  Sache  bericht  hat,  sie  unterweiset,  zieht  er  wieder 
an  seinen  Ort". 

Über  die  Abhaltung  von  Generalvisitationen 
handelt  Myconius  mit  folgenden  Worten:  „Ich  sehe  es 
für  gut  an,  daß  man  über  das  ganze  Land  und  Fürstenthum 
verordne  einen  gemeinen  Visitatorem  oder  ihrer  zwei  mit 
einander,  die  mit  einander  durch  alle  Pflegen  und  Fürsten- 
tums Pfarren  überall  beforschen  und  besehen,  wie  man 
lehre,  handle  und  wandle,  das  sollte  wunder  Nutz  und 
Frommen  stiften,  müßten  sich  die  Lästerer  und  Schwärmer 
mehr  besorgen,  ihre  Bosheit  würde  recht  offenbar.  Also 
hat  Paulus  alle  Städte  wieder  durchzogen  und  besehen, 
wie  sie  sich  hielten,  darin  er  zuvor  gepredigt  hat  in  etlichen 
Ländern.     Act.  15." 

Wer  nun  die  Pfarrer  ein-  und  absetzen  soll,  dar- 
über ist  Myconius  folgender  Meinung:  „Weil  der  Glaube 
und  das  Evangelium  nicht  Jedermanns  Ding  ist,  wie  Paulus 
spricht,  und  jezt  im  Lande  nicht  alle  Amtleute,  Edelleute, 
Schößer,  Bürgermeister  und  Räthe  dem  Evangelium  geneigt 
sind,  ja  Etliche  geben  wohl  vor,  sie  achten  das  Evangelium 
groß,  ist  aber  ihr  Ernst  gar  nicht,  stecken  voll  Sünde  und 


I 


zur  Zeit  der  Beformation.  101 

Feindschaft  gegen  das  Evangelium,  soll  man  nicht  allent- 
halben gestatten,  daß  die  Amtmänner  oder  Schößer  Pastores, 
Episcopos,   Prediger  zu  setzen  oder  entsetzen  Macht  haben 

sollen  ohne  Wissen  und  Bewilligung  der  Landesfürsten 

Wo  nun  ihnen  die  Macht  gegeben  würde,  sollte  man  bald 
ein  wunderfein  Setzen  und  Entsetzen  sehen,  müßte  manch' 
frommer  Mann  Exul  werden,  manch'  loser  Lump  das  Volk 
lehren.  Die  Landesobrigkeit  nehme  die  Schwippen  selbst 
in  die  Hand,  wie  König  Josaphat  that  in  gleicher  Sache, 
verordnete  selbst  Prediger  und  Richter.  2.  Paralip.  14.  Und 
wenn  ein  Pastor  oder  Prediger  gleich  von  einem  Amtmann 
oder  Schößer  oder  Rath  verlangt  würde,  bleibe  man  darum 
nicht  so  bald  auf  ihm,  erforsche  die  Sache  ....  frage  auch 
auch  die  Nachbarn  darüber, 

Warm  empfiehlt  Myconius  auch  die  Anstellung  von 
tüchtigen  Volksschullehrern:  Man  sollte  auch  ver- 
ordnen, daß  in  Dörfern  man  geschickte  Kirchner  aufnehme, 
die  der  Jugend  die  zehn  Gebote  vorsprechen  in  der  Ver- 
sammlung, den  Glauben,  Vaterunser,  ihnen  die  deutschen 
Lieder  und  Psalmen  vorsingen,  zu  Zeiten  auch  ihnen  dann 
ein  Kapitel  aus  der  Bibel  nach  dem  Text  vorlesen,  daß 
also  das  Volk  wiederum  Gottes  Wort  gewohnet,  ihnen 
mit  Singen  und  Lesen  ins  Herz  getrieben  würde. 

In  Bezug  auf  das  Predigen  aber  rät  er:  „Auf  daß 
auch  nicht  Jedermann  auf  den  Dörfern  sein  Gaukelwerk 
vorplaudert  und  das  Volk  nur  irre  macht,  halte  ich  für 
gut,  daß  man  verordnet,  daß  die  Postille  Dr.  Martini 
durch's  ganze  Land  auf  allen  Predigtstühlen,  sonderlich 
doch  in  Dörfern  gelesen  werde,  denn  man  würde  es  ja 
nicht  wohl  können  besser  machen." 

Auch  für  ausreichende  Besoldung  der  Pfarrer  ist 
Myconius  treu  besorgt:  „Man  sollte  aber  ja  auch  daran 
sein,  daß  die  ministri  mit  ziemlicher  Notdurft  des  Leibes 
versorgt,  daß  sie  nicht  selbst  müßen  ackern  und  pflügen» 
derweile  aber  Lesen  und  Studieren  liegen  laßen,  Mangel 
leiden  .  .  .  und  Schinderei  zugerichtet  werde.  .  ." 


102        Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Ganz  besonders  aber  befürwortet  M  y  c  o  n  i  u  s  die 
Einrichtung  und  Förderung  der  Lateinschulen:  „Man  sollte 
den  größten  und  höchsten  Fleiß  thun,  daß  ihnen  die 
Schulen  in  den  Städten  und  Flecken  flugs  wieder  an- 
gerichtet werden  und  aufs  fleißigste  gefördert,  daß  man 
allda  eine  neue  Jugend  aufziehe,  ihnen  Christum  noch  in 
der  Blüth'  einbilde,  thut  man  das  nicht,  wird  es  gar  bald 
an  geschickten,  gelehrten,  tüchtigen  Leuten  mangeln,  das 
Land  voller  wilder  Thiere,  Wölfe,  Löwen  und  Bären  .  .  . 
wachsen,  werden  für  Menschen  Stöcke  und  Klötze  haben." 
Im  Jahre  1533  waren  im  Bereich  des  jetzigen  Herzogtums 
Gotha  solche  Lateinschulen  vorhanden  in:  Gotha,  Walters- 
hausen, Ohrdruf,  Sonneborn,  Wangenheim,  Herbsleben, 
Ichtershausen,  Reinhardsbrunnen  und  Friemar.  „Weil  Gott 
seinen  Geist  der  Weisheit  hat  ruhen  lassen  auf  Dr.  Martin 
Luther  sammt  dem  Geist  des  Verstandes,  Kunst  (?) 
Freudigkeit  und  Freiheit  Gottes,  Wie  alle  Schäflein  Christi 
jetzt  erkennen,  ,  .  .  wollte  ich,  daß  man  den  um  solcher 
ministri  Bestellung  rathfrage,  da  wird  uns  Gott  durch  ihn 
wohl  zu  rathen  wissen,  der  uns  wohl  größer  Ding  durch 
den  Mann  gegeben  hat.  Denn  Gott,  der  den  Fürsten  das 
Herz  gegeben  hat  .  .  .  wird  die  frommen  Fürsten  auch 
finden  laßen,  was  er  ihnen  eingegeben  hat  zu  suchen, 
denn  der  den  Herzen  gesagt  hat:  petite,  pulsate,  querite, 
sagt  auch:  accipit,  aperietur,  invenit,  so  wir's  glauben." 

„Zum  Letzten  aber  halt  ich's  dafür,  daß  der  fromme, 
theure,  christliche  Churfürst  nicht  hat  können  besser  Ding. 
fürnehmen,  denn  mit  solcher  Verhörung  und  Examen  der 
Priester  und  wird  gewiß  durch  Gottes  Geist  dazu  getrieben 
sein,  denn  was  ist  einem  Lande  nützer,  denn  gute,  recht- 
schaffene, heilsame  Lehre  .  .  .  und  wer  will  anzeigen  und  er- 
zählen den  Nutzen,  der  hieraus  erwachsen  würde,  so  anders 
Gott  uns  weiter  helfen  will." 

„Und  weil  fürstlicher  Befehl  hat  eingehalten,  es  sollte 
mein  Bedenken  zu  solchem  Leben,  Wissen,  Lehre  und 
Geschicklichkeit  der  Pfarrer  auch  anzeigen,  und  Gott  heißt 


zur  Zeit  der  Reformation.  ^  103     > 

mich  der  Obrigkeit  nicht  widerstreben,  sondern  unterthan 
sein,  habe  ich  wollen  Gott  und  seinem  Diener,  den  er  mir 
vorgesetzt,  gehorchen,  so  viel  mir  Gott  gegeben  hat,  Gutes 
anzeigen.  Man  ist  aber  nicht  schuldig  mir  zu  gehorchen, 
nach  meinem  Bedenken  zu  handeln.  Gott  hat  wohl  geist- 
liche Leute  im  Lande,  wo  die  Besseres  anzeigen,  lasse 
man  meines  flugs  fahren.  Ist's  aber  dem  Glauben,  gött- 
lichem Worte  und  der  Lehre  ähnlich,  so  gebe  uns  Gott 
seinen  Rath  zu  wissen  und  zu  folgen." 

Was  Myconius  und  Draco  unter  dem  Beistand 
des  Amtmanns  Goldacker  auf  Befehl  des  Kurfürsten  , 
unternahmen,  ist  einer  der  ersten  Versuche,  die  gemacht 
wurden,  um  in  die  heillose  Verwirrung  urd  Verwilderung 
die  damals  in  den  kirchlichen  Verhältnissen  herrschte, 
einige  Ordnung  hineinzubringen,  es  ist  einer  der  vor- 
bereitenden Schritte  zu  den  Visitationen,  die  vom  Jahre 
1527  an  vorgenommen  wurden. 

Es  ist  ja  bekannt,  mit  welch'  heiligem  Ernst,  und  mit 
welch'  treuem  Fleiß  Myconius  bestrebt  gewesen  ist,  das, 
was  er  hier  als  Ratschläge  ausspricht,  nun  auch  wirklich 
zur  Ausführung  zu  bringen,  es  ist  bekannt,  daß  er  22  Jahre 
lang  in  Gotha  mutig  und  tapfer  einer  Arbeit  oblag,  die 
Justus  Menius  in  der  dem  gothaischen  Superintendenten 
gehaltenen  Leichenpredigt  rühmen  konnte  als  „eine  grobe, 
harte  und  verdrießliche,  schwere  und  gefährliche  Rodearbeit, 
die  dem  guten  Herrn  Friedrich,  selig,  über  die  Maßen 
hart  und  schwer  angekommen,  und  er  sich  die  scharfen, 
stachlichten  Dornen  und  Diesteln  über  die  Maßen  übel  hat 
müßen  kratzen  und  stechen  lassen". 

Im  Jahre  1593  gab  M,  Cyriax  Schneegaß,  Pfarrer 
in  Friedrichroda,  ein  bekannter  Liederdichter,  vorher  Geist- 
licher in  Tambach,  eine  Sammlung ^^S)  von  Briefen  an  My- 
conius heraus  und  dedizierte  dieses  Buch  den  Pfarrern  in 


138)  Diese  Sammlung  ist  abgedruckt  von  Tenzel-  in  Supplem. 
III,  S.  85  ff. 


104        Kirchliches  u.  soziales  Leben  im  Herzogtum  Gotha 

Altenbergen,  Tambach  und  Hohenkirchen.  In  einem  der 
darin  enthaltenen  Briefe  schreibt  Luther  1544  an  My- 
conius,  der  an  der  Schwindsucht  schwer  krank  damieder- 
lag:  „Ich  möchte  ja  gewiß  gern,  daß  Du  gesünder  wärest, 
aber  wenn  Du  siehst,  daß  Du  nicht  spI^echen  kannst,  so 
bitte  ich  Dich,  Du  wollest  mehr  auf  Deine  Gesundheit 
Rücksicht  nehmen  und  Dir  nicht  noch  ein  größeres  Übel 
zuziehn,  denn  es  ist  besser  Du  lebst,  wenn  auch  halb 
stumm,  als  daß  Du  mit  heller  Stimmer  sterbest.  Auch 
als  ein  Halbtodter  kannst  Du  den  Kirchen  mit  Deinem 
Eath  und  mit  Deinem  Ansehn  nützen.  Und  Du  siehst  ja, 
wie  nöthig  die  alten,  gedienten  Streiter  Christi  sind,  damit 
durch  sie  die  nachwachsende  und  noch  zarte  Jugend  ge- 
stärkt werde,  die  einmal  unseren  Platz  einnehmen  soll." 

Aus  diesen  Worten  geht  doch  hervor,  welch  große 
Bedeutung  Luther  dem  Myconius  beilegte,  wie  hoch 
er  ihn  stellte. 

Auch  wir  Heutigen  werden  noch  immer  dankbar 
anzuerkennen  haben,  was  dieser  Mann  einst  für  Gotha 
gethan  hat. 


II. 
Über  die  Verwendung  der  Klosfergüfer  im  Schwarz- 
burgischen zur  Zeit  der  Reformation^). 

Von 
Pfarrer  G.  Einicke  in  Immenrode  b.  Schernberg. 

Es  ist  erklärlich,  daß  bei  der  Organisation  der  evan- 
gelischen Landeskirchen  Deutschlands  die  Frage  von  grund- 
legender Bedeutung  war,  welche  Verwendung  das  Klostier- 
gut finden  sollte.  Das  stand  ja  den  evangelischen  Fürsten 
und  Ständen  fest,  daß  die  Stiftsgüter  der  evangelisch  ge- 
wordenen Landesteile  nicht  den  Orden  oder  der  römischen 
Kirche  angehörten,  wie  nachdrücklich  auch  diese  Kirche 
die  Stiftsgüter  für  sich  beanspruchte,  auch  darüber  konnte 
kein  Zweifel  bestehen,  daß  nach  dem  Aufhören  der  bischöf- 
lichen geistlichen  Gewalt  die  Landesherren  als  Notbischöfe 
ihres  evangelisch  gewordenen  Gebietes  allein  in  der  Lage 
waren,  sich  der  Verwaltung  der  geistlichen  Güter  sowohl 
im  Interesse  der  Erhaltung  des  Klostergutes  selbst,  als  ganz 
besonders  im  Interesse  einer  sicheren,  materiellen  Funda- 
mentierung  der  jungen ,  in  der  Entwickelung  begriffenen 
evangelischen  Landeskirchen  am  thatkräftigsten  anzunehmen. 

Daraus  erhellt,  daß  es  unter  allen  Umständen  eine 
Frage  von  prinzipieller  Wichtigkeit  war,  welchen  Weg  die 

1)  Zur  Geschichte  der  Einführung  der  Reformation 
in  die  seh warzburgischen  Grafschaften,  die  demnächst 
in  ihrem  1.  Teil  erscheinen  soll,  gehörig,  das  Nähere  siehe 
ebenda.  Abkürzimgen:  WA.  =  Ges.  Archiv  Weimar,  EGA.  = 
Geheim.  Archiv  Rudolstadt,  SA.  =  Landesarchiv  Sondershausen. 


106  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

evangelischen  Landesherren  bei  der  Verwendung  der  geist- 
lichen Güter  ihrer  Gebietsteile  einschlugen,  zumal  es  sich 
hierbei  nicht  zum  wenigsten  darum  handelte,  von  den  evan- 
gelischen Ständen  selbst  den  Vorwurf  unlauterer  Motive  bei 
Einführung  der  Reformation  abzuweisen) 

Immer  und  immer  wieder  spielte  die  Erörterung  dieser 
Erage  auf  den  Konventen  der  evangelischen  Stände  und  in  dem 
Kampf  der  streitenden  Parteien  eine  wichtige  Rolle,  immer 
war  und  blieb  sie  brennend,  wo  auch  immer  Reformation 
und  Säkularisation  der  geistlichen  Stifte  einsetzte.  Es  ist 
nicht  zu  leugnen,  daß  die  evangelischen  Stände  anfänglich 
und  grundsätzlich  Bahnen  einschlugen,  welche  sich  sowohl 
mit  dem  Geist  wie  mit  dem  Renommee  der  evangelischen 
Kirche  vertrugen,  und  Luther  selbst  hatte  ja  die  weltlichen 
Gewalten  frühzeitig  schon  darüber  aufgeklärt,  wie  er  sich 
die  Verwendung  der  geistlichen  Güter  in  echt  evangelischer 
und  der  jungen  Kirche  zum  Segen  gereichender  Weise  dachte. 
Darin  nämlich  gipfelt  sein  Standpunkt  und  das  betont  er 
immer  von  neuem  nachdrücklich,  daß  die  geistlichen  Güter, 
wie  es  ja  auch  billig  war  und  heute  noch  der  Standpunkt 
sein  muß,  von  dem  aus  wir  eine  rechte  oder  unrechte  Ver- 
wendung der  Stiftsgüter  staatlicherseits  beurteilen  müssen, 
in  der  Hauptsache  zur  Ehre  Gottes,  nach  dem  Sinn  der 
Stifter  angewandt,  also  der  jungen  protestantischen  Kirche 
zu  Gute  kommen  müßten,  um  so  mehr,  da  sie  der  materiellen 
Grundlage  dringend  bedurfte.  Man  vergleiche  nur  seine 
Vorrede  zu  der  Kastenordnung  der  Stadt  Leisnig  (1523)^ 
und  seine  zahlreichen  späteren  Äußerungen  zur  Sache,  be- 
sonders  auch   gelegentlich    der  Visitation   in  Kursachsen  i). 

1)  In  einem  Brief  v.  31.  Okt.  1525  an  den  Kurfürsten  von 
Sachsen  betonte  er  in  seinem  Vorschlag  zur  Wiederaufrichtung  der 
Pfarreien,  die  Verwendung  der  Klöster,  Stifter,  Lehen  und  Spenden 
imd  in  seinem  Antrag  auf  Vornahme  einer  Kirchen-  und  Schulvisitation 
(22.  Nov.  1526)  sprach  er  das  Gutachten  aus,  die  Einnahmen  der 
Klöster  und  Stifte  insoweit  zur  Dotation  der  geistlichen  Stellen  zu 
verwenden,  als  die  sonstigen  von  den  Gemeinden  aufzubringenden 
Mittel  nicht  ausreichten  u.  s.  w. 


im  Schwarz  burgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  107 

Unter  diesem  Gesichtspunkt  sind  auch  alle  seine  übrigen 
weitherzigen,  wenn  auch  nicht  immer  praktischen  Ratschläge 
in  dieser  Sache  z.  B.  hinsichtlich  der  Frage,  ob  auch  der 
Landesherr  etwas  von  diesen  Gütern  für  sich  behalten  dürfe, 
oder  hinsichtlich  der  Rückgabe  des  durch  Wucher  erlangten 
Stiftsgutes  zu  verstehen. 

Luther  hat  beides  entschieden  und  ohne  Bedenken  be- 
jaht, und  er  konnte  es,  weil  es  für  ihn  feststand,  daß  das 
Stiftsgut  in  erster  Linie  „christlicher"  Verwendung  dienen 
müsse.  Ist  nun  einerseits  die  Wissenschaft  an  der  Erörterung 
der  Frage  der  Verwendung  des  Stiftsgutes  interessiert,  so 
hat  ihre  Beantwortung  auch  gerade  für  unsere  Zeit  eine 
eminent  praktische  Wichtigkeit.  Burkhardt  in  seiner  Ge- 
schichte der  sächsischen  Kirchen-  und  Schulvisitationen 
S.  118  äußert  sich  hierüber  folgendermaßen:  „In  unseren 
Tagen  ist  diese  Frage  (nämlich  zu  welchen  Zwecken  das 
Klostervermögen  verwendet  worden  ist)  sehr  wichtig,  nament- 
lich da,  wo  die  Teilung  des  Domanial Vermögens  sich  noch 
nicht  vollzogen  hat.  Der  Entscheidung  solcher  Fragen  müßte 
ein  tieferes  Studium  über  die  Behandlung  der  geistlichen 
Stiftungen  vorausgehen,  so  schwierig  es  auch  ist,  heute 
noch  alle  Verhältnisse  der  Vergangenheit  sich  klar  zu  ver- 
gegenwärtigen. Für  die  Geschichte  der  protestantischen 
Kirche  ist  die  Frage  jedenfalls  von  hoher  Bedeutung  — 
und  wird  es  auch  bleiben."  Und  diese  hohe  Bedeutung 
hat  die  Erörterung  der  Frige  unter  allen  Umständen  auch 
für  die  protestantische  Kirche  des  schwarzburgischen  Landes. 
Wir  wollen  deshalb  im  folgenden  versuchen,  ajif  Grund 
des  noch  vorhandenen,  wenn  auch  noch  so  lückenhaften 
Rechnungs-  und  Urkundenmateriales,  welches  dem  Verfasser 
durch  die  Güte  der  schwarzburgischen  Archivverwaltung 
zu  Rudolstadt,  Arnstadt  und  Sondershausen,  ferner  durch 
die  verehrl.  Archivvorstände  zu  Weimar  und  Magdeburg 
zur  Verfügung  gestellt  wurde,  eine  Antwort  auf  die  Frage 
nach  der  staatlichen  Verwendung  der  Stiftsgüter  der  schwarz- 
burgischen Grafschaften  während  der  Reformation  zu  geben. 


1Q8  über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

I.  Säkularisation  der  oberherrschaftlichen  Stifte 
und  Verwendung  des  Stiftsgutes 

unter  dem  Grafen  Johann  Heinrich  von  Schwarz- 
burg-Leutenberg  und  Heinrich  XXXVII.  (dem 
Älteren)  von  Schwarzburg- Arnst^adt  (1533 — 1538). 
Am  8.  August  des  Jahres  1531  starb  Graf  Günther 
XXXIX.  im  Alter  von  76  Jahren  als  letzter  katholischer 
Graf  der  Herrschaft  Schwarzburg-Arnstadt,  zu  welcher  der 
oberherrschaftliche  Gebietsteil  außer  der  Herrschaft  Leuten- 
berg und  von  dem  unterherrschaftlichen  Gebiet  das  Amt 
Klingen  -  Greußen  gehörte.  Graf  Günther  XXXIX.  hatte 
bis  zu  seinem  Tode  der  evangelischen  lutherischen  Lehre 
in  seinem  Lande  den  Eingang  versagt.  Aber  trotz  seiner 
hartnäckigen  Opposition  hatte  die  neue  Lehre  dennoch  im 
Lande  geheime  und  offene  Anhänger  während  seiner  Re- 
gierung genug  gefunden,  cf.  die  reformatorischen  Regungen 
zu  Arnstadt,  Rudolstadt,  Blankenburg,  Flaue,  Greussen 
zwischen  1522 — 1531.  Sein  einziger,  der  Nachfolge  be- 
rechtigte Sohn,  Graf  Heinrich  XXXVII.  ^),  war  ein  über- 
zeugter Anhänger  der  lutherischen  Lehre,  er  residierte, 
gänzlich  mit  seinem  Vater  entzweit,  seit  1527  auf  dem 
Schloß  zu  Rudolstadt.  Sein  Regierungsantritt  im  Jahre  1531 
bedeutete  demnach  zugleich  die  offizielle  Anerkennung  der 
Reformation  in  dem  oberherrschaftlichen  Gebiet  der  Herr- 
schaft Schwarzburg-Arnstadt,  d.  h.  die  Einführung  der  Re- 
formation durch  den  Grafen  war  auch  hier  „die  obrigkeit- 
liche Anerkennung  einer  unabänderlichen  Thatsache".  Im  • 
Jahre  1533  vom  24.  Mai  bis  16.  Juni  veranstaltete  Graf 
Heinrich  XXXVII.  die  erste  Kirchenvisitation  in  seinem 
Gebiet,  mit  Ausnahme  des  unterherrschaftlichen  Amtes 
Greußen-Klingen.    Die  Visitationskommission  bildete  Doktor 


1)  In  gleichzeitigen  Urkunden  der  „Ältere"  genannt  im  Gegen- 
satz zu  Graf  Heinrich  dem  „Jüngeren"  von  Schwarzburg  (seit  1531 
zu  Frankenhausen  residierend,  -f  1537),  dem  Bruder  Graf  Günthers- 
XL.  (nach  Jovius:  Graf  H.  XXXIX.) 


im  Schwarzburgischea  zur  Zeit  der  Reformation.  109  ' 

Johann  Lang  aus  Erfurt,  Pfarrer  Bonifacius  Rempe  aus 
Liebringen,  Christian  Zwuster,  Pfarrer  aus  Heberndorf  und 
der  Amstädter  Amtmann  Lutze  von  WüUersleben.  Mit 
dem  Jahre  1533  setzte  nun  auch  die  Säkularisation  der 
noch  bestehenden  oberherrschaftlichen  Klöster  ein.  Sie  er- 
hielten ihre  staatlichen  Vorsteher  und  wurden  als  staatliche 
Stifte  verwaltet.  Es  war  höchste  Zeit,  daß  bei  ihnen, 
nachdem  seit  dem  Bauernkrieg  die  Klosterverwaltung  in 
mancherlei  Verwirrung  und  Unordnung  geraten  war,  wie 
man  vor  allem  aus  den  noch  vorhandenen  Stiftsrechnungen 
des  Jungfrauenklosters  zu  Arnstadt  mit  ihrem  nicht  un- 
beträchtlichen Zins-Retardaten  vom  Jahre  1525  ersieht,  eine  • 
geordnete  und  feste  staatliche  Verwaltung  begann.  In  die 
Visitation  des  Jahres  1533  war  die  unter  dem  Grafen 
Johann  Heinrich  stehende,  unbedeutende  Herrschaft  Leuten- 
berg nicht  mit  eingeschlossen.  Doch  darf  wenigstens  seit 
diesem  Jahre  auch  sein  Gebiet  als  reformiert  angesehen 
werden.  Graf  Johann  Heinrich,  ein  Freund  Luthers,  war 
schon  frühzeitig  ein  Anhänger  seiner  Lehre  Er  hatte  zwar 
im  Jahre  1529  aus  Furcht  vor  Kaiser  und  Reich,  von  dem 
seine  Herrschaft  zu  Lehn  ging,  und  als  ein  armer  Geselle, 
der  sich  gern  halten  werde,  wie  er  es  vor  Gott  verantworten 
könne,  seine  Geistlichen  vor  den  sächsischen  Visitatoren  nicht 
erscheinen  lassen,  aber  anerkannt,  daß  das  Kurfürstliche 
Fürnehmen  aus  einem  christlichen  Herzen  stamme  ^).  Immer- 
hin finden  wir  einzelne  ^iner  Dorfschaften,  die  zum  Stift 
Saalfeld  gehörten,  in  der  zweiten,  besonders  in  der  dritten 
thüringisch-sächsischen  Visitation  mit  visitiert.  Interessant 
ist  es,  daß  dieser  Graf  sich  schon  frühzeitig  "an  Luther 
wandte,  um  Auskunft  zu  erhalten,  ob  es  Unrecht  sei,  nicht 
evangelischen  Predigern  Zinsen  und  Gut  zu  lassen,  Luther 
hatte  geantwortet:  Es  sei  nicht  Unrecht,  ja  das  höchste 
Recht,  daß  man  den  Wolf  aus  dem  Schafstalle  jage,  und 
nicht  ansehe,  ob  seinem  Bauch  damit  Abbruch  geschehe.  Es 
ist  keinem  Prediger  darum  Gut  und  Zinse  zu  geben,  daß  er 

1)  VV.-A. 


110  über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Schaden,  sondern  Frommen  schaffen  solle.  Schaffet  er  nicht 
Frommen,  so  sind  die  Güter  schon  nimmer  sein,  (cf.  de 
Wette  2,  258.)  Es  könnte  möglich  sein,  daß  es  sich  bei 
dieser  Auskunft  schon  um  die  Einziehung  des  Klostergutes 
der  Leutenberger  Dominikaner  handelte.  ^ 

Wir  kommen  nunmehr  zu  den  ob.erherrschaf t- 
lichen  Klöstern  selbst^).  Die  Oberherrschaft  hatte 
vor  der  Reformation  6  Klöster  aufzuweisen,  einschließlich 
der  Herrschaft  Leutenberg,  nämlich :  Erstens  das  Dominikaner- 
kloster zu  Leutenberg  ^),  gestiftet  vermutlich  im  Jahre  1395, 
unter  der  Aufsicht  des  Paulinerklosters  zu  Leipzig  stehend 
Klosterbrüder  werden  bisweilen  3,  4  oder  6  angeführt. 
Das  Kloster,  dessen  Angehörige  vor  der  Reformation  in 
schlimmem  Rufe  standen  und  welches  durch  den  berüchtigten 
Linkischen  Mönichsstreit  gegen  den  Grafen  Balthasar  II. 
von  Leutenberg  1516 — 1519  3)  seine  innerliche  Zerrüttung 
offenbarte  und  sein  Ansehen  verloren  hatte,  gehörte  zu  den 
ärmsten  und  unbedeutendsten  Stiftungen  des  Gebietes.  Über 
seinen  Ausgang  sowie  über  die  Aufhebung  desselben  und 
die  Verwendung  des  Klostergutes  sind  wir  infolge  Mangels 
jeglichen  Urkundenmateriales  nicht  unterrichtet.  Es  ist 
natürlich  anzunehmen,  daß  das  unbedeutende  Klostergut 
mit  Einführung  der  Reformation  seitens  der  Herrschaft  ein- 
gezogen wurde.  Wie  weit  es  zur  Dotierung  der  evangelischen 
Pfarrstellen  verwandt  wurde  und  ob  es  überhaupt  eine  solche 
Verwendung  fand,  läßt  sich  nicht  nachweisen.  Auch  ist  die 
Beantwortung  der  Frage  hinsichtlich  dieses  Klosters  infolge 
seiner  notorischen  Armut  nicht  von  Bedeutung.  Auch  darüber, 
ob  Klostergebäude  nach  der  Refornaation  zu  Schulzwecken 
verwandt    wurden,   läßt    sich    Bestimmtes    nicht   feststellen. 


1)  cf.  zu  diesem  und  dem  Folg.  die  Klöster  betr.  die  Hessischen 
Collectaneen  im  Eud.  Geh.  Arch. 

2)  Anemüller,  Zur  Geschichte  des  Leutenberger  Dominikaner- 
klosters in  der  Zs.  d.  V.  f.  thür.  Gesch.  u.  A.  XII,  S.  505—528. 

3)  cf.  Schwarzburgica,  Vol.  IV,  S.  41 — 77  (auch  abgedruckt  in 
dieser  Zeitschrift).  R.  G.  A. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  \\\ 

Übrigens  charakteristisch  dafür,  wie  skrupellos  man  zu 
jener  Zeit  mit  den  den  Kirchen  gehörigen  wertvollen 
silbernen  Kirchengeräten  aus  der  römisch-  katholischen  Zeit 
umging,  ersehen  wir  aus  einem  Schriftenwechsel  zwischen 
Graf  Hans  Heinrich  und  etlichen  Dörfern  der  Herrschaft 
Wildenfels,  betr.  „etliche  genommene  silberne  Geschirr  aus 
ihren  Kirchen  de  ao.  1537«.  (W.  A.  Reg.  E.  e.  No.  546). 
Graf  Hans  Heinrich  hatte  darnach  aus  den  Kirchen  zu 
Ortmßdorf,  Weißbach  und  Hertmßdorf  4  silberne  Monstranzen, 
2  Kelche  und  1  silbernes  Kreuz  erhalten  und  Holz  dafür 
zu  geben  versprochen.  Das  aber,  behaupteten  sie,  sei  nicht 
gehalten  worden.  Die  Gemeinden,  offenbar  aufgehetzt  von 
ihren  jetzigen  Herren,  denen  v.  Wildenfels,  beriefen  sich 
auf  die  chursächsische  Visitationsordnung,  nach  welcher 
der  Graf  die  Gemeinden  vor  dem  Verkauf  ihrer  Kirchen- 
kleinode hätte  warnen  sollen,  statt  dessen  hatte  er  sie 
ihnen  selbst  abgenommen.  (Der  Graf,  zweimal  bei  dem 
Kurfürsten  verklagt,  verteidigt  sich  damit,  daß  er  die  Leute 
unterstützt  habe.) 

Daß  Graf  Hans  Heinrich,  dessen  Herrschaft  ja  bei 
der  Übernahme  stark  verschuldet  war,  auch  bei  der  Säku- 
larisation der  Klöster  Paulinzella  und  Stadtilm,  soweit  er 
es  vermochte,  Zinszahlungen  von  Orten,  die  ihm  zuständig 
und  den  Klöstern  zinspflichtig  waren,  schmälerte  bez.  zurück- 
hielt, ersehen  wir  unter  anderem  aus  Notizen  in  den 
Rechnungen  des  Stifts  Hm  \öS6 — 1537  und  des  Stifts  Paulin- 
zella. Auch  scheint  aus  urkundlichen  Mitteilungen  hervor 
zugehen ,  daß  der  Graf  nach  seines  Vetters,  des  Grafen 
Heinrich  XXXVII.  Tode,  sich  für  seinen  schwer  zu  ver- 
schmerzenden Anteil  an  dem  Kloster  Paulinzella  durch  Ein- 
griffe in  das  Klostergut,  so  gut  es  ging,  schadlos  gehalten 
hat.  (W.  A.  Reg.  E.  e.  No.  550,  Vol.  III).  (Er  hatte  bei 
dieser  Gelegenheit  u.  a.  1538  das  Stift  Paulinzella  mit  ge- 
wappneter Hand  eingenommen  und  dann  den  alten  Abt 
wieder  eingesetzt.)  Ebenso  rasch  können  wir  uns  nun, 
soweit  es  sich  um  unsere  Frage  handelt,  mit  dem  Franzis- 


112  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

kanerkloster  zu  Meilenbach,  seit  1383  zu  Ehren 
der  Jungfrau  Maria  und  der  heiligen  Katharina  gestiftet 
und  vom  Graf  Johann  II.  zu  Schwarzburg  mit  dem  Ort 
Mellenbach  samt  allen  seinen  Rechten  beschenkt,  abfinden. 
Die  Schutzherren  des  Klosters  waren  die  (jrafen  von  Schwarz- 
burg, die  ersten  Vormünder  Pezold  von  Griesheim,  Diet- 
rich von  Bernstedt,  Heinrich  von  Greußen  und  Otto  von  Hoff. 
Wir  besitzen  wenige  urkundliche  Mitteilungen  diese  Stiftung 
betreffend,  aber  soviel  geht  doch  mit  Gewißheit  hervor,  daß 
dieses  Stift,  sowohl  früher  wie  besonders  vor  der  Reformation 
nur  vegetierte.  So  beklagte  sich  Graf  Günther  XXXIX. 
von  Schwarzburg-Arnstadt  im  Jahre  1514  gegen  den  Kar- 
dinal Raymund,  daß  sich  in  dem  Kloster  nur  2  Mönche 
befänden,  die  aber  ein  sehr  ruchloses  und  unzüchtiges  Leben 
führten.  Er  beantragte  die  Verlegung  des  Klosters  nach 
Königsee.  Der  Kardinal  ordnete  wohl  eine  Untersuchung 
der  Sache  an,  aber  die  Verlegung  unterblieb.  Die  Amts- 
rechnung von  Schwarzburg  1518 — 1519  enthält  unter  Bußen 
folgende  Notiz :  3  seh.  2  gr.  herman  Arnolt  zcv  mußelbach 
dorvmb  das  Er  hat  denn  gardiann  zcv  melbach  Ein  vorrette- 
rischen  bosewicht  geheissen  vor  Eins  etc.).  Das  Kloster 
scheint  schon  vor  der  Reformation  eingegangen  zu  sein 
wenigstens  findet  man  in  den  Visitationsakten  von  1533 
die  Existenz  desselben  nicht  mehr  vorausgesetzt.  1520  war 
Urban  Arnoldi  Gardian  desselben,  es  ist  nicht  ausgeschlossen, 
daß  sich  auf  ihn  die  Notiz  des  VisitationsprotokoUes  be- 
zieht von  1538,  „plebanus  Guardianus  habet  concubinam 
annis  10  baptis.  ger.  miss.  ger.  sub  utraque  pleb.  dicit  s6 
diligenter  velle  studere  et  operam  dare  literis  sacris  quis 
fuerit  satis  inexpertus  doctrinae  christianae". 

Über  das  Klostergut  und  den  Verbleib  desselben  könnte 
vielleicht  folgende  Bemerkung  bei  Hesse,  Th.  u.  d  H.  8, 
S.  225  ff.  etwas  Aufschluß  geben:  „Da  die  Barfüßer  Eigentum 
nicht  besitzen  durften,  so  wurde  Meilenbach  dem  Kloster  Hm 
zugeschrieben,  doch  unter  der  Bedingung,  daß  es  sämtliche 
Einkünfte    und  Gefälle    davon   jenen   überlassen ,    aber   bei 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  113 

willkürlicher  Verwendung  derselben  zu  eigenem  Nutzen  auf 
dieses  Vorrecht  sogleich  wieder  verzichten  mußte,  welches 
dann  einer  anderen  geistlichen  Stiftung  des  Landes  ver- 
liehen werden  sollte."  Doch  weisen  die  Stiftsrechnungen 
von  Stadtilm  keine  Einkünfte  und  Ausgaben  für  das  Kloster 
Meilenbach  auf. 

Es  sei  noch  angeführt,  daß  dem  Kloster  außer  der 
Mahlmühle  zu  Meilenbach  auch  noch  die  Fisch-,  Jagd-,  Malz-, 
Brau-  und  Schenkgerechtigkeit  zustand.  Das  Klostergebäude 
wurde  nach  der  Reformation  als  Pfarrwohnung  benutzt. 
Aus  dem  Gesagten  ist  ersichtlich,  daß  auch  dieses  Kloster . 
für  die  Beantwortung  unserer  Frage  nicht  weiter  in  Be- 
tracht kommt.  Das  Gleiche  gilt  endlich  auch  von  dem 
Franziskanerkloster  zu  Arnstadt,  Mainzer  Dioec. 
Wahrscheinlich  1246 1)  von  Gotha  aus  gegründet.  Dieses 
Kloster  bestand  selbst  nach  der  Visitation  ao.  1633  noch, 
doch  hatten  sich  auch  aus  diesem  Kloster  Insassen  der 
neuen  Lehre  angeschlossen,  was  wir  unter  anderem  aus 
folgenden  Notizen  ersehen:  Arnst.  Stadt  Rechg.  1524/1525: 
sub.  Ausgabe  Herrn  und  frembde  Geschenke:  „2  seh.  39  gr. 
1  Pfg.  an  22  halb  stob  heuerigs  vnd  vorns  [?]  2)  getruncken 
als  der  munch  außg^lauffen  was"  und  Rent.  Rechnung  von 
Arnst,  1532|1533  (Ausgabe):  12  gr,  einem  munche,  so 
aus  dem  Barfusserklvster  gangen  umb  gotes  willen  (vf) 
bevelhe  Heinrich  von  Witzleben  freitags  n.  Scholastica 
(14.  Februar  1533).  Es  finden  sich  in  den  staatlichen 
Rechnungen  wiederholt  Ausgaben  an  die  Klosterinsassen 
aber  Genaues  wissen  wir  eigentlich  nur  über  die  Aufhebung 
des  Klosters.  Wir  wollen  hier  wenigstens  die  kurze  Notiz 
aus  dem  „Roten  Buch"  im  Arnst.  Ratsarchiv  S.  50b  an- 
führen: „Ao.  1538  d,  23,  Oct.  d.  i.  auf  Mittwoche  nach 
Severi    ist    den    Barfüßermönchen   ihren  abschied    aus    dem 


1)  Nach  dem  über  cronicorum   Erfordensis  in  Mon.  Erphesf. 
766  vielmehr  1250. 

2)  weins? 

XXI.  8 


114  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Kloster  zu  ziehen  gegeben  worden  durch  den  gestrengen 
Georg  von  Dienstedt,  amtmann  zu  Salfed  auf  kurfürstlichen 
befeih,  auch  durch  den  vesten  Jörg  von  Witzleben  und 
Lutz  von  Wüllersleben  auf  Befehl  u.  g.  f.  (Gräfin  Katharina 
geb.  von  Henneberg)  und  in  beisein  des  rats  ist  ihnen 
vorgehalten  worden,  ob  sie  das  wort  Gottes  wollten  an- 
nehmen oder  nicht,  und  ihnen  bedenkzeit  geben  bis  auf 
Martini.  Aber  sie  sein  in  ihrem  orden  und  leben  verharrt 
und  verstockt  blieben  und  auf  donnerstag  nach  Martini 
um  8  uhr  sein  sie  alle  ausgezogen  mit  alle  ihrer  habe 
und  räumten  das  nest  nicht  allzugern."  (cf.  bei  Hesse^ 
Arnst.  Vorz.).  Aus  dem  ausführlichen  Bericht  im  W.  A. 
Reg.  Ee.  No.  547  ersehen  wir  noch,  daß  den  Mönchen  ge- 
stattet war,  „was  sie  an  farender  habe  im  closter  bei  inen 
hetten,  außgeschlossen  die  bucher  in  der  liberi  zu  verkeuffen 
oder  mit  inen  zu  nehmen  unnd  an  iren  nutz  unnd  besser 
zu  wenden."  Von  dieser  Erlaubnis  haben  die  Mönche,  wie 
wir  aus  der  obigen  Bemerkung  im  Roten  Buche  ersehen, 
Gebrauch  gemacht.  Was  nun  die  Klostergebäude  anbetrifft, 
so  ist  es  feststehend,  daß  ein  Teil  derselben  kurz  nach  Weg- 
zug der  Kosterinsassen  zu  Schulzwecken  verwendet  wurde. 
Wir  erfahren  es  unter  anderem  aus  einer  Stelle  des  Be- 
richtes der  sächischen  Visitatoren  (cf.  W.  A.  Ee.  No.  547) 
gelegentlich  der  Aufhebung  des  Klosters :  So  vhil  auch  das 
clostergebeude  belangt,  haben  wir  mit  der  greffin  auch 
geredt  unnd  hat  sich  i.  g.  erpoten  daßelb  dermaßen  ein- 
zunehmen unnd  anrichten  zu  laßen,  domit  es  hinfurder  zu 
keinem  klosterleben  mehr  zu  gebrauchen,  das  aber  irer  g. 
dasselbe  gebende  dem  radt  zu  arnstat  solt  zu  thun  haben 
i.  g.  angezeigt,  das  sie  desselben  noch  zur  Zeit  ein  bedenken 
hetten."  (cf.  hierzu  auch  Arnstadiensia  A.  V  4*  S.  546 1) 
und  die  Stelle  in  dem  kurf.  Erlasse  vom  Jan.  1539,  welche 
die  Vorschläge  hinsichtlich  der  Klostergebäude  und  nament- 
lich ihre  Verwendung  zu  einer  gräflichen  Erziehungsanstalt 

1)  R.  G.  A. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformatio^.  215 

genehmigt,  lautet:  „Da  auch  das  Barfüsserkloster  zu  Arn- 
stadt etlichen  der  kirchen  und  schulen  diener  bequem  und 
wohlgelegen  wäre,  damit  nicht  wiederum  eine  möncherei 
daselbst  mag  aufgerichtet  werden,  so  lassen  wir  dasselbe 
auch  geschehen,  so  es  die  visitatoren  auch  für  nutz  und 
gut  erachten  werden,  (cf.  Kroschel,  Arnst.  Gymnas.-Prog. 
1890.)  Soviel  über  diese  drei  ersten  Klöster,  deren  noch  vor- 
handene Nachrichten  uns  leider  keine  Antwort  auf  die  uns 
interessierende  Frage  geben. 

Besser  sind  wir  nun  hinsichtlich  der  drei  übrigen 
Klöster  der  Oberherrschaft  unterrichtet,  und  dies  ist  um 
so  erfreulicher,  als  gerade  diese  Stifte  infolge  des  Umfanges 
ihres  Klosterbesitzes  für  uns  in  Frage  kommen. 

1.  Das  Benediktiner-Mönchskloster  Paulinzella 
Mainzer  Dioec. 

im  Jahre  1106  gestiftet^)  und  zwar  von  Paulina,  zu 
Ehren  der  Jungfrau  Maria,  Johannes  des  Täufers  und 
Johannes  des  Evangelisten.  Das  Kloster  wählte  seine  Schutz- 
herren aus  dem  schwarzburgischen  Grafenhaus,  die  Äbte 
von  Paulinzella  nahmen  eine  angesehene  Stellung  noch  bis 
in  die  Reformationszeit  hinein  ein.  Darauf  deutete  auch 
der  umfangreiche  Klosterbesitz,  zählt  man  doch  19  Dörfer, 
die  zu  Paulinzella  gehörten,  von  welchen  allerdings  einige 
wiederverkäuflich  überlassen  waren,  von  diesen  blieben 
zur  Zeit  der  Reformation  noch  7  übrig.  Die  Zahl  der  Orte, 
wo  das  Kloster  Besitzungen  hatte,  belief  sich  bis  auf  52, 
der  Zinsorte  waren  es  über  100;  Klosterpatronate-  über  in- 
ländische Kirchen  während  der  Dauer  des  Klosters  werden 
22  aufgezählt,  die  von  Beulwitz,  von  Holbach,  von  Greussen 
von  Angelroda,  von  Lengefeld,  von  Griesheim  und  von  Elx- 
leben  standen  im  Lehnsverhältnis  zu  dem  Kloster.  Die  Zahl 
der    Konventualen    belief  sich    außer   Abt   und  Prior  1357 


1)  Vgl.  Dobenecker,  Reg.  d.  Thur,   I,  No.  1022,'  1028  u.  a. ; 
Anemüller,  ÜB.  des  Kl.  Paulinzella  No.  3  u.  4. 

8* 


116 


Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 


auf  11,  1483  auf  12,  1506  auf  16,  1533  auf  9.  cf.  die 
übrigen  das  Kloster  betr.  urkundl,  Notizen  bei  Hesse,  Ge- 
schichte dieses  Klosters  und  bei  Anemüller,  Üb.  das  Kl. 
Paulinzella  (Thür.  Geschichtsquellen  IV). 

Im  Bauernkrieg  wurde  das  Kloster  von  den  über  Lange- 
wiesen nach  Königsee  und  Paulinzella  gezogenen  Haufen 
geplündert,  darnach  aber  wieder  bezogen  (cf.  Schwarzb. 
Bauernkrieg- Akten  1),  1533  wurde  es  von  der  Visitation  mit 
betroffen.  Aus  den  Visitationsakten  ersehen  wir,  daß  die 
Visitatoren  mit  den  Pfarrern  aus  der  Paulinzella  (z.  B.  zu 
Solsdorf,  Gösselborn  und  Thälendorf)  durchaus  nicht  zu- 
frieden sein  konnten  und  auf  energische  Besserung  dringen 
mußten.    Die  noch  vorhandene  Halbjahrsrechnung  vom  Jahre 

1533  giebt  uns  über  die  Anfänge  der  Reformation  dieses 
Klosters  einige  interessante  Aufschlüsse,  besonders  hinsicht- 
lich Ankauf  von  evangelischen  Büchern.  Der  Graf  Heinrich 
hatte  offenbar  die  Absicht,  die  Klosterkonventualen,  soweit 
sie  sich  tauglich  und  willig  fanden,  zur  Predigt  der  reinen 
Lehre  zu  verwenden,  doch  hat  er  bei  nur  wenigen  Glück 
gehabt  (1534  nur  bei  zweien),  vielmehr  wurde  der  Graf 
durch  einen  Bericht  seines  Rates  von  Holbach  über  den  in 
der  Zella  herrschenden  oppositionellen  Geist  aufgeklärt; 
offenbar  hatte  man  sich  unter  des  Abtes  Leitung  verbunden 
und  war  entschlossen,  der  reformatorischen  Absicht  des 
Grafen  entschiedenen  Widerstand  entgegenzustellen.  Der 
Schlußsatz  der  Verfügung  des  Grafen  Heinrich  XXXVII. 
betr.  Aufhebung   des  Klosters   vom   Dienstag    nach   Thomä 

1534  lautete:  dan  wir  nicht  bedacht  seint  zu  solche  euer 
vermeßene  freiheit,  und  öffentlichen  verruchten  leben  vil 
zuzugeben  wue  ir  dan  je  uns  nicht  folgen  noch  gehorsam 
sein  wolt,  so  wollen  wir  euch  samptlich,  wie  vor  alters  bei 
den  epten  gescheen  als  closter  leuthe  verschlissen,  euch 
eur  nottorfft  mit  cleidung  essen  und  tringken  versehen 
lassen    und    alßo  speißen    das   weiten    wir  euch  zur  antwur 


1)  S.  A. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  117 

hinwidder  nit  pergen."  .  .  i  Damit  war  des  Klosters 
Schicksal  besiegelt,  freilich  auch  des  Grafen  Hoffnung  zum 
größten  Teil  vereitelt,  die  im  Kloster  noch  vorhandenen 
Konventualen  zur  Besetzung  evangelischer  Pfarrstellen,  wofür 
ein  dringendes  Bedürfnis  vorhanden  war,  zu  verwenden, 
auch  der  Teil  der  Selbstverwaltung,  welche  der  Graf  dem 
Abte  nach  einer  Notiz  der  33.  Rechnung  zweifellos  noch 
zugestanden  hatte,  hörte  damit  auf. 

Aus  der  noch  vorhandenen  Halbjahrsrechnung  vom 
Jahre  1533  (Walp.  —  Michaelis),  aufgestellt  von  Peter  Watz- 
dorf,  Vogt  zu  Paulinzella,  geht  folgendes  hervor:  Die  Ein- 
nahmen setzen  sich  folgendermaßen  zusammen: 

1)  Reste  134  seh.  5  gr. 

2)  Ins  Gemeine        132    „     5   „      1 

3)  Lehnrecht  2    „  6 

4)  Bußen  und  Gerichtsfälle  (4  Fälle) 
6)  Für  gezapften  Trank 

(Gewinn  dieses  Sommers): 

6)  Für  Brennholz 

7)  Für  Bauholz  etc. 

8)  Retardata  „sydher  nechsten  Rechnung  Eymbracht" : 

57  seh.     1  gr.  6  -X 
S.  S.  aller  Einnahme :  676  seh.  16  gr.  1  n.  u.  1  a.  heller. 
Die     Ausgabe  lautet : 

1)  auf  Befehl  m.   g.  Herrn  zur  Zella     45  seh.  lOgr.  5A. 

2)  Zehrung 

3)  Insgemein 

4)  Für  Wein  u.  Bier         * 

5)  Nägel,  Eisen,  Hufbeschlag 

6)  Grashauen  und  Mäherlohn 

7)  Küche 

8)  Würze,  Spezerei 

9)  Holz 

10)  Gesindelohn 

11)  Das  übrige  für  sonstige  Arbeiten 

S.  S.  A 

Als  Überschuß    bleibt   also    2  seh. 

und  1  alter  heller;  außerdem  steht  noch  vom  Abt  als  Schuld 

ans:    41  seh.    17  gr.    10  A,.     Besonders  interessant  sind  die 


X     1  n. 

u.  1  a.  heller 

4  seh. 

18  gr.  6^ 

69    „ 

12    „ 

127    „ 

49    „ 

6  „    3  „ 
6  „    9  „ 
9   »    2  „ 
9  „ 

8    „ 

9  „    9  „ 

130    „ 

19  „   4  „ 

62    „ 

19  „   3  „ 

10    „ 

3  „    7  „ 

22    „ 

3  „ 

113    „ 

7  -„  1  heller 

3    „ 

19  „ 

fl4    „ 

9  „  6<X 

l   4    „ 

11   „  6  „ 

63    „ 

3  „  8  „ 

574  seh. 

6^ 

.  15  gr. 

6X1  heller 

118  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Ausgaben  für  ev.  theologische  Bücher,  z,  B. :  P/g  seh.  für 
10  enchiridien  itzlichem  hern  unnd  mir  eins  zcu  Erffurt 
zcum  ablas  kaufft  9  gr,  für  1  N.  T.  herrn  Mathes  S^/g  gr. 
für  den  gr.  catechis.  dem  priori,  2  ^  für  die  grammatica 
Ph.  Melanchton  herr  Niclaus  1  seh.  habe  für  bucher  ent- 
richt,  welche  der  prior  her  Curdt  u,  er  Cranaeh  bei  Jo- 
hanni  dem  buehfuhrer  genommen ;  20  ^  für  das  Summarium 
Psalterii  dem  prior;  9  gr.  für  ein  Encheiridien  und  Jesus 
Sirach  mein  gnädigen  herrn  1  seh.  3  gr.  für  Brentium  super 
Johannem  confesscio  sancta  apologia  und  für  die  propheten 
ern  Conrado  Rudiger.  Auch  der  Ankauf  von  „9  sehleple 
einfach  unnd  einn  zwifach  schlappenbareth"  sowie  von 
Brillen  auf  dem  Erfurter  Ablas  deutet  auf  die  Einführung 
der  Reformation  im  Stifte  hin.  Die  Rechnung  macht  den 
Eindruck  keiner  besonders  günstigen  materiellen  Lage  des 
Stiftes,  doch  läßt  sich  aus  einer  Halbjahrsrechnung  selbst 
hierüber  nichts  Grenaueres  schließen. 

Da  weitere  Rechnungen  des  Stifts  aus  den  folgenden 
Jahren  bis  1538  fehlen,  so  ist  es  wenigstens  erfreulich,  daß 
aus  dem  Jahre  1534  noch  die  Verfügung  des  Grafen  Heinrieh, 
des  Reformators,  vorhanden  ist  betr.  den  dem  Abt  Johann 
nach  Aufhebung  des  Klosters  zu  gewährenden  Unterhalt. 
Die  Forderung  des  Abts  und  auch  die  Antwort  des  Grafen 
(siehe  bei  Hesse,  Kl.  P.  C.  Seite  6  Urk.  IV  und  V).  Wir  teilen 
nur  die  II.  Urkunde  mit,  nach  welcher  folgender  Unterhalt 
dem  Abt  ausgesetzt  war:  Erstlich  die  frei  behausung  mit 
dem  garthen  auch  zeimlich  lenderei  die  sal  man  ine  auch 
arbeiten  lasse,  die  ordens  person  ern  Johan  Heingelbach 
mag  er  auch  behalten,  mag  auch  eine  buben  koch  oder 
köehin  halten  dorauff  5  malder  körn  und  5  malder  gersten 
2  moß  erbeiß.  12  eimer  weins  3  swein  auß  dem  forwerge 
dorauff  ein  malter  affter  gersten  zur  mastung  vff  Michaelis 
zu  geben.  2  ochsen  auch  vß  dem  forwerge  vff  Martinj, 
2  kue  vff  solche  ochsen  und  kue  2  fuder  heu  von  der 
wissen  zu  antwurthen.  5  hemel  von  der  sehefferei.  1  seh. 
michels   huner,    1  seh.    fasnaeht   huner   änt    zu   weisen    das 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  119 

er  sie  selbst  infordere,  ein  centner  carpen  so  man  do  fischt 
oder  drei  gülden  dorfur,  1  thonne  pottern,  1  thonne  kesse 
von  der  schefferei,  item  betthe  hat  er  vormals  hinwegk. 
item  zcimlich  hauß  und  koch  gerethe  wie  gebethen.  item 
nottorfft  bren  vnd  brau  holtz  füren  zu  lassen  zu  allerlei 
zubuße  80  gülden.  Ein  noch  vorhandener  Zettel,  aus 
welchem  allerdings  nicht  ersichtlieh  ist,  aus  welchem  Jahre 
er  stammt  1),  giebt  die  „Priors  fordderung  zur  Zell"  folgender 
maßen  an :  behausung  zu  Neusetz,  in  zweien  leiben  sein 
und  seines  weibess.  E  wenig  lender,  kraut  ruben,  flachs, 
hanff  und  was  in  ein  haus  gehört  zcu  reichen,  holtz  zur  ^ 
notturft.  1  par  kue,  1  par  schwein  abzufertigen  zu  inu- 
steur  (?)')  40  fl.  Iherlich  meins  weibs  und  mein  liben 
20  fl.  5  malder  korns,  halb  rocken,  halb  weissen,  l  bett, 
wie  es  stedtt,  neben  dem  itzigen  ßo  er  hat  alle  virtell  jahrs 
3  tonne  byrs.  getreide  zum  vihe,  was  er  in  der  kammer 
hatt,  kisten  und  anders  volgen  zu  laßen,  weßenwachs  auff 
drei  kue.  Darunter  steht  als  Bewilligung:  zimlich:  eine 
behausunge    in    einer    Stadt,    odder    dorff  auif  seinen   leib 

lenderei  abgesagt [?]  1  kue,  1  par  schwein,  zur 

abfertigung  20  fl.  10  gülden  ihrelich  1  molder  korns.  1 
molder  roken,  2  molder  maltzs.  Was  sein,  in  seiner  Ver- 
wahrung,   und  nicht  des  closters  ist,  bleibt  im.     Ein  bette. 

Daß  einzelnen  aus  der  Paulinzella  evangel,  gewordenen 
Pfarrern  Besoldung  gezahlt  und  sonstige  staatliche  Unter- 
stützung gewährt  wurde,  ersehen  wir  u.  a..  aus  folgenden 
urkdl.  Notizen : 

„an  vot  zcur  palcella: 

lieber  getr.  wir  bedenken,  dieweil  Cranach  und  Enkarius 
das  evangelion  predigen  das  man  ime  auch  diczmal  ihr 
quattember  gelt  geben  sal  den  andern  aber  nicht  und  du 
wollest  er  Johan  Chranach  ein  peltz  keuffen  der  uns  folgen 
will  und  sich  disen  winther  zu  behelfen  habe  dorin  thust 
unßer  meinung  (auf  Vorschlag  des  Rats  von  Holbach  1534). 

1)  Vermutlich  aus  dem  Jahre  1534,  S.  A. 

2)  Zcuateur? 


120  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Dieses  sehr  dürftige  Material  wird  auf  Grund  noch 
vorhandener  Amts-  und  Rentereirechnungen  einigermaßen 
wenigstens  ergänzt,  insofern  als  wir  erfahren,  welche  Ein- 
kommenteile dieses  Klosters  und  welche  Geldüberschüsse 
in  die  staatlichen  Kassen  geflossen  sind:  ^ 

1)  Die  Amtsrechnung  von  Blankenburg  1535/1536 
weist  als  Einnahme  des  Klosters  Paulinzella  auf  102  seh. 
8  gr.    2  -^v,    wovon    nach    Ausgabe    von    9  seh.    15  gr.   4  A, 

1  a.  ^   noch    92  seh.    12  gr.    8  A,   für    den  Grafen  bleiben. 
Unter  den  Ausgaben  stehen  z.  B.  folgende: 

5  seh.  6  gr.  1  a.  h.  abgangk  an  den  vorbranten  zu 
Blangkenberg,  5  gr.  4  A.  an  eim  Weinberge  hat  izo  m.  g. 
h.  V.  leutenberg  Innen,  2  seh.  bei  diezel  veiler  und  tiezel 
leutlof  zu  soltzdorf.     nimbt  der  pfarher  zu  talendorf. 

1  seh.    adam  singer  Dem   schul tißen  u.  s.  w.,  also  nur 

2  seh.  für  einen  Geistlichen. 

Auch  in  der  Getreiderechnung  des  Amtes  Blanken- 
burg 1535/1536,  findet  sich  unter  der  gesamten  Korn- 
einnahme in  Höhe  von  207  Mas  2  Virt.  2  metzen:  16  Mas, 
5  metzen  Zeller  Zins,  darunter  figuriert  als  einzige  Ausgabe 
für  einen  Pfarrherrn:  8  Mos,  Dem  pffarhern  zu  Delendorff 
von  den  Decimation  zu  soltzdorfif',  unter  Zinsgerste:  Ge- 
samteinnahme: 90  Mas  3  Virt.  3  metzen:  4  Mas  5  Metzen 
Zeller  Zins  und  unter  Hafereinnahme:  Gesamteinnahme: 
754  Mas  2  Viertel,  6  mas  Zeller  Zinsen.  In  der  Amts- 
rechnung von  Arnstadt  1533/1534  und  1534/1535  finden 
sich  zum  erstenmal  unter  Einnahme :  Zeller  Zinsen  in  Höhe 
von  39  seh.  9  gr.  2  ^. 

In  der  Rudolstädter  Amtsrechnung  von  1 532 — 1533 
aber  steht  zum  erstenmal  als  Zinseinnahme  von  wegen  des 
Stiftes  Paulinzella:  45  seh.  17  gr.  8  ^,  wovon  13  gr.  4  A- 
abgehen.  (Die  Einnahmen  stammen  aus  den  Ortschaften 
Zeigerheim,  Geilsdorf,  Niederschwarza,  Talendorf,  Keilhau 
und  Eschdorf.)  Dazu  kommen  noch,  wie  oben  in  der  Blanken- 
burger  Amtsrechnung,  Einnahmen  von  Zeller  Getreidezinsen, 
Zinshühner   u.    s.   w. :    z.   B.    4    Mas    1  Viert.   1  Metze  von 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  '        121 

Schwarza,  T^/j  Mas  von  Gebstet,  47 ^/j  Zinshühner  u.  s.  w. 
Wir  ersehen  hieraus,  daß  Einkommenteile  des  Klosters 
schon  von  1533  an  den  Ämtern  zugeteilt  wurden,  welches 
naturgemäß  den  dauernden  Verlust  dieses  Einkommens  für 
dieses  Stift  bedeutete.  Endlich  verzeichnet  die  Renterei- 
rechnung von  Arnstadt  1536/1537  als  jährliche  Einnahme 
aus  dem  Stift  Paulinzella,  durch  den  Vogt  Gallo  Barrethern 
entrichtet,  bei  einer  Gesamteinnahme  aus  den  sämtlichen 
3  Stiften  von  1020  fl.:  Die  Summe  von  190  guld.  10  gr.  =  200 
gute  Schock.  Noch  bemerkenswert  ist  folgender  Einnahme- 
posten Ins  Gemein:  220 ^/jj  fl.  von  Heinrichen  Ziegelern  dem 
buechsen  gießer  zu  Erfford  vor  44  Ct.  10  U  (?)  ^)  glocken  speis 
so  aus  der  Zcella  und  von  Konnigessehe  komen,  vor  den  center 
5  fl,  entpfangen,  vber  die  speise  so  m.  g.  h.  hat  zu  irnnen 
gefeß  vergießen  lassen  entpfangen,  200  fl.  von  Gallo  Barrether 
von  wegen  seiner  bestellung  des  stiffts  paulina  zeln  nach 
Inhalt  der  selbigen  entpfangen  Mich.  ao.   37  fellig. 

Nehmen  wir  die  Abgabe  an  den  Staat  aus  dieser 
Rechnung  als  Durchschnittsabgabe  für  die  Zeit  von  1534 — 
1538  an,  so  würde  sich  als  Barüberschüsse  an  den  Staat  die 
Summe  von  1000  guten  Schock  ergeben,  an  die  Amtskassen 
aber  entfallen  während  dieser  5  Jahre,  wenn  wir  die  in  den 
noch  vorhandenen  Rechnungen  angegebenen  Zinseinnahmen 
als  feststehend  annehmen: 

1)  für  Amt  Blan^enburg  :  510  seh, 

2)  „        „      Rudolstadt      :  225     „    • 

3)  „        „      Arnstadt          :  190    „ 

Also  :  925  seh. 
Dazu    kommt   nun   noch   der   beträchtliche  Nutzen   an 
Getreide  und  Vieh,    welcher  der  Herrschaft  und  den  staat- 
lichen Kassen  zugute  kam, 

2.  Das  Stift  Ilmen. 
Das  Cisterzienser  Jungfrauenkloster  zu  Stadtilm,  Mainzer 
Diöcese,    zur   Präpositur  Beate   Mar.   Virg.  Erfurdenais  ge- 

1)  M. 


122  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

hörig,  der  Jungfrau  Maria,  dem  h.  Nikolaus  und  dem 
h.  Benedikt  geweiht,  ursprünglich  (1267)  vom  Grafen 
Günther  VII.  von  Schwarzburg  zu  Saalfeld  als  Versorgungs- 
anstalt für  Töchter  des  gräflichen  Hauses  Schwarzburg  und 
verwandter  Familien  vom  hohen  Adel  gestiftet,  wurde  es 
1275  nach  Stadtilm  verlegt,  „weil  dieser  Ort  wegen  seiner 
Triften  und  Waldungen  geeigneter  wäre,  den  Jungfrauen  * 
den  nötigen  Unterhalt  zu  verschaffen,  als  ihr  bisheriger 
Wohnsitz  zu  Saalfeld."  Die  Einweihung  des  Klosters  zu 
Stadtilm  fand  1287  statt,  nachdem  zur  Herstellung  der  Ge- 
bäude von  verschiedenen  Bischöfen  Indulgenzbriefe  aus- 
gestellt waren.     (1279,  1300—1303). 

Die  Schutzvögte  des  Klosters  waren  die  Grafen  von 
Schwarzburg  und  zwar  die  der  schwarzburgischen  Haupt- 
linie. Das  Verzeichnis  der  Äbtissinnen  und  Pröpste  siehe 
bei  Hesse,  Thür.  und  der  Harz.  Bd  8.  Hesse  zählt  18  Äb- 
tissinnen, die  letzte  Margaretha,  Gräfin  von  Schwarzburg, 
geb.  1502,  früher  im  Kloster  zu  Kelbra,  seit  1523  Äbtissin 
zu  Hm,  wo  sie  über  die  arg  zerrüttete  Klosterzucht  bitter 
klagen  mußte,  1533  wurde  sie  Pröpstin  des  Stiftes  Quedlin- 
burg. Das  Kloster  war  vornehmlich  ein  Stift  des  hohen 
Adels,  im  Bauernkrieg  blieb  es  vor  wirklicher  Plünderung 
und  Verwüstung  verschont,  das  wertvollste  Klostergerät  war 
durch  Graf  Günther  XXXIX.  vorher  nach  Arnstadt  in 
Sicherheit  gebracht  worden.  Der  kluge  Vorsteher  Heinrich 
Spitznaß  verhütete,  indem  er  die  Aufrührer  reichlich  be- 
wirtete ,  eine  förmliche  Plünderung  des  Klosters.  Nach , 
wieder  hergestellter  Ordnung  bestand  das  Kloster  noch  bis 
zum  Regierungsantritt  des  Grafen  Heinrich,  des  Reformators 
Wie  aus  den  später  zu  prüfenden  Rentereirechnungen  her- 
vorgeht, flössen  Barüberschüsse  dieses  Klosters  schon  seit 
1631/1532  in  die  Arnstädter  Rentereikasse  und  zwar  in 
beträchtlicher  Höhe.  In  den  Visitationsakten  von  1538  findet 
sich  bei  Kloster  Hm  bemerkt  (cf,  R.  G.  A.) :  „Mit  den  iung- 
frauen  im  closter  ist  gehandelt,  von  ihrem  mißbrauch  ab- 
zustehen,   und   sich   hinfüro    zu    dem  wortt  gottes  und  was 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation. 


123 


es  mitbringt,  zu  begeben  welchs  sie  alles  zugesagt  und 
gewilligt  haben  darau£F  ihnen  zugesagt  ist,  sie  sollen  des 
Otts,  ßo  sie  sich  ihrem  zusagen  gemeß  halten  ihr  leben- 
lang vorsorgt  werden." 

Über  den  Umfang  der  Klostereinkünfte  werden  wir 
durch  die  noch  vorhandenen  Rechnungsausweise  genügend 
unterichtet,  jedenfalls  war  Um  eines  der  reichsten  Klöster 
des  Landes,  dies  ersieht  man  nicht  allein  aus  den  reichen 
Barüberschüssen  des  Stiftes  an  die  Staatskasse,  sondern 
auch  z.  B.  aus  dem  Gabenverzeichnis  der  schwarzburgischen 
Stifte  im  Registrum  subsidii  1506  (Palliengelder)  i) :  Es 
gaben:  Kloster  Arnstadt 
flor.  in 


3  marcas  3  fertones    ^/j  lot   21 


auro  8  Sexag.  et  27  gr. 
Kloster  Paulinzella:  2^/2 

Kelbra:  3 

„       lechaburg :  3 

„       Suscera :  2 

„       Gellingen :  3 

„       Capelle :  2 

„       Frankenhausen:  5 
„       Um:  41/2 

Die     Gesamtgeldeinnahme    des 


marc. 


1  fert. 
5  lot 

5  lot 


„     14  flor, 
„        5  lot: 
„       311/2 
Klosters     vom 


26  flor. 
flor. 

Jahre 


1485/1486  betrug  797  tlt.  16  soll.«)  31/2  ^ 

die  Ausgabe    833    „     —  7         „ 

Besonders  günstig  stellten  sich  die  Getreideeinnahmen 
des  Stifts,  cf.  z.  B.  vom  Jahre  1515/1516 : 


Korn      E 

1863     Mas  II/2  Vtl.  4  Molmetz 

„         A 

Roggen  E 

„         A 

959       „      11/2     „    -       „, 

381/3  „ 
ebenso 

Gerste    E 

784     Mas  1  Vtl. 

A 
Hafer      E 

637       „      1     „ 

951 7,  „      51/2   Molmetz 

»         A 

914       „  ■  -           „        etc. 

1)  Zeitschr.  des  Vereins  für  Thür.  Geshichte  und  Altertums- 
kunde, N.  F.  II.  Band,  Heft  1. 

2)  Talente  und  solidi. 


18 

„   6  ^ 

7 

4 

10 

)) 

15 

„   6  ^ 

11 

„  47^   ^ 

a 

— 

124  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Das  Stift  hatte  den  Zoll  zu  Dienstedt  und  Großhettstedt, 
eigene  Gerichtsbarkeit,  der  geldzinspflichtigen  Ortschaften 
waren  es  noch   1537/1538  rund  70. 

Aus  den  aus  der  Zeit  von  1533 — 1538  vorhandenen 
Stiftsrechnungen  von  Um  teilen  wir  nun  folgendes  mit; 

1)  Rechnung   1536/1537  (Vorsteher  Hans  Bhoner). 

1)  Retardata :  3  seh.  16  gr. 

2)  Spondtgelth  :  3     „     10     „ 

3)  Zoll:  2 

4)  Gerichtsfälle  (37  Fälle):  40 

5)  abgelöstes  Kapital :  4 

6)  Holz:  5 

7)  Lehnrecht:  25 

8)  Insgemein  :  20 

9)  Einnahme  Erb-  und  wiederverkäufliche  Zinsen : 
(Wüllersleben,  wüsten  Walschleben,  Sebergen,  Elxleben,  Groß- 
hettstedt,  Dienstedt,  Kl.  Hettstedt,  Hammersfeld,  Gehren, 
Alt-  und  Neu-Morenbach,  Gyßelsdorf,  Wiilmersdorf,  Hersch- 
dorf,  Jesuborn,  Konigsee,  W^arteburg,  Garschitz,  Pennewitz, 
Oberilm,  Angstedt,  Wymbach,  Stadt  Hm,  Singen,  Stadt 
Remda,  Alt-,  Kirch-  und  Sundremda,  Heilsberg,  Franken- 
hausen, Dörnfeld,  Breitenherda,  Wolffis,  Krawinkel,  Goßla, 
Milwitz,  Haufeld,  Moßdorf,  Rechstedt,  Teichmesdorf,  Na- 
winden.  Steten,  Achelstedt,  "Witzleben,  Bößleben,  Wandeß- 
leben,  Kircheim,  Erfurd,  Gucheleben,  Kleinliebringen,  Ost- 
hausen, Apfelstedt,  Griesheim,  Grefenau,  Hengelbach,  Hocheim, 
Kottendorf,  Wernigesleben,  Liebenstein,  Teichröda,  Groß- 
liebringen, Recheim,  Büchelo,  Folienhein). 

S.  S.  843  seh.  16  gr.   1   a.  heller  1  lowen  heller. 
Ferner  findet  sich  noch  der  !^osten : 
Folgende  zinße    sein    dißes  iars  widerumb    außen   ampt 
Schwarczburgk  gen  Ilmen  geweißt: 

(Königsee,  Dörnfeld  a.  d.  H.,  Niederschöblingen,  Nieder- 
hein, Garschitz,  Drebeschau,  Herschdorf,  Wolf  Obstfelder 
und  Peter  Bornkessel). 

S.  S.  56  seh.  8  gr. 
S.  S.  aller  Zinsen :  904  seh.   1   a.  heller  1  lowen  heller. 


im  ßchwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  125 

10)  „Vorspruch"  Geld  (Seebergen,  Angstedt,  Wim- 
bach, Mornbach,  Wüllersleben ,  Dienstedt,  Großhettstedt 
Elxleben,  Warteburg) 

26  seh.  8  gr.  3  1  ^ 
S.  S.  aller  Einnahmen:  1033  seh.  4  gr,  1   a.  heller. 
„Darober  105  seh.  so  ich  m.  g.  h.  In  beschid  schuldig. 
Unter  der  Ausgabe  sind  folgende  Posten  bemerkenswert : 
21  seh.  an  20  11.;    In  den  gemeinen  Kasten;    10  seh.  8  gr. 
„2  armen  Priestern,  er  Andresen  und  ern  Thylen"  (wöchent- 
lich jedem  2  gr.).     Auch   findet    sich   die  Bemerkung:    An 
dißen   beyden    orthen    hat    grafle    hans    heinrich    die    Zinße 
zu  folge  laßen  gewegert  vermöge  seiner  schrifft. 
Sonst  sind  die  Ausgaben  folgende : 

14  gr. 

1   „  7  ^  1  heller 
12   „  4  „(v.Watzdorf.v.Ober- 
6       2      Weymar,v.PeuIwitz, 
j^  "   Q  "die  Zcengea  werden 

6)  In  die  Renterei!  745    „      10   „  ^^^    ^' 

7)  Nicht  ganghaftig  und  nicht  eingebracht:   31  seh.  14  gr. 
S.  S.  aller  Ausgabe:  950  seh.  1  2  gr.  7  ^  1  heller. 

Die  Getreiderechnung  ergiebt: 


1)  Gesindelohn  : 

27  seh. 

2)  Gem.  Ausgabe: 

89    „ 

3)  Für  die  Nonnen  : 

28    „ 

4)  Tagelohn: 

12    „ 

5)  Zerung  : 

1    « 

Korn  restat: 

1425  M. 

1  V.  2  Molm  {^; 

1489  Maas  (rund) 
64      „ 

Roggen  „     : 

124  „ 

fE:  136  M. 
\A:     12    „ 

Gerste     „     : 

184  „ 

fE:     418  M. 
^  ^[A:     233    „ 

Hafer       „     : 

920  „ 

fE:  1018    „ 
^  »  \A:       92    „ 

Malz        „     : 

36  „ 

3  „ 

Erbsen    „ 

27  „ 

—  3  Molm  etc. 

2)  Die  Rechnung  von  1537/1538  (H.  Bhoner,  Vor- 
steher) weist  als  Einnahme  die  Summe  von  1  40  1  f  1.  1  3  gr. 
1  A-  auf,  und  zwar 

Ein.  Retardata:  189  seh.  12  gr.  11  ^ 

Gerichtsfälle  (20  Fälle):  15     „     15    „       8    „ 

Spondgeld:  3     „     10    „ 

Zoll:  2     „     18    „       6    „ 


126  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Abgelöstes  Kapital:  21  seh. 

Holzgeld:  7      „      17  gr. 

Aus  Korn :  vacat.  (Der  rentlimeister  wirdt  ditz 
gelt  Versehens  eingenomen  habe.)  Rocken,  Gerste, 
Hafer,  Erbsen  vac.  ^ 

Malz:   126  seh. 

lehnware:  47  seh.  6  gr.  9  ^v 

Gemeine  E:  125  seh.  25  gr.  (darunter:  6  seh.  6  gr. 
Johannes  der  buehfurer  von  Erffurd  vor  258  U  bucher  an 
80  althen  sanct.  meße  und  andern  boßen  buchern  Ides  h.  (?) 
vor  6  ^,  Die  breth  abgeschlagen,  So  haben  hirvber  die 
Nonnen  derselben  hiuor  zu  zweie  oder  dreie  malen  dießem 
und  einem  andern  buehfurer  auch  vorkaufft,  desgleichen 
hab  ich  zwei  ader  drei  tüchtige  gesangkbucher  In  die  pfarre 
geben.     Dinstags  nach  Bartholomei). 

E.  Erb-  und  wiederkäufliehe  Zinsen :  902  seh.  16  gr. 
(70  Orte). 

Vorspruchgeld  :  29  seh.  3  ,^  9  A.  (9  Orte). 

Die  Ausgabe  weist  als  Gesamtsumme:  1323  fl.  8  gr. 
3  A.  1  h.  auf.  Darunter :  Gesindelohn :  26  seh.  6  A, ;  Zins- 
ausgabe: 17  seh..  Gemeine  Ausgabe:  71  seh.  7  gr.  11  ^ 
1  heller;  für  Nonnen  Notturft :  49  seh.  16  gr,  3  A.  u.  s.  w., 
als  Hauptausgabe  :   1 130  seh.     In  die  Renterei ! 

Ähnlich,  wie  bei  Stift  Paulinzella  verhält  es  sich  nun 
auch  hier  mit  der  Abtrennung  von  Stiftszinsen  zum  besten 
der  Amtskassen: 

So  finden  wir  in  der  Blankenburger  Amtsrechnung 
1533/1534  als  Einnahme  Ilmische  Zinsen :  6  seh.  8  gr. 
10  A,  und  in  der  1534/1535er:  9  seh.  6  gr.  2  ^  (Blanken- 
burg,  Tälendorf,  Leutnitz,  Kleingöliz  und  Dittersdorf)  ver- 
zeichnet (Abgang  auf  2  Jahre :  10  gr.  8  ^  und  2  seh.  8  -^), 
ja  selbst  in  der  Amtsrechnung  von  1532/1533  findet  sich 
zum  erstenmal  sub  Einnahme  insgemein:  20  seh.  17  gr.  2  ^ 
Ilmische  Zins  von  wegen  der  Probstey.  In  der  Rechnung 
von  1535/1536  betr.  Ilmische  Zinsen  im  Amt  Blankenburg 
findet  sieh  als  Geldzinseinnahme  (von  Blankenburg,    Täle^^" 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  127 

dorf,  Leutnitz,  Kleingöliz,  Dittersdorf,  Keilhau,  Geilsdorf, 
Volkstedt,  Schala,  Zeigerheim,  Eichfeld,  Schwarza  und  Lich- 
stedt)    und    Einnahme    insgemein :  32  seh.     3  gr.  - 

nach  Abgang:     4     „      14    „  8  ^ 
bleibt:  27     „       8    „  4    „ 
Vorher   ist   schon    als  Abgang   für    die  Hofhaltung   in 
Rudolstadt  unter  anderm  angesetzt:  21  huner,  2^/2  unschlitz, 
l^/g  virtel  erbes,  2  Hetzen  mhon! 

Interessant  ist,   daß  hiemach  die  Stiftseinnahmen  noch 
mehr   geschmälert   worden    sind,   in  dem  eine  größere  Zahl 
von  Zinsortschaften    für    die  Amtskasse    abgezweigt  wurde.  ^ 
Zuletzt  steht  noch : 

S.  beider  (Zeller  und  Ilmer)  Zins: 
restat:   120  seh.   1  gr. 
Dauon    gehn    mir    schoeßer    46    seh.  4  gr.  1  heller,  so 
man  mir  im  rest  der  ambtsrechnung  blibe  und   bleibe  Tiber 
abrechnung  m.  g.  h.  also  allenthalben 
73  seh.  16  gr. 
Das  Verfahren  bei  der  Verwendung  dieser  Stiftseinnahmen 
von  Paulinzella   und  Stadtilm,    sowohl    der  Geld-    wie    der 
Getreidezinsen,  möchte  man  als  typisch  für  die  Verwendung 
des  Klostergutes  nach  der  Säkularisation  überhaupt  ansehen. 
Ein    kleiner    Teil    derselben    wird   für   mildthätige   Zwecke 
und  für  die  Schultheißen,    ein  kleiner  Teil  muß,    weil  nicht 
eingegangen,  in  Abzug  gebracht  werden,  ein  winzig  kleiner 
Teil   für   irgend    einen  Pf^rrherrn,    ein   größeren   Teil,   be- 
sonders   der   Getreideeinkünfte,    fällt    der   Hofhaltung   und 
der    Löwenanteil    an    Geld-     und    Getreideeinnahmen     den 
Staatskassen     d.    h.    dem    gemeinen     Nutzen    des     Landes 
,zu!    Ferner   verzeichnet    die  Arnstädter  Amtsrechnung   von 
U533/1534 

38  seh.  12  gr.  7^/2  ^^  Ilmische  Zinsen, 
ind  in  den  noch  vorhandenen  Amtsrechnungen  von  Rudol- 
^fltadt  1532/1533   und  1533/1534   findet   sich  als  Einnahme 
Eins  von  wegen  des  Klosters  zu  Stadtilm  angegeben :  4  ^ 
Schala 


128  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 


3     seh.     51/2 
7       „       3 

gr.             Eychefelt 
„     4  ^v  Volstet 

2       „     - 
1     seh.  19 
Vl\       2 

„    4    „    Blankenburgk 
gr.              Keylhaw 
Telndorff 

10       „     40 
6 

„               Geylsdorif 
„     8  ^  Liechstet 

4 

„                Leutenitzs 

S.  S.  26 

seh.  15  gr.  8  X. 

c)  Die  Rentereirechnungen    geben   nun  noch  folgenden 

Aufschluß  über  die  dem  Staate  zugefallenen  Barüberschüsse 

des  Stifts: 

1)  Rent.  Rechnung  Arnstadt  1531/1532. 

Die  Einnahme  aus  dem  Kloster  Urnen  von  dem  Vor- 
steher Heinrich  von  Zossen  beträgt :  889  seh.  20  gr.,  ebenda 
finden  sich  diese  Notizen:  63  seh.  22  gr.  an  47  guten  seh. 
11^/2  schneeb.  von  philipp  Drlrt  Recht  (?)  zu  blankenburg. 
Enpfangeh  an  den  Zinßen  so  Er  von  wegen  des  Jungfrau 
closters  zu  Urnen  hat  ingenomen  auß  befelich  m.  g.  h.  Item 
diße  Zinse  habe  ich  in  berechent  und  nicht  außgeben  sein 
nicht  gefordert  wurden,  so  habe  ich  derhalben  di  Ausgabe 
der  Zinße  im  beschloß  nicht  wollen  endern. 

2^/2  seh.  von  d.  Brudschafft  bt  vgr  zu  Sanct  bonifacii, 
1  seh,  24  gr.  von  d.  BruderschaiFt  Swartzburg,  habe  nach 
geloßen  2^/j  seh.  her  Johan  •••[?]  nichtgefurdert 
Sma  ...[?]  Die  (allerdings  durchstrichene)  Rent.  Rechnung 
von  Arnstadt  1532/1533  weist  als  Einnahme  von  Heinrich 
von  Zossen,  Vorsteher  zu  Hm,  auf 

1)  1000  gute  seh.  u. 

2)  210  seh. 

Die  Rent.  Rechnung  Arnstadt  1536/1537  verzeichnet 
als  Einnahme  von  diesem  Stift:  710  fl.  an  745  seh. 
10  gr. 

Nehmen  wir  für  die  Einnahmen,  welche  aus  diesem 
Stift  von  1532 — 1538  den  Amts-  und  Rentereikassen  zu- 
flössen, runde  Summen  an,  so  ergiebt  sich  als  Barüberschüsse 
an  die  Rentereikasse  bei  rund  jährlich  1000  seh.  die  Summe 


im  Schwarzbxirgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  129 

von    7000  seh.   und  als  Zinseiunahmen  für  die  Amtskassen 
innerhalb  7  Jahren : 

1)  Blankenburg:  189  seh. 

2)  Arnstadt:         266     „ 

3)  Rudolstadt:      182     „ 


Summa:     637  seh. 
Bei    diesem    Stift   fällt    auf,    daß    dasselbe    schon    seit 
1532    ganz    erhebliche  Barüberschüsse    an    die  Staatskasse, 
d.  h.  zum  gemeinen  Nutzen  des  Landes  ablieferte. 

3.  Das  Benediktiner  Nonnenkloster  zu  Arnstadt, 
ursprünglich  der  H.  Walpurgis  geweiht,  Mainzer  Dioec. 
zur  Praeposit.  B.  Mariae  Virginis,  sedes  Kirchheim,  gehörig, 
wurde  von  dem  Walpurgisberge,  wo  es  sich  zuerst  befand, 
1309  nach  der  Stadt  verlegt;  seine  ursprünglichen  Stifter 
sind  die  Grafen  von  Kevernburg.  Nach  dem  Jahre  1317 
gellt  aus  seinen  Bezeichnungen  hervor,  daß  das  Koster 
lediglich  der  heiligen  Maria  geweiht  war.  („Monasterium 
B.  M.  Virginis  inter  muros  oppidi  Arnstete"  etc.)  Über 
die  Namen  und  Zahl  der  Pröbste  und  Priorinnen  ver- 
gleiche Burkhardt,  Urkundenbuch  der  St.  Arnstadt  (Thür. 
Geschichtsquellen  N.  F.  I)  und  Hellbach,  Geschichte  dieses 
Klosters.  Die  Konventualinnen  wurden  in  die  Amts-  und 
in  die  übrigen  Jungfrauen  eingeteilt.  Der  ersteren  waren 
vier:  (Kellnerin,  Küsterin,  Kämmerin  und  Siechmeisterin), 
Im  Jahre  1457  kommen  33,  1528  etwa  20  schleiertragende 

(Jungfrauen  vor.  Das  Stift  hatte  lt.  dem  städtischen  Statut 
das    Recht,    bei    drei   städtischen    Pfarren   zu   präsentieren. 

[Hellbach  meint,  daß  das  Kloster  kein  sehr  bedeutendes 
und  auch  kein  sehr  reiches  gewesen  sei,  weil  keine  Gräfin 
aus    dem   Hause    Kevernburg   und    Schwarzburg   und    auch 

.nur  wenige  vom  Adel  diesem  Konvent  angehört  hätten  und 

[auch  darum,  weil  die  Domina  nicht  Äbtissin,  sondern  Priorin 
i;enannt  wurde,  doch  weisen  noch  vorhandene  Kloster-Rech- 

fnungen  auf  ansehnlichen  Besitz  und  nicht  unbedeutende  Ein- 

►künfte  hin, 

XXI.  9 


130  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

z.  B.  1495  Geld -Einnahme:  1366  seh.  —    ? 

„  Ausgabe:  1127  „  1  heller. 
Die  Reformation  und  Säkularisation  des  Stiftes  fällt 
ins  Jahr  1533.  Diesem  Jahre  entstammt  auch  die  erste 
Stiftsrechnung,  welche  von  dem  gräflichen  Amtmann"und 
Verwalter  Lutz  von  WüUersleben  aufgestellt  ist.  Doch 
wir  wollen  die  3  aus  der  Zeit  1533/38  noch  vorhandenen 
Stiftsrechnungen  des  Verwalters  und  Amtmannes  Lutze 
von  WüUersleben  selbst  prüfen! 

1)  Rechnung  von  1533/34: 

S.  S.  Einnahme:  1011  seh.  13  gr.  11  ^  1  heller. 

Darunter  Retardateinnahmen  der  letzten  3  Pröbste'r 
142  seh.  5  gr.  l^/g  '^. 

Außerdem  wird  noch  auf  etliche  100  Schock  an  „un- 
bekentlichen  und  wüsten  Retardaten"  hingewiesen,  „daran 
sich  zu  vormuthen  das  gar  wenigk  ader  gar  nichts  daran 
zu  bekommen  ist". 

Die  folgenden  Einnahmeposten  sind: 

1)  Erbzinsen  in  der  Stadt:         78  seh.     5  gr.     1  ^  1  h^ 

2)  Erbzinsen  auf  dem  Lande  (53  Ortschaften): 

162  seh.     9  gr.     2    „ 

3)  Wiederkäufl.  Zinsen:  1     „     13    „ 
desgl.  in  der  Stadt:                5'^     »        7    „      3    „ 

„      auf  dem  Lande  (34  Orte) : 

149  „  4  „      IV2  ^ 

Leibzinsen  der  Jungfrauen :    92  „  5  „ 

Laßzinsen :                                    6  „  15  „      8  A. 

Zinshühner:                                  4  „  16  „ 

Zinsgänse:                                     1  „  15  „ 

Hauptgeld  der  Zinsablösung:  65  „  14  „ 

Lehnrecht:                                  3  „  13  „ 

aus  der  Schäferei:                 112  „  7  „ 

für  Pferde:                                45  „  17  „ 

für  Korn:                                110  „  7  „        . 

Gerste:  4  „ 

Hafer:                                          '^  »  8  „ 

Die  Ausgabe  beläuft  sich  auf:  85.6  seh.  6  gr.  1  ^. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.         131 

Die  einzelnen  Posten  lauten; 

1)  Erbzinsen:  2  seh.  10  gr.   10  -X, 

2)  Dem  Rentmeister:  23  „     13    „       1     „ 

3)  Alte  Schuld  bei  Krucker:     43  „     10    „ 

4)  Für  die  Küche  der  Jungf.  1     1 90  o  in 

u.  das  Gesinde  im  Pfarrh.  j  "  n     ^^    « 

5)  Kostgeld   für  die  beiden  \ 
Pfarrer  Niclaus  Tantz  u.l 

Er  Caspar  zu  U.  L.  F.  (  ^^  »  "^^  » 
und  St.  Bonifacij :            j 

6)  Vorrat  ins  Haus:  62  „  17  „       5    „    1  h. 

7)  Jungfrauen  Notturft:  47  „  5  „       6    „ 

ML,  Die    übrigen    Ausgaben    beziehen    sich    auf   die    Ver- 

^m  waltung  des  Stiftes. 

^B       An  Retardaten  sind  hinterstellig :  36  seh. 

Wk     Im  Vorrat  bleibt:  119     „    7  gr.  10  A,  1  h. 

^H         Trotzdem    nach    dieser   Rechnung    der   Überschuß   des 

^^Stifts  und  die  an  den  Rentenmeister  abgelieferte  Summe 
unbedeutend  ist,  warf  dennoch  die  Bewirtschaftung  des 
Stiftsgutes  der  Hofhaltung  einen  erheblichen  Vorteil  an 
Naturalien  ab.  Man  vergleiche  die  Getreiderechnung  des- 
selben Jahres: 

1)  Korn  E:  1012  Maß  3  Viert  4  Molmetz  (17  Zinsorte) 
A:     6531/2     -      „     1 

Davon  112  Maß  verkauft;  232  Maß  1  Viert.  1  Mol- 
metze  aufs  Schloß  und  106  Maß  3  Viert.  Ausgabe  ins- 
gemein und  Dienstlohn,  worunter  sich  auch  kleinere  Ab- 
gaben an  Pfarrer,  Kirchner  und  Schulmeister  finden  (dem 
Kirchner  zu  Bytstedt,  dem  pfarhern  zu  Rudißleben,  dem 
pfarhern  zu  Holtzhaußen,  dem  pfarhern  Bonifacir,  er  Nicl. 
Tantz,  dem  kirchner  Bonifacii,  dem  priester  zu  St.  Catharin 
(10  Maß),  dem  Schulmeister  Nicl.  Straffen. 

Die  Ausgaben  laufen  zwischen   ^/^  und  6  Maß.) 

2)  Gerste  E:  399  Maß  (16  Zinsorte) 
A:  382      „     2  Viert.  1^/2   Molmetze. 

Davon  allein  129  Maß  11/2   Molmetze  aufs  Schloß. 

3)  Hafer  E:  521  Maß  1  Viert.   i|,  Molmetze  (19  Zinsorte) 
A:  431      „ 

Aufs  Schloß:  259  Maß  2  Viert. 

9* 


132  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

4)  Malz:  Einnahme   und   Ausgabe    66    Maß,    30  Maß    gen 
Rudolstadt. 

Die  Viehrechnung  weist  auf  einen  Vorrat: 
34  Nosser 
und  2  Schock  Schsv^eine. 

2.  Rechnung  von  1534/35. 
Die  Einnahme  setzt  sich  zusammen  aus: 
Retardaten:  52  seh.   11  gr. 
13    Posten    Reste    wurden    auf   Befehl    der    Obrigkeit    er- 
lassen, 

im  ganzen  mit  noch! 

5  anderen  Posten  /         ^^  ««^-  ^^  ^r- 
Erbzinsen  in  der  Stadt:    77      „        1     „      6^/2   ^ 

„  auf  dem  Land: 159      „       9    „ 

Wiederkäufl.  Zinzen  zul 

sich  erkauft:  j       ^      "      ^^    " 

Wiederkäufl.  Zinsen  inl  1    v    1   i, 

Stadt  und  Land:         j  207      „      18    „       1  A.  1  h. 

Leibzinsen:  85     „     10    „ 

von  Laßgütern:  6     „      15    „      8  ^  etc. 

S.  S.  Einnahme:     1026  seh.  3  gr.  1  ^ 

Die  Ausgabe  setzt  sich  zusammen  aus: 
Erbzins:  2  seh.     5  gr.     6  ^ 

Für  die  Küche  der  Jungfr. ) .  _  „ 

u.d.  Gesinde  im  Pfarrh.j^^^     »     17    „        —     1  h. 
Für  Kostgeld  beider")  ^-  ^„,, 

Pfarrherrn:  }  ^^     »     ^^^^  ^- 

Vorratsausgabe:  6     „       4  gr.     4  ^ 

Für  die  Notturft  derl 

Jungfrauen :  J 


36     „       4    „    11  ^  u.  s.  w 


S.  S.  Ausgabe:  608  seh.  7  gr.  8  X  1  heller. 
Von    dem    Überschuß  :    4  1  7   s  c  h.    1  5  g  r.,    4  ^  1  h. 
wurden    an    den    Rentmeister  Sigmund  v.  Witz- 
leben  280  seh.  12  gr.  gegeben. 

3.  Rechnung  von  1537/38. 
S.  S.  Einnahmen:  766  seh.  12  gr.  4  A,. 
Die  Reste,  welche  hiernach  von  den  Jahren  1525 — 34 
nachgelassen  werden,  belaufen  sich  auf  16  seh.  12  gr.  6  A, 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformatio^.  133 

Dabei  betragen 
die  Erbzinsen  der  Stadt  noch:     76  seh.     8  gr.     7  ^  1  h. 
„  „  auf  dem  Land:     159     „      12    „      4^2  •^• 

Dagegen    die    Einnahme    der   wiederkäuflichen    Zinsen 
(Stadt  und  Land)  nur  noch:        159  seh,  15  gr.     5  A,  1  h. 
2  seh.  5  gr.  vorm  iare  widderkeuflicher  zinße  abgelost, 
nemlich  31  schneb.  6  ^  und  13 ^/g  schneb. 
und  die  von  Leibzinsen  nur:    48  seh. 
(hierbei  findet   sieh    die  Bemerkung:    So    seindt  auch  noch 
21    seh.    dicz  jhar    bei    den  iungkf.   von    der  Saehssen   ab- 
gang,  seint  auß  dem  closter  gezcogen). 

Der  Laßgutzins:  15  gr.  8  ^ 
.  Lehnrecht:  8  seh.  4^/2  gr.  u.  s.  w. 
Die  Summe  der  Ausgaben:  497  seh.  19  gr.  1  h.  Dabei 
Erbzins  von  des  Klosters  wegen:  3  seh.  5  gr.  2  ^,,  zum 
erstenmal :  1  seh.  er  Peter  Itiges  in  gemein  kästen  zcu 
den  geistl.  lehen  Crucis  in  S.  Jaeoifs  kirchenn  und  auch: 
4  gr.  er  Cristoff  pharher  zcu  Oberndorff,  von  einer  wiesen 
unthier  dem  hayn. 

Für  die  Pfarhern  Kostgeld :        25  seh. 

Für  Jungfrauen,  Küchel 

und  Gesinde:  j  ^^^      » 

Vorrat  ins  Haus:  15     „ 

Notturft  der  Jungfrauen:  36     „ 

Rest:  268     „ 

Doch  ist  nichts  bemer^,  daß  diese  Summe  der  Renterei- 
kasse zugeflossen  wäre.  Die  Rentereirechnung  Arnstadt 
von  1536/37  weist  als  Einnahme  aus  diesem  Stift  die 
Summe  von  120  fl.  auf.  Nehmen  wir  also  dies"e  Summe 
als  jährliehen  Barüberschuß  an,  welcher  der  Rentereikasse 
während  der  Zeit  von  1533 — 38,  also  während  6  Jahren 
zufloß,  so  ergiebt  es  die  Gesamtsumme :  7  20  f  1.  Bezüglich 
dieses  Stiftes  fällt  ganz  besonders  die  nicht  unbedeutende 
Abnahme  der  Stiftseinnahmen  bereits  in  der  Zeit  von 
1533 — 38  auf  Dies  ist  in  erster  Linie  darauf  zurück- 
zuführen, daß  die  ansehnlichen  Getreideeinnahmen  zum 
großen  Teil    direkt    den  Hofhaltungen  zu    gute  kamen  und 


4 

gr. 

8 

)) 

1 

^ 

1  h. 

19 

n 

3 

^ 

1  h. 

12 

)) 

9 

^ 

1  h. 

19 

»1 

- 

— 

1  h. 

]34  Ü^^er  die  Verwendung  der  Klo.stergüter 

auch  die  Zinsabgaben  an  das  Stift  staatliclierseits  ge- 
schmälert wurden,  während  die  Abnahme  der  Leibzinsen 
nicht  sonderlich  ins  Gewicht  fällt  und  ,ja  auch  durch  die 
Abnahme  der  Ausgabe  für  die  Jungfrauen  einigermaßen 
ausgeglichen  wurde.  Bei  diesem  Stift  zeigt  sich  schon  in 
•lieser  Periode  am  deutlichsten,  in  welcher  Weise  das 
Klostergut  allmählich  staatlicherseits  aufgesogen  wurde. 

Überblicken  wir  dieses,  wenn  auch  sehr  lückenhafte, 
aber  dennoch  für  die  Beantwortung  unserer  Frage  überaus 
wichtige  urkundliche  Rechnungsmaterial,  so  ergiebt  sich 
folgendes:  Soweit  die  Einkünfte  der  von  staatlichen  Ver- 
waltern geleiteten  Stifte  nicht  zur  Bewirtschaftung  der 
Stil'te  selbst  und  zur  Unterhaltung  der  Klosterinsassen 
gebraucht  wurden,  fielen  sie  in  der  Hauptsache  den  Staats- 
kassen, beziehentlich  den  Hofhaltungen  zu.  Der  Vorteil, 
welcher  dadurch  dem  Staat  bez.  dem  gemeinen  Nutzen 
des  Landes  trotz  der  anfänglich  nicht  so  bedeutenden 
Barüberschüsse  der  Stiftsverwaltungen  in  der  Zeit  von 
153:5 — 38  erwuchs,  war  immerhin  ein  ganz  beträchtlicher; 
und  zwar  sowohl  an  barem  Geld,  ganz  besonders  aber  auch 
an  Naturalertrage   der  Stifte : 

1 )  Die  Überschüsse  an  barem  Geld,  welche  der  Renterei- 
kasse von  1533 — 38  zuflössen,  ergeben,  wenn  man  die 
Rentereirechnungsangabe  von  1536/37  als  die  jährliche 
Durchschnittssumme  annehmen  darf,  die  erhebliche  Summe 
von  ni20  fl,  und  zwar  besonders  durch  den  Überschuß' 
des   Stilles    Hm. 

2)  Dazu  koniiuen  diejenigen  Stiftszinseneinnahmen, 
welche  seit  Einführung  der  Reformation  und  Säkularisation 
der  Klöster  von  deren  Einnahmen  abgetrennt  wurden  und 
den  Amtskassen  zuflössen  (cf.  oben,  bei  Hm  und  P9,ulinzella 
ergiebt  die  Zusammenstellung:   1562   seh.) 

3)  entzog  sich  dei-  Staat  der  Verpflichtung  fast  ganz, 
die  den  Stiften  bis  zur  Reformation  staatlicherseits  fällig 
gewesenen  Al)gaben,  nach  der  Säkularisation  weiterhin  zu 
onti-ichten.      Dali    dieser  Vorteil    nicht   unerheblich  war,  er- 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  135 

sieht  man  unter  anderem  aus  einem  Vergleich  der  Arustädter 
Rentereirechnungen  von  1531/32  und  1536/37.  Dort  be- 
laufen sich  die  staatlichen  Ausgaben  für  wiederkäufliche 
Zinsen  in  „m.  g.  herrn  städten"  auf  830  seh.  41  gr.  1  ^ 
hier  nur  auf:  637  fl.  3  gr.  7  -X.  Diese  Zinsen  wurden 
zumeist  an  geistliche  Stiftungen  des  Landes  gezahlt  (cf« 
hierzu  die  Stiftsrechnung  von  Arnstadt  1538/39). 

Doch  abgesehen  von  diesem  für  damalige  Verhältnisse 
nicht  unbedeutenden  Kapitalgewinn,  zog  die  Herrschaft 
auch  aus  dem  Getreide  und  Vieh,  sowie  aus  dem  erbauten 
Wein  der  säkularisierten  Stifte  ganz  erheblichen  Nutzen. 
So  sei  beispielsweise  zu  dem  schon  Gesagten  noch  an- 
geführt, daß  allein  nach  den  drei  noch  vorhandenen  Getreide- 
rechnungen des  Arnstädter  Stiftes  aus  dieser  Zeit  rund 
gerechnet  2  601  Maß  Getreide  aller  Sorten  auf  die  herr- 
schaftlichen Schlösser  geliefert  wurden.  Nach  der  Rechnung 
von  1534/35  desselben  Stiftes  wurden  aus  dem  Stift  für 
das  Schloß  1  Kuh,  1  Stier,  27  Schweine,  2  Eber  ge- 
schlachtet. Die  13^/2  Schock  Zinseier  wurden  zum  Teil 
im  Kloster,  zum  Teil  im  Schloß  verspeist,  der  Abgang  von 
84  Hammeln  nach  der  Schafrechnung  fand  seine  Ver- 
wendung teils  auf  dem  Schloß,  teils  wurden  sie  verkauft, 
und  die  Weinrechnung  des  Stiftes  vom  gleichen  Jahre 
ergiebt,  daß  der  erwachseife  Wein  sofort  vollständig  auf 
das  Schloß  kam,  während  von  den  noch  im  Vorrat  befind- 
lichen 172  Eimern  Wein  145  Eimer  aufs  Schloß,  10  Eimer 
ins  Kloster  abgegeben  wurden  und  17  Eimer  „verfult" 
waren. 

Vergleiche  auch  die  Getreiderechnung  des  Stiftes  Arn- 
stadt von  1537/38: 

a)  Korn  Einnahme:  1188  Maß  1  Viertl  3  Molmecz 
Ausgabe:       629  Maß, 
darunter  für  d.  g.  h.  bez.  in  die  grüne  Au  zu  Erfurt: 
131  Maß  1   Virtl  und  55  Maß  und  2^/2   Virt. 

Ausgabe  Korn  insgemein:  170  Maß  3V2   Virt. 


136  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Darunter:  20  Maß  dem  castenhern  von  wegen  der  obirkeit 

10  „         „     pfarrer  Bonifacii  zu  seiner  costunge 
5      „        „     pfarrer  zu  vnßer  lieben  Frauen 

5  „        „     Schulmeister  zu  seynem  lohn 

11  „         „     kirchner  zu  unßer  lieben  frauen 

6  „         „     kirchner  zu  S.  Bonifaci 

1      „        „     pfarrer  zu  Bitstet  zu  deczman 
^/s     ,j        n     kirchner  zu  Bitstet 
^/^     „        „     pfarher  zu  Eudißleben 
^/2     j5         „     kirchner  zu  Dornheym. 
Das  Übrige  verblieb  im  Vorrat. 

b)  Gersten  E:  682  M.  3  Viert. 

A:  673    „    2V2  Viert. 
Davon  unter  anderem :  a)  aufs  Schloß  278  M. 

b)  nach  Rudolstadt  auf  obrigkeitlichen 
Befehl  48  M. 

c)  auf  die  Kefifernburg  57  M. 

d)  in  die  grüne  Au^)  öl^/g  M. 
(also  circa  ^j^  aller  Ausgaben  ±ür  die  Höfe). 

c)  Hafer  E:  488  M.  2  Viert.  IV«  Molmetze 
A:  438  M.  31/3  Virt. 
Darunter  aufs  Schloß  34  6  Maß. 
2)  Vieh,  Eindvieh  E:  66  Alt-  und  Jungvieh 
A:  18 
Darunter  5  Kälber  aufs  Schloß,  3  Kälber  und  5  Stiere 
ins  Kloster  geschlachtet. 

Arweys  E:  23  M. 

A:  23  M.  (9  M.  aufs  Schloß). 
Die  Weinrechnung  fehlt  ganz. 
Schweine  E:     136  Stück 

A-       53  P^  i«s  Kloster  und  aufs 

-TT«,         T.     1      ,  "       l     Schloß  geschlachtet. 

Hühner  E :  6  seh.  1  Stck. 

T?    .    Q.^,;^//«  ^''^-  (^V2  sch.  1  Stck.  ins  Kloster). 
Eest:  31  Hühner. 

Gänse  E:  27      Stück 

A-  21 1|  P^^  Kloster    16  Stck., 

o  ,    .  ''     "     1     I^est  51/. 

Schafe  E:  957  Nesser 

A :  1 72      „      (zu  Hof  und  ins  Kloster  1 23  Stck.) 


1)  Gräflich-Schwarzburgischer  Hof  zu  Erfurt. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  137 

Auch  war  die  staatliche  Einnahme  aus  Wollenverkauf, 
wozu  auch  die  Stiftsschäfereien  beitrugen,  nicht  gering. 
Die  Rentereirechnung  Arnstadt  1536/37  verzeichnet  unter 
Wolleneinnahme,  wobei  sich  die  Wolle  der  Schäferei  des 
Stiftes  Arnstadt  befindet,  die  Summe  von  489  fl. 

Dem  gegenüber  überrascht  es  in  der  That,  daß  die 
Ausgaben  für  den  Unterhalt  der  Klosterpersonen  sowie  die- 
jenigen für  „christliche  Zwecke"  (Kostgeld  für  die  beiden 
evangelischen  arnstädtischen  Pfarrer,  angekaufte  evangelische 
Bücher,  geringfügige  Getreideabgaben  an  einige  wenige 
Kirchendiener  und  einige  geringe  Abgaben  an  den  gemeinen 
Kasten)  entgegen  dem  Vorteil  des  Staates  bezl.  des  Landes 
im  allgemeinen  aus  den  säkularisierten  Stiften  Stadtilm 
und  Arnstadt  kaum  nennenswert  sind.  Hinsichtlich  des 
Stiftes  Paulincella  können  wir  leider  bei  dem  Mangel  an 
Quellen  ein  Urteil  nicht  abgeben !  (cf.  aber  die  spätere 
Rechnung  1538 — 39,  darnach  ist  zu  vermuten,  daß  einzelne 
Dorfpfarrer  schon  früher  vom  Stiftseinkommen  unterhalten 
wurden.)  Da  nun  der  Staat,  wenn  er  die  Barüberschüsse 
der  Klöster  —  sehen  wir  einmal  ganz  von  dem  beträchtlichen 
Nutzen  der  Herrschaft  aus  Getreide  und  Vieh  ab  —  für 
sich  in  Anspruch  nahm,  die  Verpflichtung  hatte,  diese 
Überschüsse  in  erster  Linie  wiederum  der  jungen  evan- 
gelischen Kirche  zum  besrten  zu  verwenden,  so  müßte  dies 
demnach  aus  den  noch  vorhandenen  Staatsrechnungen  (Amts- 
und Rentereirechnungen)  ersichtlich  sein.  Leider  sind  wir 
allerdings  nicht  in  der  Lage,  sämtliche  staatliche  Rech- 
nungen aus  dieser  Zeit  daraufhin  zu  prüfen,  da  nur  einige 
wenige  noch  vorhanden  sind;  trotzdem  überrascht  es  auch 
hier,  wie  verhältnismäßig  unbedeutend  die  Ausgaben  sind, 
welche  wir  allenfalls  auf  das  Konto  derjenigen  Stiftsüber- 
schüsse setzen  könnten,  welche  den  Staatskassen  zuflössen. 
So  finde  ich  in  der  Amstädter  Rentereirechnung  von  1532 — 
1533  z.  B.  angegeben,  daß  dem  Dr.  Joh.  Lang  von  Erfurt, 
weil  er  in  der  Visitation  1533  thätig  war,  11  fl.  9  gr.  zur 
Verehrung  gegeben  wurde;  ferner  ein  Mönch,  der  aus  dem 


j3g  über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Barfüßer  Kloster  gegangen  ist,  erhält  12  gr.  „umb  gotes 
willen",  ein  junger  Mönch  aus  Paulincella,  der  sich  nach 
Erfurt  zum  Studium  begeben  will,  erhält^  5  fl.  In  der  Ren- 
tereirechnung von  1536—37  z.  B.  1000,  gülden  an  grober 
muntze  von  wegen  des  verstentnis  etzlicher  chur  vnd 
fursten,  grafen,  hern  und  stetten  der  protestirende  stende, 
und  religion  sachenhalb  so  m.  g.  h.  zu  derselbigen  ge- 
buerend  antheil  daßmals  zu  entrichten  aufferlegt  gewest 
etc.  ferner:  19  fl.  4  gr.  hat  Johann  Zwuester  cantzler 
off  zweimal  li  [18?]  tag  zu  Schmalkalden  verzert,  als  die 
protestirende  stende  bei  einander  gewest,  die  wochenn 
oculi;  40  fl.  er  Niclas  Mende  dem  ordens  person  auß 
der  Paulina  Zelnn  walpurgis — michaelis  ao  37  fellig  zu 
zweienmalen  durch  doctor  Lang  entricht  zu  erhaltung  des 
Studiums  zu  Wittenberg,  wie  ime  dan  m.  g.  h.  zugesagt 
etc.  Ferner:  2  fl.  vor  ein  lateinisches  buch  als  die  commen- 
tarius  in  quatuor  ewangelistas  er  Casparn  dem  prediger 
Bonifacii  uß  bevelich  m.  g.  h.  bezalt;  auch:  13  fl.  2  gr. 
an  11  thalern  doctori  Jheronimo  Schuerffen  bei  brenninge 
uffs  cantzlers  bevelhe  gen  Wittenberg  geschickt  etc.  Da- 
gegen können  wir  die  in  derselben  Rentereirechnung  sub 
„wiederkäufliche  Zinsen"  verzeichneten  unerheblichen  Aus- 
gaben an  den  (Pfarrer)  Niclaus  Tantz,  an  den  gemeinen 
Kasten  etc.  hier  nicht  wohl  als  solche  ansehen,  die  auf 
das  Konto  der  Stiftseinkünfte  zu  setzen  wären,  denn  die 
Staatskasse  hatte  ohnedies  durch  Wegfall  einer  Anzahl 
wiederhäuflicher  Zinsen  an  geistliche  Personen  und  Stiftungen 
des  Landes  erheblichen  Vorteil. 

Und  wie  diese  eine  Rentereirechnung,  so  ergeben 
die  durchgesehenen  Amtsrechnungen  dasselbe  Resultat: 
Ich  finde  z.  B.  in  der  Rudolstädter  Amtsrechnung  von 
1532 — 33  nur  folgende  bemerkenswerte  Ausgaben  ver- 
zeichnet: 3  gr.  4  X  vor  2  dinst  fischs  als  der  predier  von 
Salvelt  und  der  pfarher  von  Liberingen  den  pfarre  zcu 
Teuchel  unnd  Hasla  examenirten  dinstags  nach  Egidii 

2  gr.  für  die  Küche  bei  gleicher  Veranlassung  ge- 
legentlich der  Visitation  1533. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  139 

14  gr.  9  ^  vor  ein  kalb  montags  nach  exaudi  als 
die  visitatores  inkamen,  1  seh.  4  gr,  der  vißitator  Schreiber 
gein  Ihen  geschick,  mittewochns  nach  cantate.  In  der 
Amtsrechnung  von  Arnstadt  1533 — 34  z.  B.  10  gr.  vor 
ein  buch  dem  pfarrer  zcu  Willingen,  darinnen  die  Ordnung 
der  visitatoren  beschrieben. 

In  der  Amtsrechnung  von  Blankenburg  1532/33: 
3  seh.,  die  visitatores  verthan  donnerstags  und  freitags 
post  exaudi.  Es  soll  nun  keineswegs  unberücksichtigt 
bleiben,  daß  die  Regelung  der  kirchlichen  Angelegenheiten 
des  reformierten  Gebietes,  die  darauffolgenden  Rechtshändel 
und  Beschwerdesachen  (z.  B.  der  langwierige  Prozeß  Graf 
Heinrichs  des  Älteren  contra  Burdian  zu  Erfurt  i),  des- 
gleichen die  damit  verbundenen  häufigen  Reisen  des  Grafen 
und  seiner  Räte,  kurz  alles,  was  die  Organisation  der  evan- 
gelischen Kirche  erfordete,  erhöhte  Ausgaben  für  die  Staats- 
und Amtskassen  verursachte,  aber  alles  dies  zugegeben,  das 
leuchtet  doch  ein,  alle  diese  Ausgaben  fallen  schon  gegen- 
über den  in  dieser  Anfangsperiode  noch  nicht  einmal  so 
beträchtlichen  Barüberschüssen,  welche  die  Stifte  an  die 
Staatskassen  ablieferten ,  kaum  in  die  Wagschale.  Zum 
Besten  des  Landes  ist  die  allerdings  sehr  nötige  und 
verdienstvolle  Aufsicht  über  das  Stiftsvermögen  teuer  be- 
zahlt worden  und  zwar*  schon  in  dieser  ersten  Periode 
nach  Säkularisation  der  kirchlichen  Stifte.  Doch  dies  hätte 
immer  noch  geschehen  mögen,  wäre  nicht  auch  zugleich  der 
Anfang  gemacht  worden,  die  Vermögenssubstanz  der  kirch- 
lichen Stifte  systematisch  zu  schmälern  und  Klostereinkünfte 
den  Amtskassen  zuzuweisen.  Die  löbliche  Absicht,  die 
zweifellos  in  dieser  Zeit  bei  einzelnen  Stiften  noch  erkennbar 
ist,  nämlich  das  Klostergut  gesondert  zu  verwalten  und 
damit  der  neuen  Kirche  ihre  überkommenen,  weltlichen 
Güter  nach  Möglichkeit  zu  erhalten,  wurde  dadurch  schon 
durchbrochen,  ebenso  dadurch,  daß  die  Barüberschüsse  den 


1)  S.  A.  und  Kopie  in  den  Hessischen  CoIIectaneen.    R.  G.  A. 


140  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Staatskassen  zuflössen,  deren  noch  vorhandene  Eechnungen, 
die  noch  nicht  einmal  die  kirchlichen  Einnahmen  und  Aus- 
gaben gesondert  zusammenstellen,  den  Ausweis  liefern,  daß 
nur  dürftige  Bruchteile  der  Stiftsüberschüsse  kirchlichen 
Zwecken  zu  gute  kamen.  Es  ist  und  bleibt  also  vom  kirch- 
lichen Standpunkt  aus  zu  bedauern,  daß  das  Stiftgut  nicht 
der  neuen  Kirche  gesondert  erhalten  blieb,  denn  thatsächlich 
sah  man  eigentlich  jetzt  schon  die  Stiftsgüter  als  staatliches 
Eigentum  an  und  füllte  mi£^den  Stiftsüberschüssen  die  be- 
dürftige Staatskasse. 

Denn  war  auch  die  Herrschaft  Schwarzburg-Amstadt 
im  Verhältnis  zu  den  Herrschaften  Leutenberg  und  Sonders- 
hausen -  Frankenhausen  finanziell  um  diese  Zeit  noch  am 
besten  gestellt,  so  zeigt  doch  ein  Blick  in  die  Arnstädter 
ßentereirechnung  von  1536/37,  daß  auch  hier  die  Schulden- 
last des  Staates  drückender  zu  werden  anfing.  Eine  Ver- 
wendung der  Stiftsgüter  zu  gemeinem  Nutz,  d.  h.  zum 
Besten  der  Staatskasse,  konnte  deshalb  nur  erwünscht  sein. 
Trotzdem  also  für  die  Erhaltung  der  Stiftsgüter  zu  kirch- 
lichen Zwecken  so  nachteilige  Wege  eingeschlagen  wurden, 
darf  an  dieser  Stelle  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  Graf 
Heinrich,  der  Reformator,  dieser  edeldenkende,  überzeugte 
evangelische  Christ,  so  gut  es  ging,  für  die  materielle 
Eundamentierung  seiner  evangelischen  Landeskirche  Sorge 
trug.  Freilich  war  diese  Sorge  leider  eben  nur  darauf  be- 
rechnet, den  evangelischen  Pfarrern  einen  anfänglich  leid- 
lichen Unterhalt  zu  gewähren,  während  doch  auch  in  der 
Zukunft  erneute  Anforderungen  an  Aufbesserungen  zu  er- 
warten standen,  ja  gar  bald  eintraten.  (Gemäß  Andeutungen 
in  den  Visitationsakten  1539  hatten  sich  schon  um  diese 
Zeit  einzelne  Pfarrer  beim  Kurfürsten  von  Sachsen  deshalb 
beschwert) 

Wie  vorteilhaft  wäre  es  da  gewesen,  wenn  das  Sifts- 
vermögen  noch  ungeschmälert  oder  wenigstens  in  der  Haupt- 
masse noch  vorhanden  gewesen  wäre! 

Während  es  urkundlich  feststeht,  daß  der  Graf  in  seinem 


im  Schwarzburgißchen  zur  Zeit  der  Reformation,  141 

Testament  von  Dienstag  nach  Quasimodog.  15341)  nur  das 
Vorwerk  zu  Rottleben  und  den  Weinberg,  der  „Schleicher,'^ 
zu  Rudolstadt,  „wuchs  vor  dieser  zceit  in  die  Paulzcella  ge- 
hört hatt",  seiner  Gemahlin  verschrieben  hatte  und  auch 
bei  dieser  Testamentsverfügung  ausdrücklich  die  Möglichkeit 
oflFen  gelassen  hatte,  daß  die  Güter  als  der  Kirche  gehörig 
wieder  zurückerstattet  werden  müßten,  wie  sie  ja  auch  die 
gräfliche  Witwe  bereits  1539  an  Graf  Günther  XL. 
wieder  herausgab,  bemühte  er  sich  in  der  Visitation  1533 
durch  seine  Visitatoren  die  Einkommensverhältnisse  der 
Pfarrer  seines  Landes  zu  ordnen.  Vornehmlich  legte  er 
Gewicht  auf  die  Errichtung  von  „gemeinen  Kasten"  in  den 
Städten  des  Landes,  aus  welchen  die  Unterhaltung  der 
Prediger,  Schul-  und  Kirchendiener  sowie  die  Erhaltung 
kirchlicher  Gebäude  und  die  Unterstützung  armer  Be- 
dürftiger bestritten  werden  sollte  (cf.  die  Notiz  im  Roten 
Buch  zu  Arnstadt  S,  15):  „Wer  praedikanten  und  schul- 
diener  zu  unterhalten  schuldigk?  kästen  hern.  Nachdem 
sich  zu  Amstat  das  evangelium  got  hab  lob  angefangen, 
ist  von  unßerm  g,  h.  grave  Heinrich  des  33.  jars  ein 
Ordnung  gemacht,  alßo,  das  prediger  Schulmeister  und 
kirchner  sollen  von  einem  gemeinen  kästen  besoldet  und 
erhalten  werden;   auch  arme  leute  nach  notturfft  etc,"  2) 

So  anerkennenswert  nun  auch  diese  Einrichtung  war 
und  so  gewiß  durch  sie  manchem  dringenden  Bedürfnis  der 
materiellen  Sicherung  der  evangelischen  Pfarrer  Abhilfe 
gewährt  werden  konnte,  so  waren  es  doch  nur  dürftige 
Unterstützungskassen,  die  lediglich  für  die  wenigen  Städte 
Bedeutueg  hatten,  deren  Ausgabeverpflichtung  außerdem  zu 
umfangreich  war  und  denen  ja  eine  Haupteinnahme,  nämlich 
die  von  dem  Stiftsvermögen ,  fehlte.  Von  den  frühsten 
Kastenrechnungen,  die  noch  vorhanden  sind,  nämlich  aus 
dem  Jahre  1549/50  verzeichnet  die  Stadtilmer  Kasten- 
rechnung als 

1)  W.  A.  Reg.  Ee,  No.  550,  VoL  U. 

2)  Amat.  Rats-Archiv. 


142  ^ber  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Einnahme:  278  fl.  18  gr.  2  ^  1  heller 
als  Ausgabe:  174  fl.  5  gr.  11  >-  1  heller 
und  die  Arnstädter 

als  Einnahme:  971  seh.  59  gr.         ■" 

Die  Einnahmen  setzen  sich  unter  anderem  zusammen  aus : 

1)  Verkauftes  Getreide:  32  seh. 

2)  vor  Wein  und  verkaufte  Häuser:  80  seh.  40  gr. 

3)  von  dem  Gras  auf  der  Kasten  wiese:  16  seh.  48  gr. 

4)  Einnahme  aus  dem  Kasten  Bonifacii :  28     „     32    „ 

Einahme  insgemein: 

5)  Einnehme  testirt  und  beschiedenn  gelt 

1)  8  seh.  24  gr.     2)  56  seh.  an  40  fl.  u.  s.  w. 
Die  Ausgaben,  welche  916  seh.  8  gr.  betragen,  setzen 
sich  zusammen  aus: 

1)  Ausgeliehenes  Gelt:  212  seh.  46  gr. 

2)  desgl.  kirchen  unnd  schueldienern  an  ihrer  besoldung 
daran  einem  jdern  ein  jdes  quartal  der  viertte  teill  ge- 
geben wirtt. 

95  seh.  magister  Niclao  Mandio  pfarhern  zu  v.  1.  frauben. 

98     „     er  Heinriehen  dem  kappelan 

98     „    dem  Schulmeister,  Jacobi  Frobenio 

56     „    Paulo  Daeiano  cantorn 

56     „    Simon  hern  back  largen 

etc. 
28     „    dem  orgenisten  und  kirchner  Bonifacii 
12     „    Petter  Rebeling  kirchner  zu  v.  1.  F. 

3     „    denn  orgeltretter. 

1     „    36  gr.  Johan  Babsten  das  er  die  communicanten 
informirtt.     S.  S. :  464  seh.  24  gr. 

3)  Ausgeliehen  Geld,  das  nicht  verzinst  wird:  14  seh. 

4)  Ausgabe  Erbzinß  und  Geschoß:  15  seh.  24  gr.  2  ,5v 

6)  „         kostungeder  wein  garttenn:  12  seh.  7  gr.  1^/,  ^ 

6)  „  haußzins  v.  mietheuser  (für  Magister  Mandio 
u.  für  das  Cantorhaus) :   12  seh.  36  gr. 

7)  armen  leuthenn  und  studiosii  (bez.  sehülern) :  90  seh. 
42  gr.  11/2  A,  (wiederholt  kranken  Pfarrherrn:  einmal 
einem  von  Auspurg,  dann  einem  aus  dem  Wirtzburger 
laut). 

8)  Ausgabe  ins  gemein  und  kostung  der  gebende  (Kirchen, 
Pfarren,  Schulen) :  (Hostien,  Besen,  Lichte  etc.) :  94  seh. 
7  gr.  1  ^. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  143 

Übrigens  darf  man  annehmen,  daß  noch  nicht  einmal 
hinsichtlich  der  erledigten  geistlichen  Lehen,  welche  doch 
dem  gem.  Kasten  zufallen  sollten,  immer  dies  auch  wirklich 
geschehen  ist,  denn  es  findet  sich  in  der  Amtsrechnung  von 
Rudolstadt  1532/33  sub  Einnahme  insgemein  der  Posten 
verzeichnet : 

31  seh.  10  ^  vom  rat  zu  Rudelstat  von  wegen  des 
lehen  Elizabet. 

Dergleichen  in  der  Amtsrechnung  von  Arnstadt  1633/34 
sub  Zinsen,  welche  m.  g.  H.  zu  sich  gebracht,  nachgelassen 
und  nicht  ganghaftig  gewesen  unter  anderem : 

4  gr,  an  einer  wießen  unser  lieben  frauen  bruder- 
schafFt  zu  Arnstadt,  so  m.  g.  h.  zu  sich  pracht.  12  gr.  gibt 
m.  g.  h.  von  solcher  wiesen  ierlichen  itzundt  den  kästen 
herrn  zu  Arnstadtt. 

2  gr.  4  ^  von  einer  wisen  zu  Plau  zinset  der  vicarei 
doselbst,  so  m.  g.  h.  zu  sich  genomen. 

Diese  Fälle  dürften  nicht  allein  stehen. 

Endlich  bringt  der  Graf  die  Sorge  für  das  materielle 
Wohl  seiner  evangelischen  Landeskirche  auch  noch  in  seinem 
Testament  vom  Jahre  1538  in  folgenden  Bestimmungen  zum 
Ausdruck : 

„wir  befehlen  und  hoffen  auch,  das  unsere  lehnserben 
hinfuro  daß  einkommen  der  closter  unnd  geistlichen  güther, 
so  zu  milden  wergken  verordnet,  gewidmet  unnd  gemacht 
den  gemeinen  kästen  in  der  herschaft  sollen  geben  und 
folgen  laßen,  dormit  die  ehre  des  allmächtigen  und  wolffart 
des  nechsten,  also  armen  leuthe  möge  anhalten  auch  die 
diener  des  worts  schulen,  gelarthe  leut  ehrlich  underhalten 
und  mit  solchem  einkommen  mögen  aufgezogen  werden  zu 
wolfarth  allen  dießer  unßer  verlaßender  herschaft  kirchen 
underthanen  und  einwhonnem,  sonderlich  waß  geistliche  lehn 
sich  verledigen  und  nicht  verlihen  oder  verschrieben  solche 
den  gemeinen  kästen  zu  verordnen,  dovon  Studenten  zu 
halten  und  alwege  die  ehre  gottis  und  der  underthanen  wolfahrt 
dormit    auß    zu   richten.     Darzu   wollen  orden  schaffen  und 


144  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

setzen  wir,  das  alle  unsere  verlaßene  underthane  bei  den 
ewigen  gottis  wortt  und  uffgerichten  ceremonien  dem 
wort  gemeß  sollen  rüglich  gelaßen  und  in  keinem  weg  zu 
beschwerde  einer  [?]  gewissen  sollen  vertnüget  werden  etc." 
Der  Inhalt  dieser  Testamentsbestimmung  bezeugt 
mindestens  soviel,  daß  Graf  Heinrich,  der  Reformator,  die 
beste  Absicht  hatte,  soviel  wie  möglich  von  den  geistlichen 
Gütern  der  alten  Kirche  seiner  jungen  protestantischen 
Landeskirche  zu  erhalten  und  zu  sichern;  allerdings  durch 
die  bisherigen  Ausführungen  ist,  soweit  die  Stiftsgüter  in 
Frage  kommen,  erwiesen,  daß  sogar  schon  während  der 
Regierung  des  Grafen  das  Stiftsgut  in  weit  umfang- 
reicherem Maße  zum  gemeinen  Nutzen  des  Landes  zum 
Nachteile  der  kirchlichen  Interessen  herangezogen  werden 
mußte,  als  es  vielleicht  im  Willen  des  Grafen  lag.  Man 
sieht,  daß  bereits  in  diesen  ersten  Jahren  nach  der  Säku- 
larisation der  oberherrschaftlichen  Stifte  dasjenige  Verfahren 
bei  der  Verwendung  des  Stiftsgutes  prinzipiell  angebahnt 
wurde,  wie  es  unter  Graf  Heinrichs  Nachfolger  dem  Grafen 
Günther  XL.  zur  Durchführung  gelangte  und  auch  auf  den 
größeren  Teil  der  unterherrschaftlichen  Stifte  ausgedehnt 
wurde . 

(Fortsetzung  folgt.) 


III. 

Dr.  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiss 

der  Stadt  Mühlhausen  in  Thür. 

Von 
Professor  Dr.  Jordan  in  Mühlhausen  in  Thür. 

Die  mehrfach  von  mir  betonte  Forderung,  bei  Unter- 
suchung der  Bewegungen,  die  sich  in  den  Jahren  1523 — 25 
in  Mühlhausen  in  Thür.  abspielten,  zunächst  einmal  ganz 
von  Thomas  Münzer  und  dem  Bauernkriege  abzusehen  und 
die  Thätigkeit  der  Männer,  die  vor  und  neben  ihm,  zum 
Teil  auch  gegen  ihn,  im  engeren  Kreise  der  Stadt  thätig 
gewesen  sind,  genauer  zu  untersuchen,  hat  sich  für  keinen 
derselben  bisher  so  erfolgreich  erwiesen  als  bei  dem  Syn- 
dikus der  Stadt  Dr.  Johann  von  Otthera.  Seine  geheimnis- 
volle Thätigkeit  war  bisher  so  gut  wie  unbeachtet  geblieben, 
und  nun  stellt  sich  herau«,  daß  schwerer  Vorwurf  und  An- 
klage sich  gegen  ihn  richten. 

Auch  hier  verdanken  wir  den  ersten  Hinweis  Friedrich 
Stephan,  der  bereits  1842  in  seiner  „Anzeige"  S.  124  ihn 
als  weltklugen,  aber  treulosen  Mann  bezeichnete,  ein  Urteil, 
das  er  dann  in  der  weiteren  Ausführung  jener  „Anzeige" 
genauer  begründete.  Leider  blieb  diese  erweiterte  Arbeit 
Stephans  ungedruckt  und  unbekannt,  bis  ich  sie  in  meiner 
Programmbeilage  ^)  veröffentlichte,  wo  sich  die  betreffenden 
Ausführungen   S.   20    finden.     [Sie    gipfeln    in    dem    Urteil: 

1)  Zur  Geschichte  der  Stadt  Mühlhausen  (Thür.).    Beilage  zum 
Jahresbericht  des  Gymnasiums  in  Mühlhausen  (Thür.)  1901. 
XXI.  10 


146        ^^-  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiß 

„Die  Geschichte  ruft  seinen  Schatten  aus  der  Vergessenheit 
hervor,  una  ohne  alles  Bedenken  über  ihn  den  Stab  zu 
brechen."  Nachdem  ich  nun  in  jenem  Programm  S.  38 — 42 
die  Akten,  auf  denen  Stephans  Urteil  Wohl  wesentlich  be- 
ruhte —  vielleicht  nur  zum  Teil  —  veröffentlicht  habe, 
soll  hier  versucht  werden,  auf  Grund  des  bisher  vorliegenden 
Materials  die  gegen  J.  von  Otthera  erhobenen  Anklagen 
zu  ordnen  und  genauer  zu  erörtern,  um  sein  geheimes 
Treiben  noch  stärker  der  Vergessenheit  zu  entziehen  und 
die  Frage  nach  seiner  Schuld  auch  für  weitere  Kreise 
möglichst  klar  zu  legen.  Es  regt  sich  dabei  auch  die 
Hoffnung,  daß  es  gelingen  mag,  noch  weiteres  Material 
aufzufinden;  sollte  sich  z.  B.  in  Dresden  nicht  eine  will- 
kommene Ergänzung  bieten  lassen  ? 

Es  ist  zunächst  der  Rat  der  Stadt,  der  gegen  von 
Otthera  *),  den  die  Fürsten  zum  Schultheißen  ernannt  hatten, 
Klage  erhebt,  die  sich  also  gegen  einen  wichtigen  Beamten^ 
in  diesem  Falle  wohl  gegen  einen  Vertrauensmann  der 
Fürsten  richtete.  Nach  den  mir  aus  Dresdener  Akten  vor- 
liegenden Listen  unseres  Rates  ^)  aus  den  letzten  Jahren  vor 
1525  wechselte  dieses  Amt  jährlich  unter  Mitgliedern  des 
Rates.  Otthera  wurde  von  den  Fürsten  doch  wohl  als 
ständiger  Schultheiß  eingesetzt,  wenn  er  auch  unter  den 
hier  zu  besprechenden  Verhältnissen  das  Amt  nicht  lange 
bekleidete.  Es  will  nun  jene  Klage  des  Rates  um  so  mehr 
bedeuten,  als  nach  der  Katastrophe  von  1525  für  längere 
Jahre  die  katholische  Partei  unter  der  geschickten  Führung 
des  Bürgermeisters  Sebastian  Rodemann  im  Rate  die  Leitung 
der  Angelegenheiten  in  den  Händen  hatte.  Es  ist  begreif- 
lich, daß  sie  sich  alle  Mühe  gab,  die  Fürsteij,  besonders 
Herzog  Georg,  in  guter  Stimmung  zu  erhalten,  also  ohne 
Grund   nicht   gegen    einen    von   ihnen  eingesetzen  Beamten 

1)  Seine  eigenhändige  Unterschrift  lautet:  Johan  von  Otthera 
Schultheißse  zu  molhaueen  doctor. 

2)  Von  mir  veröffentlicht  in  meinem  Heft  2,  Zur  Geschichte 
der  Stadt  Mühlhausen,  1902,  S.  37. 


der  Stadt  Mühlhausen  in  Thür.  147 

vorgehen  mochte.  Dennoch  wurde  der  neue  Rat,  den  die 
Fürsten  nach  Beseitigung  des  ewigen  Rates  eingesetzt 
hatten  —  es  waren  meistens  Mitglieder  des  Rates  aus  den 
Jahren  vor  1525  —  bald  auf  Ottheras  frühere  Thätigkeit 
aufmerksam,  denn  noch  im  Jahre  1525,  Mittwoch  nach 
Michaelis  [4.  Oktober]  schrieb  er  an  Herzog  Georg  i),  Dr. 
von  Otthera  habe  im  Beisein  beider  Bürgermeister  —  es 
waren  das  Heinrich  Baumgarten  der  Jüngere  und  Sebastian 
Kühnemund,  die  Bürgermeister  des  ewigen  Rates  —  aus- 
gerufen und  verkündigt,  alle,  die  in  der  aufrührerischen  ■ 
Beschädigung  mit  gewesen,  möchten  Mühlhausen  verlassen, 
dazu  sollten  ihnen  die  Thore  geöffnet  werden,  der  Rat 
wolle  niemanden  unnütz  opfern. 

Eine  ganz  ähnliche  Aufforderung  erließ  Otthera  nach 
der  Chronik  (S.  194  meiner  Ausgabe)  bei  der  Versammlung 
der  Bürgerschaft  auf  dem  Barfüßer  Kirchhofe  [Kornmarkte], 
doch  scheint  das  erst  später  geschehen  zu  sein,  denn  schon 
in  der  Nacht  zuvor  war  ein  Thor  geöffnet  worden,  aus 
dem  Pfeifer  und  viele  andere  entwichen  waren.  [Chronik 
S.  194.]  Bestätigt  wird  jene  Äußerung  Ottheras  durch  einen 
Brief  des  ausgewichenen  Mühlhäuser  Bürgers  Peter  Born- 
graf an  Herzog  Georg  vom  18.  Juli  1525  [Akten  des 
Dresdener  Archivs  9135,  Bl.  79],  worin  es  heißt:  Nochdem 
ich  mich  jungst  mit  anderen  burgern  auß  Molhausen  ge- 
wandt habe  auf  disse  wort,  welche  vns  der  Doctor  Ottera 
dye  Zeit  In  Molhausen  Sunderlich  auffm  Barfusser  Kirch- 
hoff Sünder  Zweyffel  auß  trewlicher  wolmeinunge  gethan 
vngeferlichen  alßo  lautende,  Lyeben  heren  vnd  freunde 
wir  komen  von  vnseren  gnedigsten  vnd  gnedigen  hern 
zu  Sachsen  vnd  nichts  anderes  erlangende,  dan  das 
wir  vns  in  gnade  vnd  vngnade  begeben  sollen,  welcher 
sich  hierauf  bey  vns  wagen  wil,  der  mag  es  thun,  wir 
wollen  niemants  vf  das  creutz  opfern,  darumb  wer  ehs  nit 
wagen  wil,  dem  sal  das  pforte  thor  aufgethan  werden,  mag 


1)  Zur  Gesch.  d.  Stadt  Mühlh.,  Heft  1,  8.  42. 

10^ 


]4,S         ^*r.  Johann  von  Ottliera,  Syndikus  und  Schultheiß 

ein  Joder  sein  bestes  dencken,  vnd  Als  nuhn  solchs  ge- 
scheen  vnd  etzliche  viel  burger  zu  demselbigen  thore  sich 
begeben,  hab  ich  auch  alßo  aus  großer  eynfalt  vnd  furcht 
mit  Inen  hinaus  vnd   mich  also  hinwegk  gewandt." 

Otthera  war  also  einer  der  Gesandten  der  Stadt  ge- 
wesen, die  am  23.  Mai  in  der  Herrgottsmühle  bei  Schlot- 
heim vergeblich  mit  den  Fürsten  verhandelten.  (Spangen- 
berg, Mansfelder  Chronik,  S.  427.  Nebelsieck,  N.  M.  21, 
1!)7.  Falckenheiner,  Philipp  der  Großmütige  im  Bauern- 
kriege, S.  58).  Unter  dem  hier  erwähnten  Pfortenthore 
verstehe  ich  das  neue  Pfortenthor,  aus  welchem  der  Weg 
nach  Eisenach  führt;  die  Flüchtigen  wollten  ja  zu  den 
fränkischen  Bauern,  die  bei  Meirichstadt  standen,  wie  sich 
aus  Pfeifers  in  den  Dresdener  Akten  endlich  gefundenen 
Urgicht  ^)  ergiebt. 

Den  Weg  nach  Eisenach  legt  man  von  unserer  Stadt 
aus  in  7  Stunden  zurück,  dennoch  fing  der  vom  Heere  bei 
Schlotheim  mit  Reisigen  ausgesandte  Wolf  von  Ende  sie  in 
den  Pässen  bei  Eisenach  (Chronik  194,  Falckenheiner  59),  was 
doch  wohl  nur  möglich  war,  wenn  die  Reisigen  vorher  da 
waren  und  geschickt  versteckt  die  Pässe  versperrten,  aus 
denen  sie  dann  überraschend  hervorbrachen  und  die  Flüchtigen 
übermannten.  Die  letzteren  waren  wohl  alle  zu  Fuß  und 
hätten  unter  anderen  Umständen  in  Berg  und  Wald  leicht 
genug  flüchten  können. 

Sollte  sich  nicht  auch  dieser  geschickte  Fang  in  unserem' 
Zusammenhange  leichter  begreifen  lassen  ?■  Allerdings  lag 
der  Gedanke  nahe,  den  Zusammenhang  mit  den  süddeutschen 
Bauern  abzuschneiden;  das  hätte  aber  Landgraf  Philipp,  der 
doch  der  militärische  Führer  war,  leichter  gehabt,  als  er  auf 
dem  IMarsche  nach  Frankenhausen  bereits  in  Eisenach  war. 

Auch  sonst  lautete  die  in  jenen  sorgenvollen  Tagen 
ausgegebene  Parole  auf  Flucht.  In  einem  Briefe  von  Jost 
Hommench  in   den  erwähnten  Dresdener  Akten  (Bl.  72)  liest 

li  Voniffcnt licht  von  Xebelsieclc,  Neue  Mitteilungen  XXI,  205. 


der  Stadt  Mühlhausen  in  Thür.  149 

man :  „auch  habe  ich  sie  (die  Bürgermeister)  vmb  radt  ge- 
fraget mit  sampt  der  stadt  sinnicus  und  doctor  wie  ich  mich 
nun  hin  forder  halten  sollte  die  wil  die  Stadt  auf  allen  orthen 
biligerth  wurde  —  da  haben  sie  mir  den  radt  gegeben,  ich 
solte  IV  Tage  [soll  wohl  heißen  „vor  tage"]  entweichen. 

Wie  kam  nun  Otthera  zu  solchen  Aufforderungen  zur 
Flucht,  und  was  berechtigte  ihn  dazu?  Daß  er  etwa  nur 
im  Auftrage  der  Bürgermeister  gesprochen,  ist  kaum  an- 
zunehmen, da  er  ihnen  doch  wohl  geistig  überlegen  war, 
wenigstens  dem  Fleischhauer  Kühnemund.  Bloße  Fürsorge 
um  das  Leben  der  Bürger  und  anderer  Teilnehmer  an  den 
letzten  Ereignissen  wird  es  schwerlich  gewesen  sein ;  sollte 
er  nicht  einen  anderen  Zweck  gehabt  habea?  Scheint  er 
doch  zu  den  Männern  gehört  zu  haben,  die  nichts  ohne  eine 
bestimmte  Absicht  thun.  Hat  er  etwa  den  Plan  gehabt, 
die  entschlosseneren  Führer  der  Bewegung,  wie  es  Heinrich 
Pfeifer  und  der  Kriegsmeister  Lamhart  (Chronik,  S.  224) 
gewesen  zu  sein  scheinen,  aus  der  Stadt  zu  entfernen,  damit 
niemand  an  Widerstand,  dachte? 

Auch  Stephan  schrieb  in  der  „Anzeige"  S.  129 :  „Der 
treulose  Syndicus  schreckt  alle,  die  einigermaßen  Schuld 
haben,  zur  Stadt  hinaus,  um  desto  sicherer  zurückbleiben 
und  den  Fürsten  sich  schmeichelnd  anschmiegen  zu  können." 
War  es  etwa  eine  BeloJ^nung  für  solches  Thun,  daß  er 
dann  Schultheiß  der  Stadt  wurde,  wie  schon  Stephan  ver- 
mutete („Anzeige"  S.  130):  „ —  während  der  Syndicus  von 
Otthera  zum  Lohn  für  seine  Thaten  zum  fürstlichen  Schult- 
heißen über  die  Stadt  und  die  Dörfer  erhöht  wird."  Es 
sind  das  Fragen,  die  sich  bei  näherer  Überlegung  auf- 
drängen, ohne  daß  bisher  eine  sichere  Antwort  zu  geben 
wäre;  daß  sie  aber  nicht  unnütze  Erzeugnisse  eines  un- 
begründeten Argwohnes  gegen  einen  schuldlosen  Mann  sind, 
wird  sich  alsbald  weiter  ergeben.  Hier  mag  noch  folgen, 
was  die  Chronik  (S.  197)  über  seine  Ernennung  berichtet: 
„Auch  setzten  die  Kur-  und  Fürsten  sobald  einen  neuen 
Schultheißen  Dr.  Johann  von  Otthera,  der  mußte  ihnen  sobald 


150        ^''  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiß 

schwören  von  wegen  Ihrer  Kur-  und  fürstlichen  Gnaden, 
männiglich  Recht  widerfahren  zu  lassen."  Bestellt  wurde 
er  dazu  am  29.  Mai  1525.     (Seidemann,  N.  M.  14,  396.) 

Es  mag  sein,  daß  der  Rat,  nachdem  er  einmal  darauf 
aufmerksam  geworden  war,  nun  Ottheras  Thätigkeit  weiter 
erforschte;  ist  es  doch  begreiflich,  daß  er  gegen  die  vor- 
ging, die  an  der  Vertreibung  vieler  seiner  Mitglieder  — 
der  von  den  Fürsten  eingesetzte  Rat  bestand  zum  Teil 
aus  Männern,  die  aus  der  Stadt  hatten  weichen  müssen,  wie 
die  Bürgermeister  Rodemann  und  Wettich  —  und  der 
weiteren  Bewegung  in  der  Stadt  beteiligt  gewesen  waren. 
Daß  man  dabei  auf  den  Mann  achtete,  der  unter  dem  alten 
Rat  Syndikus  geworden  und  es  unter  dem  ewigen  Rat  ge- 
blieben war,  liegt  nahe.  Zahlreiche  Vernehmungen  liegen 
in  den  Akten  vor  [„Cantica  canticorum  nebst  etlichen  Ur- 
gichten,"  woraus  Friedrich  Stephan  durch  einen  Schreiber 
die  mir  vorliegenden  Auszüge  und  Abschriften  machen  ließ], 
dort  findet  sich  auch  das  gegen  Otthera  zeugende  Material, 
das  ich  in  meinem  Heft  1  „Zur  Geschichte  der  Stadt 
Mühlhausen"  (S.  38 — 42)  abdrucken  ließ.  Leider  ergiebt 
sich  daraus  nicht,  ob  er  persönlich  vernommen  wurde. 
Sollte  das  Material  etwa  nur  den  Fürsten  unterbreitet 
werden,  um  ihn  aus  seiner  Stellung  als  Schultheiß  zu  ver- 
drängen ? 

Es  ist  nun  der  Mühe  wert,  sich  über  die  Anklage- 
punkte klar  zu  werden,  die  der  Rat  zusammengestellt  hatte ; 
Ich  zähle  deren  9.  1)  Als  Syndikus  und  Stadtschreiber, 
wozu  er  ausdrücklich  berufen  und  besoldet  war,  hätte  er 
als  rechtsverständiger,  gelehrter  Mann  die  Prediger  und  das 
gemeine  Volk  vor  künftigem  Schaden  und  Unheil  warnen 
müssen,  wenn  er  in  den  Stadtvierteln  bei  ihnen  war.  Den- 
noch hat  er  ihnen  „das  Wort  gehalten"  und  nichts  von 
seiner  Pflicht  gethan.  2)  Er  hat  ruhig  mit  angesehen,  wie 
Mitglieder  des  Rates  und  andere  Bürger  haben  aus  der 
Stadt  weichen  müssen,  auch  der  alte  Rat  entsetzt  wurde, 
ohne   nach   seiner   Pflicht   zu    warnen,    da  er  doch  die  von 


der  Stadt  Mühlhausen  in  Thür.  151 

Kaisern  und  Königen  bestätigten  Rechte  der  Stadt  kannte. 
'6)  Er  hat  an  der  Einsetzung  des  ewigen  Rates  Gefallen 
gehabt,  da  er  bei  der  Entsetzung  des  alten  Rates  durch 
Heinrich  Pfeifer  keinen  Widerspruch  erhoben  hat,  vielmehr 
durch  das  Citat  der  Bibelstelle  „Er  hat  die  Gewaltigen 
vom  Stuhle  gestoßen  und  die  Niedrigen  erhöhet;  welch' 
ein  wunderbarer  Gott  ist  das!"  seine  Billigung  aussprach^). 

4)  Bei  Niederschrift  der  Namen  derer,  die  Absetzung 
des  alten  Rates  verlangten,  ist  er  einer  der  4  Schreiber 
gewesen.  (Chronik  185.)  5)  Dabei  hat  er  gefälscht  und 
Namen  eingetragen  von  solchen,  die  eidlich  versicherten,  für 
den  alten  Rat  gestimmt  zu  haben,  während  sie  als  Wähler 
des  ewigen  Rates  verzeichnet  wurden.  Selbst  seine  „Schweger- 
frau"  Dorothea  Zieglerin  hat  er  unter  die  Wähler  des  ewigen 
Rates  gesetzt,  was  doch  ganz  ungehörig  war.  6)  Er  iöt  in 
den  Dienst  des  ewigen  Rates  getreten  mit  Rat,  Beistand 
und  Schreiben,  wie  seine  Handschrift  beweist  2)  und  das 
Zeugnis  solcher  Leute,  die  dabei  gewesen  ^). 

7)  Als  er  im  Jahre  1524  auf  den  Reichstag  nach 
Nürnberg  gesandt  wurde,  hat  er  von  den  Achtmännern  ge- 
heime Aufträge  gehabt  zu  ihrem  Vorteil,  wider  den  Rat» 
und  als  er  auf  dem  Reichstage  aufgefordert  wurde,  über 
die  Verhältnisse    unter   den   streitenden   Parteien   in  Mühl- 


1)  Lucas  I,  52.  Chrdhik  186.  In  meinem  Neudruck  von 
Münzers  „Aui3getrückte  emplössung  des  falschen  Glaubens  der  vn- 
getreuen  Welt"  (Mühlhausen  1901)  habe  ich  8.  29  die  Vermutung 
aufgestellt,  daß  Otthera  dies  Citat  nicht  unmittelbar  aus  der  Bibel, 
sondern  aus  jener  Schrift  Münzers  nahm. 

2)  In  den  Akten  des  Dresdener  Archivs  (6135)  liegen  mehrere 
eigenhändige  Schreiben  Ottheras  aus  1525  vor. 

3)  Der  alte  Eat  wurde,  wie  der  Eat  hier  angiebt  (Zur  Gesch. 
d.  St.  Mühlhausen,  Heft  1,  S.  39),  „auff  dinstagk  nach  Reminiscere 
Anno  25  entsaitzt",  das  wäre  der  14.  März,  während  die  Chronik 
(S.  186)  Freitag  den  17.  März  hat.  Dieser  auffallende  Unterschied 
läßt  sich  vielleicht  daraus  erklären,  daß  „der  Rat  fast  drei  ganze 
Tage  mit  ihnen  in  der  Allerheiligenkirche  gehandelt"  hat  (Chronik 
185),  also  vom  14.— 16.  März,  worauf  am  17.  März  die  Wahl  des 
ewigen  Rates  erfolgte. 


152        3Dr.  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiß 

hausen  zu  berichten,  hat  er  geantwortet,  sie  seien  vertragen. 
Zu  einem  Eingreifen  des  Reichstages  war  dann  allerdings 
kein  Grund  mehr  vorhanden.  8)  Seine  Vorschläge,  die  er 
dem  ewigen  Rate  gemacht  hat,  liegen  in  seiner  eigenen 
Handschrift  vor :  a)  an  die  ausgewichenen  „frommen"  Bürger 
zu  schreiben  und  sie  „einzufordern",  das  heißt,  zur  Heim- 
kehr aufzufordern,  b)  Wie  man  es  mit  den  Stadtboten, 
Dienern,  Thorschließern,  die  Stadt  zu  verwahren,  halten  sollte, 
wobei  er  vorschlug,  anderes  Gesinde  anzunehmen  und  aus 
gezwungener  Notdurft  die  Stadt  zu  bestellen,  c)  Wie  sich 
die,  so  im  Feldlager  aus  den  Fürstentümern  Sachsen,  Hessen 
und  Mainz  sich  versammelt  hätten,  sie  ,  wären  edel  oder 
unedel,  wes  Standes  sie  wären,  sich  mit  Angelobung  und 
anderem  Inhalt  seiner  Handschrift  nachkommen  sollten, 
d)  Wie  aus  dem  Lager  an  etliche  Städte  geschrieben 
werden  sollte. 

Mit  diesen  Städten  sind  (Zur  Gesch.  der  Stadt  Mühl- 
hausen, Heft  I,  41)  Heiligenstadt  und  Duderstadt  gemeint,., 
die  aufgefordert  werden  sollten,  Verstärkungen  dem  Haufen 
nach  Frankenhausen  zuzusenden.  Es  wäre  wichtig,  festzu- 
stellen, ob  diese  Schreiben  wirklich  ergangen  sind.  Schwierig 
wird  es  bleiben,  die  Vorschläge  unter  b  und  c  zu  erklären; 
soll  es  etwa  heißen,  die  dem  alten  Rate  verpflichteten  Stadt- 
diener etc.  sollten  entlassen  und  durch  neue  ersetzt  werden, 
deren  man  sicherer  wäre?  und  sind  mit  denen  im  Feldlager 
die  bei  Frankenhausen  versammelten  gemeint?  Edelleute 
waren  darunter  doch  sehr  wenige.  Leider  wird  es  schwer 
sein,  die  nötige  Aufklärung  zu  bieten. 

9)  Er  verfaßte  2  heftige  „Artikel"  an  den  ewigen  Rat, 
die  Achtmänner  und  die  Viertel  der  Stadt  des  Inhaltes :  a) 
einen  jeden  gesondert  zu  fragen,  was  er  thun  solle  in  dieser 
großen  Not  bei  dem  Evangelio,  dieweil  die  Fürsten  den 
Haufen    zu    Frankenhausen    überziehen    wollten ,    sie  ^)    zu 

1)  Natürlich  die  bei  Frankenhausen  versammelten  Bauern,  nicht 
die  Fürsten. 


der  Stadt  Mühlhausen  m  Thür.  153 

stärken  und  zu  Hilfe  zu  kommen ;  was  ein  jeder  dabei  an 
Leib  und  Mut  einsetzen  wolle,  solle  jeder  erklären,  b)  An 
die  umwohnenden  „christlichen  Brüder"  zu  schreiben,  daß 
sie  aus  jedem  Flecken  und  Dorfe  etliche  verordnen  sollten 
den  Haufen  zu  verstärken  und  die  Ihrigen  mit  Lebensmitteln 
zu  versehen ;  wenn  der  Haufe  „niedergelegt,  wären  wir  alle 
verloren",  c)  Er  hat  an  die  Schwarzwälder  geschrieben 
d.  h.  an  die  dort  aufständigen  Bauern,  mit  denen  man  schon 
früher  Verbindung  angeknüpft  hatte.  (Merx,  Thomas  Münzer 
und  H.  Pfeiffer,  S.  106.)  Oder  sollte  eine  Verwechslung 
vorliegen  mit  den  Schreiben  an  die  Bauern  zu  Meirichstadt  ^) 
(Bensen,  Gesch.  d.  Bauernkr.  in  Ostfranken  334  und  336)? 
Philips  Fensterer  sagte  später  hier  in  Mühlhausen  aus,  er 
habe  „dem  Pfeiffer  und  Alstedter  etliche  Briefe  ins  Land 
zu  Franken  an  die  schwarzen  Bauern  getragen."  (Mühl- 
häuser Akten.)  Auch  BuUinger,  Der  Wiedertäuffer  Ur- 
sprung, fürgang,  secten  etc.  (Zürich  1561)  berichtet  von 
Münzer  2):  „Als  er  widerumm  herab  in  Thüringen  gethon 
und  zu  Mülhusen  wonet,  schreib  er  doch  briff  sinen  ver- 
truwten  häruf."  d)  Er  ist  Angeber  gewesen,  ein  neues 
Sekret  zu  machen.  Das  alte  Sekret  hatten  die  Bürger- 
meister Rodemann  und  Wettich  mitgenommen  (Chronik, 
S.  180);  den  Gebrauch  eines  neuen  forderten  die  11  Artikel^) 
in  No.  7  und  Münzer  4)  iip  Schreiben  vom  22.  September 
1524.  War  also  Otthera  an  der  Aufstellung  jener  11  Artikel 
beteiligt  ? 

„Zudem,  sagt  der  Rat,  sind  noch  etliche  Urgichten  vor- 
handen, die  auf  ihn  nichts  gutes  sagen."  Es  ist  zu  hoffen, 
daß  auch  die  sich  noch  in  den  Akten  finden  werden.  Es 
würde  das,  nächst  den  vom  Rate  erhobenen  Anklagen,  einen 
zweiten  Kreis  geben,  der  noch  ein  wenig  erweitert  wird 
durch    die  Angaben    der   flüchtigen  Bürger  Glimpenau  und 

1)  Ztu:  Geschichte  der  Stadt  Mühlhausen,  Heft  1,8.  47. 

2)  Stern,  die  12  Artikel  der  Bauern,  S.  37. 

3)  Zur  Gesch.  d.  St.  Mühlhausen,  Heft  1,  S.  27, 

4)  Förstemann,  Neues  Urk.-B.,  S.  254 


154        l^r-  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiß 

Heynemann  ^),  die  ihn  geradezu  beschuldigen,  er  sei  eine 
Ursache  des  Aufruhrs,  und  ferner  berichten,  als  die  Leute 
ihn  gefragt  hätten,  was  man  thun  solle^  es  nahe  sich  Em- 
pörung in  allem  Umkreis  der  Welt,  habe  er  geantwortet,  der 
Aufruhr  sei  nicht  von  den  Menschen,  sondern  allein  von 
Gott;  Zeit  und  Stunde  sei  gekommen,  daß  man  die  Gott- 
losen solle  vom  Stuhle  stoßen.  Die  letzten  Worte  mögen 
eine  Erinnerung  an  Ottheras  Äußerung  enthalten,  die  er  bei 
Absetzung  des  alten  Rates  gethan  hatte,  oder  es  war  das 
bei  ihm,  wie  bei  Münzer,  eine  Lieblingswendung  resp. 
Schlagwort.  (Vgl.  oben  S.  151.)  Endlich  beschuldigen  ihn 
die  beiden  Bürger,  er  sei  ein  „semner  und  innemer"  der 
geraubten  Güter  gewesen,  wobei  sie  den  echt  Mühlhäusischen 
Ausdruck  Semner  auf  ihn  anwenden  ^).  Daß  er  persönlich 
sich  dabei  bereichert  habe,  ist  damit  noch  nicht  gesagt. 

Schließlich  treten  in  den  Kreis  der  Ankläger  noch  die 
Bauern,  denn  mit  dem  „Doktor"  im  Bauernliede  (Chronik, 
S.  224)  kann  nur  Dr.  von  Otthera  gemeint  sein,  ich  wenigstens 
kenne  aus  der  Zeit  keinen  anderen  Doktor  in  Mühlhausen, 
auch  wird  sich  weiterer  Beweis  bald  ergeben ;  akademische 
Bildung  und  Würden  gab  es  damals  noch  wenig  in  Mühl- 
hausen, Otthera  war  von  außen  berufen.  Ferner  wird  im 
Liede  seine  Ernennung  zum  Schultheißen  erwähnt,  so  daß 
kein  Zweifel    darüber   sein   kann,    daß    er  hier  gemeint  ist. 


1)  Zur  Gesch.  d.  St.  Mühlhausen,  Heft  1,  S.  42. 

2)  Der  Ausdruck  wird  also  schon  damals  in  der  Bedeutung 
gebraucht,  die  auch  Grasshof  (Commentatio  de  originibus  etc.  Mulhusae, 
S.  105)  giebt:  „Dictus  Semner  est  ex  eo,  quod  mulctas  coUigeret", 
denn  „semenen  dictum  fuisse  pro  samlen,  colligere,  et  Semener  idem 
denotasse  ac  Samler."  Seine  Erklärung  beruht  auf  folgender  Stelle 
der  jüngeren  Statuten  (Lambert,  S.  41) :  wer  czu  der  hockzijd  geladin 
wirt  —  sal  vor  sich  vff  den  Tysch  legin  einen  Schilling  mulhuschir 
pfennynge  — ,  die  sal  der  samene,  die  von  dem  brutegume  dar  czu 
gesatzt  Mviit,  vnd  des  schillinges  sol  nymand  los  sij  nach  der  semener 
so!  des  nymand  dürlaze.  —  In  unserem  Wochenblatt  1797,  245  wird 
der  Versuch  gemacht,  vom  Sentgericht  den  „Seutner",  Semner  ab- 
zuleiten. 


der  Stadt  Mühlhausen  in  Thür.  I55 

Die  betreflfenden  Strophen  mögen  hier  nach  dem  Mühlhäuser 
Text  nochmals  folgen  (vgl.  Chronik,  S.  223). 
4)  Molhausen  war  ein  festes  stettelin, 

noch  kernen  hern  vnd  fursten  darin, 

der  doctor  hat  sie  vor  Rotten 

mit  seinem  Judesbartte. 
6)  Das  ist  Er  wol  geheissen 

von  den  andern  ein  Schultheis, 

das  wort  on  wol  gerewen, 

sein  leit  wirt  sich  vor  Newen. 
6)  Dye  Doctorschen  ist  von  bösem  geticht, 

es  wart  or  säur,  das  sie  dye  frawen  ausgericht, 

es  bracht  sie  in  das  leger, 

das  or  der  teuffei  pflege  i). 
Natürlich  sind  solche  Anklagen  mit  der  größten  Vor- 
sicht aufzunehmen,  ist  es  doch  allezeit  die  Weise  der 
Besiegten  gewesen,  die  Schuld  am  eigenen  Unglück  Ver- 
rätern zuzuschieben;  wenn  also  sonst  gegen  Otthera  nichts 
vorläge,  würde  es  recht  bedenklich  sein,  darauf  einzugehen. 
Da  aber  nach  allem,  was  bisher  über  ihn  bekannt  ist,  nicht 
gezweifelt  werden  kann,  daß  er  ein  Mann  war,  der  mit 
Geschicklichkeit  nach  verschiedenen  Seiten  hin  zu  wirken 
wußte,  so  ist  doch  wohl .  möglich ,  daß  die  Anklage  der 
Bauern  den  Kreis  der  Beschuldigungen  mit  Recht  ab- 
schließt. Klarer  ausgedrückt  wird  sie  dahin  lauten:  Ob- 
gleich Mühlhausen  eine  feste  Stadt  war,  kamen  doch  durch 
den  Verrat  Ottheras  die  Fürsten  hinein,  und  zwar  ohne 
Widerstand  zu  finden,  zu  dem  vergebens  der  Kriegsmeister 
Lamhart  mahnte.  Auch  Ottheras  Frau  ist  dabei  thätig  ge- 
wesen, indem  sie,  doch  wohl  im  Auftrage  ihres  Mannes, 
mit  Mühe  die  Absendung  der  Frauen  und  Jungfrauen 
zustande    brachte,    die    im   Lager    bei    Görmar   um    Gnade 


1)  Vgl.  meine  Bemerkungen  zu  dem  Gedicht  Chronik,  S.  225 
und  Zur  Gesch.  d.  St.  Mühlhausen,  Heft  1,  S.  23,  dazu  die  ab- 
weichende Meinung  Nebelsiecks  N.  M.  21,  198. 


156         I^r.  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiß 

baten  ^).  Sie  war,  wie  sich  alsbald  ergeben  wird,  vielleicht 
eine  Schwester  des  jüngeren  Heinrich  Baumgarten,  des 
einen  Bürgermeisters  im  ewigen  Rate. 

So  drängt  sich  der  Eindruck  auf,  daß  es  wesentlich  der 
Thätigkeit  Ottheras  zu  verdanken  war,  wenn  die  Stadt 
keine  Verteidigung  wagte,  wobei  freilich  bei  der  Übermacht 
des  fürstlichen  Heeres  wohl  nur  auf  bessere  Bedingungen 
zu  hoffen  gewesen  wäre.  Schon  Seidemann  spottete,  daß 
die  Stadt  kein  Saragossa  gewesen  wäre.  Die  Fürsten 
selbst  erwarteten  wohl  Widerstand,  denn  Philipp  von 
Hessen,  der  auch  hier  der  militärische  Führer  war,  entwarf 
einen  Kriegsplan  zum  Angriff  auf  die  Stadt,  von  dem  man 
freilich  keinen  Gebrauch  zu  machen  nötig  hatte.  Welchen 
Eindruck  der  letzte  Brief  Münzers,  in  welchem  er  dringend 
von  jedem  Widerstände  abriet,  gemacht  hat,  wissen  wir 
nicht,  bleibt  es  doch  fraglich,  ob  er  überhaupt  noch  an 
die  Mühlhäuser  gelangt  ist. 

Eine  weitere  Klage  richtete  das  Bauemlied  gegen 
Otthera  wegen  seines  Eintretens  für  den  jüngeren  Heinrich 
Baumgarten : 

7)  Heinrich  baumgart  ist  ein  alber  man, 
mit  schalckheit  Er  sich  wol  decken  kan, 
Er  wußte  wol  zu  guder  mosse, 
Wu  yn  sein  schwoger,    der  doctor,  im  lager  wulde 

lossen. 
Daß    das  Lied  hier  ganz  richtig  Otthera  als  Schwager 
Baumgartens  bezeichnet,  ergiebt  sich  aus  folgendem  Schrei- 
ben 2),    aus    dem  sich  freilich  der  Sinn  der  Worte  in  jener 
Strophe  auch  nicht  erklären  läßt. 

„Durchlauchtiger  etc.  g.  f.  vnd  Herr  nach  dem  vnd 
als    E.  f.  g.    wegen    philipsen   baumgartten   leiblichen    vnd 

1)  Vermuten  läßt  sich  danach  auch,  daß  das  Bittschreiben  der 
„frauwen  gemeiniglichen  zu  Molhausen",  das  von  Nebelsieck  in  den 
Mühlhäuser  Geschichtsblättern  I,  40  veröffentlicht  wurde,  nicht  ohne 
seinen  Einfluß  entstanden  ist. 

2)  Aus  den  Akten  des  Staats-Archivs  in  Dresden. 


der  Stadt  Mühlhaueen  in  Thür.  157 

fruntlichen  lieben  Sohn  vnd  vnser  ander  aller  Schwager 
vnd  frunt  Heinrichen  baumgartten  In  E.  f.  g.  vorstreckunge 
haben  vnd  welicher  E,  f.  g.  czu  vngenaden  vnd  änderst 
dan  er  gehandelt  nachher  angegeben  worden  sey  des  vor- 
hoffens  der  vnschult  befinden,  Szo  dan  g.  f.  vnd  h.  —  ver- 
nommen das  myn  Szon  auch  vnserer  Schwager  vnd  frunt 
In  vill  Jaren  In  den  Rethen  czu  Mulhausen  gewest  ^)  vnd 
in  seynen  amptern  nye  anders  dan  erlich  vnd  redelich  ge- 
handelt g.  f.  vnd  h.  das  er  aber  nuhe  myt  bedräunge  ^)  — 
aus  dem  aldenn  vorigen  Rathe  wider  In  den  newen  rath  . 
gesatzet  aus  farre  seynes  leibes  vnd  lebens  seyn  Burger- 
meyster  amecht  mit  beschwerunge  habet  nuhe  nemen  müssen 
wy  woll  er  solches  czu  vill  malen  vmb  godes  wyllen  ge- 
betthen  kein  solges  ampteß  czu  vorlassen  hayt  er  doch  das 
selbige  bey  gehorsamen  thun  müssen  vnd  annemen.  Die 
weyll  dan  E.  f.  g.  —  yn  allewege  allen  elenden  betrübethen 
ZV  gnaden  geneyget  Ist  der  halben  an  E.  f.  g.  v-  vnser 
demuthigk  anruffen  vmb  Godes  wyllen  bittende  E.  f.  g. 
willen  aus  fürstlichen  tugenden  gnaden  vnd  wyllen  das 
arme  enelende  weyb  de  sich  auche  zum  vorhoffens  In  alle- 
wege Erbarlich  vnd  aufifrichtigk  gehalten  E.  f,  g.  wulten 
die  selbigen  armen  enelenden  frauwen  vnd  ihrerr  sechs 
cleyne  vnerzogne  kinder  gnedeglichen  behertzigen  vnd  czu 
gnaden  bedengken  vnd  ihren  armen  Hauswirt  mynen  ßon 
vnd  vnser  ander  Schweger  vnd  frunt  seynes  gefengknus 
vnd  vorstrickunge  zu  gnediger  abenderunge  vnd  entledigunge 

komen  lassen . 

Datum  Molhaußen  Sonnabend  nach  Corporis  Christi 
[17.  Juni]  anno  1525.     E.  f.  g.  vndertenigte  gehorrsame 

Johan  V.  Otthera  Schul theyß  czu  Mohl hausen  Doctor 

Johan  fleischhawer  prister  ^) 

1)  Vgl.  die  Ratslisten  in  Heft  2  „Zur  Gesch.  d.  St.  Mühlh.«,  S.  37. 

2)  Auf  diesen  damals  mehrfach  ausgeübten  Zwang  habe  ich 
an  gleicher  Stelle  hingewiesen  S.  42. 

3)  Vgl.  Chronik,  S.  196.  Jene  Liste  der  heimkehrenden  Bürger 
ü^  in  denselben  Dresdener  Akten  Blatt  37,  wenn  auch  die  Namen 
etwas  anders  geordnet  sind. 


158        I^r-  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiß 

Gurt  vnd  George  gebrudere 

vnd  philippus  Baumgartte  Burger  zu  Mulhaussen". 
Heinrich  Baumgarten  war  zuerst  nach  Rochlitz  in  Haft 
geführt,  wurde  aber  wieder  nach  Mühlhausen  geschickt,  wo 
er  bis  zu  seinem  Tode  in  seinem  Hause  „ein  Lager  halten" 
mußte  (Chronik,  S.  198).  Man  darf  in  dieser  Milderung  der 
Strafe  die  Wirkung  dieses  Briefes  erkennen,  der  wohl  nicht 
zufällig  an  erster  Stelle  die  Unterschrift  Ottheras  hat. 
Philipp  Baumgarten  begegnet  uns  regelmäßig  in  den  Listen 
des  Rates  der  vorhergehenden  Jahre ;  sein  Sohn  Heinrich 
scheint  erst  wenige  Jahre  vorher  in  den  Rat  eingetreten 
zu  sein.  Über  Ottheras  „schwegerfrawe  Dorothea  zcigelerin" 
habe  ich  bisher  nichts  feststellen  können ;  möglich  wäre  es 
ja,  daß  Otthera  und  Heinrich  Baumgarten  mit  Schwestern, 
geb.  Ziegeler,  verheiratet  waren. 

Nur  anzudeuten  wage  ich  an  dieser  Stelle  eine  Ver- 
mutung, die  ich  in  meiner  Ausgabe  der  Chronik  der  Stadt 
Mühlhausen,  S.  193  gemacht  habe.  Im  Chr.  M.  A.  S.  247 
liest  man:  —  „bei  den  Kur-  und  Fürsten  [Lücke?  „die 
über"  ?J  alles  wie  es  in  der  Stadt  ergangen,  Bericht  be- 
kommen," Wenn  meine  vorgeschlagene  Ergänzung  richtig 
ist,  wird  man  fragen  dürfen,  durch  wen  die  Fürsten  solchen 
Bericht  bekommen  haben  können,  und  es  liegt  im  Zusammen- 
hange dieser  Untersuchung  nahe,  auch  hier  an  Otthera  zu 
denken.  Allein  das  beruht  auf  so  schwachem  Grunde,  daß 
ich  diese  Möglichkeit  hier  nur  der  Vollständigkeit  wegen 
anzuführen  wage. 

Über  das  weitere  Schicksal  des  Mannes  ist,  mir  wenig- 
stens, nicht  viel  bekannt  geworden.  In  Akten  des  Marburger 
Archivs  fand  ich  folgende  Notiz :  „Verhandlungen  der  Räte 
der  3  Fürsten  vom  26  Juli  1529 :  Des  alten  Schultheissen 
Doctor  Ottera  Rechnung  vnd  hinderstellig  Rest  belangende 
—  :  —  vnd.  ob  er  sich  gleich  In  Stifft  Fulda  mit  Dienst 
begeben,  were  doch  sein  mainunge  gar  nit,  sich  mit  seiner 
Behawsunge  weibe  vnd  kindern  auß  der  Stadt  Mulhawsen 
vnd  also  von  Churf.  vnd  Furstl.  gnaden  zuwenden",  worauf 


der  Stadt  Mühlhausen  in  Thür.  159 

er  Zahlung  verspricht  Dieselbe  Forderung  begegnet  uns 
2  mal  in  den  Akten  unseres  Archivs  „Mühlhausen  See. 
XVI"  :  „Doctor  Ottera  rechnunge  belangende."  Das  zweite 
Mal  zahlt  er  an  jeden  der  3  Fürsten  30  Gulden,  bleibt 
jedem  noch  30  Gulden  schuldig,  bietet  aber  Sicherheit  für 
die  Zahlung:  „So  hette  er  bey  einem  Rathe  zcu  Molhausen 
vfm  hause  funff  hundert  gülden  stehen,  die  wolt  er  vor  das 
hinderstellige  Rest  zu  einem  vnderp fände  einstellen."  Im 
Kopialbuch  von  1542  (Bl.  160)  bezeichnet  ihn  der  Rat  als 
„fuldischen  Ratht  vnnd  Cantzler",  wonach  man  wohl  an-  . 
nehmen  darf,  daß  er  katholischer  Lehre  sich  wieder  zu- 
gewandt hatte.  Aus  demselben  Jahre  berichtet  die  Mühlhäuser 
Chronik  (Chr.  M.  A.  264) :  „In  dissem  Jahr  Martini  Ist  Doctor 
Ottera  mit  eim  Erbar  Rath  zu  Hofbibra  vortragen  worden, 
giebt  300  Gulden,  Ludwig  vrbach  vndt  Aureus  Hugolt  vor- 
tragen es." 

Die  Familie  blieb  in  Mühlhausen  wohnen ;  die  Chronik 
von  Thomas  berichtet:  „Anno  1560  den  19.  April  wird 
Dr.  Ötterers  Sohn  vorm  Frauenthore  heimlich  umbracht 
und  beraubet".  Im  Jahre  1622  war  „Herr  Georg  von 
Otthera"  Mitglied  des  Rates  ^).  Im  liber  hereditarius  von 
1551  finde  ich  Blasius  und  Wilhelm  v.  Ottera,  dazu  nach- 
getragen, wohl  als  Erben,  Johann  George  und  Ernst  v.  Ottera 
(Einen  Gofridus  Ottra  Er^rdensis  bietet  die  Erfurter  Ma- 
trikel 1476,  Henricus  Ottera  de  Loshhusen  1453;  Weissen- 
born  I,  306  und  237). 

Auch  Friedrich  Stephan  kannte  das  Bauernlied,  das 
er  abschreiben  ließ  2),  und  wenn  er  schrieb  3):  „Seine  (Ottheras) 
Untreue  wird  sich  im  Verlauf  der  Geschichte  noch  mehr 
bestätigen",  so  zweifle  ich  nicht,  daß  er  auf  einen  ähnlichen 
Schluß  kommen  wollte,  wie  ich.    Bei  seiner  genauen  Kenntnis 


1)  Vgl.  Mühlhäuser  Anzeiger  1902,  Nr.  110:  Pappenheim  in 
Mühlhausen,  von  Stephan  und  Wolf  f. 

2)  Zur  Gesch.  d.  St.  Mühlhausen,  Heft  1,  S.  24. 

3)  Ebenda,  S.  20. 


IQQ         Dr.  Johann  von  Otthera,  Syndikus  und  Schultheiß 

der  Personen  und  Verhältnisse  halte  ich  es  für  ausgeschlossen, 
daß  er  nicht  sofort  sah,  wer  mit  dem  „Doctor"  gemeint  sei, 
und  die  Wichtigkeit  des  Gedichtes  für  seine  Auffassung 
von  Ottheras  Thätigkeit  erkannte.  Als  Grund  seines  Treibens 
nahm  er  Ehr-  und  Geldgeiz  an  und  vermutete  wohl,  daß 
er  von  Sachsen  bestochen  war,  wenn  nicht  etwa  der  „Geld- 
geiz" auf  die  eben  erwähnte,  unerledigte  Rechnung  gehen 
soll.  Dafür  läßt  sich  nun,  bisher  wenigstens,  kein  Beweis 
liefern,  aber  auch  so  wird  nun  manches  in  den  Ereignissen 
der  Zeit  allmählich  deutlicher,  und  es  mag  auch  weiterhin 
die  interessante  Person  Ottheras  der  eingehenden  Detail- 
forschung empfohlen  bleiben. 


Miszellen. 

I. 

Bisher  uiibekaimte  gleichzeitige  Aufzeichnungen  über  die  Itireh- 

lichen  und  SchulverlUiltnisse  in  Ootlia  nach  der  Reformation  bis 

zum  Jalire  1584. 

Aus  einer  Handschrift   des  Gothaer  Gymnasiums  zum  ersten  Male 
herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Max  Schneider. 

In  dem  Codex  chartaceus  XVII  der  Gothaer  Gymnasialbibliothek, 
der  wortgetreue  Abschriften  von  alten  die  Kirche  und  Schule  be- 
treffenden Urkunden,  Schriftstücken  und  Briefen  enthält,  findet  sich 
fol.  26a— 30b  die  Abschrift  eines  höchst  interessanten  Originales 
des  XVI.  Jahrhunderts,  Jahresaufzeichnungen  nach  der 
Reformation  bis  1584,  kirchliche  und  Schulverhält- 
nisse der  Stadt  Gotha  behandelnd,  die  bisher,  wie  aus 
einer  Menge  noch  nicht  bekannter  Namen  und  Vorgänge  zu 
ersehen  ist,  unseren  Quellen :  Sagittarius,  Tenzel,  Eudolphi,  Brückner, 
Gelbke,  Schulze,  Beck  völlig  unbekannt  sind.  Der  Verfasser  des  größten 
Teiles  des  Originales  ist  einer  der  1561  im  Amte  befindlichen  Diaconi. 
Das  ergiebt  sich  aus  der  Stelle  fol.  29  f.  sub  anno  1561:  „Wir 
Collegae  eius  (d.  i.  des  Superintendenten  Eggerdes)  —  Wir  waren 
also  ohne  Superintendenten  von  der  Zeit  an  bis  äö  62  um  Aegidii 
und  haben  drey  Quartal  für  den  Superintendenten  verdienet,  davon 
haben  die  Herren  unsdreyen  zwey  Quartale,  uns  darejai  zu  teilen, 
zugeeignet."  In  diesem  Jahre  waren  aber  M.  Melchior  Wedmann, 
Heinrich  Thilo  und  M.  Johann  Messerschmidt  zusammen  Diaconi; 
von  den  beiden  ersten  spricht  der  Verfasser  unserer  Aufzeichnungen 
stets  in  dritter  Person,  während  der  letzte  mit  Namen  nicht  erwähnt 
wird.  Somit  kann  nur  Johann  Messerschmidt  (f  1588)  der  Autor 
des  Originales  gewesen  sein.  Als  weiterer  Beweis,  sofern  es  noch 
eines  solchen  überhaupt  bedürfte,  können  die  zwei  letzten  Notizen  aus 
den  Jahren  1582  und  1584  dienen,  die  von  dem  Schwiegersöhne  des 
1582  zum  Superintendenten  gewählten  Theologen  d.  i.  eben  Messer- 
schmidt (vgl.  socer  mens  u.  s.  w)  hinzugefügt  worden  waren,  näm- 
lich vom  späteren  Conrector  scholae  Gothanae  M.  Johannes  Wipertus 
(1582 — 92,  dann  bis  1597  Pfarrer  in  Sundhausen).  Der  Schwieger- 
sohn hat  eben  die  Notizen  seines  Schwiegervaters,  die  sich  dieser 
etwa  vom  Jahre  1554,  seinem  Antritt  in  Gotha  an,  gemacht  hatte 

XXI.  11 


102  Miszellen. 

erhalten  und  fortgesetzt.  Außer  diesen  von  Messersehmidt  und  Wiperti 
gemachten  Aufzeichnungen  finden  sich  noch  als  dritter  Bestandteil 
Zusätze,  die  über  das  Todesjahr  Wipertis  1597  hinausreichen,  die  ich 
in  I  ]  gesetzt  habe;  von  wem  diese  hinzugefügt,  weiß  ich  nicht  an- 
zugeben. Daß  sie  jedoch  schon  im  Originale  und  nicht  erst  von 
dem  im  XVIII.  Jahrh.  lebenden  Abschreiber  gemacht  worden  sind,  ist 
mir  luizweifelhaft,  da  dieser  dann  die  Namen  in  dem  Pfarrerver- 
zeichnis, wenigstens  die  der  Superintendenten,  sowie  in  der  Liste  der 
Rektoren  und  Konrektoren  bis  auf  seine  Zeit  gleich  fortgeführt  hätte. 
Der  Abschreiber  des  Originales  war,  wie  sich  durch  v  ergleichung 
der  Handschriften  in  anderen  Codices  der  Gothaer  Gymnasialbibliothek 
erweisen  läßt,  der  von  1701 — 1756  als  Lehrer  und  Inspector  Coenobii 
am  Gothaer  Gymnasium  thätig  gewesene  Joh.  Wilh.  Hildebrand 
aus  Herbsleben,  dem  wir  die  getreuen  Kopien  unzähliger  das  Gyna- 
nasium  lietreffender  Urkunden  und  anderer  Schriftstücke  in  unseren 
Codices  verdanken  (vgl.  mein  Progr.  1895  „Das  Coenobium  beim 
Gynin.  Illustre  1543 — 1863",  p.  5  Not.  9  u.  p.  19;  sowie  mein  Progr. 
,,Die  Lehrer  am  Gym.  Illustre  1524— 1859"  1(1901)  p.  20;  II  (1902) 
p.  23. 


Ordinaria  Successio  Superint.  et  Pastorum  in  Ecclesia 

Gothana  post  repurgäönem  doctrinae  coelestis  factam 

per  Martinum  Lutherum. 

Dfis  Fridericus  Myconius  wird  Pfarrherr  und  Superintendens 
zu  Gotha  anno  1524.  j  ibidem  25.  Martii  an.  46.  Sucessores  eins 
fuerunt  Dr.  Justus  Menius,  qm  Superintendentis  officio  functus  est 
duodecim  annos.  Doct.  Simon  Musaeus  anno  integro.  M.  Johannes 
Cuno  biennio  60  et  61  ^).  Dn.  Petrus  Eggerdes  anno.  M.  Melchior 
Wedmann  12  annos.  Cui  successit  M.  Joannes  Frei  Eisfeldensis  äö 
1574^).  Faxit  Dens,  ut  cum  fructu  hoc  officio  fungatur:  id  quod 
factum  est  octoennium.  Eesignavit  enim  circa  Michaelis.  Ao  82  M. 
Joannes  Messersehmidt  successit  ei  circa  diem  Martini  äo.  82,  functus 
eodem  usque  in  27  Martii  diem  äö  88,  ubimortuus  est.  Huic  successit 
WoUhmn. 

|S.  Tabelle  S.  163.] 
Anno  15-13  wurden  gcordcnt  die  Land  Schulen  in  Hertzog  Moritz  Lande 
zur  l'forten ,  da  M.  Cyriacus  Lindeman ")  der  erste  Praeceptor" 
]\I('issen,  darrin  tüchtige  Knaben  aus  den  Stätten  des  Fürsten- 
thums  gcnonnnen  und  etliche  ihrer  mit  Kleidüng,  Büchern  Kost 
und  aller  Nothdurfft  verschen  worden. 


1)  Diese  Zahlen  sind,  wie  sich  unten  aus  dem  Text  s.  a.  1558 
und  15(10  ergiel)t,  falsch.  Vgl.  Brückner,  Kirchen-  und  Schulenstaat 
im  Herzogtum  Gotha  I,  7,  78,  auch  Gclbke,  Kirchen-  und  Schulen- 
verfassung des  Herzogtums  Gotha  I,  154. 

2)  Auch  diese  Zahl  ist  unrichtig,  wie  sich  aus  dem  Texte  s.  a. 
1573  ergiebt.     Vgl.  auch  Gelbke  a.  a.  O. 

3)  Lindemanns  Verdienste  um  Schulpforta  würdigt  die  treff- 
liche Arbeit  von  ]'.  Flemmiiig  „P>riei'e  und  Aktenstücke  zur  ältesten 
(;e>chichte  von  Scluilpforta",  Progr.  1901,  S.  13  ff. 


Miszellen. 


163 


Anno  1547  moritur  Dfis  Joannes  Moritz  ß.  Gothardt ')  Minister  Ecc- 
lesiae  üothanae  ad  St.  Margaretham :  vocatur  huc  Dns  Joannes 
ßrembach  Molhusio'). 


Super- 
in tendentesj) 


Diaconus  1  *)     i     Diaconus  2 


Diaconus  3. 


Friedericus  My- 

couius 
Jiistus  Menius 
D.  Simon  Mu- 

saeua 
M.  Joann  Cuno 
Petrus  Eggerdes 
M.  Melchior  Wed- 
mann 
M.  Joan.  Frei 
M:  Joan.  Messer- 
schmidt 
Joan,  Wolffram 
[M.  Michael  Julius]*) 
[M.  Joan.  Hel- 

derus] 
[M.  Balthasar 
Walter] 


Joan.  Langen- 

hain 
Joan.  Gothart 
Joan.   Brembach 
M.  MelchiorWed- 

mann 
Joan.  Wolffram 
M.  Joan.  Wagner 


Henricus  Thilo  t 

25.  Jan.  1565 
Joan.  Goering 
Isaak  Hoch 
M.  Joan.  Dinckel 
M.  Joan.  Erhard 
M.Michael  Julius 


Joan.  Gothart 
Dns  Thomas,  ex 
Coenobio  Augu- 
stini Sahensi^) 
M.  Georg  Merula 
Joan.  Eisenberg 
Joan.  Messer- 
schmidt 
M.  Joan.  Dinckel 
M.  Joan.  Erhard 
M.MichaelJulius 
[Nicolaus   Wal- 
ther.] 


1)  Johann  Gothart  wurde  auch  Moritz  genannt.  Vgl.  Sagittar, 
197  (nescio  quam  ob  causam  vulgo  dictus),  Brückner  I,  8,  88 ;  Geibke 
II,  1,  47. 

2)  Vgl.  über  ihn  Brückner  I,  9,  81 ;  III,  14,  146.  Er  ist  identisch 
mit  dem  im  Album  Academiae  Vitebergersis  I,  78b,  ed.  Förstemann, 
am  7.  Okt.  1520  inscribiertelV  Joannes  Prambach  de  Waltershav^en 
Magunt.  dioc.  Vgl.  Ztschft.  „Aus  der  Heimat"  I,  171  (Gotha) 
vmd  ebenda  III,  87.  Er  wurde  1555  Pfarrer  in  Waltershausen 
t  1560. 

3)  Vgl.  über  diese  Geibke  a.  a.  0.  153 — 155,  und  Brückner 
a.  a.  O.  I,  am  Ende  der  einzelnen  Abteilungen. 

4)  Die  von  mir  in  [ — ]  gesetzten  Namen  sind  von  einem  späteren 
Chronisten  als  Wiperti,  der  1597  gestorben,  wohl  schon  im  Originale 
hinzugefügt  worden. 

5)  Die  Scheidung   der  Diaconi  nach  ihren   Stellen 


wird    hier    zuerst   gemacht.     Unsere   Quellen   haben    dieselbe 
nicht ; 
46,  47. 


nicht ;    vgl.   Brückner 


gema 
1,    8, 


86  ff.    u.  I,  9,   81  ff.;    Geibke  II,   1, 


6)  Dieser  fehlt  in  der  von  Brückner  I,  8,  86  ff.  I,  9,  81  ff. 
und  Geibke  II  1 ,  46  f.  gemachten  Aufstellung  gänzlich !  Herr 
Archivar  Hermann  Gutbier  in  Langensalza  scnreibt  mir:  „Über 
den  Augustiner  Thomas  kann  ich  Ihnen  keine  Auskunft  geben,  da 
im  Visitationsprotokoll  des  Jahres  1540  nur  die  Namen  derjenigen 
Mönche  genannt  werden,  welche  damals  noch  im  Amte  waren." 

11* 


164 


Miszellen. 


Ordinaria  Successio  Praeceptorura  Scholae  Gothanae*). 


Eector'j 


Conrector*) 


Cantor^) 


Quartus  ■ 


Quintus*") 


Basilius  Mon- 

neras 
Laurentius  iSchip- 

perus 
M.  Georg  Merula 
Pancratius  Sü- 

senbach  Sile- 

sius 
M.  Cyriacus  Lin- 

deman 
M.  Paul.  Schmidt 
M.  Joan.  Meyer 
M.^  Joan,  Dinckel 
M.  Joan.  Helder 
M.   Andreas  Wil- 

cke 
[M.  Joan.  Weitz^] 


Laurentius 
Schipper 

Pancratius  Su- 
senbach 

Joan.   Cuno  *) 

Georg  Hofmann, 
Coburgensis  42 

Joachimus  Spie- 
gel 

Nicolaus  Sachsen- 
stetter  44 

M.  Cyriacus  Lin- 
demann **) 

M.MartinusWil- 
lisius 

M.  Christoph  Wi- 
ner 

M.  Joan.  Tece- 
rius') 

M.  Cyriacus  Pop- 
pius  ®) 

M.Joach.Schildt 

M.  Joan.  Wip- 
recht 

Nicolaus  Friede 


Joan.  Opetz 
Joan.  Zahn 
Joan.  Eisen- 
berg»») 
Joan.  Petz- 

old") 
Samuel  Pfeiffer 
Andreas  Hei- 
ner 
Daniel   Ullnn 
Simon  Pfeiffer 
Jodocus  Reg- 
ler ••■') 
Simon  Schnei 

dewein 
Joan.  Linde- 


Andreas  Ziegler  ^*) 
Joan.  Becker 
Nicolas  Marter- 
steck '*) 
Joan.  Langen- 

hain  *^) 
Valentinus  Wip- 

recht 
Conradv^  Hildt 
Henricus  Crolach 
Daniel   Ullnn 
Fridricus   Wald- 
ecker 
Simon  Hein 
Melchior  Back- 

husius 
M.Michael  Julius 
M.  Joan.  Faner »' 
M.  Jon.  Wagner 
istvonderSchu 
len    gen  Erfurt 
kommen  und  zu 
St.  Andreas  Dia 
Conus     äö     87 
worden  *^) 
Abraham  Bäh- 
ringer ^^) 


Nicolaus 

Born 
J.oan.  Cal- 

witz 


1)  Das  Gothaer  evangelische  Gymnasium  wurde  1524  durch  den 
I.  evang.  Superintendenten  Friedrich  Myconius  gegründet.  Vgl. 
Schultze,  S.  lö;  mein  Progr.  1901,  S.  1. 

2)  Vgl.  über  diese  11  ersten  Rektoren  der  Gothaer  Schule  mein 
Gymn.-Progr.  1895  ,,Das  Coenobium  beim  Gymnasium  Illustre  (1543. 
— 1863)"  S.  38,  39  und  die  dort  angeführte  Litteratur  über  dieselben, 
sowie  mein  Gymn.-Progr.  1901  „Die  Lehrer  des  Gymnasium  Illustre 
zu  Gotha  (1524 — 1859)"  I  unter  deren  Namen. 

3)  Die  von  mir  in  [  ]  gesetzten  Namen  sind  von  einem  späteren 
Chronisten  im  Originale  nach  1597  hinzugesetzt  worden. 

4)  Die  Bezeichnung  „Conrector"  ist  nicht  ganz  richtig,  da  seit 
1529  einer  der  2  Lehrer  neben  dem  „Schulmeister",  der  bis  dahin  einziger 
Lehrer  gewesen,  den  Namen  Baccalaureus,  der  andere  Cantor  führte 
(vgl.  Schulze,  S.  22,  xind  mein  Gymnasialprogramm  1901,  S.  3,  Not.  2). 
1544  bekam  dieser  erste  Lehrer  neben  dem  „Oberschulmeister"  den 
Titel  „Ober-Baccalaureus" ;  erst  von  1549  an  gilt  der  Name  Con- 
rector  (vgl.  mein  Progr.  1901,  S.  4,  Not.  2  und  Not.  5). 

5)  Die  kursiv  und  gesperrt  gedruckten  Namen  sind  unseren 
Quellen  bisher  gänzlicn  unbekannt,  auch  in  meinem  1901  er- 
schienen Lehrerverzeichnis  nicht  aufgeführt,  da  dieses  Verzeichnis  mir 


Miszellen.  165 

bisher  ebensowenig  bekannt  als  Sagittar,  Rudolphi,  Brückner,  Gelbke, 
Schulze,  Beck  war.  Dieser  Joh.  Cuno  (=  kühn)  ist  ohne  Zweifel. 
der  in  Förstemanus  Album  Academiae  Vitebergensis  p.  153a  s.  anno 
1534  Genannte  (vgl.  Ztschft.  Aus  der  Heimat  I,  172),  in  dem  H.  Heß 
(ebenda  III,  87)  den  späteren  goth.  Superintendenten  M.  Joh.  Cuno 
vermutet.  Beck,  Joh.  Friedr.  d.  M.  II,  115  hält  beide  für  dieselbe 
Person,  dem  ich  mich  mit  meiner  Ansicht  anschließe.  Er  wurde,  da 
Pancratius  Süssenbach  1540  von  seiner  Stelle  als  Baccalaureus  zum 
Rektor  avancierte,  in  diesem  Jahre  Baccalaureus,  blieb  jedoch  nur 
bis  1542  in  diesem  Amte,  wie  die  bei  seinem  Nachfolger  beigesetzte 
Zahl  42  zeigt.     Vergl.  mein  Progr.  1902.,  S.  22. 

6)  Diese  Reihenfolge  der  „Konrektoren"  zeigt,  daß  Weitz  in 
seinem  „Series  Conrectorum"  betitelten  Gedichte  in  Encaenia  Saecu- 
laria  Gymn.  Goth.  1G24  gegenüber  Sagittarius,  Hist.  Goth.,  p. 218 
recht  hat,  und  daß  ich  (Progr.  1901,  S.  5,  Not.  2)  mit  Unrecht 
dem  Historiker  vor  dem  Poeten  den  Vorzug  gegeben  habe. 

7)  Sonst  wird  er  „Decerius"  geschrieben  (vgl.  mein  Progr.  1901 
S.  5.)    Er  stammte  aus  Eisfeld,  cf.  unten  1902,  S.  23. 

8)  Wie  sich  aus  dem  hier  zuerst  genannten  Vornamen  Cy  riacus 
ergiebt,  ist  meine  Vermutung  (Progr.  1901  S.  6)  hinfällig. 

9)  Ein  Kantor  wurde  neben  dem  von  1524  an  einzigen  Schul- 
meister 1529  angestellt.    Vgl.  oben  Not.  4. 

10)  Da  sein  Vorgänger  Joh.  Zahn  1543  Pfarrer  wurde  (s.  mein 
Progr.  1901  S.  5),  so  muß  J'oh.  Eisenberg  schon  1543  (nicht  erst 
1561,  wie  ich  vermutet  hatte,  a.  a.  O.)  in  sein  Amt  eingetreten  sein. 

11)  In  unseren  Quellen  wird  er  Bezelius  und  Betzel  genannt 
(vergl.  Progr.  1901  S.  5),  wo  die  vermutete  Zahl  15b4  zu  korrigieren 
ist.  Ende  der  40er  und  Anfang  der  50er  Jahre  muß  er  Kantor  ge- 
wesen sein. 

12)  Das  muß  ein  Verschreiben  sein,  da  er  bei  Kreyssig,  Afraner 
Album  (Meißen  1876)  und  in  den  Briefen  des  Fabricius  an  Linde- 
mann (handschriftl.  in  Weimar)  Riegel  oder  Rigler  genannt  wird. 
Vgl.  mein  Progr.  1901,  S.  5;  1902,  S.  22. 

13)  Eine  vierte  Lehrerstelle  wurde  1544  am  Goth.  Gymn.  em- 
gerichtet.    Vgl.  Schulze,  S.  72,  mein  Progr.  1901,  S.  4;  Not.  2. 

14)  Er  stammte  aus  Gotfaa  und  hatte  seit  1533  in  Wittenberg 
studiert.  Vgl.  Förstemann,  Album  Academiae  Viteberg.,  p.  149b 
(Ztschft.  „Aus  der  Heimat"  I,  172). 

15)  Ebenfalls  aus  Gotha  stammend,  war  er  1533  in  Wittenberg  im- 
matrikuliert  worden   (cf.   Förstemann   a.  a.  0.)    Progr.  1902,  S.  22. 

16)  Er  ist  wohl  identisch  mit  dem  bei  Förstemann  a.  a.  O.  p.  171a 
1538  in  Wittenberg  immatrikulierten  (vgl.  „Aus  der  Heimat"  _1,_172). 

17)  M.  Joannes  Faner  war  1584  Lehrer  geworden,  wurde  1585 — 99 
Pfarrer  in  Gierstedt,  1599—1626  in  Groß-Fahner,  t  1626.  Vgl.  mein 
Progr.  1897 :  Die  Gelehrtenbriefe  der  Goth.  Gymn.-BibUothek  S.  8. 
u.  Progr.  1902,  S.  23. 

18)  Anno  87  ist  ein  Versehen,  insofern  er  in  diesem  Jahre  aller- 
dings seine  Stelle  am  Gymnasium  aufgab  und  Diakonus  in  Gotha 
ward,  aber  erst  1597  in  Erfurt  bei  St.  Andreas  als  Diakonus  an- 
gestellt wurde.    Vgl.  mein  Progr.  1901,  S.  7. 

19)  Meine  im  Progr.  1901,  S.  7  unter  No.  28  ausgesprochene 
Vermutung,  daß  Abraham  nur  der  Vorname  des  Lehrers  sei,  be- 
stätigt sich  also  durch  unsere  Stelle! 

20)  Die  Stelle  eines  Quintus  wurde  circa  1583  eingerichtet. 


j^ßß  Miszellen. 

Anno  1549  Pancratius  Rector  Scholae  war  gar  hefftig  wider  das 
Interim,  disputiret  gewaltig,  nahm  sichs  so  sehr  an,  daß  Er  darüber 
in  phrenesin  fiel,  woran  er  fast  ein  yierthel  Jahr  laboriret:  Als  er 
zu  sich  selbst  kam,  resigniret  er  sein  Schul  Eegiment;  aber  Aula 
wollte  es  nicht  haben,  sondern  confirmiret'  ihn  aufs  neue,  und 
M.  Lindemann,  der  sonst  ehgiret  war  zum  ßectorem  an  seine  statt, 
wird  sein  Conrector. 

Anno  1554  Joannes  Isenbergius  Diaconus  Ecclesiae  Gothanae  praefi- 
citur  Ekiclesiae  Ichtershusanae '),  et  M.  Joannes  Machaeropoeus  ')  ex 
Saltzingensi  vocatione  ei  successit. 

Anno  1555  Joannes  Brembach  praeficitur  Ecclesiae  Waltershusanae. 
Succedit  huic  M.  Melchior  Wedmann. 

Anno  1556  abiit  Menius  Gotha  circa  Septembrem  propter  propositionem : 
Bona  opera  sunt  necessaria  ad  salutem;  quam  tamquam  haereticam 
damnare  noluit,  et  secessit  Saltzam  ad  Buperint.  quia  sentiebat  sibi 
fieri  insidias,  ibi  aliquot  menses  commorabatur.  In  Decembri 
permissu  Principis*)  revocabatur  Menius  legatione  honorifica,  ideo 
non  rediit  ad  Gothanos,  sed  ad  Electorem.  Augusto  vocatus  est 
Lipsiam,  ubi  moritur. 

Anno  1557  in  locum  Menü  mittitur  a  Principe  Joanne  Friderico  Dnö 
Simon  Musaeus  D*).  Quem  populus  cum  summa  frequentia  et 
aviditate  audiebat;  sed  vix  unum  annum  hie  mansit,  vocatus  Eis- 
feldiam  finito  anno  abiit.  Als  er  in  der  Wochen  Joh.  Baptistae 
hierher  anzog,  wurden  ihm  den  andern  Tag  zwei  Quartale  nemUch 
60  f.,  so  die  Diaconi  nach  Menü  Abschied  verdienet,  durch  Joh. 
Langenhain  Ministr  .  .  .  (Lücke)  Item  Menius  hatte  50  f.  vom 
Hoffe  Gnaden-Geld,  welches  ihm  der  gebohrene  Churfürst,  Hertzog 
Joh.  Friederich  verschrieben,  dieselben  bath  Musaeus  auch  aus, 
und  da  man  merkete,  daß  er  sich  wieder  wegmelden  wolte,  gingen 
zu  Ihm  die  vornehmsten  im  Rath  in  stattlicher  Anzahl,  fragende 
die  Ursachen  seines  Abzuges ;  da  die  Besoldung  so  gering,  erbothen 
sie  sich  einer  stattlichen  Contribution,  dazu  Er  Bernhard  von  Myla*) 
jährliche  20  f.  zu  geben  hatte  zugesagt,  war  dieß  die  Antwort: 
Sein  Weib  könne  alhier  nicht  gewohnen,  es  wäre  ein  stinkender 
Ort,  [:  aber  zu  Eisfeld  hatte  er  wohl  600  Thlr.  jährliches  Ein- 
kommen :]  zog  äö  58  weg,  eben  in  der  Wochen,  wie  er  ankommen. 
Domin.  Invocavit  1558  um  Fastnacht  zeucht  Musaeus  geu  Eisfeld, 
daselbst  thut  er  eine  Probpredigt,  wird  daselbst  zu  einem  Pfarrer 
vociret  cum  consensu  Principis.     Nach  Ostern   wird  er  gefodert 


1)  Als  solcher  f  1563.    Gelbke  II,  2,  78 ;  Beck  III,  1,  409. 

2)  Machaeropeus  (fidvaipa — rcoieiv)  =  „Messerschmidt". 

3)  d.  i.  Johann  Friedrich  der  Mittlere  1547—1567. 

4)  Vgl.  über  ihn  A.  Beck,  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  II  143. 

5)  Bernhard  von  Mila  war  seit  1520  in  Diensten  des  Königs 
Christian  IL  v.  Dänemark,  wurde  1527  sächs.  Hauptmann  in  Schweid- 
nitz,  1534  kursächs.  Kriegsoberst  und  Landvogt  in  Wittenberg,  1552 
Landhofmeister  und  oberster  Befehlshaber  der  Feste  Grimmenstein 
in  Gotha,  f  2.  Sept.  1561  auf  seinem  Gute  Herbsleben.  Vgl.  A.  Beck, 
Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  II,  S.  140;  H.  Zeyß,  Geschichte  des  Markt- 
fleckens Herbsleben,  S.  78—80. 


Miszellen.  167 

gen  Weimar  ad  Colloquium  zwischen  Illyrico')  und  Victorino*), 
da  war  es  bis  nach  Pfingsten,  daß  er  nach  seiner  Wiederkunfft 
nun  eine  Valetpredigt  that,  und  also  bald  davon  zeucht,  eben  den 
Tag,  dem  Er  vorm  Jahr  herkommen  ist. 

Anno  1558  ist  an  Musaei  statt  einhelliglich  M.  Cuno")  ein  Statt-Kind, 
so  dazumahl  Diaconus  zu  Freiburg  in  Meissen  in  Cathedrali  Ecciesia 
war,  eligiret  und  mit  Rath  Bischoff  Amsdorfii*)  und  mit  Ver- 
wlligung  des  Fürsten,  Hertzog  Johann  Friedrich  2.  vociret  worden 
zum  Pfarrherr  und  Superintendenten  circiter  festum  Jacobi,  sed 
vix  venit  ad  nos  festo  Michaelis.  Interim  in  hoc  interregno, 
Musaeo  seil,  profecto  Eisfeldiam  et  Cunone  noudum  praeseute,  haoen 
etliche  des  Kaths  fürnehmste  den  Kirchhof  ad  8.  Margaretham 
eingezogen  in  einer  Eyle,  inter  quos  praecipuus  erat  Jacob  Langen- 
hein  et  Keichenbach  *)....  (Lücke)  Ecclesiae ;  quo  facto  wollte  man 
den  Töpffenmarkt  hinter  der  Capellen  vor  der  Schellen  und  Lawen- 
burg")  wegnehmen  und  an  dieselbe  statt  transferiren ;  aber  Cuno, 
als  er  ankommen,  se  huic  conatui  nobiscum  opposuit  propter 
sanctos  ibi  requiescentes  und  haben  den  Töpffen-Markt  erwerlt. 

Anno  1560  wird  M.  Cuno  Superintendens  vom  Fürsten  mit  Gnaden 
geurlaubt  und  mit  100  f.  begabt,  zu  Jena  auf  fernere  Forderung 
zu  warten.  Das  geschah  darum.  Illyricus  wollte  Petrum  Eggerdes ') 
ins  Land  haben,  welcher  zu  Kaiserslauter  abgesetzet  war,  und  er- 
langt so  viel  bey  F.  G.,  daß  M.  Cuno  demselben  mußte  Raum 
geben ,  dieser  that  die  erste  Predigt  auf  Exaudi ,  wird  darauf 
vociret.  In  dieser  vocation  richtet  der  Schösser  Paul  Schalreuter*) 
eine  Trennung  an,  wollte  nur  4  Stimmen  oder  Vota  machen,   die 


1)  Der  bekannte  strenge  Lutheraner  Flacius  Illyricus,  der  seit 
1558  Professor  in  Jena  war  (geb.  1520,  f  1575).  Vgl.  A.  Beck 
a.  a.  O.  II,  118;  AUg.  D.  Biogr.  VII,  88  ff. 

2)  Victorinus  Strigel,  der  seit  1548  als  Prof.  der  neugegründeten 
Schule  in  Jena  (1558  Universität)  thätig  war.  Im  Gegensatz  zu 
Flacius  Illyricus  war  er  ein  Anhänger  der  freieren  Richtung  Melan- 
chthons  (geb.  26.  Dez.  1524,  f  26.  Juni  1569).  Vgl.  A.  Beck  a.  a.  O. 
II,  163;  Allg.  Deutsche  Biogrsiphie  XXXVI  590,  f. 

3)  Vgl.  oben  S.  165  Not.  5.  ■  .    .    . 

4)  Niclas  von  Amsdorf  neben  Flacius  Illyricus'  eifrigster  Ver- 
teidiger des  strengen  Lutheranismus  (geb.  3.  Dez.  1483,  t  14.  Mai 
1565).    Vgl.  A.  Beck  a.  a.  O.  II,  98;  AUg.  D.  Biogr.  I,.  412  ff. 

5)  Jacob  Langenhain  war  1540—44  Bürgermeister,  in  Gotha,  Jo- 
hannes Reichenbach  ebenfalls  1554—57  nach  Sagittarius,  Hist.  Goth., 
S.  177 ;  A.  Beck,  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  I,  46,  45,  552. 

6)  Die  Namen  zweier  Häuser  am  unteren  Markte.  Vgl.  Beck, 
Geschichte  des  gothaischen  Landes  II,  S.  551. 

7)  Vgl.  über  ihn  und  seine  Streitigkeiten  Brückner  I,  8,  70—86. 

8)  Paul  Schalreuter  (auch  Salreuter  gen.)  stammte  aus  Zwickau, 
wurde  Amtsverweser  und  Schösser  zu  Gotha,  als  welcher  er  in  21*/, 
jähriger  Amtszeit  sich  ein  Vermögen  von  30  (XK)  Gulden  sammelte. 
Er  war  wegen  seiner  Habsucht  und  Streitsucht  wenig  beliebt. 
„Horrendum  monstrum  Gothanum  desiit  saevire  in  Deum  et  homines" 
schrieb  der  gewesene  Superintendent  Wedemann  bei  seinem  Tode 
(6.  März  1580)  in  seinen  Kalender.  Vgl.  Sagittar,  431 ;  Tentzel  Suppi. 
II  862,  865;  Brückner  I,  9,  81;  Beck,  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  II,  152. 


J68  Miszellen. 

eine  wäre  sein  wegen  des  Landesfürsten,  die  andere  der  dreyen 
Ministrorum,  die  dritte  der  24  Rathsherren,  die  vierte  der  4  Per- 
sonen von  der  Kammer,  denn  so  viel  solten  Stimmen  oder  Vota 
seyn  und  seine  Stimme  wurde  damit  überhäuffet.  Weil  aber  der 
fürstl.  Befehl  vermochte,  den  abgehörten  Eggerden  zu  vociren,  und 
dem  Schösser  zugesagt  worden,  daß  man  demselben  Befehl  pariren 
wolte,  und  hierüber  die  Vota  belangend,  sich  eines  Bescheids  beym 
Landesfürsten  zu  erholen,  Heß  der  Schösser  damals  die  Stimmen 
von  Personen  zu  Personen  abhören,  darauf  ward  gen  Hoffe  um 
Bericht  geschrieben,  wie  man  sich  ferner  halten  solte,  ob  man  ferner 
den  alten  Gebrauch  oder  aber  des  Quaestoris  Fürwenden  noch  mit 
der  Vocation  gebaren.  Darauf  ist  eine  Resolution  von  Hofe  ge- 
schehen, daß  hierinnen,  ohngeachtet  des  Schössers  Fürwenden, 
solte  dem  alten  Gebrauch  nachgelebet  werden,  dahin  auch  die 
Constitution  solte  verstanden  werden ,  ist  auch  von  dem  an 
ferner  also  hier  gehalten  worden.  Dieser  Petrus  Eggerdes  ist  aus 
fürstl.  Befehl  durch  den  Schösser  auf  dem  Rathhause  alhier  an 
alle  Pfarrer  der  Superintendenz  angewiesen  mit  einer  solenni  con- 
firmatione  und  dabey  neben  Befehl  geschehen,  die  Altare  zu  ver- 
ändern und  dahinter  zu  treten ;  die  Tafeln,  so  nicht  biblisch,  sind 
gar  aus  der  Kirchen  wegzuthun  gebothen,  die  Biblischen  aber  an 
die  Wand  zu  hängen  nachgelassen. 
Anno  1560  ist  Dr.  Musaeus  von  Eißfeld  gen  Jena  ad  professionem 
Theologicam  vociret;  der  hat  alsobald  100  rth.  von  der  Pfarre  mit 
sich  genommen,  die  nun  jährlich  gen  Jena  zur  Besoldung  der 
Professoren  gereichet  werden  müssen,  und  der  Pfarre  Eißfeld  ent- 
zogen sind. 

Anno  1561  Petrus  Eggerdes  führete  eine  sonderliche  Art  im  Predigen, 
sonderlich  auf  die  Feste  brauchete  Er  den  Methodum,  wie  in 
Schulen  gebräuchlich  ist,  1)  an  sit?  2)  quid  sit?,  nemlich:  Nem- 
lich:  Ob  Christus  Mensch  worden  sey?  Ob  Christus  gelitten  habe? 
Ob  Christus  auferstanden  sey?  pp.  dadurch  viele  Leute  geärgert 
worden,  und  dafür  gehalten,  als  setze  Er  es  in  Zweiffei*).  Solches 
gelanget  an  Fürstl.  Gn.  Darauf  wird  an  das  Ministerium,  Amt 
tmd  Rath  befohlen,  hiervon  wie  es  eine  Gelegenheit  war,  hastig  (?) 
und  unterschiedlichen  Bericht  zu  thun,  welches  also  geschehen, 
doch  mit  abgehängter  unterthäniger  Bitte,  daß  man  Ihn  drüm 
besprochen ,  und  weil  es  nicht  für  den  gemeinen  Mann  dienet, 
sondern  ärgerlich  wäre,  davon  abmahnen  wolte,  der  Hoffnung,  er 
würde  ihm  sagen  lassen  und  es  fort  einstellen.  Ob  nun  wohl  der 
älteste  Diaconus  Herr  Heinrich  Thilo  Ihn  in  geheim  gebethen  und 
vermahnet,  hat  er  doch  auf  folgendem  Ascensionis  festo  nichts  ge- 
ändert. Es  trug  sich  zu,  daß  die  Pfarre  Eberstätt,  davon  Filial 
Sonebom  ist,  aufs  neue  zu  bestellen  war,  da  stellet  er  ihnen  auf 
einen  alten  Prediger  zu  Arnstatt  einseitig  vom  Diaconat,  M.  Nico- 
laum  Mendium,  der  thäfc  sein  Probepredigt,  aber  die  Eingepfarrten 
wegerten  Ihn,  wegen  seines  Alters,  und  er  begehrte  die  Pfarre  inso- 
wenig,  als  sie  seiner  begehreten  wegen  des  beschwerUchen  Ganges 
in  die  Hauptkirche  Eberstädt,  so  wolte  doch  Petrus  Eggerdes  nicht 
anders,  denn  es  solte  Mendius  Pfarrer  seyn,  und  die  Eingepfarrten 
Ihn  haben,  ob  sie  gleich  beiderseits  nicht  wolten,  und  wolte  Ihnen 

1)  Vgl.  Brückner  a.  a.  O.  S.  81. 


Miszellen.  X69 

keinen  andern  darstellen,  noch  ihnen  vergönnen,  einen  andern  zu 
hören.  Endlich  lassen  es  die  Eingepfarrten  gen  Hoff  an  Füvstl. 
Gnaden  gelangen,  darauf  schicken  auf  und  mit  Fürstl.  Befehlich 
die  Theologi  zu  Jena  einen  dem  Superintendenten  zu,  M.  Gunder- 
mann '),  Ihn  gen  cSoneborn  zur  Probepredigt  zu  praesentiren,  aber 
der  Superintendens  wegert  Ihn  und  schreibet  zurücke,  Er  wisse 
von  keinem  andern  Pfarrer  zu  Soneborn  und  Eberstätt,  denn  M. 
Nicoiao  Mendio,  derowegen  könne  und  wolle  Er  M.  Gundermann 
nicht  praesentiren  zur  Probe.  Hierauf  wird  M.  Gundermann  von 
Fürstl.  Gn.  gen  Soneborn  und  Eberstätt  mit  rothem  Wachs 
abgefertiget,  von  den  Eingepfarrten  gehöret,  und  zu  einem  Pfarre 
vociret,  nolente  volente  Superintendente.  Abermals  wird  vom  Hoffe 
befohlen,  der  Superintendens  solte  den  vocirten  Pfarrern  introduciren, 
und  im  Falle  der  Wegerung  solte  es  dem  Schösser,  Paul  Schal- 
reuter, befohlen  seyn,  welches  beydes  sich  also  zugetragen.  Eggerdes 
wegerte  es,  mit  Fürwendung,  Er  wüßte  ihnen  nicht  zween  Pfarrer 
zuzuordnen.  Paul  Schalreuter,  Schösser,  auf  der  Reise  nach  Sone- 
born, den  Pfarrer  auf  Fürstl.  Befehl  zu  introduciren,  begegnete 
Johanni  Portuno,  dem  Vorsteher,  und  saget  zu  Ihm:  Wolt  ihr 
wissen,  wer  hier  fähret?  Der  Vorsteher  saget:  Der  Herr  SchÖsser 
von  Gotha  fähret  da.  Nein,  spricht  Schalreuter  süperbe,  nicht  der 
Schösser  allein,  sondern  der  Superintendens  ietzo  und  Schösser 
zugleich,  und  that  die  Introduction  mit  der  Anweisung  und  Ver- 
lesung der  Fürstl.  Confirmation.  Nicht  lange  hiernach  wird  die 
Pfarre  zu  Tüteleben  erledigt  durch  den  tödlichen  Abgang  Herrn 
Johann  Lantzen,  kömmt  die  Gemeinde  bittend  um  einen  erbaren 
Pfarrer ,  benennen  Andream  Heiner ,  dazumahl  Cantor  in  der 
Schulen  zu  Gotha '^).  Er  wegert  die  Person  nicht,  aber  Er  ant- 
wortet ihnen,  er  wäre  seines  Amtes  entsetzet,  dadurch  daß  dem 
Schösser  die  Einweisung  des  Pfarrers  zu  Eberstätt  und  Soneborn 
befohlen,  wisse  ihnen  deßhalben  weder  zu  rathen  noch  zuhelffen; 
die  Gemeine  suchet  zu  Hoffe,  der  Superintendens  schreibet  auch 
gen  Hoff,  greif fet  Fürstl.  Gnaden  hefftig  im  Schreiben  an,  begehret 
die  Ursach  der  Einsetzung  zu  erklären,  und  da  ihm  das  Amt  nicht 
aufs  neue  befohlen,  wisse  er  die  verledigte  Pfarre  nicht  zu  be- 
stellen, lässets  hierbei  nicht^verbleiben,  sondern  bald  darauf  den 
3  Sonntag  des  Advents  äö  61  führet  er  in  der  Predigt  ein  Daniels 
Exempel,  der  dem  Uriae  sein  Weib  genommen,  appliciret  es  auff 
sich,  also,  spricht  er,  hat  der  Schösser,  Paul  Schalreuter,  mir  mein 
Weib  genommen,  mein  Amt*).  Hierauf  die  näheste  Woche  kömt 
ein  fürstl.  Befehl,  welcher  er  Bernhard  von  Myla*),  er  Georg  von 


1)  M.  Matthias  Gundermann,  geb.  in  Kahla,  war  Pfarrer  in 
Eberstedt  und  Sonneborn  1561 — 1595,  sodann  in  Wangenheim  Super- 
intendent; t  1605.  Vgl.  Brückner  III,  2,  18;  III,  10,  35  f.;  Gelbke 
II,  1,  180;  II,  2,  285.    Beck  III,  2,  230,  361. 

2)  Dieser  wurde  dann  1561  Pfarrer  in  Tüttleben,  wo  er  1589 
starb.  Vgl.  Brückner  III,  9,  85;  Gelbke  II,  1,  186;  Beck  III,  2,  306, 
und  mein  Progr.  1901,  S.  5. 

3)  Bei  Brückner  I,  8,  83  heißt  es,  er  habe|  Schalreuter  mit 
Herodes  verglichen,  der  seinem  Bruder  das  Weib  genommen. 

4)  Vgl.  oben  S.  166  Not.  5. 


170  Miszellen. 

HarstaP),  Obrister  auf  Grimraenstein  in  Beiseyn  des  Ministerii 
und  gantzen  Kaths  ihm  den  Superintendenten  verlesen  hat,  darinnen 
angezogen  war,  weil  Ihre  Fürstl.  Gnaden  aus  allen  Schreiben  und 
Berichten  des  Petri  Eggerdes  vermerketen,  daß  Er  zu  Verrichtung 
des  Superintendenten-Amts  nicht  qualificiröt,  darzu  Ihrer  Fürstl. 
Reputation  und  Hoheit  in  seinem  Schreiben  nicht  verschonet,  solte 
ihm  hiermit  sein  Verlaub  angekündiget  seyn.  Wir,  CoUegae  eius, 
sind  unanimiter  zu  ihm  gangen,  unser  Mitleiden  angezeiget,  uns 
erbothen ,  ihm  das  Quartal  Reminiscere  vorzuverdienen ,  sed 
recusabat,  Er  wolte  aber  von  einem  erbahren  Rath  die  ganze 
Jahr-Besoldung  fodern,  wie  er  auch  that,  sed  frustra.  Princeps 
williget  dagegen  Ihm,  so  wir  ihm  angebothen  hatten.  Kurtz 
zuvor  wandte  sich  D.  Musaeus  von  Jena  nach  Bremen;  Illyricus 
ward  auch  enturlaubet,  deßgleichen  Wigandus-),  und  zur  Ursach 
ihres  Urlaubs :  Sie  hatten  ein  Mandatum  außbracht,  daß  nichts 
sine  censura  Aulica  solte  im  Druck  ausgehen ;  Solchem  außgebrachten 
Befehl  hätten  Sie  ungehorsamlich  übergangen,  und  Bücher  zu 
Frankfurt  ohne  vorgegangene  Censura  Aulica  drucken  lassen.  Wir 
waren  also  ohne  Superintendenten  von  der  Zeit  an  bis  aö  62  um 
Aegidii,  und  haben  drey  Quartal  für  den  Superintendenten  ver- 
dienet, davon  haben  die  Herren  uns  dreyen  zwey  Quartale,  uns 
dareyn  zu  theilen,  zugeiignet,  und  eines  der  Ministratur  zum  Besten 
behalten  *). 

Anno  1562  in  nova  Visitatione  a  Visitatoribus  *)  M,  Stisselio,  D.  Maxi- 
miliano,  D.  Husano  M.  Melchior^)  Principi  proponitur  pro 
Superintendente  novo,  et  statim  ad  Principis  nutum  eligitur,  vocatur, 

1)  Georg  von  Harstall  war  Amtmann  zu  Kreutzburg  und  Ger- 
stungen gewesen ;  im  Jahre  1561  nach  des  eben  genannten  Bernhards 
von  Milas  Tode  (1561)  oberster  Befehlshaber  auf  dem  Grimmenstein, 
t  1565.    Vgl.  A.  Beck,  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  II,  122. 

2)  D,  Johannes  Wigandus  geb.  1523  in  Mansfeld,  1541  Rektor 
in  Nürnberg,  1544—46  hielt  er  sich  in  Wittenberg  auf,  wurde  1546 
Pfarrer  in  Mansfeld,  1553  Superintendent  in  Magdeburg,  1560  Prof. 
in  Jena,  1561  entlassen,  1562  Superintendent  in  Wismar,  1568  ward 
er  wieder  nach  Jena  berufen,  wo  er  bis  1573  Superintendent  und 
Professor  Theol.  war.  1573  wieder  entlassen,  wurde  Prof.  in  Königs- 
berg, 1675  Bischof  von  Pomesan  in  Preußen,  f  21.  Okt.  1587." 
Vgl.  A,  Beck,  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  II,  172. 

3)  Vgl.  Brückner  I,  8,  85. 

4)  Die  Visitatoren  waren:  Joh.  Stissel  oder  Stössel  (geb. 
23.  Juni  1524,  wurde  1560  Superintendent  in  Heldburg,  1561  Konsi- 
storialassessor  in  Weimar,  1562  Superintendent  und  Prof.  in  Jena, 
t  18.  März  1576  im  Gefängnis);  Maximilianus  Mörlin  (geb. 
14.  Okt.  1516,  war  1543  Pfarrer  in  Schalkau,  1544  Hofprediger  in 
Coburg,  1561  Konsistorialassessor  in  Weimar,  1569  abgesetzt,  1574 
wieder  nach  Coburg  berufen,  f  20.  April  1584).  Heinrich  Husanus 
(geb.  6.  Dez.  lo36  in  Eisenach,  wurde  1561  Prof.  in  Jena,  1562  Rat 
bei  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.,  1567  Hofrat  und  Kanzler  beim  Herzog 
,ro4x     TT^''^  ^^°  Mecklenburg,  1574  Syndicus  in  Lübeck,  f.  9.  Dez. 

^V^y^^'?^^^  ^^®  ^^^^'  J<^^-  F"^-  <i-  ^'ttJ-  II.  126,  141,  163. 

5)  M.  Melchior  Wedmann,  auch  Wedemann  und  Weidemann 
genannt. 


Miszellen.  j^YJ^ 

confirmatur  ./:  Succedit  ei  Johann  Wolffram,  qui  annos  novem 
Eimbeccae  Pastorera  et  Superintendentem  egerat,  sicut  ipse  retulit 
saepius,  ac  novissinie  äö  79  ad  Franckenhusanos  eloriatus  est  auf 
dem  Neuen  Kauffhause  in  nuptiis  Volcmari  Werneri  :/.  Hanc 
vocationem  M.  Melchior  detrectare  se  simulans,  multa  gravaraina 
Superintendent!  usu  venire  a  Principibus,  tandem  accepit,  sed  hac 
conditione  ut,  si  praeter  culpam  dimitteretur  a  Principe,  sibi  Uni- 
versum Stipendium,  quod  in  Superintendentem  annuatim  erogatur, 
per  sequentem  annum  daretur,  quo  se  suosque  eo  facilius  usque 
ad  aliam  vocationem  consequendam  sustentare  posset.  Haec  con- 
ditio a  principe  et  Senatu  promittitur  his  verbis,  se  meliora  sperare, 
at  si  ita  forte  accideret,  et  praeter  culpam  expelleretur,  se  vel  ex 
aerario  Ecclesiastico  daturos,  vel  si  Princeps  hoc  concedere  veUet, 
ex  sua  crumena  illud  contributuros. 

Amio  1562  Dfis  Pancratius  ßector  Scholae  Gothanae  et  optime  cum 
de  ea  tum  de  tota  patria  nostra  meritus,  postquam  totius  anni 
spatio  ante  resignaverat ,  festo  Michaelis  hmc  m  patriam  abiit, 
otium  in  senectute  honestum  amplexus  post  multos  exhaustos 
labores.  Donatus  est  a  Senatu  poculo  argenteo  eoque  magno  in 
nundinis  Lipsiensibus  emto;  Cm  statim  successit  Conrector  eius, 
M.  Cyriacus  Lindeman,  vir  Graece  et  Latine  doctissimus,  et  Om- 
nibus artibus  liberalibus  instructissimus,  nee  non  Theologus  ihsig- 
nis,  qua  conditione  Rectoris  laudabiliter  functus  est  non  minori 
cum  emolumento  scholasticae  iuventutis  quam  Pancratius  usque 
ad  annum  68. 

Anno  1568  obiit  M.  Cyriacus  Lindeman,  optime  de  Schola  Gothana 
meritus,  vir  Latine  et  Graece  in  omnibus  disciplinarum  generibus 
doctissimus,  successit  ei  M.  Paulus  Schmidt,  Gothanus'),  vocatus 
huc  ex  Schola  Salfeldiana,  cui  praeerat.  Secundi  locum  conse- 
quitur  Christophorus  Winerus,  cui  functioni  praefuit  graviter  annis 
10,  et  factus  est  Pastor  Sundhusanus  succedens  Joanni  Fernelio 
äö  1578  tempore  autumnali. 

Anno  1571  coepit  ingens  disceptatio ')  inter  Superintendentem,  M. 
Melchiorem  et  Ludirectorem  M.  Paulum  Scnmidt,  ita  ut  res 
deferretur  ad  Quaestorem,  Senatum  et  totum  Ministerium,  qui 
tantum  desudarunt,  ut  reltti  componerent:  facta  concordia  M. 
Melchior  iterum  suscepit  curam  Scholae  (29.  Januar,  äö  72)  et 
examen  instituit  ac  habuit  Vernale,  tandem  Senatus  Scholae 
rationem  retulit  ad  Principem*),  cuius  mandato  D.  Johan.  Wigandus 
et  M.  Kosinus*)  huc  venere,  et  Scholam  visitarunt,  con^titutionem 

1)  Vgl.  mein  Progr.  1901,  S.  5. 

2)  Vgl.  über  diesen  Sfareit  Schulze  a.  a.  O.  S.  54,  57;  mein 
Progr.  1895  „Coenobium",  S.  5. 

3)  d.  i.  der  Herzog  Johann  Wilhelm,  der  von  1567 — 73  über 
Gotha  herrschte. 

4)  M.  Bartholomaeus  Rosinus,  geb.  1520,  Diaconus  in  Eisenach, 
1559  Pastor  und  Superintendent  in  Weimar,  1573  verjagt,  1574 
Superintendent  in  Regensburg,  f  17.  Sept.  1586  (cf.  Jöcker  III, 
2131).  Vgl.  über  diese  Schulvisitation  Wilke,  Suada  lat.,  p.  1044; 
Sagitar.  Hist.  Gotha,  p.  430;  Tentzel,  Suppl.  p.  855;  Rudolphi, 
Gotha  diplomatica  I,  163  f.;  Brückner  III,  5,  2;  Schulze,  Gesch.  des 
Gymn.  zu  Gotha,  p.  55 ;  mein  Progr.  1895,  Das  Coenobium,  p.  5, 
wo  die  neue  Oekonomieordnung  abgedruckt  ist. 


J7jJ  ^liszcllen. 

Oei'oiiomiac  confirinaruiit,  ac  statum  ,<eu  (lualitatem  Scholae  Prin- 
fipi  rotulenuit,  (jui  M.  raulum  deponi ,  et  Mcierum^)  in  eius 
locmri  rostilui  curavit. 

Anno  1573  Dax  .loliaiincs  Wilheliniis  diem  .suum  obiit  2  Martii, 
et  circa  iiartliDlüinaei  fcstuin ;  iteriim  visitatur  per  Doctores  ab 
EIcctorc'j  ad  hoc  iiegotiuiii  ordinatos,  Stisseliura,  Widebrainum ") 
Maxiniil.  ]\Ioriijiiiiii ,  M.  iMirum'';  et  deponitur  M.  Melchior  ab 
officio  iSuperintciideiitis  8  Augu.sti ,  cui  successit  M.  Joannes 
j*>ei ;  duo  pagaiii  J'astorcs  dcponuntur  quoque,  iSchipperus  War- 
zeiif^is,  et  INicolaus  Helfoid  Lauchcnnis ''j.  Examinarunt  Stisselius 
et  Widcbramus  (3,  4,  5,  ü,  7,  8  diebus  Augusti;  9  abierunt)  ac 
praecipuc  nostram  Confcssionera  de  Coena  audiverunt  et  appro- 
baniiit,  dicentcö :  Sic  et  nos  sentimus,  ac  vobiscum  docemus. 
^\'i(lebrannl,s  2)ublice  pro  concione  suam  et  caeteroruni  Visitatorum 
Confcssioneni  exponebat  de  Coena,  qua  onines  actjuiescebant.  At 
.secjueiiti  anno  74  res  prodiit  in  kiconi,  quid  senserint  de  Coena, 
parasceue  huius  erat  Exegcsis  quacdam  sine  nomine  edita.  D.  23 
Octob.  ist  der  neue  Superintendens  ankommen,  cum  uxore,  hberis 
et  supcllcctile. 

AniKt  J.J78  Joharini  Fernelio''),  Pastori  Sundhusanae  Ecclesiae 
succedit  M.  Chrislophorus  Winerus  ex  Schola  Gothana,  cui 
succcdit  in  Schola  Johannes  Tecerius,  Eisfeldensis,  qui  Becundae 
Classi  praefuit  uno  anno,  remotus  enim  fuit  ab  officio,  eo  quod 
obiecit  civibus  vitium  dcditionis. 

Anno  1581  Kector  Scholae  Gothanae  Joannes  Meier  die  Puri- 
ficationis  vocatur  ad  munus  docendi  in  Ecclesia  Goldbacensi  et 
tan(iuam    succenturiatus    subscquilur    in  eius   locum  M.   Joannes. 

1)  Vgl.  über  M.  Johaim  Meyer  mein  Progr.  1901,  p.  ö,  1902, 
p.   23. 

2)  Gemeint  ist  der  Kurfürst  August  als  Vormund  seiner  beiden 
minderjährigen  Vettern  Johann  Casimir  und  Johann  Ernst. 

3)  Eriedr.  Widebram,  geb.  4.  Juli  1532,  1557  Kector  in  Zerbst, 
1559  in  Eisenach.  15(53  Prof.  Elocjuentiae  in  Jena,  1569  in  Witten- 
berg, t  2.  :VIai  1585.     AUg.  D.  Biogr.  XLII,  3381 

4)  :\Iarlin  Mirus  geb.  1532,  1558  Mag.,  1560  Adjunkt  der  phil. 
Fak.  in  Jena,  1561  Pfarrer  in  Sülzenbrück,  1569  Pfarrer  in  Jena, 
l:)i2  in  Kahla,  1573  als  Superintendent  und  Hofprediger  nach 
Weimar  bonifen  an  Kosinus'  Stelle,  konnte  aber  das  Amt  nicht  an- 
treten und  wurde  Prof.  und  Superint.  in  Jena,  1580  Konsistorialrat 
m  Dresden,  1588  lel)te  er  in  Jena,  1591  Dompredigfer  in  Halberstadt, 
dann  wieder  in  Dresden,  f  14.  Aug.  1593.    Ailg.  D.  Biogr.  XXII,  1. 

5)  .Johaim  Schippcrus  war  von  1567  Pfarrer  in  Warza.  Vgl. 
Brückner  li,  1,  48  Not.;  Gelbke  H,  1,  281;  Beck  III,  2,  369,  die 
alle  die  Zeit  seiner  Absetzung  nicht  kennen.  1575  wird  er  wider 
eingesetzt  als  Pfarrer  in  Eschenbcrgeii,  y  1578.  Vgl.  Brückner  III, 
8_]2;  (iell)ke  II,  1,  135;  Beck  III,  l,  167.  Nicolaus  Heifeld  war 
!;)(;:)-  15,3  l'farrer  in  Laucha;  er  wird  1576  wieder  eingesetzt  als 
Pfarrer  von  Sirbleben  ins  1585.  Vgl.  Brückner  I,  3,  268,  III,  4,57^ 
Gelt)ke  II,   1,  416;  II,  1,  170;  Beck  III,  1,  450,  III,  2,  219. 

6)  I'T  war  von  1564  an  Pfarrer  in  Sundhausen  gewesen,  vorher 
in  Jnigleben.  Vgl.  Brükner  II,  3,  81,  II,  8,  78;  Gelbkell,  1, 
430,  411;  J?eck  lll,  2,  248,  294,  die  ihn  aber  alle  Fehmel  (oder 
Irmel)  nennen. 


Miszellen.  I73 

Dinckelius,  Professor  Ebraicae  linguae  et  Dialecticae,  Erfordiae'). 

Anno  1582  ist  socer  meus)  Superintendens  creiret,  und  d.  6,  No- 
vembr.  dazu  doctoriret  worden.  [Gener  vocatur  M.  Joannes 
Wii)ertU8,  Scholae  Gothanae  Prorector.] 

Anno  1584,  d.  1.  Julii  M.  Dinckel  vocatus  est  Coburgum  ad  con- 
cionandura  bis ,  deinde  adhuc  semel ,  postea  Vocatio  secuta  est 
ad  munus  Generalis  Superintendentis,  quod  cedat  in  gloriam  Dei 
et  Ecclesiae  utilitatem.  Die  8  Septembr.  hinc  Coburgum  pro- 
fectus  est.  In  eius  locum  eligitur  M.  Jülich,  et  in  hac  electione 
neglectus  est  Rector  M.  Helder "). 


IL 
Ans^abungeu  an  den  Hausbergburgen  bei  Jena, 

Von 
Großh.  Sachs.  Landesgeometer  A.  Müller  in  Weimar. 

In  seinem  Aufsatze  über  mittelalterliche  Burgbauten  Thüringens 

—  Bd  5,  S.  303  der  Zeitschrift  vom  Jahre  1863  —  giebt  H.  Heß 
ein  allgemeines  Bild  von  der  Anlage  und  Bauart  der,  wenn  auch 
nur  in  Überresten  vorhandenen  Burgen  vom  10.  bis  zum  Ende  des 
15.  Jahrhunderts.  Er  behandelt  das  dem  Auge  Erkennbare;  unter- 
irdische Anlagen  erwähnt  er  nicht.  Daß  aber  solche  bei  vielen  mittel- 
alterlichen Bauwerken  vorhanden  gewesen,  ist  zweifellos. 

Bei  einer  der  ältesten  Burgen,  dem  schon  im  Jahre  937*)  ur- 
kundlich erwähnten  Kirchberg  auf  dem  Hausberge  bei  Jena,  haben 
sich  unterirdische  Bauwerke  nachweisen  lassen ;  leider  scheint  die 
Kenntnis  der  früher  vorgenommenen  Ausgrabungen  nur  gering.  Im 
Bd.  3,  Heft  4  der  Zeitschrift,  Jahrgang  1859,  hat  K.  Aue  im  ge- 
heimen Staatsarchiv  zu  Weimar  befindliche  Aufzeichnungen  über 
die  im  Jahre  1757  ausgeführten  Ausgrabungen  am  Hausberge  bei 
Jena  mitgeteilt.    Wir  rekapitulieren  den  Inhalt  der  Aufzeichnungen. 

Am    1.  Mai   1757   hatte   Ernst  Christian   Supe   in   Ziegenhain 

—  die  Familie  schreibt  sich  jetzt  Saupe  —  veranlaßt  durch  Aus- 
lassungen und  Gespräche  älterer  Leute  in  Jena  und  Ziegenhain, 
unter  Zuziehung  des  Richters  und  des  ältesten  Ortsnachbars,  des 
80-jährigen  Hans  Michael  Böhmen  —  die  Familie  schreibt  sich  jetzt 
Böhmel  —  am  Hausberge  Nachgrabungen  anstellen  lassen,  deren 
Resultat  er  unterm  7.  Mai  1757  dem  Herrn  Vicepräsident  v.  Kalb 
mitteilt:    „pp.  pp.   letzo   den   1.  Mai  d.  J.   resolvire  ich  mich  mit 


1)  Vgl.  mein  Pfoct.  1901,  S.  6. 

2)  Das   ist  eben  M.  Johannes  Messerschmidt  (Machaeropoeus). 

3)  Vgl.  mein  Progr.  1901,  S.  7. 

4)  Vgl.  Dobenecker,  Regesta  dipl.  Thur.  I,  no.  354. 


174  Miszellen. 

unserm  Eichter,  und  nehmen  unsern  ältesten  Mann  im  Dorfe,  der 
80  Jahre  ist,  Hannß  Michael  Böhmen,  der  auch  lange  gesprochen 
von  dem  Gewölbe,  der  wies  den  Ort  an,  und  da  mußten  junge  Ein- 
wohner einschlagen,  da  fanden  wir  1.  schöne  gehauene  Stufen  in 
Kalk  gegossen,  2.  ein  rund  Loch;  da  wagte  ^gich  Michael  Wendel 
imd  fuhr  ein,  der  findet  einen  Gang  8  bis  9  Ellen  hinter  in  Berg 
schön  gehauen,  daß  man  gerichts  (aufrecht)  gehen  kann,  darauf  war 
Licht  anbey  gebracht,  da  fuhr  August  Kahle  auch  nun  ein.  Da  sie 
wieder  zurückkamen,  melden  sie  hinten  sei  Erde  verfallen,  also  ließen 
wir  nicht  weiter  was  vornehmen,  bis  wir  weiteren  Befehl  erhalten." 
Die  Hoffnung  auf  Auffindung  eines  Schatzes  fehlte  natürlich  nicht. 

Die  Angelegenheit  wurde  sofort  dem  damaligen  Herzog  Ernst 
August  Constantin  vorgelegt,  und  auf  Befehl  desselben  wurden  die 
Ausgrabungen  unter  behördlicher  Leitung  und  unter  Zuziehung  der 
bei  der  ersten  Ausgrabung  zugegen  gewesenen  Personen  fortgesetzt. 
Es  scheint  aber,  daß  man  auf  Grund  der  Aussagen  eines  jenaischen 
Schuhmachers  Herrmann ,  der  vor  60  Jahren  „auf  der  Seite  des 
Berges  nach  Jenaprießnitz  zu"  eine  eiserne  offen  stehende  Thür  ge- 
sehen haben  will,  auch  an  anderer  Stelle  nachgegraben  habe,  denn 
die  Beauftragten,  Konsistorialrat  und  Amtmann  Mehler,  sowie  Amts- 
Rentsekretär  Thieme  berichten:  „pp.  pp.  Da  nun  hin  und  wieder 
sich  rudera  von  Grundmauer  zeigten ,  so  haben  wir  durch  den 
Maurer  und  einige  Tagelöhner  einschlagen  lassen.  Es  hat  sich  auch 
bald  ein  „anderer"  geraumlicherer  in  Felß  gehauener,  aber  mit 
Schutt  ausgefüllten  Gang  gefunden.  Dieser  ist  ungefähr  4  Ellen 
tief  unter  der  Erde,  4  Ellen  hoch  und  an  manchen  Orten  3  Ellen 
breit"  pp.  pp.  „Es  ist  auch  dieser  Gang  bey  50  Ellen  lang  ge- 
räxunet  und  imter  dem  Schutt  beikommende  Knochen  und  Eisenwerk 
PP-  PP-  gefunden  worden.  In  diesem  Gange  hat  sich  auch  ein  Brunnen 
gefunden,  aber  kein  Wasser  darinnen,  und  nun  scheinet  der  Gang 
in  der  Mitte  des  Berges  weiter  hinauf,  in  den  sog.  Fuchsthurm  zu 
gehen;  ein  Fleck  davon  ist  ein  wohlausgemauerter  Brunnen  entdeckt 
worden  pp.  pp." 

Nacndem  seitens  der  Fürstl.  Kammer  an  den  Herzog  über  das 
Resultat  der  Ausgrabungen  berichtet  worden,  erfolgte  unterm  4.  Aug. 
1757  die  Resolution,  Brunnen  und  Gang  wieder  zuzuschütten,  da 
„selbiger  (der  Gang)  gegenwärtig  ebensowenig,  als  der  darinnen  ange- 
troffene Brunnen,  jemanden  zu  einigen  Nutzen,  vielmehr  beyde  denen 
vorbey  passirenden  Menschen  und  Vieh  bei  Nachtzeit  zum  Nachtheil 
gereichen  können".  Hierauf  erfolgte  die  Zuschüttung;  die  Hoffnung 
auf  Auffindung  von  Schätzen  hatte  sich  eben  als  trügerisch  er- 
wiesen. 

Im  Laufe  der  Zeit  ist  diese  Ausgrabung  so  ziemlich  der  Ver- 
gessenheit anheimgefallen;  auch  Ortloff  in  seiner  Vorlesung  „Die 
Hausbergburgen  bei  Jena"  erwähnt  dieselbe  nicht.  Von  welchem 
Interesse  die  Wiederauffindung  und  weitere  Verfolgung  der  vor- 
handenen unterirdischen  Anlagen  wäre,  bedarf  weiterer  Auseinander- 
setzungen nicht.  Wenn  man  bei  kleineren  Burgen,  wie  die  in  Mag- 
dala  oder  die  Osterburg  bei  Bischoffsheim  a.  Rh.,  Ausgrabungen 
vorgenommen  hat,  die  des  Interessanten  und  Lehrreichen  viel  zu 
Tage  gefördert  haben,  weshalb  kann  bei  so  alten  und  berühmten 
Burgbauten,  wie  die  Hausbergburgen  bei  Jena  sind,  nicht  Gleiches 
geschehen,  besonders  da  die  früheren  Ausgrabungen  bedeutende 
Resultate  erwarten  lassen? 


Miszellen.  175 

Die  Stellen  der  früheren  Ausgrabungen  wiederzufinden,  erschien 
allerdings  schwierig,  wenn  auch  die  damaligen  Aufzeichnungen 
einigen  Anhalt  gewähren.  Es  war  ein  glücklicher  Umstand,  daß 
durch  den  mit  den  Personalverhältnisgen  Isekannten  Jenaer  Bürger, 
Rentner  G.  Eodigast,  in  Ziegenhain  ein  Nachkomme  jenes  alten 
80-jährigen  Mannes  Hans  Michael  Böhmen,  ermittelt  wurde,  der  bei 
der  Ausgrabung  im  Jahre  1757  zugezogen  worden  war,  Heinrich  Böhmel, 
in  dessen  Familie  sich  die  Tradition  an  jene  Ausgrabungen  erhalten 
hat.  Derselbe  hat  an  Ort  und  Stelle  die  nötigen  Angaben  gemacht, 
die  mit  denen  der  damaligen  Niederschrift  recht  gut  übereinstimmen. 
Danach  bestätigt  es  sich,  daß  an  zwei  Orten,  sowohl  auf  der  Seite 
nach  Ziegenhain,  wie  nach  dem  Gembdenthale  oder  Jenaprießnitz 
hin  Einschlagungen  stattgefunden  haben. 

Die  zu  der  sehr  wünschenswerten  Wiederaufnahme  imd  Fort- 
führung der  Ausgrabungsarbeiten  erforderlichen  Mittel  würden  aller- 
dings nicht  unbedeutend  sein,  besonders  da  sich  unbedingt  Nach- 
grabungen auch  auf  das  mit  Kirchberg  verbundene  Windberg,  dessen 
Anlage  und  Umfassung  noch  deutlich  zu  erkennen  sind,  erstrecken 
müßten.  Außer  Beiträgen  von  Vereinen  (Verein  fürThür.  Geschichte, 
Thür.  Waldverein,  Fuchsturm-Gesellschaft)  würde  die  Privatopfer- 
willigkeit, zunächst  wohl  in  Jena,  in  Anspruch  genommen  werden 
müssen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  kann  ich  nicht  umhin,  noch  auf  eins 
hinzuweisen  :  Es  wird  allgemein  angenommen,  daß  auf  der  vordersten 
Spitze  des  Hausbergs  ein  Burgbau  nicht  gestanden,  sondern  Greif- 
berg die  zweite,  durch  einen  Einschnitt  von  jener  getrennte  Er- 
höhung eingenommen  habe,  dem  sodann  Kirchberg  und  Windberg 
in  südlicher  Richtimg  gefolgt  seien.  Betrachtet  man  aber  die  Lage 
des  nördlichsten  (vordersten),  durch  einen  Einschnitt  —  früheren 
Graben  —  vom  Bergrücken  getrennten  Vorsprungs  *),  so  muß  es  billig 
wunder  nehmen ,  daß  der  festeste  Punkt,  der  zugleich  die  weiteste 
Umschau  gewährt,  keine  Befestigung  getragen  haben  soll.  Nach- 
forschungen auch  an  dieser  Stelle  würden  wohl  Aufschluß  darüber 
gewähren. 


III. 
Ueber  das  rote  Buch  von  Weimar. 

Von  Großh.  Sachs.  Landesgeometer  A.  Müller  in  Weimar. 

Das  rote  Buch  von  Weimar  im  Geh.  Haupt-  und  Staatsarchiv 
zu  Weimar   enthält  gegenwärtig  noch  22  Blätter,  während  es  nach 


1)  Eine  vor  einiger  Zeit  am  Hausberge  vorgenommene  Unter- 
suchung hat  dem  Verfasser  gezeigt,  daß  die  vordere  Kuppe, 
von  welcher  aus  man  das  ganze  Saalthal  abwärts  bis  Dornburg 
übersieht,  zu  einem  größeren  Bauwerke  zu  beschränkt,  jedenfalls 
einen  Wartturm  getragen  hat.  Außerdem  hat  sich  noch  unterhalb 
des  Fuchsturms  ein  in  den  Fels  gehauener  etwa  I74  ni  hoher,  1  m 
breiter  Eingang  gezeigt,  der  aber  in  einer  Tiefe  von  2 — 3  m  ver- 
schüttet ist. 


176  Miszellen. 

den  Mitteilungen  des  Herausgebers  Otto  Franke  bei  der  im  Jahre 
1413  erfolgten  Uebergabe  von  Hans  Brandenhayn  an  Conrad  Thune 
deren  30  enthalten  hat;  das  letztere  soll  aber  erst  gegen  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  eingeheftet  sein,  so  daß  im  ganzen  9  Blätter  fehlen. 
Der  Inhalt  von  5  dieser  fehlenden  Blätter,  so  weit  sie  die  „renthe 
und  gulde"  die  Abgaben  der  Ortschaften  betreffen,  läßt  sich,  wie 
der  Herausgeber  es   gethan,   nach  dem   sog.  Dresdener  Eegister  er- 

fänzen ,  während  4  Blätter  unbeschrieben  gewesen  sein  sollen, 
letzteres  erscheint  zweifelhaft,  da  selbst  die  Deckelseiten  des  Buches 
zu  Niederschreibungen  benutzt  worden  sind.  Mit  Sicherheit  aber 
läßt  sich  nachweisen,  daß  wenigstens  eines  dieser  4  Blätter  be- 
schrieben gewesen,  ja  sogar,  was  es  enthalten  hat. 

Auf  Ö.  62  der  Franke'schen  Ausgabe  des  roten  Buches  be- 
findet sich  ein  Abschnitt,  der  eine  Fortsetzung  der  Mitteilungen  auf 
einem  fehlenden  Blatte  ist.  Der  Abschnitt  lautet:  [Slogers  ersten 
werten,  des  hat  Wydenhayn's  tochter  und  yr  vater  von  yrentwegen 

unde  yrme  kynde  gute  und  gnuge  gehabt Och  sint  die  rat- 

meystere,  nemelich  Hans  Casper  und  Claus  Frangke,  und  die 
gancze  gemeyne  eyn  worden,  die  heymborgen  nicht  mehr  soUen 
vorczeren,  dan  eyn  alt  schogk,  darmyt  sollen  sie  dem  herten  sin  Ion 
yn  vordem.  Ouch  hat  uns  unßer  her  er  Bernhart  Viczthum  begnadt 
und  gefriget  alles  czols  obgnant  czu  Magdala  koufft  adder  verkoufft. 
Ouch  hat  uns  unßer  herre  er  Bernhart  befryget  mit  unßerm  stat- 
graben,  daz  wir  mögen  dorynne  haben  fische  der  stat  czu  guthe.] 

Dazu  sagt  der  Herausgeber:  „Es  ist  dies  eine  Ergänzung  der 
Niederschrift,  welche  auf  dem  fehlenden  Blatte  .  . .  (jedenfalls  nicht 
dem  vorhergehenden) . . .  gestanden  hat.  Die  Hauptschrift  wird  ebenso 
wie  die  Ergänzung  Verträge  zwischen  dem  Rat  von  Magdala  und 
Bernhard  Vitzthum,  der  um  1438  dort  saß,  enthalten  haben  und 
dem  Landesherrn  zur  Genehmigung  vorgelegt  worden  sein.  Im 
roten  Buch  hat  sie  dann  in  wörtlicher  Abschrift  Aufnahme  ge- 
funden, wodurch  es  sich  erklärt,  daß  die  Eatmeister  von  Vitzthum 
als  von  „unserem  Herrn"  sprechen.  Der  Eingang  obiger,  ziemlich 
undeutlich  geschriebener,  Ergänzung  bleibt  etwas  unklar.  Es  handelt 
sich  wohl  um  Besitztum  von  Sloger's  ersten  Ehefrau  (werten)  etc." 
Offenbar  steht  aber  der  Anfang  der  Einschaltung  von  „Sloger's 
ersten  werten"  an,  bis  „gute  und  genüge  gehabt"  mit  dem  Folgenden : 
„Och  sind  die  ratmeystere"  etc.  in  gar  keinem  inneren  Zusammen- 
hange, sondern  ist  die  Fortsetzung  einer  besonderen  Einschaltung:' 
das  Folgende  jedoch  von:  ,,Och  sint  die  ratmeystere"  bis  dorynne 
haben  Fische  der  stat  czu  gute"  muß  einen  ganz  anderen  Eingang 
gehabt  haben,  als  der  erste  Satz. 

Die  Magdala  betreffende  Hauptschrift  aber,  deren  Schluß  die 
letzten  Sätze  von:  Och  sint  die  ratmeystere"  etc.  an  bilden,  läßt 
sich  glücklicherweise  ergänzen. 

In  den  Jahren  1800—1805  erschien  in  Jena  bei  Johann 
Christian  Gottfried  Göpferdt  eine  Sammlung:  „Aeltere  und  neuere 
Gesetze,  Ordnungen  und  Cirkularbefehle"  etc.  Herausgegeben  von 
Johannes  Schmidt,  fürstl.  Sachs.  Legationsrath ,  Geh.  Sekretario 
und  Archivario  zu  Weimar,  die  auch  im  Band  XI  Statuten  (Stadt- 
ordnungen) verschiedener  Städte  des  Fürstentums  Weimar,  Allstedt, 
Apolda,  Bürgel,  Buttelstedt,  Buttstädt,  Ilmenau,  Berka,  Jena,  Neu- 
mark, Lobeda,  Dornburg,  Weimar  enthält,  und  welcher  zur  Er- 
gänzung   zwei  Nachträge  beigefügt  sind,  von  denen  der  erste  von 


Miszellen,  X77 

Johannoa  Schmidt  selbst,  der  zweite  aber  nach  dessen  To<le  von, 
seinem  Sohne  Karl  Leopold  Wilhelm  Schmidt,  Großherzogl.  Amts- 
adjunkt zu  Thalbürgel,  vollendet  und  herausgegeben  worden  ist, 
Jena  1819  bei  Georg  Schreiber. 

In  diesem  zweiten  Nachtrage  (Bd.  XI  der  Sammlung)  befinden 
sich  Statuten  von  Magdala,  deren  letzte  3  Sätze  lauten :  ,,Auch  sint 
die  Rathis  Meistern,  nemblich  Hannß  Oarppat  und  Claus  Franke 
und  die  ganze  Gemeine  eins  worden,  die  Heimburgen  nicht  mehr 
sollen  verzehren  denn  ein  alt  schogk,  damit  sollen  sie  dem  Herten 
sein  Ix)hn  einforden." 

„Auch  hat  vns  vnser  Herre  Er  Bernhard  gefreyhett  mit  vnsern 
Stadt-Graben,  das  wir  mögen  darinne  haben  Fische  der  Stadt  ze 
Guette." 

Trotz  der  wenig  Verständnis  der  damaligen  Sprech-  und 
Schreibweise  verratenden  Orthographie  und  unsorgfältigen  Abschrift 
ist  es  offenbar,  daß  diese  3  Sätze  mit  den  im  roten  Buche  ent- 
haltenen, oben  angegebenen  identisch  sind ,  und  es  läßt  sich  mit 
Sicherheit  behaupten,  daß  auf  einem  der  herausgeschnittenen  Blätter 
die  Statuten,  d.  i.  die  alte  Stadtordniing  von  Magdala  verzeichnet 
gewesen  ist.  Diese  Statuten,  wie  sie  im  zweiten  Nachtrage  der 
Schmidt'schen  Sammlung  enthalten  sind,  lauten  in  wörthcher  Ab- 
schrift: 

Copia  oder  P^xtract  der  vhralten  Statut  vnd  Ge- 
rechtigkeit der  Stadt  Magdala,  welche  Ihnen  von  dem 
Gnädigen  Herrn  von  Orlamunda  vnnd  von  Herrn 
Bernhardt  Vi  tzthumb  Rittern  Gegeben  vnd  sich  der- 
selben zu  gebrauchen  gegonnet  vnd  nachgelaßen  ist. 
1406: 

,,Ditz  ist  die  Wirde,  die  wir  Burgern  vnd  Nachbaren  alle  der 
Stadt  Magdala  haben  gehabt  vonn  den  Genedigen  Herrn  von  Orla- 
munda, vnd  nuhn  auch  haben  von  unserm  genedigeu  Herrn.  Em 
Bernhardt  Vitzthum,  Ritter  daselbst,  dem  wir  gemeingkhch  rechter 
Erbschuldigung  gethan  haben. 

Zu  dem  Ersten  haben  die  Raths-Meistere  alle  lehenn  ober  die 
Höfe  in  der  Stadt  vnd  vor  der  Stadt,  ausgeschlossen  Vier  Hoffe, 
gelegen  in  der  Vorstadt;  vcö»  denselben  Höfen,  die  die  Rathis- 
meister  leyhen,  hatt  vnser  genediger  Herr  Ihn  von  dem  Hof  Vj  pf. 
zu  lehen  und  Vj  pf.  zu  laßsenn. 

Zu  dem  andernmahle  sol  man  keinen  Burger,  der  dahn  wol 
besessene  ist,  nicht  fahen  vmb  busse,  die  ihme  zugetheHet  wurdet 
vor  unserer  genedigen  Herren  Gerichte. 

Zu  dem  drittenmahle  wirdt  Ihmand  Burger  mit  vnns  zu  Mag- 
dala, daran  hat  unser  genediger  Herr  Vj  pf . ,  lest  er  aber  sein 
Burgerrecht  vff,  so  wirdt  vnsern  Herrn  aber  Vj  pf. 

Zu  dem  Viertenmahle  seint  wir  gewirdiget,  das  wir  in  der 
Stadt  nicht  fröhnen  sollen,  es  treffe  danne  die  Stadt  ahn,  sondern 
in   der  Vorstadt  hatt  vnser  genediger  Herre  Frohnen   und  Dienste. 

Zu  dem  Fünfftenmahle,   wehr  es  Sache,  ob  vnser  Burger  einer  . 
vngehorsam   wolte   sein   den  Rathis-Meisteren   das    der   Stadtgeboth 
anarette,  die  Busse,   haben  wir  zu   legen   an  vnser  Stadt  Nutz,  vn- 
beschadiget  vnnsem  genedigen  Herren  Gerechtigkeit. 

Zu  dem  Sechstenmahle  haben  wir  die  Freyheit,  das  die  Burger 
seint  frey  Eydt-  Geldes  vnd  Zohlß,  es  wehre  den  Saclie,  das  ein 
Burger  einen  Tisch  setzet  vff  den  Margkt,  vnnd  hatte  doruff  feylen 

XXI.  12 


;[78  Miszellen. 

Kouff ,  der  ist  Pflichtigk  Vj  pf.  vf  Sant  Martins  Abend  vf  das 
Schloße;  wurdet  er  aber  seuraigk  vff  den  Abendt,  dohe  ist  er  ver- 
fallen vnserm  genedigen  Herren  V  Schillinge  pf. 

Zu  dem  Siebendenmahle  haben  wir,  das  die  Miett  Nachtbarn, 
die  dahe  dinck  Pflichtigk  sinnt,  was  die  knuffen  in  Ihr  Haus  zu 
ihrer  Liebes-Nahrunge,  oder  Sahmen  vff  ihrn  Acker,  darvon  sollen 
sie  nicht  zollen;  vorkaufen  sie  aber  was,  des  sollen  sie  vorzollen. 

Zu  dem  Achtenmahle,  wehr  es  Sache,  das  ein  Mahn  keuffte 
vnter  vnsern  genedigen  Herren  Erbe  oder  Guett,  das  dahe  Schosbar 
wehre,  dahe  soll  er  nicht  von  zollen;  Verkaufet  er  es  aber,  da  von 
soll  er  zollen. 

Item  zu  den  zweien  Hoch-Gerichten  alle  Mase  zu  besehenn,  es 
seint,  Korn  Maße,  Bier-Maße  oder  Wein-Maße;  welches  des  zu  kleine 
ist,  daran  hat  vnser  genediger  Herr  V  Schillinge  pf.  Gnade,  vnd 
das  Maße  mitthe. 

Item  auch  welch  Burger  da  schenket,  der  ist  pflichtigk  vnns 
je  vff  das  hohe  Gerichte  ein  Schillingk  zu  gebene,  Thut  er  das  nicht 
weil  der  Kichter  sitzet,  so  soll  er  den  Schillingk  gebenn  vnd  Fünff 
Schilhnge  zu  Buße  vff  Gnade. 

Auch  merket.  Schenket  er  zwischen  zwei  Hochgerichten  nicht, 
so  darf  er  den  Schillingk  nicht  geben. 

Auch  sollen  die  Moller  ihre  Metzen  bringen  vff  dieselbige  Zeit 
bey  der  vorgeschriebenen  Busse. 

Auch  haben  wir  Burger  die  Wirde  und  die  Freyheit,  das  wir 
theilen  noch  kein  vrtteyl  ansprechen,  das  Hals  vnd  Hand  antrifft. 
Auch  haben  wir  die  Wirde,  das  niemandt  in  der  Pflege  zu 
Magdala  vber  die  vnnser  genedige  Herr  zu  gebieten  vnd  Macht  hat, 
nicht  sollen  schenken  nah  wechselin  heimlich  noch  offen  bahr,  den 
wir  Burger  in  der  Stadt  vnd  vor  der  Stadt  zu  Magdala. 

Auch  sollen  wir  Burger  zu  Magdala  die  Stadt  bestellen  vnd 
halten  mit  Getrenken  also  das  man  stettUchen  schenken  soll  Bier 
oder  Wein,  ob  man  beydes  nicht  gehaben  könnte,  so  soll  man 
einerley  schenken  vnd  feile  haben  stethchen  vnd  vber  Jhar,  vnndt 
welche  Zeit  das  Getrenke  Gebruch  wurde  vnder  vns  Bürgern  vnd 
nicht  einer  schengken  bey  einem  Tage  vnd  bey  einer  Nacht :  So  hette 
vnser  genediger  Herr  V  Schillinge  zur  Busse  vff  Gnade  von  Jedem 
Burger,  der  in  dem  Viertel  Jahre  geschenket  hatte  dohe  der  Ge- 
bruch Ihnnen  wurde  des  Geschenkens. 

Auch  hatt  ein  Thorwarter  der  vnser  Stadthor  vnnd  Nachtbarn  • 
beschielst  von  dem  Brenne-Holze,  das  man  vff  das  Schlos  führet, 
dohe  soll  er  von  jedem  Fuder  haben  zwehn  Wellen  Holzes. 

Auch  ob  jemand  Burger  wurde  vnter  vnsern  genedigen  Herrn, 
zu  vnser  Stadt,  der  soll  sein  Burger  vnd  Vorrechten  drey  Jhar  mit 
aller  Gewohnheit  vnd  Eenthen  der  Stadt  als  ein  ander  Burger.  Ob  es 
Sach  wehre  das  Ihme  nach  der  Zeit  nicht  forder  fugete  oder  Lüste 
zu  bleiben,  das  sol  er  vnuordacht  sein. 

Auch  haben  wir  die  Wirde,  in  der  Stadt  vnd  vor  der  Stadt  zu 
fischen  mit  Hammen  oder  mit  Henden  in  dem  Wasser,  das  dahe 
heiset  die  Magdala  eine  Gemeine,  da  vns  die  genedigen  Herrn  von 
Orlamunde  mit  begnadet  haben. 

Auch  soll  ein  jeder  Mann  sein  Mist  ausschicken  den  er  ge- 
schutt  hat  vf  die  Gasse,  es  sey  in  der  Stadt  oder  vor  der  Stadt, 
vor  Sanct  Johannes  Tag  des  Teuffers,  vnsers  Haupt  Herrn;  Thut 
68  der  nicht,   so   ist  er   vnserm  genedigen   Herrn  V   schilhnge  zu 


Mißzellen.  179 

Busse  verfallen   vff  Gnade,   Er  ließe   Ihn  denn    legen  mit  vnsers  , 
Herrn  vnd  des  Voigts  Gunst  Wissen  vnd  Willen. 

Auch  sind  die  ßathis  Meistern,  nemblich  Hans  Carppat  und 
Claus  Franke  vnd  die  ganze  Gemeine  eins  worden,  die  Heimburgen 
nicht  mehr  sollen  verzehren,  denn  ein  alt  schogk,  damit  sollen  sie 
dem  Herten  sein  Lohn  einfordern. 

Auch  hatt  vns  vnser  Herre  Er  Bernhard  Vitzthumb  begnad 
vnd  gefryget  alles  Zohis.  obgnant  zu  Magdala  Kaufft  oder  Vorkauff t. 

Auch  hatt  vns  vnser  Herr  Er  Bernhard  gefreyet  mit  vnserm 
Stadt  Graben,  das  wir  mögen  darinne  haben  Fische  der  Stadt  zu 
Guette.    1406." 

Daß  diese  Statuten  älter  sind  als  die  beigefügte  Jahreszalil 
1406,  beweist  der  Eingang  derselben:  „Ditz  ist  die  Wirde,  die  wir 
Burgern  vnd  Nachbarn  alle  der  Stadt  Magdala  haben  gehabt  von 
dem  genedigen  Herrn  von  Orlamunde  etc.",  denn  1393  schon 
hatte  Otto  X.  Magdala,  Schauenforst  und  Buchfart  dem  Landgrafen 
Balthasar  übergeben  und  von  diesem  wieder  in  Lehn  empfangen. 
Nach  dem  Tode  Balthasar's  im  Jahre  1406  mögen  die  Statuten  er- 
neuert worden  sein,  als  die  Söhne  des  1403  verstorbenen  Grafen 
Otto  X.  Magdala  besaßen.  1437  erkauft  Herzog  Wilhelm  von  Sachsen 
vom  Grafen  Sigismund  von  Orlamunde  Magdala  —  das  zeitweilig 
im  Besitze  der  Grafen  von  Schwarzburg  gewesen  —  und  belehnt 
1438  damit  seinen  Rat  Bernhard  Vitzthum,  den  jüngsten  der  drei 
bekannten  Brüder  (Apel,  Busso  und  Bernhard).  Bei  dieser  Gelegen- 
heit mag  die  im  Jahre  1406  erneute  Stadtordnung,  in  welcher  der 
neue  Besitzer  wohl  eingetragen,  die  Jahreszahl  aber  durch  den  Ab- 
schreiber unverändert  gelassen  worden  ist,  im  roten  Buche  Aufnahme 
gefunden  haben. 

Daß  im  Jahre  1671  diese  alten  Satzungen  noch  im  Fürstlich 
Sachs.  Gesamtarchiv  vorhanden  gewesen,  beweist  die  neue  Stadt- 
ordnung von  diesem  Jahre,  in  welcher  es  heißt: 

„Von  Gottes  Gnaden,  Wir  Johann  Ernst,  Hertzog  zu  Sachsen  etc. 

Vor  Uns  und  die  Durchlauchtige  Fürsten  Unsere  freundlich 
geliebten  Brüdern  und  Gevettern,  Herrn  Johann  Georgen  und  Herrn 
Bernhardten,  Herzogen  zu  Sashsen,  JüUch,  Cleve  und  Bergk,  hier- 
mit thun  kund  und  bekennen :  Das  Uns  der  Bath  und  Gesamte 
Bürgerschaft  der  Stadt  Magdala  in  Unterthänigkeit  wehmüthig  zu 
erkennen  gegeben,  was  gestalt  in  der  ao.  1663  durch  Gottes  ver- 
hängniß  daselbst  entstandenen  großen  Feuers-Brunst  xulter  andern 
auch  ihr  statuta,  leider!  mit  im  Ilauch  autgegangen,  welche  sie  aber 
aus  einem  bey  Unseren  Gesamten  Amte  allhier  vor- 
handenen alten  Exemplare  abschriftlich  wieder  erlanget  etc." 

Eine  nach  diesem  alten  Elxemplare  der  Magdalaer  Stadtordnung 
angestellte  Nachforschung  im  Geh.  Haupt-  und  Staatsarchiv  hat 
ein  negatives  Resultat  gehabt,  wodurch  die  Annahme  an  Sicherheit 
gewinnt,  daß  unter  diesem  alten  P2xemplare  die  Eintragung  der 
Stadtordnung  im  roten  Buche  gemeint  gewesen  ist.  Hieraus  würde 
sich  weiter  ergeben,  daß  die  im  Bd.  XI,  S.  346 ff.  der  Sammlung 
der  Ordnungen  und  Befehle  abgedruckten  Statuten  der-  Stadt  Mag- 
dala, zweifellos  der  Aufzeichnung  im  roten  Buche  entnommen  ist, 
woraus  die  weitere  Schlußfolgerung  zu  ziehen  wäre,  daß  das  fehlende 
Blatt  im  roten  Buche,  auf  welchem  sich  der  Eingang  der  Stadt- 
ordnung befand,  noch  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  vorhanden 
gewesen  ist. 

12* 


180  Miszelleü. 

Bei  dieser  Gelegenheit  dürfte  es  wohl  gestattet  sein,  in  einem 
Punkte  der  sich  in  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüringische 
Geschichte  und  Altertumskunde,  Neue  Folge,  Bd.  7,  S.  576  befind- 
lichen Kritik  über  die  Ausgabe  des  roten  Ruches  von  O.  Franke 
entgegenzutreten. 

Auf  S.  21  der  Franke'schen  Ausgabe  heißt  es: 

„Item  vier  bruswin,  ye  daz  scoyn  ffunfftzen  Schillinge  phennige 
wert"  und  bemerkt  dazu  in  einer  Anmerkung:  „Brühschwein,  em 
noch  junges,  zur  Mast  bestimmtes  Schwein"  (Mitteilung  eines  Land- 
wirts). Die  Eichtigkeit  dieser  Erklärung  ist  angezweifelt  worden; 
ich  glaube  aber,  dieselbe  nachstehend  erweisen  zu  können. 

Die  etwaige,  schon  von  anderer  Seite  ausgesprochene  Erklärung 
von  bruswin  =  Brauschwein  und  bachswin  =  Backschwein,  als  eine 
Abgabe  für  das  Brauen  und  Backen,  möchte  wohl  nicht  berechtigt 
sein.  Bachschwein,  Bache,  ist  eine  noch  jetzt  übliche  Bezeichnung 
für  eine  Wildsau,  Mutterschwein,  also  ein  ausgewachenes  Tier.  Sollte 
bruswin  wirklich  „Brauschwein"  bedeuten,  so  müßte  es  wohl  heißen 
„brouweswin".  Außerdem  müßte  aber  diese  Abgabe  von  Brau-  und 
Backhäusern  entrichtet  werden,  was  nirgends  der  Fall  ist,  sie 
wird  vielmehr  ausschließlich  von  Mühlen  gegeben,  weil  in  diesen 
die  Mästung  am  leichtesten  und  besten  stattfinden  konnte. 

Daß  aber  unter  bruswin  ein  noch  junges  —  zur  Mast  bestimmtes 
—  Schwein  zu  verstehen  ist,  ergiebt  indirekt  der  im  rothen  Buche 
an  der  betr.  Stelle  angegebene  Preis,  der  für  ein  bachswin  —  ge- 
mästetes Schwein  —  auf  30  Schillinge,  für  ein  bruswin  auf  die 
Hälfte  —  ye  das  swin  ffunfftzen  shiflinge  phennige  wert  —  ange- 
nommen wird. 

Jedoch  auch  einen  ganz  direkten  Beweis,  daß  unter  bruswin 
ein  zur  Mast  bestimmtes  Schwein  zu  verstehen  ist,  liefert  das  rothe 
Buch  selbst.  In  dem  „litera  ober  die  ßorgmoel"  (S.  71)  heißt  es 
auf  S.  72  f. :  ,,vier  gude  bachswin  unde  drie  gute  bruwswin  yre 
eygen,  unde  ein  bruwswin  zcu  mäste,  das  wir  in  von  unserm 
Vorwerke  gebin  sullen."  Ebenso  erwähnen  die  Aufzeichnungen  des 
landgräflichen  Oberschreibers  (Kanzlers)  Thomass  von  Bottilstete 
vom  Jahre  1443  der  bach-  sowie  der  bruswin,  und  Dr.  K.  Menzel, 
der  Herausgeber,  bemerkt  dazu:  „Von  dem  Worte  Brühschwein 
habe  ich  in  keinem  Wörterbuche  eine  Erklärung  gefunden ;  aus  ver- 
schiedenen ungedruckten,  aber  auch  gedruckten  Stellen  ersieht  man,- 
daß  ein  junges  Schwein  darunter  verstanden  wird." 

Der  Unterschied  in  der  Benennung  der  Schweine  bezog  sich 
überhaupt  wohl  nur  auf  Größe  und  Schwere,  wie  auch  aus  den 
Aufzeichnungen  des  Kitters  Hans  v.  Schweinichen  hervorgeht,  der 
als  Theil  seiner  Besoldung  erhält:  1  Speckschwein  und  1  Eßschwein, 
d.  h.  ein  gemästetes  und  ein  ungemästetes. 

Auf  dem  Lande,  namentlich  in  der  Gegend  von  Weimar,  wird 
auch  heute  noch  ein  junges,  ungemästetes  Schwein  als  „Brühschwein" 
bezeichnet.  Die  p.  Franke'sche  Erklärung  im  roten  Buche  erscheint 
also  wohl  berechtigt. 


Litteratur. 
I. 

Geschichte  der  Stadt  Pößneck.  Pößneck  1902.  X,  536  SS.  8".  Preis 
gebunden  4  Mk.  für  die  Ausgabe  auf  Zeitungspapier,  5  Mk.  für 
die  auf  besserem  Papier. 

Dies  Buch  erschien  ursprünglich  bogenweise  seit  1894  als  Bei- 
gabe der  von  Fr.  Gerolds  Buchdruckerei  zu  Pößneck  herausgegebenen 
„Pößnecker  Zeitung".  In  der  ersten  Ankündigung  desselben  würden 
Lehrer  Fr.  Alb.  Köhler  in  Gera  und  Diakonus  (jetzt  Archidiakonus) 
Harry  Wünscher  in  Neustadt  a.  Orla  als  Verfasser  genannt,  jener 
als  Bearbeiter  des  die  ,,Sagen"  betreffenden,  dieser  als  Bearbeiter 
des  geschichtlichen  Teiles.  Das  Vorwort  vom  Februar  1902  führt 
die  genannten  beiden,  sowie  Kantor  Ludwig  Greiner  in  Pößneck-  als 
,,voruehralichste"  Mitarbeiter  an  und  ist  unterschrieben:  „Redaktion 
der  Pößnecker  Zeitung  und  der  Geschichte  der  Stadt  Pößneck.  Fr. 
Herrn.  Hausotter." 

Was  die  hier  veröffentlichten  Sagen  anlangt,  so  haben  dieselben 
mit  der  Geschichte  der  Stadt  Pößneck  so  gut  wie  gar  nichts  zu  schaffen. 
Den  „Volkssagen  aus  dein  Orlagau"  von  W.  Börner  (1838)  und  dein 
„Sagenbuch  des  Voigtlandes"  von  R.  Eisel  (1871)  entnommen,  be- 
ziehen sich  dieselben,  außer  No.  10  „Berchta  in  Jüdewein"  (das  ehe- 
malige Dorf  Jüdewein  gehört 'fetzt  zur  Stadtgemeinde  Pößneck),  nur 
auf  Örtlichkeiten,  die  jenseits  der  Pößnecker  Flurihark  liegen;  sie 
besitzen  daher  wohl  für  die  Geschichte  des  Orlagaues  im  allgemeinen, 
nicht  aber  für  die  besondere  von  Pößneck  Wert.  Dem  geschicht- 
lichen Teil  des  Buches,  der  mit  S.  41  beginnt,  liegen  in  "ferstcr  Linie 
Aufzeichnungen  zu  Grunde,  die  der  vor  etlichen  Jahren  verstorbene 
Stadtkämmerer  Gustav  Wohlfarth  zu  Pößneck  hinterließ.  Aus  Lieb- 
haberei für  die  Geschichte  seiner  Vaterstadt  hatte  er  sie  geschrieben, 
teils  als  Auszüge  aus  einschlägigen  Geschichts werken,  teils  als  Selbst- 
erforschtes und  Selbsterlebtes.  Eine  Veröffentlichung  derselben  lag 
ihm  fern ;  denn  er  war  sich,  und  mit  Recht,  bewußt,  daß  ihm  die 
zu  wissenschaftlichen  Leistungen  nötige  Ausbildung  fehlte.  Anders 
dachten  die  oben  genannte  „Redaktion  der  Pößnecker  Zeitung  und 
der  Geschichte  der  Stadt  Pößneck",  sowie  ihre  Mitarbeiter.  Trotz 
wohlgemeinter  Warnungen  unternahmen  sie  es,  auf  Grund  jenes 
Wohlfarthschen  Nachlasses  eine  Geschichte  der  Stadt  Pößneck  heraus- 
zugeben. Bezeichnend  für  die  Verfasser  ist,  daß  es  ihnen  gar  nicht 
einfiel,  das  städtische  Archiv  zu  Pößneck  auszubeuten.  Zwar  wird 
das  in  dem  Vorwort  (S.  IX)  mehrdeutig  ausgedrückt:  „auch  ist  uns 


i8ä  Litteratui*. 

die  Durchforschung  des  städtischen  Archivs  nicht  möglich  gewesen", 
aber  in  Wirklichkeit  dachten  Hausotter  und  Genossen  von  vorn- 
herein gar  nicht  daran,  dies  Archiv  oder  gar  andere  Archive  zu 
durchforschen;  dafür  boten  nach  ihrer  Ansich^t  die  Aufzeichnungen 
Wohlfarths  völligen  Ersatz.  Ihre  Gleichgiltigkeit  gegenüber  neueren 
archivaÜschen  Forschungen  ging  so  weit,  daß  sie  die  vom  Unter- 
zeichneten veröffentüchten  Beiträge  zur  Geschichte  Pößnecks  nur 
zum  kleinsten  Teil  (S.  506  ff.  „Der  Eathaus-Umbau",  ohne  Quellen- 
angabe), und  selbst  diesen  nur  mit  Verwischung  wichtiger  That- 
sachen  verwerteten,  daß  sie  ferner  auf  jene  Arbeiten  überhaupt  gar 
nicht  hinwiesen.  Es  kann  dem  Unterzeichneten  nicht  im  mindesten 
Abbruch  thun,  daß  derselben  ii;  diesem  Buche  nicht  gedacht  wurde ; 
aber  wenn  im  Vorwort  S.  IX  gesagt  ist:  „Alles  Erreichbare  wurde 
herangezogen,  die  Wahrheit  zu  ergründen",  so  nimmt  sich  das  an- 
gesichts jener  Thatsache  aus  wie  ein  Faustschlag  ins  Antlitz  der 
Wahrheit. 

Von  den  Mängeln,  die  sich  in  dem  Buche  breit  machen,  seien 
folgende  hervorgehoben:  Die  ganz  unbegründete  Vermutung,  daß 
einst  auch  Katten  in  der  Gegend  von  Pößneck  und  Saalfeld  seßhaft 

fewesen  seien,  wird  auf  S.  47  durch  Ortsbezeichnungen  („Katten- 
oppen,  Kattenloch  bei  Saalfeld,  Kattenstein  bei  Pößneck,  Katten- 
fels  bei  Opitz")  zu  stützen  gesucht,  die  dort  gar  nicht  bestehen.  — 
Die  Ableitung  des  Namens  Pößneck  von  „Piseck"  (S.  51)  ist  abge- 
schmackt. Dasselbe  gilt  von  der  Erklärung  des  Namens  Jüdewein 
(S.  52).  —  Die  Vermutung,  daß  König  Heinrich  I.  die  Stadt  Pößneck 
befestigt  habe  (S.  52),  ist  ganz  unbegründet.  —  Die  Namen  „Saal- 
felder Thor",  „Neustädter  Tiior"  (S.  53 — 55)  sind  nicht  geschichtlich. 
—  Die  Urkunde  vom  27.  September  1488  (S.  58)  ist  durchaus  nicht 
im  „buchstäblichen  Wortlaut",  vielmehr  unvollständig  und  auch 
sonst  fehlerhaft  mitgeteilt.  —  Die  Angaben  über  das  älteste  und 
über  die  Erbauung  des  jetzigen  Rathauses,  sowie  über  die  Inschrift 
und  Uhr  an  letzterem  (S.  66  ff.)  sind  falsch.  —  Die  der  Stadt  Pöß- 
neck erteilte  Erlaubnis,  sich  den  Schultheiß  selbst  zu  wählen  (S.  76), 
war  nicht  gleichbedeutend  mit  der  Erteilung  der  niederen  Gerichts- 
barkeit. —  Der  Mauritiusmarkt  (S.  77)  hat  nicht  seinen  Namen  von 
der  Pfarrkirche.  —  Das  Patronatsrecht  über  die  Stadtkirche  (S.  80) 
war  dem  Stadtrat  nicht  eigen.  —  Die  Städte  Pößneck  und  Saalfeld 
besaßen  keine  gemeinsame  Stadtordnung  (S.  93).  —  Die  Angabe,  daß  ■ 
jedes  neue  Mitglied  des  Stadtrates  der  Stadt  eine  neue  Armbrust 
habe  verehren  oder  zwei  alte  habe  ausbessern  lassen  müssen  (S.  69 
und  277),  ist  ganz  verkehrt.  Dasselbe  gilt  von  der  Behauptung  (S.  100), 
der  Stadtrat  habe  die  Bestrafung  der  Totschläge  und  die  Einnahme 
von  200  Scheffel  Zollhaber  sich  widerrechtlich  angeeignet.  —  Die 
Urkunde  vom  2.  März  1479  ist  sehr  fehlerhaft  mitgeteilt  (S.  101).  — 
Die  Stadt  besaß  nicht  „seit  1341  die  Holzung  am  langen  Berge 
nebst  der  Jagd  von  den  Grafen  von  Orlamünde"  (S.  119),  —  Daß. 
Bonifatius  bis  in  die  Gegend  von  Pößneck  gekommen  sei  (S.  135), 
müßten  die  Verfasser  des  Buches  erst  beweisen.  —  (Zu  S.  136  ff.)  Die 
Angaben  über  „St.  Jüdewitz"  sind  größtenteils  hinfällig.  Wann  die 
Veitskirche  erbaut  wurde,  ist  nicht  bekannt;  sie  war  übrigens  niemals 
„Hauptstätte  des  christlichen  Kultus  für  Pößneck".  Der  Name  der 
Stadtkirche  zu  Pößneck  ist  nicht  „St.  Mauritiuskirche",  auch  besitzt 
der  heil.  Mauritius  daselbst  kein  Standbild.  —  Die  Erbauung  der 
Hospitalkirche  in  das  Jahr  1412   zu  verlegen  (S.  144),  entbehrt  jeg- 


Litteratur.  183 

liehen  Grundes.  —  (Zu  8. 148.)  Die  Stadt  Pößneck  war  nie  ein  Filial 
des  Dorfes  Jüdewein,  ebenso wenip  war  die  Kirche  zu  Jödewein  die 
Bartholomäuskirche  der  Stadt  Pößneck ;  auch  haben  die  Pfarrer  von 
Pößneck  nie  in  Jüdewein  gewohnt.  —  (Zu  S.  151.)  Die  Stadtkirche 
besaß  keinen  Altar  des  heil.  Nicolaus.  —  (Zu  S.  152  u.  155.)  Der 
Vikar  Heinrich  Schmidt  gehörte  nicht  den  Karmelitern  zu  Pößneck 
an,  war  überhaupt  kein  Mönch.  Das  Kloster  zu  Pößneck  bestand 
nicht  erst  seit  ohngefähr  1380,  sondern  bereits  1348.  —  Es  ist  eine 
Fabel,  daß  die  älteste  Pößnecker  Schule  von  den  Mönchen  geleitet 
worden  sei  (S.  154  und  177). 

Besser  unterrichtet  zeigen  sich  die  Verfasser  bei  der  Behandlung 
neuerer  Verhältnisse,  sowie  auch  der  Handwerke  und  der  Industrie 
im  allgemeinen.  Aber  der  Mangel  an  gründlichen  Quellenstudien  und 
an  sachgemäßem  Urteil  macht  sich  auch  hier  oft  fühlbar.  Man  ver- 
gleiche nur  den  dürftigen  Abschnitt  über  den  Bergbau  (S.  27;}  ff.), 
sowie  die  Behauptung  auf  S.  472,  daß  „jede  Spur  einer  Aufzeichnung 
über  Armenpflege  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Existenz  unserer 
Stadt"  fehle,  ferner  den  Abschnitt  „Lebensmittelpreise  vor  50  Jahren 
und  jetzt"  (S.  464).  Der  letztere  beweist,  daß  die  Verfasser  keine 
Ahnung  davon  haben,  wie  sehr  der  Geldwert  in  der  Zeit  von  1850 
bis  1901  gesunken  ist.  Während  minder  wichtige  Dinge,  z.  B.  die 
Vereine,  zum  Teil  recht  weitschweifig  besprochen  werden,  vermißt 
man  andererseits  vieles,  was  notwendig  in  eine  Geschichte  der  Stadt 
Pößneck  gehört.  Allerdings  heißt  es  im  Vorwort:  ,,Ein  vollkommenes, 
nach  jeder  Seite  vollständiges  und  unanfechtbares  Werk  zu  liefern,  lag 
niemals  in  unserer  Absicht."  Als  ob  ein  derartiges  Geschichtswerk 
überhaupt  möglich  wäre!  Aber  die  „Redaktion  der  Pößnecker 
Zeitung  und  der  Geschichte  der  Stadt  Pößneck",  sowie  ihre  Mit- 
arbeiter Wünscher  und  Greiner  haben  sich  unterfangen,  das  eben 
besprochene  Buch  mit  ganz  unzulänglichen  Mitteln  und  zugleich 
mit  absichtlicher  Mißachtung  ehrlicher  Forschung  in  die  Welt  zu 
setzen,  und  für  diesen  Frevel  gegen  die  heimische  Geschichte  giebt 
es  keine  Entschuldigung. 

Meiningen.  E.  Koch. 


II. 

Wttnsclier,  Harry :  Sagen,  Geschichte  und  Bilder  aus  dem  Orlagau. 

Erstes  Bändchen.    Pößneck  1902.    VIII,  116  SS.   klein  8".    Preis 

1,25  Mk. 

Dem  Vorwort  dieser  Schrift  zufolge  will  der  Verfasser  mit 
derselben  für  die  „geschichtliche  Kenntnis  des  Orlagaues"  Neues 
erbringen.  An  den  einleitenden  Abschnitt  „Der  Orlagau  im  Frühlicht 
der  Geschichte"  reihen  sich  zunächst  „Sagen".  Die  erste  ist  mit- 
geteilt von  Pfarrer  Bünger  in  Drognitz,  die  übrigen  sind  Wünschers 
eigenes  Werk.  Wenn  man  auch  annehmen  darf,  daß  denselben 
wirkliche  Volkssagen   zu  Grunde  liegen,  so  haben  diese  doch  durch 


184  Litteratur. 

die  pliantasievolle  Ausschmückung,  die  Wünscher  ihnen  gab,  den 
Charakter  der  echten  Volkssage  vöUig  verloren;  sie  sind  zu  er- 
künstelten Erzählungen  geworden  in  der  Manier,  wie  sie  der  Ver- 
fasser im  letzten  Teil  des  Buches,  in  den  „Bildern",  als  feuille- 
tonistische  „Zugabe"  bietet.  Setzte  er  bei  Auffalssung  der  letzteren  die 
Förderung  der  geschichtlichen  Kenntnis  des  Orlagaues  überhaupt 
ganz  aus  den  Augen,  so  hat  er  auch  in  betreff  der  „Sagen"  den  im 
Vorwort  ausgesprochenen  Zweck  des  Buches  nicht  erreicht.  Besser 
ist  es  um  den  zweiten  Teil  des  letzteren,  um  die  „Geschichten  aus 
dem  Orlagau"  bestellt.  Da  zeigt  sich  doch  wenigstens  das  Bestreben 
des  Verfassers,  den  von  ihm  gewählten  Stoff  sachgemäß  zu  behandeln. 
Freilich  bleibt  auch  hier  viel  zu  wünschen  übrig.  Der  Abschnitt 
„Eine  fromme  Mutter"  hat  seinöin  eigentlichen  Inhalt  nach  gar  nichts 
mit  dem  Orlagau  zu  thun,  und  der  Abschnitt  „Ein  Kampf  um 
Rom"  würde  nur  dann  in  das  Buch  gehören,  wenn  der  Verfasser 
die  „Ritter  und  Bürger  aus  dem  Orlagau",  die  er  auf  S.  96  für  sich 
ins  Gefecht  führt,  mit  Namen  genannt.. hätte.  Für  den  Abschnitt 
„Der  Hof  und  das  Handwerk"  ist  die  Überschrift  viel  zu  vornehm, 
und  ein  sonderbares,  unlogisches  Durcheinander  bildet  der  Abschnitt 
„Böse  Münze".  Von  andern  Ungenauigkeiten  und  Fehlern  seien 
nur  folgende  angeführt.  Über  den  erst  neuerdings  errichteten  Altar 
und  dessen.  Inschrift  in  der  wüsten  Kirche  zu  Würzbach  spricht 
der  Verfasser  in  einer  Weise  (S.  56  ff.),  als  wenn  dieser  Altar  ein 
alter  Überrest  dieser  Kirche  sei.  Die  von  Wünscher  als  „Teichmanns- 
dorf" bezeichnete  Wüstung  (S.  58  ff.)  hieß  urkundlich  Techmanns- 
dorf und  ist  jetzt  in  der  dortigen  Umgebung  nur  unter  dem  Namen 
Tiemsdorf  bekannt.  Nicht  im  Winter  1553/54  (S.  76),  sondern  in 
dem  von  1552/53  war  Neustadt  von  der  Pest  heimgesucht.  Denn 
die  von  Wünscher  (S.  78)  für  „verschrieben"  gehaltene  Jahrzahl 
1553  besteht  zu  Recht,  aber  mit  dem  auf  S.  77  angegebenen  Datum 
,.am  Tage  Stephani  1553"  ist  nicht,  wie  jener  meint,  der  26.  Dezember 
1553,  sondern  bekanntlich  der  gleiche  Tag  des  Jahres  1552  gemeint. 
Wie  wenig  der  Genannte  mit  den  ehemaligen  Kalenderdaten  vertraut 
ist,  merkt  man  auch  daran,  daß  er  den  Montag  nach  Erhardi  1553 
bezw.  1554  fälschlich  als  11.  Januar  bestimmt  (S.  78);  das  Wunder- 
barste auf  diesem  Gebiete  leistet  er  aber  auf  S.  102,  wo  er  die  für 
eine  Reihe  von  Jahren  giltige  Zeitangabe  „Sonntag  nach  corporis 
Christi",  noch  dazu  in  einem  undatierten  Schriftstück,  als  29.  Mai 
erklärt.  Auch  das  ist  sehr  bedenklich,  den  heutigen  Geldwert  einer 
Summe  von  Geldes  vom  Jahre  1633  lediglich  nach  dem  Preise  eines 
Pfimdes  Rindfleisch  von  damals  und  jetzt  zu  berechnen  (S.  89). 

Trägt  sich  Wünscher  mit  der  Absicht,  diesem  1.  Bändchen 
seiner  „Sagen,  Geschichten  und  Bilder  aus  dem  Orlagau"  noch 
weitere  folgen  zu  lassen,  so  möge  er  doch  den  Anforderungen  Rech- 
nung tragen,  die  man  billigerweise  an  derlei  Schriften  stellen  muß. 

Meiningen.  E.  Koch. 


Fronmuimsche  Buchdnickerei  (Hermann  Fohle)  in  Jena  —  2337 


IV. 

über  die  Verwendung  der  Klostergüter  im  Schwarz- 
burgischen zur  Zeit  der  Reformation. 

(Schluß.) 

Von 

Pfarrer  G.  Einicke  in  Immenrode  b".  Schernberg. 

II.  Die  Verwendung  des  schwarzburgischen  Stiftsgutes 
unter  Oraf  Günther  XL.,  1539  ff. 

Der  Tod  des  evangelischen  Grafen  Heinrich  XXXVII. 
am  12.  Juli  1538  war  ein  für  die  politischen  und  kirch- 
lichen Verhältnisse  der  schwarzburgischen  Herrschaften  be- 
deutungsvolles und  folgenschweres  Ereignis.  Graf  Heinrich 
XXXVII.  starb  ohne  männliche  Nachkommen,  so  mußte 
denn  seine  Herrschaft  an  den  Grafen  Günther  von  Schwarz- 
burg XL.,  Sondershausen-Prankenhausen,  fallen.  Dieser  Graf 
(cf.  über  ihn  Jovius  Chronic.  Schwarzb.,  Zeitschr.  f.  Thür. 
Gesch.  und  Altertumsk.,  N.  F.  Bd.  VIII,  1892,  S.  646  ff.), 
zu  dessen  Herrschaft  das  unterherrschaftliche  Gebiet  mit 
Ausnahme  des  Amtes  Clingen-Greußen  gehörte,  war  bis  zu 
dieser  Zeit  ein  Anhänger  der  papistischen  Kirche  geblieben, 
man  kann  dies  schon  daraus  schließen,  daß  er  bei  dem  streng 
katholischen  Herzog  Georg  von  Sachsen  in  hoher  Gunst 
stand,  und  dessen  Rat  und  Vertrauter  war,  zudem  hatte  er  ja 
dem  Herzog,  dessen  Ungnade  er  sich  durch  sein  Verhalten 
während  des  Bauernkrieges  zugezogen  hatte,  geloben  müssen, 
für  die  Förderung  und  Wiederherstellung  der  papistischen 
Kirche  in  seinem  Gebiet  Sorge  zu  tragen  und  der  Herzog 
XXI.  13 


jgg  über  die  "Verwendung  der  Klostergüter 

selbst  wachte  peinlich,   daß  dies  Versprechen  erfüllt  wurde_ 
So   konnte    es  denn  geschehen,    daß,  während  in  der  Ober, 
herrschaft   die    Reformation   eiftgeführt   war,   im  unterherr- 
schaftlichen  Gebiet  des  schwarzburgischen  Landes  die  Papst- 
kirche noch  bestand.    Gleichwohl  hatte  auch  hier  die  Lehre 
Luthers   geheime   und    offene    Förderer   und  Anhänger   ge- 
funden.   So  verkündigte  Cyriacus  Taubenthal  1524  zu  Ring- 
leben, Johann  Thal  zu  Großenehrich  und  Greußen  vermutlich 
bis  1535  die  reine  Lehre,  im  Amte  Heringen  hatte  die  Witwe 
des    Grafen    Heinrich   XXXVI.    die    lutherische    Lehre    in 
den  30  er  Jahren  offenbar  begünstigt,  und  auch  Graf  Hein- 
rich   der  Jüngere   von  Frankenhausen    (f  1537)    ist  in  den 
letzten  Jahren   seines  Lebens   zweifellos  Anhänger  Luthers 
gewesen.    Der  intime  Verkehr  dieser  Grafenfamilie  mit  der 
Heinrichs  des  Älteren,  des  Reformators,  welcher  urkundlich 
nachweisbar  ist,    deutet  schon  darauf  hin.     Dazu  kam,    daß 
auch  die  unterherrschaftlichen  Stifte  nach  dem  Bauernkrieg 
sich    zu   einer   wirklichen   Blüte    nicht   wieder   emporheben 
konnten.     Hier   noch   mehr   als   in  der  Oberherrschaft  war 
die  Klosterwirtschaft  zerrüttet.    Die  Klöster  weisen  erstaun- 
lich  geringe  Einkünfte    auf  und  schließen  vielfach  mit  De- 
ficits    ab.      Was    soll   man    dazu   sagen,    wenn    das   reiche 
Frankenhäuser  Stift   nach  dem  Bauernkrieg  in  einer  Rech- 
nung folgende  Bilanz  zieht : 

E:  224  seh.  17  gr.  8  X 
A:  247     „       5     „    9    „ 

Die   Kelbraer  Stiftsrechnung   von  1529/30  verzeichnet 
folgenden  Vergleich: 

E:  455  fl.     8  gr.  4  ^ 
A:  495   „    15     „ 
und  vollends  die  Stiftsrechnung  von  Capelle  aus  dem  Jahre 
1526/27! 

S.  S.   E:  276  seh.  12  gr.  1  ^  1  obl. 
S.  S.  A:  582     „     36    „ 

Die  Reste  der  Klosterrechnungen  stiegen  unverhältnis- 
mäßig  hoch,    und   es    bestand  Gefahr,    sie    gar    nicht  mehr 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.       187 

einzubringen.  Selbst  das  angesehene  Chorherrenstift  Jecha- 
burg  hatte  unter  der  Ungunst  dieser  Verhältnisse  furclitbar 
zu  leiden.  Man  vergleiche  nur  folgende  Eeohnungen  dieses 
Stiftes : 

1525.  E.  der  Erbzinsen:  15  seh.     3  gr. 

Retardata  der  Erbzinsen:      32     „      —        5  ^ 
S.  omnium  peremptionum :    29  seh.  10  gr. 
Retardat:  113     „     52    „ 

Ausgabe:  43     „     33    „ 

Ein.  Getreide:  35       for.     6^/jj  mod. 

Retard.:  62         „     lO^/g      „    3  heimetzen 

Distrib. :  ^51/2    „     etc. 

Die  Rechnung  von  1526  zeigt  hinter  zahlreichen  Zins- 
orten ein  „Nihil". 

S.  omn.  per  tot.  heredit.     42  seh.  18       gr.  1   obl. 

Retard.:  147     „  4i/^    „ 

Ausgabe:  42     „  17         „      Rest  31/2  -^ 

Ein.  Getreide:  64  for.  3      mod      —        1  vtl. 

Retardat:  49     „  4^/2   »     ^  heim.  1    „ 

Ein.  Aun  (?):  17     „ 

Retard.:  48     „  i/g  „ 

1534:  S.  S.  hered.  43  seh.  58  gr. 

Davon  recepta  omn.  heredit.:    28       seh.  52       gr.  1   obl. 
Remanent  an  Retardaten:  ^^^jz    n      29  minus  1   obl. 

und  S.  perempt.  67         „      22^/3  gr. 

Davon  recepta:  -^  8         „      30^/2     „ 

Remanent  an  Retardaten:  58         „     56^/2     „ 

In  diesem  Jahre  distributa  exced.  recepta  20  seh.  44  gr. 
Retard,  omn.  heredit.  et  recempt:  73     „     55     „   2  X., 

Index  frument.  distrib.:   82  for.  10         mod., 
Recept.  excedunt  distr. :     1     „       2^/2      „      1  heimetze, 
Retardat:  19     „       6^/2      „ 

Erst  1539  bessert  sich  der  Abschluss! 
Geld  E:  82  seh.     7  gr.  1  <X 
„     A:  75     „     55    g    1    „ 
Aber   in    diesen   Jahren   spielte    die    das  Ansehen    des 
Stiftes    sehr    schädigende   Eehde    mit    dem    Ritter   Rudolf, 
welche   nicht   nur    dem    Stifte    großen    materiellen    Schaden 
verursachte,   sondern  auch  die  ganze  Ohnmacht  des  Stiftes, 

13* 


183  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

wie  die  Geringschätzung  seiner  Stellung  offenbarte  (cf.  Jov., 
Chron.  Schwarzb.,  S.  655,  desgl.  die  Jecbaburger  Stiftsrech- 
nungen aus  den  Jahren  1540  ff.  und  Urfehdenbuch  dieser 
Jahre,  S.  136  ff.,  desgl.  Irmisch  im  Sonders'häuser  Regierungs- 
blatt, 1877,  No.  134  ff.).  So  sehr  war  die  Unsicherheit  der 
Stiftspersonen  gestiegen,  daß  Graf  Günther  um  diese  Zeit 
sich  mit  dem  Gedanken  trug,  das  Stift  nach  Sondershausen 
zu  verlegen  (cf.  S.  A.).  Eine  Frucht  dieser  so  traurigen 
Umstände  der  Klösterverhältnisse  ist  das  noch  vorhandene 
Übereinkommen  zwischen  Graf  Botho  zu  Stolberg  und  Graf 
Günther  XL.  v.  freitag  n.  oculi  1527.  Unter  anderem 
wird  darin  gesagt:  „Nachdem  itzd  so  in  der  heiligen 
cristlichen  kirchen  und  glauben  mancherlei  neuickheit  und 
andrung  gesucht,  und  sunderlich  die  geistlichen  guther 
durch  mancherlei  form  und  weiße  angegriffen,  verändert 
und  vereußert  werden,  dieweil  aber  in  beiden  unßern  amp- 
ten  zu  Heringen  und  Kelbra  auch  vil  geistlich  guther 
gelegen  etc Das  wir  hinfurder  niemand  kein  geist- 
lich guther  in  berurten  unßern  ampten  zu  Heringen  und 
Kelbra  zu  verandern,  zuvereußern,  zu  versezcen,  zuverpfen- 
den  zu  keuffen  ader  zu  verkeuffen  gestatten  salle  nach 
wollen"  etc.  Auch  darf  man  sich  nicht  wundern,  wenn 
der  Konvent  des  Klosters  zu  Kelbra  1533  zu  dem  Aus- 
weg greift,  die  Verwaltung  des  Klostergutes  auf  6  Jahre  den 
beiden  Grafen  von  Stolberg  und  Schwarzburg  zu  übertragen, 
oder  wenn  hier  und  da  selbst  seitens  der  Klosterinsassen 
Veräußerungen  von  Klostergut  stattfanden  (cf.  Göllingen). 
Auf  die  sich  auflösenden  altkirchlichen  Verhältnisse  weisen 
auch  die  staatlicherseits  vorgenommenen  Inventarverzeich- 
nisse hin,  z.  B.  1533  vom  Kloster  Frankenhausen. 

Die  Ohnmacht  der  altkirchlichen  Institute  war  eben  so 
groß,  daß  man  hier,  wo  an  eine  Einführung  der  Reformation 
vorläufig  noch  gar  nicht  zu  denken  war,  schon  staatliche 
Hilfe  für  die  Aufsicht  über  das  Klostervermögen  in  Anspruch 
nahm,  während  in  der  Oberherrschaft  dies  aus  der  Refor- 
mation und  Säkularisation  der  Stifte  sich  ergab.     So  lagen 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.       189 

die  kirchlichen  Verhältnisse.  Und  nun  brachte  das  Jahr 
1538  dem  bisher  katholischen  Grafen  einen  großen  evange- 
lisch gewordenen  Landesteil.  Doch  der  mächtige  Lehns- 
herr des  oberherrschaftlichen  Gebietes,  der  evangelische 
Kurfürst  von  Sachsen,  welcher  fürchtete,  daß  die  evangelisch 
gewordene  Herrschaft  dadurch,  daß  sie  an  einen  katholischen 
Herrn  kam,  in  ihrem  Bekenntnis  gewiß  nicht  gefördert, 
möglicherweise  aber  gar  gestört  werden  könnte,  gab  zu- 
nächst nicht  seine  Zustimmung,  daß  sein  Lehnsgebiet  an  Graf 
Günther  XL.  fiel,  —  er  klammerte  sich  an  die  letzte  Hoff- 
nung: die  Witwe  des  Grafen  Heinrich,  Katharina,  geb. 
Gräfin  von  Henneberg,  sah  ihner  Entbindung  entgegen. 
Würde  das  von  ihr  geborene  Kind  ein  Knabe  sein,  so 
sollte  diesem  die  Herrschaft  bleiben,  und  alle  Befürchtungen 
für  die  Entwickelung  der  jungen  und  noch  des  Ausbaues 
bedürftigen  evangelischen  Kirche  waren  damit  geschwunden. 
Inzwischen  regierte  die  Gräfin- Witwe  unter  kurfürstlichem 
Schutze  und  erwirkte  zusammen  mit  den  kursächsischen  Räten 
die  Entfernung  der  papistisch  gebliebenen  Franziskanermönche 
Arnstadts  (23.  Okt.  1538).  Aber  was  man  so  gern  nicht 
gesehen  hätte,  trat  ein!  Das  am  7.  Dez.  1538  geborene 
Kind  war  weiblichen  Geschlechts.  —  Graf  Günther  XL. 
wurde  damit  der  Herrscher  der  gesamten  Grafschaften,  — 
außer  der  Herrschaft  Leutenberg,  nachdem  ihm  durch  den 
Tod  seines  Bruders,  des  Grafen  Heinrich  XXXIX.  (des 
„Jüngeren"),  am  16.  Januar  1537,  auch  schon  die  Herr- 
schaft Frankenhausen  zugefallen  war.  Aber  nicht  früher 
empfing  er  durch  den  sächsischen  Kurfürsten  die  kur- 
sächsischen Lehn  der  Herrschaft  seines  verstorbenen  Vetters, 
als  bis  er  dem  Kurfürsten  versprochen  hatte,  er  werde  in 
den  Landen,  die  von  Sachsen  zu  Lehn  gingen,  die  christliche 
(evangelische)  Religion  durchaus  schützen  und  auch  Visita- 
tionen im  Lande  des  Grafen  Heinrich  des  Alteren  geschehen 
lassen.  (Schreiben  des  Churfürsten  v.  Sachsen  dat.  Torgau 
V.  Freitag  nach  Viti  1539,  W.  A.  Reg.  Ee  550  Vol.  II.)  Da  trat 
ein  Ereignis  ein,  welches  die  für  Graf  Günther  XL.  so  überaus 


j^QQ  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

verwickelten  und  sctiwierigen  Umstände  mit  einem  Schlage 
günstiger  gestaltete.  Am  17.  April  1539  starb  Herzog 
Georg  von  Sachsen,  und  die  Nachfolge  des  Herzogs  Heinrich 
von  Sachsen  bedeutete  auch  für  das  sächsische  georgianische 
Gebiet  die  Einführung  der  Reformation. 

Durch  diesen  Todesfall  wurde  es  auch  Graf  Günther 
leichter,  sich  zu  der  Reformation  seines  Gebietes  freundlich 
zu  stellen  und  den  zwischen  dem  ober-  und  unterherr- 
schaftlichen Gebiet  seines  Landes  bestehenden  Unterschied 
in  dem  religiösen  Bekenntnis  zu  beseitigen.  Es  deutet  nun 
auch  manches  darauf  hin,  daß  Graf  Günther  XL.  in  der 
That  schon  in  diesem  Jahre  allmählich  mit  der  Reformierung 
seines  unterherrschaftlichen  Gebietes  einsetzte.  So  bestellte 
der  Graf  Mich.  1539  (cf  Handels-  und  Urfden.-Buch 
1518 — 41,  Sond.  Arch.)  den  Ritter  Franz  von  Vippach  mit 
dem  Kloster  Capelle,  und  zwar  auf  3  Jahre.  Der  Übergabe- 
vertrag  enthält  unter  anderem  folgende  Bestimmung:  „Er 
sali  auch  die  3  Jungfrauen,  so  noch  im  closter  seint  mit 
essen  trincken,  und  was  inen  geburt  reichlichen  versehen 
und  versorgen,  domit  keine  clage  desfalls  an  uns  komme ; 
er  sali  auch  einer  itlichen  die  zeit  alle  jar  jerlich  3  fl. 
zuerhaltunge  irer  cleidunge  unwejerlich  geben  und  reichen. 
Item  dem  Schreiber  der  uns  eidhaftigk  sein  unsere  zinße 
umb  unsere  besoldunge  in  nahmen  und  unsern  schaden 
warnen  sali,  Vipich  die  kost  geben,  und  sein  gescherre 
eins  neben  den  unsern  wan  der  Schreiber  die  zinsse  mant 
mitgehen  und  solliche  zinsse  gegen  Berka  füren  lassen." 
Ferner  soll  er  80  fl.  Fürstenmünze  für  solche  Einnahme^ 
Nutzung  und  Gebrauchung  des  Klosters  geben.  Man  ver- 
gleiche ferner  eine  Vokationsurkunde,  die  Pfarre  zu  Wolk- 
ramshausen  betreffend,  aus  dem  Jahre  1540,  Dienstag  nach 
Invocavit^),  sie  lautet:  Wir  Günther  bekunden  etc.  „das 
wir  dem  wirdigen  unßer  lieben  .  .  .  ern  Johann  Lehnen 
die    pfarre    zu    Walkramshaußen,    welch    von    uns    zulehen 

1)  S.  A. 


I 


im  Schwarzbiirgischen  zur  Zeit  der  ReformatioD.  X91 

gehet  sein  lebenlangk  nicht  anders  wie  sie  hie  bevorn  sein 
besitzer    innen    gehapt   nmb    gots    wille  zugesagt  ...... 

der  gestalt  das  er  den  leuthen  daselbst  das  lauther  wäre 
wort  Gots  eintrechtiglichen  zu  ihren  seien  seligkeitten  leren 
und  furtragen  sali,  do  aber  an  ihme  einiger  mangell  der- 
halben  befunden  wurde,  so  behalten  wir  uns  für  solliche 
pfarre  im  ander  wege  nach  unsem  gefallen  widderumb 
zu  bestalen".  Auch  wandte  sich  der  Graf  in  diesem  Jahre 
an  den  Kurfürsten  Johann  Friedrich  von  Sachsen  mit  der 
Bitte  um  einen  guten  Theologen,  „damit  das  Wort  Gottes  , 
durch  denselben  um  so  besser  ausgebi'eitet  würde."  (Diens- 
tag nach  Antoni  1540,  cf.  R.  G.  A.  Hess.  Collect.  Arn- 
stadiense  A.  V.  4  a) 

Aus  diesen  und  anderen  urkundlichen  Belegen  scheint 
mit  Gewißheit  hervorzugehen,  daß  Graf  Günther  XL.  bereits  in 
den   Jahren    1539/40   mit   der  Einführung  der  Reformation 
und  der  Aufhebung  der  kirchlichen  Stifte  in  seinem  Gebiet 
begann  —  für   die  folgenden   Jahre  liegen  sichere  urkund- 
liche Nachrichten  dafür  vor,    daß    er  sich  der   evangelische 
Lehre  zugewandt  hatte  — ,  doch  vermied  er  dabei  ein  rasches, 
energisches  Vorgehen,  dem  entspricht  auch  seine  Maßnahme 
hinsichtlich   des   Stiftes  Capelle    (cf.  oben).     Übrigens  war 
gerade    das    Jahr    1539    reich    an    bedeutsamen    und  auch 
unsere  Frage   berührenden  Ereignissen.     So  fand  1539  auf 
Anordnung  des  Kurfürsten  von  Sachsen  in  dem  sächsischen 
Lehnsgebiet     der    schwarzburgischen    Oberherrschaft    eine 
Kirchenvisitation   statt,    und   zwar   zumeist  aus  Anlaß  ver- 
schiedener Klagen,  welche  aus  diesem  Gebiet  dem  Kurfürsten 
zu  Ohren    gekommen  waren.     Dabei  handelte  es  sich  auch 
um   Besoldungsfragen    der    Geistlichen.      Der    Graf   erhielt 
die  Akten    zur    Abstellung    der   Mißstände   zugesandt,    wie 
wir    hören,    wurde    nur    einem    einzigen    Geistlichen    eine 
Gehaltszulage   in    Höhe   von    10  fl.    auf  Zeit   gewährt.     In 
eben    diesem    Jahre    visitierte    auch .  Herzog   Heinrich   von 
Sachsen    das    der   Unterherrschaft    benachbarte    sächsische 
Gebiet. 


192  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Allerdings  schloß  Graf  Günther  sein  Gebiet  von  dieser 
Visitation  streng  aus,  doch  dürfte  dies  lediglich  darauf 
zurückzuführen  sein,  daß  derselbe  ängstlich  um  seine  kirch- 
lichen Hoheitsrechte  besorgt  war  und  sich  durch  das 
rasche  Vorgehen  Sachsens  in  der  Reformationssache  ab- 
gestoßen fühlte,  zudem  hinsichtlich  der  reichen  unter- 
herrschaftlichen Stiftsgüter  seine  eigenen  Wege  zu  gehen 
beabsichtigte  ^).  Ferner  hielten  um  diese  Zeit  (November 
1639)  die  Vertreter  der  protestierenden  Stände  eine  Zu- 
sammenkunft zu  Arnstadt,  der  reformierten  Hauptstadt  des 
Schwarzburger  Landes.  Graf  Günther  trat  hierbei  mit  der 
protestantischen  Opposition  in  engste  Berührung,  wie  Arn- 
stadts evangelische  Bürgerschaft,  so  zeigte  der  Graf  selbst 
den  Gästen  das  größte  Entgegenkommen  und  erwies  ihnen 
die  liebenswürdigste  Aufnahme.  Doch  hören  wir  nicht, 
daß  er  dem  Schmalkaldischen  Bunde  beigetreten  wäre. 
Unter  den  mancherlei  wichtigen  Verhandlungspunkten  des 
Arnstädter  Tages  interessiert  uns  besonders  dieser:  „Der 
bebstlichen  gaistlichkait  unnd  dero  gueter  halbenn."  Der 
Vorschlag  Sachsens  ging  dahin :  „Das  es  guet  were,  das  man 
derselben  gaistlichen  mochte  abekommen  und  loß  werden",  und 
hinsichlich  einer  „christlichen"  Verwendung  der  geistlichen 
Güter:  „Doch  das  sie  in  den  landen  plieben  und  alßo,  das 
ezliche  zu  handthabung  der  religion,  die  anderen  zu 
erhaltung  pfarr  prediger  kirchen  und  schuler 
diener  und  was  dorüber  vberigk,  in  gemeinen 
nucz  der  lande  und  laute  gewendet  würde  etc. 
doch  selten  die  rethe  der  hessischen  bedenken 
hir  innen  auch  hören  (cf.  Reg.  H.  fol.  285  ao.  1539 
W.  A.)2).  "Wieweit  sich  Graf  Günther  diesem  Vorschlag 
Sachsens,  der  ja  zunächst  nur  auf  die  oberherrschaftlichen 
Gebietsteile    Anwendung   finden  konnte,  angeschlossen  hat, 

1)  Cf.  Königl.    Staatßarchiv   Magdeburg   A.  L.  IX.    Litt.  A. 
No.  1493. 

2)  Dieser  Gegenstand  steht  im  Amst.  Abschied  selbst  als  IS.Pimkt 
(cf.  Schwarzburgica,  Vol.  VI,  S.  133—159,  E.  G.  A.). 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  193 

werden  wir  im  folgenden  sehen.  Endlich  spielte  in  diesem  . 
Jahre  der  Streit  Graf  Günthers  XL.  mit  der  Witwe  Graf 
Heinrichs  des  Alteren.  Wir  erfahren  aus  den  noch  vor- 
handenen Akten  dieses  langwierigen  Streites  (Reg.  Ee. 
No.  550  Vol.  III  W.  A.)  für  unsere  Frage  folgendes 
Wichtige:  1)  Graf  Günther  hatte  dem  Kurfürsten  von 
Sachsen  mündlich  und  schriftlich  versprochen,  im  sächsischen 
Lehnsgebiet  die  geistlichen  Güter  von  Klöstern,  Pfarren, 
Stiften  und  anderen  Gotteshäusern  wieder  zu  restituieren, 
und  bittet,  wo  solche  Güter  noch  ausstehen,  um  kurfürst- 
liche Unterstützung.  2)  Die  Gräfin -Witwe  hatte  auch  die 
früher  erwähnten,  dem  Stift  Paulincella  gehörigen  Güter 
(Vorwerk  Rottleben  und  Weinberg  „Schleicher"),  die  ihr 
1534  ihr  Gemahl  testamentarisch  vermacht  hatte,  restituiert. 

3)  Die  Gräfin  beanspruchte  den  Vorrat  im  Kloster  Um  und 
für  die  herausgegebenen  geistlichen  Güter  eine  Entschädigung 

4)  Die  Irrung  zwischen  den  Parteien  wurde  durch  den 
sogen.  Weimaraner  Vertrag  erledigt,  nach  welchem  die 
Gräfin  mit  ihren  Töchtern  2800  fl.  Entschädigung  erhielt 
(Schlotheim  wird  an  Christoph  von  Lichtenberg  verpfändet), 

5)  Eine  Leipziger  Rechtsentscheidung  lautet:  „bona  eccle- 
siastica  sunt  deputata  et  dedicata  servitio  .  .  .  dei  quae  ad 
profanes  usus  proferri  non  possunt."  Darnach  sollen  die 
Klostervorräte  nicht  der  (Gräfin,  sondern  dem  Kloster  an. 
hängig  sein.  6)  Trotzdem  scheint  die  Gräfin  init  dem  Ab- 
kommen nicht  zufrieden  gewesen  zu  sein.  Graf  Günther  stützt 
sich  darauf,  daß  der  Weimarische  Vertrag  zu  RechC  bestehe, 
die  Gräfin  aber  darauf,  daß  ihr  verstorbener  Gemahl  pro- 
testierender Stand  gewesen  sei  und  daß  sie,  als  seine 
Erbin,  Anspruch  habe  auf  den  Klostervorrat. 

Aus  diesen  wenigen  Notizen  sehen  wir,  daß  um  des  Stifts- 
gutes willen  unter  den  gräflichen  Verwandten  Differenzen  ent- 
standen, die  erraten  lassen,  daß  es  sich  hierbei  keinesfalls  um 
einen  unbedeutenden  Vorteil  handeln  konnte.  Graf  Günther  XL. 
machte  sich  dabei  um  die  Restitution  der  geistlichen  Stifts- 
güter   verdient  und,   zwar  offenbar  auf  Anregung  des  Kur- 


194  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

fürsten.  Wir  wollen  nun  sehen,  welche  Wege  der  Grraf 
zunächst  zur  Verwendung  der  oberherrschaftlichen  Stifts- 
güter einschlug,  und  wir  werden  am  besten  die  noch  vor- 
handenen Rechnungen  selbst  sprechen  lassen. 

A..  Die  oberherrschaftlichen  Stifte. 

1.  Stift  Paulincella. 

Über  die  Geschichte  des  Stiftes  nach  seiner  Aufhebung 
cf.  bei  Hesse  a.  a.  0.  Der  Abt  Johann  benutzte  in  der 
Folge  die  zwischen  Grraf  Heinrich  dem  Alteren,  später 
seiner  Witwe  und  dem  Grafen  Johann  Heinrich  von  Leuten- 
berg entstandenen  Streitigkeiten  und  wurde  von  Graf  Johann 
Heinrich  wieder  in  sein  Amt  eingesetzt.  1541  erwirkte  er 
bei  Kaiser  Karl  V.  einen  Befehl  an  Graf  Günther  XL., 
wonach  derselbe  dem  Grafen  Johann  Heinrich  zu  Leuten- 
berg die  Schutzvogtei  über  das  Kloster  übertragen  sollte, 
auch  solle  er  den  vertriebenen  Abt  wieder  einsetzen  und 
alles  dem  Kloster  entrissene  Gut  wieder  erstatten  (cf.  Jov. 
S.  296,  und  Hesse,  a.  a.  0.  S.  13).  Zu  gleicher  Zeit  erhielt 
der  Abt  von  dem  Kaiser  einen  Schutzbrief,  worin  die 
Schirmvogtei  des  Klosters,  als  dem  Grafen  von  Leutenberg 
zuständig,  bestätigt  wird.  1542  wurde  der  Zwist  beider 
Grafen  beigelegt,  1543  übertrug  Graf  Günther  XL.,  dem 
die  Schirmvogtei  des  Klosters  geblieben  war,  die  Lehn 
über  das  Stift  dem  Kurfürsten  Johann  Friedrich  von 
Sachsen.  Weiter  faßt  Hesse  das  hinsichtlich  des  Güter- 
besitzes   des   Klosters  Wichtige    in    die  Worte   zusammen: 

„Die  Güter  und  Einkünfte  des  Klosters,  deren  sich 
der  Graf  bemächtigt  hatte,  wurden  nun  verpachtet  oder 
durch  eigens  dazu  bestellte  Amtleute  zuweilen  in  Ver- 
bindung mit  andern  Ämtern,  verwaltet  und  die  entfernteren 
Besitzungen,  um  dieses  Geschäft  zu  erleichtern,  mit  näher 
liegenden  vertauscht  oder  nach  und  nach  an  Fremde  käuf- 
lich überlassen  (cf.  Hesse,  Anmerkung  5). 

Die  noch  vorhandene  Rechnung  von  1538/39  weist 
folgendes  aus: 


im  Schwarzburgischeu  zur  Zeit  der  Beformation.  X95 

1.  Einnahme, 

gemeine:  12  seh.  14  gr.  6  -X, 

lehnrecht  u.  abschiedtgelth :       H      ,,       9     „ 

bethe:  50     „       6     „ 

(Singen,  Gosselborn,  Hengelbach,  Rottenbach,  Milwitz,  Horba) 

Erbzins  in  den  eigen-l  .  . 

tümlichen    Dörfern:]     219  seh.  11  gr.  3V,  A,  1  a.  ^ 

Erbzins  in  den  fremden!  , 

Dörfern:  J      ^°^    "       ^     »    ^  1^    "    ^  "    " 

Wiederkäufl.  Zinsen:  98     „        1     „    1         »    1  a.  h.  etc. 

Zusammen  beträgt  die  Einnahme:  906  seh.  11  gr.  2*/j  a.  -X. 
Unter  der  Gesamtausgabe  mit:      744     „       3    „    1  heller 
figurirt  als  Hauptposten  die  Ausgabe: 

„meiner  g.  frauen  unnd  andern"  mit 
437  seh.  17  gr. 
Davon  allein  267  seh.  15  gr.  der  g.  fr.  zu  Rudelstadt, 
femer  15  seh.  15  gr.  dem  jungen  Eicharinj  (us?)  zue  Am- 
stat  auß  bevell  m.  g.  fr.  und  19  seh.  19  gr.  meister  Valtenn 
dem  roren  bohrer  zue  Ilmenaw  auß  bevell  m.  g.  h.  graff 
Günthers,  das  Übrige  an  4  Pfarrherren,  2  Ordenspersonen 
und  einen  Studenten: 

16  seh.  16  gr.  einem  Studenten  gen  Margburgk 
6     „       6     „    dem  pfar.  zum  Behlenn  zur  zulage  auß 
befhell  m.  g.  h. 
16     „     16     „    denn  2  ordenspersonen 
21      „  er  Niclas  Stedenn 

31      „      10     „    ern  Johann*  Hengelbach 
42     „  ern  Niclaus  Mende. 

Zu  dem  Überschuß  von  162  seh.  7  gr.  11^/2  -X 
2^/2  a.  ^  ist  bemerkt:  In  diese  summa  ist  nicht  ge- 
czogen  die  150  fl.  so  er  hiebe  vor  dem  ampt  verhafft  und 
schuldig  ist." 

Aus    der    gleichzeitigen    Getreiderechnung    heben    wir 
folgendes  hervor: 
1.  Weizen  Ein.: 

63  mas  3  viertel 
sub  Ausgabe:  10  maß:  er  Niclas  Stedenn    - 
5     „       ern  Johann  Winter 
15     „       ern  Johann  Hengelbach 
17     „       ern  Conrad  Rudiger 


196  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

1  maß     Hanßenn  Jhann  ins  gedinge, 

hat  die  schneide  moel  gemachtt 

3     „       dem  cappelann  zue  Konigsehe, 
hatt  über  den  andern  sonntagk 
in  der  Zellen  gepredigt. 
Rest  bleibt:  11  maß  21/2  viertel  V2  metze. 

2.  Rocken  Einn. : 

13  maß  1^/2  metze 

3.  Gerste: 

E:  58  maß  1  viert. 

A:     8     „  er  Niclaußenn  Stedenn 

8     „  ern  Johann  Hengelbach 

2     „  ern  Johann  Winter 

1      „      1  V.  dem  gemeß  abgangen 
38     „  m.    g.   fr.    holeii  ;  laßen   freitags   nach 

Andrea. 
S.  57  maß  1  virtell,  Rest:  1  maß  garsten. 

4.  Hafer: 

E:  115  m.  3  v.  l^/g  Kietze 
A:  109    „      —     1 
Die  Viehrachnung  weist  auf:    30  melckuha 

1  reitachs 
17  kalbenn 

5.  S.  48  nosser  alles  m.  g.  h.  zuständig. 

Aus  der  Stift srachnung  von  154 2/4 3 : 
Die  Einnahme  belauft  sich  auf: 

538  seh.  77  gr.  I6I/2  -X  1  a.  A-  1  a.  h. 
(Die  einzelnen  Posten  sind  nicht  zusammengezählt.) 
Davon  wurde  auf  Befehl  des  Grafen  ausgegeben: 
gr.  den  zweien  ordenßperßonn 
„    ehrn  Charius  zwei  quartall. 
„    idem  zur  abfertigung 
„    idem  vermog  ßeiner  bestellung 
„    idem  vor  sein  kleidtt 
ern  Niclauß  Stedenn 
„    ehr  Conradtt  Rudigem 
„    ehrn  Johann  Winthernn 
„    dem  pfarrer  zu  Behlenn 
„    dem  pfarner  zu  Gösselbornn. 


16  seh. 

16 

4  „ 

4 

15  „ 

15 

15  „ 

15 

5  „ 

5 

21  „ 

10  „ 

10 

10  „ 

10 

6  „ 

6 

2  „ 

12V 

im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  197 

Ferner:  157 ^/j  seh,  m.  g.  h.  a.  abent  mart. 

22  „     16  gr,  an  19  tallern  m.  g.  fraue. 

Die    übrigen    Ausgaben    verteilen    sich    auf  Ausgaben 
^Ins  Gemein",  Gesindelohn,  Schenkenausgabe  und  Retardata. 
S.  S.  dieser  Ausgabe  auf  Befehl  des  Grafen  allein: 
362  seh.  9  gr.  6  A.  (also  ca.  ^j^  aller  Ausgabe). 
Der  Ergänzung  halber  fügen  wir  noch  hinzu:  Die  Ein- 
nahme-  und  Ausgabeposten  der  folgenden  Rechnungen  des 
Stiftes  stellen  sich  so: 

z.  B.  1544/45  (Mich.  —  Walpurgis) 

E:  532  fl.  17  gr.  4  A  1  a.  A 
A:  505    „     2    „    4    „    1  heller. 
Darunter    beträgt    die    Ausgabe    für    Ordenspersonen: 
221  fl. 

1545/46  (Michael.  —  Michaelis). 

E:   1014  fl.  14  gr.  1  a.  A. 

A:     938    „   17     „    2^/^    „ 

1546/47  E:  1016  fl.  2  gr.  77»  -X  1  a.  h.   ■ 

A:     913   „    1     „    4Vj    „    1   „  A, 
1649/50  E:  962  fl.     3  gr.  8  A,  1  a.  A 

A:  950   „   11     „    1    „    1    „    „ 
1550/51  E:  1282  fl.) 

A:   1248  fl.f'^^ 
1561/52  E:  1090  fl. 
A:  1055   „ 
1554  55  E:  1077  €. 
A:  1034   „ 
Wir    ersehen    aus    dieser    Zusammenstellung,    daß    die 
Barüberschüsse,  welche  dem  Staate  zufielen,  bez.  im  Vorrat 
blieben,     keine    bedeutenden'    waren.     Unter     den    Stifts- 
ausgaben   dieser  Jahre    kehrt    die    für    die   Ordenspersonen, 
bez.    Predikanten,    regelmäßig    wieder,    welche    sich    45/46 
auf  93  fl.,  46/47  auf  ebensoviel,  49/50  auf  95  fl.,  50/51  auf 
93  fl.,  51/52  auf  88  fl.,  54/55  auf  397  fl.  (Nico.  Herco  er- 
hält davon  300  fl.),  57/58  auf  347  fl.,  58/59  auf  347  fl.,  59/60 
auf  347  fl.,  60/61  auf  377  fl.  beläuft. 

Beispielsweise   wird  die   Ausgabe  von  93  fl.  nach  der 
Rechnung  von  1545|46  in  folgender  Weise  verteilt: 


sizen  E : 

285 

maß 

A. 

70 

12 

)) 

15 

5) 

10 

;; 

10 

Tl 

10 

?) 

jc)g  über  die  Vcrweiuliing  der  Klostergüter 

20  fl.  ehr  Nielaß  Stedenn  zum  Horba 
25   „   ehr  Charius  Wainern  zum  Gehrenn 
10  „   ehr  Conradtt  Rudigern  zu  Talndorflf 
10   ,,   ehr  Johann  Winttern  zu  Dornffeltt 
8   „   ehr  Petter  Kochenn 
2    ,   idem  vor  hoßenn  und  wameß 
6   ,,   ehr  Sebastian  Sommig 
12   „   dem  pfarner  zu  Neußitz. 
Aus  den  Getreiderechnungeen    des  Stiftes  geht  hervor, 
daß  auch  hier  einzelne  Pfarrer  Gehaltsteile  beziehen:    z.  B. 
1545/46. 

1  virt 

m.  g.  fr.  zu  Rudolstadt 
dem  pfarrer  zu  Neußitz 
„  „        zu  Gehrnn 

ehr  Nielaß  Stedenn 
ehr  Johann  Winthern 
ehr  Conradt  Rudigern 
Gesamt- Ausgabe  :  269  ^/^  maß 

Rest:   15  maß  3  viert. 

Unter  Gerstenausgabe  findet  sich: 
8  maß  Niclas  Stedenn 
8     „      Conradt  Rudigern 
8     „     Johan  Winter  u.  s.  "W. 
Wir    machen    aus    dieser    Rechnungsübersicht    die    für 
unsere    Präge    wichtige    Beobachtung,     daß    ein    Teil    der 
Stiftseinnahmen  (allerdings  anfänglich  durchschnittlich  etwa 
nur    der    zehnte    Teil    der   gesamten    Stiftseinnahme    bis  zu 
der    Zeit,    da    der  Superintendent    Nie.    Herco    zu  Arnstadt- 
HOO.  fl  vom  Stiftseinkommen  empfing)  für  „frommen  Zwecke", 
d.  h.  für    Besoldung    evangelischer  Pfarrer,    die   dem  Stifte 
zugehörten,  direkt  verwendet  wurde.     Wir  werden  bei  der 
Betrachtung    der    Rechnungen    der    beiden    anderen    ober- 
herrschaftlichen   Stifte    sehen,    daß  gerade  hierin  ein,  wenn 
auch    nur    äußerlicher,    Unterschied    zwischen    diesem    und 
jenen    beiden    anderen    Stiften    bestand,    denn  bei  Stift  Um 
und   Arnstadt    bestritt    die    Staatskasse    die  Ausgaben   „ad. 
pias    causas",    wofür    sie    aber    auch  die  Stiftseinnahmen  in 
vollem  Umfange  für  sich  beanspruchte.   Sachlich  angesehen, 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  199 

war  aber  auch  das  Verfahren  bei  der  staatlichen  Ver- 
wendung des  Paulinzeller  Stiftsgutes  das  nämliche  wie  bei 
den  beiden  anderen  Stiften.  Die  Überschüsse  von  der 
Stiftsgutsbewirtschaftung  kamen  vornehmlich  dem  Lande, 
aber  auch  dem  gräflichen  Hofe  zu  gute.  Der  Hauptvorteil 
lag  dabei  weniger  in  den  Barüberschüssen,  als  vielmehr  in 
den  Naturalerträgen  der  Klosterwirtschaft. 

2.  Das  Stift  Um. 

1)  Die  Rechnung  vom  Jahre  1541  (Montag 
nach  Valentini  —  Mich.)  (Hermann  Zienemann,  vor  ihm 
war  H.  Drechßel  Verw.)  weist  auf: 

E:   1637  seh.  16  gr. 

A:  1558     „       5    „    6  A- 

Dabei  ist  hervorzuheben:  Unter  Zinseinnahme  steht 
„Zinse  des  Leuttenbergisch  teils  ist  zugeben  verpotten,  als 
22  seh.  5  gr." 

Unter  Geilßdorf:  „Bei  regierung  des  wolgeborn  hern 
herr  Heinrichs  weilandt  grafe  zu  Schwarzburgk  löblicher 
gedechtnis  ist  vieleicht  uf  anßuchung  der  fraun  von  Grieß- 
heim drei  schogk  vier  huner  zins,  von  Hannn  Schelhorns 
wegen  zu  Geilßdorf  zugeben  nachgelaßen  wurden,  zu  ge- 
dengken."  Und  unter  Ausgabe  findet  sich  z.  B. : 
105  seh.  meinem  g.  h.,  752  schnö  gr.  dem  Rentm.  Sig.  v.Witzleben 
255  „  dem  Amtmann  Lutze  von  Wüllersleben. 
Darunter   z.   B.    10^/ 2    seh.   Jacob   Froben    dem   Studenten 

zur  abfertigung  nach  Wittenbergk. 
1  seh.  13  gr.  vor  hier  thonnen,  den  jungkfrauen  ins  closter 

—      8    „    idem  .  .  .  den  jungkfr.  ins  closter. 
Später  ins  closter:  66  seh.  10 ^/g  gr.  etc. 

2)  Mich.  1541/4  2  (H.  v.  Witzleben). 

E:    1251  fl.    7  gr.  ö^/j  A.  1  a.  ^ 

A:  1025   i,  17    „   10 
Darunter  für  Klosterjungfrauen:  76  fl.  20  gr.  2  ^ 
u.  gegen  Hof  geantwortet  bezh.  auf  Befehl  342  fl.'8  gr.  6  -X 
(100   fl.    Sig.  Witzleben,   Rentmstr.,    100  fl.  dem  Amtmann 
Lutz  V.  Wüllersleben.) 


200  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

3)   154  3/44  (Mich.  —  Walp.  Galle  Barrethern n) 
E:  925  fl.   12  gr.  —  ^  2   a.  ^ 
A:  947    „     4     „      9     „     1    „     „ 
Darunter  den  Jungfrauen  :     49  fl.   18  gr  6  ^ 

Dem  g.  Herrn :  500   „  . 
Einzubringen  bleibt:  234  fl.  20  gr.  b  X  1   a,.  \> 
Aus  den  folgenden  Rechnungen    möge    noch    folgendes 
mitgeteilt     werden:     Die     Rechnung     von    44/4  5     (Gall. 
Barrethern): 

S.  E:   1095  fl.  3  gr.   2^1^   ^   1   a  ^ 
Die  Ausgabe  fehlt. 

Die  folgenden  Rechnungen  ergeben  nun  diese  inter- 
essante Tabelle : 

1546/47  in  die  schwarzb.  Renterei:  400  fl. 
E:   955  fl.  —  gr.  6       ^  2  a.  ^ 

A:  953   „    14    „  lOVj   „    (Eür  die  Jungfr.  81  fl.  14^12  gr.) 
1547/48  (Amt  Um):  in  die  schwarzb.  Renterei:   300  fl. 
E:  983  fl.   18  gr.  l^j^   X  1   a.  ^ 

A:   985    „      4    „    1  h.  (für  Jgfr.  78  fl.  20  gr.  10^)     ■ 
1548/49:    in    die    schwarzb.  f  E :  904  fl.    9  ^   1   h.  2  a.  X 
Renterei  300  fl.  \A:  866    „    1  gr.  5   ^  2   „    „ 

1550/51:   in  die  schwarzb.  Renterei  300  fl. 
1551/52:     „      „  „  „        300    „ 

1552/23:    „      „  „  „         300    „ 

1554/55:     „      „  „  „        300    „ 

1555/56:  auf  Befehl   u.  in  (E:  1787  fl.  17  gr.  8  ^  1  h.  2  a.  ^ 
die  Renterei  900  fl.  12  gr.{  A:  1415  „  14   „  2   „ 
+  315  fl.  [Rest:  57  „     3   „   6   „    lh.2a.^ 

Um  sich  aber  annähernd  einen  Begriff  zu  machen, 
welchen  Nutzen  die  Rentereikasse  allein  aus  dem  Getreide- 
verkauf dieses  einen  Stiftes  hatte,  sei  bemerkt,  daß  in  der 
Zeit  von  1547—1553  (Mich.) 

1)  an  Korngeld  der  Renterei  zufloß  :  3076  fl.  14  gr. 

(Rest:     404    „     2     „  ) 

2)  an  Gerstengeld:  880  fl.  —  gr. 

Rest:  251    „      7     „ 
Bei  diesem  fStift  fällt  es  ganz   besonders  auf,    welcher 
Vorteil    der    Rentereikasse    und    der    Hofhaltung    aus    den 
Stiftseinnahmen    erwuchs.     Dabei    ist    noch    hervorzuheben. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  201 

daß  ja  auch  die  außerdem  vorhandenen  ßechnungsüberschüsse 
in  bar  der  Herrschaft  zufielen, 

z.  B.  1548/49:     38  fl.     6  gr.  1  h. 

1550/51:  147    „14    „    6  -X   1  ä  .5v, 
1551/52:     55    „     8    „     7    „    1  h. 
Zu    bemerken    ist,    daß   eine  allmähliche  Abnahme  des 
Klostereinkommens    bei   diesem    Stift    ersichtlich  wird,    die 
offenbar    auf   staatlicherseits    in  Anspruch   genommene  und 
abgetrennte  Einkommensteile  zurückzuführen  ist.    Denn  bei 
der  Abnahme  der  Ausgaben  für  die  Stiftsjungfrauen  hätten 
sich  eher  die  Abschlüsse  der  Stiftsrechnungen  günstiger  ge- 
stalten müssen ;  man  vergleiche :  Ausgabe  für  die  Jungfrauen 
1546/47:  81  fl.   14 1/^  gr. 
1547/48:  78    „    20         „   10  ^ 
1548/49:  77    „18         „8    „ 
1551/52:  78    „      9         „     2    „ 
1552/53:     8    „ 
1554/55:  — 
Erstaunlich  ist  es,  wie  gering  die  Beträge  sind,  welche 
für  den  gemeinen  Kasten  und  für  evangelische  Pfarrstellen 
(ad   pias   causas)    direkt    vom  Stiftseinkommen    ausgegeben 
werden.    Man  findet  z.  B.  in  der  Rechnung  von  1547/48  nur 
für   den    Pfarrer   v.    Großhettstedt   5    fl.,    1548/49    für   den 
gemeinen   Kasten   zu  Hm  20  fl.    und  für  denselben  Pfarrer 
5  fl.,   den    gleichen    Betrag    1552/53    in  Ausgabe  angesetzt. 
Dies  ist  darauf  zurückzufüliren,  daß  die  Rentereikasse  selbst 
die  Besoldungszahlung  für  einzelne,  diesem  Stift  zufallende 
Pfarreien    übernommen    hatte.       Wir    werden    gerade   mit 
Bezug   auf   dieses   Stift    selbst  später  bei  der  Prüfung  der 
Staatsrechnungen    zusehen    müssen,    in    welcher  Weise    die 
der  Renterei  zugeflossenen  Beträge  verwandt  wurden. 

3.  Das  Stift  zu  Arnstadt. 

Die  Rechnung  1538/39  (Lutze  von  Wüllersleben)  weist 
als  Einnahme  nur  noch  auf: 

504  seh.  18  gr.  1  ^ 
als  Ausgabe:    494     „       4    „     1     „   1  heller. 
XXI.  14 


202  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Unter  Einnahme  findet  sich  die  Notiz,  daß  seitens  de^ 
Herrschaft  seit  7  Jahren  Zinsen  innebehalten  wurden,  welche 
dem  Kloster  zugehörten  in  Höhe  von  102  seh,  4  gr,  6  \,- 
Der  weitere  bedeutende  Rückgang  dei*  Klostereinkünfte  in 
bar  ist  darauf  zurückzuführen,  daß  die  Klostereinnahmen 
fortgesetzt  durch  Verkauf  bezw.  Verbrauch  der  Getreide- 
einnahmen seitens  der  Herrschaft  stark  geschmälert  wurden- 

Unter  Ausgabe  findet  sich  für  Pfarrherrnkost :  25  seh 
4  gr.  und  für  die  Jungfrauen : 

1)  122  seh.  3  gr.  2  ^   1  heller :  Küche  und  Gesinde 

2)  16    „    10     „   11   „   für  Wein 

3)  30    „    11     „     TVs  >.  Notdurft. 

Die  Getreiderechnung  dieses  Jahres  zeigt  ganz  be- 
sonders hohe  Posten  auf,  welche  an  die  Hofhaltungen  ge- 
langten. Es  handelt  sich  hierbei  offenbar  um  die  Ab- 
findung der  Witwe  Graf  Heinrichs  XXXVII.  Wir  sehen 
daß  der  Getreideertrag  des  Stiftes  ohne  weiteres  als  herr- 
schaftliches Eigentum  galt : 

Korn  E:  347  maß  2  virtel 
A:  461     „     3       „ 
(Aufs  Schloß:  126     „     3 

Insgemein:  106     „      1        „    ) 
Ein  noch  vorhandener  Gesamtbestand  v.  319  m.  stehet 
der  g.  frau  zu  Rudolstadt  zu. 

Gerste  E:  202  maß  1  v.  3  molm. 
A:   611     „     _      3       „ 

S.  8.  aller  Gerste,  so  in  dieser  Rechnung  aufs  Schloß  geschickt 
und    im    Vorrat  vorhanden  ist:  417    maß    1   v.  S^j^    molm. 
(Die    m.    g.  fr.    von    Schwarzburg    zu   Rudolstadt   zusteht.) 
Vorher  findet  sich  unter  Ausgabe  „aufs  Schloß  geschickt":' 
517  maß  l^/g   virtel  3  molm. 
Hafer  E:  237  maß  2  virtel  21/2  molm. 
A:  467      „     1        „      1 
aufs  Schloß:  370     „3        „1 
S.  S.  Vorrat,  der  dieses  Jahr  noch  vorhanden: 

261  maß  3  molm. 
stehen  alle  m.  gr.  fr.  zu  Rudolstadt  zu. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  203 

Die  Viehrechnung  weist  im  Vorrat  auf: 
40  Rindvieh 
69  Schweine 
744  Schafe,'. 

In   den    folgenden  Jahren   wurde  das  Stiftseinkommen 
staatlicherseits   weiter   geschmälert,   so    daß   die   Rechnung 
1555/56  folgendes  aufweist: 
E:  335  fl.  7  gr.  4  X  1  h. 
A:  Das  Gleiche.  (In  die  Schosserei:  171  fl.  8  gr.  2  X  1  h.) 

Den  4  Dorfpfarrern :  41  fl. 

Kostgeld  dem  Pfarrer  b.  M.  Virg:  12  fl. 

Holzgeld  den  amst.  Kirchendienern:  21  fl. 

Den  Jungfrauen:  42  fl. 

und  2en   zur  Bestallung,  je  einer:  4  fl.  19  gr,  2  -X 

Die  Rechnung  1556/57: 

E:  327  fl.  2  gr.  11  ^  1  h. 
A:  Das  Gleiche. 
In  die  Schlosserei:  161  fl.  19  gr.  8  ^  1  h, 

In    der   Rechnung    1557/58    beträgt 
die  Summe  aller  E:  328  fl.  16  gr.  10  ^  1  h. 
„  „  „      A:  Das  Gleiche. 

Trotzdem  konnten  selbst  bei  solchem  geringen  Ein- 
kommen noch  165  fl.  3  gr.  6  -X  1  heller  auch  nach  dieser 
Rechnung  an  die  Schosserei  abgegeben  werden,  während 
unter  anderem  an  4  Pfarrer  (zu  Espenfeld,  Dornheim,  Sigel- 
bach  und  Wüllerßleben)  iftisammen  41  fl.,  an  Holzgeld  für 
Prediger,  Schulmeister  und  Kirchendiener  25  fl.,  an  Kost- 
geld dem  Pfarrer  Beat.  M.  Virg.  17  fl.  und  für  der  Jung- 
frauen Küche  und  Notdurft  56  fl.  gezahlt  werden ;  2 
Jungfrauen  aber  wegen  ihrer  Bestallung  —  es  sind  zu- 
sammen noch  4  Jungfrauen  erwähnt:  Magdalene  und  Anna 
von  Hespergk,  Else  Kohlern  und  Frau  Martha  Rudolffin 
—  erhalten  je  4  fl.  19  gr.  2  ^.  Zu  diesen  lehrreichen 
Rechnungsauszügen  gewährt  nun  noch  eine  Urkunde  des 
Jahres  1550  eine  wichtige  Ergänzung.  Ihrer ,  Bedeutung 
wegen,  lassen  wir  sie  hier  wörtlich  folgen^): 

1)  Amstädter  Ratsarchiv. 

14* 


204  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

„Verweisung  der  geistlichen,  welche  sonst 
aus  der  rentherei  und  schösserei  bezahlet 
worden,  an  die  beiden  clöster  zu  Arnstadt  und 
Urnen  a.  155  0.  ' 

wie  es  m.  gn.  herr  überschickt  ist  uff  wei- 
nachten anfangs  des  5  0.  jars. 

Auszug  und  verzeichnus,  was  von  der  wollöblichen 
obem  herschaft  zu  Schwarzburgk  jarrenthen  und  ein- 
kommen  etzlichen  pfarhern ,  predicanten,  geistlichen,  dem 
armen  kirchenkasten,  hospitalen,  siechheusern  und  Stipen- 
diaten jerlich  von  wegen  der  renterei  auch  schösserei  hiebe- 
vor  alleine  ausgegeben  und  abgerechnet  worden,  welche 
jerliche  ausgäbe  dann  nun  hinfürder  von  beder  stiffte  und 
closter  wegen,  als  Arnstadt  und  Urnen,  jarrenthen  zu  be- 
zalen  sollen  verordennt,  uff  daß  die  renterei  und  schosserei 
ihrer  rente  hinfürder  möchten  damit  verschonet  werden. 
Und  erstlich  hat  das  closter  zu  Arnstadt  an  allen  erb-  und 
wiederkäuflichen  erbzinsen  jerlich,  wie  denn  itzo  vor 
einnähme  berechnet  in  summa  fallende,  thut  summa  333  fl, 
19  gr.  10  -X  1  heller  davon  sollen  dan,  wie  volget,  jerlich 
zu  erhaltunge  ausgegeben  und  bezalt  werden: 

100  fl.  er  Jörgen  Spenlein,  Pfarher  Bonifacii  uff  vier  quartal 

25  „  beden  pharhem,  capellan,  schulmeistern  u.  kirchnern 

holzgeld 
12    „  dem  magistro  costgeld 

21    „  9  gr.  er  Johann  Ferbern,  dem  armen  kranken  prediger 
48    „  den   dreien    dorfpharhem,    als    Dornheim,    Sigelbach 

und  Espenfeld 
5    „  er  Mattes  Knobeloch 
32    „  den  beden  Schwestern  von  Heßbergk 

26  „  vor  die  Jungfrauen  kuechen 

12    „  4  gr.  2  -X  vor  allerlei  zugemüse 
8    „   11  gr.  10  X  back-  und  Schlachtelohn  und  von  ihrem 
getränke  einzulegen 
18  gr.  8  X    zu  erbzins,  als  ins  amt  Molbergk,  den  dum- 
herrn  zu  Gotha  und  den  pfarhern  zu  Oberndorf. 
5  fl.  zu  jerlicher    einbringung    des  klosterzinses  zehrung 
und  trinkgeld 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  205 

13  fl.     5  gr.  dem  closterschreiber  sein  jahrlohn  vor  stiefeln 
und  schuhe 

2  „   18    „    der  köchin  im  closter  ihr  lohn 

3  „  dem  thorwardt  im  closter 

1    „  dem  holzförster  in  Keutzsch. 

Summa  von  des  closters  Arnstadts  einkommen 

ausgäbe  thut:  326  fl.  3  gr.  8  A, 
Zum    andern   hat   man   von   wegen    des    stifftes  Urnen 
rente   hiebevor  über   sonst    desselbigen    stiffts    gewonliche 
nottdürftige  ausgaben  ungeverlich  an    gelde  in  die  renterei 
jerlich  zum  vberschuß  gelifert: 

Summa  300  fl. 
darvon    soll    dann    auch,    wie    volget,  jerlich   und    erstlich 
gegen  Arnstadt  abgegeben  und  bezalt  werden: 
38  fl.  dem  armen  kirchenkasten  zu  Arnstadt 
18    „   demselbigen  in  zwei  item  [Jahren?] 
23    „  item  demselbigen  Emieber  zins 
11    „    16  ^/j  gr.  der  von  Witzleben  testament  als  in  gemein- 

kasten,  dem  hospital  u.  leprosis  leuten 
10    „   beden  pfarhern  zu  Wüllersleben  u.  Hettstedt 
20    „   10  gr.  er  Peter  Ittiges  zu  Arnstadt 
90    „   den    stadirenden    Stipendiaten    zu    Wittenbergk   und 
Leipzigk  alle  drei  markt  zu  verordnen. 

In  der  Stadt  Ilmen  abzugeben: 
10  fl.  er  Johann   Heiner  und  den  castenmeistern  zu  Urnen 
10    „  er  Johan  Heiner  viparius 

3    „   12  gr.  dem  Kasten  zu  der  vicarei  Dorotheae 

1    I»   16^/2  S^-  item  dem  kästen  zu  der  vicarei  crucis 
16  gr.  zu  der  vicarei  michaelis  dem  kästen 
15    „  dem  pharher  zu  Witzleben  zu  einer  vicarei  insonderheit. 

In  das  amt  Schwarzburgk  abzugeben: 
15  fl.  dem  pfarher  zu  Geillersdorff 

5^/2  fl.  dem  hospital  zu  Konigessehe 

5  fl.  zu  sanct  Annen  bruderschaft  Jörgen  Oberlender 

Summa  des  Stiffts  Ilmen  allenthalben 
Ausgabe  thut: 
276  fl.  19  gr. 
Dieweil    dann   solche   Summe  beder  stiffte  und  klöster 
sonst  ad  pias  causas  geordnet  und  ohne  das  jerlich 


206  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

von  wegen  wolgedachter  herschaft  jarrenthe  und  derselbigen 
renterei  auch  schösserei  bezalt,  auch  vor  bhar  geld  ab- 
gegeben und  zugerechnet  wird,  so  mochte  solliches  ohne 
der  renterei  und  schosserei  weitere  beschwerung  von  der 
zweier  stiffte  und  klöster  Ilmen  und  Arnstadt  jerlichen 
einkominen,  doch  in  alle  wege  nach  der  herschaft  gnedigen 
wolgefallen  jerlich  abzugeben  auch  hievon  bestimmte  aus- 
gaben zu  unterhaltunge  geordnet  werden," 

Wir  erfahren  aus  dieser  Urkunde  die  für  unsere 
Frage  wichtige  Thatsache,  daß  vom  Stift  Arnstadt  rund 
326  fl.,  vom  Stift  Um  rund  276  fl.  ad  pias  causas  seitens 
des  Staates  verordnet  waren,  für  deren  Zahlung  die  Staats- 
kassen sich  verpflichtet  hatten  aufzukommen,  wofür  diesen 
auch  die  Stiftseinnahmen,  soweit  dieselben  nicht  für  Be- 
wirtschaftung und  Unterhalt  des  noch  vorhandenen  Kloster- 
personals verwendet  wurden,  zuflössen.  Nach  der  mitge- 
teilten Urkunde  nun  sollten  diese  staatliehen  Aufwendungen 
ad  pias  causas  von  den  Staatskassen  abgewälzt  und  von 
dem  noch  vorhandenen,  zum  Teil  spärlichen  Überrest  des 
Stiftseinkommens  von  Um  und  Arnstadt  selbst  getragen 
werden,  und 'zwar  zu  einer  Zeit,  als  z.  B.  bei  Arnstadt  das 
Stiftseinkommen  annähernd  bis  auf  die  angegebene  Summe 
reduziert  war.  Jedenfalls  ein,  für  die  Rentereikasse  zwar 
gewinnbringendes,  für  die  Verwendung  der  Stiftsgüter  im 
christlichen  Sinne  aber  nachteiliges  Verfahren.  Das  Stift 
Paulinzella  ist  hierbei  nicht  mitgenannt,  weil  die  ad  pias 
causas  verordnete  Summe  dieses  Stiftes  direkt  von  dem 
Stiftseinkommen  bestritten  wurde.  Ein  interessanter  Bei- 
trag zur  Orientierung  der  Verwendung  des  Stiftsgutes  zu 
Arnstadt  gewährt  auch  eine  noch  vorhandene  Nachricht 
des  Cons.  Assess.  und  Archiad.  Christoph  Eberhardt  vom 
10.  Febr.  1794  betr.  Nachricht  über  die  Eruchtbesoldung 
in  Arnstadt  (Arnst.  Kirchenarchiv).  Er  sagt,  indem  er 
mit  einem  Hinweis  auf  die  Reformationszeit  beginnt :  „Als 
nach  Einführung  der  Reformation  die  Klostergüter  (davon 
die  meisten   dem  Benedictiner-Nonnenkloster  bei  der  Lieb- 


> 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  207 

frauenkirche  gehöreten,  wie  denn  das  jetzige  Gymnasium, 
früher  Prinzessinenhof,  Ackerhof  und  Wohnung  des  Prä,- 
positus  war)  säcularisirt  werden  sollten,  that  der  damal. 
Churfürst  von  Sachsen,  Johann  Friedrich,  als  Landgraf  in 
Thüringen  den  Ausspruch,  daß  sie  in  5  theile  sollten  ge- 
theilt  werden,  drei  sollten  dem  Grafen  zufallen  und  zwei 
den  hies.  Geistlichen"  etc.  Wir  wollen  nun  im  An- 
schluß hieran  an  der  Hand  der  Rentereirechnungen  prüfen, 
welche  von  den  in  diesen  Rechnungen  verzeichneten  Aus- 
gaben allenfalls  auf  das  Konto  der  Stiftsüberschüsse  gesetzt 
werden  dürfen. 

1)  Die  Rechnungen  der  schwarzburgischen  Rentereien 
von  Sig.  Witzleben,  betreifend  Einnahme  und  Ausgabe  für 
Graf  Günther  den  Reichen  ao.  1539 — 41. 

Unter  Einnahme  findet  sich: 
448    gute    schock    von    Gallo    barrethernn    aus    dem    Stift 

Paulincella 
aus  der  Schäferei  im  Kloster  zu  Arnstadt  wurde  54  Stein  18  h.  (?) 
„      „  „         zu  Paulincella  55      „     19  „ 

(Wolle  verkauft  k  Stein  zu  36  gr.) 

Bei  der  Einnahme  aus  der  Unterherrschaft  findet  sich 
unter  Einnahme  insgemein : 

50  fl.  von  abt  zu  Uveldt  weliche  ehr  funff  jar  lang 
von  den  guetern,  so  er  in.  der  herschafft  hatt  zugeben  ver- 
sprochen. 

Unter  den  nun  folgenden  Ausgaben  können  wir  diese 
mit  gutem  Grund  auf  das  Konto  der  Stiftseinnahm^n  setzen : 

1)  Die  Ausgaben  gelegentlich  der  Zusammen- 
kunft der  Protestantenin  Arnstadt  (November 
15  3  9).  Darauf  weist  z.  B.  eine  Ausgabe  von  8  ü.  (rund) 
und  15  gr.  Fuhrlohn  hin. 

2)  Die  Ausgaben  gelegentlich  der  Visita- 
tion der  Pflege  Kevernburg  und  des  Stiftes 
Um  im  Jahre  1539,  welche  vom  Churfürsten  von 
Sachsen  angestellt  und  wobei  auch  Dr.  Johann  Lang  von 
Erfurt  thätig  war,  und  zwar  offenbar  im  Auftrag  des  Grafen, 


208  tiher  die  Verwendung  der  Klostergüter 

Es  findet  sich  angegeben: 

23  fl.  17  gr.  an  20  talern  doctor  Johan  Langen  von 
Erffurd  vor  seine  gehabte  muhe,  zuvor^hrung  geben,  als  er 
sich  zu  m.  g.  h.  visitacion  zu  arnstat  hat  gebrauchen 
lassen,    bevelhe  des  ambtmans  freitags   p.    corporis  christi. 

^/g  taler  doctor  Langenn  diener  auch  daßmals  zuvor- 
ehrung  geben. 

3)  Die  Ausgaben  für  Studierende: 

20  fl.  Nycla  Mende  dem  ordenspersonn  zu  Wittenn- 
berg  uff  bevelhe  doctor  Eeinharts  entricht  den  30.  august. 

Später:  20  fl.  Niclao  Mende  dem  ordens  personenn 
itzo  walpurg.  uff  bevelh  der  rethe  entricht. 

15  fl.  Heinrichen  Biossenn  von  Eichenfeld  einem  student 
zu  Wittenberg  zum  studio  auß  beveliche  des  ambtmans 
durch  Burgkkarthenn  von  Gera  von  Ettichleben  seinem 
vettemn  die  Mathie. 

4)  Die  Ausgaben  für  evangelische  Geistliche. 
In  dieser  Rechnung: 

12        fl.  doctor  Joachim  Morlein  dem  prediger  bevelhe  des 

hern    doctor   Reinhards  über  schickt  die  wochen 

Elizabet. 
7^/2    „    er  Johan  Kernnernn  pfarrer  zu  Dornheim  3  quartal 

geld  cruc.  Lucie  in  40  und  reminiscere  41. 
4:^/.j    „    er  Valentino  Flidenaro   pfarrer   zu   Eßpenfelt  uffs 

quartal   cruci    ao.  40   bevelhe   doctor.  Reinhards. 
9         „    Er  Christopf  vom  Berg  idem  pfarrer  zu  Espenfelt. 

uffs  quartal  lucie  40  und  reminiscere  41. 

2  „    Melchor  Metzell  pfarrer  zu  Sigelbach  uffs  quartal 

reminiscere   ao.  41. 

3  „3  ortt.  Niclauß  Drescher  pfarrer  zu  Wullerßlebenn 

drei   quartal  als  crucis  lucie  40  und  reminiscere 

41  ydes  quartal  5  ortt. 
25         „    Joachim  Morlein  doctor  und  prediger  uffs  quartal 

reminisc.  ao.  41. 
25         „    desgl.  trinitatis  fellig  41. 

5)  Die  Ausgaben  für  dieArnstädterSchule: 

29  fl.  Peter  Watzdorffenn  hindershelligk  costgeld  von  wegen 

der  Schulmeister  unnd  Studenten  im  Barfussenn  closter 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  209 

als  sie  von  ihme  gezogen  bevelhe  des  hem  doctor 
Reinhards  sambstags  p.  erhardj. 
161  ^,  Clausen  Wuersten  dem  wirt  vffn  rieth  auch  cost- 
gelt  ^/2  jar  von  den  Schulmeister  und  Studenten 
des  Barfüsser  closters  etc. 
2B  „  Adamo  Aemilio  dem  Schulmeister  im  closter  eine 
halbe  iarbesoldung  bezalt  bevelhe  dr.  Reinhards 
den  15.  Jenner. 

6)  Die  Ausgabe  unter  Wiederkauf  in  m.  g.  h. 
Städten: 

30  fl.  idem  in  casten  bonifacij  zwene  zinß  etc. 
"    »       »       »        ?>  n        6tc. 

7  „  3  gr.  dem  casten  zu  Urnen  jerlich  an  5  seh.  vor 
1.  marz  zwen  zins  zu  der  vicari  Dorothee  als  mich. 
39  und  40. 

Die   Ausgaben   für   die   Geistlichen,   desgl.  die  für  die 
Schule  wiederholen  sich: 
25         fl.  Morlein  quart.  geld  crucis  fellig  41. 
9         „    Christoph  v.  Berg  zu  Espenfelt  trinit.  u.  cruc.  41. 
5         „   Joh.  Kornner  zu  Dornheim  trini.  u.    cruc.  41. 
21/2    „   Nicl.  Drescher  zu  Wollerßlebenn  trinit.  u.  cruc.  41. 
4         „   Melchior  Metzel  Sigelbach  trinit.  u.  cruc.  41. 
25         „    Adamo  Aemilio  halbe  jarbesold. 
161         „   kostgeld  pro   '/g  Jahr  bei  Claus.  Wursten. 
27         „   dem  baccalaureo  Sigmund  Krad  im  closter  1  '/^  jar- 

besoldung  ^/j  taler  s.  discipulo. 
50         „   dem  jungen  Joggen  Bogken  kostgeld  etc. 

Die  Renterei-Rechnung  von  1541/42  weist  gleichfalls 
die  Ausgaben  für  die  vier  Dorfprediger,  Dr.  Morlein  und 
für  die  Schule  auf. 

Die  Rechnung  von  1542/43  (Sig.  Witzleben)  hat  unter 
Stiftseinnahme  nur  50  fl.  aus  dem  Stift  Arnstadt  verzeichnet 
dazu  die  Einnahme  aus  den  Klosterschäfereien  zu  Arnstadt 
Paulincella  und  Stadtilm,  nämlich: 

Kloster  Arnstadt:  44  Stein  12  h. 
„  Paulincella:  41  „  0  „ 
„        Um:  60       „      19   „ 

Hier  findet  sich  die  interessante  Notiz,  daß  den  g.  h. 
von    den    beiden    ersten    Schäfereien    ^/^ ,    der   Ertrag   der 


210  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

letzteren  ihm  aber  ganz  gehört.  Diese  Notiz  mag  erklären, 
wie  es  kommt,  daß  die  Stiftsüberschüsse  von  Um  zum  Teil 
gar  nicht  in  der  Rentereirechung  stehen.  Auch  der  Bar- 
überschuß des  Stiftes  scheint  in  diesen  Jahren  völlig  dem 
Grafen  zugeflossen  zu  sein. 

Dazu  kommt  noch  die  Einnahme  von  50  fl.  vom  Abt 
zu  Ilfeld,  und  auch  2  geistliche  Lehen  fallen  zu  Königsee 
der  ßentereikasse  zu: 

1)  17  fl.  18  gr.  von  einem  geistlichen  lehen  an 
25  seh.  vom  rathe  zu  Konigssehe  er  Wilh.  v.  Gebesse. 

2)  17  fl.  18  gr.  vom  rath  zu  Konigssehe  her  Hermann 
Riedinann. 

Die  Ausgaben  für  den  gemeinen  Kasten  zu  Arnstadt 
und  lim,  sowie  Zinsabgaben  an  einzelne  Pfarrer  (Joh.  Fink, 
Niclaus  Tantz)  und  an  das  Hospital  zu  Königsee  (S^/g  fl.) 
kommen  hier  vor.  Die  Ausgabe  für  Besoldung  von  6  Prädi- 
kanteu  beläuft  sich  auf  196  fl.,  die  Ausgaben  für  Erhaltung 
des  Magisters  und  der  Studenten  im  Barfüßerkloster  jauf. 
292  fl.  5  gr.  „one  das  getreilich  tuch  zu  kleidung  und 
ander  uncost". 

Außerdem  finde  ich  für  den  Schulmeister  zu  Sonders- 
hausen 10  fl.  in  Ausgabe  gesetzt. 

Auffällig  ist  folgende  Ausgabe: 

500  fl.  m.  g.  h.  graff  Popenn  von  Hennenbergk,  als 
vor  die  halb  vergleichung,  vor  die  zwei  canonicat,  Stras- 
burgk  unnd  Bamljergk ,  so  m.  g.  jungen  hern  grafi'en 
Hansen  Güntern  auffgelassen  ich  innhalts  der  recognicion 
entri  eiltet  die  Wochen  crucis   exalt. 

Die  lienterei-Rechnung  1643/44  weist  unter  Einnahme 
nur  noch  die  Wolleneinuahme  aus  den  Stiften  auf.  Unter 
Ausgabe  finden  sich  20  fl.  der  Domina  des  Klosters  zu 
Frankenhausen  und  14  fl.  G  gr.  demselben  Kloster  purif. 
Mar.  1). 

Hinsichtlich  der  Ausgaben  für  arnstädtische  Geistliche 
findet  sich  nichts  Neues: 

1)  Cf.  weiter  unten  bei  f^tiil  Frankcnhauseu. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Keformation.  211 

Für  die  Klosterschule:  346        fl.  10  gr.  8  ^ 
„       „    Geistlichen:       208^/2  fl. 

Außerdem  3  fl.  9  gr.  dem  doctor  Morlein  den  rest  der 
zerunge  nach  Wittenberg,  und  das  er  etzlich  tage  magi- 
strum  Schillingstad  in  seiner  cost  gehalten  bevel  der  rethe 
7.  okt. 

Endlich  für  einen  Studenten : 

60  fl.  Mathie  Möllern  hat  zu  Wittenberg  studirt  als 
vor  3  jähr  zinße,  zu  einer  vicarei  vultum  tuum  dni  genant 
zu  Erfurd  als  mich.  40  und  walp.  41,  mich.  41  und  walp.  42, 
mich.  42   und    walp.  43. 

Der  Ergänzung  halben  sei  hinsichtlich  der  Renterei- 
Rechnungen  dieses  Jahrzehntes  noch  folgendes  hinzugefügt : 

1)  Ren t. -Rechnung  von  1544/45: 
Einnahme  nur  aus  Stift  Um:  300  fl. 

Dazu  die  Wollennutzung  von  Um,  Arnstadt  und  Paulin- 
Cella,  ferner  der  Getreidegewinn  vom  Stift  Um  810  fl. 

S.  S.  Einnahme:  23820  fl.  15  gr.  lO^/j  X. 

Die  Zinsenausgabe  des  Staates  beträgt  allein: 
12297  fl.  12  gr.  6  X  1  h. 

Unter  eigentlich  „christlichen"  Ausgaben  findet  sich 
nur:  100  fl.  für  Georg  Spenlein,  Pfarrher  St  Bonifacii. 
Dazu  gelegentlich  19  fl.  (rund)  und  17  fl.  (rund)  für  den 
Licenciaten  Joh.  Schnerüewein  v.  Wittenbergk,  ferner  10  fl. 
Magist.  Kauln,  Schulmeister  zu  Frankenhausen.  3  fl.  5  gr. 
dem  Schneider  für  Kleider  ins  Barfüßerkloster. 

2)  Rent.-Rechnung  1546/47: 
Einnahme  aus  Stift  Um:  400  fl. 
Dagegen  findet  sich  unter  Ausgabe: 

1.  an  den  Pfarrherrn  Bonifacii:   100  fl. 

2.  an  6  studierende  Stipendiaten  zu  Leipzig:  60  fl.  (ä.  10  fl.) 
Zusammen    (incl.    der    Ausgabe     für    Leonh.    Förster): 

177  fl.   15  gr. 

3)  Die  Rent.-Rechnung  von  1547/48 

weist    allein    aus    Stift  Um    300  fl.   und   dann   noch  240  fl. 
in  einzelnen  Posten  als  Stiftseinnahme  auf. 


212  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

4)  1548/49  Rent.-Rechnung: 

Einnahme  vom  Stift  Um:  300  fl. 

Dazu  noch  Getreide-  und  Wollen-Einnahme  aus  den 
Stiften. 

Unter  Ausgabe  die  gleiche  Summe  wie  oben  für  den 
Pfarrer  v.  St.  Bonifacii  (100  fl.)  und  für  3  Studenten 
(Förster,  Möller  und  Wacker  zu  Wittenberg  und  Leipzig) 
auf  ein  Jahr  90  fl.  (ä  Person  30  fl.) 

Von  den  Amtsrechnungen  liegen  uns  solche  des 
Amtes  Arnstadt-Kevernburg  vor: 

sub  Einnahme:  1543/44  38  seh.  19  gr.  3  A.  1  h.  Ilmer  Zinsen 
39    „       6    „   5  „    1  „  Zeller     „ 

Die    Ausgaben    für    „christliche"    Zwecke    sind    etwa 
folgende : 
2  fl.     3  gr.  Doctor   Morlein    vor    3    fuder    holtz    ime    vffin 

margt  kauft  bevhelich,  der  hern  rethe. 
1    „      3     „    von    doctor   Langen   fhurlohn   gegen   Arnstadt. 
18  gr.  sein  knecht  ader  furmann  vorzert. 
5    „    dem  kuchen  jungen  ime  closter  zu  einem  par  schue 
etc. 

Die  Amtsrechnung  Arnstadt-Kevernburg  1544/45: 

36  fl.  9  gr.  2  a.  X  Ilmer  Zins 

37  „    1     „    2  n.    „    Zeller  Zins. 

Diese  Stiftszinseinnahme  hat  ungefähr  die  gleiche 
Höhe  wie  früher.  Aus  diesen  Rechnungsauszügen  ersieht 
man,  daß  für  Studierende  staatlicherseits  Geldbeihilfen  aus- 
gesetzt waren.  Auch  sonst  finden  sich  urkundliche  Belege, 
daß  von  anderer  als  staatlicher  Seite  Studierenden  jährliche 
Unterstützungen  gewährt  wurden.  (Cf.  1543,  Arnst.  Cantzlei 
Handelsbuch,  S.  76:  den  Studenten  Johannes  Erobenius  u. 
Joh.  Metzler,  jeden  2  jähr  lang,  jedes  jähr  25  fl.  von  den 
testamentarien  Holtzeygen  seligenzu  Um  testirt ! .  Auch 
Anton  Stange  zu  Dömfeld  hatte  dem  Knaben  Heinrich 
20  gr.  zum  Studium  festgesetzt:  Rechtshändel  Buch  1538/46, 
S.  A.) 

1)  S.  A. 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  2l3 

Prüfen  wir  also  die  Stiftsgutsverwendung  der  drei 
oberherrschaftlichen  Stifte  an  der  Hand  der  angezogenen 
Stifts-  und  Staatsrechnungen,  so  muß  hervorgehoben  werden, 
daß  unter  Graf  Günther  XL.  das  Bestreben  unverkennbar 
ist,  einen  bestimmten,  wenn  auch  gegenüber  den  Erträgen 
der  Stifte  geringfügigen  Teil  des  oberherrschaftlichen  Stifts- 
einkommens ad  pias  causas  zu  verwenden.  Allerdings  scheint 
es,  als  wenn  die  Stifts  Verwaltungen  schon  gänzlich  ihren 
kirchlichen  Charakter  gegenüber  staatlichen  Amtern  ein- 
gebüßt haben ;  es  werden  die  Stiltsgüter  als  völlig  staat- 
liches Eigentum  angesehen,  der  Gewinn  aus  ihnen  kommt 
der  Staatskasse  und  den  Hofhaltungen  zu  gute,  und  die 
Staatskasse  trägt  selbst,  was  für  christliche  Zwecke  zur 
Ausgabe  bestimmt  ist.  Man  darf  deshalb,  weil  in  den 
Staatsrechnungen  größere  Einnahmen  aus  den  Stiften  nicht 
verzeichnet  sind,  nicht  meinen,  daß  der  staatliche  Vorteil 
ein  geringer,  oder  überhaupt  nicht  vorhanden  gewesen  sei, 
denn  thatsächlich  war  das  Stiftseinkommen  z.  B.  vom  Stift 
Arnstadt  bereits  so  geschmälert,  daß  seine  Einnahmen  ge- 
rade noch  zur  Deckung  der  ad  pias  causas  festgesetzten 
Ausgaben  ausreichten.  Dabei  muß  anerkannt  werden,  daß 
staatlicherseits  Aufwendungen  für  Schul-  und  Studienzwecke 
gemacht  wurden,  und  zwar  besonders  für  die  ersteren. 

B.  Die  untel-herrschaftllohen  Stifte. 

Es  erübrigt  noch,  daß  wir,  soweit  das  Urkundenmaterial 
es  gestattet,  einiges  über  die  Verwendung  der  ^tiftsgüter 
einzelner  unterherrschaftlicher  Klöster  hinzufügen.  Es  handelt 
sich  hierbei  lediglich  um  die  Stifte,  welche  in  der  weiter 
unten  citierten  Urkunde  vom  Jahre  1544  erwähnt  sind, 
nämlich  um  Frankenhausen  i),  Capelle^)  und  Kelbra^).    Die 

1)  Gegründet  im  Jahre  1215  von  Friedrich,  Gr.  v.  Beichlingen, 
8.  Dobenecker,  Reg.  d.  Thur.  II,  no.  1656. 

2)  Gegründet  im  Jahre  1193  von  dem  Edlen  Godebold  imd 
seiner  Gem.  Bertradis,  s.  Dobenecker  a.  a.  O.  II,  no.  939. 

3)  Gegründet  im  Jahre  1251,  s.  Winter,  Die  Cistercienser  II,  39. 


214  Über  die  "Verwendung  der  Klostergüter 

übrigen  unterherrschaftliclien  Klöster  müssen  mit  Eücksicht 
auf  den  Umfang  dieser  Arbeit  und  aus  sonstigen  gewichtigen 
Gründen  in  diesem  Zusammenhang  unberücksichtigt  bleiben. 
Am  ehesten  würde  sich  noch  für  Stift  \rechaburg  eine  ein- 
gehende Darstellung  mit  Bezug  auf  unsere  Frage  lohnen. 
Leider  ist  es  aber  noch  nicht  einmal  hinsichtlich  der  drei 
erstgenannten  Stifte  möglich,  da  die  Stiftsrechnungen  fast 
gänzlich  fehlen,  einiB  Prüfung  der  Einnahme-  und  Ausgabe- 
posten vorzunehmen.  Aus  der  noch  vorhandenen  Rechnung 
des  Klosters  Kelbra  von  1544/45  (Georges  Roßeier)  mag 
wenigstens  folgendes  angeführt  werden: 

S.  E:  553  fl.  11  gr.  4  >,  1  heller 
S.  A:  368    „    10    „    6    „ 
Überschuß:  185    „    10     „    1  heller 

Dabei  findet  sich  für  die  Jungfrauen  verausgabt: 

162  fl.  2  gr. 

und   für    den    Propst,    Pfarrer,    Schulmeister   und    Kirchner 

82  fl. 

Unter  den  Getreideausgaben  kehren  die  an  die  Schosser 
beider  Herren  (Schwarzburg  und  Stolberg)  immer  wieder. 
Die  Rechnung  von  1571/72,  die  wir,  da  überaus  dürftiges 
Material  nur  vorhanden  ist,  kurz  anführen,  verzeichnet  bei 
einer  Einnahme  von: 

757  fl.  12  gr.  1  X  1  heller 
und  bei  einer  Ausgabe  von  753  fl.  4  gr.  1  ^  1  heller  als 
Ausg.   für   Kirchendiener :    92  fl.    und   an   die   Rentmeister , 
beider  Herren  je:   311  fl.  4  gr.  1  ^X. 

Überaus  auffällig  ist  es  nun,  daß  sich  aus  den  unter- 
herrschaftlichen Stiften  gar  keine  Barüberschüsse  in  den 
gemeinsamen  Rentereirechnungen  angegeben  finden.  Es  mag 
dies  so  erklärt  werden,  daß  die  Stiftseinnahmen  sogleich 
den  Amtskassen  zuflössen,  so  zweifellos  bei  Stift  Eranken- 
hausen;  denn  die  Amtsrechnungen  von  Frankenhausen 
weisen  folgende  Ausgaben  auf: 

1540:         1)  Der  Domina:  151  fl.     9         gr.  71/2-^ 

2)  Den  Kirchendienern:    113  „    16 V2     n 


142  fl.    3 

gr.   3 

77  „   14 

„    6 

114   „     8 

„     4 

141    „   16 

r,         6 

im  Schwarzburgiechen  zur  Zeit  der  Reformation.  ^15 

1541/42:   1)  Der  Domina:  142  fl.    3        gr.    3       X 

2)  Den  Kirchendienern : 
1546/46:  1)  Ins  Kloster 

2)  Den  Kirchendienern; 

(cf  die  Steigerung  der  Ausgaben  für  Kirchen- 
diener!) 

Die  Getreiderechnung  des  Amtes  Frankenhausen  von 
1540/41  macht  es  unzweifelhaft,  daß  die  Fruchtvorräte  in 
der  Klosterscheune  und  die  Getreidezinsen  dem  Amt  zu- 
flössen. Ins  Kloster  wurde  davon  nach  Bedarf  abgegeben. 
Was  an  Frucht  aus  dem  Klostervorrat  und  Zinsen  dem 
Gut  zufloß,  erhellt  z,  B.  aus  folgenden  Notizen  der  Rech- 
nung von  1540/41 : 

1)  Einnahme  aus  der  Klosterscheune: 

13  fort.       6        scheff.  Weizen 
113  malter  4  „       Rocken 

44  1 

2)  Klosterzins  (Rocken) :  88        „     11 1/2       „       (13  Orte) 
Ausgabe  der  Domina 

etc:  18        „       8  „      (für  14  Pers.) 

etc. 

3)  Einnahme:  Gerste  aus  der  Klosterscheune: 

43  malter  1  scheff. 
Ausgabe:  1        „       der  Domina 

4       „       dem  doctori  (Pfarrer)  zu  Frankenhausen 

4)  Hafer  aus  der  Klost«rscheune : 

62  malter  11  scheff. 

Außerdem  erhält  die  Domina: 
2  malter  Rübesamen,  2  thun  keße 

1  steyn  7  ^   Unschlitt  14  s weine 

(vnhlett)  3  Stck.  Rindvieh 

2  thun  puttern  10  Schafe     etc. 

Ahnlich  wird  nun  auch  hinsichtlich  des  Stiftes  Capelle 
verfahren  worden  sein,  einigermaßen  orientiert  uns  die  oben 
angeführte  Urkunde  über  die  Bestallung  des  Ritters  Fr. 
von  Vippach  vom  Jahre  1539.  1542  wurde  die  Bestallung 
erneuert.  Unbedeutende  Ausgaben  für  meines  g.  H.  Kaplan 
finden  sich  in  der  Arnsburger  Rechnung  1545.    Hinsichtlich 


216  tHaer  die  Verwendung  der  Klostergüter 

des  Stiftes  Kelbra  war  eine  gesonderte  Stiftskassenver- 
waltung, da  zwei  Herren  Ansprüche  an  das  Stift  machten 
(Stolberg  und  Schwarzburg),  vorhanden  (siehe  die  Rech- 
nung vom  Jahre  1544/45).  '' 

Es  unterliegt  nach  dem  Gesagten  keinem  Zweifel,  daß 
die  Herrschaft  nach  Einziehung  dieser  drei  unterherr- 
schaftlichen Stifte  sich  lediglich  zum  Unterhalt  der  noch 
vorhandenen  Klosterpersonen,  sowie  zur  Dotierung  einzelner 
zu  den  Klöstern  gehöriger  Pfarreien  für  verpflichtet  hielt. 
Es  mag  auch  hier  zutreffen,  daß  anfangs  die  Überschüsse 
in  bar  unbeträchtliche  waren  und  daß  die  staatliche  Auf- 
sicht erst  Ordnung  und  rationellere  Bewirtschaftung  bringen 
mußte,  aber  mit  den  Jahren  gestalteten  sich  die  Einnahme- 
verhältnisse und  Barüberschüsse  im  Interesse  der  Staats- 
kassen immer  günstiger  (vergl.  oben  die  Stiftsrechnung 
von  Kelbra  1571/72).  Aber  auch  schon  in  den  Jahren 
unmittelbar  nach  Säkularisation  der  Stifte  (1540  ff.)  dürfte 
es  als  ausgemacht  gelten,  daß  die  staatlichen  Aufwendungen 
für  die  Klosterpersonen  und  die  evangelischen  Kirchen- 
diener kaum  in  einem  Verhältnis  zu  denjenigen  Einnahmen 
gestanden  haben,  welche  die  Amtskassen  den  Siften  ver- 
dankten [vergl.  z.  B.  die  staatlichen  Aufwendungen  für  die 
Klosterpersonen  und  die  evangelischen  Kirchendiener  nach 
den  Frankenhäuser  Amtsrechnungen : 

1540     :  264  fl.  (rund) 

1541/42:  219    „   (     „    ) 

1545/46:  255    „   (    „    )]  i) 

Die  Ursache  für  diese ,  dem  gemeinen  Nutzen  des 
Landes  so  überaus  vorteilhafte  Verwendung,  besonders  des 
Stiftsgutes  dieser  drei  unterherrschaftlichen  Klöster,  ist 
wohl  vornehmlich  in  der  schwierigen  Finanzlage  des  Landes 

1)  Hinsichtlich  der  Verwendung  der  Stiftsgebäude  des  Franken- 
häuser  Klosters  sei  wenigstens  so  viel  erwähnt,  daß  seit  1552  die  ur- 
sprüngliche Nonnenwohnung  durch  den  städt.  Eat  unter  Zustimmung 
des  Grafen  als  Knabenschule  mit  5  Klassen  eingerichtet  wurde  (cf . 
Müldener,  die  Gesch.  d.  Klosters,  S.  193). 


im  Schwarzburgischen  zur  Zeit  der  Reformation.  217 

Anfang  der  40  er  Jahre  zu  suchen.  Nur  einiges  möge  zum 
Beleg  hierfür  angeführt  werden.  Die  drückendsten  staat- 
lichen Verpflichtungen  waren  die  der  wiederkäuflichen  Zinsen 
an  Edelleute  und  besonders  die  in  den  Städten  Erfurt  und 
Nordhausen  an  geistliche  Stifte  fälligen.  Die  Summe  aller 
Zinsausgaben  in  der  Unterherrschaft  machte  allein,  z.  B. 
nach  der  Renterei-Rechnung  von  1539/41  5560  fl.  1  gr.  5  .X, 
nach  der  Renterei-Rechnung  von  1542/43: 
die  Zinsen  an  die  Edelleute:  4244  fl.  17  gr. 
die  Nordhäuser  Zinsen:  889    „      9^/2     „ 

die  Erfurter  Zinsen:  2266    „6  „    2  ^ 

die  übrigen  Zinsen:  2719    „      6          „8     „ 

Eine  Eolge  dieser  drückenden  finanziellen  Lage  des 
Landes  war  nun  auch  die  Verordnung  des  Grafen  Günther 
vom  1.  Mai  1544,  das  Kreditwesen  betreffend  i),  welche 
die  Verwendung  eines  bedeutenden  Teiles  des  Stiftsgutes 
der  in  Frage  stehenden  säkularisierten  Klöster  im  Interesse 
besonders  der  Schuldentilgung  des  Landes  auf  längere 
Zeit  festlegte.  Die  staatliche  Finanzkommission,  be- 
stehend aus  Benedictus  Reinhart,  der  Rechten  Doctor, 
Günther  von  Heringen  und  Oßwalt  von  Tottieben,  hatten 
über  die  Schulden  der  Herrschaft  dem  Grafen  Bericht  er- 
stattet, und  der  Graf  verordnete  darauf  auf  Grund  ihrer 
Vorschläge  („das  sie  (^rinnen  unßern  nutz  und  gedeien 
gesucht,  und  das  dieß  alles  unßer  graff  und  herschafften 
zu  sunderlichen  besten  gemeint  und  gereichen  thut"  .  .  .) 
folgendes  :  „Nachvolgender  empter  und  stiefft  etc.  einkommen 
als  nemlichen,  der  zweier  empter  als  Arnstadt  und  Keffern- 
bergck,  des  ampts  Klingen,  des  ampts  Sonderßhaussen  biß 
auff  dreihundert  gülden  verweissung  davir  die  heileitten 
zugebrauchen,  des  ampts  Franckenhaußen  aus  dem  halben 
ampt  Schwartzburgck  funfzcigk  gülden,  des  ampts  Keuhle 
biß  auff  vierhundertt  gülden  sechs  groschenn,  des  Strauß- 
bergs des  nohnnen  klosters  zu  Franckeühaußon 
des    nohnnen    klosters    zu    Kelbra    die    helffte 


1)  S.  A.  Eeg.  3560. 
XXI.  15 


218  Über  die  Verwendung  der  Klostergüter 

des  klosters  Capella,  nutzung  alles  getreidichs  in 
allen  ampten  der  undern  herschafft,  nutzunge  des  wein- 
wachs  biß  auff  funffhundert  gülden,  nutzi\ng  aller  scheffereien 
außerhalb  wollen  und  hamelgelt  der  obern  herschaefft, 
nutzunge  aller  ferwerge,  nutzung  aller  teichen,  nutzung  aller 
muhlen,  nutzung  des  bierbrauens  und  der  backoffen  zcu 
unßer  underhaltung  haben  wellen  und  hierüber  unser  graeff 
und  herschaefft,  mit  keinnen  neuen  schulden  weitter  und 
ferner  nicht  belahden  und  beschweren  wellen,  und  dieweill 
wir  aus  gedachter  unser  rehte  Verwendung  vermarckt,  auch 
ahne  das  gewust,  das  wir  unserm  gleubigern  jherlichen 
zuverpensioniren  12  519  gülden  schuldigck,  als  haben  wir 
unserm  rentmaister  und  lieben  getreuen  Sigmundt  Witz- 
leben nachvolgende  einnähme,  als  1500  gülden  bei  dem 
rath  zu  Franckenhaussen,  1374  gülden  bei  dem  rath  zu 
Arnstadt,  428  gülden  bei  dem  rath  zu  Greussenn,  357  gülden 
bei  dem  rath  zu  Sonderßhaussen,  225  gülden  bei  dem  rathe 
zu  Ilmen,  57  gülden  bei  dem  rath  zu  Flaue,  6  gülden  bei 
dem  rath  zu  Konnigßehe,  357  gülden  im  ampt  Kelbra, 
400  gülden  im  ampt  Keuhla,  300  g.  im  ampt  Sonderß- 
haussen, 3500  gülden  an  allen  zcohllen,  800  an  nutzunge 
aller  scheffereien  der  obern  herschafft,  800  im  stiefft 
Ilmen,  550  gülden  im  ampt  schwartzburgck,  500  gülden 
aus  Notleben  und  Erffurt  den  herffen  [?],  600  gülden  aus 
dem  getreidich  zu  Ilmen,  500  g.  aus  getreide  zu  Arn- 
stadt, 400  g.  aus  geholtz  zu  Arnnstadt,  500  gülden  von* 
weinkauf,  100  gülden  aus  getreidich  zur  Zcella,  60  g.  ver- 
spruch  gelt  zu  Northaußen,  300  gülden  an  dem  Zceller 
walde  gerehn  und  partzell  S.  13  604  gülden  zcu  bezcalung 
der  zcinß  verordent,  mit  dieser  zcusage,  das  wir  ader 
unßer  gemahll  noch  niemandt  von  unsertwegen  darein  kein 
eingrieff  thun  soll  etc.  etc." 

Über  den  Verbleib  der  zum  Teil  sehr  wertvollen 
Klosterkleinode  sei  kurz  gesagt,  daß  dieselben,  soweit  sie 
nicht  im  Bauernkrieg  verloren  gingen,  mit  Beginn  der 
Säkularisation    oder   wohl    auch    schon   früher   durch  staat- 


im  Schwarzburgiechen  zur  Zeit  der  Eeformation.  219 

liehe  Beamte  an  die  zuständigen  Ämter  oder  auch  direkt 
an  die  Herrschaft  laut  Inventarverzeichnissen  abgeliefert 
wurden  (cf  Kloster  Schlotheim,  Frankenhausen,  Kelbra 
u.  s.  w.). 

Damit  sind  wir  am  Schluß  dieser  Abhandlung  ange- 
langt, und  wir  dürfen  das  Resultat  derselben  in  folgende 
Punkte  kurz  zusammenfassen: 

1)  Das  Stiftsgut  der  6  schwarzburgischen  Stifte: 
Paulinzella,  Stadtilm,  Arnstadt,  Frankenhausen,  Capelle  und 
Kelbra  mußte  zur  Zeit  der  Reformation  des  schwarz- 
burgischen Gebietes  in  weit  umfangreicherem  Maße,  als  es. 
dem  materiellen  Interesse  der  jungen  evangelischen  Landes- 
kirche entsprach,  zum  gemeinen  Nutzen  des  Landes  — 
wobei  die  Verwendung  für  die  gräflichen  Hofhaltungen 
mit  eingeschlossen  ist  —  gebraucht  werden. 

2)  Gleichwohl  soll  nicht  geleugnet  werden,  daß  seitens 
der  staatlichen  Obrigkeit  wenigstens  ein  Teil,  wenn  auch 
ein  kleiner,  ad  pias  causas  (d.  h.  für  direkt  kirchliche  Zwecke) 
verordnet  wurde,  wodurch  wenigstens  in  einzelnen  Fällen 
und  anfänglich  der  materiellen  Not  der  Kirche  gesteuert 
wurde. 

3)  Ist  es  darum  auch  vom  kirchlichen  Standpunkte 
aus  zweifellos  zu  bedauern,  daß  nicht  von  vornherein  so- 
gleich die  Verwendung  der  Stiftsgüter  der  genannten 
Stifte  eine  den  kirchlichen  Interessen  entsprechendere  sein 
konnte,  so  hat  doch  auch  die  staatliche  Obrigkeit,  sobald 
sie  die  kirchlichen  Stiftsgüter  einzog,  zugleich  die  Ver- 
pflichtung der  materiellen  Beihilfe  an  die  Kirche  thatsäch- 
lich  anerkannt,  indem  sie,  trotz  der  finanziellen  Notlage 
des  Landes,  vom  Anfang  an,  soweit  möglich,  diese  Beihilfe 
auch  wirklich  gewährte. 


15* 


V. 

Die  von  Balenhusen. 

Von 

L.  Armbrust. 

Ein  gutes  Menschenalter  ist  verflossen,  seitdem  der 
Landrat  von  Hagke  Nachrichten  über  seinen  Kreis  Weißensee 
und  dessen  adlige  Bewohner  herausgegeben  hat.  In  der 
Zwischenzeit  ist  eine  Reihe  von  Urkundensammlungen  und 
anderen  Quellen  erschienen,  in  denen  der  Geschlechtsname 
Balenhusen  erwähnt  wird.  Es  schien  daher  angebracht, 
die  neuen  Erwähnungen  mit  den  alten  zu  verbinden,  auch 
in  einigen  Archiven  nachzuforschen.  Daneben  war  der 
Zweck  dieser  Arbeit,  auf  den  Zweig  der  Ballhausischen 
Familie  im  Hessenlande  hinzuweisen  und  endlich  eine 
scharfe  Scheidung  von  den  Namensvettern,  zumal  von 
denen  im  Leinegau  herbeizuführen,  die  zuweilen  in  be- 
irrender Nähe  auftauchen  i). 

A.  Die  Ton  Ballhausen  im  thtiringisclieii  Altgan. 

1.  Die  freien  Herren  von  Ballhausen 

(1110—1206). 

Zum  thüringischen  Altgau  gehörten  ehemals  die  Dörfer 

Groß-  und  Klein-Ballhausen.     Sie  liegen  dicht  bei  einander 

im  westlichen  Teile  des  jetzigen  Kreises  Weißensee.     Dort 


1)  An  dieser  Stelle  möchten  wir  den  Archiv-  imd  Bibliotheks- 
verwaltungen und  den  einzelnen  Herren,  die  uns  bei  der  Arbeit 
unterstützt  haben,  nochmals  unsern  Dank  aussprechen. 


Die  von  Balenhusen.  221 

—  d.  h.  nach  etwas  späterer  Nachricht  (um  1258)  nur 
in  Klein-Ballhausen  —  saß  ehemals  ein  ansehnliches 
freies  Geschlecht,  dem  der  Ort  seinen  Namen  lieh. 

Das  erste  Mitglied  der  Familie,  von  dem  man  Kunde 
empfängt,  hieß  Henselin,  Hinter  dem  kindlichen  und 
bescheidenen  Vornamen  barg  sich  ein  hervorragender  Mann. 
Als  er  in  Erfurt,  der  nächsten  größeren  Stadt,  eine  Schenkung 
Ludwigs  des  Springers,  Grafen  von  Thüringen,  bezeugte 
(1110),  ward  Henselin  unmittelbar  hinter  dem  Grafen  Erwin 
von  Tonna  aufgeführt;  darauf  kamen  fünf  andere  Freie," 
und  dann  erst  Vasallen  des  Grafen  Ludwig  ^), 

Der  nächste  Vertreter  des  Geschlechtes,  Adalbert, 
R.  No.  2  und  15,  16),  brachte  es  bis  zum  gräflichen  Titel. 
Bei  seiner  ersten  Erwähnung  freilich  (1144)  fehlte  ihm 
diese  Bezeichnung  noch.  Er  stand  sogar  an  der  letzten 
Stelle  unter  den  thüringischen  Freien,  die  bei  Erfurt  eine 
Urkunde  Heinrichs  L,  des  Erzbischofs  von  Mainz,  be- 
zeugten. Ein  Vierteljahrhundert  später  weilte  er  indessen 
mit  seinem  Sohne  Konrad  in  Frankfurt  an  Kaiser  Friedrichs 
Hofe,  und  da  führte  ihn  der  Kanzler  unter  den  Grafen 
auf.  Darauf  ist  aber  nicht  allzuviel  Gewicht  zu  legen, 
denn  andere  Freie  erfreuten  sich  zuweilen  derselben  Be- 
nennung. 

Adalberts  Sohn  Xonrad  (R.  No.  3 — 23)  ward  öfter 
und  mit  besserem  Grunde  in  solcher  Weise  ausgezeichnet. 
Die  Italiener,  mit  denen  er  teils  als  Krieger,  teils  als 
kaiserlicher  Vertrauensmann  viel  zu  thun  hatte,  "ehrten  ihn 
80 ;  aber  wohl  nur  deswegen,  weil  bei  ihnen  nach  uraltem 
Herkommen  die  Bezeichnung  Graf  (comes)  einer  bestimmten 
Art  höherer  Beamten  beigelegt  wurde.  Daß  Konrad  von 
Ballhausen  den  Stand  der  freien  Herren  mit  dem  der 
Reichsministerialen  vertauscht  hätte,  ist  nicht  ausdrücklich 
überliefert.     Den  Weg  dazu  schlug  er  jedenfalls  ein. 

Konrad  war  zweifellos  der  glänzendste  Vertreter  des 
gesamten  Ballhäuser  Geschlechtes.     Friedrich  Rotbart,  noch 

1)  Auszug  aus  Urkunden  uud  Chroniken  im  Anhange  (ß.),  No.  1. 


222  ^iö  "^on  ßalenhusen. 

heutzutage  für  den  Deutschen  der  Inbegriff  kaiserlicher 
Würde  und  kaiserlichen  Glanzes,  fesselte  eine  Anzahl 
tüchtiger  Persönlichkeiten  an  seinen  Dienst,  mehr  durch 
die  Bewunderung  und  Verehrung,  die  er  einflößte,  als  durch 
große  Versprechungen  und  reiche  Geschenke.  So  widmete 
sich  auch  Konrad  von  Ballhausen  dem  Kaiser  mit  Herz 
und  Hand.  Schon  ehe  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen 
zu  Friedrichs  Heere  stieß  i),  befand  sich  Konrad  in  Ober- 
italien und  nahm  am  Feldzuge  gegen  die  Lombarden  ruhm- 
vollen Anteil.  Die  Mailänder  belagerten  im  Sommer  1160 
die  Feste  Carcano.  Der  Kaiser  Friedrich  eilte  zum  Ent- 
sätze herbei.  Am  9.  August  kam  es  zum  Kampfe.  Un- 
widerstehlich war  der  Ansturm  Friedrichs  und  seiner 
wenigen  Deutschen,  unter  denen  Herzog  Berthold  von 
Zähringen,  ein  Herzog  von  Böhmen  und  Graf  Konrad  von 
Ballhausen  besonders  namhaft  gemacht  werden.  Das  ver- 
goldete Kreuz  und  das  Banner  des  feindlichen  Fahnen- 
wagens wurden  erbeutet  und  viele  Gefangene  von  dannen 
geführt. 

Konrad  nahm  darauf  an  der  Belagerung  von  Mailand 
teil  und  trat  am  1.  September  des  folgenden  Jahres  zum 
erstenmal  in  einer  kaiserlichen  Urkunde  als  Zeuge  auf, 
zu  Landriano  im  Gebiete  von  Mailand.  Als  Landgraf  Lud- 
wig im  Spätsommer  heimkehrte,  blieb  Konrad  bei  Friedrich 
Rotbart  und  gewann  im  Laufe  der  Zeit  eine  einflußreiche 
Stellung  im  kaiserlichen  Rate.  Nach  der  Einnahme  der 
lombardischen  Hauptstadt  gehörte  er  zu  den  sechs  Deutschen 
und  sechs  Lombarden,  die  den  gedemütigten  Mailändern  den 
Unterwerfungseid  abnahmen.  Er  besorgte  dies  zusammen 
mit  dem  Italiener  Girardo  de  Cornazano,  der  auch  während 
der  Belagerung  die  oben  erwähnte  kaiserliche  Urkunde 
mitbezeugt  hatte. 

An  Mailands  Römischem  Thore  erledigten  sie  zwischen 
dem    8.   und    10.  März  1162   ihre   gewiß    nicht   angenehme 


1)  Giesebrecht,   Geschichte  der   deutschen   Kaiserzeit,    V,   1, 
290.  295. 


Die  von  Balenhusen.  '  223 

und  gefahrlose  Aufgabe.  Der  Podestä,  von  Lodi,  Acerbus 
Morena,  der  zu  derselben  Zeit  den  Schwur  der  Bürger  am 
Neuen  Thore  entgegennahm,  war  der  Geschichtsschreiber 
dieser  Ereignisse.  Er  hielt  neben  dem  Kaiser  selbst  und 
seinen  bedeutendsten  Mitarbeitern  und  Mitkämpfern  den 
thüringischen  Freien  für  hervorragend  genug,  um  seine 
Persönlichkeit  mit  einigen  Strichen  zu  zeichnen. 

Konrad  von  Ballhausen  war  nicht  so  groß  von  Gestalt 
wie  sein  Landsmann  Markward  von  Grumbach  und  andere 
Deutsche  aus  dem  kaiserlichen  Gefolge.  Seine  Abstammung 
verrieten  jedoch  die  hellblonden  Haare,  deren  Farbe  dem 
Italiener  geradezu  weiß  erschien,  und  die  weiße  Haut.  Er 
hatte  angenehme  Gesichtszüge.  Man  betrachtete  ihn  als 
einen  gebildeten  und  klugen  Mann,  weil  er  die  italienische 
Sprache  so  gut  verstand  wie  die  deutsche.  Er  verband 
mit  der  nötigen  Vorsicht  rüstige  Entschlossenheit  im  Felde. 
Bei  aller  Kriegstüchtigkeit  rühmte  man  ihm  ein  freund- 
liches und  leutseliges  Wesen  nach.  ' 

So  beteiligte  er  sich  anscheinend  auch  nicht  an 
den  Erpressungen  und  Bedrückungen  im  lombardischen 
Lande  die  ein  Markward  von  Grumbach  für  erlaubt 
hielt  1). 

Der  Kaiser  wußte  Konrads  Eigenschaften  zu  schätzen 
und  ernannte  ihn  im,  Mai  1162  zum  Statthalter  (Podestä) 
von  Ferrara.  Das  Amt  war  kein  Ruhesitz  für  ausgediente 
Invaliden,  sondern  Hort  und  Stütze  der  kaiserlichen  Macht 
in  einem  unruhigen  Lande,  unter  einem  heißblütigen  Volke, 
das  durch  Ungerechtigkeiten  erbittert  und  in  den  Waffen 
ebenbürtig  war.  Da  galt  es,  neben  der  nötigen  Thatkraft 
auch  rechtzeitig  Klugheit  und  Milde  zu  gebrauchen.  So 
war  es  gewiß  Konrads  Verdienst,  wenn  die  Stadt  Ferrara 
sich   nach    einiger  Zeit    so   beruhigt  und  gut  kaiserlich  er- 


1)  Giesebrecht,    Geschichte    der   deutschen   Kaiserzeit,    V,   1, 
386.  387.  413;  V,  2,  523;  VI,  423. 


224  I^'e  "Pon  Balenhusen. 

wies,  daß  Friedrich  Rotbart  ihren  Bürgermeistern  ein  Privileg 
verlieh  ^). 

Über  besondere  Fälle  hatte  der  Podestä  seinem  kaiser- 
lichen Herrn  jedenfalls  persönlich  Bericht  zu  erstatten  und 
dessen  Befehle  einzuholen.  Wahrscheinlich  brauchte  man 
seine  Teilnahme  auch  bei  anderen  Beratungen  und  Unter- 
nehmungen ,  denn  nachher  wie  vorher  hielt  er  sich  häufig 
am  kaiserlichen  Hofe  auf.  Anfang  April  1162  weilte  er 
bei  Friedrich  Rotbart  in  Pavia,  Mitte  August  in  Turin 
Ob  er  dem  Kaiser  dann  nach  Deutschland  folgte,  ist  zweifel- 
haft. Sein  eigentliches  Arbeitsfeld  war  und  blieb  Italien. 
Im  Herbste  11G3  traf  er  mit  seinem  kaiserlichen  Herrn 
wieder  in  Lodi  ein,  um  bei  kirchlichen  Feierlichkeiten  und 
bei  einer  Reichsversammlung  zugegen  zu  sein. 

Beim  Beginne  des  folgenden  Jahres  befand  er  sich  in 
Friedrichs  Gefolge  zu  Faenza  und  im  Sommer  zu  Pavia,  wo 
er  die  Krönung  des  sardinischen  Schattenkönigs  Bareso  wohl 
mitgefeiert  hat  ^j.  Einen  oder  zwei  Monate  darauf  begab 
sich  der  Kaiser  beinahe  mit  allen  Deutschen,  die  in  der 
Lombardei  zu  seiner  Begleitung  gehört  hatten,  ins  Vater- 
land zurück.  Markward  von  Grumbach,  Gewalthaber  in 
Brescia  und  Bergamo,  behielt  die  oberste  Leitung  der  lom- 
bardischen Angelegenheiten.  Leider  fehlt  jede  Andeutung, 
ob  Konrad  von  Ballhausen  damals  zu  den  Heimkehrenden 
oder  zu  den  Zurückgebliebenen  gehörte.  Daß  das  Amt  des 
Podestä  in  Ferrara  anderweitig  besetzt  wäre,  ist  nicht  über- 
liefert. Andererseits  begegnet  uns  Konrad  in  den  nächsten 
Jahren  nur  in  der  Heimat.  Seine  eigenen  Angelegenheiten 
mochten  seine  längere  Anwesenheit  fordern.  Ein  heftiger 
Streit    tobte    nämlich    in  Thüringen:  Landgraf  Ludwig  be- 

1 )  Koiirad  Varrentraiip,  Erzb.  Christian  v.  Mainz,  Berlin  1867, 
S.  121),  No.  2')  (]1()4  Mai  21.):  nicdiante  et  auctore ..  principe  uostro 
(,'liristiaiio  s.  pal.  oaiicollario,  (jui  corum  fidem  et  probitatem 
nobi.s  adprobavit. 

2]  Gics.'l)rcdit,  V,  ],  410. 


Die  von  Balenhusen.  225 

kriegte  den  Erzbischof  Konrad  von  Mainz,  Die  Mauern 
der  Stadt  Erfurt,  von  der  Ballhausen  nicht  sehr  weit  ent- 
fernt lag,  wurden  dabei  zerstört  (1165)  ^). 

Im  August  1166  hielt  er  sich  beim  Kaiser  auf  dem 
Schlosse  Boyneburg  (südlich  von  Eschwege)  auf,  dann  war 
er  wieder  an  der  entgegengesetzten  Mark  des  Thüringer 
Landes,  beim  Magdeburger  Erzbischof  Wichmann.  Und 
im  Sommer  1170  läßt  er  sich,  wie  schon  oben  erwähnt, 
mit  seinem  Vater  auf  dem  großen  Frankfurter  Hoftage 
nachweisen. 

Aber  seine  Thätigkeit  in  Italien  war  noch  nicht  ab- 
geschlossen. Während  seiner  Abwesenheit  neigte  sich  die 
Stadt  Ferrarä  wiederum  dem  neuen  lombardischen  Städte- 
bunde zu  und  schloß  sich  endlich  dem  allgemeinen  Wider- 
stände gegen  den  Kaiser  an  (Dezember  1167)  3).  Wie 
Konrad  von  Ballhausen  ehemals  die  Triumphe  des  ge- 
waltigen Hohenstaufen  mitgefeiert  hatte,  so  war  es  ihm 
nun  auch  beschieden,  die  Niederlagen  und  Demütigungen 
aus  nächster  Nähe  anzusehen  und  seinen  bescheideneu 
Teil  davon  auf  sich  zu  nehmen.  Als  Verfechter  der  Sache 
des  Kaisers  weilte  Erzbischof  Christian  von  Mainz  auf 
italienischem  Boden.  Ihm  schloß  sich  Konrad  an.  Als 
Christian  in  die  Streitigkeiten  zwischen  Genua  und  Pisa 
eingrifft),  stand  Konrad  ihm  zur  Seite  und  gehörte  zu  den 
Unterzeichnern  des  Vertrages  mit  Genua  (am  6.  März  1172). 
Er  folgte  dem  Erzbischof  südwärts  bis  nach  Toscana  hin- 
ein und  bezeugte  zu  Siena  das  Privileg,  das  -  sich  die 
Stadt  Viterbo  ausgebeten  hatte.  An  der  Belagerung  Anconas 
mag  er  sich  ebenfalls  beteiligt  haben,  obwohl  sich  kein  Be- 
weis dafür  findet. 

Als  Kaiser  Friedrich  selbst  über  die  Alpen  kam  und 
im  Herbste  1174  die  Bestürmung  Alessandrias  begann, 
reihte   sich  Konrad  von  Ballhausen  wiederum  in  die   Schar 


1)  Giesebrecht  V,  2,  710. 

2)  Giesebrecht  V,  2,  573.  574.  588.  590. 

3)  Giesebrecht  V,  2,  708.  733  ff. 


226  I^iß  von  Balenhusen. 

seiner  Streiter.  Kurz  vor  Weihnachten  wurde  sein  Name 
unter  einen  kaiserlichen  Lehnbrief  gesetzt,  als  man  „vor 
Rovoreto"  lag;  denn  so  liebten  die  Kaiserlichen  die  Stadt 
Alessandria  noch  immer  zu  nennen.  Er  mußte  es  erleben, 
daß  Friedrich  Rotbart  vor  der  Lombardenfeste  schwere 
Verluste  erlitt  und  ruhmlos  abzog  und  ein  Jahr  später  bei 
Legnano  von  den  Mailändern  und  ihren  Verbündeten  em- 
pfindlich aufs  Haupt  geschlagen  wurde.  Da  kamen  denn 
die  Friedensverhandlungen,  die  schon  so  oft  begonnen  und 
wieder  gescheitert  waren,  in  ein  festes  Gleis.  Hierbei  fiel 
Konrad  eine  bedeutsame  Rolle  zu.  Seine  Charaktereigen- 
schaften ebenso  wie  seine  Kenntnis  der  italienischen  Sprache 
befähigten  ihn  zum  Vermitteln.  Als  noch  kurz  vor  dem 
Abschlüsse  des  Waffenstillstandes  die  Stadt  Tortona  er- 
obert wurde,  fand  sie  glimpfliche  Behandlung.  Ein  Friedens- 
vertrag kam  mit  ihr  zu  stände,  und  in  des  Kaisers  Namen 
beschwor  ihn  Konrad  von  Ballhausen.  Darauf  leisteten 
sowohl  die  übrigen  fürstlichen  und  adeligen  Begleiter  Fried- 
richs wie  auch  Konrad  den  Eid  für  ihre  eigene  Person. 
Um  dieselbe  Zeit  (im  Dezember  1176)  hielt  es  die  Stadt 
Cremona  für  geboten,  ihren  Sonderfrieden  mit  den  Deutschen 
zu  machen.  Zwanzig  deutsche  Fürsten,  die  von  den  Konsuln 
Cremonas  dazu  ausgewählt  waren,  beschworen  die  kaiser- 
liche Friedensurkunde.  Es  war  eine  hohe  Ehre  für  Konrad 
von  Ballhausen,  daß  ihn  neben  den  angesehensten  Großen 
und  Bischöfen  des  Reiches  die  Wahl  traf.  Vorher  hatte 
er  schon  den  Eid  an  des  Kaisers  Stelle  abgelegt  i).  Höchst 
wahrscheinlich  ist  es  Konrad  auch  gewesen,  der  den  Waffen- 
stillstand zu  Venedig  (am  1.  August  1177)  in  des  Kaisers 
Namen  beschworen  hat  2).  Ob  er  einige  Jahre  später  ebenso 
an  dem  endgiltigen  Frieden  beteiligt  war,  der  den  Lom- 
bardenkriegen ein  Ziel  setzte,  läßt  sich  bei  dem  Stande  der 
Quellen  nicht  mit  Sicherheit  behaupten. 

1)  Giesebrecht  V,  2,  810.  811. 

2)  Giesebrecht  V,  2,  841,  nimmt  dagegen  den  Grafen  Heinrich 
von  Diez  als  Eidesleister  an.    Vgl.  auch  VI,  542.  544. 


Die  von  Balenhusen.  227 

Nun  schweigen  die  Urkunden  und  Chroniken  über 
Konrad  von  Ballhausen  lange,  Jahrzehnte  lang.  Der  Kaiser 
Friedrich,  dessen  Bart  längst  nicht  mehr  im  germanischen 
Rot  schimmerte,  fand  seinen  Tod  im  fernen  Morgenlande. 
Heinrich  VI.  bestieg  den  deutschen  Königsthron,  aber  be- 
reits nach  sieben  kurzen  Jahren  riß  ihn  der  Tod  wieder 
herab.  Und  dann  begann  der  unselige  Streit  um  die  Krone 
zwischen  Staufern  und  Weifen,  Philipp  von  Schwaben  und 
Otto  IV.  Thüringen,  dessen  Landgraf  Hermann  der 
staufischen  Fahne  nicht  treu  blieb,  ward  als  bevorzugter 
Kriegsschauplatz  übel  mitgenommen.  Der  Kampf  war  um 
so  erbitterter,  da  zu  gleicher  Zeit  die  Grafen  und  freien 
Herren  ihre  Selbständigkeit  gegenüber  der  Landgrafschaft 
zu  verteidigen  hatten.  Jedesmal,  wenn  der  Landgraf  Her- 
mann die  Partei  wechselte,  mußten  freie  Städte  und  kleine 
Dynasten  den  Übertritt  mit  ihrer  Reichsunmittelbarkeit 
bezahlen.  Da  die  Stadt  Weißensee  im  Sommer  1204  eine 
Belagerung  durchzumachen  hatte  i),  so  ist  anzunehmen,  daß 
das  benachbarte  Ballhausen  und  seine  Besitzer  besonders 
stark  litten.  Damals  wird  auch  die  Zeit  gekommen  sein, 
in  der  die  Herren  von  Ballhausen  ihre  Freiheit  aufgaben 
und  in  die  landgräfliche  Ministerialität  eintraten. 

Konrad,  der  diese  Ereignisse  noch  erlebte,  wurde  da- 
durch vermutlich  in  seiiiem  Gemütsleben  aufs  stärkste  be- 
einflußt. Er  begab  sich,  dem  Zuge  der  Zeit  folgend,  in 
den  geistlichen  Stand.  Als  Stiftsherr  zu  Jechaburg,  west- 
lich von  Sondershausen,  läßt  er  sich  (um  1206)  noöh  einmal 
nachweisen.  Mit  den  Vertretern  des  Stiftes  hatte  er  wohl 
in  seiner  Heimat  Bekanntschaft  gemacht;  denn  Jechaburg 
besaß  schon  1128  Güter  in  Ballhausen.  Schwerlich  hat  er 
lange  die  verdiente  Buhe  genossen.  Aus  dem  Leben 
schied    mit    ihm    der    einzige    Vertreter    des    Geschlechtes, 


1)  Knochenhauer  und  Menzel,  Geschichte  Thüringens  zur  Zeit 
des  ersten  Landgrafenhauses  (1039—1247),  Gotha  1871,  S.  242  ff. 
257—261. 


228  I^iß  von  Balenhusen. 

der    dem    deutschen    Könige    seine    Dienste    weihte,    der 
auf  der  großen  Bühne  der  Weltgeschichte  eine  Eolle  spielte. 

2.  Eckhard  I.  von  Ballhausen-Sömmern  und 
seine  Geschwister  (—  1265), 

Jahre  vergehen,  fast  ein  halbes  Jahrhundert  verstreicht, 
und  kein  Mitglied  der  Familie  tritt  in  das  Licht  der  Ge- 
schichte. Beinahe  gewinnt  man  den  Eindruck,  als  ob  das 
Geschlecht  vom  Erdboden  verschwunden  wäre. 

Das  nächstfolgende  Eamilienhaupt  setzte  in  zwei  Ur- 
kunden (von  1256  und  1262)  seinem  Namen  Eckhard 
von  Ballhausen  die  Worte  „genannt  von  Sommern" 
(Sumeringen)  hinzu  und  führte  auf  seinem  Siegel  schlecht- 
weg die  Umschrift :  Eckhard  von  Sumeriggen.  Mit  Lützen- 
sömmern  (Lutzeln-Sumeringen)  hatte  die  Familie  von  Ball- 
hausen noch  im  letzten  Viertel  des  13.  Jahrhunderts  einen 
gewissen  Zusammenhang,  indem  sie  dort  das  Patronatsrecht 
über  die  Kirche  in  Anspruch  nahm. 

So  ist  es  kein  allzu  gewagter  Schluß,  wenn  man  in 
der  großen  Lücke  von  1206 — 1250  Hugo  und  Eckhard 
von  Sommern  als  Zwischenglieder  betrachtet. 

Jener  Hugo  von  Sommern,  dessen  Vorname  bei  einem 
Bruder  und  dem  dritten  Sohne  Eckhards  von  Ballhausen- 
Sömmern  wiederkehrt,  wird  zum  erstenmal  in  einer  Ur- 
kunde von  1206  erwähnt  1).  Ob  er  damals,  wie  sein  Ahn- 
herr Heinrich  (1169),  noch  freier  Herr  war,  bleibt  zweifel- 
haft. In  der  Umgebung  des  Landgrafen  befand  er  sich  zu 
dieser  Zeit  nicht.  Einige  Jahre  später  indessen  trifft  man 
einen  Hugo  von  Sommern  häufig  bei  Hermann  und  Lud- 
wig IV.,  und  allmählich  gleitet  er  dabei  hinter  den  Schenken 
von  Vargula  und  andere  Hof  beamte  hinab.  Er  war  landgräf- 
licher Ministeriale  geworden. 

1)  Dobenecker,  Regesta  Thuringiae  II,  No.  1313,  1488,  1637, 
1638,  1720,  1866,  1908,  2184,  2233,  2261.  —  Nach  J.  H.  MöUer, 
Erwerb  und  Besitz  des  Klosters  Volkenrode,  in  der  Zeitschr.  f.  Thür. 
Gesch.,  Jena  1865,  VI,  831  trat  Hugo  schon  1192  als  Schiedsrichter 
zwischen  dem  Kloster  Volkenrode  und  Rudolf  von  Kömer  auf. 


Die  von  Balenhusen.  229 

Höchst  wichtig  ist  eine  Urkunde  von  12371).  Darin 
wird  berichtet,  daß  ein  Hugo  von  Sommern  Beisitzer  des 
G-augerichts  in  Aspe  (so.  Sömmerda)  war.  Als  das  Gericht 
einst  vom  Landgrafen  Heinrich  von  Thüringen,  unter  Bei- 
stand des  Grafen  Christian  von  Kirchberg,  geleitet  wurde, 
fand  Hugo  von  Sumeringen  das  Urteil,  und  alle  übrigen 
Beisitzer  sprachen  ihren  Beifall  aus.  Daraus  zu  schließen, 
nahm  er  unter  den  Schöffen  eine  angesehene  Stellung  ein, 
seine  Ansicht  erfreute  sich  allgemeiner  Beachtung.  Noch 
ein  anderer  Umstand  ist  vielleicht  erwähnenswert.  An  dem- 
selben Gaugerichte  in  Aspe  nahm  13  Jahre  später  keiner 
von  Sommern  teil,  wohl  aber  Eckhard  und  Hugo  von  Ball- 
hausen. 

Eckhard  von  Sommern  tritt  von  Anfang  an  als  land- 
gräflicher Ministeriale  auf.  Er  wird  zum  erstenmal  in 
einer  Urkunde  von  1225  genannt,  und  zwar  unmittelbar  vor 
Hugo  2).  Urkunden  der  Landgrafen  Heinrich  und  Konrad 
bezeugt  er  öfter.  Im  fürstlichen  Gefolge  gelangt  er  auch 
ins  Hessenland,  nach  dem  Kloster  Ahneberg  bei  Cassel 
(im  September  1231)  und  trifft  dort  mit  Helfrich  von 
Rotenburg  zusammen,  auf  den  wir  weiter  unten  noch  zurück- 
kommen werden. 

In  welchem  Verwandtschaftsverhältnisse  Eckhard  und 
Hugo  von  Sommern  zu  'Sten  folgenden  Gliedern  der  Familie 
von  Ballhausen  standen,  darüber  mangelt  jede  Angabe. 
Sie  können  nach  den  Erwähnungen  von  1225  bis  1237 
mit  Eckhard  I.  und  Hugo  I.  von  Ballhausen  identisch 
sein.     Solange    die  große  Lücke    in    der    ersten  Hälfte    des 

1)  P.  Boehme,  U.-B.  des  Klosters  Pforte  (Geschichtsqu.  der 
Prov.  Sachsen,  XXXIII,  1,  8.  156  No.  110  (1237  Nov.  23.  Asp): 
.  .  quesitum  est  per  sententiam  et  inventum  per  honestum  virum 
Hugonem  de  Sumeriggen  omnibus,  qui  tunc  affuere,  laudantibus, 
quod  licitum  est  domino  abbati  in  causis  suis,  sive  criminalem  con- 
tineant  questionera,  fratrum  suorum  uti  testimoniis. 

2)  O.  Posse,  Codex  diplomat.  Saxoniaereg.,  Leipzig  1898, 1.  Haupt- 
teil, Bd.  3,  No.  411,  423,  444,  447.  —  A.  Wyss,  Hessische  Urkunden 
(Publ.  aus  preuß.  Staatsarchiven,  Bd.  3),  I,  S.  12  No.  13;  S.  21  No.24. 


230  Diß  ^<^^  Balenhusen. 

13.  Jahrhunderts  nicht  besser  ausgefüllt  wird,  bleibt 
unsere  persönliche  Ansicht,  daß  mit  Konrad  von  Ball- 
hausen die  gerade  Linie  ausgestorben,  und  ein  Seitenzweig, 
vielleicht  auch  ein  ganz  neues  Gesc'hlecht  in  den  Besitz 
eingerückt  ist. 

Im  Jahre  1246  ist  von  Konrad  dem  Roten  von 
Ballhausen  die  Rede  (R.  No.  113  [6j).  Er  führt  seinen 
Beinamen  im  Gegensatze  zu  einem  andern  Konrad,  dem 
Sohne  des  Vogtes  zu  Ballhausen.  Er  ist  vornehmen  Standes, 
denn  in  der  Zeugenreihe  steht  er  vor  einem  Geistlichen. 
Trotzdem  kann  er  nur  mit  Bedenken  in  die  Familie  von 
Ballhausen  eingereiht  werden.  Seine  Umgebung  könnte 
ebenso  gut  auf  die  Familie  Struz  hindeuten. 

Das  folgende  Jahr  brachte  mit  dem  Aussterben  des 
alten  Landgrafenhauses  große  Umwälzungen  in  Thüringen 
hervor.  Stürmische  Wirren  suchten  das  Land  heim,  bis 
der  Markgraf  Heinrich  von  Meißen  die  Herrschaft  gewann. 
Gleich  darauf  treten  wir  auch  in  der  Ballhäuser  Familien- 
geschichte wieder  auf  festen  Boden. 

Die  Mitte  des  Jahrhunderts  beschert  uns  nämlich  drei 
von  Ballhausen  auf  einmal,  alle  erwachsen  und  mitten  in 
einer  Schar  von  adligen  Genossen  stehend:  Eckhard,  Hugo 
und  Berthold.  Dem  letzteren,  den  wir  für  den  jüngsten 
von  ihnen  halten,  lassen  wir  den  Vortritt. 

Als  der  Deutschmeister  Albert  von  Hallenberg  einem 
Müller  in  der  Reichsstadt  Mühlhausen  eine  Mühle  in  Erb- 
pacht gab,  bezeugte  Bert  hold  I.  von  Ballhausen  den 
Vertrag  (R.  No.  24).  Den  weißen  Mantel  des  Ordensritters 
trug  er  aber  nicht. 

Hugo  L  von  Ballhausen  und  sein  Bruder  Eckhard 
treten  wenige  Monate  später  als  Berthold  auf  (R.  No.  25). 
Und  zwar  sind  beide  Beisitzer  des  Gaugerichts  unter  der 
Espe,  an  dem  einige  Jahre  vorher  Hugo  von  Sommern  teil- 
nahm. Eckhard  und  Hugo  stehen  ziemlich  am  Ende  der 
Grafen  und  Herren,  die  in  der  Sitzung  anwesend  waren. 
Aber  ihre  Teilnahme  am  Gaugerichte  beweist,    daß  die  Er- 


Die  von  Balenhusen.  231 

innerung  an  die  alte  Freiheit  und  an  die  Schöffenrechte 
noch  nicht  erloschen  war. 

Ehe  wir  zu  Eckhard  übergehen,  ist  noch  eine  Be- 
merkung von  nöten.  Vielleicht  war  auch  eine  Schwester 
vorhanden,  die  den  Ritter  Konrad  von  Weidensee  heiratete. 
Konrads  Söhne,  Hugo  und  Johann,  bezeichneten  einmal 
Eckhard  I.  von  Ballhausen-Sömmern  als  ihren 
Oheim  von  mütterlicher  Seite  (avunculus  [R.  No.  30]). 

Und  nun  zu  dem  letzteren,  dem  Familienhaupte  in 
dieser  Zeit  (R.  No.  25 — 39).  Er  war  ein  Bruder  Hugos  I. 
und  wohl  auch  Bertholds  L,  nach  denen  er  zwei  seiner 
Söhne  benannte.  Vermählt  war  Eckhard  mit  Luitgard, 
der  Tochter  des  Ritters  Helfrich  von  Rotenburg.  — 

Helfrich,  an  dessen  hochgelegenes  Heim  noch  jetzt 
Trümmer  über  der  Stadt  Rotenburg  an  der  Fulda  erinnern, 
wird  seit  1216  erwähnt,  mehrfach  auch  in  landgräflichen 
Urkunden.  Im  Gefolge  des  Fürsten  gelangte  er  nach 
Thüringen,  nach  Riethnordhausen  nördlich  von  Erfurt 
(1223)  und  nach  der  Wartburg  (1229),  meistens  blieb  er 
aber  im  Hessenlande  ^).  Für  seine  Erben  war  es  von  Be- 
lang, daß  er  zwei  Drittel  seines  Zehnten  in  Mönchehof 
bei  Cassel,  welche  Ritter  Rüdeger  von  Heinebach  von 
ihm  zu  Lehen  trug,  dem  westfälischen  Kloster  Harde- 
hausen  (bei  Paderborn J*  verkaufte  (1216).  Zwei  Jahrzehnte 
danach  übertrug  er  den  dortigen  Mönchen  geschenkweise 
die  Hälfte  seines  Dorfes  Metzebach  (zwischen  Spangenberg 
und  Rotenburg  a,  d.  F.).  Seine  Gattin  hieß  Elisabeth, 
seine  Söhne  Berthold,  Heinrich  und  Hermann.  Der  letztere 
war  das  jüngste  aller  seiner  Kinder.  Luitgard,  schon 
vor  1216  geboren,  besaß  noch  zwei  ältere  Schwestern, 
Hertha  und  Elisabeth.  Zu  seinem  Seelenheile,  dem  seiner 
drei  Söhne,  und  seiner  Gattin  machte  Helfrich  von  Roten- 
burg am  30.  Juli  1252  dem  Kloster  Blankenheim  (am  linken 

1)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  316,  420,  444  {1231  Kloster 
Ahneberg),  490  (1233  Marburg).  Kuchenbecker,  Analecta  Hassiaca 
IX,  154  (1235  Rotenburg  a.  d.  Fulda). 


232  Die  von  Balenhusen. 

Fuldaufer,  in  der  Nähe  von  Rotenburg)  reiche  Schenkungen. 
Im  September  1259  weilte  er  nicht  mehr  unter  den  Lebenden  i). 
Wahrscheinlich  fällt  sein  Todesjahr  noc|i  vor  1256. 

Eckhard  I.  von  Ballhausen-Sömmern  war  bereits  1255 
Ritter.  In  welchem  Grade  er  seine  kriegerische  Tüchtigkeit 
bewiesen,  und  an  welchen  Kämpfen  er  teilgenommen  hat, 
darüber  wird  nichts  berichtet.  Dagegen  findet  sich  ein 
gutes  Dutzend  von  Zeugnissen  über  friedliche  Geschäfte 
und  milde  Schenkungen. 

Seine  Neifen,  die  Ritter  Hugo  und  Johann  von  Weiden- 
see,  Reichsministerialen  in  der  Stadt  Mühlhausen,  gewannen 
an  Eckhard  einen  hilfreichen  Freund.  Die  Bürger  der 
Reichsstadt  standen  mit  den  Mannen  der  kaiserlichen  Burg 
nicht  im  besten  Einvernehmen.  Es  erhob  sich  blutiger 
Streit,  und  der  Hof,  den  die  von  Weidensee  auf  der  Reichs- 
burg besaßen,  ging  mit  den  Wohnstätten  anderer  Adliger 
und  mit  der  ßurgkapelle  in  Flammen  auf.  Eckhard  erschien 
nun  in  Mühlhausen,  und  in  seiner  Gegenwart  wurde  eine 
Sühne  abgeschlossen  (Juni  1256).  Die  Ritter  von  Weiden- 
see blieben  frei  vom  Bürgergeschosse,  versprachen  dafür 
aber,  in  Streitfällen  vor  dem  städtischen  Schultheißen  zu 
erscheinen.  Zugleich  verzichteten  sie  auf  Rache  für  die 
erlittene  Unbill.  Sie  gingen  also  nicht  als  Sieger  aus  dem 
Kampfe  mit  dem  Bürgertume  hervor ;  bei  den  obwaltenden 
Umständen  ließ  sich  wohl  nicht  mehr  erreichen.  Unter  den 
zahlreichen  Zeugen  adligen  und  bürgerlichen  Standes  ward 
der  Name  Eckhards  von  Ballhausen  an  erster  Stelle  ange- 
führt, gewiß  ein  Beweis  des  Ansehens,  das  er  damals  genoß. 
Diese   Ehre  widerfuhr  ihm   öfter. 

Als  Hugo  und  Johann  von  Weidensee  (1258)  einige 
(Jüter  in  Bollstedt  (ö.  Mühlhausen)  dem  Kloster  Volkenrode, 
das    nordöstlich    von  Mühlhausen    zu   suchen  ist,    verkaufen 

1)  Schniinckc,  Moninicnta  Hassiaca  IV,  638;  Westfälisches 
rrkuruleuhuc]),  ]5(1.  4:  Uik.  des  Bistums  Paderborn,  Münster  1874, 
\o.  250,  805 ;  Wenck,  Hess.  Landesgesch.,  Urk.  zum  Bd.  3  S.  123, 
Xo.  CXXXVI. 


Die  von  Balenhusen.  §33 

wollten,  begaben  sie  sich  nach  Ballhausen.  Dort  wurde 
die  Urkunde  abgefaßt,  und  ihr  Oheim  Eckhard  untersie^elte 
sie.  Die  biederen  Neffen  ersetzten  den  Kaufbrief  aber  bald 
darauf  durch  einen  anderen,  worin  sie  eine  Unmenge  ihres 
Bollstedter  Grundbesitzes  verschleuderten.  Eine  wahre  Ver- 
schleuderungswut überfiel  sie  in  diesen  Jahren  ^).  Eckhard 
von  Ballhausen  hielt  sich  von  ihrem  Treiben  fem,  sein 
Name  und  sein  Siegel  zierten  keinen  einzigen  der  späteren 
Verträge. 

Vernünftigerweise  ließ  er  selbst  sich  auf  Güterver- 
käufe nur  in  sehr  mäßigem  Umfange  ein.  Dem  Deutsch- 
ordenshause zu  Nägelstedt  (ö.  Langensalza)  verkaufte  er 
(1258)  zwei  Hufen  daselbst,  die  er  von  der  Kirche  zu  Raß- 
dorf  erworben  hatte.  Und  dem  eichsfeldischen  Kloster  Reifen- 
stein trat  er  (1265)  eine  halbe  Hufe,  eine  Baustelle  (arcam) 
und  einen  Garten  zu  Schwerstedt  (sw.  Weißensee)  ab. 

Auch  auf  die  beliebten  Tauschgeschäfte  ging  er  nicht 
allzu  oft  ein.  Nur  mit  einigen  Klöstern  tauschte  er  Güter. 
Was  er  von  dem  Peterskloster  in  Erfurt  (1255)  bekam, 
bleibt  unbekannt,  da  die  Urkunde  des  Klosters  verloren 
ist.  Er  selbst  gab  Güter  in  Walschieben  und  Raßdorf 
(nw.  Erfurt)  und  in  Herbsleben  an  der  Unstrut  (im  Gothaer 
Amtsgericht  Tonna)  hin.  Der  Tausch  fand  in  Erfurt  statt, 
in  Gegenwart  des  Erzbischofs  Gerhard  von  Mainz.  Anderen 
Grundbesitz  wechselte  er  (1258)  mit  dem  Kloster  Volken- 
rode,  an  demselben  Tage,  als  seine  Neffen  ihren  ersten 
Verkauf  vornahmen.  Die  Mönche  erhielten  von  ihm  eine 
Hufe  in  Kirchheilingen  (nö.  Langensalza)  und  einen  jähr- 
lichen Eruchtzins  von  21/2  Maltern;  Eckhard  empfing  dafür 
1  i/j  Hufen  und  4  Morgen  Landes  in  Klein-Ballhausen.  In 
Hochstedt   (ö.  Erfurt)   hatte   sowohl   das  Kloster  wie  Eck- 


1)  Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  1035  (1259), 
No.  160  (1260),  No.  1036  (1260;  vgl.  No.  152  vom  Jahre  1258).  Die 
Urk.  vom  17.  Oktober  1261  im  Staatsarchiv  Marburg  (Kloster 
Lippoldsberg)  ist  wohl  noch  ein  weiterer  Beweis  von  Hugos  Greld- 
bedürfnisse. 

XXL  16 


234  I^iß  '^on  Balenhueen. 

hard  Besitzungen,  und  zwar  schlössen  Eckhards  Ländereien 
ein  Stück  vom  Klosterfelde  ein  und  umgekehrt  die  Volke- 
röder Äcker  ein  Stück  Ballhäuser  Landes.  Durch  Austausch 
wurde  nun  für  beide  Eigentümer  eine  zusammenhängende 
Flur  hergestellt. 

Nicht  nach  dem  Umfange  des  gewechselten  Besitzes, 
wohl  aber  nach  verschiedenen  Angaben  in  der  betreffenden 
Urkunde  ist  ein  Tausch  mit  dem  niederhessischen  Kloster 
Breitenau  von  weit  größerer  Bedeutung,  Das  Geschäft  fällt 
in  Eckhards  letzte  Lebensjahre,  wenngleich  der  schriftliche 
Vertrag  durch  die  Nachlässigkeit  des  Schreibers  von  1200 
datiert  ist.  Als  Aussteller  wird  bezeichnet:  Eckhard  von 
Ballhausen,  genannt  Sack.  Das  war  kein  ehrenvoller  Bei- 
name ;  so  schalt  man  armselige  oder  liederliche  Menschen. 
Aus  welchem  Grunde  Eckhard  zu  solchem  Vergleiche  heraus- 
forderte, entzieht  sich  unserer  Kenntnis.  Er  besaß  nach 
dem  Schriftstücke  ein  Anrecht  an  den  Zehnten  zu  Holtt- 
husen.  Da  es  ein  gutes  Dutzend  westfälischer  und  ein 
halbes  Dutzend  hannoverscher  Orte  giebt,  die  früher  Holt- 
husen  hießen  und  jetzt  Holthausen  oder  Holtensen,  so  ist 
es  schwierig,  sich  für  einen  bestimmten  von  diesen  zu  ent- 
scheiden. Nur  ein  Umstand  könnte  vielleicht  als  Hin- 
weis benutzt  werden.  Das  Kloster  Breitenau  gab  ihm  für 
das  Anrecht  an  jenem  Zehnten  die  Einnahmen  zu  Ober- 
Stüter  1),  einem  Dorfe,  das  im  westfälischen  Kreise  Hattingen, 
nicht  sehr  weit  von  Dortmund,  zu  suchen  ist.  In  demselben 
Kreise  findet  sich  auch  eine  Ortschaft  Holthausen.  Die  nieder- 
sächsische Besitzung  mochte  aus  der  Erbschaft  seiner  Gattin 
Luitgard  stammen.  In  der  Urkunde  ist  der  Ausstellort 
nicht  genannt,  mehrere  Zeugen  weisen  aber  auf  die  Gegend 
des  Fuldastädtchens  Melsungen  hin,  nämlich  Herwig  von 
Bödiger,  Werner  von  Salzberg,  Giso  Sprengel  und  Konrad 
von   Wehren.     Salzberg,    dessen   Heimat    freilich    zwischen 

1)  G.  Landau,  Beschreib,  des  Hessengaues,  Halle  1866,  S.  181 
liest  Stuercen  und  sucht  den  Ort  in  der  Nahe  von  Homberg  a.  d. 
Efze  (in  Niederhessen). 


Die  von  Balenhusen.  235 

Hersfeld  und  Schwarzenborn  liegt,  und  Sprengel  kommen 
in  zwei  Heidaer  und  Eppenberger  Urkunden  von  1269  vorj 
Bödiger  ist  an  dem  Emsflüßchen  (w.  Melsungen)  gelegen. 
Eine  Breitenauer  Urkunde  von  1253^)  berichtet  ferner, 
daß  Werner  von  Salzberg  ein  Lehen  des  Grafen  von  Fels- 
berg  in  Dagobertshausen  (sw.  Melsungen)  innehatte  und 
Konrad  von  Wehren  u.  a.  eins  in  Gleichen  (w.  Gudensberg). 
Auch  die  Anwesenheit  Bertholds  von  Kreuzburg,  auf  den 
wir  unten  noch  zurückkommen  müssen,  weist  auf  dieselbe 
Gegend.  Es  ist  daraus  der  Schluß  zu  ziehen,  daß  die  große  - 
Rotenburger  Erbschaft  Eckhard  von  Ballhausen-Sömmern 
zuweilen  nach  Niederhessen  zog  und  dort  mit  Menschen 
und  Verhältnissen  vertraut  machte.  Der  Mittelpunkt  des  . 
Geschlechts  für  den  Aufenthalt  am  Fuldastrande  wurde  die 
Burg  Schwarzenberg. 

Etwa  20  km  oberhalb  Cassels,  eine  halbe  Wegstunde 
nördlich  von  der  Kreisstadt  Melsungen,  schmiegt  sich  ein 
Dorf  malerisch  an  den  Fuß  der  tannendunkelen  Haar: 
Schwarzenberg.  Ehemals  bespülte  die  Fulda  den  unbe- 
deutenden Hügel,  auf  dem  die  Häuser  liegen;  jetzt  ist 
sie  der  Eisenbahn  wegen  um  einige  Schritt  weiter  abge- 
leitet. Zwischen  der  Kirche  und  der  Schule  fließt  der 
„Burggraben",  eine  schmale  und  wasserarme  Rinne;  das 
Schulhaus  aber  declifr  die  Stätte  der  ehemaligen  Burg. 
Selbst  ein  Kenner  wird  nicht  vermuten,  daß  dort  sich  vor 
Zeiten  ein  historischer  Bau  erhoben  hat,  so  gründlich  haben 
Jahrhunderte  und  Menschenhände  mit  den  Trümmern  auf- 
geräumt. Schon  Eckhards  Söhnen  ward  Schwarzenberg 
zu  einer  Stätte  des  schwarzen  Verderbens.  Auch  die 
Schenkungen,  die  der  Vater  als  echtes  Kind  seiner  Zeit 
den  geistlichen  Stiftungen  zuwandte,  lenkten  das  Unglück 
nicht  ab. 

An    der   frommen   Freigebigkeit  Eckhards,  hatte   seine 
Gemahlin,    Luitgard   von  Rotenburg,    mindestens    denselben 


1)  Die  drei  Urkunden  befinden  sich  im  Staatsarchiv  Marburg. 

16* 


236  I^iß  "^<^^  Balenhusen. 

Anteil.  Gleich  die  erste  Schenkung  (1256)  betraf  offenbar 
ein  Stück  ihres  Erbgutes,  nämlich  Eigentum  in  Leimbach, 
einer  Wüstung  zwischen  Altmorschen  und  Heinebach,  nord- 
westlich von  Rotenburg.  Die  glücklichen  Empfängerinnen 
waren  die  Nonnen  zu  Heida,  das  man  jetzt  fälschlich  Heidau 
schreibt.  Eckhard  sandte  seinen  Knecht  („servum  meum") 
Eriedrich  von  Burschla  nach  Rotenburg,  und  vor  dem 
dortigen  Schultheißengerichte  fand  die  Übergabe  an  das 
benachbarte  Kloster  statt. 

Auch  das  öfter  erwähnte  Kloster  Volkenrode  ging 
nicht  leer  aus:  das  Vogteirecht  über  eine  Hufe  in  Groß- 
Ballhausen  fiel  ihm  anheim. 

Um  so  weniger  brauchten  die  Mönche  im  westfälischen 
Hardehausen  zu  befürchten,  daß  Eckhard  etwa,  nach  dem 
Beispiele  anderer  Zeitgenossen,  die  Zuwendungen  seines 
verstorbenen  Schwiegervaters  für  ungiltig  erklärte.  Er 
leistete  ihnen  (1259)  sogar  Gewähr  für  den  Besitz  des 
Zehnten  in  Mönchehof,  den  sie  größtenteils  Helfrich  von 
Rotenburg  verdankten,  und  veranlaßte  (1262)  auch  den 
Ritter  Rüdiger  Mönch  von  Rotenburg  und  dessen  Kinder^ 
auf  jenen  Zehnten  zu  verzichten.  Dieser  Rüdiger  Mönch 
mochte  der  Erbe  des  Ritters  Rüdiger  von  Heinebach  sein, 
der  den  Zehnten  von  Helfrich  von  Rotenburg  zu  Lehen 
hatte  und  durch  einen  Teil  des  Kaufpreises  abgefunden 
wurde  (1216). 

Zur  Kenntnis  Eckhards  und  seiner  Eamilie  ist  es 
nicht  ohne  Bedeutung,  zu  untersuchen,  für  welche  Zeit- 
genossen er  Urkunden  bezeugte,  und  was  für  Zeugen  er 
wiederum  für  seine  eigenen  Rechtsgeschäfte  heranzuziehen 
pflegte. 

Im  Jahre  1262  bezeugte  er  in  Mühlhausen  einen  Lehn- 
brief der  Grafen  Erf  und  Widekind  von  Bilstein,  die  zwei 
Mühlhäuser  Bürger  mit  Gütern  ausstatteten.  Die  Beziehungen 
zu  den  Grafen  von  Bilstein  wurden  von  erheblicher  Wichtig- 
keit für  das  Ballhäuser  Geschlecht,  das  mehrere  hessische 
Güter  von  ihnen  zu  Lehen  erhielt. 


Die  von  Balenhusen.  237 

Ohne  weitere  Folgen  blieb  Eckhards  Zeugnis  bei  einer 
Schenkung  des  Grafen  Heinrich  von  Hohnstein,  der  einem 
Hospitale  die  Kirche  zu  Mehler  (nö.  Mühlhausen)  überließ 
(1264). 

In  Eckhards  eigenen  Urkunden  kehrt  der  Ritter  Eck- 
hard von  Wartburg  am  meisten  wieder,  nicht  weniger  als 
sechsmal  (1255,  1256,  1258,  1259,  1265,  s.  a.).  Es  mangelt 
aber  an  jeder  näheren  Bezeichnung,  ob  er  als  Verwandter, 
Freund  oder  Dienstmann  zugegen  war.  Ebensowenig  läßt 
sich  Genaueres  bei  den  Mühlhäuser  Rittern  Heinrich  und 
Konrad  Topelstein  und  bei  Hermann  Stock,  Burgmann  zu 
Weißensee,  angeben.  Ein  Dienstverhältnis  steht  fest  bei 
Friedrich  von  Burschla. 

Berthold  von  Kreuzburg  scheint  Eckhards  oder  ge- 
nauer Luitgards  Schwager  gewesen  zu  sein.  Seine  Frau 
hieß  Bertha,  wie  die  älteste  Tochter  Helfrichs  von  Roten- 
burg. Mit  ihr  zusammen  verkaufte  er  S^/g  Hufen  in  Leim- 
bach (an  der  Fulda)  i),  wo  ja  auch  Eckhard  und  Luitgard 
Eigentum  besaßen.  Endlich  kommt  (1301)  ein  Helfrich 
von  Kreuzburg  vor  ^),  von  dem  es  sich  jedoch  leider  nicht 
sagen  läßt,  ob  er  Bertholds  ältester  Sohn  war. 

Als  nahen,  sehr  nahen  Verwandten  haben  wir  noch 
den  Ritter  Eberhard  von  Kaienberg  anzusprechen. 
Freilich  wird  er  in  keiner  Ballhäuser  Urkunde  angeführt. 
Allein  er  selbst  bekundete  (1256  am  17.  März)  3)  dem 
Stifte  Heerse,  daß  er  eine  Meierei  in  Meckbach^  (nö.  Hers- 
feld)*) in  Zeitpacht  besitze.  Dabei  fügte  man  seinem 
Namen    den    Zusatz    „genannt    von   Sommern"    (dictus 

1)  Heidaer  Urkunde  vom  13.  Dez,  1266  im  Staatsarchiv 
Marburg. 

2)  Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.  et  script.  I,  782 ;  Wenck,  Hess. 
Landesgesch.,  Urk.  zum  2.  Bde.  S.  249  No.  CCIL. 

?,)  Westfäl.  U.-B.  IV,  S.  364  No.  643. 

4j  In  Meckbach  hatte  auch  Helfrich  von  Rotenburg  Einkünfte : 
Wenck,  Hess.  Landesgesch.,  Urk.  zum  3.  Bde.,  S.  124  No.  CXXXVl 
(1252  Juli  30.). 


238  l^ic  von  Balenhusen. 

de  Sumeringen)  hinzu,  und  der  letzte  Zeuge  war  Friedrich 
von  Burschla,  der  Knecht  Eckhards  von  Ballhausen-Sömmern. 
Auch  der  vorletzte  Zeuge,  Eberhards  Blutsverwandter  Her- 
mann von  Rengshausen,  begegnet  uns  in  demselben  Sommer 
in  dem  Ballhäuser  Schenkungsbrief  für  Heida.  Endlich 
macht  auch  der  Eingang  der  Urkunde  den  Eindruck,  als 
ob  ihn  Eckhards  Schreiber  Dietrich  verfaßt  hätte.  Heerse, 
Kaienberg  und  Menne,  nach  dem  sich  der  erste  Zeuge  Ritter 
Rupert  nennt,  sind  im  westfälischen  Kreise  Warburg  zu 
suchen. 

Zum  Schlüsse  noch  ein  Wort  über  den  Wohnsitz  Eck- 
hards I.  Thüringen  blieb  seine  Heimat,  Ballhausen  sein 
ständiger  Aufenthalt  (1256,  1258,  1262).  Die  größeren 
Städte,  wie  Erfurt  (1255)  und  Mühlhausen  (1256,  1262), 
besuchte  er  nicht  oft. 

Bei  seinem  Tode  hinterließ  er  seinen  Söhnen  ein 
doppeltes  Feld  der  Thätigkeit:  in  Thüringen  und  in  Hessen. 

3.  Eckhards  I.  Nachkommen  bis  zum  Aussterben 
der  thüringischen  Hauptlinie  (1255—1363). 

Luitgard  von  Rotenburg  gebar  ihrem  Gatten,  Eckhard  I. 
von  Ballhausen-Sömmern,  mehrere  Söhne,  von  denen  einige 
oder  alle  bereits  1255  am  Leben  waren,  aber  anscheinend 
noch  in  jugendlichem  Alter  standen  i).  Erst  7  Jahre  da- 
nach wird  der  älteste  mit  Namen  genannt :  Helfrich,  wie 
ja  auch  sein  Großvater  von  mütterlicher  Seite  hieß.  Und 
abermals  3  Jahre  später  treten  neben  ihni  vier  jüngere 
Brüder  namentlich  auf:  Eckhard  IL,  Hugo  IL,  Bert- 
hold  IL  und  Rudolf.  Von  ihnen  hat  sich  keiner  mehr 
nach  Sommern  genannt ;  Ballhausen  blieb  ihr  Familienname 
im  Thüringischen. 

Eckhards  I.  ältester  Sohn  Helfrich,  der  nur  zwei- 
mal urkundlich  erwähnt  wird  (1262  und  1265,  [R.  No.  36, 

1)  .  .  .  puerorum  meorum  consensu.  ürk.  v.  1255  Nov.  1., 
R.  No.  26. 


Die  von  Balenhusen.  239 

38]),  war  im  Jahre  1262  herangewachsen;  denn  er  bezeugte 
damals  mit  seinem  Vater  zusammen  den  schon  erwähnten 
Lehenbrief  der  Grafen  Erf  und  Widekind  von  Bilstein. 
Helfrich  hat  sich  um  diese  Zeit  herum  vermählt.  Sein 
ältester  Sohn,  dessen  Dasein  1273  zuerst  bekundet  wird, 
trug  den  in  Thüringen  so  seltenen  Namen  Widekind 
(R.  No.  40,  41,  49—51,  53,  59,  61).  Ein  zweiter  Sohn 
hieß  Berthold  III.  (R.  No.  49—51,  59,  61).  Beider 
Mutter  war  ohne  Zweifel  Bertha  von  Naumburg,  die 
ich  für  eine  Tochter  des  Grafen  Widekind  von  Naumburg 
(1219 — 1250)  und  der  Gräfin  Osanna  halte.  Demgemäß 
müßte  sie  eine  jüngere  Schwester  des  Grafen  Volkwin  und 
des  Kanonikus  Widekind  zu  Halberstadt  gewesen  sein  ^). 
Auf  ihr  Stammgut  Naumburg,  das  im  Kreise  Wolfhagen, 
westsüdwestlich  von  Cassel,  zu  suchen  ist,  scheint  Bertha 
bei  ihrer  Heirat  verzichtet  zu  haben.  Nach  dem  frühen 
Tode  ihres  ersten  Gemahls,  Helfrichs  von  Ballhausen,  ver- 
heiratete sie  sich  zum  zweiten  Male  mit  dem  Edelherrn  Giso 
von  Ziegenberg.  Dadurch  wurde  sie  ihrer  niederhessischen 
Heimat  endgiltig  zurückgegeben.  Auch  ihre  Söhne  erster 
Ehe,  Widekind  und  Berthold,  vergaßen  auf  diese  Weise 
ihre  thüringische  Abstammung.  Sie  erfreuten  sich  (1286 
und  später)  der  Gesellschaft  und  Obhut  ihres  Stiefvaters 
Giso  von  Ziegenberg,  Widekind  freilich  mehr  als  Berthold. 

Ebensowenig  wie  Helfrich,  dem  ältesten  Sohne  Eck- 
hards I.  von  Ballhausen,  war  seinem  jüngsten,  Rudolf, 
langes  Leben  beschieden.  Nur  ein  einziges  "Mal  (1265) 
geschieht  seiner  Erwähnung  (R.  No.  38). 

Die  übrigen  Brüder,  Eckhard  IL  (R.  No.  38,  40—43, 
45,  46,  56,  61,  62—64,  68—70),  Hugo  IL  (R.  No.  38. 
40,  41  [42],  [45],  [46],  56,  61)  und  Bert  hold  IL  (R. 
No.    38,   40,    41,    [42],   44,    [45],    [46],    56,  58,  66)   können 


1)  Wyss,  Hess.  Urk.  I,  S.  5  No.  6,  S.  46  No.  47 ;  Wenck, 
Hess.  Landesgesch.,  Urk.  zum  2.  Bde.,  S.  153  No.  CXVII,  S.  159 
Anmerk.,  S.  161  No.  CXXVIII,  S.  173  No.  CXLIV,  S.  197 
No.  CLXXVI. 


240  1^16  ^on  Balenhusen. 

nur  neben  einander  angeführt  werden.  Jahrzehnte  lang 
sind  sie  unzertrennlich,  oft  auch  mit  ihrem  Neffen  Wide- 
kind  vereinigt,  bis  des  Schicksals  rauhe  I^aust  sie  für  immer 
auseinanderreißt. 

Von  Anfang  an  waren  ihnen  keine  Rosen  auf  den 
Pfad  gestreut.  Allerdings  gehörten  sie  auch  zu  den  Ad- 
ligen, die  ihre  Bauern  bedrückten  und  darum  selbst  kein 
besseres  Los  verdienten.  Schon  ihr  erstes  Auftreten  zeugte 
von  Kämpfen,  wenn  auch  noch  harmloser  Art.  Das  alt- 
berühmte Nonnenkloster  Gandersheim,  an  den  Ausläufern 
des  Nordwestharzes  gelegen,  hatte  Besitzungen  in  Ball- 
hausen und  in  der  Umgegend  i).  Die  Vogtei  über  die 
Güter  zu  Tennstädt  (Kreis  Langensalza)  war  von  der  Äb- 
tissin denen  von  Ballhausen  zu  Lehen  gegeben.  Diese 
mißbrauchten  aber  ihre  Vogteirechte,  legten  den  Pächtern 
und  Bauern  hohe  Naturalabgaben  auf  und  trieben  sie  vor- 
her ein,  ehe  das  Kloster  seine  Einkünfte  aus  Tennstädt 
bezogen  hatte.  Wenn  dann  der  Gandersheimer  Beamte 
kam,  standen  Felder  und  Scheunen,  Ställe  und  Kasten  leer, 
und  aus  ungefüllten  Schläuchen  wußte  selbst  die  Kloster- 
kunst nichts  mehr  herauszupressen.  Das  war  ärgerlich.  Die 
Minderung  des  eigenen  Einkommens  bildete  daher  für  die 
Äbtissin  gewiß  einen  eben  so  starken  Grund  zum  Ein- 
schreiten, wie  die  in  den  Vordergrund  gestellte  Bedrückung 
der  Unterthanen.  In  Großen-Ehrich  (Schwarzburg-Sonders- 
hausen) wurde  der  Zwist  durch  einen  Vergleich  beigelegt 
(1273).  Den  Brüdern  Eckhard,  Hugo  und  Berthold  von 
Ballhausen   standen   dabei   zwei   Freunde   ihres  Vaters    zur 


1)  1480  verkaufte  Hermann  von  Hausen  zu  Groß-Ballhausen 
Güter  an  das  Kloster  Volkenrode,  darunter  eine  Schaftrift,  die  ehe- 
mals gandersheimisches  Lehen  gewesen  war.  Schoettgen  et 
Kreysig,  Dipl.  et  Script.  I,  820.  —  Von  der  Mühle  in  Balhusen  hatte 
das  Kloster  bedeutende  Einkünfte,  viel  brachten  auch  Magnum  und 
Parvum  Dennestede  ein,  wo  ein  officialis  und  ein  hovemannus 
erwähnt  wird.  Harenberg,  Hist.  eccl.  Gandershem.  dipl.,  Hann. 
1734,  S.  531. 


Die  von  Balenhusen.  241 

Seite,  der  Weißenseeer  Burgmann  Hermann  Stock  und 
Edelher  von  Arnstadt,  außerdem  Heinrich  von  Döllstädt. 
Das  Kloster  setzte  seinen  Willen  durch  und  erlangte  das 
Versprechen ,  daß  allen  Beschwerden  abgeholfen  werden 
sollte. 

Ebenso  mußten  die  drei  Brüder  in  einer  anderen  An- 
gelegenheit den  Rückzug  antreten.  Es  handelte  sich  um 
das  Patronatsrecht  über  die  Kirche  in  Lützensömmern,  das 
sie  dem  Nonnenkloster  Kapelle  (im  heutigen  Eürstentume 
Schwarzburg-Rudolstadt)  streitig  machten.  Erst  wurde  die 
Sache  fünf  Schiedsrichtern  zur  Untersuchung  übertragen, 
und  dann  entschied  (1277)  der  geistliche  Richter  Ulrich  in 
Jechaburg  zu  Gunsten  des  Klosters  Kapelle.  Der  Erz- 
bischof Werner  von  Mainz  bestätigte  den  Spruch. 

Aber  die  Gebrüder  gingen  nicht  im  Interesse  für  ihr 
Stammland  ganz  und  gar  auf,  sie  pflegten  die  hessischen 
Beziehungen  ebenso  gut.  Dem  Kloster  Heida  an  der  Fulda, 
dem  schon  die  Eltern  ihre  Neigung  thatkräftig  bewiesen 
hatten,  wandten  nun  (1275)  auch  Söhne  und  Enkel  (Wide- 
kind)  eine  Hufe,  also  etwa  30  Morgen  Landes  zu,  deren 
Ertrag  bisher  der  Ritter  Guntram  von  Morschen^)  von 
ihnen  zu  Lehen  gehabt  hatte.  Und  Ritter  Eckhard  IL, 
nunmehr  das  Haupt  der  Familie,  verhieß  den  Nonnen, 
binnen  Jahresfrist  die  Hufe  aus  dem  Lehnsverbande  zu 
befreien,  wenn  sie  nicht  zu  den  Alloden  der  Familie  ge- 
hören sollte.  Darüber  waren  die  Inhaber  also  selbst  nicht 
klar.  Solche  Unklarheit  über  Eigentums-  oder  Lehens- 
verhältnis ihrer  hessischen  Güter  sollte  ihnen  später  ver- 
hängnisvoll werden. 


1)  Eitter  Guntram  von  Morschen  (Gundraraus  iniles  de  Morsen, 
de  Morsone)  bezeugte  am  27.  November  1250  eine  Urkunde  des 
Grafen  Gottfried  von  Reichenbach  und  am  12.  Juli  1254  eine  solche 
des  Schultheißen  von  Homberg  an  der  Efze.  Wenck,  Hess.  Landes - 
geschichte,  Urk.  zum  3.  Bde.,  8.  122  No.  CXXXIV ;  Kuchenbecker, 
Analecta  Hassiaca,  Bd.  11,  S.  141.  Sonst  isfr  mir  sein  Name  nicht 
begegnet. 


242  jf^ie  von  Balenhusen. 

Die  beiden  für  Heida  ausgestellten  Urkunden  bieten 
Cxelegenheit  zu  mancherlei  Betrachtungen.  Die  eine  nennt 
ausdrücklich  Schwarzenberg  als  Ausstellort,  die  andere 
weist  durch  die  Namen  der  Zeugen  a,uf  dieselbe  Gegend. 
Da  sind  Hermann  von  Spangenberg  und  zwei  Ludwige  von 
Slutwinsdorf,  die  nach  Spangenberg  (ö.  Melsungen  an  der 
Fulda)  gehören  ;  Siegfried  von  Haldorf  und  Helwig  von  Adels- 
hausen kommen  auch  in  anderen  Melsunger  Urkunden  dieser 
Zeit  vor;  da  sind  endlich  Pfarrer  und  Schultheiß  des  kleinen 
Euldastädtchens.  Die  Anwesenheit  des  landgräflichen  Schult- 
heißen macht  es  zur  Gewißheit,  daß  die  von  Ballhausen 
damals  noch  in  ungetrübter  Freundschaft  zum  Herrn  des 
Hessenlandes,  Heinrich  dem  Kinde,  standen. 

Allmählich  fühlten  sie  sich  auf  dem  herrlichen  Sitze 
an  der  Fulda  völlig  heimisch ,  und  der  junge  Widekind 
war,  soweit  man  sehen  kann,  der  erste,  dem  auch  der 
Name  von  Schwarzenberg  beigelegt  wurde  (1289). 
Dem  Anscheine  nach  weilte  er  damals  zum  Besuche  in  der 
Nordostecke  Hessens,  bei  seinem  Stiefvater  Giso  von  Ziegen- 
berg, und  ritt  mit  seinen  Stiefbrüdern  Hermann  und  Johann 
von  Ziegenberg  weiter  nach  dem  Kloster  Mariengarten  bei 
Göttingen.  Nicht  ein  einziger  Thüringer  befand  sich  in 
seiner  Gesellschaft,  nur  hessische  Ritter,  wie  Konrad  von 
Berlepsch,  Kitter  aus  dem  Leinegau,  wie  Johann  von  Harste^ 
und   Göttinger  Bürger. 

Von  Widekinds  Oheimen  ist  in  dieser  Zeit  wenig  die' 
Rede.  Nur  einmal  (127(i)  bezeugen  sie  gemeinschaftlich 
einen  Lehenbrief  ihres  Neffen  Luitpold  von  Heimburg. 
Und  Bertholds  IL  Gattin  Mechthild,  die  aus  dem 
Halberstädter  Ministerialeugeschlechte  von  Gatersleben 
stammte,  gab  in  demselben  Jahre  ihre  Einwilligung  zu  einer 
frommen  Schenkung  ihrer  Brüder.  Im  übrigen  mochten  die 
thüringiselien  Wirren  die  von  Ballhausen  stark  in  Anspruch 
nehmen.  Dort  käm])fte  in  den  achtziger  Jahren  Landgraf 
Albrecht  der  b'nartige  mit  seinen  Si'ihnen,  und  wieder  galt 
Vergils  S]iruch:    Wenn   die  Fürsten  rasen,  dann  seufzen  die 


Die  von  Balenhusen.  243 

XJnterthanen  unter  den  Schlägen.  Die  Landgrafen  reichten, 
sich  zur  Versöhnung  die  Hände,  aber  die  Ritterschalt  ver- 
lernte sobald  das  Reiten  und  Rauben  nicht.  Wurde  auf  den 
Straßen  des  Altgaues  ein  Frachtwagen  überfallen  oder  von 
der  Weide  eine  Kuhherde  weggetrieben,  dann  mochte  man 

—  wenn  es  erlaubt  ist,  aus  späteren  Umständen  zu  schließen 

—  auf  den  Schilden  der  Schnapphähne  zuweilen  auch  die 
Ballhausischen  Widderhörner  erblicken. 

Allein  der  deutsche  König,  Rudolf  von  Habsburg,  hatte 
den  ernsten  Willen,  Bürger  und  Bauern  zu  schützen  ^).  So 
ernannte  er  den  Erzbischof  Heinrich  II.  von  Mainz  zum 
Hauptmann  und  Rektor  der  thüringischen  Lande,  und  Hein- 
rich erschien  persönlich  in  Erfurt  und  gebot  Landfrieden. 
Albrecht  von  Thüringen  gab  dem  Erzbischof  die  Erlaubnis, 
innerhalb  seiner  Landgrafschaft  Burgen  und  Befestigungen 
anzukaufen  und  neu  anzulegen  (1287)2).  Nach  Heinrichs 
Tode  übernahm  erst  König  Rudolf,  der  seit  dem  Dezember 
1289  fast  ein  ganzes  Jahr  lang  in  Erfurt  weilte,  die  Haupt- 
mannschaft in  Thüringen  und  übertrug  sie  dann  dem  edlen 
Herrn  Gerlach  von  Breuberg  (1290 — 97)  ^).  Dieser  brachte 
Schloß  Ballhausen  (R.  No.  55,  60,  79)  in  seine  Gewalt. 
Ob  es  dabei  sonderlich  friedfertig  zugegangen  ist?  Die 
Quellen  schweigen  darüber.  Man  erinnere  sich  indessen,  daß 
König  Rudolf  Q6  Ritter-  und  Raubburgen  der  Erfurter 
Gegend  unschädlich  machen  ließ.  Ballhausen  wurde  nicht 
zerstört,  denn  Gerlach  von  Breuberg  verpfändete  das  Schloß 
dem   Erzbischof  Gerhard  II.  von  Mainz.     In  seinem  ersten 


Ij  Th.  Lindner,  Deutsche  Gesch.  unter  den  Hab!«burgern  und 
Luxemburgern,  Stuttg.  1890,  I,  74.  75;  0.  Dobenecker,  Rudolfs  I. 
Friedenspolitik  in  Thüringen,  in  der  Zeitschr.  f.  Thür.  Gesch.  XII 
(N.  F.  IV),  Jena  1885,  S.  529  ff, 

2)  Gudenus,  Cod.  dipl.  I,  819. 

3)  Gerlach  v.  Bruberg,  conservator  pacis  in  Thuringia  ex  parte 
regis  Romanorum  1290  sabbatho  festo  Paschae  exspirante.  Wolff, 
Chronik  des  Klosters  Pforta,  II,  223.  224;  Regesten  des  Geschlechts 
8alza,  Leipzig  1853,  No.  90  S.  95  (1296),  No.  92  S.  97  (1297 
März  20.). 


244  Jf^iß  '^0^  Balenhusen. 

Regierungsjahre  versprach  König  Adolf  von  Nassau,  Ball- 
hausen in  den  Händen  Gerhards  zu  lassen,  es  sei  denn, 
daß  er  dem  Erzbischof  1000  Mark  da/ür  bezahlte.  Aber 
woher  sollte  Adolf  eine  so  bedeutende  Summe  nehmen? 
So  blieb  die  Burg  einstweilen  mainzisch.  Nach  der  Tra- 
gödie von  Göllheim  setzte  Gerhard  zwei  seiner  Getreuen, 
Friedrich  von  Rosdorf  und  Dietrich  von  Hardenberg,  als 
Amtleute  hinein  (1299).  Eine  derartige  Verwaltung  und 
die  ganze  mainzische  Herrschaft  über  Ballhausen  war  aber 
nicht  von  langer  Dauer.  In  den  allerersten  Jahren  des 
14.  Jahrhunderts  nahm  sie  ein  Ende. 

Es  mangelt  an  einem  vollgiltigen  Beweise  dafür,  daß 
es  sich  hierbei  um  das  Schloß  Klein -Ballhausen,  um  den 
Sitz  unseres  Geschlechtes  handelte.  Jedenfalls  ging  aber 
die  Familie  von  Ballhausen  etwa  um  diese  Zeit  ihrer 
Stammburg  verlustig  und  gelangte  auch  nicht  wieder  in 
den  Besitz  derselben.  Ebenso  büßte  sie  fast  alle  übrigen 
Güter  in  der  Nähe  ein.  Nur  selten  noch  ist  von  den 
letzteren  die  Rede.     Ein  Beispiel  mag  sofort  folgen. 

Johann,  der  Sohn  Wilhelms  von  Weißensee,  verkaufte 
eine  halbe  Hufe  in  Schwerstedt  an  das  eichsfeldische  Kloster 
Reifenstein.  Die  Ländereien  waren  ein  Ballhausisches  Lehen. 
Eckhard,  Hugo  und  Berthold  gaben  ihre  lehnsherrliche  Ein- 
willigung zum  Verkaufe  gegen  das  mäßige  Entgelt  von 
einer  Mark  Silbers.  Der  niedrige  Preis  sollte  zugleich 
ihrem  Seelenheile  dienlich  sein.  Auf  dem  öffentlichen  Ge-' 
richte  in  Weißensee  sprachen  sie  ihren  Verzicht  aus  (am 
4.  Dezember  1292).  Sie  hatten  also  keine  Verfolgung  mehr 
zu  besorgen. 

Man  geht  schwerlich  fehl  in  der  Annahme,  daß  sie 
fortan  öfter  auf  Schwarzenberg  an  der  Fulda  ihre  Zuflucht 
suchten  und  von  dort  aus  in  Gemeinschaft  mit  Widekind 
und  Berthold,  Helfrichs  Söhnen,  ihrem  Thatendrange  folgten. 
Aber  nur  von  den  letzteren  beiden  kann  es  als  wirklich 
ausgemacht  gelten,  daß  sie  zu  den  hessischen  Raubrittern 
gezählt    wurden.      Schwarzenberg    gegenüber    erklomm   die 


Die  von  ßalenhusen.  245 

alte  Kasseler  Landstraße  einen  steilen  Hügel,  und  auf  dem 
Strome  glitten  die  Frachtkähne  langsam  dahin;  beides  war 
geeignet,  verwilderte  Gemüter  zu  räuberischen  Anschlägen 
zu  verführen.  Es  kam  hinzu,  daß  die  von  Ballhausen  über 
die  Natur  mancher  ihrer  Besitzungen  im  Fuldathale  unklar 
waren,  nicht  immer  wußten,  ob  sie  Allode  oder  Lehen  darin 
sehen  sollten.  Ihrem  Eigennutze  ist  es  zuzutrauen,  daß  sie 
sich  nicht  gründlicher  unterrichteten,  sondern  allemal  das 
Vorteilhafteste  annahmen.  Anderseits  versäumte  der  hessische 
Landgraf  Heinrich  das  Kind  keine  Gelegenheit,  seine  Unter- 
thanen  gegen  Gewaltthat  zu  schützen  und  nebenher  auch 
seine  landesfürstliche  Macht  zu  erweitern  und  zu  mehren. 
Zwei  Ziele  verfolgte  er  daher  unablässig:  die  Ritterburgen 
sollten  keine  Raubnester  werden,  und  der  Adel  seine  Lehen 
vom  Landgrafen  empfangen,  sonst  drohte  Feuer  und  Schwert. 
Im  Jahre  1293  erstürmten  oder  zerstörten  die  Landgräflichen 
nicht  weniger  als  18  feste  Häuser  in  Hessen,  darunter  auch 
Schwarzenberg  (R.  No.  57).  Seitdem  hörte  der  Zu- 
sammenhang zwischen  den  drei  Gebrüdern  von  Ballhausen 
und   ihren    beiden  Neffen   bis  auf  geringfügige  Spuren  auf. 

Der  jüngste  von  den  drei  Ballhäusern,  Berthold  IL, 
war  der  Wechselfälle  des  weltlichen  Lebens  satt.  Schon 
im  Sommer  des  nächsten  Jahres  (1294)  begegnet  er  uns 
als  Laienbruder  im  Kloster  Volkenrode,  nordöstlich  von 
Mühlhausen,  Im  Laufe  der  Zeit  brachte  er  es  dort  bis 
zum  Stallmeister  (1306).  Auf  seinen  Anteil  an  den  Familien- 
besitzungen muß  er  beim  Eintritte  ins  Kloster  verzichtet 
haben. 

Hugo  II,  ist  nach  der  Zerstörung  von  Schwarzenberg 
so  gut  wie  verschollen,  1301  wird  er  noch  einmal  ge- 
nannt, aber  ohne  Angabe  des  Wohnsitzes  und  sonstiger 
Lebensumstände. 

Eckhard  II,  besaß  in  Thüringen  noch  einige  Güter. 
Wahrscheinlich  fielen  ihm  auch  bald  neue  Lehen  zu.  Ehe 
wir  auf  seine  ferneren  Schicksale  und  Verhältnisse  näher 
eingehen,    haben  wir  die  seiner  Neffen,   Widekinds  und 


246  I^i^  ^0"  Balenhusen. 

Bertholds  III.,  zu  betrachten.  Mit  diesen  stand  es  recht 
übel,  da  sie  durch  längeren  Aufenthalt,  Besitz  und  Ver- 
wandtschaft vorwiegend  an  Hessen  gefesselt  waren.  So 
lag  ihnen  der  Gedanke,  sich  mit  dem  Landgrafen  Heinrich 
zu  versöhnen,  besonders  nahe.  Versöhnung  bedeutete  da 
aber  so  viel  wie  bedingungslose  Unterwerfung.  Über  die 
Hälfte  der  Ballhausischen  Besitzungen  im  Hessenlande  konn- 
ten Widekind  und  Berthold  III.,  nachdem  Berthold  IL  ins 
Kloster  getreten  war,  verfügen.  Und  das  thaten  sie  dann 
auch.  In  Cassel  wurden  die  Verhandlungen  mit  dem 
hessischen  Landgrafen  geführt  (1295).  Der  Edelherr  Giso 
von  Ziegenberg,  der  Stiefvater  Widekinds  und  Bertholds, 
stand  beiden  getreulich  zur  Seite.  Allein  er  konnte  ihr 
Los  nicht  ändern,  zumal  da  er  selbst  ein  ähnliches  Schick- 
sal erfahren  hatte,  seine  Burg  von  den  Scharen  Hein- 
richs des  Kindes  erobert  war^).  Widekind  und  Bert- 
hold mußten  ihre  Eigen-  und  Lehngüter,  die  größtenteils 
aus  der  Rotenburgischen  Erbschaft  stammten,  zu  einem 
geringeren  Teile  wohl  auch  Naumburgischer  Herkunft  waren, 
an  Heinrich  I.  und  dessen  Erben  abtreten :  die  Hälfte  des 
Allods  in  Körle  (nö.  Melsungen)  und  in  Rotenburg  an  der 
Fulda  und  das  Allod  neben  der  Burg  Rotenburg.  Die 
letzteren  waren  vom  Landgrafen  bereits  mit  Beschlag  be- 
legt und  an  zwei  seiner  Getreuen,  den  Ritter  Tammo  von 
Alnhusen  (EUnhausen  w.  Marburg)  und  einen  gewissen 
Wollkopf,  als  Lehen  ausgegeben.  Ferner  verzichteten  Wide- 
kind und  Berthold  auf  die  Hälfte  des  Grundes  und  Bodens, 
der  bisher  die  Burg  Schwarzenberg  getragen  hatte,  jetzt 
eine  wüste  Trümmerstätte,  sowie  auf  die  Hälfte  vom  Zehnten 
in  Elgershausen  (sw.  Cassel)  und  einen  Malter  Weizen 
jährlicher  Abgabe  in  Venne,  einer  Wüstung  bei  der  Stadt 
Gudensberg.  Endlich  veräußerten  sie  auch  ihre  Bilstein- 
schen  Lehen  an  das  Kind  von  Hessen ,  nämlich  einen 
Hof  in  Waldau   mit    ihrem  Anteile  am  Zehnten,    8  Malter 


1)  Landau,  Hess.  Eitterburgen  IV,  312.  —  E.  No.  57. 


Die  von  Balenhusen.  247 

jährlichen  Kornzinses  zu  Krumbach  (beide  s,  Cassel),  Geld« 
einkünfte  in  Fuldhagen,  einer  Wüstung  in  derselben  Gegend, 
ein  Viertel  vom  Zehnten  in  Melsungen  ^)  und  alle  Geldein- 
künfte daselbst. 

Von  einer  Entschädigung,  welche  für  die  bedeutenden 
Abtretungen  bewilligt  wurde,  verlautet  nichts,  Widekind 
und  Berthold  hofften  jedenfalls  auf  eine  Neubelehnung  mit 
dem  größeren  Teile  des  ehemaligen  Eigen-  und  Lehngutes. 
Der  Landgraf  wird  durch  eine  verloren  gegangene  Gegen- 
urkunde seine  Gnade  bewiesen  haben. 

Der  Graf  Otto  von  Bilstein ,  der  letzte  seines  Ge- 
schlechtes, kümmerte  sich  zunächst  nicht  um  die  Ordnungs- 
und  Eroberungspolitik  Heinrichs  des  Kindes,  sondern  be- 
trachtete Eckhard  II.  und  Hugo  IL  von  Ballhausen  und 
ihre  Neffen  noch  geraume  Zeit  als  rechtmäßige  Inhaber 
seiner  Aktivlehen.  Erst  im  Jahre  1301  verkaufte  er  diese 
letzteren  an  den  Landgrafen ').  Heinrich  gewann  dadurch 
noch  größere  Gewalt  oder  vielmehr  ein  unbestreitbares 
Recht  über  die  Bilsteinschen  Lehen  der  Familie  Ballhausen- 
Schwarzenberg. 

Eckhard  und  vielleicht  auch  Hugo  hausten  in  der 
thüringischen  Heimat  und  trachteten  nicht  mehr  nach 
Gütern  im  Hessenlande,  ihre  Neffen  Widekind  und  Bert- 
hold III.  blieben  also  die  einzigen,  die  im  stände  waren, 
das  Geschlecht  am  Fuldastrande  fortzupflanzen.  Irgend 
eine  weitere  Nachricht  über  beide  hat  sich  aber  bis  jetzt 
nicht  gefunden. 

In  der  Gegend  des  alten  Stammsitzes  hatte  die  Ball- 
hausische Familie  jede  Bedeutung  verloren.  Der  Priester 
Siegfried  von  Groß-Ballhausen,  der  freilich  den  größten  An- 


1)  Eine  Urkunde  von  1301  (vergl.  weiter  unten)  verlegt  den 
Zehnten  nach  dem  benachbarten  Dorfe  Obermelsungen ,  wohl  irr- 
tümlich. 

2)  In  dem  Kaufbriefe  werden  Widekind  und  Berthold  III.  als 
Brüder  Eckhards  II.  und  Hugos  II.  bezeichnet.  Der  gemein- 
schaftliche Besitz  hatte  offenbar  diesen  Irrtum  hervorgerufen. 


248  I^iß  von  Balenhusen. 

teil  an  Wundermärchen  nimmt,  hat  einen  Abschnitt  der 
Zeitgeschichte  bis  1304  hinterlassen  i).  Er  wirft  zuweilen 
seine  Blicke  auch  auf  die  Nachbarschaft  seines  Wohnortes ; 
auf  die  Gebrüder  von  Ballhausen  ddutet  er  jedoch  mit 
keinem  Worte  hin. 

Und  doch  hielt  sich  Eckhard  IL,  soweit  sich  er- 
kennen läßt,  häufig  in  geringer  Entfernung  auf.  Allerdings 
ist  zu  bemerken,  daß  nicht  alle  folgenden  Urkunden  mit 
völliger  Sicherheit  auf  Eckhard  II.  zu  beziehen  sind.  Es 
fehlt  hier  und  da  an  hinlänglichen  Kennzeichen,  um  seine 
Persönlichkeit  festzustellen.  Unbedingt  kann  behauptet 
werden,  daß  er  gegen  Ende  des  Jahres  1308  noch  am 
Leben  war.  Außerdem  scheinen  die  folgenden  Thatsachen 
ihn  zu  betreffen. 

In  der  Saalegegend,  im  heutigen  Kreise  Querfurt,  be- 
zeugte er  —  unverkennbar  durch  den  Rittertitel  —  ein 
Kaufgeschäft  zwischen  den  Klöstern  Reinsdorf  und  Beutitz, 
und  der  Abt  von  Goseck,  mit  dessen  Nachfolgern  das  Ge- 
schlecht später  noch  mehr  zu  schaffen  hatte,  war  neben 
ihm  Zeuge  (1302).  Wir  schließen  daraus,  daß  Eckhard  II. 
damals  schon  vom  Land-  bezw.  Markgrafen  mit  Gütern 
zu  Markröhlitz  (im  Kreise  Querfurt)  und  in  der  Nachbar- 
schaft ausgestattet  war.  Aber  erst  Eckhards  IL  Nach- 
kommen sind  im  Besitze  dieser  Lehen  ganz  sicher  nachzu- 
weisen. Im  Sommer  des  nächsten  Jahres  treffen  wir  ihn 
in  der  Reichsstadt  Mühlhausen,  in  der  er  öfter  weilte.  Er 
bezeugte  hier  —  wiederum  als  Ritter  ausgezeichnet  —  eine 
Schenkung  für  das  eichsfeldische  Kloster  Anrode  und  lieferte 
wenige  Wochen  später  den  Beweis,  daß  er  auch  in  der  alten 
Heimat  noch  begütert  war.  Dem  Deutschordenshause  zu 
Nägelstedt  überwies  er  nämlich  ein  tüchtiges  Stück  Land 
nebst  2  Höfen  in  Clettstedt  (nö.  Langensalza).  Sein  Sohn 
Eckhard  III.  beteiligte  sich  an  der  Schenkung.  Als  erster 
Zeuge   wird   Heinrich   von    dem   Haine    genannt,    wohl    ein 


1)  M.  G.  Scriptores  XXV,  711. 


Die  von  Balenhusen.  249 

Mitglied  der  Familie  Hagen  (bezw.  Westernhagen),  mit  der 
der  junge  Eckhard  III.  von  da  ab  regen  Verkehr  unterhielt. 

Mit  der  Stadt  Erfurt  vermied  Eckhard  11.  dem  An- 
scheine nach  jede  Verbindung.  Wenn  man  nach  einem 
Grunde  hierfür  sucht,  so  braucht  man  nur  auf  einen  Um- 
stand hinzuweisen.  Die  Erfurter  waren  samt  König  Rudolfs 
Kriegern  einstmals  ausgezogen,  um  die  thüringischen  Ritter- 
burgen zu  bestürmen.  Jetzt  bot  sich  Gelegenheit  zur  Rache. 
Der  Land-  und  Markgraf  Friedrich  wurde  Erfurts  Feind. 
Und  bei  diesem  Fürsten,  der  gerade  auf  der  Wachsenburg 
in  der  Nähe  von  Arnstadt  Hof  hielt,  befand  sich  im  Herbste 
1308  ein  Ritter  Eckhard  von  Ballhausen,  also  wohl  Eck- 
hard II.  Ehe  es  aber  zum  offenen  Kampfe  mit  der  Stadt 
Erfurt  kam,  dachte  Eckhard  IL,  der  an  der  Schwelle  des 
Greisenalters  stand,  an  Tod  und  Seelenheil.  Die  Nonnen  des 
Mühlhäuser  Brückenklosters  sollten  sein  und  seiner  Gemahlin 
Bertrade  Jahrgedächtnis  feiern,  darum  machte  er  ihnen 
eine  bedeutende  Zuwendung  in  Clettstedt  (am  8.  Dezember 
1308).  Seine  drei  Söhne  Giselher,  Eckhard  III.  und 
Eckhard  IV.  hatten  natürlich  nichts  dagegen  einzuwenden. 

Wenige  Wochen  später  erfüllte  ein  Eckhard  von  Ball- 
hausen —  da  der  Rittername  fehlt,  kann  man  zweifelhaft 
sein,  ob  Eckhard  IL  oder  III.  —  neben  Hermann  von 
Westernhagen  und  Johann  von  Esplingerode,  die  ehrenvolle 
Aufgabe,  zwischen  der  Reichsstadt  Mühlhausen  und  einem 
Vogte  des  Herzogs  Heinrich  von  Braunschweig  zu  vermitteln. 
Es  handelte  sich  um  einen  Totschlag.  Die  unter  Mühlhäuser 
Gerichtsbarkeit  stehenden  Bauern  von  Eberolderode  (Elbe- 
rode, eine  Zeit  lang  auch  Mönchhof  genannt?)  und  Eigen- 
rode (ö.  Dingelstedt)  hatten  den  herzoglichen  Kaplan,  der 
zugleich  Pfarrer    des    erstgenannten  Dorfes    war,    ermordet. 

Der  Krieg  zwischen  dem  Markgrafen  Friedrich  und 
den  Erfurtern  brach  aus.  Den  Bürgern  halfen  zwei  starke 
Bundesgenossen:  der  Feldhauptmann  des  deutschen  Königs, 
Heinrichs  VIL,  und  der  Landgraf  Johann  von  Hessen.  Die 
Verbündeten  zogen  (im  Sommer  1309)  alle  miteinander 
XXL  17 


250  I^iß  voll  Balenhusen. 

gegen  (Lützen-?)  Sommern  und  Ringleben  und  verbrannten 
die  Ortei). 

Seitdem  verschwindet  Eckhards  II.  Name  aus  den 
Geschichtsquellen.  Ob  das  mit  diesem  Kriege  zusammen- 
hängt, oder  ob  er  schon  vorher,  vielleicht  im  Dezember 
1308,  gestorben  ist,  wissen  wir  nicht. 

Eckhards  II.  Sohn  Giselher  (R.  No.  69.  83)  wird 
nur  zweimal  erwähnt.  Das  eine  Mal  (1308)  nimmt  er  in 
Mühlhausen  an  der  Stiftung  teil,  die  seine  Eltern  zu  ihrem 
Seelenheile  errichten.  Das  andere  Mal  (1331)  schließt  er 
neben  anderen  Verwandten  einen  Vergleich  mit  dem  Kloster 
Homburg  bei  Langensalza.  Es  kamen  dabei  Güter  in  Bothen- 
heilingen  (Kreis  Langensalza)  in  Betracht. 

Eckhard  III.  und  Eckhard  IV.,  die  anderen  Söhne  Eck- 
hards II;,  scharf  zu  scheiden,  kostet  viel  Mühe.  Ich  habe 
folgenden  Unterschied  zu  bemerken  geglaubt.  Eckhard  IV. 
hält  sich  in  der  Gegend  von  Markröhlitz  (Kr.  Querfurt)  auf, 
während  Eckhard  III.  in  den  Dienst  des  Herzogs  Heinrich 
von  Braunschweig  tritt  und  der  Familie  von  Hagen  nahe  steht. 

Eckhard  III.  (R.  No.  64.  65.  69—72.  74.  75)  tritt 
zum  ersten  Male  im  Jahre  1303  auf  Neben  seinem  Vater 
spendete  er  damals  dem  Deutschen  Hause  zu  Nägelstedt 
Ackerland  und  2  Höfe.  Wie  bei  dieser  Gelegenheit  ein 
Heinrich  von  dem  Haine  bei  Eckhard  III.  war,  so  bezeugte 
der  letztere  (1306)  zusammen  mit  den  Gebrüdern  Heinrich 
und  Rüdiger  von  Hagen  eine  Urkunde  Dietrichs  und  Hein- 
richs von  Hagen,  die  mit  dem  eichsfeldischen  Kloster  Reifen- 
stein Güter  tauschten.  Als  seine  Eltern  (1308)  für  ihr 
Seelenheil  sorgten,  war  er  mit  der  Schenkung  einverstanden. 
Vielleicht  ist  es  auch  Eckhard  III.  (und  nicht  Eckhard  II.) 
gewesen,  der  (am  9.  Jan.  1309)  zwischen  Berthold  Fuchs, 
dem  herzoglich  braunschweigischen  Vogte,  und  der  Stadt 
Mühlhausen    vermittelte.     Denn    der   Rittertitel,    den   Eck- 

1)  Sächsische  Weltchronik  (Deutsche  Chroniken  II),  S.  312; 
Cronica  S.  Petri  Erfordensis  moderna  (M.  G.  SS.  XXX)  S.  441—443. 


Die  von  Balenhusen.  ^51 

hard  II.  führte,  fehlt,  und  das  vorgesetzte  Wort  „Herr" 
(dominus)  könnte  man  ja  als  eine  Erinnerung  an  die 
frühere  Freiherrlichkeit  des  Geschlechtes  oder  als  ein- 
fachen  Ehrentitel    auffassen. 

Einen  Monat  später  befand  er  sich  in  Oberhagen,  das 
man  wohl  auf  dem  Eichsfelde  zu  suchen  hat.  Die  Ge- 
brüder Heinrich,  Rüdiger  und  Hermann  von  Hagen  mach- 
ten dem  Deutschordenshause  zu  Wahlhausen  (im  Kreise 
Heiligenstadt)  eine  Schenkung,  die  auf  Bitten  der  Ordens- 
brüder Eckhard  III.  mit  seinem  Siegel  bekräftigte.  Im 
Herbste  des  Jahres  1311  finden  wir  ihn  in  Eisenach  im 
Gefolge  der  Herzogin  Agnes,  Gemahlin  des  Herzogs  Hein- 
rich von  Braunschweig  und  Schwester  des  Markgrafen 
Friedrich  von  Meißen.  Jetzt  hatte  Eckhard  III.  den  Ritter- 
schlag empfangen.  Als  Ritter  bezeugte  er  dann  (1314)  eine 
Urkunde  des  Herzogs  Heinrich  für  die  Marienkirche  vor 
der  Stadt  Eimbeck  und  (1315)  die  Empfangsbescheinigung 
zweier  braunschweigischer  Ritter,  die  demselben  Herzoge 
Vogteien  und  andere  Güter  verdankten. 

Eckhard  IV.  von  Ballhausen  (R.  No.  69.  76.  77), 
der  dritte  Sohn  Eckhards  II.,  tritt  wenig  hervor.  Bei  der 
Stiftung  von  1308  wird  er  neben  seinen  Eltern  und  Brüdern 
erwähnt.  Im  Herbste  des  Jahres  1315  war  er  Ritter.  Am 
24.  Oktober  übertrug  er  dem  Kloster  Homburg  bei  Langen- 
salza den  Zehnten  in  Bothenheilingen,  den  Hermann  von 
Greußen  von  ihm  besaß.  Dies  scheint  aber  nur  der  Verzicht 
auf  einen  Bruchtheil  vom  Zehnten  gewesen  zu  sein.  Denn 
ein  Ritter  Ludwig  von  TJbach  verkaufte  nicht  allzulange 
vorher  denselben  Zehnten  an  das  Kloster  Homburg  ^). 
Günther  von  Salza,  unter  Gerlach  von  Breuberg  stellver- 
tretender Friedenshauptmann  in  Thüringen  ^),  bezeugte  Eck- 
hards   Schenkung    an    erster    Stelle.     Kaum    drei   Wochen 


1)  Förstemann,    ürk.   des    Klosters  Homburg   in   den  Neuen 
Mitteil,  histor.-antiquar.  Forschungen  VIII,  2,  S.  83  No.  55. 

2)  Regesten  des  Geschlechts  öalza,  Leipzig  1853,  S.  95  No.  90. 
(1296). 

17* 


252  t>ie  von  I5alenhusen. 

danach,  am  11.  November  1315,  bezeugte  Eckhard  IV. 
einen  Kaufbrief  auf  dem  Schlosse  Neuenburg  bei  Freiburg 
an  der  Unstrut.  Nach  einer  Andeutung  in  der  Urkunde  mag 
er  zu  den  dortigen  Burgmannen  gehöH  haben.  Als  Vogt 
auf  der  Burg  waltete  Rudolf  von  Cannawurf.  Derselbe^ 
sowie  Eckhard  von  Cannawurf  i)  und  Mitglieder  der  mut- 
maßlich verwandten  Familien  von  Haldeck  und  von  Ücht- 
ritz  werden  von  jetzt  ab  öfter  neben  den  Ballhäusern  ge- 
nannt. Vielleicht  ist  der  Schluß  erlaubt,  daß  Rudolf  von 
(Jannawurf  eine  Tochter  Eckhards  IL  von  Ballhausen  heim- 
geführt und  dem  ältesten  Sohne,  wie  es  damals  üblich  war 
den  Vornamen  seines  Schwiegervaters  beigelegt  hat. 

Allem  Anscheine  nach  haben  Eckhard  III.  und  IV. 
von  Ballhausen  kein  hohes  Alter  erreicht.  Wenige  Jahre 
später  taucht  Eckhard  V.  (R.  No.  80.  83.  85.  86)  auf, 
vermutlich  Eckhards  IV.  Sohn ,  auffälligerweise  bereits 
1322  Ritter.  Sein  Siegel  ist  (1322  und  1336)  kenntlich 
an  einer  Rose  unter  den  Widderhörnern.  Sein  Wohnsitz 
war  Rollicz  (Markröhlitz  im  Kreise  Querfurt).  In  einer 
Urkunde  von  1331  bezeichnet  er  Giselher  von  Ballhausen, 
Eckhards  II.  Sohn,  als  seinen  Vetter,  d.  h.  Vatersbruder; 
Friedrich  und  Apel  von  Wangenheim  dagegen  nennt  er 
seine  Oheime,  also  waren  sie  wohl  Brüder  seiner  Mutter. 
Man  darf  es  nicht  als  gewiß  hinstellen,  daß  dieser  Eckhard 
von  1331  mit  dem  von  1322  und  1336  identisch  ist,  aber 
zeitliche  und  örtliche  Verhältnisse  sprechen  dafür.  Darum 
werden  hier  die  wenigen  Nachrichten  aus  den  3  Jahren 
zusammen  aufgeführt. 

Im  Jahre  1322  verkaufte  Eckhard  V.  seinen  Zehnten 
zu    Korbetha    (n.   Weißenfels)    an    das    Kloster    Beutitz    (w- 

1)  E.  No.  SC)  (l:!-3r)).  94  (i:i63)  —  Wolff,  Chronik  des  Klosters 
rfortu  II,  '){)[).  510.  —  IT,  298:  Gebrüder  Günther  und  Rudolf  von 
Cannawurf  (1301).  —  Über  die  mutmaßliche  Verwandtschaft  der 
von  Cannawnrf  mit  denen  von  Scheidungen,  Haldeck  und 
Uehtritz  vergl.  von  Wangenheim,  Regesten  des  Geschl.  Wangen- 
Iieiiii,  II  .")?  No.  95  Anm. 


Die  von  Balenhusen.  253 

Weißenfels).  Unter  den  Zeugen  befanden  sich  neben  Al- 
bert Knut  noch  Hermann,  Heinrich  und  Tammo  von  Hal- 
deck, deren  Stammburg  bei  Freiburg  an  der  Unstrut  lag. 
Vor  ihnen  wird  der  Ritter  Peter  Porzik  genannt,  später 
Marschalk  des  Landgrafen  Friedrich  i).  Neun  Jahre  danach 
verzichtete  Eckhard  V.  auf  seine  Ansprüche  an  den  Zehnten 
in  Bothenheilingen  (Kreis  Langensalza),  den  Eckhard  IV. 
16  Jahre  früher  dem  Kloster  Homburg  überlassen  hatte. 
Jetzt  kam  auch  noch  ein  Gut  an  demselben  Orte  in  Be- 
tracht. 8  Mark  Silbers  brachte  Eckhard  V.  der  Ver- 
zicht ein,  dem  sich  alle  seine  Erben  anschlössen,  vor- 
züglich sein  „Vetter"  Giselher  von  Ballhausen.  Unter  den 
Zeugen  befanden  sich  mindestens  vier  Wangenheimsche 
Burgmannen  (Schnoyse  und  Schaf).  Zu  Eckhards  V.  Lehen, 
die  ihm  der  Markgraf  Friedrich  von  Meißen  übertragen  hatte, 
gehörte  unter  anderen  ein  Wald  bei  Mücheln  im  Kreise 
Querfurt.  In  Weißenfels  versprach  Eckhard  (am  10.  Jan. 
1336)  dem  Markgrafen,  ihm  oder  seinen  Erben  den  Forst 
zurückzugeben,  sobald  eine  entsprechende  Entschädigungs- 
summe (118  Schock  Groschen)  dafür  gezahlt  würde.  Wie 
es  scheint,  unterblieb  aber  Bezahlung  und  Rückgabe.  Im 
Monat  Mai  desselben  Jahres  kam  Eckhard  V.  nach  Merse- 
burg und  traf  mit  Rudolf  von  Cannawurf  und  anderen  den 
dortigen  Bischof  Gebhard  bei  einem  Kaufgeschäfte. 

Ein  volles  Dutzend  von  Jahren  schweigen  nun  die 
Quellen  von  den  Eckharden.  Dann  erscheint  (1348)  mit 
Eckhard  VI.  (R.  No.  90.  91)  eine  ganz  neue  Generation 
auf  der  Bildfläche.  Die  fehlende  Ritterwürde  und  die  drei 
vorher  nie  erwähnten  Brüder  Marold,  Peter  und  Fried- 
rich (R.  No.  90.  [91].  94)  lassen  keinen  Zweifel  an  dieser 
Annahme  zu. 

Am  24.  August  1348  stiftete  nämlich  der  Pfarrer 
Günther  zu  Markröhlitz  einen  Vergleich  zwischen  dem 
Kloster  Goseck  (Kreis  Querfurt)   und  den  Gebrüdern  Eck- 

1)  Wangenheim,  Reg.  des  Geschl.  Wangenheim  I,  S.  78  No.  82. 
S.  79  No.  83  (1329).  S.  82  No.  89  (1337). 


254  Die  von  Balenhusen. 

hard,  Marold,  Peter  und  Friedrich  von  Ballhausen  ^).  Der 
Streit,  der  auf  diese  Weise  beigelegt  wurde,  betraf  ein 
Untergericht  und  unbedeutenden  Gruildbesitz  in  der  Feld- 
mark von  Goseck.  Wegen  zweier  Hufen  mußten  die  Brü- 
der sich  erst  noch  einem  Schiedsgerichte  unterwerfen.  Unter 
den  Zeugen  fällt  wieder  einer  von  Haldeck  auf,  Heinrich, 
Petzolds  Sohn;  daneben  Tammo  von  Üchtritz,  auf  dessen 
Geschlecht  schon  einmal  hingewiesen  ist  (Seite  252  und 
Anm.  2). 

Die  Lehen,  welche  die  vier  Ballhäuser  (1349)  besaßen, 
lagen  zu  einem  großen  Teile  in  Markröhlitz  (Kr.  Querfurt). 
Dazu  gehörten  die  beiden  Gehöfte,  auf  denen  sie  selbst 
wohnten,  15  Bauernhöfe  und  das  Ortsgericht,  in  der  Dorf- 
mark 18  Hufen  Landes  und  8  Acker  Holz.  In  Podelwitz 
(bei  Leipzig  ?  oder  Pödelist,  Kr.  Querfurt  ?)  hatten  sie  einen 
Teil  des  Lehnholzes;  auch  von  dem  Forste  in  Mücheln 
(Kr.  Querfurt)  stand  ihnen  noch  immer  etwas  zu,  vielleicht 
ebensoviel  wie  1336.  In  Lunstädt  (Kr.  Querfurt)  waren 
sie  mit  einer  Hufe,  einem  Hofe  und  einer  Wiese  belehnt, 
in  den  unbekannten  wüsten  Dörfern  Slaukar  und  Preps 
mit  dem  Gerichte.  Wenn  das  Land  fruchtbar  war,  und 
die  Besitzer  keine  zu  hohen  Ansprüche  machten,  dann 
konnten  sie  von  diesen  Lehengütern  wohl  ihren  Lebens- 
unterhalt bestreiten.  Freilich  war  es  im  damaligen  Ritter- 
stande eine  seltene  Kunst,  sich  nach  der  Decke  zu  strecken. 

Und  diese  Kunst  verstanden  die  Ballhäuser  nicht. 
Solange  noch  etwas  da  war,  verbrauchten  sie  es,  und  dann 
machten  sie  Schulden.  Eine  Urkunde  von  1363  —  Eck- 
hard VI.  war  damals  wohl  schon  tot  —  entwirft  uns  da- 
von ein  anschauliches  Bild.  Peter  und  Friedrich  borgten 
40  Schock  schmaler  Groschen  von  ihrem  Bruder  Marold. 
Dieser  hielt  sie  aber  für  so  wenig  zahlungsfähig,  und  er 
lebte    selbst    in    so    knappen    Verhältnissen,    daß    er    sich 

l)  F.  B.  von  Hagke,  Weißensee,  S.  316,  führt  denselben  Ver- 
gleich schon  einmal  zum  Jahre  1334  an.  Ich  habe  nichts  darüber 
gefunden. 


Die  von  Balenhusen.  255 

sofortige  Rückgabe  des  Geldes  ausbedang,  sobald  er  darum 
mahnte,  und  außerdem  die  vier  Bürgen  seiner  Brüder  eben- 
falls zu  sofortiger  Zahlung  verpflichtete.  Die  vier  Bürgen 
waren  Hans  und  Albrecht  Knut,  Henzel  von  der  Vesten 
und  Eckhard  von  Cannawurf.  Peter  und  Friedrich  von 
Ballhausen  hatten  ihrem  Bruder  schon  früher  vor  dem  Abte 
Hans  von  Goseck  gelobt,  daß  er  ihre  damaligen  und  zu- 
künftigen Schulden  nicht  zu  bezahlen  brauchte ;  und  was 
er  an  Geld  und  Gut  besonders  besäße,  das  sollte  er  nicht 
mit  in  die  Teilung  bringen,  wenn  er  sich  von  ihnen  trennen 
wollte.  Trotzdem  würden  sie  ihm  sein  Erbteil  gütlich 
geben.  Peters  und  Friedrichs  Überschuldung  war  demnach 
so  groß,  daß  Marold  eine  Gütertrennung  in  Erwägung  zog. 
Eine  innige  brüderliche  Liebe  herrschte  schwerlich  unter 
den  dreien,  wenn  sie  auch  nicht  zu  der  Gattung  der  feind- 
lichen Brüder  zu  rechnen  waren.  Sie  mögen  noch  ein  paar 
Jahre  gelebt  und  geliehen,  verbraucht  und  verloren  haben, 
aber  in  den  Quellen  herrscht  Schweigen  über  sie^).  Sang- 
los,   klanglos   versinken    sie   im   Strome    der  Vergessenheit. 

4.  Der  Ausgang  des  Schwarzenberger  Zweiges 
(1329—1420). 

Um  einige  Jahrzehnte  länger  läßt  sich  die  hessische 
Linie  des  Geschlechtes  verfolgen.  Ihre  Stammväter  können, 
wie  oben  nachgewiesen  ist,  nur  Widekind  (1273 — 1301) 
oder  Berthold  IIL  (1286—1301)  gewesen  sein. 

Fast  ein  Menschenalter  vergeht,  ehe.  wieder  ein  Seh warzen- 
berg  auftaucht,  der  zweifellos  dem  Zweige  der  Ballhäuser 
am  Fuldastrande    angehört  2).     1329    bezeugte    der   Knappe 


1)  Bis  1415  hatte  Konrad  von  Tannrode  Besitzungen  in  Rolitz. 
(Wolff,  Pforta  II,  539).  Vergeblich  habe  ich  mich  bemüht,  fest- 
zustellen, ob  die  von  Tannrode  die  Lehensnachfolger  derer  von  Ball- 
hausen gewesen  sind. 

2)  Die  Untersuchung  wird  dadurch  sehr  erschwert,  daß  in 
Oberhessen,  in  der  Grafschaft  Ziegenhain  imd  manchmal  noch  näher 
am  Fuldagebiet  ein  Werner,  Friedrich  oder  Johann  von  Schwarzen- 


9f)(')  Die  von  IJalenlmsen. 

J  oll  an  11  I.  v(^n  8  ch  w  ar  z  en  b  er  g  (11.  No.  82.  92)  eine 
Urkunde  des  westfälischen  Klosters  Hardehausen,  das  bis 
gegen  das  Ende  des  13.  Jahrhunderts  Besitzungen  in  Mel- 
sungens  nächster  Nähe  hatte,  nämlich  den  Hof  Schwerzel- 
furt  unter  dem  Wildesberge. 

Johann  1.  besaß  in  Schwarzenberg  und  Umgegend 
Güter  als  hessische  Lehen,  aber  ach !  wie  waren  sie 
zusammengeschmolzen  seit  den  Tagen  der  Väter!  Im  Dorfe 
Schwarzenberg  selbst  war  ein  Teil  des  Grundbesitzes  in 
andere  Hände  übergegangen.  8o  besaßen  dort  fl354)  Elisa- 
beth von  Taboldshusen  (Dagobertshausen,  ssw.  Melsungen) 
und  deren  Söhne  zwei  Hufen  i).  Statt  der  Burg,  die  einst- 
mals ihre  Zinnen  stolz  gen  Himmel  streckte,  nannte  Johann 
von  Schwarzenberg  nur  noch  Haus  und  Hof  sein  eigen 
oder  vielmehr  sein  landgräfliches  Lehen;  denn  Allode  be- 
saß er  höchst  wahrscheinlich  überhaupt  nicht  mehr.  Dort 
hatte  er  seine  bescheidene  Wohnstätte,  dabei  eine  kleine 
Wiese,    ein  Ländchen    und    ein   Bergstück.     Vor    der  Stadt 

lierg  angeführt  wird,  der  zu  einer  anderen  Familie  gehört.  Johann 
ist  noch  dazu  Zeitgenosse  Johanns  I.  — 

Man  vorgleiche  die  Urk.  des  Grafen  Gottfried  von  Eeichenbach 
[-Ziegenhain],  Heiligenberg  (w.  Melsungen)  ]263  „Wernhero  de 
Suarzinberg;  Wcnck,  Hessische  Landesgesch.  Urk.  zum  ?>,  Bde. 
S.  131  No.  148.  —  Urk.  des  Grafen  Gottfried  von  Ziegenhain, 
Kaiischenberg  1285  JuU  G.  „Fridericus  de  Suarzinburg  armi- 
geri";  Wonck,  Hess.  Landesgesch.,  Urk.  zum  2.  Bde.  S.  218  No.  207. 
Derselbe  Friedrich  läßt  sich  1275 — 1308  nachweisen;  Wyse,  Hess. 
Urk.  I,  an  verschiedenen  Stellen,  II,  121.  137.  ^  Urk.  der  Ab- 
tis>iii  Mechtliildis  zu  P^schwege,  1310  Juli  2G:  „frater  Conradus 
dictiis  de  Sil  arche  nbe  rg" ;  Jul.  Schmincke,  U.-B.  des  Klosters 
Uornliorg,  in  der  Zcitschr.  f.  hess.  Gesch.  N.  F.  I.  Suppk  S.  152 
No.  7)2.  Dieser  Konra<l  könnte  noch  am  ersten  zur  Familie  Ball- 
liausen  -  Schwarzenlierg  gehören.  —  1336  Juni  8.  „Johan  von 
bwart  zen  l)crg  ein  wapendreger'' ;  Wyss  II,  642;  L.  Baur,  Hess. 
Urk.  11,  711  Annierk.  Urk.  Kaiser  Karls  IV.:  Prag  1360  Januar  12. 
,,Johannes  de  Hwarzenberg  . . .  comites"  (natürlich  noch  ein 
anderer  .Johann) ;  Uanr,  Hess.  Urk.  V.,  396  No.  422. 

1)  T'rk.  vom  15.  Jan.  1354  im  Staatsarchiv  Marl)urg  (Georgs- 
kloster in  Honiberir). 


Die  von  Balenhusen.  257 

Melsungen  stand  ihm  noch  der  sechzehnte  Teil  vom  Zehnten 
zu,  der  bis  zur  Ablösung  (1835)  der  Schwarzenberger  Zehnte 
hieß.  Er  war  einem  Melsunger  Bürger  namens  Korsener  auf 
Lebenszeit  zu  Lehen  gegeben ;  nach  Korseners  Tode  fiel 
er  an  Johann  von  Schwarzenberg  zurück.  Ferner  gehörte 
diesem  der  Zehnte  zu  Wendesdorf,  einem  armseligen  Dorfe 
(heutzutage  Wüstung)  am  Steinwalde  oberhalb  Röhrenfurts, 
und  gegenüber  auf  dem  rechten  Fuldaufer  eine  Hufe  zwischen 
Melsungen  und  Schwarzenberg,  ihrer  Gestalt  halber  Zungen- 
hufe genannt,  eine  Hufe  in  Körle,  eine  Stunde  Weges  strom- 
abwärts, und  endlich  fünf  Viertel  (etwa  Scheffel)  jährlichen 
Kornzinses  im  Dorfe  Krumbach,  am  Nordabhange  der  Söhre. 
Von  sämtlichen  Eigengütern,  die  Widekind  und  Berthold 
ehemals  dem  Landgrafen  Heinrich  I.  abgetreten  hatten,  war 
einzig  und  allein  die  Körler  Hufe  eine  schwache  Erinnerung, 
aber  natürlich  jetzt  auch  hessisches  Lehen.  Und  wie  hatten 
sich  die  Bilsteinschen  Lehen,  der  Melsunger  Zehnte  und 
die  übrigen  Güter  verringert!  Von  den  kärglichen  Über- 
resten, die  man  kaum  für  das  ganze  Vermögen  halten  kann, 
ernährte  Johann  sich,  sein  Weib  Katharina  und  seine 
Kinder  Johann  II.  und  Gisela.  Und  der  Besitz  war 
nicht  einmal  den  Erben  sicher,  sondern  nur  Johanns  I. 
persönliches  Lehen. 

Landgraf  Heinrich  II.  von  Hessen  hatte  nun  aber  ein 
Einsehen  und  belehnte  (1351)  Katharina  und  ihre  vor- 
handenen und  zukünftigen  Kinder  erblich  mit  dem  oben 
geschilderten  Besitztume  und  befreite  ihr  Haus  von'Diensten 
und  außerordentlichen  Steuern. 

Von  der  Kirche  zu  Schwarzenberg,  die  1269 — 84 
in  dem  Pfarrer  Reinhard  oder  Reinher  und  1313  in  Rupert 
eigene  Prediger  besaß  i),  fiel  in  dem  Lehnbriefe  kein  Wort. 
Die  Ansprüche  derer  von  Ballhausen  auf  die  Kirche  konnten 
auch  unmöglich  schwer  wiegen;  denn  als  1284  Helwig  von 
Adelshausen  den  Schwarzenberger  Kirchzehnten  an  sich  riß, 

1)  Urk.  vom  23.  April  1269  (Kloster  Eppenberg)  und  vom 
1.  September  1313  (Martinsstift  in  Cassel)  im  Staatsarchiv  Marburg. 


2f)g  Die  von  Balenhusen. 

ließ  der  Official  der  Propstei  Fritzlar  die  Sache  durch  die 
Pfarrer  von  Körle  und  von  Melsungen  untersuchen  und 
wies  Helwigs  Übergriffe  zurück,  ohne  "^idekind  und  Bert- 
hold von  8chwarzenberg  und  deren  Oheime  im  mindesten 
zu  Kate  zu  ziehen  oder  zu  erwähnen.  Darum  hielten  sich 
Landgraf  Heinrich  II.  und  dessen  Sohn,  der  unter  dem 
Namen  Otto  der  Schütz  berühmt  geworden  ist,  für  be- 
rechtigt, das  Patronatsrecht  über  die  Schwarzenberger 
Kirche  dem  Martinsstifte  in  Cassel  zu  schenken  ^).  Papst 
Urban  V.  bestätigte  die  Schenkung  und  beauftragte  (1366) 
den  Bischof  Ludwig  von  Halberstadt,  das  Martinsstift  in 
den  Genuß  der  ihm  erteilten  Rechte  zu  setzen.  Das  mochte 
für  die  Schwarzenbergische  Familie  Nachteile  und  Demüti- 
gungen im  Gefolge  haben,  aber  schießlich  handelte  es  sich 
doch  um  eine  kirchliche  Stiftung,  welcher  das  Mittelalter 
mit  Nachsicht  begegnete.  So  erteilte  Johann  IL  von 
Schwarzenberg  (R.  No.  92.  99)  seine  Zustimmung,  zu  seinem 
Seelenheile  und  dem  seiner  inzwischen  verstorbenen  Eltern. 
Er  verzichtete  (1372)  ausdrücklich  auf  sein  bisheriges  An- 
recht am  Schwarzenberger  Kirchlehen  und  an  den  Kirchen, 
die  dazu  gehörten  (in  den  Dörfern  Schwarzenberg  und 
Röhrenfurt). 

Nun  war  aber  Johann  IL  nicht  der  einzige  Erbe,  sondern 
es  lebte  noch  ein  jüngeres  Mitglied  der  Familie,  H  elf  rieh 
(R.  No.  [101].  103—107),  ein  Vetter  oder  ein  Bruder  Jo- 
hanns, der  erst  nach  1351  geboren  war.  Auf  diesen 
Jüngling  scheint  man  weiter  keine  Rücksicht  genommen 
zu  haben. 

Landgraf  Heinrich  II.  und  sein  Nachfolger  Hermann 
hatten  in  den  siebziger  Jahren  des  14.  Jahrhunderts  mit 
der  Ritterschaft  und  den  Städten  Hessens  arge  Käinpfe  zu 
bestehn,  und  da  wurden  die  wenigen  Treugebliebenen  auf 
Kosten  der  Feindseligen  und  der  Lauen  mit  Gnaden  und 
Gütern    ausgestattet.     Ritter    Walther.  von    Hundeishausen 

1)  Kiichonbecker,  Anal.  Ifass.  fX,  210.    E.  No.  96.  97. 


Die  von  Balenhusen.  259 

der  Jüngere  gehörte,  im  Gegensatze  zu  anderen  Mitgliedern 
seiner  Familie,  zu  den  Freunden  des  Landgrafen.  Darum 
belehnte  ihn  Hermann  der  Gelehrte  (1379)  mit  einer  Geld- 
summe, die  in  erster  Linie  aus  den  Einkünften  des  Gerichtes 
und  Gutes  zu  Schwarzenberg  und  anderen  Gefällen  des 
Dorfes  bestritten  werden  sollte.  Wenn  man  die  Urkunde 
von  1417,  die  unten  noch  zu  besprechen  ist,  vergleicht,  so 
war  dies  ein  gewaltthätiger  Eingriff  in  die  Rechte  der 
Familie  Schwarzenberg.  Helfrich  faßte  es  auch  so  auf  und 
begab  sich  zum  Erzbischof  Adolf  L  von  Mainz,  dem  er 
seine  Kraft  und  sein  Schwert  zur  Verfügung  stellte.  Adolf 
war  der  Erzfeind  Hermanns  des  Gelehrten  i).  An  den 
Kriegen  des  Erzbischofs  gegen  Hessen  hat  Helfrich  ohne 
Frage  teilgenommen.  Im  Sommer  1385  ernannte  Adolf  den 
jungen  Schwarzenberg  and  dessen  Leibeserben  zu  Burg- 
mannen auf  dem  Bischofsstein  im  oberen  Eichsfelde.  Dies 
sollte  die  Belohnung  sein  für  geleistete  Dienste  tind  die- 
jenigen, welche  er  dem  Erzstifte  noch  leisten  würde.  Ein 
festes  Haus  freilich,  das  dann  als  Burglehen  galt,  mußte  er 
sich  dort  erst  bauen.  Helfrich  ging  in  seiner  Gegenurkunde 
unbedenklich  auf  diese  Bedingungen  ein,  nahm  auch  nicht 
den  mindesten  Anstoß  an  der  Spitze,  die  sich  gegen  Her- 
mann den  Gelehrten  richtete.  Was  der  Landgraf  nämlich 
von  den  Schwarzenbergischen  Lehen-  und  Eigengütern  an 
sich  risse,  sollte  Helfrich,  sobald  er  es  zurückgewönne,  dem 
Stifte  zu  Lehen  auftragen,  überdies  auch  200  Gulden  baren 
Geldes. 

Mit  dem  braunschweigischen  Herzoge  Otto  dem  Quaden 
und  dem  Landgrafen  Balthasar  von  Thüringen  verbündet, 
begann  der  Erzbischof  zwei  Jahre  später  seinen  Haupt- 
feldzug gegen  Hessen.  Er  eroberte  und  teilte  mit  seinen 
Bundesgenossen  drei  hessische  Städte:  Rotenburg  an  der 
Fulda,  Melsungen  und  Niedenstein.     Bei  Melsungen  endete 

1)  Vgl.  W.  Friedensburg,  Landgr.  Hermann  II.  von  Hessen 
und  Erzb.  Adolf  I.  von  Mainz,  in  der  Ztschr.  f.  hess.  Gesch.  N.  F. 
XI,  138  u.  s.  w. 


9(j0  Die  von  Halenhusen. 

das  von  den  drei  Fürsten  besetzte  Gebiet  unmittelbar  an 
der  Schwarzenberger  Feldmark.  Ob  Helfrich  sich  wieder  im 
Dorfe  seiner  Väter  festgesetzt  oder  Einkünfte  von  da  be- 
zogen hat,  ist  unsicher.  Bei  der  Xähe  der  befreundeten 
Streitkräfte  durfte  er  das  aber  wohl  wagen.  1392  befand 
er  sich  In  der  Stadt  Melsungen  und  untersiegelte  dort  einen 
Schenkungsbrief  für  das  Georgshospital.  Sein  Siegel  zeigte 
noch  die  Ballhausischen  Widderhörner,  aber  sie  waren  flach 
und  winzig  geworden  im  Laufe  der  Jahre,  ein  Symbol  für 
den  Niedergang  des  Geschlechts. 

Nach  dem  Tode  des  Erzbischofs  Adolf  vermochte  der 
gedemütigte  Landgraf  von  Hessen  sein  Haupt  zu  erheben. 
Sieben  Jahre  lang  hatte  er  seine  drei  Städte  in  Feindes- 
händen  gesehen,  jetzt  erhielt  er  sie  zurück  (1394).  Zahl- 
reiche Urkunden  mit  genauen  Einzelbestimmungen  sind  aus 
der  Zeit  des  Friedensschlusses  erhalten,  aber  vom  Schicksale 
des  Dorfes  Schwarzenberg  und  seines  Herrn  berichtet  keine. 
Helfrich  hielt  jedenfalls  an  seinen  Ansprüchen  zähe  fest. 
Erst  nach  dem  Tode  Hermanns  des  Gelehrten  schloß  er  mit 
dem  Landgrafen  Ludwig  I.  einen  Vertrag,  worin  er  auf 
Schwarzenberg  endgültig  verzichtete  (1417).  Er  überließ 
den  hessischen  Fürsten  das  Gericht  und  das  Dorf,  nach 
dem  er  sich  nannte,  und  andere  Güter,  die  dort  und  im 
Gerichte  Melsungen  lagen,  erklärte  die  Lehenbriefe  für 
kraftlos  und  versprach  deren  Rückgabe. 

Viertehalb  Jahre  danach  entschädigte  ihn  Erzbischof 
Konrad  von  Mainz.  Er  l^elehnte  ihn  mit  zwei  Hufen  Landes 
zu  Bartdorl'  unter  dem  Bischofssteine  (Groß-Bartloff  auf 
dem  Eiclisfelde),  mit  einer  Hufe  im  Luttergrunde  bei  Groß- 
Bartloff  und  5  Gulden  Geldes  zu  Schnellmannshausen  (s. 
Treffurt  a.  d.  Werrai.  So  wurden  Helfrichs  Interessen 
einzig  und  allein  aui'  das  mainzische  Eichsfeld  beschränkt. 
Die  Hoj^nungen  und  Bestrebungen  seiner  Jugend  hatte  er  zu 
Grabe  getragen,  und  bald  folgte  er  ihnen  nach,  der  letzte 
Sproß  eines   edlen   Geschlechts. 


Die  von  Balenhueen.  '  261 

5.  Schloß  Kl  ein- Ballhausen  und  Ballhäuser  ohne 
erkennbaren  Zusammenhang  mit  dem  Haupt- 
geschlechte. 

Sowohl  im  Dorfe  Groß-  wie  in  Klein-Ballhausen  befand 
sich  ehemals  je  eine  Burg.  Nach  der  Überlieferung,  die 
schwer  auf  ihre  Glaubwürdigkeit  zu  prüfen  ist,  lag  das 
Schloß  Groß-Ballhausen  auf  der  Stätte  des  jetzigen  Grünen 
und  Roten  Hofes.  Durch  Erbteilung  in  der  Familie  von 
Hausen  sollen  diese  beiden  Gehöfte  auf  den  Trümmern  der 
alten  Burg  entstanden  sein. 

In  einer  Urkunde  (um  1258)  wird  Eckhard  I.  von 
Klein-Ballhausen  genannt.  Hier  war  also  der  Sitz 
des  Geschlechts.  Und  gerade  über  das  Schloß  Klein-Ball- 
hausen vermögen  wir  einige  bestimmtere  Angaben  zu 
machen  1).  Vorjahren  waren  im  Dorfe  noch  Trümmer  und 
Gräben  vorhanden,  die  an  die  Feste  erinnerten.  Die  Gräben 
hat  der  jetzige  Besitzer,  Minister  Lucius  von  Ballhausen, 
einebnen  und  auf  der  alten  Burgstätte  sein  neues  Herren- 
haus errichten  lassen.  Es  liegt  dicht  beim  Dorfe  und  bildet 
mit  diesem  einen  ununterbrochenen  Zusammenhang. 

Wenn  es  schon  mit  Schwierigkeiten  verbunden  ist,  die 
Lage  der  beiden  Burgen  festzustellen,  so  stößt  die  Darstellung 
ihrer  älteren  Geschichte  noch  auf  größere  Hindernisse.  Das 
rührt  von  folgenden  Ursachen  her. 

So  lange  Eckhard  I.  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts 
in  Ballhausen  Urkunden  ausstellte,  ist  mit  hoher  Wahr- 
scheinlichkeit das  Schloß  Klein-Ballhausen  als  sein  Wohnsitz 
anzunehmen.  Diese  Wahrscheinlichkeit  hört  bereits  bei 
seinen  Söhnen  auf,  da  ihre  Verträge  samt  und  sonders  an 
anderen  Orten  abgeschlossen  wurden.  Dann  wird  die  Burg 
Ballhausen  im  Zusammenhange  mit  dem  Erzbischof  von 
Mainz  und  verschiedenen  Fürsten  und  Adligen  genannt. 
Nun  erhebt  sich  aber  die  heikle  Frage,  ob  Groß-  oder 
Klein-Ballhausen  gemeint  sei.     Denn    erst  gegen  die  Mitte 

1)  Nach  gütigen  Mitteilungen  des  Herrn  Steuerinspektor  Hoff- 
mann, Kataster-Kontrolleur  zu  Weißensee  in  Thüringen. 


9ß2  i^ie  von  Balenhusen. 

des  14  Jahrhunderts  beginnt  man  die  beiden  festen  Häuser 
regelmäßiger  durch  Vorsetzung  der  Eigenschaftswörter  „groß" 
und  „klein"  zu  unterscheiden.  Man  möchte  vermuten,  daß 
anfangs  nur  eine  Burg  vorhanden  geweseii,  Klein-Ballhausen, 
und  daß  das  Schloß  Groß-Ballhausen  erst  erbaut  wäre,  nach- 
dem das  Cistercienser-Kloster  (1326)  von  da  nach  Großen- 
Furra  verlegt  war.  Allein  da  jene  Vermutung  in  den 
Quellen  auch  nicht  durch  die  leiseste  Andeutung  unter- 
stützt wird,  so  sind  mit  Sicherheit  auf  die  Burg  Klein-Ball- 
hausen nur  diejenigen  Überlieferungen  zu  beziehen,  welche 
genügende  Unterscheidungsmerkmale  aufweisen.  In  den 
folgenden  Zeilen  mußten  aber  zunächst  noch  andere  An- 
gaben berücksichtigt  werden ,  wenn  ihre  Beziehung  auf 
Klein-Ballhausen  auch  nicht  unbedingt  feststeht.  Sie  geben 
jedoch  Aufklärung  über  Personen,  die  zuweilen  den  Namen 
von  Ballhausen  führen. 

Auf  irgend  eine  Weise,  vielleicht  durch  Kauf,  gelangte 
zu  Beginn  des  14.  Jahrhunderts ,  also  nach  dem  Auf- 
hören der  mainzischen  Herrschaft,  Hugo  von  Herbs- 
leben in  den  Besitz  des  Schlosses  Ballhausen.  Beim 
Friedensschlüsse  mit  der  Stadt  Erfurt,  die  ja  mit  dem 
Landgrafen  Friedrich  von  Thüringen  einen  Kampf  zu 
bestehn  hatte,  stand  Hugo  von  Herbsleben  zu  seinem 
Landesfürsten  im  besten  Verhältnisse,  er  gehörte  zu  den 
20  Bürgen  des  Vertrages,  die  sich  zum  Einlager  ver- 
pflichteten (1310)1).  Aber  dann  trübte  sich  die  Freund- 
schaft, es  kam  sogar  zu  Gewaltthaten  und  offener  Fehde 
zwischen  dem  Fürsten  und  Hugo  und  dessen  Söhnen.  Im 
Laufe  des  Streites  veräußerten  die  letzteren  das  Schloß 
Ballhausen  an  die  Grafen  von  Hohnstein ,  von  denen  es 
nach  längeren  Zwistigkeiten  und  Verhandlungen  endgültig 
in     die     Hände     der     thüringischen     Landgrafen     überging 


])  H.  F.  A.  V.  WangenhcHTi,  Rcgesteu  und  Urk,  des  Geschl. 
Wantrcnhcini  I  Hannover  1S57,  II  Göttingen  1872,  II,  21  No.  23 
(l.'Uü  Mai  29.). 


Die  von  Balenhusen.  '263 

(1319)^).  Dort  wahrte  nunmehr  ein  landgräflicher  Vogt 
den  Nutzen  seines  Herrn  2). 

Ein  Gut  in  Ballhausen,  das  Hugo  von  Herbsleben 
bisher  eigentümlich  besessen  hatte,  behielt  er  bei  der  Ver- 
söhnung als  landgräfliches  Lehen.  Hier  richtete  er  sich 
mit  den  Seinen  wieder  häuslich  ein.  Wenn  in  einer  Ur- 
kunde (1317)  „Hugo  in  Ballhausen"  genannt  wird  3)  neben 
den  Söhnen  Heinemanns  von  Herbsleben,  so  ist  jener  kein 
anderer  als  Hugo  von  Horbsleben.  Das  beweisen  auch  die 
dabei  angeführten  Besitzungen  in  Engeleben,  einer  Wü- 
stung bei  Vehra  an  der  Unstrut,  wo  die  von  Herbsleben 
begütert  waren.  Und  einer  der  Zeugen,  unverkennbar 
durch  den  sonderbaren  Namen  Albert  Nacht,  bezeugte 
sonst  (mindestens  dreimal)  Herbslebensche  Verträge. 

Sieben  Jahre  später,  im  März  1324,  wird  „Hugo  von 
Ballhausen"  mit  seinen  Söhnen  Apele  (=  Albert),  Jo[hann] 
und  Hugo  zusammengestellt.  Das  ist  wieder  Hugo  von 
Herbsleben.  Denn  abermals  sind  es  Güter  in  Engeleben, 
über  die  er  verfügt;  und  nach  einer  Urkunde  vom  folgen- 
den Monate*)  hießen  die  Söhne  Hugos  von  Herbsleben  eben- 
falls Albert,  Johann  und  Hugo.  Endlich  ist  Dietrich  Zopf, 
der  Lehensmann  jenes  Hugo  von  Ballhausen,  zugleich  Vasall 
Rudolfs  und  Johanns  von  Herbsleben ;  und  sämtliche  vier 
Zeugen  bescheinigen  (1323)  auch  eine  Urkunde  der  eben 
erwähnten  Herren  von  Herbsleben. 

Hugo  von  Herbsleben ,  dessen  Tod  1326  berichtet 
wird^),  muß  bereits  im  Sommer  1324  verstorben  sein.  Denn 
im  September  desselben  Jahres  verpfändete  Markgraf  Fried- 
rich   das  Gut   zu  Ballhausen  an  die  Ritter  Hermann  Gold- 


1)  Jovius,  Chronic.  Schwarzburgicura,  5.  Teil,  Kap.  VIII  (Schoett- 
gen  etKreysig,  Diplomataria  et  script.  hist.Germ.  I,  315  D.).  R.  No.  76. 

2)  C.  Beyer,  U.-B.  der  Stadt  Erfurt  II,  No.  14  (1322  Juni  8.). 

3)  G.  A.  B.   Wolff,    Chronik    des   Klosters    Pforta,    I^eipzig 
1843—46  II,  408  (1323).  417  (1326). 

4)  Wolff,  Pforta  II,  414. 

5)  Wolff,  Pforta  II,  417  (1326  Nov.  9.):  Albert,  Sohn  Hugos 
in  Hervisleben  seligen  Angedenkens. 


2G4  -1-^'G  von  Balenhusen. 

acker  und  Tytze  von  Weberstedt.  Er  behielt  sich  aber 
das  Recht  vor,  die  Besitzung  nach  4  Jahren  mit  682  Mark 
lötigen  Silbers  wieder  einzulösen  i).  Das  hat  er  später 
jedenfalls  gethan,  und  die  von  Herbsreben  sind  wieder  in 
den  Genuß  des  Lehens  gelangt. 

Im  Jahre  1348  schrieb  Heinrich  Topelstein,  Hauptmann 
der  Bürger  zu  Mühlhausen,  an  Günther  von  Herbsleben 
über  eine  vorübergehende  Erwerbung,  die  „Hugos  Sohn 
von  Ballhausen"  gemacht  hätte  2).  Daß  auch  hier  nur  ein 
Nachkomme  Hugos  von  Herbsleben  gemeint  sein  kann,  er- 
leidet keinen  Zweifel. 

Noch  beinahe  zwei  Jahrzehnte  später  saß  Heinrich 
von  Herbsleben  mit  seinem  Sohne  auf  Ballhausen  ^).  Unter 
dem  Namen  Heinrich  von  Gebesee,  wie  sich  bereits  1296 
einer  seiner  Vorfahren  nannte  *),  belehnte  er  die  Gebrüder 
Albrecht  und  Berit  von  Hopfgarten  mit  einem  Siedelhofe 
zu  Ballhausen,  und  sie  schlugen  (1365)  dort  ebenfalls  ihre 
Wohnstätte  auf^).  — 

Über  die  Feste  Klein-Balihausen  seien  hier 
noch    einige    Nachrichten    hinzugefügt,    die    nach    mensch- 

1)  U.-ß.  der  Vögte  von  Weida,  Gera  und  Plauen  (Thür.  Ge- 
schichtsqu.,  N.  F.  IL  Band),  Jena  1885-92,  I,  268  No.  562  (1324 
Sej)t.  4.  Gotha). 

2)  Herquct,  U.-B.  der  St.  Mühlhausen  No.  100]   (1348  Juni  10.). 

3)  Brückner,  Hennebergisches  U.-B.,  Meiningen  1845  ff.,  V, 
154  No.  265  (1365  Mai  25.). 

4)  Wangenheim,  Ecgestcn  II,  18  No.  19  (1296  März  4.):  fra-' 
trum  nostroruni,  videlicet  Alberti  de  Herversleybin  et  Henrici  de 
Gebese.  —  l:!()3  Freitag  in  der  Osterwoche  verkaufen  Heinrich  von 
Hervorsleyl)en,  genannt  von  Gebese,  Johann  und  Heinrich,  seine 
Söluic,  Eitter,  dem  Kloster  Gernicrode  Land  zu  Welsbeche,  Jul. 
8chminckc,  U.-B.  des  Klosters  Germerode,  in  der  Zeitschr.  f.  hess. 
(resch.  N.  F.  I.  Suppl.  S.  73  No.  177. 

5)  F.  B.  von  Hagkc,  Urkundl.  Nachrichten  über  den  Kreis 
Weißensec,  S.  316,  317,  396,  397.  Ebendaher  stammen  auch  die 
iolgenden  Nachrichten,  soweit  keine  andere  Quelle  angegeben  ist.  — 
Nach  Ijchenbriefen  von  16(51  und  1690  besaßen  übrigens  die  von 
Werthern  in  Klcin-Ballhauscn  sowohl  ein  Rittergut  als  auch 
finen  freien  Siedelhof  und  einen  freien  Hof. 


Die  von  Balenhusen.  *  265 

liehen  Ermessen  volle  Zuverlässigkeit  beanspruchen.  1336 
versetzte  sie  der  Markgraf  Friedrich  dem  Grafen  Dietrich 
von  Hohnstein  auf  8  Jahre  für  300  Mark  lötigen  Silbers. 
4  Jahre  später  ward  dem  Ritter  Rudolf  von  Reischach 
die  Belehnung  mit  den  Häusern  „Wenigen-Balnhusen"  und 
Tennstädt  zugesagt,  und  (1344)  nach  dem  Ablaufe  der  ganzen 
Versatzfrist  bestätigte  ihm  der  Landgraf,  daß  die  Briefe 
über  die  „Veste  zu  Balenhusen"  ihre  Kraft  behalten  sollten. 
Im  dauernden  Besitze  blieben  die  Reischachs  nicht.  Ob 
allerdings  (1398)  „Tylen  von  Wertirde  gesessin  zcu  Wenigin- 
Balnhussen"  i)  die  Feste  oder  das  Gut  gehörte,  entzieht  sich 
unserer  Kenntnis.  Dietrich  von  Hopfgarten  und  Reinhard 
und  Peter  Rost  waren  darauf  die  Inhaber  des  Schlosses 
Ballhausen.  Sie  gaben  es  (1402)  um  300  Mark  an  Hart- 
mann von  Spira  und  dessen  Söhne  weiter.  Hartmann, be- 
saß es  nicht  länger  als  5  Jahre.  Es  wurde  um  305  Mark 
eingelöst,  dann  aber  zu  demselben  Preise  sofort  wieder  an 
andere  Ritter  verpfändet.  5  Mark  mochten  die  von  Spira 
daran  verbaut  haben.  Denn  durch  den  fortwährenden 
Wechsel  des  Besitzers  litt  der  bauliche  Zustand  der  Burg; 
niemand  hatte  offenbar  Lust,  für  sein  gutes  Geld  dem  Nach- 
folger ein  prächtiges  und  festes  Bauwerk  herstellen  zu  lassen. 
Vom  Ritter  Heinrich  Rußer  lösten  nach  vier  kurzen 
Besitzjahren  (also  1411)  Christian  und  Heinrich  von  Weber- 
stedt  das  Schloß  „Wenigen-Balnhusen"  für  305  Mark  ein, 
und  Landgraf  Friedrich  der  Jüngere  ließ  die  Verpfändung 
auf  den  Namen  jener  beiden  umschreiben.  Die  Burg 
befand  sich  jetzt  in  einem  noch  schlechteren  Zustande, 
denn  die  beiden  Weberstedter  verbauten  in  kurzer  Zeit 
236  Gulden  und  erhielten  vom  Landgrafen  (1413)  die  Ver- 
sicherung, daß  ihnen  diese  Bausumme  bei  der  Einlösung  des 
Pfandes  zurückgezahlt  werden  sollte.  Nach  2  Jahrzehnten 
hatte  die  Baufälligkeit  eingestandenermaßen  bedeutend  zuge- 
nommen.    Darum   verschrieb  Friedrich   der  Jüngere  (1436) 


1)  Beyer,  U.-B.  der  Stadt  Erfurt  II,  No.  1122  (1398  Juli  15.). 
XXL  18 


26ß  Die  von  Balenhusen. 

Christian  und  Georg  von  Weberstedt  zum  Verbauen  an 
der  Feste  „Wenigen-Balnhusen"  100  Schock  alter  Groschen. 
So  hielt  das  alte  Bauwerk  wiederum  einige  Jahre.  1453 
entschied  Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  einen  Streit  zwischen 
den  Kindern  von  Weberstedt  und  anderen  Adeligen,  die 
Ansprüche  auf  Gut  und  Schloß  erhoben.  Dabei  ging  den 
Weberstedtern,  die  eine  hohe  Schuldsumme  nicht  bezahlen 
konnten,  die  Burg  verloren.  Die  von  Reckerode,  Bende- 
leben und  Heilingen  begegnen  uns  dort,  und  seit  dem  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  die  von  Werthern.  1531  xind  1534 
wird  das  Schloß  Klein-Ballhausen  als  wüst  bezeichnet. 
Alles  Ausflicken  hatte  nichts  geholfen,  der  Bau  war  dem 
dem  Zali^ne  der  Zeit  zum  Opfer  gefallen.  —  — 

Es  bleibt  übrig,  noch  einen  Blick  auf  mehrere  Träger 
des  Namens  Ballhausen  zu  werfen,  die  abseits  wandeln, 
aber  zum  Teil  doch  wohl  dem  Geschlechte  der  Eckharde 
zuzurechnen  sind. 

Schon  in  der  letzten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  wollen 
sich  einige  Glieder  in  den  Hauptstamm  nicht  einfügen,  ver- 
schmähen es  auch,  mit  ihm  irgend  eine  sichtbare  Gemein- 
schaft zu  unterhalten. 

Gerbot  von  Ballhausen  (R.  No.  47.  [52])  tritt  zuerst 
(1278)  in  der  Umgebung  der  Grafen  von  Schwarzburg  auf 
und  bezeugt  dann,  mit  dem  Ritternamen  ausgezeichnet, 
höchst  wahrscheinlich  die  Urkunde  einer  adligen  Witwe 
für  einen  Erfurter  Augustinermönch  (1286).  Bei  dieser 
Gelegenheit  wird  ihm  aber  nicht  sein  voller  Vorname  Gerbot 
beigelegt,  sondern  der  Schreiber  begnügt  sich  mit  einem 
einfachen  G.     Mehr  erfährt  man  über  ihn  nicht. 

Ein  Hermann  von  Ballhausen,  den  wir  als  Hermann  II. 
bezeichnen  wollen,  taucht  seit  1308  in  der  Gegend  von 
Mühlhausen  auf  (R.  No.  67.  73).  Er  nahm  in  den  .Reihen 
des  landsässigen  Adels  eine  Stelle  ein.  Bei  der  ersten 
Erwähnung  wird  er  ein  Verwandter  Günthers  von  Willerstedt 
genannt,  der  in  Mühlhäuser  Urkunden  mehrfach  vorkommt. 
Vermutlich  war  es  dieser  Hermann  IL,  der  seinen  Tod  durch 


Die  von  ßalenhuseii.  267 

Mörderhand  fand.  Die  Rache  übernahm  Friedrich  yon 
Kühnhausen.  Dessen  Oheime  Ludwig  und  Konrad  stifteten 
(1314)  einen  Vergleich  zwischen  ihm  und  dem  eichsfeldischen 
Kloster  Reifenstein,  das  mit  den  Mördern  durch  irgend  ein 
Band  verknüpft  sein  mußte. 

Geraume  Zeit  nach  der  Mordthat  wird  Hermann  III. 
von  Ballhausen  in  Urkunden  der  Ritter  von  Weberstedt 
angeführt,  die  mit  dem  hessischen  Kloster  Kaufungen  in 
Verkehr  standen  (1334  und  1336,  R.  No.  84.  87.  88). 
Der  Stammsitz  des  Geschlechtes  Weberstedt  lag  westlich, 
von  Langensalza,  also  unfern  der  Reichsstadt  Mühlhausen. 
Unmittelbar  in  die  letztere  verweist  eine  dritte  Erwähnung 
Hermanns  III.  Er  selbst  und  seine  Frau  Gertrud,  ge- 
borene von  Botichenrode,  gaben  (1336)  die  Erklärung  ab, 
daß  mit  ihrer  Einwilligung  Konrad  von  Botichenrode,  Dom- 
herr zu  Dorla,  eine  Wiese  an  das  Deutschordenshaus  in 
der  Neustadt  Mühlhausen  veräußert  habe.  —  Im  Jahre 
1324  erwarb  ja  Tytze  von  Weberstedt,  der  mit  dem  Ritter 
Dietrich  von  Weberstedt  in  der  Urkunde  von  1334  wohl 
eine  und  dieselbe  Person  ist,  das  Gut  Ballhausen.  Daher 
liegt  die  Möglichkeit  vor,  daß  Hermann  III.  von  Ballhausen 
entweder  Hermann  Goldacker  war,  der  zweite  Pfandinhaber 
des  Gutes,  oder  noch  wahrscheinlicher  ein  aus  Ballhausen 
gebürtiger  Dienstmann  derer  von  Weberstadt. 

Mögen  nun  die  hier  aufgezählten  Ballhäuser  mit  dem 
Geschlechte  der  Eckharde  verwandt  sein  oder  nicht,  es  er- 
leidet keinen  Zweifel,  daß  sie  zum  Landadel  gehören. 

Nicht  so  fest  steht  das  bei  dem  Geistlichen  Kon- 
rad III.  von  Ballhausen  (R.  No.  93.  98).  Wie  sein  be- 
rühmterer Namensgenosse  machte  er  Jechaburg  (w.  Sonders- 
hausen) zur  Stätte  seines  frommen  Wirkens  (1363 — 67). 
Er  bekleidete  dort  die  Vikarstelle  an  der  Marienkapelle.  — 

Es  gab  auch  bürgerliche  Geschlechter,  die  sich 
von  Ballhausen  nannten.  Damit  ist  jedoch  keineswegs  be- 
wiesen, daß  sie  mit  den  Adligen  dieses  Namens  nicht  durch 
Bande   des  Blutes  verknüpft  waren.     Denn  mehr  als  einen 

18* 


268  Die  von  Balenliusen. 

Sprößling  von  Ritterfamilien  erblickte  man  in  den  Städten 
bei  einer  bürgerlichen  Hantierung  oder  wenigstens  mitten 
im  Strome  des  städtischen  Lebens.  So  erwarb,  um  nur 
ein  Beispiel  statt  vieler  anzuführen,  der  ^Knappe  Tilo  von 
Rusteberg  (1359)  das  G-öttinger  Bürgerrecht  (vgl.  weiter 
unten  S.  282).  Warum  sollten  also  nicht  unter  den  folgen- 
den Ballhäusern  Abkömmlinge  des  Rittergeschlechtes  ver- 
borgen sein? 

In  der  Reichsstadt  Mühlhausen  lebte  um  1282  Her- 
mann I.  von  Ballhausen  als  Ratsherr  (R.  No.  48).  Er 
mußte  noch  ziemlich  jung  oder  erst  kürzlich  in  den  Rat  auf- 
genommen sein.  Denn  in  der  betreffenden  Urkunde  steht  sein 
Name  erst  an  der  vorletzten  Stelle  unter  seinen  Amtsgenossen, 

Wenige  Jahre  später  (1290)  hielt  sich  an  demselben 
Orte  Ludwig  Ansinendank  von  Ballhausen  mit  seiner 
Frau  Christine  auf  (R.  No.  54).  Den  merkwürdigen 
Beinamen  verdankte  er  augenscheinlich  einer  Redensart^ 
die  er  im  Munde  führte. 

Aber  nicht  nur  Mühlhausen,  sondern  auch  Erfurt  hatte 
eine  gleichnamige  Familie  aufzuweisen. 

Als  Schlußglied  dieser  ganzen  Kette  lebte  hier  ein 
Heinrich  von  Ballhausen  (1363  80,  R.  No.  95.  100. 
102).  Er  war  Ratsherr  und  besaß  einen  Kramhandel,  den 
man  (sicherlich  nach  dem  Hauszeichen)  „zu  den  Affen" 
nannte.  Nachdem  er  sein  Geschäft  verkauft  hatte,  nahm 
er,  zusammen  mit  zwei  anderen  Erfurter  Bürgern,  Land 
vom  Grafen  Heinrich  von  Schwarzburg  zu  Lehen.  Ob  seine 
Frau  Thele  ihn  mit  Kindern  beschenkt  hat,  ist  unbekannt. 

B.  Namensvettern. 

1.  StruzundSchalun. 
Man  wird  wohl  nicht  fehlgehn,  wenn  man  die  Familien 
Struz  und  Schalun  nach  Groß-Ballhausen  versetzt.  Wenigstens 
haben  sie  zu  Klein-Ballhausen  keinerlei  Beziehungen.  Da- 
gegen verfügten  die  Schalun  zu  verschiedenen  Malen  über 
Güter  in  Groß-Ballhausen. 


Die  von  Balenhuseu.  209 

In  der  Ausdehnung  ihres  Grundbesitzes  und  im  An- 
sehen ihrer  Mitglieder  kamen  beide  Geschlechter  dem  Hause 
der  Eckharde  nicht  im  entferntesten  gleich,  dem  Stande 
nach  trat  aber  kein  Unterschied  zwischen  ihnen  hervor. 
Denn  freier  und  ritterlicher  Herkunft  waren  auch  die 
Familien  Struz  und  Schalun.  Wenn  zwischen  ihnen  und 
den  eigentlichen  Ballhäusern  Verwandtschaft  bestehn  sollte, 
so  kommt  hierfür  allein  die  Familie  Struz  in  Betracht 
(R.  No.  14.  108  [1].  117  [10]  —  119  [12].  121  [14]).  Und 
auch  da  sind  nur  sehr  schwache  Anzeichen  vorhanden.* 
Heinrich  Struz  wird  in  der  kaiserlichen  Urkunde  von 
1166  dicht  vor  Konrad  von  Ballhausen  als  Zeuge  aufge- 
führt; und  die  Gebrüder  Heinrich  und  Konrad  ge- 
nannt Struz  von  Ballhausen  verzichten  1302  auf  ihre 
Ansprüche  an  das  Kloster  Volkenrode  und  an  dessen  Leute 
(personas).  Wenn  man  in  Betracht  zieht,  daß  Eckhard  I. 
von  Ballhausen  dasselbe  Kloster  mit  dem  Vogteirechte  über 
eine  Hufe  in  Groß-Ballhausen  beschenkte,  und  daß  Bert- 
hold II.  um  1300  Laienbruder  in  Volkenrode  war,  so 
glaubt  man  ja  Spuren  eines  gewissen  Zusammenhanges  zu 
erkennen.  Allein  vom  Nebelflecken  bis  zur  Sonne  ist  ein 
weiter  Weg. 

1216  war  Heinrich  Struz  unter  den  Zeugen,  die 
der  Versöhnung  des  Markgrafen  Dietrich  von  Meißen  mit 
der  Stadt  Leipzig  beiwohnten.  Konrad  Struz  bekleidete 
den  Rang  eines  Diakonen  zu  Heusdorf  bei  Apolda  (1291). 
Auch  sonst  kommt  der  Name  Struz  wohl  vor,  aber  nicht 
bezeichnend  genug,  um  auf  den  Wohnort  Ballhausen  be- 
zogen zu  werden.  — 

Die  Urkunde  von  1302  wird  unter  anderen  durch 
Heinrich  Schalun  bezeugt  (R.  No.  84[?].  109  [2]-116[9]. 
120  [13]— 123  [16]).  Auf  den  ersten  Blick  erkennt  man 
den  fremdländischen  Ursprung  dieses  Namens,  während 
Struz  urdeutsch  anmutet.  Mit  Schalun  bezeichneten  unsere 
Altvorderen  die  Stadt  Chalons  in  der  Champagne  und  ebenso 
die  Kleiderstoffe    und  Decken,    die  von  da  stammten.     Der 


270  I^iß  ^0"^  Balenhusen. 

Beiname  konnte  also  ebenso  gut  einen  Händler  treffen  wie 
einen  wohlhabenden  Mann,  dessen  Wams  aus  französischem 
Zeuge  geschnitten  war.  Das  letztere  ist  hier  wahrschein- 
licher ^).  Über  den  vornehmen  Stand  und  das  Wesen  Hein- 
richs I.  mit  dem  Beinamen  S  c  h  a  1  u  n  giebt  eine  Urkunde 
von  1220  Auskunft.  Er  hatte  11^/2  Hufen  zu  Vehra  an  der 
Unstrut  (sw.  Weißensee)  vom  Grafen  Lampert  von  Gleichen 
zu  Lehen  genommen,  aber  selbst  wieder  an  mehrere  andere 
ausgegeben.  So  stand  er  also  au£  der  Leiter  des  Lehns- 
wesens nicht  auf  der  untersten  Stufe.  Das  B,echt  des  Stärke- 
ren übte  er  rücksichtslos  aus.  Er  belästigte  und  schädigte 
die  Bewohner  des  Hofes,  den  das  Kloster  Pforta  in  Vehra 
besaß.  Schließlich  konnte  der  Abt  Frieden  und  Wohlfahrt 
der  Seinigen  nur  dadurch  sichern,  daß  er  die  Hufen  Hein- 
rich Schaluüs  durch  Kauf  erwarb. 

Die  Familie  Schalun  war  anfänglich  freien  Standes,  denn 
sie  nahm  (1233)  am  Gaugerichte  teil,  zu  welchem  damals 
noch  den  übrigen,  seit  alters  unfreien  Ministerialen  der  Zu- 
tritt verwehrt  war  2).  Auch  sonst  beweist  Heinrichs  Stellung 
in  den  Zeugenreihen,  dicht  hinter  den  edlen  Herren  von 
Vippach,  seine  vornehme  Abstammung  (1234,  1235). 

Ein  Jahrzehnt  später  werden  Heinrich  Schalun 
von  Ballhausen  und  dessen  Bruder  Siegfried  ange- 
führt, vermutlich  Söhne  Heinrichs  I.  1263  war  Heinrich  II. 
Ritter.  Er  suchte  damals  mit  anderen  Rittern  einen  Streit 
zwischen  dem  Kloster  Pforta  und  denen  von  Salza  zu 
schlichten.  Der  Zankapfel  war  wiederum  der  Unglücks- 
ort Vehra  oder  wenigstens  die  dortige  Fischerei  und  andere 
Besitztümer  des  Klosters.  In  derselben  Angelegenheit  wird 
Heinrichs  Name  (Schalun  von  Ballhausen)  noch  zweimal  er- 
wähnt, im  Frühjahr  und  Herbste  1266. 

1)  Eine  Ableitung  von  dem  Ortsnamen  Scalun,  Schallune  (Hof 
vor  Seehausen  in  der  Altmark,  vgl.  Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenb. 
A,  V,  302 ;  XVI,  322)  befriedigt  weniger,  weil  vor  den  Familiennamen 
niemals  de  oder  „von"  gesetzt  wird. 

2)  0.  von  Zallinger,  Die  Schöffenbarfreien  des  Sachsenspiegels, 
Innsbr.  1887,  S.  256. 


Die  von  Balenhueeu.  271 

Heinrich  III.,  zum  erstenmale  (1297)  in  Sangerhausen 
vorkommend ,  hatte  einen  Bruder ,  Namens  Dietrich. 
Vielleicht  verdient  es  Beachtung,  daß  bei  ihnen  (1313)  der 
Name  der  Herkunft,  von  Ball  hausen,  vorangestellt  wird, 
und  dann  folgt  erst :  genannt  S  c  h  a  1  u  n. 

In  der  Kaufunger  Urkunde  von  1334  ist  Heinrich 
genannt    Schollen    möglicherweise    aus  Schalun   entstellt. 

Mit  dem  Geistlichen  Dietrich  Schalun,  Rektor  zu 
Langensalza  (1841),  wollen  wir  die  Reihe  beschließen,  ob- 
wohl sich  die  Familie  noch  Jahrhunderte  lang  verfolgen 
ließe  und  auch  gegen  Ende  des  Mittelalters  (1483,  1496) 
in  Ballhausen  Güter  besaß.  Aber  die  eigentlichen  Ball- 
häuser waren  ja  um  diese  Zeit  längst  ausgestorben,  und 
etwaige  Beziehungen  schon  vorher  durch  die  räumliche  Ent- 
fernung noch  unwahrscheinlicher  geworden. 

2.    Die  von  Ballenhausen  im  Leinegau. 

Ein  Balo,  seinen  Feinden  ein  „Verderbenbringer",  schlug 
sich  ein  Haus  im  Leinegaue  auf.  In  späteren  Jahrhunderten 
nannte  sich  ein  freies  Geschlecht  nach  diesem  Orte :  von 
Balenhusen.  Der  Name  ist  von  dem  der  thüringischen 
Familie  nicht  zu  unterscheiden^  aber  soweit  der  Leinegau 
von  dem  Altgau  entfernt  ist,  so  tief  ist  die  Kluft  zwischen 
beiden  Geschlechtern. 

Das  niedersächsische  Ballenhausen  liegt  etwa  2 
Wegstunden  südlich  vom  Leineberge,  auf  dem  das'Gaugericht 
(Goding)  abgehalten  wurde;  und  von  diesem  Godinge  führt 
ja  die  Stadt  Göttingen  den  Namen.  Trotz  der  Nähe  der 
Stadt  haben  die  Freien  von  Ballenhausen,  soweit  sich  er- 
mitteln läßt,  keinen  Verkehr  mit  ihr  gepflogen,  sie  fühlten 
sich  mehr  zu  Adel  und  Geistlichkeit  hingezogen. 

Als  Stammvater  des  Geschlechts  ist  anscheinend  U  n  o  k  o 
(1135  bis  etwa  1152)  zu  betrachten  (R.  No.  124  [1]. 
126  [3]).  Der  Vorname  ist  ungewöhnlich,  aber  nicht 
einzig    dastehend;     auch    ein    Graf  von    Wernigerode    hieß 


272  Di®  von  Balenhusen. 

so  1).  Unoko  Ton  Ballenhausen  tritt  zum  erstenmal  auf,  als 
von  anderer  Seite  über  Güter  in  seinem  Heimatdorfe  verfügt 
wurde.  Ein  anderer  Freier,  namens  A  z  o^,  über  dessen  Ver- 
wandtschaft mit  Unoko  nichts  gemeldet  wird,  übergab  dem 
benachbarten  Kloster  Reinhausen  ein  vollständiges  Gut  in 
Ballenhausen:  Haus,  Hof,  beinahe  100  Morgen  Landes  und 
Mitbenutzung  der  Mark  in  Feld  und  Wald.  Seine  Erben 
waren  damit  einverstanden,  da  das  Kloster  sich  verpflichtete, 
Azos  Unterhalt  zu  übernehmen  2).  Als  erster  unter  den  Laien 
bezeugte  der  Freie  Unoko  die  Schenkung.  Neben  ihm 
standen  drei  andere  Freie,  von  denen  Degenhard  nnd  Helm- 
wig  möglicherweise  die  Ahnherren  der  noch  jetzt  in  der 
Nachbarschaft  begüterten  Freiherren  von  Bodenhausen  sind  ^). 

Heinrich  der  Löwe  bestätigte  (1168)  die  Besitzungen 
des  Klosters  Reinhausen,  unter  anderen  die  3  Hufen  Azos  in 
Ballenhausen,  ferner  noch  eine  Hufe  daselbst,  die  ein  gewisser 
Othwin  den  Mönchen  zugewandt  hatte,  und  eadlich  den 
Ballenhäuser  Berg*).  Die  Feldmark  von  Ballenhausen  war 
an  und  für  sich  nicht  sehr  umfangreich ;  so  konnte  die  Familie 
von  Ballenhausen  sich  nicht  durch  Reichtum  auszeichnen, 
aber  Mangel  litt  sie  um  diese  Zeit  noch  weniger. 

Unoko,  diesmal  nach  seinem  Wohnsitze  von  Ballen- 
hausen genannt,  war  in  der  Lage,  dem  Grafen  Poppo  von 
Blankenburg  ein  Darlehen  von  4  Mark  zu  geben ;  er  knüpfte 

1)  Samml.  ungedr.  Urk.  u.  anderer  zur  Erläuter.  der  nieder- 
sächs.  Gesch.  gehör.  Nachr.  Bd.  I,  Gott.  1749—52;  Bd.  II,  Hann. 
1754.  II,  34  (1006  April  9.). 

2)  In  welcher  schmählichen  Weise  die  Mönche  sich  der  Unter- 
haltungspflicht zu  entziehen  suchten,  das  erläutert  die  verfälschte 
Urkunde,  die  Scheidt  hat  abdrucken  lassen.     Vgl.   R.  No.  124  (1). 

3)  Vgl.  R.  No.  129  (6)  von  1225  und  Orig.  Guelf.  III,  505 
(1168):  Item  in  Alwardeshusen  unum  mansum,  quem  Helmwicus 
in  concambio  dedit  pro  manso  in  Bodinhusen;  endlich  bezeugt 
ein  Helewicus  de  Bodenhusen  1148  eine  Urkimde,  worin  Erz- 
bischof Heinrich  I.  von  Mainz  eine  Schenkung  an  das  Kloster 
Ichtershausen  bestätigt:  Anemüller,  U.-B.  deö  Klosters  Paulinzelle 
(Thüring.  Geschichtsq.,  Bd.  VII,  N.  F.  Bd.  IV),  Heft  1,  Jena 
S.  32  No.  23. 

4)  Origines  Guelficae,  Hann.  1752,  III,  505  (1168  Juni  2. 


Die  von  Balenhusen.  273 

iie  Bestimmung  daran,  daß  das  Geld  dem  Kloster  Reinhausen 
zurückgezahlt  würde.  Daß  der  unruhige  Poppo  statt  dessen 
die  Güter  des  Abtes  Reinhard  und  seiner  Mönche  ausraubte, 
war  Unokos  Schuld  nicht. 

Ein  jüngerer  Zeitgenosse  Unokos,  vielleicht  sein  Sohn, 
war  Reinhard  von  Ballenhausen.  Er  befand  sich  (1151) 
in  der  ansehnlichen  Versammlung,  vor  welcher  der  Erz- 
bischof Heinrich  I.  von  Mainz  den  Grafen  Hermann  von 
Winzenburg  mit  dem  Schlosse  Schonenberg  belehnte  (R. 
No.  125  [2]).  Reinhard  wußte  seine  Freiheit  noch  zu  be- 
wahren; reicheres  Einkommen  hätte  ihm  die  Stellung  eines 
Ministerialen  gebracht,  aber  die  persönliche  Unabhängigkeit 
war  dann  für  immer  dahin. 

Nach  einem  starken  Menschenalter  soll  Otto  I.  von 
Ballenhausen  gelebt  haben  (R.  No.  127  [4]).  Die  Urkunde, 
in  der  er  als  Zeuge  angeführt  wird,  trägt  aber  die  Merk- 
male der  Fälschung.  Da  indessen  viele  von  den  übrigen 
Zeugen  auch  in  anderen  Urkunden  derselben  Zeit  genannt 
werden,  warum  sollte  gerade  Ottos  Name  aus  der  Luft  ge- 
griffen sein?  Sicherlich  ist  es  aber  unrichtig,  wenn  er  zu 
den  Ministerialen  gezählt  wird. 

Denn  der  erste  Dienstmann  in  der  Familie  war  H  e  i  n  - 
rieh  I.  von  Ballenhausen  (R.  No.  128  [5].  129  [6].  136  [13]. 
138  [15]).  Vermutlich  befand  er  sich  in  mainzischen  Diensten. 
Mit  dem  Erzbischof  Siegfried  traf  er  (1221)  in  Erfurt  zu- 
sammen, kam  also  in  die  nächste  Nähe  seiner  thüringischen 
Namensvettern.  Da  er  wohl  noch  ein  junger  Mann  war, 
erhielt  er  seinen  Platz  ganz  am  Ende  der  Zeugenreihe. 
Der  eichsfeldische  Vitztum  Terricus  von  Rengelrode  und 
der  .thüringische  Vitztum  des  Erzbischofs  Terricus  von 
Apolda,  sowie  Berthold  von  Geismar  und  andere  standen 
vor  ihm. 

Vier  Jahre  danach  hatte  Heinrich  den  Ritterschlag 
empfangen.  Er  hielt  sich  in  der  Heimat  auf  und  bezeugte 
mit  Helmwig  und  Degenhard  von  Bodenhausen  und  anderen 
Rittern  aus  der  Nachbarschaft  eine  Urkunde  des  Abtes  von 
Reinhausen. 


274  ^iß  ^^'^  Balenhusen. 

Es  mag  noch  derselbe  Heinrich  sein,  der  um  die  Mitte 
des  Jahrhunderts  in  Gemeinschaft  mit  seinen  Rosdörfer 
Verwandten  den  Zehnten  in  Dramfel(jl  verkaufte.  Käufer 
war  der  Abt  Dietmar  von  Reinhausen,  Dramfeld,  nicht  zu 
verwechseln  mit  Dransfeld,  liegt  südwestlich  von  Göttingen, 
dicht  beim  ehemaligen  Kloster  Mariengarten. 

Zum  letzten  Male  erscheint  er  in  Nordhausen  (1256)  im 
Gefolge  des  Grafen  Heinrich  von  Hohnstein.  Da  dieser 
Heinrich  von  Ballenhausen  aber  nicht  mit  der  Ritterwürde 
ausgezeichnet  ist,  so  bleibt  es  eine  offene  Frage,  ob  hier 
nicht  ein  jüngeres  Familienglied  in  Betracht  kommt. 

Heinrichs  Zeitgenosse,  OttoII.  von  Ballenhausen 
(R.  No.  130  [7].  131  [8]),  war  noch  nicht  in  den  Stand  der 
Ministerialen  hinabgestiegen.  Daß  aber  an  den  Wurzeln  seiner 
Freiheit '  schon  die  Not  nagte,  das  beweist  die  Veräußerung 
seines  Gutes  Settmarshausen  (zwischen  Göttingen  und  Drans- 
feld), welches  er  wohl  durch  Heirat  oder  Erbschaft  erworben 
hatte.  120  Mark  Silbers  war  der  Preis,  den  das  Kloster  Ame- 
lunxborn,  in  der  Gegend  von  Holzminden  gelegen,  dafür  be- 
zahlte. Den  Zehnten  vom  neuen  Rodelande  trug  der  Ritter 
Johann  von  Settmarshausen  von  Otto  zu  Lehen ;  Johann  ver- 
zichtete jetzt  gegen  eine  Entschädigung  von  9  Mark.  Den 
Zehnten  von  der  alten  Settmarshäuser  Feldmark  aber  gaben 
Hermann  von  Uslar  und  dessen  Lehnsleute  zu  Gunsten  des 
Klosters  auf.  Ottos  II.  Söhne  Hermann  L  und  Dietmar 
erklärten  sich  einverstanden,  Graf  Albert  der  Jüngere  von 
Everstein  bestätigte  zu  Uslar  das  Kaufgeschäft,  alles  schien 
in  schönster  Ordnung.  Da  erhoben  sich  plötzlich  ungeahnte 
Schwierigkeiten.  Ritter  Ludwig  von  Rohrberg,  der  ein 
Stückchen  südlich  von  Ballenhausen,  im  jetzigen  Kreise 
Heiligenstadt,  seine  Heimat  hatte,  machte  auf  Settmarshausen 
ein  angebliches  Erbrecht  geltend;  er  war  also  ein  Ver- 
wandter Ottos  IT.  Gewaltsam  setzte  sich  Ludwig  in  den 
Besitz  des  Gutes,  das  erst  nach  längeren  Streitigkeiten  und 
Klagen  vom  Kloster  Amelunxborn  zurückgewonnen  wurde. 
Aber  noch  war  der  Besitz  nicht  sicher.  Der  Abt  mußte 
nach  einigen  Jahren  (1245)  abermals  in  den  Beutel  greifen, 


I 

Die  von  Balenhusen.  275 

im  Otto  III.  und  Arnold  von  Ballenhausen  und  deren 
Mutter  Mechthild  abzufinden  (R.  No.  133  [10]).  Diese, 
\ermutlicli  Schwägerin  (Schwester?)  und  Neffen  Ottos  11., 
I  atten  ebenfalls  ein  Anrecht  auf  Settmarshausen. 

Und  endlich  waren  da  noch  Bertram  und  Florenz  von 
Ziegenberg,  die  erst  1250  vor  dem  Vogte  Hermann  von 
Ziegenberg  und  den  Burgmannen  von  Münden  ihren  Ver- 
geht erklärten  ^).  Hoffentlich  hat  das  Kloster  dann  Ruhe 
-ehabt. 

Otto  III.  (IL?)  führte  ums  Jahr  1246  die  Bezeichnung 
Vogt  von  Ballenhausen  (R.  No.  134  [11].  135  [12]).  Er 
mochte  die  Vogtei  über  die  Güter  des  Klosters  Reinhausen 
in  seinem  Heimatsorte  ausüben.  Wichtiger  ist  es,  daß  die 
3  Urkunden,  in  denen  er  vorkommt,  kaum  eine  andere 
Person  erwähnen,  als  Ritter  und  Knappen  von  Hardenberg. 
Hermann  der  Ältere  und  Hermann  der  Jüngere  sind  ihres 
Vornamens  halber  besonders  hervorzuheben. 

Hermann  I.  von  Ballenhausen,  Ottos  II.  Sohn,  trat 
im  Jahre  1253  neben  eichsfeldischen  Adligen  als  Zeuge 
auf  (R.  No.  130  [7].  136  [13].  137  [14]).  Die  Urkunde 
-rellten  die  Grafen  Konrad  und  Friedrich  von  Klettenberg 
aus,  die  in  Ballenhausen  begütert  waren.  Die  Geldnot,  in 
der  Otto  II.  steckte,  bedrängte  auch  seine  Söhne.  Hermann 
verkaufte  mit  seinem  Bruder  Dietmar  zusammen  dem  Kloster 
Reinhausen  den  Zehnten  im  benachbarten  Alwardeshusen 
(jetzt  wüst). 

Dietmar  (R.  No.  130  [7].  132  [9].  136  [13])  setzte 
die  Verkäufe  fort  und  fand  an  dem  gleichnamigen  Abte 
von  Reinhausen  einen  willigen  Abnehmer.  So  gingen  andert- 
halb Hufen  in  Alwardeshusen  und  dann  noch  eine  halbe 
Hufe  daselbst  in  das  Eigentum  der  Mönche  über.  Zur 
Veräußerung  gaben  Dietmars  Erben  ihre  Zustimmung,  näm- 
lich Otto  und  Arnold  von  Rusteberg.  Die  Vornamen 
der  letzteren  machen  es  wahrscheinlich,  daß  sie  zu  Mecht- 
hild von  Ballenhausen  und  deren  Söhnen  in  einem  näheren 


1)  Falke,  Cod.  trad.  Corbeiens.  S.  867  No.  247. 


276  I^^6  von  Balenhusen. 

Verwandtschaftsverhältnisse  standen.  Oder  sind  sie  gar 
dieselben  Personen  wie  Otto  und  Arnold  von  Ballen- 
hausen ?  V 

Dietmar  war  in  jüngeren  Jahren  mit  seinem  Vermögen 
nicht  gerade  haushälterisch  umgegangen.  So  schenkte  er 
1241,  damals  bereits  Ritter,  dem  Kloster  Lippoldsberg  an 
der  Weser  (sw.  Uslar)  den  ganzen  Zehnten  zu  Bunekenhusen, 
das  jetzt  als  Wüstung  zur  Feldmark  von  Großenschneen 
(s.  Göttingen)  gehört.  Er  hatte  den  Zehnten  von  dem 
Edelherrn  Hermann,  Vogte  von  Ziegenberg,  zu  Lehen. 
Beide,  Hermann  von  Ziegenberg  wie  Dietmar,  verzichteten 
darauf,  um  Vergebung  für  ihre  Sünden  zu  erlangen.  Ob 
sie  sich  gemeinsam  gegen  das  Kloster  vergangen  hatten, 
oder  ob  die  Redewendung  ganz  allgemeinen  Sinn  hat,  bleibt 
unklar. 

Es  ist  schon  oben  berührt,  daß  Dietmar  keine  Nach- 
kommen besaß,  sondern  daß  zwei  Mitglieder  der  Familie 
Rusteberg  ihn  beerbten.  Über  Hermann  I.  liegt  keine  ähn- 
liche Nachricht  vor. 

Den  folgenden  Ballenhäusern  weist  Johann  Wolf,  der 
Geschichtsschreiber  der  Hardenberg ischen  Familie i), 
einen  Platz  in  diesem  noch  jetzt  blühenden  Geschlechte  an. 
Dafür  sprechen  auch  mancherlei  Umstände.  Der  Knappe 
Hermann  II.  von  Ballenhausen  (R.  No,  139  [16].  140  [17]. 
143  [20J.  145  [22])  führt  (1279)  auf  seinem  Siegel  den  Namen 
Hermann  von  [Hardjenberg ;  13  Jahre  später  nennt  er  sich 
ebenso,  wenn  auch  von  dem  Geschlechtsnamen  nur  der  letzte 
Buchstabe  G  übrig  geblieben  ist.  Sein  Wappen  stimmt 
mit  dem  Dietrichs  von  Hardenberg,  des  nachmaligen  main- 
zischen Amtmanns  auf  Ballhausen  in  Thüringen,  zum  Ver- 
wechseln überein.  Und  gerade  diesen  Dietrich  von  Harden- 
berg nennt  Hermann  II.  von  Ballenhausen  seinen  Oheim 
väterlicherseits  (patruum).  Wenn  man  auch  die  schwankende 
Bedeutung  der  Verwandschaftsnamen  in  Betracht  zieht,    so 


1)  Johann   Wolf,    Gesch.  des  Geschl.   v.   Hardenberg,  2  Bde., 
Göttingen  1823/25,  I,  73.  74. 


Die  von  Balenhusen.  2V7 

muß  man  hier  doch  Wolfi)  beistimmen.  Die  eigentlichen 
Ballenhäuser  sind  demnach  bald  nach  der  Mitte  des  13. 
Tahrhunderts  ausgestorben,  und  die  Überbleibsel  ihrer  Be- 
sitzungen erbte  teils  ein  Mitglied  der  Familie  Hardenberg, 
reils  Otto  und  Arnold  von  Rusteberg. 

Hermann  IL  aus  dem  Hause  Hardenberg  führt  in 
den  Urkunden  den  Geschlechtsnamen  von  Ballenhausen. 
1279  gab  er  die  Erklärung  ab,  daß  mit  seinem  Willen  sein 
Oheim  Dietrich  von  Hardenberg  den  halben  Zehnten  von 
Lutteringehusen  (bei  Hardegsen)  dem  Nonnenklosler  Predels- 
loh  (zwischen  Moringen  und  Dassel)  verkauft  habe.  Als 
Zeuge  steht  Werner  von  Hardenberg  da.  Außer  ihm  ist 
Hartwig  von  Rohden  bemerkenswert,  weil  er  13  Jahre 
später  wiederum  eine  Urkunde  Hermanns  II.  bezeugt.  In 
dieser  letzteren  verpfändete  Hermann  von  ßallenhausen, 
von  Geldnot  gepeinigt,  das  Dorf  Krumelen,  das  vor  Zeiten 
bei  Moringen  lag,  für  4  Mark  dem  Propste  von  Fredelsloh. 
Die  Wiedereinlösung  für  dieselbe  geringe  Summe  behielt 
er  sich  vor.  Die  Lage  der  beiden  Wüstungen  Krumelen 
und  Lutteringehusen  weist  eher  auf  ursprünglich  harden- 
bergische als  auf  ballenhausische  Besitzungen  hin.  Her- 
mann IL  scheint  es  bis  zum  Ritterschlage  garnicht  gebracht 
zu  haben,  am  14.  April  1303  lebte  er  nicht  mehr. 

In  naher  Verwandtschaft  mit  ihm  stand  vermutlich 
Bruder  Dietrich  von  Ballenhausen,  Mönch  im  Kloster 
Walkenried  (R.  No.  141  [18]).  Es  verlohnt  sich  der  Mühe, 
hier  zu  wiederholen,  daß  der  Ritter  Dietrich  von  Harden- 
berg der  Oheim  Hermanns  IL  von  Ballenhausen  war,  und 
daß  er  vom  Erzbischof  Gerhard  von  Mainz  zum  Amtmann 
von  Ballhausen  in  Thüringen  bestellt  wurde.  Ein  anderer 
Dietrich  von  Hardenberg  war  übrigens  Kanonikus  in  Hildes- 
heim 2), 

Hermann   11.    hinterließ    einen   unmündigen    Sohn    mit 


1)  Wolf  kannte  freilich  kaum  3  von  den  älteren  Mitgliedern 
der  Familie  Ballenhausen. 

2)  Würdtwein,  Subsidia  diplomatica,  Heidlb.  1772  ff.  I,  2:J1 
(1341  Januar  9.). 


278  ^^J6  ^on  Balenhusen. 

Namen  Werner  (R.  No.  142  [19]  —146  [23]).  Im  Jahre 
1303  war  Werner  Knappe,  also  mindestens  14  Jahre  alt. 
Hildebrand  von  Hardenberg  hatte  die  Vormundschaft  über- 
nommen, erregte  aber  bald  die  Unzufriedenheit  seines 
Mündels  und  Neffen  (nepotis).  Der  Vormund  verkaufte 
nämlich  nach  und  nach  Besitztümer,  auf  die  auch  seine 
Verwandten  ein  Anrecht  hatten.  Neben  mehreren  Harden- 
berger Vettern  und  Basen  erklärte  sich  Werner  von 
Ballenhausen  (1303)  damit  einverstanden,  daß  in  Holtensen 
bei  Moringen  eine  Hufe  an  das  Kloster  Amelunxborn  ver- 
äußert würde.  Im  Beginne  des  nächsten  Jahres  verfügte 
Hildebrand  ebenso  über  den  Zehnten  von  Rosdorf  (wsw. 
Göttingen),  den  er  und  seine  Miterben  von  dem  Edelherrn 
G-erhard  vom  Berge  zu  Lehen  trugen ;  Gerhard  hatte  ihnen 
aber  kurz  vorher  das  Lehenrecht  geschenkt  i).  Der  Käufer 
des  Zehnten  war  das  Kloster  Walkenried  am  Südharze. 
Dem  Kaufbriefe  nach  bekannte  Werner  von  Ballenhausen 
in  Gegenwart  und  mit  Ermächtigung  seines  Vormundes 
Hildebrand,  daß  er  kein  Anrecht  auf  den  Rosdorfer  Zehnten 
besäße ;  wenn  das  dennoch  der  Fall  wäre,  so  begebe  er  sich 
seines  Rechtes  und  verspreche,  den  Kauf  nicht  anzufechten. 
Obwohl  Werner  also  Verzicht  geleistet  hatte,  mußte  die 
Öache  wohl  nicht  ganz  in  Ordnung  sein,  denn  die  außer- 
gewöhnlichen Anstalten  und  Bestätigungen  zeugten  von 
einem  bösen  Gewissen:  Am  24.  Januar  1304  wurde  die 
Urkunde  in  Göttingen  ausgestellt  und  von  Hildebrand  be- 
siegelt, am  27.  hängten  noch  6  andere  Adlige  ihre  Siegel 
daran,  und  abermals  3  Tage  später  beurkundete  und  be- 
stätigte der  Dechant  Johann  von  Nörten  den  Verkauf  und 
Werners  Verzicht.  Der  letztere  aber  sah  sich  nach  mäch- 
tiger Hilfe  um.  Zunächst  wandte  er  sich  an  den  Braun- 
schweiger Herzog  Albrecht  II.  Allein  Albrecht  überzeugte 
sich  schließlich,  daß  nicht  er,  sondern  der  Erzbischof  von 
Mainz  Oberlehnsherr  und  Eigentümer  des  Rosdorfer  Zehnten 


1)    Walkenrieder   U.-B.  II,    S.  24   No.  641    (1304   Jan.   3. 
Minden). 


Die  von  Balenhusen.  ^79 

war  1).  Dabei  beruhigte  sich  Werner  nicht.  Wenn  wir  nicht 
irren  suchte  er  darauf  den  Grafen  Otto  von  Everstein  für 
seine  Sache  zu  erwärmen  ^).  Als  das  ebenfalls  mißlang,  stellte 
er  sich  unter  die  Vormundschaft  der  hessischen  Edelleute 
Werner  und  Heinrich  von  Schweinsberg.  Mit  ihnen  begab 
er  sich  (1307)  nach  Cassel  und  suchte  die  Entscheidung 
des  Prinzen  („lantgravius  iunior")  Johann  von  Hessen  nach. 
Am  Verkaufe  des  Rosdorfer  Zehnten  ließ  sich  nichts  mehr 
ändern,  doch  errrang  Werner  von  Ballenhausen  auf  diesem 
Wege  eine  anständige  Entschädigung,  nämlich  26  Mark 
reinen  Silbers.  Damit  konnte  er  eher  zufrieden  sein  als 
mit  dem  Füllen,  das  ihm  der  Abt  von  Walkenried  für 
den  Verzicht  versprochen  hatte. 

Hierauf  scheint  allmählich  wieder  ein  leidliches  Ver- 
hältnis zu  den  Hardenberger  Verwandten  eingetreten  zu 
sein.  Denn  Werner  verkaufte  (1310)  an  Hildebrand,  dessen 
Bruder  und  zwei  Vettern  das  Dorf  Krumelen  und  andere 
Güter.  Auf  dem  Dorfe  lag  jetzt  eine  so  hohe  Pfandsumme, 
daß  Werner  beim  Verkaufe  nichts  mehr  ausbezahlt  erhielt. 

Damit  verschwindet  er  aus  den  Geschichtsquellen.  Der 
Geschlechtsname  von  Ballenbausen  lebte  noch  fort;  die 
Inhaber  gehörten  aber  zu  anderen  Familien.  — 

Heinrich  II.  von  Ballenhausen  (1330—1350,  R.  No. 
147  [24]  —149  [26]),  Scholastikus  der  Nörtener  Kirche, 
war  ein  Glied  des  Rittergeschlechts  vonGrone.  Er  ward 
zuweilen  auph  Heinrich  von  Grone  genannt  (1341)^);  in 
diesem  Falle  schließt  die  Hinzufügung  des  Titel§  „Scho- 
lastikus der  Nörtener  Kirche"  jeden  Zweifel  aus.  Gunzelin 
und  Johann  von  Grone  bezeichnet  er  bei  anderen  Gelegen- 


1)  Walkenrieder  U.-B.  II,  S.  40  No.  663  (1305  Juli  1.  Uslar) 
licet  aliquando  ex  inductu  erroneo  aliter  fuit  informatus.  Werners 
Name  wird  dabei  nicht  genannt. 

2)  B.  Chr.  V.  Spilcker,  Beitr.  zur  älteren  dtsch.  Gesch,  Arolsen 
1827—33,  II,  245  No.  284  (1305  Nov.  18.) :  Wernerus  de  WaUenhusen 
Z.  in  einer  Urk.  des  Grafen  Otto  v.  Everstein. 

3)  Joh.  Wolf,  Diplomat.  Gesch.  des  Petersstiftes  zu  Nörten 
Erf.  1799,  U.-B.  8.  37  No.  33:  Henricus  de  Grona  ecclesie  nostre 
scholasticua  (1341). 


280  I^ie  von  ßalenhusen. 

heiten  (1347,  1350)  als  seine  Brüder..  Eine  Zeit  lang  war 
er  Kaplan  zu  Göttingen  und  hatte  hier  auch  seinen  Wohn- 
sitz, nämlich  in  einem  Hause  des  Deutschritterordens,  das 
bei  der  Marienkirche  am  Leinekanal  lag.  Im  Frühlinge  des 
Jahres  1334  wohnte  er  an  diesem  Orte  bereits  nicht  mehri). 
Wenigstens  gilt  dies  von  einem  Priester  Henric  van  Grone ; 
wir  irren  wohl  nicht  in  der  Voraussetzung,  daß  derselbe  mit 
Heinrich  von  Ballenhausen  eine  und  dieselbe  Person  ist.  Der 
letztere  blieb  Kaplan  in  Göttingen,  schlug  aber  seine  Heim- 
stätte in  Ballenhausen  auf,  ob  als  Pfarrer  an  der  dortigen 
Kirche  oder  aus  einem  anderen  Grunde,  das  verschweigen 
die  Quellen.  Mit  dem  Rate  der  Stadt  Göttingen  stand  er 
in  geschäftlicher  Verbindung  (1347).  Den  jüngeren  Mit- 
gliedern der  Familie  von  Grone  diente  er  einmal  als  Sach- 
walter. Denn  auf  Veranlassung  von  Gunzelins  Sohne,  Udo 
von  Grone,  übergab  er  dem  Kloster  Mariengarten  ein  Viertel 
vom  Zehnten  zu  Deiderode  (nö.  Hedemünden)  gegen  14 
Mark  Silbers;  er  machte  aber  die  Lösung  gegen  dieselbe 
Summe  zur  Bedingung.  Herzog  Ernst  von  Braunschweig 
bestätigte  den  Vertrag  (1350).  — 

Nicht  mehr  als  Heinrich  von  Grone  hatte  die  Göttinger 
Bürgerfamilie  von  Bolnhusen  mit  dem  alten  Adelsge- 
schlechte  von  Ballenhausen  zu  thun.  Jene  tritt  erst  auf, 
als  dieses  längst  ausgestorben  war.  Die  Präposition  „von" 
wird  bei  dem  bürgerlichen  Namen  öfters  ausgelassen.  Eine 
Herleitung  von  dem  hannoverschen  Ortsnam^  Bollensen 
wäre  an  und  für  sich  möglich.  Da  aber  gerade  in  Göttinger 
Urkunden  das  Dorf  Ballenhausen  bei  Reinhausen  auch 
Bolnhusen  genannt  wird,  so  erheben  sich  keine  Bedenken 
dagegen,  die  Heimat  der  Bürgerfamilie  hierhin  zu  ver- 
legen. 

H  e  y  s  e  von  Bolnhusen  oder  Bollenhusen  läßt  sich  von 
1377—1400  nachweisen,  Tile  von  1383—95.    Beide  nahmen 


1)  G.  Schmidt,  U.-B.  der  St.  Göttingen  I,  113  No.  131  (1334 
Mai  12.).  Vgl.  I,  172  No.  183  (1350  Okt.  19.),  aber  auch  I,  96 
Anm.  1  (1327  Sept.  30.),  wo  ein  anderer  Heinrich  von  Grone  vor- 
kommt,  dessen   Geschwister  Dietrich,  Ludolf  und   Osteken  heißen. 


Die  von  Balenhusen,  '281 

eine  angesehene  Stellung  in  der  Stadt  ein.  1392  waren  sie 
zusammen  Vorsteher  der  Kaufmannsgilde  (magistri  gildae 
mercatorum),  1395  Tile  Mitglied  des  Rates,  und  Heyse  5 
Jahre  später  Provisor  des  Bartholomäushospitals  zu  Göttingen. 
Vielleicht  gehörte  der  Priester  Heinrich  Bollenhusen 
(1397)  zu  derselben  Bürgerfamilie  1).  Ein  Tile  Bollnhusen 
trat  1445  zum  letztenmal  unter  Göttinger  Bürgern  auf.  In 
dem  benachbarten  Rosdorf  dagegen  war  noch  1507  ein 
B  a  r  1 0 1  d  Bollnhusen  „  Alderman"  ^).  — 

Daß  Otto  und  Arnold  von  Rusteberg  die  Erb- 
schaft Dietmars  von  Ballenhausen  antraten,  ist  oben  bemerkt. 
Seit  dieser  Zeit  fallen  nicht  selten  Beziehungen  der  Familie 
von  Rusteberg  zum  Dorfe  Ballenhausen  ins  Auge.  Besonders 
wichtig  ist  dafür  das  Braunschweiger  Lehensverzeichnis  vom 
Herbste  des  Jahres  1318  3):  Während  Arnold  von  Ruste- 
berg mit  dem  Dorfe  Deiderode  nebst  allem  Zubehör  be- 
lehnt wurde,  wo  ja  später  Udo  von  Grone  einen  Teil  vom 
Zehnten  besaß,  und  mit  einer  Hufe  vor  dem  Schlosse  Fried- 
land, empfing  Bruno  von  Rusteberg  unter  anderem  den  Zehn- 
ten von  Ballenhausen  zu  Lehen.  Es  war  vielleicht  einige 
Zeit  danach,   als  die  Hälfte  vom  Ballenhäuser  Zehnten  auf 


1)  G.  Schmidt,  U.-B.  der  St.  Gott.  I,  266  Anm.  3  (1377); 
I,  3C)4  No.  291  (1379  Juni  IL);  I,  328  No.  306  (1383);  I,  367 
No.  335  (139()  :März  1.);  I,  372  No.  346  (1392  Febr.  1.);  I,  417 
No.  384  (14(X)  Mai  25.).  —  I,  299  Anm.  1  (1397  Okt.  23.)  Heinrich. 
—  Franz  Lübeck,  Chronik  v.  Göttingen,  Blatt  93a  (Urk.  v.  1395 
Aug.  24.),  Handschr.  „Göttmgen  4"  in  der  Universitätsbibliothek 
Göttingen. 

2)  Franz  Lübeck,  Chronik  von  Göttingen,  Bl.  114b,  202b.  — 
Ein  Ritter  Asquinus  de  Bollenhusen,  anscheinend  ganz 
anderer  Herkunft,  bezeugte  1258  eine  Urkunde  des  Grafen  Burghard 
von  Wölpe.  Th.  Schramm,  16  Barsinghäuser  Urk.  in  der  Ztschr.  f. 
Niedersachs.  Jahrg.  1858,  Hann.  1800,  S.  114  No.  4. 

3)  Sudendorf,  Urk.  zur  Gsch.  der  Herzöge  von  Braunschw.- 
Lüneb.  Hann.  1859  ff.,  I,  171  No.  303  und  Anm.  v.  —  Mit  3 
Hufen  in  Ballenhausen  wurde  Berthold  von  Ludolfshausen  belehnt, 
mit  der  Vogtei  über  4  Hufen  daselbst  (die  des  Klosters  Reinhausen?) 
Bruno  von  Bodenhausen. 

XXL  19 


282  ^^^  '^0"  Balenhusen. 

Otto  von  Rusteberg,  einen  Bruder  Arnolds  ^),  als  lebens- 
längliches Lehen  überging.  Demselben  wurden  vom  Her- 
zoge auch  zahlreiche  Güter  in  Friedland  übertragen. 

Andere  Besitzungen  in  BallenhauSen  hatten  Heinrich 
von  Rusteberg  und  dessen  Frau  Gertrud  inne,  verkauften 
sie  indessen   (1345)  an  das  Kloster  Reinhausen  2). 

Der  Knappe  Tile  von  Rusteberg  erwarb  (1359)  das 
Bürgerrecht  der  Stadt  Göttingen.  Nach  seinem  Tode  wurden 
seine  Söhne  Arnd  und  Hans  Feinde  der  Stadt  und  erlitten 
durch  die  Fehde  mancherlei  Schaden  in  „Bolnhusen".  Tiles 
Witwe  Jutta,  einer  Schwester  des  Ritters  Berthold  von 
Winzingerode,  gelang  es  dann  aber,  den  Göttinger  Rat  zu 
einer  billigen  Entschädigung  zu  bestimmen  ^). 

Der  halbe  Zehnte  zu  Ballenhausen  blieb  in  der  Familie 
Rusteberg  bis  zu  deren  Aussterben  (1437),  dann  gelangte 
er  an  die  von  Bodenhausen  ^).  Die  letzteren  verfügten  aber 
später  auch  über  ein  Gut  und  über  ein  Vorwerk  von  4  Hufen 
in  Ballenhausen  ^).  Ob  das  mit  ihrer  Vogtei  zusammen- 
hing ? 

C.  Siegel. 

Das  Siegel  der  Familie  von  Ballhausen  im  Altgau 
ist  in  mehrfacher  Hinsicht  bemerkenswert.  Das  Wappen- 
bild stellt  zwei  Widderhörner  dar.  Desselben  Abzeichens 
bediente  sich  eine  große  Gruppe  von  thüringischen  Ge- 
schlechtern :  die  Stranz  von  Döllstädt,  die  von  Ballstädt, 
von  Lichtenberg,  von  Zimmern,  angeblich  auch  die  von 
Kreuzburg  und  von  Mülverstedt.  Mit  einem  Widderhorne 
begnügten    sich    die    von    Salza,    von    Straußfurt    und    von 

1)  1317  Jan.  6.  Gebrüder  Arnold,  Heyso  und  Otto  von  Euste- 
berg.    Urk.  im  Staatsarch.  Marburg  (Kloster  Lippoldsberg). 

2)  Urk.  im  Staatsarch.  Hannover  (Kloster  Eeinhausen). 

3)  G.  Schmidt,  U.-B.  der  St.  Gott.  I,  313  No.  297  (1381  Aug.  14.) 
u.  S.  313  Anm.  1. 

4)  V.  Hanstein,  Urkundliche  Gesch.  des  Geschl.  von  Hanstein, 
I,  Reg.  No.  226. 

5)  Urk.  vom  15.  Juni  1483  im  Staatsarch.  Marburg  (Wilhelmi- 
tenkloster  zu  Witzenhauseu). 


Die  von  Balenhusen.  283 

Güntersleben  ^).  Zum  Teil  läßt  sich  noch  nachweisen,  dali 
es  sich  um  verschiedene  Zweige  einer  und  derselben 
Familie  handelt,  so  bei  denen  von  Salza  und  von  Strauß- 
furt ,  denen  von  Kreuzburg  und  von  Mülverstedt ;  bei 
anderen  ist  der  Zusammenhang,  der  etwa  früher  bestanden 
hat,  gänzlich  aufgelöst. 

Was  die  von  Kreuzburg  und  von  Mülverstedt  betrifft, 
so  fehlt  dem  Gehörn  auf  ihrem  Siegel  die  bezeichnende  Um- 
biegung  nach  außen,  das  sind  also  nicht  Widder-,  sondern 
Steinbock-  oder  Ziegenhörner  2).  Unmöglich  kann  man  aber 
darin,  wie  Herquet  will,  das  Geweih  des  späteren  Mülver- 
stedtischen  Hirschkopfes  erblicken. 

Die  Stranz  von  Döllstädt  hatten  ursprünglich  (noch 
1280)  wie  die  von  Salza  nur  ein  Widderhorn  im  Wappen^), 
später  aber  führten  sie  durch  Aufnahme  des  zweiten  Hernes 
eine  vollständige  Übereinstimmung  mit  dem  Ballhausischen, 
Ballstädter  und  Lichtenberger  Siegel  herbei.  Auf  Tafel  II, 
Fig.  1  und  2  sieht  man  die  Siegel  Hermanns  Stranz 
von  Döllstädt  des  Alteren  und  des  Jüngeren  vom  Jahre 
1 302  *).  Sie  hängen  an  einer  und  derselben  Urkunde  des 
Magdeburger  Staatsarchivs.  Auf  den  ersten  Blick  springt 
die  große  Ähnlichkeit  mit  den  Ballhausischen  Siegeln  in 
die  Augen.  Außer  der  Umschrift,  die  beide  Male  S.  HER- 
MANI  STRANZ  DE  TVLLESTE(T)E  zu  lauten  scheint, 
zeigt  sich  nur  ein  einziger  unbedeutender  Unterschied:  die 
Widderhörner  des  Stranzischen  Wappens  springen  in  ihren 

1)  W.  Rein,  Mittelalter!.  Familiengruppen,  im  Korrefepondenzbl. 
des  Gesamtver.  dtschr.  Geschiclitsver.  1860,  VIII,  No.  46;  1861,  IX, 
No.  4.  —  W.  Rein,  Thuringia  sacra.  I,  77.  100;  II,   77.  86  u.  s.  w. 

—  A.  von  Mülverstedt,  Der  abgestorbene  Adel  der  Prov.  Sachsen, 
in  Siebmachers  Wappenb.,  Nürnb.  1884,  VI,  6.  7.  98.  163. 

2)  Siegel  Ludwigs  v.  Mülverstedt-Kreuzburg  (1268,  1274)  bei 
Herquet,  U.-B.  von  Mühlhausen,  Taf.  VIII,  Fig.  43;  Siegel  Bertholds 
von  Kreuzburg  (1266  Dec.  13.)  im  Staatsarch.  Marburg  (Kloster  Heida). 

3)  Schoettgen  et  Kreysig,   Dipl.  et  script.  I,  Tafel  III,  Fig.  2. 

—  Ztschr.  f.  thüring.  Gsch.  IV,  S.  215  No.  4  u.  S.  199  ff.  —  Mül- 
verstedt, Tafel  CVl  u.  S.  163  Anm. 

4)  Die  Photographien  der  beiden  Siegeltafeln  verdanke  ich  der 
Güte  des  Herrn  Archivar  Dr.  Theuner  zu  Münster  in  Westf. 

19* 


284  Die  von  Balenhusen. 

Wurzeln  weiter  auseinander,  sind  also  von  Anfang  an 
stärker  gekrümmt.  Außerdem  sitzen  sie  noch  auf  einem 
verbindenden  Stirnteile,  an  dem  die  Wollhaare  des  Widders 
hängen.  Der  freie  Raum  an  der  untereü  Spitze  des  Schildes 
ist  durch  eine  kleine  Figur  ausgefüllt,  das  persönliche  Ab- 
zeichen des  Siegelinhabers.  Nur  beim  zweiten  Siegel  unserer 
Abbildung  ist  das  Abzeichen  erkennbar:  eine  Rose.  Nach 
Mülverstedts  Wappenbuche  führte  (1299)  Hermann  der 
Ältere  die  Rose,  Hermann  der  Jüngere  dagegen  eine  Figur, 
die  einem  M  oder  N  gleicht.  Stranz  war  übrigens  nur  der 
Beiname  einzelner  Glieder  im  Hause  Döllstädt.  So  heißt 
es  (1266):  Giselher  von  Döllstädt  und  sein  Bruder  Her- 
mann Stranz;  und  nach  einer  ungedruckten  Urkunde  von 
1289  wurde  das  Patron atsrecht  der  Döllstädter  Nikolaus- 
kirche durch  Hermann  Stranz,  Heinrich  und  Giselher  von 
Döllstädt  dem  dortigen  Nonnenkloster  geschenkt  i).  —  — 
Das  älteste  Ballhausische  Siegel,  das  noch  er- 
halten ist,  hängt  an  einer  Urkunde  vom  19.  Juni  1256 
(Stadtarchiv  Mühlhausen).  Es  unterscheidet  sich  in  keiner 
Weise  von  den  ersten,  die  wir  bringen  (Tafel  I,  Fig.  1 
und  2).  Sie  sind  auch  nur  wenige  Wochen  jünger,  vom 
1.  August  desselben  Jahres.  Der  Aussteller  der  beiden 
Urkunden  heißt  Eckhard  von  Ballhausen;  in  der 
Umschrift  seiner  Siegel  ist  dagegen  zu  lesen :  SIG(IL.) 
EKEHARDI  DE  SVMERIGGEN.  Das  Siegel  Eckhards  I. 
von  Ballhausen-Sömmern  bietet  die  Widderhörner  in  der^ 
größten  und  schönsten  Ausführung.  Vorzüglich  in  der  oberen 
Rundung  liegt  ein  Schwung,  wie  er  später  nicht  wiederkehrt. 
Die  Wollhaare  der  Widderstirn  zieren  als  artige  Fransen 
die  Wurzel  der  Hörner.  Zur  Ausfüllung  des  leeren  Raumes 
ist  in  die  untere  Spitze  eine  Art  von  Nagelbohrer  einge- 
zeichnet, zugleich  ein  persönliches  Merkmal  des  •  Siegel- 
führers. Das  Siegel  Eckhards  I.  von  1265  (Tafel  I,  Fig.  'S) 
an  einer  Urkunde  des  Magdeburger  Staatsarchivs  befestigt, 
scheint  von  einem  anderen  Stempel  herzurühren,  obwohl  in 

1)  Rein,   Thur.   sacra,  II,    156  No.  191.  —  Urk.   von  1289   im 
Staatsarch.  Gotha. 


I 

Die  von  Balcnhusen.  "2^') 

der  Stellung  der  Buchstaben  keine  Abweichung  hervortritt. 
Die  Hörner  sind  etwa  um  1  mm  kürzer,  ihre  Ausläufer  um 
eine  halbe  Drehung  mehr  nach  innen  gezogen.  Auch  er- 
scheii)en  die  Querreifen  wagerechter  als  an  den  frühei'en 
Siegeln,  und  an  der  Hornwurzel  fehlt  der  feine  Strich,  von 
dem  die  Schlußfransen  ausgehn.  Durch  Abnutzung  des  Pet- 
schaftes läßt  sich  das  nicht  alles  erklären. 

Am  Siegel  Eckhards  IL  vom  Jahre  1275  (Tafel  I, 
Fig.  4  und  5)  wie  an  dem  seiner  Brüder  sind  die  Widder- 
hörner  kleiner  und  steifer  geworden.  Der  Stempelschneider 
Eckhards  II.  hat  statt  der  feinen  Fransen  rohe  Einschnitte 
in  den  Wurzeln  der  Hörner  angebracht.  Zum  persönlichen 
Abzeichen  dient  ein  Maueranker.  Die  Umschrift  lautet: 
SV.  EKEHARDI  DE  BALLENHVSEN. 

Beim  Siegel  Bertholds  IL,  das  an  derselben  Urkunde 
von  1275  hängt  (Tafel  I,  Fig.  6),  sind  die  Fransen  unter 
den  Homwurzeln  ganz  weggeblieben.  Zum  persönlichen 
Abzeichen  wählte  er  die  Büste  eines  Gewappneten.  Als  Um- 
schrift liest  man :  S^.  BERTOLDI  DE  BALLE[NHVSEN]. 

Das  Siegel  des  dritten  Bruders,  Hugos  IL,  findet  sich 
auf  Tafel  II,  Fig.  3  abgebildet.  Es  stammt  von  einer  Ur- 
kunde des  Magdeburger  Staatsarchivs  aus  dem  Jahre  1292. 
Der  Beschädigungen  halber  ist  man  nicht  im  stände,  zu  ent- 
scheiden, ob  Zacken  oder  Fransen  die  Homwurzeln  ab- 
schließen. Von  der  Umschrift  erkennt  man  S[IGr.  HVjGO- 
NIS  DE  BALLENHVSEN.  Das  eigentümliche  Merkmal 
bildet  ein  Stern  in  der  unteren  Spitze. 

Ein  späterer  Eckhard  von  Ballhausen  —  ich  habe  ihn 
als  Eckhard  V.  bezeichnet  —  führt  in  den  Jahren  1322  und 
1336  eine  Rose  unter  den  Widderhömern  (R.  No.  80.  85)  i). 
Es  ist  also  eine  ausgeprägte  Eigentümlichkeit  der  Familie, 
jeden  Siegelinhaber  durch  ein  besonderes  Merkmal  zu  kenn- 
zeichnen. 

Von  dem  hessischen  Zweige  des  Geschlechtes  führen 
wir    das  Siegel  Helfrichs    von  Schwarzenberg   aus 

1)  Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.   et  script.,  Tora.  II,  Tab.  V, 

Fig.  56. 


2^(5  Die  von  JJalenliusen. 

dem  Jahre  1  o92  vor  (Tafel  II,  Fig.  4).  Jedes  der  beiden 
Widderhiirner  ruht  auf  einem  schräggestellten  Fuße.  Sie 
sind  von  einem  Schildrande  umgeben,  der  auf  einem  kreis- 
runden Felde  liegt,  während  alle  Siegel  der  älteren  Ver- 
wandten die  Herzform  zeigen.  Anscheinend  lautet  die 
Umschrift  kurz  und  bündig:  HELFRICH  VÖ  SWARCZ- 
BER(t.  Für  ein  persönliches  Abzeichen  fehlt  der  Raum. 
Die  dauernde  Trennung  von  der  thüringischen  Heimat  und 
vom  Stamme  der  Familie  mochte  auch  diese  Eigenheit 
ins  Vergessen  gebracht  haben.    —  — 

Das  eigentliche  Geschlecht  von  Ballenhausen  im 
niedersächsischen  Leinegau  hat  kein  einziges  Siegel  hinter- 
lassen. Das  Siegel  von  127!),  das  wir  Tafel  II,  Fig.  5 
bringen,  gehört  Hermann  IL  von  Ballenhausen  aus 
dem  Hause  Hardenberg  an.  Es  ist  ein  Helmsiegel.  Als 
Helmzier  dienen  2  riesige  Schlüssel.  Der  dreiteilige,  nach 
oben  gerichtete  Bart  ist  nach  auswärts  gekehrt,  die  kleinen 
Grilfe  sitzen  wie  Ohren  an  den  Helmseiten.  Der  Vorname 
Hermann  läßt  sich  am  Rande  leicht  bestimmen,  vom  übrigen 
ist  dagegen  nur  noch  .  .  .  enberg  zu  entziffern.  Es  leidet 
indessen  keinen  Zweifel,  daß  man  zu  lesen  hat:  S.  HERMANI 
DE  HARDENBERG.  Die  jetzigen  Grafen  von  Hardenberg, 
deren  Stammsitz  zwischen  Göttingen  und  Northeim  liegt, 
führen  zwar  seit  vielen  Jahrhunderten  ein  recht  unähnliches 
Wappen ;  nur  in  dem  einer  einzigen  Linie  sind  noch  Schlüssel 
in  ziemlich  bescheidener  Weise  verwendet.  Allein  ihr  an-" 
fängliches  Siegel  (1241)  zeigte,  ebenso  wie.  das  der  Herren 
von  Rosdorf,  nichts  weiter  als  zwei  Schlüssel  derselben  Art 
und  Gestalt.  Dietrich  von  Hardenberg  führte  im  Jahre 
1270  —  von  der  Umschrift  abgesehen  —  sogar  genau  das- 
selbe Siegel   wie  sein  Neffe  Hermann  IL  von  Ballenhausen  i). 

1)  Ku('hfiil)cckcr,  Erbhofäniter  der  Landgnitbch.  Hessen,  lie'ü. 
S.  11.  —  .loh.  Wolf,  Das  Gesehl.  der  Herren  von  Rosdorf,  Gott. 
1S12.  S.  :57.  ;]8.  —  Job.  AVoIf,  Gesch.  des,  Gesehl.  v.  Hardenberg, 
I,  7(i  vukI  Fig.   1  und  2  der  l)eigefügten  Tafel. 


Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken  zur  Geschichte  etc.  287 


Auszüge  ans  llrkuiulen  ^)  und  Chroniken 
zur  (beschichte  derer  Ton  Balenhusen. 

Von 
Dr.  L.  Armbrust  in  Marburg. 

A.  Das  thüringische  Geschlecht  toii  Ballliausen. 

No.  1. 

1110  Juli  2(3.  Erfurt.  Ludwig  der  Springer,  Graf  zu  Thüringen, 
und  dessen  Angehörige  schenken  dem  Kloster  Reinhardsbrunn  die 
Kirche  zu  Bangerhausen.  Zeugen:  .  .  .  (Abte);  Graf  Erwin  von 
Tonna,  Henseiin  von  Balnhusen,  Gerhard  Bruder  Dietrichs, 
Hermann  von  Gudensberg,  Gerhard  von  Willerstedt,  Bebo  von  öpira; 
von  den  Vasallen  des  Grafen  Ludwig:  Adelbert  von  Heihngen,  Ger- 
hard von  Mülverstedt, 

Posse,  Codex  diploinaticus  Saxoniae  regiae  I,  2,  No.  25  (25.  Juli 
1  HO).  —  F.  B.  von  Hagke,  Nachrichten  über  die  Städte,  Dörfer  und 
Güter  des  Kreises  Weißensee,  Weißensee  1867,  S.  311.  394.  —  Doben- 
ecker,  Regesta  diplomatica  necnon  epistolaria  historiae  Thuringiac 
I,  No.  1058.  —  Das  Werk  von  Hagke  ist  noch  an  vielen  anderen 
Stellen  mitbenutzt,  wird  aber  nur  hier  genau  angeführt,  sonst  durch 
(in   einfaches  H  bezeichnet. 

No.  2. 

1144  Juni.  Erfurt.  Erzbischof  Heinrich  1.  von  Mainz  bestätigt 
Schenkungen  an  das  Petersklosler  in  Erfurt.  Zeugen:  der  Bischof 
von  Zeitz ;  zwei  Grafen ;  mehrere  Äbte  und  Pröpste ;  die  Freien : 
Wigger  von  Wartburg,  Meinhard  von  Mühlberg,  Adelbert  von 
r. alenhusen;   die  Ministerialen:   Berthold   von  Tüttleben  u.  s.  w. 

Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  2,  No.  180  S.  126.  —  H.  —  Doben- 
rker  I,  No.  1490. 

No.  3. 

1160  August  9.  Um  Carcano,  eine  Feste  Überitaliens,  zu  ent- 
setzen, greift  Kaiser  Friedrich  I.  die  Mailänder  an.  Bei  ihm  be- 
finden sich  nur  sehr  wenige  Deutsche,  unter  ihnen  Herzog  Berthold 
von  Zähringen,  ein  Herzog  von  Böhmen  und  comes  Conradus  de 
Ballamixe.  „Imperator  vero  cum  suis  Theotonicis  et  aliquibus 
aliis  robuste  contra  Mediolanenses  irruens  fere  usque  ad  carozolum 
ipsorum,  ubi  erat  multitudo  peditum  Mediolanensium,  eos  impulit 
et  magnam  ipsorum  peditum  copiam  .  .  .  interfecit  et  boves  ipsius 
carozoli   occidit  ipsumque  carozolum  incidit  et  crucem   deauratam, 


1)  Diejenigen  Regesten,  welche  auf  die  Archive  in  Hannover, 
Magdeburg  und  Marburg  verweisen,  habe  ich  persönlich  aus  den 
Originalen  angefertigt.  Von  den  übrigen  Urkunden  sind  mir  durch 
die  verschiedenen  Archivverwaltungen  Abschriften  oder  Auszüge 
gütigst  zur  Verfügung  gestellt  worden. 


288  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

que  super  perticam  carozoli  erat,  atque  vexillunä  ibi  positum  abstulit 
et  multos  ex  ipsis  tarn  cquites  quam  pedites  ad  tentoria  duxit." 

Chronik  des  Lodesen  Otto  Morena:  M.  G.  Bcriptores  XVIII, 
t)2ü.  , 

No.  4. 

[1161]  September  1.  Landriano  im  Gebiete  von  Mailand.  Kon- 
rad de  BellaJuce  Zeuge  bei  Kaiser  Friedrich  I.  in  emer  Urkunde 
für  den  Grafen  Rubald  von  Lavagna  und  dessen  Neffen. 

Stumpf-Brentano,  Reichskanzler  III,  No.  354  S.  503.  —  Doben- 
ecker  II,  No.  216. 

No.  5. 

1162  März  7.— 10.  Nachdem  sich  Mailand  ergeben  hatte,  wählte 
Kaiser  Friedrich  I.  sechs  Lombarden  und  sechs  Deutsche  aus,  die 
den  Unterwerfungseid  der  Mailänder  entgegennehmen  sollten.  „Et 
usque  ad  sabbatum  proximum  fecimus  iurare  quasi  universos  Medio- 
lanenses,  quos  invenimus  ....  comes  vero  Conradus  de  Ball- 
anuce  et  Girardus  de  Cornazano  fecerunt  fieri  sacramenta  per 
portam  Romanam. 

Acerbi  Morenae  continuatio:  M.  G.  Scriptores  XVIII,  636. 

No.  6. 

1162  April  6.  Pavia.  Cunradus  de  Ballenhusen  Zeuge 
in  einem  Vertrage  Kaiser  Friedrichs  I.  mit  Pisa.  Konrads  Name 
steht  am  Ende  der  Fürsten  und  freien  Adligen,  dicht  vor  den  Hof- 
beamten. 

M.  G.  Leges  IV,  1,  S.  286,  44.  —  Dobenecker  II,  No.  230. 
No.  7. 

1162  Mai.  Kaiser  Friedrich  I.  setzt  in  der  Lombardei  Deutsche 
zu  Gewalthabern  ein:  „comitem  Conradum  de  Ballanuce  (alias: 
Balamite)  preposiüt  Ferrarie."  Charakteristik  Konrads  :  „Comes  Con  - 
radus  de  Bellamitte  (alias:  Belamite;  Ballanuce j  erat  stature 
non  magne,  albus,  formosa  facie,  capillis  albis,  litteratus  et  sapiens, 
dulcis  et  affabilis,  providus  et  m  hello  strenuus,  tarn  lingua  Theo- 
tonica  quam  Ytahca  doctus  et  in  consiliis  imperatoris  maxime  potens." 

Acerbi  Morenae  continuatio:  M.  G.  Scriptores  XVIII,  639.  641. 

No.  8. 

1162  August  18.  Turin.  Udo  IL,  Bischof  von  Zeitz,  Markward 
von  Grumbach,  Conradus  deBalnhusen  Zeugen  in  dem  Lehn- 
briefe Kaiser  Friedrichs  I.  für  den  Grafen  Raimund  von  Barcelona. 
Konrads  Name  steht  hinter  den  Fürsten  und  Adligen,  aber  vor  dea 
Hofbeamten. 

M.  G.  Leges  IV,  1,  S.  808,  18.  —  Dobenecker  II,  No.  237. 

No.  9. 

1163  Oktober  28.  Rückkehr  Kaiser  Friedrichs  I.  nach  Lodi : 
,,Die  vero  Lune,  que  fuit  quarta  dies  ante  Kaleudas  Novembris  pre- 
dicti  anni  reversus  est  de  terra  Theotonica  christianus  augustus  in 


zur  Geschichte  derer  von  IJalenhuscn.  289 

civitate  Laude  cum   Beatrice   .   .   .  comite  Gabardo,    Marcoardo  et 
comite  Conrado  de  BeUanuce  (alias:  Balamite,  Ballunuce>  .  ." 
Acerbi  Morenae  continuatio:  M.  G.  Scriptores  XVIII,  042. 

No.  10. 

1164  Januar  5.  Faenza.  Curandus  de  Balhusen  Zeuge 
bei  Kaiser  Friedrich  I.  in  einer  Urkunde  für  das  Kloster  San  Bene- 
detto  di  Polirone. 

Stumpf,  Reichskanzler  III,  No.  4003  und  S.  548.  —  Dobenecker  II , 
No.  271.  —  Giesebrecht,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  VI,  424. 

No.  11. 

11()4  August  10.  Pavia.  KonradvonBellaluce  (Bellelucen ) 
Zeuge  bei  Kaiser  Friedrich  I.  für  den  Pfalzgrafen  Hildebrand  von 
Tuscien. 

Stumpf,  Reichskanzler  III,  No.  150  S.  202.  —  Dobenecker  II, 
No.  277. 

No.  12. 

1 1  (54  September.  Kaiser  Friedrich  I.  kehrt  mit  fast  allen  Deutschen 
heim.  „Sequenti  vero  mense  Septembris  Imperator  cum  iraperatrice 
causa  legendi  exercitus  in  terram  Theotonicam  cum  omnibus  fere, 
qui  secum  ex  Theotonicis  in  Longobardia  fuerant,  perrexit;  suosque 
missos  et  procuratores  per  omnes  fere  Longobardie  civitates,  qui  sua 
iura  suasque  rationes,  quas  in  Longobardia  habere  debebat,  colligerent, 
dimisit." 

Anonymi  Laudensis  continuatio:  M.  G.  Scriptores  XVIII,  643. 

No.  13. 

[1164  Oktober  —  1168.1  Erzbischof  Wichmann  von  Magdeburg 
gestattet  dem  Wichard  von  Deliniz,  eine  Kirche  in  Lochau  (bei  Merse- 
burg) zu  erbauen,  und  überweist  derselben  zwei  Dörfer.  Zeugen : 
Rokerus  vicedominus  Magdeburgensis  ecclesie'),  Godefridus,  Hart- 
modus, Otto,  Bertholdus,  Anno  Magdeburgensis  ecclesie  canonici; 
Bertholdus  de  Grizlav,  Conradus  de  ßallenhusen,  Fredericus 
de  Lesnik,  Fredericus  de  Langebuie. 

G.  A.  von  Mülverstedt,  Regesta  archiepiscopatus  Magdebur- 
gensis, Magdeburg  1876  ff.,  1,  No.  1398  S.  560.  —  Kehr,  U.-B.  des 
Hochstiftes  Merseburg  (Geschichtsqu.  der  Prov.  Sachsen,  Bd: XXXVI), 
Halle  1899,  No.  105  S.  89.  —  Dobenecker  II,  No.  374. 

No.  14. 

1166  August  20.  Schloß  Boyneburg  (ssw.  Eschwege).  Kaiser 
Friedrich  I.  bekundet,  daß  er  dem  Erzbischof  Wichmann  und  der 
Kirche  zu  Magdeburg  ein  Schloß  und  eine  Abtei  übertragen  habe. 
Zeugen:  .  .  .  (Bischöfe  und  Fürsten);  .  .  .  (Grafen);  ,  .  .  (Geistliche); 
Marquardus  de  Grumbac,  burgravius  Magdeburgensis  Burcardus, 
Theodericus  burgravius  de  Kirburc,  Heinricus  de  Buch,  Conradus 
Makechcrve,  Heinricus  de  Erdenbronnen,  Heinricus  Struz,  Con- 
radus de  Balnehusen,  Gero  de  Seburg  und  andere. 


1)  „Dieser  Rocker  kommt  als  Vitztum  des  Erzstiftes  Magde- 
burg in  Urkunden  von  1100—68  vor."    v.  M. 


290  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I,  2,  No.  387  S.  229.,—  Dobenecker  II,  No. 
324.  —  von  Mülverstedt,  Eeg.  Magd.  I,  No.  1455  ö.  600.  —  O.  v. 
Heinemann,  Codex  diplomaticus  Anhaltinus  I,  No.  497  ö.  361.  —  H. 

No.  15. 

1170  Juli  25.  Frankfurt.  Kaiser  Friedrich  I.  bestätigt  einen 
Gütertausch  zwischen  dem  Abte  Burghard  Von  Fulda  und  dem 
Landgrafen  Ludwig  von  Thüringen.  Zeugen:  .  .  .  (Bischöfe  und 
Fürsten);  comes  Eraico  de  Liningen,  comes  Boppo  de  Hollinde, 
comes  Rodulphus  de  Cigenhagen  et  comes  Gozmarus  frater  eins, 
comes  Boppo  de  Hanestein ,  comes  Bertholdus  de  Schowenburc, 
comes  Everhardus  de  Leine,  comes  Albertus  de  Balnehusen 
et  filius  eius  Conradus,  Marquardus  de  Grumbach,  Sibodo  de 
FVankenstein  et  alii  quam  plures. 

Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I,  2,  No.  369  S.  257.  —  H.  —  Doben- 
ecker II,  No.  401. 

No.  16. 

1170  Juli  25.  Frankfurt.  Kaiser  Friedrich  I.  bestätigt  dem 
Stifte  St.  Petersberg  bei  Goslar  dessen  Besitz  und  Reichsunmittel- 
barkeit.     Zeugen:  dieselben  wie  in  No.  15.  (Fälschung!) 

Bode,  Urkundenbuch  der  Stadt  Goslar  (Geschichtsquellen  der 
Prov.  Sachsen,  Bd.  XXX),  Halle  1893  ff.,  I,  No.  268  S.  299.  —  Doben- 
ecker II,  No.  402. 

No.  17. 

1172  März  6.  Erzbischof  Christian  I.  von  Mainz  schheßt  einen 
Vertrag  mit  Genua.  Unter  den  Zeugen :  Graf  Macharius,  die  beiden 
Vettern  des  Erzbischofs  Friedrich  und  dessen  Bruder,  Graf  Erwin 
[von  Tonnaj,  Konrad  von  Balnehusen,  Konrad  Suevus,  Otto 
von  Vesperde. 

Konr.  Varrentrapp,  Erzbischof  Christian  I.  von  Mainz,  Berlin 
1867,  No.  95  S.  135. 

No.  18. 
1172  März  19.  biena.  Erzbischof  Christian  I.  von  Mainz  be- 
stätigt die  Rechte  und  Besitzungen  der  Stadt  Viterbo.  Unter  den 
Zeugen:  Graf  Erwin  [von  Tonna],  Reimbot  und  Friedrich  Grafen 
von  Beichlingen,  Konrad  von  Balnehusen,  Otto  von  Vesperdfe 
und  italienische  Grafen  und  Markgrafen. 

Konr.  Varrentrapp,  Erzb.  Christian,  No.  96  S.  135.  —  Dobenecker  II, 
No.  442. 

No.  19. 

1174  Dezember  21.  Vor  Rovoreto.  Kaiser  Friedrich  I.  belehnt 
den  Grafen  Wilhelm  mit  der  Grafschaft  Forcalquier.  (Sententia  de 
non  alienandis  bonis  comitatuum.)  Zeugen:  .  .  .  .  Conradus  de 
Balhusen  als  letzter  der  Deutschen,  aber  vor  den  italienischen 
Markgrafen  und  Adligen. 

M.  G.  Leges  IV,   1,  337.  338,  23.  —  Dobenecker  II,  No.  489. 

No.  20. 
1176  Dezember  12.  Cremona.    Notariatsprotokoll  über  den  Ver- 
trag des    Kaisers   Friedrichs  I.   mit  den  Cremonesen.     „Ipse  impe- 


zur  Geschichte  derer  vou  ßalenhuben.  291 

rator  die  quodani  dominico,  qui  tuit  duodecimus  intrante  menirQ 
Decembris,  et  in  quodain  casanieiito  de  ecdcsia  beate  Agathe  de 
burgo  Cremone  iuravit  per  sancla  dei  euangelia  per  Conraduni  de 
B  e  1 1  a  1  u  c  e ,  cui  ad  hec  omnia  parabolam  dcdit  .  .  .  Itera  et  C  o  n  - 
radus  de  Bellaluce  similiter  et  pro  se  iuravit/' 

M.  G.  Leges  IV,  1,  355,  8;  356, 13.  —  Dobenecker  II,  No.  510. 

No.  21. 

[Ende  1176—77]  ')•  Vertrag  zwischen  dem  Kaiser  und  der  Stadt 
Tortona.  „Dominus  hnpcrator  per  interpositam  personam,  scilicet 
per  Conradum  de  Belalus  (alias:  Belaliis)  super  animam  suam 
feeit  iurare,  quod  civitas  Terdona  de  cetero  non  destruetur  .... 
Öicut  Conradus  de  Belalus  (alias:  Belaliis)  iuravit  pro  domino 
imperatore  et  pro  se,  sie  et  principes  et  nobiles  subscripti  iuraverunt 
pro  se." 

M.  G.  Leges  IV,  1,  392,  1;  393,  14.  —  Dobenecker  II,  No.  511. 

No.  22. 

1177  August  1.  Venedig.  Friedensschluß  des  Kaisers  mit  dem 
Papste  und  dem  Könige  von  Sicilien,  Waffenstillstand  mit  den 
Lombarden.  „(Forma  iuramenti  decem  magnatum  imperii):  Ego 
C.  Moguntinus,  ego  Ph.  Coloniensis,  ego  V.  Magdeburgensis,  ego 
B.  (Arnold!)  Treverensis  archiepiscopi ,  ego  D.  Pactaviensis,  ego  C. 
electus  Warmaciensis,  ego  A.  impenalis  aule  protonotarius,  ego  C. 
quondam  Mantuanus  episcopus,  ego  G.  cancellarius  et  ego  C.  comes 
(Anm.:  Conradus  de  ßalnhusen)  iuramus  in  animabus  nostris 
super  hec  sancta  dei  euangelia,  quod  pacem  ecclesie  atque  imperii  et 
pacem  regis  Siciliae  usque  ad  quindecim  annos  et  treuguam  Lom- 
bardorum  usque  ad  VI  annos,  sicut  statutum  est  et  scriptum  per 
mediatores  utriusque  partis,  bona  fide  servabimus  absque  fraude"  .  . 

M.  G.  Leges  IV,  1,  367.  —  Dobenecker  II,  No.  524. 

No.  23. 

[Um  1206,]  Propst  Werner  von  Jechaburg  bekundet,  daß  der 
Streit  mit  dem  Kloster  Walkenried  um  einen  GOtertausch  beige- 
l^t  sei.  Zeugen :  Christian  Dechant,  Friedrich  Scholastikus,  .  .  . 
Friedrich  von  Nordhausen  Priester,  Konrad  von  Ballenhusen, 
Heinrich  von  Salza  Priester  etc. 

Stumpf,  Acta  Moguntina,  S.  137.  —  Dobenecker  ir,  No.  1323. 

No.  24. 

1250  Januar  5.  Der  Deutschmeister  Albert  von  Hallen  berg 
übergiebt  dem  Müller  Heinrich  aus  Gottern  die  Mühle  bei  der 
Kilianskirche  in  Mühlhausen.  Zeugen :  .  .  .  (Brüder  vom  Deutschen 
Orden);  Henricus  de  Komre,  Rodolfus  Winmann,  Fridericus  Trut- 


1)  Das  Protokoll,  das  unter  anderem  in  emer  Urkunde  Kaiser 
Heinrichs  VI.  vom  4,  Februar  1193  enthalten  ist,  wird  gewöhnUch 
vom  4.  Februar  1183  datiert.  Stumpf,  Reichskanzler  III,  No.  410 
S.  575  und  Giesebrecht,  Deutsche  Kaiserzeit  VI,  S.  536  setzen  den 
Schwur  aber  Ende  1176  oder  1177.  Später  (etwa  1183)  scheint  der 
Vertrag  Zusätze  erhalten  zu  haben.    M.  G.  Leges  IV,  1,  391. 


292  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

lindis,  Henricus  Wederoldi,  Tidericus  Baldebärti,  Meinardus  frater 
suus,  Bertoldus  de  Ballenhusen,  Conradus  de  Effeldere  etc. 
K.  Herquet,  Urkundenbuch  der  ehem.  freien  Eeichsstadt  Mühl- 
hausen in  Thür.  (Gesehichtsquelien  der  Prov.  Sachsen,  ßd.  III), 
Halle  1874,  üo.  107  S.  33. 

No.  25. 

1250  Julj  4.  Der  Propst  des  Nonnenklosters  zu  Wechterswinkel 
vollzieht  die  Übergabe  eines  Dorfes  und  dreier  Hufen  an  das  Kloster 
Pforte  vor  Dietrich  Grafen  von  Berka:  „cum  nos  (Graf  Dietrich  i 
vice  et  mandato  gloriosi  domini  nostri  Misnensis  et  Orientalis  mar- 
cMonis,  Thuringie  lantgravii  et  Saxonie  comitis  palatini  presideremus 
in  Maspe')  iudicio  provinciali,  quod  landinch  vulgariter  appellatur, 
secundum  morem  terre  figurato  iudicio  et  sententialiter  instaurato.  .  . 
Acta  sunt  hec  anno  domini  M^CC'L",  IUI"  Nonas  lulii  in  presentia 
eorum,  quorum  nomina  sunt  subscripta:  Theodericus  de  Vipechc 
scultetus  comitatus  in  Maspe,  Guntherus  comes  in  Keuirnberc,  Al- 
bertus comes  de  Rauenswalt,  Heinricus  comes  de  Swarcburg,  Gunt- 
herus comes  de  Blankenberc,  Theodericus  burgravius  de  Kyrchperc, 
Albertus  comes  de  Clettenberc,  Heinricus  de  Helderungen,  Theodericus 
de  Vipeche,  Lutolfus  et  frater  eins  Heinricus  de  Alrestete,  Heinricus 
et  frater  eins  Ludewicus  de  Meldingen,  Hugo  de  Salza,  Albertus  de 
Eueleiben,  Heinricus  et  frater  eius  ßudolfus  et  Bertoldus  de  Yscer- 
stete,  Ekehardus  et  frater  eius  HugodeBalnhusen,  Heinricus 
de  Komre  et  alii  quam  plures." 

P.  Böhme,  Urkundenbuch  des  Klosters  Pforta  (Geschichtsqu. 
der  Prov.  Sachsen,  Bd.  XXXIII,  1),  Halle  1893,  No.  129  S.  152. 

Jfo.  26. 

1255  November  1.  Erfurt.  Ekkehardus  de  Ballenhusen 
dictus  de  Summeringen  miles  vertauscht  mit  Erlaubnis  seiner 
Gattin  Lucardis  und  unter  Zustimmung  seiner  Söhne  dem  Abte 
Andreas  und  dem  Peterskloster  in  Erfurt  Güter.  Eckhard  gab  die 
folgenden  hin:  in  Walschlebeu  (nw.  Erfurt)  Güter,  die  jährlich  3 
Vierdunge  einbrachten,  in  Raßdorf,  einer  Wüstung  bei  Witterda  (nw. 
Erfurt),  4  Hufen  und  in  Herbsleben  an  der  Unstrut  (A.-G.  Touna) 
l  Hufe.  Zeugen :  venerabilis  dominus  Gerardus  archiepiscopus  Mo- 
guntinus,  Fridericus  praepositus  Northusensis,  dominus  Heydenricus ' 
abbas  Bursfeldeusis,  magister  Bertoldus  eiusdem  archiepiscopi  scriptor ; 
Fridericus  de  Drivordia  senior,  Bertoldus  vicedöminus,  Heinricus 
pincerna  dictus  de  Appolt,  Ecckehardus  de  Wartperg  milites  et  alii 
fide  digni. 

Joh.  Fr.  Schannat,  Vindemiae  litterariae,  Fulda  u.  Leipzig 
1723,  II,  12  No.  20.  —  H. 

No.  27. 

1256  Juni  19.  Sühne  der  Gebrüder  Johannes  und  Hugo  von 
Weidensee  mit  der  Bürgerschaft  von  Mühlhausen  wegen  Zerstörung 
ihres  Hofes  auf  der  Burg.    Zeugen:   Ekehardus  de  Balhusen, 


1)  Die  Gerichtsstätte  Maspe  (1237  Asp)  soll  bei  Mark-Vippach, 
80.  Sömmerda,  nach  Sprötau  hin,  zu  suchen  sein. 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhueen.  *293 

Th.  de  Rettelheim,  Hugo  de  C!ornre,  Cun.  de  Ammera,  Th.  de  C!onjre, 
C,  Hcinricus  fratres  dicti  Dopelstein  milites;  Fridericus  villicus  etc* 
Anhängend  die  Siegel  der  Ritter  von  Ballhausen,  Körner  und  Weiden- 
see, sowie  das  sehr  verstümmelte  Stadtsiegel. 

Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  135  S.  46. 

Xo.  2S. 
12r)()  August  1.  Ballhausen  (Kreis  Weißensee).  Ekehardus 
de  Ballenhusen  miles  teilt  dem  Schultheißen,  den  ßurgmannen 
und  Bürgern  zu  Rotenburg  an  der  Fulda  mit,  daß  er  seine  Eigen- 
güter in  Leimbach,  einer  Wüstung  südlich  von  Altraorschen,  dem 
Kloster  Heida  (bei  Altmorschen)  übertragen  habe.  Seinen  Knecht 
Friedrich  von  Burschla  (servum  etiam  mcum  I'ridericum  de  Burslo) 
ordnet  er  ab,  um  an  seiner  Statt  vor  ihnen  (loco  raei  vobis  presen- 
tibus)  die  Güter  dem   Kloster  zu   übertragen.     Datum  Ballenhusen 

anno  domini  M  CC  LVI",  Kai.  Augusti.  Anhängend  das  Siegel  Eck- 
hards v.  B.     Vgl.  Tafel  I  Fig.  1. 

Original  im  Staatsarchiv  Marburg  (Kloster  Heida). 

^"0.  29. 

1256  August  1  ').  Heida.  Ekehardus  de  Ballenhusen  ac 
Lucardis  nostra  contectalis  und  beider  Söhne  übertragen  ihr 
Eigentum  in  Leimbach  dem  Kloster  Heida.  Zeugen :  Bertholdus  de 
Cruceburg,  Ekehardus  de  Warberg,  Hermannus  de  Reingotshusen, 
Rudegerus  Monachus  milites  et  alii  fide  digni.    Datum  Heyde  anno 

domini  MCCLVI",  Kai.  Augusti.  Das  Siegel  Eckhards  v.  B.  an- 
hängend.    Vgl.  Tafel  I  Fig.  2. 

Original  im  Staatsarchiv  Marburg  (Kloster  Heida). 

Xo.  30. 

1258  Januar  28.  Ballhausen.  Die  Ritter  Hugo  und  Johannes 
von  Weidensee,  Gebrüder,  verkaufen  dem  Kloster  Volkenrode  (nö. 
Mühlhausen)  Güter  zu  Bollstedt  (ö.  Mühlhausen).  Sie  selbst  besiegeln 
die  Urkunde,  außerdem  wird  sie  versehen  mit  dem  Siegel  avunculi 
nostri  domini  Ekehardi  de  Ballenhusen.  Zeugen:  Ekehardus 
de  Warburg,  Heinricus  et  Conradus  dicti  Toppelstein,  Hermannus 
Stoc  milites;  Wideroldus  rector  ecclesie  de  Ballenhusen. 

Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  1034.  —  H. 

Xo.  31. 

1258  Januar  28.  Ballhausen.  Der  Abt  Albert  und  das  Kloster 
VolkenrodetauschenGüter  mit  Ritter  Eckhard  von  Ballenhusen 
Das  Kloster  erhält  von  Eckhard:  1  Hufe  in  KirchheiUngen  (ö 
Bothenheilingen,  nö.  Langensalza)  und  2|  Malter  triplicis  annonae 
Er  empfängt  dafür:  1|  Hufen  und  4  Morgen  in  Klein-Ballhausen 
Außerdem  giebt  er  seine  Ländereien  in  Hochstedt  (ö.  Erfurt)  hin 


1)  Der  Schenkbrief  ist  ursprünglich  an  einem  anderen  Tage 
ausgestellt,  denn  die  Worte  Kai.  Augusti  stehen  auf  einer  Rasur; 
meÄwürdigerweise  auch  der  Name  des  Klosters :  sancte  Marie  vir- 
ginis  in  Heyde. 


294  Auszüge  aus  iTkuiidcn  und  Chroniken 

die   innerhall)    der   Klosterflur  liegen ,    und    erhält  das   Klosterland, 
das   zwischen    seinen  Ländereien   daselbst   liegt.     Acta  sunt  hec   in 

r>allenhusen  anno  domini  MCCLVIII,  quinto  Kai.  Februarii. 

Orig.  im  Hauptstaatsarchiv  Dresden,  No.  576.  —  Auszug  bei 
J.  H.  jMöller,  Erwerb,  u.  Besitz,  des  Klostet's  Volkenrode,  in  der 
Ztschr.  f.  thüring.  Gsch.,  Jena,  LSü5,  VI,  307.   —  H. 

Xo.  S2. 

1258  März  13.  Ballhausen.  Eitter  Eckhard  von  Ballen - 
husen  verkauft  dem  Deutschordenshause  zu  Nägelstedt  (ö.  Langen- 
salza) von  seinen  Gütern  daselbst  2  Hufen,  die  er  früher  von  der 
Kirche  zu  Raßdorf  (Wüstung  bei  Witterda  nw.  Erfurt)  erworben  hat. 
Zeugen :  Hugho  de  Widense,  Guntherus  dictus  Slirzcil,  Hermannus 
dictus  Sthoc,  Heinricus  dictus  Topelstein  inilites ;  frater  Lamber- 
tus,  frater  Heinricus  de  Scirbcde,  frater  Bertholdus  commendator 
dorn.  Theut.  in  Negilstete;  Meinhardus  laicus,  Theodericus  scriptor 
Ekehardi    de  Ballenhusen.     Acta  sunt   in  Ballenhusen    anno   domini 

MCCLVIII,  tercio  Id.  Marcii. 

()rig.  im  Haupt-Staatsarchiv  Dresden,  No.  078.  —  H. 

Xo.  83. 

[Um  ]2r)8]')  Oktober  2.— 7.  Eckhard  Ritter  de  Minori 
1}  allen  husen  schenkt  das  Vogteirecht  über  1  Hufe  in  Ma[iori 
Ballenhusen]  dem  Kloster  Volkenrode.  Zeugen:  Wideroldus  plebanus 
in  Maiori  Ballenhusen  ;  Ekehardus  de  Wartpurc,  Volmarus  cie  Wige- 
leiben,  Cun[radus  dictus  Topelstein?]  ....  Non.  Octobris. 

Orig.,  stark  beschädigt,  rechte  Seite  abgerissen,  im  Haupt- 
Staatsarctiv  Dresden,  No.  1624  ss.  —  Auszug  bei  J.  H.  Möller  in 
der  Ztschr.  f.  thüring.  Gsch.  VI,  306.  -  H. 

Xo.   34. 

1259  September  18.  Ritter  Eckhard  von  Ballenhusen, 
dessen  Frau  Lukkar dis  und  beider  Söhne  erklären  sich  mit  einer 
Schenkung  Helfrichs  von  Rotenburg  seligen  Angedenkens  einver- 
standen. Dieser,  der  Schwiegervater  Eckhards  v.  B.,  hatte  den  Cister- 
ciensern  zu  Hardehausen  (bei  Paderborn)  den  Zehnten  in  Mönchehof 
(bei  Cassel)  übertragen.  Eckhard  leistet  den  Mönchen,  wenn  nötig, 
Gewähr  für  den  ]>esitz.  Zeugen:  dominus  Gumpertus  frater  et 
monachus  eiusdem  monasterii,  dominus  lohannes  plebanus  in  Surthen- 
burg;  dominus  Albertus  de  Ebeleyuen,  Ekkehardus  deWarthberg, 
Heinricus  dictus  Thobelstein  milites  ;  Theodericus  scriptor  et  multi  alii 
fide  digni. 

Westfälisches  Urkundenbuch,  Bd.  IV,  Münster  1878—89,  No. 
S05. 

Xo.  35. 

1262  Oktober  15.  Ballhausen.  Ekkehardus  de  Ballenhusen 
dictus  de  S  u  m  er  i  n  ircn -)  miles  bekundet,  daß  der  Ritter  Rüdiger 


1)  Pfarrer  Widerold  kommt  auch  am  28.  Jan.  1258  vor  (Regest 
No.  30). 

2)  Westfäl.  Ü.-B. :  Sinnering. 


zur  Geschichte  derer  von  Baleuhusen.  *295 

itenannt  Mönch  von  Rotenburg  und  dessen  Söhne  den  Hardehauser 
Mönchen  gegenüber  auf  alle  Ansprüche  an  den  Zehnten  in  Mönche- 
hof Verzicht  geleistet  haben. 

Westfälisches  Urkundenbuch,  IV,  No.  915. 

Xo.  36. 

1262.  Die  Grafen  Erf  und  Widekind  von  JJilstein  belehnen 
Ernst  von  Kranichfcld  und  Gernod  von  Brunne..  Bürger  zu  Mühl- 
hausen,  mit  6  Hufen  in  Holbach  (sw.  EUrich  am  Harz).  Zeugen : 
Fridericus  nobili.s  vir  senior  de  Drivordia  et  frater  ip.sius,  dominus 
Eckehardus  uominatus  de  Ballenhusen  et  Helfericus  filius 
suus,  Cameranus  de  Molehusen,  tSwicherus,  Eckehardus  Molendinarius 
dictus,  Henricus  et  Theodericus  de  Cornre  ....  Wal|t]heru.s  de 
Hunoldeshusen,  Hugo  de  Widense  etc.  Das  Stadtsiegel  von  Mühl- 
hausen ist  an  beiden  Ausfertigungen  der  Urkunde  abgefallen. 

Joh.  Wolf,  Gesch.  des  Eichsfeldes,  I,  Urk.  No.  XXXVII, 
S.  32.  —  Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  166.  —  H. 

Xo.  37. 

1264  Oktober  11.  Graf  Heinrich  von  Hohnstein  schenkt  dem 
Hospital  zu  N.  (Weißensee?)  die  Kirche  in  Mehler  (nö.  Mühlhausen). 
Zeugen:  Eckhard  von  Ballhausen,  Härtung  von  Kirchberg. 
Friedrich  von  Ehrich,  Dietrich  von  Werthern,  Eckhard  von  Berga, 
alle  Ritter;  Hermann  von  Furra.  genannt  Farch;  und  Herr  Heiden- 
reich, Graf  Heinrichs  Kaplan. 

Jovius,  Chrouicou  Schwartzburgicum,  cap.  XV,  bei  Schoettgen 
et  Kreysig,  Diplomataria  et  scriptores,  Altenburg  1753  ff.,  I,  179  B. 
—  H." 

No.  38. 

1265  Mai  30.  Ritter  Eckhard  von  Ballenhusen  bekundet 
daß  er  im  Einverständnisse  mit  seiner  Gattin  Lickard  und  mit  Er- 
laubnis seiner  Söhne  (Helferici,  Eckehardi,  Hughonis ,  Ber- 
toldi  et  Rudolfi  ac  aliorura  omnium  puerorum  meorum)  dem 
Kloster  Reifenstein  (auf  dem  Eichsfelde,  s.  Worbis)  eine  halbe  Hufe, 
ein  Grundstück  (aream)  und  einen  Garten  in  Schwerstedt  (sw.  Butt- 
städt,  Kreis  Weißensee)  verkauft  habe.  Zeugen :  Eckehardus  de 
Wartperg,  Elherus  de  Amsted,  Conradus  dictus  Thopelstein,  Beren- 
gerus  de  Webersted,  Conradus  et  Henricus  filii  dicti  Conradi  Thopel- 
stein et  multi  alii  fide  digni.  Acta  sunt  hec  anno  domini-MCCLXV, 
III.  Kai.  lunii.  Siegler:  der  Abt  von  Volkenrode  und  der  Aus- 
steller.   Beide  Siegel  beschädigt. 

Original  im  Staatsarchiv  Magdeburg.  —  H. 

No.  39. 

rUm  1265.]  Eckh[ardus]  miles  de  Ballinh[usen]  dictus 
Sak  Dekundet,  daß  er  sem  Anrecht  am  Zehnten  in  Holtthusen  dem 
Kloster  Breitenau  (am  Zusammenflusse  der  Eder  und  Fulda)  angewiesen 
und  dafür  die  Klostergüter  in  Stuetren  superiori  (Ober-Stüter,  westfäl. 
Kreis  Hattingen)  mit  Ausnahme  des  Grundes  und  Bodens  (praeter  aream) 
erhalten  habe.  Zeugen:  dominus  Bertoldus  de  Cruceborc,  Herwicus 
de  Bodegerne,  Eckh[ardus]  de  Wartberc,  Wer[njheru8  de  Salzberc,  Giso 
dictus  Sprengel,  Eckh[ardu8]  de  Stuerten,  Cunradus  de  Wernehe  et  alii 


9()(3  Aus/.ütrc  aus  Urkunden  und  Chroniken 

<|uaiu  plurcs  tide  digni  .  ..Acta  sunt  anno  domini  MCC'j.    Siegler: 
Mckhard  von  Hallhauscn.     Siegel  abgefallen. 

()riginal  im  Staatnarchiv  Marburg  (Kloster  Breitenau). 

Xo.  40. 
1273  November  14.  Ehrich.  Eckehardus,  Hugo  et  Bert- 
hold us  fratres  de  Ballenhusen  et  Widekindus  noster  nepos 
machen  bekannt,  daß  ihr  Zwist  mit  der  Äbtissin  Margaretha  von 
Gandersheim  beigelegt  sei.  Von  den  Gandersheimor  (Jütern,  die  sie  als 
Vögte  zu  Tcnnstüdt  (Kreis  Langensalza)  von  der  Äbtissin  zii 
Ischen  tragen,  lassen  sie  den  ganzen  Jahresertrag  freiwillig  nach  und 
geben  ihn  als  bezahlt  auf  (relaxavimns  omnem  annonam  et  solutam 
dimisimus),  weil  sie  Verwalter  und  Bauern  (villicos  et  colonosj  da- 
durch bedrückt  hätten.  Sie  wollen  auch  in  Zukunft  den  Vogtei- 
leuten nicht  eher  Abgaben  auferlegen,  bis  das  Kloster  seine  Einkünfte 
bezogen  hat,  und  beim  Eintreiben  milde  vorgehn ,  dagegen  eifrig 
dafür  sorgen,  daß  das  Kloster  seine  Abgaben  erhält.  JJies  alles 
war  in  Gegenwart  der  Äbtissin  festgestellt.  Die  Aussteller  versprachen 
die  Befolgung  dieser  Bestimmungen  dem  Edelherrn  Gottschalk  von 
Plesse,  dessen  Sohne  Otto,  dem  Kämmerer  Heinrich  und  Hermann 
von  Uslar,  dem  Schultheißen  Eriedrich  und  dem  derzeitigen  Vogte 
Bruning  in  die  Hand.  Zeugen:  dominus  Gotscalcus  nobilis  de  Plesse, 
()tto  filius  suus,  Theodericus  plebanus  sancti  Georgii  in  Ganderseni, 
Thidericus  ])lebanus  orientalis  ecclesie  in  Tcnnenstede,  Heinricus  came- 
rarius,  I'runingus  advocatus,  Eridericus  sculthetus  in  Erich,  Arnoldus 
de  Wulfenchen,  Hermannus  Stock,  Heinricus  de  Tennenstede  et  alii 
([uam  plures.  Siegel  der  Aussteller  et  Heinrici  de  Lebenstede,  Ede- 
leri  de  Arnestede,  Hermanni  de  Vslaria  et  Heinrici  de  Tullenstede 
militiun  .  .  .  Datum  et  actum  Eriche  anno  domini  M''CC"LXX"II1", 
XVni"  Kai.  Decembris. 

.1.  Chr.  Harenborg,  Historia  ecclesiae  Gandershemensis  diplo- 
matica,  Hannover  1731,  S.  784;  vgl.  auch  S.  531,  775,  1550.  —  H. 

Xo.  41. 

1275  Juli  2(J.  Eckhard,  Hugo  und  Bert  hold  [von  Ball - 
haus(Mi]  ,,una  cum  Widckindo  nostro  fratruele"  bekennen,  daß 
sie  eine  ilufe  in  Rangenrode  (Wüstung  in  der  Gegend  von  IVIorschen), 
die  jährlich  (i  solidos  denariorum  zu  zahlen  hatte  —  diese  Einkünfte 
hatte  der  Bitter  Guntram  von  Morschen  von  ihnen  zu  Lehen  — . 
dem  Kloster  Heida  zum  ständigen  Eigentum  übertragen  haben. 
Zeugen:  dominus  Her|mannus|  miles  de  Spangenberg,  Sifridus  miles 
de  Haldorf;  Arnoldus  plebanus  in  Milsr.ngcn  ;  Ludewicus  de  Sluwines- 
dori,  Heiu-icus  Winze,  Gerhardus  scultetus  in  Milsungen,  Lude- 
wiens   ninior    de    Sluwintesdorf,    Herelwicus  (!)    de   Otolueshusen   et 

alii  (|uam  plures.    Acta  sunt  hcc  anno  domini  MCCLXXV,    in    cra- 
-tino  1).  Tacol)i  a])ost()li. 

1)  Die  Schrift  deutet  aber  auf  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts, 
f4)enso  die  Xamen  einiger  Zeugen;  Berthold  von  Kreuzburg  läßt 
sich  in  Urkunden  von  12511,  r2(i()  und  li()7  nachweisen.  Konrad  von 
Wehren  r2')7  und  1275,  Herwig  von  Bödiger  1238,  Eckhard  von 
Wartburti-  1255 — 12(55,  Werner  von  Salzberg  und  Giso  Sprengel  je 
zweimal  'l2(;!»,   ersterer  auch  1253,    letzterer  1255,    1259,  1260,   1267. 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  297 

Eckhards  und  Bertholds  Siegel  anhängend,  da«  Hugoe  fehlt. 
Vgl.  Tafel  I  Fig.  5  und  6. 

Original  im  Staatsarchiv  Marburg  (Kloster  Heida). 

No.  42. 

1275  Juli  26.  Schwarzenberg  (n.  Melsungen  an  der  Fulda). 
Eckehardus  miles  de  Ballennusen  verpflichtet  sich  mit  seinen 
Brüdern,  die  Einkünfte  von  6  sol.  den.,  die  der  Ritter  Guntram  von 
Morschen  von  ihnen  einstmals  zu  Lehen  gehabt,  und  die  sie  jetzt 
den  Nonnen  zu  Heida  überlassen  haben,  binnen  Jahresfrist  aus  dem 
etwaigen  Lehensverhältnisse  zu  befreien.  Augenblicklich  vermögen 
sie   nämlich  nicht  zu  entscheiden,  ob   es   sich  um  Eigentum   oder 

0     0 

Lehen  handelt.  Datum  anno  domini  MCCLXXV  apud  Svarzenberg, 
in  crastino  beati  Jacobi  apostoh.  Eckhards  Siegel  anhängend.  Vgl. 
Taf.  I  Fig.  4. 

Original  im  Staatsarchiv  Marburg  (Kloster  Heida). 

No.  43. 

1276  April  22.  Luitpold,  Sohn  des  verstorbenen  Luitpold  Truch- 
seß  von  Heimburg,  giebt  Güter  im  Dorfe  Urbach  (w.  Lbeleben,  in 
Schwarzburg-Sondershausen)  den  Söhnen  des  Northäuser  Bürgers 
Gottschalk  von  Holzmarkt  zu  Lehen.  A.  1276,  X.  Kai.  Mali.  Zeugen : 
avunculi  mei  Eckehardus  de  Balnehusen  et  fratres  eius. 

Urkunden  des  Stiftes  Walkenried  (Urkundenbuch  des  historischen 
Vereins  für  Niedersachsen  Heft  II  und  III),  Hannover  1852,  S.  287 
No.  440. 

No.  44. 

1276  [Januar  —  September].  Gatersleben  (b.  Aschersleben). 
Mechthild,  Ehefrau  des  Ritters  Heinrich  von  Dunstedt,  Margarethe, 
Ehefrau  des  Ritters  von  Alerstedt  und  Mechthild,  Ehefrau  Bert- 
holds Ritters  vonBallenhusen,  geben  ihre  Zustimmung  zu  der 
Schenkung,  die  ihre  Brüder  Rudolf,  Dietrich  Johann  und  Johann 
von  Gatersleben  dem  Stifte  Quedlinburg  zugewendet  haben. 

O.  von  Heinemann,  Codex  diplomaticus  Anhaltinus,  II,  352 
No.  487. 

No.  46. 

1277  Januar  4.  Ulrich,  geistlicher  Richter  und  Scholastikua 
zu  Jechaburg,  macht  bekannt,  daß  der  Streit  zwischen  dem  Propste 
des  Klosters  Capelle  (in  Schwarzburg- Rudolstadt)  und  Herrn  Eck- 
hard von  Ballenhusen  und  dessen  Brüdern  über  das  Patronate- 
recht  der  Kirche  in  Lützen-Sömmern  (Luzelensumeringen)  einem 
Schiedsgericht  übertragen  sei,  nämlich  domino  Reinoldo  plebano  de 
Sumeringen  sancti  Gangolfi,  domino  Henrico  de  Gruningen  militi, 
Heinrico  de  Sumeringen  militi,  Heidenrico  dicto  Velkenero  de  Gruzen 
militi,  Bertoldo  de  Rotteleiben  mihti.  Er  (Ulrich)  hätte  dann  Magister 
Heidenreich,  Pfarrer  in  Markt-Greußen  (Sondershausen),  zugezogen 
und  im  Einverständnisse  mit  den  Schiedsrichtern  das  Patronatsrecht 
dem  Kloster  Capelle  überantwortet.  Acta  sunt  hec  anno  domini 
MCCLXXVII  in  octava  innocentum.  (Michelsen  hält  dies  für  den 
8.  Jan.  des  folgenden  Jahres.) 

XXI.  20 


298  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

A.  L.  J.  Michelsen,  Codex  Thuringiae  diplomaticus.  Jena  1854, 
H.  18  No.  VIII;  Jovius,  Chronicon  iSciiwartzburgicum,  III,  cap.  I  bei 
Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.  et  script.  1,  191.  —  H. 

No.  46. 

1277  September  23.  Mainz.  Erzbischof  W[erner]  von  Mainz 
bestätigt  den  obigen  Spruch  über  das  Patron atsrecht  der  Kirche  von 
Sumeringen,  das  dem  ßitter  Eckhard  und  dessen  Brüdern  von 
Balnhausen  somit  verloren  geht.  Datum  Maguntie  anno  domini 
raillesimo  CCLXXVII,  Villi.  Kai.  Octobris.  (Michelsen  deutet  dies 
als  den  18.  Sept.,  dann  müßte  aber  XIIIl.  Kai.  Octobris  in  der  Ur- 
kunde stehn.) 

Michelsen,  Cod.  Thuringiae  dipl.,  S.  17  No.  VII. 
No.  47. 

1278  September  25.  Die  Grafen  Günther  IX.  und  Heinrich  X. 
von  Schwarzburg  treten  ihrem  Bruder  Günther  XI.,  Domherrn  zu 
Magdeburg,  das  Dorf  Seberaen  ab.  Zeugen:  Ludwig  von  Branden- 
stein, Heinrich  und  Otto  Gebrüder  von  Greußen,  Gerbot  von 
Balnhausen,  Heinrich  von  Ranis,  Hermann,  Konrad  und  Diet- 
rich Gebrüder  von  Beulwitz. 

Jovius,  Chronicon  Schwartzburgicura,  II,  cap.  XVIII  bei  Schoett- 
gen et  Kreysig,  Dipl.  et  script.,  I,  183  C.  —  H. 

No.  48. 
1282  März  27.  Mühlhausen.     Sühne  zwischen  den   Mühlhäuser 
Bürgern  von  Göttingen  und  von  Küllstedt  wegen  Ermordung  Gott- 
frieds von  Küllstedt.    Als  vorletzter  der  Mühlhäuser  Ratsherren  wird 
Hermann  von  Ballenhusin  genannt. 

Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  296  S.  118. 

No.  49. 

128t)  Januar  6.  Berta  de  Nouo  Castro  (=  Naumburg  s, 
Wolfhagen  in  Niederhessen)  verkauft  auf  den  Rat  ihres  Gemahls, 
des  Herrn  Giso  Ritters  von  Ziegenberg,  und  mit  Zustimmung  ihrer 
Söhne  Widekind  und  Berthold  [von  Schwarzenberg]  dem 
Deutschen  Hause  in  Marburg  ihren  Leibeigenen  Herwig  von  Möllrich. 
Zeugen :  Conradus  de  Uslathe  miles ,  Gozwinus  de  Osterhusen, 
Heinricus  Vingerhut  scultetus  und  Bürger  von  Fritzlar. 

Die  letzteren  und  Giso  von  Ziegenberg  sind  Siegler.  Siegel  ab- 
gefallen. 

Wyss,  Hessische  Urkunden  (Publ.  aus  Preuß.  Staatsarchiven 
IIL  Bd.)  I,  338  No.  456;  Guden  ,  Codex  diplomaticus,  IV,  953 
No.  LXXVIII. 

No.  50. 

1286  Januar  6.  Ritter  Giso  von  Ziegenberg  verbürgt  sich  für 
die  Zustimmung  seines  zweiten  Stiefsohnes  B  e  r  t  h  o  1  d  [von  Schwarzen- 
berg] zu  obigem  Verkaufe. 

Wyss,  Hess.  Urk.,  I,  339. 

No.  51. 

1286  Januar  6.  Giso  Ritter  von  Ziegenberg  und  dessen  Stief- 
sohn Widekind  [von  Schwarzenberg]  verbürgen  sich  eidlich  dafür, 


zur  Geschichte  derer  von  ßalenhusen.  299 

daß  Berthold  [von  Öchwarzenberg],  ihr  Stiefsohn  bezw.  Bruder, 
obigen  Verkauf  für  gültig  erklären  und  bis  zum  Sonntage  Quasi- 
raodogeniti  (April  21.)  in  eigener  Person  zu  Fritzlar  auf  den  Leib- 
eigenen H,  V.  M.  Verzicht  leisten  wird.  Wenn  dies  am  22.  April 
nicht  geschehen  ist,  wollen  die  beiden  Aussteller  sich  in  Fritzlar 
stellen  und  dort  so  lange  bleiben,  bis  ihr  Versprechen  erfüllt  ist.  Datiun 
anno  MCCLXXXVI,  in  Epiphania  domini. 

Guden,  Codex  diplomaticus,  IV,  954  No  79.  Kurz  erwähnt  bei 
Wyss,  Hess.  Urk.,  I,  339. 

No.  62. 

1286  Februar  17.  Agnes,  Witwe  des  Ritters  von  Wirbach,  ge- 
stattet dem  Augustinermönche  B.  genannt  Quadrans  im  Brühl  vor 
Erfurt,  einen  von  ihr  erhaltenen  Zins  an  den  Pfarrer  zu  St.  Martin . 
daselbst  zu  verkaufen.  Zeugen:  G [erbot]  de  Balnhusen,  C.  de 
Mulde  milites;  G.  de  Erfort  et  H.  de  Lychstete  cives  in  Salvelt 
et  alii. 

C.  Beyer,  Urkundenbuch  der  Stadt  Erfurt  (Geschichtsquelleu 
der  Prov.  Sachsen,  XXI.  Band),  Halle  1889,  1.  Bd.,  No.  361. 

No.  53. 

1289  Mai  26.  (in  crastino  Urbani  pape).  Hermann  und  Johann, 
die  Söhne  des  Ritters  Giso  von  Ziegenberg,  verzichten  auf  alles  An- 
recht an  ihr  Allod  und  ihre  Mühle  zu  Martageshusen  (Marzhausen 
n.  Witzenhausen)  zu  Gunsten  des  Klosters  Mariengarten  (s.  Göttingen). 
Siegler:  Ritter  Johann  von  Helfenberg  und  die  Stadt  Münden. 
Zeugen :  Conradus  de  Berleuessen ,  Henricus  de  Reingoldeshusen 
milites;  Johannes  de  Herste  advocatus  in  Fridelant,  Widekindus 
de  S warzenberg*)  und  andere. 

Orig.  im  Staatsarchiv  Hannover  (Mariengarten,  No.  53). 
Gedruckt  bei  Scheidt,  Histor.  u.  diplomat.  Nachr.  vom  hohen 
u.  niederen  Adel   in  Teutschland.    Hannover  1754,   S.  88.  —  Gust. 
Schmidt,  U.-B.  der  Stadt  Göttingen  (Niedersächs.  U.-B.,  Heft  VI), 
I,  23  No.  31. 

No.  54. 

1290  Juli  (1. — 6.).  Das  Brückenkloster  in  Mühlhausen  verkauft 
an  Lodewicus  dictus  An  sinen  danc  de  Balnhusen,  dessen 
Frau  Christine  und  Erben  zwei  Acker  Landes. 

Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  363  S.  151. 

No.  55. 

1292  Juli  1.  Aachen.  Der  römische  König  Adolf  (von  Nassau) 
macht  dem  Erzbischof  Gerhard  von  Mainz  verschiedene  Versprech- 
ungen :  . . .  Item  castrum  Ballenhusen,  obligatum  ipsi  . .  archiepis- 
copo  et  sue  ecclesie  Maguntine  per  nobilem  virum  Gerlacum  de 
Bruberg,  non  repetemus  ab  ipsis ,  nisi  mille  marcis  argen ti  puri 
primitus   sibi  datis  ....    Datum  Aquisgrani  Kai.  Julii,  indictione 


1)  Scheidt  setzt  hinter  diesen  Namen:  „famuli",  ein  Wort,  das 
im  Originale  fehlt ;  es  entspricht  aber  den  Thatsachen ,  denn  aDe 
folgenden  sind  Göttinger  Bürger,  denen  solch  eine  Bezeichnung  nicht 
zukommt. 

20* 


,'300  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

V.,  anno  domini  MCC  nonagesimo  secundo,  regni  vero  nostri  anno 
primo. 

Guden,  Codex  dipl.I,  8G2.  —  H.  Reimer,  U.-B.  der  Herren 
von  Hanau  (Publikationen  aus  Preuß.  Staatsarchiven,  Bd.  48).  4  Bde. 
Leipzig  1891  ff.,  I,  52G  No.  725.  —  H, 

Xo.  :)6. 

1292  Dezember  4.  Die  Gel)rüder  Eckhard,  ßerthold  und 
Hugo  genannt  von  Balnhusen  bekunden,  daß  Johann,  der  Sohn 
Wilhelms  von  Weißensee,  eine  halbe  Hufe  in  Schwerstedt  (Kreis 
Weißensee),  die  er  von  ihnen  zu  Lohen  hatte,  dem  Kloster  Reifenstein 
(auf  dem  Eichsfelde)  für  fünf  Mark  Silbers  und  einen  Vierdung 
verkauft  und  das  Lehen  in  ihre  (der  Ballhäuser)  Hände  zurückge- 
geben hat.  Die  3  Brüder  haben  nun  vom  Kloster  eine  jNIark  Silbers 
erhalten  und  setzen  es  dafür  in  das  Eigentumsrecht  der  halben  Hufe 
ein,  auf  die  sie  vor  dem  Gerichte  (in  publico  plebiscito)  zu  Weißen- 
see verzichtet  haben.  Zeugen :  dominus  I5erthous  viceplobanus  in 
Swegerstete;  Heidenricus  de  Cruzen ,  Berthous  de  Melre  milites; 
Cunradus  de  Sumeringcn,  Theodericus  de  Eilichen,  Gerhardus  de 
Varnrode,  Heinricus  de  Swegerstete.  Thimo  de  Bichelingen  et  plures 

alii  fide  digni.  Acta  sunt  hec  anno  domini  MCCLXXXXII,  pridie 
Non.  Decembris. 

Siegler:  die  Aussteller.  Von  Eckhards  Siegel  ein  Stück  an- 
hängend, das  Bertholds  fehlt  ganz,  das  Hugos  anhängend,  aber  durch 
einen  Querriß  entstellt.     Vgl.^Taf.  II  Fig.  3. 

Original  im  Staatsarchiv  Magdeburg.  —  H. 

Xo.  57. 

1293.  .  .  .  Bic  dissen  getzyten  woren  in  dem  lande  zu  Hessen 
vile  roupslosse  unde  mortkuten,  die  dan  irc  lehene  nicht  umbe  den 
fursten  entphaen  wulden,  sundern  sie  woren  des  lants  fygent,  etzliche 
uffenberlichc,  etzliche  heymelichin.  Die  bestreid  der  lantgrave  unde 
gewan  sie;  etzliche  brach  er  zu  gründe  nidder,  etzliche  besatzste  er 
mit  den  synen  ,  unde  in  sunderheid  dusse  nachgeschrebin  XVIII 
slosse:  Blancksteyn,  die  tzwey  Hoenfelssche,  die  tzwey  Gudenberge,  de 
Kesseberg  uff  der  Eddern ,  Aldenburg ,  Rulkirchen ,  Rudelssen, 
Swartzenberg,  Helffinberg,  Wulff eshussen,  Ruckershussen,  Lan- , 
dessburg,  Czigenberg,  Pcderssheyn,  Ulrichsteyn  unde  Eyssenbach.  Unde 
in  suk'her  masse  hat  he  gar  eyne  reyne  Strasse  gemacht  unde  gehalten. 

So  oder  ähnlich  erzählen :  Wigandi  Gerstenbcrgeri  Chronicon 
Thuringico  —  Hassiacum  (bei  Schmincke,  Monimenta  Hassiaca, 
Cassel  1_747— 05,  II,  433,  und  bei  Ayrmann,  Syllopfe  anecdotorum, 
Frkf.  1746),  die  hessische  Reinchronik  (bei  Kuchenbecker,  Analecta 
Hassiaca.  Marburg  1731,  VI,  260.  201),  die  Excerpta  chronic!  Riede- 
seliani  Hassiaci  (bei  Kuchonbecker,  Anal.  Hass.,  VI,  401). 

No.  58. 
1294  JuH  4.  (IUI.  Non.  Julii.)  Die  Gebrüder  Günther  und 
Friedrich,  Vögte  zu  Salza ,  bekunden ,  daß  Eckhard  von  Görmar 
einen  Hof  in  (lörmar  (ö.  jNIühlhausen),  den  er  von  ihnen  zu  Lehen 
hatte,  dem  Kloster  Volkenrode..  (nö.  Mühlhausen)  verkauft  hat. 
Dafür  nimmt  Eckhard  v.  G.  10  Äcker  seines  Eigengutes  in  Urbach 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  301 

(Schwarzb.-Sondersh.)  von  den  Vögten  von  Öalza  zu  Lehen.  Zeugen : 
fr.  Heinricu»  provisor  hospitalis  in  iSalza,  Heinricu»  Alboldi  -sacer- 
dotes  et  monachi;  Heinricus  magi.ster  marstabuli,  Bertoldus  de 
Balnhusen  conversi  in  Volkolderode ;  Gernodus  de  Wigeleiben  et 
Hermaunus  de  Nuwenmarte  milites. 

Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.  et  scrij)t.,  Bd.  I  (Historia  monasterii 
Volcolderodensis  diplomatica),  Ö.  77t)  jSo.  65. 

No.  59. 

1295  September  28.  Cassel.  Widekindus  et  Bertholdus 
fratres  de  Swarcenberg  bekennen,  daß  sie  dem  Landgrafen 
Heinrich  (I.),  Herrn  des  Hessenlandes,  seiner  Gemahlin  Mechthild 
und  beider  Erben  verkauft  haben:  einen  Hot  in  Waldau  mit  ihrem 
(nostra)  Teile  des  Zehnten  daselbst,  alle  ihre  Geldeinkünfte  in  Fuld- 
hagen,  acht  Malter  jährUcher  Abgabe  in  Krumbach,  die  Hälfte  des 
Zehnten  in  Elgershausen,  einen  Malter  Weizen  in  Venne,  die  Hälfte  des 
Allods  in  Körle,  das  halbe  Grimdstück  des  Schlosses  Schwarzenberg 
(mediam  partem  aree  castri  Swarcenberg),  den  vierten  Teil  vom 
Zehnten  in  Melsungen,  alle  Geldeinkünfte  (oranem  monetam)  *)  daselbst, 
das  halbe  Allod  in  Kotenburg  mit  dem  Allod  neben  der  Burg  Roten- 
burg, die  Ritter  Ihainmo  und  Vollecop  vom  Landgrafen  zu  Lehen 
haben ■■*).  Da  die  Aussteller  kein  Siegel  besitzen,  siegeln  die  Stadt 
Cassel  und  Herr  Giso  von  Ziegenberg.  Zeugen:  Ludewicus  miles 
dictus  Kalp ,  Thamrao  de  Alenhusen ,  Johannes  Rithesel  milites ; 
Wernherus  de  Gesmaria,  Heinricus  Conradi  et  Conradus  de  Gudens- 
berg  scabini  in  Casle  et  a.  qu.  pl.  f.  d.  Datum  in  Casle  anno 
domini  MCCXC  quinto,  quarto  Kai.  Octobris. 

Wenck,  Hessische  Landesgeschichte :  Urkunden  zum  III.  Bde., 
S.  163  No.  192. 

No.  60. 

1299.  Die  Ritter  Friedrich  von  Rosdorf  und  Dietrich  von 
Hardenberg,  Amtleute  (officiati)  des  Erzbiachofs  Gerhard  von  Mainz, 
bekunden,  daß  ihnen  vom  Erzbischof  sein  Schloß  Mühlberg  (nw. 
Arnstadt)  nach  Lehnrecht  verliehen  ist,  rückkäuflich  zu  500  Mark. 
Außerdem  hat  Gerhard  sie  zu  Amtleuten  (officiatos)  eingesetzt  in 
fceebach  (nw.  Langensalza),  Gleichenstein  (Eichsfeld),  Ballenhusen 
und  Bischofs-Gottern  (=  Großen -Gottern  so.  Mühlhausen).  Bezahlen 
sollen  die  beiden  den  Burgmannen  von  Seebach  10  Mark  und  9  Malter, 
Ludwig  von  Kühnhausen  7  Mark  nach  dem  Inhalte  der  ihnen  über- 
gebenen  erzbischöfüchen  Urkunde,  dem  von  Spangenberg  30  Mark. 
Nach  dem  Rückkaufe  Mühlbergs  sollen  auch  die  übrigen  4  Burgen 
dem  Erzbischof  zurückgegeben  werden. 


1)  Von  einer  Münzstätte  in  Mls.  war  bisher  nichts  bekannt. 
H.  Dr.  Buchenau  in  Weimar  hat  jedoch  im  Kaufunger  F'unde  eine 
Münze  entdeckt,  die  er  nach  Mls.  (um  1240)  verlegt.  Er  wird  im 
nächsten  Jahrg.  der  Bl.  f.  Münzfreunde  Näheres  berichten.  —  An- 
scheinend zeigt  die  Münze  das  ältere  Wappen  der  Ritter  v.  Roten- 
burg, Ringe  (gegen  Ende  des  13.  Jahrh.  führten  die  R.  v.  R.  aber 
2  Querbalken  im  Schilde.) 

2)  Sämtliche  Ortschaften  sind  zwischen  Rotenburg  a.  d.  Fulda 
und  Cassel  zu  suchen. 


302  Auszüge  aus  Urkimden  und  Chraniken 

Joh.  Wolf,  Gesch.  des  Geschlechts  von  Hardenberg.  Göttingen 
1823—25,  I,  Urk.  No.  XXVII  S.  30.  —  Würdtwein,  Diplomataria 
Moguntina,  Mainz  1788,  I,  110. 

No.  61. 

1301  Mai  14.  Graf  Otto  von  Bilstein  bekennt,  daß  er  (cum 
consensu  domine  nostre  Katerine)  dem  Landgrafen  Heinrich  (I.), 
Herrn  des  Hessenlandes,  dessen  Gattin  Mechthild  und  den  Söhnen 
beider  seine  Aktivlehen  zwischen  der  Werra  und  dem  Hainchen  bei 
Altmorschen  (usqüe  ad  silvam,  que  Hecheno  appellatur)  verkauft  hat. 
Unter  anderen  haben  Lehen  vom  Grafen  Otto  von  Bilstein  Eckhard 
Ritter,  Berthold,  Widekind  und  Hugo  Brüder  von  Swarzen- 
burg  Güter  in  Waldau,  Volthagen  und  Crumbach,  den  halben 
Zehnten  in  Ober-Melsungen  und  andere  Güter.  .  . 

Wenck,  Hessiche  Landesgeschichte,  Urk.  zum  IL  Bd.,  8.  248 
No.  CCIL. 

No.  62. 

1302  Oktober  28.  (Actum  et  datum  anno  domini  millesimo 
trecentesimo  secundo,  quinto  Kai.  Novembris).  Das  Kloster  Reins- 
dorf  (nö.  Nebra)  verkauft  dem  Kloster  Beutitz  (w.  Weißenfels) 
lA^  Hufen  Landes  in  verschiedenen  Dörfern.  Zeugen:  abbas  in 
Goska,  dominus  Conradus  scolasticus  Cicensis  nee  non  Conradus 
sancti  Othmari  et  Johannes  sancti  Wentzelai  ecclesiarum  rectores  in 
Nuenburgk;  ac  strenui  viri  Eckehardus  de  Ballenhusen, 
Heinricus  de  Glina  milites  cum  pluribus  al.  f.  d. 

Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.  et  Script.,  II,  387  No.  LV. 

No.  63. 

1303  August  13.  Mühlhausen.  Johann  Kämmerer  von  Mühl- 
hatisen,  seine  drei  Söhne  und  eine  Tochter  schenken  dem  Kloster 
Anrode  (Eichsfeld)  1^  Hufen  Landes  bei  Helmsdorf  (osö.  Dingel- 
städt).  Zeugen:  dominus  Gotfridus  prepositus  pontis  Molhusen; 
Albertus  Proyso,  Echardus  de  Balnhusen  milites;  et  Bartoldus 
de  Worbeze  opidanus  in  Molhusen  et  al.  pl.  fid.  d. 

Joh.  Wolf,  Eichsfeldisches  Urkundenbuch.  Göttingen  1819, 
S.  40  No.  XLI.  —  Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  540. 
—  H. 

No.  64. 

1303  September  8.  Ritter  Eckehart  von  Ballenhusen 
und  sein  Sohn  Eckehart  übereignen  dem  Bruder  Gottfried  von 
Kornre  (Körner),  Landkomtur  von  Thüringen,  und  den  gemeinen 
Brüdern  des  Deutschen  Hauses  zu  Neylstete  (Nägelstedt  ö.  Langen- 
salza) auf  Bitten  Richards  von  Vrimar  1  Hufe  Landes,  12  Acker 
in  der  Flur  von  Cletstete  (Clettstedt  nö.  Langensalza)  zu,  nebst  zwei 
dazu  gehörigen  Höfen.  Zeugen :  Heynrich  von  deme  Hayne,  Ditmär 
Schutze  von  Heyltngen,  Richart  von  Vrimar,  Hartunc  sein  Bruder, 
Heynrich  von  Bremendorf.  Geben  noch  der  geburt  unses  herrn 
tusent  jar  druhundert  jar  in  deme  dritten  jare,  an  unser  vrowen 
tage  der  lezzeren.     Siegel  fehlt. 

Original  im  Hauptstaatsarchiv  Dresden,  No.  1738. 

No.  65. 
1306  Januar  18.  (in  die  beate  Prisce  virginis  mart.).    Die  Ge- 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  303 

brüder  Dietrich  und  Heinrich  von  Hagen  tauschen  Güter  mit  döm 
Kloster  Reifenstein  (Eichsfeld).  Zeugen:  Theodericus  dictus  Saxon,' 
Henricus  et  Kudegerus  fratres  dicti  de  Indagine,  Eckehardus  de 
Ballenhusen,  Conradus  dictus  Lupus  et  quam  pl.  al. 

Joh.  Wolf,  Politische  Geschichte  des  Eichsfeldes.  Göttingen 
1792-93,  Bd.  I,  Urk.  No.  69.  —  H. 

No.  66. 

1306  März  30.  Johann,  Dietrich  und  Heinrich  Kämmerer  von 
Mühlhausen  bezeugen  den  Verzicht  Heinrichs  von  Mehler  auf  1| 
Hufen  in  Groß-Mehler  (nö.  Mühlhausen),  die  sein  Vater  Werner  dem 
Kloster  Volkenrode  (nö.  Mühlhausen)  zur  Entschädigung  gegeben 
hatte.  Zeugen :  Bertoldus  dictus  Rappe  et  Johannes  frater  ipsius, 
frater  Bertoldus  de  Balnhusen  magister  marstabuli,  frater 
Henricus  magister  hospitum  et  frater  Ernestus  conversi  de  Volkolderode 
ac  alii  qu.  pl.  f.  d. 

Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  564. 

No.  67. 

1308  Februar  5.  (anno  domini  M'*CCC°  octavo,  Non.  Februarii). 
Günther  von  Willerstedt  söhnt  sich  mit  dem  Kloster  Reifenstein 
aus,  nachdem  ihm  für  die  8  Hufen  in  den  Feldern  des  Dorfes  Hüp- 
stedt  (so.  Worbis)  4  Mark  Silbers  gegeben  sind,  zugleich  um  Sicherheit 
von  Seiten  seines  Verwandten  Hermann  von  Ballhausen  zu 
erkaufen  (nee  non  et  in  emendam  cognati  mei  Hermann!  de  Ballen- 
husen plenariam). 

Joh.  Wolf,  Eichsfeldisches  U.-B.,  S.  43  No.  XLV.  —  H. 

No.  68. 
1.'508  Oktober  24.  Wachsenburg  (nw.  Arnstadt).  Landgraf 
Friedrich  von  Thüringen,  Markgraf  von  Meißen  und  des  Osterlandes, 
schenkt  Getreide-  und  Geldzinsen  zu  einer  Vikarei  in  der  Domkirche 
zu  Meißen,  Praesentibus  nobilibus  viris  Gunthero  et  Heinrico  comi- 
tibus  de  Schwarczburcg,  Gunthero  comite  de  Keuernberc,  H.  comite 
de  Stalberc ;  et  honoraoilibus  viris  H.  de  Zwein  praeposito  Misnensi 
et  magistro  Walthero  curiae  nostrae  prothonotario ;  Witoldo  de  Foresto, 
Eckehardo  de  Balinhuse,  Conrado  de  Bukkewitz  militibus  et 
qu.  pl.  al.  f.  d. 

Gersdorf,  Cod.  dipl.  Saxoniae  reg.,  IL  Hauptteil  (U.-B.  des 
Hochßtifts  Meißen),  Leipzig  1864,  I,  274  No.  344. 

No.  69. 

1308  Dezember  8.  Eckardus  miles  deBalnhusen  verzichtet 
zusammen  mit  seiner  Gattin  Bertrade  und  im  Einverständnisse 
mit  seinen  Söhnen  Giselher ,  Eckhard  und  Eckhard  zu  Gunsten 
des  Brückenklosters  in  Mühlhausen  auf  zwei  Hufen  in  Clettstedt 
(riö.  Langensalza),  die  Dietmar  von  Pfertingsleben  erblich  besitzt. 
Sie  (Eckh.  und  Bertrade)  verzichten  auch  auf  das  Herbergerecht 
und  jegliches  andere  Anrecht  an  jenen  Gütern,  zum  Heile  ihrer 
Seelen,  damit  nach  ihrem  Tode  ihr  Andenken  von  den  Nonnen  um 
80  feierlicher  begangen  werde.  Zeugen :  Cristanus  de  Langelo  senior, 
Cristanus  iunior  de  Langelo,  Berthous  de  Bischoverode  et  Ernestus 
frater  suus  et  al.  qu.  pl.  f.  d. 

Herquet,  U.-B,  der  St.  Mühlhausen,  No.  599. 


304  Auszüge  aus  Urkundeu  und  (Jhrouikea 

>'o.  70. 

IBO!)  Januar  9.  Sühnevertrag  zwischen  Berthold  Fuchs,  Vogt 
des  IIcrz()<rs  Heinrich  von  Braunschweig  in  Hagen,  und  der  Stadt 
Mühlhausen  per  strennuos  vires  dominum  Ekk^hardum  de  Baln- 
husen,  Jlermannum  de  Westernhayn  et  Johanuem  de  Espelingerode 
interniedios.  Es  handelte  sich  um  einen  Totschlag,  den  die  unter 
Mühlhäuser  (Terichtsharkeit  stehenden  Bauern  von  Eberolderode  fWüst. 
Elberode?)  und  P^igenrode  (ö.  Dingelstedt)  an  dem  herzoghchen  Kaplan 
und  Pfarrer  von  Eberolderode  begangen  hatten. 

Heniuct,  U.-ß.  der  St.  Mühlhausen,  No.  600. 

Xo.  71. 

1300  Februar  4.  Oberhagen  (auf  dem  Eichsfelde?).  Rüdiger, 
Heinrich  und  Hernuvnn,  Gebrüder,  genannt  de  Indagine,  schenken 
dem  Deutschen  Orden.shause  in  Walhusen  (Wahlhausen  im  Kreise 
Heiligenstadt)  eigentümlich  1  Mansus  in  der  Flur  Kemstete  (Kehm- 
stedt  in  der  Grafschaft  Hohnstein)  und  einen  Hof  ebendaselbst,  den 
Boso  Cristcninge,  Bürger  von  Nordhausen,  von  ihren  Vorfahren 
zu  Lehen  hatte,  sowie  ein  Brombeergesträuch  (rubetum),  das  2  Gänse 
zinst,  und  das  die  Brüder  Konemundus  und  Henricus,  einst  Bewohner 
von  Kemstete,  von  ihnen  erkauft.  Auf  Bitten  der  Ordensbrüder  be- 
kräftigt Ekk  ehard  US  de  Jialnhusen  die  Schenkung  mit  seinem 
Siegel,  das  aber  beschädigt  ist.    Datum  in  Indagine  Superiori  pridie 

'     .      .       -f  c 

Nonas  Februarii  anno  domini  M  CCC  nono. 

Original  im  Hauplstaatsarchiv  Dresden,  No.  1853. 

No.  72. 

1311  Oktober  23.  Eisenach.  Die  Herzogin  Agnes  von  Braun- 
schweig giebt,  gleichzeitig  im  Namen  ihres  Gemahls  Heinrich,  ihre 
Einwilligung  zu  dem  Ehevertrage,  den  ihr  Bruder,  Markgraf  Fried- 
rich von  Meißen,  zwischen  Johajines  dominus  de  Werle  atque  Slavie, 
und  ihrer  Tochter  Mechthildis  aufgerichtet.  Zeugen :  Fridericus 
filius  [Agnetisl,  Eckehardus  de  BaUenhusen,  Siffridus  de 
P^ltze,  milites,  Thidcricus  de  Dorstat,  notarius  qui  de  parte  [Agnetis] 
interfucrunt ;  Hartmodus  de  Bylewicz,  Heinricus  de  Myla,  Her- 
mannus  dictus  Goldacker,  milites,  Nicolaus  notarius,  [Friderici  mar- 
chionis  Misnensis];  Thesmarus  de  Reberge,  miles,  Stacius  de  Babecin, 
JohanniM  domini  de  Werle  j^rocuratores. .  Datum  Isenaco  anno  do- 
mini M  CCO"  undecimo,  X"  Kalendas  Novembris.  Mit  anhängendem 
Siegel  der  Herzogin. 

Original  im  Hauptstaatsarchiv  Dresden,  No.  1944. 

No.  7:j. 

l.'^M  Januar  '27).  Ludwig  und  Konrad  von  Kühnhausen  stiften 
einen  VerglHch  zwischen  Friedrich,  ihres  Bruders  Sohne,  und  dem 
Kloster  Reifenstein  ül)er  den  Totschlag  Hermanns  von  BaUen- 
husen. l)i(;  Mönche  sollen  dem  Neffen  (patruo  nostro)  sechs  Mark 
reinen  SiUiers  in  bestinnnten  Terminen  ])ezahlcn,  Friedrich  dagegen 
das  Kloster  in  allen  Dingen  h'irdern.  Zeugen:  Theodericus  de  West- 
huscn,   Heinricus  de  Worl)izche,  Herwardus  castrenses  in  Scarphin- 


t 

zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  305 

stein  et  qu.  pl.  al.  f.  d.  Datum  anno  domini  MCCCXIIII,  in  con- 
versione  beati  Pauli  aiwstoli. 

Silier:  die  Aussteller,    Beide  Siegel  fehlen. 

Original  im  Staatsarchiv  Magdeburg. 

No.  74. 

1314  Juli  lö.  Urkunde  Herzog  Heinrichs  von  Braunschweig 
für  die  Marienkirche  vor  der  Staat  Eimbeck.  Zeugen:  dominus 
Johannes  de  Nancxen  noster  capellanus ;  Eckehartus  deBallen- 
husen,  Henricus  Mudzeval,  milites;  Eckebertus  de  Hattorp  famulus; 
Conradus  de  Lyndowe  noster  notarius  et  quam  plures  al.  f.  d.  Datum 
anno  incarnationis  domini  millesimo  trecentesimo  quartodecimo,  decimo 
septimo  Kai.  Augusti. 

Urk.  im  Staatsarchiv  Hannover  (Marienst.  Eimb.,  !No.  12).  — 
Abgedruckt  in  der  Sammlung  ungedr.  Urkunden  zur  niedersächsischen 
Geschichte,  I.  Bd.  Gott.  1749-52,  II.  Bd.  Hann.  1754,  II,  149 
No.  VIII. 

No.  75. 

1315  Februar  16.  Die  Ritter  Ludolf  von  Medem  und  Burg- 
hard  von  Wildenstein  bekennen,  daß  ihnen  Herzog  Heinrich  von 
Braunschweig  die  Vogtei  zu  Berka  (Kreis  Northeim)  und  Vogtei 
und  Dienst  zu  MittUngerode  und  Eisdorf  (Kreis  Osterode  am  Harz) 
verpfändet  und  den  lurm,  der  abgebrochen  werden  soll,  und  das 
Gericht  zu  Berka  überliefert  hat.  Zeugen :  her  EckehardvonBallen- 
husen,  her  Thiderich  von  Oldendorph  un  her  Heinrich  Mudzeual 
ritdere. 

Sudendorf,  U.-B.  zur  Geschichte  der  Herzöge  v.  Braunschweig 
und  Lüneburg  und  ihrer  Lande.    Hann.  1859  ff.,  Bd.  I,  147  No.  259. 

Xo.  76. 

1315  Oktober  24.  (sexta  feria  ante  Symonis  et  Jude  proxima). 
Eghardus  de  Balnhusen  miles  übereignet  dem  Abte  und  Con- 
vente  zu  Homburg  (bei  Langensalza)  den  Zehnten  in  Bothtnheilingen 
(Kreis  Langensalza),  den  Hermann  von  Greußen  von  ihm  besaß. 
Zeugen  dominus  Guntherus  de  Salcza,  Guntherus  et  Henricus  iuniores 
de  Salcza;  Theodericus  de  Mila  canonicus  s.  Marie  Erford[ensis], 
Hermannus  de  Novo  Foro,  Fridericus  de  Hopffgarthen,  Hartungus 
de  Hongede. 

E.  G.  Förstemann,  Urkunden  des  Klosters  Homburg,  in  den 
Neuen  Mitteilungen  aus  dem  Gebiet  histor.-antiquariacher  Forsch. 
HaUe  u.  Nordhausen  1842,  VIII.  Bd.,  2.  Heft,  S.  82  No.  (XXI  b) 
53.  -  H. 

No.  77. 

1315  November  11.  (Acta  sunt  hec  anno  domini  MCCCXV, 
in  die  sancti  Martini  episcopi  et  confessoris).  Berthold  und  Diet- 
mar Hund  verkaufen  einen  Hof  in  Bronstorf  (Braunsdorf  sw.  Merse- 
burg) dem  Deutschordenshause  daselbst  und  haben  auf  den  Hof 
Verzicht  geleistet  vor  den  Burgmannen  auf  dem  Schlosse  Neuen- 
burg (bei  Freiburg  a.  d.  Unstrut).  Siegler :  ßitter  Rudolf  von  Canna- 
wurf,  derzeit  Vogt  in  castro  Nuwenburgk.  Zeugen :  predictus  do- 
minus Rudolfus   de  Canewerfen,  Eckhardus  de  Balenhusen, 


306  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

Joannes  de  Amelungestorf   milites;   Conradus   de  Lisnic  et  al.   qu. 
pl.  f.  d. 

Joh.  Pet.  von  Ludewig,  Reliquiae  manuscriptorum  omnis  aevi 
diplomatum  ac  monumentorum.  Frf.  et  Lips.^1723,  tom.  V,  96  dipl. 
71.  —  H. 

3^0.  78. 

1317  August  10.  Johann  in  Canbur  (Camburg  in  Sachsen-Mei- 
ningen)^),  Hugo  in  Balnhausen  und  die  Söhne  Heinemanns  von 
H  erbsieben  erklären,  daß  sie  dem  Abte  Albert  und  seinem  Kloster 
in  Pforta  für  10  ®  Erfurter  Denare  in  Dorf  und  Flur  Endeleiben 
(Wüst.  Engeleben  bei  Vehra)  3  Höfe  und  17  Morgen  nach  den 
3  Fluren  nebst  Weidenbäumen,  Wiesen,  Weideplätzen  und  anderm 
Zubehör  verkauft  hätten.  Das  Eigentumsrecht  der  Güter  habe 
ihnen  bisher  zugestanden;  Berthold  von  Nordhausen,  oppidanus  in 
Endeleben,  habe  sie  von  ihnen  zu  Lehen  gehabt.  Ebenso  hätten  sie 
dem  Kloster  5  Morgen  in  derselben  Feldmark  verkauft.  Nach  dem 
Tode  der  jetzigen  Nutznießer  sollten  auch  diese  Ländereien  ans 
Kloster  übergehn.  Siegler:  die  Aussteller.  1817  am  Tage  des 
heihgen  Lorenz.  Zeugen :  Bruder  Heinrich  genannt  Clowe,  Br.  Con- 
rad genannt  von  Heseler,  Mönche  in  Pforta;  Br.  Heinrich  genannt 
von  Vileborn,  Br.  Conrad  genannt  Ysenhut,  Laienbrüder  ebendort; 
Albert  genannt  Nacht  und  dessen  patrui  Heine  und  Tvcel;  Bertold 
Günthers,  Albert  von  Botzseyger,  oppidani  in  Eimoldeleyben  und 
andere  mehr. 

G.  A.  B.  Wolff,  Chronik  des  Klosters  Pforta.  Leipzig  1843—46, 
II,  370. 

Xo.  79. 

[Um  1319^).]  Die  Grafen  von  Hohnstein  geben  dem  Land- 
grafen Friedrich  von  Thüringen  das  Schloß  Ballnausen  mit  dem 
Recht,  wie  sie  es  unlängst  von  Hugo  von  Herbsleben  gekauft  hatten. 
Dafür  sollen  Hugo  und  dessen  Söhne  beim  Landgrafen,  „an  dem 
sie  sich  bishero  auch  vergriffen  hatten",  Gnade  finden  und  das  Gut, 
das  sie  noch  zu  Ballhausen  eigentümlich  besitzen,  vom  Land- 
grafen zu  Lehen  nehmen. 

Jovius,  Chronicon  Schwartzburgicum,  V.  Teil,  Kap.  VIII  bei 
Schoettgen  et  Kreysig  I,  315  C.  D.  —  H. 

Xo.  80. 

1322  Mai  25.  Eckehardus  miles  dictus  de  Ballenhusin 
verkauft  im  Einverständnisse  mit  seinen  Erben  den  Zehnten  in 
Dorf  und  Gemarkung  Corbetha  (w.  Leipzig),  que  dari  solet  de  sex 
mansis  et  viginti  quinque  areis  insuper  et  in  deputato  viginti  duas 
sexagenas  decimarum,  dem  Kloster  Beutitz  (w.  Weißenfels).  Zeugen: 
dominus  Petrus  dictus  Porzik  miles,  Hermannus,  Heinricus,  Tammo 
dicti  de  Haldecke,  Albertus  dictus  Knut  et  al.  qu.  pl.  f.  d.  .  Datiun 
et  actum  anno  domini  millesimo  tricentesimo  vicesimo  secundo,  in 
die  Urbani  martiris  atque  pontificis  gloriosi. 

Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.  et  Script.  II,  395  No.  LXXVI. 


1)  Wolff  hält  es  für  Cannawurf  bei  Heldrungen. 

2)  von  Hagke,  Nachr.  vom  Kreise  Weißensee,  S.  315,  396  führt 
einen  ähnhchen  Vertrag  schon  zum  Jahre  1315  an. 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  307 

Das  Siegel  Eckhards  v.  B.  daselbst  abgebildet  tab.  V,  No.  56 : 
Widderhörner,  darunter  eine  Rose;  Umschr.:  SV.  Eckehardi  de 
Ballenhusen. 

No.  81. 

1824  März  8.  Hugo  von  Balnhusin  mit  seinen  Söhnen 
Apeleio')  und  Hugo  erklärt,  daß  Dietrich  genannt  Zcoph,  sein 
Lwiensmann  (feodarius),  Güter  im  Dorfe  Endeleiben  (Wüst,  bei 
Vehra),  Haus,  Hof  und  Garten  und  4  Äcker  auf  jeder  Flur  an  den 
Klosterbruder  Konrad  genannt  Isinhud.  Wirtschaftsverwalter  in 
Vehra  (sw.  WeiÜensee),  für  8  Mark  Silbers  verkauft  habe.  Das 
Eigentumsrecht  über  diese  Güter  übergiebt  Hugo  zu  seinem  Seelen- 
heile  und  aus  Liebe  gegen  Dietrich  Zcoph,  den  Bruder  Konrad  und 
das  ganze  Kloster  Pforta.  Siegler :  der  Aussteller.  Zeugen :  die  Brüder 
Hermann  und  Dietrich  genannt  von  Weringishusen,  Lutiger  Rop, 
Albert  Nacht  u.  a.  m.  Geschehen  im  Jahre  des  Herrn  1824,  fena 
quinta  post  dominicam  Invocavit,  8  Tage  vor  den  Iden  des  März. 

G.  A.  B.  Wolff,  Chronik  des  Klosters  Pforta,  II,  410. 

No.  82. 

1329  Oktober  27.  Ulrich,  Kanonikus  der  Paderbomer  Kirche, 
und  Ludolf,  Knappe,  Gebrüder  genannt  Marschalk,  beurkunden,  daß 
vor  ihnen  ihre  Blutsverwandten  Konrad  Priester  von  Osede  und  dessen 
Sohn  Werner  auf  alle  Rechtsansprüche  an  das  Cistercienser-Kloster 
Hardehausen  (bei  Paderborn)  verzichtet  haben.  Zeugen:  Bernhard, 
Pfarrer  in  Billinghausen  (Belnchosen),  Johannes  genannt  S w ar  t h en- 
berg.  Knappe,  u.  a.  —  Siegel  beider  Aussteller  abgefallen.  1829 
in  vigilia  beatorum  apostolorum  Symonis  et  Jude. 

Original  im  Staatsarchiv  Münster. 

No.  83. 

1881  Juni  24.  (an  sancti  Johanns  tage  des  teuffers).  Ritter 
Eckhard  von  Ballhausen,  gesessen  zu  Rollicz  (Markröhlitz, 
Kreis  Querfurt)  bezeugt,  daß  er  und  alle  seine  Erben,  namentlich 
sein  Vetter  Gysseler  von  Balnhusen,  mit  dem  Abte  und  Con- 
vente  von  Homburg  (bei  Langensalza)  sich  verglichen  haben  wegen 
ihrer  Ansprüche  am  Zehnten  (teczmass)  und  Gut  zu  Bothen- 
heihngen  (Kreis  Langensalza).  Nach  Empfang  von  8  Mark  lötigen 
Silbers  verzichtet  E.  v.  B.  völlig.  Das  bekräftigen  auch  durch 
Anhängung  ihrer  Siegel  seine  Ohme,  die  Gebrüder  Friedrich  und 
Apel  von  Wangenheim.  Zeugen :  er  Apel  von  Wernrode  und  sein 
Bruder  Reinhard,  er  Konrad  Schnoyse,  nerr  Albrecht  Schaff  ritter; 
Ticzel  und  Bertold  Schoff,  Heyne  Vogdt. 

Förstemann,  Urkunden  des  Klosters  Homburg,  in  den  Neuen 
Mitteilungen  aus  dem  Gb.  histor.-ant.  Forsch.  Halle  und  Nord- 
hausen 1842,  VIII,  2,  No.  54  S.  88.  —  F.  H.  A.  von  Waneenheim, 
Regesten  u.  Urk.  des  Geschl.  Wangenheim,  I.  Hann.  1857,  IL  Gott. 
1872,  I,  No.  84  S.  79.  —  H. 

No.  84. 
1334  Dezember  26.    Ritter  Dietrich  und  Knappe  Ulrich,  Ge- 


1)  So  Wolff  nach  dem  Transsumtbuche.    Im  Oridnale  wird 
wohl  Apele,  Jo.(^  Johannes)  und  Hugo  gestanden  haben. 


308  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

brüder,  und  deren  Vetter  Eitter  Heinrich  von  Weberstedt  verkaufen 
8  Malter  Boggen  und  16  Malter  Hafer  jährlich  aus  ihrem  Kaufunger 
Lehen  in  Über-Heroldshausen  (Heroldishausen,  Kreis  Langensalza) 
dem  Stifte  Kaufungen.  In  presencia  Frederici  militis  de  Weber- 
ßtede  fratris  predictorum,  Hermann!  de  Bialnhusen;  Johannis 
plebani  in  Heroldeshusen ;  Thilonis  de  Heylingen,  Gebehardi,  Hen- 
rici  dicti  Schollen  et  Dytmari  dicti  Schotten  et  aliorum. 

Herrn,  von  Eoques,  U.-B.  des  Klosters  Kaufungen.  Cassel 
L900,  I,  No.  186  S.  178. 

Nu.  85. 
1336  Januar  10.  Weißenfels.  Ritter  Eckehardus  de  Baln- 
husen  verspricht,  einen  Wald  bei  Muchele  (Mücheln  im  Kreise 
Querfurt),  den  ihm  der  Markgraf  Friedrich  von  Meißen  übertragen 
hat,  an  denselben  oder  dessen  Erben  zurückzugeben,  wenn  diese  ihm 
oder    seinen    Erben    118   Schock    Groschen    dafür    zahlen    würden. 

Datum  Wizsenuels   anno  domini  M"CCC  XXXVI»,  feria  IIIL  infra 
octavam  Epijjhanie.    Mit  anhängendem  Siegel  Eckhards  v.  B. ;  unter 
den  Widderhörnern  steht  eine  Kose.    Vgl.  Keg.  No.  80. 
Original  im  Hauptstaatsarchiv  Dresden  No.  2717. 

No.  86. 

1336  Mai  16.  Merseburg.  Hermann  von  Eeder  verkauft  dem 
Bischof  Gebhard  und  dem  Kapitel  zu  Merseburg  seinen  Auteil  an 
Schloß  Ostrau  (bei  Zeitz)  für  600  Mark.  Zeugen:  nobiles  viri  do- 
minus Henr.  de  Waidenberg,  dominus  Albertus  burgravius  de  Liznik; 
ac  honorabilis  vir  dominus  Otto  de  Diczkow  dicte  Mersburgensis 
ecclesie  scolasticus;  nee  non  famosi  viri  Thider.  vicedominus  de 
Appoldia,  Rudolf  US  de  Kanewerf  et  Ekkehardus  de  Ballen- 
husen  milites  et  qu.  [pl.]  al.  f.  d. 

Kehr,  U.-B.  des  Hochstifts  Merseburg  (Geschichtsqu.  der  Prov. 
Sachsen,  Bd.  XXXVI),  Halle  1899,  No.  912  S.  768. 

No.  87. 
1336  Juni  15.  Eitter  Friedrich  von  Weberstedt  verkauft  6  Malter 
Frucht  aus  seinen  Gütern  zu  Großen-Gottern  (so.  Mühlhausen)  und 
Ober-Heroldshausen  an  das  Stift  Kaufungen.  Presentibus  honestis 
viris  Eudolfo  Longo  de  Weberstete;  domino  Johanne  plebano  in 
Heroldeshusen  superiori;  Bertoldo  de  Guttern,  Hermanno  de 
Balnhusen,  Gebehardo -faniulo  dominorum  predictorum  et  Dyth- 
maro  famulo  domine  abbatisse  et  aliis. 

H.  V.  Eoques,  U.-B.  des  Klosters  Kaufungen,  I,  No.  192 
S.  184. 

No.  88. 
1336  November  10.  Konrad  von  Botichenrode,  Domherr  zu 
Dorla,  verkauft  dem  Deutschordenshause  in  der  Neustadt  Mühlhausen 
eine  Wiese  zu  Graba  (b.  Mühlhausen).  „Ouch  so  bekenne  ich  Gerlach 
von  Botichenrode  und  Hermann  von  Ballenhusen  min  swager 
und  Gerdrut  min  swester,  daz  der  kouf  geschehen  ist  mit  unseme 
guten  willen." 

Herquet,  U.-B,  der  Stadt  Mühlhausen,  No.  892  S.  434. 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  309 

No.  89. 

1348  Juni  10.  Erfurt.  Heinrich  Topilsteyn,  Hauptmann  -  der 
Bürger  zu  Mühlhausen,  schreibt  an  Günther  von  Herbsleben,  er 
habe  die  vier  Hufen,  die  er  in  Groß-Vargula  (ö.  Langensalza)  be- 
sessen, und  einen  Hof  an  hern  Hugis  sune  von  Balnhusen  und 
dann  an  Heinrich  von  Mehler  verkauft. 

Copiarium  nionast.  ord.  S.  Augustini  Erfordensis.  No.  165 
(Staatsarchiv  Magdeburg).  —  Herquet,  U.-B.  der  Stadt  Mühlhausen, 
No.  1001  S.  503. 

No.  90. 

1348  August  24.  Abt  Otto,  Prior  Heinrich  und  die  gesamten 
Insassen  des  Klosters  Goseck  (nö.  Naumburg  a.  d.  Saale)  bekennen: 
Der  Pfarrer  Günther  zu  (Mark-)Röhlitz  (Kreis  Querfurt)  hätte  einen 
Vergleich  gestiftet  zwischen  ihnen  und  „hern  Eckeharde  von 
Balnhusen  und  her  Marolde,  Peter  und  Friedrich  sinen 
lirödern".  Die  letzteren  sollen  bis  auf  weiteres  im  Genüsse  des  Ge- 
richts zu  .  .  .  Lancatz  (?)  bleiben;  dem  Abte  haben  sie  zwei  halbe 
Äcker  abgetreten  für  einen  Weg,  der  am  Grundbesitze  des  Klosters 
entlang  führt.  Sie  verzichten  auf  ein  Landstück  (der  gelenge,  dy 
da  lit  in  den  velde  zcu  Gotzk)  und  werden  vom  Abte  belehnt  mit 
einer  halben  Hufe,  die  vormals  Friedrich  Zehntner  hatte.  Um  2 
Hufen  dagegen,  die  ehemals  Herr  Hermann  von  Goseck  besaß,  müssen 
die  Brüder  sich  einem  Schiedsgerichte  unterwerfen.  Des  setzen  wir 
zcu  gezeugen  den  gestrengen  rither  her  Ultzen  von  Ostrowe;  und 
dy  bedirben  hite  her  Heyniche  Petzoldes  von  Haldeck,  her  Thame 
von  Uchtpritz,  her  Ernfride  von  der  Säle  met  iren  insigeln  und  andre 
frome  lute  den  noch  rae.  Ouch  henge  wi  .  .  Abtei-  und  Conventssiegel 
an  .  .  .  gegeben  noch  gotes  geburte  tusint  jähr  drihundert  jar  in 
deme  achte  und  virzcigesten  jähre,  am  sancte  Bartholome  tage  des 
heyigen  aposteln. 

J.  Mart.  Schamelius,  Histor.  Beschreib,  des  zw.  Naumb.  und 
Weißenfels  gelegenen  Benediktinerklosters  Gosegk.  Naumburg  und 
Zeitz,  1732.  S.  78.  —  H. 

No.  91. 

1349.  Eckhard  von  Balnhusen  und  seine  Brüder  haben  von 
dem  Herrn  [dem  Landgrafen  Friedrich  dem  Strengen]  in  der  Flur 
des  Dorfes  Kolicz  (Mark-Röhlitz  im  Kreise  Querfurt)  18  Hufen  und 
2  Höfe,  in  denen  sie  wohnen,  ebenso  15  gewöhnliche  Höfe  uud  8 
Acker  Holz ;  ebenso  einen  Teil  des  Lemiholzes  bei  Podelwicz  *) 
femer  das  Gericht  in  Rolicz  und  in  den  wüsten  Dörfern  Slaukar 
und  Preps;  ebenso  Holz  in  Muchele  (Mücheln  im  Kreise  Querfurt); 
in  Lunstete  (Lunstädt  im  Kreise  Querfurt)  1  Hufe,  1  Hof  und  1 
Lehn  wiese. 

Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  von  1349,  Copial  24,  fol.  41*» 
im  Hauptstaatsarchiv  Dresden,  S.  153  No.  82  in  der  demnächst 
erscheinenden  Ausgabe. 

No.  92. 

1351  September  14.    Landgraf  Heinrich  II.   von  Hessen,  sein 


1)  Podelwitz  bei  Leipzig?    Ein  anderes  liegt  bei  Grimma,   ein 
Pödelwitz  bei  Pegau  und  ein  Pödelist  im  Kreise  Querfurt. 


310  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

Sohn  Otto  und  Erben  belehnen,  auf  Bitten  ihres  getreuen  Dieners 
Johann  von  Swartzinberg,  dessen  Frau  Katnarina,  beider 
Kinder  Johann  und  Gisela,  „und  die  sie  noch  mit  eyn  gewinnin 
raügen",  und  ihre  Erben  mit  Haus  und  Hof  zu  Schwarzen berg,  worin 
Katharina  augenblicklich  wohnt,  mit  kleiner  Wiese,  Berg  und  Länd- 
chen dabei,  mit  dem  sechszehnten  Teile  des  Zehnten-  vor  der  Stadt 
Melsungen,  „daz  Swartzinberge  von  Corissenner  ledig  worden  ist", 
ferner  mit  dem  Zehnten  zu  Wendisdorf  (einer  Wüstung  nw.  Melsungen), 
mit  einer  Hufe  zwischen  Melsungen  und  Schwarzenberg,  Zcunkinhübe 
genannt  ,einer  Hufe  zu  Körle  (n.  Melsungen)  und  5  Vierteln  jährlicher 
Korngülte  in  dem  Dorfe  Krumbach  (so.  Cassel).  Güter  und  Gülte 
sollen  ein  rechtes  Lehen  sein,  zu  ewigem  Besitze,  wie  sie  Johann  v.  S. 
bisher  besessen  hat;  Haus  und  Hof  frei  vom  Dienste  und  aller  Bede. 
Siegler :  die  Aussteller ;  beide  Siegel  abgefallen.  Nach  Godis  geburt 
drutzenhundert  jar,  darnach  in  dem  ein  und  vumfzegisten  jare,  an 
des  heylgin  crucis  tage,  als  ez  erhabin  wart. 
Original  im  Staatsarchiv  Marburg. 

No.  93. 

1363  August  10.  Hermann  ßarthe  zu  Großen-Ehrich  (Schwarz- 
burg-Sondershausen) verkauft  dem  „klugen  Manne"  Herrn  Conrade 
von  Balnhusen,  Vikar  des  Altars  der  Kapelle  u.  1.  Fr.  zu  Jecha- 
burg  (w.  Sondershausen),  um  5  Mark  Nordhäuser  Pfennige  1  Markt- 
scheffel Korns  an  jährlichem  Zinse  von  10  Äckern  des  Gandersheimer 
Lehens  zu  Ehrich  und  von  einem  Acker  Eigenlandes  zu  Kranichborn 
(sw.  Sömmerda)  auf  Wiederkauf.  Nach  Cristi  geborte  drizehn  hundert 
jar,  dry  und  sechzig  jar,  an  deme  tag  sancti  Laurentii  des  heiligen 
mertirers. 

St.  AI.  Würdtwein,  Diplomataria  Moguntina,  Mainz  1788,  tom.  I, 
No.  LXXXV  S.  158. 

No.  94. 

1363  August  14.  Die  Gebrüder  Peter  und  Friedrich  genannt 
von  Ballennusen  bekennen,  daß  ihnen  ihr  Bruder  Marold  40 
Schock  schmaler  Groschen  geliehen  hat.  Sie  versprechen  Rückgabe, 
sobald  sie  gemahnt  werden.  Bürgschaft  für  die  Geldsumme  leisten : 
Hannes  Knflt  von  Hordorf  (Kreis  Oschersleben) ,  Henczil  von  der 
Vestin.  Albrecht  Knflt,  gesessen  zu  Sperge  (Spergau  ssö.  Merseburg), 
und  Eckhard  von  Kanwerf,  gesessen  zu  Dobich  (Dobichau  im  Kreise 
Querfurt).  Sollte  einer  der  4  Bürgen  sterben,  so.  wollen  Peter  und 
Iriedrich,  falls  Marold  darum  ersucht,  einen  anderen  an  die  Stelle 
des  Verstorbenen  setzen.  Ferner  bekennen  die  beiden  Aussteuer, 
„das  wir  hem  Marolde  unse  brudere  glabit  habin  vor  apt  Hanse  zcu 
Gosk  (Goseck  nö.  Naumburg  a.  d.  Saale),  das  ome  got  gnedik  si, 
das  he  unse  schulde,  dy  wi  schuldik  sin  edir  noch  schuldik  werdin, 
her  Marolt  nicht  gelde  sal;  und  was  her  hat  von  gute  eder  von  gelde, 
das  sal  her  nicht  brengin  in  dy  teylate,  wen  her  sich  von  uns  wolde 
teyle,  sundir  wi  wollen  mne  gutlich  geben  s;fn  erbeteil".  Siegler: 
die  beiden  Aussteller  und  die  4  Bürgen.  Das  erste  Siegel  fehlt,  das 
zweite  ist  beschädigt.  Gegebin  nodi  Cristi  gebort  driczcenhundirt 
jar  und  in  dem  dri  und  sechzcigisten  jare,  an  dem  heiigen  abunde 
unser  vrowen  alzu  zcu  h^mele  vur. 

Original  im  Hauptstaatsarchiv  Dresden,  No.  3728. 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  311 

No.  95. 

1363  Dezember  6.  Heinrich  von  Balnhusen  unter'den 
Ratsherren  der  Stadt  Erfurt. 

C.  Beyer,  U.-B.  der  Stadt  Erfurt.    Halle  1897,  Bd.  II,  No.  567. 

No.  96. 

1366  März  30.  Avignon.  Papst  Urban  (V.)  bestätigt  die 
Schenkung  der  Landgrafen  Heinrich  (II.)  und  Otto  von  Hessen,  die 
dem  Martinsstifte  in  Cassel  unter  anderem  das  Patron atsrecht  über 
die  Kirchen  in  Heiligenrode,  Schwarzenberg  und  Witzenhausen 
zugewandt  haben.  Datum  Avinion,  III.  Kai.  Aprilis,  poutificatus 
nostri  anno  quarto. 

Kuchenbecker,  Analecta  Hassiaca,  V,  28 — 32. 

Xo.  97. 

1366  Mai  20.  Avignon.  Bischof  Ludwig  von  Halberstadt  ordnet 
die  Ausführung  des  obigen  päpstlichen  Privilegs  für  das  Martinsstift 
an,  das  somit  in  den  Besitz  des  Patronatsrechtes  über  die  Schwarzen- 
b erger  Kirche  gesetzt  wird.  Datum  et  actum  Avi[ni]one  in  hospitio 
habitacionis  nostre,  sub  anno  a  nativitate  domini  millesimo  trecen- 
tesimo  sexagesimo  sexto,  indict.  quarta,  die  vicesima  mensis  Mail, 
pontificatus  sanctissimi  in  Christo  patris  et  domini  nostri  Urbani  di- 
vina  Providentia  pape  quinti  anno  quarto. 

Kuchenbecker,  Anal.  Hass.,  V,  32 — 37. 

No.  98. 

1367  August  23.  Das  Kapitel  zu  Jechaburg  verfügt  über  ein 
Gehöft,  das  von  einem  Vikare  bewohnt  wird.  Zeugen :  Theod.  de  Wertere, 
Heinr.  de  Melhusen  et  Conrad,  de  Balnhusen  dicte  nostre  ecclesie 
vicariis  et  al.  pl.  testibus  f.  d.  Datum  anno  domini  MCCCLXVII, 
in  vigil.  s.  Bartholomei  apostoli. 

Würdtwein,  Dipl.  Mogunt.,  I,  No.  XC  S.  168. 

No.  99. 

1372  Oktober  21.  Johann  von  Swartzinberg  bekennt 
für  sich  und  seine  Erben,  daß  damals,  als  Landgraf  Heinrich  (II.) 
und  sein  Sohn  Otto  sei.  das  Kirchlehen  des  Dorfes  Schwarzenberg 
mit  den  Kirchen,  die  dazu  gehören,  dem  Martinsstifte  auf  der  Frei- 
heit zu  Cassel  gegeben  hätten,  er  (Johann)  zum  Heile  seifier  Eltern 
und  seiner  eigenen  Seele  seine  Einwilligung  erteilt  habe.  Er  ver- 
zichtet also  auf  sein  bisheriges  Anrecht  an  dem  erwähnten  Kirchlehen 
in  diesem  Briefe,  der  gegeben  ist  noch  Christi  geburd  drytzenhundirt 
jar,  dor  noch  in  deme  tzwey  und  sibbintzigisten  jare,  an  deme  nehsten 
donnerstage  noch  sente  Gallen  tage,  imder  myme  ingesigel.  .  . 

Kuchenbecker,  Anal.  Hassiaca,  V,  45. 

No.  100. 
1376  März   13.     Heinrich  von  Balnhusin  und  Thele, 
dwisen  Frau,  verkaufen  den  Kram  zu  den  „affin  an  der  Strasse  gelegen 
mit  alle  dem  gemache"  an  Konrad  von  Aldindorf  und  Margaretne, 
dessen  Frau. 

Beyer,  U.-B.  der  Stadt  Erfurt,  II,  No.  769. 


312  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

Ko.  101. 

1379  September  2.  Cassel.  Ritter  Walther  von  Hundeishausen 
der  Jüngere  bekennt,  vom  Landgrafen  Hermann  von  Hessen  10  Mark 
Geldes  jährlichen  Zinses,  je  für  eine  Mark  56  Schillinge  Pfennige 
Casselscher  Währung  zu  rechnen,  als  Mannlehen  erhalten  zu  haben. 
Die  Summe  soll  der  jedesmalige  Amtmann  oder  Schultheiß  zu  Mel- 
sungen  dem  Ritter  am  Walpurgistage  auszahlen  und  zwar  aus  den 
Einkünften  des  Gerichtes  und  Gutes  und  den  Gefällen  zuSchwarzen- 
berg,  und  erst  wenn  diese  nicht  reichen,  aus  den  Gefällen  des  Ge- 
richtes Melsungen.  Der  Zins  ist  ablösbar  für  100  Mark,  die  dann 
aber  wieder  in  Lehngut  angelegt  werden  müssen  ^) .  ...  an  fri- 
tage  nest  nach  sente  Johanis  tage,   als  yme  sin  houbit  abe  geslagen 

wart,  anno  domini  millesimo  COC  septuagesimo  nono. 
Original  im  Staatsarchiv  Marburg. 

No.  102. 

1880  März  24.  Graf  Heinrich  von  Schwarzburg,  Herr  zu 
Leutenberg,  belehnt  die  Erfurter  Bürger  Hans  und  Härtung  von 
Drevorte  und  Heinrich  von  Ballenhusen  mit  4^  Hufen  Lan- 
des zu  Süntremde,  nachdem  die  bisherigen  Inhaber,  Ritter  Hart- 
mann von  Holbach,  Reinhard  von  Holbach  und  Hartmann  Vitztum, 
dieselben  vor  ihm  aufgelassen  hätten. 

Beyer,  U.-B.  der  Stadt  Erfurt,  II,  No.  826. 

Xo.  103. 
1385  Juli  29.  Fritzlar.  Erzbischof  Adolf  I.  von  Mainz  nimmt 
Helffrich  Swartzenbergund  dessen  Lehenserben  für  die  Dienste, 
die  er  (Helfrich)  dem  Mainzer  Erzstifte  geleistet  hat  und  noch  leisten 
wird,  zu  Mannen  und  Burgmannen  auf  dem  Bischofssteine  (bei 
Groß-Bartloff,  s.  Heihgenstadt)  an.  Dort  sollen  sie  eine  „Hobestat" 
(Herrenwohnung)  bauen  zu  ihrem  Burglehen.  Sowie  der  Landgraf 
von  Hessen  Helfrich  an  Lehen-  oder  Eigengütern  Unrecht  thut,  und 
Helfrich  oder  seine  Erben  erlangen  die  Güter  zurück,  so  sollen  sie 
dieselben  nebst  200  Gulden  dem  Stifte  zu  Lehen  auftragen  und  für 
immer  als   Mainzisches  Lehen   behalten.    Datum  Fritzlare  sabbato 

Eost  diem  sancti  Jacobi  apostoli,  anno  domini  miUesimo  trecentesimo 
.XXX  quinto. 

Mainzer  Ingrossaturbuch  Adolf  L,  Lib.  II,  No.  10  S.  353.' 
Kreisarchiv  Würzburg.  —  Angeführt  von  Friedensburg  in  der  Zeit- 
schrift f.  hess.  Gesch.  N.  F.  XI,  138. 

No.  104. 

1385  Juli  29.  Helfrich  von  Schwarzenberg  stellt  dem 
Erzbischof  Adolf  I.  von  Mainz  einen  Revers  desselben  Inhaltes  aus. 

Liber  registri  Utterarum  ecclesiae  Moguntinae  No.  6  S.  172  r. 
Kreisarchiv  Würzburg.  —  Angeführt  von  Friedensburg  in  der  Ztschr. 
f.  hess.  Gesch.  N.  F.  XI,  138. 


1)  Später  (vor  1384  Okt.  27.)  wurde  W.  v.  H.  der  Lehen  zu 
Ermetsassen  (Harmuthsachsen,  Kr.  Witzenhausen),  Milsungen  und 
Swartzinberg  durch  ein  Lehending  verlustig  erklärt.  Datum- 
loser Brief  des  Ldgr.  Hermann  an  die  St.  Göttingen  (im  Stadtarchiv 
Göttingen.) 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  313 

yo.  105. 

1392  Januar  5.  Konrad  Langirman  und  Kunne,  dessen  Frau, 
schenken  dem  Georgs-Hospital  zu  Melsungen  (an  der  Fulda)  zwei 
Stücke  Landes.  Siegler:  Junker  Helfrich  [von  Schwarzen- 
berg].  Siegel  anhängend  (vgl.  Tafel  II  Fig.  4).  Gegeben  nach  Christi 
i,'eburt  dryczenhundirt  in  denie  zwey  und  nuynczigstem  jare  an  deme 
tzwelften  obinde. 

Original  im  Staatsarchiv  Marburg  (Stadt  Melsungen). 

No.  106. 

1417  April  13.  Helfrich  Swarcenberg  überläßt  dem  Land- 
grafen Ludwig  I.  von  Hessen  Gericht  und  Dorf  Schwarzenberg  und 
andere  Güter,  die  daselbst  und  im  Gerichte  Melsungen  liegen,  und 
verspricht  die  Rückgabe  der  [Lehen-JBriefe,  die  keine  Gültigkeit  mehr 
haben  sollen.  Siegler:  der  Aussteller.  Siegel  fehlt  ...  feria  tertia 
post  festum  Paschae. 

Original  (kaum  noch  lesbar)  im  Staatsarchiv  Marburg. 

No.  107. 

1420  Oktober  5.  Heihgenstadt.  Erzbischof  Konrad  von  Mainz 
belehnt  seinen  lieben  Getreuen  Helffrich  von  Swartzenberg 
imd  dessen  Leibes-Lehenserben  mit  zwei  Hufen  zu  Bartdorff  (offen- 
bar Groß-Bartloff)  unter  dem  [Bischofs-]Steine  (Kreis  Heiligenstadt), 
einer  Hufe  zu  Litterichshusen ')  und  5  Gulden  Geldes  zu  Schnell- 
inannshausen  (n.  Kreuzburg  a.  d.  Werra),  die  der  Provisor  Ludwig 
von  Bynsffort  und  dessen  Bruder  Andreas  inne  gehabt  haben,  zu 
rechtem  Mannlehen.  Helfrich  hat  ilim  den  Lehenseid  geschworen. 
Sollte  er  noch  mehr  Lehen  erhalten,  hat  er  sie  binnen  eines  Viertel- 
jithrs  bei  seinem  Eide  zu  empfangen  und  „beschrieben  zu  geben". 
Siegler:  der  Aussteller.  Siegel  anhängend.  Datum  Heilgenstad  sab- 
Ijato  die  post  diera  beati  JVlichaelis  archangeli  anno  domini  millesimo 
CCCC"*  vicesimo. 

Original  im  Staatsarchiv  Marburg. 

B.  ISTamensvetterii. 

1.  Schalun  und  Struz. 

No.  108  (1). 

1216  Juli  20.  Erzbischof  Albert  von  Magdeburg  und  Bischof 
P^khard  von  Merseburg  errichten  eine  Sühne  zwischen  dem  Mark- 
trrafen  Dietrich  von  Meißen  und  der  Stadt  Leipzig.  Unter  den 
Zeugen:  Heinricus  Struz. 

Cod.  dipl.  Saxoniae  regiae,  II,  8  (Urkunden  der  Stadt  Leipzig),  2 
No.  3.  —  Vgl.  auch  Regest  No.  14  (1166  August  20.),  worin  Hein- 
ricus Struz   dicht  vor  Konrad   von  Ballhausen   angeführt  wird. 

1)  Wüstung  Lutereckshusen  ?  Letztere  lag  im  Luttergrunde 
bei  Groß-Bartloff  (w.  Mühlhausen).  Wenige  Tage  früher  fam  26.. Sept.) 
hatte  der  Erzbischof  die  Gebrüder  von  Ershausen  mit  16  Äckern 
zu  Lutereckshusen  belehnt.  Joh.  Wolf,  Polit.  Gesch.  des  Eichs- 
feldes, I,  Urk.  No.  99. 

XXL  21 


314  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

Xo.  109  (2). 

1220  [vor  November  10].  Abt  Ludwig  von  Hersfeld  überläßt 
mit  Einwilligung  seines  ganzen  Konventes  und  Kapitels  dem  Kloster 
Pforte  gegen  Zahlung  von  40  Mark  und  einen  jährlichen  Zins 
11 J  Hufen  in  Vehra  (sw.  Weißensee).  Dfiese  Hufen  trugen  ur- 
sprünglich die  Grafen  Albert  und  Hermann  .  von  Orlamünde  von 
Hersfeld  zu  Lehen,  von  jenen  wieder  Graf  Lampert  von  Gleichen, 
von  dem  letzteren  Heinrich  Schalun  und  von  dem  mehrere 
andere.  Durch  Heinrich  Schalun  hatte  aber  der  Hof  des  Klosters 
Pforte  in  Vehra  schwere  Belästigungen  zu  erleiden.  Darum  kaufte 
Abt  Winemar  von  Pforte,  um  für  den  Frieden  der  Öeinigen  zu 
sorgen,  den  Grafen  von  Orlamünde  die  11|  Hufen  für  250  Mark  ab. 

P.  Boehme,  U.-B.  des  Klosters  Pforte,  S.  111  No.  85. 

No.  110  (3). 

1233  Januar  7.  Mittelhausen  ^).  Heinrich  Raspe,  Landgraf  von 
Thüringen,  bekundet  einen  Vergleich  zwischen  seinem  Ministerialen, 
ßitter  Everher  von  Weißensee,  und  dem  Kloster  Pforte  über  einen 
Damm  in  der  Unstrut  und  streitigen  Grundbesitz  in  Vehra  (sw. 
Weißensee).  Zeugen :  .  .  .  (Geistliche) ;  comes  Albertus  de  Cletten- 
berc,  Albero  de  Vipeche,  Theodericus  de  Vipeche,  Heinricus 
Scalun,  Albertus  de  Ebeleiben,  Burchardus  de  Bruchtirde,  Hein- 
ricus de  Cranisburne,  Cunradus  de  Unrowe  et  al.  qu.  pl. 

P.  Boehme,  U.-B.  des  Klosters  Pforte,  S.  130  No.  104. 

No.  111  (4). 

1234.  Graf  Heinrich  von  Schwarzburg  und  dessen  Söhne 
Heinrich  und  Günther  bestätigen  einen  Vertrag  zwischen  dem  Kloster 
Georgen thal  (w.  Ohrdruf)  und  den  Einwohnern  von  Udestedt  (nö. 
Erfurt)  über  Zinsen,  Weide  u.  s.  w.  Zeugen :  Heinrich  Abt  zu 
S.  Peter  in  Erfurt ;  Albert  Graf  von  Wihe,  Hermann  von  Vippach 
und  sein  Bruder,  Heinrich  Scalun,  Ludwig  und  Hermann  von 
Meldingen. 

W.  Rein,  Ungedruckte  Regesten  zur  Gesch.  v.  Weimar,  Jena, 
Erfurt  und  Umgegend,  in  der  Zeitschr.  f.  thüring.  Gesch.,  Jena  1863, 
V,  240. 

No.  112  (5). 

1235,  Stotternheim.  Ludolf  v.  G.  Gn.  Vogt  in  Stotternheün 
(n.  Erfurt),  VoLmars  Sohn,  überläßt  mit  seiner  Mutter  Helburgis 
und  seinem  Bruder  Heinrich  zusammen  dem  Kloster  Georgenthal 
zwei  Mark  Zins  in  Stotternheim,  eine  Wiese  und  ein  Feld  bei  Bark- 
hausen (zw.  Stotternheim  und  Udestedt).  Zeugen:  Heinrich  der 
Jüngere  von  Rosla,  Giseller  von  Tulstete,  Theoderich  von  Vippach 
und  sein  Bruder  Hermann ,  Heinrich  Scalun,  die  Gebrüder 
Heinrich  und  Gerhard  von  Stuternheim. 

W.  Rein,  Ungedr.  Regesten,  in  der  Zeitschr.  f.  thür.  Gesch. 
V,  240. 


1)  in  placito  provinciali;  Mittelhausen  liegt  nö.  Erfurt. 


zur  Geschichte  derer  von  Baienhuaen.  '315 

No.  113  (6). 

1246.  Graf  Heinrich  von  Velseck  (aus  dem  Hause  der  Grafen 
von  Gleichen)  bezeugt,  daß  Hartungus  et  Henricus  de  Swegerstete 
nostre  proprietatis  noraines  dem  Kloster  Reifenstein  (Eichsfeld; 
zwei  Gärten  in  Schwerstedt  (Kreis  Weißensee)  verkauft  haben.  Zeugen : 
Henricus  Schallun  de  Ballenhusen,  Siffridus  frater  eius, 
C  onradus  Ruf  US  de  Ballenhusen,  Conradus  filius  advocati 
ibidem;  Conradus  plebanus  de  Swegerstete;  Henricus  iuxta  Viale, 
Widoldus  et  filius  eius,  Theodericus  Papa  et  frater  eius  et  ceteri 
qu.  pl. 

Joh.  Wolff,  Eichsfeldisches  U.-B.,  Gott.  1819,  No.  VI  «.  6. 
—  H. 

No.  114  (7). 

1263.  Eberher  von  Salza  bekundet,  daß  nach  Vermitteiung  der 
Schiedsrichter,  domini  Theoderici  de  Vibeche,  domini  Gisilheri  de 
Tullestethe  milituni,  fratris  Heinrici  de  Libenstete,  fratris  Heinrici 
magistri  in  Vher  conversorum  de  Porta,  domini  Ludolfi  de  Stutirn- 
heim,  dommi  Heinrici  de  Gruningen,  domini  Theoderici  Meys  de 
AVissensehe,  domini  Heinrici  Schalun  de  Ballinhusen  militum 
et  Johannis  de  Sprech  magistri  forensis  in  Wissense,  das  Kloster 
Pforte  ihm  und  seinen  Geschwistern  10  Mark  für  die  streitige 
Fischerei  in  der  Unstrut  bei  Vehra,  für  ein  Weidicht  daselbst  und 
zwei  Wiesen  in  der  Flur  von  Straußfurt  (Kr.  Weißensee)  bezahlt 
habe. 

P.  Boehme,  U.-B.  des  Klosters  Pforte,  No.  173  S.  190. 

No.  115  (8). 

1266  April  3.  Landgraf  Albrecht  von  Thüringen  bekundet  den 
Vergleich,  den  die  Anordnung  der  (in  dem  vorigen  Regest  be- 
nannten) Schiedsrichter,  u.  a.  des  Ritters  Heinrici  Shalun  de 
Ballinhusen,  herbeigeführt  hat,  sowie  noch  eine  weitere  Ver- 
einbarung. 

P.  Boehme,  U.-B.  des  Klosters  Pforte,   No.  190  S.  203.  —  H. 

No.  116  (9). 

1266  nach  November  4.  Abt  Albero  und  der  Konvent  des 
Klosters  Pforte  einerseits  und  Eberher  von  Salza  andererseits  ver- 
pflichten sich  auf  die  zwischen  ihnen  geschlossenen  und  vom  Land- 
frafen  Albrecht  bekundeten  Vergleiche.  Darin  wird  wieder  das 
Schiedsgericht  des  Ritters  Heinrici  Schalun  de  Ballenhusen 
und  der  übrigen  erwähnt. 

P.  Boehme,  U.-B.  des  Klosters  Pforte,  No.  193  S.  207. 

No.  117  (10). 

1291  Januar  13.  Heusdorf  (bei  Apolda).  Dietrich  der  Ältere 
Schenk  von  Apolda  verzichtet  mit  seinen  Söhnen  auf  die  Vogtei 
des  Klosters  Heusdorf.  Unter  den  Zeugen:  Gothefridus  dictus 
Roithe,  Cunradus  dictus  Struiz  dyacones. 

W.  Rein,  Thuringia  sacra.  Weimar  1865,  II,  178  No.  158. 

21* 


316  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

No.  118  (11). 

1291  April  26.  Heusdorf.  Eitter  Heinrich  von  Ischerstete  ge- 
nannt von  Lesten  bekundet,  daß  er  ein  Viertel  der  Mühle  in  Wicker- 
stedt  und  einen  Hof  dem  Kloster  Heusdorf  verkauft  hat.  Zeugen : 
socer  noster  Bertoldus  de  Gruzen;  .  .  Gothefridus  dictus  Roite  .  . 
sacerdotes;  Conradus  Struiz  dyaconus  etc.. 

W.  Rein,  Thuringia  sacra,  II,  179  No.  160. 

\o.  119  (12). 

1291  Mai  28.  Heusdorf.  Stiftung  eines  ewigen  Lichtes.  Unter 
den  Zeugen:  .  .  .  Gothefridus  dictus  Koite  sacerdotes;  Cunradus 
dictus  Struiz  dyaconus. 

W.  Rein,  Thuringia  sacra,  II,  180  No.  161. 

?io.  120  (13). 

1297  Dezember  14.  Sangerhausen.  Hedwig,  Witwe  des  Ritters 
Gozwin  zu  Sangerhausen,  entsagt  ihren  Ansprüchen  auf  zwei  Hufen 
zu  Fröramstedt  (nw.  Weißensee),  die  ihr  verstorbener  Bruder  dem 
Deutschen  Hause  in  Griefstedt  (nö.  Weißensee)  gegeben  hatte.  Unter 
den  Zeugen:  Henri cus  dictus  Schalün. 

Wyss,  Hessisches  U.-B.  (Publ.  aus  Preuß.  Staatsarch.,  III.  Bd.) 
I,  475  No.  632. 

lüo.  121  (14). 

1302  Juli  26.  Die  Gebrüder  Heinrich  und  Konrad  genannt 
Struz  de  Ballinhusen  verzichten  auf  ihre  Ansprüche  an  das 
Kloster  Volkenrode  und  dessen  personas.  Unter  den  Zeugen :  .  .  . 
milites;  Heinricus  dictus  Scnalün. 

Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.  et  script.,  I,  782.  —  H. 

No.  122  (15). 

1314  (1313?)  November  23.  Graf  Heinrich  von  Beichlingen 
urkundet  für  das  Kloster  Volkenrode.  Zeugen:  dominus  Bruno 
sacerdos  vicarius  in  Swerstete,  Henricus  et  Theodericus  fratres 
de  Balnhusen  dicti  Schalun^). 

Schoettgen  et  Kreysig,  Dipl.  et  script.  I,  789. 

No.  123  (16). 

1341  Dezember  21.  (in  die  sancti  Thome  apostoli).  Die  Brüder 
Heinrich  und  Friedrich,  Herren  zu  Salza,  überlassen  dem  Abte 
Hermann  zu  Homburg  (bei  Langensalza)  und  seinem  Kloster  |  Hufe 
in  SchÖnstedt  zu  eigen,  die  Beringer  von  Weberstedt  von  ihnen  zu 
Lehen  trug  und  jetzt  an  das  Kloster  verkauft  hat.  Zeugen :  Johann 
Propst  des  Nonnenklosters  zu  [Langen-] Salza,  Berthous  Vikar  auf 
dem  Berge  daöelbst,  Burkhard  von  Hauenthal;  Dietrich  Schalun, 
Rektor  daselbst. 

Förstemann,  Urkunden  des  Klosters  Homburg,  in  den  Neuen 
Mitteilungen  aus  dem  Gebiete  histor.-antiqu.  Forschungen  VIII,  2, 
No.  104  S.  101. 


1)  Vgl.  auch  Regest  No.  84  (1334  Dez.  26.)  Henrici  dicti 
Schollen. 


zur  Geschichte  derer  von  BaleohuseD.  317 

2.  Die  von  Ballenhausen  im  Leinegau. 
Xo.  124  (1). 

1135  Januar  G.  Der  Freie  Azo  übergiebt  im  Einverständnisse 
mit  seinen  Erben  der  Kirche  in  Reinehuson  (so.  Göttingen)  drei 
Hufen  und  ein  Grundstück  mit  Gebäuden  imd  aller  Nutzung  in 
Wiesen  und  Wäldern,  in  Dorf  und  Feldmark  Ballenhuson  (s. 
Göttingen).  Er  stellt  die  Bedingung,  daß  er  von  demselben  Allode 
das  Notwendige  an  Kleidung  erhält,  während  die  Kirche  zu  seinem 
Lebensunterhalte  zwei  Pfründen  hinzufügt,  nämlich  die  eines  Mönches 
und  die  eines  Chorknaben  'j.  Keine  weltliche  Person  darf  jemals  das 
Landgut  zu  Lehen  empfangen,  sondern  es  soll  nur  zum  Nutzen  der 
Klosterbrüder  dienen,  sonst  fällt  es  den  Erben  anheim,  und  die 
Schenkung  ist  nichtig.  Siegler:  Reinhard,  1.  Abt  des  Klosters  ß. 
Siegel  anhängend.  Zeugen :  Keinhardus  primus  abbas  cum  fratribus 
siüs  Reinboldo,  Sigibodon[e],  Jezelino,  Svmone,  Alboldo  et  ceteris; 
laicorum  verum  nomina  sunt  hec:  überi  ünoco,  Thechenhardus, 
Helmwicus,  Heremarus;    ministeriales  Aekbertus,   Hardwicus*)  cum 

alüis  multis.    Acta  sunt  hec  anno  dominice  incarnationis  MCXXXV, 

VIII.   Id.   lanuarii,  indictione  xiii,  regnante    piissimo   imperatore 

Lothario,  anno  regni  eins  XI,  imperii  vero  III,  domino  Adelberto 
archiepiscopo. 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover  (Kloster  Reinhausen  No.  1). 
Vielfach  abweichend  bei  Scheidt,  Vom  hohen  und  niedern  Adel, 
Mantissa  documentorum,  Hann.  1755,  ö.  304  No.  XXX.  —  H. 

No.  125  (2). 

1151  (vor  September  1.)  In  comecia  cognati  nostri  Wickeri  in 
pago  Marprachtissm ').  Erzbischof  Heinrich  I.  von  Mainz  belehnt 
den  Grafen  Hermann  von  Winzenburg  mit  dem  von  dem  Grafen 
erbauten  Schlosse  Schonenberg.  Zeugen :  .  .  .  (GeistUche) ;  de  laicis : 
Heinricus  comes  Hassie,  comes  Wickerus  de  Horeburg  et  frater 
eins  Gotfridus  de  Ameneburg,  Boppo  comes  de  Riehen  bach,  Adelbertus 
comes  de  Eberstein,  Arnolaus  üe  Hagenawe,  Sigebodo  de  Scowen- 
burg,  Dudo  prefectus  de  Rusteberg  et  Gebehardus  frater  eins; 
RetSerus  comes  de  Insula,  Boppo  de  ßlanckenburg,  Heinricus  comes 
deßodenburg,  Widekindus  advocatus  de  Minden,  Heroldus-de  Bornen, 


1)  Original:  .  .  quatenus  ab  Scheidt:  quatenus  ab  eodem 

eodem  allodio  necessaria  sui  vesti-  allodio  necessaria  sui  vestitus  ac- 
tus accipiat,  additis  ab  ec-  cipiant  milites  domini,ab  ec- 
clesia  ad  victum  suum  duabus  clesia  caetera  ad  victum  suum 
prebendis ,  monachi  videlicet  ac  cum  caeteris  praebendis  mo- 
pueri.  nachis  videlicet  ac  pueris  depu- 

ten  tur. 
Scheidt  hat  offenbar  eine  zu  Gunsten  des  Klosters  verfälschte 
Abschrift  benutzt. 

2)  Die  beiden  letzteren  Namen  fehlen  bei  Scheidt. 

3)  Harburg,  nach  dem  sich  Graf  Wicker  nannte,  lag  bei  Breiten- 
Worbis  (Eichsfeld). 


318  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

Heroldus  de  Roden  .  .  .  Wernherus  de  Hersethe,  Reinhardusde 
Ballinhusen;   de  ministerialibus :   Wernherus   dapifer  .  .  ,  Udal- 
ricus  de  Eusteberg,  Reinbodo  de  Pingwia  et  compl.  al. 
Codex  dipl.  Saxoniae  regiae  I,  2,  No.  22§. 

Xo.  126  (3). 

[Um  1152*)],  Unoco  de  Ballinhuson  leiht  dem  Grafen 
Poppo  von  Blankenburg  vier  Mark,  mit  der  Bestimmung,  daß  die 
Summe  dem  Kloster  Reinhausen  zurückgezahlt  würde. 

Reinhardt  Reinehusensis  abbatis  opusculum  de  familia  Rein- 
hardi  episcopi  Halberstadensis  bei  Leibnitz,  Scriptores  rer.  Bruns- 
vicensium,  Hann.  1707,  I,  704. 

No.  127  (4). 

1189.  Erzbischof  Konrad  von  Mainz  nimmt  Kloster  Weende 
(n.  Göttingen)  in  seinen  Schutz.  Zeugen :  .  .  .  (2  Pfalzgrafen  und  Geist- 
liche); langravius  de  Bavaria  (!),  Albertus  comes  de  Eversten,  Sege- 
bodo de  Scartfelde,  Bernhardus  et  Godescalcus  de  Plesse,  Hermannus 
et  Bernhardus  de  Rothe,  Thidericus  de  Gladebike,  Hermannus  ad- 
vocalus  de  Grona,  Hildebrandus,  Elvericus  de  Uslere,  Heinricus  et 
Helwicus  de  Bodenhusen ;  ministeriales :  Hetheinricus  et  Helwicus 
de  Rusteberge,  Conradus  et  filii  eins  duo  Conradus  et  Helwicus, 
Conradus  de  Berkeveide,  Othelricus  de  Rusteberge,  Johannes  de  Lüt- 
tere, Hartmannus  et  Conradus  fratres  de  Rorberghe,  Otto  de 
Ballenhusen,  Meinhardus  et  Heinricus  de  Rostorp  et  al.  qu.  pl. 

Cod.  dipl.  Saxoniae  reg.  I,  2,  No.  549  S.  378.  Wie  Posse  hier 
näher  ausführt,  ist  die  Urkunde  eine  Fälschung.  Die  Zeugen  sind, 
wie  ich  hinzufügen  möchte,  aus  verschiedenen  Urkunden  zusammen- 
gesucht und  dabei  Freie  und  Ministerialen  durcheinander  gewürfelt: 
Hartmann  von  Rohrberg  ist  noch  1196  unter  den  Edlen  (Dobenecker, 
Reg.  Thur.  II,  No.  1013),  ein  Otto  von  Ballenhausen  noch  im 
13.  Jahrh.  (vergl.  weiter  unten).  Da  sich  aber  auch  andere  von  den 
Zeugen  um  diese  Zeit  nachweisen  lassen,  z.  B.  Heinrich  von  Boden- 
hausen und  Konrad  von  Berkefeld  1189 ,  Johannes  von  Luterahe 
1175  (Stumpf,  Acta  Mog.  87),  Udalrich  von  Rusteberg  1151,  Graf 
Albert  von  Everstein  1184,  1187,  1194,  Heidenreich  und  Helmwig 
von  Rusteberg  1171,  Konrad  von  Rohrberg  ca.  1201,  so  ist  an- 
zunehmen, daß  auch  ein  Otto  von  Ballenhausen  um  1189  gelebt  hat. 


1)  Graf  Poppo  von  Blankenburg  kommt  im  vorigen  Regest 
(1151)  vor,  auch  in  Urkunden  des  Klosters  Homburg  von  1143 
(Förstemann,  Urk.  des  Klosters  Homburg,  in  den  Neuen  Mitteil.,  VII, 
4,  S.  43  No.  3;  S.  54  No.  16);  ferner  1158  (v.  Spilcker,  Grafen  von 
Everstein,  U.-B.  S.  19  No.  XV)  u.  s.  w.  Seine  Bedrückungen  des 
Klosters  Reinhausen  können  aber  erst  1152  nach  der  Ermordung  des 
mächtigen  Grafen  Hermann  von  Winzenburg  begonnen  haben.  Und 
1168  fand  das  Kloster  noch  einen  stärkeren  Schützer  an  Heinrich 
dem  Löwen.  Eine  Zeit  lang  vor  1168  muß  Unoko  das  Geld  un- 
bedingt verliehen  haben. 


ztir  Greschichie  derer  von  Baleühusen.  319 

No.  128  (5). 

1221  Juli  25.  Erfurt.  Erzbischof  Siegfried  von  Mainz  stellt 
eine  Urkunde  für  das  Kloster  Hilwartshausen  aus.  Zeugen :  .  .  . 
(Geistliche) ;  comes  Lambertus  in  Glichen,  Gerhardus  de  Eppenstein, 
Fridericus  de  Kelberouwe,  Heinricus  de  Metze,  Terricus  viceaominus 
de  Ringeiderode,  Terricus  vicedominus  de  Apolde,  Helewicus  de 
Reinoldeshusen,  Bertoldus  de  Geismaria,  Heinricus   deBallen- 

husen.    Datum  Erford  anno  gracie  MCCXXI,  Id.  luHi,  pontificatus 
vero  nostri  anno  XX. 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover  (Hilwartshausen  23). 

No.  129  (6). 

1225.  Eine  Urkunde  des  Abtes  N.  *)  von  Reinhausen  wird  be- 
zeugt durch:  Helmwicus  senior  de  Bodinhusen,  Thegenhardus  filius 
eius,  Bertoldus  Cozel  (?),  Henricus  de  Ballenhusen,  Henricus 
Picus,  Thidericus  de  Lengethe  milites. 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover  (Reinhausen). 

No.  130  (7). 

[Um  122ö.  jedenfalls  vor  1239  Mai  27.]").  Uslar.  Otto  von 
Balenhusen  und  seine  Ehefrau  verkaufen,  unter  Zustimmung 
ihrer  Söhne  Hermann  und  Thietmarus  und  anderer  ihrer  Mit- 
erben, für  120  Mark  ihr  Gut  Sedemanneshusen  [Settmarshausen  sw. 
Göttingen)  an  das  Kloster  Amelunxborn.  Dieses  Kaufgeschäft  ist 
bestätigt:  comite  Alberto  iuniore  comitiam  tenente  et  iudicio  ibi 
presidente.  Den  Zehnten  von  dem  Rodelande  (novali),  das  dem  Kloster 


1)  Abt  Heinrich  von  R.  kommt  schon  um  1201  (Dobenecker, 
Reg.  Thur.  II,  No.  1211)  und  noch  1220  vor.  In  der  letzteren  Urk. 
erwähnt  er  unter  den  Klostergütern:  in  Ballenhusen  marcam  in 
decima.     Or.  im  St.A   Hannover. 

2)  1239  Mai  27.  Erfurt,  bekundet  Erzbischof  Siegfried  von 
Mainz,  daß  die  Grafen  von  Everstein  den  Zehnten  des  Dorfes  Sith- 
manneshusen,  den  sie  von  Mainz  zu  Lehen  hatten,  in  die  Hände 
des  Erzbischofs  zurückgegeben  haben.  Der  letztere  überträgt  den 
Zehnten  dann  dem  Kloster  Amelunxborn,  auf  Bitten  Hermanns  von 
Uslar,  der  zur  Entschädigung  der  Mainzer  Kirche  zwei  Hufen  in 
Dransfeld   anweist   und   als   Lehen   zurückerhält.     Datum    Erfordie 

0  0  o 

anno  M  CG  XXX  Villi,  Kai.  lunii,  pontificatus  nostri  anno  nono. 
Falke,  Cod.  trad.  Corb.,  S.  866.  —  Hermann  und  Ernst  von 
Uslar  kommen  u.  a.  in  Urkunden  von  1222,  1233,  1235  vor.  Falke, 
S.  781,  860,  900.  Ein  Graf  Albert  von  Everstein,  dessen  Vater 
ebenfalls  Albert  hieß,  wird  1226  genannt  (v.  Spilcker,  Grafen  von 
Everstein,  U.-B.  S.  56  ff.).  Er  fehlt  schon  1230  in  der  Reihe  seiner 
Brüder,  weil  er  in  den  geistlichen  Stand  getreten  war.  Freilich  wird 
1255  ein  anderer  Albert ,  der  1240  zuerst  vorkommt,  ausdrücklich 
Albertus  iunior  genannt.  Dieser  kann  hier  aber  nicht  in  Betracht 
kommen.     Vgl.  No.  131  (8). 


320  Auszüge  ans  Urkunden  und  Chroniken 

mitverkauft  ist,  trug  ein  gewisser  Ritter  Johann  von  Settmarshausen  ^) 
von  dem  vorgenannten  Otto  zu  Lehen  und  verzichtete  jetzt  darauf 
für  9  Mark.  Den  Zehnten  von  dem  Gute  selbst  (predio)  trugen  die 
Brüder  Heinrich  und  Berthold  von  Bertoldeshusen  zu  Lehen  und 
verkauften  nun  denselben  für  19  Mark  an  das^  Kloster  und  verzich- 
teten darauf  ihrem  Lehnsherrn  Hermann  von  Uslar  gegenüber. 
Facta  sunt  hec  Uslarie  coram  Hermanne  et  Ernesto  et  clerico  par- 
rochle  et  qu.  pl.  al.  Hermannus  vero  de  Uslaria  solo  divine  remu- 
nerationis  intuitu  pro  remedio  anime  sue  comitibus  de  Everstene, 
a  quibus  in  beneficio  tenuerat,  resignavit. 

Amelunxborner  Copialbuch  VII  B.  111  fol.  19  im  Landes- 
hauptarchiv  Wolfenbüttel. 

No.  131  (8). 

[Vor  1227  Juni  24')].  Landgraf  Ludwig  (IV.)  von  Thüringen, 
Pfalzgraf  von  Sachsen,  macht  die  Beilegung  des  folgenden  Streites 
bekannt.  Ein  Gut  Siddemanneshusen  (Settmarshausen  sw.  Göttingen), 
das  die  Kirche  zu  Amelunxborn  (zwischen  Eimbeck  und  Holzminden) 
von  dem  Freien  Otto  von  Balinhusen  und  dessen  Söhnen  mit 
Einwilligung  ihrer  Erben  gekauft  hatte,  gab  sie  dem  Geistlichen 
Berthold  als  Entschädigung  für  eine  Schenkung,  die  diesen  gereute. 
Dem  Geistlichen  wurde  aber  das  Gut  durch  den  Eitter  Ludwig  von 
Eorinberg,  der  ein  Erbrecht  darauf  zu  haben  behauptete,  entrissen. 
Der  Bischof  von  Hildesheim  entschied  schließlich  den  Streit  zwischen 
Berthold,  der  von  dem  Kloster  Ersatz  seines  Schadens  forderte,  und 
dem  Abte  Gottschalk  von  Amelunxborn*);  der  letztere  nahm  das 
Gut  gegen  eine  Geldzahlung  wieder  ein. 

Joh.  Friedr.  Falke,  Codex  traditionum  Corbeiensium,  Lips.  et 
Guelpherbyti  1752,  S.  866.  —  Cod.  dipl.  Qax.  reg.  I,  3,  No.  402 
S.  282. 

No.  132  (9). 

1241  März  8.  Gieselwerder  (an  der  oberen  Weser).  Erzbischof 
Siegfried  von  Mainz  bekundet,  daß  der  edle  Herr  Hermann,  Vogt 
von  Ziegenberg,  den  Zehnten  von  Bunekenhusen  (Wüst,  in  der  Feld- 
mark von  Großenschneen,  s.  Göttingen),  den  er  von  der  Mamzer 
Kirche  zu  Lehen  trug,  in  die  Hände  des  Erzbischofs  zurückgegeben 
habe,  wie  ihn  in  seine  (Hermanns)  Hände  zurückgegeben  hatte  Thet- 
marus  miles  de  Ballenhusen,  der  von  Hermann  damit  belehnt 

fewesen  war.  Dietmar  sowohl  wie  Hermann  forderten  nun  von  dem 
Irzbischof,  daß  er  den  Bunekenhuser  Zehnten  der  Kirche  zu  Lippolds- 
berg  (an  der  oberen  Weser)  übergäbe  zur  Vergebung  ihrer  Sünden ; 
denn  eben  deswegen  hätten  sie  darauf  verzichtet.  Siegfried  vollzog 
die  Übergabe.     Siegler:  der  Aussteller.     Siegel  anhängend.    Zeugen: 

1)  Derselbe  kommt  1246  in  Hedemünden  vor.  Scheidt,  Vom 
höh.  u.  nied.  Adel,  Mant.  docum.  No.  135  S.  486. 

2)  Am  24.  Juni  1227  brach  Landgraf  Ludwig  zum  Kreuzzuge 
auf,  bei  dem  er  den  Tod  fand. 

3)  Abt  Gottschalk,  den  Joh.  Geo.  Leuckfeld,  Chronologia  abba- 
tum  Amelunxbornensium,  1223  sterben  läßt,  kommt  in  Urkunden 
von  1222,  1226  und  1233  vor.  Falke,  Cod.  trad.  Corb.  S.  781,  859, 
860. 


zur  Geschichte  derer  von  BaleDhusen.  321 

Heinricus  prepositus  Heylegenstadensis,  Volcmarus  abbas  Bursuel- 
densis;  Ckjnradus  comes  de  Euerstein,  Godescalcus  de  Plesse,  Giso 
de  Cygemberge,  Herraannus  de  Uslaria,  Heidenricus  vicedominus  de 
Kusteberg  et  al.  qu.  pl.  Datum  apud  Insulam  anno  incarnationis 
domin ice  millesimo  ducentesimo  quadrageeimo  primo,  VIII.  Idus 
Marcii,  pontificatus  nostri  anno  duodecimo. 

Original  im  Staatsarchiv  Marburg  (Kloster  Lippoldsberg).  — 
Ganz  kurz  erwähnt  bei  G.  Landau,  Hessische  Eitterburgen  und  ihre 
Besitzer,  Cassel  1832—39,  IV,  302. 

No.  133  (10). 

1245.  Propst  Heinrich  in  Heiligenstadt  erklärt,  daß  Otto 
von  Balenhusen,  dessen  Bruder  Arnold  und  Mechthild, 
beider  Mutter,  nach  Empfang  von  6  Mark  reinen  Silbers  auf  ihr 
Anrecht  an  die  bona  Sedemanneshusana  verzichtet  hätten.  Zeugen: 
Guntherus  de  Hardenberge  et  filius  Hermannus,  Hermannus,  Bern- 
hardus  et  Thidericus  filii  domini  Bernhardi  de  Hardenberge  et  Gun- 
terus  de  Bouenten.    Actum  anno  MCCXXXXV. 

Falke,  Cod.  trad.  Corb.  S.  867. 

No.  134  (11). 

1246.  Hermann  der  Ältere,  Bernhard  und  Dietrich,  Gebrüder, 
ebenso  Hermann  der  Jüngere  und  Günther,  Gebrüder,  alle  genannt 
von  Hardenberg,  übertragen  für  7  Mark  und  9  Vierdunge  dem 
Kloster  Amelunxborn  das  Eigentum  an  2  Hufen  in  Schnedinghausen 
(zwic'.'hen  Moringen  und  ^'ortheim),  die  das  Kloster  von  Johann 
dicto  de  eauem  viUa  für  lüV  Mark  gekauft,  und  die  Johann  von 
denen  von  Hardenberg  zu  Lehen  hatte.  Zeugen  :  Hermannus  senior, 
Bemardus  et  Thidericus  fratres,  item  Hermannus  iunior  et  Guntherus 
fratres,  omnes  dicti  de  Hardenberch,   Otto  advocatus  de  Baien. 

husen  et  al.  qu.  pl.    Actum  anno  dominice  incarnationis  MCCXLVI. 
Amelunxborner  Copialbuch  VII,  B  111,  foL  31—31»  im  Landes- 
hauptarchiv  Wolfenbüttel. 

No.  135  (12). 

1247.  Dieselbe  Übertragung  und  dieselben  Zeugen,  unter  denen 
auch  wieder  Otto  advocatus  de  Balenhusen.  Der  Lehnsträger 
der  beiden  Hufen  wird  hier  Johannes  dictus  de  Snetingehusen  ge- 
nannt. Actum  anno  gratiae  millesimo  ducentesimo  quadragesimo 
septimo. 

Amelunxb.  Copialb.  VII,  B.  113,  S.  1397  u.  1398  im  Landes- 
hauptarchiv  Wolfenoüttel. 

No.  136  (13). 

[Um  1247—1254').]    Abt  Thetmarus  von  Reinhausen  zählt  seine 

1)  Abt  Dietmar  von  Reinhausen  kommt  in  einer  Plesser  Urk. 
V.  1247  (Wenck,  Hess.  Landesgesch. ,  Urk.  z.  IL  Bd.,  S.  166 
No.  CXXXVI)  und  in  einer  Nörtener  Urk.  vom  24,  Mai  1254  vor. 
Joh.  Wolf,  Diplomat.  Gesch.  des  Petersstiftes  zu  Nörten,  Erfurt 
1799,  U.-B.  No.  III  S.  5.  —  Alheidis  von  Plesse,  die  Dietmar  eben- 
falls erwähnt,  nennt  eine  Urk.  von  1244:  Falke,  cod.  trad.  Corb. 
S.  863. 


322  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

Erwerbungen  für  sein  Kloster  auf. :  .  .  den  Zehnten  in  Alwardeshusen 
(einer  Wüstung  bei  Eeinhausenj  für  44  Mark  von  Herrn  anno  et 
Thetmaro  fratribus  de  Ballenhusen  .  .  13  Mark  für  1^  Hufen 
in  demselben  Dorfe  dem  genannten  Thetmaro  de  Ballenhusen, 
6  Mark  für  ^  Hufe  in  Alwardeshusen  mit  Einwilligung  seiner  Erben 
Otto  und  Arnold  von  Rusteberg  ...  in  Dranvelde  (Dramfeld  sw. 
Göttingen)  den  Zehnten  für  50  Mark  von  Heinrico  milite  de 
Ballenhusen  und  Friedrich  Priester  von  Eosdorf  und  seinen 
Schwestern. 

Copie  im  Staatsarchiv  Hannover  (Eeinhausen). 

No.  137  (14.) 

1253.  Die  Grafen  Konrad  und  Friedrich  von  Klettenberg  ^)  geben 
ihre  Zustimmung  zu  einem  Verkauf  ans  Kloster  Walkenried.  Zeugen : 
Ywanus  de  Memwarderode,  Hermannus  de  Uderde,  Bertoldus  de 
Netheirede  milites;  Thitmarus  de  Makkenrod,  Hermannus  de 
Ballen  husen. 

Urk.  des  Stiftes  Walkenried  (U.-B.  des  Histor.  Ver.  für  Nieder- 
sachs. Hft.  II)  Hann.  1852,  No.  298  S.  205. 

No.  138  (15). 

1256  April  23.  Nordhausen.  Heinrich  Graf  von  Hohnstein 
eignet  der  Kirche  b.  virginis  des  Klosters  zu  Nordhausen  die  Pfarrei 
Bennungen  (w.  Sangerhausen)  zu.  Zeugen :  praepositus  Hermannus 
in  Bischofferode,  decanus  Dittmar,  cellerarius  et  canonicus  Her- 
mannus de  Wilrode  frater  suus,  et  filius  Theodericus  de  Wilrode, 
Hinricus  de  Balnhusen.  Datum  Northusen  a.  incarn.  dorn. 
1256,  IX.  Kai.  Maii. 

Copie  in  F.  No.  1020,  No.  14  im  Geh.  Haupt-  und  Staats- 
archiv Weimar.  —  H. 

No.  139  (16). 

1279  März  20.  Hermann  genannt  von  Ballenhusen  er- 
klärt, daß  mit  seinem  Willen  sein  Oheim  (patruus)  Eitter  Dietrich' 
von  Hardenberg  den  halben  Zehnten  im  Dorfe  Lutteringehusen  (bei 
Hardegsen)  dem  Nonnenkloster  in  Fredelsloh  (sw.  Eimbeck)  ver- 
kauft hat  für  10  Mark  reinen  Silbers,  indem  er  für  ihn  (Hermann) 
und  sich  selbst  auf  alles  Anrecht  verzichtete  in  die  Hände  der 
Grafen  Otto,  Heidenreich  und  Werner  von  Lauterberg,  von  denen 
der  Zehnte  zu  Lehen  ging.  Siegler:  der  Aussteller.  Siegel  anhängend. 
(Vgl.  Taf.  II  Fig.  5).  Zeugen:  Wernerus  de  Hardenberg,  dominus 
Ludolfus  plebanus  de  Novali,  Hartwicus  de  Novali,  lohannes  de 
Ascha  et  aL  qu.  pl.  f.  d.  Datum  et  actum  anno  domini  M"  CC  LXX" 
IX°,   in  vigilia  sancti  fabbatis  Benedicti. 


1)  Dieselben   hatten   Grundbesitz   in  Ballenhausen.     Urk.  des 
Stifts  Walkr.,  No.  166.  169  (1229  und  1230). 


zur  Geechichte  derer  von  Balenhusen.  323 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover  (Fredelsloh  41).  —  Ge- 
druckt bei  Joh.  Wolf,  Geschichte  des  Gescnlechts  von  Hardenberg, 
Gott.  1823,  Bd.  I,  Urk.  No.  XVI  S.  16. 

No.  140  (17). 

1292  Januar  10.  Der  Knappe  Hermann,  genannt  von 
Ballenhusen,  verpfändet  das  Dorf  Krummelen  (Wüstung  bei 
Moringen)  dem  Propste  von  Fredelsloh  und  dessen  Kirche  für  4  Mark 
reinen  Silbers.  Das  Dorf  soll  Hermann  wieder  zufallen,  wenn  der 
Propst  sein  Geld  zurückempfängt.  Zeugen:  dominus  Thidericus 
dictus  Pininc  miles,  Hardewicus  de  Novali,  Georius  de  Kadolves- 
husen  et  qu.  pl.  al.  f.  d.  Actum  et  datum  anno  domiui  millesimo 
CG**  LXXXX'*  secundo,  feria  quinta  proxima  post  Epyphaniam 
doraini.  Siegel  beschädigt ,  von  der  Umschrift  nur  G  +  S'»  er- 
halten. 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover  (Fredelsloh  61). 

Ifo.  141  (18). 

1302  Januar  26.  Herzberg  (am  Südharze).  Herzog  Heinrich 
von  Braunschweig  gewährt  dem  Abte  und  Konvente  in  Volkolderod 
(Volkenrode  nö.  Mühlhausen)  Freiheit  von  aUer  Bede  für  ihre  in 
Cornere  (Kömer  zwischen  Mühlhausen  und  Schlotheim)  gelegenen 
Güter,  die  sie  vom  Grafen  Otto  von  Lutterberch  (Lauterberg  im 
Harze)  erkauft,  sowie  für  eine  Hufe  ebendaselbst,  die  sie  von  Fried- 
rich genannt  Surezich  gekauft.  Der  Herzog  erläßt  die  Steuer  zu 
seinem  Seelenheile,  dem  seiner  Vorfahren  und  seiner  Gemahlin 
Agnes.  Zeugen:  Hermannus  abbas  Walkenridensis,  f rater  Theo- 
dericus  de  Balenhusen,  monachus  ibidem;  Ecbertus  de 
Hattorp,  Hartmannus  de  Munningherode,  Jordanus  de  Barkeuelde 
milites;    raagister   Bruno  notarius.     Datum  Hertesberch   anno  do- 

mini,  millesimo  CCC  secundo  in   crastino  conversionis  sancti  Pauli 
apoBtoli.  —  Das  anhängende  gelbe  Wachssiegel  ist  beschädigt. 
Original  im  Hauptstaatsarchiv  Dresden  No.  1695. 

No.  142  (19). 

1303  April  14.  Der  Knappe  Hildebrand  von  Hardenberg  ver- 
kauft dem  Kloster  Amelunxborn  eine  Hufe  in  Holtensen  (bei 
Moringen)  mit  Einwilligung  seiner  Brüder  Bernhard,  Kanonikus  in 
Hildesneim,  Hermann,  Kanonikus  in  Minden,  und  Bernhard  des 
Jüngern,  seiner  Schwestern  Adelheid  und  Mechthild,  seiner  Vettern 
(patruelium  nostrorum),  der  Knappen  Johann  und  Burghard  von 
Saldern,  Wernheri  nepotis  nostri  famuli  dicti  de  Balnhusen 
....  Nos  vero  Bernhardus  de  Hardenberg  iun.,  Johannes  et  Borc- 
hardus  de  Saldere  et  Wernherus  de  Balnhusen,  Alheidis  et 
Mechtildis  dicte  de  Hardenberge,  quia  propriis  caremus  sigiJlis,  con- 
tenti  erimus  predictorum.  Datum  et  actum  anno  domini  millesimo 
trecentesimo  tertio  in  die  beatorum  martyrum  Tiburtii  et  Valeriani. 

Joh.  Wolf,  Gesch.  des  Geschlechts  von  Hardenberg,  Gott. 
1823—25,  Bd.  1,  Kachtr.  No.  9  S.  13. 


324  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

No.  143  (20). 

1304  Januar  24.  und  27.  Göttingen.  Die  Gebrüder  Hildebrand 
und  Bernhard  von  Hardenberg  und  die  Gebrüder  Johann  und  Burg- 
hard  von  Saldern,  Vettern  (patrueles)  verkauf ec  dem  Kloster  Walken- 
ried den  Rosdorfer  Zehnten.  Item  Werner us,  filius  Hermanni 
de  Balle nhusen,  bonae  memoriae,  cognatus  noster,  praesente  me 
Hildebrando  tutore  suo  et  auctoritatem  praestante,  recognovit,  se 
nichil  iuris  habere  in  decima  praedicta,  et  si  quod  ius  ei  de  facto, 
iure  vel  consuetudine  competeret  vel  competere  posset,  renunciavit 
,  fide  data  promittens  non  contra  facere  vel  venire  aliqua  ratione. 
Presentibus  lohanne  et  Theoderico  dictis  de  Gruna  .  .  .  miütibus 
etc.  Siegler:  Hildebrand  von  Hardenberg  nono  Kai.  Februarii; 
—  Durch  sechs  andere  Adlige  (auch  Johann  und  Dietrich  von 
Grone)  besiegelt  sexto  Kai.  Febr. 

Urk.  des  St.  Walkenried  (U. -B.  f.  Niedersachsen,  Heft  3), 
No.  642  S.  25.  —  Job.  Wolf,  Gesch.  des  Geschl.  v.  Hardenberg, 
1.  Bd.,  Urk.  No.  XXXIII  S.  41.  —  Scheidt,  Vom  höh.  u.  nied. 
Adel,  Mantissa  documentorum,  S.  537. 

No.  144  (21). 

1304  Januar  30.  Nörten.  Der  Dechant  Johann  zu  Nörten  be- 
urkundet und  bestätigt  dasselbe,  auch  den  Verzicht  Werners  von 
Ballenhausen. 

Urk.  des  St.  Walkenried,  No.  643  S.  27. 

Jfo.  145  (22). 

1307  Februar  12.  Cassel.  Johann,  dei  gratia  terrae  Hassiae 
lantgravius  iunior,  bezeugt,  daß  Wernherus  filius  quondam  Her- 
manni de  Balnhusen  vor  ihm  und  in  Gegenwart  seiner  Vor- 
münder Ritter  Werner  und  dessen  Bruder  Heinrich  von  Schweinsberg 
auf  jedes  Anrecht  an  den  Rosdorfer  Zehnten  verzichtet  habe, 
mochte  dieses  Recht  auf  Lehen,  auf  Erbschaft  (paternae  successionis) 
oder  auf  einem  anderen  Umstände  beruhen.  Das  Kloster  Walken- 
ried, dem  Werners  Oheime  (patrui)  Hildebrand  und  Bernhard  von 
Hardenberg  und  Johann  und  Burghard  von  Saldern  den  Zehnten 
verkauft  hätten,  sollte  durch  Werner  v.  B.  keinerlei  Anfechtung  er- 
fahren. Da  Werner  älter  als  14  und  jünger  als  25  Jahre  war,  so* 
gab  er  dem  Landgrafen  die  Hand  darauf,  den  Verkauf  und  alle 
Abmachungen  anzuerkennen.  Zum  Zeugnis  giebt  der  Landgraf 
diesen  von  ihm  untersiegelten  Brief  dem  Abte  von  Walkenried.  Der 
letztere  dagegen  schenkt  Werner  von  B.,  damit  dieser,  seine  Freunde 
und  Blutsverwandten  das  Kloster  W.  im  Besitze  des  Zehnten  immer 
schützen  und  es  in  seinen  Geschäften  fördern,  ohne  Rechtszwang, 
vielmehr  aus  Freundschaft  26  Mark  reinen  Silbers,  an  Stelle  eines 
Füllens,  das  er  Werner  bei  dessen  erstem  Verzichte  versprochen 
hatte.  Zeugen:  dominus  Wernherus  de  Westerborg,  Wernherus  de 
Sweinsberg  milites  (zugleich  Mitsiegler) ,  dominus  Gerlacus  de 
Griphede,  dominus  Hermannus  de  Bulzingesleyben  milites;  Her- 
mannus  de  Romerode  et  Heinricus  de  Sweinsberg  farauli  et  al.  qu. 
pl.  f.  d. 

Urk.  des  St.  Walkenried  (U.-B.  f.  Nieders.,  Heft  3j,  No.  685 
S.  50. 


zur  Geschichte  derer  von  Balenhusen.  325 

No.  146  (23). 

1310  Februar  26.  Wernherus  faraulus  de  Ballenhusen 
bekennt,  daß  er  das  Anrecht  an  dem  Dorfe  Crumelen  (bei  Moringen), 
welches  .  .  .  husen  und  seine  rechten  Erben  von  ihm  für  20  Mark 
zum  Pfände  hatten,  für  die  erwähnte  Summe  imd  5  Lot,  die  er  von 
2  Höfen  in  der  neuen  Rodung  (oder  Großen-  bezw.  Lütgenrode? 
de  duabus  curiis  in  novali)  besaß,  ferner  einige  Einkünfte,  die  Heiden- 
reich genannt  Geier  (Vultur)  in  Lenglem,  Nörten  und  Billings- 
hausen  (nw.,  n.  und  nö.  Göttingen)  auf  Lebenszeit  besaß,  verkauft 
hat  dem  Ritter  Hildebrand  von  Hardenberg,  Bernhard,  dessen  Bruder, 
den  Gebrüdern  Johann  und  Burghard  von  Saldern ,  ihren  Vettern 
(patruis),  und  ihren  rechten  Erben.  Heidenreich  Geier  soll  die  bis- 
herigen Einkünfte  auf  Lebenszeit  von  den  4  Käufern  erhalten. 
Zeugen :  dominus  Hermannus  de  Hardenberg,  dominus  Otto  de  Boventhe 
milites;  .  .  husen,  Hutgetswin,  Henricus  magister;  Vastmodus  de 
Lodingessen,  Conradus  de  Wallenstede  famuli  et  sl.  qu.  pl.  f.  d.  Siegler : 
Ritter  Hermann  von  Hardenberg,  quod  Wernherus  de  Ballenhusen 
noster  consanguineus  dilectus  proprio  sigillo  caruit.  Siegel  fehlt. 
Datum  anno  domini  MCCCX,  quinta  feria  ante  dominicam  Esto  mihi. 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover.  —  H. 

No.  147  (24). 

1330  Juni  4  (in  octava  Pentecostes).  Hen  [ricus]  dictus  de 
Ballenhusen,  8col[asticus]  ecclesie  Northun[en8is],  kommt  in  einer 
Urkunde  de?  Klosters  Mariengarten  (ssw.  Göttingen)  vor,  neben 
Heidenreich  und  Dietrich  von  Uslar,  Dietrich  von  Bodenhausen, 
Johanns  Sohn,  Heinrich,  Pfarrer  zu  S.  Jacobi   in  Göttingen,   u.  a. 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover  (Mariengarten  No.  147). 

Xo.  148  (25). 

1347  Februar  24.  Der  Rat  der  Stadt  Göttingen  verkauft  dem 
Herrn  Hen[ricoJ  in  Ballenhusen,  Bruder  des  verstorbenen  (quon- 
dam)  Ritters  Ghunselin  von  Grone,  „nostro  cappellano",  für  eine  schon 
entrichtete  Geldsumme  3  Mark  reinen  Silbers  jährlicher  Rente 
auf  Lebenszeit.  Zahltag:  Epiphanias.  Datum  sub  sigillo  nostre 
civitatis  a.  d.  MCCCXLVII,  in  die  b.  Mathie  apostoli. 

Gust.  Schmidt,  Ü.-B.  der  Stadt  Göttingen  (U.-B.  des  Historischen 
Vereins  für  Niedersachsen,  Heft  VI),  I,  159  No.  168. 

Xo.  149  (26). 

1350  September  29.  Ernst,  Herzog  zu  Braunschweig,  Albrechts 
sei.  Sohn,  erkennt  auf  Bitten  „hern  H  inrikes  van  Ballenhusen, 
des  scolemesters  to  Northene,  de  hem  Ghuntzeles  un  Janes  broder 
was  gheheten  van  Grone'),  dem  kloster  to  dem  Garden"  (Marien- 
garten)  14  Mark   lötigen  Silbers  Göttinger  Währung   zu   an  dem 


1)  In  einer  Urkunde  von  1341  heißt  es  darum:  Henricus 
de  Grona  ecclesie  nostre  scholasticus.  Joh.  Wolf,  Gesch.  des 
Petersstiftes  zu  Nörten,  Erf.  1799,  Urk.  No.  XXXIII  S.  37. 


326  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken 

vierten  Teile  des  Zehnten  zu  Deiderode  (w.  Friedland),  den  Hein- 
rich V.  B.  dem  Kloster  gegeben  hat.  Heinrich  selbst  hat  den  Viertel- 
zehnten erhalten  „van  Uoden  weghene  van  Grona",  seines  Vettern, 
der  der  Sohn  Gunzels  von  Grone  war.  Geben  Udo  von  Grone  oder 
dessen  Erben  dem  Kloster  14  Mark  Silberp,  so  erhalten  sie  auch 
den  vierten  Teil  des  Zehnten  zu  Deiderode  zurück.  Siegler:  der 
Aussteller;  halbes  Siegel  erhalten.  ...  na  Goddes  bord  dritteyn- 
hundert  jar  in  dem  viftighesten  jare  in  sinte  Michelis  daghe. 

Original  im  Staatsarchiv  Hannover  (Mariengarten  No.  172). 


Übersicht  über  die  von  Ballenhausen. 

Unoko  1135—  um  1152.      Azo?  1135. 

Eeinhard  1151. 

Otto  I.  um  1189. 

Heinrich  I.  1221—56?         Otto  H.  um  1226. 


Hermann  I.    Dietmar 
um  1226—53.    um  1226  — 

um  1254.  X 


Gem.  Mechthild   124 


Otto  in.  und  Arnol 
1245.  1245. 

(v.  Rusteberg?) 

Dietrich,  Hermann  II.  v.  Hardenbei 

Mönch  in  Walkenried         Ballenhausen  127Ü —  vor  130! 

1302.  I 

H  e  i  n  r  i  c  h  II.  von  Grone-Ballenhauseu  1330—50.    Werner  1303—10. 

Göttinger  Bürgerfamilie  von  Bolnhusen. 
Hey  sc  1377—1400.  Tile    1383-95. 


Heinrich,  1397 
Priester. 

Tile  1445. 
Bartold,  Aldermann  in  Rosdorf  bei  Göttingen  1507. 


1 


Zur  Geschichte  derer  von  Ballenhusen. 


327 


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328  Auszüge  aus  Urkunden  und  Chroniken  etc. 

No.  23  a. 

1232  Mai  9.  Arnold,  Propst  der  Kirche  Marie  ad  gradus, 
vuid  G.,  decanus  s.  lohannis  Maguntini,  iudices  a  domino  C.  Portu- 
ensi  legato  sedis  apostolice  subdelegati,  entscheiden  den  Streit  zwischen 
dominum  Günzecninum  abbatem  s.  Albani  et  dominum  Helffricum 
de  Rodenberg  über  Güter  in  Drotholinshusen  (etwa  Drutholues- 
husun.  Wüst.  n.  Cassel?).  Helfrich  verzichtet  und  übergiebt  die 
Güter  zu  seinem  und  seiner  Gattin  E[lisabeth]  Gedächtnis  der 
Kirche  S.  Alban,  erhält  sie  dann  aber  gegen  eine  jährliche  geringe 
Abgabe  als  Lehen  zurück.  Nach  seinem  Tode  fällt  die  Hälfte  dieses 
Lehens  seinen  drei  Schwiegersöhnen Ec k eh ardo  de  Sumeringen,^ 
Bertoldo  do  Cruczeberc  et  Hermanno  burgravio  Hersfeldensi  zu. 
Zeugen:  Arnoldus  scolasticus  et  H.  cantor  sancti  Stephani  et  G. 
cantor  sancti  lohannis  et  magister  G.  canonicus  sancte  Marie  ad 
gradus,  C.  de  Erlebach  custos  sancti  Albani  Maguntini  et  S[ifridus] 
plebanus  de  Milsungen ;  Dudo  de  Flersheim,  Iggebrandus  Mog[untinJus 
et  Burckardus  Pernsac,  milites  et  al.  qu.  pl.  Actum  anno  domini 
millesimo  ducentesirao  tricesimo  secundo,  VII.  Idus  Mali. 

Liber  copialis  de  anno  1410  des  Klosters,  später  Stiftes  S. 
Alban  bei  Mainz,  im  Kreisarchiv  Würzburg  (Mainzer  Bücher  versch. 
Inh.  No.  9  fol.  78 — 80).  —  Das  Original  im  Reichsarchiv  München 
ist  fleckig. und  darum  unleserlich.  —  Die  Identität  Eckhards  von 
Sumeringen  mit  Eckhard  I.  von  Ballhausen  steht  also  unzweifelhaft 
fest,  ebenso  seine  Verschwägerung  mit  Berthold  von  Kreuzburg. 


Nachtrag. 

Am  21.  August  1902  —  die  vorstehende,  auf  durchaus  selb- 
ständigen Forschungen  beruhende  Abhandlung  und  ein  Teil  der 
Regesten  waren  bereits  gedruckt  —  erhielt  ich  eine  soeben  erschienene 
Arbeit  des  Herrn  Arch.-Dir.  Schenk  zu  Schweinsberg  in  Darmstadt 
über  Rotenburg  a.  d.  Fulda.  Dadurch  wurde  ich  auf  die  obige 
Urkunde  N.  23  a  hingewiesen,  deren  Abschrift  ich  mir  vom  Kreis- 
archiv  Würzburg  ausbat.  Der  Herr  Verf.  kritisiert  auch  meinen  vor 
6  Jahren  gedruckten  Aufsatz  über  die  Burg  Schwarzenberg.  Er  vergißt 
aber,  daß  ich  bereits  am  2.  April  1901  mich  bei  seinem  Archive  nach 
ungedruckten  Urkunden  der  Familien  von  Ballhausen  (im  Kreise 
Weißensee),  von  Sumeringen  und  von  Schwarzenberg  erkundigte,  und 
daß  ich  ihm  persönlich  am  9.  Sept.  1901  schrieb,  ich  würde  meine 
Arbeit  der  Zeitschrift  für  thüringische  Geschichte  anbieten. 


Erklliruiig  der  Siegeltafelu. 

Tafel  I. 
Fig.  1.    Eckhard  I.  von  Ballhausen- Sommern.     1256. 
Fig.  2.    Eckhard  1.  von  Ballhausen-Sömmern.     1256. 
Fig.  3.    Eckhard  I.  von  Ballhausen-Sömmern.     1265. 
Fig.  4.    Eckhard  IL  von  Ballhausen.     1275. 
Fig.  5.    Eckhard  IL  von  Ballhausen.     1275. 
Fig.  6.     ßerthold  IL  von  Ballhausen.     1275. 

Tafel  IL 
Fig.  1.     Hermann  Stranz  von  DöUstädt  der  Jüngere.     1302. 
Fig.  2.     Hermann  Stranz  von  Döllstädt  der  Ältere.    1302. 
Fig.  3.     Hugo  IL  von  Ballhausen.     1292. 
Fig.  4.    Helfrich  von  Schwarzenberg.     1392. 
Fig.  5.     Hermann  IL  von  Ballenhausen-Hardenberg.     1279. 


'sehr.  d.   Vereins  f.  thüring.  Oesch.  u.  Altertumsk.  Bd.  XXI. 


Taf.  1. 


Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena. 


/  it-<chr.  d.   Vereins  f.  ihüring.   Gesch.  n  Allertumsk.  Bd.  XXI.  Tu  f.  I 


"Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena. 


VI. 

Inventarium  über  fahrende  Habe  im  Kloster 

Mönchröden  bei  Coburg, 

aufgenommen  am  Mittwoch  Francisci,  den  4.  Oct. 
im  Jahre  1531. 

Mitgeteilt 

von 

Pfarrer  Dr.  Oeorg  Berbig  in  Schwarzhausen  b.  Thal. 

Am  1.  Juni  15311)  -^^j.  ^Iq  kurfürstliche  Instruktion  für 
die  gleichzeitig  gewählten  Sequestratoren  für  sämtliche  kur- 
sächsische Gebietsteile  erschienen.  Im  Frankenland  hatten 
der  Ritter  Hans  Schott,  Kunz  Gotzmann,  der  Amtmann  von 
Königsberg,  Hans  v.  Stern berg,  Klaus  v.  Heßberg  und  Kaspar 
Ramsperger  die  Sequestrationsgeschäfte  übernommen.  Was 
die  Visitatoren  bei  der  Besichtigung  auf  rein  geistlichem 
Gebiete  hinsichtlich  der  Lehre  und  des  Lebens  der  Geist- 
lichen und  der  Gemeinden,  zu  leisten  hatten,  das  war  den 
Sequestratoren  mehr  auf  vermögensrechtlichem,  verwaltungs- 
mäßigem Gebiet  übertragen.  Sie  hatten  demnach'  die  Auf- 
gabe, den  Vermögensbestand  der  Coburger  Klöster  genau 
aufzunehmen  und  festzustellen.  Das  war  außerordentlich 
wichtig,  seitdem  die  reiche  Kirche  des  Mittelalters  ins 
Wanken  geraten,  und  ihre  Güter  selbst  in  landesherrlichen 
Besitz    gekommen    waren.     Denn    eine    andere    Möglichkeit 


1)  Vergl.  C.  A.  H.  Burkhardt,  Gesch.  d.  sächs.  Kirchen-  und 
Schulvisitationen  von  15'24  bis  1545,  Leipzig,  Fr.  Wilh.  Grunow 
1879,  S.  109. 

XXI.  22 


330  Inventarium  über  fahrende  Habe 

gab  es  nicht.  Mit  dem  Summepiskopat  des  Landesherrn 
ging  die  Materie,  der  weltliche  Besitzstand  der  Kirche, 
wenn  auch  allmählich,  in  die  Verwaltung  des  Staates  über. 

Für  den  Coburger  Bezirk  kamen  vier  Klöster  in  Frage : 
das  Franziskanerkloster  der  Stadt  (an  Stelle  des  heutigen 
Besidenzschlosses)  ,  das  Nonnenkloster  Sonnefeld ,  das 
Augustinerkloster  Königsberg  i.  Fr.  und  die  Benediktiner- 
Abtei  Mönchröden  zwischen  Coburg  und  Sonneberg. 

Schon  um  die  Mitte  der  zwanziger  Jahre  war  die  Auf- 
lösung dieser  genannten  Klöster  eine  beschlossene  That- 
sache.  Der  Bauernkrieg  verschonte  zwar  diese  vier  Klöster 
vor  einer  gewaltsamen  Zerstörung,  dank  des  Schutzes 
ihrer  fürstlichen  Patrone  und  der  Umsicht  und  Festigkeit 
der  kurfürstlichen  Pfleger  und  Beamten  des  Landes.  Kein 
Klostergebäude  ward  hier  von  den  aufrührerischen  Bauern 
zerstört.  Wohl  aber  hatte  sich  bereits  1525  am  Donners- 
tag nach  Misericordias  Domini  das  Franziskanerkloster  in 
den  Schutz  der  Stadt  Coburg  begeben,  und  zwar  mit  allen 
beweglichen  und  unbeweglichen  Gütern. 

In  demselben  Jahre  war  auch  die  Selbständigkeit  von 
Mönchröden  als  Abtei  gebrochen,  vielleicht  schon  ein  Jahr 
vorher,  beim  Tode  des  letzten  Abtes  Nicolaus  Hielbrand 
1515—1524)1). 

Die  Verwaltung  des  Klosterbesitzes  war  in  die  Hände 
des  ehemaligen  Priors  Veit  Haff  übergegangen.  Ein  Abt 
wurde  nicht  wiedergewählt.  Saalfeld  und  Würzburg  hatten 
jeden  Einfluß  auf  Mönchröden  verloren.  Langsam  erlosch 
die  versunkene  Glut  mittelalterlicher  Askese,  während  die 
Begeisterung  für  die  Freiheit  der  Reformation  von  Tag 
zu  Tag  wuchs.  Wer  nicht  austrat  aus  dem  Kloster  —  etwa 
aus  Altersrücksichten,  und  diese  werden  dabei  die  stärksten 

1)  Thouiae,  Licht  am  Abend.  P.  C.  G.  Karche.  Jahrb.  der 
Herzogl.  Sachs.  Residenzstadt  Cbburg  v.  741—1822,  Cob.  1825, 
B.  G7 :  152()  wurden  die  8  Barfüßer-Mönche  auf  Befehl  Kurfürst 
Johanns  aus  ihrem  Kloster  nach  Mönchröden  gebracht,  wo  sie  von 
dem  dahin  verordneten  Hofverwalter  den  benötigten  Unterhalt  be- 
kamen. 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  331 

gewesen  sein,  —  der  hörte  doch  auf,  es  mit  seinen  Gelübden 
noch  so  ernst  zu  nehmen,  wie  ehedem,  obschon  man  seftens 
der  weltlichen  Obrigkeit  überaus  schonend  und  rücksichtsvoll 
gegen  die  Mönche  vorging. 

Mönchröden  war  einst  eine  blühende  Abtei  vom  Orden 
des  h.  Benedictus.  Sie  war  gegründet  worden  vom  Burg- 
grafen Hermann  von  Meißen  und  dessen  Bruder,  dem  Grafen 
Stercher  i.  J.  11 49  ^).  Herold,  Bischof  von  Würzburg,  hatte 
die  junge,  in  seinem  Bistum  gelegene  Stiftung  mit  der 
Parochie  Gauerstadt  beschenkt.  Zu  Ehren  B.  V,  Mariae 
und  S.  Walpurgis  war  das  Kloster  gegründet. 

Von  Anfang  an  war  es  eine  Klostergemeinschaft,  be- 
setzt mit  zwölf  Benediktinermönchen,  denen  ein  Abt  vorstand. 
Ein  lebendiger  Verkehr  bestand  in  Mönchröden  mit  dem 
benachbarten  Benediktinerkloster  Banz  und  dem  zu  Saalfeld 
und  Erfurt.  Erleichtert  wurde  dieser  Verkehr  durch  die  alte 
Heeres-  und  Paßstraße,  welche  das  Frankenland  mit 
Thüringen  verband,  und  es  ist  gewiß,  daß  die  Benediktiner 
bei  ihren  Gründungen  diese  alten  Verkehrstraßen  geradezu 
gesucht  haben,  in  der  praktischen  Erwägung,  ihre  Missionen 
auf  diese  Weise  viel  bequemer  und  schneller  erfüllen  zu 
können.  Diese  Klöster  waren  also  im  besten  Sinne  auch 
bei  den  Reisen  der  Fürstlichkeiten  und  hoher  Herrschaften 
zu  jener  Zeit  unerläßlich.  Wir  finden  gerade  in  Mönchröden, 
daß  die  Gastfreundschaft  ein  angenehm  hervortretender  Zug 
der  Klosterinsassen  war,  ja  daß  bei  Beschaffung  des  Inven- 
tars für  solchen  Besuch  jederzeit  Vorsorge  getroff'en  werden 
mußte.  Bei  Bemessung  der  Wegverhältnisse  wird  man  finden, 
daß    Erfurt  —  Saalfeld  —  Mönchröden  —  Banz   sehr   be- 


1)  Dobenecker,  Regesten  I,  No.  1619.  Cf.  die  Ebracher 
Handschr.  des  Michael  de  Leone:  Monasterium  in  Roten  fundatum 
et  ecclesiae  Herbipolensi  oblatum  est  a  Hermanno  praefecto  seu 
burggravio  Missnensi  et  a  Sygefrido  episcopo  Wirzburgensi  dotatum 
et  institutum  a.  d.  milesimo  CXLIX  et  deinde  MCLXXI  a  Heroldo 
episcopo  ibidem  cum  parochia  Guberstat  plurimis  decimis  et  alibi 
est  dotatum. 

22* 


332  Inventarium  über  fahrende  Habe 

queme  und  örtlicli  sehr  sorgsam  festgestellte  Ruhestationen 
bildeten,  je  eine  Tagereise  voneinander  entfernt  und  für 
Reisende  mit  Bequemlichkeiten  aller  Art  ausgestattet,  auf 
die  auch    das  Mittelalter  so  sehr  hielt.  ^ 

Auf  die  Geschichte  unseres  Klosters  hier  einzugehen 
ist  nicht  der  Ort.  Das  mag  die  Aufgabe  für  eine  andere 
Arbeit  sein.  Aber  was  an  „fahrender  Habe"  vom  Kloster 
noch  vorhanden  war,  das  sollen  uns  die  folgenden  Seiten 
zeigen.  Dank  einer  sehr  genauen  Inventarisierung  v.  J.  1531 
sind  wir  in  der  Lage,  darüber  Rechenschaft  zu  geben.  Die 
Inventarisierung  erfolgte  auf  Anordnung  der  kurfürstlichen 
Sequestratoren,  weil  bei  Revision  der  Klostergüter  befunden 
worden  war,  daß  die  Haushaltung  des  bisherigen  Verwalters 
Veit  Haff,  des  vorherigen  Priors ,  eine  wenig  geordnete 
gewesen  war.  Veit  Haff  hatte,  wie  es  scheint,  ganz  will- 
kürlich mit  dem  Klostergut  gewirtschaftet,  an  Grundstücken, 
Waldungen,  Zinsen,  verkauft  und  veräussert  ohne  vorher 
auch  nur  die  Genehmigung  der  Behörde  eingeholt  zu  haben. 
Vielleicht  bezieht  sich  der  Brief  Luthers  (cf.  Förstemann, 
Urk.  II,  667)  von  der  Veste  Coburg  auf  diese  Mißwirtschaft. 

Nachstehendes  Inventar,  welches  sich  im  Original, 
wahrscheinlich  von  der  Hand  Valentin  Müllers  des  Nach- 
folgers Veits  Haff  geschrieben,  im  herzoglichen  Haus- 
und Staatsarchiv  zu  Coburg  vorfindet  (E.  V.  1  b.  No.  14), 
gewährt  uns  nunmehr  ein  außerordendlich  anschauliches 
Bild  der  einst  vorhandenen  Klosterschätze  und  Habe,  ins-; 
besondere  auch  zum  Schlüsse  der  noch  vorhandenen  Kloster- 
waldungen. 

Die  Kunstgeschichte  wie  die  Cultur-,  Kirchen-  oder 
Landesgeschichte  dürfte  an  diesen  Aufzeichnungen  ein 
Interesse  haben. 

Gehört  das  Kloster  auch  nicht  zu  den  reichsten  des 
Ordens,  so  waren  seine  Schätze  immerhin  nennenswert, 
insbesondere  der  Silberschatz,  die  Paramente,  Meßgewänder, 
und  Ornate.  Die  Aufzählung  der  Pergamente  und  anderer 
Aktenstücke  bietet  eine  große  Zahl  von  Regesten  und  Ur- 
kunden, welche  sonst  nicht  bekannt  sind,  und  damit  einen 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  333 

Einblick  in  den  alten  Besitzstand  und  in  die  verbrieften 
Rechte  der  früheren  Zeit.  Die  Landesgeschichte  erfährt 
eine  Bereicherung  durch  die  Namhaftmachung  alter  einge- 
sessener Familien ,  insbesondere  des  fränkischen  Uradels 
und  ihrer  Sitze. 

Sehr  wertvoll  aber  dürfte  dies  Inventarium  dadurch 
sein,  daß  auch  die  Kulturgeschichte  jener  Zeit  beleuchtet 
wird,  durch  die  Aufzählung  der  Haushaltungs-  und  Wirt- 
schaftsgegenstände bis  ins  kleinste  Detail,  vom  Tuchvorrat, 
Zinn-  und  Erzwerk  bis  zu  den  Geräten  in  Werkstatt, 
Hof  und  Stall,  denn  das  ganze  Kloster  wird  in  Augenschein 
genommen,  das  Schlafgemach  des  Abtes  wie  des  Gesindes, 
die  Wohnräume,  ja  Küche,  Boden  und  Keller.  Nur  eines 
ist  zu  bedauern :  ein  genaues  Verzeichuiß  des  Bestandes 
der  vorhandenen  Klosterbibliothek  fehlt.  Hier  hat  sich  der 
Schreiber  des  Inventarii  sehr  kurz  gefaßt,  entweder  aus 
Gleichgültigkeit  der  alten  Mönchslitteratur  gegenüber,  oder, 
was  noch  wahrscheinlicher  ist,  weil  ein  genaues  Bücher- 
verzeichnis in  doppelter  Abschrift  im  Kapitel  der  Urkunden 
und  Briefe  bereits  genannt  wird,  doch  ohne  genaue  Inhalts- 
angabe. 

Die  Inventarisierung  ergab  nun  folgendes  Resultat: 

Erstlichen  die  Kleynodra  *)  so  Er  Veyt  über-antwort  vnd  die 
hrn  Sequestratoren  Er  Valentin  ^  blss  vf  wej  tern  Beuelch  iu  ver- 
warung  zugestelt. 

Acht  Silbere  Becher,  vnd  von  dem  eym  ist  das  Zeychen 
vnten  vffm  Bodenn,  bey  er  Veythenn  komenn, 

Zwey  Sylbere  pockeligenn  *,  Ein  kleyn  Silbere  pacem ',  mit  keynem 
kethlein,  Eyn  Silbere  Kauchfaßs,  Zwey  bilbere  Messkendele*,  Ein 
Silbere  Infulstab",  Ein  Evangeliü  Buch,  oben  ganz  mit  Silber  thün 
vberzogenn,  mit  eym  Crucifix,  vnnd  zweyeu  Bildern,  Sant  Maria 
vnnd  fohannes,  Ein  groß  Silbere  pacem,  mit  eynem  Gamah**  darein 
gefast,  vnnd  mit  eyner  anhangigenn  Silbere  Kethenn, 

Sechs  groß»  Buch,  funff  Sylbere  vbergult  mit  steynen, 
darein  gesetzt,  vnd  ein  guldener  mit  elentklahenn ',  Ein  vbergultig 
Ringle,  mit  eynem  tefele,  soll  ein  Demut*  sevn,  Ein  InfeiP  mit  vier 
pildernu,  mit  klein  Bernle  *"  gestickt,  vnnd  obenn  gerumb  mit  Silbern 
vergulten  Knopffen,  vnd  etüch  schlechte  steyn,  In  der  Infell  vber- 
setzt,  Sind  Zcalperle,  Vnnd  etlich  gestickt  Labwerck",  vnnd  perlein, 


1)  Wir  haben  absichtlich,  entgegen  den  herrschenden  Eklitions- 
grundsätzen,  die  getreue  Wiedergabe  der  Schreibweise  des  Inventars 
für  gut  befunden. 


334  Inventarium  über  fahrende  Habe 

sind  durcli  Er  Veythenn  herabgedrennt,  vnnd  durch  ander  geringere 
perle  wider  daran  gesetzt  etc. 

Zwue  schlechte  Infell,  ein  Weysse,  vnnd  ein  ßothe,  sind  mit 
ethchen  Glasssteynen  geschmückt,  ^ 

Zwey  fcjilbere  Köpffle,  vberemander ,  mit  vergalten  füssleiu, 
Ein  Silbere  Sigel,  des  Convents,  Ein  Silbere  Secret  des  Convents, 
Zwölff  kelg,  mit  Eyltf  patenenn,  vnnd  hat  Elr  Veyt  eyn  kelg,  mit 
eyner  Paten,  denselbigen  soll  er  laut  des  Vertrags,  wider  ins  Closter 
antwortenn,  Ein  kleyn  Silbere  püchsle,  da  das  Sacrament  jnnentsteht, 
Eylff  löffel,  jn  eynem  Futter,  mit  Silbere  Styln,  uf  die  alten  manir, 
Sind  den  parfoth^''  zu  Coburgk  gevest. 

Die  Ornat  vnd  Messgewanth,  so  noch  vorhanden  gewest  vnnd 
genn  Köthenn  ^*  gehört  habenn. 

Ein  Koth  Sameth  Ürnath,  mit  seyner  zugehörung,  nemlich, 
Ein  Roth  sameht  Casel**,  zwen  Roth  Sammeth  leviten  Rock",  mit 
Iren  stolen",Manipeln'^  Humeralen*",  albenn"".  Ein  Roth  Sammethen 
Mantell.  Ein  Roth  Damaschken  Messgewandt,  mit  Humeral,  Casel, 
Alben,  vnnd  aller  zugehörung.  Eyn  Weyß  Damaschken  Mess- 
gewaudt  mit  seyner  Weissen  Casel,  zweyen  leviten  Röcken,  vnnd 
allem  ander  von  Alben,  stolenn,  Manipeln,  humeraln,  etc.,  zu- 
gehorung  etc.  Weyssen  Damaschken  Mantel,  den  hat  er  Veyten 
weyb  wegk  genohmen  mit  Willen  der  Sequestratorn. 

Ein  schwartz  Samt  Messgewandt,  mit  seyner  zugehörung,  von  Er 
Adam  vonn  Schaumbergk  Mutter.  Ein  alter  blaer  Sammt  Mit  aller 
zugehörung,  vnnd  DÜi  Silbere  spangen  mit  verplychenn  goldt 
vbergult,  Sind  etwa  iii  Spangen  vergangener  zeyt  davon  kommen. 
Ein  Rothe  Attlas,  Ein  geplummete  Seyden :  Chorkappen  vnd  nichts 
mehr  dabey.  Ein  Grunharriss  ^'  Messgewandt,  mit  seynem  humeral, 
Stolen,  Alben.  Ein  Schwarz  Burss  Messgewandt,  mit  aller  zu- 
gehörung, Ein  Rothlundich  ^*  messgewandt  mit  aller  zugehörung.  Ein 
Alte  Gelbe  Seydne  Messkasell,  mit  eym  bloen  Bodenn,  Stol,  vnnd 
mantell,  Abei  nichts  mehr  dabey.  liii  Rothe  alte  Arrissze,  ij 
Weysse  leymaten^",  i  Brawn  Seydne,  iiit  Grüne  alte  Seydne,  t 
Schwarzer  Harrisse,  i  Bloe  Mosirte"^*,  i  Brawn  Seydne:  messkaszel, 
haben  aber  kein  zugehorung.  Item,  ii  Grüner,  ii  Blauer  Seydene, 
ii  Brauner  Harrissze,  ii  Rother  harrissze,  ii  weysszer  leymaten, 
ii  Blawer  leymat:  Levithen  Rocke,  nichts  dabey,  5  guther  gewirckter 
wuUe  fürhengk,  für  die  Altaria,  vnnd  dabey  guther  vnnd  geringer- 
Altartücher  fjiti.  Ein  langk  Roth  Seydne  tuch  jn  der  Kyrchen, 
für  die  Communicanten.  Es  ist  noch  ein  grosszer  haulf  von  Kyrchen 
schmuck  vorband enn  gewest,  Aber  bey  Er  Veyten  aufgangenn. 

Die  Ornat  vnd  messgewandt  szo  von  Coburgk  herauss  komen 
vnnd  noch  vorhandenn  vbrig  pliebenn, 

Ein  Blawer  Samt  mit  eynem  gelbenn  Bodenn,  vnnd  aller  zu- 
gehörung von  humeral,  Stol,  Alben,  Darzu  zwen  Levithen  Rock, 
auch  von  blaun  Samith,  mit  iren  humeraln,  Albenn,  Stolen,  Ma- 
nipeln. Ein  Roth  samitisch  Messgewandt,  mit  aller  zugehörung. 
Zwen  Samitisch  Leuithen  Röcke ,  mit  iren  Alben,  One  Humeral, 
Stol  &  Manipel.  Ein  Casell  von  Samit  vnnd  nichts  mehr  dabey, 
jst  von  den  Sternbergern  *^herkomenn.  Ein  Chor  Mantell, vonn  Rothenn 
Samith,  hat  vorn  gehabt  zwue  Silbere  spangen,  vbergult  Sind  aber 
davon  geschnithen  ehe  sie  jns  Closter  komen.  Ein  Chormanteil 
Mit  verplychennem  Goldt  Ist  etwa  der  Bachenn  ^'^  gewest.  Ein  Brawner 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  335 

harrisszer  Levithen  Rock.    Sechs  alter  Messkasell  von  raanicherley 
farbenn,  Mit  altem  verplychen  üoldt  vnnd  one  alle  zugehörung. 
Wiewol  Vermögens  der  Sequestration,  vnnd  nach  Bericht  Er 

Vevthenn  die  Bestenn  vnnd  mehren  teyl  der  privilegia  auff  Schloss 
Coburgk  sein  sollen,  doch  sind  dem  Newen  Verwalter  nachvolgende 
Brive,  so  noch  im  Closter  in  eyner  langen  Schachteil  liegend  auch 
behendiget : 

Die  pergameue  Briue, 

Ein  schütz  vnnd  Bestettigungs  Brive,  hertzogs  Johanssen  Chur- 
fürsten  zw  Sachsszen,  vber  das  Closter  Rothenn,  vnnd  desselben 
güther. 

Zinszbrive  Joachim  vnnd  Valentin  von  Kosenaw  zu  Ahorn 
jerlich  jo  gülden  walpurgi  vnnd  jcv  gülden  Michaeli,  dene  Bar- 
füssern  Bruder  zu  Coburgk 

Zinzbrive  Kethen  Baudlerin  zu  Kembnathen  vber  ein  jerlichen 
Zinszgulden,  Walpurgi  mit  jy  gülden  Ablösung, 

Zinszbrive  Claussen  Boszen  zw  Nid  Wolfsbach,  iij  gülden 
jerlich  Walpurgi  gein  Rothenn  zugebenn  vnnd  mit  l  gülden  ab- 
zulöszenn, 

Kauffbrive  vber  der  Lewpoltin  gütlein  zu  Kembnathen,  wie 
es  mit  zlussen,  fronenn,  lehenschafften  etc.  von  Jörgen  Zentgraven 
zw  Birkich  vmb  Ifiii  gülden  erkaufft. 

Schlicht  Briv  vber  das  guth  zw  Unterlauether,  so  Hans  von 
Schaumberg  vom  Closter  zulenenn  hatt. 

Er  Jörgen,  Haussen  &  Christof  feil  von  Schaumberg,  zur  Lawter- 
burg,  zw  Enelt,  Muckberg,  Assmuss  vnd  Haussen  von  Kunstatt  zw 
Buch,  Sigmunndt,  Heintzenn,  lorgen,  loachim,  Valtein  von  Rosennau, 
Caspar  vnd  Jacob  von  Bach,  Wilhelm,  Haussen,  Valten  Kemb- 
nather  zw  Weyssenbrunn  &  Wildenheid:  Revers.  Mertein  von 
Coburgk  zw  Einbergk,  Wolffen  von  Schonatat,  doeselbst. 

Ein  Reverss  mit  iii  anhangenden  Innsigeln  vber  die  güther 
zw  Wernszdorf;  Reverss  Claussen  Lubscheyt  vber  ein  behauszung 
zw  Niderlawther ;  Ein  alter  Reuerss  vber  eine  Sehestatt"  jm  Visch- 
bach,  jn  papir  gewickelt;  Ein  gar  alter  Reuers  vber  ein  gutt  zw 
Berteissdorf,  vnnd  ein  Brive  vber  die  Hubtrecht  doeselbst. 

Lehennbriff  vber  die  Wabstücke  so  Wolff  von  Schaumbergk 
zum  Rawensteyn  Burgvoyt,  aeynen  vetterni  vnnd  ßurgkgnosszen 
etc.,  von  Mönch  Rothen  zulehenn  hatt. 

Kuntschefft  vber  den  zehenden  zw  Gauberstat,  wie  weyt  der- 
selbig  gegen  Rotha  vbergehen  soll. 

Gütliche  vertrage  vber  den  Vihezehenden,  eyns  heyUchen  Güt- 
leyns  zw  Gaueberstatt. 

Zinszbrive  iij  ®  jerlicher  zinss,  die  dem  pfarrer  zw  Gaueber- 
ptatt  sollen  gereicht  werdenn,  betreff endt. 

Abscheid  auss  dem  Ambt  Coburgk,  vber  die  pöck  zw  Gau- 
eberstat, die  nicht  mehr  zwgeben, 

Vertrag,  das  ein  pfarrer  zw  Gaueberstatt  Selbdriett  umb  sonst 
zw  Badenn  hatt. 

Resignatii  parrochio  jn  Gaueberstatt,  domini  Syffriedi,  jn  curia 
Romana  dolo  impetrata, 

Instrument  frederici  Sysselmans  etc.  vnnd  die  Acta  vnnd 
(]uittanzen  dabey  von  wegen  hinterlegten  gelds. 

Schiedtbriv  was  mit  dem  heyligen  Gutlein  zum  Schlettach  ge- 
halten werdenn  soll. 


336  Inventarium  über  fahrende  Habe 

Kaufbrif,  darin  apt  Ulrich  die  pfandtwyssen  zw  podernndorff 
hanssen  Brückner  zur  Newestat,  umb  6  gülden  verkaufft, 

ij  lartags  Briff,  derer  von  Schonstat,  vnnd  wie  lohannes 
Schonstater  Abbt^^,  die  versetztenn  güther  z^  podernndorf  wider 
abgelost. 

Lehen  nbrif,  sampt  eynem  Andern  Briff  lein,  vber  ein  gütlein 
zw  Schonstethenn ,  Item  vber  ein  gütlein  zum  Hayn,  vnnd  in 
Wustenn  am  Rothenberg,  dabey  wie  Conntz  Zentgrave  zw  Coburgk 
das  gütlein  zum  hayn,  dem  closter  für  ein  jerlichen  ewigen  larzinss 
zuhalten  gegebenn,  alles  beyeinand  gebunden  liegendt, 

Vidimirte  Kuothschafft  vber  die  Schafftrifft  zv  podernndorff, 
Mit  jnnliegend  papir  Kundtschafft, 

Ein  alter  Bescheidt  Brive  vber  der  zehendenn  Syharssdorff, 
jam  vocat.  Sichelssdorff,  vnnd  dabey  ein  Brif  vber  ein  gutt  zw 
Stambergk,  ist  itzo  ein  Wüsten, 

Vnnd  obverzeichende  Brive  sind  an  irenn  schrifftenn  vnnd 
jnnsigeln  meystenteils  vnversehrt. 

Darzu  sind  Ime  dem  Newen  Verwalter,  Etliche  alte,  Cassirte 
perment  Brive,  so  nicht  in  grosser  acht,  jn  einer  langenn  schachteil 
vberantwort.    Nemlich: 

Etliche  lateynische  Instrument,  Decret,  presentationes  vnd  con- 
firmationes  des  Bischoffs  zw  Würtzburgk,  vnndConvents  zw  Rothenn, 
Etlicher  verstorbnenn  Ebbte  zw  Rothen,  Alle  zusammen  gepunden. 

Zinssbriff  Er  lohanssen  folckmar  vber  d  guldenn  jerlichen 
Walpurgzinss  so  jin  Röthen  schuldig  gewest.  Sind  mit  c  gülden 
wider  abgelöst. 

Etliche  Zinss  vnnd  SchuldBrive,  vber  cjl  guldenn,  die  Mönch 
Röthen  Contzen  Zechen  zw  Niderwolfsbach  vf  gepürlich  ver- 
zinssenn,  schuldig  gewest,  Jst  auch  bezcalt  vnnd  abgelost. 

Zinszbriff,  daß  Mönch  Röthenn  Er  hanssen  kauffmann,  Vi- 
carier  zw  Coburgk  v  gülden  Walpurgi  vnnd  v  guldenn  michaelis 
schuldig  gewest.  Sind  aber  iic  guldenn  abgelöst. 

Zinss  Brive  vber  ü  gülden  Walpurgi  vnnd  d  gülden  Michel- 
zinsz,  Er  Seyffriden  Grevin,  auch  zw  CoDurgk,  auss  Rothenn  ge- 
reicht, Sind  auch  mit  iic  gülden  abgelöst. 

Kauff,  quidt,  geding,  vnnd  anders  papir  vnnd  permente  Briv, 
vber  den  hof  zw  Rudelssdorf, 

Etliche  Ablas,  vnnd  Bruderschafft  Brif,  zw  tewtzsch  vnnd 
Latein  zusamen  gepundenn, 

Zinss  brieff  vber  v  guldenn,  jerlichs  Zinss,  dem  Rieh.  Almuszen 
zw  Coburgk  gebenn,  die  Abbt  Niclaus  mit  k  guldenn  abgelöst, 

Mauicherley  Copey  vnnd  Cassirte  Brif,  von  wegen  der  hinter- 
legten Brif  jm  Closter,'  Paris  vnnd  Ernst  von  Brandensteyn,  dess- 
gleychen  des  Schossers  frawe  belangends.  Lehenn  und  Revers  Brif 
vber  ein  Wystenn  zw  Bertelsdorff,  die  phillip  Kellner  aus  Weyden- 
hofersgutt  zw  Nid.  lauther  kauft,  Jst  wid.  abgelost. 

KaufBrif  vber  die  pfandtvyhsen,  so  abbt  Niclaus  von  Jörgen 
Eberth  vmb  jrjoi  uf  wiaerlöszen  kaufft,  Jst  auch  abgelöst. 

Wechssellbrif  vber  den  zehenden  zw  Vnterwolfsbach  vnnd  den 
zehendenn  zw  Veylsdorff,  alles  vorlengst  abgangen. 

Jartag  Brif  vber  Er  Hermann  Bruners  jartag,  so  jerlich  zw 
Gawberstat  sollt  gehaltenn  worden  sein. 

Item    Ein    grosszer    püschell    mit    alten    lehenn    Brifen,     so 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  337 

die  veretorbnenn  Ebbte,  vber  etliche  des  closters  leheun ,  vnnd 
güther  gebenn,  zuBaniinen  gebundenn,  haben  eynsteyls  noch  jre  an- 
nangencfe  jnnsigell,  ettliche  keyne,  Seind  dennoch,  vievol  zum  teyle 
vnpiindig  gemacht,  Nicht  zuverwerffen. 

Item  etliche  Lateinische  Investitur  vnnd  Inductiones  von 
Würtzburgk   vber  die  pfarrer  zw  Gaueberstat. 

Die  vberantworten  papir  Brive,  auch  manicherley  zwesammen 
gelegte.  Acta  vnnd  Copey, 

Erstlichenn  Vill  vnnd  Manicherley  Acta  zwischen  dem  Closter 
vnd  Contzen  Ziglern,  darzu  ein  gantz  Büchle,  Etliche  quaternn, 
solche  Acta,  comportirt  vnnd  libellirt,  jnnhaltende,  Item,  Abschrifft 
von  des  Gerichtlibels,  dessgleychen,  den  letzten  Abscheid,  so  Chur. 
Gn.  jnn  rrr  jar  zw  Coburgk  geben,  sampt  Andern  vill  Copeyen. 

Gerichts  Acta,  die  Appelation  vnnd  alle  andere  sach,  zwischenn 
Mimchrothenn,  vnnd  dem  Happachs  Müller,  des  Wasserfluss  halben, 
die  Röthen  gnant. 

Acta  zwischenn  Röthen,  Heintz  von  Eosenawe  vnnd  der  Ge- 
mein zw  Oszle,  schaff  und  Viehtrvbs  halben, 

Vill  Brive  vnnd  Copey  der  Marcksilbers  halben,  darvmb  das 
Closter  von  etlichen  gescfilechtern  jm  Land  zw  francken  je  zu 
zeythen  hefftig  angefoditenn,  die  auch  in  etlichen  quatern  sonder- 
lich libellirt  smd. 

Manicherley  actabeyeinand,  zwischen  Monich-Rothenn,  desselben 
Arn^en  Lewthen  zw  Kembnaten  vnnd  poderndorf  dessgleychen  denen 
von  Schaumbergk  zur  Lauterburgk,  trylfts  halb. 

Etliche  Brif,  Copey,  Sampt  der  quittantzen,  Röthenn  vnnd  das 
closter  öteynach  belangendt,  von  wegen  etlicher  erkaufften  Ochssenn. 

Acta  manicherley  vber  den  hewe,  Obs  vnnd  hüner  zehendt  zw 
Weidach. 

Gewalt  vnnd  Schreck  Brive  vber  die  pfandtwyssen  ob  dem 
Heydersssehe  gelegenn. 

Acta  zwischen  dem  closter  vnnd  desselben  Armen  lewthen  zw 
Weidach  Eyns,  denen  von  Newses  andersteyls  trybens  halb,  vnd 
dabey  it  Copey,   auch  den  Schaftrifft   gein  hergottsdorf  belangendt, 

Ein  grosse  Monatig  frone  Brif,  Abbt  Niclausen  zugeschickt. 

Etliche  Schuldt  vnnd  Bekenthnuss,  beyeinander,  dass  Abbt 
Niclaus,  seliger,  zum  Kauff  vmb  Weydach  vnnd  den  Eychhoff,  etlich 
vill  hundert  gülden,  entlehnet,  womid  diesselbige  schuldt  auch  be- 
zcalt,  lawt  der  quittantzen,  so  einsteyls  auch  dabey  sind? 

Anlass  wie  erstbemelte  güther ,  *  desgleychen  aie  Cuntzen  von 
dennen  vonn  Sternnbergk,  kautft,  vnnd  auch  bezcalt.  Acta  zwischenn 
dem  closter  vnnd  der  Gemeinde  zw  Schewerfeld,  wie  es  mit  den 
Schaffen  zun  Eychhof,  treybens  halb,  gehalten  werden  soll,  dabey 
wie  es  mit  den  jungen  Schrötfienn  *^,  jm  Rorssbach,  von  Inen  mit  hegenn , 
glebt  soll  werdenn,  Jtem,  wie  es  umb  die  Vogellheert  zw  Weidach 
vnnd  Eychhof  stehenn  soll,  Desgleychen  Etliche  Acta,  zwischen 
Röthenn  vnnd  dem  Muckperger,  eyns  ortlein  holtzhalb  jm  Rorspach. 

Etliche  Briff  vnnd  Copey  vber  den  Zehenden  zum  Karlszhayn, 
so  etwan  von  der  Bruderschaft,  apostolorura,  angefochtenn. 

in  quittanzen,  wie  Kypffendorf  bezcalt,  dabey  ein  Kunthschafft, 
dass  Kypffendorf  weder  Bethe  noch  stewer  gebenn  hatt.  Mit  ij  An- 
lasszen,  wie  Heintz  Orle  sein  Seldenn  doeselbst  zw  Kypffendorf  Monch- 
Röthenn  zehendtbar  gemacht. 


338  Inventarium  über  fahrende  Habe 

Ein  dicker  hawff,  mit  villerley  Quittantzen,  dem  closter  vom 
Styfft  AVürtzburgk,  von  wegen  Collecte  Episcopal'  Contributionum 
vnnd  Exercitationium  sübsidii  etc.,  gebenn, 

Manicherley  vnnd  vill  Sennt-  vnd  Revers  Brive  beyeinander, 
von  wegen  der  Lehenn,  so  ^ 

die  von  Rosennawe  \ 

die  von  Schaumbergk 

Wolff  von  Schonstat,  etc.   >  vom  Closter  zu  leben  habenn. 
Hanns  Siebenhar,  etc. 
Die  von  Brandenstein         / 

Belangend:  Die  lehenn  zw  Wemssdorff 

Der  Knothen  zw  Bambergk,  vnnd  wie  der  hof  zw  Lawther 
dem  closter  verkewffL 

Etliche  fürstliche  Mandat,  an  Abbt  Niclausen  aussgangen  vnnd 
sonderlichen  Etliche  Supplicationes,  an  Se  Churf.  gn.,  dess  zehendon 
H  pfennig  halb,  wie  Röthenn  derselbenn  erlassen. 

ij  schrifthcher  vertrag  zwischen  den  Weymerssdorffernn  jtem 
Claussen  Köler  zw  Mittelbergk  vnnd  Veythenn  Luthart  zw  Visch- 
bach,  Weserung  vnnd  ander  gebrechen  mehr  halb, 

Vill  copey  vnnd  acta  zwischen  Röthenn  vnnd  Bastian  Rappen 
zum  Rothenhof,  trifft,  Sehestat,  vnnd  vogelhert  berürend. 

Acta  zwischenn  Röthenn  vnnd  denen  von  Neyda,  der  zinss 
halben  zw  Burgkharssdorff,  iij  Öim.  Getreydtig  i  hun.  Sendt  Brif, 
herr  hanssen  vnnd  Wolff  vonn  Sternnbergk  das  holtz  zw  Weydach 
betreffendt. 

Etliche  Copey  von  wegen  der  verwechsselten  Ecker,  so  Etwa 
Jörg  vonn  Rosennaw  vnnd  Anna  Schefferin  zum  Espach  mit  eynander 
gehalten, 

Acta  vnnd  Copien,  mit  der  Gemeinde  zw  Hawbersfat,  des  Ge- 
meinen  pehren^"  vnnd  Ochsszen  halb,  so  vnverschont  gehen  sollen. 

Etliche  auscultirte  copeyen  vber  die  Gewbtbrive,  der  parfuszer 
Brüder  zw  Coburgk. 

Verzeichnus  vnnd  senndt  Brif,  wie  Apt  lohann  zw  Veylssdorff 
den  zehenden   zw  Niderwolfsbach ,    widerumb    ledig    gemacht    hat, 
Dann  er  ward  Mönch  Röthenn  vmb  püc  fl  versetzt. 
I  Der  Schaffhalb  zw  Mernhawsen, 
Acta  ■!  Der  jungen  Schrott  willen  doselbst, 
I  des  kyrcnners  zw  Gawberstatt  halb. 

Sennd  Briff  darjnnen  sich  der  Schosser  zu  Coburgk  erpothenn, 
das  Broth  vnnd  Trinckenn,  so  dene'fronernn  an  der  Hrn  grosszen 
Sehe,  ausszem  Closter  gebenn,  zubezcalen.  Vrphede^«  Hanssen  lutzen 
zw  Weydach,  Abbt  Niclaussen  vnnd  dem  closter,  gefengknus  halb, 
Getbann. 

Acta  Röthenn,  auch  Casparnn  vonn  Rosennaw  vnnd  ettliche 
auss  der  Gemeinde  zu  Gawberstatt,  Sendthabernu ,  Hawss^s,  vnnd 
Hewczehenden,  Betreffendt, 

Manicherley  Brif  von  den  taffein,  Ornaten,  Glockenn,  Mon- 
strantzen  vnnd  Andere  Zyrung  jn  die  Kyrchenn,  wie  diesselbig  er- 
kewfft,  gezewgt, 

Kunthschaft,  das  die  Röthenner  vorzeyten  Bethe  vnnd  stewer 
freyhe  gewest  sind.  Item  dabey,  wie  es  itzo  überwerdt.  Mit  eynen 
Verzeichnuss,  daß  die  zugehörung  ettlicher  Seldenn^*  jmdorff  Röthenn, 
meysteyls  auss  des  Closterseygenthumb  gemacht,  vnnd  damit  merg- 
lich  gebessert. 


Bekenthnus  vnd  q'ttantzen  Lidtlons* « 
vr)d  hindlegtsgelds  halb. 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  339 

Kaufbrive,  sampt  eyner  Vrphede,  vber  des  schnevders  Seldenn 
zw  Röthenn,  so  itzo  Hans  Lichtenateyner  hat,  mit  etlichen  andern 
Copien. 

Acta  zwischenn  Monch-Röthen  vnd  der  Dorffschafft  zur  Thann, 
von  wegen  der  Zinszs,  der  sie  sich  ins  Closter  zugeben  wegertenn, 
Jtem  Abschiedt,  wie  sie  des  Zentgraven  holtz  jn  unserm  holtz,  nach 
anweyssung  hawen,  auch  den  Zehenden  von  jrem  Newegerodt 
feldernn,  so  Bethe  vnnd  sorg  habenn,  geben  sollen. 

Etliche  Sendt  Brif ,  an  Rorhenmacher  zw  Nurmbergk,  des  Bruns"  s 
halb, 

Auch  sind  zusammen  gepunden,  Etwa  vill  quittantzen  dem 
Closter  geben,  Belaugendt. 

Meyster  Leichart  Orgellmacher  rrjoiii  gülden  von  der  Orgell 
zumachen  vnnd  vmb  etlich  hinterlegt  geldt  vnd  kleynot. 

Er  Veythen  Alinger  vf  der  Rosenaw,  vber  etlich  hinterlegt  vnnd 
geliehen  geldt,  Dessgleichen  jcii  gülden,  so  Claus  Zigenfelder  zw 
Bewerf elte  dem  Closter  hinterlegt,  Jst  aber  Alles  wiedergnügt. 

ürsull  langin 

Bissen  Helmothin 

lorgen  Muckperger 

Margrethen  Bischoffin 

lorgen  prehls 

Des  Brobsts  zw  Coburg 

Contzeu  Happachs  etc. 

Copeyen  des  Vihezehends  halb  vom  heyligen  gütlein  zw  Gawber- 
stat  Jtem  Anthony  schneyders  halb. 

Zinss  Brive  Kunnen  Eückerin,  zw  Röthenn,  vber  ein  jerlichen 
Zinssguldenn,  petri  Cathed.  mit  rr  fl  ablöszcig. 

Zinss  Brive  Haussen  Truckenbrots,  zw  Vnterlawther,  vber  ein 
jerlichen  gülden  zinssz,  petri  Chathed.  Mit  rr  gülden  auch  ablöszcig. 

Bekenthnus  des  Raths  zw  Coburgk  über  rc  guldenn,  so  Hans 
Friedrich  Sathler  zw  Coburgk,  dem  closter  jerlich  mit  ij  guldenn, 
vf  widereinloszen  zuverzinszen  schuldig. 

Vier  Kunthschaft  3  ^  bey einander, 

Vber  ein  vierteyll  des  Zehendts  zw  Bertolssdorff,  so  Hans 
pawther  gein  Röthen  umb  ein  jerlichen  larsstag  gebenn. 

Vber  fpi  ssymmerc  Korn,  vnnd  iiij  ®  gddts,  so  Röthenn  vf 
eym  hof  auch  zw  ßertelssdorff  gehabt. 

Vber  des  Körners  Seldenn  zw  Röthenn,  wie  diesselbig  nach 
seynem  todt,  dem  Closter  heymgefallenn. 

Vber  das  Guth  zw  Oberlawther,  so  itzo  Hans  Greyffet,  jnnen 
hat,  voigteyhalb,  so  die  von  Hespergk,  daruf  habenn. 

Acta  zwischen  Ganerbenn''*'  vnnd  gantzer  Gemeinde  zw  Gawber- 
statt,  von  wegen  des  Gemeinen  holtz,  auszugebenn  vnnd  Ander 
Artickell  mehr 

Christoffeln   Schütz  \ 

ConradiLevmbachs      Conventualn     zw  Röthen,  Abfertigungs- 
Nicolai  Bücheis         (       qu'ttantz  &  vertragk««. 
Lauren  cij  Große        ' 

Die  Copey  BUcher  dem  Verwalter  auch  gelassenn. 
Ein  Copey  Buch,  jn  zwey  teyll  geteyllt,  vnnd  jn  perment  ge- 


340  Inventar!  um  über  fahrende  Habe 

bundenn,  darinn  durch  gnanten  Verwalter  abcopiret  vnnd  geschriebenn 
sind,  alle  Stifftung,  privilegia,  Briffe,  Lehenschafft,  Zinss ,  ge- 
rechtickeytth,  Servitut,  Sampt  allen  obverzeichenden  Acten  vnnd 
Copiis,  so  das  Closter  Altenthalben n  hatt. 

Jtem   Ein   ander  Copiat,   auch  durch   jne  geschriebenn,  vnnd 

Gelbe  Compert*"  gepundten,  darjnne  mit  vleyß  libellirt,  vnnd 
zusammen  gezogen  sind,  Alles  das,  soe  sich  mit  kewffenn  vnnd  allenn 
andern  sachenn,  vmb  den  Eychhoff  vnnd  Weydach,  begebenn,  mit 
mannicherley  acten. 

Ein  ander  Copey  Buch,  so  er  auch  geschriebenn,  vber  alle, 
des  Closters  Rittermessige  lehenn,  Öampt  Irenn  libellirtenn  Copiis, 
acten,  Lehen,  vnnd  Reverssbrief fen,  dabey  alle  ablossige  Zinss,  so 
man  dem  Closter  schuldig,  vnd  widerumb  was  das  Closter  Andern 
jerlichen  zuverzinssen  pflichtig  gewest,  Mit  jrenn  Verschreybungen. 

Ettliche  quaternn,  vnnd  auch  in  Büchlein   vber  die  Acta,   so 
zwischenn  dem  closter  vnnd  Contz  Ziglern  ergangen, 
hats  auch  geschrieben. 

Ein  alt  dick  Copey  Buch,  jn  ein  gelbe  Coopert,  gepunden, 
darjnn  gar  vill  vnnd  manicherley  Copey,  Acta  vnnd  Receß,  das 
Closter,  auch  ander  lewth  belangendt,  geschrieben  stehenn. 

Etliche  quaternn  zusamengepunden ,  vill  Copey,  Bekenthnus, 
Schuldt,  vnnd  Kewffbrive  etc.  innhaltende,  etwan  bey  apt  Heinrich*^ 
von  Coburgk  geschriebenn,  vor  \<^Irrr  jaren. 

Die  Register. 

iiij  Alt  Register,  so  die  verstorbnenn  Ebbte,  habenn  schreybenn 
lasszenn  vber  die  lehennschafft  vnnd  zinss ,  des  Closters  Monch- 
Röthenn,  Sampt  der  Eynnahme,  derselben  Zinss. 

Ein  kleyn  alt  pergamene  Registere,  vber  des  Closters  Rither- 
messige  vnd  Andere  Lehenn. 

Ein  Newe  Manual,  mit  Rothem  Leder,  vberzcogenn.  Item  noch 
ein  grosses  Register,  vber  alle  lehennschafft.  Gerech tickeyt,  Zehendt, 
Zinss,  vnnd  andere  Servitut,  des  Closters.  Darzu  noch  Ein  Register, 
gleychs  jnnhalts,  wiewol  nit  gar  volendet. 

Die  hat  der  Verwalter  alle  drey  geschriebenn. 

Ein  gross  lang  Register,  so  Veyth  haff  meysteyls  mit  seyner 
zinss  Eynt  Ahme  gebrawcht. 

Etliche  Getreydt  Register  vnnd  wie  die  zehenden  vorlang  her, 
hingelassen,  dessgleychen  kleyne  Registerie  wie  die  vihezenendt 
Eingenohmen,  vnnd  verzeichen  worden  sindt. 

xj  gleychlautende  Register,  vber  alle  Bücher  jn  der  Liberey  so 
Röthenn  zustendig,  Jtem  Computationes  **  der  Verstorbenenn  Ebbte. 

Ein  kleyn  Registerle,  vber  alle  zugehörunge,  zinssen  vnnd 
gerechtigkeyt  der  pfarrer  zw  Gawberstat. 

Inventarium  des  Bethgewands. 

In  der  grosszen  Camern  neben  der  Obern. Stuben  jn  der  Kemb- 
nathenn. 

Eyn  HymelspannBeth  Mit  zweyen  fürbenncken  darjnnen, 
Ein  Strohesack,  Ein  vnterpethe  Kempnitzer  zychenn  *'  Ein  ober  Bethe 
parchet,  Ein  wuUe  Decke  darauf,  Eyn  pfulln,  Zwey  küsse,  vf  jeder 
zwue  weysse  zychen,  zwey  par  leyhelach**,  das  ein  gut,  dass  ander 
bösze  vnd  zerysszenn, 

Eyn  hymell  Span-Bethe,  auch  jn  derselben  Kamern,  Mit  eyner 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  341 

vor  Benck ,  vnnd  eynem  Schybepethle,  darinnen  Ein  unterpethe, 
mit  eyner  kempnitzer  zychenn,  ein  parchet  Uberpethe,  Ein  wullene 
Decke,  Ein  Pfulln,  zwey  küsse,  jedes  Mit  einer  gestreyfftenn,  vnnd 
eyner  Weysszen  zychenn  überzcogenn, 

Jtem,  zwue  verschlosszenn  halbe  trohen**,  vnnd  eyn  zyneCanne, 
sind  auch  in  derselben  Camern. 

Jm  kleyn  Beykemerle  neben  dysser  Camernn,  Ein  Spanpethe 
Mit  eyner  vorpanck,  vnnd  halben  tröhele*^  darinnen. 

in  Tectt  }  ™-  Ke^pniUer  zyohenn, 

Ein  pfulln  mit  kölnischer  ziehen  uberzcogeii,  zwey  küssen  in- 
wendig mit  seyden,  vnd  aussen  mit  zweyen  weyszen  zychenn  über- 
zcogenn, 

Zwey  par  gemeyn  er  flesszener*'   leylach.     Im  Mitteil 
gemach  der  Erckers  Kamer, 

Zwey  Spanpehte  jn  dem  Eynen ,  Ein  vnter  vnnd  Ein  Ober 
pethe,  Kempnitzer  zychenn.  Ein  abgenutzter  polster  Zwey  küsszen 
mit  jrenn  zichenn,  zwey  par  tücher.  Im  andern,  Ein  Unterpethe, 
kempnitzer.  Ein  Oberpetne  kölnischer  Zychen,  Ein  polster,  zwey 
kyssen  mit  iren  zychenn,  zwey  par  tücher.  Meysteyls  abgenutzt, 
gereythert,  zerysszenn, 

Ein  halbe  verschlosszene  trohen,  zwey  Benckle  für  die  pethe, 
auch  dabey. 

In  des  Kochs  Cam  ern, 

Vier  Schlechte  grossze  Span  Bethe,  darinnen :  Acht  Ober  vnnd 
Vnterpehte  von  schlechtem  abgenVitztem  gereth,  gantz  gering,  zw 
jedem  pethe.  Ein  groben  pfüUn,  Zwey  kysszen,  mit  jrem  geringen 
zerf ley sehten n  zyschenn  t  par  grober  Leyhelach,  Wurcker  tuch, 
alles  uffs  geringst. 

In  der  geweihten  kamer  neben  dem  kleyn  gewölbten  stübelein ; 

Eyn  Hymelspanpethe  mit  zweyen  vorpencken 

Zwey  vnterpethe,  Eyns  kempnitzer  vnnd  das  Ander  parchet 
Z^^chenn,  sind  kurtz,  Ein  Oberpethe  Barchat,  Ein  pfüU,  Zwey  kysszen, 
mit  zweyen  gestreyfften  vnnd  zweyen  weysszen  zychenn. 

Ein  leer  Hymelbethe  steht  auch  in  dyser  Camem  hatt  vor  jn 
der  Abtey  Behawssung  gestandenn,  vnnd  ist  darjnnen  gewest:  Ein 
unterpethe  Kempnitzer  zychenn.  Ein  ober  Bethe  mit  eynem  trylich, 
zwey  par  newer  leylach,  Ein  polster,  zwei  kysszen  mit  zugehörigen 
zychenn, 

Ist  hern  Veythen  vnnd  seyner  hawssfrawen  gegebenn.  Auch 
ist  in  dieser  Camern  Ein  Halbe  verschlosszen  trohele.  Ein  Schranck 
mit  verschrothen  werck,  Amnd  mit  vier  schlossemn,  Ein  langer  Tysch, 
doe  man  die  Kleyder  aufflegt. 

In  der  Kempnathenn  des  Knechts  stal. 
Ein  schlecht  Spanpethe,  darjnn  Ein  Unter,  Ein  Ober  pethe  mit 
Eym  par  grober  Leyhelach,  Eym  polster,  zweyen  Küsszenn. 

In  des  Engelharts  Stal 
Ein  schlecht  Spanpethe,  darinnen  Ein  Unter,  Ein  oberpethe, 
Ein  paar  leyhelach.  Ein  polster,  zwey  küsszen. 


342  laventarium  über  fahrende  Habe 

In  der  Meydt**  Camern 
Zwey  geringer  Vnterpethe,   Ein  Oberpethe,  Ein  par  tücher,  Ein 
polster,  Drey  küsszen. 

Das  pethe  in  der  Müle 
Ein  boß  Öpanbethe  mit   eynem  Vnter  vnnd  Eym  Ober  pethe, 
Zweyer  küsszen,  zweien  tüchern, 

Ins  Muppergers  Camer 

Ein  Spanpethe,  Eyn  polster,  Eyn  Küssen,  zwey  leyhelach, 
Seind  des  Closters.  Aber  das  Unter-  und  Oberpethe  jst  sey'n,  vnnd 
bemelte  pethe  ins  kochs,  Engelharts,  Muppergeres  Camer,  dessgleychen 
in  der  Kerabnaten,  Mul  vnnd  Meydthawsz,  sampt  iren  Küsszen, 
vnnd  polstern  n  sind  gestroht  grobe  ding. 

Item  Vier  kleyner  leere  Spanbethe,  für  die  Ordenns  person 
gemacht,  der  stehen  zwey  auffm  Newen  Schlaf fhawssz,  vnnd  die 
Andern  zwey  jn  den  kamernn  der  Ebtey  behawszung. 

Item  Ein  grobe  Spannpethe  hinten  in  den  Camem,  neben  dem 
Sigestüble  "», 

Ein  kleyn  nidrig  fawlpethlein,  mit  eyner  Moderatzen  *"  hat  jm 
stüble  der  Ebtey  gestanden. 

Von  tyschtüchern  vnd  hantzweheln  ^^ 

ji  gemeyne  vnnd  wol  abgenützte  pose®*  Tyschtycher,  Einsteyls 
von  manncherley  stücken,  zusammen  gesetzt,  vnd  gefückt. 

rpü  handtzwelen,  auch  wolabgenützt,  gestückt,  Bosz  vnd  gut, 
vnnd  bemelte  tycher  vnnd  handtzwelen  gehören  in  die  Ebtey,  haben 
im  obbestimbten  verschrothenn  schranck  gelegenn  in  der  Kempnaten. 
Item  üit  tyschtycher  vnnd  ij  Handzwelhen ,  wolabgenützt.  Ge- 
hören in  das  Sigestyble  für  das  convent.  Item  iiij  Newe  Tysch- 
tücher  von  groben  gewürck,  so  der  itzig  Verwalter  hat  machenn 
lasszen  vnnd  ii  alte  Tyschtücher ,  gantz  zurysszen ,  mit  ii  alte 
Handtzwelhenn,  auch  bösz.  Gehören  in  die  gesindt  stuben.  Auch 
liegen  in  obbemelten  Schanck  jn  der  Kempnaten  15  Altartücher 
vnnd  ii  Albenn,  sind  von  Coburgk  herauss  komenn,  ii  lange  Tysch- 
tücher, haben  etwa  in  Eef enter  gehört.  Item  Irii  strenge  grobs 
Wirckes  garrns.  Sind  zutuch  vermacht,  nach  Innhalt  der  Eechnung. 

Die  Seeke. 

V  guther  Newer  Secke,  mit  streyffenn,  die  hat  Er  Veit  machen 
lasszenn.  üi  Secke  von  groben  Newen  tuch,  hat  der  Newe  Verwalter 
machen  lasszenn ,  jnnhalts  der  Rechnung.  Darzu  sind  noch  vor- 
handen gewest,  jrtiil  alter  Secke,  die  sindt  geflickt  vnd  meysteyls 
abgenützt  vnnd  zerysszen.  iij  grosser  langer  Wolabgenützter  hopffen, 
vnnd  wollenn  Secke.  i  ploen**  vf  die  Wegenn,  i  leyne  Garü  für  die 
pferde,  Eyn  leyne  decke  auf  die  pferde  zu  felde,  Drey  grasztücher 
für  die  meydt. 

Das  wulle  vnd  leyne  tuch. 

Ein  gantz  schwartz  tuch,  hat  eingenetzt  gehalten  jjr  Elnn 
Ein  gantzes  Kemble^*,  das  sindt  eingenetzt  gewest  jjj  EIS 
Ein  stück  gelbs  füther  tuchs,  sind  j  Elnn  genetzt  gewest 
Ein  gantz  Weyß  füther"  tuch,  hat  eingenetzt  gehalten  rrrit  Ein 
vnd  ^D*  Ein  stücke  weyßz   füther  tuchs,  smd  friti  Ein  genetzt  ge- 
west.   Ein  halb  stücke  grobe  leyne  tuchs  hat  frriii  Ein  genetzt  ge- 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Ck)burg.  343 

west.  Ein  halb  stücke  grobe  leyne  tuchs  hatt  roii  Ein  gehaltenn. 
Ein  halbe  Stückle  leyne  grobs  tuchs,  zw  TyscHtüchernn,  für  das 
gesinde,  r  Elnn. 

Ist  alle»  zu  der  grosszen  geweihte  Stuben,  in  der  Kembnathenn 
jn  eynem  grossem  verschlossznera  schanck  gelegen. 

Von  zynwergk. 

ii  grosszen  zynn.  Sind  von  Coburgk  mit  den  parfüssem 
komenn.  v  zyne  eynwenigk  kleyner,  tii  Differ'*  Suppen  zyne.  iii 
Zirlige  gemüsz  zyne,  püi  mittellmessig  geniüsz  zyne,  riii  kleyner 
gemüsz  zyne,  vf  iii  ade»"  iiii  person,  rnriii  zynle  für  die  einzcaln 
person.  iiii  grosszer  zyne  teler  zum  gebrathenn,  iii  Mittellmessiger 
zyne  Brathteler,  i  kleyn  zyne  Brathteler,  j  kleyner,  salzenn  vnnd 
Essigk  zinle  Sind  nicht  jn  eyner  grössz. 

i  hohe  grosse  zyne  Bewchete  kandell  mit  eynem  Zypff*',  i 
kleyne  kandell  mit  eynem  Zypff,  iiii  große  zyne  kandell.  Geht  in 
ein  jgliche  ij  virteyll,  iii  Kandell,  Geht  in  ein  Jgüche  ein  virteyll, 
1  Masskandell,  i  KewUet*^  beuchet  Masskandell,  ti  zyne  Eychkopf, 
Landt  vnnd  Coburger  mjiss.  vi  alter  pfrunkandell'*,  so  etwa  jm  Re- 
fenter  gebrawcht  worden. 

Em  gross  zyne  Vierecket  Gyszvas  mit  eynem  eckigem  Deckell. 
1  Groß  zyne  Gieszvas,  jm  altem  Refenter,  ist  itzo  in  der  Oberen 
Stuben  uf  der  Kempnaten. 

Ein  zyne  Gyeszvas  Mit  eynem  zum  teyl  vberzynthen  schencklein. 
Ein  kleyn  zyne  Gvszvass  in  der  sichstubenn,  rii  geschlagener  zyne 
tyschteler  in  der  Ebbtey.  ni  Zyne  Salzkendelein ""  in  der  Ebbtey 
vnnd  Sychstubenn.  i  Zyne  Stendtnerle  zw  Bawmole***  vnnd  dabev 
ein  stückle  gemenigts  zynss  von  eynem  Gyszvasz,  ii  par  gemanck 
Bleyer  lewchter  vf  die  Altana,  in  der  Kyrchen,  i  Sechs  Ecket  zyne 
Breyth  '*  ding,  darauf  man  die  Schüssel  vffen  tysch  setzet,  roi  zyne 
theler,  acht  jn  die  Ebbtey  vnd  die  andern  Acht  für  das  Convent, 
nynther  jns  Sigestyble.  Item  i  Kärthen""  Eychköpffle  inn  keller, 
hat  der  newe  Verwalter  Thomassen  Kandelgisszer  zw  Coburgk 
machen  lasszen,  freytags  nach  Antony  A"  jjjij. 

Solche  obbemelte  Stücke  sind  alle,  ader  gar  wenigsz  auss- 
genomen  Coburger  Zewgk. 

Von  meszwerek®*. 

In  der  Kyrchen. 
ii  grosse  Messelewchter,  jghcher  mit  iii  Lebenn  ®*,  vffen  hohen 
altar.  ii  Älittellmessig  Messlewchter,  auch  auff  den  hohen  altar. 
V  par  messene  zirlige  lewchter,  vff  die  Anderen  Altar  jn  der 
Kyrchenn.  i  gar  kleyn  par  Messelewchter  auch  vff  die  Altaria. 
p  kleyne  messene  lewchter  jghcher  mit  i  Rörenn.  i  Messe 
Rawchfaszs  Alles  Röthen  zustendig,  darzu  Ein  Messe  gefess, 
zvun  heyhgen  Sact  (Sacrament)  vna  etliche  monstrantzle,  darein 
heylthumb  gefast,  iii  messe  Rawchvesser  Coburgk,  ii  messene  Fewer 
Sprytzenn,  i  gross  Messe  Beckenn  mit  eym  englein,  iiii  großer 
Messzener  Beckenn,  i  Mittelhandtmesszne  Beckenn,  i  hoher  Messzer 
köpf  mit  iiii  henlein  zum  handtwaschen.  i  Andre  Messzene  Knopff, 
mit  Di  kleyner  Rörlin,  i  Messe  lange  Kandell ,  domit  man  auff- 
geusset,  so  man  die  hendt  weschet.  i  Messe  lewchter  mit  iiii 
Rörhen.  i  Messze  lewchter  mit  iii  Röhrenn,  iii  kleyne  Messzne- 
lewchter  jder  mit  i  Röhrenn  i  hangender  lewchter  mit  iii  Rörenn 


;J44  Invcntariuni  über  fahrendo  Hal)e 

in  der  Ebteystubenn  ,  i  ^lesszno  lewele  zum  Wasi^zer  vf  die  hendt 
zngiesszeiin.  Ein  niesszene  Jjarbir  Beckenn  von  Coburgk,  vnud 
sunstcn  in  der  Badtstnbenn  auch  ii  niesszene  Barbir  Beckenn,  sampt 
den  Wannen ,  nt  Infra.  i  messzne  Wage,  ii  messzene  ampell, 
]  kleyne  messe  pleye  wage,  iiii  Stocke  sampt  schewben,  vnnd  iiii 
Korl)enn,  dormit  man  Bleyhc  zum  fensterwerck  zewcht.  1  grosser 
Messener  Morser,  mit  eynem  Stempffell  ^'.  i  Messene  Schuster  schmir 
Kesseil,  Eyn  leymtygell.  i  Messzner  tyschrincke.  1  Messze  Becken, 
darinnen  man  würtz  terret.  riiii  lass  han  "*,  groß,  klein,  gutt,  vnd 
böss.     ii  hocken  Büchssen  ii  ßüchssen,  je  eyne  mit  iii  schüsszen. 

Ein  groß  Backey^szen,  mit  eynem  herzcogischem  schilt.  Eyn 
kleyn  Backeyszen.  Ein  Frosch  Backeyszenn. 

Ere«^  heffen. 

iiii  großzer  Ehertöpff  zu  rnii  raoss,  jglicher  mit  iii  Beyn. 
iiii  Mittellmessiger  zu  rri  Moos,  mit  iii  Beyn.  ii  kleyner  ehre 
töppfle,  auch  mit  iii  Beynen. 

Ton  Kiipfforwergk. 

i  Kupffere  ]Monstrantzen  ubergult  i  Kupffere  Blaszen  zum 
Brenweyn,  i  Kupffere  Kesseil  mit  i  Rörenn ,  auch  zum  Weyn- 
brennen.  i  Mitelmessiger  kupffere  Kessel!  zum  lychtziehenn.  i 
kupffere  Becken  pro  JNlandato,  i  Ander  kupffere  kesseil,  darein  man 
hoffen  vnnd  anders  schuett,  ii  kleyne  kupffere  kesszelein. 

Dys  hat  Alles  Er  Michcll  zum  Weynbrenuen  vnd  Lyehtzihen 
in  seynem  gewalt,  one  die  Monstrantzen.  t  grosse  kupffere  Wann, 
vberzynt,  dorynnen  man  Bath,  in  der  Badtstubenn,  i  kleyne  kupffere 
Wann,  darein  das  Kaltwasser  gelassen,  auch  in  der  "Badstuoenn, 
i  Kupffere  kuelkessell,  vi  kupffere  kandell ,  Gehen  in  zwue  in 
jgliche  inii  virteyll,  die  andern  sindt  kleyner.  rii  Blechene  trinck- 
becher,  i  Kupffere  dürchschlagk,  ii  kleyner  durchschlege  von  kupffer, 
i  kupffere  kelleiin.  i  Kupffer  wasser  wendtlein  in  der  küchenn. 
iii  kupffere  kleyne  kesselein,  i  kupffere  Oelplaszenn,  v  kupferrnne 
kesszlein  zum  \Vasszerbrennen,  i  Kupfer  Kuellkesszclem,  i  weyth 
kupffere  Blech  zum  kolen,  t  Kupffere  newe  flaschen,  ist  wol  gros 
vnd  ein  andere,  Blecheflaschen 

Von  Eysenwerc  vnnd  Erstlichen 

Decknegel. 
iimpic  Schintell  oder  Dccknegell,  sind  jn  der  langen  trohenn,  sa 
mit  eysen  beschlagenn,  vnd  durc'h  fecher  aussgeteylt,  in  der  Abbtey 
Behawszung  gelcgenn. 

Bun,  wath  vnd  podennegel"' 
iiiiii'iiiic  vnnd  Inr  r)Un,  Wath  vnnd  podennegell  Sind  jn  nechst- 
bestimter  Trohcmi,  mit  Eyssenn  beschlagenn.  Jtem  in  eynem  Kübe- 
Icin  ''  so  jn  der  iiij  Camern,  der  Ebtey  gestanden  vnd  in  eynem  pulpt '-, 
dabey.  deszgleychen ,  jn  der  langen  Sydell'-S  so  im  Klein  stüble, 
der  Ebbtey  steht,  Gelegenn  haben n ,  aber  alle  nit  ein  lenge  noch 
gross.  Derhalb  auch  solche  negell,  jn  die  fecher  obbestimbter  trohenn, 
nach  jedes  Artt  vnnd  große,  vnterschvedlich  gelegt  Vnd  davon  ein 
Kiibeil  gefüllt 

3Iaiii('herIoy  Eyson  Tnnd  Werckzewge. 

rii  Eyssere  Schauffell  i  fewrgabell,  i  Mystgabell,  i  Mysthockenn 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  345 

i  Krodhawen ".  t  großer  Tryfuß  vnter  die  Kessell,  t  kleyner.  ii, 
irrosser,  t  kleyner  Branthreytteil " ,  iiii  große  hebeyssenn ,  v  kleyner, 
vi  hecheil. 

ii  Wenndthocken  r  Steyraetzen  Meyssel  ßreyt  vnd  schmal  i 
Kyssere  Brecher  vf  eynem  Brethe,  sampt  eynem  Brathspyszs,  i 
iiebi";er'*'  der  Groß  ist  iii  alter  handtsegenn  i  langer  i  kurtzer 
üratnspyß,  i  langer  Bornebiger "  zun  Borenn,  i  groß  Eysszere 
Rincke,  tti  Eysszere  Rincke  an  die  Wellen,  iiii  Zcapffen  in  die 
Wellenn,  i  zubrogne  Sege  zcur  SchneydtmüUenn  i  Eysszere  Gestell, 
vmb  ein  ofen,  riii  kleyner  Eyssere  stehe,  iiii  Backeysen  zw  Oblathen, 
iii  Steinbickell,  ii  groß  schnidtraesser  ii  kleiner  Schnidtmesszer  ii 
füghöffel ",  ii  fawsthöffell,  ii  alter  Eamlöffell,  iii  Kelhöffell,  i  Diptal " 
i  Hantpeyl  iiii  holtzpeyl  oder  Axen  ii  Bleyescher**  eine  gute  vnnd 
ein  Bösze,  i  Ampasz^'  i  Huffzcangenn,  i  Durchschlaheeyszenn,  r 
trehe  Eyszenns  gut  vnnd  Bösze,  t>  lothkolbenn,  i  grosszer  Eysszer 
Rincke  vmb  ein  Mülstein,  iii  Eysszere  WmkeUmaszs  v  kellen  gut 
vnnd  Boss,  i  Mawer  Hamqr,  ij  Kethen  ^*  im  Keler.  ji  Schifferhackenn, 
i  Eyssere  form  dadurch  man  das  Bleyhe  zewcht.  Item  Etliche  Alt 
Eyssenn  Rorhenn,  püchsszenn,  Schloszszer  vnd  der  vill,  auch  ander 
gerümpell  mehr,  welchs  einsteyls  von  Coburgk  heraus  komen  vnd 
im  kemerle  neben  der  Melkammer,  auch  aufnn  Newen  schaffhausz 
in  eyner  Zcellen  zur  Zeyt  der  Jnventation  gelegen  hatt. 

Eysen  werckzeug  in  der  küchen. 

iiii  große  pfann,  iiii  mittel  pfann,  iiii  pfann  aber  eyn  wenigk 
kleyner,  iii  kleyner  pfann,  iii  Eyssere  kellenn  iii  große  eyssere 
töpffel  ii  Eyssern  Scnawmlöffell.  i  holtzbeyel  ii  fleyschbevell  ii 
hackmesszer,  ii  Rost,  i  Treyfuss,  ii  Brathspyess  zum  Bretner  iii 
lange  Brathspyß,  i  Rybe«»  Eyszenn,  oii  alt  Bleche  deckell. 

Item  ii  groß  verschlosszenn  öchenncke,  Ein  kleyns  sehen  ekle 
vnd  etüche  fecher  zum  Breymelh^. 

Inder  Mül. 

i  grosse  Sege.  i  handtsege,  ii  grosszer  leffel.  i  grosszer 
kannebiger*'  i  kleyner  nebiger,  i  Schindtmesszer,  i  Meyssell,  i  Hol- 
meyssell,  i  großer  Eysere  Schlegel  ader  schellhamer  ii  Hebeeyszen, 
i  Steynacks  ii  Billenn  ^^,  iii  par  eysszere  Ringk,  an  die  getruebe  ge- 
hörig, ii  Eysszere  ziehehockenn.  Item  i  Newesz  vnnd  ii  alter 
Gryess  Syber,  i  alt  stepsiebp  ii  Rothensiber  vnnd  i  Newe  Syeb,  ist 
ein  wenig  weyther,  ii  Rocken npewtell,  iii  Multer*',  i  seh wynn, Wann  ^. 

Schneydmul 
i  grosse  Breithe   Sege.    ii  grossze  feylenn  darzu   gehörig  iiii 
Eysszer  nockenn,  i  zymmerrmans  klammer,    i  hultze  Schlegell.   Item 
Ijyr»  Stubenpolen,  klein  vnnd  gross,  langk  vnnd  kurtz.    riii  Diell  üi 
Eyche  Diell  vffm  Newen  Schlaffhauss. 

Eyssen  wergk  und  ander  Gereth, 

Ins  Engelharts  stall. 

iiii  wagenpferd,  Wolabgetriebenn,  zu  frone  vnnd  ander  not- 
turfft  des  closters.  Ein  geschirr  ist  abgethan,  nach  dem  Eyn  hoff- 
mann vmb  halbawe**  bey  ErVevthenn  in  das  closter  angenohmenn. 

Item  Was  zu  solchem  gescliirr  vnnd  pferdenn,  kumyt,  Kethen, 
Strenge,  Rymawercke  etc.  gehörig. 

XXI.  23 


•546  Invcntarium  über  fahrende  Habe 

i  Newer  Rüstwage,  i  alter  Eüstwage,  ii  Schley  ff  Reder  i  Hewe 
Wagen,  i  Mystwagcn,  iiti  Newer  Steynreder. 

Darzu  etliche  alte  Reder,  i  pflugke,  ii  Egen,  v  Kethen  zum 
geschirr,  ii  hewe  gabell,  i  Mysthock,  i  Mystgabell,  i  Holtz  Axcks, 
i  handBeyl,  ii  hemme  ^elh"",  ■» 

Ein'kleyn  alts  stadelstehP',  ii  Wasserstutzen n,  i  schwingwann, 
i  Bethe  vts. 

P>,lich  alt  Eyssenn  von  schynnen  vund  Anderm  stücken  ab- 
gangen, ]\rit  etlichem  gerümpell  wercke. 

Item  Etlich  Rym  vnnd  stücke  wcrgk  zum  geschirr  gehoerend, 
darzu  Sieben  strenge  vnd  ander  kleyne  stück,  sind  alssbald  in  der 
langen  trohen  vnnd  dritten  camer  der  Ebbtey  funden. 

Item 
Das  lange  groß  Sehl  zum  Weyn  abladenn. 

Viiten  in  der  gempiiatlieu  im  stal. 

ii  pferde  in  der  kembiiathen,  szw  Reythen,  vnnd  in  Karren, 
sampt  dem  geschirr,  vnd  was  darzu  gehoert.  iiii  Reyth  iSetell,  gut 
vnd  Bösze  iii  alte  zerisszene  Setell,  oben  in  der  iiii  Camern  der 
Ebbtey.     r  Reytzewme  auch  oben  in  der  Ebbtey  Camer. 

Ein  schwyngwann,  ii  halffter,  i  Karren,  ii  schuttkarrhen  mit 
ii  Redern. 

Invoutarium  des  Getreydts  etc. 

Auff  allen  Getreydt  Bodenn,  ist  gar  kein  vorrath  an  getreydt 
gewest  dann  allein, 

ini  symmer  vnnd  ii  vierteyll  Weytzs,  lagen  uffm  alten  schlawff- 
hawssz  vnnd  auf  dem  alten  Haff  er  Bodenn,  vff  ii  hewffle, 

Item  vi  synmier  alts  leyns  Stund  in  iiii  messzern  auffem 
Leynbodenn, 

Item  rr  szym  Ongeverhch  Als  hopffens  wurd  aber  nit  ge- 
messzenn,  vnd  in  der  Melkamern,  ii  hewffle  körn  melhs  vf  iii 
szzmmere  Ongeverd, 

Doch  sindt  in  zeyt  dyeser  Inventacion,  vf  gemeltem  Bodenn 
fundenn,  iii  szre  News  weytzs,  iii  szre  i  virteyll  korns,  rriiii  szre 
Wintergersten,  r  szre  Sommergerste,  rriii  szre  ii  virteyl  haffern, 
ii  metzen  Erbess  r  szre  iii  virteyl  Dinkels  Irr  szre  hopfenn,  iiii  szre 
Leyns,  iiii  szre  hanfftkorner, 

Ist  aber  eytell  Newe  getreydt  gewest,  von  dem  closter,  vnnd 
etlichen  zehendenn,  jm  xrri  Jar  erbawt,  Vnd  dem  Newen  Verwalter 
zuberecheiin  zugestellt. 

So  sind  auch  vf  angezcygten  Getreydt  Bodenn : 

iii  fegeSieber,  ii  Lcynheyt  Reyther,' i  HanfftSyeb,  i  LeyuSyeb, 
i  Achtteyll,  v  virteyll,  i  Metzen  Coburger  vnnd  Newstater  Maszs. 
V  Kornschawffell ,  i  fcgkoUenn^l  Item  ii  vn gegerbte  Kuehewthe, 
ii  viiL'cgerbte  Kalpfelh. 

Die  Keller. 

Item,  in  Beden  kelern  ist  kein  sonnderlicher  Vorrat,  vnnd 
zuvorausz  am  Weyn,  vorhandenn  gewest,  Vnd  hat  der  Newe  Ver- 
walter von  stundet  an  Getranck  von  Weyn  vnnd  ßyer  vf  sein 
Rechnung  von  Er  Veythen,  annehmen  müsszen,  Lawt  seyner  In- 
struction, 

Doch  hatt  gnanter  Veyt  Haff  an  dem  Rest  des  Weyns,  so  er 
schuldig  pli6l)cn,  alszbaldt  vergnügt. 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  347 

i  fuder  vnnd  r  Eymer  p^uts  Virnen  Weyns,  welchen  der  Newe 
Verwalther  angenohmen,  vnd  soll  haf  den  vbrigen  Weyn  ]n  der 
öumma  fiiii  Eymer,  mit  newen  lawtern  Francken  Weyn  auch  ver- 
gnügen, vnnd  das  Closter  denselben  holen  lasszen,  Inhalts  des 
Vertrags. 

KUchenspeyß. 

Jn  der  grosszen  geweihten  stubenn,  der  kembnathenn,  it  schock 
ever  Ongeverlich,  i  schock  halp  Visch"'*,  ii  schock  plateysszen,  itii 
flack  visch,  rv  Hammen,  ii  stückle  schweyns  fleysch.  Aber  keyn 
Dürfleysch  ist  da  gewest,  iii  virteyl  von  eyner  geschlachten  kue, 
grüns  fleyschs  vnten  jm  Speyszgewelb.  xv  kleyn  vnnd  Mittellmessig 
weyset  kessle  jn  der  keszKamern  neben  der  Ebtey,  i  stenterle  mit 
hofen  kessz,  jr  Schaffkeszs,  groß  vnnd  klein,  fertige  vnnd  hewerige, 
doch  waren  die  Besten  hin  weck. 

lir  gemeine  grossze  Kue  Kessz,  newe  vnnd  alte.  Oben  jn  der 
Keszs-  ader  fleyscli  Camern, 

rii  virteyÜ  Speck,   jn  der  Saltzkamem,   rii  schock  Karpfen, 
Ongeverd,  So'jm  Closter  vnnd  Byngarten®*  gestanden. 
Würtz  jn  eym  Kleyn  ledlenn  ^' 
Etlich  Ingwer  zehen  vnnd  einwenig 
Saffran        i  loth  1 
Negele  vf    i  loth  >  angeschlagen 
gestoßen  Pfeifer        ii  loth  | 
Ingwer        ii  loth 
ist  bereyts  das  mehr  jn  dye  Küchen  gegebenn 
Ein  lere  Confect  schachtell. 

Bnthem,  im  Speyßgewelb  vnten  jn  derKembnathenit  stenthner  ^ 
mit  Buthemn.  Der  eyn  hat  gehaltenn  rrriij  maß  vnnd  der  ander 
i  Kübele  mit  Buthern  ist  der  Engelhartin  gewest,  hat  geeycht  ge- 
halten fiiii  maszs.  i  Stenthner  mit  Buthern,  vber  halb  lere,  hat 
der  Hoffmann  gebenn,  vnnd  gehalten  rr  maszs.  iii  lere  Newe 
stenthner  iii  lere  Buther  kübell,  i  stübich  mit  honig,  oben  jn  eyner 
kamer  der  Ebbtey  gestandenn,  hat  ongeverlich  gehaltenn  jroii  mäszs. 
Item  iii  ®  vngelewhter  Buthernn  jm  milchkeler, 

Saltz  in  den  Salz  Cumern  funden. 

iii  halp  vasz  mit  saltz  vnnd  Etliche  leere  Vesszer  zw  Saltz. 
oi  Vierteyll  kleyner  zwybell  Ongeverd.  Item  Grobe  Gerstenn,  Ein 
wenig  Gryszs  weytze  Melhes,  jn  der  Melkamer.  Deszgleychen  jm 
Milchkeler:  iii  grosszer  Hefen  mit  herbstmilch  angestelt  i  Mitteil- 
messiger  Haf*'  mit  Herbstmilch,  Etliche  hefen  mit  Milch. 

Im  Vyhehanß 

jii  küe,  Jungk  vnd  Alt  i  Kalben 

püi  Küe  hat  der  hoffman,  gehören  auch  zum  closter  laut  seyner 
bestallung.  iii  alte  schweynsMutter  iii  grossze  dreyjherige  schweyn. 
Sind  aufigelegt  vnd  gestochen  wordenn  laut  der  Rechnung  du  zwey- 
jherige  schweyn,  der  sind  iii  auch  auffgelegt  v  lerige,  piii  halb 
jerige  Sind  verkaufft  vnd  verrechet. 

Auch  sind  jm  Vihehawszs,  i  Buther  Kesszell,  i  Kesszell  oben 
jm  ofen,  i  Mysthack,  ii  Hewenn,  i  Buther  faszs,  iii  Newe  vnnd 
etliche  alte   Butherkübell,    i  alte  trohen ,    i  Kuffen ,   i  Sewefaszs, 

23* 


348  Inventarixun  über  fahrende  Habe 

züber  gut  und  Bösz,  hoffen,  kesskybell,  Sicheil,  Eine  alte  senszenn, 
Ein  Bethe  vtsupra. 

Item  i  schock  alt  Huner,  Im  hunerhawsz  üi  junger  herbst- 
huner  die  andern  sind  davor  aufgangen. 

Schaffhawsz  zw  Rotheiin/ 

cpt  Jerling,  clrrjü  tragender  schaff  fliii  hamell  Summa  tiifrrrtiii 
schaff.  Der  JJrietteyll  ist  des  Scheffers  vnd  sind  jn  winther  ge- 
schlagen vffs  frrii  jar. 

Zum  Eychhof. 

cyjD  Jerling,  cir  tragender  schaff  jliii  hamell  Summa  iiicfjpi 
schaff,  Jn  Winter  geschlagen,  Jst  der  Drietteyl  des  scheffers. 

Brewehausz 

Eyn  gantzer  Brewegezewgk  Sampt  Dhorloss,  ii  grosszer  pyr- 
kuffenn,  t  kleyne  kuffenn,  ji  kuellkufienn,  iiii  tragzüber,  i  grossze 
kuffere  Brewpfan,  vi  schuffenn^^  Jtem  iiii  Neuer  schuffenn. 

Die  Vesser  zum  Weyn. 

iiii  grossze  fuderiche  Weynvass,  guther  vnd  ßöszer.  Sind  Mit 
Buchstabenn,  nemlich  21.  B.  V.  3i  verzeichet. 

i  Sechs  Eyhemerich  weyt  veszle"^,  iii  halb  vasz.  Sind  Inn 
francken,  Sampt  dem  fuderichen,  so  mit  X  verzeichet  ii  vier 
Eymerich  veszle ,  Liegen  jm  keler  gefült,  i  Dreyehemerich  Veszle 
iiii  kleyner  veszle,  stenn  im  Creutzgangk,  1  klein  vezle  mit  weyn, 
leyth  im  keler. 

Zum  Bir 

jo  groß  Byrvaszs,  v  newe  vngepichte  vaszs,  jjiii  halb  vasz  alt 
vnd  newe.  Etliche  Veszle  zum  Weyn  und  Byr,  Essigk.  Item  im 
keler  i  Bleche  trichter  ii  grosszer  hultze  trichter  vnd  i  Newer. 

Von  Tyscheii,  trohen,  Schenken,  Sydeln  etc. 

In  der  Kempnaten  oben  jn  der  großzen  stuben, 
Drey  tvsch  vnverschlosszen ,  der  eyn  ist  gemalt  mit  eynem 
schwartzen  deckpreth  i  lange  Sydeln '""  mit  zweyen  schlosszenn ,  i 
kleyne  Sydell  mit  einem  Schlossz,  i  grossze  Fürbanck  i  schlecht 
gueszvaszs  behalter,  mit  eynem  zyne  Gieszvasz  vnd  eynem  Becken 
darunter,  ii  vmbhenk  hinter  den  tyschen,  ii  Polster  umb  den 
Eyn  tysch. 

InderCapelln:i  zwifacher  tysch,  i  kleyne  taffei  mit  Bildern 
i  Crucifix,  Büchsszenn. 

Auf  dem  Bodennherausszen,  Eyn  lange  Bancke,  ein 
kurze  Bencke,  Zwen  Gemeyner  tysch,  werdenn  doch  hin  vnd  her 
versetzt. 

Oben  auffem  Bodenn:  Eyn  zyhe  Rode,  Eyn  zyhe  sehl, 
so  auch  zum  weyn  geprawcht  wird. 

Inder  kleynstuben:  Eyn  tysch  mit  eym  zerbrochen  schloszs. 
Ein  alte  frühen,  mit  eym  schloß.  Ein  kleyns  schenckle.  Bencke. 
Eyn  stul.  Ein  schanck  mit  verschrottem  Wergk,  vnd  iiii  schlüsseln, 
nj  der  Kamer,  neben  bemeltem  stüble. 

In    der    grosszen  stubenn:   Ein   grosszer   verschlosszner 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  349 

schanck,  da  man  allerley  tuch  einlegt.  Ein  Behalter  zun  Eyem, 
Bencke.  Ein  unbeschlagner  schancke,  solt  jn  Chor  für  die  Paeeysten 
komen  seyn. 

In  der  Ebtey  grosszen  stubenn, 
Zwen  verschlosszne  tysch.  Ein  Gyszvasz  schenckle,  Sampt 
eynem  zyne  Gyszvasz  darjnnen.  Ein  grosszer  stul,  mit  iiii  messzin 
Imopffen  neben  dem  ofen,  ii  Sessel  darjnnen  man  sitzt,  i  Kandell 
Breth,  aber  die  Kandell  sind  in  Keler.  Ein  Newe  Banck  Küsszen 
vnd  ii  alter  sind  nichts  werth.  DieOrhe"",  Lewchter,  Becken  uts. 
Im  klein  stüble:  Ein  zwifacher  vnverschlosszner  tysch,  Stet 
itzo  jm  schlaffhawsz  stüble.  i  Gyszvasz  Schenckle,  i  verschlosszne 
Sydell.     i  Kendelbreth  i  Sessel  darjn   man  sytzt.    ii  Newe  panck- 

S)l8ter  mit  Rothe  vberzcogenn,  werden  in  die  stuben,  woe  man  der  , 
edorff,  getragen. 

Ein  schanck  in  der  Camern  darzwischenn  mit  ii  schlosszen.  Das 
hymelBethe  so  darinn  gewest,  steht  itzo  in  der  kembnathen. 

Im  hausz  herauszen  vffm  Boden 

i  verschlosszner  Schank  mit  ii  schlosszern  zw  kesz  vnnd 
Broth.  i  Lange  truhen  mit  eysszen  Beschlagen  darjnnen  Ryme- 
werck  zw  dene  geschirren  vnnd  vil  manicherley  Negell  liegenn. 
i  truhen  mit  Eyssen  Beschlagenn,  darjnn  hat  der  Newe  Verwalter 
seyne  Kleder  vnnd  hievor  lang  innegehabt,  i  alter  tysch,  mit  eynem 
Schiffere  forstein  gemacht  i  stuell  daruff  man  zwecht  vnnd'ßar- 
birt.  ii  vorbenck  für  die  Tysche.  jpi  lydere  fewr  Eymfer,  hangen 
am  Durchzugk  des  hawsszs.  i  grosszer  schancke,  mit  eynem 
Schloszs,  der  parvoten  "**  gewest.  i  alte  vn verschlosszne  truhen,  Oben 
jn  der  Eyszen  Kamer,  vnnd  i  Kieyns  truhle  dabey,  darjnnen 
manicherley  Eyssenwerck,  uts.  i  kieyns  schenkle  ist  auff  der  Bor- 
leben ^ "  ^  gestandenn.  Item  i  alte  vntugliche  truhen,  darjnn  etUche  Vene- 
dische  schewbenn  ^"*,  Samp  tetlichen  schachteln  zubrieffen,  alles  oben 
jn  der  Camern. 

Unten  jn  der  gesinde  stubenn, 

fünff  grossze  schlechte  tysche,  mit  jrem  fürbencken,  für  das 
gesinde. 

Im  vntern  stüble:  i  tysch  vnverschlosszen,  i  Sydell  vnver- 
schlosszen,  i  Gysvasz  Beheiter,  mit  eynem  verschlosszen  Schenckle, 
i  vorbanck  für  den  tysch. 

Im  obern  Stüble:  i  Tysch  vnverschlosszen,  i  vorbanck,  i  ver- 
schlosszen Gyesvaszschenckle. 

In  der  Melkamer:  i  schanck  mit  ii  schlosszen,  ii  Melkasten, 
ii  verschlosszen  schencke  in  der  Küchenn  uts. 

Sigesstüble^"». 
i  vnverschlosszner  zwifechiger  Tysch  i  verschlosszne  Bancke, 
i  vorbancke,  i  Schenckle  zum  Gyszvaszs  mit  eynem  Gyszvaszs  vte. 
Etliche  getrehete  scheraell  jm  Closter  ii  schenckle  jm  stüble  vnnd 
herausszen  davor,  sind  verschlosszen.  i  alter  schreyn,  i  Beheiter 
jn  der  alten  eyer  kamer,  i  tysch  jm  alten  Refenter.  Item  Ein 
eysere  wolbeschlagner  Geltkast,  Ein  trohen  vnd  alter  käst.  Alles 
hinten  jm  gewelbe,  Ein  langer  schanck,  herauszen  vf  der  Borleben, 
zum  Ornathen,  vnd  ein  ander  schanck  in  officina,  zum  Eyssenwerck. 
i  kuffen  zum  krawst  jm  Milchkeler,  i  kuffen,  fleysch  einzusaltzen. 


350  Inventarium  über  tahrende  Habe 

vnten   jn   der   Kembnathen   jm    gewelb,    i   kuffen   jn   der  Meydt- 
hawsz  vts. 

Liberey  mit  jrenn  Büchern, 

die  MönchRöthen  vnd  das  Closter  zw  Coburgk  gehabt,  Ist 
aber  nichts  sonderlich  darjnnen. 

pt  par  abgenützter  vnd  eynsteyls  zerbrochner  schrawbenn,  dor- 
mit  grossze  Bewe  zuheben,  jm  Kemmerle  neben  der  Liberey, 

Stadell. 

Jtem  das  getreydt  jm  stadell  so  vffs  jfri  Jar  erbawt,  sampt 
allen  nutzungen,  desselben  lars,  ausszerhalb,  etlich  auszgetroschen, 
hof,  vnd  zehendts  getreydts,  ist  dem  newen  Verwalter  auch  zu- 
gestellt, vnd  nach  dem  Ausztreschen  gewest:  Irrftii  szre  Allerley 
Weytzs.  jiri  szre  iii  vierteyl  Winter  vnnd  szommer  körn,  lotii  szre 
iii  virteyU  Szommer  vnd  Wintergersten,  fjp  szre  ii  virteyll  Dinkeles, 
icffi  szre  ii  virteyll  haffern,  jji  szre  ii  metzen  Erbeszs. 

Welchs  getreydt,  der  hoffman  zum  halbenteyll,  dem  Closter 
vberantwort,  vnd  das  ander,  auf  desselben  auszezcogenen  Eckern, 
ein  geerndt  worden  ist. 

liii  klobenn,  geprechts  flachs,  wie  der  zur  zeyt  der  Inventation 
befunden  den  andern  hat  Er  Veyten  frawen  ausz  zulasszung,  wegk. 

Item  vill  Büschell  Wercks  davon. 

i  guthe  Barden  hanffts  geprecht,  vf  yoii  puschell,  klein  vnnd 
groszs,  alts  vnnd  News,  sampt  der  Vymel'^*,  so  iii  kloben  gewest 
vnd  im  jrri'e»  erbawt. 

Item  Opffell  vnnd  Byrnn,  so  auffm  newen  und  alten  schlaf f- 
hawszs  jn  oii  zcellenn  vnnd  auff  iiii  ßodenn  gelegen. 

Etbcher  ander  hauszrath,  so  auch  vorhanden  gewest  iii  ge- 
gerbte Ochzssenhewte,  i  gegerbte  kuehaut,  jii  gegerbter  Kelberhewt, 
i  schock  heffen,  vngeverd,  kleyn  grosz  vnd  Mittelmessig,  jm  kemerle 
bey  der  styg  jn  der  Ebbtey. 

ii  stückle  wachs,  vf  oi  %  ongeverd,  sobaldt  jn  die  In^rchen 
komen,  i  Zcell  jm  Newen  Schlaffhaußz  mit  fenstern  vnnd  Fenster 
Kamen,  Alles  für  den  Newen  Eefenter  zubereyth. 

DÜ  Newe  hafenBenther,  iiüNewe  gesinde  stützle,  jii  %  Bechs, 
ri  ®  schmehr,  Ij  ®  Vnschlicht,  jii  schock  kleyner  vnd  grosszer 
Lycht,  r>i  alter  Bynstöcke  iii  Junger  Bynstöcke  mit  Bynen,  Die 
hultze  Schüssel  vnnd  teler,  so  dyser  zeyt  jn  der  küchen  vnd  suensten 
vorhanden,  sint  nicht  gezcelt  wordenn,  auch  nit.  vil  noch  köstlich 
gewest 

Item  i  hultze  Wage  mit  dem  eyssere  Gewicht,  i  grossz 
Vischgarn  für  den  grosszen  sehe  ^"^  vnnd  ettliche  abgenützte  harnen  '"*. 

Item  t>  glockenn  vff  den  dornen '"",  groß,  mettellmessig  vnnd 
kleyn.     i    Zymbell   jm   Crewtzgangk,    i    Orchell   jn    der  Kyrchen. 

Auf  Montag  nach  Michaelis  Jm  3£3e3£3to  haben  die  Crcstrengeu 
herr  hans  Schott  Ritter  etc,  vnd  Contz  Gotzman,  Amtman  zw 
konigspergk,  als  Bevelchhaber,  Churfürstlichen  Sequestration  etc. 
Alles  gescliülts,  vnnd  Schrotth ;  zum  CJoster  Münchröden  gehörig  In 
gegenwart  Er  Veyt  Haffen,  Valentin  Müllners,  vnd  Clausen  Hamper- 
verts  Besichtiget,  vnnd  vermelt  gehUltz  befunden,  wieliernachvolget, 
Erstlichenn, 


im  Kloster  Mönchröden  bei  CJoburg.  351 

Der  Warth  Bergk 

so  ein  gross  Bawe,   vnnd  kyffere  holtz  ist,  wie  woi  sehr  verhawenn 
Das  daraus  vorn  gegen  der  straszen,  ob  des  Michels  Acker, 

Ein  ortle  zw  Brewholtz,  für  das  Closter,  vnd  daselbst  gein  dem 
Mülgrabenn,  aber  ein  Ortle  zw  Brennholtz,  fürn  hoffman,  gehawen 
worden n  ist 

Damach  an  der  henge,  gegen  der  Newen  Wyszen  am  graben 
hinauf,  ist  desselben  holtz  gefeit, 

Zu  eyner  hewe  schopffenn  für  das  Closter  gein  schaffhausen 
Jm  rrn<o. 

Item  Am  selben  Ortt, 

Dem  Castner,  zw  Coburgk,  holtz  zu  eym  stadell,  von  Er 
veythen  vmb  iü  gülden  verkewfft, 

Dzgleychenn  hatt  er,  Veyt  doeselbst,  holtzs  zw  Eym  stadell, 
vnnd  ander  Fewerholtzs  Caper  Ramspergern  auch  zw  Coburgk  vmb 
DÜ  gülden  verkewfft. 

Darnach  An  derselben  henge  gein  dem  Gnelesz,  ist,  befunden, 
dass  vill  Bawe  vnnd  schleysszen  holtzs,  abgehawen,  Soll  aber  ein 
alter  hewe  seyn.  Doeselbst  hat  Jacob  von  Bach  jri  Bawe  Reyser, 
ausz  Bevelch  des  Ambts  Coburgk,  Jm  jrrt  gefeit,  vnnd  nichts  dafür 
geben, 

j«  Bawe  Reysser  sind  Ernst  von  Brandensteyn,  desselben  holtzs, 
oben  auffn  knock,  ausz  Bevelch  des  pflegers  zu  Coburgk  Bewyszen, 
Sind  auch  nit  Bezcalt  wordenn, 

Hinthen  am  Wartbergk,  gegen  der  Thumerey,  ist  bey  Abbt 
Niclausen,  Baweholtz  für  das  Closter,  vnd  desselben  verwante 
gehawen, 

Dessgleychen  ist  bey  gnant.  Abbte,  der  Bawe  vf  der  kembnathen, 
Im  Mülgrabenn,  desselben  Orts,  gefeilt  wordenn, 

Oben  auf  der  hohe,  auch  Im  Warthbergk,  vnd  darnach  Im 
Müll  graben,  darneben,  sind  etwan,  vier  oder  v  schock  Baweholtzs, 
vff  Bevelch  des  herrn  Schosszers  vfs  Schloss  Coburgk  kommen. 

Auch  sind  etliche  Bawe  Reysser  doselbst  Im  MQlgraben,  für 
das  Closter,  vnd  Ziglem,  auch  andere  gebraucht  wordenn. 

Die  schlege  an  der  Ryss  hinauf. 

Auch  ist  In  begriffner  Besichtigimg  Befunden,  das  Brunnholtz 
jm  Müllgraben,  bey  der  Ryss  hinüber,  Item  das  holtz,  so  sich  auf 
der  andern  seythen,  geym  Stanbach  erstreckt,  Bey  Abbt  Niclausenn, 
vnnd  doch  meysteyfs  bey  Er  Veythenn,  hereyn  Ins  Closter  zu 
Brennholtz  gehawenn,  vnnd  davon  vill  Claffterholtzs  gein  Coburgk 
verfürth  sey  wordenn. 

Auss  demselben  holtz  sind  etwa  vill  Bawe  Eychenn  f ürss  closter 
vnd  seyne  Verwanthe  Armelewthe  gehawen,  auch  der  ein  teyll  ver- 
kewfft vnnd  verschenckt. 

Szonnderlichen , 

Die  frawe  zw  Eynet  soll  solcher  Eychenn  etwa  i  schock 
gekawfft  vnd  nichts  dafür  geben  haben. 

Oben  gegen  dem  Stannbach,  am  Sannt,  ist  auch  ein  Ort  Bawe- 
holtzs, vnnd  anders  abgehawen  wordenn,  das  ist  zum  teyl  zum  pfarr- 
hawss  gein  Einbergk,  aus  Bevelch  der  herrn  Visitatorn  komenn  etc. 

Item  Etliche  Rigellstangen,  dene  vonn  Rosennaw,  aus  nacht-- 
barlicher  Bieth,  Deszgleychen  etliche  Bün  doeselbst  gestewert. 


M^ 


;352  Inventarium  über  fahrende  Habe 

Der  Bernecker  zw  Coburgk,  Jörg  Syler  zu  Gleind  vnnd  Aridere 
haben  desselben  holtzs  auch  ein  teyll  von  Er  Veythenn  kewfft. 

Soe  hatt  Kr  Veyt,  neben  dem  Stannbaeh  am  Baweholtz  hinauf 
ein  langen  Ortt,  Jung  Bawe  vnnd  Brennholtz.s  ha  wen  lasszen. 

Der  Staiinbaeli. 

Ist  vf  Beden  seythenn  Befunden,  das  derselbig  etwa  merghch 
verhawen  gewest,  Aber  nach  Vnterricht  Er  Veytenn  jst  vnnd  soll 
es  für  das  Closter  zu  bawen,  Bryther  zw  sehneydenn,  zw  Barenn, 
vnnd  ander  notturfft,  Auch  fürdießöthener,  den  ziglern  etc.gebrawcht 
vnnd  geschehen  seyn. 

Zu  dem,  so  ist  auch  ethch  Baweholtz  darausz,  zu  manicherley 
nütze,  verkewfft  vnnd  verschen ckt  wordenn. 

Die  Lichtleyten. 

Ob  dem  iStannbach,  oben  auf  der  Lichten leythenn,  ist  jn  solcher 
Besichtigung  befundenn,  das  Veyt  haf,  Etwa  vill  Ecker,  geraths 
Bawe  vnnd  Brunnholtzs  dem  Eath  zu  Coburgk  durch  sich  selbst, 
vmb  ic  vnnd  rr  gnldenn,  So  doch  eynes  andern  werths,  verkawfft 
vnnd  rr  Jar  Stamrecht  darzu  geben  hatt. 

Doeselbst  auf  der  Höhe  vnnd  ebenn,  hatt  Valentin  vom  Lichten- 
steyn  r»  schock  Baweholtzs  gehawenn  vnnd  gesagt,  Er  habe  des 
Churf.  Bevelch  aber  kein  aufgelegt,  Auch  Veyth  Hafen  nichts 
dafür  geben, 

Item,  das  Brennholtz  an  der  Lichtenleythenn  vorn  vom  Stann- 
bach  an,  biszhininther  In  die  Wolffskell  habenn  Abbt  Niclaus,  Veyt 
haf  etc.  hereyn  Ins  clostcr  scheydten  lasszen. 

Ausz  derselben  langen  Leythenn,  sind  etwan  vill  Bawe  Eychenn, 
sonderlichen  bey  Er  Veythen,  für  das  clostcr  vnnd  desselben  hinter- 
sesszenn  gehawenn,  auch  andern  Lcuthenn  verschenckt  vnnd  ver- 
kawfft wordenn. 

So  n  nder  1  ich 

fini  Eychenn  dem  Rathe  zw  Coburgk,  rii  Psychen,  heintzen  von 
Kosenaw  vnd  der  Gemeinde  doeselbst  zw  Besszerung  Irer  Stege, 
ausz  Bevelch   des  pflegers  zw  Coburgk,  vnnd  keyner  Gerechtickeyt. 

n  Eychenn  gein  Lawther  zuschrenckenn.  Die  andern  haben  sie 
bezcalt  r. 

rri  Phillip  Schottenn,  ausz  Bith  geschennckt. 

Die  andern  sind  vn  gezcelt, 

Doeselbst  auch,  neben  der  Thennerfelth,  ist  ettlich  Brewe  vnnd 
schleyssenn  hollz,  für  das  closter,  vnd  seyne  armclewth  abgehawenn, 
vnnd  etlich  Bcwm  verkeufft  worden. 

Die  Wolffskeel 
vnd  das  holtz  Im  Schützenbach. 

In  vorbegryffner  Besichtigung  ist  auch  befunden  vnnd  ange- 
zeygt,  Das  ausz  dem  grosszen  Ortt  Bawe  vnnd  Brunnholtzs  In  der 
Wolffskell  vnd  Im  schützenbach,  der  Zigler  zw  ßöthenn,  auf  an- 
weyszung  vill  Bawm  vnnd  holtzs  abgehawen  hatt. 

Vorn  neben  der  zwatzlcrin  ist  auch  ein  Ortt  Baweholtzs  bey 
Er  Veythenn  abgehawen  worden,  Ist  zum  teyll  gein  der  Newenstat 
zu  der  hcrn  Bawe  komenn,    vnd   das    ander  hat  gnanter  Verwalter, 


im  Kloster  Mönchröden  bei  Coburg.  353 

Ja  verwüster,  Jörgen  Roschleb  zw  Muckpergk,  heintzen  kremer  zw 
ßyrkich,  vnnd  andern,  verkawfft. 

Doeselbst  ein  wenigk  hiuauff  hat  Veyt  Haff,  Etwa  iti  schock, 
gut«  Baweholtzs  Christofffeln  von  Schaurabergk  zw  Muckpergk, 
vmb  friiii  gülden  zw  seym  Schlossz  doeselbst  verkawfft 

vnnd 
püi  Bawe  Reysszer,  herfür  warts,  dem  Lawther  Müller  zw  Coburgk 
aus  Bevelch  des  Schosszers  geben  n. 

Oben  jm  Schützenbach,  an  der  henge,  hat  Veyt  haff  ein  eben 
Ortle  Bawe  vnnd  Brunholtzs,  Clausen  Eberth,  zu  Coburgk,  ausz 
fürbieth  seyns  Eydams,  der  küchenschreybers,  vmb  joiii  gülden 
verkawfft. 

An  derselbenn  henge  bisz  an  die  Mörders  Bewme,  hatt  Zigler 
zum  teyll  ein  grosszen  Ortt,  Bawe  vnnd  Brunnholtzs,  Wegkgeholtzt 
vnnd  den  andern  vnnd  merern  teyll  hat  bemelter  haff  hanssen 
kremer  zur  Newenstat  verkewfft.  Doch  ist  das  ober  stöckich  doeselbst 
eynsteyls  bey  Apt  Niclausen  abgehawen  wordenn. 

Das  holtz  ob  der  Mörders  Bewme 

Biszhinynther  An  der  kremer  holtz  vnnd  nawff  an  Wegk,  hatt 
Er  Veyt  Etlichen  pawern  zw  Wolffsbach,  Rothenhof,  Schaffhawszen 
etc  verkawfft,  der  acker  vmb  rri  ®.  Wiewol  die  ßezcalung  vf  den 
Newen  Verwalter  gewyszenn,  laut  seyner  Instruction. 

Das  Brun  holtz  auffem  Sannt 

Vonn  der  Thummerey,  Stannbach,  hinausz  Biss  an  der  Wey- 
mersz  dorffer  felde  Ein  grosszer  Ortt  holtz,  ist  bey  abbt  Niclausen 
abgehawen,  vnd  verkawfft  worden. 

Der  kawibergk 

Ist  bey  apt  Niclausen  verkewfft  vnd  dem  Closter  an  demselben 
Ortt  mit  eyn  vnnd  abziehen,  grosszer  abbruch,  bey  Veytheu  hafen 
geschehenn,  darvmb  auch  dem  Newen  Verwalter  Bevolhen,  solchs 
vmb  zimlich  Zinss  zu  vertragen. 

Die  Birckleythenn 

Hatt  aptt  Niclaus  verkeufft,  bisz  hinauf,  vber  das  ober  Sehle 
Bey  des  Schulteszen  zur  Thann  Bewme,  do  hatts  Er  Veyt  hingebenn 
vnnd  ist  ein  grosszer  langer  Bergk. 

Doeselbst  zunechst,  ob  dem  Obern  Sehle,  ist  ein  eben  grosszer 
Ort  Baweholtzs  bey  Veythen  haffen  abgehawen  wordenn,  vnnd  ausz 
Beuelch  des  herrn  Schosszers  zw  Coburgk  zu  iti  Bewen  gein  der 
Newenstat  komenn,  Inn  hoff. 

Item,  der  Zentgraue  zu  Coburgk  hatt  an  demselben  Ort  bey 
V  schock  Beweholtzs  zw  seyner  Behawszung  gein  Coburgk  ausshawrenn 
laaszen,  aber  nichts  dafür  gebenn,  das  übrig  hatt  Haff  verkawfft. 
Also  das  derselbig  Platz  gantz  blosz  vnd  kal  befunden. 

Obenn  vnnd  vorn  an  der  Birkleythenn  neben  dene  masszenn, 
jst  auch  ein  grosszer  Ortt  vnnd  platz  gantz  kal  vnnd  blosz  befunden, 
denselben  ortt,  darjnn  gutBawe  schleysszen  vndBrunholtz,  gestandenn, 
hatt  Veyt  haff  auch  verkawftt,  vnnd  ettliche  Schleysszen  Bawme 
für  das  closter  darausz  hawen  lasszenn. 


354  Inventarium  über  fahrende  Habe 

Die  Maszs  jm  Schützenbach 

Neben  der  Byrckleythenn  hat  haff  etwa  jm  jr'jto  Jar  auch 
eben  wegk  verkawfft. 

Der  Petzen  Bergk 

Szo  ein  grosszer  langer  Bergk  vnnd  bei  tcjjo  Acker  ist, 
hatt  Veyt  haff  durch  vnd  durch,  Im  jjj'  Jar  auch  verkawfft,  je 
ein  acker  vmb  j  @. 

Den  helle  Bergk 

Doeselbst  neben  dem  Betzenpergk  oben  jm  Vischbach  hatt  Abbt 
Niclaus  verkawfft  vnd  ist  wider  mit  jungen  Brunholtz  aufgewachsszen. 

Tewtzchers  Bergk 

Ausz  dem  Te wtzschers bergk ,  so  mit  guthenn  Eychenn  aufge- 
wachsszenn,  vnnd  mit  Brunholtz  gemengt  ist,  Seind  etliche  Eychenn 
zu  der  herrn  grosszen  Sehe  kernen. 

Daraus  hatt  Er  Veyt  auch  etliche  Eychenn  vnd  Bawe  Reysszer 
verkawfft  vnnd  verschenckt. 

Sonderlichen 
oi  Eychen,  dem  Weydneu  vnd  wemfelder  zu  Coburgk 
ij  Eychen  zu   Weyuvesszer  ins   Closter,  aber  der  Vesszer  ist 
keyns  hinein  kommen. 

Item  hinten  neben  der  Thennerfelth  hinauff  hatt  Veyt  Haff 
auch  etliche  Örtle  mit  Brunholtz  den  Kembnathern  verkawfit. 

Kulm 

Der  hochBergk,  der  kulm  gnant,  steht  mit  Brunholtz  aufge- 
wachsenn,  Jst  bey  apt  Johansen  verkeuft  worden. 

Weyn  Bergk 

Jtem  der  Weinbergk  hatt  knörtzich  Brunholtz  von  alten  Eyche- 
stöckenn,  vngeschlachte  kyffernn,  vnd  Ander  gering  holtz,  gehabt, 
das  hatt  Veyt  haff  dem  hoffman  zw  Schaffhawsenn,  vnd  Bader  zu 
Eymbergk  verkauft. 

Aber  auff  der  Andern  Seythenn  gegen  Kothenn,  vnnd  ob  der 
Kochszleythen,  ist  gnanter  Bergk  mit  Jungen  Fichten  vnnd  thannen 
angeflogen. 

Rothenhof 

Des  holtzs  hinten  am  Weinpergk,  gein  den  Rothenhof,  hatt 
sich  heintz  vonn  Rosenawe  zu  Öszle,  vnnd  wie  er  saget,  mit  WiUenn 
Veyten  hafens,  vnterstandenn,  vnnd  etwa  vil  Bawe,  Rörenn,  vnnd 
Brunholtzs  darausz  gehawenn,  Aber  ausz  Beuelch  vnnd  gütlich  an- 
synnenn,  der  herrn  Sequestratornn,  Jst  er  heintz  von  Rosenawe  davon 
güthch  angetrethenn,  weyl  man  saget.  Er  solts  kawfft  habenn. 

Kypffendorfif 

Item,  das  Brennholtz,  hinter  Kypfendorff  hinnawszs,  hat  veyt 
haff  auch  eben  wegk  verkawfft,  aö  jm  yjj,  ist  itzo  ein  zwey  jeriger 
Schrott  ffj  ito. 

Dyss  verzeychnus  jst  in  gegenwart  herrn  Veythen  Haffs  der- 


im  Kloster  Möuchröden  bei  Coburg. 


'355 


maßzs,  wie  die   begrieffen ,  verleszenn,  weichfl   er  nit  jn  abreden, 
sundern  bekentlich  gewest 

Actum  Dynstags  nach  Dyonieii  jm  yffW". 
Aber  des  Closters  höltzer  vnnd  schlege  zw  VVeydach,  Schlettach 
vnnd  Memhawsenn,  sind  dyszmals  nit  besichtiget  wordenn ,  vnd 
meystens  Junge  schlege,  bey  Abbt  Niclausen  vnnd  Veythenn  Haffen 
hingeben,  vnnd  verkaufft,  AJso  das  zw  Weydach,  wenig  Bäwme  ausz- 
gezcogenn  gar  kein  Baweholtz  mehr  ist,  des  wüßt  man  sich  zu 
richtenn. 


1.  Valentin  Müller,  auch  ge-  29. 
wesener  Konventual,  Nach-  30. 
folger  Veit  Haffs.  31. 

2.  Kleiner  Pokal.  32. 

3.  Ein  zum  Kusse  dargereichtes  33. 
Rehquien  täfeichen.  34. 

4.  Kleine  Kanne  für  den  Meß-  35. 
wein.  3t). 

5.  Bischof stab.  37. 

6.  Edelstein.  38. 

7.  Elentklaue.  39. 

8.  Demant,  Diamant. 

9.  Der  bischöfliche  Hut.  40. 

10.  Perlen.  41. 

11.  Laubwerk, 

12.  Barfüßer  Mönche.  42. 

13.  Röthen  für  Mönchröden.  43. 

14.  Meßgewand.  44. 

15.  Prießterrock.  45. 

16.  den  zugehörigen.  46. 

17.  Prießterbinde.  47. 

18.  Breites  Band,  welches  über  48. 
den  linken  Arm  des  messe-  49. 
lesenden  Priesters  gehängt  50. 
wird.  51. 

19.  Schultertuch,  52, 

20.  Weißer  Priesterumhang.  53. 

21.  Harras  =  leichtes  Wolknge-  54. 
webe,  mhd.  arras ,  von  der  55. 
Stadt  Arras  in  den  Nieder-  56. 
landen  so  genannt.  57. 

22.  lundich  =  aus  London  58. 
stammend,  englischer  Stoff.  59. 

23.  Leinwand.  60. 

24.  bunt  gefärbt.  61. 

25.  von  Sternberg  auf  Kallen-  62. 
berg  bei  Coburg.  63. 

26.  Die  von  Bach,  altes  Coburger  64. 
Adelsgeschlecht.  65. 

27.  Fischteich.  66. 

28.  Abt  Johannes  von  Schon-  67. 
stett  t  1418.  68. 


Junger  Wels. 

Saupehr  =  Zuchteber. 

Waldung. 

Schriftlicher  Eid. 

Zenthafer. 

Gehöft. 

Brunnens. 

Dienstlohn. 

Urkunden. 

Gesamterben. 

Namen     der    abgefundenen 

Klosterbrüder  zu  M. 

Aktenstücke. 

Heinrich  v.  Coburg,  Abt  zu 

M,  1343—1363. 

Bezüge. 

Überzug. 

Bettücher. 

Truhen. 

Kleine  Truhe. 

Grobe  Leinwand. 

Mägde. 

Kran  kenstüblein. 

Matratze. 

Handtuch. 

böse. 

Plane. 

Webstück. 

Futtertuch. 

Tiefe  Suppenschüsseln. 

Ausguß. 

keulenförmig. 

.Pfründenkanne. 

Fäßchen. 

Baumöl. 

Tablet. 

Halb  Liter. 

Messing. 

Jedenfalls  Löwen. 

Schraube,  Kurbel. 

Stößer. 

Zum  Einschlagen  in  Fässer. 


356 


rnventarium  über  fahrende  Habe 


69.  Von  Erz. 

89. 

70.  Geschmiedete    JJielen- 

und 

90. 

Wassernägel. 

91. 

71.  Kleines  Faß. 

92. 

72.  Pult. 

93. 

73.  Sjdell. 

94. 

74.  \on  raden,  Radehaue. 

95. 

75.  Brandhaken. 

96. 

76.  Nebiger      _  ^^ 
Bornebiger 

97. 
98. 

78.  Hobel. 

99. 

79.  Doppel  beil. 

100. 

80.  Eundes    Gefäß    zum 

Blei- 

101. 

schmelzen. 

102. 

81.  Amboß. 

103. 

8'2.  Ketten, 

104. 

83.  Reibeisen. 

105. 

84.  Breimehl  zum  Morgenimbiß. 

106. 

85.  Bohren. 

86.  Flachhaue. 

107. 

87.  Mäßchen. 

108. 

88.  Zum  Reinigen  der  Frucht. 

109. 

Halbbau. 

Seile. 

Stadel  =  Scheune. 

Zum  Reinigen  des  Getreides. 

Getrockneter  Fisch. 

Bienengarten. 

Kleine  Lade. 

Kübel. 

Hafen. 

Bierschöpfer. 

Kleines  Faß. 

Bank. 

Uhr. 

Barfüßer. 

Empore. 

Venetianisches  Glas. 

Krankenstube. 

Fimmel  =  weibliche  Pflanze 

des  Hanfes. 

See. 

Fischgarn. 

Türmen. 


VII. 

Die  beiden  Burgen  in  Ilmenau. 

Von 
Geh.  Justizrat  Schwanitz  in  Weimar. 

Der  Vorstand  des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte 
und  Altertumskunde  hat  mich  vor  einigen  Jahren  zufolge 
einer  von  Arnstadt  aus  gegebenen  Anregung  ersucht,  ver- 
mittelnd dafür  einzutreten,  daß  eine  topographische  Skizze 
des  im  sog.  Amtsgarten  zu  Ilmenau  —  an  der  Stelle  der 
jetzigen  Eronfeste  —  befindlich  gewesenen  Käfernburger 
Schlosses  für  den  gedachten  Verein  beschafft  werde.  Ich 
habe  mich  gern  hierzu  bereit  erklärt  und  lege  das  Er- 
gebnis meiner  Bemühungen  nunmehr  vor.  Die  beiden 
Skizzen  No.  I  und  II  verdanke  ich  der  Güte  des  Groß- 
herzogl.  Bezirksbaubeamten,  Herrn  Baumeister  Veitwisch 
hier,  das  Bild  No.  III  ist  demjenigen  Exemplar  des  Christ. 
Juncker'schen  Werkes  „Ehre  der  gefürsteten  Grafschaft 
Henneberg",  welches  sich  im  Besitz  des  Herzogl.  Gymnasiums 
zu  Hildburghausen  befindet,  entnommen.  Mit  Dank  habe 
ich  auch  die  mir  von  dieser  Seite  zu  teil  gewordene 
freundliche  Unterstützung  anzuerkennen. 

Behufs  näherer  Orientierung  füge  ich  folgende  Be- 
merkungen hinzu. 

Zunächst  gedenke  ich,  daß  sich  in  Ilmenau  zwei 
Burgen  befanden.  Die  eine,  und  zwar  die  älteste,  hat  sich 
unrühmlich  bekannt  gemacht  durch  die  Raubzüge,  die  von 
ihr  aus  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  vielfach  in  die 
nähere  und  fernere  Umgebung  unternommen  wurden  und 
unter  denen  insbesondere  der  Handelsstand  der  Stadt  Erfurt 
schwer  zu  leiden    hatte.     Kein  Wunder  war  es  daher,   daß 


358  I^iß  beiden  Burgen  in  Ilmenau. 

bittere  Klagen  hierüber  an  das  Obr  des  Königs  Rudolf 
von  Habsburg  drangen,  als  dieser  sich  zu  Ende  des  Jahres 
1289  und  weiterhin  einige  Zeit  in  Erfurt  aufhielt.  Daß 
diese  Klagen  nicht  ungehört  verhallten)  ist  bekannt.  Der 
König  gab,  so  sagt  Spangenberg  in  seiner  Hennebergischen 
Chronik  (Straßburg,  1599)  den  Erfurtern  „Leute  zu,  das 
Raubschloß  zu  zerstören.  Also  zogen  sie  hin,  gewonnens 
und  fingen  29  Straßenräuber  daroben  :  die  wurden  gen  Erfurt 
geführet  und  daselbst  enthauptet  i)".  Die  Burg  aber,  die  ge- 
meiniglich als  „die  Wasserburg"  bezeichnet  wird,  wurde 
zerstört,  und  zwar  so  gründlich,  daß  in  späteren  Jahr- 
hunderten sogar  der  Ort,  an  welchem  sie  gestanden  hatte, 
nicht  mehr  mit  voller  Sicherheit  erkannt  werden  konnte. 
Immerhin  wird  es  jedoch,  wie  ich  glaube,  nicht  zweifel- 
haft sein,,  daß  sie  auf  der  Westseite  der  Stadt  an  der  — 
ziemlich  umfangreichen  —  Stelle,  welche  im  Volksmunde 
noch  jetzt  als  der  „Burggraben"  bezeichnet  wird,  ihren 
Platz  gehabt  hat.  Dort  haben  sich  denn  auch  noch  in  den 
1860er  Jahren  einige,  wenn  auch  nicht  erhebliche,  bauliche 
und  sonstige  Spuren  gefunden,  welche  meine  Annahme 
unterstützen.  Es  gilt  dies  insbesondere  von  einigen  bei 
Gelegenheit  des  Häuserbaues  aus  der  Tiefe  entnommenen 
altertümlichen  Gegenständen:  Pfeilspitze  von  Eisen,  Huf- 
eisen und  Streitaxt. 

Näheres  über  jene  Burg  ist  nicht  bekannt.  Ob  sie, 
wie  behauptet  wird,  im  Besitz  der  Grafen  von  Käfernburg 
sich  befunden  hat,  mag  dahingestellt  bleiben.  Wohl  aber 
wird  man  annehmen  dürfen,  daß,  nachdem  diese  ältere 
Burg  geschleift  worden  war,  an  der  Stelle,  auf  welcher 
jetzt  die  Fronfeste  steht,  eine  neue  Burg  erbaut  worden 
ist  —  mutmaßlich  von  den  Käfernburgern.  Mindestens 
waren  sie  Besitzer  dieser  Burg,  ehe  dieselbe  im  Jahre  1343 
käuflich  an  die  Grafen  von  Henneberg  überging.  Es  ist 
nicht  meine  Absicht,  auf  ihre  weiteren  Schicksale  des  näheren 
einzugehen.      Ich  bemerke  nur,    daß   sie  den  Hennebergern 


1)  Vergl.  Cron.  s.  Petri  Erfordensis  mod.  in  Mon.  Erphesf.  293. 


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Fig.  1.     Sitiiatipiisplan  des  Aintsgartens  mit  Frohnvestc  zu  Ilmenau. 

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Nach  den  8citö- 
wiesen  der  Um. 


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Fig.  2.     Sitiial ionsplan  dos  Amtsgartons  zu  Ilmenau. 


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Die  beiden  Burgen  in  Ilmenau.  359 

wiederholt  für  längere  Zeit  zum  Wohnsitze  diente,  nament- 
lich   auch    dem  —  um    Ilmenau    hochverdienten  —  Grafen 
Boppo    XII.,    dem    Bruder   des   letzten    regierenden    Grafen 
Georg  Ernst  (f   1583).     Nachdem  jener  im  Jahre  1574  mit 
Tode    abgegangen  war,    klagte  dessen  hinterlassene  Witwe, 
die  Gräfin  Sophie,  über   die  Baufälligkeit  der  —  zu  ihrem 
Wittum   gehörigen  —  Burg   und    erlangte    demzufolge  van 
ihrem    vorgenannten    Schwager    die    Vergünstigung,    ihren 
Wohnsitz    nach  Burgbreitungen   verlegen    zu    dürfen.     Von 
da  ab  ist  die  Burg  mehr  und  mehr  in  Verfall  geraten,  und 
dies  um  so  mehr,  da  die  Wittumsberechtigte,  die  Gräfin  Sophie, 
in   der    langen  Zeit,    die   ihr  noch   zu   leben  vergönnt  war 
(bis  1631),  sich  in  so  wenig  günstigen  Verhältnissen  befand,  daß 
sie,  auch  wenn  sie  gewollt  hätte,  nicht  im  Stande  gewesen 
wäre,    für  die  bauliche  Herstellung   und  dauernde  Instand- 
haltung in  genügendem  Maße  Sorge  zu  tragen.   Die  schweren 
Zeiten    des    dreißigjährigen    Kriegs     waren    vollends     nicht 
dazu   angethan,    Wandel   zu    schaffen.     Ein    Wunder  ist  es 
daher  nicht,  wenn  in  der  —  mir  vorliegenden  —  Ilmenauer 
Amtsbeschreibung  von    1647    „das    alte    Schloß"    mit   dem 
Zusatz  aufgeführt  wird,  „daß  darauf  noch  ein  gering  Wohn- 
haus stehe,  darinnen  sich  der  Landsknecht  behelfen  könne". 
Wenn    hiernach    aber    auch   die    bewohnbaren   Räume    auf 
ein    recht    geringes    Maß    zurückgegangen    waren,    so    war 
immerhin,  wie  das  unter  III  hier  beigefügte  Bild  erkennen 
läßt,    zur  Zeit   seiner  Aufnahme,    also    ums  Jahr  1700,    das 
Mauerwerk  noch  recht  vielgestaltig  und  hochragend.  Jetzt  ist 
auch  der  letzte  Rest  desselben  verschwunden.    Geblieben  ist 
nur    ein    niedriges,    dem    Gerichtsdiener   überwiesenes    Ge- 
bäude, in  dessen  Anbau  die  Amtsgefängnisse  sich  befinden. 
Was  die    beiden    unter   I  und  II    angefügten    Skizzen 
betrifft,  so  gedenke  ich  noch  besonders,  daß  dieselben  sich 
gegenseitig     ergänzen.      Der    Situationsplan    I     stellt    den 
älteren  Zustand    dar.      Er  läßt  die  Neubauten,   die  der  mit 
II  bezeichnete  Plan    erkennen   läßt,   noch   unberücksichtigt, 
weil  sie  zu  der  betreffenden  Zeit   (1896)   noch   nicht   aus- 


360 


Die  beiden  Burgen  in  Ilmenau. 


geführt  waren.  Ein  Gleiches  gilt  von  den  beiden,  für  den 
inneren  und  resp.  den  äußeren  Umwallungsraum  bestimmten] 
Wasserzuleitungen ,  die  erst  beim  Graben  des  Grundes 
für  das  jetzige  Amtsgerichtsgebäude  aui"gefunden  worden 
sind.  Dabei  mag  ausdrücklich  erwähnt  werden,  daß  unter^ 
dem  auf  No.  I  als  „Amtsgericht"  verzeichneten  Gebäude 
das  zuerst  im  Jahre  1634  eingerichtete  und  sodann  nach 
dem  großen  Brande  von  1752  neu  aufgeführte  „Herrschafts- 
und Amthaus"  zu  verstehen  ist,  in  welchem  sich  neben  den  dem 
Landesfürsten  vorbehaltenen  und  den  dem  Oberamtsrichter 
überwiesenen  Wohnungsräumen  insbesondere  auch  die  Ge- 
richtslokalitäten bis  dahin  befanden,  wo  das  neuerbaute 
Amtsgerichtsgebäude  bezogen  wurde.  Es  geschah  dies  im 
Herbst  1898. 

Zu  dem  Plan  I  bemerke  ich  noch  weiter,  daß  die  dort 
ersichtliche,  zwischen  „Amtsgericht"  und  „Fronfeste"  den 
großen  Amtsgarten  durchschneidende  Straße  erst  etwa  im 
Jahre  1849  zur  Erleichterung  des  Fuhrwerkverkehrs  an- 
gelegt worden  ist. 

Die  Burg  lag  übrigens,  wie  die  beiden  Skizzen  er- 
geben, auf  der  Nordseite  der  Stadt,  und  zwar,  was  ich  an 
dieser  Stelle  noch  besonders  betonen  möchte,  dicht  an  einer 
vor  Jahrhunderten  sehr  wichtigen  Heerstraße,  —  der  W  e  i  n  - 
Straße,  welche  den  Verkehr  zwischen  Thüringen  und 
Franken  vermittelte  und  von  Erfurt  in  der  Richtung  von 
Branchewinde,  Bücheloh,  durch  den  fiskalischen  Forstbe- 
zirk Eichicht  und  durch  den  Flurbezirk  Unterpörlitz  an 
der  Nordseite  der  Stadt  Ilmenau  sich  hinzog  nach  der 
Höhe  des  Gebirges  zu.  Die  auf  der  Skizze  II  be- 
zeichnete „Nordstraße"  ist  an  dieser  Stelle  identisch 
mit  der  vormaligen  Weinstraße.  In  der  Nachbarflur 
Unterpörlitz  ist  diese  letztere  noch  deutlich  erkennbat-  und 
hier  so  breit  und  fest  angelegt,  daß  schon  aus  solcher 
Beschaffenheit  auf  die  große  Wichtigkeit,  die  ihr  in  alter 
Zeit  beigelegt  wurde,  geschlossen  werden  darf.  Gerade 
diese  Wichtigkeit    aber  mochte   wohl   den  Gedanken  nahe- 


Die  beiden  Burgen  in  Ilmenau.  3ßl^ 

ffe\ef^t  haben,  eben  an  dieser  Straße  zum  Schutze  der 
Stadt  die  Burg  anzulegen  und  nach  Möglichkeit  zu  be- 
festigen. So  erklärt  es  sich  denn,  daß,  um  gegen  einen 
von  Nordosten  drohenden  feindlichen  Überfall  besser  ge- 
sichert zu  sein,  in  dieser  Richtung  noch  ein  äußerer 
Wallgraben  vor  den  Innern,  die  ganze  Burg  um- 
schließenden Wallgraben  vorgelegt  wurde.  Das  Nähere  ist 
aus  den  beiden  Skizzen  zu  entnehmen. 

Beide  Wallgräben  hatten  eine  ansehnliche  Tiefe.  Als 
etliche  Jahre  vor  Inangriffnahme  des  Amtsgerichts-Baues 
zwei  Schächte  im  äußeren  Wallgraben  in  die  Tiefe  geführt 
wurden,  konnte  „der  gewachsene  Boden"  erst  in  einer  Tiefe 
von  8  Metern  erreicht  werden.  Beide  Wallgräben  sind 
jetzt  eingeebnet. 

Zum  Schlüsse  gestatte  ich  mir  noch  eine  Erläuterung 
zur  Skizze  II.  Wenn  dort  nämlich  „der  alte  Turm" 
markiert  ist,  so  beruht  dies  darauf,  daß  bei  einer  etwa  im 
Jahre  1876  vorgenommenen  Nachgrabung  an  der  Stelle, 
welche  durch  jenen  Vermerk  erkennbar  gemacht  ist,  die 
Grandmauer  des  alten  Bergfrieds  aufgedeckt  worden  ist. 
Dieselbe  ist  damals  wieder  verschüttet  worden.  Auf  meinen 
eigenen  Wunsch  ist  jedoch  als  Fingerzeig  für  spätere 
Zeiten  auf  dem  jetzt  vorliegenden  Situationsplan  die  Stelle 
bezeichnet  worden,  an  welchem  der  Turm  seinen  Stand- 
punkt gehabt  hat. 


XXI.  24 


VIII. 

Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf. 

Von 
0.  Dolbenecker. 

In  der  Chronik  des  Klosters  Lausnitz,  die  uns  leider 
nur  in  einer  Übersetzung  des  15.  Jahrhunderts  erhalten 
ist  1),  wird  über  die  Person  des  7.  Propstes  2)  eine  Angabe 
gemacht,  mit  der  die  Forscher  ^)  offenbar  nichts  haben  an- 
fangen können.  Der  6.  Propst  Markward,  der  dem  Kloster 
18  Jahre  vorgestanden  hatte,  legte  im  Jahre  1218  wegen 
Krankheit  und  Altersschwäche  sein  Amt  nieder  und  bat 
seinen  Diöcesanbischof  Engelhard  von  Naumburg,  mit  ihm 
dem  Kloster  einen  Nachfolger  in  der  Propstei  zu  bestimmen. 
Der  Konvent  sah  zunächst  in  dem  Vorschlage  des  Bischofs 
einen  Eingriff  in  sein  freies  Wahlrecht^),  gab  jedoch  nach 


1)  Zuerst  in  einer  mißlungenen  Übertragung  ins  Neuhoch- 
deutsche bekannt  gegeben  von  A.  Moser  in  der  Schrift  „Marien- 
stein oder  die  Gründung  des  Klosters  zu  Laußnitz".  Zeitz,  1833 
(2.  Ausg.  Eisenberg,  1837),  sodann  aus  der  wiedergefundenen  Hand- 
schrift von  E.  Hase  in  den  Mitt.  d.  G.  u.  A.  Gesellsch.  des  Oster- 
landes,  VIII  (1875),  S.  65—101  veröffentücht.  Die  Handschrift 
(Bibl,  der  Michaeliskirche  in  Zeitz)  bricht  mit  der  Erwähnung  des 
8.  Propstes  Rupert  ab.  Die  lateinische  Vorlage,  die  der  alten  Über- 
setzung zu  Grunde  liegt,  ist  bis  jetzt  nicht  aufgefunden  worden. 
Ihr  Verfasser  war  nach  S.  90  u.  98  der  Chronik  ein  Augustiner, 
vielleicht  ein  Propst  des  Klosters  (s.  Reg.  d.  Thür.  I,  No.  12ü9). 

2)  Die  Chronik  nennt  ihn  den  sechsten. 

3)  S.  Hase  in  Mitt.  d.  G.  u.  A.  Gesellsch.  d.  Osterl.  VIII,  45 ; 
Lobe,  G.  d.  K.  u.  Seh.  des  H.  S.-Altenburg,  III,  101 ;  Dietze,  G. 
des  Kl.  Lausnitz  in  Mitt.  d.  G.  u.  A.  Ver.  zu  Eisen berg,  XVII,  18  f. 

4)  Hase  a.  a.  0.  45  hat  diese  Stelle  der  Chronik  vollständig 
mißverstanden. 


Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf.  363 

langen  Verhandlungen  nach  und  versprach,  den  zu  wählen, 
den  Engelhard  zum  Propste  bestimmen  würde.  Der  BiscTiof 
erklärte  sich  für  Konrad,  einen  Augustinerbruder,  der  in 
Porstendorf  a.  d.  Saale  Pfarrer  war.  Von  ihm  berichtet 
der  Chronist,  er  habe  bei  sich,  nämlich  in  Porstendorf, 
viele  Brüder  gehabt  ^).  Daß  dies  der  einzige  chronikalische 
Beweis  für  die  Existenz  eines  Augustiner-Chorherrenstiftes 
in  Porstendorf  a,  d.  Saale  ist,  hat  bisher  trotz  meiner  Be- 
merkungen in  den  Regesta  diplomatica  Thuringiae^)  noch 
niemand  beachtet.  Auch  in  der  älteren  Litteratur  wird 
des  Stiftes  kaum  Erwähnung  gethan.  Weder  Hermann 
in  seinem  verdienstlichen  Verzeichnis  ^)  der  thüringischen 
Stifter,  Klöster  und  Ordenshäuser,  noch  Kronfeld  ^)  erwähnt 
es.  Nur  K.  Schulz  in  seinem  Aufsatze  ^)  über  das  Urteil 
des  Königsgerichtes  unter  Friedrich  Barbarossa  u.  s.  f. 
nimmt  auf  die  Urkunde  des  Bischofs  Eckehard  von  Merse- 
burg, in  der  das  Stift  genannt  wird,  Bezug,  kennt  aber 
die  übrigen  Urkunden  nicht,  aus  denen  die  Geschichte  der 
Gründung  erhellt.  Mit  einem  Verweis  auf  Schulzens  Ab- 
handlung begnügt  sich  der  Herausgeber  der  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  Thüringens,  Heft  I,  S.  193,  während  Böhme 
in  seiner  lesenswerten  Abhandlung  „Pforte  in  seiner  kultur- 
geschichtlichen Bedeutung  während  des  12.  und  13.  Jahr- 
hunderts"  das  Stift   nicht  einmal   erwähnt.     Geradezu  irre- 


1)  Diesser  erstlich  zcuu  Borstendorf f  eyn  pfarrer  gewesen,  mit 
ym  vill  anhengende  brudere  gehabt  und  in  unsern  closter  alss  eyn 
bruder  des  ordens,  der  mit  ym  vill  gelebet  nach  der  regele  sancti 
Augustini  unnd  in  der  heiligen  regele  und  gehorsam  sich  gehaltenn 
auff  das  demuetigste,  zculetzt  mit  kranckheit  underdrugkt  uund  lager- 
hafftigk  gewordenn,  ye  doch  widder  kommen  zcuu  krefften,  sich 
Widder  zcuu  Marienn  kein  Laussenitz  gewant,  da  got  zcu  dinehn, 
auch  seinenn  standt  von  stunden  andermalss  angenommen. 

2)  Dobenecker,  Reg.  d.  Thur.,  Bd.  II,  No.  2192  u.  2376.  Ich 
citiere  sie  im  folgenden  nur  als  Reg.  d.  Thur. 

3)  Zs.  d.  V.  f.  thür.  G.  u.  A.,  VIII,  Iff. 

4)  Landeskunde  des  Großherzogtums  S.-Weimar,  II,  290. 

5)  Zs.  d.  V.  f.  thür.  G.  u.  A.,  IX,  156. 

24* 


364  Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf. 

führend  ist  die  kurze  Notiz  im  Staatshandbuch  für  das 
Großherzogtum  Sachsen-Weimar- Eisenach  (1864  u.  ö.)  S,  214 
(unter  Porstendorf).  Und  doch  läßt  sich  mit  Hilfe  einer 
Anzahl  von  Urkunden  die  Geschichte  des  Stiftes  in  groben 
Umrissen  entwerfen. 

Der  Ort  Porstendorf  wird  zuerst  in  Urkunden  für  das 
Cistercienserkloster  Pforte  genannt.  Als  während  der  Friedens- 
verhandlungen zwischen  Papst  Alexander  III.  und  den  Ge- 
sandten des  Kaisers  Friedrich  Barbarossa  zu  Venedig  auch  die 
kirchlichen  Angelegenheiten  Deutschlands  geordnet  wurden, 
stellte  am  10.  Juli  1177  Alexander  III.  für  Kloster  Pforte 
und  dessen  Besitzungen  einen  Schutzbrief  aus,  in  dem 
Porstendorf  zum  erstenmal  Erwähnung  findet  ^).  Die  Er- 
werbung der  grangia  in  Borsendorph  cum  appendiciis  suis 
durch  Kloster  Pforte  muß  zwischen  1168  und  1177  erfolgt 
sein,  denn  in  der  Bestätigungsurkunde,  die  1168  Bischof 
Udo  II.  von  Naumburg  ausgestellt  hat  ^),  wird  Forstend orf 
noch  nicht  unter  den  Besitzungen  Pfortes  genannt.  Wie 
aus  einigen  Urkunden  hervorgeht  %  rührt  der  Besitz  des 
Pforteschen  Klosterhofes  aus  einer  Schenkung  der  Gebrüder 
Heinrich  und  Werner  von  Stechau  her,  die  freilich  nicht 
unangefochten  blieb,  da  der  dritte  Bruder  Gerhard  Falke 
unter  dem  Verwände,  er  sei  Grieche,  nicht  Franke,  die 
nach  fränkischem  Rechte  vollzogene  Übergabe  nicht  gelten 
lassen  wollte.  Das  Königsgericht,  das  unter  Vorsitz  des 
Kaisers  Friedrich  Barbarossa  zu  Altenburg  abgehalten ' 
wurde,  wies  diesen  Einwand  zurück  und.  bestätigte  dem 
Kloster  den  Besitz  in  einer  rechtshistorisch  außerordentlich 
wichtigen  Urkunde,  die  in  der  Litteratur  eine  gewisse  Rolle 
spielt.  Gerhard  hat  1182  denn  auch  der  Schenkung  seiner 
Brüder  zugestimmt  und  zu  Gunsten  des  Klosters  auf  eine 
Weinabgabe,    die    für  ihn  seine  Brüder  bei  der  Schenkung 


1)  Reg.  d.  Thur.  II,  No.  523. 

2)  Ebenda  II,  No.  369. 

3)  Ebenda  II,  No.  598,  ö36  u.  637. 


Chorherrenstift  und  Kommende  Porst^ndorf.  355 

vorbehalten  hatten,  verzichtet.  Schon  damals  wird  eine 
Kirche  in  Poratendorf  erwähnt  i),  die  nicht  zu  dem  Meier- 
hofe Pfortes  gehörte.  Sie  war  mit  dem  Zehnten  von  4  Hufen 
ausgestattet  2)  und  muß  als  vollberechtigte  Pfarrkirche  ge- 
golten haben,  da  die  daselbst  amtierenden  Geistlichen  als 
Pfarrer  bezeichnet  werden  und  der  Friedhof  Erwähnung 
findet').  Schließlich  hatte  Pforte  in  Porstendorf  auch  eine 
Mühle  und  ein  Wehr  angelegt*). 

Neben  dem  Besitze  des  Klosters  Pforte  und  außer  der 
Pfarrkirche  war  noch  ein  Landgut  dort,  das  sich  in  der 
Hand  einer  ritterlichen  Familie  befand.  Ob  diese  mit  der 
oben  genannten  Familie  von  Stechau  in  Zusammenhang 
steht,  läßt  sich  nicht  beweisen.  Sie  nannte  sich  „von  Porsten- 
dorf''. Zwei  ihrer  Mitglieder  sind  uns  bekannt,  die  leib- 
lichen Brüder  Bruno  und  Konrad.  Jener  war  in  den  geist- 
lichen Stand  eingetreten  und  wurde  1209  zum  Bischof  von 
Meißen  gewählt,  wo  er  als  Bruno  II.  bis  zum  Jahre  1228 
regiert  hat.  Konrad,  der  sich  Ritter  von  Porstendorf  nannte, 
verkaufte  vor  dem  26.  Dezember  1209  dem  Kloster  Pforte 
von  seinem  Gute  eine  Hufe,  die  bald  als  zu  Porstendorf, 
bald  als  zu  Ummelstede  oder  Hummelstede,  einer  Wüstung 
bei  Porstendorf,  gehörend  bezeichnet  wird  ^).  Jeder  der  beiden 
Brüder  scheint  auf  dem  Besitztum  eine  geistliche  Stiftung 
ins  Leben  gerufen  zu  haben. 

Der  Bischof  Bruno  gründete  auf  seinem  Gute  in  Porsten- 
dorf nach  Einwilligung  seiner  Erben  und  mit  Erlaubnis 
des  Erzbischofs  Sigfrid  IL  von  Mainz  als  Diöcesanbischofs  ein 
Augustiner-Chorherrenstift.  In  welchem  Jahre  die  Grün- 
dung erfolgte,  läßt  sich  nur  annähernd  bestimmen.  Aus  dem 
Wortlaute  der  Urkunde  **)    der  vom  Papste    in  dem  Streite 


1)  Keg.  d.  Thur.  II,  No.  637. 

2)  Ebenda  II,  No.  870. 

3)  Ebenda  II,  No.  2315. 

4)  Ebenda  II,  No.  853  u.  854. 

5)  Ebenda  II,  No.  1437,  1921  und  1922. 

6)  Ebenda  II,  No.  2230. 


366  Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf. 

zwischen  dem  Gründer  und  dem  Hochmeister  des  deutschen 
Ordens,  Hermann  von  Salza,  delegierten  Richter  scheint  ge- 
schlossen werden  zu  müssen,  daß  Bruno  es  gestiftet  hat,  als  er 
bereits  Bischof  von  Meißen  war,  demnach  frühestens  im  Jahre 
1209.  Mit  unbedingter  Sicherheit  kann  angegeben  werden, 
daß  die  Gründung  in  die  Zeit  des  Erzbischofs  Sigfrid  IL 
von  Mainz  fiel,  wie  der  Erzbischof  selbst  bestätigt.  In 
einer  [1227]  Febr.  1 1  zu  Erfurt  ausgefertigten  Urkunde  ^) 
bekennt  er,  daß  er  den  Propst  und  den  Konvent  der  regu- 
lierten Chorherren  in  Porstendorf  ehemals  besucht  und 
als  Diöcesanbischof  nach  dem  Tode  des  ersten  Propstes 
einen  anderen  bestätigt  habe.  Von  den  Namen  der  Pröpste 
ist  urkundlich  nur  einer  überliefert.  In  einer  leider  un- 
datierten Urkunde,  die  aber  vor  1224  fallen  wird  2),  er- 
scheint als  erster  unter  den  Zeugen :  Drusing,  Propst  von 
Porstendorf.  Ich  glaube  nachgewiesen  zu  haben,  daß  dar- 
unter der  zweite  Propst  des  Stiftes  zu  verstehen  sein  wird. 
Als  ersten  Propst  hätte  man  demnach  jenen  Konrad  anzu- 
sehen, den  wir  im  Eingange  als  Propst  von  Lausnitz  kennen 
lernten.  Die  Angabe  des  Erzbischofs  Sigfrid,  daß  er  defuncto 
ipso  prfeposito  einen  zweiten  daselbst  bestätigt  habe,  scheint 
also  nicht  genau  zu  sein.  Seit  1218  ist  Konrad  Propst  in 
Lausnitz  und  hat  2  Jahre  lang  diesem  Augustiner-Nonnen- 
kloster vorgestanden.  Seine  Amtsthätigkeit  ist  durch  schwere 
Krankheit  unterbrochen  worden.  Ob  er  neben  der  Prä- 
positur in  Lausnitz  eine  Zeitlang  das  Stift  Porstendorf  ver- 
waltet hat,  erscheint  unwahrscheinlich,  so  daß  man  vielleicht 
ein  Hecht  zu  der  Annahme  hat,  daß  die  Kunde  von  seiner 
schweren  Erkrankung  Anlaß  zu  der  Behauptung  wurde,  er 
sei  gestorben.     Pflichttreue  und  Demut  zeichneten  ihn  aus. 


1)  Reg.  d.  Thur.  II,  No.  2376. 

2)  Ebenda  II,  No.  2192.  Wenn  Kehrs  Ansatz  (ÜB.  d.  Höchst. 
Merseburg,  I  No.  178)  zu  der  Urkunde  in  Eeg.  d.  Thur.,  II  No.  1818, 
die  er  mit  Rücksicht  auf  den  seit  1218  nachweisbaren  Dekan  Hein- 
rich und  das  bis  1221  geführte  Siegel  zu  ca.  1221  stellt,  richtig  ist, 
80  würde  der  Ansatz  1221 — 1224  lauten  müssen. 


Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf.         '    367 

Ati  seine  Stelle  trat  Drusing,  der  offenbar  identisch  ist  mit 
dem  im  Jahre  1214  genannten  Pfarrer  Drusing  von  Apolda, 
der  dem  Kloster  Lausnitz  zur  Wiederherstellung  der  durch 
eine  Feuersbrunst  geschädigten  Kirche  5  Mark  schenkte  ^), 
wahrscheinlich  bereits  dem  Augustinerorden  angehörte  und 
auch  1216  und  1217  in  Heusdörfer  und  Naumburger  Ur- 
kunden erwähnt  wird  2),  Sein  Wirken  in  Porstendorf  ist  nicht 
von  langer  Dauer  gewesen. 

Kloster  Pforte  wird  die  Gründung  des  Stiftes  mit 
scheelen  Augen  angesehen  haben.  Gefährlicher  wurde 
ihm  aber  die  Konkurrenz  desjenigen  Ordens,  den  als 
erster  unter  den  deutschen  Stämmen  aufgenommen  und 
mit  Gütern  ausgestattet  zu  haben,  ein  Ruhmestitel  für 
die  Thüringer  geworden  ist.  Ich  meine  den  deutschen 
Ritterorden.  Obwohl  Voigts  Angabe  ^),  daß  schon  im  Jahre 
1202  ein  Provinzialkomtur  des  deutschen  Ordens  für  die 
Bailei  Thüringen  genannt  werde,  irrig  ist*);  obgleich  auch 
die  zweite  Urkunde,  auf  die  Voigt  Bezug  nimmt,  sich  als 
eine  Fälschung  erwiesen  hat  5),  so  steht  doch  fest,  daß  das 
Heimatsland  des  größten  Hochmeisters,  den  der  Orden  an 
seiner  Spitze  gesehen  hat,  die  älteste  deutsche  Bailei  des 
Ordens  gewesen  ist,  und  daß  die  deutschen  Ritter  schon 
im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  in  unseren  Gegenden  reiche 
Güter  erworben  haben.  Eine  der  frühesten  Erwerbungen 
war  nächst  Halle  und  Altenburg  unser  Porstendorf  Schon 
im  Jahre  1221  wird  gleichzeitig  mit  dem  Deutschordens- 
priester Hugo,  der  in  Zwätzen  offenbar  dem  Ordenshause 
vorstand,  der  Komtur  Konrad  von  Porstendorf  genannt  ß), 
dem  wir  noch  im  Jahre  1225,  bez.  1224  in  einer  Ur- 
kunde^) begegnen.     Seit  1221    besteht    also  in  Porstendorf 


1)  Reg.  d.  Thur.,  II,  No.  1600. 

2)  Ebenda  II,  No.  1687,  1713  u.  1749. 

3)  Die  deutsche  Grdens-Ballei  Thüringen,  in  dieser  Ztschr.,  1,95. 

4)  Reg.  d.  Thur.,  II,  No.  1226a. 

5)  Ebenda  II,  No.  1588. 

6)  Ebenda  II,  No.  1983. 

7)  Ebenda  II,  No.  2254. 


368 


Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf. 


ein  deutsches  Haus  oder  eine  Komturei  neben  dem  Augus- 
tiner-Chorlierrenstift  ^)  und  neben  dem  Pforteschen  Mönchs- 
hofe, Per  Gründer  der  Komturei  ist  wahrscheinlich  kein 
anderer  als  Konrad,  der  Bruder  Brunos,^  des  Bischofs  von 
Meißen.  Vielleicht  ist  die  Annahme  berechtigt,  daß  er  selbst! 
in  den  deutschen  Orden  eingetreten  ist,  sein  Gut  dem  Ordenj 
vermacht  hat  und  zum  ersten  Komtur  in  Porstendorf  be- 
stellt worden  ist.  Der  Niederlassung  des  deutschen  Ordens 
mußte  eine  Verständigung  mit  dem  Erzbischof  Sigfrid  11.^ 
von  Mainz  vorausgehen.  Sie  erfolgte  am  5.  Oktober  1221 2). 
Wie  einige  Jahre  später  die  landgräfliche  Familie 
den  Rittern,  die  sich  in  der  Landgrafschaft  und  in  ihren 
übrigen  Landen  niedergelassen  hatten,  weitgehende  Förde- 
rung zu  teil  werden  ließ,  indem  sie  auf  jedes  Recht  an  den 
Ordensbesitzungen  verzichtete  und  die  Ritter  von  Zoll,  Ab- 
gaben und  dem  Hospitalsrecht  in  dem  landgräflichen  Ge- 
biete und  in  den  landgräflichen  Märkten  befreite,  so  hat 
auch  Sigfrid  IL  von  Mainz  als  geistliches  Oberhaupt 
Thüringens  sich  dem  Orden  willfährig  gezeigt.  Er  bestimmte, 
daß  kein  Archidiakon  den  Orden  mit  irgend  einem  Mandate 
belästigen  dürfe,  wogegen  der  Orden  unter  Verzicht  auf 
gewisse  päpstliche  Privilegien  die  Kleriker,  die  an  den 
Kirchen  des  Ordens  in  der  Mainzer  Diöcese  wirkten,  unter 
näher  bestimmten  Einschränkungen  bei  einer  „suspensio 
divinorum"  der  Jurisdiktion  des  Erzbischofs  unterwarf.  Der 
Deutschmeister  Hermann  ^)  verpflichtete  sich  überdies,  be- 
treffs der  Kirche  zu  Porstendorf  ohne  erzbischöfliche  Er- 
laubnis keine  Veränderung  vorzunehmen.  Mit  der  Kirche 
zu  Porstendorf  ist  offenbar  das  Stift  gemeint,  dessen  Tage 
seit  dem  Auftreten  der  deutschen  Ritter  gezählt  waren. 
Mit  Genehmigung  des  Erzbischofs  wurde  es  dem  deutschen 
Orden   übertragen,    der   sich    aber   verpflichten  mußte,    eine 


1)  Reg.  d.  Thur.  II,  No.  2192  N.  4. 

2)  Ebenda  II,  No.  1982  u.  1983. 

3)  Also  nicht  der  Hochmeister  gleichen  Namens,  vgl.  ebenda  II, 
No.  1983. 


Chorherrenstift  und  Kommende  Poretendorf.  369 

Reihe  von  Bedingungen  zu  erfüllen.  Er  mußte  versprechen  ^), 
den  Gottesdienst  nicht  zu  mindern,  sondern  zu  vermehren, 
upd  übernahm  deshalb  gegenüber  dem  Erzbischof  und  dem 
Kapitel  von  Erfurt  die  Verpflichtung  ^),  einen  Diakonen  und 
einen  Subdiakonen  an  der  Porstendorfer  Kirche  zu  unter- 
halten. Die  Chorherren  mußten  Porstendorf  verlassen,  und 
ihre  Besitzung  wurde  von  dem  deutschen  Orden  in  eine 
Meierei  verw^andelt. 

Die  Aufhebung  des  Stiftes  war,  wie  wir  gesehen  haben, 
auf  Grund  eines  Vertrages  zwischen  dem  deutschen  Orden 
und  dem  Erzbischof  von  Mainz  verfügt  worden.  Die  Kon- 
trahenten hatten  auf  den  Gründer  des  Stiftes  keine  Rück- 
sicht genommen.  Kein  Wunder,  daß  sich  Bruno  IL  von 
Meißen,  als  Gründer  und  Patron,  schwer  verletzt  fühlte 
und  auf  Wiederherstellung  des  Stiftes  drang.  Er  wandte 
sich  mit  seiner  Beschwerde  über  den  Hochmeister  Her- 
mann 3)  an  den  Papst  Honorius  III.  Dieser  delegierte  als 
Richter  in  dem  Streite  über  das  Stift  Porstendorf  den 
Bischof  Eckehard  von  Merseburg,  den  Propst  Poppe  zu 
Neuwerk  in  Halle  und  den  früheren  Bischof  Konrad  von 
Halberstadt,  der  im  Kloster  Sittichenbach  als  Mönch  lebte 
und  im  Dienste  der  Kirche  eine  reiche  Wirksamkeit  ent- 
wickelte. Sie  luden  die  Parteien  zur  Verhandlung  nach  Leipzig 
in  das  Thomasstift.  Bischof  Bruno  erschien  persönlich,  als  Be- 
vollmächtigte des  Hochmeisters  einige  deutsche  Ritter.  Bruno 
forderte  Wiederherstellung  des  Stiftes  und  erreichte,  da  die 
Bevollmächtigten  der  Gegenpartei  nicht  mit  geöügenden 
Vollmachten  ausgerüstet  waren,  einen  neuen  Termin.  Die 
Parteien  wurden  diesmal  von  dem  Bischof  Eckehard  und 
dem  Propste  Poppo  —  Konrad  von  Sittichenbach  war  1225 

1)  Keg.  d.  Thur.  II,  No.  2376. 

2)  Ebenda  II,  No.  2290. 

3)  Kehr,  U.B.  d.  Höchst.  Merseburg,  I,  No.  193  N.  4,  erklärt 
ihn  irrig  für  den  Deutschmeister  Hermann  Otter,  vgl.  Zs.  d.  V. 
f.  Thür.  G.  u.  A.,  XX,  684. 


370  Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf. 

Juni  21  gestorben  1)  —  nach  Halle  in  die  Marienkirche 
geladen.  Etwa  im  Juli,  August  oder  September  1225  kam 
es  dort  zu  neuen  Verhandlungen,  die  zu  einem  Vergleiche 
führten.  Bruno  verzichtete  ^)  auf  das  Patfonatsrecht,  das  ihm 
in  Porstendorf  zustand,  erkannte  die  ohne  seinen  Willen, 
aber  mit  Genehmigung  des  Diöcesanbischofs  geschehene 
Übertragung  des  Stiftes  Porstendorf  auf  den  deutschen 
Orden  an  und  erhielt  von  diesem  als  Ersatz  das  Patronats- 
recht  über  die  Kirche  zu  Pulsnitz  in  der  Meißener  Diöcese. 
Damit  war  auch  die  vollkommen  einwandfreie  recht- 
liche Grundlage  für  die  Komturei  Porstendorf  des  deutschen 
Ordens  gewonnen.  Trotzdem  blieb  der  Ordensbesitz  nicht 
unangefochten.  Die  Nachbarschaft  des  Pforteschen  Kloster- 
hofes wurde  Anlaß  ^)  zu  neuen  Besitzstreitigkeiten.  Da 
inzwischen  das  Deutschordenshaus  in  dem  benachbarten 
Zwätzen  sich  wahrscheinlich  als  der  beste  Besitz  in  dieser 
Gegend  ausgewiesen  hatte,  so  beschloß  schon  am  28.  Jan.  1226, 
wie  eine  diplomatische  Notiz  besagt  *),  der  Deutschmeister  Her- 
mann, das  dem  Orden  gehörige  Gut  an  das  Kloster  Pforte 
zu  verkaufen.  An  die  Stelle  des  Komturs  Konrad,  der 
wahrscheinlich  mit  Tode  abgegangen  war,  war  inzwischen 
Rudolf  getreten,  der  neben  Porstendorf  auch  das  Deutsch- 
ordenshaus in  Altenburg  verwaltete.  Ihm  und  dem  Komtur 
Philipp  von  Halle  übertrug  der  Deutschmeister  Hermann 
Otter  die  Aufgabe,  den  Streit  mit  Pforte  beizulegen  ^).  Zu 
Merseburg  wurde  am  2.  April  1226  zwischen  Winemar, 
Abt  von  Pforte,  und  den  genannten  Komturen  die  Ange- 
legenheit geordnet.  Kloster  Pforte  kaufte  vom  deutschen 
Orden  für  die  große  Summe  von  520  Mark  Silbers  dessen 
Gut  zu  Porstendorf,  mit  Ausschluß  der  Hufen  und  Ein- 
künfte,   die  außerhalb  der  Grenzen  jenes  Gutes    lagen    und 

1)  Vgl.  V.  Krosigk,  U.B.  der  Familie  von  Krosigk,  III,  299. 

2)  Reg.  d.  Thur.,  II,  No.  2230. 

3)  Ebenda  II,  No.  2313. 

4)  Ebenda  II,  No.  2269. 

5)  Ebenda  II,  No.  2289. 


Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf.  37  J 

dem  Orden  ausdrücklich  vorbehalten  wurden,  übernahm  eine 
Reihe  von  Verpflichtungen,  die  seinerseits  der  Orden  bei 
der  Übernahme  des  Gutes  von  den  Augustinern  hatte  ein- 
gehen müssen,  insbesondere  versprach  es,  der  Edlen  Jutta 
von  Wildenfels ,  die  wahrscheinlich  aus  der  Familie  der 
Ritter  von  Porstendorf  stammte,  eine  jährliche  Rente  von 
9  Mark  Silbers  zu  zahlen,  dem  Merseburger  Domherrn 
Johannes,  der  unter  den  Vermittlern  des  Vertrages  genannt 
wird,  jährlich  eine  Fuhre  guten  Weines  zu  liefern  und  in 
Porstendorf  einen  Diakonen  und  einen  Subdiakonen  zu. 
unterhalten.  Die  Komture  Philipp  und  Rudolf  sollten  da- 
gegen mit  dem  Abte  von  Pforte  bei  dem  päpstlichen  Le- 
gaten um  Aufhebung  der  dem  Verkaufe  des  Porstendorfer 
Gutes  entgegenstehenden  und  gegenüber  dem  Erzbischof  von 
Mainz  und  dem  Erfurter  Kapitel  übernommenen  Verpflich- 
tungen bitten  i). 

Der  Kaufkontrakt  fand  am  2.  Juni  1226  zu  Mantua 
die  Bestätigung  durch  den  Hochmeister  Hermann  von  Salza  ^), 
tags  darauf  auch  durch  den  päpstlichen  Legaten  Konrad, 
Bischof  von  Porto  und  Sankt  Rufina  3),  der  am  5.  Juni 
auch  dem  Wunsche  der  Parteien  Rechnung  trug  und  Kloster 
Pforte  von  den  Verpflichtungen  entband  *),  die  es  als  Rechts- 
nachfolger des  deutschen  Ordens  vertragsmäßig  hätte  er- 
füllen müssen.  Es  brauchte  hiernach  Pforte  an  der  Ka- 
pelle zu  Porstendorf  nur  einen  Priester  und  einen  Scholar 
zu  halten,  also  nicht  einen  Diakonen  und  einen  Subdiakonen, 
wie  bei  der  Aufhebung  des  Chorherrenstiftes  bestimmt  wor- 
den war,  mußte  aber  von  den  Einkünften,  die  es  auf  diese 
Weise  sparte,  einen  Altar  innerhalb  des  Klosterbezirkes 
errichten,  um  an  ihm  Seelenmessen  für  diejenigen  lesen  zu 
lassen,  die  der  Kirche  zu  Porstendorf  jene  Güter  zu  ihrem 
Seelenheile    vermacht  hatten ;    auch    durfte    es    die  Leichen 


1)  Urkunde  u.  Gegenurkunde,  Reg.   d.  Thur.  II,    No.  2290 
u.  2291. 

2)  Ebenda  II,  No.  2313. 

3)  Ebenda  II,  No.  2314. 

4)  Ebenda  II,  No.  2315. 


372  Chorherrenstift  und  Kommende  Porstendorf. 

der  auf  dem  Friedhofe  oder  in  der  Kirche  zu  Porstendorf 
Beigesetzten  nach  Pforte  übertragen  und  dort  beisetzen. 

Trotz  der  von  den  Herren  von  Apolda  hierauf  gegen 
Pforte  —  man  erfährt  nicht,  weshalb  —  erhobenen  Klage  i) 
blieb  es  bei  diesen  von  dem  Hochmeister  und  dem  Kardinal- 
legaten bestätigten  Abmachungen,  denen  anch  der  Erz- 
bischof Sigfrid  IL  von  Mainz  in  einer  am  20.  Juli  1230 
zu  Erfurt  ausgefertigten  Urkunde  2)  mit  dem  Vorbehalte 
beitrat,  daß  die  Kirche  in  Porstendorf,  solange  sie  nur 
unter  Pforte  stehe  und  den  Cisterciensern  daselbst  keine 
andere  Seelsorge  obliege  als  die  Totenmessen  für  die  da- 
selbst Beigesetzten,  in  den  an  Porstendorf  stoßenden  Pforte- 
schen Klosterhof  samt  den  Reliquien  der  Heiligen  verlegt, 
die  Gebeine  der  Verstorbenen  aber  nach  dem  Friedhof  des 
Klosters  Pforte  übertragen  werden  dürften,  doch  unbeschadet 
der  Erhaltung  des  Andenkens  dieser  und  der  Unterwürfig- 
keit der  verlegten  Kirche  gegen  das  Erzstift  Mainz.  Die 
Verlegung  der  Kirche  in  den  Pforteschen  Wirtschaftshof 
zu  Porstendorf  genehmigte  schließlich  auch  Sigfrids  II.  von 
Mainz  Nachfolger,  Sigfrid  III.,  in  einer  zu  Erfurt,  1231  März 
10,  ausgestellten  Urkunde^). 

Somit  hatten  die  rührigen  und  wirtschaftlich  tüchtigen 
Cistercienser  den  Wettbewerb  der  Augustiner  und  der 
deutschen  Ritter  überwunden  und  waren  als  alleinige  Besitzer 
in  Porstendorf  geblieben.  Sie  haben  sich  als  solche  in  der 
fruchtbaren  und  landschaftlich  schönen  Saalaue  bis  zur 
Säkularisation  ihres  Klosters  behauptet. 


1)  Reg.  d.  Thur.  II,  No.  2376. 

2)  Böhme,  ÜB.  des  Kl.  Pforte,  No.  101. 

3)  Ebenda  No.  103. 


Litteratur. 


III. 

Georg  Mever,  Das  parlamentarische  Wahlrecht.  Nach  des  Verfassers 
Tod  herausgegeben  von  G.  JeUinek,  Berlin,  O.  Häring,  1901. 
IV  u.  734  8S.    M.  16. 

GeorgMeyer,  der  in  den  Jahren  seiner  Jenaer  Lehrthätigkeit, 
als  Mitglied  des  Ausschusses  des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte 
u.  A.  mit  der  ihm  eigenen  Pflichttreue  sich  als  em  unermüdlicher 
Förderer  der  Bestrebungen  unseres  Vereins  bewährte,  hat  in  dem  nach 
seinem  Tode  durch  die  Hingebung  seiner  Witwe  druckfertig  ge- 
stalteten Werke  uns  ein  standard-work  über  das  parlamentarisclxe 
Wahlrecht  hinterlassen. 

Wir  möchten  die  Aufmerksamkeit  der  Leser  unserer  Zeitschrift 
auf  das  erschöpfende  Werk  lenken,  da  es  auch  über  die  Geschichte 
des  Wahlrechts  in  den  thüringischen  Staaten  Aufschluß  gewährt. 

Die  allgemeine  Entwickelung  des  parlamentarischen  Wahlrechts 
in  Deutschland  von  1815  bis  1848  wird  (S.  106  ff.)  unter  Anführung 
aller  einzelnen  einschlägigen  Gesetze  erörtert.  Die  Zusammensetzung 
des  Landtages  beruht  auch  in  den  thüringischen  Staaten,  die,  dem 
Vorgange  Ö.- Weimars  (1816)  folgend,  konstitutionelle  Einrichtungen 
getroffen  hatten,  auf  einer  ständischen  Gliederung.  Deputierte  der 
Kitterschaft  und  andere  ländliche  Grundeigentümer,  sowie  solche 
der  Städte  bilden  den  Landtag.  In  Weimar  war  noch  die  Universität 
Jena  und  in  Schwarzburg-Sondershausen  der  Kaufmanns-  und 
Fabrikantenstand,  sowie  der  Gelehrtenstand  vertreten.  -  S.  125  ff. 
werden  die  gesetzlichen  Bestimmungen  (Verfassung,  Wahlges.)  über 
die  Erfordernisse  des  aktiven  Wahlrechts  und  der  Wählbarkeit  mit- 

feteilt.  Die  Bewegung  des  Jahres  1848  führte  zu  einer  Umgestaltung 
es  ständischen  Waalrechts.  So  hatte  z.  B.  das  Wahlgesetz  für 
S.- Weimar  vom  17.  Sept.  1848  allgemeines  Stimmrecht  imd  direkte  Wahl 
eingeführt,  und  augh  die  anderen  Staaten  Thüringens  (S.  191  ff.)  ge- 
langten zu  einer  Änderung  des  Wahlrechts.  —  Während  nach  der 
Reaktivierung  des  Bundestages  in  vielen  deutschen  Staaten  das  Wahl- 
recht einseitig  im  Verordnungswege  umgeändert  worden  war,  rühmt 
Meyer  (S.  201)  von  den  thüringischen  Staaten,  daß  die  Einschrän- 
kungen des  1848  ausgedehnten  Wahlrechts  in  durchaus  verfassungs- 
mäßiger Weise  xmd  in  maßvollem  Umfange  vollzogen  wurden.  Über 
die  Entwickelung  der  Wahlgesetzgebung  seit  Gründung  des  Nord- 
deutschen Bundes  verbreitet  sich  der  Verfasser  S.  244  ff. 


374  Litteratur. 

Das  2.  Buch  (S.  411  ff.)  behandelt  die  wichtigsten  Probleme 
des  Wahlrechts  mit  bewundernswerter  Objektivität.  Einzelne  Teile 
sind  wahre  Kabinettsstücke  einer  feinsinnigen,  maßvollen,  von  staats- 
männischem Geiste  erfüllten  politischen  Erörterung.  Wir  wünschen 
diesem  Werke  des  der  Wissenschaft  und  dem  politischen  Leben  zu 
früh  entrissenen  Verfassers  recht  viele  Leser. 

Eduard  ßosenthal  (Jena). 

IV. 

W.  Stieda,  Die  Anfänge  der  Porzellanfabrikation  auf  dem  Thüringer- 
walde. Jena,  G.  Fischer,  1902.  425  SS.  VI. 
Seit  seiner  Erfindung  diente  das  Porzellan  Zwecken  der  Luxus- 
industrie und  bot  es  ein  reiches  und  dankbares  Feld  für  kunstgewerbliche 
Bethätigung.  Noch  heute  pflegen  wie  ehedem  kunstvolle  Porzellan- 
erzeugnisse staatlicher  Manufakturen  mit  Vorliebe  zu  fürstlichen  Ge- 
schenken bestimmt  zu  werden,  ein  Zeichen  gleichsam  für  die  vornehme 
Stufe,  auf  welcher  sich  zum  Teil  die  Porzellanindustrie  bis  heute  be- 
hauptet hat.  Aber  die  große  volkswirtschaftliche  Bedeutung,  welche 
diese  im  Laufe  der  Zeit  erlangte,  wurzelt  nicht  sowohl  in  der  Verarbeitung 
des  Materials  zu  Luxuszwecken,  als  vielmehr  in  der  Herstellung 
gewöhnlicher  Gebrauchsware,  die  einen  Massenkonsum  ermöglicht. 
Vermöge  der  hervorragenden  Eigenschaften,  die  es  hierfür  prä- 
destinieren, hat  sich  in  der  ganzen  Kulturwelt  die  Verwendung  des 
Hartporzellans  für  Gebrauchsgeschirr  im  Haushalt  in  einem  solchen 
Maße  eingebürgert,  daß  es  uns  heute  schwer  fällt,  uns  eine  Haus- 
haltsführung ohne  ausgiebige  Verwendung  von  Porzellangefäßen  vor- 
zustellen. Und  doch  ist  diese  allgemeine  Verwendung  des  Porzellans 
überaus  jungen  Datums.  Wurde  auch  auf  Grund  der  Böttgerschen 
Erfindung  die  erste  deutsche  Porzellanmanufaktur  in  Meißen  bereits 
im  Jahre  1710  errichtet  und  war  die  Fabrikation  des  weichen  Porzellans 
sogar  schon  etwas   früher  in  England,  J'rankreich   und  Italien  auf- 

fekommen,  so  entwickelte  sich  doch,  obwohl  eine  ganze  Anzahl  von 
lartporzellanfabriken  in  den  genannten  Ländern  schon  früher  sich 
aufgethan  hatte,  ein  eigentlicher  Massenverbrauch,  an  dem  ver- 
möge der  großen  Verbilligung  auch  der  ärmere  Haushalt  sich 
beteiligen  konnte,  erst  während  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahr- 
hunderts. In  dieser  Zeit  erst  verdrängte  das  Porzellangeschirr  all- 
gemein die  bisher  üblichen  Zinngefäße.  Vermöge  der  größeren  Härte 
seiner  Glasur  sowie  der  überlegenen  Schönheit  seines  Aussehens  machte 
es  auch  dem  irdenen  Töpfergeschirr  eine  vernichtende  Konkurrenz, 
so  daß  dessen  Verwendung  ganz  auf  untergeordnete  Küchenzwecke 
in  ärmeren  Haushalten  beschränkt  wurde. 

In  der  Porzellanfabrikation  behauptet  Deutschland  einen  hervor- 
ragenden Platz.  Zur  Zeit  bestehen  hier  nicht  weniger  als  1503  Be- 
triebe für  Porzellanfabrikation  und  -Veredelung  mit  zusammen 
35  914  Personen,  unter  ihnen  Betriebe  mit  6  und  mehr  Personen  268, 
auf  die  allein  34  227  Erwerbsthätige  entfallen.  Von  diesen  268 
Fabriken  liegen  112,  zu  einem  erheblichen  Teil  erst  in  der  zweiten  Hälfte 
des  19.  Jahrhunderts  entstanden,  im  Gebiet  der  thüringischen  Staaten, 
darunter  einige,  die  Hunderte  von  Arbeitern  beschäftigen.  Nur  der 
kleinere  Teil  der  Fabrikate  wird  im  Inlande  abgesetzt,  der  weitaus 

frößere  Teil  —  von  der  auf  51,3  Mill.  M.  geschätzten  Jahresproduktion 
)eutschlands  nicht  weniger  als  33,6  Mill.  M.  — ,   geht  ins  Ausland. 


Litteratur.  375 

Die  Kleinheit  der  thüringischen  Staaten  brachten  es  mit  sich, 
daß  die  hier  im  18.  Jahrhundert  erstehenden  Fabriken  für  ihre 
Produktion  von  vornherein  nur  in  verschwindendem  MaiSe  in  den 
engen  Grenzen  des  Heiraatsstaates  Absatz  zu  finden  vermochten.  Für 
die  Hauptmasse  war  man  ganz  und  gar  auf  die  Ausfuhr  ange- 
wiesen. Aber  nicht  nur  in  allen  Teilen  des  weiteren  Vaterlandes 
fanden  die  Fabrikate  Verbreitung,  trotz  der  größeren  Transport- 
schwierigkeiten jener  Zeit  gingen  sie  vielmehr  auch  damals  schon 
in  ansehnlichen  Mengen  über  die  entfernten  deutschen  Grenzen  zu 
Lande  und  zu  Wasser:  nach  Holland,  Skandinavien,  Rußland, 
der  Schweiz  etc.  Waren  doch  die  „Türken koppchen "  früh  ein  be- 
liebter Handelsartikel,  der  in  großen  Posten  über  Wien  in  die  Türkei 
wanderte. 

Gerade  darin,  daß  in  dem  Porzellan  ein  neues  Fabrikat  erstand; 
das  bei  allgemeiner  Brauchbarkeit  und  hohem  Wert  verhältnismäßig 
leicht  und  oillig  nach  allen  Richtungen  und  auf  große  Entfernungen 
mit  Vorteil  vertrieben  werden  konnte,  lag  die  große  Bedeutung  des 
neu  aufkommenden  Produktionszweiges  für  die  vorwiegend  armen 
thüringischen  Waldgebiete,  deren  Wohlstandsentwickelung  und  Be- 
völkerungswachstum bei  Beschränkung  auf  Urproduktion  und  Lokal- 
gewerbe nur  allzu  enge  Grenzen  gezogen  waren.  Hier  boten  die 
meist  reichen  Holzbestände  ein  billiges  Brennmaterial,  wie  denn  auch 
die  erforderlichen  Thon-  und  Erdarten  im  Lande  selbst  vorgefunden 
wurden.  Zum  zweiten  Male  ist  hier  in  Thüringen  das  von  Böttger 
seiner  Zeit  entdeckte  Porzellan  von  zwei  Männern,  von  Georg  Hem- 
rich  Macheleid  zu  Sitzendorf  in  Schwarzburg-Rudolstadt,  sowie  von 
Gotthelf  Greiner  zu  Limbach  in  S.-Meiningen,  von  jedem  selbständig, 
—  um  1760  —  nochmals  erfunden  worden.  Auf  Grund  dieser  Er- 
findung entstanden  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  etwa  ein 
Dutzend  Fabriken  auf  thüringischem  Gebiet,  und  wurde  damit  der 
Grund  gelegt  für  eme  gegenwärtig  in  hoher  Blüte  stehende  Industrie, 
welche  die  Armut  mancher  abgelegenen  Orte  in  Wohlstand  verwandelt 
oder  in  begünstigteren  Orten  den  vorhandenen  Nahrungsquellen  eine 
neue  und  ergiebige  hinzugefügt  hat. 

Diesen  Anfängen  der  thüringischen  Porzellanfabrikation  ist 
Stieda  in  mehrjährigem  eifrigen  Studium  nachgegangen,  dessen  Er- 
gebnisse in  dem  oben  bezeichneten  Werke  niedergelegt  sind.  Die 
Arbeit,  die  er  unternahm,  war  schon  insofern  wenig  dankbar,  als  die 
vorhandenen  archivalischen  Nachrichten  nicht  nur  gering,  sondern 
überdies  ganz  außerordentlich  zersplittert  waren.  Noch  dürftiger 
und  schwieriger  beschaffbar  erwies  sich  begreiflicher  Weise  der 
Vorrat  sonstiger    Spuren   und  Nachweise.    Mit  regem  Interesse  an 

fewerbegeschichtlichen  Materien  mußte  derjenige,  der  an  diese 
)ar8tellung  herantrat,  eine  starke  Vorliebe  für  Detailforschung 
verbinden,  sollte  er  nicht  ermüden  bei  einer  Arbeit,  die  von  vorn- 
herein auf  Ergebnisse  von  weittragender  Bedeutung  nicht  rechnen 
konnte.  Man  kann  daher  die  thüringische  Porzellanindustrie  nur 
beglückwünschen,  daß  sich  ihrer  Geschichte  ein  Mann  wie  Stieda 
annahm,  der  alle  Voraussetzungen  für  erfolgreiche  Arbeit  auf  diesem 
Gebiete  in  sich  vereinigte.  Wenn  bei  der  ünvoUständigkeit  der 
Quellen  auch  eifrigem  Bemühen  die  Klarstellung  gar  vieler  Einzel- 
punkte nicht  gelingen  konnte,  darf  doch  der  Verfasser  mit  Recht, 
wie  er  es  thut,  das  Anerkenntnis  beanspruchen,  daß  er  „auf  einem 
bisher  fast  brach  gelegenen  Felde  viel  Neues  und  Sicheres  gebracht 


37G  Litteratur. 

und  deu  bisherigen  Wirrwar  auf  dem  (jebiete  thüringischer  Porzellane 
beseitigt  habe". 

Hchon  in  den  Anfang  des  ](S.  Jahrhunderts  fallen  die  ersten 
Gründungsversuche,  deren  Schauplatz  Saalfeld,  Rudolstadt,  Ilmenau 
und  (Joburg  waren.  Einige  von  ihnen  führten  zur  Errichtung  von  bald 
wieder  untergegangenen  Fabriken,  bei  denen  es  sich  jedoch  anscheinend 
nicht  sowohl  uni  eigentliche  Porzellan-,  als  um  Fayence-Produktion 
handelte,  wie  dies  anfänglich  auch  bei  der  Fabrik  in  Untermhaus 
})ei  Gera  der  Fall  war.  Erst  mit  der  Thätigkeit  der  1760  von 
Macheleid,  einem  Studiosen  der  Theologie,  in  Sitzendorf  errichteten, 
bald  schon  nach  Volkstedt  verlegten  Fabrik  setzt  die  eigentliche 
Porzellanfabrikation  in  Thüringen  ein.  Es  folgen  Gera  1762,  Wallen- 
dorf 1764,__Kloster  Veilsdorf  17ör),  Gotha  1767,  Limbach  1772, 
Ilmenau  l;77,  Großbreitenbach  1779,  Rauenstein  1783,  Blankenhain 
1790,  p]isenberg  1795,  endlich  Pößneck  1799.  Über  die  Gründungs- 
geschichte der  einzelnen  Fabriken,  über  ihre  Leistungen  und  Schick- 
sale werden  wir  überall  so  eingehend  unterrichtet,  wie  es  das  beschaffte 
Material  gestattet. 

Die  von  Macheleid  errichtete  Fabrik,  die  einer  Sozietät  gehörte, 
an  welcher  der  Fürst  von  Rudolstadt  selbst  sich  mit  einer  Kapitalseinlage 
beteiligte,  war  seit  1767  an  den  Erfurter  Kaufmann  Nonne  verpachtet. 
Aus  der  Sozietät  mußte  Macheleid  selbst  später  ausscheiden  und 
genoß  er  seitdem  eine  Pension,  welche  der  Fürst  ihm  ausgesetzt  hatte. 

Bedeutungsvoller  als  die  Wirksamkeit  des  als  grillicht  und 
eigensinnig  geschilderten  Macheleid  war  zweifellos  diejenige  Gottheit 
Greiners  für  das  allgemeine  Aufblühen  der  thüringischen  Porzellan- 
industrie. Freilich  was  die  Erfindung  des  Porzellans  betrifft,  so 
gebührt  ihr  Ruhm  —  auch  von  Machelcids  Verdiensten  abgesehen  — 
unseres  Erachtens  nicht  Gottheit  Greiner  allein.  In  den  Ruhm  der 
Erfindung  teilt  dieser  sich  vor  allem  mit  seinem  Vetter  Gottfried 
Greiner,  bis  zu  einem  gewissen  Gradwohl  auch  mitdem  Coburger  Topf  er- 
meisterDümmler,  die  beide  gemeinsam  mit  ihm  die schließhch ergebnis- 
reichen Versuche  vmternahmen.  Ja,  sein  Vetter  Gottfried  war  es,  der  sich 
zuerst  auf  die  Erfindung  des  P(jrzellans  legte  und  ihm  die  erste  An- 
regung gab,  da  Gottfried  selbst  es  an  Zeit  und  Geld  mangelte,  allein 
die  Versuche  zu  Ende  zu  führen.  Übrigens  handelte  es  sich  bei 
Greiner  wie  bei  Macheleid  unserer  Meinung  nach  im  Grunde  ge- 
nommen immer  nur  um  ein  Nacherfinden.  Denn  aus  welchen  Be-_ 
Staudteilen  das  damals  noch  seltene  Porzellan  gewonnen  wurde, 
wußte  Macheleid  aus  den  Vorlesungen  des  Jenenser  Physikers  Ham- 
berger,  und  Gottheit  Greiner  hatte  nach  eigenem  Bekenntnis  die 
Schriften  aller  Vorgänger  und  Zeitgenossen  über  diese  Materie  eifrig 
studiert,  bevor  ilmi  sein  Werk  gelang.  In  den  berühmten  Meißener 
Fabrikaten  hatten  sie  überdies  ein  Vorbild,  dessen  Qualitäten  zu  er- 
reichen das  ausgesprochene  Ziel  ihrer  Bestrebungen  bildete. 

Die    Gründung    Gottheit    Greiners,  dieses  überaus  strebsamen, 

Eraktisch  klugen  und  unternehmenden  Mannes,  war  die  Fabrik  zu 
,im])ach  in  S.-iMeiningen.  Er  selbst  war  eines  Glasmachers  Sohn, 
auf  den  früh  schon  der  Besitz  der  väterlichen  Glashütte  über- 
gegangen war.  Nachdem  er  die  Limbacher  Fabrik  trotz  mancher 
äußeren  Schwierigkeiten  zu  großer  Blüte  gebracht  hatte,  überließ  er 
sie  5  Jahre  vor  seinem  1797  erfolgenden  Tode  seinen  ö  Söhnen. 

Im  Laufe  der  Zeit  war  es  Greiner  sogar  gelungen,  mehrere 
Porzellanfabriken  in  seiner  Hand  zu  vereinigen.    So  erstand  er  1782 


Litteratur.  37^ 

von  Herrn  v.  Hopfgarten  die  von  diesem  im  Jahre  1777  oder  1779 
in  Großbreitenbacn  geschaffene  Anstalt,  um  sie,  nachdem  er  sie  neu 
hergerichtet  hatte,  seinem  Sohne  Friedemann  zu  übergeben.  Unter 
dessen  Leitung  gelangte  das  EtabUssement  zu  großer  Blüte,  und 
wenn  sie  auch  unter  dessen  Nachkommen  1869  fallierte,  so  kam  sie, 
nachdem  sie  in  den  Besitz  der  Bühlschen  Familie  übergegangen 
war,  wieder  zum  alten  Ansehen. 

Von  1786—1792  hatte  er  überdies  die  Ilmenauer  Fabrik  von 
der  weimarischen  Schatullverwaltung  in  Pacht.  Gegründet  1777  von 
dem  Porzellanfabrikanten  Christian  Zacharias  Gräbner  aus  Groß- 
breitenbach, war  diese  infolge  ausstehender  Forderungen  in  fürst- 
liche Verwaltung  genommen  worden.  Schließlich  sah  sich  die  Scha- 
tulle, nachdem  sie  nach  einem  Brande  auch  noch  kostspielige 
Neubauten  hatte  vornehmen  lassen  müssen,  genötigt,  die  Fabrüc 
selbst  zu  erwerben  und  an  Greiner  zu  verpachten.  1792  trat  an 
Stelle  Greiners,  der  die  Pacht  aufgab,  Nonne,  der  schon  erwähnte 
Pächter  der  Volkstedter  Anlage,  welcher  —  anscheinend  1808  —  die 
Fabrik  sogar  eigentümlich  erwarb,  um  sie  bei  seinem  Tode  seinem 
Kompagnon  und  Schwiegersohn  Eoesch  zu  überlassen.  Gegenwärtig 
noch  floriert  sie  als  Aktiengesellschaft,  die  1896  gegen  500  Arbeiter 
beschäftigte. 

Am  ausführlichsten  sehen  wir  die  Wallendorfer  Fabrik  be- 
handelt, weil  für  ihre  Geschichte  die  Quellen  am  reichlichsten  flössen. 
In  der  Geschichte  der  Porzellan fabrikation  nimmt  diese  Anlage 
insofern  eine  bedeutsame  Stellung  ein,  als  die  beiden  Greiners,  da 
Gotthelfs  erste  Konzession  von  1762  für  Limbach  wegen  mangeln- 
der Sicherung  des  benötigten  Holzes  unverwertet  blieb,  hier  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  kapitalreichen  Wolfgang  Hammann  ihre  erste 
Unternehmung  gründeten,  und  zwar  auf  dem  gemeinsam  gekauften 
dortigen  Rittergute.  1770  trennte  sich  Gotthdf  Greiner,  nachdem 
sein  Vetter  Gottfried  inzwischen  gestorben  war,  von  Hammann, 
um  allein  den  oben  erwähnten  Betrieb  in  Limbach  zu  eröffnen,  für 
den  er  1772  eine  inhaltlich  befriedigende  Konzession  von  der  mei- 
ningenschen  Regierung  erlangte.  Die  Art,  wie  diese  und  die  übrigen 
Fa,brikgründun^en  zu  stände  kamen,  entsprach  überall  den  Gepflogen- 
heiten jenes  Zeitalters.  Sie  erfolgten  im  Geiste  eines  verständigen 
Merkantilismus.  Nach  gewissenhafter  Prüfung  ihrer  persönlichen 
Leistungsfähigkeit  erteilte  man  den  Gründern  ein  menr  oder  we- 
niger exklusives  Fabrikationsprivilegium  für  das  Landesgebiet,  gab 
ihnen  Grund  und  Boden,  wies  ihnen  eventuell  auch  vorhandene  Ge- 
bäude, bisweilen  sogar  unentgeltlich,  an,  sicherte  ihnen  meistens  das 
erforderliche  Brennmaterial  aus  den  Landes  forsten,  verlieh  ihnen 
das  Recht,  die  im  Lande  vorhandenen  Fabrikationsmaterialien  zoU- 
und  geleitfrei  graben  und  abfahren  zu  lassen  gegen  billige  Ent- 
schädigung der  Grundeigentümer,  gewährte  ihnen  Freiheit  von  Steuern, 
Auflagen  und  Einquartierung,  von  Mühlen-  und  Handwerkszwang, 
gestattete  ihnen,  für  den  eigenen  Bedarf  und  den  der  Arbeiterschaft 
einen  gewissen  Viehstand  zu  halten,  in  diesem  Umfange  auch  zu 
backen,  zu  schlachten,  zu  mälzen,  zu  brauen  und  Branntwein 
zu  brennen.  Selbst  die  Schriftsässigkeit,  d.  h.  die  eigene  Gerichts- 
barkeit über  ihre  Leute,  die  durch  einen  zu  bestellenden  Justitiarius 
ausgeübt  werden  mußte,  wurde  ihnen  vielfach  gewährt.  Bisweilen 
auch  erhielten  sie  nur  die  Kanzleisässigkeit,  d.  h.  den  unmittelbaren 

XXI.  25 


378 


Litteratur. 


Gerichtsstand  unter  dem  Fürsten.  Alles  dieses  und  was  sonst  in 
dieser  Richtung  geschah,  trug  nicht  den  Charakter  rein  persönlicher 
Begünstigung,  ledighch  in  reiflicher  Erwägung  der  wirtschaftlichen 
Vorteile  vielmehr,  welche  man  sich  von  derartigen  Unternehmungen 
für  Land  und  Bewohner  nicht  ohne  Grund  versprach,  wurden  ihnen 
solche  Vorteile  und  Vorrechte  eingeräumt. 

Verschiedentlich  beteiligten  sich  der  Fürst  und  seine  P^amilien- 
glieder  mit  Kapitaleinschüssen  an  den  Unternehmungen.  Das  Ru- 
(lolstädter  Beispiel  erwähnten  wir  bereits.  Die  Fabrik  von  Kloster 
Veilsdorf  an  der  Werra  war  sogar  vollständig  und  ausschließlich 
eine  Neuschöpfung  des  Prinzen  Eugen  von  Hildburghausen,  eines 
Bruders  des  seit  1745  regierenden  Herzogs  Ernst  Friedrich  III. 
Die  Fabrik  in  Goha  erstand  der  dortige  Erbprinz  von  der  Witwe 
ihre?  Begründers,  um  sie  bald  danach  seinem  ehemaligen  Kammer- 
diener in  Erbpacht  zu  geben.  Prinz  Eugen,  der  Besitzer  von  Veils- 
dorf, war  offenbar  ein  Mann  von  mannigfachen  wirtschaftlichen 
und  geschäftlichen  Interessen,  der  sich  eingehend  mit  seiner  Fabrik 
befaßte ,  dem  es  aber  übrigens  auch  nicht  darauf  ankam ,  den 
regierenden  Fürsten  gelegentlich  zu  übervorteilen.  Es  scheint,  als 
wäre  seine  Gründung  die  älteste  Fabrik  in  Thüringen  gewesen, 
so  daß.  es  uns  nicht  berechtigt  erscheint,  die  Entstehung  der  thü- 
ringischen Porzellanindustrie  so  ganz  und  gar  auf  die  Erfindungen 
von  Macheleid  und  Gotthelf  Greiner  zurückzuführen,  wie  es  St. 
thut.  Wenn  die  Veilsdorfer  Anstalt  auch  seinem  fürstlichen  Besitze 
anscheinend  keine  pekuniären  Vorteile  brachte,  —  vielleicht  weil  sie 
zu  sehr  auch  seinen  Liebhabereien  dienen  mußte  —  so  nahm  sie 
doch  später,  als  sie  nach  seinem  Tode  in  andere  Hände  übergegangen 
war,  einen  großen  Aufschwung.  Die  Käufer  dieser  Fabrik  waren 
die  Söhne  Gotthelf  Greiners ,  welche  dieselbe  zusammen  mit  den 
Besitzern  des  Rauensteiner  Unternehmens  —  ebenfalls  drei  Greiners, 
die  in  der  Firma  Friedrich  Christian  Greiner  vereinigt  waren,  betrieben. 
Später  ging  sie  ganz  auf  Gotthelfs  Söhne  über.  Hält  man  dies 
zusammen  mit  dem  früher  Erwähnten,  so  erkennt  man,  in  welch 
erheblichem  Umfange  die  Geschichte  der  Greiner'schen  Familie  mit 
der  Geschichte  der  thüringischen  Porzellanfabrikation  verwoben  ist. 

Wir  müssen  darauf  verzichten,  auf  den  Zustand  und  die 
wechselnden  Schicksale  dieser  und  der  übrigen  Fabriken  noch  näher 
einzugehen.  Wer  an  weiteren  Einzelheiten  ein  Interesse  nimmt, 
bleibt  ja  doch  auf  die  Lektüre  des  Buches  selbst  angewiesen.  Wir 
vermögen  aber  an  dieser  Stelle  die  Bemerkung  nicht  zu  unter- 
drücken, daß  unserem  Urteile  und  Empfinden  nach  die  Details 
des  Verfassers  vielfach  so  sehr  ins  Extreme  gehen,  daß  sie  höchstens 
noch  ein  lokal-  und  familiengeschichtliches  Interesse  bieten  und 
bisweilen  auch  das  nicht  einmal.  Dies  gilt  meines  Erachtens  vor 
allem  von  zahlreichen  orts-  und  familiengeschichtlichen  Bemerkungen 
und  Daten,  desgleichen  von  der  Baugeschichte  und  der  Schilderung 
der  räumlichen  Einteilung  einzelner  Fabrikanlagen.  Irgend  welchen 
wirtschaftsgeschichtlichen  Wert  in  ihnen  zu  entdecken,  ist  uns  nicht 
gelungen.  Welche  Beziehung  bat  denn  —  um  dies  Eine  heraus- 
zugreilFen  —  die  ausführliche  Schilderung,  wie  das  von  Hammann 
erstandene  Rittergut  Wallendorf  von  den  Vorbesitzem  durch  Zu- 
sammenkauf geschaffen  wurde,  zu  der  Geschichte  der  Porzellan- 
industrie? Die  Thatsache,  daß  Wallendorf  behufs  Gründung  einer 
Fabrik  angekauft  wurde,  begründet  doch  nur  einen  rein  äußerlichen 


Litteratur.  379 

Zusammenhang.      Welches    allgemeine    Interesse    kann    ferner    die 

fenaue  Mitteilung  all  der  Anweisungen  in  Anspruch  nehmen,  welche 
'rinz  Eugen  von  H.  für  die  Ausführung  irgend  einer  Kaffee- 
tasse oder  eines  Medaillonbildnisses  gab,  die  er  zu  Geschenken  be- 
stimmte, oder  gar  die  näheren  Angaben  darüber,  wieviel  Stufen  im 
Gebäude  der  Ilmenauer  Fabrik  die  Treppen  zählten,  die  von  einem 
Stock  zum  anderen,  auf  den  Boden  und  in  den  Kellerraum  führten, 
wieviel  Penster  an  jeder  Seite  die  Dreherstube  besaß,  wieviel  Re- 
positorien  zur  Aufbewahrung  der  Formen  vorhanden  waren  und  wie- 
viel Seiten-  und  Querpfosten  das  Gestell  zum  Trocknen  des  ge- 
drehten Geschirrs  enthielt?  Wen  kann  es  endlich  interessieren,  zu 
erfahren,  daß  dort  2  Abtritte  auf  einem  Gange  vorhanden  waren, 
daß  die  Thür,  welche  das  große  Porzellan magazin  mit  dem  kleineren 
verband,  „nur  einen  Drücker  und  über  diesem  noch  einen  Riegel 
hatte",  sowie  daß  das  Treppengeländer  grau  gestrichen  war?! 

In  der  Ausdehnung,  in  der  es  hier  geschehen  ist,  will  uns 
auch  die  Mitteilung  des  urkundlichen  Materials  nicht  ganz  be- 
rechtigt erscheinen.  Manches  Dokument  ist  denn  doch  gar  zu  be- 
deutungslos, als  daß  es  sich  lohnte,  es  im  Wortlaut  vorzuführen, 
zumal  wenn  sein  Inhalt  im  Texte  seine  Verwertung  gefunden 
hat.  Als  Beispiele,  die  sich  beliebig  vermehren  ließen,  nennen  wir 
das  Schreiben  des  Fürsten  zu  Schwarzburg  an  den  Geheimrat  von 
Holleben  wegen  Tilgung  eines  der  Volkstedter  Fabnk  geliehenen 
Kapitals  sowie  die  Abrechnung  über  die  Tilgung,  die  einfache  Be- 
scheinigung des  Verwalters  Ludwig  über  die  Beschäftigung  eines 
gewissen  Conrad  Meyer  in  der  Fabrik  zu  Kloster  Veilsdorf,  eine  ge- 
schäftUche  Anweisung  des  Hofrats  Bertuch  in  Weimar  an  den  Rent- 
Kommissar  in  Ilmenau  zu  Zahlungen  für  die  Porzellanfabrik  etc.  etc. 
Vermögen  wir  schon  den  Wert  der  seitenlangen  Inventur-  und  Sen- 
dungsverzeichnisse nicht  recht  einzusehen,  so  ist  es  uns  ganz  unerfind- 
lich, warum  St.  verschiedentlich  sogar  Naraenslisten  der  in  einzelnen 
Fabriken  beschäftigt  gewesenen  Künstler  und  Arbeitern,  die  er  von 
Pfarrern  aus  den  Kirchenbüchern  ausziehen  ließ,  für  mitteilungs- 
wert erachtet  hat.  Von  manchem  Arbeiter  finden  wir  das  Todes- 
jahr, bisweilen  selbst  den  Todestag  registriert.  Noch  darüber  hinaus 
gehen  Mitteilungen  wie  die,  daß  ein  1798  als  Dreher  und  Maler  in 
Großbreiten bach  beschäftigter  J.  W.  L.  Luther,  den  die  Liste  nennt, 
früher  in  Wallendorf  thätig  war  und  ein  —  ungenanntes  —  Mädchen 
aus  Großbreiten  bach  heiratete!  Weiter  als  es  hier  geschehen  ist, 
kann  die  Specialisierung  wirtschafts-historischer  Forschung  schwerlich 
getrieben  werden  I 

Mehr  Interesse  hat  es  zu  erfahren,  wie  schon  am  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  die  thüringischen  Fabriken  der  Meißner  Ware 
unlautere  Konkurrenz  bereiteten,  indem  sie  die  Meißener  Fabrikmarke, 
zwei  gekreuzte  Kurschwerter,  auf  ihren  geringeren  und  entsprechend 
billigeren  Fabrikaten  imitierten.  Hiergegen  suchte  Bich  Sachsen 
durch  Mandate  zu  schützen,  welche  Einfuhr  und  Verkauf  so  ge- 
zeichneten Porzellans  verboten.  Zeitweise  dachte  man  sogar  daran,  nach 
preußischem  Muster,  auch  die  Durchfuhr  in  das  Verbot  einzu- 
beziehen,  doch  sah  man  hiervon  nach  Erwägung  der  damit  ver- 
bundenen Nachteile  ab.  Da  die  Mandate  nicht  genügend  fruchteten, 
wandte  sich  schheßlich  der  Churfürst  mit  erfolgreichen  Beschwerden 
an  die  thüringischen  Fürsten,  die  „alsbald  den  Gebrauch  der- 
artiger imitierter  oder  doch  durch  ihre  Ähnlichkeit  mit  dem  Meißener 

25* 


380  Litteratur. 

Zeichen  zu  unbeabsichtigter  Verwechslung  führender  Marken  wirk- 
sam verboten.  Gotthelf  Greiner  ersetzte  aus  freien  Stücken  seine 
alten  Fabrikmarken  durch  ein  Kleeblatt.  Zu  einer  gewissen  Ent- 
schuldigung der  thüringischen  Fabrikanten,  kann  zum  Teil  wohl 
der  Umstand  dienen,  daß  ihre  Abnehmer  vielfach  jene  imitierten 
Marken  des  besseren  Absatzes  wegen  ausdrücklich  verlangten. 

Erwähnenswert  ist  endlich  die  Thatsache,  daß  bereits  aus  dem 
Jahre  1814  ein  Entwurf  zu  einem  Kartell  vertrage  vorhanden  ist, 
nach  welchem  die  Beteiligten  sich  verpflichten  sollten,  gleiche  Preise 
für  ihre  Fabrikate  zu  halten,  ihre  Erzeugnisse  mit  einem  Stempel 
schon  in  der  Masse  zu  zeichnen  und  die  Arbeitszeugnisse  für  die 
entlassenen  Arbeiter  in  einheitlicher  Form  auszustellen.  Ob  das 
beabsichtigte  Kartell  zustande  gekommen  ist,  ließ  sich  nicht  fest- 
stellen. Das  letzte  Kapitel  gedenkt  in  Kürze  der  erfolgreichen  Ver- 
pflanzung der  Porzellanindustrie  nach  Böhmen  durch  thüringische 
Arbeiter  und  Fabrikanten. 

Dürfen  wir  zum  Schluß  noch  kurz  der  Darstellungsmethode 
gedenken,  so  möchten  wir  darauf  hinweisen,  daß  das  St. 'sehe  Buch 
eine  einheitlich  zusammengearbeitete  Schilderung  des  industriellen 
Entwickelungsganges  nicht  bietet,  sondern  nur  eine  Aneinander- 
reihung einzelner  Fabrikgeschichten.  Wir  wollen  nicht  bestimmt 
entscheiden ,  ob  eine  zusammenfassende  Darstellung  durchweg 
möglich  war.  Jedenfalls  hätte,  durch  eine  solche,  soweit  sie  sich  er- 
möglichen ließ,  das  Ganze  an  Übersichtlichkeit  und  Lesbarkeit  außer- 
ordentlich gewonnen.  Allerdings  hätte  die  Einschlagung  dieses 
Weges  den  Verzicht  auf  zahlreiche  Details  und  somit  eine  wesentliche 
Kürzung  bedingt.  Aber  mit  einer  gedrängteren  und  geschlosseneren. 
Darstellung,  zumal  wenn  mit  ihr  eine  wesentliche  Beschränkung  des 
mitgeteilten  Urkundenmaterials  Hand  in  Hand  gegangen  wäre,  nätte 
der  Verfasser,  ohne  dem  Inhalt  Abbruch  zu  thun,  seinem  Buche 
sicherlich  einen  bedeutend  erweiterten  Leserkreises  gesichert,  ein 
Gewinn ,  mit  dem  wohl  nicht  nur  dem  Verfasser  sondern  auch 
der  Sache  gedient  gewesen  wäre.  Aber  auch  in  der  vorliegenden 
Form  erscheint  uns  im  Hinblick  auf  die  mäßige  Ausbeute  an  wirt- 
schafts-  oder  kulturgeschichtlich  relevanten  Momenten,  welche  St.'s 
Untersuchungen  ergeben  haben  —  und  daß  dem  so  ist,  liegt  nicht 
an  dem  Verfasser,  sondern  an  der  geringen  Fruchtbarkeit  des  be- 
handelten Gegenstandes  —  das  Buch  allzu  umfangreich.  Weniger 
wäre  mehr  gewesen I  J.  Pierstorff  (Jena). 

V  und  VI. 
Jordan,  R. :    Der  Übergang  der  Eaigerlichen  freien  Reichsstadt 
Mühlhauscn  in  Thüringen  an  das  Königreich  Preußen  1802. 

Festschrift  der  Stadt  Mühlhausen  zur  Jubelfeier  1902,  im  Auf- 
trage der  städtischen  Behörden  verfaßt.  Mühlhausen  i.  Thür., 
Druck  der  Danner'schen  Buchdr.,  1902.  124  SS.  gr.  8".  Mit 
1  Karte  u.  6  Abb. 

OTcrmann,  A.:  Die  ersten  Jahre  der  preußischen  Herrschaft  in 
Erfurt,  1802—1806.  Mit  6  Abb.  Erfurt,  Keyser'sche  Buchh., 
1902.  VIII  u.  145  SS.  8".  (A.  u.  d.  Titel:  Festschrift  zur  Feier 
der  hundertjährigen  Zugehörigkeit  Erfurts  zu  Preußen.  Veran- 
laßt und  unterstützt  von  der  Stadt  Erfurt.) 
Daß  in  ursprünghch  freien  Reichsstädten,  deren  Selbständigkeit 

durch  die  als  „Fürstenrevolution"  von  Treitschke  bezeichnete  Gewalt- 


Litteratur.  3g^ 

politik  des  Reichsdeputationshauptrecessea  vernichtet  worden  ist,'  eine 
Jubelfeier  unter  dem  Motto  „Hundert  Jahre  unter  Preußens  Krone" 
abgehalten  worden  ist,  ist  ein  glänzendes  Zeugnis  für  die  preußische 
Verwaltung  und  ein  sprechender  Beweis  für  die  dem  Staate  des 
Großen  Fnedrich  innewohnende  Kraft,  neu  gewonnene  Gebiete  innig 
mit  sich  zu  verschmelzen.  In  Mühlhausen  und  in  Nordhausen,  den 
alten  thüringischen  Reichsstädten,  wie  in  dem  vom  Krunmistabe 
ehemals  beherrschten  Eichsfelde  und  in  Thüringens  Metropole  hat 
man  sich  kaum  genug  thun  können,  um  dem  Jubel  darüber  Aus- 
druck zu  geben,  daß  man  vor  100  Jahren  unter  die  Fittiche  des 
preußischen  Aares  genommen  worden  ist. 

Eine  Anzahl  von  Gelegenheitsschriften  hat  die  Ereignisse,  die 
vor  einem  Säkulum  im  dahinsiechenden  alten  Reiche  den  Zersetzungs- 
prozeß beschleunigt  haben,  wiederum  ins  Gedächtnis  zurückgerufen. 
Einige  haben  nicht  nur  ephemere  Bedeutung.   Unter  den  auf  thürin- 

fischem  Boden  zur  Jubiläumsfeier  veröffentlichten  Büchern  verdienen 
ie  oben  genannten  besondere  Beachtung. 

Der  Chronist  der  Stadt  Mühlhausen,  Professor  Dr.  R,  Jordan, 
ist  ein  vortrefflicher  Kenner  der  Geschichte  Mühlhausens,  wie  eine 
große  Anzahl  von  ihm  verfaßter  Schriften  beweist.  Ihm  ist  mit 
Recht  die  Abfassung  der  Festschrift  von  den  städtischen  Behörden 
übertragen  worden.  Er  hat  seine  Aufgabe  weiter  gefaßt,  als  der 
Titel  des  Buches  erkennen  läßt;  denn  er  behandelt  zunächst  die 
älteren  Beziehungen  Mühlhausens  zu  Brandenburg-Preußen  und  am 
Schluß  auch  Mühlhausens  Schicksale  unter  Jerömes  Herrschaft  und 
während  der  Befreiungskriege.  Wir  erfahren  daraus,  daß  schon  der 
Große  Kurfürst  sein  Augenmerk  auf  die  Stadt  gerichtet  hatte.  Im 
Jahre  1687  forderte  er  die  beiden  thüringischen  Reichsstädte  als 
Entschädigung  für  im  Dienste  des  Reiches  aufgewandte  Kosten.  Die 
Städte  und  ihr  Gebiet  sollten  eine  Verbindung  seiner  Staaten  mit 
Umgehung  Hannovers  schaffen  helfen.  Angesichts  der  heftigen 
Opposition,  die  von  den  Reichsstädten  erhoben  wurde,  ließ  Branden- 
burg 1688  auf  Rat  Dankelmanns  seine  Ansprüche  gegen  eine  Geld- 
entschädigung fallen. 

Nachhaltiger  wurde  Preußens  Eingriff  in  die  Geschicke  der 
Stadt  im  Jahre  1783  unter  Friedrich  VVilhem  I.  Immer  wieder- 
kehrende Verfassungsstreitigkeiten  zwischen  Rat  und  Bürgerschaft 
hatten  in  diesem  Jahre  zu  ernsten  Unruhen  geführt.  Zur  Her- 
stellung der  Ordnung  rückten  im  Namen  des  Kaisers  preußische 
Truppen  unter  Leopold  von  Dessau  und  Wolfen büttelscne  Mann- 
schaften in  Mühlhausen  ein.  Die  Reichsexekution,  die  der  Stadt 
rund  121 000  Thaler  Kosten  verursacht  hat,  wurde  offenbar  auch  der 
Anlaß,  daß  von  1738  bis  1796  ein  preußischer  Resident  in  der  Stadt 
weilte.  Schlimmer  erging  es  ihr  im  siebenjährigen  Kriege,  der  die 
Schuldenlast  dieser  kleinen  Gemeinde  um  300000  Thaler  steigerte. 
Der  berüchtigte  preußische  Rittmeister  Kowatsch,  der  auch  in  Langen- 
salza und  in  Nordhausen  wie  ein  Brigant  hauste,  hat  Mühlhausen 
zweimal  ausplündern  lassen.  So  gerieten  die  Finanzen  in  heillose  Ver- 
wirrung. Der  Krieg  der  deutschen  Mächte  gegen  die  Franzosen  seit  1792 
kostete  der  Stadt,  die  samt  der  Bewohnerschaft  der  zu  ihrem  Gebiet  ge- 
hörigen Dörfer  nicht  ganz  15000  Köpfe  betrug,  wieder  fast  200000 
Thaler.  Ihre  Bedrängnis  wurde  immer  größer.  Und  nun  gelangte  mehr 
und  mehr  ,,jene  ruchlose  Ländergier  in  Europa  zur  AUemherrschaft", 
wie  Treitschke  die  Politik  jener  Tage  kennzeichnet,  „die  kein  Recht 
anerkannte  als  das  Recht  des  Stärkeren".     Durch  den  Kleinmut  von 


382  Litteratur. 

Basel  und  durch  das  Ränkespiel  von  Grodno  hat  Preußen  an  seinem 
Teile  dazu  geholfen.  Säkularisation  und  Mediatisierung  waren  jetzt 
die  Schlagwörter  der  Diplomaten.  Und  doch  ist  diese  würdelose 
Ländergier  für  unser  deutsches  Vaterland  schließlich  segensreich  ge- 
worden. Wurde  doch  die  Politik  des  Eeichsdeputationshauptschlusses, 
wie  wir  retrospektiv  erkennen,  eine  Vorstufe  für  die  Einigung. 
Lebensfähig  waren  die  meisten  der  kleinen  deutschen  Reichsstände 
längst  nicht  mehr.  Wie  Overmann  für  das  geistUche  Territorium, 
so  zeigt  das  Jordan  auf  das  Anschaulichste  für  das  reichsstädtische. 

Der  Abschnitt  über  die  Zustände  der  Stadt  am  Ende  der 
Reichsfreiheit  und  das  vierte  Kapitel,  das  eine  Beurteilung  des 
Unterganges  reichsstädtischer  Freiheit  bietet,  gehören  zu  den  ge- 
lungensten Partien  des  Buches.  Der  Verfasser  giebt  darin  einen 
vortrefflichen  Überblick  über  die  wirtschaftliche  Lage  der  Stadt,  die 
Verwaltung  und  Justiz,  über  Kirchen-  und  Schulwesen,  über  Stadt- 
wehr und  das  Leben  der  Bürger  und  zeigt,  daß  das  Urteil  Häusser's 
und  Maurers  über  den  Verfall  der  Reichsstädte  auch  für  Mühl- 
hausen Geltung  hat.  Auch  hier  wurde  geklagt  über  Verschuldung 
und  mangelhafte  Justiz  und  Verwaltung;  bitterer  Hader  herrschte 
zwischen  der  Bürgerschaft  und  dem  Stadtregiment.  „Mühlhüsch 
Gebot,  hält's  der  Borger,  so  bricht's  der  Roth",  so  lautet  ein  charak- 
teristisches Sprichwort. 

Dahin  war  der  Wohlstand  vergangener  Tage,  verfallen  das  einst 
blühende  Gewerbe,  geschwunden  der  Geist  der  Väter,  das  trotzige 
Selbstvertrauen  und  der  alte  Freiheitsstolz.  Die  Wehrverfassung 
war  zum  Gespött  geworden.  Treffend  ist  das  Urteil  des  wackeren 
Archivars  Stephan,  der  als  Augenzeuge  die  Verwaltung  kennen  ge- 
lernt hat:  „Das  reichsstädtische  Regiment  glich  einem  Greise,  der 
die  Ruhe  liebt,  wenngleich  er  noch  gern  von  den  Thaten  und  Wag- 
nissen seiner  früheren  Jahre  erzählt." 

So  war  es  ein  Glück,  daß  die  Stadt  unter  die  strenge,  aber 
gerechte  Zucht  des  preußischen  Staates  genommen  wurde,  deren 
Wert  auch  von  dem  Teil  der  Bürgerschaft  schließlich  anerkannt 
wurde,  der  sich  nur  schweren  Herzens,  und  der  Gewalt  weichend,  in 
die  neuen  Verhältnisse  geschickt  hat.  Die  westfälische  Zeit,  in  der 
mit  den  Resten  der  Selbständigkeit  aufgeräumt  und  die  Bewohner 
durch  hohe  Steuern  und  Zwangsanleihen  bedrückt  wurden,  hat  sie 
die  Reichsstadt  vergessen  lehren,  und  während  sie  westfälisch  waf, 
ist  sie  gut  preußisch  geworden.  Die  Wiedervereinigung  mit  dem 
preiißischen  Staate  wurde  ihr  eine  Erlösung. 

Mühlhausen  hat  allen  Grund,  dem  fleißigen  Verfasser  der 
Jubiläumsschrift,  der  im  Mühlhäuser  Anzeiger  (1902)  No.  179  und 
191  noch  einige  Nachträge  dazu  gegeben  hat  *),  dankbar  zu  sein  für 
die  gediegenen  und  lehrreichen  Forschungen,  die  in  dem  Buche 
niedergelegt  worden  sind. 

Eine  willkommene  Ergänzung  zu  Jordans  Schrift  bildet  das 
Buch  A.  Overmanns,  des  Nachfolgers  des  leider  zu  früh  durch  den 
Tod  entrissenen  Erfurter  Stadtarchivars  C.  Beyer,  ,,Uber  die  ersten 
Jahre  der  preußischen  Herrschaft  in  Erfurt  1802—1806" ;  denn  der 
Geschichte  einer  freien  Reichsstadt  tritt  hier  die  Darstellung  der 
Verhältnisse  einer  untereeistlicher  Herrschaft  stehenden  größeren  und 
wichtigeren  Stadt  beim  Übergange  an  den  preußischen  Staat  zur  Seite. 


1)  Auch   Ed.  Heydenreich    gab    einige  Ergänzungen.     Siehe 
N.  A.  f.  Sachs.  Gesch.,  Bd.  XXIlf  1902,  357  f. 


Litteratur.  383 

Gegenstand  eingehender  Forschung  ist  ein  kleiner  Zeitraum 
der  Stadtgeschichte,  der  aber  für  die  neuere  Geschichte  Erfurt«  ent- 
schieden die  wichtigsten  und  folgenreichsten  Jahre  umfaßt.  Die 
Untersuchung  dieser  Periode  mußte  fast  ausschließlich  auf  Grund 
von  archivalischem  Material  geführt  werden.   Um  so  wertvoller  und 

fewinnbringender  ist  des  Verfassers  Arbeit,  deren  Ergebnisse  in 
larer  und  schöner  Sprache  niedergelegt  werden  und  eine  wesent- 
liche Bereicherung  der  Geschichte  der  preußischen  Staatsverwaltung 
und  des  preußischen  Beamtentums  bedeuten.  Die  Akten  des  Er- 
furter Stadtarchivs,  des  Staatsarchivs  zu  Magdeburg  und  des  Ge- 
heimen Staatsarchivs  zu  Berhn  wurden  mit  gutem  Erfolg  ausgebeutet. 
Für  die  Aufnahme,  die  die  preußischen  Reformen  in  der  Bürger- 
schaft fanden,  konnte  das  Zeugnis  eines  biederen  Erfurter  Bürgers, 
der  handschriftliche  tagebuchartige  Aufzeichnungen  hinterlassen  hat, 
herangezogen  werden. 

Um  die  Verhältnisse,  unter  denen  der  Übergang  an  die  preußi- 
sche Herrschaft  erfolgte,  historisch  zu  beleuchten,  giebt  Overmann 
in  einem  wesentlich  auf  gedrucktem  Material  beruhenden  Abschnitt 
ein  Bild  von  Erfurts  Entwickelung  von  den  frühesten  Anfängen  bis 
zur  Occupation  durch  Preußen.  Auch  Erfurts  Lage  war  am  Schluß 
dieser  Periode  trotz  Dalbergs  gut  gemeinter  Reformen  in  jeder  Be- 
ziehung traurig.  Verfassung,  Verwaltung,  Wirtschaftsleben,  Uni- 
versität und  Schulen  waren  unter  der  Herrschaft  des  Kurfürsten 
von  Mainz  durchaus  rückständig  geblieben,  und  trotz  gänzlicher 
Abhängigkeit  von  der  geistlichen  Herrschaft  zeigten  Erfurts  Bürger 
bis  zuletzt  noch  das  Gebahren,  wie  es  zur  Zeit  der  „de  facto",  wenn 
auch  nicht  ,,de  jure"  völligen  Selbständigkeit  im  Mittelalter  be- 
rechtigt gewesen,  zur  Zeit  der  Einverleibung  aber  nur  noch  wesen- 
loser Schein  war. 

Viel  mußte  also  die  preußische  Bureaukratie  leisten,  wenn  der 
Stadt  aufgeholfen  werden  sollte.  Dieser  Aufgabe  zeigten  sich  die 
Beamten  durchaus  gewachsen.  Während  gleich  die  ersten,  nament- 
lich die  ärmeren  Klassen  belastenden  Maßregeln  der  Militärverwal- 
tung geradezu  darauf  angelegt  schienen,  in  der  Bevölkerung  eine 
leidenschaftliche  Opposition  gegen  die  Besetzung  durch  Preußen 
wachzurufen,  operierten  die  Civilbeamten  der  sogenannten  Organi- 
sationskommission, die  von  den  Militärs  nicht  einmal  als  gleichbe- 
rechtigt angesehen  wurden,  viel  glücklicher.  Sie,  nicht  etwa  erst  die 
französischen  Beamten,  legten  den  Grund  zu  dem  modernen  Erfurt. 
In  übersichtlicher  und  scharf  disponierter  Darstellung  zeigt  der  Ver- 
fasser, wie  die  Organisationskommission  in  kurzer  Zeit  maßvoll  und 
geschickt  Reformen  auf  allen  Gebieten  durchführte  oder  anbahnte, 
o  wurde  die  Säkularisierung  der  reichen  katholischen  Kirchengüter, 
wenn  auch  nach  rein  fiskalischen  Gesichtspunkten ,  durchge- 
führt. Sorgfältig  vorbereitet  wurden  weiter  die  Neuorganisation 
und  die  großen  Reformen  der  Justiz,  die  in  dem  ganzen  kur- 
fürstlich Alainzer  Gebiete  in  völligen  Verfall  geraten  war.  Waren 
doch  nicht  weniger  denn  zwölf  zum  Teil  konkurrierende  Gerichts- 
stellen in  der  Stadt  vorhanden,  die  geradezu  chaotische  Zustände 
herbeiführten.  Das  Recht  war  nicht  einheitlich,  Justiz  und  Ver- 
waltung waren  auch  hier  noch  nicht  getrennt,  und  der  Gerichtsstellen 
waren  zu  viel.  Auf  dem  Gebiete  der  Justiz  wirkten  die  preußischen 
Beamten,  wie  Overmann  in  einem  vortrefflich  gelungenen  Abschnitte 
nachweist,  Wunder.  Sofort  wurde  die  Folter  aufgehoben,  die  preußi- 
sche  Gerichtsordnung  am   1.  Juni  1803   eingeführt  und   ein  Jahr 


384  Litteratur. 

später  mit  der  Einführung  des  bewährten  preußischen  Landrechts 
ein  einheitliches  Recht  für  Erfurt  geschaffen,  endlich  auch  die 
Trennung  der  Justiz  und  der  Verwaltung  verfügt. 

Schwierig,  aber  folgenreich  war  die  Reform  der  Stadtverfassung 
und  Stadtverwaltung,  die  in  der  Form  noch  auf  mittelalterlicher 
Grundlage  beruhten,  trotzdem  der  absolute  Staat  ihre  Befugnisse 
längst  beschränkt  hatte.  Die  Mitglieder  der  obersten  städtischen 
Behörde  wurden  königliche  Beamte,  ihre  Anzahl  wurde  gehörig  be- 
schränkt, das  Wahlrecht  aufgehoben,  nur  ein  Präsentationsrecht  ge- 
währt, auch  hier  die  Justiz  von  der  Verwaltung  getrennt,  so  daß 
der  Magistrat  nur  „Polizeimagistrat"  blieb.  In  der  Verfassung  der 
Stadt  ließ  man  dagegen  das  alte  Institut  der  Specialgemeinden,  über 
die  uns  Vollbaum  unterrichtet  hat,  sowie  das  der  fünf  Hegemäler 
mit  ihrer  Aufsicht  über  die  Fluren  bestehen. 

Das  Kassenwesen  wurde  vereinfacht,  was  im  Interesse  des 
Staates,  wie  der  Stadt  lag;  dagegen  wirkte  der  rein  fiskalisch  ge- 
haltene neue  Tarif,  der  eine  umfassendere  und  höhere  Besteuerung 
zur  allgemeinen  Entrüstung  der  Bürgerschaft  brachte,  auf  den  Er- 
furter Handel  ungünstig  ein. 

Auf  dem  Gebiete  des  Kirchen-  und  Schulwesens  ging  die  Re- 
gierung sehr  behutsam  vor.  Was  reformbedürftig  war,  sollte  ge- 
ändert werden ;  doch  setzte  der  Krieg  von  1806  allen  weiteren  Maß- 
nahmen ein  Ziel. 

Von  besonderem  Interesse  sind  des  Verf.  Ausführungen  über 
die  Ursachen,  die  zur  Aufhebung  der  über  400  Jahre  alten  Hoch- 
schule, der  einstigen  Hochburg  des  Humanismus  in  Deutschland, 
geführt  haben.  Lebensfähig  schien  allerdings  auch  dieses  Institut, . 
das  einst  der  Stolz  der  Erfurter  gewesen,  nicht  mehr  zu  sein,  doch 
hätte  man  ihm  ein  ehrenvolleres  Ende  gönnen  sollen,  als  es  aus 
fiskalischen  Gründen  leider  geschehen  ist.  Definitiv  wurde  die  Auf- 
hebung erst  1816.  Bezeichnend  ist,  daß  man  auch  die  Akademie  zu 
opfern  ursprünglich  entschlossen  war. 

Daß  alle  Reformen  gut  gemeint,  vortrefflich  vorbereitet  und,  so- 
weit die  Zeitumstände  es  erlaubten,  thatkräftig  durchgeführt  wurden, 
hat  schließlich  auch  die  damals  lebende  Generation  trotz  mancher 
berechtigter  Klagen  anerkennen  müssen  und  hat  sich  1814  gefreut, 
nach  der  Franzosenzeit,  die  ihr  fast  völligen  Ruin  gebracht,  wieder 
unter  den  Schutz  des  schwarzen  Adlers  zu  kommen. 

0.  Dobenecker. 

VII. 
Bergner,  H. :   Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Kunstdenkmäler   der   Kreise   Ziegenrück:   und   Schiensingen. 

Herausgegeben   von   der  Historischen  Kommission  der  Provinz 

Sachsen.   Mit  156  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen,  3  Tafeln 

u.  2  Karten.    Halle,  O.  Hendel,  1901.   VII  und  260  SS.  gr.  8». 

(Beschreibende    Darstellung    der    älteren     Bau-    und    Kunst- 

denkmäler  der  Provinz  Sachsen  und  Herzogtum  Anhalt,  XXIL 

Heft.)    7  M. 

Die  beiden   südlichsten,   von   dem   Kerne   völlig    abgetrennten 

Kreise  der  Provinz  Sachsen  haben   weder  im  geologischen   Aufbau, 

noch  im  Volkstum  ihrer  Bewohner,  noch  in  im-er  historischen  Ent- 

wickelung  gemeinsame  Züge  aufzuweisen.  Wenn  die  Beschreibungen 

ihrer  Bau-  und  Kunstdenkmäler  trotzdem  in  diesem  Buche  vereinigt 


Litteratur.  335 

worden  sind,  so  haben  praktische  Erwägungen  den  Ausschlag  dafür 
geben  müssen.  Thatsächlich  zerfällt  der  Band  in  zwei  ganz  selb- 
ständige Teile,  die  aber  nach  einem  und  demselben  Schema  bear- 
beitet worden  sind.  Die  Aufnahme  und  die  Verarbeitung  sind  fast 
ausschließlich  das  Werk  H.  Bergners.  Nur  subsidiär  dienten  ihm 
Notizen,  die  der  unermüdliche  G.  iSommer  im  Jahre  1879  gesammelt 
hatte.  Anlage  und  Ausführung  zeigen,  daß  die  Arbeit  den  rechten 
Händen  anvertraut  worden  ist. 

In  der  Einleitung  zu  jedem  der  beiden  Teile,  giebt  Bergner  auf 
Grund  der  besten  einschlägigen  Werke  einen  Überblick  über  die 
geologischen  und  aligemein  geographischen  Grundlagen  der  Land- 
schaften, schließt  daran  eine  Betrachtung  über  die  vorgeschicht- 
hche  und  geschichtliche  Entwickelung  der  Kreise  bis  in  die  neuere 
Zeit  an,  um  zuletzt  die  Kirchengcschichte  im  besonderen  und  einen 
Überblick  über  die  allgemeine  Litteratur  zu  bieten.  Die  Sagen 
werden  mit  Recht  nur  skeptisch  behandelt. 

Auf  die  Einleitung  folgt  in  alphabetischer  Folge  der  Orts- 
namen die  Inventarisation  der  Bau-  und  Kunstdenkmäler,  die  in 
jedem  Falle  durch  kurze  historische  Notizen  über  die  Ortsgeschichte 
eingeleitet  und  durch  in  den  Text  eingefügte  Abbildungen  nach 
vortrefflich  ausgeführten  Federzeichnungen  des  Verfassers  illustriert 
werden.  Das  Gesamtergebnis  der  Forschung  wird  sodann  in  einer 
kunststatistischen  Übersicht  nach  bestimmten  Kategorien  gezogen. 
3  Tafeln  mit  Abbildungen  der  Henneberger  Grabdenkmäler  in 
Schleiisingen  und  je  eine  baugeschichtliche  und  Wüstungskarte  für 
jeden  Kreis,  bei  deren  Herstellung  dem  Herausgeber  die  erprobte 
Kraft  eines  Reischel  zur  Seite  stand,  schließen  den  „Band. 

Die  Inventarisation  und  der  kunsthistorische  Überblick  zeigen, 
wie  verschieden  die  beiden  Kreise  sind.  Der  Kreis  Ziegenrück  ist 
arm  an  Kunstdenkmälern.  Es  hat  ihm  an  einem  Centralpunkt  von 
jeher    gefehlt.      Kein    Fürstensitz ,    kein    wichtiges    Kloster ,    keine 

frößere  Stadt  war  vorhanden.  Die  örtlichen  Verhältnisse  waren 
ümmerlich.  Kriegsdrangsale  und  Feuersbrünste  vernichteten  nur 
zu  oft  die  Ansätze  zu  einigem  Wohlstand.  Nur  der  eingesessene, 
verhältnismäßig  zahlreiche  Landadel  war  begütert  und  kunstsinnig.  So 
zeichneten  sich  als  Förderer  der  Kunst  die  Herren  des  Schlosses  Wern- 
burg  aus.  Dazu  kam,  daß  das  Baumaterial,  das  man  in  der  Gegend  vor- 
fand und  verwandte,  der  Schiefer,  zu  Kunstformen  ungeeignet  ist. 
Reicher  und  anziehender  sind  dagegen  die  kirchlichen  und  pro- 
fanen Bauwerke  und  Kunstaltertümer  im  Kreise  Schleusiagen.  Die 
Basilika  in  Vessra,  die  noch  aus  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts stammt,  die  Bertholdsburg  in  Schleusingen  und  die  Schlösser 
in  Kühndorf  und  Schwarza  ragen  besonders  hervor. 

Die  vortrefflichen  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz 
Sachsen  haben  durch  Bergners  Publikation  eine  wertvolle  Erweite- 
rung erfahren.  Mit  reicher  Sachkenntnis  und  technischem  Geschick, 
das  in  den  photographische  Aufnahmen  bei  weitem  übertreffenden 
Federzeichnungen  zu  Tage  tritt,  verbindet  Bergner  großen  Fleiß  und 
echt  wissenschaftliche  Gewissenhaftigkeit.  Er  hat  sich  bemüht,  die 
vorhandene  Litteratur  möglichst  vollständig  zu  verwerten,  erschöpft 
hat  er  sie  allerdings  nicht;  mancher  Beitrag  zur  Ortsgeschichte  ist 
ihm  entgangen.  So  wird  es  ihn  gewiß  interessieren,  zu  erfahren, 
daß  Wernburg  einst  als  Raubburg  in  recht  üblem  Rufe  stand.  So 
heißt  es  in  einer  sehr  wichtigen  und  umfangreichen  Urkunde  vom 
Jahre  132Ü,   „raptorum  in   Werrinberg,    qui  pro  maiori  parte  de 


386  Litteratur. 

rapinis  nutriuntur",  und  weiter,  „per  gwerras  dominorurn  in  Wida 
cum  marchione  Mysnense,  burggravio  de  Nornberg,  dominis  in 
Werrinberg".  Auch  vormisse  ich  einen  Hinweis  auf  die  Walsburg, 
die  elK.'nfalls  ein  Raubschloß  genannt  wird  (inspectis  gwerris  et 
rapinis  continuis  per  raptores  morantes  in  castris  Honwalde, 
Werriberg  et  Waldisbcrg).  Von  einem  Grafen  von  Arnshaugk  sollte 
man  trotz  der  Angaben  einiger  Chnmiken  nicht  sprechen.  Elisabeth 
von  Arnshaugk  wurde  übrigens  schon  am  24.  August  des  Jahres 
1800  mit  Friedrich  dem  Freidigen  vermählt  (s.  Cron.  Eeinhardsbr. 
ad  a.).  Auffällig  ist,  daß  Bergner  (S.  120,  N.  1)  die  Ausgabe  der 
Cronica  Reinhardsbrunnensis  von  Holder- Egger  noch  nicht  kennt. 
Unverständlich  ist  es,  wie  er  du'/.u  kommt,  das  im  Hersfelder  Zehnt- 
verzeichnis als  Ort  des  Friescnfeldes  genannte  Bisgofesdorph  S.  131 
auf  Bischofsrod  bei  Schleusingen  zu  beziehen.  Auch  der  Name 
Eicholuesrode  gehört  nicht  zu  Bischofsrod.  Die  Arbeit  von  H.  Quantz 
über  „Neue  La  Tene- Bronzen  aus  Ranis"  in  dieser  Zeitschr.,  Bd.  20, 
S.  663^668,  wird  dem  Verf.  als  Ergänzung  zu  seinen  Ausführungen 
über  i^rähistorische  Funde  im  Kreise  Ziegenrück    willkommen  sein. 

O.  Dobe  n  ecker. 

VIII. 
Gutbier,  II. :  Die  Grabdeiikmälc^r  der  Bergkirche  zu  Langensalza. 

30  Abbildungen  mit  erläuterndem  Text.  Herausgegeben  vom 
Gewerbeverein  zu  Langensalza,  1!)01.  Kommissionsverlag  von 
H.  Beltz  m  Langensalza.  30  Tafeln,  1  Plan  und  41  SS.  4P. 
6  M.  ^ 

Die  Bergkirche  oder  Kirche  des  hl.  Stephanus  in  Langensalza, 
die  urkundlich  zum  erstenmal  im  Jahre  1196  genannt  wird,  enthält 
in  der  Vorhalle,  in  den  Gängen  und  im  Altarraum  eine  Anzahl 
Grabdenkmäler,  die  das  Interesse  der  Geschichtsfreunde  zu  erregen 
geeignet  sind.  Der  rührige  Stadtarchivar  von  Langensalza,  Herr 
H.  Gutbier,  hat  30  Abbildungen  davon  in  29  trefflichen,  von  C. 
Hcllfarth  in  Gotha  hergestellten  Lithographien  und  in  einem  Licht- 
drucke auf  Kosten  des  Gcwcrbevereins  von  Langensalza  und  mit 
Unterstützung  der  Historischen  Kommission  der  Provinz  Sachsen, 
der  städtischen  Beh()rden  von  Langensalza  und  des  Vereins  zur  Er- 
forschung und  Erhaltung  der  Denkmäler  der  Provinz  Sachsen  ver- 
öffentlicht und  dazu  eingehende  historische  und  genealogische  Er-' 
klärungen  gegeben.  Letztere  wenden  sich  zwar  in  erster  Linie  an 
solche  Leser,  die  mit  den  Institutionen  früherer  Zeiten  nicht  vertraut 
sind,  werden  darum  für  den  Geschmack  des  Historikers  an  manchen 
Stellen  zu  breit,  dürften  aber  den  Zweck,  belehrend  und  aufklärend 
zu  wirken,  erreichen.  Gutbier  hat  sich  bemüht,  aus  allerhand  Archi- 
valien, Chroniken  inid  darstellenden  Werken  Nachrichten  über  die 
auf  den  Denkmälern  genannten  Personen  und  ihre  Zeit  zusammen- 
zubringen, und  hat  damit  ganz  interessante  Beiträge  zur  Geschichte 
verschiedener  Geschlechter,  wie  der  von  Salza,  Stockhausen,  Berlepsch, 
Haugwitz,  Erfia,  Wurmb,  der  Spitznase,  Metzsch,  Goldacker  u.  a. 
geliefert.  Es  darf  aber  nicht  verschwiegen  werden,  daß  dabei  Irr- 
tümer mit  untergelaufen  sind,  ja  daß  einige  Notizen  im  Widerspruch 
zu  den  auf  den  Grabdenkmälern  überlieferten  Angaben  stehen. 

So  ist  der  thüringische  Erbfolgestreit  nicht  schon,  wie  S.  1  be- 
hauptet wird,  im  Jahre  1200  beendet  worden;  wurde  doch  die 
Schlacht  bei  Wettin   erst  am   27.  Oktober  12G3  geschlagen.  —  Die 


Litteratur.  337 

Umschriften  in  den  Tafeln  No.  7,  8  und  9  sind  nicht  richtig  trans- 
skribiert  und  nicht  richtig  erklärt  worden.  In  No.  7  ist  S.  9. :  Anno 
domini  MCCCCLXXXVI.  feria  sexta  ante  Ambrosii;  in  Tafel  8, 
S.  11:  Anno  MCCCCLXXXVIIII  (anstatt  MCCCCLXXX III.)  und 
in  Tafel  9,  S.  12:  feria  V.  (anstatt  feria)  zu  lesen.  Feria  sexta  ante 
Ambrosii  ist  ebensowenig  der  sechste  Tag  vor  Ambrosius,  als  feria  V. 

f)ost  Mariae  als  der  fünfte  Tag  nach  Maria  anzusehen  ist.  Bekannt- 
ich bedeutet  feria  den  Wochentag.  Tafel  7  ist  also  zu  datieren: 
1486  März  30;  Tafel  8,  wo  vor  quinta  zu  ergänzen  ist  „feria*  und 
demnach  gelesen  werden  muß  „Anno  MCCCCLXXXVIIII.  [feria] 
quinta  po.st  Lucie" :  1489  Dezember  17,  und  Tafel  9:  1490  Donners- 
tag nach  Maria.  O.  D  oben  eck  er. 

IX. 
Thiele,  R.:  Bilder  aus  Thüringens  Sage  und  Gescbiebte.     Nach 
Konrad  Stolles  Chronik.    Erfurt,  C.  Villaret  [1902].    II  und  96 

öS.   8«. 

Im  Jahre  1900  gab  K.  Thiele  im  39.  Bande  der  Geschieh ts- 
Quellen  der  Provinz  Sachsen  das  Memoriale,  thüringisch-erfurtische 
Chronik  von  Konrad  Stolle ')  neu  heraus,  jene  kulturhistorisch  inter- 
essante thüringische  Chronik,  die,  im  engsten  Anschluß  an  Johann 
Rothes  Düringische  Chronik')  verfaßt,  mit  dieser  und  Härtung 
Kammermeisters  Erfurter  Chronik  eine  Fundgrube  für  Sagen  aus 
Thüringens  reicher  Vergangenheit  geworden  ist.  Aus  dieser  Quelle 
schöpfte  der  Herausgeber  bereits,  als  er  seine  „Bilder  aus  Erfurts 
Vergangenheit"  verfaßte").  Sie  gab  ihm  auch  die  Anregung  zur  Her- 
ausgabe des  oben  genannten  neuen  Werkchens. 

Mit  liebevoller  Hingabe,  mit  Umsicht  und  feinem  Verständnis 
hat  er  sich  seiner  Aufgabe  unterzogen,  die  er  sich  nicht  leicht  ge- 
macht hat;  denn  er  hat  nicht  etwa  kritiklos  seinen  Gewährsmann 
ausschreiben  wollen.  Als  guter  Kenner  der  thüringischen  Geschichte 
und  der  reichen  Litteratur  über  diese  macht  er  überall  kenntlich, 
wie  weit  StoUes  Angaben  Glauben  verdienen.  So  führt  er  uns  an 
der  Hand  der  Geschichte  und  der  Sage  durch  die  Vergangenheit  der 
Thüringer  und  ihres  schönen  Landes,  berichtet  von  ihrer  Herkunft 
und  erzählt  von  ihren  Schicksalen  bis  zu  dem  letzten  Landgrafen 
von  Thüringen,  d.  h.  bis  zum  Jahre  1440. 

Des  Verfassers  Liebe  zur  thüringischen  Heimat  und  sein  Ver- 
ständnis für  historische  Vorgänge  treten  in  jedem  der  zehn  Bilder, 
deren  Lektüre  angelegentlichst  empfohlen  werden  kann,  deutlich  her- 
vor. O.  Dobenecker. 

X. 
Wilhelm,  Ottomar:  Tauf-  und  Rufnamen  im  Herzogtum  Coburg. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Namengebung.  Coburg, 

Druck  von  A.  Rossteutscher,  1902.    Pr.  33  SS.   4«. 

Eine  Geschichte  der  deutschen  Namengebung,  die  ihrerseits  ein 

Teil   der  Sitten-  und  Kulturgeschichte  Deutschlands  werden  müßte, 

ist  noch  nicht  geschrieben  worden.   Wilhelms  Arbeit  will  einen  Bei- 


1)  Halle,  O.  Hendel,  1900.    XII  u.  568  SS.   8". 

2)  Thür.  Geschichtsqu.,  8.  Bd.    Jena,  Fr.  Frommann,  1859. 

3)  Erfurt,  C.  Villaret.  1901.    52  SS.   8". 


388  Litteratur. 

trag  dazu  liefern,  und  dieser  Beitrag  ist  dank  der  Gründlichkeit,  mit 
der  das  Thema  hier  behandelt  worden  ist,  als  ein  wohlgelungener  zu 
bezeichnen. 

Der  Verf.  hat  unter  Benutzung  historiscl^^er  Litteratur  die  Vor- 
namen zunächst  für  die  Bewohner  der  Stadt  Coburg  bis  ins  16.  Jahr- 
hundert und  zum  Teil  darüber  hinaus  verfolgt.  Gute  Dienste  leisteten 
ihm  dabei  die  bis  1598  zurückreichenden  Verzeichnisse  der  Schüler 
der  Coburger  Rats-  und  Knabenschule.  Zu  bedauern  ist,  daß  gleich- 
artige Quellen  für  die  weiblichen  Vornamen  nicht  vorhanden  sind, 
so  daß  deren  Bestand  nur  für  die  jüngste  Vergangenheit  aufgenom- 
men werden  konnte.  Den  gegenwärtigen  Stand  der  Namengebung 
im  ganzen  Herzogtum  giebt  eine  1901/2  an  sämtlichen  Schulen 
vorgenommene  Namenzählung  wieder. 

In  einem  lehrreichen  Überblick  behandelt  er  zunächst  Bildung 
und  Geschichte  unserer  klang-  und  bedeutungsreichen  altdeutschen 
Namen  und  vergleicht  sie  mit  den  anderer  indogermanischer  Völker, 
wobei  in  verständiger  Auswahl  die  germanistische  und  kulturhisto- 
rische Litteratur  zur  Beweisführung  herangezogen  wird. 

Auf  die  Bedeutung  der  großen  geistigen  Strömungen  und  der 
politisch-nationalen  Entwickelungsreihen,  die  die  Geschichte  unseres 
deutschen  Volkes  bestinunt  haben,  besonders  des  Humanismus,  der 
Reformation  und  des  dreißigjährigen  Krieges  geht  er  sachkundig 
ein  und  hebt  scharf  hervor,  wie  auch  auf  dem  Gebiete  der  Namen- 
gebung  Deutschland  in  eine  wesentlich  norddeutsch  -  protestantische 
und  eine  süddeutsch-  (und  westdeutsch-)katholische  Provinz  zer- 
fällt. 

Auf  diesem  Hintergrunde  behandelt  Wilhelm  nun  in  gründ- 
licher Forschung  die  Entwickelung  der  Coburger  Tauf-  und  Ruf- 
namen bis  zur  Gegenwart  und  läßt  dabei  höchst  interessante 
historische  Streiflichter  auf  die  Zeitereignisse,  die  sich  in  der  Namen- 
gebung  widerspiegeln,  fallen.  Als  Motive  für  die  Wahl  der  Namen 
findet  er  traditionelle,  ethische,  religiöse,  patriotische,  dynastische  und 
litterarische  Hilfen,  zu  denen  sich  schließlich  noch  gesellen  die  der 
Originalität  und  der  Unauffälligkeit.  Die  statistischen  Angaben  und 
die  daraus  gezogenen  Folgerungen  werden  den  Forschern  auf  diesem 
Gebiete  willkommen  sein  und  mancherlei  Anregungen  geben. 

Nur  ergänzend  möchte  ich  darauf  hinweisen,  daß  in  Thüringen, 
wie  zahlreiche  Urkunden  beweisen,  schon  im  IB.  Jahrhundert  Fa- 
miliennamen belegt  sind,  und  daß  auch  für  Coburg  ein  früherer  An- 
satz für  die  Zeit  ihres  Auftretens  als  das  14.  Jahrhundert  gerecht- 
fertigt ist;  kommt  doch  schon  im  Jahre  1225  ein  Konrad  Schott 
(oder  Schad)  dort  urkundlich  vor.  0.  Dobenecker. 


XI. 
Litterarische  Mitteilung'. 
„Tliüring-ens  Sturz",   dramatische  Dichtung  in  2  Teilen  von  Her- 
mann   Größler.     E.  Pierson 's    Verlag,   Dresden,  1902.     Preis 

M.  ;j,— . 

In  Thüringens  alte  Heldenzeit  führt  uns.  das  prächtige  Drama, 
das  eine  ernsthafte  Talentprobe  bedeutet.  „Seiner  thüringischen 
Heimat"  hat  es  der  Dichter  gewidmet,  und  etwas  von  dem  kräftigen 
Hauche   des  Thüringer  Waldes   durchflutet   auch   das   interessante 


Litteratur.  339 

Stück,  das  in  zwei  Teile  zerfällt,  deren  jeder  ein  abgeschlossene« 
Schau-  bezw.  Trauerspiel  bildet.  Im  ersten  Teile  „Amalberg"  steht 
diese  Königin,  eine  Tochter  des  gotischen  Herrschergeschlechts,  im 
Mittelpunkte  der  Handlung,  sie  greift  in  den  Konflikt  zwischen 
ßadench  von  Südthüringen  und  seinem  Bruder  Irminfried  von  Nord- 
thüringen,  der  mit  dem  Tode  des  ersteren  endet,  ehrgeizig  ein. 
Amalberg  trägt  sich  mit  großen  Plänen,  die  deutsche  Einheit  untor 
ihres  Gatten  Vormacht  erscheint  ihr  als  leuchtendes  Ziel.  Im 
zweiten  Teile  „Irminfried"  erleben  wir  den  Zusammenbruch  so 
großer  Hoffnungen  —  die  Ermordung  des  Königs  durch  die  Franken. 
Die  umfangreiche  Tragödie  ist  geschickt  aufgebaut  und  in  charak- 
teristischen, der  Situation  angepaßten  Versen  —  gereimten  Jamben, 
Blankvers,  Strophen  und  Stäben  —  geschrieben.  Das  Drama  des 
begabten  Landsmanns  Otto  Ludwigs  dürfte  auch  von  der  Bühne 
herab  von  starker  Wirkung  sein. 

XII. 

Übersicht  der  neuerdings  erschienenen  Litteratur  zur 

thüringischen  Geschichte  und  Altertumskunde'). 

A.  H.:  Die  Mission  des  Obersten  v.  Döring  und  das  Telegramm 
des  Landrats  v.  Wintzingerode  vom  25./26.  Juni  1866.  Jahrb.  f.  d. 
deutsche  Armee.  121,  S.  343—352. 

A.  K.:  Das  100-jähr.  Wahrzeichen  am  Adlerturm.  Eine  Epi- 
sode beim  Einzug  der  preußischen  Truppen  am  5.  Aug.  1802.  Münl- 
häuser  Anz.  (Fest-Nummer)  vom  2.  Aug.  1902. 

Aktenstücke,  Zwei,  zur  G.  der  Klosterschule  Roßleben,  zum 
erstenmale  gedruckt.  Progr.  der  Klostersch.  zu  Roßleben,  1901. 
3  SS.  4». 

Am  ende,  E.:  Landeskunde  des  Herzogt.  Sachsen- Altenburg. 
Altenburg,  Tittel,  1902.  VII  u.  272  S§.  gr.  8^    Mit  14  Abb. 

Ansprachen,  gehalten  bei  der  Übergabe  des  neuen  Lesehallen- 
gebäudes seitens  der  Carl  Zeiss-Stiftung  an  den  Lesehallenverein  in 
Jena,  20.  Sept.  1902.  Inh. :  1.  Ansprache  des  Stiftungskommissars, 
des  Herrn  Geh.  Regierungsrat  Vollert.  2.  Ansprache  des  Herrn 
Professor  Eduard  Rosenthal,  1.  Vorsitzenden  des  Lesehallen  Vereins. 
16  SS.  8». 

ATrnold],  E.:  Zum  Gedächtnis  des  „Vaters  der  sächsischen 
Geschichte"  (J.  Chr.  Schöttgen).    Leipziger  Tagebl.  (1901).  No.  641. 

Arnstadt.    Thür.  Monatsbl.  X,  36— 39,  66— 68.      ' 

Baethcke:  Die  Kirche  zu  Georgen thal.     S.-A.  7  SS.  8». 

Bau-  und  Kunst-Denkmäler  Thüringens,  H.  XXVIII, 
Herzogtum  Sachsen -Coburg  und  Gotha.   Landratsamt  Coburg.  Amts- 

ferichtsbezirke    Neustadt,    Rodach,    Sonnefeld    und    Königsberg    in 
ranken.   Mit  5  Lichtdrucken  u.  45  Abb.  im  Texte.   Jena,  G.  Fischer, 
1902.  153  SS.  gr.  8°. 

[Benedijct:  Nord  bayerische  Reste  im  Vogtlande.  Vogtl. 
Anz.  u.  Tagebl.  (1902).  No.  81. 


1)  Vgl.  die  Übersichten  über  die  neuen  Erscheinungen  zur  Ge- 
schichte des  Königreichs  Sachsen  von  H.  Ermisch  im  Neuen 
Archiv  für  Sächsische  Geschichte  u.  Altertumsk.  XXIII,  180—192 
u.  361—372. 


390 


Litteratur. 


Berbig,  M.:  Ernst  der  Fromme.   Gothaische  Ztg.  1901.  Dez.  24. 

Derselbe:  Die  Würdigung  der  Verdienste  Herzog  Ernst  d. 
Fr.  um  das  Schulwesen  in  der  Litteratur.  —  Zeyß,  A. :  Joh.  Ernst 
Christian  Haun.    Prgr.,  Gotha,  Thienemann,  1901.  29  SS.  8". 

Beschorner,  H.:  Denkschrift  über  die  Hersteilung  eines 
Ortsverzeichnisses  für  das  Kgr.  Sachsen.  Der  Auftr.  der  Kgl. 
Sächsischen  Kommission  für  Geschichte.  Dresden,  Dr.  von  W.  Baensch, 
1903.    VII  u.  68  SS.  8°. 

B  e  t  h  1  e  h  e  m  ,  Das  Thüringer.   Thür.  Monatsbl.  IX.  S.  103—105. 

Beyer,  C.:  Zur  Geschichte  der  Hospitäler  u.  des  Armen- 
wesens in  Erfurt.     Erfurt,  Gramer,  1901.  60  SS.  8'». 

Blanckmeister,  F.:  Karl  von  Hase.  Festrede  zur  Ent- 
hüllung einer  Gedenktafel  an  Hases  Geburtshaus  bei  der  Feier  seines 
100.  Geburtstages  in  Niedersteinbach.  Beitr.  z.  sächs.  Kirchengesch. 
H.  XV.  Leipzig,  1901. 

Bohl,  Ed. :  Beiträge  zur  Geschichte  der  Reformation  in  Öster- 
reich. Hauptsächlich  nach  bisher  unbenutzten  Aktenstücken  des 
Regensburger  Stadtarchivs.  Jena,  G.  Fischer,  1902.  VI  u.  484  SS. 
8°.     Vgl.  Zs.  des  V.  f.  Thür.  G.  u.  A.  XX,  327—432. 

Bönhof  f :  Das  Bistum  Naumburg  u.  sein  Gebiet  im  heutigen 
Königr.  Sachsen.  Sächsisches  Kirchen-  u.  Schulblatt.  1901.  No.  38 
—40.  Sp.  470—476,  482—487,  498—502. 

B  ohn  e ,  E.  Ch. :  a)  Diarium  oder  Tagebüchlein  weg.  d.  kgl.  preuß. 
Einfalls  in  Nordhausen  unter  d.  Commando  des  Gen  .-Adjutanten  und 
Obristeu  von  Tettau  . . .  1703.  b)  Nordhäusische  Chronika ;  beigefügt  ist 
die  Walkenriedische  Chronika,  so  vormals  von  H.  Eckstormio  in  Lat. 
Sprache  ausgefert.  worden,  nunmehr  aber  ins  Teutsche  übers.  1701. 
Hrsg.  von  H.  Heineck,  Nordhaixsen,   Ebert,    1901.  33.  u.  85  SS. 

Bojanowski,  El.  v. :  Herder  u.  die  Herzogin  Louise.  Halb- 
monatshefte der  deutschen  Rundschau,  hrsg.  von  J.  Rodenberg 
1901/1902.  No.  8,  9,  10,  11. 

Bosse,  H. :  Fürstl.  Gymnasium  zu  Sondershausen.  Katalog 
der  Lehrerbibl.  T.  1.  Sondershausen.  OPr.  1901.  32  SS.  8". 

Bruchmüller,  W. :  Zur  Colonisierung  und  Germanisierung 
des  südlichen  Sorbenlandes.    Leipziger  Ztg.  1901.  No.  133. 

Brüll,  Joh.:  Fürst  Hardenberg  u.  Kanonikus  Wolf.  Nach 
ungedruckten  Briefen.     Heiligenstadt,  1901.  GPr.  28  SS.  8«. 

Buchner,    O. :    Die   mittelalterlichen  Grabplatten   in   Nord- 
Thüringen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Erfurter  Denkmäler.  . 
(Studien  z.  d.  Kunstgesch.  H.  37.)   Straßburg,  E.  Heitz,  1902.  IX  u. 
180  SS.gr.  8». 

Bühring,  J. :  Zur  Verbindung  des  Rennsteigs  mit  Karl  dem 
Großen  u.  dem  Landgrafenumritt.  Das  Mareile  III.  Reihe  (1902). 
No.  4  u.  Zum  Landgrafenumritt.  Ebenda  No.  5. 

Christmann,  C. :  Melanchthons  Haltung  im  schmalkaldischen 
Kriege.  Hist.  Studien,  veröffentl.  von  E.  Ehering.  H.  31.  Berlin, 
E.  Ehering,  1902.  VIII  u.  160  SS.  8». 

Giemen,  O. :  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  aus  Büchern 
u.  Handschr.  der  Zwickauer  Ratsschulbibl.  H.  2.  Berlin,  C.  A. 
Schwetschke   u.   S.,   1902.    IV  u.   147   SS.    8". 

Derselbe:  Ein  Brief  des  Wolf  gang  Cyclopius  von  Zwickau  (an  den 
Bischof  Johann  v.  Naumburg).    NA.  f.  Sächs.  G,  XXIII,  134-137. 

Delbrück,  B. :  Eine  Gedächtnisrede  für  den  1899  verstorbenen 
Schulrat  Dr.  Friedrich  Urtel.  Jenaische  Ztg.  Jahrg.  229.  No.  154 
(1902,  4.  Juli). 


Litteratur.  391 

Derham,  J.:  Saxe  et  Thuringe.  Situation  ^conomigue  en 
1901.  Extrait  du  recueil  consulaire  beige  T.  117.  Broxelles»  P. 
Weisscnbruch,  1902.  54  p.  8°. 

Devrient,  E. :  Testament  der  Frau  Margarete  von  Gera.  Zs. 
f.  Kulturgesch.  (1902).  S.  345  u.  34Ü. 

Derselbe:  Bericht  über  den  Verein  f.  Thür.  Gesch.  u.  A. 
Deutsche  Geschichtsbl.  III,  308-311. 

Derselbe:  Ernst  der  Fromme.  Thüringer  Rundschau  1901. 
No.  49.  Jena,  d.  22.  Dez.  1901. 

Derselbe:  Saalfeld.  Ebenda  1902.  No.  15  u.  Saalfelder  Kreis- 
anzeiger 1902.  No.  87. 

Ebart,  P.  v.:  Die  Teilung  des  Herzogtums  S.-Gotha-Alten- 
burg  im  J.  1826.  Goth.  Tagebl.  (1901;.  No.  264,  270,  272,  275,  279, 
281,  285,  287. 

Derselbe:  Camillo  Richard  Freih.  v.  Seebach.  Ebenda  (1902). 
No.  63,  64,  66. 

Derselbe:  Georg  Benda,  Herz.  Sachsen-Gothaischer  Kapell- 
direktor. Bl.  f.  Haus-  u.  Kirchenmusik.  VI.  No.  1 — 3.  Langen- 
salza, 1902. 

Eckermann,  J.  P. :  Gespräche  mit  Goethe  in  den  letzten 
Jahren  seines  Lebens,  hrsg.  von  A.  Bartels.  Leipzig,  Diederichs,  1901. 
XXIV,  490;  568  SS.  8". 

Ehwald,  R.:  Ausstellung  z.  Feier  des  300-jähr.  Geburtstages 
Emsts  d.  Fr.  aus  den  von  ihm  begründeten  Sammlungen,  eröffnet 
auf  Schloß  Friedenstein   am   20.  Dez.  1901.    Gotha,   Perthes  (1902). 

Eichhorn,  K. :  Studien  zum  Chronicon  Hennebergense. 
Meinin^en.  G.  Einladungsschr.  1901.  28  SS.  4". 

[Eichhorn,  K.] :  Die  erste  Fahrpost  durch  die  Grafschaft 
Camburg  im  Jahre  1690.  Bl.  f.  Unterhaltung  u.  Belehrung,  Sonn- 
tags-Beil.  z.  Jenaischen  Ztg.  1902.  No.  30  (27.  Juli). 

Er  1er,  G. :  Die  Matrikel  der  Universität  Leipzig.  Im  Auftrage 
der  kgl.  Sachs.  Staatsreg.  hrsg.  A.  u.  d.  T. :  Cod.  dipl.  Saxoniae 
regiae  IL  Hauptt.  Bd.  XVlII.  Leipzig,  Giesecke  u.  Devrient,  1902. 
XIV  u.  1001  SS.  4". 

Ermisch,  H. :  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae.  Erster 
Hauptteil.  Abt.  B.  Zweiter  Band.  Urkunden  der  Markgrafen  von 
Meißen  und  Landgrafen  von  Thüringen.  1396 — 1406.  Leipzig,  Giesecke 
u.  Devrient,  1902.  XV  u.  597  SS.  4".   (Besprechung  im  nächsten  Heft.) 

Festgabe  der  Stadt  Ilmenau  zur  XVII.  Generalversammlung 
der  Goethe-Gesellsch.  1902.  Hrsg.  von  P.  Pasig.  Ilmenau,  A.Schröter, 
P.  Schulze:  1902.  20  SS.  gr.  4». 

Festschrift  zur  25-jähr.  Jubelfeier  des  städtischen  Museums 
in  Nordhausen.  Nordhausen,  Haacke  in  Komm.,  1901.  56  SS.  8*". 
Inh.:  Heineck,  H.,  Urkundl.  Gesch.  des  städtischen  Museums  (1876 
— 1901).  —  Rausch,  P.,  Führer  durch  das  städt.  Museum. 

Fischer,  W.:  Voigtland  oder  Vogtland.  N.  Vogtl.  Ztg.  1902. 
No.  15. 

Derselbe:  Un  gedr.  Plauen  betreffende  Urkunden  aus  dem  Stadt  - 
archive  zu  Eger.    Mitt.des  Altertumsv,  zu  Plauen  i.  V.  XV,  9—16. 

Derselbe:  Adam  Viether  aus  Plauen,  Lehrer  an  der  Latein- 
schule zu  Eger.     Ebenda  XV,  17-20. 

Derselbe:  Zwei  Urkunden  betr.  Georg  Raute.  Ebenda  XV, 
21-24. 

Flemming,  P. :  Zwei  Aktenstücke  z.  Geschichte  der  Kloster- 
schule Roßleben.    Roßleben,  Prgr.  S.  1—3.  4°. 


392  Litteratur. 

Fort  seh:  Über  die  vor-  u.  frühgeschichtlichen  Verhältnisse  der 
Provinz  Sachsen.  Correspondenzbl.  d.  deutsch.  Ges.  f.  Anthropologie 
etc.    XXXI,  S.  77—80. 

Francke,  [H.  G.]:  Die  St.  Peterskirche  in  Weida.  Weidaer 
Ztg.,  Jahrg.  53,  20.  Sept..  1901  u.  Jahrg.  54,  No.  4  vom  5.  Jan.  1902. 

Fritsch,  K.  v. :  Über  Taubach  und  andere  Thüringer  Fund- 
stätten ältester  Spuren  und  Reste  des  Menschen.  Correspondenzbl. 
d.  deutsch.  Ges.  f.  Anthropologie  etc.    XXXI,  S.  99,  101—103. 

Fuchs,  H. :  Christoph  Roßhirt:  Des  Fürsten  Wilhelm,  Grafen 
zu  Henneberg,  Leben,  Amt  u.  seliger  Abschied.  Drei  Geschichten 
von  Besessenen,  aus  der  Mitte  des  16.  Jahrh.  Schleusingen,  Prgr. 
1902.  29  SS.  4«. 

F Ursen.  O. :  Die  kursächsischen  Floßkontrakte  mit  der  Stadt 
Halle.    NA.  f.  Sachs.  G.  XXIII,  64-83. 

G. :  Die  300-jähr.  Erinnerungs-Feier  der  Rückkehr  Kurfürst 
Johann  Friedrich  des  Großmütigen  aus  seiner  Gefangenschaft  und 
seines  Empfanges  am  Fürsten brunnen.  Jenaische  Ztg.,  Jahrg.  229, 
No.  240. 

Gabi tz seh,  W. :  Ein  altes  Eisenacher  Stadtbild.  Thür. 
Monatsbl.  IX,  S.  96—98. 

Derselbe:  Eisenach  vor  zweihundert  Jahren.  Thür.  Monatshl. 
X,  S.  25  f.,  105—108. 

Gerischer:  Der  Sturm  auf  Kloster  Zella.  Eine  Erinnerung 
an  den  24.  März  1848.  Mühlhäuser  Anz.,  106.  Jahrg.  (1902).  No. 
69  u.  70. 

Geschichte,  Die,  der  Einverleibung  Mühlhausens  in  Preußen. 
Mühlhäuser  Anz.  (Fest-Nummer)  vom  2.  Aug.  1902. 

Gesellschaft,  Thüringische,  des  Pfefferhandels  zu  Leipzig. 
Leipziger  Tagebl.  (1901).  No.  484. 

Goethe- Briefe.  Mit  Einl.  u.  Erläut.  hrsg.  von  Ph.  Stein. 
Bd.  I:  Der  junge  Goethe  1764—75.  Bd.  II:  Weimarer  Sturm  u. 
Drang,  1775-83.  Berhn,  Eisner,  1901  u.  1902.  XVI,  304  u.  XVI, 
312  SS.  8«. 

Göpel:  Das  Kaiserschloß  Mylau.  Unsere  Heimat,  Illustr. 
Monatsschr.  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  u.  Vogtland  I  (1902).  248 — 251, 
277-279. 

Grenadier-Bataillon,  Das  kursächsische,  „Aus  dem  Win- 
kel" bei  Jena.    Jahrb.  für  die  deutsche  Armee,  113,  S.  39 — 42. 

Gritzner,  M.:  G.  des  sächs.  Wappens.  Vierteljahrsschrift  f.* 
Wappenkunde,  XXX  (1902).  1—65. 

Größe  1,  J. :  Das  Kollektenbuch  der  Stadt  Pegau  vom  J.  1670. 
NA.  f.  Sächs.  G.  XXIII,  115—124. 

Größler,  H.:  Thüringens  Sturz.  Dramatische  Dichtung  in 
zwei  Teilen.  Dresden  u.  Leipzig,  C.  Piersons  Verl.,  1902.  280  SS. 
8».    3  M. 

Grundkarte  von  Deutschland,  nach  v.  Thudichums  Vorgange 
als  Grundlage  für  historische  und  statistische  Forschungen  bearbeitet. 
Sektion  415/441  (Borna-Altenburg).  Hrsg.  von  der  kgl.  Sächsischen 
Kommission  für  Geschichte.  Gez.  von  R.  Lorenz.  Dresden,  Druck 
von  P.  Herrmann. 

Günther,  0.:  Ein  historisches  Lied  gegen  Herzog  Moritz  von 
Sachsen,    NA.  f.  Sächs.  G.  XXIII,  214—219. 

Gutwasser,  K.:  Kursachsen  u.  Erfurt  im  18.  Jahrh.  Leipzig, 
1901.     Inaug.-Diss.    120  SS.  8°. 


Litteratur.  393 

Habbicht,  H. :  Die  ehemalige  Zeug-  u.  Raschm acherei  in 
Eisenach.    Thür.  Monatsbl.  X,  95—09. 

H  a  n  n  a  c  h ,  E. :  Erzb.  Siegfried  I.  von  Mainz  als  jieröönlicher 
u.  politischer  Charakter.     Rostock.     Diss.  1901.  G2  SS.  8". 

Heer  wart,  El.:  Friedrich  Fröbels  Heimatland.  Thüringer 
Rundschau.  2.  Jahrg.  No  12  u.  13. 

Heine,  K. :  Nordhausen  u.  Preußen.  Nordhausen,  L.  Hor- 
nickcl,  1902.  VIII  u.  119  SS.  8». 

Heineck,  H.:  G.  Juni  1902.  Brandenburg-Preußen  und  Nord- 
hausen  in  urkundlicher  Darstellung.  Zur  Feier  der  l(X)-jähr.  Zu- 
gehörigkeit der  Stadt  Nordhausen  zur  Krone  Preußen.  Fest«ichrift. 
Commissionsverlag  von  C.  Hanckes  Buchhandlung.  [Nordhausen, 
1902].     IV  u.  239  SS.  8«. 

Heineraann,  O.  v. :  Höckelheim  [und  Langensalza].  Braun- 
schw.  Magazin  1901.  No.  20  f. 

Held  mann,  K. :  Das  Spital  der  h.  Elisabeth  und  die  Anfänge 
des  deutschen  Ritterordens  in  Marburg.  Hessenland,  XVI.  Jahrg. 
No.  lü.  1.  Aug.  1902. 

Helmrich,  W.  C:  Wanderbilder  und  Waldpartieen  aus 
Jenas  Umgegend  und  dem  Saalthale.  2.,  um  mehr  als  die  Hälfte 
verra.  u.  verb.  Aufl.,  Jena,  G.  Neuenhahn,  1902.  143  SS.  8". 

Hertel,  O.  u.  L. :  Die  Pfersdorfer  Mundart.  Zs,  f.  hoch- 
deutsche Mundarten  III,  96 — 120. 

Heyden reich.  Ed.:  Eine  ungedruckte  Urkunde  des  Münz- 
meisters Nicolaus  Monhaupt.    NA.  f.  Sachs.  G.  XXIII,  128  f. 

Derselbe:  Bau- und  Kunstdenkmäler  im  Eichsfeld  und  in  Mühl- 
hausen. Vortrag,  geh.  auf  der  Frühjahrs- Versammlung  des  geschäftsf. 
Ausschusses  der  Provinzial-Denkmälerkoramission  der  Provinz  Sachsen 
in  Heiligenstadt  am  20.  Mai  1902.  Mit  2  Tai  u.  40  Holzschnitten 
im  Text.    Mühlhaiisen  i.  Thür.,  C.  Albrecht,  1902.    35  SS.  gr.  8». 

Hörnlein,  R.:  Festrede,  gehalten  am  Geburtstage  Sr.  Hoheit 
des  Herzogs,  2.  April  19<X)  (über  Herzog  Bernhard  v.  S.-Meiningen). 
Hildburghausen,  1901.  GPr.  S.  3-12.  4°. 

Hofmann,  B. :  Magister  Andreas  Reyher.  Ein  Gedenkbl.  zu 
8.  300-jähr.  Geburtstage.     Thür.  Schulbl.  1901.  S.  65. 

Derselbe:  Thüringens  Volksschule  vor  der  Schulreformation 
Herzog  Ernsts  d.  Frommen.   Ebenda  1901.  S.  179  ff.  u.  Forts.  1902. 

Derselbe:  Herzog  Ernst  d.  Fromme.  Gotha,  Thienemann 
(1901).  29  SS. 

Hörn,  E. :  Sainte  Elisabeth  de  Hongrie.  Paris,  Perrin,  1902. 
VII  u.  288  SS.    8«. 

Ißleib,  S. :  Hans  von  Küstrin  und  Moritz  von  Sachsen. 
NA.  f.  Sachs.  G.  XXIII,  1—63. 

Jänner,  G. :  Sättelstädt  u.  s.  Gewannflur.  Goth.  Tagebl. 
(1901).    No.  30. 

Jahre,  Zweihundert,  Regimentsgeschichte.  Zum  200-jähr. 
Jubiläum  des  5.  Thüring.  Inf. -Rej;:inients  No.  94  (Großherzog  von 
Sachsen).   Jenaische  Ztg.  Jahrg.  229  (1902).  No.  251—254. 

Jellinek,  G. :  Georg  Meyer.  Worte  der  Erinnerung.  Heidel- 
berg, J.  Hörning,  1900.     14  SS.    8«. 

J  e  n  a ,  als  Universität  und  Stadt.  Herausg.  vom  Verein  zurFörder- 
ung  des  Fremdenverkehrs.    Jena,  Verl.  d.  Vereins,  [1903J.46  SS.  4". 

Jena,  das  weinumkränzte.  JenaischeZtg.  Jahrg.  229  (1902j  No.  92. 

Johnson:  Vogtl.  Altertümer.    Vogtl.  Anz.  u.  Tagebl.  (1901). 

XXI.  26 


394 


Litteratur. 


No.  215.   228,  240,  252,  263,  274,  286,  297,  302;  (1902),  No.  15,  20, 
27,  39,  50,  59,  73,  76,  107,  121,  140,  151,  159,  163,  188,  207. 

J  ordan :  Inscriptiones  Mulhusinae.  Die  öffentlichen  Inschriften 
der  Stadt  Mühlhausen  (Thür.).  Gesammelt  von  W.  Bader.  Aus 
alter  Zeit.  Zwanglose  Beibl.  zum  Mühlhäiiser  Anzeiger  (1902). 
No.  38  u.  39. 

Derselbe:  Schollmeyer,  J.  G.,  Der  heilige  Kampf  vom  Jahre 
1815.  Ein  Epos.  Mühlhausen  1816.  [Neu  herausgeg.]  Aus  alter  Zeit. 
Zwangl.  Beibl.  zum  Mühlhäuser  Anzeiger.  1902.  ]So.  35. 

Derselbe:  Zur  Geschichte  der  Stadt  Mühlhausen.  Thür. 
Beil.  z.  Jahresber.  des  Gymnasiums  in  Mühlhausen  i.  Th.  1902. 
48  SS.  8".  Inh :  1)  B.  C.  Graßhof,  Von  dem  eigentlichen  Alter  der 
ältesten  Statutorum  der  Reichsstadt  Mühlhausen.  Hrsg.  von  Dr. 
Jordan.  S.  3—9.  —  2)  Zur  Gesch.  der  städtischen  Bibliothek.  S.  9 
bis  20.  —  3)  Verzeichnis  der  Inkunabeln  der  Ratsbibliothek.  S.  20 
bis  27.  ~  4)  Thomas  Münzers  Witwe.  S.  27—31.  —  5)  Zur  Geschichte 
der  Unruhen  1523 — 25.  S.  31 — 42.  —  6)  Caspar  Federwisch  und  die 
entwichenen  Bürger.  1526.  S.  42 — 48. 

Derselbe:  Der  Uebergang  der  Kaiserlichen  freien  Reichsstadt 
Mühlhausen  i.  Thür.  an  das  Kgr.  Preußen  1802.  Festschrift  der 
Stadt  Mühhausen  zur  Jubelfeier  1902  im  Auftrage  der  städtischen 
Behörden  verfaßt.  Mühlhausen  i.  Thür.,  Druck  der  Danner'schen 
Buchdr.,  [1902 1.  124  SS.  gr.  8". 

Derselbe:  General  Czernischeff  u.  die  Behörden  der  Stadt 
Mühlhausen,  nebst  einigen  andern  Nachträgen  zur  Festschrift.  Mühl- 
häuser Anz.  (Festnummer)  vom  2.  Aug.  1902. 

Derselbe:  Das  Patent  vom  6.  Juni  1802.  Mühlhäuser  Anz. 
106,  Jahrg.  (1902).  No.  191. 

Kalender,  Thüringer,  1903.  Hrsg.  vom  Thüringischen 
Museum  in  Eisenach.  Mit  Zeichnungen  von  E.  Liebermann-München. 
Inh.:  Herzog  Bernhard  von  Weimar.  Von  Herrn.  Freih.  v.  Egloff- 
stein.  —  Paulinzelle  und  Thalbürgel,  Von  E.  Kriesche.  —  Der 
Säulenbau  im  Kloster  Georgenthal.  Von  Pfarrer  Baethcke.  —  Der 
ehemalige  Lustgarten  in  Weimar.  Von  Dr.  Burkhardt.  —  Die 
Wiedenkirche  zu  Weida.  Von  Eggeling.  —  Altes  Fachwerkhaus 
in  Arnstadt.  Von  P.  Weber.  —  Thalerkannc  aus  dem  Jahre  1636. 
Von  L.  Pick.  —  Von  der  „fruchtbringenden  Gesellschaft".  Von 
P.  V.  Bojanowski.  —  Das  Portal  des  Rathauses  zu  Gotha.  Von  _ 
R.  Ehwald.  —  Burg  Lauen  stein,  die  fränkisch-thüringische  Grenz- 
warte.  Von  Merat.  —  Waltershausen.  Von  A.  Trinius. 

Kawerau,  G. :  Luthers  Rückkehr  von  der  Wartburg  nach 
Wittenberg.  Halle,  O.  Hendel,  1902.  68  SS.  8».  (Neujahrsbl.  hrsg. 
von  der  hist.  Kommission  der  Pr.  Sachsen.    H.  26.) 

Keil  hau  in  Wort  und  Bild.  Geschildert  von  Lehrern, 
Schülern  und  Freunden  Keilhaus.  Hrsg.  vom  Bunde  ehemaliger 
Keilhauer.  Leipzig,  Druck  von  Thalacker  u.  Schöffer,  1902.  242  SS.  4". 

Kettner,  Ad.:  In  Thüringen.  Aus  der  Jugendzeit  des  Frei- 
waldauer Amtshauptmanns  Karl  Ditters  von  Dittersdorf.  Mit 
Illustration.  Altvater,  Organ  des  mährisch -schlesischen  Sudeten- 
Gebirgs- Vereins.  XX.  Jahrg.  (Freiwaldau  1901).  S.  65—67. 

Kirchenordnungen,  Die  evangelischen,  des  16.  Jahrb., 
hrsg.  von  E.  Schling.  I.  Sachsen  u.  Thüringen  nebst  angrenzenden 
Gebieten.  1.  Hälfte:  Die  Ordnungen  Luthers.  Die  ernestinischen 
und  albertinischen  Gebiete.  Leipzig ,  Reisland ,  1902.  XXIII  u. 
746  SS.  8». 


Litteratur.  395 

Klarmann,  J.  L.:  G.  der  Familie  v.  Kalb  auf  Kalbsrieth. 
Erlangen,  F.  Junge,  1902.  XII  u.  Ö7G  SS.  8".    Mit  Karten. 

Kl  eint  eich,  H. :  Kranichfeld  u.  s.  Umgebung.  Historisch, 
topographisch  u.  naturgeschichtl.  dargestellt.  Denkschr.  zur  250-jähr. 
Jubelfeier  der  Erhebung  des  Ortes  zur  Stadt  am  21.  Sept.  1901.  Zu- 
gleich Führer  u.  Wegweiser  durch  den  Ort  u.  die  Umgegend.  I.  Heft: 
Geschichte  u.  Topographie.  Mit  einem  topographischen  Kärtchen 
u.  3  nach  des  Verfassers  Handzeichnungen  ausgeführten  Autotypieen. 
Kranichfeld  a.  Ihn,  G.  Hahn,  1901.  150  SS.  8°.  Dazu  Supplement 
mit  weiteren  Quellennachweisen  u.  Ergänzungen.  1902. 

Knetsch,  K. :  Von  der  Hochzeit  des  hessischen  Lgr. 
Wilhelm  d.  M.  zu  Cassel  20.  Okt.  1500;  aus  dem  Henneberg.  Gem. 
Archiv  zu  Meiningen.  Vierteljahrsschr.  f.  Wappenkunde.  XXIX, 
247-252. 

Derselbe:  Die  Familie  Steitz  zu  Schmalkalden.  Wellers  A. 
f.  Stamm-  und  Wappenkunde.  III.  S.  73—76. 

Kort  um:  Die  ßauthätigkeit  des  kurfürstl.  Statthalters  Philipp 
Wilhelm  von  Boineburg  in  Erfurt.  Denkmalpflege.  III,  34—36, 
43-45,  54  f.  "^     ^     . 

Krüger,  G. :  Karl  August  v.  Hase.  Realencyklop.  f.  prot. 
Theol.  VII,  453-61. 

Laue,  M.:  Sachsen  u.  Thüringen.  Jahresber.  der  Geschichtsw. 
Jahrg.  XXIII.  1900.  Berlin,  Gärtner,  1902.  II,  223—253. 

Lauri n ,  W. :  Der  Kampf  um  das  Pleißnerland.  Unsere  Heimat. 
Illustr.  Monatsschr.  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  u.  Vogtland.  I  (1901), 
89—91. 

Derselbe:  Rudolf  v.  Habsburg  u.  die  Wettiner.  Wiss.  Beil. 
der  Leipz.  Ztg.  1901.  No.  68. 

Lemmens,  L. :  Zur  Biographie  der  h.  Elisabeth,  Landgräfin 
v.  Thüringen.     Mitt.  d.  bist.  V.  der  Diöz.  Fulda.  IV,  1—24. 

Leonhardt:  Führer  durch  Jena  u.  Umhegend.  2.  Teil.  Aus- 
flüge in  die  nähere  u.  weitere  Umgegend  (mittleres  Saalthal  mit 
Nebenthälern  u.  Nachbarstädte)'  2.  A.  Mit  Eisenbahnkarte,  Wege- 
karte für  die  nähere  Umgegend  (1:33000)  u.  Spezialkarte  für  die 
weitere  Umgegend  (1:150000).  Jena,  Doebereinersche  Buchh.  Nachf. 
Raßmann,  1902. 

Licht,  B.:  Ein  Thüringer  Kulturbild  aus  dem  16.  Jahrh. 
Thür.  Monatsbl.  X,  108—110. 

Liederhandschrift,  Die  Jenaer.  Bd.  I:  Getreuer  Abdruck 
des  Textes ;  besorgt  von  G.  Holz.  Bd.  II :  Uebertragung,  Ilhythmik 
und  Melodik;  bearb.  von  E.  Bernoulli  u.  F.  Saran.  Leipzig,  Hirsch- 
feld, 1901.  240  u.  200  SS.  gr.  4». 

Lockner,  G.  H. :  Meiningen  als  Münzstätte  der  Bischöfe  von 
Würzburg.  Blätter  für  Münzfreunde.  XXXVII,  Jahrg.  (1902).  No.  9. 

Derselbe:  Würzburger  Pfennige  aus  der  Münzstätte  zu 
Stadtschwarzach.    Ebenda. 

[Lobe,  R.] :  Zum  Gedächtnis  an  D.  th.  et  phil.  August  Julius 
Lobe,  Geh.  Kirchenrat  u.  Pfarrer  em.  in  Rasephas,  geb.  d.  8.  Jan. 
1805,  gest.  d.  27.  März  1900.  SA.  aus  dem  Kirchl.  Jahrb.  f.  d. 
Herzogt.  Sachsen-Altenburg.    6.  Jahrg. 

L  ober ,  E. :  Die  Glashütte  am  Einsiedeisbrunn.  Thür.  Monatsbl. 
X,  23—25,  99—101. 

Lorenz,  H.:  Nachricht  von  einer  verloren  gegangenen,  nach 
Wernigerode  geflüchteten  Kaiserkrone  des  Domschatzes  zu  Quedlin- 

26* 


396  Litteratur. 

bürg  [auf  Grund  eines  Befehls  des  Churf.  Jollann  Friedricli  d.  Gr. 
von  1547  März  15J.    Zs.  des  Harzv.  XXXIV,  135—140. 

Loth,  R.:  Erfurter  Volksfeste.  Thür.  Monatsbl.  IX.  S.  111— 115. 

Derselbe:  Abergläubische  Vorstellungen  in  Erfurt.  X.  S.17f., 
26-28,  80-82. 

Lutze,  G. :  Die  fürstliche  Hofkapelle  zu  8ondershausen  von 
1801—1901.  Sondershausen,  Eupel,  1901.    40  SS.  4»  u.  5  Taf. 

M.,  G. :  Zur  Erinnerung  an  das  200-jähr.  Jubiläum  des  ö. 
Thüring.  Inf.  -  Regiments  No.  94  (Großherzog  von  Sachsen).  Dem 
III.  (Füsilier-) Bataillon  zu  Jena  gewidmet.  Jena,  28.  Okt.  1902, 
G.  Neuenhahn.  15  SS.  8" 

Derselbe:  Das  alte  Schloß  [in  Jena].  Beil.  zu  No.  33  der 
Jenaischen  Ztg.  1902.  Febr.  8. 

Mahlmann,M.:  Andreas  Reyher.  Gotha  190L 

Meßraer,  Erh.:  Sagen  und  Sänge  vom  Lauenstein  und 
Loquitzthal.  Mit  Bildern  von  F.  Müller  in  Münster.  Berlin,  Fischer 
und  Franke,  1902. 

Meyer,  H.  B.:  Hof-  und  Zentralverwaltung  der  Wettiner  in 
der  Zeit  einheitlicher  Herrschaft  über  die  Meißnisch-Thüringischen 
Lande.  1248—1379.  Leipz.  Studien  IX.  Bd.  3.  Heft.  Leipzig, 
B.  G.  Teubner,  1902.  XI  u.  151  SS.  8». 

Meyer,  K. :  Die  Wasserversorgung  der  Stadt  Nordhausen  seit 
alter  Zeit.    Zs.  des  Harzv.  XXXIV,  519—534. 

Minnigerode-Allerburg,  A.  Frh.  v. :  Ein  Südharzer 
Grundherr  [Hans  von  Minnigerode]  zur  Reformationszeit.  Zs.  d. 
Harzv.  XXXIV,  444-472. 

Mitzschke,P. :  Weimars  Klassiker  und  die  Stenographie.  Fest- 
schrift zur  X.  Bundesversammlung  des  Thüringer  Stenographen- 
Bundes  Stolze-Schrey  in  Weimar  1902.  S.  19-27. 

Möller,  H.:  Ernst  d.  Fromme,  Herzog  zu  Gotha.  Gotha, 
P.  Ott,  [1901]. 

Derselbe:  Ueber  Elephas  antiquus  Flc.  u.  Rhinoceros  Merki 
als  Jagdtiere  des  alt-diluvialen  Menschen  in  Thüringen  u.  über  das 
erste  Auftreten  des  Menschen  in  Europa.  Zs.  f.  Naturw.  LXXIII, 
S.  41-65. 

Derselbe:  Ueber  Feuerstätten  in  Kalktuffsand  von  Taubach 
u.  über  die  geologische  Stellung  der  Weimar -Taubacher  Kalktuff- 
lager.   Ebenda.  LXXIV,  S.  237—272. 

M  ort  z  seh, Otto:  Die  Ausrüstung  sächsischer  u.  thüringischer 
Schlösser  mit  Feuerwaffen  im  Jahre  1436.  Zs.  f.  bist.  Waffenkunde. 
II  (1902),  3211 

Moltke,  S.:  Die  Leipziger  Kramer-Innung  im  15.  u.  16  Jahrh. 
Zugleich  ein  Beitr.  zur  Leipziger  Handelsgeschichte.  Hrsg.  von 
der  Handelskammer  zu  Leipzig.  Mit  einem  Stadtbilde  u.  mehreren 
Tafeln.    Leipzig,  Verl.  der  Handelskammer,  1901.  186  SS.  8«. 

Motz:  Kirchenhistorien  aus  Langula.  Mühlhäuser  Anz.  1902. 
No.  232-234. 

Müller,  Ed.  J.  L. :  Weimar.  Ein  Gedenkbuch.  Wanderungen 
durch  Vergangenheit  und  Gegenwart.  Weimar,  H.  Grosse,  1902. 
IV  u.  223  SS.  8«. 

Nalbandian,  W.:  Leopold  v.  Rankes  Bildungsjahre  u.  Ge- 
schichtsauffassung.   Leipzig.    Diss.  1901.  42  SS.  8°. 

Naumann,  L.:  Skizzen  u.  Bilder  zu  einer  Heimatsk.  d. 
Kreises  Eckartsberga.    H.  III.  96  SS.  8". 


Litteratur.  397 

Nebelsieck:  Urkundliche  Beiträge  zur  Geschichte  des  Bauern- 
krieges, Mühlhausen  i.  Thür.  betr.  N.  Mitt.  hist-ant.  Forsch.  XXI, 
182—205. 

Noack:  Alte  Grabdenkmäler  auf  Gothaer  Friedhöfen.  Goth. 
Tagebl.  19t)2.  No.  97 ;  auch  Denkmalpflege.  IV.  No.  4. 

Nobbe,  H. :  Luthers  Bergung  auf  der  Wartburg  vom  4.  Mai 
1521  bis  3.  März  1522.  Nach  s.  Briefen  dargestellt.  Wissensch. 
Beil.  der  Leipz.  Ztg.  1902.  No.  27  f.  S.  105—110. 

übernitz,  Gg.  v. :  Verzeichnis  hervorragender  Namen  von 
Gelehrten,  Schriftstellern,  hohem  und  niederem  Adel  aus  einem  großen 
Teil  der  Stammbücher,  welche  auf  der  Großh.  Bibliothek  zu  Weimar 
sich  befinden.    Vierteljahrsschr.  f.  Wappenk.  XXIX,  285 — 389. 

Obser,  K. :  Zu  Wielands  U ebersied elung  nach  Weimar. 
Euphorion.  VIII,  68—72. 

Orgelbau,  Ein,  in  einem  Thür.  Dorfe  1786—1787.  Thür. 
Monatsbl.  X,  3—5. 

Overmann,  A. :  Die  ersten  Jahre  der  preußischen  Herrschaft 
in  Erfurt,  1802 — 1806.  Festschrift  z.  Feier  der  100-jährigen  Zuge- 
hörigkeit Erfurts  zu  Preußen.  Veranlaßt  u.  unterstützt  von  der 
Stadt  Erfurt.  Erfurt,  Keyser'sche  Buchh.,  1902,  VIII  ü.  145  SS.  8°. 

Pabst,  W.:  Die  Sammlung  von  Fußspuren  vorweltlicher 
Tiere  im  Herzogl.  Museum   zu  Gotha.     Goth.  Ztg.   (1901).  No.  252. 

Peter  ,  H.:  Eisenachs  Bewohner  von  1630—1640.  Ein  Namens- 
verzeichnis Eisenach,  H.  Kahle,  1901.  120  SS.  8«.  A.  u.  d.  T.: 
Beitr.  z.  G.  Eisenachs.  X. 

Pfestorf,   K.:   Schnepfenthal.     Thür.   Schulbl.   (1901).   S.  9. 

Picard,  K. :  Ein  altes  Stadtrecht  von  Schlotheim.  N.  Mitt. 
aus  dem  Gebiet  historisch-ant.  Forsch.  XXI  (Halle  1902).  S.  105 
bis  153. 

Pick,  A.:  Faust  in  Erfurt.  Eine  kulturgesch.  Untersuchung. 
Prgr.  d.  Kgl.  G.  in  Meseritz.  O.  1902.  48  SS.  8**. 

Planitz,  G. :  Spalatins  Verzeichnis  der  Pfarreien  in  Sachsen, 
Meißen,  Thüringen  u.  Vogtland.  Nach  einem  Aktenstück  des  S- 
Ernest.  Ges.  Archivs  zu  Weimar.  Beiträge  zur  sächs.  Kirchenge- 
schichte. H.  VI,  1—19. 

E.,  L.:  Marie  Seebach  in  Gotha.  Goth.  Tagebl.  (1901).  No. 219. 

Ha  ab,  C.  v. :  Das  Amt  Plauen  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
und  das  Erbbuch  vom  Jahre  1506.  Beil.  zu  den  Mitt.  des  Alter- 
tumsvereins von  Plauen  i.  V.  15.  Jahresschrift  auf  die  Jahre  1901/1902. 
Plauen  i.  V.,  Neupert,  1902.  332  SS.  8". 

Derselbe:  Die  Beköstigung  der  Fröner.  Mitt.  d.  Aitertumsv. 
zu  Plauen  i.  V.  XV,  30—33. 

Derselbe:  Eine  Urk.  über  Falkenstein  i.  V.  Ebenda.  XV,  34 f. 

Derselbe:  Fürstl.  Nachtlager  in  Plauen  1471 — 1506.  Ebenda 
XV,  41     4.5. 

Derselbe:  Noch  ein  Amtserbbuch  von  Plauen .  Ebenda  XV,  46  f. 

Regesten  des  kl.  Sonnenfeld  v.  1260—1539  in  Cistercienser- 
Chronik.  XIII,  289  ff.,  321  ff.,  358ff.;  XIV,  lOff.,  48  ff.,  78 ff. 

[Reineck,  C.J:  Die  Geschichte  des  Schloßgartens  von  Arn- 
stadt. Arnstädtisches  Nachricht-  und  Intelligenzblatt.  134.  Jahrg. 
No.  109  u.  115  (1902,  Mai  11  u.  18). 

Derselbe:  Bürgergärten  von  Alt-Arnstadt.  Arnstadt.  Nachr.- 
u.  Intelligcnzblatt.  134.  Jahrg.  (1902).  No.  64  u.  70. 

Richter,  G. :   Jena  und  sein  Gymnasium.     Eine   Festrede. 


398  Litteratur. 

Mit  Beilagen.     Jena    und    Leipzig,    0.  Eaßniann   (Doebereinersche 
Buchh.  Nachf.),  1902.  78  SS.  8". 

Derselbe:  Festbericht  [über  das  2ö-jährige  Jubiläum  des 
Gymnasium  zu  Jena].  G.Pr.  Jena,  11)02.  S.  5 — 12. 

ßicbter,  P.  E. :  Zu  den  Beinamen  Hednrichs  d.  Erlauchten. 
NA.  f.  Sachs.  G.  XXIII,  319—320. 

Rodigast,  G. :  Zur  Geschichte  der  Jenaer  Schützengilde. 
Jenaische  Ztg.  Jahrg.  229  (1902).  No.  204  (Beil.),  206,  207,  210  (Beil.). 

Rogge,  Beruh.,  Johann  Friedrich  Kurf.  von  Sachsen  gen. 
der  Großmütige.  Eine  Gedenkschrift  zur  vierhundertjährigen  Wieder- 
kehr seines  Geburtstages.     Halle  a.  S.,   1902.     VIII  u.  125  SS.  8". 

Eoller,  Ü.  C:  Eberhard  von  Fulda  und  seine  Urkunden- 
kopien.    Cassel,  Freyschmidt,  1901.  80  u.  73  SS.  8°. 

Roques,  H.  v. :  Urkundenbuch  des  Klosters  Kaufungen  in 
Hessen.  Im  Auftr.  des  historischen  Vereines  der  Diöcese  Fulda 
bearbeitet  und  hrsg.  IL  Bd.  Cassel,  Kommissionsverl.  von  M.  Siering, 
lp02.  XIII  u.  (ill  SS.  8'\  Nebst  einer  Uebersichtskarte  der  Be- 
sitzungen des  Klosters. 

Rügegerichte,  Die,  Ernsts  d.  Frommen,  Goth,  Tagebl. 
(1901).  No.  290  u.  297. 

Saran,  F.:  Zu  den  Liedern  der  Jenaer  Handschrift.  Beitr. 
z.  G.  der  deutschen  Sprache.  XXVII,  191—199. 

Schenk  zu  Schweinsberg,  G.  Frh. :  Beiträge  zur  alten  G.  von 
Burg  u.  Stadt  Rotenburg  a.  d.  Fulda.  Quartalbl.  des  hist.  V.  f.  d. 
Großh.  Hessen.    N.  F.  Bd.  IJI.  Heft,  5.  1902.  1.  Vierteljahrsheft. 

Schmidt,  E. :  Volkmar  Stoy.  In  Schmidt,  Charakteristiken 
II,  251— 2Ö0_. 

Schmidt,  Fr.:  Das  ausgestorbene  südharz.  Geschlecht  von 
Brücken  in  Brücken  u.  Wallhausen.  Wellers  A.  f.  Stamm-  u. 
Wappenkunde.  III.  Jahrg.  No.  6.  S.  121—123. 

S  c  h  m  i  d  t ,  L. :  Zu  Härtung  Cammermeister.  N.  Mitt.  hist.- 
ant.  Forsch.  XXI,  173—181. 

Derselbe:  Ein  gleichzeitiger  Bericht  über  den  Prinzenraub. 
N.  A.  f.  Sachs.  G.  XXIII,  129-331. 

Schnehen,  W.  v. :  Die  Attacke  der  2.  Schwadron  Cambridge- 
Dragoner  bei  Langensalza.     Milit.-Wochenbl.  (1901).  No.  04. 

Schneider,  M. :  Die  Lehrer  des  Gymnasium  illustre  (1524 
bis  1859).  IL  Teil  (Schluß).     Gotha.  G.Pr.,  1902. 

Schö])pe,    [K.]  :    Privilegium   der  Böttcherinnung  zu  Naum-- 
bürg  a.  S.    N.  Mitt.  hist.-ant.  Forsch.  XXI,  200-208  [Forts,  folgt]. 

Sehornbaum,  K.:  Markgraf  Georg  v.  Brandenburg  u.  die 
sächsisch-hessischen  Bündnisbestrebungen  v.  J.  1528.  Beitr.  z.  bayer. 
Kirchengcsch.  VIII  (1902),  193—212. 

Schrödel,  H.  u.  Möller,  H.:  Ernst  der  Fromme,  Herzog 
zu  Sachsen  -  Gotha  u.  Altenburg,  ein  Pädagog  unter  den  Fürsten. 
Selbstverlag  der  Verfasser. 

Schuchardt,  B. :  Carl  Krügelstein,  Arzt  u.  Physikus  zu 
Ohrdruf  b.  Gotha  (1779—1804)  und  die  Aerzte- Familie  Krügelstein 
überhaupt.  Correspondenz  -  Blätter  des  allg.  ärztl.  Vereins  von 
Thüringen.  XXX  (1901),  374—377  u.  425—432. 

Schüddekopf,  C. :  Herzogin  Anna  Amalia  von  Sachsen- 
Weimar  u.  Abt  Jerusalem.     Braunschw.  Magazin.  1901.  No.  10. 

Schling,  Emil:  Die  evangelischen  Kirchenordnungen  des 
XVI.   Jahrhunderts.    Erste  Abt.    Sachsen    u.   Thüringen   nebst  an- 


Litteratur.  '    399 

grenzenden  Gebieten.  Erste  Hälfte.  Die  Ordnungen  Luthers.  Die 
emestinischen  und  albertinischen  Gebiete.  Leipzig,  Reisland,  1902. 
XXIII  u.  746  SS.  4». 

Sie  b  e  r ,  Ph. :  Die  Forsten  des  regierenden  Fürstenhauses  Reuß 
j.  L.  in  der  Zeit  vom  17.  bis  zum  19.  Jahrh.  Ein  Beitrag  z.  Gesch. 
des  deutschen  Waldes.     Berlin,  J.  Springer,  1902.  171  SS. 

Sorof:  Zwei  Aktenstücke  z.  G.  der  Klosterschule  Roßleben, 
zum  erstenmal  gedruckt.  Görlitz,  1901.  Kloster  S.Pr.  1901,  S.  1 
bis  3.  4«. 

Stieda,  W. :  Ilmenau  u.  Stützerbach,  eine  Erinnerung  an  die 
Goethe-Zeit.    I^ipzig.  H.  Seemann  Nachf.,  1902.  97  SS.  S". 

Strenge,  K.  F.  v.:  Die  Anfänge  der  Dorf-  und  Hufenver- 
fassung in  Thüringen.  Vortrag  in  der  Veriaammlung  der  Vereinigung 
für  (lOthaische  Geschichte  und  Altertumsforschung,  gehalten  am 
7.  Januar  1902.   Friedrichroda,  Druck  von  Schmidt  u.   C.    [1902]. 

OA    C«J      QO 

Thiele,  G.:  Hundert  Jahre  unter  Preußens  Aar.  1802—1902. 
Festschr.  z.  Feier  der  100-jähr.  Zugehörigkeit  des  Landkreises  Mühl- 
hausen i.  Thür.  zur  Krone  Preußen.  Im  Auftr.  des  Kreisaus- 
schusses verf.  Mühlhausen  i.  Thür.  (C.  Albrecht,  19Cß).  VIII  u. 
144  SS.  8".    Mit  7  Tafeln. 

Thi  el  e ,  R. :  Bilder  aus  Thüringens  Sage  und  Geschichte.  Nach 
Konrad  Stolies  Chronik.   Erfurt,  C.  Villaret,  (1902).  II  u.  96  SS.  8«. 

Derselbe:  Die  Schicksale  der  Erfurter  Akademie  nützlicher 
Wissenschaften  nach  der  ersten  Besitznahme  Erfurts  durch  Preußen 
(1802—1803).  Erfurt,  GPr.,  1902.  46  SS.  8«;  s.  a.  unter  Jahrbücher 
der  Kgl.  Ak.  für  Erfurt. 

Trebs,  Emil:  Zur  Deklination  im  Osterländischen.  Zs.  f. 
hochdeutsche  Mundarten,  hrsg.  von  0.  Heilig  u.  Ph.  Lenz.  Bd.  IL 
(Heidelberg,  C.  Winter,  1901).  S.  354-371. 

Trefftz,J.:  Die  branden  burgischeu  Kriegsdienste  des  Herzogs 
Johann  Georg  von  Sachsen-Weimar.  1656 — 1660.  In  Forschungen 
zur  brandenburg.  u.  preußischen  G.  XV,  49 — 71. 

Tümpling,  v. :  Das  Tümplingsche  Fideikommiß-Familien- 
Archiv  auf  dem  Thalstein  bei  Jena  i.  J.  1902.  Korrespondenzbl.  des 
Gesamtvereins.  L  (1902).  No.  5.  S.  79—83. 

Verworn,  M. :  Ein  Fund  von  Thüringer  Brakteaten  des  18. 
Jahrh.    Berliner  Münzbl.  No.  247  f. 

[Voigt,  O.]  Wiprecht  von  Groitsch.  Leipziger  Tagebl.  (1902). 
No.  9. 

Derselbe:  Die  Einäscherung  von  Prießnitz.  Eine  Bchreckens- 
scene  aus  d.  Schlacht  b.  Jena.   Leipz.  Tagebl.  1902.  No.  430.  S.  5870. 

Volksdichter,  Ein  Thüringer  [Berth.  Sigismund].  Thür. 
Monatsbl.   9.  Jahrg.   S.  93—96,  105  ff. 

Weber,  P. :  Was  können  die  Stadtverwaltungen  für  die  Er- 
haltung des  historischen  Charakters  ihrer  Städte  thun?  Vortrag, 
geh.  auf  der  Generalversammlung  des  Thüringischen  Städteverbandes 
am  27.  u.  28.  Juni  1902  zu  Mühlhausen  i.  Thür.  31  SS.  8». 

W  e  n  g  e  n  ,  P"  r.  V.  d. :  Die  Attacke  der  2.  Schwadron  Cambridge- 
Dragoner  b.  Langensalza.    Allg.  Milit.-Ztg.  1901.  No.  7—9  u.  39. 

Derselbe:  Der  letzte  Feldzug  der  hannoverschen  Armee  1866. 
Berlin,  A.  ßath,  1901.  79  SS.  8°.  (Aus  Jahrb.  f.  d.  deutsche  Armee 
u.  Marine.) 

West  rem  zum  Gutacker,  R.  v. :  G.  des  thüringischen  Husaren- 


400  Litteratur. 

Regiments  No.  32.     Berlin,  Eisenschmidt  1901.   VIII  u.  143  SS.  8". 

Wilhelm,  Ottomar:  Tauf-  und  Rufnamen  im  Herzogtum 
Coburg.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Namengebung. 
Prgr.  Coburg.  1902.  33  SS.  4". 

Wintzingerode,  Graf:  Einige  Briefe  des  Großh.  Karl 
Alexander.     Deutsche  Revue.  XXVll,  II,  344-^-350. 

Wittmann,  H. :  Der  Klostersturm  zu  Saalfeld  im  Jahre  1525 
nach  Archivquellen  dargestellt.  Saalfelder  Weihnachtsbüchlein.  XLIX. 
Saalfeld,  Wiedemannsche  Hofbuchdr.,  1902.  24  SS.  8". 

Wolff,  G. :  Vaterstädtisches.  Mühlhäuser  Anz.  106.  Jahrg. 
(1902).  No.  110  u.  111. 

Wünscher,  Harry:  Sagen,  Geschichten  und  Bilder  aus  dem 
Orlagau.  Erstes  ßändchen.  Pößneck  i.  Th.,  Dr.  u.  Verl.  der  Fr. 
Geroldschen  Buchdr.  (E.  Schertling),    1902.    VIII  u.  11(5  SS.  kl.  8". 

X. :  Das  religiöse  Element  in  der  Landesordnung  Herzog  Ernsts 
d.  Frommen.  Em  Beitrag  zur  Charakteristik  des  Gesetzgebers.  Goth. 
Tagebl.  (1901).  No.  138,  140,  142,  i44,  146.  147. 

Zeyß,  A.:  Herzog  Ernst  d.  Fromme.  Thür.  Schulbl.  (1901). 
S.  138. 


Beiträge,  Neue,  zur  Gesch.  deutschen  Altertums.  Hrsg.  von 
dem  Henneberg.  Altertumsf.  V.  in  Meiningen.  16.  Lief.  Meiningen,  Kom- 
missionsverl.  der  Brückner'  u,  Rennerschen  Hofbuchh.  1902.  32  SS. 
8°.  Mit  1  Taf.  u.  1  Karte.  Inh. :  Die  Steiusburg  auf  dem  Kleinen 
Gleichberge  bei  Römhild.    Von  A.  Götze. 

Festschrift  des  Thüringisch-Sächsischen  Geschichtsvereins, 
dem  Vorsitzenden  der  Centraldirektion  der  Monumenta  Germaniae, 
Herrn  Geh.  Oberregierungsrat  Dr.  Ernst  Dümmler,  dargebracht  zur 
Feier  semes  50-jähr.  Doktor-Jubiläums  am  5.  August  1902.  Halle  a.S., 
Ed.  Anton,  1902.  139  SS.  8".  3  M.  Inh.:  Geschichtlicher  Überblick 
über  die  Entwickelung  des  Thüringisch-Sächsischen  Geschichte-  u. 
Altertumsvereins  von  seiner  Stiftung  bis  zur  Gegenwart.  Von  G. 
Hertzberg.  S.  1 — 17.  —  Der  haUische  Universitätskanzler  Johann 
Peter  von  Ludewig.  Von  R.  Brode.  S.  18 — 38.  —  Über  eine  Samm- 
lung Straßburger  Ordnungen  u.  Mandate  von  1518 — 1673  auf  der 
Univ.-Bibliothek  zu  Halle.  Von  M.  Perlbach.  S.  39-84.  —  Die 
Thronkandidatur  Hohenzollern  u.  Graf  Bismarck.  Von  W.  Schnitze. 
S.  85—139.  (Die  Abhandlung  von  W.  Schnitze  auch  als  Sonder- 
abdruck zum  Preise  von  0,80  M.  zugänglich.) 

Festschrift  des  Geschieh ts-  und  Altertumsforschenden  Ver- 
eins zu  Schleiz  zur  Feier  seines  25-jähr.  Bestehens.  Namens  des 
Vereins  hrsg.  von  Archivrat  Dr.  B.  Schmidt.  Schleiz  1902.  194  SS. 
8**.  Inh. :  Die  Herrschaft  Schleiz  bis  zu  ihrem  Anfall  an  das  Haus 
Reuß.  Vom  Herausg.  S.  1 — 115.  —  Zur  Gesch.  der  Stadtkirche 
(St.  Georgen)  zu  Schleiz.  Von  J.  Alberti.  S.  117—136.  —  Adam 
Rathmann.  Ein  Schleizer  Lehrerleben  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
17.  Jahrh.  Von  W.  Böhme.  S.  137—160.  —  20.-25.  Jahresber.  Von 
R.  Viercke.    S.  161—194. 

Geschichtsblätter,  Mühlhäuser.  Zs.  des  Mühlhäuser  Alter- 
tumsvereins.  Jahrg.  III,  1902/1903.  80  SS.  gr.  8«.  Mit  3  Taf.  u. 
65  Holzschnitten.    Inh.:  Königin  Luise  und  die  Stadt  Mühlhausen. 


Litteratur.  *     401 

Ein  Erinnerungsblatt  an  den  Übergang  der  freien  Reichestadt  Mühl- 
hausen an  den  preuß.  Staat.  Von  Geh.  Archivrat  Dr.  G.  Bailleu 
S.  1 — 4.  —  Fortschritte  in  der  Datierung  der  Steinzeit.  Von"  Prof.' 
Dr.  P.  Höfer.  S.  4—7.  —  Neueste  Gräberfunde  b.  Mühlhausen  aus 
der  Bronzezeit.  Von  Lehrer  K.  Seilmann.  S.  7  f.  —  Die  Ministerialen 
u.  Ritter  von  Germar.  Von  Bruno  von  Gerniar.  S.  9—16.  —  Goethe 
in  Mühlhausen.  Von  E.  Schulze.  S.  10.  —  Bau-  u.  Kunstdenk- 
mäler im  Eichsfeld  u.  in  Mühlhausen.  Von  Prof.  Dr.  Ed.  Heyden- 
reich.  S.  17 — 51.  —  Aus  der  Geschichte  des  Marstalles  der  freien 
Reichsstadt  Mühlhausen  i.  Thür.  Von  R,  Zenker.  S.  02 — 54.  — 
Malereien  an  Gebäuden  in  Mühlhausen  u.  am  deutschen  Hause  auf 
der  Pariser  Weltausstellung  1000.  Von  R.  Böhland.  S.  54—57.  — 
Zur  mittelalterl.  Topographie  von  Mühlhausen.  Von  K.  Ausfeld.  S. 
57.  —  Ein  Brief  der  Staclt  Nürnberg  an  die  Stadt  Mühlhausen  i.  Th. 
Von  Nebelsieck.  S.  58  f.  —  Hessische  eiserne  Ofenplatten  im  Mühi- 
häuser  Gewerbemuseum.  Von  Franke.  S.  59  u.  61.  —  Jüdische 
Selbst  Verfluchung  im  Falle  des  Meineids  1712.   Von  Heineck.    S.  61. 

Jahrbucn,  Jenaer.  Mit  Unterstützung  der  Stadt  Jena  hrsg. 
vom  städtischen  Museum.  1.  Jahrg.  Das  Jahr  1901.  Jena,  From- 
mannsche  Hofbuchh.,  1902.  VI  u.  42  SS.  gr.  8".  Inh.:  Jena  im 
Jahre  1901.  Von  E.  Piltz.  S.  1—16.  —  Das  Herzogtum  Sachsen- 
Jena.  Von  E.  Devrient.  S.  17-21.  —  Das  Jenaer  Schloß.  Von 
P.  Weber.  S.  22—38.  —  Die  i.  J.  1901  erschienene  geschichtl.  Litte- 
ratur über  Jena.  S.  39.  —  Jahresbericht  des  städtischen  Museums. 
Von  P.  Weber.     S.  40—42. 

Jahrbücherder  Königlichen  Akademie  gemeinnütziger  Wissen- 
schaften zu  Erfurt.  N.F.  Heft  XXVIH.  Erfurt,  C.  Villaret,  1902. 
135  SS.  8°.  Inh.:  A.  Abb.:  R.  Thiele,  Die  Schicksale  der  Erfurter 
Akademie  nützlicher  (gemeinnütziger)  Wissenschaften  nach  der  ersten 
Besitznahme  Erfurts  durch  Preußen  (1802 — 1803).  Ein  Erinnerungsbl. 
im  Säkularjahr.  S.  1—46  (s.  a.  unter  Thiele).  —  Funck,  Das  römische 
Afrika.  S.  47—63.  —  G.  Oergel,  Der  nationale  Gedanke  im  deutschen 
Humanismus.  S.  65—84.  —  B.  Jahresbericht  der  Akademie.  Von 
Heinzelmann.     S.  85 — 135. 

Mitteilungen  der  Geschichts-  u.  Alterthumsforschenden  Ge- 
sellschaft des  Osterlandes.  1.  Ergänzungsheft:  M.  Geyer,  Verzeichniß 
der  Handschriften  in  dem  Archive  der  Gesellschaft.  Ältenburg,  Hof- 
buchdr.,  1901.     123  SS.  8«. 

Mitteilungen  des  Geschichts-  u.  Altertumsforschenden  Ver- 
eins zu  Eisenberg  i.  H.  S.-Altenburg.  H.  XVII  (Bd.  Jll,  H.  2). 
Eisenberg,  Komm,  von  H.  Geyer,  1902.  72  SS.  8".  Inh. :  Geschichte 
des  Klosters  Lausnitz.  Von  P.  Dietze.  S.  1—63.  —  Zur  Eisenberger 
Propstreihe.  Von  P.  Mitzschke.  S.  64.  —  Petersbergica.  Von  P. 
Mitzschke.  S.  65—67.  —  H.  XVIII  (Bd.  III,  H.  3)  1903.  Inh.: 
Gesch.  des  Klosters  Lausnitz.  Forts.  Von  Pfarrer  P.  Dietze.  S.  1 — 
56.  —  Über  Job.  Gottl.  Heineccius.     Von  Prof.  Dr.  O.  Weise.  S.  57 

-  64.  —  Die  Begründung  der  Pprzellanindustrie  in  Eisenberg.  Von 
Prof.  Dr.  O.  Weise.     S.  65-71. 

Mitteilungen  der  Vereinigung  für  Gothaische  Geschichte 
und  Altertumsforschung.  Jahrg.  1902.  Friedrichroda,  J.  Schmidt  &  Co. 
128  SS.  8".  Inh. :  Tambach  im  Thüringer  Wald.  Unter  Verwertung 
der  Arbeiten  u.  Sammlungen  des  verstorbenen  Rechnungsrates  A. 
Fleischhauer  zusammengestellt  von  F.Hering,  Forstassessor.  S.  1—99. 

—  Die  Anfänge  der  Dorf-  u.  Hufen- Verfassung  in  Thüringen.  Vor- 


402 


Litteratur. 


trag  in  der  Versammlung  der  Ver.  f.  Goth.  G.  u.  A.  gehalten  am 
7.  Jan.  1902  von  K.  F.  v.  Strenge.  S.  100—117.  —  Zur  Geschichte 
des  Gymnasiums  zu  Gotha.  Von  M.  Schneider.  S.  118—122.  — 
Rezens.,  Vereins-Chronik  u.  Neue  heimatkundl.  Litteratur.  S.  123 
—128. 

Mittheilungen  des  Vereins  f.  d.  Geschichte  u.  Alterthums- 
kunde  von  Erfurt.  H.  XXllI.  (Erfurt,  Komm,  bei  H.  Güther,  1902.) 
91  SS.  8".  Inh.:  Schröer,  Der  Erfurter  Todtentanz.  Mit  45  Abb. 
S.  1 — 62.  —  Zschiesche,  Übersicht  über  die  vor-  und  frühg&schicht- 
lichen  Wallburgen  in  Thüringen.    S.  63 — 91. 

Schriften  des  Vereins  für  Sachsen-Meiningische  Geschichte 
u.  Landeskunde.  40.  Heft.  Inh. :  Neue  Landeskunde  des  Herzogt. 
Sachsen -Meiningen,  Heft  3.  Von  Dr.  L.  Hertel.  Hydrographie. 
Mit  2  Karten,  1902,  Hildburghausen,  Kesselringsche  Hofbuchdr., 
1902.  318  SS.  8».  —  41.  Heft.  Inh.:  Die  Grafschaft  Camburg. 
Von  Kirchenrat  Dr.  E.  Eichhorn.  —  42.  Heft.  Inh.:  Ernst  Eitt- 
weger,  weil.  Direktor  des  Gymnasium  Georgianum  zu  Hildburg- 
hausen. Ein  Bild  seines  Lebens  und  Wirkens,  dargestellt  von  seinem 
Sohne  Dr.  Karl  Eittweger  1902.  88  SS.  8». 

0.  Dobenecker. 


Das  Germanische  Museum  zu  Jena. 

Das  Germanische  Museum  zu  Jena  wurde  im  Sommer 
1901  einer  Neuordnung  unterzogen.  Bei  der  neuen  Aufstellung  und 
{jruppierung  wurde  einmal  bezweckt,  eine  fortlaufende,  systematische 
Übersicht  der  Typen  der  vor-  und  frühgeschichtlichen 
Waffen,  Schmucksachen,  Geräte,  Werkzeuge  in  den  einzelnen 
Epochen  der  Vorgeschichte  zu  geben  —  hierzu  wurden  die  Einzel- 
funde und  die  im  Museum  ohne  näheren  Fundbericht  vorhandenen 
Objekte  verwendet  — ,  andererseits  lokal  zusammenhängende  Funde 
auch  lokal  zusammen  aufzustellen.  Schon  im  Verlauf  des  Sommers 
noch  war  es  möglich,  das  Museum  dem  Publikum  zum  Besuch  zu 
öffnen.  Jeden  Freitag  von  2 — 4  und  jeden  ersten  Sonntag  im  Monat 
von  11 — 1  Uhr  können  die  Sammlungen  besichtigt  werden. 

Infolge  der  Eröffnung  des  Museums  wurde  die  Aufmerksam- 
keit wieder  von  neuem  auf  die  reichen  Sammlungen  gelenkt,  die 
Prof.  Klopfleisch  in  den  sechziger,  siebziger  und  achtziger  Jahren 
mit  rastlosem  Eifer  und  großer  Sorgfalt  zusammengebracht  hatte. 
Viele  von  denen,  die  zu  Klopfleisch  in  näherer  Beziehung  ge- 
standen hatten,  wendeten  wieder  ihr  Interesse  dem  Jenaer  Museum 
zu.  So  überraschte  mit  einer  großer  Schenkung  Prof.  Dr. 
Compter  in  Apolda.  Die  sämtlichen  von  ihm  in  der  Lehm- 
grube der  Ziegelei  zu  Nauendorf,  3  km  nordnordöstlich  von 
Apolda,  gemachten  Funde:  neolithische  Waffen  und  Werkzeuge  aus 
Stein  und  Knochen  in  großer  Zahl,  Hüttenbewurfstücke,  Tierreste, 
Urnen  und  Gefäßscherben  einer  bisher  im  Germanischen  Museum 
zu  Jena  noch  nicht  vertretenen  Gattung,  des  Rössener  Typus ,  auf 
Cartons  sorgfältigst  und  wohlgeordnet  aufgezogen,  füllen  jetzt  einen 
großen  Schrank.  Einen  eingehenden  Bericht  über  diese  Funde  hatte 
Compter  1893  in  der  Zeitschrift  f.  Thür.  Gesch.  und  Alt,,  Bd.  XVI, 
S.  391 — 415  gegeben. 

Weitere  Gaben  gingen  ein:  von  Oberlehrer  Quant z  (Geeste- 
münde)  Bernsteinstücke,  unbearbeitet,  aus  der  Umgebung  von 
Geestemünde,  ferner  ein  vollständiges  bei  Thiemsdorf  (Pößneck)  aus- 
gegrabenes slavisches  Skelett  ohne  Beigaben,  vom  Prof.  Verworn 
(Göttingen)  ein  kleiner,  gut  profilierter  Thonbecher,  ein  durchbohrter 
Knochenhammer,  ein  Bruchstück  eines  Löffels  aus  Thon,  sämtlich 
Fundgegenstände  aus  den  Herdgruben  im  Pennickenthal  bei  Wöll- 
nitz,  von  stud.  Stier  eine  bronzene  Nadel,  verbogen,  mit  plattem 
Knopf,  aus  den  Herdgruben  in  Ammerbach,  von  Dr.  G.  Eicnhorn 
(Jena)  eine  Sammlung  von  27  Nachbildungen  vor-  und  frühgeschicht- 
licher Töpferwaren  der  Provinz  Sachsen,  die  unter  der  Aufsicht 
desselben  in  der  Töpferei  von  Franz  Eberstein  in  Bürgel  hergestellt 
sind,   Paradigmata  für  die  Keramik   der  einzelnen  prähistorischen 


404  -A^us  der  Jenaer  Gesellschaft  für  Urgescliichte. 

Epochen  Mitteldeutschlands,  von  Carl  Kunze  (Hirschroda)  Topf- 
scnerben  und  Steingeräte  aus  Hirschrodas  Umgebung. 

Außerdem  wurden  vom  Museum  angekauft  aus  Jenas  Um- 
gebung: Steinbeile,  durchlochte  Steinhämmer,  Steinhacken,  Feuer- 
steingeräte, Topfscherben,  mehrere  ganze  Urnon,  Thonwirtel,  ein 
Bronzekelt,  eine  bronzene  la  T&ne-Fibel,  ein  Knochenhammer  und 
eine  kleine  Sammlung  römischer  Gefäße  und  Bronzen,  aus  Neuß 
bei  Düsseldorf,  Xanten,  Bungen  und  Köln  stammend,  in  Summa  circa 
250  Nummern.  Dr.  G  ustav  Eichhorn. 


Aus  der  Jenaer  Gesellschaft  für  Urgeschichte. 

Am  18.  Februar  1901  wurde  in  Jena  eine  Gesellschaft  für 
Urgeschichte  gegründet,  die  allen  denen,  die  den  verschiedenen 
Gebieten  der  Urgeschichte  wissenschaftliches  Interesse  entgegen- 
bringen oder  an  deren  Erforschung  nach  irgend  einer  Seite  hin  aus- 
übend teilnehmen,  die  Gelegenheit  zu  persönlicher  Aussprache  und 
Anregung  bieten  will.  Hierbei  soll  in  erster  Linie  die  thüringische 
Vor-  und  Frühgeschichte  berücksichtigt,  gleichzeitig  aber  auch,  um 
eine  Isolierung  der  Forschung  zu  verhüten,  auswärtige  Funde  und 
Beobachtungen  mit  zur  Sprache  gebracht  w^erden.  Endlich  wird 
hier  auch  der  reiche  Schatz  prähistorischer  Altertümer,  den  der  ver- 
dienstvolle Prof.  Dr.  Klopfleisch  im  Germanischen  Museum  zu  Jena 
sorgsamst  angesammelt  hat,  und  der  in  neuerer  Zeit  durch  Schenkungen 
und  Ankäufe  vermehrt  worden  ist,  mannigfache  wissenschaftliche 
Verwertung  finden.  Die  Gesellschaft  hat  sich  nur  insoweit  organisiert, 
als  sie  1)  einen  Vorstand  von  3  Mitgliedern  (einen  Vorsitzenden, 
dessen  Stellvertreter  und  einen  Schriftführer)  hat,  der  nach  Ablauf 
jeden  Jahres  in  der  letzten  Sitzung  des  Wintersemesters  gewählt 
wird,  2)  einen  Jahresbeitrag  (1  M.)  für  Bestreitung  der  notwendigsten 
Unkosten  von  jedem  Mitglied  erhebt.  Während  des  Semesters  findet 
jeden  zweiten  Montag  im  Monat  abends  8  Uhr  im  kleinen 
Saal  des  Burgkellers  zu  Jena  eine  Sitzung- statt. 

Für  das  erste  Jahr  wurden  in  den  Vorstand  gewählt: 
Prof.  Dr.  Ferd.  Noack,  Vorsitzender, 
Dr.  O,  Dobenecker,  stellvertretender  Vorsitzender, 
Dr,  Gustav  Eichhorn,  Schriftführer. 
Als  Mitglieder  traten  ein: 
Hofrat  Prof.  Dr.  von  Bardeleben,    Direktor  Dr.  Karl  Konrad  Müller, 
Verlagsbuchhändler  H.  Costenoble,   Realschullehrer  Quantz,  Pößneck, 
Prof,  Dr.  med.  et  phil.  P.  Fraisse,   Prof.  Dr.  O.  Schrader, 
Prol.  Dr.  W.  Keller,  Privatdozent  Dr.  Leonh.  Schnitze, 

Prof.  Dr.  Fr.  Keutgen,  Dr.  Georg  Steinhausen, 

Prof.  Dr.  Alb.  Leitzmann,  Prof.  Dr.  Max  Verwom, 

Prof.  Dr.  Geora;  Mentz,  Prof.  Dr.  Karl  Völlers, 

Prof.  Dr.  Vikt.^  Michels,  Prof.  Dr.  Paul  Weber. 


Aus  der  Jenaer  Gesellschaft  für  Urgeschichte.  405 

I.  Semester. 

In  der  ersten  Sitzung  im  Mürz  gab  Prof.  Vo.rworn  als 
Einleitung  in  die  Arbeiten  der  Gesellschaft  eine  kurze  Übersicht 
über  einige  der  wichtigeren  prähistorischen  Fund- 
orte, die  aus  der  näheren  und  weiteren  Umgebung  Jenas  bekannt 
äeworden  sind:  Taubach,  LindenthaJer  Hyänenhöhle  bei  Gera  aus 
er  paläolithischen  Periode;  Buttstedt,  Klein-llomstedt,  Hirschroda, 
Eckol.stedt  aus  der  neolithischen  Epoche;  Hainichen,  Thierschneck, 
Crölpa  aus  der  Bronzezeit;  Jenzig,  JVIünchenroda,  Flurstedt,  Lieb- 
stedt  aus  der  älteren  Eisenzeit;  Gleisberg,  Pennickenthal,  Thieras- 
dorf  aus  der  vollentwickelten  Eisenzeit;  Weimar  aus  der  Mero- 
winger-Zeit;  Klein-llomstedt,  Caraburg,  Taubach,  Thicmsdorf  aus 
der  Slavischen  Periode.  Bei  Anführung  derselben  wurden  die 
einzelnen  Epochen  der  Vor-  und  Frühgeschichte  kurz  charakterisiert. 
—  Oberlehrer  Quantz  demonstrierte  aus  seiner  Sammlung:  einen 
Bronze-Halsring  mit  petschaftähnlichen  Endknäufen  aus  einem  Skelett- 
grab in  der  Nähe  von  Ranis.  —  Prof.  Schrader  legte  Funde  vor, 
die  auf  dem  Ronneberg  bei  Zingst  unweit  Nebra,  nördlich  der  Finne 
gemacht  worden  sind:  eine  Nadel  und  2  Flachkelte  der  älteren 
Bronzezeit,  ein  bronzenes  steigbügelähnliches  Objekt. 

Sitzung'  im  Mai:  Prof.  Noack  sprach  über  die  Funde  von 
Taub  ach,  die  im  Germanischen  Museum  zu  Jena  aufbewahrt  werden. 
Auf  diese  für  die  Urgeschichte  des  gesamten  Europa  so  wichtige 
Stelle  hatte  Klopfleisch  zuerst  aufmerksam  gemacht.  I)ie  Fund- 
stellen sind  Gruben,  die  auf  Sand  und  Kalkstein  abgebaut  werden. 
In  dem  weichen  diluvialen  Tuffsand  —  4  bis  5  m  unter  dem  heutigen 
Ackerboden  —  liegen  die  von  Menschenhand  zerschlagenen  Knochen 
von  Wisent,  Höhlenbären,  Riesenhirsch  und  Gerätfunde  aus  paläo- 
lithischer  Zeit.  —  Prof.  Keutgen  regte  die  Frage  nach  der  Her- 
kunft der  Bronze  an,  deren  man  sich  in  Deutschland  zur  Bronze- 
zeit beim  Guß  von  Geräten  bedient  hat.  —  Straßenbauverwalter 
Heim  (Camburg)  zeigte  einen  bronzenen  Fingerring,  der  bei  Groß- 
heringen kürzlich  an  einem  freigelegten  Skelette  gefunden  wor- 
den war. 

Im  Juni  fand  in  P>furt  eine  Beratung  der  Kommission  zur 
Herausgabe  einer  archäologischen  Karte  von  Thüringen 
statt.  Die  Jenaer  Gesellschaft  für  Urgeschichte  hatte  eine  Ein- 
ladung zu  derselben  erhalten  und  wurde  dortselbst  vertreten  durch 
Prof.  Noack  und  Dr.  G.  Eichhorn. 

Sitzung  im  Juni:  Dr.  L.  Schulze  besprach  die  vom  Lehrer 
Krämer  aus  Pößneck  vorgelegten  Knochen  und  Zähne  vorgeschicht- 
hcher  Tiere,  die  dem  Pößnecker  Thal,  speciell  der  sogenannten  Kies- 
grube an  der  Aitenburg  entstammen.  Anschließend  hieran  gab 
Prof.  Walther  eine  kurze  Schilderung  der  diluvialen  Fauna  jener 
Gegend.  —  Bibliotheksdirektor  Dr.  K.  K.  Müller  berichtet  über  die 
in  Magdala  unter  seiner  Leitung  vorgenommenen  Ausgrabungen  der 
Burg,  die  bis  dahin  so  weit  vorgerückt  waren,  daß  ein  Grundriß 
der  einstigen  Burganlage  im  großen  und  ganzen  vorgelegt  werden 
konnte. 

Sitzung  im  Juli:  Oberlehrer  Quantz  hielt  einen  Vortrag  über 
die  Steinkammergräber  in  der  Umgebung  von  Geestemünde  an  der 
Hand  einer  Anzahl  selbs^efertigter  Skizzen,  knüpft  daran  an  einige 
Bemerkungen   über  die   Feuersteinbearbeitung  und  über  das  Vor- 


406  -Ä^us  der  Jenaer  Gesellschaft  für  Urgeschichte. 

kommen  des  Bernsteins  im  Blixener  Groden  bei  Geestemünde.  Zum 
Schluß  wurde  hingewiesen  auf  eine  kurze  Abhandlung  von  Möller 
über  Taubach. 

Einer  Einladung  des  Herrn  Lehrer  Möller  in  Weimar  an  die 
Mitglieder  der  Gesellschaft,  den  Ausgrabungen  in  Kalbs- 
rieth  beizuwohnen,  folgte  Dr.  G.  Eichnorn  am  27.  Juli. 

II.  Semester. 

Sitzung  im  November:  Prof.  Fraisse  sprach  über  das  alte 
Goldland  Ophir  und  legte  eine  größere  Anzahl  besonders  interessanter 
Schmuckgegenstände,  Waffen  und  Geräte  vor,  die  in  ihren  Formen 
und  ihrer  primitiven  Herstellung  an  vorgeschichtliche  Fundstücke 
erinnern. 

Sitzung  im  Dezember:  Lehrer  Kr  am  er  (Pößneck)  zeigte 
2  kleinere  Funde  von  prähistorischen  Scherben  vor,  die  bei  Bremen 
gemacht  worden  waren.  —  Prof.  Seh  rader  machte  auf  die  neue 
Fundtafel  zur  Ur-  und  Frühgeschichte  Elsaß-Lothringens  aufmerk- 
sam, die  von  R.  Forrer  bearbeitet  ist.  Die  Anregung,  sämtliche 
bis  jetzt  erschienenen  derartigen  Fundtafeln  für  die  Gesellschaft  zu 
erwerben  und  bei  den  Sitzungen  auszuhängen ,  findet  allgemeine 
Zustimmung.  —  Prof.  Noack  erstattet  Bericht  über  eine  neue  andere 
Pubhkation  Forrers:  Achmimstudien  I:  Ueber  Steinzeithockergräber 
in  Oberägypten  und  europäische  Parallelfunde.  —  Prof.  Weber  ver- 
weist auf  einen  vor  kurzem  erschienenen  Aufsatz  über  das  Salomonische 
Goldland  Ophir,  anknüpfend  an  Fraisses  Vortrag  in  der  vorigen 
Sitzung.  Sodann  schildert  er  in  kurzen  Zügen  die  verschiedenen 
Grundformen  der  bäuerlichen  Hofanlage  innerhalb  des  deutschen 
Sprachgebietes. 

Sitzung  im  Januar  1902 :  Prof.  Noack  referierte  über 
Schlitz:  das  steinzeitliche  Dorf  Großgartach  und  über  neuerdings 
mitgeteilte  Analysen  altbabylonischer  Bronzewerke,  die  ergeben 
haben,  daß  man  anfänglich  das  Kupfer  durch  Beimischung  von 
Arsen  und  Antimon  gehärtet  habe,  Scniüsse,  die  kürzlich  auch  Mon- 
telius  aus  Analysen  nordischer  Bronzen  gezogen  hatte.  Zinnbronze 
ist  eine  jüngere  Erfindung  und  ist  dem  südwestlichen  Asien  zuzu- 
weisen. Von  dort  ist  ihre  Kenntnis  schon  vor  Beginn  des  2.  Jahr- 
tausends V.  Chr.  an  die  Küsten  Südeuropas  gelangt.  Hier  hat  sich 
im  zweiten  vorchristlichen  Jahrtausend  die  große  bronzezeitliche 
Kultur  entwickelt,  die  man  die  mykenische  zu  nennen  pflegt.  Im 
Hinblick  auf  die  Bedeutung  neuerer  und  neuester  klassischer  archäo- 
logischer I'orschung  für  die  nordische  Urgeschichte  gab  Prof. 
Noack  in  dieser  und  der  folgenden  Februar-Sitzung  eineu  Über- 
blick über  die  bis  jetzt  gewonnene  Kenntnis  der  mykenischen  Kultur. 
Statutengemäß  wurde  in  der  Februarsitzung,  der  letzten  im 
ersten  Geschäftsjahr,  1)  der  Kassenbericht  vom  Schriftführer  Dr. 
G.  Eichhorn  gegeben;  2)  der  Vorstand  neugewählt.  Es  werden 
wiedergewählt  Prof.  Noack  als  erster  Vorsitzender,  Dr.  G.  Eich- 
horn als  Schriftführer;  an  Stelle  von  Prof .  Dr.  Dobenecker,  der,  mit 
anderen  Arbeiten  überlastet,  eine  Wiederwahl  abgelehnt  hatte,  wird 
Prof.  Mentz  zweiter  Vorsitzender.  Als  Mitglieder  wurden  im  Ver- 
lauf des  ersten  Jahres  in  die  Gesellschaft  neu  aufgenommen : 
Kramer,  Lehrer,  Pößneck,  Heim,  Straßenbauverw.,  Camburg. 

Wiedemann,    Kommerzienrat    in   Dr.  Eichter,   Geh.  Hofrat,  Gym- 
Apolda,  nasialdirektor,  Jena. 


Aus  der  Jenaer  Gesellschaft  für  Urgeschichte.  407 

Matthes,  Lehrer,  Wenigenjena,       Freiberg,  Kantor,  Magdala, 
Dr.  Walthcr,  Professor,  Jena.  Dr.  Graf,  Arzt,  Jena, 

Dr.Hercher,  Gymnasialprof.,Jena,   Eichhorn,  Pfarrer,  Taupadel, 
Dr.  Dinger.  Privatdozent,  Jena,      Dr.  Schmidt,  Professor,  Jena, 
Dr.  Gutzmer,  Professor,  Jena,         Dr.  Florschütz,  Arzt,  Gotha, 
Matthes,  Apotheker,  Jena,  Cand.  phil.  Becker,  Jena. 

Es  zählt  die  Gesellschaft  am  Schluß  des  ersten  Geschäftsjahres 
somit  35  Mitglieder.  —  Bei  seinem  Weggang  von  Jena  nach  Göt- 
tingen wurde  Prof.  Dr.  Verworn,  der  eigenthche  Begründer 
der  Gesellschaft,  zum  Ehren mi  t  gl ied  ernannt.  Unser  Mitghed 
Dr.  Steinhausen  verzog  nach  Kassel,  Oberlehrer  Quantz  von  Pößneck 
nach  Geestemünde. 

III.  Semester. 

In  der  Mürz-Sitzung,  der  ersten  im  neuen  Geschäftsjahr,  bean- 
tragte Prof.  Mentz  an  seiner  statt  als  stellvertretenden  Vorsitzenden 
der  Gesellschaft  Herrn  Prof.  Dr.  Schmidt  zu  wählen.    Es  geschah, 

Prof.  Schrader  behandelte  sodann  die  Frage:  Wer  waren 
die  Träger  der  mykenischen  Kultur?  und  kommt  zu  dem  Resultat, 
daß  die  mykenische  Kultur  ein  älteres  Stadium  der  homerischen 
darstelle,  aus  dem  sich  diese  kulturhistorisch  folgerichtig  entwickelt 
habe,  und  kein  stichhaltiger  Grund  angeführt  werden  könne,  der 
den  Griechen  die  mykenische  Kultur  abspreche. 

Eine  außerordentliche  Sitzung  hielt  die  Gesellschaft,  im  April 
ab,  da  das  Ehrenmitglied  derselben,  Prof.  Verworn,  aus  Göt- 
tingen gekommen  und  der  Gesellschaft  über  seine  im  vorigen  Jahre 
auf  italienischem  Boden :  in  der  Nähe  des  kleinen,  im  alten  Picenum 
gelegenen  Dörfchen  Belmonte  unternommenen  ergiebigen  und  inter- 
essanten Ausgrabungen  Bericht  erstatten  wollte.  Verworn  schickte 
der  Demonstration  seiner  eigenen  Fundgegenstände  zunächst  einen 
Vortrag  voraus  über  die   erste  Eisenzeit  an   den  Küsten   der  Adria. 

In  der  Mai-Sitzung  legte  Lehrer  Kram  er  (Pößneck)  die  un- 
längst bei  Schlettwein  gemachten  prähistorischen  Fundgegenstände 
vor  und  gab  einen  näheren  Bericht  über  die  Fundumstände.  Beim 
Einebenen  eines  2  m  hohen,  3  m  im  Durchmesser  haltenden  Hügels 
auf  dem  sogenannten  Lämmerberg  bei  Schlettwein  stießen  die  Ar- 
beiter auf  eme  schwarze  Erdschicht  und  eine  große  Zahl  mensch- 
licher Knochen.  Unter  umsichtiger  Aufsicht  des  Ortspfarrers  wurden 
gerettet:  4 — 5  menschliche  Skelette,  die  mit  dem  Gesicht  nach 
Westen  schauend  beerdigt  worden  waren,  ohne  jede  Steinumsetzung, 
ein  bronzener  Halsring,  dünn,  mit  Haken-  und  Ösen  Verschluß,  ein 
bronzener  Halsring  mit  3  kleineren  angeschnürten  bronzenen  Ringen, 
mehrere  Unterarmringe  mit  je  3  Wülsten  vom  späten  Hallstatt- 
typus. —  Von  der  Gesellschaft  eingeladen,  gab  Herr  Lehrer  Möl  1  er 
(Weimar)  Bericht  über  die  von  ihm  im  Juli  und  August  vorigen 
Jahres  methodisch  durchgeführte,  höchst  ergebnisreiche  Ausgrabung 
des  einen  Hügels  bei  Kalbsrieth  im  Unstrutthal.  Der  5  m  hohe, 
weithin  sichtbare  Grabhügel  barg  weit  über  100  Bestattungen  aus 
den  verschiedensten  vorgeschichthchen  Epochen.  Als  besonders 
interessant  war  zu  nennen  das  wohlerhaltene  Steinkistengrab,  zeit- 
lich der  neolithischen  Periode  angehörend,  mit  einem  Hockerskelett, 
einem  Schnurbecher,  Feuersteinbeil,  einer  Kugelamphora  und  weiteren 
3  verzierten  Gefäßen,  einer  Doppelnadel  aus  &iochen,  einer  einfachen 
Knochennadel,  3  Eberzähnen. 


408  ^U8  der  Jenaer  Gesellschaft  für  Urgeschichte. 

An  der  VIII.  am  1.  Juni  in  Erfurt  abgehaltenen  Ver- 
sammlung der  an  der  Herstellung  einer  archäologischen  Karte 
von  Thüringen  beteiligten  Vereine  nahm  als  Gast  die  Jenaer  Gesell- 
schaft, vertreten  durch  Dr.  G.  Eichhorn,  teil. 

In  der  Juni-Sitzung'  der  Gesellschaft  wurUen  2  Photographien 
einer  Herdgrube  vorgelegt,  die  Prof.  Verworn  am  Hainberg  bei 
Göttingen  aufgenommen  hatte.  Die  sehr  zahlreichen  keramischen 
Reste  weisen  auf  die  Zeit  der  Völkerwanderung.  —  Aus  der  neuer- 
schienenen Fachlitteratur  referiert  Prof.  No  a  c  k  über  die  neolithische 
Station  Jablanica  in  Serbien  und  legt  vor:  die  vorgeschichtlichen 
Altertümer  der  Provinz  Sachsen  mit  Klopfleischs  epochemachender 
Abhandlung  über  die  steinzeitliche  Keramik. 

Der  an  die  Gesellschaft  ergangenen  Einladung  zur  Feier  des 
50-jährigen  Stiftungsfestes  des  Vereins  für  Thür.  Gesch.  u.  Alt.  zu 
Jena,  am  21.  und  22.  Juni,  leistete  eine  große  Zahl  der  Mitglieder 
Folge. 

In  der  Juli-Sitzung^  sprach  Prof.  Walther  über  die  megahthi- 
schen  Grabdenkmäler,  die  er  auf  seiner  Reise  durch  Nord f rankreich 
besucht  hatte.  Im  Anschluß  daran  gab  Prof.  Schmidt  eine  Über- 
sicht über  die  Verbreitung  und  Anlage  der  megalithischen  Grab- 
denkmäler überhaupt.  —  Lehrer  Möller  (Weimar)  beendete  seinen 
Bericht  über  Kalbsrieth  und  erörterte  eingehend  die  Keramik  des 
stein  zeitlichen  Kistengrabes,  besonders  das  Vorkommen  der  Kugel- 
amphora. 

Während  des  Sommersemesters  traten  neu  in  die  Gesellschaft  ein : 
Justizrat  Lommer,  Orlamünde,  Stabsarzt  Dr.  Schultes,  Jena. 

Dr.  Gustav  Eichhorn. 


Frommannsche  Buchdruckerei  (Hermann  Fohle)  in  Jena  —  2377 


I. 

Bericht 

über  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes 

des    Vereins   für    Thüringische   Geschichte    und 

Altertumskunde. 

Von 

0.  Dobenecker. 

Am  2.  Januar  1902  waren  50  Jahre  verflossen,  seitdem 
in  einer  konstituierenden  Versammlung  unter  dem  Vorsitze 
des  Professors  Dr.  Michelsen  in  Jena  der  Verein  für 
Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  ins  Leben 
gerufen  worden  war.  Der  Vorstand  hielt  es  für  eine  Pflicht 
der  Pietät,  durch  eine  einfache  und  würdige  Feier  die  Er- 
innerung an  das  Wirken  jener  Männer,  die  als  Gründer, 
Leiter  und  Mitarbeiter  den  Zwecken  des  Vereins  im  Ver- 
laufe eines  halben  Säkulums  gedient  haben,  wach  zu  rufen. 
Die  Ungunst  der  Jahreszeit  gestattete  jedoch  nicht,  den 
wirklichen  Stiftungstag  zu  begehen ;  darum  wurde  beschlossen, 
die  Feier  mit  der  Hauptversammlung  der  Thüringischen 
Historischen  Kommission  und  des  Vereins,  die  im  Sommer 
1902  abzuhalten  war,  zu  verbinden. 

Auf  die  Einladung  des  Vorstandes  versammelten  sich 
bereits  am  21.  Juni  abends  7  Uhr  die  Mitglieder  der 
Kommission  zu  einer  Tagung,  um  später  an  einer  zwang- 
losen Vereinigung  der  Gäste  und  einer  Anzahl  von  Vereins- 
mitgliedern aus  Jena  teilzunehmen. 

In  der  Kommissionssitzung  waren  vertreten:  das 
Staatsarchiv  zu  Weimar  durch  Herrn  Geh.  Hofrat  Dr.  Burk- 
hardt,    das    Gemeinschaftliche   Hennebergische    Archiv    zu 

1 


II     Bericht  über  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes. 

Meiningen  durch  Herrn  Professor  E,  Koch,  der  Verein  zu 
Roda  S.-A.  durch  Herrn  Kirchenrat  D.  Lobe,  der  Verein 
zu  Eisenberg  S.-A.  durch  Herrn  Pastor  Lobe,  der  Verein 
zu  Hohenleuben  durch  Herrn  Oberlehrer  Auerbach,  die 
wissenschaftliche  Abteilung  des  Thüringer  Waldvereins 
durch  Herrn  Archivrat  Dr.  Mitschke,  die  Thüringische  Hi- 
storische Kommission  und  der  Verein  für  Thüringische  Ge- 
schichte durch  die  Herren  Prof  Dr.  Rosenthal,  Prof.  Dr. 
Dobenecker,  Prof.  Dr.  Keutgen,  Prof.  Dr.  Michels,  Prof.  Dr. 
Mentz,  Dr.  Stoy  und  Geh.  Justizrat  Unger.  Vertreten  waren 
zugleich  die  Hauptpflegschaften  Weimar,  Apolda,  West- 
kreis S.-A.,  Gera  und  Hohenleuben. 

Verhandelt  wurde  der  Reihe  nach  über  die  Weiter- 
führung der  Edition  der  Ernestinischen  Landtagsakten,  deren 
1.  Band  vorgelegt  wurde,  über  Publikationen  zur  thürin- 
gischen Wirtschaftsgeschichte,  von  denen  als  1.  Band  das 
Werk  Stiedas  über  die  Porzellanfabrikation  auf  dem 
Thüringer  Walde  erschienen  ist,  über  die  Arbeiten  an  den 
Stadtrechten  von  Eisenach  und  Saalfeld,  über  die  be- 
antragte Unterstützung  des  Druckes  der  Saalfelder  Chronik 
von  Caspar  Sagittarius,  über  die  Vorarbeiten  zur  Ver- 
öffentlichung von  Archivalien  zur  neueren  Geschichte 
Thüringens,  besonders  über  Abfassung  einer  Biographie 
Ernsts  des  Frommen,  eines  Urkundenbuchs  für  die  Ge- 
schichte der  Universität  Jena  und  einer  im  wesentlichen 
darauf  beruhenden  Geschichte  der  Universität,  desgleichen 
eventuell  einer  Publikation  über  Wilhelm  IV.  von  Weimar. 
Weitere  Mitteilungen  betrafen  die  Organisation  der  Kom- 
mission, deren  Sekretariat  Herr  Professor  Dr.  Mentz  über- 
nommen hat,  nachdem  es  seit  der  Begründung  der  Kom- 
mission Prof.  Dr.  Dobenecker  geführt,  wegen  Überbürdung 
aber  im  Mai  1902  niedergelegt  hatte;  ferner  die  Inven- 
tarisation  kleinerer  Archive,  die  Grundkartenfrage  und  die 
früher  beantragte  Edition  der  Matrikel  der  Universität  Jena. 
Anträge  waren  gestellt,  bezw.  erneuert  worden  über  Ab- 
fassung   einer    Bibliographie    zur    Geschichte    Thüringens, 


Bericht  über  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes.       UJ 

über  Herstellung  von  Stadtplänen  im  Maßstabe  1 :  2000  und 
über  Bearbeitung  einer  Erziehungsgeschichte  der  Emestiner, 

Am  Sonntag  den  22.  Juni  trafen  von  nah  und  fern 
Gäste  ein,  um  an  der  Feier  teilzunehmen.  Den  Festteil- 
nehmern waren  von  9^/3  Uhr  das  ethnographische,  das  ger- 
manische und  das  städtische  Museum  sowie  die  Universitäts- 
bibliothek zur  Besichtigung  geöffnet.  Unter  Führung  der 
Vorsteher  dieser  Sammlungen,  der  Herren  Professoren 
Dove,  Noack  und  Weber,  und  des  Herrn  Direktor  Dr. 
Müller  nahmen  viele  Mitglieder  des  Vereins  die  in  liebens- 
würdigster Weise  gebotene  Gelegenheit  wahr,  die  reichen 
Schätze  der  Museen  und  der  Bibliothek  zu  besichtigen. 

Um  11^/4  Uhr  wurde  in  den  akademischen  Rosen- 
sälen, wo  sich  die  Vertreter  der  Regierung,  der  Universität, 
der  Stadt,  mehrerer  auswärtiger  gelehrter  Gesellschaften 
und  eine  stattliche  Anzahl  von  Mitgliedern  und  Gästen  ver- 
sammelt hatten,  von  dem  Vorsitzenden,  Herrn  Prof.  Dr. 
Ed.  Rosenthal,  die  Versammlung  eröffnet,  indem  er  zuerst  des 
schweren  Verlustes  gedachte,  den  das  Gesamthaus  Wettin  und 
das  ganze  deutsche  Vaterland  durch  das  Hinscheiden  Sr. 
Majestät    des  Königs  Albrecht   von  Sachsen    erlitten    hatte. 

Hierauf  übermittelte  im  Auftrage  Sr.  Königlichen  Hoheit 
des  Großherzogs  S.  Excellenz  Herr  Staatsminister  Rothe  die 
Glückwünsche  und  Grüße  des  Landesherrn.  Der  Großher- 
zog, so  führte  er  aus,  werde  das  warme  Interesse  und  die 
Teilnahme,  die  er  fortgesetzt  der  Thätigkeit  des  Vereins 
zugewendet  habe,  auch  weiterhin  bekunden  und  sich  die 
Förderung  seiner  Ziele  stetig  angelegen  sein  lassen.  Auch 
seitens  des  Großh.  Ministeriums  überbrachte  Excellenz  Rothe 
herzliche  Glückwünsche  zu  der  Jubelfeier  und  die  Zusicherung 
fortgesetzter  wohlwollender  Anteilnahme.  Wie  ein  deutscher 
Eichbaum  im  Schatten  des  Waldes  wachse  und  sich  ent- 
falte, so  sei  auch  der  Verein  für  Thüringische  Geschichte  im 
Schatten  der  Jenaer  Universität  während  eines  halben  Jahr- 
hunderts gesegneter  Thätigkeit,  durchdrungen  von  der  Freude 
an  der  Wissenschaft  und  der  Liebe  zur  Heimat,  unter  der  Mit- 

1* 


IV       Bericht  über  die  Feier  des  fünfzigjälirigeii  Stiftungsfestes. 

Wirkung  hervorragender  Männer  emporgediehen.  —  Auf  die  An- 
sprache des  Ministers  erwiderte  der  Vorsitzende  dankend ; 
er  betonte,  daß  der  Verein  wohl  wisse,  was  er  der  verständnis- 
vollen Förderung  der  Regierung  zu  verdanken  habe. 

Hierauf  sprach  im  Namen  der  Jenaer  Universität  der 
Prorektor  Herr  Geh,  Hofrat  Prof.  Dr.  Goetz.  Er  wies  auf  die 
enge  Fühlung  hin,  die  die  Universität  mit  dem  Verein  ge- 
halten habe.  Glänzende  Namen  seien  mit  beider  Geschichte 
verknüpft,  er  erinnere  nur  an  das  Dreigestirn  Seebeck  — 
Muther  —  Lipsius.  Er  dankte  für  die  wissenschaftliche 
Unterstützung,  die  der  Universität  durch  den  Verein  zu  teil 
geworden  sei,  und  wünschte,  daß  auch  in  der  Zukunft  die 
Thätigkeit  des  Vereins  einen  so  wesentlichen  Kulturbeitrag 
bedeuten  werde  wie  bisher,  und  daß  der  Verein  sein  hundert- 
jähriges Stiftungsfest  mit  den  gleichen  Gefühlen  der  Be- 
friedigung über  das  Erreichte  werde  feiern  können.  In 
seiner  Antwort  dankte  Herr  Prof.  Rosenthal  für  diese  Worte. 
Die  Universität  und  der  Verein  seien  in  der  That  Ge- 
schwister, die  zusammengehören.  Er  teilte  mit,  daß  der 
Verein  beschlossen  habe,  zu  dem  in  6  Jahren  zu  feiernden 
350-jährigen  Jubiläum  der  Universität  Jena  eine  Geschichte 
der  Universität  zu  verfassen.  Die  Vorarbeiten  seien  be- 
gonnen worden,  und  man  dürfe  die  Fertigstellung  dieses 
Werkes  bis  zu  diesem  Tage  wohl  erwarten.  Noch  ein  zweites 
Werk  werde  seitens  des  Vereins  in  Angriff  genommen ; 
nämlich  das  Urkundenbuch  für  die  Universität  Jena,  das 
für    die  Universitätsgeschichte    die  Grundlage   bilden   solle. 

Im  Namen  der  Stadt  Jena  begrüßte  sodann  Herr  Ober- 
bürgermeister Singer  den  Verein.  Mit  Recht,  führte  er  aus, 
habe  man  früher  der  Stadtverwaltung  den  Vorwurf  machen 
können,  daß  sie  lange  Zeit  dem  Verein  wenig  Teilnahme 
geschenkt  habe.  Erst  in  den  letzten  Jahren  sei  dieä  besser 
geworden;  Beweis  dafür  sei,  daß  die  Stadt  mit  einem 
Jahresbeiträge  dem  Verein  beigetreten  sei.  Der  Geschichte 
der  Heimat  hätten  die  städtischen  Behörden  ein  größeres 
Interesse  seit  einiger  Zeit  entgegengebracht  und  im  stillen 
Denkmäler    der    Vergangenheit    gesammelt.      In    wenigen 


Bericht  über  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes.      V 

Monaten  werde  das  städtische  Museum,  in  dem  diese  Zeugen 
der  Vergangenheit  Jenas  untergebracht  würden,  seine  Räume 
öffnen.  Auch  sei  ihnen  in  dem  neuen  Universitätsgebäude 
ein  würdiger  Platz  gesichert.  Vor  der  Öffentlichkeit  spreche 
er  die  Hoffnung  aus,  daß  die  Behörden  sich  von  diesem 
Wege  nicht  wieder  abdrängen  lassen  würden.  Zum  Beweis 
der  guten  Absicht  verkünde  er,  daß  der  Gemeinderat  ein- 
stimmig 1500  Mark  zu  den  Kosten  des  2.  Bandes  des 
Urkundenbuches  der  Stadt  Jena  zur  Verfügung  gestellt  habe. 

Der  Vorsitzende  sprach  den  wärmsten  Dank  des 
Vereins  für  das  großherzige  Geschenk,  sowie  für  die  Be- 
thätigung  echt  wissenschaftlicher  Gesinnung  aus,  indem  er 
an  die  Worte  des  Nationalökonomen  Lorenz  von  Stein  er- 
innerte, daß  nur  durch  ein  Zusammenwirken  von  Organi- 
sationen, von  Staat  und  Kommunen  die  Kultur  dauernd  ge- 
fördert werden  könne. 

Der  sich  anschließende  Vortrag  des  Vorsitzenden  über  die 
Geschichte  des  Vereins  und  der  Vortrag  des  Herrn  Dr.  St.  Stoy 
über  Ernst  den  Frommen,  die  mit  großem  Beifall  aufgenommen 
wurden,  werden  weiter  unten  zum  Abdruck  gebracht. 

Nach  der  Festsitzung  versammelten  sich  die  meisten 
Teilnehmer  zum  Festmahl  im   „Schwarzen  Bären". 

Als  Ehrengäste  konnte  der  Verein  in  seiner  Mitte 
begrüßen  S.  Exe.  Herrn  Staatsminister  Rothe ,  den  Pro- 
rektor und  den  Kurator  der  Universität,  den  Oberbürger- 
meister und  den  Vorsitzenden  des  Gemeinderates,  auch  Ihre 
Excellenzen  Herr  Staatsminister  a.  D.  von  Strenge  und 
Gemahlin  beehrten  die  Feier  mit  ihrer  Gegenwart.  Als 
Vertreter  der  Erfurter  Akademie  und  des  Vereins  für  die 
Geschichte  und  Altertumskunde  zu  Erfurt  nahm  Herr 
Pfarrer  Oergel,  als  Vertreter  des  Vereins  zu  Kahla  Herr 
Justizrat  Lommer  und  als  Vertreter  der  Stadt  Mühlhausen 
i.  Th.  Herr  Erster  Bürgermeister  Trenckmann  teil.  Von 
den  beiden  ältesten  Mitgliedern  des  Vereins,  Herrn  Geh. 
Justizrat  Schwanitz,  der  an  der  Festversammlung  in  den 
Rosensälen  teilgenommen  hatte ,  und  Herrn  Geh.  Hofrat 
Archivdirektor  Burkhardt,    war  der  letztere    zugegen ;    erst 


YI      Bericht  über  die  Feier  des  fünfzig] ährigen  Stiftungsfestes. 

nachträglich  wurde  bekannt,  daß  er  gerade  am  22.  Juni  1852 
dem  Vereine  beigetreten  ist. 

Eine  große  Anzahl  von  Toasten  würzte  das  Mahl.  Herr 
Prof.  Rosenthal  brachte  ein  Hoch  auf  S.  Maj.  den  Kaiser 
und  auf  die  thüringischen  Fürsten,  die  Protektoren  des 
Vereins ,  aus ;  Prof.  Dobenecker  begrüßte  die  Gäste,  ins- 
besondere S.  Exe.  Herrn  Staatsminister  Rothe,  S.  Magni- 
ficenz  Herrn  Prorektor  Geh.  Hofrat  Dr.  Goetz  und  Herrn 
Oberbürgermeister  Singer.  Dann  sprach  S.  Exe.  Herr 
Staatsminister  Rothe  auf  den  Vorstand  des  Vereins,  dessen 
Verdiensten  um  die  Wissenschaft  er  warme  Anerkennung 
zollte.  Es  folgte  ein  Toast  von  Herrn  Prof.  Mentz  auf 
die  Damen,  Herr  Oberbürgermeister  Singer  gedachte  der 
Universität  Jena^  S.  Magnificenz  der  Herr  Prorektor  Geh. 
Hofrat  Prof.  Goetz  erwiderte  als  Vertreter  der  Universität 
und  feierte  dann  den  Verein  als  historische  Klasse  der  Jenenser 
Akademie  der  Wissenschaften.  Herr  Geh.  Staatsrat  Egge- 
ling  brachte  ein  Hoch  auf  die  Stadt  Jena  aus,  und  Herr 
Prof.  Thümmel  feierte  den  Festredner  Herrn  Privatdocent 
Dr.  Stoy.  Während  der  Tafel  wurden  Huldigungstelegramme 
an  die  thüringischen  Fürsten  abgesandt,  die  dem  Verein 
ihre  Protektion  zu  teil  werden  lassen.  Danktelegramme 
sind  darauf  von  den  Herzögen  von  Altenburg  und  von 
Meiningen,  von  dem  Erbprinzen  von  Hohenlohe-Langenburg, 
dem  Regenten  von  Sachsen-Coburg  und  Gotha,  und  von 
den  Fürsten  von  Rudolstadt,  von  Sondershausen  und  von 
Reuß  j.  L.  eingelaufen.  Wir  bringen  als  das  ausführlichste 
hier  das  Telegramm  des  Regenten  Hohenlohe  zum  Abdruck : 

Langenburg,  Württemberg. 
Dem  Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde spreche  ich  für  die  freundliche  Begrüßung 
herzlichsten  Dank  aus  und  verbinde  damit  aufrichtigste 
Glückwünsche  zur  schönen  Jubiläumsfeier.  Die  Pflege 
vaterländischer  Geschichte  schätze  ich  als  ein  wichtiges 
Mittel,  im  Volke  die  Liebe  zur  Heimat  zu  wecken,  sehr 
hoch  und  wünsche  dem  Verein  von  Herzen  auch  für  die 
Zukunft  Gedeihen  seiner  edlen  Bestrebungen. 

Erbprinz  Hohenlohe. 


Bericht  über  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes.      VII 

Herr  Bibliotheksdirektor  Dr.  Müller  berichtete  über 
die  Glückwünsche,  die  dem  Verein  anläßlich  seines  Jubiläums 
gesandt  worden  waren.  Glückwunschschreiben  sind  einge- 
laufen von  den  Ministerien  zu  'Meiningen,  zu  Gotha,  zu 
Gera,  zu  Greiz  und  zu  Sondershausen,  von  dem  Fürstl. 
Reußischen  Staatsminister  Exe.  Engelhardt,  von  dem  Landes- 
hauptmann der  Provinz  Sachsen,  von  dem  Ehrenmitglied 
des  Vereins,  Herrn  Geh.  Hofrat  Prof.  Schäfer  in  Heidelberg, 
von  der  Stadt  Sondershausen,  von  Frau  Geheimrat  Wegele 
in  Würzburg,  ferner  von  dem  Verwaltungsausschuß  des 
Gesamtvereins  der  Deutschen  Geschichts-  und  Altertums- 
vereine, von  dem  Mühlhäuser  Altertumsverein,  von  dem 
Fuldaer  Geschichtsverein,  von  dem  Historischen  Verein  für 
Unterfranken  und  AschafFenburg ,  von  dem  Historischen 
Verein  zu  Mittelfranken,  von  der  Königl.  Sachs.  Kommission 
für  Geschichte,  vom  Königl.  Sachs.  Altertumsverein,  vom 
Museum  für  Völkerkunde  in  Leipzig,  von  der  schlesischen 
Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur,  vom  Architekten- 
und  Ingenieurverein  zu  Hannover,  vom  Altertumsverein  der 
Stadt  Worms,  der  Königl.  Böhmischen  Gesellschaft  der 
Wissenschaften,  vom  nordböhmischen  Exkursionsklub,  vom 
Verein  zur  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen,  von  der 
Direktion  des  Schweizerischen  Landesmuseums  in  Zürich, 
vom  Institut  national  genevois  und  vom  Institut  arch^o- 
logique  liögeois.  Auf  telegraphischem  Wege  sandten  ihre 
Glückwünsche  der  Verein  für  Geschichte  und  Altertums- 
kunde zu  E,oda,  die  Vereinigung  für  Gothaische  Geschichte 
der  Hennebergische  altertumsforschende  Verein,  der  Thüringer 
Wald-Verein,  der  Mansfelder  Geschichtsverein,  der  Ober- 
hessische Geschichtsverein,  der  Historische  Verein  für  Nieder- 
sachsen, der  für  Oberbayern,  der  Sudetengebirgsverein, 
die  Gesellschaft  für  lothringische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde, die  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und 
Schulgescbichte,  der  Verein  Herold,  das  Germanische 
Nationalmuseum  in  Nürnberg,  der  Verein  für  die  Geschichte 
der  Stadt  Nürnberg,  die  Oberlausitzische  Gesellschaft  der 
Wissenschaften,  der  Historische  Verein  der  Pfalz,  der  Alter- 


YIII       Bericlit  über  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes. 

tumsforschende  Verein  für  Ronneburg,  der  Geschicbts-  und 
Altertumsforschende  Verein  zu  Leisnig,  die  Staatswissen- 
schaftliche Gesellschaft  und  die  Fuchsturmgesellschaft  zu 
Jena,  die  Gelehrte  estnische  Gesellschaft  zu  Dorpat,  der 
Altertumsverein  zu  Wien,  die  Gesellschaft  für  Salzburger 
Landeskunde,  die  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des 
Protestantismus  in  Osterreich  „aus  dem  Asylland  vieler 
thüringischer  Geistlicher",  die  Reale  Accademia  dei  Lincei 
zu  Rom  und  die  Pinische  Litteraturgesellschaft  zu  Helsing- 
fors.  Eine  kunstvolle  Adresse  hatte  der  Harzverein  seinem 
thüringischen  Bruderverein  gewidmet.  Durch  Vertreter 
hatten  überdies  ihre  Glückwünsche  aussprechen  lassen : 
der  Geschichts-  und  Altertumsforschende  Verein  zu  Eisen- 
berg S.-A.,  der  Vogtländische  Altertumsforschende  Verein 
zu  Holienleuben,  der  Thüringer  Archivtag  und  die  Wissen- 
schaftliche Vereinigung  zu  Apolda.  Auch  eine  Anzahl  der 
Mitglieder  des  Vereins,  die  an  der  Eeier  nicht  teilnehmen 
konnten,  gratulierten  ihm  in  Briefen  und  Telegrammen,  so  die 
Herren  S.  Exe.  Departementschef  von  Wurmb  in  Weimar, 
Oberlehrer  Dr.  E.  AnemüUer  in  Detmold,  Kammerherr  von 
Ebart  in  Gotha,  Prof.  Dr.  Kühn  in  Eisenach,  Archivrat  Dr. 
W.  Lippert  in  Dresden,  Dr.  G.  Neuenbahn,  der  sich  in  Wies- 
baden befand,  Realschuloberlehrer  Quantz  in  Geestemünde, 
Oberlehrer  Dr.  P.  Regel  in  Gotha,  Legationsrat  von  Tümpling 
auf  Thalstein  und  Prof  Dr.  K.  Wenck  in  Marburg. 

Ein  gemeinsamer  Spaziergang  nach  dem  Forst  schloß 
sich  an  das  Festmahl  an,  und  eine  kleine  Anzahl  der  Teil- 
nehmer vereinigte  sich  schließlich  am  Abend  noch  in  der 
„Sonne",  um  hier  den  Abgang  der  letzten  Züge  abzuwarten. 

Wir  können  den  Bericht  nicht  schließen,  ohne  allen, 
die  sich  um  das  Zustandekommen  des  Festes  bemüht,  und 
allen,  die  bei  dem  Jubiläum  ihr  Interesse  für  die  Be- 
strebungen des  Vereins  bewiesen  haben,  herzlichst  zu  danken. 


II. 

Die  fünfzigjährige  Wirl(samkeit   des  Vereins   für 

Thüringische  Geschichte  und  Altertumsl(unde. 

Vortrag,    gehalten   am    Stiftungsfeste    des  Vereins    den 
22.  Juni  1902  in  den  akademischen  Rosensälen  zu  Jena. 

Von 
dem  Vorsitzenden  Prof.  Dr.  Ed.  Rosenthal. 

Hochansehnliche  Versammlung ! 

Wenn  nach  Zeiten  politischer  Erregung  eine  Epoche 
die  Ruhe  eingetreten  ist,  erscheint  der  Boden  für  ge- 
schichtliche Betrachtung  und  Versenkung  in  die  Vergangen- 
heit besonders  günstig.  Nach  den  bewegten  Jahren  der 
Befreiungskriege  hat  so  der  Freiherr  von  Stein  1819  die 
Gesellschaft  für  deutsche  Geschichtskunde  gegründet,  die 
die  Herausgabe  der  Monumenta  Germania  historica  ins  Werk 
setzte.  So  ist  in  der  Ruhe  nach  dem  Sturme  der  Be- 
wegung von  1848/49,  in  welcher  der  Versuch  der  Gründung 
des  deutschen  Staates  gescheitert  war,  der  Verein  für 
Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  ins  Leben 
gerufen  worden. 

Die  unmittelbare  Anregung  zur  Gründung  unseres 
Vereins  ging  aus  von  dem  Archäologen  Bernhard  Stark, 
dem  Gliede  einer  mit  der  Geschichte  unserer  Hochschule 
eng  verbundenen  Professorenfamilie,  nachdem  frühere 
Anregungen  zu  keinem  greifbaren  Ergebnisse  geführt 
hatten. 

Am  1.  November  1851  lud  Stark  die  Professoren 
Droysen  (Historiker),  Göttling  (klass.  Philologe),  H.  Rückert 


X  Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

(germanist.  Philologe),  Michelsen  (Jurist),  Schwarz  (Theologe), 
und  Wegele  (Historiker)  für  den  folgenden  Tag  zu  einer 
Besprechung  über  „eine  Vereinigung  der  eipzelnen  Kräfte  zu- 
nächst auf  hiesiger  Universität,  dann  im  Bereiche  Thüringens 
selbst  zu  einem  Historischen  oder  Altertumsforschenden  Ver- 
eine, in  naher,  aber  selbständiger  Verbindung  mit  dem  in 
Halle  bereits  bestehenden".  Diese  7  Herren  verschickten  i), 
nachdem  sie  sich  über  einen  Statutenentwurf  geeinigt 
hatten,  eine  von  Droysen  verfaßte  gedruckte  Einladung  zum 
Beitritt.  „Schon  mehrfach",  so  spricht  sich  diese  über  die 
Aufgaben  des  Vereins  aus,  „ist  der  Wunsch  ausgesprochen 
worden,  daß  auch  in  den  thüringischen  Landen  ein  Verein 
entstehen  möchte,  der  es  sich  zur  Aufgabe  macht,  die  Ge- 
schichte derselben  zu  erforschen,  die  vorhandenen  Reste 
des  Altertums  zu  erhalten ,  Urkunden ,  Chroniken ,  Über- 
lieferungen zu  sammeln,  aus  den  gewonnenen  Materialien 
besonders  Wichtiges  zu  veröffentlichen". 

Die  Anregung  fiel  auf  einen  fruchtbaren  Boden.  Denn 
wenn  auch  außer  dem  erwähnten  thüringisch- sächsischen 
Verein  für  die  Erforschung  des  vaterländischen  Altertums 
zu  Halle,  der  mehr  ein  sächsischer  2)  geblieben  war,  schon 
die  Geschichts-  und  Altertumsforschende  Gesellschaft  des 
Osterlandes  zu  Altenburg,  der  Vogtländische  Altertums- 
forschende Verein  zu  Hohenleuben  und  der  Hennebergische 
Geschichtsverein  zu  Meiningen  bestand,  so  hatte  dieser 
seine  Thätigkeit  einem  fränkischen  Landesgebiet  zu  widmen, 
während  jene  bestimmungsgemäß  ihre  Aufgabe  in  der  Er- 
forschung der  Geschichte  eines  kleinen  Bezirks  Thüringens 
erblickten.  So  kann  man  nur  staunen,  daß,  nachdem  in  so 
vielen    deutschen  Gauen   bereits  Geschichtsvereine  eine  er- 


1)  Einen  „Bericht  über  die  Stiftung  des  Vereins  für  Thüring. 
Geschichte  und  Altertmnskunde"  aus  der  Feder  Kückerts,  nebst  den 
Statuten  des  Vereins,  Namensverzeichnis  der  Mitglieder  und  Ver- 
zeichnis der  an  den  Verein  eingegangenen  Geschenke  enthält  Bd.  1 
Heft  1  der  Zeitschrift  des  Vereins,  Jena,  Friedrich  Frommann,  1852. 

2)  Vergl.  Bericht,  S.  5  f. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XI 

folgreiche  Thätigkeit  entfalteten,  Gesamtthüringen  noch 
immer  eines  Mittelpunktes  für  die  Förderung  seiner  landes- 
geschichtlichen Studien  entbehrte ;  Thüringen ,  das  Herz 
Deutschlands,  mit  seiner  reichen  und  wechselvollen  Ge- 
schichte, die  so  innig  verflochten  war  mit  der  Geschichte 
des  Gesamtvaterlandes. 

Weithin  leuchtende  Glanzpunkte  im  deutschen  Geistes- 
leben der  Vergangenheit  sind  es,  die  auf  thüringischem 
Boden  in  die  Erscheinung  treten.  Hier  erblühte  des  Minne- 
sangs Frühling.  An  dem  gastfreien  Hof  des  kunstsinnigen 
Landgrafen  Hermann ,  den  schon  Heinrich  von  Veldeke 
in  seiner  Eneide  als  einen  Freund  deutscher  Dichtung 
rühmte,  ließen  Wolfram  von  Eschenbach,  der  größte  deutsche 
Dichter  des  Mittelalters,  und  Walter  von  der  Vogelweide 
ihre  unvergänglichen  Weisen  ertönen.  In  Hermanns  Auf- 
trag schrieb  Herbort  von  Fritzlar  seinen  Trojanerkrieg  und 
Wolfram  seinen  Willehalm  i).  Dann  ist  wiederum  im 
16.  Jahrh.  die  Wartburg  die  Stätte,  wo  Luther  das  erfolg- 
reiche Werk  der  Bibelübersetzung  unternahm ,  und  die 
Reformation,  jene  gewaltige  religiöse  und  geistige  Bewegung, 
die  eine  neue  Zeit  einleitete,  hat  hier  ihre  Ursprungsstätte. 
Und  um  die  Wende  des  18.  und  19.  Jahrhunderts  ver- 
sammelt Karl  August  am  Weimarer  Musenhof  die  Heroen 
deutscher  Dichtkunst,  deren  Ruhm  die  civilisierte  Mensch- 
heit bis  in  die  fernsten  Tage  durchleuchten  wird.  In 
unserem  Jena  erschlossen  in  dieser  Epoche  Fichte,  Schelling, 
Hegel  der  Weltweisheit  neue  Bahnen. 

Es  fällt  auf,  daß  man  nicht  schon  längst  auch  hier 
den  Versuch  gemacht  hat,  durch  Zusammenfassung  der 
interessierten  Kreise  den  Schauplatz  all  dieser  gewaltigen 
Geistesthaten  und  so  vieler  bedeutsamer  politischer  Er- 
eignisse, die  sich  auf  diesem  landschaftlichen  Hinter- 
grunde    abspielten ,     geschichtlich    zu     ergründen.      Denn 


1)  Vergl.  Scherer,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur,  Berlin 
1Ö83,  S.  195. 


XII  Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

Fr.  Böhm  er  hatte  schon  1844  geklagt,  daß  „leider  gerade 
in  Thüringen  die  Kenntnis  der  Landesgeschichte  und  die  Teil- 
nahme für  dieselbe  sogar  erloschen  sei  i)".  Ein  Mittelpunkt 
für  die  Erforschung  der  Vergangenheit  Thüringens  war 
gerade  hier  anzustreben,  wo  die  staatsbildende  Kraft 
in  ihrer  überreichen  Entfaltung  eine  größere  staatliche 
Zersplitterung  als  in  anderen  Grauen  Deutschlands  erzeugt, 
bis  in  unsere  Tage  erhalten  hatte  und  hier  keine  gemein- 
same Centralgewalt  auch  den  leitenden  Mittelpunkt  für 
diese  Studien  darbot,  wie  dies  in  anderen  größeren  deutschen 
Staaten  der  Fall  war. 

Die  konstituierende  Versammlung  des  Vereins  fand  am 
2.  Jan.  1852  im  Saale  des  Bürgervereins  unter  dem  Vor- 
sitze des  Rechtshistorikers  Michelsen  statt.  Über  die 
wissenschaftlichen  Aufgaben  des  Vereins  verbreitete  sich 
in  einem  eindrucksvollen  Vortrage  Prof.  Rückert,  ein  Sohn 
des  Dichters. 

Es  war  selbstverständlich,  daß  man  zum  Sitze  des 
Landesvereins  Jena  mit  seiner  ernestinischen  Gesamt- 
universität erwählte,  an  der  eine  Reihe  von  Gelehrten 
wirkte,  welche  die  Erforschung  des  geschichtlichen  Lebens 
Thüringens  in  seinen  verschiedensten  Kulturgebieten  am 
besten  zu  leiten  in  der  Lage  waren.  Zugleich  bestimmten 
aber  die  Statuten,  die  in  der  konstituierenden  Versammlung 
zur  Annahme  gelangten,  daß  die  jährliche  Generalver- 
sammlung abwechselnd  an  einem  Orte  Thüringens  abgehalten 
werden  solle.  So  konnte  das  Interesse  für  die  Vereinsbe- 
strebungen durch  Anknüpfung  und  Auffrischung  persönlicher 
Beziehungen  in  den  verschiedensten  Teilen  Thüringens  ge- 
weckt und  gefördert  werden.  Bei  der  Bildung  des  Vor- 
standes und  Ausschusses  durch  die  konstituierende  General- 


1)  Vergl.  Dobenecker,  Die  Bedeutung  der  Thüringischen  Ge- 
schichte und  der  gegenwärtige  Stand  ihrer  Erforschimg  (1886),  in 
Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüringiscse  Geschichte,  N.  F.  Bd.  5, 
S.  167. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.         '  XIII 

Versammlung  wurden  gewählt  zum  Vorsitzenden  der  Kurator 
der  Universität,  Staatsrat  Seebeck,  zu  dessen  Stellver- 
treter Prof.  Michelsen ,  zum  Sekretär  Prof.  Rückert,  zum 
Kassierer  Buchhändler  Frommann,  zu  Mitgliedern  des  Aus- 
schusses die  Historiker  Droysen,  und  Wegele,  der  National- 
ökonom Fischer,  der  Philologe  Göttling,  der  Theologe 
Schwarz,  der  Archäologe  B.  Stark,  sämtliche  Lehrer  unserer 
Hochschule.  Die  Wahl  Seebecks  zum  ersten  Vorsitzenden 
des  Vereins  muß  als  ein  besonders  glücklicher  GriflF  ge- 
priesen werden.  Noch  im  Oktober  des  Gründungsjahres 
trat  an  Stelle  des  nach  Breslau  berufenen  Rückert  Prof. 
von  Lilienkron  in  den  Ausschuß  ein. 

Zum  Ehrenmitglied  des  Vereins  wurde  der  damalige 
Erbgroßherzog  von  S.-Weimar  Carl  Alexander  gewählt. 

So  waren  hier  zu  gemeinsamem  Wirken  verbunden 
Wegele,  der  künftige  Geschichtsschreiber  der  deutschen 
Historiographie,  und  Lilienkron,  die  dereinst  berufen  wurden 
zur  Leitung  des  großen  nationalen  Unternehmens,  der  All- 
gemeinen Deutschen  Biographie,  das  die  Historische  Kom- 
mission bei  der  Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften 
ins  Leben  rief  und  an  dessen  Spitze  heute  noch  der  greise 
Stiftsprobst  von  Lilienkron  steht. 

Der  Verein  stellte  sich  durch  seine  Statuten  unter  den 
Schutz  aller  thüringischen  Landesfürsten  ^).  Zu  korrespon- 
dierenden Mitgliedern  werden  40  auswärtige  Gelehrte  2)  er- 
nannt, darunter  die  ersten  Namen  wie  Jakob  und  Wilhelm 
Grimm,  Moritz  Raumer,  Sybel,  Dahlmann,  Perthes,  Arndt, 
Pertz,  Böhmer,  General  von  Radowitz. 

Die  Aufgabe,  die  sich  der  Verein  bei  seiner  Gründung 
stellte,  war  die,  „durch  Sammlung  und  wissenschaftliche 
Benutzung     der    heimischen     Denkmäler     die     Geschichte 


1)  Vereinsstatut,  1852,  §  2. 

2)  Die  Namen  derselben  sind  abgedruckt  in  der  Vereinszeit- 
schrift, Bd.  1,  8.  201. 


XIV  I^iö  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

Thüringens  in    allen  seinen  früheren  und  jetzigen  Bestand- 
teilen allseitig  zu  erforschen  und  zu  erweitern"  ^). 

Um  diese  Aufgabe  zu  erfüllen,  war  die  Bildung  von 
Sektionen  ^)  für  die  einzelnen  Zweige  der  Vereinsthätigkeit 
(Geschichte,  Landeskunde,  Sprachkunde,  Rechtsquellen, 
Altertumskunde)  ins  Auge  gefaßt,  indem  der  Ausschuß  in 
Verbindung  mit  einzelnen  sachverständigen  Vereinsmit- 
gliedern diese  Zweige  des  geschichtlichen  Lebens  pflegen 
sollte. 

Schon  in  der  ersten  Sitzung  (15.  Jan.  1852)  schritt 
der  Gesamtausschuß  zur  Organisation  von  Sektionen  und 
beauftragte  folgende  Herren  mit  der  Bildung  derselben.  Prof. 
Fischer  mit  der  Bildung  der  Sektion  für  Landeskunde  und 
Statistik,  Stark  mit  der  für  Kunstaltertümer,  Michelsen  für 
Rechtsaltertümer,  Droysen  mit  der  für  neuere  Geschichte, 
Wegele  mit  der  für  mittlere  Geschichte,  Schwarz  für 
Kirchengeschichte  und  E,ückert  für  die  Sprache  und  Littera- 
tur.  Nach  dem  Weggang  Rückerts  trat  Prof.  von  Lilien- 
kron  an  seine  Stelle.  Ein  solcher  Organisationsplan  ging 
doch  wohl  etwas  zu  sehr  ins  Große  und  die  immerhin 
nicht  sehr  zahlreichen  zur  Verwendung  stehenden  persön- 
lichen Kräfte  und  die  Beschränktheit  der  finanziellen  Mittel 
gestatteten  nicht  eine  gleichzeitige  gedeihliche  Wirksamkeit 
auf  diesen  verschiedenen  Gebieten.  Es  waren  doch  nur 
einige  Sektionen,  in  denen  sich  eine  lebendige  Sorgsamkeit 
entfaltete.  In  der  „Zeitschrift  des  Vereins",  von  der  jetzt. 
die  staatliche  Reihe  von  20  Bänden  abgeschlossen  vor- 
liegen, fanden  die  verschiedensten  Seiten  des  Kulturlebens 
der  Vergangenheit  eine  ertragsreiche  Pflege.  Wenn  man 
sich  den  reichen  Inhalt  dieser  Jahrgänge,  die  erstaunliche 
Vielseitigkeit  der  erörterten  Materien  vergegenwärtigt,  dann 
muß  man  bei  objektiver  Beurteilung  zugestehen,  daß  in 
ihnen  nicht  nur  eine  wesentliche  Erweiterung  unserer  Kennt- 


1)  Vereinsstatut,  1852,  §  2. 

2)  Daselbst  §  10. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XV 

nis  des  politischen  Lebens,  daß  Quellenkunde,  Kirchen-, 
Litteratur-,  Rechts-  und  Kulturgeschichte  Thüringens  durch 
diese  Veröffentlichungen  eine  ganz  bedeutende  Erweiterung 
erfahren.  Einzelne  Spezialuntersuchungen  hellen  nicht  nur 
das  Dunkel,  das  die  Geschichte  einzelner  Ortschaften  und 
Bezirke  umgab,  auf,  sondern  setzen  durch  ihre  Ergebnisse 
Institutionen  der  Vergangenheit  in  helle  Beleuchtung  und 
bieten  wichtige  Beiträge  zur  Gesamtgeschichte  Thüringens  und 
Deutschlands.  Eine  für  unsere  Stadt  und  Universität  be- 
deutungsvolle Angelegenheit  wurde  durch  die  Zeitschrift  des 
Vereins  in  Fluß  gebracht.  Schon  im  ersten  Jahre  beschloß  der 
Vorstand  die  Aufforderung  zur  Errichtung  eines  Denkmals  des 
Kurfürsten  Johann  Friedrich,  des  Stifters  unserer  Universität, 
zu  erlassen.  An  die  Spitze  des  gegründeten  Denkmalver- 
eins trat  der  Vorsitzende  des  Vereins,  Seebeck,  der  dann 
auch  bei  der  1858  erfolgenden  Enthüllung  die  Festrede 
hielt.  Dank  der  Arbeitskraft  Michelsens  war  es  dem  Verein 
möglich,  neben  den  ersten  Heften  der  Zeitschrift  auch  noch 
im  ersten  Jahre  mit  einer  Herausgabe  von  Quellenpublikation 
hervorzutreten.  Michelsen  legte  schon  im  August  1852 
die  erste  Lieferung  der  Rechtsdenkmale  aus  Thüringen  vor, 
die  die  bisher  ungedruckten  Stadtrechte  von  Arnstadt  ent- 
halten, deren  Inhalt  germanistisch  zum  Teil  bedeutend 
war,  mit  einer  Staats-  und  rechtsgeschichtlichen  Einleitung. 
Von  diesen  Rechtsdenkmalen  erschienen  im  Ganzen  5  Liefer- 
ungen. Michelsen  hat  sich  aber  nicht  darauf  beschränkt, 
die  ihm,  dem  Rechtshistoriker,  nahe  liegenden  Rechtsdenk- 
mäler zu  edieren,  sondern  vorläufig  auch  die  Herausgabe 
des  thüringischen  Urkundenbuchs  übernommen,  von  dem 
allerdings  nur  eine  Lieferung,  die  Urkunden  des  Klosters 
Capelle,  erschienen  ist.  Seiner  energischen  Thätigkeit  im 
Dienste  der  Vereinsaufgaben,  denen  sich  die  Mitarbeit  eines 
Wegele  und  Lilienkron  und  anderer  tüchtiger  Forscher 
würdig  anschloß,  ist  wohl  das  günstige  Urteil  zu  danken, 
das  den  Leistungen  des  Vereins  nach  2^/2  jährigem  Be- 
steben zu  teil  geworden  ist. 


XVI  I^iß  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

In  einem  Aufsatze  der  Augsburger  Allgemeinen  Zeitung 
(1864)1)  heißt  es:  „Es  ist  bereits  von  sachverständigen 
Männern  ausgesprochen  worden,  daß  wohl  kein  ähnlicher 
Verein  seine  Aufgabe  so  scharf  und  treffend  sich  gestellt 
und  so  energisch  und  getreu  ausführt". 

Es  ging  ein  großer,  nicht  am  kleinen  haftender  Zug 
durch  die  Leitung  des  Vereins,  trotz  der  Kärglichkeit  der 
zur  Verfügung  stehenden  Mittel.  Gleich  in  einer  der 
«rsten  Ausschußsitzungen  2)  fand  so  ein  Vorschlag  des  Präsi- 
diums Annahme,  in  den  künftigen  Heften  der  Vereins- 
zeitschrift möglichst  Gleichartiges  zu  vereinigen  nach 
Maßgabe  der  bereits  gebildeten  Sektionen  und  dabei 
sich  nicht  zu  ängstlich  an  die  vorrätigen  Kassenmittel  zu 
binden". 

Ein  hoffnungsfroher  Optimismus,  eine  ideale  Begeister- 
ung für  die  Sache  führte  die  in  Jena  so  glücklich  ver- 
einten Kräfte  zu  schönen  Erfolgen,  denen,  wie  wir  gesehen, 
die  Anerkennung  nicht  versagt  blieb.  Aber,  wenn  auch 
fast  alle  Mitarbeiter  auf  jegliches  Honorar  verzichteten, 
die  Druckkosten  für  die  wissenschaftlichen  Unternehmungen 
wollten  doch  bezahlt  sein.  Der  geringe  Jahresbeitrag  der 
Mitglieder  von  1  Thaler,  der  auch  heute  nach  50  Jahren 
trotz  der  starken  Steigerung  der  Setzerlöhne  und  Papierpreise, 
auf  der  gleichen  Höhe  sich  erhalten  hat,  kam  nicht  in  Be- 
tracht, da  den  Mitgliedern  die  Zeitschrift  unentgeltlich  ge- 
liefert wurde.  Der  Verein  war  gezwungen  Schulden  zu 
machen  und  das  Tempo  seiner  Publikationen  zu  verlang- 
samen. Die  Gefahr  war  nahe  gerückt,  daß  die  dringendste 
Aufgabe  des  Vereins,  die  Herausgabe  der  thüringischen 
Geschichtsquellen,  deren  1.  Band,  die  Reinhardsbrunner 
Annalen  von  Wegele  nahezu  beendigt  war,  nicht  zur  Aus- 
führung gelangen  konnte,    wenn  nicht  neue  Geldquellen  er- 


1)  Abgedruckt    in   der   Gothaischen  Zeitung   vom    8.  August 
1854  Nr.  184. 

2)  14.  Juni  1852. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XVII 

schlössen  wurden.  Ebensowenig  durfte  man  auf  eine  Fest- 
setzung und  Beendigung  des  Planes  hoffen,  durch  Bear- 
beitung aller  noch  vorhandenen  alten  Landeschroniken  für 
eine  quellenmäßige  Darstellung  der  thüringischen  Geschichte 
eine  ganz  sichere  Grundlage  zu  gewinnen  ^). 

Seebeck  wandte  sich,  um  eine  Stockung  in  den  litte- 
rarischen Unternehmungen  zu  verhüten,  im  Frühjahr  1854 
an  die  Fürsten  und  Minister  der  thüringischen  Staaten  *), 
legte  mit  staunenswerter  Unermüdlichkeit  offen  und  mann- 
haft die  Schwierigkeiten  und  die  Bedeutung  der  Unter- 
nehmungen dar,  und  erbat  von  den  Protektoren  Unter- 
stützung, denn  er  glaubte  davon  überzeugt  sein  zu  dürfen, 
„daß  es  für  die  thüringischen  Staaten  und  deren  erhabene 
Fürstenhäuser  ein  recht  wesentliches  Interesse  habe,  ihre 
ältere  Geschichte,  die  noch  vielfaches  Dunkel  decke,  mit 
Hilfe  wissenschaftlicher  Forschung  in  jeder  politischen, 
rechtlichen  und  kulturgeschichtlichen  Hinsicht  möglichst 
erhellt  zu  sehen"  3).  Die  Bittgesuche  hatten  Erfolg,  die 
Fürstlichkeiten  machten  Zuwendungen  in  der  Höhe  von 
3  Louisdor  bis  100  Thaler.  Es  waren  mehrere  hundert 
Thaler  auf  diesem  Wege  dem  Verein  zugeflossen,  und  die 
Schulden  waren  1857  fast  ganz  gedeckt.  So  konnte  1857 
der  Kassierer*)  Frommann  dem  Vorsitzenden  melden;  „Unsere 
Finanzen  stehen  gut,  da  wir  im  vorigen  Jahr  wenig  ver- 
druckt haben ,  und  an  außerordentlichen  Zuschüssen 
50  Thaler  von  der  Großfürstin,  50  Thal  er  vom  Herzoge  vom 
Altenburg  in  die  Kasse  geflossen  sind".     Die  Zukunft    der 


1)  Eingabe  Seebecks  an  verschiedene  Minister  thüringischer 
Staaten  vom  1.  April  1854.  Vergl.  auch  G.  Richter,  Moritz  See- 
beck in  Zeitschrift  des  Vereins  N.  F.  V.  S.  75. 

2)  Eine  überzeugend  begründete  Eingabe  Seebecks  an  den 
weimarischen  Minister  von  Watzdorf  4.  Mai  1857  bei  den  Akten  des 
Vereins.    Auszüge  aus  dieser  bei  G.  Richter  a.  a.  O. 

8)    G.  Richter,  a.  a.  O.,  S.  76. 

4)  Aschermittwoch  (Akten,  Herausgabe  des  U.B.  betr.  I)  Der 
Kassenbestand  betrug  an  diesem  Tage  4ö4  Thaler  4  Groschen. 

2 


XVIII  I^iß  fünfzigjälirige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

Publikationen  war  aber  hierdurcli  nicht  sicher  gestellt. 
Und  wieder  war  es  Seebeck  i),  dessen  eindrucksvollen  und 
energischen  Bemühungen  es  gelang,  durch  Vermittlung  des 
Staatsministers  von  Watzdorf  von  der  Großherzogin  Groß- 
fürstin Maria  Paulowna  eine  Unterstützung  von  500  Thaler 
zu  erwirken  (1857).  Diese  hochherzige  Gabe  der  fürst- 
lichen Frau  ermöglichte  die  Herausgabe  der  von  Lilienkron 
bearbeiteten  Chronik  des  Joh.  E.ohde.  Von  Schulden  nicht 
mehr  bedrückt  war  das  Schiff  des  Vereins  wieder  flott  ge- 
macht und  konnte  von  der  sicheren  Hand  eines  thatkräftigen 
und  intelligenten  Steuermanns  gelenkt  wieder  einige  Jahre 
ruhig  seine  Bahn  weiter  segeln. 

1861  (15.  Mai)  legte  Seebeck  den  Vorsitz  im  Verein 
nieder  ;  er  hatte  schon  früher  erklärt,  daß  er  nur  bis  zum 
Abschlüsse  der  Bearbeitung  der  Geschichtsquellen  und  der 
Rechtsdenkmale  das  mitunter  dornenvolle  Amt  weiter  führen 
werde.  Daß  er  seinem  Nachfolger  eine  wohlgefüllte  Kasse, 
einen  Barvorrat  von  427  Thalern  ^)  hinterlassen  konnte,, 
war  sein  Verdienst  und  das  des  Buchhändlers  Frommann  3), 
der  selbst  in  seiner  Person  den  Zusammenhang  mit  einer 
großen  Vergangenheit  verkörpernd  erfolgreich  die  Geschäfte 
des  Vereins  als  Verleger  besorgte  und  als  Kassierer  dessen 
Vermögen  verwaltete  und  dem  Verein  oft  mit  Vorschüssen 
unter  die  Arme  griff.  Nach  Seebecks  Austritt  aus  dem 
Vorstand  ging  das  Präsidium,  nachdem  der  2.  Vorsitzende 
Mich  eisen  der   auch   die  Herausgabe    der  Vereinszeitschrift' 


1)  a.  a.  O.,  S.  77  f. 

2)  In  der  Vorstandssitzung  v.  30.  Okt.  1862  teilte  der  Vor- 
sitzende Michelsen  mit,  daß  die  finanziellen  Verhältnisse  des  Ver- 
eins nie  so  günstig  beschaffen  gewesen  als  in  den  Jahren  1861  imd 
1862,  indem  1861  der  Kassebestand  761  Thaler  betragen  habe  und 
nach  Abzug  der  erwachsenen  Kosten  in  das  Jahr  1862  ein  Baar- 
vorrat  von  427  Thalern  mit  den  eingegangenen  Beiträgen  herüber 
genommen  worden  sei,  so  daß  nach  Abzug  der  neu  entstandenen 
Kosten  circa  300  Thaler  Baarbestand  bleiben  werden  (Protokolle). 

3)  Über  ihn  vergl.  Erich  Schmidt,  Charakteristiken.  1.  Reihe 
2.  A.    Berlin.  1902,  S.  316  f. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XIX 

besorgte,  dasselbe  1  ^g  Jahr  geführt  hatte,  auf  diesen- über 
(30.  Okt.  1862) ;  zum  2.  Vorsitzenden  wurde  später  From- 
mann  gewählt  (10.  Okt.  18G3).  Schon  Ende  1863  schied 
Michelsen,  der  zum  1.  Vorstand  des  Germanischen  Museums 
in  Nürnberg  ernannt  worden  war,  aus  dieser  Stellung. 
Mit  ihm  ist  so  ziemlich  die  erste  arbeitsfrische  und 
ertragsreiche  Epoche  der  Geschichte  unseres  Vereins  zu 
Ende. 

Als  (am  20.  Juni)  1864  Klopfleisch  die  Öffnung  eines  Grab- 
hügels bei  Nerkewitz  auf  Kosten  des  Vereins  beantragte,  er- 
klärte Frommann  dies  für  unbedenklich,  „da  der  Verein  jetzt 
Geld  hat  und  sonst  wenig  Thätigkeit  entwickelt",  eine  höchst 
charakteristische  Äußerung.  Jetzt  war  der  Kreis  jener 
emsigen  Arbeitsgenossen  mit  Lilienkron  und  B.  Stark,  der 
nach  Heidelberg  übergesiedelt  war,  —  auch  der  verdienst- 
volle Wegele  war  schon  1857  einem  Rufe  nach  Würzburg 
gefolgt,  —  die  sich  mit  Begeisterung  der  Erforschung  der 
Thüringischen  Geschichte  geweiht,  in  alle  Winde  zerstreut. 
Die  Arbeit  ruhte  doch  fast  ausschließlich  auf  den  Schultern 
der  Jenenser  im  Ausschusse,  der,  wie  Seebeck  berechnet, 
„in  seiner  Arbeit  eigentlich  nur  vom  Hofrat  Preller  in 
Weimar  und  vom  Hofrat  Funkhänel  und  vom  Prof.  Rein 
in  Eisenach  sich  einer  mitfördemden  Hülfe  erfreute", 
Adolf  Schmidts  wissenschaftliches  Interesse,  der  dem  Aus- 
schusse mit  Klopfleisch  1861  beigetreten  war,  lag  auf  einem 
andern  Felde.  1865  wurde  kein  Jahresbeitrag  erhjoben,  da 
kein  Heft  der  Zeitschrift  ausgegeben  worden,  obwohl 
(17.  Okt.  1864)  eine  Redaktionskommission  gewählt  worden 
war.  1867  (18.  Januar)  lief  bei  Prof.  Hermann  eine  An- 
regung des  Archivrats  Dr.  Burkhardt  ein  zur  Herausgabe 
bezw.  Fortsetzung  des  Codex  Thuringiae  diplomaticus.  In 
einer  Konferenz  (20.  Febr.  1867)  wurde  der  Plan  zwischen 
beiden  dahin  vereinbart,  daß  der  Codex  Thuringiae  dipl.  in 
4  Hauptabteilungen  erscheinen  solle: 

1)  Urkunden  des  landgräflichen  Hauses  und  des  Landes, 

2)  Urkunden  der  geistlichen  Stiftungen, 


XX  I^iß  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

3)  Urkunden  der  Städte  und  Ortschaften, 

4)  Urkunden  thüringischer  Eamilien  (Grafen  von  Orla- 
münde,  von  Tautenburg  etc.)  be^w.  Urkunden  ver- 
mischten Inhalts. 

Der  Verein  für  Thüringische  Geschichte  sollte  das 
Werk  in  seinem  Namen  herausgeben  und  das  Verlagsrecht 
erhalten.  Die  Edition  der  Urkunden  sollte  Dr.  Burkhardt 
in  Verbindung  mit  den  Beamten  des  Weimarischen  Archivs 
übernehmen,  doch  wurde  die  Beteiligung  bei  der  Heraus- 
gabe auch  anderen,  insbesondere  Mitgliedern  des  Vereins 
freigestellt.  Man  glaubte  aber  seitens  des  Vorstandes  auf 
denselben  nicht  eingehen  zu  können,  hauptsächlich  weil 
dermalen  nicht  zu  hoffen  sei,  daß  die  Herzoglich  säch- 
sischen Regierungen  eine  Geldbewilligung  für  diesen  Zweck 
gewähren  würden,  aber  auch  weil  Kollisionen  zwischen  dem 
Verein  und  der  Archivverwaltung  bei  den  modifizierten 
B'schen  Plänen  unausbleiblich  wären.  Das  ist  die  letzte 
urkundliche  Spur  der  Thätigkeit  des  Vereins  vor  seiner 
Neubildung,  die  ich  in  den  Akten  fand. 

Langsam  war  in  den  letzten  Jahren  der  einst 
rührige  Verein  dahingesiecht,  und  mit  dem  Tode  Prof. 
Hermanns  verfiel  er  in  einen  etwa  neunjährigen  sanften 
Schlummer. 

Die  Verwirklichung  eines  lange  vergeblich  ersehnten 
Zieles,  die  Wiederaufrichtung  von  Kaiser  und  Beich  hat_ 
wieder  eine  Periode  politisch  mächtig  bewegten  Lebens 
abgeschlossen.  Und  wiederum  empfing  die  Geschichts- 
schreibung durch  tiefeingreifende  politische  Ereignisse  neue 
Impulse.  Das  Interesse  für  die  Geschichte  der  engeren 
und  weiteren  Heimat  wuchs.  Diese  Strömung  führte  auch 
zur  Wiedergeburt  unseres  Vereins  noch  im  Decennium  des 
großen  Kriegs. 

Am  12.  Nov.  1876  versammelten  sich  auf  Einladung 
des  einzigen  noch  übrigen  Mitgliedes  des  alten  Vorstandes, 
des    alten  Frommanns,    einige   alte  Mitglieder   des  Vereins, 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XXI 

denen  sich  einige  neue  beigesellten  i).  Man  schritt  zur 
Bildung  des  Vorstandes,  wählte  den  Juristen  OAGRat 
Prof.  Muther  zum  1.  Vorsitzenden,  Gymnasialdirektor  Dr. 
Richter  zum  stellv.  Vorsitzenden,  Prof.  Klop fleisch  zum 
Schriftführer,  später  zum  Konservator,  und  Dr.  Karl  Schulz 
denjetzigen  Bibliothekar  des  Reichsgerichts,  dann  zum  Schrift- 
führer ;  am  6.  Juni  1877  wurde  Buchhändler  Eduard  From- 
mann,  der  auch  an  Stelle  seines  Vaters  den  Verlag  der 
Zeitschrift  des  Vereins  übernommen  hatte,  zum  Kassierer 
gewählt.  In  der  Vorstandssitzung  vom  5,  Februar  1877 
wurden  in  den  Ausschuß  gewählt  die  Professoren  Georg 
Meyer,  der  bis  zu  seinem  Weggang  von  Jena  mit  kurzer 
Unterbrechung  mit  der  ihm  eigenen  Pflichttreue  lebhaften 
und  erfolgreichen  Anteil  an  der  Leitung  der  Vereinsge- 
schäfte nahm,  dann  der  Germanist  Sievers,  der  Theologe 
Lipsius  und  Oberbibliothekar  Klette.  Am  7.  November  1877 
traten  noch  hinzu  Dr.  Ulrich  Stechele  und  der  Btistoriker 
Prof.  Dietrich  Schäfer,  der  nach  Klettes  Abgang  ihn  als 
Vereinsbibliothekar  ersetzte. 

Es  ist  wohl  kein  Zufall,  daß  die  Neubildung  unseres 
Vereins  zeitlich  zusammentrifft  mit  der  Gründung  des 
hiesigen  Gymnasiums,  und  ich  vermute,  daß  die  Persönlich- 
keit des  neuen  Direktors,  dem  auch  gleich  die  Redaktion 
unserer  Vereinszeitschrift  übertragen  wurde,  die  er  bis  zum 
Jahre  1885  geführt  hat,  auch  bei  der  Renaissance  des  Ver- 
eins ihre  Hand  erfolgreich  im  Spiele  gehabt  hat.  ,Treu  hat 
Gustav  Richter  unserer  Sache  gedient  bis  zum  heutigen 
Tage.  Nach  Lipsius'  Tode  übernahm  er  das  Präsidium,  in 
dessen  Führung  er  mit  der  Würde  der  Repräsentation 
feines  Verständnis  für  die  Aufgaben  unserer  Landesge- 
schichtsforschung verbunden  hat.      Für    die  Interessen  des 


1)  Vergl.  E.  A.  Lipsius,  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  Ver- 
eins für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  seit  seiner 
Neubegründung  am  12.  November  1876  bis  zur  Generalversammlung 
in  Gotha  am  12.  Oktober  1881.  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüring. 
Gesch.  u.  Alt.    Neue  Folge,  Bd.  2,  S.  467  ff. 


XXII  Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

Vereins  ist  er  stets  mit  Wärme  und  Entschiedenheit  einge- 
treten. Der  Verein  dankt  ihm  besonders  auch  einige  fein- 
sinnige Denkmäler  der  Pietät,  die  er  in  der  Zeitschrift 
verstorbenen  Vorstandsmitgliedern  gesetzt  hat,  ich  erinnere 
an  die  schönen,  von  warmer  Sympathie  durchhauchten  Lebens- 
bilder seiner  Vorgänger  im  Vereinspräsidium,  Seebecks  ^) 
und  Lipsius'  ^),  an  die  ehrende  Charakteristik  Michelsens  3), 
Eduard  Frommanns  und  Martins.  So  war  es  uns  allen  höchst 
schmerzlich,  als  Richter  im  September  vorigen  Jahres  wegen 
seines  leidenden  Gesundheitszustandes  seine  Stelle  als 
1.  Vorsitzender  niederlegte  und  auch,  als  wir  auf  meinen 
Antrag  dies  Präsidium  den  Winter  hindurch  unbesetzt 
ließen,  nicht  zur  Weiterführung  zu  bewegen  war.  Doppelt 
schmerzlich  ist  es  mir,  ihn  nicht  heute  statt  meiner 
an  dieser  Stelle  zu  sehen ,  denn  er  war  der  berufene 
Chronist  des  Vereins ,  dessen  ältere  Geschichte  er  in 
den  erwähnten  Charakteristiken  so  anziehend  dargestellt, 
dessen  jüngere  Geschichte  er  an  leitender  Stelle  mitge-. 
macht  hat. 

Ihm  bei  der  heutigen  Feier  den  innigsten  Dank  des 
Vorstandes  für  sein  Wirken  auszusprechen,  ist  mir  ein 
Herzensbedürfnis,  Ich  verbinde  damit  den  Wunsch,  daß 
ihm  noch  eine  recht  lange  Thätigkeit  als  Mitglied  unseres 
Ausschusses  beschieden    bleibe. 


1)  Vergl.  oben  S.  XVII,  Anmerk.  1. 

2)  G.  Richter,  Lipsius'  Lebensbild.  Außer  dieser  Gedächtnis- 
rede Richters  wurde  bei  der  vom  Verein  für  Thüringische  Geschichte 
zu  Ehren  seines  Vorsitzenden  am  5.  Februar  1893  in  der  Rose  zu 
Jena  veranstalteten  Gedächtnisfeier  von  des  Verstorbenen  Fakultäts- 
genossen Prof.  Dr.  Nippold  Lipsius'  historische  Methode  in  einer 
warmen  Gedächtnisrede  gewürdigt.  Beide  Reden  sind  abgedruckt  in 
der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüring.  Gesch.  u.  Alt.  Neue  Folge 
Bd.  9,  S.  3  f. 

3)  G.  Richter,  A.  L.  J.  Michelsen  und  seine  Bedeutung  für 
die  thüringische  Geschichtsforschung.  Zeitschrift  des  Vereins  für 
Thüring.  Gesch.  u.  Alt.  Neue  Folge  Bd.  2  S.  441  f. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XXIII 

Der  Verein  nahm  wie  in  alten  Zeiten  seine  Abend* 
Zusammenkünfte  ^)  mit  Vorträgen  wieder  auf '). 

Durch  den  plötzlichen  Tod  Muthers  (25.  November  1878) 
war  der  neu  aufstrebende  Verein  seines  Leiters  beraubt. 
Auf  Richters  Vorschlag  wurde  Kirchenrat  Lipsius  zum  1.  Vor- 
sitzenden gewählt,  der  bis  zu  seinem  Tode  (19.  August 
1892)  das  Steuer  des  Vereins  mit  sicherer  Hand  führte. 
Mit  Wehmut  gedenken  wir,  denen  es  noch  vergönnt  war, 
mit  ihm  im  Verein  zu  arbeiten,  des  vortrefflichen  Mannes, 
dessen  hervorragende  Geschäftsgewandtheit,  dessen  zielbe- 
wußte Energie  und  dessen  wissenschaftliches  Ansehen  dem 
Verein,  für  den  er  unermüdlich  wirkte,  in  hohem  Maße  zu 
statten  kam.  Ein  halbes  Jahr  vorher  schon  war  dem  Vor- 
stande ein  durch  seltene  Pflichttreue  ausgezeichnetes  Mit- 
glied durch  den  Tod  entrissen  worden:  Am  27.  Januar 
1892  starb  der  Universitätsbibliothekar  Dr.  Martin,  der  die 
Bibliothek  des  Vereins  lange  Zeit  verwaltet  und  seit  1885 
die  Zeitschrift  redigiert  hatte.  Das  von  ihm  herausge- 
gebene Urkundenbuch  der  Stadt  Jena  und  ihrer  geistlichen 
Anstalten  ist  ein  sprechender  Beweis  für  seine  Gewissen- 
haftigkeit und  Sachkenntnis. 

Die  Verwaltung  der  Bibliothek  übernahm  nach  Martins 
Hinscheiden  der  Direktor  der  hießigen  Universitätsbib- 
liothek Dr.  Müller,  die  Redaktion  der  Zeitschrift  aber  Dr. 
0.  Dobenecker. 

Dem  Vorsitzenden  hatte  seit  1885  Freiherr  von  Thüna  als 
Schriftführer  zur  Seite  gestanden,  dem  durch  planvolle  Ordnung 


1)  Am  11.  Dezember  1877  fand  die  erste  Vereinszusammenkunft 
statt,  bei  der  Dr.  Stechele  einen  Vortrag  über  die  Herstellung  eines 
thüringischen  Urkundenbuchs  hielt. 

2)  Am  31.  März  1878  hielt  Dr.  Schulz  in  einer  solchen  Zu- 
sammenkunft einen  Vortrag  über  die  Thüringische  Landesordnung 
Herzog  Wilhelms  des  Tapferen  von  1446.  Auf  Antrag  des  Geh.  Rat 
Hase  war  am  28.  Februar  1879  im  Interesse  eines  festen  Zusammen- 
schlusses der  Mitglieder  die  Abhaltung  von  Monatsversamralungen 
beschlossen  worden. 


XXIV  I^i^  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

unserer  Akten  und  durch  seine  historischen  Interessen  der 
dauernde  Dank  aller  gesichert  ist,  die  an  der  Verwaltung 
unseres  Vereins  beteiligt  waren  und  sein  ^werden.  Leider  ver- 
legte er  bald  seinen  Wohnsitz  nach  Weimar,  und  ich  folgte  ihm 
am  17.  Januar  1887  im  Schriftführeramt,  das  ich  1896  auf  Prof. 
Keutgen  übertragen  konnte.  An  Richters  Stelle  übernahm 
Geh.  Hofrat  0.  Lorenz  die  Funktionen  des  2.  Vorsitzenden, 
legte  dieser  aber  zu  unseren  großen  Bedauern  schon  1895  nieder. 
Ihn  ersetzte  Staatsrat  Prof.  A.  Brückner,  der  frühere  Dorpater 
Historiker.  Die  Erinnerung  an  den  liebenswürdigen  Kollegen 
und  seine  stete  Bereitwilligkeit  zur  Übernahme  von  Vor- 
trägen wird  uns  unvergeßlich  sein. 

Hatte  der  Verein  in  seinen  Anfängen  auch  schon  in 
der  Herausgabe  von  Urkundenbüchern  ein  Hauptziel  seiner 
Bestrebungen  erkannt,  so  war  doch,  wie  oben  gezeigt  wurde, 
der  Codex  Thuringiae  diplomaticus  über  das  von  Michelsen 
1854  herausgegebene  1.  Heft  nicht  hinausgekommen.  Privater 
Initiative  entsprang  Reins  Thuringia  sacra,  die  nach  Heins 
Tode  keine  Fortsetzung  fand. 

Der  Verein  hatte  gleich  nach  seiner  Neubildung  die 
Herausgabe  eines  thüringischen  Urkundenbuchs  ins  Auge 
gefaßt,  um  die  Forschung  auf  dem  Gebiete  Thüringer  Landes- 
geschichte auf  eine  feste  Grundlage  zu  stellen. 

Dr.  Stechele  ^)  wurde  mit  der  Bearbeitung  des  Planes 
beauftragt,  der  von  Prof.  Schäfer  revidiert  und  vom  Vorstan4 
veröffentlicht  wurde.  „Kein  Territorium  in  Deutschland", 
so  heißt  es  in  dem  Prospekt,  „hat  einen  größeren  Urkunden- 
schatz als  Thüringen,  wo  einst  150  Klöster  waren,  die 
städtischen  Gemeinwesen  sich  so  reichlich  entwickelten, 
mächtige  Dynastengeschlechter  blühten,  frühzeitig  eigen- 
.tümliche  ständische  Vertretungen  sich  ausbildeten  und  ein 
großer  Teil    des   norddeutschen  Adels    seine  Wiege   hatte." 


])  Der  Vorstand  des  Vereins  ersuchte  (18.  Juli  1878)  die  Be- 
hörden und  Archiv  vorstände,  den  mit  den  Vorarbeiten  betrauten  Dr. 
Stechele  zu  unterstützen. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XXV 

Man  plante,  die  Urkunden  derDynastengeschlechte,  der  StädtOj 
der  Stifte  und  Klöster  und  des  Adels  herauszugeben.  Als 
1.  Band  wurde  ein  Urkundenbuch  der  Stadt  Jena  und  ihrer 
geistlichen  Anstalten  ins  Auge  gefaßt.  Dieses,  von  1182  bis 
1485  reichend,  wurde  von  Dr.  Martin,  Universitätsbibliotheks- 
sekretär in  Jena,  1888  veröffentlicht.  Nach  dem  Tode  des 
pflichteifrigen  Mannes  erwarb  der  Verein  einige  Vorarbeiten 
für  den  2.  Band  aus  dessen  Nachlaß.  Es  gelang  uns,  in 
Dr.  Ernst  Devrient  eine  tüchtige  junge  Kraft  zu  gewinnen, 
der  wir  die  Bearbeitung  des  2.  Bandes  anvertrauen  konnten. 
Noch  im  Laufe  dieses  Jahres  wird  das  Werk  unseren  Freunden 
zugehen. 

Als  2.  ürkundenwerk  war  das  von  Arnstadt  ins  Auge 
gefaßt,  dessen  Herausgabe  der  verdienstvolle  Vorstand  des 
Ernestinischen  Archivs  in  Weimar,  Geh.  Hofrat  Burkhardt 
übernahm,  nachdem  Dr.  Balzer  von  dem  ihm  gewordenen 
Auftrag  auf  seinen  Wunsch  entbunden  worden  war.  Wir 
haben  die  große  Freude,  aus  den  Händen  des  Geh.  Hofrat 
Burkhardt,  unseres  Kollegen  im  Ausschusse,  des  in  uner- 
müdlicher Schaffensfreudigkeit  Wirkenden,  vor  einigen 
Wochen  den  jüngsten  Sprossen  unserer  archivalischen  Publi- 
kationen, den  1.  Band  der  Ernestinischen  Landtagsakten  zu 
empfangen. 

Auf  das  Arnstädter  Urkundenbuch  folgte  1885  der 
1.  Teil  der  Urkunden  der  Vögte  von  Weida,  Gera  und 
Plauen  nebst  ihrer  Hausklöster  (40  Bogen),  dessen  2.  Teil 
1892  folgen  konnte  (46  Bogen),  ein  Werk,  das  in  dem 
heutigen  Schleizer  Archivrat  Dr.  Berthold  Schmidt,  einem 
Schüler  von  Prof.  Schäfer,  einen  auf  der  Höhe  seiner  Auf- 
gaben stehenden  Herausgeber  fand. 

An  die  Verwirklichung  des  Planes  des  Urkundenwerks 
konnte  die  Vereinsleitung  aber  erst  schreiten,  nachdem  die 
Mittel  für  die  Durchführung  gesichert  waren,  denn  erfahrungs- 
gemäß konnte  man  bei  solchen  Publikationen  auf  einen 
starken  Absatz  nicht  rechnen.  Die  Mitgliederbeiträge 
reichten   aber    wie    heute    kaum   zur    Deckung   der  Kosten 


XX.VI  ^^^  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

der  Vereinszeitschrift,  ein  Honorar  konnte  den  Mitarbeitern 
an  dieser  nicht  gegeben  werden. 

Der  Vorstand  legte  in  einer  Eingabe  an  die  Regierungen 
der  thüringischen  Staaten  diese  Verhältnisse  dar  und  erbat 
eine  fortdauernde  jährliche  Unterstützung  von  denselben, 
durch  deren  Gewährung  die  Durchführung  des  Urkunden- 
werks bedingt  sei. 

Es  war  ein  glücklicher  Umstand,  daß  damals  die 
Leitung  des  weimarischen  Kultusdepartements  sich  in  den 
Händen  Stichlings  befand,  des  Enkels  Herders,  der,  von 
einer  hohen  Auffassung  von  den  Aufgaben  des  Staates  be- 
seelt, als  sachkundiger  Historiker  —  verdanken  wir  ihm  doch 
eine  wertvolle  Monographie  über  die  Mutter  der  Ernestiner  ^) 
—  dem  Plane  volles  Verständnis  entgegenbrachte. 

Umgehend  gab  er  seiner  Bereitwilligkeit  zur  thunlichsten 
Förderung  des  Unternehmens  Ausdruck.  Nähere  Aufschlüsse 
über  die  erforderlichen  Kosten  und  über  die  Urkundenbücher, 
die  den  beiden  geplanten  folgen  sollten,  wurden  vom  Vor- 
stand eingefordert,  da  es  für  die  einzelnen  Regierungen 
von  Wert  war,  zu  erfahren,  ob  und  in  welchem  Umfange 
Urkunden  aus  ihrem  Staatsgebiet  ediert  werden  sollten. 
Bei  den  Verhandlungen  der  weimarischen  Regierung  mit 
den  übrigen  thüringischen  waren  mancherlei  Schwierig- 
keiten zu  überwinden,  sie  zogen  sich  bis  gegen  die  Mitte 
des  Jahres  1880  hin.  Auf  der  2.  Generalversammlung  zu 
Arnstadt  (13.  Juni  1880)  konnte  die  Gewährung  einer 
Unterstützung  von  2550  M.  vorläufig  auf  3  Jahre  seitens 
der  Regierungen  von  Weimar,  Coburg-Gotha,  der  beiden 
Schwarzburg  und  der  beiden  Reuß  verkündet  werden. 
Weimar  zahlte  1000  M.,  obwohl  der  Vorstand  nur  um 
einen  Zuschuß  von  750  M.  gebeten  hatte.  Abe:i-  trotz 
dieser  so  überaus  dankenswerten  Zuschüsse  konnte  der 
Verein   nicht    ohne  Sorge   in    die  Zukunft   schauen.      „Ein 


1)  G.  Th.  S  ti  chlin  g,  Die  Mutter  der  Ernestiner.   Ein  Lebens- 
bild von  der  Grenzscheide  des  16.  und  17.  Jahrhunderts,  Weimar  1860. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XXVII 

Jahresbeitrag  von  2550  M.",  so  heißt  es  in  dem  vom  Vor- 
sitzenden 1883  erstatteten  Berichte  *),"  reicht  gerade  aus, 
um  einen  mäßigen  Band  von  30 — 40  Bogen  zu  drucken 
und  bescheiden  zu  honorieren.  In  diesem  Betrage  sind  aber 
die  Auslagen  für  die  Vorarbeiten,  Diäten  und  Reisever- 
gütungen an  die  Bearbeiter  noch  nicht  mitbegriffen".  Später 
kamen  noch  Meiningen  und  Altenburg  hinzu,  und  die  Jahres- 
subvention stieg  damit  auf  3800  M. 

Wir  sind  von  herzlichem  Danke  gegen  die  Regierungen 
und  Landtage  der  thüringischen  Staaten  erfüllt,  die  uns  an- 
dauernd in  die  Lage  versetzten,  die  urkundlichen  Grund- 
lagen für  die  Geschichte  der  Thüringer  Lande  zu  ver- 
öffentlichen. 

Da  die  größeren  Mittel  nicht  in  jedem  Jahre  aufge- 
braucht wurden,  denn  nicht  in  jedem  Jahr  konnte  ein  Band 
druckfertig  gestellt  werden,  während  wieder  in  anderen 
Jahren  eine  größere  Zahl  von  Werken  zur  Veröffentlichung 
bereit  lagen,  war  eine  gute  Disposition  über  die  Finanz- 
kräfte  Vorbedingung  günstigen  Gedeihens  des  Vereins.  Daß 
diese  Vorbedingung  erfüllt  wurde,  dankt  der  Verein  unserem 
Kassenführer  Herrn  Dr.  Gustav  Fischer,  der  nach  Eduard 
Frommanns  Tode  (f  9.  Mai  1881)  in  den  Vorstand  eintrat 
und  den  Verlag  der  Veröffentlichungen  des  Vereins  über- 
nahm. Alle  Kollegen  im  Vorstand  wissen,  welche  wertvolle 
unentbehrliche  Förderung  uns  in  der  21-jährigen  Mitarbeit 
Dr.  Fischers  zu  teil  geworden  ist.  Der  praktische  Blick 
des  Leiters  eines  wissenschaftlichen  Verlags  von  europäischem 
Ansehen  geht  bei  ihm  Hand  in  Hand  mit  einem  feinen 
Takte  in  der  Beurteilung  unserer  wissenschaftlicher  Auf- 
gaben, der  unseren  Unternehmungen  in  so  reichem  Maße 
zu  statten  kommt. 

Eine  voraussehende ,  weitblickende  Finanzgebahrung 
war  aber  auch  besonders  geboten,  als  auf  Antrag  von  Prof. 


eitschrift  des  Vereins,  Neue  Folge  Bd.  3,  S.  563. 


XXVIII         -Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

Dr.  Schäfer  1882  die  Herstellung  eines  thüringischen  Ur- 
kundenrepertoriums  beschlossen  wurde.  In  Dietrich  Schäfer, 
unserem  einzigen  noch  lebenden  Ehrenmitgliede,  der  es  be- 
dauert, heute  nicht  unter  uns  weilen  zu  können,  da  er  gestern 
ein  Referat  in  der  badischen  ersten  Kammer  erstatten 
mußte,  hatte  der  Verein  einen  Leiter  seiner  wissenschaftlichen 
Unternehmungen  von  ganz  hervorragender  Tüchtigkeit  und 
Energie  gewonnen.  Er  hat  seine  organisatorische  Kraft 
dann  als  Tübinger  Professor  bei  der  Einrichtung  der 
würtembergischen  Kommission  für  Landesgeschichte,  deren 
Geschäfte  er  führte,  glänzend  bewährt  und  ist  jetzt  als 
Heidelberger  Historiker  ein  angesehenes  Mitglied  der  badischen 
historischen  Kommission. 

Die  Schwierigkeiten,  die  sich  bei  den  Vorarbeiten  zu 
den  geplanten  Urkundenbüchern  ergeben  hatten,  waren  sehr 
große,  indem  es  unmöglich  war,  bei  der  „überaus  großen 
Mannigfaltigkeit,  Zersplitterung  und  Verzettelung  der  histo- 
rischen Litteratur  und  der  archivalischen  Fundstellen,  wie 
sie  sich  gerade  in  Thüringen  im  Zusammenbange  mit  der 
territorialen  Vielgestaltigkeit  herausgebildet  hat,  die  Voll- 
ständigkeit beim  Sammeln  des  Materials  auch  nur  einiger- 
maßen zu  sichern  und  die  Tragweite  eines  beginnenden 
Unternehmens  wenigstens  annähernd  sicher  zu  überblicken"  ^). 

Nachdem  ein  Arbeitsplan  von  Prof.  Schäfer  und  Dobe- 
necker  aufgestellt  war,  der  selbstverständlich  im  Laufe  der 
Jahre  einige  Abänderungen  erfahren  hatte,  konnte  dieser 
mit  der  Repertorisierung  Michaelis  1883  beginnen.  Alle  zur 
Geschichte  Thüringens  gedruckten  Briefe  und  Urkunden 
sollten  in  Regestenform  geboten  werden.  Von  dem  Plan, 
das  Werk  bis  1648  fortzusetzen,  ist  man  bald  abgekommen, 
da  seine  Verwirklichung  mehrere  Decennien  angestrengter 
Arbeit  erfordert  haben  würde,  und  man  setzte  zunächst  das 
Jahr  1350  als  Zeitgrenze  fest. 


1)  V.  Schäfer  in   der  Deutschen  Zeitschrift  für  Geschichts- 
wissenschaft, N.  F.  Jahrg.  1896/7,  S.  349 f. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XXIX 

Das  Regestenwerk  rückte  in  den  Mittelpunkt  aller 
Vereinsunternehmungen.  Es  war  eine  gewaltige  Arbeit,  die 
da  zu  leisten  war.  Mit  einer  unermüdlichen  Gewissen- 
haftigkeit, mit  echt  deutschem  Gelehrtenfleiße  hat  sich 
Dobenecker  in  seine  Aufgabe  vertieft.  Als  die  Früchte 
dieser  selbstlosen  Hingabe  zu  Tage  traten,  da  war  auch 
die  Anerkennung  der  Kritik  eine  einmütige. 

1896  konnte  der  1.  Halbband  der  Regesten  i)  erscheinen. 
Bis  dahin  waren  über  22  000  Regesten  hergestellt  worden, 
und  zwar,  um  den  Bedürfnissen  der  Lokalforschung  be- 
sonders zu  dienen,  in  möglichst  sorgfältiger  und  ein- 
dringender Behandlung  des  Stoffes,  In  dieser  Beziehung 
heißt  es  in  einer  Besprechung  in  der  Deutschen  Zeitschrift 
für  Geschichtswissenschaft  2),  ist  „das  denkbar  Tüchtigste  und 
Vollkommenste  geleistet  worden".  Auch  auf  den  Inhalt 
geht  Dobenecker  ein,  erklärt  ihn,  weist  die  handschriftlichen 
Quellen  nach,  ordnet  die  Drucke  nach  ihrem  Werte,  weist 
die  Litteratur  über  die  einzelnen  Fragen  nach  und  setzt 
so  den  Benutzer  in  den  Stand,  das  wissenschaftlich  Fest- 
stehende von  dem  Zweifelhaften  klar  zu  unterscheiden. 
Damit  ist  ja  die  eigentliche  Aufgabe  eines  Regestenwerks 
überschritten,  aber  das  Verfahren  ist  gerade  in  Rücksicht 
auf  die  Thüringer  Verhältnisse  von  allergrößtem  V^ert'). 
Der  2.  Band,  die  Periode  von  1152 — 1227  umfassend,  er- 
schien 1900.  Für  beide  Bände  hat  Dobenecker  sehr  aus- 
führliche die  Benutzbarkeit  wesentlich  erhöhende  Namens- 
register von  87  bezw.  102  Seiten  bearbeitet.  Und  Ich  darf 
hier  die  Worte  widerholen,  mit  denen  ein  kompetenter  Be- 
urteiler nach  Erscheinen  des  1.  Bandes  seine  Kritik  schloü: 
„bis    auf    die    gediegene   Ausstattung    ein    Standard    work 


1)  Regesta  diplomatica  nee  non  epistolaria  historiae  Thuringiae, 
Band  1.  ca.  500  —  1152.  Namens  des  Vereins  für  Thüringische  Ge- 
schichte und  Altertumskunde  bearbeitet  und  herausgegeben  von 
Otto  Dobenecker,  Jena,  Gustav  Fischer,  1896. 

2)  Vergl.  Schäfer,  a.  a.  O. 

3)  Schäfer,  a.  a.  O.  S.  351. 


XXX  J^ic  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

ersten  Ranges.  Man  kann  dem  thüringischen  Geschichts- 
verein von  ganzem  Herzen  Glück  wünschen  zu  dieser  Publi- 
kation, die  ihn  in  die  vorderste  Reihe  unserer  trefflichsten 
deutschen  Lokalvereine  stellt"  i).  Diesem  Urteil  Schäfers 
tritt  ein  Urteil  des  Marburger  Historikers  Wenck  zur  Seite, 
der  sagt  2):  „Während  Thüringen  bisher  in  der  Bereit- 
legung seiner  urkundlichen  Materialien  hinter  anderen 
deutschen  Landschaften  weit  zurückstand,  wird  es  nun 
durch  diese  Arbeit  treuesten  Fleißes,  umfassender  Gelehr- 
samkeit und  scharfsinniger  Einzelforschung  mit  einem 
kräftigen  Rucke  in  die  erste  Reihe  gehoben." 

Ich  spreche  unserem  verehrten  Kollegen  Dobeneckei 
im  Namen  des  Vorstandes  den  allerherzlichsten  Dank  aus 
für  diese  monumentale  Musterleistung,  durch  die  er  nicht 
nur  sich,  sondern  auch  unserem  Verein  den  wissenschaftlichen 
Lorbeer  errungen,  durch  die  er  nicht  nur  der  Erforschung 
der  thüringischen,  sondern  auch  der  der  deutschen  Reichs- 
geschichte des  Mittelalters  eine  reichhaltige  Fundgrube  er- 
schlossen hat.  Während  bisher  Dobenecker  von  einem 
Teil  seiner  amtlichen  Verpflichtungen  —  er  gehört  seit  etwa 
16  Jahren  dem  Lehrkörper  unseres  Gymnasiums  an  —  be- 
freit war  und  unser  Verein  die  Kosten  einer  Stellvertretung 
trug,  hat  das  Ministerium  namentlich  in  Hinblick  auf  den 
Mangel  genügender  zur  Vertretung  geeigneter  Lehrkräfte  diese 
Befreiung  nicht  weiter  genehmigt.  Da  nun  die  Fortsetzung 
des  Regestenwerks,  die  eigentlich  eine  volle  Arbeitskraft 
erfordert,  notwendig  ins  Stocken  geraten  muß,  wenn  für 
Dobenecker  nicht  die  Möglichkeit  einer  Minderung  seiner 
amtlichen  Wirksamkeit  ermöglicht  wird,  wurde  der  Vorstand 
wiederholt  in  diesem  Sinne  bei  S.  Exe.  dem  Herrn  Staats- 
minister Rothe  vorstellig,  der  eine  wohlwollende  Berück- 
sichtigung unserer  Bitte  in  Aussicht  stellte. 


1)  Schäfer,  a.  a.  0.  S.  352. 

2)  Zeitschr.  des  Vereins  für  Thüring.  Gesch.,  N.  F.  Bd.  10, 
337. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.  XXXI 

Die  glückliche  Lösung  dieser  Frage  ist  eine  Vorbe- 
dingung der  gedeihlichen  Durchführung  unseres  Arbeits- 
programms, die  man  in  wissenschaftlichen  Kreisen  mit  Ent- 
schiedenheit erwartet. 

Dann  können  wir  wohl  auch  hoffen,  daß  Dobenecker, 
der  beste  Kenner  unserer  Landesgeschichte,  eine  Darstellung 
der  Geschichte  Thüringens,  nach  der  sich  alle  Kreise  sehnen , 
schenken  wird,  wie  sie  z.  B.  Württemberg  und  Bayern  in 
den  Werken  von  Stählin  und  Riezler  schon  besitzen. 

In  einer  anderen  Beziehung,  als  unser  Bibliothekar,  hat 
sich  Schäfer  große  Verdienste  um  unseren  Verein  erworben. 
Mit  großer  Mühe  ordnete  er  die  Bibliothek  und  leitete  eine 
Vereinbarung  mit  der  Verwaltung  der  Universitätsbibliothek 
in  die  Wege,  nach  welcher  sich  der  Verein  verpflichtete, 
die  Bibliothek  samt  allen  in  Zukunft  durch  Tauschver- 
kehr zu  erwerbenden  Schriften  an  die  Universitätsbibliothek 
abzutreten.  Die  Verwaltung  derselben  übernahm  dagegen  die 
Verpflichtung,  die  Bücher  zu  ordnen,  zu  katalogisieren 
und  dadurch  der  wissenschaftlichen  Benutzung  zugänglich 
zu  machen.  Der  Aufgabe,  den  unterbrochenen  Schriften- 
austausch mit  auswärtigen  Vereinen  wieder  aufzunehmen 
und  zu  erweitern,  unterzog  er  sich  mit  großem  Erfolge, 
und  auch  sein  Nachfolger  als  Vereinsbibliothekar,  Herr 
Direktor  Dr.  K.  K.  Müller,  wandelt  in  seinen  Bahnen. 

So  steht  unser  Verein  gegenwärtig  mit  238  Vereinen 
und  gelehrten  Instituten  im  Austausch  verkehr,  der  unserer 
Universitätsbibliothek  mehrere  Tausende,  zum  Teil  sehr 
wertvolle  Schriften  zuführt  und  der  Benutzung  der  Forscher 
auf  den  verschiedensten  Wissenschaftsgebieten  erschließt. 

Die  Sammlung  und  Erhaltung  der  vaterländischen 
Monumente  und  Altertümern  aller  Art  nahm  der  Verein 
gleich  bei  seiner  Gründung  in  sein  Programm  auf.  1853 
wurde  dem  Professor  Rein  in  Eisenach  die  Obsorge  für 
die  kunstgeschichtlichen  Denkmäler  im  Namen  des  Vereins 
für  den  Bezirk  Eisenach  übertragen. 

Nach  der  Neubelebung  des  Vereins  wurde  eine  Reper- 


XXXII  J^iß  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

torisierung  aller  thüringischen  Kunstdenkmäler  ins  Auge 
gefaßt.  Unser  Vorstand  wurde  von  den  Regierungen  mit 
der  Ausarbeitung  eines  Planes  betraut  und  eignete  sich 
das  in  seinem  Auftrage  von  Professer  Klopfleisch  ver- 
faßte Gutachten  an.  Die  Regierungen  setzten  eine  be- 
sondere Kommission  für  diese  Aufgabe  ein.  Prof.  Klop- 
fleisch widmete  sich  diesen  Vorarbeiten  für  die  Heraus- 
gabe der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüringens,  die  dann 
durch  Lehfeldt  in  raschem  Tempo  ausgeführt  wurde  und 
jetzt  nach  Lehfeldts  Tode  von  Prof.  Voß  zu  Ende  gebracht 
werden  soll. 

Eine  Erweiterung  seines  Arbeitsgebiets  strebte  der 
Verein  an  durch  eine  nähere  Verbindung  mit  den  in 
Thüringen  zerstreuten  Lokalgeschichtsvereinen.  Auf  der 
Generalversammlung  zu  Pößneck  (30.  September  1894)  hatte 
schon  der  Vorsitzende  Richter  in  Übereinstimmung  mit 
einer  früher  von  Prof.  Lorenz  gegebenen  Anregung  darauf 
hingewiesen,  daß  der  Verein  jetzt  mehr  Publikationen  zur 
neueren  Geschichte  in  Angriff  zu  nehmen  habe,  und  daß  es  gelte, 
„die  Entwicklung  der  sozialen  und  gewerblichen  Gliederung 
in  Zünften  und  Gilden,  der  gutsherrlichen  und  bäuerlichen 
Verhältnisse ,  den  Niederschlag  des  wirtschaftlichen  und 
sozialen  Lebens  in  den  Stadtrechten,  Grundbüchern,  Elur- 
karten  und  dergl.  zu  verfolgen"  i).  Dieses  Ziel  konnte  nur 
erreicht  werden,  wenn  es  gelang,  alle  historisch  interessierten 
Kreise  in  Thüringen  zu  veranlassen  mit  Hand  anzulegen.. 
Er  erklärte  eine  „planmäßige  Beeinflussung  und  Leitung 
der  ortsgeschichtlichen  Forschungen"  für  eine  Aufgabe  der 
größeren  provinziellen  Vereine.  Und  mit  Recht!  Hatten  sich 
doch  in  anderen  Staaten  und  Provinzen,  ich  erinnere  an 
die  badische  Historische  Kommission,  an  die  der  Provinz 
Sachsen,  an  die  des  Königreichs  Württemberg,  auch  histo- 
rische Kommissionen  gebildet,  die  eine  sehr  erfolgreiche 
Thätigkeit  entfalteten. 


1)  Zeitschr.,  Bd.  10,  S.  612. 


Die  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins.       XXXIII 

Wir  schritten  nun  also  auch  zur  Gründung  einer 
thüringischen  Historischen  Kommission,  indem  Prof.  Kauff- 
mann,  Bibliothekar  Steinhausen,  Oberlandesgerichtsrat  Unger 
mit  Dobenecker  und  mir,  dem  der  Vorsitz  übertragen  wurde,  be- 
auftragt wurden  den  Verein  in  dieser  Kommission  zu  vertreten 
und  Statut  und  Arbeitsprogramm  auszuarbeiten.  Wir  hatten 
die  Freude,  daß  sich  die  Geschichtsvereine  in  Arnstadt, 
Eisenberg ,  Gotha ,  Greiz ,  Hildburghausen ,  Hohenleuben, 
Kahla,  Meiningen,  Roda,  Schleiz,  Schmalkalden,  Sonders- 
hausen uns  anschlössen  —  nur  der  Altenburger  Verein 
hielt  sich  ferne. 

Nach  mehrfach  wiederholten  Beratungen  fand  am 
7.  März  1896  hier  die  konstituierende  Versammlung  statt. 
Die  Kommission  besteht  aus  4  Vertretern  des  Vereins  für 
thüringische  Geschichte  und  je  einem  Vertreter  der  dem 
Verbände  angehörigen  Vereine.  Die  Hauptarbeitslast  ruhte 
auf  den  Schultern  des  Schriftführers  Dobenecker,  nach  dessen 
vor  einigen  Monaten  erfolgtem  Rücktritte  Prof.  Mentz  seine 
Geschäfte  übernahm,  während  Prof.  Michels  für  Steinhausen 
eintrat.  Die  Leitung  der  Veröffentlichungen  zur  neueren 
Geschichte  hat  Dr.  Stephan  Stoy  übernommen. 

Zur  Förderung  der  von  der  Kommission  geplanten 
Inventarisierung  der  Archive  der  Gemeinden,  Stiftungen, 
Korporationen  und  Privaten  wurde  Thüringen  in  20  Bezirke 
eingeteilt  und  jeder  einem  neuen  Mitglied  der  Kommission 
als  Hauptpfleger  unterstellt.  Für  jeden  Amtsgerichtsbezirk 
sollte  ein  Vertrauensmann  (Pfleger)  ernannt  werden".  Diesen 
wurde  von  der  Kommission  eine  eingehendere  Anweisung 
für  Durchforschung,  OrdnungundVerzeichnungder  Archivalien 
zugestellt  und  Muster  für  die  Inventarisierung  kleiner  Archive 
von  den  Kollegen  Keutgen  und  Mentz  ausgearbeitet.  Mit 
einer  Veröffentlichung  der  Archivalien  des  Kirchenarchivs 
in  Jena  und  des  „Museums"  des  Lithographen  Hunger  und 
der  der  Gemeinde  Lobeda  ist  bereits  in  der  Vereinszeit- 
schrift begonnen  worden.  Andere  Verzeichnisse  liegen  schon 
zur  Veröffentlichung  bereit. 

3 


XXXIV        I^iß  fünfzigjährige  Wirksamkeit  des  Vereins. 

Wir  waren  in  der  erfreulichen  Lage,  gerade  im  Jubi- 
läumsjahre zwei  Werke  der  Öffentlichkeit  zu  übergeben, 
den  1.  Band  der  Ernestinischen  Landtagsakten,  die  Land- 
tage von  1487 — 1532  umfassend.  Auf  Urund  einer  Verein- 
barung mit  der  Königl.  Sächsischen  Historischen  Kommission 
zu  Leipzig  hat  diese  die  Bearbeitung  der  Landtagsakten 
vor  der  Teilung  1485/1486  übernommen.  Die  rasche  Her- 
stellung dieser  Edition  verdanken  wir  unserem  schaffens- 
frohen, rüstigen,  sich  uns  nie  zu  ernster  Mitarbeit  versagenden 
Geh.  Hofrat  Burkhardt.  Diese  wertvolle  Quellenedition  ist 
aber  nicht  nur  für  die  Geschichtsforscher,  sondern  für  jeden 
Freund  unserer  Landesgeschichte  wertvoll,  denn  auf  Grund 
eine  Vereinbarung  mit  der  Kommission  giebt  Burkhardt 
in  einer  ausführlichen  Einleitung  Aufschluß  über  die  Verhält- 
nisse des  Hofs,  des  Steuer-  und  Münzwesens,  über  Territorial- 
gesetzgebung, Gewerbe  und  Handel. 

Sodann  konnten  wir  unseren  Freunden  den  1.  Band  der 
Beiträge  zur  Wirtschaftsgeschichte  Thüringens  darbieten, 
in  dem  Prof.  Stieda  in  Leipzig  die  Anfänge  der  Porzellan- 
fabrikation auf  dem  Thüringer  Walde  in  ausführlicher,  auch 
kulturhistorisch  interessanter  Darstellung  schilderte.  Nach- 
dem Versuche  zur  Bildung  einer  selbständigen  thüringischen 
Gruppe  der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schul- 
geschichte 1)  nicht  zum  Ziele  geführt  hatten,  wurde  auf 
Antrag  Richters  von  der  Thüringischen  Historischen  Kom- 
mission die  Sammlung  von  Materialien  zur  Schulgeschichte- 
Thüringens  übernommen.  Der  Vorsitzende  der  Thüringi- 
schen Historischen  Kommission  organisierte  im  Verein 
mit  Prof  Rein  eine  besondere  thüringische  Gruppe  aus 
tüchtigen  und  bewährten  Schulmännern  aller  Teile  Thüringens. 

Ein  erstes  Heft  der  Mitteilungen  der  Ortsgruppe 
Thüringen  ist  bereits  erschienen.  Die  Schriftleitung  über- 
nahm Prof.  Mentz. 


1)  Mitteilungen  der  Gesellschaft   für  deutsche  Erziehungs-  und 
Schulgeschichte,  Berlin  1898,  Bd.  8,  S.  373  f. 


Die  fünfzigjährige  Wirköamkeit  des  Vereins.  XXXV 

Das  Jubiläumsjahr  wird  aber  noch  weitere  litterarische 
Gaben  bringen,  so  das  Urkundenbuch  von  Paulinzella, 
dessen  1.  Heft  1889  erschienen  ist.  Der  ganze  Urkunden- 
text, über  30  Bogen,  ist  schon  im  Druck  fertiggestellt. 
Diese  von  Archivrat  Anemüller  in  Rudolstadt  begonnene 
Edition  ist  dann  von  seinem  Sohne,  dem  Gymnasialoberlehrer 
Dr.  Anemüller  in  Detmold,  weitergeführt  und  zu  Ende  ge- 
bracht worden.  Endlich  hat  auch  Herr  Dr.  Devrient  den  2.  Band 
des  Jenaer  Urkunden buchs  so  weit  gefördert,  daß  derselbe, 
wie  schon  hervorgehoben  wurde,  in  einigen  Monaten  wird  aus- 
gegeben werden  können.  Daneben  haben  Sie  den  reichhaltigen 
20.  Band  unserer  Zeitschrift  vor  einigen  Wochen  als  eine  nach- 
trägliche Gabe  für  1901  empfangen  und  eben  konnten  wir  auch 
die  Schar  unserer  neugewonnenen  Mitglieder  mit  dem  1.  Heft 
des  21.  Bandes  begrüßen,  dessen  anziehender  Inhalt  Ihnen 
gewiß  einige  genußreiche  Stunden  schaffen  wird.  Es  ist 
eine  reiche  Ernte,  die  uns  in  diesem  Jubeljahr  beschieden 
wurde.  Sie  werden  es  deshalb  mit  Nachsicht  beurteilen, 
wenn  andere  Gaben,  die  Ihnen  zugedacht  waren,  wie  das 
Stadtrecht  von  Eisenach  von  Prof.  Kühn  und  das  Stadt- 
recht von  Saalfeld  von  Prof.  Koch,  erst  im  nächsten  Jahre 
als  vollausgereifte  Erüchte  vom  Baume  unserer  Thüringischen 
Historischen  Kommission  werden  gepflückt  werden. 

Auch  an  der  Herstellung   einer  archäologischen  Karte 
für  Thüringen  hat  sich  unser  Verein  beteiligt. 

Ich  weiß  Sie  alle,  meine  hochverehrten  Anwesenden, 
eins  mit  mir  in  dem  Wunsche,  daß  auch  in  der 'Zukunft 
unserem  Vereine  eine  reiche  Wirksamkeit  im  Dienste  der 
Thüringer  Heimat  und  des  deutschen  Vaterlandes  und  damit 
auch  im  Dienste  der  Wissenschaft  beschieden  sei.  Lassen 
Sie  unsere  Wünsche  für  die  Zukunft  unseres  Vereins  zu- 
sammenfassen in  den  Worten  unseres  Dichters: 
„Stehe  in  dem  Sturm  der  Jahre, 
Daure  in  der  Zeiten  Elucht !" 


III. 

Herzog  Ernst  der  Fromme. 

Festvortrag,  gehalten  bei  der  Feier  des  fünfzigjährigen 

Stiftungsfestes  des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und 

Altertumskunde  in   den  akademischen  Rosensälen  zu  Jena 

den  22.  Juni  1902. 

Von 

Dr.  Stephan  Stoy. 

Ein  Zufall  ist  es  nicht,  daß  in  demselben  Jahre,  in 
dem  das  „Grermanische  Museum"  gegründet  wurde,  auch  der 
„Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde" 
ins  Leben  trat.  Die  gleichen  geistigen  Kräfte  und  Impulse 
waren  wirksam.  Denn  nicht  nur  in  Zeiten  der  Erhebung 
und  des  Ruhmes,  sondern  auch  in  solchen  der  Erschlaffung 
und  der  getäuschten  Hoffnungen  versenkt  sich  die  Volks- 
seele in  die  früheren  Zeiten  seiner  Geschichte,  um  seinen 
Werdegang  zu  verstehen  und  Trost  und  Hoffnung  zu 
schöpfen.  Uns  Thüringern  war  leider  das  traurige  Los 
beschieden,  zu  keiner  einheitlichen  staatlichen  oder  auch 
nur  provinziellen  Selbständigkeit  und  Eigenart  zu  gelangen^ 
aber  ein  gemeinsames  Stammesgefühl  ist  uns  doch  erhalten 
geblieben  trotz  aller  fortgesetzten  Teilungen  und  Zer- 
reißungen, die  immer  wieder  die  hoffnungsvollen  Keime 
wirklicher  Staatengründung  zerstörten.  Es  war  daher  er- 
laubt und  geboten,  bei  dem  fünzigj ährigen  Jubiläum  unseres 
Vereins  das  Lebensbild  eines  Fürsten  zu  zeichnen,  dessen 
300-jähriger  Geburtstag  soeben  unter  Teilnahme  S.  Majestät 
des  Kaisers  gefeiert  worden  ist,  eines  Fürsten  aus  dem 
Hause  der  Ernestiner,  der  in  seiner  Zeit  eine  sehr  be- 
deutende und  eigentümliche  Rolle  gespielt  hat. 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  XXXVII 

Geboren  als  das  9.  Kind  unter  12  Geschwistern,  verlor 
Herzog  Ernst  den  Vater,  den  Herzog  Johann  von  Weimar, 
bereits  im  4.  Lebensjahre.  Die  Mutter  Dorothea  Maria, 
der  Stichling  als  der  „Mutter  der  Ernestiner"  ein  schönes 
litterarisches  Denkmal  gesetzt  hat,  leitete  von  da  an  aus- 
schließlich die  Erziehung  ihrer  stolzen  Knabenschar.  Klug, 
tapfer,  energisch,  hellen  Blickes  für  alles  Gute,  ist  sie  ihren 
Kindern  der  beste  Segen  geworden,  die  alte  Weisheit  be- 
während, daß  die  bedeutenden  Menschen  am  stärksten  von  der 
Mutter  beeinflußt  sind.  Ihr  ratend  und  helfend  zur  Seite  steht 
ein  charakterfester  Gelehrter,  der  große  Geschichtschreiber 
des  Protestantismus,  Hortleder.  Unter  solcher  treuer  Pflege 
wächst  Ernst  heran,  zäh  und  energisch  wie  der  echte  Erne- 
stiner, auch  darin  ein  rechter  Sproß  dieses  Geschlechts,  daß 
er  von  früh  an  für  alles  Religiöse  und  Theologische  leb- 
hafteste Neigung  und  tiefes  Verständnis  zeigt. 

Da  tritt  die  große  Krisis  des  deutschen  Volkes  ein, 
der  dreißigjährige  Krieg  bricht  aus.  Getreu  den  großen  Tra- 
ditionen des  Hauses  ergreifen  die  Ernestiner  mutig  die  Partei 
des  Winterkönigs  und  halten  trotz  der  Niederlage  am  Weißen 
Berge  tapfer  aus.  Die  Prinzen  haben  ihren  Glauben  mit 
ihrem  Blute  bezeugt.  Als  der  Retter  des  Protestantismus, 
Gustav  Adolf,  naht,  sind  wieder  die  Ernestiner  an  seiner 
Seite  zu  finden.  Auch  Herzog  Ernst  ist  jetzt  als  Kriegs- 
mann thätig ,  begleitet  den  großen  Schwedenkönig  nach 
Süddeutschland,  ist  hervorragend  beteiligt  bei  der  Besiegung 
Tillys  am  Lech,  streitet  mit  gegen  Wallenstein  bei  Nürn- 
berg und  hilft  seinem  Bruder  Bernhard  den  Sieg  bei  Lützen 
erringen. 

So  tapfer  sich  Herzog  Ernst  überall  gezeigt,  hier  im 
Kriegshandwerk  lag  weder  seine  Neigung,  noch  seine  Be- 
deutung. Dies  zeigte  sich,  als  1633  sein  Bruder  Bernhard 
das  Herzogtum  Franken  von  der  Krone  Schweden  zu  Lehen 
erhielt  und  Ernst  von  diesem  als  Verwalter  eingesetzt 
wurde.  Denn  wenn  auch  schon  1634  nach  der  Schlacht 
von  Nördlingen    das  Herzogtum  wieder  aufgegeben  werden 


XXXVIII  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

mußte,  schon  dieses  eine  Jahr  hatte  gezeigt,  daß  Ernst  ein 
Verwaltungstalent  ersten  Ranges  war.  Und  doppelt  interessant 
ist  dieser  Versuch  unseres  Helden  hierein  Würzburg,  weil 
hier  ein  lutherischer  Fürst  ein  katholisches  Fürstentum  zu 
verwalten  und  zu  reformieren  unternahm. 

Dem  Evangelium  sollte  dauernd  eine  Stätte  bereitet 
werden,  gewiß,  aber  die  Milde,  mit  der  Ernst  hier  vorging, 
ist  sehr  bemerkenswert.  Den  Katholiken  empfiehlt  er  den 
Besuch  des  protestantischen  Gottesdienstes,  er  verbietet 
auch  die  öffentlichen  Prozessionen,  ruft  aus  Thüringen 
Lehrer  herbei,  die  Domkirche  wird  den  Lutherischen  über- 
geben, aber  ebenso  ist  er  bedacht,  die  Besoldungen  der 
katholischen  Lehrer  und  Pfarrer  zu  verbessern,  unterstützt 
er  das  Kollegium  der  Jesuiten.  Die  neuen  Schulen,  die  er 
überall  gründen  will,  sollen  paritätische  sein,  die  Lehrer 
nach  dem  Verhältnis  der  Religion  der  Schüler  katholischer 
oder  protestantischer  Konfession  sein,  und  das  Lesebüchlein 
soll  für  beide  Konfessionen  passend  sein. 

Allein  dabei  bleibt  er  nicht  stehen,  er  will  auch  die 
gesamte  Methode  des  Unterrichts  verbessern.  Detaillierte 
Vorschläge  werden  vom  Herzog  Ernst  aufgesetzt  und  der 
Jenenser  Universität  zur  Begutachtung  vorgelegt.  Nur  der 
plötzliche  Umschlag  der  politischen  Verhältnisse  durch  die 
Nördlinger  Schlacht  hindert  die  Ausführung  dieser  edlen 
Absichten.  Ernst  mußte  Würzburg  verlassen.  Aber  der 
zurückkehrende  Fürstbischof  mußte  von  seiner  Verwaltung' 
rühmen,  daß  Herzog  Ernst  „besser  als  er  selbst,  wenn  er 
gegenwärtig  sein  können,   hausgehalten"  hätte. 

So  kehrt  denn  Herzog  Ernst  in  seine  Lande  zurück,  um 
sie  in  gemeinsamer  Regierung  mit  seinen  Brüdern  Wilhelm  und 
Albrecht  zu  verwalten.  Dem  von  Kursachsen  mit  dem  Kaiser 
abgeschlossenen  Prager  Frieden  treten  die  Ernestiner  bei,  ein 
besseres  Los  dem  Protestantismus  zu  erkämpfen  den 
Schweden  überlassend,  und  machen  ihr  Land  dadurch  erst 
recht  zum  Schauplatz  wilder  Kämpfe  und  Verwüstungen. 
Aber    selbst   in    diesen  schweren  Zeiten  läßt  Herzog  Ernst 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  XXXIX 

nicht  ab  von  seinem  großen  Ziele  der  Bildung  und  Besserung 
der  Jugend.  Er  beruft  den  Evenius,  der  schon  in  Würz- 
burg sein  treuer  Berater  gewesen  war,  nach  Weimar  und 
wird  nicht  müde,  mit  ihm  und  den  Jenenser  Professoren 
bessere  Methoden,  für  den  Lateinunterricht  zumal,  zu  er- 
örtern. Sein  großes  Ziel  ist,  in  Weimar  ein  auf  solchen 
Grundlagen  eingerichtetes  Gymnasium  zu  errichten. 

Da  entschließen  sich  die  Brüder  nach  Ernestinischem 
Brauche,  ihre  Länder  zu  teilen.  Herzog  Ernst  bekommt 
den  gothaischen  Anteil.  Am  24.  Okt.  1640  zieht  er  in 
seine  Hauptstadt  Gotha  ein. 

Und  nun  beginnt  jene  großartige  Reformthätigkeit 
Herzog  Ernsts,  durch  die  er  den  Namen  des  „Frommen" 
sich  erworben,  die  ihn  heraushebt  selbst  aus  den  anderen 
tüchtigen,  von  ähnlichen  Gedanken  geleiteten  Regenten 
der  damaligen  Zeit.  Ein  wahrhaft  heiliger  Ernst  liegt  über 
allen  seinen  Maßnahmen ;  er  fühlt  sich  seinem  Gott  verant- 
wortlich für  die  Seele  jedes  seiner  Unterthanen.  Daher 
eine  Fürsorge,  die  keine  Ruhe  sich  gönnt  und  das  Leben 
des  Menschen  vom  frühen  Morgen  bis  zum  späten  Abend 
begleitet  und  reglementiert.  Streng  gegen  sich  selbst,  ver- 
langt er  die  gleiche  Selbstzucht  von  jedem  Unterthanen. 
Gottesfurcht  soll  in  jedes  Menschen  Herzen  wohnen.  Es 
ist  ein  fest  gefügter  Bau,  den  er  aufführt,  jeder  Stein  ist 
dem  anderen  angepaßt  und  mit  ihm  verankert,  es  giebt  keine 
Lücke,  und  die  Idee,  die  ihn  erfüllt,  wird  streng  und  kon- 
sequent bis  zur  letzten  Schlußfolgerung  durchgesetzt.  Heiter 
und  glanzvoll  sieht  der  Bau  nicht  aus,  er  ist  herb  und  streng, 
von  puritanischer  Nüchternheit,  aber  solid  und  rein,  durch- 
weht von  edelstem  Wohlwollen  und  pflichttreuer,  gottge- 
weihter Arbeit. 

Trostlos  sind  die  Zustände  des  Landes.  Pfarren  und 
Schulen  zerstört  oder  verwüst,  Prediger  und  Lehrer  verroht 
oder  behindert  in  ihrer  Wirksamkeit,  das  Volk  in  Not 
und  Elend  verwahrlost  und  entsittlicht.  Mit  fester  Hand 
greift  Herzog  Ernst  ein.   Zuerst  gilt  es  den  wahren  Zustand 


XL  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

des  Landes  zu  erkennen.  Durch  Rundschreiben  und  Visi- 
tation verschafft  er  sich  diese  Kenntnis.  Sein  Lebensziel  ist,  die 
Jugend  zu  echter  Gottesfurcht  und  treue^  Arbeit  zu  erziehen, 
aber  gewartet  darf  nicht  werden,  bis  dieses  so  erzogene  Ge- 
schlecht herangewachsen  ist,  auch  die  Erwachsenen  müssen  so- 
gleich sittlich  gebessert  werden.  So  entsteht  unter  eifrigster 
Anteilnahme  des  Herzogs  Ernst  in  vielfacher  Anlehnung  an  die 
Ordnung  des  Johann  Casimir  von  Coburg  nach  eingehendsten 
Beratungen  im  Konsistorium  die  berühmte  Katechismus-Infor- 
mation. Nichts  bezeichnet  so  klar  seine  Absichten,  nichts 
läßt  so  deutlich  seine  ganze  Art  des  Denkens,  nichts  so 
scharf  seine  Regierungsgrundsätze  erkennen  wie  diese 
Katechismus-Information.  Ernst  fühlt  auch  selber  mit  Stolz, 
daß  diese  sein  eigenstes  Werk  ist,  er  tritt  daher  überall 
dafür  ein  und  sucht  ihre  Nachahmung  zu  erreichen.  Er 
empfiehlt  sie  Kursachsen  oder  Braunschweig,  aber  auch 
den  nordischen  protestantischen  Königreichen  und  wird 
nicht  müde,  ihren  Segen  zu  preisen. 

Durch  Lehrbücher  und  methodische  Anleitungen,  die 
auf  des  Herzogs  Befehl  ausgearbeitet  und  immer  wieder 
neu  aufgelegt  und  verbessert  wurden,  sollten  die  Infor- 
matoren in  den  Stand  gesetzt  werden,  ihre  Aufgabe  nach 
den  Absichten  des  Herzogs  zu  erfüllen.  Da  waren  „Seelen- 
register" anzufertigen  über  sämtliche  Pfarrkinder  mit  An- 
gabe über  ihren  christlichen  Lebenswandel  und  Teilnahme 
am  heiligen  Abendmahl.  Alle  wurden  in  Klassen  eingeteilt, ' 
je  nach  ihrer  geistigen  Fähigkeit,  den  Katechismus  zu  ver- 
stehen. So  oft  eine  Klasse  an  die  Reihe  kam,  hatte  jeder 
derselben  pünktlich  zu  erscheinen.  Jede  Versäumnis  wird 
bemerkt.  Bis  in  Äußerlichkeiten  der  Stellung,  der  Aus- 
sprache etc.  wird  vorgeschrieben,  was  zu  thun  ist.  Je 
nach  den  Fortschritten  kann  ein  jeder  von  der  niederen 
Klasse  zur  höheren  aufrücken.  Wer  alles  gelernt,  wird 
entlassen,  muß  aber  durch  stets  wiederholte  Examina  nach- 
weisen, daß  er  seinen  Katechismus  nicht  verlernt  hat. 
Auch  Hausarbeiten    werden    den   einzelnen    gegeben.     Und 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  XLI 

das  Alles  galt  für  die  Erwachsenen !  Mindestens  20  solcher 
Stunden  mußte  jede  Klasse  haben,  und  nur  während  der 
Erntezeit  durften  sie  ausgesetzt  werden. 

An  seinem  Hofe  gilt  die  gleiche  Ordnung.  Er  sorgt  auch, 
daß  seine  Hofbedienten  und  Schloßsoldaten  solche  Kate- 
chismusstunden haben.  In  jedem  Hause  soll  nach  der  Abend- 
mahlzeit ein  Hauptstück  des  Katechismus  wechselsweise 
recitiert  werden  ;  Predigt  und  Katechismus  sollen  das  Tisch- 
gespräch sein. 

Es  leuchtet  ein,  daß  nur  strenge  Oberaufsicht  und  nie 
ruhende  Mahnung  und  eignes  Beispiel  im  stände  waren, 
alle  diese  Gebote  durchzuführen.  Rügegerichte  und  andere 
Einrichtungen  traten  ergänzend  zur  Seite,  und  so  geschah 
es,  daß  trotz  Klagen  über  Versäumnisse  und  Lässigkeit 
das  Informationswerk  sich  fest  einbürgerte  und  segensreich 
wirkte.  Boehne,  der  diese  Bestrebungen  Ernsts  des  Frommen 
mit  großer  Sachkunde  und  liebevollem  Verständnis  uns  er- 
schlossen, hat  gewiß  recht,  wenn  er  diesen  Maßnahmen  nicht 
nur  moralische  Besserung  der  Unterthanen,  sondern  auch 
wirtschaftlich  segensreiche  Folgen  zuschreibt.  Wie  auch 
wohl  sollte  dieses  verwahrloste  und  verwilderte  Geschlecht 
zu  Gottesfurcht,  Arbeit,  Treue  und  jeder  Tugend  erzogen 
werden,  wenn  nicht  durch  festen  Zwang  und  sichere  Ge- 
wöhnung? So  unerträglich  uns  Modernen  eine  solche  Be- 
vormundung sein  muß,  für  die  damalige  Zeit  war  sie  die 
einzige  Rettung,  und  alle  die  Übertreibungen  und  Mißgriffe 
im  einzelnen  verblassen  vor  der  edlen  Reinheit  dieses 
fürstlichen  Willens. 

Mandate  gegen  den  Luxus,  gegen  ünmäßigkeit  in  Essen 
und  Trinken,  die  Verschwendung  bei  Taufen  und  Hoch- 
zeiten vervollständigen  das  Bild.  Die  Reinheit  und  Zucht  der 
Familie  sucht  Herzog  Ernst  unablässig  durch  Ermahnung  und 
Mandate,  dann  auch  durch  treffliche  Bücher,  die  auf  seine 
Veranlassung  abgefaßt  werden,  zu  bewahren  und  zu  mehren. 
Nicht  minder  in  weltlichen  Dingen  ist  er  der  treue  für- 
sorgende Berater  seiner  Unterthanen,  giebt  ihnen  Ratschläge, 


XLII  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

wie  sie  bei  Feuersgefahr  oder  ansteckenden  Krankheiten 
sich  zu  verhalten  haben.  Wie  ein  Vater,  bald  mahnend 
und  aufklärend,  bald  strafend  und  drohend,  sorgt  er  für  das 
geistige  und  leibliche  Wohl  seiner  Unterthanen. 

Die  Schule  ist  ihm  daher,  getreu  den  Mahnungen  seines 
geliebten  Dr.  Luther,  die  wichtigste  und  heiligste  Sache 
seines  Regentenberufs,  denn  für  die  Seele  jedes  Kindes 
fühlt  er  sich  verantwortlich.  Was  Ernst  der  Fromme  für 
die  Schule  gethan  hat,  ist  groß  und  wahrhaft  bewunderns- 
wert. Er  ist  der  Schöpfer  unserer  deutschen  allgemeinen 
Volksschule.  So  trostlos  der  Zustand  ist,  in  dem  er  gerade 
in  dieser  Beziehung  sein  Land  vorfindet,  er  ruht  nicht,  bis 
jedes  Dorf  seine  Knabenschule,  die  Städte  und  größeren 
Dörfer  auch  noch  ihre  Mägdleinschulen  haben.  Jedes  Kind 
hat  die  Schule  zu  besuchen,  die  es  nicht  eher  verlassen 
darf,  bis  es  durch  ein  Examen  das  erreichte  Ziel  nachge- 
wiesen hat.  Der  Lehrerstand  wird  durch  bessere  Besoldung 
und  bessere  Vorbildung  gehoben.  Die  Methode  des  Unter- 
richts wird  reformiert,  in  Schriften  und  Instruktionen  bis 
ins  einzelste  genau  festgesetzt  und  in  steter  Arbeit  ver- 
bessert; der  „Schulmethodus"  ist  geradezu  die  Grundlage 
der  gothaischen  und  andrer  deutschen  Volksschulen  ge- 
blieben. 

Natürlich  ist  die  Religion,  speciell  der  Katechismus, 
das  Rückgrat  des  ganzen  Unterrichts,  aber  sehr  bemerkens- 
wert ist  es,  welches  Gewicht  auf  Lesen,  Schreiben  und* 
Rechnen  gelegt  wird.  Und  ein  Markstein  in  der  Geschichte 
der  Erziehung  ist  es,  daß  im  Jahre  1656  der  Unterricht 
„von  den  natürlichen  Dingen"  in  den  Lehrplan  auf- 
genommen wird.  Stets  werden  Bücher,  die  die  betreffenden 
Ideen  darstellen,  auf  des  Herzogs  Befehl  verfaßt  und  ge- 
druckt, Schriften,  die  zum  Teil  in  geradezu  klassischer 
Weise  ihre  Aufgabe  erfüllen.  Die  Fürsorge  des  Herzogs 
erstreckt  sich  auch  auf  die  aus  der  Schule  Entlassenen, 
die  Anfänge  unserer  Fortbildungsschule  sind  hier  zu  finden. 

Streng    durchgeführte     Visitationen     überwachen     das 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  XLIII 

ganze  Schulwesen,  die  letzte  Instanz  ist  das  Konsistorium, 
dessen  Vorsitz  in  den  wichtigsten  Fällen  der  Herzog  selbst 
führte. 

So  ist  er  auch  hier  die  Seele,  nichts  entgeht  ihm,  stets 
sieht  er  selber  nach  dem  Rechten,  visitiert,  spornt  an,  tadelt, 
treibt,  belohnt.  Denn  nichts  war  ihm  so  ans  Herz  ge- 
wachsen wie  seine  Schule. 

Bekannt  ist,  wie  Ernst  der  Fromme  auch  dem  gothaischen 
Gymnasium  sein  wärmstes  Interesse  widmete  und  auch 
diese  Anstalt  zu  einer  Musteranstalt  zu  machen  bemüht 
war,  mit  bestem  Erfolge,  wie  der  Ruhm  des  Gothaischen 
Gymnasiums  in  damaliger  Zeit  und  seine  steigende  Fre- 
quenz bezeugen. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  Herzog  Ernst  auch 
für  die  Universität  Jena,  die  er  mit  seinen  Brüdern  ge 
meinsam  besaß,  das  wärmste  Interesse  zeigte.  Er  ist  es 
in  erster  Linie  gewesen,  der  durchsetzte,  daß  die  Güter 
Remda  und  Apolda  der  Universität  vermacht  wurden,  und 
wenn  die  Professoren,  was  bei  den  Kriegsnöten  nur  zu  oft 
eintraf,  zu  klagen  hatten  über  Ausbleiben  ihres  Gehaltes, 
so  wendeten  sie  sich  an  Herzog  Ernst,  der  ihnen,  wenn 
irgend  möglich,  gern  half.  Für  seine  Landeskinder,  die  die 
Universität  bezogen,  sorgte  er  in  geradezu  väterlicher  Weise. 
Jeder  mußte  sich  erst  bei  seinem  Seelsorger  abmelden,  dann 
in  Jena  anmelden  bei  einem  Inspektor,  den  er  eigens  für 
die  Gothaner  eingesetzt  hatte.  Dieser  hatte  dafür  zu  sorgen, 
daß  sie  fleißig  die  Kollegia  besuchten  und  einen  ehrbaren, 
ordentlichen  Lebenswandel  führten.  Er  mußte  sich  auch 
vergewissern,  ob  sie  die  Predigt  anhörten  und  auch  sonst 
die  religiösen  Übungen,  wie  er  sie  vorgeschrieben,  erfüllten. 
Denn  fromm,  gottesfürchtig,  verständig  und  gelehrt  sollten 
sie  werden,  ohne  Gottesfurcht  war  aber  Gelehrsamkeit  nur 
„lauteres  Gift".  Er  durfte  mahnen,  im  Falle  dauernden 
Ungehorsams  mußte  er  an  das  Konsistorium  nach  Gotha 
berichten. 

Was    die    Landeskinder     zu    hören    und    wie    sie    ihr 


XLIV  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

Studium  zu  betreiben  hatten,  war  genau  festgesetzt,  ebenso 
auch  ihnen  auf  das  strengste  eingeschärft,  allen  Anforderungen 
und  Anordnungen  der  Universität  nachzul^ommen.  Aber  nicht 
nur  den  Studenten  schreibt  er  vor,  wie  sie  zu  studieren 
haben,  auch  für  die  Docenten  stellt  er  Maximen  auf,  wie 
sie  die  Materien  ihres  Faches  vorzutragen  haben,  bei  den 
Theologen  so  gut  wie  bei  den  Juristen. 

Die  Zustände  an  der  Universität  selber  verfolgte  er 
dabei  mit  scharfem  Auge.  Deshalb  sucht  er  die  Disciplin 
zu  heben,  und  nichts  ist  ihm  so  verhaßt  wie  das  ärgerliche 
Wesen  des  Pennalismus,  das  gerade  damals  auch  in  Jena 
auf  dem  Höhepunkte  stand.  Er  sucht  nicht  bloß  seine 
Landeskinder  von  diesem  Wesen  fernzuhalten  und  zu  be- 
wahren, sondern  er  überlegt  auch  in  Konferenzen  mit  den 
Professoren  Mittel  und  Wege,  wie  diesem  Übel  zu  steuern 
sei.  Von  Erfolg  sind  diese  edlen  Bemühungen,  die  er  auch 
auf  den  Reichstagen  nicht  aus  dem  Auge  verliert,  nicht  zu 
sehr  begleitet  gewesen,  weil  die  Verhältnisse  stärker  waren 
als  er.  Wie  groß  sein  Interesse  an  der  Universität  war, 
kann  man  auch  noch  daraus  ersehen,  daß  er  noch  in  seinem 
Testamente  die  Hochschule  seinem  Nachfolger  aufs  wärmste 
empfahl  und  für  die  Stipendiaten  aus  Gotha  10000  Gulden 
bestimmte. 

Überblickt  man  alle  diese  Bestrebungen  Ernsts  des 
Frommen,  so  wird  man  nicht  verkennen  können,  daß  sie 
leiden  an  einem  Übermaß  von  Verordnungen.  Es  ist  gleich-' 
sam  ein  Reglementieren  in  alles  und  jedes;  der  einzelne 
wird  an  einem  Gängelbande  geleitet,  der  Lehrer  so  gut 
wie  der  Geistliche,  der  Student  wie  der  Erwachsene.  Und 
doch  muß  man  zugestehen,  daß  Herzog  Ernst  dazu  die  triftigsten 
Gründe  hatte,  die  eben  in  der  Natur  dieser  Zeit  lagen. 
Der  sittliche  Ernst,  mit  dem  er  alle  diese  Fragen  anfaßt 
und  behandelt,  ist  einfach  bewundernswert,  und  ein  anderes 
Mittel,  Religion  und  Zucht  dem  verwilderten  Volke  wieder- 
zubringen, war  schwer  denkbar. 

Und  was  er  von  seinen  Unterthanen  verlangt,  er  selber 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  XLV 

hat  es  an  der  eigenen  Person  und  bei  seinen  Kindern  nicht 
weniger  streng  geübt.  Alles  bei  ihm  ist  einheitlich  und 
charaktervoll.  Man  maß  die  Instruktionen  lesen,  die  er 
für  seine  Familie  aufgesetzt  hat,  um  zu  sehen,  wie  ernst 
er  alle  diese  Dinge  auffaßte.  Da  wird  genau  für  seine 
Kinder  der  Tag  geregelt  von  früh  bis  spät  am  Abend,  ge- 
nau ist  festgesetzt,  was  sie  zu  jeder  Tageszeit  zu  thuu  und 
zu  lassen  haben,  selbst  die  Spielzeit  wird  reglementiert. 
Für  jeden  Präceptor  oder  Bedienten  oder  Koch  und  selbst 
die  Mutter  ist  eine  eigene  Instruktion  verfaßt,  nach  der  sie 
streng  sich  zu  richten  haben.  So  wird  z.  B.  der  Mutter 
in  18  Paragraphen  genau  vorgeschrieben,  wie  sie  in  der 
Kinderstube  sich  zu  betragen  hat,  nur  tritt  die  Kinder- 
erziehung fast  zurück  hinter  der  Sorge  für  saubere  Wäsche. 
Auch  die  Stalljungen,  die  Köche,  sie  alle  haben  genau  nach 
festgelegten  Instruktionen  ihr  Tagewerk  zu  verrichten. 

In  diesen  Instruktionen  und  überhaupt  in  seinen  Ver- 
ordnungen spricht  sich  am  klarsten  sein  Denken  und  Fühlen 
aus.  Hier  fließen  ihm  die  Worte  beredt  vom  Munde,  streng 
und  schlicht,  mit  echter  Religiosität  und  tiefer  Herzens- 
wärme befiehlt,  mahnt,  bittet  und  droht  er.  Nie  hat  ein 
Fürst  seine  Regentenpflicht  strenger  aufgefaßt  und  sein 
ganzes  Leben  dieser  großen  Aufgabe  geweiht.  Das  Wort 
Gottes  ist  ihm  überall  Richtschnur,  ihm  fühlt  er  sich  ver- 
antwortlich für  jedes  Thun.  Die  Übertreibungen  fehlen  nicht 
und  sind  leicht  zu  erkennen,  aber  der  Wille  ist  rein  und  gut. 

Ein  Landesvater  wollte  er  sein  und  war  er.  ^ie  giebt 
es  ein  Auseinanderfallen  von  Worten  und  Thaten.  Was 
er  sagt,  denkt  er  und  lebt  danach.  Der  Zwang  und  die 
genaue,  stete  Einteilung  jedes  Tages,  die  er  seinen  Landes- 
kindern vorschreibt,  für  ihn  gelten  sie  erst  recht.  Die 
Religiosität  ist  ihm  reinste  Herzenssache,  er  lebt  und  webt 
in  diesen  religiösen  Übungen.  Und  wie  er  selbst  diese 
bessernde,  reinigende  Kraft  verspürt,  so  soll  auch  jeder 
seiner  Unterthanen  ihrer  teilhaftig  werden  und  sein  Leben 
Gott  weihen. 


XLVI  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

Von  früher  Kindheit  an  mit  ganz  besonderer  Wärme 
allen  religiösen  Fragen  zugethan,  ist  Ernst  der  Fromme, 
auch  hier  ein  echter  Ernestiner,  später  geradezu  ein  Ge- 
lehrter geworden,  der  alle  theologischen  Streitfragen  und 
Gedanken  beherrschte.  Sein  Christentum  ist  wesentlich 
praktisch,  an  den  dogmatischen  Fragen  hängt  nicht  sein 
stärkstes  Interesse,  auf  praktische  Bethätigung  im  Lebens 
kommt  es  ihm  hauptsächlich  an.  Die  Verwandtschaft  seiner 
Ideen,  wie  er  sie  in  seinem  Lande  durchzuführen  suchte 
und  nach  denen  er  selber  lebte,  mit  Spener  und  dem  Pietismus 
ist  augenfällig. 

Daneben  hatte  er  aber  allen  theologischen  Streit- 
fragen die  größte  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Die  Zeiten 
sind  schwer,  und  gerade  der  lutherische  Protestantismus 
ist  von  allen  Seiten  bedroht.  Er  hat  sich  nicht  nur  gegen 
den  Calvinismus  zu  verteidigen,  sondern  auch  sich  der 
übermächtigen  Angriffe  des  Katholicismus  zu  erwehren. 
Kann  man  es  in  dieser  Lage  den  lutherischen  Theologen 
verdenken,  wenn  sie  in  erbittertem  Kampfe  ihren  Stand- 
punkt wahren,  dabei  wohl  auch  des  Guten  einmal  zuviel 
thun  ?  Herzog  Ernst  steht  mitten  drin  in  all  diesen  Kämpfen, 
und  sowie  ein  größeres  litterarisches  Werk  den  Protestantis- 
mus angreift,  so  sinnt  er  auf  Mittel  und  Wege,  es  zu  wider- 
legen und  die  Wahrheit  der  Lehre  Luthers  zu  beweisen. 
Auf  den  Reichstagen  wahrt  er  daher  die  Verbindung  mit 
dem  lutherischen  Schweden  auf  das  sorgfältigste  und  sieht 
mit  Bekümmernis  die  Gegensätze  zwischen  Brandenburg 
und  Schweden. 

Aus  diesen  Gedanken  heraus  entsteht  dann  jener  eigen- 
tümliche und  groß  angelegte  Plan  des  Collegium  Hunnianum, 
ein  Werk,  das  gerade  in  neuester  Zeit  in  die  Öffentlichkeit 
gezogen  ist.  Man  hat  geglaubt,  den  frommen  Herzog  als 
Eideshelfer  heranziehen  zu  dürfen  zu  jenen  Bestrebungen, 
die  auf  eine  Vereinigung  der  gesamten  protestantischen 
Kirchen  hinauslaufen.  Ist  es  nun  wirklich  an  dem,  ist 
Herzog  Ernst  eingetreten  —  und  konnte  er  eintreten  für  eine 
derartige  Union  aller  Protestantischen? 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  XL VII 

Das  Buch,  das  dem  Herzog  die  Anregung  zu  dem  Plane 
und  seiner  Ausführung  gegeben  hat,  ist  im  Jahre  1632  bereits 
erschienen.  Der  Verfasser  ist  der  Superintendent  Nikolaus 
Hunnius  in  Lübeck,  und  sein  Buch  führt  den  Titel  „Con- 
sultatio  oder  wohlmeinendes  Bedenken,  ob  und  wie  die 
evangelisch  lutherischen  Kirchen  die  jetzt  schwebenden 
Religionsstreitigkeiten  entweder  friedlich  beilegen  oder  durch 
christliche  und  bequeme  Mittel  fortstellen  und  endigen 
mögen". 

Dargelegt  wird  nun  in  dem  Buch,  wie  weder  mit  der 
katholischen  Kirche  noch  mit  der  reformierten  oder  anderen 
Sekten  ein  Friede  gemacht  werden  kann.  Es  heißt  gerade- 
zu im  19.  Kapitel:  „mit  den  Päbstlichen  kann  man  sich 
in  Vertrag  und  geistliche  Brüderschaft  nicht  einlassen"  im 
20.  Kapitel:  „Mit  den  Reformierten  oder  Calvinianern  kann 
man  keinen  geistlichen  Vertrag  machen;  und  endlich  „auch 
mit  den  Phontinianem  und  den  neuen  Propheten  kann  man 
keinen  geistlichen  Vertrag  anstellen".  Was  also  ist  zu  thun? 
Es  muß  ein  Kollegium  von  Gelehrten  und  frommen  Leuten 
eingerichtet  werden,  —  denn  alle  bisherigen  Versuche,  wie 
Concilia,  Religionsgespräche  etc.  haben  nichts  erreicht,  —  etwa 
zu  zwölf  Personen.  Die  Kraft  eines  einzelnen  Mannes  reicht 
dazu  nicht  aus,  auch  die  Professoren  an  den  Universitäten 
können  es  nicht  wegen  ihrer  sonstigen  Verpflichtungen,  nur 
ein  Kollegium  vermag  es  von  dazu  besonders  qualifizierten 
Gelehrten.  Diese  haben  die  Pflicht,  alle  vorkommenden 
Religionsstreitigkeiten  zu  erörtern,  in  Schriften  zu  verfassen 
und  den  Kampf  durchzuführen,  solange  bis  das  Gewissen 
der  Gegner  bezwungen  ist.  Weiter  sollen  sie  gelehrte 
größere  Bücher  und  Kompendien  verfassen  und  sollen  über 
die  Reinheit  der  Lehre  wachen.  Angestellt  werden  sie 
und  bezahlt  von  den  betreffenden  Fürsten,  die  sich  zu 
diesem  Kollegium  vereinigen.  Eingehende  Visitationen 
sorgen  dafür,  daß  alles  zum  besten  bestellt  ist.  Die  Dotation 
dieser  Körperschaft  —  200000  Thaler  sind  etwa  erforderlich  — 
erscheint  nicht  schwer,  wenn  mehrere  Fürsten  und  Städte 
und  auch  Privatpersonen  dazu  bereit  sind. 


XLVIII  Herzog  Ernst  dsr  Fromme, 

Diesen  Plan  greift  jetzt,  durch  viele  schlimme  Er- 
fahrungen dazu  bewogen,  Herzog  Ernst  auf.  Seine  Gedanken 
fußten  ganz  auf  diesen  Vorschlägen  von  Hunnius.  Wie  er 
selbst  die  größten  persönlichen  Opfer  zu  bringen  bereit  ist, 
so  erwartet  er  eine  ähnliche  Opferwilligkeit  auch  bei  den 
anderen  Fürsten.  In  Reinhardsbrunn  als  einem  gesunden 
Orte,  in  der  Mitte  von  Deutschland  gelegen,  denkt  er  sich 
den  Sitz  des  Kollegiums.  Dort  soll  auch  eine  große  Biblio- 
thek angelegt  werden  und  der  Gehalt  der  einzelnen  so  groß 
bemessen  sein,  daß  jeder  seine  ganze  Arbeitskraft  dem  In- 
stitute widmen  kann  und  ein  neuer  Nachwuchs  stets  heran- 
gezogen wird. 

Schon  die  Begründung  und  die  Ausgestaltung  dieses 
Gedankens  beweist,  daß  Herzog  Ernst  nie  und  nimmer  an 
eine  Vereinigung  der  protestantischen  Kirchen,  wie  sie  von 
unseren  Tagen  jetzt  verlangt  wird,  gedacht  hat.  Streng  auf 
lutherischem  Standpunkt  stehend,  will  er  das  Luthertum 
schützen  und  kräftigen  im  Kampfe  gegen  seine  Widersacher. 
Diese  Widersacher  sind  ihm  in  erster  Linie  die  Katholiken, 
die  eben  damals  auf  der  ganzen  Linie  zu  neuen  Angriffen 
übergingen.  Es  ist  die  Zeit  der  großen  Konversionen,  wo 
nicht  nur  Gelehrte  und  Staatsmänner,  sondern  auch  Fürsten 
von  ihrem  protestantischen  Glauben  abfielen  und  zum  Ka- 
tholicismus  übertraten.  Gerade  dieser  letztere  Punkt,  der 
Abfall  fürstlicher  Personen,  erregt  die  schwersten  Sorgen  bei 
Herzog  Ernst. 

Kann  aber  die  lutherische  Kirche  diese  Aufgabe  er- 
füllen, wo  sie  selbst  durch  Lehrstreitigkeiten  zerrissen  ist, 
Streitigkeiten,  die  mit  einem  unglaublichen  Eifer  durchge- 
fochten werden?  Er  denkt,  ganz  wie  Hunnius,  hier  eine 
Übereinstimmung  herbeiführen  zu  können  durch  litterarische 
Niederkämpfung  der  Gegner. 

Was  die  protestantischen  Theologen  damals  besonders 
bewegte,  waren  die  synkretistischen  Streitigkeiten,  die  sich 
an  den  Namen  von  Georg  Calixtus  in  Helmstädt  hefteten. 
Dieser  fromme  und  gelehrte  Mann  hatte  betont,  wie  Katho- 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  XLIX 

iiken,  Lutheraner  und  Calvinisten  in  den  Fundamental- 
iragen des  Glaubens  tibereinstimmten.  Es  braucht  hier 
nicht  untersucht  zu  werden,  wie  weit  Calixtus  recht  hat, 
nur  das  leuchtet  doch  ein,  daß  er  den  lutherischen  Prote- 
stantismus in  einem  Augenblick,  wo  er  selber  einen  Existenz- 
kampfdurchkämpfte, schwächte,  und  schon  aus  diesem  Grunde 
ist  es  begreiflich,  wie  namentlich  die  kursächsischen  Theo- 
logen die  Ideen  des  Calixtus  mit  tödlicher  Feindschaft  be- 
fehdeten. Gelang  es,  diesen  Aufruhr  und  Streit  auszu- 
gleichen, was  Ernst  ja  auch  sonst  durch  Specialgesandt- 
schaften an  die  betreffenden  Höfe  versucht  hat,  so  war  dem 
Luthertum  ein  großer  Dienst  gethan,  und  eben  das  sollte 
auch  das  Collegium  Hunnianum  mit  seinen  Gelehrten 
bewirken.  Es  soll  also  das  Luthertum  in  geschlossener 
Rüstung  seinen  Gegnern  gegenüberstehen,  sowohl  den 
Katholiken  wie  den  Reformierten  gegenüber.  Denn  auch 
die  Reformierten  hatten  damals  im  verstärktem  Maße  den 
Kampf  gegen  die  Lutheraner  aufgenommen,  eine  Feind- 
schaft, die  von  den  Lutheranern  voll  heimgezahlt  wurde. 
In  eingehenden  Beratungen  unter  Vorsitz  des  Herzogs  wird 
im  April  d.  J.  1670  der  Plan  dieses  Kollegiums  durchge- 
sprochen. Auch  der  Jenenser  Professor  Musäus  wird  herbei- 
gezogen. Man  verhehlt  sich  nun  nicht  die  großen  Schwierig- 
keiten, aber  man  ist  von  der  Wichtigkeit  der  Sache  so 
durchdrungen,  daß  man  glaubt,  ihrer  Herr  zu  werden.  Der 
Herzog  hat  auch  noch  dem  einen  oder  anderen  seinen 
Plan  vorgelegt,  teils  Zustimmung,  teils  Ablehnung  er- 
fahren, und  hier  ist  es  besonders  die  Universität  Gießen, 
die  sehr  klare  Einwendungen  erhebt,  aber  die  Sache  nimmt 
ihren  Verlauf. 

Eine  sehr  wichtige  Frage  betraf  das  Verhältnis  zu 
Kursachsen,  welches  das  Direktorium  des  Corpus  evangelicum 
auf  den  Reichstag  führte  und  infolgedessen  den  größten 
Einfluß  auf  die  deutschen  evangelischen  Stände  hatte. 
Wenn  man  schließlich  gleichwohl  von  ihm  absah  und  zuerst 
hauptsächlich  an  die  nordischen  Königreiche  ging,  so  sollte 

4 


L  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

damit  allerdings  Sachsen  nicht  ausgeschlossen  bleiben, 
wie  man  ja  auch,  während  die  Gesandtschaft  des  Herzogs 
im  Norden  weilte,  durch  eine  besondere  Gesandtschaft  vor- 
sichtig bei  dem  Kurfürsten  und  seinen  Räten  sondierte. 
Aber  man  hielt  eben  die  nordischen  Königreiche  für  wich- 
tiger und  mußte  es  auf  die  Gefahr  ankommen  lassen,  da- 
durch bei  Sachsen  anzustoßen. 

Sehr  eigentümlich  berührt  es,  wenn  man  im  Rate  des 
Herzogs  erwog,  ob  man  nicht  alte  Forderungen,  die  n[ian 
gegen  Schweden  sowohl  als  gegen  Dänemark  erheben  konnte, 
benutzen  und  so  diese  Kronen  williger  machen  könnte,  auf 
die  Pläne  des  Herzogs  einzugehen.  Man  läßt  sich  die  be- 
treffenden Dokumente  aus  dem  weimarischen  Archive  kommen, 
welche  die  Schenkung  des  Herzogtums  Franken  an  Bern- 
hard, den  Bruder  Ernsts  des  Frommen,  betrafen,  wie  man 
ebenso  die  Anrechte  Johann  Ernsts  an  Dänemark  hervor- 
suchte. Schließlich  fühlt  man  aber  doch,  daß  die  Ver- 
quickung dieser  strittigen  Fragen  mit  den  vorliegenden  Plänen 
der  guten  Sache  nur  schaden  würden. 

Sehr  eingehend  werden  die  finanziellen  Schwierigkeiten 
erwogen.  Es  ist  sehr  bemerkenswert,  daß  man  auch  in  diesem 
Punkte  vollständig  den  Gedanken  von  Hunnius  folgt.  So  werden 
nicht  nur  die  Fürsten  und  Städte  mit  gewissen  Summen  in 
Rechnung  gestellt  zur  Unterhaltung  des  Kollegiums,  sondern 
man  rechnet  auch  mit  einer  allgemeinen  Kollekte,  die  auf 
30 — 50  000  Thaler  eingeschätzt  wird.  Dänemark  hätte 
etwa  10 — 25  000  Thaler  beizutragen,  die  gleiche  Summe 
Schweden.  Kursachsen  wird  mit  5 — 10  000  eingesetzt,  und 
—  höcht  bezeichnend  —  die  gleiche  Summe  will  auch  Gotha 
allein  aufbringen.  Weiter  werden  herangezogen  die  Fürsten 
von  Weimar,  Altenburg,  Darmstadt ,  Wolfenbüttel ,  Celle, 
die  Markgrafen  von  Durlach,  Ansbach  ubd  Bayreuth  und 
die  Herzöge  von  Holstein  und  Mecklenburg.  Schwarzburg, 
Waldeck  und  die  Hohenlohes  werden  mit  1000 — 1500  Thalern 
angesetzt.  Die  großen  Städte,  wie  Nürnberg,  Straßburg, 
Augsburg,  Frankfurt,  sollen  je  3 — 4000  Thaler  zahlen,   die 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  LI 

übrigen  Reichsstädte  zusammen  6 — 9000  Thaler.  So  glaubt 
man  auch  nach  dieser  Seite  gesichert  zu  sein,  die  Instruk- 
tionen werden  verfaßt,  und  am  4.  Mai  verläßt  die  Gesandt- 
schaft Gotha. 

Man  wendet  sich  zunächst  an  den  Herzog  von  Braun- 
schweig -  Wolfenbüttel  —  der  Herzog  als  Landesherr  der 
Helmstädter  Universität  ist  besonders  wichtig.  Auf  be- 
sondere Beachtung  rechnet  man  hier,  weil  Herzog  Ernst 
100  000  Gulden  vorgeschossen  hat.  Freilich  entspricht  die. 
Aufnahme  den  Erwartungen  nicht.  Der  Herzog  ist  in  einen 
ärgerlichen  Konflikt  mit  seinem  Nachbarn ,  dem  Großen 
Kurfürsten  von  Brandenburg,  gekommen,  und  Truppen  sind 
bereits  zusammengezogen;  man  hat  daher  alle  Ursache,  vor- 
sichtig zu  sein,  um  den  calvinistischen  Eifer  des  hohen 
Herrn  nicht  zu  erregen,  und  die  Antwort  lautet  daher  so 
gut  wie  ablehnend. 

Darauf  wendet  man  sich  an  den  Herzog  von  Holstein. 
Auch  hier  sucht  Herzog  Ernst  ein  rein  persönliches  Interesse 
des  holsteinischen  Herzogs  zu  benutzen,  der  die  Absicht 
hatte,  ein  orientalisches  Seminar  an  seiner  Universität  Kiel 
zu  errichten;  Herzog  Ernst  ließ  durchblicken,  daß  er  dies 
Unternehmen  zu  unterstützen  geneigt  sein  könnte.  Gleich- 
wohl war  auch  hier  das  Resultat  ein  negatives,  der  Herzog 
erklärte,  bei  seiner  Lage  zwischen  den  nordischen  Reichen 
sehr  vorsichtig  sein  zu  müssen. 

So  bricht  man  wieder  auf  und  gelangt  ani  7.  Juni 
nach  Kopenhagen.  Der  König,  jung  und  von  größerem 
Interesse  für  Jagd  als  für  andere  Dinge,  ist  erst  am 
28.  Juni  zu  einer  Audienz  zu  bestimmen.  Es  wird  eine 
Kommission  ernannt,  der  auch  am  4.  Juli  die  herzoglichen 
Propositionen  vom  Kirchenrat  Verporten  ausführlich  dargelegt 
werden,  aber  trotz  allen  Drängens  erhält  man  erst  am  13.  August 
die  königliche  Resolution,  in  der  man  sich  wohl  mit  der 
Idee  einverstanden  erklärt,  aber  zugleich  die  großen 
Schwierigkeiten  betont  und  warten  will,  wie  Schweden  in 
dieser  Angelegenheit  sich  entscheiden  wird. 


LH  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

Am  30.  August  sind  die  Reisenden  in  Stockholm, 
Wieder  liegen  die  Verhältnisse  sehr  ungünstig,  der  König 
ist  minderjährig,  zudem  abwesend  von\  Stockholm,  und 
zwischen  den  Räten  besteht  heftige  Eifersucht  und  Un- 
friede. Man  ist  genötigt,  längere  Zeit  auf  Reisen  zu  gehen, 
bis  endlich  der  König  in  die  Residenz  zurückkommt  und 
ihm  die  Angelegenheit  vorgetragen  werden  kann.  Die 
eingesetzte  Kommission  ist  nun  an  sich  wieder  durchaus 
nicht  abgeneigt,  der  Idee  des  gothaischen  Herzogs  zuzu- 
stimmen, namentlich  die  Bischöfe  erkennen  die  Notwendig- 
keit und  Berechtigung  der  Idee  voll  an,  aber  schon  sie 
machen  aufmerksam  auf  die  große  Schwierigkeit,  die  darin 
bestehen  wird,  wie  Kursachsen  seine  Stellung  nehmen  wird. 
Etwa  alternieren  im  Vorsitz  mit  dem  Kurfürsten  könne 
das  Königreich  Schweden  nicht,  weil  dieses  nur  inter  pares 
möglich  sei.  Die  weltlichen  Räte  berühren  eine  andere 
heikle  Frage,  die  Stellung  von  Kurbrandenburg.  Der  große 
Kurfürst  werde  bei  seinem  calvinistischen  Eifer  in  dieser 
lutherischen  Vereinigung  eine  Ligue  sehen,  wie  auch  der 
Kaiser  dadurch  sich  bedroht  sehen  könnte,  und  der  Kur- 
fürst von  Brandenburg  stehe  in  großen  Allianzen.  Mit  der 
Vertröstung,  das  Werk  gegebenen  Falles  unterstützen  zu 
wollen,  muß  man  sich  zufrieden  geben. 

Auf  dem  Heimwege  besucht  man  noch  Güstrow,  allein 
auch  an  diesem  Hofe,  wo  die  damaligen  Unsitten  dei' 
Trinkgelage  im  höchsten  Schwange  waren,  erzielt  man  kein 
besseres  Resultat.  Man  will  sich,  lautet  der  Bescheid,  mit 
einheimischen  und  fremden  Gelehrten  in  Verbindung  setzen 
und  später  sich  resolvieren. 

Nach  Ablauf  eines  vollen  Jahres  kehrt  die  Gesandt- 
schaft nach  Gotha  zurück,  das  Ergebnis  ist  ein  durchaus 
ungünstiges,  von  keiner  Seite  ist  eine  direkte  Unterstützung 
zugesichert  worden.  Aber  Herzog  Ernst  läßt  sich  nicht 
schrecken.  Wie  er  selber  in  eigenhändiger  Urkunde  das 
Kollegium  fundiert  und  dabei  200  000  Thaler    ausgeworfen 


-  Herzog  Ernst  der  Fromme.  LIII 

hat,  so  hat  er  noch  im  Jahre  1671  versucht,  auf  die 
betreffenden  Höfe  günstig  einzuwirken.  Die  definitive  Ent- 
scheidung des  Wolfenbüttler  Hofes  lautet  einfach  hinaus- 
schiebend, und  auch  vom  schwedischen  Hof  hat  er  trotz 
eines  Ermahnungsschreibens  an  den  Feldmarschall  Wrangel, 
das  er  einem  Kondolenzbriefe  bei  dem  Tode  von  dessen  Frau 
beifügt,  keinen  günstigeren  Bescheid  erhalten.  Die  Er- 
klärung liegt  in  den  politischen  Verhältnissen.  Nur 
wenige  Jahre,  und  die  Schlacht  von  Fehrbellin  wird  ge- 
schlagen. 

Trotzdem  hat  Herzog  Ernst  noch  am  23.  Oktober  1672 
gedacht,  das  Kollegium  einzurichten  und  einen  Fundations- 
brief  darüber  ausgestellt  und  die  Hoffnung  nicht  aufge- 
geben, daß  der  Nutzen  des  Kollegiums  auch  noch  die  übrigen 
lutherischen  Fürsten  und  Stände  zum  Beitritt  bewegen  würde. 
50  000  Thaler  Kapital  von  den  ausgesetzten  200  000  Thalern 
sollen  zur  Aufbesserung  von  Pfarrer-  und  Lehrergehältern 
im  Altenburgischen  und  Coburgischen  verwendet  werden, 
sowie  zur  „Unterhaltung  und  Fortpflanzung  unserer  evan- 
gelischen Kirchen  und  Schulen  in  anderen  Landen". 

Gescheitert  ist  das  Projekt  des  Collegium  Hunnianum 
und  mußte  wohl  scheitern,  weil  bei  der  damaligen  Lage  der 
Welt  die  religiösen  Impulse  nicht  mehr  die  entscheidenden 
waren,  sondern  die  politischen  Verhältnisse  überall  das  ent- 
scheidende Wort  sprachen.  Aber  man  soll  die  Idee  des 
Herzogs  Ernst  des  Frommen  nicht  einfach  phantastisch 
nennen,  es  lag  in  Wahrheit  ein  großer  berechtigter  Gedanke 
darin.  So  konnte  nur  ein  Kollegium  einer  Anzahl  gelehrter 
und  geeigneter  Männer  Unternehmungen  vollbringen,  wie 
sie  Herzog  Ernst  im  Sinne  liatte.  Sein  Kollegium  wäre  quasi  ge- 
wesen eine  protestantische  Akademie,  eine  Vereinigung  der 
sämtlichen  lutherischen  Universitäten.  Große  Werke  über 
Kirchengeschichte  und  Ähnliches  hätte  eine  solche  Akademie 
trefflich  ins  Leben  rufen  können. 

Wie    fruchtbar   der  Gedanke    Herzogs  Ernst  war,    die 


LIV  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

litterarisclien  Werke  der  Gegner  durch  eingehende  groß 
angelegte  Gegenschriften  zu  widerlegen,  das  hat  in  glänzender 
Weise  Seckendorf  in  seinem  Commentarius  de  Lutheranismo 
bewiesen,  jenem  zweiten  großen  Geschichtswerke  des  Prote- 
stantismus, dessen  Anregung  und  Anlage  direkt  auf  Herzog 
Ernst  zurückgeht.  Auch  die  Mitwirkung  eines  Spener  war 
ins  Auge  gefaßt. 

Bedenklicher  ist  der  Gedanke,  daß  dieses  Kollegium 
von  12  Männern  berufen  gewesen  wäre,  alle  Streitfragen 
der  theologischen  Welt  vor  ihr  Forum  zu  ziehen.  Denn 
so  war  die  Absicht:  keine  Streitschrift  sollte  künftig  mehr 
erscheinen,  ohne  daß  dieses  Kollegium  sie  approbiert  hätte. 
Und  wer  in  letzter  Linie  hatte  die  Direktion  dieses  Kollegiums  ? 
Niemand  anders  als  die  staatlichen  Gewalten ,  die  diese 
12  Gelehrten  erwählt  und  besoldet  hätten  und  die  Visi- 
tation, wie  sie  von  Ernst  gedacht  und  formuliert  war,  aus- 
üben sollten.  Es  wäre  dadurch  ein  Zustand  geschaffen 
worden,  der  die  freie  Regung  des  Geistes  unterbunden 
hätte.  Wie  es  die  theologische  Fakultät  von  Gießen  in 
einem  anderen  Falle,  wo  Herzog  Ernst  die  Absicht  hatte, 
die  Predigten  den  einzelnen  Geistlichen  genau  vorzu- 
schreiben, ausgesprochen  hat,  das  wäre  hier  jetzt  er- 
standen: das  geistliche  Papsttum,  das  Luther  vernichtet, 
würde  jetzt  als  weltliches  Papsttum  ins  Leben  gerufen 
worden  sein. 

An  der  ungünstigen  politischen  Konstellation  ist  die 
Idee  des  Collegium  Hunnianum  gescheitert.  Es  mutet 
einen  seltsam  an,  diesen  religiösen  Idealismus  zu  sehen  in 
einer  Welt  der  schärfsten  politischen  Gegensätze,  und  doch 
hatte  Ernst  mit  seiner  Idee  mitten  ins  Schwarze  getroffen. 
Der  Katholicismus  ist  damals  auf  den  höchsten  Gipfel 
seiner  Macht  gelangt.  In  Italien  und  Spanien  durch  die 
Kämpfe  eines  früheren  Jahrhunderts  restauriert  und  zur 
Alleinherrschaft  gekommen,  jetzt  auch  in  Deutschland  sieg- 
reich   behauptet,    ist    er  in  Frankreich  in  Ludwig  XIV.  zu 


Herzog  Ernst  der  Fromme  LV 

imponierender  Macht  emporgestiegen.  Daneben  beherrschte 
er  mit  seinen  Ideen  die  litterarische  Welt,  übte  daher 
eine  Kraft  der  Anziehung,  die  ohnegleichen  ist  Und  jetzt, 
in  eben  diesem  Momente,  wo  Ernst  eine  Vereinigung  der 
lutherisch-protestantischen  Kirchen  Deutschlands  und  der 
nordischen  Reiche  ins  Werk  zu  setzen  sich  bemühte,  hat 
der  Katholicismus  das  weitausgreifendste  Unternehmen  seit 
Philipps  IL  von  Spanien  Zeiten  zu  unternehmen  versucht 
Ludwig  XIV.  schließt,  in  tiefstem  Geheimnis  noch,  mit  Karl  IL 
von  England  ein  Bündnis,  dessen  tiefste  Triebfeder  die 
Rekatholisierung  Englands  ist 

Im  Mai  des  Jahres  1670  —  die  Gesandtschaft  Her- 
zogs Ernst  des  Frommen  ist  auf  dem  Wege  nach  Däne- 
mark —  wird  das  englisch-französische  Bündnis  abge- 
schlossen. So  weltfremd  die  protestantischen  Absichten  und 
Ideen  Ernst  des  Frommen  erscheinen,  sie  erfassen  in  Wahr- 
heit den  tiefsten  Kern  der  Situation. 

Der  Protestantismus  des  gothaischen  Herzogs  hat  noch 
etwas  vom  alten  Schwung  und  der  alten  Kraft  des  Dr.  Luther. 
Nicht  nur  auf  ein  Ausleben  in  Frieden  und  ein  Verteidigen 
seiner  Stellung  kommt  es  ihm  an,  sondern  er  fühlt  noch 
die  Kraft  und  die  Berechtigung  der  Propaganda  in  sich.  So 
wird  berichtet,  daß  unter  seiner  Regierung  mehr  als  40  Mönche 
und  andere  vornehme  katholische  geistliche  Personen 
öffentlich  in  Gotha  zum  Protestantismus  übergetreten  seien. 
Wie  mutig  und  fest  hat  er  auf  den  Reichstagen  die 
Forderungen  der  Evangelischen  Österreichs  unterstützt, 
um  ihr  hartes  Los  zu  erleichtern!  Und  noch  in  seinem 
Stiftungsbrief  für  das  Kollegium  Hunnianum  vom 
Jahre  1672  bestimmt  er,  daß  die  Zinsen,  die  übrig  bleiben, 
zum  Besten  dieser  österreischischen  Evangelischen  ver- 
wendet werden. 

Sein  Plan  der  näheren  Verbindung  mit  Abessinien  ist 
mit  diktiert  von  dem  Gedanken  der  Ausbreitung  des  Prote- 
stantismus.   Auch  seine  Beziehungen  zu  dem  Moskauer  Zaren 


LVI  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

führen  auf  die  Teilnahme  zurück,  die  er  der  dortigen  prote- 
stantischen Gemeinde  zuwendet,  für  deren  Kirche  und  Schule 
er  ebenfalls  noch  in  seinen  letztwilligen  Verordnungen  Summen 
ausgesetzt  hat.  Da  war  es  wohl  ein  denkwürdiges  Zeichen 
der  Stellung,  die  Ernst  der  Fromme  in  der  Welt  einnahm,  daß 
eine  moskauische  Gesandtschaft  1674  in  Gotha  eintraf. 

In  diesen  religiösen  und  kirchlich-pädagogischen  Be- 
strebungen offenbart  sich  am  deutlichsten  die  Eigenart  des 
frommen  Herzogs,  aber  es  giebt  kaum  ein  Gebiet  des 
staatlichen  Lebens,  wo  er  nicht  schöpferisch  aufgetreten 
wäre.  Das  Justizwesen  hat  er  in  seinem  Lande  streng  ge- 
regelt und  verbessert,  und  die  Prozeßordnung,  die  er  am  Jenaer 
Hofgericht  eingeführt,  ist  lange  Zeit  maßgehend  geblieben. 
In  der  Verwaltung  schafft  er  eine  streng  durchgeführte 
Centralisation.  Die  oberste  Behörde  seiner  Landesregierung 
ist  der  geheime  Bat,  durch  den  es  dem  Fürsten  ermöglicht 
wurde,  überall  nach  dem  Rechten  zu  sehen  und  die  Über- 
wachung aller  Anordnungen  durchzuführen.  Nichts  entgeht 
dem  wachsamen  Auge  des  nie  rastenden  Fürsten.  Es  liegt 
in  dem  Charakter  der  Zeit,  ist  aber  auch  durch  die  Natur 
der  Verhältnisse  durchaus  berechtigt,  daß  auch  hier  alles 
und  jedes  reglementiert  wird.  Mit  welcher  Thatkraft  hat 
der  Fürst  die  verwüsteten  Äcker  und  Güter  der  Kultur 
zurückgeführt!  Die  einzelnen  Gewei-be  werden  von  oben 
geleitet  und  bestimmt,  aber  wo  immer  eine  Lücke  sich 
zeigt,  sorgt  der  Herzog,  daß  sie  ausgefüllt  wird.  Die  tüch- 
tigsten Leute  sucht  er  an  die  rechte  Stelle  zu  setzen,  und 
wo  er  ein  versprechendes  Talent  entdeckt,  spart  er  keine 
Kosten.  So  hat  er  auch  den  berühmten  Veit  von  Secken- 
dorf  entdeckt,  unterstützt  und  ausgebildet.  Noch  in  den  Wirreu 
des  30-jährigen  Krieges  sucht  er  auf  dem  Thüringer  Walde 
die  Glasindustrie  zu  heben  und  läßt  zu  diesem  Zwecke 
sogar  Glasbläser  aus  Venedig  kommen.  Der  für  sein  Land 
und  den  Export  wichtigen  Waidfarbe  hat  er  überall  auf  den 
B-eichstagen  und  in  Sonderverhandlungen  ihr  Absatzgebiet 
zu  erhalten  und  gegen  die  Konkurrenz  zu  schützen  gesucht. 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  LVII 

Der  Hauptreichtum  seines  Landes  bestand  in  den 
Forsten  des  Thüringer  Waldes.  Um  diese  besser  verwerten 
u  können,  hat  er  mit  zäher  Ausdauer  die  Projekte  einer 
SchifFbarmachung  der  Werra  und  ihrer  Verbindung  mit 
der  Saale  verfolgt,  wie  er  auch  Werra  und  Main  durch 
einen  Kanal  zu  verbinden  beabsichtigte.  Aber  Neid  und 
Unverstand  ließen  diese  großen  Projekte  nicht  zur  Aus- 
führung gelangen.  Aber  den  Triumph  erlebte  der  Herzog 
doch,  daß  nach  dem  großen  Brande  von  London  vom 
Jahre  1666  bedeutende  Massen  von  Stämmen  und  Brettern 
nach  Bremen  verflößt  werden  konnten,  die  dann  nach  London 
verfrachtet  wurden. 

Der  Bau  seines  Residenzschlosses,  dem  er  sehr  be- 
zeichnender Weise  den  Namen  Friedenstein  gab,  auf  der 
althistorischen  Stätte  des  gewaltigen  Grrimmensteins  ist  eine 
bedeutende  That.  Und  wie  schmückt  er  ihn  und  stattet 
er  ihn  aus  mit  Kapelle,  Zeughaus,  Münzsammlung^  Biblio- 
thek! Der  sonst  so  sparsame  Fürst  hat  für  solche  Zwecke 
immer  Summen  flüssig.  Wie  charakteristisch  ist  es  für 
ihn,  daß  er  alljährlich  einen  großen  Schatz  anlegt,  um  für 
alle  möglichen  Fälle  gesichert  zu  sein !  Ihm  entgehen  die 
Zeichen  der  Zeit  nicht,  und  so  ist  er  in  steter  Fortbildung 
und  Verbesserung  seiner  Wehrverfassung  bedacht,  sein  Land 
zu  schirmen  und  vor  neuen  Kriegsgefahren  zu  schützen. 

Bei  allen  diesen  Plänen  und  ihrer  Ausführung  hat 
Ernst  der  Fromme  Mitarbeiter  gehabt  und  zum  Teil  sehr 
bedeutende,  wie  einen  Reyher,  einen  Simon  GJass,  einen 
Ludwig  und  einen  Seckendorf,  um  nur  die  wichtigsten  zu 
nennen.  So  groß  das  Verdienst  der  einzelnen  in  jedem 
Falle  ist,  es  muß  doch  gesagt  werden,  daß  der  Herzog  selber 
die  Seele  aller  Pläne  und  ihrer  Ausführung  war.  Sei  es 
in  pädagogischen  Fragen  oder  in  Justizsachen,  bei  dem 
lateinischen  und  griechischen  Unterricht  wie  bei  dem  juri- 
stischen Studium,  Vjei  seinen  kirchlichen  wie  bei  seinen  welt- 
lichen Anordnungen  hat  er  die  leitenden  Ideen,  die  seine 
Mitarbeiter  ausführen  müssen,  und  er  selbst  ruht  nicht  eher. 


LVIII  Herzog  Ernst  der  Fromme. 

als  bis  seine  Gedanken  wirklich  vollständig  zum  Ausdruck 
gekommen  sind.  Vier-  und  fünf  mal  wohl  sind  ihm  Sachen 
vorgelegt  worden  und  umgearbeitet,  ehe  er  sie  billigte.  Das 
große  Werk  des  Geschichtschreibers  des  Protestantismus, 
Hortleder,  geht  so  gut  auf  seine  Anregung  mit  zurück,  wie 
das  andere  große  protestantische  Geschichtswerk,  Secken- 
dorfs  Commentarius,  direkt  auf  seine  Veranlassung  ge- 
schrieben ist.  Das  zweite  große  Werk  dieses  Gelehrten, 
„der  teutsche  Fürstenstaat"  ist  in  Wahrheit  nichts  anderes 
als  die  Beschreibung  der  Verfassung  und  Zustände,  wie  sie 
durch  Ernst  den  Frommen  in  Gotha  geschaffen  worden 
waren.  In  ganz  der  gleichen  Weise,  wie  es  Herzog  Ernst  ver- 
langte, wird  auf  die  Religiosität  der  erste  Nachdruck  ge- 
legt. Und  will  es  nicht  viel  besagen,  daß  hier  Seckendorf 
ebenso,  wie  sein  Fürst  sein  ganzes  Lebelang  es  gehalten, 
für  die  Stände  eintritt  —  in  einer  Zeit,  wo  sonst  überall 
die  Fürstenmacht  die  Stände  niederdrückt  und  ihre  Gewalt 
bricht  ?  Das  große  Bibelwerk,  das  Ernst  der  Fromme  ins . 
Leben  rief,  es  trägt  mit  Recht  seinen  Namen.  So  sicher 
weiter  Ernst  der  Fromme  bei  seinen  pädagogischen  Be- 
strebungen von  Commenius  und  Ratke  beeinflußt  ist,  so 
soll  man  darüber  doch  nicht  vergessen,  daß  erst  die  ein- 
heitliche Ausgestaltung  und  die  Umsetzung  in  die  Wirklich- 
keit das  Entscheidende  sind.   Das  Goethesche  Wort 

Selbst  erfinden  ist  schön; 

Aber  glücklich  von  Andern  Gefundenes 

Freudig    erkannt    und    geschätzt. 

Nennst  du  das  weniger  dein? 
es  gilt  auch  hier,  und  an  Ernst  des  Frommen  Namen  haftet 
Verdienst  und  Ruhm  aller  Ideen  und  ihrer  Ausführung. 
Gerade  weil  Herzog  Ernst  in  allen  Sachen  ein  so  aus- 
nehmend hervorragendes  Verwaltungstalent  zeigte  und  in 
jeder  Weise  als  großer  Regent  dasteht,  um  so  auffallender 
ist  die  Erscheinung,  daß  er  in  seinem  Testamente  die  Teilung 
seiner  Lande  unter  seine  verschiedenen  Söhne  verfügt.  Ein 
wunderbares  Glück  hatte  es  noch  einmal  bewirkt,  daß  sich 


Herzog  Ernst  der  Fromme.  ^IX 

in  Thüringen  ein  größeres  Staatswesen  bildete:  1669  fällt 
der  Eisenacher  Anteil  und  1672  der  altenburgische  und 
coburgische  Teil  an  Herzog  Ernst.  Seine  relogiös- pä- 
dagogischen Einrichtungen,  die  er  im  eigenen  Lande  getroffen 
hat,  werden  sofort  auch  dort  durchgeführt,  aber  der  Ge- 
danke des  Staatsmannes,  daß  es  die  Aufgabe  war,  hier  zu 
erhalten,  was  ein  gütiges  Geschick  noch  einmal  ihm  in  den 
Schoß  gelegt,  fehlt.  Der  Vater  siegt  über  den  Staatsmann. 
Freilich  kann  er  für  sich  anführen  die  alte  Tradition  des 
Emestinischen  Hauses,  die  immer  und  immer  die  Länder 
geteilt  hat ;  aber  gerade  die  Bedeutungslosigkeit,  zu  der  da- 
durch das  Ernestinische  Haus  verurteilt  wurde,  hätte  warnen 
sollen.  Bestärkt  in  seinen  Gefühlen  als  Vater  ist  er  aber 
noch  geworden  durch  eine  betrübende  Erscheinung  der  da- 
maligen Zeit,  daß  die  nachgeborenen  Söhne  der  Fürstenge- 
schlechter  in  ruhelosem  Ehrgeiz  sich  verzehrten,  in  fremde 
Dienste  traten,  dem  Vaterlande  und,  was  Ernst  dem  Frommen 
besonders  schmerzlich  war,  dem  Glauben  der  Väter  ab- 
trünnig wurden.  Diesen  Gefahren  wollte  er  in  seinem 
Hause  vorbeugen,  und  so  zerschlug  er  lieber  die  letzte 
größere  Ernestinische  Staatenbildung. 
Am    16.  Mai    1676  entschlief  er. 

Was  Goethe  ein  Jahrhundert  später  von  seinem  Herzog 
—  auch  einem  Ernestiner  —  in  jenen  wunderbaren  Worten 
der  venetianischen  Epigramme  sagte,  wir  können  es  von 
Ernst  dem  Frommen  Wort  für  Wort  wiederholen: 

Klein  ist  unter  den  Fürsten  Germaniens     - 
freilich  der  meine ; 

Kurz  und  schmal  ist  sein  Land,  mäßig  nur, 
was  er  vermag. 

Aber  so  wende  nach  innen,  so  wende  nach  außen 
die  Kräfte 

Jeder,  da  wär's  ein  Fest, 

Deutscher  mit  Deutschen  zu  sein! 


IV. 

Mitgliederverzeichnis. 


in 
Jena. 


Vorstand : 

1)  Vorsitzender:  Professor  Dr.  Ed.  Rosenthal  ■* 

2)  Stellvertretender  Vorsitzender  und  Herausgeber  der  Zeit-} 
Schrift :  Professor  Dr.  0.  Dobenecker  j 

3)  Bibliothekar  und  Konservator:    Bibliotheksdirektor  Dr.v 
K.  K.  Müller 

4)  Schriftführer:   Professor  Dr.  F.  Keutgen 

5)  Schatzmeister :  Verlagsbuchhändler  Dr.  Q.  Fischer 

Ausschuß : 

Geheimer  Hofrat   Dr.  C.  A.  H.    Burkhardt,    Archivdirektor  in 

Weimar. 
Professor  Dr.   G.  Mentz 
Professor  Dr.  V.  Michels 
Buchdruckereibesitzer  Dr.  G.  Neuenhahn 
Geheimer  Hofrat  Professor  Dr.  G.  Richter,  Gymnasial- 1      in 

direktor  |   Jena. 

Privatdocent  Dr.  St.  Stoy 

Geheimer  Justizrat  A.  Unger,  Oberlandesgerichtsrat 
Professor  Dr.  P.  Weber 

Ehrenmitglied : 

Schäfer,  Geheimrat  Professor  Dr.  Dietrich,  Heidelberg. 

Korporative  Mitglieder: 

Jahresbeitrag  20  M.,  für  welche  sie  sämtliche  Schriften  des 
Vereins  erhalten: 

1.  Arnstadt,  Magistrat. 


2.  Coburg,  Magistrat. 

3.  Eisenach,  Stadtgemeinde. 
4L.  Erfurt,  Magistrat. 

5.  Gotha,  Stadtrat. 

6.  Hildburghausen,     Magi- 
strat. 

7.  Jena,  Gemeindevorstand. 


8.  Mühlhausen  i.  Th.,  Magi- 
strat. 

9.  Nordhausen,     Magistrat. 

10.  Rudolstadt,  Stadtrat. 

11.  R  u hl a  W.  A.,  Gemeinderat 

12.  Saalfeld,  Magistrat. 

13.  Sondershausen,    Magi- 
strat. 


Mitgliederverzeichnis. 


LXI 


17. 
8. 


lU. 
11. 

12. 
13. 

14. 
15. 

16. 
17. 

18. 

19. 


20. 

21. 
22. 
23. 


Ordentliche 

Allstedt.  I 

Nicolai,  D.,  Geh.  Kirchenrat. 
Stadtgemeindevorstand. 

Altenb  urg  S.-A. 
V.    Helldorf,    Exe,    Staats- 
minister. 

Kipping,  R.  0.,  Lehrer. 
Matthes,  Dr.  Isol.,  Professor 
am  Herzogl.  üealgymnasium. 
Voretzsch,  Dr.  phil.  Max, 
Prof  am  Herzogl.  Realgym- 
nasium. 

Apolda. 
Compter,  Prof.  Dr. 
Elle,    Robert,     Buchbinder- 
meister. 

Eulenstein ,    Karl ,    stellver- 
tretender  Vorsitzender    des 
wissenschaftlichen  Vereins. 
Eischer,  Rektor. 
Gönna,  v.  d.,  Hugo,  Posamen- 
tier. 

Gönna,  v.  d.,  Otto. 
Kürsten,   Dr.  0.,  Realschul- 
lehrer. 

Meyer,  Albert,  Stadtbaurat. 
Müller,  H.  E.,  Kommerzien- 
rat. 

Neumärker,  Archidiakonus. 
Stier,    Karl,    Großh.    Schul- 
rat. 

Wiedemann,  Johann,  Eabri- 
kant. 

Wiedemann,  Emil,  Kommer- 
zienrat. 

Arnstadt. 
Bloedau,  Karl  Kurt,  v.,  Re- 
gierungsrat. 

Boese,  Eranz,  Kaufmann. 
Brehme,    Franz ,    Kaufmann. 
Czamikow,  N.,  Bankdirektor. 


Mitglieder: 

24.  Gymnasium,  Eürstliches. 

25.  Hallensleben,  Oberlehrer. 

26.  Hülsemann,  R.,  Justizrat. 

27.  Klörs,  Heinr.,  Oberlehrer  am 
Gymnasium,  Pfleger. 

28.  Krieger,  Max,  Major  a.  D, 

29.  Krieger,  Th.,  ökonomierat. 

30.  Lederer,  Dr.  F.,  Prof 

31.  Leib,  Dr.,  Direkt,  der  Bürger- 
schule. 

32.  Leupold,  A. ,  Kommerzien- 
rat. 

33.  Maempel,  L.,  Rentier. 

34.  Maempel,  Karl,  Amtsrichter. 

35.  Maempel,  Hugo,  Major. 

36.  Museumsgesellschaft,  Vor- 
sitz. :  Schulrat  Direktor  Dr. 
Fritsch. 

37.  Müller,  Prof  Dr. 

38.  Osswald,  Dr.,  Geh.  Sanitäter. 

39.  Osswald,  Dr.  med. 

40.  Rieck,  Rud.,  Kommerzien- 
rat. 

41.  Schmidt,  Aug.,  Rentner. 

Auma. 

42.  Hörschelmann,    Amtsrichter. 

Bamberg. 

43.  Marschalk  von  Ostheim, 
Emil,  Freih.  von. 

Beichlingen   b.  'Cölleda. 

44.  Werthem,  H.  Graf  von. 
Bergedorf  b.  Hamburg. 

45.  Hoecke,  Leutnant  a.  D. 
Bergsulza  b.  Stadtsulza. 

46.  Binder,  C,  Pfarrer. 

Berlin. 

47.  Bibliothek,  Königliche. 

48.  Goetze,  Dr.  A.,  Direktorial- 
assistent am  Königl.  Museum 
für  Völkerkunde. 


LXII 


Mitgliederverzeichnis. 


49.  Gutbier,  H.,  Fabrik  chirurg. 
Artikel. 

50.  Kind,  D.  theol.  Dr.  phil, 
August,  Pred.  a.  d.  neuen 
Kirche. 

51.  Völker,   Fräul.    stud.    Klara 

Bernburg, 

52.  Heß,  E.,  Pfarrer. 
Blankenhain  i.  Th. 

53.  Kaestner ,  E,. ,  Oberamts- 
richter. 

Bors  eh  b.  Geisa. 

54.  Malkmus,  Ferd.,  Pfarrer. 

Bromberg. 

55.  Schmidt,  Dr.  E.,  Gymnasial- 
lehrer. 

Buchheim  b.  Eisenberg. 

56.  Loebe,  Rudolf,  Pfarrer. 

Bürgel  b.  Jena. 

57.  Stoebe,  Pfarrer. 

Buttstädt. 

58.  Diöces«  Buttstädt. 

59.  Gemeindevorstand. 

60.  Schulz  ,  Richard ,  Lehrer 
emer. 

Charlottenburg. 

61.  Kehrbach,  Dr.  K.,  Prof. 

62.  Scheit,    Dr.  med.  Th.,    Arzt. 

63.  Lorentz,  Dr. 

Coburg, 

64.  Wilhelm,  Dr.  0.,  Prof. 

Dermb  ach. 

65.  Jänisch,  Landbaumeister. 

Detmold. 

66.  Anemüller,  Dr.,  Bibliothekar. 
Dielsdorf  b.  Markvippach. 

67.  Gutzeit,  Reinh.,  Pfarrer. 
Döbritschen  bei  Gr.-Schwab- 

hausen. 

68.  Heyge,  Karl,  Pfarrer. 


Dornburg  a.  S, 

69.  Rauch,  Superintendent. 

D^orndorf  a.  Werra. 

70.  Niese,  Pfarrer. 
Dörrberg  b.  Gräfenroda  i.  Tl 

71.  Brückner,  Oberförster. 

Dresden. 

72.  Hauptstaatsarchiv,  KönigL 

73.  Kötschau,  Dr.,  Dir.  des  Kg 
Sachs.  Hist.  Museums. 

74.  Lippert,  Archivrat  Dr. 

75.  Mansberg,  V.,  Oberstleutnan- 
Frhr. 

Eisenach. 

76.  Bibliothek,    Großherz.    Car 
Alexander-. 

77.  Bibliothek      des     Realgyn 
nasiums. 

78.  Elex,  Dr.,  Prof. 

79.  Gentsch,  Dr.,  Oberlehrer. 

80.  Krehan,    G.,    Großh.  Steuer 
kommissar. 

81.  Kühn,  Dr.  G.,  Prof. 

82.  Marbach,    F.    D. ,   Superii 
tendent  a.  D. 

83.  Österheld,  Prof.  Dr. 

84.  Paulsen,  Geh.  Justizrat. 

85.  Peter,  H. 

86.  Reinhardt,  Dr.  med.  , 

87.  Roese,    Major    a.    D."    (trij 
für  1903  aus). 

88.  Wartburgbibliothek. 

Eisenberg. 

89.  Geschichts-    und  Altertum 
forschender  Verein. 

Elberfeld. 

90.  Wislicenus,  Dr. 

91.  Bühring,  Dr.  Joh.,  Prof. 
Elbersberg,  Kr.  Wolfshagd 

(Hessen). 

92.  Buttlar,  Freiherr  von  und  z 


Mitgliederverzeichnis. 


LXIII 


Erfurt. 

93.  Sonnekalb,    Paul,     Schrift- 
steller. 

94.  Wilson,  L.,  OLGRat. 
Flurstedt  b.  Apolda. 

96.  Alberti,  Pfarrer. 

Freiburg  i.  Br. 

96.  Simson,  Dr.  L.  v.,  Prof. 

Geestemünde. 

97.  Quantz,  Oberlehrer. 

Gehren. 

98.  Hülsemann,  Edw.,  Amtsricht. 

Geisa  a.  Rh. 
99.  Kiel,   Dr.  A.  J.,  Landtags- 
abgeordneter. 

100.  Saalfeld,  Karl,  Oberförster. 

Georgenthal. 

101.  Baethcke,  Pfarrer. 

Gera  R.  j.  L. 

102.  Auerbach,  Oberlehrer. 

103.  Eisel,    Rob. ,    Kurator    des 
städtischen  Museums. 

104.  Ministerium,      Fürstliches, 
Abt.  für  Kirche  u.  Schule. 

105.  Voß,  H.  von,  Rechtsanwalt. 

Gerstung  en. 

106.  Stegmann,  Dr.,  Medizinalrat. 

107.  Stölten,  Lic.  theol.,  Super- 
intendent. 

Gotha. 

108.  Bamberg,     Dr.     v.,     Ober- 
schulrat. 

109.  Beriet,  Exe,  Landgerichts- 
präsident. 

110.  Bibliothek,  Herzogliche. 

111.  Bierschenk,  F.  W.,Kommer- 
zienrat. 

1 12.  Böttner,  R.,  Landrichter. 

113.  Dannenberg,  Dr.,  Medizinal- 
rat. 

114.  Dietzsch,    Dr.,     Geh.    Re- 
gierungsrat. 


116.  Doebel,  J.,  Finanzrat. 

116.  Ebart ,  v. ,  Kammerherr, 
Kabinettssekr.  S.  H.  d.  Her- 
zogs.    Pfleger. 

117.  Emminghaus,  Dr.,  Direktor. 

118.  Florschütz,    Dr.    Physikus 
a.  D. 

119.  Georges,  Dr.H.,  Prof  ,Herzgl. 
Bibliothekar. 

120.  Goldschmidt,  Dr.,  Handels- 
schuldirektor. 

121.  Grützmüller,  Landgerichts- 
rat a.  D. 

122.  Haeseler,  v.,  Kammerherr. 

123.  Haus-  u.  Staatsarchiv,  Hzgl. 

124.  Heinrich,  Otto,  Bankdirekt. 

125.  Heller,  C,  Rechtsauwalt. 

126.  Hellfarth,Buchdruckereibe8. 

127.  Hennicke,  Dr.,  Gymnasial- 
lehrer. 

128.  Heß,  H.,  Finanzrat. 

129.  Hollstein,  Lehrer. 

130.  Ketelhodt,  v..  Exe,  Geh. 
Staatsrat ,  Minister  des 
Herzogl.  Hauses. 

131.  König,  Dr.  C,  Lehrer  an 
der  Realschule. 

132.  Landschütz,  Direktor. 

133.  Hofkirche,  Herzogliche. 

134.  Liebetrau,  Oberbürgermeist. 

135.  Müller,  Herrn.,  Superintend. 

136.  Ostertag,  K.,  Bürgermeister. 

137.  Perthes,  B.,  Hofrat. 

138.  Perthes,  Emil,  Buchhändler. 

139.  Pick,  Prof.  Dr. 

140.  Regel,  Dr.  P.,  Oberlehrer 
am  Gymnasium. 

141.  Ritter,  Bankdirektor. 

142.  Rohrbach,  Dr.  C,  Real- 
schuldirektor. 

143.  Samwer,  Dr.  C,  Bank- 
direktor. 

144.  Schapitz,  Finanzrat. 

145.  Schmidt,  Staatsrat. 


LXIV 


Mitgliederverzeichnis. 


146.  Schneider,    Dr.    G.     Bank- 
direktor, 

147.  Schreiber,   Schulrat. 

148.  Schwarz,  Dr.,  Sanitätsrat. 

149.  Strenge,  v.,  Exe,  Staats- 
minister  a.  D. 

150.  Thienemann,  E.F.jHofbuch- 
händler. 

151.  Vereinigung  für  Gothaische 
Geschichte  und  Altertums- 
forschung. 

152.  Bibl.  des  Herzog  Ernst- 
Seminars. 

G  ö  ttingen. 

153.  Verworn,  Dr.  Prof. 
Göttern  b.  Magdala. 

154.  Wächter,  Pfarrer. 

Greiz. 

155.  Steinhausen,  Landrichter, 
Justizrat. 

156.  Verein    für  Greizer  Gesch. 

157.  Verwaltung  der  Stadtschul- 
bibliothek. 

Großrud  es  tedt. 

158.  Spieß,   Superintendent. 
Hainichen  b.  Dornburg. 

159.  Schröder,  Arno,  Pfarrer. 

Halle  a.  S. 

160.  Lotholz,  Dr.,  Gymnasial- 
direktor a.  D. 

Hamburg. 

161.  rüßlein,Dr.  Gymnasialober- 
lebrer. 

Hannover. 

162.  Doebner,  Dr.,  Archivdirekt, 
und  Geh.  Archivrat. 

Heilsberg  b.  Remda. 

163.  Bankwitz,  Walther,  Pfarrer. 
Hildburghausen. 

164.  Hertel,  Dr.  Ludwig,  Ober- 
lehrer. 


165.  Humann,  Dr.  A.,  Superin- 
tendent. 

166.  Verein  für  Sachs.-Meiningi- 
sche^  Geschichte  u.  Landes- 
kunde. 

Hörseigau  b.  Fröttstedt. 

167.  Perthes,  F.,  Pfarrer. 

Hohenleuben. 

168.  Voigtländ.  Altertumsforsch. 
Verein. 

Jena. 

169.  Abbe,  Prof.  Dr. 

170.  Alberti,  Rechtsanwalt. 

171.  Ambron n,   Prof  Dr. 

172.  Anton,  Prof.  Dr. 

178.  AufiParth,   Archidiakonus. 

174.  Bachstein  ,  Ernst ,  Kauf- 
mann. 

175.  Bauer,  Fräul.  C. 

176.  Baensch,  Prof.  Dr. 

177.  Bergmann,  Stadtschreiber. 

178.  Beyer,  Uhrmacher. 

179.  Beyer,  Lehrer. 

180.  Bezold,  Möbelfabrikant. 

181.  Bibliothek  des  Gymnasiums. 

182.  Binswanger,  Geh.  Medizinal- 
rat Prof.  Dr. 

183.  Bleyer,  Optiker. 

184.  Blomeyer,    Senatspräsident. 

185.  Blomeyer,  Frau,  Amtsrat. 

186.  BÖckel,  Dr.  jur. 

187.  Böttcher,   Max,  Buchhändl. 

188.  Braasch,D.,  Superintendent. 

189.  Brüger,  V.,  Dr.,  Exe,  Wirkl. 
Geh.  Rat,  OLG-Präsident. 

190.  Buchner,  Dr.,  Museumassist. 

191.  Butz,  W.,  Direktor. 

192.  Cartellieri,  Dr.  Alex,  Pro. 

193.  Cosack,  Stadtbaumeister. 

194.  Delbrück,  B.,  Dr.  Prof. 

195.  Devrient,  Dr.  Ernst. 

196.  Dienemann,  Lehrer. 


Mitgliederverzeichnis. 


LXV 


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211. 

212 

213. 

214. 

215. 

216. 

217. 

218. 

219. 
220. 

221. 

222. 
223. 

224. 
225. 
226. 
227. 
228. 

229. 


Dobenecker,    Dr.    0.,   Prof. 
Dobschütz,  V.,  Prof.  Dr. 
Dornbluth,  Rentner. 
Dove,  Prof.  Dr. 
Duden,  Prof.  Dr. 
Dultz,  Arzt. 

Dyckerhoflf,  Frau  Amts- 
richter. 

Eggeling,  Dr.,  Geh.  Staats- 
rat. 

Eichhorn,  Dr.  Kirchenrat. 
Eichhorn,  Dr.,  Arzt. 
Elster,  A.,  Dr.  jur. 
Engau,  Bezirksvorsteher. 
Eschke ,   R. ,    Univ.-Biblio- 
thekar. 

Ett,  Pfarrer  a.  D. 
Eucken,    Rud.,    Prof.    Dr., 
Geh.  Hofrat. 
Feder,  Zahnarzt. 
Feuerstein,  Arzt. 
Fischer,  Dr.  Gustav. 
Flegel,  H.,  Kanzleirat. 
Förtsch,   Prof 
Fraisse,  Prof.  Dr. 
Frommann,    Frau   General- 
superintendent. 
Gang,   Steueramtsrendant. 
Geltzer,  Prof.  Dr.  A.,  Geh. 
Hof  rat 

Giese ,  Dr.  Bezirksarzt, 
Privatdozent. 

Giese,  jun.,  Zimmermeister. 
Goetz,  Prof  Dr.  G.,  Geh. 
Hofrat. 

Graf,  Dr.  Arzt. 
Gresitza,  Werkmeister. 
Grohe,  Dr.,  Assistent. 
Groß,   Assistenzarzt. 
Hädrich ,     Gustav ,     Kauf- 
mann. 
Haerdle,    H.,    Buchhändler. 


230.  Harseim,       Wirkl.      Geb. 
Kriegsrat  a.  D. 

231.  Härtung,    Otto,    Mühlenbe- 
sitzer. 

232.  Häußler,  Magazinverwalter. 

233.  Heinrich,    Dr.    Hilfsbiblio- 
thekar. 

234.  Heinrich ,    P. ,    Bezirksver- 
walter. 

235.  Helmrich,    C,    Aktuar   am 
Oberlandesgericht. 

236.  Hertel  ,      Dr. ,       Professor' 
Assistenzarzt. 

237.  Heß,  Referendar. 

238.  Heuschkel,  Dr.  Oberlehrer. 

239.  Hilgenfeld,  Prof.  Dr.,  Geh. 
Kirchenrat. 

240.  Hochhausen     sen. ,     Buch- 
binder. 

241.  Hunger,  Lithograph. 

242.  Jacobi,  Kaufmann. 

243.  Jacobs,  Dr.,   Rechtsanwalt. 

244.  Jobst,  Major  a.  D. 

245.  Jungherr,  Geh.  Justizrat. 

246.  Jurk,  Ernst,  Buchhändler. 

247.  Kaiser,  Hotelier. 

248.  Kämpfe  ,     Anton  ,      Buch- 
druckereibesitzer. 

249.  Kanold,  Rentner. 

250.  Kästner,   Buchbindermeist. 

251.  Keller,  Prof.  Dr. 

252.  Keutgen,  Prof -Dr. 

253.  Klee,  Dr.,  Med.-Assessor. 

254.  Kniep,  Prof  Dr. 

255.  Knorr,     Dr.      Prof      Geh. 
Hofrat. 

256.  Koblinski,  Redakteur. 

257.  Koch,  Rud.,  Bankier. 

258.  Koch,  Wilh.,  Bankier. 

259.  Köcher,  E.  F.,  Lehrer. 

260.  Köhler,  Dr.  A. 

261.  Köhler,  Kommerzienrat 

5 


LXVI 


Mitgiiederverzeichnis. 


262.  Kohlmann,  Postassistent.       299. 

263.  Kötschau,  Prof.  Dr.  300. 

264.  Krell,  Pastor  emer.  \ 

265.  Kronefeld,  Frau  Dr.  |301. 

266.  Langenbeck,  Prof.  Dr.  |  302. 

267.  Lambeck,   H.,  Prof.  j  303. 

268.  Leist,  Prof.  Dr.,  Geh.  Justiz- 
rat. 304. 

269.  Leschbrand,  Dr.  C.  305. 

270.  Liebmann,  Senatspräsident.   306. 

271.  Lichtwer,   Rechnungsrat.        307. 

272.  Lincke,  Prof.  Dr. 

273.  Lipsius,  Lic,  Privatdocent.    308. 

274.  Lommer,  Geh.  Oberjustizrat.    309. 

275.  Loening,    Prof.  Dr.,    Geh.   310. 
Justizrat.  311. 

276.  Marschall,  Gärtner.  312. 

277.  Matthes,  Rentner.  313. 

278.  Mentz,  Dr.  G.,  Prof.  314. 

279.  Meyer,  Redakteur.  315. 

280.  Michels,   Prof.  Dr. 

281.  Möbus,    Bürgerschullehrer.   316. 

282.  Mosdorf,  Wirt. 

283.  Müller,    Prof.  Dr.  G.,   Geh.   317. 
Hofrat.  318. 

284.  Müller,  Dr.  K.  K.,  Direktor 

der  Univ.-Bibliothek.  319. 

285.  Müller,  Maurermeister. 

286.  Netz.   Karl.  320. 

287.  Netz,'  Gustav.  321. 

288.  Neuenhahn,  Dr.  Gustav.        322. 

289.  Nippold,  Dr.  Prof.  323. 

290.  Noack,  Prof.  Dr.  324. 

291.  Oschatz,  Louis,  Mühlenbes.  1  325. 

292.  Peter,   Gymnasiallehrer.         \ 

293.  Petrenz,  Dr.  Otto.  |  326. 

294.  Pfeiffer,  Institutsdirektor.     ' 

295.  Pierstorff,  Dr.  J.,  Prof.  Geh.  j  327. 
Hofrat.  I 

296.  Piltz,  Ernst,  Institutslehrer. }  328. 

297.  Planer,  Dr.  Hermann. 

298.  Pohle  ,        Wilh.  ,        Buch-  i  329. 
druckereibesitzer.  |  330. 


Raßmann,  Buchhändler. 
Reichardt,  Dr.  phil.,  Ober- 
lehrer am  Gymnasium. 
Rein,  Prof.  Dr. 
Richter,  Dr.  G.,  Geh.  Hofrat. 
Riemann  ,       Oberlandesge- 
richtsrat. 

Rodigast,  Rentner. 
Rosenthal,  Dr.  E.,  Prof. 
Rückert,  B. 

Schellbach ,    Oberlandesge- 
richtsrat. 

Scheller,  Max,  cand.  hist. 
Schlösser,  Prof.  Dr. 
Schmidt,  Dr.  Emil,  Prof. 
Schneider,  Lehrer. 
Schoele,  Gastwirt. 
Schott,  Dr.,  Fabrikbesitzer. 
Schott,  Prof.  Dr. 
Schnitze,  Dr.  Alfred,  Prof. 
OLGRat. 

Schnitze,     Dr.      Leonhard, 
Privatdozent. 
Seesemann,  Lehrer. 
Seidel,    Dr.  M.,  Prof.   Geh. 
Medizinalrat. 

Seyerlen,    Geh.    Kirchenrat 
Prof. 

Siebert,  Dr.,  Medizinalrat. 
Singer,  H.,  Oberbürgermstr. 
Staeger,  Prof.  Dr. 
Stäps,  Justizrat. 
Stark,  Frl.  Clara. 
Stichling,  Alex,  Oberlandes- 
gerichtsrat. 

Stintzing,    Prof.  Dr.,    Geh. 
Med.-Rat. 

Stoy,  Dr.  Heinrich,  Instituts- 
direktor. ■ 

Stoy,   Dr.  Stephan,   Docent 
an  der  Universität. 
Strobel,  F.,  Buchhändler. 
Strohschein,    Frl.  Johanna. 


Mitgliederverzeichnis. 


LXVII 


81.  Strupp,  Rechtsanwalt. 
i.52.  Stütz,  Dr.  E.,  Apotheker. 
.83.  Thümmel,  Prof.  Dr. 
.84.  Timler,  C,  Architekt. 
35.  Timler,     Heinrich,     Kauf- 
mann. 
m.  Türck,   Dr.,  Herrn. 
837.  Unger,OLGrRat,  Geh. Justiz- 
rat. 
>88.  Veit,  Zimmermeister. 
■  39.  Vogel,  Polizeisekretär. 
.40.  Völlers,  Prof  Dr. 

341.  Vopelius,  Bernhard,  Buch- 
druckereibesitzer. 

342.  Wagenmann,  Prof.  Dr. 

343.  Wagner,  Dr.,  Bürgermeister. 

344.  Wagner,  Lehrer. 

345.  Weber,  Prof.  Dr. 

346.  Weimar,  Hugo. 

347.  Weise,  Lithograph. 

348.  Wilhelm,  Prof.  Dr. 

349.  Willkomm,  Hilfsbibliothek. 

350.  Winkelmann,  Prof.  Dr.,  Geh. 
Hofrat. 

351.  Wittich,  Lehrer. 

352.  Wolsborn   ,Pfarrer  emer. 

353.  Woltersdorf,  Referendar. 

354.  Zeiß,  Dr.  H.,  Justizrat. 

Ilmenau. 
''55.  Bock,  Richard,  Glashütten- 
besitzer. 

356.  Böttcher,  Dr.  A.,  Prof. 

357.  Hassenstein,    Dr.,   Direktor 
der  Wasserheilanstalt. 

358.  Naumann,  Herrn.,  Kommer- 
zienrat. 

Immenrode  b.  Schernberg. 

359.  Einicke,  G.  Pfarrer. 

Kahla  S.-A. 

360.  Stadtrat. 

361.  Verein  für  Geschichte  und 
Altertumskunde. 


Kapellendorf. 

362.  Weiner,  Franz,  Pfarrer. 
Keilhau  b.  Rudolstadt. 

363.  Wächter,  Dr.  0. 

Köln  a.  Rh. 

364.  Aldenhoven  ,  K. ,  Hofrat, 
Direktor  des  Museums. 

365.  Blumschein,  Dr.  G.,  Ober- 
lehrer a.  d.  Oberrealschule. 
Königsberg  i.  Pr. 

366.  Sommerfeld,  Dr.  G.,  Real- 
gymnasiallehrer (für  1903 
abgemeldet). 

367.  Stieda,    Dr.  L.,    Geheimrat. 
Kreuzburg  Oberschlesien. 

368.  Bartenstein,  Regierungsass. 

K  u  n  i  t  z. 

369.  Böhme,  E.,  Pfarrer. 

Langensalza. 

370.  Gutbier,  H.,  Stadtarchivar. 

Lausanne. 

371.  Kuhlenbeck,  Dr.,  Rechtsan- 
walt. 

Leipzig. 

372.  Beyer,  Dr.,  in  Leipzig- 
Eutritzsch. 

373.  Hase,  Dr.  Oskar  v.,  Hofrat. 

374.  Schulz,  Prof.Dr.K.,OberbibL 
am  Reichsgericht. 

375.  Stieda,  Dr.  W.,  Prof. 
Madelungen  b.  Eisenach. 

376.  Schneyer,  H.,  Pfarrer. 

M  a  g  d  a  1  a. 

377.  Freyberg,  K.,  Lehrer. 

M  ar  bürg  a.  L. 

378.  Universitätsbibliothek,  Kgl. 

379.  Wenck,  Dr.  Karl,  Prof. 

Marienwerder. 

380.  Baltzer,  Dr.  M.,  Direktor 
des  Gymnasiums. 


LXVIII 


Mitglieder  Verzeichnis . 


Maua  b.  Göschwitz. 

381.  Stoeßner,  C.  Otto,  Pfarrer. 

Meiningen. 

382.  Bibliothek,  Öffentliche  Her- 
zogliche. 

383.  Domrich,.Dr.,Geh.  Med.  Rat 

384.  HennebergischerAltertums- 
forschender   Verein. 

385.  Koch,    Prof.  E.,    Vorsteher 
des  Henneberg.   Archivs. 

386.  Linschmann,    Th.,    Pfarrer. 

387.  Trinks,  Staatsrat. 

M  e  1 1  i  n  g  e  n. 

388.  Pörtsch,    Geh.    Kirchenrat. 
Miltenberg  a.  M. 

389.  Erdmann,  Hans. 
Mügeln  b.  Oschatz. 

390.  Opel,  Postmeister. 
Münchenbernsdorf. 

391.  Liebeskind  ,    Paul ,     Ober- 
pfarrer. 

Naumburg  a.  S. 

392.  Schöppe,  Redakteur. 
Neidhardshausen    b.    Zella 

(Eelda). 

393.  Löber,  Pfarrer. 
Neustadt  b.  Coburg. 

394.  Magistrat. 

Neustadt  a    0. 

395.  Magistrat. 

396.  Wünscher ,    Archidiakonus. 
Neustadt  b.  Gerstungen. 

397.  Pfaff,  H.,  Pfarrer. 
Nirmsdorf  b.  Buttstädt. 

398.  Kunze,  Pfarrer. 
Nischwitz       b.       Mannichs- 
walde S.-A. 

399.  Bergner,  Dr.,  Pfarrer, 

Nordhausen. 

400.  Harzverein    für  Geschichte 
und  Altertumskunde. 


Ob  er  hausen  (Rheinland). 

401.  Herthum,    Dr.,    Realschul- 
lehrer. 

Ohrdruf, 

402.  Ereytag,  H,,  Assessor. 
Oldenburg  im  Großh, 

403.  Menge,    Dr.  Rudolf,    Ober- 
schulrat. 

Orlamünde. 

404.  Lommer,   Justizrat. 

405.  Stadtrat. 

Pforta  b.  Naumburg  a.  S. 

406.  Boehme,  Prof.  Dr. 

407.  Siefert,  Dr.  G.,  Oberlehrer. 

Pößneck. 

408.  Berger,    Robert,    Kommer- 
zienrat. 

409.  Härtel ,      R. ,      Apotheker, 
Fabrik,  med.  Verbandstoffe. 

410.  Herrmann,    Richard,  Kauf- 
mann. 

411.  Keßow,  Lehrer. 

412.  Magistrat. 

413.  Museum     (vertreten    durch 
Lehrer  Kramer). 

414.  Weißer,  Dr.,  Sanitätsrat. 

Potsdam. 

415.  Obernitz,  v..  Major  a.  D. 

Roda  S.-A. 

416.  Dobenecker,    R.,    Bezirks- 
schulinspektor. 

417.  Kropff,  V.,  Landrat. 

418.  Stadtrat. 

419.  Verein  für  Geschichte  und 
Altertumskunde. 

Ronneb urg  S.-A. 

420.  Bibliothek  der  Stadtschule. 

421.  Altertumsforsch.  Verein  für 
Rönneburg  und  Umgegend. 

Rostock  i.  M. 

422.  Universitätsbibliothek. 


Mitgliederverzeichnia. 


LXIX 


Rothenstein   b.  Jena. 

128.  Plöthner,  Pfarrer. 

Rudolstadt. 

124.  Ackermann,  Ed.,  Redakteur. 

425.  Bangert,    Dr.    W.,    Prof., 

Pfleger. 
126.  Bloß,  C.,'  Hofmusikus. 
427.  Bock,  E.,  Buchhändler. 
128.  Brecht,  Geh.  Baurat. 
429.  Eichhorn,  Buchhändler. 
I.'50.   Franke,   Lehrer. 

431.  Großmann,  Hotelier. 

432.  Haushalter,  Prof.  Dr. 

433.  Hauthal,  Staatsrat. 

434.  Heinze,  Lehrer. 

435.  Hickethier,  Lehrer. 

436.  Horcher,  Prof.  Dr. 
487.  Körbitz,  Dr.,  Staatsrat. 
438.  Krause,  Prof  Dr. 

t39.  Ortloff,  Günther,  Kommis- 
sionsrat. 

140.  Ose,  stud.  phil. 

44L  Rein,  Dr.,  Seminarober- 
lehrer. 

442.  Röhner,  Baurat  a.  D. 

443.  Rübesamen,  Dr.,  Oberlehrer. 
1:4.  Schinzel,    Gottwert,   Archi- 
tekt 

Saalfeld. 

445.  Freysold,  Justizrat. 

446.  Groß,  Geh.  Justizrat. 

447.  Heym,  Dr.  Oberlehrer. 

448.  Liebscher,  Bürgermeister. 

449.  Schneider,   Geheimrat. 

Schlei  z. 
4.50.  Geschichts-  und  Altertums- 
forsch. Verein. 
401.  Schmidt,    Dr.    B.,    Fürstl. 
Archivrat. 

Schlotheim 
452.  Ketelhodt,  Freih.  v.,  Amts- 
richter. 


S  chm  alka  Iden. 

453.  Verein  für  Henneberg.  Ge- 
schichte. 

Schnepfe nthal  b.  Waltersh. 

454.  Ausfeld,  Dr.,  Schulrat 
456.  Gerbing,  Frau,   geb.  Aus- 
feld. 

456.  Thomas,  Ed.,  Prof.  Dr. 

Sondershauaen. 

457.  Bärwinkel,  Dr.  Felix,  Land- 
rat. 

458.  Bärwinkel,  Prof  Dr.,  Ver- 
walter des  fürstl.  Archivs. 

459.  Hülsemann  ,  H. ,  Amts- 
gerichtsrat. 

460.  Maempel,  Fr.,  Amtsgerichts- 
rat. 

461.  Trautvetter,  Dr.,  Bank- 
direktor, Landrat  a.  D. 

462.  Verein  für  Deutsche  Ge- 
schichte und  Altertums- 
kunde. 

Stadtilm. 

463.  Speerschneider,  J. ,  Amts- 
richter. 

Stadtlengsfeld  (Felda). 

464.  Ziemendorf ,  Dr. ,  prakt. 
Arzt. 

S  t  e  i  n  a  c  h  S.-M. 

465.  Freysold,  Herzog!.  Forst- 
assessor. 

Stetten,  Post  Sondheim  (Rhön). 

466.  Kaiser,  H,  Pfarrer. 

St  otternhe  im. 

467.  Schwabe,  Kirchenrat. 

Suhl. 

468.  Kunze  ,  F. ,  Lehrer  und 
Schriftstellei-. 

469.  Kroebel,  Amtsgerichtsrat. 
Taupadel  b.  Jena. 

470.  Eichhorn,  Aug.,  Pfarrer. 


LXX 


Mitgliederverzeichnis. 


Thalstein  b.  Jena. 

471.  Tümpling,  v.,  Legationsrat 
a,  D. 

Tiefenort. 

472.  Anhalt,  Adjunkt. 

473.  Schröter,  Hausvater  (Ret- 
tungshaus). 

474.  Renner,  Dr.,  Bezirksarzt. 

T  r  i  p  t  i  s. 

475.  Magistrat. 
Udestedt  b.  Vieselbach. 

476.  Ritter,  Otto,  Superintendent. 

Uelleben. 

477.  Lerp,  C,  Pfarrer. 
Unterwirbach    b.    Blanken- 

burg  i.  Th. 

478.  Bastheim  er,    Emil,    Lehrer. 

Vacha. 

479.  Buhler,  Superintendent  (tritt 
für  1903  aus). 

480.  Stößner,  Superintendent. 

481.  Löber,  Dr.  Paul,  Bezirks- 
arzt. 

Vieselbach. 

482.  Schmidt,  Otto,  Justizrat. 

483.  Starcke,  Dr.  med.,  Amts- 
physikus. 

W  e  i  d  a. 

484.  Meder,  Adjunkt. 

485.  Pfeifer,  Louis,.  Fabrikant. 

Weimar. 

486.  Bachmann ,  Landgerichts- 
präsident. 

487.  Bibliothek,  Großherzogliche. 

488.  Bojanowski,  v..  Geh.  Hofrat. 

489.  Buchenau,  Dr.,  Oberlehrer. 

490.  Burkhardt,  Geh.  Hofrat  Dr., 
Direktor  des  Staatsarchivs. 

491.  Conservator  der  Bau-  und 
Kunstdenkm.  Thüringens, 
(dz.  Prof.  Dr.  Georg  Voß, 
Berlin-Grunewald). 


492.  Devrient,  Dr.  Hans,    Ober- 
lehrer am  Gymnasium. 

493.  Dollstädt,    Kommerzienrat. 

494.  Eglo'ffstein,   Freih.    v.,    Dr., 
Kabinettsekretär. 

495.  Flöl,    Dr.    W. ,    Justizkom- 
missar. 

496.  Gohren,    Dr.    v..    Geh.   Re- 
gierungsrat. 

497.  Groß,  v.,  Exe,  Staatsminister 
a.  D. 

498.  Gymnasium,  Großherzogl. 

499.  Habbicht,  Heinrich,    Ober- 
postsekretär a.  D. 

500.  Henß,     Adolf,      Hofbuch- 
binder. 

501.  Jüngst,  Pfarrer. 

502.  Kaehler,  Dr.  0.,  Prof. 

503.  Krause,  Staatsrat. 

504.  Kriesche,  Oberbaurat. 

505.  Langlotz,  Direktor. 

506.  Lengefeld,    v.,    Dr.    phil., 
Selma. 

507.  Mardersteig,  Rechtsanwalt. 

508.  Mirus,  Präsident. 

509.  Möller,  Oberlehrer. 

510.  Müller,  A.,  Geometer. 

511.  Müller,  W.,  Revisor. 

512.  Müller,  Hofjuwelier. 

513.  Schwanitz,    Geh.   Justizrat. 

514.  Slevoigt,  Geh.  Regieruiigs- 
rat. 

515.  Spinner,  Dr.,  Oberhofpredi- 
ger,  Kirchenrat. 

516.  Staatsministerium,     Großh. 
Depart.  des  Kultus. 

517.  Stadtgemeinde. 

518.  Stadtkirchengemeinde. 

519.  Thelemann,   Hofbuchhändl. 

520.  Trefitz,  Dr.,  Archivar. 

521.  Thüna,  Dr.  Freih. V.,  Bezirks- 
direktor a.  D. 

522.  Virck,  Prof.  Dr. 

523.  Walther,  Kuno,  Kirchenrat. 


Mitgliederverzeichnis, 


LXXI 


)_'  \.   Wernekke,    Realgymnasial- 
direktor. 
'>_'5.  Wurmb,    v.,    Minister    des 
Äußeren  und   Inneren. 
Weißensee   i.  Thür. 
.")'2G.  Magistrat. 

Wen  igen  Jena. 
■  )-2l.  Bauer,  Oberstleutnant  a.  D. 
■J8.  Brauckmann,Institutsdirek- 
tor. 
!♦.  Gemeindevorstand. 
•  I.  Hollenbach,  Dr.  Rektor. 

531.  Jäger,  Lehrer. 

532.  Schlag,  Zimmermeister. 


Wien. 
533.  Bibl.  des  Historischen  Mu- 
seums der  Stadt  Wien. 
Wiesenthal  b.  Dermbach. 
584.  C^sar,  Pfarrer. 

Würzburg. 

535.  Regel,  Dr.  Fr.,  Prof. 

Zabrze  i.  Schles. 

536.  Schellwitz,  Hauptmann  a.  D. 

Zeulenroda. 

537.  Stadtgemeinde. 

Ziegenhain. 

538.  Fuchsturmgesellschaft. 


V. 

Verzeichnis 

der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen,  mit  denen  der  Ver- 
ein  für  Thüringische   Geschichte   und   Altertumskunde   in 
Schriftenaustausch  steht. 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

1 
Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 

Reich 

1 

Preußen 

1 

Berlin 

Verein  für  Geschichte  der 
Mark  Brandenburg. 

2 

Berlin 

Brandenburgia.  Gesellschaft 
für  Heimatkunde  der  Pro- 
vinz Brandenburg. 

3 

Berlin 

Märkisches  Provinzial-Mu- 
seum. 

4 

Berlin 

Verein  für  die  Geschichte 
Berlins. 

5 

Berlin 

Der  deutsche  Herold. 

6 

Branden- 

Historischer      Verein       zu 

burg 

Brandenburg  a.  H. 

7 

Prenzlau 

Uckermärkischer  Museums- 
und Geschichtsverein. 

8 

Stettin 

Gesellschaft  für  Pommersche 
Geschichte  und  Altertums- 
kunde. 

9 

(Treifswald 

Rügisch-Pommerscher  Ge- 
schichtsverein zu  Greifs- 
wald und  Stralsund. 

10 

Danzig 

WestpreußischerGeschichts- 
verein. 

Verzeichnia  der  Vereine,  Institute  u.  Redaktionen  etc.  LXXIII 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 

Reich 

Preußen 

11 

Marien- 

Historischer Verein  für  den 

werder 

Regierungsbezirk  Marien- 
werder. 

12 

Königsberg 

Altertumsgesellschaft  Prus- 

i.  Pr. 

sia. 

13 

Königsberg 

Verein    für   die   Geschichte 

i.  Pr. 

von  Ost-  und  Westpreußen. 

14 

Frauenburg 

Historischer  Verein  für  Er- 
meland. 

In 

Lötzen 

Litterarische  Gesellschaft 
Masovia. 

16 

Posen 

Historische  Gesellschaft  für 
die  Provinz  Posen. 

17 

Posen 

Towarzystwo  Przyjaciol 
Nauk  Poznanskie  (Ge- 
sellschaft der  Freunde 
der  Wissenschaften). 

18 

Kurnik 

Graf     Dzialinski'sche       Bi- 

(Posen). 

bliothek. 

19 

Thorn 

Copernicusvereinfür  Wissen- 
schaft und  Kunst- 

20 

Breslau 

Verein  für  die  Geschichte 
und  Altertum  Schlesiens. 

21 

Breslau 

Schlesische  Gesells'chaft  für 
vaterländische  Kultur. 

22 

Breslau 

Schlesische  Gesellschaft  für 
Volkskunde. 

23 

Breslau 

Verein  des  Museums  schle- 
sischer   Altertümer. 

24 

Breslau 

Königl.  Regierungspräsi- 
dium (Kunstdenkmäler 
der  Provinz  Schlesien). 

25 

Freiwaldau 

Mährisch-schlesischer  Su- 
detengebirgsverein. 

LXXIV  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen, 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 

\ 

Reich 

Preußen 

2G 

Görlitz 

Oberlausitzer  G-esellschaft 
der  Wissenschaften, 

27 

Magdeburg 

Verein  für  Geschichte  und 
Altertumskunde  des  Her- 
zogtums und  Erzstifts 
Magdeburg. 

28 

Salzwedel 

Altmärkischer  Verein  für 
vaterländische  Geschichte. 

29 

Wer- 

Harzverein   für    Geschichte 

nigerode 

und  Altertumskunde. 

30 

Halle- 

Historische  Kommission  der 

Merseburg 

Provinz   Sachsen. 

31 

Halle  a.   S. 

Thüringisch-sächsischerVer- 
ein  für  Erforschung  des 
Vaterland.  Altertums. 

32 

Eisleben 

Verein  für  Geschichte  und 
Altertümer  der  Grafschaft 
Mansfeld. 

33 

Sanger- 

Verein    für  Geschichte  und 

hausen 

Naturwissenschaft  von 
Sangerhausen  und  Um- 
gebung. 

34 

Mühlh.i.Th. 

Mühlhäuser  Altertumsvereiq. 

35 

Erfurt 

Verein  f.  Geschichte  u.  Alter- 
tumskunde von  Erfurt. 

36 

Erfurt 

Königliche  Akademie  ge- 
meinnütziger Wissen- 
schaften. 

37 

öchmal- 

Verein  f.  HennebergischeGe- 

kalden 

schichte  u.  Landeskunde. 

38 

Kassel 

Verein  für  Hessische  Ge- 
schichte. 

39 

Fulda 

Fuldaer  Geschichtsverein. 

40 

Eulda 

Historischer  Verein  der 
Diöcese. 

mit  denen  der  Verein  in  Schriftenaustauech  steht.    LXXV 


1  Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 
Beich 

Preuüen 

41 

Hanau 

Hanauer     Geschichts  verein. 

42 

Wiesbaden 

Verein  für  Nassauische 
Altertumskunde  und  Ge- 
schichtsforschung. 

43 

Homburg 
V.  d.  H. 

Verein  für  Geschichte  und 
Altertumskunde. 

44 

Frankf.  a.M. 

Verein  für  Geschichte  und 
Altertumskunde. 

45 

Frankf.  a.M. 

ötadtbibliothek. 

46 

Trier 

Stadtbibliothek. 

47 

Aachen 

Aachener   Geschichtsverein. 

48 

Bonn 

Verein  von  Altertums- 
freunden   im  Rheinlande. 

49 

Köln  a.  R. 

Historischer  Verein  für  den 
Niederrhein. 

50 

Köln  a.  R. 

Stadtarchiv. 

51 

Düsseldorf 

Düsseldorf  Geschichtsverein 

52 
53 

Elberfeld 
Essen 

Bergischer  Geschichtsverein. 
Historischer  Verein  für  Stadt 
und  Stift  Essen. 

54 

Dortmund 

Histor.  Verein  für  Dortmund 
und  die  Grafschaft  Mark. 

55 

Soest 

Verein  für  evangelische 
Kirchengeschichte  der 
Grafschaft  Mark. 

56 

Münster 

Verein  f.  Geschichte  u.  Alter- 
tumskunde Westfalens. 

57 

Münster 

Redaktion  des  litterarischen 
Handweisers  für  das 
katholische    Deutschland. 

58 

Hannover 

Historischer  Verein  für 
Niedersachsen. 

59 

Hannover 

Verein  für  Geschichte  der 
Stadt  Hannover. 

LXXVI  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen, 


Landesgebiet 


No. 


Deutsches  i 
Reich 

Preußen      :     OO 


64 
(i5 


Bayern 


67 


Sitz 


Name  des   betr.  Vereins  u.  s.  w. 


Hannover 
Osnabrück 

Lüneburg 
Stade 

Lehea.  d.W. 
Emden 


Kiel 

Kiel 

Ansbach 

69  Augsburg- 

70  Bamberg 

7 1  Bayreuth 
7-2  Hof 

1'.')      Landshut. 
7  I        München 


Architekten-  und  Ingenieur- 
Verein. 

Verein  für  Geschichte  und 
Landeskunde  von  Osna- 
brück. 

Musenmsverein  für  das 
Fürstentum   Lüneburg. 

Verein  für  Geschichte  und 
Altertümer  der  Herzog- 
tümer Bremen  und  Verden 
und  des  Landes  Hadeln. 

Heimatbund  Männer  von 
Morgenstern. 

Gesellschaft  für  bildende 
Kunst  und  vaterländische 
Altertümer. 

Gesellschaft  für  Schleswig- 

Holsteinsche    Geschichte. 
Anthropologischer      Verein 

in  Schleswig-Holstein. 
Historischer      Verein       für 

Mittelfranken, 
Historischer      Verein      für 

Schwaben    und  Neuburg. 
Historischer  Verein  zu  Bam- 
berg in  Oberfranken. 
Historischer      Verein      für 

Oberfranken. 
Nordoberfränkischer  Verein 

für    Natur-,     Geschiclits- 

und  Landeskunde. 
Historischer       Verein       füi- 

Niederbayern. 
Kgl.    Bayer.  Akademie    dej' 

VVissensch.    Hist.  Klasse. 


mit  denen  der  Verein  in  Öchriftenaustausch  steht.  LXXVII 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 

Reich 

Bayern 

75 

München 

Historischer  Verein  von 
Oberbayem. 

76 

München 

Münchener  Altertumsverein. 

77 

München 

Redaktion  des  Historischen 
Jahrbuchs  der  Görres- 
Gesellschaft. 

78 

Neuburg 

Historischer     Verein     Neu- 

a. d.  D. 

burg  a.  d.  D. 

79 

Nürnberg 

Germanisches  Nationalmu- 
seum. 

80 

Nürnberg 

Verein  für  die  Geschichte 
der  Stadt  Nürnberg. 

81 

Regensburg 

Historischer  Verein  für 
Oberpfalz  und  Regens- 
burg. 

82 

Speyer 

Historischer  Verein  für  die 
Pfalz. 

83 

Wtirzburg 

HistorischerVereinfürUnter- 
franken  u.  Aschaffenburg. 

Königreich 

84 

Chemnitz 

V^erein  für  Chemnitzer  Ge- 

Sachsen 

schichte. 

85 

Dresden 

Kgl.  Sachs.  Altortumsverein. 

86 

Dresden 

Verein  für  die  Geschichte 
Dresdens. 

87 

Freiberg 

Freiberger  Altertumsverein. 

88 

Leipzig 

Verein  für  die  Geschichte 
Leipzigs. 

89 

Leipzig 

Deutsche  Gesellschaft  zur 
Erforschung  vaterlän- 
discher Sprache  und  Alter- 
tümer. 

90 

Leipzig 

Museum  für  Völkerkunde. 

91 

Leisnig 

Geschichts-  u.  Altertums- 
verein. 

LXXVIII  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen, 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 

. ^^ . 

Reich 

Königreich 

92 

Meißen 

Verein    für    die  Geschichte 

Sachsen 

der  Stadt  Meißen. 

98 

Plauen  i.  V. 

Altertumsverein. 

94 

Zwickau 

Altertumsverein  für  Zwickau 
und  Umgegend. 

Württem- 

95 

Friedrichs- 

Verein für  Gesch.  d.  Boden- 

berg 

hafen 

sees  u.  seiner  Umgebung. 

96 

Hall 

Historischer  Verein  für  das 
Württemberg.  Franken. 

97 

Ravensburg 

Redaktion  des  Diöcesan- 
Archivs  von  Schwaben. 

98 

Stuttgart 

Kgl.  Statist.  Landesamt. 
(Württemb.  Geschichts- 
und Altertumsverein.  Hi- 
storischer Verein  für  das 
Württemb.  Franken.  Ver- 
ein für  Kunst  und  Alter- 
tum in  Ulm  und  Ober- 
schwaben. Sülchgauer 
Altertumsverein.) 

99 

Stuttgart 

Kgl.  Landesbibliothek. 

Baden 

100 

Donau- 

Verein   für  Geschichte  und 

eschingen 

Naturgeschichte  der  Baar 
und      der     angrenzenden 
•   Landesteile. 

101 

Freiburg 

Gesellschaft  zurBeförderung 

i.  Br. 

der  Geschichts- ,  Alter- 
tums- undVolkskunde  von 
Freiburg  i.  Br. 

102 

Freiburg 

Kirchlich-historisch.  Verein. 

i.  Br. 

für  d.  Erzdiöcese  Freiburg. 

103 

Heidelberg 

Historisch  -  philosophischer 
Verein. 

104 

Heidelberg 

Kommission  für  die  Ge- 
schichte der  Stadt. 

mit  denen  der  Verein  im  Schriftenaustausch  steht.  LXXIX 


T^ndesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 

Beich 

Baden 

105 

Mannheim 

Altertumsverein. 

Großherzt. 

106 

Darmstadt 

Historischer  Verein  für  das 

Hessen 

Großherzogtum  Hessen. 

107 

Gießen 

Oberhess.  Geschichtsverein. 

108 

Gießen 

Vereinigung  für  hessische 
Volkskunde. 

109 

Mainz 

Verein  für  Erforschung  der 
rheinischen  ,  Geschichte 
und  Altertümer. 

110 

Worms 

Altertums  verein. 

Mecklenb.- 

111 

Rostock 

Verein   für  Rostocks  Alter- 

Schwerin 

tümer. 

112 

Schwerin 

Verein  für  Mecklenburgische 
Geschichte  und  Altertums- 
kunde. 

Oldenburg 

113 

Oldenburg 

Oldenburgischer  Landesver- 
ein für  Altertumskunde 
und  Landesgeschichte. 

Braunschw. 

114 

Braun- 

Stadtbibliothek  und   Stadt- 

schweig 

archiv. 

115 

Wolfen- 

Redaktion       des       Braun- 

büttel 

schweigischen    Magazins. 

Sachsen- 

116 

Altenburg 

Geschichts-  und  Altertums- 

Altenburg 

forschende  Gesellschaft 
des  Osterlandes. 

117 

Eisenberg 

Geschichts-  und  Altertums- 
forschender Verein. 

118 

Kahla-Roda 

Verein  für  Geschichts-  und 
Altertumskunde  zu  Kahla 
und  Roda. 

119 

Papiermühle 

Weller 's  Archiv  für  Stamm- 

b.  Roda 

und  Wappenkunde. 

Sachsen- 

120 

Gotha 

Vereinigung  für  Gothaische 

Gotha 

Geschichte  und  Altertums- 
forschung. 

LXXX  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen, 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Deutsches 

T 

Reich 

Sachsen- 

121 

Meiningen 

Hennebergischer  altertums- 

Meiningen 

forschender  Verein. 

122 

Meiningen 

Verein  für  Meiningische  Ge- 
schichte undLandeskunde. 

Anhalt 

123 

Dessau 

Verein  für  Anhaltische  Ge- 
schichts-  und  Altertums- 
kunde. 

Schwarzb.- 

124 

Arnstadt 

Museumsgesellschaft. 

Sondersh. 

Reuß  j..  L. 

125 

Hohen- 

Vogtläudischer      altertums- 

leuben 

forschender  Verein. 

126 

Schleiz 

Geschichts-  und  Altertums- 
verein. 

Reuß  ä.  L. 

127 

Greiz 

Verein  für  Greizer  Ge- 
schichte. 

Waldeck 

128 

Arolsen 

Geschichtsverein  für  Wal- 
deck und  Pyrmont. 

Ft.  Städte 

129 

Bremen 

Historische  Gesellschaft  des 
Künstlervereins. 

130 

Hamburg 

Verein  für  Hamburgische 
Geschichte. 

131 

Lübeck 

Verein  für  Hansische  Ge- 
schichte. 

132 

Lübeck 

Verein  für  Lübeckische  Ge- 
schichte und  Altertums- 
kunde. 

Reichslande 

133 

Metz 

Gesellschaft  für  Lothringi- 
sche Geschichte  und 
Altertumskunde. 

134 

Straßburg 

Historisch  -  litterar.  Zweig- 
verein des  Vogesenklubs. 

Österreich- 

135 

Agram 

Kroatischer  archäologischer 

Ungarn 

Verein. 

136 

Agram 

Kr.  Hrvatsk-Slavonsk  Dal- 
matinsk  Zemalysk  Arkiv. 

mit  denen  der  Verein  in  Schriftenaustausch  steht.     LXXXI 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Österreich- 
Ungarn 

137 

138 

Bregenz 
Budapest 

Vorarl  bergerMuseumsverein . 
Ungarische    Akademie    der 
Wissenschaften. 

189 

Eger 

Verein  für  EgerländerVolks- 
kunde. 

140 

Graz 

Historischer      Verein      für 
Steiermark. 

141 

Hermann- 
stadt 

Verein  für  Siebenbürgische 
Landeskunde. 

142 

Ung.- 
Hradisch 

Redaktion  des  Prav§k. 

143 

144 
145 

Innsbruck 

Klagenfurt 
Krakau 

Ferdinandeum  für  Tirol  und 
Vorarlberg. 

Geschichtsverein  f.  Kärnten. 

K.  K.  Akademie  der  Wissen- 
schaften. 

146 

147 

Böhmisch- 
Leipa 
Linz 

Nordböhmischer  Exkursions- 
Klub. 
MuseumFrancisco-Carolinum . 

148 

Prag 

Kgl.  böhmische  Gesellschaft 
d.  Wissenschaften,  Philos.- 
Histor.-Phil.  Kl. 

149 

Prag 

Verein   für  Geschichte   der 
Deutschen  in  Böhmen. 

150 

Raigern 
b.  Brunn 

Benediktinerstift.  , 

151 

Salzburg 

Gesellschaft  für  Salzburger 
Landeskunde. 

152 

Spalato 

Kais.-Kgl.  archäol.  Museum., 

153 

Trient 

Direkt,  d.  Archivio  Trentino. 

154 

Wien 

K.  K.  Akademie  der  Wissen- 
schaften.  Philologisch-hi- 
storische Klasse. 

155 

Wien 

Verein  für  Landeskunde  von 
Nieder- Österreich. 
G 

LXXXII  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen, 


Tiandesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Österreich- 

156 

Wien 

Altertum  s  verein. 

Ungarn 

157 

Wien 

Gesellschaft  für  die  Ge- 
schichte des  Protestantis- 
mus in  Österreich. 

158 

Wien 

Akademischer  Verein  deut- 
scher Historiker. 

159 

Wien 

Archiv  für  Brakteatenkunde. 

Schweiz 

Herausgegeben  von  Rud. 
V.  Höfken. 

160 

Aarau 

Historische  Gesellschaft  des 
Kantons  Aargau. 

161 

Basel 

Historische  u.  antiquarische 
Gesellschaft. 

162 

Bellinzona 

Redaktion  des  Bollettino 
Storico. 

163 

Bern 

Allgemeine  geschichtsforsch. 
Gesellschaft  der  Schweiz, 

164 

Bern 

Historischer  Verein  des 
Kantons  Bern. 

165 

Frauenfeld 

Historischer  Verein  des 
Kantons  Thurgau. 

166 

Freiburg 

Deutscher  geschichtsforsch. 
Verein  des  Kantons  Frei- 
burg. 

167 

St.  Gallen 

Historischer  Verein. 

168 

Genf 

Institut   National  Genevois. 

169 

Genf 

Societe  d'histoire  etd'archöo- 
logie  de  Geneve. 

170 

Glarus 

Historischer  Verein  des  Kan- 
tons Glarus. 

171 

Luzern 

Historischer  Verein  der  5  Orte 
Luzern,  Zug,  Uri,  Schwyz, 
Unterwaiden. 

172 

Zürich 

Antiquarische    Gesellschaft. 

173 

Zürich 

Schweizerische  heraldische 
Gesellschaft. 

mit  denen  der  Verein  in  Schriftenaustausch  steht.  LXXXIII 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Schweiz 

174 

Zürich 

Schweizerische  Gesellschaft 
für  Volkskunde. 

175 

Zürich 

Schweizerisches  Landes- 
museum. 

Nieder- 

176 

Amsterdam 

Koninklijke  Akademie    van 

lande 

Wetenschappen.  Afdee- 
ling:  Letterkunde. 

177 

Amsterdam 

Koninklijke  oudheidkundig 
Genootschap. 

178 

Assen 

Museum  van  Oudheden  in 
Drenthe. 

179 

Groningen 

Archiv. 

180 

Groningen 

Gesellschaft  pro  excolendo 
jure  patrio. 

181 

Herzogen- 

Het    Provinciaal      Genoot- 

busch 

schap  van  Künsten  en 
Wetenschappen  in  Noord- 
Brabant. 

182 

Leeuwarden 

Friesch  Genootschap  van 
Geschied-,  Oudheid-  en 
Taalkunde. 

183 

Leiden 

Maatschappij  van  Neder- 
landsche  Letterkunde  te 
Leiden. 

184 

Middelburg 

Het  Zeeuwsch  Genootschap 
der  Wetenschappen. 

185 

Utrecht 

Historisch  Genootschap. 

186 

Utrecht 

Provinciaal  Utrechtsch 
Genootschap  van  Künsten 
en  Wetenschappen. 

187 

Zwolle 

Vereeniging  tot  beoefening 
van  Overijsselsch  Regt 
en  Geschiedenis. 

Luxem- 

188 

Luxemburg 

Institut    Grand    Ducal    de 

burg 

Luxembourg.  Section  his- 
torique. 

LXXXIV  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  und  Redaktionen, 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Luxemburg 

189 

Luxemburg 

v 

Verein  für  Luxemburger 
Geschichte,  Litteratur  und 
Kunst. 

Belgien 

190 

Antwerpen 

Academie  d'archeologie  de 
Belgique. 

191 

Antwerpen 

Archieven  der  stad  van 
Antwerpen. 

192 

Arlon 

L'institut  arch^ologique  du 
Luxembourg. 

193 

Brüssel 

Societe  des  Bollandistes. 

194 

Löwen 

Redaktion  der  Revue  d'his- 
toire  ecclesiastique. 

195 

Lüttich 

L'institut  archeologique  116- 
geois. 

196 

Maredsous 

Abbaye  de  Maredsous. 

197 

Namur 

Societe  archeologique. 

198 

St.  Nicolas 

Cercle  archeologique  du 
Pays  de  Waes. 

Dänemark 

199 

Kopen- 

Jydsk -  Historisk  -  Topogra- 

hagen 

fisk  Selskab. 

Norwegen 

200 

Christiania 

Norsk    Historisk    Forening. 

201 

Christiania 

Foreningen  for  norsk  Folke- 
museum. 

Schweden 

202 

Göteborg 

Kongl.  Vetenskaps  -  och 
Vitterhets-Samhälle. 

203 

Stockholm 

Kongl.  Svenska  Vitterhets-, 
Historie-  och  Antiquitets- 
Akademie. 

204 

Stockholm 

Svenska  Fornminnes  Fore- 
ningen. 

205 

Stockholm 

Riksarkiv. 

206 

Stockholm 

Nordisk  Museum. 

207 

Upsala 

Humanistisk  Vetenskaps- 
samfund. 

Bußland 

208 

Dorpat 

Gelehrte  estnische  Gesell- 
schaft. 

mit  denen  der  Verein  in  Schrifteuauataiwch  steht.  LXXXV 


Fiandesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Bußland 

209 

Pellin 

Litterarische  Gesellschaft. 

210 

Helsingfors 

Finnische  Altertumsgesell- 
schaft. 

211 
212 

Helsingfors 
Mitau 

Finska  Litteratur   Sällskap. 

Kurländische      Gesellschaft 

für  Litteratur  und  Kunst. 

213 

214 
215 

Petersburg 

Petersburg 

Reval 

Commission  imperiale  ar- 
cheologique. 

Kaiserlich  russische  Ar- 
chäologische Gesellschaft. 

Esthländische  Litterarische 
Gesellschaft. 

216 

Riga 

Gesellschaft  für  Geschichte 
und  Altertumskunde  der 
OstseeprovinzenRußlands. 

Bumänien 

217 

Bukarest 

Academia  Romana. 

Italien 

218 

Bergamo 

Ateneo  di  Scienze,  Lettere 
ed  Arti. 

219 

Como 

Societä  Storica  per  la  Pro- 
vincia  e  antica  Diocesi 
di  Como. 

220 

Genua 

Societä,  Ligure  di  Storia 
Patria. 

221 

Lucca 

Reale  Accademia  Lucchese 
di  Scienze,  Lettepe  ed  Arti. 

222 

Rom 

Reale  Accademia  dei  Lincei. 

223 

Rom 

Reale  Societä  Romana  di 
Storia  Patria. 

224 

Sieoa 

Reale  Accademia  dei  Rozzi. 

Frankreich 

225 

Amiens 

Soci^te  des  Antiquaires  de 
Picardie. 

226 
227 

Besan9on 

Chälon    sur 
Saöne 

Acadämie  des  sciences, 
belles-lettres  et  arts  de 
Besanpon. 

Societe  d'histoire  et  d'archöo- 
logie. 

LXX^CVI  Verzeichnis  der  Vereine,  Institute  u.  Redaktionen  etc. 


Landesgebiet 

No. 

Sitz 

Name  des  betr.  Vereins  u.  s.  w. 

Frankreich 

•228 

Chäteau- 

Sociöte  dünoise  archeologie 

dun 

histoire,  sciences  et  arts. 

229 

Dijon 

Commission    des    antiquites 
du  depart.  de  la  Cote-d'Or. 

230 

Grenoble 

Academie  delphinale. 

231 

Nimes 

Acad^mie  de  Nimes, 

232 

Paris 

Soci^te    nationale  des  anti- 
quaires  de  France. 

233 

Romans 

Bulletin  d'histoire  ecclesias- 
tique  et  d'archeologie  reli- 
gieuse    des    dioceses     de 
Valence,  Digne,  Gap,  Gre- 
noble et  Viviers. 

234 

Saint- 

Soci^te       d'emulation      des 

Brieuc 

C6tes-du-Nord. 

235 

Toulouse 

Soci^te     archeologique     du 
midi  de  la  France. 

England 

236 

Cambridge 

Cambridge  Antiquarian  So- 
ciety. 

237 

Newcastle 

The  Society  of  Antiquaries 

upon  Tyne 

of  Newcastle  upon  Tyne. 

Vereinigte 

238 

Baltimore 

Johns    Hopkins  University. 

Staaten 

239 

Lincoln, 

Nebraska    State    Historical 

von 

Nebr. 

Society. 

Amerika 

240 

Phila- 

The American  Philosophical 

delphia 

Society,    held    at    Phila- 
delphia, f'or  the  Promotion 
of  Useful  Knowledge. 

241 

Washington 

Bureau  of  ethnology. 

242 

Washington 

Smithsonian  Institution. 

Canada 

243 

Toronto 

Canadian  Institute. 

Krommanaschf!  Buchdruckerei  (Hermann  Pohle)  in  Jena.  —  2377 


ZEITSCHRIFT  DES  VEREINS 


FÜR 


THÜRINGISCHE  GESCHICHTE 


UKD 


ALTERTUMSKUNDE. 


NEUE  FOLGE.    VIERZEHNTER  BAND. 

DER  GANZEN  FOLGE  ZWEIÜNDZ WANZIGSTER  BAND. 

Mit  1  Karte  und  147  Abbildungen  im  Texte. 


SENPER   i 


JENA, 

VERLAG    VON    GUSTAV    FISCHER. 
1904. 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Inhalt. 


Abhandlungen.  Seite 

I.  Zur    Rechtsgeschichte    des    thüringischen    Adels.      Von 

Professor  Dr.  Rudolf  His  a.  d.  Univ.  Heidelberg     .     .        1 
IL  Pfeifers   und    ]Münzers   Zug  in    das   Eichsfeld    und   die 
Verwüstung  der  Klöster  und   Schlösser.    Von   Prof.   Dr. 

Jordan  in  Mühlhausen 36 

IIL  Die  vor-   und   frühgeschichtlichen  Funde  der  Grafschaft 
Camburg.     Von  Dr.  Gustav  Eichhorn  in  Jena.    Mit 

79  Abbildungen  im  Text 97 

IV.  Studien    zur    Geschichte     des    Unterganges    des    alten 
Thüringischen   Königreichs   im  Jahre  531  n.  Chr.     Von 

Dr.  Wilhelm  Pelka 165 

V.  Ueber  ein  1525  und  1526  geplantes  Religionsgespräch  zur 
Beseitigung   des  Gegensatzes   zwischen   Ernestinern   und 

Albertinern.     Von  Prof.  Dr.  G.  Mentz 229 

VI.  Der  Diesberg  (Diesburg)  an  der  Rhön,  und  der  Steinwall 
auf  demselben.    Von  Landesgeometer  A.  Mueller.    (Mit 

einer  Karte) 239 

VII.  Neues  über  den  Sturz  des  Thüringischen  Königreichs. 
Von  Prof.  Dr.  Hermann  Größler  in  Eisleben.  (Mit 
einem  Kärtchen  der  Gegend  von  Runibergun)  ....  249 
Vni.  Die  vor-  und  frühgeschichtlichen  Funde  der  Grafschaft 
Camburg.  Von  Dr.  GustavEichhornin  Jena.  II.  Stadt 
Camburg  an  der  Saale.    (Mit  67  Abbildungen  im  Text)    269 

Mi6z6llen. 

1.  Landmesserordnung  und  Holzordnung  im  Amt  Keula 
aus  den  Jahren  1567  und  1572.  Mitgeteilt  von  Tfairer 
P'leischhauer  in  Oberspier 145 

2.  Mitteilungen  aus  Copialbüchern  der  Stadt  Naumburg  a.  S. 
Von  Redakteur  Karl  Seh öppe .    .    331 

Literator. 

1.  Dr.  Eduard  Bohl,  Beiti'äge  zur  Geschichte  der  Refor- 
mation in  Österreich,  hauptsächlich  nach  bisher  unbe- 
nutzten Aktenstücken  des  Regensburger  Stadtarchivs. 
Jena,  G.  Fischer  1902.    Von  Professor  Dr.  F.  Nippold 

in  Jena 151 

2.  Hessische  Landtagsakten,  herausgegeben  von  Dr.  Hans 
G  lag  au,  Privatdozenten  an  der  Universität  Marburg. 
Erster  Band,  1508  bis  1521.    Marburg  1901.    XV,  593  SS., 

M.  14.—.    Von  Professor  Dr.  G.  Mentz  in  Jena  .    .    .    161 


rv  Inhalt. 

Seite 

3.  Er  misch,  H.,  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae.  Im 
Auftrage  der  Königlich  Sächsischen  Staatsregierung  heraus- 
gegeben von  Otto  Posse  und  Hubert  E^r  misch.  Erster 
Hauptteil.  Abteilung  B.  Zweiter  Band.  Urkunden  der 
Markgrafen  von  Meißen  und  Landgrafen  von  Thüringen 
1396—1406.  Leipzig,  Giesecke  und  Devrient,  1902.  XV 
und  597  SS.    4".    Von  Professor  Dr.  0.  Dobenecker 

in  Jena 162 

4.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler der  Provinz  Sachsen.  Herausgegeben  von  der 
Historischen  Kommission  für  die  Provinz  Sachsen  und  das 
Herzogtum  Anhalt.  XXIV.  Heft.  Die  Stadt  Naumburg. 
Bearbeitet  von  Dr.  Heinrich  Bergner.  Mit  162  in  den 
Text  gedruckten  Abbildungen,  20  Lichtdrucktafeln  und 
1  Stadtplan.  Halle  a.  S.  (Hendel)  1903.  Von  Archivar  Dr. 
Rosenfeld  in  Magdeburg 334 

5.  Beiträge  zur  Sächsischen  Kirchengeschichte.  Herausgegeben 
im  Auftrage  der  Gesellschaft  für  Sächsische  Kirchen- 
geschichte von  F  r.  D  i  b  e  1  i  u  s  und  T  h.  B  r  i  e  g  e  r.  Leipzig, 

J.  A.  Barth,  17  Hefte,  1882—1904.  Von  0.  Dobenecker    338 

6.  Mitteilungen  der  Vereinigung  für  Gothaische  Geschichte 
und  Altertumsforschung.    Jahrgang  1903.     Friedrichroda, 

Jac.  Schmidt  U;  Co.   [1903].    Von  0.  Dobenecker.     .    339 

7.  Größler,  Hermann:  Führer  durch  das  Unstruttal  von 
Artern  bis  Naumburg  für  Vergangenheit  und  Gegenwart. 
2.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  (Mit  einer  Karte 
des  Unstruttales.)  Freyburg  (Unstrut),  Joh.  Finke,  1904. 
Von  0.  Dobenecker 340 

8.  Gröger,  Johannes:  Ein  thüringisches  Städtchen.  Bei- 
träge zur  Geschichte  Großbreitenbachs  und  der  Umgegend, 
hauptsächlich  auf  Grund  der  Kirchenbücher  zusammen- 
gestellt. Arnstadt, E. Frotscher,  1903.  Von  0.  Dobenecker    341 

9.  Die  Pfarrei  Mupperg.  Topographisch  und  kirchengeschicht- 
lich dargestellt  von  weil.  Dr.  Gustav  Lotz,  Kirchenrat, 
Pfarrer  zu  Mupperg  und  Gefeil.  Neu  herausgegeben  von 
Adolf  Joch,  Lehrer.    Mit  3  Abb.     Sonneberg,   Druck 

von  Grabe  u.  Hetzer,  1903.    Von  0.  Dobenecker    .     .    343- 

10.  Behr,  Otto:  Triebeser  Schul chronik.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  der  Landesschulen  in  der  Herrschaft  Schleiz. 
Selbstverlag  des  Verfassers.  [Triebes]  1903.  Von  0. 
Dobenecker 343 

11.  Übersicht  über  die  neuerdings  erschienene  Literatur  zur 
thüringischen  Geschichte   und   Altertumskunde.     Von  0. 

Dobenecker 344 

Mitteilung .362 

Gustav    Richter.     Ein    Gedächtniswort.     Von    Eduard 

Rosenthal I 

Karl  Konrad  Müller.    Ein  Gedächtniswort.   Von  Eduard 
Rosenthal IX 


I. 
Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

Von 
Budolf  Hls. 

1.  Freier  und  dienstmännischer  Adel. 

Otto  von  Zallinger  hat  nachgewiesen,  daß  in  Ostfalen, 
dem  Vaterlande  des  Sachsenspiegels,  im  12.  und  13.  Jahr- 
hundert die  große  Mehrzahl  der  alten  Herrengeschlechter 
den  freien  Stand  aufgegeben  hat  und  in  die  Ministerialität 
übergetreten  ist  ^). 

Schon  von  vornherein  durfte  mart  annehmen,  daß  die 
gleiche  Entwickelung,  wie  in  Ostfalen,  sich  auch  in 
Thüringen  vollzogen  habe,  wo  die  Lage  des  Adels  eine 
ganz  ähnliche  war,  wie  in  den  benachbarten  sächsischen 
Gegenden. 

Auch  hier  saß  ursprünglich  ein  sehr  zahlreicher  freier 
Adel,  der  mit  der  endgültigen  Unterwerfung  der  Sorben 
eine  früher  reichlich  fließende  Einnahmequelle  verloren  hatte, 
gerade  zu  einer  Zeit,  wo  die  von  Westen  her  vordringende 
höfische  Kultur  das  Leben  des  Adels  zu  verteuern  begann. 
Auch  hier  war  die  Möglichkeit,  Lehen  zu  erhalten,  für  den 
freiherrlichen  Adel  sehr  beschränkt,  da  die  Sitte  es  ihm 
ebensowenig  wie  in  Ostfalen  gestattete,  von  Standesgenossen 


1)  V.  Zallinger,  Die  Schöffenbarfreien  des  Sachsenspiegels,  1887. 
XII  (XXII)-  1 


2  Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels, 

Lehen  zu  nehmen  *).  So  kamen  für  den  freien  Adel  als 
Lehensherren  nur  das  Reich  und  die  Fürsten  in  Betracht: 
die  Erzbischöfe  von  Mainz  und  Magdeburg,  die  Bischöfe 
von  Naumburg,  Merseburg  und  Halberstadt,  die  Äbte  von 
Fulda  und  Hersfeld,  der  Landgraf  von  Thüringen,  sowie 
die  in  Thüringen  begüterten  Weifen  und  Askanier^j.  Die 
Fürsten  aber  gaben  die  verfügbaren  Lehen  lieber  an 
Ministeriale,  da  sie  diese  in  stärkerer  Abhängigkeit  halten 
konnten. 

So  trieb  die  Not  manchen  freien  Herrn  zur  Ergebung 
in  die  Ministerialität,  und  der  Entschluß  zu  einem  solchen 
Schritte  mochte  bei  der  verhältnismäßig  hohen  Stellung,  die 
der  ganze  Ministerialenstand  in  der  Staufenzeit  erlangte, 
nicht  mehr  allzuschwer  fallen. 

So  finden  wir  denn  auch  in  Thüringen  im  12.  und 
13.  Jahrhundert  zahlreiche  Übertritte  freiherrlicher  Ge- 
schlechter in  die  Ministerialität  ^). 

Zunächst  zwei  Beispiele  aus  der  Erfurter  Gegend.  Otto 
von  Walschleben  heißt  1170  frei,  liber*);  seit  1217 
dagegen  zeigt   seine  Stellung  in   den  Zeugenreihen,    daß  er 


1)  Ich  kenne  nur  zwei  Beispiele  einer  Lehens  Verbindung  unter 
freien  Herren:  1169  (Dobenecker  II,  No.  381)  ist  Heinrich  von  Hel- 
drungen Vasall  der  Grafen  von  Beichüngen ;  1259  (Walkenried.  Üb. 
No.  337)  Heinrich  von  Heldrungen  Lehensmann  des  Grafen  von 
Honstein. 

2)  Zu  den  Askaniem  gehören  die  Grafen,  von  Orlamünde,  die 
als  Fürstengenossen  gelten  und  daher  freie  Herren  und  selbst  Grafen 
zu  Vasallen  haben. 

3)  Die  folgenden  Ausführungen  stützen  sich  fast  durchweg  auf 
Belege  in  Dobeneckers  ßegesten.  —  Bei  den  Mainzer  Urkunden  ist 
Vorsicht  geboten,  da  diese  unter  der  Rubrik  Ministeriales  bisweilen 
nur  die  Mainzer  Stiftsdienstmannen  aufzählen.  So  führt  eine 
Mainzer  Urkunde  von  1158  (Dobenecker  II,  No.  153)  den  Reichs- 
ministerialen Werner  von  Bolanden  und  die  fuldischen  Dienstleute 
Härtung  von  Scharf enberg  und  Härtung  von  Erfa  unter  den 
Freien  an. 

4)  Dobenecker  II,  No.  415. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  3 

den  freien  Stand  aufgegeben  hatte  i).  Er  tritt  von  nun.  an 
mehrfach  im  Gefolge  des  Mainzer  Erzbischofs  auf  und 
scheint  zu  den  Ministerialen  dieses  Fürsten  gehört  zu 
haben. 

Etwa  gleichzeitig  haben  die  Herren  von  Kühnhausen 
den  Übertritt  vollzogen.  Bertold  von  Kühnhausen  wird 
1170  noch  ausdrücklich  als  frei  bezeichnet  2);  auch  1184 
scheint  er  noch  dem  freien  Stande  angehört  zu  haben  3). 
Dagegen  erscheint  er  in  der  Zeugenreihe  einer  undatierten 
Paulinzeller  Urkunde,  die  spätestens  ins  Jahr  1191  zu  setzen 
ist,  hinter  dem  (Hersfelder?)  Ministerialen  Adelher  von 
Arnstadt  und  gibt  sich  dadurch  deutlich  als  Dienstmann 
zu  erkennen  *). 

Die  Herren  vonBerlstedt  bei  Weimar,  also  ein  ost- 
thüringisches Geschlecht,  werden  1184  und  1186  unter  den 
Freien  genannt  5) ,  auch  1191  sind  sie  sicher  noch  frei :  eine 
Zeugenreihe  dieses  Jahres  nennt  Ludolf  von  Berlstedt 
vor  Volrad  von  Kranichfeld,  der  einem  freiherrlichen  Ge- 
schlecht angehörte^).  Ebenso  noch  im  Jahre  1200,  wo 
Ludolf  von  Berlstedt  vor  Albrecht  von  Wippra  erscheint, 
denn  dieser  war  freier  Herr  und  gehörte  zum  Hause  der 
Edlen  von  Hackebom  '').  Bald  darauf  aber  müssen  die 
von  Berlstedt  in  die  Ministerialität  tibergetreten  sein. 
1214  erscheint  Ludolf  von  Berlstedt  hinter  dem  ßeichs- 
ministerialen  Heinrich  Vogt  von  Weida  ^)  und  einige  Jahre 
später  (1221)  wird  er  selbst  ausdrücklich  als  Ministerial  be- 
zeichnet^): wahrscheinlich  gehörte  er  zur  landgräflichen 
Dienstmannschaft  ^°).     Sind  die  Herren  von  Berlstedt,   wie 


1)  Dobenecker  II,  No.  1747,  2111,  2215,  2224,  2377. 

2)  Dobenecker  II,  No.  398.    3)  Dobenecker  II,  No.  070. 

4)  Dobenecker  II,  No.  1031. 

5)  Dobenecker  II,  No.  700.  760.    6)  Dobenecker  II,  No.  881. 

7)  Dobenecker   II,   No.   1178.     Vgl.   v.   Mülverstedt,    E^est. 
Stolberg.  1141). 

8)  Dobenecker  II,  No.  1590.    Ebenso  No.  1613  (a.  1215). 

9)  Dobenecker  II,  No.  1976.    10)  1225  wird  er  irrtümlich  noch 
einmal  zu  den  Freien  gerechnet  (Dobenecker  II,  No.  2261). 

1» 


4  Zur  Kechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

von  mehreren  Forschern  auf  Grund  gewichtiger  Anzeichen 
behauptet  wird  ^),  gleichen  Stammes  mit  denen  von  Aller- 
stedt,  so  wird  auch  für  dieses  Geschlecht  freie  Abkunft 
wahrscheinlich,  obwohl  die  von  Allerstedt  schon  bei  ihrem 
ersten  Auftreten  (1157)  Reichsministerialen  sind  2). 

Bei  den  Herren  v.  Vippach  (nw.  Weimar)  können 
wir  fast  genau  das  Jahr  ihrer  Ergebung  in  die  Ministerialität 
feststellen.  1221  wird  Albero  von  Vippach  als  nobilis  und 
liber  bezeichnet  3) ;  1225  erscheint  er  mitten  unter  Ministe- 
rialen *).  Sein  Sohn  Hermann  wurde  1233  Burgmann  des 
Mainzer  Erzbischofs  zu  Erfurt  5). 

Aus  dem  Norden  Thüringens  kann  man  die  Geschlechter 
von  Bendeleben    und  von  Honstein    als  Beispiele  anführen. 

Die  libera  etwizzinthaftfemina  Aksuit  nomine 
de  Bendeleve  (Bendeleben  b.  Sondershausen)  macht  1136 
eine  Schenkung  an  das  hessische  Kloster  Lippoldsberg  6). 
Ein  Verwandter  der  Familie,  Hathemar  von  Bendeleben, 
ficht  1155  die  Schenkung  an,  wird  aber  mit  einer  Geld- 
zahlung abgefunden  ').  Der  Sohn  dieses  Hathemar,  Egelolf, 
erscheint  1203  unter  den  landgräflichen  Dienstmannen'); 
wahrscheinlich  hatte  sich  sein  Übertritt  schon  vor  1198 
vollzogen.  In  diesem  Jahre  finden  wir  Egelof  von  Bende- 
leben am  Schluß  einer  Ministerialenreihe,  auf  die  dann  auf- 
fälligerweise' noch  die  zwei  Grafen  von  Schwarzburg  und 
Klettenberg  folgen :  diese  mögen  später  nachgetragen  worden 
sein  3). 

Burchard  von  Honstein,  benannt  nach  derselben 
Harzburg  Honstein,    die  auch  einem  Grafengeschlechte  den 


1)  Eein,  Thur.  Sacra  I,  72;  v.  Mülverstedt,  Kegesta  Stolbergica 
1136). 

2)  Dobcnecker  II,  No.  152.    3)  Dobenecker  II,  No.  1973,  1976. 
4)  Dobenecker  II,  No.  2261.     5)  ÜB.  Erfurt  I,  No.  108. 

6)  Dobenecker  I,  No.  1312.     7)  Dobenecker  II,  No.  101. 
8)  Dobenecker  II,  No.  1247.     9)  Dobenecker  II,  No.  1085. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  5 

Namen  gab,  steht  in  einer  Zeugenreihe  von  1178  vor  dem 
Schöffenbarfreien  Eckehard  von  Liebenrode,  war  also  damals 
jedenfalls  noch  freier  Herr  ^).  In  einer  Urkunde  von  1216 
wird  dagegen  sein  gleichnamiger  Sohn  ausdrücklich  als 
Ministerial  bezeichnet  2) :  wahrscheinlich  ist  die  Ergebung 
in  den  Jahren  1209 — 1215  vorsieh  gegangen  3),  Im  Jahre 
1217  heißt  Burchard  Vasall  (fidelis)  des  Grafen  von  Honstein, 
was  ebenfalls  auf  Zugehörigkeit  zum  niederen  Adel  hinweist*). 
Eine  landgräfliche  Urkunde  von  1216  nennt  Burchard  von 
Honstein  allerdings  wieder  „liber",  aber  man  wird  darauf 
kein  allzu  großes  Gewicht  legen  dürfen  ^).  Die  übrigen 
Urkunden,  in  denen  Burchard  auftritt,  geben  über  seinen 
Stand  keinen  sicheren  Aufschluß.  Erst  1242  vermögen  wir 
einen  Burchard  v.  Honstein  sicher  als  Dienstmann  zu  be- 
zeichnen ß).  Ein  Bruder  des  jüngeren  Burchard  ist  Hermann 
von  Arnswald,  der  in  einer  landgräflichen  Urkunde  von  1227 
unter  Ministerialen  aufgeführt  wird').  Dienstherren  der 
Honsteiner  waren  die  Grafen  v.  Honstein:  1215  und  1219 
wird  Burchard  von  Honstein  unter  den  Burgleuten  dieses 
Schlosses  genannt  ^). 

Sogar  ein  ehemaliges  Grafengeschlecht  treffen  wir  später 
unter  den  thüringischen  Dienstmannen:  es  sind  die  Grafen 
vonWartberg9).    Der  Stammvater  Wigger  (1 138— 1 189) 


1)  Dobenecker  II,  No.  539.  Eckehard  von  Liebenrode  wird  in 
einer  Urk.  von  1214  (Dobenecker  II,  No.'  1604)  als  schöffenbarfrei 
(qui  insigni  gaudebat  libertatis  titulo  et  qui  in  foro  iuris  unus  erat 
scabinorum)  bezeichnet. 

2)  Dobenecker  II,  No.  1644. 

3)  Im  Jahre  1209  (Dobenecker  ll,\  No.  1448);  scheint  er  noch 
frei  gewesen  zu  sein. 

4)  K.  Meyer,  Z.  d.  Harzvereines  XXVIII,  S.  421,  No.  92. 

5)  Dobenecker  II,  No.  1680. 

6)  K.  Meyer,  a.  a.  O.  S.  440,  No.  145. 

7)  Dobenecker  II,  No.  2421. 

8)  K.  Meyer,  a.  a.  O.  S.  420,  No.  91 ;  Dobenecker  II,  No.  1845. 

9)  Vgl.  Rein,  Z.  f.  thür.  Gesch.  IV,  S.  190  ff  und  Thur.  Sacra  I, 
S.  72. 


Q  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

aus  dem  Hause  der  Grafen  von  Bilstein  führt  den  Grafen- 
titel nicht  ständig  und  verwaltete  vielleicht  gar  keine 
eigentliche  Grafschaft.  Er  war  mit  einer  fuldischen  Ministe- 
rialin,  der  Tochter  Christians  von  Goldbach,  vermählt  ^). 
Nach  strengem  Recht  hätten  somit  seine  Kinder  Dienst- 
mannen werden  müssen.  Trotzdem  behielt  sein  Sohn 
Burchard  den  freiherrlichen  Stand  und  den  Grafentitel 
Er  nennt  sich  comes  de  Wartberg  (1182),  wird  einmal  auch 
castellanus  de  Wartberc  genannt  und  scheint  demnach 
landgräflicher  Burggraf  auf  der  Wartburg  gewesen  zu  sein. 
Auch  die  Enkel  und  Urenkel  Wiggers  führen  noch  den 
Grafentitel,  aber  die  nächste  Generation  gab  diesen  und 
zugleich  den  Freiherrenstand  auf:  Albert  IL,  zuerst  1279 
noch  Graf  von  Wartburg  genannt,  heißt  1283  bloß  noch 
miles  und  muß  demnach  zwischen  1279  und  1283  sich  in 
die  Ministerialität  ergeben  haben  ^).  Dieser  Übertritt  er- 
folgte also  wesentlich  später  als  die  übrigen  uns  bekannten 
Fälle. 

Kenner  der  thüringischen  Orts-  und  Adelsgeschichte 
werden  jedenfalls  die  angeführten  Beispiele  mit  leichter 
Mühe  vermehren  können.  So  ist  z.  B.  bei  den  Herren 
von  Liebenrode  im  Norden,  bei  denen  von  Döllstädt 
und  von  Hausen  im  Süden  Thüringens  der  Übertritt  in 
die  Ministerialität  sehr  wahrscheinlich.  Für  uns  mögen 
diese  Fälle  genügen. 

Das  Ergebnis  der  geschilderten  Entwickelung  war 
schließlich,  daß  am  Ausgang  des  13.  Jahrhunderts  von  dem 
einst  so  zahlreichen  freiherrlichen  Adel  Thüringens  —  von 
den  Grafen  und  Burggrafen  abgesehen  —  nur  noch  5  Ge- 
schlechter übrig  waren:  die  Herren  von  Frankenstein 
im    äußersten  Westen,    im    Osten    Thüringens    die    Herren 


1)  Dobenecker  1,  No.  1354.  Christian  von  Goldbach  war  Freier, 
aber  mit  einer  Stiftsministerialin  verheiratet  (Dobenecker  I,  No.  1161). 

2)  Belege  bei  Rein  a.  a.  0,.  Auch  später  führt  Albert  von 
Wartberg  noch  bisweilen  den  Grafen titel :  1291  (ÜB.  Pforte  I,  No.  297) 
und  1292  (vgl.  Landau,  Z.  f.  thüring.  Gesch.  II,  S.  357). 


Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  7 

von  Held  rungen,  Kranichfeld  und  Tannroda  und 
das  halb  osterläudische  Geschlecht  der  Lobdeburger. 

Aber  der  stark  zusammengeschmolzene  freiherrliche 
Adel  erhielt  gerade  in  jener  Zeit  einigen  Zuwachs  durch 
einzelne  neufreiherrliche  Familien,  die  sich  aus  der  Ministe- 
rialität  zu  dem  höheren  Stande  emporgehoben  hatten :  es 
sind  die  Herren  von  Treffurt,  von  Salza  und  von 
Blankenhain.  Von  ihnen  wird  später  noch  die  Rede 
sein. 

Für  den  Gegensatz  zwischen  hohem  und  niederem  Adel 
im  14.  Jahrhundert  ist  von  Interesse  eine  Urkunde  von 
1371,  die  ein  Schuldversprechen  der  Landgrafen  Friedrich 
Balthasar  und  Wilhelm  gegenüber  einigen  Erfurter  Juden 
enthält  ^).  Die  Landgrafen  stellten  eine  größere  Anzahl 
von  Bürgen:  „dese  ediln  unde  gestrengen  hem,  hern  F., 
bischofe  zcu  Merseburg,  h  e  r  n  F.  von  Orlamünde,  heiTe  zcu 
Drozsig,  herren  G.  von  Querenfurte,  herre  daselbins,  herre 
C.  von  Thannenrode  den  elderen,  herre  daselbins,  herre 
H.  von  Heiderunge,  herre  daselbens,  herre  F.  von  Schon- 
burg, herre  zcu  Gluchowe,  e  r  K.  von  Wiczeleyben,  e  r  n 
N.  von  Kokericz,  ern  von  Eckirsberge"  u.  s.  w.  Hier  ist 
auffallend  dieverschiedeneBedeutungderFormen 
herre  und  er.  Der  von  Schönburg  ist  der  letzte  Bürge 
aus  freiherrlichem  Stande,  die  folgenden  sind  Angehörige 
des  niederen  Adels.  Sie  müssen  sich  mit  der  unbetonten 
Form  er  begnügen,  während  die  voraufgehenden  Füi'sten, 
Grafen  und  Herren  durch  das  vollklingende  herrB  ausge- 
zeichnet werden. 

2.  Dienstleute  und  einfache  Ritter. 

Die  unfreie  Ritterschaft,  aus  der  bekanntlich  unser 
niederer  Adel  hervorgegangen  ist,  teilt  sich  in  die  beiden 
Klassen  der  Ministerialen  und  der  einfachen  Ritter.  Der 
Unterschied  liegt  in  erster  Linie  in  ihrer  Tätigkeit :  während 
die    einfachen  Ritter    bloß   Kriegsdienst    leisten,    und  zwar 

1)  Uß.  Erfurt  II,  No.  666. 


8  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

hauptsächlich  als  Burgmannen,  steht  bei  den  Ministerialen 
der  Hofdienst  im  Vordergrund.  Ministerialen  kann  daher 
nur  derjenige  Herr  haben,  der  über  einen  Hofstaat  mit  den 
vier  Amtern  ^des  Marschalls,  Truchsesäen,  Kämmerers  und 
Schenken  oder  wenigstens  einzelnen  dieser  Amter  verfügt. 
Dazu  kommt  ein  lehnrechtliches  Merkmal :  nach  der  Zählung 
des  Sachsenspiegels  bilden  die  Ministerialen  den  fünften 
Heerschild;  die  einfachen  Ritter  nehmen  den  sechsten  ein 
und  stehen  häufig  in  Lehensabhängigkeit  von  jenen.  Die 
Kluft  zwischen  den  beiden  Gruppen,  in  früherer  Zeit  kaum 
bemerkbar,  erweitert  sich  seit  der  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts, und  in^Südostdeutschland  kommt  es  so  weit,  daß 
den  Rittern  sogar  die  Ebenbürtigkeit  mit  den  Ministerialen 
abgesprochen  wird  i). 

Diese  Sätze  verdanken  wir  wiederum  den  Forschungen 
Zallingers  ^),  der  seine  Darstellung  vorwiegend  auf 
baierische  und  österreichische  Quellen  gründet.  Sehen  wir 
zu,  inwieweit  Zallingers  Ergebnisse  für  unser  Gebiet  Geltung 
beanspruchen  können. 

Die  Ministerialen  heißen  in  Thüringen  „Dienst- 
mannen", „Dienstleute"  ^);  der  Ausdruck  „Dienst- 
herren", der  in  Österreich  seit  dem  13.  Jahrhundert 
üblich  wird  *)  und  der  sich  auch  in  der  Mark  Brandenburg 
belegen  läßt  ^),  kommt  in  Thüringen  nicht  vor.  Ministerialen 
finden  wir  im  Dienste  des  Reiches,  der  geistlichen  und 
weltlichen    Eürsten.      Auch    Grafen     sprechen     von    ihren 


1)  Siegel,  Wiener  Sitzungsber.,  .  phil.-hist.  Kl.  CIT,  S.  280; 
V.  Zallinger,  Ministeriales  und  Milites  S.  21. 

2)  In  der  vorhin  genannten  Schrift. 

3)  „Dienstmanne"  z.  B.  im  thüringischen  Landfrieden  von  1338 
(Erhard,  Mitteil.  z.  Gesch.  d.  Landfrieden,  1829,  S.  30);  „dinstlute" 
in  Urk.  von  1315  (Eeitzenstein,  Eegesten  von  Orlamünde  S.  129). 

4)  V.  Zallinger,  Die  ritterlichen  Klassen  im  steirischen  Landrecht, 
Mitt.  d.  Inst.  f.  Ost.  Gesch.-For8ch.  IV,  S.  393  ff. 

5)  Riedel,  C.  dipl.  Brandenb.  II,  320  (a.  1350).  Das  Wort 
wird  hier  durch  die  wittelsbachi  sehen  Markgrafen  eingeführt 
worden  sein. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  9 

„Ministeriales",  so  1217  der  Graf  von  Honstein,  1270  die 
Grafen  von  Käfernburg,  1294  der  Graf  von  Gleichenstein  ^). 
Dem  entspricht  es,  wenn  wir  an  den  Höfen  der  Grafen 
auch  einzelne  Hofämter  finden:  wir  kennen  Truchsessen 
der  Grafen  von  Schwarzburg  (um  1200),  von  Rabenswald 
(1237)  und  von  Beichlingen  (1263)  und  einen  Marschall 
des  Grafen  von  Käfernburg  (1283)  2).  Einmal  wird  auch 
ein  Ministerial  einfacher  Edelherren,  der  Herren  von  Lobde- 
burg,  erwähnt  (1266)3).  Auch  anderwärts  kommen  Ministe- 
rialen von  freien  Herren  bisweilen  vor,  in  Nord-  und 
Westdeutschland,  wie  es  scheint,  häufiger,  im  Südosten  nur 
ausnahmsweise  *). 

Eine  Stufe  unter  den  Dienstmannen  stehen  auch  in 
Thüringen  die  einfachen  Ritter,  milites,  auch  wohl 
castrenses,  auf  deutsch  R i 1 1 e r  oder  einfach  Mannen 
genannt.  Zum  ersten  Male  begegnet  die  Unterscheidung 
in  einer  landgräflichen  Urkunde  vom  Jahre  1206^):  comes 
Ernestus  (von  Gleichen)  mediatorem  se  exhibens  accersitis 
.  .  quibusdam  regis  ministerialibus  et  nostris  aliisque 
quam  plurimis  bone  fame  militibus  ex  utraque  parte  .  . 
commune  iniere  consilium.  1270  übergeben  die  Grafen 
Günther  und  Günther  von  Käfernburg  dem  Erfurter  Peters - 
kloster  Güter  zu  Alach  „in  presentia  ministerialium 
et    militum    nostrorum"  *).     In  einer  Urkunde   Günthers 


1)  K.  Meyer  a.  a.  O.  S.421,  No.  92.  —  Diplomat,  des  Erfurter 
Petersklosters  (ßeriin;  Kgl.  Bibüothek),  f.  103.  -  Wolf, 'Gesch.  d. 
Eichsfeldes  I,  Urk.  No.  60. 

2)  Dobenecker  II,  No.  1480;  ÜB.  Pforte  I,  No.  110;  Mencke, 
Scriptores  I,  S.  537,  685. 

3)  Avemann,'  Grafen   und   Burggrafen   von  Kirchberg,    Urk. 
'No.  146. 

4)  V.  Zallinger,  Ministeriales  und  Milites  S.!  5.  Vgl.'  W.',  Öchsli, 
Die  Anfänge  der  schweizerischen  Eidgenossenschaft  (1891),  S.  164. 

5)  Dobenecker  II,  No.  1313  aus  Cod.  dipL  Sax.  reg.  I,  3, 
No.  98. 

6)  Diplomat,  des  Petersklosters,  f.  103. 


10  Zur  Eechtsgeßchichte  des  thüringisclieii  Adels. 

von  Salza  (1272)  i)  treten  als  Zeugen  auf  Tuto  von  Stein  und 
Ludwig  von  Almenhausen,  ministeriales,  Konrad  von 
Heilingsieben,  Albert  Falanga,  Heinrich  von  Eppenrode, 
Giseler  sub  monte  ^ ),  Bertold  Surezzic,  Gerlach  Schrimpf, 
Friedrich  Meliere,  milites  de  Salza.  Was  milites  de 
Salza  bedeutet,  ist  zweifelhaft:  man  könnte  sowohl  an  Burg- 
mannen der  landgrätlichen  Burg  Salza,  wie  an  ritterliche 
Unfreie  der  Ministerialen  von  Salza  denken.  Letztere  An- 
nahme ist  wahrscheinlicher  3).  Aber  das  ist  jedenfalls  klar, 
daß  diese  milites  den  Ministerialen  als  eine  niedrigere  Klasse 
gegenübergestellt  werden.  Ahnlich  eine  Urkunde  des- 
selben Günther  für  Homburg  (1284):  dominus  Ludewicus  de 
Almenhusen,  d.  Burghardus  de  Newnheilingen,  d.  Conradus 
ipsius  ..  germanus,  ministeriales,  itemque  d.  Bertoldus 
de  Salza  dictus  Surezzich,  d.  Johannes  de  Thungesbrucken, 
.  .  milites*).  Im  Jahre  1294  verkauft  Graf  Heinrich  von 
Gleichenstein  an  den  Erzbischof  von  Mainz  das  Land  Eichs- 
feld cum  .  .  vasallis,  ministerialibus,  castrensibus 
et  hominibus  ^).  Eine  landgräfliche  Urkunde  von  1280  nennt 
als  Zeugen:  Hermann  Kämmerer  von  Fahner,  Günther  von 
Salza,  Heinrich  von  Allerstedt,  Thuringie  ministe- 
r  i  al  e  s ,  dann  Siegfried  von  Hopfgarten  und  Heinrich  vom  Hain, 
ebenfalls  rittermäßige  Leute  ^).  Der  Ausdruck  ,,Thuringiae 
ministeriales"  ist  bemerkenswert:  die  von  Allerstedt  sind 
nicht  landgräfliche,  sondern  Reich sministeriale.  Endlich 
führe  ich  noch  die  Zeugenreihe  einer  landgräflichen  Urkunde 
von  1294  an:  Heinrich  Kämmerer  von  Mühlhausen,  Heinrich 
von  Gottern,    Heinrich  von    Webelo    (?),    ministeriales, 


1)  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplom,  et  scriptor.  I,  S.  762,  No.  34. 

2)  Von  Salza. 

3)  Vgl.  Urk.  von  1320  (Eegesten  von  Salza,  No.  156J:  Berthous 
dictus  Schrimph,;  Hartungus  de  Hungede,  millites  dominorum 
de  Salza. 

4)  N.  Mitteil.  d.  thür.-sächs.  Vereines  VIII,  S.  2.  96. 

5)  Wolf,  Gesch.  d.  Eichsfeldes  I,  Urk.  No.  60. 

6)  ÜB.  d.  Vögte  v.  Weida  I,  No.  201. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  \\ 

Dietrich  und  Giseler,  Söhne  Elisabeths,  Eberhard  von  Kutz- 
leben,  Dietmar  Netsche,  milites^). 

Eür  die  Standesunterschiede  im  14.  Jahrhundert  ist 
lehrreich  der  Landfriede  Friedrichs  des  Ernsthaften  von 
1338,  den  der  Markgraf  „nach  rate  der  greven,  der  frien, 
der  herren  unde  dinstmanne,  man  unde  stete"  er- 
richtet *).  Auch  in  ihrem  weiteren.  Verlaufe  unterscheidet 
die  Urkunde  aufs  bestimmteste  den  Dienstmann  von 
dem  Ritter  oder  ritt  ermäßig  en  Knecht. 

Dinstleute,  rittere  und  knechte  werden  auch 
in  einem  Landfrieden  von  1382  auseinandergehalten  '). 

Die  angeführten  Belege  stammen  fast  alle  aus  der 
Zeit  nach  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts:  ein  Beweis,  daß 
auch  in  Thüringen  erst  jetzt  eine  schärfere  Sonderung  der 
Ministerialen  von  den  einfachen  Rittern  eintritt.  Das  wird 
durch  verschiedene  sonstige  Anzeichen  bestätigt.  Gerade 
in  dieser  Zeit  wird  es  üblich,  den  Titel  ministerialis  als 
auszeichnenden  Zusatz  zum  einzelnen  Namen  zu  führen,  was 
auf  ein  starkes  Standesbewußtsein  der  Dienstmannschaft 
hindeutet.  Vgl.  z.  B.  1264  nos  Johannes  et  Albertus 
germani  nee  non  ministeriales  de  Herversleiben  *),  1282 
nos  Beroldus  ministerialis  de  Ischirstete  5),  1288  Bertoldus 
ministerialis  de  Isserstete  ^),  1306  nos  Ludolfus  ministerialis 
de  Gruningen  '). 

Aber  noch  mehr!  Zur  selben  Zeit  beginnen  die 
Ministerialen  sich  in  eigentümlicher  Weise  des  Titels  „Herr" 
zu  bedienen.  Herr,  dominus  kann  im  13.  und  14.  Jahr- 
hundert bekanntlich  Verschiedenes  bedeuten,  den  Geistlichen, 
den  dem  Herrenstande   angehörigen  freien  Herrn  oder  auch 


1)  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplom,  et  Script.  I,  S.  775. 

2)  Erhard,  Mitteil.  z.  Gesch.  d.  Landfrieden  S.  30. 

3)  Cod.  dipl.  Saxon.  reg.  I  B  1,  79. 

4)  ÜB.  Pforte  I,  No.  178. 

5)  ÜB.  Erfurt  II,  Nachtr.  No.  8. 

6)  Struv,  Hi8t.-polit.  Arch.  II,  S,  132. 

7)  llfelder  Kopialb.  (Mitt.  v.  Herrn  K.  Meyer  in  Nordhausen). 


12  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

jeden,  der  die  Ritterwürde  erlangt  hat,  und  man  muß  des- 
halb bei  jeder  Urkunde  zuerst  feststellen^  wie  sie  das  Wort 
versteht.  Da  ist  es  nun  merkwürdig,  (laß  viele  Urkunden 
nur  den  Ministerialen  den  Herrentitel  zugestehen,  ihn  da- 
gegen den  niederen  Rittern  versagen. 

1273  nennt  eine  Urkunde  Heinrichs  von  Treffurt  als 
Zeugen :  dominus  Ludovicus  de  Almenhusen,  Albertus  miles 
dictus  Stange  ^).  Beide  Zeugen  sind  Ritter,  aber  nur  der 
Ministerial  von  Almenhausen  heißt  „Herr''.  Eine  dem 
gleichen  Jahre  angehörige  Urkunde  des  Kirchberger  Burg- 
grafen führt  zuerst  den  „dominus"  Meinhard  von  Lehesten, 
dann  „Heidenricus  miles"  an  ^).  Ebenso  wird  in  einer  land- 
gräflichen Urkunde  von  1275  der  Truchseß  von  Schlotheim 
als  „dominus  Guntherus  de  Slatheim"  ausgezeichnet,  es 
folgen  Heinemann  vom  Hain,  Albert  Bolerus,  landgräflicher 
Vogt,  Hermann  Stranz  von  Döllstedt,  Hermann  von  Mihla, 
milit  es  2).  Weiter  1277  Jechaburger  Urkunde:  „dominus 
Henricus  de  Gruningen,  miles",  es  folgen  Heinrich  von 
Sommern,  miles,  Heidenreich  V  elkener  von  Greußen,  miles, 
Bertold  von  Rottleben,  miles  u.  a.  *). 

1288  Urkunde  der  Grafen  von  Gleichen:  „dominus 
Thidericus  de  Wechmar",  Friedrich  v.  Möbisburg,  Dietmar 
von  Büßleben,  milites  ^). 

1292  Urkunde  Dietmars  des  Älteren  von  Willerstedt, 
dominus  Ditmarus  iunior  et  filius  suus  Bertoldus,  Her- 
mannus  miles  de  Rode  ^). 

1324  dominus  Lodewicus  de  Gruzen  (Greußen), 
Heinricus  Geze,  Bertoldus  de  Semerde,  Heimicus  Hezebolt 
milites  '}. 

In  all  den  angeführten  Belegen  gehören  die  ala 
dominus    bezeichneten    Zeugen    angesehenen    Ministerialen- 


1)  Wolf,  Gesch.  d.  Eichsfeldes  I,  Urk.  No.  44. 

2)  Mencke,  Scriptor.  1,  S.  G94.    31  ÜB.  Erfurt  I,  No.  278. 

4)  Michelsen,  Cod.  Thuring.  diplom.  No.  27. 

5)  Mencke,  Scriptor.  I,  542.    6)  ÜB.  Erfurt  I,  No   428. 
7)  Michelsen,  a.  a.  O.  No.  8. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  13 

geschlechtern  an:  die  von  Wechmar  sind  Hersfelder,  die 
übrigen  landgräfliche  Dienstmannen. 

Denselben  Sprachgebrauch  zeigt  eine  deutsche  Urkunde 
des  Grafen  von  Käfernburg  vom  Jahre  1341  i)  mit  folgender 
Zeugenreihe:  Graf  Günther  von  Schwarzburg,  Herr  Otto 
von  Fahner,  Herr  Rudolf  von  Meilingen,  Ludwig  von  Sonders- 
hausen, Burchard  von  Mülverstedt,  Beringer  von  Witzleben, 
Ritter.  Ähnlich  eine  Honsteiner  Urkunde  von  1344  2): 
Die  Grafen  von  Honstein  stellen  der  Stadt  Nordhausen 
eine  größere  Anzahl  Bürgen  aus  verschiedenen  Ständen: 
den  Grafen  Friedrich  von  Orlamünde  mit  Gernot  von  Ober- 
weimar, Ritter,  Konrad  von  Häseler,  Gemot  von  Croms- 
dorf,  Gernot  von  Weimar,  Dietmar  von  Hellingen ;  den  Grafen 
Günther  von  Schwarzburg-Arnstadt,  den  Grafen  Heinrich 
von  Gleichen  mit  je  einem  Ritter  und  zwei  anderen  Mannen ; 
den  Grafen  Heinrich  von  Honstein-Sondershausen  mit 
9  Mannen;  ferner  Friedrich  von  Werther,  Ritter,  und 
Friedrich  von  Dennstedt,  Knecht,  „ern"  Günther  von  Willer- 
stedt  mit  Heinrich  aus  dem  Brühl,  „ern"  Rudolf  von  Ebe- 
leben  mit  Dietrich  von  Badra;  ferner  die  eigenen  Mannen 
der  Aussteller :  Heinrich  Hacke  u.  s.  w.  Auch  diese  Urkunde 
scheidet  in  anschaulicher  Weise  die  „Herren",  d.  h.  Ministe- 
rialen, Günther  von  Willerstedt  und  Rudolf  von  Ebeleben, 
von  den  einfachen  Rittern,  wie  z.  B.  Gemot  von  Oberweimar. 

Mitunter  wird  dominus  nur  bei  einzelnen  Ministe- 
rialen hinzugesetzt,  während  es  bei  anderen  fehlt:, so  ist  in 
der  vorhin  angeführten  Urkunde  von  1275  Hermann  Stranz 
von  Döllstedt  landgräflicher  Dienstmann,  so  gut  wie  der 
Truchseß  von  Schlotheim,  und  wird  in  einer  späteren  Ur- 
kunde auch  als  dominus  bezeichnet  ^).  So  nennt  eine  Urkunde 
von    1282    als    Zeugen    dominus  Hugo    et    Ludewicus    de 

1)  Rein,  Thur.  sacra  I,  129. 

2)  Reitzenstein,   Regest,  v.  Orlamünde,  No.  161. 

3)  Urk.  von  1296  (ÜB.  Erfurt  I,  No.  457) :  dominus  Hermannus 
senior  dictus  Stranz,  dominus  Hermannus  frater  suus,  milites,  .  .  . 
item  Dietmarus  miles  dictus  am  Cygenberge. 


14  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

Almenhusen,  Härtungen  de  Herversleiben  milites  ^),  hebt  also 
nur  den  ersten  als  dominus  hervor,  obwohl  alle  drei  land- 
gräfliche Ministerialen  sind.  Man  dar:f  vermuten,  daß  an 
diesen  Stellen  nur  solche  Dienstmannen  domini  genannt 
wurden,  die  Häupter  des  Geschlechtes  oder 
wenigstens  einer  Linie  des  selben  waren. 

Das  Wort  dominus  wird  bei  den  Dienstmannen  noch 
in  anderer  Weise  verwendet,  nämlich  dem  Namen  nach- 
gestellt und  mit  dem  Ortsnamen  durch  „in" 
verbunden,  z.  B.  Albertus  dominus  in  Heilingen.  Diese 
Art  des  Gebrauchs  läßt  sich  nur  bei  freien  Herren  und 
Dienstmannen,  niemals  bei  einfachen  Rittern,  nachweisen 
und  bietet  daher  ein  Mittel  für  die  Abgrenzung  des  Ministe- 
rialenstandes nach  unten.  Die  Ausdrucksweise  ist  etwas 
jünger  als  die  vorhin  beschriebene :  sie  tritt  erst  am  Aus- 
gang des  13.  Jahrhunderts  hervor. 

1293  Albertus  dominus  in  Heilingen  2). 

1298  nos  Hugo  de  Herversleyben,  dominus  in  Rinke- 
leyben  ^). 

1306  Erfurter  Urkunde :  viri  strenui  Hermannus  et 
Hermannus  fratres  Camerarii,  domini  in  Vanre,  Hermannus 
Stranz  de  Tullestete,  Henricus  dictus  vonme  Cyegenberge 
et  Henricus  dictus  Pfefir,  milites  *). 

1316  Theodericus  et  Hugo  fratres  filii  quondam 
Theoderici  beate  memorie  domini  in  Almenhusen  ^). 

1317  Ludolfus  dominus  in  Ebeleiben  gibt  an  Kloster 
Ilfeld  eine  Hufe,  die  Ludolf  von  Bachra,  miles  und  castellanus 
noster,  von  ihm  zn  Lehen  hat  •''). 

1317  Berthous  miles  dapifer  et  lohannes  domini  in 
Slatheym  geben  demselben  Kloster  eine  halbe  Hufe,  Lehen 
des  genannten  Ludolf  von  Bachra  ^). 

1)  öchöttgen  und  Kreysig,  Diplom,  et  Script.  I,  S.  770. 

2)  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplom,  et  Script.  I,  S.  774. 

3)  ÜB.  Erfurt  I,  No.  471. 

4)  Eein,  Thur.  sacra  I,  No.  138. 

5)  Ilfelder  Kopialb.  (frdl.  Mitteil,  von  Herrn  K.  Meyer  in 
Nordhausen). 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  15 

1323  Urkunde  des  Grafen  Heinrich  von  Honstein. 
Zeugen :  viri  strenui  Lutolphus  dominus  in  Ebeleiben  et 
Ileinricus  .  .  Funke,  milites  ^). 

1328  Henricus  de  Erfa  miles,  dominus  in  Mulverstete, 
urkundet  mit  Genehmigung  seiner  Brüder  Hartungus  et 
Hartungus  domini  in  Erfa  ^). 

1331  Graf  Günther  von  Schwarzburg  stellt  als  Bürgen 
den  Fridericus  dominus  in  Wangeheim  ^). 

1332  Fridericus  de  Wiczzeleyben  dominus  in  Eylgers- 
burg  ^). 

1342  Henricus  miles  dominus  in  Denstethe  ^). 

In  dieser  Anwendung  bezeichnet  dominus  den  Besitz, 
insbesondere  den  (Eigen-,  Lehens-  oder  auch  Pfand-)Besitz 
einer  Burg  ^).  Die  Familien,  die  sich  in  dieser  Weise  nennen, 
bilden  den  später  sogenannten  schloßgesessenen  Adel 
und  unterscheiden  sich  dadurch  von  den  einfachen  Rittern, 
die  regelmäßig  auf  der  Burg  eines  anderen  als  Burgmannen 
wohnten  ''). 

Eine  scharfe  Scheidung  von  Dienstmannen  und  Rittern 
zeigt  sich  im  Lehnregister  Markgraf  Friedrichs  des  Strengen 
von  1349/50*),  Das  Buch  zählt  zuerst  die  Lehen  auf,  die  an 
„H  e  r  r  e  n"  (domini)  vergeben  sind,  dann  folgen  die  übrigen 
Lehen,  nach  Bezirken  eingeteilt.  In  dem  Abschnitt  über 
die  Herren  finden  wir  außer  Grafen  und  Edelfreien  auch  eine 
ganze   Reihe    von    unzweifelhaft   dienstmänni- 


1)  Schöttgen  und  Kreysig,  a.  a.  O.,  S.  794. 

2)  ÜB.  Mühlhausen,  No.  825.     3)  ÜB.  Erfurt  II,  No.  95. 
4)  Ebenda,  No.  104.     5)  Rein,  Thur.  sacra  II,  S.  79. 

6)  1320  Ludolphus  de  Alrestete,  dominus  castri  in  Alrestete 
(Regesta  Stolberg.,  S.  1140). 

7)  V.  Mülverstedt,  Regesta  Stolberg.,  S.  1137  ff. 

8)  Ausgabe  von  W.  Lippert  und  H.  Beschorner  (Publikation  d. 
Kgl.  sächs.  Kommission  f.  Geschichte),  erscheint  demnächst.  Herr 
Archivrat  Lippert  in  Dresden  war  so  liebenswürdig,  mir  die  Aushänge- 
bogen des  Werkes  zu  überlassen. 


16  Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

sehen  Geschlechtern.  Es  sind  die  Geschlechter 
Slune,  von  Fahner,  Marschälle  von  Gosserstedt,  Schenken 
von  Saaleck  und  von  Käfernberg,  dann  die  von  Ebeleben, 
Willerstedt,  Herbsleben,  Seebach,  von  Allerstedt,  von  Wan- 
genheim und  von  Farnrode,  also  großenteils  dieselben  Ge- 
schlechter, die  wir  auch  sonst  in  Besitz  des  Herrentitels 
fanden.  Die  fünf  erstgenannten  sind  die  Inhaber  der  alten 
landgräflichen  Erbhofämter:  Slune  ist  ein  Beiname  der  Truch- 
sessen  von  Schlotheim,  und  die  von  Eahner  verwalteten  das 
Kämmereramt.  Auch  die  nächstfolgenden  sind  altangesehene 
landgräfliche  Ministerialenfamilien  i),  die  von  Allerstedt 
sind  Reichsdienstmannen,  die  von  Wangenheim  fuldische 
Ministerialen.  Die  von  Farnrode  scheinen  zur  landgräflichen 
Dienstmannschaft  gehört  zu  haben.  Man  darf  nicht  glauben, 
daß  das  Kapitel  über  die  Herren  erschöpfend  sei,  d,  h.  alle 
dienstmännischen  Vasallen  des  Landgrafen  umfasse.  Es 
fehlen  eine  ganze  Anzahl  echt  dienstmännischer  Geschlechter, 
z.  B.  die  von  Erfa  oder  von  Vippach,  und  das  ist  bei  der 
etwas  flüchtigen  Anlage  des  ganzen  Lehnbuches  auch  nicht 
zu  verwundern.  Aber  es  ist  sehr  bezeichnend,  daß  das 
Lehnbuch  unter  der  Rubrik  „Herren"  so  viele  Dienstmannen, 
dagegen  keinen  einzigen  Ritter  anführt.  Eine  fa'st 
derselben  Zeit  angehörige  Aufzeichnung  der  markgräflichen 
Kanzlei  (wahrscheinlich  1347  entstanden)  ^)  zählt  unter  der 
Rubrik  „Registrum  ministerialium  in  Thuringia"  außer 
den  genannten  noch  folgende  Geschlechter  auf:  Salza^), 
Heilingen,  Vippach  (landgräfliche.  Dienstmannen),  Viztume 
von  Eckstedt  und  Apolde,  Schenken  von  Apolde  (Mainzer), 
Erfa  (Fuldaer  Ministerialen),  Weberstedt.  Auch  dieses  Register 
dürfte  nicht  vollständig  sein :   man  vermißt   z.  B.  die  Orla- 


1)  Die  von  Willerstedt   sind   eines  Stammes  mit  den  Truch- 
sessen  von  Schlotheim. 

2)  Abgedruckt  bei  Lippert  und  Beschomer,  a.  a.  O.  S.  263  ff. 

3)  Über  dieses  Geschlecht  nachher. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  17 

mttnder  Ministerialen.  Einfache  Ritter  fehlen  auch 
diesem  Verzeichnis  fast  ganz^). 

Das  Emporsteigen  der  thüringischen  Ministerialen  übt 
seinen  Einfluß  auf  die  Hof-  und  Landesverwaltung 
aus.  An  Stelle  der  dienstmännischen  Erbhofbeamten  treten 
um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  Beamte  aus  der  Schicht 
der  einfachen  Ritter.  So  erscheint  1246  anstatt  eines  der 
Erbmarschälle  von  Eckartsberge,  Trebra,  Gosserstedt  oder 
Ebersberg  der  Ritter  Hellwig  (von  Goldbach)  als  Marschall 
im  Gefolge  des  Landgrafen  *).  Die  Ministerialen  sind  zu 
vornehm  geworden,  um  noch  ständig  den  Hofdienst  zu  ver- 
sehen. Sie  bleiben  aber  dem  Namen  nach  im  Besitz  der  Ämter, 
beziehen  die  damit  verbundenen  Einkünfte  und  üben  die 
betreffenden  Funktionen  vielleicht  noch  bei  festlichen  Ge- 
legenheiten aus  ^). 

In  Süddeutschland  ist  im  13.  Jahrhundert  der  Stand 
der  Ministerialen  dermaßen  gestiegen,  daß  sogar  der  Aus- 
druck edel,  früher  ein  Prädikat  der  freien  Herren,  auf  sie 
angewandt  wird  *).  Auch  in  Thüringen  finden  sich  Beispiele 
für  diesen  Sprachgebrauch. 

Eine  Urkunde  von  1266  bezeichnet  die  Ministerialen 
von  Allerstedt  als  nobiles  ^).  In  einer  Urkunde  des  Erfurter 
Petersklosters  von  1272  werden  die  Dienstmannen  von  Kühn- 


1)  Ausnahme:  die  von  Weberstedt  gehörten,  wenigstens  im 
13.  Jahrh.,  zur  Schicht  der  einfachen  Ritter.  1283  ist  Hermann 
von  W.  Vasall  des  landgräflichen  Dienstmanns  Hermann  von  Ball- 
städt  (Schwarzes  Georgenth.  Kopb.,  A.  Gotha,  Fol.  31). 

2)  Mon.  Germ.  L.  L.  Sect.  IV,  t.  2,  S.  630. 

3)  Vgl.  H.  B.  Meyer,  Hof-  imd  Zentralverwaltung  der  Wettiner, 
1902,  S.  29  ff. 

4)  V.  Zallinger,  Die  Rechtsgeschichte  des  Ritterstandes  und  das 
Nibelungenlied,  S.  37;  Roth  v.  Schreckenstein,  Z.  f.  Gesch.  d. 
Oberrh.  XXXXI,  S.  288 ff.;  Ritterwürde  und  Ritterstand.  S.  360 ff. 

5)  Böhme,  Die  Totteilung  und  ihre  Folgen,  S.  53,  No.  7.  Auch 
in  einer  undatierten  Urkunde  der  Vitztume  von  Apolde  wird  der  von 
Allerstedt  als  nobilis  vir  bezeichnet  (ÜB.  Pforte  I,  No.  248 ;  vgl 
noch  ebenda  No.  2). 

XU  (XXII).  2 


18  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

hausen  als  nobiles  bezeichnet.  1 299  nennt  der  Erzbischof 
von  Magdeburg  den  Schenken  Heinrich  von  Apolde  nobilis 
vir  1).  Im  Jahre  1290  stellt  Pridericus  nobilis  de  Hetstede 
den  Gothaer  Augustinern  eine  Urkunde  aus  2).  Im  letzteren 
Fall  ist  der  Titel  um  so  auffallender,  als  Friedrich  von 
Hettstedt  nicht  einmal  Ministerial,  sondern  einfacher  Ritter 
ist.  Aus  dem  14.  Jahrhundert  haben  wir  eine  Urkunde 
des  Grafen  von  Gleichen,  die  die  von  Witterda  als  nobiles 
viri  bezeichnet  (1329)^),  ferner  zwei  Urkunden  des  Abtes 
von  Fulda,  in  denen  er  die  von  Erfa,  von  alters  her  Dienst- 
mannen seines  Klosters,  „nobiles  viri",  „edele  herren"  nennt 
(1354  und  1390)  4). 

Merkwürdig  ist  auch  die  Zeugenreihe  einer  Urkunde 
von  1362  5),  die  wiederum  die  strenge  Scheidung  der  beiden 
Klassen  des  niederen  Adels  vor  Augen  führt:  „di  ediln 
her  Fritzsche  von  Wangenheim,  er  Otto  von  Ebeleyben  und 
die  gestrengen  er  Kristan  von  Witzeleyben,  er  Dietrich  von 
Honsperg,  er  Otto  von  Stutirnheim,  Heinrich  von  Loucha, 
ritte  r". 

3.  Aufsteigen  dienstmännischer  Creschlecliter  zum  Herrenstande. 

Eine  Sonderstellung  nehmen  drei  thüringische  Ministe- 
rialengeschlechter ein,  denen  es  gelungen  ist,  sich  über  ihre 
Standesgenossen  zu  erheben  und  eine  den  freien  Herren 
ähnliche  Stellung  einzunehmen :  es  sind  die  Herren  von 
Treffurt  und  vonSalza  im  Westen,  die  von  Blanken- 
h  a  i  n  im  Osten  des  thüringischen  Landes. 

Als  Stammvater  des  treffurtischen  Geschlechts^) 
pflegt  man  den  1104  genannten  Pilgrim  anzusehen.  Der 
erste  Treffurter  aber,  dessen  Stand  mit  Sicherheit  ermittelt 


1)  N.   Mitt.  d.   thür.-sächs.   Ver.   VIII,  2,   S.  94;  Gesch.    d. 
Geschlechts  der  von  Hanstein  I.  Urk.  No.  50. 

2)  Sagittarius,  Hist.  Goth.  S.  153.    3)  ÜB.  Erfurt  II,  No.  79. 

4)  Thur.  Sacra  S.  150.  Schannat,  Fuld.  Lehnhof  S.  205. 

5)  Eein,  Thur.  sacra  I,  No.  205. 

6)  Vgl.  die  zuverlässige  Arbeit  von  Landau  in  der  Zeitsckr.  d. 
Ver.  f.  hessische  Gesch.  IX,  S.  145—240. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  X9 

werden  kann,  ist  der  landgräfliche  Ministerial  Reginhard  II. 
a  186— 1192)1).  Friedrich  IL,  wahrscheinlich  Reginhards 
Sohn,  hielt  sich  öfters  in  der  Umgebung  des  Landgrafen 
auf  und  wird  1221  in  einer  landgräflichen  Urkunde  aus- 
drücklich als  ministerialis  bezeichnet  ^).  Auch  die  Nach- 
kommen Friedrichs  unterscheiden  sich  zunächst  noch  nicht 
von  den  anderen  Dienstmannen.  Sie  gehen  mit  einfachen 
Grafen,  wie  denen  von  Gleichen  3)  oder  von  Bilstein  *),  ja 
sogar  mit  den  Edelherren  von  Frankenstein  ^)  Lehens- 
verbindungen ein  und  werden  in  den  Zeugenreihen  häufig 
anderen  Ministerialen  nachgestellt  ^).  Wenn  seit  der  Mitte 
des  Jahrhunders  die  Treffurter  auch  mehrfach  den  anderen 
Ministerialen  voran  stehen,  so  kann  das  auf  Zufall  beruhen''). 
Auffallend  aber  ist  eine  Urkunde  Günthers  von  Salza  von 
1272,  die  als  Zeugen  anführt:  dominus  Fridericus  de 
Drifordia  et  Heinricus  filius  suus,  Tuto  de  Lapide,  Ludovicus 
de  Almenhusen,  ministeriales  ^).  Die  Urkunde  gibt 
Friedrich  von  Treffurt  den  Titel  Herr,  den  sie  den  anderen 
versagt.  1262  nennt  der  Graf  von  Bilstein  den  Friedrich 
von  Treffurt  geradezu  nobilis  vir  ^),  und  eine  Urkunde 
des  folgenden  Jahres  erwähnt  die  no blies  Hermannus  et 
Hermannus  filius  suus  de  Spanginberg,  die  ebenfalls  dem 
Treff'urter  Hause  angehören  i^').     Im  Jahre  1364  erscheinen 

1)  Dobenecker  II,  No.  760,  897.    2)  Dobenecker  II,  No.  1976. 

3)  Graßhof,  Orig.  Muhlhusan.,  S.  181,  No.  9  (a.  1257). 

4)  Landau,  a.  a.  O.  S.  163  (a.  1288).    5)  Landau,  S.  177. 

6)  Z.  B.  1246  Friedrich  von  Treffurt  hinter  dem  Truchsessen 
von  Schlotheim  (Mon.  Germ.  L.L.  Sect.  IV,  :t.  2,  S.  630);  1254 
derselbe  hinter  dem  Truchsessen  von  Borna  (Thuringia  sacra, 
S.  488);  1255  wieder  hinter  dem  von  SSchJotheim  (Z.  d.  Ver. 
f.  hess.  .Gesch.,  N.  F.  X,  S.  371 ;  Schannat,  Vindem.  litter.  I, 
S.  122);  1266  hinter  dem  Schenken  von  Vargula  (Rein,  Thur.  sacra  II, 
157) ;  1267  hinter  dem  von  Isserstedt  (ebenda  II,  158) ;  1272  hinter 
Hermann  Stranz  von  DöUstädt  (Walkenried,  ÜB.  No.  412). 

7)  Urkk.  von  1258  (Sagittarius,  Hist.  Goth.,  S.  64 f.),  1259 
(ebenda  S.  67),  1265  (ebenda  S.  71)  u.  ö. 

8)  Schöttgen  und  Kreysig,  Dipl.  et  script.  I,  S.  763. 

9)  ÜB.  Mühlhausen,  No.  160.    10)  Landau,  S.  192. 

2* 


20  Zur  Bechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

„die  edeln  lüde  her  Herman  von  Drifurte,  herre  zu 
Bielstein,  und  frouwe  Margrete  sin  eliche  frouwe^).  Aber 
daneben  stehen  auch  wieder  zahlreiche  Zeugnisse  einer 
anderen  Auffassung:  in  einer  Urkunde  von  1279  heißt 
Hermann  von  Spangenberg  ministerialis  2),  1299,  1304,  1313 
und  1338  werden  Angehörige  des  Geschlechts  als  strenui 
bezeichnet  ^).  Vielleicht  hielten  es  die  einzelnen  Linien  des 
Hauses  Treffurt  verschieden  mit  dem  Gebrauch  dieser  Titel. 
So  wird  die  Linie  der  Scherfe  meines  Wissens  nie  mit  dem 
Prädikat  nobilis  bedacht,  während  bei  der  spangenbergischen 
Linie  sich  dasselbe,  nach  der  Angabe  Landaus*),  regelmäßig 
vorfindet. 

Auch  die  Herren  von  Salza^),  bekannt  insbesondere 
durch  den  Deutschordensmeister  Hermann,  sind  ursprünglich 
nicht  freie  Herren  gewesen,  obwohl  man  diese  Behauptung 
in  alten  und  neuen  Büchern  häufig  zu  lesen  bekommt.  Ob 
der  Reichsministerial  Heidenreich  (1157)^)  ein  Angehöriger 
des  Hauses  war,  möge  dahingestellt  bleiben.  Sicher  ist, 
daß  später  mehrere  Glieder  des  Geschlechts  als  Ministerialen 
der  Weifenherzöge  bezeichnet  werden  '^).  Von  den  Weifen 
scheinen  sie  später,  wenigstens  zum  Teil,  an  die  Landgrafen 
gekommen  zu  sein  ;  Hermann  von  Salza  (der  Ordensmeister  ?) 
heißt    1237    ausdrücklich    ministerialis    domini   lantgravii^), 

1)  Wenck,  Hess.  Landesgesch.  III,  ÜB.  No.  422. 

2)  ÜB.  Kaufungen  I,  No.  54. 

3)  1299  Urk.  Heinrichs  von  Treffurt;  Zeugen:  strenui  viri  dominus 
Hermannus  Wolpheri  de  Drivordia,  Giselherus  de  Graba,  milites 
(ÜB.  Mühlhausen,  No.  490).  1304 :  strenuorum  miUtum  Hermanni  de 
Drivordia  dicti  Scherf,  Joh.  de  Amera  etc.  (ÜB.  Kaufungen  I,  No.  101). 
1313 :  G.  relicta  quondam  strenui  militis  Eeinhardi  dicti  Oboli  nostri 
patrui  (ebenda  No.  125).  1338 :  strenui  et  famosi  viri  domicelli  Hermanni 
de  Drivordia  (ebenda  No.  197). 

4)  a.  a.  O.,  S.  238.  Ich  vermag  die  Bichtigkeit  dieser  Angabe 
auf  Grund  des  mir  vorliegenden  Materiales  nicht  nachzuprüfen. 

5)  Vgl.  die  Begesten  des  Geschlechts  Salza,  Leipzig  1853  (ober- 
flächlich und  unkritisch).    6)  Dobenecker  II,  No.  152. 

7)  Dobenecker  II,  No.  2450  und  Begister  unter  Salza. 

8)  Schannat,  Vindem.  Uter.  I,  S.  121. 


Zur  Bechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  21 

(TÜnther  von  Salza  ist  1278  und  1281  ebenfalls  land- 
gräflicher Ministerial  *).  Auch  die  Stellung  in  den  Zeugen- 
reihen weist  deutlich  auf  Zugehörigkeit  zum  Dienstadel. 
So  steht  z.  B.  1251  Hugo  von  Salza  hinter  dem  Truch- 
sessen  Bertoh  von  Schlotheim,  Albert  von  Herbsleben  und 
Kunemund  von  Mihla  ^),  1275  Günther  von  Salza  hinter 
dem  Schenken  Dietrich  von  Vargula^).  Zu  den  Grafen 
von  Gleichen  stehen  die  Gebrüder  Günther  und  Friedrich 
1292  im  Vasallenverhältnis*). 

Erst  am  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  beginnen  die 
von  Salza  aus  den  übrigen  Dienstmannengeschlechtem  her- 
auszutreten. In  den  Zeugenreihen  stehen  sie  jetzt  häufig  an 
der  Spitze  der  Ministerialen  oder  am  Ende  der  freien 
Herren^).  1307  urkundet  der  Abt  von  Hersfeld  für  den 
.,e  d  1  e  n  Mann"  Friedrich  von  Salza  *') ;  in  Urkunden  des 
Jahres  1336  ^)  ist  von  dem  nobilis  vir  dominus  Henricus 
de  Salza,  dem  „edlen  man  hem  Heinrich  herre  zu  Salza", 
die  Rede. 

Aber  noch  im  14.  Jahrhundert  werden  die  Herren  von 
Salza  mehrfach  zum  niederen  Adel  gezählt.  Noch  im  Jahre 
1308  nennt  Markgraf  Friedrich  die  Gebrüder  Günther  und 
Friedrich  ministeriales  nostri  ^).  Besonders  schwer  wiegt 
eine  von  einem  Angehörigen  des  Geschlechts 
selbst,  von  Friedrich  von  Salza,  im  Jahre  1311  ausge- 
stellte Urkunde :  ihre  Zeugen  sind  „die  edeln  Herren"  Graf 
Günther   von  Schwarzburg,    Graf  Günther  von  Käfern  bürg, 


1)  ÜB.  Mühlhausen,  No.  268 ;  ÜB.  BaUei  Hessen  I,   S.  296, 
No.  396. 

2)  Sagittarius,  Histor.  Goth.,  S.  57. 

3)  Leuckfeld,  Beschreibg.  von  Kelbra,  S.  84.' 

4)  lifelderXopialb.  (Mitteilg.  v.  Herrn  K.  Meyer  in  Nordhausen). 

5)  z.  B.  ÜB.  Erfurt  I,  No.  499,  557,  559 ;  Regesten  von  Salza, 
No.  150. 

6)  Reg.  V.  Salza,  No.  111. 

7)  Kuchenbecker,]  Anal,  hassiaca  XII,   368;    ÜB.    Erfurt  II, 
No.  147. 

8)  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplom,  et  script.  I,  S.  785,  No.  91. 


22  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

Burggraf  Dietrich  von  Altenberge,  „und  die  erbern 
r i 1 1 e r e"  Ludolf  von  Allerstedt,  Günther  von  Salza, 
des  Ausstellers  Bruder,  und  der  Kämmerer  Otto  von  Pahner  i). 

Eine  Dfiarkgräfliche  Urkunde  von  1320  2),  eine  gräflich 
honsteinische  von  1330^)  zählen  die  von  Salza  noch  immer 
zum  dienstmännischen  Adel.  Die  markgräfliche  Kanzlei 
scheint  sich  besonders  hartnäckig  dagegen  gesträubt  zu 
haben,  sie  als  Herren  anzuerkennen:  so  noch  1346  und 
1347*).  Die  Markgrafen  scheinen  den  Herren  von  Salza 
den  hohen  Adel  erst  gegönnt  zu  haben  zu  einer  Zeit,  da 
sie  gar  keine  unabhängige  Herrschaft  mehr 
besaßen.  1360,  1365  5)  und  dann  wieder  1402,  1405  6) 
und  öfter  werden  die  Herren  von  Salza  auch  in  den  mark- 
gräflichen Urkunden  als  Herren  bezeichnet. 

Die  Herren  von  Blankenhain  (südlich  von  Weimar), 
ebenfalls  ein  ehemaliges  Dienstmannengeschlecht,  haben  sich 
etwa  gleichzeitig  mit  denen  von  Salza  zum  freiherrlichen  Adel 
emporgearbeitet.  Sie  sind  ein  bloßer  Nebenzweig  der  Familie 
von  Mellingen  (so.  von  Weimar) '')  und  traten  infolgedessen 
erst  spät  auf. 

1272  steht  Heinrich  von  Blankenhain  hinter  dem 
orlamündischen  Marschall  von  Tiefurth  ^).  1308  zählt 
Landgraf    Triedrich     den    Ludwig     von    Blankenhain     zu 


1)  Or.  Dresden  No.  2056  (frdl.  Mitteilg.  von  Herrn  Archivrat 
Dr.  Lippert).     2)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II  1,  No.  309. 

3)  Urk.  von  1330  Sept.  1  (A.  Sondershausen). 

4)  Heg.  V.  Salza  No.  221,  227.  Auch  das  ca.  1347  entstandene 
Verzeichnis  der  Edeln  und  Ministerialen  (s.  o.  S.  16)  führt  die  Herren 
von  Salza  unter  den  Dienstmannen  auf. 

5)  Eeg.  V.  Salza,  No.  249.    Thur.  sacra,  153. 

6)  Eeg.  V.  Salza,  No.  307,  310. 

7)  Die  von  MeUingen  sind  Mainzer  Dienstmannen.  Mit  Förtsch 
(Gesch.  d.  Gemeinde  M.,  S.  6)  nehme  ich  trotz  der  Verschiedenheit 
der  Wappen  nur  eine  Familie  dieses  Namens  an.  Anders  Funkhänel, 
Z.  f.  thüring.  Gesch.  II,  S.  178  f,  480  ff ;  Eein,  Korrespondenzbl.  d. 
Ges.-Vereins,  1860,  S.  47,  75 ;  1861,  S.  251  u. ;  v.  Mülverstedt  in 
Siebmachers  Wappenbuch  VI«,  S.  106  f.  Taf.  69. 

8)  Mencke,  Scriptores  I,  S.  693. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  23 

seinen  Ministerialen  ^),  und  auf  dienstmännischen  Stand 
■  leuten  auch  die  Lehensverbindungen  mit  den  Grafen  von 
Honstein  (1312),  den  Burggrafen  von  Eai-chberg  (1281  *). 
Noch  die  folgenden  Jahrzehnte  zeigen  uns  die  Blanken- 
hainer  als  Angehörige  des  niederen  Adels.  1315  zeugen 
in  einer  Urkunde  Bussos  von  Elsterberg  (aus  dem 
Hause  Lobdeburg)  „der  edle  man  .  .  herr  Herman  von 
Luchtenberg  (ebenfalls  ein  Lobdeburger),  herr  Ludwig  von 
Blankenhain,  herr  Heinrich  von  Arnstedt"^);  1331  in  einer 
Orlamünder  Urkunde  hinter  mehreren  „edeln  Herren"  „die 
gestrengen  rittere  Ludewig,  herre  zu  Blankenhain"  u.  s.  w.  *). 
Daneben  steht  allerdings  ein  Diplom  des  Grafen  von  Schwarz- 
burg, das  schon  im  Jahre  1309  den  Ludwig  von  Blanken- 
hain als  nobilis  vir  bezeichnet^). 

Das  mehrfach  angeführte  Verzeichnis  vom  Jahre  1347 
nennt  Ludwig  und  Heinrich  von  Blankenhain  unter  den 
nobiles  in  Thuringia,  und  von  nun  ab  werden  die  von 
Blankenhain  ständig  zu  den  Herren  gerechnet.  Landgraf 
Balthasar  nennt  1392  Ludwig  und  Heinrich  von  Blanken- 
hain „edle  Herren"  ^),  in  einer  anderen  Urkunde  desselben 
Fürsten  (1396) '')  steht  Ludwig  Herr  zu  Blankenhain  vor 
dem  Edelherrn  Friedrich  von  Heldrungen. 

Alle  drei  Familien,  die  von  Treffurt,  Salza  und  Blanken- 
hain, haben  sich  aus  dem  Ministerialenstand  emporge- 
schwungen, alle  drei  haben  dann  eine  Zeitlang  eine  Mittel- 
stellung eingenommen,  dergestalt,  daß  man  sie  bald  zu  den 
Dienstmannen,  bald  zu  den  freien  Herren  rechnete.  Die 
Treffurter  sind  überhaupt  nie  über  diese  Zwitterstellung 
hinausgekommen,    während    die  Herren   von  Salza  und  von 


1)  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplom,  et  scriptor.  I,  S.  785. 

2)  Honstein:  1312  (IlfelderKopb.,  Mitteilg.  von  Herrn  K.  Meyer 
in  Nordhausen).    Burggraf  von  Kirchberg:  1281  (A.  Weimar). 

3)  ÜB.  Jena  I,  No.  85.    4)  ÜB.  Erfurt  II,  No.  94. 

5)  ÜB.  Erfurt  I,  No.  551. 

6)  Cod.  dipl.  Saxon.  reg.  I  B  1,  No.  455. 

7)  Ebenda  2,  No.  36. 


24  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

Blankenhain  schließlich  allgemein  als  freie  Herren  anerkannt 
worden  sind.  Einen  Anhalt  für  die  technische  Bezeichnung 
dieser  Mittelstufe  bildet  vielleicht  der  thüringische  Land- 
friede von  1338  ^).  Landgraf  Friedrich  IL  errichtet  diesen. 
Frieden  „nach  rate  der  greven  unde  frien,  der  herren 
unde  dinstmanne,  man  unde  stete".  Die  „Herren"  er- 
scheinen hier  als  besondere  Klasse  zwischen  den  Dienst- 
mannen und  den  freien  Herren :  es  liegt  die  Annahme  nahe, 
daß  mit  diesem  Namen  eine  Mittelstufe  gemeint  sei,  wie 
sie  die  Herren  von  Treffurt,  Salza  und  Blankenhain  ein- 
nahmen. Auch  das  mehrfach  erwähnte  Verzeichnis  von 
1347  nennt  die  domini  neben  den  nobiles:  registrum  domi- 
norum  et  nobilium  in  terra  Missnensi,  in  terra  Orientalin 
auch  hier  sind  vielleicht  unter  den  domini  Geschlechter 
verstanden,  die  aus  alter  Ministerialität  hervorgegangen 
sind  2). 

Fragt  man  nach  dem  Rechtsgrund,  auf  dem  die  Tren- 
nung dieser  Familien  von  ihren  früheren  Standesgenossen 
beruhte,  so  ist  der  Gedanke  einer  förmlichen  Frei- 
lassung jedenfalls  abzuweisen.  Wohl  kennen  wir  aus 
der  Stauferzeit  einen  Fall  einer  solchen  formellen  Standes- 
erhöhung eines  Dienstmannes:  er  betrifft  den  Reichstruch- 
sessen  Markward  von  Annweiler,  der  von  Heinrich  VL  zum 
freien  Herrn  erhoben  wurde  ^).  Auch  bei  anderen  süd- 
deutschen Reichsministerialen,  die  wir  später  unter  den 
Edelherren  finden,  mag  ein  solcher  Akt  vorgekommen  seih. 
Aber  einmal  gehören  diese  Fälle  einer  ganz  anderen  Gegend  *), 


1)  Erhard,  Mitteilungen  zur  Geschichte  d.  Landfrieden,  S.  30. 

2)  Wie  die  Herren  von  Eilenburg,  Schönburg  u.  a. 

3)  Ficker,  Vom  Heerschilde,  S.  150  ff.  Dazu  A.  Schulte,  Z.  f. 
deutsches  Altert.  XXXIX,  S.  195.  —  Bekanntlich  kennt  auch  der 
Sachsenspiegel  (3,  80  f.)  die  Freilassung  eines  ßeichsministerialen  zum 
Rechte  des  Schöffenbarfreien.  Da  der  ganze  Stand  der  Schöffen- 
barfreien  sich  der  neueren  Forschung  als  eine  Fiktion  des  Spiegels 
ergeben   hat,   so   ist  schwer  zu  sagen,  was  Eike  hier  gemeint  hat. 

4)  Ficker,  S.  151,  meint,  in  Sachsen  dürfte  sich  ein  Übergang 
vom  Ministerialen  zum  freien  Herrn  schwerlich  nachweisen  lassen. 


Zur  Kechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  25 

einer  ganz  anderen  Zeit  an  als  die  unsem:  was  im  12.  Jahr- 
hundert in  Süddeutschland  vorkam,  wäre  für  Thüringen 
um  1800  herum  kaum  denkbar.  Vor  allem  aber  widerstrebt 
das  merkwürdige  Schwanken  der  urkundlichen  Titel  dem 
Gedanken  einer  förmlichen  Freilassung.  Wenn  dieselbe 
Person  bald  als  nobilis,  dann  als  Dienstmann,  dann  wieder 
als  freier  Herr  bezeichnet  wird,  so  kann  die  Standeser- 
höhung  nicht  auf  einem  formellen  Akt  beruhen.  Der  einzige 
Grund  für  die  Sonderstellung  der  drei  Familien  liegt  viel- 
mehr auf  staatsrechtlichem  Gebiet.  Es  sind  Ge- 
schlechter, die  sich  auf  ihrem  Besitz  frei  von  fremder 
Landeshoheit  erhielten.  Urkunden  des  14.  Jahrhunderts 
zeigen  uns  die  Herrn  von  Salza  und  Blankenhain  im  völker- 
rechtlichen Verkehr  den  Grafen  und  Freien  völlig  gleich- 
berechtigt :  wie  diese  schließen  sie  Verträge  und  Bündnisse 
mit  Fürsten  und  Städten,  wie  diese  beteiligen  sie  sich  an 
der  Errichtung  von  Landfrieden  i).  Bei  den  Treffurtern 
läßt  sich  dies  nicht  nachweisen;  daß  aber  auch  sie  eine 
exempte  Stellung  einnahmen,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Noch 
lange  nach  ihrem  Aussterben  wurde  ihr  Besitz  als  „Gan- 
erbschaft Treifurt"  gesondert  verwaltet. 

Von  den  drei  neuen  Herrengeschlechtern  Thüringens 
hat  keines  das  Mittelalter  überdauert. 

Am  frühesten  verschwinden  die  Treffu  rter  2).  Der- 
jenige Zweig  des  Geschlechtes,  der  die  thüringischen  Be- 
sitzungen, insbesondere  Treifurt  selbst  erhalten  hatte,  ver- 
lor diese  Gebiete  durch  Eroberung  1333  und  endgültig 
1336  an  die  verbündeten  Fürsten  von  Thüringen,  Hessen 
und  Mainz  und  starb  um  1370  aus.  Länger  hielt  sich  der 
hessische  Zweig  des  Geschlechtes ,  der  zu  Spangenberg 
seinen  Sitz  hatte.  Er  verkaufte  die  Herrschaft  Spangen- 
berg 1350  an  den  Landgrafen  von  Hessen,  erhielt  sie  aber 
nebst  der  Herrschaft  Bilstein  von  den  Landgrafen  in  Pfand- 

1)  z.  B.  Eegesten  von  Salza,  No.  157 ;  ÜB.  Erfurt  II  No.  131, 
136 ;  ÜB.  der  Vögte  von  Weida  I,  No.  853. 

2)  Landau  a.  a.  0. 


26  Znr  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

besitz.  1376  ist  auch  diese  Linie  der  Treffurter  aus- 
gestorben. 

Die  Herren  von  S  a  1  z  a  verkauften  ihre  Herrschaft 
1344  zur  Hälfte  an  den  Landgrafen  Friedrich  IL,  zur 
anderen  Hälfte  1345  an  den  Erzbischof  von  Mainz,  doch 
erhielten  sie  einen  Teil  ihres  Besitzes  als  Lehen  zurück  i). 
Diese  Unterwerfung  unter  fremde  Landeshoheit  hat  aber 
den  Stand  der  Herren  von  Salza  nicht  erniedrigt.  Anders 
als  70  Jahre  früher  die  Grafen  von  Wartberg  wurden  sie 
nach  wie  vor  bis  zu  ihrem  Aussterben  (1409)  zu  den  edlen 
Herren  gerechnet. 

Die  Herren  von  Blankenhain  haben  sich  bis  zu  ihrem 
Aussterben  im  Jahre  1446  im  Besitz  ihrer  Herrschaft  und 
ihres  Standes  behauptet  2), 

In  Thüringen  dürften  die  drei  genannten  Familien  die 
einzigen  sein,  bei  denen  sich  ein  Übergang  von  der  Ministe- 
rialität  zum  Herrenstande  nachweisen  läßt.  Richten  wir 
aber  den  Blick  über  die  Grenzen  Thüringens  hinaus  in  die 
Markgebiete,  so  bieten  sich  noch  weitere  Beispiele  in 
den  Vögten  von  Weida,  den  Herren  von  Schönburg  ^),  von 
Kolditz  und  von  Eilenburg.  Da  es  sich  hier  um  interessante 
und  noch  wenig  beachtete  Tatsachen  handelt,  so  mag  auf 
die  Geschichte  dieser  Geschlechter  noch  kurz  eingegangen 
werden. 

Unter  allen  Ministerialenfamilien  Deutschlands  ist  keine 
höher  gestiegen  als  die  V  ö  g  t  e  v  o  n  W  e  i  d  a :  sie  sind  die 
Vorfahren  der  heutigen  Fürsten  von  Reuß.  Der  älteste  be- 
kannte Vertreter  des  Geschlechts  ist  Erkenbertus  de  Weida, 
der  1122    mit   dem  Titel  ministerialis    auftritt^).     Wer  die 


1)  Kegesten  von  Salza,  S.  151 — 154. 

2)  Sagittarius,  Historie  der  Grafschaft  Gleichen,  S.  181. 

3)  Auch  die  Herren  von  Waidenburg,  deren  Besitz  später 
an  die  Schönburger  fiel,  sind,  wie  es  scheint,  dienstmännischer  Abkimft. 
Unarg  von  Waidenburg  ist  noch  1296  Eeichsministerial  (ÜB.  der 
Vögte  V.  Weida  I,  No.  295). 

4)  ÜB.  der  Vögte  von  Weida  I,  No.  1. 


Zur  Bechtsgeschtchte  des  thüringischen  Adels.  27 

Dienstherren  derer  von  Weida  waren,  zeigt  eine  Urkunde 
Heinrichs  des  Löwen  1154,  die  Heinrich  von  Weida  als 
ministerialis  noster  bezeichnet  ^).  Mit  dem  Sturz  des  Weifen- 
herzogs 1180  ging  das  Eigentum  an  diesem,  wie  an 
andern  Ministerialengeschlechtern,  über  an  das  Reich.  Vgl. 
Arnoldi  Lubicensis  chron. :  multi  ministerialium  ducis  .  . 
ut  Henricus  de  Witha  .  .  recesserunt  ab  eo  et  ad  imperium 
se  transtulerunt  2).  Als  Reichsministerial  wird  Heinrich 
von  Weida  in  einer  Urkunde  von  ca.  1196  ausdrücklich 
bezeichnet  8).  Eine  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  I.  1188  nennt 
ihn  sogar  nobilis  vir*),  und  wenn  dieser  Titel  auch  auf 
den  Irrtum  eines  kaiserlichen  Kanzleischreibers  zurück- 
geführt werden  muß,  so  beweist  er  doch  das  große  Ansehen, 
das  das  Geschlecht  schon  damals  genoß.  1214  tritt  uns 
zum  erstenmal  der  Titel  Vogt  von  Weida,  advocatus 
de  Wida  °)  entgegen :  die  Eamilie  erlangt  die  Vogtei  über 
das  Ileichsgut  in  jener  Gegend.  An  ihrem  Stande  ändert 
sich  dadurch  noch  nichts;  die  Vögte  von  Weida,  später 
Vögte  von  Gera  und  Plauen  genannt,  bleiben  Ministerialen 
und  unterscheiden  sich  dadurch  von  den  in  ähnlicher  Stellung 
befindlichen  Reichsburggrafen  der  Nachbargebiete,  den  Burg- 
grafen von  Kirchberg,  Altenburg  und  Leisnig,  die  alle  dem 
Herrenstande  angehören.  So  zählt  eine  Urkunde  König 
Friedrichs  II.  für  das  Kloster  Lausnitz  1220  den  Heinrich 
von  Weida  zu  den  ministeriales  regni^).  Auffallend  ist 
die  Anrede  in  einer  anderen  Urkunde  desselben  Fürsten 
von  1232'^):  dilectis  ac  nobilibus  sibi  Heinricis,  seniori, 
regni  nostri  advocato,  .  .  domino  dePlawen,  et  iuniori, 
strenui  militis  eins  filio,  advocato  de  Plawen.  Hier 
nennt  der  König  Heinrich  den  Älteren  in  demselben  Satze 
nobilis  und  strenuus  miles.  Bemerkenswert  ist  an  dieser 
Urkunde  auch  der  Titel  dominus  de  Plawe,  der  zeigt,    daß 


1)  Ebenda  No.  10.    2)  Mon.  Germ.  S.S.  XXI,  S.  137. 

3)  ÜB.  d.  Vögte  von  Weida  I,   No.   36:   ministeriales  imperii 
et  nostri  Heinricus  de  Wida  .  . 

4)  Ebenda  l,  No.  28.    5)  Ebenda  I,  No.  40. 
6)  Ebenda  J,  No.  49.    7)  Ebenda  I,  No.  58. 


28  Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

das  Amt  schon  damals  begann,  sich  in  eine  Herschaft  zu 
verwandeln.  Die  Urkunden  der  folgenden  Jahrzehnte  rechnen 
die  Vögte  von  Weida  ausnahmslos  zum  \  niederen  Adel.  So 
schreibt  König  Rudolf  1281  strenuo  viro  Heinrico 
advocato  dePlawe^),  König; Albrecht  1302  strenuo  viro 
Heinrico  advocato  de  Wida^).  In  einer  Urkunde  Markgraf 
Friedrichs  des  Freidigen  für  Großenhain  3)  1291  erscheinen 
als  Zeugen:  nobilis  vir  Albertus  burgravius  de  Lisnic^ 
Heinricus  de  Zweyne,  noster  protonotarius,  Heinricus  iunior 
de  Plawen,  Heinricus  advocatus  de  Wida  senior,  Thimo 
Knut  .  .  Der  Vertreter  des  geistlichen  Standes,  der  mark- 
gräfliche Schreiber,  schiebt  sich  hier,  wie  sehr  häufig  in 
jener  Zeit,  zwischen  den'.hohen  und  den  niederen  Adel  ein : 
die  Vögte  von  Weida  und  Plauen  sind  dem  letzteren  zu- 
gewiesen. 

Erst  um  das  Jahr  1300  ist  es  den  Vögten  gelungen^ 
als  Herren  anerkannt  zu  werden.  Das  zeigt  sich  zuerst 
in  den  Urkunden  Landgraf  Diezmanns.  Während  eine  Ur- 
kunde von  1306  ian.  23  ^)  den  Vogt  Heinrich  von  Weida 
noch  ausdrücklich  als  strenuus  vir  den  vorher  genannten 
nobiles  viri  gegenüberstellt,  erscheint  derselbe  Heinrich  in 
einem  nur  drei  Tage  später  ausgestellten  Briefe 
zwischen  einem  nobilis  und  mehreren  strenui  in  der  Mitte  ^). 
Eine  Urkunde  Diezmanns  vom  26.  Februar  desselben  Jahres 
rechnet  Heinrich  zu  den  nobiles").  Eine  Urkunde  König 
Johanns  von  Böhmen  1312,  ein  Beschluß  des  Landfriedens- 
gerichts von  1322  führen  die  Vögte  gleichfalls  als  nobiles  auf  ^). 
Am    spätesten  scheint    die  Kanzlei  Markgraf  Friedrichs  L 


1)  Ebenda,  No.  205.    2)  Ebenda,  No.  347. 
3)  Ebenda,  No.' 256.    4)  Ebenda,  No.  378. 

5)  Wegele,  Friedrich  der  Freidige  S.  443  (nach  einer  schlechten 
Kopie):  nobilis  vir  dominus  Henricus  comes  de  Stalberg,  dominus 
advocatus  de  Wyda,  strenui:  Rodolfus  pincerna  de  Dornberg,  Johannes 
miles  de  Gelnowe. 

6)  ÜB.  d.  Vögte  I,  No.  381:  presentibus  viris  nobilibus 
Heinrico  comite  de  Stalberg,  Heinrico  advocato  de  Wyda,  itemque 
Eudolpho  pincerna  de  Dornburg,  Johanne  de  Geilnowe  .  . 

7)  Ebenda,  No.  429,  524. 


J 


Zur  Bechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  29 

sich  zur  Anerkennung  ihres  Herrenstandes  bequemt  zu  haben. 
Eine  Urkunde  der  Markgräfin  Elisabeth  von  1322  nennt 
als  Zeugen  unse  liben  frunde  greve  H.  von  Swarzburch, 
A.  burcgreve  von  Aldenburg,  her  Walter  tumprobst  von 
Mysnen,  Heinrich  Ruze,  der  Voit  von  Plawe,  Henrich  Voit 
von  Gera  der  eldere,  her  Hans  Groze  von  Doblyn  der  eldere  ^): 
sie  schiebt  also  wiederum  den  Geistlichen  zwischen  die 
Herren  und  Dienstmannen  ein,  zu  den  letzteren  rechnet  sie 
unsere  Vögte, 

Diese  Urkunde  ist  —  was  die  markgräfliche  Kanzlei 
anlangt  —  der  letzte  mir  bekannte  Fall  dieser 
Art.  In  einer  Urkunde  des  folgenden  Jahres,  die  Elisabeths 
Sohn,  der  junge  Markgraf  Friedrich  ausstellt,  erscheinen 
die  Vögte  von  Gera  und  Plauen  unter  den  viri  nobiles, 
vor  dem  Dompropst  von  Meißen  und  dem  niederen  Adel 2). 
Eine  letzte  Erinnerung  an  die  ursprüngliche  Ministerialität 
findet  sich  in  einer  Urkunde  König  Ludwigs  des  Bayern  von 
1329,  in  der  er  die  Vögte  tamquam  (imperi)  principales 
ministeriales  et  vasalli  nobiles  anredet''). 

Den  Grafen titel  haben  die  Vögte,  oder,  wie  sie  sich  jetzt 
nennen,  die  Reußen,  erst  1671  angenommen.  Die  Erhebung 
in  den  Reichsfürstenstand  erfolgte  bei  den  verschiedenen 
Linien  des  Hauses  in    den  Jahren  1778,  1790  und  1806  *). 

Die  Stammburg  der  Herren  und  späteren  Fürsten  von 
Schönburg  5)  liegt  zwischen  Naumburg  und  Weißenfels 
an  der  Saale.  Die  ältesten  Vertreter  des  Geschlechts,  die 
uns  seit  dem  Jahre  1171  entgegentreten,  sind  teils  Reichs- 
dienstmannen,  teils  Naumburger  Ministerialen 
und  nennen  sich  bald  von  Schönburg  (Schönberg),  bald  auch 
von  Rudelsburg  6),     Es    gab    zwar    auch    ein  freiherrliches 

1)  Ebenda,  No.  526.     2)  Ebenda,  No.  541. 

'S)  Ebenda,  No.  669.    4)  Ficker,  Reichsfürstenstand  S.  239. 

5)  Frauötadt  und  v.  Schönberg,  Gesch.  des  Geschlechtes  von 
Schönberg  I  A  (2.  Ausg.)  und  II ;  C.  A.  Tobias,  Regesten  des  Hauses 
Schönburg  (Zittauer  Schulprogr.  1865).  Die  ältere  Geschichte  des 
Geschlechtes  ist  noch  sehr  zweifelhaft. 

6)  Siehe  Dobenecker  II,  Register  unter  den  Stich  werten  Schön- 
burg tmd  Rudelsbiurg. 


30  Zur  ßechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

Geschlecht  von  Schönburg,  doch  scheint  dieses  mit  unserer 
Familie  nicht  verwandt  zu  sein.  Auch  dieses  altfreiherr- 
liche  Geschlecht  finden  wir  übrigens  später  (sicher  seit  1225) 
in  der  Ministerialität  ^). 

Unsere  Schönburger,  mit  denen  wir  es  hier  allein  zu 
tun  haben,  werden  fast  das  ganze  13.  Jahrhundert  hindurch 
zu  den  Ministerialen  gezählt:  1268  stehen  sie  in  einer 
Zeugenreihe  hinter  den  Schenken  von  Vargula  2),  1279  und 
1292  hinter  den  Vögten  von  Weida^),  die  ja  damals 
auch  noch  zum  Dienstadel  gehörten.  Anders  eine  Urkunde 
Landgraf  Diezmanns  von  1293,  die  Hermann  und  Friedrich 
von  Schönburg  zwischen  den  Burggrafen  von  Altenburg 
und  den  Kirchberger  Burggrafen,  also  zwei  freie  Herren, 
in  die  Mitte  stellt^).  Eine  Urkunde  Friedrichs  von 
Dresden  vom  Jahre  1300  nennt  Friedrich  von  Schönburg 
ausdrücklich  nobilis  vir;  auf  ihn  folgen  die  milites  Jordan 
von  Brand,  Heinemann  von  Naundorf  ^ ).  Auch  hier  ist  es 
wieder  die  markgräfliche  Kanzlei,  die  sich  am  längsten 
gegen  die  Anerkennung  der  Standesänderung  sträubt:  noch 
1808  führt  sie  Friedrich  von  Schönburg  unter  den  strenui 
milites  et  famosi  an  ^).  Auch  die  Markgrafen  haben  schließlich 
sich  in  die  Veränderung  geschickt.  Das  beweist  z.  B.  eine 
markgräfliche  Urkunde  von  1345,  die  sich  durch  genaue 
Klassifizierung  der  Zeugen  auszeichnet :  an  der  Spitze  nennt 
sie  die    illustres,    die  Fürsten  Herzog  Rudolf   von  Sachsen 


1)  Dobenecker  II,  No.  2235. 

2)  ÜB.  der  Vögte  von  Weida  I,  No.  146. 

3)  Ebenda,  No.  191,  270.    4)  Ebenda,  No.  280. 

5)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  15,  214,  No.  300. 

6)  ÜB.  der  Vögte  I,  No.  401.  —  Ob  Johann  und  Dietrich 
von  Schönberg,  die  eine  markgräfliche  Urk.  vom  Stephanstag  1343 
(A.  Sondershausen)  zu  den  Dienstmannen  zählt,  zu  unseren  Schön- 
biu-gern  gehören,  kann  ich  nicht  sagen.  Die  Standesänderung  be- 
trifft übrigens  nur  die  pleißenländischen  Schönburger.  Die  oster- 
ländische  Linie,  die  in  der  alten  Heimat  des  Geschlechts  zurück- 
blieb, erscheint  bis  zu  ihrem  Erlöschen  (im  14.  Jahrb.)  unter  dem 
niederen]  Adel.  Vgl.  v.  Schönberg,  Gesch.  des  Geschlechtes  von 
Seh.  II,  S.  165—167. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  31 

und  Graf  Albrecht  von  Anhalt,  dann  die  n  o  b  i  1  e  s  Friedrich 
den  Alteren  von  Schönburg,  Herrn  zu  Pürstein,  Friedrich 
den  Jüngeren  von  Schönburg,  Herrn  zu  Crimmitzschau,  und 
Botho  von  Eilenburg,  den  markgräf liehen  Marschall;  es 
folgt  der  markgräfliche  Schreiber  Konrad  Pruzze  als  Ver- 
treter der  Geistlichen,  und  den  Schluß  bildet  der  niedere 
Adel,  die  strenui  Ulrich  von  Gladbach,  Ritter,  der  Truch- 
seß  Heinrich  von  Borna  und  der  Hofrichter  Albrecht  von 
Maltitz  1). 

Die  Herren  von  Schönburg  haben  die  Zugehörigkeit 
zum  hohen  Adel  auch  dann  behauptet,  als  sie  sich  unter 
fremde  Landeshoheit  beugen  mußten. 

Der  Stammvater  der  Herren  von  Kolditz^),  Thimo, 
war  ursprünglich  weifischer  Ministerial,  wurde  aber  durch 
Vertrag  vom  Jahre  1158  dem  Reiche  abgetreten»)  und 
erscheint  als  Reichsdienstmann  häufig  im  Gefolge  Kaiser 
Friedrichs  I.  Seine  Nachkommen  gehören  lange  Zeit  dem- 
selben Stande  an:  1271  zeugen  in  einer  Urkunde  Markgraf 
Dietrichs  von  Landsberg  die  nobiles  viri  Otto  von  Arnshaug 
(aus  dem  lobdeburgischen  Hause)  und  Gebhard  von  Quer- 
furt, dann  die  milites  Botho  von  Eilen  bürg,  Ulrich  von 
Kolditz  u.  s.  w.  *).  1293  nennt  eine  Urkunde  Friedrichs 
des  Freidigen  den  nobilis  vir  A.  Burggraf  von  Leisnig  und 
die  strenui  viri  Heinrich  von  Kolditz,  H.  von  Trebezin 
u.  s.  w.  5).  1295  werden  die  Burggrafen  von  Altenburg 
und  Meißen  als  nobiles  terre  den  ministeriales  imperii 
H.    von   Kolditz  und  Genossen   gegenübergestellt  ^ ).      Ganz 


1)  ÜB.  Erfurt  II,  No.  252.  Schon  1343  wird  Friedrich  von 
Schönburg  in  einer  raarkgräflichen  Urkunde  zu  den  edeln  Herren 
gerechnet  (ÜB.  Erfurt  II,  No.  228).     Ebenso  das  Verzeichnis  von  1347. 

2)  Vgl.  H.  G.  Francken,  N.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  sächs.  Lande  I 
(1767),  8.  320 ff;  Limmer,  Das  Pleißnerland  (BibHoth.  d.  sächs. 
Gesch.  II)  I,  S.  598  ff. 

3)  Dobenecker  II,  No.  158.    4)  ÜB.  Erfurt  I,  No.  249. 

5)  Cod.  dipl.  Saxon.  reg.  II  1,  No.  310. 

6)  ÜB.  der  Vögte  von  Weida  I,  No.  295. 


32  Zur  Eechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

vereinzelt  steht  ein  Brief  des  Grafen  von  Brehna  an  den 
nobilis  vir  dominus  de  Koldiz  aus  dem  Jahre  1278^).  Erst 
mit  dem  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  mehren  sich  die 
Zeugnisse  für  die  Zugehörigkeit  zum  Herrenstand.  So  nennt 
eine  Urkunde  des  Burggrafen  von  Meißen  1312  als  Zeugen 
den  dominus  H.  senior  de  Coldiz  und  den  strenuus  miles 
Bertold  de  Roschitz  2).  In  einer  Urkunde  des  Burggrafen 
von  Leisnig  1333  erscheinen  als  Zeugen  „der  edle  herr 
herr  Volrad  von  Kolditz,  des  Wolkenberg  ist,  herr  Konrad 
von  Sachsendorf,  herr  Adolf  von  der  Wieden"  ^).  Die 
markgräfliche  Kanzlei  widerstrebt  auch  hier  der  An- 
erkennung. Noch  1320  rechnet  sie  die  Herren  von  Kolditz 
zum  niederen  Adel :  das  beweist  eine  Urkunde  Friedrichs  I., 
die  als  Zeugen  die  viri  nobiles  Graf  Heinrich  von  Schwarz- 
burg, Burggraf  Albrecht  von  Altenburg,  Albrecht  von  Hacke- 
born, ferner  (itemque)  Heinrich  von  Kolditz,  Günther 
von  Salza,  Tammo  von  Haldeck,  Siegfried  von  Schönefeld, 
Hermann  Goldacker,  milites,  anführt*).  Um  die  Mitte 
des  Jahrhunderts,  seit  1340,  wird  der  hohe  Adel  der  Kolditzer 
auch  von  dieser  Seite  nicht  mehr  bestritten  ^).  Die  Herren 
von  Kolditz  haben  ihre  Herrschaft  1404  an  die  Markgrafen 
abgetreten,  scheinen  aber  trotzdem  bis  zu  ihrem  Aussterben 
(um  das  Jahr  1500)  ihren  Stand  behauptet  zu  haben  ,^). 

An  der  nördlichen  Grenze  der  alten  Meißner  Mark 
liegt  die  Stadt  Eilenburg,  die  den  Herren,  später  (seit  1786) 
Grafen,  von  Ilburg,  Eilenburg  oder  Eulenbufg 
ihren  Namen  gegeben  hat  '^).  Auch  sie  sind  dienstmännischer 
Abkunft:    Konrad   von  Eilenburg  1197    wird    ausdrücklich 


1)  Cod.  dipl.  Saxon.  reg.  II  1,  S.  188,  No.  245. 

2)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  1,  S.  283. 

3)  Mencke,  Scriptor.  III,  S.  1044.    4)  Ebenda,  S.  309. 

5)  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplom,  et  script.  II,  S.  399  (a.  1340). 
Verzeichnis  von  1347.  Thur.  sacra  149  (a.  1350).  Cod.  dipl.  Sax. 
reg.  II,  15,  S.  21,  No.  27  (a.  1351);  IB  1,  S.  60,  79  (a.  1383,  1384). 

6)  1436  schreibt  König  Siegmund  „dem  edeln  Albrechten  von 
Kolditz  (Hörn,  Friedrich  d.  Streitbare  S.  860). 

7)  Vgl.  V.  Mülverstedt,  Diplomatarium  Ileburgense,  Bd.  I. 


Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels.  33 

Is  Ministerial  genannt  i),  die  Gebrüder  Bodo  I.  und  Otto, 
-eit  1215,  geben  sich  durch  ihre  Stellung  in  den  Zeugen- 
reihen ebenfalls  als  solche  zu  erkennen  und  gehörten 
wahrscheinlich  zur   markgräflich  -  meißnischen   Dienstmann- 

chaft  2). 

Wir  finden  aber  später  auch  einen  Teil  des  Geschlechts 
im  Dienste  des  Markgrafen  von  Brandenburg.  1292  be- 
zeichnen die  Markgrafen  Otto  und  Konrad  von  Brandenburg 
Otto  von  Buch,  Otto  von  Eilenburg  und  mehrere  andere  als 
ministeriales  nostri  8).  1298  erscheint  Otto  von  Eilenburg 
in  einer  Urkunde  desselben  Fürsten  am  Schlüsse  einer 
:-anzen  Reihe  von  milites^). 

1305  zeugen  in  einer  Urkunde  Markgraf  Ottos  der 
Graf  von  Lindow  und  der  Herr  von  Heldrungen  als  nobiles; 
es  folgen  Herr  Friedrich  und  sein  Sohn  Friedrich  von 
Torgau,  Herr  Otto  von  Eilenburg,  Herr  Wibald  von  Forst 
u.  s.  w.  5). 

Aber  schon  seit  1296  finden  sich  auch  Zeugnisse  für 
Jas  Emporsteigen  der  Eulenburger  zum  Herrenstand.  Eine 
markgräfliche  Urkunde  dieses  Jahres  stellt  den  vir 
nobilis  Bodo  von  Yleburch  vor  eine  Anzahl  markgräf- 
licher milites.  ^). 

Noch  einmal,  im  Jahre  1332,  wird  Bodo  von  Eilen- 
burg von  Herzog  Rudolf  von  Sachsen  unter  einer  Anzahl 
einfacher  Ritter  angeführt '),  aber  im  ganzen  ist  jetzt  der 
Eintritt  der  Eilenburger  in  den  Herrenstand  eine  vollzogene 
Tatsache.  Das  bezeugen  sowohl  die  brandenburgischen  wie 
die  Meißner  Urkunden:  1336  Markgraf  Ludwig  der  Ältere. 
Zeugen :  Herr  Johann  von  Buch,  capitaneus  generalis,  Herr 


1)  Dobenecker  II,  No.  1036. 

2)  Dobenecker  II,  Register  unter  Eilenbiu-g. 

3)  Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenburg.  A.  VII,  S.  396. 

4)  Ebenda,  A.  XIV,  S.  177. 

5)  Ebenda,  B.l,  No.  226.    6)  Ebenda,  No.  492. 
7)  Ck)d.  dipl.  Sax.  reg.  II,  1,  S.  334. 

XXII. 


34  Zur  Rechtsgeschichte  des  thüringischen  Adels. 

Otto  von  Eilenburg,    n  o  b  i  1  e  s  ,    Herr  Guzzo    von  Guzzen- 
berg  .  .  .  milites  ^). 

1337  Gleicher  Aussteller;  Zeugen:  Herzog  Rudolf 
von  Sachsen  nee  non  nobilis  dominus  Otto  de 
Yleburg,  Herr  Johann  von  Buch,  Herr  Henning  von  Jagow 

U.  S.  W.  2). 

1344  Markgraf  Friedrich  der  Ernsthafte  stellt  als 
Bürgen  „di  ediln  lute"  Graf  Heinrich  von  Honstein, 
.  .  .  Heinrich  Vogt  von  Plauen,  Heinrich  Vogt  von  Weida, 
Burggraf  Otto  von  Leisnig,  Bodo  von  Eilenburg  und  „die 
gestrengen"  Nickel  von  Ende  u.  s.  w.  ^).  —  Eine 
andere  hierher  gehörige  Urkunde  desselben  Fürsten  von 
1345  wurde  schon  bei  den  Herren  von  Schönburg  ange- 
führt 4).. 

Endlich  noch  eine  Urkunde  Markgraf  Ludwigs  des 
Römers  von  1354:  Zeugen  sind  der  nobilis  vir  Otto 
Wend  dominus  in  Hburg,  strenuique  viri  Petrus  de  Breidow 
u.  s.  w.  •''). 

Die  Herren  von  Eilenburg  waren  nicht  im  stände, 
ihren  Besitz  zu  behaupten:  um  1395  veräußern  sie  ihre 
Herrschaften  Eilenburg  und  Liebenwerda  an  Sachsen,  1477 
mußten  sie  auch  die  Herrschaft  Sonnenwalde  in  der  Nieder- 
lausitz aufgeben.  Ihren  Freiherrnstand  haben  sie  sich  aber 
trotzdem  bewahrt. 

Auch  bei  den  zuletzt  besprochenen  Geschlechtern  der 
Vögte  von  Weida,  der  Herren  von'  Schönburg,  Kolditz 
und  Eilenburg  ist  kaum  eine  förmliche  Freilassung  als 
Rechtsgrund  ihrer  Standesänderung  anzunehmen.  Auch  sie, 
wie  die  thüringischen  Dynasten ,  nennen  sich  schließlich 
Herren,  weil  sie  eine  der  Landeshoheit  entzogene  Herrschaft 
besitzen.   Bei  den  vier  ersten  Geschlechtern  fällt  die  Standes- 


1)  Riedel,  a.  a.  O.  A.  11,  S.  33. 

2)  Ebenda,  A  6,  S.  353. 

3)  ÜB.  der  Vögte  von  Weida  I,  No.  869. 

4)  S.  o.  S.  30. 

5)  Riedel,  a.  a.  O.  A.  5,  No.  156. 


Zur  Kechtsgeschichte  des  thüringischeu  Adels.  35 

Verschiebung  um  das  Jahr  1300,  also  in  eine  Zeit,  da  in  den 

\vettinischen  Landen    alles    drunter    und  drüber    ging,    wo 

h    also    für    eine     derartige    Anmaßung    eines    höheren 

indes    gute  Gelegenheit    bieten    mochte.     Bei    den  Eilen- 

irgern  scheint  der  Übertritt    sich    etwas  später  vollzogen 

haben,    und    zwar    zuerst    bei     den    brandenburgischen 

Familienmitgliedern.      Möglich,     daß    hier    die    märkischen 

Wirren  nach    dem  Tode    des  letzten  Askaniers  (1319)    den 

Anlaß  gaben. 

Nachtrag. 

(Zu    Seite    8.) 

Die  Bezeichnung  „Dienstherren"    für  die  Ministe- 
rialen   kommt   auch  in  den    wettinischen  Ländern 
>r.    Ich  finde  sie  in  einer  Urkunde  Friedrichs  des  Freidigen 
u    1311    (Scheidt,    Von    dem    hohen    und    niederen   Adel, 
lantissa    docum.,  No.  131b,  S.  468).     Der  Markgraf  stellt 
lU  Herren  und  10  „dienstraan"   als  Bürgen;  unter  letzteren 
den   Vogt    Heinrich    Reuß ,    Günther   von    Salza ,    Hermann 
von  Spangenberg.     Die  Herren  sollen  2  Ritter  nach  Erfurt 
zum  Einlager  senden,  die  „Dienstherren"  dagegen  selbst 
in  Erfurt    einreiten.     Die  Dienstmannen    oder  Dienstherren 
heben  sich    hier   sehr    deutlich   von    den  Herren    einerseits 
und  den  Rittern  andererseits  ab. 


IL 

Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 
und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser. 

Von 
Prof.  Dr.  Jordan  in  Mühlhausen. 

Man  war  bisher  gewohnt,  die  beiden  in  der  Über- 
schrift genannten  Männer  in  gleicher  Weise  zu  behandeln 
und  ihr  Tun  und  Treiben  gleichmäßig  zu  beurteilen  oder 
vielmehr  zu  verurteilen.  Bei  längerem  Studium  hat  sich 
mir  aber  mit  steigender  Sicherheit  eine  Verschiedenheit 
ergeben,  die,  wie  ich  nicht  bezweifle,  noch  stärker  hervor- 
treten wird,  wenn  es  gelingen  sollte,  tieferen  Einblick  in 
die  Ereignisse  zu  gewinnen,  die  sich  damals  in  Mühlhausen 
i.  Thür.  und  seiner  Umgebung  abspielten.  Der  Unterschied 
beruht  im  tieferen  Grunde  auf  der  Charakterverschiedenheit 
beider  Männer,  wie  sie  deutlich  genug  bei  ihrer  Hinrichtung 
hervortritt;  er  klingt  scharf  hervor  aus  der  schadenfrohen 
Äußerung  Münzers  bei  der  Meldung  von  Pfeifers  Gefangen- 
nahme ^). 

In  anderer,  hier  allerdings  einfach  und  wohlbegründeter 
Weise  zeigt  sich  dieser  Unterschied  auch  in  dem  Streben 
beider  Männer,  die  Umgegend  für  ihre  Pläne  zu  gewinnen. 
Als  früherer  Mönch  des  Klosters  Reifenstein  hatte  Pfeifer 
engere  Beziehungen  zum  Eichsfelde,    zu  dem  jenes  Kloster 


1)  Neue  Mitteil.  XXI,  S.  204. 


Pfeifers  und  Mönzers  Zug  in  das  Eichsfeld  etc.  37 

i^hörte,    wie    er    es  ja  auch  zunächst  versucht  hatte,    sich 

if  dem   Eichsfelde   festzusetzen.      Als    er    dann    in    seine 

aterstadt  Mühlhausen  wich,  begleiteten  ihn  4  Männer  aus 

Worbis,    auch  wird  er  absichtlich  die  Pfarre  zu  S.  Nicolai 

liir  sich  gewonnen  haben,    da  diese  Vorstadt   auf   der  dem 

Eichsfelde  zugekehrten  Seite  der  Stadt  Hegt,  und  ihm  alsbald 

Zuzug  von  dort  zu  Hilfe  kam.  Münzer  dagegen  war  von  Allstedt 

kommen,  von  wo  aus  er  die  Fäden  seines  Bundes  gesponnen 

itte,    es  war  also  natürlich,    daß  es  ihn  mehr  nach  Osten 

vjg,    führte    ihn  doch  auch  sein  Traum,    der  ihm  anzeigte, 

„er  sollte  nach  Aufgang   der  Sonne  ziehen"  (Chronik  189), 

schließlich  dort  seinem  Verderben  entgegen,  während  Pfeifer 

in  Mühlhausen    blieb,    vielleicht    weil    nun    der    Gegensatz 

unter    ihnen    offen    hervorgetreten    war.      Bereits    Stephan 

{Anzeige,  S.   128)    bemerkte:  „Münzer    ziehen    seine    Pläne 

nach  Osten,  doch  Pfeifer  dringt  in  der  Richtung  nach  dem 

Eichsfelde  durch." 

Dennoch  ist  unter  beiderseitiger  Teilnahme  i)  ein  ge- 
meinsamer Zug  nach  dem  Osten  unternommen  worden,  der 
ganz  unerwarteter  Weise  dann  plötzlich  nach  Westen  ab- 
schwenkte. Diesen  zweiten  Teil  des  Zuges  genauer  darzu- 
stellen, soll  hier  auf  Grund  von  Akten  unternommen  werden, 
die  mir  in  den  Abschriften  und  Auszügen  vorliegen,  wie 
sie  Friedrich  Stephan  anfertigen  ließ  ^) ;  sie  gehören  also 
zu  dem  Aktenmaterial,  das  aus  dem  Nachlasse  unseres 
Archivars  von  seinem  Neffen  einst  Zimmermann  fyr  die 
zweite  Auflage  seiner  Geschichte  des  großen  Bauernkrieges 
zur  Verfügung  gestellt  wurde.  Es  ist  bekannt,  in  welcher 
Weise  diese  Akten  dort  benutzt  sind ;  Zimmermann  nahm 
f'ilig  heraus  —  besonders  aus  der  gedruckten  „Anzeige"  — 


1)  Georg  Pfeifer  sagte  aus,  „zu  demselben  Zuge;  habe  Münzer 
und  Pfeifer,  sein  Bruder,  Kat  und  Tat  gegeben"  (Zur  Gesch.  d.  Stadt 
Mühlhausen  I,  S.25).  Auch  Strutinann  (St.  A.  47)  sagt  aus,  Heinrich 
Pfeifer  habe  sie  geheißen  auszuziehen. 

2)  Stephans  Akten,  No.  68.  Ich  zitiere  die  Blattzahl  dieses 
Aktenstückes. 


38  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

was  zu  seinen  Anschauungen  paßte,  ohne  eine  Nachprüfung 
und  weitere  Verwertung  des  gebotenen  zu  unternehmen. 
Dies  nun  wenigstens  für  diese  Untersuchung  nachzuholen, 
soll  hier  versucht  werden.  Insgesanit  aber  soll  dieselbe 
erfolgen  mit  dem  von  vornherein  ausgesprochenen  Zwecke, 
zu  prüfen,  inwieweit  die  Verwüstungen,  die  auf  jenem  Zuge 
erfolgten,  dem  Rat  und  der  Bürgerschaft  der  Stadt  Mühl- 
hausen zu  Schuld  geschrieben  werden  können.  Bis  in 
unsere  Zeit  hinein  war  es  ein  etwas  bequemes  Verfahren^ 
alle  Schuld  „den  Mühlhäusern"  zuzuschieben;  es  wird  sich 
fragen,  ob  das  überall  mit  Recht  geschehen  ist.  In  jenen 
Akten  liegen  zum  Teil  Aussagen  vor,  die  frei  sind  von  dem 
Verdachte,  parteiisch  für  den  Bauernkrieg  zu  sprechen, 
wurden  sie  doch  großenteils  unter  dem  von  den  Fürsten 
eingesetzten  Rate  aufgenommen,  der  nur  aus  Gegnern  der 
Bewegung  bestand.  Die  Akten,  deren  Originale  in  unserem 
Archiv  vorliegen,  sind  K.  3,  No.  4  Cantica  canticorum 
sampt  etlichen  urgichten ;  K.  3,  No.  13  Fragestühk  vnd 
Etlicher  bekentnis  Bey  beyden  Regierenden  Burgermeistern 
Sebastian  Rodeman  vnd  Johan  Wettich  anno  XXV ;  K.  3, 
No.  18  und  20:  In  Sachen  Mühlhausen  contra  Mainz  (der 
Erzbischof  verlangte  Entschädigung  für  die  Verwüstungen  i). 
Dazu  kommen  die  Nachrichten  unserer  Chronik,  gelegentlich 
auch  wohl  das  Verzeichnis  „Disse  dorffe  sint  auch  vf  der 
Beschedigungk  des  Adels  mit  gewest"  (Jordan,  Zur  Gesch. 
d.  St.  Mühlhausen,  Heft   2,  S.  36—37). 

Absichtlich  verzichte  ich  bei  dieser  Untersuchung  von 


1)  Diese  letzten  Akten  stammen  aus  dem  Jahre  1544,  die  Aus- 
sagen unterliegen  also  dem  Verdachte  der  Vergeßlichkeit,  haben 
aber  den  Vorzug,  daß  sie  zu  einer  Zeit  gemacht  wurden,  wo  man 
ihretwegen  keine  Strafe  mehr  zu  befürchten  hatte ;  auch  stimmen 
sie  oft  genug  so  gut  überein,  daß  sie  sich  gegenseitig  stützen,  sind 
auch  vielfach  so  lebhaft  und  anschaulich,  daß  man  sie  kaum  für 
ersonnen  halten  wird.  —  Kardinal  Albrecht  machte  1530  Ansprüche 
an  die  Mühlhäuser,  wegen  des  Schadens,  den  sie  den  Gotteshäusern 
auf  dem  Eichsfelde  getan  hätten,  auf  18  000  Fl.   N,  M.  XIV,  S.  423. 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  39 

einem  Berichte  auszugehen,  der  sich  in  der  „Histori  Thome 
Munzers"  findet;  freilich  ist  gerade  diese  Darstellung  weit 
verbreitet  worden,  da  die  Historie  früher  unter  Melan- 
chthons  Namen  ging  und  in  Luthers  Werken  aufgenommen 
wurde.  Für  die  allgemeine  Beurteilung  dieser  Schrift  berufe 
ich  mich  auf  die  Untersuchungen  von  Droysen  ^)  und 
Falckenheiner  *);  dem  dort  festgestellten  geringen  Werte 
dieser  Quelle  entspricht  ganz  die  folgende,  auf  die  hier  zu 
besprechenden  Ereignisse  sich  beziehende  Stelle:  ,,Er 
(Münzer)  hatte  einen  Prediger  bey  jm,  der  hies  Pfeiffer, 
ein  ausgelaufener  Münch,  seer  gut  zum  spiel,  frevel  vnd 
mutwillig,  der  wolt  je  den  ersten  angriff  thun  vnd  gab  für, 
Er  hette  ein  Gesicht  gehabt,  daraus  er  mercket,  das  Gott 
in  fodert,  fortzufaren,  Er  hette  einen  träum  gehabt,  wie 
er  were  in  einem  Stall  gewesen  vnd  viel  Meuse  gesehen, 
die  hette  er  alle  verjagt,  Damit  meint  er  hette  jm  Gott 
angezeigt,  er  solte  ausziehen  vnd  allen  Adel  vörjagen. 
Vnd  da  Thomas  aus  furcht  nicht  wolt  vergönnen  nach  zu 
ziehen,  ward  er  seer  mit  Thoma  zwietrechtig,  Drewet  jm 
hefftig,  er  wolt  jn  vertreiben,  wo  er  jn  nicht  ziehen  Hesse 
vnd  jm  das  volck  abschreckt,  Denn  Thomas  wolt  den  an- 
griff nicht  thun,  er  were  denn  starck  gnug  vnd  nicht  aus 
der  Stadt  komen,  es  hetten  sich  denn  vorhin  die  Bawren 
allenthalb  in  der  Nachbarschaft  erreget.  —  Pfeiffer  zog  aus 
ins  Eisfeld,  plündert  Schlösser  vnd  Kirchen,  verjagt  vnd 
fieng  die  Edlen,  kam  heim,  bracht  viel  Raubs.  Da  ward 
der  gemein  Pöbel  beissig,  dieweil  es  gelückt  hette." 

Diese  Erzählung  ist  nach  meiner  Auffassung  und 
Kenntnis  der  Dinge  ohne  geschichtlichen  Wert.  Wie 
wenig  der  Verfasser  der  Schrift  von  der  inneren  Geschichte 
Mühlhausens  wußte,  ergibt  sich  schon  daraus,  daß  er  Münzers 
erste  Anwesenheit  in  der  Stadt  gar  nicht  kennt  und  diese 
Unkenntnis  hinter  dem  Satze  birgt,    „er  machte  sich  davon 


1)  Zeitschrift  für  preußische  Geschichte  X,  S.  594. 

2)  Philipp  der  Großmütige  im  Bauernkriege,  8.  65. 


40  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

vnd  verborg  sich  ein  halbes  Jahr",  auch  verdanken  wir 
ihm  den  Irrtum,  der  sich  dann  weit  verbreitete,  „da  haben 
die  Johanniter  einen  Hof  gehabt",  A^^ährend  es  doch  die 
alte  Komturei  des  deutschen  Ordens  war,  in  der  Münzer 
als  Pfarrer  an  der  Marienkirche  Wohnung  nahm.  Nicht 
Pfeifer  war  es,  der  leidenschaftlich  hinausdrängte,  sondern 
Münzer;  nicht  Pfeifer  war  der  Träumer,  sondern  Münzer, 
der  es  in  Zwickau  von  Nikolaus  Storch  gelernt  hatte,  an 
Träume  zu  glauben,  bis  ihn  sein  letzter  Traum  gen  Pranken- 
hausen  führte.  Wer  seine  Briefe  kennt  oder  auch  nur  eine 
seiner  Schriften  gelesen  hat,  wird  es  schwerlich  glauben, 
daß  er  je  eine  zurückhaltende  Mäßigung  vertreten  hat.  Edle 
vom  Eichsfelde,  die  gefangen  wären,  finde  ich  nirgends  er- 
wähnt, und  auf  die  Plünderung  der  Schlösser  und  Klöster 
geht  unsere  ganze  Untersuchung  hinaus.  Ich  hoffe,  zu  einem 
anderen  Schluß  zu  kommen. 

Ich    stelle    zunächst    zusammen,    was    unsere    Chronik 
bietet,    aus    deren  Angaben    sich  folgende   nach  Tagen    ge- 
ordnete Übersicht  der  einleitenden  Ereignisse  ergibt: 
Mittwoch,    April  26.     Musterung,     Zug    nach     Langensalza 

(Homburg). 
Donnerstag,  April  27.  Nach  Goermar,  Lager  auf  S.  Nicolaus 

Kirchhof. 
Freitag,  April  28.  Nach  Schlotheim,  Kloster  geplündert, 

Haus  des  R.  v.  Hopfgarten.  Volken- 
roda^).  Lager  bei  Goermar.  Eichs- 
felder  treffen  ein  mit  8 — 9  Wagen 
Beute. 
Sonnabend,  April  29.  Nach  Ebeleben ;  Schloß  geplündert, 
Nonnenkloster  in  Sussra,  Schloß 
Almenhauseu.     (Freienbessingen), 


1)  Nach  einem  8chreil)en  des  Abtes  an  Herzog  Georg  ist 
Volkenroda  ,, Donnerstag  nach  Quasimodogeniti"  überfallen.  Nebel- 
sieck  in  N.  M.  XXI,  S.  202.  Keil,  Aus  Volkenrodas  Vergangenheit 
in  No.  31  ,,Aus  alter  Zeit",  Beiblatt  zum  Mühlh.  Anzeiger.  Münzer 
war  am  27.  in  Volkenroda.     Forschungen  XIV,  S.  535. 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  41 

Sonntag,  April  30.        Zug  der  Mühlhäuser  nach  Seebach  ^). 
Beratung  des  Haufens  vor  Ebeleben  ; 
Münzer  rät,  auf  Heldrungen  zu  ziehen. 
Botschaft  der  Eichsfelder  (Zug  über 
Nieder-Orschel,  Beuren  auf  Heiligen- 
stadt.) 
Schon  vor  dem  Zuge  nach  Langensalza  berichtet  unsere 
Chronik    (S.  187):    „In    dieser  Woche    sind    zwei    von  der 
tStruth,  Hans  Hesse  und  Michael  N.,    samt  andern  mehr  zu 
Mühlhausen    auf   den  Markt    gekommen,    haben    zwei    Faß 
voll  Geräte  und    fünf  Glocken    daselbst  verkauft,    und    als 
sie  des  Kaufgeldes  streitig  werden,  wird  ein  großer  Tumult 
darüber."     Diese    Nachricht    wird    bestätigt    in    den  Akten 
iS.   186) :  „Hans  Hesse  und  den  artikulierten  Michel  —  auch 
hier  fehlt   der  Name!  —  habe    er  wohl    gekannt    und    ge- 
sehen,   daß    sie    etliche  Glocken    vom  Eichsfelde    in  Mühl- 
hausen   geführt,    dieselben    zerschlagen    und    den    Bürgern 
verkauft,    darnach    sich  d erhalben    untereinander    erwürgen 
wollen".     Ferner  sagt    ein  Zeuge  aus  (S.   179),    er  sei  ein- 
mal mit  seinem  Junker    gen  Mühlhausen  gekommen,    hätte 
er  gesehen,  daß  eine  Glocke  unter  dem  Rathaus  gestanden, 
hätte  der  Propst  „zur  Zelle"  (Kloster  Zella)  zu  ihm  gesagt: 
Siehe,  das  ist  unsere  Glocke.     Hans  Hesse  zur  Struth  findet 
sich    in    Pfeifers  Bund  (Heft  2,    Zur.  Gesch.    d.   St.  Mühl- 
hausen,   S.  35);    bei    seiner  Vernehmung  (St.  A.  104 — 105) 
leugnet  er  jede  Teilnahme  an  Plünderungen,    will  vielmehr 
die  „frommen"  Bürger    in  Mühlhausen  gewarnt  haben  (Be- 
zeichnung der  Partei  des  alten  Rates). 

Freitag,  den  28.  April,  zog  der  Haufe  nach  Schlot- 
heim; mit  dem  Raub  beladen  lagerte  er  bei  Görmar. 
„Als  sie  daselbst",  berichtet  unsei'e  Chronik,  S.  187,  „die 
Beute  austeilen  wollten,    sind  die  Eichsfelder  sehr  stark  ^), 

1)  Förstemann,  Neues  Urk.-Buch  No.  277. 

2)  Hans  von  Göttingen  ist  mit  den  600  Knechten  aus  Hessen  (!) 
nach  Görmar  gezogen  (St.A.  68,  36).  Zeuge  S.  156  berichtet, 
als  die  Mühlhäusischen  zu  Felde  gezogen,  sei  ein  Haufe  Eichsfelder, 


42  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

auch  mit  acht  oder  neun  Wagen  gekommen,  darauf  gewesen 
Speck,  Glocken,  Hausrat  und  Geschmeide  und  haben  an- 
gezeigt, daß  sie  solches  auf  dem  Eichsfelde  aus  den  Klöstern 
genommen.  Des  hat  sie  der  Münzer  empfangen  und  als 
christliche  Brüder  gelobt  und  zu  seinen  Brüdern  ange- 
nommen, und  ist  er  so  bald  auf  ein  Pferd  gesessen  und 
hat  im  Felde  eine  Predigt  gethan  und  nach  der  Predigt 
den  Raub  gleich  unter  die  Mühlhäusischen  und  Eichsfeldi- 
schen  Buben  geteilet.  Bei  diesem  Haufen  und  Zuge  sind 
wenig  Bürger  und  kein  Ratsherr  von  Mühlhausen  gewesen, 
allein  einer,  Jobst  Homberg  genannt  i),  der  zuvor  des  Raths 
Ausreiter  gewesen,  hat  auf  einem  Motzen  (Wallach)  vor 
dem  Haufen  her  geritten  und  sich  einen  Hauptmann  schelten 
lassen.  ,  Das  andere  ist  allerlei  zusammengelaufen  Volk  ge- 
wesen, welches  dem  Pfeifer  und  Münzer  gefolget  und 
auch  zum  großen  Teil  in  der  Stadt  bei  ihnen  gewesen  ist." 
„Sonnabend  früh  (29,  April)  sind  Pfeifer  und  Münzer 
mit  ihrem  Volk,  auch  der  Eisfeldische  Haufe,  der  mit  einem 
gelben  und  grünen  Fähnlein  (darin  ein  Pflug  gestanden, 
sagt  Zeuge  S.  153)  zu  ihnen  auf  dem  Rieth  zu  Goermar 
gekommen,  nach  Ebeleben  gezogen,  haben  daselbst  das 
Schloß  geplündert,  zerrissen,  zerschlagen,  was  sie  konnten, 
den  Wein  ausgesoffen,  das  Korn  auf  dem  Felde  aus  den 
Garben  gelangt,  die  Teiche  gefischt,  auch  zu  Sustra  (Mark- 
sussra)  die  Nonnen  gestürmt,  geplündert,  item  das  Schloß 
Almenhausen  und  andere,  schickten  den  Raub  gen  Miihl- 
hausen  in  die  Nieder  Pfarre  (zu  S.  Blasien),  viel  Wagen 
voll  große  Haufen.  Da  hat  der  neue  Rath  (der  ewige)  die 
Bürger  gezwungen,  dem  Haufen  Bier  und  Proviant  nach- 
zuführen, wohin  sie  zogen.  Als  nun  der  Haufe  von  Ebe- 
leben wieder    hat  auf  sein  wollen,    haben    sie  Gemeine  ge- 


auf  3—400  ungefähr,    mit  einem   Fähnlein   unter   dem  Risingberge 
nahe  bei  der  Stadt  gelegen,  wie  er  gesehen  habe. 

1)  Er  muß  sehr  großen  Eindruck  gemacht  haben,  da  auffallend 
oft  gerade  er  in  den  Akten  erwähnt  wird. 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  öchlösser.  43 

halten,  und  hat  Münzer   im  Ringe  angezeigt,    daß  sie  nach 
Heldrungen  ins  Mansfeldische  Land  ziehen  wollten." 

Gegen  den  Grafen  Ernst  von  Mansfeld  hegte  Münzer 
den  bekannten,  unaufgeklärten  Groll,  doch  sollte  aus  diesem 
Zuge  nichts  werden,  der  dem  Haufen  wohl  die  Mansfelder 
Knappschaft  zuführen  sollte,  die  als  wohlgeübt  in  den 
Waffen  galt.  Dringende  Bitte  lenkte  den  Zug  nach 
anderer  Richtung;  sie  kam  zunächst  von  Nordhausen. 
Förstemann  (Kl.  Sehr.  86)  berichtet  darüber:  „In  der  Ober- 
stadt verbanden  sich  einige  Bürger,  die  um  geringer  Sachen 
willen  einen  persönlichen  Groll  gegen  den  Rat  hatten. 
Diese,  Hans  Sander  und  dessen  Stiefbruder  Berthold  Helms- 
dorf, Hans  Kehner  ^)  und  andere  beratschlagten  in  einem 
Hause  vor  dem  Dome  und  entwarfen  einen  Brief  an  die 
Häupter  des  Aufstandes  zu  Mühlhausen,  sie  möchten  nach 
Nordhausen  kommen  und  hier  auch  ein  „ewiges  Regiment* 
anrichten ;  damit  sendeten  sie  einen  ihrer  Verbündeten  nach 
Mühlhausen.  Auch  ritten  die  Häupter  dieser  Verbündeten 
zu  der  mühlhäusischen  Rotte,  als  diese  bei  Ebeleben  lag. 
Da  sagte  Pfannenschmied  2),  welchen  sie  dringend  baten, 
das  auszuführen,  sobald  es  sich  schicken  wollte,  würden  sie 
kommen  und  „den  Brief  und  die  Artikel"  mitbringen  S), 
und  wer  sich  nicht  wohl  verantworten  könnte,  den  wollten 
sie  absetzen  und  einen  ewigen  Rat  machen.  Schleunig  sah 
sich  der  Rat  in  Nordhausen  nach  Hilfe  um,  doch  Herzog 
Johann  von  Sachsen,  an  den  er  sich  deshalb  wandte  (Lesser, 
Nordh.,  S.  562),  antwortete  Mittwoch  post  Misericordias  D. 
(3.  Mai),  „Nordhausen  sei  so  gut  befriedet  und  habe  eine  so 


1)  Alle  3  finden  sich  im  Verzeichnis.  Zur  Gesch.  d.  St.  M., 
Heft  2,  S.  36. 

2)  „Ohne  Zweifel  einer  der  Anführer",  Förstemann.  Ein  Klaus 
Pfannenschmidt  findet  sich  in  Pfeifers  Bund  (Zur  Gesch.  d.  St.  M.  2, 
S.  33). 

3)  Darunter  möchte  ich  die  12  Artikel  verstehen,  wenn  nicht 
etwa  die  11  Mühlhäuser  Artikel  gemeint  sind  (Förstemann,  Neues 
Urk.-Buch,  S.  254.    Zur  Gesch.  d.  St.  Mühlh.  1,  26). 


44  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

stattliche  Sammlung,  daß  man'  sich  vor  diesen  Leuten 
wenigstens  eine  Zeit  lang  werde  aushalten  können.  Der 
Rat  möge  darauf  denken,  er  mit  seinem  Vater  wollte  als 
Landes-  und  Schutzfürst  thun,  was  zur  Abwendung  der 
Beschwerung  dienen  könne."  Auch  Zeuge  S.  176  erzählt, 
der  Haufe  habe  von  Ebeleben  nach  Nordhausen  ziehen 
wollen. 

Die  Sorge  der  Nordhäuser  sollte  unbegründet  bleiben, 
denn  eine  weitere  Bitte  um  Hilfe  rief  den  Haufen  alsbald 
nach  einer  ganz  anderen  Gegend.  „Da  sind  etliche  Eichs- 
felder, Hans  Gehäusen,  Hans  Stein,  Hans  Kirchworbis  und 
andere  mehr  hervorgetreten  und  haben  um  Gotteswillen 
gebeten,  man  wolle  mit  ihnen  aufs  Eichsfeld  ziehen  und  sie 
zuvor  von  der  bösen  Obrigkeit  erretten,  denn  die  Edelleute 
wären  schon  in  Dingelstedt  gefallen  und  wollten  alle  armen 
Leute  ermorden,  wie  sie  ihnen  allbereit  viel  zu  Leide  ge- 
than  hätten,  darum  wollte  man  ihnen  zu  Hülfe  kommen  und 
sie  rächen."     (Chronik  188.) 

Veranlaßt  wurde  dieser  Hilferuf  durch  das  Vorgehen 
der  Adligen,  die  sich,  als  die  Bewegung  das  Eichsfeld  er- 
griff, auf  Schloß  Rusteberg,  die  alte  mainzische  Burg, 
geflüchtet  hatten  und  nun  in  dieser  Weise  auf  die  Ver- 
wüstung ihrer  Besitzungen  antworteten.  S.  134  soll  gefragt 
werden,  „ob  der  Zeuge  nicht  weiß  oder  gehört  hat,  nach- 
dem die  Geistlichen  und  vom  Adel  solcherweise  beschädigt, 
daß  sie  durch  den  gemeinen  Amtmann  des  Eichsfeldes  auf 
einen  eilenden  Landtag  an  gewöhnliche  Malstatt  gefordert 
und  daselbst  geratschlagt  sei,  wie  und  was  Gestalt  sie  dem 
bösen,  tyrannischen  Vornehmen  und  Aufruhr  derer  von 
Mühlhausen  begegnen,  auch  sich,  ihre  Weiber,  Kinder, 
Haus  und  Güter  dazu  dem  Erzbischof  das  Land .  erretten 
könnten  von  den  von  Mühlhausen.  Item,  daß  der  gemeine 
Adel  und  Geistlichkeit  sich  deshalb  zusammen  auf  das 
Haus  Rustenberg  getan  in  Mut  und  Willen,  dem  auf- 
rührerischen Haufen  zu  begegnen  und  sie  aus  dem  Lande  zu 
schlagen".     Die  Adligen    gingen  später    auch    angriffsweise 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  45 

vor;  ein  Zeuge  berichtet  (St.  A.  188):  Als  der  Haufe  vor 
Heiligenstadt  gelegen  und  viele  vom  Adel  des  Eichsfeldes 
auf  Rustenberg  gelegen,  hätten  seine  Junker,  denen  ihre 
Schäden  und  Verjagen  wehe  getan,  dabei  er,  Zeuge,  in 
Dienst  gewesen,  sich  gerüstet  und  reisige  Leute,  der 
Bauernschaft  Abbruch  zu  tun  angefangen,  und  was  sie 
derselben  abbrechen  mögen,  gewürgt  und  erstochen,  dabei 
er  Zeuge  gewesen.  S.  190  sagt  Hans  Grebingk  von  Beber- 
stedt  dasselbe  aus. 

Wie  es  scheint,  wurde  es  Münzer  nicht  leicht,  auf  den 
geplanten  Zug  nach  Heldrungen  zu  verzichten.  Es  be- 
durfte der  dringendsten  Bitte  der  Eichsfelder,  ja  eines 
Kniefalles.  So  berichtet  ein  Zeuge  (St.  A.  68,  145),  er 
habe  die  Zeit  von  seinem  Junker  Seifart  von  Bolzingsleben 
hören  sagen,  daß  die  artikulierten  Personen  vor  Pfeifer  und 
Münzer  in  ihre  Knie  gefallen  seien  und  gebeten  haben  sollen. 
Dagegen  erhebt  ein  wichtiger  Zeuge  folgende  Einsprache 
('S.  151):  „Hans  Gobelen,  Hans  Stein,  die  beide  im  Artikel 
genannt,  habe  er  gekannt,  desgleichen  werde  er,  Zeuge, 
mit  diesen  zweien  im  Artikel  angezogen,  daß  sie  und  er, 
Zeuge,  sollen  vor  den  Prädikanten  auf  ihre  Knie  gefallen 
sein  und  von  wegen  der  Eichsfelder  um  Gottes  willen  ge- 
beten haben,  mit  ihrem  Haufen  auf  das  Eichsfeld  zu 
kommen.  Darauf  sagt  er  bei  geschworenem  Eide,  daß  er 
solches  nie  in  seinen  Sinn  genommen,  auch  nicht  getan  oder 
tun  geholfen  habe,  sollte  sich  auch  zu  ewigen  Tagen  nicht 
erfinden,  wisse  auch  nicht,  ob  es  die  zwei  Hans  GoTael  oder 
Hans  Stein  getan  haben  sollen."  Der  Unterschied  beider 
Aussagen  wird  durch  einen  dritten  Zeugen  vermittelt 
S.  158):  „Es  seien  etliche  vom  Eichsfelde  zum  Haufen  gen 
Ebeleben  gekommen,  Hans  Gebelhausen,  Hans  Stein  von 
Stadtworbis,  so  der  dreien  einer  gewesen,  so  vormals  mit 
dem  Pfeifer  gen  Mühlhausen  gekommen  (Zur  Gesch.  der 
St.  Mühlhausen,  Heft  1,  S.  6  und  48),  und  andere  mehr;  hätte 
Gebelhausen  das  Wort  gehalten  und  wäre  allein  auf  die 
Knie    gefallen    und  hätte  Pfeifer  und  Münzer  gebeten,    um 


46  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Gottes  willen  auf  das  Eichsfeld  zu  ziehen,  sie  zu  erretten, 
denn  die  Edelleute  nähmen  alle  das  Ihre.  Also  hätten  die- 
selben Eichsfelder  einen  besonderen  Haufen  (gebildet),  die 
ein  Fähnlein  grün  und  gelb  dabei  gehabt,  das  hätte  einer,  ge- 
nannt Hans  Kaiser  (Heft  2,  35),  getragen,  welcher  Haufe  viel 
gröiJer  und  stärker  gewesen,  denn  der  Mühlhäusische  und 
thüringische  Haufe.  Darauf  wären  Pfeifer  und  Allstedter 
auf  das  Eichsfeld  gezogen;  er  habe  alles  selbst  gesehen 
und  dabei  gestanden."  —  Die  Zahl  der  Eichsfelder,  die  nach 
Ebeleben  gekommen,  gibt  ein  Zeuge  (S.  160b)  auf  6 — 700 
an;  auch  er  hat  dabei  gestanden,  als  etliche  von  ihnen  „in 
den  Kreis  getreten,  hat  gehört,  daß  dieselben  Alstedter, 
Pfeifer  samt  den  Oberen  gebeten,  geflehet  und  zuletzt  ge- 
drohet." Diese  Aussage  ist  wichtig  durch  die  Erwähnung 
der  Oberen ;  es  gab  also  neben  Pfeifer  und  Münzer  noch 
andere  Führer  des  Zuges;  wer  waren  die?  Schwerlich  allein 
der  oft  genannte  Jost  Homberg,  den  Zeuge  S.  149  „als  einen 
Hauptmann  hat  vorreiten  sehen". 

Ein  weiterer  Zeuge  (165b)  nennt  als  die  Eichsfelder, 
die  nach  Ebeleben  kamen  und  kniefällig  um  Hilfe  baten 
Hans  Gebelhausen,  Hans  Stein,  Hans  Kirchworbis,  Augustin 
Konemunt,  Reusse  von  Gernrode  u,  a.  m.  Gebelhausen 
wird  auch  S.  166  genannt,  Gebelhausen,  Stein  und  Kune- 
mundt  S.  174b.  Ein  Zeuge  (S.  180)  nennt  neben  dem 
immer  wiederkehrenden  Gebelhausen  Paul  Wollhaupt,  Hans 
Hebestreit  und  Kolruß,  „diese  vier,  die  er  wohl  kenne,  habe 
er  gesehen,  daß  sie  zu  dem  Haufen  gen  Ebeleben  gekommen 
und  vor  den  Prädikanten  auf  die  Kniee  gefallen  und  ge- 
beten". Paul  Wollhaupt  von  Helmsdorf  nennt  auch  Zeuge 
S.  181.  Eine  neue  Tatsache  ergibt  die  Aussage  S.  182  b, 
die  Eichsfelder  hätten  3  Briefe  geschickt,  wären  selbst  ge- 
kommen und  hätten  die  Prädikanten  gebeten;  sie  wird  be- 
stätigt durch  die  sehr  wichtigen  Angaben  des  Zeugen 
S.  184 — 185 :  „Als  er  derselben  Zeit  zu  Hofferstedt  (Hüp- 
stedt)  in  seinem  Hause  morgens  noch  geschlafen,  wären 
2  Bauern  zu   ihm  gekommen,    der    eine  wäre  „von  pewrn" 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  47 

Bauern)  Hans  Heie  (Hein?),  der  andere  von  Birkungen, 
Hans  Hunolt  genannt,  gewesen,  die  hätten  ihn  gebeten, 
;;iß  er  also  wohl  tun  wollte  und  von  wegen  der  im  Gericht 
Scharfenstein  und  Reifenstein,  so  beieinander  sich  in  der 
Xacht  versammelt,  zu  dem  Haufen  zu  Ebeleben  gelegen 
zu  kommen,  um  heimlich  zu  erfahren  und  zu  sehen ,  wo 
doch  derselbe  Haufen  hinziehen  wollte.  Also  wäre  er 
dahin  geritten  und  zu  dem  Haufen  zu  Ebeleben  gekommen, 
um  heimlich  zu  erfahren,  wo  doch  derselbe  Haufe  hin- 
ziehen wollte.  Also  wäre  er  dahin  geritten  und  hätte  sein 
Pferd  an  einen  Wagen  daselbst  gebunden,  auf  dem  Wagen 
gelegen,  sich  nichts  angenommen  und  sehen  und  hören 
wollen,  wo  doch  der  Haufe  hinaus  wollte.  Wäre  einer, 
genannt  Hans  Pfeil,  zu  ihm  gekommen,  der  auch  beim 
Haufen  gewesen,    und   habe  gesagt,    was  er  da  täte;    hätte 

r  ihm  geantwortet,  er  solle  ihm  zuvor  sagen,  warum  er 
da  wäre,  hätte  er  ihm  gesagt,  die  Edelleute  vom  Rüsten- 
berg hätten  ihn  dahin  geschickt,  zu  sehen,  wo  dieser 
Haufen  hinaus  wollte.  Hätte  er,  Zeuge,  ihm  auch  gesagt, 
80  wäre  er  von  denen  im  Gerichte  Scharfenstein  und 
Reifenstein  wegen  da,  so  sich  zusammengetan  und  ihn 
hergeschickt,  zu  erfahren,  wo  sie  hin  wollten.  Hätte  der 
Hans  Pfeil  ihm  gesagt,  sie  wären  schon  im  Haufen  und 
hätten  Augustin  Konemunt  und  noch  zween  Briefe  ge- 
bracht, die  lese  man  jetzt,  daß  sie  aufs  Eichsfeld  zu  ihnen 
ziehen  sollten."  —  Der  Haufe  lag  damals  zwischen  Ebe- 
leben und  Schernberg  (S.   185b). 

Über  den  Erfolg  den  diese  dringende  Bitte  der  Eichs- 
felder um  Hilfe  hatte,  die  also  schriftlich  und  mündlich 
kam,  berichtet  Zeuge  (S.  176b):  „Als  der  Haufe  vor  Ebe- 
leben gelegen  und  nach  Nordhausen  habe  ziehen  wollen, 
wären  4  auf  Pferden  geritten  vor  die  Obersten,  Prädikanten 
und  andere,  hetten  sie  gebeten,  daß  sie  ihnen  auf  dem 
Eichsfelde  zu  Hilfe  kämen,  denn  die  Edelleute  wollten 
ihnen  Weib  und  Kind  erstechen.      Darauf  Pfeifer   geredet 

3  tauge    nicht,    daß  man    sie  verderben  ließe,    darauf   die 


48  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Oberen  gesagt,  was  sie  auf  dem  Eichsfelde  suchen  sollten, 
sie  hätten  nicht  Geschütz,  daß  sie  vor  derselben  Schlössern 
bestehen  möchten.  Sagte  der  Pfeifer  :\En  (on,  ohne,  aus- 
genommen) Rustenberg,  so  wollte  er  die.  anderen  Schlösser 
alle  mit  weichen  Käsen  umschießen.  Also  wäre  der  Haufe 
aufs  Eichsfeld  gezogen.  Zeuge  S.  176b  berichtet,  „Pfeifer 
hätte  den  ganzen  Haufen  zusammenberufen.  Gemeine  ge- 
halten und  öffentlich  geredet :  Ihr  lieben  christlichen  Brüder, 
es  sind  da  Leute  vom  Eichsfeld  kommen,  zeigen  an,  daß 
man  ihnen  um  Gottes  willen  zu  Hilfe  komme,  dieweil  je 
billig,  daß  ein  Bruder  dem  andern  helfen  soll  und  nicht 
verlassen.  Da  sprach  der  ganze  Haufe,  ja,  es  wäre  billig, 
daß  ein  christlicher  Bruder  dem  andern  zu  Hilfe  käme,  und 
wären  also  aufs  Eichsfeld  gezogen".  —  Eine  weitere 
Äußerung  Pfeifers  erwähnt  ein  Zeuge  S.  179:  „Als  der 
Haufe  gen  Ebelebon  gekommen,  habe  er  der  Zeit  hören 
sagen,  Pfeifer  hätte  beim  Haufen  ausgerufen,  man  wäre 
willens,  aufs  Eichsfeld  zu  ziehen,  die  Klöster  Reifenstein 
und  Beuren,  die  Hurenhäuser,  zu  vertreiben;  da  soll  der 
ganze  Haufe  „Ja"  geschrieen  haben  und  wäre  also  aufs 
Eichsfeld  gezogen".  Zeuge  S.  177  stimmt  damit  überein, 
gibt  aber  an,  der  weitere  Zug  hätte  auf  Heldrungen  ge- 
richtet sein  sollen,  wie  es  ja  Münzers  Absicht  gewesen 
war,  läßt  den  Allstedter  den  Haufen  im  Ring  versammeln, 
aber  doch  wieder  Pfeifer  jene  bezeichnende  Äußerung  tun, 
die  in  merkwürdiger  Weise  zu  Münzers  großsprecherischen 
Worten  paßt  (vgl.  Heft  1,  S.  44),  Auch  S.  181b  berichtet 
ein  Zeuge,  „Pfeifer  habe  im  Haufen  ausgerufen,  sie  hätten 
Willen,  vor  Heldrungen  zu  ziehen,  aber  dieweil  die 
vom  Eichsfelde  also  bedrängt,  sollte  man  ihnen  zu  Hilfe 
kommen". 

Diese  Gesandtschaft  der  Eichsfelder  hatte  schon  ein 
kleines  Vorspiel  gehabt,  wie  wir  ebenfalls  durch  Zeugen- 
aussagen erfahren.  S.  166b:  „Als. die  auf  dem  Eichsfelde 
hören  sagen,  daß  ein  Haufe  in  Thüringen  gelegen,  haben 
sich  die  Eichsfeldischen  Bauern    auch  gesammelt  und    bei 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  49 

loppenstedt  (Hüpstedt)  gelegen;  haben  sie  zu  ihren  Herrn 
id    Obrigkeit    geschickt,    ob    sie    trauten,    sie    vor    dem 
1  iiringischen    Haufen    zu    verteidigen.      Da   nun    dieselben 
•  rnommen,  daß  ihre  Herrschaft  und  die  Edelleute  geflohen 
A\i  den  Rusteberg),  sei  der  Zeit   unter  demselben  Haufen 
■redet,     daß    man    sollt    zu     dem    thüringischen    Haufen 
iiicken    vor    Ebeleben,     sie    vor    ihrer  Obrigkeit    zu    ver- 
tidigen."      Auch    hier     erscheint    Hans    Gebelhausen     als 
Führer.    —  Zeuge  S.    163b    berichtet:    „Hans  Gebelhausen, 
ins    Hebestreit    und    sonst    noch     einer    —    hätte    eine 
hramme  über  der  Backe  —  wären  zu  ihm  gen  Urbach^) 
_ekommen    und    hätten    zu    ihm    gesagt,     er    sollte    Sturm 
leinten,    denn    die  vom  Adel  erwürgten    auf  dem  Eichsfeld 
Weib  und  Kind,  und  ihnen    zu  Hilfe  kommen.     Darauf  er 
ihm  geantwortet,    er    hätte  keinen  Befehl ;    sie  sollten  zum 
Haufen  zu  Ebeleben  ziehen,  sie  könnten  ihnen  nicht  helfen. 
Darauf   sie    zum  Haufen    geritten."      Das    bestätigt    Zeuge 
Ö.  171:   „Hans  Gebelhausen   und  Hansen   Reußen    habe    er 
gesehen  sammt  etlichen  mehr,  die  er  nicht  gekannt,  daß  sie 
zum  Haufen    nach  Ebeleben    wollten    reiten."     S.  171b  er- 
fahren wir  dann,  „Reusse  und  Gebelhausen  seien  unehelich 
gewesen  und  Pfaffenkinder".     Daß  die  Gesandten  der  Eichs- 
felder Bauern  zu  Pferde  vor  Ebeleben    eintrafen,    bestätigt 
Zeuge  S.  176:    „Wären  4  auf  Pferden  geritten    gekommen 
vor  die  Obersten,  Prädikanten,  und  andere,    hätten  sie  ge- 
beten,   daß  sie  ihnen    auf  dem  Eichsfeld    zu  Hilfe  kämen." 
Dieser  Angriif  der  Adligen  war  aber  erst  als  Antwort 
auf  die  Verwüstungen  der  Bauern  erfolgt:  S.  163b  wird  be- 
richtet :  „er  und  sein  Anhang  und  der  Schlösser  und  Klöster 
Untertanen  hätten  die  Schlösser  und  Klöster  geplündert  und 
verbrannt,    darum  wollten  die  vom  Adel  sie  alle  erwürgen, 
darum  sie  Hilfe  suchen  müßten."     Dieses  erste,  selbständige 
Vorgehen  der  eichsfeldischen  Bauern  ergibt  sich  aus  der  Er- 


1)  Urbach  liegt  auf  schwarzburgischem  Gebiete,   auf  halbem 
Wege  nach  Ebeleben. 

XXII.  4 


50  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Zählung  der  Chronik  (vgl.  oben  S.  41),  die  durch  Äußerungen 
von  Zeugen  Ergänzung  findet.  So  wird  S.  177b  berichtet,  es 
sei  einer  gewesen  zu  Diedorf,  Hans  Thomas  genannt,  unter 
dem  Gericht  zu  Bischofsstein,  der  habe  Briefe  hin  und  wieder 
gesandt,  daß  die  Bauern  im  selben  Gerichte  auf  sein 
sollten;  das  wäre  geschehen;  wiewohl  es  auf  dem  Eichs- 
felde durch  die  Amtleute  und  den  Adel  verboten  bei  Leib 
und  Gut,  nicht  zu  dem  aufrührerischen  Haufen  zu  ziehen, 
so  wären  sie  doch  mit  solchem  seinem  Haufen  zu  dem 
Mühlhäusischen  Haufen  der  Zeit  ausgezogen  und  zu  Görmar 
gelegen  (vgl.  oben  S.  42),  und  seien  die  beiden  Haufen 
ein  Haufe  geworden  und  gleich  darauf  gen  Ebeleben  ge- 
zogen. Auch  Zeuge  S.  178  ist  mit  dem  Haufen  von  Die- 
dorf nach  Görmar  gezogen.  Das  erwähnte  Verbot  des 
Adels  bestätigt  Zeuge  S.  179 :  „Seines  Wissens  sei  noch 
keine  Versammlung  auf  dem  Eichsfelde  gewesen,  denn  sein 
Junker^  Werner  von  Herstall,  habe  den  Seinen  geboten, 
diesem  aufrührerischen  Haufen,  so  schon  zu  Mühlhausen 
ausgezogen,  bei  Leib  und  Gut  nicht  zuzuziehen." 

Derselbe  Zeuge  macht  folgende  wichtige  Angabe:  „Er 
habe  nie  gehört  der  Zeit,  daß  ein  Aufruhr  oder  eine  Ver- 
sammlung auf  dem  Eichsfelde  gewesen,  bis  daß  die 
Prädikanten  zu  Mühlhausen  geschrieben,  ihnen  samt  ihrem 
Anhange  zuzuziehen  —  (doch  wohl  die  Briefe,  die  Hans 
Thomas  aus  Diedorf  umhertrug)  —  und  seien  die  Prädikanten 
zuvor  ausgezogen  sammt  ihrem  Anhange  allenthalben;  dem- 
nach sei  erst  der  eichsfeldische  Haufe  zu  jenem  gen  Görmar 
gekommen."  —  Die  erwähnten  Briefe  bestätigt  Zeuge 
S.  171b:  „wisse  auch  von  keinem  Verbot,  daß  man  sich  der 
Prädikanten  enthalten  solle"  (vgl.  aber  das  Verbot  Werners 
von  Herstall);  „es  hätte  aber  der|  Allstedter  in  alle 
Dörfer  daselbst  herum  geschrieben,  daß  ein  jedes  Dorf  seine 
Anzahl  gerüsteter  schicke  bei  Kopfabhauen ;  also  wären 
15  Mann  zu  Orsla  (Nieder-Orschel)  zum  Haufen  zu  ziehen 
gewählt,  deren  er  einer  gewesen  und  also  ausgezogen; 
wären  noch  15  aus  Orsla  willig   mitgezogen.     Also  hätten 


und  die  VCTwüstung  der  £lIÖ8ter  und  Schlösser.  51 

andere  Dörfer  auf  dem  Eichsfelde  auch  getan."  Ich  erinnere 
an  die  von  mir  abgelehnte  Erzählung  der  Historie  (vgl. 
oben  S.  39) ;  nirgends  wird  aber  hier  ein  persönliches  Ein- 
greifen Pfeifers  erwähnt,  nur  Briefe  der  Prädikanten.  Auch 
Förstemann  (Kl.  Sehr.,  S.  79)  berichtet:  „Hier  (in  Görmar) 
vereinigte  sich  mit  Münzers  Schar  die  eichsfeldische  Rotte 
Pfeifers,  welche  indessen  die  Klöster  Anrode  und  Zelle  und 
die  Edelhöfe  Diedorf  und  Katharinenburg  geplündert  hatte" ; 
ein  Beweis,  daß  Pfeifer  bei  diesen  Plünderungen  gewesen, 
ist  nirgends  geliefert,  vielmehr  kann  er  nach  unserer  Chronik 
gar  nicht  dabei  gewesen  sein. 

Über  die  Plünderung  des  Klosters  Anrode  fand  ich  in 
Akten  i)  des  Dresdener  Staatsarchivs  folgendes  Schreiben,  das 
leider  wenig  Aufklärung  bietet:  „Wir  Elizabeth  Luchtewalt 
eptisten,  Appolonia  Ödester  priorin,  Arndt  luckhart  probst 
sampt  ganczen  convent  gemelts  closter  beclagen  uns,  das  wir 
von  der  negstenn  Vorgängen  auffrur  szo  aus  Molhaußen  gescheen 
und  durch  ihr  gewaltige  handlunge  unser  closter  kirchenn 
und  alle  eyngebew  geplündert  unnd  folgens  abgebrannt 
auch  cleynoth  unnd  hausrath  hynweg  genomen  vnnd  darzu 
ein  gute  anczahl  kom,  gerstenn  hafern  malcz  byr  —  speck 
sampt  anter  proviant'  entfromt,  welchen  obangezeigten 
schaden  auffs  geringst  achten  auff  dritt  halb  tausend  gülden, 
do  mit  obgemelt  closter  inn  vorigen  standt  unnd  weßen 
nicht  zcu  bringen  vermögen."  An  dieser  Zerstörung  waren 
die  Bauern  von  Bickenriede  beteiligt.  (Knieb,  Geschichte  der 
Reformation  und  Gegen-Reformation  auf  dem  Eichsfelde  S.  25, 
nach  dem  Kopialbuch  von  Anrode.)  Entsprechend  lautet  die 
Beschwerde  des  Klosters  Zella :  „Wir  Barbara  Jocuffin  priorin 
unnd  Joeoff  Hencz  probst  des  stiffts  zcune  Zcelle.  Wir 
beclagen  unns  das  wir  inn  der  mutwilligen  emporunge 
durch      die     von     Molhaußen     und      yhr     angeben      unser 


1)  9135  No.  127:  Was  die  von  Mühlhausen  sammt  ihren  An- 
hängern in  der  aufrührerischen  Empörung  den  Stiften  und  Klöstern 
u.  s.  w.  vor  Schaden  gethan  haben.  1525.  S.  9.  u.  f.  Beschedigungen 
der  closter  des  Eysfeldes. 

4* 


52  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

closter  unnd  gotz  haus  gestyrmpt  unnd  geplündert  auch 
alle  ceremonni  und  cleynoth  der  kirchen  unnd  sunst  allen 
hauszrath  geweltiglich  hynweg  genomsn  unnd  vorterblich 
gemacht  sampt  kuwe  schweine  unnd  schaffe  darunder  ent- 
frombt  auch  zwene  teych  abgestochen  unnd  gefischt  sampt 
andre  vorderblichenn  schedenn  zugefügt,  die  in  der  eyle 
nicht  zue  zelen,  welchen  beschedigung  unsers  closters  wir 
auff  das  geringste  auff  vyr  hundert  gülden  achten,  do  mit 
wir  obangezeigt  closter  nit  widder  in  forigen  baw  und 
vorroth  unnd  stand  zcu  bringe  vermögen.  Auch  haben 
wir  eine  freyge  schafftrifft  im  flur  und  dorff  zcu  Pelchte, 
welche  uns  die  von  Molhaußen  in  dieser  geweltiglichen 
emporung  abgedrunge  und  underslangenn  habenn."  Leider 
enthalten  diese  Schreiben  kaum  mehr  als  ein  vor- 
läufig —  doch  wohl  bei  Herzog  Georg  —  eingereichtes 
Protokoll  und  angemeldete  Klagforderung.  Inwieweit  solche 
Beschädigungen  wirklich  die  Bürger  der  Stadt  Mühlhausen 
treffen,  werde  ich  im  Laufe  dieser  Untersuchung  noch 
weiter  erörtern. 

Nach  den  Klagen,  die  später  gegen  sie  erhoben  wurden, 
erhielt  der  Haufe  vor  Ebeleben  Unterstützung  durch  adlige 
Herren.  N.  M.  14,  527  heißt  es,  „Heinrich  von  Schwarz- 
burg habe  seinen  Sohn  Günther  zum  Haufen  gen  Franken- 
hausen  lassen  reiten,  ist  förder  gen  Ebeleben  gezogen  und 
hat  sich  daselbst  dem  Münzer  auch  mit  Pflichten  verwandt 
gemacht,  hat  ihm  Knechte  und  Pferde  zugesichert  aufs 
Eichsfeld  zu  ziehen."  Auch  Ernst  von  Honstein  ist  zu 
Münzer  vor  Ebeleben  geritten. 

Von  Ebeleben  wandte  sich  der  Zug  nun  weiter; 
„da  sind  sie  auf  Keula  und  folgends  nach  Orsla  (Nieder- 
Orschel)  gezogen",  berichtet  die  Chronik,  „da  sind  die  Altesten 
aus  Orsla  gekommen  und  haben  sie  zu  Gaste  gebeten,  denn 
sie  hatten  den  Edelleuten  und  den  Klöstern  alle  Teiche 
abgestochen,  die  Braupfannen  genommen  und  dieselben  voll 
Fische  gesotten,  daß  jedermann  Fische  genug  kriegte."  Nach 
Orsla    war    der  Haufe    ausdrücklich    berufen,    wie   Zeuge 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  53 

-.  164b  zu  erzählen  weiß:  „Als  er  zu  Ebeleben  bei  dem 
I  laufen  gewesen,  seien  auch  7  oder  8  Personen  aus  dem 
Eichsfeld,  die  er  nicht  gekannt,  zu  dem  Haufen  daselbst  zu 
:  'Feifer  und  Münzer  gekommen  und  hätten  gebeten  aufs  Eichs- 
i'ld  zu  ziehen  und  gen  Orsla,  wo  der  Eichsfelder  Haufe  läge, 
u  kommen,  da  wäre  für  sie  gekocht,  wollten  ihnen  Essen 
md  Trinken  geben ;  darauf  der  Haufe  zu  dem  eichsfeldischen 
laufen,  so  vor  Orsla  gelegen,  gezogen."  Die  Nachricht 
-eines  Kommens  zog  ihm  voraus;  Zeuge  S.  171b  berichtet: 
„Über  2  Tage  danach  seien  Gebehausen  und  Reuse  wieder 
zu  ihnen  vor  das  Dorf  Orsla  geritten  und  hätten  zu  ihnen 
und  allen  Nachbarn  zu  Orsla  gesagt :  Freut  euch,  wir  haben 
den  Haufen  zu  Ebeleben  angesprochen,  die  wollen  kommen 
und  uns  frei  machen."  „Von  Orsla  aus  (berichtet  die  Chronik) 
schrieben  Münzer  und  Pfeiffer  in  Heiligenstadt,  man  sollte 
ihnen  aller  Pfaffen  und  Edelleute,  die  sie  Baals  und  Nimrods 
Geschlecht  nannten,  Güter  aus  der  Stadt  geben.  Des  schickte 
der  Rat  vier  Personen  zu  ihnen,  die  um  Bedenkzeit  baten,  aber 
sie  konnten  keine  erlangen,  sondern  sie  zogen  mit  dem  Haufen 
vor  die  Stadt."  Unsere  Akten  bieten  dazu  mancherlei  Er- 
gänzung. Am  genauesten  berichtet  der  Zeuge  S.  149b — 150 
(Iring) :  „Die  Prädikanten  Pfeifer  und  Allstedter  samt 
ihrem  Anhange  hätten  dem  Rat  zu  Heiligenstadt  geschrieben, 
daß  die  von  Heiligenstadt  ihnen,  den  christlichen  Brüdern, 
300  Bürger,  aufs  geschickteste  gewaffnet,  mit  ihrem  besten 
Geschütz  1)  schicken  und  zuziehen  wollten,  darauf  ein  Rat 
sich  bedacht  und  ihn,  Zeugen  (Iring),  Hansen  Oppermann, 
Hansen  Tieffenhart  und  Hansen  Schierbach  verordnet,  zu 
dem  Haufen,  so  der  Zeit  vor  Orsla  gelegen,  zu  reiten,  das 
sie  gethan  und  dieselbe  Schrift  mit  ihnen  genommen,  alles 
mit  Befehl,  mit  dem  aufrührerischen  Haufen  zu  handeln  und 
zu  bitten,  denen  von  Heiligenstadt  4  Wochen  ein  Bedenken 
auf  ihr  Begehren  zu  lassen.  Als  sie  solches  Gewerbe  (vor- 
gebracht) und  im  Haufen  umringt  (wären),  hätten  die  Auf- 


1)  Vgl.  oben  S.  48  Pfeifers  Äußerung  über  Rusteberg. 


54  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

rührerischen  denen  von  Heiligenstadt  keine  Zeit  geben 
wollen,  sondern  begehrt,  der  Geistlichen  und  Edelleute  Güter 
daselbst  ihnen  zuzustellen  und  herauszugeben  und  das  stracks 
haben  wollen,  oder  vor  Heiligenstadt  zu  ziehen.  Hätten  sie 
abermals  4  Tage  Bedenkzeit  erbeten,  solch'  ihre  Antwort 
an  den  Eat  zu  Heiligenstadt  zu  bringen,  was  sie  hätten  gar 
nicht  haben  wollen,  sondern  gesagt  und  gewollt,  die  Gesandten 
sollten  gedenken,  bei  ihnen  zu  bleiben,  so  wollten  sie  gen 
Heiligenstadt  ziehen  und  solche  Güter  der  Geistlichen  und 
Edelleute  selbst  holen,  und  sind  also  auch  mit  dem  Hauien 
Abends  9  Uhr  vor  Heiligenstadt  gekommen." 

Diesen  nach  Heiligenstadt  gesandten  Brief  der  Prädi- 
kanten  bestätigt  der  Zeuge  S.  J  75  :  „Der  Zeit,  als  der  Haufe 
im  Zug  aufs  Eichsfeld  vorhanden  war,  wäre  eine  Schrift 
vom  Haufen  gen  Heiligenstadt  geschickt  worden  ungefähr 
des  Inhaltes,  die  Gemeine  hätte  sich  beklagt,  die  wären  hoch 
von  den  Geistlichen  beschwert,  begehrte,  daß  ein  Rat  ihnen 
wolle  zu  Hülfe  kommen.  Solche  Schrift  sei  öffentlich  vor 
der  Gemeine  verlesen  worden.  Darauf  habe  der  Rat,  Gilde- 
meister und  Gemeine  etliche  aus  ihnen  zum  Haufen  verordnet 
und  geschickt,  die  hätten  den  Haufen  mit  sich  vor  Heiligen- 
stadt gebracht."  Nach  dem  Zeugen  S.  175  „wären  die  Ver- 
ordneten gewesen  Hans  Oppermann,  Engelhardt  Iringk  von 
Rats  wegen,  von  der  Gildemeister  (wegen)  Hans  Tiefenhardt ; 
wer  von  der  Gemeine  wegen  verordnet,  das  wisse  er  nicht". 
Das  müßte  also  Hans  Schlierbach  gewesen  sein,  denn  Zeu^e 
S.  148  berichtet,  „Engelhardt  Iring,  Johann  Opermant,  Hans 
Schlierbach  und  Hans  Tiefenhardt,  diese  vier  und  nicht  mehr 
seien  seines  Wissens  zum  Haufen  verordnet  und  geschickt." 

Jene  Forderung  an  den  Rat  zu  Heiligenstadt,  die  ein 
Brief  der  Prädikanten  aussprach,  der  nach  der  kurzen  Notiz 
ganz  in  Münzers  Stil  abgefaßt  gewesen  zu  sein  scheint,  be- 
stätigt in  auffallender  Übereinstimmung  mit  der  Chronik 
Zeuge  S.  147b :  „Der  aufrührerische  Haufe  habe  der  Zeit  von 
einem  ehrbaren  Rat  in  Heiligenstadt  begehrt,  ihnen  alle 
Priester  und  Edelleute,  die  sie  Baals  und  Nimrods  Geschlecht 


I 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  55 

u;eDannt,  zu  überliefern.  Darauf  ein  Rat  etliche  zu  dem 
aufrührerischen  Haufen  verordnet  dieser  und  keiner  anderen 
Meinung,  denn  sie  zu  bitten,  von  solchem  abzusehen  und, 
wo  sie  etwas  verwirket,  ihnen,  einem  Rate  zu  Heiligenstadt, 
dieselbe  Strafe  anheimzustellen,  denn  ein  Rat  zu  Heiligen- 
stadt (wäre)  samt  und  sonders  gar  nicht  der  Meinung,  die 
geforderten  Geistlichen  und  Edelleute  auf  die  Fleischbank 
zu  liefern."  Danach  ist  Chronik  189  Zeile  6  zu  verbessern.  — 
Diese  Gesandtschaft  des  Rates  zu  Heiligenstadt  wurde  zum 
Teil  auch  wohl  ganz  falsch  aufgefaßt,  so  in  der  Aussage 
des  Zeugen  S.  181b:  „Als  der  Haufe  zu  Orsla  gelegen, 
seien  jaufP  (elf?)  oder  zehn  Personen  zum  Haufen  geritten, 
habe  man  gesagt,  es  seien  die  von  Heiligenstadt,  welche 
gebeten,  zu  ihnen  zu  ziehen  und  eine  Einigung  mit  ihren 
Bürgern  helfen  zu  machen,  darauf  der  Haufe  umgeschlagen 
und  Abends  spät  vor  Heiligenstadt  gekommen."  Nicht  recht 
zu  verstehen  ist  ferner  die  Äußerung  des  Zeugen  S.  182b, 
„die  Zeit  hätte  er  etliche  Personen  beim  Haufen  zu  Orsla 
gesehen,  da  hätte  man  im  Haufen  gesagt,  die  von  Heiligen- 
stadt wären  da  und  wollten  den  Haufen  verhindern,  daß 
er  nicht  gen  Heiligenstadt  sollte  ziehen  ohne  Wissen  derer 
von  Duderstadt".  Auch  erfahren  wir,  daß  die  Boten  von 
Heiligenstadt  ihren  Weg  über  Beuren  nahmen,  S.  169b : 
„die  von  Heiligenstadt,  so  zum  Haufen  verordnet,  seien 
zuvor  zu  ihm  gen  Beuren  gekommen,  vermeinend,  sie 
wollten  den  Haufen  vor  Beuren  finden;  hätten  sie  ihm  ge- 
sagt, sie  wären  abgefertigt  mit  den  Bauern  zu  handeln, 
damit  sie  und  andere  wieder  zum  Frieden  kämen,  und  seien 
also  fort  zum  Haufen  gen  Orsla  zu  geritten,  und  sei  der 
Haufe  gleich  hernach  vor  Heiligenstadt  gezogen." 

Von  Orsla  aus  wird  der  Haufe  vermutlich  seinen 
Marsch  auf  Leinefelde  genommen  haben  und  dann,  der  Leine 
folgend,  am  Fuße  des  Dün  auf  Heiligenstadt  gezogen  sein, 
wo  heute  Chaussee  und  Eisenbahn  führen.  Dabei  erreichte 
er  alsbald  Kloster  Beuren,  über  dessen  Schicksal  mancherlei 
Nachrichten  vorliegen.     In  den  erwähnten  Akten  des  Dres- 


56  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

dener  Archivs  findet  sich  S.  12  ein  Schreiben:  „Zue  wissen 
das  wir  Margaretha  von  Bodenhusen  eptisten,  priorin  mit 
dem  gantzen  conventh  zcu  Buern  ^haben  oberschlagen 
unsers  closters  branth  der  uns  zue  gefügt  ist  von  etzlichen 
des  hauffs  von  Molhusen,  in  welchem  hauffen  der  Alstetter 
und  PfifFer  oberste  hawbtleute  gewest  sind  ^),  geschin  ufi 
dinstag  nach  Misericordia  Domini  (2.  Mai)  anno  MDXXV.  Hier 
nacher  folget  alles  ufs  geringst  gerechnet  und  angeschlogen." 
(Folgt  Verzeichnis.)  In  einem  besonderen  Stück  aus  dem 
Jahre  1531  liegt  vor:  „Der  Syndicus  des  Klosters  Bevern 
klagt  bei  dem  Reichskammergericht  gegen  Bürgermeister, 
Rat  und  Gemeine  zu  Mühlhausen  wegen  Landfriedensbruches 
auf  Schadenersatz  von  2188  Fl."  Aus  der  Klage  hebe  ich 
heraus:  „Erstlich  —  das  die  jetzt  gedachten  von  Muhl- 
hausen  im  jähr  1525  im  monat  Aprilis  sich  zcu  Mulhausen 
in  der  stadt  aus  eignem  furnemen  hauflich  rotirt  zcusamen 
in  aufruhr  gethan  unnd  embort  haben  gemute  und  meynunge 
gegenn  geistlichen  auch  dem  adel  unnd  denn  oberkaiten 
ihres  gefallens  thetlich  handtlung  zcuoben  unnd  furzuuemen. 
Item  das  die  genanten  von  Mulhausen  also  zcur  aufrur  versam- 
let  solchem  irem  thetlichem  vornehmen  —  etliche  hauptleut 
verordent  haben.  Item  das  die  obgemeltenn  von  Mulhausen 
erstlich  in  der  stadt  Mulhausen  etlich  closter  unnd  andere 
gotshauser  mit  thetlicher  ungestymmickeit  überfallen.  Item 
ire  cleynoter  unnd  gezeurde  so  man  zcum  gots  dienst  unnd 
sunst  gebraucht  auch  andere  gutter  gewaltiglich  hinwegk 
genomen  und  entvurt  haben.  Item  das  auch  gemelte  von  Mül- 
hausen  des  ungesettigt  über  solchs  also  vorsamelt  gewapnet 
und  mit  wehrhafter  handt  unnd  mit  der  stadt  Mülhausen  ge- 
schutz  under  auffgerichtem  fliegendem  vhenlein  ausz  ge- 
dachter Stadt  Mülhausen  in  etliche  umbliegende  lande  her- 
schafft unnd  fleckenn  auch  uff  das  Eychsfeldt  dem  ertzstifft 
Mentz     zcustendig    gezcogen     sein.      Item     das    solch    irre 


1)  Daß   sie  das  nicht  gewesen   sind,   der  Haufe   vielmehr  be- 
sondere „Oberste"  hatte,  haben  wir  oben  (S.  46)  gesehen. 


und  die  Venvüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  57 

ciehen  von  einem  ort  zcum  andernn  viel  tage  unnd  gute 
zceit  gewert  hat.  Item  das  sie  sich  auch  zcu  veldt  gelegert 
haben.  Item  das  der  gedachtenn  von  Mulhausen  in  solchem 
irem  zcugk  viel  closter  und  gotshauser  in  obgemelten 
landen  und  herschaften  umb  sie  gelegen  gefallen  sein  und 
dieselbige  mit  gewapenter  handt  geplündert,  inen  ire 
cleinoter  geczirde  allerley  fruchte  unnd  andere  gutter 
genommen  und  sie  derselbigen  beraubt  haben.  Item 
das  sie  gleicher  masse  vieler  vom  adel  der  lande  ire 
hausser  und  wesentliche  wonungen  mit  gewalt  einge- 
nommen, geplündert  und  inen  ire  habe  und  gutter  raublich 
genommen  haben.  Item  das  sie  auch  viel  derselben  closter, 
Schlosser  unnd  heuser  ausgebrandt  verwüstet,  zcerstort  und 
gentzlich  vorheeret  haben.  Item  das  under  andern  jung- 
frawen  clostern  unnd  stifFtern  auff  dem  Eichsfelde  das  ob- 
genante  closter  unnd  stifft  Bewren  langzeit  gelegen  gewest 
ist.  Item  das  die  obgenannten  von  Mulhausen  mit  solchem 
irem  aufrürerischen  hauffen  in  obarticuliertem  iare  im  monat 
3Iai  dornstagk  nach  Sanct  Marci  tag  [27.  April]  mit  ge- 
wapneter  handt  das  nechst  articulirt  closter  gewaltiglich 
eingenommen,  dasselbige  geplündert  des  closters  guter,  so 
sie  in  der  kirche  und  sonst  im  stifft  und  closter  auch  außer- 
halb desselben  fanden  geraubt  und  was  sie  derselben  nit 
verbrannt  hinweg  zu  sich  genommen  haben.  Item  das  sie 
auch  etlich  derselben  und  an  andern  obgemellten  orten 
genommene  guter  gen  Mülhausen  gebracht  und  daselbst 
gebeutht  haben.  Item  das  nachdem  die  churfürsten  und 
fürsten  von  Sachsen  und  Hessen  solcher  aufruhr  halben  die 
Stadt  Mulhausen  mit  gewalt  erobert  haben,  dieselben  fast 
viel  obartikulierter  geraubter  guter  noch  in  der  Stadt  Mul- 
hausen gefunden  worden  seien.  Item  das  btirgermeister 
rat  und  gemeine  zu  Mulhausen  den  churfürsten  und  fürsten 
zu  Sachsen  und  auch  vielen  vom  adel  und  der  ritterschaft 
des  Eichsfeldes  und  sonst  andern  die  scheden  inen  in  solcher 
aufruhr  durch  sie  mit  plündern  nähme  verbrennen  und  Zer- 
störung zugefügt  zum  teil  wiederumb  erstattet,  bezahlt  und 


58  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

derhalben  zufrieden  gestellet  haben."  —  Der  Schaden  wird 
sodann  auf  2188  Gulden  berechnet;  genaues  und  kultur- 
historisch ganz  interessantes  Inventar  der  zerstörten  Gebäude 
und  geraubten  Güter  liegt  vor.  100  Gulden  werden  berechnet 
für  Kirche  und  Turm,  100  für  Bücher,  meistens  Pergament,  und 
Leuchter,  217  Gulden  für  Glocken,  deren  eine  8  Zentner 
schwer  gewesen,  250  Gulden  für  die  Abtei,  Schlafhaus, 
Refektorium  und  2  Häuser  auf  beiden  Seiten,  80  Gulden 
für  Brauhaus  und  Backhaus,  100  Gulden  für  das  neue 
Schafhaus  und  die  Scheuern,  30  Gulden  für  6  Ackerpferde 
und  4  Tüllen  im  dritten  Jahre,  40  Gulden  für  ein  Schock 
Schweine,  große  und  kleine,  90  Gulden  für  300  „Melk- 
schafe" etc. 

Groß  ist,  wie  man  sieht,  die  Zahl  der  „Item",  doch 
wird  es  der  Mühe  wert  sein,  damit  zu  vergleichen,  was  die 
Zeugen  in  unseren  Akten  aussagen.  S.  148b  wird  be- 
richtet :  „Das  Kloster  Beuren  sei  auf  Sonnabend  nach 
Quasimodogeniti  (29.  April)  geplündert  i),  wer  aber  das 
getan,  habe  er  kein  Wissen;  wohl  habe  er  die  Zeit  gehört 
sagen,  es  sollten  das  des  Klosters  eigene  Untertanen  getan 
haben,  aber  folgendes  2)  Dienstags  (2.  Mai),  als  der  große 
Haufe  von  Orsla  davor  gezogen,  sei  es  verbrannt  worden." 
Genaueres  weiß  ein  anderer  Zeuge  (S.  170)  zu  berichten: 
„Zuvor  und  ehe  die  Prädikanten  mit  ihrem  Haufen  auf  das 
Eichsfeld  gezogen,  hätten  des  Klosters  Beuren  eigene  Unter- 
tanen dasselbe  Kloster  geplündert,  alles  darin  gefressen, 
gesoffen  und  zerschlagen,  das  habe  er,  Zeuge,  selbst  gesehen 
und  die  Nachbarn  und  eigene  Leute,  die  es  getan,  gekannt; 
das  sei  Schlössern  und  anderen  Klöstern  auch  von  ihren 
eigenen  Leuten  und  anderen  geschehen  und  also  geplündert, 
das  habe  er  auch  gesehen.  Hernach  aber,  als  der  Prädikanten 
Haufe  von  Orsla  aufgebrochen  und  nach  Heiligenstadt  ge- 
zogen, wären  zwei  auf  einem  Pferde  den  Berg  von  Lengen- 


1)  An  diesem  Tage  zog  der  Mühlhäuser  Haufe  nach  Ebeleben. 

2)  Nach  der  Chronik  erfolgte  an  diesem  Tage  bereits  die  Eück- 
kehr  nach  Mühlhausen,  was  allerdings  nicht  richtig  ist. 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  59 

feld  (Leinefelde)  zum  Kloster  herein  geritten,  als  er  aber  die 
'_'esehen,  hätte  er  zweien  der  Nonnen,  „pfrundtner  mit  namen 
;aid?)  goltman  genennet",  gesagt:  Was  gilts,  die  werden 
das  Kloster  anstecken  ?  Denn  der  Haufe  zieht  daher.  Diese 
zwei  wären  ins  Kloster  geritten  und  erstlich  auf  der 
Nonnen  Schlafhaus  gegangen,  da  noch  Stroh  in  den  Betten 
lag,  das  hätten  die  zwei  alle  angezündet  und  gebrannt. 
Alsbald  kam  der  Haufen  bei  dem  Dorfe  Beuren  her,  und 
liefen  wohl  hundert  Personen  aus  dem  Haufen  auch  ins 
Kloster  und  steckten  die  Scheune  an  und  sind  demnach 
im  Kloster  hin  und  wieder  gelaufen  und  haben  den  ersten 
zweien  geholfen,  das  allenthalben  anzuzünden  und  zu  ver- 
brennen. Das  hätte  er,  Zeuge,  gesehen.  Gleich  alsbald 
habe  er,  Zeuge,  auch  gesehen,  daß  Reifenstein  und  Scharfen- 
stein  die  selbst  auch  gebrannt."  Ein  anderer  Zeuge 
(S.  174),  der  Hofmeister  von  Kloster  Beifenstein  (in 
Hoppenstedt),  berichtet:  „Hätten  der  Zeit  auch  Eichsfelder 
etlich  viel  Schweine  und  Schafe  gen  Hoppenstedt  (Hüpstedt), 
da  er  seine  Wohnung  habe,  gebracht,  die  hätte  er  hören 
sagen,  sie  hättens  aus  dem  Kloster  Beuren  genommen." 

Ob  der  Haufe  von  Orsla  aus  direkt  über  Leinefelde 
auf  Beuren  zog  oder  einen  kleinen  Umweg  über  Reifen- 
stein machte,  etwa  auf  dem  Wege,  wo  heute  die  Chaussee 
zieht,  läßt  sich  nicht  sagen ;  vielleicht  zog  nur  eine  sich 
abtrennende  Schar  dorthin,  jedenfalls  brannten,  wie  wir 
eben  schon  sahen,  beide  Klöster  an  demselben  Tage.  Auch 
über  das  Schicksal  Reifensteins  bieten  unsere  Akten 
mancherlei  Auskunft.  S.  168  erzählt  ein  Zeuge:  „Zuvor 
und  ehe  die  Prädikanten  mit  ihrem  Anhang  auf  das  Eichs- 
feld gekommen,  seien  die  eichsfeldischen  Dörfer  und 
Nachbarn,  um  Reifenstein  gelegen,  nämlich  Hoppenstedt 
(Hüpstedt),  Beberstedt,  Birkungen,  Lenckenfeld  (Leinefeld), 
Zella,  Helmsdorf,  Bernrode  (Gemrode),  Stadtworbis,  Kirch- 
worbis,  Breitenworbis  und  kein  Fremder  in  das  Kloster 
Reifenstein  gefallen,  hätten  gefressen  und  gesoffen  und, 
was  sie  nicht  gesoffen,  die  Böden  ausgeschlagen  und  alles 


60  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

was  im  Kloster  gewesen,  Orgeln  und  anderes,  zerbrochen 
und  mit  Füßen  getreten,  dazu  die  Glocken  zerschlagen  und 
samt  dem  Vieh  hinweggeführt  und  übel  in  diesem  Kloster 
gehandelt,  daß  nichts  dageblieben  wäre.  .  Das  habe  er  als 
der  Zeit  ein  Mönch  im  Kloster  gesehen.  Aber  im  Zuge 
nach  Heiligenstadt,  da  sei  das  Kloster  Reifenstein  gebrannt 
worden."  —  Der  schon  erwähnte  Hofmeister  des  Klosters 
in  Hoppenstedt  sagt  ferner  aus:  „Er  habe  gesehen,  daß 
die  Eichsfelder  das  Kloster  Reifenstein,  ehe  der  Haufe 
dahin  gekommen  3  oder  4  Tage,  geplündert  haben  und 
alle  Dinge  zerschlagen  und  verwüstet;  aber  das  Brennen 
der  Schlösser  und  Klöster  habe  er  gesehen^  als  der  Haufe 
von  Orsla  nach  Heiligenstadt  zu  gezogen;  wer  das  getan, 
hätte  er  nicht  Wissen.  Es  sei  noch  ein  Ziegelhüttlein  da- 
gestanden, sei  ein  Mönch  im  Gerücht  gewesen,  Bernhard 
genannt,  der  soll  es  verbrannt  haben.  Der  Abt  zu  Reifen- 
stein habe  seine  Kleinode,  Kirchengezierde,  Silber,  Bi-ief 
und  Siegel  geflüchtet;  er,  Zeuge,  habe  es  mit  3  Wagen  gen 
Heiligenstadt  helfen  führen."  S.  141  sagt  der  Zeuge:  „Als 
das  Kloster  zu  Reifenstein  angebrannt,  sei  der  Abt  und  er, 
Zeuge,  auf  Rustenberg  zur  Erhaltung  ihres  Leibes  und 
Nahrung  geflohen,  auf  welchem  Schloß  die  Edelleute  auf 
dem  Eichsfeld  versammelt  gewesen,  und  wäre  Hans  von 
Minnigerode  derselben  Versammelten  Hauptmann  gewesen." 
Das  bestätigt  Zeuge  S.  169 :  „Der  Abt  zu  Reifenstein  habe 
des  Klosters  Kleinode,  Kirchengezierde,  dergleichen  Brief 
und  Siegel  gen  Heiligenstadt  geflüchtet,  er  habe  es  helfen 
einpacken  samt  anderen  Mönchen  im  Kloster;  seien  2  Wagen 
voll  gewesen."  Zeuge  S.  180  gibt  an:  „Zuvor  der  Haufe 
gezogen,  habe  er  von  etlichen  von  Hoppenstedt  gehört,  daß 
sie  sollten  die  Glocken  zu  Reifenstein  aus  dem.  Kloster 
genommen,  zerschlagen  und  Büchsen  daraus  gegossen  haben. 
Auch  wären  der  Zeit  etliche  Bauern  von  Beberstedt  zu 
ihm  gekommen,  hätten  viel  Eisens  gebracht  und  ihm  zum 
Kaufe  zum  Teil  gegeben,  hätte  er  ihnen  gesagt,  das  Eisen 
wäre  zu  Reifenstein    aus    dem   Kloster    genommen,    darauf 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  ßj 

io  bekannt,  sie  hätten  daselbst  genommen  und  geplündert, 
aid  im  Zuge  auf  das  Eichsfeld  nach  Heiligenstadt  zu,  ehe 
er   Haufe    hinan    kommen,    hätten  Schlösser    und    Klöster 
ibrannt."  —  S.  182b  wird  ausgesagt:    „Hätte    einer   eine 
;emliche  Glocke,  die  in  3  Stücke  geschlagen,  samt  anderem 
^irchengezeuge    mit  ihnen  gen  Hoppenstedt    gebracht,    da- 
rbst auf  einen  Anger  gelegt  und  das  mit  anderen  geteilt. 
's  hätte    auch    einer    derselben    eine    ziemliche  Pfeife    aus 
r  Orgel  zu  Reifenstein  gehabt  und  vorher  gepfiffen,  und 
ien    nach    der  Teilung    gen  Mühlhausen    gekommen    und 
hätten   die  Glocke  um  Handrohr  verwechselt,   das   habe  er 
-f'sehen."  —  Zeuge  S.  141  berichtet :  „Es  haben  einige  von 
irkungen     dem    Abt    zu    Reifenstein    gesagt,     daß    Hans 
L'reutzeburg  und  ein  Zimmermann,    beide  Bürger  zu  Mühl- 
hausen, die  hätten  das  Kloster  Reifenstein  angesteckt  und  aus- 
gebrannt." —  Der  Zeuge  S.  145b  „hat  solches  von  Michel 
dem  Zimmermann,  so  der  Zeit,  ehe  er  das  Kloster  Reifen- 
stein angezündet,    bei    einem  zu  Stadtworbis,   Hans  Demut, 
gedient,  gehört  sagen,  als  er  und  andere  im  Kloster  nichts 
gefunden,  und  es  geplündert  gewesen,  hat  er  Feuer  geholt 
und  das  Kloster  angezündet  und  verbrennen  lassen".  Auch 
unsere  Chronik    erzählt:    „ —  wie    auch    einer    das  Kloster 
Reifenstein,    Michel  Zimmermann  genannt,    angesteckt    und 
das  Feuer    zu  Bartlof   dazu  geholet   hatte."     Zeuge  S.  167 
sagt    aus,    „er    könne  nicht    glauben,    daß   Reifenstein    vor 
3  Tagen  vor  dem  Zuge  verbrannt,  sondern  im  Zuge  sei  es 
verbrannt  worden,  das  habe  er  gesehen".  —  Über  die  Zeit 
dieses    Brandes    gibt    Zeuge  S.   170b    an:    „Gleich    alsbald 
als  Beuren  gebrannt,  hat  er  gesehen,  daß  Reifenstein  auch 
gebrannt."     Das   läßt   noch   mehr   vermuten,    daß    nur  eine 
Abteilung  nach  dem  etwas  seitab  gelegenen  Reifenstein  zog, 
nicht  der  ganze  Haufe. 

In  jenen  Dresdener  Akten  liegt  nun  auch  die  Be- 
schwerde vor,  mit  der  der  Abt  von  Reifenstein  seinen 
Schaden  anmeldete :  „Wir  Matthes  abt  des  stiffts  zu 
Reiffenstein  beclagen  unns  sampt  unserem  convent,  das  unns 


62  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

in  der  ietzigenn  vergangenen  aufFruhr  unsre  kirchenn  sampt 
anderen  ubir  zenn  (?  subiczenn  17  ?)  gebeuwen  groß  unnd 
cleyn  in  grundt  vorterbt  unnd  vorbrandt,  daczu  alle  alteren 
unnd  alle  geschmeyde,  messegewandt,  altartücher,  leuchter, 
orgeln  nidergescblagen  unnd  hynweg  genommen,  das  wir 
ufFs  wenigst  achtenn  auf  dritthalb  tausend  gülden ,  do 
mit  wir  solch  gebew  unnd  vorrot  nicht  getrauwen  mit 
auffzurichten  oder  in  vorigen  stant  widder  zu  bringen. 
Auch  sind  unns  fünft'  teiche  ausgestochen  unnd  gefischt, 
welchen  schaden  wir  achten  uuifs  wenigst  auif  drey  hundert 
gülden.  Es  haben  uns  auch  die  menner  zu  Lengefeldt  im 
Molschen  gericht  unser  schaif  entfrempt,  die  sie  noch  bey 
sich  haben  unnd  die  woln  abgenommen  und  der  selbigen 
etlich  geschlacht,  welchen  schaden  wir  achten  uff  sechzigk 
gülden. 

Note.  Es  haben  die  vonn  Molhaußen  sampt  dem  mut- 
willige anhange  vonn  Glichisteyn  hundert  drey  stücke 
rinth  vyhes,  darunder  fuffzig  funff  milchkuwe  sampt  virzigk 
acht  rinder  gewest  ungeverlich  im  andre  unnd  dryhundert 
unnd  zwelff  zeigen  on  einige  fede  unnd  verwarnunge  ge- 
nommen und  ubir  Molhaußen  getriben,  welch  ich  der  vogt  ^) 
gemelts  schloß  zum  Glichensteyn  vor  mich  außerhalb  meins 
gnedigsten  hern  vonn  Mentz  churfursten  oder  andere  (?) 
eh.  f.  g.  rethe  oder  amptman  des  Eysfeldes  beuelich  nicht 
angezeigt  haben  wyl,  sundern  vor  mich  E.  f.  f.  g.  ver- 
ordnethen  rethen  untirthenig  angezeigt  haben.  Von  obge- 
melter  vyhe  hab  ich  von  den  Molhaußen  acht  melcke  kuw 
unnd  ein  rind  widder  krigen." 

Gegenüber  von  Kloster  Beuren  erhob  sich  auf  dem 
Abhänge  des  Dün  Schloß  Scharfenstein,  das  an  jenem  Tage 
gleiches  Geschick  mit  ihm  teilte.  Ein  Zeuge  (S.  183)  er- 
zählt: „Als  der  Haufe  von  Orsla  aufgebrochen  und  nach 
Heiligenstadt  gezogen,  wäre  er  und  wohl  60  Männer  mit 
ihm  von  dem  Haufen  auf  das  Schloß  Scharfenstein  gegangen, 


1)  Matthes  Hunebom. 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  63 

hätten  sie  nichts  mehr  da  oben  gefunden,  weder  Essen 
noch  Trinken,  denn  ein  wenig  Korn,  noch  nicht  ausge- 
droschen; hätte  er  gesehen,  daß  es  die  Nachbarn  unten  im 
Dorf  genommen  und  geteilt  hätten,  wären  er  und  die  mit 
ihm  wieder  hinweggegangen  und  gen  Heiligenstadt  mit 
dem  Haufen  gezogen.  Alsbald  sie  also  herabgekommen, 
hätte  er  gesehen  das  Feuer  um  das  Schloß  samt  andern 
Schlössern  und  Klöstern  brennen.  Wer  nun  die  Schlösser 
und  Klöster  angesteckt  habe,  davon  habe  er  gar  kein 
Wissen."  —  Daneben  stelle  ich  das  Zeugnis  S.  167 :  „Zuvor 
und  ehe  die  Prädikanten  aufs  Eichsfeld  gen  Heiligenstadt 
zu  gezogen,  seien  durch  die  Eichsfelder  Scharfenstein, 
Horburg ,  Reifenstein ,  Kloster  Worbis ,  Beuren  und 
Teistungenburg  geplündert  worden.  Aber  als  der  Haufe 
im  Zug  gen  Heiligenstadt  zu  gezogen,  seien  vorgemeldete 
Schlösser  und  Klöster  gebrannt  worden,  wer  aber  das 
Brennen  gethan,  weiß  er  nicht.  Und  er,  Zeuge,  habe  ge- 
sehen, daß  die  Eichsfelder  die  Schlösser  und  Klöster  ge- 
plündert haben,"  —  Auch  über  den  Brand  des  Schlosses 
erfahren  wir  näheres.  Zeuge  S,  166b  erzählt:  „Da  man  mit 
dem  Haufen  bei  Beuren  gekommen,  hätte  der  Pfeifer,  der 
auf  einem  kleinen  Pferdlein  (gesessen)  voller  Schellen  ge- 
hangen, mit  der  Hand  gedeutet  auf  Scharfenstein  i)  und 
gesagt :  „Seht  ihr  dort  das  Dinglein  ?'•  Scharfenstein 
meinend,  und  schwieg  damit.  „Neher"  denn  ^/g  Stunde 
hätte  das  Schloß  in  alle  Höhe  gebrannt,  das  hätte  er,  Zeuge, 
selbst  gesehen  und  gehört.  Wer  aber  die  Klöster  und 
das  Schloß  angeaündet  und  geplündert,  davon  habe  er  nicht 
Wissens."  —  Auch  diese  letzte  Frage  läßt  sich  beantworten 
nach  dem  Zeugnis  S,  188:  „sie  hätten  —  danach  die 
4  Klöster,  auch  das  Schloß  Scharfenstein  und  Horburg 
durch  ihre  verordneten  Brandmeister,  nämlich  Hans  Hern, 
Glasen  Frosch,  Christoffel  Schmidt  und  Tiel  Guttem  aus- 
gebrannt   und    geplündert",     Zeuge    S,    190    bestätigt    die 

1)  Wir  erinnern  uns,  daß  er  auf  diesem  Schlosse  bei  dem  Junker 
Hans  V,  Enzenberg  gewohnt  hatte.    Heft  1,  S,  5. 


64  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Namen  dieser  Brandmeister  (Hans  Heer),  desgl.  S.  134 
(Glasen  Krosch), 

Der  „Dialogus  oder  Gesprächbüchlein  zwischen  einem 
Müntzerischen  Schwärmer  und  einem  Evangelischen  frommen 
Bauern"  weiß  noch  mehr  zu  berichten  (Duval,  Das  Eichsfeld, 
S.  232) .  „Da  wir  vor  den  Scharfenstein  kamen,  war  die 
Zugbrücke  aufgezogen,  und  war  niemand  darin.  Da  stiegen 
wir  hinein  über  die  Gräben  und  über  die  Mauern  und 
kamen  in  einen  Weinkeller,  da  dürstete  uns  sehr,  fanden 
darin  wohl  20  Faß  Wein,  der  war  gar  vergiftet,  und 
tranken  etliche  eilends  davon  und  starben  unter  unseren 
Händen.  Da  wir  das  sahen,  nahmen  wir  Messer  und 
Hellebarten  und  hieben  die  Eässer  zu  Stücken  und  ließen 
den  Wein  in  den  Keller  laufen ;  wir  nahmen  Schafe,  fraßen 
sie  zum  Teil  und  die  andern  verkauften  wir,  das  Stück  zu 
5  Groschen.  Der  mehrste  Raub  wurde  dem  Rat  überliefert, 
um  im  Fall  der  Not  etwas  zu  haben."  Diese  Giftgeschichte, 
die  Duval  aus  Wolf,  Denkwürdigkeiten  der  Stadt  Worbis, 
S.  96  entlehnte,  verdient  natürlich  nicht  mehr  Glauben  als 
andere  ähnlicher  Art;  schon  Wolf  spricht  sein  Be- 
denken aus  (vgl.  SeidemanU;  Thomas  Münzer  S.  75). 

Auf  halbem  Wege  zwischen  Scharfenstein  und  Heiligen- 
stadt liegt  Westhausen;  da  „der  frawen  von  Westhusen" 
57  1/2  El.  Ersatz  gezahlt  werden  mußten  (Chronik,  S.  209), 
so  muß  auch  dort  eine  Plünderung  stattgefunden  haben, 
über  die  ich  Weiteres  nicht  nachweisen  kann,  als  daß  ich'in 
den  Dresdener  Akten  die  Forderung  fand  von  „Ursula 
Reinharth  von  Westhusen  selig  Wittfrau", 

Besondere  Mühe  gab  man  sich  in  den  hier  benutzten 
Akten,  festzustellen  was  vor  und  in  Heiligenstadt  geschehen 
ist,  leider  ohne  uns  einen  sicheren  Einblick  in  die  Ereig- 
nisse zu  gewähren.  So  wurde  bestimmt  (S.  144):  „Bei 
dem  XX.  und  XXI.  Punkte  soll  gefragt  werden,  ob  nicht 
die  von  Mühlhausen  die  Stadt  Heiligenstadt  bei  nächtlicher 
Weile  überfallen  und  unversehens  erobert,  eingenommen 
und  also  mit  Gewalt  gehandelt  haben.    Item,  ob  Zeuge  nicht 


I 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  §5 

ehört  habe  oder  sonst  wisse,  daß  der  Rat  zu  Heiligenstadt 
mit  ihnen  eines  füglichen  Abzuges  halber  Sprache  und  Unter- 
handlung gehabt.  Item  ob  nicht  Allstedter,  als  die  Stadt 
erobert,  sich  selbst  in  die  Kirche  gedrängt,  nur  einmal  un- 
geheißen des  Befehls  eines  Rates  und  sonst  keiner  mehr 
gepredigt  hat,"  Es  fällt  auf,  daß  von  diesen  Ereignissen 
keine  sichere  Kunde  vorlag,  über  die  sich  aus  den  Zeugen- 
aussagen folgendes  ergibt.  S.  150b  wird  erzählt:  „Als 
der  aufrührerische  Haufe  vor  Heiligenstadt  gekommen,  sei 
Pfeifer  samt  dem  Hauptmann  Jost  Hamwurg  (Homberg) 
des  Nachts  zwischen  10  und  11  Uhr  eingelassen,  desgleichen 
sei  der  Allstedter  des  Morgens  an  einem  Mittwoch  nach 
Walpurgis  (3.  Mai)  auch  eingekommen,  habe  nicht  ver- 
nommen, daß  sie  bei  einem  Rate  zu  Heiligenstadt  will- 
kommen oder  empfangen  worden  seien."  Eine  um  8  Tage 
abweichende  Angabe  des  Tages  bietet  Zeuge  S.  148:  „All- 
stedter sei  mit  dem  gewaltigen  Haufen  vor  die  Stadt 
Heiligenstadt  Dienstags  nach  Quasimodogeniti  (25.  April) 
gegen  Abend  gekonjmen,  sich  davor  gelagert,  folgenden 
Mittwoch  morgens  in  die  Stadt  vor  den  Rat  daselbst  ge- 
treten." Aus  beiden  Aussagen  ergibt  sich,  daß  der  Haufe 
Dienstag  abends  vor  Heiligenstadt  eintraf;  da  der  Zug  erst 
Sonnabend,  29.  April,  sich  nach  Ebeleben  wandte,  so  kann  das 
nur  Dienstag,  2.  Mai  ^),  gewesen  sein.  Wenn  dann  unsere 
Chronik  (S.  189)  berichtet:  „Da  wurden  die  Prädikanten 
vor  den  Rat  gelassen,  und  begehrte  Münzer,  einen  Sennou 
zu  tun,  der  ist  ihm  verstattet  worden  in  der  Kirche 
Mariae",  so  wird  das  durch  die  Zeugen  bestätigt.  So  er- 
zählt Zeuge  S.  148:  „Allstedter  sei  vor  den  Rat  daselbst 
getreten  und  habe  begehrt,  einen  Sermon  zu  tun;  das  habe 
ein  Rat  mit  großer  Beschwerde  zulassen  müssen."  Ge- 
naueres berichtet  Zeuge  S.  149 :  „Als  der  aufrührerische 
Haufe  sich  vor  Heiligenstadt  gelegt,  sei  Allstedter  an  einem 


1)  Also   ist  die  Angabe  unserer  Chronik,   der  Haufe  sei  an 
diesem  Tage  nach  Mühlhausen  zurückgekehrt,  nicht  richtig. 
XXII.  5 


6ß  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Morgen  auf  das  Rathaus  vor  den  Rat  gekommen  und  habe 
begehrt,  ihm  zu  vergönnen,    das  Wort  Gottes  zu  prediget 
darauf   habe    ihm    der  Rat    sagen    lassen,    sie    erlaubten  ei 
nicht,    so    verböten    sie    es  ihm  auch  nicht.     Darauf  ist  erjj 
Allstedter,    aufgestanden    und    hat  in  Unser  Frauen  Kirch« 
einmal   geprediget."     Ahnlich  erzählt  Zeuge  S.  152:     „AI 
die  Prädikanten  und  der  Haufe  gen  Heiligenstadt  gekommen,! 
sind    des    anderen    Tages  Pfeifer    und  Allstedter    mit  Per- 
sonen, deren  er,  Zeuge,  einer  gewesen,  eingelassen;  sind  die 
Prädikanten  mit  einander  auf  das  Rathaus  gegangen,  haben 
ein  Gespräch   gehabt,    was    dasselbe  gewesen,   sei  ihm  ver- 
borgen." Münzers  Predigt  bestätigt  der  Zeuge  S.  1 50b :  „All- 
stedter habe  zu  Heiligenstadt  in  der  Pfarrkirche  zu  Unser 
L.  Frauen  geprediget,  wer  es  aber  erlaubt  und  zugelassen, 
wisse    er  nicht."     Auch  Zeuge  S.  16b  sagt  aus:     „Münzer 
habe  zu  Heiligenstadt  geprediget,  das  habe  er  gehört",  und 
Zeuge    S.    148b:      „Allstedter    habe    dem    Rate    angezeigt, 
ihm    zu   vergönnen,    eine  Predigt  zu  halten;    das  haben  sie 
gestattet."      Ferner    verdanke    ich    H.    Pfarrer    Nebelsieck 
noch    folgende   Aussagen    aus    Mühlhäuser  Akten:    Bürger- 
meister Strecker  (von  Heiligenstadt) :    „Es  hätte  mit  großer 
Beschwerde  zugelassen  werden  müssen"   (daß  Münzer  in  der 
Marienkirche     predigte).      Hans     Hersch ,     Verweser     des 
Schultheißenamtes  in  Heiligenstadt,  sagte  aus,  der  Rat  habe 
Münzer  sagen  lassen,    „sie  erlauben  es  yhm   nicht,    so  ver- 
bietten  sie   ihme  es  nicht";    darauf   habe   er  einmal  in 'der 
Marienkirche  gepredigt.     Diese  Nachrichten  lauten    so    be- 
stimmt, daß  andere  dahinter  zurücktreten  müssen,  wie  die  Aus- 
sage S.  146:     „Seines  Wissens  seien  Pfeifer  und  Allstedtej 
von  einem  Rat  zu  Heiligenstadt  gar  nicht  empfangen,    vie 
weniger  sei  ein  Gespräch  mit  ihnen  gehalten,  denn  ein  Ra^ 
hätte   wohl    leiden   mögen,    daß    sie   gar   nicht   zu  ihm  ge 
kommen    wären",    oder    S.  149:      „daß    ein    Rat    dieselbel 
empfangen    oder   ein    heimlich  Gespräch    mit  ihnen  gehabt 
oder  gefordert,  das  glaube  er  nicht." 

Von    einer  feindlichen  Behandlung  der  Stadt  ist  kein^ 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  67 

Rede;  der  Haufe  blieb  vor  den  Mauern  liegen,  nur  wenige 
wurden  eingelassen.  Zeuge  S.  148b  sagt  ausdrücklich: 
„Heiligenstadt  sei  nicht  mit  Gewalt  erobert",  ein  anderer 
S.  146b:  „Darauf  soll  auch  der  Haufe  abgezogen  sein 
und  die  von  Heiligenstadt  nicht  viel  beschädigt  haben", 
endlich  S.  152:  „Der  Haufe  sei  zu  Heiligenstadt  gekommen 
und  draußen  geblieben,  bis  sie  wieder  weggezogen  seien; 
er  wisse  von  keiner  Eroberung."  Daneben  ist  die  Angabe 
S.  134,  der  Haufe  habe  „bei  nächtlicher  Weile  Heiligen- 
stadt eingenommen",  ohne  Bedeutung.  —  Daß  die  Prä- 
dikanten  eingelassen  wurden ,  berichten  ganz  genau  fol- 
gende Zeugen,  S.  165:  „Er  sei  mit  Pfeifer  und  anderen  an 
einem  Abend  spät  in  Heiligenstadt  eingelassen  und  in  die 
Herberge  gekommen ;  wäre  der  Pfeifer  mit  etlichen  Bürgern 
—  wer  die  gewesen,  wisse  er  nicht  —  hinweggegangen 
und  bald  wiedergekommen,  wäre  das  Essen  bereit  gewesen, 
hätten  sie  gegessen  und  getrunken  und  seien  fröhlich  ge- 
wesen. Auch  hätten  die  von  Heiligenstadt  ihnen  2  Faß 
Eimbeckisch  und  Heiligenstädter  Bier  in  die  Herberge 
führen  lassen,  das  sie  getrunken.  Den  andern  Morgen  seien 
sie  wieder  herausgeritten."  Ein  ebenso  guter  Zeuge  be- 
richtet S.  166:  „Die  2  Prädikanten  seien  gen  Heiligenstadt 
an  einem  Abend  eingelassen,  er  sei  mit  geritten  und  in 
die  Herberge,  des  Bürgermeisters  Listemann  Haus,  gewiesen, 
habe  da  gegessen,  getrunken,  sei  2  Nächte  geblieben." 
Zeuge  S.  175  weiß  dann  noch  anzugeben :  „Die  Prädikanten 
wären  ungefähr  mit  30  Pferden  eingelassen  und  der  Wein 
geschenkt."  Wenn  Zeuge  S.  148b  berichtet :  „Anders 
oder  weiter  sei  nicht  mit  ihnen  gehandelt,  denn  daß  der 
Haufe  denen  von  Heiligenstadt  (gegen)  Geistliche  und 
Adelspersonen,  wo  sie  etwas  verwirkt,  ihnen  die  Strafe 
heimstelle ;  das  sei  also  geschehen,  und  der  Haufe  dar- 
auf wieder  abgezogen"  —  so  ist  das  vielleicht  nur  eine 
Erinnerung  an  den  oben  erwähnten  Brief  (S.  54),  wenn  es 
natürlich  auch  möglich  ist,  daß  jene  Forderung  nochmals 
mündlich  erörtert  wurde. 

6* 


68  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Vor  Heiligenstadt  erhielt  der  Haufe  Verstärkung] 
und  Verpflegung.  Zeuge  S.  146b  berichtet:  „Er  habe 
einen  Haufen  der  Zeit  sehen  ziehen^  den  Reiser  Grund  1 
nach  Heiligenstadt;  habe  man  gesagt,  es  seien  etliche  von| 
Mühlhausen  zu  Fuß  und  Roß  darunter.'*  — Andere  hatten  sich 
wohl  schon  früher  angeschlossen;  S.  177b  wird  berichtet 
„Wäre  ein  Haufe  Eichsfelder  zwischen  Zaunröden  und 
Orsla  zu  dem  Haufen  von  Mühlhausen  gekommen,  und 
wären  als  beide  Haufen  auf  Heiligenstadt  gezogen."  Der 
Zeuge  S.  154b  gibt  an,  „er  habe  9  Fässer  Bier  in  das 
Lager  vor  Heiligenstadt  geführt,  das  sei  ihm  durch  die 
Bauern  ausgetrunken,  und  nicht  viel  dafür  gegeben  worden". 
Auch  Zeuge  S.  159b  berichtet,  „er  habe  Bier  gen  Heiligen- 
stadt geführt,  das  hätten  ihm  etliche  Bürger  geheißen, 
nämlich  Michael  Koth  (was  doch  sicher  Koch  heißen  soll) 
und  Dietrich  Weißmüller,  Goldschmidt",  also  2  der  Acht- 
männer (Chronik,  S.  173).  Zeuge  S.  159b  erzählt,  ,,der 
Haufe  habe  vor  Heiligenstadt  gelegen ;  er,  Zeuge,  habe  einen 
Wagen  und  2  Karren  Brod  ins  Lager  geführt,  auf  des 
ewigen  Rats  Befehl".  S.  131  wird  dann  angegeben,  es 
seien  2  Viertelsmeister,  die  des  neuen  Regiments  gewesen, 
mitgezogen,  mit  Namen  Hans  Schmidt  und  Klaus  Fulstich. 
Diese  beiden  finden  wir  bereits  in  der  Liste  der  Acht- 
männer des  Jahres  1523  (Chronik  S.  173);  sie  müssen  also 
auch  1525  dies  Amt  bekleidet  haben,  denn  mit  dem  „neuen 
Regiment"  wird  der  ewige  Rat  bezeichnet;  ähnlich  heißt 
es  Zur  Gesch.  d.  Stadt  Mühlhausen,  Heft  3,  S.  24  „des 
newen  Radts  achtmann".  Georg  Pfeifer  sagte  aus  (Heft  1 
S.  24):  „Als  die  von  Mühlhausen  ausgezogen  seien  vor 
Ebeleben,  Schlotheim  und  andere  Flecken  in  der  Fürsten 
Lande,  die  Schlösser  zu  stürmen,  da  ist  Reinhard  Lamhart 
ein  Kriegsmeister  und  Bock,  jetzt  ein  Ratsherr  zu  Mühl- 
hausen, auf  die  Zeit  ein  Rottmeister  gewesen."  Lamhart 
ist  aus  dem  Bauernliede  (Chronik  S.  224)  bekannt ;  Bock 
ist  vielleicht  Heinrich  Boy  in  der  Liste  Chronik  S.  197. 
Dem  Einfluß    dieser  Männer    wird    es    auch    zuzuschreiben 


und  die  Verwüstimg  der  Klöster  und  Schlösser.  59 

sein,  daß  Geschütz  dem  Haufen  zur  Verfügung  stand, 
wenigstens  sagt  Hans  Ditmar  aus  (S.  69 — 61),  „Michael 
Koch,  ebenfalls  einer  der  Achtmänner,  habe  ihn  im  Lärm 
erstechen  wollen,  daß  er  die  Büchsen  nicht  habe  führen 
wollen";  ferner  „er  habe  aus  Gehorsam  die  Büchsen  nach 
Heiligenstadt,  Ebeleben  und  Schlotheim  geführt"  (als  Fuhr- 
mann); „er  sei  also  an  dif  Büchsen  gebunden  gewesen", 
daß  er  nicht  habe  plündern  können. 

Was  in  Heiligenstadt  damals  geschehen,  ist,  so  viel 
ich  weiß,  bisher  nicht  genauer  bekannt  geworden.  Wolf, 
Eichsfelder  Kirchengeschichte,  S.  148  weiß  zu  berichten: 
„Nach  ihrer  Ankunft  zu  Heiligenstadt  mußte  sich  der  Rat 
versammeln  und  ihren  Vortrag  anhören,  der  hauptsächlich, 
wie  es  scheint,  dahin  ging,  den  bisherigen  Gottesdienst  zu 
ändern,  die  alten  Zeremonien  abzuschaffen  und  den  Stifts- 
geistlichen ihre  Privilegien  zu  nehmen.  Nicht  genug 
damit,  Münzer  ließ  sich  nach  geendigtem  Ratssitze  eine 
Kanzel  auf  dem  Kirchhofe  u.  1.  Frau  errichten  und  hielt 
nach  seiner  Bibel  eine  Predigt,  nicht  ohne  heftige  Rührung 
der  zuhörenden  Bürger  und  Bauern.  Denn  von  dem  Kirch- 
hofe liefen  sie  auf  das  Stift,  fielen  wütend  in  die  Curien, 
raubten  das  Hausgerät,  zerschlugen  die  Braupfanne  und 
schleppten  aus  der  Kirche  die  Kleinodien  mit  sich  fort." 
Auch  in  seiner  Geschichte  von  Heiligenstadt  S.  55  be- 
richtet er  nicht  mehr.  Es  fällt  auf,  daß  die  Zeugen  in 
unseren  Akten  Münzer  in  der  Liebfrauenkirche  predigen 
lassen,  von  einer  Predigt  auf  dem  Kirchhofe  nichts  er- 
wähnen. War  der  Zudrang  so  stark,  daß  die  Kirche 
nicht  ausreichte?  Oder  ist  mit  Absicht  eine  Änderung  in 
der  Überlieferung  eingetreten  ?  Vermutlich  wird  sich  in 
Heiligenstadt  Genaueres  feststellen  lassen.  Die  von  Wolf 
erwähnten  Bauern  gehörten  jedenfalls  nicht  zum  Haufen, 
dem  ja  die  Tore  geschlossen  blieben ;  Wolf  freilich  scheint 
angenommen  zu  haben,  der  Haufe  sei  in  die  Stadt  ge- 
drungen. Wichtig  ist  die  von  ihm  (Politische  Geschichte 
des  Eichsfeldes  II,  Ürk.-Buch  S.  74)  veröffentlichte  Urkunde : 


70  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

„Wie  sich  die  von  Heiligenstadt  ihrer  Empörung  halber 
verschrieben  haben.  Wir  burgermeister,  rat  und  gemeinheitj 
der  Stadt  Heiligenstadt  bekennen  .  .  \  ,  nachdem  als  die 
aufrührige  bauernschafift  des  Eichßfeldes  verschienener  weil 
anher  in  diese  stadt  sich  begeben  und  davor  gelagert,  und] 
wir  wieder  dieselben  wie  feind  uns  nit,  sondern  freundlich 
gehalten,  dadurch  zwischen  uns  allen  derselbigen  aufruhr 
und  empörung  in  dieser  stadt  sich  erhebet  und  erstanden 
ist"  etc.  Zu  beachten  ist,  daß  hier  nur  die  Bauernschaft 
des  Eichsfeldes  erwähnt  wird ;  von  Pfeifer  und  Münzer 
oder  ihrem  Haufen  ist  keine  Rede. 

Knieb  (Gesch.  der  Reformation  und  Gegenreformation  auf 
dem  Eichsfelde,  S.  23)  berichtet  (nach  Wolf) :  „Treulos  öffneten 
die  Bürger  die  Tore.  Auf  Geheiß  Münzers  und  Pfeifers  mußte 
der  Rat  zusammentreten  und  deren  Forderungen  entgegen- 
nehmen, die  wahrscheinlich  auf  Abänderung  des  bisherigen 
Gottesdienstes,  Abschaffung  der  alten  Ceremonien  und  Privi- 
legien der  alten  Stiftsherren  lauteten.  Darauf  hielt  Münzer 
auf  dem  Kirchhofe  bei  der  Liebfrauenkirche  eine  seiner 
gewohnten  Brandreden  mit  dem  Erfolge,  daß  die  Zuhörer 
sofort  die  Häuser  der  Stiftsherren  und  die  Kirchen  erstürmten 
und  plünderten,  die  Braupfannen  zerschlugen,  die  Privilegien- 
briefe der  Stiftsherren  wegnahmen  und  letztere  zu  allen 
öffentlichen  Lasten  zwangen."  Vergebens  habe  ich  nach 
der  Quelle  dieser  Angaben  geforscht,  halte  es  auch  für 
keinen  Beweis,  wenn  noch  1564  ein  steinerner  Predigtstuhl 
auf  dem  erwähnten  Kirchhofe  stand;  hätte  den  Münzer  be- 
nutzt, so  dürfte  man  eher  annehmen,  daß  man  ihn  eben 
deswegen  bald  entfernt  haben  würde.  Ebenso  vermisse  ich 
eine  Begründung  für  die  von  Knieb  aus  Janssen  II,  S.  524 
übernommene  Angabe,  daß  „selbst  etliche  Grafen  und! 
Edelleute  mit  Gewalt  gedungen  wurden,  ihnen  anzuhangen;! 
wer  solches  nicht  tun  wollte,  hat  müssen  durch  den  Spieß! 
laufen".  Münzer  ließ,  was  doch  wohl  betont  werden  darf,] 
kein  Blut  vergießen,  auch  das  Urteil  über  Matern  von  Ge- 
hofen und  die  anderen  Diener  des  Grafen  von  Mansfeld  hat] 


&-\ 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser,  71 

er  „aus  dem  Munde  der  gemeyne"  verkündigt  und  hat  das 
„auß  forcht  gethan"  (Seidemann,  Th.  Münzer,  S.  154).  Frei- 
lich würden  seine  leidenschaftlichen  Worte,  die  er  an  seine 
Anhänger  richtete,  bei  längerer  Dauer  der  Bewegung  ohne 
Zweifel  zu  blutigen  Scenen  geführt  haben;  so  aber  ist  in 
dem  bekanntlich  sehr  kurzen  Thüringer  Bauernkriege  von 
Scenen,  wie  sie  sich  vor  Weinsberg  oder  an  anderen  Orten 
in  dem  viel  blutigeren,  aber  auch  großartigeren  Bauernkriege 
Oberdeutschlands  abspielten,  keine  Rede. 

Die  Schriften  von  Wolf  sind  nun  100  Jahre  alt  oder 
werden  es  bald  sein;  es  wird  doch  wohl  Zeit,  daß  wir  in 
der  Kenntnis  jener  Ereignisse  weiterzukommen  suchen  als 
der  fleißige  und  tüchtige  Kanonikus  zu  Northeim.  Sollten 
nicht  die  von  mainzischer  Seite  geführten  Akten  noch  vor- 
handen sein  ?  Sie  würden  eine  willkommene  Ergänzung 
bieten ,  selbst  wenn  ich  dadurch  des  Irrtums  überführt 
werden  sollte. 

In  sehr  auffallender  Weise  lassen  uns,  nachdem  der 
Haufe  Heiligenstadt  erreicht  hatte,  unsere  Nachrichten  im 
Stich;  schon  was  in  dieser  Stadt  geschehen  ist,  läßt  sich, 
wie  wir  eben  sahen,  nicht  genauer  angeben,  noch  viel 
weniger  aber  erfahren  wir,  wenn  wir  den  Zug  weiter  zu  be- 
gleiten suchen. 

Man  fragt  sich  unwillkürlich,  woran  das  liegt,  ohne 
die  Möglichkeit,  eine  auch  nur  einigermaßen  sichere  Antwort 
zu  finden.  Vermuten  kann  man  ja,  daß  die  Mühlhäuser  im 
Haufen,  als  der  Zug  sich  nun  nordwärts  in  das  untere 
Eichsfeld  wandte,  zurückblieben  und  umkehrten,  um  sich 
nicht  zu  weit  von  der  Heimat  zu  entfernen;  das  gäbe 
wenigstens  die  Möglichkeit,  es  zu  erklären,  daß  in  unseren 
Zeugenaussagen,  so  reichlich  sie  auch  vorliegen,  über  die 
weiteren  Ereignisse  so  gut  wie  nichts  zu  finden  ist.  Ein 
Beweis  kann  dafür  in  keiner  Weise  geboten  werden,  viel- 
mehr sind  auch  die  weiteren  Verwüstungen  Mühlhausen  in 
Rechnung  gestellt.  Münzer  und  Pfeifer  sind,  wie  wir  sehen 
werden,  auch  weiter  mitgezogen,  aber  außer   in  Duderstadt 


72  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

tritt  ihre  Tätigkeit  fast  nirgends  hervor.  Dennoch  soll  hier 
alles  zusammengestellt  werden,  schon  um  eben  dadurch 
vielleicht  zu  weiterer  Forschung  anzuregen. 

Unsere  Chronik  bietet  über  alle  die  folgenden  Er- 
eignisse nur  die  magere  Notiz :  „Danach  zogen  sie  gen 
Duderstadt,  die  machten  einen  Bund  mit  ihnen,  daß  sie 
wieder  abzogen."  Wer  damit  gemeint  ist,  bleibt  unbe- 
stimmt; man  wird  doch  zunächst  an  Münzer  und  Pfeifer 
denken;  mit  dem  Bunde  kann  dann  die  Verbrüderung  mit 
den  Bauern  gemeint  sein,  oder  auch  der  besondere  „Bund", 
wie  ihn  Münzer  weithin  ausgedehnt  hatte,  dessen  Beispiel 
auch  Pfeifer  ^ )  in  Mühlhausen  gefolgt  war.  Daß  Pfeifer 
mit  nach  Duderstadt  zog,  ergibt  sich  aus  einer  Zeugen- 
aussage (St.  A.  151):  „Pfeifer  habe  ihn  vor  Duderstadt  ge- 
fänglich annehmen  lassen."  Hier  mögen  auch  gleich  die 
weiteren  Aussagen  folgen:  (S.  147)  „Der  Mühlhäuser  Haufe 
sei  von  Heiligenstadt  nach  Duderstadt  gezogen,  in  dem  sei 
das  Kloster  Teistungenburg  geplündert  und  ausgebrannt 
worden".  Ein  anderer  Zeuge  ist  etwas  genauer  (S.  170b): 
„Als  sie  nun  vor  Heiligenstadt  gekommen,  und  wieder  ab- 
gezogen und  den  andern  Tag  gen  Duderstadt  gerückt,  habe 
er  gesehen,  daß  Teistungenburg  gebrannt,  und  daß  sie  da- 
selbst zu  Duderstadt  auch  einen  Tag  still  gelegen,  demnach 
wieder  aufgebrochen  und  sich  nach  dem  Bodenstein  ge- 
wandt." 

Georg  Scharf  von  Nordhausen  bekannte  (Förstema'nn 
Kl.  Sehr.  S.  88),  er  sei  mit  vor  .Heiligenstadt  gewesen  und 
darauf  auf  dem  Wege  nach  Duderstadt  bei  der  Plünderung 
des  Schlosses  Westernhagen  und  des  Jungfrauenklosters 
Teistungenburg,  welches  ganz  verbrannt  sei;  darauf  sei 
auch  das  Haus  Berits  von  Westernhagen  zu  Berlingerode 
zerstört  worden  und  das  Haus  Thilos  von  Hagen  zu 
Teistungen,  auch  sei  er  mit  dem  Haufen  nach  Gerblingerode 
und  vor  Duderstadt  gezogen. 


1)  Zur  Gesch.  d.  St.  Mühlh.  2,  S.  33. 


und  die  Venvüötung  der  Klöster  und  Bchlösser.  73 

Wir  gewinnen  daraus  zunächst  die  Möglichkeit,  die 
Richtung  des  weiteren  Zuges  festzustellen.  Der  Haufe 
wird  vermutlich  seinen  Weg  genommen  haben,  wo  jetzt  die 
Chaussee  von  Heiligenstadt  nach  Duderstadt  führt.  „Auf 
dem  Marsche  nach  Duderstadt  wandte  er  sich  gegen  die 
Herren  von  Westcrnhagen,  zerstörte  das  Schloß  dieses 
Namens,  die  Häuser  Berits  von  Westemhagen  in  Berlinge- 
rode, Tilens  von  Hagen  in  Teistungen  nebst  dem  Kloster 
Teistungenburg"  ^).  Duval  ^)  weiß  folgende  etwas  romanti- 
sche Sage  zu  erzählen:  „Als  die  Bauern  das  Schloß 
Westemhagen  zu  zerstören  beschlossen  hatten,  sannen  sie 
auf  eine  List  und  schickten  an  die  von  Westemhagen  einen 
Boten,  der  denselben  einen  Gruß  von  denen  von  Hanstein 
bringen  und  sie  dringend  bitten  mußte,  nach  dem  Hanstein 
zu  kommen  und  denselben  gegen  die  eben  anrückenden 
Bauern  verteidigen  zu  helfen  ;  sie,  die  von  Hanstein,  wollten 
denen  von  Westemhagen  ebenfalls  beistehen,  wenn  auch 
sie  etwa  später  von  dem  Bauernheere  gefährdet  werden 
sollten.  Infolge  dieser  Aufforderung  machten  sich  die  von 
Westemhagen  mit  ihren  Knechten  sogleich  auf  den  Weg, 
indem  sie  nur  eine  geringe  Besatzung  auf  der  Veste  zui'ück- 
ließen. 

Kaum  aber  waren  sie  fort,  so  rückten  die  im  Hinter- 
halte lauernden  Bauern  herbei,  griffen  die  Veste  an,  er- 
oberten und  zerstörten  sie  und  hieben  alles  nieder,  was  sich 
nicht  schleunig  durch  die  Flucht  zu  retten  vermochte. 
Eine  Amme  mit  einem  zarten  Knaben  des  Geschlechts  von 
Westemhagen  auf  dem  Arme,  rettete  des  Kindes  Leben 
einzig  und  allein  dadurch,  daß  sie  dasselbe  für  ihr  eigenes 
ausgab.  Sie  brachte  es  nach  Teistungenburg,  wo  sich  die 
Klosterfrauen  seiner  eifrig  annahmen,  unter  deren  Pflege 
es  fröhlich  aufwuchs.  Die  Sage  fügt  noch  hinzu,  daß,  da 
alle    des    Namens    Westemhagen    im    Bauernkriege    umge- 


1)  Wolf,  Eichsfeldische  Kirchengeschichte  149. 

2)  Das  Eichsfeld,  S.  589. 


74  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

kommen  seien,  dieser  Säugling  der  letzte  Sproß  des  ganzen 
Stammes  gewesen,  —  dem  ist  nicht  so."  Wir  haben  hier 
also  eine  Übertragung  der  Erzählung  von  der  Rettung 
Volkmars  von  Berlepsch  in  Langensalza^  Nüchterner  lauten 
die  Summen  in  unserer  Chronik  (209),  die  von  Mühlhausen 
für  diese  Verwüstungen  gezahlt  werden  mußten  :  „Hansen 
vom  Hayne  löTSi/g  Fl.,  Tyelen  (Thilo)  von  Westernhagen 
150  i\  Arnolten  von  West.  35  Fl.,  Bernharten  von  W. 
70  Fl.,  Ernsten  von  W.  130  Fl.,  Otten  von  W.  15  FL, 
allen  von  W.  des  Hauses  W.  1200  Fl."  In  den  oben  er- 
wähnten Akten  des  Dresdener  Archivs  (9135  No.  127) 
liegen  Verzeichnisse  der  erlittenen  Verluste  vor  von  Berit 
von  W.,  Ernst  von  W.,  Berits  Sohn,  Thilo  von  W. 

Auf  dem  weiteren  Zuge  bereitete  der  Haufe  dem 
Kloster  Teistungenburg  dasselbe  Schicksal  wie  dem  Mutter- 
kloster Beuren.  Auch  hier  liegen  sehr  geringe  Nachrichten 
vor.  Duval  (S.  322)  weiß  nichts  weiter  zu  berichten  als: 
„Die  Bauern  verwüsteten  bei  dieser  Gelegenheit  Teistungen- 
burg, wodurch  ein  großer  Teil  der  Klosterschriften  verloren 
ging."  Einer  aus  dem  Bauernheere,  Georg  Scharf,  hat 
nachher  bekannt:  „daß  das  Jungfrawen-Closter  Teistingenburg 
geplündert,  beraubet  und  bis  in  den  Grund  verbranndt,  er 
habe  aber  für  seine  Person  nichts  dazu  gethan."  Diese 
Aussagen  bietet  auch  Förstemann,  Kl.  Schriften,  S.  88. 
In  den  Dresdener  Akten  i)  fand  ich  folgende  Klage  der  Vor- 
gesetzten des  Klosters:  „Wir  Steffanus  Hogenius  probst, 
Osanna  Nesselroder  eptisthen,  Margrita  Mollers  priorin 
unnd  gantz  convent  gemeltes  closters  beclagen  uns,  das  wir 
durch  die  mutwillige  uberfahrunge  unnd  gewaltige  emporunge 
der  von  Molhaußen  unser  closter  sampt  der  kirchen  unnd 
eyngebewe  in  gründe  verbrandt,  auch  alle  cleynoth  unnd 
hausroth   sampt    allen    kirchen    geschmeyde    unnd    glocken 


1)  Die  Beschwerden  der  Klöster  liegen  dort  nur  in  Kopie  vor, 
von  einer  Hand  und  machen  fast  den  Eindruck  aufgenommener 
Protokolle. 


und  die  Verüwstung  der  Klöster  und  Schlösser.  75 

auch  andir  das  in  einer  eyl  nicht  erzelt  mag  werden  hin- 
weg genommen,  darzu  etliche  vyhe  szo  vyl  das  do  bifunden 
auch  enpfromt,  welchen  schaden  wie  oben  angezeygt  auffs 
geringst  veranschlagen  auff  funffczehen  hundert  gülden,  do 
mit  obgemelt  closter  nit  vermochtenn  in  vorigenn  stände  zu 
bringen." 

Der  Zug  ging  dann  weiter  auf  Duderstadt,  wo  der 
Haufe,  trotzdem  die  Stadt  gegen  einen  derartigen  Überfall 
durch  ihre  Befestigungen  gesichert  war,  wie  es  scheint, 
unter  ähnlichen  Verhältnissen,  wie  sie  in  Heiligenstadt  ge- 
herrscht haben  können,  Aufnahme  fand,  ohne  daß  sich  ge- 
naueres darüber  und  über  den  Bund,  den  man  mit  den 
Bauern  schloß  sagen  ließe.  Wolf  (Eichsfelder  Kirchen- 
geschichte S.  149)  sagt :  „Was  die  Bauern  in  Duderstadt 
getrieben,  weiß  man  nicht;  es  ist  aber  bekannt,  daß  die 
dasigen  Bürger  sich  wegen  ihres  Verhaltens,  wie  die 
Heiligenstädter,  eine  schwere  Strafe  von  ihrem  Landesherrn 
zugezogen  haben."  In  der  Geschichte  der  Stadt  Duderstadt 
(S.  1 54)  bringt  er  nur  die  knappe  Meldung  unserer  Chronik 
und  setzt  hinzu:  „Einen  mächtigen  Feind  sich  in  Gutem 
vom  Halse  schaffen,  ist  Klugheit  und  kein  Staatsverbrechen. 
Die  Duderstädter  müssen  mehr  als  dieses  gethan  haben, 
sonst  würde  sie  der  Herzog  von  Braunschweig  nicht  ebenso 
strenge  als  die  Heiligenstädter,  ja  noch  strenger  behandelt 
haben."  Das  ist  ganz  richtig  geschlossen,  wenn  wir  auch 
leider  tatsächliches  dadurch  nicht  erfahren,  auch  nicht 
vergessen  dürfen,  daß  die  wachsende  Fürstenmacht  die  gute 
Gelegenheit  benutzte,  die  alten  Freiheiten  der  Städte  zu 
mindern;  das  mußten  Mühlhausen,  Heiligenstadt  wie  Duder- 
stadt empfinden.  In  Münzers  „Bund"  hatten  sich  auch 
adlige  Herren  aufnehmen  lassen;  man  hört  nicht,  daß  sie 
dafür  in  gleicher  Weise  hätten  büßen  müssen.  Vom  Felde 
vor  Duderstadt  schrieb  Münzer  an  den  Grafen  Günther 
von  Schwarzburg  am  Donnerstag  nach  Walpurgis  (Förste- 
mann.  Kl.  Sehr.  S.  79,  der  das  angegebene  Datum  [Mai  4] 
bezweifelt). 


76  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Von  Duderstadt  aus  wird  sich  der  Zug  zum  alten 
Benediktinerkloster  Gerode  gewandt  haben,  wobei  es  un- 
sicher bleiben  muß,  ob  der  gesamte  Haxife  mit  Pfeifer  und 
Münzer  dorthin  zog,  oder  ob  nur  eine  kleine  Schar  bis  an 
die  nordöstliche  Grenze  des  Eichsfeldes  vordrang.  Jeden- 
falls ist  der  Ausdruck  Förstemanns  „die  Benediktinerabtei 
Gerode  verwüsteten  sie,  wie  scheint,  auf  ihrem  Rückzuge 
nach  Mühlhausen",  nach  der  örtlichen  Lage  des  Klosters 
bemessen,  kein  richtiger. 

Über  die  Zerstörung  des  Klosters  klagt  der  Abt : 
„Wir  Petrus  abt  des  stifftes  zu  Gerode  beclagen  uns  sampt 
unserem  convent,  das  uns  in  dissem  uncristlichem  auffruhr 
unsere  kirchen  verbrandt  mit  allen  gebyltnys,  gestöle,  auch 
acht  glockenn  und  die  orgel  entfromt  und  hynweg  gefiret, 
dergleichen  bucher,  meßbucher,  meßgewandt,  kannen,  ampelen, 
handtfesser,  altartücher,  handzwelen,  lichte  und  kerzen, 
darczu  alle  alteren  inschlagen  darczu  das  ganze  closter 
sampt  allen  eingebew  zu  gründe  vorbrandt,  alle  keßel, 
topffe,  bette  sampt  alle  was  yn  closter  gewest,  in  ...  . 
(Fleck  und  Loch!)  closter  hynweg  genomen  unnd  gefiret, 
der  gleichen  schweine,  kuwe,  pferde,  schaffe,  wagen,  geschir 
unnd  was  zum  ackerwergk  gehört  alles  hinweg  genommen 
sampt  allem  vorrate,  was  im  closter  gewest.  Des  gleichen 
weyne,  byr  alles  ausgedrungken  unnd  dye  fesser  zerschlagen, 
auch  die  teiche  ausgestochen  unnd  gefischt  worden,  das  dann 
uns  (?)  denen  des  Eysfeldes  vom  adell  wol  bewost,  welche 
beschedunge  wyr  auffs  aller  gerings  auff  fünffthalber  taußent 
gülden  ermessen,  do  mit  wir  unßer  closter  im  vorigen 
standt  nit  mugen  adir  können  bringken  und  widder  auff- 
richten." 

Duval  (S.  253)  berichtet :  „Im  Bauernkriege,  hausten 
die  wilden  Rotten  hier  ebenso  zügellos  als  anderwärts. 
Die  Mönche,  welche  glücklicher  Weise  noch  zeitig  genug 
vernommen  hatten,  daß  die  Bauern  nach  Gerode  zu  ziehen 
gesonnen  seien,  beschlossen  den  ungebetenen  Gästen  aus 
dem  Wege  zu  gehen,    rafften    zusammen,    was    sie    in    der 


I 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlöseer.  77 

Angst  und  Hast  erraffen  konnten,  und  flohen  von  dannen, 
um  nur  das  Leben  zu  retten.  Ein  Mehreres  blieb  ihnen 
aber  auch  wirklich  fast  nicht  übrig,  denn  als  sie  nach  dem 
Abzüge  der  Bauern  zu  der  geliebten  Stätte  zurückkehrten, 
fanden  sie  dieselbe  leergebrannt  und  von  allem,  was  ehe- 
dem hier  vorhanden,  nichts  als  ein  Marienbild,  ein  Pult 
und  drei  Glocken."  Auch  Wolf,  Eichsf  Kirchengesch.,  S.  149 
weiß  nicht  mehr  zu  berichten,  ebenso  Kegel  in  dem 
^Sammelwerke  Thüringen  und  der  Harz  VIII,  S.  59.  Am 
betrübtesten  waren  die  Mönche  über  den  Verlust  ihrer 
Bibliothek  und  Abt  Nicolaus  (?  Petrus)  sagt  in  einem  Briefe 
vom  31.  August  1525:  „Imo  quod  sanguineis  quoque 
deplorandum  est  lacrymis  bibliothecam  monasterii  nostri 
instructissimam  simul  cum  Gramato  phylacio ,  archivis, 
imaginibus,  tabulis  sacris  et  profanis  tam  foede  lacerarunt, 
conscideruntet  depraedati  sunt  non  modo  raptores  illi  facinorosi 
verum  etiam,  utfama  fert(Knieb,  S.  25),  vicinorum  pagi  rustici, 
adeo  ut,  si  quid  reliquum  reperiatur,  illud  ipsum  tarnen  sit 
laceratum,  mutilum  vel  pedibus  conculcatum."  Mehr  weiß 
Duval  nicht  zu  erzählen,  obgleich  er  ein  seiner  Zeit  in 
Duderstadt  aufbewahrtes  Chronicon  Monasterii  Gerodensis 
ab  anno  1124 — 1618  kannte.  War  der  altbewährte  wissen- 
schaftliche Sinn  der  Benediktiner  wirklich  so  weit  ge- 
schwunden, daß  niemand  das  traurige  Geschick  des  Klosters 
aufzeichnen  mochte? 

Von  Gerode  aus  zog  der  mit  Beute  beladene  Haufe 
wohl  schwerlich  über  das  damals  vermutlich  wehig  weg- 
same Ohmgebirge;  er  wird  sich  nach  Duderstadt  zurück- 
gewandt haben  und  von  dort  aus  auf  Worbis  gezogen  sein. 
Unterwegs  stieß  man  auf  den  Bodenstein,  bei  dem  nach 
bisheriger  Erzählung  der  Angriff  gescheitert  sein  sollte. 
Duval  (S.  522)  weiß  folgendes  zu  berichten:  „Die  Bauern 
rückten  auch  endlich  vor  den  Bodenstein,  der  damalige 
Besitzer  des  Schlosses  aber.  Barthold  von  Winzingerode, 
war  fest  entschlossen,  lieber  das  Leben  mit  dem  Schwerte 
in  der  Hand  zu  verlieren,  als  dem  elenden  Haufen  lebendig 


78  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

in  die  Hände  zu  fallen.  Alle  Versuche,  welche  Thomas 
Münzers  Banden  machten,  die  Feste  zu  erobern,  blieben 
erfolglos,  und  der  wilde  Haufe  faßte  daher  den  Entschluß, 
den  kühnen  Ritter  zur  Übergabe  zu  zwingen.  Die  tobenden 
Feinde  lagerten  sich  deshalb  auf  das  nächste,  südliche 
Vorgebirge,  welches  noch  bis  heute  von  ihnen  die  „Mühl- 
häuser Burg"  genannt  wird,  aber  die  Belagerer  mußten 
un verrichteter  Sache  wieder  abziehen,  zerstörten  aber  aus 
Wut  die  Dörfer  Wintzingerode  und  Kaltohmfeld,  weshalb 
später  die  Mühlhäuser  an  Friedrich  und  Georg  von 
Wintzingerode  als  Entschädigung  2039  Gulden  und  außer- 
dem den  ,Frawen  von  Wintzingerode'  150  Gulden  zahlen 
sollten."  Diese  Angaben  stimmen  mit  denen  in  der 
Chronik  I,  S.  209  überein,  doch  kommen  da  noch  „Heinrichs 
von  Wintzingerode  gelassene  Erben"  dazu. 

So  bestimmt  diese  Erzählung  lautet,  so  kann  doch  kein 
Zweifel  sein,  daß  die  Burg  ebenfalls  zerstört  wurde ;  so  sagt  ein 
Zeuge  (St.A.  170b),  der  Haufe  habe  „sich  nach  dem  Boden- 
stein gewandt,  der  auch  verbrannt",  ebenso  will  Zeuge  (St.A. 
188b)  gesehen  haben,  daß  Bodenstein  brannte.  Auch  Lant- 
greffer  (S.  75b)  wird  befragt,  warum  er  habe  den  „budenstein" 
helfen  anstecken,  und  sagt,  er  habe  ihn  nicht  helfen  an- 
stecken, er  sei  sonst  letztlich  dazugekommen.  In  den 
Dresdener  Akten  finde  ich :  „Georgen  Wissingerode  sampt 
seines  bruders  vnd  wittfrauen  empfangenen  Schadens  an- 
schlagk,  Friederich  von  Wissingerode,  Heinrichs  selig  von 
Wissingerode  nachgelassene  wittw.e" ;  darin  heißt  es :  „Item 
wir  weiten  lieber  dreytausent  gülden  den  den  baw  und 
schloß  Bodenstein  das  mit  zweyen  scheffereyen  in  grünt 
verbrant  verloren  haben."  Danach  wird  die  Summe  des 
erlittenen  Schadens  auf  4677  Gulden  berechnet,  während 
in  der  Chronik  (S.  209)  für  Friedrich  und  Georg  von 
Wissingerode  und  Heinrichs  gelassene  Erben  nur  2039  Fl. 
angesetzt  sind  ;  der  Unterschied  erklärt  sich  dadurch,  daß 
in  der  ersten  Summe  noch  die  Hälfte  des  Scharfensteins 
eingerechnet    ist    („Bau   unsers    teils    des    Scharfensteins"), 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  79 

der  den  Herren  von  Wintzingerode  oft  verpfändet  war 
(Duval  S.  23 1 ).  Die  andere  Hälfte  hatte  Hans  von  Enzenberg 
inne.  (In  den  Dresdener  Akten  findet  sich:  Georg  v.  W. 
Verlust  zum  Scharfenstein,  Heinrichs  v.  W.  Witwe  desgl. 
Enzenberg:  Hälfte  des  Scharfen  stein  s  verbrannt.)  Die 
Verwüstung  der  Dörfer  ist  nicht  ganz  sicher;  Wolf,  Denk- 
würdigkeiten der  Stadt  Worbis,  sagt  darüber :  „Denen  von 
Winzingerode  sind  vielleicht  auch  die  2  Dörfer  Winzingerode 
und  Kaltenohmfeld  von  den  Bauern  vernichtet  worden, 
weil  sich  die  von  Bülzingsleben  1539  darüber  beklagen, 
daß  man  ihrem  Gerichte  zu  Worbis,  das  sie  pfandweise 
besäßen,  jene  Orte  entziehen  wolle,  da  sie  doch  vor  der 
Verwüstung  dabei  erschienen  wären." 

Der  Zug  ging  dann  weiter  auf  Worbis,  wo  das  Kloster 
geplündert  wurde.  In  den  Dresdener  Akten  liegt  darüber 
folgendes  Schreiben  vor:  „Wir  Jost  probst  i),  Anna  priorin 
und  gantz  convent  gemeltes  closter  beclagen  uns  das  wir 
inn  itzigen  vergangenen  aufPruhr  durch  die  von  Molhaußen 
geplündert  unnd  kirchenn  sampt  allenn  eyngebew  des 
closters  gebraut  auch  alle  cleynoth  unnd  geschmeyde  der 
kirchenn  sampt  allem  hausrath  unnd  sunderlich  vyl  kelche 
auch  zwey  monstrancz  hyn  weg  genommen,  darzu  hundert 
sechzig  sechs  schafe  unnd  ander  vyhe  sampt  allen  geschirr, 
so  zcum  acker  gehört,  gewaltiglichen  enteussert,-  welchen 
schaden  wir  auffs  geringst  uff  zwelff  hundert  gülden  er- 
messen, do  mit  obgemelt  closter  in  vorigen  standt  unnd 
zcu  zcurichten  nicht  möglich." 

Duval  (S.  187)  berichtet:  „Müntzer  und  Pfeiffer,  als 
sie  auf  dem  Eichsfelde  wüteten,  fielen  mit  ihren  Scharen, 
zu  denen  sich  viele  Eichsfelder  gesellt  hatten,  auch  über 
das  Kloster  Worbis  her,  plünderten  es  und  steckten  es 
nachher  in  Brand" ;  Genaueres  hat  auch  er  offenbar  nicht 
gewußt.  Da  Nickel  Heise  nur  30  fl.  zu  zahlen  waren 
(Chronik,  S.  209),  so  werden  die  vor  Worbis  und  Breitenworbis 


1)  Jodocus  Stowffenbuel ;  Förstemann,  KL  Sehr.,  8.  100. 


80  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

gelegenen  „Heisengüter"  nicht  viel  gelitten  haben.  (Wolf, 
Denkwürdigkeiten  der  Stadt  Worbis,  S.  87 — 88;  über  den 
Zug  der  Bauern  weiß  auch  er  nichts  weiter  zu  berichten). 
Daß  Pfeifer  —  wohl  auch  Münzer  —  hier  noch  bei  dem 
Haufen  war,  ergibt  sich  aus  der  Aussage  in  St.A.  S.  151: 
„Pfeifer  habe  ihn  vor  Duderstadt  gefänglich  annehmen  und 
mit  dem  Haufen  vor  Breiten-Worbis  geschraubt  und  ge- 
bunden führen  lassen,  daselbst  ihn  vor  dem  Haufen  für 
Recht  stellen  und  beklagen  lassen.  Da  habe  er,  Zeuge, 
um  Gottes  willen  gebeten,  ihn  ledig  zu  lassen,  angesehen 
seine  Unschuld,  darauf  der  Haufe  ihn  ledig  erkannt  und 
gelassen."  Von  Worbis  aus  wandten  sich  später  (Förstemann, 
Kl.  Sehr.,  S.  100)  8  Brüder  und  Vettern  von  Bülzingsleben 
an  den  Rat  von  Nordhausen.  Sie  hatten  die  Güter  der 
dorthin  geflüchteten,  aus  Worbis  ausgetretenen  Männer  in 
Beschlag  genommen,  den  „langen  Jacoff"  erwischt  und  hin- 
richten lassen.  Am  23,  Mai  1526  forderten  „Alle  von 
Bülzingsleben"  die  Kirchenkleinodien  zurück,  die  sie  im 
Bauernaufruhr  dem  Rat  zu  Nordhausen  in  Verwahrung  ge- 
geben hatten;  da  der  Propst  zu  Worbis  und  2  Kirchen- 
vormunde die  Quittung  über  den  Empfang  der  Monstranzen 
und  des  übrigen  ausstellten,  so  werden  diese  Kleinodien 
wohl  aus  Worbis  gestammt  haben. 

Mit  Worbis  hatte  Pfeifer  ältere  Beziehungen,  vgl. 
Heft  1 ,  48 ;  auch  berichtet  Sittich  v.  Berlepsch  (Forschungen 
XI,  385)  aus  früherer  Zeit:  „Es  haben  etliche  zu  Stadt- 
worbis  in  der  von  Bolzingsleben.  Gebieten  einen  Priester 
gestürmt  und  noch  einen  Priester  die  andere  Nacht  auch 
stürmen  wollen,  deshalb  die  von  Bolzingsleben  sich  fast 
beschwert  und  Leute  dabei  gelegt.  Als  die  Stürmer  ge- 
kommen, haben  sie  zu  ihnen  einfallen  und  sie  annehmen 
lassen.  Da  haben  derselben  Freundschaft  zu  Worbis  sich 
etliche  versammelt  und  dieselben  angenommenen  entwehrt, 
daß  ihnen  also  zusammen  25  entlaufen ;  die  haben  die  von 
Mühlhausen  in  ihre  Stadt  gelassen,  ihnen  Geleit  gegeben 
und  der  deutschen  Pfarrhöfe  einen  eingethan." 


und  die  Verwüstung  der  Klöeter  und  Schlösser.  gj 

Weiter  östlich  wandte  sich  der  Haufe  zur  Zerstörung 
der  Harburg  (Horburg).  Auch  hier  fehlt  es  fast  ganz  an 
Nachrichten.  Duval  (S.  310)  schreibt:  „1525,  als  der 
Bauernkrieg  wütete,  kam  der  tobende  Haufe  auch  in  diese 
Gegend,  rückte  vor  die  Harburg,  nahm  sie  ein,  plünderte  sie 
aus  und  zündete  sie  an.  Die  hier  und  auf  dem  Scharfensteine 
gemachte  Beute  wurde  auf  9  Wagen  von  dannen  geführt". 
In  den  Dresdener  Akten  liegen  auch  hier  die  Verzeichnisse 
des  erlittenen  Schadens:  „Dis  sint  die  Verluste,  so  wir 
Henrich  und  Rudolff  von  Butzigsleben  die  jungem  zur 
Horborgk  von  den  von  Molhusen  und  yrim  anhang  gelitten. 
Erstlich  ist  das  haus  Horborgk  uns  der  hel£Fte  gewest, 
darauff  wir  haus  gehaltenn,  das  zimlich  und  zum  Teil 
newerlich  durch  unsern  vater  seligk  Erbawet  gewesen,  das 
von  den  von  Molhusen  rein  aus  gebranth  samt  der  vorborgk 
und  unser  solch  hauß  des  stiflftes  Mentz  eygentum  und 
unser  pfanth."  —  „Nach  folgende  bescheddigunge  haben 
dy  von  Molhusen  mit  irem  anhangk  Heinrich  von  Bulzings- 
leben  amptman  zum  Glichenstein  zugefügt.  Erstlich  mynen 
teyll  an  der  Horborgk  samt  myner  vettern  behusunge  yst 
Mentzsch  pfantschafft  ausgebranth.  —  Rudolf  der  ältere 
v.  B. :  myn  teil  zur  Horborgk  —  der  schade  am  hauße  zu 
Heigenrode  [Haynrode]  —  das  hauß  in  Gemrode  ist  ab- 
gebrandt."  In  dem  „Schadegeldt  nach  dem  Bawrenlerm" 
(Chronik,  S.  208)  muJSte  Mühlhausen  zahlen  an  SeifTart  von  B. 
500  fl.,  „darin  der  brandschaden  des  schloßes  Horburg,  so 
allen  von  Bultzingisleben  zustendig,  dweil  ehs  mentzisch 
pfant,  nicht  gezogen".  Rudolf  v.  B.  der  Ältere  erhielt  500  fl., 
Heinrich  der  Ältere  200  fl.,  Heinrich  und  Rudolf  die  Jüngeren 
1000  fl.  Wenn  Duval,  dem  die  in  der  Chronik  benutzten 
Akten  bekannt  gewesen  sind  —  mittelbar?  —  hinzusetzt, 
daß  die  adligen  Herren  diese  Summen  „wahrscheinlich 
niemals  erhalten  haben",  so  hat  er  dabei  schwerlich  das 
dicke  Bündel  der  Abrechnungen  durchstudiert,  das  leider 
noch  ungeordnet  in  unserem  Archive  ruht.  —  Georg  Scharf 
(vgl.  S.  72)  bekannte,  daß  er  aus  Siegfrieds  (Seiffarta)  v.  B. 
XXTT.  6 


82  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

Hause  einen  Scheffel  Korn  bekommen,  mit  seiner  Gesell- 
schaft die  Pfanne  zu  Heygenrode  gelanget  und  nach  Worbis 
gebracht  habe  (Duval  S.  311,  Förstemaun,  Kl.  Sehr.,  S.  86). 
Einiges  der  Güter,  die  Rudolf  von  Bülzingsleben  in  „Heigen- 
rode"  geraubt  waren,  war  nach  Nordhausen  gekommen,  wo 
später  die  Auslieferung  verlangt  wurde  (Pörstemann,  Kl. 
Sehr.,  S.  100). 

Auch  hier  erwecken  die  Zeugenaussagen  Zweifel,  ob 
alle  diese  Zerstörung  dem  heranziehenden  Haufen  zuzu- 
schreiben ist.  Ein  Zeuge  berichtet  (St.A.  S.  68,  145),  „er 
habe  von  seinem  Junker  Seifart  von  Bülzingsleben  sagen 
gehört,  daß  das  Schloß  Horburg  und  Kloster  Worbis  zuvor 
und  ehe  der  große  Haufe  dahin  gekommen,  ausgebrannt  ge- 
wesen sein  sollen".  Ein  anderer  sagt  aus  (S.  147),  „er  habe 
hören  sagen,  daß  Worbis  und  Horburg  durch  ihre  eigenen 
Leute  verbrannt  worden ;  ob  es  also  sei,  oder  nicht  sei, 
davon  weiß  er  nichts  zu  sagen".  Weiter  gibt  ein  Zeuge 
(S.  167)  an,  Horburg  sei  vor  dem  Zuge  geplündert  worden, 
dagegen  erklärt  ein  anderer  (S.  149),  „das  wisse  er  wohl, 
daß  Pfeifer  und  Münzer  samt  ihren  Anhängern  solch  Kloster 
und  Schloß  (Worbis,  Horburg)  verbrannt  und  geplündert 
haben".  Schließlich  erzählt  ein  Zeuge  (S.  170),  Bodenstein, 
Kloster  Worbis  und  Horburg,  diese  drei  wären  auf  einen 
Tag    und  Stunde    verbrannt  worden,    das  habe    er  gesehen. 

„Dienstages  nach  Misericordias  Domini  [2.  Mai]  i)  sprach 
Münzer,  ihm  wäre  im  Traum  angezeigt,  er  sollte  nach  Auf- 
gang der  Sonne  ziehen,  darum  sprach  er:  Wer  nicht  gern 
will,  der  mag  heimziehen.  Da  verliefen  sich  etliche  Hessen 
und  Eichsfelder,  er  aber  mit  den  andern  zog  wieder  gen 
Mühlhausen"   (Chronik,  S.  189). 

Die  Rechnung,  die  man  Mühlhausen  machte,  erstreckte 
sich  noch  weiter.  In  den  Dresdener  Akten  findet  sich  auch 
ein  Verzeichnis    „us  der  Graffschafft  Hoenstein   geystlicher 


1)  Daß  das  Datum   falsch  ist,  haben   wir  schon  oben  (S.  65) 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  83 

und  der  vom  adell  empfangener  schadenn" ;  unter  der  Auf- 
schrift steht  „Mulhaußen".  Wir  finden  hier  verzeichnet: 
„Wolff  Schmidt  zu  Bleichenrode  pfarrer,  er  Johann  Schmidt 
(desgl.),  er  adam  Korber  vicarius  (desgl.),  er  Nicolaus 
vicarius  (desgl.),  er  Johan  Wihemut  zu  Elende  vicarius,  er 
Valentin  Eckenbrecht  vicarius  zu  Elende,  schaden  der  kirchen 
zu  Elende,  er  Heinrich  Härtung  vicarius  zu  Elendt,  er 
Heinrich  Haydorn  vicarius  in  exilio,  Hermann  Haydom 
bruder  zu  S.  Annen  zu  Hauroden,  Grethe  Spiegels,  Grethe 
Spiegels  tochter,  die  von  Bursfelde,  er  Johann  Schnetteler 
zu  Blicherode.  Item  vorzeichnus  des  Schadens,  so  an  den 
zweien  geistlichen  jungfraw  closter  zu  Monchenlohra  und 
Dittenborn  in  der  Grafschaft  Lohra  gelegen  gescheen,  Ernst 
Windol t,  Heinrich  Meysse,  Nickel  Heysse."  —  Die  3  letzten 
finden  sich  in  der  Chronik  S.  209.  Kloster  Dietenborn 
wurde  von  den  Landleuten  der  Umgegend  ausgeplündert. 
(Duval  in  „Thüringen  und  der  Harz«  VIII,  S.  271.)  Dann 
folgen  noch  Hans  von  Entzenberg,  Ursula  Reinhardt  von 
Westhusen  selig  Wittfrau  (Chronik  S.  209,  vgl.  oben 
S.  64). 

Der  Zug  fand  noch  ein  Nachspiel,  das  wir  doch  an 
dieser  Stelle  nicht  vergessen  wollen.  Unsere  Chronik 
(S.  1 98 — 1 99)  berichtet :  „ Da  nun  solches  alles  geschehen,  ließen 
die  Kur-  und  Fürsten  durch  einen  von  Schonberg  i)  in  der 
ganzen  Stadt  öffentlich  einen  Frieden  und  Sicherheit  allen 
Bürgern  und  Untertanen  ausrufen,  darauf  dann  viele  Unter- 
tanen von  den  Dörfern  mit  dem,  was  sie  in  die  Stadt  ge- 
liohen,  wiederum  zu  Haus  zogen.  Denselben  wurden  auch 
Friedebriefe  gegeben,  daran  der  Fürsten  Wappen  gemalet, 
die  sie  öffentlich  anschlugen  an  ihre  Tore,  verhofften,  sie 
wollten  also  ferner  unbeschädiget  bleiben.  Aber  dessen 
allen  ungeachtet  haben  die  eichsfeldischen  Edelleute  und 
andere,  so  auf  Schloß  Rusteberg  gelegen,  deren  Hauptmann 
Hans  von  Mingerode  gewesen  (vgl.   oben  S.  44),   item  mit 


1)  Wolf  von  Schönberg. 


84  Pfeüere  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

ihm  die  Vögte  Matthes  Huneborn  und  der  Propst  zu  Anroda, 
Arnold  Luckart,  auch  der  geistliche  Mönch  und  Daniel,  der 
schwarze  Mönch,  Matthias  zu  Reifenstein  den  armen  Leuten 
ihren  Jammer  gemehret  und  großen  Mutwillen  mit  ihnen 
getrieben.  Denn  erstlich  haben  sie  dem  Rate  zu  Mühlhausen 
zwo  Warten,  als  den  Ziegenrain  und  Eichel,  ausgebrannt 
und  zerstöret;  danach  haben  sie  das  Vieh  zu  Dörna,  Hollen- 
bach und  Lengefeld  alle  genommen  und  hinweggetrieben, 
die  Kirchen  beraubt,  die  Häuser  geplündert,  letztlich  die 
Dörfer  angezündet  und  dergestalt  erbärmlich  verbrannt,  daß 
zu  Dörna  nicht  mehr  zwei,  zu  Lengefeld  drei  und  die  Kirche, 
zu  Hollenbach  gar  wenig  Häuser  geblieben  sind.  Der  Vogt 
Matthes  Huneborn  auf  dem  Scharfenstein  (Gleichenstein  vgl. 
oben  8.  62)  sagte  zu  Lengefeld  zu  den  armen  Leuten,  als  sie 
auf  dem  Kirchhofe  saßen :  ,Seid  ihr  noch  Martinisch  ?  Wir  wol- 
len euch  Lutherischen  Buben  jetzt  lehren',  und  ist  darauf  in 
die  Kirche  gefallen,  hat  dieselbe  beraubt  und  das  Dorf  an- 
gesteckt. Dieser  Schade,  von  den  Eichsfeldischen  den  Tag 
geschehen,  ist  an  21 000  fl.  allein  geachtet  worden.  So 
hatten  zuvor  Kersten  von  Schmalstieg  und  der  von  Beune- 
burgi)  mit  dem  einen  Auge  und  die  Hessischen  das  Dorf 
Eigenrieden  geplündert  und  gar  in  Grund  hinweggebrannt, 
daß  nicht  ein  Haus  geblieben.  Als  nun  die  letzten  Feuer 
zu  Dörna,  Lengefeld  und  Hollenbach  von  den  Türmen  in 
der  Stadt  gemeldet  wurden,  und  es  die  im  Lager  gesehen, 
haben  sie  etliche  Reiter  zu  den  Eichsfeldischen  abgefertiget, 
die  ihnen  angezeigt,  es  wäre  ein  Friede  bedingt,  sie  sollten 
nicht  mehr  brennen;  darauf  sie  miteinander  ins  Lager 
geritten.  Da  nun  die  armen  Leute  solchen  großen  Schaden, 
der  ihnen  im  Friedestande  zugefüget,  weinend  geklagt,  tat 
der  Herzog  von  Braunschweig  die  gnädige  Bitte  für  sie, 
daß  ihnen  die  Eichsfelder  etlich  Vieh  wieder  gaben." 

Dieser  Erzählung   läßt  sich  aus  den  Akten  noch  man- 
cherlei   hinzufügen,    besonders    aus    denen,    die    wir    dem 

1)  Boyneburg. 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  ßchlösser.  85 

Rechtsstreit  „Mühlhausen  gegen  Mainz"  verdanken  (K.  3, 
Nr.  18).  S.  134b.  Es  soll  gefragt  werden:  ,.0b  nicht  die 
Kur-  und  Fürsten  vor  Mühlhausen  gezogen  sind  und  die 
obgemeldeten  auf  dem  Hause  Rustenberg  gelegenen  zu  sich 
erfordert  haben,  ...  sie  darauf  dahingezogen  und  etliche 
Wagen  mit  Proviant  mit  sich  genommen,  daß  der  gemeldete 
Abt,  auch  der  Vogt  zu  Rustenberg  und  Mathes  Hindebom 
mit  denselbigen  Proviantwagen  gezogen  und  dabei  auch  bis 
ins  Lager  geblieben  seien."  Zeuge  erzählt,  er  sei  als  ein 
reisiger  Knecht  der  Junker  von  Winzingeroda  mit  in  das 
Lager  gezogen,  und  hat  gesehen,  daß  des  andern  Tags 
[27.  Mai]  Pfeifer  samt  etlichen  Bürgern  und  Bauern 
ijerichtet  worden.  Drei  Stunden,  ehe  der  Haufe  (der  Ad- 
ligen) ins  Lager  gekommen,  sei  der  Abt  (von  Reifenstein?) 
ins  Lager  bei  Nacht  mit  Kuntze  Gutghar  zu  Rusten- 
berg —  Zeuge  S.  141  setzt  noch  den  Amtmann  auf  dem 
Eichsfelde,  Bernhard  von  Härtungen  dazu  —  vorgeritten. 
Der  Vogt  zu  Rustenberg ,  der  Abt  und  Wolf  Zeisig, 
diese  3  seien  mit  den  Proviantwagen  vor  ihrem  Haufen 
gezogen). 

Auf  diesem  Zuge  in  das  Lager  der  Fürsten  kamen  die 
Adligen,  etwa  über  Bickenriede,  in  das  mühlhäusische  Ge- 
biet, das  sie  sofort  als  feindliches  behandelten,  um  an  ihm 
die  Verwüstung  der  eigenen  Schlösser  und  Klöster  zu 
sühnen.  In  den  Akten  wird  nun  festzustellen  gesucht,  ob 
bei  ihrem  Einrücken  in  das  städtische  Gebiet  der  Friede, 
wie  ihn  im  Namen  der  Fürsten  Wolf  von  Schönberg  ver- 
kündigt hatte,  bereits  in  den  Dörfern  bekannt,  die  Friede- 
briefe  angeschlagen  waren.  Darüber  finden  sich  mancherlei 
Aussagen,  aus  denen  hier  einige  hervorgehoben  werden 
mögen.  So  berichtet  Zeuge  S.  135:  „Die  vom  Adel  seien 
durch  die  Bauernschaft  von  dem  Ihrigen,  Weib  und  Kind 
verjagt  worden  und  auf  Rustenberg  zusammengekommen, 
sich  daselbst  zu  rüsten,  daselbst  den  bäurischen  Haufen  zu 
erwarten,  Leib  und  Leben  bei  einander  zu  lassen.  Als  nun 
Gott  Glück  gegeben,  daß  die  Fürsten  den  bäurischen  Haufen 


86  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

geschlagen  und  auch  vor  Mühlhausen  gelegen,  hätten  sich 
diese  Ede Heute  auf  Rustenberg  zu  Häuf  getan  und  zu  den 
Fürsten  vor  Mühlhausen  kommen  wollen,  wie  denn  ge- 
schehen ;  damit  er,  Zeuge,  als  ein  reisiger  Knecht  seines 
Junkers  von  Winzingerode  mitgezogen."  Weiterer  Bericht 
lautet  (S.  135):  „Kunz  Gutjahr,  der  Vogt,  und  der  Abt 
zu  Reifenstein  seien  zuvor,  ehe  der  Haufe  von  Rustenberg 
gezogen,  mit  den  Proviantwagen  in  das  Lager  vor  Mühl- 
hausen gekommen.  Als  dann  die  vom  Adel,  so  auf  Rusten- 
berg gelegen,  zu  den  Fürsten  ins  Lager  gen  Mühlhausen 
hätten  ziehen  wollen  und  zwischen  die  3  Dörfer  gekommen 
wären,  habe  er,  Zeuge,  gesehen,  daß  die  3  Dörfer  gebrannt. 
Indem  wären  auf  die  200  Pferde  von  den  Fürsten  von 
Mühlhausen  ihnen  entgegengekommen,  also,  daß  nicht  weit 
gewesen  wäre,  daß  die  beiden  Haufen  einander  geschlagen, 
und  jede  Partei  hätte  schon  ihren  Vorteil  genommen  und 
geschickt  zu  schlagen  gehalten,  —  Dazwischen  hätte  man 
Sprache  gehalten,  und  sei  also  der  Sachen  eins  geworden, 
daß  beide  Haufen  zufrieden  und  nach  dem  Lager  gezogen 
seien."  Genaueres  über  die  Absendung  dieser  Reiterscbar 
aus  dem  Lager  der  Fürsten  erfahren  wir  S.  136b:  „Als 
die  Dörfer  gebrannt  und  alle  Dinge  hinweggenommen,  wären 
die  Nachbarn  aus  diesem  Dorfe  zu  den  3  Fürsten,  so  vor 
Mühlhausen  gelegen,  gekommen,  hätten  solchen  ihren  Schaden, 
der  ihnen  über  den  ausgerufenen  Stillstand  geschehen,  ge- 
klagt, hätten  sie  wohl  bei  600  Pferden  dem  Haufen  in  dfen 
Dörfern,  so  gebrannt,  entgegen  geschickt.  Wären  die  beiden 
Haufen  mit  einander  in  der  Fürsten  Lager  gezogen,  das 
hätte  er  gesehen." 

Genaueres  erfahren  wir  über  die  Zerstörung  von  Dörna. 
Zeuge  S.  137b  erzählt:  „Als  er  vor  seiner  Herrschaft  von 
dem  Eichsfelde  geflohen,  wäre  er  zu  Dörna  gewesen  und 
hätte  sich  heimlich  daselbst  aufgehalten,  wären  die  Nach- 
barn aus  der  Stadt  gen  Dörna  heimgekommen,  hätten  zum 
Teil  das  Ihre  mitgebracht,  hätten  sie  ihm  gesagt,  wie  die 
Fürsten  auf  denselbigen  Tag,    der  da  war  Ascensionis  Do- 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  87 

mini  ^)  einen  Frieden  ausgerufen,  daß  jedermann  sollte  heim- 
ziehen und  sicher  sein,  und  hätten  Friedebriefe  mit  sich 
gebracht  und  dieselben  Briefe  denselben  Tag  oder  den 
nächsten  Morgen  an  die  2  Tore  ^)  angeschlagen,  das  habe 
er  gesehen ;  das  Wappen  der  Fürsten  habe  an  den  Briefen 
gestanden.  —  —  Als  er  bei  den  Nachbarn  auf  dem  Kirch- 
turme den  nächsten  Freitag  nach  Ascensionis  Domini  ge- 
wesen, hätte  er  samt  den  andern  droben  gesehen,  daß  ein 
Haufe  zu  Roß  und  zu  Fuß  vom  Eichsfelde  her  den  Warten 
zugezogen,  wären  dieselben  Warten  angesteckt  und  ver- 
brannt. Derselbe  Haufe  hätte  sich  zerteilt,  ein  Teil  still 
gehalten,  auf  7  oder  8  Reiter  sich  gen  Dörna  vor  das  Tor 
getan  und  hätten  hinein  gewollt;  hätten  die  Nachbarn  auf 
dem  Kirchturm  2  aus  ihnen  zu  denselben  an  das  Tor  ge- 
schickt, zu  fragen,  was  sie  wollten.  Hätten  dieselbigen 
Reiter  ihnen  zweien  zu  Antwort  gegeben,  sie  suchten  2 
Eichsfelder,  deren  er,  Zeuge,  einer  und  sein  Gesell  von 
Bickenriede  der  andere.  Also  wären  die  2  Gesandten  zu 
ihnen  auf  den  Kirchturm  gekommen,  hätten  solches  an- 
gesagt und  sie  zwei  nicht  mehr  bei  ihnen  haben  wo)^n ; 
also  hätten  sie  seinem  Gesellen  Weibskleider  gebracht,  die 
er  angetan  und  also  davongekommen,  und  er,  Zeuge,  sei 
über  die  Kirchhofsmauer  hinausgefallen  und  habe  sich  in 
Hecken  und  Genicke  3)  gesteckt  und  verborgen.  Als  dem- 
nach sie  zwei  hinweggekommen  wären  die  Tore  geöffnet, 
und  das  Dorf  Dörna  angesteckt"  Diese  Erzählung  ergänzt 
ein  anderer  Zeuge  (136 — 137) :  „Als  er  und  seine  Nachbarn 
zu  Dörna  auf  dem  Kirchturm  gewesen,  hätten  er  und 
andere    da   oben    gesehen,    daß  Reiter   und    Fußgänger   auf 


1)  Bekanntlich  zogen  an  diesem  Tage  (25.  Mai)  die  Fürsten  in 
Mühlhausen  ein. 

2)  Das  Dorf  war  durch  den  „Dorfhagen",  einen  mit  Holz  be- 
standenen Wall,  befestigt  (Sommer,  Bau-  und  Kunstdenkmäler  des 
Kreises  Mühlhausen  S.  15). 

3)  Vgl.  das  „Geneige"  unseres  Gebietes.    Chronik  I,  17. 


38  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

dem  Felde  gehalten  und  sich  gegen  das  Dorf  gewendet 
hätten.  Hätten  die  von  Dörna  2  aus  ihnen  zu  demselbigen 
Haufen  geschickt,  zu  erforschen,  was  sie  wollten,  darauf 
ihnen  aus  demselbigen  Haufen  geantwortet  sei,  sie  wollten 
2  Eichsfelder  bei  ihnen  suchen  ;  wäre  der  eine  sein  Bruder 
gewesen,  den  sie  suchten,  also  wäre  er  mit  seinem  Bruder 
ab  dem  Turme  gestiegen  und  hätte  ihm  davon  wollen  helfen, 
da  wären  etliche  von  dem  Haufen  vor  dem  Tore  gestanden, 
unter  denen  er  Lukarden  und  den  schwarzen  Daniel,  so 
ein  Reifensteiner  Mönch  gewesen,  und  Liborius  Thon- 
hose,  der  Zeit  ein  Obervogt  zu  Rustenberg,  gekannt  hätte, 
welcher  ihm  und  andern  zu  Dörna,  so  auf  dem  Tor  (Turm?) 
gewesen,  gerufen,  zu  ihnen  zu  kommen,  sie  sollten  Leibes 
und  Lebens  sicher  sein,  ihnen  sollte  nichts  geschehen,  und 
hätten  von  ihm,  seinem  Bruder  und  anderen  die  Gelübde 
genommen  von  wegen  des  Bischofs  zu  Mainz.  So  wäre 
die  Kirche  geöffnet  von  etlichen,  die  geflohen  aus  der  Kirche 
und  über  die  Mauer  gefallen  wären.  (?)  Wären  dieselben, 
auch  Mathes  Hundeborn  und  etliche  vom  Haufen,  so  vorm 
Tore  gehalten,  Reiter  und  Fußgänger  in  die  Kirche  ge- 
langt, hätten  geplündert  und  genommen,  was  sie  gefunden, 
hin  und  wieder  im  Dorfs  gelaufen,  das  Feuer  angesteckt 
und  brennen  lassen  und  demnach  dem  Lager  des  Fürsten 
zu  Mühlhausen  zugezogen,  und  wäre  ihnen  ein  Haufe  von 
Mühlhausen  entgegen  gekommen  und  sie  als  miteinander 
in  das  Lager  der  Fürsten  gezogen."  Weiter  erzählt  em 
Zeuge:  „Als  der  Friede  zu  Mühlhausen  ausgerufen,  derzeit 
er,  Zeuge,  noch  zu  Mühlhausen  gewesen,  hätte  der  Wächter 
auf  dem  Turme  3  Feuer  geblasen,  darauf  man  gefraget, 
wo  das  wäre,  hätte  der  Türmer  gesagt,  es  wäre  Dörna, 
da  er,  Zeuge,  wohnhaftig,  Lengefeld  und  Hollenbach.  Hätte 
der  Freiherr  von  Schönberg  den  Nachbarn  gesagt,  sie 
sollten  hinlaufen  und  löschen.  Wäre  er,  Zeuge,  gen  Dörna 
seinem  Hause  zu  gelaufen,  hätte  das  Dorf  Dörna  in  aller 
Höhe  gebrannt,  dabei  hätte  er  gesehen  Mathes  Hundeborn» 


und  die  Verwüstung  der  Klösiex  und  Schlöseer.  g9 

Vogt  auf  Gleichenstein,  und  Lukharden,  jetzt  Propst  zu 
Anrode,  auch  hätte  Lukhard  selbst  ein  Haus  angezündet, 
das  hätte  er  gesehen.  Auch  wäre  Mathes  Hundeborn  auf 
einem  Pferde  im  Dorfe  hin  und  wieder  gerannt,  hätte 
diesen  und  jenen  geschlagen,  Kühe,  Pferde  und  anderes, 
was  er  bekommen,  hinweggeführt  und  andere  hinwegzu- 
führen angewiesen,  und  wären  sonst  viel  Reiter,  auf 
80  Pferde,  und  Fußgänger  im  Dorfe  gewesen,  die  er  nicht 
gekannt.  Nachdem  die  Häuser  angesteckt,  wären  sie  vor 
den  Kirchhof  gekommen,  hätten  sie  die  Bauern  gezwungen, 
die  Kirche  zu  öffnen.  Das  wäre  geschehen,  wären  diese  Leute, 
Reisige  und  Fußgänger,  in  die  Kirche  gelaufen  und  hätten 
genommen  alles,  was  sie  darin  gefunden,  und  mit  sich 
hinweggenommen.  Auch  hätte  er  gesehen,  daß  der  Luk- 
hard nach  einem  auf  dem  Kirchtor  (Turm  ?)  geschossen,  der 
hätte  das  Tor  öffnen  müssen." 

Weitere  Aussagen  ergeben  nun  aber,  daß  die  Dörfer 
schon  vorher  (vgl.  S.  84)  von  anderer  Seite  geplündert  waren 
(S.  138):  „Da  die  Fürsten  vor  Mühlhausen  gelegen,  haben  die 
Hessischen  und  ihr  Hauptmann  Kersten  Schmalstich  (Schmal- 
steygk)  von  Treffurt  auf  Ascensionis  Domini  um  den  Mittag 
ungefähr  in  das  Dorf  Dörna  gefallen  und  etwa  die  Hälfte 
abgebrannt,  auch  die  Schafe  und  Kleinvieh  hin  weggetrieben ; 
und  folgenden  Freitags  nach  Ascensionis  um  den  Mittag  sei 
es  angesteckt  worden  durch  den  Haufen  vom  Eichsfeld " 
S.  138b :  „Außer  dem,  so  an  dem  Dorf  Junker  Schmal- 
stich  samt  seinen  Reitern  gebrannt,  sei  des  andern  Tages 
durch  den  Haufen,  so  vom  Eichsfelde  gezogen,  das  Dorf 
Dörna  bis  auf  2  Häuser  und  die  Pfarre  verbrannt."  — 
Noch  genauer  erzählt  ein  weiterer  Zeuge  (138b) :  „Als  der 
Friede  ausgerufen,  wären  er  und  sein  Vater  der  Zeit  zu 
Mühlhausen  gewesen.  Hätte  der  Vater  zu  ihm  gesagt,  der 
Priede  wäre  von  den  3  Fürsten  ausgerufen,  es  sollte  nun 
jedermann  sicher  sein,  und  niemand  nichts  mehr  geschehen. 
Darauf  habe    Zeuge    seinen    Wagen   geladen    und,   was   er 


90  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

hätte  führen  mögen  mit  4  Pferden,  wieder  gen  Dörna  ge- 
fahren und  abgeladen.  Er  wisse  nicht,  ob  die  Friedens- 
briefe angeschlagen  seien  desselben  Tages.  Darauf  des- 
selbigen  Tages  wären  etliche  niederländische  Reiter  ge- 
kommen, hätten  das  Dorf  Dörna  angesteckt  und  zum  Teil 
verbrannt,  dazu  etlich  Vieh  auch  genommen.  Des  andern 
Tages  hernach  wäre  ein  Haufe  vom  Eichsfeld  gekommen  und 
hätte  das  übrige  geplündert  und  verbrannt;  doch  wären  des- 
selben Tages  die  Briefe  an  den  Toren  angeschlagen."  Auch 
ein  weiterer  Zeuge  sagt,  Dörna  und  Hollenbach  seien  zwei- 
mal in  2  Tagen  nacheinander  gebrannt.  Auch  die  Plün- 
derung des  Dorfes  Eigenrieden,  wie  sie  unsere  Chronik 
erwähnt,  bestätigt  ein  Zeuge:  „Auf  Ascensionis  Domini  sei 
ein  Haufe  aus  dem  hessischen  Lande  dem  Lager  vor  Mühl- 
hausen zugezogen,  der  sei  in  Eigerode  —  in  Dörna  ge- 
fallen". —  Einiges  wichtige  bietet  dann  folgende  Aussage : 
„Als  auf  Ascensionis  Domini  der  Friede  ausgerufen  und 
er,  Zeuge,  von  seinem  Vater  mit  den  Wagen  und  Pferden 
wieder  gen  Dörna  geschickt,  und  er  den  Freitag  danach 
auch  gen  Dörna  gekommen,  wäre  geboten  worden  zu 
Dörna,  welcher  noch  nicht  den  Fürsten  gelobet,  daß  der- 
selbige  in  das  Lager  der  Fürsten  käme  und  daselbst  an- 
gelobte. Also  wären  viele  aus  den  Dörfern  gen  Mühl- 
hausen in  das  Lager  gekommen,  den  Fürsten  zu  Fuß  ge- 
fallen und  hätten  um  Gnade  bitten  müssen".  Schließlich  bietet 
eine  Aussage  (S.  140)  auch  genaue  Bestätigung  der  Er- 
zählung in  der  Chronik:  „Als  der  Haufe  vom  Eichsfeld 
bei  Dörna  gekommen,  wären  4  Reiter  an  das  Tor  zu  Dörna 
geritten  und  hätten  hinein  gewollt.  Hätten  die  Bauern, 
die  auf  dem  Kirchturm  versammelt,  2  aus  ihnen  zu  den- 
selbigen  4  geschickt,  sie  fragen  lassen,  was  sie  wollten. 
Darauf  dieselbigen  zur  Antwort  gegeben,  sie  suchten  zwei 
ihrer  Männer,  darauf  die  ihnen  wieder  geantwortet,  sie 
wären  der  Fürsten  und  Friede  sei  ausgerufen,  ihre  Nach- 
barn    wären     im    Lager     und     wollten      deshalb      Briefe 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  91 

bringen.  Dagegen  habe  Mathes  Hundebom  gesagt,  so 
sollten  sie  die  Tore  auf  tun  und  mit  ihm  in  das  Lager  der 
Fürsten  ziehn;  meinten  die  Nachbarn,  es  sollte  Glauben 
sein,  und  werden  die  Tore  des  Dorfes  und  Kirchhofes  ge- 
öffnet. Hätte  Zeuge  gesehen,  daß  Mathes  Hundeborn  und 
einer,  genannt  Luckart,  wären  die  vordersten  gewesen,  wären 
auf  den  Kirchhoff  gekommen  und  hätten  gesagt,  ob  sie 
Martinisch  wären,  hätte  ihm  ein  Bauer  geantwortet:  Ja. 
Hätte  er  wieder  gesagt :  Seit  ihr  noch  Martinisch  und  haltet 
deutsche  ^)  Messen !  Ich  will  euch  eine  deutsche  Messe  halten ! 
und  habe  zu  den  andern  gesagt:  Steckt  das  Dorf  an!  und 
übel  geflucht.  —  Auch  hätte  ihn,  Zeugen,  derselbige  Matthes 
und  noch  einer  mit  einem  Auge  (vgl.  S.  84 ;  v.  Beuneburg)  ge- 
zwungen, das  genommene  Vieh  zu  helfen,  mit  ihnen  zu 
treiben,  und  sie  seien  damit  der  Fürsten  Lager  zugerückt. 
Indem  wären  etliche  Reiter  aus  der  Fürsten  Lager  diesem 
eichsfeldischen  Haufen  entgegengeschickt,  um  das  Brennen 
zu  wehren,  hätten  sie  die  Bauern,  so  ihnen  das  Vieh  hätten 
helfen  treiben  müssen,  von  sich  gejagt  und  den  Nachbarn 
gar  nichts  wiedergegeben."  Eine  besondere  Nachricht  gibt 
dann  noch  der  Zeuge  S.  141 :  „Als  der  Hauptmann  der  Edelen 
auf  dem  Rustenberge,  Hans  v.  Minnigerode,  mit  seinem 
Haufen  zum  Ziegenrain,  der  Warte  (Chronik  S.  16),  gekommen, 
hätte  er  den  Matthes  Hundeborn  und  seinen  Untervogt  ge- 
rufen, zu  ihm  zu  kommen,  hätte  ihnen  befohlen  samt 
andern  noch  fünfen,  daß  sie  das  Dorf  Dörna  plündern  und 
ausbrennen  sollten ;  das  war  also  geschehen,  und  hätte  er, 
Zeuge,  auf  einem  Pferdlein  gehalten  und  zugesehen." 
Nach  diesen  Ereignissen  standen  in  Eigenrieden  noch  3  Häuser, 
in  Dörna  etwa  noch  6,  in  Hollenbach  waren  4  Höfe  abge- 
brannt, in  Lengefeld  standen  noch  4  Häuser  (N.  M.  14,  407 
vgl.  S.  84).  Die  Gemeinde  zu  Dörna  klagte  am  3.  Juni  schrift- 
lich  bei   Dr.   v.    Otthera,    dem    neuernannten    Schultheißen, 


1)  Die  hatte  Münzer  eingeführt.    (Chronik  182,  186.) 


92  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

daß  sie  an  ihrer  Behausung  und  ihren  Gütern,  ohne  Ursache 
am  Aufruhr  gewesen  zu  sein,  merklichen  Schaden  durch 
Feuer  erlitten  hätten,  und  baten  um  sein^e  Vermittelung  bei 
Herzog  Georg,    dem  Otthera  die  Klage  alsbald   übersandte. 


Es  ist  ein  reiches  Detail,  das  unsere  Akten  bieten, 
oft  in  recht  lebhafter  Färbung,  der  Schluß  aber,  der  sich 
daraus  ergibt,  ist  doch  nur  ein  einfacher,  und  es  darf 
wohl  nun  ausgesprochen  werden,  daß  „denen  von  Mühl- 
hausen" mancherlei  zugeschoben  ist,  an  dem  sie  nicht  oder 
nur  wenig  schuld  waren.  Ausgeplündert  sind  die  Klöster 
und  Schlösser  größtenteils  von  den  Eichsfelder  Bauern,  doch 
wohl  den  umwohnenden ;  als  der  Haufe  heranzog,  sind  die 
geplünderten  und  verlassenen  Klöster  und  Schlösser  an- 
gezündet worden,  vielleicht  aus  Ärger,  daß  es  nichts  mehr 
zu  plündern  gab.  Das  gilt  freilich  mit  einiger  Sicherheit 
nur  bis  Heiligenstadt  hin ;  darüber  hinaus  hört  ja  unsere 
genauere  Kunde  auf. 

Einige  allgemeine,  diese  Auffassung  bestätigende  Zeug- 
nisse stelle  ich  hier  noch  zusammen.  S.  146b  gibt  ein 
Zeuge  an,  „die  Feldnachbaren  hätten  das  Kloster  (Name 
fehlt)  geplündert,  ungefähr  gleich  nach  Ostern  Ursach  seines 
Wissens,  denn  Bernhard  von  Honten  (Härtungen),  gemeiner 
Amtmann  auf  dem  Eichsfelde,  des  Schreiber  der  Zeuge  ge- 
wesen, der  hätte  samt  seinen  Reisigen  etliche  Bürger  von 
Heiligenstadt  zu  ihm  gefordert,  dieselben,  so  das  Kloster 
geplündert,  schlagen  (?!).  —  Das  Kloster  sei  noch  nicht 
verbrannt  gewesen,  sondern  nachmals  geschehen."  Dies  letz- 
tere wird  dann  genauer  wiederholt:  „Als  das  obgemeldet© 
Kloster  geplündert  wäre,  wäre  über  3  oder  4  Tage  un- 
gefähr hernach  der  große  Haufe,  so  man  den  Mühlhäusischen 
genannt,  vor  Heiligenstadt  gekommen ;  sei  in  demselben 
Zuge  seines  Wissens  das  Kloster  verbrannt  worden." 
S.  152 :  „Als  die  Prädikanten  und  der  aufrührerische  Haufe 
von  Orsla    gen  Heiligenstadt   gezogen,    seien    die  Schlösser 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  93 

und  Klöster  geplündert  gewesen,  aber  im  Zuge  gen  Hei- 
ligenstadt seien  sie  durch  diejenigen,  so  von  dem  Haufen 
gelaufen,  verbrannt  worden,  solch'  Brennen  habe  er  selbst 
gesehen."  S.  163:  „Als  der  Haufe  von  Orsla  auf  Heiligen- 
stadt zu  gezogen  sei,  seien  zuvor  Schlösser  und  Klöster 
geplündert  und  ausgebrannt,  denn  er  von  Gebelhausen 
(vgl.  8.  49),  als  er  und  die  Eichsfelder  zu  ihnen  gen  Ur- 
bach  gekommen,  gehört.,  er  und  sein  Anhang  und  der 
Schlösser  und  Klöster  Untertanen,  hätten  die  Klöster  und 
Schlösser  geplündert  und  verbrannt."  S.  167:  „Zuvor  und 
ehe  die  Prädikanten  aufs  Eichsfeld  gen  Heiligenstadt  ge- 
zogen, seien  durch  die  Eichsfelder  Scharfenstein,  Horburg, 
ßeifenstein,  Kloster  Worbis,  Beuren  und  Teistungenburg 
geplündert  worden.  Aber  als  der  Haufe  im  Zuge  gegen 
Heiligenstadt  gezogen,  seien  vermeldete  Schlösser  und 
Klöster  verbrannt  worden.  Er,  Zeuge,  habe  gesehen,  daß 
die  Eichsfelder  die  Schlösser  und  Klöster  geplündert  haben." 
S.  178:  „Er  habe  hören  sagen,  die  Schlösser  und  Klöster 
seien  vorhin  geplündert  gewesen,  ehe  der  Haufe  gezogen; 
als  aber  der  Haufe  zu  Orsla  gezogen  nach  Heiligenstadt, 
hätten  Schlösser  und  Klöster  gebrannt." 

Es  wird  femer  der  Mühe  wert  sein,  zu  fragen,  wer 
denn  eigentlich  den  Mühlhäuser  Haufen  gebildet  hat.  Früh, 
schon  im  Beginne  der  Bewegung  haben  sich  fremde  Ele- 
mente in  unsere  Stadt  gedrängt,  deren  Einfluß  in  anderem 
Zusammenhange  erörtert  werden  muß ;  hier  muß  doch 
darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  daß  die  kleine  Stadt, 
an  deren  Volkszählung  vom  Jahre  1525  (Chronik  S.  215) 
immer  wieder  erinnert  werden  möge,  zu  dem  Haufen  wirk- 
lich nicht  viele  ihrer  Bürger  oder  Mitwohner  entsenden 
konnte.  In  den  Akten  liegen  ja  genug  Aussagen  vor  über 
die,  welche  mitgezogen  waren,  aber  ihre  Zahl  ist  doch 
in  Summa  klein,  wenn  man  an  den  großen  Haufen  denkt, 
der  gen  Heiligenstadt  zog.  Fremde  in  Menge  sind  darin 
vertreten  gewesen,    worüber   ebenfalls  Zeugnisse    vorliegen. 


94  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld 

So  heißt  es  S.  151:  „er  sei  mit  dem  aufrührerischen  Haufen 
der  Zeit  im  Feldlager  gezogen,  in  welchem  Hessen,  Mühl- 
häuser, Eichsfelder,  vom  Harze  und  sonst  aus  anderen 
Orten  gewesen,"  S.  178  erzählt  ein  Zeuge:  „Vielerlei  Volks, 
als  Sachsen,  Hessen,  Eichsfelder,  Franken,  Meißner  und 
andere  seien  mitgezogen,  die  alle  gern  reich  und  frei  hätten 
werden  wollen."  Zeuge  S.  154b  erzählt:  „Die  Prediger 
sollen  allenthalben  hin  geschrieben  haben,  also  sind  aus 
Hessen,  Sachsen,  Eichsfeld  viel  zu  ihnen  gelaufen."  Ein 
anderer  berichtet  S.  155:  „Hernach  aus  Hessen  haben  sich 
von  der  Werra  und  allenthalben  viel  zu  Pfeifer  gen  Mühl- 
hausen getan,  also  daß  der  Anhang  der  Ausländer  und  der 
Bürger  so  groß  geworden,  daß  der  Rat  ihrem  Mutwillen 
nicht  mehr  hat  vorkommen  mögen."  S.  161  heißt  es, 
Pfeifer  habe  sich  einen  großen  Anhang  gemacht  von 
Bürgern  und  ausländischen  Bauern,  und  S.  172:  „sei  das 
Volk  allenthalben  her  Bürger,  Eichsfelder  und  Sachsen  in 
ihre  Predigt  gelaufen."  Leider  ist  keine  Hoffnung  vor- 
handen, daß  wir  über  Pfeifers  Bund,  dessen  Liste  ich  Heft  2, 
S.  33 — 35  veröffentlicht  habe,  jemals  genaueres  erfahren. 
Schließlich  verweise  ich  noch  auf  das  dort  S.  36 — 37  ver- 
öffentlichte Verzeichnis:  „Disse  Dorffe  wye  hernach  folgendt 
sint  auch  vf  der  Beschedigungk  des  Adels  mit  gewest." 

„Alle  Welt  wollte  von  Mühlhausen  entschädigt  sein", 
schrieb  schon  Seidemann,  N.  M.  14,  412.  Herzog  Georg, 
der  doch  wahrlich  Mühlhausen  nicht  freundlich  gesinnt  wai", 
ließ  bei  einer  Tagung  der  Räte  anbringen  (N.M.  14,  417): 
„Ernsten  Windolt  hätten  der  von  Honstein  Leute  mehr 
Schaden  getan,  als  die  von  Mühlhausen",  dennoch  mußte 
die  Stadt  Ernst  und  Hans  Windolt  1200  Fl.  zahlen  (Chro- 
nik, S.  209).  Der  Erzbischof  von  Mainz  forderte  zunächst  als 
Entschädigung  für  die  Klöster  18000  Fl.  (N.  M.  14,  423), 
begnügte  sich  aber  1550  bei  einem  Vergleiche  mit  3000  Fl., 
immerhin  ein  Beweis,  daß  der  Schaden  der  Stadt  nur  zu 
einem  kleinen  Teile  zugeschoben  werde  konnte. 


und  die  Verwüstung  der  Klöster  und  Schlösser.  95 

Schon  in  unserer  Chronik  tritt  an  einzelnen  Stellen  ein 
Streben  hervor,  die  gegen  die  Stadt  gerichteten  Anklagen 
zurückzuweisen,  wie  ich  denn  auch  nicht  Stephan  zustimmen 
kann,  der  für  „die  Beschreibung  des  Bauernkrieges"  an- 
nahm, wahrscheinlich  habe  der  Verfasser  die  Vorgänge 
selbst  mitangesehen  (Stofflieferungen  II,  S.  145).  Vielmehr 
habe  ich  immer  mehr  den  Eindruck  gewonnen,  daß  unsere 
Akten  dem  Verfasser  bei  der  Niederschrift  nicht  fremd 
gewesen  sind.  Man  behauptete,  der  Haufe  sei  „mit  der 
Stadt  aufgerichtetem  Fähnlein"  ausgezogen  (vgl.  oben  S.  56); 
daß  das  unmöglich  war.  soll  die  genaue  Erzählung  zeigen, 
wie  der  Stadt  Fähnlein  von  Rodemann  und  Wettich  entführt 
wurde;  deshalb  wird  auch  genau  das  weiße  Fähnlein,  „darin 
ein  Regenbogen  stund",  beschrieben,  mit  dem  Pfeifer  und 
Münzer  auszogen,  ebenso  das  gelbgrüne  Fähnlein  des  Eichs- 
felder Haufens.  Absichtlich  betont  die  Chronik  (S.  187): 
,,Bei  diesem  Haufen  und  Zuge  sind  wenig  Bürger  und  kein 
Ratsherr  von  Mühl hausen  gewesen"  außer  dem  berühmten 
Jobst  Homberg ;  war  doch  Klage  erhoben,  Mitglieder  des  Rates 
hätten  den  Haufen  geführt.  Auch  was  ich  zuletzt  zusammen- 
gestellt habe,  faßt  die  Chronik  dahin  zusammen:  „Das 
andere  ist  alles  zusammengelaufen  Volk  gewesen."  Genaueres 
Studium  wird  diesen  Grundton  der  Darstellung  in  der 
Chronik  wohl  noch  deutlicher  nachweisen  können.  Ob  sie 
damit  recht  hat,  wird  die  vorliegende  Untersuchung  er- 
kennen lassen ;  vielleicht  dient  sie  dazu,  daß  man  in  Zukunft 
mit  „denen  von  Mühlhausen"  etwas  gnädiger  ins  Gericht 
geht.  Man  vergleiche  mit  unserer  Darstellung  Mühlh. 
Gesch.-Bl.  III,  S.  64:  „So  singt  Bernardus  Americanus  von 
Thomas  Münzer  und  seinem  ,Speerarme',  der  noch  rauchte  von 
dem  Blut  der  Edelleute"  ;  hoffentlich  wird  man  dann  uns  zu- 
stimmen, daß  es  Zeit  ist,  diese  Dinge  etwas  genauer  zu  prüfen. 
Vielleicht  vergißt  man  dabei  auch  folgende  Stelle  aus  Münzers 
letztem  Briefe  (Seidemann  S.  146)  nicht,  wohl  dem  einzigen 
Schreiben  aus  seinen    letzten   Jahren,   in    dem    aufrichtiges 


96  Pfeifers  und  Münzers  Zug  in  das  Eichsfeld  etc. 

Gefühl  niclit  durch  übertriebene  Phrasen  verhüllt  ist:  „Ich 
weyß  das  ewer  der  mehrer  theyl  in  Molhoußen  dysser 
uffrurischen  und  eygenutzigen  emporung  nihe  anhengig 
gewest,  szondern.  das  allewege  gerne  gewerth  und  vor- 
komen"  i). 


1)  Das  kürzlich  erschienene  Werk  von  v.  Wintzingeroda-Knorr, 
„Die  Wüstungen  des  Eichsfeldes  etc."  konnte  ich  leider  zu  dieser 
Studie  nicht  mehr  durcharbeiten  (1060  Seiten!),  doch  möge  wenig- 
stens folgende  Notiz  zu  S.  78  hier  Platz  finden :  „Der  jetzige  Name 
Mühlhäuser  Burg  ist  erst  im  18.  Jahrhundert  gebräuchlich  ge- 
worden" (S.  691).  —  Das  8.  1020  für  die  Zerstörung  des  Schlosses 
Westernhagen  gegebene  Datum  (1.  Mai)  wird  kaum  richtig  sein,  da 
der  Haufe  Dienstag  den  2.  Mai  erst  vor  Heiligeustadt  eintraf  (vgL 
oben  S.  65).  Die  Sage  von  der  Vernichtung  der  Familie  v.  Western- 
hagen bis  auf  einen  Knaben  wird  auch  hier  als  irrig  bezeichnet,  wie 
sie  ja  auch  neben  den  von  den  Herrn  v.  W.  erhobenen  Forderungen 
(vgl.  S.  74)  lächerhch  genug  erscheint.  Ich  finde  aber,  selbst  in  der 
Sage,  sonst  keine  weitere  Gelegenheit,  bei  der  das  „Blut  der  Edel- 
leute"  vergossen  sein  könnte. 


III. 

Die  vor-  und  frühgeschichtiichen  Funde  der 
Grafschaft  Camburg. 

Von 

Dr.  Gustay  Eichhorn  in  Jena. 

Mit  79  Abbildungen  im  Text. 

Die  vorliegende  Arbeit  ist  das  Resultat  einer  mehr- 
jährigen Sammlung  aller  vor-  und  frühgeschichtlichen  Funde, 
die  im  Saalegebiet  in  der  Grafschaft  Camburg  gemacht 
worden  sind.  Das  umfangreiche  Material  ist  weit  verstreut 
worden.  Es  sind  Funde  nach  Berlin  gekommen  in  das 
Museum  für  Völkerkunde,  nach  Meiningen  in  das  Henne- 
berger Haus,  nach  Jena  in  das  Germanische  Museum,  nach 
Weimar  in  das  städtische  Museum,  nach  Coburg  in  die 
Sammlung  des  Anthropologischen  Vereins ;  eine  größere 
Sammlung  vorgeschichtlicher  Altertümer  besitzt  die  Schule 
zu  Eckolstedt,  Herr  Gutsbesitzer  Becker  in  Schinditz,  einige 
Stücke  Herr  Pfarrer  Schröder  in  Hainichen,  Herr  Ritter- 
gutsbesitzer von  Schönberg  in  Kreipitzsch,  und  heute  noch 
gehen  Fundobjekte  in  reichlicher  Menge  dem  unermüdlichen 
Sammler  Herrn  Straßenbauverwalter  Heim  in  Camburg  zu. 
Ich  habe  die  einzelnen  Gegenstände  genau  gebucht,  ge- 
zeichnet und  beschrieben.  Beim  Abschluß  der  Arbeit  bin 
ich  nun  lange  unschlüssig  gewesen,  wie  der  umfangreiche 
Stoff  am  besten  zu  sondern  und  zu  gruppieren  wäre,  ob 
ich  die  Funde  aufzählen  sollte  nach  den  Fundorten  oder 
XXII.  7 


98     Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

nacht  dem  jetzigen  Verbleib  in  den  genannten  Sammlungen, 
oder  ob  ich  eine  zusammenhängende  Darstellung  der  Vor- 
geschichte der  Grafschaft  Camburg  geben  und  die  hier  ge- 
machten Funde  einflechten  sollte.  Schließlich  bin  ich  zu 
dem  Entschluß  gekommen,  die  Funde  zunächst  nach  den 
Fundorten  zusammenzustellen,  jeden  Fundgegenstand  ein- 
zeln zu  beschreiben  und  erst  in  einem  Schlußkapitel  einen 
Überblick  der  vor-  und  frühgeschichtlichen  Entwickelung 
der  Grafschaft  Camburg  auf  Grund  dieses  Materials  zu 
geben.  Es  wird  auf  diese  Weise  zwar  der  flüchtige  Leser 
leicht  ermüden,  wenn  er  die  trockene  Aufzählung  ganzer 
Serien  von  gleichartigen  Steingeräten  oder  Schädelbeschrei- 
bungen durchmustert,  doch  geschieht  damit  dem  Prähistoriker 
sowohl,  wie  der  Landeskunde  ein  Gefalle,  das  weit  ver- 
streute Material  dieser  Gegend  wenigstens  in  einer  katalog- 
artigen Zusammenstellung  beieinander  zu  finden. 

Die  Fundgegenstände  sind  in  ihrem  Wert,  d.  h.  in 
ihrer  wissenschaftlichen  Verwertbarkeit  sehr  verschieden. 
Wird  ein  Steinbeil  z.  B.  eingeliefert  ohne  nähere  Angabe 
der  Fundstelle  und  der  begleitenden  Fundumstände,  so  hat 
es  einen  verhältnismäßig  geringen  Wert.  Wir  können  nicht 
einmal  mit  Sicherheit  sagen,  ob  es  der  Steinzeit  angehört, 
da  Steinbeile  auch  in  der  späteren  metallischen  Zeit  noch 
häufig  im  Gebrauch  waren.  Wir  bezeichnen  ein  derartiges 
Fundstück  als  „Einaelfand". 

Wird  uns  aber  z.  B.  glaubwürdig  mitgeteilt,  daß  das  Stein- 
beil innerhalb  einer  schwarzen  Schicht  Bränderde  auf  einem 
sonst  lehmfarbenen  Acker  beim  Pflügen  neben  ornamen- 
tierten Gefäßscherben,  Feuersteinmesserchen  und  Reibsteinen 
zu  Tage  gefördert  worden  ist,  so  läßt  sich  mit  Sicherheit  an- 
nehmen, daß  es  einer  steinzeitlichen  Wohnstätte  entstammt. 
Wie  hieraus  erhellt,  macht  ein  genauer  Fundbericht,  der 
präzise  Angaben  hinsichtlich  des  Fundortes  und  der  be- 
gleitenden Fundumstände  bringt,  den  Fund  für  das  wissen- 
schaftliche Studium  zu  einem  bedeutend  wertvolleren.  Im 
Gegensatz  zu  den  oben  erwähnten  Einzelfunden  nennen  wir 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.     99 

derartige  gleichzeitig  an  gleichem  Orte  zusammen  gemachte 
Funde  „Gesamt-  oder  Gruppenfünde". 

Als  Gesamtfunde  sind  dementsprechend  anzuführen: 

1)  die  funde  aus  einer  Wohnstätte  „Wo hnstätten- 
funde, 

2)  die  Funde  aus  einem  Grab,  die  „Grabfunde", 

3)  die  sogenannten  „Depotfunde",  d.  h.  Funde  von 
Gegenständen,  die  in  vorgeschichtlicher  Zeit  an  einer  Stelle 
in  der  Erde,  z.  B.  unter  einem  großen  Stein,  in  der  Nähe 
eines  Baumes  oder  im  Wasser  niedergelegt  worden  sind, 
sei  es  von  einem  fahrenden  Händler,  der  in  Zeiten  der  Gefahr 
diese  Schätze  vergrub,  sei  es  von  einem  heimkehrenden 
Krieger,  der  dankerfüllt  diese  kostbaren  Stücke  nach  glücklich 
bestandenem  Kampfe  seinen  Göttern  weihte. 

Bei  allen  Gesamtfunden  gilt  es  aber,  genau  zu  beobachten. 
Es  ist  nicht  immer  richtig,  alle  an  einem  Wohnplatz,  in 
einer  Herdgrube  gemachten  Funde  einer  Epoche  zuzuteilen, 
da  die  Wohnplätze  oft  lange  Zeit  hindurch  benutzt  worden 
sind,  und  die  unteren  Schichten  der  Abfallgruben  einer 
viel  früheren  Epoche  angehören  können  als  die  oberen. 

Ebenso  sind  auch  die  Grabhügel  oft  in  zeitlich  ganz 
getrennten  vorgeschichtlichen  Epochen  als  Bestattungsstellen 
benutzt  worden.  Es  sind  z.  B,  Grabhügel  eröffnet  worden, 
in  welchen  das  Hauptgrab  im  Zentrum  bereits  in  der 
Steinzeit  angelegt  worden  war,  während  die  oberen  Hügel- 
schichten Bestattungen   aus    der    slavischen  Zeit   enthalten. 

In  der  vorliegenden  Arbeit  sind  diese  äußerst  wichtigen 
Gruppenfunde  bei  den  betreffenden  Fundorten  vorangestellt. 

Die  Einzelfunde  sind  ihnen  angereiht  worden.  Die  Zeit- 
schriften ,  Tageszeitungen ,  Abbildungen ,  die  schriftlichen 
Notizen,  welche  die  Funde  schon  in  irgend  einer  Weise 
behandeln ,  sind  quellenmäßig  angegeben ,  ebenso  wie  der 
jetzige  Aufbewahrungsort  der  Fundgegenstände  bei  jedem 
Stück  verzeichnet  ist. 


100  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

I.  Die  auf  dem  linken  Ufer  der  Saale  gelegenen  Fundorte 
in  der  Grafschaft  Kambi^rg. 

1.  Eckolstedt. 

Steinzeitliche  "VVohnstätten. 

Im  Germanischen  Museum  zu  Jena  liegen  eine  große 
Anzahl  von  Tongefäßscherben,  welche  Herr  Land- 
wirt Carl  Kunze  aus  Hirschroda  bei  Eckolstedt  gesammelt 
und  unserem  Museum  zu  Klopfleischs  Zeiten  übergeben 
hat.  Die  Gefäßreste  sind  zumeist  der  Bandkeramik 
angehörig  und  stammen  aus  sogenannten  Herdgruben 
steinzeitlicher  Siedelungen.  Im  vergangenen  Sommer  habe 
ich  mit  Herrn  Kunze  eine  Reihe  derartiger  Anlagen  unter- 
sucht und  neues  Material  derselben  Art  gesammelt. 

Auf  derartige  Reste  vorgeschichtlicher  Wohnstätten 
wird  man  aufmerksam  durch  eine  auffällige,  schwarze  Boden- 
färbung, die  ein  meist  kreisförmiges  Stück  auf  dem  sonst  lehm- 
farbenen  Ackerboden  deutlich  heraushebt.  Besonders  nach 
einem  Regen  sind  die  Stellen  auf  den  frisch  geackerten 
Feldern  deutlich  sichtbar.  An  senkrecht  angeschnittenen 
Herdgruben  sieht  man,  daß  dieselben  ursprünglich  als  cylin- 
derförmige  Gruben  aus  dem  Boden  ausgehoben  worden 
sind  mit  senkrechten  Wandungen,  ihr  Durchmesser  schwankt 
von  1 — 2  m,  ihre  Tiefe  beträgt  ^j^- — 1  m.  Unter- 
sucht man  derartige  Stellen  genauer,  so  findet  man  in  der 
schwarzen  Erde  eine  große  Zahl  Gefäßbruchstücke,  die  zu- 
nächst leicht  zerbrechen,  aber,  lufttrocken  gemacht,  sehr 
rasch  wieder  erhärten ,  vereinzelt  Holzkohle ,  Feuerstein- 
splitterchen  oder  -messerchen,  Elintpfeilspitzen,  Knochen  von 
Tieren,  zuweilen  Steinbeile,  Steinhacken,  Reibsteine,  Klopfer. 
Nach  meiner  Ansicht  sind  diese  schwarzen  Stellen  auf  den 
Ackern,  die  sogenannten  Herdgruben,  nicht  Feuer- 
stätten, d.  h.  Stellen,  wo  sich  der  Herd  der  primitiven 
Siedelung  befunden  hat,  sondern  Abfallgruben,  die  in 
der  Nähe  der  leicht    gebauten  Wohnhütten,    in    den  Boden 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  101 


vertieft,  angelegt  worden  sind.  Man  bedurfte  ihrer,  um 
die  Reste  des  Herdfeuers,  die  glühende  Asche,  aus  der 
leicht  brennbaren  Hütte  zu  entfernen  und  sie  unschädlich 
zu  machen.  Schließlich  warf  man  auch  alle  Küchen  abfalle, 
Tierknochen  nach  der  Mahlzeit,  zerbrochene  Töpfe,  un- 
brauchbar gewordene  Werkzeuge  mit  in  die  Grube. 

Die  Wohnstätten  dieser  steinzeitlichen  Besiedler  der 
Eckolstedter  Flur  lagen  auf  dem  nord-  und  südöstlichen 
Hochplateau,  zwischen  denen  sich  das  heutige  Dorf  ins 
Tal  hinabzieht. 

Die  mir  vorliegenden  Gefäßscherben  aus  diesen  Fund- 
stellen   gehören,    wie    eingangs    erwähnt,    in    die    Periode 


Fig.  2.    Vr 


Fig.  3.    %.  Fig.  4.    Vr 

der  Bandkeramik,  also  den  letzten  Abschnitt  der  jün- 
geren Steinzeit.  Bekanntlich  hat  dieser  Abschnitt  der  Vor- 
geschichte von  der  Verzierungsweise  der  Gefäße  seinen 
Namen.    Eingeritzte  Linien  umziehen  geradlinig,  in  Winkeln 


102  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Fuude  der  Grafschaft  Camburg. 

gebrochen,  oder  bogen  -  (spiral-)linig  das  ganze  Gefäß. 
Die  Linien  verlaufen  zumeist  parallel,  zu  Bändern  ge- 
ordnet. Klopfleisch  führte  daher  die  Namen  „Winkel- 
band" und  „Bogenband"  für  diese  Ornamentierung  in 
die  Literatur  ein.  Zur  ersten  Gruppe  gehören  die  Gefäß- 
scherben ,  Fig.  1 ,  2 ,  3 ,  4 ,  zur  Bogenbandverzierung 
Fig.  5,  6,  7.     Wir  wissen,    daß  die  Bandkeramik  aus  Süd- 


Fig.  5.    V^. 


Fig.  6.  ^/,. 


deutschland  zu  uns  nach  Thüringen  gekommen  ist.  Eine 
neuerdings  erschienene  Arbeit  von  Dr.  Schliz,  „Das  stein- 
zeitliche Dorf  Großgartach",  bringt  eine  große  Anzahl  von 
abgebildeten  Gefäß  Bruchstücken,  die  in  Ornamentierung, 
Form  und,  wie  die  Beschreibung  ergänzt,  auch  in  der  Masse 
genau  übereinstimmen  mit  den  bandverzierten  Gefäßresten 
Eckolstedts. 

Die  uns  erhaltenen  Gefäßscherben  sind  Rand-, 
Bauch-,  Boden-  und  Henkelstücke.  Ihrem  Material, 
ihrer  Form,  ihrer  Verzierungsweise  nach  sind  mit  Sicher- 
heit zwei  Arten  zu  unterscheiden :  1)  blaugraue,  bräunlichgelbe 
oder  schwarze,  hartgebrannte,  dünnwandige  Gefäße, 
deren  Masse  mit  feinem  Sand  versetzt  ist,  so  daß  sich  die- 
selben feinsandkörnig  anfühlen,  und  2)  schmutzig  -  ziegel- 
farbene,  grobgearbeitete,  dickwandige,  poröse  Gefäße, 
mit  gröberen  Quarzkörnern  in  der  Tonmasse  eingebettet. 
Die  ersteren  sind  kleinere,  halbkugelförmige  Gefäße 
mit  weiter  Mündung,  gerad  abgeschnittenem  Rand,  oder 
größere,  amphorenartige  oder  kugelförmige  Gefäße 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Caraburg.   103 


mit  engem,  kurzem  Hals,  kugeligem  Bauch  und  Boden. 
Die  dickwandigen  Gefäße  sind  groß,  topf  förmig.  Auch 
hinsichtlich  der  Henkelbildung  sind  beide  Gruppen 
wesentlich  verschieden.  Bei  der  ersten  Sorte  fehlen  eigent- 
liche Henkel.  Von  andern  Fundstellen  Thüringens  wissen 
wir,     daß     derartige    Kugelgefäße     nur    kleine    Schnurösen 


Fig.  11.    V2. 


Fig.  a  V, 

haben.  Auf  den  hier- 
her gehörigen  Eckol- 

stedter  Gefäß- 
scherben haben  wir 
nur  runde ,  kleine, 
Warzen,  die  mehr 
zum  Schmuck,  z.  B. 
als    Abschluß     eines 

linearen  Band- 
musters, angebracht 
sind  (Fig.  5).  An 
den  größeren  Ge- 
fäßen sind  größere, 
undurchlochte  Hand- 
haben angebracht, 
kegelförmig  mit  plattgedrückter  Spitze  (Fig.  8),  oder  breit- 
gedrückt, in  ein  oder  zwei  Spitzen  auslaufend  (Fig.  9,  10, 
11),  senkrecht  aufsitzend  auf  der  Wandung  oder  leicht 
nach  abwärts  gebogen.  Daneben  kommen  quersitzende 
Bogenhenkel  vor,  zum  Durchziehen  einer  Schnur  berechnet, 


Fig.  12.    V2 


104  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


(Fig.  12),  mit  geradflächiger  oder  schwach  ausgemuldeter 
Ober-  und  gewölbter  Unterseite.  Die  blaugrauen,  bräun- 
lichgelben und  schwarzen,  dünnwandigep  Gefäße  sind,  wie 
erwähnt,  mit  der  charakteristischen  Linearzeichnung  ver- 
sehen (Fig.  3,  2,  3,  4  und  5,  6,  7).  Vereinzelt  ist  der 
Bandcharakter  der  Verzierung  durch  eine  Ausfüllung  mit 
Tupfenstichen  erhöht  (Fig.  6).  Von  den  Scherben  der  großen, 
grobwandigen  Gefäße  ist  einer  mit  tiefen  Fingerspitzen- 
und  Nageleindrücken  verziert,  die  in  einer  einfachen  Reihe 
den  Gefäßhals  umzogen  haben. 

Auf  ein  eigentümlich  verziertes,  verhältnismäßig  dick- 
wandiges amphorenartiges  Gefäß  läßt  ein  Randstück 
schließen  mit    daranhängendem    oberen  Bauchteil  (Fig.  13). 

Das  Gefäß  hatte  einen 
kurzen ,  gerad  auf- 
steigenden Hals,  eine 
enge  Mündung.  Der 
Mündungsrand  ist  glatt 
gestrichen,  abgerundet, 
der  Bauch  kugelförmig. 
Den  Hals  umziehen 
am  Grunde  2  parallele 

Reihen  von  tiefen 
Stichen,  die  mit  einem 
dreieckigen  Pfriemen 
ausgeführt  sind.  Den 
oberen  Bauchteil  zieren 
parallele,  im  Winkel 
gebrochene  Linien,  den 
Winkel  überdacht  ein 
Bogenband,  dessen  Gipfel  sich  dem  Halse  nähert.  Ab- 
wechselnd mit  diesem  Bogen  tritt  daneben  ein  Winkel- 
band an  den  Gefäßhals.  Die  Bandverzierung  ist  seitlich 
begleitet  von  kräftigen  Wülsten,  welche  die  Ornamentierung 
stark  hervortreten  machen.     Das  Gefäß  ist  aus  schwarzem, 


Fig.  13.    V2 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  105 

mit  Kohle  gemischtem  Ton  hergestellt,  Wandung  am  Hals- 
grund 9  mm  stark ;  oberer  Durchmesser  8  cm  circa,  Innen- 
und  Außenfläche  schwarzglänzend. 

Ein  7  mm  wandstarker  Gefäßscherben  aus  schwarzem 
Ton  ist  mit  Quarzstückchen  in  Stecknadelkopfgröße  durch- 
setzt. Außen-  und  Innenfläche  geglättet,  die  Außenfläche 
mit  kleinen,  getupften  Ovalen  verziert  (Fig.  14). 

Die  gleiche  Verzierung  zeigt  der  Bauchteil  eines  Rand- 
stückes, das  einem  größeren  Napf  angehört,  mit  glattge- 
strichenem Rand.     Das  Material  ist  dasselbe. 


Fig.  14.    V, 


Fig.  15.    V« 


Zwei  kleinere  Gefäßbruchstücke:  ein  dünnwandiges 
Randstück  aus  graublauem  Ton  und  ein  innen  graues,  an 
der  Außenfläche  schmutzig  -  ziegelfarbenes  Gefäßbruchstück 
sind  mit  schmalem  Furchenstich  verziert  nach  Art  der 
Monsheimer  Gefäße  (Fig.  15,  16). 


Fig.  16.    V2 


Fig.  17.    V3 


Aus  der  steinzeitlichen  Ansiedelung  stammen  eine  An- 
zahl Wandbewurffetücke  aus  Lehm  im  Jenaer  Museum. 
Ferner  ein  spitzer  Enochenpfriemen  (Fig.  17). 

Einzelfnnde. 

Die  Schule  in  Eckolstedt  bewahrt  eine  reiche 
Sammlung  von  Steingeräten.  Die  meisten  Fundobjekte  sind 
—  mineralogisch  betrachtet  —  Diabase,  kommen  im  Saale- 


106  Die  vor-  u.  frühgeschichtl,  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Schotter  vor  und  treten  im  Fichtelgebirge  auf.  Aus  Feuer- 
stein ist  bisher  nur  ein  Steinbeil  auf  Eckolstedter  Flur 
gefunden  worden.  An  einen  Kampf  ai^f  der  Höhe  Eckol- 
stedts  während  der  Steinzeit  ist  nicht  zu  denken,  wie  ver- 
mutungsweise zur  Erklärung  der  großen  Zahl  von  ganzen 
und  zerbrochenen  Steinwaffen  ausgesprochen  worden  ist. 
Es  sind  vielmehr  einzeln  aufgelesene  Funde  aus  jenen  oben 
erwähnten  steinzeitlichen  Wohnstätten.  Wie  die  Menge 
der  gesammelten  Steingeräte  beweist,  muß  das  steinzeitliche 
Dorf  ein  großes  gewesen  sein.  Die  Bewohner  haben  sich 
auch  sicherlich  mit  der  Massenfabrikation  der  Steinwerk- 
zeuge beschäftigt,  da  eine  Reihe  halbvollendeter  Beile,  an- 
gebohrte Steinäxte,  Bohrzapfen  als  unbrauchbar  wegge- 
worfene Bruchstücke  aufgefunden  worden  sind. 

Die  Eckolstedter  Schulsammlung  bietet  mir  Gelegen- 
heit, gleich   von    vornherein,  bestimmte 

Typen    der   Steinwerkzeuge 

aufzustellen,  die  immer  wiederkehren  und  mit  deren  voraus- 
genommener Charakterisierung  ermüdende  Wiederholungen 
vermieden  werden  können. 

I.  Steinbeile. 

Wir  sehen  Steingeräte  in  Keilform  (Steinkeile),  die, 
hochkant,  d.  h.  auf  die  Schmalseiten  gestellt,  mit  ihrer  gut 
geschliffenen  Schneide,  den  zwei  symmetrischen  Seiten- 
Wangen,  dem  Rücken  oder  Bahnende  im  ganzen  unseren 
Beilen  gleichen  und  wie  diese  zum  Zerspalten  weicherer 
Objekte  verwendet  wurden.  Diese  Steinbeile  wurden 
in  einen  oben  gespaltenen  Knüttel  mit  dem  Bahnende  hin- 
eingezwängt und  durch  umgewickelte  Lederstreifen  oder 
Schnuren  festgehalten.  Das  Bahnende  wurde  im  ganzen 
bei  der  Herstellung,  bei  der  Glättung  der  Steinbeile,  da 
es  im  Holz  stak,  weniger  sorgfältig  bearbeitet  als  Schneide 
und  Seitenwangen.  Auch  die  Schmalseiten  blieben  oft  un- 
bearbeitet.    Es  deutet  schon  auf  eine   bessere  Kunstfertig- 


«< 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburp.    107 

keit,  wenn  wir  ein  Steinbeil  vor  uns  liegen  sehen  mit  gut 
u'Cglätteten  Schmalseiten  und  sorgfältig  gearbeitetem  Bahn- 
ende. Die  Steinbeile  sind  undurchlocht.  Ihrem  Quer- 
schnitt nach  unterscheiden  wir  vierkantige  und  bikon- 
vexe, nach  der  gegenseitigen  Richtung  der  Schmalseiten 
Steinbeile  mit  parallel  verlaufenden  Schmal- 
seiten, mit  konvergierenden  Schmalseiten,  mit 
verjüngtem,  mit  spitzem  Bahnende.  Bei  der  Be- 
schreibung und  Messung  denken  wir  uns  das  Steinbeil 
hochkant  gestellt:  infolgedessen  reden  wir  von  einer 
Schneidenhöhe,  von  einer  größten  Breite  des  Beils, 
von  links  nach  rechts  gemessen,  von  einer  Beillänge, 
von  vom  nach  hinten  gemessen. 

Bei  der  Mehrzahl  der  Steinbeile  verjüngt  sich  der 
Körper  des  Beils  allmählich  nach  dem  Bahnende  zu,  sehr 
selten  ist  die  absatzweise  Verlängerung  des 
Schneidenteils  nach  unten. 

Einzig  in  seiner  Art  unter  den  Steinbeilen  der  Graf- 
schaft Camburg  ist  ein  Steinbeil  mit  dünnem,  breitem 
Schneidenteil  und  scharf  abgesetztem,  schmälerem, 
abgerundetem  Bahnendenteil.  Es  erinnert  in  seiner  Form 
an  die  Absatzcelte,  eine  Bronzebeilform,  die  einen  Quer- 
steg zwischen  Schaftteil  und  Schneidenteil  haben,  damit 
das  Beil  beim  Schlag  nach  hinten  nicht  ausweichen  kann. 
Entsprechend  diesem  bronzenen  Absatzcelt  können  wir  es 
Absatzbeil  nennen. 

Zur  größeren  Festigung  der  Steinbeile  am  Schaft  und 
zur  hammerartigen  Verwendung  des  stumpfen  Bahnendes 
versah  man  die  Steinbeile  mit  einer  quer  über  die  Mitte 
des  Beilkörpers  verlaufenden  Rille.  In  diese  Rille  hätte 
man  die  Griffgabel  stecken  und  die  Kreuzstelle  mit  Schnuren 
fest  umwickeln  können.  Die  mir  bisher  bekannten  quer- 
gerillten  Steinbeile  haben  aber  alle  eine  geradflächige 
Schmalseite  und  eine  gewölbte,  und  diese  Eigentümlichkeit 
gibt  uns  einen  Anhalt  für  die  Art  der  Befestigung  mit  dem 
Griff.     Das  Beil  wurde  nämlich   mit   dieser   geradflächigen 


108  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Schinalseite  auf  den  einen  Arm  eines  rechtwinklig  gebogenen 
Holzgriffes  mit  Lederriemen  fest  aufgeschnürt,  die  ihrer- 
seits in  der  Rille  ihren  Halt  fanden,  Diese  Form  der 
Steinbeile  ist  selten. 


Fig.  18.    V2 


A.  Vierkantige  Steinbeile  mit  breitem  Bahnende,  Schneiden- 
höhe gleich  oder  wenig  höher  als  mittlere  Beilhöhe,  deutliche 
Schmalseiten,  Seitenwangen  flach  gewölbt  oder  gerade. 

(Fig.  18,  19)^). 

Steinbeil,    mittelgroß,    schön   geschUffen,    8eitenwangen    flach 

fewölbt,   Schmalseiten  geradflächig,   Schneidenhöhe  gleich  der  Höhe 
es  Bahnendes,  Schneide  gebogen ;  aus  Diabas.  Länge  11  cm,  Schneiden- 
höhe 4  cm.  Schwere  227  g.  (ES  58.) 

Steinbeil  mittel- 
groß (Fig.  18),  schön 
geschliffen     an      der 
Schneide  und  den  ge- 
radflächigen  Schmal- 
seiten,nach  dem  Bahn- 
ende sich  kaum   ver- 
jüngend. Seitenwangen 
roh,  Schneide  gebogen, 
Bahnende  abgerundet ; 
aus  Grauwacke,  Länge 
9,5  cm,  Schneidenhöhe 
4  cm.  Schwere  121  g. 
(ES  31.) 
Mittelgroßes,  dickes  Stein- 
beil, geschliffene  Schneide  und 
Schmalseiten ,        Seitenwangeu 
flach  gewölbt,  nach  dem  Bahn- 
ende   sich    kaum    verjüngend, 
Schneide    gebogen  ,    Bahnende 
roh;  aus  kristall.  Schiefer.  Länge 
11,2  cm,   Schneidenhöhe  4  cm, 
Schwere  215  g.  (ES  57.) 

Kleines  Steinbeil,  gut  er- 
halten, leicht  gewölbte  Seiten- 
wangen ,  nach  dem  Bahnende 
zu  sich  etwas  verjüngend,  gerad- 
flächige Schmal  s(!iten  ,  ge- 
glättetes Bahnende;  aus  Dia- 
bas. Länge  6,3,  Schneiden- 
höhe 3,5,  Schwere  70  g.  ■  (ES  15.1 
Schön  erhaltenes,  gut  poliertes,  vierkantiges,  geschliffenes  Stein- 

1)  In  den  folgenden  Aufzählungen  sind  die  Funde,  welche  im 
Berliner  Völkermuseum  aufbewahrt  werden,  mit  BV,  die  des  Ger- 
manischen Museums  zu  Jena  mit  GMJ,  die  der  Schule  zu  Eckolstedt 
mit  ES  bezeichnet,  die  des  Henneberger  Hauses  in  Meiningen  mit 
HH,  die  in  Heims  Privatsammlung  mit  HPS. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.   109 

heil  mit  scharfer,  gebogener  Schneide,  flach  gewölbten  Seitenwangen; 
Schmalseiten  flach  gewölbt,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  leicht  ver- 
jüngend, Bahnende  geschliffen;  aus  Diabas.  L.  7,0,  Schneidehöhe 
"4,6,  Gewicht  88  g.  (ES  28.) 

Kleines,  gut  erhaltenes,  vierkantiges  Steinbeil  mit  flach  ge- 
wölbten Seitenflächen,  Schneide  gebogen,  nach  dem  ßfüinende  sich 
etwas  verjüngend,  geradflächige  Schmalseiten;  aus  Diabas,  L.  5,2, 
Schueidenhöhe  3,1,  Gewicht  38  g.  (ES  29.) 

Schön  erhaltenes,  gut  poliertes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas, 
nach  dem  Bahnende  sich  leicht  verjüngend,  mit  flach  gewölbten 
Seitenwangen,  halbmondförmig  angeschliffener,  gebogener  Schneide; 
Bahnende  abgerundet,  Schmalseiten  geradflächig.  L.  5,8,  Schneiden- 
höhe 4,2,  Gewicht  62  g.  (ES  49.) 

Schön  erhaltenes,  geschliffenes  Steinbeil  (Fig.  19)  aus  Diabas, 
vierkantig,  nach  dem  Bauende  sich  leicht  verjüngend,  mit  flach  ge- 
wölbten Seitenwangen,  halbmondförmig  angeschliffener,  gebogener 
Schneide,  Schmalseiten  geradflächig;  Bahnende  geschliffen.  L.  6,3, 
Schneidenhöhe  4,2,  Gewicht  82  g.  (ES  40.) 

Vierkantiges,  geschliffenes  Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem 
Bahnende  zu  sich  kaum  verjüngend,  Seitenwangen  flach  gewölbt, 
zum  Teil  unbearbeitet,  Bahnende  roh.  Schneide  gebogen.  L.  6,6, 
Schneidenhöhe  4,0.  (ES  12.) 

Gut  erhaltenes,  geschliffenes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  kristall. 
Schiefer  mit  scharfer,  gebogener  Schneide,  nach  dem  Bahnende 
sich  etwas  verjüngend,  Seitenwangen  gewölbt,  Schmalseiten  gerad- 
ilächig,  Bahnende  abgerundet.  L.  5,7,  Schneidenhöhe  4,7,  Gewicht 
96  g.  (ES  46.) 

Geschliffenes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem 
Bahnende  sich  wenig  verjüngend,  Schmalseiten  abgerundet,  Seiten- 
wangen flach  gewölbt.  Schneide  gebogen.  L,  6,0,  Scnneidenhöhe  4,3, 
Gewicht  82  g.  (ES  38.) 

Geschliifenes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem 
Bahnende  zu  sich  etwas  verjüngend,  Schmalseiten  abgerundet, 
Schneide  gebogen,  Seitenwangen  flach  gewölbt.  L.  6,0,  Schneiden- 
höhe 4,8,  Gewicht  75  g.  (ES  39.) 

Großes,  schön  geschliffenes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  fein- 
körniger Grauwacke,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  etwas  verjüngend, 
mit  geradflächigen  Schmalseiten  und  geradflächigen  Seitenwangen, 
Schneide  gebogen.  Bahnende  abgebrochen.  Schneidenhöhe  6,0. , (ES  13.) 

Grosses,  geschliffenes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas,  nach 
dem  Bahnende  zu  sich  etwas  verjüngend,  Schmalseiten  geradflächig, 
Seiten  Wangen  kaum  gewölbt.  Schneide  gebogen.  Bahnende  fehlt, 
ßchneidenhöhe  6,5.  (ES  54.) 

Mittelgroßes,  geschliffenes,  dickes  Steinbeil  aus  Buntsandstein, 
nach  dem  Bahnende  zu  sich  kaum  verjüngend,  Schmalseiten  gerad- 
flächig, Seitenwangen  flach  gewölbt.  Schneide  fehlt.  Bahnende  ab- 
gerundet.   Mittlere  Höhe  4,7.  (ES  89.) 

Schneidenteil  eines  großen,  vierkantigen  Steinbeils  aus  Quarzit, 
mit  geradflächigen  Schmalseiten  und  gerad flächigen  Seitenwangen, 
Schneide  gebogen.    Schneidenhöhe  über  5,0.  (ES  26.) 

Schneidenteil  eines  mittelgroßen,  vierkantigen  Steinbeils  aus 
kristall.  Schiefer  mit  leicht  gewölbten  Seitenwangen,  Schneide  ge- 
bogen.    Schneidenhöhe  5,0.  (ES  41.) 

Schneidenteil    eines    abgerundet    vierkantigen    Steinbeils    aus 


110  Die  vor-  u.  fruhgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Diabas  mit  flachgewölbten  Seiten wangen,  Schneide  gebogen.  Schneiden- 
höhe ca.  5,5  cm.  (ES  48.) 
Hierzu    kommen    von    derartigen    Steinbeilen    im     Völker- 
museum  zu  Berlin:                                       \ 

Ein    sehr    kleines     Steinbeil    aus    grünem    Gestein ,    L.    5,0, 

Schneidenhöhe  3,0.  (BV  II  b.  1102.) 

Eins  aus  grauem  Gestein,  L.  6,0,  Schneidenhöhe  4,0.  (BV  1103.) 

Einsaus  grünlichem  Gestein,  L.  10,0,  Schneidenhöhe  5,1.  (BV  1225.) 

Eins  aus  grauem  Gestein,  L.  7,5,  Schneidenhöhe  5,0.  (BV  1529.) 

Eins  aus  grauem  Gestein,  L.  23,0,  Schneidenhöhe  10,5.  (BV  2344.) 

Eins  8,5  cm  lang,  Schneidenhöhe  6,5.  (BV  2618.) 

Ein  flaches  Feuersteinbeil,  10  cm  lang,  verjüngt  sich  nach 

dem    Bahnende  zu  stärker.     Bemerkenswert  ist  das  Stück   als  eins 

der  wenigen  aus  Feuerstein  gefertigten.  (BV  24:23.) 

Im    Henneberger   Haus   in  Meiningen  ein    Steinbeil  mit 

abgestumpfter  Schneide. 

B.  Vierkantige  Steinbeile,  nach  dem  Bahnende  sich  ver- 
jüngend, Schneide  gebogen,  Schmalseiten  geradfiächig,  Seiten- 
wangen gewölbt,  nach  dem  Bahnende  zu  stark  konvergierend. 

Schön  erhaltenes,  mittelgroßes,  geschliffenes,  vierkantiges  Stein- 
beil aus  kristall.  Schiefer,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  verjüngend. 
Schneide  gebogen,  Schmalseiten  geradflächig,  Seiten  wangen  gewölbt, 
nach  dem  Bahnende  zu  stark  konvergierend.  Ij.  9,2,  Scnneidenhöhe 
7,2,  gr.  Dicke  3,6,  Gewicht  315  g.  (ES  45.) 

Geschliffenes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem 
Bahnende  zu  sich  verjüngend,  Schmalseiten  geradflächig,  Seiten- 
wangen gewölbt,  nach  dem  Bahnende  zu  stark  konvergierend.  L.  7,0, 
Schneidenhöhe  6,0,  gr.  Dicke  2,2,  Gewicht  130  g.  (ES  35.) 

Schön  erhaltenes,  fein  poliertes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas, 
nach  dem  Bahnende  sich  verjüngend ;  Schneide  gebogen,  halbmond- 
förmig angeschliffen,  Schmalseiten  geradflächig,  Seiten  wangen  ge- 
wölbt, nach  dem  Bahnende  zu  ziemlich  stark  konvergierend.  L.  5,5, 
Schneidenhöhe  5,5,  gr.  Dicke  2,2,  Gewicht  88  g.  (ES  37.) 

Schön  erhaltenes,  kleines,  fein  poliertes,  undeutlich  vierkantiges 
Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  verjüngend,  Schneide 
kaum  gebogen,  Schmalseiten  geradflächig,  Seiten  wangen  flach  ge- 
wölbt, nach  dem  Bahnende  zu  konvergierend.  L.  4,0,  Schneidenhohe 
3,8,  gr.  Dicke  1,1,  Gewicht  25  g.  (ES  25.) 

Kleines,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem  Bahnende 
zu  sich  verjüngend,  Schneide  gebogen,  Schmalseiten  geradflächig, 
Seitenwangen  kaum  gewölbt.  L.  4,5,  Schneidenhöhe  3,5,  gr.  Dicke  1,1, 
Gewicht  25  g.  (ES  52.) 

Kleines,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem  Bahnende 
zu  sich  verjüngend,  Schneide  gebogen,  Schmalseiten  geradflächig, 
Seitenwangen  flach  gewölbt.  L.  5,0,  Schneidenhöhe  4,5,  gr.  Dicke  1,5. 

(ES  21.) 

Kleines,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas,  beschädigt,  nach 
dem  Bahnende  zu  sich  verjüngend.  Schneide  gebogen,  Schmalseiten 
geradflächig,  Seitenwangen  flach  gewölbt.  L.  6,0,  Schneidenhöhe  5,0, 
gr.  Dicke  2,3.  (ES  42.) 

Gleichartiges  aus  Diabas,  klein,  beschädigt.  L.  5,0,  Schneiden- 
höhe 4,0.  (ES  11.) 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg,  m 


Mittelgroßes,  geschliffenes,  vierkantiges  Steinbeil  aus  Diabas, 
nach  dem  Bahnende  sich  stark  verjüngend,  Schmalseiten  geradflächig. 
L.  9,3,  Schneidenhöhe  4,0,  Gewicht  120  g.  (ES  47.) 

Kleines,  gut  poliertes  Steinbeil  aus  Diabas,  nach  dem  abge- 
schrägten Bahnende  zu  sich  verjüngend;  eine  Schmalseite  gerad- 
flächig,  an  der  anderen  stoßen  die  Seitenwangen  in  einer  scharfen 
Kante  zusammen.  Seitenwangen  sehr  flach  gewölbt.  L.  5,8,  Schneiden- 
höhe 3,8,  gr,  Dicke  1,3,  Gewicht  37  g.  (ES  51.) 

Ein  Bruchstück  eines  derartigen  Steinbeils  von  mittlerer  Größe 
aus  grünlichem  Gestein  mit  feinen  dunkleren  Sprenkeln  ist  im 
Jenaer  Museum. 

Zu  diesen  Steinbeilen  mit  sich  stark  verjüngendem  Bahnende 
kommen  im  Berliner  Völkermuseum : 

Eins,  7  cm  lang.  (BV  1411.) 

Eins  aus  grauem  Gestein,  6,5  cm  lang,  6  cm  Schneidenhöhe. 

(BV  1530.) 

Eins  aus  grauem  Gestein,  8  cm  lang,  6^/-  cm  Schneidenhöhe. 

(BV  2103.) 

Eins,  8  cm  lang,  7  cm  Schneidenhöhe.  (BV  2619.) 

C.  Steinbeile  mit  spitzem   Balinende,  flach  gewölbten  Seiten- 
wangen, die  an  Stelle  der  Schmalseiten  oben  und  unten  in  einer 
mehr  oder  weniger  scharfen  Kante  zusammenlaufen,  Schneide  ge- 
bogen.   (Fig.  20.) 

Kleines     derartiges      Steinbeil  . . 

Fig.  20)  mit  breit-halbmondförmig 
angeschliffener  Schneide,  aus  Diabas. 
Seitenwangen  in  abgerundeter  Kante 
aneinander  stoßend,  nach  dem  Bahn- 
ende zu  stark  konvergierend.  L.  6,6, 
Schneidenhöhe  5,6,  gr.  Dicke  1,9, 
Gewicht  67  g.  (ES  36.) 

Mittelgroßes ,  gleichartiges 
Steinbeil  aus  Diabas.  Seiten wangen 
in  abgerundeter  oberer  und  unterer 
Kante  aneinander  stoßend ,  nach 
dem  Bahnende  konvergierend.  L. 
8,0  cm ,  Schneidenhöhe  4,0,  gr. 
Dicke  2,0,  Gewicht  129  g.    (ES  44.) 

Mittelgroßes ,  gleichartiges 

Steinbeil  aus  Diabas,  stark  beschädigt. 
Schneidenhöhe  5,1.  (ES  34.) 


Fig.  20.    V2 


D.  Steinbeile  vierkantig  mit  breitem  Bahnende,  Schneidenhöhe 
geringer  als  mittlere  Beilhölie,  deutliche  geradflUchige  Sehmal- 
seiten; Seitenwangen  gewölbt.  (Fig.  21.) 

Mittelgroßes  Steinbeil  dieser  Art  aus  Diabas,  Bahnende  fehlt ; 
Seitenwangen  flach  gewölbt.  Schneidenhöhe  3,2,  mittlere  Beilhöhe 
4,5,  gr.  Dicke  1,8.  (ES  27.) 

Mittelgroßes   Steinbeil  dieser  Art  aus   Diabas,    Seiten  wangen 

fewölbt.    L.  8,0,  Schneidenhöhe  3,0,  mittlere  Beilhöhe  4,0,  gr.  Dicke 
,3,  Gewicht  151  g.  (ES  19.) 


112  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


Mittelgroßes  Steinbeil  dieser  Art  (Fig.  21)  aus  Diabas.  Seiten- 
wangen gewölbt.  L.  10,0  Schneidenhöbe  4,0,  gr.  Höhe  am  Bahn- 
ende 5,5,  gr.  Dicke  2,3.  (ES  20.) 


Fig.  21.    V,. 

Mittelgroßes  Steinbeil  dieser  Art  aus  Variolit,  mit  flach  ge- 
wölbten Seiten wangen,  beschädigt.  L.  7,5,  Schneidenhöhe  3,5,  gr. 
Höhe  am  Bahnende  ca.  6,5,  gr.  Dicke  2,5.  (ES  24.) 

E.  Ein  Steinbeil  mit  absatzweise  nach  unten  verlängerter  Schneide. 

(Fig.  22.) 
In  Schröders  Sammlung  von  Eckolstedt.    L.  12,6,  Schneiden- 
höhe 7,2,  gr.  Dicke  2,5. 


.  Fig.  23.  V4- 
Fig.  22.  V^- 
Originell  in  seiner  Form  ist  ein  kleines,  zierliches  Steinbeil 
(Fig.  23)  aus  schwarzem  Kieselschiefer.  Schneide  gebogen,  scharf, 
Seitenwangen  geradflächig,  in  abgerundeter  Kante  oben  und  unten 
aneinander  stoßend,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  etwas  verjüngend; 
kleines  Schnurloch  am  Bahnende.  Gewicht  20  g.  Vielleicht  ist 
es  als  Amulet  getragen  worden.  Als  Beil  hat  es  bei  der  Weichheit 
des  Materials  sicher  nicht  Verwendung  gefunden.  (ES  50.) 

II.  Steinäxte. 

Diesen  undurchlochten  Steinbeilen  stehen  die  wuchtigeren 
Steinäxte    gegenüber   mit   Schaftloch.     Ein   gewaltiger 


Die  vor-  u.  frühgeschichtL  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  1]3 

Fortschritt  in  der  Technik  der  Steinwerkzeuge!  Die  Schaft- 
löcher wurden  in  der  Mehrzahl  mit  einem  Hohlbohrer 
hergestellt,  selten  mit  einem  Vollbohrer.  Als  Hohlbohrer 
diente  ein  querdurchbrochener  Röhrenknochen,  ein  quer- 
durchsägter  Holunderast.  Nach  den  vielen  Bruchstücken 
zu  urteilen,  die  uns  in  den  verschiedensten  Stadien  der 
Bearbeitung  vorliegen,  verlief  die  Herstellung  einer  Stein- 
axt mit  Schaftloch  folgendermaßen.  Man  schlug  den  ge- 
wählten passenden  Stein  grob  zu,  so  daß  er  im  ganzen  die 
Axtform  bekam.  Dann  begann  man  mit  der  Bohrung.  Der 
Hohlbohrer  wurde  auf  die  obere  Fläche  aufgesetzt,  die  an  der 
Bohrstelle  mit  angefeuchtetem  Sand  bedeckt  war.  Mit 
einem  halbkugelförmigen  Stein  drückte  man  den  senkrecht 
stehenden  Bohrer  an  und  brachte  ihn  durch  eine  umgelegte 
Schnur,  die  bald  nach  rechts,  bald  nach  links  gezogen 
wurde  zur  Drehung,  wie  einen  Kreisel.  Die  Bohrlöcher 
sind  meist  konisch,  nach  unten  stärker  werdend,  kreisrund. 
Dementsprechend  auch  die  ausfallenden  Bohrzapfen. 
Bei  genauer  Betrachtung  lassen  sich  unschwer  die  vom 
Bohren  erzeugten  spiralförmigen  Kritzel  am  Zapfen  und  im 
Bohrloch  erkennen.  Das  Schaftloch  sitzt  bei  der  großen 
Mehrzahl  der  Äxte  mehr  nach  dem  Bahnende  zu,  oft  an 
der  Grenze  zwischen  vorderen  zwei  und  hinterem  ein  Drittel. 
War  nun  die  Durchbohrung  gelungen,  so  wurde  die  Axt 
sorgfältig  geglättet  und  geschärft.  —  Die  Schneide 
steht  wie  bei  den  Steinbeilen  senkrecht.  Die  S.eiten- 
Wangen  sind  meist  symmetrisch,  das  Bahnende  gerad- 
flächig angeschliffen  oder  abgerundet. 

Beim  Schlag  war  die  links  und  rechts  vom  Schaftloch 
befindliche.  Schneiden-  und  Bahnendenteil  verbindende 
Brücke  die  gefährdeteste  für  den  Bruch  des  Gerätes.  Und 
in  der  Tat  zeigen  die  meisten  Bruchstücke  zerbrochener 
Steinäxte  hier  die  Bruchfläche.  Diesem  Mangel  half  man 
durch  Verstärkung  dieser  seitlich  vom  Schaftloch  gelegenen 
brückenförmigen  Seitenwangenpartie  ab.  Aus  der  ursprüng- 
licheren dreieckigen  Form  des  Horizontaldurchschnitts  wird 
XXII.  8 


114  Die  vor-  u.  früligeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

ein  Rhombus.  Die  Seitenwangen  sind  nicht  mehr  einfache, 
zur  Schneide  konvergierende  f^lächen,  sondern  stumpf- 
winklig gebrochene.  ^ 

m.  Axthämmer. 

Den  Abschluß  dieser  Entwickelungsreihe  bilden  schließ- 
lich die  Axthämmer,  bei  welchen,  wie  der  Name 
sagt,  das  sorgfältig  bearbeitete  Bahnende  als  Hammer 
verwendet  wurde,  die  Schneide  als  Axt.  Wahre  Prunk- 
stücke sind  die  polygonal  facettierten  Axthäm- 
mer, bei  denen  eine  Reihe  von  angeschliflfenen  Längs- 
flächen die  Seitenwangen  zieren. 

Steinäxte  von  dreieckiger  Grrundfläche. 

Sehr  gut  erhaltene  Steinaxt  dieser  Art:  Fig.  24  von  oben, 
Fig.  24a  seitlich  gesehen.  Die  Steinaxt  ist  schön  poliert,  aus  grauem 
Gestein,  das  Bahnende  abgerundet,  unregelmäßig,  die  Schneide 
scharf,  senkrecht.  Das  Schaftloch  ist  an  der  Grenze  des  hinteren 
imd  mittleren  Drittels  der  ganzen  Axtlänge  angebracht.  Es  ist  oben 
enger  als  unten  (2,3  :  2,5  cm),  verläuft  von  oben  etwas  nach  rechts 
hinten  unten.     Der   obere  Lochrand  ist   abgestumpft,   der   untere 


!      Fig.  24.     Vr 


Fig.  24a.    V,. 


Fig.  25.   V4-        Fig.  25a.   V4 


Lochrand  scharf.  Im  Bohrloch  sind  an  der  hinteren  Wand  fünf 
parallele,  1  mm  weit  voneinander  entfernte  Kratzlinien  sichtbar; 
sonstige  Wandung  des  Lochs  spiegelglatt  poliert ,  ganz  ver- 
einzelt kaum  merkliche  Glättkritzel  von  oben  nach  unten.  L.  18  cm, 
gr.  Breite  in  der  Ebene  des  Bohrlochs  6,5  cm,  gr.  Höhe  4,0,  Gewicht 
828  g.  ^  (ES  3.) 

Gleichartige  Steinaxt,  Fig.  25  von  oben,  Fig.  25a  von  unten, 
aus  grauem  Gestein,  mit  geradflächigen  Schmalseiten  und  nach  der 
stumpfen  Schneide  zu  allmählich  konvergierenden  Seitenwangen.  Das 
Exemplar  ist  besonders  wertvoll  und  lehrreich,  da  hier  die  Schaft- 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  X15 

loohbohrung  an  der  Grenze  des  hinteren  und  mittleren  Drittels  an- 
jrefangen  und  nicht  vollendet  ist.  Der  Bohrzapfen  steht  noch  im 
Bohrloch.  Bohrung  14  mm  tief,  Bohrloch  16  mm  Durchmesser, 
Bohrzapfen  oben  8  mm.  Nach  links  hinten  ist  die  Umgebung  des 
Bohrlochs  durch  falsche  Bohrung  erweitert.  Richtung  des  Bohr- 
lochs von  hinten  oben  nach  vorn  unten.  Ein  zweiter  Bohrversuch 
wurde  auf  der  Unterseite  gemacht,  2  mm  tief,  17  mm  im  Durch- 
messer. Bohrzapfen  oben  10  mm.  L.  11,5,  gr.  Breite  in  der  Quer- 
ebene des  Schaftlochs  4,1  cm,  Höhe  2,5  cm.  Gewicht  225  g.  (ES  105.) 

Bruchstück  einer  gleichartigen  Steinaxt.  Das  grünliche 
Gesteinstück  ist  auf  allen  Seiten  noch  rauh,  nur  eine  Schmalseite 
zeigt  Sägekritzel.  Auf  der  zur  Oberseite  bestimmten  Fläche  ist  das 
Schaftloch  halb  gebohrt,  der  Bohrzapfen  zur  Hälfte  noch  fest  im 
Bohrloch,  Bohrkritzel  stellenweise  parallel  laufend,  1  mm  von- 
einander entfernt.  Das  Stück  beweist,  daß  man  die  Bohrung  vor 
der  feineren  Glättung  an  nxii  roh  axtförmig  zubehauenen  Stücken 
vornahm.  (ES  103.) 

Bruchstück  einer  mittelgroßen,  durchbohrten  Steinaxt,  aus 
grauem  Gestein  mit  grünlichen  Streifen,  gut  poliert.  Lochwandung 
fein  glattpoliert.  Unter-  und  Oberfläche  eben,  Schmalseiten  zur 
Schneide  konvergierend,  Bahnende  breit.  L.  ca.  12,5,  Loch  zwischen 
3,5—6  cm  der  Länge,  Höhe  des  Bohrlochs  4,6  cm.  (ES  4.) 

Hier  einzureihen  sind  3  Steinäxte  von  dreieckiger  Grundfläche 
aus  dem  Völkermuseum  in  Berlin : 

Schmale  Steinaxt  aus  schwarzem  Gestein,  mit  langer,  scharfer^ 
senkrecht  gebogener  Schneide,  breitem,  abgerundetem  Bahnende. 
L.  14,0,  gr.  Br.  3,5.  (BV  2346.) 

Dickere  Steinaxt  aus  schwarzem  Gestein,  mit  senkrecht  ge- 
bogener Schneide,  breitem,  abgerundetem  Bahnende.  L.  13,2,  gr. 
Br.  6,0.  (BV  2347.) 

Eine  ebensolche  aus  schwarzem  Gestein.    L.  12,0,  gr.  Br.  5,0. 

(BV  2348.) 

Axthämmer  von  rhombischer  Grundfläche. 

Axthammer  dieser  Form  mit  kreisrundem  Bohrloch  imd 
eiuem  zweiten  Bohrversuch  auf  der  Oberfläche,  Fig.  26  von  oben; 
die  Seitenansicht,  Fig.  26a,  zeigt 
eine  Reihe  angeschliffener  Facetten. 
L.  13,0,  Schneidenhöhe  3,0.  gr.  Br. 
5  cm.  Privatsammlung  von  Scmöder 
in  Hainichen. 

Bruchstück  eines  mittelgroßen, 
flurchbohrten  Axthammers  aus 
.ajauem  Gestein,  Schneide  bis  Hälfte 
Bohrloch  7  cm ,  Höhe  des  Bohr- 
lochs 5  cm,  Schneidenhöhe  4,5  cm. 
Schneide  stumpf.  Im  Inneren  des 
Bohrlochs  ca.  57  Bohrkritzel  quer, 
fast  parallel  laufend.  (ES  107.) 

Bruchstück  eines  mittelgroßen,      _.     „„  _.     „_       , 

durchbohrten  Axthanuners  aus  grau-  ^  ^8-  ^"-  Iv  '^^S-  '^oa.  /^. 
grünem  Gestein.    Höhe  im  Bohrloch 

4,5  cm,  Bohrloch  spiegelglatt  innen  poliert,  berechnete,  ungefähre 
Hammerlänge  lO'/g   cm.  (ES  5.) 

8» 


116  Die  roT-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


Hintere  Hälfte  eines  großen,  breiten  Axthammers  mit 
größtem  Teil  des  Bohrlochs,  aus  schwarzgrauem  Gestein.  Bohrloch 
oben  18  mm,  unten  22  mm.  Im  Innern  parallele,  1  mm  voneinander 
entfernte  Bohrkritzel,  seichtere  Bohrversuche  rechts  und  ünks  vom 
unteren  Bohrloch;  Höhe  des  Hammers  im  Bohrloch  4  cm,  unge- 
f^e  Breite  8,5  cm,  Länge  ca.  15  cm.  (ES  1Ö6.) 

Schneidenteil  eines  großen  Axthammers  aus  grünlichgrauem 
Gestein.  Schneide  abgestumpft,  Schneide  bis  vorderen  Bohrlochrand 
11  cm,  Bohrlochdurchmesser  2,2,  Breite  in  der  Querebene  des  Bohr- 
lochs ca.  6,5,  Höhe  des  Bohrlochs  5  cm.  (ES  10.) 
Bruchstück  eines  mittelgroßen  Axthammers  mit  halbem 
Schaftloch,  aus  grünem  Gestein.  Durchmesser  des  Schaftlochs  2,3  cm. 

(ES  9.) 
Ebensolches  aus  grünem  Gestein,  Lochdurchmesser  2,5  cm.  (ES.  8.) 
Breites    Bahnende   eines   großen   Axthammers   mit   halbem 
Bohrloch,  aus  grünlichgrauem  Gestein.    Bohrloch  2,4  cm  im  Durch- 
messer, viel  senkrechte  Glättkritzel  in  der  Bohrlochwandung.  (ES.  7.) 
Ebensolches  aus  grauem  Gestein  mit  Bohrlochhälfte.    Bohrloch- 
durchmesser 2,4  cm.  (ES  109.) 
Scharfe  Schneide  eines  großen  Axthammers,  hellgrau  mit 
dunkleren  Flecken.  (ES  110.) 
Bruchstück  eines  Axthammers  mit  ^i  Bohrloch,  aus  grünem 
Gestein.    Bohrkritzel  in  der  Bohrlochwandung.    Kreisbogenkntzel  an 
der  Oberfläche  um  das  Loch.    Durchmesser  des  Schaftlochs  2,4  cm. 

(ES  104.) 

Ein  Prachtstück  der  Sammlung  ist  ein  poly  go  n  al  facettierter 

Axthammer  (Fig.  27  von  der  Seite,  Fig.  27a  von   unten)    aus 

grauem  Gestein,  sehr  fein 
poliert.  Die  Schneiden- 
höhe  ist  absatzweise  nach 
unten  verlängert,  die  Seiten, 
Wangen  zu  beiden  Seiten 
des  Bohrlochs  verstärkt. 
Die  Schneidenhälfte  zählt 
17  Facetten,  das  Bahn- 
ende ist  ein  Sechzehneck. 
Das  Schaftloch  ist  unten 
und  oben  gleich  weit  im 
Durchmesser  1,9  cm.  Wan- 
dung innen  gut  poliert, 
man  sieht  nur  Glättkritzel 
von  oben  nach  unten.  L. 
18,8,  Schneidenhöhe  5,0, 
Schaftlochhöhe  3,3,  Breite  in  der  Schaftlochquereben e  5,0,  Gewicht 
522  g.  (ES  2.) 

Bruchstück  (Bahnende  mit  7^  Schaftloch)  eines  polygonal 
facettierten  Axthammers  aus  grünlichgrauem  Gestein,  12  Facetten, 
Bohrlochdurchmesser  2,2  cm,  Höhe  des  Bohrlochs  4,4  cm.  (ES  6.) 
Ein  polygonal  facettierter  Hammer  aus  schwarzem  Gestein, 
13  cm  lang,  mit  zur  Seite  des  Schaftlochs  verstärkten  Seitenwangen, 
nach  unten  allmählich  verstärkter  Schneide,  liegt  im  Berliner  Völker- 
museum aus  EckoJstedt.  (BV  II  b  2607.) 


Fig.  27.    V4. 


Fig.  27a. 


Die  vor-  u.  frühgeechichtl.  Funde  der  Grafschaft  Gamburg.  WJ 

Bohrzapfen. 

Bohrzapfen  (Fig.  28),  kegelförmig,  unten  am  Rand  glocken- 
förmig umbiegend,  Oberfläche  raun,  Durchmesser  unten  18  mm,  oben 
9  mm,  Höhe  2,5  cm. 


Fig.  28.    V,.  Fig.  28a.    V*- 

Bohrzapfen  (Fig.  28a),  aus  schwarzgrauem  Gestein,  Achse  schräg, 
oberer  Durchmesser  13  mm,  unterer  18  mm,  Höhe  2  cm.  (ES  114.) 

IV.  Hacken. 

Diesen  Steinbeilen,  Steinäxten  und  Axthämmern  steht 
eine  Form  von  Steinwerkzeugen  gegenüber,  die  als  Hacken 
verwendet  worden  sind.  Wir  sehen  an  einer  derartigen  Stein- 
hacke eine  gut  geglättete,  geradflächige  Unterfläche 
und  eine  gewölbte  Oberfläche,  wiederum  das  Gerät 
im  Gebrauch  gedacht,  in  diesem  Falle  quer  gelegt.  Die 
Schneide  ist  bogenförmig  nach  rechts  und  links  abgerundet 
und  nach  oben  schnäbelnd ;  bei  der  Beschreibung  reden  wir 
selbstverständlich  hier  von  einer  Schneidenbreite.  Bei 
sorgfältig  gearbeiteten  Exemplaren  sind  schmale  Seiten- 
Wangen  angeschliffen.  Das  Bahnende  ist  auch  hier,  weil 
es  im  Holzgriff  stak,  mit  weniger  Sorgfalt  behandelt  als 
die  Schneidenhälfte,  und  nach  ihm  zu  verjüngt  sich  die 
Hacke.  Dadurch  wird  das  Bahnende  beim  Hacken  fester 
in  den  Griff  eingekeilt.  Selbstverständlich  mußte  der  Griff 
eines  derartigen  Werkzeuges  ein  zweiarmiges,  ungefähr  im 
rechten  Winkel  aneinander  stoßendes  Holzstück  sein. 

Wir  unterscheiden  zwei  Sorten  der  Steinhacken: 

1)  breite,  flache  und 

2)  lange,  schmale,  hochgewölbte  (schuh- 
leistenförmige). 

Die  ersteren  sind  die  häufigeren.  Eine  Durchbohrung 
der  Hacken,  um  dieselben  an  einen  Stiel  zu  befestigen,  ist 
äußerst  selten. 


118  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  i'unde  der  Grafschaft  Camburg. 


\J 


Fig.  29 


A.  Steinbacken:  flach,  breit.    (Fig.  29.) 
Groß,    aus  Diabas,  gut  erhalten,  nach  dem  Bahnende  zu  sich 
etwas   verjüngend.    L.  10,2,   öchneidenbreite  v4,2,   mittl.   Dicke  1,5, 
Gewicht  101  g.  (ES  79.) 

Mittelgroß,  aus   Diabas,   gut    er- 
r\  /'•*''''^^^?^^nk  halten.      L.    6,5,    Schneidenbreite    4,0, 

\  r'*^-      11  mittl.  Dicke  1,1,  Gewicht  42  g.  (ES  84.) 

\  llll  Klein,  aus   Diabas,   gut  erhalten, 

\  IWM  nach  dem  Bahnende  zu  sich  verjüngend. 

L.  5,3,  Schneidenbreite  3,6,  mittl.  Dicke 
1,0,  Gewicht  22  g.  (ES  74.) 

Klein,  aus  Diabas,  nach  dem  Bahn- 
ende zu  sich  verjüngend.  L.  5,7, 
Schneidenbreite  4,5,  mittl.  Dicke  1,2, 
Gewicht  49  g.  (ES  83.) 

Mittelgroß,  aus  Diabas,  nach  dem 
Bahnende    zu    sich    etwas   verjüngend, 
gut  erhalten.    L.  7,1,  Schneidenbreite 
4,0,  mittl.  Dicke  1,2,  Gewicht  61  g.  (ES  32.) 

Mittelgroß,  aus  Diabas,  sehr  gut  erhalten.    L.  6,5,  Schneiden- 
breite 3,8,  mittl.  Dicke  1,2,  Gewicht  50  g.  (ES  33.) 
Mittelgroß,  aus  Diabas,  gut  erhalten.    L.  6,0,  Schneidenbreite 
4,2,  mittl.  Dicke  1,5,  Gewicht  67  g.                                        (ES  65.) 
Mittelgroß,   aus    Diabas,    Bahnende  roh,   sonst  gut  erhalten. 
L.  5,0,  Schneidenbreite  4,3,  mittl.  Dicke  1,4,  Gewicht  46  g.  (ES.  66.) 
Mittelgroß,  aus  Diabas,  schönes  Exemplar  (Fig.  29),  halbmond- 
förmiger   Schliff    der  Oberfläche  nach  der   Schneide  zu.     L.  5,6, 
Schneidenbreite  4,0,  mittl.  Dicke  1,0,  Gewicht  39  g.  (ES  67.) 
Mittelgroß,   aus  Diabas,    Schneide  etwas  beschädigt.     L.   7,2, 
Schneiden  breite  5,0,  mittl.  Dicke  1,1,  Gewicht  75  g.               (ES  81.) 
Mittelgroß,  aus  Diabas,  vollständig,  eine  angeschliffene,  gerad- 
flächige Seitenwange.    L.  6,3,  Schneiden  breite  4,5,  mittl.  Dicke  1,0, 
Gewicht  51  g.                                                                            (ES  85.) 
Klein,   aus  Diabas,    vollständig,    angeschliffene,    geradflächige 
Seitenwangen.    L.  5,0,  Schneidenbreite  3,7,  mittl.  Dicke  0,8,  Gewicht 
29  g.                                                                                           (ES  70.) 
Klein,   aus   Diabas,    beschädigt,    angeschliffene   Seitenwangen. 
L.  6,0,  Schneidenbreite  4,0,  mittl.  Dicke  1,0,  Gewicht  38  g.  (ES  71.) 
Zierlich,  dünn,  gut  erhalten,  aus  Diabas,  angeschliffene  Seiten- 
wangen.   L.  5,7,  Schneidenbreite  2,5,  mittl.  Dicke  0,7,  Gewicht  22  g. 

(ES  72.) 
Klein,  etwas  beschädigt,  aus  Kieselschiefer.    L.  4,5,  Schneiden- 
breite  3,2,  mittl.  Dicke  0,7.  (ES  73.) 
Mittelgroß,  aus  Diabas,    angeschhffene,    geradüächige   Seiten- 
'en.    L.  7,0,  Schneidenbreite  4,5,  mittl.  Dicke  1,0,  Gewicht  63  g. 

(ES  86.) 

Mittelgroß,   aus    Diabas.     L.   6,8,    Schneidenbreite   5,3,   mittl. 
Dicke  1,8,  Gewicht  102  g.  (ES  87.) 

Mittelgroß,  aus  Diabas,  sehr  glattpoliert,  angeschliffene,  gerad- 
flächige Seitenwangen.     L.  6,5,  Schneiden  breite  5,0,  Gewicht  72  g. 

(ES  88.) 

Schneidenteil   einer  größeren   derartigen   Hacke,    aus   Diabas, 

Schneidenbreite  5,7,  mittl.  Dicke  2,2.  (ES  18.) 


Wangen. 


-t 


Die  vor-  u.  frühgcschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  119 


Schneidenteil  einer  größeren  derartigen  Hacke,  aus  Diabas, 
Schneidenbreite  7,0,  mittl.  Dicke  1,5.  (Et*  60.) 

Bruchstück  einer  größeren  derartigen  Hacke  aus  Diabas. 
Breite  (3,6,  Dicke  1,4.  (ES  78.) 

Bahnende  einer  kleinen,  derartigen  Hacke  aus  Diabas.  (ES  68.) 

Vollständige,  geschliffene  derartige  Hacke  aus  Diabas;  scharf- 
kantiges, seitliches  Aneinanderstoßen  von  Ober-  und  Unterfläche. 
L.  6,8,  Schneidenbreite  4,2,  mittl.  Dicke  1,1.  (ES  102.) 

Kleinere,  dicke  derartige  Hacke  aus  Diabas,  mit  angeschliffenen 
Seiten  Wangen.  L.  7,0,  Schneidenbreite  4,7,  mittl.  Dicke  2,2 !  Gewicht 
127  g.  (ES  96.) 

Schneidenteil  einer  großen,  breiten  derartigen  Hacke  aus  Diabas, 
geradflächige  Seitenwangen  angeschliffen.  Gr.  Breite  5,3,  mittL 
Dicke  2,4.  (ES  16.) 

Hierzu    kommen     aus    dem    Berliner    Völkermuseum: 

Steinhacke  aus  grauem  Gestein,  mit  angeschliffenen  Seiten  wangen, 
6,2  cm  lang,  3  cm  Schneidenbreite  und  beinahe  spitzem  Bahnende. 

(BV  2104.) 

Eine  dergleichen  aus  dunkelgrauem  Gestein,  mit  angeschüffenen 
Seiten  wangen,  8  cm  lang,  4,5  cm  Schneiden  breite.  (BV  2105.) 

Aus  dem  Jenaer  Museum:  Steinhacke  aus  grünlichem  G^e- 
stein.  Schneide  abgesprungen,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  wenig 
verjüngend;  gefunden  auf  der  steihzeitlichen  Ansiedelung  an  der 
Hirschrodaer  Grenze. 

Eine  gleiche,  sehr  beschädigt. 

Eine  flache  Hacke  von  &kolstedt  besitzt  Pastor  Schröder 
(Hainichen),  7,5  cm  lang,  Schneidenbreite  3,5. 

B.  Steiuhacken:  lang,  schmal,  hochgewölbt,  schuhleisteniörmlg. 

(Fig.  30.) 

Größere,  schön  erhaltene  derartige  Hacke  aus   feinkörnigem, 
hartem,  einfarbig  hellgrauem  Sand- 
stein. L.  13,5,  größte  Breite  3,7,  mittL 
Dicke  2,5,  Gewicht  255  g.  (ES  94.) 

Mittelgroße,  gut  erhaltene  der- 
artige Hacke  (Fig.  30)  aus  Diabas. 
L.  10,6,  gr.  Breite  4  cm,  mittl.  Dicke 

2.2,  Gewicht  177  g.  (ES  97.) 

JNIittelgroße,  gut  erhaltene  der- 
artige Hacke  aus  Diabas.  L.  10,3, 
gr.  Breite  3,0,  mittl.  Dicke  3,0  cm. 
Gewicht  157  g.  (ES  93.) 

Kleinere,  etwas  beschädigte 
derartige  Hacke  aus  Diabas.  L.  8  cm, 
gr.  Breite  1,8,  gr.  Dicke  1,5.  (ES  99.) 

Ebensolche.  L.  7,3,  gr.  Breite 
2,0,  gr.  Dicke  1,5.  (ES  98.) 

Ebensolche,  klein,  sehr  gut 
erhalten.  L.  6,5,  gr.  Breite  1,8,  gr. 
Dicke  1,4,  Gewicht  25  g.  (ES  102.) 

Ebensolche.  L.  7,0,  gr.  Breite 

1.3,  gr.  Dicke  1,6,  Gewicht  24  g. 

(ES  101.)  Fig.  30.    V» 


120  J^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Schneidenteil  einer  großen  derartigen  Hacke  aus  Diabas.  Gr. 
Breite  4,7.  (ES  95.) 

öchneidenteii  einer  größeren  derartigen  Hacke  aus  Diabas.  Gr. 
Breite  3,8,  gr.  Dicke  3,0.  ^  (ES  30.) 

Schneidenteil  einer  größeren  derartigen^  Hacke  aus  Diabas. 
Gr.  Breite  4.0.  (ES  100.) 

Eine  hochgewölbte,  schuhleistenförmige  Steinhacke,  9,5  cm 
lang,  3,3  cm  Schneidenbreite,  2,3  cm  gr.  Dicke,  in  Pastor  Schröders 
Sammlung  (in  Hainichen). 

zu      Sehr  große,  langgestreckte,  hochgewölbte,  nach  dem  Bahnende 
sich  etwas  verjüngende,  schuhleistenförmige  Hacke  (Fig.  31)  aus 


Fig.  31.     V,. 

Diabas.  L.  31,3  cm,  gr.  Höhe  5,1  cm,  gr.  Breite  3,8,  Gewicht  1146  g. 
5,5 — 7,5  cm  vom  Bahnende  entfernt  sind  auffällig  ca.  25 — 30  quer 
über  die  Unterfläche  verlaufende  Kritzel  (vielleicht  von  der  Be- 
festigung?). (ES  2.) 

Sehr  großes,  langgestrecktes,  spitz-schuhleis  tenförmiges  , 
hochgewölbtes  Steingerät  (Fig.  32),  sehr  schön  poliert,  aus 


Fig.  32.     •/,. 

Diabas.  Unterfläche  glatt,  Schneide  wenig  aufbiegend,  ebenso  Bahn- 
ende. Quer  durchbohrtes  Loch  an  der  Grenze  der  vorderen 
^/^  und  hinteren  ^4  der  ganzen  Länge,  auf  der  einen  Seite  3  cm 
im  Durchmesser,  nach  der  anderen  sich  verjüngend  zu  2,5  cm  Durch- 
messer, kreisrund.  Im  Innern  des  Bohrlochs  circa  50  im  ganzen 
spiralig  verlaufende  Kratzfurchen  des  bohrenden  Instruments  sicht- 
bar. Beim  Bohren  ist  auf  der  einen  Seite  die  Umgebung  des  Bohr- 
lochs leicht  abgesprengt,  auch  ist  der  Bohrer  einmal  ausgeglitten 
und  hat  einen  scharfen  Kratzer  erzeugt.  Das  Loch  verläuft  etwas 
schräer.    L.  28,9,  gr.  Breite  5,1,  höchste  Hohe  5.7,   Gewicht  1552  g. 

(ES  1.) 


Die  vor-  u.  frühgeschichü.  Funde  der  Gra&chaft  Camburg.  121 


Ein  interessantes  Stück  ist  eine  senkrecht  durchbohrte, 
breite,  flache  Hacke  (Fig.  33)  aus  schwarzgrauem  Kieselschiefer,  mit 
angeschliffenen  Seitenwangen,  gerader 
Unter- ,  flach^ewölbter  Oberfläche. 
Das  Bohrloch  ist  von  2  Seiten  her- 
gestellt, das  obere  hat  nicht  genau 
auf  das  untere  getroffen.  Das  Bahn- 
ende fehlt.  Lochweite  oben  10  ram, 
unten  12  mm.  L.  ca.  7,0,  gr.  Breite 
3,3,  Höhe  1,2.  (ES  112.) 


Von  sonstigem  Gerät,  das 
mit  jenen  Steinwa£fen  und  Werk- 
zeugen auf  Eckolstedter  Boden  ge- 
fanden worden  ist,  sind  zu  nennen: 


Fig.  33.    V, 


Fig.  34.  V^.     Fig.35.  V2. 


V.  Feuersteiniuesser. 

Im  Jenaer  Museum  haben  wir  von  da:  ein  sehr 
schmales  (Fig.  34),  4,2  cm  langes,  1,1  cm  breites.  Es  ist 
flach  dachförmig. 

Ebenso  ein  kürzeres,  aber 
etwas  breiteres,  3,8  cm  lang, 
1,8  cm  breit. 

Ebenso  ein  dickeres  von  2,6 
Länge,  1,5  Breite. 

Ebenso  ein  kleines  von 
stumpf-  dreieckigem  Querschnitt, 
2,3  cm  lang,  0,8  cm  breit. 

Ein  3,3  cm  langes,  13  cm  breites,  feinklingiges  (Fig.  35) 
hat  trapezförmigen  Querschnitt. 

Ebenso  ein  2  cm  langes,  1,1  cm  breites,  etwas  kräf- 
tigeres. 

VI.  Feuersteinpfeilspitzen. 

Im  Völkermuseum  wird  aus  Eckolstedt 
eine  Feuersteinpfeüspitze  mit  Wider- 
haken (Fig.  36)  bewahrt,  Höhe  5,6;  gut 
erhalten.  (BV  IIb  2420.) 

In  Jena  eine  3,2  cm  lange,  1,2  cm  breite  ohne 
Widerhaken. 


Fig.  36.  V,. 


122  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


vn.  Steinsäge. 

Eine   Steinsäge  aus   Kieselschiefer,    von   Dreiecksform 
(Fig.   37),    ein    sehr    seltenes   Stück.     Nach    der   Schoeide 

zu  verdünnt  sich  das  an  der  Rück- 
seite starke  Sägeblatt  keilförmig 
und  trägt  15  Zähne.  Höhe  des 
dreieckigen  Sägeblattes  3,5  cm, 
Rückenbreite  1,2.  Auf  der  Rücken- 
kante verläuft  ein  1,1  cm  langer 
Einschnitt       (zur      Befestigung?). 

(ES  118.) 


Fig.  37.    %. 


Fig.  38.    Vr 


Vni.  Steinmeißel. 
Ein  kleiner  grauer  Stein- 
meißel, 5,5  cm  lang,  2,5  gr. 
Breite,  vierkantig,  mit  gerader 
Schneide  ist  im  Berliner  Völker- 
museum (BV  IIb.     1531.) 

Ein     ebensolcher    im    Jenaer 
Museum  aus  blaugrauem  Schiefer, 
4  cm  lang,  2,5  cm  breit.     Fo.  am  Lohholz. 

Als -Hohlmeißel  verwendet  werden  konnte  ein  kleines, 

vierkantiges  Steingerät  (Fig.  38)  aus  Diabas    mit   scharfer 

hohlgeschliffener   Schneide,    11    g    schwer, 

L.  4,7,  Breite  1,7,  Dicke  0,8  cm.    (ES  55.) 

IX.  Zum  Schneiden  rmd  Schaben 
gedient    hat    ein    8,6    cm    langes,    3,5    cm 
breites,    im    ganzen  messerförmiges    Stein - 
gerät  (Fig.  39)  mit  scharfer  Schneide,  sehr 
starkem  (1,6  cm)  Rücken.  '  (ES  117.) 

X.  Als  Wetzstein 
kennzeichnet  sich  ein  langes,  rechteckiges 
Steingerät      aus     grünlichgrauem     Diabas. 
L.  9,2,  Breite  3,0,  Dicke  1,5.  (ES  80.) 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  123 


Bruchstück    eines    ebensolchen,   2,6  cm  breiten,    lang- 
gestreckten,   rechteckigen    Wetzsteins    aus    Kieselschiefer. 

(ES  76.) 

Ebenso  ein  9  cm  langes,  2,2  cm  breites 
Stück  aus  Kieselschiefer  (Fig.  40),  mit  trichter- 
förmigem ,  kleinem  Schnurloch  an  dem  einen 
Ende  und  vielen  Kritzeln.  (ES  64.) 

Oberes  Ende  eines  ebensolchen  aus 
Kieselschiefer,  mit  zwei  seitlichen,  einander 
gegenüberliegenden  Grübchen  zum  Einklemmen 
eines  federnden  Metallbogens.  In  der  Tiefe 
des  einen  gewahrt  man  eine  grünliche  Ver- 
färbung (Bronze?).   Breite  2  cm,  Dicke  1,4  cm. 

(ES  82.) 

Ein  Schleifstein  von  vierseitiger  Prisma- 
form mit  ausgemuldeter  Schleiffläche  ist  aus 
Quarzit,  12  cm  lang,  3  cm  breit.        (ES  62.) 


Fig.  40. 


^^^- 


XI.  Beibkolben. 

Unter  den  gesammelten  Steinwerkzeugen  findet  man 
allenthalben  ein  Gerät  in  Zigarrenetuiform,  im  ganzen 
rechteckig,  mit  abgerundeter  oberer  und 
unterer  Schmalseite.  Die  glatte,  gerad- 
flächige Unterseite,  die  gewölbte  Ober- 
fläche erinnern  an  die  Steinhacken,  so 
daß  der  Gedanke  naheliegt,  daß  man 
diese  Art  Steingeräte  durch  Abschleifen 
der  Bruchfläche  unbrauchbar  gewordener 
Exemplare  hergestellt  hat.  Zum  Polieren, 
Glätten,  Reiben  haben  derartige  Stein- 
geräte gut  dienen  können. 


Ein  derartiges    schön   geschliffenes,  gut 


Fig.  41.    V». 


Jan  derartiges    scnon  gescminenes,  guc 
erhaltenes  Exemplar  (Fig.  41)  ist  in  der  Eckolstedter  Sammlung  aus 
Diabas,  12  V^  cm  lang,  5  cm  breit,  3,3  cm  hoch,  335  g  schwer.  (ES  63.) 

Ein   ebensolches,  kleineres   aus    Diabas.     L.   8,0,    Breite  4,5, 
Dicke  2,0,  147  g  schwer.  (ES  91.) 

Ein   ebensolches   aus  Diabas.    L.  6,6,   Breite  6,0,   Dicke  2,0, 
159  g  schwer.  (ES  92.) 


124  I^ie  ^or-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Ein  noch  wenig  abgeriebenes,  derartiges  aus  Diabas.    L.  Q,öi 
Breite  4,0,  Dicke  2,0.  (ES  61.) 

Ein  gleiches,  hergestellt  aus  einer  breiten,  flachen  Hacke  auj 
grünlichem,  schwarzgesprenkeltem  Gestein  im  Jenaer  Museum.    Fo. 
zwischen  Lohholz  und  Eckolstedt. 

Beweisend    für   die  Verwendung   unbrauchbarer  Stein- 
beile, Hämmer  und  Hacken  zu  derartigen  Reibsteinen  ist  das 
Bruchstück    einer   durchlochten    Steinaxt.      Das    Stück   istj 
mitten  durch  das  Schaftloch  zersprungen,  die  entstandener 
Bruchflächen  durch  Reiben  abgerundet  und  glatt  geschliffei 

(ES  111. 

XII.  Reibplatten. 

Zum  Zerreiben  der  Getreidekörner  bediente  man  sich] 
fußlanger,  ovaler  Platten,  meist  aus  einem  harten  SandsteinJ 
als  Unterlage  und  faustgroßer  Reibkugeln.  Diese  ovalen  i 
Reibplatten  wurden  durch  längeren  Gebrauch  auf  der  Reib-j 
fläche  ausgemuldet,  und  dies  ist  das  Kennzeichen,  an  deml 
man  sie  auch  in  Bruchstücken  erkennen  kann.  Meist  sind] 
die  übrigen  Flächen  roh  zugehauen. 

Reibplatten  sind  häufige  Funde   auf  den  Eckolstedtei 
steinzeitlichen  Wohnplätzen. 


Fig.  42. 

Ein  schönes  Exemplar  (Fig. 
42,  links  von  oben  gesehen,  da- 
neben im  Querschnitt)  besitzt  das 
Jenaer  Museum.  Es  ist  30  cm 
lang,  gr.  Breite  18  cm. 


Fig.  43.    V2 


XIII.  ReibkugelD. 

Große,  schwere  Eeibkugel  (Fig.  43)  von  8  cm  Durchmesser, 
aus  graurötlichem  Gestein,  mit  einer  fast  geraden  Fläche,  648  g 
schwer.  (ES  124.) 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaf t  Camburg.  125 


Eine  ebensolche,  etwas  plattgedrückt,  von  9  cm  Durchmesser, 
aus  Braunkohlenquarzit,  780  g  schwer.  (ES  123.) 

Eine  ebensolche,  halbkugelförmig,  aus  Porphyr,  von  6,8  cm 
Durchmesser,  165  g  schwer.  (ES  122.) 

XIV. 

Von  besonderem  Interesse  sind  2  halbkugelfönnige 
Steingeräte,  die  vermutlich  zum  Aufdrücken  des  Trill- 
bohrers  auf  den  zu  durchbohrenden  Steinhammer  gedient 
haben :  Eine  258  g  schwere,  grausteineme  Halbkugel  (Fig.  44), 


Fig.  44.    V,. 

mit  glatter  Unterfläche,  Durchmesser  6,7,  Höhe  4,7.  In  der 
Mitte  [derselben  seichte,  1,6  cm  große  Aushöhlung  mit  vielen 
Kritzeln,  die  strahlenförmig  vom  Zentrum  nach  außen  gehen. 

(ES.  125.) 


Fig.  45. 


Ein  167  g  schwerer,  breit-ovaler  Kiesel  (Fig.  45)  mit 
seichter,  zentraler  Anbohrung  eines  Trepanbohrers  auf  der 
Oberfläche.  Die  Umgebung  des  gebohrten  Kreises  ist  durch 
Absprengen  der  Oberfläche  gerauht.  Durchmesser  6,5,  Höhe 
3,6.  (ES  126.) 


126  -Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


XV. 
Bei  der  Töpferei  könnte  ein  kleines,  zugespitztes,  pris-, 
matisches  Steingerät   aus   Kieselschiefer    zum  Ziehen   d 
Ornamectlinien  gedient  haben.  (ES  53, 

XVI.  Spinnwirtel. 

Als  Einzelfunde  sind  auch  eine  Reihe  von  Spinnwirtel: 
in    der   Eckolstedter  Flur   gemacht   worden  (Fig.  46 — 51) 


Fig.  46.    V,. 


Fig.  47.    V2 


Fig.  49. 


Fig.  50.1  V2 


Fig.  51.    Vr 


Sie  haben  die  Gestalt  von  großen  Perlen.  In  das  zentrale 
Loch  wurde  ein  Stab  fest  hineingesteckt,  so  daß  das 
Ganze  nun  eine  Spindel  darstellte,  die  mit  der  Hand  nach 
Art  einer  Tori  in  rotierende  Bewegung  versetzt  wurde  und 
den  gesponnenen  Flachsfaden  auf  sich  wickelte.  Diese  Spinn- 
wirtel sind  zumeist  aus  Ton,  einige  wenige  aus  Stein.  Auf 
der  Außenfläche  sind  viele  ornamentiert.  Ihre  Zeitstellung 
ist  unsicher,  da  sie  selbst  noch  im  Mittelalter  im  Gebrauch 
blieben. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  127 


Tonwirtel  aus  schwarzgrauem  Stein  (Fig.  46),  doppeltkonißch, 
unverziert,  abgerundete  Mittelkante.  D.  3,7,  Höhe  2,1,  28  g  schwer, 
Lochweite  oben  12,0,  unten  11  mm.  (ES  128.) 

Tonwirtel  (Fig.  47),  doppeltkonisch,  unverziert,  scharfe  Mittel- 
kante, schmutzig-ziegehrot.  D.  4,0,  Höhe  2,2,  29  g  schwer,  Loch- 
weite oben  11,0,  unten  10,0  mm.  (ES  129.) 

Tonwirtel,  doppeltkonisch,  Andeutung  von  Querfurchen  um 
die  Außenfläche,  scnwarzgrau,  abgerundete  Mittelkante.  D.  4,0, 
Höhe  2,2,  42  g  schwer,  Lochweite  13  mm  oben,  11  unten.  (ES  130.) 

Tonwirtel  (Fig.  48),  doppeltkonisch,  mit  4  parallelen  Streifen 
oberhalb   und  4  parallelen  Streifen  unterhalb  des  Umbruchs,   weiß- 

rau.     D.   3,5,   H.  2,2,  21   g  schwer,    Lochweite  oben  imd   unten 
mm.  (ES  131.) 

Tonwirtel,  doppeltkonisch,  unverziert,  gelblich.  D.  3,2,  Höhe 
1,9,  17  g  schwer,  Lochweite  oben  und  unten  9  mm.  (ES  132.) 

Tonwirtel,  doppeltkonisch,  weißlich,  an  einer  Stelle  orange- 
farben, 4  obere  parallele  Streifen,  3  untere.  D.  2,4,  Höhe  1,6,  8  g 
schwer,  Lochweite  oben  6  mm,  unten  5  mm.  (ES  13?!) 

Tonwirtel  (Fig.  49),  doppeltkonisch,  mit  scharfer  Kante,  un- 
verziert, schwarzgrau,  trichterförmige  Einsenkung  der  Oberfläche  zum 
Loch.  Obere  Breite  des  Trichters  21  mm,  Lochdurchmesser  6  mm, 
Durchmesser  der  Unterfläche  1,6,  gr.  D.  3,5,  Höhe  1,7,  Gewicht 
16  g.  (ES  136.) 

Tonwirtel  (Fig.  50) ,  doppeltkonisch ,  mit  scharfer  Kante ; 
seichte  Einsenkung  der  Oberfläche  zum  Loch,  schmutzig-ziegelrot,, 
mit  14  speichenartig  vom  Zentrum  nach  der  Peripherie  verlaufenden 
Schnitten.  D.  4,1,  Höhe  2,2,  Gewicht  21  g,  Lochweite  oben  und 
unten  8  mm,  Durchmesser  der  Oberfläche  2,2,  der  Unterfläche 
1,5  cm.  (ES  127.) 

Tonwirtel  (Fig.  51)  von  ovalem  Längsschnitt,  verwaschene 
Oberfläche,  an  einer  Stelle  2  parallele  Kreislinien  lun  das  zentrale 
Loch  des  Wirteis  sichtbar.  Dieselben  sind  rötüchgelb  gefärbt. 
D.  3,2,  Höhe  1,9,   Schwere  16  g,  Lochweite  oben  und  vmten  8  mm. 

(ES  135.> 

Wirtel  aus  bläulichgrauem  Stein, 
im  Längsschnitt  trapezförmig;  an 
einer  intakten  Stelle  sieht  man  einen 
gelblich  weißen,  glasurähnlichen  Belag 
mit  2  Paar  um  den  Wirtel  verlaufenden 
Linien.  D.  oben  3,3,  unten  2,2,  Höhe 
1,5,  Schwere  18  g,  Lochweite  unten 
10  mm,  oben  12  mm.  (ES  133.) 


Der  jüngeren  Bronzezeit 
gehört  eine  auf  Eckolstedter  Flur 
gefundene  Bronzenadel  (Fig.  52) 
an,  mit  reich  verzierter,  quer- 
stehender  Kopfscheibe ,  10  cm 
lang,  der  Hals  der  Nadel  ist  quergerillt 
2421. 


Fig.  52.    Vs- 


Im  BV.   n  b. 


128  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


Fig.  53. 


Auf  der  Flur  Eckolstedt  liegt  im  Norden  des  jetzigen 
Dorfes  eine  Wüstung  Obergosserstedt.  Hier  wurden 
slayische  Scherben  mit  Kammornament  ^fanden.  Dieselben 
befinden  sich  jetzt  im  Jenaer  Museum  (Fig.  53).    Es  ist  ein 

Rand  stück  eines  großen  Topfes 
mit  glattgestrichenem,  leicht  aus- 
ladendem Rand  und  2  Halsbruch- 
stücke. Das  eine  System  Wellen- 
linien bricht  auf  dem  einen  Stück 
(in  der  Figur  auf  dem  rechten) 
einmal  spitzwinklig  um,  darüber 
verläuft  es  in  niederen  Kämmen;  auf  dem  anderen  Stück 
in  der  Mitte  ist  der  Kamm  nur  kurz  in  die  noch  weiche  Ton- 
masse  eingetupft,  so  dass  in  bestimmten  Zwischenräumen 
die  Punkte  übereinander  stehen.  Die  Tonmasse  dieser  Gefäße 
ist  grau,  sehr  hart  gebrannt.  Die  Wandung  der  Gefäße  ist 
1  cm  stark. 

Einen  slavischen  Gefäß- 
scherben mit  Wellenornament 
besitzt  auch  die  Schule  zu 
Eckolstedt.  Das  Gefäßstück 
ist  grau,  gut  gebrannt,  die 
Masse  mit  Sand  reichlich  ge- 
mengt, Gefäßwandung  9  mm 
stark. 

Ebenda  wird  auch  ein 
Gefäßbruchstück  aufbewahrt 
(Fig.  54),  welches  auf  seiner 
Außenfläche  mit  3 Reihen  ge- 
stempelter Ornamente  verziert  ist.  Jede  Stempelreihe 
ist  mit  einem  anderen  Stempel  ausgeführt.  Die  oberste, 
dem  Halsübergang  nächste  Reihe  ist  mit  einem  rechteckigen, 
mit  5  parallelen.  Leisten  versehenen  Stempel  hervorgebracht, 
die  mittlere  mit  einem  etwas  größeren,  ebenfalls  rechteckigen 
Stempel,  der  durch  eine  Längsleiste  in  zwei  Hälften,  jede 
Hälfte  wieder  in  9  Rechteckchen  geteilt  ist.    In  der  dritten 


Fig.  54.    % 


Die  vor-  u.  frühgeschichtL  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  129 

Reihe  sind  Stempeleindrücke  eines  achtspeichigen  Rades.  Der 
Scherben  gehört  zu  einem  großen,  terrinenartigen,  henkel- 
losen Tongefäß  von  grauer  Farbe.  Die  Masse  ist  gleich- 
mäßig durchsetzt  mit  rötlichen  und  weißlichen  Quarzstückchen. 
Die  Gefäßwand  hat  am  oberen  Bauchteil  9  mm  Durchmesser. 
Aehnliche  Gefäße  mit  fast  denselben  rechteckigen 
Stempeln  finden  sich  unter  den  inerovingischen  Altertümern, 
die  den  ßeihengräbern  bei  Nordendorf  in  Schwaben  ent- 
nommen sind. 

2.  Münohengosserstedt. 

Von  Münohengosserstedt  liegen  nur  Einzelfunde  vor: 
Steinbeile,  Steinäxte,  Hammeräxte,  breite  und  hochgewölbte 
Hacken,  Reibsteine,  Topfscherben.  Interessant  ist  ein  Stein- 
beil mit  Andeutung  von  Absatz  hinter  der  Schneidenhälfte 
an  der  unteren  Schmalseite  und  ein  Axthammer  mit  sehr 
weitem  Bohrloch,  quadratischem  Bahnende  und  sehr  langer, 
dünner  Schneide.  Funde  von  Münohengosserstedt  besitzt 
das  Berliner  Völkermuseum,  das  Henneberger  Haus  in 
Meiningen,  das  Germanische  Museum  zu  Jena,  Herr  Heim 
in  Camburg,  das  städtische  Museum  in  Weimar.  Näher  be- 
zeichnet wird  eine  Münchengosserstedter  Fundstelle  als 
„am  Fußweg  nach  Camburg";  eine  zweite  als:  „am 
Ort  Münohengosserstedt". 

Meiner  früheren  Einteilung  folgend,  haben  wir 

I.  an  vierkantigen  Steinbeilen  mit  breit  em.  Bahn- 
ende, leicht  gewölbten  Seiten wangen,  gebogener  Schneide: 

Ein  mittelgroßes  Exemplar  im  HH. 

Ein  etwas  kleineres,  ebenda,  aus  Hornblendeschiefer. 

Ein  gleichartiges  aus  Hornblendeschiefer,  mit  halbmondförmig 
angeschliffener  Schneide,  ebenda. 

Ein  gleichartiges,  ca  8,0  cm  lang,  ebenda. 

Ein  mittelgroßes  aus  grauem  Gestein  im  BV  1416.  Länge 
7,0  cm,  Schneidenhöhe  3,0  cm. 

Ein  desgl.  mit  geradflächig  geschliffenen  Schmalseiten,  in  H.P.S. 
Länge  10,0  cm,  Breite  2,0  cm,  Schneidenhöhe  5,0  cm. 

Ein  breites,  flaches  Steinbeil  dieser  Art  im  BV  1030,  aus  grau- 
braunem Gestein,  Länge  12,0  cm,  Schneidenhöhe  6,0  cm. 

Ein  ebensolches  im  BV  2032,  aus  grauem  Gestein.  Länge 
7,0  cm,  Schneidenhöhe  5,5  cm. 

Ein  sehr  langes,  meißelartiges,  ca.  15,0  cm  lang,  im  HH. 

XXII.  9 


130  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

II.  Von  vierkantigen  Steinbeilen,  die  sich  stark 
nach  dem  Bahnende  zu  verjüngen,  bewahrt  das  BV  ein 
Exemplar  (1900)  aus  grauem  Gestein,  Länge  8,5,  Schneidenhöhe  6,5. 

III.  Bikonvexe  Steinbeile  mit  spitzem  Bahnende 
gibt  es  aus  Münchengosserstedt  3 : 

Ein   schönes  Exemplar  in  H.P.S.,  aus  Kieselschiefer,  grau  mit 
schwarzen  Flecken,  Länge  9,5  cm,  Schneidenhöhe  5,0  cm. 
Ein  gleichartiges  aus  schwarzem  Kieselschiefer  im  HH. 
Ein  sehr  langes  dieser  Art  (Länge  16,0  cm)  im  BV  2652. 

IV.  Ein  Steinbeil,  vierkantig,  mit  geradflächiger  oberer  Schmal- 
seite und  hinter  der  Schneidenhälfte  durch  eine  Quer- 
rille eingebogter  unterer  Schmalseite,  in  H.P.S.,  Länge 
8,0  cm,  gr.  Breite  1,5,  Schneidenhöhe  4,5  cm. 

Steinäxte  von  dreieckiger  Grundform  mit  Schaft- 
loch: 

Ein  ca.  8,0  cm  langes  im  HH.,  gut  erhalten. 

Die  vordere  lange  Hälfte  einer  Steinaxt,  mitten  durch  das 
Schaftloch  gebrochen,  mit  einer  zweiten  unvollendeten  Schaftloch- 
bohrung aus  dunkelgrauem  Gestein  im  BV  2101.  Länge  12,0  cm, 
gr.  Breite  4,0  cm. 

Ein  Bruchstück:  Schneidenhälfte  eines  ebensolchen  mit  spitz- 
bogiger  Vereinigung  der  Seitenwangen,  mitten  durch  das  Schaftloch 
zerbrochen,  im  HH, 

Ein  ebensolches  ebenda,  Schneidenhälfte. 

Ein  ebensolches  Bruchstück  mit  rundlich  abgeschliffenen  Bruch- 
flächen, wohl  als  Reiber  benutzt,  ebenda. 

Eine  sehr  interessante  Hammeraxt  im  St.M.W.  (Fig.  55), 
von   sehr   schmaler  Form,   mit  gebogener  Schneide,   quadratischem 


Fig.  55.    V4- 

Bahnende  und  sehr  großem  Schaftloch.  Die  Hammerende  und 
Schneidenteil  verbindende  Brücke  ist  kaum  1  mm  dick.  Länge 
18  cm,  Schneidenhöhe  3,5,  gr.  Breite  in  der  Gegend  des  Bohrlochs 
3,0  cm. 

Steinhacken,  breit,  flach: 

Eine  mittelgroße  im  HH,  „vom  Fußweg  nach  Camburg". 

Eine  mittelgroße  mit  angeschliffenen  Seitenwangen,  Schneide 
abgebrochen  im   G.M.J.,    aus   grünlichgrauem,  schiefrigem   Gestein. 

Eine  11,0  cm  lange,  4,5  cm  breite  im  BV  (1147),  von  grünlichem 
Gestein. 

Eine  7,5  cm  lange,  4,25  breite,  aus  grauem,  schiefrigem  Gestein, 
gut  erhalten  im  BV  586. 

Eine  8,5  cm  lange,  gut  erhaltene  im  BV  2653. 

Bemerkenswert  ist  eme  ca.  10,0  cm  lange,  breite  Hacke  mit  ab- 
gerundeter Schneide,  breiterem  Bahnende  und  Schaftloch,  im  HH. 

Schuhleistenf örmige  Steinhacken,  hochgewölbt, 
schmal: 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Orafscliaft  Camburg.  131 

Eine  mittelgroße  im  HH. 

Eine  10,0  cm  lange,  2,0  cm  breite  aus  schwarzem  Gestein,  im 
BV  2102. 

Eine  mittelgroße,  verhältnismäßig  breite,  in  H.P.S.  aus  Kiesel- 
schiefer, Länge  9,0  cm,  gr.  Höhe  (Dicke)^'/»  c™.  Schneidenbreite  4,0  cm. 

Eine  ca.  15,0  cm  lange,  meißelartig  geformte  im  HH. 

Ein  großes,  langes,  hochgewölbtes,  scnuhleistenförmiges  Stein- 
gerät  mit  querdurchbohrtem  Schaftloch,  planer  Unter- 
fläche, geglättetem  Bahnende,  im  HH. 

Als  Reib kolben  benutztes  dickes,  nach  dem  Bahnende  zu 
sich  verjüngendes  Steinbeil  mit  abgebrochener  Schneide  im  G.M.J., 
8,5  cm  lang,  gr.  Breite  5,6,  an  der  Bruchstelle  glatt  gerieben. 

Ein  zigarrenetuiförmiger  Reibkolben  im  BV  1415,  aus  schwarzem 
Gestein,  10,0  cm  lan^,  4,5  gr.  Breite,  mit  2  auf  beiden  Breitseiten 
angefangenen,  cylindrischen  Bohrungen. 

Ein  kugelförmiges  Steingerät  mit  näpfchenartiger  zen- 
traler Vertiefung,  im  HH.,  faustgroß. 

Ein  Bruchstück  einer  roten  Sandsteinreibplatte  mit 
Fg.:  „Fußweg  nach  Camburg",  im  HH. 

Thonscherben  eines  großen  Gefäßes,  schwarzbräunlich,  dar- 
unter ein  Randstück  mit  torquierter  Verzierung.  Als  Fundort  für 
letzteres  ist  angegeben  „am  Ort  Münchengosserstedt".    HH. 

3.  Sohmiedehansen. 

Im  Juli  1882  berichtet  Klopfleisch  in  der  Weimarischen 
Zeitung  von  einer  Fundstätte  am  Schmiedehäuser 
Weg. 

Dieselbe  war  klein.    Es  fanden  sich: 

Knochen  dort  vom  Schaf,  ein  vollständiges  Gebiß  des- 
selben, 

und  Getreidereibsteine,  meist  bläuliche  Kieselsteine. 

Die  Klopfleischschen  Fundstücke  im  Germanischen 
Museum  zu  Jena  tragen  die  Signatur  „Schmiedehausen 
zwischen  Ziegelei  und  Dorf".  Es  sind  Knochen  vom  Rind. 
Ein  Kästchen  ist  gefüllt  mit  harzigen  Körnchen  und  sig- 
niert: „Schmiedehausen  vom  Altare  mit  den  vielen  runden 
Gruben". 

Die  Fundobjekte  sprechen  dafür,  daß  es  sich  hier  um 
Reste  alter  Niederlassungen  handelt.  Die  Zeitstellung 
derselben  ist  unmöglich. 

Eine  zweite  Fundstelle:  „im  Gelände"  und  eine 
dritte:    „am    oberen    Lindenberg"    beutete  Heim    aus. 

9* 


132  l^iß  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Beide  liegen  am  Südwestende  des  Dorfes.  Auch  die  Fund- 
objekte  dieser  beiden  lassen  auf  alte  Wohnstätten  schließen. 
Es  wurden  gefunden:  ^ 

Scherben  rohgearbeiteter  Töpfe,  mit  Quarzkörnchen 
reichlich  vermengt, 

ein  abgebrochenes  Henkelstück, 

ein  breiter  Henkel, 

ein  kleiner,  ausgebauchter  Becher  aus  Ton  mit  aus- 
ladendem Rande,  zeitlich  der  Bronzezeit  angehörig, 

3  Knochenpfriemen,  von  denen  der  längste  ein  zu- 
gespitzter Pferdefußzehenknochen,  der  mittelgroße  ein  feder- 
artig zugespitzter  zarter  Röhrenknochen  ist, 

ein  Lehmbewurfstück, 

ein  kegelförmiger,  ein  doppeltkonischer  Wirtel,  mit  senk- 
rechten Einkerbungen  am  Umkreis. 

Zeitlich  sicherzustellen  sind  die  Eunde  einer  Herd- 
grube  auf  Schmiedehäuser  Flur,  die  nach  Berlin  in  das 
Völkermuseum  gekommen  sind.  Die  Funde  gehören  in  die 
Zeit  der  Bandkeramik.  Unter  IIb  2750  sind  als  aus 
einer  Herdgrube  stammend  angegeben : 

a)  1  Tonscherben  der  Bandkeramik  (Bogenband); 

b)  1  schuhleistenförmige ,      hochgewölbte     Steinhacke, 

L.  7,5 ;   1   Bruchstück  einer  solchen ; 
d)  2  Flintmesser,  flach,  dreikantig ; 

f)  1  Klopfstein  in  Kugelform  (L,  8) ; 

g)  1  ausgemuldeter  Mahlstein,  L.  25,  gr.  Breite  25  cm. 
Südwestlich  vom  Dorfe  „an  der  Ziegelei"  hat  Heim 

eine  Grabstätte  aus  der  Bronzezeit  ausgegraben.  In  einer 
schwarzen  Brandaschenschicht,  umgeben  von  einem  Kreis 
hochkant  gestellter  Steine,  wurden 

Tierknochen, 

Urnenscherben  in  reichlicher  Menge, 

das  Kinnstück  eines  menschlichen  Unterkiefers  mit 
3  wagrecht  abgekauten  Zähnen  zu  Tage  gefördert  neben 
einer  Anzahl  gut   erhaltener  Bronzen  (Fig.  56 — 61) : 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  133 

1)  Ein  großer  Halsring  (Fig.  56),  massiv,  oval,  offen, 
von  rundem  Querschnitt,  nach  rechts  schnurförmig  gedreht, 
mit  wenig  sich  verjüngenden,  glatten  Enden,  die  etwas  über- 
einander stehen.     Weite  ca.  17  cm. 


Fig.  57.    V, 


Fig.  58.    V2 


Fig.  56.    V, 


Fig.  59.    V,. 


Fig.  60.    V2- 


Fig.  61.    Vs- 


2)  Ein  Oberarmring  (Fig.  57),  massiv,  oval,  wejt  offen, 
von  rundem  Querschnitt,  nach  rechts  schnurförmig  gedreht, 
nach  den  Enden  sich  etwas  verjüngend;  die  ungedrehten 
Enden  mit  längs  verlaufendem  Grätenmuster  verziert. 
Weite  ca.  11   cm. 

3)  Ein  Unterarmring  (Fig.  58),  massiv,  oval,  offen,  mit 
übereinander  liegenden  Enden,  vierkantig  im  Querschnitt; 
längs  der  oberen  und  unteren  Kante  verläuft  ein  fortlau- 
fendes, kleinästiges  Grätenmuster,  quer  um  die  Enden  ein 
von  einem  System  paralleler  Linien  beiderseits  eingefaßtes, 
größeres  Grätenmuster.    Das  äußerste  Ende  schließen  kurze. 


134  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

in    der   Längsachse    des    Armbandes    verlaufende   parallele 
Striche.     Weite  ca.  6  cm. 

4)  Ein  Unterarmring  (Fig.  59),  massiv,  oval,  mit  über- 
einander liegenden  Enden,  schön  glänzender  Patina ;  Quer- 
schnitt rund,  innen  glatt.  An  den  Enden  und  an  3  gleich 
weit  voneinander  entfernten  Stellen  mit  einem  System 
paralleler,  um  die  Außenfläche  des  Ringes  verlaufenden  Linien 
verziert.  An  den  Enden  sind  diese  einseitig,  in  der  Ring- 
mitte beiderseits  von  entgegengesetzt  verlaufenden  Fisch- 
grätenmustern begleitet.     Weite  ca.  7,5  cm. 

5)  Ein  Unterarmring  (Fig.  60),  massiv,  breit-oval,  offen, 
mit  übereinander  gelegten  Enden,  Enden  etwas  verjüngt, 
Querschnitt  rund,  innen  abgeplattet,  Ober-  und  Unterseite 
durch  Scheuern  an  einem  anderen  beim  Tragen  stellen- 
weise plattgeschlifFen,  an  den  Enden  und  3  anderen  Stellen 
mit  einem  System  parallel  um  den  Ring  verlaufender 
Linien  ornamentiert,  die  in  der  Ringmitte  jederseits  von 
einem  Fischgrätenmuster  begleitet  werden.  Dicker  als 
vorheriger.     Weite  ca.  8,5. 

6)  Ein  bronzenes  Zierstück  (Fig.  61),  leicht  schalen- 
förmig gemuldetes  Blechband,  14  cm  lang,  5  cm  breit  un- 
gefähr, beschädigt,  mit  2  den  Rändern  parallel  verlaufen- 
den, eingepunzten  Punktreihen,  an  den  Schmalseiten  je 
2  zum  Teil  ausgebrochene  größere  Löcher. 

Die  genannten  Funde  sind  in  das  Henneberger  Haus 
nach  Meiningen  gekommen  i). 

Außerdem  sind  eine  große  Reihe  von  Einzelfunden 
auf  Schmiedehäuser  Gebiet  gemacht  worden,  besonders 
auffällig  viel  Spinnwirtel ,  wenig  Steinbeile  und  Stein- 
hacken. Die  meisten  Einzelfunde  sind  steinzeitliche,  einige 
slavische. 


1)  In  E.  Eichhorn,  Die  Grafschaft  Gamburg  (im  20.  Heft  der 
Schriften  des  Vereins  für  S.-Meiningische  Geschiente  und  Landes- 
kunde) sind  die  Ringe  auf  Tafel  III  ohne  Nennung  des  Fundortes 
abgebildet,  Fig.  6,  2,  8,  5,  4. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Catnburg.  135 

Ein  kleines,  vierkau tigee  Steinbeil  mit  breitem  Bahnende 
im  HH. 

Ein  größeres  ebensolches  im  HH. 

Ein  ebensolches  mit  gebogener  Schneide  im  HH. 

Ein  vierkantiges   Steinbeil ,   beschädigt,   L.  9,5,   im  BV   2793. 

Ein  desgl.,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  verjüngend,  im  BV 
2794.     L.  7,0  cm. 

Ein  desgl.  im  BV  2748.    L.  5,0  cm. 

Ein  Stembeil  mit  spitzem  Bahnende  im  HH. 

Ein  desgl.  mit  ovalem  Querschnitt,  die  Schneide  nach  Art  der 
Hacken  gekrümmt,  aus  grauem  Gestein.  L.  10,0,  Schneidenhöhe 
5,5.    Im  BV  Hb  1224. 

Eine  durchlochte  Steinaxt  von  dreieckiger  Grundfläche  im 
HH,  mit  abgerundetem  Bahnende. 

Eine  desgl.  mit  ungleich  langen  Seitenwangen,  in  Pastor  Schrö- 
ders Besitz,  hat  eine  Länge  von  17,0  cm,  Schneidenhöhe  2,0,  Bahn- 
endehöhe 3,0  cm,  gr.  Breite  6,7  cm. 

Ein  durchlochter  Axthammer  von  rhombischer  Grund- 
fläche, L.  10,0  cm.,  die  eine  Hälfte  fehlt,  im  BV  2749. 

Bruchstück  einer  durchlochten  Steinaxt  (Schneidenteil)  im  HH. 

Ein  desgl.,  Axthammerende,  im  HH. 

Ein  sehr  flacher  Axthammer  von  rhombischer  Grundfläche, 
mit  abgerundeter  Schneide,  24,0  cm  lang,  2,8  Schneidenhöhe,  7,0  cm 
gr.  Breite,  in  P.  Schröders  Besitz. 

Ein  längliches  Steingerät,  wohl  das  roh  zugehauene  Stück  zu 
einem  Axthammer,  mit  näpfchenartiger,  angebohrter  Vertiefung,  grau- 
braunes Gestein,  im  BV  1097.    L.  16,5,  gr.  Breite  3,5. 

Ein  polygonal  facettierter  Axthammer  aus  grauem,  schwarz- 
gesprenkeltem Gestein,  mit  scharf  vorspringender,  senkrechter  Kante 
zu  beiden  Seiten  des  Schaftlochs,  L.  13,5,  Breite  5,0,  Schneiden- 
höhe 3,5  cm,  in  Heims  Privatsammlung. 

Eine  flache,  breite  Steinhacke,  gut  erhalten,  in H.P.S., 8,5 cm 
lang,  5,0  cm  Schneidenbreite,  1,5  cm  dick. 

Eine  breite,  verhältnismäßig  dicke  Steinhacke,  Oberfläche  be- 
schädigt, aus  Kieselschiefer,  L.  8,5,  Schneidenbreite  5,0,  in  H.P.S. 

3  Feuersteinmesser  im  HH. 

2  Flintmesser  im  BV  2752.    L.  4,5  resp.  6  cm. 

1  Wetzstein  aus  Schiefer  im  HH. 

1  Reibstein  im  HH. 

1  durchlochtes,  webege wichtartiges  Gerät  im  HH. 

1  Tonwirtel,  doppeltkonisch,  die  niedere  Hälfte  leicht  aus- 
gemuldet,  im  BV  ^756,  mittlerer  Durchmesser  3,5. 

1  Steinwirtel,  doppeltkonisch,  Durchm.  2,9,  im  BV  2757. 

1  Steinwirtel,  breit-oval,  mit  konzentrischen  Linien  um  die 
Außenfläche,  Bruchstück,  in  H.P.S.    Durchm.  3,5. 

1  Tonwirtel,  doppeltkonisch,  die  niedere  Hälfte  ausgemuldet, 
Außenfläche  mit  je  2  parallelen  Furchen  auf  jedem  Quadrant, 
in  H.P.S.    Durchm.  2,6. 

1  Tonwirtel,  doppeltkonisch,  in  H.P.S.  Auf  der  niederen 
Hälfte  senkt  sich  das  Stabloch  trichterförmig  ein. 

1  Tonwirtel,    breit-oval,   mit   abgeplatteter  mittlerer  Zone,    in 

H.P.S.    Durchm.  4,0  cm,  Höhe  2,5  cm. 
10  weitere  Spinnwirtel  im  HH. 

1  Bernsteinperle,  hell,  doppeltkonisch,  kirschengroß,  im  HH. 

2  Stück  Wandbewurf  im  BV  2753. 


136  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

5  Tonscherben  älterer  Art,  davon  eine  ornamentiert  mit 
Reihen  von  kleinen  Spitzovalen  (Fig.  62),  eine  andere  mit  ge- 
stichelten Dreiecken  (Fig.  63),  im  BV  2755. 

4  slavisöhe  Topfscherben  mit 
Wellenornament,  mit  7-zinki- 
gem  Kamm  gezogen ,  im 
BV  2751. 
2  Tiergehörne,  das  Geweih 
ziemlich  gut  erhalten. 

4.  Stöben. 

_.     „_  _.     „„  Im  Mai  1882    wurden   auf 

Flg.  62.  Flg.  63.          . 

einem     irischgeackerten    Felde 

in  der  Stöben  er  Flur  vom  Lehrer  A.  Sorge  in  Camburg 
schwarze  Stellen  entdeckt,  die  bei  näherer  Untersuchung 
Knochen,  Urnenreste,  eigentümliche  Kieselsteine  enthielten. 
Klopfleisch  wurde  hiervon  benachrichtigt.  Am  12.  Juli  1882 
wurden  Ausgrabungen  in  der  Nähe  von  Stöben  veranstaltet. 
Die  von  Klopfleisch  hierüber  gemachten  Tagebuchnotizen 
und  Skizzen  beweisen,  daß  man  auf  vorgeschichtliche  Ab- 
fallgruben  gestoßen  war,  in  deren  Nähe  einstens  mensch- 
liche Niederlassungen  gelegen  hatten. 

Fundstelle  1:  „In  der 
unteren  Trif  t",  an  dem  Feld- 
raine beim  Dorfe  (Besitzer  Albert 
Hanemann)  wurden  trichter- 
förmige Herdstellen  freigelegt. 
-picr,  ö4.  Unter  der  Ackererde  senkte 

sich  in  den  lehmigen,  natürlichen 
Boden  trichterförmig  eine  Grube    (Fig.   64),    die  ausgefüllt 
war  mit  schwärzlicher,  aschenartiger  Erde.    In  dieser  lagen 
zerstreut  bunt  durcheinander: 
viele  Tierknochen, 

viele  Urnenscherben,  die  meist  schön  geglättet,  schwarz 
gefärbt,   teilweise  mit  hübschen  Randleisten  versehen  sind, 
Reste  von  Reibern, 

größere   Reibplatten    aus    Sandstein ,    eine    von    ihnen : 
19  cm  lang,  I21/2  cm  breit,  5  cm  dick, 
kleinere  Handreiber, 
Holzkohlen. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  137 

Fundstelle  2:  „auf  der  Heide"  (Fig.  65),  auch 
noch  auf  Schmiedehäuser  Flur,   Besitzer  Albert  Hanemann. 

40  cm  unterhalb  des  lehmigen  Bodens  stieß  man  auf 
einen  großen,  mit  kloinen  Steinen  eingefaßten  Kreis  von 
2,80  m  Durchmesser.    Innerhalb  desselben  fand  sich  melierte 


Fig.  65. 

Branderde  mit  Tierknochen.  An  der  Nordseite  der  Peri- 
pherie, innerhalb  des  Kreises,  war  eine  kleinere,  runde 
Stelle  von  50  cm  Durchmesser  als  Brandstelle  deutlich  zu 
unterscheiden.  Das  Zentrum  der  steinumgrenzten  Fläche 
bildete  eine  in  den  Boden  flach  eingesenkte,  kreisrunde 
Vertiefung,  die  mit  Branderde  ausgefüllt  war  und  ziemlich 
♦viel  Tierknochen  und  einzelne  Tonscherben  enthielt.  Weiter- 
hin wurde  ein  kleiner  Bronzerest  gefunden,  daneben  eine 
zerquetschte,  sehr  weiche  Urne  von  Schalenform,  Reste 
eines  etwas  härteren  Gefäßes  und  eines  töpfernen  Napfes  mit 
hohem  Rande. 

Fundstelle  3:  „auf  der  Heide",  südwestlich  der 
Fundstelle  2,  von  ähnlicher  Anlage. 

Hier  war  eine  rautenförmige  Steinumgrenzung  unter 
der  Lehmdecke  zu  Tage  gekommen.  An  der  Nordecke 
Reste  eines  sehr  starken,  großen  Tongefäßes  innerhalb  der 
umgrenzten  Stelle.  Die  Mitte  der  Fundstelle  war,  wie 
bei  der  vorigen  Fundstelle,  tiefer  in  den  Lehmboden  ein- 
gesenkt und  mit  vereinzelten  Tierknochen  durchsetzt.  Am 
Grunde  der  Senke  lag    ein  Stein.     Im  Profil    wie  Stelle  2. 

Fundstelle  4:  „auf  der  Heide",  südwestlich  hinter 
Stelle  3,  in  einer  Linie  mit  2,  bereits  in  der  Mitte  durch- 
wühlt. Die  Anlage  war  im  ganzen  so  wie  die  der  anderen, 
ein  kreisförmiger  Fleck  mit  schwarzer  Branderde  ausge- 
füllt.    In  derselben  lagen  Tierknochen,  Tierzähne  zerstreut 


138  I^iß  ^OJ""  ^-  frühgeschiclitl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg, 

und  ein  besonders  nennenswertes  zertrümmertes  Gefäß  von 
roter  Farbe,    durch  Feuer  nachträglich   gehärtet,    klingend. 

Fundstelle  5:  „auf  der  Hei de'V schon  angegraben. 
Anlage  ebenso,  schwarze  Brand  erde  mit  zahlreichen  Tier- 
knochen und  Urnenresten,  darunter  ein  sehr  starkes,  großes 
Gefäß  und  ein  Bruchstück  eines  Henkelgefäßes. 

Ein  in  der  Weimarischen  Zeitung  noch  im  Juli  1882 
erschienener  kurzer  Bericht  bezeichnet  diese  Stellen  als 
Opferstätten  unserer  Vorfahren  und  gibt  ihr  Alter  auf 
2—3000  Jahre   an. 

Am  21.  August  1889  suchte  Klopfleisch  neue  Fund- 
stellen in  der  Nähe  von  Stöben  auf.  Ein  an  der 
Ausgrabung  damals  mitbeteiligter  Herr,  der  Landwirt 
Carl  Kunze  in  Hirschroda,  schilderte  diese  Ausgrabung  in 
einem  schriftlichen  Bericht,  dem  wir  folgendes  entnehmen: 

Hanemann  war  wiederum  beim  Ackern  auf  vorge- 
schichtliche Fundobjekte  gestoßen.  Die  Stellen  waren  an 
der  Oberfläche  nicht  sichtbar,  höchstens  beim  frischen  Ackern 
fielen  sie  durch  eine  dunklere  Färbung  des  Ackerbodens  auf." 

Die  erste  Stelle  lag  am  Fahrweg  nach  Schmiede- 
hausen. In  schwarzer  Erde  fand  man  einige  Urnen- 
scherben. 

Eine  etwas  erhöht  gelegene  zweite  Stelle  war  von 
circa  4  m  Durchmesser  und  ^j^  m  Tiefe.  Dieser  Raum 
war  angefüllt  mit  Branderde.  Der  Boden  im  Mittelraum 
war  mit  Steinen  besetzt;  ein  mit  Branderde  gefülltes  Loch 
ging  noch  über  1  m  unter  den  Boden.  Gefunden  wurden: 
ziemlich  viel  Urnenscherben  und  ein  ziemlich  gut  erhaltener 
Unterkiefer  eines  Hirsches. 

Die  dritte  ausgegrabene  Stelle  hatte  einen  Durchmesser 
von  ca.  1^/2  m  und  eine  Tiefe  von  über  2  m.  In  diesem 
Raum  war  der  oberste  Teil  angefüllt  mit  Branderde.  Diese 
lag  auf  einer  Schicht  Estrich,  einer  rot  aussehenden  ge- 
brannten Lehmschicht,  die  nach  Art  einer  Tenne  behandelt 
und  gebrannt  wurde.  Unter  dieser  Estrichschicht  befand 
sich  wieder  ein  kleiner  Raum,  angefüllt  mit  Branderde. 
In     dem    oberen    Raum    lagen    zahlreiche     Knochen     und 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  139 

Scherben  von  Urnen,  im  unteren  ein  vollständigea,  gut  er- 
haltenes Skelett  einer  jungen  Ziege,  umgeben  von  Scherben 
und  anderen  Knochen. 

Weitere  Fundstellen  wurden  am  24.  August  1889 
ebenfalls  auf  Hanemannschen  Grundstücken  aufder  Höhe 
nachLachstedt  zu  ausgebeutet.  Die  erste  Stelle  war 
3  m  im  Durchmesser,  1  m  tief,  mit  Branderde  ausgefüllt, 
die  mit  Knochen  und  Scherben  vermengt  war.  In  der  Mitte 
des  Bodens  waren  eine  ziemliche  Anzahl  von  Steinen  gelegt. 

Die  zweite  Stelle,  ziemlich  so  groß,  mit  Branderde 
gefüllt,  bot  eine  große  Zahl  sehr  mürber  Tierknochen,  dar- 
unter 2  Kinnladen,  Rippen,  Zähne  vom  Rind.  Der  Boden 
war  stellenweise  mit  Estrich  belegt. 

Die  dritte  Fundstelle  war  die  ergiebigste:  l'/g  m 
breit,  70  cm  tief.  Gleich  von  Anfang  an  wimmelte  es 
von  Scherben.  Die  mächtigen  Scherben  mit  Fingertupfen- 
eindrücken auf  einem  1^/g  cm  unter  dem  Rand  um  das 
Gefäß  herumlaufenden  Wulst  ermöglichten  eine  ungefähre 
Zeitbestimmung. 

In  einer  ähnlichen,  etwas  kleineren  Stelle  mit  Brand- 
erde fand  man  2  noch  zusammenhängende  Kinnladen  von 
einem  Hausrind. 

Auch  hier  handelte  es  sich  also  —  wie  wir  sehen  — 
um  eine  Anzahl  von  Abfallgruben  im  Bereiche  vorgeschicht- 
licher Siedelungen. 

Die  in  d  iesen  Abfallgruben  vorgefundenen 
prähistorischen  Funde  sind  ihrerzeit  in  das  Ger- 
manische Museum  zu  Jena  gekommen.  Die  hier  auf- 
bewahrten Scherben  sind  meist  Reste  grobgearbeiteter 
Gefäße.  Die  Masse  der  meisten  ist  mit  Quarzkömchen 
durchsetzt  von  Sandkorn-  bis  Hirsekomgröße.  Die  hart- 
gebrannten sind  geringer  an  Zahl  und  haben  meist  eine 
schmutzig-ziegelrote  Farbe.  Die  meisten  sind  dickwandig, 
bis  über  1  cm  stark,  hell-lehmfarben,  braun,  bis  schwarz- 
grau. Die  größeren  sind  oberflächlich  geglättet,  die  dünn- 
wandigeren besser. 


140  I^iß  vor-  u.  frühgescMchtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Als  besonders  interessant  seien  genannt: 

Das  Bruchstück  eines  großen,  dickwandigen  Gefäßes  mit  ge 
glätteter  Oberfläche,  schwarzgrau,  die  Masse  mit  bräunlichen  und 
weißen  zerkleinerten  Steinchen  reichlich  durchsetzt,  ist  besonders 
interessant,  weil  am  Halsübergang  zum  oberen  Bauchteil  eine  nicht 
verstrichene  Furche  sichtbar,  die  beweist,  daß  der  Hals  extra  auf 
das  Gefäß  aufgesetzt  ist,  nachdem  der  Bauch  fertiggestellt  war.  Der 
Durchmesser  der  Urne  an  dieser  Übergangsstelle  beträgt  14  cm. 
Hals  und  oberer  Bauchteil  bilden  einen  Winkel  von  110". 

Auf  eine  beträchtliche  Größe  läßt  ein  Gefäßrandstück  schließen 
mit  oberem  Bauchteil.  Der  Durchmesser  des  Gefäßes  an  der  Hals- 
wurzel beträgt  28  cm,  der  Winkel,  den  Hals  und  oberer  Bauchteil 
miteinander  bilden,  120".  Der  Eand  ist  abgerundet,  ohne  ver- 
stärkenden Wulst.  Die  Bubstanz  des  Gefäßes  durchweg  grau,  mit 
Quarzstückchen  vermengt,  die  Oberfläche  geglättet.  Die  Wandungs- 
stärke 6—8  mm. 

Ein  Bodenstück  mit  teilweise  erhaltener,  anschließender  Gefäß- 
wand, äußerlich  gut  geglättet,  schmutzig- braun,  die  Masse  im  Bruch 
schwarzgrau,  mit  vielen  bis  hanfkorngroßen  Quarzkörnchen  durch- 
setzt, die  Wandung  10  mm  stark.  Bodenfläche  und  Wandung  bilden 
einen  Winkel  von  125".    Der  Bodendurchmesser  12  cm. 

Ein  anderes  Bodenstück  eines  ebenfalls  dickwandigen,  großen 
Gefäßes  mißt  im  Durchmesser  14  cm,  die  Wandung  steht  auf  ihm 
im  Winkel  von  125°. 

Ein  Bodenstück  eines  kleineren  Gefäßes  hat  nur  einen  Durch- 
messer von  4,5  cm. 

Der  Band  der  aufgefundenen  Gefäße  ist  entweder  da- 
durch hergestellt,  daß  die  Gefäßwandung  oben  einfach  glatt- 
gestrichen ist,  ohne  Ausladung,  ohne  besondere  wulstförmige 
Verstärkung,  so  besonders  bei  den  großen  Gefäßen,  deren 
Masse  mit  Quarzkörnchen  reichlich  durchsetzt  ist,  oder  der 
Rand  ist  leicht  wulstig  umgebogen  oder  er  ist  von  einer 
krauseiförmig  gefalteten  Tonleiste  begleitet,  die  man,  den 
oberen  Gefäßhals  verstärkend,  aufgelegt  und  in  bestimmten 
Zwischenräumen  mit  der  Fingerkuppe  ein-  und  angedrückt, 
das  verdrängte  Stück  nach  unten  geschoben  hat.  Randstücke 
dieser  Art  finden  sich  eine  ganze  Anzahl  (Fig.  66  —  69). 
Sie  gehören  zu  großen  Gefäßen  mit  dicken  Wandungen. 

An  der  Halswurzel  hat  das  eine  (Fig.  66)  einen  Durchmesser 
von  22  cm.  Es  ist  schmutzig-backsteinrot  auf  der  Außenfläche  und 
Innenfläche  gefärbt,  die  Masse  innen  grau,  mit  Quarzstückchen 
reichlich  vermengt,  7  mm  starke  W^andung. 

Bei  einem  gleichartigen  (Fig.  67)  liegt  über  der  Leiste  ein  ver- 
stärkender Eandwulöt.  Dies  Gefäß  ist  dunkelziegelrot,  die  Masse  in 
der  Mitte  schwarzgrau,  mit  Quarzkörnchen  vermengt,  Wandstärke 
10  mm,  Dm.  am  Hals  24  cm. 

Bei  einem   weiteren   derartigen  Gefäß  (Fig.  68)  sieht  man  be- 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.   141 

sonders  gut,  wie  das  verdrängte  Stück  nach  unten  geschoben  worden 
ist.    Dm.  des  Mündungsrandes  22  cm. 

Schließb'ch  sieht  man  bei  einem  kleineren  Randstück  (Fig.  69), 
wie  die  Fingerkuppen  zweier  nebeneinandergelegten  und  eingedrückten 
Junger  den  aufquellenden  kleinen  Kamm  noch  einmal  von  beiden 
Seiten  eingedrückt  haben. 


Fig.  67.    Vr 


Fig.  69.    V4. 


Fig.  58.     V4- 


Diese  Tupfenleiste  tragen  einige  Gefäße  am  Hals, 
nicht  mit  dem  Rande  zusammenhängend,  als  besonderes 
Ornament  (Fig.  70). 

Auch  eine  abgesprungene  derartige  Leiste  wurde  ge- 
funden (Fig.  71). 

Zwei  hell-ziegelrote,  hart  gebrannte  Randstücke  (Fig.  72) 
demselben  Gefäß  angehörig,  sind  in  einiger  Entfernung  vom 


Fig.  70.    V4. 


Fig.  71.    V,. 


Fig.  72.    V4- 


Rand  durch  eine  Kette  von  oben  nach  unten  ausgehobener, 
lanzettförmiger  Stiche  verziert.  Der  obere  Durchmesser 
dieses  Gefäßes  betrug  10  cm  nach  Berechnung. 


142  Die  vor-  u.  frühgescMchtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Die  gefundenen  Henkel  (Fig.  73 — 76)  sind  alle  breit, 
das  Henkelloch  für  einen  Finger  passierbar.  Sie  sitzen 
am  Halse,  gehen  mit  ihrem  einen  Bogeriansatz  unmittelbar 
in  den  Gefäßrand  über,  mit  dem  anderen  unmerklich  in  die 
Wandung  des   Topfes  (Fig.  73,  74)  oder  sie  sitzen  am  Um- 


Fig.  73.     \/,.      Fig.  74.    '/,.       Fig.  75.     V',. 


Fig.  76.    V, 


bruch  des  Bauches  (Fig.  75,  76).  Der  eine  ist  im  Querschnitt 
plankonvex,  er  gehört  zu  einem  Gefäß  von  28  cm  weitestem 
Durchmesser,  der  andere,  plankonkav,  zu  einem  Gefäß  von 
24  cm  Durchmesser  zwischen  den  Henkeln. 

Nur  wenige  Gefäße  sind  in  ihrer  ganzen  Form  re- 
konstruierbar: Ein  napfförmiges,  hartgebranntes,  ziemlich 
dünnwandiges,    ziegelrotes    (Fig.  77).     Der  Boden,  6^/3   cm 


Fig.  77.    V, 


Fig.  78.     V, 


im  Durchmesser,  größter  Durchmesser  17^2  cm  in  8^/2  cm 
Höhe,  ganze  Höhe  13  cm.  Nach  dem  Rande  zu  biegt 
die  Wandung  sanft  nach  innen,  Durchmesser  hier  16  cm, 
um  1  cm  vom  Gefäßrand  wieder  wenig  auszuladen.  Der 
Rand  ist  ohne  Wulstverstärkung,  scharf.  Die  Bodenfurche 
innen  ist  ausgefüllt;  auf  dem  oberen  Bauchteil  hüben  und 
drüben  je  ein   brustwarzenförmiger  Buckel. 


Die  vor-  u.  frühgeechichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  143 

Ein  großes,  im  ganzen  kugelförmiges  Gefäß,  am  Hälse 
-ich  leicht  verjüngend,  der  Rand  dann  wieder  ausladend, 
einfach  glatt  abgerundet;  Wandstärke  12  mm,  größter 
Durchmesser  30  cm,  oberer  Durchmesser  26  cm,  Hals  im 
Lichten  24  cm. 

Ein  sehr  großes,  glockenförmiges  Gefäß  mit  Tupfen- 
leiste unter  dem  Rande ;  29  cm  oberer  Durchmesser,  28  cm 
Höhe,  sehr  dickwandig  (Fig.  78). 

Von  weiteren  Fundobjekten  aus  den  Herd- 
gruben sind  zu  nennen : 

14  teils  kugel-,  teils  eier förmige  Körper,  die 
einen  künstlich  hergestellt  aus  Ton,  die  anderen  abge- 
schliffene, feine  Sandsteingebilde. 

Eine  kleine  Anzahl  Feuersteinspäne, 

ein  großes  Webegewicht,  aus  rötlichgrauem  Lehm, 
schwach  gebrannt,  4  Längsseiten,  Unterseite  beschädigt 
durchgehendes  Loch  von   l'/g   Durchmesser; 

eine  hochgewölbte  schuhleistenförmige  Steinhacke 
16,0  cm  lang,  3,5  cm  breit,  4,0  cm  hoch,  410  g  schwer; 

eine  kleine  Steinhacke,  flach,  breit. 


Fundort  „an  der  Schweinsbrücke",  ausgebeutet  von 
Heim.  Hier  fanden  sich  Urnenreste  ohne  Verzierungen,  ein 
kleines,  henkelloses,  napfartiges  Gefäß  aus  Ton  mit  4  bronzenen, 
vierkantigen  Stückchen  im  Innern  (Reste  einer  Nadel). 


Als  Einzelfunde  von  Stöben  liegen  im  Henneberger  Haus 
in  Meiningen: 

Eine  Steinaxt  aus  Grünstein,  Schaftloch  im  Zentrum  der 
Axt,  was  besonders  zu  bemerken '),  15  cm  lang,  im  Horizontalschnitt 
dreieckig,  mit  langer  Schneide,  Bahnende  seitlich  abgerundet. 

Eine  Steinhacke,  flach,  breit,  mit  gebogener  Schneide,  ge- 
radem Bahnende,  aus  Kieselschiefer,  mit  Schaftloch,  eme 
Seltenheit  -) ! 

Ein  Bruchstück:  der  Schneidenteil  einer  Steinaxt  aus  grün- 
lichem Gestein. 

Heim  in  Camburg  besitzt  zur  Zeit  ebendaher  eine  durchlochte 
Steinaxt     von    unregelmäßig-dreieckiger    Grundfläche,    mit    ge- 


1)  Vgl.  E.   Eichhorn,   Die  Grafschaft  Camburg,   Heft  20  der 
Schriften  des  Ver.  f.  S.-Mein.  Gesch.  u.  Landeskunde,  Taf.  IV,  Fig.  7. 

2)  Vgl.  ebenda  Taf.  IV,  Fig.  7. 


144  I^iG  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


bogen  er  Schneide,  schiefem  Bahnende,  aus  graugrünem  Gestein ;  auch 
hier  befindet  sich  das  öchaftloch  mehr  nach  dem  Zentrum  zu. 

Im  Berliner  Völkermuseum : 

Ein  vierkantiges  Steinbeil  aus  grauem  Gestein,  mit  ge- 
bogener Schneide,  breitem  Bahnende,  flach  gewölbten  Seitenwangen. 
L.  8,5,  Schneidenhöhe  4,0  cm.  (BV  II  b  1611.) 

Ein  Steinhamraer,  durchlocht,  im  Horizontalschnitt  un- 
regelmäßig-dreieckig, Ober-  und  Unterseite  flach  gewölbt.   L.  11,5  cm. 

(BV  II  b  2641.) 

Ein  Klopfstein  von  länglicher  Gestalt,  aus  grauem  Gestein. 
L.  8,5,  gr.  Br.  3,0.  (BV  II  b  1612.) 

In  einer  Iiehmgrube  zwischen  Stöben  und  Camburg 

fand  Klopfleisch  eine  steinzeitliche  Abfallgrube, 
die  Tonscherben  waren  gut  gebrannt,  grau,  mit  feinem  Sand 
gemengt ,  mit  Bandverzierung  (gerade  Linien  und 
Tupfen  von  unten  nach  oben  aus  der  Tonmasse  ausgehoben). 

Dabei  ein  stark  gebrannter,  ziegelroter  Gefäßscherben, 
3  mm  stark,  ein  Randstück  mit  einer  Kette  von  ausge- 
stochenen lanzettförmigen  Gruben  unterhalb  des  glatten 
Gefäßrandes. 

Andere  Scherben  waren  unverziert.  Diese  Fundobjekte 
liegen  im  Germanischen  Museum  zu  Jena. 

Es  sei  hier  ein  prachtvoller  Bronzekelt  (Fig.  79)  er- 
wähnt, der  in  Stöbens  Nachbarschaft  auf  Lachstedter 

Flur  bei  Großheringen  ge- 
funden worden  ist  neben  mensch- 
lichen Skeletten.  Nähere  Fund- 
berichte fehlen.  Der  Kelt  be- 
findet sich  im  G.M.J. 


Er  ist  269  g  schwer,  mit  niederen 
^.  Randleisten     versehen ,     nach    der 

rig.  79.  Schneide     zu     kräftig     ausladend. 

Schneide  gebogen.  Bahnende  ab- 
gerundet, grün  patiniert.  Länge  13,0  cm,  Schneidenhöhe  6,0  cm, 
m  der  Mitte  2,3  cm  hoch,  Dicke  14  mm,  Höhe  der  Randleisten 
2  mm.  In  der  Schaftrille  ist  an  der  bräunUchen  Verfärbung  der 
Patina  die  Holzschäftungsform  noch  erkennbar. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Miszellen. 


Luiidmesserordnung  und   Holzordiiung   im  Amt   Kenia  ans  den 
Jahren  1567  und  1572. 

Mitgeteilt  von  Pfarrer  Fleischhauer  in  Oberspier. 

Die  nachstehenden  zwei  Ordnungen,  eine  Ordnung  im  Land- 
messen zur  Feststellung  der  Grenzen  und  Beilegung  der  Grenz- 
streitigkeiten zwischen  Flurnachbarn  und  eine  Ordnung  für  die 
Nutzung  der  Gemeindewaldungen,  sind  entnommen  der  Gemeinde- 
lade von  Großbrüchter,  einem  Dorfe  des  früheren  Amtes  Keula,  daa 
den  Viergrafen  des  Eeiches  von  Schwarzburg  gehörte. 

Das  Amt  Keula,  jetzt  der  westliche  Teil  der  Schwarzburg- 
Sondershausenschen  Unterherrschaft  und  dem   Landratsamt,  Amts- 

Serichtsbezirk  und  der  Superintendentur  Ebeleben  zugeteilt,  kam 
urch  Erbvertrag  zwischen  den  Grafen  von  Honstein  und  Schwarz- 
burg um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  an  die  letzteren. 

Im  Jahre  1421  nahm  Graf  Heinrich  von  Schwarzburg  Keula 
nebst  Straußberg  vom  Erzbischof  zu  Mainz  zu  Lehen,  wogegen  der 
Erzbischof  seinen  Ansprüchen  auf  Heringen  entsagte. 

Im  Jahre  1437  kam  durch  Tausch  gegen  das  Dorf  Blanken- 
burg  Kleinkeula  (jetzt  zu  Gotha  gehörig)  und  halb  Urbach,  die  beide 
bisher  im  Besitz  der  Landgrafen  von  Thüringen  gewesen  waren,  an 
das  Amt. 

Um  1540  führte  Graf  Günther  XL.  die  Reformation  in- seinen 
Landen  ein. 

1670 — IbSl  residierte  als  Herr  des  Amtes  Graf  Anton  Günther  IL 
in  Keula. 

1682 — 1716  bestand  ein  Unterkonsistorium  daselbst. 

Im  Jahre  1852  ist  der  Sitz  des  Justizamtes  nach  dem  Markt- 
ilecken  Ebeleben  verlegt  worden. 

Zum  Amt  Keula  gehörten  die  Ortschaften  Keula,  Holzthaleben, 
Großbrüchter,  Kleinbrüchter,  Urbach,  Toba,  Wiedermuth,  Kocken- 
sußra,  Großmehlra. 

Zur  „Holtzordnung",  die  einige  Hauptbestimmungen  der  jetzt  in 
den  Ortschaften  Keula,  Holzthaleben,  Großbrüchter  und  Urbach  (sog. 
obere  Pflege  des  Landratsamtes  Ebeleben)  geltenden  Waldordnung 
enthält,  ist  zimächst  zu  bemerken,  daß  sie  wohl  der  erste  bekannte 
N'ersuch  ist  (vergl.  auch  Art.  6),  den  vorbenannten  Orten  die  Nutz- 
nießung des  ihnen  gehörigen  Waldes  zu  ordnen  und  ein  Gemeinde- 

XXII.  10 


146  Miszellen. 

vermögen  zu  erhalten,  das  noch  heute  als  die  vorzüglichste  Ursache 
ihrer  Wohlhabenheit  zu  gelten  hat.  Besonders  sind  in  dieser  Rich- 
tung Artikel  1  und  2  bedeutsam.  Nach  den  Bestimmungen  der 
neuesten  Zeit  sind  die  politischen  Gemeinden  Besitzer  der  Inter- 
essentenwaldungen, so  z.  B.  Kenia,  das  748  ha  22  a  38  qm  Wald 
besitzt,  durch  endgültiges  Urteil  des  RevisionsköUegiums  für  Landes- 
kultursachen in  Berlin  vom  10.  Juli  1868  und  durch  Zuschreibungs- 
urkunde  des  Fürstlichen  Justizamtes  in  Ebeleben  aus  demselben  Jahre. 

Art.  1  ist  selbstverständlich  nicht  mehr  gültig.  Dagegen  be- 
steht Art.  2  seinem  Inhalt  nach  noch  jetzt  zu  Recht.  Die  Besitzer 
von  Holzgerechtigkeiten  (im  genannten  Orte  95  an  der  Zahl)  sind 
Hausbesitzer  oder  Besitzer  von  Hausstätten  (Grundstücke,  auf  denen 
ein  Haus  gestanden  hat),  zu  denen  die  Holzgerechtigkeiten  untrenn- 
bare Pertinenzen  sind. 

Art.  6  hat  in  den  neuesten  Bestimmungen  dahin  eine  Ab- 
änderung gefunden,  daß  sämtlichen  ürtsangehörigen,  so  lange  sie  im 
Ort  ihren  bleibenden  Wohnsitz  haben,  also  auch  zugezogenen  Hei- 
matsberechtigten, die  Ausübung  folgender  Nebenberechtigungen 
zusteht : 

1)  Die  Nutzung  der  Stämme  (Stocken),  der  beim  Fällen  stehen 
gebliebenen  Schaftenden,  denm  Höhe  mindestens  2  Fuß  von  der 
Erde  ab  betragen  muß,  nebst  Wurzeln.  Ausgenommen  von  der 
Nutzungsberechtigung  sind  der  Pächter  der  fürstlichen  Domänen, 
der  Pfarrer,  die  Lehrer,  Alimentanden,  die  nicht  eigene  Wirtschaft 
führen,  und  Witwen,  die  keinen   über   14  Jahre  alten  Sohn  haben. 

Zu  dieser  Bestimmung  kann  Einsender  von  einer  ihm  mit- 
geteilten Sitte  berichten,  die  noch  in  den  30er  und  40er  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts  bestand  (1846  abgeschafft).  An  einem  festge- 
setzten Frühlingstage  nach  Beendigung  der  Schlagzeit  versammelten 
sich  die  erwachsenen  männlichen  Bewohner  Kenias  an  einer  be 
stimmten  Stelle  des  Dorfes.  Beim  Glockenschlag  begannen  sämt- 
liche Teilnehmer  zum  Walde  zu  laufen,  um  dort  die  Stocken,  die  ein 
jeder  zuerst  erreichen  konnte,  für  sich  in  Besitz  zu  nehmen.  Wer 
am  frühesten  am  Ziele  war,  hatte  die  Auswahl  unter  den  besten 
Stocken  bis  zu  einer  gewissen  Anzahl.  Die  Besitzergreifung  bestand 
zu  Recht. 

2)  Das  Recht  der  Gräserei  mit  gewissen  Einschränkungen. 

3)  Das  Sammeln  von  Raff-  und  Leseholz  für  den  Hausbedarf. 

4)  Die  Nutzung  der  Laubstreu.  Ausgeschlossen  bleiben  die  drei 
jüngsten  Schläge. 

5)  Die  Nutzung  der  Bucheckern.  Nur  das  Auflesen,  resp.  Zu- 
sammenkehren der  Eckern,  nicht  aber  das  Anschlagen  und  Klopfen 
der  Bäume  ist  gestattet. 

Wegen  dieser  Einschränkung  entstand  im  3.  Jahrzehnt  des 
19.  Jahrhunderts  ein  Streit  zwischen  der  Gemeinde  Keula  und  der 
Regierung.  Die  Gemeinde  nahm  das  Recht  des  Bucheckerschlagens 
für  sich  in  Anspruch.  Im  Interesse  der  Waldverjüngung  und  des 
Nationalwohlstandes  konnte  die  Regierung  das  Recht  nicht  gelten 
lassen.  Als  die  Ortsbewohner  trotz  mehrfacher  Verwarnung  und 
Strafen  nicht  von  der  Ausübung  ihres  vermeintlichen  Rechtes  ab- 
ließen, mußte  eine  Abteilung  Soldaten  des  Schwarzburger  Kontingents 
in  den  Ort  gelegt  werden.  Es  kam  sogar  im  Walde  zum  Kampf,  bei 
dem  Blut  geflossen  sein  soll.  Die  Begebenheit  wurde  im  Volksmund 
der  Bucheckerkrieg  genannt. 


Miszellen.  147 

Art.  9  bestimmt,  daß  bis  zum  Walpurdstajp  das  gefällte  Holz 
aus  der  Maße  geschafft  sein  sollte.  Nach  den  jetzt  geltenden  Sta- 
tuten (S  13 — 15)  muß  das  Fällen  der  Bäume  spätestens  bis  1.  Mai, 
die  Aufbereitung  des  Holzes  bis  24.  Juni,  die  Abräumung  der  Maßen 
durch  Abfuhr  bis  spätestens  den  1.  Dezember  beendet  sein. 

Zum  Schluß  ist  zu  bemerken,  daß,  wie  heute  dem  Staate 
(Fürstl.  Ministerium,  Abt.  des  Innern),  zur  Zeit  der  Aufstellung  der 
Holzordnung  die  Oberaufsicht  den  Grafen  von  Schwarzburg  (den 

fräfl.  Räten  zu  Keula)  zustand.  Sie  bestimmten  die  Strafen,  setzten 
ie  Holzförster  ein,  wie  sie  auch  Urheber  der  hier  wiedergegebenen 
Holzordnung  gewesen  sind.  So  heißt  es  am  Ende:  „Es  soll  auch 
unser  gnädiger  herr  diese  Ordnung  jederzeit  zu  mehren,  zu  mindern 
oder  abzuthun  macht  haben". 


1.   Ordnung   im   landtmessen  des  ambts  Keula. 
Anno   1567. 

Erstlichen. 

Wer  befindet,  daß  ihm  von  seinen  nachbar  etwas  aus  unbillig- 
keit abgepflflget,  der  soll  denselben  gütlich  bereden,  oder  mit  zween 
mann   beschicken  und   begehren  ihm  sein  abgepflügtes  landt  in  der 

§üthe  wieder  zu  geben,  und  wo  er  ihm  an  fruchten  schaden  ge- 
lan,  denselben  auf  billige  wege  erstatten  und  wenn  sie  sich  unter 
einander  nicht  vergleichen  können,  ein  jeder  zween  unpartheyische 
ntänner  zu  sich  bitten ; 

2)  Wenn  aber  diese  güthl.  handlung  der  sachen  nicht  helffen 
will,  soll  der  kläger  den  bürgermeister  oder  heimbürger  bitten,  den 
geschwohren  männern  zu  befehlen,  einen  gelegenen  tag  zu  ernennen, 
und  den  gebrechen  abhelffen. 

3)  SSU  der  kläger  verpfhchtet  seyn,  denen  meßer  4  gr.,  ehe  sie 
hinausgehen,  zu  erlegen. 

4)  Wenn  nun  beyde  theile  hinaus  beschieden,  sollen  die  meßer 
beyder  partheyen  bericht  nothdürftig  hören  und  mahl-steine,  steine, 
alte  gewende  fleißig  besehen,  auch  wo  es  noth,  andere  leuthe  be- 
fragen und  nach  des  oder  derselben  anzeigunge,  bey  ihren  pflichten 
vertheilen,  den  nicht  an  allen   orthen  der  ruthe  meisterin  seyn  kann. 

5)  Sollen  auch  die  meßer,  wo  sichs  ohne  verrückung  anderer 
gewende  leiden  will ,  all  ende ,  so  sie  verglichen ,  alsobalden  ver- 
steinigen, damit  gezänke,  so  viel  möglichen,  abgeschaffet  werden  mögen. 

6)  Soll  der  beklagte,  so  er  in  wenigen  oder  vielen  unrecht 
befunden,  den  klägern  die  ausgelegten  4  gr.  alsobalden  wieder  er- 
statten, und  den  meßer  von  jeder  forche  (:doch  unbegeben  gnädiger 
herrschafft  strafe :)  3  gr.,  ist  aber  der  acker  bestellt,  7  gr.  erlegen 
und  den  kläger  seinen  schaden  nach  erkänndtnüß  obgenanndter 
messer  entrichten. 

7)  Weiln  es  aber  gleichwohl  an  deme,  daß  die  gesetzten  mahl- 
steine  beyden  theilen  zu  guthe  gerichtet ,  soll  jeder  parth  von 
j^lichen  steine,  welche  auch  kläger  und  beklagte  zugleicn  schaffen 
sollen,  den  messer  6  ^.  vergnügen,  und  ob  wohl  4  ruthen  breit 
und  30  lang  und  also  auf  und  zurichten  einen  gemeinen  acker,  da 
(?)  die  ruthe  14,  sehne  lang  seyn  sollen,  so  soll  es  doch  (?)  um  die 
ruthen  und  große  der  acker,  wie  es  an  einem  jeglichem  orthe  von 
alter  hergebracht,  gehalten  werden  und  bleiben. 

10* 


148  Miszellen. 

8)  Sollen  auch  beyde  partlieyn  verbunden  seyn,  wenn  sie  den 
meßer  ihre  notdurfft  angezeigt,  auf  begehren  von  der  irrung  abzu- 
weichen, damit  sich  die  meßer  desto  freyer  zu  unterreden  und  die 
handlung  fürzunehmen  haben.  ^ 

9)  Würde  eine  oder  beyde  partheyen,  in  ausführen  oder  er- 
scheinen, sie  die  meßer  mit  losen  wortten  angreiffen,  oder  gegen 
dieselben  sich  ungehohrsamb  erzeigen,  so  sollen  die  ungehohrsamen, 
so  oft  es  geschieht,  den  meßer  5  gr.  zur  straffe  verfallen  seyn,  doch 
unbegeben  unser  gnädigen  herrn  straffe. 

10)  Sollen  die  meßer  bey  ihren  geschwohren  eyde  hirinnen 
vorsichtig,  fleißig,  auch  unpartheyisch  handeln,  im  fall  aber  da  es 
von  ihnen  änderst  vermerckt,  sollen  sie  um  gestalte  Sachen  u.  g. 
herrn  strafffällig  seyn ,  obgleich  nicht  vermuthl. ,  daß  die  meßer 
jemand  wißendtlich  unrecht  thun,  derowegen  ihnen  auch  von  den 
partheyen  gefolget  werden  soll,  so  soll  doch  eine  oder  beyden  theilen, 
so  sich  beschwerth  befunden,  weiln  am  meßen  geirrt  werden  kann 
frey  stehen,  wenn  sie  den  meßer  wie  gehöret,  ihre  gebühr  zuvor 
erlegt,  das  ambt  zu  besuchen,  da  aber  nach  besieh tigung  befunden, 
daß  er  die  meßer  zur  unbilligkeit  beklaget,  so  soll  er  Mgfl.  4  .  .  (?) 
unabläßig  zur  straffe  verfallen  seyn ,  würde  aber  daß  er  seine 
suchens  ursach  gehabt,  erkandt,  so  soll  die  irrung  nach  Weisung 
des  ambts  gerichtet  und  sein  erlittener  schaden  nach  erkändtnüß 
deßelbigen  erstattet  werden. 

11)  Soll  ein  jeglicher,  der  eine  langweilige  irrung  zu  haben 
vermeinet,  zur  zeit,  wann  das  feldt  offen  und  unbestellt  ist,  sonder 
in  der  braache,  solche  suchen  und  rechtfertigen  laßen,  würde  er  aber 
zur  zeit  bestellter  felder  derentwegen  ansuchen,  so  sollen  die  messet 
nicht  verbunden  seyn,  dazumahl  die  meßunge  für  die  handt  zu 
nehmen,  aber  in  neuen  abpflügen  sonderl.  in  der  brache  soll  kein 
Verzug  geschehen. 

12)  Sollen  die  meßer  an  allen  orthen  der  fluhr  uf  die  mahl- 
steine  fleißig  achtung  geben  und  wo  sie  befunden,  daß  jemand  die- 
selbigen  verrückt,  umbgeworffen  oder  verändert,  solches  alsobalde  bey 
ihren  pflichten  im  ambte  anzeigen  und  bescheides  gewarten. 

13)  Würde  eine  gemeine  fluhr  irrung  zu  rechtfertigen  von 
nöthen  seyn,  daran  sollen  sich  die  meßer  ohne  vorwissen  des  ambts 
nicht  unterstehen,    auf  daß  niemanden  darinnen  zu  kurtz  geschehe. 

2.    Geschwohren-   oder   stein-setzer   eydt. 

Demnach  ihr  bey  der  gemeinde  NN  zum  ältesten  und  ge- 
schwohrenen  außerlesen  und  vorgeschlagen  worden  und  anitzo  darzu 
bestätiget  werden  sollet,  als  sollet  ihr  zu  der  heil,  dreyfaltigk.  ge- 
loben und  schwehren. 

Daß  ihr  zuförderst  gnster  herrschafft  unsem  gnsten  graffen 
und  herrn,  dero  hochlöbl  regierung  und  ambte  treu,  hold,  und 
gewärtig  seyn,  nutzen  fördern,  schaden  und  nachtheil  aber  hüten 
und  warnen,  sodann  2)  auf  richtig  maaß,  gewichte,  schue  und  ruthen 
sehen  und  halten,  und  nicht  zugeben,  daß  darinnen  unterschleiff 
vorgenommen  werde.  —  3)  Auf  die  gräntze  genaue  aufsieht  mit 
halten ,  und  da  was  gnster  herrschafit  dem  ambte  oder  der  ge- 
meinde nachteiliges  vorfiele,  oder  unternommen  würde,  sofort  ge- 
hörigen orths  berichten.  4)  So  irrungen  zwischen  reinen  (Rainen  ?) 
und  steinen  geschehen,  solches  auf   erhaltenen   ambts-befehl  euren 


Miszellen.  |49 

besten  wißen  und  gewißen  nach  mit  anbescheiden  helffen,  auch  auf 
erfordern  zu  versteinen  und  uhrkunden  zu  machen,  mit  den  maß- 
ruthen  richtig  anschlagen  und  darinnen  niemand  so  viel  oder  zu 
weni^  geschehen  lassen ,  auch  5)  dafem  von  dem  ambte  bey  Be- 
sichtigung von  baustädten,  feuerstädten  und  dergl.  it.  Executionen, 
Immissionen  oder  Taxationen  häuser,  acker  und  wiesen  erfordert; 
werden,  solts  euch  darbey  willig  finden  und  auch  in  allen  als  wie 
treuen,  rechtschaffenen  geschwohrenen  zustehet,  verhalten,  und  da- 
bey  nicht  ansehen  wollet  freundtschafft  oder  feindschafft,  geschenke 
oder  gäbe,  haß,  furcht,  gunst  oder  Ungunst,  oder  wie  es  nahmen 
haben  möge.    So  wahr  euch  gott  helffe. 

S.Copia  der  holtz  Ordnung  im  amte  Keüla  aufgerichtet 
anno  1572. 

Art.  1. 

Welcher  einwohner  seine  holtzmaßen  verkauftet  und  nicht  zu 
seinem  haushält  gebraucht,  derselbige  soll  meinem  gnäd.  herrn  ein 
fuder  hier  und  der  gemeind  ein  faß  zur  straffe  geben. 

Art.  2. 
Es  soll  keine  holtzmaßen  von  den  häusern  verkaufft  werden, 
sondern  eine  jede  maße  soll  bey  dem  hause,  darzu  sie  gegeben, 
bleiben;  wer  daß  über  treten  wird,  soll  obenangezogen  straffe  geben; 
da  aber  jemand  über  seinen  hauß  halt  etwas  zu  verkauffen  übrig 
hat,  daß  soll  ihm  hier  mit  nicht  verbothen  seyn. 

Art.  3. 
Wer    im   holtze   mit   hauen    oder   fahren    schaden    thut    oder 
sonsten  an  schaden  betroffen  wirt,  derselbe  soll  meinem  gnäd.  hern 
2  fl.  und  der  gemeinde  1  fl.  straffe  geben  und  sich  mit  dem  förster 
abfinden  und  verdragen. 

Art.  4. 
Wer   ohne   erlaubnis  des   holtzförsters   in  seinem  übergebenen 
forst  eigenmächtig  einen  reiß  stock  hauen  würde,  derselbe  soll  meinen 
gnäd.  herrn  2  fl.  zur  straffe  geben  und  sich  mit  der  gemeind  und 
lörster  abfinden. 

Art.  5. 
Alle  hauungen   sollen  mit  hüten  und  treiben  von  hirtten  und 
schäffern,  desgl.  mit  den  pferden,  sieben  jähr  lang  geheget  und  nicht 
betrieben   noch  behütet  werden    bey  straffe  3  fl.,   so  orft  einer  dar- 
über begriffen  und  befunden  wirt. 

Art.  6. 
Dieweil  befunden  wird,  daß  sich  viel  mithlinge  in  die  dörffer 
um  daß  holtzes  und  feuerwerckes  willen  begeben,  dem  selben  soll 
nicht  mehr,  wie  wohl  gesehen,  holtz  gegeben  werden,  sondern  wer 
die  einnimmt  und  aus  dem  amte  sie  einzunehmen  Vergünstigung  und 
laube  hat,  der  soll  sie  mit  feuerwercke  aus  seiner  holzmaßen  mit 
versehen,  wer  aber  daß  nicht  thun  kan  oder  will,  der  mag  ihrer 
müßig  gehen  und  aus  dem  seinen  laßen  bey  straffe  5  gil. 


150 


Miszellen. 


/ 


Art.  7. 

Sollen  alle  heegereiser  so  geschlagen  und  gemarcket  sein  be- 
neben den  haubtstämmen,  sie  sein  gleich  jung  oder  alt,  abzuhauen 
verbothen  seyn  bey  straffe  5  gfl.  meinen  gnädig  herrn,  und  der  ge- 
meinden isre  straffe  unbenommen. 

Art.  8. 
Verbothene  und  unnöthige  wege  im  holtze  soll  niemand  fahren ; 
wer  das  thut  und  darüber  begriffen,  der  soll  der  herrschaft  2  fl.  zur 
straffe  geben  und  den  förstern  ihr  pfandgeld. 

Art.  9. 

Ein  jeder  soll  sein  holtz  wintters  zeit  und  im  frühlinge  auß  der 
maßen  schaffen,  also  daß  die  gehölze  von  groben  holtze  und  vom 
reisich  auf  den  tag  Walburgis  gantz  ledig  und  gereümet  sein,  bey 
Verlust  des  holtzes  und  gäntzlicher  enthaltung  des  selben,  wie  denn 
auch  nach  dem  tage  Walburgis  keiner  mehr  holtz  führen  soll  bey 
straffe  2  fl.  auf  jede  führe.  Es  würde  den  in  ansehung  der  hohen 
nothurfft  und  gelegenheit  der  vorgefallenen  Verhinderungen  auff  an- 
suchen und  bitten,  aus  dem  amte  einem  insonderheit  oder  ingemein 
nach  Walburgis  auf  ein  oder  mehr  tage  gunst  und  verlaubnis  ge- 
geben. 

Es  soll  auch  unser  gnädiger  herr  diese  Ordnung  jederzeit  zu 
mehren,  zu  mindern  oder  abzuthun  macht  haben. 

Hiernach  wolle  sich  ein  jeder  halten  und  zu  richten  wissen, 
und  sich  vor  schaden  selbst  hüten,  den  ein  jeder  soll  hiermit  ge- 
nungsam  vor  der  straffe  gewarnt  seyn. 


Literatur. 


Dr.   Eduard   Bökl,    Beiträge   zur    Geschichte   der    Refor- 
mation in  Osterreich,  hauptsächlich  nach  bisher 
unbenutzten     Aktenstücken      des    Regen  s  b  u  rger 
Stadtarchivs.    Jena,  G.  Fischer  1902. 
Das    Böhlsche  Buch   hat   für   die  Thüringer  Geschichte   eine 
H)eziellere  Bedeutung,  indem  die  von  hier  vertriebenen  Anhänger  des 
Flacius  gutenteils    in   Österreich  Aufnahme  gefunden  imd   auf   die 
Weiterentwickelung    des    dortigen  ..Protestantismus    entscheidenden 
Einfluß  ausgeübt  haben.    Ein  aus  Österreich  gebürtiger  Referent  im 
kirchenhistorischen  Seminar  (der  in  der  Darsteflung  der  dogmatischen 
Streitfragen   den  Verfasser  möghchst  in  dessen  eigenen  Worten  an- 
führt,  somit   zugleich   auch   ein    klares   Bild  von  dem  Standpunkt 
seines   Werkes  gibt)  stellt   die  hierauf  bezüglichen   Tatsachen    fol- 
gendermaßen zusammen. 

Von  außerordentlicher  Bedeutung  für  die  Entwickelung  und 
Verbreitung  der  protestantischen  Lehre  in  Österreich  sind  die  mehr- 
maligen Vertreibungen  evangelischer  Prediger  und  Lehrer  aus  Thü- 
ringen. 

Im  vorliegenden  Buche  werden  diese  Ausweisungen  in  dem 
historischen  Überblick  behandelt.  Der  Verfasser  beginnt  mit  den 
Ereignissen  nach  Luthers  Tod.  Nach  Gegenüberstellung  der  ent- 
gegengesetzten Ansichten  Maurenbrechers  und  Wolfs  über  den 
Charakter  des  Kurfürsten  Moritz  geht  er  auf  das  Augsburger  Interim 
über,  das  1548  auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg  vom  Kaiser  er- 
lassen, auch  als  Reichsgesetz  proklamiert,  jedoch  nicht  allgemein 
durchgeführt  werden  konnte. 

Seit  Flacius  und  Gallus  und  überhaupt  die  Magdeburger  1549 
energisch  für  die  Interessen  des  Protestantismus  eintreten,  werden 
die  Klagen  über  das  Interim  allgemein,  infolgedessen  die  Opposition 
immer  stärker.  Im  Frühjahr  1549  läßt  Moritz  von  Sacnsen,  um 
den  verschiedenen  Klagen  gerecht  zu  werden,  von  Vertretern  beider 
Parteien  das  Augsburger  zum  Leipziger  Interim  umarbeiten,  das  den 
Protestanten  wonl  mehr  zusicherte,  die  katholische  Kirche  aber 
immer  noch  so  weit  bevorzugte,  daß  ein  großer  Teil  der  Protestanten, 
im  Gegensatz  zu  dem  Mitarbeiter  am  Interim  Melanchthon,  erklärte, 
das  Interim  nicht  annehmen  zu  können. 

Gleichermaßen  erklärten  die  strengen  Katholiken,  das  Interim 
benachteiligte  sie,  und  deshalb  könnten  sie  es  nicht  annehmen.  So 
war  denn  die  Folge  dieser  Einheitsbestrebungen,    daß  die  protestan- 


152  Literatur. 

tischen  und  katholischen  Kirchen  keinesfalls  einander  näher  getreten 
waren,  und  daß  es  von  nun  an  innerhalb  des  protestantischen  Lagers 
zwei  feindlich  sich  gegenüberstehende  Parteien  gab,  die  der  Ortho- 
doxen (Flacius,  Amsdorf,  Wigand  u.  s.  w.)  uxia  die  der  Paktierer 
mit  der  katholischen  Kirche  (Melanchthon  und  die  Wittenberger 
überhaupt).  Im  Anschluß  an  das  Interim  folgen  nun  jene  erbitterten, 
gehässigen  Kämpfe  um  die  Adiaphora,  den  Synergismus  und  Majo- 
rismus, die  immer  mehr  persönlichen  Charakter  annahmen,  vor  allem 
weil  Melanchthon  in  den  den  Adiaphorismus  betreffenden  Fragen 
privatim  wohl  Schuld  bekannte,  nicht  aber  öffentlich,  weil  er  be- 
fürchtete, sich  selbst  bloßzustellen  und  viele  Anhänger  von  sich  ab- 
zuwenden. 

Es  ist  leicht  zu  begreifen,  daß  bei  einem  solchen  Stand  der 
Dinge  auch  das  Wormser  Kolloquium  ergebnislos  sein  mußte,  das  auf 
dem  Regensburger  Reichstag  beschlossen  worden  war. 

„Erst  der  Naumburger  Fürstentag  loöl  brachte  größere  Klar- 
heit in  die  Situation."  Nach  Melanchthons  Tod  hörte  die  Nach- 
giebigkeit gegen  seine  Schule  auf,  und  die  strenge  Richtung  Jenas, 
wo  seit  Jahren  schon  Flacius  und  seine  Freunde  lehrten,  drang 
durch.  1574  geht  auch  Kursachsen  in  das  Lager  der  strengen 
Lutheraner,  über,  nachdem  dem  Kurfürsten  August  „über  die  schon 
anfänglich  durch  Melanchthons  Beispiel  genährte  Unaufrichtigkeit 
von  Männern  wie  Peucer,  Cracov,  Stößel,  Schütz  die  Augen  ge- 
öffnet" worden. 

Während  der  adiaphoristische  Streit  im  Sinne  der  strengen 
Lutheraner  seinen  Abschluß  fand,  endete  der  synergistische  Streit,  der 
bald  nachher  entstanden  war,  mit  dem  ersten  Exodus  thüringischer 
Pfarrer  und  Professoren,  die  auf  Luthers  Standpunkt  im  Streite 
über  die  Erbsünde  verharrten. 

Eingeleitet  wurde  der  Streit  durch  ein  Vorgefecht  zwischen 
dem  Leipziger  Pfaffinger  und  Amsdorf  nebst  Flacius.  Gegen  den 
Frankfurter  Rezeß  vom  Jahre  1558  ließ  Herzog  Johann  Friedrich 
auf  Rat  des  Flacius  das  Konfutationsbuch  ausgehen,  verfaßt  von 
Strigel  und  Stößel  und  von  Flacius  durchgesehen.  Dasselbe  war 
keineswegs  dazu  angetan,  die  Kluft  zwischen  den  Jenaern  und 
Wittenbergern  zu  überbrücken,  im  Gegenteil,  es  erweiterte  die  Tren- 
nung. Nun  ereignete  sich  das  Unerwartete,  daß  Strigel,  der  Mit- 
verfasser der  Confutatio,  der  erste  Prorektor  der  neugegründetea 
orthodoxen  Universität,  bald  im  Sinne  der  Synergisten  zu  lehren  be- 
gann. Flacius  bekämpfte  ihn,  erzielte  jedoch  nur  so  viel,  daß  er  am 
10.  Dezember  1561  aus  Jena  ausgewiesen  wurde.  Herzog  Johann 
Friedrich,  der  bisher  ganz  und  gar  von  der  orthodoxen  Partei  ge- 
leitet worden  war,  konnte  so  weit  umgestimmt  werden,  daß  er  das 
Urteil  unterschrieb.  Man  kann  diesen  Umschwung  ins  gerade  Gegen- 
teil vielleicht  zu  beschönigen  suchen  durch  die  Vorfälle  am  Hofe, 
sowie  den  Fall  Wesen  beck  und  die  Behandlung  der  reformierten 
Kurfürstin  Marie  v.  d.  Pfalz,  die  ja  tatsächlich  den  Beweis  Tsrachten, 
daß  die  Orthodoxen  doch  zu  weit  gingen ;  aber  trotzdem  ist  es  ein 
Zeichen  der  Charakterschwäche  des  Herzogs.  Der  Herzog  war  offen- 
bar der  Spielball  jener  Leute,  die  sein  Ohr  hatten,  besonders  des 
(jüngeren)  Kanzlers  Brück.  Genug,  das  Urteil  war  gefällt:  Flacius 
nebst  40  anderen  Predigern  und  Pfarrern,  unter  denen  auch  der 
spätere  österreichische  Prädikator  Magdeburgius  war,  mußten  das 
Land  räumen. 


Literatur.  153 

„1562  wurde  durch  eine  Visitation  den  Predigern  zwangsweise 
auferlegt,  sich  des  Zankes  über  den  Synergismus  zu  enthalten." 
Damit  fand  der  erste  Exodus  seinen  Abschluß. 

In  den  Jahren  1571 — 73  fand  eine  zweite  Massenvertreibung 
stati,  die  durch  den  Erbsündestreit  veranlaßt  wurde.  Flacius  lehrte 
in  Übereinstimmung  mit  Luther,  daß  der  Mensch  sich  in  der  Be- 
kehrung nicht  nur  rein  passiv  verhalte  und  zum  Guten  völlig  er- 
storben sei,  sondern  daß  er  sogar  nur  widerstreben  könne.  Anfangs, 
auf  dem  Kolloquium  zu  Weimar,  wich  sein  Gegner  Strigel  dem 
Flacius  beständig  aus,  und  letzterer  blieb  im  Recht.  Doch  als 
Heshus  infolge  eines  Mißverständnisses  dem  Flacius  Dinge  auf- 
bürdete, die  Flacius  gar  nicht  behauptet  hatte,  und  als  es  den 
Gregnem  gelang,  Flacius'  Lehre  vom  Boden  der  Augsburgischen 
Konfession  zu  verdrängen,  da  hatten  sie  gesiegt. 

Die  folgenden  Blätter  sind  der  Geschiente  der  Flaciangr  und 
ihrer  Behandlung  in  den  thüringischen  Ländern  gewidmet.  Überall 
heß  man  dem  Haß  gegen  den  Verfolgten  und  semen  Anhänger  frei 
die  Zügel  schießen,  weil  er  die.  Erbsünde  als  Substanz  definierte. 
Dieser  Haß  ward  bald  auch  in  Österreich  allgemein.  Kaiser  Maxi- 
milian schloß  sich  schon  aus  politischen  Gründen  dem  Kurfürsten 
August  an.  Und  demnach  sind  gerade  hier  in  Österreich  die 
Flacianer  fast  die  einzigen  Stützpfeiler  des  Evangeliums  gewesen 
dadurch,  daß  sie  für  Luthers  Lehre  von  dem  „unfreien  Willen" 
sich  von  Stadt  zu  Stadt,  von  Land  zu  Land  verfolgen  ließen — aber 
aufrichtig  treue  Lutheraner  blieben.  „Sie  widerstanden  aufs  heftigste 
dem  ihnen  vom  Kaiser  und  den  Papisten  gelegten  Fallstrick,  daß 
man  Ceremonien,  wie  sie  die  Adiaphoristen  zuließen,  in  die  neue 
Agende  nehmen  solle,  und  perhorreszierten  Leute,  wie  Camerarius, 
Eber,  kurz  die  Melanchthonianer,  die  sich  zu  solchen  Kompromissen 
hergaben." 

Die  nennenswertesten  der  flacianischen  Prediger  in  Österreich 
sind  wohl  Mathias  Klombner,  der  in  Krain  wirkte,  Sebastian  Krell, 
mit  Flacius  aus  Jena  geflohen,  und  Primus  Trüber. 

Es  tritt  in  dieser  Übersicht  deutlich  zu  Tage,  daß  Professor 
Bohl  seinen  aus  früheren  Veröffentlichungen  bekannten  dogmatischen 
Standpunkt  auch  in  der  Darstellung  der  den  alten  Protestantismus 
innerhch  zerfleischenden  Gegensätze  zur  Geltung  gebracht  hat.  Es 
ist  hier  aber  nicht  der  Ort,  diese  Gegensätze  selber  genauer  zu 
zeichnen  bezw.  an  der  ßöhlschen  ürteilsweise  Kritik  zu  üben.  Es 
wird  genügen,  neben  den  bekannten  zusammenfassenden  Geschichts- 
werken, zumal  von  Hase  und  Kurtz,  die  bei  dem  Jenaer  Jubiläum 
von  1858  erschienene  Schwarzsehe  Geschichte  der  ersten  10  Jahre 
der  dortigen  Universität  in  Erinnerung  zu  rufen,  wo  begreiflicherweise 
sowohl  die  Strigelsche  wie  die  Flaciussche  Tragödie  im  Mittelpunkt 
stehen.  Ebenso  zeichnet  sich  die  Einleitung  zu  der  Loebeschen  Ge- 
schichte der  Kirchen  und  Schulen  im  Herzogtum  Sachsen-Altenburg 
durch  ihre  objektive  Zeichnung  der  gegenseitigen  Verfolgungen  aus, 
deren  Opfer  hüben  und  drüben  so  zahlreiche  Pfarrer-  und  Lehrer- 
familien geworden  sind. 

Mit  den  Beziehungen  zwischen  den  Thüringer  Exulanten  und 
der  österreichischen  Kirche  ist  jedoch  nur  ein  kleiner  Ausschnitt 
aus  dem  Böhlschen  Werke  gegeben.  Sein  übriger  Inhalt  wird  in 
dem  schon  erwähnten  Referat  folgendermaßen  gekennzeichnet. 

Die  Bedeutung  der  „Beiträge"  ist,   wie  der  Verfasser  in  der 


154  Literatur. 

Vorrede  bemerkt,  darin  zu  suchen,  daß  er  bei  seiner  Arbeit  der 
Mehrzahl  nach  bisher  unbekannte  Quellen  benutzte.  Es  sind  dieses 
Akten  und  Briefe  aus  dem  Regensburger  Stadtarchiv,  die  bis  in  die 
mittleren  Jahre  des  16.  Jahrhunderts  zurückreichen  und  interessante 
Daten  zur  ßeformationsgeschichte  überhaupt,  wie  speziell  zu  der- 
jenigen Österreichs  bieten.  Sie  werfen  ein  helles  Licht  auf  die  dog- 
matischen Streitigkeiten  innerhalb  der  protestantischen  Kirchen,  die 
nach  Luthers  Tode  die  Gemüter  in  Aufregung  hielten,  und  reinigen 
zugleich  die  Keformationsgeschichte  Österreichs  von  mannigfachen 
Irrtümern. 

Dem  eigentlichen  Thema  schickt  der  Verfasser  einen  theologischen 
und  einen  poMtischen  Überblick  voraus. 

Der  theologische  Überblick  hat  es  mit  den  dogmatischen 
Streitigkeiten  zu  tun,  deren  wir  schon  oben  gedachten.  Spezieller 
hebt  sich  die  Schilderung  der  Folgen  des  Leipziger  Interim  S.  38 
heraus. 

In  dem  historischen  Überblick  finden  die  Vertreibungen  evan- 
gelischer Professoren  und  Pfarrer  aus  Thüringen  eine  emgehende 
Behandlung,  weil  sie  auf  die  österreichischen  Verhältnisse  und  den 
Gang  der  Reformationsbewegung  in  den  habsburgischen  Erbländem 
einen  nicht  zu  imterschätzenden  Einfluß  ausgeübt  haben. 

Dem  ersten  Exodus  von  1561  folgte  zu  Anfang  des  nächsten 
Jahrzents  der  zweite  1571 — 73,  der  direkt  durch  die  Parteinahme 
für  Flacius  im  Erbsündestreit  verursacht  war.  Dieser  zweite  Nach- 
schub fand  in  Österreich  abermals  bereitwillige  Aufnahme. 

1573  fand  eine  dritte  Vertreibung  statt,  als  Kurfürst  August 
mit  Hilfe  des  Kaisers  die  Vormundschaft  in  den  durch  Johann 
Wilhelms  Tod  verwaisten  sächsischen  Herzogtümern  erhalten  und 
nun  aus  Rache  alle  Gegner  seiner  Richtung  —  damals  der  melan- 
chthonischen  —  auch  Wigand  und  Heshusius,  fortschaffen  ließ,  wobei 
so  viele  Prediger  das  Land  räumen  mußten,  daß  großer  Mangel  an 
Kandidaten  eintrat. 

Während  der  Verfasser  im  bisherigen  besonders  die  Beziehungen 
Thüringens  zu  dem  evangelischen  Österreich  erläutert,  tritt  er  jetzt 
auf  österreichischen  Boden  über.  Zunächst  untersucht  er  auf  Grund 
des  vorliegenden  Quellenmaterials  die  Stellungnahme  der  vier  Herr- 
scher Ferdinand!.,  Maximilian  II.,  Rudolf  IL  und  Mathias  zur  Refor- 
mationsbewegung. Keiner  der  vier  Kaiser  hat  sich  absolut  feindselig 
zu  den  Evangelischen  gestellt  und  —  abgesehen  von  der  ersten  Re- 
gierungszeit lerdinands  —  dieselben  blutig  verfolgt.  Wenn  sich  der 
Protestantismus  trotzdem  für  die  Dauer  nicht  befestigen  konnte,  so 
lag  das  an  den  protestantischen  Fürsten  selbst,  die  gerade  in  ent- 
scheidenden Augenbücken  am  meisten  entgegen  arbeiteten,  unter 
ihnen  besonders  August  von  Sachsen  (1553 — 86). 

Unter  den  leitenden  Persönlichkeiten  des  Jahrhunderts  kommt 
zunächst  König  Ferdinand  I.  in  Betracht.  Er  war  für  seine  Person 
dem  alten  Glauben  ergeben  und  sah  mit  Schmerz,  wie  ein  Teil 
seiner  Untertanen,  besonders  der  Adel,  sich  dem  neuen  Bekenntnis 
zuwandte.  Er  duldete  aber  die  Verbreitung  des  protestantischen 
Gottesdienstes  trotz  aller  Mandate  dagegen  und  gab  selbst  seinem 
Sohn  Maximilian  einen  Lehrer  von  protestantischer  Richtung. 

Die  Verderbtheit  und  Unwissenheit  des  Klerus  hatte  auch  in 
Österreich  die  Reformation  vorbereitet,  und  als  die  Bewegung  einmal 
im   Gange   war,   konnte   Ferdinand   sie   nicht   mehr  hemmen.     Er 


Literatur.  J55 

mußte  trachten,  die  protestantischen  Stände  für  sich  zu  gewinnen, 
weil  er  ihre  Hilfe  im  Kriege  gegen  die  Türken  unbedingt  brauchte. 
1546  ändert  sich  die  Sachlage.  Es  wird  für  österreichische  Theologen 
nicht  bloß  das  Studium  in  Wien  und  Freiburg  obligatorisch  ge- 
macht und  die  Universität  Wittenberg  verboten,  sondern  bald  bringt 
der  Bischof  von  Laibach,  Urban  Textor,  auch  die  Jesuiten  ins 
Land.  Nach  den  Regensburger  Akten  scheint  im  Jahre  1554  die 
Verfolgung  der  Protestanten  ihren  Höhepunkt  erreicht  zu  haben. 
Perkheim,  Herr  von  Wirtine  und  Roseneck,  klagt  in  einem  Brief 
an  den  Juristen  Hiltner  in  Kegensburg:  „Und  werdn  nun  thegÜch 
mehr  gefenklich  eingezogen,  wellns  alles  auff  das  pabstumb  pringen." 
Weiter  berichtet  er  über  einen  Hofkaplan  Paulus:  „Redt  frei  her- 
aus trefflich  und  thut  den  Sachen  recht;  ist  schon  einmal  von  der 
K.  M.  selbst  und  zwier  vor  dem  Herrn  Hofmarschall  im  Capitl 
gebest,  hart  angeredt  wordn." 

In  einem  zweiten  Brief  berichtet  er,  wie  man  sich  vom  Hofe 
aus  bestrebe,  die  Protestanten  zu  entzweien  und  gegeneinander  auf- 
zuhetzen. 

28.  August  1554  schreibt  er  an  Gallus:  „Vor  verrugkhung  der 
Ro.  K.  M.  in  Wien  sein  abermal  3  arm  pfarherr  gefangen  wordn, 
allain,  das  sy  das  sacrament  des  altars  In  bederlaj  gestaldt  gebn 
habn,  di  lign  noch  gefangen." 

Nach  Karls  V.  Rücktritt  von  der  Regierung  1556  eröffneten 
eich  für  Ferdinand  die  Aussichten  auf  die  deutsche  Kaiserkrone,  und 
er  mußte  bestrebt  sein,  den  Religionsfrieden  aufrecht  zu  erhalten 
und  die  Protestanten  für  sich  zu  gewinnen,  zumal  da  der  Papst 
sich  in  einer  Anklageschrift  offen  gegen  seine  Nachfolge  erklärte. 
In  diesem  Zusammennang  führt  der  Verfasser  eine  Reihe  von  Briefen 
an,  die  deutlich  beweisen,  wie  sich  die  Politik  Ferdinands  zu  Gunsten 
der  Protestanten  geändert  hatte.  Diese, Umwandlung  in  Ferdinands 
Verhalten  den  Protestanten  gegenüber  ging  so  weit,  daß  er  noch  in 
seinem  Todesjahre  sich  ernstlich  bestrebte,  eine  Union  zwischen 
Protestanten  und  Katholiken  zu  erwirken  und  auf  dem  Tridentiner 
Konzil  energisch  die  Gewährung  des  Laienkelches  forderte, 

1564  kommt  Maximilian  IL  zur  Regierung.  Er  ist  eine  durch- 
aus unberechenbare  Persönlichkeit.  Faßt  man  seine  Jugendjahre 
ins  Auge,  so  ist  es  schwer  verständlich,  wie  er,  der  der  Protestanten 
halber  von  seinem  Vater  viel  hatte  leiden  müssen,  es  so  weit  kommen 
ließ,  daß  er  gegen  seine  innere  Überzeugung  zu  Zeiten  9ie  Pro- 
testanten in  ihrem  Rechte  einschränkte.  Er  lavierte  zwischen  den 
streitenden  Parteien  hindurch,  bald  dieser,  bald  jener  etwas  zur  Be- 
ruhigung nachlassend.  So  behandelte  er  die  Jesuiten  äußerst  streng 
und  ließ  sich  dann  doch  wieder  von  ihnen  leiten,  wenn  sie  sich 
schmeichelnd  an  ihn  heranmachten.  Er  wollte  allem  Anschein  nach 
Vermittler  zwischen  den  Parteien  sein.  Doch  war  die  einzige  Folge 
seiner  Bestrebungen  die,  daß  bei  seinem  Tod  niemand  wußte,  ob  er 
als  Protestant  oder  Katholik  gestorben. 

So  ist  es  auch  erklärlich,  daß  die  zeitgenössischen  Schriften 
nur  ein  unklares,  verschwommenes  Bild  seiner  Person  geben  können. 
Unter  den  Regensburger  Dokumenten  finden  sich  mehrere  Briefe 
Reuters,  Perkheims  u.  s.  f.,  aus  denen  man  deutlich  herauslesen 
kann,  wie  die  Protestanten  auf  Maximihan  bei  seinem  Regierungs- 
antritt die  größten  Hoffnungen  setzten,  wie  sie  später  immer  mehr 
an  seiner  Aufrichtigkeit  zu  zweifeln  beginnen,  bis  sie  ihm  schließlich 


156  Literatur. 

nicht  selten  mit  offenem  Mißtrauen  entgegentreten.  Und  dennoch 
müssen  wir  einen  Maximilian  hochschätzen,  wenn  wir  seine  Regierung 
mit  der  seines  Sohnes  und  Nachfolgers  Rudolfs  II.  vergleichen. 
Persönlich  ist  auch  er  den  Protestanten  nicht  feindlich  gesinnt  ge- 
wesen. Obgleich  in  Spanien  von  Jesuiten  erzogen,  zeigte  er  in 
politischen  wie  in  religiösen  Dingen  eine  auffallende  Gleichgültigkeit. 
Er  war  nicht  der  Mann,  um  mit  dem  System  seines  Vaters  plötzlich 
zu  brechen,  und  rührte  nicht  an  die  Privilegien  und  Freiheiten  der 
protestantischen  Stände.  Das  Verhängnisvolle  seiner  Regierung  war, 
daß  er  die  Verwaltung  des  Erzherzogtums  Österreich  seinem  Bruder, 
Erzherzog  Ernst,  übertrug,  der  an  Entschlossenheit  und  Willens- 
stärke Rudolf  weit  überragte.  Von  seiner  Zeit  datiert  die  Gegen- 
reformation in  Osterreich.  Obgleich  die  Protestanten  ursprünglich 
noch  an  Zahl  bedeutend  stärker  waren  als  die  Römisch-Katholischen, 
gelang  es  der  Regierung  bald,  der  evangelischen  Kirche  ihre  Rechte 
und  Privilegien  zu  entziehen,  und  damit  war  der  Anfang  zur  voll- 
ständigen Unterdrückung  der  evangelischen  Bewegung  gegeben. 

Unter  Mathias  wurde  die  Gegenreformation  allgemein  durch- 
geführt, hier  gewaltsam,  wie  in  Oberösterreich,  dort  auf  Umwegen,  wie 
in  Niederösterreich. 

Es  ist  eine  auffallende  Erscheinung,  daß  im  Regensburger 
Stadtarchiv  keine  einschlägigen  Schriften  erhalten  sind,  als  ob  die 
Beziehungen  der  Protestanten  Österreichs  seit  dem  Beginn  der  Gegen- 
reformation zu  denen  des  Reiches  mit  einem  Schlage  aufgehört 
hätten. 

„Die  evangelische  Bewegung  ist  in  Österreich  so  mit  dem  Adel 
verwachsen,  daß,  wer  eine  vollständige  Geschichte  derselben  geben 
wollte,  die  Geschichte  der  vornehmsten  Adelsgeschlechter  schreiben 
müßte."  Daß  bei  der  Gegenreformation  trotzdem  auch  von  dieser 
Seite  nur  verhältnismäßig  schwacher  Widerstand  geleistet  werden 
konnte,  hat  seinen  Grund*  darin,  daß  die  Jesuiten  es  von  jeher 
gründlich  verstanden,  die  Protestanten  in  ewigem  Streit  und  Hader 
zu  erhalten. 

Die  Hauptfaktoren  bei  der  Ausbreitung  des  Evangeliums  waren 
die  Prädikanten.  An  diesen  war  Österreich  nicht  arm ;  es  erhielt  sie 
vom  Reiche,  besaß  aber  auch  unter  den  eigenen  Landeskindem 
Prediger  und  Lehrer,  die  als  kühne  Streiter  für  ihren  Glauben  ein- 
traten. Der  größte  Teil  der  einheimischen  Prädikanten  bestand  aus 
Mitgliedern  alter  Adelsfamilien  und  vor  allen  Dingen  aus  ehemaligen 
katholischen  Geistlichen  oder  Mönchen.  Die  Visitation  der  Klöster 
vom  Jahre  1528,  veranlaßt  durch  Faber,  den  Bischof  von  Wien, 
zeigte,  daß  die  Reformation  in  den  Klöstern  Ober-  und  Niederöster- 
reichs zahlreiche  Anhänger  hatte.  Und  wenn  der  Kampf  gegen  das 
Luthertum  auch  von  den  Kanzeln  organisiert  wurde,  so  blieben 
solche  Verteidigungsmaßregeln  ähnlichen  Erscheinungen  gegenüber 
doch  wirkungslos. 

Von  allen  Prädikanten  verdient  an  erster  Stelle  genannt  zu 
werden  Nikolaus  Gallus. 

1516  war  er  in  Köthen  in  Anhalt  geboren.  Frühzeitig,  nach- 
dem er  seine  Studien  in  Wittenberg  vollendet  und  daselbst  magistriert 
hatte,  wurde  er  als  Diakonus  an  die  Marienkirche  in  Regensburg 
berufen.  Beim  Ausbruch  der  theologischen  Streitigkeiten  zwischen 
Melanchthon  und  Jena  bekennt  er  sich  als  entschiedener  Anhänger 
des  Flacius.    Später  wurde  er  in  Regensburg  Superintendent,   und 


I 


Literatur.  ]  57 

als  solcher  entfaltet  er  eiue  außergewöhnlich  umfangreiche  Tätigkeit, 
l'ür  Österreich  hat  er  insoweit  eine  große  Bedeutung,  als  er,  lange 
bevor  durch  die  Agende  ein  mehr  geordnetes  Kirchenwesen  zu  stände 
kam,  für  Österreich  eingehend  sorgte.  David  Chvträus  rühmt  ihm 
nach,  daß  er  „totius  vicinae,  Austriae  et  Stiriae  ecclesiaa  emendavit, 
(loctrina  et  consiliis  suis  pie  et  fideliter  erudiit  et  gubernavit". 
Grenzenlos  war  das  Vertrauen  der  Herren  vom  Adel,  gewisser 
-Magistrate  und  vieler  Prädikanten  zu  ihm  ;  unter  letzteren  besonders 
Reuter.  Gallus  war  unermüdlich,  allen  an  ihn  gerichteten  Gesuchen 
um  Prüfung  und  Ordination  zu  entsprechen.  Nur  die  von  ihm  Or- 
dinierten seien  gut,  so  lautete  das  Urteil  eines  Pfarrers  aus  Öster- 
reich. Groß  und  unermüdlich  war  er  auch  auf  literarischem  Gebiet. 
54  Jahre  alt  starb  er  im  Zellerbad  in  Württemberg  1570,  wohin  er 
.-ich  begeben  hatte,  um  Linderung  von  Steinbeschwerden  und  Podagra 
zu  suchen. 

Zu  den  bedeutenderen  Prädikanten  gehören  weiterhin  Wolfgang 
Waldner,  Christoph  Reuter  und  Joachim  Magdeburgius. 

Wolfgang  Waldner,  etwa  1520  in  TuUn  bei  Wien  geboren,  war 
<ler  Sohn  eines  Bauern.  Seit  1545  war  er  Geistlicher  zu  Steyr  und 
lobte  als  solcher,  wie  viele  seiner  Zeit,  im  Konkubinat,  das  er  später 
in  eine  Ehe  umwandelte.  Diese  Ehe,  wie  auch  der  Umstand,  daß 
or  zuerst  und  allein  evangehsch  wirkte,  machte  ihn  in  Steyr  un- 
möglich. Er  ging  zunächst  nach  Augsburg,  von  da  nach  Nürnberg 
und  beteiligte  sich  lebhaft  an  den  späteren  Lehrkämpfen.  Er  stand 
«Mitschieden  zu  der  Partei,  die  Melanchthon  und  die  Wittenberger 
überhaupt  scharf  verurteilte.  Als  Prediger  am  Dominikanerkloster 
zu  Nürnberg  erhält  er  von  Steyr  aus  mehrere  Ansuchen,  in  die 
Heimat  zurückzukehren,  doch  kann  er  sich  nicht  entschließen,. .seine 
feste  Stellung  in  Nürnberg  für  die  unsicheren  Verhältnisse  Öster- 
reichs umzutauschen.  Doch  verfolgt  er  auch  später  von  Regensburg 
aus  die  Vorgänge  im  Nachbarlande  mit  aufmerksamem  Auge  und 
ist  stets  bereit,  die  Evangelischen   mit  seinem  Rat  zu  unterstützen. 

Im  Anschlüsse  an  die  Charakteristik  dieses  Mannes  gibt  der 
Verfasser  eine  Auswahl  der  Briefe,  die  der  alte  Hans  Waldner  mit 
.-einem  berühmten  Sohn  Wolfgang  wechselte,  und  die  uns  tief  in 
<iie  intime  Gesinnung  der  österreichischen  Landbevölkerung  bücken 
lassen. 

Unter  den  in  Österreich  selbst  wirkenden  Prädikanten  war  der 
bedeutendste  Christoph  Reuter.  Derselbe  war  etwa  im  4.  Jahrzehnt 
ij.es  .Jahrhunderts  in  der  Oberpfalz  geboren.  1555  kam  er  nach 
( ).sterreich  und  lebte  anfangs  zu  Spitz  in  Niederösterreich.  Dann 
ward  er  als  Schloßprediger  nach  Rosenberg  versetzt.  Einige  seiner 
liriefe  aus  Rosenberg  teilt  der  Verfasser  im  Anschluß  m.it,  aus  denen 
wir  sehr  Wertvolles  über  die  damaligen  Zustände  in  Österreich  er- 
fahren. Man  begegnete  ihm  allgemein  mit  solchem  Vertrauen,  daß  er 
aufgefordert  wurde,  ein  Bekenntnis  aufzustellen,  welches  er  1562  im 
l)ruck  erscheinen  ließ.  Wegen  dieses  Bekenntnisses  mußte  er  im 
tolgenden  Jahr  aus  Österreich  weichen,  doch  durfte  er  schon  1564 
wieder  in  Wien  erscheinen,  und  bald  lernte  ihn  Kaiser  Maximilian 
>()  hoch  schätzen,  daß  er  sich  oft  bei  ihm  Rat  holte.  Es  war  ein 
ernster  Lutheraner,  dem  es  auf  die  Seelsorge  und  nicht  auf  dogmatische 
Distinktionen  ankam.  In  seiner  Bescheidenheit  konnte  er  es  nicht 
verstehen,  daß  ihn  die  Stände  und  der  Kaiser  als  eine  Art  Beirat  in 
allen  kirchlichen  I'ragen  betrachteten. 


158  Literatur. 

Das  letzte  Lebenszeichen,  das  wir  von  ihm  haben,  ist  ein  Brief 
an  Backmeister,  in  welchen  er  von  demselben  Abschied  nimmt. 

Nach  dem  Tode  Ferdinands  I.  erhielt  dessen  Sohn  Erzherzog 
Karl  bei  der  Erbteilung  Innerösterreich.  Anfangs  tolerant,  machte 
er  den  Protestanten  immer  größere  Zugeständnisse,  blieb  aber  selbst 
streng  katholisch.  Die  Jesuiten  und  seine  Gemahlin,  eine  bayerische 
Prinzessin  setzten  es  aber  bald  durch,  daß  er  g;egen  die  Protestanten 
strenger  auftrat.  Es  wurde  dem  gewaltig  vordrmgenden  Protestantis- 
mus dadurch  ein  Damm  entgegengesetzt,  daß  1573  in  Graz  eine 
Jesuitenschule  gegründet  wurde,  die  schon  1578  den  Charakter  einer 
Universität  annahm.  Bald  darauf  erfolgte  die  entscheidende  Ver- 
ordnung Karls,  daß  die  ihm  untergebenen  Städte  und  Märkte  die 
Jugend  auf  keine  andere  als  die  Jesuiten  schule  schicken  dürften. 
Ebenso  wurde  den  Bürgern  der  Stadt  Graz  der  Besuch  des  evan- 
gelischen Gottesdienstes  in  der  Stiftskirche  verboten.  So  war  denn 
an  Stelle  der  Toleranz  in  kurzer  Zeit  Gewalt  getreten,  besonders 
seitdem  sich  der  Bischof  Martin  Brenner  als  Haupt  der  Gegenrefor- 
mation an  die  Seite  Karls  stellte.  Aus  den  Scnriften  dieser  Zeit 
können  wir  die  große  Gefahr  erkennen,  die  den  Bestand  der  evan- 
gelischen Kirche  bedrohte,  obgleich  sich  die  Protestanten  nach 
Kräften  ge^en  solche  Gewaltmaßregeln  wehrten.  So  wurde  1574  an 
die  Reformierung  der  Landschaftsschule  in  Graz  geschritten,  damit 
dieselbe  nicht  hinter  der  1573  eröffneten  Jesuitenschule  zurückbleibe. 
Gleichzeitig  sollte  auch  eine  neue  Kirchenordnung  aufgestellt  werden. 
Hierbei  kam  es  aber  zwischen  den  beiden  Hauptpersonen,  KJiun  und 
Chyträus,  zu  Zwistigkeiten,  welche  das  Gelingen  des  ganzen  Werkes 
nicht  wenig  gefährdeten.  Endlich  entschied  man  sich  dahin,  daß 
die  heilige  Schrift,  die  altkirchlichen  Symbole,  Luthers  Katechismus 
und  die  Konfession  hinzugenommen  werden  sollen,  und  die  De- 
claratio  (Norm  der  Lehre)  auf  Grund  dieser  Schriften  insgesamt 
verfaßt  werde.  Luthers  Schriften  durften  unter  keinen  Umständen 
ausgeschlossen  werden.  Endlich  wurde  auch  noch  über  die  Ordination 
der  Kirchendiener  und  die  Ceremonien  verhandelt;  bezüglich  der 
letzteren  sollten  keine  lateinischen  Gesänge  und  überhaupt  weniger 
Ceremonien  gebraucht  werden.  Der  letzte  Punkt  betraf  die  Be- 
stellung des  Predigeramtes,  die  Einsetzung  eines  Kirchenvaters,  die 
Visitation  und  Aufsicht  über  Kirche  und  Schule,  die  Aufstellung 
nützücher  Synoden  u.  s.  w. 

Der  Einfluß  dieser  neuen  innerösterreichischen  Kirchenordnung 
auf  die  Nachbarländer  (Steiermark,  Kärnten,  Krain)  kann  nicht  ge- 
rade günstig  genannt  werden.  Überhaupt  gibt  der  ganze  Fortschntt 
der  Reformationsbewegung  reichlich  Anlaß  zu  Enttäuschungen.  Der 
Grund  dafür  lag  darin,  daß  die  beteiligten  Prädikanten  nicht  geeignet 
waren,  um  dem  gewaltigen  Vorstoß  des  mit  den  Jesuiten  verbündeten 
Hofes  erfolgreich  Widerstand  zu  leisten.  Dieser,  oder  besser  die 
Jesuiten  scheuten  sich  nicht,  das  Volk  zu  vergewaltigen.  Tortur, 
Öffentliche  Hinrichtungen  und  Kerker  waren  in  Graz  nichts  Unge- 
wöhnliches. 

So  wurde  die  Gegenreformation  in  diesen  gut  evangelischen 
Ländern  durchgeführt.  Sie  übte  mit  ihren  Gewalttätigkeiten  auf 
den  Geist  der  Bevölkerung  eine  niederschmetternde  Wirkung,  die 
bis  heute  noch  in  ihren  Folgen  nicht  überwunden  ist. 

Auch  der  Streit  um  die  Erbsünde  war  mit  den  aus  Sachsen 
Vertriebenen   nach  Österreich   verpflanzt  und  konnte  nicht  so  bald 


Literatur.  159 

beigelegt  werden.  Ebenso  schieden  sich  in  der  Frage  um  das  Abend- 
mahl die  Philippisten  von  den  Antiphilippisten.  Das  Interesse  des 
einen  an  Melancnthons  Namen  sich  hängenden  Teiles  lag  nunmehr 
darin,  die  Streitfrage  möglichst  unentschietlen  zu  lassen.  Sie  hofften 
auf  Ausgleichung  und  Abstumijfung  der  Gegensätze  im  Laufe  der 
Zeit.  Diese  Partei,  die  augenblicklich  noch  die  Oberhand  hatte,  be- 
trieb eifrigst  die  Vertreibung  der  Pfarrer  der  Gegenpartei.  Es  be- 
§ann  überhaupt  auf  der  ganzen  Linie  ein  Vorstoß  zur  Unterdrückug 
er  strengen  Lutheraner,  dessen  Opfer  ohne  ihr  Vorwissen  Opitz 
und  seine  Freunde  in  Ilegensburg  wurden.  „Man  entledigte  sich 
der  Klamanten  und  Schreier,  wie  es  hieß,  um  soviel  Ruhe  als  mög- 
lich zu  bekommen  und  konform  mit  den  benachbarten  Städten  vor- 
zugehen. Ja,  man  bediente  sich  der  Gutachten  von  orthodoxer 
Seite,  um  nur  unter  einem  guten  Schein  die  Partei  des  Flacius 
tunlichst  zu  schwächen.  In  diesem  Zusammenhang  fügt  sich  nun 
der  Erbsündestreit  der  70er  Jahre  in  Österreich  ein.  Es  war  nur 
die  Fortsetzung  des  Kampfes  im  Reiche  und  wurde  von  manchen 
herzlich  beklagt.  So  schreibt  Philipp  Barbatus  1573  an  Waldner 
in  Regensburg:  ., Nicht  mit  wenigen  Schmertzen  erfahre  ich  auch, 
daß  es  albereidt  unter  den  Predigern  und  Lehrern  Eurer  Kirchen 
und  Schulen  über  dem  Zank  De  peccato  originis  zu  splittern  anfahe. 
Ach  der  bösen,  i'ammerlichen  Zeiht.  Blibe  man  bey  Gottes  Wortt 
und  der  Lehre  D.  Luthers,  welcher  an  vielen  Ortten  seiner  Bücher, 
wie  auch  in  Schmalkaldischen  Artikeln  klar  zeuget  .  .  .  ". 

Innerhalb  der  evangelischen  Stände  selbst  war  Zwiespalt  an- 
läßlich der  bevorstehenden  Berufung  eines  Landschaftspredigers  in 
Wien.  Die  Bestellung  eines  Supermtendenten  war  nämlich  nicht 
gestattet.  Nach  längeren  Parteiumtrieben  wurde  Opitz,  der  aus 
Regensburg  hatte  tlüchten  müssen,  zum  Landschaftsprediger  in  der 
Hauptstadt  gewählt.  In  dieser  Stellung  wirkte  er  nun  4  Jahre,  dann 
wegen  seiner  als  flacianisch  verschrienen  Lehre  wurde  er  bald  ver- 
leumdet und  war  seinen  Gegnern  ein  Dorn  im  Auge.  Wenn  dieser 
erst  32 -jährige  hochgewachsene  Mann  rücksichtslos  predigte,  in  seinem 
Feuereifer  selbst  ärgerliche  Dinge  auf  der  Kanzel  vorzubringen  sich 
nicht  scheute,  so  darf  ihm  das  nicht  als  Schuld  angerechnet  werden. 
§eine  schweren  Erlebnisse  hatten  ihn  nicht  entmutigt  und  nicht  die 
Überzeugung  bei  ihm  bewirkt,  daß  er,  weil  er  verfolgt  wurde,  eine 
ungerechte  Sache  vertrete.  Die  große  Stadt  Wien  lag  vor  ihm 
offen,  die  Ernte  reif  zum  Schnitte.  Schon  gaben  die  Römischen 
ihre  Sache  verloren.  Ein  Brief  aus  dieser  Zeit  gibt  ein  gutes  Bild 
von  der  Stimmung,  die  in  katholischen  Elreisen  herrschte:  „Das 
Religionswesen  ist  allhie  in  20  Jahren  nicht  übler  eingestanden, 
als  eben  jetzo.  Außer  des  Hauffleins  so  die  frummen  heiligen  Vatter 
der  societas  Jesu  bis  anhero  auffgehalten,  ist  es  alles  gefallen.  Die 
sacramenta  werden  nicht  mehr  oei  der  haupt-  und  pfarrkirchen, 
sondern  alle  im  landhaus  gesucht  und  prophaniert.  Auch  Skt. 
Stephan  werde  in  kurzem  zu  einer  Wüste  werden,  und  niemand 
nehme  das  zu  Herzen."  —  Die  Erregung  wurde  aufs  höchste  ge- 
steigert, als  Opitz  die  Erzählung  von  etlichen  tausend  Kindsköpfen, 
die  in  Klöstern  gefunden  sein  sollten,  auf  die  Kanzel  brachte.  Der 
Jesuit  Georg  Scherer  schrieb  gegen  diese  das  katholische  Gefühl 
verletzende,  doch  allgemein  veroreitete  Erzählung,  ließ  aber  außer 
acht,  daß   es  Opitz   nicht  auf  die  Zahl  der  Köpfe  ankam,   sondern 


160  Literatur. 

daß  er  das  System  treffen  wollte,  das  Cölibat,  das  solche  Früchte 
notwendig  tragen  mußte. 

Die  Aufrüttelung  der  Gemüter  durch  Opitz  und  seine  Mit- 
prädikanten  war  eine  gewaltige;  sie  griff  t,ief  in  die  Bürger-  und 
Handwerkerkreise  ein,  die  angewiesen  wm-den,  keine  Gemeinschaft 
mehr  mit  den  Katholiken  zu  pflegen. 

Da  aber  schon  die  überwiegende  Mehrheit  des  Adels,  nun  der 
der  Bürger  der  Augsburger  Konfession  angehörten,  mußten  wieder 
Gewaltmittel  helfen.  Nach  einer  Verordnung  vom  7.  Juni  1578 
sollte  allen  Verhandlungen  über  die  evangehschen  Angelegenheiten 
die  Ausweisung  der  Prädikanten  und  Schulmeister  aus  Wien  vor- 
ausgehen. Trotzdem  nun  die  Verordneten  Eudolfs  den  Evangelischen 
Zugeständnisse  machten,  verlangten  die  letzteren,  Regendorf  an  der 
Spitze,  freie  Verfügung  über  ihre  Prediger;  besonders  wollten  sie 
von  einer  Ausweisung  des  Opitz  nichts  wissen.  Als  die  kaiserlichen 
Abgeordneten  darauf  bestanden,  wurden  die  Verhandlungen  abge- 
brochen, und  die  Resolution  trat  in  Kraft.  Am  21.  Juni  erhielten 
Opitz  und  die  übrigen  evangelischen  Lehrer  und  Prediger  den  Aus- 
weisungsbefehl zugestellt.  Opitz,  offenbar  schon  vorbereitet,  empfing 
die  Nachricht  mit  größter  Ruhe;  dagegen  in  der  Stadt  gärte  es. 
Zur  befürchteten  Revolte  kam  es  aber  nicht. 

Wie  wohlberechnet  dieser  Schachzug  war,  zeigt  nicht  bloß 
der  Triumph  der  römischen  Partei,   die  soeben  noch  verzweifelt  da- 

festanden,  sondern  mehr  noch  die  Folgen  der  Ausweisung:  in  der 
lauptstadt  war  der  evangelische  Gottesdienst  mit  einem  Schlag  all- 
gemein eingestellt ;  es  gelang  nicht  wieder,  die  Schließung  der  Land- 
hauskirche und  -schule  rückgängig  zu  machen,  sogar  der  Gottes- 
dienst war  untersagt. 

Der  augenblickliche  Erfolg  der  römischen  Partei  in  Wien  hatte 
keineswegs  eine  Entmutigung  der  Evangelischen  außerhalb  Wiens 
zur  Folge;  diese  verdoppelten  ihre  Kräfte,  und  namentlich  die  ge- 
schlossene Partei  der  Flacianer  war  für  ihre  Sache  außerordentlich 
tätig.  WoUte  aber  auf  protestantischer  Seite  ein  Sieg  errungen 
werden,  so  war  dazu  einheitliches  Vorgehen  der  Parteien  unbedingt 
nötig.  Diese  Einigkeit  konnte  nur  durch  eine  Austragung  der  pro- 
testantischen Dogmenstreitigkeiten  erzielt  werden ,  und  hierzu  war 
eine  Synode  nötig,  die  von  den  Flacianern  auch  gefordert  wurde. 
Statt  der  Synode  wurde  aber  1580  die  von  den  Ständen  dekretierte 
Visitation  durchgeführt.  Diese  Visitation  hatte  ein  strengeres  Vor- 
gehen gegen  die  „beständigen"  Lutheraner  zur  Folge.  Letztere 
spalteten  sich  später  in  zwei  Parteien,  bekämpften  sich  gegenseitig, 
und  so  kam  es,  daß  sie  in  den  80er  Jahren  gänzlich  verschwanden. 
So  sind  es  eine  Reihe  bedeutsamer  Momente  in  der  Geschichte 
der  österreichischen  Reformation  und  Gegenreformation,  welche  durch 
die  von  Bohl  herangezogenen  Regensburger  Quellen  mannigfach  ge- 
nauer illustriert  werden.  Zur  vollen  Verwertung  derselben  kommt  es 
aber  zugleich  darauf  an,  die  letzteren  mit  der  einschlägigen  Literatur 
in  die  rechte  Verbindung  zu  setzen.  Es  ist  dies  um  so  leichter 
möglich ,  weil  gerade  die  österreichische  Reformationsgeschichte 
neuerdings  in  überaus  fruchtbringender  Weise  archivalisch  gefördert 
worden  ist.  Schon  die  formlose,  aber  stoffreiche  Wiedemann- 
sche  Aktensammlung  zur  Geschichte  der  österreichischen  Gegen- 
reformation verdient  trotz  der  römisch-katholischen  Tendenz  des 
Verfassers  nach  wie  vor  gründliche  Beachtung.     In  noch  höherem 


Ijteratur.  \Q1 

Grade  gilt  dies  von  den  bahnbrechenden  Untersuchuneen  LosertliB, 
sowohl  über  die  hussitische  Vorreformation  wie  über  die  Reformation 
selber  und  die  verschiedenen  Stadien  ihrer  Unterdrückung.  Und 
wie  wir  dem  Grazer  Professor  Loser th  eine  Fülle  der  über- 
raschendsten neuen  Einblicke  speziell  in  diesteiermärkische  Geschichte 
verdanken ,  so  hat  der  unermüdliche  Wiener  Kirchenhistoriker  L  o  e  s  c  h  e 
schon  durch  seine  gründliche  Mathesiusforschung  die  gesamte  öster- 
reichische Reformationsgeschichte  bedeutsam  gefördert,  überdies  aber 
zugleich  dem  „Jahrbuch  für  die  Geschichte  des  österreichischen  Pro- 
testantismus" einen  gewichtigen  Aufschwung  gegeben.  An  das  Jahr- 
buch haben  sich  dann  noch  zahlreiche  Einzelarheiten  angeschlossen, 
deren  Aufzählung  hier  zu  weit  führen  würde.  Wir  erinnern  nur  an 
die  (aus  dem  an  gut  gesichtetem  Quellenmaterial  überreichen  Archiv 
des  e.V.  geschöpften)  Darstellungen  der  von  dem  G.A.V.  unter- 
stützten Gemeinden,  zumal  in  den  Berichten  für  die  große  Liebes- 
gabe, aber  auch  in  den  provinziellen  Veröffentlichungen.  Das  be- 
sondere Verdienst  des  Böhlschen  Werkes  liegt  somit  darin,  daß  es 
über  eine  überaus  fleißig  bearbeitete  Periode  trotzdem  viel  neues 
Licht  verbreitet.  Zugleich  aber  darf  der  so  vielseitig  geweckte  histo- 
rische Forschungstrieb  als  ein  besonders  bedeutsames  Symptom  fiir 
die  Zeit  der  österreichischen  Los  -  von  -  Rom  -  Bewegung  bezeichnet 
werden.  Nippold. 

II. 

Hessische  Landtagsakten,  herausgegeben  von  Dr.  Hans  Glagau, 
Privatdozenten  an  der  Universität  Marburg.    Erster  Band,  1508 
bis  1521.    Marburg  1901.    XV,  593  SS.    M.  14.-. 
In  Bd.  XX,  S.  318  f.  dieser  Zeitschrift  ist  Glagaus  Monographie 
über   Anna   von   Hessen   angezeigt   worden.    Der  jetzt   vorliegende 
Band   bildet  gewissermaßen   das  Urkundenbuch  dazu,   denn  er  ent- 
hält mehr,    als   man   nach  dem  Titel  erwarten   sollte.    Doch  wird 
man    dem  Herausgeber   dankbar   dafür   sein    dürfen,    daß    er    sich 
keine  allzu  strenge  Beschränkung   bei  der  Auswahl  der  Akten  auf- 
erlegt hat. 

An  der  Hand  der  mitgeteilten,  bisher  mit  ganz  wenigen 
Ausnahmen  ungedruckten  Akten  können  wir  nun  die  Darstellung 
des  Herausgebers  in  seinem  Buche  über  die  Landgräfin  genauer 
nachprüfen  und  feststellen,  wie  weit  seine  Auffassung  votf  seiner 
Heldin  in  den  Quellen  begründet  ist.  Von  anderer  Seite')  hat  man 
demgegenüber  jetzt  eine  andere  Anschauung  vertreten ;  nicht  als 
eine  Vorkämpferin  landesherrlicher  Macht,  sondern  als  eine  Fürstin, 
die  nur  von  persönlicher  Herrschsucht  und  egoistischen  Bestrebungen 
bestimmt  war,  hat  man  Anna  auffassen  wollen.  Ihren  einheitlichen 
und  großartigen  Charakter  würde  ihre  Politik  auch  dann  behalten, 
an  allgemeinem  Interesse  aber  würde  sie  bedeutend  verlieren.  Nun 
läßt  sich  allerdings  die  Richtigkeit  der  Auffassung  Glagaus  aus  den 
vorhandenen  Quellen  nicht  strikt  beweisen,  Referent  möchte  ihr  aber 
auf  Grund  seiner  Durchsicht  der  Akten  doch  eine  größere  Berechti- 
gung zugestehen,  als  das  durch  Wolf  geschieht. 

Für  uns  kommt  auch  die  vorliegende  Publikation  Glagaus 
wieder  vor  allem  in  Betracht  wegen  der  Bedeutung,  die  sie  für  die 


1)  Vgl.  G.  Wolf  in  den  G.G.A.,  Bd.  164,  S.  465-480  (Juni  1902). 
XXIL  11 


162  Literatur, 

thüringische  Geschichte  hat,  doch  brauchen  wir  hier  auf  die  sach- 
lichen Ergebnisse  der  Forschungen  Glagaus  nicht  noch  einmal  hinzu- 
weisen. Man  wird  es  thüringischerseits  mit  Freuden  begrüßen 
dürfen,  daß  uns  der  Herausgeber  auch  das  Material  zur  Beurteilung^ 
der  wettinischen  Politik  in  der  hessischen  Frage  nicht  vorenthalten 
hat,  an  einigen  Punkten  berührt  und  ergänzt  sich  seine  Publikation 
mit  Burkhardts  inzwischen  erschienenen  Ernestinischen  Landtags- 
akten, ohne  aber  durch  diese  überflüssig  gemacht  zu  werden.  Für 
jeden,  der  die  wettinische  Geschichte  von  1509—21  studiert,  wird 
jedenfalls   auch  Glagaus  Publikation  von  höchster  Wichtigkeit  sein. 

Äußerlich  hat  Gl.  seine  Ausgabe  nach  dem  Muster  der  Below- 
schen  Ausgabe  der  Landtagsakten  von  Jülich-Berg  gestaltet  und 
verweist  auf  diese.  Vielleicht  hätte  er  sich  für  solche  Benutzer, 
denen  Belows  Publikation  nicht  zur  Hand  ist,  aber  doch  etwas  aus- 
führlicher über  die  befolgten  Grundsätze  aussprechen  können.  Die 
Einleitungen  zu  den  8  Abschnitten  des  Buches  sind  präzis  und  über- 
sichtlich, die  Inhaltsangaben  am  Kopfe  der  einzelnen  Aktenstücke 
von  genügender  Gründlichkeit,  was  besonders  bei  den  zum  Teil  sehr 
umfangreichen  Protokollen  der  Landtags  Verhandlungen  die  Benutzung 
sehr  erleichtert,  das  Register  macht  einen  sehr  genauen  Eindruck 
und  scheint  auch  praktisch  eingerichtet  zu  sein. 

An  Einzelheiten  sei  bemerkt,  daß  auf  S.  111  doch  wohl  die- 
selbe Landgräfin  Elisabeth  gemeint  ist  wie  auf  S.  103,  als  pfälzische 
Prinzessin  konnte  sie  sehr  wohl  als  „aus  dem  Fürstenstamm  Bayern" 
gebürtig  bezeichnet  werden,  tebten  auf  S.  81  möchte  Referent 
als  Tapeten  oder  Teppiche  deuten.  Eine  Erklärung  ungebräuch- 
licher Ausdrücke  wäre  auch  sonst  hie  und  da  erwünscht  gewesen. 
Was  bedeutet  z.  B.  erne  auf  S.  544?  Mancher  wird  auch  Mit- 
teilungen über  den  äußeren  Hergang  der  Landtagsverhandlungen  ver- 
missen. Man  darf  wohl  vermuten,  daß  der  Herausgeber  sich  in  dem 
versprochenen  Einleitungsbande,  der  die  Zeit  vor  1509  darstellend 
behandeln  soll,  auch  darüber  aussprechen  wird.  G.  Mentz. 

HL 

Ermisch,  H.,   Codex  diplomaticus  Saxoniae    regiae.     Im 
Auftrage  der  Königlich   Sächsischen  Staatsregierung   herausgeg. 
von  Otto  Posse  und  Hubert  Er  misch.    Erster  Hauptteik 
Abteilung   B.     Zweiter   Band.     Urkunden  der  Markgrafen  von 
Meißen   und  Landgrafen   von   Thüringen   1396 — 1406.    Leipzig, 
Giesecke  und  Devrient,  1902.  XV  und  597  SS.  4°. 
Der  erste  Hauptteil  des  Codex  dipl.  Saxoniae  regiae  hat  für  alle 
unter  der  Herrschaft  der  Wettiner  stehenden  oder  einst  von  diesem 
Geschlechte  beherrschten  Länder   die   größte   Bedeutung,   denn  in 
dieser  Abteilung  der  groß  angelegten  Publikation  sollen  ja  alle  Ur- 
kunden zur  Geschichte  des  Gesamthauses  bis  zu  der  folgenreichen. 
Teilung  vom  Jahre  1485  und  bis  zu  deren  Bestätigung  durch  Kaiser 
Friedrich  III.  vom  24.  Februar  1486  ediert  werden.     Darum  ist  von 
allen  Interessenten  auf  das  lebhafteste  bedauert  worden,  daß  gegen- 
über dem    rüstigen    Fortschreiten    der  Arbeit    an    den    Urkunden- 
büchern  des  zweiten  Hauptteiles,  der  die  Urkunden  zur  Geschichte 
der  einzelnen  Stifter  und  größeren  Städte  umfassen  soll  (s.  O.  Posse, 
Cod.    dipl.   Sax.   regiae.     Seine    bisherige   Herausgabe    und    seine 
Weiterfiihrung.     Leipzig,   Giesecke  und  Devrient,   1876,  S.  5),   die 


Literatur.  X63 

Arbeit  an  dem  ersten  Hauptteil  nicht  recht  von  der  Stelle  räcken 
wollte.  Daß  in  einem  Zeiträume  von  mehr  denn  20  Jahren  nur 
drei  schwache  Bände  mit  insgesamt  1301  Nummern  erschienen, 
konnte  nicht  verwundern,  da  bekannt  war,  daß  die  Bearbeitung 
dieser  Abteilung,  trotzdem  sie  bei  weitem  schwieriger  und  zeitrauben- 
der als  die  für  die  Urkundenbücher  des  zweiten  Hauptteils  ist,  lange 
Zeit  im  wesentlichen  auf  den  Schultern  eines  Mannes  ruhte,  der 
überdies  durch  andere  mit  dem  Cod.  d.  Sax.  r.  in  inniger  Ver- 
bindung stehende  wissenschaftliche  Unternehmungen  abgehalten 
worden  war,  sich  der  Aufgabe  ausschließlich  zu  widmen. 

Mit  Freuden  begrüßte  man  daher  den  Entschluß,  die  bewährte 
Kraft  eines  Ermisch,  der  schon  für  den  zweiten  Hauptteil  das  Beste 
geleistet  hat,  für  den  ersten  Hauptteil  mit  heranzuziehen.  Mit  außer- 
ordentlichem Eleiße  hat  er  sich  seiner  Aufgabe  angenommen,  die  Ab- 
teilung B  des  ersten  Hauptteiles,  die  die  Urkunden  der  Wettiner 
des  späteren  Mittelalters,  zunächst  von  dem  Tode  des  Markgrafen 
l*Yiedrich  III.  (1381)  bringen  wird,  zur  Drucklegung  zu  fördern. 
Dank  seiner  Rührigkeit  und  seiner  Sachkunde  konnten  in  verhält- 
nismäßig kurzer  Zeit  zwei  stattliche  Bände  dieser  Abteilung  ver- 
öffentlicht werden.  Dem  1899  erschienenen  ersten  Bande  mit  637 
Nummern  für  die  Jahre  1381—1395  folgte  schon  1902  der  2.  Band, 
der  nicht  weniger  als  719  Urkunden  und  Regesten  für  die  Zeit  von 
1396—1406,  d.  h.  bis  zum  Ende  der  Regierung  Balthasars  und  Wil- 
helms I.  der  Forschung  erschließt. 

Ueber  das  bei  der  Publikation  beobachtete  Verfahren,  das  von 
dem  von  Gersdorf  einst  aufgestellten  Plane  nicht  unerheblich  ab- 
weicht, hat  sich  Ermisch  im  Vorbericht  zum  1.  Bande,  S.  XX  ge- 
äußert. Er  hat  es  mit  Rücksicht  auf  den  gewaltigen  Umfang  des 
ürkundenvorrates  des  späteren  Mittelalters  für  nötig  gehalten,  für 
die  Drucklegung  eine  Auswahl  unter  den  Urkunden  zu  treffen,  hat 
dabei  aber  in  den  Anmerkungen  zu  den  Urkunden  wenigstens  kurze 
Verweise  auf  viele  ausgelassene  Stücke  gegeben.  Im  1.  Bande  sind 
so  ca.  400  Urkunden,  die  in  dankenswerter  Weise  am  Schlüsse 
S.  519—521  zusammengestellt  worden  sind,  nur  in  den  Anmerkungen 
erwähnt  worden,  eine  große  Anzahl  nach  dem  subjektiven  Ermessen 
des  Herausgebers  unb^eutender  Urkunden,  z.  B.  Bestallungen  unter- 
geordneter Personen,  Verschreibungen  über  geringfügige  Schulden, 
Lehn-,  Leibgeding-  und  Gunstbriere ,  desgleichen  Verschreibungen 
der  Land-  und  Markgrafen  für  Städte  und  Ortschaften,  die"  in  dem 
zweiten  und  dritten  Hauptteile  Aufnahme  finden,  oder  soweit  —  was 
uns  im  besonderen  angeht  —  Thüringen  in  Frage  kommt, 
thüringischen  lokal-  oder  familiengeschichtlichen  Urkundenbüchern 
überlassen  bleiben  sollen,  sind  überhaupt  von  der  Aufnahme  ausge- 
schlossen worden.  Man  kann  aus  mehr  denn  einem  Grunde  be- 
dauern, daß  Vollständigkeit  das  gebotenen  diplomatischen  Apparate« 
somit  nicht  gewährleistet  werden  kann,  man  würde  aber  ungerecht 
sein,  wenn  man  darüber  mit  dem  Herausgeber  rechten  wollte.  Mir 
will  sogar  scheinen,  als  ob  die  Arbeit  des  Editors  bei  dem  beobach- 
teten Verfahren  schwieriger  gewesen  sei,  als  wenn  er  alles,  was  an 
urkundlichem  Material  für  die  Geschichte  der  Markgrafen  und  Land- 
grafen vorhanden  ist,  ohne  Auswahl  hätte  publizieren  können.  Tat- 
sächlich läßt  sich  für  das  spätere  Mittelalter  mit  seinem  reichen 
Urkundenvorrat  und  seinen  in  vielen  Fällen  zu  Akten  auswachsen- 
den Diplomen  ebensowenig  alles  dem  Drucke  übergeben  als  bei  den 

11* 


164  Literatur. 

Aktenpublikationen  zur  neueren  und  neuesten  Geschichte.  Selbst- 
verständlich mußte  überdies  bei  den  meisten  Urkunden  die  Regesten- 
form an  Stelle  des  vollständigen  Druckes  treten. 

In  eigenartiger  Weise  hat  Ermisch  ahet  die  Gesamtheit  der 
von  Wettinern  ausgestellten  Urkunden  skizzenhaft  angedeutet  in  der 
Uebersicht  über  die  Wettinerurkunden  im  1.  Bande  für  die  Zeit  von 
1381—1395,  im  2.  Bande  für  die  Jahre  1396—1406.  Diese  Listen 
dienen  zugleich  als  Itinerare.  Es  ist  dabei  alles  so  wohl  durchdacht 
und  so  exakt  ausgeführt,  daß  man  diese  üebersichten  zur  Nach- 
ahmung empfehlen  kann.  Nur  in  einem  Punkte  muß  man  mehr 
wünschen.  Ich  halte  es  für  nötig,  daß  bei  Stücken,  die  in  den  Codex 
nicht  aufgenommen  werden,  ein  Wort  über  die  eigentliche  Disposition 

fesagt  wird,  natürlich  so  präzis  wie  möglich,  so  daß  in  jedem 
'alle  nur  einige  Worte  dazu  kommen.  Anzuerkennen  ist,  daß  für 
solche  Urkunden  die  Zeugenreihen  nicht  unterdrückt  worden  sind. 
Von  größter  Wichtigkeit  ist  auch,  daß  er  zahlreiche  Rgchnungen 
zur  Erklärung  der  Urkunden  und  zur  Vervollständigung  des  Itinerars 
verwertet  hat.  Man  sieht.  Ermisch  ist  in  verschiedenen  wichtigen 
Punkten  seine  eigenen  Wege  gegangen,  und  man  muß  ihm  dafür 
Anerkennung  zollen ;  es  sind  Wege,  die  nur  ein  gewiegter  Praktiker 
finden  und  weisen  konnte. 

In  beiden  Bänden  sind  eine  Menge  inedita  enthalten,  die  über 
die  Geschichte  der  Wettiner  und  ihre  Lande  neues  Licht  verbreiten 
und  die  nicht  zum  wenigsten  gerade  für  Thüringens  Geschichte  von 
Bedeutung  sind.  Ermisch  verspricht,  die  Ergebnisse  seiner  Publi- 
kation in  einer  darstellenden  Arbeit  zusammenzufassen,  sobald  das 
Material  bis  zum  Tode  Friedrichs  des  Streitbaren  (4.  Jan.  1428)  ge- 
sammelt vorliegen  wird.  Dann  wird  man  die  Bedeutung  seiner 
Publikation  erst  recht  würdigen  lernen. 

Die  Behandlung  der  Texte,  die  Regesten,  die  Bemerkungen  über 
die  handschriftliche  Ueberlieferung,  die  Anmerkungen  zur  Erklärung 
der  Texte  und  die  Indices  sind  so  vortrefflich,  wie  wir  es  bei  Ermischs 
Publikationen  längst  gewöhnt  sind,  nur  in  den  Drucknachweisen  ist 
Vollständigkeit  nicht  erreicht,  wohl  auch  nicht  erstrebt  worden. 

|Möge  die  Fortsetzung  dieser  mustergiltigen  Publikation  in  dem 
Tempo,  das  sie  bis  jetzt  eingehalten  hat,  erfolgen  I 

O.  Dobenecker. 


Berichtigung. 

S.  94,  Z.   3  V.  u.  ist  zu  lesen:  7000  Tl. 


Zur  Nachricht. 

Eine  Anzahl   Rezensionen   und    die    Literatur  üb  ersieht 
können  erst  im  nächsten  Hefte  zum  Abdruck  kommen. 


i 


Frommannsche  Buuhdruckerei  (Hermaan  Fohle)  in  Jena.  —  2532 


IV. 

Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges  des 
alten  Thüringischen  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr. 

Von 
Dr.  Wilhelm  Pelka. 

Teil  I.    Orundlegang. 

Seit  Gloels  klassischer  Abhandlung  i)  durfte  man  es 
wohl  als  nutzlos  bezeichnen,  den  Thüringerkrieg  des  Jahres 
531  noch  einmal  zum  Gegenstande  einer  Untersuchung 
zu  machen  2).  Erst  neuerdings  haben  Lorenz 3)  und  Größler*) 
die  Frage  wieder  aufgenommen,  und  dabei  hat  sich  doch 
herausgestellt,  daß  noch  immer  nicht,  selbst  nicht  in  den 
Hauptpunkten,  eine  Einigung  erzielt  ist. 

Auffallend,  welch  helles  Licht  unsere  Überlieferung 
gerade  auf  den  Untergang  des  Thüringerreichs  wirft; 
merkwürdig,  wie  tief  das  Dunkel,  in  dem  die  Vorgeschichte 
des  Reiches  für  uns  liegt.  Trojas  Geschick  scheint  hier 
erneut;  wo  ist  aber  der  Homer,  der  uns  den  Helden- 
kampf dieses  untergehenden  Volkes  geschildert  hätte? 

1)  A.  Gloel,  Zur  Gesch.  der  alten  Thüringer.  Forsch-  zur 
Deutsch.  Gesch.  IV,  S.  195  ff.  Die  Litteratur  vor  Gloel  habe  ich 
nicht  benutzt,  sie  ist  am  besten  zu  finden  bei  Lorenz,  vergl.  imter 
Anm.  3. 

2)  H.  W.  Lippert,  Zeitschrift  des  Vereins  für  thüring.  Ge- 
schichte Bd.  15,  S.  5. 

3)  E.  Lorenz,  Die  thüring.  Katastrophe  vom  Jahre  531. 
Z.  d.  V.  f.  th.  G.  Bd.  15,  S.  335  ff. 

4)  H.  Größler,  Der  Sturz  des  thür.  Königreichs  im  Jahre 
531.    Z.  d.  V.  f.  th.  G.  Bd.  19,  S.  1  ff. 

XXII  12 


166  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Wohl  erhebt  Venantius  Fortunatus  kaum  vierzig  Jahre 
später   klagend    seine    Stimme: 

Condicio  belli  tristis,  sors  invida  rerum! 
quam  subito  lapsu  regna  superba  cadunt ! 
quae  steterant  longo  felicia  culmina  tractu 
victa  sub  ingenti  clade  cremata  iaeent. 
aula  palatmo  quae  floruit  antea  cultu 
hanc  modo  pro  cameris  maesta  favilla  tegit 
ardua  quae  rutilo  nituere  ornata  metallo 
pallidus  oppresit  falgida  tecta  cinis 
Wohl   mögen    später    auch    im  Munde    des    Volkes   Liedei 
und  Sagen  umgelaufen  sein,    aber   bis    auf  unsere  Zeit   ist 
nichts  davon  hinübergerettet. 

Wie  großartig  muß  es  daher  um  die  historische  Über- 
lieferung bestellt  sein,  wenn  die  neueren  Forscher  im 
Stande  sind,  die  Plätze  der  verschiedenen  Schlachten  zu 
bezeichnen,  in  denen  die  thüringische  Streitmacht  vernichtet 
wurde,  wenn  Größler  i)  sogar  die  Furt  zeigen  kann,  über 
die  vor  nunmehr  fast  1400  Jahren  die  Sachsen  zogen, 
ehe  sie  den  letzten  Sturm  auf  Burgscheidungen  unter- 
nahmen. Sieht  man  jedoch  genauer  zu,  so  ergibt  sich, 
daß  es  mit  der  Überlieferung  nicht  so  sehr  gut  bestellt  sein 
kann.  Gewiß  können  neuere  Forscher  die  verschiedenen 
Schlachtorte  angeben,  aber  eine  Übereinstimmung  ist  nicht 
erzielt ;  der  eine  2)  behauptet,  alles  habe  sich  im  Verlauf 
von  wenigen  Stunden  ereignet,  ein  anderer 3)  braucht' 
Wochen,  ja  Monate  dazu;  der  eine*)  nimmt  drei,  der 
andere  ^)   vier  Schlachten    an ;    auch  darüber,   wo   man    die 

1)  a.  a.  O.  S.  51  ff.  Größler  läßt  alle  3  Furten,  die  sich  heut- 
zutage in  der  Nähe  von  Burgscheidungen  befinden,  benutzt  werden, 
die  eine  von  den  Franken,  die  andere  von  dem  thüringischen  Abge- 
sandten, die  dritte  von  den  Sachsen.  Daß  Furten  sich  im  Lauf 
der  Zeit  ändern  können,  berücksichtigt  Größler  nicht,  wiewohl  er 
selbst  davon  spricht.     Vergl.  a.  a.  O.  S.  52. 

2)  Lorenz,  a.  a.  0.  S.  387. 

3)  Größler,  a.  a.  O.  S.  21  ff. 

4)  Lorenz,  a.  a.  O.  S.  391. 

5)  Größler,  a.  a.  O.  S.  35. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.     lß^ 

benannten  Orte,  Eunibergun  u.  s.  w.,  eigentlich  zu  suchen 
hat,  herrscht  keine  Klarheit,  Die  Verwirrung  ist  eine 
vollständige,  und  zwar,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  vor 
allem  deshalb,  weil  man  es  bisher  nicht  für  nötig  gehalten 
hat,  mit  den  Quellen  eine  reinliche  Scheidung  vorzunehmen. 

Untet  den  Quellen  zur  Geschichte  des  Untergangs  des 
Thüringerreichs  lassen  sich  zwei  große  Gruppen  unter- 
scheiden. 

I.  Die  fränkischen  Quellen: 

1)  Venantius  Fortunatus  i) 

2)  Gregor  v.  Tours  ^) 

3)  Der  Scholasticus  Fredegar  ^^ 

4)  Der  über  historiae  Francorum  *) 

5)  Die  Gesta  Theoderici  % 

wozu  man  auch  noch  Aimoin  ^)  rechnen  kann ,  die  mit 
Ausnahme  des  letzteren  sämtlich  vor  750  geschrieben  haben, 
Venantius  sogar  nur  wenig  mehr  als  30  Jahre,  Gregor 
etwa  60  Jahre  später  ^. 

Vorweg  sei  bemerkt,  daß  diese  fränkischen  Quellen, 
auch  Aimoin,  von  sächsischer  Hilfe  gegen  die  Thüringer 
nicht  das  mindeste  wissen,  einige  erwähnen  außerdem  die 
Verwandtschaft  Amalabergas  mit  den  Ostgoten,  während 
die  anderen  nichts  darüber  melden. 


1)  M.  G.  Auct.  antiqu,  IV,  1,  S.  271  ff. 

2)  M.  G.  SS.  rerum  Merov.  I,  S.  111—116. 

3)  M.  G.  SS.  rerum  Merov.  II,  S.  103  f.    ' 

4)  M.  G.  SS.  rerum  Merov.  II,  S.  277  f. 

5)  M.  G.  SS.  rerum  Merov.  II,  S.  206. 

6)  Bouquet,  Eecueil  des  historiens  des  Gaules  et  de  la  France. 
m,  50. 

7)  Das  betreffende  Gedicht  des  Venantius  muß  nach  565  ge- 
schrieben sein,  weil  er  erst  von  da  an  in  Gallien  sich  aufhält  und 
erst  von  da  an  seine  Beziehungen  zu  Radegunde  datieren.  Gregors 
historia  eccl.  Francorum  ist  zwar  erst  nach  591  ganz  fertig  ge- 
stellt, die  ersten  Bücher  jedoch  (in  denen  sich  auch  die  Erzählung 
vom  Thüringerkrieg  findet)  sind  bereits  um  577  entstanden.  Vergl. 
Teuf  fei,  Gesch.  d.  römisch.  Litteratur  II»,  S.  1261.  1278.  Watten- 
bach,  Geschichtsquellen  I«,  S.  91.  100. 

12* 


163  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Auf  der  anderen  Seite  stehen  II.  die  sächsischen 
Quellen,  die  uns  von  sächsischer  Hilfe  berichten  und  die 
Amalaberga  zu  einer  Schwester  des  Merowingers  Theuderich 
machen : 

1)  Ruodolfi  translatio  S.  Alexandri  i) 

2)  Widukind  2) 

3)  Die  Annales  Quedlinburgenses  3). 
Scheinbar    beeinflußt    von     den    sächsischen    Quellen, 

in  Wahrheit  aber  unabhängig  von  ihnen  ^),  ist 

4)  Der  Anonymus  de  origine  Suevorum  S). 
Ganz  abseits  steht 

5)  Procop    v.    Caesarea*^)    (um     550)     mit     einigen 
Nachrichten. 


1)  M.-  G.  SS.  II,  674  f. 

2)  M.  G.  SS.  III,  420-424. 

3)  M.  G.  SS.  III,  31  f. 

Ist  die  den  Thüringerkrieg  behandelnde  Stelle  in  den  Annale» 
Quedlinburgenses  echt?  Nach  dem  Vorgang  von  L.  Hoffmann 
(Jahresbericht  über  die  höhere  Bürgerschule  in  Eathenow  1872)  hat 
sie  auch  Wattenbach  (sowohl :  Geschichtsquellen  I  '^,  342  f.  als :  Ge- 
schichtsschreiber der  deutschen  Vorzeit  [Widukind  ^,  1882,  S.  XIV  f.] 
für  interpoliert  erklärt.  Im  Gegensatz  zu  Hoffmann  jedoch,  der 
den  Bericht  für  eine  Zutat  des  13.  Jahrhunderts  hält,  glaubt 
Wattenbach,  die  Erzählung  sei  bereits  im  12.  Jahrhundert  vorhanden 
gewesen. 

H.  Lorenz  (Germania  XXXI,  S.  137  ff.)  hat  gegen  die  Auf- 
fassung dieser  Stelle  als  interpoliert  erhebliche  Bedenken  geltend 
gemacht. 

P.  Eajna,  le  origini  dell'  epopea  francese.  Firenze  1884,  S.  103, 
n.  1  hält  es  für  wahrscheinlich,  daß  die  Erzählung  vom  Thüringer- 
krieg in  den  Ann.  Quedl.  auch  vom  Verfasser  der  Chronik  ge- 
schrieben ist.  Der  Verfasser  habe  wahrscheinlich  die  Erzählung 
in  sein  eigenes  Werk  eingefügt,  als  es  schon  geschrieben  war.  Ich 
lasse  diese  Frage  unentschieden,  bemerke  jedoch,  daß  wenn  man 
die  Stelle   als   Interpolation   auffaßt,    man  diese   Interpolation   bis 

zu    den  Worten: „culteUo   perfossus,    interiit"    reichen 

lassen  muß. 

4)  siehe  weiter  imten. 

5)  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum  XVII,  S.  59—61. 

6)  ex.  recens.  Dindorf.    Bonn  1833  (corp.  scr.  bist.  Byz.). 


des  alten  Thüring.  Königreicha  im  Jahre  531   n.  Chr.     169 

Diese  sächsischen  Quellen  sind  mit  Ausnahme  der 
translatio  S.  Alexandri  sämtlich  nach  900  geschrieben,  ver- 
dienen also,  wie  man  annehmen  sollte,  von  vornherein  ge- 
ringeren Glauben.  Trotzdem  hat  man  sie  von  verschiedenen 
Seiten  in  beträchtlichem  Umfange  mit  zur  Darstellung  ver- 
wertet, ein  „gemischtes  Verfahren"  beliebt,  wie  sich  Größler 
ausdrückt  1),  andererseits  steht  man  ihnen  jedoch  wieder 
mißtrauisch  gegenüber  2).  Die  Hauptvertreter  des  „gemischten 
Verfahrens"  sind  Lorenz  und  Größler.  Letzterer  nimmt 
z.  B.  aus  den  sächsischen  Quellen  all  das  heraus,  was  nur 
einigermaßen  zu  den  fränkischen  paßt  3),  und  erklärt  dies 
für  richtig,  alles  andere  für  falsch. 


1)  a.  a.  0.  S.  3. 

2)  Gloel  a.  a.  O.  S.  189  ff.  nimmt  eine  Art  Mittelstellung  ein. 
Den  Nachrichten,  welche  sich  auf  Hauptbegebenheiten  beziehen,  ist 
er  geneigt  Glauben  zu  schenken,  insbesondere  tritt  er  warm  für  die 
Quedlinburger  Annalen  ein.  Lippert  spricht  sich  in  seinen  „Beiträgen 
zur  ältesten  Geschichte  der  Thüringer"  über  Widukind  aus:  „bei 
letzterem  sind  alle  diese  Begebenheiten  von  dichtem  Sagengewebe 
umrankt"  (Z.  d.  V.  f.  th.  G.  Bd.  15,  S.  12). 

3)  Ein  Beispiel  dafür  findet  sich  gleich  im  Anfang  (a.  a.  O. 
S.  4  f).  Größler  stellt  die  Quellenstellen  über  den  ersten  Zusammen- 
stoß der  Franken  und  Thüringer  zusammen.  Zuerst  Gregor :  venientibus 
Francis  dolos  praeparant.  Dazu  bemerkt  Größler  ganz  richtig:  Die 
Handlung  beginnt  also  für  ihn  (d.  h.  Gregor)  bereits  beim  Anrücken 
der  Franken.  Aimoins  Bericht :  „Profectus  itaque  Theodericus  in  Tho- 
ringam  obvium  habuit  Hermenefredum  cum  innumera  mnltitudine 
hostium"  legt  er  dann  dahin  aus,  daß  Irminfried  dem  Merowinger 
entgegen  gezogen  sei.  Obvium  habere  aliquem  heißt  aber :  jemandem 
begegnen,  also  muß  die  Stelle  übersetzt  werden:  Theuderich  begeg- 
nete dem  Hermanfried.  Weiter  zieht  Größler  noch  die  Stellen  Widu- 
kinds  und  der  Ann.  Quedlinburgenses  heran  (appropinquans  terminis 
Thuringorum  invenit ....  generum  suum  se  expectantem  in  loco,  qui 
dicitur  Runibergun  und  venit  in  regionem  Maerstem  vocatam  et 
Irminfridum  illic  sibi  hello  occurentem  vicit  et  fugavit)  und  schließt 
dann :  Also  sowohl  die  sächsischen  als  auch  die  fränkischen  Quellen 
behaupten  übereinstimmend,  daß  Irminfried  den  Franken  entgegen- 
gezogen und  daß  es  außerhalb  Thüringens  zur  ersten  Schlacht  ge- 
kommen  sei."    Von  einem  Entgegenziehen   Irmiufrieds  wissen  nur 


170  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Lorenz  verfährt  fast  genau  ebenso,  kommt  aber  doch 
dabei  zu  vollständig  entgegengesetzten  Resultaten.  Gerade 
dieser  Umstand  aber  ist  ein  deutliche:?  Beweis,  daß  die 
beiden  Forscher  sich  entweder  einer  falschen  Methode  be- 
dient haben  oder  in  der  Beurteilung  der  Quellen  fehl  ge- 
gangen sind.  Sehen  wir  uns  daher  zum  mindesten  du 
sächsischen  Quellen  etwas  genauer  an. 

Wir  beginnen  mit  dem  Anonymus  de  origine  Suevorui 
der  von  Müllenhoff  herausgegeben  ist  und  dem  13.  bez. 
12.  Jahrhundert  zugeschrieben  wird^).  Alles,  was  in  den 
andern  Quellen  von  den  Sachsen  erzählt  wird,  wird  hier 
auf  die  Schwaben  übertragen. 

Nach  einer  Einleitung,  die  für  uns  nicht  in  Betracht 
kommt,  berichtet  der  Anonymus  von  dem  Kriege  zwischen 
Theuderich  und  Irminfried.  Gleich  zu  Anfang  dieses  Be- 
richtes heißt  es :  causa  vero  congressionis  in  hystoria  Saxonum 
describitur  talis.  Müllenhoff  sieht  in  dieser  hystoria  Saxo- 
num eine  Ableitung  von  Ekkehards  Weltchronik  ^).  Zwar 
ließe  es  sich  nicht  leugnen,  daß  eine  wörtliche  Benutzung 
der  Vorlage,  wenn  man  Ekkehard  vergleicht,  überhaupt  nicht 
oder  nur  in  sehr  geringem  Maße  stattgefunden  zu  haben 
scheint,  aber  es  wird  das  Werk  des  Ekkehard  vorausgesetzt  ^). 
Worauf  stützt  aber  Müllenhoff  seine  Behauptung?  Er  schließt 
folgendermaßen  *).  Der  betreffende  Abschnitt  in  -Ekkehards 
Chronik  ist  aus  Widukind  geschöpft,  er  wird  jedoch  ein-, 
geleitet  durch  einen  Bericht  über  die  Verteilung  des  Franken- 


die  Annalen  etwas ;  daß  es  außerhalb  Thüringens  zur  ersten  Schlacht 
gekommen  sei,  behaupten  allerdings  die  Annalen  und  scheint  Widu- 
kind anzudeuten.    Die  fränkischen  Quellen  lassen  alles  unentschieden. 

1)  Müllenhoff,   Von  der  Herkunft   der  Schwaben.    Zeitschrift 
für  deutsches  Altertum  Bd.  XVII,  S.  63  f. 

2)  Müllenhoff  a.  a.  O.  S.  63.    Dümmler,  Zeitschr.  für  deutsch. 
Alt.,  XIX,  S.  131  f.  hält  Ekkehard  selbst  für  die  Vorlage. 

3)  Müllenhoff  a.  a.  O.  S.  63. 

4)  Müllenhoff  a.  a.  O.  S.  63. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.     171 

reiches  nach  dem  Tode  Chlodwigs  unter  dessen  vier  Söhne, 
einen  Bericht,  der,  aus  dem  liber  historiae  Francorum  ab- 
geleitet, sich  bei  Widukind  nicht  findet,  wohl  aber  in  den 
Anonymus  übergegangen  ist.  Letzterer  kann  daher  nicht 
Widukind  benutzt  haben,  sondern  schon  eine  Vorlage,  in 
der  die  Erzählung  des  Korveyer  Mönches  mit  dem  Bericht 
über  die  Verteilung  des  Reiches  verbunden  war.  Erst 
Ekkehard  i)  verbindet  diese  Nachrichten,  aber  auch  er  kann 
nicht  die  Vorlage  gewesen  sein,  sondern  nur  eine  daraus 
abgeleitete  jüngere  sächsische  Chronik  2).  Ist  diese  Hypo- 
these richtig?  Sehen  wir  im  einzelnen  zu,  wie  sich  der 
Anonymus  zu  Widukind-Ekkehard  verhält  3).  Die  sachliche 
XJebereinstimmung  zwischen  den  beiden  Berichten  des 
Anonymus  und  des  Widukind-Ekkehard  beginnt  etwa  mit  den 
Worten  des  Anonymus :  Quo  (sc.  Theuderico)  regnante  misit 
legatos  ad  Irminfridum.  Beide  Berichte  erzählen  überein- 
stimmend, daß  Theuderichs  Gesandtschaft  von  dem  Thüringer- 
könig gut  aufgenommen,  daß  der  Zweck  der  Gesandtschaft 
aber  von  Amalaberga  mit  Irings  Hilfe  hintertrieben  wird. 
'  Die  Gesandten  kehren  zurück  (der  Anonymus  ist  hier  im 
Verhältnis  zu  Widukind  sehr  kurz),  es  kommt  zum  Kriege. 
Und  hier  findet  sich  der  erste  große  Unterschied  zwischen 
beiden  Quellen.  Der  Anonymus  weiß  nichts  von  der  Schlacht 
bei  Runibergun  und  den  sich  daran  anschließenden  Be- 
ratungen im  Frankenlager,  bei  ihm  verwüstet  Theuderich 
nur  das  Land  und  verbindet  sich  dann  mit  den  Sachsen, 
nicht  etwa  in  der  Absicht,  sich  durch  sie  zu  verstärken 
(Widukind),    sondern   in    der   Absicht,    den  Thüringerkönig 

1)  Ich  setze  trotz  Bresslau's  berühmter  Abhandlung 
(N.  A.  XXI,  1896.  „Bamberger  Studien")  hier  immer  den  Namen 
Ekkehard  anstatt  Frutolf,  einerseits  weil  ich  hier  über  M's.  Ansicht 

.  referiere,  und  dieser  noch  keinen  Frutolf  kannte,  andererseits  weil 
der  Name  Ekkehard  sich  einmal  eingebürgert  hat. 

2)  Man  sieht  nicht  recht,  weshalb  Müllen  ho  ff  eine  Ableitung 
Ekkehard's  annimmt  und  nicht  vielmehr  Ekkehard  selbst,  wie 
Dümmler  (a.  a.  0.). 

3)  Ekkehard  ist  hier  nur  Abschrift  von  Widukind. 


172 


Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 


ihrer  etwaigen  Unterstützung  zu  berauben.    Man  erkennt  hie 
deutlich,    wie    konsequent   der  Anonymus  verfährt.     Er  ei 
wähnt  keine  Schlacht  (d.  h.  bis  zur  Ankunft  der  SachsenÜ 
er   weiß    daher    von   keinen   Verlusten  des  Theuderich,  ffl 
ihn   wird   somit   die  Angabe  Widukinds,    Theuderich   habe" 
sich    durch   die  Sachsen  verstärken  wollen,  überflüssig;   er 
muß  sich  nach  einem  andern  Grunde  umsehen.     Was  liegt 
da   wohl   näher    als    die  Vermutung,    Theuderich   habe   aus 
Furcht,  Irminfried  möchte    die  Hilfe  der  Sachsen  erlanget 
selbst   seinerseits    mit   den  Sachsen   angeknüpft,   zumal  de 
Anonymus    merkwürdigerweise    die   Erklärung   Widukinds| 
Saxones,  qui  iam  olim  erant  Thuringis  acerrimi  hostes  nichv 
beachtet?    Man  könnte  vielleicht  einwenden,  der  Anonymus 
berücksichtige  diese  Worte  doch,  indem  er  die  Sachsen  als 
so  eminent  bündnisfähig  hinstellt,  aber  dem  steht  entgegen, 
daß  die  Sachsen  nach  dieser  Ueberlieferung  soeben  erst  von 
Norden   her  die  Elbe  überschritten  haben,    daß  Theuderich 
nur    aus  Furcht   vor  einer  Verbindung    der  Thüringer  und 
der  Sachsen  mit  letzterem  abschließt. 

Im   folgenden    ist    der   Anonymus    wieder    reicher   als 
Widukind. 


W  i  d  u  k  i  n  d. 
ßi  quidem  vincerent  Irminfridum 
urbemque  caperent,  terram  eis  in 
possessionem  aeternam   traderet. 


Anonymus. 
(Theudericus)  spopondit  eis  ter- 
ram illam  in  proprietatem  tradi- 
turum,  quam  fluvius  Salza  per 
decursum  suum  cingeret  defiuen-. 
do  in  flumen  Sala. 

Aehnlich  wie  der  Anonymus  berichten  die  Ann.  Quedlin- 
burg. :  si  Thuringos  sibi  adversantes  vincerent ,  omnem 
illis  eorum  terram  daturum,  usque  ad  confluentiam  Salae 
et  Unstradae  fluviorum  i). 

Interessant  ist  ferner,  daß  bei  dem  einen  Schriftsteller 
die  Reiterei  der  Schwaben  (=  Sachsen)  den  Franken  zu  Hilfe 
kommt,  ja  es    wird    noch   erwähnt:   Das  Fußvolk  wird  zu- 


1)  Eine  Abhängigkeit  des  Anon.  von  den  Ann.  ist  hier  natürlich 
en. 


des  alten  Thüriag.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.     173 

rückgelassen  (relicto  pedestrali  exercitu),  während  es  bei 
dem  andern  (Widukind)  unverkennbar  Fußtruppen  sind,  die 
den  Sturm  auf  Burg-Scheidungen  unternehmen.  Kurz,  wir 
sehen,  der  Anonymus  unterscheidet  sich  doch  nicht  unbe- 
trächtlich von  Widukind-Ekkehard.  Ich  übergehe  die  nächsten 
Ereignisse,  obwohl  sich  auch  hier  sehr  starke  Unterschiede 
zwischen  den  beiden  Quellen  zeigen  i),  und  komme  gleich  zur 
sogenannten  Jagdanekdote.  Zur  Orientierung  diene,  daß 
die  Thüringer  sich  nach  Burg-Scheidungen  zurückgezogen 
und  somit  die  Unstrut  zwischen  sich  und  ihre  Feinde  gelegt 
haben  2),  Nun  geht  es  bei  Widukind-Ekkehard  folgender- 
maßen weiter  3):  Interea  urbe  ex  pace  promissa  securiore 
reddita,  egressus  est  quidam  cum  accipitre,  victum  quaeri- 
tans^)  supra  litus  fluvii  supradicti.  Emisso  vero  volucre, 
quidam  ex  Saxonibus  in  ulteriore  ripa  ilico  eum  suscepit. 
Quo  rogante,  ut  remitteretur,  Saxo  dare  negavit.  Ille  autem: 
„Da",  inquit,  „et  secretum  tibi  sociisque  utile  prodam". 
Saxo  econtra:  „Die,  ut  accipias,  quod  quaeris".  „Reges", 
inquit,  „inter  se  pace  facta  decretum  tenent,  si  cras  invenia- 
mini  in  castris,  capiamini  aut  certe  occidamini".  Ad  haec- 
ille:  „Serione  haec  an  ludo  ais?"  —  „Secunda  hora,  alt, 
sequentis  diei  probabit,  quia  vos  oporteat  sine  ludis  agere. 
Quapropter  consulite  vobis  ipsis  et  fuga  salutem  quaerite". 
Saxo  statim  emittens  accipitrem,  sociis  retulit  quae  audivit. 
Uli  satis  commoti,  in  promptu  non  inveniebant,  quid  super 
hoc  agere  debuissent. 

Es    kommt    zu    Beratungen   im   Sachsenlager,    und  am 
nächsten  Tage  früh  stürmen  sie  Burg-Scheidungen. 


1)  Auf  einen  sehr  wichtigen  Unterschied  komme  ich  noch  später 
zurück. 

2)  Vergl.  die  Karte  bei  Größler,  a.  a.  0.,  S.  54. 

3)  Widukind  I,  10,  Separatausgabe  (Waitz  1882,  S.  11). 

4)  Der  Reiher  (ardea.  Vergl.  den  Bericht  des  Anonymus)  ist 
zwar  ein  Jagdvogel  (Heyne,  Deutsche  Hausaltertümer  II,  S.  242,  245), 
indes  habe  ich  keinen  Beleg  dafür  finden  können,  daß  er  auch  als 
Nahrung  diente. 


174  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Sehr  klar  und  verständlich  ist  diese  Erzählung  eben  nicl 
Schon  das  „Nahrungsuchen  oberhalb  des  Flusses"  i)  ist  sehr 
merkwürdig,  als  ob  die  Burg,  die  eben  ferst  eingeschlossen 
ist,  bereits  an  Nahrungsmangel  litte.  Auffällig  ist  auch 
die  Reiherbeize  nach  Sonnenuntergang  —  es  heißt  ja 
kurz  vorher  (cap,  9):  talique  spectaculo  tota  dies  illa  trahi- 
tur.  Wie  vollends  der  Sachse  in  den  Besitz  des  Vogels 
gelangen  soll,  ist  nicht  recht  zu  ersehen.  Vergleichen  wir 
jetzt  dazu  den  Bericht  des  Anonymus,  so  wird  die  Sinn- 
losigkeit des  Berichtes  bei  Widukind-Ekkehard  uns  noch 
klarer.  Der  betreffende  Absatz  beim  Anonymus  lautet  2): 
Praeterea  forte  accidit,  ut  quidam  ex  Thuringiis,  Wito 
vocabulo,  ripam  fluminis  accipitrem  manu  gestans  descen- 
deret  alteramque  ripam  Gosholdus  quidam  de  Swevis  e  re- 
gione  ascenderet.  et  mittens  Wito  accipitrem  ad  irretiendam 
ardeam  flumen  trausvolare,  a  Gosholdo  ambe  aves  sunt  in- 
terceptae.  Quem  Wito  imprecatus,  ut  si  suum  volatile  sibi 
restitueret,  rem  quam  ignoraret,  ei  insinuaret.  Tum  demum 
Gozoldus  fecit  eum  amnem  transire  et  accipitrem  cum  ardea 
recipere.  qui  caballo  vadum  quoddam  pernatavit  atque  ar- 
deam cum  accipitre  recepit,  Gosholdo  quoque  inquit :  id  pro 
certo  tibi  notifico,  quod  reges  sunt  placati,  et  hoc  quod 
hactinus  hereditarie  possidebamus,  ex  Iringi  ^)  superflua  ra- 
tionatione  modo  in  praestationem  recepimus".  Haec  audiens 
Gozoldus  ad  commilitones  suos  rediit  eisque  causam  pactionis 
examussim  exposuit.  At  illi  confederationes  regum  metu- 
entes,  ne  vel  Theoderici  sponsionum  fraudarentur  vel  regum 
conspiratione  ex  provincia  propellerentur,  decreverunt  noctu 
vadum  per  Gosholdum  monstratum  transire  ac  Thuringio- 
rum  castra  ex  inproviso  irrumpere.  Quo  peracto  tantam 
stragem  de  hostibus  dederunt,  ut  vix  quingenti  cum  Irmin- 
frido  evaderent. 


1)  Geschichtsschreiber  der  deutschen  Vorzeit  X  6'^  S.  IS. 

2)  MüUenhoff  a.  a.  O.,  S.  61. 

3)  Iring   spielt  am  Hofe  Irminfrieds   die  Eolle   eines   einfluß- 
reichen Günstlings. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.     175 

Auch  hier  bleiben  innere  Unwahrscheinlichkeiten.  Wes- 
halb verrät  z.  B.  eigentlich  der  Thüringer  das  Bündnis  mit 
den  Franken?  Im  ganzen  genommen  ist  dieser  Bericht 
jedoch  klarer  wie  der  des  Korveyers;  wir  sehen  aber  auch, 
daß  Widukind  die  Pointe  der  Erzählung,  die  listige  Auf- 
findung der  Furt,  einfach  weggelassen  hat,  falls  er  sie  über- 
haupt kannte.  Da  sich  nun  der  ganze  Bericht  über  den 
Thüringerkrieg  bei  Ekkehard  ebenso  findet,  wie  bei  Widu- 
kind, so  kann  der  Anonymus  in  den  angeführten  Stellen 
unter  keinen  Umständen  auf  Ekkehard  zurückgehen. 

Müllenhoif  hat  aber  schon  bemerkt  i),  daß  im  Anonymus 
ausdrücklich  gesagt  wird :  causa  vero  congressionis  in 
hystoria  Saxonum  describitur  talis,  d.  h.  nur  der  Grund 
zum  Kampfe  wird  der  hyst.  Sax.  entlehnt.  Daraus  folgt 
aber  unmittelbar,  daß  der  Anonymus  zum  mindesten  noch 
eine  weitere  Quelle  benutzt  haben  muß,  die  sogar  besser 
unterrichtet  war,  als  Widukind-Ekkehard. 

Wir  verlassen  für  einen  Augenblick  diese  Gedankenreihe 
und  wenden  uns  den  Quedlinburger  Annalen  zu.  Gewisse 
TJebereinstimmungen  zwischen  ihnen  und  dem  Anonymus 
finden  sich  wohl,  doch  sind  sie  so  geringfügig,  daß  an  eine 
Abhängigkeit  beider  Quellen  von  einander  nicht  gedacht 
werden  kann.  Andererseits  findet  man  zwischen  dem  Quedlin- 
burger und  Widukind  eine  auffallende  Uebereinstimmung, 
so  daß  man  fast  auf  den  Verdacht  kommt,  jener  habe  diesen 
excerpiert.  Und  doch  ist  der  Quedlinburger  teilweise  wieder 
viel  reichhaltiger  als  der  Korveyer  Mönch.  So  hat  er 
allein  die  Erinnerung  an  eine  Schlacht  bewahrt,  die  nach 
der  Ankuiift  der  Sachsen  geschlagen  und  doch  der  Schlacht 
an  der  Unstrut  noch  voraufgeht 2).  Man  höre:  Qui  (sc. 
Saxones)  nihil  morantes  venerunt  ad  eum  etpersequentes 
Irminfridum  pugnaverunt  contra  eum  super  Unstradan  fluvi- 


1)  a.  a.  O.,  S.  66. 

2)  Die  Schlachten  im  Gau  Maerstem  und  an  der  Ocker  sind, 
wie  ich  später  nachzuweisen  versuchen  werde,  freie  Erfindungen  des 
Annalisten. 


176  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

um  etc.  Dieses  „persequentes"  setzt  aber  schon  ein« 
anderen  Kampf  voraus  ^),  von  dem  weder  in  den  Qued 
burger  Annalen  noch  bei  Widukind  sich  eine  Spur  finde' 
nur  der  Anonymus  hat  uns  einen  Bericht  darüber  aufbe- 
wahrt: Quod  ut  Irminfridus  rescivit  (sc.  daß  die  Sachsen 
den  Franken  Hilfe  gebracht  haben),  manum  validam  equestri- 
um  elegit  et  ad  pugnandum  contra  Theodericum  direxit, 
in  qua  congressione  Irminfridus  terga  vertit  atque  amnem 
Unstruot  cum  suis  celerius  transivit  et  in  ripa  eiusdem 
fluminis  hostibus  acrius  restitit. 

Der  Anonymus  allein  hat  uns  diesen  Bericht  aufbewahrt, 
in  der  Vorlage  des  Quedlinburgers  muß  dieser  Kampf  aber 
auch  erwähnt  gewesen  sein,  denn  sonst  ist  der  Begriff 
„persequentes"  nicht  recht  zu  verstehen.  Wir  geben  zu, 
daß  dieser  Schluß  nicht  zwingend  ist,  er  hat  zunächst  nur 
eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  wird  aber  durch 
weiteres  noch  gestützt  werden.  Da  der  Anonymus  später 
geschrieben  hat  als  der  Quedlinburger,  so  kann  jener  nicht 
die  Quelle  von  diesem  sein,  wir  müssen  für  beide  eine 
gemeinsame  Quelle  annehmen. 

Und  nur  unter  dieser  Voraussetzung  ist  es  uns  möglich, 
den  Schluß  des  Berichts  in  den  Ann.  Quedl.  zu  verstehen. 
Der  Anonymus  läßt  Irminfried  zu  Attila  ziehen,  der  Annalist 
läßt  ihn  zwar  von  den  Mauern  Zülpichs  herabgestürzt 
werden,  bringt  aber  merkwürdigerweise  gleich  im  Anschluß 
daran  den  Satz:  Attila  rex  Hunorum  et  totius  Europas 
terror,  a  puella  quadam,  quam  a  patre  bcciso  se  rapuit, 
cultello  perfossus  interiit,  ein  Satz,  der  in  keinem  erkenn- 
baren Zusammenhang  mit  dem  Bericht  über  Irminfrieds 
Schicksal  steht,  zumal  da  Attila  und  Irminfried  fast 
100  Jahre  auseinander  lebten.  Wir  sehen  uns  so  in  der 
Tat  zu  der  Annahme  gedrängt,  daß  beiden  Autoren  ge- 
gemeinsam dieselbe  Quelle  vorgelegen  haben  muß. 

1)  An  und  für  sich  könnte  mau  dies  aus  dem  „persequentes" 
nur  schließen,  wenn  man  das  Wort  stark  preßt.  Der  Vergleich  mii 
Anonymus  macht  aber  obigen  Schluß  höchst  wahrscheinlich. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.     177 

Wir  haben  oben^)  bemerkt,  daß  der  Unterschiöde 
zwischen  Widukind  und  dem  Anonymus  nicht  wenige  sind, 
es  dürfte  sich  aber  doch  verlohnen,  die  Kehrseite  des  Ver- 
hältnisses zwischen  diesen  beiden  Quellen  aufzusuchen,  die 
üebereinstimmungen  zwischen  beiden  Schriftstellern  im 
einzelnen  zu  prüfen.  Doch  bevor  wir  dazu  schreiten,  be- 
darf es  noch  einer  kleinen  Digression.  Die  Quedlinburger 
Annalen  stimmen  teilweise  auffallend  mit  Widukind  über- 
ein 2),  doch  hat  Widukind  durchaus  nicht  alles,  was  jene 
haben ;  so  fehlt  bei  ihm  z.  B.  die  Erwähnung  jener  Schlacht, 
von  der  uns  der  Anonymus  allein  einen  Bericht  aufbewahrt 
hat,  und  die  die  Annalen  wenigstens  andeuten ;  daher  können 
die  Annalen  zum  mindesten  hier  nicht  Widukind  zur  Vor- 
lage gehabt  haben.  Da  aber  der  den  Annalen  und  dem 
Anonymus  gemeinsam  vorliegende  Bericht  sehr  reichhaltig, 
vielleicht  allerdings  nur  stellenweise,  gewesen  sein  muß  (er 
brachte  ja  Tatsachen,  die  Widukind  in  seiner  recht  aus- 
führlichen Erzählung  nicht  bot),  die  merkwürdige  Ueber- 
einstimmung  zwischen  Widukind  und  den  Annalen  aber 
nicht  aus  der  Welt  zu  schaffen  ist,  so  dürfen  wir  zunächst 
wohl  vermuten,  dem  Korveyer  Mönch  habe  dieselbe  Quelle 
vorgelegen,  die  wir  als  gemeinsame  Vorlage  des  Anonymus 
und    der  Ann.  Quedlinb.    erkannt  haben. 

Und  in  der  Tat  läßt  diese  Vermutung  sich  wahr- 
scheinlich machen.  Wir  haben  ja  ein  Mittel,  diese  Frage 
weiter  zu  verfolgen,  —  eben  jene  Vergleichung  zwischen 
Widukind  und  dem  Anonymus,  die  wir  oben  für  einen 
Augenblick  ausgesetzt  haben. 

Ich  setze  die  wichtigsten  Stellen  zum  bequemeren 
Vergleich  neben  einander: 

"Widukind. 
Ad    haec  Irminfridus   iuxta 
quod  regalem  decuit  dignitatem 
clementer  legato  respondit,  pla- 


Anonymus. 
Cuius  legationem  Irminfridus 
benigne  quidem  suscepit  et  iure 
pacem    concordiamque   cum    eo 


1)  S.  171  ff. 

2)  Wattenbach,  Geschichtsquellen  I«,  S.  342. 


178 


Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 


cita  sibi  placere  populi  Franco- 
rum,  ab  eorum  concordia  non 
discordare,  pace  omnimodis  indi- 
gere,  super  negotio  vero  regni 
responsionem  suam  in  amicorum 
praesentiam  velle  differre. 

Die  Uebereinstimmung  ist  hier  schon  auffallend,  nocl 
mehr  aber  in  Folgendem: 


habere    asseruit,    quod    sororer 
suam  sibi  in  matrimonium  copi 
laverit,   sup^r  regni  vero  stabil!^ 
täte  nil  ei  posse  respondere  nia 
principum   suörum  assentatione 


Anonymus. 
Soror  itaque  regis  Theoderic 
indignum  ducens,   ipsum  regen 
constitutum  affirmabat,  illum  not 
iure  sibi  regnum  vendicasse,  set 
potius    ex  paterna  hereditate  sei 
debere  attinere,  ascitoque  Iring(M 
Irminfridi    consiliario    egit   cum 
eo,   quatinus  in  auribus  princi- 
pum ac  fratris  veredariorum  con- 
ferret,Theodericum  patris  sui  con- 
cubine  filium  fore  et  ideo  merito 
sibi  servum,  non  debere  regnum 
invadere ,    quod    eam    attingeret 
ex  paterna  successione. 

Auch  hier  die  Verwandtschaft,  aber  —  nur  die  in- 
haltliche, in  der  Struktur  des  Satzes  und  in  der  Stilistik 
"weichen  beide  Berichte  beträchtlich  von  einander  ab. 

Wir  gehen    zur  Hauptstelle  über: 


Widukind. 

Audiens  autem  regina,  lega- 
tum  fratris  supervenisse  et  locu- 
tum  cum  rege  super  negotio  reg- 
ni, suasit  Iringo,  ut  pariter  per- 
suaderent  viro,  quia  sibi  regnum 
cessisset  iure  hereditario,  utpote 
quae  filia  regis  erat  et  filia  regi- 
nae,  Thiadricum  vero  suum  ser- 
vum tanquam  ex  concubina  na- 
tum,  et  ideo  indecens  fore,  pro- 
prio servo  umquam  manus  dare. 


Widukind. 
Et  haec  dicens  (sc.  legatus) 
reversus  est  ad  Thiadricum,  quae 
audivit  non  celat.  Thiadricus  au- 
tem nimiam  iram  vultu  Celans 
sereno:  Oportet  nos,  inquit,  ad 
servitium  Irminfridi  festinare, 
quatinus  qui  libertate  privamur, 


Anonymus, 
legati  ...  ad  dominum  su-^ 
um  rediere  sibique  huiusmodi| 
verba  intulere.  Qui  furorem  ani- 
mi  simulans  statuit,  quia  Irmin- 
fridus  se  pro  servo  haberet,  quan- 
tocius  ei  ad  obsequendmn  occur-J 
reret. 


inani  saltem  vita  fruamur. 

Nach  der  Lektüre   dieser  Stelle    dürfte  wohl   niemand'] 
mehr   zweifeln,    daß    beide,    Widukind'  wie    der  Anonymus,'] 
auf    dieselbe    Quelle    zurückgehen.      Wenn    dies    aber    der 
Fall   ist,    so   ist  nach   dem  oben   (S.  177)  Gesagten   höchst 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      179 

wahrscheinlich,  daß  allen  drei  Berichten  dieselbe  Urquelle 
zu  Grunde  liegt. 

Aber  die  eben  angeführten  drei  Stellen  lehren  uns 
noch  etwas  Anderes,  nicht  minder  wichtiges.  Dieselbe 
Quelle  liegt  dem  Anonymus  und  dem  Korveyer  Mönche 
zu  Grunde,  und  doch  ist  es  uns  unmöglich,  durch  Ver- 
gleichung  beider  den  Wortlaut  jener  Urquelle  zu  rekon- 
struieren. Der  Inhalt  ist  —  fast  möchte  man  sagen,  satz- 
weise —  übereinstimmend,  der  Ausdruck  ganz  verschieden, 
wie  sich  aus  den  mitgeteilten  Stellen,  besonders  der  letzten, 
zur  Evidenz  ergibt.  Wäre  es  zu  kühn,  daraus  zu  folgern, 
daß  die  gemeinsame  Quelle  keine  lateinische  gewesen  sein 
kann,  daß  sie  vielmehr  eine  deutsche  gewesen  sein  ^)  muß, 
selbstverständlich,  da  deutsche  Prosa  in  jener  Zeit  völlig 
ausgeschlossen  ist,  ein  deutsches  Heldenlied,  das  den  Unter- 
gang des  Thüringerreichs  behandelte,  wo  nicht  zum  Vorwurf 
hatte  2)  ? 

Bisher  hatte  man  eine  Zusammensetzung  des  Quedlin- 
burger Berichts  aus  Widukind  und  der  Volkssage  ^),  eine 
Zusammensetzung  des  Berichtes  des  Anonymus  aus  Widukind, 
den  Ann.  Quedlinb.  und  der  Volkssage  *)  angenommen.    Nur 

1)  Besonders  klar  wird  dies  bei  der  Betrachtung  der  letzten 
Stelle,  wo  einerseits  die  (wahrscheinlich)  direkte  Rede  des  Heldenliedes 
in  das  Lateinische  hinübergenommen  ist,  während  der  Anonymus 
den  Inhalt  der  Worte  Theuderichs  durch  einen  Nebensatz  mit  quia 
wiedergibt,  wo  andererseits  ein  Begriff,  der  etwa  unserm  heutigen 
„sich  beeilen"  entspräche,  von  beiden  verschieden  übersetzt  wird, 
von  dem  einen  mit  „festinare",  von  dem  andern  mit  „quantocius 
occurrere".  Daß  Widukind  hier  auf  Volkssagen  bez.  Heldenlieder 
zm-ückgeht,  ist  längst  erkannt  worden,  er  ahmt  sogar  die  AUitteration 
nach;  z.  B.  cap.  9:  Indecorum  est  rictoribus,  rictis  vincendi  locum 
dare  oder  vincere  velle  aut  certe  vivere  nolle. 

2)  Es  ist  mir  nicht  sicher,  ob  die  betreffende  gemeinsame  Quelle 
nur  den  Untergang  des  Thüringerreichs  behandelte,  oder  ob  auch 
die  Vorgeschichte  der  Sachsen  darin  poetisch  dargestellt  wurde.  In 
letzterem  Falle  würden  wohl  auch  die  ersten  Kapitel  des  Widukind 
auf  diese  poetische  „origo  Saxonum"  zurückgehen. 

3)  Wattenbach,  Geschichtsquellen  I",  S.  342. 

4)  Wattenbach  a.  a.  O.  I «,   S.  333.    Müllenhoff  a.  a.  O.  S.  67. 


180  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Könnecke  i)  sprach  gelegentlich  von  der  Wahrscheinlichkeit 
einer  gemeinsamen  Quelle  für  Widukind  und  die  Quedlin- 
burger Annalen,  ohne  aber  einen  Beweis  dafür  zu  erbringen. 
Wir  müssen,  wie  gesagt,  eine  gemeinsame  Quelle  annehmen, 
ein  sächsisches  Heldenlied  2). 

Und  doch!  Werden  wir  uns  dazu  entschließen,  eine 
schriftliche  Quelle  anzunehmen?  Wohl  sind  wir  durch 
Verfolgung  der  Uebereinstimmungen  zu  unserem  Resultat 
gelangt,  aber  vergessen  wir  doch  nicht,  daß  unsere  Arbeit 
von  den  kleinen  Unterschieden  zwischen  den  einzelnen  Autoren 
ihren  Ausgang  nahm.  Berücksichtigen  wir  dies,  so  können 
wir  ruhig  einen  Schritt  weiter  tun,  indem  wir  sagen:  Das 
Lied  hat  sich  wahrscheinlich  zunächst  nur  mündlich  fort- 
gepflanzt. ,  Manche  ^)  Abweichungen  der  Autoren  von  einander 
verdanken  ihren  Ursprung  lokalen  Varianten. 

Wenn  in  der  Geschichtsliteratur  neue  Quellen  auftauchen, 
so  pflegt  man  zuerst  nach  der  Zeit  der  Entstehung  und 
nach  dem  Verfasser  zu  fragen.  Es  dürfte  sich  hier  vielleicht 
doch  verlohnen,  wenigstens  nach  jener  zu  forschen.  Man 
wird  es  möglicher  Weise  als  widersinnig  bezeichnen,  die 
Entstehungszeit  eines  Liedes  feststellen  zu  wollen,  das  nur 
im  Volksmunde  lebt,  und  das  sich  daher  sozusagen  in  stetem 
Fluß  befindet.  Aber  so  war  jene  Frage  auch  nicht  gemeint. 
Es  kann  doch  nur  heißen:  Können  wir  feststellen,  inner- 
halb welcher  Zeitgrenze  das  Lied  so  gestaltet  wurde,  wie 
Widukind    es    gekannt,    oder    falls    es   gestattet   ist,    diesö 


1)  Könnecke,  Das  alte  Thüringische  Königreich  und  sein  Unter- 
gang.    Querfurt  1893,  S.  26. 

2)  Daß  das  Lied  ein  sächsisches  gewesen  ist,  ist  ohne  weiteres 
klar.   Der  ganze  Inhalt  ist  ad  maiorem  gloriam  Saxonum  zugeschnitten. 

3)  Nicht  etwa  alle !  Ich  werde  unten  zeigen,  daß  der  Quedlin- 
burger Annalist  die  Schlacht  an  der  Ocker  z.  B.  frei  erfunden  hat. 
Daß  der  Bericht  über  die  Teilung  des  Eeiches  (in  den  Ann.  QuedL) 
auf  eine  echte  historische  Quelle  zurückgeht,  ist  ebenfalls  klar. 
Auch  der  Umstand,  daß  in  den  Ann.  Quedlinb.  die  Leichenbrüd 
erwähnt  wird,  wie  bei  Gregor  v.  Tours,  läßt  auf  Benutz 
einer  echten  Quelle  schließen. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      X8l 

„Gestaltung"  als  Recension  zu  bezeichnen,  innerhalb  welcher 
Zeitgrenzen  kann  die  von  Widukind  benutzte  Hecension 
des  Liedes  nur  zu  stände  gekommen  sein?  Der  terminus 
ad  quem  ist  natürlich  das  Jahr  967,  das  Jahr,  in  dem 
"Widukind  sein  Werk  vollendete  i).  Schwieriger  ist  es,  den 
terminus  a  quo  zu  bestimmen.  Hier  gibt  uns  aber  glücklicher- 
weise Widukind  selbst  einen  Fingerzeig. 

Nicht  mit  Unrecht  ist  seine  Schilderung  der  Sachsen 
(I  9)  so  berühmt.  „Ihm  geht  das  Herz  auf  2)",  wenn  er 
von  diesen  Kriegern  spricht,  die  durch  Körperkraft  und 
Mut  hervorragend,  bewaffnet  mit  langen  Lanzen,  auf  ihre 
Schilde  gestützt  dastehen,  bewundert  und  angestaunt  von 
den  Franken.  Mit  naivem  Stolz  erzählt  er,  wie  bereits  da- 
mals manche  Franken  sich  hätten  vernehmen  lassen :  tantis 
ac  talibus  amicis  Francos  non  indigere;  indomitum  genus 
hominum  fore,  et  si  presentem  terram  inhabitarent,  eos 
procul  dubio  esse,  qui  Francorum  imperium  quandoque 
destruerent  ^).  Ist  dies  etwa  keine  vaticinatio  post  eventum  ? 
Und  wenn  es  eine  ist,  so  kommen  wir  auf  das  Jahr  919, 
in  welchem  die  Herrschaft  endgültig  von  den  Franken  auf 
die  Sachsen  überging. 

Man  wird  einwenden :  Diese  ganze  Stelle  sei  erst  von 
Widukind  seiner  Quelle  eingefügt  worden  und  habe  daher 
für  die  chronologische  Festsetzung  des  Liedes  durchaus 
keinen  Wert.     Es   läßt   sich    zeigen,    daß  dem  nicht  so  ist. 

Als  Iring  in  Irminfrieds  Auftrage  zu  Theuderich  geht, 
um  den  Frieden  zu  erbitten,  da  bietet  der  schlaue  Thüringer 
dem  Merowingerkönig  ein  Bündnis  gegen  die  Sachsen  an; 
utilius  esse,  eum  in  fide  suscipere,  quem  iam  superatum 
haberet  tamque  contritum,  ut  numquam  se  contra  eum  possit 
levare  quam  illud  genus  hominum  indomabile  et  ad  omnem 


1)  Wattenbach,  Geschichtsquellen  1 «,  S.  328. 

2)  Köpke,  Widukind  von  Korvey  S.  5. 

3)  Widukind  I,  9,  Separatausgabe  von  Waitz,  1882,  S.  9  f. 
XXII.  13 


182  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

laborem    perdurabile,    a    quo    nichil    expectaret    Francorum 
imperium  nisi  solum  penculum  i). 

Theuderich  geht  auf  den  Vorschlag  ein,  den  Sachsen 
wird  das  Bündnis  verraten,  sie  stürmen,  um  ihm  zuvor  zu 
kommen,   am  nächsten  Tage  früh  Burg  Scheidungen, 

Man  sieht  hier  deutlich,  wie  der  Gedanke,  den  Franken 
drohe  von  den  Sachsen  nur  G-efahr,  zum  forttreibenden 
Motiv  der  Handlung  wird.  Daher  muß  der  Gedanke  dem 
Heldenlied  entstammen,  und  er  ist  wohl  verwertbar  zur 
chronologischen  Fixierung  2). 

So  stellen  wir  denn  als  bisheriges  Resultat  unserer 
Untersuchung  nochmals  fest. 

Für  die  Darstellung  des  Thüringerkrieges  von  531 
haben  Widukind,  die  Annales  Quedlinburgenses  und  der 
Anonymus  de  origine  Suevorum  ein  jetzt  verlorenes,  in  der 
von  Widukind  benutzten  Recension  zwischen  919  und  967 
entstandenes  sächsisches  Heldenlied  benutzt,  in  dem  der 
Krieg  zwischen  Theuderich  und  Irtninfried  ausführlich  ge- 
schildert, wo  nicht  zum  Vorwurf  gemacht  war.  In  diesem 
Heldenlied  verschob  sich  das  Verwandtschaftsverhältnis 
Amalabergas  insofern,  als  man  ihre  Person  im  Gegensatz 
zu  den  echten  historischen  Quellen  an  die  Merowinger  statt 
an  die  Ostgoten  anknüpfte,  wodurch  sich  allmählich  eine 
Verschmelzung  der  Persönlichkeiten  der  beiden  Theuderiche 
vollziehen  mußte.  Diese  Verschmelzung  mußte  logischer 
Weise  dazu  führen,  die  Irminfriedsagen  mit  dem  Sagen- 
kreise Dietrichs  von  Bern  (des  Ostgoten  Theoderich),  d.  h. 


1)  Das  ,,periculum"  wird  man  am  ehesten  doch  auf  den  Ueber- 
gang  der  Krone  von  den  Franken  an  die  Sachsen  beziehen  können. 
Etwa  an  den  großen  Sieg  der  Sachsen  über  Chlotar  I.  zu  denken, 
geht  Jiicht  an,  weil  dieser  Erfolg  nur  ein  ganz  vorübergehender  war. 

2)  Ucber  die  Persönlichkeit  des  Verfassers  wage  ich  kein  Urteil. 
Auffüllig  sind  allerdings  die  zahlreichen  Anklänge  an  angelsächsische 
Sagen.  Der  Ausdruck  Huga  für  Franke^  der  bei  Widukind  und 
den  Ann.  Quedl.  erscheint,  kommt  bereits  im  Beowulf  v.  2195  und 
V.  2503  vor.  Vergl.  Kurth  histoire  poetique  des  Meroving.  1893, 
S.  338,  n.  2. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      183 

auch  mit  dem  Hunnenkönig  in  Verbindung  zu  bringen ;  und 
wirklich  finden  wir  im  Nibelungenliede  Irminfried  und  Iring 
am  Hofe  Etzels  lebend  ^).  Aber  auch  schon  unser  Gedicht 
wirft  Irminfried,  Iring  und  Attila  zusammen :  Der  Anonymus 
läßt  Irminfried  mit  Iring  an  Etzels  Hof  kommen,  der 
Quedlinburger  schließt  einen  Kompromiß  mit  den  historischen 
Quellen,  indem  er  den  Thüringerkönig  von  Theuderich  zwar 
töten  läßt,  daran  jedoch  jenen  Satz  über  Attila  anschließt, 
der  in  diesen  Zusammenhang  gar  nicht  hineinpaßt;  Widu- 
kind  erwähnt  Attila  überhaupt  nicht  und  hat  über  den 
Tod  des  Irminfried  eine  vom  Quedlinburger  abweichende 
Version.  Daraus  folgt,  daß  sowohl  der  Quedlinburger  als 
Widukind  mindestens  noch  je  eine  Quelle  benutzt  haben. 
Aber  des  Quedlinburgers  Bericht  ist  nur  ein  Anklang 
an  die  echten  historischen  Quellen:  Post  haec  Theodericus 
data  fide  Irminfrido  in  Zulpiaco  civitate  illum  dolo  perimi 
iussit,  ein  Satz,  der  sich  ebensowohl  mit  Gregor  von  Tours  2) 
als  mit  Widukind  verträgt.  Wie  jedoch  der  Korveyer  zu 
seiner  Nachricht  kommt,  Iring  habe  den  Irminfried  auf 
Befehl  des  Theuderich  erschlagen  und  dann  Theuderich 
selbst  getötet,  ist  nicht  mehr  zu  erkennen.  Vielleicht  war 
es  die  ursprüngliche  Sagenfassung  3)^  und  Widukind  mag 
diese  aus  Furcht,  einen  Anachronismus  zu  begehen,  wenn 
er    in    einem   Geschichtswerk    die    Person    Irminfrieds   mit 


1)  Nibelungenlied,  übersetzt  von  K.  Simrock  1893,  22.  Al^enteuer 
Str.  1286,  35.  Abenteuer  Str.  1965  ff. 

2)  III,  8.  Idem  vero  regressus  (sc.  Theud.)  ad  propria,  Hermene- 
fredum  ad  se  data  fidem  securum  praeeipit  venire,  quem  et  honorificis 
ditavit  muneribus.  Factum  est  autem,  dum  quadam  die  per  murum 
civitatis  Tulbiacensis  confabularentur,  a  nescio  quo  impulsus,  de 
altitudine  muri  ad  terram  corruit  ibique  spiritum  exalavit.  Sed  quis 
eum  exinde  deiecerit  ignoraraus;  multi  tarnen  adserunt  Theudorici 
in  hoc  dolum  manifestissime  patuisse. 

3)  Dies  ist  wohl  das  Wahrscheinlichste.  Man  wolle  übrigens 
bemerken,  daß  Widukind  die  Erzählung  vom  Tode  Irminfrieds  scharf 
von  der  vorhergehenden  sondert  (Qui  autera  finis  r^es  secutus  sit, 
quia  memorabilis  fama  est,  prodere  non  negligo). 

13* 


184  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Attila  verband,  vorgezogen  haben.  Auch  der  Quedlinburger 
scheint  diesen  Anachronismns  gescheut  zu  haben,  verrät 
uns  aber  doch  durch  jenen  Satz  über  Attila  wieder  die  ge- 
meinsame Quelle.  Erst  der  Anonymus,  der  mehr  die  Sagen 
aufzeichnete  als  Geschichte  schrieb,  konnte  ohne  Bedenken 
seiner  Vorlage  folgen. 

Auf  Grund  unserer  bisherigen  Untersuchung  können  wir 
jetzt  in  die  Verhandlung  darüber  eintreten,  ob  den  säch- 
sischen Quellen  irgend  welche  historische  Glaubwürdigkeit 
beizumessen  ist  oder  nicht. 

Teil  II.   Kritik  der  Sage. 

Schon  Ephoros  ^)  hat  im  Wesentlichen  das  Princip 
ausgesprochen,  dessen  man  sich  in  diesen  und  ähnlichen 
Fällen  bedienen  muß : 

7C£qI  ixhv  yuQ  räv  xaO'  iq(iag  ysy£vr}(iiv(OV  rovg  ccKQißiöraTct 
Xiyovtag  TtiötoruTOvg  i^yovfisd^a,  tcsqI  ös  rmv  nccXatcöv  tovg 
ovroo  die^iovxag  unid'avcatarovg  eivai  vojitiJ[ojtt£v,  v7coXc((Aß(ivov- 
rsg  ovre  tag  nQa^sig  anaßag  ovrs  tcov  Xöycov  TOvg  nXsiöTovg 
tLKog  elvai  ^vrjfiovBvsa&ai  Sia  toöovtwv. 

Streng  genommen  müßten  wir  also  über  die  sächsischen 
Quellen  (Widukind,  die  Ann.  Quedlinburg.,  den  Anonymus 
de  origine  Suevorum)  in  Bausch  und  Bogen  das  Ver- 
dammungsurteil aussprechen;  aber  ist  ein  so  völlig  ab- 
sprechendes Urteil  auch  wirklich  gerechtfertigt  ?  In  einen; 
Punkte  wohl  sicher  nicht.  Erinnern  wir  uns  daran,  daß 
historisch  bedeutsame  Örtlichkeiten  nicht  so  leicht  vom 
Volke  vergessen  werden.  Die  homerischen  Epen  nimmt 
heutzutage  niemand  mehr  für  Geschichte,  und  doch  hätte 
Schliemann  ohne  ihre  Existenz  wohl  schwerlich  jene 
epochemachenden  Ausgrabungen  auf  Hissarlik  vorgenommen. 
Die  Nutzanwendung  auf  unser  Gebiet  liegt  nahe.  Wir 
werden   die   in    unserm   Heldenlied    vorkommenden  Ortlich- 


1)  Ephoros  bei  Harpokration  u.  apx«£w?  (Harpokration  ed.  Bekker, 
1833,  S.  36). 


des  alten  ThüriDg.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      Ig5 

keiten  und  Schlachten  bis  auf  Weiteres  als  historisch  be- 
trachten ,  aber  auch  hier  werden  wir  das  Lied  nur  als 
bestätigende,  nicht  als  grundlegende  Quelle  verwenden 
dürfen. 

Manchem  wird  es  schwer  fallen,  den  ihm  lieb  ge- 
wordenen Glauben  an  die  Verwendbarkeit  des  Details  der 
sächsischen  Quellen  aufgeben  zu  müssen ;  es  wird  daher 
nicht  nutzlos  sein,  den  Inhalt  des  Liedes  einer  sachlichen 
Kritik  zu  unterziehen. 

Ist  diese  Forderung  aber  überhaupt  durchführbar? 

Nicht  als  ob  die  sachliche  Kritik  an  sich  groOen 
Schwierigkeiten  begegnete,  die  Schwierigkeit  liegt  in  der 
erforderlichen  Rekonstruktion  des  Liedes. 

Es  giebt  dazu  nur  einen  Weg. 

Wir  müssen  nach  den  Ausführungen  von  Teil  I.  die 
drei  uns  bereits  bekannten  sächsischen  Quellen  als  ver- 
schiedene Ableitungen  ein  und  derselben  Urquelle  be- 
trachten. Die  Abweichungen  der  Quellen  von  einander 
schrieben  wir  schon  oben  (S.  180)  teilweise  lokalen  Va- 
rianten zu;  an  manchen  Stellen  genügt  dies  jedoch  nicht. 
Daher  kann  man  als  dem  Liede  angehörig  alle  diejenigen 
Stellen  bestimmt  annehmen,  die  mit  dem  Berichte  der 
anderen  Quellen  übereinstimmen,  oder  wenigstens  sich 
gegenseitig  nicht  völlig  ausschließen.  Es  wird  demnach 
am  einfachsten  sein,  bei  einer  Kritik  der  Sage  von  Widu- 
kind  auszugehen  und  nötigenfalls  die  Stellen  der  anderen 
Quellen  zum  Vergleich,  resp.  zur  Ergänzung  heranzuziehen. 

Im  Anfang  ist  bei  Widukind  Sage  und  Geschichte 
in  wirrem  Durcheinander  gemischt.  Erst  etwa  von  den 
Worten  „Thiadricus  autem  designatus  rex"  an  scheint 
Widukind  ganz  der  Sage  zu  folgen ,  wie  ein  Vergleich 
mit  dem  Anonymus  lehrt.     (Quo  regnante  misit  legatos  etc.). 

Der  von  Theuderich  an  Irminfried  „pro  pace  atque 
concordia"  abgesandte  Bote  hält  vor  dem  Thüringerkönig 
eine  bemerkenswerte  Rede.  „Mortalium  optimus  maximus, 
dominus    meus    Thiadricus    misit    me    ad    te,    exoptans    te 


J86  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

bene  valere  et  lato  magnoque  diu  imperio  vigere  seque 
tibi  non  dominum  sed  amicum,  non  impera- 
torem,  sed  propinquum,  propinquMtatisque  iura  in- 
violabiliter  tibi  fine  tenus  velle  servare  demandat;  tantum 
ut  a  populi  Francorum  concordia  non  discordes  rogat; 
ipsum  namque  sibi  regem  sequuntur  constitutum." 

Auf  was  für  Voraussetzungen  fußt  denn  diese  Redel 
Weist  sie  nicht  deutlich  auf  ein  Abhängigkeitsverhältnis 
Irminfrieds  von  Theuderich  hin  ?  Man  sage  nicht  etwa 
die  Ausdrücke  dominus  und  imperator  seien  nur  eine 
rhetorische  Phrase  im  Munde  des  Gesandten;  ein  Ge- 
sandter, der  pro  pace  atque  concordia  zu  einem  fremden 
Herrscher  hingeht,  wird  sich  hüten,  diesen  grundlos  zu 
beleidigen.  Zum  Überflluß  aber  ergänzen  hier  die  Ann. 
Quedlinb.  den  Korveyer  Mönch  auf  das  vortrefilichste. 
Es  wird  von  der  Teilung  des  fränkischen  Reiches  unter 
die  Söhne  Chlodwigs  gesprochen  und  dann  heißt  es: 
Cuius  (sc.  Theoderici)  parti  cum  Thuringia  ces- 
s  i  s  s  e  t ,  Irminfridus ,  gener  eins ,  hortatu  uxoris  suae 
Amelburgae  invitationem   regis  respuit   (vorhin   war    schon 

erwähnt  worden:  Theodericus   rex ad    electionem 

suam  Irminfridum  regem  Thuringorum  honorifice    invitavit). 

Wir  sehen:  die  Worte  dominus  und  imperator  stehen 
nicht  zufällig  bei  Widukind.  Die  ganze  Notiz  ist  aber  so 
absurd,  keine  der  fränkischen  Quellen  bestätigt  sie,  obwohl 
diese  doch  am  ehesten  davon  etwas  wissen  mußten;  wir 
sind  daher  gezwungen  diese  Nachricht  als  unhistorisch  zu 
verwerfen. 

Bei  der  folgenden  Entgegnung  Irminfrieds  ist  nur  der 
Anonymus  außer  Widukind  zum  Vergleich  heranzuziehen; 
beide  Berichte  sind  inhaltlich  fast  identisch,  nur  fehlt  beim 
Anonymus  die  Beteuerung  des  Thüringers :  pace  omnimodis 
indigere.  Man  wäre  fast  versucht,  diese  Worte  als  nichts- 
sagende Phrase  aufzufassen;  aber  der  weitere  Bericht  des 
Korveyers  steht  dieser  Auffassung  unter  allen  Umständen 
im   Wege.     Denn   bei    der   Versammlung   der    Großen,    die 


des  alten  Thüring.  Königreich»  im  Jahre  531  n.  Chr.      Igy 

Irminfried  einberuft,  raten  diese  ihm :  quae  pacis  atque  cön- 
cordiae  sunt,  eum  sentire,  quia  impetus  Francorum  ferre 
non  posset,  maxime  qui  acrioribus  hostium  armis  ex  alia 
parte  premeretur.  Und  trotz  dieses  Rates  schenkt  Irmin- 
fried seinem  Vertrauten  Iring  Gehör,  der  ihm  rät,  er  dürfe 
den  Franken  nicht  nachgeben!  Wer  sind  denn  diese  Feinde, 
um  derentwillen  Irminfried  „gar  sehr  des  Friedens  bedarf", 
mit  denen  er  jetzt  bereits  im  Kampf  ist  und  deren  Waffen 
noch  schärfer  sind  als  die  der  Franken  ?  Sind  es  etwa  die 
Sachsen,  qui  iam  olim  erant  Thuringis  acerrimi  hostes? 
Aber  diese  kommen  ja  selbst  erst  auf  den  Ruf  Theuderichs 
(nach  dem  Liede)  den  Franken  zu  Hilfe,  wir  erfahren 
nichts  davon,  daß  sie  schon  zu  Beginn  des  fränkischen 
Feldzuges  mit  den  Thüringern  in  Fehde  liegen !  Und  trotz 
dieses  bedeutenden  Krieges  gegen  unbekannte  Feinde  fühlt 
sich  Irminfried  doch  veranlaßt,  noch  einen  Krieg  gegen 
die  Franken  einzugehen !  Sowie  dieser  Krieg  aber  beginnt, 
verschwinden  die  anderen  Feinde  plötzlich,  wir  erfahren 
nichts  mehr  von  ihnen!  Auch  die  Gründe,  die  Iring  an- 
führt, um  Irminfried  zum  Kriege  fortzureißen,  sind  dazu 
angetan,  das  ganze  Verhalten  des  Königs  in  ein  recht 
merkwürdiges  Licht  zu  rücken.  Zwar  was  Iring  zuerst 
sagt,  läßt  sich  hören :  Die  Sache  Irminfrieds  sei  die  gerechtere ; 
aber  gleich  darauf  heißt  es :  latum  praeterea  imperium,  mili- 
tum  manus  et  arma  caeterasque  belli  copias  sibi  ac  Thia- 
drico  parum  procedere. 

Hier  wird  es  klar  ausgesprochen :  Die  Macht  Irminfrieds 
reicht  nicht  an  die  Theuderichs  heran ;  wenn  der  Unterschied 
•auch  nur  klein  ist,  er  ist  aber  doch  eben  da.  Irminfried 
übernimmt  also  den  Kampf  gegen  die  Franken,  deren  Macht 
bedeutender  als  die  seinige  ist,  zu  dem  Kampf  gegen  eine 
andere  Nation,  deren  Macht  noch  bedeutender  als  die  der 
Franken  sein  soll !  Wohin  wir  uns  wenden,  lauter  Wider- 
sprüche, lauter  Unmöglichkeiten! 

Sehen  wir  uns  den  Inhalt  des  Liedes  weiter  an. 

Es  kommt  zum  Kriege,    die  erste  Schlacht  findet    „an 


188  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

den  Grenzen  der  Thüringer"  statt,  in  loco  qui  dicitur  Ri 
berguni).  Wo  diese  Schlacht  eigentlich  stattgefunden  hat, 
kann  hier  noch  unerörtert  bleiben.  Gehug,  die  Thüringer 
werden  in  die  Flucht  geschlagen,  aber  auch  die  Franken 
erleiden  solche  Verluste,  daß  in  dem  Kriegsrat,  der  sofort 
abgehalten  wird,  man  den  Gedanken  in  Erwägung  zieht,  unge- 
säumt nach  Hause  zurückzukehren.  Dieser  Kriegsrat  muß 
unmittelbar  nach  der  Schlacht  abgehalten  sein,  denn  noch  sind 
die  Toden  nicht  bestattet,  noch  ist  kein  Lager  von  den 
Franken  aufgeschlagen  ^).  Trotzdem  daß  also  dieser  Kriegs- 
rat auch  „an  den  Grenzen  der  Thüringer"  stattfinden  muß, 
behauptet  der  Sklave  des  Theuderich :  Nunc  terra  in  nostra 
est  potetaste  (!),  und,  damit  noch  nicht  genug :  Num  singulis 
urbibus  administranda  sufficimus  presidia?  Et  eas  omnes 
perdimus,  dum  imus  et  redimus. 

Kann  man  sich  einen  größeren  Widerspruch  denken? 
Der  Kriegsrat  findet  sofort  nach  der  ersten  Schlacht  an 
der  Grenze  des  Landes  statt,  und  doch  soll  das  Land  bereits 
in  der  Gewalt  der  Franken  sein,  und  doch  können  diese 
die  Befürchtung  aussprechen,  sie  würden  die  Burgen  ver- 
lieren, wenn  sie  abziehen  würden. 

Während  Theuderich  zu  den  Sachsen  schickt,  muß  das 
fränkische  Heer  (nach  dem  Liede)  weiter  gezogen  sein, 
denn  die  Sachsen  treffen  im  Lager  Theuderichs  vor  Burg- 
Scheidungen  ein.  Neun  Scharen  zu  je  tausend  Mann  sind 
es,  die  den  Kampf  gegen  die  Thüringer  wagen  wollen. 
Möglich,  daß  dies  noch  eine  Erinnerung  an  die  alten 
Tausendschaften  ist,  in  diesem  Falle  müßten  die  Elemente 
des  Liedes  bis  weit  in  die  fränkische  Zeit  hinaufreichen. 
Die  neuen  Bundesgenossen  begrüßen  den  Frankenkönig  verbis 
pacificis.     Ist  dieser  Zusatz  nicht  selbstverständlich?     Fast 


1)  Ueber  die  Lage  dieses  Ortes  vergl.  weiter  unten  im  Teil  III. 

2)  Walderich  sagt  im  Kriegsrat :  Censeo  causa  caesos  sepeliendi 
....  patriam  remeandum.  Der  Sklave  Theuderichs  sagt  im  selbea 
Kriegsrat:  castrorum  esto  labor.  (Widukind  I,  9,  Sep.-Ausg.  1882, 
S.  8  und  9. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.       189 

scheint  es  nicht,  denn  Theuderich  nimmt  den  Gruß  hilarior 
auf.  Hat  etwa  eine  Spannung  zwischen  Sachsen  und  Franken 
bestanden,  die  jetzt  durch  den  Vertrag  beseitigt  ist?  Wir 
wissen  es  nicht;  über  die  Vorgeschichte  des  Vertrages 
meldet  nicht  einmal  unser  Lied  etwas.  Die  Sachsen  schlagen 
nun  ein  Lager  auf  ad  meridianam  plagam  urbis  in  pratis 
fluvio  contiguis  d.  h.  im  Süden  der  Burg  auf  den  dem  Fluß 
benachbarten  Wiesen.  Da  sie  bei  dem  ersten  Sturm  am 
nächsten  Tage  aber  den  Fluß  nicht  zu  überschreiten  brauchen, 
so  muß  man  sich  das  Lager  zwischen  Burg  und  Fluß  denken. 
Damit  ist  nun  wieder  die  Jagdanekdote  nicht  vereinbar, 
die  ja  von  der  Voraussetzung  ausgeht,  daß  Sachsen  und 
Thüringer  durch  den  Fluß  getrennt  sind.  Ich  gebe  zu,  daß 
die  Auffassung  Größler's^),  daß  die  Sachsen  ihr  Lager 
südlich  vom  Flusse  gehabt  hätten,  sich  allenfalls  halten 
läßt;  auffallend  muß  dann  aber  die  Stellung  der  Jagdanek- 
dote bleiben.  Diese  Anekdote  gipfelt  doch  (in  der  Urquelle), 
wie  wir  gesehen  haben,  in  der  listigen  Auffindung  der  Furt, 
sie  ist  eingeschoben  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Sturm 
der  Sachsen.  Wie  kommt  es  nun  (immer  unter  der  Vor- 
aussetzung, daß  der  Fluß  Sachsen  und  Thüringer  trennt), 
daß  die  Sachsen,  um  den  zweiten  Sturm  machen  zu  können, 
erst  die  Furt  auffinden  müssen,  während  sie  doch  bereits  den 
ersten  Sturm  gemacht  haben,  ohne  die  Furt  zu  kennen? 
Diese  heikle  Frage  hat  Größler  völlig  übersehen.  Auch  hier 
liegen  wieder  unlösbare  Widersprüche  vor. 

Die  Sachsen  sind  im  Lager  Theuderichs  eingetroffen 
und  haben  dann  selbst  ihr  Lager  aufgeschlagen.  Am  nächsten 
Tage  beginnen  sie  in  aller  Frühe  den  Kampf,  stürmen  die 
Vorburg  und  stecken  sie  in  Brand.  Die  in  der  Burg  be- 
findlichen Thüringer  machen  einen  Ausfall,  es  kommt  zu 
einem  fürchterlichen  Handgemenge,  talique  spectaculo  tota 
dies  illa  trahitur.     Erst  die  Nacht  macht   dem  Treffen  ein 


1)  a.  a.  O.  S.  3ö.  Größler  hält  übrigens  die  Schilderung   des 
Angriffs  für  historisch. 


190  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Ende:  Cum  neuter  agmen  loco  cessisset,  iam  tardior  hör« 
prelium  diremit.  Dann  wird  Iring  der  Friedensunterhand- 
lungen  wegen  zu  Theuderich  geschickt,'  Theuderich  ver- 
spricht am  nächsten  Tage  mit  den  Thüringern  vereint  di« 
Sachsen  anzugreifen,  es  folgt  die  Jagdanekdote,  die  Be^ 
ratung  im  Sachsenlager,  und  dann  plötzlich  heißt  es:  Quoc 
supererat  diei  in  reficiendis  suis  corporibus  expendebant 
während  wir  doch  vorhin  schon  gehört  hatten,  daß  erst  di^ 
Nacht  dem  Treffen  ein  Ende  macht.  Bereits  in  der  erster 
Nachtwache  unternehmen  sie  den  Sturm  i).  Ich  frage,  wi« 
ist  das  chronologisch  denkbar?  Man  könnte  versucht  sei 
sich  zu  helfen,  indem  man  zwischen  den  ersten  und  zweiten^ 
Sturm  einen  ganzen  Tag  einschiebt  und  an  diesem  die 
Friedensverhandlungen  spielen  läßt,  aber  in  den  sächsischen 
Quellen  steht  davon  nichts  2). 

Was  sollen  wie  noch  das  ganze  Detail  im  Einzelnen 
nachprüfen?  Längst  ist  erkannt  worden,  daß  das  sächsische 
Löwen-  und  Drachenbanner  der  Sage  angehört  3),  und  der 
Umstand,  daß  es  teilweise  doch  zur  Schilderung  der  Ereig- 
nisse mit  verwendet  wird^),  ändert  daran  nicht  das  mindeste. 
Ehe  wir  aber  diesen  Teil  abschließen,  müssen  wir  noch 
eine  Stelle  besprechen,  die  von  Größler  zum  Ausgangspunkt 
seiner  Hypothese  gemacht  wird,  das  der  Krieg  „den  ganzen 
Sommer  hindurch"  gedauert  habe^).  Wir  meinen  die  Da- 
tierung von  Burg-Scheidungens  Einnahme  auf  den  1 .  Oktober  ^). 


1)  Die  erste  Vigilie  tritt  bekanntlich  gleich  liach  Sonnenunter- 
gang ein.  * 

2).  Damit  erledigt  sich  die  Ansicht  Koennecke's  (a.  a.  O.  S.  47) : 
„Der  Sturm  der  Sachsen  auf  die  Vorburg  und  der  verzweifelte  Aus- 
fall der  Thüringer  können  also  recht  wohl  geschichtlich  sein",  ebenso 
wie  die  Auffassung  Größler's,  der  (a.  a.  0.  S.  46  ff.)  eine  detaillierte 
Schilderung  der  letzten  Ereignisse  um  Burg- Scheidungen  giebt. 

3)  Geschichtsschreiber  d.  deutschen  Vorzeit  X,  6'^,  S.  19  n. 

4)  Kirchhoff,  Thüringen  doch  Hermundurenland.     1882,  S.  34. 

5)  Größler,  a.  a.  0.  S.  22. 

6)  Widukind,  I,  12,  Separatausgabe  1882,  S.  13.  Giesebrecht, 
Gesch.  der  deutschen  Kaiserzeit  I,  812  hält  die  Notiz  W.  für  eia- 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.       191 

Eins  ist  von  vornherein  klar:  dem  Heldenlied  kann 
dieses  Datum  nicht  entstammen.  Es  muß  Widukinds 
eigene  Zutat  sein,  der  auf  die  Datierung  folgende  Satz 
läßt  darüber  keinen  Zweifel:  Acta  sunt  autem  haec  omnia, 
ut  memoria  maiorum  prodit,  die  Kai.  Octobris.  Qui  dies 
erroris  religiosorum  sanctione  virorum  mutati  sunt  in 
ieiunia  et  orationes,  oblationes  quoque  omnium  nos  prece- 
dentium  christianorum  i).  Auch  darüber ,  daß  unter  den 
erwähnten  Festtagen  die  sog.  „gemeine  Woche"  verstanden 
ist,  ist  man  einig  ^j.  Ist  aber  die  Ableitung  selbst  richtig  ? 
Homeyer^)  nimmt  es  an  und  Grotefend^)  scheint  ebenfalls 
keine  andere  zu  kennen.  Und  doch  giebt  es  noch  eine 
andere,  freilich  wohl  auch  nur  lokalen  Ursprungs.  Trotz 
Wattenbach 's  ^)  Zitat  scheint  sie  so  gut  wie  unbekannt 
geblieben  zu  sein,  selbst  Grotefend  erwähnt  sie  nicht. 

In    einem    Sammelbande    der   Bibliothek    der    Ritter- 


geschoben, da  sie  sinnstörend  sei;  er  glaubt  allerdings,  daß  Widukind 
die  Notiz  nachträglich  selbst  eingeschoben  habe.  Die  Cronica  du- 
cum  de  Brunswick  (M.  G.  deutsche  Chronicken  II.  1877,  S.  581), 
die  auf  die  Nienburger  Annalen,  deren  Quellen  hier  wieder  Ekkehard 
und  die  Ann.  Quedlinb.  sind,  zurückgeht  (  a.  a.  O.  S.  574),  läßt  die 
Eroberung  Burg-Scheidungens  am  25.  September  534  vor  sich  gehen. 
Die  Jahreszahl  ist  sicher  falsch,  vgl.  Richter  „Annalen  der 
deutschen  Geschichte"  unter  dem  Jahre  531.  Wie  die  Chronik  zu  dem 
von  Widukind  um  6  Tage  abweichenden  Datum  kommt,  vermag  ich 
nicht  zu  sagen. 

1)  Herr  Professor  Rühl  macht  mich  darauf  aufmerksam,  daß 
der  Text  an  dieser  Stelle  völlig  korrumpiert  sein  muß.  Das  „die 
Kai.  Oct."  giebt  keinen  Sinn,  weil  es  ]'a  nachher  heißt :  qui  dies 
mutati  sunt.  Vielleicht  hat  es  ursprünglich  „circa  diem"  oder  ähn- 
lich geheißen. 

2)  Waitz,  in  s.  Widukindausgabe,  1882,  S.  13  n.  3.  Wattenbach 
in  den  „Geschichtschreiber  der  deutschen  Vorzeit"  X,  6*,  S.  21,  n.  1. 
G.  Homeyer,  Stadtbücher  des  Mittelalters,  1860,  S.  71  f. 

3)  Homeyer,  a.  a.  O. 

4)  Grotefend,  Zeitrechnung  des  deutschen  Mittelalters  und  der 
Neuzeit  I,  72  unter  „gemeine  Woche". 

5)  Wattenbach,  Geschichtschreiber  der  deutschen  Vorzeit  X,  6*, 
S.  21,  n.  1. 


192  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

akademie  zu  Brandenburg  i)  steht  eine  „Commemoracic 
sancti  episcopi  Borchardi  et  confessoris".  Dieser  Burchard 
ein  ungebildeter  Priester,  nesciens  aliatn  missam  quai 
pro  defunctis,  wird,  als  ein  Bischofswechsel  eingetreten  ist 
de  ignorancia  sui  officii   bei   dem   neuen  Bischof  verklaf 


1)  Mitteilungen   aus    den   Handschriften  der  Eitter-Akadec 
zu  Brandenburg  a.  H.  I.    Johannes  von  Hildesheim,  beigegeben  den 
22.  Jahresbericht  über  die  Eitter- Akademie  von  E.  Köpke,  Brander 
bürg  1878.    Der  für  uns  in  Betracht  kommende  Passus  findet  sie 
S.   2  f.    Commemoracio    sancti    episcopi    Borchardi    et  confessoria 
Elapso  tempore  hie  Borchardus   fuit  illiteratissimus   et  sacerdott 
simphcissimus,   nesciens  aliam  missam  quam  pro  defunctis,    quai 
devotissime,  cum  ab  affine  episcopo  suo  fuit  beneficiatus,  celebravit 
unde  per  eum  multe  anime  fuerunt  salvate.  postea   aliquo   tempore 
moritur   coUator   et   episcopus   sue  ecclesie,   et   dos   eius  cum  villa 
funditus  fuit    exusta.    Novo   episcopo  superveniente  et  villico  aüo 
succedente  Beatus  Borchardus  de  ignorancia  sui  officii  apud  novum 
episcopum  accusatur,  et  quomodo  ecclesiam  possideret  citatur  et  in- 
terrogatur.    Ille  affirmans  a  mortuo  episcopo  esse  curam,  cui  novus 
episcopus  respondit:  Si  infra  quindenam  autenticum  literarum  ves- 
tre  eure  a  primo  (?)  unius  testis   non  adhibueritis,   privabo   vos  be- 
neficio  et   officio.    Beatus  Borchardus  abiit  flens   et   iterum  flendo 
se  super  tumulum  defuncti  episcopi  locavit  auxilium  accusacionis  ab 
eo  petens.    Mortuus   vero  episcopus  divina  ordinacione  illum  con- 
solatus  est  dicens:  Breviter  tuus  episcopus  consilium  generale  habe- 
bit  cum  Omnibus  suis  prelatis  et  ciericis.    Tunc  vadas  et   compare- 
as  oboedienter,  et  sequor  te.    Et  secutus  est  eum  sicud  cum  infula, 
sua  fuit  usque  ad  kathedralem  suam  sedem,  ubi  visus  est  ab  omni^ 
bus  cuni  episcopo  sedentibus.     Qui   dum  mortuum  viderunt,  omn« 
fugierunt.    Quibus  precepit  sub  virtute  sancte  oboediencie  ut  reside- 
rent   et  eum  in  negocio  suo   audirent.    Episcopus   vero  et  alii  au-j 
dientes  obedienciam  nominare,  se  reposuerunt  ipsumque  audieruntj 

Tunc  mortuus  episcopus  affatur  episcopo  vivo  dicens:  Ci 
sanctum  Borchardum  beneficio  suo  et  officio  privare  intendetis] 
preferens  eis,  quod  quamdiu  ecclesie  sue  prefuisset  omniiun  anii 
sub  sua  cura  defunctorum  essent  salvate,  et  adiecit:  si  privaveriti^ 
sanctum  Borchardum  beneficio  et  officio,  vos  privabimus  regno 
lorum.  His  dictis  mortuus  episcopus,  dimittens  se  ab  omnibus,  re 
divit  ad  sepulchrum.  Sanctus  Borchardus  adhuc  stans  ante  sui 
presulem  graciam  exspectans,  cui  episcopus:  „Borcharde,  vis  nobi 
in  omnibus  oboedire?"  Cui  ille:  „Volo."  „Precipio  ergo  tibi  in  vic 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      193 

Dieser  droht  ihn  abzusetzen,  falls  er  innerhalb  14  Tagen 
kein  authentisches  Zeugnis  dafür  schaffen  könne,  daß  er 
seine  Kirche  zu  Recht  besäße.  Burchard  entfernt  sich 
weinend  und  klagt  am  Grabe  des  alten  Bischofs  diesem 
sein  Leid.  Der  Verstorbene  ist  bereit,  ihm  zu  helfen,  er 
erscheint  mit  ihm  in  einer  Versammlung,  die  der  Bischof 
mit  seinen  Prälaten  und  Klerikern  abhält,  und  befiehlt 
ihnen,  den  heiligen  Burchard  in  seinem  Amte  zu  belassen, 
widrigenfalls  sie  des  Himmelreichs  verlustig  gehen  würden. 
Dann  kehrt  der  Verstorbene  zu  seinem  Grabe  zurück. 
Der  neue  Bischof  tritt,  erschüttert  durch  diesen  Vorfall, 
seine  Würde  an  den  Heiligen  ab,  und  man  feiert  die  Be- 
gebenheit mit  einem  Gastmahl.  „Daher  rührt  die  Sitte 
der  Kleriker,  jährlich  an  St.  Burchardstag  ein  Gastmahl 
zu  halten.  Et  ex  isto  miraculo  communis  septimana 
sanctis  patribus  solempniter  pro  defunctis  in  memoria 
habeatur.  Tandem  sanctus  Borchardus  obdormivit  in  do- 
mino". 

Die  Identificierung  dieses  Burchard  macht  nicht  ge- 
ringe Schwierigkeiten,  vornehmlich  aus  zwei  Gründen. 
Einmal  läßt  sich  die  Geschichte,  wie  sie  hier  erzählt  wird, 
von  keinem  der  bekannten  Heiligen  dieses  Namens  nach- 
weisen 1),  und  sodann  fallen  die  Tage,    an    denen   man    die 


aancte  obediencie,  ut  capias  locum  mee  dignitatis;  et  mei  miserere." 
Et  provolutus  pedibus  eum  episcopus  cum  aliis  digne  et  alta  voce 
in  sede  sua  collocavit  omnibusque  grande  convivium  fecit.  Exinde 
inolevit  mos  clericorum  omni  anno  in  die  Sancti  Borchardi  habere 
convivium.  Et  ex  isto  miraculo  communis  septimana  sanctis  pa- 
tribus solempniter  pro  defunctis  in  memoria  habeatur.  Tandem 
sanctus  Borchardus  obdormivit  in  domino. 

1)  Die  verschiedenen  Heiligen  Verzeichnisse  führen  an:  1.  S. 
Burchardus,  Graf  von  Melun  (Acta  SS.  BoU.  26.  Febr.)  2.  S. 
Burchardus,  Abt  von  St.  Gallen.  (Mabillon  Acta  SS.  ord.  S. 
Benedicti  saec.  VI,  1.  von  Mas  Latrie  im  „trfeor  de  Chronologie" 
Paris  1889,  S.  694  als  S.  bezeichnet,  während  Potthast  Bibliotheca 
II  -,  1227  und  Grotefend  a.  a.  O.  II,  2,  75  ihn  als  v.  (venerabilis) 
bezeichnen).    Festtag:  4.  März.    3.  S.  Burchardus,  Erzbischof  von 


294  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Feste  dieser  Heiligen  gewöhnlich  feiert,  nicht  in  die  „ge- 
meine Woche  1)",  Diese  Schwierigkeit  wird  noch  dadurch 
erhöht,  daß  weder  in  der  Diöcese  Brandenburg  noch  bei 
den  Prämonstratensern  („Die  Bischöfe  und  Kapitularen  des 
Hochstifts  Brandenburg  waren  bis  zum  Jahre  1506  sämt- 
lich regulierte  Chorherren  des  Prämonstratenser-Ordens  2)". 
Die  Handschriften  des  Hochstifts  sind  zum  Teil  in  die 
Bibliothek  der  Ritter-Akademie  hinübergerettet,  und  einer 
dieser  Handschriften  entstammt  die  obige  Erzählung)  die 
Verehrung  eines  Heiligen  Namens  Burchard  sich  nach- 
weisen läßt  •'^).  In  Betracht  kommt  für  uns  eigentlich 
nur  Bischof  Burchard  von  Würzburg,  da  dieser  sein  Fest 
meistenteils  am  14.  Oktober  hat.  Wenn  nun  auch  der 
vierzehnte  Oktober  nicht  mehr  in  die  „gemeine  Woche" 
fällt,  so  erinnern  wir  uns  daran,  daß  die  Feste  der  Heiligen 
örtlich  verschieden  gefeiert  werden.  Da  nun  in  der  Diö- 
cese Lebus,  die  der  Diöcese  Brandenburg  benachbart  ist^), 
der  Tag  des  heiligen  Burchard  am  6.  Oktober,  also  ge- 
nau eine  Woche  nach  Michaelis,  gefeiert  wird,  ferner  der 
Heilige  im  Lebuser  Diöcesankalender   als  cf.  (=  confessor) 


Vienne.  (Acta  SS.  BoU.  19.  Augost,  nur  Mas  Latrie  führt  ihn 
auf,  bei  Potthast  und  Grotefend  fehlt  er.)  4.  B.  Burchardus,  Pres- 
byter in  der  Schweiz.  (Acta  SS.  Boll.  20.  August.  Mas  Latrie 
bezeichnet  ihn  a.  a.  0.  als  pretre  et  conf.  en  Suisse.  5.  S.  Burchar- 
dus, Bischof  von  Worms  (Mas  Latrie  bezeichnet  ihn  fälschlich  als^ 
S.;  nach  Grotefend  a.  a.  O.  II,  2,75  ist  er  nie  kanonisiert  worden. 
In  den  Acta  SS.  Boll.  fehlt  seine  Vita).  6.  S.  Burchardus,  Bischof 
von  Würzburg.     (Acta  SS.  Boll.  14.  Oktober). 

1)  Grotefend  erklärt  a.  a.  O.  I,  72  die  „gemeine  Woche"  als 
„meist  die  volle  Woche  nach  dem  Michaelisfeste"  (29.  Sept.)  Der 
Halbcrslädter  ordo  divinus  versteht  unter  der  gemeinen  Woche  die 
Woche  nach  Remigius  (1.  October),  vgl.  die  Nachweise  bei  Grote- 
fend a.  a.  O. 

2)  E.  Köpkc,  a.  a.  0.  S.  1. 

3)  Vgl.  die  entsi:)rechenden  Diöcesan-'  und  Ordenskalender  bei 
Grotefend  a.  a.  O.  II,  1,  14  ff.  II,  2,  48  ff. 

4)  Spruner-Menke,  Handatlas  1880,  Karte  no.  42. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      X95 

auftritt  1),  so  dürfte,  zumal  da  der  heilige  Burchard  in 
der  Überschrift  unserer  Erzählung  auch  als  confessor  er- 
scheint, die  Ableitung  der  „gemeinen  Woche"  von  dem 
heiligen  Burchard  ein  geistiges  Produkt  der  Lebuser  Diö- 
cese  sein. 

Wir  haben  jetzt  die  Wahl  zwischen  beiden  Erklärungen, 
derjenigen  Widukinds  und  derjenigen  der  Brandenburger 
Handschrift,  Aber  gerade  der  Umstand,  daß  beide  Erklärungen 
rein  lokaler  Natur  sind,  führt  auf  die  Vermutung,  daß  auch 
Widukinds  Ableitung  erfunden  ist.  Die  „gemeine  Woche", 
die  sich  in  einem  großen  Teil  von  Deutschland,  und  nicht 
bloß  auf  sächsischem  Stammesboden  nachweisen  läßt  ^),  sollte 
ihren  Ursprung  einem  lokalen  Ereignis  verdanken,  mag  es 
nun  die  Eroberung  von  Burg-Scheidungen  durch  die  Sachen 
oder  die  wunderbare  Erhebung  des  heiligen  Burchard  auf 
den  Bischofsstuhl  sein?  Wie  sagt  doch  der  Halberstädter 
ordo  divinus?  In  illa  septimana  erunt  communes  orationes 
tam  pro  vivis  quam  pro  defunctis.  Und  ähnlich  heißt  es 
in  der  Brandenburger  Handschrift:  Et  ex  isto  miraculo 
communis  septimana  sanctis  patribus  solempniter  pro  defunctis 
in  memoria  habeatur.  Die  gemeine  Woche  ist  also  eine 
Gedächtniswoche  für  die  Toten,  sie  vertritt  die  Stelle  des 
späteren  Festes  Allerseelen  ^),  ja,  zuweilen  werden  bestimmte 
Tage  in  ihr  als  „aller  selentag"  oder  „seledage"  bezeichnet, 
auch  lateinische  Bezeichnungen  finden  sich:  com'memoratio 
omnium  animarum,  memoria  omnium  animarum  *).  Und  hier 
drängt  sich  uns  eine  neue  Frage  auf:  hängt  vielleicht  die 
gemeine  Woche  mit  dem  Feste  Allerseelen  zusammen,  und 
inwiefern  hängt  sie  zusammen  ? 

1)  Grotefend,  a.  a.  O.  II,  1,  101.  II,  2,75. 

2)  Vgl.  die  Nachweise  bei  Grotefend  a.  a.  0. 1.  S.  72  f.  er  führt 
Beispiele  an  aus:  Halberstadt,  Duderstadt,  Frankfurt a.  M.,  Bremen, 
Mecklenburg,  Stolberg,  Oldenburg,  Braunschweig,  Verden,  Jena, 
Niederrhein. 

3)  „Die  Feier  des  2.  November  als  Allerseelen-Tag  drang  in 
Norddeutschland  erst  spät  ein".    Grotefend  a.  a.  0.  I,  8.  73. 

4)  Die  Nachweise  bei  Grotefend  a.  a.  O.  I,  S.  73. 


196  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Nach  Widukinds  Bericht  (er  hat  im  Jahre  967  ge- 
schrieben) bleibt  es  300  Jahre  lang  still,  in  keiner  Quelle 
finden  wir  die  „gemeine  Woche"  erwähnt,  bis  sie  1243 
plötzlich  in  dem  sog.  scriptum  super  Apocalypsim  auftaucht  i). 

Urkundlich  erscheint  sie  selbst  in  jener  Zeit  noch  nicht, 
erst  vom  Jahre  1304  an  kommt  sie  in  Diplomen  vor,  zuerst 
(d.  h.  1304)  auf  thüringischem  Boden  in  einer  Urkunde 
der  Herren  von  Heldrungen  ^).  Von  da  ab  erscheint  sie 
öfter  und  läßt  sich  bis  zum  16.  Jahrhundert  einschließlich 
—  das  letzte  uns  bekannte  Beispiel  stammt  aus  dem  Jahre 
1536  und  findet  sich  in  den  Schmalkaldischen  Artikeln 
(art.  2  de  Missa)^)  —  nachweisen;  im  17.  Jahrhundert 
scheint  sie  nicht  mehr  vorzukommen.  Wahrscheinlich  wird 
sie  um  diese  Zeit  durch  die  Feier  des  2.  November  als 
Allerseelentag  verdrängt.  „Diese  drang  in  Norddeutschland 
erst  spät  ein,  die  liturgischen  Bücher  der  Diöcesen  Verden, 
Paderborn,  Osnabrück  und  Minden  aus  der  ersten  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts  führen  dieselbe  noch  nicht  im  Kalender 
auf*)".  Muß  es  schon  eigentümlich  berühren,  daß  wir  nach 
Widukind  fast  300  Jahre  lang  von  der  „gemeinen  Woche" 
nichts  hören,  so  muß  es  noch  mehr  überraschen,  daß  zu 
Widukinds  Zeiten  die  Feier  eines  Gedächtnistages  für  die 
Verstorbenen  überhaupt  noch  nicht^  gesetzlich  geregelt  war. 
Erst  Abt  Odilo  von  Cluny  (994—1048)  hat,  angeblich  durch 
die  Vision  eines  Pilgers  bewogen,  das  Pest  Allerseelen 
eingeführt. 

Man  pflegt  sich  auf  eine  Stelle  Sigeberts  von  Gembloux  ^) 
zu  stützen,  wenn  man,  wie  es  gewöhnlich  geschieht,  die 
Einführung  des  Festes  Allerseelen  im  Jahre  998  stattfinden 
läßt,  da  eben  bei  diesem  Jahre  Sigebert  die  Legende  bringt, 
im  Anschluß  an  die  Thronerhebung  Papst  Agapits. 


1)  Vgl.  Wattenbach,  Geschichtsquellen  II'',  S.  254. 

2)  Haltaus,  calendariura  medii  aevi  etc.  Lipsiae  1729,  S.  136. 

3)  Haltaus  a.  a.  O.  S.  136. 

4)  Grotefend  a.  a.  0.  I,  S.  73. 

5)  M.  G.  SS.  VI,  S.  353. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      197 

Ernst  Sackur  hat  neuerdings  diese  Auffassung  in  ihren 
Grundfesten  erschüttert  i).  Er  zeigt,  daß  Sigebert  in  völlig 
unberechtigter  Weise  zwei  Nachrichten,  den  Bericht  über 
den  sagenhaften  Papst  mit  der  Erzählung  über  die  Einführung 
des  Allerseelentages  (Marianus  Scotus  und  die  Vita  Odilonis 
von  Jotsald)  verbunden  hat.  Er  setzt  vermutungsweise 
die  Einführung  des  Festes  Allerseelen  in  den  Anfang  der 
dreißiger  Jahre  des  11.  Jahrhunderts,  ohne  jedoch  den  Be- 
weis hierfür  antreten  zu  können.  So  viel  steht  immerhin 
fest:  unter  Abt  Odile  von  Cluny  ist  die  Einführung  des 
Festes  erfolgt,  zunächst  jedoch  nur  innerhalb  des  Cluniacenser- 
ordens,  erst  Papst  Leo  IX.  (1048 — 1054)  soll,  einer  An- 
gabe der  Vita  S.  Bertulfi  zufolge,  den  neuen  Festtag  in 
die  gesamte  Kirche  eingeführt  haben  2). 

Aber  nun  wird  die  Stelle  Widukinds  noch  unverständlicher. 
Wer  sind  denn  diese  „religiosi  viri",  durch  deren  sanctio 
„diese  Tage  des  Irrtums  verwandelt  sind  in  Fasten  und 
Gebetstage  und  in  Opfergaben  für  alle  Christen,  die  vor 
uns  gelebt  haben"  ?  Widukind  spricht  davon,  wie  von  etwas 
ganz  Bekanntem,  wir  aber  jSnden  in  der  gesamten  Litteratur 
des  Mittelalters  vor  1243  keinen  weiteren  Beleg  für  seine 
Angaben.  Man  kommt  unwillkürlich  auf  den  Verdacht,  daß 
die  Stelle  erst  später  eingeschoben  sei,  aber  diesen  Verdacht 
müssen  wir  in  etwas  gleich  einschränken. 

Abgesehen  von  der  ersten  Ausgabe  Widukinds,  die  1532 
von  Martin  Frecht  nach  einem  jetzt  verlorenen  Ebersbacher 
Kodex  veröffentlicht  ward,  ist  uns  das  Geschichtswerk  des 
Korveyer  Mönches  in  drei  Handschriften  überliefert  3). 
Alle  drei  gehören  dem  12.  Jahrhundert  an,  die  eine  vielleicht 
sogar  schon  dem  ausgehenden  11.  Jahrhundert,  alle  drei 
bringen  jenen  in  Frage  stehenden  Satz,  also  muß  jene  Er- 
wähnung der  gemeinen  Woche  sicherlich  dem  11.  Jahrhundert 


1)  E.  Sackur,  Die  Cluniacenser,  1894,  II,  S.  475  ff. 

2)  E.  Sackur  a.  a.  O.  II,  S.  231. 

3)  Vgl.  hierzu  und  zum  Folgenden  die  Separatauegabe  Widu- 
kinds von  Waitz,  1882,  S.  XII  f. 

XXII.  14 


198  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

angehören,  vielleicht  hat  sie  gar  schon  als  Randglosse  im 
Archetypus  gestanden.  .Daß  wir  es  hier  mit  einer  Rand- 
glosse zu  tun  haben,  ergibt  sich  mit  ^hoher  Wahrschein- 
lichkeit aus  dem  folgenden:  His  itaqde  omnibus  peractis 
reversi  sunt  ad  Thiadricum  in  castra,  wo  das  Subjekt  aus 
der  Erzählung  der  Sachsenfeier  (sc.  Saxones)  ergänzt  werden 
muß.  Am  wahrscheinlichsten  bleibt  es  immer,  daß  diese 
Glosse  bereits  im  Archetypus  gestanden  hat,  denn  die  drei 
Handschriften,  die  uns  vorliegen,  sind  völlig  unabhängig 
von  einander  und  geben  doch  alle  drei  das  Datum  und 
den  Erläuterungssatz  an. 

Wie  schade,  daß  wir  nicht  jene  Notiz  Sigeberts  ver- 
werten dürfen!  Möglich,  daß  der  Schreiber  der  Glosse  — 
daß  es  Widukind  selbst  ist,  ist  nach  dem  Stil  sehr  wahr- 
scheinlich —  tatsächlich  die  Einführung  des  Festes  Aller- 
seelen im  Auge  gehabt  hat,  daß  mit  den  religiös!  viri  die 
Cluniacenser  gemeint  sind.  In  diesem  Falle  müßte  Widu- 
kind —  immer  unter  der  Voraussetzung,  daß  Sigebert  die 
richtige  Jahreszahl  hat  —  noch  nach  dem  Jahre  998  gelebt 
haben.  Aber  mit  dem  Nachweis,  daß  Sigeberts  Verfahren 
ungerechtfertigt  ist,  müssen  wir  uns  aller  Kombinationen 
enthalten. 

Und  vielleicht  läßt  sich  doch  etwas  gegen  den  Zusammen- 
hang der  „gemeinen  Woche"  mit  dem  Feste  Allerseelen 
geltend  machen,  der  Umstand  nämlich,  daß  in  manchen 
Diöcesen  mehrere  Gedenktage  für  die  Verstorbenen  im  Jahre 
stattzufinden  pflegten.  Nur  eine  einzige  Urkunde  ist  es, 
die  hierüber  Aufschluß  erteilt.  In  einer  Verordnung  des 
Willehadkapitels  zu  Bremen  über  die  Verteilung  der  an 
gewissen  Tagen  bei  den  Altären  dargebrachten  frommen 
Gaben  und  über  die  Feier  der  Leichenbegängnisse  —  diö 
Urkunde  stammt  wahrscheinlich  aus  dem  Jahre  1308  — 
heißt  es  ^) :  Sed  sacerdos  cuius  est  prior  missa  in  die  nativi-^ 
tatis  domini,    habebit    de  oblationibus   huiusmodi   dimidium 


1)  Bremer  Ürkundenbuch  II,  91,  S.  97. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      199 

fertonem,  in  pasche  XV  solidos,  in  die  pentecostes  unum 
lotonem,  in  tribus  autem  diebus  animarum  ebdo- 
medarius  recipiat  oblationes  prioris  misse.  Und  weiter :  Nota 
quod  constitutum  est  a  canonicis  ecclesiae  beati  Willehadi, 
quod  in  octava  pentecostes  dictis  vesperis  maiores  vigilie 
sollempniter  dicantur  pro  animabus  fidelium  defunctorum 
et  simile  debet  fieri  post  festum  beati  Micha- 
elis in  septimana  beati  Dyonisii  martiris,quan- 
do  agitur  memoria  fidelium  defunctorum. 

Wir  sehen,  es  wird  nicht  nur  einmal  im  Jahre  für  die 
Seelen  der  Verstorbenen  von  der  Kirche  gebetet. 

Die  Bestimmung,  die  memoria  defunctorum  falle  post 
festum  beati  Michaelis  in  septimana  beati  Dionysii  martiris, 
paßt,  wenigstens  auf  das  Jahr  1308,  dem  die  Urkuüde 
wahrscheinlich  angehört,  vortrefflich.  Die  „gemeine  Woche" 
ist  doch,  wie  wir  gesehen  haben,  die  volle  Woche  nach 
Remigius^);  da  der  1.  Oktober  1308  aber  ein  Dienstag  war, 
so  muß  die  „gemeine  Woche"  in  diesem  Jahre  von  Sonntag 
den  6.  Oktober  bis  Sonnabend  den  12.  Oktober  gereicht 
haben. 

Das  Fest  des  heiligen  Dionysius  fftUt  aber  auf  den 
9.  Oktober.  Man  wird  zur  näheren  Fixierung  der  „gemeinen 
Woche"  diesen  Tag  gewählt  haben,  weil  Dionysius  der 
bekannteste  der  Heiligen  war,  die  in  der  Zeit  vom  6.  bis 
12,  Oktober  ihr  Fest  haben.  Zugleich  geht  aber  aus  dieser 
Tatsache,  daß  man  zur  Fixierung  einen  Tag  wählte,  der 
nicht  unter  allen  Umständen  in  die  „gemeine  Woche"  fiel, 
hervor,  daß  dieser  Erlaß  nur  für  das  betreffende  Jahr  be« 
stimmt  sein  konnte. 

Wir  kehren  zu  Widukind  zurück.  Wir  haben  gesehen, 
daß  die  Notiz  über  die  „gemeine  Woche"  wahrscheinlich 
eine  Glosse  ist,  die  vielleicht  schon  von  Widukind  selbst 
geschrieben,  jedenfalls  im  11.  Jahrhundert  bereits  vorhanden 
war.     Aber   die  Frage,    von  der   wir  ausgingen,  haben  wir 


1)  vergl.  oben  S.  194,  n.  1. 

14* 


200  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

noch  nicht  beantwortet:  ist  die  Ableitung  der  „gemeinen 
Woche"    von    der    Eroberung    Burg-Scheidungens    richtig? 

Ein  naheliegender  Gedanke  ist,  daß  ursprünglich  in 
heidnischer  Zeit  um  den  1.  Oktober  herum  ein  Götterfest 
gefeiert  wurde,  das  die  katholische  Kirche  später  in  ein 
christliches  Fest  umwandelte.  Schon  Widukind  deutet  das 
an  1),  wenn  er  sagt:  (Saxones)  secundum  errorem  paternum 
Sacra  sua  propria  veneratione  venerati  sunt ;  nomine  Martern, 
effigie  columpnarum  imitantes  Herculem,  loco  Solem,  quem 
Graeci  appellant  Apollinem.  Ex  hoc  apparet  aestimationem 
illorum  utcumque  probabilem,  qui  Saxones  originem  duxisse 
putant  de  Graecis,  quia  Hirmin  vel  Hermis  Graece  Mars 
dicitur. 

Daß  hier  Ares  und  Hermes  verwechselt  sind,  darüber 
besteht  kein  Zweifel.  Wir  sehen  aber:  die  Sachsen  ver- 
ehren zur  Feier  ihres  Sieges  ihr  Heiligtum,  das  „dem  Namen 
nach  den  Mars  vorstellt",  —  eine  Feier  zu  Ehren  ihres 
Kriegsgottes.  „Das  Fest  fand  dem  Irmin  zu  Ehren  statt, 
der  durch  seinen  Namen  an  Hermes-Mars  erinnert  ^j".  Das 
Fest  ist  dreitägig,  acta  sunt  autem  haec  omnia,  ut  maiorum 
memoria  prodit,  die  Kalendis  Octobris,  also  muß  es  entweder 
am  29.  September,  30.  September  oder  1.  Oktober  begonnen 
haben. 

Zum  Vergleich  ziehen  wir  eine  Parallelüberlieferung 
heran.  Wahrscheinlich  unter  den  Karolingern  oder  Ottonen  ^) 
ist  das  sog.  excerptum  ex  Gallica  historia  entstanden,  das 
man  früher  wohl  auf  Caesar  oder  Velleius  Paterculus 
zurückführte  *). 


1)  Separatausgabe  1882,  S.  12  f.  (c.  12). 

2)  K.  Koppmann,  „Irmin  und  St.  Michael"  im  Jahrbuch  des 
Vereins  für  Niederdeutsche  Sprachforschung  II,  1876,  S.  il4.  Ich 
folge  im  weiteren  den  Ausfühnmgen  Koppmann's,  ergänze  sie  aber 
teilweise. 

3)  M.  G.  SS.  XXIII,  S.  387. 

4)  So  Wolfg.  Lazius,  Commentariorum  reipublicae  Romanac 
libri  duodecim.    Basileae  (1551),  S.  85. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      201 

Es  erzählt  von  einem  Sieg  der  Schwaben  über  die 
Römer    bei   Augsburg  ^) :    Germanorum    gentes,    qui    Retias 

occupaverant,     non    longe    ab    Alpibus ,    ubi    duo 

rapidissimi  amnes  inter  se  confluunt,  in  ipsis  Noricis  finibus 
civitatem  non  quidem  muro,  set  vallo  fossaque  cinxerant, 
quam    appellabant    Cizarim,    ex   nomine    deae    Cizae,    quam 

religiosissime     colebant Hanc    urbem    (Augsburg 

ist  gemeint)  Titus  Annius  praetor  ad  arcendas  barbarorum 
excursiones  Kalendis  Sextilibus  exercitu  circumvenit. 
Die  Belagerungsmaßregeln  werden  geschildert,  dann  heißt 
es  weiter :  Igitur  quinquagesimo  nono  die,  quam  eo 
ventum  est,  cum  is  dies  deae  Cizae  apud  barbaros  (sc.  Suevos) 
celeberrimus  ludum  et  lasciviam  magis  quam  formidinem 
üstentaret,  immanis  barbarorum  (sc.  Suevorum)  multitüdo 
e  proximis  silvis  repente  erumpens  ex  improviso  castra  irrupit, 
equitatum   omnem    et,    quod  miserius  erat  auxilia  sociorum 

delevit Oppidani  vero  non  minori  fortuna,  set  maiori 

virtute  praetorem  in  auxilium  sociis  properantem  adoriuntur, 

Romani  haud  segniter  resistunt Et  inclinata  iam  res 

oppidanorum  esset,  ni  maturassent  auxilium  ferro  socii,  in  altera 
ripa  iam  victoria  potiti.  Denique  coadunatis  viribus  castro 
irrumpunt,  praetorem,  qui  paulo  altiorem  tumulum  frustra 
ceperat,  Romana  vi  resistentem  obtruncant,  legionem  divinam, 
ut  ne  nuntius  cladis  superesset,  funditus  delent. 

Otto  von  Freising  nennt  diesen  Hügel,  der  später  die 
Gebeine  der  Erschlagenen  deckte,  perleich  2).  Im  Ja?hre  1064 
sind,  wie  Grimm  angiebt  3),  Stift  und  Kirche  St.  Peter  auf 
dieser  Anhöhe  gegründet  worden.  „Auf  dem  Perlachturm  war 
ein  Bild  des  heiligen  Michael  angebracht,  das  am  Michaelis- 
feste bei  jedem  Glockenschlage  zum  Vorschein  kam"  *). 

Jene  Augsburger  Tradition  berichtet  nun  doch,  daß  am 
Tage  der  Göttin  Cisa,  der  der  29.  September  gewesen  sein 

1)  M.  G.  SS.  XXIII,  .s.  388. 

2)  Ottonis  Fris.  chronicon,  III,  3.  (M.  G.  SS.  XX,  8.  173.) 

3)  J.  Grimm,  Mythologie,  S.  274«. 

4)  Grimm,  Mythologie,  S.  274  S  n.  3. 


202  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

muß  —  denn  der  59.  Tag  nach  den  Kaienden  des  August 
ist  der  29.  September  — ,  ein  Siegesfest  gefeiert  wurde  zur 
Erinnerung  an  einen  errungenen  Sieg.     ^ 

Wenn  nun  auch,  wie  Bachlechner  gezeigt  hat^),  der 
Name  der  Göttin  Cisa  wahrscheinlich  auf  ein  Mißverständnis 
zurückgeht,  so  bleibt  doch  die  Tatsache  des  Siegesfestes 
bestehen.  „Beide  Erzählungen  (sc.  Widukind  und  die 
Augsburger  Tradition)  gehören  offenbar  zusammen,  be- 
glaubigen und  erläutern  einander"  ^).  Am  29.  September 
wird  bei  den  Sachsen  und  Schwaben  ein  Siegesfest  gefeiert, 
sollte  es  sich  nicht  vielleicht  um  ein  gemeingermanisches 
Fest  zu  Ehren  des  Kriegsgottes  (Ziu  oder  Irmin)  handeln? 
Erwägen  wir,  daß  erst  813  auf  dem  Konzil  zu  Mainz  der 
29.  September  als  Tag  des  heiligen  Michael  in  die  deutsche 
Kirche  eingeführt  wurde  ^)  erwägen  wir  ferner,  daß  St.  Michael, 
„der  Erzengel,  bei  dem  der  Sieg  ist",  im  Muspilli  dem 
Antichrist  das  Haupt  spaltet,  der  in  den  Ungarnschlachten 
von  933  und  955  den  Sachsen  voranzieht*),  so  wird  es  in 
der  Tat  klar  —  wir  wissen  ja,  daß  die  katholische  Kirche 
mit  Vorliebe  ihre  großen  Feste  auf  heidnische  Festtage 
verlegt  hat  — ,  daß  am  29.  September  das  Fest  des  ger- 
manischen Kriegsgottes  war.  Ein  dreitägiges  Fest,  das  mit 
diesem  Tage  beginnt,  mußte  also  mit  dem  1.  Oktober  schließen. 
„Acta  sunt  autem  haec  omnia,  ut  maiorum  memoria  prodit, 
die  Kaien dis  0 ctobris." 

Verstehen  wir  jetzt  den  Sinn  dieses  Satzes?  Was 
ist  natürlicher,  als  an  das  Fest  des  Krieggottes,  das  man 
feiert,    die    Erinnerung   an    gewonnene    Siege    anzuknüpfen. 


1)  Haupt's  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum  VIII,  S.  587. 

2)  Koppmann  a.  a,  O,  S.  115. 

3)  Die  Aachener  Synode  von  809  führt  in  ihrer  Aufzählung 
der  Feste  das  des  heiligen  Michael  noch  nicht  auf.  Zuerst  erscheint 
es  in  den  Akten  der  Mainzer  Synode  von  813,  vgl.  Mansi  sacrorum 
conciliorum  collectio  XIV,  S.  73,  can.  36  und  H.  Kellner,  Heortologie, 
1901,  S.  15. 

4)  Koppmann  a.  a.  O.  S.  115. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      203 

Und  dazu  kommt  noch  eins.  Koppmann  hat  in  schöner 
"Weise  darauf  hingewiesen  i).  „Mit  dem  Siegesfeste  zu  Ehren 
Irmins  war  eine  Totenfeier  für  die  Verstorbenen  verbunden. 

St.  Michael  heißt  praepositus  paradisi  *)    et    princeps 

animarum,  er  gilt  als  Empfänger  und  Wäger  der  Seelen." 
So  konnte  sich  am  Michaelistage  eine  Totenfeier  ausbilden, 
in  der  man  den  Heiligen  nicht  als  den  siegbringenden  Erz- 
engel, sondern  als  den  praepositus  paradisi  verehrte. 

Warum  später  allerdings  diese  Totenfeier  in  der  Form 
einer  Woche  erscheint,  ist  uns  völlig  verborgen;  vielleicht 
ist  schon  früh  das  Fest  des  heiligen  Michael  mit  einer 
Oktave  versehen  worden,  und  dies  der  Ursprung  der 
„gemeinen  Woche"  ^).  Die  Umwandlung  muß  ins  11.,  12. 
oder  13.  Jahrhundert  fallen,  denn  Widukind  erwähnt  die 
„gemeine  Woche"  noch  nicht;  bei  ihm  sind  es  nur  die 
dies  erroris,  die  „durch  die  Heiligung  frommer  Männer", 
vielleicht  das  Konzil  von  813,  verwandelt  sind  in  Fasten 
und  Gebetstage. 

Es  ist  ein  Akt  der  großartigsten  Volksdankbarkeit, 
wenn  das  Volk,  und  mit  ihm  Widukind,  die  „gemeine 
Woche"  an  die  Einnahme  Burg  Scheidungens  durch  die 
Sachsen  knüpft.  In  der  Tat,  was  konnte  verlockender  sein, 
als  die  Feier  der  Woche,  in  der  man  Gebete  für  die  Ver- 
storbenen zum  Himmel  sandte,  an  ein  Ereignis  anzuknüpfen, 
durch  das  6000  Sachsen  ihr  Streben,  ihrem  Volk  neues 
Land  zu  gewinnen,   mit  ihrem  Blut    bezahlt  hatten-.*),    eiHe 


1)  Koppmann  a.  a.  O.  S.  115. 

2)  Vgl.  den  codex  tradit.  Wessofont.  in  den  Monumenta  Boica 
VIII,  S.  371. 

3)  Heute  wird  die  Oktave  des  Michaelisfestes  überall  begangen, 
und  zwar  am  6.  Oktober.  Vgl.  Grotefend,  Zeitrechnung  II,  2,  S.  143. 
Die  oben  gegebene  Erklärung  hat  den  Fehler,  daß  die  Definition  der 
„gemeinen  Woche",  wie  sie  der  Halberstädter  ordo  divinus  gibt,  sich 
mit  ihr  nicht  in  Einklang  bringen  läßt.  Ob  die  Halberstädter  De- 
finition erst  das  Produkt  einer  späteren  Entwickelung  ist? 

4)  Widukind  I,  9,  de  Saxonibus  vero  numerati  sunt  sex  mlli» 
caesa. 


204  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Tat  zudem,  durch  die  die  Sachsen  sich  zum  ersten  Male 
den  Pranken  überlegen  gezeigt  hatten.  Und  gerade  bei 
einem  Schriftsteller,  wie  Widukind,  der  durch  und  durch 
Sachse  ist,  mußte  sich  eine  derartige  Kombination  am 
ehesten  finden. 

Und  nun  fragen  wir  nochmals:  ist  die  Hypothese  Größ- 
lers, daß  der  Thüringerkrieg  den  ganzen  Sommer  gedauert 
habe,  da  die  Franken  bereits  im  Frühjahr  auszurücken 
pflegten  i),  und  die  Eroberung  der  Burg  erst  am  1.  Oktober 
vor  sich  ging,  berechtigt?  Wir  können  diese  Frage  nur 
verneinen,  da  wir  eben  gesehen  haben,  auf  welchen  Grund- 
lagen diese  Kombination  beruht.  Über  die  Dauer  des 
Krieges  gewährt  uns  die  Stelle  Widukinds  durchaus  keinen 
Aufschluß. 

Als  Resultat  dieses  Abschnittes  dürfen  wir  aussprechen : 

Bei  einer  eingehenden  Prüfung  der  sächsischen  Quellen 
stellt  sich  heraus,  daß  sie  historisch  durchaus  unglaub- 
würdig sind.  Einige  Tatsachen  mögen  vielleicht  wahr 
sein,  die  Methode  zeigt  uns  aber  keinen  Weg  zu  ihnen  zu 
gelangen.  Daher  dürfen  diese  Quellen  für  eine  Darstellung 
des  Thüringerkrieges  von  531  unter  keinen  Umständen 
verwendet  werden.  Der  Grund  dazu  liegt  in  nicht  weg- 
zuschaffenden inneren  Widersprüchen.  Auch  das  Datum 
der  Einnahme  ßurg-Scheidungens  ist  nicht  historisch. 

Von  diesem  Verdikt  nicht  berührt  bleiben  vorläufig 
nur  die  Schlachtorte. 

Fast  scheint  es,  als  ob  wir  gezwungen  sind,  auch  die 
Sachsenhilfe  zu  leugnen,  aber  diese  ist,  wie  wir  versuchen 
werden  zu  zeigen,  wirklich  historisch;  mit  der  Erörterung 
dieser  Frage  verlassen  wir  das  Gebiet  der  Sage  und  treten 
in  das  der  Geschichte  ein. 


1)  Es  ist  kein  Grund  vorhanden  anzunehmen,  daß  die  Franken 
gerade  in  diesem  Jahre  von  ihrer  Gewohnheit  abgewichen  seien.  Gre- 
gor sagt  zwar  nichts  über  den  Zeitpunkt  ihres  Ausrückens,  indes 
spricht  dieser  Umstand  gerade  zu  unsern  Gunsten,  da  er  eine  Ab- 
weichung von  der  Regel  wohl  verzeichnet  haben  würde. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      205 

Teil  OL   Kritik  der  historischen  Probleme. 

Außerordentlich  dürftig  ist,  was  uns  übrig  bleibt.  Nie 
wird  es  gelingen,  jene  furchtbare  Katastrophe  im  Einzelnen 
aufzuhellen,  nur  die  Umrisse  der  Ereignisse  festzustellen, 
kann  unsere  Aufgabe  sein. 

An  Quellen  bleiben  uns  nur  die  fränkischen  Autoren 
nebst  Prokop  und  Rudolf  von  Fulda. 

Rudolfs  translatio  S.  Alexandri  ist  zwischen  851  und 
865 1),  also  rund  100  Jahre  vor  Widukind  geschrieben. 
Sagenbildung  ist  auch  bei  ihm  nicht  zu  verkennen,  aber  die 
Ausgestaltung,  die  die  Sage  durch  unser  Lied  erhalten  hat, 
ist  ihm  noch  völlig  fremd.  Trotzdem  wird  man  gut  tun, 
ihm  nicht  zu  viel  Glauben  zu  schenken,  denn  die  Elemente 
der  Sage  sind  ihm  auch  vertraut.  Irminfried  ist  der 
Schwager  Theuderichs,  er  ist  dux  Thuringorum,  wodurch 
natürlich  das  Abhängigkeitsverhältnis  des  Thüringerkönigs 
von  den  Franken  angedeutet  werden  soll.  Vor  allem  aber 
berichtet  auch  er  die  Hilfe  der  Saohsen,  ihr  „Herzog"  heißt 
hier  Hadugoto,  bei  Widukind  Hathagat  ^). 

Kann  es  als  historisch  richtig  betrachtet  werden,  daß 
die  Sachsen  den  Franken  zu  Hilfe  gekommen  sind?  Zweifel 
hat,  soweit  wir  sehen,  niemand  ausgesprochen.  Nach  Lorenz  ^) 
geht  die  Mithilfe  der  Sachsen  „sicherlich  auf  historischen 
Kern  zurück.  Liefert  ihm  (sc.  Widukind)  auch  die  Volks- 
überlieferung den  Stoff  zur  Darstellung  des  Gegenstandes, 
so  ist  auch  zu  berücksichtigen,  wie  fest  sich  dieselbe  an 
historische  Vorgänge  und  namentlich  an  ein  so  wichtiges 
Ereignis,  wie  den  Feldzug  von  531  klammert." 

Könnecke  ^)  hält  es  für  klar,  daß  die  Sachsenhilfe  „von 
den  sächsischen  Geschichtsschreibern  nicht  aus  der  Luft 
gegriffen  sein  kann",  und  Größler  5)  weist  sogar  seinen  Vor- 


1)  Wattenbach,  Geschichtsquellen  I«,  238  f. 

2)  Bei  Widukind  ist  Hathagat  nur  veteranus  miles. 

3)  Lorenz,  a.  a.  O.  S.  374. 

4)  Koennecke,  a.  a.  0.  S.  26. 

5)  Größler,  a.  a.  O.  S.  18  f. 


206  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

ganger  Lorenz  scharf  zurecht,  weil  dieser  „das  Maß  und 
die  Bedeutung  der  Sachsenhilfe  in  die  gebührenden  Schran- 
ken weisen"  will  ^).  Die  Gründe  von  >Lorenz  und  Kön- 
necke erledigen  sich  aber  durch  den  Hinweis,  daß  wir  ebenso, 
falls  uns  die  fränkischen  Quellen  hier  im  Stich  ließen,  Ir- 
minfried  für  einen  Schwager  Theuderichs  halten  müßten. 
„Wie  fest  klammert"  sich  nicht  diese  „Tatsache"  an 
historische  Vorgänge  an,  der  ganze  Krieg  entspringt  ja, 
nach  den  sächsischen  Quellen,  aus  ihr.  „Daß  sie  nicht 
aus  der  Luft  gegriffen  sein  kann,  ist  klar." 

Sehr  viel  schwerwiegender  ist  der  Einwand  Größler's  2) : 
„Was  soll  es  da  heißen,  wenn  Lorenz  meint,  die  Bedeutung 
und  das  Maß  der  Sachsenhilfe  müsse  in  die  gebührenden 
Schranken,  gewiesen  werden?  Kann  etwa  die  Tatsache 
umgestoßen  werden,  daß  seit  dem  Sturze  des  thüringischen 
Königreichs  durch  die  Tranken  das  ganze  Nordthüringer 
Land  Sachsenboden  geworden  und  seitdem  geblieben  ist, 
jene  Tatsache  die  den  Anstoß  dazu  gab,  daß  der  Sachsen- 
name erst  auf  die  heutige  Provinz  Sachsen,  dann  auf  das 
Kurfürstentum  und  Königreich  und  die  thüringischen  Her- 
zogtümer sich  verbreitet  hat  ?  Das  Vordringen  des  Sachsen- 
namens zunächst  bis  an  die  Unstrut,  die  Helme  und  den 
Sachsgraben  wäre  ganz  unbegreiflich,  wenn  die  Sachsen 
keine  entscheidende  Rolle  in  dem  thüringischen  Trauer- 
spiel gespielt  und  die  Frankenkönige  nicht  zur  Anerkennung 
ihrer  Ansprüche  genötigt  hätten." 

Gegen  den  Schlußsatz  dieses  Beweises  wird  man  viel- 
leicht Widerspruch  erheben,  gegen  die  Anfangssätze  kaum. 
Sind  diese  aber  wirklich  in  ihrer  Allgemeinheit  richtig? 
Woher  weiß  Größler,  daß  „seit  dem  Sturze  des  thüringischen 
Königreichs  durch  die  Franken"  das  ganze  Nordthüringer 
Land   Sachsenboden   geworden   ist?     Direkte  Belege    aller- 


1)  Lorenz,  a.  a.  O.  S.  374. 

2)  Größler,  a.  a.  O.  S.  18  f. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      207 

dings   finden  sich   nicht,   wohl  giebt   es   aber  Stellen,-  aus 
denen  sich  die  angedeutete  Tatsache  erschließen  läßt. 

Im  Jahre  568  ziehen  26000  Sachsen  mit  Alboin  und 
seinen  Langobarden  nach  Italien  ^) ;  in  den  von  ihnen  ver- 
lassenen Gegenden  siedelt  der  Merowinger  Sigebert  „Suavos 
et  alias  gentea"  an.  Später  kehren  die  Sachsen  zurück  und 
kämpfen  mit  den  Schwaben  um  ihr  früheres  Land,  in  diesen 
Kämpfen  kommen  die  meisten  Sachsen  um,  der  Rest  steht 
vom  Kriege  ab. 

Jede  Gaukarte  des  Mittelalters  2)  zeigt  nördlich  von 
der  Unstrut  vier  Gaue,  die  ihren  Namen  augenscheinlich 
von  Volksnamen  hergeleitet  haben.  Es  sind  dies  (von  Sü- 
den nach  Norden  gerechnet):  Der  pagus  Hassegowe  mit 
dem  pagus  Frisoneveld,  der  pagus  Suevon  und  der  pagus 
Nortthuringia.  Hält  man  dazu  die  Nachricht  der  Ann. 
Quedlinburg.  3),  daß  Theuderich  den  Sachsen  alles  Land  der 
Thüringer  bis  zum  Zusammenfluß  der  Saale  und  Unstrut 
versprochen  und  ihnen  später  wirklich  alles  Land  im  Norden 
des  Harzes  gegeben  habe,  so  wird  es  allerdings  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  die  Sachsen  bereits  in  sehr  früher  Zeit, 
jedenfalls  vor  dem  Jahre  568,  bis  an  die  Unstrut  gesessen 
haben. 

Vielleicht  aber  läßt  sich  ein  noch  früheres  Datum  er- 
mitteln. 

^  Nach  der  Eroberung  von  Burg- Scheidungen  verschwinden 
die  Sachsen  zunächst  völlig  aus  unserer  Ueber lieferung. 
Erst  in  den  Jahren  555  und  556  erscheinen  sie   wieder  in 


1)  Vgl.  zu  dem  Folgenden:  Gregor  v.  Tours  IV,  42;  V,  15; 
Fredegar,  III,  68.  76.  Paulus  Diaconus  II,  6;  III,  7  (SS.  rerum 
Langob,  et  Ital.).  Vgl.  auch  Ann.  Mett.  a.  748  (M.  G.  SS.  I,  330): 
fines  Saxonum,  quos  Nordosquavos  vocant. 

2)  Spruner-Menke,  1880,  Karte  no.  33. 

3)  Ann.  Quedlinb.  (M.  G.  SS.  III,  31.)  Ob  die  betreffende 
Stelle  der  Annalen  ursprünglich  zum  Lied  gehört  hat  oder  nicht, 
tut  nichts  zur  Sache. 


208  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

den    Quellen,    gleichzeitig   bei    Gregor   v.    Tours  i)    und  bei 
Marius  V.  Avenches  2). 

Gregor  berichtet  (IV,  10) :  Eo  anno  \555)  rebellantibus 
Saxonibus  Chlotacharius  rex,  commoto  contra  eos  exercitu, 
maximam  eorum  partem  delevit,  pervagans  totam  Thoringiam 
ac  devastans,  pro  eo  quod  Saxonibus  solatium  praebuisset : 

Marius  ergänzt  diesen  Bericht:  a.  555.  1.  Hoc  anno 
Theudobaldus  rex  Francorum  obiit  et  obtinuit  regnum  eius 
Chlotacarius  patruus  patris  eius  ....  3.  Eo  anno  Saxones 
rebellantibus  Chlotacharius  rex  cum  gravi  exercitu  contra 
ipsos  dimicavit,  ubi  multitudo  Francorum  et  Saxonum  ceci- 
derunt,  Chlotacharius  tarnen  rex  victor  abscessit.  Und  a.  556.  1. 
Eo  anno  iterum  rebellantibus  Saxones  Chlotacarius  rex 
pugnam  debit  ibique  maxima  pars  Saxonum  cecidit.  2.  Eo 
anno  Franci  totam  Toringiam  pro  eo  quod  cum  Saxonibus 
coniuravit  vastaverunt. 

Man  beachte,  daß  bereits  in  diesem  Jahre  die  Kriege 
der  Sachsen  gegen  die  Franken  unter  dem  Gesichtspunkt 
einer  Empörung  aufgefaßt  werden.  Welchen  ßechtsgrund 
die  Franken  dazu  haben,  erfahren  wir  auch  von  Gregor, 
vier  Capitel  später  (IV.  14)  3) :  Igitur  Chlotacharius  post 
mortem  Theodovaldi  cum  regno  Franciae  suscepisset  atque 
eum  circuiret,  audivit  a  suis  in  iterata  insania  eiferviscere 
Saxonis  sibique  esse  rebelles,  et  quod  tributa,  quae  annis 
singulis  consueverant  ministrare,  contempnerent  reddere* 
His  incitatus  verbis,  ad  eos  dirigit.  Cumque  iam  prope 
terminum  illorum  esset,  Saxones  ad  eum  legatus  mittunt, 
dicentes :  „Non  enim  sumus  contemptores  tui,  et  ea  quae 
fratribus  ac  neputibus  tuis  reddere  consuevimus  non  nega- 
mus,  et  maiora  adhuc,  si  quaesieris,  reddimus.  TJnum  tamen 
exposcimus,  ut  sit  pax,  ne  tuus  exercitus  et  noster  populus 
conlidatur". 


1)  M.  G.  SS.  rerum  Merov.  I,  147. 

2)  M.  G.  Auct.  antiqu.   XI,  236  f. 

3)  M.  G.  SS.  rerum  Merov.  I,  151. 


\ 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      209 

Wir  sehen :  Schon  die  Erhebung  des  vorhergehenden 
Jahres  (unsere  Erzählung  fällt  in  das  Jahr  656)  wird  des- 
halb als  Empörung  aufgefaßt,  weil  die  Sachsen  gewöhnt 
sind,  jährlich  Tribut  zu  zahlen.  Wer  sind  aber  die  „Brüder 
und  Neffen",  denen  sie  ursprünglich  den  Tribut  zu  zahlen 
pflegten  ? 

Chlotar  hatte  drei  Brüder:  Chlodomer,  der  über  Aqui- 
tanien  herrschte  und  bereits  524  starb,  und  Childebert,  der 
zu  Paris  seinen  Sitz  hatte,  können  nicht  in  Betracht  kommen; 
so  bleibt  Theuderich  übrig.  Dieser,  der  in  Austrasien 
herrschte,  kann  allein  gemeint  sein.  Daraus  folgt  aber  un- 
mittelbar, daß  bereits  vor  dem  Jahre  534,  dem  Todesjahre 
Theuderichs,  die  Sachsen  in  einer  Art  Abhängigkeitsverhältnis 
von  den  Franken  gestanden  haben  i). 

Und  nun  wird  in  der  Tat  die  Sachsenhilfe  höchst 
wahrscheinlich.  Wir  werden  uns  die  Sache  so  zu  denken 
haben,  daß  die  Sachsen  für  das  ihnen  von  Theuderich  über- 
lassene  Land  einen  Tribut  bezahlen,  der  vielleicht  aus 
500  Kühen  bestanden  hat  ^)  und  der  ihnen  dann  von  Dago- 
bert erlassen  wurde  (632  oder  33). 

Diese  ganze  Beweisführung  beruht  auf  der  Voraus- 
setzung, daß  zum  mindesten  jene  vier  Gaue,  von  denen  oben 

1)  Die  „Neffen"  sind  natürlich  Theuderichs  Sohn  und  Enkel, 
Theudebert  und  Theudebald. 

2)  Vergl.  Fredegar  IV,  74.  Es  muß  höchst  auffallend  erscheinen, 
daß  die  neueren  Forscher  nicht  das  geringste  von  diesem  Tribut 
der  Sachsen  unter  Theuderich  wissen,  obwohl  schon  bei  Wenck 
Hessische  Landesgeschichte  1789,  II,  S.  198,  das  Richtige  steht,  frei- 
lich ohne  Quellenangabe.  Lorenz,  a.  a.  O.  S.  402  ist  hier-in  einen 
merkwürdigen  Irrtum  verfallen ;  er  verwechselt  den  Schweinezins,  den 
die  Thüringer  zu  zahlen  haben,  mit  diesem  lYibut  der  Sachsen. 
Dieser  Schweinezins  der  Thüringer,  wie  er  uns  aus  den  Ann. 
Quedlinb.  und  Thietmar  von  Merseburg  (V,  9)  bekannt  ist,  wird  wohl 
nur  auf  die  Thüringer  gehen,  die,  zwischen  Harz  und  Thüringer 
Wald  sitzend,  direkt  unter  fränkische  Oberhoheit  kommen;  die  nörd- 
lich von  der  Unstrut  wohnenden  Thüringer  mußten  Tribut  an  die 
Sachsen  zahlen  (Widukind  1, 14:  Saxones  ....  reüquias  pulsaegentifl 
tributis  condempnavenmt). 


210  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

die  Rede  war,  einst  noch  zum  thüringischen  Gebiet  gehört 
haben.  Wer  bürgt  uns  aber  dafür,  daß  sich  das  Thüringer- 
reich soweit  nach  Norden  erstreckt  hatv? 

V.  Wersebe  i)  ist,  soweit  wir  sehen,  der  erste  gewesen, 
der  die  bis  dahin  übliche  Auffassung,  daß  der  pagus  Nort- 
thuringia  seinen  Namen  von  der  einstigen  Zugehörigkeit 
zum  thüringischen  Königreich  erhalten  habe,  angegriffen 
hat.  Was  er  vorbringt,  klingt  nicht  unwahrscheinlich.  Wie 
der  pagus  Suevon  seinen  Namen  von  den  Schwaben  hat,  die 
dort  von  Sigebert  angesiedelt  werden,  der  pagus  Hassegowe 
von  hessischen,  der  pagus  Frisoneveld  von  friesischen  Kolo- 
nisten, so  läßt  sich  „dieser  Name  (sc.  Nortthuringia)  weit 
natürlicher  von  einer  dahin  verpflanzten  Kolonie  südlicher 
Thüringer,  die  bei  dem  sächsischen  Heere  gegen  den  König 
Sigebert  mit  gefochten,  als  davon,  daß  diese  entfernte 
Gegend  einen  Teil  des  alten  thüringischen  Königreichs 
ausgemacht,  ableiten"  2).  Wir  werden  uns  bei  der  Bedeutung 
v.  Wersebe's  nicht  der  Pflicht  entziehen  können,  unsei-e 
abweichende  Anschauung   durch    Gegenbeweise    zu  stützen. 

Nur  ein  Gelehrter  hat  bis  jetzt  versucht,  die  Ansicht 
V.  Wersebe's  zu  widerlegen,  der  Meister  mittelalterlicher 
Gauforschung,  Leopold  v,  Ledebur^).  Leider  muß  diese 
Widerlegung  in  der  Hauptsache  als  total  mißlungen  bezeichnet 
werden,  wenn  ihn  allerdings  auch  nur  teilweise  die  Schuld 
daran  trifft. 

Auf   einer   Wundererzählung    der   Vita    S.    Emmeramx 


1)  V.  Wersebe,  Über  die  Verteilung  Thüringens  zwischen  den 
alten  Sachsen  und  Franken.  Hamburg  1834,  S.  13  ff.  Ferner :  v.  Wer- 
sebe, Beschreibung  der  Gaue  zwischen  Elbe,  Saale  und  Unstrut,  Weser 
und  Werra  etc.  Hannover  1829,  S.  109.  Ihm  folgt:  Bolze,  Die 
Sachsen  vor  Karl  dem  Großen  (Jahresbericht  der  Luisenstädtischen 
Realschule  Berlin  1861),  S.  10.  18. 

2)  V.  Wersebe,  Beschreibung  etc.  S.  109. 

3)  L.  V.  Ledebur,  Nordthüringen  und  die  Hermunduren  oder 
Thüringer,  1842.  Neudruck:  Berlin  1852.  Vgl.  über  ihn  das  Vor- 
wort zu  Bottger's  Diöcesan  und  Gau-Grenzen  Norddeutschlands  1875, 
I,  S.  VIII  ff. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  631  n.  Chr.      21 1 

von  Arbeo  i)  baut  sich  der  erste  Beweis   v.  Ledeburs   auf. 
Er  giebt  zunächst  den  Inhalt  der  Erzählung  wieder. 

1)  Die  Ausgabe  der  Acta  SS.  Boll.  tom.  VI,  Sept.  22  ist  ver- 
altet, neue  Ausgabe  (v.  Sepp)  in  den  Analecta  Boliandiana,  Band  VIII, 
(1889),  S.  211  ff.  Hier  ist  auch  die  Schreibweise  Arbeo,  (früher 
Aribo)  eingeführt.  Die  Vita  ist  geschrieben  von  Arbeo,  Bischof 
V.  Freising,  zwischen  770  und  772  (a.  a.  O.  S.  217  f.).  Die  in  Be- 
tracht kommende  Erzählung  findet  sich  im  Cap.  IV,  Absatz  39, 
(a.  a.  O.  S.  249  ff.):  Unde  silentio  praetereundura  non  est,  quod  a 
quodara  religioso  et  prudenti  viro  me  contigit  audisse;  aiebat  enim, 
quia  quadara  die  ad  beati  martyris  ecclesiam  pro  suis  delictis  rainu- 
endis  accedere  voluiaset.  Sed  contigit  ei,  dum  solus  iter  carperet 
et  venisset  in  solitudinem  quandam,  quae  locutione  vulgari  feroni- 
faidus  appellatur,  in  latrones  incidisse,  ....  extra  terminum  genti 
francorum  venundant.  Quidam  vero,  qui  eum  exinde  redimerat, 
genti  duringorum  partibus  aquilonis  tradidit  in  confinio  parahtano- 
rum  gentis,  quae  ignorat  deum.  Curaque  se  praedictus  senex  gentili- 
um  idolorumque  cultoribus  proximum  cemeret,  coepit  viribus,  ut 
potuit,  domino  suo  temporali  tam  presenti,  quam  absenti,  dignimi 
omnino  praebere  famulatum.  Erat  enim  operandi  peritia  instructu», 
ita  ut  molendinam  domino  suo  perfecisset  edificiorumque  miro  modo 
conpositiones,  [40]  et  ob  hoc  in  conspectu  eius  gratiam  invenit.  Cum- 
que  hoc  contiuuo  per  triennium,  prout  poterat,  ex  pura  voluntate 
ministraret  et  tamen  a  dei  cultura  et  oratione  minime  receesisset, 
accidit,  ut  quidam  de  conservis  eius  moreretur.  Qui  relicta  vidua 
iuvencula  secundum  huius  carnis  putredinem  speciosa  sine  procrea- 
tione  filiorum,  quam  temporalis  dominus  huic  seni  in  matrimonium 
volebat  sociare,  ut  domo  et  omnibus  defuncti  substantiis  frueretur. 
Sed  senex  idem  obtemperare  huic  facto  nolens  respondit  dicens :  Uxo- 
rem  in  cognatione  mea  reliqui,  cum  pro  innumeris  meis  captivitati 
huic  traderer  peccatis  et  eo  modo  his  locis  devenirem.  Nunc  igitor 
ea  vivente  quomodo  aliam  in  matrimonium  ducam?  Unde  dominus 
eius  asperrimis  serraonibus  adiunxit  dicens :  Haec  mihi  facit  dominoi 
et  addat,  nisi  illam  in  matrimonio  snmpscris,  genti  te  saxonum 
trad  am ,  quae  tot  idolorum  cultibus  dedita  est,  quia  novi  et  didici  ex- 
perimento,  si  accipere  mulierem  hie  rennueris,  nuUo  modo  te  mecum 
velle  commorari,  sed  magis  fugere,  ut  de  pretio  tuo  remaneam  omni 
modo  fraudatus. 

Im  Weiteren  ist  der  lateinische  Text  zur  Vergleichung  nicht 
wesentlich,  nur  der  Schluß  mag  hier  noch  Platz  finden :  [44]  Perao- 
tis  itaque  continuis  diebus  in  profectione  quindecim  tanta  prosperitate 
ac   securitate  supernus  iudex   eum   reduxit  ex  itinere  fatigatum,  ita 


212  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

„Ein  frommer  und  verständiger  Mann  erzählte  mir,  so 
hebt  Aribo  an,  er  sei  in  einer  Wildnis,  die  den  Namen 
Feronifaidus  führe  (oder  wie  der  spätere  Bearbeiter  Me- 
ginfried  i)  sagt,  Verroniwaida,  was  er  in  longinqua  pascua 
überträgt  und  für  den  Wald  von  Langwaid  gehalten  wird), 
von  Eäubern  überfallen,  außer  Landes  geführt  und  dem  Volke 
der  Franken  verkauft  worden.  Diese  letztern  nennt  Me- 
ginfried  bestimmter  Ostfranken,  worunter  also  zunächst  die 
Pranken  des  Würzburgischen  Sprengeis  zu  verstehen  sind. 
Einer  aus  diesem  Volke  nun  verkaufte  ihn  wieder,  wie 
Aribo  sagt,  an  jemand  in  den  nördlichen  Teilen  des  Volkes 
der  Thüringer  2)  an  der  Grenze  des  Volkes  der  Porahtanen, 
die  Gott  nicht  kennen !  oder,  wie  Meginfried  sich  ausdrückt  ^), 
an  einen  Thüringer  an  den  Grenzen  der  Parathanen,  die  zu 
jener  Zeit  grausame  Heiden  waren.  So  in  der  Nähe  von 
Heiden   und  Götzendienern,  fährt  Aribo  fort,    bemühte  sich 


ut  in  tertia  hora  quintae  decime  diei  staret  in  monte  contra  radas^ 
ponam  inter  danubii  et  imbris  fluenta  iuxta  plantationem  vinearum. 
Et  ex  eodem  iugo  montis  urbem  avidam  videns  beati  etiam 
dei  martyris  ecclesiam  contemplans  magnas  et  immensas  domino 
gratias  referebat  et  demum  ita  descendens  venit  ad  portum. 

1)  An  dieser  Stelle  müssen  noch  einige  Bemerkungen  über  den 
Text  eingeschaltet  werden.  Der  in  den  Analecta  Boll.  jetzt  gebotene 
und  hier  wiedergegebene  Text  ist  weit  älter  als  der  Text  der  Acta 
SS.  Boll.  Nach  Sepps  Ansicht  sind  die  drei  Handschriften,  die  er 
zur  Rekonstruktion  des  Textes  benutzt  und  die  der  ältere  Heraus- 
geber noch  nicht  gekannt  hat,  direkt  aus  dem  Archetypus  geflossen' 
(Anal.  Boll.  VIII,  S.  213).  Außerdem  gibt  es  aber  noch  eine  Über- 
arbeitung der  Vita,  von  dem  Magdeburger  Probst  (Potthast  Biblio- 
theca  etc.  II,  1289)  Meginfried  im  Jahre  1030  verfaßt,  und  die  Mono- 
graphie Arnold's  v.  Vochburg  über  die  Wunder  des  heiligen  Emmeram. 

2)  Quidam  ex  his,  qui  eum  pretio  redemerat,  in  partibus  Aqui- 
lonis  Thuringorum  gentis  cuidam  venundavit  in  coniacenti  confinio 
Porahtanorum  gentis,  quae  ignorat  Deum  (so  die  Acta  SS.  Boll.) 

3)  V.  Ledebur  ist  noch  der  Ansicht,  daß  sowohl  die  spätere 
Überarbeitung  der  Vita  als  auch  die  Schrift  de  miraculis  S.  Emmerami 
auf  Meginfried  zurückgehen,  während  die  letztere  doch  von  Arnold 
V.  Vochburg  verfaßt  ist  (Anal.  Boll.  VIII,  S.  214).  Die  unter  Megin- 
fried citierten  Stellen  finden  sich  alle  bei  Arnold  (M.  G.  SS.  IV,  550). 


des  alten  Thüriog.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      213 

derselbe,  in  allen  Kräften  seinem  Herren  treu  und  redlich  zu 
dienen."  Nach  drei  Jahren  will  ihm  sein  Herr  eine  Witwe 
zur  Ehe  geben,  er  weigert  sich  jedoch  dessen.  „Er  habe 
bereits  daheim  ein  Weib  und  diese  zurücklassen  müssen, 
als  er,  wohl  seiner  großen  Sünden  wegen,  in  Gefangenschaft 
geraten  und  seiner  Heimat  entrissen  worden  sei:  solange 
aber  diese  Gattin  lebe,  dürfe  er  keine  andere  Ehe  eingehen. 
Sein  Herr  aber  erwiderte  ihm  in  listigen  und  gebieterischen 
Worten :  „Nun  bei  Gott,  wenn  du  die "  nicht  zum  Weibe 
nimmst,  da  überliefere  ich  dich  dem  Volke  der  Sachsen, 
das  ganz  dem  Götzendienste  ergeben  ist:  denn  ich  sehe 
schon  aus  deiner  Weigerung,  daß  du  nicht  bei  mir  bleiben 
und  mich  durch  Flucht  um  den  Kaufpreis  bringen  willst  i)."  — 
Der  Diener  muß  schließlich,  um  nicht  an  die  Sachsen  verkauft 
zu  werden,  in  die  Heirat  willigen,  flieht  aber  gleich  dar- 
auf und  kommt  am  15.  Tage  glücklich  zu  dem.  Berge, 
„von  wo  aus  er  über  die  Weinpflanzungen  zwischen  der 
Donau  und  dem  Regen  hinweg  des  heiligen  Emmeram 
Kirche  und  die  mit  Mauern  und  Türmen  prangende  Stadt 
erblicken  konnte  2).*' 

Der  Beweis  v.  Ledebur's  ist  nun  folgender.  Er  identi- 
fiziert die  Parathaner  Meginfrieds  (d.  h.  Arnolds)  mit  den 
Barden  des  Bardengaus ;  da  zwischen  dem  Gau  Nordthü- 
ringen aber  und  dem  Bardengau  noch  der  Balsamgau  liege, 
die  Parathaner  aber  an  den  nördlichen  Teil  des  Volkes 
der  Thüringer  anstießen,  so  müsse  der  Balsamgau  ,in  jener 
Zeit  notwendig  zu  Nordthüringen  gehört  haben.  Daraus 
ergebe  sich  aber  wieder,  daß  der  Begriff  „Nordthüringen" 
umfassender  sei  als  der  pagus  Nortthuringia.  v.  Ledebur 
behauptet  nun,  die  Ausdrücke  Nortthuringia  und  Nordthu- 
ringorum  gens  könnten  „für  das  ganze  nordwärts  der  Un- 
strut  gelegene  Sachsenland,  soweit  der  Sprengel  von  Halber- 
stadt   sich    erstreckte ,    genommen    werden" ').     Wenn    aber 

1)  v.  Ledebur  a.  a.  O.  S.  24—26. 

2)  ebenda  S.  27. 

3)  a.  a.  O.  S.  31. 

XXII.  15 


214  Studien  zur  Geschiclite  des  Unterganges 

dies  ganze  Land  Nordthüringen  heißt,  so  muß  es  zu  Thüringen 
gehört  haben,    denn  sonst  wird  der  Name  unerklärlich. 

Ein  auffälliger  geographischer  Irrtum,  in  den  v.  Lede- 
bur  hier  verfallen  ist !  Der  Balsamgau  iiämlich  stößt  nir- 
gends an  den  Bardengau  i),  wohl  aber  ist  dies  beim  Derlin- 
gau  der  Fall,  der  auch  zum  Bistum  Halberstadt  gehört  2). 
Wir  könnten  also  allenfalls  den  Balsamgau  in  dem  Ledebur- 
schen  Beweis  durch  den  Derlingau  ersetzen ;  aber  der  Beweis 
selbst  wird  dadurch  nicht  besser.  Mag  immerhin  der  Be- 
griff Nortthuringia  sich  in  früher  Zeit  auch  auf  den  Der- 
lingau mit  erstreckt  haben,  so  könnte  daraus  nur  geschlos- 
sen werden,  daß  auch  im  Derlingau  Thüringer  gesessen 
haben ;  ob  das  ganze  Land  aber  von  der  Unstrut  nordwärts 
bis  zum  Derlingau  einst  zu  Thüringen  gehört  hat,  ist  da- 
mit nicht  entschieden.  Man  könnte  recht  gut  annehmen, 
im  Jahre  568  seien  nach  dem  Auszug  der  Sachsen  nach 
Italien  neben  Schwaben,  Friesen  und  Hessen  auch  Nord- 
thüringer, und  zwar  in  dem  Gebiete  des  späteren  Nord- 
thüringgaus  und  des  späteren  Derlingaus  angesiedelt  worden, 
in  einem  Gebiete,  das  man  damals  als  Nortthuringia  be- 
zeichnete. Erst  später  sei  die  Beschränkung  dieses  Namens 
auf  den  eigentlichen  pagus  Nortthuringia  eingetreten.  Und 
dann  das  Andere!  Warum  identifiziert  v.  Ledebur  die 
parahtani  mit  den  Barden  ?  Er  hat  sich  durch  die  Schreib- 
weise parathani  verleiten  lassen,  die  sich  aber  erst  in  der 
Schrift  Arnold's  findet ;  die  alten  Lebensbeschreibungen  lesen 
parahtanorum  oder  porahtanorum. 

Grund    genug  jedenfalls,    sie  nicht  mit  den  Barden  zu 


I 


1)  Der  pagus  Belesem  stößt  an  die  Gaue:  Nielitizi,  Liezizi, 
Zemzizi,  Moraciani,  Northuringowe  und  Osterwalde.  Vgl.  Böttger, 
Diöcesan-  und  Gaugrenzen  III,  S.  181  f. 

2)  Urkunde  Ludwigs  des  Frommen  vom  2.  September  814. 
v.  Wersebe,  Beschreibung  etc.  S.  137  schiebt  zwischen  Derlingau  und 
Bardengau  noch  den  pagus  Wittinga  ein;  nach  Böttger  Diöcesan- 
und  Gaugrenzen  III,  176  ist  der  pagus  Witingao  nur  „ein  Unter- 
gau des  Derlingowe". 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      215 

identifizieren  i).  So  müssen  wir  diesen  Beweis  v.  Ledebur's 
ablehnen;  wie  steht  es  mit  dem  zweiten  Beweise?  In 
einer  Urkunde  Karls  des  Großen  werde  die  Stadt  Scannige 
als  in  Nordthuringia  liegend  angegeben,  dieses  „Schöningen" 
aber  liegt,  wie  sich  aus  sonstigen  Urkunden  klar  ergibt, 
im  Derlingau^).  v.  Ledebur  findet  es  bemerkenswert,  daß 
in  der  Urkunde  in  Nordthuringia,  nicht  etwa  in  pago  Nort- 
thuringon  oder  ähnliches  stände  3). 

V.  Ledebur  bringt  die  Bezeichnung  in  Nordthuringia 
als  gewichtigen  Grund  für  die  Echtheit  des  Diploms  zur 
Sprache.  Anstatt  mit  einem  echten  Diplom  die  Zugehörigkeit 
Schöningens  zu  Nordthüringen  zu  beweisen,  sucht  er  die 
Echtheit  des  Diploms  eben  durch  den  Umstand  zu  beweisen, 
daß  Schöningen  zu  Nordthüringen  gehört  hat,  was  eben  noch 
bewiesen  werden  muß.  Was  würde  v.  Ledebur  wohl  sagen, 
wenn  er  wüßte,  daß  das  Stück  als  eine  Fälschung  entlarvt 
ist,  die  womöglich  erst  dem  18.  Jahrhundert  angehört? 
Würde  er  auch  dann  noch  die  Worte  in  Nortthuringia 
„höchst  beachtenswert"  finden?  Wir  müssen  auch  diesen 
Beweis  v.  Ledebur's  ablehnen.  Wie  würden  wir  uns  aber  ver- 
halten, wenn  die  angezogene  Urkunde  echt  wäre?  In  diesem 
Falle  würde  sich  gegen  sie  wohl  mit  Recht  dasselbe 
geltend  machen  lassen,  was  wir  bereits  gegen  den  ersten  Be- 
weis V.  Ledebur's  vorgebracht  haben,  Es  möchte  daher  nutzlos 
scheinen,  dieses  noch  einmal  zu  wiederholen,  in  der  Tat  werden 
wir    dadurch  jedoch    ein  gut  Stück  weiter  geführt  werden. 

1)  Ich  verstehe  nicht,  wie  Sepp  in  s.  Ausgabe  (Anal.  Boll.  VIII 
249)  trotz  der  endgültig  festgestellten  Schreibart  parahtanorum  noch 
immer  die  Barden  in  ihnen  sehen  kann.  Höchst  wahrscheinlich  sind 
die  Brukterer  gemeint,  allerdings  muß  man  in  diesem  Falle  dem 
Verfasser  der  Vita  Unkenntnis  der  ethnographischen  Verhältnisse  zur 
Last  legen.  Für  Brukterer  hält  die  parahtani  bereits:  Zeuß,  Die 
Deutschen  und  die  Nachbarstämme,  1837,  S.  352.  Rudhart  erklärt 
(Archiv  für  Geschichte  und  Altertumskunde  von  Oberfranken,  1842, 
II,  1,  S.  103  ff.)  die  parahtani  nach  dem  Vorgang  von  Mannert  und 
V.  Lang  für  Bayreuther. 

2)  V.  Ledebur  a.  a.  0.  S.  30  f. 

3)  Vgl.  Mühlbacher,  Reg.  der  Karolinger  I ',  1899,  no.  267  (258). 

15* 


216  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Der  Derlingau  liegt  ungefähr  im  Norden  des  Nord- 
thüringgaus  und  grenzt  an  diesen.  Es  ist  nun  nicht 
richtig,  wie  wir  eben  gesehen  haben,  kus  dem  Umstand, 
daß  eine  im  Derlingau  liegende  Stadt  als  in  Nortthuringia 
bezeichnet  wird,  zu  schließen,  daß  das  ganze  Gebiet  von 
der  Unstrut  nordwärts  bis  zum  Derlingau  einschließlich 
einst  zu  Thüringen  gehört  hat.  Man  konnte  recht  gut  an- 
nehmen, daß  bei  der  gleichzeitigen  Ansiedelung  von  vier 
Kolonistengruppen  durch  König  Sigebert  im  Jahre  568  der 
thüringischen  Kolonistengruppe  das  Gebiet,  das  später  in 
die  Gaue  Nordthüringen  und  Derlingau  zerfiel,  angewiesen 
wurde,  ein  Gebiet,  das  damals  zuerst  und  nur  aus  diesem 
Grunde  den  Namen  Nordthüringen  erhielt,  während  sich  die 
Bezeichnung  pagus  Nordthuriugia  erst  später  für  einen  be- 
stimmten Teil  dieses  Gebietes  festsetzte.  Diese  Annahme 
aber  wird  unmöglich,  wenn  sich  zeigen  läßt,  daß  irgend  eine 
beliebige  Stadt,  die  in  einem  der  3  andern  Kolonistengaue 
gelegen  ist,  auch  als  in  Nordthuringia  gelegen  bezeichnet 
wird,  denn  die  Abgrenzung  der  vier  Gaue  gegeneinander 
erfolgte  ja  gleichzeitig,  da  die  Kolonisten  in  ein  und  dem- 
selben Jahre  (568)  angesiedelt  wurden.  Wenn  uns  ein 
Nachweis  dieser  Art  gelingt,  so  ist  zugleich  damit  der  Be- 
weis geführt,  daß  das  ganze  Land  von  der  Unstrut  nordwärts 
bis  mindestens  zum  Nordthüringgau  einschließlich,  soweit 
es  eben  jene  genannten  vier  Gaue  umfaßt,  einst  tatsächlich 
zum  thüringischen  Reiche  gehört  hat. 

Eine  einzige  Urkunde  gibt  es  i),  die  den  Beweis  liefert, 


1)  Zu  den  bei  Böttger,  Diöcesan-  und  Gaugrenzen  III,  S.  183  ff. 
für  den  pagus  Northuringowe  angezogenen  Urkunden  kommen  noch 
folgende  Urkunden  hinzu: 

1.  Urkunde  Ludwigs  des  Jüngeren  für  Drübeck.    877.  26.  Januar 
(U.B.  d.  Klost.  Drübeck,  1874,  S.  1,  no.  1). 

2.  Urkunde  Ottos  I.  für  St.  Moritz  in  Magdeburg.   941.  23.  April 
(M.  G.  DD.  I,  S.  123,  no.  37). 

3.  Urkunde  Ottos  I.  für  St.  Moritz  in  Magdeburg.  965.  12.  April 
(M.  G.  DD.  I,  S.  397,  no.  281). 

4.  Urkunde  Ottos  IIL  für  s.  Taute,  die  Äbtissin  Mathilde.  987. 21.  Mai 
(M.  G.  DD.  II,  S.  434,  no.  35). 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      :>17 

wenn  auch  spätere  Abschrift,  so  doch  „sachlich  unver- 
dächtig \)."    In  dieser  Urkunde  Ludwigs  des  Jüngeren  für  das 

Kloster  Drübeck  vom  26.  Januar  877  heißt  es : Quapropter 

noverit  omnium industria,  qualiter  Theti  et  Wikker 

nostri    fideles    comites tradiderunt   nobis    quoddam 

monasterium,  quod  dicitur  Drubiki ;  ipsi  autem 

quoddam    monasterium    sui    iuris  quod  dicitur  Homburg  in 

pago  North-Thuringa    situm ad  idem  monasterium 

contradiderunt.  Dieses  Hornburg  ist  das  „im  Mansfelder 
Seekreise,  l^j..  Stunden  südlich  von  Eisleben  belegene  vor- 
malige Kloster  Holzzelle  oder  Hornburg-Celle,  Celle  Homburg, 
unter  dem  jetzigen  Dorfe  Hornburg,  südwestlich  vom  salzigen 
See"  2j.  Es  hat  also  nicht  in  dem  pagus  Nordthuringa  ge- 
legen, sondern  vielmehr  im  Hassago,  speziell  in  dem  unter 
dem  Namen  Frisoneveld  bezeichneten  Teil  desselben  ^). 

Es  wird  somit  höchst  wahrscheinlich,  daß  das  thüringische 
Reich  vor  der  Katastrophe  von  531  sich  über  die  Unstrut 


5.   Urkunde  Heinrichs  II.  für  Merseburg.    1021  5.  Oktober  (M.  G. 

DD.  III,  S.  571,  no.  449). 
G.    Urkunde  Konrads  IL  für  Nienburg.  1025.  8.  Februar  (Cod.  dipl. 

Anhalt.  I,  S.  i^,  no.  106). 

7.  Urkunde  Heinrichs  III.  für  Nienbiu-g.  1041.  22.  Juli  (Cod.  dipl. 
Anhalt.  I,  S.  89,  no.  113). 

8.  Urkunde  Heinrichs  IV.  für  Nienburg.  1062  5.  März  (Cod.  dipl. 
Anhalt.  I,  S.  111,  no.  138). 

9.  Urkunde  Heinrichs  IV.  für  einen  gewissen  Lantfried.  1068.  5.  Aug. 
(Schmidt,  U.B.  des  Hochstifts  Halberstadt,  S.  67,  no.  92). 

10.  Urkunde  Bischof  Rudolfs  von  Halberstadt  (über  die  Ansprüche 
des  Klosters  Hamersleben).  1144.  18.  Juni  (Schmidt  a.  a.  O.  I, 
S.  174  ff.,  no.  206). 

1)  Einer  genauen  Prüfung  ist  die  Urkunde  unterzogen  von 
E.  Jacobs  (Zeitschrift  des  Harzvereins  XI,  1878,  S.  1  ff.).  Er  kommt 
^u  dem  Resultat  (S.  15),  daß  die  Urkunde  zwar  nicht  eine  „Original- 
ausfertigung",  aber  eine  „sachlich  unverdächtige  Nachbildung  des 
jetzt  verlorenen  Originals"  ist.  Auch  E.  Mühlbacher  (Zeitschrift  des 
des  Harzvereins  XI,  S.  25)  bezeichnet  die  Urkunde  als  „sachlich  un- 
verdächtig". 

2)  G.  ßode  in  Zeitschrift  d.  Harzvereins  IV,  ö.  24. 

3)  Spruner-Menke  1880  Karte  no.  33. 


218  Studien  zur  Geschiclite  des  Unterganges 

hinaus  nördlicli  bis  mindestens  zum  Nordthüringgau  ein- 
schließlich erstreckt  hat;  ob  aber  wirklich  Nordthüringeo 
mit  dem  nachmaligen  Halberstädter  Sprengel  zusammenfällt, 
ob  also  der  pagus  Derlingowe,  der  pagus  Belkesheim  ^)  und 
der  pagus  Hartingowe  auch  einst  zu  Thüringen  gehört  haben, 
ist  nicht  mehr  auszumachen  ^).  Immerhin  kann  diese  An- 
sicht, die  von  v.  Ledebur  eingehend  —  wie  uns  allerdings 
scheinen  will,  in  unzulänglicher  Weise  —  begründet  ist, 
nicht  als  unmöglich  bezeichnet  werden.  Über  das  Gebiet 
des  Halberstädter  Sprengeis  hinaus  aber  hat  sich  Nord- 
thüringen nicht  erstreckt,  das  ist  die  Ansiebt  aller,  die  sich 
mit  diesem  Gegenstande  beschäftigt  haben. 

Sollte  aber  nicht  die  erste  Schlacht,  die  Schlacht  bei 
Runibergun ,  an  den  Grenzen  des  Landes  stattfinden  ^)  ? 
Was  könnte  uns  verhindern,  ihr  den  Platz  im  Gau  Maerstem 
anzuweisen,  wie  es  so  häufig  geschehen  ist  ^)  ? 

Wir  haben  oben  gesehen,  wie  unglaubwürdig  der  Be- 
richt des  sächsischen  Liedes  ist:  bei  Runibergun  „an  den 
Grenzen  der  Thüringer"  findet  die  Schlacht  statt,  gleich 
jiach  der  Schlacht  wird  ein  Kriegsrat  abgehalten,  in  dem 
davon  gesprochen  wird,  daß  das  ganze  Land  in  der  Gewalt 
der  Franken  sei  u.  s.  w. 

Sollte  die  Angabe  des  Quedlinburgers,  die  erste  Schlacht 
sei  im  Gau  Maerstem  geschlagen,  richtig  sein,  so  ständen 
wir  vor    einer  Fülle  von  Widersprüchen,     Liegt   denn    das. 


1)  V.  Ledebur  a,  a.  O.  S.  10  erklärt  den  Namen  dieses  Gaues 
durch  dort  angesiedelte  Belgier  und  scheint  ihn  auch  zu  jenen  Gauen 
zu  rechnen,  die  im  Jahre  568  von  Sigebert  neu  besiedelt  wurden. 

2)  Gesichert  ist  nach  den  obigen  Ausführungen  nur  die  Zu- 
gehörigkeit der  4  Gaue:  Hassigowe,  Frisoneveld,  Suevon  und  North- 
thuringia  zum  einstigen  thüringischen  Reich, 

3)  Widukind  I,  9.  a.  a.  O.  S.  8.  Et  cum  gravi  exercitu  ap- 
propians  terminis  Thuringorum,  invenit  cum  valida  quoque  manu 
generum  suum  se  expectantem  in  loco  qui  dicitur  Eunibergun, 

4)  v,  Ledebur  a.  a.  O.  S,  5  f;  Gloel  a.  a.  O.  S.  225 ;  Venediger, 
Das  Unstrutthal  und  seine  geschichtliche  Bedeutung  (Jahresbericht 
des  Stadtgymnasiums  zu  Halle  a.  d.  S.  1886),  S.  24 ;  Größler  a,  a.  O. 
S.  10  ff. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      219 

Ronneberg  im  Gau  Maerstem  wirklich  „an  den  Grenzen  dei* 
Thüringer"  ?  Der  Gau  Maerstem  gehört  zur  Diöcese  Minden  '), 
wird  also  von  dem  Halberstädter  Sprengel  durch  die  ganze 
Breite  des  Hildesheimer  getrennt,  wie  kann  hier  die  Schlacht 
stattgefunden  haben?  Wie  kann  in  diesem  Falle,  wo  ein 
Kriegsrat  abgehalten  wird,  um  zu  beraten,  ob  man  nach 
Hause  ziehen  solle  —  ehe  man  überhaupt  noch  thüringischen 
Boden  erblickt  hat!,  —  der  Sklave  Theuderichs  die  Be- 
hauptung wagen:  Nunc  terra  in  nostra  est  potestate,  wie 
kann  er  wissen,  daß  „der  Anführer  (sc.  Irminfried)  selbst  wie 
ein  schwaches  Tierlein  durch  seinen  Versteck  sich  schützt,  sich 
hinter  den  Mauern  seiner  Burg  vergräbt  ?"  Diese  Erwägung 
gibt  in  der  Tat  den  Ausschlag  2),  Das  Lied  muß  ein  Runi- 
bergun  in  der  Nähe  von  Burg- Scheidungen  gemeint  haben, 
das  Ronneberg  im  Gau  Maerstem   ist    ausgeschlossen. 

Interessant  ist  es  zuzusehen,  wie  Größler  manövriert, 
um  dieser  unabweislichen  Folgerung  zu  entgehen.  Für  ihn 
steht  es  fest,  daß  Runibergun  im  Gau  Maerstem  gemeint 
sei  —  Widukind  sagt  ja :  die  Schlacht  habe  außerhalb 
Thüringens  stattgefunden,  und  die  Übereinstimmung  Widu- 
kinds  und  der  Quedlinburger  Annalen  ist  doch  zu  merk- 
würdig! — ,  er  argumentiert  folgendermaßen  weiter  8):  „Wenn 
nun  aber  auch  der  servus  satis  ingeniosus  des  Theuderich 
in  dem  von  Widukind  geschilderten  Kriegsrate  mit  Be- 
ziehung auf  Irminfried  spöttisch  bemerkt :  Ipse  namque 
dux,  ut  quaedam  bestiola  suo  munitur  latibulo,  nrbis  cir- 
cumdatur  claustro,  so  setzt  diese  Bemerkung  voraus,  daß 
die  Franken  sehr  lange  bei  Orheim  gelegen  haben  müssen, 
sonst  hätte  ja  die  Kunde,  daß  Irminfried  sich  nach  Schei- 
dungen begeben  habe,  nicht  in  das  dortige  Lager  der  Franken 
gelangen    können."      Zunächst    beruht    es    auf  einer   durch 


1)  Böttger,  Diöcesan-  und  Gaugrenzen  II,  113  B.  glaubt  übrigens 
auch,  daß  die  sächsischen  Quellen  das  „Eunibergun"  im  Gau  Maerstem 
meinen. 

2)  Es  ist  Könneckes  Verdienst,  hierauf  aufmerksam  gemacht 
zu  haben  a.  a.  O.  S.  37. 

3)  a.  a.  O.  S.  2G. 


220  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

nichts  gerechtfertigten  Kombination  von  Widukind  und  den 
Quedlinburger  Annalen  ^),  wenn  Größler  von  einem  Lager 
bei  Orheim  spricht,  und  sodann  wird  der  Kriegsrat  so  schnell 
nach  der  Schlacht  berufen,  daß  man  überhaupt  noch  kein 
Lager  aufgeschlagen  hat  2).  Die  „überzeugende  Kraft  der 
Gründe",  die  Größler  sich  gerade  in  dieser  Frage  vindiziert  ^), 
ist  gewiß  nicht  auf  seiner  Seite. 

Wir  müssen  trotz  Gloel  und  Größler  zu  der  Ansicht 
von  Joh.  Gottlob  Böhme  zurück,  die  in  neuerer  Zeit  wieder 
von  E,  Lorenz  und  Koennecke  aufgenommen  ist :  das  Runi- 
bergun  Widukinds  sind  die  Ronneberge  an  der  Unstrut 
bei  Nebra.  Der  Ausdruck  Widukinds  „appropians  terminis 
Thuringorum"  läßt  nur  darauf  schließen,  daß  der  Verfasser 
des  Liedes  in  diesen  Gegenden  nicht  genau  Bescheid  ge- 
wußt hat. 

Wie  ist  unter  dieser  Voraussetzung  aber  die  Schlacht 
bei  Orheim  an  der  Ocker,  von  der  uns  der  Quedlinburger 
zu  erzählen  weiß,  zu   erklären  ? 

Die  Schlacht  bei  Ronneberg  wird  von  dem  Annalisten 
in  den  Gau  Maerstem  verlegt,  ohne  Zweifel,  weil  er  nur 
dort  ein  Ronneberg '^)  kannte.  Das  Heldenlied  wußte  aber 
von  drei  Schlachten,  erstens  bei  Runibergun,  zweitens  einer 
unbekannten,  von  der  nur  der  Anonymus  erzählt,  die  die  An- 
nalen aber  wenigstens  andeuten  ^},  drittens  der  Schlacht  an 
der  Unstrut.  Es  mochte  für  den  Annalisten  wohl  etwas 
Verlockendes  haben,  da  er  bereits  den  Ort  der  ersten 
Schlacht  genannt  hatte,  auch  den  Ort  der  zweiten  Schlacht 


1)  Wenn  eine  Kombination  von  Widukind  und  dem  Quedlin- 
burger möglich  wäre,  so  handelt  Größler  durchaus  konsequent,  indem 
er  den  Kriegsrat  erst  nach  der  Schlacht  an  der  Ocker  stattfinden 
läßt ;  denn  erst  nach  dieser  Schlacht  wird  die  Sachsenhilfe  in  An- 
spruch genommen.  Nach  Widukind  wird  aber  der  Kriegsrat  sofort 
nach  der  Schlacht  bei  Runibergun  gehalten ,  daher  können  beide 
Berichte  nicht  kombiniert  werden. 

2)  Vgl.  S.  188  Anmerkung  2. 

3)  a.  a.  O.  S.  6. 

4)  E.   Lorenz  a.    a.  O.   S.   391  f.     Koennecke   a.    a.  O.  S.  38. 

5)  S.  175  f. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      221 

näher  zu  bestimmen.  Weshalb  er  aber  gerade  auf  Orheim 
an  der  Ocker  verfallen  ist,  bleibt  völlig  rätselhaft.  Viel- 
leicht ist  es  indes  auch  nur  eine  lokale  Abwandlung  des 
Liedes  gewesen,  die  der  Quedlinburger  aufgezeichnet  hat. 
Auch  das  wird  man  nicht  unerwähnt  lassen  dürfen,  daß  an 
der  Ocker  bei  Ohrum  ein  „Duringesrod"  sich  nachweisen 
läßt  1).  Weitere  Folgerungen  hieraus  wird  man  aber  nicht 
ziehen  dürfen.  Außerdem  hat  der  Annalist  noch  die  größte 
Verwirrung  dadurch  angerichtet,  daß  er  die  Ankunft  der 
Sachsen  erst  nach  der  zweiten  Schlacht  erfolgen  läßt, 
während  sie  im  Liede  bereits  nach  der  ersten  Schlacht  erfolgte 
(vor  dem  Kampf,  von  dem  der  Anonymus  allein  berichtet, 
und  der  in  dem  Liede  der  zweite  gewesen  sein  muß,  haben 
sich  die  Sachsen  bereits  mit  Theodorich  verbündet),  ,  So 
viel  steht  in  allen  Fällen  iest:  für  die  Schlacht  an  der 
Ocker  ist  im  Thüringerkrieg  von  531  kein  Platz  2). 

Wir  kommen  jetzt  zu  der  Frage:  Wann  haben  die 
Sachsen  in  die  Ereignisse  eingegriffen  und  wieviel  Schlachten 
haben  überhaupt  stattgefunden  ?  Gregor  v.  Tours  spricht 
von  zwei  Schlachten  ^),  einer  in  campo  piano,  auf  einem 
Blachfelde.  Der  über  historiae  Francorum  kennt  ebenfalls 
zwei  ^),  die  sich  mit  denen  Gregors  decken.  Aimoin  berichtet 
auch  nur  von  zwei  ^).  Rudolf  von  Fulda  erzählt  ^) :  nach  zwei 
Schlachten  mit  zweifelhaftem  Ausgang  und  großem  Blut- 
vergießen (ancipiti  pugna  incertaque  victoria  miserabili 
suorum    caede)  habe  Theuderich  Boten  an  die  Sachsen  um 


1)  Trad.  Fuld.  ed.  Dronke  S.  101:  in  terminis  Darlingen  novale 
quod  dicitur  Duringesrod  iuxta  fluvium  Oncra.  Vgl.  Böttger  a.  a.  O. 
III,  S.  168. 

2)  Koennecke  S.  36  f.  glaubt  an  die  Schlacht  an  der  Ocker,  setzt 
sie  aber  vor  die  Schlacht  bei  Runibergun  —  ein  höchst  bedenkliches 
Verfahren. 

3)  Gregor  v.  Tours,  III,  7  a.  a.  0. 

4)  Liber  hist.  Franc,  c.  22  a.  a.  O. 

5)  Aimoin  II,  9  bei  Bouquet  III,  50. 

6)  SS.  II,  67:  Et  cum  duobus  proeliis  ancipiti  pugna  incertaque 
victoria  miserabili  suorum  caede  decertassent,  Thiotricus  spe  vincendi 
frustratus,  raisit  legatos  ad  Saxones. 


222  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Hilfe  geschickt.  Widukind  weiß  nur  von  einer  Feldschlacht^ 
nach  deren  Verlauf  die  Franken  bereits  so  sehr  geschwächt 
sind,  daß  sie  die  Sachsen  um  Hilfe  angeben.  Der  Quedlin- 
burger spricht  von  drei  Schlachten,  bei  Runibergun,  bei 
Orheim  an  der  Ocker  und  an  der  Unstrut.  Da  Widukind 
außerdem  von  der  Erstürmung  der  Vorburg  (oppidum)  Burg- 
Scheidungens  redet,  so  sieht  sich  Größler  i)  natürlich  ver- 
anlaßt, damit  ja  alle  Berichte  in  seinem  Schema  Platz  haben, 
vier  Schlachten  anzunehmen ;  Lorenz  2)  nimmt  drei  Schlachten 
an,  bei  Runibergun,  an  der  Unstrut  und  vor  Burg-Scheidungen. 
Koenneckes  ^)  Ansicht  ist,  daß  „abgesehen  von  den  Vorgängen 
bei  Burg-Scheidungen  nur  zwei  Schlachten  im  ganzen  Kriege 
geschlagen  sind",  und.  zwar  bei  Ohrum  an  der  Ocker  und 
bei  Runibergun.  Alle  drei  Forscher  stützen  sich  auf  die 
fränkischen  und  sächsischen  Quellen,  alle  drei  suchen  alle 
Berichte  möglichst  in  Einklang  miteinander  zu  bringen,  alle 
drei  kommen  dabei  zu  abweichenden  Resultaten. 

Kein  Zweifel,  das  Heldenlied  steht  in  einem  gewissen 
Widerspruch  mit  den  fränkischen  Quellen ;  diese  wissen  nur 
von  zwei,  jenes  kennt  drei  Schlachten.  Aber  man  wird  es 
doch  bemerkenswert  finden,  daß  nur  zwei  von  den  drei 
Schlachten  des  Liedes  lokalisiert  werden ;  die  Erinnerung 
an  den  Ort  der  zweiten,  d.  h.  derjenigen  Schlacht,  die  der 
an  der  Unstrut  noch  voraufgeht,  scheint  gänzlich  aus  dem 
Gedächtnis  des  Volkes  geschwunden  zu  sein. 

Es  hieße  die  Grenzen  der  historischen  Kritik  verkennen, 
wollte  man  hieraus  noch  weitere  Schlüsse  ziehen ;  das  jedoch 
wird  man  zugeben  müssen,  daß  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit 
nur  zwei  Schlachten  in  diesem  Kriege  geschlagen  sind,  eine 
bei  Runibergun,  eine  an  der  Unstrut  (abgesehen  von  der 
Eroberung  Burg-Scheidungens). 

Haben  die  Sachsen  die  Schlacht  an  der  Unstrut  mit- 
geschlagen?     Mit    anderen    Worten:    hat    Widukind    oder 


1)  a.  a.  O.  S.  35. 

2)  a.  a.  O.  S.  390  ff. 

3)  a.  a.  O.  S.  35. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      223 

Rudolf  von  Fulda  Recht?  Jener  läßt  die  Sachsen  bereits 
nach  der  Schlacht  bei  Runibergun  rufen,  dieser  läßt  zwei 
Schlachten  vergehen,  ehe  Theuderich  Beistand  in  Anspruch 
nimmt.  Nach  der  Volksüberlieferung  haben  die  Sachsen 
an  der  Schlacht  an  der  Unstrut  bereits  teilgenommen  (so- 
wohl die  Ann.  Quedlinb.  als  der  Anonymus  geben  das  zu), 
Rudolf,  der  jenen  Gegenden  ferner  stand,  wenn  auch  früher 
schrieb,  läßt  die  Sachsen  am  zweiten  Kampfe  nicht  teilnehmen 
—  wenn  wir  hier  überhaupt  einen  Schluß  machen  wollen, 
so    werden    wir    die    Überlieferung    des    Liedes    vorziehen. 

Schon  bei  der  zweiten  Schlacht,  so  will  das  Lied, 
haben  die  Sachsen  mitgekämpft.  Sie  soll  an  der  Unstrut 
geliefert  worden  sein,  aber  wo  ?  Die  Antwort  dürfte  hier 
nicht  schwer  fallen. 

Die  erste  Schlacht  hat,  wie  wir  sahen,  bei  Runibergun 
d.  h.  den  Ronnebergen  in  der  Nähe  von  Vitzenburg  stattgefun- 
den 1),  die  Thüringer  haben  also  die  Unstrut  direkt  im  Rücken 
gehabt.  Irminfried  flieht,  und  wenn  auch  Theuderichs  Heer 
zunächst  noch  stehen  bleibt,  um  jenen  Kriegsrat  abzuhalten, 
so  ist  es  doch  nicht  anzunehmen,  daß,  nachdem  die  Fort- 
setzung des  Krieges  einmal  beschlossen  ist,  er  nicht  über 
den  Fluß  seinen  Feinden  nachgerückt  sein  sollte.  Es  ist 
also  von  vornherein  wenig  wahrscheinlich,  daß  das  zweite 
Treffen  etwa  in  unmittelbarer  Nähe  der  ersten  Wahlstatt 
geschlagen  worden  ist  ^).  Nun  geht  aber  der  Bericht  der 
zweiten  Schlacht  wieder  von  der  Voraussetzung  aus.  daß  die 
Thüringer  die  Unstrut  im  Rücken  haben,  daß  die  Unstrut 
sie  von  Burg-Scheidungen  trennt.  Daher  muß  der  Kampf  sich 
in  unmittelbarer  Nähe  von  Burg-Scheidungen  abgespielt 
haben,  vielleicht  auf  der  Strecke  Wennungen-Tröbsdorf,  viel- 
leicht auch  direkt  im  Süden  der  Burg  und  des  Flusses  östlich 
von  Tröbsdorf.  Größler  nimmt  merkwürdigerweise  an  ■^), 
die  Stätte  des  Gefechts  sei  bei  Seigerstädt,  das  er  für  Sieger- 
städt  erklärt,  zu  suchen,  also  auf  demselben  Ufer  der  Unstrut, 

1)  vgl.  Koenneckes  Ausführungen  a.  a.  0.  S.  39  ff. 

2)  Generalstabskarte,  Sektionen  Querfurt  und  Naumburg. 
3j  a.  a.  O.  S.  29  ff. 


224  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

auf  dem  auch  Burg-Scheidungen  liegt.  Dann  läßt  er  die 
Franken  auf  das  andere  Ufer  gehen  (!),  nach  Süden  ziehen, 
wo  sie  „nordwestlich  von  Tröbsdorf  der  Feste  gegenüber 
auf  dem  Tröbsdorfer  TJnterfelde  unterhalb,  der  Neideck  ihr 
Lager  aufschlagen."  Die  Sachsen  beziehen  ebenfalls  auf 
dem  südlichen  Ufer  der  Unstrut  östlich  (!)  von  Tröbsdorf 
ihr  Lager.  Von  hier  aus  findet  der  Sturm  statt  (man  muß 
also  von  neuem  den  Fluß  überschreiten !)  und  dann  folgt 
die  weitere  Erzählung  nach  Widukind.  Größler  weiß  uns 
sogar  den  Pfad  i)  zu  zeigen,  auf  dem  Irminfried  geflohen 
ist.  Daß  der  Übergang  der  Franken  bei  Carsdorf  auf  das 
andere  Ufer,  in  unmittelbarer  Nähe  der  feindlichen  Burg 
gegen  allen  Kriegsgebrauch  und  Vorsicht  verstösst,  sieht 
Größler  selbst  ein  2).  Womit  motiviert  er  ihn  denn  aber?  Die 
Franken  hätten  auf  der  linken  Seite  des  Flusses  nicht  die 
Möglichkeit  gehabt,  sich  zu  verpflegen  ^),  wenn  eine  längere 
Belagerung  in  Aussicht  stand.  Aber  gründet  sich  nicht  diese 
Voraussetzung  wieder  auf  eine  andere,  die  nämlich,  daß  der 
Krieg  erst  am  1.  Oktober  zu  Ende  gegangen  sei,  eine  An- 
sicht, die,  wie  wir  oben  gezeigt  haben  ^),  von  Widukind  selbst 
erst  kombiniert  ist.  Ln  Gegenteil,  nimmt  man  an,  daß  die 
erste  Schlacht  an  den  Ronnebergen  bei  Vitzenburg  stattge- 
funden hat,  daß  die  Sachsen  selbst  schon  in  der  Schlacht 
an  der  Unstrut  mitgekämpft  haben,  so  wird  es  höchst  wahr- 
scheinlich, daß  der  Krieg  nicht  so  übermäßig  lange  gedauert 
hat,  wenn  man  auch  nicht  mit  Lorenz^)  der  Ansicht  sein' 
wird,  alles  hätte  sich  im  Verlaufe  von  wenigen  Stunden 
abgespielt.  Die  Größler'sche  Anschauung  muß,  wenn  auch 
zugegeben  werden  soll,  daß  sie  höchst  scharfsinnig  kon- 
struirt  ist,  zurückgewiesen  werden,  weil  sie  auf  falschen 
Voraussetzungen  beruht ''). 

1)  a.  a.  O.  S.  49. 

2)  a.  a.  O.  S.  30. 
.3)  a.  a.  O.  S.  30. 

4)  S.  190  ff. 

5)  a.  a.  O.  S.  387. 

6)  Soweit  ich  sehe,   hat   außer  Größler  niemand  versucht,   die 
Schlacht  an  der  Unstrut  näher  zu  lokalisieren. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      225 

Der  Sturz  des  thüringischen  Königreiches  ist  die  Folge 
der  Katastrophe.  Berthachar,  der  Vater  Radegundens,  der 
Bruder  Irminfrieds,  kann  erst  jetzt  i)  gestorben  sein;  wahr- 
scheinlich ist  er  in  einer  Schlacht  gefallen ;  Radegunde  fällt 
in  die  Hand  Chlotars  2),  dessen  Gemahlin    sie   später  wird; 


1)  Gloel  a.  a.  O.  S.  208  f.  hat  bekanntlich  zuerst  darauf  hinge- 
wiesen, daß  die  Erzählung  Gregors  von  der  Ermordung  Berthachars 
durch  Irmiufried  jedes  realen  Hintergrundes  entbehrt.  Er  hat  gleich- 
zeitig gezeigt,  daß  der  Tod  Berthachars  frühestens  in  die  Mitte  der 
zwanziger  Jahre  fallen  kann  (a.  a.  O.  S.  212).  Baderich,  der  andere 
Bruder  Irminfrieds,  ist  (Lippert,  Z.  d.  V.  f.  th.  G.  u.  A.  XI,  S.  287) 
zwischen  515  und  522  geschlagen  und  getötet,  hat  also  die  Kata- 
strophe nicht  mehr  erlebt.  Andrerseits  ist  Berthachar  vor  Irrain- 
fried  gestorben  (Radegunde  bei  Venantius  Fortunatus  ad  Artachin 
[Auct.  antiqu.  IV,  1,  S.  278]:  nam  pater  ante  cadens  et  avunculus 
inde  secutus).  Schon  der  Ausdruck  cadens  läßt  auf  einen  gewalt- 
samen Tod  schließen,  zum  Überfluß  sagt  aber  Theudebert  I.  in  einem 
Briefe  an  Justinian  (M.  G.  epistolae  III,  S.  132  f.,  no.  20) :  Dei  nostri 
misericordiam  feliciter  subactis  Thoringiis  et  eorum  provinciis  adqui- 
sitis,  cxtinctis  ipsorum  tunc  tempore  regibus.  Also  kann  Ber- 
thachar, der  neben  Irminfried  nur  allein  noch  als  rex  bezeichnet  werden 
kann,  erst  zur  Zeit  des  Fraukenkrieges  gestorben  sein;  ob  er  aber  in 
einer  Schlacht  gefallen  oder  erst  später,  etwa  ähnlich  wie  sein 
Bruder,  ums  Leben  gekommen  ist,  bleibt  dunkel;  jedenfalls  deutet 
das  extinctis  auch  auf  einen  gewaltsamen  Tod. 

2)  Nach  Gregor  III,  7  wird  Theuderich  von  seinem  Bruder 
Chlotar  und  seinem  Sohne  Theudebert  iu  dem  Thüringerkriege  unter- 
stützt. Wann  und  wie  Radegunde  in  die  Hände  Chlotars  gefallen 
ist,  bleibt  völlig  dunkel.  Koennecke  a.  a.  O.  S.  44  f.  hält  es  für 
wahrscheinlich,  daß  sie  in  der  ersten  Schlacht  (bei  K.  also  in  der 
Schlacht  an  der  Ocker)  gefangen  genommen  wird.  Über  sie  geraten 
beide  Frankenkönige  in  Streit  miteinander.  Koennecke  hat  im  Anschluß 
daran  eine  neue  Hypothese  aufgestellt.  Bei  Gregor  findet  sich  nämlich 
der  Satz  (III,  7) :  Chlotacharius  vero  rediens,  Radegundera,  filiam 
Bertacharii  regis,  secum  captivam  abduxit.  Koennecke  argumentiert 
nun  so  (a.  a.  O.  S.  45) :  Zwischen  der  zweiten  Schlacht  und  der 
Einnahme  von  Burg-Scheidungen  liege  ein  so  kleiner  Zeitraum; 
daß  „für  die  Mißhelligkeiten  zwischen  den  beiden  fränkischen  Königs- 
brüdern  kein  rechter  Raum  mehr  bleibt."  Daher  müßten  wir  die 
Gefangennahme  Radegundes  und  den  Streit  der  Brüder  nach  der 
ersten  Schlacht  ansetzen.  Chlotar  sei  dann  erzürnt  mit  seiner  Beute 
abgezogen   und  Theuderich  habe  sich  jedenfalls  nach  Abzog  neine» 


226  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges 

Irminfried  selbst    entkommt,    wird    aber    später   zu  Zülpich 
auf  Betreiben  Theuderichs  ^)  von    der  Stadtmauer   hinabge- 


Bruders  nicht  mehr  stark  genug  gefühlt,  die  Thüringer  zu  überwinden. 
So  sei  die  Sachsenhilfe  zu  erklären.  Aber  Koennecke  hat  die  Stelle 
bei  Gregor  aus  dem  Zusammenhang  gerissen;  Gregor  hat  nämlich 
bereits  von  der  zweiten  Schlacht  (an  der  Unstrut)  gesprochen  und 
fährt  dann  fort:  Patratam  ergo  victuriam,  regionem  illam  capessunt 
et  in  suam  redigunt  potestatem.  Chlotacharius  vero  rediens  etc. 
Hiernach  kehrt  Chlotar  also  erst  nach  Schluß  des  Feldzuges,  nach 
Unterwerfung  Thüringens  zurück. 

1)  Wohin  Irminfried  zunächst  entkommt,  wissen  wir  nicht.  Erst 
sein  Tod  gibt  Gregor  (III,  8)  Veranlassung,  ihn  wieder  zu  erwähnen: 
er  soll  von  Theuderich,  nachdem  ihm  Sicherheit  verbürgt  war,  nach 
Zülpich  eingeladen  und  dann  dort  von  der  Stadtmauer  herab- 
gestürzt sein.  Der  liber  historiae  Francorum  und  Aimoin  folgen  der 
Version  Gregors.  Fredegar  dagegen  (III,  32)  erzählt :  Ipsi  (=  Ipse  = 
Ermenfridus)  a  Theodeberto,  filium  Theuderici  interfectus  est.  Hier 
ist  also  Theuderichs  Sohn,  Theudebert,  der  534  zur  Regierung  kommt, 
der  Mörder. 

Diesem  Berichte  Fredegars  werden  wir  doch  nicht  ohne  weiteres 
Glauben  schenken  können.  Zunächst  hat  Fredegar  später,  wenn 
auch  nicht  viel  später,  geschrieben  als  Gregor,  sodann  ist  sein  ganzer 
Bericht  so  außerordentlich  dürftig,  daß  man  nur  annehmen  kann,  er 
sei  schlecht  unterrichtet  gewesen.    Alles,  was  er  sagt,  ist  folgendes: 

III,  32 :  Thoringorum  tres  fratres  regnabant,  Badericus,  Ermen- 
fridus et  Bertharius.  Ermenfridus  Bertharium  interfecit.  Instigante 
uxore  Ermenfridi  nequissima  nomen  Amalberga  et  Baderici,  germanum 
suum  cum  solatio  Theuderici  interfecit.  Ipse  vero  a  Theudeberto, 
filium  Theuderici  interfectus  est.  Kegnum  Toringorum  Francorum 
dicione  subactum  est. 

Wir  werden  uns  entschließen  müssen,  der  ersteren  Fassung 
(Gregor  und  liber  historiae),  daß  Irminfried  auf  Betreiben  Theuderichs 
ermordet  sei,  den  Vorzug  zu  geben.  Man  beachte  übrigens,  daß  Gregor 
sagt :  Sed  quis  eum  exinde  deiecerit,  ignoramus ;  multi  tamen  adserunt, 
Theuderici  in  hoc  dolum  manifestissime  patuisse,  daß  er  mithin  nur 
von  einem  Gerücht  spricht.  Auch  der  über  historiae  läßt  es  nur 
gleichsam  durchschimmern,  daß  Theuderich  der  eigentliche  Urheber 
des  Mordes  war.  Wie  fest  und  bestimmt  tritt  dagegen  nicht  die 
Nachricht  bei  Fredegar  auf:  Ipsi  vero  a  Theudeberto,  filium  Theu- 
derici interfectus  est.  Wahrscheinlich  liegt  hier  wieder  die  bekannte 
Tatsache  vor,  daß  ein  unbestimmtes  Gerücht  sich  zu  einer  bestimmten 
Tatsache  verdichtet  hat. 


des  alten  Thüring.  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr.      227 

stürzt  und  findet  so  ein  elendes  Ende.  Amalaberga  flieht 
und  kommt  im  Jahre  534  (wo  sie  so  lange  geweilt  hat, 
wissen  wir  nicht)  zu  ihrem  Bruder  Theodahat,  der  damals 
bereits  König  der  Ostgoten  war^);  ihr  Sohn  Amalafried  und 
mehrere  Töchter  begleiten  sie  -).  540  nach  der  Kapitulation 
von  Ravenna  wurde  Amalafried  mit  Witigis  von  Belisar 
nach  Byzanz  gebracht,  wo  ihn  Justinian  zum  „Archon" 
machte  3).     551   wurde  ihm  eine  Feldherrenstelle   in   einem 


Wie  es  jedoch  hier  zu  einer  Verwechslung  Theuderichs  mit 
Theudebert  gekommen  ist,  können  wir  nicht  sagen. 

L.  V.  Kanke  ist  übrigens  bei  der  Besprechung  dieser  Stelle 
Fredegars  ein  Versehen  mit  untergelaufen.  Er  interpungiert  die 
Stelle  falsch:  Ermenfridus  ßerthariura  interfecit  instigante  uxore 
Ermenfridi  nequissima  nomen  Araalberga.  Et  Baderici  etc.  Auf 
diese  Weise  konstruiert  er  einen  Gegensatz  zwischen  der  Erzählung 
Gregors  und  der  des  Fredegar  (Weltgeschichte  IV,  2,  Analekten 
S.  337).  Daß  Irminfried  jedenfalls  einer  Treulosigkeit  der,  Franken 
erl^en  ist,  ergibt  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit  auch  aus  einer  Stelle 
bei  Procob  (de  hello  goth.  II,  28).  Dort  verdächtigen  die  Franken  dem 
Witigis  bei  der  Belagerung  von  Ravenna  die  byzantinische  Treue,  worauf 
Belisars  Gesandte  erwidern  :  x6  81  Sri  toutwv  (sc.  der  Franken)  :i'.5tov, 
(J  ypTJabat  au^oüatv  £;  navta;  ßapßapou;,  fASTaye  öopfyYou?  xa\  t6 
BoupYiov^tuvwv  l?!3vo?  xai  i^  Tou;  ^ujjifjiaxous  ^l^ii  izapa  TcUv  avSpwv 
£Ki8iSv.xrai.  Die  hier  erwähnte  Treulosigkeit  gegen  die  Thüringer 
wird  man  am  ehesten  auf  Irminfrieds  Tod  beziehen,  da  wir  die  Stelle 
mit  einem  andern  Ereignis  nicht  gut  in  Verbindung  setzen  können. 

Außerdem  sagt  Procop  selbst  (de  hello  goth.  1, 13) : ol  <^piyyo: 

^  .  .  .  .  £k\  ©optyyou;  ^cJTpdTEUoav  xa\  'EpixEve^ptSo'v  te  tov  «utwv  ap^ovra 
xTeivouotv.  Vgl.  über  den  Tod  Irminfrieds  den  Aufsatz  von  Lippert 
(„Der  Tod  König  Herminafrids"  in  Zeitschrift  für  thüring.  Gesch. 
u.  8.  w.  XV,  N.  F.  VII,  S.  5  ff). 

1)  Procop  a.  a.  0.  I,  13:  n]  8£  tou  'EpfievecppfSou  yuviQ  giv  rot« 
Tiaia\((>\jyo\Jaoi,  Tiapa  HeuSarov  tov  aS£A9ov,  roTi3uvTir]vtxaOTa  apxovT«  tjÄSc. 

2)  Von  Irminfrieds  Kindern  kennen  wir  nur  einen  Sohn,  Amala- 
fried mit  Namen.  Daß  er  auch  Töchter  gehabt  hat,  ergibt  sich 
aus  Venantius  Fortunatus   „de    excidio  Thoringiae",    Vers   159  ff. 

3)  Procop  a.  a.  O.  IV,   25: xal    'AfxaXa9p{8o;,  FotSo; 

avT^p  'A}xaXa<pp{6TQ«  (j.lv  ::uYaTpi6oui;,  tt)?  Qe-jSepixou  toC  FotSwv  ßao'.X£(i); 
aSsXtpfi?,  'Epfxeve9pi8ou  8k  ulo;  toü  eopCyYW  TJYTjCfa.u^vou.  "Ovzcp 
BeXioapio;  [ih  ^Ov  OuirrfYtSt  ii  BuJavTtov  -nYOtY«»  ßao'-XtO;  8k  'Pwjuitwv 
apxovta  xaTcOTYj'aaTO.  xa\  nnv  auToO  ddi\(f>ri'i  Aü8oulv  Tw  AaYYoß'P^""' 
apXovTi  xaTTQYYviQOs. 


228  Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges  etc. 

Krieg  gegen  die  Gepiden  übertragen  i).  Dann  entschwindet 
er  unsern  Blicken.  Größler  läßt  ihn  bald  darauf  sterben  ^\ 
ohne  aber  einen  Beweis  dafür  anzutreten,  Lippert  hat  es 
wahrscheinlich  gemacht  3)^  daß  er  erst  nach  561  gestorben  ist. 
Wir  sind  am  Schlüsse.  Absichtlich  haben  wir  darauf 
verzichtet,  die  Vorgeschichte  des  Krieges  in  den  Bereich 
unserer  Untersuchung  zu  ziehen,  da  besonders  durch  die 
Arbeiten  von  Lippert  diese,  soweit  es  überhaupt  möglich^ 
aufgeklärt  is.t.  Nur  der  Katastrophe  haben  wir  unser  Augen- 
merk zugewandt.  Wir  fanden  dabei,  daß  die  drei  sächsischen 
Quellen  (Widukind '^),  die  Ann.  Quedlinburg,  und  der  Anony- 
mus de  origine  Suevorum)  auf  ein  jetzt  verlorenes  Helden- 
lied gemeinsam  zurückgehen  und  stellten  ihre  fast  völlige 
historische  Unglaubwürdigkeit  fest.  Von  der  so  geschaffenen 
Grundlage  aus  haben  wir  dann  versucht,  ein  Bild  von  der 
Katastrophe  zu  gewinnen.  Wir  geben  uns  der  Hoffnung 
hin,  daß  dieses  Bild  das  richtige  sein  mag. 


1)  Procop  a.  a.  O.  iV,    25 :  tJyoü-jto   Se  ttq?  arptxxiäi  TotuTif);  (sc^ 

gegen   die  Gepiden) 'AfjLaXacppiSoi;  x.t.X.  Vgl.  hierüber   noch 

Lippert,  Z.  f.  th.  G.  XII,  S.  80  f. 

2)  Größler,    „Radegundis".    Mansfelder   Blätter   II,  S.   69  ff. 

3)  Lippert,  Z.  d.  V.  f.  th.  G.  XV,  N.  F.  VII,  S.  23  ff. 

4)  Größler,  „Sturz  des  thüring.  Königreichs"  (Z.  d.  V.  f.  th.  G. 
XIX,  N.  F.  XI,  S.  3)  bezeichnet  Widukind  als  Abt  (!)  und  Rudolf 
von  Fulda  als  Presbyter  (!).  Es  ist  mir  völlig  rätselhaft,  woher 
Größler  diese  Kenntnis  geschöpft  hat.  Beide  waren  schlichte  Mönche». 


V. 

Ueber  ein  1525  und  1526  geplantes 

Religionsgespräch  zur  Beseitigung  des  Gegensatzes 

zwischen  Ernestinern  und  Albertinern 

Von 
0.  Mentz. 

In  Bd.  IV  dieser  Zeitschrift  hat  1885  W.  Karstens 
über  die  sächsisch-hessischen  Beziehungen  in  den  Jahren 
1524,  1525  und  152G  gehandelt,  in  demselben  Jahre  gab 
Friedensburg  den  Briefwechsel  zwischen  Herzog  GFeorg  von 
Sachsen  und  Landgraf  Philipp  von  Hessen  aus  den  Jahren 
1525 — 1527  heraus  ^),  vollständiger  als  das  schon  1849 
durch  Seidemann  2)  geschehen  war.  Zu  diesen  Arbeiten 
sollen  hier  einige  Ergänzungen  gegeben  werden. 

Für  die  Ausbreitung  der  Reformation  war  der  Gegen- 
satz zwischen  Ernestinern  und  Albertinern  ein  großes 
Hindernis,  andererseits  wurde  aber  auch  wieder  durch  die 
Abneigung  Herzog  Georgs  gegen  Luther  und  sein  Werk 
die  Feindschaft  der  beiden  sächsischen  Linien  gesteigert. 
Landgraf  Philipp,  der  Freund  und  Bundesgenosse  Johanns 
des  Beständigen  und  der  Schwiegersohn  Georgs,  schien 
die  geeignetste  Persönlichkeit,  um  die  Vermittlung  zu  über- 
nehmen. Ihm  sowohl  wie  den  Ernestinern  war  1525  das 
gespannte    Verhältnis    zu    dem    albertinischen    Vetter    sehr 


1)  Neues  Archiv  für  Sachs.  Gesch.  Bd.  VI. 

2)  In  Niedners  Zeitschrift  für  die  historisch«  Theologie.  N.  F. 
XIII,  1849,  S.  175  ff. 

XXII.  16 


230      Ueber  ein  1525  und  1526  geplantes  ßeligionsgespräch 

unbequem,  sie  benutzten  gern  jede  Gelegenheit  zu  einer 
Versöhnung.  Die  gemeinsame  Aufgabe,  die  die  Erhebung 
der  Bauern  den  benachbarten  Fürsten  v  stellte ,  bot  einen 
erwünschten  Anlaß  zu  Verhandlungen,  vor  Mühlhausen 
einigte  man  sich  auf  eine  gemeinsame  Politik  den  Unter- 
tanen gegenüber.  Andere  Fürsten  sollten  für  den  Eintritt 
in  diesen  Bund  gewonnen  werden  i).  Bald  a^Der  zeigte  sich, 
daß  man  dabei  von  ganz  verschiedenen  Voraussetzungen 
ausging.  Die  Nachrichten,  die  Johann  und  Philipp  im 
August  1525  zum  Teil  aus  Georgs  eigenem  Munde  über 
seine  Dessauer  Verabredungen  mit  den  Kurfürsten  von  Mainz 
und  von  Brandenburg  u.  a.  erhielten,  verschafften  ihnen 
die  unerwünschte  Erkenntnis,  daß  Georg  dem  Bunde  einen 
antievangelischen  Charakter  zu  geben  suchte.  Trotzdem 
gaben  sie  die  Hoffnung,  die  Einigung  zu  erhalten,  nicht 
auf.  Es  entstand  jetzt  in  ihnen  der  Gedanke,  durch  ein 
Religionsgespräch  die  religiöse  Differenz  zu  beseitigen,  und 
wir  dürfen  wohl  annehmen,  daß  sie  dabei  die  Hoffnung 
hegten,  Georg  für  den  neuen  Glauben  zu  gewinnen.  Längere 
Zeit  kamen  sie  immer  wieder  auf  diesen  Gedanken  zurück, 
und  es  ist  dieser  Punkt,  den  ich  hier  auf  Grund  bekannter 
und  unbekannter  Akten  verfolgen  möchte. 

Zuerst  findet  sich  der  Vorschlag  in  dem  Briefe,  den 
Johann  und  Philipp  am  15.  Sept.  1525  aus  Treffurt  an 
Herzog  Georg  richteten  ^).  Es  heißt  darin,  sie  sähen  für 
gut  an,  „das  die  obgemelten  churfursten  und  fursten  (d.  h; 
die,  die  zu  Dessau  versammelt  waren),  auch  E.  L.  und  wir 
zu  allen  theiln  gelarte,  erbare,  gotsfurchtige  und  geschigte 
personen,  auch  wenn  von  allen  theilen  unsem  freunden  und 
verwanten,  uf  einen  gelegenen  platz  zusamen  schigten  und 
sich  von  allen  misspreuchen  und  Sachen  das  evangelium 
und  wort  gottis  sampt  den  ceremonien  belangent  erbarlich 
und  christlich  zu  unterreden,  und  was  dann  befunden,    das 


I 


1)  Vgl.  Friedensburg,  Zur  Vorgeschichte  des  Gotha-Torgauischen 
Bündnisses,  S.  7  ff . 

2)  Friedensburg,  Vorgeschichte,  S.  114  ff. 


zwischen  ErnestiDern  und  Albertinem.  231 

am  allermeisten  dem  wort  gottis  gleich  wäre,  das  man  das- 
selbige  furgehen  Hess,  was  aber  am  meinsten  darwidder  were, 
das  solchs  nachpliebe  bis  auf  einen  mehrem  christlichen  und 
entlichen  beschlus".  Auch  am  25.  Oktober  scheinen  die 
beiden  Türsten  ihren  Vorschlag  noch  einmal  wiederholt  zu 
haben  ^),  sie  hofiften,  daß  nach  Beilegung  des  Religions- 
streites die  Beseitigung  der  übrigen  Differenzen  der  Wet- 
tiner  keine  großen  Schwierigkeiten  mehr  machen  würde'), 
bei  Georg  aber  fanden  sie  mit  ihren  Vorschlägen  wenig 
Anklang.  Er  zog  sich  auf  seine  Dessauer  Verbündeten 
zurück.  Diese  erklärten  in  ihrer  Antwort  vom  13.  November, 
die  Georg  am  12.  Dezember  an  Johann  übersandte,  daß 
sie  sich  auf  dergleichen  Verhandlungen  nicht  einlassen 
könnten,  weil  sie  den  Reichstagsbeschlüssen  und  den  Ge- 
boten des  Kaisers  zuwider  laufen  würden.  Trotzdem  gaben 
die  evangelischen  Fürsten  ihren  Plan  noch  nicht  auf,  in 
ihren  Briefen  vom  Dezember  1525  und  Januar  1526  ist 
noch  öfters  davon  die  Rede,  sogar  in  einem  Briefe  an 
Georg  berühren  sie  ihn  noch  einmal  ^),  aber  wohl  nur,  um 
diesen  zu  nötigen,  Farbe  zu  bekennen.  Besonders  der 
Landgraf  scheint  sich  keine  großen  Hoffnungen  mehr 
gemacht  zu  haben,  daß  man  auf  diesem  Wege  etwas  er- 
reichen könne  *).  Erst  als  ihm  seine  Schwester  Elisabeth 
im  Februar  1526  meldete,  der  Herzog  gestatte  die  freie 
Predigt  des  Evangeliums,  wagte  Philipp  einen  neuen  Vor- 
stoß. Im  Februar,  März  und  April  fand  eine  Korrespondenz 
zwischen  ihm  und  seinem  Schwiegervater  statt  ^),  die  aber 
bald  zeigte,  daß  auch  diese  neuen  Hoffnungen  eine  Täu- 
schung waren.    Auch  die  Ermahnungen,  die  der  Landgraf  am 


1)  Karstens,   S.   362.    Vgl.  auch  Friedensburg,  Vorgeschichte, 
S.  93  ff. 

2)  Karstens,  S.  369. 

3)  am  7.  Jan.  1526.    Vgl.  Friedensburg,  Vorgeschichte,  S.  97. 

4)  ebenda  S.  96. 

5)  Abgedruckt  bei  Friedensburg  im  Neuen  Aich.  L  die  sächs. 
Gesch.,  VI,  129—135. 

16* 


232      Ueber  ein  1525  und  1526  geplantes  Religionsgespräch 

1.  April  an  den  Kurfürsten  Johann  ergehen  ließ,  Georg 
gegenüber  behutsam  zu  verfahren  und  besonders  Luther, 
den  er  so  sehr  hasse,  zurückzuhalten  ^),  hatten  nun  keine 
weitere  Bedeutung. 

Man  hat  bisher  angenommen,  daß  Philipp  von  nun  an 
die  Hoffnung  auf  Gewinnung  seines  Schwiegervaters  auf- 
gegeben habe^).  In  der  Tat  scheint  er  selbst  direkt  nicht 
weiter  in  Verbindung  mit  ihm  getreten  zu  sein,  dagegen 
veranlaßte  er  aber  im  Juni,  daß  kursächsisch erseits  der 
Gedanke  des  Religionsgesprächs  noch  einmal  aufgenommen 
und  ein  letzter  energischer  Versuch,  Georg  auf  diese  V^eise 
zu  gewinnen,  gemacht  wurde.  Der  folgende  auch  in  anderer 
Hinsicht  interessante  Brief  belehrt  uns  darüber: 

Landgraf  Philipp  an  Herzog  Johann  Friedrich.  Eppen- 
berg  [1626  Juni  16].  3). 

Ich  hab  E.  L.  schreiben  verstanden  und  will  meiner 
swester  bei  eigener  botschaft  antwort  geben.  Zum  andern 
hz.  Heinrichs  halben,  was  er  zu  Quedelburg  gemacht  hat, 
das  hab  ich  E.  L.  vater  vorhin  angezeit,  wie  E.  L.  an 
zwiffel  von  im  vernemen  werden,  desglichen  so  schick  ich 
E.  L.  ein  briff  von  hz.  Heinrich  an  mich  gangen,  do  wirt 
E.  L.  sein  gemut  wol  in  vernemen  und  ist  darnach  mein 
frundlich  bit  an  E.  L.,  als  E.  L.  und  mein  gluck  stet, 
E.  L.  woll  sich  kegen  hz.  Heinrich  nit  verhetzen  lassen, 
das  E.  L.  ein  unfrundlich  gemute  zu  im  entpecht,  wan  er 
wert  E.  L.  dünn,  was  E.  L.  lieb  ist,  das  hat  er  mir  zu- 
gesagt, so  wirt  es  E.  L.  auch  selbst  von  im  hören. 


1)  ebenda  S.  114.     Karstens  S.  372.     Weim.  Arch.  Reg.  A,  237. 

2)  Friedensburg,  ebenda  S.  116. 

3)  eigenh.  Or.  Weim.  Arch.  Reg.  N.  50.  Dort  ins  Jahr  1525 
gesetzt,  doch  gehört  der  Brief  offenbar  ins  Jahr  1526.  Es  ist  der 
Hauptbrief  zu  dem  bekannten  Briefe  Philipps  an  Joh.  Friedr.  vom 
17.  Juni  1526  (Eppenberg  am  sontage  nach  Viti  et  Modeeti  anno 
XXVI.  Or.  von  Kanzleihand  Reg.  H.  p.  3.  C.  beginnend  mit :  Wir 
bitten  auch  E.  L.) ,  den  Seckendorf  II ,  47  f.  imd  Friedensburg, 
Speier  S.  291  f.  u.  a.  benutzt  haben. 


zwischen  Ernestinern  und  Aibertinern.  233 

Nachdem  ich  nu  E.  L.  und  E.  L.  fater  mit  verwantnis^ 
und  frundschaft  zugetan  bin,  8o  kan  ich  nit  underlassen; 
nachdem  auch  es  dem  evangelium,  nach  menchslicher  weise 
zu  reden,  schaden  tut  und  vil  leut  dardorch  geergert  werden, 
wo  das  also  war  were,  nu  gehet  ein  gemeine  geschrei,  wie 
das  E.  L.  her  vater  die  monch  und  nonnen  us  den  clostern 
jag  mit  gewalt  und  in  nichts  geben  und  mit  dem  closter- 
gut  auch  übel  gehandelt  wirt  und  die  closterleut  darüber 
zu  huren  und  buben  werden.  Wo  das  nu  so  were,  das  ich 
nit  hoff,  so  wers  mirs  leit,  es  wer  auch  nit  ewangelichs,  es 
werden  auch  vil  lut  darüber  geergert,  ich  kunt  auch  kein 
glauben  do  mirken,  nachdem  die  liebe  nit  da  wer,  und 
darumb  ist  mein  frundlich  bit  an  E.  L.  umb  Cristi  willen, 
wo  das  also  wer,  wolt  das  abstellen  und  mit  Martine  und 
Melanthon  nach  laut  des  wort  gots  darin  handeln,  uf  das 
unser  schätz,  das  wort  gots,  durch  unser  böse  leben  nit 
gelestert  werde. 

Desglichen  höre  ich,  das  vil  buberei  mit  ebruch  und 
sust  mit  nemen  einem  dem  andern  und  das  sich  czwei  hin- 
nemen,  morn  wieder  von  ein[ander]laufen,  in  E.  L.  vater  land 
sei,  do  sich  dan  vil  leut  an  ergern,  das  bit  ich  auch  E.  L., 
wo  im  also  ist,  das  E.  L.  her  vater  darin  ein  insehen  habe, 
das  das  gestraift  werde,  wie  dan  das  Sein  Liebe  schuldig 
ist  zu  dun,  wie  dan  das  Petrus  und  Paulus  sagen,  da  sie 
schriben,  die  oberkeit  trag  das  swert  nit  vergebelich,  wan 
sie  seie  gots  dinerin  zu  straffen  den,  der  bosses  tut,  uf  das 
[das]  evangelium  nit  durch  unser  leben  gelestert  werde. 

Nachdem  uns  auch  nu  Cristus  gebeut  und  heist  uns 
frid  haben,  auch  Paulus  sagt,  wir  sollen  mit  iederman  frid 
haben  und  auch  Petrus  spricht,  man  sol  dem  frid  nach- 
jagen und  iderman  um  bitten,  und  ich  auch  gelessen  hab 
in  der  schrift  der  geschieht  der  apostel,  wan  ein  irruug 
gewesen  ist,  das  sie  dan  zu  häuf  komen  sein  und  sich  nach 
laut  des  Worts  gots  vereiniget,  und  ich  nu  mirk,  das  zwei- 
xöpellicheit  und  irrung  zwischen  E.  L.  vater  und  hz.  Jörgen 
ist,  und  ir  mir  von  beiden  teilen  verwant  seit  und  sich  zu 


234      Ueber  ein  1525  und  1526  geplantes  Religionsgespräch 

besorgen  were,  das  ein  funklein  ain  ganzen  walt  anstechken 
wird,  wo  es  nit  in  der  zeit  vorkomen  werde,  und  mir  nu 
ein  menchs  i),  dem  evangelio  geneit,  ei»  anslag  geben  hat, 
wie  E.  L.  fater  und  hz.  Jörg  in  ein  entlichen  vertrag  komen 
kouten,  so  kan  ich  E.  L.  nit  bergen,  das  mir  angezeit  worden 
ist  die  meinung,  das  hz.  Jörg  ein  halstarigen  köpf  habe 
und  wo  man  im  auch  nit  ein  wenig  nachgibt,  so  bringt 
man  in  numer  davon,  wan  mir  wirt  angezeit,  er  Sprech, 
was  den  corforsten  gut  dunkt,  das  sol  also  recht  sein. 
Nu  hat  mir  der  menchs  den  weg  angezeit,  das  er  meinte, 
und  ich  halts  auch  darvor,  er  kunt  nit  darvor  über  und  ob 
ers  schon  nit  duen  wolt,  so  vermerk  ich  so  vil,  das  er  dem 
son  das  regiment  übergeben  und  liß  den  dun,  und  es  hat 
mich  glaublich  angelangt,  wie  ich  E.  L.  wol  anzeigen  wil, 
wan  ich  einmal  bei  E.  L.  kum  oder  bei  den  corforsten. 
Und  das  ist  der  weg,  das  sich  E.  L.  her  vater  der  corforst 
zu  hz.  Jörgen  schickt,  wo  es  dan  Sein  Lieb  haben  wolt, 
so  wolt  ich  dergleichen  auch  dun,  und  lies  im  sagen,  das 
S.  L.  gern  frundschaft  und  guten  willen  bei  S.  L.  haben 
wolt,  auch  gern  sehen,  das  S.  L.,  desglichen  sein  eigen 
undertan  in  einer  guten  eintracht  und  einikeit  weren,  und 
wolt  es  auch  gern  machen,  das  got  gefil,  und  darumb  wer 
sein  bit  an  S.  L.,  das  S.  L.  wolt  etlich  frome  gelerte  menner 
US  S.  L.  landschaft  [verordnen],  desglichen  wolt  er  auch  dun, 
desglichen  wol  er  mich  vermögen,  ich  solt  auch  die  meinen 
darbei  schicken,  und  das  die  das  wort  gots  vor  sich  nemen 
und  alle  cermonien  und  userliche  Sachen  darnach  richten. 
Wie  die  es  machen  nach  laut  des  wort  gottes,  so  solt  es  im 
gefallen,  und  nem  das  E.  L.  vater,  so  kunt  es  hz.  Jörg 
nit  abslagen,  und  ich  hoffe,  alle  Sachen  solten  gut  werden, 
es  wer  auch  recht  und  wer  dem  wort  gots  glich,  es  wirt 
auch  Lutern,  versehe  ich  mich,  gefallen,  er  und  ander  musten 
auch  darbei  sein.  Wan  auch  das  geschege,  su  were  der 
paffen  pratica   ser  gebrochen  und  wan  man  dan  ein  veinen 


1)  Vielleicht  Herzogin  Elisabeth. 


zwischen  Ernestinern  und  Albertinern.  235 

waudel  füret,  wie  ich  for  geschriben  hab,  so  werden  sich 
vil  leut  bessern  und  nit  ergem,  so  fer  als  auch  got  sein 
gnade  verleit.  Ich  bit,  E.  L.  wol  dis  mein  achriben  in 
geheim  halten  und  nimant  wan  E.  L.  her  vater  und,  wo 
E.  L.  wil,  dem  Lutter  sehen  lassen  und  sich  cristlich  und 
frundlich  darin  erzeigen  und  mein  schriben  nit  anders  dan 
US  getruem  herzen  keigen  E.  L.  vermirken  ...  D,  Ebpen- 
berk  sambstag  uach  Viti  etc. 

Johann  Friedrich  scheint  den  Wunsch  des  Landgrafen 
bereitwillig  erfüllt  zu  haben,  denn  in  der  Listruktion,  mit 
der  am  4.  Juli  Hans  v,  d.  Planitz  und  Günther  von  Bünau 
als  kursächsische  Gesandte  an  Herzog  Georg  geschickt 
wurden  ^),  kehren  die  hessischen  Vorschläge,  allerdings  in 
mancher  Hinsicht  modifiziert  und  ohne  Erwähnung  des 
Landgrafen,  wieder.  Nachdem  der  Kurfürst  darin  zrmächst 
auseinandergesetzt  hat,  daß  ohne  Beilegung  der  Differenzen 
in  Glaubenssachen  auch  auf  eine  Beseitigung  der  zeitlichen 
Streitigkeiten  nicht  zu  rechnen  sei,  betont  er  seine  Bereit- 
willigkeit, sich  einem  freien  christlichen  Konzilium  oder 
einer  Versammlung,  „so  von  Kais.  M*,  kfen,  fursten  und 
andern  stenden  des  heiligen  reichs,  auch  allen  cristglaubigen 
menschen  furgenomen  wirdet",  zu  fügen  und  fährt  dann 
fort:  „So  aber  E.  f.  Gn.  solchs  auch  nit  gefallen  wolt,  vil- 
leicht  darumb,  das  sichs  darmit  zu  lange  verziehen  wurde, 
ader  aus  andern  Ursachen,  können  und  mögen  S.  kf.  Gn. 
wol  leiden  und  wollen  S.  kf.  Gn.  sich  auch  hiemit  darzu 
erboten  haben,  das  beide  E.  kf.  und  £  Gn.  sich  eines  tags 
und  malstadt  freuntlich  vereinigen  und  auf  denselben  tag 
beiderseits  gelerte  und  ungelerte  rete  in  gleicher  anzalh 
geschickt  und  verordent  werden  und  das  dazumal  notturf- 
tiglich  und  mit  gutem  bedacht  aus  Verleihung  gotlicher 
gnaden  von  demjhenigen,  so  in  beiderseits  E.  kflichen  und 
f.  Gn.  furstentumben  und  landen  für  mißbreuchlich  und 
unschigklich  angesehen  wirdet,  gehandelt  und  geredt  werde. 


1)  Weira.  Arch.  Reg.  A  237  Conc.     Vgl.  Karstens  S.  .378  f. 


236      Ueber  ein  1525  und  1526  geplantes  Religionsgespräch 

auch  mit  gotlicher  hulf  und  durch  sein  wort  Vereinigung 
gemacht,  wie  es  allenthalben  bis  auf  ein  frei  cristlich  con- 
cilium  solte  gehalten  und  gebraucht  werden. 

Und  zu  einem  weitem  erbieten,  wo  es  E.  f.  G.  nicht 
gefeilig,  wollen  S.  kf.  Gn.  willigen  und  sich  darzu  erboten 
haben,  das  durch  gemeine  landschaft  und  von  allen  stenden 
beiderseits  E.  kf.  und  f.  Gn.,  inmassen  wie  hiebevorhn  von 
den  reten  meidung  bescheen,  aus  Verleihung  gotlicher  gnaden 
und  durch  sein  heiligs  wort  gehandelt  werde." 

Die  Antwort  Georgs  vom  19.  Juli  i)  lautete  rundweg 
ablehnend.  Er  erkannte  zwar  an,  daß  Einigkeit  in  den  das 
Seelenheil  berührenden  Dingen  erwünscht  sei,  empfahl  im 
übrigen  aber,  die  Beschlüsse  des  bevorstehenden  Speierer 
Reichstags  über  die  Missbräuche  und  über  die  bis  zum 
Konzil  zu  beobachtende  Haltung  abzuwarten,  und  erklärte 
eine  besondere  Verhandlung  darüber  für  unangebracht. 

Unsere  Kenntnis  über  die  Verhandlungen  der  beiden 
Gesandten  mit  Georg  ist  aber  nicht  auf  die  beiden  erwähnten 
offiziellen  Aktenstücke  beschränkt,  wir  besitzen  vielmehr 
darüber  noch  einen  lebensvollen  Bericht  des  Hans  von  der 
Planitz  an  den  Kurprinzen,  der  sich  seinen  berühmten 
Berichten  vom  Reichsregiment  würdig  anreiht  und  auch 
zur  Charakteristik  Herzog  Georgs  einen  hübschen  Beitrag 
liefert.  Ich  denke  manchem  eine  Freude  zu  machen,  wenn 
ich  ihn  hier  mit  anreihe: 

Hans  von  der  Planitz  an  Hz.  Johann  Friedrich.  Grimma 
1526  Juli  212). 

Er  Günther  von  Bunan  und  ich  seint  am  nechsten 
mitwochen  zu  Dresden  einkommen  und  am  donerstag  das 
antragen  getan  in  gegenwertigkeit  der  rett  Jörgen  von 
Karlwitz,  des  canzlers,   Haussen  von  Haubitz  und  Haussen 


1)  Dresden  dornstags  nach  Alexii  1526.  Or.  Reg.  A.  237.  Kar- 
stens S.  379.  Am  26.  Juli  wurde  Georgs  Antwort  von  den  Räten 
aus  Weimar  dem  Kfen  nach  Speier  nachgesandt  (ebenda  Or.),  daher 
wohl  das  Datum  bei  Karstens  S.  385. 

2)  eigenh.  Or.  Reg.  N.  pag.  68.  C.  No.  17. 


zwischen  Erneetinern  und  Albertinern.  237 

von  Schonberghs,  gab  uns  unsser  gn.  herr  hz.  Jorge  antwort 
desselben  tages  umb  VII  höre  auf  den  abent,  wie  E.  f.  Gn. 
befinden  werden,  dan  wir  dieselbigen  unsserm  gnsten.  hn. 
dem  kfen,  E.  f.  Gn.  vattern,  haben  zugeschigkt,  und  betten 
gern  weiter  antwort  gehabt,  wue  nichts  auf  disem  reichstag 
von  sulcher  Ordnung  aufzurichten  gehandelt  ader  beschlossen 
wurde,  ab  alsdan  S.  f.  Gn.  der  erpiten  eins  und  welchs 
annemen  und  willigen  wolde,  wir  haben  aber  nichts  erlangen 
mögen.  Dan  ich  allein  bekam  von  S.  f.  Gn.  mein  auspeut 
und  also :  Do  wir  die  antwort  entpfangen  hetten  und  unssern 
abschidt  nemen  weiten,  sprach  ich  zu  m.  gn.  hn.  hz.  Jörgen 
ich  wolt  mich  auch  versehen,  die  reichsstende  wurden  von 
einer  Ordnung  reden,  wie  man  es  mit  den  ceremonien  und 
anderen  halten  solde  bis  auf  ein  zukonftig  concilium,  wue 
es  aber  nicht  beschee,  als  woll  zu  besorgen  stunde,  nochdem 
es  die  geistlichen  nicht  gern  wurden  nachlassen,  ßo  ver- 
hoffet ich  doch,  S.  f.  Gn.  wurden  sich  mit  m.  gn.  hn.  dem 
kfen  einer  Ordnung  vereinigen.  Darauf  S.  Gn.  antwortet 
Wir  haben  ein  gute  Ordnung  gehabt,  hett  man  es  dobei 
bleiben  lassen.  Saget  ich  •  Gn.  her,  E.  f.  Gn.  wissen  den- 
nochst  woll  und  haben  gesehen,  was  Unordnung  die  geist- 
lichen haben  mit  eingefurt,  dieselben  alle  zu  dulden  were 
auch  vast  beschwerlich.  Antwortet  er:  Man  soll  darumb 
den  bäum  mit  der  wurzel  nicht  ausreissen.  Zu  dem  ich 
antwortet:  Were  etwas  guths  und  cristlichs  umbgestossen, 
gn.  h.,  so  rieht  man  es  wider  auf,  allein  das  E.  beider  kf. 
und  f.  Gn.  darvon  reden  und  handeln  lissen,  was  dem  evan- 
gelio  gemeß  ader  ungemeß  were,  darnach  hett  man  die 
Ordnung  aufzurichten.  Do  sprach  er  zomiglichen:  Ja  Ir 
land  ich  verstehen  und  wissen  woll,  was  dem  ewangelio 
gemess  sei  oder  nicht.  Darauf  ich  saget :  Gn.  her,  E.  beider 
kf.  und  f.  Gn.  haben,  gott  hab  lobe,  vill  verstendiger  und 
redlicher  leut  im  furstentum,  die  sulchs  woll  verstehen  und 
wissen.  Ja,  sprach  ehr,  was  itzunt  ein  ausgelaufener  monch 
saget,  das  muß  recht  sein.  Man  kan  kein  besser  Ordnung 
machen,  dan  die,  ßo  hievor  gewest.     Und  wurde  also  schoel- 


238    Ueber  ein  1525  und  1526  geplantes  Religionsgespräch  etc. 

lig  und  ungeberig,  das  ich  mein  pfeif  einzog,  gab  ern 
Günthern  und  mir  ein  gute  nacht,  zogen  alßo  in  unsser 
herbergh,  und  in  summa,  S.  f.  Gn.  mogeti  übel  leiden,  das 
man  mit  im  von  disser  sachen  rede,  und  ßonderlich  vermerk 
ich,  das  er  es  von  mir  unliber,  den  von  einem  andern  hat. 
Er  ist  auch  etwas  schwach  gewest  am  fiber  und  ist  noch 
nicht  woll  geschigket,  dan  S,  Gn.  haben  einen  bösen  husten, 
sagen  die  erzt,  es  sei  ein  fluß,  der  falle  S.  Gn.  auf  die  lunge. 
Gott  helf  uns  allen. 

Von  neuen  Zeitungen  aus  disen  landen  weiß  E.  f.  Gn. 
ich  nichts  zu  schreiben,  den  das  man  saget,  wie  das  der 
kg.  von  Polen  zu  Danzig  vill  leut  hab  richten  lassen,  und 
müssen  die  von  Danzig  alle  altar  und  ceremonien,  wie  zuvor 
gewest,  widerumb  aufrichten.  Nicht  wes  ich,  ob  dem  also. 
Greffendorfif,  wen  der  kommet,  wirt  die  warheit  wissen. 
D.  Grim  am  XXI.  tage  julii  anno  dni  XV'=  und  XXVI. 

Die  Beschlüsse  des  Speierer  Reichstags  konnten  in 
keiner  Weise  dazu  dienen,  die  Gegensätze  im  Hause  Wettin 
zu  beseitigen.  Wohl  aber  lag  es  nahe,  daß  man  von 
ernestinischer  Seite  jetzt  auf  den  Gedanken  einer  gemein- 
samen Regelung  der  religiösen  Frage  wieder  zurückkam. 
Tatsächlich  wurde  in  einem  Briefe  Johanns  an  Georg 
vom  3.  Januar  1527  i)  an  den  Vorschlag  vom  vorigen  Jahre 
noch  einmal  erinnert.  Georg  ging  in  seiner  Antwort  vom 
8.  Jan.  2)  aber  auf  die  Sache  überhaupt  nicht  ein,  und  nun 
scheint  man  auch  auf  ernestinischer  Seite  den  Plan  fallen 
gelassen  zu  haben. 


1)  Reinentw.  Reg.  A.  238. 

2)  ebenda. 


VI. 

Der  Diesberg  (Diesburg)  an  der  Rhön,  und  der 
Steinwali  auf  demselben. 

Von 

Landesgeometer  A.  Mueller. 

(Mit  einer  Karte.) 

Zwischen  den  Dörfern  Wohlmuthausen,  Aschenhausen 
(Sachs. -Weimar)  und  Oberkatz  (Sachs.-Meiningen).  erhebt 
sich  in  den  östlichen  Vorbergen  der  Rhön  bis  zu  einer  Höhe 
von  710  m  der  Baseltkegel  „der  Diesberg",  von  den  benach- 
barten Basaltbergen  Alte  Mark,  Hutsberg,  Streufelsberg  etc. 
durch  einen  breiteren,  von  Ost  nach  West  laufenden  Rücken 
sich  unterscheidend.  Den  Gipfel  umschließt  ein  von  Basalt- 
steinen (sogen.  Wackersteinen)  aufgeführter  Ringwall  in 
elliptischer  Form,  der  bei  einer  unteren  Breite  von  7 — 8  m, 
von  außen  immer  noch  eine  Höhe  von  i^/g — 2  m  hat, 
während  im  Innern  durch  Anschwemmung  und  Humus- 
bildung die  Erhebung  über  den  Boden  nur  eine  geringe  ist. 
Ein  jedenfalls  alter  Eingang  liegt  auf  der  westlichen  Seite 
des  Rings,  nach  Wohlmuthausen  hin,  während  noch  drei 
weitere  Ausgänge,  nach  Süden  und  Westen,  erst  in  neuerer 
Zeit  zur  Abfuhr  des  auf  der  Höhe  geschlagenen  Holzes  in 
den  Steinwall  gebrochen  worden  sind.  Derselbe  schließt 
eine  Fläche  von  ca.  l^/^  ha  =  15000  qm  ein,  und  hat  in 
der  Richtung  von  Süd  nach  Nord  eine  Länge  von  etwa 
230  m,  bei  einer  größten  Breite  von  160  m  von  Ost  nach 
West;  der  Stein  wall  selbst  bedeckt  eine  Fläche  von  40  ar. 
Bis  vor  etwa  80  Jahren  war  der  Rücken  des  Berges  inner- 


240  I^ßi*  Diesberg  an  der  Rhön, 

halb  des  Ringes  nur  mit  einzelnen  Bäumen  bestanden  und 
diente  als  Viehweide ;  dann  haben  die  Gemeinden,  des 
höheren  Ertrags  wegen,  die  eingeschloissene  Fläche  auf- 
geforstet, wodurch  natürlich  die  Uebersicht  und  Aussicht 
höchlichst  beeinträchtigt  wird. 

Auf  der  höchsten  Stelle  der  Umwallung,  die  im  Volks- 
munde „der  Kringel"  genannt  wird,  stoßen,  wie  aus  dem 
beigegebenen  Kärtchen  ersichtlich,  die  Grenzen  der  drei 
genannten,  ehemals  hennebergischen,  Fluren  zusammen,  die 
nach  Absterben  dieses  Hauses  1583,  an  Sachsen,  und  zwar 
Aschenhausen  und  Wohlmuthausen  an  S.-Koburg  —  später 
Eisenach  (Weimar)  — ,  Oberkatz  an  S.-Hildburghausen  — 
später  Meiningen  —  fielen,  so  daß  die  Flurgrenze  zwischen 
Oberkatz  und  Aschenhausen-Wohlmuthausen,  jetzt  gleich- 
zeitig Landesgrenze  zwischen  Sachsen- Weimar  und  Sachsen- 
Meiningen,  ist. 

In  einer  Abhandlung  (Programm)  vom  29.  Dezbr.  1709 
stellte  der  aus  Oberkatz  stammende  Jenaer  Professor  und 
Rechtsgelehrte  J.  W.  Ditmar  die  Behauptung  auf,  daß  jene 
Umwallung  auf  dem  Diesberge,  die  er  aus  eigener  An- 
schauung genau  kannte,  das  längst  gesuchte  Dispargum  des 
Gregor  von  Tours,  die  fränkische  Königsburg  des  Chlodio 
sei,  von  welcher  aus  der  Frankenkönig  im  Jahr  491  den 
Römern  nach  Cambray  (Cameracum)  gefolgt  sei  und  sie 
geschlagen  und  vertrieben  habe.  Dieser  Ansicht  trat  der 
um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  als  Pfarrer  in  Betten- 
hausen lebende  Magister  Johann  Ludwig  Heim,  und  nach 
ihm  die  meisten  Forscher,  bei. 

Wenn  nun  jetzt  auch  feststeht,  daß  diese  Ansicht  un- 
richtig, und  das  Dispargum  in  unserer  Diesburg  nicht  zu 
erblicken  ist,  so  dürfte  es  doch  ebenso  irrig  sein,  Diestheim 
bei  Tongern  (s.  Binder,  „Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg 
V.  d.  Rhön",  in  Bd.  XVI,  S.  238  d.  Zeitschr.)  dafür  an- 
zusehen, als  das  Ronneberg  bei  Hannover  für  das  „Runi- 
bergun"  Gregors  zu  halten,  wo  im  Jahre  531  der  Kampf 
zwischen  den  Thüringern  und  Franken  stattgefunden. 


und  der  Stein  wall  auf  demselben.  241 

Nach  Ansicht  der  Umwohner  hat  allerdings  den  Gipfel 
des  Diesbergs  eine  Königsburg  gekrönt,  und  in  der  Regel 
wird  die  Umwallung,  ja  der  ganze  Berg,  die  „Diesburg" 
genannt,  freilich  nicht  erst,  wie  Binder  vermutet,  seit  Ditmars 
Hypothese,  denn  schon  1661  kommt  nachweislich  die  Be- 
nennung „Dießburgk"  vor^)  vor.  Wir  kommen  später 
darauf  zurück. 

Auf  alle  Fälle  bleibt  die  Frage  bestehen:  Welchen 
Zwecken  hat  die  Umwallung  (der  Steinring)  ursprünglich 
gedient? 

Ditmar  beschreibt  den  Berg  folgendermaßen :  Est  mons 
altissimus,  longe  lateque  conspicuus,  in  cacumine  magnam 
planitiem,  raris  arboribus  continet,  lateribus  inhaerent  nemora 
.  .  .  und  fährt  dann  fort:  in  monte  hoc  nuUa  supersunt 
rudera,  nisi  quod  in  superna  planitie  circulus  ex  lapidibus 
collectus ,  et  lapis  limitaneus  tribus  cochlearibus  incisus 
notabilis  appareat",  und  Heim  setzt  erläuternd  hinzu : 
„Dieser  Grenzstein  ist  von  ziemlicher  Größe  oder  Umfang, 
oben  darauf  ist  eine  Schüssel,  in  welcher  drei  Löffel  liegen, 
gehauen;  anzuzeigen,  daß  derselbe  3  Ämter  unterscheide, 
als  das  Amt  Lichtenberg,  Amt  Kaltennordheim  und  Amt 
Sand  —  (jetzt  Meiningen)  —  und  fährt  scherzend  fort: 
„sodann,  wann  etwa  die  3  Herren  Beamten  bey  einer  Grenz- 
Beziehung  wollten  eine  Suppe  verzehren,  ein  jeder  sich  auf 
den  Stein  bey  die  Schüssel  setzen  und  dabey  seine  Füße 
auf  seinem  Amts-Territorio  könne  ausruhen  lassen," 

Zu  Ditmars  und  auch  zu  Heims  Zeiten  also  war  noch 
ein  großer  Stein  auf  der  höchsten  Stelle  der  Umwallung 
vorhanden,  dessen  Vorhandensein  Binder,  der  in  der  Um- 
wallung eine  Kultus-  und  Opferstätte  erblickt,  fälschlich 
auch  jetzt  noch  anzunehmen  scheint.     „Der  Block  in  jenem 

1)  Man  hat  gegen  die  Ansicht,  eine  Burg  habe  den  Berggipfel 
gekrönt,  geltend  gemacht,  daß  sich  kein  einziger  Überrest  eines  Bau- 
werks auf  dem  Berge  vorfinde ;  es  ist  dieser  Grund  deshalb  hiniällig, 
weil  noch  im  4.  und  5.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  die  Innen- 
bauten der  Höfe  —  Burgen  —  nur  aus  Holz  errichtet  waren. 


242  ^^^  Diesberg  an  der  Khön, 

Steinring",  sagt  er,  „ist  jedenfalls  der  Opferstein  gewesen, 
lind  die  schüsselförmige  Vertiefung  ....  dürfte  zuna  Auf- 
fangen des  Blutes  der  geopferten  Tiere,  oder  Menschen 
gedient  haben." 

Dieser  große  Stein  auf  dem  höchsten  Punkte  der  Um- 
wallung, von  jeder  Stelle  derselben  sichtbar,  solange  der 
Gipfel  unbewaldet  war,  ist  heutzutage  nicht  mehr  vorhanden, 
und  niemand  ist  imstande,  über  den  Verbleib  oder  das 
Schicksal  desselben  Kunde  zu  geben,  wenn  sich  auch  die 
Erinnerung  an  den  „großen  Stein"  bei  den  Umwohnern  noch 
erhalten  hat.  Was  aber  heute  von  den  Bewohnern  der 
umliegenden  Dörfer  als  „der  große  Stein"  bezeichnet  wird, 
ist  eine  zu  Tage  tretende  Basaltfelsmasse,  auf  dem  Ost- 
abhange  des  Berges,  außerhalb  des  Kringels  gelegen. 

Jetzt  befindet  sich  auf  der  höchsten  Stelle  der  Um- 
wallung ein  neuer  Landesgrenzstein  zwischen  Sachsen-Mei- 
ningen und  Sachsen- Weimar. 

Der  Verfasser,  der  4  Jahre  lang  zum  Zwecke  der 
Landesvermessung  in  Wohlmuthausen  stationiert  war,  kam 
zu  der  Überzeugung,  daß  sich  in  den  Protokollen  über 
frühere  Landesgrenzbegehungen  Aufzeichnungen  über  den 
verschwundenen  Stein  vorfinden  würden.  Herr  Professor 
Koch  in  Meiningen,  der  mich  auch  später  in  meinen  Nach- 
forschungen freundlichst  unterstützte,  verschaffte  mir  Ab- 
schriften von  Begehungsprotokollen  aus  dem  Archive  des 
Herzoglichen  Landratsamts  in  Meiningen,  in  welchen  dieser 
sogen,  große  Stein  erwähnt  wird.  In  dem  Protokoll  vom 
28.  Juni  1837  heißt  es:  „Die  Grenzbeziehung  begann  auf 
der  Höhe  der  Duisburg  am  1.  Stein.  Nr.  1  ein  alter  Stein, 
auf  dem  Kopf  abgeschlagen  (mit  unkenntlicher  Bezeichnung, 
und  sind  daran  noch  Spuren  von  Nr.  42  vorhanden),  stehend 
am  Anfang  der  Plurgrenze  zwischen  Oberkatz  und  Wohl- 
muthhausen  auf  dem  sogen.  Kringel." 

In  einem  anderen  Protokolle  vom  6.  Aug.  1845,  in 
welchem  auf  eine  frühere  Grenzbegehung  vom  31.  Juli  1834 
Bezug  genommen  wird,    heißt  es  betreffs  des  vorerwähnten 


und  der  Stein  wall  auf  deniHelbeii.  243 

Steins  Nr.  1  „zwischen  den  Markungen  Wohlmuthhausen, 
Oberkatz  und  Aschenhausen" :  „Der  Punkt  wurde  heute 
anerkannt,  der  alte  Stein  ausgehoben  und  ein  neuer  be- 
hauener,  oben  abgerundeter  Sandstein,  auf  der  einen  Seite 
S.  W.  E.,  auf  der  anderen  S.  M.,  eingesetzt  etc.".  Dieser 
Stein  ist  der  jetzt  noch  vorhandene. 

Es  ist  also  damals  (1845)  der  von  Ditmar  und  Heim 
erwähnte  große  Stein  mit  ausgehauener  schüsseiförmiger 
Vertiefung  (die  allerdings  stark  beschädigt  war)  entfernt 
worden.  Das  Protokoll  von  1834,  dessen  Abschrift  mir 
aus  dem  Archiv  der  Großherzoglichen  Bezirksdirektion  in 
Dermbach  mitgeteilt  wurde,  weist  wieder  auf  eine  im  Ge- 
meindearchiv in  Oberkatz  befindliche  Abschrift  einer  Grenz- 
beschreibung vom  18,  Sept.  1669  hin.  In  dieser,  mir  eben- 
falls durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn  Professor  Koch, 
der  sich  deshalb  selbst  nach  Oberkatz  begeben,  zugänglichen 
Abschrift  heißt  es  S.  110:  „Zum  Eüniften:  „Grenzet  unsere 
Fluhrmarkung  gegen  Niedergang  an  deß  Junkern  von 
Speßart  seine  Fluhrmarkung  zu  Aschenhaußen,  derowegen 
den  4.  February"  Anno  1661  das  erste  mahH),  sodann  den 
18,  Septembris  Anno  1669  wiederumb  begangen,  vnd  weilen 
solche  Fluhrmarkung  gar  Eckicht,  nachfolgend  nicht  allein 
alle  Stein,  so  noch  gestanden,  sondern  auch,  wo  Stein 
gemangeldt,  Neue  Eingesetzet,  vnd  wie  sie  befunden  vnd  wo 
sie  stehen  vfgesetzet." 

„Erstlich  ein  gehaubener  Eck-Stein,  oben  auf  der  Diß- 
burgk,  so  nicht  allein  zwischen  vnß,  vnd  dem  von  Speßart, 
sondern  auch  gegen  den  Wohlmutheußern  die  Fluhrmarkung 
scheidet.  Zum  Andern  zwey  Neue  Stein  an  der  Dießburgk 
herab  auff  den  Ellern  Eingesetzet"  etc.  etc. 

Es  ist  demnach  dieser  von  Ditmar  und  Heim  erwähnte 
„gehaubene"  Stein  im  Jahre  1661  schon  vorhanden  gewesen, 
keinesfalls  aber  ist  es,    wie  Binder   annimmt  der  ursprüng- 


1)  Das  erste  Mal  wahrscheinlich  nach  den  Wirren  und  Greueln 
des  30-iähr.  Krieges. 


244  I^'"  Diesberg  an  der  Rhön, 

liehe    Opferstein,    der    sicher    ein    behauener    Stein    nicht 
gewesen  ist. 

Durch  örtliche  Nachgrabungen  glaubte  der  Verfasser 
einen  sicheren  Anhalt  über  den  Zweck,  den  der  Steinwall 
gehabt,  zu  gewinnen.  Etwa  in  der  Mitte  desselben  befindet 
sich  eine,  auch  aus  dem  beigegebenen  Kärtchen  ersichtliche, 
Stelle  ohne  Baumwuchs,  bloß  von  Moos  und  Pflanzen  bedeckt, 
auf  welcher  der  Boden  feuchter  scheint,  als  ringsum,  wes- 
halb dieselbe  für  ehemals  Sumpf  oder  Moor  gehalten  werden 
konnte,  wie  man  es  ja  des  öfteren  an  der  Rhön  trifft. 
Diese  Stelle  erschien  zur  Nachgrabung  am  günstigsten. 
Eine  solche  hat  nun  in  Verbindung  mit  Herrn  Professor 
Koch  der  Verfasser  an  gedachtem  Platze  vorgenommen.  An 
fünf  verschiedenen  Stellen  wurden  Gruben  in  einer  Breite 
von  ca.  1  m,  bei  etwa  2 — 2^/3  m  Länge  und  bis  zu  einer 
Tiefe  von  IV2  ^  ausgeworfen,  ohne  daß  sich  das  Geringste 
vorgefunden  hat.  Eine  nach  Angabe  von  Bewohnern  in 
Wohlmuthausen  schon  vor  ungefähr  30  Jahren  durch  einen 
Ungenannten  vorgenommene  Nachgrabung  auf  dem  Kringel, 
deren  Spuren  sich  noch  erkennen  ließen,  soll  ebenfalls  ohne 
Resultat  verlaufen  sein.  Auch  die  in  großer  Anzahl  vor- 
handenen Dachsgruben  an  verschiedenen  Stellen  der  Um- 
wallung, haben  ebenfalls  nie  etwas  an  Waffen,  Knochen, 
Scherben  etc.  zu  Tage  gefördert. 

Diese  negativen  Resultate  verstärken  die  Annahme, 
daß  wir  hier  eine  große  Kultus-  und  Thingstätte  vor  uns " 
haben.  Wäre  der  Ringwall  ein  Überrest  von  Wohnstätten,  oder 
hätte  irgend  ein  Kampf  auf  dem  Berggipfel  stattgefunden, 
dessen  Resultat  die  Zerstörung  des  Ringwalls  gewesen,  so 
würden  sich  wohl  noch  Waffen,  oder  Waffenstücke,  oder 
sonstige  Überreste  bei  den  Ausgrabungen  etc.  vorgefunden 
haben,  Diese*Annahme  erleidet  auch  keine  Störung  durch  die 
ortsübliche  Bezeichnung  Di  es  bürg.  In  einem  Vortrage :  „Ein 
Streifzug  durch  das  mittelalterliche  Weimar"  im  Wartburgs- 
Herold  Bd.  I  sagt  0.  V.  Franke :  „Die  Altenburg  (bei  Weimar) 
ist  weiter   nichts    als    eine    hundertfach   unter  diesem    oder 


b 


und  der  öteinwall  auf  demselben.  245 

ähnlichem  Namen  vorkommende  alte  heidnische,  meist 
befestigte,  Kultusstätte,  wie  wir  sie  in  Verbindung  mit 
„Burg"  beispielsweise  bei  Hetschburg,  Oettern  und  Hel- 
lingen, —  Hainburg  —  als  „Burg"  schlechtweg  bei  Ober- 
i^runstedt  finden."  Die  Altenburg  in  Merseburg,  jetzt 
Kirche  mit  Kirchhof,  ist  auch  ohne  jeden  Zweifel  eine  alte 
heidnische  Kultusstätte  gewesen.  Auf  Befestigung  deutet 
die  Bezeichnung  „Burg"  unbedingt,  und  wir  erkennen,  daß 
liese  heiligen  Stätten  befestigt  waren,  zum  Schutze  des 
Heiligtums  selbst  wie  der  Bewohner,  die  wahrscheinlich  in 
Zeiten  der  Gefahr  innerhalb  der  Befestigung  Zuflucht 
suchten.  Die  Befestigung  der  heiligen  Stätten  hat  sich 
auch  in  die  christliche  Zeit  hinübergetragen,  wo  überall 
die  um  die  Kirche  herumliegenden  Kirchhöfe  befestigt,  d.  h. 
wenigstens  mit  Mauern  umgeben  waren,  und  in  Kriegs- 
zeiten gar  oft  die  letzte  Zufluchtsstätte  der  Bewohneir,  wie 
nicht  minder  der  kämpfenden  Scharen,  bildeten;  in  die 
Nähe  des  Heiligtums  flüchteten  die  Bewohner  ihre  Hab- 
seligkeiten. Burgähnliche  Befestigungen  erblicken  wir  an 
ier  Rhön  besonders  in  Ostheim  und  in  Walldorf  bei  Mei- 
ningen. 

Wessen  Dienste  die  Kultusstätte  gewidmet  gewesen, 
zeigt  uns  der  Name  des  Berges,  der  schon  von  Grimm  als 
Kultusstätte  bezeichnet  wird.  Mannhardt :  „Die  Götter  der 
deutschen  und  nordischen  Völker",  sagt  S.  262:  „Der 
älteste  unter  allen  germanischen  Göttern:  goth.  Tiijs,  ags. 
Tiw,  ahd.  Zio,  altn.  Tyr,  war  der  Gott  des  lichten  Himmels- 
'j;ewölbes,  der  Vater  Himmel,  welcher  dem  Laut  und  Begriffe 
jiach  dem  vedischen  Dyaus,  griechischen  Zeus  genau 
entsprach.  Nach  ihm  führte  der  dritte  Wochentag  bei  den 
Angelsachsen  den  Namen  Tiwesdag  (engl.  Tuesday):  in 
Schwaben  und  Bayern  heißt  er  Ziestag  (ahd.  Ziwestac)  und 
luch  unser  Dienstag  ist  aus  Tag  des  Tiu  verderbt.  Das 
Wenige,  was  wir  von  dem  Dienste  dieses  Gottes  wissen, 
berichtet  uns  Tacitus.  Zwischen  Elbe  und  Oder  wohnte 
im  ersten  Jahrhundert    der  Hauptstamm    der  Sueven,  Sem- 

XXII.  17 


246  1^61  Diesberg  an  der  Bhön, 

nonen,  d.  h.  Feßler,  genannt.  „Für  die  ältesten  und  edelsten 
der  Süeven",  sagt  der  römische  Geschichtsschreiber,  .,geben 
sich  die  Semnonen  aus.  Zur  festgesetzten  Zeit  kommen  in 
einem  Walde,  der  durch  der  Väter  Weihe  und  alther- 
kömmliche Scheu  geheiligt  ist,  alle  Völkerschaften  desselben 
Blutes  vermittelst  Gesandschaften  zusammen  und  begehen 
nach,  barbarischem  Gebrauche  schauderhafte  Weihen."  .  .  . 
Die  Semnonen  wanderten  später  nach  Süden  aus,  und  hier 
finden  wir  sie  am  Ende  der  Völkerwanderung  als  Juthungen, 
d.  h.  „die  echten  Abkömmlinge  des  Gottes",  und  als 
Schwaben,  ntirdlich  vom  Bodensee  wieder.  Ihren  National- 
gott haben  sie  in  die  neuen  Sitze  mitgebracht,  und  wir 
lernen  seinen  Namen  kennen.  Es  ist  Zio.  Denn  die 
Schwaben  werden  in  Glossen  des  9.  und  10.  Jahrhunderts 
Ziuwarl,  d.  h.  Männer  des  Zio,  genannt,  und  die  Stadt 
Augsburg  führte  vom  Kulte  des  Gottes  den  Namen  Zies- 
burc  (Stadt  des  Zio).  Ein  Tiesdorf  kömmt  in  nieder- 
schlesischer  Eibgegend  vor,  ein  Ziesberg  liegt  im  Wei- 
marischen" 1). 

Daß  diese  Kultusstätte  eine  besonders  hervorragende 
gewesen  sein  muß,  läßt  sich  nicht  nur  aus  der  eigentümlichen 
Lage  des  Berges,  sondern  vornehmlich  aus  der  Größe  der 
ümwallung  erkennen,  die  bei  ca.  15  000  qm  Flächengehalt 
leicht  bis  zu  8000  Menschen  zu  fassen  im  stände  war. 
Gerade   gegen    eine    solche    bedeutende  Kultusstätte   mußte 


I 


1)  Es  ist  dies  unser  Diesberg.  Etwa  V/^  Stunden  von  dem- 
selben entfernt  liegt  zwischen  Kaltensundheim ,  Mittelsdorf  uud 
Reichenhausen  eine  Höhe,  Zeunsberg  oder  „am  Zeunsberg"  genannt, 
ein  Diedorf  ebenfalls  in  dortiger  Gegend,  im  Feidagrunde,  1  Stunde 
nördlich  von  Kaltennordheim,  ein  Dietlas  gleichfalls  im  Feldagrunde. 
Sollten  uns  diese  Namen  nicht  vielleicht  den  Weg  zeigen,  den  die 
Semnonen  auf  ihrer  Wanderung  von  der  Elbe  nach  Westen  und 
Süden  genommen  ?  Haben  nach  dem  Berichte  des  Tacitus  die  Sem- 
nonen noch  im  1.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  an  der  Elbe 
gesessen,  so  ließe  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  die  Errichtung 
des  Heiligtums  —  Steinwall  —  auf  dem  Diesberge  in  das  Ende  des 
ersten  oder  zu  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  setzen. 


und  der  Steinwall  auf  demselben.  247 

sich  in  besonderem  Grade  der  Religionseifer  der  christlichen 
Missionare  und  Priester  richten,  und  sie  nahmen  vorzüglich 
auf  dem  höchsten  Punkte  des  Ringes,  der  Nordseite,  auf 
welchem  sich  wohl  der  Opferstein  befand,  eine  so  gründ- 
liche Zerstörung  vor,  daß  diese  Seite  der  Umwallung  wenig 
mehr  als  ein  großes  Trümmerfeld  von  Basaltsteinen  zeigt; 
auch  die  übrigen  Seiten  des  Berges,  namentlich  die  West- 
seite, sind  mit  Basal ttrümmem  bedeckt.  Daraus  läßt  sich, 
außer  aus  dem  oben  schon  erwähnten  Grunde,  wohl  mit 
Recht  schließen,  daß  der  von  Ditmar  und  Heim  beschriebene 
umfangreiche  Stein  auf  dem  Gipfel  der  Umwallung  nicht 
mehr  der  ursprüngliche  Opferstein  gewesen  sein  kann,  für 
den  ihn  Binder  ansieht,  der  ebenso  unrichtig,  den  Namen 
Diesberg  von  „dissen"  (Hegedissen)  ableitend,  in  ihm  den 
Blocksberg  der  Rhön  erblicken  will.  Wenn  außerdem 
Binder  in  seinem  Aufsatz  über  das  Amt  Lichtenberg  einer 
dem  Diesberg  analogen  Opferstätte  und  Umwallung  im 
kleinen  bei  Urspringen  Erwähnung  tut,  so  irrt  er  auch 
darin,  wie  ich  in  einer  späteren  Arbeit  nachweisen  werde. 
Auf  eine  andere,  der  auf  dem  Diesberg  ähnliche,  Um- 
wallung machte  mich  Herr  Professor  Eoch  in  Meiningen 
aufmerksam.  Er  schrieb:  „Im  Juni  d.  J.  (1902)  besuchte 
ich  mit  einigen  Freunden  zum  erstenmal  den  Gangolfsberg, 
einen  mit  der  hohen  Rhön  durch  einen  ziemlich  flachen 
Sattel  verbundenen  Basaltberg  bei  Urspringen  bez.  Ober- 
elsbach.  Dabei  entdeckte  ich  einen  alten  Basaltwall,  der 
sich  auf  einem  Teil  des  Nordrandes,  sowie  des  westlichen 
Bergabhanges  hinzieht.  In  den  landläufigen  Rhönbüchem 
ist  nichts  davon  zu  lesen,  und  weder  der  bayerische  Förster, 
zu  dessen  Revier  der  Gangolfsberg  gehört,  noch  der  Pfarrer 
von  Obereisbach,  der  im  vorigen  Jahre  einen  kleinen  Auf- 
satz über  den  Gangolfsberg  veröffentlichte,  hatten  eine 
Ahnung  von  der  Existenz  dieses  doch  ganz  ausgeprägten, 
dem  auf  der  Dißburg  ähnlichen  Walles.  Im  September 
(1902)  suchte  ich  denselben  noch  zweimal  auf.  Dabei  stellte 
es  sich  heraus,  daß  die  Umwallung   gerade   da   sich  findet, 

17* 


248     ^^^  Diesberg  an  der  Ehön,  und  der  Steinwall  auf  demselben. 

wo  sich  der  Berg  am  leichtesten  ersteigen  läßt;  sie  diente 
somit  augenscheinlich  zum  Schutze  des  Gipfels. 

Bei  einem  freien  Ausblick  vom  NorHrand  des  Gangolfs- 
berggipfels nach  Norden  zu  ergab  sich  die  überraschende 
Tatsache,  daß  die  Dißburg  im  ganzen  Umfang  ihrer  Süd- 
hälfte frei  in  der  Gesichtslinie  liegt,  und  zwar  so  merk- 
würdig frei,  als  wenn  ein  rechts  und  links  von  mäßigen 
Erhebungen  eingefaßtes  Hochtal  die  beiden  Berge  verbände. 
Von  der  Dißburg  aus  wird  jedenfalls  nur  der  Gipfel  des 
Gangolfsbergs  zu  sehen  sein,  da  dem  letzteren  ein  Ausläufer 
der  hohen  Rhön  vorgelagert  ist.  Aber  das  genügte  auch 
vollständig,  um  etwaige  Zeichen  von  dem  einen  zum  anderen 
Gipfel  auszutauschen.  Denn  in  Anbetracht  der  eigenartigen 
Befestigung  auf  dem  Gangolfsberge,  komme  ich  zu  der  An- 
sicht, daß  die  Gipfel,  sowohl  dieses  Berges  wie  der  Dißburg 
befestigt  waren,  um  in  erster  Linie  Beobachtungsposten 
zum  Schutz  zu  dienen,  die  dort  droben  Umschau  halten 
mußten,  und  mittels  verabredeter  Zeichen  sich  gegenseitig 
Nachrichten  über  den  Stand  der  Dinge  übermittelten." 

Der  Wall  auf  dem  Gangolfsberge  —  nicht  Ring  wall, 
denn  er  bedeckt  bloß  die  Nord-  und  einen  Teil  der  West- 
seite —  den  ich  selbst  in  Begleitung  des  Herrn  Professor 
Koch  besuchte,  scheint  mir  nicht  durchaus  in  Bezug  auf  seinen 
Zweck  mit  dem  auf  dem  Diesberge  verglichen  werden  zu 
können,  da  er  einen  Abschluß  nicht  hat,  und  allerdings  wohl 
lediglich  zu  Schutz-  und  Verteidigungszwecken  gedient 
haben  mag.  Ein  ganz  regelmäßiger  Bauüberrest  am  Nord- 
rande des  Steinwalls  auf  dem  Gangolfsberge  gehört,  wenn 
wenn  er  auch  nicht  Überrest  einer  Klause  ist,  offenbar  einer 
späteren  Zeit  an. 

Hoffentlich  führt  Herr  Professor  Koch  die  geäußerte 
Absicht,  einen  Hinweis  auf  diese  Basaltumwallung  zu  ver- 
öffentlichen, recht  bald  aus. 


VII. 

Neues  über  den  Sturz  des  Thüringischen 
Königreichs. 

Von 
Prof.  Dr.  Hermann  Größler 

in  Eisleben. 
(Mit  einem  Kärtchen  der  Gegend  von  ßunibergun.) 

Die  „Studien  zur  Geschichte  des  Unterganges  des  alten 
Thüringischen  Königreichs  im  Jahre  531  n.  Chr."  von 
Herrn  Dr.  Pelka  kann  ich  nicht  in  die  ÖiFentlichkeit  gehen 
lassen,  ohne  zu  ihnen  Stellung  zu  nehmen  i),  da  ich  weder 
seiner  Methode  noch  seinen  Ergebnissen  zustimmen  kann. 
Da  mir  aber  durch  den  Herrn  Herausgeber  räumlich  enge 
Schranken  gezogen  sind,  so  werde  ich  mich  möglichst  kurz 
fassen  und  nicht  auf  alle  Einzelheiten  eingehen,  die  Pelka 
an  meiner  Auffassung  bemängelt.  Es  ist  dies  aber  auch 
nicht  nötig,  da  ich  schon  durch  Erörterung  der  Hauptfragen 
zu  einer  hinlänglich  klaren  Entscheidung  zu  gelangen  hoflfe 
und  die  meisten  Einwände  Pelkas  gegenstandslos  werden, 
wenn  die  Unhaltbarkeit  seines  Standpunktes  ütjerhaupt 
erwiesen  ist.  Ein  weiterer  Grund  mich  kurz  zu  fassen,  ist 
der,  daß  ich  auch  noch  einiges  Neue  vorzubringen  habe. 

Zur  Kennzeichnung  meines  Standpunktes  bemerke  ich 
im  voraus,  daß  nach  meiner  Ansicht  selbst  durch  noch  so 
umständliche,  ja  haarspaltende  Untersuchungen  über  Be- 
schaffenheit, Ächtheit,  Alter,  Verwandtschaft  und  Benutzung 


1)  Herr  Prof.  Dr.  Größler  erhielt  zu  diesem  Zwecke  von  der 
Eedaktion  die  Revisionsbogen  der  Abhandhing  Pelkas.  Bera.  des 
Herausgebers. 


250  Neues  über  den  Sturz 

der  „Quellen"  schwerlich  etwas  Neues,  unsere  Erkenntnis 
Förderndes  zu  ermitteln  sein  wird,  da  jede  Stellungnahme 
auf  diesem  Gebiete  angreifbar  ist  und^  jeder,  der  diesen 
Weg  einschlägt,  Gefahr  läuft,  unter  dem  Anschein  der 
Objektivität  recht  subjektiven  Phantasieen  zu  verfallen, 
denn  es  kommt  eben  darauf  an,  was  einer  für  möglich, 
wahrscheinlich,    selbstverständlich    oder   unzweifelhaft    hält. 

Den  Anlaß  und  die  Notwendigkeit  seiner  „Studien  etc." 
findet  Pelka  (S.  167)  in  der  „vollständigen  Verwirrung", 
die  nach  seiner  Meinung  auf  diesem  Forschungsgebiete 
herrscht.  Wenn  er  unter  dieser  Verwirrung  Vielheit  der 
Auffassungen  versteht,  zu  deren  Vermehrung  auch  er  das 
Seinige  beiträgt,  so  hat  er  recht.  Versteht  er  aber  darunter 
Verwirrung  aller  bisher  aufgestellten  Auffassungen  selbst, 
so  dürfte  eine  solche  Behauptung  als  eine  starke  Über- 
hebung  bezeichnet  werden,  die  nur  durch  den  Nachweis, 
daß  er  selbst  volle  Klarheit  zu  schaffen  vermag,  gerecht- 
fertigt werden  könnte. 

Doch  nun  zur  Sache.  Die  Verwirrung  ist  nach  Pelka 
deshalb  eine  vollständige,  weil  man  es  bisher  nicht  für 
nötig  gehalten  habe,  „mit  den  Quellen  eine  reinliche 
Scheidung  vorzunehmen".  (Soll  übrigens  wohl  heißen  „eine 
reinliche  Scheidung  der  Quellen  vorzunehmen"?)  Diese 
Behauptung  ist  falsch,  denn  es  sind  ja  verschiedene  Ver- 
suche der  Art  gemacht  worden;  die  Hoffnung  aber  auf 
einen  Erfolg  in  dieser  Richtung  dürfte  sich  als  eine  eitle 
erweisen,  weil  eine  reinliche,  d.  h.  keinen  Zweifel  zurück- 
lassende Scheidung  der  Quellen  unmöglich  ist,  oder  die 
erwünschte  „reinliche  Scheidung"  doch  nur  in  der  Weise 
stattfinden  könnte,  daß  man  entweder  nur  die  fränkischen 
Quellen  maßgebend  sein  läßt,  die  von  der  Sachsenhilfe  nichts 
wissen  oder  wissen  wollen,  oder  nur  die  sächsischen,  die 
denn  doch  unverkennbar  gut  unterrichtet  sind.  Um  so 
gespannter  ist  man  natürlich  darauf,  wie  denn  Pelka  die 
von  ihm  in  Aussicht  gestellte  reinliche  Scheidung  zu  stände 
bringen  wird.     Aber  sehr    bald    wird   man   zu   seinem  Er- 


des  Thüringischen  Königreichs.  261 

staunen  gewahr,  daß  dieser  Anwalt  einer  reinlichen  Schei- 
dung nicht  nur  von  den  fränkischen,  sondern  auch  von  den 
sächsischen  Quellen  Gebrauch  macht  und  aus  ihnen,  als 
hätte  er  den  Lorenz  und  mir  gemachten  Vorwurf  des 
„gemischten  Verfahrens"  ganz  vergessen,  ebenfalls  ganz 
munter  heraus  nimmt,  „was  in  sein  Schema  paßt";  ja 
schließlich,  anstatt  sich  mit  einer  Scheidung  zu  begnügen, 
noch  eine  dritte  Quellengruppe  oder  zum  mindesten  noch 
eine  neue  Quelle  aufstellt,  nämlich  den  Anonymus  de  origine 
Suevorum,  beziehungsweise  das  dieser  Schrift  zu  Grunde 
liegende   „Heldenlied". 

Mit  diesem  Heldenliede  nun  hat  es  nach  Pelka  folgende 
Bewandtnis:  Er  nimmt  nämlich  (S.  176)  an,  daß  der  Qued- 
linburger Annalist  und  der  später  schreibende  Anonymus 
eine  gemeinsame  Quelle  gehabt  haben,  und  weiter  (S.  177), 
daß  diese  Quelle  auch  Widukind  vorgelegen  habe.  Also 
haben  nach  ihm  alle  drei  Berichte  dieselbe  Urquelle  (S.  179 
und  185),  und  zwar  eine  deutsche,  da  zwar  der  Inhalt 
übereinstimmend  sei,  nicht  aber  der  Wortlaut.  Sei  es  aber 
eine  deutsche,  so  könne  es  nur  ein  sächsisches 
Heldenlied  gewesen  sein.  Im  besondern  sei  anzunehmen, 
daß  alle  Stellen  der  erwähnten  drei  Berichte,  welche  mit- 
einander übereinstimmten  oder  wenigstens  sich  gegenseitig 
nicht  völlig  ausschlössen,  diesem  Heldenliede  angehörten; 
die  abweichenden  aber  seien  lokale  Varianten. 

Neu  ist  der  Grundgedanke  dieser  Behauptung  nicht. 
Wenigstens  ist  schon  früher  in  gewissen  Teilen  (fes  Widu- 
kindschen  Berichtes  und  auch  der  Quedlinburger  Annalen 
die  Wiedergabe  eines  epischen  Gedichts  erblickt  worden. 
Die  Frage  ist  nur,  wie  die  mannigfachen  Abweichungen 
der  sächsischen  Berichte  zu  erklären  sind,  und  welche 
Glaubwürdigkeit  man  ihnen  beimessen  kann.  Wenn  Pelka 
sagt,  die  Punkte,  betreffs  deren  sie  voneinander  abweichen, 
seien  „lokale  Varianten",  so  ist  damit  nichts  erklärt.  Läge 
wirklich  eine  gemeinsame  Quelle  vor,  aus  der  alle  drei 
geschöpft   haben,   so    müßte   doch   wohl   eine  durchgängige 


252  Neues  über  den  Sturz 

Übereinstimmung  in  allen  Hauptzügen  und  in  der  Fassung 
der  Gedanken  wahrzunehmen  sein,  die  aber  Pelka  nicht 
hat  nachweisen  können.  Dagegen  läßt  sich  die  Verschieden- 
heit begreifen,  wenn  man  annimmt,  daß  nicht  bloß  Ein 
Heldengedicht  die  für  den  sächsischen  Stamm  so  wichtigen 
Begebenheiten  besungen  hat,  sondern  mehrere.  Aus  der 
Tiefe  des  sächsischen  Volkstums  heraus  werden  eben  ver- 
schiedene selbständige  Gestaltungen  desselben 
Stoffs  an  verschiedenen  Orten  hervorgegangen  sein, 
die  sich  im  wesentlichen  auf  die  Mitteilungen  von  Teil- 
nehmern an  den  Kämpfen  stützten,  und  deren  Urgestalt 
daher  bis  in  die  Zeit  der  in  ihnen  erzählten  Begebenheiten 
zurückreichen  wird.  Woran  ein  solcher  Sänger  oder  seine 
Gewährsmänner  nicht  teilgenommen,  das  konnte  er  natürlich 
auch  nicht  besingen.  Diese  Volksepen  aber  dienten  bei 
dem  Mangel  geschichtlicher  Lehrbücher  und  Unterrichts- 
stätten den  Zeitgenossen  als  zeitgemäßer  Ersatz  für  unsere 
heutigen  Zeitungen  und  ihren  Nachkommen  als  Lehrmittel 
der  Geschichte  der  Vergangenheit.  Je  nach  dem  Orte  ihres 
Entstehens  und  der  Kenntnis  und  Urteilsfähigkeit  ihres 
Verfassers  konnten  diese  Dichtungen  natürlich  mancher 
Trübung,  manchem  Irrtume  unterliegen,  zumal  sie  zunächst 
Jahrhunderte  hindurch  nur  mündlich  fortgepflanzt  wurden. 
Die  sächsischen  Berichterstatter  könn  en  also,  jeder  für  sich 
aus  einer  andern  epischen  Urquelle  geschöpft  haben.  In 
diesem  Falle  wird  sowohl  die  Übereinstimmung  in  den 
meisten  Hauptbegebenheiten ,  wie  .  auch  die  Abweichung 
in  Einzelheiten  (die  „lokalen  Varianten"  Pelkas)  begreiflich. 
Die  sodann  notwendig  sich  erhebende  Frage,  welche 
Glaubwürdigkeit  denn  nun  den  sächsischen  Be- 
richten beizumessen  sei,  wird  von  Pelka  dahin 
beantwortet,  daß  sie  von  vornherein  geringeren  Glauben 
verdienten,  eine  Behauptung,  die  er  freilich  nicht  begründet, 
daß  aber  ein  völlig  absprechendes  Verdammungsurteil  doch 
nicht  gerechtfertigt  sei.  Namentlich  müsse  man  sich  er- 
innern,   daß    historisch    bedeutsam  gewordene    Örtlichkeiten 


des  Thüringischen  Königreichs.  253 

nicht  80  leicht  vom  Volke  vergessen  würden,  beiläufig 
bemerkt,  eine  Tatsache,  die  nicht  erst  von  Pelka  entdeckt 
ist,  auf  die  vielmehr  vorher  ich  ^)  hingewiesen  hatte.  Er 
werde  also,  fährt  Pelka  fort,  die  in  dem  Heldenliede  vor- 
kommenden Ortlichkeiten  und  Schlachten  bis  auf  weiteres 
als  historisch  betrachten,  das  Lied  dagegen  nur  als  be- 
stätigende, nicht  aber  als  grundlegende  Quelle. 

Ist  das  nun  eine  reinliche  Scheidung  der  Quellen? 
Wissen  wir  nun,  ob  die  sächsischen  Berichte  irgend  welchen 
geschichtlichen  Wert  haben?  Pelka  will  es  oflfenbar  mit 
den  Franken  halten,  ohne  aber  zuvor  ihre  Glaubwürdigkeit, 
im  besonderen  die  Gregors  von  Tours,  kritisch  untersucht 
zu  haben,  jenes  Berichterstatters,  der  nicht  nur  bewußt  die 
Sachsenhilfe  verschweigt,  vermutlich  weil  er  nicht  wagte, 
mißliebige  Dinge,  die  dem  fränkischen  Nationalstolz  wehe 
taten,  zu  berichten,  sondern  auch  zweifellose  Irrtümer  be- 
richtet, wie  z.  B.  die  meuchlerische  Beseitigung  Berthars 
durch  Irminfried.  Andererseits  kann  er  sich  der  Bedeutung 
der  sächsischen  Berichte  nicht  ganz  verschließen.  Aber 
obwohl  er  wenigstens  die  in  ihnen  erwähnten  Örtlichkeiten 
für  geschichtlich  bedeutsam  erklärt,  bringt  er  es  doch, 
diesem  seinem  Zugeständnis  zuwider,  fertig,  zu  behaupten, 
der  Quedlinburger  Annalist  habe  die  Schlachten  in  pago 
Maerstem  und  an  der  Ocker  frei  erfunden.  Was  bleibt 
denn  dann  von  seinem  Zugeständnisse  noch  übrig? 

Aber  warum  wird  er  dem  von  ihm  verkündeten  Grund- 
satze untreu?  Weil  er  sich  von  seiner  irrigen  Voraus- 
setzung nicht  losreißen  kann,  daß  allein  die  Franken  maß- 
gebend seien,  und  daß  auf  den  Ronnebergen  bei  Vitzenburg 
die  erste  Schlacht  stattgefunden  habe,  obwohl  die  fränkischen 
Berichterstatter  diesen  Namen  nicht  einmal  nennen.  Ich 
frage  daher  nochmals:  Ist  das  eine  reinliche  Scheidung 
der  Quellen?  Ist  das  nicht  vielmehr  der  höchste  Gipfel 
der  Verwirrung?     Und  welchen  Zweck  hat  denn  überhaupt 


1)  Zeitschr.,  Bd.  XIX,  1897,  8.  19. 


254  Neues  über  den  Sturz 

Pelkas  Versuch,  eine  gemeinsame  Quelle  der  sächsische! 
Berichte  nachzuweisen,  wenn  er  weder  diesen  noch  jener" 
irgend  welche  Beweiskraft  zugestehen  will?  Dann  hätte  er 
sich  die  ganze  Mühe  sparen  können.  Ich  meinerseits  spreche 
allerdings  den  sächsischen  Berichten,  die  nach  meinei 
Ansicht  aus  mehreren  älteren  Heldenliedern  geflossei 
sind,  eine  gewisse  Beweiskraft  zu.  Gewiß  ist  in  solchei 
Volksepen  manches  frei  erfunden,  ja  sogar  Mythen  können 
eingewebt  sein;  trotzdem  aber  können  geschichtliche  Tat- 
sachen in  ihnen  treu  überliefert  sein,  und  zwar  um  so  treuer, 
je  entschiedener  der  Bericht  auf  eine  bestimmte  Ort« 
lichkeit  sich  bezieht.  Wir  haben  dafür  ein  recht  beweis- 
kräftiges Beispiel  in  dem  angelsächsischen  Epos  „Beowulf". 
Dort  steht  im  zehnten  Gesänge  folgender  Bericht  (nach 
Hans  von  Wolzogens  Übersetzung)  über  den  Tod  des 
Gautenkönigs  Hygelac  (ahd.  Hugileich): 

„Wahrlich,  nicht  war  es  das  wenigst  schwere 

Handgemenge,  wo  Hugileich  sank; 

Hin  gab  da  im  Kampfe  der  gautische  König, 

Der  liebe  Volksfürst,  im  Lande  der  Friesen, 

Des  Eodilo  Erbe,  den  Rottrunk  des  Eisens, 

Vom  Beile  getroffen.     Doch  Bärweif  entrann 

Durch  seine  Kraft,  die  Sundstraße  nutzend, 

und  trug  noch  am  Arme  einunddreißig 

Maschige  Streitheniden  mit  an  den  Strand. 

Da  erwuchs  den  Chattwaren  nur  wenig  Ruhm 

Aus  dem  Fußgefecht;  die  zuvor  ihm  die  Schilde 

Entgegen  gekehrt,  nun  entgingen  nicht  viele 

Dem  schlagfertigen  Helden,  die  Heimat  zu  schauen.'' 

Und  im  zwölften  Gesänge  spricht  der  Bote,  der  seinen 
Landsleuten  die  Nachricht  vom  Tode  Beowulfs  bringt,  unter 
Bezugnahme  auf  dasselbe  Ereignis  die  Befürchtung  aus: 

„Das  Land  erwarte 
Blutige  Zeiten,  sobald  da  draußen 
Franken  und  Friesen  der  Fall  unsres  Fürsten 
Bekannt  geworden !     Wir  waren  im  Kampfe 
Fast  stets  mit  den  Hugen,  seit  Hugileich  gesteuert 
Zum  Friesenlande  mit  den  Leuten  zu  Schiff, 


des  Thüringischen  Königreichs,  265 

Wo  auf  der  Wahlstatt  ihn  warf  der  Chatt waren 
Eilig  bereite  Übermacht, 

Daß  der  Held  in  der  Brünne  sich  beugen  mußte, 
Im  Fußkampf  gefällt.    Wir  empfingen  nie  mehr 
Gaben  vom  Fürsten;  auch  gönnten  uns  fürder 
Wenig  Milde  die  Merowinge!" 

Dagegen  halte  man  nun  folgende  Stelle  aus  Gregors 
Historia  Francorum,  Lib.  III,  cap.  3.  zum  Jahre  etwa  515 
(Mon,  Germ.  SS.  rer.  Merow.  I,  p.  111): 

„His  ita  gestis  Dani  cum  rege  suo  nomine  Chlochi- 
laichum  (rectius  C  h  o  c  h  11  a  i  c  h  u  m)  evectu  navale  per  mare 
Gallias  appetunt.  Egressique  ad  terras,  pagum  unum 
de  regno  Theudorici  de vastant  atque  captivant  onera- 
tisque  navibus  tam  de  captivis  quam  de  reliquis  spoliis 
reverti  ad  patriam  cuplunt;  sed  rex  eorum  in  litus  resedebat, 
donec  navis  alto  mare  conpraehenderent,  ipse  deineeps  secu- 
turus.  Quod  cum  Theudorico  nuntiatum  fuisset,  quod  sci- 
licet  regio  eins  fuerit  ab  extraneis  devastata,  Theudobertum 
filium  suum  in  illis  partibus  cum  valido  exercitu  as  magno 
armorum  apparatu  direxit.  Qui,  interfectu  rege,  hosti- 
bus  navali  proelio  superatis  oppraemit  omnemque  rapinam 
terrae  restituit." 

Wer  sähe  hier  nicht,  daß  beide,  das  Epos  und  der 
Geschichtschreiber,  im  wesentlichen  übereinstimmend,  das- 
selbe Ereignis  darstellen,  daß  also  das  Epos  eine  anderweit 
beglaubigte  Nachricht  von  einem  geschichtlichen  Ereignisse 
bringt  und  insofern  genauer  bringt,  als  der  Geschicht- 
schreiber, als  es  die  Erinnerung  an  die  Gegend,  in  der 
der  feindliche  Zusammenstoß  stattgefunden,  treuer  fest- 
gehalten hat?  Und  wie  es  hier  geschehen,  so  können,  ja 
werden  auch  in  den  sächsischen  Heldengedichten  wirklich 
geschichtliche  Ereignisse  der  Nachkommenschaft  treu  über- 
liefert worden  sein,  so  daß  zwar  Einzelzüge  abweichen 
mögen,  die  eigentliche  Tatsache  aber  als  fester  geschicht- 
licher Kern  gelten  darf. 

Was  aber  nun  die  Entstehungszeit  dieser  Helden- 
gedichte   oder   des    nach    Pelkas    Auffassung    als   Urquelle 


256  Neues  über  den  Sturz 

der  sächsischen  Überlieferung  benutzten  einzigen  Helden- 
gedichts betrifft,  so  habe  ich  meine  Ansicht  bereits  aus- 
gesprochen; Pelka  dagegen  ist  der  Meinung,  es  müsse 
zwischen  den  Jahren  919  und  967  entstanden  sein.  Das 
Jahr  967  ist  als  terminus  ad  quem  nicht  anzuzweifelnJ 
wenn  Widukind  aus  dem  Gedichte  geschöpft  hat;  um  so! 
mehr  aber  das  Jahr  919  als  der  terminus  a  quo.  Schon^ 
an  sich  ist  es  kaum  denkbar,  daß  erst  im  10.  Jahrhundert  es 
einem  Dichter  eingefallen  sein  soll,  das  größte  Ereignis  des 
6.  Jahrhunderts  auf  sächsischem  Boden  zu  besingen. 
Gedichte,  die  solche  geschichtliche  Katastrophen  behandeln, 
muß  man  sich  als  unmittelbar  oder  bald  nach  jenen  ent- 
standen denken,  denn  nur  da  war  das  nötige  Interesse 
für  die  in  ihnen  erzählten  Begebenheiten  vorhanden,  was 
natürlich  nicht  ausschließt,  daß  später  mit  Rücksicht  auf 
spätere  Hörer  und  Zustände  Zutaten  und  Änderungen  statt- 
gefunden haben.  Warum  aber  erst  nach  919?  Weil  die 
Äußerung  Irings  (nach  Widukind  I,  9) :  „eos  (Saxones)  procul 
dubio  esse,  qui  Francorum  Imperium  quandoque 
destruerent"  nach  Pelka  ein  vaticinium  post  eventum 
ist,  welches  die  Tatsache  im  Auge  habe,  daß  in  diesem 
Jahre  die  Herrschaft  endgültig  von  den  Franken  auf  die 
Sachsen  überging.  Und  diese  Deutung  gibt  derselbe  Pelka, 
der  an  anderen  Stellen,  wenn  auch  nicht  mit  besonderem 
Glück,  größten  Wert  auf  genaue  Deutung  des  Wortsinnes 
legt  (vgl.  die  gekünstelten  Erörterungen  über  die  Bedeutung 
von  persequentes  auf  S.  175  und  176),  hier  aber  gar  nicht 
zu  bemerken  scheint,  daß  iraperium  destruere  eine  höchst 
unzutrefiende  Bezeichnung  für  den  Übergang  der  Führung 
von  den  Franken  auf  die  Sachsen  ist,  da  ja  der  Herzog 
der  Sachsen  von  einer  fränkischen  Gesandtschaft  um  Über- 
nahme der  Führung  ersucht  wird  und  der  Übergang  der 
Krone  von  den  Franken  auf  die  Sachsen  in  der  friedlichsten 
Weise  stattgefunden  hat.  Von  einer  Destruktion  der  fränki- 
schen Herrschaft  und  einem  vaticinium  post  eventum  kann 
also  wirklich  keine  Rede  sein.     Alles,  was  Pelka  auf  diesem 


des  Thüringischen  Königreichs.  257 

schwachen  Grunde  aufbaut,  hat  natürlich  keinen  Halt  Et 
selbst  empfindet  das,  da  er  wenigstens  erwägt,  ob  man 
nicht  an  den  großen  8ieg  der  Sachsen  über  Chlothar  L 
denken  müsse,  wenn  Iring  davon  spreche,  daß  die  Sachsen, 
illud  genus  hominum  indomabile  et  ad  omnem  laborem 
durabile,  zu  einer  Gefahr  für  die  fränkische  Herrschaft 
werden  könnten,  ein  Gedanke,  den  er  aber  alsbald  nur  aus 
dem  Grunde  verwirft,  weil  „dieser  Erfolg  nur  ein  vorüber- 
gehender" gewesen  sei.  Ich  halte  solches  Nachrechnen 
überhaupt  für  überflüssig  und  ergebnislos,  da  mir  feststeht, 
daß  in  jener  Zeit,  wo  es  noch  keine  nach  unverbrauchten 
Stoffen  suchenden  Dichter  gab,  ein  Gedicht  nur  geschaffen 
worden  ist,  um  gleichzeitige  Ereignisse  oder  solche,  die 
nur  wenig  zurücklagen,  zu  Kenntnis  weiterer  Kreise  zu 
bringen. 

Da  Pelka  es  für  nötig  hält,  mich  auf  eine  nach  seiner 
Meinung  richtigere  Übersetzung  des  Wortlauts  hinzuweisen, 
so  will  ich  gleich  hier  über  seine  mit  dem  Anschein  philo- 
logischer Akribie  auftretenden  Übersetzungen  noch  einiges 
bemerken.  S.  174  übersetzt  er  „victum  quaeritans  supra 
litus  fluvii  dicti"  „Nahrung  suchend  oberhalb  des  Flusses", 
was  gar  keinen  Sinn  gibt,  während  es  doch  nur  übersetzt 
werden  kann  „am  Ufer  des  Flusses,  entsprechend  dem  fran- 
zösischen sur  Marne,  sur  Aube;  S.  169  belehrt  er  mich 
freundlichst,  daß  obvium  habere  aliquem  heiße  „jemandem 
begegnen".  Aber  wer  bezweifelt  denn  das?  ,Und  was 
läßt  sich  daraus  zu  Ungunsten  meiner  Erklärung  schließen  ? 
Der  fragliche  Satz  Aimoins  lautet  ja:  „profectus  itaque 
(Theodoricus)  in  Toringiam  obvium  habuit  Hermenefredum", 
Da  muß  ich  denn  doch  fragen,  ob  ihm  die  Bedeutung  von 
proficisci  unbekannt  ist.  Proficisci  bedeutet  „sich  fort- 
machen, sich  aufmachen,  einen  Marsch  antreten" ;  also  ist 
der  Satz  zu  übersetzen :  „Auf  dem  Marsche  nach  Thüringen 
begegnete  er  dem  Hermenefried".  Dieser  Satz,  welcher 
also  im  wesentlichen  dasselbe  besagt,  wie  Widukinds  „ap- 
propinquans    terminis    Thuringorum"    und    des    Annalisten 


258  Neues  über  den  Sturz 

„bello  sibi  occurentem",  hätte  schon  aus  sprachlichen  Gründen  < 
ihn  hindern  müssen,  die  ßoniieberge  bei  Nebra  für  den 
Ort  des  ersten  Zusammenstoßes  auszugeben,  wozu  dann 
freilich  noch  topische  und  psychologische  Gründe  kommen. 
Pelka  bemerkt  zwar  spöttisch,  als  hätte  ich  etwas  ganzj 
Unerhörtes  und  Unhaltbares  behauptet,  ich  wüßte  sogari 
die  Furt  zu  zeigen,  über  die  vor  nunmehr  fast  1400  Jahren  ^ 
die  Franken  gezogen  seien,  aber  damit  beweist  er  eben 
nur,  daß  er  von  dem  Gewichte  gerade  solcher  Beweisgründe 
eine  recht  unzulängliche  Vorstellung  hat.  Gerade  die  ört- 
lichen Verhältnisse  gewähren  den  sichersten  Anhalt  für  die 
Beurteilung  geschichtlicher  Fragen.  Erst,  wenn  die  Örtlich- 
keiten, die  für  eine  Reihe  geschichtlicher  Begebenheiten 
in  Frage  kommen,  festgelegt  sind,  kann  der  Verlauf  der 
Begebenheiten  selbst  mit  einiger  Sicherheit  beurteilt  werden. 
Es  gereichte  mir  daher  zu  nicht  geringer  Befriedigung,  als 
ich  einige  Zeit  nach  dem  Erscheinen  meiner  Abhandlung 
in  der  Einleitung  zu  Moltkes  leider  unvollendet  gebliebenem 
Werke  über  Rom  und  seine  Umgebung  folgende,  meine 
Forschungsmethode  aufs  schönste  bestätigenden  Bemer- 
kungen des  großen  Feldherrn  fand:  „Geschichte  und  Orts- 
kunde ergänzen  sich,  wie  die  Begriffe  von  Raum  und  Zeit. 
Die  Örtlichkeit  ist  das  von  einer  längst  vergangenen  Be- 
gebenheit übrig  gebliebene'  Stück  Wirklichkeit.  Sie  ist 
sehr  oft  der  fossile  Knochenrest,  aus  dem  das  Gerippe  der 
Begebenheit  sich  herstellen  läßt,  und  das  Bild,  welches  die 
Geschichte  in  halb  verwischten  Zügen  überliefert,  tritt  durch 
sie  in  klarer  Anschauung  hervor.  Denn  wenn  auch  die 
Jahrtausende  nicht  spurlos  vorübergehen  an  der  größten 
aller  Ruinen,  der  Mutter  Erde,  wenn  der  Anbau  die  Ober- 
fläche glättet,  die  Wälder  verschwinden,  die  Bäche  ver- 
siegen und  tarpejische  Felsen  sich  zu  sanfteren  Hängen 
ebnen,  so  sind  doch  alle  diese  Einwirkungen  höchstens  im 
Stande,  nur  die  Hautfarbe  der  alma  niater  zu  verändern, 
ohne  ihre  Gesichtszüge  unkenntlich  zu  machen."  Und 
weiter:  „Selbst  wenn  die  Forschung  eine  Überlieferung  nur 


des  Thüringischen  Königreichs.  259 

noch  als  Fabel  bestehen  läßt,  bezieht  sich  diese  doch  ineist 
auf  eine  ganz  bestimmte  Örtlichkeit,  welche  der  ursprüng- 
liche Erzähler  im  Auge  hatte.  Eine  Erzählung  kann 
geschichtlich  unwahr  und  örtlich  vollkommen  genau  sein. 
.  .  .  Die  Aufgabe,  welche  wir  uns  stellen,  wird  nicht  die 
sein,  die  Fabel  von  der  Wirklichkeit  zu  scheiden,  sondern 
beide  mit  derjenigen  Örtlichkeit  zu  verbinden,  auf  welche 
sie  sich  jedesmal  beziehen."  Ganz  im  Geiste  Moltkes,  ob- 
wohl damals  noch  unbekannt  mit  seinen  eben  wieder- 
gegebenen Äußerungen,  habe  ich  „aus  dem  fossilen  Knochen- 
reste der  Örtlichkeit"  das  Gerippe  jener  längst  vergangenen 
Begebenheit  des  Thüringerkriegs  herzustellen  gesucht  und 
bin  der  Meinung,  daß  diese  Methode  zu  neuen  und  brauch- 
baren Ergebnissen  geführt  hat.  Gewiß  weiß  auch  ich, 
worauf  Pelka  mich  aufmerksam  machen  zu  müssen  meint,  daß 
Furten  im  Laufe  der  Zeit  sich  ändern  können,  aber  doch 
nur,  wenn  die  Bedingungen  ihres  Entstehens  und  ihrer 
Fortdauer  sich  geändert  haben.  Bei  einem  Flusse,  der,  wie 
das  bei  der  Unstrut  der  Fall  ist,  zur  Zeit  des  gewöhnlichen 
Wasserstandes  3 — 5  m  Tiefe  hat,  können  nur  ganz  bestimmte 
Stellen  des  Flußbettes  in  Frage  kommen,  und  meine  Auf- 
spürung eben  dieser  Durchgangsstellen  verliert  dadurch 
doch  nicht  an  Beweiskraft,  daß  keiner  vor  mir  auf  den 
Gedanken  gekommen  ist,  die  Furten  zu  erkunden,  die  für 
die  Feststellung  des  Ganges  der  Begebenheiten  von  aus- 
schlaggebender Bedeutung  sind,  und  noch  weniger^  dadurch, 
daß  sie  die  Angaben  gerade  der  sächsischen  Quellen,  auch 
des  von  Pelka  bevorzugten  Anonymus  de  origine  Suevorum, 
in  mich  selbst  überraschender  Weise  bestätigt  haben. 

In  gleicher  Weise  nun,  wie  ich  es  betreffs  der  Furten 
getan,  habe  ich  die  Vereinbarkeit  der  verfehlten  Annahme, 
die  erste  Schlacht  habe  auf  den  Ronnebergen  bei  Nebra 
stattgefunden,  mit  den  örtlichen  Verhältnissen  dieses  Ge- 
birgsstocks  nachgeprüft.  Ich  kann  allen,  welche  es  be- 
zweifeln, daß  jene  Schlacht,  in  welcher  die  Thüringer  ihre 
berittenen    Gegner    durch  Anlegung   von  Gruben   zu    Falle 


260  Neues  über  den  Sturz 

gebracht  haben  sollen,  nicht  auf  den  Ronnebergen  bei 
Nebra  stattgefunden  haben  kann,  und  im  besonderen  Herrn 
Dr.  Pelka,  nur  empfehlen,  diese  Örtliöhkeit  durch  den 
Augenschein  kennen  zu  lernen.  Dann  werden  sie  sehen, 
daß  dieser  mächtige,  von  einer  nur  dünnen  Erdschicht 
bedeckte  Sandsteinblock  mit  allseits  steil  abfallenden 
Hängen  als  Ort  einer  Reiterschlacht  und  als  geeignet  zur 
Anlage  einer  Reihe  von  Fallgruben  überhaupt  nicht  in 
Frage  kommen  kann.  Gedankenlos,  muß  ich  sagen,  haben 
alle  Späteren  die  leichtfertige  Behauptung  des  Leipziger 
Professors  Böhme  nachgeschrieben,  obwohl  sich  dieser  mit 
ganz  allgemeinen  Vermutungen  begnügt  und  selbst  zweifel- 
haft ist,  ob  die  ihm  zugesandten  Fundstücke  von  den 
Ronnebergen  der  Zeit  des  Thüringischen  Königreiches  zu- 
geschrieben werden  können.  Auf  diesen  Crewährsmann, 
dessen  Schrift  Pelka  gar  nicht  gelesen  zu  haben  scheint, 
sonst  würde  er  ihm  nicht  solche  Autorität  zusprechen,  und 
die  von  ihm  besehenen  Funde,  von  denen  nicht  ein  einziger 
mehr  nachweisbar  vorhanden  ist,  darf  man  sich  um  so 
weniger  berufen,  als  die  später  auf  den  Ronnebergen  und 
namentlich  auf  ihrer  südlichsten  Erhebung,  dem  Bock, 
gemachten  Funde,  welche  ich  bei  Herrn  Baron  von  Hell- 
dorf auf  dem  Rittergute  Zingst  habe  besichtigen  können, 
sämtlich  teils  der  jüngeren  Steinzeit,  teils  der  ältesten  und 
mittleren  Bronzezeit,  also  einer  Zeit  angehören,  die  von 
der  Schlacht  bei  Runibergun  durch  mindestens  ein  bis 
zwei  Jahrtausende  getrennt  ist,  wie  ich  in  meinem  Führer 
durch  das  Unstruttal  (2.  Aufl.,  S.  160,  Freyburg,  1904  bei 
Joh.  Finke)  mitgeteilt  habe. 

Zu  den  Gründen,  die  sich  aus  der  Beschaffenheit  der 
Örtlichkeit  ergeben,  gesellt  sich  nun  aber  ein  nicht  minder 
maßgebender  psychologischer.  Welcher  unbefangene  Be- 
urteiler kann  es  wohl  für  möglich  halten,  daß  der  thüringische 
König  trotz  der  innumera  multitudo  seines  Heeres  stumpf- 
sinnig bei  Burgscheidungen  gewartet  hat,  bis  ihn  die 
Franken  dort  aufsuchten  und  auf   den  kaum  10  km  in  der 


des  Thüringischen  Königreichs.  261 

Luftlinie  von  Burgscheidungen  entfernten  Ronnebergeri  zum 
Kampfe  zwangen  ?  Ein  solches  Verhalten  wäre  wohl  denk- 
bar nach  einer  oder  mehreren  verlorenen  großen  Schlachten, 
nicht  aber  vor  irgend  einer  Schlacht.  Das  ist  doch  wohl 
so  einleuchtend,  daß  es  sich  wirklich  nicht  verlohnt,  darüber 
noch  weitere  Worte  zu  verlieren. 

Auf  die  übrigen  Einwände  Pelkas  und  seine  Versuche, 
meine  Ausführungen  zu  erschüttern,  glaube  ich  bei  der 
Unhaltbarkeit  der  von  ihm  vertretenen  Auffassung  bezüglich 
der  Lage  von  Runibergun  vorläufig  nicht  weiter  eingehen 
zu  sollen,  obwohl  es  nicht  schwierig  wäre,  sie  zu  wider- 
legen, wenn  ich  auch  seinem  Fleiße  meine  Anerkennung 
nicht  versagen  kann.  Wohl  aber  möchte  ich  nun  noch 
Verschiedenes  geltend  machen,  was  geeignet  ist,  meine  Be- 
hauptung, daß  die  erste  Schlacht  in  der  Nähe  von  Hannover 
stattgefunden  haben  müsse,  zu  bestätigen,  weil  schon  dieser 
Nachweis  genügt,  die  Unhaltbarkeit  der  Pelkaschen  Auf- 
fassung darzutun. 

Da  in  Deutschland  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Orten 
den  Namen  Ronneberg  führt  und  auch  bloß  aus  diesem 
Grunde  ohne  Rücksicht  auf  passende  Lage  viele  von  ihnen 
als  die  Stätte  der  Schlacht  bei  Runibergun  in  Anspruch 
genommen  worden  sind,  so  wird  man  fordern  dürfen,  daß 
irgend  welche  bedeutsamen  Namen,  Sagen  oder  Funde  nach- 
gewiesen werden,  die  es  wahrscheinlich  machen,  daß  an 
dem  Orte  dieses  Namens  eine  große  Völkerschlaeht  statt- 
gefunden hat.  Für  die  Ronneberge  bei  Nebra  ist  man 
bisher  diesen  Nachweis  schuldig  geblieben  und  auch  Pelka 
wird  ihn  schwerlich  liefern.  Anders  steht  es,  wie  ich 
zeigen  werde,  um  Ronnenberg  südwestlich  von  Hannover, 
welches  westlich  der  Leine  und  ihres  Zuflusses  Ihme  am 
Nordende  eines  den  gleichen  Namen  tragenden  Bergrückens 
liegt,  nördlich  dessen  in  einer  von  mehreren  Bergrücken 
umgebenen  Ebene  die  Dörfer  Empelde  und  Benthe  liegen. 
Nun  hat  Sanitätsrat  Dr.  Weiß  in  Bückeburg-Eilsen  in  einem 
XXII.  18 


262 


Neues  über  den  Sturz 


vor  3  Jahren  erschienenen  Aufsatze  i)  zur  Erklärung  des  Orts- 
namens Empelde  folgendes  bemerkt :  „Das  Dorf  Empelde, 
südwestlich  von  Hannover  (im  9.  Jahrhundert  Amplithi, 
1186  Emplithe,  1204  Emplethe,  1676  Empelde)  ist  dadurch 
merkwürdig,  daß  in  seiner  Gemarkung  der  Sattel  des  un- 
geheuren unterirdischen  Salzgebirgs  der  Umgegend  von 
Hannover  so  nahe  unter  der  Erdoberfläche  liegt,  wie  an 
keiner  anderen  Stelle,  wie  durch  neue  bergbauliche  Unter- 
suchungen erwiesen  ist.  Nun  erscheinen  in  der  Empelder 
Feldmark    in    höchst    auffälliger    Weise    eine    ganze 


I 


Hannover 


Anzahl  von  Bodenvertiefungen,  Noch  zu  Menschen- 
gedenken war  die  Elur  durchsetzt  mit  nicht  übermäßig  tiefen 
Erdfällen  von  trichterförmiger  Grestalt.  Die  Entstehung 
derselben  ist  sehr  leicht  erklärbar.  Durch.  Auslaugen  des 
Salzbergsattels  oder  der  Gypsdecke  entstanden  hier  Hohl- 
räume, die,  weil  sie  oben  lagen,  sich  nicht,  wie  es  sonst 
bei  Hohlräumen  im  Salzlager  der  Fall  zu  sein  pflegt,  mit 
Wasser  füllten,  sondern  ein  Nachstürzen  der  Decke  ver- 
anlaßten,  welcher  Vorgang  wiederum  an  der  Erdoberfläche 
zur  Bildung    von  Trichtergruben  Veranlassung  gab.     Diese 

1)  „Neue  Erklärungen  der  Namen  von  einigen  wichtigen  Orten 
in  Niedersachsen."  Jahrgang  1900  der  Zeitschrift  des  historischen 
Vereins  für  Niedersachsen,  Hannover,  Hahn,  1900,  S.  181 — 193. 


des  Thüringischen  Königreichs.  263 

Gruben  scheinen  teilweise  trocken  geblieben  zu  sein ;  waren 
sie  aber  tief,  so  bildeten  sie,  jedenfalls  durch  einströmendes 
Grundwasser,  „Kolke".    Solche  finden  sich,  oft  ausgezeichnet 
durch    ihre  Tiefe  und    scheinbar    ohne  Zusammenhang  mit 
anderen  Gewässern,    gar  nicht  selten  in  dem  Gelände  über 
dem  Salz-  und  Gypslager.     Sie  führen  in  der  Umgegend  von 
Hannover  den  besonderen  Namen  „Glocksee"  und  zwar  sicher 
von   ihrer  Gestalt.     Stadtler  erwähnt  ausdrücklich    große 
Erdfälle     am    Ende    des    Ronneburger    Holzes 
unmittelbar  an  der  Empelder  Mark,    welche   als  drei  etwa 
7  Morgen  große  „Teiche"  früher  Glocksehe  genannt  wurden." 
Aus  dieser  Eigentümlichkeit  des  Geländes  erklärt  nun 
Weiß    den    Ortsnamen    Empelde.      Die    urkundlich    älteste 
Namensform    Amplithi    kann    nicht   etwa   auf  eine  Wurzel 
Amp —  und  ein  Grundwort  — lithi  (richtiger  hlltä!  =  Leite, 
Bergabhang)  bezogen  werden,  „weil  wegen  vollständig 
ebener    Beschaffenheit    der    Feldflur    eine    Zu- 
sammensetzung   mit    lithi    (hlitä)    ausgeschlossen    ist      Es 
muß  also  der  Name    aus    der  bereits  erweiterten  Wortform 
Ampi —  mit  dem  Suffix  — ithi  gebildet  sein,    welches  dem 
vorangehenden   Worte  den   Begriff  der  Häufigkeit  verleiht 
oder  es  verallgemeinert."     Das  zu  Grunde  liegende  ampl — 
führt  Weiß     —    meines  Erachtens  mit  Recht    —    auf  das 
(dem  lateinischen  ampulla   entlehnte)  ahd.  ampullä  (amplä), 
mhd.  ampel,    nhd.  Ampel    zurück,    welches  ein  Gefäß  von 
kegel-  oder  trichterförmiger  Gestalt  bedeutet,  und  von  der 
Wurzel  amb,  welche  Krümmung  und  Bogenform  bezeichne, 
abzuleiten  sei.     In  dem  Namen  des  Dorfes  oder  seiner  Flur 
komme  also  die  auffällige  Häufigkeit  trichterförmiger,  durch 
Erdfälle  entstandener  Gruben  zum  Ausdruck. 

Da  nun  diese  Erd fälle  sich  ganz  in  der  Nähe  von 
Runibergun  in  regione  Maerstem  zeigen,  so  findet  es  Weiß 
—  und  man  kann  sagen:  mit  gutem  Grunde  —  wahr- 
scheinlich, daß  sie  in  der  dreitägigen  Völkerschlacht  des 
Jahres  531  (Weiß  setzt  unrichtig  530)  zwischen  Franken 
und  Thüringern,  weil  nicht  sehr  groß,  als  Wolfsgruben 

18* 


264  Neues  über  den  Sturz 

verwendet  und  der  fränkischen  Reiterei  verderblich 
geworden  sind.  Hierzu  möchte  ich  bemerken,  daß  es  kein 
Bedenken  zu  erregen  braucht,  wenn  die  fränkischen  Bericht- 
erstatter diese  zu  Fallgruben  eingerichteten  Erdfälle  als 
fossae  oder  fossata  ^)  bezeichnen,  da  den  Erdfällen,  falls 
sie  zu  flach  erschienen,  durch  nachhelfende  Ausschachtung 
größere  Tiefe  gegeben  sein  kann  oder  auch  die  vereinzelten 
durch  Verbindungsgräben  zu  einer  fortlaufenden  Hindernis- 
kette verbunden  sein  mögen.  Darum  werden  auch  diese  Ver- 
tiefungen, wie  ich  bald  nachweisen  werde,  Grüften  genannt. 
Am  Schlüsse  seiner  Ausführungen  macht  Weiß  darauf 
aufmerksam,  daß  auf  dem  naturgemäß  sehr  ausgedehnten 
B,onneberger  Schlachtfelde  bei  dem  Dorfe  Benthe  die  alte 
Gerichtsstelle  der  „sieben  Trappen"  gelegen  habe, 
die  noch  im  vorigen  Jahrhundert  eine  Reihe  von  sieben 
Löchern  und  zwar  in  Einer  Flucht  mit  den  bekannten, 
damals  an  anderer  Stelle  als  jetzt  stehenden  8  Steinen,  an 
diese  ostwärts  sich  unmittelbar  anschließend,  gebildet  hätten. 
Die  erste  Trappe  war  flach,  jede  folgende  tiefer,  als  'die 
vorhergehende,  so  daß  die  letzte  etwa  l^/g  m  (Tiefe)  er- 
reichte. Auf  einem  Hofe  in  Benthe  aber  ruhte  die  Ver- 
pflichtung, die  Trappen  in  jedem  Jahre  aufzuräumen  und 
wieder  herzustellen  2).  Weiß  hält  es  nicht  für  unmöglich, 
daß  wir  es  hier  mit  einer  Gedächtnisstätte  und  Gedächtnis- 
feier in  Bezug  auf  die  Fallgruben  der  Schlacht  bei  Runi- 
bergun  zu  tun  haben  und  daß  die  Steine  vielleicht  als 
Grabsteine  aufzufassen  seien.  Diese  Annahme  wird,  woran 
Weiß  nicht  gedacht  hat,  bestätigt  durch  mehrere  Sagen, 
welche  sich  an  die   sieben  Trappen    der  Benther  Gerichts- 


1)  Auffällig  ist  überdies,  daß  nördlich  von  Benthe  und  Empelde 
ein  Bach,  die  Fosse,  unterhalb  von  Linden  in  die  Leine  geht. 
Ob  dieser  zu  der  lateinischen  Bezeichnung  fossa  in  irgend  welcher 
Beziehung  steht,  muß  ich  dahingestellt  sein  lassen. 

2)  So  berichtet  G.  F.  Fiedeler,  Das  Kirchspiel  Gerden. 
Zeitschrift  des  Historischen  Vereins  für  Niedersachsen,  Jahrg.  1862, 
S.  145—242. 


des  Thüringischen  Königreichs.  265 

Stätte  knüpfen  und  welche  Fiedeler  in  seinem  Aufsatze  er- 
wähnt. Diese  Sagen  erzählen  folgendes:  „Nicht  weit  von 
Hannover  sind  die  sogenannten  sieben  Trappen  oder 
Grüften  zu  sehen,  woselbst  ein  Brauer  (!)  —  oflFenbar 
ein  Druckfehler  für  Bauer  —  sich  verflucht,  daß  er  seiner 
Magd  das  Lohn  gegeben,  und  soll  darauf  daselbst  unter- 
gesunken  sein  i)."  Ausführlicher  und  etwas  abweichend 
ist  folgende  Fassung:  „Zu  Benthe  unweit  Hannover  zeugen 
noch  heutiges  Tages  die  sieben  Trappen  oder  Fußtapfen 
von  einem  besondern  daselbst  gehaltenen  Gerichte"  »),  und 
namentlich  folgende  Fassung:  „Des  Weges  nach  Gerden 
hin  zwischen  Eberloh  und  Empele  (!)  bemerkt  man  einen 
Platz  zwischen  einem  Knick,  die  Sieben  Trappen  genannt 
Die  Tradition  saget  hiervon,  daß  vorzeiten  hieselbst  öflfentlich 
Landgericht  gehalten  worden.  Als  nun  ein  Bauer  vor- 
kömmt, der  seinem  Nachbar  Land  abgepflüget, 
oder,  wie  eine  andere  Tradition  will,  seinem  Knecht 
das  verdiente  Lohn  versaget,  (hat  er)  einen  falschen 
Eid  gethan  und  sich  dermaßen  vermaledeyet,  daß  ihn  Gott 
sollte  lassen  versinken,  ehe  er  von  dem  Platze  ginge,  wenn 
die  Sache  nicht  so  wäre,  als  er  ausgesaget.  Allein,  wie  er 
kaum  seinen  Abtritt  genommen,  fanget  er  an  zu  gleiten 
und  in  dem  siebenten  Schritt  sinket  er  gar  in  die  Erde. 
Ob  er  nun  sein  Leben  noch  davon  gebracht,  ist  nicht 
bekannt.  Indessen  muß  ein  Bauer  dasiges  Orts  diese  sieben 
Schritt  oder  Trappen  jährlich  unterhalten  und  erneuern '). 
Wieder  etwas  abweichend  lautet  die  Sage  auf  Grund 
mündlicher  Überlieferung  bei  Kuhn  und  Schwarz*). 
„Bei  E verlob  unweit  Hannover  liegen  am  Berge  sieben  große 
Steine,  die  man  die  sieben  Trappen  nennt  und  die  auf  die 

1)  P.  L.  Berckemeyer,  Vermehrter  Curieuscr  Antiquarius, 
S.  675.    Hamburg. 

2)  W.  E.  Baring,   Beschreibung  der  Lauensteinschen  Saale, 
S.  73,  1744. 

3)  W.  E.  Baring,  Beiträge  zur  Hannoverschen  Kirchen-  und 
Schulgeschichte,  S.  89  der  Vorrede.    1748. 

4)  Norddeutsche  Sagen,  S.  253.    Leipzig  1848. 


266  Neues  über  den  Sturz 

folgende  Weise  ihren  Namen  bekommen  haben  sollen.  Zur 
Zeit,  als  das  Gericht  noch  unter  freiem  Himmel  gehalten 
wurde,  war  mal  ein  Bürgermeistelr,  der  schwor 
seinem  Knecht  das  Lohn  ab,  sagend,  er  hätte  es 
ihm  bereits  gegeben,  und  wenn  es  nicht  wahr  sei,  so  wolle 
er  gleich  in  die  Erde  versinken.  Da  hat  er  denn  nur  noch 
sieben  Schritte  gemacht,  und  bei  dem  letzten  ist  er  in  die 
Erde  gesunken.  Zum  Andenken  aber  hat  man  nachher  bei 
jedem  Schritt,  den  er  gethan,  einen  Stein  gesetzt,  und  davon 
haben  diese  Steine  den  Namen  der  sieben  Trappen  erhalten." 

Offenbar  liegt  in  diesem  Bericht  insofern  eine  Ver- 
wechselung vor,  als  nicht  die  Steine,  sondern  die  neben 
ihnen  befindlichen  Vertiefungen  die  sieben  Trappen  heißen. 
Auch  sind,  es  nach  Fiedeler  nicht  sieben,  sondern  acht 
Steine.  Laut  einer  an  Ort  und  Stelle  eingezogenen  Er- 
kundigung haben  diese  8  Steine  vor  dem  Jahre  1857  in 
einer  Reihe,  und  zwar  ungefähr  10  Schritte  von  ihrem 
jetzigen  Standorte  nach  Benthe  zu  gestanden,  sind  aber 
nach  diesem  Jahre  infolge  der  Verkoppelung  der  Benther 
Feldmark  beim  Bau  des  dort  errichteten  Müllerhauses  an 
ihre  jetzige  Stelle  gesetzt  worden,  und  vor  denselben  haben 
sich  die  sieben  Trappen  befunden,  welche  jährlich  auf- 
geräumt und  dadurch  erhalten  gewesen.  Die  erste  Trappe 
sei  klein,  die  zweite  größer,  die  folgenden  immer  größer 
als  die  vorhergehende,  und  die  siebente  ein  großes  Loch 
gewesen.  Eine  Lagezeichnung  der  Trappen  und  auch  der 
Steine  sowohl  nach  ihrem  früheren,  wie  auch  nach  ihrem 
jetzigen  Stand  bei  dem  Müllerhaus  dicht  an  der  Chaussee 
von  Nenndorf  nach  Hannover  ist  dem  Fiedelerschen  Auf- 
satze beigegeben  i). 

Die  erwähnten  8  Steine,  welche  a.  a.  0.  ebenfalls  nach 
einer  um  das  Jahr  1830  angefertigten  Zeichnung  abgebildet 
sind,  sind  etwa  2 '  breit  und  3 — 4 '  hoch  gewesen,  übrigens 
mehr  oder  weniger  beschädigt.     Auf  der  Vorder-  und  Rück- 

1)  Zeitschr.  des  Histor.  Vereins  für  Niedersachsen,  Jahrg.  1862, 
vor  S.  171. 


i 


des  Tbüringischen  Königreicha.  267 

Seite  waren  durch  einfache,  vertiefte  Linien  Kreuze  von 
mannigfacher  altertümlicher  Form  eingehauen,  welche  es 
wahrscheinlich  machen,  daß  sie  als  Grabdenkmäler  vor- 
nehmer, dort  gefallener  Franken  dienen  sollten  ^),  zumal  da 
ihre  Zahl  eine  so  beträchtliche  ist. 

Der  eigentümlichste  Zug  der  über  die  sieben  Trappen 
überlieferten  Sagen  ist  der,  daß  ein  Bauer  oder  Bürger- 
meister, in  jener  ländlichen  Gegend  das  Urbild  des 
Machthabers,  seinem  Knechte  das  verdiente  Lohn 
versagt  oder  seinem  Nachbar  das  diesem  gehörige  Land 
abgepflügt  und  darum  seinen  Untergang  gefunden  haben 
soll.  Es  liegt  nahe,  in  dieser  dem  Volksverständnis  an- 
genäherten Darstellung  eine  Erinnerung  an  die  Ur- 
sache des  fränkisch-thüringischen  Krieges, 
die  Vorenthaltung  des  von  Irminfried  seinem  Bundes- 
genossen und  Helfer  Theodorich  vorenthaltenen  Beuteanteils, 
und  in  dem  Untergange  des  von  der  göttlichen  Vergeltung 
ereilten  Wortbrüchigen  eine  Erinnerung  an  den  den  Später- 
lebenden  als  ein  Gottesgericht  erscheinenden  Untergang 
des  Thüringerkönigs  zu  erblicken,  eine  Auffassung,  die 
freilich  den  fränkischen  Siegern  und  ihrem  Einflüsse  ihren 
Ursprung  verdanken  wird.  Denn  der  Unterlegene  erscheint 
immer  im  Unrecht  nach  dem  Worte  des  Dichters:  „Denn 
jeder  Ausgang  ist  ein  Gottesurteil." 

Machen  es  schon  diese  sagenhaften  Überlieferungen 
wahrscheinlich,  daß  bei  Benthe  unweit  Ronnenberg  tat- 
sächlich der  große  Völkerkampf  zwischen  Franken  und 
Thüringern  stattgefunden  hat,  so  wird  diese  Wahrscheinlich- 
keit durch  die  Bedeutung  des  Namens  Benthe  zur  Gewiß- 
heit erhoben.  Es  mag  hier  ganz  davon  abgesehen  werden, 
daß  nach  einer  Urkunde  vom  Jahre  1362  im  Gogericht 
Gerden  eine  MordmohP)  erwähnt  wird,  welche  in  ihrem 


1)  Man  vergesse  nicht,  daß  die  Franken  damals  bereits  Christen 
waren. 

2)  Nach  Fiedeler  a.  a.  O.  S.  171  die  jetzige  Landwehrschenke, 
Amts  Linden. 


268      Neues  über  den  Sturz  des  Thüringisclien  Königreiclis. 

Namen  die  Erinnerung  an  den  blutigen  Zusammenstoß  der 
feindlichen  Heere  bewahrt  haben  kann.  Weit  wichtiger  ist 
der  Name  Benthe  (urkundlich  Benethe)  selbst,  dessen  Ur- 
form Banithi  gelautet  haben  muß.  Offenbar  liegt  dem- 
selben die  Wurzel  bhan  in  der  Bedeutung  schlagen  und 
das  ahd.  und  as.  Wort  bano,  mhd.  baue  (vgl.  das  griechische 
<povi^)j  welches  Tod  und  Verderben  bedeutet,  zu  Grunde. 
Mit  dem  verallgemeinernden  Suffix  — ithi  zusammengesetzt, 
welches  ein  häufiges  Vorkommen  der  Wurzelbedeutung  an- 
zeigt, bezeichnet  es  eine  Stätte  oder  Gegend,  in  welcher 
Todschlag  und  Verderben  in  ungewöhnlichem  Maße  statt- 
gefunden hat,  ist  also  ein  durchaus  passender  Name  für 
die  Stätte  eines  großen  Völkerkampfes.  Faßt  man  alle 
besprochenen  Umstände  zusammen,  so  kann  es  wohl  kaum 
noch  einem  Zweifel  unterliegen,  daß  bei  den  Orten  Ronne- 
berg, Empelde  und  Benthe  die  erste  große  Schlacht 
zwischen  Thüringern  und  Franken  stattgefunden  hat  und 
daß  die  durch  eingeritzte  Kreuze  ausgezeichneten  Steine 
Denkmäler  dort  gefallener  und  begrabener,  vornehmer 
fränkischer  Krieger  sind,  die  ebenso  einmal  erneuert  worden 
sein  mögen,  wie  man  die  Trappen  oder  Grüften  neben  ihnen, 
welche  wohl  die  Ursache  ihres  Todes  ad  oculos  demon- 
strieren sollten,  durch  stetige  Erneuerung  zu  erhalten  bemüht 
gewesen  ist.  Hat  aber  die  erste  Schlacht  in  dem  Kriege 
tatsächlich  bei  Ronneberg  unweit  Hannover  stattgefunden, 
so  wird  nicht  nur  wahrscheinlich,  daß  die  Westgrenze  des 
Thüringischen  Königreichs  sich  damals  (531)  bis  an  die 
Leine  erstreckt  hat,  sondern  man  muß  dann  auch  zugeben, 
daß  die  sächsischen  Quellen  betreffs  des  Örtlichen  weit 
besser,  betreffs  des  allgemeinen  Ganges  der  Begebenheiten 
aber  mindestens  eben  so  gut  unterrichtet  sind,  als  die 
fränkischen,  und  daß  dann  eben  nichts  weiter  übrig  bleibt, 
als  die  Anwendung  des  von  Pelka  als  vollständige  Ver- 
wirrung bezeichneten  „gemischten  Verfahrens". 


Die  vor-  und  frühgeschichtlichen  Funde  der 
Grafschaft  Camburg. 

Von 

Dr.  Gustay  Eichhorn  in  Jena. 
II.  Stadt  Camburg  an  der  Saale. 

Slavisches  Gräberfeld 
in  der  Nähe  des  heutigen  Amtsgerichtsgebäudes. 

Am  2,  April  1869  teilte  Dr.  Bender  in  Camburg 
Prof.  Klopfleisch,  der  in  Tierschneck  mit  Ausgrabungen  gerade 
beschäftigt  war,  brieflich  mit,  daß  sich  beim  Ausgraben 
eines  Grundes  in  der  Stadt  Camburg  2  sehr  alte  Skelette 
gefunden  hätten,  dabei  ein  Messer,  ein  kleiner  Wetzstein  von 
messerähnlicher  Form,  an  einem  Ende  durchlocht,  und  ein 
Topf  von  schwarzer  Masse.  Die  Sachen  ständen  zur  Ver- 
fügung. 

Mit  dieser  Benachrichtigung  hat  Dr.  Bender  der  thü- 
ringischen Prähistorie  einen  großen  Dienst  geleistet.  Klop- 
fleisch wurde  nämlich  auf  die  Spur  eines  Gräberfeldes 
geleitet,  das  sich  bei  den  veranstalteten  Ausgrabungen  als 
eines  der  größten  in  Thüringen  erwies ,  dessen 
Schädelmaterial  unsere  namhaftesten  Anthropologen  zu 
wiederholten  Malen  auf  den  Kongressen  auf  das  lebhafteste 
beschäftigte.  Der  Schädel  einer  Jungfrau  wurde  schließlich 
zu  einer  internationalen  Berühmtheit. 

Die  Ausgrabungen  wurden  erst  im  Mai  des  Jahres  1872 
abgeschlossen.  In  der  Zwischenzeit  waren  alljährlich  eine 
größere  Anzahl  Gräber  aufgedeckt  worden  unter  spezieller 
Aufsicht  Klopfleischs,  der,  wie  Virchow  auf  dem  VII.  all- 
gemeinen Kongreß  zu  Jena  am  9.  August  1876  rühmend 
sagte,  „mit  einer  Treue  und  Sorgfalt,  wie  sie  außerhalb  der 
Kreise    der  Naturforscher,    einschließlich  Altertumsforscher 


270  ^ie  vor-  u.  fröhgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

selten  gefunden  wird,  seit  Jahren  das  Material,  das  auf 
diesem  Boden  zu  haben  ist,  gesammelt  hat."  Die  Funde 
befinden  sich  im  germanischen  Museum  \zu  Jena. 

Unter  den  Akten  des  germanischen  Museums   befindet 
sich  ein  Situationsplan  dieser  Gräber  von  der  Hand  Klop- 
fleischs  (Kg.  80). 


Fig.  80. 
Wie  ich  gleich  vorweg  nehmen  will,  war  dieses  Gräber- 
feld   ein   slavisches.     Es    lag   auf  dem  westlichen  Ufer 
der  Saale   ungefähr    da,   wo  jetzt    das  Hotel  zur  Post  und 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  271 

dessen  Nebengebäude  stehen.  Die  Ausschachtungen  -  beim 
Bau  der  Saaleisenbahn  zerstörten  es.  Der  Fundort  ist 
übrigens  ganz  besonders  zu  beachten.  Wir  wissen,  daß 
ganz  in  der  Nähe  dieses  slavischen,  also  frtihgeschichtlichen 
Gräberfeldes  die  älteste  Burg  Camburgs  im  frühen  Mittel- 
alter errichtet  wurde,  da,  wo  heutigen  Tages  das  Amts- 
gerichtsgebäude steht. 

Die  Skelette  lagen  0,60— 1,50  m  tief,  meist  einzeln,  in 
ungleichmäßigen  Abständen  voneinander,  in  nicht  sehr  regel- 
mäßigen Reihen,  ohne  jede  Steinsetzung  oder  Spur  von  Holz- 
umhüllung im  Lehmboden.  Fast  durchgängig  aber  war  eine 
dünne  Schicht  Asche  mit  Kohlen  unter  und  neben  die  Toten 
gestreut   worden,    keine  Scherben. 

Die  Toten  waren  derart  beerdigt,  daß  die  Füße  im  Osten 
oder  Südosten,  der  Kopf  im  Westen  resp.  Nordwesten  lag. 
Es  sind  Frauen  jeden  Alters,  Kinder,  Männer.  In  einzelnen 
Fällen  waren  zwei  Erwachsene,  oder  Frau  und  Kind  dicht 
beieinander  beerdigt.  In  einem  Grab  lagen  zwei  Erwachsene 
nebeneinander,  der  eine  kopfüber,  wie  in  abwärts  sitzender 
Stellung. 

Die  Beigaben  der  Toten  waren  im   ganzen   ärmlich. 

Bei  vier  Skeletten  standen  zur  rechten  Seite  halbierte 
Urnen,  teils  wagrecbt,  teils  senkrecht  zerschlagen.  Die  Urnen 
waren  am  oberen  Bauchteil  mit  dem  charakteristischen 
slavischen  Wellenomament  verziert.  Die  zwei  '  senkrecht 
halbierten  Gefäße  (Fig.  81.  82)  habe  ich  ergänzt. 

Hohes  Gefäß  von  Topfforra  (Fig.  81),  proportioniert  Der 
Rand  schwach  ausladend ;  unterhalb  desselben  laufen  am  Hals  2 
Systeme  von  unregelmäßigen  Wellenlinien  um  das  Gefäß,  die  mit 
einem  raehrzinkigen  (5 — 7),  karamartigen  Instrumente  unter  mäßigem 
Druck  in  die  noch  weiche  Tonmasse  gezogen  sind.  Die  Tonmasse 
ist  hart  gebrannt,  mit  Glimmer  durchsetzt,  rötlich  grau ;  Außenfläche 
wenig  sorgfältig  glattgestrichen.  Der  Boden  geraae.  Wand  mittel- 
stark: 0,8  cm.  Das  ergänzt«  Gefäß  hat  im  oberen  Durchmesser 
17,5  cm,  im  größten  Durchmesser  19  cm,  im  Bodendurchmesser  10,5; 
ganze  Höhe  20  cm,  Umbruch  in  15  cm  Höhe,  (No.  1538).  (War 
1880  mit  auf  der  Ausstellung  vorgeschichtlicher  Altertümer  in  Berlin.) 


272  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Mittelhohes  Gefäß  von  Topf  form  (Fig.  82),  dem  vorigen 
gleichartig.  Der  Eand  ebenfalls  schwach  ausladend.  Unterhalb  des- 
selben umzieht  ein  System  von  Wellenlinien,  mit  einem  7-zinkigen 
Instrument  erzeugt,  den  Gefäßhals.  Eine  gleichartige  Wellenlinie 
umzieht  den  Umbruch  des  Gefäßbauches.  Die  Tonmasse  ist  hart 
gebrannt,  mit  Sandkörnchen  reichlich  durchsetzt,  rötlich  grau.  Die 
Außenseite  ist  ohne  große  Akkuratesse  glatt  gestrichen,  Innenfläche 
schwärzlich.  Das  ergänzte  Gefäß  hat  einen  oberen  Durchmesser  von 
15  cm ;  größter  Durchmesser  16  cm,  ßodendurchmesser  8  cm,  Höhe 
15  cm ;  Umbruch  in  einer  Höhe  von  10  cm  vom  Boden.  Wandstärke 
1  cm.  (No.  1539).  (War  1880  mit  auf  der  Ausstellung  vorgeschicht- 
licher Altertümer  in  Berlin.) 


Fig.  82.  V, 


Fig.  81.  »/, 

Bodenhälfte  eines  großen  Tontopfes,  aus  einzelnen  Bruch- 
stücken wieder  zusammengesetzt.  Die  Tonmasse  ist  hart  gebrannt, 
mit  Sandkörnchen  reichlicn  durchsetzt,  so  daß  sie  sich  anfühlt  wie 
Sandpapier;  Außenfläche  gut  geglättet,  gelblich  grau,  Innenfläche 
geschwärzt;  der  Boden  ist  glatt  und  in  scharfem  Winkel  abgesetzt 
von  der  Seitenwand.  Durchmesser  13  cm.  In  8  cm  Höhe  ist  der 
Topfdurchmesser  18,5  cm.  Wandstärke  6  mm.  Auf  der  Kante  rings 
um  den  Boden  scharfe  geradlinige  Einschnitte,  zum  Teil  sich  spitz- 
winklig schneidend,  wohl  vom  Wetzen  eines  metallenen  Werkzeuges 
auf  der  sandigen  Fläche  und  Kante  herrührend.     (No.  1540.) 

Bodenstück  eines  mittelgroßen  Tontopfes  von  roher  Arbeit. 
Die  unteren  Partieen  der  Seitenwandung  sitzen  in  stumpfem  Winkel 
auf.  Tonmasse  bräunlich  grau,  mit  klargestoßenen  Steinstückchen 
reichlich  durchsetzt.  Auf  der  Außenfläche  des  Bodens  im  Zentrum 
nabeiförmige  Einsenkung  und  einige  konzentrische  Furchen,  durch 
die  Befestigung  auf  der  Töpferscheibe  erzeugt;  periphere  Furche  innen 
am  Übergang  des  Bodens  in  die  Seitenwandüng.  Durchmesser  des 
Bodens  11  cm,  des  Topfes  in  472  ^^  Höhe  14  cm.  Wandstärke 
6  mm.    (No.  1541.) 


Die  vor-  u.  frühgeechichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  273 

Bei  5  Skeletten  wurden  zu  Füßen  die  eisernen  Beifen, 
Handhaben  und  Ösen  von  je  einem  Eimer  gefunden,  die 
Holzgefäße  waren  natürlich  vermodert. 

Die  eisernen  Henkel  (Fig.  83 — 88)  sind  gut  er- 
halten, durch  die  Erdlast  aber  verbogen.  Sie  sind  aus 
einem  vierkantigen  Eisenstab  geschmiedet,  der  entweder 
als  solcher  halbkreisförmig  gebogen,  an  seinen  Enden  zur 
Aufnahme  der  Ösen  umgelegt  war  (Fig.  84,  85);  oder  der 
mittlere  Teil  des  Bogens  war  in  der  Glühhitze  nach  rechts 
um  seine  Achse  vielmal  gedreht,  so  daß  er  schnurförmig  aus- 
sah (Fig.  83) ;  oder  der  mittlere  Teil  war  bandförmig  breit 
gehämmert  und  nach  Art  der  noch  heute  gebräuchlichen 
Eimerhenkel  halbzylinderförmig  aufgebogen  (Fig.  86,  88). 
Ein  starker  vierkantiger  Henkel  ist  durch  zwei  längliche 
Knoten  geziert  (Fig.  87). 

Die  Ösen  (Fig.  86,  87),  in  welchen  sich  die  umge- 
bogenen Henkelstücken  drehten,  haben  die  Form  eines  ge- 
schwungenen V.  Ihre  freien  Enden  sind  rechtwinklig  ab- 
gebogen, um  ins  Holz  des  Eimers  nageiförmig  einzugreifen. 
Gefunden  wurden  10  Stück,  von  denen  einzelne  noch  mit 
ihrem  Henkel  zusammenhängen.  Bei  einem  Henkel  (Fig. 
88)  hängt  an  dem  einen  Ende  ein  fingerlanger,  gerader 
Eisenstab,  der  sich  ringförmig  um  dasselbe  legt. 

Die  eisernen  Eimerreifen  bilden  einen  Kreis,  einige 
ein  Oval.  Ihr  Querschnitt  ist  dreieckig,  quadratisch,  schmal 
rechteckig ;  einige  sind  bandförmig  breit ;  ein  vierkantiger 
ist  schnurförmig,  in  der  Glühhitze  nach  rechts  gedreht. 
4  Reifen  sind  vollständig,  dreikantig,  kreisrund,  7  ebenso, 
aber  verzogen  oder  gebrochen;  ein  Reif  hat  quadratischen 
Querschnitt,  er  ist  kreisrund,  vollständig;  2  vierkantige 
waren  nur  in  Bruchstücken  erhalten ;  2  sind  breitbandförmig, 
3  schmalbandförmig.  Die  Stelle,  an  welcher  die  ursprüng- 
lichen Enden  aneinander  geschmiedet  sind,  ist  nur  bei  wenigen 
etwas  verdickt.  Bei  den  bandförmigen  sind  die  Enden 
übereinander  gelegt  und  vernietet. 


274  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Eiserner  Henkel  (Fig.  83)  zu  einem  Holzeimer,  gut  erhalte»^ 
nach  der  einen  Seite  etwas  auseinandergezogen,  auf  der  anderen  Seitt 
nach  innen  gedrückt,  verrostet.  Der  vierkantige  Henkel  ist  aus 
einem  im  Querschnitt  quadratischen  Stab  hergfestellt,  der  im  Verlauf 


I'ig.  83.  V,. 

des  Bogens  vielmal  nach  rechts  gedreht  worden  ist,  die  zum  Haken 
bestimmten  Enden  sind  nicht  gedreht,  2  -förmig  abgebogen  und  auf 
der  einen  Seite  zu  einer  Spiralscheibe  eingerollt.  Dicke  des  'unge- 
drehten Stabes  0,5  cm,  in  der  Bogenmitte  0,7  cm.  Durchmesser  des 
Bogens  von  einem  Haken  zum  andern  20  cm,  Peripherie  des  Bogens 
außen  38  cm.  Aus  diesen  Zahlen  ergibt  sich  eine  obere  Peripherie 
des  Eimers  von  76  cm,  vorausgesetzt,  daß  der  Henkel  auf  den  Eimer - 
rand  auflag,  wie  bei  unseren  jetzigen  Holzeimern.  Durchmesser  des. 
beigesetzten  Eimers  ursprünglich  21  cm,  (No.  1542.) 


Fig.  84.  V*- 

Eiserner  Henkel  (Fig.  84)  zu  einem  Holzeimer,  gut  erhalten, 
verrostet,  vierkantig,  gleichmäßig  nach  beiden  Seiten  etwas  auseinander 
gezogen.  Der  Henkel  ist  aus  einem  ungedrehten  Eisenstab  hergestellt 
von  quadratischem  Querschnitt,  die  Enden  zur  Aufnahme  der  Oese 
umgebogen.  Dicke  des  Stabes  0,6  cm,  Peripherie  des  Bogens  39  cm, 
Durchmesser  zwischen  den  beiden  Haken  25  cm ;  berechnete  obere 
Peripherie  des  dazugehörigen  Eimers  78  cm,  Durchmesser  desselben 
21,6.    (No.  1543.) 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.   275 

Eiserner  Henkel  (Fig.  85)  eiuee  Eimers,  gut  erhalten,  ver- 
rostet, vierkantig,  aus  einem  bandförmigen  Eisen  gearbeitet,  die  Enden 
verjüngt,  hakenförmig  umgebogen.  Bogenperipherie  31  cm,  Durch- 
messer zwischen  den  Haken  20,5  cm.  Größte  Breite  1  cm  in  der 
Bogenmitte,  Dicke  2  mm.  Berechnete  obere  Peripherie  des  zugehörigen 
Eimers  62  cm,  Durchmesser  desselben  19,5  cm.  (No.  1544.J 


Fig.  85.  V,. 

Eiserner  Henkel  (Fig.  86)  eines  Eimers,  in  zwei  Stücke  ge- 
brochen, mit  den  daran  festgerosteten  Ösen,  gut  erhalten.  Der 
Henkel  ist  aus  einem  vierkantigen  Stab  hergestellt,  von  quadratischem 
Querschnitt;  die  Mitte  des  Bogena  ist  breitgehämmert  und  mulden- 
förmig umgebogen,  damit  es  besser  in  der  Hand  li^.  Die  Enden 
sind  hakenförmig  umgebogen.  Der  Henkel  hat  auf  dem  oberen  Eimer- 
rand aufgelegen,  infolge  dessen  sind  die  ankerförmigen  Ösen  recht- 
winkhg  dazu  angerostet.  Sie  lagen  auf  der  äußeren  Eimerwand  nach 
beiden  Seiten  sich  spreizend  auf  und  waren  —  wie  ein  in  der  Mitte 
des  einen  Ankerschenkels  angerosteter  Nagel  beweist  —  durch  Nägel 


Fig.  86.  V,. 

befestigt.  Gleichzeitig  läßt  die  Richtung  der  ösenschenkel  den  Schluß 
zu,  daß  die  Eimer  oben  enger,  der  Boden  weiter  war.  Bogenperipherie 
26  cm.  Ösenlänge  4  cm.  Berechnete  obere  Eimerperiphene  52  cm, 
Durchmesser  oben  13,5  cm.   (No.  1545.) 

Kräftiger  eiserner  Henkel  (Fig.  87)  eines  großen  Eimers,  gut 
erhalten,  mit  dazu  gehörigen,  lose  daran  hängenden,  ankerförmigen 
Ösen.  Der  Bügel  ist  aus  einem  1  cm  starken,  vierkantigen  Eisenstab 


276  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

hergestellt,  von  quadratischem  Querschnitt;  durch  zwei  längliche 
Knoten  ist  der  Bogen  in  drei  Drittel  geteilt.  Peripherie  des  Bogens 
außen  40  cm.  23,2  cm  jetziger  Durchmesser.  Die  Enden  des  Henkels 
sind  rechtwinklig  abgebogen  und  durch  einen  ^quadratischen  Knopf 
abgeschlossen.  Die  anhängenden,  bandförmig  gehämnierten  Ösen 
enden  in  divergierende  Bogen,  die  Spitzen  sind  zugespitzt  und  nach 
der  Eimerwand  zu  abgebogen,  um  nageiförmig  ins  Holz  einzugreifen. 
Berechneter  oberer  Umfang  des  Holzeimers  80  cm.     (No.  1546.) 


Fig.  87.  V4. 

Eiserner  Eimerhenkel  (Fig.  88)  mit  rechtwinklig  dazu  an- 
gerosteter, einarmiger  Öse.  Auch  dieser  Bügel  ist  hergestellt  aus 
einem  vierkantigen  Eisenstab  von  quadratischem  Querschnitt,  der  in 


Fig.  88.  V,. 


Die  vor-  u.  frühgeßchichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  277 

kurzer  Entfernung  von  den  hakenförmigen  Enden  viele  Male  nach 
rechte  gedreht  ist  und  in  der  Mitte  für  das  Anlegen  der  Hand  breit 
gehämmert  und  muldenförmig  aufgebogen  ist.  Peripherie  de«  ßogena 
29,0  cm,  Durchmesser  des  Bogens  jetzt  17  cm.  Dicke  des  Eisenstabes 
0,(3  cm,  des  breitesten  Teiles  der  mittleren  Mulde  1,7  cm.  Berechnete 
obere  Peripherie  des  Eimers  59  cm.  Die  anhängende  Öse  ist  ein  1 1  cm 
lange«,  stabförmigcjs,  gerades  Eisen,  das  obere  Ende  legt  eich  kreis- 
förmig um  den  Henkelhaken,  das  ^untere  Ende  ist  nach  außen 
abgebogen.  Vermutlich  lag  diese  Ose  auf  der  äußeren  Eimerwand 
auf,  und  ein  Keif  drückte  dieselbe  fest  an.  Da»  umgebogene  Ende 
verhinderte  das  Hervorgleiten  unter  dem  Reif.  Die  Öee  ist  in  einem 
leicht  stumpfen  Winkel  angerostet,  so  daß  auf  eine  nach  unten  sich 
erweiternde  Eimerform  zu  schließen  wäre.  Ebenso  gut  aber  kann  es 
auch  auf  eine  Verschiebung  des  ganzen  Eimers  durch  die  drückende 
Erdlast  zurückgeführt  werden.  (No.  1547.) 

Eiserne  Eimer  Öse,  aus  einem  7  mm  breiten,  bandförmigen 
Eisenstück  hergestellt,  mit  gespreizten  Schenkeln.  Höhe  72  cm. 
(No.  1548.) 

Eiserne  Eimer  ose,  aus  einem  Eisenstab  hergestellt  von 
quadratischem  Querschnitt.  Die  Schenkel  auseinander  gespreitzt  und 
nach  der  Eimerwandung  zu  zugespitzt  und  abgebogen,  um  ins  Holz 
einzugreifen.    Höhe  8,5  cm.     (No.  1549.) 

Eiserne  Eimeröse,  aus  einem  Eisenstab  hergestellt  von 
c[uadradischem  Querschnitt,  mit  ebenso  gespreizten  Schenkeln  und 
ins  Holz  eingreifenden  Spitzen,  aber  sehr  verschoben  beim  Zusammen- 
drücken des  Holzeimers.    Jetzige  Höhe  9,2  cm.    (No.  1550.) 

Eiserne  Ei  m  e  rös  e  —  der  eine  gespreizte  Schenkel  fehlt  — ,  eben- 
falls hergestellt  aus  einem  Eisenstab  von  quadratischem  Querschnitt 
und  geformt  wie  die  anderen;  auch  hier  ist  das  letzte  Ende  des  er- 
haltenen Schenkels  zum  Eingreifen  in  das  Holz  des  Eimers  abgebogen. 
Höhe  9  cm.    (No.  1551.) 

Eiserne  Eimeröse,  die  sich  spreizenden  Schenkel  fehlen; 
schmal  bandförmig.    (No.  1552.) 

Eiserner  Eimerreif,  vollständig,  kreisrund,  von  dreieckigem 
Querschnitt,  innere  Peripherie  53  cm,  die  Seiten  des  gleichseitigen 
Dreiecks  0,6  cm  breit.    (No.  1553.) 

Eiserner  Eimerreif,  vollständig,  kreisrund,  von  dreieckigem 
Querschnitt,  innere  Peripherie  56  cm;  0,6  cm  Länge  der  Seite  des 
gleichseitigen  Dreiecks.     (No.  1554.) 

Eiserner  Eimerreif,  vollständig,  kreisrund,  Querschnitt  ein 
gleichseitiges  Dreieck,  jede  Seite  0,6  cm,  innere  Peripherie  65,5  cm. 
(No.  15550 

Eiserner  Eimerreif,  vollständig,  kreisrund,  im  Querschnitt 
ein  gleichschenkliges  Dreieck  von  0,8  cm  Hypothenueen=, 0.6  Seiten- 
länge, innere  Peripherie  t)8,5  cm.    (No.  1556.) 

Eiserner  Eimerreif,  vollständig,  zu  einem  unregelmäßigen 
Oval  verzogen,  im  Querschnitt  ein  gleichseitiges  Dreieck  von  0,6  cm 
Seitenlänge,  innere  Peripherie  58  cm.    (No.  1557.) 

Eiserner  Eimerreif,  vollständig,  breitoval,  im  Querschnitt 
ein  gleichseitiges  Dreieck  von  0,6  cm  Seitenlänge,  innere  Peripherie 
85,5  cm.    (No.  1558.) 

XXII.  19 


278  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Eiserner  Eimer  reif,  oval,  gesprengt,  die  Enden  stehen  3  cm 
auseinander,  Querschnitt  dreieckig,  0,6  cm  breit,  innere  Peripherie 
67  cm.    (No.  1559.) 

Eiserner  Eimerreif,  74  eines  Ovals,  Querschnitt  dreieckige 
von  0,6  cm  Seitenlänge,  innere  Peripherie  59  cm.    (No.  1560.) 

Bruchstücke  eines  eisernen  Eimerreifs,  im  Querschnitt  ein 
Dreieck  von  0,6  cm  Seitenlänge ;  dieselben  ergeben  zusammen,  ihren 
Krümmungen  entsprechend,  emen  Reif  von  75  cm  innerer  Peripherie. 
(Nr.  1561.) 

Mehrere  Bruchstücke  eines  eisernen  Eimerreifs,  in  ihren 
Krümmungen  entsprechend  einem  Bing  von  annähernd  derselben 
Peripherie  wie  No.  1561.  Im  Querschnitt  ein  Dreieck  von  0,6  cm 
Seitenlänge.    (No.  1562.) 

Bruchstücke  eines  eisernen  Eimerreifs,  im  Querschnitt  ein. 
Dreieck  von  0,6  cm  Seitenlänge,  an  einer  Stelle  schleifenförmig  (zum 
Einhängen  des  Henkels?)  in  die  Höhe  gezogen.  Innere  Peripherie 
ohne  Ausbiegung  zur  Schleife  55,5  cm,  7^  eines  Ovals  in  seiner  vor- 
hegenden Gestalt.    (No.  1563.) 

Schön  erhaltener,  starker,  kreisrunder  Eimerreif,  hergestellt 
aus  einem  0,8  cm  starken  vierkantigen  Eisenstab  von  quadratischem 
Querschnitt ;  der  Stab  ist  in  seiner  ganzen  Länge  um  seine  Achse 
vielmals  nach  rechts  gedreht,  die  Enden  hakenförmig  abgebogen  und 
übereinander  gelegt.    Innere  Peripherie  66,5  cm.    (No.  1564.) 

Schwächerer,  eiserner  Eimerreif,  aus  3  Bruchstücken  be- 
stehend, im  Querschnitt  rechteckig,  die  Enden  hakenförmig  über- 
einander gelegt.  Innere  Peripherie  ca.  62  cm,  das  größere  Bruch- 
stück oval  verzogen.    (No.  1565.) 

Eiserner  Eimerreif  in  3  Bruchstücken  von  ca.  66  cm  innerer 
Peripherie,  die  Enden  hakenförmig  umeinander  gebogen  und  inein- 
ander gerostet,  Querschnitt  vierkantig.    (No.  1566.) 

Drei  isolierte  kleine  Bruchstücke  von  eisernen  Reifen,  vier- 
kantig.   (No.  1567.) 

Eiserner  Eimerreif  in  3  Bruchstücken,  nach  ihren  Krüm- 
mungen zu  einem  Reif  von  ca.  82  cm  innerer  Peripherie  gehörig, 
schmal  bandförmig,  im  Querschnitt  rechteckig,  0,7  cm  breit.  (No.  1568.) 
Zwei  kleine  Reifenbruchstücke  von  rechteckigem  Querschnitt  aus 
Eisen.    (No.  1569.) 

Eiserner  E  i  m  e r  r  e  i  f ,  breit  bandförmig,  vollständig,  geschlossen, 
ohne  erkennbaren  Niet;  innere  Peripherie  77  cm,  oval,  Breite  3  cm. 
(No.  1570.) 

Brucnstücke  eines  eisernen  Eimerreifen,  breit  bandförmig, 
an  dem  größten  eine  10  cm  lange  Stelle  doppelter  Dicke.  Hier 
waren  die  Enden  übereinander  gelegt  und  genietet.    (No.  1571.)*) 

Bald  rechts  bald  links  in  der  Handgegend  hatten  die 
Toten  verrostete  Messerklingen  aus  Eisen  liegen  (Fig. 
89 — 100),  einschneidig,  in  langer,  schmaler  Form  oder 
kürzer   und   breiter,    die    meisten    mit   Griffdorn,    an  einem 


*)  Von  den  eisernen  Eimerhenkeln  waren  zwei,  von  den  Eimer - 
reifen  einer  mit  auf  der  Ausstellung  in  Berlin  1880. 


Die  vor-  u,  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  279 


sogar    die    Spuren    einer    Holzverschalung   (Fig.   91),    im 
Ganzen  15  Stück. 

Fig.  89.      Fig.  90.       Fig.  91.     Fig.  92.    Fig.  93.  Fig.  94. 


Fig.  100. 


Fig.  95.  Fig.  96. 


Fig.  98.  Fig.  99. 


Fig.  89-101.  V,. 


Fig.  97.      Fig.  101. 


Lange,  schmale,  eiserne,  einschneidige  Messerklinge  (Fig.  89), 
ein  Dritteil  mit  der  Spitze  fehlt,  mit  Griffaorn.  Länge  des  erhiuten«! 
Klingen teiles  4,5  cm,  des  Griffdorns  3  cm,  Breite  1,2  cm.  Verrostet, 
Form  deutlich.    (No.  1502.) 

Lange,  schmale,  eiserne,  einschneidige  Messerklinge  (Fig.  90), 
Rücken  und  Schneide  gleichmäßig  zur  Spitze  sich  vereinend,  mit 
Griffdorn.  Länge  der  Klinge  12  cm,  des  Griffdorns  3,5  cm,  ^ößte 
Breite  in  der  Mitte  1,8  cm.  Verrostet,  aber  mit  Deutlichkeit  die 
Form  zu  erkennen.    (No.  1501.) 

Großes,  mittelbreites,  eisernes  Messer  (Fig.  91),  in  drei  Bruch- 
stücken,  die   Spitze  fehlt,   Länge  der  Klinge  9  cm,  größte  Breite 

19* 


280  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

2  cm,  in  der  Mitte,  Griff  dorn  8  cm  lang,  mit  Besten  der  Holz- 
verschalung.   (No.  1503.) 

Eiserne  Messerklinge  (Fig.  92),  klein',  mittelbreit,  Rücken 
wenig,  Schneide  mehr  zur  Spitze  sich  umbiegend,  mit  Griffdorn, 
stark  verrostet.  KUnge  ö,  Griffdom  3  cm  lang,  Breite  der  KUngen- 
mitte  1,5  cm.     (No.  1504.) 

Breite,  eiserne  Messerklinge,  in  2  Stücke  zerbrochen,  stark  ver- 
rostet. Griff  dorn  fehlt,  Länge  9  cm,  Breite  in  der  Mitte  2,2  cm. 
(No.  1505.) 

Breite,  eiserne  Messerklinge  (Fig.  93),  Eücken  gerade,  Schneide 
allmählich  zur  Spitze  umbiegend.  Griffdorn  fehlt,  verrostet,  Länge  9  cm, 
Breite  2,2  cm.     (No.  1506.) 

Schmale,  eiserne  Messerklinge  (Fig.  94),  Rücken  leicht, 
Schneide  mehr  geschweift,  Griffdorn  fehlt,  Länge  9,5  cm,  Breite  in 
der  Mitte  1,7  cm.     Verrostet.    (No.  1507.) 

Lange,  schmale,  eiserne  Messerklinge,  Rücken  gerade.  Schneide 
allmählich  zur  Spitze  umbiegend,  nach  dem  Schaft  zu  sich  leicht 
verjüngend,  Griffdorn  fehlt,  Länge  9  cm.  Breite  in  der  Mitte  1,7  cm, 
verrostet,  Form  aber  sehr  deutlich.    (No.  1508.) 

Langes,  schmales  Messer  (Fig.  95),  gut  erhalten,  mit  Griffdorn, 
Rücken  leicht,  Schneide  mehr  geschweift,  Rücken  am  Griffansatz 
abfallend,  Länge  der  Klinge  10  cm,  des  Griffdorns  4  cm,  mittlere 
Breite  1,7  cm.     (No.  1509.) 

Ebenso  geformtes ,  etwas  schmäleres  Messer  (Fig.  96) ,  gut 
erhalten.  Länge  der  Klinge  10  cm,  des  Griffdorns  2,5  cm.  Breite 
der  Klingenmitte  1,3  cm.    (No.  1510.) 

Eisernes  Messer  (Fig.  97),  lang,  schmal,  mit  langem,  deutlich 
abgesetztem  Griffdorn,  ein  viertel  der  Klinge  mit  der  Spitze  fehlt. 
Rücken  und  Schneide  gleichmäßig  zur  Spitze  zu  sich  verjüngend. 
Länge  des  Klingenrestes  8  cm,  des  Griffdorns  8  cm.    (No.  1511.) 

Besterhaltenes,  schmales,  spitzes  Eisenmesser  (Fig.  98),  Rücken 
und  Schneide  fast  gleichmäßig  im  schwachen  Bogen  zur  Spitze  sich 
vereinend.  Griffdorn  abgesetzt,  Länge  der  Klinge  8  cm,  Klingen- 
breite in  der  Mitte  1,2  cm.  Griff  dorn  vollständig,  3,5  cm  lang. 
(No.  1512.) 

Eisernes  Messer  (Fig.  99),  gut  erhalten,  in  2  Stücke  zerbrochen, 
mit  Griffdorn,  mittelgroß,  mittelbreit,  zugespitzt.  Länge  der  Klinge 
10  cm,  des  Griffdoms  4,5  cm,  Breite  der  Klingenmitte  2  cm.  (No.  1513.) 

Kleines,  gut  erhaltenes,  eisernes  Messer  (Fig.  100),  mit  langem 
Griffdorn,  Rücken  gerade,  Schneide  allmählich  aufgebogen.  Länge 
der  Klinge  6,5  cm,  des  Griffdorns  5  cm,  Klingenbreite  in  der  Mitte 
1,4  cm.    (No.  1514.) 

Langes,  schmales,  stark  verrostetes  Messer  mit  breitem  Griffdorn, 
Länge  der  Klinge  9,0  cm,  Breite  in  der  Mitte  1,3  cm,  Griffdom  3,5  cm 
lang.    (No.  1515.)*) 

Einzelne    Skelette   hatten    auch    Schleifsteinchen    und 

Plußkiesel  bei  sich. 

Ein  Schleifstein  (Fig.  101)  war  messerförmig,  aus  grauem 


I 


*)  2  eiserne  Messer  davon  waren  1880  auf  der  Ausstellung  vor- 
geschichthcher  Altertümer  in  Berlin. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  281 

Schiefer,  mit  beiderseits  trichterförmigem,  kleinem  Loch  nahe 
dem  einen  Ende  zum  Anhängen.  14  cm  lang,  2  cm  breit 
1  cm  größte  Dicke,  beide  Enden  abgeschliflfen.    (No.  1516.) 

In  der  Nähe  der  rechten  Hand  einer  erwachsenen  Person 
lag  eine  kleine  patinierte  BronBenadel  (Fig.  102)  mit  platt 
gehämmertem  und  2  -förmig  umgebogenem  Kopf.  Länge  7  cm 
(No.  1518.)*) 

In  der  Ohrgegend  lagen  bei  einem  Skelett  z  w  e  i  g  1  e  i  c  h- 
artige,  große,  bronzene,  patinierte  Sohläfenringe' 
(Eig.  103),  das  eine  platt  gehämmerte  Ende  mit  der  charakte- 
ristischen 2 -förmigen  Umbiegung,  das  andere  hakenförmig 
im  rechten  Winkel  abgebogen,  so  daß  es  mit  der  2  -förmigen 
Schleife  einen  festen  Verschluß   bildet. 


Fig.  103.  V,- 


Fig.  102.  V, 


Auf  jeden  Ring  sind  lose  aufgeschnürt  drei  vergoldete, 
kugelförmige  Metallperlen  mit  je  einem  geperlten  Xranz  um 
die  Mitte  und  an  jedem  Ende  dem  Schnurloch  vorgelegt,  und 
vier  zylinderförmige  Spiralen  aus  feinem  Silberdraht  in  ab- 
wechselnder Reihenfolge  vom  2  -förmigen  Ende  an.  Die 
kleinere  Hälfte  des  Ringes  ist  frei.  Der  Haken  des  zweiten 
Ringes  ist  nach  der  entgegengesetzten  Seite  abgebogen,  so 
daß  der  eine  Ring  zum  Tragen  für  die  rechte,  der  andere 
für  die   linke  Seite    berechnet    worden   ist.     Durchmesser 


*)  War  1880  mit  in  Berlin  auf  der  Ausstellung  vorgeschicht- 
licher Altertümer. 


282  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Cambiirg. 

beider  Ringe  gleich,  6,2  cm  im  Lichten,  Stärke  des  Drahtes 
2  mm.  Breite  der  Perle  1,2  cm,  Dicke  1,3  cm,  Länge  der 
Spiralen  1,1 — 2,1  cm.  Gewicht  beider  ilinge  gleich,  je  12 
Gramm.     (No.  1519.)*) 

Außerdem  wurden  11  kleinere  Schläfenringe  (Fig. 
104 — 108)  gesammelt,  die  bekanntlich  die  Slaven  in  der 
Ohrgegend  an  einem  um  den  Kopf  gelegten,  ledernen  Stirn- 
riemen trugen,  einzeln  oder  paarweise,  in  größerer  Zahl. 
6  waren  aus  Silber,  5  aus  Bronzedraht. 


Fig.  107.    Fig.  108. 

h'  '*• 

Schläfenring  (Fig.  104)  aus  Silberdraht,  mittelgroß,  Durch- 
messer im  Lichten  3,5  cm.    Drahtstärke  1,8  mm.    (No.  1520.) 

Schläfenring  (Fig.  105)  aus  Bronze,  mit  Patina  überzogen, 
mittelgroß,  in  2  Stücke  gebrochen,  Durchmesser  im  Lichten  ca.  3,0  cm. 
Drahtstärke  2  mm.    (No.  1521.) 

Schläfenring  aus  Silber,  mittelgroß,  von  dem  g -förmigen 
Ende  fehlt  ein  Stück.  Durchmesser  im  Lichten  2,8  cm.  Drahtstärke 
2  mm.  (No.  1522.) 

Schläfenring  aus  Silber,  in  drei  Teile  zerbrochen,  mittelgroß, 
Durchmesser  im  Lichten  ca.  2,5  cm,  Drahtstärke  1,3  mm.  (No.  1523.) 

Schläfenring  aus  Silber,  in  zwei  Teile  zerbrochen,  das 
2  -förmigeEnde  fehlt,  mittelgroß.     Drahtstärke  1,3  mm.     (No.  1524.) 

Scnläf enring  (Fig.  106)  aus  Bronzedraht,  patiniert,  weit 
offen,  klein.  Durchmesser  im  Lichten  1,5  cm.  Drahtstärke  1,8  mm. 
(No.  1525.) 

Schläfenring  (Fig.  107)  aus  Bronzedraht,  patiniert,  Enden 
wenig  übereinander  liegend,  klein.  Durchmesser  im  Lichten  1,9  cm. 
Drahtstärke  1,5  mm.    (No.  1526.) 

Schläfenring  aus  Silber,  sehr  klein,  Enden  aneinander 
liegend.  "Von  der  2  -förmigen  Schleife  fehlt  ein  Stück.  Durchmesser  im 
Lichten  1,1  cm.    Drahtstärke  1,3  mm.    (No.  1527.) 

Schläfenring  (Fig.  108)  aus  Silber,  sehr  klein,  in  zwei  Teile 
gebrochen,  g  -förmiges  Ende  abgebrochen.  Drahtstärke  1,1  mm. 
(No.  1528.) 

Schläfenring    aus    Bronze,  patiniert,    mittelgroß,    von   der 


*)  Waren  1880  mit  in  Berlin  auf  der  Ausstellung  vorgeschicht- 
licher Altertümer. 


Die  vor-  u.  frühgeechichtl.  Funde  der  Grafschaft  Cambm^. 

?  -förmigen  Schleife  fehlt  ein  Teil.   Durchmeaser  im  Lichten- 2.5  cm. 
Drahtstärke  1,8  mm.    (No.  1529.) 

Sehr  kleiner  Schläfenring  aus  relativ  dickem  Bronzedraht, 
•die  2  Schleife  fehlt  zum  großen  Teil.  Drahtstärke  2,9  mm.  Durch- 
messer im  Lichten  0,8  cm.    (No.  1533.) 

Von  5  weiteren  kleineren  und  mittelgroßen  Ringen 
ist  nicht  sieber  mehr  zu  sagen,  wo  und  wie  sie  getragen 
wurden.  Von  einem  kleineren  wissen  wir,  daß  er  in  der 
Hüftgegend  lag. 


O     o 

Fig.  109.  V,.  Fig.  110.  '/,.  Fig.  111.  V,.         Fig.  112.  •/,• 

Mittelgroßer  Eing  (Fig.  109)  aus  Bronzedraht,  patiniert,  ver- 
bogen, das  eine  Ende  etwas  platt  gehämmert  und  eingerollt.  Durch- 
messer im  Lichten  ca.  2,5  cm.    (No.  1530.) 

Mittelgroßer  Ring  (Fi^.  110)  aus  Bronzedraht,  patiniert,  vier- 
kantig, das  eine  Ende  zu  einer  Schleife  unigebogen,  das  andere  in 
die  Schleife  eingreifende  Ende  abgebrochen.  Durchmesser  im  Lichten 
2,5  cm.    (No.  1531.) 

Kleiner  ovaler  Ring  aus  Bronzedraht,  patiniert,  einzelne  Stelien 
mit  braunem  Rost  inkrustiert,  die  Enden  übereinander  gebogen. 
Drahtstärke  2,1  mm.    (No.  1532.) 

Kleiner;  offener  Bronzering  (Fig.  111),  patiniert,  Durchmesser 
im  Lichten  1,3  cm,  relativ  starker  Draht  2,0  mm.     (No.   1534). 

Sehr  kleiner,  offener  Bronzering  (Fig.  112),  patiniert,  von 
relativ  starkem  Draht.  Durchmesser  im  Lichten  0,9  mm.  Drahtstärke 
2,0  mm.    (No.  1535.) 

Eine  eiserne  Schnalle  (Fig.  113),  in  Bruchstücken,  ver- 
rostet, mittelgroß  (No.  1536)  lag  zusammen  mit  einem  kleinen, 
zylinderförmig  gerollten,  starken  Bronzeblech  (Bronze- 
perle ?  Fig.  114),  1,3  cm  lang,  in  der  Beckengegend  einer 
erwachsenen  Person.     (No.  1537.) 


Fig.  113.  V,.  Fig.  114.  V,. 


284  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg, 

In  der  Halsgegend  wurden  hier  und  da  bei  Erwachsenen 
und  Kindern  Glasperlen  gefunden,  einzeln  oder  mehrere 
Stück  bei  einander.  Die  Glasperlen  hatten  doppeltkonische 
Form  (Fig.  115,  116,  117),  oder  sie  waren  breit  faßförmig 
(Fig.  118),  platt  kugelförmig  (Fig.  119),  zylinderförmig 
(Fig.  120 — 124).  Die  langen,  zylinderförmigen  hatten  im 
Querschnitt  Sternform.  Die  Farbe  der  Perlen  ist  schwärz- 
lich, grünlich,  rotbraun,  blau,  durchsichtig  oder  undurch- 
sichtig. Einige  sind  mehrfarbig,  gefleckt,  eine  Perle  ist  mit 
einer  zackigen  Glasauflage  geziert  (Fig.  115). 

Bei  allen  zylinderförmigen  Glasperlen  ist  das  Schnur- 
loch innen  ausgekleidet  mit  einer  sehr  dünnen,  mit  grüner 
Patina  überzogenen  Metallschicht  (Bronze).  Bei  einzelneu 
durchbrochenen  Stücken  (Fig.  121a)  ist  das  Glas  abgesprengt 
und  die  sehr  feine  Blechplatte  isoliert  sichtbar.  Bei  genauer 
Betrachtung  der  Struktur  der  Glasschicht  (Fig.  123)  sieht 
mau  ferner  eine  Summe  einzeln  übereinander  liegender 
Flächen.  Diese  beiden  Beobachtungen  geben  einen  Aufschluß 
über  die  Herstellung  der  Perlen.  Mau  fertigte  erst  dünne, 
metallene  Hohlzyliuder,  umwickelte  diese  eine  Reihe  mal 
mit  einem  sehr  fein  ausgezogenen  Glasband  und  drückte 
in  die  noch  weiche  Glasmasse  vier  Längsfurcheu. 

Perlen  von  Halsketten.  (No.  1517.)*) 


Fig.  115.  V,.     Fig.  116.  Vi.    Fig.  117.  V,.    Fig.  118.  Fig.  119.  Vi- 

a)  Große  Perle  (Fig.  115)  mit  weitem  Schnurloch  von  annähernd 
doppelkonischer  Form  aus  schwärzlichem,  undurchsichtigem  Glas- 
fluß. Auf  die  Außenfläche  ist  ein  gelblichweißes  Glasstäbchen 
in  unregelmäßige  Zacken  gelegt  aufgeschmolzen.  Durchmesser 
der  Perle  1,5  cm,  Dicke  1,0  cm,  Schnurloch  weite  0,6  cm. 

b)  Mittelgroße  Perle  (Fig.  116)  von  doppelkonischer  Form  aus 
schwärzlichem,  undurchsichtigem  Glasfluß.  Auf  der  Außenfläche 
vier  große  auswendig  weiße,   mit  hellblauen  Zentren  versehene, 


*)  Waren  1880  mit  in  Berlin  zur  Ausstellung  vorgeschichtlicher 
Altertümer. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  GrafHchaft  Camburg.  285 

kreisförmige  Flecken  in  unregelmäßigen  Abständen.  Schnurlodi 
kreisrund,  beiderseits  llachtrichtcrförniig.  Durchmesser  der  Perle 
1,1  cm,  Dicke  0,8  cm,  Schnurloch  weite  0,3  cm. 

c)  Mittelgroße  doppelkonische  Perle  (Fig.  117)  aus  malachitgrünem, 
undurchsichtigem  Glasfluß.  1,0  cm  Durchmesser,  0,8  cm  Dicke, 
Schnurloch  kreisrund,  0,3  cm  weit. 

d)  Mittelgroße,  schmale  Perle  (Fig.  IIB»,  breit  faßförmig,  von  rot- 
braunem, undurchsichtigem  Glasfluß.  Die  Seitenflächen  senken 
sich  flach  trichterförmig  zum  kreisrunden  Schnurloch.  Durch- 
messer 1,1  cm,  Dicke  0,5  cm,  Schnurlochweite  0,3  cm. 

e)  Kleine,  blaue,  durchsichtige  Glasperle  (Fig.  119),  platt  kugelförmig. 
0,5  cm  Durchmesser,  0,2o  cm  Dicke,  Schnurloch  weite  0,1  cm. 


Fig.  120.  Vr 


Fig.  121.  V,. 


Fig.  121a.  V,. 


f)  Lange,  zylinderförmige  Perle  (Fig.  120)  von  durchsichtigem, 
grünlichem  Glas  mit  vier  tiefen  Längsfurchen,  so  daß  die  Perle 
aus  vier  um  das  Schnurloch  gelegten  Wülsten  zusaminengesetzt 
erscheint,  der  Querschnitt  infolgedessen  sternartig.  Durchmesser 
0,7  cm,  Länge  2,1  cm,  Schnurloch  kreisrund,  0,2  cm  Schnur- 
iochweite. 

g)  Lange,  zylinderförmige  Perle  (Fig.  121)  von  durchsichtigem, 
grünlichem  Glas,  durcn  vier  Längsfurchen  in  vier  Wülste_  ge- 
sondert, Querschnitt  sternförmig.  Durchmesser  0,9  cm,  Län^e 
2,5  cm,  Schnurloch  kreisrund,  0,2  cm  Schnurlochweite.  Lm 
Bruchstück  dieser  Perle  (Fig.  121a)  zeigt  die  innere  Auskleidung 
des  Schnurlochs  mit  einer  sehr  dünnen  Bronzeschicht. 


Fig.  122.  '\. 


h)  Lange,  olivenförmige  Perle  (Fig.  122)  von  durchsichtigem  Gla», 
die  eine  Hälfte  bläulich,  die  andere  grünlich,  durch  vier  Längs- 
furchen vierwulstig  geformt.  Gr.  Durchmesser  1,1  cm,  Länge 
2,4  cm,  Schnurloch  kreisrund,  0,2  cm  weit. 

i)  Hälfte  einer  langen,  zylinderförmigen  Perle  (Fig.  123)  von  durch 
sichtigem,  grünlichem  Glas,  vier  tiefe  Längsfurchen,  Querschnitt 
sternförmig,  kreisrundes  Schnurloch,  Dicke  1,1  cm.   Zwei  wulet- 
förraige  Bruchstücke  derselben  Perle  angehörig. 

k)  Bruchstücke  einer  mittelgroßen,  zylinderförmigen  Perle  (Fig.  124) 
aus  grünlichem  Glas,  vier  Längsfurchen  mit  abgerundeten  Enden. 


286  üie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Nicht  alle  Skelette    hatten*  Beigaben,  einzelne  dagegen 

mehrerlei.      Die   Notizen    von    den   Ausgrabungen   am    13. 

Oktober  1871  berichten  darüber:  \ 

1  Frauenskelett  mit  Messer  von  Eisen,  zur  Linken  neben 
dem  Vorderarm  ein  paar  Flußsteine. 

1    Kind  mit  silbernen  Ohrringen,  Glasperle. 

Die  Ausgrabungen  am  6,  7.  8.  Mai  1872: 

1  erwachsene  Person  mit  kleinem  Bronzering  in  der  Hüften- 
gegend, ein  etwas  größerer  Bronzering  unter  dem  Kopfe 
zur  rechten  Seite,  in  der  Mitte  ein  Messer. 

1  Kind  mit  zwei  silbernen,  kleinen  Ohrringen,  Bronzeperle 
und  Bernsteinperle,  kleinem  Reibstein. 

1   Kind,  dabei  länglich  geteilter  Schleifstein. 

1  Erwachsener,  Messer  zur  Linken. 

1  alte  Person,  Ohrring  von  Bronze. 

1  erwachsene  Person,  in  der  Beckengegend  Reste  einer 
eisernen  Schnalle  und  eine  lange  Bronzeperle. 

1   Kind,  am  Kopf  ein  Hahnenskelett,  zu  Füßen   ein  Eimer. 

1  erwachsene  Person,  ein  eisernes  Messer  mit  Holzspuren 
am  Griff. 

1   Skelett,  bei  der  linken  Hand  ein  Messer. 

1   Skelett,   bei  der  rechten  Hand    eine  Nadel;    ein   Eimer. 

1   Skelett  mit  Messer  in  der  rechten  Hand. 

1    Skelett  mit  Messer  in  der  linken  Hand,  am  Halse  drei  Perlen. 

1   Skelett  mit  Messer  in  der  rechten  Hand. 

1  Kind,  beim  Schädel  drei  Perlen. 

1   Skelett,  beim  Schädel    zwei  Ohrringe;    ein   Eimerhenkel. 

1  Skelett  mit  Messer  in  der  Linken. 

1  weibliches  Skelett  mit  Perlenbruchstücken  an  der  linken 
Halsseite. 

1    männliches  Skelett  mit  Messer  in  der  Rechten. 

1  Skelett  mit  Messer  in  der  Linken. 


Das     von    Klopfleisch     sorgsamst    gesammelte,     große 
Material     an     Skelettresten     ist    bisher      nur    zu    einem 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  287 

kleinen  Teil  wissenschaftlich  verwertet  worden.  1880  waren 
es  nur  6  Schädel,  die,  fast  unversehrt  dem  Boden  entnommen, 
zur  Ausstellung  vorgeschichtlicher  Altertümer  nach  Berlin 
gesandt  wurden,  und  Virchow  stellte  auch  nur  an  diesen 
bei  Gelegenheit  der  allgemeinen  Anthropologen  Versammlung 
zu  Jena  1876  seine  Messungen  an.  Im  vergangenen  Jahre 
habe  ich  nun  das  gesamte  Knochenmaterial  gereinigt,  ge- 
ordnet und  die  Schädel  mit  gütiger  Unterstützung  des 
Herrn  Zahnarztes  Hahn  in  Jena,  soweit  es  möglich 
war,  zusammengesetzt.  Die  Schädel  und  Schädelreste 
gaben  die  wichtigsten  Anhaltepunkte  zur  nachträglichen, 
näheren  Bestimmung  der  hier  Beerdigten  nach  Geschlecht 
und  Alter.  "Wir  erinnern  uns  daran,  daß  größeres  Volumen, 
größere  Derbheit  der  Knochen,  kräftigere  Entwickelung  der 
den  Muskeln  zum  Anheften  dienenden  Knochenhöcker  und 
Leisten  besonders  am  Hinterhaupt,  knochigeres  Gesicht  mit 
wulstigeren  Umrahmungen  der  Augenhöhlen,  tiefen  Fossae 
caninae,  größere  Zähne,  massiverer  Unterkiefer,  kräftigeres 
Gebiß  den  männlichen  Schädel  gegenüber  den  weiblichen 
charakterisiert.  Ganz  besonderen  Wert  lege  ich  auf  die 
genaue  Untersuchung  der  Zähne.  Sie  sind  oft  der  einzige 
wissenschaftlich  brauchbare  Körperüberrest,  während  das 
übrige  Skelett  morsch  unter  unseren  Händen  beim  Aus- 
graben zerfällt.  Aus  ihrem  Erhaltungszustand,  der  Art 
ihrer  Entwickelung,  ihrem  Bau,  ihrer  Stellung  können  eine 
ganze  Reihe  von  Schlüssen  gezogen  werden  auf  das  Ge- 
schlecht, auf  das  Alter,  auf  die  Ernährungsweise  ihrer  Besitzer. 
Um  einem  weiteren  Kreise  die  Möglichkeit  einer  selb- 
ständigen Beurteilung  der  Schädel  zu  ermöglichen,  habe 
ich  in  der  photographischen  Abteilung  der  Firma  Zeiss  in 
Jena  Photographien  derselben  anfertigen  lassen.  Die  Bilder 
sind  alle  in  demselben  Verhältnis  1  :  4  der  natürlichen  Größe 
mit  einem  sehr  großen  Apparat  in  weitem  AbsUnd  vom 
Original  aufgenommen  worden,  so  daß  eine  Verzeichnung 
80  gut  wie  ausgeschlossen  ist    Sie  sind  so  scharf,  daß  jede 


288  -l^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Einzelheit  am  Knochen  auf  das  deutlichste  hervortritt.  Auf 
die  gleichmäßige  Aufstellung  der  Schädel  beim  Photogra- 
phieren  wurde  besondere  Acht  gegeben.  ^  Sie  sind  allesamt 
in  die  deutsche  Horizontalebene  eingerichtet  photographiert, 
d.  h.  in  die  Ebene,  welche  bestimmt  wird  durch  2  Grade, 
die  beiderseits  den  tiefsten  Punkt  des  unteren  Augen- 
höhlenrandes mit  dem  senkrecht  über  der  Mitte  der  Ohr- 
öffnung liegenden  Punkt  des  oberen  Randes  des  knöchernen 
Gehörganges  verbinden. 


Im  ganzen  sind  es  56  Personen,  die  hier  ausgegraben 
worden  sind,  und  deren  Skelettreste  wir  im  Germanischen 
Museum  haben,  und  zwar: 

im    ersten   Kindesalter   verstorbener  (bis  Ende  des 
6.  Lebensjahres  gerechnet):  8  (No.  16.  17.  25.  32.  33. 
53.  54.  55); 
im    zweiten    Kindesalter    (vom    7.    bis    Ende    des 

13.  Jahres):  1  (No.  52); 
im  Jugendalter    (vom    14. — 25.  Jahr):    7    (No.    1.    2. 

10.  15.  26.  41.  45); 
im  Greisenalter  (über  60  Jahr)  mit  Sicherheit  1 ; 
die  übrigen  28  gehören  dem  kräftigen  erwachsenen 
(25.— 40.  Jahr)  und  reifen  Alter  an  (40.— 60.  Jahr). 
Von   diesen   sind    weiblichen    Geschlechts    22,    männlichen 
Geschlechts  17.     Die  übrigen  sind  unbestimmbar. 

Wissenschaftlich  verwertbar  sind  heute,  nach  der  Zu- 
sammensetzung 24  Schädel.  Ein  flüchtiger  Ueberblick  sagt 
uns,  daß  es  fast  durchgängig  Schmalgesichter  sind,  lange, 
relativ  schmale  und  verhältnismäßig  hohe  Schädel.  Die  einen 
(Fig.  126)  im  Bau,  in  ihrem  Profil  ebenmäßig,  andere  (Fig.  129) 
starkknochig,  mit  kräftigen  Augenbrauenwülsten,  Sattelnase, 
hervortretenden  Backenknochen  und  starker  Prognathie,  d.  h. 
die  Ober-  und  Unterkieferzahnreihe  ist  stark  schnauzenartig 
nach  vorn  gezogen.  Das  Extrem  von  Prognathie  zeigt  der 
Schädel  eines  14-jährigen  Mädchens  (Fig.  126),    der    inter- 


Die  vor-  u.  fruhgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  289 

national  berühmt  gewordenen  „Camburger  Jungfrau**. 
Einige  der  Schädel  haben  sehr  hohe  Unterkiefer,  auch  ist 
das  Mittelstück,  das  die  Schneidezähne  enthält,  sehr  breit. 
Stellenweise  ist  die  Kinnbildung  eine  sehr  starke,  durchweg 
aber  steht  die  Bildung  im  Gegensatz  zur  progenäischen 
Form,  d.  h.  trotz  der  starken  Ausbildung  des  Kinns  schiebt 
sich  die  Kiefergegend  gleichzeitig  nach  vorne.  Das  gibt 
einen  stark  eingebogenen  Unterkiefer,  an  dem  sowohl 
das  Kinn  als  die  Zahngegend  hervortreten.  Die  Differenz 
in  der  Kieferwinkeldistanz  ist  eine  sehr  große.  Bei  den 
Männern  beträgt  diese  Distanz  im  Mittel  92,6  mm,  bei  den 
Frauen  94,5;  in  mittlerer  Summe  93,8.  Die  Zähne  sind 
im  ganzen  sehr  gut,  kräftig,  blendend  weiß ;  nur  ausnahms- 
weise mit  Zahnstein  besetzt.  Einige  Personen  haben  aller- 
dings Caries  der  Zähne,  vereinzelt  auch  sehen  wir  einige 
Fistelö£fnungen  und  Spuren  gewaltsamer  Extraktionen 
während  des  Lebens.  Ein  Schädel  (Fig.  128)  hatte  fünf 
untere  Schneidezähne. 

Als  interessant  seien  hier  erwähnt  2  Schädel  mit  voll- 
ständig erhaltener  Stirn  naht  (Fig.  134,  143)  und  2  Schädel, 
welche  einen  Processus  frontalis  squamae  tem- 
poralis  aufweisen  (Fig.  144,  145),  Exemplare  von  solcher 
Güte,  „wie  sie",  nach  Virchows  Ausspruch  „vielleicht  kein 
anderes  Museum  an  deutschen  Schädeln  zu  zeigen  im  stände 
ist".  Es  sind  dies  Schädel,  bei  welchen  die  Schuppe  des 
Schläfenbeins  unmittelbar  an  das  Stirnbein  anstößt  dadurch, 
daß  die  Schläfenschuppe  einen  Fortsatz  von  hinten  her  so 
weit  vorschiebt,  daß  die  Verbindung  zwischen  Keilbeinflügel 
und  Seitenwandbeinwinkel  unterbrochen  wird,  eine  Eigen- 
tümlichkeit der  höheren  Affen.  Fig.  145  ist  das  Bild  des 
Schädels  eines  etwa  1^, -jährigen  Kindes  (1590).  Bei 
Fig.  144,  dem  Schädel  einer  Erwachsenen  (1591),  ist  ein 
Processus  frontalis  incompletus,  wo  die  Schläfenschuppe 
nicht  ganz  an  das  Stirnbein  reicht,  aber  doch  einen  Vor- 
sprung bildet,   der   so   groß   ist,    daß   nur  noch  ein  kleiner 


290  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Zwischenraum  übrig  geblieben  ist.  Eine  zweite  Eigentüm- 
lichkeit desselben  ist  eine  ungemein  starke  Vorschiebung 
des  Kiefers,  ein  zweites  Merkmal  niederer  ^asse.  Im  ganzen 
ist  dieser  Schädel  ziemlich  groß  und  gut  entwickelt. 

Chirurgisch  interessant  ist  eine  einzelne  linke  Tibia 
mit  geheilter  Fraktur.  Der  Bruch  verlief  schräg,  beinahe 
in  der  Mitte  des  Knochens.  Das  untere  Stück  ist  medial- 
wärts  etwas  disloziert. 


Im  folgenden  gebe  ich  eine  genaue  Beschreibung  des  gesamten 
Camburger  Skelettmaterials.  Ich  folge  dabei  den  auf  den  Knochen 
mit  Tinte  oder  Blei  notierten  Buchstaben  und  Zahlen  und  den 
kleinen  Zetteln,  die  den  einzelnen  Knochen  beilagen.  Diese  geben 
die  Reihenfolge  an,  in  der  die  Toten  zu  Tage  gefördert  wurden. 
Ueber  die  als  A  und  B  bezeichneten  Ausgrabungen  Klopfleischs  be- 
sitzen wir  keine  speziellen  Tagebuchnotizen.  Was  von  den  Aus- 
grabungen C,  D,  E,  F  an  Einzelheiten  in  Klopfleischs  Büchern  an- 
gegeben worden  ist,  ist  bei  den  betreffenden  Nummern  bemerkt. 

A.  Erste  Ausgrabung. 

1)  „A."    Kräftige  Person  unter  20  Jahren. 

Nur  erhalten  die  linke  Hälfte  des  Stirnbeins  und  der  kräftige 
Unterkiefer  mit  allen  Zähnen.  Weisheitszähne  noch  nicht  vorhanden. 
Abkauung  der  Zähne  horizontal. 

2)  „A."    Weibliche  Person. 

ßechte  Oberkieferhälfte  des  Schädels.    Weisheitszahnpartie  ab- 

febrochen.     Die  vorhandenen  Zähne  klein,  gut  erhalten,  nicht  abge- 
aut.    Fossa  canina  tief. 

3)  „A3."     Weibliche  Person  von  25—40  Jahren. 

Sehr  gut  erhaltener  vollständiger  Schädel  Fig.  125. 

Unterkiefer  mittelgroß,  zierlich,  stärkere  Muskefensätze ;  Kieferast 
eher  dünn,  hegend,  Kieferwinkel  135".  Distanz  der  Kieferwinkel 
10,0  cm.  Gelenkfortsätze  klein,  Gelenkachsen  schräg  gestellt;  Proc. 
coronoid.  klein,  Incisur  flach;  unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers 
dick,  ausgeschweift;  Kinn  spitz,  Kinnprotuberanz  stark  entwickelt, 
Alveolarteil  vollständig  erhalten. 

Gebiß:*) 


*)  Die  arabischen  Zahlen  bedeuten  die  bleibenden  Zähne  und 
zwar: 

1)  1.  Schneidezahn 

2)  2. 


3)  Eckzahn 

4)  1.  Präraolar 


5)  2.  Prämolar 

6)  1.  Molar 

7)  2.       „ 

8)  3.       „ 


die  römischen  die  Milchgebißzähne.     -^  =  im  Durchbruch  begriffen . 
f  1  ausgefallen.    ( )  fehlt,  Alveole  oblitteriert. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  291 


8  (7)  (6)    5     4    [3]   2    [1] 


7    (6)  15]    4     3    12J    1 


[1]   2     3     4     5    (6)  (7)  (81 


[1]  [2]    3     4     5     6~T 


Zahnbogen  im  Oberkiefer  elliptisch,  im  Unterkiefer  ein  Halbkreis, 

feschlossen;  gerader  Biß,  scharf  artikulierend;  Zahnkronen  klein, 
orizontal  abgekaut  mäßigen  Grades ;  die  relative  Größe  der  einzelnen 
Zähne  untereinander  normal;  am  Weisheitszahn  oben  rechts  Caries 
der  Krone. 

Gaumen   lang,   schmal,   mäßig   gewölbt,   sehr   stark   höckerig, 
Gaumenlänge  4,6,  Mittel  breite  3,5,  Gaunieuend  breite  3,6.  Leptostaphylin 


Fig.'l25.  V4. 
(Index  78).  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  hoch,  gegen  die  Hori- 
zontale senkrecht  gestellt;  Juga  alveolaria  im  Unterkiefer  stark  ent- 
wickelt, oben  nicht;  Fossa  canina  flach.  Wangenbein  zierlich; 
Jochbogen  leicht  ausbauchend.  Nasenhöhe  4,7,  gr.  Breite  der  Na-sen- 
öffnung  2,4.  Platyrrhinie  (51,1).  Nasenbeine  schmal,  viereckig,  Me- 
dionasalnaht geschlängelt;  Nasenrücken  im  Seiten profil  eingesattelt, 
im  Querschnitt  hoch  und  achmal  gewölbt;  Naaenöffnung  birnförmig  ; 
Nasenstachel  spitz,  rechte  Nasenhöhlenhälfte  bedeutend  enger  wie 
die  linke  durch  schief  verlaufende  Nasenscheidewand,  unterer  Nasen- 
rand scharf.  Orbita  verhältnismäßig  klein ,  abgerundet  viereckig, 
Querachse  rechts  stärker  abfallend  wie  links.  Augenhöhleneingang :  gr. 
Breite  3,5,  horizontale  Breite  3,2,  gr.  Höhe  =  Vertikalhöhe  2,9, 
Mesoconchie  ('Index  82). 

CJesichtsbreite  (Virchow)  9,1,  nach  v.  Holder  10,1.  Jochbreite 
12,1.  Gesichtshöhe  11,1,  obere  Gesichtshöhe  6,7,  demnach  im  ganzen 
schmalgesichtig  (Index  100),  schmales  Obergesicht  (Index  66)^  Gla- 
bella  wenig  vorspringend,  ebenso  Arcus  superciliares.  Der  Schädel  ist 
dolichocephal  (Index  71),  orthocephal  (Index  71),  gerade  Länge  18,4  == 
größte  Länge,  Intertuberallänge  18.3.  Größte  Breite  13,1,  kleinst© 
Stirnbreite  8,4.  Gerade  Höhe  13,1  =  Hilfshöhe.  Ohrhöhe  10,9,  Hilts- 
ohrhöhe  11,0.    Länge  der  Schädelbasis  9,5,  Breite  derselben   10,4. 


292  Die  vor-  u,  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


Länge  der  Pars  basilaris  2,4.  Foramen  magnum  langoval,  (gr.  Länge 
3,8,  gr.  Breite  2,8),  Eichtung  auf  Gaumen.  Horizontalumfang  des 
Schädels  50,0,  Sagittaiumfang  37,0,  vertikaler  Querumfang  29,5, 
Profillänge  8,8. 

Koronalnaht  zum  größten  Teil  verwachsen,  Pfeilnaht  geschlängelt, 
Lambdanaht  zahnreich,  erscheint  an  der  Spitze  durch  drei  große, 
zusammenhängende  Schaltstücke  gedoppelt.  Hinterhauptsschuppe 
ausgebaucht. 

Vom  übrigen  Körperskelett  sind  erhalten: 
die  beiden  Humeri, 

die  beiden   Darmbeine  und  das  Os  sacrum,  dessen   oberste  Wirbel- 
segmente zusammen  verknöchert  sind, 
die  beiden  Femora,  die  beiden  Tibiae  und  Fibulae. 

Länge  des  Beins  vom  Trochanter  major  bis  äußere  Knöchelspitze 
70  cm,  Kniegelenkspalt  bei  3772  cm,  Distanz  der  weitesten  Stelleder 
Hüftbeinkämme  26,5  cm,  der  vorderen  Darmbeinstachel  23,5  cm, 
gerader  Durchmesser  des  Eingangs  des  kleinen  Beckens  10,5  cm, 
querer  13  cm.  Länge  des  Humerus  vom  Tuberculum  majus  bis 
Epicondylus  lateralis  29  cm. 

B.  Zweite  Ausgrabung. 

4)    Grab  1.  „B,  1."     14-jähriges  Mädchen. 

Vollständiger,  wieder  zusammengesetzter  Schädel  No.  1572  mit 
einer  affenähnlichen  Prognathie  Fig.  126. 


Fig.  126.  74- 

Er  hat  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  der  Anthropologen 
erregt.  Schaafhausen  (Bonn)  hat  ihn  eingehend  untersucht  und  auf 
dem  internationalen  Kongreß  in  Stockholm  besprochen.  Herr  Schaaf- 
hausen zeigte  in  Stockholm  eine  Abbildung  desselben  und  ein  nach 
dieser  Abbildung  künstlerich  ausgeführtes  Bild.  „Es  waren  Fleisch 
und  Haare  herangezeichnet ,  wie  sie  etwa ,  .  der  Schädelform  ent- 
sprechend ,  im  Leben  vorhanden  gewesen  sein  konnten."  Es  kam 
dieses  Schädels  we^en  dann  auf  der  Versammlung  zu  einer  Aus- 
einandersetzung zwischen   Herrn    Schaafhausen  und  Virchow.    Der 


Die  vor-  u.  frühgeschicbtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  293 

■erstere  erklärte  die  Schädelform  als  dnen  Typus  eino"  niederen' 
Basse,  „einer  deutschen  Jungfrau  der  Vorzeit",  wie  er  sich  aus- 
drückte, Virchow  erklärte  die  Öchädelbildune  als  eine  krankhafte, 
•die  Jungfrau  als  ein  Cretin   urgermanischer  Herkunft. 

Der  Prognathismus  dieses  Schädels  war  so  hochgradig,  daß  er 
„dem  Schimpansen  ziemlich  nahe  kommt,  ja  daß  er  ihm  Konkurrenz 
machen  kann".  Es  ist  aber  bei  diesem  Schädel  nicht  bloß  die  un- 
gewöhnliche Entwickelung  der  Kiefergegend,  sondern  zugleich  die 
tiefe  Lage  der  Nasenwurzel,  die  stark  emgedrückte  Form  des  Nasen- 
rückens, die  Breite  der  Nasenöffnung,  welche  ihn  dem  Affenschädel 
annähern.  Trotzdem  ist  die  Stirn  ziemlich  stark  gewölbt.  Der  Schädel 
hat  eine  Kapazität  von  1260  ccm;  das  ist  allerdings  keine  mikroccphale 
Kapazität. 

Auf  der  VII.  allgemeinen  Versammlung  der  Anthropologen  zu 
Jena  am  9. — 11.  August  1876  kam  Virchow  nochmals  auf  den  Oretin- 
öchädel  der  Jungfrau  von  Camburg  zu  sprechen.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit berichtet  er  von  seinen  Messungen  der  übrigen  Schädel  und 
führt  an:  durchschittliche  Länge  der  Nasenwurzel  bis  Ohrlochlinie  für 
die  Männer  107,  für  die  Weiber  101,8  und  als  Gesamtmittel  103,5  mm; 
<lagegen  bei  dem  Cretinkopfe  nur  95  mm.  Die  Entfernung  der 
Linie  vom  Nasenstachel  bis  Ohrloch  beträgt  bei  den  Männern  106,5, 
bei  den  Frauen  101,7,  im  Gesamtmittel  103,3,  bei  der  Cretine  99  mm. 
Es  ist  also  bei  den  Männern  die  Basis  des  Schädels  (Nasenwurzel  bis 
Ohrloch)  etwas  länger  als  die  Entfernung  vom  Ohrloch  bis  zum 
Nasenstachel;  bei  den  Frauen  ist  sie  ein  klein  wenig  kürzer;  die 
Frau  schiebt  schon  im  ganzen  den  Nasenstachel  etwas  weiter  vor. 
Gewöhnlich  ist  (im  Mittel)  die  Differenz  beider  Linien  sehr  uner- 
heblich, aber  bei  der  Cretine  erscheint  auf  einmal  eine  Differenz  von 
4  mm,  um  welche  die  Spina  nasalis  weiter  nach  vorn  geschoben  ist. 
Die  Nasenhöhe  (Linie  zwischen  Nasenwurzel  und  Nasenstachel)  ist 
bei  den  Männern  51,7,  bei  den  Frauen  51,6,  als  Gesamtgröße  51,65; 
bei  der  Cretine  sinkt  die  Zahl  auf  einmal  bis  auf  38. 

Bei  dieser  großen  Differenz  der  Nasenhöhe  und  bei  der  relativ 
starken  Vorschiebung  der  Spina  nasalis  mußte  der  untere  Teil  des 
Gesichts  vorrücken.  Wenn  man  den  Schädel  in  die  horizontale 
Stellung  bringt,  so  geht  die  Profillinie  von  dem  Nasenstachel  an 
nicht  gerade  abwärts,  sondern  der  Zahnfortsatz  des  Oberkiefers  macht 
nach  vorn  einen  schrägen  Vorsprung,  und  die  Zähne  stehen  fast 
horizontal  nach  vorn.  Hier  ist  eine  ungewöhnliche  Breite  der  Schneide- 
zähne vorhanden.  Die  Schneidezähne,  namentlich  die  mittleren, 
stehen  außer  allem  Verhältnisse  zu  der  Größe  der  Prämolaren  und 
der  Backzähne.  Sie  sind  so  groß,  daß  die  Eckzähne  durch  sie  ganz 
aus  der  Reihe  herausgedrängt  und  gar  nicht  zum  Ausbruch  gelangt 
sind.  Höchst  interessant  ist  übrigens  die  fast  horizontale  Richtung 
der  schaufelfömiigen  Zähne. 

Der  Prognathismus,  der  sich  bei  der  Cretine  findet,  ist  derselbe, 
den  wir  bei  den  Cretins  aller  Völker  antreffen.  Alle  Cretins  werden 
prognath,  weil  ihre  Zunge  ganz  unmäßig  wächst  und  vor  und  zwischen 
den  Zähnen  liegt. 

Bei  der  Cretine  beträgt  die  Kieferwinkeldistanz  nur  81  mm, 
sonst  durchschnittlich  bei  den  Camburger  weiblichen  SchädeUi  94,5, 
dabei  ist  er  am  allerwenigsten  progenäisch,  d.  h.  das  Kinn  als  solches 
drängt  sich  hier  nicht  heraus. 

XXII.  20 


294  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Die  von  mir  vorgenommene  Untersuchung  des  Schädels  ergibt  : 
Schädel  im  ganzen  klein,  dolichocephal,  schmal- 
gesichtig,  mit  auffällig  großen  Augen,  sehr  starker 
alveolärer  Prognathie,  Unterkiefer  dementsprechend  klein, 
zierlich.  Distanz  der  Unterkieferwinkel  8,1,  Kieferwinkel  130**; 
Muskelansätze  mäßig  entwickelt;  Ast  liegend;  Gelenkfortsätze  klein,, 
zierlich;  Axen  der  Gelenkköpfe  etwas  schräg  gestellt;  Coronoidfort- 
satz  klein,  Incisur  flach;  unterer  Rand  des  Unterkiefers  dick,  wenig 
ausgeschweift;  Kinn  spitz,  Kinnprotuberanz  kräftig  entwickelt.. 
Alveolarteil  des  Unterkiefers  vollständig  erhalten,  Juga  wenig  hervor- 
tretend, Zahnbogen  halb  elliptisch,  vergrößerte  Peripherie  der  Schneide- 
und  Eckzähnepartie  durch  die  starke  dentale  Prognathie,  Lücke- 
zwischen  Schneide-  und  Eckzahn,  größere  noch  zwischen  Eckzahn  und 
ersten  Prämoloren  (Diastema).  Offener  Biß  von  den  Eckzähnen  an, 
Backzähne  artikulieren  scharf.  Die  Schneidezähne  des  Oberkiefers 
bilden  mit  denen  des  Unterkiefers  einen  stumpfen  Winkel  von  113 ". 
Zahnkronen  groß;  im  Oberkiefer  erster  Molar  größer  als  der  zweite, 
mittlere  untere  Schneidezähne  kleiner  als  die  äußeren.  Kaufläche  der 
oberen  echten  Molaren  (1  und  2)  mit  vier  Höckern,  ein  fünfter  ist  an- 
gedeutet (Primatentypus),  untere  Molaren  mit  fünf  deutlichen  Höckern  : 
teilweise  noch  Milchgebiß,  keine  Abnutzung,  echte  Karies  des  zweiten 
Milchmolar  oben  rechts.    Gebißformel: 


I 


8    7*  6    V    4    [III]    2    1 

1  "2*  III      4     V    6  ?  8 

7   6    V  IV     3       2   [1] 

1    2    rill]   IV    V    6    T 

Gaumen  mesostaphylin,  ziemlich  flach  gewölbt.  Alveolarfortsatz 
des  Oberkiefers  niedrig,  gegen  die  Horizontale  sehr  schräg  gestellt,  Juga 
alveolaria  schwach  ausgeprägt,  Alveolarrand  oben  halbkreisförmig, 
Fossa  canina  tief.  Wangenbein  zierlich,  stark  vortretend,  schnell 
nach  hinten  umbiegend,  Tuberositas  malaris  ausgeprägt,  hinterer 
Eand  des  proc.  front,  des  Jochbeins  leicht  flügeiförmig  ausgezogen. 

Jochbogen  zierlich,  schwach  ausbauchend.  Nasenbeine  dreieckig, 
an  das  Stirnbein  mit  einer  Spitze  heranreichend.  Nasenrücken  breit, 
eingesattelt.  Nasenöffnung  abgerundet  viereckig,  Nasenstachel  stumpf, 
unterer  Nasenrand  verstrichen. 

Orbita  sehr  groß,  breit  oval,  im  Jochbeinteil  stark  nach  unten 
ausbauchend,  Querachse  stark  nach  außen  abfallend,  untere  Ränder 
stark  vorspringend.  Stirnbeinschuppe  12  cm  hoch,  11,4  größte  Breite, 
steil  gestellt,  kugelig  gewölbt,  Stirnhöcker  mäßig  hervortretend, 
Glabella  glatt,  keine  Supraorbitalwülste,  Koronalnaht  wenig  gezackt, 
Pfeilnaht  wenig  gezackt ;  Scheitelbeinhöcker  wenig  ausgeprägt,  Hinter- 
hauptsbein im  ganzen  langoval,  schalenförmig,  Muskelansätze  wenig 
ausgeprägt,  Protuberantia  occipitalis  mäßig  entwickelt,  Proc.  mastoi- 
deus  klein,  die  Außen-  und   Unterfläche  des  rechten  durch  Patina 

frün  verfärbt, 
chädelmaße:   Gerade  Länge  17,7,  größte  Länge  18,00,  Intertuberal- 
länge  18,1. 
Größte  Breite  12,6,  Kleinste  Stirnbreite  9,7. 
Ohrhöhe  11,5,  Hülfsohrhöhe  11,5. 


*)  Der  zweite  Schneidezahn  links  oben  im  Durchbruch  und  stark 
palatinalwärts  disloziert. 


Die  vor-  u.  frühgeechichtl.  Funde  der  Gra&chaf t  Camburg.  295 

Breite  der  Schädelbasis  10,7. 
Horizontaluinfang  des  Schiädels  49,0. 
Vertikaler  Querumfang  30,2. 

Gesichtsbreite  nach  Virchow  8,6,  nach  v.  Holder  103. 
Ganze  Gesichtshöhe  9,0,  obere  Gesichtshöhe  5,5. 
Nasenhöhe  3,9,  größte   Breite  der  Nasenöffnung  2,Ö. 
Augenhöhleneingang  gr.  Breite  4,1 ,  horizontale  Breite  33. 
gr.  Höhe  3,2,  vertikale  Höhe  3,2. 
Gaumenlänge  4,5,  Gaumenraittelbreite  3,7,  Gaumen- 
endbreite  3,8. 
Der  Schädel  ist  dolichocephal  (70,0),  schmalgesichtig  (116),  mit 
schmalem  Obergesicht  (64,0)  mit  sehr  breiter  Nase  (66,(5),  Chunae- 
conchie  (78,0). 

Von  weiteren  Skelettresten  nichts  vorhanden.  • 

6)  „B  neben  Grab  1."    Ältere  Frau. 

Schädel  (No.  1605)  ganz  zertrümmert,  doch  läßt  sich  konstatieren: 
Sagittalnaht  fast  vollständig  oblitteriert,  Proc.  mastoid.  beiderseits 
ohne  Patinaverfärbung.  Der  Unterkiefer  grazil,  Kinn  spitZj  vor- 
springend. Erster  Molar  rechts  intra  vitam  verloren,  Alveole  oblit- 
teriert, der  zweite  Molar  mit  kariöser  Krone,  WeiHheitszahn  stark 
horizontal  abgekaut.  Zweiter  Prämolar  Unks  bei  Lebzeiten  verloren, 
Alveole  oblitteriert.    Kieferwinkel  132  ". 

Vom  sonstigen  Skelett  erhalten: 

Der  rechte  Femur,  die  rechte  Patella,  das  rechte  Chi  ileum, 
einzelne  Fußknochen. 

6)  „BS  2-3,1."  JV  B,  2—3,1."    Ca.  50  Jahre  alte  Frau. 

Vollständiger,   gut   erhaltener    Schädel    (No.    1577)    Fig.    127. 


Fig.  127.  Vr 

Schädelmaße:  Gerade  Länge  183=  größte  i^nge,  Intertuberallänm 
18,2,  größte  Breite  14,0,  kleinste  Stirnbreite  9,6,  ganze  Höhe  133, 
Hilfshöhe  13,7,  Ohrhöhe  11,4  ==  HUfsohrhöhe,  Länge  der  Schädelba«« 

20* 


296  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

10,0,  Breite  derselben  10,8,  Länge  der  Pars  basilaris  3,0,  Foramen 
magnum  langoval,  gr.  Länge  3,8,  gr.  Breite  2,8,  Horizontalumfang 
des  Schädels  51,5,  Sagittalumfang  desselben  37,1,  vertikaler  Quer- 
umfang 31,2.  V 

Der  ßchädel  ist  mesocephal  (Index  76)  und  orthocephal  (Index  74). 

Gesicht  schmal  (Index  138),  schmales  Obergesicht  (Index  66), 
Gesichtsbreite  nach  Virchow  9,3  v.  Holder  10,8,  Gesichtshöhe  11,0, 
obere  Gesichtshöhe  6,2,  Jochbreite  13,2.  Stirn  schmal,  hoch,  steil  ge- 
stellt, kugelig  gewölbt.  Stirnhöcker  mäßig  entwickelt,  Glabella  wenig 
hervortretend,  Arcus  superciliares  mäßig  entwickelt,  auf  der  linken 
Stirnhälfte  nahe  der  Mittellinie  kleine  Exostose,  Augenhöhlen  abge- 
rundet viereckig,  Querachsen  mäßig  nach  außen  abfallend.  Augen- 
höhleneingang gr.  Breite  3,7  =  horizontale  Breite,  gr.  Höhe  3,2  = 
vertikale  Höhe.  Hypsiconchie  (Index  86).  —  Nasenhöhe  5,0,  gr. 
Breite  der  Nasenöffnung  2,6.  Hyperplatyrrhinie  (Index  52).  Nasen- 
beine schmal,  viereckig,  Nasenrücken  eingesattelt,  flach  dachförmig. 
Nasenöffnung  langoval,  rechts  tiefer  wie  links.  Unterer  Nasenrand 
schneidend  scharfkantig.  Fossa  canina  mäßig  tief.  Alveolarfortsatz 
des  Oberkiefers  niedrig,  gegen  die  Horizontale  gerade  gestellt. 

Gebiß: 


(8)  (7)  6  5  4  L31  [2]  (1)! 

(1)  [2]  [3]  4  5  6  (7)  (8) 

[8]  (7)  6*  5  4  [3]  [2]  [1] 

[Ij  [2]  [3J  4  5  (6)  7  8 

Die  beiden  mittleren  oberen  Schneidezähne  sind  intra  vitam 
extrahiert  (selten !).  An  Stelle  des  2.  und  3.  linken  oberen  Mo- 
laren ein  großer  Knochendefekt,  gut  verheilt,  vermutlich  die  Folge 
einer  Oberkieferhöhleneiterung.  Am  rechten,  unteren  ersten  Molar 
Halscaries.  An  dem  schlechten  Gebiß  außerdem  auffällig  starker 
Zahnsteinansatz.  Gerader  Biß ,  scharfe  Artikulation.  Zahnbogen 
halbkreisförmig,  Zahnkronen  groß,  stark  horizontal  abgekaut.  — 
Gaumen  flach  gewölbt.  Am  Foram.  incisiv.  von  der  Gaumennaht 
rechtwinklig  beiderseits  eine  kleine  Naht  abgehend.  Gaumenlänge 
4,5,  Gaumenmittelbreite  3,4,  Gaumenendbreite  3,8.  Der  Gaumen  ist 
mesostapylin  (Index  84),  Profillänge  9,3.  —  Unterkiefer  zierlich, 
Distanz  der  Kieferwinkel  9,6,  Kieferwinkel  113°,  Ast  ziemlich  steil 
gestellt.  Kand  des  Unterkieferkörpers  dick,  geradlinig,  Kinn  spitz, 
Protuberanz  desselben  stark  entwickelt.  —  Koronalnaht  zartlmig, 
ebenso  Sagittalnaht.  */^  der  letzteren  verknöchert.  Die  Sagittalnaht 
tritt  leicht  kielartig  hervor.  Lambdanaht  zartlinig,  wenig  gezahnt. 
Schaltstücke  in  beiden  Schenkeln.  Protuberantia  occipit.  und  Muskel- 
ansätze kräftig  entwickelt. 

Vom  Skelett  sonst  erhalten :  der  rechte  Humerus,  der  rechte 
Radius,  der  linke  Femur,  die  linke  Tibia  und  das  vollständige  Becken. 

7)  „B  7s>  2."    Erwachsener  Mann  über  40  Jahr  alt. 

Schädel  beinahe  vollständig  (No.  1574).  Es  fehlt  rechtes  Schläfen- 
bein, Hinterhauptsbein.  Fig.  128.  Der  Schädel  ist  dolichocephäl 
(Index  ca.  73,0),  eben  noch  als  schm algesichtig  zu  bezeichnen  (Index  91), 
während  das  Obergesicht  breit  ist  (Index  53,0).  Größte  Breite  des 
Schädels  13,8,  kleinste  Stirnbreite  9,7.  Ohrhöhe  11,8,  Hilfsohrhöhe  12,0. 

Unterkiefer  groß,  massiv,  Distanz  der  Kieferwinkel  10,5,  kräftige 
Muskelansätze,  Kieferwinkel  wenig  stumpf  112",  die  zum  Proc. 
coronoid.  aufsteigende  Kante  sehr  steil,  kleiner  wie  im  rechten 
Winkel,  Proc,  coronoid.   groß,  unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers 


Die  vor-  u.  frühgeechichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  297 


dick,  stark  ausgeschweift.     Kinn  stumpf,   Kinnprotuberanz  mäßig 
entwickelt.    Alveolarteil  vollständig  erhalten. 


Fig.  128.  V4. 


Gebiß: 


7    6*    5    4    3   2    1 


1     2    3   4   5   6   7 


[IJ   2    3   4    5   6   7    8 


[8]    7     6     5    4    3    2    [1] 

Erster  Molar  rechts  oben  durch  Karies  zu  Grunde  g^angen, 
nur  palatinale  Wurzel  da.  Es  waren  fünf  untere  Schneidezahne  da 
in  normaler  Stellung.  Zahnbogen  im  Unterkiefer  halb  elliptisch  über 
die  kleinere  Achse  hinaus  fortgesetzt,  im  Oberkiefer  halbkreisförmig, 
nicht  eng  geschlossen ;  normaler  Biß ,  scharf  artikulierend ;  Zahn- 
kronen groß,  relative  Größe  der  einzelnen  normal,  mäßig  horizontal 
abgekaut;  der  linke  obere  Weißheitszahn  nicht  durchgebrochen, 
nicht  angedeutet.  Gaumenmittelbreite  4,2 ,  Gaumenendbreite  4,7, 
Gaumenlänge  5,1.  Gaumen  brachystaphylin  (Index  92),  mäßig  ge- 
wölbt. Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  hoch,  ge^en  die  Horizontale 
schräg  gestellt  (mittlerer  Grad  der  Prognathie).  Juga  alveolaria  stark 
ausgeprägt,  besonders  am  Eckzahn  des  Oberkiefers.  Fossa  canina 
sehr  tief.  Wangenbein  massiv,  stark  nach  vorn  vortretend,  in  weitem 
Bogen  umbiegend,  hinterer  Rand  des  Proc.  frontal,  des  Jochbeins 
flügeiförmig  nach  oben  ausgezogen.  Jochbogen  massiv ,  weit  ab- 
stehend. Nasenbeine  schmal,  viereckig,  Medionasalnaht  ganz  oblit- 
teriert,  Nasenrücken  eingesattelt,  steil  dachförmig,  Nasenöffnung 
langoval,  schmal,  Nasenstachel  mäßig  hervortretend,  unterer  Nasen- 
rand scharfkantig.  Nasenhöhe  4,5,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,4, 
Platyrrhinie  (Index  53,0j.  Orbita  verhältnismäßig  klein,  niedrig,  vier- 
eckig, Querachse  sehr  wenig  nach  außen  abfallend,  Cribra  in  der  Mitte 
des  Orbitaldachs.  Augenhöhleneingang  gr.  Breite  3,8,  horizontale 
Breite  3,7,  gr.  Höhe  3,0,  Vertikalhöhe  3,0.   Chamaeconchie  (Index  78». 

Gesichtsbreite  nach  Virchow  9.3,  nach  v.  Holder  12,0,  Joch- 
breite  14,0.    Gesichtshöhe  11,0,  obere  Gesichtshöhe  6,4.    Stirn  hoch 


298  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


gewölbt,  relativ  schmal,  Glabella  und  Arcus  superciliares  kräftig. 
Koronalnaht  zackenreich,  die  einzelnen  Zacken  stark  verästelt.  Die 
Sagittalnaht  auf  der  Höhe  des  Scheitels  kielartig  hervortretend. 
Stirnbeinhöcker  mäßig,  Scheitelbeinhöcker  gar  Glicht  hervortretend. 
Im  rechten  Schenkel  der  Lambdanaht  ein  Schaltknochen.  Proc. 
mastoid.  groß. 

Vom  übrigen  Skelett  sind  erhalten: 

Der  linke  Humerus,  das  rechte  und  linke  Darmbein,  der  rechte 
Oberschenkel,  die  rechte  Tibia. 

8)„BNo.  3".    Frau  mittleren  Alters. 

Fast  vollständig  erhaltener  Schädel  (No.  1595)  Fig.  129.  Hintere 
Kopfhälfte  etwas  nach  rechts  gedrückt.  Gesicht  sehr  schmal.  Kopf- 
durchmesser von  vorn  nach  muten  sehr  lang. 


Fig.  129.  %. 

Gerade  Länge  19,4  :=  größte  Länge.  Intertuberallänge  18,8. 
Gesichtsbreite  12,9,  kleinste  Stirnbreite  9,3.  Ohrhöhe  11,6.  Hilfs- 
ohrhöhe  11,7.  Breite  der  Schädelbasis  10,8.  Horizontalumfang  51,2. 
Sagittalumfang  37,0.  Vertikaler  Querumfang  30,5.  Der  Schädel  ist 
dolichocephal  (Index  66). 

Gesichtshöhe  11,4,  Gesichtsbreite  (Virchow)  9,7,  nach  v.  Holder 
10,4;  obere  Gesichtshöhe  6,85.  Schmalgesichtigkeit  (Index  117); 
schmales  Obergesicht  (Index  70).  Stirnhöcker  stark  entwickelt,  auf 
dem  rechten  kleine  Exostose.  Glabella  überhängend  vorgewulstet, 
Supraorbitalwülste  mittelstark.  —  Augenhöhleneingang  breit  viereckig, 
abgerundet,  gr.  Breite  4,0,  horizontale  Breite  3,8,  gr.  Höhe  3,1  = 
Vertikalhöhe.  Chamäkonchie  (Index  77).  —  Nasenrücken  tief  ein- 
gesattelt, Nasenhöhe  4,6,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,3.  Mesorrhinie 
50.  Wangenbeine  seitlich  gestellt.  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers 
lang.    Gebiß : 

[81    7    6   5   4    3    2    1       1    2    3    4    5    6    7  ^8 


7    6    5    4    3    2    1 


[IJ    2    3    4    5    6    7 


Die  vor-  u.  frühgeechichtl.  Funde  der  Grafschaft  Caroburg»  299 


Keine  Caries,  kein  Zahnstein.  Zähne  sehr  gedrängt  stehend, 
•obere  Vorderzähne  fast  dachzie^elförmig  an  einander.  An  den  Eck- 
zähnen Gebiß  oben  und  unten  winklig  umbiegend.  Zahnkronen  klein, 
naäßig  schräg  abgekaut.  Die  Vorderzähne  überbeißend,  Backzähne 
scharf,  gerade  aufbeißend.  —  Kinn  breit,  geradHnig,  sehr  Htark  vor- 
springend, eckig  umbiegend.  Unterer  Rand  des  Kieferi£Öri)er8  mittel- 
^ck.  Kieferwinkel  124",  Distanz  der  beiden  10  cm.  —  Gaumen 
hochgewölbt,  schmal,  mittlere  Breite  3,7. 

Nähte  feinlinig,  reichlich  gezackt.  Sagittalnaht  im  letzten  Teil 
oblitteriert,  zu  beiden  Seiten  dieses  Stückes  zwei  Foramina  parietalia. 
Am  Lambda  schaltbeinförmiges  Knochenstück  mit  der  Spitze  der 
Occipitalschuppe  fest  verwachsen.  Muskelansätze  auf  der  Schuppe 
des  Hinterhaupts  mäßig  hervortretend. 

Vom  Skelett  sonst  erhalten: 

Der  linke  Femur,  lang,  schlank;  die  rechte  Patella,  zwei  Finger- 
knochen, der  Epistropheus. 

-9)  „B  3,  la".     Frau   mittlerer  Jahre. 

Vom  Schädel  (No.  1593)  ist  nur  erhalten  die  Hinterhaupt»- 
«chuppe,  das  linke  Schläfenbein,  das  Gesicht  mit  Ausnahme  der 
Umgebung  des  rechten  Auges,  der  Unterkiefer  bis  auf  den   rechten 

Ast.    Fig.  130. 


Fig.  130.  '/,. 
Gesicht  schmal  (Index  13,3).  Gesichtsbreite (Virchow)  8,6,  ganje 
Oesichtshöhe  11,0,  obere  Gesichtshöhe  6,3,  schmales  Übergesicht 
<Index  78).  Glabella  flach.  Nasenrücken  flach  konkav,  Nasenbeine 
viereckig.  Nasenhöhe  4,6,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,4.  Platyr- 
rhinie  (Index  .^3).  Augenhöhleneingang  gr.  Breite  3,5,  horizontale 
Breite  3,45,  gr.  Höhe  3,45,  Vertikalhöhe  3,5.  Hypsikonchie  (Index  98>. 
Fossa  canina  mäßig  tief,  starke  alveolare  und  dentale  Prognathie. 
Gebiß : 


[8]    7    6    5    4    3    2_1 


1    2    3   4   5    6   7    [8] 
[IJ  2    3    4    5    6    7     8 


8    [7]  6    5    4    3  [2J  [Ij      _ 

Zahnbogen  parabolisch,  großer  medianer  Zwischenraum  zwischen 

den   zwei  ersten   oberen  Schneidezähnen.    Biß  gerade,  Vorderzälme 

etwas   übergreifend.    Zahnkronen  wenig  abgekaut,  raittelgroB,  enge 

Zahnhälse.   Unterer  Band  des  Unterkieferkörpers  dick,  Kinn  stumpf. 


300  l^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Unterkieferwinkel  121.*',  Distanz  derselben  ca.  10  cm.  Gaumenlänee 
4,9,  Gaumenmittelbreite  4,2,  Gaumenendbreite  3,9.  Leptostaphylm 
(Index  79).  Zwei  strahlenförmig  von  For.  incisivum  schräg  nach 
den  Schneidezähnen  zu  verlaufende  linienartige  Nähte ;  querer  Hinter- 
hauptswulst. 

Vom  übrigen  Skelett  erhalten: 

Die  linke  Scapula,  die  beiden  Darmbeine,  unteres  Ende  der 
Tibia  und  des  rechten  Femur. 

10)  „B  3,  3".    Mann  mittlerer  Jahre. 

Schädel  unvollständig.  Vorhanden  sind:  Stirnbein  größere 
Hälfte,  beide  Scheitelbeine,  linkes  Schläfenbein,  Hinterhauptsbein, 
kleines  Stück  der  rechten  Hälfte  des  Oberkiefers  ohne  Zähne;  sehr 
breiter,  kräftiger  Unterkiefer,  links  die  Molaren  schräg  nach  außen 
stark   abgekaut,  rechts  hintere  Molarenalveolen  oblitteriert. 

Vom  übrigen  Skelett  sind  erhalten:  das  vollständige  Becken 
("auf  dem  Os  sacrum  sitzt  der  unterste  Lendenwirbel  mit  seinem  linken 
Fortsatz  fest  verwachsen  auf,  der  rechte  ist  abgebrochen,  nach  hinten 
verschoben),  die  beiden  Femora,  die  beiden  Tibiae  und  Fibulae,  der 
rechte  Humerus,  Ulna  und  Kadius. 

11)  „B  3,  5".    Frau   in   mittleren  Jahren. 

Zusammengesetzter  Schädel  (No.  1581),  fast  vollständig.  Fig, 
131.  Im  allgemeinen  betrachtet  ist  der  Schädel  grazil.  Stirn  schmal,. 
Scheitelbeine  in  der  Sagittalnaht  winklig  zusammenstoßend,  kräftiges,^ 
wohlerhaltenes  Gebiß. 


Fig.  131.  V4- 
Gerade    Länge   18,7  =  größte   Länge,    Intertuberallänge  18,6, 

größte  Breite  13,4,  kleinste  Stirnbreite  9,ö5,  ganze  Höhe  14,3,  Hilfs- 
öhe  13,9,  Ohrhöhe  11,65  =  Hilfsohrhöhe.  Länge  der  Schädelbasis 
10,5,  Breite  der  Schädelbasis  10,2.  Horizontalumfang  52,0,  Sagittal- 
umfang  38,0,   vertikaler  Querumfang  31,5,  Profillänge  des  Gesichts- 


Die  vor-  u.  frühgeöchichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  301 

11,0.  —  Der  Schädel  ist  demnach  dolichocephal  (Index  71,6),  ortho- 
cephal  (Index  74,0). 

Gesichtsbreite  nach  Virchow  9,0,  Gesichtshöhe  10,9,  obere  Ge- 
sichtshöhe 7,1.  Das  Gesicht  ist  schmal  (Index  121,0),  schmale» 
Obergesicht  (Index  78,0).  Glabelia  flach,  kaum  angedeutete  Arcus 
superciliares.  Die  Augenhöhlen  waren  verhältnismäßig  niedrig,  in 
ihrer  Form  oval.  Nasenhöhe  4,8,  größte  Breite  der  Naseiiüffnung 
3,0.  Hyperplatyrrhinie  (Index  62,0),  unterer  Nasenrand  stuinpfkantig, 
Nasenstachel  mittellang.  Gaumenlänge  5,3,  Gaumenmittelbreite  4,1, 
leptostaphylin  (Index  77,0).  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  mittel- 
hoch, Juga  alveolaria  deutlich,  Fossa  canina  flach.  Gebiß: 
8    7$   6   5    4    3   2    1        i     2    3   4   5    6  (7)  (8) 


8    7   (ö)  5   4    3   2  [1] 


[1]  [2]  3   4   5  [6J  7    8 


Zahnstein  in  geringem  Grade.  Zahnbogen  halbkreisförraie. 
Überbiß,  scharfe  Artikulation  der  Backenzähne,  Zahnkronen  mittel- 
groß ;  Abkauung  schräg  palatinalwärts  abfallend.  Der  erste  Molar 
links  oben  stark  abgekaut,  weil  er  intra  vitsim  der  einzige  Molar  ge- 
wesen. Unterkiefer  mittelgroß,  an  den  Kieferwinkeln  nach  au&n 
etwas  ausladend,  kräftige  Eßmuskelansätze.  Kieferwinkel  115", 
Distanz  der  beiden  10,5.  Unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers  noiittel- 
dick,  ausgeschweift;  Protuberantia  mäßig  stark,  Kinn  stumpf. 

Koronalnaht  zahnreich,  ebenso  Sagittalnaht  und  Lambdanaht. 
Hinterhauptsschuppe  mit  stark  entwickelten  Muskelansätzen ;  linker 
Proc.  mastoid.  klein,  rechter  groß,  durch  Patina  grün  gefärbt.  Foramen 
magnum  langoval  2,9  breit,  3,2  lang. 

Sonstige  Knochenreste  dieses  Skeletts: 

Das  vollständige  Becken  ohne  Symphysenpartie  (bemerkenswert 
ist,  daß  die  rechte  Darrabeinschaufel  kleiner  als  die  linke  ist),  der 
rechte  Oberarm,  der  rechte  Oberschenkel,  die  rechte  Tibia  und  Fibula. 

12)  „B  3,  6".    Mann. 

Schädel  in  Bruchstücken.  Stirnbein  mit  kammartiger  Erhebung 
in  der  Medianlinie,  beiderseits  dachförmig  abfallend ,  dabei  noch 
Becken  in  drei  Teilen  mit  12  cm  geradem  Durchmesser  im  Becken- 
eingang  und  14  cm  quer. 

13)  „Bei  B  3,  6".     Weibliche  Person  von  18  Jahren. 

Linker  Oberkiefer  mit  drei  festsitzenden  Zähnen,  darunter  der 
Milch-Eckzahn ;  der  Weisheitszahn  noch  nicht  durchgebrochen.  Der 
Oberkiefer  ist  zierlich. 

14)  „B  3,  7".   Frau  von  ungefähr  30  Jahren. 

Schädel  (No.  1583)  zusammengesetzt,  bis  auf  unwesenUiche 
Stücke  vollständig.  Im  allgemeinen  breites  Gesicht,  mehr  runder  Kopf. 
Fig.  132. 

Gerade  Länge  19,3  =  größte  Länge,  Intertuberallanee  19,4, 
größte  Breite  14,5;  kleinste  Stinibreite  10,1.  Ohrhöhe  12,2,  HUfs- 
ohrhöhe  12,3.  Breite  der  Schädelbasis  10,8,  Horizontal  um  fangM, 4, 
Sagittalumfang  40,5,  vertikaler  Quer  umfang  34,0.  Es  ist  der  Schädel 
also  mesocephal  (Index  75,2), 

Gesichtsbreite  nach  v.  Holder  12,2,  Jochbreite  13,3,  Gesichte- 
hohe  11,3,  obere  Gesichtshöhe  6,7.  Der  Schädel  gehört  demnach  immer 
noch  zu  den  Schmalgesichteru  (Index  92,0)  mit  schmalem  Obergesicüt 
(Index  54,0).  Stirnhöcker  deutlich,  GlabeUa  flach,  Are.  supercüur. 
wenig  entwickelt.  —  Augenhöhleneingang  abgerundet  viereckig,  (^uer- 


302  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

axe  wenig  nach  außen  geneigt.    Gr.  Breite  3,7  =  horizontale  Breite ; 

fr.  Höhe  3,1  =  Vertikalhöhe.    Mesokonchie  (Index  83,0).  —  Nasen- 
öhe  4,5,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,6.  Platyrrhinie  (Index  57,0). 
Unterer  Nasenrand  verstrichen  mit  Andeutung  von  Fosea  praenasahs. 


Fig.  132.  V,. 

Nasenseptum  nicht  in  der  Mitte,  mehr  nach  rechts  gedrückt.  Nasen- 
stachel spitz,  mittellang.  Wangenbeine  mehr  nach  vorn  gestellt. 
Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  niedrig;  Juga  alveolaria  deutlich. 
Gebiß : 


8    7    6    5|   4   3    2    1   I  [1]    2    3    4    (5)  (6)  |7_8 
8    7    6    5      4    3    2    1   I    1     2    3    4    5     6     7    8 

Zweiter  Molarzahn  beiderseits  im  Unterkiefer  mit  seiner  Krone 
tiefer  stehend.  Sehr  gute  Zähne,  Zahnkronen  klein,  horizontal  wenig 
abgekaut ;  Zahnbogen  parabelförmig.  Biß  gerade,  an  Vorderzähnen 
Aufbiß.  —  Gaumen  mittelbreit.  —  Unterkiefer  hoch.  Kinn  breit,  vor- 
springend, Protuberanz  mittelgroß.  Unterer  Rand  des  Kieferkörpers 
dick,  geradlinig.    Unterkieferwinkel   115°,  Distanz  der   beiden  10,6. 

Koronalnaht  reichzackig,  Sagittalnaht  geschlängelt,  Hinterhaupts- 
schuppe mit  mäßig  stark  entwickelten  Muskelansätzen;  Warzen fort- 
sätze  lang,  relativ  schmal. 

Vom  übrigen  Skelett  sind  erhalten : 

Das  vollständige  Becken,  ein  Lendenwirbel,  der  linke  Femur, 
die  linke  Tibia  und  Fibula,  der  rechte  und  linke  Humerus,  der  linke 
Eadius  und  die  halbe  Ulna,  das  linke  Schulterblatt,  die  rechte 
Clavicula,  Atlas  und  Epistropheus. 

15)  „B  3,  8  (a)".   Alter  Mann. 

Vom  Schädel  (No.  1594)  nur  erhalten  Oberkiefer  und  Unter- 
kiefer. Gesichtsbreite  9,3,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,4.  Fossa 
canina  mitteltief,  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  hoch.    Gebiß: 


Die  vor-  u.  frOhgeschichtl.  Funde  der  GrafBchaft  Camburg.  303 


(8)  (7)  (6)  5  [41  [3]  2  [1] 


(8)    7    6    5  [4]  [3]  2    1 


[1]  2  3  4  [5]  m  [7]  [8] 


12    3    4    5    6     7   (8) 


Im  Unterkiefer  rechts  sind  die  Molaren  6  und  7  stark  verlängert, 
•weil  Antagonisten  lange  fehlen.  Von  links  unten  6  beide  kariöse 
Wurzeln   erhalten,  von   7  nur  die  mesiale  kariöse  Wurzel;    Aufbifi 

gerade;  Abkauung  sehr  stark,  teilweise  bis  zum  Zahnhals.    Zahn- 
ogen    schmale    Parabel.     Kinn    schmal.     Unterkieferwinkel    115*, 
Distanz  der  beiden  9,9.    Gaumenlänge  5,5,  Gaumenmittelbreite  4,4, 
■Gaumenendbreite  4,2.    Leptostaphyün  (Index  7ö,0). 
Keine  weiteren  Skelettreste. 

16)  „B  3,  8  (6)".    Frau  mittlerer  Jahre. 

Schädel  in  Bruchstücken:  Os  frontis  mit  deutlichen  Arcus 
superciliares  und  Glabella,  beide  Scheitelbeine,  beide  Oss.  teraporaJia, 
Os  occipit.  beschädigt;  rechte  Oberkieferhälfte  mit  2.  stark  hori- 
zontal abgekautem  Molar.  3.  Molar  einwurzelig,  sehr  klein.  Vom 
Unterkiefer  ist  nur  die  Kinngegend  erhalten.  Der  Bau  des  Schädels 
ist  im   ganzen  grazil. 

17)  „B  3,  9".    Erwachsene  Person. 

Schädel  in  Bruchstücken:  Os  frontis,  Ossa  parietalia  in  dtem 
Stück,  Oberkiefermittelstück  mit  Zähnen,  Hinterhauptsschuppe.  Auf- 
fällig ist  die  Schwere  der  Knochen.  Stirnbein  mit  deutlich  entwickelten 
Arcus  superciliares,  zwei  Finger  breit  über  dem  rechten  Supraorbital- 
wulst  quer  laufende  Delle.  Hinterhauptsschuppe  und  die  angrenzenden 
Partien  der  üssa  parietalia  höckerig  uneben.  Die  Parietalia  stoßen 
in  der  Sagittalnaht  flach  dachförmig  aneinander.  Die  Zähne  sind 
stark  schräg  abgekaut,  erhalten  bis  inklusive  2.  Bicuspis,  haben 
breite  Kronen,  sehr  engen  Hals.  Wurzeln  schwarz  gefärbt,  auch 
die  Zahnkronen  auf  der  Innenseite. 

Vom  übrigen  Körper  ist  das  Mittelstück  eines  Oberschenkels 
erhalten,  auch  dieser  Knochen  fällt  auf  durch  seine  Schwere  und 
höckerige  Unebenheit. 

18)  „B  4,  2".    Frau  jüngerer  Jahre. 

Schädeldach  vollständig  erhalten  (No.  1596),  rechte  Gesichta- 
hälfte  zum  größten  Teil,  die  rechte  Unterkieferhälfte,  das  linke 
Schläfenbein.     Fig.  133. 

Größte  Länge  19,5,  Intertuberallänge  19,9,  größte  Breite  13,5. 
Hilfsohrhöhe  14,2.  Horizontaler  Umfang  54,3.  Der  Schädel  ist 
dolichocephal  (Index  69),  hoch. 

Von  vorn  betrachtet,  fällt  das  flachdachförmige  Zusammenstoßen 
der  Scheitelbeine  auf.  Die  Stirnhöcker  wenig  ausgepräj,^,  Supraorbital- 
wülste  wenig  hervortretend.  Augenhöhleneingan^  nietirig.  Wangen- 
bein seitlich  gestellt,  eher  anliegend.  Fossa  canina  flach.  Die  er- 
haltenen Zähne: 


7    6   5    4    [3] 


7    6   5   [4J      £ 

mittelgroß,  wenig  abgekaut,  nach  schräg  außen,  noch  kein  Washeits- 
zahn,   viel  Zahnstein  an  den  oberen  Zähnen,  gerader  Biß.    Unt«« 
kieferwinkel  124°.     Nähte   feinlinig  gezackt.    Drittes    und    viertes 
Fünftel  der  Sagittalnaht  verwachsen. 
Vom  übrigen  Skelett  erhalten  : 


304  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Eechte  Tibia,   schlank;   rechter  Femur,   schlank,   groß;  linke 
Darmbeinschaufel;  linkes  Schienbem  und  Fibula;  rechter  Humerus. 


Fig.  133.  V4- 

19)  „B  4,  3".    Kind  6.    4  Jahr  alt. 

Vom  Schädel  erhalten:  Squama  occipitalis,  linke  Oberkiefer- 
hälfte mit  Zahnbogen,  Unterkieferzahnbogen,  Äste  desselben  abge- 
brochen.   Gebiß : 

I  I  [II]  [III]  IV  V 

V    IV    [III]    II    [I]  I  I    II    III    IV   V   6^ 

Milchzahngebiß  vollständig,  hinter  dem  linken  II.  Milchmolar 
ist  der  Keim  des  bleibenden  ersten  Molar  ausgefallen. 
Kinn  unterer  Rand  geradlinig,  eckig  umbiegend. 

20)  „B  4,  4".    Jüngerer  Mann. 

Schädel  in  Bruchstücken :  Scheitelbeine,  rechtes  Schläfenbein, 
linke  Unterkieferhälfte  mit  sehr  starken  Zähnen ,  2.  Prämolar,  1. 
und  2.  Molar. 

21)  „B  5".    Ein    Erwachsener. 

Nur  die  Gehirnkapsel  erhalten  in  einem  Stück:  Os  frontis,^ 
Parietalia,  Occiput,  Temporalia,  Wespenbein.  Schädel  oval ,  Nähte 
gezackt,  keine  Schaltknochen.  Arcus  superciliares  nicht  hervor- 
tretend, auch  Glabella  nicht.  Auf  der  rechten  Höhe  des  rechten 
Parietale  achtförmiges  Loch  mit  glatten  Rändern.  Foramen  mag- 
num  breitoval.    Außerdem  sind  Atlas  und  Epistropheus  erhalten. 

C.  Dritte  Ausgrabung  am  13.  Oktober  1871. 

22)  Kind  2,  8-9  Jahr  alt. 

Schädelreste:  Os  frontis  in  Stücken,   Parietalia,  Schläfenbeine, 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  306 

Hinterhaupt,   alle  einzeln    und   beschädigt.    Unterkiefer  faat  voll- 
ständig, spitzes  Kinn.    Gebiß: 


6  V  IV  [in]  2  1 


fl]  [2]  3  [IV]  V  6 
4 


In  der  Alveole  des  ausgefallenen  ersten  Milchmolaren  links  ist 
der  erste  bleibende  Bicuspis  sichtbar;  etwas  tiefer  liegend  als  dieser 
in  der  Alveole  des  Eckzahns  der  bleibende  Eckzahn ;  erster  Milch- 
molar mäßig  horizontal  abgekaut. 

23)  „C  2".    Junger  Mann  von   14  Jahren. 

Schädel  (No.  15842  vollständig,  zusammengesetzt;  im  ganzen 
breites  Gesicht,  rundlicher  Kopf,  mit  stark  ausgebauchter  Hinter- 
hauptsschuppe.   Fig.  134. 


Fig.  134.  V.. 

Gerade  Länge  18,5,  größte  Länge  18,6,  IntertuberaUänge  18,9, 

gößte  Breite  18,9,  kleinste  Stirnbreite  10,15.  Ganze  Höhe  14,5, 
ilfshöhe  14.7,  Ohrhöhe  11,4,  Hilfsohrhöhe  11,5,  Horizontalumfang 
52,3.  Sagittalumfang  37,3,  vertikaler  Querumfang  31,7.  Demnach  ist 
der  Schädel  eben  noch  dolichocephal  (Index  74),  aber  hart  an  der 
Grenze  der  Mesocephalie  und  charaäcephal  (Index  63,0). 

Gesichtsbreite  nach  Virchow  9,25,  nach  v.  Holder  11,4.  Joch- 
breite 13,1,  Gesichtshöhe  11,2,  obere  Gesichtshöhe  6,9,  schmalgcsichtig 
(Index  120,0),  schmales  Obergesicht  (Index  74,0).  Stirnnaht  in  ganzer 
Länge  erhalten ,  scharfzahnig.  Auf  der  linken  Stirnbeinhülfte 
schwärzliche  Brandflecken.  Glabella  wenig  gewulstet,  ebenso  Arcus 
superciliares.  Augenhöhleneingang  abgerundet  viereckig.  Quer- 
achsen wenig  nach  außen  unten  geneigt.  Gr.  Breite  3,7  —  horizontale 
Breite;  gr.  Höhe  3,1,  Vertikalhöhe  3,2.  Mesokonchie  (Index  83,0). 
Nasenrücken  breit,  wenig  eingesattelt,  Nasenbeine  viereckig;  Nasen- 
höhe 4,8,  größte  Breite  der  Nasenöffnung  2,5.    Flathyrrhinie  (Index 


306  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

52).  Nasenöffnung  ulmenblattförmig.  Unterer  Nasenrand  verstrichen, 
Gaumenlänge  5,1,  Gaumenmittelbreite  4,4,  Gaumenendbreite  4,4. 
Brachystapnylin  (Index  86).  Hinter  dem  Foramen  incisivum  zwei 
rechtwinklig  von  der  Gaumennaht  abgehende  Nähte.  Alveolarfortsatz; 
des  Oberkiefers  hoch.  Fossa  canina  flach.  Profillänge  des  Gesichts 
9,2.    Gebiß: 

7654     321      123"4567 


7    6    5    4   III  2    1 


1     2     3    4    5    6   7 


Zahnwurzeln  der  Schneidezänne  und  des  Eckzahnes  sehr  lang. 
Zahnbogen  in  Form  einer  Parabel,  breit.  Vordere  Zähne  überbeißend, 
Backzähne  aufbeißend.  Zahnkronen  mittelgroß,  nicht  abgekaut.  — 
ünterkieferwinkel  118",  Distanz  beider  9,5.  Kinn  spitz.  Protube- 
ranz  mittelgroß.  —  Länge  der  Schädelbasis  10,2,  Breite  derselben  11,8. 
Länge  der  Pars  basilaris  2,9.  Foramen  magnum  longoval,  gr.  Breite 
3,1,  gr.  Länge  3,8.  Hinterhauptsschuppe  kapseiförmig  vorspringend, 
Muskelansätze  verhältnismäßig  kräftig. 

Keine  weiteren  Knochen  vom  Skelett  vorhanden.  Eine  Notiz, 
hierüber  sagt: 

„C  2,  Skelett  von  1,87  m  Länge,  ohne  Beigaben,  mit  auffällig 
kurzen  Arrnen,  das  Handwurzelgelenk  beginnt  am  Skelett  schon  2  Zoll 
unter  dem  Hüftknochen.*' 

24)  „C"  (3?).    Erwachsene,  schmalgesichtige  Frau,  mit, 
spitzem   Kinn. 

Schädel  in  Bruchstücken :  Os  frontis  mit  wenig  erhabenen  Supra- 
orbitalwülsten,  wenig  vortretender  Glabella.  Kleinste  Stirnbreite  9,0. 
Ossa  parietalia.  Os  occipitis  mit  mittelstarker  Protuberantia.  Os  temp. 
Ein  stark  schräg  abgekauter  1.  Oberkiefermolar  mit  Oberkieferbruch- 
stück, von  der  linken  Oberkieferhälfte  ein  Bruchstück  mit  Eckzahn 
und  den  zwei  Prämolaren.  Zähne  gut,  aber  stark  schräg  abgekaut, 
klein.  Vom  Unterkiefer  Bruchstücke  der  linken  und  rechten  Außen- 
seite und  je  dem  1.  Molar.  Kinnpartie  ohne  Zähne.  Eine  zu  C  3 
gehörige  Notiz  sagt: 

„C  3,  Frauenskelett,  Länge  1,72  m,  mit  Messer  von  Eisen,  zur 
Linken  neben  den  Vorderarmen  ein  paar  Flußsteine  beigelegt." 

25)  „C"  (4?).    Mann  in  mittleren  Jahren. 

Schädel  (No.  1582)  zusammengesetzt,  bis  auf  die  mittlere  Ge- 
sichtspartie vollständig,  aber  verschoben  in  der  Richtung  von  rechts 
vorn  nach  hnks  hinten.  Schädel  im  allgemeinen  kräftig,  schwer,  mit 
auffälliger  kielartiger  Leiste  in  der  Sagittalnaht,  kräftiges  Gebiß. 
Fig.  135. 

Größte  Länge  19,5,  Intertuberallänge  19,9,  größte  Breite  13,9, 
kleinste  Stirnbreite  9,9.  Hilfshöhe  16,48.  Horizontalumfang  54,0, 
Sagittalumfang  40,0.  Es  ist  also  ein  dolichocephaler  HochschädeL 
(Dolicocephalieindex  71,0,  Hochschädelindex  84,7). 

Gesicht  schmal,  Stirnhöcker  deutlich,  Glabella  kräftig  entwickelt, 
Arcus  superciliares  weniger.  Nasenbeine  viereckig,  Nasenrücken  stark 
eingesattelt.  —  Unterer  Nasenrand  stumpfkantig.  Alveolarfortsatz 
des  Oberkiefers  hoch.    Gebiß: 


7     [6]    5    4   3    2    1 


1     234    5    678 


8    7     6     5    4  [3]  [2]  [1]     [1]  [2]    3    4    5    6    7    8 
Fast  an  allen   Zähnen  Halscaries.    Zahnbogen  in  der  Form 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  307 

einer  Parabel,  breit;  Biß  gerade,  Vorderzähne  überbeißend,  schaufel- 
artig nach  innen  gestaltet,  Backenzähne  artikulierend,  Zahnkronen 
mittelgroß,  horizontal  mäßig  abgekaut.  —  Gaumenlänge  5,0,  Gaumen- 
mittelbreite 4,0,  Gaumenendbreite  4,4.  Brachystaphylin  (Index  88,0). 
—  Unterkiefer  massiv,  rechter  Kieferwinkel  stark  lateralwärt«  aus- 
ladend,   kräftige  Muskelansätze.     Unterer  Eand    des  Kieferkörpers 


Fig.  135.  V4- 

dick,  geradlinig.  Kinn  vorspringend,  breit,  Protuberantia  mäßig  ent- 
wickelt. Kieferwinkel  120°,  Distanz  der  beiden  11,4.  Koronalnaht 
zahnarm.  Sagittalnaht  in  der  mittleren  Strecke  verknöghert.  Larabda- 
naht  mit  mehreren  kleinen  Schaltstücken  in  beiden  Asten,  Hinter- 
hauptsschuppe mit  kräftigen  Muskelansätzen.  Foramen  magnum 
langoval:  3,1  breit;  4,4  lang.  Breite  der  Schädelbasis  12,15  (ver- 
schoben), Länge  derselben  12,0. 

Keine  weiteren  Skelettreste  jetzt  vorhanden.   Eine  Notiz  besagt : 
„C  4.    Skelett  von  1,70  m  Länge,  wohl  erhalten." 

26)  Kind  4.  3—4  Jahr  alt. 

Vollständiges  Milchzahngebiß  des  Unterkiefers  und  der  linken 
Hälfte  des  Oberkiefers. 

I  rn  [11]  [IUI  IV  V 

V  IV  [III]  LH]  [IJ  I  [iJ  [iiJ  l"i]  ^v  V 

Vom  sonstigen  Schädel  nur  noch  das  linke  Jochbein  erhalten. 
Unterkiefer  außen  durch  Brand  schwarz  gefleckt. 

D.  Vierte  AusgrabnngrKlopfleisehs  am  6.  u.  7.  Mai  1872 
„bei  Appler". 

27)  „D".  Eine  erwachsene  Person. 

Gehirnkapsel  in  einem  Stück:  Parietalia,  ein  Stück  der  Hinter- 
hauptsschuppe, Os  frontis.   Dazu  lose,  aber  passend  die  Temporalia. 


308  I^ic  "^'or-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Es  fehlen  Kiefer  und  Gesichtsknochen.  Der  Schädel  ist  oval,  die 
rechte  Seite  des  Hinterhaupts  ist  platt  gedrückt,  Nähte  gezähnt. 
Arcus  superciliares,  Glabella  kaum  nervortretend. 

28)  „D  2".    Erwachsene  Person.  ^ 

Schädel  in  Bruchstücken,  unvollständig.  Os  frontis,  Parietalia, 
Os  occipitis,  Os  temporale  rechts.  Gehirnkapsel  mit  rechter  hinterer 
Seite  stark  nach  Imks  gedrückt.  Vom  Unterkiefer  erhalten  ein 
größeres  Bruchstück  der  rechten  Hälfte  mit 


6   5    4    3    [2J    [1]  I  11]    [2] 

Zähne  abgekaut  schräg  nach  unten  außen,  dentale  Prognathie; 
Protub.  mentalis  kräftig.    Eine  hierher  gehörige  Notiz  berichtet: 

„D  2,  am  7.  Mai  1872  ausgegraben.  Skelett  schlecht  erhalten, 
Schädel  eingedrückt,  Stirnpartie  erhalten.  Lage  südöstlich,  Länge 
1,29  +  0,15  (Kopfj,  etwas  verschoben,  liegend. 

In  der  Hüftgegend  ein  kleiner  Bronzering,  ein  etwas  größerer 
Bronzering  unter  dem  Kopf  zur  rechten  Seite;  in  der  Mitte  ein 
Messer." 

29)  „D  3"  Kind  9.    3  Jahr  alt. 

Bruchstück  des  Stirnbeins  und  die  Mandibula  zum  größten  Teil. 

6    V   IV   [III]    [II]    [I]  I  [I]    [II]    [III]   IV    V 
Kinn  spitz,  einige  graue  Brandflecken  auf  der  Außenseite. 
„D  3.  Der  Kinderschädel  lag  ganz  allein;  mit  zwei  silbernen,, 
kleinen  Ohrringen,  Bronzeperle  und  Bern  stein  perle;  kleiner  Eeibstein." 

30)  „D  4"  Kind  7.    5- jährig. 

Ober-  und  Unterkiefer.    Nur  Milchgebiß: 

V  IV  III  II  I  I  I  II  in  IV  iv 


V    IV    III  [II]  [I]|  [I]  [II]  III   IV  V  6 
Unterkiefer  breit,  Kinn  breit. 
„D  4.     Dabei  ein  länglich  geteilter  Schleifstein." 

31)  „D  5".    Mann   über  40  Jahre. 

Unterkiefer  (No.  1600)  sehr  kräftig,  hoch,  dickknochig.  Kinn 
spitz,  vorspringend,  Außenfläche  des  Kiefers  beiderseits  schwarz  ge- 
fleckt. Zähne  gut,  groß,  stark  abgekaut.  Links  fehlen  2.  und  1. 
Molar,  deren  Alveolen  sind  oblitteriert ;  3.  Molar  links  nach  vom 
gewandert  und  geneigt.  Kondylenachsen  geradlinig  verlaufend. 
Kieferwinkel   125",  Distanz  beider  9,3,  kräftige  Masseterleisten. 

Vom  übrigen  Schädel  vorhanden  Os  frontis,  Ossa  parietalia, 
beide  Ossa  temporalia.  Schädel  langoval,  rechtes  Parietale  glatt  ge- 
drückt, Nähte  gezackt.    Keine  sonstigen  Skelettteile. 

Notiz  zu  D  5.  „Skelett  eines  Erwachsenen,  1,60  lang,  Schädel 
schief  gequetscht,  auf  Asche  liegend,  kohlige  Erde  auch  darüber,  zwei 
Fuß  tief;  Messer  zur  Linken." 

32)  „D  6".    Frau  mittlerer  Jahre. 

Schädel  (No.  1597)  im  ganzen  vollständig  vorhanden,  zusammen- 
gesetzt aber  nicht  genau  aneinanderpassend,  der  Hinterkopf  verdrückt. 

Der  Schädel  dolichocephal.  Gr.  Breite  12,5,  kleinste  Stirnbreite 
9,2.    Breite  der  Schädelbasis  10,0.   Stirnhöcker  deutlich.  Supraorbital- 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  309 

■Wülste  kräftig.    Glabella  vorgewulstet.    Gesicht  schmal.    AlVeolire 
Prognathie,  während  Zähne  gerade  herunter  stehen.    Gebiß : 
7ö5432[ll       [1]    2345678 


8765432      1        [1]    2   345678 

Der  rechte  obere  Weisheitszahn  fehlt  noch.  Gedrängte  Stellung 
•der  Schneidezähne  unten,  dadurch  in  der  Höhe  unregelniäßij?.  Zahn- 
kronen klein,  fast  nicht  abgekaut.  Elliptischer  Zahnbogen  oben,  unten 
parabolisch.  Kinn  spitz.  Protuberanz  kräftig.  Kieferwinkel  111', 
Distanz  beider  9,4.  Gaumen  mittelhoch,  Gaumenlänge  4,9,  Gaumen- 
niittelbreite  4,0,  Gaumenendbreite  3,8.  Leptostaphylin  (Index  77). 
Linienhafte  schräg  vom  For.  incisiv.  nach  dem  Interstitium  zwischen 
1.  und  2.  Schneidezahn  verlaufende  Naht  rechterseits.  Nähte  grob- 
zackig,  am  Lambda  sehr  großes  Schaltstück.  Auf  der  linken  und 
rechten  Seite,  besonders  auf  den  Scheitelbeinen  schwärzliche  Flecken 
von  Branderde,  ebenso  an  beiden  Proc.  mast.  For.  magn.  langoval, 
3,7  zu  3,0.    Protub.  occipital.  kräftig. 

Keine  weiteren  Skelettreste. 

Notiz  zu  D  6.  „Gleich  links  neben  dem  vorigen,  1,71  m  lang, 
Arm  in  unregelmäßiger  Lage,  alte  Person,  Ohrring  von  Bronze." 

33)  „D  7".    Älterer  Mann. 

Schädel  (No.  1589)  ohne  Oberkiefer  und  Wangenbeine,  unvoll- 
#itändige  Basis,  linker  Unterkiefer  abgebrochen.  Fig.  136.  Größte 
Länge  19,0,  Intertuberallänge  188,  größte  Breite  14,3,  kleinste  Stirn- 
breite  10,1,  Hilfsohrhöhe  13,5,  Breite  der  Schädelbasis  11,5,  Horizontal- 


Fig.  136.  V«. 

umfang  53,0,  Sagittalumfang  38,6.  Der  Schädel  ist  dolichocephal  (Index 
75).  Starke  Arcus  superciliares.  Sattelnase,  mediane  Nasennaht  teilweise 
oblitteriert.  Koronalnaht  feinlinig,  zahnreich.  Sagittalnaht  in)  hiiitorcn 
V-,  verwachsen.  Zwei  Foramina  parietalia.  Lainbdanaht  labyrinthisch 
verschlungen,  großer  Schaltknochen  am  Lambda,  Gegend  de«  I^anibda 
XXII.  iil 


310  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


eingesunken,  rechte  Hälfte  der  Koronalnaht  und  Sagittahiaht  flach 
dachförmig  hervortretend.  Kräftige  Muskelin sertionsleisten  auf  der 
Hinterhauptsschuppe.  Unterkieferwinkel  lateralwärts  ausladend,  110°. 
Unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers  dick,  göradlinig.  Kinn  sehr 
breit,  eckig  umbiegend,  Spina  mentalis  interna  gedoppelt.  Zahnbogen 
parabolisch.    Zahnkronen  nicht  abgekaut.    Geoiß  im  Unterkiefer: 


(8)  (7)  6  [5]  4  L3]  [2J  [1] 


[1]  [2]  [3]    4  [5]  [6]  7  ^8 


Von  6  steht  nur  noch  die  kariöse  mesiale  Wurzel  mit  Fistel. 
Beginnende  Caries  des  Halses  des  2.  linken  Molaren. 

Keine  weiteren  Skelettreste. 

Notiz  zu  D  7.  „Gut  erhaltener?  Schädel,  Skelett  1,70  lang,, 
ohne  Beigaben,  ein  Scherben." 

34)  „D  8".    Junger  Mann,  über  20  Jahre  alt. 

Vollständiger,  sehr  gut  erhaltener  Schädel  (No.  1586),  auffällig 
hoch  und  groß.  Stirn,  Wangenbeine,  Unterkiefer,  durch  Berührung 
mit  Branderde  schwärzlich  gefleckt.  Fig.  137.  Gerade  Länge  18,9  = 
größte  Länge.     Intertuberallänge  18,5,  größte  Breite  13,6,  kleinste 


Stirnbreite  10,1.  Ganze  Höhe  14,5  =  Hilfshöhe.  Ohrhöhe  10,9  = 
Hilfsohrhöhe.  Länge  der  Schädelbasis  10,4,  Breite  derselben  11,35. 
Horizontalumfang  52,5,  Sagittalumfang  37,8,  vertikaler  Querumfäng 
31,6.  Der  Schädel  ist  dolichocephal  (Index  71,0),  ein  Hochschädel  (Index 
76).  Das  Gesicht  ist  schmal  (Index  128),  Index  des  schmalen  Ober- 
gesichts 71,5.  Gesichtsbreite  nach  Virchow  10,0,  nach  v.  Holder 
11,78.  Jochbreite  13,4,  Gesichtshöhe  12,8,  obere  Gesichtshöhe  7,15. 
Stirnbeinhöcker  kaum  entwickelt.  Glabella  mittelstark,  ebenso  die 
Supraorbitalwülste,  —  Nasenrücken   mäßig  eingesattelt,  Nasenbeine 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Caniburg.  3H 

viereckig,  dachförmig  gestellt.  Nasenhöhe  5,0;  gr.  Breite  derNasen- 
öffnung  2,6,  Nasenöftnung  ulmenblatf förmig,  unterer  Naseoraod 
scharfkantig,  Stachel  stumpf.  —  Augenhöhleneingang  abgerundet 
viereckig,  Querachsen  sehr  wenig  schräg  gestellt ;  gr.  Breite  3,9  — 
horizontale  Breite,  gr.  Höhe  3,2,  vertikale  flöhe  33.  —  Fossa  canina 
flach.  Wangenbeine  etwas  nach  vorn  gestellt.  Jochbogen  lacht  aus- 
gebaucht. Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  mittelhoch.  Gebiß  sehr 
gut,  keine  Caries,  weiße  Farbe,  kein  Zahnstein. 


8    7    6    5   4    3   2     1 

[1]   2   3    4   5    6   7   8 

8765432     1 

[1]    2   3   4    5    6   7    8 

Der  zweite  obere  rechte  Schneidezahn  um  90 "  gedreht  Zahnbogen 
in  Parabelform,  gerader  Biß,  große  Zahnkronen,  nicht  abgekaut.  Unter- 
kiefer hoch,  unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers  sehr  dick,  geradlinig. 
Kinn  vorspringend,  geradlinig,  eckig  umbiegend.  Kieferwinkel  122°, 
Distanz  der  beiden  9,8.  Muskelansätze  wenig  hervortretend.  —  Gaumen- 
länge 5,1,  Gaumenmittelbreite  4,5,  Gaumenendbreite  4,8.  Brachy- 
staphylin  (Index  94,0).  Gaumen  hochgewölbt,  vom  Foram.  incisiv. 
beiderseits  ausgehende  ca.  1  cm  lange  kleine  N^te  quer  über  das 
Gaumendach.  —  Koronalnaht  mäßig  gezackt,  ebenso  Sagittal-  und 
Lambdanaht.  Die  Sagittalnaht  beiderseits  von  je  einer  kammartigen 
Leiste  begleitet.  Muskelinsertionsleisten  der  Hinterhauptsschuppe 
kräftig.  Hinterhauptsloch  langoval ;  gr.  Breite  3,1,  gr.  L^nge  4,15. 
Länge  der  Pars  basilaris  3,1.   Profillange  9,6. 

Keine  weiteren  Skelettreste. 

Notiz  zu  D  8.  „Das  Skelett  1,60  m  lang,  sehr  hohe  Unter- 
kiefer. In  der  Beckengegend  Reste  einer  eisernen  Schnalle  und 
eine  lange  Bronzeperle." 

35)  „D  9."    Erwachsener  Mann. 

Unterkieferfragment  mit  17  losen  Zähnen.  Unterer  Rand  de» 
Kieferkörpers  dick,  Kinn  stumpf.  Zähne  stark  horizontal  abgekaut, 
einzelne  kariös. 

Ein  dabei  liegendes  linkes  Schlüsselbein  stark  gebogen. 

Notiz  zu  D  9.  „Skelett  sehr  mitgenommen.  Am  Kopf  in 
der  Nähe  des  Unterkiefers  lag  ein  Huhnskelett  (Opfer).  Eimer  zu 
Fußen  des  Skeletts." 

36)  „D  10."   „VII  D  10."   Frau,  über  40  Jahre  alt. 

Ganz  vollständig  erhaltener,  im  ganzen  kleiner  Schädd  (No.  1588). 
Fig.  138. 

Gerade    Länge   18,0  =  größte   Länge.     Intertuberallänge  17,8, 

Sößte  Breite  13,6,  kleinste  Stirnbreite  9,6.  Ganze  Höhe  13,6  — 
ilfshöhe.  Ohrhöhe  11.6,  Hilfsohrhöhe  11,75.  Länge  der  Schädel- 
basis 9,8,  Breite  der  Schädelbasis  10,0,  Horizontalumfane  ')0^,  Sagittal- 
umfang  37,0,  vertikaler  Querumfang  30,7.  Dolichocephalie  75,  Ortho- 
cephalie  75.  Stimhöcker  wenig  entwickelt.  Glabella  breit,  wulstartig. 
Arcus  superciliares  wenig  entwickelt  Gesichtsbreite  9,1  (Virchow),  Uß 
(v.  Holder).  Jochbreite  12,5,  Gesichtshöhe  10,6,  obere  Gesichtshöhe 
6,3.  Schmalgesichtig  (Index  116),  schmales  Obergesicht  (Index  09). 
Nasenrücken  flach  sattelförmig,  unterer  Nasenrand  stumpfkanti^. 
Nasenhöhe  3,9,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,7,  Hyperplatyrrhinie 
(Index  71).  —  Augenhöhleneingang  abgerundet  viereckig,  gr.  Breite 
3,6,  horizontale  Breite  3,5,  gr.  Höhe  3,1  =  Vertikalhöhe.  Hypd- 
konchie  (Index  86).     Fossa  canina   tief.     Wangenbeine  anliegöad. 

21* 


312  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers   mittelhoch,   gegen  die  Horizontale 
schräg  gestellt.    Stellung  der  Zähne  schräg  nach  vorn. 


Fig.  138.  V*- 

8     7|    6    5   4    [3]    [2]    1 

[IJ   2   3   4   5  6**  (7)  (8) 

87      6543      21 

123456     7*    8 

Von  7  *  unten  nur  die  distale  kariöse  Wurzel  erhalten,  bei  links 
oben  6  **  Gaumenfistel.  Der  daneben  stehende  Zahn  5  kariös,  durch 
Caries  der  Krone  eröffnete  Pulpahöhle.  Zahnbogen  in  Form  einer 
Ellipse  über  die  kleine  Achse  fortgesetzt ,  Biß  offen ,  Backzähne 
artikulieren  scharf.  Zahnkronen  klein,  stark  abgekaut  und  zwar 
unregelmäßig,  mehr  schräg.  —  Unterkiefer  mit  kräftigen  Muskel- 
ansätzen. Unterer  Eand  des  Unterkieferkörpers  dick.  Kinn  etwas 
vorspringend,  breit,  Protuberanz  mäßigentwickelt.  Kieferwinkel  121 ", 
Distanz  der  beiden  9,7.  Gaumen  brachystaphylin  (Index  88), 
Gaumenlänge  5,1,  Gaumenmittel  breite  4,8,  Gaumenendbreite  4,5.  — 
Koronalnaht  feinlinig,  zahnreich.  In  der  Sagittalnaht  treten  die 
Scheitelbeine  flach  dachförmig  aneinander.  Kleine»  For.  pariet.  auf 
dem  rechten  Scheitelbein,  Scheitelbeinhöcker  deutlich.  P^oramen  mag- 
num  langoval,  klein,  2,65  breit,  3,3  lang.  Länge  der  Pars  basilans 
2,2.     Profillänge  9,8. 

Keine  weiteren  Skelettreste. 

Notiz  zu  D  10.     „Skelett,  Länge  1,30  +  0,21  =  1,51.    Eisernes 
Messer  mit  Holzspuren  am  Griff." 
37)  „Dil."     Cirka  40-jähriger  Mann. 

Schädel (No.  1585)  fast  vollständig  erhallen,  seitlich  zusammen- 
gedrückt, aber  auch  abgesehen  davon  mit  schmalem  Gesicht,  langem 
ovalen  Kopf.    Fig.  139. 

Gerade  Länge  19,9  =  größte  Länge.  Intertuberallänge  19,2, 
größte  Breite  13,4,  kleinste  Stirnbreite  9,8.  Ohrhöhe  11,8,  Hilfsohr- 
höhe    11,9.    Horizontalumfang    53,8,    vertikaler    Querumfang    32,0. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  3]  3 

Der  Schädel  ist  dolichocephal  (Index  G7.0)chamäcephal  (59)l  Oeeichto- 

2LTnL%  S    nf  t  n'^-    ^^.'"'^'gesicht  (Index  129),  schmale«  Ob^r: 
geeicht  (74,0).   GlabeUa  und  Are.  supercil.  vorgcwulstct   Nasenrücken 


Fig.  139.  % 

tief  eingesattelt,  Nasenbeine  viereckig,  Medionasalnaht  teilweise  oblit- 
teriert.  Nasenhöhe  4,8,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2.26.  Leptor- 
rhinie  (Index  47,0).  Unterer  Rand  der  Nasenöffnung  scharfkantig, 
Nasenstachel  spitz,  lang.  —  Augenhöhleneingang  abgerundet  vier- 
eckig, gr.  Breite  3,7,  horizontale  Breite  3,4;  gr.  Höhe  3,0,  Vcrtikal- 
höhe  3,2.  Mesokonchie  (Index  81).  Gaumenlänge  5,1,  Gaumenmittel- 
länge 4,0.  Leptostaphylin  (Index  78,0).  Alveolarfortsatz  des  Ober- 
kiefers mittelhoch.   Fossa  canina  tief.   Wangenbein  anli^end.  Gebiß: 

[8]    [7]    6    [5]    4   3   2    1      12    3    4    5    6   (71,  [8] 


8  7  6  5  4  3  2  1  1  2  3  4  [5]  6  (7)  8 
Auffällige  Verstärkung  des  vorderen  Alveolarrandes  der  unteren 
Schneide-  und  Eckzähne.  Am  linken  unteren  ersten  Molaren  tiefe 
Caries  der  Krone  und  des  Halses.  Zahnbogen  parabelförraig.  Gerader 
Biß,  Vorderzähne  überbeißend.  Zahnkronen  mittelgroß,  wenig  ab- 
gekaut, horizontal.  Unterkiefer  sehr  hoch,  massiv,  ünterkieferwinkoi 
113",  Distanz  beider  10,8.  Kinn  stumpf,  Protuberanz  gering.  Koronal- 
naht  feinlinig,  gezackt.  Zwei  große  Foramina  parietalia  in  der  Nähe 
der  Sagittalnaht.  Sagittalnaht  wenig  gezackt,  auf  der  Höbe  de« 
Scheitels  kielartig  vorspringend.  Klemes  Schaltbein  im  rechten  Ast 
der  Lambdanaht.  Hinterhauptsschuppe  mit  mittelstarken  Muskel- 
ansätzen. 

Dazu  gehörig  ein  linker  Femur  und  eine  linke  Tibia. 
Notiz  zu  D  11.    „Skelett  1,80  m  lang." 


314  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

E.  Fortsetzung  der  Ausgrabung    durch  Schachtmeister  Mayer*) 
am  8.  Mai  1872. 

38)  „E."    Jüngerer  Mann.  , 

Unterkiefer  (No.  1599).  Unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers 
dick,  Kinn  stumpf,  Gebiß  vollständig,  linker  Weisheitszahn  noch 
nicht  vorhanden.  Zahnkronen  mittelgroß,  horizontal  abgekaut,  wenig. 
Außenfläche  des  Unterkiefers  schwarz  gefleckt  durch  Brand.  Kiefer- 
winkel 115°,  Distanz  beider  10,2. 

Vom  übrigen  Schädel  Os  frontis,  Ossa  parietalia,  Os  occipitis 
und  Unkes  Os  temporale  in  einem  Stück  erhalten,  von  der  linken 
Seite  her  durch  Druck  verschoben.  Die  Gehirnkapsel  war  im  ganzen 
schmal,  oval.  Die  Parietalia  vereinigen  sich  in  der  Sagittalnaht 
flach  dachförmig,  starke  Protub.  occipitalis. 

Keine  weiteren  Skelettreste. 

Notiz  zu  E  1.  „Vom  Skelett  nur  Schädelreste  vorhanden,  vom 
Körper  nichts.  In  der  Nähe  stand  ein  Eimer  allein  (eine  alte  schon 
durchgegrabene  Stelle  nach  dem  einzelnen  Eimerrest." 

39)  „E  2."    30— 40-jähriger  Mann. 

Wohlerhaltener  Schädel  (No.  1576).  Fig.  140.  Unterkiefer  groß, 
massiv,  mit  starken  Muskelansätzen;  Distanz  der  Kieferwinkel  11,0, 
Kieferwinkel  135  ",  Kieferast  dick,  liegend,  am  scharfen  Winkel  lateral- 
wärts  ausgebogen ;  Gelenkfortsätze  groß,  schräg  gestellt;  Proc.  coronoid. 
klein;  Incisur  rechts  tiefer  als  links.  Rand  des  Unterkieferkörpers 
dick,  geradlinig;  Kinn  stumpf,  Protuberanz  schwach  entwickelt. 
Alveolarteil  des  Unterkiefers  vollständig;  Zahnbogen  halbkreisförmig, 
geschlossen ;  Biß  gerade ,  scharf  artikulierend ;  Zahnkronen  groß, 
relative  Größe  der  einzelnen  normal,  Kaufläche  horizontal  mäßig 
abgekaut.    Gebiß:  alveodentale  Prognathie. 


Fig.  140.  74- 


*)  Herr  Schachtmeister  Mayer  aus  Dürrenberg  war  schon  Tags 
zuvor  bei  Klopfleischs  Ausgrabung  anwesend  gewesen. 


Die  vor-  u.  frflhgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  315 


876543     2     1 


[1]  [2]   3    4   5    6    7    8 


8  7  6  5  4  3  [2]  [1]  [1]  [2J  3  4  5  6  7  8 
Zahnsteinansatz.  —  Gaumen  mittelhoch  gewölbt,  medianer 
Gaumenwulst  höheren  Grades,  einzelne  Höckerchen  am  Gaumen. 
Gaumenlänce  5,0,  Gaiunenmittelbreite  4,1,  Gaumenendbreite  3,9. 
Brachystaphylin  (Index  94,0).  —  Alveolarfort«atz  den  Oberkiefer» 
niittelhoch,  gegen  die  Horizontale  schräg  gestellt,  Juga  alveolaria 
stark  ausgeprägt,  sehr  dünn  auf  der  rechten  Seite ;  Fossa  canina 
«ehr  tief.  —  \Vangenbein  nach  vom  vortretend;  Tuberositas  malaris 
stärker  ausgeprägt,  hinterer  Eand  des  Proc.  frontal,  des  Jochbeins 
leicht  flügelförmig  ausgezogen ;  Jochbogen  abstehend.  —  Nasenbeine 
achmal,  viereckig;  Nasenrücken  im  Seitenprofil  eineesattelt,  hoch- 
gewölbt im  Querschnitt.  Nasenöffnung  lang,  oval;  Nasenstachel  . 
sehr  lang,  spitz ;  unterer  Nasenrand  schneidend  scharfkantig.  Nasen- 
höhe 4,4,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,2.  Mesorrhinie  (Index  50,0). 
—  Augenhöhlen  groß,  rundlich,  Querachsen  wenig  abfallend.  Augen- 
höhleneingang größte  Breite  3,7,  horizontale  Breite  3,6,  größte  Höhfe 
3,4  =  Vertikalhöhe.  Hypsikonchie  (Index  91,8).  —  Gesicht  erscheint 
im  ganzen  etwas  breit.  Stirn  etwas  nach  hinten  gedrückt.  Glabella 
und  Arcus  superciliares  mäßig  entwickelt.  Gesichtshöhe  10,7,  obere 
•Gesichtshöhe  6,15,  Gesichtsbreite  nach  Virchow  8,85,  nach  v.  Holder 
11,4.  Jochbreite  13,45.  Schmalgesichtig  (Index  102),  schmales  Ober- 

fesicht  (Index  67,5).  Gerade  Länge  des  Schädels  17,9  «=  größte  Länge, 
ntertuberallänge  17,5,  größte  Breite  14,0,  kleinste  Stirnbreite  9,5. 
Ohrhöhe  11,6,  vertikaler  Querumfang  31  cm,  horizontaler  Umfang 
51,  sagittaler  Umfang  35  cm.  Koronalnaht  zahnreich,  Sagittalnaht 
und  Lambdanaht  grobzähnig.  Am  Vereinigungspunkt  des  Scheitel- 
beins, Schläfenbeinschuppe,  Wespenbeinflügel,  rechterseits  ein  ge- 
zackter Schaltknochen.  Proc.  mastoid.  klein,  Hinterhauptsschuppen- 
muskelleisten  wenig  entwickelt. 

Vom  übrigen  Skelett  vorhanden: 

Das  vollständige  Männerbecken  mit  herzförmigem  Beckenein- 

fang,  spitzer  Symphyse;  beide  Femora,  beide  Tibiae,  rechte  Scapula, 
eide  Humeri,  beide"  Ulnae,  rechter  Radius. 

„Das  Skelett  war  1,62  lang,  hatte  rechts  eine  Nadel,  wie  e« 
«cheint,  in  der  rechten  Hand." 

40)  „3."    Alter  Mann  von  ca.  60  Jahren. 

Wieder  zusammengesetzter,  beinahe  vollständiger  Schädel 
(No.  1580).  Fig.  141.  Gerade  Länge  20,0  =  größte  Länge,  Inter- 
tuberallänge  19,3,  größte  Breite  14,0,  kleinste  ötü-nbreite  10,5,  Ohr- 
höhe 11,3,  Hilfsohrhöhe  11,6,  Horizontalumfang  55,3,  Stimbeinhöhe 
in  Sagittalnaht  15,0,  vertikaler  Querumfang  32,6.  Der  Schädel  ist 
dolichocephal  (Index  70,0),  chamäcephal  (Index  56,0).  Gesichtebreite 
nach  Virchow  10,0,  nach  v.  Holder  11,8,  Jochbreite  13,4.  Gesichtehöhe 
11,0,  obere  Gesichtshöhe  6,5.  Das  Gesicht  ist  schmal  (Index  110,0), 
auch  das  Obergesicht  (Index  65,0).  Stirnbein  schwärzlich  braun, 
■ebenso  Nasenbein  und  linke  Hälfte  des  Oberkieferalveolarforteatzes. 
Glabella  flach,  Arcus  supercil.  wenig  entwickelt.  Kleine  Exostose  auf 
der  linken  Sthnbeinhälfte  nahe  dem  Stirn  bei  nhöcker.  —  Augenhöhlen- 
Eingang  abgerundet  viereckig,  größte  Breite  4,5,  horizontale  Breite 
4,3,  größte  Höhe  3,4  =  Vertikalhöhe.  Chamäkonchie  (Index  75,5). 
Wangenbeinteil  der  Orbita  nach  unten  außen  ausgebaucht,  Quer- 


316  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


achse  nach  außen  abfallend.  —  Nasenhöhe  4,8,  größte  Breite  der 
Nasenöffnung  2,64.  Platyrrhinie  (Index  55,0),  Nasenbeine  viereckig, 
Nasenrücken  eingesattelt,  breit,  Nasenöffnung  oval,  unterer  Rand 
der  Nasenöffnung  stumpfkantig,  Nasenstachel  spitz,  lang.  Wangen- 
beine   seitlich    gestellt;    Fossa    canina  links  flach;  in  der   rechten 


I 


Fig.  141.  V4. 
Fossa  canina  eine  groschengroße,  höckerig  unebene,  neugebildete 
Knochen partie,  die  sich  deutlich  von  der  normalen  Umgebung  abhebt ; 
in  die  Neubildung  ist  der  untere  Rand  des  Foramen  infraorbitale 
mit  hineingezogen ;  dadurch  erscheint  das  Foramen  sehr  groß.  Auch 
die  Innenfläche  der  rechten  Kieferhöhle  ist  an  der  pathologisch  ver- 
änderten Stelle  höckerig  uneben.  Alveolarfortsatz  des  Überkiefers 
mittelhoch;  Fistelöffnung  an  der  Wurzel  des  rechten  Eckzahns, 
ebenso  am  linken  Eckzain;  Alveolarcyste  ziemlicher  Ausdehnung 
am  linken  kleinen  Schneidezahn.  Gebiß  sehr  schlecht  im  Oberkiefer. 
(8)  (7)  (6)  (5)- (4)  3*  (2)  [1]|[1]  [2]  [3]  [4]  (5)  (6)  (7)  (8) 
[8]  [7]  6  5  4  3  2  [1]|  12  3  [4]  (5)  6  7  (8) 
Im  Unterkiefer  links  ist  der  2.  Bicuspis  vermutlich  auch  durch 
eine  Knocheneiterung  zu  Grunde  gegangen.  Der  daneben  stehende 
erste  Molar  ist  disloziert,  seine  mesiale  Fläche  durch  Anwendung 
von  Gewalt  bis  tief  in  die  Wurzel  glatt  abgesprengt,  wohl  bei 
Extraktions  versuchen  des  kranken  Prämolaren.  Die  Sprengfläche 
ist  glänzend  schwarz,  ein  Folgezustand,  der  häufig  eintritt  bei  Frei- 
legung des  gesunden  Zahnbeins.  Zahnstein  unten  links.  Zahn  bogen 
parabelförraig.  Unterkiefer  vorbeißend,  gerader  Biß,  Zahnkronen 
mittelgroß,  untere  Zähne  mäßig  abgekaut,  horizontal,  der  eine  erhaltene 
Zahn  im  Oberkiefer  sehr  stark  abgekaut,  da  er  längere  Zeit  der  einzig 
artikulierende  gewesen.  Durch  diese  Abkauurig  ist  die  Pulpahöhle 
eröffnet,  durch  Gangrän  der  Pulpa  eine  alveoläre  Zahnfleischfistel 
entstanden.    Unterkiefer  massiv,  hoch,  Muekelansätze  kräftig.  Unter- 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg,  31 7 

kieferwinkel  118°,  Distanz  der  beiden  10,2;  unterer  Rand  de«  ünter- 
kieferkörpers  dick,  ausgeschweift;  Kinn  »tumpf,  breit,  Protuberanz 
stark  entwickelt.  —  Gaumenlänge  4,5,  Gaumenmittelbreite  4,1. 
Bfachystaphylin  (Index  91,0).  Gaumen  flach;  an  Stelle  des  Foram. 
lucisiv.  großes  rundes  Loch  mit  glatten  Wänden;  starke  mediale 
Kämme  längs  der  Vasa  palatina.  —  Koronalnaht  zartlinig.  ebenso 
Sagittalnaht.  Muskelansätze  der  Hinterhauptsschuppe  kräftig  hervor- 
tretend, auch  die  Linea  nuchae  suprema. 

Vom  übrigen  Skelett  sind  erhalten:  Die  rechte  Beckenhälfte 
(ein  großes  Becken),  der  rechte  und  Unke  Femur,  sehr  lang,  die 
rechte  und  linke  Tibia. 

Notiz  zu  E  3.  „Skelett  1,77  m  lang,  wenig  erhalten ;  bei  der 
linken  Hand  ein  Messer." 

41)  „E  4."    Ältere  Frau. 

Unterkiefer.    Zähne  stark  abgekaut,  unregelmäßig. 

l7J     6    (5)    4    3    2     1   I  [1]    [2]   3   4   [5]  (6)  [7] 
Notiz  zu  E  4.    „Unterkiefer  allein." 

42)  Kind  3.   0  Jahr  alt. 

Unterkieferfragment  mit  Zähnen,  Kinnpartie  mit  rechter  Zahn- 
bogenhälfte,  etwas  von  der  linken.  Unterer  Rand  des  Kieferkörpers  dick. 

6  V  IV  III  rr  I  T  r 

Die  bleibenden  Schneidezähne  sichtbar  bis  zum  Rand  der 
Alveole. 

43)  Kind  1.    Ca.  15  Monate  alt. 

Oberkiefer.  Die  zweiten  Milchmolaren  sind  noch  nicht  durch- 
gebrochen, die  Schneidezähne  postmortal  ausgefallen,  in  den  Alveolen 
die  Anlagen  der  bleibenden  Zähne  sichtbar.  Gaumen  breit,  Nasen- 
stachel  spitz. 

F.  Fortsetzung  der  Ausgrabung  durch  Sehaeht- 
meister  Mayer. 

44)  „F  1."    „IX  F  1."    Ungefähr  18-iährige  Frau. 

Vollständiger,    gut  erhaltener   Schädel  (No.    1573).     Fig.  142. 

Schädelmaße:  Gerade  Länge  17,6,  größte  Länge  18,1,  Inter- 
tuberallänge  18,5,  größte  Breite  13,2,  kleinste  Stirnbreite  9,05.  Ganze 
Höhe  14,0,  Hilfshöhe  14,0,  Ohrhöhe  11,3,  Hilfsohrhöhe  11,1.  Länge 
der  Schädelbasis  12,0,  Breite  der  Schädelbasis  10,4.  Horizontalüm- 
fang  des  Schädels  50,0,  Sagittalumfang  37,0,  vertikaler  Qnerumfang 
29,5.  Gesichtsbreite  (Virchow)  9,3,  10.9  (v.  Holder).  Ganze  Gesichta- 
höhe  10,4,  obere  Gesichtshöhe  6,3,  Profillänge  des  Gesichts  9,75. 

Schädel  im  ganzen  klein,  dolichocephal  (72,0),  Hochschädel 
(77,0),  schmalgesichtig  (112,0).  Unterkiefer  dementsprechend  klein, 
zierlich,  Muskelansätze  mäßig  entwickelt.  Kieferast  dünn,  stumpf- 
winklig 121°,  Distanz  der  Kieferwinkel  9^,  Gelenkfortsätze  klem, 
Achsenderseiben  schräg  gestellt;  Koronoidf ortsatz  klein,  Incisur 
rechts  flach,  links  etwas  tiefer,  unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers 
mitteldick,  leicht  ausgeschweift,  Kinn  vorstehend,  Kinnprotuberanz 
mittelstark.    Alveolarteil  vollständig  erhalten.    Gebiß: 


7    6    5    4    3    [2J    [1] 


7  v6)   5    4   2    [2]    [1] 


[1]    2     3    4    [5]    «    7 


[IJ  [2J  [3J  4     5     6    7 


318  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


Alveolen  erhalten,  nur  der  erste  Molar  rechts  unten  extrahiert 
(wenigstens  2  Jahr  vor  dem  Tod),  Alveole  oblitteriert.  Weisheits- 
zähne fehlen  noch.  Zahnbogen  halbelliptisch ;  normaler  Biß,  scharfe 


Fig.  142.  % 

Artikulation;  Zahnkronen  mittelgroß,  relative  Größe  normal,  leicht 
schräg  bukkalwärts  abgekaut,  keine  Caries. 

Gaumenlänge  4,9,  Gaumenmittelbreite  4,2,  Gaumenendbreite  4,2, 
Mesostaphylin  (Index  85,0),  Gaumen  flach;  Alveolarfortsatz  des  Ober- 
kiefers niedrig,  sehr  schräg  gegen  die  Horizontale  gestellt  (prognath). 
Juga  alveolaria  stark  ausgeprägt,  besonders  am  Eckzahn.  Fossa  canina 
sehr  tief.  Wangenbein  massiv,  stark  vortretend,  schnell  umbiegend, 
hinterer  ßand  des  Proc.  front,  des  Jochbeins  leicht  flügeiförmig, 
Jochbogen  zierlich,  leicht  ausbauchend.  Nasenl)eine  viereckig,  seit- 
lich etwas  ausgeschweift,  Nasenrücken  steil  dachförmig,  schwach 
konkav  eingesattelt,  Nasenöffnung  oval,  rechts  tiefer  ausgemuldet  als 
links,  Nasenstachel  fehlt,  unterer  Nasenrand  verstrichen.  Nasenhöhe 
4,8,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,7.  Platyrrhinie  (Index  56).  Augen- 
höhlen abgerundet  viereckig,  Querachse  wenig  nach  außen  abfallend, 
unterer  Rand  vorspringend.  Augenhöhleneingang:  gr.  Breite  3,9, 
horizontale  Breite  3,7,  gr.  Höhe  33,0,  Vertikalhöhe  3,4,  Mesokonchie 
(84,0).  Stirnbein  schmal,  hoch,  steil  gestellt,  kugelig  gewölbt,  auf 
der  linken  Hälfte  nahe  der  Mittellinie  linsengroße  Exostose.  8tirn- 
höcker  hervortretend,  Glabella  flach,  Arcus  superciliares  angedeutet. 
Koronalnaht  zahnreich,  Scheitelbeinhöcker  wenig  ausgeprägt,  Linea 
temporalis  suprema  links  deutlich.  Occipitalschuppe  schaufeiförmig, 
hier  Nackenlinien  angedeutet,  Prot,  occipit.  fehlend.  Lambdanaht  seni 
reichzähnlg,  mit  zwei  größeren  Schaltknochen  am  rechten  Schenkel. 
Foramen  magnum  langoval,  gr.  Breite  2,9,  gr.  Länge  3,4.  Richtung 
auf  die  Choanen.    Länge  der  Pars  basilaris  des  Hinterhauptbeins  3,4. 

Notiz  zu  F  1.  „Skelett  1,60  m  lang,  Knochenüberreste  mangel- 
haft, bloß  der  Schädel  gut.    In  der  rechten  Hand  ein  Messer." 

45)  „F  2."    Ein  Erwachsener. 

Schädelreste.  Os  frontis,  Parietalia,  Occiput,  rechtes  Schläfenbein. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Caiuburg.  319 

Notiz  zu  F  2.  „Skelett  1,80  m  lang,  Bchlecht  erhalten,  Schädel 
gut ;  in  linker  Hand  ein  Messer,  am  Halse  3  Perlen." 

46)  Frau  von  30—40  Jahren. 

Halber  Gesichtsschädel  (No.  1579),  kleinste  Stirnbreite  10,0. 
Glabella  und  Arcus  supercil.  mäßig  entwickelt  Gesichtsbreite  nach 
Virchow  9,6,  Gesichtshöhe  11,1,  obere  Gesichtshöhe  6,9.   Gesicht  im 

ganzen  schmal  (Index  129),  ebenso  Obergesicht  (Index  80).  Augen- 
öhleneingang  abgerundet  viereckig,  gr.  Breite  3,8  «=  horizontale 
Breite,  gr.  Höhe  3,2,  Vertikalhöhe  3,4.  Mesokonchie  (Index  84).  — 
Nasenhöhe  4,9,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,4.  Mesorrhinie  (Index 
48,9),  Nasenöffnung  langoval,  unterer  Nasenrand  scharfkantig,  spitzer, 
langer  Nasenstachel.  Fossa  canina  flach.  Wangenbein  seitlich  ge- 
stellt, Jochbogen  wenig  ausbauchend.  Alveolarfortsatz  des  Ober-  ■ 
kiefers  niedrig,  fast  gerade  gestellt  gegen  die  Horizontale.   Gebiß : 

8   [7]   6  5     4    3   p]  fl] 


[7]    6  [5]  [4]  [3]  [2]  [1]    [IJ 

Zähne  gut;  der  Weisheitszahn  ist  ein  wurzelig  und  verlängert, 
■weil  keine  Antagonist  vorhanden  war.  Biß  gerade,  scharfe  Artiku- 
lation, Zahnkronen  klein,  zierlich,  sehr  schmale  Zahnhälse,  mäßige 
Abkauung  horizontal.  —  Unterkieferwinkel  118°.  Kieferast  sehr  breit, 
dick.    Kinn  spitz,  unterer  Rand  des  Kieferkörpers  dick,  geradlinig. 

Keine  sonstigen  Skelettreste. 

47)  Kräftiger  Mann. 

Nur  der  Unterkiefer  (No.  1592)  vorhanden.  Derselbe  ist  sehr 
kräftig,  breit.  Unterer  Rand  des  Unterkieferkörpers  sehr  dick,  grad- 
linig, Kinn  vorspringend.  Gelenkfortsätze  klein,  Incisura  flach.  Kon- 
dylus  breit,  mit  mittlerer  Einschnürung.  Unterkieferwinkel  lateral- 
wärts  schaufelartig  ausladend.  Unterkieferwinkel  120",  Distanz  der- 
selben 12  cm.    Gebiß: 


8   7    [6]   [5]    4  3  2    1  I  1    2    3   4   5   6    7   8 

Zahnbogen  fast  halbkreisförmig,  Zahnkronen  groß.  Abkauung 
unregelmäßig,  einzelne  höher,  einzelne  tiefer. 

Notiz  zu  F  3.  „Skelett  lag  sehr  flach,  daher  alle«  zerfallen, 
1,50  m  lang,  nur  der  Unterkiefer  gut,  rechts  ein  Messer." 

48)  Kind  5.    6  Jahr  alt.  ^        ,.  ^ 

Schädel  in  Bruchstücken:  Stirnbein,  (linke  Ecke  schwirzhcb 
braun  gefärbt  durch  Brand),  Parietalia,  Hinterhauptbein,  Schläfen- 
beine, Oberkiefer  (linke  Seite  schwärzlichbraun),  Unterkiefer.  Der 
linke  Ast  fehlt.    Gebiß: 


fe  V  IV  [III]   [III  [I] 


6  V  IV    III    tllj  [I] 
1 


in  [II]  [in]  IV  V  6  7 

"[Ii"[IIl  [III]  IV  V  6 


1 


Notiz  zu  F  4.    Kinderskelett,  Schädel  defekt,  sonet  nichte  vom 
Körper ;  beim  Schädel  zwei  ganze  Perlen,  eine  in  drei  Stücken." 

49)  „Camburg  5."    Frau  von  ca.  30  Jahren. 

Schädel  (No.  1578)  fast  vollständig  erhalten.   Fig.  143.  Gerade 


320  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 


Länge  18,2,  größte  Länge  18,5,  Intertuberallänge  18,6,  größte  Breite  13,6, 
kleinste  Stirnbreite  10,0,  Ohrhöhe  11,2  =  Hiifsohrhöhe.  Horizontal- 
umfang 51,7,  Sagittalumfang  37,4,  vertikaler  Querumfang  31,0.  Der 
Schädel   ist  dohchocephal  (Index  73,0),  flach  (Index  61).    Üesichts- 


Fig.  143.  % 

breite  nach  Virchow  9,6,  nach  v.  Holder  10,9,  Gesichtshöhe  11,5, 
obere  Gesichtshöhe  7,1.  Das  Gesicht  ist  schmal  (Index  119),  auch 
im  Obergesicht  (Index  73,9).  Stirnnaht  in  ganzer  Ausdehnung  er- 
halten, in  der  hinteren  Hälfte  zahnreich.  Glabella  flach,  Arcus 
superciliares  eben  angedeutet,  ebenso  Stirnhöcker.    Augenhöhlenein- 

fang  gr.  Breite  3,7,  horizontale  Breite  3,5;  gr.  Höhe  3,4,  vertikale 
löhe  3,7.  Hypsikonchie  91,8,  Nasenhöhe  .5,0,  gr.  Breite  der  Nasen- 
öffnung 2,4,  Mesorrhinie  (Index  48,0).  Nasenbeine  sehr  schmal,  vier- 
eckig, Nasenöffnung  langoval,  unterer  Nasenrand  scharfkantig, 
Nasenstachel  mittellang.  Nasenrücken  kaum  eingesattelt.  Fossa 
canina  mäßig  tief.  Jochbeine  seitlich  anliegend,  Jochbogen  kauna 
ausgebaucht.     Alveolarfortsatz   des    Oberkiefers    hoch,   sehr    wenig 

fegen  die  Horizontale  schräg  gestellt.     Zähne  gut  erhalten,  Zahn- 
ronen des  Oberkiefers  senkredit  gestellt,  leicht  einwärts  geneigt. 
Gebiß : 


7    6    5    4   3   2    1 


8     7    6    5    4    3 


12   3    4   5    6    7 


2  [1]       [1]   2    3    4   5    6    7    8 

Keine  Caries,  nur  wenig  Zahnstein.  Zahnbogen  in  Parabelform. 
Biß  gerade,  obere  Schneidezähne  überbeißend,  scharfe  Artikulation,. 
Zahnkronen  schmal,  klein,  wenig  abgekaut,  horizontal.  Gaumen 
hoch  gewölbt,  schmal.  Unterkieferwinkel  115 ",  Distanz  der  Kiefer- 
winkel 9,2.  Kinn  spitz,  Protuberanz  mäßig  entwickelt,  Rand  des 
Unterkieferkörpers  mitteldick,  geradlinig.  —  Koronalnaht  stark  ge- 
zackt, ebenso  Sagittalnaht  und  Lamdanaht,  zwei  kleine  Schaltknochen 
im  linken  Ast  derselben.  Hinterhauptsschuppe  leicht  ausbauchend. 
Muskelleisten  mäßig  entwickelt.     Warzen fortsatz  lang. 

Vom  übrigen  Skelett  nichts  erhalten. 


Die  vor-  u.  frühgeachichtl.  Funde  der  Grafechaft  Camburg.  321 

K       ?.?*'^ü''^•f  ^u"^''^^^*i  J'-^^  *"  ^*°g-  <i'e  Knochen  ganz  un- 
brauchbar,  bchadel  aber  gut,  dabei  zwei  Ohrgehänge,  ein  Eiraerhenkel." 

ÖO)  „F."    Frau  mittlerer  Jahre. 

Unterkiefer  (No.  1598)  mit  gutem  Gebiß,  keine  Caries.  Zahn- 
tw"^u-  ,/f "'  T^enig  abgekaut,  horizontal.  Kinn  spitz,  rechte  Unter- 
kieferhalfte  schwarz  gefleckt  von  Branderde.   Kieferaete  abgebrochen 


Der  linke  Eckzahn  hat  zwei  Wurzeha. 

Vom  übrigen  Schädel  erhalten  in  einem  Stück,  aber  seitlich 
lum  Teil      ""  ^^^^'■"ckt:  Os  frontia,  Ossa  parietalia,  Os  occipiti« 

Sonst  keine  Skelettreste. 

Notiz  zu  F  6.  „Skelett  1,68  m  lang,  Knochen  unbrauchbar, 
bchadel  gut;  in  Imker  Hand  ein  Messer." 

51)  „F  7."    Frau  von  ca.  40  Jahren. 

Schädel  (No.  1591)  vollständig  bis  auf  rechtes  Schläfenbein  und 
Unterkiefer,  zusammengesetzt,  im  ganzen  zierlich.    Fig.  144. 


Fig.  144.  V,. 

Gerade  Länge  18,.3  =  größte  Länge,  Intertuberallänge  13,0, 
kleinste  Stimbreite  9,6.  Ohrhöhe  .11,8  =  Hilf sohrhöhe.  Breite  der 
Schädelbasis  11,2,  Horizontalumfang  51,0,  Sagittalumfang  383.  Der 
Schädel  ist  dolichocephal  (Index  71),  charaäcephal  (Index  64,2). 
Stirnhöcker  wenig  entwickelt.  Starker  Supraoroitalwulst,  Glabell« 
vorgewulstet,  Nasenrücken  eingesattelt.  Gesichtsbreite  nach  Virchow 
9,5,  V.  Holder  11,1.  Obere  Gesichtshöhe  6,4,  schmales  Obergesicht 
(Index  67,3). 

Augenhöhleneingang  abgerundet  viereckig,  größte  Breite  3,9, 
horizontale  Breite  4,75 ;  gr.  Höhe  3,1  =  Vcrtikalhöne.  Chamäkonchie 
(Index  79).  —  Nasenbeine  viereckig,  dachförmig  aneinandergestellt. 
Nasenhöhe  4,3;  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,3.  riatyrrhinie 
(Index  53,0).  Fossa  canina  mäßig  tief.  Jochbeine  seitlich  gestellt, 
Jochbogen  wenig  auegebaucht.  —  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefer» 


322  I^ie  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

sehr  schräg  gestellt  gegen  die  Horizontale,  ziemlich  lang.    Gebiß 
gut,  keine  Caries. 

8  7  6  5  4  3  [2]  [1]|[1]  [2]  3  4  5  6  7  8 

Die  ersten  Molaren  stark  abgekaut  schräg  nach  innen,  die  anderen 
fast  gar  nicht.  Zahnbogen  parabolisch.  Gaumen  flach,  vom  Foram. 
incisivum  schräg  nach  der  Ecke  der  mittleren  Schneidezähne  zu  ver- 
laufende feinlinige  Nähte.  Gaumenlänge  5,1,  Gaumenmittelbreite  4,2, 
Gaumenendbreite  4,1.  Mesostaphylin  (Index  80,0).  Nähte  grob- 
zackig, am  linken  Schenkel  der  Lambdanaht  zwei  reich-  und  lang- 
zackige Schaltknochen.  Scheitelbeine  in  der  Sagittalnaht  flach  dach- 
förmig aneinanderstoßend.  Parietalhöcker  deutlich  hervortretend. 
Muskelleisten  der  Hinterhauptsschuppe  gering.  Spitzer  drei- 
eckiger Schlaf enschuppenfortsatz  bis  beinahe  an  das 
Stirnbein  linkerseits.  Linke  Kopfseite  schwarz  gesprenkelt 
durch  Aufliegen  auf  Branderde. 

Keine  weiteren  Skelettteile. 

Notiz  zu  F  7.  „Weibliches  Skelett  1,54  m  lang,  Knochen  defekt ; 
im  hnken  Arm  ein  Kind  (s.  folgende  No.).  Dicht  dabei  zur  Linken 
am  Hals  Bruchstücke  von  Perlen." 

52)  Kind  8.    IV,  Jahr  alt. 

Zusammengesetzter  Schädel  (No.  1590),  es  fehlt  das  mittlere 
Gesicht.    Fig.  145. 


Fig.  145.  Vv 

Größte  Länge  16,2,  Intertuberallänge  16,3,  größte  Breite  11,3, 
kleinste  Stirnbreite  7,6,  Hilfsohrhöhe  10,8.  Horizontalumfang  44,2, 
Sagittalumfang  82,0,  wovon  11,0  auf  Stirnbein  entfallen.  Stirnhöcker 
stark  hervortretend,  Stirnnaht  bis  auf  einen  kleinen  Rest  auf  der 
Glabella  obUtteriert,  Parietalhöcker  kräftig.  Länge  der  Sagittalnaht 
11  cm.  Bemerkenswert:  spitzdreieckiger  Fortsatz  deir 
Schlaf en schuppe  links  bis  ans  Stirnbein,  Scheitelbein 
und  Wespenbeinflügel  trennend.  For.  magnum  spitzoval> 
2,2  cm  breit.  Oberer  Teil  der  Hinterhauptschuppe  kräftig  ausge- 
baucht, relativ  schmal.  Länge  der  Schädelbasis  8,5.  Der  Schädel 
ist  dolichocephal. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  323 

Unterkiefer  vollständig,  Unterkieferwinkel   135',  Distanz  der 
beiden  6,1.    Gebiß  normal,  Stellung  der  Zähne  gerade. 


6  V  IV   III  fllj  Ij  I  II  III  IV  V  6 
V  und  6  beiderseits  tief  li^end.    Kinn  stumpf,  kräftige  Pro- 
tuberanz,  parabolische  Zahnkurve. 
Lag  beim  vorigen  Skelett. 

63)  „F  8."    Ältere  Frau. 

Unterkieferhälfe  (No.  1606):  Kinn  vorspringend,  Zahnkronen 
klein,  weiß,  ohne  Zahnstein,  stark  abgekaut,  unregelmäßig.  2.  Molar 
bei  Lebzeiten  verloren,  Alveole atrophiert  und  bei  Extraktion  zerbrochen, 
da  der  1.  Molar  eine  hoch  freistehende  distale  Wurzel  hat 

Notiz  zu  F  8.  „Skelettknochen  ganz  untauglich,  1,66  m  lang, 
in  der  rechten  Hand  ein  Messer." 

54)  „F  9."    Erwachsene  Person. 

Schädelrest  in  einem  Stück  zusammenhängend:  Stirnbein, 
Scheitelbeine,  Hinterhauptsbein,  Schläfenbeine,  Wespenbein.  Arcus 
superciliares  und  Glabella  gewulstet.    Schädel  oval,  regelmäßig. 

Keine  Beigaben. 

65)  „F  10."    Ältere  Frau. 

Sehr  gut  erhaltener  Schädel  (No.  1587),  im  ganzen  zierlich. 
Fig.  146. 


Fig.  146.  Vr 
Gerade  Länge  17,8,  größte  Länge  18,0,  Intertuberallänge  17^5.  Größte 
Breite  12,7,  kleinste  Stirnbreite  9,05.  Ganze  Höhe  J3,7,  Hilfahöhe 
13,6,  Ohrhöhe  11,5  =  Hilfsohrhöhe.  Länge  der^^Splmdelbaaui  10^ 
Breite  der  Schädelbasis  11,1.  HorizontalumW  60,0,  SagitUilumfang 
34,5.  Vertikaler  Querumfang  29,5.  DoUchocephalie  70A  Orthocephahe 
75,0.  Glabella  und  Arcus  superciliares  mäßig  entwickelt 


324  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Das  Gesicht  ist  schmal  (Index  126),  auch  das  Obergesicht 
(Index  79).  Gesichtsbreite  nach  Virchow  9,1,  nach  v.  Holder  11,2, 
Jochbreite  13,1,  Gesichtshöhe  11,5,  obere  Gesichtshöhe  7,2.  Nasen- 
rücken gerade,Nasenbeine  viereckig,  steil  dachförmig  aneinanderstoßend. 
Nasenöffnung  ulmenblattförmig,  unterer  Nasenrand  stumpfkantig. 
Nasenhöhe  5,05,  gr.  Breite  der  Nasenöffnung  2,4.  Leptorrhinie  (In- 
dex 47).  —  Augenhöhleneingang  abgerundet  viereckig,  gr.  Breite  3,9 
=  horizontale  Breite;  gr.  Höhe  3,3  =  Vertikalhöhe.  Querachsen 
wenig  nach  außen  unten  geneigt.  Mesokonchie  (Index  84).  —  Fossa 
canina  flach.  Wangenbeine  etwas  nach  vorn  gedreht.  Alveolarfort- 
satz  des  Oberkiefers  mittelhoch,  tiefes  erbsengroßen  Loch  über  der 
Wurzel  des  rechten  lateralen  Oberkieferschneidezahn  (Cyste).  Gebiß: 


8   (7)   6   5   4   [3|    [2J    [1] 


7    (6)  5  4   [3]     2      1 


[1]   2   3    4  5   (6)    7    [8] 


2   3    4    5   (6)  (7)  8 


Zahnstein  in  stärkerem  Maße.  Durch  das  Fehlen  vom  2. 
rechten  oberen  Molaren  hat  sich  der  1.  Molar  dem  Weisheitszahn 
derart  genähert,  daß  sich  die  Lücke  um  mehr  als  die  Hälfte  verringert 
hat  und  dadurch  eine  unregelmäßige,  aber  scharfe  Artikulation  zu 
Stande  gekommen  ist.  Kleine  Zahnwurzeln.  Zahnbogen  im  Unter- 
kiefer eine  Parabel,  im  Oberkiefer  Halbkreis,  Biß  gerade.  —  Gaiunen- 
länge  5,2,  Gaumenmittelbreite  4,4,  Gaumenendbreite  3,8.  Lepto- 
staphylin  (Index  73).  Unterkiefer  hoch,  unterer  Rand  des  Unter- 
kieferkörpers mitteldick,  leicht  geschweift.  Kinn  etwas  vorspringend, 
stumpf.  Protuberanz  wenig  entwickelt.  Muskelansätze  ziemlich 
kräftig.  Kieferwinkel  131 ",  Distanz  der  beiden  10,1.  Koronalnaht 
reich  gezackt,  Sagittal-  und  Lambdanaht  labyrinthisch  verschlungen. 
Am  Lambda  großer  Schal tknochen,  Muskelansätze  der  Hinterhaupts- 
schuppe wulstig,  oberer  Teil  der  Schuppe  kapseiförmig  vorspringend. 
Länge  der  Pars  basilaris  3,1,  Foramen  magnum  langoval,  3,0  breit, 
3,8  lang.    Profillänge  10,3. 

Keine  weiteren  Skelettreste. 

Notiz  zu  F  10.  „Skelett  1,60  m  lang,  Knochen  unbrauchbar, 
Schädel  gut,  in  linker  Hand  ein  Messer." 

56)  Sehr  alte  Person. 

Vom  Schädel  sind  erhalten:  Das  Mittelstück  des  Unterkiefers, 
ohne  Zähne,  die  postmortal  ausgefallen,  ein  Stück  vom  Oberkiefer 
mit  drei  stark  aogekauten,  kariösen  Zähnen  (2.  Prämolar  rechts 
und  links,  Eckzahn),  alle  übrigen  Zähne  sind  intra  vitam  verloren. 


Anmerkung:  Über  das  slavische  Gräberfeld  finden 
sich  kurze  Notizen  in: 

1)  Korrespondenzblatt  der  deutsch.  Ges.  für  Anthropologie, 
Ethnologie,  Urgeschichte  1871.  No.  6—10. 

2)  Ebenda  1872.  No.  6.  S.  46. 

3)  Schaaffhausen,  Sur  quelques  trouvailles  faites  en  AUemagne. 
Congrfes  international  d' Anthropologie  et  d'arch^ologie  pr^historique 
Compt.  rendu  de  la  7  °  session.  Stockholm  1874.  Tome  IL  p.  841—850. 

4)  Korrespondenzblatt  der  deutsch.  Ges.  für  Anthropologie, 
Ethnologie  und  Urgeschichte  1876.  No.  9.  S.  76—84. 

5)  Supplement  des  Berliner  Katalogs  v.  J.  1880.  S.  29. 

6)  E.  Eichhorn,  Grafschaft  Camburg. 

7)  Regel,  Thüringen,  T.  IL  S.  516—517. 


Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Caitiburg.  325 

8)  R.  Lehmann,  Beiträge  zur  prähistorischen  Chirurg! 
Funden  aus  deutscher  Vorzeit. 

Zum  spezielleren  Studium  standen  mir  zur  Verfügung  au«  dem 
Germanischen  Museum  zu  Jena: 

Ein  Brief  von  Dr.  Bender  an  Klopfleisch  vom  2.  April  1869 
(Act.  des  Germ.  Mus.  Jena. 

Lose  Blätter  aus  einem  Notizbuch  Klopfleische  1871.  1872), 

Ein  kurzer  Bericht  von  Schachtmeister  Alayer  an  Klopflei)»ch. 

Zwei  Tafeln  mit  Zeichnungen  von  Klopfleisch. 

Eine  Wandtafel  im  Germ.  Museum  zu  Jena  No.  57.    (1891. 
Wandtafel  No.  XXIX.) 


Beste  vorgeschichtlicher  Wohnplätze, 
a)  An  der  neuen  Ziegelei. 

Trichterförmige  Abfallgruben,  die  Reste  vorgeschicht- 
licher Siedejungen,  entdeckte  Heim  westlich  der  Stadt  bei 
der  neuen  Ziegelei  an  der  Straße  nach  Döbritschen.  Er 
fand  in  denselben  Urnenreste  mit  Tupfenleisten,  neben 
nicht  ornamentierten  Gefäßscherben;  ferner  einen  Klopf- 
st e  i  n ,  halbkugelförmig,  stark  beschädigt,  von  10  cm  Breite ; 
einen  Mahlstein  (Läufer)  mit  abgeplatteter,  rauher  Fläche 
von  24  cm  Breite,  auf  der  Gegenseite  in  der  Mitte  mit  kreis- 
förmiger Vertiefung.  (Die  Funde  sind  jetzt  im  B.V.M.  IIb 
2640  a — d).  In  seiner  jetzigen  Privatsammlung  besitzt 
Heim  ein  ca.  15  cm  langes,  im  Querschnitt  abgestumpft 
dreieckiges  Stein  gerät  von  cylindrischer  Gestalt,  mit  Rille, 
was  ebenfalls  an  der  neuen  Ziegelei  gefunden  wurde. 

Aus  „Thielemanns  Ziegelei"  ferner  einen  Randscherben 
eines  großen  Tongefäßes,  dessen  Masse  mit  Quarzstückchen 
reichlich  durchsetzt  ist;  der  7  cm  hohe  glatt  gestrichene 
Hals  ist  leicht  nach  außen  ausladend,  der  sich  anschließende 
Bauchteil  raub,  mit  einem  senkrecht  nach  unten  verlaufenden 
schmalen,  nasenförmigen  Ansatz  versehen.  Die  Krümmungs-  ' 
Verhältnisse  des  Scherben  lassen  auf  ein  Gefäß  von  wenigstens 
25  cm  Höhe  schließen. 

b)  An  der  Chaussee  nach  Sohmledehausen. 

Bei  Ausgrabungen  an  der  Chaussee  nach  Scluniedehausen 
auf  Camburger  Gebiet  förderte  Heim  Urnenreste  zu  Tage, 
die  unverziert  waren.  , 

XXIL  22 


» 


c 


326  I^ie  vor-  XI.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Eiuzelfunde. 

Nähere  Bezeichnung  der  Fundstelle  finden  sich  nur 
bei  wenigen  Einzelfunden.  •> 

Im  Henneberger  Haus  in  Meiningen  liegt  ein  Bruch- 
stück eines  ca.  7  cm  breiten  keilförmigen  Steinbeils,  das 
beim  Bau  der  Niederlage  des  Kaufmann  Stürze 
gefunden  worden  ist. 

Bei  einer  sechsflächigen  facettierten  rötlichen  Perle 
ist  als  Fundstelle  der  Flurname    „Lisch wig"  angeojeben. 

(RH) 

An  Einzelfunden  auf  Camburger  Stadtflur  ohne 
speziellere  Angaben  bewahrt  das  HennebergerHaus  in  Meiningen : 

Eine  ca.  10  cm  lange,  schuhleistenförmige gewölbte  Steinhacke; 

eine  kleinere,  hochgewölbte  Steinhacke  mit  zugespitztem 
Bahnende ; 

einen  faustgroßen  Reib  st  ein  aus  Porphyr; 

zwei  apfelgroße  Glatt  steine; 

einen  kleineren  Glatt  st  ein. 


Ein  kleines  vierkantiges  Steinbeil,  grau  mit  schwarzer 
Sprenkelung ,  mit  gerader  Ober-  und  Unterseite ,  leicht  gewölbten 
Seitenwangen,  zugespitztem  Bahnende,  von  8,6  cm  Länge,  15  cm 
größter  Breite  besitzt  das  Germanische  Museum  zu  Jena. 


Eine  polierte,  mit  Bohrloch  versehene  Steinaxt  aus  Camburg 
aus  der  Sammlung  des  Oberstabsarztes  Dr.  Schwabe  in  Weimar  — 
war  1880  auf  der  Ausstellung  prähistorischer  und  anthropologischer 
Funde  in  Berlin  ausgestellt  (Katalog  der  Ausstellung  S.  542). 


In  den  Mitteilungen  der  G.  und  A.  G.  des  Osterlandes  zu 
Altenburg  I.  B.  wird  em  mündlicher  Vortrag  des  Mühlenverwalters 
Brauer  in  Camburg  am  15.  April  1840  erwähnt  über  Ausgrabungen 
von  Altertümern  (Vasen,  Schalen,  Knochen,  Reifen  etc.)  in  der  Cam- 
burger Gegend  und  unter  den  Altertümern,  die  die  genannte  GeseU- 
Bchaft  besitzt,  1841  in  den  Mitt.  I.  B.  S.  27  erwähnt  unter  anderen: 

„Ein  halber  steinerner  Streithammer  (sog.  Donnerkeil); 

vier  eiserne  schmale  Reifchen  nebst   eisernem  Bügel; 

Bruchstücke  einer  Aschenurne,  Scherben  von  Vasen." 

Alles  im  Amtsbezirk  Camburg  aufgefunden  (Mühlenverwalter 
Brauer  daselbst)."  Es  erinnern  diese  Funde  an  die  Beigaben  des 
1871  ausgebeuteten  slavischen  Gräberfeldes. 

Einen  schön  polierten,  polygonal  (elfflächig)  fecettierten  Axt- 
hammer  mit  Schaftloch,  Länge  14  cm,  größte  Breite  5,3  cm,  Höhe 
3  cm,  besitzt  Heim  in  seiner  jetzigen  Sammlung. 


Die  vor-  u.  frühgeschichll.  Funde  der  Grafschaft  Camburg.  327 

Einzelfunde  aus  Caraburg  im  Berliner  Völkermu^eam: 

Steinbeil,  sehr  gut  poliert,  vierkantig,  nach  dem  Bahn- 
ende sich  leicht   verjüngend,  obere   und  untere  Schmalseite 
feradf lächig ,  Schneide  etwas  gebogen.  Seitenwangen  flach  gewölbt, 
tahnende  geradflächig.    Länge  11cm,  Schneidenhöhe  5,5  cm. 

Kllb.  133. 

Steinbeil,  meist  gut  poliert,  vierkantie,  nach  dem  Bahnende 
sich  leicht  verjüngend,*  ooere  und  untere  Scnmalseite  geradflächig, 
Seitenwangen  sehr  flach  gewölbt,  Schneide  schief  verlaufend,  Bahn- 
ende abgerundet.    L.  7,7  cm,  Schneidenhöhe  4,9  cm.     Kllb.  134. 

Steinbeil,  leicht  facettiert,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende 
sich  etwas  verjüngend,  obere  und  untere  Schmalseite  gera(lflä<-hig, 
Seiten wangen  sehr  flach  "gewölbt.  Schneide  gebogen,  Bahnende  schräg 
abfallend,  ohne  Sorgfalt  behandelt.  L.  11,0  cm,  wihneidenhöhe  5,5  cm.* 

Kill).  1122. 

Steinbeil,  vierkantig,  aus  schwärzlichem  Gestein ,  Schmalpciten 
geradflächig,  Seitenwangen  flach  gewölbt.  Bahnende  abgenmdet; 
Schneide  gebogen.    L.  8,0,  Schneidenhöhe  5,0.  Kllb.  IKX). 

Steinbeil,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  sich  etwas   ver- 
jüngend,  aus   grauem   Gestein,  die   obere   und   untere  Schmalseite 
feradf  lächig,  Seiten  wangen  sehr  flach  gewölbt,  Schneide  fast  gerade, 
i.  7,0,  Schneidönhöhe  4,0.  .  IIb.  1279. 

Steinbeil,  beschädigt,  aus  grauem  Gestein,  nach  dem  Bahn- 
ende zu  sich  verjüngend,  flach  gewölbte  Schmalseiten  i^nd  Seiten- 
wangen.   L.  8,  Schneidenhöhe  4,8.  II  b.  1532. 

Steinbeil,  vierkantig,   nach  dem  Bahnende  sich  etwas  ver- 
jüngend, aus  grauem  Gestein,  Schneide  gebogen,  Schmalseiten  gerad- 
flächig,  Seitenwangen  flach  gewölbt,  Bahnende*  abgerundet. 
L.  9,0,  Schneidenhöhe  4,8.  •  11  b.  1534. 

Steinbeil,  vierkantig,  aus  grauem  Glestein,  nach  dem  Bahn- 
ende sich  etwas  verjüngend,  Schneide  gebogen,  Seitenwangen  gewölbt, 
obere  und  untere  Schmalseite  geradflächig.  Bahnende  abgerundet 
L.  14,0,  Schneidenhöhe  7,0.  .    "  ^  Hb.  1704. 

Steinbeil,  nach  dem  Bahnende  sich  ^twas  verjüngend,  vier- 
kantig, aus  grauem  Gestein,  unvollständig,  Schneide  gebogen,  obere 
und  untere  Schmalseite  annähernd  geradflächig.  L.  7,0,  Schneiden- 
höhe 5,0.  II  b.  18.55. 

Steinbeil,  beschädigt,  vierkantig,  aus  schwärzlichem  Gestein, 
nach  dem  Bahnende  sich  etwas  verjüngend.  Schneide  leicht  gebogen, 
schief  verlaufend.  Seiten  wangen  sehr  flach  gewölbt,  Bahnende  abge- 
rundet.    L.  7,5,  Schneidenhohe  4,5.  11  b.  ia56. 

Steinbeil,  beschädigt,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  sich 
etwas  verjungend,  aus  grauem  Gestein,  Schneide  kaum  gelwMn, 
Schmalseiten  geradflächig,  Seiten  wangen  sehr  flach  gewölbt,  in- 
ende abgerundet.    L.  5,5,  Schneidenhöhe  4p.  H  b.  1857. 

Steinbeil,  beschädigt,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  »ich 
etwas  verjüngend.  Schneide  kaum  gebogen,  Schmalseiten  geradflachie, 
Seitenwangen  sehr  flach  gewölbt,  Bahnende  abgerundet,  aus  dunkel- 
grauem Gestein.    L.  5,5,  Schneidenhöhe  4,0.  ,    H  o.  löö». 

Steinbeil,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  sich  etwM  ver- 
jüngend,  Schmalseiten    geradflächig ,   Seitenwangen    flach   gewölbt, 
Schneide  gerade.  Bahnende  abgerundet,  aus  grünem  Gestein. 
L.  4,0,  Schneidenhöhe  3,0.  "  •>.  185». 

22» 


328  I^JG  voi*-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Steinbeil,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  sich  etwas  ver- 
jüngend, Schneide  leicht  gebogen,  Schmalseiten  geradflächig,  Seiten- 
wangen sehr  flach  gewölbt.  Bahnende  abgerundet,  aus  grauem  Gestein. 
L.  6,5,  Schneidenhöhe  4,0.  ,  II  b.  2202. 

Steinbeil,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  sich  etwas  ver- 
jüngend. Schneide  gerade,  Seitenwangen  flach  gewölbt.  Bahnende 
schräg.    L.  6,5,  Schneidenhöhe  4,0.  II  b.  2203. 

Steinbeil,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  sich  wenig  ver- 
jüngend, Schneide  wenig  gebogen,  Schmalseite  gerade.  Bahnende  fehlt. 
Länge  des  erhaltenen  Stückes  9,2.  II  b.  2424. 

Steinbeil,  vierkantig,  etwas  beschädigt,  nach  dem  Bahnende 
sich  wenig  verjüngend.  Schneide  leicht  gebogen,  Schmalseiten  gerad- 
flächig, Seitenwangen  flach  gewölbt,  Bahnende  abgerundet.    L.  8,5. 

II  b.  2425. 

Steinbeil,  vierkantig,  nach  dem  Bahnende  sich  verjüngend. 
Schneide  stark  gebogen,  Seitenwangen  flach  gewölbt,  Bahnende  ab- 
gerundet.   L.  8,5.  II  b.  2468. 

Steinbeil,  vierkantig,  facettiert,  gut  erhalten,  nach  dem 
Bahnende  sich  etwas  verjüngend.  Schneide  gebogen,  Schmalseiten 
geradflächig,  Seitenwangen  flach  gewölbt,  Bahnende  gerade.    L.  6,2. 

II  b.  2799. 

Steinbeil,  stark  beschädigt,  nach  dem  Bahnende  sich  etwas 
verjüngend.  Schneide  gebogen,  Seitenwangen  flach  gewölbt.  Bahnende 
abgerundet.    L.  7,0.  II  b.  2800. 


Steinbeil,  mit  spitzem  Bahnende,  Schneide  gebogen, 
Seitenwangen  gewölbt,  in  spitzem  Winkel  aneinanderstoßend,  rauhe 
Oberfläche.      L.  8,0,  Schneidenhöhe  5,0.  IIb.  1123. 

Steiiibeil,  das  spitze  Bahnende  abgebrochen,  aus  schwarzem 
Gestein.    L.  6,0,  Schneidenhöhe  8,5.  IIb.  1241. 

Steinbeil,  vierkantig,  aus  grauem  Gestein,  mit  spitzem  Bahn- 
ende, flach  gewölbten  Seiten wangen,  gebogene,  an  der  einen  Ecke 
beschädigte  Schneide.     L.  10,0,  Schneidenhöhe  5,0.         II  b.  1533. 

Steinbeil,  vierkantig,  aus  grauem  Gestein,  mit  spitzem  Bahn- 
ende, flach  gewölbten  Seitenwangen.  Gebogene  Schneide.  L.  9,0, 
Schneidenhöhe  6,0.  II  b.  2107. 

Steinbeil,  aus  Flint,  nach  dem  Bahnende  zu  sich  zuspitzend. 
Schneide  gebogen.    L.  6,1.  II  b.  2422. 

Steinbeil  mit  spitzem  Bahnende,  sehr  gut  erhalten,  die  ge- 
wölbten Seitenwangen  in  scharfer  Kante  spitzwinklig  aneinander- 
tretend,  Schneide  gebogen.    L.  19,0.  II  b.  2638. 


Steinhacke,   hochgewölbt,   schuhleistenförmig,   aus  grauem 
Gestein.    L.  14,0,  größte  Breite  4,5.  II  b.  1124. 


Steinhacke,  breit,  flach,  vierkantig,  aus  schwarzem  Gestein, 
die  gebotene  Schneide  in  scharfem  Winkel  an  die  geradflächigen 
Schmalseiten  angrenzend.    L.  11,0,  gr.  Br.  6,8.  IIb.  1159. 

Steinhacke,  breit,  flach,  leicht  facettiert,  am  Bahnende  be- 
schädigt. Schneide  gebogen,  allmählich  in  die  Schmalseiten  übergehend, 
aus  grauem  Gestein.    L.  7,0,  gr.  Br.  7,9.  II  b.  1239. 


Die  vor-  u.  frühgcschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg,  329 

Steinhacke  aus  dunkelgrauera  Gestein,  breit,  flach,  vier- 
kantig; die  geradflächigen  Schmalseiten  abgerundet  in  die  gebogoae 
Schneide  übergehend,  am  Bahnende  etwas  beschädigt.  L.  7,0,  gr. 
Br.  4,0.  II  b.  1240. 

Steinhacke  aus  grauem  Geetein,  flach,  breit,  die  gebogene 
Schneide  abgerundet  in  die  Schmalseiten  übergehend.  L.  0,8,  gr. 
Br.  0,5.  II  b.  1242. 

Steinhacke  aus  grünlichem  Gestein,  facettiert,  vierkantig, 
die  gebogene  Schneide  in  scharfem  Winkel  an  die  gerad flächigen 
Schmalseiten  angrenzend.  L.  12,5,  gr.  Br.  5,0.  II  b.  1535. 

Steinhacke  aus  schwärzlichem  Gestein,  flach,  breit,  mit  ab- 

§erundeter,  allmählich  bogenförmig  in  die  Schmalseiten  umbiegender 
chneide.    L.  8,4.  II  b.  2406. 


Steinaxt  aus  grünlichem  Gestein,  mit  Schaftloch,  mit  hoch-. 

festellter,  scharfer  Schneide,  Bahnende  breit,  wenig  bearbeitet. 
,.  11,0,  gr.  Br.  6,2.  II  b.  1238. 

Steinaxt  aus  grauem  Gestein,  plumpe  Form,  mit  Schaftloch, 
horizontaler  Querschnitt  dreieckig,  vertikaler  unregelmäßig  recht- 
eckig. Bahnende  breit,  abgerundet.  L.  10,0,  gr.  Br.  7,0.     II  b.  1408. 

Steinaxt  aus  grauem  Gestein,  beschädigt,  mit  'Schaftloch. 
Die  Schmalseiten  in  einer  Sdineide  unter  spitzem  Winkel  sich  ver- 
einend. Bahnende  schräg.  Horizontalschnitt  areieckig,  Vertikalschnitt 
rechteckig.    L.  13,0,  gr.  Br.  4,5.  II  b.  1G75. 

Steinaxt  mit  Schaftloch,  im  Horizontalschnitt  dreieckig,  im 
Vertikalschnitt  rechteckig.  Die  Schmalseiten  unter  einem  spitzen 
Winkel  zu  einer  scharfen  Schneide  sich  vereinend,  Bahnende  breit, 
abgerundet.    L.  13,5.  II  b.  2639. 

Steinaxt  aus  schwärzlichem  Gestein,  mit  Schaftloch,  leicht 
facettiert,  im  Horizontalschnitt  dreieckig,  im  Vertikalschnitt  recht- 
eckig. Die  Schmalseiten  unter  spitzem  Winkel  sich  zu  einer  scharfen 
Schneide  vereinend,  zum  Bahnende  allmählich  umbiegend,  Bahnende 
abgerundet.    L.  10,0,  gr.  Br.  4,0.  II  b.  1901. 


Schöner  polygonal  facettierter  Axthammer  aus  schwärzlichem 
Gestein,  im  Horizontalschnitt  fünfeckig.  Die  Schmalseiten  zu  beiden 
Seiten  des  Schaftloches  in  leichter  Biegung  zu  einem  Kamm  aueee- 
zogen,  Bahnende  breit,  abgerundet.  Von  der  Seite  betrachtet  ist  der 
axtförmige  Teil  nach  unten  verbreitert,  so  daß  die  Schneide  höher 
als  der  übrige  Hammerteil  ist.    L.  15,0,  gr.  Br.  4,8.        II  b.  1705. 

Große  hochgewölbte,  Schuhleisten  förmige  Hacke  aus 
grauem  Gestein,  quer  durchlocht.  L.  22,0,  gr.  Br.  G,0.     IIb.  1413. 

Hirschhornhammer  mit  kreisrundem  Schaftloch,  mit 
breitem  Bahnende,  Schneidenteil  fehlt.  L.  des  erhaltenen  Stücke» 
12,5,  gr.  Br.  6,5.  "  »•  1^31. 

K 1  o  p f  s  t  e  i  n ,  würfelförmig,  abgerundet,  mit  zentraler  Vertiefung 
auf  den  Seiten.     Mittlerer  Durchmesser  6  cm.  II  b.  1412. 


330  Die  vor-  u.  frühgeschichtl.  Funde  der  Grafschaft  Camburg. 

Klopf  stein  aus  grauem  Gestein,  von  annähernder  Kugelform 
mit  einzelnen  Kanten.    Mittl.  Durchm.  7  cm.  IIb.  1854. 

Klopfstein  aus  rötlichem  Gestein,  kugelförmig.  Mittl. 
Durchm,  7,5  cm.  IIb.  2031. 


Reib  er  von  Halbkugelform,  gr.  ßr.  9,0  cm.  IIb.  2426. 


Feuerst  ein span  ,  L.  3,4,  gr.  Br.  3,0,  IIb.  1536. 

Zwei  weitere  Feuersteinspäne.  II  b.  1537. 

Feuersteinmesser,  doppelschneidig  und  zugespitzt,  7  cm 
lang,  2  cm  breit,  im  Vertikalschnitt  flach  dachförmig.    II  b.  1860. 

Feuerstein m es ser,  doppelschneidig,  5  cm  lang,  2  cm  breit, 
auf  der  einen  Schneide  vielfach  zahnförmig  gemuschelt.     II  b.  1902. 


Miszellen. 

II. 

Mitt«ilimgeu  aus  Copialbiichern  der  Stadt  Naumburg:  a.  S. 

Von  Karl  Schöppe. 

Von  einer  eigenartigen  Beleidigung,  deren  Bedeutung 
noch  der  Erklärung  bedarf,  handelt  das  folgende  Leumundszeugnis 
des  Nauraburger  Rates :  „Wir  burgemeister  und  geschworene  ratmanne 
der  Stadt  Naumburg  bekennen  hiemit  gegen  ydermänniglich,  so  dieser 
unser  offene  brief  vorkumpt,  den  senen  oder  hören  lesen,  und  be- 
sunderlich  gegen  euch,  fürsichtigen  und  ehrsamen  herren  burge- 
meistern  und  raten  zu  Eisenberg,  daß  auf  heute  montag  nach  St. 
Lorenzentage  dieses  1521.  jahrs  vor  uns,  als  wir  nach  gewöhnlicher 
verheischung  ratsweise  versammelt,  persönlich  erschienen  ist  der 
fürsichtige  Lorenz  Kune,  gegenwärtigen  briefs  zeiger,  etwa  unser 
bürger,  anzeigend,  wie  er  nach  seinem  abschiede  von  uns  und  als  er 
sich  allhieher  zu  euch  um  seiner  b&sserung  willen  gewandt,  von  etz- 
lichen  euren  einwohnern  mit  schmähelichen  worten,  die  ihm  auch 
seine  ehr  und  gut  gerüchte  letzen  thäten,  beschwerlicherweise  be- 
leidigt und  geschmähet  würde  und  u.a.  ein  achtundzwanziger 
von  Naumburg  gescholten  würde,  welches  ihm  zu  merklicner 
verkleinung,  höhn,  schmähe  und  schände  reichte,  vertraulicher  hoff- 
nung,  es  möchte  doch  solches  von  ihm  in  Wahrheit  nimmermehr 
angezeigt,  viel  weniger  rechtlich  auf  ihn  erweist  noch  beibracht 
werden.''  Auf  seine  Bitte  bescheinigt  ihm  nun  der  Rat,  „daß  uns 
nicht  anders  wissend  sei,  denn  daß  sich  derselbige  Lorenz  Kune  die- 
zeit  und  allsolange  er  bei  uns  bürger  gewesen,  aufrichtig,  frömmlich 
und  wie  einem  gehorsamen  bürger  zierabt,  wohl  gehalten  habe,  also 
daß  wir  ihm,  so  es  ihm  fügsam  gewesen,  wohl  länger  bei  uns  hätten 
erdulden  mögen". 

Von  einer  sonderbaren  Wette  erzählt  ein  Protokoll  dai 
J^^aumburger  Rates  von  1520:  „Wir  burgemeister  und  eeschworene 
ratmannen  der  stadt  Numburg  bekennen  hiemit  gegen  allermännig- 
hch  und  besonderlich  vor  euch  ehrbaren  und  ehrsamen  weisen  burge- 
meister und  ratmannen  der  stadt  Weida,  daß  auf  heute  freitag  nach 
Invocavit  dieses  1520.  jahrs  vor  uns,  als  wir  nach  gewöhnlicher 
verheischung  ratsweise  versammlet,  erschienen  ist  der  fürsichtige,  er- 
fahrene meister  Georg  Schieferdecker,  anzeigend,  wie  er  sich  allhie 
zu  Weida  mit  einem  bürger  daselbst,  der  einem  ehrbaren  rate  allent- 
halben und  wohl  bekannt,  etzlichermaßen  mit  nachfolgendem  eide 
in  der  meinung  dergleichen  worten  begriffen  und  eine  Verpflichtung 
gegen  einander  gethan  haben,  also:  Es  solle  derselbige  euer  büi^er 
vor  gewiß  und  wahr  angezeigt  und  gehabt  haben  wollen,  ea  wären 


332  Miszellen. 

aus  der  behausung  unsers  bürgers  Bastian  Friedrichs  seligen,  eines 
backen  hinter  dem  rathause  wohnhaftig,  in  nächstvergangenen 
sterbenslaüften  9  personen  verstorben ,  dargegen  genannter  Georg 
Schieferdecker  in  Wahrheit  zu  erhalten  angezeigt,  daß  derselbigen 
alsoviel  aus  solcher  behausung  nicht  gestorben  sein  sollten  und  solche 
Verpflichtung  bei  20  gülden  verpönt,  welcher  darinnen  fällig  befunden, 
dem  gewinnhaftigen  ohne  alle  rechtliche  und  ertrachtliche  behelfe 
die  zu  überreichen ;  mit  emsiger  bitte,  ihm  dieser  versterbung  und 
wie  es  sich  in  Wahrheit  darum  hielte,  ergründte  bekundschaftimg  zu 
geben ;  stallte  und  brachte  derhalb  vor  uns  die  ehrsamen,  fürsich- 
tigen Wolfen  Caspar  und  Veiten  Leuben,  als  nächste  nachbar  der 
gelassenen  witwen  desselbigen  Bastian  Friedrichs  seligen,  desgleichen 
auch  sie,  die  witwe,  selbst,  die  allenthalb  sämtlich  und  jedes  be- 
sondern, was  ihnen  um  die  anzahl  der  personen,  so  aus  dieser  be- 
hausung in  nächstem  sterben  verschieden,  zu  befragen  bittend.  Die- 
weil  wir  uns  die  Wahrheit  nach  vermögen  zu  fördern  schuldig  erkennen, 
haben  wir  ihm  solch  sein  bitten  als  ziemliches  abzuschlahen  nicht 
gewußt,  sondern  demnach  dieselbigen  unse  bürger,  auch  die  witwen 
selbst  bei  den  pflichten,  damit  sie  dem  hochw.  und  hochgeborenen 
fürsten  unsern  gn.  herrn  von  Freising  und  Numburg  und  uns  be- 
haftet und  zugethan,  was  ihnen  um  die  zahl  der  personen,  so  aus 
oft  bemeldter  behausung  Bastian  Friedrichs  seligen  in  nächstem 
sterben  hingeschieden  bewußt,  die  lautere  Wahrheit  zu  vermelden  mit 
fleiß  befragt.  Also  haben  sie  darauf  sämtlich  und  jeder  besondern 
ausgesagt  und  bekannt,  daß  daraus  Bastian  Friedrich  der  hauswirt 
selbst  und  zu  ihm  6  seiner  erben  und  nicht  mehr  verstorben  sein, 
welches  wir  also  vor  uns  geschehen  hiemit  bekennen  und  darauf 
freundlichs  fleiß  bitten,  Ihr  wollet  gemeldtem  eurem  bürger  die  billig- 
keit  und  daß  er  die  verwilligte  pön,  damit  sich  der  Eure  gegen  ihm 
verbunden,  ohne  weitere  beschwerung  bekommen  möge  und  weitere 
unkost  derhalb  nicht  thun  müsse." 

Eine  gar  naiveBemerkung  findet  sich  bei  einem  Schreiben 
des  Naumburger  Kates  vom  Mittwoch  n.  Nik.  1538  an  den  Papier- 
müller zu  Glaucha,  worin  er  ihm  den  Sohn  des  Eatsdieners  Hans 
Donner  als  Lehrling  empfiehlt.  „Hans  Donner",  bemerkt  der  Stadt- 
schreiber bei  dem  Entwürfe  dieses  Schreibens,  „hat  kein  geld,  aber 
zur  Steuer  (d.  h.  zu  den  Unkosten)  hat  er  einen  bogen  papier  kauft, 
den  will  er  —  daß  es  nicht  gar,  wie  er  spricht,  über  uns  gehen 
darf  —  darzu  geben." 

Auf  die  irage  nach  gewissen  Hand werksbräuchen  der 
Tuchmacher  gab  der  Kat  zu  Naumburg  am  Dienstag  n.  Quas. 
1528  dem  Dr.  Joh.  Rainboth,  Amtmanne  zu  Leuchtenburg  und 
Orlamünde  und  dem  Schösser  Seb.  Wellner  zu  Jena  folgende  Aus- 
kunft: ,,Wenri  jemand  fremde  tücher  in  die  Stadt  Naumburg  bringt, 
so  werden  dieselbigen  tücher  durch  die  verordneten  und  geschwo- 
renen meister  besichtigt,  und  wenn  ein  tuch  oder  mehr  zu  geringe, 
zn  schmal  oder  sonst  mit  einem  wandel  ihren  tüchern  nicht  gleich 
befunden  wird,  dasselbige  tuch  seind  sie  versessen.  Desgleichen  wenn 
unsere  meister  in  andere  städte  kommen,  da  die  tuchmacher  Innungen 
oder  zunft  halten,  müssen  sie  auch  ihrer  tücher,  ob  sie  gleich  ver- 
siegelt sein,  von  denselbigen  meistern  nach  ihrer  handwerksübung 
und  gewohnheit  besichtigung  und  erkenntnus  leiden.  Dazu'  gestatten 
unsere  tuchmacher  iddermänniglich  auf  karren  oder  wagen  tuch  in 


Miszellen.  333 

die  Stadt  zu  führen,  auch  ein,  zwu  adder  drei  nacht  ihre«  gefallou 
darin ne  zu  beharren,  doch,  daß  dieselbigen  tücher  nicht  mit  der  eile 
verschnitten  werden." 

Am  Donnerstage  Himmelfahrt  1522  mußte  sich  der  Naumburger 
Rat  mit  folgendem  Ersuchen  au  den  Vorsteher  de«  Klosters  zu  Roda 
wenden :  „Es  giebt  uns  unser  bürger  Georg  Kietze  klagend  zu  er- 
kennen, wie  ihm  seine  tochter  Agatha,  welche  noch  nicht  zu  ihren 
vollkommenen  jähren  und  beständiger  Vernunft  kommen,  durch  eine« 
priesters  dienerin  sunder  sein  bewußt,  willen  und  vergunst  ins  kloster 
zu  Koda  mit  guten ,  süßen  worten  aufgesprochen  und  geantwurt 
wurden  sei,  die  er  bisher  anher  durch  vielfältig  sein  freundlich  an- 
suchen und  erinnern  wiederum  zu  notdürftiger  hilfe  und  Handreich- 
ung seiner  aufenthaltung  und  haushaltens  nicht  habe  zu  ihm  brengen . 
rangen.  Mit  emsiger  bitte  ihn  derhalb  und  in  ansehung,  daß  solcne« ' 
alles  wider  seinen  willen  und  bewußt  geschehen,  auf  meinung,  daß 
ihm  seine  tochter  als  diejenige,  so  uocn  aus  seinem,  als  ihres  vaters 
gewalt  nicht  entledigt,  wiederum  folge,  zu  verschreiben.  So  wir 
dann  solche  seine  bitte  gar  in  nichts  vor  unbillig  ermerken  mögen, 
auch  daß  es  ja  billig,  daß  die  kinder  dem  gewalt  ihres  vaters  in 
allem  ziemlichen  gefoTgig  seien,  schätzen,  ist  unser  freundlich  fleißig 
bitten,  ihr  wollet  gemeldtem  unserm  bürger  dieselbige  Jungfrau  Aga- 
then, seine  natürfiche  und  eheliche  tochter,  wiederum  sonder  alle 
Weigerung  überreichen  und  folgen  lassen,  und  also  zwänglich  ihm 
vorzuhalten  nicht  gestatten,  damit  er  derhalb  fördere  unkoet  und 
nachrichten  nicht  thun  darf."  Der  arme  Vater  bekam  aber  darauf 
keinen  Bescheid,  weshalb  der  Rat  am  Montage  n.  Mar.  Himmelfahrt 
1522  den  Herzog  Johann  von  Sachsen  bat,  zu  beschaffen,  „daß  die 
klosterjungfrau  m  beiwesen  ihrer  eitern  und  des  klosters  Vorsteher», 
der  domina  und  wer  dies  füglich  zu  thun  und  schaffen  hat,  um 
ihr  gemüt,  sinne  und  bewegung,  warum  sie  wider  ihrer  eitern  willen, 
gunst  und  verjahung  in  berührtem  kloster  zu  bleiben  und  verharren 
gesinnt,  notdürftiglich  befragt  und  alsdann  darauf  die  billigkeit  zu 
geschehen  gnädiglich  gefehlen." 


Literatur. 


IV. 

Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
der  ProTinz  Sachsen.  Herausgegeben  von  der  Historischen 
Kommission  für  die  Provinz  Sachsen  und  das  Herzogtum 
Anhalt.  XXIV.  Heft.  Die  Stadt  Naumburg-.  Bearbeitet  von 
Dr.  Heinrich  Bergner.  Mit  162  in  den  Text  gedruckten  Ab- 
bildungen, 20  Lichtdrucktafeln  und  1  Stadtplan.  Halle  a.  S. 
(Hendel)  1903.    8°.    (Preis  10  M.). 

Dieser  neue  Band  der  Baudenkmäler  der  Provinz  Sachsen  er- 
hält durch  die  Beschränkung  auf  die  Stadt  Naumburg  einen  ein- 
heitlicheren Charakter  als  ähnliche  Kunsttopographieen  —  sehr  zum 
Vorteil  seiner  Lesbarkeit  —  und  bietet  bei  dem  großen  Reichtum 
Naumburgs  an  Denkmälern  und  Kunstwerken  aller  Jahrhunderte 
der  Naumburger  Vergangenheit  ein  geschlossenes  Bild  von  dem 
Kunstleben  einer  nicht  unbedeutenden  deutschen  Stadt.  Der  Kreis 
Naumburg  ist  in  der  Reihe  dieser  Publikation  der  Hist.  Kommission 
schon  lange  vermißt  worden;  jetzt  hat  Herr  Pfarrer  Bergner  in  der 
kurzen  Frist  von  2  Jahren  den  vorliegenden  Band  fertiggestellt, 
dem  ein  zweiter  für  den  Kreis  außerhalb  der  Stadt  folgen  soll. 
Schon  daß  nun  eine  Beschreibung  der  Naumburger  Kunstdenkmäler 
also  endlich  vorliegt,  ist  dankenswert,  mehr  noch  die  eingehende  und 
lebhafte  Art,  wie  B.  den  reichen  Stoff  behandelt  hat.  In  der  Serie, 
zu  der  es  gehört,  zeichnet  sich  das  Werk  vorteilhaft  vor  manchen 
anderen  aus,  namentlich  durch  die  Detaiüiertheit  und  Gründlichkeit 
der  Beschreibung,  durch  das  eindringende  Studium  und  die  Analyse 
sonst  meist  vernachlässigter  Teile,  wie  des  romanischen  und  gotischen 
Ornaments,  und  durch  das  Bestreben,  die  Zusammenhänge  und  die 
innere  Entwickelung  dieses  lokalen  Kunstlebens  überall  zu  erkennen 
und  hervorzuheben.  Daß  dieses  Bestreben  ihn  manchmal  etwas  zu 
weit,  zu  etwas  gewaltsamer  Vereinfachung  und  Systematisierung 
verleitet,  sowie  daß  auch  Irrtümer  und  Fehler  untergelaufen  sind, 
vielleicht  zahlreicher,  als  Ref.  bei  der  Lektüre,  ohne  Vergleichung 
der  Originale,  feststellen  konnte,  ist  wohl  begreiflich  und  entschuldbar. 
—  Die  Einleitung  gibt  in  3  Abschnitten  von  anerkennenswerter  Knapp- 
heit eine  Übersicht  über  die  Topographie  (geologischen  Chara"kter, 
Wasserläufe,  Umfang  des  Weichbildes,  Straßen,  Stadtanlage),  die 
geschichtliche  Entwickelung  der  Stadt,  bez.  des  Hochstiftes,  nament- 


Literatur.  335 

lieh  unter  den  älteren  Bischöfen  bis  zum  14.  Jahrhundert,  und  Ob« 

die  Literatur'). 

Die  Darstellung  der  Verwaltung«-  und  RechtsverhältniMe  im 
Mittelalter  leidet  an  Ungenauigkeiten ;  dafür  wäre  Hoffmann«  Buch 
über  Naumburg  im  Zeitalter  der  Reformation  heranzuziehen  ge- 
wesen;  es  findet  sich  unter  der  Literatur  nicht  aufgeführt,  wohl 
weil  B.  es  nach  seinem  Titel,  aber  mit  Unrecht,  zu  den  „überaus 
zahlreichen  Schriften  zu  Reforraations-  etc.-Geschichte"  rechnete.  — 
Den  weitaus  größten  Raum  nimmt  natürlich  der  Dom  mit  seinen 
Denkmälern  und  zugehörigen  Bauten  ein,  ihm  folgen  die  anderen 
Kirchen,  die  Friedhöfe,  die  Profanbauten  der  Stadt,  endlich  die  — 
zum  großen  Teil  nur  auf  Abbildungen  und  historischen  Nachrichten 
beruhende  —  Beschreibung  der  Befestigungen  '). 

Wie  überhaupt  B.  den  einzelnen  Baulichkeiten  vorausgehen 
läßt,  was  über  ihre  Baugeschichte  zu  sagen  ist,  so  gibt  er  auch  über 
den   Dom  zunächst    die  wenigen   urkundlichen    Daten    bis    zu   der 

großen  Restauration  von  187G  ff.  Dann  folgt  die  Beschreibung  der 
auteile,  in  der  Hauptsache,  wenn  auch  naturgemäß  nicht  streng  im 
einzelnen,  nach  der  Zeit  ihrer  Entstehung,  beginnend  mit  der 
Krypta;  die  romanischen  Ostteile  (Vierung  mit  dem  ursprünglichen 
Altarhaus,  Querschiff,  Osttürme),  dann  das  Landhaus  und  der 
Unterbau  der  Westtürme;  über  die  Bauzeit  dieser  Teile  konnte  nach 
Lüttichs  Naumburger  Gymn.-Progr.  von  1902  nicht  viel  Neues 
gesagt  werden ;  die  dort  mitgeteilten  Resultate  werden  im  wesent- 
lichen gesichert;  abgesehen  von  der  mittleren  Krypta,  die  der  ersten 
Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  angehört,  sind  alle  diese  Teile  das  Werk 
der  Bischöfe  Udo  II.,„ Berthold  IL  und  Engelhard  (1161—1.242);  in 
dieser  Zeit  hat  eine  Änderung  des  ganzen  Bauplans,  der  Übergang 
von  einer  Flachdeckbasilica  zu  dem  erhaltenen  Gewölbebau  stattge- 
funden, dessen  Ausführung  nach  der  überall  einheitlich  wiederkeh- 
renden reichen  Ornamentik  im  spätesten  romanischen  Stil  der  Zeit 
Engelhards  (1202-1242)  zuzuschreiben  ist.  B.  geht  sehr  genau  auf 
die  ornamentalen  Einzelheiten  ein  und  sucht  in  sehr  dankenswerter 
und  lehrreicher  Weise  die  Motive  des  stilisierten  Pflanzen-  und 
Rankenwerkes  dieser  Kapitale  u.  s.  w.  zu  analysieren  ;  ebenso  interes- 
sant ist  sein  Versuch  einer  Charakteristik  des  Stiles  und  der  persön- 
lichen Eigenart  des  Meisters  dieses  Baues.  Nach  diesem  aber  söLzt 
im  Westchor  unter  Dietrich  IL  (1243-1272)  mit  einern^  SchUge  die 

1)  Erwähnt  sei,  daß  ein  lautlicher  Übergang  von  WythÄwe  tu 
Wichaw  (Weichau)  [ S.  3]  doch  sehr  unwahrschemlich  ist ;  die  ersterc 
Form  der  Urkunde  von  1278,  die  nur  abschriftlich  vorliegt,  ist  (loch 
wohl  nur  als  naheliegende  Verschreibung  für  Wychawe  anzuheben. 
—  Der  „Rosengarten"  (S.  5)  ist  wohl  die  nicht  vereinzelte  Bezeichnung 
der  Straße  des  Frauenhauses.  -  Die  Bestätigungnurkunde  Papt 
Johanns  XIX.  (nicht  XX.)  von  1032  über  die  Bistumsverl^ng  ist 
eine  spätere  Fälschung  (S.  8),  nicht  diese,  sondern  die  echte  Pap.vrus- 
urkun^e  von  1028  ließ  Engelhard  erneuern  (&.  9),  d.  h.  >n  Korn 
transsumieren.   -   Bischof  Bruno   (S.   10)   gehört  zu    der  Familie 

^fs.  3§2'  ist  zu  korrigieren :  Dietrich  von  Landsberg;  natürlich 
verhandelt  1270  nicht  DietAch  „der  Bedrängte",  der  Val«- Heinn^ 
des  Erlauchten,  sondern  der  Sohn  des  letzteren,  mit  Bischof  Memlwr. 


336  Litteratur. 

volle  Gotik  in  schönster  Blüte  ein ;  die  Naturfreude,  mit  der  diese 
Künstler  die  heimische  Bluraenfülle  hier  für  ihre  Ornamente  ver- 
wertet haben,  läßt  sich  nur  bei  einer  so  eingehenden  Erläuterung 
der  Architektur  und  ihrer  Zierglieder  ahnen ,  ^  wie  sie  auch  hier 
wieder  ß.  gibt.  —  Die  Erweiterung  des  Ostchores  will  B.  etwa  4ö — 50 
Jahre  früher  ansetzen ,  als  man  bisher  annahm  und  als  Lüttich 
a.  a.  O.  noch  ausführte ;  er  beruft  sich  dafür  auf  ein  Türbogenfeld  in 
dem  Ostchor,  das  erst  von  ihm  überhaupt  beachtet  und  von  ihm  als 
letztes,  unvollendetes  Werk  des  Meisters  der  Stifterfiguren  im  West- 
chor angesehen  wird  und  danach  gegen  1280  angesetzt  werden  muß. 

—  Mehrere  (von  Lüttich  angeführte)  ürkundenstellen  von  1323  und 
1328,  die  sich  nur  auf  diesen  Teil  der  Kirche  beziehen  können,  er- 
geben indessen,  daß  der  Ostchor  1323  bereits  begonnen  und  1328 
noch  nicht  vollendet  war ;  demgegenüber  kann  jene  neue  Annahme 
nicht  bestehen,  selbst  wenn  das  Tympanon  dem  Meister  der  Stifter- 
figuren zuzuschreiben  sein  sollte,  was  Eef.  sehr  anfechtbar  erscheint. 
Mit  diesem  Meister,  von  dem  natürlich  auch  der  Diakon  und  die 
Reliefs  am  Lettner,  wie  auch  nach  B.s  Meinung  die  liegende  Bischofs- 
figur im  Ostchor,  herrühren,  beschäftigt  sich  der  Verf.  natürhch 
besonders  und  bemüht  sich  —  auch  unter  Heranziehung  der  so  nahe 
verwandten  Meißner  Figuren  —  der  Persönlichkeit  dieses  großen 
Künstlers  nahe  zu  kommen,  und  wenn  auch  dabei  die  wiederholte 
Parallele  zu  Goethe  etwas  sonderbar  anmutet,  so  ist  doch  die  starke 
Hervorhebung  der  Bedeutung  dieses  Mannes  nur  zu  billigen.  Sein 
Einfluß  wirkt  in  Naumburg  noch  lange  nach,  wie  B.  an  den  Wasser- 
speiern des  Westchors,  an  den  Glasmalereien  und  an  Grabdenkmälern 
nachweist.  —  Sehr  eingehend  beschreibt  B.  weiter  die  Glasgemälde 
der  beiden  Chöre,  die  Altäre,  Grabsteine  ^)  und  Gemälde,  die  wenigen 
Paramente  des  Domes,  auch  die  im  Besitze  des  Kapitels  erhaltenen 
8  großen  Meßbücher,  an  deren  Miniaturen  und  Drolerien  er  3  oder 
4  verschiedene  Hände  festzustellen  sucht.  Leider  vermißt  man  bis- 
weilen eine  Angabe  über  den  Aufstellungsort  (z.  B.  S.  166  No.  10; 
167  No.  11 ;  168  No.  12).  Auf  den  Dom  folgt  die  Beschreibung  der 
anstoßenden  Baulichkeiten :  DreikönigskapeUe,  Marienkirche,  Klausur 

—  meist  auf  Grund  der  Lüttichschen  Untersuchungen;  alle  Fragen 
sind  auch  da  nicht  zu  lösen  gewesen  —  die  Kurien  -),  namentlich 
die  interessante  Agidienkapelle,  deren  Inneres  wenigen  bekannt  sein 
dürfte.  —  Armer  an  baulichem  Interesse,  wie  an  Denkmälern  sind 
St.  Moritz,  St.  Otmar  und  die  Marienkirche;  doch  lernen  wir  auch 
hier  noch  manches  bemerkenswerte  und  wenig  bekannte  Kunstwerk 


i 

I 


1)  Falsch  angegeben  ist  die  Jahreszahl  des  Grabsteins  des 
älteren  Dechanten  Günther  v.  Bünau  (S.  189,  No.  53),  der  das  Jahr 
1519,  nicht  1512  zeigt ;  der  Fehler  stammt  wohl  aus  Mitzschkes 
„Naumburger  Inschriften".  Auch  das  Todesjahr  des  Kilian  Meusel 
(S.  192)  muß  wohl  1553  lauten.  —  Unrichtig  angesetzt  ist  auch  der 
Teppich  (S.  173,  No.  3) ;  nach  den  Wappen :  Schleinitz  und  Merse- 
burger Bistum  und  beide  quadriert,  ist  der  dargestellte  Bischof  der 
Merseburger  Vincenz  v.  Schleinitz  (1526 — 1535). 

2)  An  dem  Giebel  des  jetzigen  Landratsamtes,  früher  Kurie  des 
Dompropstes  von  Werthern,  befindet  sich  nicht  das  Burgsdorf  sehe 
(S.  214),  sondern  das  Werthernsche  Wappen. 


Litteratur.  337 

kennen  •).  Intereasanter  ist  als  Bau  die  Wenzelskirchc ;  Ref.  vermag 
aber  nicht  die  Ansicht  des  Verf.  zu  teilen,  nach  der  die  beiden  von 
ihm  als  „Chörlein"  bezeichneten  Seitenkapellen  am  Chor  zur  ur- 
sprünglichen Anlage  gehören  sollen  (S.  239).  Das  Vorhandensein 
des  Laubkapitäls  bei  dem  rechten  Ecksäulchen  des  südlichen 
„Chörleins"  für  einen  Kielbogen,  wie  solche  über  die  Seitenflächen 
des  Chores  unter  den  Fenstern  gezogen  sind,  setzt  doch  auch  an 
dieser  Seite  eine  gerade  Wandfläche  statt  des  Polygons  als  ursprüng- 
liche Anlage  voraus;  die  „3  Knollen"  an  dem  Kapital  des  linken 
Ecksäulchens  sind  übrigens  Reste  einer  Tiergestalt,  entsprechend  dem 
Affen  rechts  und  den  Kapitälfiguren  an  dem  anderen  „Chörlein". 
Auch  der  Ansatz  für  den  Anbau  der  Sakristei  (vor  dem  Brand  von  1517) 
steht  doch  auf  schwachen  Püßen.  —  Die  Profanbauten  sind,  abge- 
sehen von  dem  hochinteressanten  Marientor  und  allenfalls  dem  Rat- 
haus, ohne  erhebliche  Bedeutung;  als  den  für  Naumburg  vorherr- 
schenden und  charakteristischen  Stil  bezeichnet  B.  eine  Mischung 
von  Spätgotik  und  Renaissance,  wie  sie  höchst  originell  schon  der 
Hochaltar  des  Doms  zeigte;  daneben  sind  auch  Zierformen  des 
Barock  und  Rokoko,  namentlich  als  Fenstenimrahmung,  sehr  beliebt. 

—  In  einer  kunststatistischen  Übersicht  läßt  der  Verf  zum  Schluß, 
in  kurzem  Rückblick  auf  die  Ergebnisse  seines  Buches,  die  Entwicke- 
lung  der  Naumburger  Kunst  in  kirchlicher  und  weltlicher  Baukunst, 
Bildnerei  und  Malerei  noch  einmal  an  uns  vorüberziehen.  Dabei 
geht  er  nur  in  dem  Bestreben  nach  Zusammenfassung  der  mannig- 
fachen Erscheinungen  und  nach  Systematisierung  mehrfach  über  das 
vorher  Gesagte  hinaus  und  kommt  auch  zu  direkten  Widersprüchen 
mit  dem  Text  der  Beschreibung,  z.  B.  wenn  er  (S.  315,  No.  2)  dem 
von  ihm  so  bezeichneten  ., Meister  der  Dreikönige"  aus  dem  ersten 
Viertel  des  15.  Jahrhunderts  den  Altaraufsatz  auf  dem  Hieronymus- 
altar,  den  er  S.  162  durchaus  zutreffend  um  1350  ansetzt,  zuschreiben 
will.    Muß  man  ferner  schon  zweifeln,  ob  die  —  so  schlecht  erhaltene 

—  Dreikönigsgruppe  (Fig.  100,  nicht  67,  wie  B.  auf  S.  315  zitiert) 
dem  Meister  der  vortrefflichen  Grabfigur  des  Bischofs  Gerhard  IL 
zugewiesen  werden  kann,  so  ist  vollends  die  Annahme,  daß  da« 
Schleinitzraonuraent  und  die  gänzlich  verhältnislose  Figur  des  Günther 
V.  Bünau  im  Westchor  von  einer  und  derselben  Hand  berühren, 
wohl  ganz  haltlos.  Auch  die  Annahme  eines  Urhebers  für  die 
Epitapnien  des  Münch,  Draschwitz  und  Gottart,  oder  die  Absicht, 
die  doch  wohl  erheblich  späteren  Figuren  der  Caritas  und  Pietas  in 
St.  Wenzel  dem  Künstler  des  Cracauschen  Holzepithaphs  von  160(5 
im  Dom  zuschreiben  zu  wollen,  scheint  nur  durch  dies  Streben  des 
Verf.  nach  Zusammenfassung  veranlaßt  zu  sein.  Immerhin  lassen 
sich  doch  einzelne  KOnstlerpersönlichkeiten  in  dem  reichen  Schaffen 
des  16.  Jahrhunderts  unterscheiden.  —  Die  Abbildungen  sind  un- 
gleichmäßig, die  Lichtdrucktafeln  schon  häufig  nicht  scharf  und  klar 
genug,  namentlich  aber  meist  zu  klein  im  Maßstab,  da  zu  viel  Aus- 
schnitte auf  ihnen  zusammengedrängt  sind;  die  in  den  Text  ge- 
druckten Autotypien  sind  vollends  schlecht ;  die  Zeichnungen  B.s  selbst 

1)  S.  226  No.  3  ist  zu  lesen :  des  letzten  Propstes  statt  Prior». 
S.  268  ist  zu  verbessern:  1493,  statt  1494.  —  S.  270,  Kelch  No.  1 
lautet  die  Jahresz^l  des  Schriftbande»  doch  wohl  M".  OCCO. 
XVII  »=1417. 


338  Litteratur. 

teilweise  recht  instruktiv,  z.  B.  die  verschiedenen  Kapitälformen  ;  man 
bedauert  dabei  indessen,  daß  nicht  alle  besprochenen  Kapitale  auch  in 
Abbildung  vorgeführt  werden,  und  daß  die  Beziehung  des  Textes  auf 
diese  Abbildungen  nicht  eine  genauere  ist.  ^ndere  seiner  Zeich- 
nungen sind  dagegen  auch  nur  sehr  flüchtig  und  oberflächlich,  aber 
doch  nur  selten  so  irreführend  unklar,  wie  Fig.  120  Hnke  Ecke. 
Auch  der  Stadtplan  ist  nicht  einwandsfrei ;  abgesehen  davon,  daß 
z.  B.  die  S.  214  No.  2  beschriebene  Bischofskurie  hier  als  Propst- 
kurie fälschlich  bezeichnet  wird,  so  ist  vor  allem  der  Bezirk  der 
Eatsvorstadt  viel  zu  weit  abgegrenzt,  so  daß  der  Sprengel  der  Dom- 
propsteigerichte,  die  Michaelis-,  Moritz-  und  Medergasse  umfassend, 
überhaupt  ausgefallen  ist. 
Magdeburg.  Dr.  Rosen  fei  d. 


V. 
Beiträge  ziir  Sächsischen  Kirchengeschichte.     Herausgegeben  im 
Auftrage  der  Gesellschaft  für  Sächsische  Kirchengeschichte  von 
Fr.  Dißelias  und  Th.  Brieger.   Leipzig,  J.  A.  Barth.  17  Hefte, 

1882—1904. 

Seit  dem  Jahre  1882  gibt  die  Gesellschaft  für  Sächsische 
Kirchengeschichte  „Beiträge"  heraus,  die  in  gewissem  Sinne  als  eine 
Ergänzung  zu  dem  Neuen  Archive  für  Sächsische  Geschichte  gelten 
können  und,  wie  es  bei  der  historischen  Entwickelung  der  wettini- 
schen  Lande  nicht  anders  erwartet  werden  kann ,  auch  für  die 
thüringische  Geschichte   von  Bedeutung  sind.    Es  sind  Namen  von 

filtern  Klange,  deren  Träger  sich  in  den  bisher  erschienenen  17  Heften 
ören  ließen.  Die  beiden  verantwortlichen  Herausgeber,  Fr.  Dibe- 
lius  und  Th,  Brieger,  bürgen  schon  dafür,  daß  wirklich  wissenschaft- 
liche Aufsätze  in  den  Heften  zum  Abdrucke  gelangen,  und  neben 
den  Herausgebern  haben  Männer  wie  Buchwald,  Giemen,  Drews, 
Flathe,  Kanis,  Knothe,  Müller  u.  a.  beigesteuert.  Es  darf  nicht 
Wunder  nehmen,  daß  der  Reformationsgeschichte  der  breiteste  Raum 
in  den  Heften  eingeräumt  wird,  doch  kommen  auch  Mittelalter  und 
neueste  Zeit  zu  ihrem  Rechte.  Der  Mehrzahl  der  Beiträge  kommt 
es  zu  gute,  daß  ihren  Verfassern  wertvolle  archivalische  Quellen  zur 
Verfügung  gestanden   haben ;   besonders  sind  die  Schätze  des  wohl- 

feordneten  und  vortrefflich  verwalteten  Hauptstaatsarchives  in  Dresden 
enutzt  worden.  Es  ist  natürlich  nicht  angezeigt,  an  dieser  Stelle 
auf  alle  in  den  Beiträgen  veröffentlichten  Abnandlungen  hinzuweisen, 
es  scheint  aber  geboten,  einige  unseres  Erachtens  hervorragende  Ar- 
beiten, zumal  sie  auch  auf  die  Geschichte  Thüringens  Streiflichter 
werfen,  hervorzuheben.  Wir  stellen  die  umfangreiche,  auf  eingehenden 
Quellenstudien  beruhende  „Verfassungs-  und  Verwaltungs- 
geschichte der  sächsischen  Landeskirche"  von  Prof.  Dr. 
G.  Müller,  die  die  Hefte  9  und  10  (272  u.  320  SS.)  füllen,  voran. 
Für  Thüringen  hat  auch  Bedeutung  die  Untersuchung  Flathes 
über   „Römische  Inquisition   in  Mitteldeutschland,    insbesondere  in 


Literatur.  oog 

den  sächsischen  Ländern-  (XI,  58 ff.).    Wertvoll  weiter  ist  ßuch- 
walds  und   Scheufflers  Zusammenstellung   der   in   Wittenberg 
ordinierten    Geisthchkeit    der  Parochien    de«    jetzigen    KönitScK 
bachsen  (XII    lOlff.  u.  XIII^  1-214)  und  die\'onTerma?TiJü 
leferte  Biographie   Sebastian  Fröschel,  sein  Leben  und  seine  8<-hri£tÄ^ 
•  !  V  iJ~  u  ^'     ^'^^   prachtige  lUustration    unserer  Kleinstaatml 
bietet  Krobers  Aufsatz  „Wie  Bocka  mit  seiner  Kirche  und  deren 
z;ubehor  nebst  zwei  Gutern  nach  Sachsen  gekommen  ist"  (XIV  127 
bis  148);  für  Thüringen  wichtig  ist  M eu sei s  Abhandlung  übe;  die 
f7o"^'fo5^®  ^^^  Reußisch-Schön burgische  Konfession  von  15Ü7  (XIV 
ir  •^^^^i^V-^r"^''  Spalatins  Verzeichnis  der  Pfarreien  in   Sachsen! 
J^^'fen    Thüringen  und  Voigtland  (!),  mitgeteilt  von  Planitz  (XV 
Itt.),   «lanckmeisters  Festrede  „Karl  von  Ha«e"  (XV   265  ff) 
Zimmermanns  Untersuchung  über  „die Entwickeluntr  der  Kirchen'- 
msDektionen    1530-li^'  (XVI,  120-209),  „Johann  Tetzel"    von 
Dibehus  (Xyil     Iff.);    „Die   Grenzen  der  Bistümer  Naumburg, 
Merseburg  und   Meißen"  von  Bönhoff  (XVII,  142—156)  u.  a.  m 
Wenn  jetzt  auch   in   der  Provinz  Saciisen   eine  Zeitschrift   für 
Kirchengeschichte  zur  Ausgabe  vorbereitet  wird,  so  kann  man   nur 
wünschen,  daß  die  Herausgeber  sich  an  den  vortrefflichen  Beiträgen 
zur  Sächsischen  Kirchengeschichte  ein  Muster  nehmen  mögen. 

O.  Dobenecker. 


VI. 
Mitteilungen  der  Vereinigung  für  Gotliaisclie  Geschichte  nod  Alter- 
tumsforschung.   Jahrgang  1903.    Friedrichroda,  Jac.  Schmidt 

u.  Co.  [1903].  136  SS.  8». 

Seit  einigen  Jahren  läßt  die  Vereinigung  für  Gothnische  Ge- 
schichte und  Altertumsforschung  an  Stelle  der  Quartalheftchen  Jahres- 
hefte erscheinen,  deren  Redaktion  in  den  Händen  des  Oberbiblio- 
thekars Professor  Dr.  R.  Elhwald  liegt.  Der  Jahrgang  15)03.  der  hier 
zur  Besprechung  steht,  wird  von  einer  rechtshistonschen  Abhandlung 
über  die  Stadtrechte  im  Herzogtum  Gotha  aus  der  Feder  v.  Strenges 
eröffnet.  Der  Verfasser,  der  im  Auftrage  der  Thüringischen  Histori- 
schen Kommission  die  Herausgabe  der  Stadtrechte  von  Gotha  und 
Eisenach  vorbereitet,  gibt  wohl  im  Hinblick  auf  diese  größere  Arbeit 
zunächst  einen  Überblick  über  das,  was  bisher  über  diese  Materie 
veröffentlicht  worden  ist,  und  zeigt,  wo  die  Forschung  einzusetzen 
hat,  um  das  Recht  der  Städte  des  gothaischen  Lande«,  das  auf  das 
sächsische  Landrecht  sich  gründet,  an  das  Magdeburg-Leipziger  an- 
geschlossen und  schließlich  in  einzelnen  Fällen  zu  förmlichen  Stadt- 
ordnungen ausgebildet  worden  ist,  zur  Darstellung  zu  brin^n.  0>nz 
methodisch  behandelt  er  somit  zunäciist  die  handschriftliche  Über- 
lieferung des  Stadtrechtes  von  Gotha,  Ohjdruf  und  Waltershaoaen 
und  geht  schließlich  auf  einige  Punkte  des  Stadtrechtes  sdbat  dn. 
Als  Anlagen  fügt  er  einige  archivalische  Mitteilungen  bei. 

Unter  den  übrigen  Abhandlungen  sei  zuerst  auf  die  beiden 
Aufsätze   des  Herausgebers  hingewiesen.   Ehwald  berichtigt  einige 


340  Literatur. 

fehlerhafte  Notizen  zur  „Druckgeschichte  Gothas"  uud  ediert  S.  119 
bis  ISO  die  Konfession  und  das  Passionale  Johann  Friedrichs  des  Groß- 
mütigen. Der  Erforschung  der  Prähistorie  dient  Florschütz' 
Untersuchung  des  Urnenfeldes  auf  dem  Semmel  bei  Eischleben. 
Heß  unternimmt  den  schwierigen  Versuch,  die  Grenzen  der  Mark 
Lupnitz  (Reg.  d.  Thuringiae  I  no.  638)  zu  bestimmen.  Literarhisto- 
risch ist  der  Beitrag  Berbigs  zur  Geschichte  des  Hainbundes  in 
dem  Aufsatze  über  Schack  Hermann  Ehwald  und  von  allgemeiner 
Bedeutung  der  Vortrag  Felgners  über  „Herzogin  Louise  Dorothea 
und  ein  ßesitzstück  der  Herzogl.  Bibliothek  zu  Gotha  (Matinöes 
du  roi  de  Prusse)". 

Reichhaltig  ist  der  Inhalt  dieses  Heftes,  und  mannigfach  sind 
die  Anregungen,  die  der  Leser  bekommt.  Man  kann  nur  wünschen, 
daß  die  folgenden  Hefte  auf  der  Höhe  dieses  Jahrganges  bleiben. 

O.  Dobenecker. 


VII. 
Cri'össler,  Hei'iiianii :  Führer  durch  das  Unstruttal  von  Arterii  bis 
Naumburg  für  Verg-aiig-enheit  und  Gegenwart.    2.  vermehrte 
und  verbesserte  Auflage.     (Mit  einer   Karte  des  Unstruttales). 
Freyburg  (Unstrut),  Joh.  Finke,  1904.    XVI  u.  256  SS.    Preis 
kartonniert  1  M.  75  Pf.,  gebunden  2  M.  25  Pf. 
Ein  Buch  Größlers  anzuzeigen  ist  eine  Freude,  denn   man   be- 
findet sich  von  vornherein  in  der  angenehmen  Lage,    es   mit   einem 
gründlichen,    echt   wissenschafthchen    Forscher    zu   tun   zu   haben. 
Größler  kennt  wie  kaum  ein  zweiter  die  geographische  und  geschicht- 
liche Eigenart   des  Unstruttales,  des  Schauplatzes   so  vieler  für  die 
Geschichte  des  thüringischen   Stammes  und   des   ganzen  deutschen 
Volkes  wichtiger  Ereignisse,  und  verläßt  sich  nirgends  auf  das  Urteil 
anderer,   sondern  will   alles   selbst  sehen,  prüfen  und  abwägen.    So 
ist,  wie  wir  vorausschicken  wollen,  in  diesem  Führer,  der  zuerst  in 
den  von  A.  Kirchhoff  herausgegebenen  Mitteilungen  des  Vereins  für 
Erdkunde  zu  Halle  a.  S.,  Jahrg.  1892  und  1893  erschienen  ist,  etwas 
Ausgezeichnetes  zu  stände  gekommen.  „ 

Der  Verf.  gibt  zunächst  einen  Überblick  über  die  Bedeutung 
des  Unstruttales  im  allgemeinen,  indem  er  die  Etymologie  des  Namens 
„Unstrut"  untersucht,  den  Lauf  des  Flusses  in  der  Diluvialzeit  und 
die  geologische  Gliederung  des  untersuchten  Geländes  beschreibt, 
dabei  auch  der  Erklärung  der  Namen  fortgesetzt  seine  Aufmerksam- 
keit schenkt.  Wie  der  Titel  des  Buches  schon  andeutet,  will  er  das 
Unstruttal  und  das  Gelände  zu  beiden  Seiten  des  Flusses  von  dem 
Unstrutknie  bei  Artern  bis  zur  Mündung  verfolgen.  In  scharfer 
Gliederung  behandelt  er  zunächst  den  oberen  Teil  des  Tales  bis 
Nebra.  Wir  besuchen  unter  seiner  sachkundigen  Führung  von 
Artern  aus  jene  Gegend,  wo  König  Heinrich  I.  „iuxta  locum,  qui 
dicitur  Riade"  am  15.  März  933  die  wilden  und  räuberischen  Ungarn 
zu  schmählicher  Flucht  gezwungen  hat,  wandern  über  Gehofen  nach 
Kloster  Donndorf  und  nach  Wiehe,  dem   Geburtsorte  Rankes,   von 


Literatur. 


341 


da  nach  Kloster  Memleben ,  wo  die  beiden  größten  Vertreter  des 
sachsischen  Königshauses,  der  Einiger  der  deutschen  Stamme  und 
der  i.rneucrer  des  römischen  Kaisertums,  ihren  Tod  gefunden  haben, 
und  besuchen  auch  das  südliche  und  nördliche  Gelände  mit  allen 
historisch  wichtigen  Punkten. 

Im  2.  Abschnitte  der  Wanderung  gelangen  wir  von  Nebra  auA 
in  das  untere  Unstruttal  über  Vitzenburg,  wo  einst  ein  alter  Herren- 
sitz und  ein  Kloster  sich  befanden,  über  Reinsdorf  nach  Burgschei- 
duneen,  jenem  Ort,  wo  531  das  thüringische  Königreich  den  von  dem 
Verf.  m  Prosa,  wie  in  poetischem  Gewände  be8chriel)eneii  Todw- 
kampf  gekämpft  hat,  besuchen  auch  die  seitwärt»  gelegenen  Orte, 
wie  Bibra  und  Thalwinkel,  und  kommen  über  Laucha  und  Zscheip- 
htz  nach  Freiburg  und  dem  alten  Landgrafenschloß  Neuenburg  und 
von  da  nach  Groß-Jena,  dem  alten  Sitze  der  Ekkehardiner,  der  seit 
der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  von  Naumburg,  der  Neu- 
gründung desselben  Markgrafenhauses,  überflügelt  worden  ist,  und 
verfolgen  den  Unstrutlauf  bis  zur  Mündung  gegenüber  Naumburg. 

Gegenstand  und  Form  der  Darstellung  fesseln  uns  bis  zu  den 
letzten  Seiten,  auf  denen  der  Verf.  das  sonderbare  in  den  Felsen  ge- 
hauene Stammbuch,  über  welches  er  schon  im  Archiv  für  Landes-  und 
Volkskunde  der  Provinz  Sachsen  I,  150—154  berichtet  hat,  beschreibt; 
denn  das  Buch  bietet  mehr,  als  sonst  die  Führer  leisten,  es  ist  eher 
eine  die  Geographie,  Prähistorie,  Sage,  Kunstgeschichte  und  Geschichte 
berücksichtigende  kleine  Landeskunde  des  Unstnittales.  die  jedem, 
der  dies  schöne  Stück  Land  Thüringens  besucht,  auf  das  wärmste 
zu  empfehlen  ist  O.  Dobenecker. 


VHL 
Oröger,  Johannes:  Ein  thUrlng-isches  Stüdtchen.    Beiträge  zur  (ie- 

schichte   Großbreitenbachs   und  der  Umgegend,  hauptsächlich 

auf    Grund    der    Kirchenbücher   zusammengestellt.    Arnstadt, 

E.  Frotscher,  1903.     150  SS.  8". 

Aus  Vorträgen  erwachsen  und  zum  Teil  auf  einer  handachrift- 
lichen  Ortschronik  des  früheren  Bürgermeisters  v.  Hopffgarten  be- 
ruhend, will  diese  Stadtgeschichte  in  ganz  anspruchsloser  Form  die 
Entwickelung  des  hochgelegenen  thüringischen  Waldstädtcheos  den 
Bewohnern  Breiten  bachs  schildern. 

Großbreitenbach  ist  eine  verhältnismäßig  späte  Sicdelung  in 
der  Nähe  des  Rennsteiges.  Erst  im  Jahre  1442  wird  sie,  sowdt  bis 
jetzt  bekannt  ist,  urkundlich  erwähnt,  und  zwar  bereit«  als  Besitz 
der  Grafen  von  Schwarzburg.  Im  Jahre  1586  erhielt  das  Dorf  das 
Recht,  jährlich  drei  Märkte  abzuhalten,  und  erst  1855  wurde  es  zur 
Stadt  erhoben.  Es  liegt  an  alten  Straßenzügen,  von. denen  dereine 
von  Ilmenau  und  Gehren  über  Breitenbach  nach  Olze  führt,  ein 
anderer,  von  Erfurt  kommend,  dem  Rennsteig  bei  Neustadt  zustrebt 

Der  Verf.  behandelt  zunächst  Ort  und  P'lur  im  allgemeinen 
und  erzählt  dann  von  den  Heimsuchungen  des  Ortes,  wie  Hungem- 
not,  Seuchen  und  Bränden.    Dieser  Abschnitt  hätte  besser  mit  dem 

XXII.  23 


342  Literatur. 

Abschnitt  VII  „Großbreitenbach  in  Kriegszeiten"  verbunden  werden 
können.  Das  Pfarrarchiv  enthält  Kirchenbücher,  die  bis  zum  Jahre 
1619  zurückreichen  und  für  die  Zeitgeschichte  höchst  wertvolle  Ein- 
tragungen erhalten,  die  in  ihrer  Urwüchsigkeit  an  Einerts  Berichte 
in  dem  lesenswerten  Buche  „Ein  Thüringer  Landpfarrer  im  30-jährigen 
Kriege"  (Arnstadt,  E.  Frotscher,  1895)  erinnern.  Der  Ort  hat  da- 
mals wiederholt  schwere  Heimsuchungen  erfahren,  besonders  durch 
die  bestialische  Mordgier  der  Kroaten,  jenes  kaiserlichen  Eaubgesindels, 
das  in  ganz  Thüringen  im  schlimmsten  Andenken  steht.  Nicht  Ge- 
schlecht und  nicht  Alter  bewahrte  vor  Mißhandlung  und  schmählichem 
Tod.  Die  viehische  Roheit  der  entmenschten  Soldateska  schonte 
nicht  Kinder  und  nicht  Greise.  Da  würgen  diese  Banditen  einen 
einjährigen  Knaben ,  dort  morden  sie  eine  91-jährige  Matrone. 
„Christina,  Claus  Tresseids  des  älteren  hinterlassene  Witwe,  eine 
ehrliche  Matron,  welche  nach  Gottes  Gnaden,  weniger  achte,  hundert 
Jahre  erlebt  hat  und  doch  auf  ihrem  Siechbettlein  nicht  sterben 
können,  sondern  hat  vom  Feinde  einen  schmählichen  Tod  leiden 
müssen,  alt  91  Jahre",  trägt  der  Pfarrer  ein.  Und  welchen  Jammer 
enthüllt  der  kurze  Vermerk :  „Mittlerweile  ist  hierum  auf  2  Meilen 
Wegs  keine  Stadt,  Flecken,  noch  Dorf  bewohnt  gewesen,  und  hat  auch 
das  Volk  in  den  wüsten,  weit  abgelegenen  Wäldern,  Klüften  und 
Höhlen  nicht  sicher  sein  können,  ist  allenthalben  durchstreift  uud 
geplündert  worden." 

Auch  im  Nordischen  Kriege,  als  im  Jahre  1706  die  Sachsen  von 
Karls  XII.  Scharen  über  den  Wald  gejagt  wurden,  und  im  7-jäh- 
rigen Kriege  durch  die  Preußen  hatte  der  Ort  mancherlei  zu  leiden. 

Die  Kapitel  über  Kirche,  Schulen  und  Familien  werden  wiederum 
durch  Mitteilungen  aus  den  erhaltenen  Kirchenbüchern  wertvoll  er- 
gänzt. Für  das  Jahr  1620  ist  sogar  ein  genaues  Verzeichnis  über 
die  Häuser  des  Ortes  und  die  Namen  sämtlicher  Bewohner  dieses 
aufgestellt  worden.  Der  Ort,  der  1900  378  Häuser  und  2898  Ein- 
wohner zählte,  hatte  im  Jahre  1620  289  Häuser  und  1314  Bewohner. 
Die  Untersuchung  über  das  Erwerbsleben  in  alter  Zeit  zeigt,  daß 
die  Bewohner  wie  in  anderen  Gebirgsorten  genötigt  sind,  ihren 
Lebensunterhalt  auswärts  zu  suchen,  sei  es  als  Fuhrleute,  die  bis 
Lüneburg  und  Hamburg  fahren,  sei  es  als  hausierende  Handwerker, 
die  die  Produkte  ihres  Gewerbefleißes  selbst  verkaufen;  besonders 
bekannt  sind  die  Breitenbacher  Olitätenhändler.  Schon  1648  wurden 
Glashütten  angelegt,  dazu  kam  Bergbau  auf  Silber,  Kupfer  u.  s.  f., 
der  aber  nicht  recht  lohnte;  viel  wichtiger  wurde,  wie  schon  Stieda 
in  seinem  gründlichen  Werke  über  die  Anfänge  der  Porzellanfabri- 
kation auf  dem  Thüringerwalde  ^)  S.  263  ff.  gezeigt  hat,  die  Porzellan- 
fabrikation für  den  Ort. 

Aber  nicht  allein  die  materielle  Entwickelung  hat  Gröger  zu 
erforschen  gesucht ;  wie  wir  es  von  einem  Geistlichen  erwarten  dürfen, 
hat  er  auch  dem  religiösen  und  sittlichen  Leben  seine  Aufmerksam- 
keit geschenkt.  Wiederum  gaben  ihm  die  Kirchenbücher  dabei  den 
besten  Führer  ab.  So  hat  der  Verf.  die  historische  Entwickelung 
des  Städtchens  nach  allen  Richtungen  verfolgt  und  kann  versichert 
sein,  daß  sein  Buch,  das  ja  in  erster  Linie  lokalgeschichtlichen  Wert 


1)  Jena,  G.  Fischer,  1902. 


Literatur.  343 

hat,  dazu  beitragen  wird,  in  den  Bewohnern  Großbreitenhachs  Ver- 
ständnis für  die  Vergangenheit  ihrer  Gemeinde  und  damit  recht« 
Heimatsliebe  zu  wecken.  O.  Dobenecker. 


IX. 

Die  Pfan-ei  Mupper?.    Topographisch  und  kirchengeschichtlich  dar- 

festellt  von  weil.  Dr.  Gustav  Lotz,  Kirchenrat,  Pfarrer  zu 
lupperg  und   Gefeil.     Neu  herausgegeben   von   Adolf  Joch, 

Lehrer.    Mit  3  Abb.    Sonneberg,  Druck  von  Grabe  u.  Hetzer, 

1903.    Broch.  3  M.,  geb.  3  M.  50  Pf. 

Das  Dorf  Mupperg  südlich  von  Sonneberg  (S.-Meiningen)  wird 
bereits  im  Jahre  1069  urkundhch  als  ein  Dotalstück  des  von  dem 
Markgrafen  Hermann  von  Vohburg  und  seiner  Gemahlin  Alberade 
gegründeten  Klosters  Banz  in  der  Diöcese  Bamberg  erwähnt.  Die 
Vogtei  über  den  Klosterbesitz  und  damit  auch  ül^r  Mupperg  lag 
zunächst  in  der  Hand  des  Gründers,  ging  dann  auf  die  Herzöge 
von  Meran  und  nach  dem  Aussterben  dieses  Geschlechtes  auf  me 
Henneberger  über.  Die  Geschichte  des  Dorfes  und  der  Pfarrei 
Mupperg  nat  zu  einer  Zeit,  als  Dorfgeschichten  eine  große  Selten- 
heit waren,  der  ehrwürdige  Pfarrer  Gustav  Lotz  in  ganz  geschickter 
Weise  und  nach  guten  Quellen  bearbeitet  und  1843  auf  eigene 
Kosten  in  Coburg  drucken  lassen.  Das  353  SS.  8"  füllende,  mit 
urkundlichen  Beilagen  ausgestattete  Buch  ist  sehr  selten  geworden; 
es  ist  daher  dankenswert,  daß  der  Lehrer  des  Ortes,  Adolf  Joch, 
eine  2.  Auflage  hergestellt  hat.  Pietätvoll  hat  er  das  Buch  im  ganzen 
unverändert  gelassen,  natürlich  aber  bis  zur  Gegenwart  fortgesetzt. 
Die  urkundlichen  Beilagen  hat  er  freilich  bedeutend  gekürzt,  trotz- 
dem ist  die  neue  Auflage  mit  275  SS.  gr.  S"  ein  stattlicher  Band 
geworden.  O.  Dobenecker. 


X. 

Behr,  Otto:   Triebeser  Schulehroulk.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

der  Landschulen   in   der  Herrschaft  Schleiz.    Selbstverlag  des 

Verfassers.     [Triebes]  1903.    43  SS.  8". 

Es  ist  ein  erifreuliches  Zeichen  für  einen  gesunden  historischen 
Sinn,  daß  man  mehr  und  mehr  beginnt,  das  Wesen  und  die  Bedeu- 
tung auch  kleinerer  Institutionen  durch  Untersuchung  ihrer  geschicht- 
lichen Entwickelung  zu  studieren.  Diese  ■  Betrachtungsweise  wird 
um  so  wertvoller,  wenn  für  sie  die  rechten  Quellen  erschlonsen  werden 
und  wenn  die  Darstellung  dadurch  in  die  rechte  Beleuchtung  gerflckt 
wird,  daß  man  sie  in  Zusammenhang  mit  der  allgemeinen  Entwicke- 
lung bringt.    Beide  Bedingungen  smd  in  dem  vorli^enden   Hefte 

23* 


344  ].i1eratur. 

erfüllt  worden.  Der  \"erlasser,  der  erst  vor  kurzem  eine  lesbare  und 
dankenswerte  Untersuelumj,^  der  Gcschiehte  des  aufstrebenden  Ortes 
Triebes  und  seiner  Uini:(l)un<r  «refreben  hat'),  hat  die  Schulchronik 
wesentlich  nach  Arcliivaiien,  die  er  im  Archive  zu  Schleiz,  im  Amts- 
aericlitsarchive  zu  Jloheidcuben ,  im  J'farr-  und  Bchularchive  zu 
Triebes  und  im  Archive  des  ]vitterautes  ^^'eißendorf  gefunden  hat, 
zusammengestellt.  ])ie  Darstellung  ist  gewandt  und  übersichtlich 
und  verfolgt  die  lehrreiche  iMitwickelung  der  Schule  von  der  Eefor- 
niation  bis  zur  Ciegenwart.  Sie  wirft  eine  ^Menge  Streiflichter  auf 
die  Geschichte  des  N'ogtlandes  und  die  allgemeine  Sitten-  und 
Kulturgeschichte  und  bleibt  immer  im  Zusammenhang  mit  der  all- 
gemeinen Geschichte.  Interessant  sind  Erscheinungen,  wie  der  Burg- 
graf, der  seit  1550  Landesherr  war  und,  obwohl  Katholik  und 
Bundesgenosse  des  Kaisers,  in  seinem  Lande  doch  die  evangeh'sche 
Kichtung  zu  fijrdern  sich  angelegen  sein  ließ.  Wichtig  ist  auch  der 
Nachweis,  wie  der  politisch!^  und  wirtschaftliche  Aufschwung  Deutsch- 
lands im  Zeitalter  I^ismarcks  selbst  auf  kleine  und  abgelegene  Orte 
segensreich  eingewirkt  hat  und  als  glänzendes  Gegenstück  zu  der 
allgemeinen  Depression  in  und  nach  der  Zeit  des  3ü"jährigen  Krieges 
gelten  kann. 

^Möchte   die   Geschiclitc  aucli   anderer   vogtländischer   Schulen 
mul  Orte  ähidiche  Bearbeituntr  erfahren  I  O.  Dobenecker. 


XL 

i  bersioht  über  die  neuerdings  crscliienenc  Literatur  zur  thüriu- 
gisclien  Gescliielite  und  Altertumskunde. 

Von  0.  Dobenecker. 

Abriß,  kurzer,  iler  Geschichte  des  Herzogl.  Lehrerseminars  zu 
Altenburg.     Festschr.  Altenburg,  l'ierer,  1!)Ü2.     5(i  SS. 

Albrecht,  O. :  Mitteilungen  aus  den  Akten  der  Naumburger 
Koformationsgeschichte.  Thcol.  Studien  u.  Kritiken  (1904).  32 — 82. 

Derselbe:  Geschichte  der  Marien-Magdalenenkirche  in  Naum- 
burg.    Naumlnirger  Kreisblatt.  ]!K)2.  No.  21(5—259.  ' 

Alt- Plauen  in  Wort  und  Bild.  Aus  Anlaß  des  30-jährigen 
P>estehens  des  Altertumsver.  zu  Plauen  lierausg.  vom  Gesamtvor- 
stande.    Plauen  im  V.,  1903.  IV  u.  üO  SS.  4". 

Armbrust,  L. :  NeuigkeitcTi  von  1384.  Mit  einem  Anhange. 
I  Nachrichten  über  das  Verhältnis  Hermanns  d.  Gelehrten,  Lgr.  v. 
Ilessen,  zum  Erzbischof  v.  Mainz,  dem  Lgr.  Balthasar  v.  Thüringen 
u.  Herzosi:  Otto  d.  (|uaden  v.  P)raunschwei(r-(TÖttingen.]  Hessenland, 
XVII.  Jahrg.  No.  1   u.  2  (1903.  Jan.  2  u^Ki).  S.  2— 5  u.  18—21. 

1)  O.  Behr,  Buiilc  J>ilder  aus  der  Geschichte  von  Triebes  und 
seiner  Uniirebuntr.  (Triebes,  Selbstverlatr  des  Verfassers,  1903.) 
ö.'j  SS.  8". 


Literatur. 


345 


Auerbach,  F.:  Das  Zeißwerk  und  die  Carl-Zeifi-Stiftune  In 
Jena  Ihre  wissenschaftliche,  technische  und  soziale  Entwickduiur 
iT-  ?o  !V^,""?  ^^^  weitere  Kreise  dargestellt.  Jena,  G.  Fischer.  190£ 
Mit  78  Abb.  im  Text, 

Aus  vergangenen  Tagen.  Nach  den  Tagebüchern  eines  Jena- 
ischen Burgers.  Blätter  f.  Unterhaltung  u.  ßelehrune.  Sonntacs- 
Beil.  zur  Jenaischen  Ztg.  1903.  No.  9,  10. 

Bärwinkel:  Die  Bedeutung  der  Besitzergreifung  EMurt«  durch 
Preußen  für  die  evang.  Kirche  m  Erfurt.  Deutsch-evang.  Blätter. 
A.X.VH1,  ^03 — <^15. 

Bamberg,  V.:  Herzog  Ernst  d.  Fromme  u.  seine  kirchl. 
Friedensbestrebungen.  Monatshefte  der  Comenius-Ges,  XI,  258—272. 

Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüringens.  Bearbeitet  von  P.  Leh- 
feldt,  herausg.  von  G.  Voss.  Heft  XXIX.  Herzogt.  S.-Meiningen.* 
Amtsgerichtsbezirk  Hildburghausen.  Jena,  G.  Fischer,  1903.  Ö.  1—1 12. 
Mit  2  Lichtdrucken  u.  12  Abb.  im  Texte.  Gr.  8«.  Heft  XXX. 
Herzogt,  ö.  -  Meiningen.  Amtgerichtsbezirke  Eisfeld  u.  Themar.  S. 
113—247.  Mit  2  Lichtdr.  u.  27  Abb.  im  Texte.  Heft  XXXI.  Her- 
zogt. S.-Meiningen.  Amtsgerichtsbezirke  Heldburg  u.  Römhild.  Jena, 
G.  Fischer,  1904.  XVI  u.  S.  249—479.  Mit  11  Lichtdrucktafeln  u. 
68  Abb.   im   Texte. 

Behr,  Otto:  Bunte  Bilder  aus  der  Geschichte  von  Triebes 
und  seiner  Umgebung.  (Triebes,  Selbstverl.  des  Verf.,  1903.)  55  SS.  8°. 

Derselbe:  Triebeser  Schulchronik.  Ein  Beitr.  zur  Gesch.  der 
Landschulen  in  der  Herrschaft  Schleiz.  Selbstverl.  des  Verf.,  Okt. 
1903.  43  SS.  8«. 

Derselbe:  Türkensorgen  eines  vogtl.  Adligen  ums  J.  1600. 
Ein  Beitr.  z.  G.  derer  von  Metzsch.  Unsere  Heimat.  lUustr.  Monats- 
schr.  f.  d.  gesamte  Erzgebirge,  Osterland  u.  Vogtland.  II  (1902/3), 
243  —246. 

Beiträge  z.  Gesch.  des  30-jährigen  Kri^es.  (Aus  Prof.  Opels 
Nachlaß.)  N.  Mitt.  hist.-ant.  Forsch.  Bd.  XXI.  H.  3  (Halle  a.  S. 
1903).  S.  291—320. 

Benndorf.P.:  Vier  Tafeln  vorgeschichtlicher  G^nstande aus 
Mitteldeutschland.  Mit  erläut.  Text  auf  jeder  Tafel.  L^pzig,  Brand- 
stetter,  1903. 

Berbig,  G. :  Die  Deutsche  Augsburgische  Konfession  nach 
der  bisher  unbekannten  Coburger  Handschrift.  Zs.  f.  Kirchen-O. 
XXIV,  429—474. 

Derselbe:  Urkundliches  zur  Reformations  -  Geschichte. 
Theol.  Studien  u.  Kritiken  (1904),  1—31.  Inh.:  1)  Eigenh.  Brief  des 
H.  Georg  v.  Sachsen  vom  Reichstag  zu  Augsburg  1530.  2)  Sp»- 
latiniana. 

Derselbe:  Geschichte  des  Ems^undes.  Waltershausen,  J. 
Waitz,    o.  J. 

Derselbe:  Kurf.  Bestätigung  des  Konsistoriums  zu  Coburg 
V.  J.  1542.  Zs.  f.  Kirchen-G.  XXIV,  150-152. 

Derselbe:  Zwei  Vorladungen  vor  das  Konsistorium  zu  Co- 
burg in  Ehesachen  v.  J.  1563.  Ebenda  XXIV,  153  f. 

Derselbe:  Eine  Differenz  Luthers  mit  dem  Stadtrate  zu 
Coburg  im  J.  1539.  Ebenda  XXIV,  154-164. 

ßergner,  H:  Beschreibende  Darstell uüg  der  älteren  Bau-  a. 
Kunstdenkmäler  der  Stadt  Naumburg.    A.  u.  d.  T. :  Beschr.  Darst. 


346  Literatur. 

der  älteren  Bau-  u.  Kunstdenkmäler  der  Prov.  Sachsen.  Herausg. 
von  der  bist.  Kommission  für  die  Prov.  Sachsen  u.  das  Herzogt. 
Anhalt.  H.  XXIV.  Die  Stadt  Naumburg.  Halle  a.  S.,  O.  Hendel, 
1903.  Mit  162  in  den  Text  gedr.  Abbildungen,  v20  Lichtdrucktafeln 
u.  1  Stadtplan.  VIIl  u.  322  SS.    8". 

Bericht  über  die  Hauptversammlung  des  Gesamtvereins  in 
Erfurt.  Korrespondenzbl.  des  Gesamtvereins  (1908).  No.  10/11,  12: 
(1904).    No.  1,  2,  3,  4/5. 

Beyer,  C. :  Geschichte  der  Stadt  Erfurt,  fortges.  von  J.  Biereye. 
Lief.  8  u.  9.  Erfurt,  Keysersche  Buchh. ,  1903.  S.  225-256  u. 
257—288. 

Bibra,  Reinh.  v.:  Bodenlauben  bei  Bad  Kissingen.  Ge- 
schichte der  Burg  u.  des  Amtes.  Mit  8  Abb.  u.  Plänen.  Bad 
Kissingen,  Fr.  Weinberger  (1903).   146  SS.  8". 

Bl  au,  G.:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Gemeinde  Großbodungen 
bis  zum  Beginn  des  30-jäir.  Krieges.    Zs.  z.  Harz-V.   XXXVI,  1 — 18. 

Bönhoff:  Die  ursprüngliche  Parochie  Zwickau.  Zwickauer 
Ztg.  1903.  No.  15—17. 

Derselbe:  Die  Grenzen  der  Bistümer  Naumburg,  Merseburg 
und  Meißen  unter  einander.  Beitr.  zur  Sachs.  Kirchengesch.  H.  17. 
(Leipzig,^  J.  A.  Barth,  1904).     S.  142—156. 

Bojano.wski,  El.  v. :  Louise,  Großherzogin  von  Sachsen  und 
ihre  Beziehungen  zu  den  Zeitgenossen.  Nach  größtenteils  unver- 
öffentlichten Briefen  u.  Niederschriften.  Stuttgart  u.  Berlin,  Cottasche 
Buchh.,  1903.    Mit  einem  Porträt.    VIIl  u.  429  SS.     8". 

Bojanowski,  P.  v. :  Das  Weimar  Johann  Sebastian  Bachs. 
Zur  Erinnerung  an  den  8.  April  1703.  Mit  einem  Bilde:  Die  Schloß- 
kirche zur  Zeit  Bachs.    Weimar,  Böhlaus  Nachf.,  1903.    50  SS.   8». 

Derselbe:  Niederschriften  des  Herzogs  Karl  August  von 
Sachsen-Weimar  über  den  Schutz  der  Demarkationslinie,  den  Eenn- 
weg  (1796)  und  die  Defension  Thüringens  (1798).  Mit  einer  Karte 
der  Südgrenze  Thüringens  aus  dem  J.  1796  nach  Güssefeld- Weimar. 
Weimar,  H.  Böhlaus  Nachf.,  1902.  VII  u.  73  SS.    4°. 

Derselbe:  H.  Karl  August  u.  der  Pariser  Buchhändler 
Pougens.  Weimar,  Böhlaus  Nacht.,  1903. 

Brackmann,  A. :  Papsturkunden  des  östhchen  Deutschlands. 
Ein  Reisebericht.  Nachr.  von  der  Königl.  Ges.  der  Wissensch.  zu 
Göttingen.  1902.     S.  193—223. 

Brandenburg,  E. :  Politische  Korrespondenz  des  Herzogs  u. 
Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen.  Bd.  IL  1.  Hälfte  (1544  u.  1545). 
Leipzig,  Teubner,  1903.  468  SS.  8». 

Brode,  Reinh.:  Der  Schauplatz  der  Kaisermanöver  1903. 
Hist.  Skizze  aus  Deutschlands  Vergangenheit.  Halle  a.  S.,  Gebauer- 
Schwetschke,  1903.    XIV  u.  155  SS.    8". 

Brück,  R. :  Friedrich  d.  Weise  als  Förderer  der  Kunst.  Mit 
41  Lichtdrucktafeln  u.  5  Textabb.  (Studien  z.  d.  Kunstgesch.  H.  45.) 
Straßburg  i.  E.,  Huth,  1903.  VIII  u.  336  SS.  8". 

Brüll,  J. :  Die  Anfänge  des  preußischen  Eichsfeldes,  1902. 
32  SS.    8». 

B[uchenau],  H.  Über  einige  thüringische  Pfennige  aus  der 
Zeit  Friedrichs  d.  I"^eidigen,  Markgrafen  von  Meißen,  und  seiner 
Gemahlin  Elisabeth  von  Lobdeburg.  Bl.  f.  Münzfreunde  (1904). 
No.  4.  Sp.  3121—3126. 


Literatur.  347 

Derselbe:  Kurzer  Bericht  über  den  um  1238  vergrabenen 
fefchleusinger  Fund.     Ebenda  Sp.  3126—3129. 

Bu ebner,  O.:  Erfurt  und  die  dortige  kunsthistoriscbe  Aiw- 
«tellung.    Wartburgstimmen.  I.  Jahrg.  Bd.  I.  S.  532  ff. 

Derselbe:  Das  städtische  Museum  zu  Jena.  Ebenda  I.  Jahne. 
Bd.  I.    S.  61  ff.  * 

Buddeus,  Th. :  Szenen  aus  dem  Kommandantenleben  der 
Wachsenburg.    Goth.  Tagebl.  1902.    No.  143,  U.ö,  149,  153,  155. 

Bühring,  Johannes:  Geschichte  der  Stadt  Arnstadt  704  bu 
1904.  Im  Auftrage  der  Stadt  und  unter  I5enutzung  hinterlaBaenor 
Vorarbeiten  des  Archivrats  Hermann  Schmidt  dargestellt.  Arnstadt, 
E.  Frotscher,   1904.  IV   u.  212  SS.  8".  Mit   vielen   Abbildungen. 

Derselbe:  Die  Rennsteigurkunde  von  1519  im  Sonder<»häuser 
Landesarchiv.    Das  Mareile.  III.  Reihe  (1903,  No.  11/12.  S.  127. 

Derselbe:  Karl  August  u.  der  Rennsteig.  Das  Mareile.  1903. 
Ko.  7.    S.  66-71. 

Derselbe:  Rennsteigyermessimg  mit  dem  Ha&dmeßrad  von 
Pretzsch.    Ebenda  S.  71— &. 

Bürkner,  R.:  Herder  u.  Dresden.  Ein  Gedenkwort  zur  100. ' 
Wiederkehr  seines  Todestages  (f  18.  Dez.   1803).    Dresdener  Arn. 
1903.  No.  349.  S.  2  f. 

Derselbe  :  Herders  Deutschtum.  Wartburgstimmen.  I.  Jahrg. 
Bd.  II.  S.  119  ff. 

Derselbe,  Herder;  sein  Leben  und  Wirken.  Berlin,  Hof- 
mann u.  Co.,  1903.  287  SS. 

Giemen,  O.:  Ein  Brief  von  Johannes  Bernhardi  aus  Feld- 
kirch (an  Johann  Lang  in  Erfurt).  A.  f.  Reformationsgesch.  I.  Jahrg. 
H.  2.  (Berlin,  C.  A.  Schwetschke  u.  S.)  1904.  S.  192  ff. 

Derselbe:  Beiträge  zur  Reform ationsgeschichte  aus  Büchwn 
u.  Handschriften  der  Zwickauer  Stadtschulbibl.  Ebenda  H.  3.  Berlin, 
«chv?etschke  u.  S.,  1903).  IV  u.  115  SS.  8". 

Debes,  H. :  Aug.  Trostbach,  der  Thüringer  Pfarrer  u.  Dichter. 
Ev.  Gemeindebl.  f.  d.  Stadt  Gotha.  V,  19,  20,  21. 

Derham,  M.  J.:  Saxe  et  Thuringe.  Situation  öconomique  en 
1902.  Extrait  du  recueil  consulaire  beige.  Bruxelles,  P.  Wdaaen- 
bruch,  1903.  30  SS.  8". 

Dermbach  a.  d.  Feldabahn.  Rhön-8oram«rf tische.  (Führer, 
Hofbuchdr.  H.  Kahle,  Eisenach,  1903.)    10  SS.    8". 

Devrient,  E.:  Saalfeldische  Historien  von  M.  Caspar  Sagit- 
tarius,  im  Auftrage  der  Stadt  Saalfeld  herausg.  1.  Teil:  Bis  zur 
Reformation.    Saalfeld  a.  S.,  1903.    189  SS.    8*. 

Derselbe:  Urkundenbuch  der  Stadt  Jena  u.  ihrer  geistlichen 
Anstalten.  Bd.  II.  (1406—1525).  Namens  des  Vereins  f.  Thüringische 
Geschichte  u.  Altertumskunde  mit  Benutzung  des  Nachlawex  von 
Dr.  J.  E.  A.  Martin  herausg.  Jena,  G.  Fischer,  1903.  XLIV  u. 
€08  SS.  8».     A.  u.  d.  T.:  Thur.  Gesch.-Qu.  N.  F.  III.  Bd.  2.  Teil. 

Dibelius,  [Fr.] :  Johann  Tetzel.  Beitr.  zur  Sachs.  Kirchen- 
geschichte. H.  17  (Leipzig,  Job.  Ambr.  Barth,  1904).  8.  1—23. 

Die  mar,  H. :  Stammreihe  des  Thüringischen  LAndgrafen- 
hauses  u.  des  Hessischen  Landgrafenhauses  bis  auf  Philipp  d.  Groß- 
mütigen.   Zs.  d.  V.  f.  hess.  G.  u.  Lt.  N.  F.  XXVII.  8.  1—^. 

Derselbe:  Texte  u.  Untersuchungen  zur  verlorenen  Heesen- 
chronik.    Ebenda  S.  33—55. 


348  Literatur. 

Dobenecker,  O.:  Die  Vermählung  des  Landgrafen  Ludwig  IV» 
mit  Elisabeth  von  Ungarn.  Wartburgstimmen.  I.  Jahrg.  Heft  2. 
(Mai  1903).     S.  169  ff. 

Doebner,  E. :  Bausteine  zu  einer  Gesch.  4er  Stadt  Meiningen. 
N.  Beitr.  z.  G.  des  deutschen  Altertums,  herausg.  v.  Henneb.  Alter- 
tumsver.  zu  Meiningen.  Lief.  XVIL  Meiningen,  Brückner.  112  SS.  8^. 

D[o ebner,  E.J:  Die  Meininger  Maler  des  18.  Jahrhunderts. 
Zur  Einführung  in  die  Pastellbilder  -  Ausstellung  in  Meiningen. 
Meininger  Tageblatt  (1904).  No.  112. 

Döring,  E. :  Beitr.  zur  Kenntnis  der  Sondershäuser  Mundart. 
T.  I.    Sondershausen,  Prgr.  1903.    48  SS. 

Döring,  O.:  Alte  Fachwerkbauten  der  Provinz  Sachsen.  Mit 
112  Lichtdrucktafeln  u.  16  Tatein  in  Photolithographie.  Magdeburg,. 
E.  Baensch  jun.,  1903. 

Duijnstee,  Dominicar  Fr.  X.  P.  ord.  erem.  s.  Aug.:  Pole- 
mica  de  s.  s.  Eucharistiae  sacramento  inter  Bartholomaeum  Arnoldi 
de  Usingen  0.  E.  S.  A.  ejusque  olim  in  universitate  Erfurdiana  disci- 
pulum  Martinum  Lutherum  anno  1530  etc.  Würzburg,  Stahel,  1903. 
VIII  u.  98  SS.  gr.  8°. 

Ebart ,  P.  V.:  Gotha  in  den  Oktobertagen  1806.   Goth.  TagebL 

1902.  No.  289,  291,  292,  293,  295. 

Eckermann,  J.  P.:  Gespräche  mit  Goethe  in  den  letzten 
Jahren  seines  Lebens,  herausg.  von  L.  Geiger.    Leipzig,  Hesse,  1902. 

Erbstein,  J. :  Medaille  auf  Herzog  Christian  I.  v.  Sachsen- 
Merseburg  u.  s.  Gem.  Christiana  Prinzessin  v.  Schleswig- Holstein- 
Sonderburg-Glücksburg.  Münz-  u.  Medaillenfreund.  IV  (1902).  No. 
47.  Sp.  372—374. 

Escherich,  M. :  Die  kunsthistorische  Ausstellung  in  Erfurt. 
Wartburgstimmen.  I.  Jahrg.  Bd.  2.  S.  27  ff.  u.  105  ff. 

Feier,  Die,  der  Eröffnung  des  Städtischen  Museums.  Beil. 
zu  No.  29  der  Jenaischen  Ztg.,  4.  Febr.  1903.  (Eeden  des  Prof.  Dr. 
P.  Weber  u.  des  Oberbürgerm.  Singer.) 

Festgabe  zur  Hundertjahrfeier  der  Einverleibung  des  Eichs- 
feldes in  die  Krone  Preußens.  Heiligenstadt,  F.  W.  Cordier,  1902. 
20  SS. 

Fischer,  Ernst:  Die  Münzen  des  Hauses  Schwarzburg. 
Heidelberg,  Wintersche  Universitätsbuchh.  gr.  8".  Mit  16  Licht- 
drucktafeln. 

Fitte,  S. :  Johann  Friedrich  d.  Großm.  (geb.  30  Juni  1503). 
Vossische  Ztg.  1903.  Sonntagsbeil.  No.  25  u.  26. 

Förtsch,  O.:  Bronzezeitliche  Gräber  von  Goseck.  Jahresschr. 
f.  d.  Vor-G.  der  sächs.-thür.  Länder.    I,  62 — 74. 

Francke,  H.  G.:  Miszellen  aus  der  Geschichte  Weidas.  Die 
Schicksale  der  Stadt   im  30-jährigen  Kriege.    Weidaer  Ztg.   Jahrg. 

1903.  No.  4,  6,  9,  10. 

Freidorf,  v. :  Der  Püsterich  von  der  Rotenburg  (jetzt  zu 
Sondershausen).  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Schrei-  u.  Gerüfte- 
wahrzeichen.  Zs.  f.  Kulturgesch.  (1902).  S.  322—344. 

Freysoldt,  A. :  Die  fränkischen  Wälder  im  16.  u.  17.  Jahrh. 
Ein  Beitrag  zur  Forstgeschichte  des  Meininger  Oberlandes.  Nach 
den  Quellen  bearbeitet.  Mit  einer  Karte.  Steinach  S.-M.,  Selbst- 
verlag des  Verf.,  1904.  IV  u.  162  SS.  8". 


Literatur.  349 

Friederich,  K.:  Zur  Münzgeechichte  den  fürstlicbeD Hanäct 
Stolberg.    I.    Dresden,  Selbstverl.,  1903.    51  S8.  u.  4  Tafeln. 

Gedenkschrift  zum  75-jährigen  Stiftungsfest  des  Bürger- 
hchen  Gesangvereins  Jena,  am  12.— 14.  Sepj«mber  1903.    115  88.   9*. 

Gensei,  Jul. :  Frietlrich  Preller  d.  A.  Mit  134  Abb.  u.  einem 
Titelbild.  Bielefeld  u.  Leipzig,  Velhagen  u.  Klasing,  MKM.  134  88. 
8°.    (A.  u.  d.  T.  Künstlermonographien,  herausg.  von  Knackfuß,  09.) 

Gerard,  Frances:  A  grandduches».  The  life  of  Anna  Amali* 
duchess  of  Saxe-Weimar-Eisenach  and  the  classical  circle  of  Weünar. 
Vol.  1,  II.  London,  Hutchinson  u.  Co.,  1902.  XXIV,  582  88.  8». 

Görin g,  H.:  Friedrich  Fröbel.  Wartburgstimmen.  I.  Jahrg. 
Bd.  1.    S.  868  ff. 

Goethes  Briefe.  Bd.  XXVI— XXVIII:    24.  Älai  1815  bis. 
Dez.  1817.    Weim.  Goethe-Ausg.  (Abt.  IV.  Bd.  26—28). 

Goethe-Briefe.  Mit  Eimeit.  u.  Erläut.  herausg.  von  Ph.  Stein. 
Bd.  III:  Weimar  u.  Italien  1784—1792.  Bd.  IV:  Weimar  u.  Jen» 
1782—1800,  Bd.  V,  1801—1807.    Berlin,  Eisner,  1903  u.  1904.  8*. 

Götze:  Das  vorgeschichtliche  Thüringen  (Vortrag).  Korre*- 
spondenzbl.  des  Gesamtvereins  (1904).  No.  2.  Sp.  62 — 68. 

GrabitzBch,  W.:  Eisenach  vor  200  Jahren.  Thür.  MonatsbL 
X,  25—26,  105—108. 

Grein  er:  Die  kirchlichen  Verhältnisse  von  Jüdewein.  Pöft- 
necker  Tagebl.  1904.    No.  19  u.  20. 

Greiner,  Hugo:  Aus  alter  Zeit.  Volksschausniel  in  einem 
Vorspiel  u.  vier  Aufzügen.  Festgabe  zu  Arnstadts  Zwölfjahrhundert- 
feier.   Arnstadt,  K.  Brettinger,  1904.    90  SS.    8». 

[Grimm.  L.]  Ausf.  Nachricht  von  der  am  6.  April  18Cß  in 
Greiz  leider  erfolgten  schrecklichen  Feuersbrunst  Unsere  Hdmat. 
111.  Monatsschr.  f.  d.  gesamte  Erzgebirge,  Osto-land  u.  Vogtland. 
II  (1903)  87  ff. 

Gröger,  Joh.:  Ein  thüringisches  Städtchen.  Beitr.  zur  Ge- 
schichte Großbreitenbachs  und  der  Umg^end.  Arnstadt,  E.  Frot- 
scher,  1903.  150  SS.  8». 

Groß  1er,  H.:  Die  Entstehungszeit  u.  Geburts«tÄtte_  des 
Lutherliedes  „Eine  feste  Burg  ist  unser  Gott".  Mansf.  Blätter. 
XVII.  Jahrg.    (Eisleben  1903).    S.  113-125. 

Derselbe:  Führer  durch  das  Unstruttal  von  Artern  bis 
Naumburg  für  Vergangenheit  u.  G^nwart.  2.  verm.  u.  vwbesBert« 
Aufl.  Mit  einer  Karte  des  Unstruttales.  Freyburg,  J.'Fmke,  1904. 
XVI  u.  256  SS.    8«.  ^      ^     . ,    .  ■ 

Guttenberg,  Frh.  F.  K.  v.:  Regeeten  des  Geschlecht«  von 
Blassenberg  u.  dessen  Nachkommen.  A.  f.  G.  u.  A.  v.  Oberfranken. 
XXII.  H.  1.  S.  1-86. 

Habbicht,  H.:  Zur  Geschichte  des  Weimarischen  Schul. 
Wesens,  Volksschule  u.  Gymnasium.  Deutschland.  55.  Jahrg.  «o.  iw. 

(1903  Juni  17).  .    .       ,       .  !?•      --k     ss« 

Derselbe:  Das  ehrbare  Töpferhandwerk   zu  E»«eM^    Em 

Beitrag  zur  Geschichte  des   Zunftwesens     »««''^V'*' fj«**^ 
Eisenachs.    XL    Hofbuchdr.  Eisenach,  Verl.  von  H.  Kahle,  190B. 

^  ^  nfbenicht,  H.:  Das  Herzogt.  Goth^  iJ^,S%?n.*Mo[ 
projektierten  Heimatkunde.   Goth.  TagebL  1902.  No.  296-298  u.  300. 


350  Literatur. 

Derselbe:  Einen  vergleichend  erdkundlichen  Beitrag  zur 
Heimatskunde  von  Thüringen.  Wartburgstimmen.  I.  Jahrg.  Bd.  1. 
S.  68  ff. 

Happel,  E. :  Die  Burgen  in  Niederhessen^  u.  dem  Werragebiet. 
Marburg,  Elwert,  1903.  159  SS. 

Hartmann,  N.  v. :  Herder  als  Erzieher.  Wartburgstimmen. 
I.  Jahrg.  Bd.  2.  S.  114  ff. 

Hasen  clever.  Ad.:  Die  Politik  Kaiser  Karls  V.  u.  Land- 
graf Philipps  V.  Hessen  vor  Ausbruch  des  schmalkaldischen  Krieges 
(Jan.  bis  Juli  1546).  Marburg  i.  H.,  Elwert,  1903.  88  SS.  8°. 

Haupt,  H. :  August  Trinius,  der  Thüringer  Wandersmann. 
Thüringer  Warte.  I.  Jahrg.  No.  1.  S.  37—40. 

Hecker,  Max  F.:  Wild-  und  Weidwerk  in  Goethes  Dichtung. 
Die   Vogeljagd.     Wartburgstimmen.    II.  Jahrg.  (Bd.  1).     S.   164  ff. 

Heese,  B. :  Sachsen- Weimar-Eisenach  als  Waldland.  Beil.  zu 
No.  234  der  Jenaischen  Ztg.  (1903  Okt.  6). 

Heimatgeschichte,  Zur,  (Naumburg  a.  S.  im  Okt.  1813). 
Beil.  zu  No.  78  des  Naumburger  Kreisblattes.  1903  April  2. 

Helling,  V.:  Eudolf  v.  Habsburg  u.  die  Wettiner.  Kamerad. 
1903.  No.  11.  S.  9. 

H  e  1  m  k  e ,  F. :  Die  Wohnsitze  der  Cherusker  u.  der  Hermun- 
duren.   Emdener  Prgr.  (1903).  43  SS. 

Her r mann,  M.:  Übersicht  über  die  historische  und  nume- 
rische Entwickelung  der  römisch-katholischen  Kirche  in  der  Provinz 
Sachsen  am  Ende  des  19.  Jahrh.  Herausg.  vom  Hauptverein  des 
Evang.  Bundes  der  Prov.  Sachsen.  Halle,  Wischau  u.  Wettengel, 
1902.  88  SS.  8°. 

Hertel,  L. :  Kleine  Landeskunde  des  Herzogtums  Sachsen- 
Meiningen.  Hildburghausen,  F.  W.  Gadow  u.  S.,  1903.  118  SS. 
8".    1  M. 

Hertzberg,  H. :  Deutsch-sorbische  Kulturzustände.  Mitt.  d. 
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Heydenreich,  Ed.:  Städtische  Archivbauten.  Korrespon- 
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Hirschberg,  L. :  Ludwig  Bechstein,  zu  seinem  100.  Geburts- 
tage (24.  Nov.  1901).  Zs.  f.  Bücherfreunde.  V.  Jahrg.  S.  262—272, 
312—320,  346—354. 

Höfer:  Archäologische  Probleme  in  der  Provinz  Sachsen. 
Festgabe  der  hist.  Kommission  für  die  Provinz  Sachsen  u.  das 
Herzogt.  Anhalt.     Halle  a.  S.,  0.  Hendel,  1903.  31  SS.  8^. 

Hof  mann,  A. :  Kurf.  Johann  Friedrich  d.  Großm.  v.  Sachsen. 
Die  Wartburg.  IL  Jahrg.  No.  27  (3.  Juli  1903). 

Huxsel,  A. :  Ein  Elgersburger  Jubiläum.  Thür.  Monatsbl. 
X,  112—113. 

Iber,  Gesch.  des  Wiederherstellungsbaues  der  Marienkirche  zu 
Mühlhausen  i.  Thür.    Mühlhausen,  1903  (Selbstverlag). 

I SS  leib,  S. :  Philipp  v.  Hessen,  Heinrich  v.  Braimschweig  u. 
Moritz  V.  Sachsen  in  den  J.  1541 — 1547.  Jahrb.  des  Geschichtsv. 
f.  d.  Herzogtum  Braunschweig.  II  (1903).  S.  1 — 80. 

Derselbe:  Moritz  von  Sachsen  u.  die  Ernestiner,  1547 — 1553. 
N.  A.  f.  Sachs.  G.  XXIV,  248-306. 

Jahr,  E.  E. :  Die  Entwickelung  des  Verkehrswesens  in  Thü- 
ringen im  19.  Jahrh.  Leipzig,  E.  Glausch,  1903. 


Literatur.  35J 

Jahresbericht  der  öffentlichen  Leflehalle  zu  Jena  für  19(X 
Beil.  zu  No.  64  der  Jenaischen  Ztg.  17.  März  1903. 

Jahresschrift  für  die  Vorgeschichte  der  sächaiich-thuriii- 
gischen  Länder.  Herausg.  v.  d.  Provinzial-Museuin  der  Provin« 
Sachsen  in  Halle  a.  S.  Bd.  I.  Halle,  O.  Hendel,  1902.  258  SS  8» 
Mit  25  Taf.  u.  4  Plänen.  *      * 

Joch,  Ad.:  Die  Pfarrei  Mupperg,  topographisch  u.  kirchen- 
geschichtlich dargestellt  von  weil.  Dr.  8.  Lotz,  Kirchenrat,  Pfarrer 
zu  IMupperg  u.  Gefell,  neu  herausg.  Mit  3  Abb.  Sonneberg,  Druck 
von  Grabe  u.  Hetzer,  1903.  XV  u.  275  SS.  B".  (Broch-  3  M  eeb 
3,50  M.)  *    ' 

Johnson:  Vogtl.  Altertümer.  CLIV— CLVI.  Wirk,  der  Eimpfe 
zw.  Weifen  u.  Staufen.  CLVIL  Eine  Gennaneiiburg  b.  Jocketa.. 
CLVIII.  Das  Ende  der  plauischen  Herrsch,  über  das  Ascher  Gebiet. 
CLIX.  Aus  der  Perrücken  zeit.  CLX.  Sünderhauf.  CLXL  Plauen 
als  Bergort.  CLXII.  Vogtländer  mit  Luther  in  Worms.  Vgtl.  Anz. 
u.  Tagehl.  1903.  No.  67,  76,  86,  101,  118,  125,  129,  141,  165. 

Jordan:  Chronik  der  Stadt  Mühlhausen  in  Thüringen.  Bd.  II' 
(1526—1599  [1604]).  Mit  4  Abb.  u.  einem  Plane.  Mühlhausen  L 
Thür.,  Danner,  1903.  VII  u.  200  SS.  8°. 

Derselbe:  Zur  Geschichte  der  Stadt  Mühlhausen  i.  Thür. 
H.  3.  Beil.  zum  Jahresber.  des  Gymn.  in  Mühlhausen  i.  Thür.  1903. 
48  SS.  8". 

Derselbe:  Zur  Geschichte  der  Stadt  Mühlhausön  i.  Thür. 
Heft  4  „Zur  Schlacht  bei  Frankenhausen."  Hierzu  ein  Plan  von 
Frankenhausen  u.  Umgegend.  Mühlhausen  i.  Thür.,  Dannersche 
Buchdr.,  1904.  52  SS.  8°.  (S.  1—40  als  Beil.  zum  O.Prgr.  des  Gymu. 
zu  Mühlhausen  i.  Thür.  1904). 

Derselbe:  Aus  der  Franzosenzeit  1806— 1807.  In  „Aus  alter 
Zeit."  Zwanglose  Beiblätter  zum  ^lühlhäuser  Anzeiger.  1903.  No. 
47—51 ;  1904.  No.  52,  53,  54,  55,  56.  Mühlhausen  i.Thür.,  Dannersche 
Buchdr. 

Derselbe:  Die  Verwaltung  der  Stadt  Mühlhausen  i.  Thür. 
unter  dem  Königreich  Westfalen.  Mühlhäuser  Anz.  CVII.  Jahrg. 
(1903).  No.  119—124  (23.-29.  Mai). 

Derselbe:  Inscriptiones  Mulhusinae.  Sonderabdr.  aus  ^vm 
alter  Zeit".    Mühlhausen  i.  Thür.,  Danner,  1903.  33  SS.  &. 

Jubiläumsfeier,  Zur  200-jährigen,  de»  3.  Bataillons  des 
7.  Thüringer  Infanterie-Rqgiments  No.  96.  Rudolstädter  Ztg.  XXXIII. 
Jahrg.  (1903).  No.  191  u.  193. 

Thüringer  Kalender  1904.  Inh :  Trinius,  A.:  Raine  Lieben- 
stein. —  Voß,  G:  Dornburg  b.  Jena.  —  Loßnitzer:  GedeoktaR  u. 
Gedenkstücke  Herzog  Bernhards  v.  Weimar.  —  Voß,  G.:  Greif«- 
stein  am  Eingang  des  Schwarzatales.  -  Bacthcke:  Aus  den  Klostar- 
ruinen Georgentals.  -  Ehwald,  R.:  Die  Gothaer  I*rachtbibel  Ott- 
heinrichs von  der  Pfalz.  —  Bomemann,  G.:  Mit  Goethe  auf  dem 
Inselsberg.  —  Bojanowski,  P.  v.:  Der  Honistein  in  Wramar.  Zur 
400-j.  Gedenkfeier  Johann  Friedrichs  d.  Großm.  -  Voß,  O. :  IMe 
Osterburg  b.  Weida.  -  Pick,  B.:  Porträt-Medaillen  Johann  Fried- 
richs d.  Großm.  —  Eggeling:  Im  Dom  zu  Naumburg.  —  KnedCli«: 
Die  Liebfrauenkirche  in  Arnstadt.  —  Fritze:  Da«  steineme  Haus  in 
Meiningen.  —  Voß,  G.:  Das  obere  Schloß  in  Greir. 


352  Literatur. 

[Ketelhodt,  G.  v.]  Unsere  Gesetzsammlung.  1.  Beil.  z. 
Schwarzb.-Rudolstädtieclien  Landeszeitung  (1904).  No.  14. 

Klein  teich,  H. :  Kurzer  Führer  durch  Krauichfeld  u.  s.  Um- 
gebung.   Kranichfeld  a.  Um,  G.  Hahn,  1902.  16^SS.  Mit  1  Karte. 

Koch,  Ernst:  Die  Jüdeweiner  Kirche  und  die  Kirche  zu 
St.  Bartholomäus  in  Pößneck.  Pößnecker  Ztg.  1904.  März  2  u.  im 
Pößnecker  Tageblatt.  1904.  März  2. 

Derselbe:  Die  ehemalige  Hospitalkirche  zu  Pößneck.  Pöß- 
necker Ztg.  1904.  April  17. 

Derselbe:  Das  Gemeindevermögen,  die  Einwohner  u.  Gebäude 
der  Stadt  Meiningen  im  Jahre  1650.  Meininger  Tagebl.  1904.  No. 
49,  55,  61,  67. 

Derselbe:  Nachrichten  über  die  Stadtflur  von  Meiningen  aus 
dem  Jahre  1650.  Meininger  Tagebl.  1904.  No.  73. 

Krauth,  S.:  Untersuchung  über  den  Namen  u.  die  ältesten 
Geschichtsquellen  der  Stadt  Erfurt.  Erfurt,  Druck  von  Fr.  Bartho- 
lomäus, 1904.  Beil.  zum  Jahresber.  des  Realgymn.  zu  Erfurt.  36  SS.  4". 

Krebs,  K. :  Nach  der  Schlacht  bei  Jena  am  14.  Okt.  1806. 
Leipz.  Tagebl.  1902.  No.  521,  534.  S.  7083  f.  7261  f. 

Krieg,  Thilo:  Prinz  Leopold  von  Coburg  bei  der  Erfurter 
Kaiserzusammenkunft.  Beil.  zu  No.  97  der  Coburger  Zeitung  (26. 
April  1903).     ■ 

Derselbe:  Herzog  Ernst  L  v.  Sachsen-Coburg-Saalfeld  am 
napoleonischen  Kaiserhofe  1807/8.  Beil.  zu  No.  75  der  Coburger 
Zeitung  (29.  März  1903). 

Kück,  Ed.:  Die  Erfurter  Ausgabe  des  Katechismus  der  böh- 
mischen Brüder.  Mitt.  d.  Ges.  f.  d.  Erzieh.-  u.  Schulgesch.  XIII 
(Beriin,  Hofmann  u.  Co.,  1903).  S.  86  f. 

Kühn:  Zur  Geschichte  der  Stadt  Eisenach.  II.  (Schluß  der 
Eatsfasten.  —  Wandlungen  der  städtischen  Verfassung).  Eisenach. 
Jahresbericht  über  das  Kari  Friedrichs-Gymn.  1904.  S.  3—23.  4«. 

K  u  n  t  z  e ,  H. :  Einladung  zum  Grabgeleite  Ludwigs  v.  Wiehe 
auf  Burgscheidungen  vom  16.  Febr.  1596.  Mansf.  Bl.  XVI,  178—180. 

L  a  u  e ,  M. :  Sachsen  u.  Thüringen.  Jahresberichte  der  Geschichts- 
wissenschaft. 1901.  n,  218—254. 

Liebe,  G. :  Das  Beginenwesen  der  sächsisch- thüringischen 
Lande  in  seiner  sozialen  Bedeutung.  Archiv  für  Kulturgeschichte, 
herausg.  von  G.  Steinhausen.  I  (1903),  35—42. 

Liebe:  Die  Herausgabe  von  Kirchenvisitations  -  Protokollen. 
Korrespondenzbl.  des  Gesamtvereins  (1903).  S.  47 — 49.. 

[Lieb mann,  P.]  Die  geschichthche  Entwickelung  und  wirt- 
schaftliche Bedeutung  des  Forstwesens  im  Fürstentum  Schwarburg- 
Rudolstadt.  Ein  Beitrag  zur  vaterl.  Geschichte.  Schwarzb.-Rudol- 
städtische  Landeszeitung  (1903).  No.  245,  251,  256  u.  262. 

Lindner:  Die  Stellung  Sachsens  u.  Thüringens  in  der  deut- 
schen Geschichte.  Korrespondenzbl.  des  Gesamtvereins  der  deutschen 
Geschichts-  u.  Altertumsvereine,  LI.  Jahrg.  No.  10/11.  S.  202  f. 

Li nn -Linsenbarth,  O. :  Schiller  u.  der  Herzog  Karl  Au- 
gust v.  Weimar.  Teil  IL  Prgr.  Kreuznach,  1903.  44  SS. 

Linz,  W. :  Beiträge  zur  Ortschronik  von  Apfelstädt.  Apfel- 
städt  1902. 

Lippert,  W.  u.  Beschorner,  H.:  Das  Lehnbuch  Friedrichs 
des   Strengen,  Markgrafen   v.  Meißen   u.  Landgrafen   v.  Thüringen, 


Literatur.  353 

1349/1350.  Mit  9  Tafeln  in  Lichtdruck.  Leipriir,  B.  G.  Teabner'. 
1903.  CCLVIII  u.  &40  SS.  8«.  (A.  u.  d.  T.:  Schnften  der  KönigL 
Sächsischen  Kommission  für  Greschichte.  Bd.  VIII).  (Be»jM:«chuDg 
folgt.) 

Lippert,  W. :  Jahresanfang  am  1.  Januar  in  der  mdßnisch- 
thüringiscnen  Kanzlei  um  die  Mitte  des  14.  Jahrb.  Mitt.  d.  Inst  f. 
öst.  GF.  XXIV,  302—309. 

Derselbe:  Studien  über  die  Wettinische  Kanzlei  u.  ihre  ältesten 
Register  im  14.  Jahrb.  NA.  f.  Sachs.  G.  XXIV,  1—42. 

Löber,  E:  Aus  einem  Stützerbacher  Patrizierhause.  Thür. 
Monatsbl.  X,  115—118. 

Loreta,  M.:  Miedzy  Jenq  a  Tylzi^  Warschau,  LaBkauo*  u. 
Co.,  1902.  XV  u.  165  SS. 

Lüttich,  S. :  Zur  Baugeschichte  des  Naumburger  Doms  u. 
der  anliegenden  Baulichkeiten.  Prgr.  des  G.  zu  Naiunburg  a.  8.,  1902. 
48  SS.  4*.  Mit  4  Tafeln. 

Derselbe:  Dritter  Beitrag  zur  Baugeschichte  des  Naumburger 
Doms  und  der  anliegenden  Baulichkeiten.  Beil.  zum  Jahresber.  des 
Dom-G.  zu  Naumburg  a.  S.,  H.  Sieling,  1904.  62  SS.  4".  Mit  einer 
Karte. 

Lutze,  G. :  Aus  Sondershausens  Vergangenheit  Lief.  1 — 4. 
Sondershausen.  Eupel,  1902.  128  SS.  8°. 

Mansberg,  Frh.  v.,  Rieh.:  Erbarmanschaft  Wettinischer 
Lande.  Urk.  Beitr.  zur  Obersächs.  Landes-  u.  Ortsgeschichte  in 
Regesten  vom  12.  bis  Mitte  des  16.  Jahrh.  I.  Bd.:  Das  Osterland. 
IMit  6721  Regesten,  22  Taf.  u.  66  Holzschn.   Dresden,  W.  Baensch, 

1903.  IX  u.  676  SS.  8°. 

Meier,  H.:  Aus  Schulprogrammen  des  Gymnasiums  zu  Nord- 
hausen 1712—1722.  Zs.  des  Harz.-V.  XXXVI,  270—274. 

Mensing,  K. :  Bilder  aus  der  sächsischen  Geschichte.  IL 
Georg  d.  Bärtige  u.  Kurf.  Moritz.  Dresden,  E.  Zacharias,  1902. 
96  SS  8" 

Mentz,  G.:  Johann  Friedrich  d.  Großmütige.  L  Teil:  Johann 
Friedrich  bis  zu  seinem  Regierungsantritt  1503—1532.  Festschrift 
zum  100-j.  Geburtstage  des  Kurfürsten  namens  des  Vereins  f.  IJQ- 
ringische  Geschichte  u.  Altertumsk.  herausg.  von  der  thunngischai 
historischen  Kommission.  Mit  dem  Bildnis  Johann  Fnedncl«  als 
Bräutigam.  Jena,  G.  Fischer,  1903.  XII  u.  142  SS.  8J.  (A.  u.  d.  T.: 
Beiträge  zur  neueren  Geschichte  Thüringens.  Bd.  I.  Erster  Ten.) 

Derselbe:  Zur  Geschichte  der  Packschen  Händel.  A.  f.  Ite- 
formationsgeschichte.  I.  Jahrg.  H.  2.  Beriin,  C.  A.  Schwetsciike  u.  8., 

1904.  S.  172—191.  ,,   „,    u    i.      U-» 
Derselbe:  Die  Briefe  G.  Spalatins  an  V.  Warbeck  nebst  er- 
gänzenden  Aktenstücken.    A.    f.  ReformationsgeschK^te.  I.  Jahrg. 
H.  3  (Beriin,  C.  A.  Schwetschke  u.  S.,  1904).  No.  3.  fe-  1Ö7-246. 

M eurer,  H.:  Zum  Regimentejubiläum.  Beitr.  ^  O.  ««  K«n- 
ments  „Großherzog  von  Sachsen"  (1807-34).  Weimar,  Böhlaus  NacW., 
1902    28  SS 

"Meyer,  P.:  Droyßig  1852-1902.    Eine  Festschrift  BresUu, 
F.  Hirt,  1902.  168  SS.  Mit  10  Tafeln.  .  •       n..  nr.^au 

Mitzschke,  P.:  Ungedrucktes  vom  Rennsteig.  Dm  Mamie. 
III.  Reihe  (1903).  No.  11/12.  S.  122-126. 

Mörtzsch,  0.:  Die  „Erbar  Manschaft"  der  Ltoder  Meitten, 


354  Literatur. 

Thüringen  u.  Sachsen  i.  J.  1445.  Zs.  f.  hist.  Waffenk.  II  (1902), 
448—750;;  III  (1902/3),  48-51. 

Morgenstern, O:  Hennebergica,  Verzeichnis  der  alten  Drucke 
aus  der  Gymnasialbibliothek,  die  sich  auf  die  ehemalige  Grafschaft 
Henneberg  beziehen.  T.  I.  Schleusingen,  Prgr.  1903.  22  SS.  4". 

Mücke,  R.:  Aus  der  älteren  Schulgeschichte  Ilfelds.  Prgr. 
der  Klosterschule  zu  Ilfeld.  1902.  26  SS.  4«. 

Naumann,  L. :  Die  Ruinen  des  Schlosses  Eckartsberga  u. 
seine  einstige  Bedeutung  als  Festung.  Eckartsberga,  Verl.  des 
Eckartshauses,  1902.  31  SS.  8".  Mit  3  Taf. 

Derselbe:  Das  Schloß  Eckartsberga,  „Eckartsburg."  H.  4 
der  Beitr.  zur  Lokalgeschichte  des  Kreises  Eckartsberga.  3.  Aufl. 
Eckartsberga,  Verl.  des  Eckartshauses,  1902.  48  SS.  8".  Mit  1  Abb. 

Nehm  er,  A.:  Beiträge  zur  Landesk,  des  Eichsfeldes  (mit  2 
Karten  u.  1  Profiltafel).  A.  f.  L.-  u.  Volkskunde  der  Prov.  Sachsen. 
XIII  (1903).  S.  77—127. 

Nippold,  Fr.:  Der  Kurfürst-Confessor  Johann  Friedrich. 
Rede,  gehalten  zu  seinem  Säkular  -  Jubiläum  am  30.  Juni  1903. 
Jena  (G.  Neuenhahn)  1903.  29  SS.  4». 

Derselbe:  Zum  400.  Geburtstage  des  Kurf.  Johann  Friedrich. 
Deutschland,  Monatsschr.  f.  d.  ges.  Kultur.  II,  493 — 507. 

0er gel:  Das  Bursenwesen  der  mittelalterlichen  Universitäten, 
insbesondere  Erfurts  (Vortrag).  Korrespondenzblatt  des  Gesamtverein& 
(1904).  No.  4/5.  Sp.„151— 159. 

Opitz,  W. :  Über  die  Hersfelder  Schrift:  de  unitate  ecclesiae 
conservanda.  Prgr.  des  RG.  zu  Zittau,  1902.  18  SS.  4». 

Overmann:  Erfurt  in  Geschichte  u.  Kunst  (Vortrag).  Kor- 
respondenzblatt des  Gesamtvereins  (1903).  S.  237—244. 

Polack,  Fr.:  Der  Kreis  Worbis  in  den  hundert  Jahren  preuß.. 
Herrschaft  von  1802—1902.  Worbis,  C.  Müller,  1902.  136  SS.  8". 

Posse,  O.:  Die  Siegel  des  Adels  der  Wettiner  Lande  bis  zum 
J.  1500.  Im  Auftr.  der  Kgl.  Sachs.  Staatsregierung  herausg.  I.  Bd. : 
Grafen  von  Käfernburg-Schwarzburg,  Vögte  von  Weida,  Plauen  und 
Gera.  Adel  Buchst.  A.  Dresden  1903.  VII,  65  SS.  50  Taf.  4». 

Quantz,  H.:  Skelet-Gräber  von  Solkwitz  in  Ost-Thüringen. 
Nachr.  über  deutsche  Altertumsfunde.  XIIL  Jahrg.  (1902).  H.  5. 
S.  67—71. 

Raab,  C.  v. :  Das  Amt  Pausa  bis  z.  Erwerbung  durch  Kurf. 
August  V.  Sachsen  im  J.  1569  u.  d.  Erbbuch  v.  J.  1506.  Beil.  z.  d. 
Mitt.  d.  Altertumsv.  zu  Plauen  i.  V.  16.  Jahresschr.  auf  die  J.  1903/4. 
Plauen  i.  V.  1903.  4  Bl.  u.  115  SS.  8«. 

Rademacher,  O. :  Die  Merseburger  Bischofschronik.  Über- 
setzt u.  mit  Anm.  versehen.  T.  I.  Beil.  z.  Jahresber.  des  Dom-G.  zu 
Merseburg,  1903.  Merseburg  (F.  Stollberg).  74  SS.  8". 

Ranke,  H.:  Stammbaum  der  Familie  Ranke.  12  Tafeln.  A1& 
Manuskr.  gedruckt.  München.  1901. 

Ratzel,  F.:  Bruno  Hassenstein  f.  Petermanns  Mitteilungen. 
XLVIII  (1902).  Heft.  12.  S.  1—5. 

Rechnungslegung  über  die  Ausgaben  eines  Jenenser  Stu- 
denten in  der  Zeit  vom  12.  April  1589  bis  zum  18.  Mai  1590. 
Jenaische  Zeitung.  1903.  Juli  17. 

Reglement  und  Wacht-Ordnung  der  Stadt  Jena  de  anno  1757. 
Jenaische  Ztg.  Jahrg.  230.  No.  100  (1903,  April  30). 


Literatur.  355 

Reichard t,  R.:  Zum  Wortschatz  der  Nordthürinirer  Mund- 
art. Zs.  f.  hochd.  Mundarten.  III,  354—363. 

Derselbe:  Sagen  aus  Nordthürineen.  Zb.  A  V.  f.  Volkskunde. 
XI,  68—73  u.  XII,  06-72. 

Derselbe:  Die  Grafschaft  Hohenstein  unter  der  Hemduft 
des  Grafen  Thun  1628—1631.   Zs.  des  Harz.-V.  XXXVI,  274—283. 

Reimann,  K.  E.:  Wo  ist  Friedrich  Hortleder  eeboren?  NA. 
f.  Sachs.  G.  u.  A.  XXIV,  174-178. 

Rodigast,  G. :  Ursprune  und  Alter  der  Schützengilde  Jena 
mit  einer  Original-Urkundentafel.  Aus  amtlich  beglaubigtfu  Tbüring. 
Geschichtsurkunden  verschiedener  Staatsarchive  u.  der  X'niveraitäts- 
bibhothek  Jena  zusammengestellt.  Gewidmet  zum  600.  Stiftunnfeste. 
Jena,  28.  Februar  1904.  16  SS.  8°.  Mit  einer  Tafel. 

Rühl,  K.:  Das  obere  Saaletal.  2.  verm.  Aufl.  Zieeearück,  H. 
Jentzsch,  1903.  132  SS.  8". 

Rühlmann,  P.:  Die  öffentliche  Meinung  in  Sachsen  während 
der  Jahre  1806—1812.  Gesch.  Untersuchungen,  herausg.  von  K.  Lam- 
precht. H.  1.  Gotha,  Perthes,  1902.  121  ^.  8". 

Sachsenklemme,  Die  (4.  Aue.  1809).  Unsere  Heimat,  illnstr. 
Monatsschr.  f.  d.  gesamte  Erzg.  u.  VoeÜ.  I  (1902),  353  f. 

Schenk  zu  Schweinsberg,  G.  Frh.:  Die  drei  thünndiichen 
Werraorte  Breitungen.  Quartalbl.  des  hist.  V.  f.  d.  Großh.  Hessen. 
NF.  Bd,  III.  H.  5. 

Derselbe:  Bemerkungen  zu  neueren  Urkunden büchem  (zu 
Cod.  d.  Sax.  r.  I,  3).  Ebenda  NF.  Bd.  IIL  H.  7.  S.  279  u.  280. 

Schlüter,  Otto:  Die  Siedelungen  im  nordöstlichen  Thüringen. 
Ein  Beispiel  für  die  Behandlung  siedelungsgeographischer  Fragen. 
Berlin,  H.  Costenoble,  1903.  Mit  6  Karten  u.  2  Tafeln.  XIX  u.  453 
SS.  8".  (S.  a.  Zs.  der  Ges.  f.  Erdkunde  zu  Berlin  [1902).  Na  10.  8. 
850-874.) 

Schmidt,  B.:  Die  Reußen.  Genealogie  des  GesamthauMS 
Reuß  älterer  u.  jüngerer  Linie,  sowie  der  ausgestorbenen  Vogtslinien 
zu  Weida,  Gera  u.  Plauen  u.  der  Burggrafen  zu  Meißen  aus  dem 
Hause  Plauen.    Im  Auftr^e  Sr.  Durcnlaucht  Heinrichs  XIV.   Re- 

fierenden  Fürsten  Reuß  j.  L.  und  Fürstregenten  Reuß  ä.  L.  Schleix, 
".  Webers  Nacht,  1903.  IX  u.  70  SS.  Fol.  (Besprechung  folgt) 

Schmidt,  C.  F.  L.:  Heimatliche  Kunst  und  Bauweise  in 
Sachsen  und  Thüringen  (Vortrag).  Korrespondenzblatt  des  Gesamt- 
vereins (1904).  No.  4/5.  Sp.  169—175.  - 

Schmidt,  Erich:  Luise,  Großherzogin  v.  8.- Weimar.  D. 
Rundschau.  XXX.  H.  1. 

Schmidt,  Fr.:  Die  schwedische  Invasion  in  Kursadwen  n. 
insbesondere  im  Herzogtum  S.-Weißenfel«  in  d.  J.  1706  u.  1707. 
Mansf.  Bl.  XVI  (1902),  115-137.  * 

Derselbe:  Die  Dinggrafen  (Dinggrefe)  von  Sangeriiaoaen. 
Zs.  d.  Harz-V.  XXXV,  443-447.  ,  «u  •  u  «^ 

Schmidt,  Kunhardt  v.:  Aus  der  Gesch.  d»  4.  Bl»einbuiid- 
regiments  Herzöge  v.  Sachsen.  Militär- Wochenbl.  1902.  No.  99,  lOö; 
1903.  No.  5,  12,  16,  21. 

Schmidt,  O.  E.:  Wolfg.  Lazius,  em  Geschichtaschmbcr  de» 
Schmalkald.  Krieges.  N.  A.  f.  Sachs.  G.  XXI V   111-133. 

Schnehen,  W.  v.:  Herders  religiöse  Weltanschauung.  Wart- 
burgstimmen. I.  Jahrg.  H.  2.  S.  83  ff. 


356  Literatur. 

Schneider,  M. :  Die  Einrichtung  einer  „deutschen  Schul" 
(d.  h.  Eealabteilung)  am  Gymnasium  zu  Gotha  durch  Herzog  Ernst 
d.  Fr.  im  J.  1662.  Mitt.  der  Ges.  f.  d.  Erziehungs-  u.  Schulgeschichte. 
XIII.  Jahrg.  (Berlin,  Hofmann  u.  Co.,  1903).  S.  34—41. 

Schneider,  W.:  Querfurter  Stadt-  u.  Kirchchronik.  Querfurt, 
W.  Schneider,  1902.  VII  u.  575  SS.  Mit  4  Taf. 

Schöppe,  K. :  Das  Vereinswesen  in  Naumburg.  Naumburg 
a.  S.,  Druck  von  H.  Sieling,  1903.  36  SS.  8°. 

Derselbe:  Zur  Häuserchronik  von  Naumburg.  (Gesch.  ver- 
schiedener bemerkenswerter  Häuser:  Schloß,  Schlößchen,  Drei  Lilien 
u.  a.  m.).  Naumburger  Kreisbl.  1902.  No.  100,  117,  143,  213. 

Derselbe:  Siegel  aus  dem  Stifte  Naumburg-Zeitz.  Mit  Siegel- 
tafeln. Vierteljahrsschr.  für  Wappen-,  Siegel-  u.  Familienk.  Jahrg. 
1903.  S.  81—88. 

Derselbe:  Das  Naumburger  Kirschfest.  Seine  Geschichte  u. 
Bräuche.  Naumburg  a.  S.,  H.  Sieling,  1903.  16  SS.  8». 

Derselbe:  Innungsartikel  der  Glaserinnung  zn  Naumburg 
a.  S.  N.  Mitt.  hist-ant.  Forsch.  Bd.  XXI.  H.  3  (Halle  a.  S.,  1903). 
S.  209—223. 

Derselbe:  Mittelalterliche  Rechtsfragen.  Ebenda  S.  224 — 236. 

Schrödel,  H.:  Ernst,  Herzog  von  Sachsen-Altenburg.  Fest- 
schrift zur  Feier  seines  fünfzigjährigen  Regierungsjubiläums  am  3. 
August  1903.  1.  Geschichtliche  Einleitung  bis  zum  J.  1826  von  Herm. 
Schrödel -Friedrichstanneck.  2.  Lebensbild  des  Herzogs  von  Gym- 
nasialdirektor Prof.  Dr.  Moritz  Geyer-Eisenberg.  Eine  Jubiläums- 
gabe für  die  Schulen  des  Altenburger  Landes.  Friedrichstanneck 
1903.  68  SS.  4».  Mit  12  Abb. 

Schröder,  Edw.:  Der  Epilog  der  Eneide.  Zs.  für  deutsches 
Altertum  u.  deutsche  Literatur.  XLVII.  Bd.  (Berlin  1903).  S.  291 
bis  301. 

Scobel,  A. :  Thüringen.  2.  Aufl.  Bielefeld,  Velhagen  u. 
Klasing,  1902.  160  SS.  8". 

Schling,  E. :  Die  evang.  Kirchenordnungen  des  XVI.  Jahrh. 
I.  Abt.  Sachsen  u.  Thüringen  nebst  angrenzenden  Gebieten.  2.  Hälfte. 
Leipzig,  Reisland,  1904.  VII  u.  614  SS.  4°. 

Seitz,  O.:  Der  authentische  Text  der  Leipziger  Disputation 
(1519).  Aus  bish.  unbenutzten  Quellen  herausg.  Berlin,  Schwetschke 
u.  S.,  1903.  V  u.  247  SS.  8". 

Sief  ert,  G.:  Zum  Gedächtnis  Gustav  Richters.  In  Lehrproben 
u.  Lehrgänge.  H.  79.  (Halle  a.  S.  1904). 

Stein,  F.:  Kuimbach  und  die  Plassenburg  in  alter  u.  neuer 
Zeit.  Kuhnbach,  Rehm,  1903.  184  u.  17  SS. 

Suphan,  B. :  Briefe  von  Goethe  und  Frau  von  Stein  an  Joh. 
Georg  Zimmermann.  Wartburgstimmen.  II.  Jahrg.  (Bd.  I.).  S.  171  ff. 

Tangl,  M. :  Das  Todesjahr  des  Bonifatius.  Zs.  d.  V.  für 
Hessische  G.  u.  Lk.  NF.  XXVII  (1903).  S.  223-250. 

Techow:  Zur  Gesch.  der  Fischgerechtigkeit  bei  Kosen.  Naum- 
burger Kreisbl.  1902.  No.  186. 

Teichmann,  E. :  Zur  G.  der  vogtl.  Perlenfischerei.  Unsere 
Heimat,  illust.  Monatsschr.  f.  d.  ges.  Erzgeb.  u.  s.  f.  II  (1902/3), 
177—181. 

Th.,  R.:  Der  Hörselberg.  Thür.  Monatsbl.  X,  1-3. 


Litentar  357 

Derselbe:  Ein  Herbstthing  auf  dem  Venusb«».  Ebenda  S. 
13—15,43-44,77—80.  *    i:.ü«iu»  o. 

Thauß,  G:  Das  Herzog!.  Coburg-Gothaische  Infanterie-Kefri. 
ment  in  der  Schlacht  b.  Langensalza  am  27.  Juni  1866.  Laneeoäiilat 
Wendt  u.  Klauwell.  ' 

Thiele:  Die  sprachliche  Bedeutung  unserer  mitteldentBcben 
Urkunden  und  Handschriften  (Vortrag).  Korreepondenzblatt  des 
Gesamtvereins  (1904)  No.  4/5.  Sp.  142—150. 

Thümmel:  Herder  als  Leiter  der  weimarischan  Landeekirche. 
Aus  einem  am  3.  Dez.  im  Zweigverein  de«  Evang.  Bundes  gehalt«aen 
Vortrag.  Jenaische  Ztg.  (1903).  No.  290,  291  Dez.  11  u.  12). 

T  h  ü  n  a ,  L.  Frh.  v. :  Das  löschpapierne  Prinzchen  im  und  beim 
Witthumspalais  in  Weimar.    Nord  und  Süd.  1903.  Juni.  S.  321. 

Thüringen  in  Wort  u.  Bild.  Herausg.  v.  d.  Thüringer  Peeta- 
lozzivereinen.  Bd.  II.  Leipzig  1902.  III  u.  492  SS. 

Ti m  p  el ,  M. :  Graf  Gotter  u.  Schloß  Molsdorf.  Thür.  MonatsbL 
IX.  Jahrg.  No.  6. 

Töpfer,  H.:  Der  Püsterich  in  SondershauBen.  A.  iL.-  u. 
Volkskunde  der  Prov.  Sachsen.  XIII  (1903).  S.  62—74. 

Trauer,  Ed.:  Chronik  des  Dorfes  Marienev  i.  VogtL  bi«  zur 
Einführung  der  Sachs.  Landesverf.  Plauen  i.  V.,  A.  KelL  1908. 
111  SS.  80. 

ünstruttale.  Aus  dem.  Heft  1—3.  Langensalza,  Wendt  u. 
Klauwell,  1901/2.  52,  72  u.  96  SS.  8«.  Inh.:  1.  Ludendorff,  ImmobiL 
Erinnerungen  eines  Landwehroffiziers  an  die  Schlacht  b.  Langen- 
salza am  27.  Juni  1866.  —  2.  Cramm,  B.  Baron  v.:  Aus  Langeooäza. 
Ein  Erinnerungsblatt.  —  3.  Erinnerungen,  Langensalzaer  ans  der  Zeit 
vor  u.  während  des  tollen  Jahres  1848/49  (von  Prof.  Dr.  Wolf). 

Voigt,  R. :  Der  Landkreis  Erfurt  unter  preußischer  Herrschaft. 
Bericht  über  die  Jahre  1802—1902.  Erfurt,  Selbstverl.,  19<72.  52  88.  4«. 

Voß:  Thüringische  Holzschnitzerei  an  der  Schwelle  der  deut- 
schen Renaissance.  Thüringer  Warte.  I.  Jahrg.  No.  1.  S.  2—1.5. 

Wächter,  A.:  Das  Kudolstädter  Gymnasium  sonst  und  jetzt, 
besonders  in  den  letzten  6  Jahrzehnten,  eine  Überschau.  Rodoktädter 
Ztg.  1904.  No.  119  (22.  Mai). 

Derselbe:  Wie  Rudolstadt  u.  Umgebung  unsemi  Sduller  er- 
schienen sind.  2.  Beil.  zu  No.  79  (1904)  der  Rudolstädter  Zeitung. 

Weber ,  P.:  Forschungen  über  mittelalterliche  Gral>ienkmiler. 
Beil.  zur  AUg.  Ztg.  1903.  No.  117  (Mai  26). 

DerseFbe:  Die  Burgen  des  mittleren  Saaltales.  Eine  bauge- 
schichtliche Übersicht.  Wartburgstimmen.  I.  Jahrg.  H.  4. 

Derselbe:  Die  Pflege  unserer  kirchlichen  Altertümer.  Eine 
kurze  Handweisung  für  den  thüringischen  Pfarrer-  u.  LdtrenrtaiMl. 
Weimar,  H.  Böhlaus  Nachf.,  1903.  20  SS.  8«. 

„Aus  Weimars  klassischer  und  nachklassischcr  Zeit",  nea 
herausg.  von  Robert  Kohlrausch.  Memoirenbibliothek,  R.  Lutz,  Stutt- 
gart,  1904.  ,      „       .    ,r    « 

Wenick,  K.:  Zur  Geschichte  des  Hesaengau».  In  Z«.  d.  V.  f. 
Hess.  G.  NF.  XXVI  (1903).  S.  227-276. 

Derselbe:  Landgraf  Philipp  d.  GroßmüUge.  Rede  gehalten 
auf  der  7.  Jahresversammlung  der  historischen  KommiasiOD  für 
Hessen  und  Waldeck  am  7.  Mai  1904.  SA.  au»  der  Z«.  des  V.  f. 
XXII.  24 


358  Literatur. 

hessische  Gesch.  u.  LK  N.  F.  Bd.  28.  Marburg,  Eiwert,  1904. 
13  SS.  8°, 

Derselbe:  Berichtigungen  zum  Elisabeth -Auf  satz.  Ebenda 
S.  304. 

Wenzel,  A. :  Das  höhere  Schulwesen  in  Langensalza  seit  dem 
Übergang  der  Stadt  an  Preußen.  Festschr.  z.  Feier  des  fünfzigjährig. 
Jubiläums  des  Eealgymnasiums.  1902.  76  SS.  8". 

Werthern,  Alfr.  Frh.  v.:  Gesch.  des  Geschlechts  der  Grafen 
u.  Freiherrn  v.  Werthern.  T.  I.  Urkundl.  Familiengesch.  H.  1. 
Älteste  Familiengesch.  bis  1501.  Als  Manuskript  gedr.  Naumburg, 
Rietz,  1902.  VI  u.  133  SS.  4«. 

Wieland,  M. :  Cistercienserinnenkloster  Sonnenfeld.  Cisterc- 
Chron.  XIII. 

Wilhelm,  E. :  Gustav  Paul  Eichter.  Im  Jahresbericht  über 
das  Großh.  Gymnasium  Ciarolo-Alexandriniun  zu  Jena.  1904.  S.  4 — 6 
(s.  a.  Jen.  Ztg.  1904.  No.  26). 

V.  Wintzingeroda-Knorr,  Die  Wüstungen  des  Eichsfeldes. 
Verz.  der  Wüstungen,  vorgesch.  Wallburgen,  Bergwerke,  Gerichts- 
stätten u.  Warten  innerhalb  der  landrätl.  Kreise  Duderstadt,  Heiligen- 
stadt, Mühlhausen  (Land  u.  Stadt)  u.  Worbis.  Halle,  Hendel,  1903. 
(A.  u.  d.  T. :  Geschichtsqu.  der  Prov.  Sachsen.  Bd.  40.)  LXXXVIII  u. 
1280  SS.  8". 

Wispel,  A. :  Entwickelungsgeschichte  der  Stadt  Naumburg 
a.  S.  nebst  einem  Anhang:  Abriß  der  G.  von  Freyburg  a.  U.,  Goseck, 
Schönburg,  Saaleck  u.  Rudelsburg.  Naumburg  a.  S.,  A.  Schirmers 
Buchh.,  1903.  VI  u.  120  SS.  8». 

Wolff-Beckh,  Br.:  Johann  Friedrich  Böttger,  der  deutsche 
Erfinder  des  Porzellans.  Mit  Böttgers  Porträt.  Steglitz  b.  Berlin, 
Wolff-Beckh,  1903.  48  SS.  8». 

Wolf  f ,  W.:  Die  Entstehung  des  Ortsnamens  Eschwege,  sprach- 
lich u.  geschichtlich  erklärt.  Eschweger  Tagebl.  1901.  No.  27. 

Zemmrich,J. :  Die  vogtl.  Landschaft  von  einst  u.  jetzt.  Unsere 
Heimat.  II  (1902/3),  105—110,  129—133. 

Zimmer,  H.:  Herzog  Ernst  d.  Fromme.  Wartburgstimmen. 
L  Jahrg.  Bd.  1.  S.  355  ff. 

Zschiesche:  Das  vorgeschichtliche  Erfurt.  Korrespondenzbl. 
des  Gesamtvereins  (1904).  No.  3.  Sp.  102—105. 


Aus  den  coburg-gothaischen  Landen.  Heimatsblätter,  unter 
dem  Protektorate  Seiner  Durchlaucht  des  Regierungsverwesers  Erb- 
prinzen Ernst  zu  Hohenlohe-Langenburg  im  Auftr.  des  schriftl.  Aus- 
schusses herausg.  von  R.  Ehwald.  Gotha,  Perthes,  1903.  IV  u.  76  SS. 
gr.  8».  Inh.:  Baethcke:  Die  Gründung  des  Kl.  Georgental.  S.  1/18. 
—  Berbig,  M.:  Gotha  im  Mittelalter.  Aus  dem  Tagebuche  eines 
fahrenden  Schülers.  S.  19/23.  —  Ehwald,  R.:  Drei  Stücke  aus  dem 
Briefwechsel  Friedrichs  d.  Weisen.  S.  24/31.  —  Gerbin  g,  L.:  Die 
Thüringer  Landwirtschaft  bis  zur  Reformationszeit  S.  32/41.  —  Krieg, 
Th.:  Erbprinz  Herzog  Ernst  (H.  Ernst  I.)  v.  Sachsen-Coburg-Saad- 
feld  im  preuß.  Lager  1806/7.  S.  42/44.  —  Pabst,  W. :  Die  Fußspuren 


Literatur.  359 

vorweltlichcr  Tiere  in  den  Gesteinen  der  Umgegend  von  Friedrich- 
roda,  Tambach  u.  Kabarz  in  Thüringen.  S.  45/51.  —  Pick,  B. :  Die 
ältesten  Thüringer  Münzen.  S.  52/57.  —  Schäfer,  H.:  Was  uns  die 
Kalktuffe  von  Tonna  erzählen.  S.  58/63.  —  Trinius,  A. :  Schloß 
Tenneberg.  S.  64/70.  —  Zahn,  G.:  Einheimische  u.  eingebürgerte 
Pflanzen  als  Heilmittel.  S.  71/76. 

Beiträge,  Neue,  zur  Geschichte  deutschen  Altertums.  Lief.  17. 
1902.  Inh. :  Doebner,  E. :  I.  Die  Entstehung  der  Jahrmärkte  u.  die 
Wochenmärkte  in  Meiningen.  II.  Inschriften  u.  Denkmäler  der  Stadt- 
kirche in  Meiniugen.  III.  Die  Beziehimgen  des  letzten  Fürstbischofs 
von  Würzburg  zur  Stadt  Meiningen.  IV.  Die  Gast-  u.  Unterkunfts- 
häuser im  alten  Meiningen.  V.  Ein  Leprahaus  in  Meiningen.  Ylr 
Meininger  Gelehrte  u.  a,..  hervorragende  Meininger  Stadtkinder  aus 
alter  u.  neuer  Zeit.  VII.  Übersicht  über  Herkunft  u.  Bearbeitung  der 
Meininger  Straßennamen.  VIII.  Die  Bevölkerungszahlen  der  Stadt 
Meiningen  sonst  u.  jetzt.  111  SS.  8".  —  Lief.  18.  1903.  Inh.:  Fritze, 
E. :  Die  Veste  Heldburg  (Abdr.  aus  den  Bau-  u.  Kunstdenkm,  Thü- 
ringens. H.  31.)  41  SS.  gr.  8". 

Geschichtsblätter,  Mühlhäuser.  Zs.  des  Mühlhäuser  Alter- 
turasvereins Jahrg.  IV  (1903/1904).  Mühlhausen  i.  Thür.,  Komm.- 
Verl.  von  C.  Albrecht,  1903.  80  SS.  gr.  8".  Inh.:  Heydenreich:  Ge- 
denkblätter an  die  Feier  der  hundertjähr.  Zugehörigkeit  zum  preuß. 
Staat  1902.  S.  1/16.  —  Claes:  Die  Maßnahmen  zur  Bekämpfung  der 
Pest  in  Mühlhausen  1683.  S.  16/20.  —  Heydenreich:  Regesten  zu  den 
im  Archiv  der  Stadt  deponierten  Pergamenturkunden  I.  S.  20/24.  — 
Aemiaius,  H. :  Die  St.  Kilianslinde  zu  Mühlhausen  i.  Thür.  S.  24/25. 

—  Heydenreich :  Zum  Erfurtianus  Antiquitatum  variloquus.  S.  25/26. 

—  Jordan :  Zur  Verfassungsgesch.  der  Stadt  Mühlhausen  i.  Thür.  im 
18.  Jahrh.  S.  28/36.  —  Seilmann :  Prähistorische  Funde  aus  der  Um- 
gebung von  Mühlhausen  i.  Thür.  S.  36/39.  —  Jordan :  Wie  Molhawssen 
eyngenommen.  S.  40/42.  —  Ders.:  Aus  dem  J.  1813.  S.  43/62  —  Ders.: 
Der  Sühnebrief  von  1525  u.  die  Festungswerke  der  St.  Mühlhausen. 
S.  63/66.  —  V.  Kauffungen:  Ein  Altertumsfund  in  der  St.  Blasius 
(Untermarkts-IKirche.  S  66/67.  —  Die  Gerichtslinde  zu  St.  Kiliani. 
8.  67/68.  —  Jordan :  Joachim  ä  Burgk  u,  der  Rektor  Matthaeus 
Zimmermann  in  Sondershausen.  S.  68/69. 

Jahrbücher  der  Königl.  Akademie  gemeinnütziger  Wissen- 
schaften zu  Erfurt.  N.  F.  H.  XXIX.  Erfurt,  C.  Villaret,  1903.  276 
SS.  8°.  Inh. :  A.  Abhandlungen :  1)  Heinzelmann :  Gedenkrede  auf 
den  verewigten  Prinzen  Georg  v.  Preußen.  S.  1/16.  —  2)  Thiele : 
Archäol.  Wunsche  eines  altkl.  Philologen.  S.  17/27.  —  3)  Köster: 
Über  die  Persönlichkeit  des  Horaz  in  seinen  Oden.  S.  29/57  —  4) 
Treitschke:  Der  Föhn  der  Alpen  u.  der  deutschen  Mittelgebirge.  S. 
59/87.  —  Bithorn :  Blicke  in  Bismarcks  Seelenleben.  S.  89/107.  —  6) 
Axmann :  Die  Giftwirkung  des  Wassers.  S.  109/123.  —  7)  Schwarz- 
lose: Die  geistlichen  Schauspiele  der  Vergangenheit.  S.  125/150.  — 
8)  Kekule  v.  Stradonitz:  Die  Ahnen  des  Prinzen  Georg  v.  Preußen. 
S.  151/170.  —  9)  Heinzelmann :  Über  den  ethischen  Beruf  der  Kunst. 
S.  171/200.  —  10)  Thiele :  Philol.  u.  archäol.  Studien.  S.  201/225.  B. 
Jahresbericht  der  Akad.  S.  227/276.  —  H.  XXX.  1904.  Festschrift  zur 
Feier  des  150-jährigen  Bestehens  der  Kgl.  Akademie.  652  SS.  gr.  8°. 
Mit  einer  Porträttalel.  Inh. :  Thiele  R. :  Die  Gründung  der  Akademie 

24* 


360  Literatur. 

nützlicher  (gemeinnütziger)  Wissenschaften  zu  Erfurt  und  die  Schick- 
sale derselben  bis  zu  ihrer  Wiederbelebung  durch  Dalberg  (1704  bis 
1776).  Mit  urkundlichen  Beilagen.  S.  1—138.  —  Oergel:  Die  Aka- 
demie nützlicher  Wissenschaften  zu  Erfurt  voii  ihrer  Wiederbelebung 
durch  Dalberg  bis  zu  ihrer  endgültigen  Anerkennung  durch  die 
Krone  Preußen  (1776-1816).  S.  139—224.  —  Heinzelmann,  W.: 
Beiträge  zur  Geschichte  und  Statistik  der  Erfurter  Akademie  im 
neunzäinten  Jahrhundert.  S.  225—382.  —  Loth,  R. :  Das  Medizinal- 
wesen, der  ärztliche  Stand  und  die  medizinische  Fakultät  bis  zum 
Anfang  des  17.  Jahrhunderts  in  Erfurt.  S.  383—466.  —  Lüttge,  A. : 
Die  Lebensarbeit  eines  Hohenzollern  im  Osten  Europas.  S.  467 — 509. 

—  Hagen,  Ed.  v. :  Die  Transfiguration  von  Raffael.  Ein  Deutungs- 
versuch. S.  511 — 541.  —  Baumeister,  A. :  Ein  Vorschlag  zur  Neugestal- 
tung des  Geschichtsunterrichts  in  den  obersten  Klassen  unserer  höheren 
Schulen.  S.  543 — 564.  —  Albrecht,  O. :  Luthers  kleiner  Katechismus 
nach  der  Wittenberger  Ausgabe  im  J.  1540  zum  ersten  Male  herausg. 
S.  565—600.  —  Hintner,  V.:  Beiträge  zur  tirolischen  Namen- 
forschung. S.  601—630.  —  Althof,  H.:  Gerald  und  Erchambald. 
Eine  Untersuchung  über  ein  Problem  in  der  Walthariusforschung. 
S.  631—652. 

Jahresbericht,  72.  und  73.  des  Vogtländischen  Altertumsf. 
Vereins  zu  Hohenleuben,  herausg.  von  Diak.  F.  Thormann.  119  SS. 
8°.  Inh.:  Auerbach,  A. :  Das  Archiv  des  Vogtland.  Altertumsf.  Ver- 
eins. S.  1 — 45.  —  Francke,  H.  G. :  Die  St.  Peterskirche  zu  Weida.  S. 
46—76.  —  Behr,  O. :  Das  Copial-Buch  des  Ernst  Metzsch  auf.  Triebes, 
1576.  S.  77—82.  —  72.  u.  73.  Jahresber.  S.  83—96.  -  Verz.  der  Mitgl. 
S.  97—102.  —  Bücher-Katal.  S.  103—119. 

Mitteilungen  des  Geschichts-  u.  Altertumsf.  Vereins  zu 
Eisenberg.  H.  19.  Eisenberg,  H.  Geyer,  1904.  76  SS.  8».  Inh.:  1) 
Lobe,  E. :  Zur  Gesch.  des  deutschen  Zunftwesens  während  seiner 
Blütezeit,  mit  bes.  Rücksicht  auf  die  Städte  Altenburg  u.  Eisenberg 
S.-A.  S.  3/71.  —  2)  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins.  S.  72  f. 

—  3)  Verz.  der  Mitgl.  S.  74/76. 

Mitteilungen  des  Vereins  f.  d.  G.  u.  A.  von  Erfurt.  H. 
XXIV.  1.  Teil:  Vereinsnachrichten.  Erfurt.  1903.  23  SS.  —  H.  XXIV. 
2.  Teil.  Mit  12  Tafeln,  1  Karte  u.  4  Abb.  im  Texte.  Erfurt  1903. 
204  SS.  (Festgabe  für  die  Teilnehmer  an  der  Generalversammlung  des 
Gesamtvereins  der  deutschen  Geschichts-  u.  Altertumsvereine  zu 
Erfurt  vom  27.— 30.  Sept.  1903.)  Inh. :  Eitner,  Th. :  Erfurt  u.  die 
Bauernaufstände  im  XVI.  Jahrh.  S.  3 — 108.  —  Peters.  P. :  Das  Col- 
legium  malus  zu  Erfurt.  S.  109 — 121.  —  Apell,  Fr.:  Zur  Münzge- 
scüichte  Erfurts.  S.  123—134.  —  Buchner,  O. :  Der  Severi-Sarkophag 
u.  s.  Künstler.  S.  135—157.  —  Oergel,  G. :  Das  ehemalige  Erfurtische 
Gebiet.  S.  159 — 190.  —  Zschiesche:  Funde  aus  der  merovingischen 
Zeit  in  Erfurt  u.  der  Umgegend.  S.  191—204. 

Mitteilungen  des  Vereins  f.  Geschichts-  u.  Altertumsk.  zu 
Kahla  u.  Roda.  Bd.  VI.  H.  2.  Kahla  1904.  181  SS.  8».  Inh. :  Leh- 
mann, Fr,:  Die  Renovierung  der  Stadtkirche  zu  Kahla  im  J.  1791. 
S.  73 — 99.  —  Martin,  M. :  Nachrichten  über  Adelige  aus  den  Kirchen- 
büchern der  Parochie  Reinstädt.  S.  100—109.  —  Schaffner,  S.:  Aus 
dem  Gerichtsbuch  der  Stadt  Kahla,   angefangen  Michaelis  1527.  S, 


Literatur.  361 

110—113.  —  Lomraer,  V.:  Volkstümliches  aus  dem  Saaltale.  Sagen 
u.  Erzählungen,  Sitten  u.  Gebräuche.  S.  114 — 181. 

Mitteilungen  der  Vereinigung  für  Gothaische  Geschichte 
u.  Altertumsforschung.  Jahrg.  1903.  Friedrichroda,  J.  Schmidt  u.  Co. 
136  SS.  8°.  Inh. :  v.  Strenge:  Stadtrechte  im  Herzogt.  Gotha.  S. 
1/48,  —  Ehwald,  R.:  Ein  Kuriosum  aus  der  Druckgeschichte  Gothas. 
S.  49/54.  —  Felgncr,  G.:  Herzogin  Luise  Dorothee  u.  ein  Besitz- 
stück der  Herz.  Bibliothek  zu  Gotha.  S.  55/80.  —  Florschütz,  G.: 
Das  ürnenfeld  auf  dem  Simmel  b.  Eischleben.  S.  81/87.  —  Berbig, 
M.:  Schack  Hermann  Ehwald.  S.  88/111.  —  Heß,  H.:  Die  Grenzen 
der  Mark  Lupuitz.  S.  112/118.  —  Ehwald,  R. :  Zur  Erinnerung  an 
Johann  Friedrich  d.  Großm.  S.  119/130.  —  Jahresber.  u.  Lit.  S. 
131/136. 

Schriften  des  Vereins  für  Sachsen-Meiningische  Geschichte 
u.  Landeskunde.  Heft  43.  Hildburghausen,  Kesselringsche  Hofbuchh., 
1903.  Inh.:  Neue  Landesk.  des  Herzogt.  S.-Meiningen.  H.  4.  Geo- 
logie von  Dr.  E.  Zimmermann.  —  Heft  44.  Hildburghausen  1903.  Inh. : 
Neue  Landesk.  des  Herzogt.  S.-Meiningen.  H.  5.  Klimatologie  von 
Prof.  Dr.  Lehmann.  —  Heft  45.  Inh. :  Neue  Landesk.  des  Herzogt.  S.- 
Meiningen.  H.  8.  Zweiter  Hauptteil:  Die  Leute.  A,  Vorgeschichtliches. 
Von  Hofr.  Dr.  med.  G.  Jacob  (t)-  Abdr.  aus  dem  24.  Heft  der  Ver- 
einsschr.  (1896),  neu  herausg.  von  Dr.  L.  Hertel  1903.  56  SS.  8".  — 
Heft  46.  Neue  Landesk.  des  Herzogt.  S.-Meiningen.  H.  9  B.  Ge- 
schichthches.  Polit.  G.  von  den  frühesten  Zeiten  bis  auf  die  Gegen- 
wart. 1.  Teil.  Thür.  Geschichte.  Von  Prof.  Dr.  Hertel.  1903.  H.  47. 
2.  Teil.  Meining.  Geschichte  von  1680  bis  zur  Gegenwart.  Erste 
Hälfte  bis  zum  Regierungsanstritt  Herzog  Bernhards  II.  (1821).  1904. 


362 


An  unsere  Mitarbeiter  and  an  die  Pfleger  der  TliUringlschen 
historisctien  Kommission. 

Zur  Förderung  theatergeschichtlicher  Forschungen,  die 
in  der  Herstellung  einer  wissenschaftlich  begründeten  und  jedem  Ge- 
bildeten verständlichen  Geschichte  des  deutschen  Theaters  gipfeln 
sollen,  gibt  seit  diesem  Jahre  die  Gesellschaft  für  Theatergeschichte 
ein  „Archiv  für  Theatergeschichte"  heraus.  In  der  Ankün- 
digung wendet  sich  der  Herausgeber,  einer  Anregung  Gaehdes  in 
den  Deutschen  Geschichtsblättern  Bd.  II.  Heft  6  u.  7  (März  und 
April  1901)  folgend,  an  alle  Forscher,  die,  sei  es  um  Einzelunter- 
suchungen zur  Lösung  wissenschaftlicher  Fragen  anzustellen,  sei  es, 
um  im  Interesse  der  Allgemeinheit  ganze  Archiv  bestände  zu  inven- 
tarisieren, in  den  Archiven  arbeiten,  und  bittet  sie,  ihr  Augenmerk 
auf  sogenannte  Komödiantenakten  zu  richten. 

Im  Interesse  dieser  Forschungen  bitten  wir  unsere  Mitarbeitfer 
und  besonders  die  Hauptpfleger  und  Pfleger  der  Thüringischen  histo- 
rischen Kommission,  bei  archivalischen  Forschungen  und  besonders 
bei  der  Inventarisationsarbeit  auch  Theaterakten  zu  verzeichnen  und 
auf  Katsprotokolle  und  auf  Sammelbände  gedruckter  und  handschrift- 
licher Veröffentlichungen  dieser  Art  (Theaterzettel!)  zu  achten.  Hin- 
weise auf  Archivfunde  zur  Theatergeschichte  werden  am  besten  direkt 
an  den  Herausgeber  des  Archivs  für  Theatergeschichte,  Herrn  Dr. 
Hans  Devrient  in  Weimar,  gerichtet. 

Die  Redaktion. 


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DD     Verein  für  Thüringische 

801    Geschichte  und  Alter tumskxinde, 

T4V4   Jena 

n.F,      Zeitschrift. 

Bd.l3-U     n.F.,  Bd.l3-U 


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