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ZEITSCHRIFT ^DE^VEREIN^j
'1/
FÜR
THÜRINGISCHE GESCHICHTE
UND
ALTERTUMSKUNDE, T€^^
NEUE FOLGE. DREIZEHNTEK BAND.
DEK GANZEN FOLGE EIN UN DZ W A N ZIG S TE R B AN D.
Mit 2 Tafeln und 3 Abbildungen.
•»««•
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1903.
Alle Bechte vorbehalten.
1)1)
-^ S sy
Inhalt.
\bhaB41uifeH.
I. BUder ans dem kirdüidiCD nnd eozüü» Leben im Bereicfa
des jtingen Herrogtmiie Gotha zur Zeit nnmittelhar
rcr nnd bei Begiiin der Refomation. Von Phurcr
Fr. Perthes in Höredgan . 1
II. C'ber die Verwendung da* Klostergüter im Schwarx-
burcischen zur Zdt der Refoimatioo. Von Pfarrer
G. Ei nicke in Jnimairode bei ifcheniberg 10C>
III. Dr. Johann tod Otthera, Syndikus und ^hultheifi der
Stadt Mühlhaneoi in Thor. Von Prof. Dr. Jordan
in Mühihausen in Thür. 1^
IV. CT)er die Verwendung der Klo^tergüter im Schwarz-
burgischoi nir Zeit der Reformation, (i^chlnfi.) Von
P&mr G. Ei nicke in Immenrode ba Schemberg . . 186
V. Die von Balenhu^en. Nebst Auszügen au9 Urkunden und
Chroniken zur Geschichte derer von Balenhus^i. Von
Dr. L. Armbrust in Marburg 220
VI. Inventarium über fahroide Habe im Kloster Mönchröden
bei Coburg, aufgenommoi am Mittwoch Francisci, den
4. Oct. im Jahre 1531. Mitgeteilt von Pfarr«- Dr.
Georg Berbig in Schwarzhansai b. Thal . . . . . 329
VII. Die beiden Burgra in Ilmenau. Von Geh. Jüstizrat
Schwanitz in Weimar 357
vni. Chorherrensiift u. Kommende Porstaadmf. Von Prof. Dr.
ü. Dobeuecker 362
lUszellen. '^
1. Bisher unbekannte gleichzeitige Aufzeichnungen über die
kirchlichen und Schulverhältnisse in Gotha nach der
Reformation bis zum Jahre 15S4. Aus einer Handschrift
des Gothaer Gvmnasiums zum o^ten Maie hoausg^eben
von Prof. Dr.'Max Schneider . 161
2. Aui'grabungen an den Hausbergburgen bei Jena. Von
Großh. Sachs. Landesgeometer A. Müller in Weimar. 173
3. Über das rote Buch von Weimar. Von Großh. Sachs.
Landeegeometer A. Müller in Weimar . . >. .' . . 175
Littefatar.
1. Geschichte der Stadt Pößneck. Pößneck 1902. Von
Professor E. Koch in Meiningen. ........ 181
2. \V ü nscher, Harry: Sagen, Geschichten und BUderaus
dem Orlagau. Erstes Bandchen. Pößneck 1902. Von
Professor E. Koch in Meiningen 183
3. Georg Meyer, Das parlamentarische Wahlrecht Nach
des Verfassers Tod herausg^eben von G. Jellinek, Berlin,
O. Häring, 1901. Von Prof. Dr. Eduard Rosen thal 372
4. W. S t i e d a , Die Anfänge der Porzellan fabrikatTon auf dem
Thüringerwalde. Jena, G. Fischer 1902. Von Geh. Hofrat
Prof. Dr. J.Piers torff
IV Inhalt.
Seite
5. U.G.Jordan, R. , Der Übergang der Kaiserlichen freien
Reichsstadt Mühlhaiisen in Thüringen an das Königreich
Preußen 1802. Festschrift der Stadt Mühlhausen zur
Jubelfeier 1902, im Auftrage der städtischen Behörden ver-
faßt. Mühlhausen in Thür. 1902. Von O. Dobenecker 380
Overraann, A. , Die ersten Jahre der preußischen Herr-
, ■ Schaft in Erfurt, 1802—1806. Erfurt, Keyser'sche ßuchh.
1902. (A. u. d. T.: Festschrift zur Feier der hundert-
jährigen Zugehöriglieit Erfurts zu Preußen. Veranlaßt und
unterstützt von der ötadt Erfurt.) VonO. Doben ecker 380
7. Bergner, H. , Beschreibende Darstellung der älteren
Bau- und Kunstdenkmäler der Kreise ZiegenrOck und
Schleusingen. Herausgegeben von der Historischen
Kommission der Provinz Sachsen, Halle, O. Hendel,
j 1901. Von O. Dobenecker 384
8. G u t b i e r . H. , Die Grabdenkmäler der Bergkirche zu
Langensalza. 30 Abbildungen mit erläuterndem Text.
Herausgegeben vom Gewerbeverein zu Langensalza, 1901.
Kommissionsverlag von H. Beltz in Langensalza. Von
O. Dobenecker 386
■ 9. Thiele, R., Bilder aus Thüringens Sage und Geschichte.
Nach Konrad StoUes Chronik. Erfurt, C. Villaret [1902].
Von Otto Dobenecker 387
10. Wilhelm, Ottom ar, Tauf- und Rufnamen im Herzog-
tum Coburg. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen
Namengebung. Coburg, Druck von A. Rossteutscher,
1902. Von 0. Dobenecker . 387
11. Litterari sehe Mitteilung. „Thüringens Sturz",
dramatische Dichtung in 2 Teilen von Hermann
Groß 1er. E. Pierson, Dresden 1902 . ...... 388
12. Übersicht der neuerdings erschienenen Litteratur zur
thüringischen Geschichte und Altertumskunde. Von
Otto Dobenecker 389
Das germanische Museum zu Jena. Von Dr. GustavEichhorn 403
Aus der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte. Von Dr.
Gustav Eichhorn 404
I. Bericht über die Feier des fünfzigjährigen Stiftungs-
festes des Vereins für Thüringische Geschichte und
Altertumskunde. Von O. Dobenecker .... J
* II. Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins für Thür.
Geschichte und Altertumskunde. Vortrag, gehalten
am Stiftungsfeste des Vereins den 22. Juni 1902
in den akademischen Ilosensälen zu Jena. Von
dem Vorsitzenden Prof. Dr. Ed. Rosenthal . . IX
III. Herzog Ernst der Fromme. Festvortrag, gehalten
bei der Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes des
Vereins für Thüringische Gescnichte und Altertums-
kunde in den akademischen Rosensälen zu Jena den
' 22. Juni 1902. Von Dr. Stephan Stoy .... XXXVI
IV. Mitgliederverzeichnis. Von Dr. G. Fischer . . . LX
V. Verzeichnis der Vereine, Institute und Redaktionen,
mit denen der Verein für Thüringische Geschichte
und Altertumskunde in Schriftenaustausch steht. Von
Bibüotheksdirektor Dr. K. Müller . . . . . . LXXII
I.
Bilder aus dem kirchlichen und sozialen Leben
im Bereich des jetzigen Herzogtums Gotha zur Zeit un-
mittelbar vor und bei Beginn der Reformation V-
Von
Fr. Perthes, Pfarrer in Hörseigau.
Es war im Jahre 1506, da ging ein allgemeines Klagen
und Jammern durch die Reihen der thüringischen Geistlich-
keit. Von diesem Klagen und Jammern redet Conrad
1) Als Hauptquellen wurden benutzt: 1) Registrum Subsidii
Clero Thuringiae anno 1506 impositi, herausgegeben von Dr. Ulrich
Stachele, Zeitschr, des Vereins f. Thür. Geschichte u. Altertums-
kunde, N. F. Bd. 2, S. 1—179. — 2) Der Briefwechsel des Mutianus
Rufus, gesammelt und bearbeitet von Dr. Carl Krause, Kassel 1885.
— 3) Der Briefwechsel des ©enradus Mutianus, gesammelt und
bearbeitet von Dr. Karl Gillert, nach dessen Tode herausgegeben
von der historischen Kommission der Provinz Sachsen , 2 Bde.,
Halle 1890. lieber Mutian vergleiche noch Dr. Karl Hagen,
Deutschlands litterarische unc^ religiöse Verhältnisse im Zeitalter
der Reformation, Bd. 1, Erlangen 1841 ;- Dr. F. W. Kampschulte,
Die Universität Erfurt in ihrem Verhältnis zu dem Humanismus
und der Reformation, 2 Bde., Trier 1858 u. 18öO; Dr. Dav. Fried.
Strauß, Ulrich von Hütten, 4.-6. Aufl., Bonn 1895 ; Dr. C. Krause,
Heüus Erbanus Hessus, sein Leben und seine Werke, 2 Bde.,
Gotha 1879 ; Dr. C. Krause, Beiträge zum Texte, zur Chronologie
imd zur Erklärung der Mutianischen Briefe; Dr. C. Krause,
Schilderungen Erfurter Zustände und Sitten aus dem Anfang des
16. Jahrhunderts, Jahrbücher der Königlichen Akademie gemein-
nütziger Wissenschaften zu Erfurt, N. F. Heft 29, Erfurt 1893;
Dr. C. Krause , Bibliographisches aus Mutians Briefen , Separat-
abdruck aus dem Centralblatt für Bibliothekwesen, ed. Dr. O.
XXI. 1
2 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Mutianus Rufus, der gelehrte Domherr zu Gotha,
wenn er 1506 an seinen Freund, den Hausverwalter im
Kloster Georgenthal, Heinrich Fastnacht von Orb,
mit seinem Humanistennamen Urbanus genannt, schreibt 2):
„Der Erzbischof von Mainz fordert milde Gaben zur Bei-
hülfe, der thüringische Klerus weigert sich zu geben, aber
der Erzbischof wird uns kraft seiner Auctorität zwingen,
wird durch kirchliche Censur vom Gottesdienst \ins aus- .
schließen, wird uns der Kommunion berauben, mit dem
Anathema uns belegen, wenn wir nicht zu Vernunft und
Gehorsam zurückkehren," Triumphierend fügt aber Mutian,
ein warmer Freund des Klosters Georgenthal, hinzu :
„Ihr in Georgenthal werdet diesen Sturm ruhig be-
lächeln, der Antistes von Mainz mag nehmen, vergeuden,
verprassen, euch ist bewilligt worden, nicht zu zahlen, ihr
seid steuerfrei, befreit durch das Wohlwollen des heiligen
Bernhard." ' Es handelt sich hier um die Zahlung eines
sogenannten subsidiums charitativum, das von den Geist-
lichen des Mainzer Sprengeis in Thüringen durch den Erz-
bischof in Mainz gefordert wurde; 5 Prozent, also der
zwanzigste Teil ihres jährlichen Einkommens wurde der
Hartmann, Leipzig 1892 ; Dr. C. Krause, Zur Erklärung einiger
Stellen der Mutiauischen Briefe , in der Vierteljahrsschrift für
Kultur etc. von Dr. L. Geiger, 1. Jahrg., Hft. 4, Leipzig 1886;
Dr. E. Einert, Johann Jäger aus Dornheim als Jugendfreund
Luthers , Jena 1883 ; Joh, Ad. Fr. Hochgesang , Adjunkt und
Pfarrer zu Ulieben und Boilstedt, Der kirchliche Zustand in
Gotha zur Zeit der Reformation und die Veränderungen, welche
durch dieselbe herbeigeführt wurden, Gotha 1841. ^- 4) Allererste
Visitationsacta der Prediger im Amt Tenneberg 1526, verführt vom
ersten Superintendenten zu Gotha Friderico Myconio, im Koneistorial-
archiv zu Gotha; vergleiche dazu C. A. H. Burkhardt: Geschichte
der sächsischen Kirchen und Schulvisitationen von 1524—1545,
Leipzig 1879 S, 12 ff. und [Brückner] Kirchen- und Schulstaat bei
den betreffenden Ortschaften.
2) Gillert, No. XLII u. XLI.T ; Krause's Briefwechsel No. LXXIX
u. LXXXIV.
zur Zeit der Reformation. 3
Geistlichkeit abverlangt. Der Erzbischof bedurfte nämlich
viel Geld zur Erlangung des Palliiims, und dieses Geld
mußte der thüringische Klerus mitaufbringen.
Für die damalige Geistlichkeit mag ja diese Steuer-
erhebung recht schmerzlich gewesen sein, uns hat sie aber
einen erfreulichen Nutzen gebracht. Wir besitzen noch
das Steuerregister, vermittelst dessen jene Steuer eingehoben
wurde, und aus diesem Register können wir noch die kirch-
liche Organisation Thüringens zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts, unmittelbar vor der Reformation, kennen lernen.
Der große Mainzer Sprengel in Thüringen reichte
etwa von Pößneck bis Kreuzburg, vom Harz bis an de»
Thüringer Wald, bis in die Rhön hinein, cf. Regesta Diplom,
bist. Thuring. I Vorbemerkung II. Erzbischof von Mainz
war von 1504 bis 1508 Jakob Von Liebenstein, der
ließ sein Gebiet in Thüringen von Erfurt aus durch den
dort wohnenden Weihbischof verwalten. Weihbischof war
von 1498 bis 1508 Johann Bonemiich 3) aus Laasphe,
für uns interessant, weil er nicht nur die große Glockei
Maria gloriosa auf dem Erfurter Dom weihte, sondern auch
im Frühjahr 1507 den jungen Erfurter Augustinermönch
Martinus Lutherus ex Mansfeldia konsekrierte.
Aus jenem Register gMit nun hervor, daß der Mainzer
Sprengel in fünf Archidiakonate oder Präposituren eingeteilt
wurde, an deren Spitze je ein Archidiakon oder Propst
stand. Zwei dieser Archidiakonen, nämlich der vom Dom
und der von St. Severi, hatten ihren Sitz in Erfurt, die
übrigen drei saßen in Dorla, in Jechaburg und in Eisenach.
Jedes dieser Archidiakonate wurde wieder in verschiedene
Sedes oder Dekanate eingeteilt, denen ein Erzpriester vor-
stand. Das Nähere über diese kirchliche Organisation,
soweit sie die jetzt gothaischen Orte betrifft, ist aus der
nachstehenden Tabelle ersichtlich:
3) Koch, Die Erfurter Weihbischöfe, Zeitschrift f. Thür. Gesch.
u. Altertumskunde VI, S. 83 f; Feldkamm, Die Erfurter Weihbischöfe
in Mitt. des V. f. d. G. u. A. von Erfurt XXI, 64 f.
1*
•4 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
I. iPraepositura Beatae
No.
Sedes
Pfarrort
PfRrrpr ^^^® ^®'" ^irche
rtarrer ^^^ KapeUe
Steuer-
quote
Vikar
1
Ilversgehofen Bischieben
1
Eccl. parochialis
10 sohdos
2
Alkersleben
Neuroda
3 „
—
3
Kirchheim
Grera
j) ))■
6V, ,j
—
4
,
Thörei
JJ JJ
4 „
5
j»
Molsdorf
ß. M. V.
9 „
6
)j
)j
St. Albani
4^2 ,.
7
JJ
Eischleben
Eccl. paroch.
10 „
—
8
Rehstädt
ij ji
2
9
jj
Ichtershausen
JJ JJ
20 „
—
10
'I
—
—
1
Unmittelbar obiger Präpositur unterstanden : Das Kloster Ichtershausen,
3 marcas
11
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
26
26
27
Gotha alias
Wahlwinkl
Gotha
1
Dekan
u.
Kapitel
II. Fraepositura ecclesiae
1 fertonem
ratione
paroch.
3 loth
3 marcas
minus 1 fer-
tonem qui
pertinet ed
Sedem
Eccl. Collegiata
B. M. V.
St. Margarethae
Eccl. B. M. V.
ZOT Zeit der Reformation.
•5
Mariae virginis Erfartensis.
Name der Kirche
oder Kapelle
Name der
Vikarie
Name des
Vikars
Höhe und
Art der Be-
BolduDg
Steuer-
quote
ChoruB monia-
lium
St. Joh. Baptistae
Propst Erhard
26 Schock
es steuerte: 5 marcas 35 flor., und das Kloster Reinhardsbrunnen, es steuerte:
3 fertones >/•> loth.
Sanoti Severi Erfartensis.
cf. No. 54—59
Eccl. B. M. V.
St. Nicolai
St. Annae
St. Severi et 4 coro-
natorum
Nova Corporis
Christi
St. Catharinae ,
St. Crucis
St. Johannes et
Thomas '
Antiqua Corporis
Christi
Undecim millium
Vir^.
St. Michaelis
Omnium aposto-
lorum
Felicis et adaucti
St. Erasmi et Georgii
Trium regum
Joh. Faber
Martin Schil
»
Heinr. Syber
Herm. Stachel-
bich
Leonh. Pruchsel
Hermin dictus
Agnes
Heinr. Rentwig
Heinr, Schwab
M. Joh. Reynber
Heinr. Burgkard
Joh. Schere
D. Joh. Schoner
Paul Missener
Joh.Weydemann
23V8 Schock
IV'2 Mit.
14 Schock
11 Schock
13 „
12 „
25
9 .. .
18 „
12 „
15 „
6V. .
9 „
12 „
6 jnarcas
4 florenos
lSch.24gr.
04 „
- 52 „
- 30 „
lSch.22 „
- 36 „
lSch.l2„
- 40„
iSch. —
- 26 „
2 Seh. 6 i,
Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
No.
Sedes
Pfarrort
Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
28
29
30
31
32
Gotha alias
Wahl Winkel
Gotha
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
zur Zeit der Reformation.
Name der Kirchei
Name der
Name des
Höhe und
Art der Be-
soldung
Steuer-
oder Kapelle ■
Vikarie
Vikars
quote
Ewl. B. M. V.
St. ßlasii
Nie. Schloborn
15 Schock
1 6 maldra
ISch. -
r V V V
St. Laurencii
Joh. Schmier
•|frumenti et
1 avenae
- 24 gr.
V V n rt
St. Alexii
Joh. Rospach
12 Schock
- 48 „
■n r n T)
St. Ottiliae et
lodoci
Joh. Siffrid
10 „
- 40 „
V V V V
St. Margarethae et
decem millium
martyrum
Joh. Jungelhans
- 42 „
1^ W T? Tl
St. Catharinae
Peter Karl
12 Schock
- 48- „
T V 7) yi
St. Martini et Nicolai
Mich. Falke
12 „
- 4« „
r 1- •« «
St. Barbarae
TylomannMorch
9 „
5^2 niald.
fruinenti
-. 36 „
11 Tl Tl T«
St. Bonifacii et
Wiperti
Paul Herberts-
hausen
—
- 36 „
r* V y) m
Commenda Nova
Georg Burkhard
17 V., Schock
- 40 „
V V V V
Cosmae et Daraiani
Ernst Storr
17 v; »
1 Seh, 10 „
V T V n
St. Vicentii
Erhard Ritter
5 maldra
frumenti
ISch. -
V yj V V
Ad summum altare
LaurentTreusche
8 Schock
- 22 gr.
H Tl 1? Tl
St. Simplicii et
Faustini
Hein. Fuß
50 florenos
3 Seh, -
Hospitalis Jo-
?
Nie. Kirchener
0 Schock
- 24 gr.
hannitarum b.
M. Magdalenae
Capella in foro
St. Jacobi
St. Thomas et
Georg Wolfart
12 „
- 44 „
Michaelis
»>
St. Michaelis **
Joh. Salzmann
18 „
ISch. 12 „
St. Pauli et Erasmi
Paul Missener
14 „
— 56 „
"
St. Jodoci
Dr. Sigism.
Thomas
14
ISch. —
J}
Secunda St. Jodoci
Joh. Königsee
18 „
1 „ 12 gr.
In Monte
St. Andreae *
Joh. Weyner
12 „
- 48 „
j) >)
9
Joh. Bufghard
15
ISch. —
In Castro Gotha
St. Elisabeth
•
Joh. Salzmann
4 talenta
6V2 mald.
frumenti
1 „ -
In Praetörio
St. Gothardi
D. Henning
Goede
22 Schock
1 „ 28 gr.
In Leprosorio
?
Martin Walich
10 „
- 40 „
CapeUa St. Gan-
?
Joh. Schindel-
10 florenos
- 48 „
golfi extra
kopf
3»/, agros
muros
vineti
Eccl. St. Marga-
St. Thomae
Joh. Deckener
4 maldra
nihil
rethae
8 Schock
)}
St. Nicolai
Mart. Plattfuß
10 Schock
_ 40gr.
))
St. Catharinae
Thomas Nirer
12' „
- 48 „
Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
No.
Sedes
Pfarrort Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
Gotha alias
Wahlwinkel
Gotha
Leina
Ohrdruf
Tambach
Boilstädt
Waltershausen
Ibenhain
Waltershausen
Eccl. paroch. 3 loth
„ „ 13 „
1
Früh-
meß-
ner
Früh-
meß-
ner
1
zur Zeit der Reformation.
Name der Kirche
Name der
Name des
Höhe und
Art der Be-
soldung
Steuer-
oder Kapelle
Vikarie
Vikars
quote
Eccl. St. Mar-
Omnium Apostolo-
Lud. Kottelin
12 Schock
- 48gr.
garethae
rum
»
St Jacobi et Micha-
elis
Joh. Faber
10 „
- 40 „
)>
St. Corporis Christi
Mart. Fruttstädt
21 „
1 Seh. 24 „
cf. No. 80-82
—
—
—
cf. No. 83
—
—
z
Eccl. paroch.
Beatae M. V.
Heinr. Lindener
12 Schock
— 48.,,
)) i>
?
Hein. Gruneberg
33Va '.
2 Seh. 2 „
2 Pf.
Altaris St. Andreae
Hein. Schosser
20 „
1 Seh. 20 „
St. Crucis
Joh. Scheffel
14 „
— 56 „
)) »
St. Andreae
Balth. Roter-
mund
30 „
2 Seh. —
Eccl. paroch. in
Ibennain
Vic. nova B. M. V.
Joh. Mathis
15 „
—
Hospital
St. Elisabeth
Joh. Kunefeld
22 ,.
lSch.28gr.
Castrum Tenne-
St. Georgii
Lic. Joh. Nit-
12
- 36 „
berg
hart
)>
St. Petri efPauh
Rotermund in
Waltershausen
22 „
~ —
Pro Indagine
St. Crucis
Joh. de Eyteleben
12
- 48 „
CapeUa inmonte
St. Petri
?
2V2 »
- 8 „
probe Siebleben
i
In villa Siebleben
11 millium virginujn
Adolf Rue
10 „
— 40 „
in Arraario
«*
Eccl. par. in
?
Joh. Salzmann
13 Solidos
- 24 „
Remstädt
11 , Hufe
Land
Eccl. par. in
Vic. primissariae
Keinem. Zwil-
32 Schock
ISch. 8 „
Hörselgau
«
ling
1 Maldnm
frumenti
Eccl. par. in
Vic. altaris '
Joh. Stimer
12 Schock
-T 48„
Warza
Monasterium in
St. Simonis'et Judae
M. Joh. Gysell
6 m-. fru-
— 56 ,y
Ohrdruf
menti et
avenae,
4 Schock et
certa ligna
»»
St. Martini
Hein. deHynden
10 Schock
51gr.,lflor.
ö Hühner,
- 48 „
1 aucam (?)
2 plaustra
lignorum
10 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
No.
1
Sedes 1
Pfarrort
Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
82
Gotha ahas
Wahl Winkel
Waltershausen
—
Eccl. paroch.
-
1
83
»
JJ
—
j> j) \
—
1
84
»
JJ
—
JJ ))
—
1
85
))
))
—
JJ j>
—
1
8e
}j
Hörseigau
j) ))
8 loth
—
87
i>
Bättelstädt
JJ JJ
3 j,
—
88
»
Mechterstädt
JJ JJ
3 „
—
89
>)
Remstädt
JJ »T
3 JJ
—
90
>)
U elleben
JJ JJ
3 JJ
—
91
))
Goldbach
JJ JJ
3 JJ
—
92
))
Töpfleben cum
Mittelhausen
JJ JJ
3 „
—
93
)j
Ostheim
JJ JJ
2 j,
^
94
jj
Asbach
JJ JJ
— ,
95
y>
Fröttstädt
JJ JJ
—
96
*}
Laucha
1
JJ • JJ
—
97
jj
Schwarzhausen
JJ JJ
—
98
ij
Ernstroda
JJ JJ
—
99
>>
Wahl Winkel
JJ • JJ
—
100
))
Schoenau v. d.
W.
J) JJ
—
101
>j
Hohenkirchen
JJ JJ
1
—
102
jj
Sundhausen
St. Wiperti
—
103
5J
j)
St. Nicolai
—
104
J J
Ditharz
Eccl. paroch.
—
105
JJ
Kindleben
JJ JJ
—
106
)>
Alschleben*)
JJ j'
—
107
JJ
Tüttleben
JJ '>
2 ",
—
108
JJ
Siebleben
JJ JJ
2 „
—
109
JJ
Schwabhausen
JJ j)
2 j,
—
110
JJ
Emieben
j) j)
2 „
—
111
JJ
Trügleben
JJ j)
2 j,
—
112
Teutleben
JJ JJ
2 j,
— '
113
J)
Altenbergen
JJ j>
2 j,
—
114
JJ
Warza
" . "
2 „
—
115
JJ
Petriroda
JJ JJ
lU »
—
116
Ruhla
JJ JJ
v* ,.
—
117
Münsterge-
hofen
Gierstädt
"j >j
16 Solidos
■ —
118
JJ
Gr.-Fahner
1
V "
16 „
—
119
JJ
j) JJ
1
4) In. dem ßegistrum Subs. steht „Wiltzleyben," ist verschrieben, muß
zur Zeit der Reformation.
n
Name der Kirche
oder Kapelle
Name der
Vikarie
Name des
Vikars
Höhe uud
Art der Be-
soldung
Steuer-
quote
Eccl. pai'. in
Ohrdruf
Eccl.par.inTam-
bach
Eccl. St. Blasii m
PYiedrichroda
Eccl. par. in
Winterstein
cf. No. 78
cf. No. 224
cf. No 77.
Nova St. Crucis
St. Humberti
Commenda nova
B. M. V.
St. Johannis
cf. No. 75 u. 76
Joh. Kutz
Joh. Reymber
Friedr. Winkler
Barth. Doliator
26 Schock
27 „
7 „
10 „
Eccl. paroch.
B. M. V. et triiun
regum
lSch.44gr.
1 „ 48 „
SOgr.lobol.
Hein. Schwab
3 maldra,
12 Schock
58 gr. 1 Pf.
1 ob.
„Aeschleben" heißen, denn Witzleben wird S. 59 aufgeführt.
12 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
No.
Sedes
Pfarrort
Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
120
Münsterge-
hofen
Gr.-Fahner
—
\
—
1
121
>>
KL-Fahner
1
Eccl. paroch.
5 Sol.
122
Molschleben
Burgtonna
1
>j ))
2 flor.
—
123
»
»
—
—
—
1
124
»
Ballstädt
1
Eccl. paroch.
2 flor.
125
>;
}i
—
—
—
1
126
)»
Molschleben
1
Eccl. paroch.
2 flor.
127
)>
»
—
—
—
1
128
»
Buffleben
1
Eccl. paroch.
2 flor.
129
j'
))
—
—
—
1
130
))
Eschen bergen
1
Eccl. paroch.
1 flor.
131
))
))
—
—
—
1
132
))
Friemar
1
Eccl. paroch.
1 flor.
133
)»
))
Früh-
meß-
ner
134
>7
Aschara
1
Eccl. paroch.
V» flor.
135
j)
Westhausen
1
» 7)
19 79
136
jj
PfuUendorf
1
JJ )1
1/
137
j)
Hausen
1
'J ?J
/9 n
138
)i
Bienstädt '
1
?J }y
/9 J)
139
>}
Töttelstädt
1
n jj
140
))
Offhausen mor-
tua
1
7» J)
/» 77
—
141
))
Neussis
1
77 77
(2 77
142
Wanders-
ieben
Liebenstein et
Gössel filia in-
corporata
1
77 77
3 loth
—
143
»
Gräfenroda et fi-
lia Geschwende
1
77 7)
?
—
144
Gräfenroda
— .
__.
1
145
Wechmar
1
Eccl. paroch.
9 loth
146
Frankenhain
1
77 77
1/
■
147
Pferdingsleben
1
77 77
3^/, "
—
148
)f
1
zur Zeit der Beformation.
13
Name der Kirche
oder Kapelle
Name der
Vikarie
Name des
Vikars
Höhe und
Art der Be-
soldung
Steuer-
quote
Eccl. paroch.
Capella in Burg-
tonna
Capella in Ball-
städt
Cap. St. Nicolai
in Molschleben
Capella St. Jo-
nannisinBuff-
leben
Capella in
Eschenbergen
Eccl. par. in
Friemar
Eccl. paroch.
Eccl. paroch.
St. Nicolai
B. M. V.
Commenda nova
Commenda nova
B. M. V.
Eccl. paroch.
Joh. Hane
Joh. Donatus
Gerh. Marschalk
decauuB Gothen-
sis
Joh. Kesseler in
Molschleben
Herrn. Seber
Joh. Kesseler in
Molschleben
Andr. Teckener
Joh. Ottinwolf
6 m. frumenti
et ordei,
8 Schock,
10 pullos,
1 agram
vineti
22 fl.
5 Schock,
1 Viertel
Land
1 Viertel
Land
lOVa Sch.
24 Schock
12 Schock
Joh. Mohlburg |ad valorem
I 7' Schock
- 21 gr.
1 flor.
1 nor.
1 flor.
- 22 gr.
— 40 gr.
- 21 gr.
14 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
No.
Sedes
Pfarrort
Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
149
Wanders-
ieben
Seebergen
1
Eccl. paroch.
IV^ loth
—
150
))
Cobstädtetßett-
bach major
1
» )) ^
1 „
—
151
)j
GamstädtetEett-
bach minor
1
i> ))
1
—
152
)>
Apfelstädt
1
») ))
1% „
—
153
»
Dietendorf
1
)) j>
IV, „
154
}>
Wölfis
1
)) ))
4
155
?i
Sülzenbrücken
1
j? )j
7
156
j)
Güntherslebens)
1
B. m: V.
1
157
))
Günthers- | ä
leben J-£|
1
St. Petri
1
—
158
')
Ingersleben jS"
1
Eccl. paroch.
2V2 »
—
159
>j
,t
—
—
—
1
160
»
}J
1
161
>j
Grabsieben
1
Eccl. paroch.
V, loth
162
)>
Himdsbrunn de-
. solatum
1
1/*
—
163
)>
Hatstädt deso-
latum
1
—
/a 1)
—
164
))
Holzhausen
1
Eccl. paroch.
IV2 »
165
)j
))
1
~
1
166
))
167
))
—
—
—
—
—
168
Herbsleben
Herbsleben
1
Eccl. paroch.
25 Solidos
169
)i
"
1
Capell. in Castro
Herbsleben
9 „
—
170
»
»
1
Capell. B. M.V.
in Herbsleben
11 »
—
171
>)
)>
—
• — ■
—
1'
172
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j)
1
173
»j
•)>
—
—
—
1
174
j»
Grafen tonna
—
Eccl. paroch.
20 Sol.
• —
5) Im Registrum Subs. steht Gummersleben, das bedeutet „Günthers-
wo S. 65 Günthersleben als Gonresleibin bezeichnet wird;
zur 2^t der Reformation.
15
Name der Kirche Name der
oder Kapelle Vikarie
Name des
Vikars
Höhe und
Art der Be-
soldung
Steuer-
quote
—
—
—
—
—
Eccl. in Ingers-
leben
St. Petri et Pauli
St. Catharinae
Heinr. König
Con. Morch
certos mansos
terrae arabilis
20 Schock
Capell. St. Annae
in Holzhausen
)rope VVaasen-
burg
Eccl. Harhausen
Viaria Capellae
St. Petri et Nico-
lai in Wegeszes
cf. No. 226
St. Crucis
?
Conr. Eupsch
Hein. Heckmann
* ?
4 maldra,
5 agros
vineti
20 Schock
?
1 loth
Eccl. paroch.
St. Catharinae
St. Nicolai
Corporis Christi
Joh. Rudolf
Heinr. Schaub
Alb. Kremer
3 maldr. fru-
menti,3ordei,
3 avenae,
5 solidos
5 maldra
6 Schock,
IV, agros
vineti
— ' 51 gr
lSch.l6„
- ^4„
~
—
—
—
—
leben", cf. z. B. Fr. Krügelstein: Nachrichten von der Stadt Ohrdruf, 1844,
nach S. 607 heißt die Kirche in Günthersleben „St. Petri".
16 Kirchliches u, soziales Leben im Herzogtum Gotha
No.
Sedes
Pfarrort
Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
175
176
Herbsleben
Gräfentonna
1
Capell. in Castro
Gräfentonna
— \
20 Solidos
1
177
TI
T)
—
—
—
1
178
179
V
Ostertonna cura
mortua
Ostertonna
1
Eccl. paroch.
12 Solidos
1
180
181
182
n
n
Döllstädt
1
1
Eccl. paroch.
Capell. in Castro
Döllstädt
25 Sohdos
11 .
1
183
V
n
—
—
—
1
184
V
V
—
—
—
1
185
V
V
—
—
—
186
187
n
Reifenheim cura
mortua
Werningshausen
1
1
Eccl. paroch.
10 Solidos
15 „
—
188
189
190
191
192
193
194
. III. Praepositura
Ufhofen alias
Hieben
1
Eccl. paroch.
?
Salza
n
Eckardsleben
1
M V
?
n
n
1
Capeila in Eck-
ardsleben
?
—
n
Craula
1
Eccl. paroch.
• ?
—
■n
Wiegleben
1
)> n
?
—
V
n
1
Capeila in Wieg-
leben vacat
?
—
Falken
Nazza
1
Eccl. paroch.
V4 flor.'
—
zur Zeit der Reformation.
17.
Nanie der Kirche Name der
Name des
Höhe und
Art der Be-
soldung
Steuer-
wler Kapelle ' Vikarie
Vikars
quote
In choro Gräfen-
B. M. V.
Matth. Mergelt
2 maldra,
- 24 gr.
tonna
3 Schock
In medio altaris
Corporis Christi et
Joh. Cot
8 maldra fru-
1 Seh. 20 „
parochialis in
Gräfentonna
Fabiani et Se-
menti, ordei
bastian i
et avenae,
8 Schock,
IV, agros
vineti
Eccl. paroch.
Felicia et adaucti
Burgh. Hille
3 mald. fru-
menti, ordei
et avenae,
2Sch.lflor.
- 30 „
—
—
—
] solid.
—
Eccl. paroch. St.
B. M. V.
Hein. Sartor
4 maldra
- 30 „
Petri
Propst in Döll-
städt
frumenti,
1 Schock
Monasterium St.
St. Ciriaci
Hein. Sartor
3 maldra.
- 54 „
Nicolai in Döll-
7V, Schock
städt
Eccl. par. St Petri
in Döllstädt
B. M. V.
Tylora. Albert
14 Schock
- 56 „
Monasterium in
St. Nicolai
}> »
2 maldra fru-
- 33,
Döllstädt
menti et
ordei.
_
_
_
6 Schock
—
— >
—
—
—
Dorlessis.
XXI.
18 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
No.
Sedes
Pfarrort
Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
195
196
Beringen
Wangenheim
n
1
Eccl. paroch.
V2 Marc.
1
197
»
7)
1
1^8
199
200
201
»
>>
Beringen Mariae
Tüngeda
Haina
V
1
]
1
Eccl. paroch.
n n
n n
V-, Marc.
V4 «
1
202
)J
n
—
'
—
1
203
»
—
—
—
—
1
204
205
Brüheim
1
Eccl. paroch.
1/4 Marc.
1
206
207
208
Sonneborn
5»
1
Eccl. paroch.
1/4 Marc.
1
1
209
»
))
—
—
—
1
210
211
>>
Hochlieim
1
Eccl. paroch.
i/g Marc.
Früh-
raeß-
ner
212
213
214
»
Erffa
—
Eccl. paroch.
Vs Marc.
—
}>
—
—
1
1
215
»
Nordhofen
1
Eccl. paroch.
Vs Marc.
_.
216
1>
)>
1
217
218
219
»
Ebenhein
Wolfsberingen
1
1
1
Eccl. paroch.
Cap. St. Christo-
pnori alias Tun-
gerthai 1 prope
Wangenheim
i/g Marc.
/s >>
—
zur Zeit der Reformation.
.19
Name der Kirche
oder Kapelle
Name der
Vikarie
Name des
Vikars
Höhe und
Art der Be-
soldung^
Steuer-
quote
Eccl. paroch.
Eccl. paroch.
T) i:
Capell. S. Jacobi
prope Haina
Eccl. paroch.
}> )>
Eccl. paroch.
)> »
Eccl. paroch.
In Castro Erffa
Eccl. paroch.
Eccl. paroch.
St. Nicolai
B. M. V.
B. M. V.
St. Catharinae
St. Stephani
B. M. V.
St. Andreae
Nova trium regum
?
St. üeorgei
B. M. V.
Joh. Andreas
Lic. Matth.
Meyger
5 mald. fru-
menti et or
dei, 11 Seh
10 gr.
20 flor.
Joh. de Erffa2 mald. fru
decani Salc- j menti, 8 fl
ensis 1 Seh.
Reinh. Freybothß mald. fru
I menti, 4 Seh.
Joh. Arnold '
M.Joh.Reinboth
de Tambach
Fried. Thomas
D. Henning
Goede
M. Berth. Deyn-
hart
Arnold Bropen
Heinr. de Erffa
Joh. de Erffa
Paul Furmann
4 Seh. 24 gr,
20V, flor.
7 y. 2 mald. im-
menti
9 mald. fru-
menti,5ordei
4 avenae
2^/2 Schock
9 Schock
2 mald. fru-
menti, li/
avenae, 20
Schock
2 mald. fru-
menti et
ordei minus
1 quart., 6
Schock
ISch. 24gr
24
- 18 „
- 27 „
- 24gr.
lSch.56gr.
1 „ 7„
IPf.loboL
- 30 gr.
nihil
20 Kirchliches u. soziales Lehen im Herzogtum Gotha
No.
Sedes
Pfarrort
Pfarrer
Name der Kirche
oder Kapelle
Steuer-
quote
Vikar
220
221
222
Beringen
Hütscherode va-
cat omnino
Eeichenbach
1
1
Eccl. paroch.
\
Vs Marc.
/8 >'
1
IV. Fraepositura
223
224
225
227
228
229
230
Mihla I Neukirchen
Lupnitz Sättelstädt
„ Schönau a. H.
1
Eccl. paroch.
1 loth
1
j) )>
3 „
1
)) )>
1 „
226 Greußen Herbsleben
Germar
Körner
Obermehler
V. Fraepositura
cf. No. 168—173 — 1
Eccl. Wiperti
Eccl. Mariae
Eccl. paroch.
8 Solidos
8 _^
4 Solidos
Aus vorstehender Tabelle geht nun hervor, daß im
Bereich des jetzigen Herzogtums Gotha 120 Pfarrstellen,
1 Dekan und 14 Domherren am Marienstift und 109 Vikarien
vorhanden waren, die Summe der Säkularkleriker, die zu
dem Subsiduum beizusteuern hatten, betrug demnach 244,
rechnet man dazu noch die Mönche im Augustinerkloster
zu Gotha, in den Cistercienserklöstern Georgenthal und
Volkenroda, wie in der Benediktinerabtei Reinhardtsbrunnen,
zusammen mindestens 100 , so ergiebt sich für die Zeit
unmittelbar vor der Reformation eine Gesamtsumme von
etwa 344 geistlichen Personen, durch die der Bezirk des
jetzigen Herzogtums Gotha kirchlich versorgt wurde, dabei
sind die Nonnen im Kreuzkloster zu Gotha und in Ichters-
hausen nicht mit in Anschlag gebracht, auch die Klöster
_ zu Döllstädt, Gräfentonna und Wannigsroda sind unberück-
zur Zeit der Reformation.
21
danieder Kirche
Name der
Name des
Höhe und
Art der Be-
soldung
oder Kapelle
Vikarie
^''ikars
Eccl. paroch.
Nova St. Annae
anno 1494 con-
firmata
Dr. Job. Pryell
10« /2 flor.
Eisenach.
cf. No. 87
—
—
—
Jechaburg.
Capella St. Petri
?
Job. de Berle-
10 Schock
jrope Herbs-
eben, spectat
nessen
'
ad Greußen,
quia est sita
ultra fluraen
Unstrut
Eccl. paroch.
Nova B. M. V.
Conrad Bolstädt
16 Schock
—
—
—
—
Steuer-
quote
42 gr.
1 loth
- 48gr.
sichtigt geblieben , weil sie 1506 nicht mehr bestanden.
Nach Einführung der Reformation und nach Einziehung
der Klöster sank diese Zahl ganz bedeutend herab, denn
aus den Visitationsprotokollen von 1533^) ergiebt sich, daß
damals im Gothaischen 89 Pfarrdörfer, 35 Kirchdörfer,
nebst 6 eingepfarrten Dörfern, vorhanden' waren. Heutzu-
tage amtieren etwa 120 Geistliche im Herzogtum.
In dem Steuerregister von 1506 werden 1-14 gothaische
Orte aufgeführt, 11 von diesen Orten sind jetzt wüst,
nämlich Töpfleben, Mittelhausen, Ostheim, Alschleben, Off-
hausen, Neussis, Hatstädt, Ostertonna, Reifenhain, Tünger-
tail, Wegeszes, 3 sind jetzt keine selbständigen Orte
mehr, nämlich Kindleben, Hundsbrunn und Hütscheroda.
6) Burkhardt, Geschichte der Visitationen, S. 127 ff.
22 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Es fehlen in dem Register folgende gothaische Orte:
Ariesberg, Bittstedt, Burla, Cabarz, Catterfeld, Crawinkel,
Cumbach, Deubach, Dörrberg, Ebenshausen, Elgersburg,
Engelsbach, Ettenhausen, Einsterbergen, Fischbach, Franken-
roda, Friedrichsanfang, Gehlberg, Georgenthal, Gospiteroda,
Gräfenhain, Großtabarz, Hallungen, Hastrungsfeld, Heerda,
Herrenhof, Hohenbergen, Kälberfeld, Kahlenberg, Kettmanns-
hausen. Klein - Keula, Klein - Schmalkalden, Klein - Tabarz^
Kornhochheim, Langenhain, Lauterbach, Louisenthal, Mane-
bach, Mehlis, Menteroda, Metebach, Naundorf, Neudieten-
dorf, Neufrankenroda , Oberhof, Osterberingen, Rhoda,.
Rippersroda, Rödichen, Schmerbach, Schnepfenthal, Schwarz-
wald, Sondra, Stedten, Stutzhaus, Tambuchshof, Ti-asdorf,.
Volkenroda , Weingarten, Wipperoda, Zella; zusammen
61 Ortschaften. Davon gehörten Zella und Mehlis nicht
zum Mainzer Sprengel, von den übrigen Orten hatten die
meisten wohl keinen Pfarrer, da konnte also auch keine
Steuer erhoben werden, einige wenige von den Orten sind
neuere Gründungen, etliche mögen auch wohl Klosterdörfer
und darum frei von der Abgabe gewesen sein.
Wie aus der obigen Tabelle hervorgeht, ist bei den
Pfarrern nur die Steuerquote angegeben, während bei den
Vikaren die Dotation sehr genau verzeichnet steht, aber auch
aus der Steuerquote, wie sie für die Pfarreien aufgezeichnet
ist, wird sich, da, wie schon angemerkt, der zwanzigste Teil
des Jahreseinkommens abgefordert wurde, herausrechnen
lassen, wie hoch ungefähr die Besoldung der Pfarrer war.
Wer 10 Solidos oder mehr, wer 3 Lot oder mehr^
wer 2 Gulden oder mehr, wer ^/^ Mark oder mehr steuern
mußte, der hatte ein jährliches Einkommen von mindestens
40 Goldgulden, „das war nach den Geldverhältnissen des
beginnenden 16. Jahrhunderts nicht gerade ein glänzendes,
aber doch ein reichliches Einkommen"''). So bezog z. B.
7) Seckendorf, Commentarius de Lutheranismo, Frankfurt und
Leipzig 1692, Lib. 3, S. 70.
zur Zeit der Reformation. 23
Dr. Bugenhagen in Wittenberg auch nur 60 ü., und
noch 1533 empfiehlt Justus Jon as^) bei der allgemeinen
thüringischen Visitation, daß den Pfarrern, welche keine
weiteren Einkünfte hätten , 50 fl. oder doch wenigstens
40 fl. gereicht werden möchten, während Melanchthon
1525 an Besoldung 100 fl. und aus Gnaden noch einmal
100 fl. bezog. Um nun zu verstehen, was 40 fl. bedeutet,
muß man bedenken^), daß man zur Zeit der Reformation
für 1 fl. so viel Roggen kaufen konnte, wie jetzt für
15 M. 75 Pfg. — Eine Hufe Landes ertrug 5 fl. Wert,
macht nach jetzigem Geldwerte also 78 M. 75 Pfg. Ein
Fuder Heu wurde mit 1 fl. = 15 M. 75 Pfg., 1 Malter
Korn mit 3 fl. = 47 M. 25 Pfg., 1 Mit. Gerste ebenso
hoch, 1 Mit. Hafer mit 2 fl. = 31 M. 50 Pfg. veran-
schlagt. Als Herzog Johann Friedrich 1527 1^) auf
einer Reise nach Düsseldorf nach Gotha kam, da hatte er
folgende Preise zu bezahlen (der meißnische Gulden hatte
21 Gr., der Groschen 12 Pfg., der Pfennig 3 Heller) : für
1 Pfd. Rindfleisch 5 Pfg., für 1 Pfd. Schweinefleisch
572 Pfg., für Kalbfleisch das Pfund 3 Pfg.; für Hecht das
Pfund 11/2 Gr., für Karpfen k Pfd. 1 Gr., für 1 Maß
l'/g Nößel Schmerlen 7 Gr., für 2 Kapaunen 6 Gr., für
1 Mandel Eier 1 Gr., für 1 Pfd. Butter 10 Pfg., für
1 Schock Äpfel 4 Gr. Ein Bote, der nach Eisenach
geschickt wurde, bekam 3 Gr., 2 fl. aber mußte er be-
zahlen „dem Juden zu Gotha, der den von Wildenfels
curirt, zu vertringken". *Diese Preise muß man im Auge
behalten, wenn man verstehen will, wie behauptet werden
konnte, daß die Pfarrer, die 40 fl., nach jetzigem Geld-
wert also 630 M. einzunehmen hatten , auskömmlich be-
soldet seien.
Von den in der Tabelle aufgeführten 120 Pfarrstellen
8) Seckendorf, a. a. O.
9) Burkhardt, Geschichte der Visitationen, S. XXIV f.
10) H. Heß, Eine Reiserechnung aus dem Jahre 1527. Zeit-
schrift f. Thür. Geschichte u. AJtertumskde., N. F. Bd. 10, S. 511 ff.
24 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
erreichten nur 40 ein Einkommen von 40 fl., während
80 geringer dotiert waren. Am meisten hatten zu steuern:
die Klöster zu Ichtershausen und Reinhardtsbrunnen, so-
wie das Marienstift in Gotha. Von Pfarrern erfreuten sich
der höchsten Besoldungen die Geistlichen in Herbsleben,
Gräfentonna , Ichtershausen , Döllstädt, Wfechmar, Sülzen-
brücken, Burgtonna, Ballstädt, Bufleben, Wangenheim und
Großenberingen , während am geringsten die Pfarrer in
Neuroda, Petriroda, Ruhla, Grabsieben, Frankenhain, Hunds-
brunn und Nazza besoldet waren.
Die 109 im Bereich des jetzigen Herzogtums Gotha
vorhandenen Vikarien sind mit einer Steuerquote von
3 Schock bis herab zu 8 Groschen eingestellt; durch-
schnittlich werden diese Vikare nicht einmal 1 Schock zu
steuern gehabt haben. Nur ein Vikar ist vorhanden, der
8 Schock zu zahlen hat, dessen Einkommen belief sich
also auf 60. Schock = 6 Mark = 42 ß. nur 3 Vikare
zahlten über 2 Schock, hatten demnach 28 fl. einzu-
nehmen. Wer noch so glücklich war, 1 Schock abgeben
zu müssen, erfreute sich einer Besoldung im Werte von
14 fl. Doch verschlechterte sich die Lage der Vikare noch
durch folgenden Umstand : wo es irgendwie gute Vikarei-
besoldungen gab, da verstanden es die einflußreichen Geist-
lichen, besonders aber die Erfurter Juristen, die zum
großen Teil als Stiftsherren auch die Priesterweihe em-
pfangen hatten, sich diese Einkünfte anzueignen. Die
Pfründenjagd, der Pfründenhandel stand damals in üppigster
Blüte. „Ut nunc sunt saecula, preces sunt irritae, nisi
altaria nummis emas" schreibt einmal Mutian^*), das
bedeutet doch: „Bewerbungen um Pfründen ohne Geld-
aufwendungen waren damals überhaupt erfolglos." Wer
sich in Besitz einer Vikarei gesetzt hatte, der zog die
Erträge der Pfründe ein, ließ aber die damit verbundenen
Pflichten, das Messelesen an bestimmten Altären und zu
11) Gillert, No. 381; Krause, No. 364.
zur Zeit der Reformation. 25 .
den vorgeschriebenen Zeiten, durch Andere erfüllen. Die
Pfründeninhaber verauktionierten sozusagen das Messelesen,
und der Mindestfordernde erhielt die Vikarie. Da es eine
Residenzpflicht für die Pfründeninhaber nicht gab, kam es
sehr häufig vor, daß eine ganze Anzahl von Vikarien an
verschiedenen Orten in einer Hand sich befanden. So
hatte der vorletzte Dompropst am Marienstift zu Gotha,
Gerhard Marschalk von Gosserstädt, nicht nur
in Ballstädt, sondern auch in Gutenhausen, in Gosserstädt
und Rudersdorf reichdotierte Vikarien ; der Propst am
Marienstift zu Erfurt, Licenciatus juris Johann Nithard,
war sogar in Besitz von 14 Vikarien, und zwar 1 in Gotha, ^
8 in Erfurt, 1 in Möbisburg, 1 in Sömmerda, 1 in Witz-
leben, 1 in Eisenach und 1 in Jechaburg. Johann Satz-
mann in Gotha hatte 2 Vikarien, 1 am Stift in Gotha
und 1 in Remstädt. Conrad Morch, ebenfalls Domherr
in Gotha, ein Hauptfeind Mutians, hatte 1 Vikarie in
Gotha und 3 in Erfurt.
Daß bei solchen Besoldungsverhältnissen, die man im
großen und ganzen als ärmliche wird bezeichnen müssen,
die Ausschreibung jenes Subsidiums die Betreffenden nicht
angenehm berührte, ist wohl begreiflich, doch haben die
Geistlichen in den gothaischen Orten trotzdem recht gut
gezahlt, nur hinter wenigen Posten steht ein „nihil". In
anderen Gegenden des Mainzer Spreugels in Thüringen muß
die Armut unter den Geistlichen viel größer gewesen sein.
So heißt es z. B. von einem Vikar in Stolberg: „in summa
paupertate obiit, nihil relinquens" ; weiter von einem Vikar
auf Schloß Schauenforst, zur Sedes Oberweimar gehörig:
„valde exilis et nihil habet, dann die Kost uff dem Schloße
der Herren Rewsszen von Plawe zu Grewtz ideo propter
paupertatem aufugit", ähnlich von einem Vikar in Willer-
städt, „in summa paupertate obiit" : und von seinem Nach-
folger: „devastavit beneficium, tandem aufugit extra
dicoecesin".
Was nun die Art der Dotation anbetrifft-, so ist die-
26 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
selbe leider nur bei den Vikaren angegeben, und zwar nur
bei 101 Vikaren. Bei der Besoldung dieser Vikare über-
wiegt nun die Gelddotation ganz bedeutend, in 69 Fällen
giebt es reine Gelddotation , dagegen nur in 4 Fällen
reine Fruchtdotation (2 mal in der Stadt Gotha, 1 mal
in Herbsleben und 1 mal in Sonneborn) und nur 1 mal
reine Landdotation (in Ingersleben), in 17 Fällen Geld-
und Fruchtdotation, in 3 Fällen Geld- und Landdotation,
in 2 Fällen Geld- und Weinbergdotation, in 1 Fall Geld-,
Getreide - und Weindotation (Gräfentonna) , in 1 Fall
Geld-, Getreide- und Holzdodation (Ohrdruf), in 1 Fall
Geld-, Holz- und Hühnerdotation (Ohrdruf), in 1 Fall Geld-,
Getreide-, Hühner- und Weinbergdotation (Groß - Fahner)
und endlich in 1 Fall Getreide- und Weinbergdotation
(Holzhausen). Also sämtliche Vikare, mit Ausnahme von 6,
hatten bei ihrer Besoldung irgendwelche Geldbezüge. Wein-
berge aber besaßen 5 Vikare, und zwar in Gotha^ in Herbs-
leben, in Groß-Fahner, in Holzhausen und in Gräfentonna.
Der Weinbau muß früher doch auch im Gothaischen nicht
so unbedeutend gewesen sein, denn noch in der Ausgabe
des Schulmethodus von 1662 heißt es: „Die Schularbeit
sol durchs gantze Jahr fleißig verrichtet, und nicht ehe als
in der Schnitt-Ernde, wo man keinen Weinwachs hat, in
den Dörfern aufF 6 Wochen, in den Städten aber auff
4 Wochen, ingleichen bey Kirchmessen ein par Tage unter-
lassen werden. Wo aber W^einlese gehalten wird, darzu
eine ziemliche Zeit gehöret, sol die Hälfite der gesetzten
Zeit in der Schnitt-Ernde, und die übrige in der Weinlese
die Schul- Arbeit nachbleiben."
25 Vikare bekommen Getreide, und zwar alle, mit
Ausnahme eines Einzigen, Roggen, 3 haben neben Roggen
auch noch Hafer, 5 haben neben Roggen auch noch Gerste,
2 haben neben Korn auch noch Gerste und Hafer. Be-
merkenswert ist, daß im ganzen Bereich des jetzigen
Herzogtums Gotha bei den Vikaren Weizendotation nicht
vorkommt, das schließt nun aber freilich nicht aus, daß
zur Zeit der Reformation. 27
Pfarrer Decimation an Weizen gehabt haben mögen. Da
nur bei den 109 Vikaren, nicht aber bei den 120 Pfarrern
die Art der Dotation angegeben ist, die Pfarrer aber
sicherlich nicht nur mit barem Gelde, sondern auch mit
Land und mit Getreide und mit Weinbergen etc. dotiert
waren, so lassen sich aus den uns bekannten Dotations-
gegenständen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sichere
Schlüsse wohl kaum ziehen.
Daß in den nach dem Walde zu gelegenen Ortschaften
die Gelddotation überwiegt, und daß hier an einzelnen
Orten Dotation an Holz vorkommt, während im flachen
Lande, in der Gegend um Molschleben, Gräfentonna und
Herbsleben herum , die Geistlichen vielfach auch mit Ge-
treide besoldet wurden, ist ja eigentlich selbstverständlich.
Was es nun mit den Vikaren und deren Pflichten für
eine Bewandtnis hatte, möge an einem einzelnen Beispiel,
an dem Vikar zu Hörseigau * ^), der zugleich rrühmeßner
war, gezeigt werden ; außer in Hörseigau gab es solche
„Frühherren" „primissarii", noch in Gotha, in Waltershausen^
in Friemar, in Tambach und in Hochheim bei Gotha. Im
Jahre 1453 wurde mit Bewilligung Heinrichs von
Buttelstedt, Dechanten am Liebfrauenstift zu Eisenach,
— auf welches Stift im Jahre 1433 das Patronatsrecht über
die Pfarrkirchen zu Sättelstädt und Hörseigau übergegangen
war^ 3) — zu Hörseigau eine ewige Vikarei und Frühmesse
über dem Frühaltar, der <^ geweihet ist in die Ehre des
heiligen Kreuzes, der reinen hochgelobten Jungfrau Maria
und Sankt Katharinen instauriert und gestiftet mit der
Bestimmung, daß der Besitzer der Frühmesse alle Woche
fünf ewige Messen darüber lesen soll, allezeit frühe mit
dem Morgen und Tage, nach Bequemlichkeit der Zeit und
ungehindert der Pfarrmesse, also daß der Sonntag soll leer
12) Pfarrarchiv in Hörseigau.
13) [BrücknerJ Kirchen- u. Schulstaat, Bd. 2, Heft 12, S. 24; cf.
Pauliini Annales Isenac, S. 112.
28 Kirchliches u. soziales Leben im Ilcrzogtuiu Gotha
ausgehen und statt dessen ein Tag in der Woche, welcher
dem Frühherrn bequem sein will. Auch soll der Vikar
einem jeglichen Besitzer der Pfarrei zu allen Pesten, an
denen es sich gebührt Prozession zu halten, gehorsam sein
in Vespern, IMessen, Eeden, und an welchem Tage in der
Woche ein Pest fiele, an welchem eine Prühmcsse zu halten
ist, die Alesse soll er unter der Messe auf solch Pest halten,
auf daß die Leute desto fleißiger in der „Ilomcsse" bei der
Predigt und Gottesdienst bleiben. Derselbige Vikar soll
auch dem Pfarrer, so der von Not wegen nicht einheimisch
oder krank wäre, ob sich das begäbe, die heiligen
Sakramente seinen Pfarrleuten zu reichen oder zu taufen
behilflich sein.
Die Besoldung des Vikars ist nun folgende: Zu solcher
Frühmesse dem Herren , der die besitzet und beleset,
folgen soll 1) Eine Hufe Landes, die gelegen ist im Felde
und Flur zu Grabsieben, die vor langen Jahren, vor alters,
zu demselben Altar bescheiden ist. 2 i Zwei Schock Geldes
jährlichen Zinses, der auf 7 Acker feldiglichs (das sind
21 Acker, nämlich 7 Acker im Winterfeld, 7 Acker im
Sommerfeld und 7 Acker in der Brache) ruht, die dem
Herrn von Varnroda zu Lehn gehen, ein gewisser Härtung
Linnung hat die Vikarei damit beschenkt. 3) hat der
Pfarrer zu Hörseigau, Johann Am Markte, dazu ge-
stiftet von seinem väterlichen Erbe in Hörseigau 9 Schock
Geldes jährlichen Zinses, ebenso haben noch andere Leute
Zinsen an den Vikar zu zahlen, so daß er zusammen an
Geld 32 Schock einzunehmen hat. Die Heimbürgen und
die ganze Gemeinde Hörseigau wollen Vormünder sein, solchen
Zins dem Vikar zu reichen.
Im Jahre 1457 wurde die Hufe Landes zu Grabs-
ieben durch den ersten Frühmeßner in Hörseigau, Ludwig
Brun, durch den Heimbürgen und seine vier „Mete-
kumpen", sowie durch die ganze Gemeinde einem Grabs-
leber Manne mit Namen Gurt Grauwe und Käthe,
seiner ehelichen Wirtin, gelassen und zu eigen gethan,
zur Zeit der Reformation. 29
wofür der Curt Grauwe dem Vikar an jährlichen Erb-
zinsen und Korngülten zwei Heger Malter schönen, lauteren
Roggen und zwei Heger Malter schönen Weizen, beides
schönes, lauteres, gefegtes Getreide, nebst zwei Michels-
hühnern auf seine Kosten gen Hörseigau zu schicken hat.
— Auch sollen die Altarleute verpflichtet sein, dem Vikar
von des Gotteshauses wegen zu reichen : Meßgewand, Kelche,
Bücher, Wein, Lichte, und was sonst nötig ist, der Kirchner
aber soll dem Vikar, gerade so wie seinem Pfarrer, zu
solcher Frühmesse Handreichung thun und dienen ohne
Widerrede. Auch sollen die Altarleute dem Vikar zu jeg-
lichem Weichfasten (Weihefasten, Quatemberfasten) ein Pfund
Wachs zu Gelichten geben von des Gotteshauses wegen,
dabei er seine Siebengezeiten (das sind die sogen, horae
canonicae) und sein Gebet gethun mag. Dagegen hat
der Vikar jährlich zu Michaeli 5 Schilling-Pfennige dem
Pfarrer „vor eyne Wedirstattung, das man nennet Besteuer",
zu zahlen. Sollte ihm ein Haus oder Hof gegeben oder
gekauft werden, das soll er, ebenso wie das Vieh, das er
hält, frei haben, nur darauf liegenden Erbzins und Hirten-
lohn soll er selbst bezahlen. Der Vikar hat später wirklich
ein Haus bekommen. Als am Mittwoch nach Andrea 1528
von der Planitz, Melanchthon, Menius und
M y c 0 n i u s als Visitatoren in Hörseigau ^ * ) anwesend
waren, wurde bestimmt, daß alles Einkommen, der Vikarei
gehörig, ausgenommen der Vikarei Behausung, nach Ab-
sterben des Vikars, dem Gotteshause und nicht dem
Pfarrer heimfallen soll. Daher stammt ein gut Teil des
jetzigen Hörselgauer Kirchenvermögens.
Eine Fülle von geistlichen Personen war also im
Gothaischen in der Zeit unmittelbar vor der Reformation
vorhanden, die Qualität derselben ließ aber leider, mit
wenigen rühmlichen Ausnahmen, viel zu wünschen übrig.
Da, wo jetzt in der Stadt Gotha das Landratsamts-
14) Pfarrarchiv in Hörseigau.
30 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
gebäude steht, lagen am Marienberg, so genannt nach der
dort sich erhebenden Marienkirche, „etlich viel wunder-
lustig erbauten Canonikenhäuser", in einem derselben, das
von ihm erkauft und nach seinem Behagen eingerichtet
war, wohnte seit 1502 Conrad Mutianus Rufus,
Domherr am Marienstift, Über der Eingangspforte standen
die Worte geschrieben: „Beata Tranquillitas." Zur ebenen
Erde waren die Wohnräume, oben die Bibliothek. Auf der
zu den unteren Gemächern führenden Thür stand die In-
schrift: „Bonis cuncta pateant." Wie es in diesem Hause
aussah und wie es dort zuging, wird uns 1515 von dem
dort oft verkehrenden Poeten Euricius Cordus folgender-
maßen geschildert^^):
„Abwärts neigt der Olymp und entführt den Tag, da betret ich
Kufus' Haus ; an das Mahl hat er sich ebengesetzt.
Gleich thut jegliche Thür sich auf, und es holen die Diener
her den edelsten Wein aus dem gefülleten Eaß,
Reich zwar glänzte im Schmucke die hergerichtete Tafel,
selbst mit Lybischem Mahl waget die Küche den Kampf.
Größere Wonne jedoch als der Gaumen schaffet das Ohr mir,
denn zu vernehmen fürwahr wähn' ich Orpheischen Klang.
Also beredt war der Sänger, er kürzte zu kleinen Sekunden
durch sein süßes Gespräch schleichende Stunden mir ab,
So, wenn duftet die Lese des Weins auf Hybläischen Fluren,
träufelt aus flüssiger Zell' goldener Honig hervor.
Wer nur immer verlangt, einen Mann zu sehen, der freundlich,
bieder, gelehrt und mit echt christlichem Sinne geziert.
Den nicht leitet der Wahn des thörichten, eitelen Haufens,.
der seine Tage in Ruh' schließen zu können begehrt:
Suche dies Obdach auf, wo gleich wie aus Delphischer Grotte
er als zweiter Apoll kündet prophetischen Spruch.
Und daß irre der Euß nicht gehe in schwankendem Zweifel
(nicht zu betreten zu oft pflegen Besucher den Weg) :
Heimlich hinter dem Dom steht still verborgen das Häuschen
schier von Dädalischer Kunst und labyrinthischem Bau,
15) Krause, Briefwechsel, S. 18 f.
zur Zeit der Reformation. 31 •
Schon ein einziger Blick verräth dir das „Ruhige Leben"
mit zwei Worten sogleich zeiget's ein Schildchen dir an.
Ziehe die Schnur, die hier von des Hauses Giebel herabhängt,
gleich schallt klingender Ton drinnen vom Glöckchen ausErz.
Nicht kommt wangengeschminkt eine Thais, die Thüre zu öflfnen,
denn vor solchem Gezücht schaudert der heilige Ort;
Nicht hat in ewigem Feuer also die züchtige Keuschheit
Vestas Tempel gehegt, wie dieses Haus sie bewahrt :
Kommen wird ein geschäftiger Knab' ; aus dem Fenster sich
biegend,
fragt er dich, wer und woher, was deines Koramens Begehr.
Hebest du dann die Augen empor, so wirst du die Aufschrift.
lesen: „Dem würdigen Gast öffnet sich jegliche Thür".
Doch dein Kommen entweihe ja nicht den Musischen Tempel ;
siehe zuvor, ob dich Phöbus zu lieben vermag.
Keine erwünschtere Kunde vermagst du zu bringen, als wenn du
meldest: den scheußlichen Feind bändigte CapnionsArm.
Diesen preise du hoch und heiße den Fürsten der Dichter
noch jahrhundertelang leben als siegender Held.
Dann wird Rufus sich gern als lieber Freund dir erweisen
und dich grüßen als Glied seines geselligen Bunds.
Farbig erglänzet die Wand von den Wappen vieler Poeten
welchen er also geeint dauernde Liebe gelobt.
Sieh', hier tödtet der Storch mit klapperndem Schnabel die
Schlange,
deinen liebenden Sinn zeigt, Spalatinus, er an.
Weiter dorten das Hörn Rubians mit Riemen umwunden
und manch anderes Bild zeiget den Blicken sich hier.
Abervor allem der Schwan, das Haupt in den Wolken Arerbergend
dir ist solcher mit Recht, hessischer Dichter, geweiht.
Neben ihm kriecht ein winziges Stück, der stachlige Igel,
dreifacher Lorber umgiebt rings ihn mit biegsamem Zweig.
Lächerlich Thier, wie kommst du hierher ? wie will doch, o Rufus,
häßliches Eulengekreisch passen zum Schwanengesang?
Irret denn so dein Wahn zu Gunsten unserer Poßen,
daß du den Jüngling werth achtest so ehrenden Ruhms ?
32 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Nicht nach meinem Verdienst, nein, wie es gewogener Sinn dir
eingiebt, schätzest du mich, stellst mich um vieles zu hoch.
Doch wo gerathe ich hin ? was schweif ich in solcherlei Abweg ?
Jetzt zum begonnenen Spiel lenk' ich die Leier zurück."
Hier in der „Tranquillitas", wie das Haus Mutians
allgemein genannt wurde , lebte Mut i'^a n unter seinen
Büchern, „seinen kostbarsten Schätzen", „der einzigen
Erholung des Lebens", der Wissenschaft. Als ihn sein
vertrautester Freund Urban, der Hausverwalter im Kloster
Georgenthal, bald nach Beginn ihrer Freundschaft 1505
fragte, warum er nicht dem Beispiel seiner Brüder, von
denen der eine als Kanzler in Kassel, der andere als
mainzischer Küchenmeister in Erfurt es zu ansehnlichen
Stellungen gebracht hatten, gefolgt sei, antwortete er ihm' ß):
„Lieber Urban, diese Meinung von mir gieb nur auf.
Mein Ziel ist ein anderes als das meiner Brüder. Diese
haben den Fürsten und der Kurie, dem Ruhme und dem
Reichtum gedient und bei den Ungelehrten einen großen
Namen erlangt. Auch sind sie deshalb nicht zu tadeln,
vielmehr zu loben, weil der eine seinen Kindern ein an-
ständiges Erbe, der andere sich und mir nützen, und beide
die Familie Mut verherrlichen wollten. Mein Ziel ist aber
ein anderes. Alle Mute sind dahingesunken, nurMutian
ist noch übrig. Daher suche ich nicht den gewöhnlichen
Ruhm und Reichtum, sondern bin mit wenigem zufrieden.
Wenn ich dir und den Deinigen durch die Ehre der Wissen-
schaft von Nutzen sein kann, so wirst du um nichts ver-
geblich bitten. Wenn du aber forderst, was die Menge
an den ruhmsüchtigen Doktoren bewundert, dann irrst du
dich in meinem Charakter. Mein Leben ruht in der Stille
der Frömmigkeit und Wissenschaft. Gott und den heiligen
Männern und der Erkenntnis des ganzen Altertums ist mein
Streben gewidmet."
Hier in der Tranquillitas sammelten sich, eine ganze
Reihe von Jahren hindurch, um Mutian viele junge
16) Gillert, No. 3; Krause, No. 11.
zur Zeit der BefonnatioD. 33.
Gelehrte, die von Erfurt nach Gotha pilgerten, um von
dem wegen seiner Gelehrsamkeit allgemein angestaunten
Domherrn Belehrung und Anregung zu empfangen. M utian
aber fand seine höchste Freude darin, unter diesen füi: die
schönen Wissenschaften begeisterten Jünglingen für die
Pflege und Ausbreitung der klassischen Stildien zu wirken.
Eine ganze Anzahl unter diesen jungen, zu der lateinischen,
durch M u t i a n aus der scholastischen Barbarei heraus-
geretteten Kohorte, gehörigen Jünglingen haben nachher zu
den berühmten Männern gehört, so die beiden Erfurter
Peter Eberbach und Herbord von der Marthen,
der Dichterkönig Eoban Hessus in Erfurt, C r o t u s.
Rubianus, Ulrich von Hütten, EuriciusCordus,
Justus Menius, Justus Jonas, Joachim Came-
rarius, Johannes Draco, Johannes Lang, lauter
Leute, die teils in der humanistischen, teils in der refor-
matorischen Bewegung eine bedeutsame Rolle gespielt
haben.
Hier in der Tranquillitas, hinter der Marienkirche,
dem Dome zu Gotha, entstanden nicht nur unter den Augen,
sondern auch auf Antrieb und unter der Leitung M u t i a n s
die berühmten Dunkelmännerbriefe^^). Hat sich M utian
selbst auch nicht schöpferisch an der Abfassung derselben
beteiligt, so „hat er doch die Atmosphäre geschaffen, in
der diese Satire aufkommen und gedeihen konnte, er hat
den Verfassern den Geist eingehaucht, der sie zu dem Werk
befähigte". Hier in der Tranquillitas kehrten nicht nur
persönlich oft berühmte Gelehrte auf der Durchreise bei
dem gastfreien Kanoniker ein, sondern in dieses Haus
liefen auch zahlreiche Briefe ein von all. den Männern,
die zu den damals führenden Geistern gehörten, es seien
nur Luther und Melanchthon, Reuchlin und
Erasmus, Willibald Pirckheimer und Ulrich
Zasius genannt. Solche Briefe wurden ja meistens durch
17) Gillert, S. LXI.
XXL
34 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
junge Grelehrte, die von einem Humanistenfübrer zum
anderen wanderten, überbracht ; auf die gewöhnlichen Boten,
die Briefe bestellten, ist Mutian schlecht zu sprechen, so
beschwert er sich einmalig), daß ein lucri cupidus Gothensium
Cursor ihm die Briefe nicht gäbe, sondern verkaufe, er
liefere sie ihm nicht eher aus, als bis ei* das Geld in der
Hand habe.
Auch bei seinem Kurfürsten Friedrich dena Weisen
stand Mutian in hoher Gunst und kraft des Ansehens,
das er bei diesem Fürsten genoß, gelang es ihm einmal,
eine Anzahl eingekerkerter Eisenacher Bürger, die von dem
Hauptmann von Thun peinlich angeklagt waren, vom
Tode zu erretten, es geschah dies im Jahre 1513^^):
Mutian stand während des „tollen Jahres" entschieden
auf Seiten der Gemeinde und gegen die Geschlechter, ver-
teidigte warm die Interessen des Volkes gegen die An-
sprüche Sachsens, er sympathisierte in dieser Angelegenheit
ganz mit Mainz, obwohl er sonst von der Geistlichkeit
seiner Zeit nichts wissen will. Bei dieser Parteistellung
Mutians ist es nicht zu verwundern, daß er dem sächsi-
schen Rat und Hauptmann Friedrich von Thun nicht
freundlich gesinnt ist. Im Anfang des Jahres 1513 teilte
er nun seinem Freunde Ur b a n mit, er sei in großer Besorgnis
wegen eines peinlichen Handels, in welchen Eisenacher
Bürger verstrickt seien, vor allem sei er in Sorge um einen
gewissen Conrad Weiß, der sich mit unter den Ge-
fangenen befinde. (Was die Eisenacher verbrochen hatten,
ist leider aus den betreffenden Briefen nicht zu ersehen.)
Dieser Weiß sei ein fleißiger, betriebsamer Mann, durch-
aus brav und unschuldig, er gehöre zu den angesehensten
Senatoren Eisenachs, besitze Eisenbergwerke, sei sehr frei-
gebig in seinem Hause und ein Gönner aller Gelehrten.
Dieser Weiß gehöre nun zu den Gefangengehaltenen,
18) Gillert, No. 155; Krause, No. 133.
19) Gillert, No. 248 u. 249; Krause, No. 229 u. 233.
zur Zeit der Reformation. 35
neun von diesen säßen tief im Turm eingesperrt. Der
summus consul und ein alter Mann, wie auch Weiß be-
fänden sich in hospitio gleichsam in freier Haft, wenn aber
jenes Wort in glossemate juris: „Discat in auctorem poena
redire suum" wahr sei, dann zweifle er nicht, daß die Ge-
fangenen freigelassen und der hinterlistige Ankläger in
Strafe verfallen werde. Über die Gerichtsverhandlung
und die schließliche Freilassung der Gefangenen erzählt
nun Mutian folgendes: ,,Die Fürsten zürnten, v. Thun
war dem Quästor Oswald günstig gesinnt, es schien, als
ob es um die armen Gefangenen geschehen wäre. Die
Senatoren sollten aus dem Senate herausgedrängt und
ö von den Gefangenen mit dem Beile hingerichtet werden.
Da hat man sich an mich gewendet, hat mich um Hilfe
gebeten. Man erzählt von der Hinterlist des Oswald und
von seiner Schlechtigkeit, die Unschuld der Bürger wird
besprochen. Ich untersuche die Sache genauer. Als der
Tag der Gerichtsverhandlung herbeikommt, da haben die
Unglücklichen zu ihrem Verteidiger sich den Valentinus
(einen Erfurter Juristen Valentin Jungermann aus
Zerbst) genommen und ahnten nicht, daß dieser Mann ins-
geheim übereinstimmt mit den Anhängern v. Tliuns und
den Hofadvokatchen (doctorelli, qui sunt in aula), denn die
Verbannten freuen sich hier und dort an dem Unglück
anderer, nämlich daß sie, wenn sie nun ihres Bürgerrechts
beraubt und gebrandmarkt sind, nicht allein Schaden zu
erleiden scheinen. Man sVgt nämlich allgemein, was auch
wahr ist, für die Unglücklichen sei es eine Freude, ein
Trost, Genossen ihrer Strafe zu haben. Als nun die Eise-
nacher in solcher Gefahr schwebten, da schrieb ich an den
Churfürsten einen sehr freundlichen Brief. Nun höre aber,
bitte, was geschieht. Verrammelt haben sozusagen die An-
hänger Oswalds den Weg, damit niemand zu dem
gnädigen und milden Fürsten Zugang habe. Weiß, der
gewesene Ratsherr, bittet den Pförtner des Fürsten umsonst,
man gestattet ihm keinen Zutritt. Darum- geht er zu
3*
36 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
irgend einem anderen seiner Bekannten, der palit auf, als
der Fürst aus der Kirche kommt, und gibt ihm sofort meinen
Brief. Der Fürst ruft alsbald aus: „Das ist ja unseres
Magisters Informator" (er erkennt an der Handschrift, daß
der Brief von Mutian sei, Mutian aber war der Lehrer
Spalatins gewesen, und dieser wieder war der Erzieher
des Kurprinzen). Er ist ganz außer sich vor Freude, öffnet
den Brief und liest im Gehen. Unterdessen wird die
Gerichtsverhandlung gehalten. Den Vorsitz führt v. Thun
und der berühmte Soldat W i s b a c h (W olfvon Weißen-
bach) und drei Doctorchen. Zuerst erhebt v. Thun die
Anklage, obwohl er als Richter fungiert, dann kommt der
geschwätzige Kitzinger, zuletzt Oswald. Sie schreien
alle : Kreuzige, kreuzige ! Solchem leidenschaftlichen Vor-
gehen war Valentinus nicht gewachsen, oder vielmehr
er wollte es nicht sein. Er handelte demnach in der Art,
daß er, wie gedungene Verteidiger zu thun pflegen, wenn
er den Prozeß nicht gewönne, doch so viel wie möglich
Profit daraus zöge. Jene Rabulisten wußten aber nicht,
was der Fürst vorhatte, der, durch mein Bittschreiben be-
wogen, die Absicht hatte, seinen Neffen, den Knaben mit
der junonischen Gestalt, protestieren zu lassen. Der
protestierte, der Wut wurde entgegengetreten, und meine
Klienten wurden, ihrer Fesseln entledigt, nach Hause ent-
lassen, jedoch nicht ohne Drohung. Wunderbar schwirrte
die Fama über diesß so unerwartete Sache durch die Luft.
Aus dem Rachen des Orkus habe ich die Unschuldigen
gerettet. Nichts wurde mir dafür gegeben, ich hatte
nämlich auch nichts gefordert. Valentinus erhielt
10 Gulden. Dies habe ich deshalb erzählt, damit Her-
bord (Herbord von der Marthen, Jurist aus Erfurt,
humanistisch gebildet, 1508 — 11 als Nachfolger Spalatins
Lehrer im Kloster Georgenthal, 1514 Stadtsyndikus in
Erfurt) wisse serviendum esse foro et curiae, wenn nämlich
auf der einen Seite reicher Geldgewinn und auf der anderen
Seite Dank und Ansehen zu erlangen ist."
zur Zeit der Keformation. 37
Von ganz besonderem Interesse ist es nun aber, zu
beobachten, wie Mutian, dieser hervorragende Humanist,
im Laufe der Jahre sich zu Luther und seinem Refor-
mationswerk gestellt hat, wir werden aus dem Briefwechsel
M u t i a n s erkennen , wie dieser Domherr in Gotha und
seine nächsten Freunde zuerst voll Begeisterung Luther
als „den frommen Doctor", als „den tapferen Herold Christi",
als „den großen Meister der Wissenschaften" begrüßten;
nachher aber, als Luther immer entschiedener auftrat,
als in Erfurt und in Gotha das Pfaffenstürmen losbrach,
als das Prädikantenunwesen von unheilvollster Wirkung
für die Erfurter Universität wurde und als nun gar
die Greuel des Bauernkrieges das Land verwüsteten, da
tritt an die Stelle der Verehrung für Luther bittere Klage
wider ihn; als „Feinde des Tumults" schilt man die
^wütenden Lutheraner", man nennt sie „fanatische Stein-
werfer", und zuletzt giebt man Luther und sein Evange-
lium so gut wie auf, um zu Erasmus und seiner Wissen-
schaft zurückzukehren.
Die erste Berührung zwischen Luther und Mutian
fUllt in das Jahr 1515. Mutian hat von einer im
Augustinerkloster zu Gotha gehaltenen Predigt gehört, die
um ihrer Schärfe willen großes Aufsehen in der Stadt ge-
macht hat. Erfragt brieflich 20) bei Johann Lange aus
Erfurt an, der mit Luther zugleich zur Abhaltung des
alle 3 Jahre üblichen Kapitels der deutschen Augustiner-
kongregation in Gotha anwesend war, wer der acer orator
sei. Es erhält die Antwort, der scharfe Redner, der am
gestrigen Tage gegen die Sitten der kleinen Heiligen
geredet habe, sei Dr. Martin, und Dr. Lange bietet
nun alles auf, um Mutian für Luther günstig zu
stimmen, es gelingt ihm das auch einigermaßen, denn in einem,
wenige Tage darauf geschriebenen Briefe bittet M u t i a n ^i)
20) Gillert, No. 490; Krause, No. 610,
21) GiUert, No. 491 ; Krause, No. 611.
38 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Lange möchte doch Martin, den sehr frommen Doktor,
herzlich von ihm grüßen. Im Jahre darauf ist Luther
abermals in Gotha, um das Augustinerkloster zu inspizieren.
Es ist bezeichnend für die Stellung Luthers zum Humanis-
mus, daß er sich nicht die Zeit nahm, M u t i a n 22) zu be-
suchen, obwohl ihn seine Visitationsarbeit in Gotha nur
sehr kurze Zeit in Anspruch nahm, sondern daß er nur
ein freundliches, ehrerbietiges Schreiben für ihn zurückläßt,
es ist beachtenswert, daß Luther in diesem Briefe aus-
drücklich sich gegen die Meinung verwahrt, als ob er darauf
Anspruch mache, an der feinen, humanistischen Bildung teil-
zuhaben. Es kam Luther schon damals nicht sowohl
auf litterarische Bildung, sondern vor allem auf fromme
Herzensbildung an, wie das herausklingt aus einer Nach-
schrift zu jenem Briefe, in der Luther schreibt ^s): ^^Noch
Eines melde ich Dir, der Pater baccalaureus Johann
Lange, den Du als guten Griechen und Lateiner, aber,
was noch mehr werth ist, als einen Mann von aufrichtigem
Herzen kennst, ist von mir zum Prior des Erfurter Convents
ernannt worden."
Wiederum ist aber auch für M u t i a n charakteristisch,
wenn er auf die soeben angeführte Benachrichtigung an
Joh. Lange am 1. Juli 1516 schreibt 24); ,,Durch unsern
Martin bist du zum Magister Deines Ordens erwählt
worden, Gott gebe Gnade dazu", dann aber hinzufügt,
er selbst würde allerdings die litterarische Muße den
umfassenden Verwaltungsgeschäften vorziehen ; den Huma-
nisten ging eben nichts über das behagliche Sichdelektieren
an den Wissenschaften.
Wie wenig doch das, was Herz und Sinn der Refor-
matoren vor allem bewegte, den M u t i a n interessierte, geht
aus einem Brief desselben vom Herbst 1516 an J 0 h. L a n g e 25)
22) KöstUn, Martin Luther, Bd. 1, S. 131.
23) Gillert, No. 560; Krause, No. 622.
24) Gillert, No. 561 ; Krause, No. 540.
25) GiUert, No. 566; Krause, No. 543.
zur Zeit der Reformation. 39
hervor. Um diese Zeit hatte Luther bei Gelegenheit der
in Heidelberg stattfindenden Promotion eines gewissen
Bartholomäus Bernhardi Thesen aufgestellt: de viri-
bus et voluntate hominis sine gratia. Diese Thesen warisn
gedruckt und praecisis titulis von Amsdorf nach Erfurt
geschickt worden, sie waren auch in die Hände Mutians
gekommen, und der fragt nun bei Lange an, ob diese
ohne Namen des Verfassers herausgekommene Schrift etwa
von ihm, Lange, sei. Er, M u t i a n , steige nicht gern
in die Ringbahn herab, weil er Neid fürchte, sollten die
Thesen aber von Lange herrühren, so werde er, um der
Freundschaft willen, doch wagen , mit ihm darüber zu
disputieren. Mutian hatte eben für diese der Reforma-
toren Herz so sehr in Anspruch nehmenden Fragen keinen
Sinn und kein Verständnis.
Schon um diese Zeit hegt Mutian einige Besorgnis,
sein Freund Job. Lange könne vielleicht über Au-
toritäten neueren Datums die älteren hintansetzen. Am
1. Dez. 1516 schreibt er an Lange^^j: „Wenn Du in Gemein-
schaft mit Martin, dem sehr gelehrten Mann, und mit
dem großen und frommen Staupitz, die Wonne der
Mönche, an göttlichen Dingen so lebhaften Antheil nimmst,
dann möchte es doch, mein lieber Lange, nicht mehr wie
billig sein, daß Du auch denjenigen Autoren, die die höch-
sten Autoritäten in unserer Religion sind (er hatte soeben
von Hieronymus und anderen alten Vätern gesprochen),
in Verehrung und Lieb^ zugethan bleibst. Diese, von
Anderen verlassen, scheinen Deine Treue und Deine Hülfe
zu erbitten."
Nichtsdestoweniger versäumt es Mutian nicht, in
einem Briefe an Lange, Dezember 1516 2^), „dem hoch-
würdigen Staupitz und dem verehrungswürdigen Martin"
Grüße zu bestellen.
26) GUlert, No. 568; Krause, No. 624.
27) Gillert, No. 570; Kr«U8e, No. 547.
40 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Aus dem Jahre 1517 und 1518 haben wir leider
keine Briefe von Mutian, in denen er auf Luther und
seinen Ablaßstreit zu sprechen käme. Wenn wir aber auf
einen Brief Mutians aus dem Jahre 1509 zurückgehen,
den er an seinen Freund Urban in Georgenthal schrieb,
so werden wir mit Recht annehmen dürffen, daß Mutian
dem Reformator in dessen Kampfe gegen den Ablaßhandel
vollkommen beigestimmt haben wird ; Mutian erzählt 28) :
Im Jahre des Heils 1509 sei ein Bote aus dem Kloster
Fulda vor dem Märzbußtag in das Stift nach Gotha ge-
kommen, habe dort ein Schriftstück produziert und sofort
seinen Auftrag kund gethan, dahin gehend: Verstorbene,
deren Namen nur auf ein Pergamentblatt geschrieben zu
werden brauchten , sollten gegen Zahlung einer Summe
Geldes Ablaß auf 7 Jahre erhalten, resp. aus dem Feg-
feuer errettet werden. Ueber diesen „schmutzigen Handel"
macht sich Mutian nicht nur in einem Gedichte lustig,
sondern er bekennt auch: beim Erscheinen dieses fuldaischen
Mönches sei er höchst erstaunt gewesen und habe gedacht,
entweder sei der Bote verrückt, oder er wolle die Stifts-
herren zum Besten haben. Es sei ihm bei dieser Gelegen-
heit zum Bewußtsein gekommen, wie leider so viele sogar
die Religion dazu mißbrauchen, um sich Geld zu verschaffen ;
und daß dies doch die schlimmste Art von Habsucht sei,
die unter dem Scheine der Frömmigkeit ihr unheilvolles
Wesen treibe.
In einem Briefe vom 6. April 151929) an Justus
M e n i u s kommt Mutian zum erstenmal auf Melanchthon
zu sprechen, und was er von demselben sagt, zeigt, wie
hoch er diesen Mann schon um diese Zeit stellte : Mutian
hatte gehört, Menius wollte nach Wittenberg gehen, um
dort Melanchthon zu hören, „wenn das wirklich der
Fall ist, dann würdest Du ein glücklicher und gesegneter
28) Gillert, No. 151 ; Krause, No. 582.
29) GiUert, No. 583 ; Krause, No. 629.
zur Zeit der Reformation. 41
Mann sein, Melanchthon hat mir neulich einen sehr
beredten und, was mir ganz besondere Freude gemacht
hat, einen sehr freundschaftlichen Brief geschrieben. Ici
habe gesehn, ja ich habe gesehn, daß das wirklich wahr
ist, was E r a s m u s über diesen schwäbischen Jüngling
einst verkündigte, Nichts sei in der Wissenschaft so ver-
steckt, daß es diesem Manne entgehn könne. Darum viel
Olück zu Deiner Keise nach Wittenberg."
Als Luther unmittelbar vor der Leipziger Disputation
stand, und nachdem er im Dezember 1518 an Reuchlin
und am 28. März 1519 an Erasmus geschrieben hatte,
dadurch aber öjBfentlich mit den Humanisten in Verbindung
getreten war, benutzt Spalatin diese günstige Gelegen-
heit, um Mutian, seinen Gothaer Lehrer und Freund,
völlig für Luther zu gewinnen. Am 7. Mai 1519 schreibt
er an Mutian^o^: „Ich habe Dir ja schon über unseren
Dr. Martin Luther, den Augustiner, geschrieben, ich
weiß, daß Du demselben zu geneigt bist, als daß Du diesem
Manne übelwollen kannst, zumal er ein so guter Christ ist,
■der keine menschliche Gefahr fürchtet, der lieber Alles
erdulden will, um nur nicht Christus und seine Wahrheit
und seine Lehre zu verleugnen. Gott sei Dank, mit der
wahren und heiligen Gottesgelahrtheit leben all die schönen
Wissenschaften wieder so auf, daß wir hoffen dürfen, es
werde bald die Zeit kommen, wo wir alle die schönen
Künste in reiner und geläuterter Gestalt haben werden."
Wie sehr man in den humanistischen Kreisen Deutsch-
lands um diese Zeit begierig war zu erfahren, wie Mutian
über Luther und sein Werk denke, geht hervor aus
einem Briefe, den Mutian Ende 1519 81) von dem damals
hochberühmten Juristen und Humanisten Ulrich Zasius
in Freiburg erhielt. Zasius schreibt darin: „Wie Du
über Luther, den edelsten aller Männer, urtheilst — über
30) Gillert, No. 584; Krause, No. 630.
31) Gillert, No. 587 ; Krause, No. 631.
42 lürchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
gute Mänuer kannst Du nicht schlecht urtheilen — möchte
ich gern wissen. Bei uns in Deutschland gehn die An-
sichten über diesen Mann — ich möchte ihn einen Heros
nennen — weit auseinander. Alles was in unserem Vater-
lande für die reine Lehre ist, das folgt Luther ohne Aus-
nahme, nur die Partei der Mönche und derjenigen Theo-
logen, die man die Scholastiker nennt -^ natürlich viele
brave Männer ausgenommen — wollen ihn verdammt
wissen .... Ich selbst erkenne Luther zwar an, habe
aber doch Einiges an ihm auszusetzen." Das Auftreten
Luthers gegen die päpstlichen Dekretalen (wie es von
Luther in seinen Thesen gegen Eck geschehen war)
könne er nicht billigen. „Sonst kann ich über Luther
nicht anders, als über den besten aller Männer urtheilen,
insofern ich durch ihn und seine Lehren um ein gut Theil
besser habe Christus folgen lernen .... ich werde nicht
gegen ihn schreiben, eine Sünde würde ich thun, wenn ich
auch nur mit einem Wort ihn tadeln wollte."
Die Antwort Mutians an Zasius besitzen wir
nicht mehr, doch erfahren wir aus einem Briefe Mutians
an Lange vom 15. Mai 1520^2^^ (j^ß Mutian gerade um
diese Zeit das Auftreten Luthers recht günstig, in ganz
ähnlicher Weise wie Zasius und Pirckheimer beurteilte.
Mutian schreibt: „Zasius erhebt unsern Luther bis
in den Himmel, Pirkheimer schreibt über denselben,
wenn er auch seinen Namen nicht nennt: zu keiner Zeit
wird man vergessen dürfen, daß die Wittenberger so weise
gewesen sind, daß sie nach so vielen Jahrhunderten die
Augen wieder geöffnet und angefangen haben das Wahre
von dem Falschen zu scheiden und die verkehrte Art zu
philosophiren von der christlichen Philosophie zu trennen."
Dann giebt Mutian sein eigenes Urteil dahin ab, daß er
sagt: „Wer aber ragt unter diesen Gelehrten so hoch empor^
als der tapfere Herold Christi — Martin!"
32) Gillert, No. 589; Krause, No. 633.
zur Zeit der Reformation. 43
Voll Anerkennung redet Mutian über die Reforma-
toren auch in einem Briefe an Lange vom 24. Mai 1520^3)
Erasmus freilich stellt er darin noch höher : „Wir wissen
Alle, die wir uns glück wünschen zu der von Erasmus
bewirkten Herstellung der Theologie, wie unendlich viel
Nutzen die göttlichen Verdienste des Erasmus der Sache
des Christentums gebracht haben. Von diesen sind, wie
aus ihrer Quelle hervorgegangen Männer wie Oecolam-
padius, Philipp, Martin, welch große Meister der
Wissenschaft! Wie würde es überhaupt mit den rechten
Studien stehn ohne Erasmus, der doch der vorzüglichste
Kenner der beiden Sprachen ist." Am Schluß dieses Briefes
rühmt Mutian den eleganten Stil in dem Schreiben des
Beatus Rhenanus und des Z a s i u s , den niemand er-
reiche mit Ausnahme von Philipp Melanchthon, der
sei ihm nach Erasmus der erste.
In einem Briefe an Lange vom 1. Juli 1520 ^^) kommt
Mutian noch einmal auf die Beurteilung Luthers durch
Zasius zu sprechen: „Über Martin denkt Zasius
nicht schlecht, er weiß, daß derselbe erfahren ist in unserer
Theologie, sowohl der älteren, wie der neuereu. Er weiß,
was für ein großes Licht des Augustinerordens derselbe
ist, er weiß, wie unerschrocken derselbe die Angriffe Vieler
aushält. Klar und deutlich hat er erkannt, daß dieser
Mann so unschuldiger Weise durch die priesterlichen Richter-
sprüche für schuldig erklärt wurde. Es weiß, wie sehr die
üble Nachrede, er sei ein Anhänger des Hu ß , auf ihm lastet,
wie viel Haß das glückliche Böhmen über ihn bringt. Er
glaubt, es würde der Ruhe und Eintracht der Völker dien-
licher sein, wenn dieser Vater sich innerhalb der friedlichen
und schweigsamen Mauern seines Klosters zurückhielte und
es den Weltgeistlichen und Landpriestern überließe das
göttliche Gesetz zu predigen." Dann fügt Mutian noch
33) Gillert, No. 590; Krause. No. 634.
34) Gillert, No. 594; Krause, No. 636.
44 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
seine eigene Ansicht hinzu, und man hört aus seinen Worten
heraus, wie ihm das immer entschiedener werdende Auf-
treten Luthers gar wenig gelallt. „Es gibt auch andere,
weder gottlose, noch ungelehrte Leute, ihre Namen will
ich verschweigen, die da meinen, es sei verbrecherisch und
unfromm, wenn Leo, der Gipfelpunkt apostolischer Majestät,
von einem Menschen, mag er noch so fromm sein, herunter-
gerissen wird. Ich für meine Person werde Keinem bei-
treten, der auf Zwietracht, Schmähung und Streit ausgeht.
Für Jeden das gleiche Recht, ohne Unterschied der Person.
Mögen jene Männer (Luther und seine Anhänger) an dem
Heiligen rühren, rütteln an dem, was man nicht rütteln
darf, mögen sie die eingeschläferten Nänien der Böhmen
wieder wachrufen, mögen sie die Achtung vor dem römischen
Stuhle verletzen, mit solcher Frechheit will der Mann in
der Tranquillitas nichts zu thun haben, der nur in seinem
Inneren, nicht nach außen sich vorsieht ; und diese Be-
scheidenheit zeugt von einem friedlicheren und vielleicht
klügerem Sinn."
Doch in einem Briefe vom 1. März 1521 ^^) an den
Kurfürsten Friedrich den Weisen spricht Mutian
wieder mit großer Verehrung von Luther, da er den für
eine Professur in Wittenberg vorgeschlagenen Justus
Jonas bei dem Kurfürsten nicht besser zu empfehlen
weiß als dadurch, daß er über Jonas meldet, derselbe sei
sehr bekannt mit Luther und überaus geliebt von dem
göttlichen Martin, er sei überzeugt, daß viel Volks sich
um Jonas, diesen Prediger Christi, scharen werde, um-
ihn, als einen zweiten Luther, zu hören.
Wenige Wochen nachdem Mutian diesen Brief an
den Kurfürsten geschrieben hatte, kam der Tag, der den
Höhe- und Glanzpunkt in dem Zusammengehen von Humanis-
mus und Reformation bezeichnet. Am 6. April 1521 hielt
Dr. Luther, auf seiner Reise nach Worms, seinen feier-
35) GiUert, No. 603; Krause, No. 643.
zur Zeit der Refonnation. 45
liehen Einzug in Erfurt, wobei ihm fast die gesamte
Universität unter der Führung ihres Rektors Crotus
Rubianus voller Begeisterung das Geleit gab. Aber
schon 3 Tage später, am 9. April, begann das Erfurter
Pfaffenstürmen, das sich am 10. bis 12. Juni wiederholte, und
das Prädikantenunwesen machte sich nun bald in einer so
abschreckenden Weise breit, daß Crotus, der bisher in
Erfurt allen voran für Luther eingetreten war, nicht nur
für immer Erfurt verließ, sondern auch völlig von Luther
abfiel. Die Universität ging ihrem traurigen Ruin entgegen ^
und die Glieder des Mutianischen Bundes zerstreuten sich
über ganz Deutschland, nur wenige von ihnen blieben der
Sache Luthers treu. Da ist es wohl begreiflich, daß bei
Mutian die anfängliche hohe Verehrung für Luther und
seine immerhin bedingte Zustimmung zu Luthers Auf-
treten nunmehr einer Gereiztheit, ja einem Unwillen gegen
Luther Platz macht.
Über diesen Unwillen und die Gereiztheit M u t i a n s
hören wir in dieser Zeit die intimsten Freunde Mutians
klagen. Eobanus Hessus, der berühmte Dichterkönig
in Erfurt, neben Heinrich Urban wohl der treueste
Anhänger Mutians, hatte den Ausspruch gethan ^6) ;
„Luther und Erasmus haben beide der Welt den Weg
zur reineren Frömmigkeit gezeigt, Luther aber hat diesen
Weg nicht nur gezeigt, sondern auch betreten, er hat die
Hacke zur Hand genommen, um den Weinberg Christi zu
roden, darum ist er größer als Erasmus", nun klagt
Eobanus Hessus in einem Briefe vom 1. Juni 1521 an
Spalatin^^): „Unserem Mutian zürne ich beinahe, weil
er in allen, an seine Freunde gerichteten Briefen Martin
angreift. Ich glaube, unsere Freunde Urban und Crotus
haben Dir früher schon darüber geschrieben. Wir ver-
zeihen aber dem guten Vater, der ja in seinem einsamen
36) Krause, Eobanus Hessus, Bd. 1, S. 316.
37) Gillert, No. 605, Beilage 1.
46 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Hause (insula) mehr an Ruhe, als an solchen Lärm ge-
wöhnt ist. Wir werden abwarten, wohin solche Tragödie
führt, ob sie nicht etwas als Comödie abschließen wird, und
träumen einstweilen in unserer Weise fort."
In ähnlicher Weise spricht sich Urban am 30. Juli
1521 gegen Spalatin aus 3^): „Du hast^ mich neulich ge-
scholten, lieber Bruder, als ob ich dem Evangelium die
Verehrung verkleinerte wegen der Tumulte, die doch stark
genug waren (er meint das Pfaffenstürmen in Erfurt). Ich
ertrage das, wie ich muß, geduldig und gestehe, daß ich
so in einiger Gemüthsaufregung geschrieben habe, als ich
sah, wie Windbeutel der schlechtesten Art , unter Miß-
brauch des lutherischen Namens, ihr Wesen treiben , in
Wirklichkeit aber auf Nichts weniger als auf das Evangelium
Werth legen. Du, lieber Freund, wohnst an einem fried-
lichen Hofe, wohnst mit dem besten und friedlichsten
Fürsten zusammen, würdest Du hier (in Erfurt) wohnen.
Du würdest wahrscheinlich anders denken. Den Dr. Martin
verehre ich als den gelehrtesten und treuesten Herold des
Evangeliums, aber Streitigkeiten, Parteiungen und Aufruhr
muß ich verabscheuen. Ich habe es gesehn, lieber Bruder,
ja ich habe es gesehn jenes grausame Edict König Karls
gegen Martin und alle Anhänger desselben. Ich begreife
nicht, warum der gute Jüngling so grausam sich zeigen
will gleich bei Beginn seiner Herrschaft. Der gute und
große Gott helfe, daß dieser Handel ein gutes Ende nehme
Unser M u t i a n wird fortwährend vorsichtiger, dennoch weiß
ich nicht, ob er eine Sünde that, als er den E r a s m u s
dem Luther vorzog."
Diese Bevorzugung des Erasmus vor Luther, der
M u t i a n in einem Briefe Ausdruck gegeben hatte, war
ihm von den feurigen Wittenbergern sehr übel genommen
worden. Die Angriffe, die Mutian deswegen von den
Lutheranern erfuhr, werden manches zu seiner Verätimmung
38) GiUert, No. 605, Beilage 2.
zur Zeit der Reformation. 47
gegen Luther beigetragen haben. Er klagt darüber am
13. Juni 1521 seinem Freund Lange in Erfurt 8» ): ^Ich
habe mich ganz der Ruhe befleißigt, bin fern geblieben allem
Streit, allem Lästern, allen Wuthausbrüchen, und dennoch
haben sich Leute gefunden, die da böse und grimmig auf
mich sind und heftig gegen mich in meiner Tranquillitas.
Mit schiefen Urtheilen und falschen Verdächtigungen er-
füllen sie Alles. Sie mißbrauchen meine Gelassenheit, als
ob ich nicht wüßte, wodurch christliche Ruhe von heid-
nischer sich unterscheidet. Sie sollten doch billigerweise,
wenn sie gelehrte Leute sein wollen, einen einigermaßen
gebildeten Mann, und wenn sie ungelehrt sind, doch einen
demselben Herrn dienenden Priester schonen, einen Mann,
der ihnen doch wegen der Lauterkeit seines Charakters,
vor Allem aber wegen seiner Selbstbeherrschung im Leben
lieb und theuer sein sollte. Wir sind doch Bürger eines
Reiches. Oder leben die Leute in Wittenberg unter einem
anderen Gesetz, als die Leute in Gotha? Ich habe Luther
und Staupitz verehrt, schon ehe Philipp angestellt war.
Ich habe Gott gebeten, daß er der fürstlichen Universität
(Wittenberg) einen griechischen Lehrer geben möge. Unsre
Bitte wurde erhört. Der Fürst hat unsern Wunsch erfüllt,
ist dem Schüler Reu eh lins günstig gewesen. Ich lobe
und danke fortwährend. Spalatin und Jonas können
das bezeugen. Unter diesen Umständen setzt mich das
Gerede in Erstaunen: es seien unter der Schaar seiner
Schüler Etliche, die, indem sie von der Weisheit ihres
Lehrers (Luther) abfielen , kein Bedenken tragen in
unserer Tranquillitas, ich weiß nicht was für .eine Ver-
wirrung, anzurichten. Das macht die Meinigen traurig . .
Meine Lebenszeit ist bald zu Ende, kämpfen mag ich nicht.
Graue Haare rathen, wenn auch nicht zur Trägheit, so doch
zur Muße, rathen eine den Kämpfen gegenüber sanfte Gemüths-
art an. Nun wird mir vorgeworfen, daß ich in einem Briefe
39) Gillert, No. 605 ; Krause, No. 644.
48 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
den Erasmus und den Philipp dem Luther vorge-
gezogen hätte. Was soll ich thun? Habe ich kein Recht
freimüthig meine Meinung zu äußern. Wenn es Jemand
kränkt, daß ich nicht zu schmeicheln verstehe, so werde
ich meinen Tadler zu ertragen wissen. Ich folge nicht der
von Allen gefaßten Meinung. Ich folge der Auctorität
Weniger. Wenn mich nun um dieser Sache willen der
Haß der Lutheraner trifft, nun, das war doch vielleicht
ein leichter und verzeihlicher Irrthum. Du wirst das doch
nicht für einen mit "Vorbedacht gethanen, sondern für einen
Ausspruch halten, der mir durch die Nothwendigkeit zu
antworten, nur aufgedrungen wurde. Denen aber, die auf
mich Angriffe machen, magst du zu Gremüthe führen, daß
sie aus Mißgunst mir so feindlich gesinnt sind und daß ich
immer ein Mann sein werde, wie die Gebildeten ihn sich
wünschen und wie sie selbst einer sein wollen. Hier hast
du meine Klage und meine Vertheidigung."
Dasselbe Thema wird auch noch in einem anderen
Briefe an Lange aus der Zeit bald nach dem 13. Juli
1521 von Mutian behandelt*"): „Sollten jene Neuerer
wirklich so große Thoren sein, zu glauben, Mutian sei ein
Feind der Lutheraner .... Ich komme ganz gut mit den
Lutheranern hin, nenne mir zwei, die ich lieber habe als
C r 0 1 u s und Jonas.... Es ärgert mich aber und
ekelt mich an die Streitbegier jener Männer, die wegen
eines einzigen, und noch dazu leichthin geschriebenen
Briefes sogar aufgebracht sind, als ob ich gar keine Rück-
sicht zu nehmen hätte auf meine Mitcanoniker, auf ihre
Sitten, auf ihr gegenwärtiges Leben. Thüren werden mit
Steinen eingeworfen, Fenster zertrümmert. Wir leben
mitten in der Barbarei. Ich würde ein Thor sein, wenn
ich behaupten wollte, ich stimmte den wüthendea
Lutheranern zu. Die heiligen Väter (Mutians Mit-
canoniker) würden mich in nächtlicher Wuth todtschlagen^
40) Gillert, No. 606; Krause, No. 645.
zur Zeit der Reformation. 49
deshalb mögen mir nun die guten Lutheraner verzeihen.
Ich rufe euer Wohlwollen und eure Klugheit an. Wenn
ihr an meiner Stelle wäret, ihr guten Leute, was
würdet ihr anders thun ? Lebe wohl und hemme den Angriff
der philippischen Horde; Auf! gegen die Feinde, Ich bin
euer
t"
Einen neuen Anlaß, auf die „Lutheraner" böse zu sein,
fand Mutian, der ein heftiger Antisemit war, in dem Um-
stand , daß auf Luthers Veranlassung ein Gelehrter
jüdischer Abstammung, daß Johann Böschenstein
als Lehrer der hebräischen Sprache 1518 nach Wittenberg
berufen worden war. Noch 1524, als Böschenstein
schon längst wieder von Wittenberg fort war, schreibt
Mutian in sehr erregter Weise und mit viel Übertreibung
im Februar 1524*1) an Erasmus: „Es schaden die schlechten
christlichen Hebräer, indem sie unter dem Schein der
Frömmigkeit die einfache Gläubigkeit mit wunderbarer
Hinterlist verderben Derjenige Staat begeht nach
meiner Meinung einen großen Fehler, der, um Geld auf
Zinsen zu legen, Juden aufnimmt, und nicht minder irren
diejenigen, die einen getauften Juden an die Spitze öffent-
licher Unterrichtsanstalten stellen. Dieses Geschlecht strömt
bei Luther zusammen, es erteilt Ratschläge und wird
hoch geschätzt. 0 über die Zeiten und Sitten ! Das alte Testa-
ment sollten weniger Verdächtige auslegen. Uns möge
erlaubt sein, nach unserer Väter Art Christum zu ehren
und unschuldig zu leben." ♦Nachdem Mutian dem Eras-
mus den Erfurter Lehrer Martin Hunus, als Über-
bringer dieses Briefes, empfohlen hat, fährt er fort: „Dieser
Hunus haßt den Aufruhr und die bösen Männer, die auch
Du für allzu verwildert hältst. Der weiß, das Luther nur
durch Philipp berühmt geworden ist, der kennt die
Frechheit (audaciam) des Hütten (früher war Mutian
ganz anders auf Hütten zu sprechen gewesen). Er liebt
41) Gillert, No. 620; Krause, No. 658.
XXI.
50 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Dich leidenschaftlich, hängt dem E o b a n und U r b a n an,
Beide empfehle ich Dir. Jonas, Schalbus, Draco
(damals Pfarrer in Waltershausen), Crotus sind von unserem
Bunde zu den Lutheranern abgefallen. (Der Gesinnungs-
wechsel des Crotus war damals also dem M u t i a n noch
nicht bekannt.) Eoban allein hat, aufbiein Mahnen hin,
wieder Vernunft angenommen (diesem Urteil würde Eoban
aber durchaus nicht beigepflichtet haben, er wollte damals
als guter Lutheraner gelten). Die anderen mögen hingehen
und die Menschen verletzen, ich liebe die fanatischen Stein-
werfer nicht .... Sie rufen die Nonnen auf und wüten
wie Unsinnige; mir bringt unterdessen in meiner Tran-
quillitas die Lektüre des E r a s m u s Nutzen und Ver-
gnügen."
Das zu Pfingsten 1524 in Gotha stattfindende Pfaffen -
stürmen wird in dem Briefwechsel nicht ausdrücklich er-
wähnt, aber schon vor diesem Tumult befindet sich Mutian
in so dürftigen Verhältnissen, daß er den mit einigen Be-
gleitern auf der Reise nach Bretten in Gotha einkehrenden
Melanchthon nicht bei sich aufnehmen und bewirten
kann. Darüber klagt er betrübt in einem Briefe an
Game rar vom 16. April 1524 ^2): „Was soll ich klagen?
das ist nicht meine Art, ich kann es nicht, es schickt sich
nicht für mich. Schmerzen thut es mich aber doch, daß
ich, meiner langjährigen Gewohnheit entgegen, zu dem
(Melanchthon) kommen mußte, dessen Begleiter Du warst,
denn viel lieber wäre es mir gewesen, Euch zu mir ein-
zuladen und in der Gelehrtenherberge aufzunehmen, Euch
mit Wein und mit einer, wenn auch nicht pontificalen, so
doch mit einer bürgerlichen (proletario) Mahlzeit zu be-
wirten." Die Armut habe ihn aber daran verhindert. „Deinen
Melanchthon, nein, unseren Melanchthon, der weißer
ist wie Schnee, habe ich gesehen, gesprochen, umarmt mit
großer Freude." Am Schluß des Briefes ermahnt er den
42) Gillert, No. 622; Krause, No. 660.
zur Zeit der Reformation. 5J
Game rar, treu bei seinen Studien zu verbleiben, eine
frühere Zeit habe die Wissenschaft in Nebel gesehen, jetzt
aber scheine . die Sonne hell, „aber ein neuer Sturm mit
seinen Schrecken ist jetzt im Anzug, daran ist aber nicht
die Zeit schuld, sondern daran sind die Menschen schuld".
In einem Briefe vom 9. Mai 1524*^^ hören wir Sp a 1 atin
wiederum einmal den Mutian bitten, er möge doch der
evangelischen Sache nicht abhold sein. „Lebe wohl", ruft
er ihm zu, „lebe wohl mit Urban und sei dem Evangelium
und in aller Weise auch uns günstig gesinnt."
Mittlerweile, etwa August 1524, war Myconius in
Gotha eingezogen. Wie sich des näheren das Verhältnis _
zwischen Mutian und Myconius gestaltet hat, darüber
fehlen uns die Nachrichten. In seiner Reformationgeschichte
erwähnt Myconius später den Mutian nur mit folgendem
kurzen Satze *^): Gott hat „ohne Zweifel viel gelerter
Bürger und sonderlich Henricum de Frimaria ^^)^ der
in Sentensias geschrieben, auch Do et crem Chunradum
R u f f u m Mucianum einen gelehrten Philosophum gehabt."
Daß aber beide Männer sich miteinander begrüßt haben und
daß Myconius, ebensowenig wie der Kanzler Brück, die
Hoffnung aufgegeben hatte, es werde bei Mutian doch
noch ein Wechsel in der Gesinnung eintreten, geht aus
einem Briefe des Myconius an Brück vom 10. Ok-
tober 1624*6) hervor. „Es trat an an mich heran Mutian,
der berühmte Tranquillarier, und brachte seine ganze Ge-
sinnung (totam mentem) ^um Ausdruck in einem einzigen
Psalmspruch (Ps. 34, 4). Er gab mir die Hand und sagte :
Magnificate Dominum mecum, Mecum, ut nusti, meum
43) Gillert, No. 621 ; Krause, No. 659.
44) Fr. Myconii hist. Reformationis, ed. E. Sal. Cyprian, Gotha
1715, S. 100.
45) Th. Kolde, Die deutsche Augustiner -Congregation etc.,
Gotha 1879, S. 42 ff., 48 ff. Beyer; Heinrich von Fnemar, in JMit-
teilungen des Vereins für Geschichte u. Altertumskunde in Erfurt,
Heft 0, 1871; Sagittar. bist. Goth., S.151, 159, Tenzel; Supplem.
reUq. HI, S. 49—57.
46) Gillert, No. 621, Beilage.
4*
52 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
cognomen est, als ich ihm darauf antwortete: Das werde
ich thun nach besten Kräften, die der darreichen wird,
dessen Sache wir führen — Christus, — fiel jener wieder
ein: laßt uns seinen Namen erheben; ich antwortete: Ihm
allein gebühret Lob, Ehre und Preis, daß ihn alle seine
Kreaturen erheben. So sind wir in Frieden voneinander
geschieden. Dies wollte ich Dir erzählen, verehrter Mann,
weil ich weiß, wie sehr Dein christlicher Geist wünscht,
daß Mutian dem Evangelium wohlgesinnt sei. Er ist ihm
wohlgesinnt. Der Herr gebe, daß einst dieses Licht auf
den Leuchter gesetzt werde; es wird geschehen, wenn es
dem Herrn gefällt."
Wenn Mutian, wie wir gehört haben, in einem Briefe
vom 16. April 1524 „einen neuen Sturm mit seineu
Schrecken" prophezeite, so sollte diese Vorausverkündigung
nur zu bald sich erfüllen. Nach wenigen Wochen erfolgte
das Pfaffenstürmen und nach kaum Jahresfrist der Bauern-
krieg mit all' seinem Verderben.
Mitten unter den Schrecken dieses Bauernkrieges, am
27. April 1525*'') schrieb Mutian an den Kurfürsten, von
•dem er so viel Gunstbezeugungen erhalten hatte, und fleht
ihn um Beistand und Unterstützung an. „Großmächtigster
Purst und Herr! Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.
So gewaltsam, so schrecklich, so grausam verheert das rohe
Landvolk, ohne Sitte, ohne Gesetz, ohne Religion die heiligen
Tempel unseres Gottes .... Ein jammervolles Schauspiel
gewähren die umherirrenden Nonnen und Priester, die nicht
freiwillig, sondern aus Purcht, von den Tempelschändern
gesteinigt zu werden, ihre heiligen Wohnsitze verließen.
Ich Elender, Unglückseliger, schon alternd und mit grauem
Haupte, sehe mich genötigt zu betteln. Unter dem groß-
mütigsten und löblichsten Fürsten muß ich bei dem äußersten
Mangel an allem Notwendigen vor Bekümmernis sterben."
In seiner Arglosigkeit habe er sich nichts dergleichen ver-
47) Gillert, No. 625; Krause, No. 663.
zur Zeit der Beformacion. 53'
sehen, obwohl er jetzt aus den Briefen glaubwürdiger Leute
erkenne, daß die Reichsstädte es seien, die unter dem Schirm
des Evangeliums und mit Hilfe der Juden die Bauern auf-
reizen, in der Absicht, nicht allein die bischöflichen, sondern
auch die fürstlichen Stühle umzustürzen, um nach Aus-
rottung aller erlauchten Familien einen Volksstaat, eine
Republik nach dem Vorbilde der Venezianer oder der alten
Griechen zu errichten .... „Diejenigen täuschen sich, die
da meinen, die aufrührerischen Bauern tobten nur, um den
Clerus zu vernichten, da die List der Reichsstädte vielmehr
darauf aus ist, den Zusammensturz und den Untergang des
ganzen Reiches herbeizuführen, d. h. gegen die Fürsten zu-
toben, die zu quälen, die in Verwirrung zu bringen, welche
jene Krämer verächtlich reine Tyrannen nennen .... Die
Gewalt der unerfahrenen Menge, einmal erregt, ist nicht
so leicht im Zaum zu halten .... Wenn auch die Stifte
zu Eisenach und zu Gotha niemals wiederhergestellt werden,
möge es mir erlaubt sein, dem Einfältigsten und Geringsten,
in diesem Ruhesitz (der Tranquillitas), den ich mir gekauft,
den ich mit Büchern ausgeschmückt, den ich mir zum
sicheren Zufluchtsort in meinen alten Tagen ausersehen habe,
bis an das Ende meines Lebens zu bleiben. Auch wenn
die Tempel geschlossen, die heiligen Bräuche abgeschafft,
die Altäre umgestürzt sind, werde ich Dich, meinen besten
Schutzherrn im Tempel meines Herzens, im Evangelium, in
ewigem Andenken verehren. Alter und Leibesschwachheit
gestatten mir nicht zu wandern. In Gotha, gütigster Vater,
in Deinem Gotha, wo ich harmlos 22 Jahre gelebt, niemanden
gekränkt, aber gedient habe, wem ich konnte, "möchte ich
meine alten Tage zubringen .... aber dieses Lebens Not-
durft wird mir gebrechen, die geistlichen Einkünfte sind
aufgehoben. Wovon soll ich Unglücklicher leben? Durch-
lauchtigster Fürst, ich werde mit wenigem zufrieden sein.
Doch ehrenwerten und gelehrten Gästen möge mein Haus offen
stehen. Laß mich Brod haben und etwas Weniges an Geld
für Zukost. Ich bin, ich gestehe es, in nicht unbedeutende
54 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Schulden geraten, denn ganze vier Jahre ist aus Gerstungen
keine Zinsfrucht gekommen. Ich kaufe das Brod vom
Bäcker, den Wein von der Stadt. Und freilich ein sorg-
fältiger Hauswirt bin ich nicht, wie ja solche Unbedacht-
samkeit den Gelehrten eigen ist. Demütig falle ich Dir
zu Füßen und umfasse deine Knie, meine Rettung liegt in
Deinen Händen .... Deine fromme Weisheit wird, so hoffe
ich, mir eine jährliche Unterstützung auswerfen, damit ich
unter dem Schatten Deiner Flügel den Rest meiner Tage
ohne Furcht und Sorge zubringen kann. Mögen andere
mit dem Klang ihrer Stimme lehren, ich will durch Milde,
Geduld, Liebe und gutes Beispiel, durch Wandel nach
evangelischer Ordnung und christlicher Lebensregel, so-
lange ich lebe, die Gläubigen zu unterweisen nicht auf-
hören."
Dieser Brief wurde dem Kurfürsten, der am 5. Mai
1525 starb, noch in seiner Sterbestunde von Spalatin
vorgelesen.
Nach einem Briefe des Justus Menius an Myco-
nius vom 24. Juni 1525*^) scheint Mutian in seiner ver-
zweifelten Lage damit umgegangen zu sein, sich selbst das
Leben zu nehmen. Menius schreibt : Myconius könne
gar nicht glauben, wie schwer es ihm (Menius) geworden
sei, seinen Onkel (den Mutian) von seinem Vorsatz ab-
zubringen, und knüpft daran die Bitte, Myconius möge
doch alles thun, was er könne, um die Bauern zu veran-
lassen, die dem Mutian schuldigen Zinsfrüchte (es scheint
sich um Dezemfrucht aus Eschenbergen gehandelt zu haben)
unverkürzt zu zahlen.
Am 28. Juni 1525 wendet sich Mutian*^) brieflich
an den Kanzler Brück und schildert demselben die
mancherlei Schädigungen an seinem Einkommen, das er von
der Pfarrei zu Gerstungen, das er als Domherr am Stift,
48) Gillert, No. 625, Beilage 3.
49) Gillert, No. 626.
zur Zeit der Reformation. 55
und das er als Vikar an einem Altar der St. Jakobskapelle
in Gotha zu beanspruchen habe. „Ich hatte", scheibt er,
„diesen Altar, aber ich habe ihn jetzt nicht mehr, weil die
Hände der Tempelschänder zugleich mit den übrigen Altären
auch diesen meinen Altar, den ich mit sehr wertvollen Bild-
nissen ausgeschmückt hatte, zerstört haben, in der Meinung,
sie könnten sich auf diese Weise der auf diesen Altären ruhen-
den Abgaben und Dotationen entziehen. So blind ist die Hab-
sucht der Menschen. Gott sei Dank, daß Du mir noch günstig
bist. Götter und Göttinnen mögen die Gesellschaft der
falschen Propheten verderben. Ich bin niemals vom Evan-
gelium abgefallen, niemals den wütenden Theologen bei-
getreten. Ich bin nicht abhängig vom Papst (papalis).
Nichts hat mir der Papst gegeben, fast alles der erlauchte
Fürst, deshalb müßt ihr Männer vom Hof mich nun auch
schützen im Besitze dessen, was mir durch die Liebe des
Fürsten von meinen Einkünften noch übrig geblieben ist."
Endlich sind die aufständischen Bauern gestillt, darüber
spricht am I.August Eobanus Hessus^") dem Mutian
seine Freude aus „Wir freuen uns hier (in Erfurt), daß
eure Plünderer mit der augedrohten Strafe belegt worden
sind, das wird heilsam wirken auf alle Uebrigen, die das-
selbe versuchen wollen. Wir wünschen euch und uns dazu
Glück. Deine Standhaftigkeit mitten in der gefahrvollen
Lage, mitten in der, durch ganz Deutschland hin, sich breit
machenden Thorheit, bewundern alle guten Menschen. Wir
erheben dich mit LobsprtJchen bis in den .Himmel, so oft
auf Dich die Rede kommt, und sie kommt oft auf Dich in
Freundeskreisen, bei gemeinsamen Trinkgelagen und bei
sonstigen Zusammenkünften."
Am 6. März 1526 macht Urban dem Spalatin^^)
Mitteilung über das Schicksal der durch den Bauernkrieg
aus ihren Klöstern vertriebenen Georgenthaler und Rein-
50) GiUert, No. 627; Krause, No. 664.
51) GiUert, No. 625, Beilage 2.
56 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
hardsbrunner Mönche und erzählt von Mutian: „Die
Georgenthaler Mönche (sie hatten sich bisher im Georgen-
thaler Hof zu Erfurt, den TJ r b a n verwaltete, aufgehalten)
sind am Tage Maria Reinigung auf Befehl des ehrenwerten
Johann Gräfendorf nach Gotha übergesiedelt, um zu-
sammen mit den Mönchen von ßeinhardsbrunnen und den
Aurelianern (das sind die Gothaer Augustiner) in dem
Augustinerkloster den Rest ihres Lebens zuzubringen. Das
ist mir sehr nach Wunsch gewesen, denn äußerst lästig war
es für mich, besonders bei meinem Kranksein, mitten unter
so viel Lärm und Trubel und anderen Unannehmlichkeiten,
von denen ich lieber nicht reden will, zu leben. Du fragst,
wie unser Mutian Dir gesinnt ist. Sehr gut ist er Dir
gesinnt. Warum sollten wir den als Ehemann (Spalatin
hatte sich soeben, unter lebhaftem Widerspruch der In-
sassen des Georgenstiftes zu Altenburg, dessen Domherr er
war, verheiratet) nicht lieben, den wir als Unverheirateten
verehrt haben? Ich würde in der That auch eine Erau
nehmen, wenn mich nicht meine schwache Gesundheit und
das höhere Alter davon abhielte. Vieles an dem Cölibat,
besonders dem der Mönche, mißfällt mir, obwohl Mutian
anders darüber denkt. Unser Kurfürst hat dem Mutian
40 Goldgulden geschenkt, das hat mich über die Maßen ge-
freut, möchte doch diese günstige Gesinnung gegen Mutian
eine recht lange andauernde sein. Er ist ein armer, aber
so unschuldiger Mann."
Nicht mehr lange hat Mutian die Gunst seines neuen
Kurfürsten bedurft. Schon wenige Tage, nachdem U r b a n
obiges schrieb, ist Mutian, 54 Jahre alt, gestorben. Er
entschlief am Karfreitag, den 30. März 1526, nachdem er
noch am Tage vor seinem Tode geschrieben hatte ^^): „Vieles
weiß der Bauer, was der Philosoph nicht weiß. Christus
ist für uns gestorben, er ist unser Leben, das glaube ich
gewiß." Sein alter Freund Crotus, der sich damals in
52) Krause, Briefwechsel, S. LXV.
zur Zeit der Beformation. 57
der Nähe von Königsberg i. P. aufhielt, berichtet über
seinen Tod '^3); ^^Bei zunehmender Schwäche sagte er Tag,
ja fast Stunde seines Todes voraus, und als er den Tod
nahen fühlte, ließ er sich von seinem Diener Marcel lus
Regius (dieser war später Lehrer in Wittenberg) einige
Psalmen und Abschnitte aus den Paulinischen Briefen über
Christi Verdienst und Auferstehung vorlesen, betete da-
zwischen um Standhaftigkeit und Verachtung des Todes.
Keine Angstrufe hörte man, man bemerkte kein unruhiges
Hin- und Herwerfen des Körpers. Mit göttlicher Hülfe
überwand er die Bitterkeit des Todes. Er soll gesagt
haben : „Erbarmer Christus, blicke auf Deinen Knecht" und .
nachher: „Dein Wille geschehe". Das war sein letztes
Wort, dann entschlief er und lag ruhig, wie ein Schlafender,
nicht wie ein Toter,"
Danach werden wir wohl behaupten dürfen, Mutian
ist zwar nicht als „Lutheraner", aber doch mit dem von
ihm so lange vergeblich gesuchten Frieden im Herzen ge-
storben.
Eine ganz ähnliche Stellung wie Mutian nahm auch
dessen treuester Freund Urban der reformatorischen Be-
wegung gegenüber ein. Briefe, die dieser Ökonomus im
Kloster Georgenthal und dann Verwalter des Georgenthaler
Hofes in Erfurt in den Jahren 1524 und 1526 an Spalatin
schrieb, sind wohl wert, hier noch mitgeteilt zu werden, sie
zeigen, wie es auch ihm recht schwer wurde, in die neue
Zeit sich einzuleben. Am 14. Februar 1524 5*) bittet
Urban den Spalatin um Auskunft darüber, was auf dem
„berühmten Konvent der Fürsten" (der Nürnberger Reichs-
tag von 1524 ist gemeint) verhandelt werde. „Man sagt,
der König von England sei nach Nürnberg gehommen und
ebenso auch ein Gesandter Karls V. Wenn doch die
Fürsten alle Kraft anspannen wollten, um Eintracht in der
christlichen Religion wieder herzustellen. Überall unter
53) Krause, Briefwechsel, S. LXV.
54) GiUert, No. 620, Beilage 1.
58 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
den Volksstämmen wird schrecklich tumultuiert. Du schriebst
mir neulich, die Schweiz neige bald hierhin, bald dorthin
und doch stehe sie auf Seiten des Evangeliums. Das
scheint mir aber, mit Deiner Erlaubnis, kämpfen zu heißen,
wie stehen die denn zum Evangelium, die so wetterwendisch
bald hierhin, bald dorthin sich neigen, und zwar dahin,
wo gerade die meiste Aussicht auf schmutziges Geld ist.
Wahr ist der Ausspruch des Dichters: „Bei denjenigen
Menschen ist kein Treu und Glaube, die dem großen
Haufen folgen" (qui castra sequuntur). Die halte ich nicht
für Christen, die, von schmutziger Geldgier verleitet, das
Schwert gegen die Brust des um mich verdienten Bruders
zücken. Gott verleihe uns seine Gnade, daß wir nicht nur
dem Namen nach, sondern mit der That Evangelische sind.
Mutian empfing in diesen Tagen durch den Beistand des
ehrenwerten Gräfendorf und des Herrn Kanzlers
(Brück) 16 Gulden aus der Pfarrei zu Wira."
Am 7. März 1524 55) spricht Urban dem Spalatin
den Wunsch aus, ihn zu sehen und zu sprechen, vor allem
ihn darüber um Rat zu fragen, ob er (U r b a n) denn noch
immer mitten unter den trinklustigen, liederlichen, un-
ordentlich herumbummelnden Klosterbrüdern bleiben müsse.
„Ich hatte schon gehofft, es werde ein Dekret der Fürsten
in Nürnberg kommen, nach welchem es jedem erlaubt würde,
das Kloster zu verlassen, ohne dadurch sich Schande zu-
zuziehen. Aber ich höre, die guten Fürsten haben nichts
darüber bestimmt, haben nur Privatsachen verhandelt, sind
untereinander uneins gewesen, und der Kurfürst ist, unwillig
darüber, abgereist. Ob das wahr ist, möchte ich gern
wissen und ob es noch etwas anderes giebt, was ich dem
Mutian mitteilen kann." Nachdem Urban noch gebeten
hat, dem Kanzler Brück und dem Kämmerer Gräfen-
dorf dafür zu danken, daß sie dem Mutian, „gewiß auf
Spalatins Verwendung hin", die aus zwei Jahren rück-
55) Gillert, No. 620, Beilage 2.
zur Zeit der Reformation. 59
ständige Pfarrbesoldung aus Wira verschafft haben, auch
noch nach E r a s m u s und Hütten gefragt hat, schließt er
mit der Bitte, ihn wissen zu lassen, was für den glücklichen
Stand der Dinge, besonders für den lutherischen Handel,
zu hoffen sei.
Ein Brief Ufbans vom 20, November 1524 5«) an
Spalatin zeigt, wie man in der Umgebung M u t i a n s
über Thomas, Münzer und über den Streit zwischen
Luther und Erasmus, den freien Willen betreffend,
dachte: „Ich schicke Dir den Brief des Thomas Münz er
wieder zurück. Nichts Verworreneres, nichts Dunkleres
habe ich je gelesen. Man sagt, der Mensch sei aus Mühl-
hausen vertrieben worden, und wo sich Karlstadt jetzt
aufhält, weiß man hier durchaus nicht. Den Brief des
Erasmus an Dich und sonstige Neuigkeiten, die Du mir
geschickt hattest, habe ich dem M u t i a n und anderen guten
Freunden mitgeteilt. Sehr begierig bin ich, zu sehen und
zu lesen, was Dr. Luther oder Du gegen den freien
Willen zu schreiben haben werdet. Einige meinen, Luther
habe dem Erasmus nichts zu antworten und könne ihm
auch nichts antworten. Auch Mutian sagt, Erasmus
habe sehr gelehrt (eruditissime) zu Gunsten des freien
Willens geschrieben. Ich kann über so hohe Dinge, weil
sie über meine Fassungskraft hinausgehen, ein Urteil nicht
abgeben, dennoch billige ich an Erasmus, daß er be-
scheiden schreibt und belekrt zu werden wünscht, auch die
Entscheidung (Judicium) dem Leser überläßt. Sobald er
sich davon überzeugt haben wird, daß Luther richtig ge-
urteilt hat, wird er der Ansicht desselben wohl beipflichten.
Mir scheint es nämlich nicht wahrscheinlich, daß ein so
großer und bedeutender Mann etwas gegen sein Gewissen
schreibt." Nachdem Urban noch über seinen mangel-
haften Gesundheitszustand berichtet hat, bestellt er
Grüße an zwei Erfurter Gelehrte : Engelmann und
56) Gillert, No. 620, Beilage 3.
60 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Sommering, „die Dich von Herzen lieben, aber der
Meinung sind, daß Du elendiglich von Luther verführt
worden bist, und die Dir deshalb eine bessere Gesinnung
erflehen, Sie meinen es gut, aber ob sie richtig urteilen,,
ist mir zweifelhaft."
Sehr charakteristisch für die Stellung des damaligen
Humanismus zur Reformation ist folgender Ausspruch
Urbans in einem Briefe an Spalatin vom 19. August
1526^''): „Wenn etwas Neues geschieht, was zu Gunsten
des Evangeliums ist, laß mich's wissen. Ich bin gewiß dem
evangelischen Handel von Herzen günstig gesinnt, aber ich
vermag nicht, Erasmus zu hassen. Wenn ich irre, wisse,
daß ich immer Dein bin und Dein sein werde."
„Leben denn die Leute in Wittenberg unter einem
anderen Gesetz als die Leute in Gotha?" hatte, wie wir
hörten, einst Mutian vorwurfsvoll an Johann Lange,
den Haupt Vertreter der „Lutheraner" in Erfurt, geschrieben
und hinzugefügt: „Sind wir denn nicht Bürger eines
Reiches?"
Aus den vorstehenden Briefen M u t i a n s und Urbans,
denke ich, geht hervor, daß in Gotha, um Mutian herum,
allerdings ein anderer Wind wehte als in Wittenberg um
Luther herum. Gewiß war Mutian eine zu religiöse
Natur und Luther eine zu gewaltige Persönlichkeit, als^
daß nicht Mutian seines Geistes einen Hauch verspürt
haben sollte, und sicherlich darf nicht geleugnet werden,
daß der Humanismus überhaupt und Mutian insbesondere
bestrebt gewesen ist, das Reich, in welchem er neben den
Wittenbergern Bürgerrecht beansprucht, das. Reich Gottes,
zu fördern. Aber wenn wir den Humanisten Eobanus
Hessus sagen hörten, Luther sei deshalb größer als
Erasmus, weil er den Weg zu der reineren Frömmigkeit
nicht nur gezeigt, sondern auch betreten und die Hacke in
die Hand genommen habe, um den Weinberg Christi zu
57) Gillert, No. 620, Beilage 4.
zur Zeit der Reformation. 61
roden, so werden wir, wenn wir das auf Mut i an anwenden,
demselben den Vorwurf nicht ersparen können, daß er
gerade an dem, was Luther vor Erasmus auszeichnete,
den größten Anstoß genommen, daß er dem Reformator ge-
rade dieses Roden des Weinberges mit tapferem Mut und
starker Hand ganz besonders verübelt hat.
Das ist das Tragische in dem Leben dieses Humanisten,
führers in Gotha, daß er, der sich gestehen mußte, selbst
durch seine ganze Lebensarbeit die gegenwärtigen Ereig-
nisse mit vorbereitet zu haben, nun nicht den Mut fand, statt
der Feder die Hacke zur Hand zu nehmen ; sollte es wirk-
lich Reformation werden, so genügte dazu nicht die scharfe,
leicht über das Papier dahin fahrende Feder eines Muti an,
sondern es war nötig die grobe, den Boden tiefgründig um-
arbeitende Hacke eines Luther.
Während in der Tranquillitas zu Gotha so fleißige
Studien getrieben und so ernste Kämpfe gekämpft wurden,
sah es in den übrigen Kanonikerhäusern ganz anders aus;
darin hausten Männer, die von Muti an das allerschlechteste
Zeugnis erhalten, waren das doch Leute, die vollkommen
unempfänglich waren für die jetzt gerade neu auftauchenden
wissenschaftlichen Ideen, die wohl handwerksmäßig ihren
priesterlichen Pflichten nachkamen, aber sonst ihre Stellung
nur dazu benutzten, um ihre hierarchischen Gelüste, ihre
Habsucht und Geldgier zu befriedigen, und dabei, was das
Schlimmste war, ein grenzenlos liederliches, unsittliches Leben
führten. Nur der Domprop^ Gerhard Marschalk von
Gosserstedt scheint unter dieser größtenteils verkommenen
Gesellschaft eine rühmliche Ausnahme gemacht zu haben.
Da ist es denn nicht zu verwundern, daß Mutian in Aus-
drücken tiefer Entrüstung seinem Unwillen über seine Mit-
kanoniker Luft macht, daß er ausruft: „Die Götter mögen
das räudige Vieh in die Hölle verstoßen!, daß er seinem
Freunde Urban klagt: „Ich bin unter so vielen Ungetümen
auch ganz erstarrt, wie ein träger, stupider Esel, und habe
die lateinische Stimme, habe die rechtschaffene. Rede des
62 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Gelehrten ganz verloren und schreie in einem fort mit jenen
Eseln" ; da ist es nicht zu verwundern, daß er den Versuch
macht, sich vollstäiidig gegen jene schlechten Kollegen ab-
zuschließen, daß es sagt: „Niemand war, noch ist, noch
wird sein ein Freund Mutians, als wer gut, unbescholten
und gelehrt ist." — Viel Schlimmes erz0,hlt Mutian be-
sonders von den beiden Domherren Ludwig Kötteling
und Konrad Morch — er nennt sie Lotius und Morus
— so z. B. berichtet er^s) über ein Trinkgelage wüstester
Art, das diese beiden Männer in Schönau v. d. W. halten.
Es war zu Michaelis 1509 oder 1510, da fuhren diese
beiden Männer auf einem ihnen vom Abt zu Georgenthal
gestellten Wagen, einer Einladung zur Kirmse folgend, ange-
than mit schrecklichem Rausch und maßloser Ereßbegier, nach
Schönau. Von diesen wohlgenährten, prächtig gepflegten,
aber schlecht unterrichteten , scheltenden , schimpfenden,
heimtückischen Menschen, wert, daß sie beständig an
Husten, Schlafsucht, Herzklopfen, Wolf, Leistenbruch und
böser Krätze zu leiden hätten, weiß man nicht, ob sie bei
dem vom Abt ihnen gebotenen fetten, priesterlichen Schmause
mehr in die Gurgel hinabgegossen oder herausgebrochen
haben, schrecklicher als alle Säue und Waldesel. Nichts
Religöses haben sie an sich als nur ihr priesterliches Kleid,
nicht dem Erlöser dienen sie, nicht der Tugend, sondern
in Geilheit dienen sie der Venus, dienen dem Bauch et
quae sub ventre sunt, sind immer streitsüchtig, immer be-
trunken, wo aber Betrunkenheit ist, da ist auch Wut und
Begierde, ita secure indulgent genio, ita impudenter post
ingurgitationem lapsabundi implicantur mulierum amplexibus
et nudis membris et spumante mutino saltant. „Daher",
so fügt Mutian dieser Schilderung hinzu, „sagt das Volk,
wenn unsere Priester in so schändlicher Weise sündigen,
wird es auch uns erlaubt sein, ins Blaue hineinzuleben und
darauf los zu sündigen." Voll Entrüstung meldet Mutiaü
58) Gülert, No. 147; Krause. No. 91.
zur Zeit der Reformation. 63
von dem Domherrn Kötteling: „Alles opfert er seiner
runzeligen, schlotterigen Delia, squalida scorta et foedae
pelliculae meliorem partem ecclesiastici patrimonii devorant."
Diese schamlose Dimenwirtschaft führte zuletzt zu dem
berüchtigten^ des öfteren beschriebenen Pfaffenstürmen in
Gotha zu Pfingsten 1524.
Besser als im Stift zu Gotha scheint es im Augu-
stinerkloster daselbst gestanden zu haben. Zwar hielt
Luther, wie wir schon hörten, im Frühjahr 1515 in der
Kirche dieses Klosters eine sehr scharfe Predigt 5^) gegen
die Sucht, andere herabzusetzen und ihnen Übles nachzu-
reden, aber als er im Mai 1516 das Kloster inspizierte,
fand er dort alles so in Ordnung ^% daß ihm die Inspektion
nur wenige Stunden kostete; Mutian hat aber trotzdem
an den Augustinern Allerlei auszusetzen. Er beklagt sich
darüber, daß diese Aurelianer den Canonikern die Oster-
eier ß^) wegschnappen, er hält sich darüber auf^^-)^ ^^ß ein
Augustiner zu ihm gekommen wäre und ihn gefragt habe,
ob denn das richtig sei, wenn man behaupte: leibliche
Schwestern^ sind Töchter, die dieselbe Mutter haben. Bluts-
verwandte aber sind Töchter, die ein und denselben Vater
haben. Das sei doch eine Sache, die jeder arborum lector
(?) wisse. Er spottet über sie^^^, weil sie meinen, durch
ihre Fürbitten vielen Kranken das Leben gerettet zu haben,
„sie reden wohl viel davon, daß durch ihre Gebete viele
leben, aber von den Gestorbenen, deren Zahl unendlich
groß ist, schweigen sie". Et setzt hinzu: „Der Geiz besudelt
die Theologen", das soll doch heißen: die Mönche drängen
sich zu solchen Fürbitten nur, um Geld zu verdienen.
In dem Cisterziens ernonnenkloster zum hei-
ligen Kreuz vor dem Brühl stand auch nicht alles so, wie
59) Theod. Kolde Martin Luther, Gotha 1884, S. 89 ; Luthers
Werke ed.: Knaake ßd. I, S. 19; Gillert, Bd. II S. 150 Anm. 2.
60) Kolde, S. 90.
61) Gillert, No. 475; Krause, N. 459.
62) Gillert, No. 464; Krause, No. 445.
63) GiUert, No. 94; Krause, No. 66.
64 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
es sollte. Ein Teil der Aufsicht über dieses Kloster stand
dem Abte von Georgenthal zu, er hatte die Rechnungen zu
prüfen 6^) und die Novizen zu weihen. Fand solche Ein-
segnung junger Nonnen statt, so pflegte M u t i a n , als
Domherr, ein Honorar dazu hinzuschicken, und wurde da-
für zu der Eeier eingeladen, ging aber nicht hin, weil er
nicht mit seinen, von ihm so verachteten Kollegen zu-
sammen an einem Tische sitzen wollte. „Ich kann darum",
schreibt er spottend, „auch nicht sagen, ob die Nonnen
dabei getanzt oder gesungen haben." Wunderbarerweise
hatte noch am Ende des 15. Jahrhunderts dies Nonnen-
kloster die Verpflichtung ^^), beim Abthun eines Verbrechers
den Scharfrichter zu besolden, ihm Leiter, Stricke, Rad und
alles, was dazu nötig war, zu bezahlen. Sonst war das
eigentlich die Pflicht der sogenannten „unehrlichen-' Leute ^''),
also derjenigen, die nicht zum „Volk in Waffen" gehörten,
dazu gehörten, außer den Leibeigenen auch diejenigen, die
durch ihren Beruf gehindert waren in den Krieg zu ziehen,
weil man sie zu Hause nicht entbehren konnte, es waren
dies vornehmlich die Hirten und die Müller, dazu kamen
noch diejenigen, welche keine eigentliche Heimat hatten,
die sogenannten „fahrenden Leute", die Schauspieler, die
Musikanten u. s. w., wie auch die Hofnarren, endlich noch
die öffentlichen Dirnen und ihre Wirte, man sagte auch
sprichwörtlich, zul den unehrlichen Leuten gehören alle
vom Schäfer bis zum Schinder, diese beiden standen als
Medizinmänner im Rufe der Zauberei. Warum nun bei uns
in Gotha die unschuldigen Nonnen jene entehrende Ver-
pflichtung hatten, weiß ich nicht zu melden.
64) Gillert, No. 407 ; Krause, No. 408.
65) Gillert, No. 316; Krause, No. 304.
66) Aug. Victor Eichard t. Licht und Schatten, Beiträge zur
Kulturgeschichte in Sachsen-Thüringen im 16. Jahrh. Leipzig 1861 ;
cf. Zeitschr. f. Thür. Geschichte u. Altertumskunde, Bd. IV, S. 103.
67) Henne am ßhyn, : Kulturgeschichte des deutschen Volkes
ßd, I, 8. 404 f.
zur Zeit der Beformation. 65
Im August 1512^8) stieg Mutian von deinem am
Sperlingsberg gelegenen Hause hinab zum Brühl, stieg hinab
in den Nußgarten, von dem das Kreuzkloster umgeben war,
nicht, wie er sagt, um Nüsse zu suchen, sondern um, den
Abt von Georgenthal zu sprechen. Es war um die zweite
Stunde, und da die Nonnen noch umherstanden, begab er
sich in die Kreuzkirche. Da sah er die Stadt Köln mit
den schönen Jungfrauen auf den Schiffen, aber schon einem
nahen Tode verfallen. In der Kreuzkirche befand sich also
damals ein Bild, das die Geschichte von den Elftausend Jung-
frauen darstellte. Bei Betrachtung dieses Bildes dringen
Töne an sein Ohr, bald sind es Psalmen, die man murmelt,
bald andere Weisen, die man trillert. Voll Verwunderung
horcht er auf die vortreffliche Harmonie der Weiberstimmen.
Nachdem das Benedicamus beendet ist, tritt Mutian an
den Abt heran, noch ist die Äbtissin — es war Marga-
retha Kohlstettin — zugegen, sie giebt ihm die Hand
und ergeht sich in ebensolangen Reden über das Amt eines
neu anzustellenden Klosterschreibers, wie der Abt, dann
endlich kann auch Mutian zu Worte kommen iind sagt
zum Abt: Diese Sache wäre ja nun wohl abgemacht und
steht gut, aber ich habe noch einen anderen Freund, der
der Empfehlung wert ist, habt, ich beschwöre Euch, den
Urban lieb, und der Abt antwortet: „ich hab ihn lieb."
Warum Urban, dieser treue Freund Mutians, immer
wieder der Fürsprache Mutians beim Abt von Georgen-
thal bedurfte, werden wir »gleich hören.
Zu Johannis wurden vom Senat und Volk zu Gotha
Spiele ^9) mit großem Pomp veranstaltet, in denen die
Thaten und die Leiden Christi dargestellt wurden. Schon
1505 werden von Mutian solche Passionsspiele erwähnt"), zu
denen damals viele Zuschauer aus Erfurt herbeiströmten.
68) Gillert, No. 202; Krause, No. 185.
69) GiUert, No. 142 ; Krause, No. 139.
70) Gillert, No. 28; Krause, No. 30.
XXI.
66 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Mutian sagt von diesen Spielen: „Durch dieses Schau-
spiel, oder vielmehr durch diese Tragödie werden die Un-
erfahrenen zur Frömmigkeit angeregt. Das Vorbild des
Gekreuzigten weckt Sanftmut, Geduld und heilige Sitten,
zieht auch den Einfältigen zum Himmel, d. h. zur Andacht
und zur Freude an der Gottheit." Dann \aber rügt er das
schamlose Betragen der dabei lachenden und Unsinn trei-
benden Nonnen aus dem Kreuzkloster, die der Aufführung
beiwohnen. Er schreibt: „Wir sahen jene Klosterjungfrauen
in den Reihen stehen, sahen den Propst und die große
Jungfrau — er meint die Äbtissin — am Altar sitzen.
Seht doch, sage ich bei mir selbst, was und wie vieles euer
Erlöser und Bräutigam gelitten hat, indem er unsere Sünde
zu seiner Schuld machte. Nichts giebt doch da Anlaß zu
Mutwillen und Heiterkeit, was soll denn da nun eure Aus-
gelassenheit tmd Schamlosigkeit?"
Böse Erfahrung hatte Mutian in Beziehung auf dies
Kloster gemacht. Der schon oft erwähnte Klosterverwalter
von Georgenthal U r b a n war in ein intimes Verhältnis zu
einer Nonne dieses Klosters getreten, das nicht ohne Folgen
blieb. Gewaltiges Aufsehen erregte es, als eine „rapta
Penelope" heimlich aus dem Kloster entwichen war. In
der Stadt bezeichnete man allgemein Urban als den Ver-
führer. Demselben drohte daher die Entlassung aus seinem
Amt. Mutian ist auch von der Schuld seines Freundes
überzeugt, bietet aber alles auf, um ihn aus der Schlinge
zu ziehen. Der Abt kommt nach Gotha, um mit Mutian
über diese delikate Angelegenheit zu verhandeln. Mutian ''^)
sucht dem Abte seinen Verdacht auszureden und das Ver-
brechen auf einen Offizier der Schloßwache abzuwälzen und
ermahnt den Abt, er möge doch dafür sorgen, daß die um
das Kloster führende Mauer, die stellenweise sehr baufällig
und halb eingefallen war, ausgebessert werde, damit in
Zukunft sittenlosen jungen Leuten jeder Zutritt unmöglich
71j Gillert, No. 74; Krause No. 140.
zur Zeit der Reformation. 67'
gemacht werde. — Der gute Abt wurde in der That
schwankend, gebot Stillschweigen über den Vorfall und ließ
Urban in seinem Amte.
Das Verhalten Mutians in dieser Angelegenheit ist
durchaus kein rühmliches. Er, der die Unsittlichkeit an
seinen ihm so verhaßten Kollegen im Stifte mit Recht aufs
schärfste tadelt, ergeht sich diesmal, wo es seinen Freund
betrifft, in so zweideutigen Scherzen über diese Sache,
daß seine Äußerungen besser nicht mitgeteilt werden.
Eine stadtbekannte Persönlichkeit in Gotha war damals
der Vorsteher des Reinhardsb runner Klosterhofes da-
selbst.
Die mehr plebejischen Cistercienser und die aristo-
kratischen, stolzen Benediktiner haben sich wohl nie gut
miteinander gestanden, Georgenthal und Reinbardtsbrunnen
waren von alters her nicht gut Freund miteinander. M u ti a n ,
den Cisterciensern sehr zugethan, gefällt sich darin, jenem
stolzen Benediktiner Hausmeister manch Schlimmes nach-
zusagen. Friedrich Hünerjäger ''2), so hieß dieser
Mann, war von riesenhafter Gestalt, und hatte gewaltig
große Augen, er muß eine imponierende Erscheinung ge-
wesen sein. Er galt als Nachfolger ^S) seines kränkelnden
Abtes, wird aber von Mutian als ein nach äußerer Ehre
namentlich nach Gunst bei Hofe, nicht immer auf dem
Wege des Rechtes und guter Sitte wandelnder, jedoch viel-
vermögender, überall sich vordrängender Mann geschildert,
„roh in den Wissenschaften, groß in Barbarei, nur ein
Kritikus, ein käuflicher Charakter, geübt in der Führung
von Streitsachen, Wahlumtrieben nur zu ergeben-".
In Beziehung auf die Aussicht dieses Benediktiners, in
Reinhardtsbrunnen einmal Abt zu werden, sagt Mutian:
die Bursfelder Kongregation verfahre zwar sehr streng und
scharf bei Besetzung der Abtstellen, „aber das Geld dringt
durch und überredet gar wirksam."
72) Giilert, No. 29 ; Krause, No. 27.
731 Giilert, No. 324; Krause, No. 320.
ß3 Kirchliches u. sozialos Leben im Herzo<rtum (lotha
Es war am Fronleichnamsfest loOO''^), da stand dieser
stolze Benediktiner, dieser aufgeblasene Narr, der einst den
Mut i an tief gekränkt hatte, mit dem Ausspruch schola-
stischer Denkweise : „Poeten verderben die Universitäten",
dieser Mann stand, als das Volk, in devoter Weise in der
Marienkirche versammelt , von Bußthränen überfloß, mitten
unter den patrizischen Flüchtlingen aus Erfurt, die bei
Beginn der damaligen städtischen Wirren — es war das
sog. tolle Jahr — nach Gotha ausgewandert waren, so daß
alle ihn bemerken, er allen auffallen mußte. „Ich weiß
nicht", schreibt Mut i an, „was die Offiziere der Schloß-
wache, was die Bürger, was die übrigen Besucher der
Kirche über die Unverschämtheit dieses Klosterbruders ge-
dacht haben werden ; ich hätte mich in seiner Stelle bei
dem so feierlichen Pomp des Fronleichnamsfestes nicht so
sehen lassen mögen, denn er handelte pflichtwidrig, als er
ostentativ sich allen darstellte, er durfte doch eigentlich
gar nicht aus seiner Zelle herausgehen, gar nicht um welt-
liche Dinge sich bekümmern, sondern hätte bei Tag und
bei Nacht über die Gebete Gottes nachsinnen, hätte weinend
und seufzend, mit dem Psalterium in der Hand, den Tag
des Gerichtes erwarten müssen, statt dessen läuft dieser
windige Klosterbruder von Kirche zu Kirche und von Dorf
zu Dorf, nur um bei Hof und bei dem Volk sich beliebt
zu machen", von ihm gilt in vollem Maße das Sprichwort ^^j;
Quidquid agit mundus, monachus vult esse secundus.
Mit wahrer Wonne berichtet daher Mutian^^) später,
daß dieser stolze, unverschämte Benediktiner, der bei Hof einst
so viel durchzusetzen vermochte, nun alles Ansehen verloren
hat, denn weil er, fürstlichem Befehl zuwider, gewisse' Gelder
verausgabt hat, ist er von dem Quästor zu Gotha, einem harten
und unerbittlichen Pfanne, mit 400 Gulden bestraft worden;
,.ob er die Strafe bezahlt hat, weiß ich nicht". Bald darauf
71) Gillert, Xo. 128; Krause, No. 154.
75) Gillert, No. 247; Krause, No. 228.
701 Gillert, No. 223; Krause, No. 201.
zur Zeit der Reformation. (59,
ist eine Dirne in das Kloster Reinhardtsbrunnen gekommen
und hat den Oeconomus Friedrich verklagt. „Welch
schreckliches Beispiel!" ruft Mutian mit Wohlbehagen aus.
In Zeiten, wo eine alte und eine neue Weltanschauung
aufeinander stoßen und miteinander ringen, da pflegt sich
jedesmal ein wahrer Heißhunger nach Übersinnlichem, Ge-
heimnißvollem und Wunderbarem zu zeigen, so war das
auch der Fall in der Zeit und in d e r Gegend, von der
wir reden.
Im Juli 1515 wurden in der Stadt Gotha von den
Kanzeln herab gewaltige Strafpredigten gehalten. Anlaß
dazu gab das unheilvolle Treiben eines Wahrsagers '^^j, eines.
Chaldäers, eines Astrologen, Traumdeuters und Falsch-
propheten, man nannte ihn nur „den weisen Mann von
Tambach." Dieser Windbeutel, in welchem Mutian einen
entlaufenen und verkappten Mönch vermutet, war früher
Schreiber des Grafen Balthasar von Schwarz. bürg
in Leutenberg gewesen, dann finden wir ihn in Tambach.
Schon 1506 wird Urban von Mutian aufgefordert, sich
von jenem Chaldäer astrologische Instrumente geben und
sich in der Handhabung derselben unterweisen zu lassen. Im
Jahre 1512 aber nennt Mutian ihn einen heillosen Menschen
und ist sehr böse, daß der Abt von Georgenthal die Äuße-
rung gethan hat, er wolle, er hätte nur auch erst für
Georgenthal einen solchen weisen Mann. 1515 finden wir
diesen „verfluchten Chaldäer" in Schönau v. d. W., wo
der nichtswürdige Magier schändlich betrügt. Als der Graf
Balthasar von Schwarzburg einst krank gewesen,
da hatte dessen Hausfrau gen Tambach geschickt und
bei dem Wahrsager anfragen lassen, ob ihr Mann bezaubert
sei oder nicht. Daraufhin hatte der weise Mann von Tam-
bach einen Streifen Pergament gesendet „eitel coracteres
daraufgeschrieben", mit der Bestimmung, dasselbe sollte der
Graf um den Hals hängen. Man hatte es aber verbrannt
77) Ztschft. f. Thür Geschichte etc., N. F. Bd. V, S. 330—334.
70 Kirchliches ii. soziales Leben im Herzogtum Gotha
und nicht umgehängt. Dieser Mann fand Nachahmung,
1515 schreibt Mutian: „Die ganze hiesige Gegend hat
vier solcher Menschen, und, worüber ich mich besonders
ärgere, zwei der Georgenthäler Mönche gehören zu dieser
Zahl. Deine Schönauer handeln unsinnig, der neue Prophet
ist dorthin gekommen, von allen Seiten strö^mt man zu ihm,
er weiß, wo Schätze verborgen liegen, und er selbst hat
doch nichts und ist bettelarm. Eines schmerzt mich, daß
Deine überaus einfältigen Bauern in Schünau eine reine
Jungfrau diesem verächtlichen Ungeheuer zur Frau gegeben
haben, damit er an ihr seinen Spaß habe." Endlich erfolgte
Bestrafung. Triumphierend meldet Mutian im Juli 1515:
„Jener schatzgrabende Windbeutel, der nicht nur die Einfalt
Deiner Bauern, sondern sogar die Leute in Gotha und un-
zählige Menschen täuschte und ihre thörichte Leichtgläubig-
keit mißbrauchte , wird im Klostergewahrsam gehalten.
Einige behaupten, er sei in Nürnberg öffentlich ausgepeitscht^
mit Schanden fortgejagt und des Landes verwiesen worden,
Andere berichten, er sei in der Stadt Meißen in derselben
Weise bestraft worden, nachdem man ihn durch lange Haft
und Banden mürbe gemacht. Die Prediger des hiesigen
Clerus reden gewaltig gegen die Leichtgläubigen und
schrecken mit furchtbaren Drohungen alle, die diesen Ver-
dei'ber um Pat gefragt haben."
Im Juli 1513 ^s) ließ Mutian sich von seinem Barbier
friesieren, der Barbier erzählte ihm, ein Knabe von Mühl-
berg habe vor einigen Tagen angefangen auf dem Felde
bei Mühlberg ein kleines Tempelchen zu bauen, sofort habe
man ein Marienbild und ein Kruzifix hineingestellt, dann
seien von allen Seiten Menschen herbeigeströmt, Opfergaben
seien gespendet worden , und von Wundern habe man
sich erzählt. „So macht", fügt M ut i an hinzu, „ein Knabe
viele Greise zu Knaben."
Zwei Monate später trieb sich ein Chiromant, Georg
78) Gillert, No. 281; Krause, No. 267
zur Zeit der Reformation. 71
Faustus mit Namen, in Erfurt herum '^) der Heidelberger
Halbgott — das ist der berühmte Faust — „der reine
Großthuer und Narr, seine Kunst, wie die Kunst aller
Wahrsager, ist nichts wert, und solche Physiognomie wiegt
leichter als eine Wasserspinne". „Die Ungebildeten be-
wundem ihn", erzählt Mutian, „die Theologen erheben
sich gegen ihn, ich habe ihn in der Herberge schwatzen
hören, bin aber seinen Prahlereien nicht entgegengetreten,
was geht mich fremder Blödsinn an?"
Es ist kein gutes Zeichen für den Bildungsgrad der
damaligen „studierten" Leute in der Stadt Gotha, daß
Mutian hier weder unter seinen geistlichen, noch seinen
juristischen Kollegen jemand gehabt zu haben scheint, bei
dem er wirkliches Interesse und Verständnis für sein wissen-
schaftliches Streben fand.
Myconius führt in seiner Reformationsgeschichte zwei
Männer aus Gotha auf, die er als Patrone der Gelehrten
bezeichnet. So erzählt er von Dieterich Tunckel ^*'), daß
derselbe gewesen sei ein amicus eruditorum et päter pau-
perum, da aber dieser um die Stadt und ihre Bürger hoch-
verdiente Mann „keinen Buchstaben schreiben noch lesen
kundt", so macht es dieser Umstand wohl erklärlich, daß
Mutian mit demselben in keinen Verkehr trat, ja ihn in
keinem seiner Briefe auch nur erwähnt, während Myconius
ihm nachrühmt: „er war doch aller Gelerten Vater und
Freund, er that ihnen, als »ie um des Pabstthums willen ver-
folget und angefochten wurden, viel Freundschaft . . . .
Dieser Mann hat diese Gnad von Gott, daß alle böse
Sachen, die weder Fürst, noch Rath, noch Amt-Leut ver-
tragen konten, wenn es für ihm kam, so vertrug und ver-
einigt er die Leut. Denn er hat um seiner Erbarkeit,
Fromkeit und Redlikeit willen grosse Gunst beyn Leuten,
und folget ihm jederman gern. Als er aber Alters halben
79) Gillert, No. 320; Krause, No. 307.
80) Myconins, Bist, ref., S. 56, 107.
72 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
starb, de war ein gemein Trübnis alles Volks, daß fast alle
Menschen der gantzen Stadt mit ihm zum Begräbnüß ging
und war ein Klagen, als war ihnen allen ihr Vater ge-
storben. Er wohnet in dem hohen Eck-Haus gegen dem
Rathhaus über, an Pforten-Gäßlein."
Neben Dieterich Tünckel wird von Mykonius auch
„Matthias Lachenbeck s^) der F u c k e r von Augsburg
etwa Diener auf den Hütten zu Hohenkirchen als Literatorum
Patronus et pauperum omnium Pater" aufgeführt. Dieser
Mann war Geschäftsführer der Eugger auf der Schmelz-
hütte zu Hohenkirchen ^2j^ ^{q ji^ijt Ludwig von Georgen-
thal 1492 angelegt, die dann aber das Kloster 1495 an
die Gebrüder Eugger verkauft, dabei aber wohlweislich das
Recht sich vorbehalten hatte, in den angrenzenden Bächen
Forellen und Aschen zu fangen. Obwohl Matthias Lachen-
b e c k dem M u t i a n und dessen Freunden mancherlei gute
Dienste leistete, da er ihnen durch die Eugger'schen Fuhr-
leute ^3) den Brief- und Bücherverkehr zwischen Augsburg
samt Venedig und Georgenthal resp. Gotha vermittelte, so
daß M u t i a n auf leichte und sichere Art sowohl von den
Buchhändlern in Augsburg ^*), wie von dem berühmten Buch-
drucker in Venedig Aldus Manutius^^) Bücher bekommen
konnte, so ist Mutian, wenn er auch weiß, daß ihm die
Gunst des Lachenbeck viele Vorteile verschafien kann,
doch nicht besonders gut auf diesen Mann zu sprechen, er
bezeichnet ihn als einen Mann „reicher als Alkinous" ^6)^
aber trotz seines Reichtums sei er doch wenig freigebig,
borge kein Geld ohne Pfand, nicht ohne Wucherzinsen,
81) Myconius, Hist. ref., S. 108.
81) Beck, Geschichte des goth. Landes, Bd. III, S. 374 f.
83) Gillert, No. 12, 13, 16, 2ö\ 25^ 33, 506; Krause, No. 22,
23, 21, 39, 40, 41, 37, 491.
84) Gillert, No. 105; Krause, No. 106.
85) Gillert, No. 13, 14, 24, 25, 25% 25b, 25s 31, 33, 34,- 38, 124,
140, 171, 185, 363, 507, 634; Krause, No. 23, 24, 35, 39, 40, 41, 43
31, 37, 36, 111, 146, 137, 343, 589.
86) Gillert, No. 154, 381 ; Krause, No. 152, 364.
zur Zeit der Reformation. 73
ganz nach Art der Priester. Er hat den Lachenbeck
in Verdacht, daß derselbe es im Geheimen mit Kötteling
und Morch, den erbittertsten Feinden Mutians unter
den gothaischen Domherren , halte und ihn um eine er-
giebige Pfründe gebracht habe. Auf der Pfründenjagd
sehen wir auch Mutian des öfteren, aber „auf Pfründen",
sagt er, „gehe ich nur der Bücher wegen aus" ^^), während
seine Kollegen nur aus Geldgier zu erlangen trachteten,
was er der Wissenschaft und der Wohlthätigkeit zu opfern
gedachte. — Was nun aber Mutian in Gotha nicht fand,
das fand er in reichem Maße in Georgenthal: Männer, mit
denen er wissenschaftlich verkehren konnte.
Zunächst fand er dort den schon oft erwähnten U r b a n ,
der schon als Erfurter Student ein Schüler Mutians ge-
wesen war, als derselbe vor seiner Reise nach Italien an
der Erfurter Universität Vorlesungen hielt. Jetzt nun, nach-
dem U r b a n Oeconomus in Georgenthal geworden war,
wurde die Irüliere Bekanntschaft erneuert. Oft kamen die
beiden Männer in Gotha oder in Georgenthal oder auch
in Schönau ^^) vor dem Walde, wo das Kloster ein Gut
besaß, zusammen, um wissenschaftlichen Studien obzuliegen.
Die Klosterbibliothek muß ihre Schätze dazu hergeben, und
U r b a n ist gern bereit, aus den Mitteln des Klosters neue
Bücher anzuschaffen, die nach dem Gebrauch der Kloster-
bibliothek einverleibt wurden. Öfter hielt sich Mutian
tagelang in der „villa Ujbans" zu Schönau auf, sich an
der „lieblichen Waldgegend" erfreuend : Er schreibt einmal :
„Der Ort Belpratum, Dein Schönau, trägt den Namen mit
Recht, er hat die schönsten Auen, Deine Villa diort gefällt
mir wunderbar. Das Speisezimmer gewährt der aufgehenden
Sonne Zutritt, daneben liegt das Schlafgemach. Jene Alte
in der Villa macht vorzügliche Käse, sie sind herrlich von
Geschmack, öfter versuche ich sie. Aus guten Gründen
87) GUlert, No. 25; Krause, No. 39.
88) Gillert, No. 14, 15, 65, 147, 252, 269, 323, 502, 502, 323;
Krause, No. 24, 25, 75, 91, 239, 254, 319, 489, 500, 5Ö4.
74 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
liebe ich jenen Aufenthalt: einladend ist das milde Klima,
die Nähe von Gotha und Deines Klosters, die einfachen
Sitten der Menschen, die Wiesen und Obstbäume, die Felder
und Wälder, die Windungen der Leina. Wenn ich von
Ort zu Ort das Einzelne besucht habe, werde ich die
Urban'sche Villa, Deine und meine Wonne, in Briefen
beschreiben." Doch aber auch hier, wenn Mutian seine
Sommerfrische in ländlicher Abgeschiedenheit hielt, wurden
die Studien nicht vergessen, gelehrte Bücher wanderten mit
nach Schönau.
Als dritter im Bunde gesellte sich vom Herbst 1505 an
diesen beiden Männern zu Ge org Sp alatinS''). Es hatte
Mutian viele Mühe gekostet, es dahin zu bringen, daß
Spalatin die Stelle eines Klosterlehrers in Georgenthal
erhielt. Er rühmt den Spalatin als einen geistvollen
und doch dabei so bescheidenen Jüngling, der, weil in
Nürnberg erzogen, das eleganteste Deutsch spreche, aber
auch das Lateinische, für alle Arten von Studien ja so un-
entbehrlich, vollkommen beherrsche. Er hofft, Spalatin
sollte gleichsam ein Mittler werden zwischen Gotha und
Georgenthal, wie Christus zwischen Gott und Mensch, da,
wie die Philosophen lehren, zwei Gegensätze ohne ein
Mittleres nicht verbunden werden könnten, und als nun
endlich Spalatin das Amt bekommen hat, da jubelt
Mutian voller Freude ; „o welch ein schönes Zusammen-
leben, o welch eine herrliche Kameradschaft, wenn ihr
doch mit mir hier in Gotha zusammenleben könntet, da
das aber nicht sein kann, so wollen wir uns ohne Murren
in die Notwendigkeit schicken und uns das durch wissen-
schaftlichen Austausch leichter machen." — Von nun an
wird Mutian nicht müde, diese seine beiden Freunde zu
gemeinsamer wissenschaftlicher Thätigkeit anzuspornen, er
giebt ihnen Themata auf, die sie schriftlich zusammen be-
89) Gillert, S. XXXIV; Krause, Briefwechsel, S. X; [Brückner]
Kirchen- u. Schulstaat, Bd. II, St. 11, S. 35; Gelbke, Kirchen- u.
Schul Verfassung im Hzt. Gotha, II. T., Bd. I S. 566.
zur Zeit der Reformation. 75
arbeiten sollen, sie sollen gemeinschaftlich ein Leben Jesu
auf Grund der Predigten Leos des Großen ^^) schreiben,
oder auch ein Leben des heiligen Bernhard von Clairvaux
verfassen, Urban soll über das Lob der Armut ^^), Spalatin
über die Frage .sich auslassen ^^), wenn doch Christus der
Weg, die Wahrheit und das Leben sei, wie denn so viele
Jahrhunderte vor seiner Geburt die Menschen daran ge-
wesen. Auf Antrieb M u t i a n s trat S p a 1 a t i n in den geist-
lichen Stand, und den Bemühungen Mutians hatte er es
zu verdanken, daß er 1507 Pfarrer in Hohenkirchen wurde.
Diese Pfründe besaß Spalatin noch im Jahre 1524^^^, ob-
wohl er schon 1508 Prinzenerzieher am Hofe Friedrichs des
Weisen geworden war; er ließ, wie das damals ja üblich war,
die pfarramtlichen Geschäfte durch einen Vikar besorgen.
Nach dem Abgang Spalatins von Georgenthal wurde
sein Nachfolger dort Herebord von der Marthen^*).
Der stammte aus einer reichen Erfurter Patrizierfamilie ^
war ein reich begabter Jurist und schon Magister, als er
durch M u t i a n dazu bewogen, sich in die Stille des Klosters
Georgenthal zurückzog, um dort nicht nur die jungen
Mönche zu unterrichten, sondern auch sich gründlich auf
seinen Sachwalterberuf vorzubereiten. War er schon von
Erfurt aus oft mit vielen jungen Gelehrten nach Gotha zu
M u t i a n gewandert, so trat er nun von Georgenthal aus
erst recht in regen Verkehr mit dem von ihm so hoch-
verehrten Domherrn. Mit^ seinem vom Vater ererbten
Familienstolz und Juristenhochmut, auch mit seinen lockeren
Sitten machte er seinem Freunde in Gotha manche Sorge,
dieser aber ließ doch nicht ab, den jungen Mann,' auf den
er die schönsten Hoffnungen setzte, zu einem tüchtigen
Juristen zu erziehen.
90) Gillert, No. 37; Krause, No. 38.
91) Gillert, No. 95; Krause, No. 26.
92) Gillert, No. 95; Krause, No. 26.
93) Gillert, No. 620''.
94) Gillert, S. XVI ; Krause, Helius Eobanus Hessus, Bd. I, S. 26 f.
76 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Auch mit dem Nachfolger des Herebord von der
M a r t h e n in Georgenthal, dem Heinrich Mus hart
von Hersfeld ^5^, pflegte Mutian wissenschaftlichen Verkehr,
er erkennt das Talent und das Streben des Jünglings an
doch zieht er sich bald mehr und mehr von ihm zurück,
da er argwöhnt, daß „Musardus" öin „Lotianer" ein
Anhänger der Feinde Mutians, geworden sei.
Wie mi^ diesen Klosterlehrern in Georgenthal, hätte
Mutian auch mit dem dortigen Abte gern wissenschaftlich
verkehrt, aber Johannes III. war für litterarischen Um-
gang leider nicht zu haben. Der Abt stammte aus der in
Thüringen reich begüterten Familie derer von Spitz-
nase ^ß), hatte von 1491 an in Leipzig studiert, und nach-
dem er 1502 an die Spitze des Klosters getreten war,
schickte er im Lauf der Jahre auch eine Anzahl seiner
jungen Mönche zum Studium nach Leipzig, wo die Cister-
cienser ein eigenes Studienkollegium hatten. Für die Kloster-
bibliothek ließ der Abt, wie wir schon früher hörten, auf
Bitten Mutians, durch Urban öfter Bücher anschaffen, die
dann Mutian eifrig benützte ; so wanderten z. B. einmal
von Georgenthal nach Gotha Leos Sermone, die Regeln
Benedikts und des Basilius und eine gereimte Chronik.
Daß der Abt einiges Interesse für wissenschaftliche Arbeiten
hatte, zeigt der Umstand ^^), daß er dem Degenhard
Pf ef fing er, einem der einflußreichsten Räte Friedrichs
des Weisen, mit dem er in brieflichem Verkehr stand,
„zweier angezaigter Ro. keyser geschieht vnd leben", die
er für ihn hatte „vmbschreiben" lassen, zusendet. Mutian.
und der Abt beschenkten sich auch gegenseitig des öfteren
mit Büchern. So hat Mutian dem Abte Erzählungen von
dem schwäbischen und ungarischen Bauernaufstände ge-
95) Gillert, No. 184 ; Jahrbücher der Königlichen Akademie
gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, N. F. Heft XIX, S. 76.
96) Jahrbücher der Königl. Akademie etc. zu Erfurt, N. F.
Heft XIX, S. 67.
97) Gillert, No. 341; Krause, No. 276.
zur Zeit der Reformation. 77
schenkt ^^), der Abt aber dem Domherrn eine scholastische
Abhandlung 9^*) verehrt, die zwar gar nichts, wie Mutian
sagt, wert sei, aber er freue sich doch, aus diesem ö-eschenk
das Wohlwollen des Abtes erkannt zu haben.
Ein andermal übersendet Mutian dem Abt ein altes
Werk über Edelsteine 1°% das werde ihm gewiß gefallen,
denn daraus könne er die verschiedenen Arten von Edel-
steinen kennen lernen, mit denen seine Mitra besetzt sei.
Mutian erzählt einmal, den Abt bei einem Feste der Nonnen
im Kreuzkloster gesehen zu haben, angethan mit Tiara und
Pallium, fügt aber hinzu : 0, wie viel Nichtigkeit liegt doch
in diesen Dingen. Auch ein Prognostiken, einen astro-
logischen Kalender i^i), macht er einmal dem Abte zum
Geschenk, um dessen Gunst sich und dem Urban zu er-
halten. Oft rühmt er den Abt als einen guten, humanen,
gefälligen Mann und erkennt an, daß er durch das Kloster,
nämlich durch Übersendung von Fleisch und Fisch, Butter
und Käse, Bauholz und Brennholz, aber vor allem auch
durch die ihm geliehenen Bücher und die dort angestellten
Klosterlehrer vielen Nutzen habe. Das wird aber auch so
ziemlich alles sein, was man aus den vorhandenen Quellen
Lobenswertes für den Abt herausfinden kann. Zwar hören
wir wohl, wie Mutian den Abt als sacratissimus et
generosus, als reverendissimus, als humanus et facilis herus,
als vir optimus, amatissimus abbas u. s. w. bezeichnet, aber
solch ehrende Prädikate sind nicht immer ganz ernst ge-
meint. Wenn Mutian d*en Abt einmal lobt und rühmt,
dann ist jedesmal irgend eine That vorausgegangen, durch
welche der Abt dem Mutian eine Bitte erhört, einen
Wunsch erfüllt, dem Urban eine Gefälligkeit erwiesen hat.
Sehr zahlreich sind nun aber die harten Urteile, die
Mutian über diesen Kirchenfürsten in Georgenthal fällt.
98) GiUert, No. 419; Krause, No. 407.
99) Gillert, No. 429; Krause, No. 410.
100) Gillert, No. 16 u. 20; Krause No. 21 u. 32.
101) Gillert, No. 456; Krause, No. 334.
78 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Schon das- hat er an ihm auszusetzen, daß der Abt schlecht
Latein versteht, er erzählt einmal, er habe ihm einen
Brief i°2) geschrieben aber hui ! paulo latinius, hie utor idio-
mate vernaculo und spielt damit auf das geringe Maß
humaner Bildung an, das der Abt besaß. Vom Jahre 1508
an, nachdem der Abt angefangen hat, (Jem M u t i a n nicht
mehr jeden Wunsch zu erfülllen, wird 6r in den Briefen
immer „Duronius" genannt. Ganz besonders aber hat
Mutian zu klagen über den schlechten Umgang, den der
Abt mit nichtsnutzigen Menschen pflegt, und über die
wilden Trinkgelage, an denen er seine Freude hat.
„Bibas" wird er daher oft von Mutian genannt. Unglück-
licherweise hatte der Abt gerade mit den Männern am
meisten Verkehr, die die erbittertsten Feinde M u t i a n s
waren. Die Domherren Kötteling, Morch und Lindenor,
der Töpfermeister „Figulus" in Gotha und der Beamte
des Nonnenklosters Bartholus, „von der Mistgrube zum
Herde der Vesta emporgehoben", das sind die intimsten
Freunde des Abtes, und von diesen Männern weiß Mutian
sehr viel Böses zu erzählen. Er ist traurig darüber ^°3),
daß der Abt, trotz aller Warnung, solch unwürdigem Um-
gang nicht entsagt, er sei aber leider taub, möge sich
aber hüten, daß er nicht über kurz oder lang zu Fall
komme, welch lächerliche Rolle werde er dann spielen,
wenn nun alle seine Zechbrüder herbeigelaufen kämen zur
Hilfe und würden ihm doch nicht helfen können. „So
sehr sind die Äbte unserer ^o^) Zeit degeneriert."
Gleichen Tadel spricht auch IJrbani*^5^ über den-
Abt aus, wenn er demselben Schuld giebt, nur deshalb
wolle der Abt ihn aus dem Kloster weg haben, damit er
selbst dann um so dreister prassen und zechen könnte und
102) Gillert, No. 6; Krause, No. 12.
103) Gillert, No. 16; Krause, No. 21.
104) GiUert, No. 56; Krause, No. 82.
105) Gillert, No. 122 b; Krause, No. 116.
zur Zeit der Reformation. 7J)
die schlauen Schmarotzer, wie Drohnen umherschVärmeud,
desto ungehinderter im Kloster sich breit machen könnten,
um Mutwillen zu treiben, „doch über den entarteten und
thörichten Duronius wird ein überaus scharfer Reformator
kommen, dann wird der Abt zu spät wünschen, die schmach-
vollen Thaten ungeschehen zu machen". — Hart urteilt
Mutian über die traurigen Zustände, die in dem Kloster
unter einem solchen Abte herrschen. Dieser Hirte, sagt er,
habe kein Salz, Herebord, der Klosterlehrer, biete der
Herde wohl ein wenig Salz an, aber die krank danieder-
liegende Herde wolle daran nicht lecken, hat einen Ekel
vor den rechten Studien." Die Schmeichler dringen bis an
das Ohr des Abtes mit ihren bösen Schmeicheleien, niemand
versteht den Weizen von dem Unkraut, das Wahre von
dem Falschen, das Gute von dem Bösen zu scheiden, nicht
eine Genossenschaft von Mönchen, sondern eine Genossen-
schaft von Drohnen, von Räubern ist das Kloster.''
Bei den Zechgelagen, die gehalten werden, sucht man
ürban und Mutian bei dem Abte anzuschwärzen, als
einmal der Abt mit seinen Kumpanen eine große Zecherei
abhielt, als es sich zeigte^''''): „Gleich und Gleich gesellt
sich gern" und: was der Gott Bacchus zusammenfügt, das
soll der Mensch nicht scheiden", da haben sie gesagt :
„Mutian US helt keyn messe, Urbanus ist auch ein poete."
Darum hofft denn nun auch Mutian, daß auch dem Abte
jenes scharfe Edikt der Fürsten „gegen die gotslästerung
vnd das unfledig zutrinken" zugegangen sei, „denn das
Trinken schändet die Deutschen und die anderen Nationen
bezeichnen das Zutrinken als einen unserer Nation eigen-
thümlichen, häßlichen Mackel" .
Mit Wein ist bei dem Abte viel zu erreichen. „Wenn
der Abt zu mir kommt ^°^), dann will ich ihm eine Flasche,
106) GUlert, No, 124; Krause, No. 111.
107) Gillert, No. 213; Krause, No. 220.
108) GiUert, No. 266; Krause, No. 257.
109) Gillen, No. 338; Krause, No. 230.
80 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
nein drei Flaschen Wein vorsetzen und mit ihm trinken,
imo vomam, damit er uns nur wieder lieb hat und uns
nicht von sich stößt."
„Zwei Tage lang hat der Abt in Grotha gezecht. Wir
haben unser, er hat sein Vergnügen ^i^). Mich hat er nicht
dazu eingeladen, aber wohl den Tigi^ilus, seine Wonne,
das ist einer aus der Hefe der Menschheit." — „Ich be-
grüße m) den Abt nicht gern, wenn er in Gotha ist, denn
Pigulus, der Schmutzige, beschmutzt alles mit seinen
unzüchtigen Witzen, mit solchen Zechbrüdern erfreut sich
der, der über die heiligen Sitten wachen sollte." —
„Glaube ^^^) mir, ich würde den Abt öfter besuchen, wenn
mich, nicht etwa bäurische Scham, sondern eine Scheu, wie
sie einem guten und gebildeten Mann geziemt, nicht gleich-
sam zu Hause begrübe. Aber ich werde doch wagen, frei
unter den Schlemmern und Schmeichlern mich zu bewegen,
oder wenn dem Philosophen der Zugang, durch den Haufen
der Zecher versperrt, nicht offen steht, so werde ich durch
fremde Hand so viel Bier und Wein auftragen lassen, ut
Fauno Satyrisque venter et quae sub ventre sunt, tumeant."
— „Ich weiß nicht ii3j^ -^^g der Abt für ein Mensch ist, ob
er ein Verschwender oder ein Geizhalz ist. Fremden giebt
er. Ich habe einst gehört ^i*), als er abends Gotha, voll-
getrunken und schwankenden Schrittes , verließ , da hat
B r e n g bii e r (ein gothaischer Ratsherr) hinter seinem Rücken
gesagt: „Das schat mir ein Bodem", damit wollte er sagen,
wenn der Abt geblieben wäre, dann hätte ich noch von
ihm inter pocula tausend Bretter erhalten. „Neulich hat
er hier tapfer pokuliert, mich hat er nicht eingeladen, für
die Seinen sorgt er schlecht, aber der verfluchte Figulus
und der dumme Prätor vermögen alles."
110.) Gillert, No. 353; Krause, No. 333.
111) Gillert, No. 461; Krause, No. 443.
112) Gillert, No. 524; Krause, No. 506.
113) Gillert, No. 134; Krause, No. 119.
114) Gillert, No. 509; Krause, No. 512.
zur Zeit der Reformation. 3X
Mutian klagt oft darüber i^^), daß der Abt ganz und
gar unter der Gewalt dieser seiner unwürdigen Zechge-
nossen stehe, der Abt ist das, was die „Lotianer" (die
Anhänger des Lotius, wie Kötteling immer genannt wifd)
aus ihm machen. — „Mit unserem Einfluß ^^^) auf den Abt
ist es aus, nichts weiß jetzt Urbanus mehr, nichts kennt
Mutian, wir sind nichts mehr, Morchus aber ist beredt
der ist weise, der ist der vorzüglichste, der hervorragende
Mann."
„Duronius^^'') hat seine Freude an üppigen Mahl-
zeiten, er ladet Schauspieler und Possenreißer ein, die leicht-
sinnigsten Menschen, die sind seine Wonne. Was ist das
anders als die reinste Sklaverei. Er hat nicht gelernt, was
es heißt, mit gebildeten, braven, liebenswürdigen Menschen
verkehren. Leute wie Eigulus und die Zitherspieler
mögen in die Unterwelt verstoßen werden. Was soll ich
von Bartholus sagen? Zu dem Urteil dieses Narren
nimmt er seine Zuflucht wie zu einem Heiligenbilde, den
verehrt er wie die Ägypter das Krokodil. Lotius über-
redet ihn zu allem, was er will. Morus (Morch) ist
diesem Priester der liebste. Diese beiden räudigen Übel
herrschen in Georgenthal. Der Abt gehorcht, nein er ist
ein Sklave .... Damit aber diese Leute uns nicht ganz
und gar auf die Seite schieben, werde ich mir die Gunst
des Abtes zu erhalten suchen um jeden Preis."
Als einst der Abt den Urban daran gehindert hat,
Bücher in Leipzig zu kauftn, da ist Mutian sehr auf-
gebracht und schreibt an Urban^i^): „Ja, Duronius ist
daran schuld, nicht Du, Duronius, denn groß ist nicht
nur dessen Übermut (insolentia), das ist ja ein Familien-
fehler (familiäre) der Äbte unseres Zeitalters, das Brod
Christi macht ja mutwillig, groß ist auch seine Blindheit
115) Gillert, No. 282; Krause, No. 278.
116) Gillert, No. 338; Krause, No. 230.
117) GUlert, No. 385; Krause, No. 369.
118) Gillert, No. 387; Krause, No. 373.
XXI.
82 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
und Thorheit, die sich darin zeigt, daß er denen glaubt
denen sonst niemand glaubt. Ich kann mich kaum des
Schimpfens enthalten, nur eines stoße ich wie ein Betrunkener
heraus (ich habe nämlich auch stark gezecht): Nichts ist
es mit der klösterlichen Heiligkeit (sanctimonia), und wenn
dieselbe etwas bedeutet, so bedeutet äie Unbesonnenheit
und Heuchelei, Scheinheiligkeit und Verstellung. Von der
Unsinnigkeit und Unflätigkeit und mannigfaltigen Prahlerei
will ich gar nicht reden. Bald prahlen sie mit mönchischer
Armut, bald mit irgend einer anderen Sache, für die sie
Beifall verlangen, man kann nämlich auch mit häßlichen
und schändlichen Dingen prahlen, nicht nur mit herrlichen
und erhabenen."
Daß Mutian beim Briefschreiben bene ebrius ge-
wesen, gesteht er öfter ein, er lebte vielleicht nach dem
Grundsatz, den sein Schüler, der allezeit trinklustige Dichter-
könig Eobanus Hessus, in seinem Buch „Von der Er-
haltung der Gesundheit" aufstellt: „häufiger Rausch sei
schädlich, ein seltener jedoch heilsam." Mutian besaß
einen Weinberg in der Nähe von Erfurt, allzu schmackhaft
muß die dortige Kreszenz aber wohl nicht gewesen sein,
denn als er einmal Gäste zu Tisch geladen hat, läßt er sich
für dieselben Malvasier kommen, den er aus Erfurt bezieht.
Für den geringen Wert des Weines, der auf Thüringens
Bergen wuchs , spricht auch der Umstand , daß , als in
den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts nach Walters-
hausen der Pfarrer D r a c o ^^^), von dem wir später noch
hören werden , aus Franken übersiedelte , derselbe nicht
nur einen schweren Wagen voll Bücher, sondern auch
eine stattliche Anzahl von Fässern voll Frankenweines
mitbrachte.
Ein Bruder des Abtes Johannes von Spitznase,
Heinrich von Spitznase i^O)^ -^^ar im Jahre 1520 Propst
119) Zeitschrift f. Thür. Gesch., Bd. VII, S. 223.
120) Kein: Thur. Sacra, Kloster Ichtershausen ; Weimar 1863,
S. 33.
zur Zeit der Reformation. 33
in dem Cistercienser-Nonnenkloster zu Ichters-
hausen. Ob es demselben in Ichtershausen in wirksamerer
Weise als seinem Bruder in Georgenthal gelungen ist, Ordnung
unter den seiner Pflege Anbefohlenen herzustellen, kann
ich nicht melden; daß aber dort viel zu bessern war, ist
sicher. „Als^^ij i486 infolge einer angeordneten Reformation
die Disciplin verschärft werden sollte, da haben die adligen
Nonnen in Ichtershausen förmlich rebelliert. Der Beicht-
vater Konrad Ottonis ist genötigt gewesen, einen ge-
heimen Panzer anzulegen, und mehrere Nonnen sind zur
Strafe und Besserung in fremde Klöster gebracht worden:
2 nach Eisenach, 2 nach Gotha und 2 nach Erfurt. Viel
scheint das aber nicht gefruchtet zu haben, denn 1504
fühlte sich der Beichtvater dort gedrungen, eine außer-
ordentliche Visitation durch den Abt von St. Peter in
Erfurt zu beantragen."
Wie es nun mit den Pfarrern auf dem Lande
stand, darüber giebt Aufschluß das Protokoll, das My-
co n i u s aufgestellt hat ^^^) über die von ihm in Verbindung
mit dem Pfarrer Dr. Draco in Walterhausen und dem
Amtmann zu Tenneberg D i t z m a n n Goldacker im Jahre
1526 von Mitfasten bis Ostern mit den Pfarrern in der
Pflege Tenneberg vorgenommene Visitation. Zu dieser Pflege
gehörten folgende Orte: Sundhausen mit 2 Pfarrern,
Wahlwinkel, Hörseigau, Teutleben, Ülleben, Pröttstädt,
Leina, Asbach, Trügleben, Laucha und Boilstädt. Die drei
oben genannten Visitatoren ließen aus diesen 11 Ortschaften
auf jeglichen Pfarrer 2 Mann fordern, denen bei ihren
Eiden und Pflichten geboten wurde, „daß sie uns,- das wir
sie fragen, die Wahrheit und nit anders unterrichten sollten.
Aus den nun mitzuteilenden Antworten der vorgeforderten
Bauern und aus den Censuren, die Myconius den einzelnen
121) Rein: Thur. Sacra, Kloster Ichtershausen, S. 12 ff.
122) Allererste Visitationsacta der Prediger im Amt Tenneberg
1526. Im Konsistorialarchiv zu Gotha; s. C. A. H. Burkhardt:
Geschichte der Sächsischen Kirchen- und Schulvisitatioiien S. 12 ff.
6*
34 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Pfarrern giebt, sehen wir : Unter der Landgeistlicbkeit hat
evangelischer Sinn nur langsam sich eingebürgert. Die
meisten Pfarrer aus der papistischen Zeit „hingen den
Mantel nach dem Winde," „stellten sich fast alle, als
wollten sie gut evangelisch sein", im Grunde aber „kunten
sie sich in die neue Sach' nit gericht", einzelne bekundeten
offen, „die Sach' gefiele ihnen nichts, wenn sie was redeten
und thäten, geschehe es wider das Gewissen", wieder
andere „wollten nicht Evangelium haben", weil sie sich
vor ihren Junkern fürchteten, auch gab es Pfarrer, die
wuiiten nicht mehr aus noch ein, „wurden gar kleinmutig
und bestürzt, als wollt und sollt das heilige Evangelium
gar umkahrt und verbotten sein."
Über den „Oberpfarrer" in Sundhausen Johann Renner
sagen die „Gesandten": „Hat alleweg Messe gehalten, Vigilien,
E-eginam, geweiht, gesprengt, lateinisch getauft bis auf nächst
Weihnachten, da es der Amtmann von des Kurfürsten wegen
verboten hat, sonst hätt' er vielleicht noch nit abgestanden.
Sagt das Evangelium nach dem Text, legt's aus, so ihm's
gefällt. Ist viel Klag' und Unwillens, auch Ärgernis über
ihn von Anderen, die in andere Kirchen zum Evangelium
gehen. Tauft deutsch und Lateinisch, danach der Mann
haben will, das dienet dann zu Uneinigkeit. Hat vor Weih-
nachten noch die Kranken geölt, allweg Sacramentum
unter Einer Gestalt geben. Der ist fast der ärgst und
zornigst Papist in der ganzen Pflege, ärgert viel, habet
scortum et liberos."
Myconius fügt hinzu: „Ist bisher der heftigst Feind
und Verlästerer der Lehre des Evangeliums gewest, allein
aus Zwang muß er Lästern ja öffentlich laßen. Weiß weder
von Sünde noch Gesetz, Verheißung, noch Evangelium, be-
kundet selbst, er könnt' in die neue Sach' sich nit gericht,
gefällt ihm nichts, wenn er was redet oder thut, geschieht's
wider sein Gewissen."
Von dem Pfarrer Johann Timbich in der Unter-
pfarre zu Sundhausen sagen die Bauern : „Ist nit tief, sondern
zur Zeit der Reformation. 85
seicht gelehrt, doch nimmt er nichts wider das Evangelium
für. Hat doch nun ein Jahr lang einen frommen Priester
von Gotha, läßt das Evangelium seinen Völklein predigen
selbst aber, in eigener Person, ist er nit geschickt solches
zu thun. Das Leben könnte man dulden, aber Verstand und
Lehre ist noch nit da." Myconius urteilt: „Ist ungelehrt,
hat einen einfältigen Verstand von Hörensagen auf etliche
Punkt der evangelischen Lehre, aber zu lehren ist er zu
schv^ach, denn die Gab' hat ihm Gott nit geben. Ist aber
dem Evangelium nit entgegen, wie er sich hat merken
lassen, hat er nun ein Jahr durch einen Gemietheten predigen
lassen, daß die Bauern nit klagen dürfen. Will uxorem
haben, nit scortum."
Die Männer von Wahlwinkel gaben ihrem Pfarrer
Matthes Treyse ein gut Gezeugnis von Lehre und Leben,
seien wohl zufrieden, lassen sich genügen an dem, das Gott
durch ihn giebet. Ist ehelich worden. Myconius hat
ihn in seiner Beurteilung übergangen.
Von dem Pfarrer in Hörseigau Ciliax Zan sagen die
Gesandten : „Ist gelehrt, thut Fleiß bei dem Evangelium, hat
viel der neuen Büsher, hält alle Dinge nach dem Evangelium,
hat keine Köchin, auch kein ehelich Weib, haben gar kein
Gebrechen, allein trinkt zu Zeiten zu sehr." Mykonius
sagt am Schluß seiner Beurteilung: „Der anderen Pfarrer
seien Etlich besser: als Herr Ciliax zu Hörseigau, den
hat der Doctor (Draco) fxaminirt."
Der Pfarrer Johann Westhausen in Teutleben
empfängt von seinen Leuten folgendes Zeugnis : „Ist ehelich
worden, das Leben ist zu leiden, aber die Lehre ist ja aus
dem Evangelium, aber mit allzuköstlich." Myconius ist
noch weniger von diesem Manne erbaut, denn er sagt:
„Ist ungelehrt, hat keines Punktes gewissen Verstand, daß
er ihn kräftig lehren, oder aus göttlichem Munde beweisen
könnt. Ist neulich ehelich worden, hat doch den Namen
gut evangelisch. Aber, Herr Gott, wo bleibt sana doctrina
86 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
vor die kranken, siechen, zerbrochenen Herzen. Ja, wer
zeigt denen an, daß sie krank, siech, zerbrochen sind?"
Über den Pfarrer Kuntz Salzmann in Ülleben
geben die Bauern ein sehr wenig günstiges Urteil ab:
„Hat seine Köchin vor ein Jahr, da die Bauern aufstunden,
vorgeben sie zu ehelichen, ließ sich zu Gotha aufbieten, da
aber die Bauern gestillet wurden, hat er sie bisher noch
nit zur Kirche geführt, hält es das Volk noch für Huren-
volk, doch will er's bald nach Ostern ehelichen. Wenn es
wohl steht, gibt er sich gut evangelisch für, so bald ein
wenig ein Gerücht kommt, fallt er herum, ist dawider. Ist
papistisch und evangelisch, wie ihm der Mann für kommt.
Sein Volk läuft gen Gotha zur Predigt. Ist ganz ungelehrt."
Myconius stimmt diesem Urteil zu und fügt noch bei,
„Ungelehrt und weiß doch selbst nit, daß er ungelehrt ist,
kunt fast auf die oben angezeigten Punkte Keines geantwort,
gab darnach für, der Bischof hab ihn examinirt, das sollt
man genugsam sein laßen, es wäre übereilt, hat keine Bücher,
daraus er unterrichtet werden möchte, wankt hin und wieder:
für Etlich evangelisch, für Andere dawider. Ist kein wahrer
Grund da, sagt doch er woll' studiren."
Der Fröttstedter Pfarrer Jörg Hock hat mehr Gnade
bei seinen Leuten gefunden: „Lehrt das Evangelium, gibt
das Sacrament zu Zeiten in Einer, zu Zeiten in beiden
Gestalten. „Lebet sonst gut genug. Myconius stimmt
im ganzen zu: „Hat Verstandes genug von der Summa
christlicher Lehre, aber er hat zu Zeiten merken laßen,
daß er wollt den Mantel nach dem Winde hängen. Sed ,
potens est Deus stabilire illum."
Der Pfarrer in Leina Er. Bastian stand in keinem
guten Rufe in seinem Dorfe: „Ist nit gelehrt, geht lieber mit
Vogel- und Waidwerk um, denn mit Studiren. Das Leben
ist so hin. Gibt für, sein Köchin sei sein Weib, wir
wissen's aber nit. Er ist nit allzutüchtig zu solchem Amt.
Ist dazu ein Miethling, die Pfarr ist aber eines Papisten zu
Erfurt, Johann Rudolfs, dem muß er Pension geben."
zur Zeit der Reformation. 87
Myconius urteilt noch schärfer: „Hie omnino nihil valet,
sehr ungelehrt, fast nichts gewußt von allen Punkten der
summa fidei, geht mit Jägerei um, ist dazu ein Miethling,
die Pfarr ist eines Thumbherren zu Erfurt. Ich weiß mit
meinem Gewissen ihm nit Christi Schaf zu befehlen. Gott
gebe dem mehr Verstandes von Glauben und Christo. Gott
aber will nit immer Mirackel thun."
In Asbach saß der Erzpriester Lorenz Propel, mit
dem ist es aber ganz traurig bestellt gewesen : „Ist ein alter
Pfaff, lehrt so wohl er's vor Alters gelernt hat, ist der neuen
Lehr allweg entgegen gewest. Gibt Tauf und Sacrament
nach alter papistischen Weise. Wenn er schon viel kunt,
kann er's nit gesag, noch gereden, lehrt uns nichts von
Christo, Glauben oder was es sei würde oft so
irre im Evangelium, daß er selbst nit weiß, was er sagt,
Summa: Er gefiele ihnen gar nit, seien übel versorgt, be-
gehrt, wie sie sagen, eine ganze Gemeine, daß sie einen
besseren hätten, wenn ihnen Gott durch die Obrigkeit so
gnädig wäre und wollt ihnen einen anderen geben. „My-
conius ergänzt das Urteil noch, in dem er sagt: „Ist
ehelich worden, aber ehelich werden, ist nit genug zu
einem Pastor und Lehrer der Gewissen, macht die Anderen
nit heil von Sünden. Hat nie etwas Rechtes gelesen, sagt
contritio et satisfactio wäre die Kunst Sünden zu trösten,
daß sie ihrer Sund' ledig würden. Ist ein alter Mann,
übel beredt, begehrt die Gemeine einen anderen wo
möglich." *
Von dem Pfarrer Johann Schilling in Trügleben
sagen die Gesandten: „Er lenkt sich ja nach dem Evangelium,
wenn er's gewissen Verstand hätt. Ist nit wohlgelehrt,
predigt ja Evangelium, so gut er vermag, ist ehelich; des
Lebens halber haben sie keinen Mangel. „Myconius setzt
hinzu: „Ist ehelich, aber ungelehrt, studirt nit, hat keinen
gewissen Verstand noch Grund können anzeigen von ob-
genannten Punkten und Summa christlicher Lehre, giebt
sich doch überall vor evangelisch aus."
88 Kirchliches u. Boziales Leben im Herzogtum Gotha
Die Leute aus Laue ha sagen: „Es habe sie der Junker
Andres von Teutleben zum ersten nit wollen kommen
lassen, bis der Hauptmann kurfürstlichen Befehl anzeige. Sagen
mit großer Furcht ihres Junkers, sie hätten nit großen Ge-
fallen an ihm. Hält alle Sonntag lateinisch Messe. Halte
Alles das wie vor, allein neulich hat er^ angehoben deutsch
zu taufen, doch macht er's auch zu Zeiten lateinisch, wie
man's haben wollt. Hängt den Mantel nach dem Wind.
Waren die Leutlein recht traurig, sprechen, was sollen wir
sagen, wenn nit unser Junker dazu rät. Der Pfaff hat noch
seine Köchin und seine Kinder. Ist papistisch und evan-
gelisch." Myconius setzt ergänzend hinzu: ,,Hat etwas
Verstand vom Evangelio, aber sein Junker Endres von Teut-
leben will nit Evangelium haben, so macht's damit Pfaflf wie
sein Junker und des Junkers seine Vettern, welche Thumb-
herren sein zu Hildesheim. Hat noch seine Köchin, mit
der sei er in Unehe, hält noch die Ölung. Ist kein Grund
da noch zur Zeit, daß er Andere lehren sollt den Grund
der Seligkeit in Christo und sein Wort."
Über Pfarrer Johann Engel in Boilstädt sagen
die Bauern: „An dem habe die arme Gemeine alleweg großen
Mangel gehabt, hat alle Dinge gemacht und gehalten wie
es sein Junker hat haben wollen, Cuntz von Lissa
Ist gar ein Papist, eines bösen Lebens, von Grund un-
gelehrt, begehren, daß sie einen Anderen hätten. „M|yconius
urteilt: „Johann Engel zu Boilstädt taugt doch gar nichts
weder im Verstände, noch Leben und Lehre. Ist Cuntz
von Lissa 's Pfarrer gewest. Soll noch das arme Volk
weisen."
Es sind unfertige Zustände, die uns hier entgegen-
treten, an den Alten war mächtig gerüttelt, ja es war
teilweise völlig über den Haufen geworfen, aber das Neue,
das an die Stelle des Alten treten sollte, war noch so total
unfertig, daß es den alten Pfarrern wirklich nicht allzusehr
verübelt werden darf, wenn sie sozusagen Flur-irre wurden,
wenn sie statt, alsbald mit Begeisterung für Luther und
zur Zeit der Reformation. 89
sein Werk einzutreten, vielmehr zuerst noch in betrübten
EUagen ihren bedrückten Herzen Luft machten. Zwei Bei-
spiele mögen die Unfertigkeit der damaligen Zustände illu-
strieren :
Am Bartholomäustage lB25i23j schickte der Pfarrer zu
Eischleben einen Boten an den Pfarrer Kisewetter in
Erfurt, denn „er und etliche andere Priester waren gar klein-
mutig und bestürzt worden, als wollt und sollt das heilige
Evangelium gar umkahrt und verbotten werden. Sie wollen
nun gern Auskunft haben über den Verlauf einer Ver-
sammlung, zu der der Kurfürst die ganze Priesterschaft des
Weimarischen Amtes, dazu auch etliche Pfarrer aus Erfurt
nach Weimar berufen hatte. Auf dieser Versammlung war,
so lautet die Antwort des Pfarrers Kisewetter, den
Pfarrern befohlen worden durch zwei Predigten, die man
ihnen gehalten hatte, das Wort Gottes und Evangelium
lauter und rein zu predigen, ohne allen Zusatz und Ein-
mischung menschlicher Lehre, und zu einem ehrbaren christ-
lichen Leben waren sie ermahnt worden. Dann mittags
hat im Beisein des Kurfürsten und anderer hoher Herren
der Ritter und fürstliche Rath Friedrich vonThun ihnen
eine Rede gehalten, in der er sie ermahnte, in diesen ge-
schwinden Läufften das Wort Gottes lauter und rein zu
predigen. Es soll sich niemand entschuldigen, als wisse
er's nit, oder hab's nit gelernt, wer es nit kann und will
doch solch Amt verwesen, der soll es von denjenigen lernen,
die es wissen. Verächter und Leichtfertige in den Dingen,
so Gott und sein Wort betreffen, wollen Ihrer Fürstlichen
Gnaden in ihrem Fürstenthum und Herrschaft nit wissen.
Auf diesen mündlichen Befehl werde baldigst, in kurzen
Tagen unser gnädiger Herr ein Reformation oder Ordnung
zurichten und durch den Druck an den Tag geben, wie
man sich mit Singen, Lesen, Messhalten und in anderen
Sachen oder Ceremonien allenthalben halten soll, und die
123) Eudolfi : Gotha Diplom, I. Theil Kap. XV, § 18, S. 149 f.
90 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Statthalter und Amptleute werden dafür sorgen, daß diesem
Befehl wohl Folgung geschehn soll und muß. Darauf werden
die Pfarrer entlassen. Da haben aber etliche Grobe und
Ungelehrte aus der Priesterschaft glorirt und sich gerühmt
und zu den Andern gesagt: ja man hat uns dennoch nit
verbotten Vigilien und Seelmeß zu halten, Salz und Wasser
nit zu weihen und dergleichen. Um Klarheit in die Sache
zu bringen, werden auf Antrieb des Pfarrers Kisewetter
am Nachmittag sämmtliche Pfarrer noch einmal ins fürstliche
Schloß zu Weimar gefordert, und den ungelehrten und un-
verständigen Tröpfen wird geboten, daß man auch in den
Ceremonien es halten soll in aller Form, wie man hie zu
Weimar und in anderen Orten es nach der Schrift hält."
Ob dadurch nun sofort wirklich volle Klarheit in der Sache
geschafft worden ist, möchte ich noch bezweifeln.
Am Sonntag nach Purificationis 1527 schrieb Dr. Luther
an den Kurfürsten ^^^) : „Es klagt Dr. Johann Draconitis
in Waltershausen, wie er sich mit den Leuten treiben müße,
so ihm sollen zinsen und bitt mich an Ew. kurfürstlichen
Gnaden zu schreiben, daß Ew. kurfürstlichen Gnaden wolle
verschaffen, daß ihm nicht noth sei so zu treiben, denn es
ärgerlich ist, als sei es Geiz, so es doch Noth ist. Ich tröste
sie aber alle mit der zukünftigen Visitation. Aber es wird
mir lange, und sagen auch etliche große Hanßen, sie werde
nachbleiben.
Wo dem so ist, so ist's mir mit Pfarrhen, Schulen und
Evangelio in diesem Lande aus, sie müßen entlaufen, denn
sie haben nichts, gehen und sehen wie die Geister, doch-
davon anders Mals weiter, Ew. Kurfürstliche Gnaden werden
sich wohl wissen zu haben."
Als Dr. Luther 10 Jahre früher sein Reformations-
werk begonnen hatte und seine 95 Thesen schier in 14
Tagen durch ganz Deutschland liefen, da werden sie auch
im Gothaischen bekannt geworden sein, und ein Mann war
124) Zeitschrift f. Thür. Geschichte, Bd. VII, S. 225.
zur Zeit der Reformation. 91
hier, der sicherlich auf diese Thesen und auf die von den-
selben ausgehende gewaltige Bewegung mit großem Interesse
«gehorcht haben wird. Das war Wiegang Güldenapf ^^5)
Pfarrer zu Waltershausen, denn derselbe war vor Zeiten
Luthers Lehrer — wohl in Eisenach — gewesen und
aus dem freundlichen Tone, mit dem 1526 Luther über
diesen Waltershäuser Pfarrer schreibt, darf man wohl
schließen, daß der Lehrer von vornherein in dem reformato-
rischen Kampfe auf seiten seines großen Schülers gestanden
haben wird. Güldenapf stand mit seinen Waltershäuser
Pfarrkindem gerade nicht auf bestem Fuße, 1523 ließ er sich
pensionieren, denn die Leute in Waltershausen hatten es
ihm gewaltig übelgenommen, daß er von der Kanzel herab,
über den Handel und Wandel der Bürger klagend, gesagt
hatte, es müßten zwischen den Häusern der Krämer und
der Fuhrleute Mauern aufgerichtet werden. Als man ihm
nun aber seine Pension schuldig blieb, da machte sich der
alte Mann 1526 auf die Reise und wanderte nach Witten-
berg und bat Dr. Luther um Hilfe und Beistand. Darauf
schrieb Luther an den Kurprinzen Johann Friedrich
einen Brief, an dessen Schluß es heißt 126); ^Weil er denn
mein Schulmeister gewesen und ich wohl schuldig wäre
ihm alle Ehre zu thun, bitte ich, Ew. fürstlichen Gnaden
wollen meinem Schulmeister nicht laßen solch' pflichtig
Geld verfallen, sondern gnädig verhelfen, daß er nicht müße
in seinen alten Tagen betteln gehn. Hiermit Gott be-
fohlen. Amen!"
Ob Dr. Luther auf seiner Reise nach Worms 1521,
als er von Reinhardtsbrunnen aus, wo er sein Nachtlager
gehalten haben boU^^'^), über Waltershausen nach Eisenach
zog, seinen alten Lehrer in Waltershausen begrüßt hat, kann
ich nicht melden, möglich wäre es ja schon. Nach einer
125) Zeitschrift f. Thür. Geschichte, Bd. VII, S. 221.
126) ebendaselbst S. 225.
127) J. H. Merle d' Aubign4: Geschichte der Reformation im
16. Jahrh., Stuttgart 1861, Bd. II, S. 217.
92 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Waltershäuser Chronik ^^^) soll Luther in einem Hause-
auf dem Waltershäuser Markte logiert haben, „als er zur
Zeit der Reformation hier verweilte". Wenn dieselbe Chronik
erzählt, „daß Luthers Bruder Georg (?) bei der Gefangen-
nahme Luthers zwischen Altenstein und Ruhla, geängstigt
um seine eigene Person und bemüht, die^ Schreckenskunde
schnell um Hilfe zu verbreiten, nach Waltershausen geeilt
sei, in einem Eckhause am Markt Zuflucht gefunden und
alsbald berichtet habe, was seinem Bruder begegnet sei,
aber von dem dortigen Pfarrer Wiegang Güldenapf
damit getröstet und beruhigt sei, daß der Bruder in ganz
guten Händen und geborgen wäre", so ist dagegen zu be-
merken, daß derjenige, der bei der Gefangennahme floh,
kein Bruder Luthers war, denn Luther ist auf seiner-
Reise nach Worms von keinem seiner Brüder, weder von
Jacob, noch von Georg (?) begleitet gewesen. Der „Bruder",
der mit ihm reiste, war vielmehr ein Augustinerbruder
Luthers, Namens Pezensteiner i29). Qb dieser Pezen-
Steiner vielleicht nach Waltershausen geflohen ist und-
Trost bei dem dortigen Pfarrer gefunden hat, darüber ver-
mag ich Sicheres nicht zu berichten.
Von gothaischen Grafen, Herren und Rittern mußten
mit den Herzögen von Sachsen 1521 mit nach Worms
reiten ^^^) : „BurckhardtHund, Amtmann zu Gotha. Er
Georg und Wilhelm vonHopffgarthen zu Heyneck,
soll einer ihrer Söhne reiten, so es ihnen ihrer Person
halben ungelegen. Friedrich von Wangenheim zum
Winterstein. Hans von Wangenheim, oder seiner
Söhne Einer. Einer von S e e b a c h zu Fahnern. Gangolf f
von Witzleben, Amtmann zu Wachssenburg. Burkhart
von Wangenheims gelassen Söhne Einer. Graf
Philipps oder Graf Ernst von Gleichen, Graf
128) Dr. C. Polack : Waltershäuser Chronik, Waltershausen 1854,
S. 147.
129) J. Köstlin, Martin Luther, Berlin 1889, S. 465, cf. S. 801,
Anmerkung zu S. 465 und Anmerkung 2 zu S. 439.
130) Ztschft. f. Thür. Geschichte, Bd. IV, S. 141 f.
zur Zeit der Reformation. 93
Siegmunds Sohn zu Tonna mit 5 Pferden. Als Amt-
leute bleiben daheim Hans Metzsch und Dietzmanu
Ooldacker."
Der dritte Nachfolger Wiegand Güldennapfs in
dem Pfarramte zu Waltershausen war Dr. D r a c o ^^^), ein
entschiedener Anhänger Luthers. Als der Reformator
1521 auf der Reise nach Worms in Erfurt seinen Einzug
hielt, da hatte D r a c o , obwohl er ein Kanonikat an der
St. Severikirche in Erfurt besaß, aus seiner Begeisterung
für Luther kein Hehl gemacht. Das sollte er aber schwer
büßen. Schon am Tage nach Luthers Abreise, als D r a c o
zur bestimmten Stunde in seine Kirche eintrat, wies ihn
der Dechant in beschimpfender Weise aus dem Chore hin-
weg, soll ihm sein Chorgewand vom Leibe gerissen und
ihn zur Kirche hinausgestoßen haben. Bald darauf verließ
D r a c 0 Erfurt und ging nach Wittenberg, war eine Zeit
lang Pfarrer zu Miltenberg in Franken, kehrte noch einmal
nach Wittenberg zurück und kam auf Empfehlung Luthers
1624 als Pfarrer nach Waltershausen. Um diese Zeit klagt
M u t i a n , der mit D r a c o von Erfurt aus viel verkehrt
hatte, daß dieser sein langjähriger Freund von dem huma-
nistischen Bunde nun auch zu den Lutheranern abgefallen
sei^^^j. In Waltershausen, wohin Draco, wie wir schon
hörten, mit vielen Büchern und gutem Frankenwein ge-
kommen war, wo er, wie wir ebenfalls schon hörten, mit
seiner Besoldung viel Not hatte, — er hat mit unaufhörlichen
Klagen darüber Luther lind Melanchthon viel Plage
gemacht, — hatte Draco beständig Streit nicht nur mit
den „Schulmeistern", sondern auch mit dem Magistrate.
Nachdem er mit Myconius und Amtmann Goldacker
die Examination und Verhörung der Pfarrer in der Tenne-
berger Pflege abgehalten hatte, ist dieser unruhige, auch
wohl unverträgliche, von Luther vergeblich zur Geduld
131) Ztschft. f. Thflr. Geschichte, Bd. VII, S. 213—234
cf. Krause, Eobanus Hessus, das Register unter „Draco".
132) Gillert, No. 620; Krause, No. 658.
94 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
ermahnte Mann nicht mehr lange im Gothaischen geblieben^
die Waltershäuser haben ihn hinweg geärgert, 1528 zog er
nach Eisenach, wurde später Professor in Marburg und
Rostock, hier wurde er als Antinomist abgesetzt. 1561 — 1564
war er Präsident des pomesanischen Bistums und starb
1566 in Wittenberg. Sein Hauptwerk war die biblia pentapla,
verdient hat er sich auch gemacht durch die Herausgabe
des Eobanischen Briefwechsels.
Zu den Männern im Gothaischen, die das Werk der
Reformation wesentlich förderten, gehört auch ein Mitglied
der von Wangenheimischen Familie. Myconius
erzählt 133): Anno 1524 um das Fest Assumtionis Mariae
bin ich Friedrich Mecum hieher gen Gotha, aus des
Rath's, der Gemeind, des Decani, des Stiifts und Amts Bitt
von Herzog Johannsen zum Prediger verordnet und ge-
schickt worden." Dekan des Stiftes war damals wahr-
scheinlich nicht mehr Gerhard Marschalk von Gosser-
s t e d t , sondern schon Georg von Wangenheim i^*).
Dieser Georg ist einer der Wenigen, die aus der von
Wangenheimischen Familie dem geistlichen Stande
angehört haben; während wir unter den Töchtern dieser
Familie wohl zahlreiche Beispiele des Eintritts in die Klöster
der Nachbarschaft finden, so namentlich auch Äbtissinnen
des Katherinen-Klosters zu Eisenach als dem Wangen-
heimschen Geschlechte angehörig, erscheint vor Georg
nur noch Friedrich IL 1289—1330 als Geistlicher.
Georg von Wangenheim hatte schon in jungen Jahren
vom Abt zu Hersfeld, als dem Patron des St. Marienstifts
in Gotha, die Propsteipräbende bei diesem Kollegiatstifte
erhalten und war, obwohl er noch seinen Studien auf der
133) Myconius, Hist. Eeform., S. 70.
134) Fr. Her. Alb. v. Wangenheim, Beiträge zur FamiUen-
geschichte der Freiherrn v. Waugenheim, S. 64, 358, 368, 398, 400;
ebenderselbe, Eegesten u. Urkunden zu dieser Geschichte, Bd. I,
No. 289, Bd. II, No. 386; Seckendorf, Comment. de Lutheranismo,
Lib. II, XXXVI, B. 102; Lib. III, XXV, S, 70.
zur Zeit der Reformation. 95
Universität Wittenberg oblag, von Seiten des Kurfürsten
in dieser Würde landesherrlich bestätigt worden. Wenn
nun angegeben wird^^s^^ (jaß Gerhardus Marschalcus
de Goserstet Decan in Gotha gewesen sei vom Jahre
1498 — 1524, als Todesjahr dieses Mannes aber 1526 an-
geführt wird 18^), so liegt die Vermutung nahe, daß dieser
vorletzte Dekan des gothaischen Stiftes, der 1477 in Erfurt
immatrikuliert worden war i^^), danach etwa 10 Jahre älter
als Mutian gewesen ist und im Jahre 1524 im Anfang
der sechziger Jahre gestanden haben mag, als nun Ernst
wurde mit der Einführung der Reformation in Gotha, von
seinem Amte zurückgetreten ist und es seinem schon
lange vorher bestimmten Nachfolger, eben dem Georg
von Wangenheim, der Luther und Melanchthon
in Wittenberg gehört hatte, überlassen hat, den Myconius
nach Gotha zu rufen. Wie dem aber auch sein mag,
nachdem Georg 1524 Propst geworden war, ist er bei
der 1528 veranstalteten Visitation mit dem ganzen noch
vorhandenen Personal des Stiftes öffentlich zur Reformation
übergetreten, denn es heißt von den Mitgliedern des Stiftes
„a missis abstinebant et conciones evangelicas admittebant",
hat sich verheiratet und ist „1533 neben Justus Menius,
Friedrich Myconius, Georg von Denstedt und
Johannes Cotta zum Visitator in Thüringen erwählt
worden". Noch 50 Jahre nach seinem Tode wird ihm in
einer Leichenrede auf sÄnen Sohn Hartmann nachge-
rühmt, „daß er ein vornehmer, gelehrter Mann gewesen,
welchen die Churfürsten zu Sachsen neben anderen Diensten
auch sonderlich zu dem hohen Werk der Visitation ge-
braucht, welcher auch den Studirenden viel Gutes erzeigt
und ein Freund der Gelehrten gewesen."
Allen anderen Förderern der Reformation voran steht
nun freilich Friedrich Myconius. Wie er über das
135) Sagittar, Hist. goth., S. 46.
136) [Brückner] Kirchen- und Schulstaat, III, S£. 2, S. 15.
137) GiUert, No. 86, Anmerk. 4.
96 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Werk der Reformation dachte, und in welcher Weise er
vorzugehen riet, damit das Evangelium im Gothaischen
sich ausbreite, ist aus dem schon erwähnten Protokoll
über die Examination der Pfarrer in der Pflege Tenneberg
im Jahre 1526 zu ersehen.
Der Amtmann, an den kurfürstlicher Befehl gekommen
war, mit Myconius und Draco die Pfarrer des Amtes
Tenneberg zu verhören, war, wie wir schon hörten, der
E/itter Dietzmann von Goldacker, der als hochfahrender,
tyrannischer Mann geschildert wird; er schickte, so wird
erzählt, die Bauern seiner Pflege zur Frone an den Rhein
um sich, weil er ein Feinschmecker war, auf dem billigsten
Wege von dorther Wein holen zu lassen.
Dieser Amtmann hatte die Pfarrer aufgefordert, daß sie
zu Waltershausen sich vor Myconius und Draco, auch
der ganzen Gemeine und wer zuhören wollt, nicht beschweren
wollten zu predigen, denn das Evangelium soll keine heim-
liche Lehre sein, der man sich schämen dürfte, sondern mag
jedermanns Urteil, ja auch siebenfältig Feuer wohl leiden.
Die meisten Predigten hörte Dr. Draco in Walters- .
hausen, da Myconius dorthin zu kommen keine Zeit hatte,
von Pfarrer Renners Predigt , die Myconius hörte,
sagt derselbe: „daß er (Renner) keinen gewissen Verstand
hat weder vom Gesetz, noch Sünde, noch Evangelium; Hat
etliche Dinge auswendig gelernt aus der Vorrede Martini
über den Evangelisten, was Evangelium für eine Lehre
wäre." Sein Spruch war das Wort Pauli: 2. Cor. 4 Quod —
imago Dei. Davon sagt er: „Der Gott dieser Welt wäre
der allmächtige Gott, Schöpfer Himmels und der Erde. Bracht
etliche Sprüche vor, die anzeigen Gott sei der Welt Herr,
dahin martert er das Andere fast gar. Aber was die
Finsternis sei, die das Herz verblendet, was das Blenden
wäre, was sei die Herrlichkeit Christi, was derselben Herrlich-
keit Glanz, wie Christus wäre ein Bildniß Gottes, sagt er
mit keinem Wort. Ja wie soll er's sagen, so er nichts hier-
von weiß, die Lehre für ketzerisch hält, die er anzeigt und
zur Zeit der Reformation. 97
lehrt. Doch soll er ein Pfarrer sein, Schäflein Christi unter
sich haben, die er weiden soll. 0 weh des Weidens, daß
sie kein Wörtlein davon erfahren, unter seinem Weiden immer
geruhiglich dahinsterben und mit Vigilien, Glockenklang,
Ölung, geweihtem Wasser derweil besprengt, ja ewig ge-
tränkt werden."
Nachdem die Predigten der Pfarrer abgehört waren
sind die Geistlichen examiniert worden. Die Punkte aber,
von denen Myconius fragte, waren folgende: „Weil sie
das Volk lehren sollen, wie sie von Sünde ledig, mit Gott
versöhnt werden sollten, ob sie einem Häuflein Sünder
könnten anzeigen durch Gottes Wort, was Sünde wäre ; Was
nennt doch die Schrift Sünde? Was ist Sünde? Wie er-
fährt das Herz, daß eitel Sünde in ihm stecke? Wer weist
und zeigt uns die Sünde ? Wie wollt ihr's die Leute lehren ?
Was für Not thut das Gesetz einem Herzen an, das nun
}^ieht, daß eitel Sünde in ihm ist? ... . Womit doch Gott
wiederum das Gewissen tröste? Wie sie doch und mit was
für Lehre sie einen Sünder trösten wollen ? Was Gott für
promission thue ? Durch wen uns Alle promission und Trost
widerfahre und gegeben werde? Was Christus sei? Was
Evangelium, Glaube, Sacrament? Was im Sakramönt die
Zusagung und das Wort ? Was das Zeichen sei ? Was
rechte christliche Freiheit sei? Ob man auch muß Obrig-
keit gehorchen, weil uns Christus gefreiet hat? Wovon
er gefreiet habe? Ob at>ch Priestern geziemt ehelich zu
werden ? — Und ob sie zu Zeiten ungefähr auf eine Frage
antworteten, versucht ich doch einen Gegenspruch, den die
Papisten gebraucht, ob's auch ihr Verstand gewesen wäre,
denn sie stellten sich fast alle, als wollten sie gut evan-
gelisch sein."
Sein Urteil über diejenigen, die er verhört und exa-
miniert hatte, faßt Myconius in die Worte zusammen,
„daß so grausam Blindheit, Unverstand, Unwissenheit, Feind-
schaft des Lichtes vermerkt worden, daß schrecklich ist
zu gedenken, daß solchen Leuten Kinder Gottes und Schäf-
XXI- 7
98 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
lein Christi, die ja doch so theuer, als durch sein Blut und
Sterben erkauft sind, sollen untergethan werden", er meint
„in was Ort und Schooß sich das Gewissen legen soll,
das wüßten etliche Schäflein viel besser, denn solche Hirten".
Das Protokoll schließt mit einem Abschnitt, der „con-
silium" überschrieben ist, und in welchem Myconius dem
Kurfürsten „sein Bedenken zu solcher Sach" gehorsam an-
zeigen will.
Da verlangt und rät er denn, „daß die Obrigkeit ihres
Amtes brauchen und fleißig sich dazu bemühen laßen soll,
daß göttlich Wort gefördert werde und wo die Obrigkeit
erforschen kann, da geschickte, gelehrte, gottesfürchtige, ver-
ständige Leute wären, die Anderen Christum lehren und
zeigen könnten, die soll sie hervorziehn, ihnen Befehl thun
sie senden von Gottes wegen und solch' arme Leutlein
durch Solche lehren laßen, unangesehn, daß sie nicht vom
Bischof geschickt wurden, die sollte man auch zuvor exa-
miniren, ob sie auch tüchtig wären Christum zu predigen"
„Wo nun der Prediger zu wenig sind, daß man nur
etlichen Dörfern einen eigenen geben könnte, soll man es
doch so machen, daß man's an solche Orte schickt und
stellt, daß die allernächsten Dorf lein auch zur Predigt
gehn könnten. Ist auch nicht noth, daß ein Dorf zwei Pfarrer
habe, wie Sundhausen. Und wo die Dörfer gar nahe bei
einander wären, könnte wohl Einer zwei Dörfer versorgen
mit Lehren,"
In Bezug auf die Anstellung von E p h o r e n rät er :
„In eine jegliche Pflege sollte man an dem besten oder-
vornehmsten Ort, Flecken oder Stadt je einen geschickten,
gelehrten Mann verordnen, welcher das Evangelium zu lehren
tüchtig. Jedermann Unterricht geben könnte, auf den alle
umliegenden Pfarrgemeinden Ministri acht hätten, daß sie
bei ihm Unterricht holen, sich vergleichen mit Ceremonien
und Lehren. Doch soll er kein Herr über sie sein, nicht
über sie herrschen, sondern sollen Alle gleich sein, sich
Einer des Anderen Diener und Mitknecht erkennen, und
zur Zeit der Reformation. 99'
wo Solcher was Unrechtes von Anderen merket, soll er ihn
freundlich vermahnen, wo es aber von Nöthen und mit
Worten sich nicht ändern und vermahnen laßen, Solches
der Obrigkeit anzeigen, die soll Unfug strafen, denn sie ist
eine Straferin des Bösen."
Auch an die Einrichtung von Pfarrkonferenzen
oder Special visitationen hatMyconius wohl schon
gedacht, wenn er sagt „er halte es für nützlich, daß Examen
und Verhörung in den Pflegen oft gehalten werde. Auch
das muß etwan gewesen sein, sei aber danach ein Caland
und Quesserei daraus worden. Hierzu sollte man recht
gelehrte, gottesfürchtige, gegründete Männer brauchen. Denn ■
also hat Paulus eine Versammlung der Bischöfe von
Ephesus zu Milet vermahnt, gelehrt und verwarnt, Act. 20,
und Thimotheo befohlen, er sollt Etlichen gebieten, daß sie
nicht unrecht lehren. 1 Tim. 1. Das sollte bald alle
Schwärmerei und Aufruhr stillen. Doch müßt man zuäehn,
daß nicht wieder ein Calandsfreßerei und Schlemmerei oder
Schenkerei daraus werde".
In Beziehung auf die etwaige Entsetzung papi-
stischer Priester erteilt Myconius den folgenden Rat:
„Welche von den jetzigen Priestern etwas tauglich sind,
die laße man bleiben, vermahne sie immer zum Fleiß im
Studiren, Lesen, Predigen etc. wie Paulus den Thimotheus
und Titus vermahnt. Welche aber nicht dazu taugen, wie
sich denn Etliche hören ^aßen und wollen an der Sache
nicht, mit denen sollte man freundlich handeln, daß sie der
Sache nur bald abstünden, denn es ist nicht klein Ding
um falsche Lehre. Hätten sie aber was an die Pfarrgüter
gewandt, die merklich gebessert .... mit denen soll man
glimpflich verfahren .... Denn uns soll hier die Liebe
meistern, daß wir ja Niemand zu unfreundlich verstoßen oder
vertreiben. Das Lehren aber befehle man einem Anderen,
der geschickter und tauglicher wäre und wo man an et-
lichen Orten allzuviel Ministros hätte, als in etlichen Städten,
sollt man die wegnehmen, solche Ort damit besetzen".
7*
100 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Sektiererei und Zwietracht gegenüber will M y -
conius folgendes Verfahren angewandt wissen: „Weil aber
unser Feind der Satan nicht ruht, ist ihm auch nicht zu
verdenken, denn es kostet ihm sein Haupt und Reich mit dem
Evangelium, daß er sich an irgend einem Ort vermerken
läßt, daß er wollte Sekten, Zwietracht oder falsche Lehre
wieder anrichten, der Bischof oder Pfarrer desselben Orts
vermag nicht durch kräftige Lehre und Gewalt des all-
mächtigen Wortes Gottes solche Sache zu entscheiden und
zu stillen, da sollte die Obrigkeit einen Anderen, der größere
Gnade und Gabe von Gott hat, im Worte Gottes kräftiger
ist, an solchen Ort senden, wider den Satan mit Gottes
Wort handeln laßen, daß ja die Füchslein gefangen werden,
weil sie noch jung sind, wie in Cantic. Gant, befohlen. Also
hilft Paulus den Korinthern und Galatern. Wenn Solcher
aber die Sache bericht hat, sie unterweiset, zieht er wieder
an seinen Ort".
Über die Abhaltung von Generalvisitationen
handelt Myconius mit folgenden Worten: „Ich sehe es
für gut an, daß man über das ganze Land und Fürstenthum
verordne einen gemeinen Visitatorem oder ihrer zwei mit
einander, die mit einander durch alle Pflegen und Fürsten-
tums Pfarren überall beforschen und besehen, wie man
lehre, handle und wandle, das sollte wunder Nutz und
Frommen stiften, müßten sich die Lästerer und Schwärmer
mehr besorgen, ihre Bosheit würde recht offenbar. Also
hat Paulus alle Städte wieder durchzogen und besehen,
wie sie sich hielten, darin er zuvor gepredigt hat in etlichen
Ländern. Act. 15."
Wer nun die Pfarrer ein- und absetzen soll, dar-
über ist Myconius folgender Meinung: „Weil der Glaube
und das Evangelium nicht Jedermanns Ding ist, wie Paulus
spricht, und jezt im Lande nicht alle Amtleute, Edelleute,
Schößer, Bürgermeister und Räthe dem Evangelium geneigt
sind, ja Etliche geben wohl vor, sie achten das Evangelium
groß, ist aber ihr Ernst gar nicht, stecken voll Sünde und
I
zur Zeit der Beformation. 101
Feindschaft gegen das Evangelium, soll man nicht allent-
halben gestatten, daß die Amtmänner oder Schößer Pastores,
Episcopos, Prediger zu setzen oder entsetzen Macht haben
sollen ohne Wissen und Bewilligung der Landesfürsten
Wo nun ihnen die Macht gegeben würde, sollte man bald
ein wunderfein Setzen und Entsetzen sehen, müßte manch'
frommer Mann Exul werden, manch' loser Lump das Volk
lehren. Die Landesobrigkeit nehme die Schwippen selbst
in die Hand, wie König Josaphat that in gleicher Sache,
verordnete selbst Prediger und Richter. 2. Paralip. 14. Und
wenn ein Pastor oder Prediger gleich von einem Amtmann
oder Schößer oder Rath verlangt würde, bleibe man darum
nicht so bald auf ihm, erforsche die Sache .... frage auch
auch die Nachbarn darüber,
Warm empfiehlt Myconius auch die Anstellung von
tüchtigen Volksschullehrern: Man sollte auch ver-
ordnen, daß in Dörfern man geschickte Kirchner aufnehme,
die der Jugend die zehn Gebote vorsprechen in der Ver-
sammlung, den Glauben, Vaterunser, ihnen die deutschen
Lieder und Psalmen vorsingen, zu Zeiten auch ihnen dann
ein Kapitel aus der Bibel nach dem Text vorlesen, daß
also das Volk wiederum Gottes Wort gewohnet, ihnen
mit Singen und Lesen ins Herz getrieben würde.
In Bezug auf das Predigen aber rät er: „Auf daß
auch nicht Jedermann auf den Dörfern sein Gaukelwerk
vorplaudert und das Volk nur irre macht, halte ich für
gut, daß man verordnet, daß die Postille Dr. Martini
durch's ganze Land auf allen Predigtstühlen, sonderlich
doch in Dörfern gelesen werde, denn man würde es ja
nicht wohl können besser machen."
Auch für ausreichende Besoldung der Pfarrer ist
Myconius treu besorgt: „Man sollte aber ja auch daran
sein, daß die ministri mit ziemlicher Notdurft des Leibes
versorgt, daß sie nicht selbst müßen ackern und pflügen»
derweile aber Lesen und Studieren liegen laßen, Mangel
leiden . . . und Schinderei zugerichtet werde. . ."
102 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Ganz besonders aber befürwortet M y c o n i u s die
Einrichtung und Förderung der Lateinschulen: „Man sollte
den größten und höchsten Fleiß thun, daß ihnen die
Schulen in den Städten und Flecken flugs wieder an-
gerichtet werden und aufs fleißigste gefördert, daß man
allda eine neue Jugend aufziehe, ihnen Christum noch in
der Blüth' einbilde, thut man das nicht, wird es gar bald
an geschickten, gelehrten, tüchtigen Leuten mangeln, das
Land voller wilder Thiere, Wölfe, Löwen und Bären . . .
wachsen, werden für Menschen Stöcke und Klötze haben."
Im Jahre 1533 waren im Bereich des jetzigen Herzogtums
Gotha solche Lateinschulen vorhanden in: Gotha, Walters-
hausen, Ohrdruf, Sonneborn, Wangenheim, Herbsleben,
Ichtershausen, Reinhardsbrunnen und Friemar. „Weil Gott
seinen Geist der Weisheit hat ruhen lassen auf Dr. Martin
Luther sammt dem Geist des Verstandes, Kunst (?)
Freudigkeit und Freiheit Gottes, Wie alle Schäflein Christi
jetzt erkennen, , . . wollte ich, daß man den um solcher
ministri Bestellung rathfrage, da wird uns Gott durch ihn
wohl zu rathen wissen, der uns wohl größer Ding durch
den Mann gegeben hat. Denn Gott, der den Fürsten das
Herz gegeben hat . . . wird die frommen Fürsten auch
finden laßen, was er ihnen eingegeben hat zu suchen,
denn der den Herzen gesagt hat: petite, pulsate, querite,
sagt auch: accipit, aperietur, invenit, so wir's glauben."
„Zum Letzten aber halt ich's dafür, daß der fromme,
theure, christliche Churfürst nicht hat können besser Ding.
fürnehmen, denn mit solcher Verhörung und Examen der
Priester und wird gewiß durch Gottes Geist dazu getrieben
sein, denn was ist einem Lande nützer, denn gute, recht-
schaffene, heilsame Lehre . . . und wer will anzeigen und er-
zählen den Nutzen, der hieraus erwachsen würde, so anders
Gott uns weiter helfen will."
„Und weil fürstlicher Befehl hat eingehalten, es sollte
mein Bedenken zu solchem Leben, Wissen, Lehre und
Geschicklichkeit der Pfarrer auch anzeigen, und Gott heißt
zur Zeit der Reformation. ^ 103 >
mich der Obrigkeit nicht widerstreben, sondern unterthan
sein, habe ich wollen Gott und seinem Diener, den er mir
vorgesetzt, gehorchen, so viel mir Gott gegeben hat, Gutes
anzeigen. Man ist aber nicht schuldig mir zu gehorchen,
nach meinem Bedenken zu handeln. Gott hat wohl geist-
liche Leute im Lande, wo die Besseres anzeigen, lasse
man meines flugs fahren. Ist's aber dem Glauben, gött-
lichem Worte und der Lehre ähnlich, so gebe uns Gott
seinen Rath zu wissen und zu folgen."
Was Myconius und Draco unter dem Beistand
des Amtmanns Goldacker auf Befehl des Kurfürsten ,
unternahmen, ist einer der ersten Versuche, die gemacht
wurden, um in die heillose Verwirrung urd Verwilderung
die damals in den kirchlichen Verhältnissen herrschte,
einige Ordnung hineinzubringen, es ist einer der vor-
bereitenden Schritte zu den Visitationen, die vom Jahre
1527 an vorgenommen wurden.
Es ist ja bekannt, mit welch' heiligem Ernst, und mit
welch' treuem Fleiß Myconius bestrebt gewesen ist, das,
was er hier als Ratschläge ausspricht, nun auch wirklich
zur Ausführung zu bringen, es ist bekannt, daß er 22 Jahre
lang in Gotha mutig und tapfer einer Arbeit oblag, die
Justus Menius in der dem gothaischen Superintendenten
gehaltenen Leichenpredigt rühmen konnte als „eine grobe,
harte und verdrießliche, schwere und gefährliche Rodearbeit,
die dem guten Herrn Friedrich, selig, über die Maßen
hart und schwer angekommen, und er sich die scharfen,
stachlichten Dornen und Diesteln über die Maßen übel hat
müßen kratzen und stechen lassen".
Im Jahre 1593 gab M, Cyriax Schneegaß, Pfarrer
in Friedrichroda, ein bekannter Liederdichter, vorher Geist-
licher in Tambach, eine Sammlung ^^S) von Briefen an My-
conius heraus und dedizierte dieses Buch den Pfarrern in
138) Diese Sammlung ist abgedruckt von Tenzel- in Supplem.
III, S. 85 ff.
104 Kirchliches u. soziales Leben im Herzogtum Gotha
Altenbergen, Tambach und Hohenkirchen. In einem der
darin enthaltenen Briefe schreibt Luther 1544 an My-
conius, der an der Schwindsucht schwer krank damieder-
lag: „Ich möchte ja gewiß gern, daß Du gesünder wärest,
aber wenn Du siehst, daß Du nicht spI^echen kannst, so
bitte ich Dich, Du wollest mehr auf Deine Gesundheit
Rücksicht nehmen und Dir nicht noch ein größeres Übel
zuziehn, denn es ist besser Du lebst, wenn auch halb
stumm, als daß Du mit heller Stimmer sterbest. Auch
als ein Halbtodter kannst Du den Kirchen mit Deinem
Eath und mit Deinem Ansehn nützen. Und Du siehst ja,
wie nöthig die alten, gedienten Streiter Christi sind, damit
durch sie die nachwachsende und noch zarte Jugend ge-
stärkt werde, die einmal unseren Platz einnehmen soll."
Aus diesen Worten geht doch hervor, welch große
Bedeutung Luther dem Myconius beilegte, wie hoch
er ihn stellte.
Auch wir Heutigen werden noch immer dankbar
anzuerkennen haben, was dieser Mann einst für Gotha
gethan hat.
II.
Über die Verwendung der Klosfergüfer im Schwarz-
burgischen zur Zeit der Reformation^).
Von
Pfarrer G. Einicke in Immenrode b. Schernberg.
Es ist erklärlich, daß bei der Organisation der evan-
gelischen Landeskirchen Deutschlands die Frage von grund-
legender Bedeutung war, welche Verwendung das Klostier-
gut finden sollte. Das stand ja den evangelischen Fürsten
und Ständen fest, daß die Stiftsgüter der evangelisch ge-
wordenen Landesteile nicht den Orden oder der römischen
Kirche angehörten, wie nachdrücklich auch diese Kirche
die Stiftsgüter für sich beanspruchte, auch darüber konnte
kein Zweifel bestehen, daß nach dem Aufhören der bischöf-
lichen geistlichen Gewalt die Landesherren als Notbischöfe
ihres evangelisch gewordenen Gebietes allein in der Lage
waren, sich der Verwaltung der geistlichen Güter sowohl
im Interesse der Erhaltung des Klostergutes selbst, als ganz
besonders im Interesse einer sicheren, materiellen Funda-
mentierung der jungen , in der Entwickelung begriffenen
evangelischen Landeskirchen am thatkräftigsten anzunehmen.
Daraus erhellt, daß es unter allen Umständen eine
Frage von prinzipieller Wichtigkeit war, welchen Weg die
1) Zur Geschichte der Einführung der Reformation
in die seh warzburgischen Grafschaften, die demnächst
in ihrem 1. Teil erscheinen soll, gehörig, das Nähere siehe
ebenda. Abkürzimgen: WA. = Ges. Archiv Weimar, EGA. =
Geheim. Archiv Rudolstadt, SA. = Landesarchiv Sondershausen.
106 Über die Verwendung der Klostergüter
evangelischen Landesherren bei der Verwendung der geist-
lichen Güter ihrer Gebietsteile einschlugen, zumal es sich
hierbei nicht zum wenigsten darum handelte, von den evan-
gelischen Ständen selbst den Vorwurf unlauterer Motive bei
Einführung der Reformation abzuweisen)
Immer und immer wieder spielte die Erörterung dieser
Erage auf den Konventen der evangelischen Stände und in dem
Kampf der streitenden Parteien eine wichtige Rolle, immer
war und blieb sie brennend, wo auch immer Reformation
und Säkularisation der geistlichen Stifte einsetzte. Es ist
nicht zu leugnen, daß die evangelischen Stände anfänglich
und grundsätzlich Bahnen einschlugen, welche sich sowohl
mit dem Geist wie mit dem Renommee der evangelischen
Kirche vertrugen, und Luther selbst hatte ja die weltlichen
Gewalten frühzeitig schon darüber aufgeklärt, wie er sich
die Verwendung der geistlichen Güter in echt evangelischer
und der jungen Kirche zum Segen gereichender Weise dachte.
Darin nämlich gipfelt sein Standpunkt und das betont er
immer von neuem nachdrücklich, daß die geistlichen Güter,
wie es ja auch billig war und heute noch der Standpunkt
sein muß, von dem aus wir eine rechte oder unrechte Ver-
wendung der Stiftsgüter staatlicherseits beurteilen müssen,
in der Hauptsache zur Ehre Gottes, nach dem Sinn der
Stifter angewandt, also der jungen protestantischen Kirche
zu Gute kommen müßten, um so mehr, da sie der materiellen
Grundlage dringend bedurfte. Man vergleiche nur seine
Vorrede zu der Kastenordnung der Stadt Leisnig (1523)^
und seine zahlreichen späteren Äußerungen zur Sache, be-
sonders auch gelegentlich der Visitation in Kursachsen i).
1) In einem Brief v. 31. Okt. 1525 an den Kurfürsten von
Sachsen betonte er in seinem Vorschlag zur Wiederaufrichtung der
Pfarreien, die Verwendung der Klöster, Stifter, Lehen und Spenden
imd in seinem Antrag auf Vornahme einer Kirchen- und Schulvisitation
(22. Nov. 1526) sprach er das Gutachten aus, die Einnahmen der
Klöster und Stifte insoweit zur Dotation der geistlichen Stellen zu
verwenden, als die sonstigen von den Gemeinden aufzubringenden
Mittel nicht ausreichten u. s. w.
im Schwarz burgischen zur Zeit der Reformation. 107
Unter diesem Gesichtspunkt sind auch alle seine übrigen
weitherzigen, wenn auch nicht immer praktischen Ratschläge
in dieser Sache z. B. hinsichtlich der Frage, ob auch der
Landesherr etwas von diesen Gütern für sich behalten dürfe,
oder hinsichtlich der Rückgabe des durch Wucher erlangten
Stiftsgutes zu verstehen.
Luther hat beides entschieden und ohne Bedenken be-
jaht, und er konnte es, weil es für ihn feststand, daß das
Stiftsgut in erster Linie „christlicher" Verwendung dienen
müsse. Ist nun einerseits die Wissenschaft an der Erörterung
der Frage der Verwendung des Stiftsgutes interessiert, so
hat ihre Beantwortung auch gerade für unsere Zeit eine
eminent praktische Wichtigkeit. Burkhardt in seiner Ge-
schichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen
S. 118 äußert sich hierüber folgendermaßen: „In unseren
Tagen ist diese Frage (nämlich zu welchen Zwecken das
Klostervermögen verwendet worden ist) sehr wichtig, nament-
lich da, wo die Teilung des Domanial Vermögens sich noch
nicht vollzogen hat. Der Entscheidung solcher Fragen müßte
ein tieferes Studium über die Behandlung der geistlichen
Stiftungen vorausgehen, so schwierig es auch ist, heute
noch alle Verhältnisse der Vergangenheit sich klar zu ver-
gegenwärtigen. Für die Geschichte der protestantischen
Kirche ist die Frage jedenfalls von hoher Bedeutung —
und wird es auch bleiben." Und diese hohe Bedeutung
hat die Erörterung der Frige unter allen Umständen auch
für die protestantische Kirche des schwarzburgischen Landes.
Wir wollen deshalb im folgenden versuchen, ajif Grund
des noch vorhandenen, wenn auch noch so lückenhaften
Rechnungs- und Urkundenmateriales, welches dem Verfasser
durch die Güte der schwarzburgischen Archivverwaltung
zu Rudolstadt, Arnstadt und Sondershausen, ferner durch
die verehrl. Archivvorstände zu Weimar und Magdeburg
zur Verfügung gestellt wurde, eine Antwort auf die Frage
nach der staatlichen Verwendung der Stiftsgüter der schwarz-
burgischen Grafschaften während der Reformation zu geben.
1Q8 über die Verwendung der Klostergüter
I. Säkularisation der oberherrschaftlichen Stifte
und Verwendung des Stiftsgutes
unter dem Grafen Johann Heinrich von Schwarz-
burg-Leutenberg und Heinrich XXXVII. (dem
Älteren) von Schwarzburg- Arnst^adt (1533 — 1538).
Am 8. August des Jahres 1531 starb Graf Günther
XXXIX. im Alter von 76 Jahren als letzter katholischer
Graf der Herrschaft Schwarzburg-Arnstadt, zu welcher der
oberherrschaftliche Gebietsteil außer der Herrschaft Leuten-
berg und von dem unterherrschaftlichen Gebiet das Amt
Klingen - Greußen gehörte. Graf Günther XXXIX. hatte
bis zu seinem Tode der evangelischen lutherischen Lehre
in seinem Lande den Eingang versagt. Aber trotz seiner
hartnäckigen Opposition hatte die neue Lehre dennoch im
Lande geheime und offene Anhänger während seiner Re-
gierung genug gefunden, cf. die reformatorischen Regungen
zu Arnstadt, Rudolstadt, Blankenburg, Flaue, Greussen
zwischen 1522 — 1531. Sein einziger, der Nachfolge be-
rechtigte Sohn, Graf Heinrich XXXVII. ^), war ein über-
zeugter Anhänger der lutherischen Lehre, er residierte,
gänzlich mit seinem Vater entzweit, seit 1527 auf dem
Schloß zu Rudolstadt. Sein Regierungsantritt im Jahre 1531
bedeutete demnach zugleich die offizielle Anerkennung der
Reformation in dem oberherrschaftlichen Gebiet der Herr-
schaft Schwarzburg-Arnstadt, d. h. die Einführung der Re-
formation durch den Grafen war auch hier „die obrigkeit-
liche Anerkennung einer unabänderlichen Thatsache". Im •
Jahre 1533 vom 24. Mai bis 16. Juni veranstaltete Graf
Heinrich XXXVII. die erste Kirchenvisitation in seinem
Gebiet, mit Ausnahme des unterherrschaftlichen Amtes
Greußen-Klingen. Die Visitationskommission bildete Doktor
1) In gleichzeitigen Urkunden der „Ältere" genannt im Gegen-
satz zu Graf Heinrich dem „Jüngeren" von Schwarzburg (seit 1531
zu Frankenhausen residierend, -f 1537), dem Bruder Graf Günthers-
XL. (nach Jovius: Graf H. XXXIX.)
im Schwarzburgischea zur Zeit der Reformation. 109 '
Johann Lang aus Erfurt, Pfarrer Bonifacius Rempe aus
Liebringen, Christian Zwuster, Pfarrer aus Heberndorf und
der Amstädter Amtmann Lutze von WüUersleben. Mit
dem Jahre 1533 setzte nun auch die Säkularisation der
noch bestehenden oberherrschaftlichen Klöster ein. Sie er-
hielten ihre staatlichen Vorsteher und wurden als staatliche
Stifte verwaltet. Es war höchste Zeit, daß bei ihnen,
nachdem seit dem Bauernkrieg die Klosterverwaltung in
mancherlei Verwirrung und Unordnung geraten war, wie
man vor allem aus den noch vorhandenen Stiftsrechnungen
des Jungfrauenklosters zu Arnstadt mit ihrem nicht un-
beträchtlichen Zins-Retardaten vom Jahre 1525 ersieht, eine •
geordnete und feste staatliche Verwaltung begann. In die
Visitation des Jahres 1533 war die unter dem Grafen
Johann Heinrich stehende, unbedeutende Herrschaft Leuten-
berg nicht mit eingeschlossen. Doch darf wenigstens seit
diesem Jahre auch sein Gebiet als reformiert angesehen
werden. Graf Johann Heinrich, ein Freund Luthers, war
schon frühzeitig ein Anhänger seiner Lehre Er hatte zwar
im Jahre 1529 aus Furcht vor Kaiser und Reich, von dem
seine Herrschaft zu Lehn ging, und als ein armer Geselle,
der sich gern halten werde, wie er es vor Gott verantworten
könne, seine Geistlichen vor den sächsischen Visitatoren nicht
erscheinen lassen, aber anerkannt, daß das Kurfürstliche
Fürnehmen aus einem christlichen Herzen stamme ^). Immer-
hin finden wir einzelne ^iner Dorfschaften, die zum Stift
Saalfeld gehörten, in der zweiten, besonders in der dritten
thüringisch-sächsischen Visitation mit visitiert. Interessant
ist es, daß dieser Graf sich schon frühzeitig "an Luther
wandte, um Auskunft zu erhalten, ob es Unrecht sei, nicht
evangelischen Predigern Zinsen und Gut zu lassen, Luther
hatte geantwortet: Es sei nicht Unrecht, ja das höchste
Recht, daß man den Wolf aus dem Schafstalle jage, und
nicht ansehe, ob seinem Bauch damit Abbruch geschehe. Es
ist keinem Prediger darum Gut und Zinse zu geben, daß er
1) VV.-A.
110 über die Verwendung der Klostergüter
Schaden, sondern Frommen schaffen solle. Schaffet er nicht
Frommen, so sind die Güter schon nimmer sein, (cf. de
Wette 2, 258.) Es könnte möglich sein, daß es sich bei
dieser Auskunft schon um die Einziehung des Klostergutes
der Leutenberger Dominikaner handelte. ^
Wir kommen nunmehr zu den ob.erherrschaf t-
lichen Klöstern selbst^). Die Oberherrschaft hatte
vor der Reformation 6 Klöster aufzuweisen, einschließlich
der Herrschaft Leutenberg, nämlich : Erstens das Dominikaner-
kloster zu Leutenberg ^), gestiftet vermutlich im Jahre 1395,
unter der Aufsicht des Paulinerklosters zu Leipzig stehend
Klosterbrüder werden bisweilen 3, 4 oder 6 angeführt.
Das Kloster, dessen Angehörige vor der Reformation in
schlimmem Rufe standen und welches durch den berüchtigten
Linkischen Mönichsstreit gegen den Grafen Balthasar II.
von Leutenberg 1516 — 1519 3) seine innerliche Zerrüttung
offenbarte und sein Ansehen verloren hatte, gehörte zu den
ärmsten und unbedeutendsten Stiftungen des Gebietes. Über
seinen Ausgang sowie über die Aufhebung desselben und
die Verwendung des Klostergutes sind wir infolge Mangels
jeglichen Urkundenmateriales nicht unterrichtet. Es ist
natürlich anzunehmen, daß das unbedeutende Klostergut
mit Einführung der Reformation seitens der Herrschaft ein-
gezogen wurde. Wie weit es zur Dotierung der evangelischen
Pfarrstellen verwandt wurde und ob es überhaupt eine solche
Verwendung fand, läßt sich nicht nachweisen. Auch ist die
Beantwortung der Frage hinsichtlich dieses Klosters infolge
seiner notorischen Armut nicht von Bedeutung. Auch darüber,
ob Klostergebäude nach der Refornaation zu Schulzwecken
verwandt wurden, läßt sich Bestimmtes nicht feststellen.
1) cf. zu diesem und dem Folg. die Klöster betr. die Hessischen
Collectaneen im Eud. Geh. Arch.
2) Anemüller, Zur Geschichte des Leutenberger Dominikaner-
klosters in der Zs. d. V. f. thür. Gesch. u. A. XII, S. 505—528.
3) cf. Schwarzburgica, Vol. IV, S. 41 — 77 (auch abgedruckt in
dieser Zeitschrift). R. G. A.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. \\\
Übrigens charakteristisch dafür, wie skrupellos man zu
jener Zeit mit den den Kirchen gehörigen wertvollen
silbernen Kirchengeräten aus der römisch- katholischen Zeit
umging, ersehen wir aus einem Schriftenwechsel zwischen
Graf Hans Heinrich und etlichen Dörfern der Herrschaft
Wildenfels, betr. „etliche genommene silberne Geschirr aus
ihren Kirchen de ao. 1537«. (W. A. Reg. E. e. No. 546).
Graf Hans Heinrich hatte darnach aus den Kirchen zu
Ortmßdorf, Weißbach und Hertmßdorf 4 silberne Monstranzen,
2 Kelche und 1 silbernes Kreuz erhalten und Holz dafür
zu geben versprochen. Das aber, behaupteten sie, sei nicht
gehalten worden. Die Gemeinden, offenbar aufgehetzt von
ihren jetzigen Herren, denen v. Wildenfels, beriefen sich
auf die chursächsische Visitationsordnung, nach welcher
der Graf die Gemeinden vor dem Verkauf ihrer Kirchen-
kleinode hätte warnen sollen, statt dessen hatte er sie
ihnen selbst abgenommen. (Der Graf, zweimal bei dem
Kurfürsten verklagt, verteidigt sich damit, daß er die Leute
unterstützt habe.)
Daß Graf Hans Heinrich, dessen Herrschaft ja bei
der Übernahme stark verschuldet war, auch bei der Säku-
larisation der Klöster Paulinzella und Stadtilm, soweit er
es vermochte, Zinszahlungen von Orten, die ihm zuständig
und den Klöstern zinspflichtig waren, schmälerte bez. zurück-
hielt, ersehen wir unter anderem aus Notizen in den
Rechnungen des Stifts Hm \öS6 — 1537 und des Stifts Paulin-
zella. Auch scheint aus urkundlichen Mitteilungen hervor
zugehen , daß der Graf nach seines Vetters, des Grafen
Heinrich XXXVII. Tode, sich für seinen schwer zu ver-
schmerzenden Anteil an dem Kloster Paulinzella durch Ein-
griffe in das Klostergut, so gut es ging, schadlos gehalten
hat. (W. A. Reg. E. e. No. 550, Vol. III). (Er hatte bei
dieser Gelegenheit u. a. 1538 das Stift Paulinzella mit ge-
wappneter Hand eingenommen und dann den alten Abt
wieder eingesetzt.) Ebenso rasch können wir uns nun,
soweit es sich um unsere Frage handelt, mit dem Franzis-
112 Über die Verwendung der Klostergüter
kanerkloster zu Meilenbach, seit 1383 zu Ehren
der Jungfrau Maria und der heiligen Katharina gestiftet
und vom Graf Johann II. zu Schwarzburg mit dem Ort
Mellenbach samt allen seinen Rechten beschenkt, abfinden.
Die Schutzherren des Klosters waren die (jrafen von Schwarz-
burg, die ersten Vormünder Pezold von Griesheim, Diet-
rich von Bernstedt, Heinrich von Greußen und Otto von Hoff.
Wir besitzen wenige urkundliche Mitteilungen diese Stiftung
betreffend, aber soviel geht doch mit Gewißheit hervor, daß
dieses Stift, sowohl früher wie besonders vor der Reformation
nur vegetierte. So beklagte sich Graf Günther XXXIX.
von Schwarzburg-Arnstadt im Jahre 1514 gegen den Kar-
dinal Raymund, daß sich in dem Kloster nur 2 Mönche
befänden, die aber ein sehr ruchloses und unzüchtiges Leben
führten. Er beantragte die Verlegung des Klosters nach
Königsee. Der Kardinal ordnete wohl eine Untersuchung
der Sache an, aber die Verlegung unterblieb. Die Amts-
rechnung von Schwarzburg 1518 — 1519 enthält unter Bußen
folgende Notiz : 3 seh. 2 gr. herman Arnolt zcv mußelbach
dorvmb das Er hat denn gardiann zcv melbach Ein vorrette-
rischen bosewicht geheissen vor Eins etc.). Das Kloster
scheint schon vor der Reformation eingegangen zu sein
wenigstens findet man in den Visitationsakten von 1533
die Existenz desselben nicht mehr vorausgesetzt. 1520 war
Urban Arnoldi Gardian desselben, es ist nicht ausgeschlossen,
daß sich auf ihn die Notiz des VisitationsprotokoUes be-
zieht von 1538, „plebanus Guardianus habet concubinam
annis 10 baptis. ger. miss. ger. sub utraque pleb. dicit s6
diligenter velle studere et operam dare literis sacris quis
fuerit satis inexpertus doctrinae christianae".
Über das Klostergut und den Verbleib desselben könnte
vielleicht folgende Bemerkung bei Hesse, Th. u. d H. 8,
S. 225 ff. etwas Aufschluß geben: „Da die Barfüßer Eigentum
nicht besitzen durften, so wurde Meilenbach dem Kloster Hm
zugeschrieben, doch unter der Bedingung, daß es sämtliche
Einkünfte und Gefälle davon jenen überlassen , aber bei
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 113
willkürlicher Verwendung derselben zu eigenem Nutzen auf
dieses Vorrecht sogleich wieder verzichten mußte, welches
dann einer anderen geistlichen Stiftung des Landes ver-
liehen werden sollte." Doch weisen die Stiftsrechnungen
von Stadtilm keine Einkünfte und Ausgaben für das Kloster
Meilenbach auf.
Es sei noch angeführt, daß dem Kloster außer der
Mahlmühle zu Meilenbach auch noch die Fisch-, Jagd-, Malz-,
Brau- und Schenkgerechtigkeit zustand. Das Klostergebäude
wurde nach der Reformation als Pfarrwohnung benutzt.
Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß auch dieses Kloster .
für die Beantwortung unserer Frage nicht weiter in Be-
tracht kommt. Das Gleiche gilt endlich auch von dem
Franziskanerkloster zu Arnstadt, Mainzer Dioec.
Wahrscheinlich 1246 1) von Gotha aus gegründet. Dieses
Kloster bestand selbst nach der Visitation ao. 1633 noch,
doch hatten sich auch aus diesem Kloster Insassen der
neuen Lehre angeschlossen, was wir unter anderem aus
folgenden Notizen ersehen: Arnst. Stadt Rechg. 1524/1525:
sub. Ausgabe Herrn und frembde Geschenke: „2 seh. 39 gr.
1 Pfg. an 22 halb stob heuerigs vnd vorns [?] 2) getruncken
als der munch außg^lauffen was" und Rent. Rechnung von
Arnst, 1532|1533 (Ausgabe): 12 gr, einem munche, so
aus dem Barfusserklvster gangen umb gotes willen (vf)
bevelhe Heinrich von Witzleben freitags n. Scholastica
(14. Februar 1533). Es finden sich in den staatlichen
Rechnungen wiederholt Ausgaben an die Klosterinsassen
aber Genaues wissen wir eigentlich nur über die Aufhebung
des Klosters. Wir wollen hier wenigstens die kurze Notiz
aus dem „Roten Buch" im Arnst. Ratsarchiv S. 50b an-
führen: „Ao. 1538 d, 23, Oct. d. i. auf Mittwoche nach
Severi ist den Barfüßermönchen ihren abschied aus dem
1) Nach dem über cronicorum Erfordensis in Mon. Erphesf.
766 vielmehr 1250.
2) weins?
XXI. 8
114 Über die Verwendung der Klostergüter
Kloster zu ziehen gegeben worden durch den gestrengen
Georg von Dienstedt, amtmann zu Salfed auf kurfürstlichen
befeih, auch durch den vesten Jörg von Witzleben und
Lutz von Wüllersleben auf Befehl u. g. f. (Gräfin Katharina
geb. von Henneberg) und in beisein des rats ist ihnen
vorgehalten worden, ob sie das wort Gottes wollten an-
nehmen oder nicht, und ihnen bedenkzeit geben bis auf
Martini. Aber sie sein in ihrem orden und leben verharrt
und verstockt blieben und auf donnerstag nach Martini
um 8 uhr sein sie alle ausgezogen mit alle ihrer habe
und räumten das nest nicht allzugern." (cf. bei Hesse^
Arnst. Vorz.). Aus dem ausführlichen Bericht im W. A.
Reg. Ee. No. 547 ersehen wir noch, daß den Mönchen ge-
stattet war, „was sie an farender habe im closter bei inen
hetten, außgeschlossen die bucher in der liberi zu verkeuffen
oder mit inen zu nehmen unnd an iren nutz unnd besser
zu wenden." Von dieser Erlaubnis haben die Mönche, wie
wir aus der obigen Bemerkung im Roten Buche ersehen,
Gebrauch gemacht. Was nun die Klostergebäude anbetrifft,
so ist es feststehend, daß ein Teil derselben kurz nach Weg-
zug der Kosterinsassen zu Schulzwecken verwendet wurde.
Wir erfahren es unter anderem aus einer Stelle des Be-
richtes der sächischen Visitatoren (cf. W. A. Ee. No. 547)
gelegentlich der Aufhebung des Klosters : So vhil auch das
clostergebeude belangt, haben wir mit der greffin auch
geredt unnd hat sich i. g. erpoten daßelb dermaßen ein-
zunehmen unnd anrichten zu laßen, domit es hinfurder zu
keinem klosterleben mehr zu gebrauchen, das aber irer g.
dasselbe gebende dem radt zu arnstat solt zu thun haben
i. g. angezeigt, das sie desselben noch zur Zeit ein bedenken
hetten." (cf. hierzu auch Arnstadiensia A. V 4* S. 546 1)
und die Stelle in dem kurf. Erlasse vom Jan. 1539, welche
die Vorschläge hinsichtlich der Klostergebäude und nament-
lich ihre Verwendung zu einer gräflichen Erziehungsanstalt
1) R. G. A.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformatio^. 215
genehmigt, lautet: „Da auch das Barfüsserkloster zu Arn-
stadt etlichen der kirchen und schulen diener bequem und
wohlgelegen wäre, damit nicht wiederum eine möncherei
daselbst mag aufgerichtet werden, so lassen wir dasselbe
auch geschehen, so es die visitatoren auch für nutz und
gut erachten werden, (cf. Kroschel, Arnst. Gymnas.-Prog.
1890.) Soviel über diese drei ersten Klöster, deren noch vor-
handene Nachrichten uns leider keine Antwort auf die uns
interessierende Frage geben.
Besser sind wir nun hinsichtlich der drei übrigen
Klöster der Oberherrschaft unterrichtet, und dies ist um
so erfreulicher, als gerade diese Stifte infolge des Umfanges
ihres Klosterbesitzes für uns in Frage kommen.
1. Das Benediktiner-Mönchskloster Paulinzella
Mainzer Dioec.
im Jahre 1106 gestiftet^) und zwar von Paulina, zu
Ehren der Jungfrau Maria, Johannes des Täufers und
Johannes des Evangelisten. Das Kloster wählte seine Schutz-
herren aus dem schwarzburgischen Grafenhaus, die Äbte
von Paulinzella nahmen eine angesehene Stellung noch bis
in die Reformationszeit hinein ein. Darauf deutete auch
der umfangreiche Klosterbesitz, zählt man doch 19 Dörfer,
die zu Paulinzella gehörten, von welchen allerdings einige
wiederverkäuflich überlassen waren, von diesen blieben
zur Zeit der Reformation noch 7 übrig. Die Zahl der Orte,
wo das Kloster Besitzungen hatte, belief sich bis auf 52,
der Zinsorte waren es über 100; Klosterpatronate- über in-
ländische Kirchen während der Dauer des Klosters werden
22 aufgezählt, die von Beulwitz, von Holbach, von Greussen
von Angelroda, von Lengefeld, von Griesheim und von Elx-
leben standen im Lehnsverhältnis zu dem Kloster. Die Zahl
der Konventualen belief sich außer Abt und Prior 1357
1) Vgl. Dobenecker, Reg. d. Thur, I, No. 1022,' 1028 u. a. ;
Anemüller, ÜB. des Kl. Paulinzella No. 3 u. 4.
8*
116
Über die Verwendung der Klostergüter
auf 11, 1483 auf 12, 1506 auf 16, 1533 auf 9. cf. die
übrigen das Kloster betr. urkundl, Notizen bei Hesse, Ge-
schichte dieses Klosters und bei Anemüller, Üb. das Kl.
Paulinzella (Thür. Geschichtsquellen IV).
Im Bauernkrieg wurde das Kloster von den über Lange-
wiesen nach Königsee und Paulinzella gezogenen Haufen
geplündert, darnach aber wieder bezogen (cf. Schwarzb.
Bauernkrieg- Akten 1), 1533 wurde es von der Visitation mit
betroffen. Aus den Visitationsakten ersehen wir, daß die
Visitatoren mit den Pfarrern aus der Paulinzella (z. B. zu
Solsdorf, Gösselborn und Thälendorf) durchaus nicht zu-
frieden sein konnten und auf energische Besserung dringen
mußten. Die noch vorhandene Halbjahrsrechnung vom Jahre
1533 giebt uns über die Anfänge der Reformation dieses
Klosters einige interessante Aufschlüsse, besonders hinsicht-
lich Ankauf von evangelischen Büchern. Der Graf Heinrich
hatte offenbar die Absicht, die Klosterkonventualen, soweit
sie sich tauglich und willig fanden, zur Predigt der reinen
Lehre zu verwenden, doch hat er bei nur wenigen Glück
gehabt (1534 nur bei zweien), vielmehr wurde der Graf
durch einen Bericht seines Rates von Holbach über den in
der Zella herrschenden oppositionellen Geist aufgeklärt;
offenbar hatte man sich unter des Abtes Leitung verbunden
und war entschlossen, der reformatorischen Absicht des
Grafen entschiedenen Widerstand entgegenzustellen. Der
Schlußsatz der Verfügung des Grafen Heinrich XXXVII.
betr. Aufhebung des Klosters vom Dienstag nach Thomä
1534 lautete: dan wir nicht bedacht seint zu solche euer
vermeßene freiheit, und öffentlichen verruchten leben vil
zuzugeben wue ir dan je uns nicht folgen noch gehorsam
sein wolt, so wollen wir euch samptlich, wie vor alters bei
den epten gescheen als closter leuthe verschlissen, euch
eur nottorfft mit cleidung essen und tringken versehen
lassen und alßo speißen das weiten wir euch zur antwur
1) S. A.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 117
hinwidder nit pergen." . . i Damit war des Klosters
Schicksal besiegelt, freilich auch des Grafen Hoffnung zum
größten Teil vereitelt, die im Kloster noch vorhandenen
Konventualen zur Besetzung evangelischer Pfarrstellen, wofür
ein dringendes Bedürfnis vorhanden war, zu verwenden,
auch der Teil der Selbstverwaltung, welche der Graf dem
Abte nach einer Notiz der 33. Rechnung zweifellos noch
zugestanden hatte, hörte damit auf.
Aus der noch vorhandenen Halbjahrsrechnung vom
Jahre 1533 (Walp. — Michaelis), aufgestellt von Peter Watz-
dorf, Vogt zu Paulinzella, geht folgendes hervor: Die Ein-
nahmen setzen sich folgendermaßen zusammen:
1) Reste 134 seh. 5 gr.
2) Ins Gemeine 132 „ 5 „ 1
3) Lehnrecht 2 „ 6
4) Bußen und Gerichtsfälle (4 Fälle)
6) Für gezapften Trank
(Gewinn dieses Sommers):
6) Für Brennholz
7) Für Bauholz etc.
8) Retardata „sydher nechsten Rechnung Eymbracht" :
57 seh. 1 gr. 6 -X
S. S. aller Einnahme : 676 seh. 16 gr. 1 n. u. 1 a. heller.
Die Ausgabe lautet :
1) auf Befehl m. g. Herrn zur Zella 45 seh. lOgr. 5A.
2) Zehrung
3) Insgemein
4) Für Wein u. Bier *
5) Nägel, Eisen, Hufbeschlag
6) Grashauen und Mäherlohn
7) Küche
8) Würze, Spezerei
9) Holz
10) Gesindelohn
11) Das übrige für sonstige Arbeiten
S. S. A
Als Überschuß bleibt also 2 seh.
und 1 alter heller; außerdem steht noch vom Abt als Schuld
ans: 41 seh. 17 gr. 10 A,. Besonders interessant sind die
X 1 n.
u. 1 a. heller
4 seh.
18 gr. 6^
69 „
12 „
127 „
49 „
6 „ 3 „
6 „ 9 „
9 » 2 „
9 „
8 „
9 „ 9 „
130 „
19 „ 4 „
62 „
19 „ 3 „
10 „
3 „ 7 „
22 „
3 „
113 „
7 -„ 1 heller
3 „
19 „
fl4 „
9 „ 6<X
l 4 „
11 „ 6 „
63 „
3 „ 8 „
574 seh.
6^
. 15 gr.
6X1 heller
118 Über die Verwendung der Klostergüter
Ausgaben für ev. theologische Bücher, z, B. : P/g seh. für
10 enchiridien itzlichem hern unnd mir eins zcu Erffurt
zcum ablas kaufft 9 gr, für 1 N. T. herrn Mathes S^/g gr.
für den gr. catechis. dem priori, 2 ^ für die grammatica
Ph. Melanchton herr Niclaus 1 seh. habe für bucher ent-
richt, welche der prior her Curdt u, er Cranaeh bei Jo-
hanni dem buehfuhrer genommen ; 20 ^ für das Summarium
Psalterii dem prior; 9 gr. für ein Encheiridien und Jesus
Sirach mein gnädigen herrn 1 seh. 3 gr. für Brentium super
Johannem confesscio sancta apologia und für die propheten
ern Conrado Rudiger. Auch der Ankauf von „9 sehleple
einfach unnd einn zwifach schlappenbareth" sowie von
Brillen auf dem Erfurter Ablas deutet auf die Einführung
der Reformation im Stifte hin. Die Rechnung macht den
Eindruck keiner besonders günstigen materiellen Lage des
Stiftes, doch läßt sich aus einer Halbjahrsrechnung selbst
hierüber nichts Grenaueres schließen.
Da weitere Rechnungen des Stifts aus den folgenden
Jahren bis 1538 fehlen, so ist es wenigstens erfreulich, daß
aus dem Jahre 1534 noch die Verfügung des Grafen Heinrieh,
des Reformators, vorhanden ist betr. den dem Abt Johann
nach Aufhebung des Klosters zu gewährenden Unterhalt.
Die Forderung des Abts und auch die Antwort des Grafen
(siehe bei Hesse, Kl. P. C. Seite 6 Urk. IV und V). Wir teilen
nur die II. Urkunde mit, nach welcher folgender Unterhalt
dem Abt ausgesetzt war: Erstlich die frei behausung mit
dem garthen auch zeimlich lenderei die sal man ine auch
arbeiten lasse, die ordens person ern Johan Heingelbach
mag er auch behalten, mag auch eine buben koch oder
köehin halten dorauff 5 malder körn und 5 malder gersten
2 moß erbeiß. 12 eimer weins 3 swein auß dem forwerge
dorauff ein malter affter gersten zur mastung vff Michaelis
zu geben. 2 ochsen auch vß dem forwerge vff Martinj,
2 kue vff solche ochsen und kue 2 fuder heu von der
wissen zu antwurthen. 5 hemel von der sehefferei. 1 seh.
michels huner, 1 seh. fasnaeht huner änt zu weisen das
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 119
er sie selbst infordere, ein centner carpen so man do fischt
oder drei gülden dorfur, 1 thonne pottern, 1 thonne kesse
von der schefferei, item betthe hat er vormals hinwegk.
item zcimlich hauß und koch gerethe wie gebethen. item
nottorfft bren vnd brau holtz füren zu lassen zu allerlei
zubuße 80 gülden. Ein noch vorhandener Zettel, aus
welchem allerdings nicht ersichtlieh ist, aus welchem Jahre
er stammt 1), giebt die „Priors fordderung zur Zell" folgender
maßen an : behausung zu Neusetz, in zweien leiben sein
und seines weibess. E wenig lender, kraut ruben, flachs,
hanff und was in ein haus gehört zcu reichen, holtz zur ^
notturft. 1 par kue, 1 par schwein abzufertigen zu inu-
steur (?)') 40 fl. Iherlich meins weibs und mein liben
20 fl. 5 malder korns, halb rocken, halb weissen, l bett,
wie es stedtt, neben dem itzigen ßo er hat alle virtell jahrs
3 tonne byrs. getreide zum vihe, was er in der kammer
hatt, kisten und anders volgen zu laßen, weßenwachs auff
drei kue. Darunter steht als Bewilligung: zimlich: eine
behausunge in einer Stadt, odder dorff auif seinen leib
lenderei abgesagt [?] 1 kue, 1 par schwein, zur
abfertigung 20 fl. 10 gülden ihrelich 1 molder korns. 1
molder roken, 2 molder maltzs. Was sein, in seiner Ver-
wahrung, und nicht des closters ist, bleibt im. Ein bette.
Daß einzelnen aus der Paulinzella evangel, gewordenen
Pfarrern Besoldung gezahlt und sonstige staatliche Unter-
stützung gewährt wurde, ersehen wir u. a.. aus folgenden
urkdl. Notizen :
„an vot zcur palcella:
lieber getr. wir bedenken, dieweil Cranach und Enkarius
das evangelion predigen das man ime auch diczmal ihr
quattember gelt geben sal den andern aber nicht und du
wollest er Johan Chranach ein peltz keuffen der uns folgen
will und sich disen winther zu behelfen habe dorin thust
unßer meinung (auf Vorschlag des Rats von Holbach 1534).
1) Vermutlich aus dem Jahre 1534, S. A.
2) Zcuateur?
120 Über die Verwendung der Klostergüter
Dieses sehr dürftige Material wird auf Grund noch
vorhandener Amts- und Rentereirechnungen einigermaßen
wenigstens ergänzt, insofern als wir erfahren, welche Ein-
kommenteile dieses Klosters und welche Geldüberschüsse
in die staatlichen Kassen geflossen sind: ^
1) Die Amtsrechnung von Blankenburg 1535/1536
weist als Einnahme des Klosters Paulinzella auf 102 seh.
8 gr. 2 -^v, wovon nach Ausgabe von 9 seh. 15 gr. 4 A,
1 a. ^ noch 92 seh. 12 gr. 8 A, für den Grafen bleiben.
Unter den Ausgaben stehen z. B. folgende:
5 seh. 6 gr. 1 a. h. abgangk an den vorbranten zu
Blangkenberg, 5 gr. 4 A. an eim Weinberge hat izo m. g.
h. V. leutenberg Innen, 2 seh. bei diezel veiler und tiezel
leutlof zu soltzdorf. nimbt der pfarher zu talendorf.
1 seh. adam singer Dem schul tißen u. s. w., also nur
2 seh. für einen Geistlichen.
Auch in der Getreiderechnung des Amtes Blanken-
burg 1535/1536, findet sich unter der gesamten Korn-
einnahme in Höhe von 207 Mas 2 Virt. 2 metzen: 16 Mas,
5 metzen Zeller Zins, darunter figuriert als einzige Ausgabe
für einen Pfarrherrn: 8 Mos, Dem pffarhern zu Delendorff
von den Decimation zu soltzdorfif', unter Zinsgerste: Ge-
samteinnahme: 90 Mas 3 Virt. 3 metzen: 4 Mas 5 Metzen
Zeller Zins und unter Hafereinnahme: Gesamteinnahme:
754 Mas 2 Viertel, 6 mas Zeller Zinsen. In der Amts-
rechnung von Arnstadt 1533/1534 und 1534/1535 finden
sich zum erstenmal unter Einnahme : Zeller Zinsen in Höhe
von 39 seh. 9 gr. 2 ^.
In der Rudolstädter Amtsrechnung von 1 532 — 1533
aber steht zum erstenmal als Zinseinnahme von wegen des
Stiftes Paulinzella: 45 seh. 17 gr. 8 ^, wovon 13 gr. 4 A-
abgehen. (Die Einnahmen stammen aus den Ortschaften
Zeigerheim, Geilsdorf, Niederschwarza, Talendorf, Keilhau
und Eschdorf.) Dazu kommen noch, wie oben in der Blanken-
burger Amtsrechnung, Einnahmen von Zeller Getreidezinsen,
Zinshühner u. s. w. : z. B. 4 Mas 1 Viert. 1 Metze von
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. ' 121
Schwarza, T^/j Mas von Gebstet, 47 ^/j Zinshühner u. s. w.
Wir ersehen hieraus, daß Einkommenteile des Klosters
schon von 1533 an den Ämtern zugeteilt wurden, welches
naturgemäß den dauernden Verlust dieses Einkommens für
dieses Stift bedeutete. Endlich verzeichnet die Renterei-
rechnung von Arnstadt 1536/1537 als jährliche Einnahme
aus dem Stift Paulinzella, durch den Vogt Gallo Barrethern
entrichtet, bei einer Gesamteinnahme aus den sämtlichen
3 Stiften von 1020 fl.: Die Summe von 190 guld. 10 gr. = 200
gute Schock. Noch bemerkenswert ist folgender Einnahme-
posten Ins Gemein: 220 ^/jj fl. von Heinrichen Ziegelern dem
buechsen gießer zu Erfford vor 44 Ct. 10 U (?) ^) glocken speis
so aus der Zcella und von Konnigessehe komen, vor den center
5 fl, entpfangen, vber die speise so m. g. h. hat zu irnnen
gefeß vergießen lassen entpfangen, 200 fl. von Gallo Barrether
von wegen seiner bestellung des stiffts paulina zeln nach
Inhalt der selbigen entpfangen Mich. ao. 37 fellig.
Nehmen wir die Abgabe an den Staat aus dieser
Rechnung als Durchschnittsabgabe für die Zeit von 1534 —
1538 an, so würde sich als Barüberschüsse an den Staat die
Summe von 1000 guten Schock ergeben, an die Amtskassen
aber entfallen während dieser 5 Jahre, wenn wir die in den
noch vorhandenen Rechnungen angegebenen Zinseinnahmen
als feststehend annehmen:
1) für Amt Blan^enburg : 510 seh,
2) „ „ Rudolstadt : 225 „ •
3) „ „ Arnstadt : 190 „
Also : 925 seh.
Dazu kommt nun noch der beträchtliche Nutzen an
Getreide und Vieh, welcher der Herrschaft und den staat-
lichen Kassen zugute kam,
2. Das Stift Ilmen.
Das Cisterzienser Jungfrauenkloster zu Stadtilm, Mainzer
Diöcese, zur Präpositur Beate Mar. Virg. Erfurdenais ge-
1) M.
122 Über die Verwendung der Klostergüter
hörig, der Jungfrau Maria, dem h. Nikolaus und dem
h. Benedikt geweiht, ursprünglich (1267) vom Grafen
Günther VII. von Schwarzburg zu Saalfeld als Versorgungs-
anstalt für Töchter des gräflichen Hauses Schwarzburg und
verwandter Familien vom hohen Adel gestiftet, wurde es
1275 nach Stadtilm verlegt, „weil dieser Ort wegen seiner
Triften und Waldungen geeigneter wäre, den Jungfrauen *
den nötigen Unterhalt zu verschaffen, als ihr bisheriger
Wohnsitz zu Saalfeld." Die Einweihung des Klosters zu
Stadtilm fand 1287 statt, nachdem zur Herstellung der Ge-
bäude von verschiedenen Bischöfen Indulgenzbriefe aus-
gestellt waren. (1279, 1300—1303).
Die Schutzvögte des Klosters waren die Grafen von
Schwarzburg und zwar die der schwarzburgischen Haupt-
linie. Das Verzeichnis der Äbtissinnen und Pröpste siehe
bei Hesse, Thür. und der Harz. Bd 8. Hesse zählt 18 Äb-
tissinnen, die letzte Margaretha, Gräfin von Schwarzburg,
geb. 1502, früher im Kloster zu Kelbra, seit 1523 Äbtissin
zu Hm, wo sie über die arg zerrüttete Klosterzucht bitter
klagen mußte, 1533 wurde sie Pröpstin des Stiftes Quedlin-
burg. Das Kloster war vornehmlich ein Stift des hohen
Adels, im Bauernkrieg blieb es vor wirklicher Plünderung
und Verwüstung verschont, das wertvollste Klostergerät war
durch Graf Günther XXXIX. vorher nach Arnstadt in
Sicherheit gebracht worden. Der kluge Vorsteher Heinrich
Spitznaß verhütete, indem er die Aufrührer reichlich be-
wirtete , eine förmliche Plünderung des Klosters. Nach ,
wieder hergestellter Ordnung bestand das Kloster noch bis
zum Regierungsantritt des Grafen Heinrich, des Reformators
Wie aus den später zu prüfenden Rentereirechnungen her-
vorgeht, flössen Barüberschüsse dieses Klosters schon seit
1631/1532 in die Arnstädter Rentereikasse und zwar in
beträchtlicher Höhe. In den Visitationsakten von 1538 findet
sich bei Kloster Hm bemerkt (cf, R. G. A.) : „Mit den iung-
frauen im closter ist gehandelt, von ihrem mißbrauch ab-
zustehen, und sich hinfüro zu dem wortt gottes und was
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation.
123
es mitbringt, zu begeben welchs sie alles zugesagt und
gewilligt haben darau£F ihnen zugesagt ist, sie sollen des
Otts, ßo sie sich ihrem zusagen gemeß halten ihr leben-
lang vorsorgt werden."
Über den Umfang der Klostereinkünfte werden wir
durch die noch vorhandenen Rechnungsausweise genügend
unterichtet, jedenfalls war Um eines der reichsten Klöster
des Landes, dies ersieht man nicht allein aus den reichen
Barüberschüssen des Stiftes an die Staatskasse, sondern
auch z. B. aus dem Gabenverzeichnis der schwarzburgischen
Stifte im Registrum subsidii 1506 (Palliengelder) i) : Es
gaben: Kloster Arnstadt
flor. in
3 marcas 3 fertones ^/j lot 21
auro 8 Sexag. et 27 gr.
Kloster Paulinzella: 2^/2
Kelbra: 3
„ lechaburg : 3
„ Suscera : 2
„ Gellingen : 3
„ Capelle : 2
„ Frankenhausen: 5
„ Um: 41/2
Die Gesamtgeldeinnahme des
marc.
1 fert.
5 lot
5 lot
„ 14 flor,
„ 5 lot:
„ 311/2
Klosters vom
26 flor.
flor.
Jahre
1485/1486 betrug 797 tlt. 16 soll.«) 31/2 ^
die Ausgabe 833 „ — 7 „
Besonders günstig stellten sich die Getreideeinnahmen
des Stifts, cf. z. B. vom Jahre 1515/1516 :
Korn E
1863 Mas II/2 Vtl. 4 Molmetz
„ A
Roggen E
„ A
959 „ 11/2 „ - „,
381/3 „
ebenso
Gerste E
784 Mas 1 Vtl.
A
Hafer E
637 „ 1 „
951 7, „ 51/2 Molmetz
» A
914 „ ■ - „ etc.
1) Zeitschr. des Vereins für Thür. Geshichte und Altertums-
kunde, N. F. II. Band, Heft 1.
2) Talente und solidi.
18
„ 6 ^
7
4
10
))
15
„ 6 ^
11
„ 47^ ^
a
—
124 Über die Verwendung der Klostergüter
Das Stift hatte den Zoll zu Dienstedt und Großhettstedt,
eigene Gerichtsbarkeit, der geldzinspflichtigen Ortschaften
waren es noch 1537/1538 rund 70.
Aus den aus der Zeit von 1533 — 1538 vorhandenen
Stiftsrechnungen von Um teilen wir nun folgendes mit;
1) Rechnung 1536/1537 (Vorsteher Hans Bhoner).
1) Retardata : 3 seh. 16 gr.
2) Spondtgelth : 3 „ 10 „
3) Zoll: 2
4) Gerichtsfälle (37 Fälle): 40
5) abgelöstes Kapital : 4
6) Holz: 5
7) Lehnrecht: 25
8) Insgemein : 20
9) Einnahme Erb- und wiederverkäufliche Zinsen :
(Wüllersleben, wüsten Walschleben, Sebergen, Elxleben, Groß-
hettstedt, Dienstedt, Kl. Hettstedt, Hammersfeld, Gehren,
Alt- und Neu-Morenbach, Gyßelsdorf, Wiilmersdorf, Hersch-
dorf, Jesuborn, Konigsee, W^arteburg, Garschitz, Pennewitz,
Oberilm, Angstedt, Wymbach, Stadt Hm, Singen, Stadt
Remda, Alt-, Kirch- und Sundremda, Heilsberg, Franken-
hausen, Dörnfeld, Breitenherda, Wolffis, Krawinkel, Goßla,
Milwitz, Haufeld, Moßdorf, Rechstedt, Teichmesdorf, Na-
winden. Steten, Achelstedt, "Witzleben, Bößleben, Wandeß-
leben, Kircheim, Erfurd, Gucheleben, Kleinliebringen, Ost-
hausen, Apfelstedt, Griesheim, Grefenau, Hengelbach, Hocheim,
Kottendorf, Wernigesleben, Liebenstein, Teichröda, Groß-
liebringen, Recheim, Büchelo, Folienhein).
S. S. 843 seh. 16 gr. 1 a. heller 1 lowen heller.
Ferner findet sich noch der !^osten :
Folgende zinße sein dißes iars widerumb außen ampt
Schwarczburgk gen Ilmen geweißt:
(Königsee, Dörnfeld a. d. H., Niederschöblingen, Nieder-
hein, Garschitz, Drebeschau, Herschdorf, Wolf Obstfelder
und Peter Bornkessel).
S. S. 56 seh. 8 gr.
S. S. aller Zinsen : 904 seh. 1 a. heller 1 lowen heller.
im ßchwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 125
10) „Vorspruch" Geld (Seebergen, Angstedt, Wim-
bach, Mornbach, Wüllersleben , Dienstedt, Großhettstedt
Elxleben, Warteburg)
26 seh. 8 gr. 3 1 ^
S. S. aller Einnahmen: 1033 seh. 4 gr, 1 a. heller.
„Darober 105 seh. so ich m. g. h. In beschid schuldig.
Unter der Ausgabe sind folgende Posten bemerkenswert :
21 seh. an 20 11.; In den gemeinen Kasten; 10 seh. 8 gr.
„2 armen Priestern, er Andresen und ern Thylen" (wöchent-
lich jedem 2 gr.). Auch findet sich die Bemerkung: An
dißen beyden orthen hat grafle hans heinrich die Zinße
zu folge laßen gewegert vermöge seiner schrifft.
Sonst sind die Ausgaben folgende :
14 gr.
1 „ 7 ^ 1 heller
12 „ 4 „(v.Watzdorf.v.Ober-
6 2 Weymar,v.PeuIwitz,
j^ " Q "die Zcengea werden
6) In die Renterei! 745 „ 10 „ ^^^ ^'
7) Nicht ganghaftig und nicht eingebracht: 31 seh. 14 gr.
S. S. aller Ausgabe: 950 seh. 1 2 gr. 7 ^ 1 heller.
Die Getreiderechnung ergiebt:
1) Gesindelohn :
27 seh.
2) Gem. Ausgabe:
89 „
3) Für die Nonnen :
28 „
4) Tagelohn:
12 „
5) Zerung :
1 «
Korn restat:
1425 M.
1 V. 2 Molm {^;
1489 Maas (rund)
64 „
Roggen „ :
124 „
fE: 136 M.
\A: 12 „
Gerste „ :
184 „
fE: 418 M.
^ ^[A: 233 „
Hafer „ :
920 „
fE: 1018 „
^ » \A: 92 „
Malz „ :
36 „
3 „
Erbsen „
27 „
— 3 Molm etc.
2) Die Rechnung von 1537/1538 (H. Bhoner, Vor-
steher) weist als Einnahme die Summe von 1 40 1 f 1. 1 3 gr.
1 A- auf, und zwar
Ein. Retardata: 189 seh. 12 gr. 11 ^
Gerichtsfälle (20 Fälle): 15 „ 15 „ 8 „
Spondgeld: 3 „ 10 „
Zoll: 2 „ 18 „ 6 „
126 Über die Verwendung der Klostergüter
Abgelöstes Kapital: 21 seh.
Holzgeld: 7 „ 17 gr.
Aus Korn : vacat. (Der rentlimeister wirdt ditz
gelt Versehens eingenomen habe.) Rocken, Gerste,
Hafer, Erbsen vac. ^
Malz: 126 seh.
lehnware: 47 seh. 6 gr. 9 ^v
Gemeine E: 125 seh. 25 gr. (darunter: 6 seh. 6 gr.
Johannes der buehfurer von Erffurd vor 258 U bucher an
80 althen sanct. meße und andern boßen buchern Ides h. (?)
vor 6 ^, Die breth abgeschlagen, So haben hirvber die
Nonnen derselben hiuor zu zweie oder dreie malen dießem
und einem andern buehfurer auch vorkaufft, desgleichen
hab ich zwei ader drei tüchtige gesangkbucher In die pfarre
geben. Dinstags nach Bartholomei).
E. Erb- und wiederkäufliehe Zinsen : 902 seh. 16 gr.
(70 Orte).
Vorspruchgeld : 29 seh. 3 ,^ 9 A. (9 Orte).
Die Ausgabe weist als Gesamtsumme: 1323 fl. 8 gr.
3 A. 1 h. auf. Darunter : Gesindelohn : 26 seh. 6 A, ; Zins-
ausgabe: 17 seh.. Gemeine Ausgabe: 71 seh. 7 gr. 11 ^
1 heller; für Nonnen Notturft : 49 seh. 16 gr, 3 A. u. s. w.,
als Hauptausgabe : 1 130 seh. In die Renterei !
Ähnlich, wie bei Stift Paulinzella verhält es sich nun
auch hier mit der Abtrennung von Stiftszinsen zum besten
der Amtskassen:
So finden wir in der Blankenburger Amtsrechnung
1533/1534 als Einnahme Ilmische Zinsen : 6 seh. 8 gr.
10 A, und in der 1534/1535er: 9 seh. 6 gr. 2 ^ (Blanken-
burg, Tälendorf, Leutnitz, Kleingöliz und Dittersdorf) ver-
zeichnet (Abgang auf 2 Jahre : 10 gr. 8 ^ und 2 seh. 8 -^),
ja selbst in der Amtsrechnung von 1532/1533 findet sich
zum erstenmal sub Einnahme insgemein: 20 seh. 17 gr. 2 ^
Ilmische Zins von wegen der Probstey. In der Rechnung
von 1535/1536 betr. Ilmische Zinsen im Amt Blankenburg
findet sieh als Geldzinseinnahme (von Blankenburg, Täle^^"
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 127
dorf, Leutnitz, Kleingöliz, Dittersdorf, Keilhau, Geilsdorf,
Volkstedt, Schala, Zeigerheim, Eichfeld, Schwarza und Lich-
stedt) und Einnahme insgemein : 32 seh. 3 gr. -
nach Abgang: 4 „ 14 „ 8 ^
bleibt: 27 „ 8 „ 4 „
Vorher ist schon als Abgang für die Hofhaltung in
Rudolstadt unter anderm angesetzt: 21 huner, 2^/2 unschlitz,
l^/g virtel erbes, 2 Hetzen mhon!
Interessant ist, daß hiemach die Stiftseinnahmen noch
mehr geschmälert worden sind, in dem eine größere Zahl
von Zinsortschaften für die Amtskasse abgezweigt wurde. ^
Zuletzt steht noch :
S. beider (Zeller und Ilmer) Zins:
restat: 120 seh. 1 gr.
Dauon gehn mir schoeßer 46 seh. 4 gr. 1 heller, so
man mir im rest der ambtsrechnung blibe und bleibe Tiber
abrechnung m. g. h. also allenthalben
73 seh. 16 gr.
Das Verfahren bei der Verwendung dieser Stiftseinnahmen
von Paulinzella und Stadtilm, sowohl der Geld- wie der
Getreidezinsen, möchte man als typisch für die Verwendung
des Klostergutes nach der Säkularisation überhaupt ansehen.
Ein kleiner Teil derselben wird für mildthätige Zwecke
und für die Schultheißen, ein kleiner Teil muß, weil nicht
eingegangen, in Abzug gebracht werden, ein winzig kleiner
Teil für irgend einen Pf^rrherrn, ein größeren Teil, be-
sonders der Getreideeinkünfte, fällt der Hofhaltung und
der Löwenanteil an Geld- und Getreideeinnahmen den
Staatskassen d. h. dem gemeinen Nutzen des Landes
,zu! Ferner verzeichnet die Arnstädter Amtsrechnung von
U533/1534
38 seh. 12 gr. 7^/2 ^^ Ilmische Zinsen,
ind in den noch vorhandenen Amtsrechnungen von Rudol-
^fltadt 1532/1533 und 1533/1534 findet sich als Einnahme
Eins von wegen des Klosters zu Stadtilm angegeben : 4 ^
Schala
128 Über die Verwendung der Klostergüter
3 seh. 51/2
7 „ 3
gr. Eychefelt
„ 4 ^v Volstet
2 „ -
1 seh. 19
Vl\ 2
„ 4 „ Blankenburgk
gr. Keylhaw
Telndorff
10 „ 40
6
„ Geylsdorif
„ 8 ^ Liechstet
4
„ Leutenitzs
S. S. 26
seh. 15 gr. 8 X.
c) Die Rentereirechnungen geben nun noch folgenden
Aufschluß über die dem Staate zugefallenen Barüberschüsse
des Stifts:
1) Rent. Rechnung Arnstadt 1531/1532.
Die Einnahme aus dem Kloster Urnen von dem Vor-
steher Heinrich von Zossen beträgt : 889 seh. 20 gr., ebenda
finden sich diese Notizen: 63 seh. 22 gr. an 47 guten seh.
11^/2 schneeb. von philipp Drlrt Recht (?) zu blankenburg.
Enpfangeh an den Zinßen so Er von wegen des Jungfrau
closters zu Urnen hat ingenomen auß befelich m. g. h. Item
diße Zinse habe ich in berechent und nicht außgeben sein
nicht gefordert wurden, so habe ich derhalben di Ausgabe
der Zinße im beschloß nicht wollen endern.
2^/2 seh. von d. Brudschafft bt vgr zu Sanct bonifacii,
1 seh, 24 gr. von d. BruderschaiFt Swartzburg, habe nach
geloßen 2^/j seh. her Johan •••[?] nichtgefurdert
Sma ...[?] Die (allerdings durchstrichene) Rent. Rechnung
von Arnstadt 1532/1533 weist als Einnahme von Heinrich
von Zossen, Vorsteher zu Hm, auf
1) 1000 gute seh. u.
2) 210 seh.
Die Rent. Rechnung Arnstadt 1536/1537 verzeichnet
als Einnahme von diesem Stift: 710 fl. an 745 seh.
10 gr.
Nehmen wir für die Einnahmen, welche aus diesem
Stift von 1532 — 1538 den Amts- und Rentereikassen zu-
flössen, runde Summen an, so ergiebt sich als Barüberschüsse
an die Rentereikasse bei rund jährlich 1000 seh. die Summe
im Schwarzbxirgischen zur Zeit der Reformation. 129
von 7000 seh. und als Zinseiunahmen für die Amtskassen
innerhalb 7 Jahren :
1) Blankenburg: 189 seh.
2) Arnstadt: 266 „
3) Rudolstadt: 182 „
Summa: 637 seh.
Bei diesem Stift fällt auf, daß dasselbe schon seit
1532 ganz erhebliche Barüberschüsse an die Staatskasse,
d. h. zum gemeinen Nutzen des Landes ablieferte.
3. Das Benediktiner Nonnenkloster zu Arnstadt,
ursprünglich der H. Walpurgis geweiht, Mainzer Dioec.
zur Praeposit. B. Mariae Virginis, sedes Kirchheim, gehörig,
wurde von dem Walpurgisberge, wo es sich zuerst befand,
1309 nach der Stadt verlegt; seine ursprünglichen Stifter
sind die Grafen von Kevernburg. Nach dem Jahre 1317
gellt aus seinen Bezeichnungen hervor, daß das Koster
lediglich der heiligen Maria geweiht war. („Monasterium
B. M. Virginis inter muros oppidi Arnstete" etc.) Über
die Namen und Zahl der Pröbste und Priorinnen ver-
gleiche Burkhardt, Urkundenbuch der St. Arnstadt (Thür.
Geschichtsquellen N. F. I) und Hellbach, Geschichte dieses
Klosters. Die Konventualinnen wurden in die Amts- und
in die übrigen Jungfrauen eingeteilt. Der ersteren waren
vier: (Kellnerin, Küsterin, Kämmerin und Siechmeisterin),
Im Jahre 1457 kommen 33, 1528 etwa 20 schleiertragende
(Jungfrauen vor. Das Stift hatte lt. dem städtischen Statut
das Recht, bei drei städtischen Pfarren zu präsentieren.
[Hellbach meint, daß das Kloster kein sehr bedeutendes
und auch kein sehr reiches gewesen sei, weil keine Gräfin
aus dem Hause Kevernburg und Schwarzburg und auch
.nur wenige vom Adel diesem Konvent angehört hätten und
[auch darum, weil die Domina nicht Äbtissin, sondern Priorin
i;enannt wurde, doch weisen noch vorhandene Kloster-Rech-
fnungen auf ansehnlichen Besitz und nicht unbedeutende Ein-
►künfte hin,
XXI. 9
130 Über die Verwendung der Klostergüter
z. B. 1495 Geld -Einnahme: 1366 seh. — ?
„ Ausgabe: 1127 „ 1 heller.
Die Reformation und Säkularisation des Stiftes fällt
ins Jahr 1533. Diesem Jahre entstammt auch die erste
Stiftsrechnung, welche von dem gräflichen Amtmann"und
Verwalter Lutz von WüUersleben aufgestellt ist. Doch
wir wollen die 3 aus der Zeit 1533/38 noch vorhandenen
Stiftsrechnungen des Verwalters und Amtmannes Lutze
von WüUersleben selbst prüfen!
1) Rechnung von 1533/34:
S. S. Einnahme: 1011 seh. 13 gr. 11 ^ 1 heller.
Darunter Retardateinnahmen der letzten 3 Pröbste'r
142 seh. 5 gr. l^/g '^.
Außerdem wird noch auf etliche 100 Schock an „un-
bekentlichen und wüsten Retardaten" hingewiesen, „daran
sich zu vormuthen das gar wenigk ader gar nichts daran
zu bekommen ist".
Die folgenden Einnahmeposten sind:
1) Erbzinsen in der Stadt: 78 seh. 5 gr. 1 ^ 1 h^
2) Erbzinsen auf dem Lande (53 Ortschaften):
162 seh. 9 gr. 2 „
3) Wiederkäufl. Zinsen: 1 „ 13 „
desgl. in der Stadt: 5'^ » 7 „ 3 „
„ auf dem Lande (34 Orte) :
149 „ 4 „ IV2 ^
Leibzinsen der Jungfrauen : 92 „ 5 „
Laßzinsen : 6 „ 15 „ 8 A.
Zinshühner: 4 „ 16 „
Zinsgänse: 1 „ 15 „
Hauptgeld der Zinsablösung: 65 „ 14 „
Lehnrecht: 3 „ 13 „
aus der Schäferei: 112 „ 7 „
für Pferde: 45 „ 17 „
für Korn: 110 „ 7 „ .
Gerste: 4 „
Hafer: '^ » 8 „
Die Ausgabe beläuft sich auf: 85.6 seh. 6 gr. 1 ^.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 131
Die einzelnen Posten lauten;
1) Erbzinsen: 2 seh. 10 gr. 10 -X,
2) Dem Rentmeister: 23 „ 13 „ 1 „
3) Alte Schuld bei Krucker: 43 „ 10 „
4) Für die Küche der Jungf. 1 1 90 o in
u. das Gesinde im Pfarrh. j " n ^^ «
5) Kostgeld für die beiden \
Pfarrer Niclaus Tantz u.l
Er Caspar zu U. L. F. ( ^^ » "^^ »
und St. Bonifacij : j
6) Vorrat ins Haus: 62 „ 17 „ 5 „ 1 h.
7) Jungfrauen Notturft: 47 „ 5 „ 6 „
ML, Die übrigen Ausgaben beziehen sich auf die Ver-
^m waltung des Stiftes.
^B An Retardaten sind hinterstellig : 36 seh.
Wk Im Vorrat bleibt: 119 „ 7 gr. 10 A, 1 h.
^H Trotzdem nach dieser Rechnung der Überschuß des
^^Stifts und die an den Rentenmeister abgelieferte Summe
unbedeutend ist, warf dennoch die Bewirtschaftung des
Stiftsgutes der Hofhaltung einen erheblichen Vorteil an
Naturalien ab. Man vergleiche die Getreiderechnung des-
selben Jahres:
1) Korn E: 1012 Maß 3 Viert 4 Molmetz (17 Zinsorte)
A: 6531/2 - „ 1
Davon 112 Maß verkauft; 232 Maß 1 Viert. 1 Mol-
metze aufs Schloß und 106 Maß 3 Viert. Ausgabe ins-
gemein und Dienstlohn, worunter sich auch kleinere Ab-
gaben an Pfarrer, Kirchner und Schulmeister finden (dem
Kirchner zu Bytstedt, dem pfarhern zu Rudißleben, dem
pfarhern zu Holtzhaußen, dem pfarhern Bonifacir, er Nicl.
Tantz, dem kirchner Bonifacii, dem priester zu St. Catharin
(10 Maß), dem Schulmeister Nicl. Straffen.
Die Ausgaben laufen zwischen ^/^ und 6 Maß.)
2) Gerste E: 399 Maß (16 Zinsorte)
A: 382 „ 2 Viert. 1^/2 Molmetze.
Davon allein 129 Maß 11/2 Molmetze aufs Schloß.
3) Hafer E: 521 Maß 1 Viert. i|, Molmetze (19 Zinsorte)
A: 431 „
Aufs Schloß: 259 Maß 2 Viert.
9*
132 Über die Verwendung der Klostergüter
4) Malz: Einnahme und Ausgabe 66 Maß, 30 Maß gen
Rudolstadt.
Die Viehrechnung weist auf einen Vorrat:
34 Nosser
und 2 Schock Schsv^eine.
2. Rechnung von 1534/35.
Die Einnahme setzt sich zusammen aus:
Retardaten: 52 seh. 11 gr.
13 Posten Reste wurden auf Befehl der Obrigkeit er-
lassen,
im ganzen mit noch!
5 anderen Posten / ^^ ««^- ^^ ^r-
Erbzinsen in der Stadt: 77 „ 1 „ 6^/2 ^
„ auf dem Land: 159 „ 9 „
Wiederkäufl. Zinzen zul
sich erkauft: j ^ " ^^ "
Wiederkäufl. Zinsen inl 1 v 1 i,
Stadt und Land: j 207 „ 18 „ 1 A. 1 h.
Leibzinsen: 85 „ 10 „
von Laßgütern: 6 „ 15 „ 8 ^ etc.
S. S. Einnahme: 1026 seh. 3 gr. 1 ^
Die Ausgabe setzt sich zusammen aus:
Erbzins: 2 seh. 5 gr. 6 ^
Für die Küche der Jungfr. ) . _ „
u.d. Gesinde im Pfarrh.j^^^ » 17 „ — 1 h.
Für Kostgeld beider") ^- ^„,,
Pfarrherrn: } ^^ » ^^^^ ^-
Vorratsausgabe: 6 „ 4 gr. 4 ^
Für die Notturft derl
Jungfrauen : J
36 „ 4 „ 11 ^ u. s. w
S. S. Ausgabe: 608 seh. 7 gr. 8 X 1 heller.
Von dem Überschuß : 4 1 7 s c h. 1 5 g r., 4 ^ 1 h.
wurden an den Rentmeister Sigmund v. Witz-
leben 280 seh. 12 gr. gegeben.
3. Rechnung von 1537/38.
S. S. Einnahmen: 766 seh. 12 gr. 4 A,.
Die Reste, welche hiernach von den Jahren 1525 — 34
nachgelassen werden, belaufen sich auf 16 seh. 12 gr. 6 A,
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformatio^. 133
Dabei betragen
die Erbzinsen der Stadt noch: 76 seh. 8 gr. 7 ^ 1 h.
„ „ auf dem Land: 159 „ 12 „ 4^2 •^•
Dagegen die Einnahme der wiederkäuflichen Zinsen
(Stadt und Land) nur noch: 159 seh, 15 gr. 5 A, 1 h.
2 seh. 5 gr. vorm iare widderkeuflicher zinße abgelost,
nemlich 31 schneb. 6 ^ und 13 ^/g schneb.
und die von Leibzinsen nur: 48 seh.
(hierbei findet sieh die Bemerkung: So seindt auch noch
21 seh. dicz jhar bei den iungkf. von der Saehssen ab-
gang, seint auß dem closter gezcogen).
Der Laßgutzins: 15 gr. 8 ^
. Lehnrecht: 8 seh. 4^/2 gr. u. s. w.
Die Summe der Ausgaben: 497 seh. 19 gr. 1 h. Dabei
Erbzins von des Klosters wegen: 3 seh. 5 gr. 2 ^,, zum
erstenmal : 1 seh. er Peter Itiges in gemein kästen zcu
den geistl. lehen Crucis in S. Jaeoifs kirchenn und auch:
4 gr. er Cristoff pharher zcu Oberndorff, von einer wiesen
unthier dem hayn.
Für die Pfarhern Kostgeld : 25 seh.
Für Jungfrauen, Küchel
und Gesinde: j ^^^ »
Vorrat ins Haus: 15 „
Notturft der Jungfrauen: 36 „
Rest: 268 „
Doch ist nichts bemer^, daß diese Summe der Renterei-
kasse zugeflossen wäre. Die Rentereirechnung Arnstadt
von 1536/37 weist als Einnahme aus diesem Stift die
Summe von 120 fl. auf. Nehmen wir also dies"e Summe
als jährliehen Barüberschuß an, welcher der Rentereikasse
während der Zeit von 1533 — 38, also während 6 Jahren
zufloß, so ergiebt es die Gesamtsumme : 7 20 f 1. Bezüglich
dieses Stiftes fällt ganz besonders die nicht unbedeutende
Abnahme der Stiftseinnahmen bereits in der Zeit von
1533 — 38 auf Dies ist in erster Linie darauf zurück-
zuführen, daß die ansehnlichen Getreideeinnahmen zum
großen Teil direkt den Hofhaltungen zu gute kamen und
4
gr.
8
))
1
^
1 h.
19
n
3
^
1 h.
12
))
9
^
1 h.
19
»1
-
—
1 h.
]34 Ü^^er die Verwendung der Klo.stergüter
auch die Zinsabgaben an das Stift staatliclierseits ge-
schmälert wurden, während die Abnahme der Leibzinsen
nicht sonderlich ins Gewicht fällt und ,ja auch durch die
Abnahme der Ausgabe für die Jungfrauen einigermaßen
ausgeglichen wurde. Bei diesem Stift zeigt sich schon in
•lieser Periode am deutlichsten, in welcher Weise das
Klostergut allmählich staatlicherseits aufgesogen wurde.
Überblicken wir dieses, wenn auch sehr lückenhafte,
aber dennoch für die Beantwortung unserer Frage überaus
wichtige urkundliche Rechnungsmaterial, so ergiebt sich
folgendes: Soweit die Einkünfte der von staatlichen Ver-
waltern geleiteten Stifte nicht zur Bewirtschaftung der
Stil'te selbst und zur Unterhaltung der Klosterinsassen
gebraucht wurden, fielen sie in der Hauptsache den Staats-
kassen, beziehentlich den Hofhaltungen zu. Der Vorteil,
welcher dadurch dem Staat bez. dem gemeinen Nutzen
des Landes trotz der anfänglich nicht so bedeutenden
Barüberschüsse der Stiftsverwaltungen in der Zeit von
153:5 — 38 erwuchs, war immerhin ein ganz beträchtlicher;
und zwar sowohl an barem Geld, ganz besonders aber auch
an Naturalertrage der Stifte :
1 ) Die Überschüsse an barem Geld, welche der Renterei-
kasse von 1533 — 38 zuflössen, ergeben, wenn man die
Rentereirechnungsangabe von 1536/37 als die jährliche
Durchschnittssumme annehmen darf, die erhebliche Summe
von ni20 fl, und zwar besonders durch den Überschuß'
des Stilles Hm.
2) Dazu koniiuen diejenigen Stiftszinseneinnahmen,
welche seit Einführung der Reformation und Säkularisation
der Klöster von deren Einnahmen abgetrennt wurden und
den Amtskassen zuflössen (cf. oben, bei Hm und P9,ulinzella
ergiebt die Zusammenstellung: 1562 seh.)
3) entzog sich dei- Staat der Verpflichtung fast ganz,
die den Stiften bis zur Reformation staatlicherseits fällig
gewesenen Al)gaben, nach der Säkularisation weiterhin zu
onti-ichten. Dali dieser Vorteil nicht unerheblich war, er-
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 135
sieht man unter anderem aus einem Vergleich der Arustädter
Rentereirechnungen von 1531/32 und 1536/37. Dort be-
laufen sich die staatlichen Ausgaben für wiederkäufliche
Zinsen in „m. g. herrn städten" auf 830 seh. 41 gr. 1 ^
hier nur auf: 637 fl. 3 gr. 7 -X. Diese Zinsen wurden
zumeist an geistliche Stiftungen des Landes gezahlt (cf«
hierzu die Stiftsrechnung von Arnstadt 1538/39).
Doch abgesehen von diesem für damalige Verhältnisse
nicht unbedeutenden Kapitalgewinn, zog die Herrschaft
auch aus dem Getreide und Vieh, sowie aus dem erbauten
Wein der säkularisierten Stifte ganz erheblichen Nutzen.
So sei beispielsweise zu dem schon Gesagten noch an-
geführt, daß allein nach den drei noch vorhandenen Getreide-
rechnungen des Arnstädter Stiftes aus dieser Zeit rund
gerechnet 2 601 Maß Getreide aller Sorten auf die herr-
schaftlichen Schlösser geliefert wurden. Nach der Rechnung
von 1534/35 desselben Stiftes wurden aus dem Stift für
das Schloß 1 Kuh, 1 Stier, 27 Schweine, 2 Eber ge-
schlachtet. Die 13^/2 Schock Zinseier wurden zum Teil
im Kloster, zum Teil im Schloß verspeist, der Abgang von
84 Hammeln nach der Schafrechnung fand seine Ver-
wendung teils auf dem Schloß, teils wurden sie verkauft,
und die Weinrechnung des Stiftes vom gleichen Jahre
ergiebt, daß der erwachseife Wein sofort vollständig auf
das Schloß kam, während von den noch im Vorrat befind-
lichen 172 Eimern Wein 145 Eimer aufs Schloß, 10 Eimer
ins Kloster abgegeben wurden und 17 Eimer „verfult"
waren.
Vergleiche auch die Getreiderechnung des Stiftes Arn-
stadt von 1537/38:
a) Korn Einnahme: 1188 Maß 1 Viertl 3 Molmecz
Ausgabe: 629 Maß,
darunter für d. g. h. bez. in die grüne Au zu Erfurt:
131 Maß 1 Virtl und 55 Maß und 2^/2 Virt.
Ausgabe Korn insgemein: 170 Maß 3V2 Virt.
136 Über die Verwendung der Klostergüter
Darunter: 20 Maß dem castenhern von wegen der obirkeit
10 „ „ pfarrer Bonifacii zu seiner costunge
5 „ „ pfarrer zu vnßer lieben Frauen
5 „ „ Schulmeister zu seynem lohn
11 „ „ kirchner zu unßer lieben frauen
6 „ „ kirchner zu S. Bonifaci
1 „ „ pfarrer zu Bitstet zu deczman
^/s ,j n kirchner zu Bitstet
^/^ „ „ pfarher zu Eudißleben
^/2 j5 „ kirchner zu Dornheym.
Das Übrige verblieb im Vorrat.
b) Gersten E: 682 M. 3 Viert.
A: 673 „ 2V2 Viert.
Davon unter anderem : a) aufs Schloß 278 M.
b) nach Rudolstadt auf obrigkeitlichen
Befehl 48 M.
c) auf die Kefifernburg 57 M.
d) in die grüne Au^) öl^/g M.
(also circa ^j^ aller Ausgaben ±ür die Höfe).
c) Hafer E: 488 M. 2 Viert. IV« Molmetze
A: 438 M. 31/3 Virt.
Darunter aufs Schloß 34 6 Maß.
2) Vieh, Eindvieh E: 66 Alt- und Jungvieh
A: 18
Darunter 5 Kälber aufs Schloß, 3 Kälber und 5 Stiere
ins Kloster geschlachtet.
Arweys E: 23 M.
A: 23 M. (9 M. aufs Schloß).
Die Weinrechnung fehlt ganz.
Schweine E: 136 Stück
A- 53 P^ i«s Kloster und aufs
-TT«, T. 1 , " l Schloß geschlachtet.
Hühner E : 6 seh. 1 Stck.
T? . Q.^,;^//« ^''^- (^V2 sch. 1 Stck. ins Kloster).
Eest: 31 Hühner.
Gänse E: 27 Stück
A- 21 1| P^^ Kloster 16 Stck.,
o , . '' " 1 I^est 51/.
Schafe E: 957 Nesser
A : 1 72 „ (zu Hof und ins Kloster 1 23 Stck.)
1) Gräflich-Schwarzburgischer Hof zu Erfurt.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 137
Auch war die staatliche Einnahme aus Wollenverkauf,
wozu auch die Stiftsschäfereien beitrugen, nicht gering.
Die Rentereirechnung Arnstadt 1536/37 verzeichnet unter
Wolleneinnahme, wobei sich die Wolle der Schäferei des
Stiftes Arnstadt befindet, die Summe von 489 fl.
Dem gegenüber überrascht es in der That, daß die
Ausgaben für den Unterhalt der Klosterpersonen sowie die-
jenigen für „christliche Zwecke" (Kostgeld für die beiden
evangelischen arnstädtischen Pfarrer, angekaufte evangelische
Bücher, geringfügige Getreideabgaben an einige wenige
Kirchendiener und einige geringe Abgaben an den gemeinen
Kasten) entgegen dem Vorteil des Staates bezl. des Landes
im allgemeinen aus den säkularisierten Stiften Stadtilm
und Arnstadt kaum nennenswert sind. Hinsichtlich des
Stiftes Paulincella können wir leider bei dem Mangel an
Quellen ein Urteil nicht abgeben ! (cf. aber die spätere
Rechnung 1538 — 39, darnach ist zu vermuten, daß einzelne
Dorfpfarrer schon früher vom Stiftseinkommen unterhalten
wurden.) Da nun der Staat, wenn er die Barüberschüsse
der Klöster — sehen wir einmal ganz von dem beträchtlichen
Nutzen der Herrschaft aus Getreide und Vieh ab — für
sich in Anspruch nahm, die Verpflichtung hatte, diese
Überschüsse in erster Linie wiederum der jungen evan-
gelischen Kirche zum besrten zu verwenden, so müßte dies
demnach aus den noch vorhandenen Staatsrechnungen (Amts-
und Rentereirechnungen) ersichtlich sein. Leider sind wir
allerdings nicht in der Lage, sämtliche staatliche Rech-
nungen aus dieser Zeit daraufhin zu prüfen, da nur einige
wenige noch vorhanden sind; trotzdem überrascht es auch
hier, wie verhältnismäßig unbedeutend die Ausgaben sind,
welche wir allenfalls auf das Konto derjenigen Stiftsüber-
schüsse setzen könnten, welche den Staatskassen zuflössen.
So finde ich in der Amstädter Rentereirechnung von 1532 —
1533 z. B. angegeben, daß dem Dr. Joh. Lang von Erfurt,
weil er in der Visitation 1533 thätig war, 11 fl. 9 gr. zur
Verehrung gegeben wurde; ferner ein Mönch, der aus dem
j3g über die Verwendung der Klostergüter
Barfüßer Kloster gegangen ist, erhält 12 gr. „umb gotes
willen", ein junger Mönch aus Paulincella, der sich nach
Erfurt zum Studium begeben will, erhält^ 5 fl. In der Ren-
tereirechnung von 1536—37 z. B. 1000, gülden an grober
muntze von wegen des verstentnis etzlicher chur vnd
fursten, grafen, hern und stetten der protestirende stende,
und religion sachenhalb so m. g. h. zu derselbigen ge-
buerend antheil daßmals zu entrichten aufferlegt gewest
etc. ferner: 19 fl. 4 gr. hat Johann Zwuester cantzler
off zweimal li [18?] tag zu Schmalkalden verzert, als die
protestirende stende bei einander gewest, die wochenn
oculi; 40 fl. er Niclas Mende dem ordens person auß
der Paulina Zelnn walpurgis — michaelis ao 37 fellig zu
zweienmalen durch doctor Lang entricht zu erhaltung des
Studiums zu Wittenberg, wie ime dan m. g. h. zugesagt
etc. Ferner: 2 fl. vor ein lateinisches buch als die commen-
tarius in quatuor ewangelistas er Casparn dem prediger
Bonifacii uß bevelich m. g. h. bezalt; auch: 13 fl. 2 gr.
an 11 thalern doctori Jheronimo Schuerffen bei brenninge
uffs cantzlers bevelhe gen Wittenberg geschickt etc. Da-
gegen können wir die in derselben Rentereirechnung sub
„wiederkäufliche Zinsen" verzeichneten unerheblichen Aus-
gaben an den (Pfarrer) Niclaus Tantz, an den gemeinen
Kasten etc. hier nicht wohl als solche ansehen, die auf
das Konto der Stiftseinkünfte zu setzen wären, denn die
Staatskasse hatte ohnedies durch Wegfall einer Anzahl
wiederhäuflicher Zinsen an geistliche Personen und Stiftungen
des Landes erheblichen Vorteil.
Und wie diese eine Rentereirechnung, so ergeben
die durchgesehenen Amtsrechnungen dasselbe Resultat:
Ich finde z. B. in der Rudolstädter Amtsrechnung von
1532 — 33 nur folgende bemerkenswerte Ausgaben ver-
zeichnet: 3 gr. 4 X vor 2 dinst fischs als der predier von
Salvelt und der pfarher von Liberingen den pfarre zcu
Teuchel unnd Hasla examenirten dinstags nach Egidii
2 gr. für die Küche bei gleicher Veranlassung ge-
legentlich der Visitation 1533.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 139
14 gr. 9 ^ vor ein kalb montags nach exaudi als
die visitatores inkamen, 1 seh. 4 gr, der vißitator Schreiber
gein Ihen geschick, mittewochns nach cantate. In der
Amtsrechnung von Arnstadt 1533 — 34 z. B. 10 gr. vor
ein buch dem pfarrer zcu Willingen, darinnen die Ordnung
der visitatoren beschrieben.
In der Amtsrechnung von Blankenburg 1532/33:
3 seh., die visitatores verthan donnerstags und freitags
post exaudi. Es soll nun keineswegs unberücksichtigt
bleiben, daß die Regelung der kirchlichen Angelegenheiten
des reformierten Gebietes, die darauffolgenden Rechtshändel
und Beschwerdesachen (z. B. der langwierige Prozeß Graf
Heinrichs des Älteren contra Burdian zu Erfurt i), des-
gleichen die damit verbundenen häufigen Reisen des Grafen
und seiner Räte, kurz alles, was die Organisation der evan-
gelischen Kirche erfordete, erhöhte Ausgaben für die Staats-
und Amtskassen verursachte, aber alles dies zugegeben, das
leuchtet doch ein, alle diese Ausgaben fallen schon gegen-
über den in dieser Anfangsperiode noch nicht einmal so
beträchtlichen Barüberschüssen, welche die Stifte an die
Staatskassen ablieferten , kaum in die Wagschale. Zum
Besten des Landes ist die allerdings sehr nötige und
verdienstvolle Aufsicht über das Stiftsvermögen teuer be-
zahlt worden und zwar* schon in dieser ersten Periode
nach Säkularisation der kirchlichen Stifte. Doch dies hätte
immer noch geschehen mögen, wäre nicht auch zugleich der
Anfang gemacht worden, die Vermögenssubstanz der kirch-
lichen Stifte systematisch zu schmälern und Klostereinkünfte
den Amtskassen zuzuweisen. Die löbliche Absicht, die
zweifellos in dieser Zeit bei einzelnen Stiften noch erkennbar
ist, nämlich das Klostergut gesondert zu verwalten und
damit der neuen Kirche ihre überkommenen, weltlichen
Güter nach Möglichkeit zu erhalten, wurde dadurch schon
durchbrochen, ebenso dadurch, daß die Barüberschüsse den
1) S. A. und Kopie in den Hessischen CoIIectaneen. R. G. A.
140 Über die Verwendung der Klostergüter
Staatskassen zuflössen, deren noch vorhandene Eechnungen,
die noch nicht einmal die kirchlichen Einnahmen und Aus-
gaben gesondert zusammenstellen, den Ausweis liefern, daß
nur dürftige Bruchteile der Stiftsüberschüsse kirchlichen
Zwecken zu gute kamen. Es ist und bleibt also vom kirch-
lichen Standpunkt aus zu bedauern, daß das Stiftgut nicht
der neuen Kirche gesondert erhalten blieb, denn thatsächlich
sah man eigentlich jetzt schon die Stiftsgüter als staatliches
Eigentum an und füllte mi£^den Stiftsüberschüssen die be-
dürftige Staatskasse.
Denn war auch die Herrschaft Schwarzburg-Amstadt
im Verhältnis zu den Herrschaften Leutenberg und Sonders-
hausen - Frankenhausen finanziell um diese Zeit noch am
besten gestellt, so zeigt doch ein Blick in die Arnstädter
ßentereirechnung von 1536/37, daß auch hier die Schulden-
last des Staates drückender zu werden anfing. Eine Ver-
wendung der Stiftsgüter zu gemeinem Nutz, d. h. zum
Besten der Staatskasse, konnte deshalb nur erwünscht sein.
Trotzdem also für die Erhaltung der Stiftsgüter zu kirch-
lichen Zwecken so nachteilige Wege eingeschlagen wurden,
darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, daß Graf
Heinrich, der Reformator, dieser edeldenkende, überzeugte
evangelische Christ, so gut es ging, für die materielle
Eundamentierung seiner evangelischen Landeskirche Sorge
trug. Freilich war diese Sorge leider eben nur darauf be-
rechnet, den evangelischen Pfarrern einen anfänglich leid-
lichen Unterhalt zu gewähren, während doch auch in der
Zukunft erneute Anforderungen an Aufbesserungen zu er-
warten standen, ja gar bald eintraten. (Gemäß Andeutungen
in den Visitationsakten 1539 hatten sich schon um diese
Zeit einzelne Pfarrer beim Kurfürsten von Sachsen deshalb
beschwert)
Wie vorteilhaft wäre es da gewesen, wenn das Sifts-
vermögen noch ungeschmälert oder wenigstens in der Haupt-
masse noch vorhanden gewesen wäre!
Während es urkundlich feststeht, daß der Graf in seinem
im Schwarzburgißchen zur Zeit der Reformation, 141
Testament von Dienstag nach Quasimodog. 15341) nur das
Vorwerk zu Rottleben und den Weinberg, der „Schleicher,'^
zu Rudolstadt, „wuchs vor dieser zceit in die Paulzcella ge-
hört hatt", seiner Gemahlin verschrieben hatte und auch
bei dieser Testamentsverfügung ausdrücklich die Möglichkeit
oflFen gelassen hatte, daß die Güter als der Kirche gehörig
wieder zurückerstattet werden müßten, wie sie ja auch die
gräfliche Witwe bereits 1539 an Graf Günther XL.
wieder herausgab, bemühte er sich in der Visitation 1533
durch seine Visitatoren die Einkommensverhältnisse der
Pfarrer seines Landes zu ordnen. Vornehmlich legte er
Gewicht auf die Errichtung von „gemeinen Kasten" in den
Städten des Landes, aus welchen die Unterhaltung der
Prediger, Schul- und Kirchendiener sowie die Erhaltung
kirchlicher Gebäude und die Unterstützung armer Be-
dürftiger bestritten werden sollte (cf. die Notiz im Roten
Buch zu Arnstadt S, 15): „Wer praedikanten und schul-
diener zu unterhalten schuldigk? kästen hern. Nachdem
sich zu Amstat das evangelium got hab lob angefangen,
ist von unßerm g, h. grave Heinrich des 33. jars ein
Ordnung gemacht, alßo, das prediger Schulmeister und
kirchner sollen von einem gemeinen kästen besoldet und
erhalten werden; auch arme leute nach notturfft etc," 2)
So anerkennenswert nun auch diese Einrichtung war
und so gewiß durch sie manchem dringenden Bedürfnis der
materiellen Sicherung der evangelischen Pfarrer Abhilfe
gewährt werden konnte, so waren es doch nur dürftige
Unterstützungskassen, die lediglich für die wenigen Städte
Bedeutueg hatten, deren Ausgabeverpflichtung außerdem zu
umfangreich war und denen ja eine Haupteinnahme, nämlich
die von dem Stiftsvermögen , fehlte. Von den frühsten
Kastenrechnungen, die noch vorhanden sind, nämlich aus
dem Jahre 1549/50 verzeichnet die Stadtilmer Kasten-
rechnung als
1) W. A. Reg. Ee, No. 550, VoL U.
2) Amat. Rats-Archiv.
142 ^ber die Verwendung der Klostergüter
Einnahme: 278 fl. 18 gr. 2 ^ 1 heller
als Ausgabe: 174 fl. 5 gr. 11 >- 1 heller
und die Arnstädter
als Einnahme: 971 seh. 59 gr. ■"
Die Einnahmen setzen sich unter anderem zusammen aus :
1) Verkauftes Getreide: 32 seh.
2) vor Wein und verkaufte Häuser: 80 seh. 40 gr.
3) von dem Gras auf der Kasten wiese: 16 seh. 48 gr.
4) Einnahme aus dem Kasten Bonifacii : 28 „ 32 „
Einahme insgemein:
5) Einnehme testirt und beschiedenn gelt
1) 8 seh. 24 gr. 2) 56 seh. an 40 fl. u. s. w.
Die Ausgaben, welche 916 seh. 8 gr. betragen, setzen
sich zusammen aus:
1) Ausgeliehenes Gelt: 212 seh. 46 gr.
2) desgl. kirchen unnd schueldienern an ihrer besoldung
daran einem jdern ein jdes quartal der viertte teill ge-
geben wirtt.
95 seh. magister Niclao Mandio pfarhern zu v. 1. frauben.
98 „ er Heinriehen dem kappelan
98 „ dem Schulmeister, Jacobi Frobenio
56 „ Paulo Daeiano cantorn
56 „ Simon hern back largen
etc.
28 „ dem orgenisten und kirchner Bonifacii
12 „ Petter Rebeling kirchner zu v. 1. F.
3 „ denn orgeltretter.
1 „ 36 gr. Johan Babsten das er die communicanten
informirtt. S. S. : 464 seh. 24 gr.
3) Ausgeliehen Geld, das nicht verzinst wird: 14 seh.
4) Ausgabe Erbzinß und Geschoß: 15 seh. 24 gr. 2 ,5v
6) „ kostungeder wein garttenn: 12 seh. 7 gr. 1^/, ^
6) „ haußzins v. mietheuser (für Magister Mandio
u. für das Cantorhaus) : 12 seh. 36 gr.
7) armen leuthenn und studiosii (bez. sehülern) : 90 seh.
42 gr. 11/2 A, (wiederholt kranken Pfarrherrn: einmal
einem von Auspurg, dann einem aus dem Wirtzburger
laut).
8) Ausgabe ins gemein und kostung der gebende (Kirchen,
Pfarren, Schulen) : (Hostien, Besen, Lichte etc.) : 94 seh.
7 gr. 1 ^.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 143
Übrigens darf man annehmen, daß noch nicht einmal
hinsichtlich der erledigten geistlichen Lehen, welche doch
dem gem. Kasten zufallen sollten, immer dies auch wirklich
geschehen ist, denn es findet sich in der Amtsrechnung von
Rudolstadt 1532/33 sub Einnahme insgemein der Posten
verzeichnet :
31 seh. 10 ^ vom rat zu Rudelstat von wegen des
lehen Elizabet.
Dergleichen in der Amtsrechnung von Arnstadt 1633/34
sub Zinsen, welche m. g. H. zu sich gebracht, nachgelassen
und nicht ganghaftig gewesen unter anderem :
4 gr, an einer wießen unser lieben frauen bruder-
schafFt zu Arnstadt, so m. g. h. zu sich pracht. 12 gr. gibt
m. g. h. von solcher wiesen ierlichen itzundt den kästen
herrn zu Arnstadtt.
2 gr. 4 ^ von einer wisen zu Plau zinset der vicarei
doselbst, so m. g. h. zu sich genomen.
Diese Fälle dürften nicht allein stehen.
Endlich bringt der Graf die Sorge für das materielle
Wohl seiner evangelischen Landeskirche auch noch in seinem
Testament vom Jahre 1538 in folgenden Bestimmungen zum
Ausdruck :
„wir befehlen und hoffen auch, das unsere lehnserben
hinfuro daß einkommen der closter unnd geistlichen güther,
so zu milden wergken verordnet, gewidmet unnd gemacht
den gemeinen kästen in der herschaft sollen geben und
folgen laßen, dormit die ehre des allmächtigen und wolffart
des nechsten, also armen leuthe möge anhalten auch die
diener des worts schulen, gelarthe leut ehrlich underhalten
und mit solchem einkommen mögen aufgezogen werden zu
wolfarth allen dießer unßer verlaßender herschaft kirchen
underthanen und einwhonnem, sonderlich waß geistliche lehn
sich verledigen und nicht verlihen oder verschrieben solche
den gemeinen kästen zu verordnen, dovon Studenten zu
halten und alwege die ehre gottis und der underthanen wolfahrt
dormit auß zu richten. Darzu wollen orden schaffen und
144 Über die Verwendung der Klostergüter
setzen wir, das alle unsere verlaßene underthane bei den
ewigen gottis wortt und uffgerichten ceremonien dem
wort gemeß sollen rüglich gelaßen und in keinem weg zu
beschwerde einer [?] gewissen sollen vertnüget werden etc."
Der Inhalt dieser Testamentsbestimmung bezeugt
mindestens soviel, daß Graf Heinrich, der Reformator, die
beste Absicht hatte, soviel wie möglich von den geistlichen
Gütern der alten Kirche seiner jungen protestantischen
Landeskirche zu erhalten und zu sichern; allerdings durch
die bisherigen Ausführungen ist, soweit die Stiftsgüter in
Frage kommen, erwiesen, daß sogar schon während der
Regierung des Grafen das Stiftsgut in weit umfang-
reicherem Maße zum gemeinen Nutzen des Landes zum
Nachteile der kirchlichen Interessen herangezogen werden
mußte, als es vielleicht im Willen des Grafen lag. Man
sieht, daß bereits in diesen ersten Jahren nach der Säku-
larisation der oberherrschaftlichen Stifte dasjenige Verfahren
bei der Verwendung des Stiftsgutes prinzipiell angebahnt
wurde, wie es unter Graf Heinrichs Nachfolger dem Grafen
Günther XL. zur Durchführung gelangte und auch auf den
größeren Teil der unterherrschaftlichen Stifte ausgedehnt
wurde .
(Fortsetzung folgt.)
III.
Dr. Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiss
der Stadt Mühlhausen in Thür.
Von
Professor Dr. Jordan in Mühlhausen in Thür.
Die mehrfach von mir betonte Forderung, bei Unter-
suchung der Bewegungen, die sich in den Jahren 1523 — 25
in Mühlhausen in Thür. abspielten, zunächst einmal ganz
von Thomas Münzer und dem Bauernkriege abzusehen und
die Thätigkeit der Männer, die vor und neben ihm, zum
Teil auch gegen ihn, im engeren Kreise der Stadt thätig
gewesen sind, genauer zu untersuchen, hat sich für keinen
derselben bisher so erfolgreich erwiesen als bei dem Syn-
dikus der Stadt Dr. Johann von Otthera. Seine geheimnis-
volle Thätigkeit war bisher so gut wie unbeachtet geblieben,
und nun stellt sich herau«, daß schwerer Vorwurf und An-
klage sich gegen ihn richten.
Auch hier verdanken wir den ersten Hinweis Friedrich
Stephan, der bereits 1842 in seiner „Anzeige" S. 124 ihn
als weltklugen, aber treulosen Mann bezeichnete, ein Urteil,
das er dann in der weiteren Ausführung jener „Anzeige"
genauer begründete. Leider blieb diese erweiterte Arbeit
Stephans ungedruckt und unbekannt, bis ich sie in meiner
Programmbeilage ^) veröffentlichte, wo sich die betreffenden
Ausführungen S. 20 finden. [Sie gipfeln in dem Urteil:
1) Zur Geschichte der Stadt Mühlhausen (Thür.). Beilage zum
Jahresbericht des Gymnasiums in Mühlhausen (Thür.) 1901.
XXI. 10
146 ^^- Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiß
„Die Geschichte ruft seinen Schatten aus der Vergessenheit
hervor, una ohne alles Bedenken über ihn den Stab zu
brechen." Nachdem ich nun in jenem Programm S. 38 — 42
die Akten, auf denen Stephans Urteil Wohl wesentlich be-
ruhte — vielleicht nur zum Teil — veröffentlicht habe,
soll hier versucht werden, auf Grund des bisher vorliegenden
Materials die gegen J. von Otthera erhobenen Anklagen
zu ordnen und genauer zu erörtern, um sein geheimes
Treiben noch stärker der Vergessenheit zu entziehen und
die Frage nach seiner Schuld auch für weitere Kreise
möglichst klar zu legen. Es regt sich dabei auch die
Hoffnung, daß es gelingen mag, noch weiteres Material
aufzufinden; sollte sich z. B. in Dresden nicht eine will-
kommene Ergänzung bieten lassen ?
Es ist zunächst der Rat der Stadt, der gegen von
Otthera *), den die Fürsten zum Schultheißen ernannt hatten,
Klage erhebt, die sich also gegen einen wichtigen Beamten^
in diesem Falle wohl gegen einen Vertrauensmann der
Fürsten richtete. Nach den mir aus Dresdener Akten vor-
liegenden Listen unseres Rates ^) aus den letzten Jahren vor
1525 wechselte dieses Amt jährlich unter Mitgliedern des
Rates. Otthera wurde von den Fürsten doch wohl als
ständiger Schultheiß eingesetzt, wenn er auch unter den
hier zu besprechenden Verhältnissen das Amt nicht lange
bekleidete. Es will nun jene Klage des Rates um so mehr
bedeuten, als nach der Katastrophe von 1525 für längere
Jahre die katholische Partei unter der geschickten Führung
des Bürgermeisters Sebastian Rodemann im Rate die Leitung
der Angelegenheiten in den Händen hatte. Es ist begreif-
lich, daß sie sich alle Mühe gab, die Fürsteij, besonders
Herzog Georg, in guter Stimmung zu erhalten, also ohne
Grund nicht gegen einen von ihnen eingesetzen Beamten
1) Seine eigenhändige Unterschrift lautet: Johan von Otthera
Schultheißse zu molhaueen doctor.
2) Von mir veröffentlicht in meinem Heft 2, Zur Geschichte
der Stadt Mühlhausen, 1902, S. 37.
der Stadt Mühlhausen in Thür. 147
vorgehen mochte. Dennoch wurde der neue Rat, den die
Fürsten nach Beseitigung des ewigen Rates eingesetzt
hatten — es waren meistens Mitglieder des Rates aus den
Jahren vor 1525 — bald auf Ottheras frühere Thätigkeit
aufmerksam, denn noch im Jahre 1525, Mittwoch nach
Michaelis [4. Oktober] schrieb er an Herzog Georg i), Dr.
von Otthera habe im Beisein beider Bürgermeister — es
waren das Heinrich Baumgarten der Jüngere und Sebastian
Kühnemund, die Bürgermeister des ewigen Rates — aus-
gerufen und verkündigt, alle, die in der aufrührerischen ■
Beschädigung mit gewesen, möchten Mühlhausen verlassen,
dazu sollten ihnen die Thore geöffnet werden, der Rat
wolle niemanden unnütz opfern.
Eine ganz ähnliche Aufforderung erließ Otthera nach
der Chronik (S. 194 meiner Ausgabe) bei der Versammlung
der Bürgerschaft auf dem Barfüßer Kirchhofe [Kornmarkte],
doch scheint das erst später geschehen zu sein, denn schon
in der Nacht zuvor war ein Thor geöffnet worden, aus
dem Pfeifer und viele andere entwichen waren. [Chronik
S. 194.] Bestätigt wird jene Äußerung Ottheras durch einen
Brief des ausgewichenen Mühlhäuser Bürgers Peter Born-
graf an Herzog Georg vom 18. Juli 1525 [Akten des
Dresdener Archivs 9135, Bl. 79], worin es heißt: Nochdem
ich mich jungst mit anderen burgern auß Molhausen ge-
wandt habe auf disse wort, welche vns der Doctor Ottera
dye Zeit In Molhausen Sunderlich auffm Barfusser Kirch-
hoff Sünder Zweyffel auß trewlicher wolmeinunge gethan
vngeferlichen alßo lautende, Lyeben heren vnd freunde
wir komen von vnseren gnedigsten vnd gnedigen hern
zu Sachsen vnd nichts anderes erlangende, dan das
wir vns in gnade vnd vngnade begeben sollen, welcher
sich hierauf bey vns wagen wil, der mag es thun, wir
wollen niemants vf das creutz opfern, darumb wer ehs nit
wagen wil, dem sal das pforte thor aufgethan werden, mag
1) Zur Gesch. d. Stadt Mühlh., Heft 1, 8. 42.
10^
]4,S ^*r. Johann von Ottliera, Syndikus und Schultheiß
ein Joder sein bestes dencken, vnd Als nuhn solchs ge-
scheen vnd etzliche viel burger zu demselbigen thore sich
begeben, hab ich auch alßo aus großer eynfalt vnd furcht
mit Inen hinaus vnd mich also hinwegk gewandt."
Otthera war also einer der Gesandten der Stadt ge-
wesen, die am 23. Mai in der Herrgottsmühle bei Schlot-
heim vergeblich mit den Fürsten verhandelten. (Spangen-
berg, Mansfelder Chronik, S. 427. Nebelsieck, N. M. 21,
1!)7. Falckenheiner, Philipp der Großmütige im Bauern-
kriege, S. 58). Unter dem hier erwähnten Pfortenthore
verstehe ich das neue Pfortenthor, aus welchem der Weg
nach Eisenach führt; die Flüchtigen wollten ja zu den
fränkischen Bauern, die bei Meirichstadt standen, wie sich
aus Pfeifers in den Dresdener Akten endlich gefundenen
Urgicht ^) ergiebt.
Den Weg nach Eisenach legt man von unserer Stadt
aus in 7 Stunden zurück, dennoch fing der vom Heere bei
Schlotheim mit Reisigen ausgesandte Wolf von Ende sie in
den Pässen bei Eisenach (Chronik 194, Falckenheiner 59), was
doch wohl nur möglich war, wenn die Reisigen vorher da
waren und geschickt versteckt die Pässe versperrten, aus
denen sie dann überraschend hervorbrachen und die Flüchtigen
übermannten. Die letzteren waren wohl alle zu Fuß und
hätten unter anderen Umständen in Berg und Wald leicht
genug flüchten können.
Sollte sich nicht auch dieser geschickte Fang in unserem'
Zusammenhange leichter begreifen lassen ?■ Allerdings lag
der Gedanke nahe, den Zusammenhang mit den süddeutschen
Bauern abzuschneiden; das hätte aber Landgraf Philipp, der
doch der militärische Führer war, leichter gehabt, als er auf
dem IMarsche nach Frankenhausen bereits in Eisenach war.
Auch sonst lautete die in jenen sorgenvollen Tagen
ausgegebene Parole auf Flucht. In einem Briefe von Jost
Hommench in den erwähnten Dresdener Akten (Bl. 72) liest
li Voniffcnt licht von Xebelsieclc, Neue Mitteilungen XXI, 205.
der Stadt Mühlhausen in Thür. 149
man : „auch habe ich sie (die Bürgermeister) vmb radt ge-
fraget mit sampt der stadt sinnicus und doctor wie ich mich
nun hin forder halten sollte die wil die Stadt auf allen orthen
biligerth wurde — da haben sie mir den radt gegeben, ich
solte IV Tage [soll wohl heißen „vor tage"] entweichen.
Wie kam nun Otthera zu solchen Aufforderungen zur
Flucht, und was berechtigte ihn dazu? Daß er etwa nur
im Auftrage der Bürgermeister gesprochen, ist kaum an-
zunehmen, da er ihnen doch wohl geistig überlegen war,
wenigstens dem Fleischhauer Kühnemund. Bloße Fürsorge
um das Leben der Bürger und anderer Teilnehmer an den
letzten Ereignissen wird es schwerlich gewesen sein ; sollte
er nicht einen anderen Zweck gehabt habea? Scheint er
doch zu den Männern gehört zu haben, die nichts ohne eine
bestimmte Absicht thun. Hat er etwa den Plan gehabt,
die entschlosseneren Führer der Bewegung, wie es Heinrich
Pfeifer und der Kriegsmeister Lamhart (Chronik, S. 224)
gewesen zu sein scheinen, aus der Stadt zu entfernen, damit
niemand an Widerstand, dachte?
Auch Stephan schrieb in der „Anzeige" S. 129 : „Der
treulose Syndicus schreckt alle, die einigermaßen Schuld
haben, zur Stadt hinaus, um desto sicherer zurückbleiben
und den Fürsten sich schmeichelnd anschmiegen zu können."
War es etwa eine BeloJ^nung für solches Thun, daß er
dann Schultheiß der Stadt wurde, wie schon Stephan ver-
mutete („Anzeige" S. 130): „ — während der Syndicus von
Otthera zum Lohn für seine Thaten zum fürstlichen Schult-
heißen über die Stadt und die Dörfer erhöht wird." Es
sind das Fragen, die sich bei näherer Überlegung auf-
drängen, ohne daß bisher eine sichere Antwort zu geben
wäre; daß sie aber nicht unnütze Erzeugnisse eines un-
begründeten Argwohnes gegen einen schuldlosen Mann sind,
wird sich alsbald weiter ergeben. Hier mag noch folgen,
was die Chronik (S. 197) über seine Ernennung berichtet:
„Auch setzten die Kur- und Fürsten sobald einen neuen
Schultheißen Dr. Johann von Otthera, der mußte ihnen sobald
150 ^'' Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiß
schwören von wegen Ihrer Kur- und fürstlichen Gnaden,
männiglich Recht widerfahren zu lassen." Bestellt wurde
er dazu am 29. Mai 1525. (Seidemann, N. M. 14, 396.)
Es mag sein, daß der Rat, nachdem er einmal darauf
aufmerksam geworden war, nun Ottheras Thätigkeit weiter
erforschte; ist es doch begreiflich, daß er gegen die vor-
ging, die an der Vertreibung vieler seiner Mitglieder —
der von den Fürsten eingesetzte Rat bestand zum Teil
aus Männern, die aus der Stadt hatten weichen müssen, wie
die Bürgermeister Rodemann und Wettich — und der
weiteren Bewegung in der Stadt beteiligt gewesen waren.
Daß man dabei auf den Mann achtete, der unter dem alten
Rat Syndikus geworden und es unter dem ewigen Rat ge-
blieben war, liegt nahe. Zahlreiche Vernehmungen liegen
in den Akten vor [„Cantica canticorum nebst etlichen Ur-
gichten," woraus Friedrich Stephan durch einen Schreiber
die mir vorliegenden Auszüge und Abschriften machen ließ],
dort findet sich auch das gegen Otthera zeugende Material,
das ich in meinem Heft 1 „Zur Geschichte der Stadt
Mühlhausen" (S. 38 — 42) abdrucken ließ. Leider ergiebt
sich daraus nicht, ob er persönlich vernommen wurde.
Sollte das Material etwa nur den Fürsten unterbreitet
werden, um ihn aus seiner Stellung als Schultheiß zu ver-
drängen ?
Es ist nun der Mühe wert, sich über die Anklage-
punkte klar zu werden, die der Rat zusammengestellt hatte ;
Ich zähle deren 9. 1) Als Syndikus und Stadtschreiber,
wozu er ausdrücklich berufen und besoldet war, hätte er
als rechtsverständiger, gelehrter Mann die Prediger und das
gemeine Volk vor künftigem Schaden und Unheil warnen
müssen, wenn er in den Stadtvierteln bei ihnen war. Den-
noch hat er ihnen „das Wort gehalten" und nichts von
seiner Pflicht gethan. 2) Er hat ruhig mit angesehen, wie
Mitglieder des Rates und andere Bürger haben aus der
Stadt weichen müssen, auch der alte Rat entsetzt wurde,
ohne nach seiner Pflicht zu warnen, da er doch die von
der Stadt Mühlhausen in Thür. 151
Kaisern und Königen bestätigten Rechte der Stadt kannte.
'6) Er hat an der Einsetzung des ewigen Rates Gefallen
gehabt, da er bei der Entsetzung des alten Rates durch
Heinrich Pfeifer keinen Widerspruch erhoben hat, vielmehr
durch das Citat der Bibelstelle „Er hat die Gewaltigen
vom Stuhle gestoßen und die Niedrigen erhöhet; welch'
ein wunderbarer Gott ist das!" seine Billigung aussprach^).
4) Bei Niederschrift der Namen derer, die Absetzung
des alten Rates verlangten, ist er einer der 4 Schreiber
gewesen. (Chronik 185.) 5) Dabei hat er gefälscht und
Namen eingetragen von solchen, die eidlich versicherten, für
den alten Rat gestimmt zu haben, während sie als Wähler
des ewigen Rates verzeichnet wurden. Selbst seine „Schweger-
frau" Dorothea Zieglerin hat er unter die Wähler des ewigen
Rates gesetzt, was doch ganz ungehörig war. 6) Er iöt in
den Dienst des ewigen Rates getreten mit Rat, Beistand
und Schreiben, wie seine Handschrift beweist 2) und das
Zeugnis solcher Leute, die dabei gewesen ^).
7) Als er im Jahre 1524 auf den Reichstag nach
Nürnberg gesandt wurde, hat er von den Achtmännern ge-
heime Aufträge gehabt zu ihrem Vorteil, wider den Rat»
und als er auf dem Reichstage aufgefordert wurde, über
die Verhältnisse unter den streitenden Parteien in Mühl-
1) Lucas I, 52. Chrdhik 186. In meinem Neudruck von
Münzers „Aui3getrückte emplössung des falschen Glaubens der vn-
getreuen Welt" (Mühlhausen 1901) habe ich 8. 29 die Vermutung
aufgestellt, daß Otthera dies Citat nicht unmittelbar aus der Bibel,
sondern aus jener Schrift Münzers nahm.
2) In den Akten des Dresdener Archivs (6135) liegen mehrere
eigenhändige Schreiben Ottheras aus 1525 vor.
3) Der alte Eat wurde, wie der Eat hier angiebt (Zur Gesch.
d. St. Mühlhausen, Heft 1, S. 39), „auff dinstagk nach Reminiscere
Anno 25 entsaitzt", das wäre der 14. März, während die Chronik
(S. 186) Freitag den 17. März hat. Dieser auffallende Unterschied
läßt sich vielleicht daraus erklären, daß „der Rat fast drei ganze
Tage mit ihnen in der Allerheiligenkirche gehandelt" hat (Chronik
185), also vom 14.— 16. März, worauf am 17. März die Wahl des
ewigen Rates erfolgte.
152 3Dr. Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiß
hausen zu berichten, hat er geantwortet, sie seien vertragen.
Zu einem Eingreifen des Reichstages war dann allerdings
kein Grund mehr vorhanden. 8) Seine Vorschläge, die er
dem ewigen Rate gemacht hat, liegen in seiner eigenen
Handschrift vor : a) an die ausgewichenen „frommen" Bürger
zu schreiben und sie „einzufordern", das heißt, zur Heim-
kehr aufzufordern, b) Wie man es mit den Stadtboten,
Dienern, Thorschließern, die Stadt zu verwahren, halten sollte,
wobei er vorschlug, anderes Gesinde anzunehmen und aus
gezwungener Notdurft die Stadt zu bestellen, c) Wie sich
die, so im Feldlager aus den Fürstentümern Sachsen, Hessen
und Mainz sich versammelt hätten, sie , wären edel oder
unedel, wes Standes sie wären, sich mit Angelobung und
anderem Inhalt seiner Handschrift nachkommen sollten,
d) Wie aus dem Lager an etliche Städte geschrieben
werden sollte.
Mit diesen Städten sind (Zur Gesch. der Stadt Mühl-
hausen, Heft I, 41) Heiligenstadt und Duderstadt gemeint,.,
die aufgefordert werden sollten, Verstärkungen dem Haufen
nach Frankenhausen zuzusenden. Es wäre wichtig, festzu-
stellen, ob diese Schreiben wirklich ergangen sind. Schwierig
wird es bleiben, die Vorschläge unter b und c zu erklären;
soll es etwa heißen, die dem alten Rate verpflichteten Stadt-
diener etc. sollten entlassen und durch neue ersetzt werden,
deren man sicherer wäre? und sind mit denen im Feldlager
die bei Frankenhausen versammelten gemeint? Edelleute
waren darunter doch sehr wenige. Leider wird es schwer
sein, die nötige Aufklärung zu bieten.
9) Er verfaßte 2 heftige „Artikel" an den ewigen Rat,
die Achtmänner und die Viertel der Stadt des Inhaltes : a)
einen jeden gesondert zu fragen, was er thun solle in dieser
großen Not bei dem Evangelio, dieweil die Fürsten den
Haufen zu Frankenhausen überziehen wollten , sie ^) zu
1) Natürlich die bei Frankenhausen versammelten Bauern, nicht
die Fürsten.
der Stadt Mühlhausen m Thür. 153
stärken und zu Hilfe zu kommen ; was ein jeder dabei an
Leib und Mut einsetzen wolle, solle jeder erklären, b) An
die umwohnenden „christlichen Brüder" zu schreiben, daß
sie aus jedem Flecken und Dorfe etliche verordnen sollten
den Haufen zu verstärken und die Ihrigen mit Lebensmitteln
zu versehen ; wenn der Haufe „niedergelegt, wären wir alle
verloren", c) Er hat an die Schwarzwälder geschrieben
d. h. an die dort aufständigen Bauern, mit denen man schon
früher Verbindung angeknüpft hatte. (Merx, Thomas Münzer
und H. Pfeiffer, S. 106.) Oder sollte eine Verwechslung
vorliegen mit den Schreiben an die Bauern zu Meirichstadt ^)
(Bensen, Gesch. d. Bauernkr. in Ostfranken 334 und 336)?
Philips Fensterer sagte später hier in Mühlhausen aus, er
habe „dem Pfeiffer und Alstedter etliche Briefe ins Land
zu Franken an die schwarzen Bauern getragen." (Mühl-
häuser Akten.) Auch BuUinger, Der Wiedertäuffer Ur-
sprung, fürgang, secten etc. (Zürich 1561) berichtet von
Münzer 2): „Als er widerumm herab in Thüringen gethon
und zu Mülhusen wonet, schreib er doch briff sinen ver-
truwten häruf." d) Er ist Angeber gewesen, ein neues
Sekret zu machen. Das alte Sekret hatten die Bürger-
meister Rodemann und Wettich mitgenommen (Chronik,
S. 180); den Gebrauch eines neuen forderten die 11 Artikel^)
in No. 7 und Münzer 4) iip Schreiben vom 22. September
1524. War also Otthera an der Aufstellung jener 11 Artikel
beteiligt ?
„Zudem, sagt der Rat, sind noch etliche Urgichten vor-
handen, die auf ihn nichts gutes sagen." Es ist zu hoffen,
daß auch die sich noch in den Akten finden werden. Es
würde das, nächst den vom Rate erhobenen Anklagen, einen
zweiten Kreis geben, der noch ein wenig erweitert wird
durch die Angaben der flüchtigen Bürger Glimpenau und
1) Ztu: Geschichte der Stadt Mühlhausen, Heft 1,8. 47.
2) Stern, die 12 Artikel der Bauern, S. 37.
3) Zur Gesch. d. St. Mühlhausen, Heft 1, S. 27,
4) Förstemann, Neues Urk.-B., S. 254
154 l^r- Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiß
Heynemann ^), die ihn geradezu beschuldigen, er sei eine
Ursache des Aufruhrs, und ferner berichten, als die Leute
ihn gefragt hätten, was man thun solle^ es nahe sich Em-
pörung in allem Umkreis der Welt, habe er geantwortet, der
Aufruhr sei nicht von den Menschen, sondern allein von
Gott; Zeit und Stunde sei gekommen, daß man die Gott-
losen solle vom Stuhle stoßen. Die letzten Worte mögen
eine Erinnerung an Ottheras Äußerung enthalten, die er bei
Absetzung des alten Rates gethan hatte, oder es war das
bei ihm, wie bei Münzer, eine Lieblingswendung resp.
Schlagwort. (Vgl. oben S. 151.) Endlich beschuldigen ihn
die beiden Bürger, er sei ein „semner und innemer" der
geraubten Güter gewesen, wobei sie den echt Mühlhäusischen
Ausdruck Semner auf ihn anwenden ^). Daß er persönlich
sich dabei bereichert habe, ist damit noch nicht gesagt.
Schließlich treten in den Kreis der Ankläger noch die
Bauern, denn mit dem „Doktor" im Bauernliede (Chronik,
S. 224) kann nur Dr. von Otthera gemeint sein, ich wenigstens
kenne aus der Zeit keinen anderen Doktor in Mühlhausen,
auch wird sich weiterer Beweis bald ergeben ; akademische
Bildung und Würden gab es damals noch wenig in Mühl-
hausen, Otthera war von außen berufen. Ferner wird im
Liede seine Ernennung zum Schultheißen erwähnt, so daß
kein Zweifel darüber sein kann, daß er hier gemeint ist.
1) Zur Gesch. d. St. Mühlhausen, Heft 1, S. 42.
2) Der Ausdruck wird also schon damals in der Bedeutung
gebraucht, die auch Grasshof (Commentatio de originibus etc. Mulhusae,
S. 105) giebt: „Dictus Semner est ex eo, quod mulctas coUigeret",
denn „semenen dictum fuisse pro samlen, colligere, et Semener idem
denotasse ac Samler." Seine Erklärung beruht auf folgender Stelle
der jüngeren Statuten (Lambert, S. 41) : wer czu der hockzijd geladin
wirt — sal vor sich vff den Tysch legin einen Schilling mulhuschir
pfennynge — , die sal der samene, die von dem brutegume dar czu
gesatzt Mviit, vnd des schillinges sol nymand los sij nach der semener
so! des nymand dürlaze. — In unserem Wochenblatt 1797, 245 wird
der Versuch gemacht, vom Sentgericht den „Seutner", Semner ab-
zuleiten.
der Stadt Mühlhausen in Thür. I55
Die betreflfenden Strophen mögen hier nach dem Mühlhäuser
Text nochmals folgen (vgl. Chronik, S. 223).
4) Molhausen war ein festes stettelin,
noch kernen hern vnd fursten darin,
der doctor hat sie vor Rotten
mit seinem Judesbartte.
6) Das ist Er wol geheissen
von den andern ein Schultheis,
das wort on wol gerewen,
sein leit wirt sich vor Newen.
6) Dye Doctorschen ist von bösem geticht,
es wart or säur, das sie dye frawen ausgericht,
es bracht sie in das leger,
das or der teuffei pflege i).
Natürlich sind solche Anklagen mit der größten Vor-
sicht aufzunehmen, ist es doch allezeit die Weise der
Besiegten gewesen, die Schuld am eigenen Unglück Ver-
rätern zuzuschieben; wenn also sonst gegen Otthera nichts
vorläge, würde es recht bedenklich sein, darauf einzugehen.
Da aber nach allem, was bisher über ihn bekannt ist, nicht
gezweifelt werden kann, daß er ein Mann war, der mit
Geschicklichkeit nach verschiedenen Seiten hin zu wirken
wußte, so ist doch wohl . möglich , daß die Anklage der
Bauern den Kreis der Beschuldigungen mit Recht ab-
schließt. Klarer ausgedrückt wird sie dahin lauten: Ob-
gleich Mühlhausen eine feste Stadt war, kamen doch durch
den Verrat Ottheras die Fürsten hinein, und zwar ohne
Widerstand zu finden, zu dem vergebens der Kriegsmeister
Lamhart mahnte. Auch Ottheras Frau ist dabei thätig ge-
wesen, indem sie, doch wohl im Auftrage ihres Mannes,
mit Mühe die Absendung der Frauen und Jungfrauen
zustande brachte, die im Lager bei Görmar um Gnade
1) Vgl. meine Bemerkungen zu dem Gedicht Chronik, S. 225
und Zur Gesch. d. St. Mühlhausen, Heft 1, S. 23, dazu die ab-
weichende Meinung Nebelsiecks N. M. 21, 198.
156 I^r. Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiß
baten ^). Sie war, wie sich alsbald ergeben wird, vielleicht
eine Schwester des jüngeren Heinrich Baumgarten, des
einen Bürgermeisters im ewigen Rate.
So drängt sich der Eindruck auf, daß es wesentlich der
Thätigkeit Ottheras zu verdanken war, wenn die Stadt
keine Verteidigung wagte, wobei freilich bei der Übermacht
des fürstlichen Heeres wohl nur auf bessere Bedingungen
zu hoffen gewesen wäre. Schon Seidemann spottete, daß
die Stadt kein Saragossa gewesen wäre. Die Fürsten
selbst erwarteten wohl Widerstand, denn Philipp von
Hessen, der auch hier der militärische Führer war, entwarf
einen Kriegsplan zum Angriff auf die Stadt, von dem man
freilich keinen Gebrauch zu machen nötig hatte. Welchen
Eindruck der letzte Brief Münzers, in welchem er dringend
von jedem Widerstände abriet, gemacht hat, wissen wir
nicht, bleibt es doch fraglich, ob er überhaupt noch an
die Mühlhäuser gelangt ist.
Eine weitere Klage richtete das Bauemlied gegen
Otthera wegen seines Eintretens für den jüngeren Heinrich
Baumgarten :
7) Heinrich baumgart ist ein alber man,
mit schalckheit Er sich wol decken kan,
Er wußte wol zu guder mosse,
Wu yn sein schwoger, der doctor, im lager wulde
lossen.
Daß das Lied hier ganz richtig Otthera als Schwager
Baumgartens bezeichnet, ergiebt sich aus folgendem Schrei-
ben 2), aus dem sich freilich der Sinn der Worte in jener
Strophe auch nicht erklären läßt.
„Durchlauchtiger etc. g. f. vnd Herr nach dem vnd
als E. f. g. wegen philipsen baumgartten leiblichen vnd
1) Vermuten läßt sich danach auch, daß das Bittschreiben der
„frauwen gemeiniglichen zu Molhausen", das von Nebelsieck in den
Mühlhäuser Geschichtsblättern I, 40 veröffentlicht wurde, nicht ohne
seinen Einfluß entstanden ist.
2) Aus den Akten des Staats-Archivs in Dresden.
der Stadt Mühlhaueen in Thür. 157
fruntlichen lieben Sohn vnd vnser ander aller Schwager
vnd frunt Heinrichen baumgartten In E. f. g. vorstreckunge
haben vnd welicher E, f. g. czu vngenaden vnd änderst
dan er gehandelt nachher angegeben worden sey des vor-
hoffens der vnschult befinden, Szo dan g. f. vnd h. — ver-
nommen das myn Szon auch vnserer Schwager vnd frunt
In vill Jaren In den Rethen czu Mulhausen gewest ^) vnd
in seynen amptern nye anders dan erlich vnd redelich ge-
handelt g. f. vnd h. das er aber nuhe myt bedräunge ^) —
aus dem aldenn vorigen Rathe wider In den newen rath .
gesatzet aus farre seynes leibes vnd lebens seyn Burger-
meyster amecht mit beschwerunge habet nuhe nemen müssen
wy woll er solches czu vill malen vmb godes wyllen ge-
betthen kein solges ampteß czu vorlassen hayt er doch das
selbige bey gehorsamen thun müssen vnd annemen. Die
weyll dan E. f. g. — yn allewege allen elenden betrübethen
ZV gnaden geneyget Ist der halben an E. f. g. v- vnser
demuthigk anruffen vmb Godes wyllen bittende E. f. g.
willen aus fürstlichen tugenden gnaden vnd wyllen das
arme enelende weyb de sich auche zum vorhoffens In alle-
wege Erbarlich vnd aufifrichtigk gehalten E. f, g. wulten
die selbigen armen enelenden frauwen vnd ihrerr sechs
cleyne vnerzogne kinder gnedeglichen behertzigen vnd czu
gnaden bedengken vnd ihren armen Hauswirt mynen ßon
vnd vnser ander Schweger vnd frunt seynes gefengknus
vnd vorstrickunge zu gnediger abenderunge vnd entledigunge
komen lassen .
Datum Molhaußen Sonnabend nach Corporis Christi
[17. Juni] anno 1525. E. f. g. vndertenigte gehorrsame
Johan V. Otthera Schul theyß czu Mohl hausen Doctor
Johan fleischhawer prister ^)
1) Vgl. die Ratslisten in Heft 2 „Zur Gesch. d. St. Mühlh.«, S. 37.
2) Auf diesen damals mehrfach ausgeübten Zwang habe ich
an gleicher Stelle hingewiesen S. 42.
3) Vgl. Chronik, S. 196. Jene Liste der heimkehrenden Bürger
ü^ in denselben Dresdener Akten Blatt 37, wenn auch die Namen
etwas anders geordnet sind.
158 I^r- Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiß
Gurt vnd George gebrudere
vnd philippus Baumgartte Burger zu Mulhaussen".
Heinrich Baumgarten war zuerst nach Rochlitz in Haft
geführt, wurde aber wieder nach Mühlhausen geschickt, wo
er bis zu seinem Tode in seinem Hause „ein Lager halten"
mußte (Chronik, S. 198). Man darf in dieser Milderung der
Strafe die Wirkung dieses Briefes erkennen, der wohl nicht
zufällig an erster Stelle die Unterschrift Ottheras hat.
Philipp Baumgarten begegnet uns regelmäßig in den Listen
des Rates der vorhergehenden Jahre ; sein Sohn Heinrich
scheint erst wenige Jahre vorher in den Rat eingetreten
zu sein. Über Ottheras „schwegerfrawe Dorothea zcigelerin"
habe ich bisher nichts feststellen können ; möglich wäre es
ja, daß Otthera und Heinrich Baumgarten mit Schwestern,
geb. Ziegeler, verheiratet waren.
Nur anzudeuten wage ich an dieser Stelle eine Ver-
mutung, die ich in meiner Ausgabe der Chronik der Stadt
Mühlhausen, S. 193 gemacht habe. Im Chr. M. A. S. 247
liest man: — „bei den Kur- und Fürsten [Lücke? „die
über" ?J alles wie es in der Stadt ergangen, Bericht be-
kommen," Wenn meine vorgeschlagene Ergänzung richtig
ist, wird man fragen dürfen, durch wen die Fürsten solchen
Bericht bekommen haben können, und es liegt im Zusammen-
hange dieser Untersuchung nahe, auch hier an Otthera zu
denken. Allein das beruht auf so schwachem Grunde, daß
ich diese Möglichkeit hier nur der Vollständigkeit wegen
anzuführen wage.
Über das weitere Schicksal des Mannes ist, mir wenig-
stens, nicht viel bekannt geworden. In Akten des Marburger
Archivs fand ich folgende Notiz : „Verhandlungen der Räte
der 3 Fürsten vom 26 Juli 1529 : Des alten Schultheissen
Doctor Ottera Rechnung vnd hinderstellig Rest belangende
— : — vnd. ob er sich gleich In Stifft Fulda mit Dienst
begeben, were doch sein mainunge gar nit, sich mit seiner
Behawsunge weibe vnd kindern auß der Stadt Mulhawsen
vnd also von Churf. vnd Furstl. gnaden zuwenden", worauf
der Stadt Mühlhausen in Thür. 159
er Zahlung verspricht Dieselbe Forderung begegnet uns
2 mal in den Akten unseres Archivs „Mühlhausen See.
XVI" : „Doctor Ottera rechnunge belangende." Das zweite
Mal zahlt er an jeden der 3 Fürsten 30 Gulden, bleibt
jedem noch 30 Gulden schuldig, bietet aber Sicherheit für
die Zahlung: „So hette er bey einem Rathe zcu Molhausen
vfm hause funff hundert gülden stehen, die wolt er vor das
hinderstellige Rest zu einem vnderp fände einstellen." Im
Kopialbuch von 1542 (Bl. 160) bezeichnet ihn der Rat als
„fuldischen Ratht vnnd Cantzler", wonach man wohl an- .
nehmen darf, daß er katholischer Lehre sich wieder zu-
gewandt hatte. Aus demselben Jahre berichtet die Mühlhäuser
Chronik (Chr. M. A. 264) : „In dissem Jahr Martini Ist Doctor
Ottera mit eim Erbar Rath zu Hofbibra vortragen worden,
giebt 300 Gulden, Ludwig vrbach vndt Aureus Hugolt vor-
tragen es."
Die Familie blieb in Mühlhausen wohnen ; die Chronik
von Thomas berichtet: „Anno 1560 den 19. April wird
Dr. Ötterers Sohn vorm Frauenthore heimlich umbracht
und beraubet". Im Jahre 1622 war „Herr Georg von
Otthera" Mitglied des Rates ^). Im liber hereditarius von
1551 finde ich Blasius und Wilhelm v. Ottera, dazu nach-
getragen, wohl als Erben, Johann George und Ernst v. Ottera
(Einen Gofridus Ottra Er^rdensis bietet die Erfurter Ma-
trikel 1476, Henricus Ottera de Loshhusen 1453; Weissen-
born I, 306 und 237).
Auch Friedrich Stephan kannte das Bauernlied, das
er abschreiben ließ 2), und wenn er schrieb 3): „Seine (Ottheras)
Untreue wird sich im Verlauf der Geschichte noch mehr
bestätigen", so zweifle ich nicht, daß er auf einen ähnlichen
Schluß kommen wollte, wie ich. Bei seiner genauen Kenntnis
1) Vgl. Mühlhäuser Anzeiger 1902, Nr. 110: Pappenheim in
Mühlhausen, von Stephan und Wolf f.
2) Zur Gesch. d. St. Mühlhausen, Heft 1, S. 24.
3) Ebenda, S. 20.
IQQ Dr. Johann von Otthera, Syndikus und Schultheiß
der Personen und Verhältnisse halte ich es für ausgeschlossen,
daß er nicht sofort sah, wer mit dem „Doctor" gemeint sei,
und die Wichtigkeit des Gedichtes für seine Auffassung
von Ottheras Thätigkeit erkannte. Als Grund seines Treibens
nahm er Ehr- und Geldgeiz an und vermutete wohl, daß
er von Sachsen bestochen war, wenn nicht etwa der „Geld-
geiz" auf die eben erwähnte, unerledigte Rechnung gehen
soll. Dafür läßt sich nun, bisher wenigstens, kein Beweis
liefern, aber auch so wird nun manches in den Ereignissen
der Zeit allmählich deutlicher, und es mag auch weiterhin
die interessante Person Ottheras der eingehenden Detail-
forschung empfohlen bleiben.
Miszellen.
I.
Bisher uiibekaimte gleichzeitige Aufzeichnungen über die Itireh-
lichen und SchulverlUiltnisse in Ootlia nach der Reformation bis
zum Jalire 1584.
Aus einer Handschrift des Gothaer Gymnasiums zum ersten Male
herausgegeben von Prof. Dr. Max Schneider.
In dem Codex chartaceus XVII der Gothaer Gymnasialbibliothek,
der wortgetreue Abschriften von alten die Kirche und Schule be-
treffenden Urkunden, Schriftstücken und Briefen enthält, findet sich
fol. 26a— 30b die Abschrift eines höchst interessanten Originales
des XVI. Jahrhunderts, Jahresaufzeichnungen nach der
Reformation bis 1584, kirchliche und Schulverhält-
nisse der Stadt Gotha behandelnd, die bisher, wie aus
einer Menge noch nicht bekannter Namen und Vorgänge zu
ersehen ist, unseren Quellen : Sagittarius, Tenzel, Eudolphi, Brückner,
Gelbke, Schulze, Beck völlig unbekannt sind. Der Verfasser des größten
Teiles des Originales ist einer der 1561 im Amte befindlichen Diaconi.
Das ergiebt sich aus der Stelle fol. 29 f. sub anno 1561: „Wir
Collegae eius (d. i. des Superintendenten Eggerdes) — Wir waren
also ohne Superintendenten von der Zeit an bis äö 62 um Aegidii
und haben drey Quartal für den Superintendenten verdienet, davon
haben die Herren unsdreyen zwey Quartale, uns darejai zu teilen,
zugeeignet." In diesem Jahre waren aber M. Melchior Wedmann,
Heinrich Thilo und M. Johann Messerschmidt zusammen Diaconi;
von den beiden ersten spricht der Verfasser unserer Aufzeichnungen
stets in dritter Person, während der letzte mit Namen nicht erwähnt
wird. Somit kann nur Johann Messerschmidt (f 1588) der Autor
des Originales gewesen sein. Als weiterer Beweis, sofern es noch
eines solchen überhaupt bedürfte, können die zwei letzten Notizen aus
den Jahren 1582 und 1584 dienen, die von dem Schwiegersöhne des
1582 zum Superintendenten gewählten Theologen d. i. eben Messer-
schmidt (vgl. socer mens u. s. w) hinzugefügt worden waren, näm-
lich vom späteren Conrector scholae Gothanae M. Johannes Wipertus
(1582 — 92, dann bis 1597 Pfarrer in Sundhausen). Der Schwieger-
sohn hat eben die Notizen seines Schwiegervaters, die sich dieser
etwa vom Jahre 1554, seinem Antritt in Gotha an, gemacht hatte
XXI. 11
102 Miszellen.
erhalten und fortgesetzt. Außer diesen von Messersehmidt und Wiperti
gemachten Aufzeichnungen finden sich noch als dritter Bestandteil
Zusätze, die über das Todesjahr Wipertis 1597 hinausreichen, die ich
in I ] gesetzt habe; von wem diese hinzugefügt, weiß ich nicht an-
zugeben. Daß sie jedoch schon im Originale und nicht erst von
dem im XVIII. Jahrh. lebenden Abschreiber gemacht worden sind, ist
mir luizweifelhaft, da dieser dann die Namen in dem Pfarrerver-
zeichnis, wenigstens die der Superintendenten, sowie in der Liste der
Rektoren und Konrektoren bis auf seine Zeit gleich fortgeführt hätte.
Der Abschreiber des Originales war, wie sich durch v ergleichung
der Handschriften in anderen Codices der Gothaer Gymnasialbibliothek
erweisen läßt, der von 1701 — 1756 als Lehrer und Inspector Coenobii
am Gothaer Gymnasium thätig gewesene Joh. Wilh. Hildebrand
aus Herbsleben, dem wir die getreuen Kopien unzähliger das Gyna-
nasium lietreffender Urkunden und anderer Schriftstücke in unseren
Codices verdanken (vgl. mein Progr. 1895 „Das Coenobium beim
Gynin. Illustre 1543 — 1863", p. 5 Not. 9 u. p. 19; sowie mein Progr.
,,Die Lehrer am Gym. Illustre 1524— 1859" 1(1901) p. 20; II (1902)
p. 23.
Ordinaria Successio Superint. et Pastorum in Ecclesia
Gothana post repurgäönem doctrinae coelestis factam
per Martinum Lutherum.
Dfis Fridericus Myconius wird Pfarrherr und Superintendens
zu Gotha anno 1524. j ibidem 25. Martii an. 46. Sucessores eins
fuerunt Dr. Justus Menius, qm Superintendentis officio functus est
duodecim annos. Doct. Simon Musaeus anno integro. M. Johannes
Cuno biennio 60 et 61 ^). Dn. Petrus Eggerdes anno. M. Melchior
Wedmann 12 annos. Cui successit M. Joannes Frei Eisfeldensis äö
1574^). Faxit Dens, ut cum fructu hoc officio fungatur: id quod
factum est octoennium. Eesignavit enim circa Michaelis. Ao 82 M.
Joannes Messersehmidt successit ei circa diem Martini äo. 82, functus
eodem usque in 27 Martii diem äö 88, ubimortuus est. Huic successit
WoUhmn.
|S. Tabelle S. 163.]
Anno 15-13 wurden gcordcnt die Land Schulen in Hertzog Moritz Lande
zur l'forten , da M. Cyriacus Lindeman ") der erste Praeceptor"
]\I('issen, darrin tüchtige Knaben aus den Stätten des Fürsten-
thums gcnonnnen und etliche ihrer mit Kleidüng, Büchern Kost
und aller Nothdurfft verschen worden.
1) Diese Zahlen sind, wie sich unten aus dem Text s. a. 1558
und 15(10 ergiel)t, falsch. Vgl. Brückner, Kirchen- und Schulenstaat
im Herzogtum Gotha I, 7, 78, auch Gclbke, Kirchen- und Schulen-
verfassung des Herzogtums Gotha I, 154.
2) Auch diese Zahl ist unrichtig, wie sich aus dem Texte s. a.
1573 ergiebt. Vgl. auch Gelbke a. a. O.
3) Lindemanns Verdienste um Schulpforta würdigt die treff-
liche Arbeit von ]'. Flemmiiig „P>riei'e und Aktenstücke zur ältesten
(;e>chichte von Scluilpforta", Progr. 1901, S. 13 ff.
Miszellen.
163
Anno 1547 moritur Dfis Joannes Moritz ß. Gothardt ') Minister Ecc-
lesiae üothanae ad St. Margaretham : vocatur huc Dns Joannes
ßrembach Molhusio').
Super-
in tendentesj)
Diaconus 1 *) i Diaconus 2
Diaconus 3.
Friedericus My-
couius
Jiistus Menius
D. Simon Mu-
saeua
M. Joann Cuno
Petrus Eggerdes
M. Melchior Wed-
mann
M. Joan. Frei
M: Joan. Messer-
schmidt
Joan, Wolffram
[M. Michael Julius]*)
[M. Joan. Hel-
derus]
[M. Balthasar
Walter]
Joan. Langen-
hain
Joan. Gothart
Joan. Brembach
M. MelchiorWed-
mann
Joan. Wolffram
M. Joan. Wagner
Henricus Thilo t
25. Jan. 1565
Joan. Goering
Isaak Hoch
M. Joan. Dinckel
M. Joan. Erhard
M.Michael Julius
Joan. Gothart
Dns Thomas, ex
Coenobio Augu-
stini Sahensi^)
M. Georg Merula
Joan. Eisenberg
Joan. Messer-
schmidt
M. Joan. Dinckel
M. Joan. Erhard
M.MichaelJulius
[Nicolaus Wal-
ther.]
1) Johann Gothart wurde auch Moritz genannt. Vgl. Sagittar,
197 (nescio quam ob causam vulgo dictus), Brückner I, 8, 88 ; Geibke
II, 1, 47.
2) Vgl. über ihn Brückner I, 9, 81 ; III, 14, 146. Er ist identisch
mit dem im Album Academiae Vitebergersis I, 78b, ed. Förstemann,
am 7. Okt. 1520 inscribiertelV Joannes Prambach de Waltershav^en
Magunt. dioc. Vgl. Ztschft. „Aus der Heimat" I, 171 (Gotha)
vmd ebenda III, 87. Er wurde 1555 Pfarrer in Waltershausen
t 1560.
3) Vgl. über diese Geibke a. a. 0. 153 — 155, und Brückner
a. a. O. I, am Ende der einzelnen Abteilungen.
4) Die von mir in [ — ] gesetzten Namen sind von einem späteren
Chronisten als Wiperti, der 1597 gestorben, wohl schon im Originale
hinzugefügt worden.
5) Die Scheidung der Diaconi nach ihren Stellen
wird hier zuerst gemacht. Unsere Quellen haben dieselbe
nicht ;
46, 47.
nicht ; vgl. Brückner
gema
1, 8,
86 ff. u. I, 9, 81 ff.; Geibke II, 1,
6) Dieser fehlt in der von Brückner I, 8, 86 ff. I, 9, 81 ff.
und Geibke II 1 , 46 f. gemachten Aufstellung gänzlich ! Herr
Archivar Hermann Gutbier in Langensalza scnreibt mir: „Über
den Augustiner Thomas kann ich Ihnen keine Auskunft geben, da
im Visitationsprotokoll des Jahres 1540 nur die Namen derjenigen
Mönche genannt werden, welche damals noch im Amte waren."
11*
164
Miszellen.
Ordinaria Successio Praeceptorura Scholae Gothanae*).
Eector'j
Conrector*)
Cantor^)
Quartus ■
Quintus*")
Basilius Mon-
neras
Laurentius iSchip-
perus
M. Georg Merula
Pancratius Sü-
senbach Sile-
sius
M. Cyriacus Lin-
deman
M. Paul. Schmidt
M. Joan. Meyer
M.^ Joan, Dinckel
M. Joan. Helder
M. Andreas Wil-
cke
[M. Joan. Weitz^]
Laurentius
Schipper
Pancratius Su-
senbach
Joan. Cuno *)
Georg Hofmann,
Coburgensis 42
Joachimus Spie-
gel
Nicolaus Sachsen-
stetter 44
M. Cyriacus Lin-
demann **)
M.MartinusWil-
lisius
M. Christoph Wi-
ner
M. Joan. Tece-
rius')
M. Cyriacus Pop-
pius ®)
M.Joach.Schildt
M. Joan. Wip-
recht
Nicolaus Friede
Joan. Opetz
Joan. Zahn
Joan. Eisen-
berg»»)
Joan. Petz-
old")
Samuel Pfeiffer
Andreas Hei-
ner
Daniel Ullnn
Simon Pfeiffer
Jodocus Reg-
ler ••■')
Simon Schnei
dewein
Joan. Linde-
Andreas Ziegler ^*)
Joan. Becker
Nicolas Marter-
steck '*)
Joan. Langen-
hain *^)
Valentinus Wip-
recht
Conradv^ Hildt
Henricus Crolach
Daniel Ullnn
Fridricus Wald-
ecker
Simon Hein
Melchior Back-
husius
M.Michael Julius
M. Joan. Faner »'
M. Jon. Wagner
istvonderSchu
len gen Erfurt
kommen und zu
St. Andreas Dia
Conus äö 87
worden *^)
Abraham Bäh-
ringer ^^)
Nicolaus
Born
J.oan. Cal-
witz
1) Das Gothaer evangelische Gymnasium wurde 1524 durch den
I. evang. Superintendenten Friedrich Myconius gegründet. Vgl.
Schultze, S. lö; mein Progr. 1901, S. 1.
2) Vgl. über diese 11 ersten Rektoren der Gothaer Schule mein
Gymn.-Progr. 1895 ,,Das Coenobium beim Gymnasium Illustre (1543.
— 1863)" S. 38, 39 und die dort angeführte Litteratur über dieselben,
sowie mein Gymn.-Progr. 1901 „Die Lehrer des Gymnasium Illustre
zu Gotha (1524 — 1859)" I unter deren Namen.
3) Die von mir in [ ] gesetzten Namen sind von einem späteren
Chronisten im Originale nach 1597 hinzugesetzt worden.
4) Die Bezeichnung „Conrector" ist nicht ganz richtig, da seit
1529 einer der 2 Lehrer neben dem „Schulmeister", der bis dahin einziger
Lehrer gewesen, den Namen Baccalaureus, der andere Cantor führte
(vgl. Schulze, S. 22, xind mein Gymnasialprogramm 1901, S. 3, Not. 2).
1544 bekam dieser erste Lehrer neben dem „Oberschulmeister" den
Titel „Ober-Baccalaureus" ; erst von 1549 an gilt der Name Con-
rector (vgl. mein Progr. 1901, S. 4, Not. 2 und Not. 5).
5) Die kursiv und gesperrt gedruckten Namen sind unseren
Quellen bisher gänzlicn unbekannt, auch in meinem 1901 er-
schienen Lehrerverzeichnis nicht aufgeführt, da dieses Verzeichnis mir
Miszellen. 165
bisher ebensowenig bekannt als Sagittar, Rudolphi, Brückner, Gelbke,
Schulze, Beck war. Dieser Joh. Cuno (= kühn) ist ohne Zweifel.
der in Förstemanus Album Academiae Vitebergensis p. 153a s. anno
1534 Genannte (vgl. Ztschft. Aus der Heimat I, 172), in dem H. Heß
(ebenda III, 87) den späteren goth. Superintendenten M. Joh. Cuno
vermutet. Beck, Joh. Friedr. d. M. II, 115 hält beide für dieselbe
Person, dem ich mich mit meiner Ansicht anschließe. Er wurde, da
Pancratius Süssenbach 1540 von seiner Stelle als Baccalaureus zum
Rektor avancierte, in diesem Jahre Baccalaureus, blieb jedoch nur
bis 1542 in diesem Amte, wie die bei seinem Nachfolger beigesetzte
Zahl 42 zeigt. Vergl. mein Progr. 1902., S. 22.
6) Diese Reihenfolge der „Konrektoren" zeigt, daß Weitz in
seinem „Series Conrectorum" betitelten Gedichte in Encaenia Saecu-
laria Gymn. Goth. 1G24 gegenüber Sagittarius, Hist. Goth., p. 218
recht hat, und daß ich (Progr. 1901, S. 5, Not. 2) mit Unrecht
dem Historiker vor dem Poeten den Vorzug gegeben habe.
7) Sonst wird er „Decerius" geschrieben (vgl. mein Progr. 1901
S. 5.) Er stammte aus Eisfeld, cf. unten 1902, S. 23.
8) Wie sich aus dem hier zuerst genannten Vornamen Cy riacus
ergiebt, ist meine Vermutung (Progr. 1901 S. 6) hinfällig.
9) Ein Kantor wurde neben dem von 1524 an einzigen Schul-
meister 1529 angestellt. Vgl. oben Not. 4.
10) Da sein Vorgänger Joh. Zahn 1543 Pfarrer wurde (s. mein
Progr. 1901 S. 5), so muß J'oh. Eisenberg schon 1543 (nicht erst
1561, wie ich vermutet hatte, a. a. O.) in sein Amt eingetreten sein.
11) In unseren Quellen wird er Bezelius und Betzel genannt
(vergl. Progr. 1901 S. 5), wo die vermutete Zahl 15b4 zu korrigieren
ist. Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre muß er Kantor ge-
wesen sein.
12) Das muß ein Verschreiben sein, da er bei Kreyssig, Afraner
Album (Meißen 1876) und in den Briefen des Fabricius an Linde-
mann (handschriftl. in Weimar) Riegel oder Rigler genannt wird.
Vgl. mein Progr. 1901, S. 5; 1902, S. 22.
13) Eine vierte Lehrerstelle wurde 1544 am Goth. Gymn. em-
gerichtet. Vgl. Schulze, S. 72, mein Progr. 1901, S. 4; Not. 2.
14) Er stammte aus Gotfaa und hatte seit 1533 in Wittenberg
studiert. Vgl. Förstemann, Album Academiae Viteberg., p. 149b
(Ztschft. „Aus der Heimat" I, 172).
15) Ebenfalls aus Gotha stammend, war er 1533 in Wittenberg im-
matrikuliert worden (cf. Förstemann a. a. 0.) Progr. 1902, S. 22.
16) Er ist wohl identisch mit dem bei Förstemann a. a. O. p. 171a
1538 in Wittenberg immatrikulierten (vgl. „Aus der Heimat" _1,_172).
17) M. Joannes Faner war 1584 Lehrer geworden, wurde 1585 — 99
Pfarrer in Gierstedt, 1599—1626 in Groß-Fahner, t 1626. Vgl. mein
Progr. 1897 : Die Gelehrtenbriefe der Goth. Gymn.-BibUothek S. 8.
u. Progr. 1902, S. 23.
18) Anno 87 ist ein Versehen, insofern er in diesem Jahre aller-
dings seine Stelle am Gymnasium aufgab und Diakonus in Gotha
ward, aber erst 1597 in Erfurt bei St. Andreas als Diakonus an-
gestellt wurde. Vgl. mein Progr. 1901, S. 7.
19) Meine im Progr. 1901, S. 7 unter No. 28 ausgesprochene
Vermutung, daß Abraham nur der Vorname des Lehrers sei, be-
stätigt sich also durch unsere Stelle!
20) Die Stelle eines Quintus wurde circa 1583 eingerichtet.
j^ßß Miszellen.
Anno 1549 Pancratius Rector Scholae war gar hefftig wider das
Interim, disputiret gewaltig, nahm sichs so sehr an, daß Er darüber
in phrenesin fiel, woran er fast ein yierthel Jahr laboriret: Als er
zu sich selbst kam, resigniret er sein Schul Eegiment; aber Aula
wollte es nicht haben, sondern confirmiret' ihn aufs neue, und
M. Lindemann, der sonst ehgiret war zum ßectorem an seine statt,
wird sein Conrector.
Anno 1554 Joannes Isenbergius Diaconus Ecclesiae Gothanae praefi-
citur Ekiclesiae Ichtershusanae '), et M. Joannes Machaeropoeus ') ex
Saltzingensi vocatione ei successit.
Anno 1555 Joannes Brembach praeficitur Ecclesiae Waltershusanae.
Succedit huic M. Melchior Wedmann.
Anno 1556 abiit Menius Gotha circa Septembrem propter propositionem :
Bona opera sunt necessaria ad salutem; quam tamquam haereticam
damnare noluit, et secessit Saltzam ad Buperint. quia sentiebat sibi
fieri insidias, ibi aliquot menses commorabatur. In Decembri
permissu Principis*) revocabatur Menius legatione honorifica, ideo
non rediit ad Gothanos, sed ad Electorem. Augusto vocatus est
Lipsiam, ubi moritur.
Anno 1557 in locum Menü mittitur a Principe Joanne Friderico Dnö
Simon Musaeus D*). Quem populus cum summa frequentia et
aviditate audiebat; sed vix unum annum hie mansit, vocatus Eis-
feldiam finito anno abiit. Als er in der Wochen Joh. Baptistae
hierher anzog, wurden ihm den andern Tag zwei Quartale nemUch
60 f., so die Diaconi nach Menü Abschied verdienet, durch Joh.
Langenhain Ministr . . . (Lücke) Item Menius hatte 50 f. vom
Hoffe Gnaden-Geld, welches ihm der gebohrene Churfürst, Hertzog
Joh. Friederich verschrieben, dieselben bath Musaeus auch aus,
und da man merkete, daß er sich wieder wegmelden wolte, gingen
zu Ihm die vornehmsten im Rath in stattlicher Anzahl, fragende
die Ursachen seines Abzuges ; da die Besoldung so gering, erbothen
sie sich einer stattlichen Contribution, dazu Er Bernhard von Myla*)
jährliche 20 f. zu geben hatte zugesagt, war dieß die Antwort:
Sein Weib könne alhier nicht gewohnen, es wäre ein stinkender
Ort, [: aber zu Eisfeld hatte er wohl 600 Thlr. jährliches Ein-
kommen :] zog äö 58 weg, eben in der Wochen, wie er ankommen.
Domin. Invocavit 1558 um Fastnacht zeucht Musaeus geu Eisfeld,
daselbst thut er eine Probpredigt, wird daselbst zu einem Pfarrer
vociret cum consensu Principis. Nach Ostern wird er gefodert
1) Als solcher f 1563. Gelbke II, 2, 78 ; Beck III, 1, 409.
2) Machaeropeus (fidvaipa — rcoieiv) = „Messerschmidt".
3) d. i. Johann Friedrich der Mittlere 1547—1567.
4) Vgl. über ihn A. Beck, Joh. Friedr. d. Mittl. II 143.
5) Bernhard von Mila war seit 1520 in Diensten des Königs
Christian IL v. Dänemark, wurde 1527 sächs. Hauptmann in Schweid-
nitz, 1534 kursächs. Kriegsoberst und Landvogt in Wittenberg, 1552
Landhofmeister und oberster Befehlshaber der Feste Grimmenstein
in Gotha, f 2. Sept. 1561 auf seinem Gute Herbsleben. Vgl. A. Beck,
Joh. Friedr. d. Mittl. II, S. 140; H. Zeyß, Geschichte des Markt-
fleckens Herbsleben, S. 78—80.
Miszellen. 167
gen Weimar ad Colloquium zwischen Illyrico') und Victorino*),
da war es bis nach Pfingsten, daß er nach seiner Wiederkunfft
nun eine Valetpredigt that, und also bald davon zeucht, eben den
Tag, dem Er vorm Jahr herkommen ist.
Anno 1558 ist an Musaei statt einhelliglich M. Cuno") ein Statt-Kind,
so dazumahl Diaconus zu Freiburg in Meissen in Cathedrali Ecciesia
war, eligiret und mit Rath Bischoff Amsdorfii*) und mit Ver-
wlligung des Fürsten, Hertzog Johann Friedrich 2. vociret worden
zum Pfarrherr und Superintendenten circiter festum Jacobi, sed
vix venit ad nos festo Michaelis. Interim in hoc interregno,
Musaeo seil, profecto Eisfeldiam et Cunone noudum praeseute, haoen
etliche des Kaths fürnehmste den Kirchhof ad 8. Margaretham
eingezogen in einer Eyle, inter quos praecipuus erat Jacob Langen-
hein et Keichenbach *).... (Lücke) Ecclesiae ; quo facto wollte man
den Töpffenmarkt hinter der Capellen vor der Schellen und Lawen-
burg") wegnehmen und an dieselbe statt transferiren ; aber Cuno,
als er ankommen, se huic conatui nobiscum opposuit propter
sanctos ibi requiescentes und haben den Töpffen-Markt erwerlt.
Anno 1560 wird M. Cuno Superintendens vom Fürsten mit Gnaden
geurlaubt und mit 100 f. begabt, zu Jena auf fernere Forderung
zu warten. Das geschah darum. Illyricus wollte Petrum Eggerdes ')
ins Land haben, welcher zu Kaiserslauter abgesetzet war, und er-
langt so viel bey F. G., daß M. Cuno demselben mußte Raum
geben , dieser that die erste Predigt auf Exaudi , wird darauf
vociret. In dieser vocation richtet der Schösser Paul Schalreuter*)
eine Trennung an, wollte nur 4 Stimmen oder Vota machen, die
1) Der bekannte strenge Lutheraner Flacius Illyricus, der seit
1558 Professor in Jena war (geb. 1520, f 1575). Vgl. A. Beck
a. a. O. II, 118; AUg. D. Biogr. VII, 88 ff.
2) Victorinus Strigel, der seit 1548 als Prof. der neugegründeten
Schule in Jena (1558 Universität) thätig war. Im Gegensatz zu
Flacius Illyricus war er ein Anhänger der freieren Richtung Melan-
chthons (geb. 26. Dez. 1524, f 26. Juni 1569). Vgl. A. Beck a. a. O.
II, 163; Allg. Deutsche Biogrsiphie XXXVI 590, f.
3) Vgl. oben S. 165 Not. 5. ■ . . .
4) Niclas von Amsdorf neben Flacius Illyricus' eifrigster Ver-
teidiger des strengen Lutheranismus (geb. 3. Dez. 1483, t 14. Mai
1565). Vgl. A. Beck a. a. O. II, 98; AUg. D. Biogr. I,. 412 ff.
5) Jacob Langenhain war 1540—44 Bürgermeister, in Gotha, Jo-
hannes Reichenbach ebenfalls 1554—57 nach Sagittarius, Hist. Goth.,
S. 177 ; A. Beck, Joh. Friedr. d. Mittl. I, 46, 45, 552.
6) Die Namen zweier Häuser am unteren Markte. Vgl. Beck,
Geschichte des gothaischen Landes II, S. 551.
7) Vgl. über ihn und seine Streitigkeiten Brückner I, 8, 70—86.
8) Paul Schalreuter (auch Salreuter gen.) stammte aus Zwickau,
wurde Amtsverweser und Schösser zu Gotha, als welcher er in 21*/,
jähriger Amtszeit sich ein Vermögen von 30 (XK) Gulden sammelte.
Er war wegen seiner Habsucht und Streitsucht wenig beliebt.
„Horrendum monstrum Gothanum desiit saevire in Deum et homines"
schrieb der gewesene Superintendent Wedemann bei seinem Tode
(6. März 1580) in seinen Kalender. Vgl. Sagittar, 431 ; Tentzel Suppi.
II 862, 865; Brückner I, 9, 81; Beck, Joh. Friedr. d. Mittl. II, 152.
J68 Miszellen.
eine wäre sein wegen des Landesfürsten, die andere der dreyen
Ministrorum, die dritte der 24 Rathsherren, die vierte der 4 Per-
sonen von der Kammer, denn so viel solten Stimmen oder Vota
seyn und seine Stimme wurde damit überhäuffet. Weil aber der
fürstl. Befehl vermochte, den abgehörten Eggerden zu vociren, und
dem Schösser zugesagt worden, daß man demselben Befehl pariren
wolte, und hierüber die Vota belangend, sich eines Bescheids beym
Landesfürsten zu erholen, Heß der Schösser damals die Stimmen
von Personen zu Personen abhören, darauf ward gen Hoffe um
Bericht geschrieben, wie man sich ferner halten solte, ob man ferner
den alten Gebrauch oder aber des Quaestoris Fürwenden noch mit
der Vocation gebaren. Darauf ist eine Resolution von Hofe ge-
schehen, daß hierinnen, ohngeachtet des Schössers Fürwenden,
solte dem alten Gebrauch nachgelebet werden, dahin auch die
Constitution solte verstanden werden , ist auch von dem an
ferner also hier gehalten worden. Dieser Petrus Eggerdes ist aus
fürstl. Befehl durch den Schösser auf dem Rathhause alhier an
alle Pfarrer der Superintendenz angewiesen mit einer solenni con-
firmatione und dabey neben Befehl geschehen, die Altare zu ver-
ändern und dahinter zu treten ; die Tafeln, so nicht biblisch, sind
gar aus der Kirchen wegzuthun gebothen, die Biblischen aber an
die Wand zu hängen nachgelassen.
Anno 1560 ist Dr. Musaeus von Eißfeld gen Jena ad professionem
Theologicam vociret; der hat alsobald 100 rth. von der Pfarre mit
sich genommen, die nun jährlich gen Jena zur Besoldung der
Professoren gereichet werden müssen, und der Pfarre Eißfeld ent-
zogen sind.
Anno 1561 Petrus Eggerdes führete eine sonderliche Art im Predigen,
sonderlich auf die Feste brauchete Er den Methodum, wie in
Schulen gebräuchlich ist, 1) an sit? 2) quid sit?, nemlich: Nem-
lich: Ob Christus Mensch worden sey? Ob Christus gelitten habe?
Ob Christus auferstanden sey? pp. dadurch viele Leute geärgert
worden, und dafür gehalten, als setze Er es in Zweiffei*). Solches
gelanget an Fürstl. Gn. Darauf wird an das Ministerium, Amt
tmd Rath befohlen, hiervon wie es eine Gelegenheit war, hastig (?)
und unterschiedlichen Bericht zu thun, welches also geschehen,
doch mit abgehängter unterthäniger Bitte, daß man Ihn drüm
besprochen , und weil es nicht für den gemeinen Mann dienet,
sondern ärgerlich wäre, davon abmahnen wolte, der Hoffnung, er
würde ihm sagen lassen und es fort einstellen. Ob nun wohl der
älteste Diaconus Herr Heinrich Thilo Ihn in geheim gebethen und
vermahnet, hat er doch auf folgendem Ascensionis festo nichts ge-
ändert. Es trug sich zu, daß die Pfarre Eberstätt, davon Filial
Sonebom ist, aufs neue zu bestellen war, da stellet er ihnen auf
einen alten Prediger zu Arnstatt einseitig vom Diaconat, M. Nico-
laum Mendium, der thäfc sein Probepredigt, aber die Eingepfarrten
wegerten Ihn, wegen seines Alters, und er begehrte die Pfarre inso-
wenig, als sie seiner begehreten wegen des beschwerUchen Ganges
in die Hauptkirche Eberstädt, so wolte doch Petrus Eggerdes nicht
anders, denn es solte Mendius Pfarrer seyn, und die Eingepfarrten
Ihn haben, ob sie gleich beiderseits nicht wolten, und wolte Ihnen
1) Vgl. Brückner a. a. O. S. 81.
Miszellen. X69
keinen andern darstellen, noch ihnen vergönnen, einen andern zu
hören. Endlich lassen es die Eingepfarrten gen Hoff an Füvstl.
Gnaden gelangen, darauf schicken auf und mit Fürstl. Befehlich
die Theologi zu Jena einen dem Superintendenten zu, M. Gunder-
mann '), Ihn gen cSoneborn zur Probepredigt zu praesentiren, aber
der Superintendens wegert Ihn und schreibet zurücke, Er wisse
von keinem andern Pfarrer zu Soneborn und Eberstätt, denn M.
Nicoiao Mendio, derowegen könne und wolle Er M. Gundermann
nicht praesentiren zur Probe. Hierauf wird M. Gundermann von
Fürstl. Gn. gen Soneborn und Eberstätt mit rothem Wachs
abgefertiget, von den Eingepfarrten gehöret, und zu einem Pfarre
vociret, nolente volente Superintendente. Abermals wird vom Hoffe
befohlen, der Superintendens solte den vocirten Pfarrern introduciren,
und im Falle der Wegerung solte es dem Schösser, Paul Schal-
reuter, befohlen seyn, welches beydes sich also zugetragen. Eggerdes
wegerte es, mit Fürwendung, Er wüßte ihnen nicht zween Pfarrer
zuzuordnen. Paul Schalreuter, Schösser, auf der Reise nach Sone-
born, den Pfarrer auf Fürstl. Befehl zu introduciren, begegnete
Johanni Portuno, dem Vorsteher, und saget zu Ihm: Wolt ihr
wissen, wer hier fähret? Der Vorsteher saget: Der Herr SchÖsser
von Gotha fähret da. Nein, spricht Schalreuter süperbe, nicht der
Schösser allein, sondern der Superintendens ietzo und Schösser
zugleich, und that die Introduction mit der Anweisung und Ver-
lesung der Fürstl. Confirmation. Nicht lange hiernach wird die
Pfarre zu Tüteleben erledigt durch den tödlichen Abgang Herrn
Johann Lantzen, kömmt die Gemeinde bittend um einen erbaren
Pfarrer , benennen Andream Heiner , dazumahl Cantor in der
Schulen zu Gotha '^). Er wegert die Person nicht, aber Er ant-
wortet ihnen, er wäre seines Amtes entsetzet, dadurch daß dem
Schösser die Einweisung des Pfarrers zu Eberstätt und Soneborn
befohlen, wisse ihnen deßhalben weder zu rathen noch zuhelffen;
die Gemeine suchet zu Hoffe, der Superintendens schreibet auch
gen Hoff, greif fet Fürstl. Gnaden hefftig im Schreiben an, begehret
die Ursach der Einsetzung zu erklären, und da ihm das Amt nicht
aufs neue befohlen, wisse er die verledigte Pfarre nicht zu be-
stellen, lässets hierbei nicht^verbleiben, sondern bald darauf den
3 Sonntag des Advents äö 61 führet er in der Predigt ein Daniels
Exempel, der dem Uriae sein Weib genommen, appliciret es auff
sich, also, spricht er, hat der Schösser, Paul Schalreuter, mir mein
Weib genommen, mein Amt*). Hierauf die näheste Woche kömt
ein fürstl. Befehl, welcher er Bernhard von Myla*), er Georg von
1) M. Matthias Gundermann, geb. in Kahla, war Pfarrer in
Eberstedt und Sonneborn 1561 — 1595, sodann in Wangenheim Super-
intendent; t 1605. Vgl. Brückner III, 2, 18; III, 10, 35 f.; Gelbke
II, 1, 180; II, 2, 285. Beck III, 2, 230, 361.
2) Dieser wurde dann 1561 Pfarrer in Tüttleben, wo er 1589
starb. Vgl. Brückner III, 9, 85; Gelbke II, 1, 186; Beck III, 2, 306,
und mein Progr. 1901, S. 5.
3) Bei Brückner I, 8, 83 heißt es, er habe| Schalreuter mit
Herodes verglichen, der seinem Bruder das Weib genommen.
4) Vgl. oben S. 166 Not. 5.
170 Miszellen.
HarstaP), Obrister auf Grimraenstein in Beiseyn des Ministerii
und gantzen Kaths ihm den Superintendenten verlesen hat, darinnen
angezogen war, weil Ihre Fürstl. Gnaden aus allen Schreiben und
Berichten des Petri Eggerdes vermerketen, daß Er zu Verrichtung
des Superintendenten-Amts nicht qualificiröt, darzu Ihrer Fürstl.
Reputation und Hoheit in seinem Schreiben nicht verschonet, solte
ihm hiermit sein Verlaub angekündiget seyn. Wir, CoUegae eius,
sind unanimiter zu ihm gangen, unser Mitleiden angezeiget, uns
erbothen , ihm das Quartal Reminiscere vorzuverdienen , sed
recusabat, Er wolte aber von einem erbahren Rath die ganze
Jahr-Besoldung fodern, wie er auch that, sed frustra. Princeps
williget dagegen Ihm, so wir ihm angebothen hatten. Kurtz
zuvor wandte sich D. Musaeus von Jena nach Bremen; Illyricus
ward auch enturlaubet, deßgleichen Wigandus-), und zur Ursach
ihres Urlaubs : Sie hatten ein Mandatum außbracht, daß nichts
sine censura Aulica solte im Druck ausgehen ; Solchem außgebrachten
Befehl hätten Sie ungehorsamlich übergangen, und Bücher zu
Frankfurt ohne vorgegangene Censura Aulica drucken lassen. Wir
waren also ohne Superintendenten von der Zeit an bis aö 62 um
Aegidii, und haben drey Quartal für den Superintendenten ver-
dienet, davon haben die Herren uns dreyen zwey Quartale, uns
dareyn zu theilen, zugeiignet, und eines der Ministratur zum Besten
behalten *).
Anno 1562 in nova Visitatione a Visitatoribus *) M, Stisselio, D. Maxi-
miliano, D. Husano M. Melchior^) Principi proponitur pro
Superintendente novo, et statim ad Principis nutum eligitur, vocatur,
1) Georg von Harstall war Amtmann zu Kreutzburg und Ger-
stungen gewesen ; im Jahre 1561 nach des eben genannten Bernhards
von Milas Tode (1561) oberster Befehlshaber auf dem Grimmenstein,
t 1565. Vgl. A. Beck, Joh. Friedr. d. Mittl. II, 122.
2) D, Johannes Wigandus geb. 1523 in Mansfeld, 1541 Rektor
in Nürnberg, 1544—46 hielt er sich in Wittenberg auf, wurde 1546
Pfarrer in Mansfeld, 1553 Superintendent in Magdeburg, 1560 Prof.
in Jena, 1561 entlassen, 1562 Superintendent in Wismar, 1568 ward
er wieder nach Jena berufen, wo er bis 1573 Superintendent und
Professor Theol. war. 1573 wieder entlassen, wurde Prof. in Königs-
berg, 1675 Bischof von Pomesan in Preußen, f 21. Okt. 1587."
Vgl. A, Beck, Joh. Friedr. d. Mittl. II, 172.
3) Vgl. Brückner I, 8, 85.
4) Die Visitatoren waren: Joh. Stissel oder Stössel (geb.
23. Juni 1524, wurde 1560 Superintendent in Heldburg, 1561 Konsi-
storialassessor in Weimar, 1562 Superintendent und Prof. in Jena,
t 18. März 1576 im Gefängnis); Maximilianus Mörlin (geb.
14. Okt. 1516, war 1543 Pfarrer in Schalkau, 1544 Hofprediger in
Coburg, 1561 Konsistorialassessor in Weimar, 1569 abgesetzt, 1574
wieder nach Coburg berufen, f 20. April 1584). Heinrich Husanus
(geb. 6. Dez. lo36 in Eisenach, wurde 1561 Prof. in Jena, 1562 Rat
bei Joh. Friedr. d. Mittl., 1567 Hofrat und Kanzler beim Herzog
,ro4x TT^''^ ^^° Mecklenburg, 1574 Syndicus in Lübeck, f. 9. Dez.
^V^y^^'?^^^ ^^® ^^^^' J<^^- F"^- <i- ^'ttJ- II. 126, 141, 163.
5) M. Melchior Wedmann, auch Wedemann und Weidemann
genannt.
Miszellen. j^YJ^
confirmatur ./: Succedit ei Johann Wolffram, qui annos novem
Eimbeccae Pastorera et Superintendentem egerat, sicut ipse retulit
saepius, ac novissinie äö 79 ad Franckenhusanos eloriatus est auf
dem Neuen Kauffhause in nuptiis Volcmari Werneri :/. Hanc
vocationem M. Melchior detrectare se simulans, multa gravaraina
Superintendent! usu venire a Principibus, tandem accepit, sed hac
conditione ut, si praeter culpam dimitteretur a Principe, sibi Uni-
versum Stipendium, quod in Superintendentem annuatim erogatur,
per sequentem annum daretur, quo se suosque eo facilius usque
ad aliam vocationem consequendam sustentare posset. Haec con-
ditio a principe et Senatu promittitur his verbis, se meliora sperare,
at si ita forte accideret, et praeter culpam expelleretur, se vel ex
aerario Ecclesiastico daturos, vel si Princeps hoc concedere veUet,
ex sua crumena illud contributuros.
Amio 1562 Dfis Pancratius ßector Scholae Gothanae et optime cum
de ea tum de tota patria nostra meritus, postquam totius anni
spatio ante resignaverat , festo Michaelis hmc m patriam abiit,
otium in senectute honestum amplexus post multos exhaustos
labores. Donatus est a Senatu poculo argenteo eoque magno in
nundinis Lipsiensibus emto; Cm statim successit Conrector eius,
M. Cyriacus Lindeman, vir Graece et Latine doctissimus, et Om-
nibus artibus liberalibus instructissimus, nee non Theologus ihsig-
nis, qua conditione Rectoris laudabiliter functus est non minori
cum emolumento scholasticae iuventutis quam Pancratius usque
ad annum 68.
Anno 1568 obiit M. Cyriacus Lindeman, optime de Schola Gothana
meritus, vir Latine et Graece in omnibus disciplinarum generibus
doctissimus, successit ei M. Paulus Schmidt, Gothanus'), vocatus
huc ex Schola Salfeldiana, cui praeerat. Secundi locum conse-
quitur Christophorus Winerus, cui functioni praefuit graviter annis
10, et factus est Pastor Sundhusanus succedens Joanni Fernelio
äö 1578 tempore autumnali.
Anno 1571 coepit ingens disceptatio ') inter Superintendentem, M.
Melchiorem et Ludirectorem M. Paulum Scnmidt, ita ut res
deferretur ad Quaestorem, Senatum et totum Ministerium, qui
tantum desudarunt, ut reltti componerent: facta concordia M.
Melchior iterum suscepit curam Scholae (29. Januar, äö 72) et
examen instituit ac habuit Vernale, tandem Senatus Scholae
rationem retulit ad Principem*), cuius mandato D. Johan. Wigandus
et M. Kosinus*) huc venere, et Scholam visitarunt, con^titutionem
1) Vgl. mein Progr. 1901, S. 5.
2) Vgl. über diesen Sfareit Schulze a. a. O. S. 54, 57; mein
Progr. 1895 „Coenobium", S. 5.
3) d. i. der Herzog Johann Wilhelm, der von 1567 — 73 über
Gotha herrschte.
4) M. Bartholomaeus Rosinus, geb. 1520, Diaconus in Eisenach,
1559 Pastor und Superintendent in Weimar, 1573 verjagt, 1574
Superintendent in Regensburg, f 17. Sept. 1586 (cf. Jöcker III,
2131). Vgl. über diese Schulvisitation Wilke, Suada lat., p. 1044;
Sagitar. Hist. Gotha, p. 430; Tentzel, Suppl. p. 855; Rudolphi,
Gotha diplomatica I, 163 f.; Brückner III, 5, 2; Schulze, Gesch. des
Gymn. zu Gotha, p. 55 ; mein Progr. 1895, Das Coenobium, p. 5,
wo die neue Oekonomieordnung abgedruckt ist.
J7jJ ^liszcllen.
Oei'oiiomiac confirinaruiit, ac statum ,<eu (lualitatem Scholae Prin-
fipi rotulenuit, (jui M. raulum deponi , et Mcierum^) in eius
locmri rostilui curavit.
Anno 1573 Dax .loliaiincs Wilheliniis diem .suum obiit 2 Martii,
et circa iiartliDlüinaei fcstuin ; iteriim visitatur per Doctores ab
EIcctorc'j ad hoc iiegotiuiii ordinatos, Stisseliura, Widebrainum ")
Maxiniil. ]\Ioriijiiiiii , M. iMirum''; et deponitur M. Melchior ab
officio iSuperintciideiitis 8 Augu.sti , cui successit M. Joannes
j*>ei ; duo pagaiii J'astorcs dcponuntur quoque, iSchipperus War-
zeiif^is, et INicolaus Helfoid Lauchcnnis ''j. Examinarunt Stisselius
et Widcbramus (3, 4, 5, ü, 7, 8 diebus Augusti; 9 abierunt) ac
praecipuc nostram Confcssionera de Coena audiverunt et appro-
baniiit, dicentcö : Sic et nos sentimus, ac vobiscum docemus.
^\'i(lebrannl,s 2)ublice pro concione suam et caeteroruni Visitatorum
Confcssioneni exponebat de Coena, qua onines actjuiescebant. At
.secjueiiti anno 74 res prodiit in kiconi, quid senserint de Coena,
parasceue huius erat Exegcsis quacdam sine nomine edita. D. 23
Octob. ist der neue Superintendens ankommen, cum uxore, hberis
et supcllcctile.
AniKt J.J78 Joharini Fernelio''), Pastori Sundhusanae Ecclesiae
succedit M. Chrislophorus Winerus ex Schola Gothana, cui
succcdit in Schola Johannes Tecerius, Eisfeldensis, qui Becundae
Classi praefuit uno anno, remotus enim fuit ab officio, eo quod
obiecit civibus vitium dcditionis.
Anno 1581 Kector Scholae Gothanae Joannes Meier die Puri-
ficationis vocatur ad munus docendi in Ecclesia Goldbacensi et
tan(iuam succenturiatus subscquilur in eius locum M. Joannes.
1) Vgl. über M. Johaim Meyer mein Progr. 1901, p. ö, 1902,
p. 23.
2) Gemeint ist der Kurfürst August als Vormund seiner beiden
minderjährigen Vettern Johann Casimir und Johann Ernst.
3) Eriedr. Widebram, geb. 4. Juli 1532, 1557 Kector in Zerbst,
1559 in Eisenach. 15(53 Prof. Elocjuentiae in Jena, 1569 in Witten-
berg, t 2. :VIai 1585. AUg. D. Biogr. XLII, 3381
4) :\Iarlin Mirus geb. 1532, 1558 Mag., 1560 Adjunkt der phil.
Fak. in Jena, 1561 Pfarrer in Sülzenbrück, 1569 Pfarrer in Jena,
l:)i2 in Kahla, 1573 als Superintendent und Hofprediger nach
Weimar bonifen an Kosinus' Stelle, konnte aber das Amt nicht an-
treten und wurde Prof. und Superint. in Jena, 1580 Konsistorialrat
m Dresden, 1588 lel)te er in Jena, 1591 Dompredigfer in Halberstadt,
dann wieder in Dresden, f 14. Aug. 1593. Ailg. D. Biogr. XXII, 1.
5) .Johaim Schippcrus war von 1567 Pfarrer in Warza. Vgl.
Brückner li, 1, 48 Not.; Gelbke H, 1, 281; Beck III, 2, 369, die
alle die Zeit seiner Absetzung nicht kennen. 1575 wird er wider
eingesetzt als Pfarrer in Eschenbcrgeii, y 1578. Vgl. Brückner III,
8_]2; (iell)ke II, 1, 135; Beck III, l, 167. Nicolaus Heifeld war
!;)(;:)- 15,3 l'farrer in Laucha; er wird 1576 wieder eingesetzt als
Pfarrer von Sirbleben ins 1585. Vgl. Brückner I, 3, 268, III, 4,57^
Gelt)ke II, 1, 416; II, 1, 170; Beck III, 1, 450, III, 2, 219.
6) I'T war von 1564 an Pfarrer in Sundhausen gewesen, vorher
in Jnigleben. Vgl. Brükner II, 3, 81, II, 8, 78; Gelbkell, 1,
430, 411; J?eck lll, 2, 248, 294, die ihn aber alle Fehmel (oder
Irmel) nennen.
Miszellen. I73
Dinckelius, Professor Ebraicae linguae et Dialecticae, Erfordiae').
Anno 1582 ist socer meus) Superintendens creiret, und d. 6, No-
vembr. dazu doctoriret worden. [Gener vocatur M. Joannes
Wii)ertU8, Scholae Gothanae Prorector.]
Anno 1584, d. 1. Julii M. Dinckel vocatus est Coburgum ad con-
cionandura bis , deinde adhuc semel , postea Vocatio secuta est
ad munus Generalis Superintendentis, quod cedat in gloriam Dei
et Ecclesiae utilitatem. Die 8 Septembr. hinc Coburgum pro-
fectus est. In eius locum eligitur M. Jülich, et in hac electione
neglectus est Rector M. Helder ").
IL
Ans^abungeu an den Hausbergburgen bei Jena,
Von
Großh. Sachs. Landesgeometer A. Müller in Weimar.
In seinem Aufsatze über mittelalterliche Burgbauten Thüringens
— Bd 5, S. 303 der Zeitschrift vom Jahre 1863 — giebt H. Heß
ein allgemeines Bild von der Anlage und Bauart der, wenn auch
nur in Überresten vorhandenen Burgen vom 10. bis zum Ende des
15. Jahrhunderts. Er behandelt das dem Auge Erkennbare; unter-
irdische Anlagen erwähnt er nicht. Daß aber solche bei vielen mittel-
alterlichen Bauwerken vorhanden gewesen, ist zweifellos.
Bei einer der ältesten Burgen, dem schon im Jahre 937*) ur-
kundlich erwähnten Kirchberg auf dem Hausberge bei Jena, haben
sich unterirdische Bauwerke nachweisen lassen ; leider scheint die
Kenntnis der früher vorgenommenen Ausgrabungen nur gering. Im
Bd. 3, Heft 4 der Zeitschrift, Jahrgang 1859, hat K. Aue im ge-
heimen Staatsarchiv zu Weimar befindliche Aufzeichnungen über
die im Jahre 1757 ausgeführten Ausgrabungen am Hausberge bei
Jena mitgeteilt. Wir rekapitulieren den Inhalt der Aufzeichnungen.
Am 1. Mai 1757 hatte Ernst Christian Supe in Ziegenhain
— die Familie schreibt sich jetzt Saupe — veranlaßt durch Aus-
lassungen und Gespräche älterer Leute in Jena und Ziegenhain,
unter Zuziehung des Richters und des ältesten Ortsnachbars, des
80-jährigen Hans Michael Böhmen — die Familie schreibt sich jetzt
Böhmel — am Hausberge Nachgrabungen anstellen lassen, deren
Resultat er unterm 7. Mai 1757 dem Herrn Vicepräsident v. Kalb
mitteilt: „pp. pp. letzo den 1. Mai d. J. resolvire ich mich mit
1) Vgl. mein Pfoct. 1901, S. 6.
2) Das ist eben M. Johannes Messerschmidt (Machaeropoeus).
3) Vgl. mein Progr. 1901, S. 7.
4) Vgl. Dobenecker, Regesta dipl. Thur. I, no. 354.
174 Miszellen.
unserm Eichter, und nehmen unsern ältesten Mann im Dorfe, der
80 Jahre ist, Hannß Michael Böhmen, der auch lange gesprochen
von dem Gewölbe, der wies den Ort an, und da mußten junge Ein-
wohner einschlagen, da fanden wir 1. schöne gehauene Stufen in
Kalk gegossen, 2. ein rund Loch; da wagte ^gich Michael Wendel
imd fuhr ein, der findet einen Gang 8 bis 9 Ellen hinter in Berg
schön gehauen, daß man gerichts (aufrecht) gehen kann, darauf war
Licht anbey gebracht, da fuhr August Kahle auch nun ein. Da sie
wieder zurückkamen, melden sie hinten sei Erde verfallen, also ließen
wir nicht weiter was vornehmen, bis wir weiteren Befehl erhalten."
Die Hoffnung auf Auffindung eines Schatzes fehlte natürlich nicht.
Die Angelegenheit wurde sofort dem damaligen Herzog Ernst
August Constantin vorgelegt, und auf Befehl desselben wurden die
Ausgrabungen unter behördlicher Leitung und unter Zuziehung der
bei der ersten Ausgrabung zugegen gewesenen Personen fortgesetzt.
Es scheint aber, daß man auf Grund der Aussagen eines jenaischen
Schuhmachers Herrmann , der vor 60 Jahren „auf der Seite des
Berges nach Jenaprießnitz zu" eine eiserne offen stehende Thür ge-
sehen haben will, auch an anderer Stelle nachgegraben habe, denn
die Beauftragten, Konsistorialrat und Amtmann Mehler, sowie Amts-
Rentsekretär Thieme berichten: „pp. pp. Da nun hin und wieder
sich rudera von Grundmauer zeigten , so haben wir durch den
Maurer und einige Tagelöhner einschlagen lassen. Es hat sich auch
bald ein „anderer" geraumlicherer in Felß gehauener, aber mit
Schutt ausgefüllten Gang gefunden. Dieser ist ungefähr 4 Ellen
tief unter der Erde, 4 Ellen hoch und an manchen Orten 3 Ellen
breit" pp. pp. „Es ist auch dieser Gang bey 50 Ellen lang ge-
räxunet und imter dem Schutt beikommende Knochen und Eisenwerk
PP- PP- gefunden worden. In diesem Gange hat sich auch ein Brunnen
gefunden, aber kein Wasser darinnen, und nun scheinet der Gang
in der Mitte des Berges weiter hinauf, in den sog. Fuchsthurm zu
gehen; ein Fleck davon ist ein wohlausgemauerter Brunnen entdeckt
worden pp. pp."
Nacndem seitens der Fürstl. Kammer an den Herzog über das
Resultat der Ausgrabungen berichtet worden, erfolgte unterm 4. Aug.
1757 die Resolution, Brunnen und Gang wieder zuzuschütten, da
„selbiger (der Gang) gegenwärtig ebensowenig, als der darinnen ange-
troffene Brunnen, jemanden zu einigen Nutzen, vielmehr beyde denen
vorbey passirenden Menschen und Vieh bei Nachtzeit zum Nachtheil
gereichen können". Hierauf erfolgte die Zuschüttung; die Hoffnung
auf Auffindung von Schätzen hatte sich eben als trügerisch er-
wiesen.
Im Laufe der Zeit ist diese Ausgrabung so ziemlich der Ver-
gessenheit anheimgefallen; auch Ortloff in seiner Vorlesung „Die
Hausbergburgen bei Jena" erwähnt dieselbe nicht. Von welchem
Interesse die Wiederauffindung und weitere Verfolgung der vor-
handenen unterirdischen Anlagen wäre, bedarf weiterer Auseinander-
setzungen nicht. Wenn man bei kleineren Burgen, wie die in Mag-
dala oder die Osterburg bei Bischoffsheim a. Rh., Ausgrabungen
vorgenommen hat, die des Interessanten und Lehrreichen viel zu
Tage gefördert haben, weshalb kann bei so alten und berühmten
Burgbauten, wie die Hausbergburgen bei Jena sind, nicht Gleiches
geschehen, besonders da die früheren Ausgrabungen bedeutende
Resultate erwarten lassen?
Miszellen. 175
Die Stellen der früheren Ausgrabungen wiederzufinden, erschien
allerdings schwierig, wenn auch die damaligen Aufzeichnungen
einigen Anhalt gewähren. Es war ein glücklicher Umstand, daß
durch den mit den Personalverhältnisgen Isekannten Jenaer Bürger,
Rentner G. Eodigast, in Ziegenhain ein Nachkomme jenes alten
80-jährigen Mannes Hans Michael Böhmen, ermittelt wurde, der bei
der Ausgrabung im Jahre 1757 zugezogen worden war, Heinrich Böhmel,
in dessen Familie sich die Tradition an jene Ausgrabungen erhalten
hat. Derselbe hat an Ort und Stelle die nötigen Angaben gemacht,
die mit denen der damaligen Niederschrift recht gut übereinstimmen.
Danach bestätigt es sich, daß an zwei Orten, sowohl auf der Seite
nach Ziegenhain, wie nach dem Gembdenthale oder Jenaprießnitz
hin Einschlagungen stattgefunden haben.
Die zu der sehr wünschenswerten Wiederaufnahme imd Fort-
führung der Ausgrabungsarbeiten erforderlichen Mittel würden aller-
dings nicht unbedeutend sein, besonders da sich unbedingt Nach-
grabungen auch auf das mit Kirchberg verbundene Windberg, dessen
Anlage und Umfassung noch deutlich zu erkennen sind, erstrecken
müßten. Außer Beiträgen von Vereinen (Verein fürThür. Geschichte,
Thür. Waldverein, Fuchsturm-Gesellschaft) würde die Privatopfer-
willigkeit, zunächst wohl in Jena, in Anspruch genommen werden
müssen.
Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, noch auf eins
hinzuweisen : Es wird allgemein angenommen, daß auf der vordersten
Spitze des Hausbergs ein Burgbau nicht gestanden, sondern Greif-
berg die zweite, durch einen Einschnitt von jener getrennte Er-
höhung eingenommen habe, dem sodann Kirchberg und Windberg
in südlicher Richtimg gefolgt seien. Betrachtet man aber die Lage
des nördlichsten (vordersten), durch einen Einschnitt — früheren
Graben — vom Bergrücken getrennten Vorsprungs *), so muß es billig
wunder nehmen , daß der festeste Punkt, der zugleich die weiteste
Umschau gewährt, keine Befestigung getragen haben soll. Nach-
forschungen auch an dieser Stelle würden wohl Aufschluß darüber
gewähren.
III.
Ueber das rote Buch von Weimar.
Von Großh. Sachs. Landesgeometer A. Müller in Weimar.
Das rote Buch von Weimar im Geh. Haupt- und Staatsarchiv
zu Weimar enthält gegenwärtig noch 22 Blätter, während es nach
1) Eine vor einiger Zeit am Hausberge vorgenommene Unter-
suchung hat dem Verfasser gezeigt, daß die vordere Kuppe,
von welcher aus man das ganze Saalthal abwärts bis Dornburg
übersieht, zu einem größeren Bauwerke zu beschränkt, jedenfalls
einen Wartturm getragen hat. Außerdem hat sich noch unterhalb
des Fuchsturms ein in den Fels gehauener etwa I74 ni hoher, 1 m
breiter Eingang gezeigt, der aber in einer Tiefe von 2 — 3 m ver-
schüttet ist.
176 Miszellen.
den Mitteilungen des Herausgebers Otto Franke bei der im Jahre
1413 erfolgten Uebergabe von Hans Brandenhayn an Conrad Thune
deren 30 enthalten hat; das letztere soll aber erst gegen Ende des
15. Jahrhunderts eingeheftet sein, so daß im ganzen 9 Blätter fehlen.
Der Inhalt von 5 dieser fehlenden Blätter, so weit sie die „renthe
und gulde" die Abgaben der Ortschaften betreffen, läßt sich, wie
der Herausgeber es gethan, nach dem sog. Dresdener Eegister er-
fänzen , während 4 Blätter unbeschrieben gewesen sein sollen,
letzteres erscheint zweifelhaft, da selbst die Deckelseiten des Buches
zu Niederschreibungen benutzt worden sind. Mit Sicherheit aber
läßt sich nachweisen, daß wenigstens eines dieser 4 Blätter be-
schrieben gewesen, ja sogar, was es enthalten hat.
Auf Ö. 62 der Franke'schen Ausgabe des roten Buches be-
findet sich ein Abschnitt, der eine Fortsetzung der Mitteilungen auf
einem fehlenden Blatte ist. Der Abschnitt lautet: [Slogers ersten
werten, des hat Wydenhayn's tochter und yr vater von yrentwegen
unde yrme kynde gute und gnuge gehabt Och sint die rat-
meystere, nemelich Hans Casper und Claus Frangke, und die
gancze gemeyne eyn worden, die heymborgen nicht mehr soUen
vorczeren, dan eyn alt schogk, darmyt sollen sie dem herten sin Ion
yn vordem. Ouch hat uns unßer her er Bernhart Viczthum begnadt
und gefriget alles czols obgnant czu Magdala koufft adder verkoufft.
Ouch hat uns unßer herre er Bernhart befryget mit unßerm stat-
graben, daz wir mögen dorynne haben fische der stat czu guthe.]
Dazu sagt der Herausgeber: „Es ist dies eine Ergänzung der
Niederschrift, welche auf dem fehlenden Blatte . . . (jedenfalls nicht
dem vorhergehenden) . . . gestanden hat. Die Hauptschrift wird ebenso
wie die Ergänzung Verträge zwischen dem Rat von Magdala und
Bernhard Vitzthum, der um 1438 dort saß, enthalten haben und
dem Landesherrn zur Genehmigung vorgelegt worden sein. Im
roten Buch hat sie dann in wörtlicher Abschrift Aufnahme ge-
funden, wodurch es sich erklärt, daß die Eatmeister von Vitzthum
als von „unserem Herrn" sprechen. Der Eingang obiger, ziemlich
undeutlich geschriebener, Ergänzung bleibt etwas unklar. Es handelt
sich wohl um Besitztum von Sloger's ersten Ehefrau (werten) etc."
Offenbar steht aber der Anfang der Einschaltung von „Sloger's
ersten werten" an, bis „gute und genüge gehabt" mit dem Folgenden :
„Och sind die ratmeystere" etc. in gar keinem inneren Zusammen-
hange, sondern ist die Fortsetzung einer besonderen Einschaltung:'
das Folgende jedoch von: ,,Och sint die ratmeystere" bis dorynne
haben Fische der stat czu gute" muß einen ganz anderen Eingang
gehabt haben, als der erste Satz.
Die Magdala betreffende Hauptschrift aber, deren Schluß die
letzten Sätze von: Och sint die ratmeystere" etc. an bilden, läßt
sich glücklicherweise ergänzen.
In den Jahren 1800—1805 erschien in Jena bei Johann
Christian Gottfried Göpferdt eine Sammlung: „Aeltere und neuere
Gesetze, Ordnungen und Cirkularbefehle" etc. Herausgegeben von
Johannes Schmidt, fürstl. Sachs. Legationsrath , Geh. Sekretario
und Archivario zu Weimar, die auch im Band XI Statuten (Stadt-
ordnungen) verschiedener Städte des Fürstentums Weimar, Allstedt,
Apolda, Bürgel, Buttelstedt, Buttstädt, Ilmenau, Berka, Jena, Neu-
mark, Lobeda, Dornburg, Weimar enthält, und welcher zur Er-
gänzung zwei Nachträge beigefügt sind, von denen der erste von
Miszellen, X77
Johannoa Schmidt selbst, der zweite aber nach dessen To<le von,
seinem Sohne Karl Leopold Wilhelm Schmidt, Großherzogl. Amts-
adjunkt zu Thalbürgel, vollendet und herausgegeben worden ist,
Jena 1819 bei Georg Schreiber.
In diesem zweiten Nachtrage (Bd. XI der Sammlung) befinden
sich Statuten von Magdala, deren letzte 3 Sätze lauten : ,,Auch sint
die Rathis Meistern, nemblich Hannß Oarppat und Claus Franke
und die ganze Gemeine eins worden, die Heimburgen nicht mehr
sollen verzehren denn ein alt schogk, damit sollen sie dem Herten
sein Ix)hn einforden."
„Auch hat vns vnser Herre Er Bernhard gefreyhett mit vnsern
Stadt-Graben, das wir mögen darinne haben Fische der Stadt ze
Guette."
Trotz der wenig Verständnis der damaligen Sprech- und
Schreibweise verratenden Orthographie und unsorgfältigen Abschrift
ist es offenbar, daß diese 3 Sätze mit den im roten Buche ent-
haltenen, oben angegebenen identisch sind , und es läßt sich mit
Sicherheit behaupten, daß auf einem der herausgeschnittenen Blätter
die Statuten, d. i. die alte Stadtordniing von Magdala verzeichnet
gewesen ist. Diese Statuten, wie sie im zweiten Nachtrage der
Schmidt'schen Sammlung enthalten sind, lauten in wörthcher Ab-
schrift:
Copia oder P^xtract der vhralten Statut vnd Ge-
rechtigkeit der Stadt Magdala, welche Ihnen von dem
Gnädigen Herrn von Orlamunda vnnd von Herrn
Bernhardt Vi tzthumb Rittern Gegeben vnd sich der-
selben zu gebrauchen gegonnet vnd nachgelaßen ist.
1406:
,,Ditz ist die Wirde, die wir Burgern vnd Nachbaren alle der
Stadt Magdala haben gehabt vonn den Genedigen Herrn von Orla-
munda, vnd nuhn auch haben von unserm genedigeu Herrn. Em
Bernhardt Vitzthum, Ritter daselbst, dem wir gemeingkhch rechter
Erbschuldigung gethan haben.
Zu dem Ersten haben die Raths-Meistere alle lehenn ober die
Höfe in der Stadt vnd vor der Stadt, ausgeschlossen Vier Hoffe,
gelegen in der Vorstadt; vcö» denselben Höfen, die die Rathis-
meister leyhen, hatt vnser genediger Herr Ihn von dem Hof Vj pf.
zu lehen und Vj pf. zu laßsenn.
Zu dem andernmahle sol man keinen Burger, der dahn wol
besessene ist, nicht fahen vmb busse, die ihme zugetheHet wurdet
vor unserer genedigen Herren Gerichte.
Zu dem drittenmahle wirdt Ihmand Burger mit vnns zu Mag-
dala, daran hat unser genediger Herr Vj pf . , lest er aber sein
Burgerrecht vff, so wirdt vnsern Herrn aber Vj pf.
Zu dem Viertenmahle seint wir gewirdiget, das wir in der
Stadt nicht fröhnen sollen, es treffe danne die Stadt ahn, sondern
in der Vorstadt hatt vnser genediger Herre Frohnen und Dienste.
Zu dem Fünfftenmahle, wehr es Sache, ob vnser Burger einer .
vngehorsam wolte sein den Rathis-Meisteren das der Stadtgeboth
anarette, die Busse, haben wir zu legen an vnser Stadt Nutz, vn-
beschadiget vnnsem genedigen Herren Gerechtigkeit.
Zu dem Sechstenmahle haben wir die Freyheit, das die Burger
seint frey Eydt- Geldes vnd Zohlß, es wehre den Saclie, das ein
Burger einen Tisch setzet vff den Margkt, vnnd hatte doruff feylen
XXI. 12
;[78 Miszellen.
Kouff , der ist Pflichtigk Vj pf. vf Sant Martins Abend vf das
Schloße; wurdet er aber seuraigk vff den Abendt, dohe ist er ver-
fallen vnserm genedigen Herren V Schillinge pf.
Zu dem Siebendenmahle haben wir, das die Miett Nachtbarn,
die dahe dinck Pflichtigk sinnt, was die knuffen in Ihr Haus zu
ihrer Liebes-Nahrunge, oder Sahmen vff ihrn Acker, darvon sollen
sie nicht zollen; vorkaufen sie aber was, des sollen sie vorzollen.
Zu dem Achtenmahle, wehr es Sache, das ein Mahn keuffte
vnter vnsern genedigen Herren Erbe oder Guett, das dahe Schosbar
wehre, dahe soll er nicht von zollen; Verkaufet er es aber, da von
soll er zollen.
Item zu den zweien Hoch-Gerichten alle Mase zu besehenn, es
seint, Korn Maße, Bier-Maße oder Wein-Maße; welches des zu kleine
ist, daran hat vnser genediger Herr V Schillinge pf. Gnade, vnd
das Maße mitthe.
Item auch welch Burger da schenket, der ist pflichtigk vnns
je vff das hohe Gerichte ein Schillingk zu gebene, Thut er das nicht
weil der Kichter sitzet, so soll er den Schillingk gebenn vnd Fünff
Schilhnge zu Buße vff Gnade.
Auch merket. Schenket er zwischen zwei Hochgerichten nicht,
so darf er den Schillingk nicht geben.
Auch sollen die Moller ihre Metzen bringen vff dieselbige Zeit
bey der vorgeschriebenen Busse.
Auch haben wir Burger die Wirde und die Freyheit, das wir
theilen noch kein vrtteyl ansprechen, das Hals vnd Hand antrifft.
Auch haben wir die Wirde, das niemandt in der Pflege zu
Magdala vber die vnnser genedige Herr zu gebieten vnd Macht hat,
nicht sollen schenken nah wechselin heimlich noch offen bahr, den
wir Burger in der Stadt vnd vor der Stadt zu Magdala.
Auch sollen wir Burger zu Magdala die Stadt bestellen vnd
halten mit Getrenken also das man stettUchen schenken soll Bier
oder Wein, ob man beydes nicht gehaben könnte, so soll man
einerley schenken vnd feile haben stethchen vnd vber Jhar, vnndt
welche Zeit das Getrenke Gebruch wurde vnder vns Bürgern vnd
nicht einer schengken bey einem Tage vnd bey einer Nacht : So hette
vnser genediger Herr V Schillinge zur Busse vff Gnade von Jedem
Burger, der in dem Viertel Jahre geschenket hatte dohe der Ge-
bruch Ihnnen wurde des Geschenkens.
Auch hatt ein Thorwarter der vnser Stadthor vnnd Nachtbarn •
beschielst von dem Brenne-Holze, das man vff das Schlos führet,
dohe soll er von jedem Fuder haben zwehn Wellen Holzes.
Auch ob jemand Burger wurde vnter vnsern genedigen Herrn,
zu vnser Stadt, der soll sein Burger vnd Vorrechten drey Jhar mit
aller Gewohnheit vnd Eenthen der Stadt als ein ander Burger. Ob es
Sach wehre das Ihme nach der Zeit nicht forder fugete oder Lüste
zu bleiben, das sol er vnuordacht sein.
Auch haben wir die Wirde, in der Stadt vnd vor der Stadt zu
fischen mit Hammen oder mit Henden in dem Wasser, das dahe
heiset die Magdala eine Gemeine, da vns die genedigen Herrn von
Orlamunde mit begnadet haben.
Auch soll ein jeder Mann sein Mist ausschicken den er ge-
schutt hat vf die Gasse, es sey in der Stadt oder vor der Stadt,
vor Sanct Johannes Tag des Teuffers, vnsers Haupt Herrn; Thut
68 der nicht, so ist er vnserm genedigen Herrn V schilhnge zu
Mißzellen. 179
Busse verfallen vff Gnade, Er ließe Ihn denn legen mit vnsers ,
Herrn vnd des Voigts Gunst Wissen vnd Willen.
Auch sind die ßathis Meistern, nemblich Hans Carppat und
Claus Franke vnd die ganze Gemeine eins worden, die Heimburgen
nicht mehr sollen verzehren, denn ein alt schogk, damit sollen sie
dem Herten sein Lohn einfordern.
Auch hatt vns vnser Herre Er Bernhard Vitzthumb begnad
vnd gefryget alles Zohis. obgnant zu Magdala Kaufft oder Vorkauff t.
Auch hatt vns vnser Herr Er Bernhard gefreyet mit vnserm
Stadt Graben, das wir mögen darinne haben Fische der Stadt zu
Guette. 1406."
Daß diese Statuten älter sind als die beigefügte Jahreszalil
1406, beweist der Eingang derselben: „Ditz ist die Wirde, die wir
Burgern vnd Nachbarn alle der Stadt Magdala haben gehabt von
dem genedigen Herrn von Orlamunde etc.", denn 1393 schon
hatte Otto X. Magdala, Schauenforst und Buchfart dem Landgrafen
Balthasar übergeben und von diesem wieder in Lehn empfangen.
Nach dem Tode Balthasar's im Jahre 1406 mögen die Statuten er-
neuert worden sein, als die Söhne des 1403 verstorbenen Grafen
Otto X. Magdala besaßen. 1437 erkauft Herzog Wilhelm von Sachsen
vom Grafen Sigismund von Orlamunde Magdala — das zeitweilig
im Besitze der Grafen von Schwarzburg gewesen — und belehnt
1438 damit seinen Rat Bernhard Vitzthum, den jüngsten der drei
bekannten Brüder (Apel, Busso und Bernhard). Bei dieser Gelegen-
heit mag die im Jahre 1406 erneute Stadtordnung, in welcher der
neue Besitzer wohl eingetragen, die Jahreszahl aber durch den Ab-
schreiber unverändert gelassen worden ist, im roten Buche Aufnahme
gefunden haben.
Daß im Jahre 1671 diese alten Satzungen noch im Fürstlich
Sachs. Gesamtarchiv vorhanden gewesen, beweist die neue Stadt-
ordnung von diesem Jahre, in welcher es heißt:
„Von Gottes Gnaden, Wir Johann Ernst, Hertzog zu Sachsen etc.
Vor Uns und die Durchlauchtige Fürsten Unsere freundlich
geliebten Brüdern und Gevettern, Herrn Johann Georgen und Herrn
Bernhardten, Herzogen zu Sashsen, JüUch, Cleve und Bergk, hier-
mit thun kund und bekennen : Das Uns der Bath und Gesamte
Bürgerschaft der Stadt Magdala in Unterthänigkeit wehmüthig zu
erkennen gegeben, was gestalt in der ao. 1663 durch Gottes ver-
hängniß daselbst entstandenen großen Feuers-Brunst xulter andern
auch ihr statuta, leider! mit im Ilauch autgegangen, welche sie aber
aus einem bey Unseren Gesamten Amte allhier vor-
handenen alten Exemplare abschriftlich wieder erlanget etc."
Eine nach diesem alten Elxemplare der Magdalaer Stadtordnung
angestellte Nachforschung im Geh. Haupt- und Staatsarchiv hat
ein negatives Resultat gehabt, wodurch die Annahme an Sicherheit
gewinnt, daß unter diesem alten P2xemplare die Eintragung der
Stadtordnung im roten Buche gemeint gewesen ist. Hieraus würde
sich weiter ergeben, daß die im Bd. XI, S. 346 ff. der Sammlung
der Ordnungen und Befehle abgedruckten Statuten der- Stadt Mag-
dala, zweifellos der Aufzeichnung im roten Buche entnommen ist,
woraus die weitere Schlußfolgerung zu ziehen wäre, daß das fehlende
Blatt im roten Buche, auf welchem sich der Eingang der Stadt-
ordnung befand, noch im Anfang des 19. Jahrhunderts vorhanden
gewesen ist.
12*
180 Miszelleü.
Bei dieser Gelegenheit dürfte es wohl gestattet sein, in einem
Punkte der sich in der Zeitschrift des Vereins für Thüringische
Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge, Bd. 7, S. 576 befind-
lichen Kritik über die Ausgabe des roten Ruches von O. Franke
entgegenzutreten.
Auf S. 21 der Franke'schen Ausgabe heißt es:
„Item vier bruswin, ye daz scoyn ffunfftzen Schillinge phennige
wert" und bemerkt dazu in einer Anmerkung: „Brühschwein, em
noch junges, zur Mast bestimmtes Schwein" (Mitteilung eines Land-
wirts). Die Eichtigkeit dieser Erklärung ist angezweifelt worden;
ich glaube aber, dieselbe nachstehend erweisen zu können.
Die etwaige, schon von anderer Seite ausgesprochene Erklärung
von bruswin = Brauschwein und bachswin = Backschwein, als eine
Abgabe für das Brauen und Backen, möchte wohl nicht berechtigt
sein. Bachschwein, Bache, ist eine noch jetzt übliche Bezeichnung
für eine Wildsau, Mutterschwein, also ein ausgewachenes Tier. Sollte
bruswin wirklich „Brauschwein" bedeuten, so müßte es wohl heißen
„brouweswin". Außerdem müßte aber diese Abgabe von Brau- und
Backhäusern entrichtet werden, was nirgends der Fall ist, sie
wird vielmehr ausschließlich von Mühlen gegeben, weil in diesen
die Mästung am leichtesten und besten stattfinden konnte.
Daß aber unter bruswin ein noch junges — zur Mast bestimmtes
— Schwein zu verstehen ist, ergiebt indirekt der im rothen Buche
an der betr. Stelle angegebene Preis, der für ein bachswin — ge-
mästetes Schwein — auf 30 Schillinge, für ein bruswin auf die
Hälfte — ye das swin ffunfftzen shiflinge phennige wert — ange-
nommen wird.
Jedoch auch einen ganz direkten Beweis, daß unter bruswin
ein zur Mast bestimmtes Schwein zu verstehen ist, liefert das rothe
Buch selbst. In dem „litera ober die ßorgmoel" (S. 71) heißt es
auf S. 72 f. : ,,vier gude bachswin unde drie gute bruwswin yre
eygen, unde ein bruwswin zcu mäste, das wir in von unserm
Vorwerke gebin sullen." Ebenso erwähnen die Aufzeichnungen des
landgräflichen Oberschreibers (Kanzlers) Thomass von Bottilstete
vom Jahre 1443 der bach- sowie der bruswin, und Dr. K. Menzel,
der Herausgeber, bemerkt dazu: „Von dem Worte Brühschwein
habe ich in keinem Wörterbuche eine Erklärung gefunden ; aus ver-
schiedenen ungedruckten, aber auch gedruckten Stellen ersieht man,-
daß ein junges Schwein darunter verstanden wird."
Der Unterschied in der Benennung der Schweine bezog sich
überhaupt wohl nur auf Größe und Schwere, wie auch aus den
Aufzeichnungen des Kitters Hans v. Schweinichen hervorgeht, der
als Theil seiner Besoldung erhält: 1 Speckschwein und 1 Eßschwein,
d. h. ein gemästetes und ein ungemästetes.
Auf dem Lande, namentlich in der Gegend von Weimar, wird
auch heute noch ein junges, ungemästetes Schwein als „Brühschwein"
bezeichnet. Die p. Franke'sche Erklärung im roten Buche erscheint
also wohl berechtigt.
Litteratur.
I.
Geschichte der Stadt Pößneck. Pößneck 1902. X, 536 SS. 8". Preis
gebunden 4 Mk. für die Ausgabe auf Zeitungspapier, 5 Mk. für
die auf besserem Papier.
Dies Buch erschien ursprünglich bogenweise seit 1894 als Bei-
gabe der von Fr. Gerolds Buchdruckerei zu Pößneck herausgegebenen
„Pößnecker Zeitung". In der ersten Ankündigung desselben würden
Lehrer Fr. Alb. Köhler in Gera und Diakonus (jetzt Archidiakonus)
Harry Wünscher in Neustadt a. Orla als Verfasser genannt, jener
als Bearbeiter des die ,,Sagen" betreffenden, dieser als Bearbeiter
des geschichtlichen Teiles. Das Vorwort vom Februar 1902 führt
die genannten beiden, sowie Kantor Ludwig Greiner in Pößneck- als
,,voruehralichste" Mitarbeiter an und ist unterschrieben: „Redaktion
der Pößnecker Zeitung und der Geschichte der Stadt Pößneck. Fr.
Herrn. Hausotter."
Was die hier veröffentlichten Sagen anlangt, so haben dieselben
mit der Geschichte der Stadt Pößneck so gut wie gar nichts zu schaffen.
Den „Volkssagen aus dein Orlagau" von W. Börner (1838) und dein
„Sagenbuch des Voigtlandes" von R. Eisel (1871) entnommen, be-
ziehen sich dieselben, außer No. 10 „Berchta in Jüdewein" (das ehe-
malige Dorf Jüdewein gehört 'fetzt zur Stadtgemeinde Pößneck), nur
auf Örtlichkeiten, die jenseits der Pößnecker Flurihark liegen; sie
besitzen daher wohl für die Geschichte des Orlagaues im allgemeinen,
nicht aber für die besondere von Pößneck Wert. Dem geschicht-
lichen Teil des Buches, der mit S. 41 beginnt, liegen in "ferstcr Linie
Aufzeichnungen zu Grunde, die der vor etlichen Jahren verstorbene
Stadtkämmerer Gustav Wohlfarth zu Pößneck hinterließ. Aus Lieb-
haberei für die Geschichte seiner Vaterstadt hatte er sie geschrieben,
teils als Auszüge aus einschlägigen Geschichts werken, teils als Selbst-
erforschtes und Selbsterlebtes. Eine Veröffentlichung derselben lag
ihm fern ; denn er war sich, und mit Recht, bewußt, daß ihm die
zu wissenschaftlichen Leistungen nötige Ausbildung fehlte. Anders
dachten die oben genannte „Redaktion der Pößnecker Zeitung und
der Geschichte der Stadt Pößneck", sowie ihre Mitarbeiter. Trotz
wohlgemeinter Warnungen unternahmen sie es, auf Grund jenes
Wohlfarthschen Nachlasses eine Geschichte der Stadt Pößneck heraus-
zugeben. Bezeichnend für die Verfasser ist, daß es ihnen gar nicht
einfiel, das städtische Archiv zu Pößneck auszubeuten. Zwar wird
das in dem Vorwort (S. IX) mehrdeutig ausgedrückt: „auch ist uns
i8ä Litteratui*.
die Durchforschung des städtischen Archivs nicht möglich gewesen",
aber in Wirklichkeit dachten Hausotter und Genossen von vorn-
herein gar nicht daran, dies Archiv oder gar andere Archive zu
durchforschen; dafür boten nach ihrer Ansich^t die Aufzeichnungen
Wohlfarths völligen Ersatz. Ihre Gleichgiltigkeit gegenüber neueren
archivaÜschen Forschungen ging so weit, daß sie die vom Unter-
zeichneten veröffentüchten Beiträge zur Geschichte Pößnecks nur
zum kleinsten Teil (S. 506 ff. „Der Eathaus-Umbau", ohne Quellen-
angabe), und selbst diesen nur mit Verwischung wichtiger That-
sachen verwerteten, daß sie ferner auf jene Arbeiten überhaupt gar
nicht hinwiesen. Es kann dem Unterzeichneten nicht im mindesten
Abbruch thun, daß derselben ii; diesem Buche nicht gedacht wurde ;
aber wenn im Vorwort S. IX gesagt ist: „Alles Erreichbare wurde
herangezogen, die Wahrheit zu ergründen", so nimmt sich das an-
gesichts jener Thatsache aus wie ein Faustschlag ins Antlitz der
Wahrheit.
Von den Mängeln, die sich in dem Buche breit machen, seien
folgende hervorgehoben: Die ganz unbegründete Vermutung, daß
einst auch Katten in der Gegend von Pößneck und Saalfeld seßhaft
fewesen seien, wird auf S. 47 durch Ortsbezeichnungen („Katten-
oppen, Kattenloch bei Saalfeld, Kattenstein bei Pößneck, Katten-
fels bei Opitz") zu stützen gesucht, die dort gar nicht bestehen. —
Die Ableitung des Namens Pößneck von „Piseck" (S. 51) ist abge-
schmackt. Dasselbe gilt von der Erklärung des Namens Jüdewein
(S. 52). — Die Vermutung, daß König Heinrich I. die Stadt Pößneck
befestigt habe (S. 52), ist ganz unbegründet. — Die Namen „Saal-
felder Thor", „Neustädter Tiior" (S. 53 — 55) sind nicht geschichtlich.
— Die Urkunde vom 27. September 1488 (S. 58) ist durchaus nicht
im „buchstäblichen Wortlaut", vielmehr unvollständig und auch
sonst fehlerhaft mitgeteilt. — Die Angaben über das älteste und
über die Erbauung des jetzigen Rathauses, sowie über die Inschrift
und Uhr an letzterem (S. 66 ff.) sind falsch. — Die der Stadt Pöß-
neck erteilte Erlaubnis, sich den Schultheiß selbst zu wählen (S. 76),
war nicht gleichbedeutend mit der Erteilung der niederen Gerichts-
barkeit. — Der Mauritiusmarkt (S. 77) hat nicht seinen Namen von
der Pfarrkirche. — Das Patronatsrecht über die Stadtkirche (S. 80)
war dem Stadtrat nicht eigen. — Die Städte Pößneck und Saalfeld
besaßen keine gemeinsame Stadtordnung (S. 93). — Die Angabe, daß ■
jedes neue Mitglied des Stadtrates der Stadt eine neue Armbrust
habe verehren oder zwei alte habe ausbessern lassen müssen (S. 69
und 277), ist ganz verkehrt. Dasselbe gilt von der Behauptung (S. 100),
der Stadtrat habe die Bestrafung der Totschläge und die Einnahme
von 200 Scheffel Zollhaber sich widerrechtlich angeeignet. — Die
Urkunde vom 2. März 1479 ist sehr fehlerhaft mitgeteilt (S. 101). —
Die Stadt besaß nicht „seit 1341 die Holzung am langen Berge
nebst der Jagd von den Grafen von Orlamünde" (S. 119), — Daß.
Bonifatius bis in die Gegend von Pößneck gekommen sei (S. 135),
müßten die Verfasser des Buches erst beweisen. — (Zu S. 136 ff.) Die
Angaben über „St. Jüdewitz" sind größtenteils hinfällig. Wann die
Veitskirche erbaut wurde, ist nicht bekannt; sie war übrigens niemals
„Hauptstätte des christlichen Kultus für Pößneck". Der Name der
Stadtkirche zu Pößneck ist nicht „St. Mauritiuskirche", auch besitzt
der heil. Mauritius daselbst kein Standbild. — Die Erbauung der
Hospitalkirche in das Jahr 1412 zu verlegen (S. 144), entbehrt jeg-
Litteratur. 183
liehen Grundes. — (Zu 8. 148.) Die Stadt Pößneck war nie ein Filial
des Dorfes Jüdewein, ebenso wenip war die Kirche zu Jödewein die
Bartholomäuskirche der Stadt Pößneck ; auch haben die Pfarrer von
Pößneck nie in Jüdewein gewohnt. — (Zu S. 151.) Die Stadtkirche
besaß keinen Altar des heil. Nicolaus. — (Zu S. 152 u. 155.) Der
Vikar Heinrich Schmidt gehörte nicht den Karmelitern zu Pößneck
an, war überhaupt kein Mönch. Das Kloster zu Pößneck bestand
nicht erst seit ohngefähr 1380, sondern bereits 1348. — Es ist eine
Fabel, daß die älteste Pößnecker Schule von den Mönchen geleitet
worden sei (S. 154 und 177).
Besser unterrichtet zeigen sich die Verfasser bei der Behandlung
neuerer Verhältnisse, sowie auch der Handwerke und der Industrie
im allgemeinen. Aber der Mangel an gründlichen Quellenstudien und
an sachgemäßem Urteil macht sich auch hier oft fühlbar. Man ver-
gleiche nur den dürftigen Abschnitt über den Bergbau (S. 27;} ff.),
sowie die Behauptung auf S. 472, daß „jede Spur einer Aufzeichnung
über Armenpflege in den ersten Jahrhunderten der Existenz unserer
Stadt" fehle, ferner den Abschnitt „Lebensmittelpreise vor 50 Jahren
und jetzt" (S. 464). Der letztere beweist, daß die Verfasser keine
Ahnung davon haben, wie sehr der Geldwert in der Zeit von 1850
bis 1901 gesunken ist. Während minder wichtige Dinge, z. B. die
Vereine, zum Teil recht weitschweifig besprochen werden, vermißt
man andererseits vieles, was notwendig in eine Geschichte der Stadt
Pößneck gehört. Allerdings heißt es im Vorwort: ,,Ein vollkommenes,
nach jeder Seite vollständiges und unanfechtbares Werk zu liefern, lag
niemals in unserer Absicht." Als ob ein derartiges Geschichtswerk
überhaupt möglich wäre! Aber die „Redaktion der Pößnecker
Zeitung und der Geschichte der Stadt Pößneck", sowie ihre Mit-
arbeiter Wünscher und Greiner haben sich unterfangen, das eben
besprochene Buch mit ganz unzulänglichen Mitteln und zugleich
mit absichtlicher Mißachtung ehrlicher Forschung in die Welt zu
setzen, und für diesen Frevel gegen die heimische Geschichte giebt
es keine Entschuldigung.
Meiningen. E. Koch.
II.
Wttnsclier, Harry : Sagen, Geschichte und Bilder aus dem Orlagau.
Erstes Bändchen. Pößneck 1902. VIII, 116 SS. klein 8". Preis
1,25 Mk.
Dem Vorwort dieser Schrift zufolge will der Verfasser mit
derselben für die „geschichtliche Kenntnis des Orlagaues" Neues
erbringen. An den einleitenden Abschnitt „Der Orlagau im Frühlicht
der Geschichte" reihen sich zunächst „Sagen". Die erste ist mit-
geteilt von Pfarrer Bünger in Drognitz, die übrigen sind Wünschers
eigenes Werk. Wenn man auch annehmen darf, daß denselben
wirkliche Volkssagen zu Grunde liegen, so haben diese doch durch
184 Litteratur.
die pliantasievolle Ausschmückung, die Wünscher ihnen gab, den
Charakter der echten Volkssage vöUig verloren; sie sind zu er-
künstelten Erzählungen geworden in der Manier, wie sie der Ver-
fasser im letzten Teil des Buches, in den „Bildern", als feuille-
tonistische „Zugabe" bietet. Setzte er bei Auffalssung der letzteren die
Förderung der geschichtlichen Kenntnis des Orlagaues überhaupt
ganz aus den Augen, so hat er auch in betreff der „Sagen" den im
Vorwort ausgesprochenen Zweck des Buches nicht erreicht. Besser
ist es um den zweiten Teil des letzteren, um die „Geschichten aus
dem Orlagau" bestellt. Da zeigt sich doch wenigstens das Bestreben
des Verfassers, den von ihm gewählten Stoff sachgemäß zu behandeln.
Freilich bleibt auch hier viel zu wünschen übrig. Der Abschnitt
„Eine fromme Mutter" hat seinöin eigentlichen Inhalt nach gar nichts
mit dem Orlagau zu thun, und der Abschnitt „Ein Kampf um
Rom" würde nur dann in das Buch gehören, wenn der Verfasser
die „Ritter und Bürger aus dem Orlagau", die er auf S. 96 für sich
ins Gefecht führt, mit Namen genannt.. hätte. Für den Abschnitt
„Der Hof und das Handwerk" ist die Überschrift viel zu vornehm,
und ein sonderbares, unlogisches Durcheinander bildet der Abschnitt
„Böse Münze". Von andern Ungenauigkeiten und Fehlern seien
nur folgende angeführt. Über den erst neuerdings errichteten Altar
und dessen. Inschrift in der wüsten Kirche zu Würzbach spricht
der Verfasser in einer Weise (S. 56 ff.), als wenn dieser Altar ein
alter Überrest dieser Kirche sei. Die von Wünscher als „Teichmanns-
dorf" bezeichnete Wüstung (S. 58 ff.) hieß urkundlich Techmanns-
dorf und ist jetzt in der dortigen Umgebung nur unter dem Namen
Tiemsdorf bekannt. Nicht im Winter 1553/54 (S. 76), sondern in
dem von 1552/53 war Neustadt von der Pest heimgesucht. Denn
die von Wünscher (S. 78) für „verschrieben" gehaltene Jahrzahl
1553 besteht zu Recht, aber mit dem auf S. 77 angegebenen Datum
,.am Tage Stephani 1553" ist nicht, wie jener meint, der 26. Dezember
1553, sondern bekanntlich der gleiche Tag des Jahres 1552 gemeint.
Wie wenig der Genannte mit den ehemaligen Kalenderdaten vertraut
ist, merkt man auch daran, daß er den Montag nach Erhardi 1553
bezw. 1554 fälschlich als 11. Januar bestimmt (S. 78); das Wunder-
barste auf diesem Gebiete leistet er aber auf S. 102, wo er die für
eine Reihe von Jahren giltige Zeitangabe „Sonntag nach corporis
Christi", noch dazu in einem undatierten Schriftstück, als 29. Mai
erklärt. Auch das ist sehr bedenklich, den heutigen Geldwert einer
Summe von Geldes vom Jahre 1633 lediglich nach dem Preise eines
Pfimdes Rindfleisch von damals und jetzt zu berechnen (S. 89).
Trägt sich Wünscher mit der Absicht, diesem 1. Bändchen
seiner „Sagen, Geschichten und Bilder aus dem Orlagau" noch
weitere folgen zu lassen, so möge er doch den Anforderungen Rech-
nung tragen, die man billigerweise an derlei Schriften stellen muß.
Meiningen. E. Koch.
Fronmuimsche Buchdnickerei (Hermann Fohle) in Jena — 2337
IV.
über die Verwendung der Klostergüter im Schwarz-
burgischen zur Zeit der Reformation.
(Schluß.)
Von
Pfarrer G. Einicke in Immenrode b". Schernberg.
II. Die Verwendung des schwarzburgischen Stiftsgutes
unter Oraf Günther XL., 1539 ff.
Der Tod des evangelischen Grafen Heinrich XXXVII.
am 12. Juli 1538 war ein für die politischen und kirch-
lichen Verhältnisse der schwarzburgischen Herrschaften be-
deutungsvolles und folgenschweres Ereignis. Graf Heinrich
XXXVII. starb ohne männliche Nachkommen, so mußte
denn seine Herrschaft an den Grafen Günther von Schwarz-
burg XL., Sondershausen-Prankenhausen, fallen. Dieser Graf
(cf. über ihn Jovius Chronic. Schwarzb., Zeitschr. f. Thür.
Gesch. und Altertumsk., N. F. Bd. VIII, 1892, S. 646 ff.),
zu dessen Herrschaft das unterherrschaftliche Gebiet mit
Ausnahme des Amtes Clingen-Greußen gehörte, war bis zu
dieser Zeit ein Anhänger der papistischen Kirche geblieben,
man kann dies schon daraus schließen, daß er bei dem streng
katholischen Herzog Georg von Sachsen in hoher Gunst
stand, und dessen Rat und Vertrauter war, zudem hatte er ja
dem Herzog, dessen Ungnade er sich durch sein Verhalten
während des Bauernkrieges zugezogen hatte, geloben müssen,
für die Förderung und Wiederherstellung der papistischen
Kirche in seinem Gebiet Sorge zu tragen und der Herzog
XXI. 13
jgg über die "Verwendung der Klostergüter
selbst wachte peinlich, daß dies Versprechen erfüllt wurde_
So konnte es denn geschehen, daß, während in der Ober,
herrschaft die Reformation eiftgeführt war, im unterherr-
schaftlichen Gebiet des schwarzburgischen Landes die Papst-
kirche noch bestand. Gleichwohl hatte auch hier die Lehre
Luthers geheime und offene Förderer und Anhänger ge-
funden. So verkündigte Cyriacus Taubenthal 1524 zu Ring-
leben, Johann Thal zu Großenehrich und Greußen vermutlich
bis 1535 die reine Lehre, im Amte Heringen hatte die Witwe
des Grafen Heinrich XXXVI. die lutherische Lehre in
den 30 er Jahren offenbar begünstigt, und auch Graf Hein-
rich der Jüngere von Frankenhausen (f 1537) ist in den
letzten Jahren seines Lebens zweifellos Anhänger Luthers
gewesen. Der intime Verkehr dieser Grafenfamilie mit der
Heinrichs des Älteren, des Reformators, welcher urkundlich
nachweisbar ist, deutet schon darauf hin. Dazu kam, daß
auch die unterherrschaftlichen Stifte nach dem Bauernkrieg
sich zu einer wirklichen Blüte nicht wieder emporheben
konnten. Hier noch mehr als in der Oberherrschaft war
die Klosterwirtschaft zerrüttet. Die Klöster weisen erstaun-
lich geringe Einkünfte auf und schließen vielfach mit De-
ficits ab. Was soll man dazu sagen, wenn das reiche
Frankenhäuser Stift nach dem Bauernkrieg in einer Rech-
nung folgende Bilanz zieht :
E: 224 seh. 17 gr. 8 X
A: 247 „ 5 „ 9 „
Die Kelbraer Stiftsrechnung von 1529/30 verzeichnet
folgenden Vergleich:
E: 455 fl. 8 gr. 4 ^
A: 495 „ 15 „
und vollends die Stiftsrechnung von Capelle aus dem Jahre
1526/27!
S. S. E: 276 seh. 12 gr. 1 ^ 1 obl.
S. S. A: 582 „ 36 „
Die Reste der Klosterrechnungen stiegen unverhältnis-
mäßig hoch, und es bestand Gefahr, sie gar nicht mehr
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 187
einzubringen. Selbst das angesehene Chorherrenstift Jecha-
burg hatte unter der Ungunst dieser Verhältnisse furclitbar
zu leiden. Man vergleiche nur folgende Eeohnungen dieses
Stiftes :
1525. E. der Erbzinsen: 15 seh. 3 gr.
Retardata der Erbzinsen: 32 „ — 5 ^
S. omnium peremptionum : 29 seh. 10 gr.
Retardat: 113 „ 52 „
Ausgabe: 43 „ 33 „
Ein. Getreide: 35 for. 6^/jj mod.
Retard.: 62 „ lO^/g „ 3 heimetzen
Distrib. : ^51/2 „ etc.
Die Rechnung von 1526 zeigt hinter zahlreichen Zins-
orten ein „Nihil".
S. omn. per tot. heredit. 42 seh. 18 gr. 1 obl.
Retard.: 147 „ 4i/^ „
Ausgabe: 42 „ 17 „ Rest 31/2 -^
Ein. Getreide: 64 for. 3 mod — 1 vtl.
Retardat: 49 „ 4^/2 » ^ heim. 1 „
Ein. Aun (?): 17 „
Retard.: 48 „ i/g „
1534: S. S. hered. 43 seh. 58 gr.
Davon recepta omn. heredit.: 28 seh. 52 gr. 1 obl.
Remanent an Retardaten: ^^^jz n 29 minus 1 obl.
und S. perempt. 67 „ 22^/3 gr.
Davon recepta: -^ 8 „ 30^/2 „
Remanent an Retardaten: 58 „ 56^/2 „
In diesem Jahre distributa exced. recepta 20 seh. 44 gr.
Retard, omn. heredit. et recempt: 73 „ 55 „ 2 X.,
Index frument. distrib.: 82 for. 10 mod.,
Recept. excedunt distr. : 1 „ 2^/2 „ 1 heimetze,
Retardat: 19 „ 6^/2 „
Erst 1539 bessert sich der Abschluss!
Geld E: 82 seh. 7 gr. 1 <X
„ A: 75 „ 55 g 1 „
Aber in diesen Jahren spielte die das Ansehen des
Stiftes sehr schädigende Eehde mit dem Ritter Rudolf,
welche nicht nur dem Stifte großen materiellen Schaden
verursachte, sondern auch die ganze Ohnmacht des Stiftes,
13*
183 Über die Verwendung der Klostergüter
wie die Geringschätzung seiner Stellung offenbarte (cf. Jov.,
Chron. Schwarzb., S. 655, desgl. die Jecbaburger Stiftsrech-
nungen aus den Jahren 1540 ff. und Urfehdenbuch dieser
Jahre, S. 136 ff., desgl. Irmisch im Sonders'häuser Regierungs-
blatt, 1877, No. 134 ff.). So sehr war die Unsicherheit der
Stiftspersonen gestiegen, daß Graf Günther um diese Zeit
sich mit dem Gedanken trug, das Stift nach Sondershausen
zu verlegen (cf. S. A.). Eine Frucht dieser so traurigen
Umstände der Klösterverhältnisse ist das noch vorhandene
Übereinkommen zwischen Graf Botho zu Stolberg und Graf
Günther XL. v. freitag n. oculi 1527. Unter anderem
wird darin gesagt: „Nachdem itzd so in der heiligen
cristlichen kirchen und glauben mancherlei neuickheit und
andrung gesucht, und sunderlich die geistlichen guther
durch mancherlei form und weiße angegriffen, verändert
und vereußert werden, dieweil aber in beiden unßern amp-
ten zu Heringen und Kelbra auch vil geistlich guther
gelegen etc Das wir hinfurder niemand kein geist-
lich guther in berurten unßern ampten zu Heringen und
Kelbra zu verandern, zuvereußern, zu versezcen, zuverpfen-
den zu keuffen ader zu verkeuffen gestatten salle nach
wollen" etc. Auch darf man sich nicht wundern, wenn
der Konvent des Klosters zu Kelbra 1533 zu dem Aus-
weg greift, die Verwaltung des Klostergutes auf 6 Jahre den
beiden Grafen von Stolberg und Schwarzburg zu übertragen,
oder wenn hier und da selbst seitens der Klosterinsassen
Veräußerungen von Klostergut stattfanden (cf. Göllingen).
Auf die sich auflösenden altkirchlichen Verhältnisse weisen
auch die staatlicherseits vorgenommenen Inventarverzeich-
nisse hin, z. B. 1533 vom Kloster Frankenhausen.
Die Ohnmacht der altkirchlichen Institute war eben so
groß, daß man hier, wo an eine Einführung der Reformation
vorläufig noch gar nicht zu denken war, schon staatliche
Hilfe für die Aufsicht über das Klostervermögen in Anspruch
nahm, während in der Oberherrschaft dies aus der Refor-
mation und Säkularisation der Stifte sich ergab. So lagen
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 189
die kirchlichen Verhältnisse. Und nun brachte das Jahr
1538 dem bisher katholischen Grafen einen großen evange-
lisch gewordenen Landesteil. Doch der mächtige Lehns-
herr des oberherrschaftlichen Gebietes, der evangelische
Kurfürst von Sachsen, welcher fürchtete, daß die evangelisch
gewordene Herrschaft dadurch, daß sie an einen katholischen
Herrn kam, in ihrem Bekenntnis gewiß nicht gefördert,
möglicherweise aber gar gestört werden könnte, gab zu-
nächst nicht seine Zustimmung, daß sein Lehnsgebiet an Graf
Günther XL. fiel, — er klammerte sich an die letzte Hoff-
nung: die Witwe des Grafen Heinrich, Katharina, geb.
Gräfin von Henneberg, sah ihner Entbindung entgegen.
Würde das von ihr geborene Kind ein Knabe sein, so
sollte diesem die Herrschaft bleiben, und alle Befürchtungen
für die Entwickelung der jungen und noch des Ausbaues
bedürftigen evangelischen Kirche waren damit geschwunden.
Inzwischen regierte die Gräfin- Witwe unter kurfürstlichem
Schutze und erwirkte zusammen mit den kursächsischen Räten
die Entfernung der papistisch gebliebenen Franziskanermönche
Arnstadts (23. Okt. 1538). Aber was man so gern nicht
gesehen hätte, trat ein! Das am 7. Dez. 1538 geborene
Kind war weiblichen Geschlechts. — Graf Günther XL.
wurde damit der Herrscher der gesamten Grafschaften, —
außer der Herrschaft Leutenberg, nachdem ihm durch den
Tod seines Bruders, des Grafen Heinrich XXXIX. (des
„Jüngeren"), am 16. Januar 1537, auch schon die Herr-
schaft Frankenhausen zugefallen war. Aber nicht früher
empfing er durch den sächsischen Kurfürsten die kur-
sächsischen Lehn der Herrschaft seines verstorbenen Vetters,
als bis er dem Kurfürsten versprochen hatte, er werde in
den Landen, die von Sachsen zu Lehn gingen, die christliche
(evangelische) Religion durchaus schützen und auch Visita-
tionen im Lande des Grafen Heinrich des Alteren geschehen
lassen. (Schreiben des Churfürsten v. Sachsen dat. Torgau
V. Freitag nach Viti 1539, W. A. Reg. Ee 550 Vol. II.) Da trat
ein Ereignis ein, welches die für Graf Günther XL. so überaus
j^QQ Über die Verwendung der Klostergüter
verwickelten und sctiwierigen Umstände mit einem Schlage
günstiger gestaltete. Am 17. April 1539 starb Herzog
Georg von Sachsen, und die Nachfolge des Herzogs Heinrich
von Sachsen bedeutete auch für das sächsische georgianische
Gebiet die Einführung der Reformation.
Durch diesen Todesfall wurde es auch Graf Günther
leichter, sich zu der Reformation seines Gebietes freundlich
zu stellen und den zwischen dem ober- und unterherr-
schaftlichen Gebiet seines Landes bestehenden Unterschied
in dem religiösen Bekenntnis zu beseitigen. Es deutet nun
auch manches darauf hin, daß Graf Günther XL. in der
That schon in diesem Jahre allmählich mit der Reformierung
seines unterherrschaftlichen Gebietes einsetzte. So bestellte
der Graf Mich. 1539 (cf Handels- und Urfden.-Buch
1518 — 41, Sond. Arch.) den Ritter Franz von Vippach mit
dem Kloster Capelle, und zwar auf 3 Jahre. Der Übergabe-
vertrag enthält unter anderem folgende Bestimmung: „Er
sali auch die 3 Jungfrauen, so noch im closter seint mit
essen trincken, und was inen geburt reichlichen versehen
und versorgen, domit keine clage desfalls an uns komme ;
er sali auch einer itlichen die zeit alle jar jerlich 3 fl.
zuerhaltunge irer cleidunge unwejerlich geben und reichen.
Item dem Schreiber der uns eidhaftigk sein unsere zinße
umb unsere besoldunge in nahmen und unsern schaden
warnen sali, Vipich die kost geben, und sein gescherre
eins neben den unsern wan der Schreiber die zinsse mant
mitgehen und solliche zinsse gegen Berka füren lassen."
Ferner soll er 80 fl. Fürstenmünze für solche Einnahme^
Nutzung und Gebrauchung des Klosters geben. Man ver-
gleiche ferner eine Vokationsurkunde, die Pfarre zu Wolk-
ramshausen betreffend, aus dem Jahre 1540, Dienstag nach
Invocavit^), sie lautet: Wir Günther bekunden etc. „das
wir dem wirdigen unßer lieben . . . ern Johann Lehnen
die pfarre zu Walkramshaußen, welch von uns zulehen
1) S. A.
I
im Schwarzbiirgischen zur Zeit der ReformatioD. X91
gehet sein lebenlangk nicht anders wie sie hie bevorn sein
besitzer innen gehapt nmb gots wille zugesagt ......
der gestalt das er den leuthen daselbst das lauther wäre
wort Gots eintrechtiglichen zu ihren seien seligkeitten leren
und furtragen sali, do aber an ihme einiger mangell der-
halben befunden wurde, so behalten wir uns für solliche
pfarre im ander wege nach unsem gefallen widderumb
zu bestalen". Auch wandte sich der Graf in diesem Jahre
an den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen mit der
Bitte um einen guten Theologen, „damit das Wort Gottes ,
durch denselben um so besser ausgebi'eitet würde." (Diens-
tag nach Antoni 1540, cf. R. G. A. Hess. Collect. Arn-
stadiense A. V. 4 a)
Aus diesen und anderen urkundlichen Belegen scheint
mit Gewißheit hervorzugehen, daß Graf Günther XL. bereits in
den Jahren 1539/40 mit der Einführung der Reformation
und der Aufhebung der kirchlichen Stifte in seinem Gebiet
begann — für die folgenden Jahre liegen sichere urkund-
liche Nachrichten dafür vor, daß er sich der evangelische
Lehre zugewandt hatte — , doch vermied er dabei ein rasches,
energisches Vorgehen, dem entspricht auch seine Maßnahme
hinsichtlich des Stiftes Capelle (cf. oben). Übrigens war
gerade das Jahr 1539 reich an bedeutsamen und auch
unsere Frage berührenden Ereignissen. So fand 1539 auf
Anordnung des Kurfürsten von Sachsen in dem sächsischen
Lehnsgebiet der schwarzburgischen Oberherrschaft eine
Kirchenvisitation statt, und zwar zumeist aus Anlaß ver-
schiedener Klagen, welche aus diesem Gebiet dem Kurfürsten
zu Ohren gekommen waren. Dabei handelte es sich auch
um Besoldungsfragen der Geistlichen. Der Graf erhielt
die Akten zur Abstellung der Mißstände zugesandt, wie
wir hören, wurde nur einem einzigen Geistlichen eine
Gehaltszulage in Höhe von 10 fl. auf Zeit gewährt. In
eben diesem Jahre visitierte auch . Herzog Heinrich von
Sachsen das der Unterherrschaft benachbarte sächsische
Gebiet.
192 Über die Verwendung der Klostergüter
Allerdings schloß Graf Günther sein Gebiet von dieser
Visitation streng aus, doch dürfte dies lediglich darauf
zurückzuführen sein, daß derselbe ängstlich um seine kirch-
lichen Hoheitsrechte besorgt war und sich durch das
rasche Vorgehen Sachsens in der Reformationssache ab-
gestoßen fühlte, zudem hinsichtlich der reichen unter-
herrschaftlichen Stiftsgüter seine eigenen Wege zu gehen
beabsichtigte ^). Ferner hielten um diese Zeit (November
1639) die Vertreter der protestierenden Stände eine Zu-
sammenkunft zu Arnstadt, der reformierten Hauptstadt des
Schwarzburger Landes. Graf Günther trat hierbei mit der
protestantischen Opposition in engste Berührung, wie Arn-
stadts evangelische Bürgerschaft, so zeigte der Graf selbst
den Gästen das größte Entgegenkommen und erwies ihnen
die liebenswürdigste Aufnahme. Doch hören wir nicht,
daß er dem Schmalkaldischen Bunde beigetreten wäre.
Unter den mancherlei wichtigen Verhandlungspunkten des
Arnstädter Tages interessiert uns besonders dieser: „Der
bebstlichen gaistlichkait unnd dero gueter halbenn." Der
Vorschlag Sachsens ging dahin : „Das es guet were, das man
derselben gaistlichen mochte abekommen und loß werden", und
hinsichlich einer „christlichen" Verwendung der geistlichen
Güter: „Doch das sie in den landen plieben und alßo, das
ezliche zu handthabung der religion, die anderen zu
erhaltung pfarr prediger kirchen und schuler
diener und was dorüber vberigk, in gemeinen
nucz der lande und laute gewendet würde etc.
doch selten die rethe der hessischen bedenken
hir innen auch hören (cf. Reg. H. fol. 285 ao. 1539
W. A.)2). "Wieweit sich Graf Günther diesem Vorschlag
Sachsens, der ja zunächst nur auf die oberherrschaftlichen
Gebietsteile Anwendung finden konnte, angeschlossen hat,
1) Cf. Königl. Staatßarchiv Magdeburg A. L. IX. Litt. A.
No. 1493.
2) Dieser Gegenstand steht im Amst. Abschied selbst als IS.Pimkt
(cf. Schwarzburgica, Vol. VI, S. 133—159, E. G. A.).
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 193
werden wir im folgenden sehen. Endlich spielte in diesem .
Jahre der Streit Graf Günthers XL. mit der Witwe Graf
Heinrichs des Alteren. Wir erfahren aus den noch vor-
handenen Akten dieses langwierigen Streites (Reg. Ee.
No. 550 Vol. III W. A.) für unsere Frage folgendes
Wichtige: 1) Graf Günther hatte dem Kurfürsten von
Sachsen mündlich und schriftlich versprochen, im sächsischen
Lehnsgebiet die geistlichen Güter von Klöstern, Pfarren,
Stiften und anderen Gotteshäusern wieder zu restituieren,
und bittet, wo solche Güter noch ausstehen, um kurfürst-
liche Unterstützung. 2) Die Gräfin -Witwe hatte auch die
früher erwähnten, dem Stift Paulincella gehörigen Güter
(Vorwerk Rottleben und Weinberg „Schleicher"), die ihr
1534 ihr Gemahl testamentarisch vermacht hatte, restituiert.
3) Die Gräfin beanspruchte den Vorrat im Kloster Um und
für die herausgegebenen geistlichen Güter eine Entschädigung
4) Die Irrung zwischen den Parteien wurde durch den
sogen. Weimaraner Vertrag erledigt, nach welchem die
Gräfin mit ihren Töchtern 2800 fl. Entschädigung erhielt
(Schlotheim wird an Christoph von Lichtenberg verpfändet),
5) Eine Leipziger Rechtsentscheidung lautet: „bona eccle-
siastica sunt deputata et dedicata servitio . . . dei quae ad
profanes usus proferri non possunt." Darnach sollen die
Klostervorräte nicht der (Gräfin, sondern dem Kloster an.
hängig sein. 6) Trotzdem scheint die Gräfin init dem Ab-
kommen nicht zufrieden gewesen zu sein. Graf Günther stützt
sich darauf, daß der Weimarische Vertrag zu RechC bestehe,
die Gräfin aber darauf, daß ihr verstorbener Gemahl pro-
testierender Stand gewesen sei und daß sie, als seine
Erbin, Anspruch habe auf den Klostervorrat.
Aus diesen wenigen Notizen sehen wir, daß um des Stifts-
gutes willen unter den gräflichen Verwandten Differenzen ent-
standen, die erraten lassen, daß es sich hierbei keinesfalls um
einen unbedeutenden Vorteil handeln konnte. Graf Günther XL.
machte sich dabei um die Restitution der geistlichen Stifts-
güter verdient und, zwar offenbar auf Anregung des Kur-
194 Über die Verwendung der Klostergüter
fürsten. Wir wollen nun sehen, welche Wege der Grraf
zunächst zur Verwendung der oberherrschaftlichen Stifts-
güter einschlug, und wir werden am besten die noch vor-
handenen Rechnungen selbst sprechen lassen.
A.. Die oberherrschaftlichen Stifte.
1. Stift Paulincella.
Über die Geschichte des Stiftes nach seiner Aufhebung
cf. bei Hesse a. a. 0. Der Abt Johann benutzte in der
Folge die zwischen Grraf Heinrich dem Alteren, später
seiner Witwe und dem Grafen Johann Heinrich von Leuten-
berg entstandenen Streitigkeiten und wurde von Graf Johann
Heinrich wieder in sein Amt eingesetzt. 1541 erwirkte er
bei Kaiser Karl V. einen Befehl an Graf Günther XL.,
wonach derselbe dem Grafen Johann Heinrich zu Leuten-
berg die Schutzvogtei über das Kloster übertragen sollte,
auch solle er den vertriebenen Abt wieder einsetzen und
alles dem Kloster entrissene Gut wieder erstatten (cf. Jov.
S. 296, und Hesse, a. a. 0. S. 13). Zu gleicher Zeit erhielt
der Abt von dem Kaiser einen Schutzbrief, worin die
Schirmvogtei des Klosters, als dem Grafen von Leutenberg
zuständig, bestätigt wird. 1542 wurde der Zwist beider
Grafen beigelegt, 1543 übertrug Graf Günther XL., dem
die Schirmvogtei des Klosters geblieben war, die Lehn
über das Stift dem Kurfürsten Johann Friedrich von
Sachsen. Weiter faßt Hesse das hinsichtlich des Güter-
besitzes des Klosters Wichtige in die Worte zusammen:
„Die Güter und Einkünfte des Klosters, deren sich
der Graf bemächtigt hatte, wurden nun verpachtet oder
durch eigens dazu bestellte Amtleute zuweilen in Ver-
bindung mit andern Ämtern, verwaltet und die entfernteren
Besitzungen, um dieses Geschäft zu erleichtern, mit näher
liegenden vertauscht oder nach und nach an Fremde käuf-
lich überlassen (cf. Hesse, Anmerkung 5).
Die noch vorhandene Rechnung von 1538/39 weist
folgendes aus:
im Schwarzburgischeu zur Zeit der Beformation. X95
1. Einnahme,
gemeine: 12 seh. 14 gr. 6 -X,
lehnrecht u. abschiedtgelth : H ,, 9 „
bethe: 50 „ 6 „
(Singen, Gosselborn, Hengelbach, Rottenbach, Milwitz, Horba)
Erbzins in den eigen-l . .
tümlichen Dörfern:] 219 seh. 11 gr. 3V, A, 1 a. ^
Erbzins in den fremden! ,
Dörfern: J ^°^ " ^ » ^ 1^ " ^ " "
Wiederkäufl. Zinsen: 98 „ 1 „ 1 » 1 a. h. etc.
Zusammen beträgt die Einnahme: 906 seh. 11 gr. 2*/j a. -X.
Unter der Gesamtausgabe mit: 744 „ 3 „ 1 heller
figurirt als Hauptposten die Ausgabe:
„meiner g. frauen unnd andern" mit
437 seh. 17 gr.
Davon allein 267 seh. 15 gr. der g. fr. zu Rudelstadt,
femer 15 seh. 15 gr. dem jungen Eicharinj (us?) zue Am-
stat auß bevell m. g. fr. und 19 seh. 19 gr. meister Valtenn
dem roren bohrer zue Ilmenaw auß bevell m. g. h. graff
Günthers, das Übrige an 4 Pfarrherren, 2 Ordenspersonen
und einen Studenten:
16 seh. 16 gr. einem Studenten gen Margburgk
6 „ 6 „ dem pfar. zum Behlenn zur zulage auß
befhell m. g. h.
16 „ 16 „ denn 2 ordenspersonen
21 „ er Niclas Stedenn
31 „ 10 „ ern Johann* Hengelbach
42 „ ern Niclaus Mende.
Zu dem Überschuß von 162 seh. 7 gr. 11^/2 -X
2^/2 a. ^ ist bemerkt: In diese summa ist nicht ge-
czogen die 150 fl. so er hiebe vor dem ampt verhafft und
schuldig ist."
Aus der gleichzeitigen Getreiderechnung heben wir
folgendes hervor:
1. Weizen Ein.:
63 mas 3 viertel
sub Ausgabe: 10 maß: er Niclas Stedenn -
5 „ ern Johann Winter
15 „ ern Johann Hengelbach
17 „ ern Conrad Rudiger
196 Über die Verwendung der Klostergüter
1 maß Hanßenn Jhann ins gedinge,
hat die schneide moel gemachtt
3 „ dem cappelann zue Konigsehe,
hatt über den andern sonntagk
in der Zellen gepredigt.
Rest bleibt: 11 maß 21/2 viertel V2 metze.
2. Rocken Einn. :
13 maß 1^/2 metze
3. Gerste:
E: 58 maß 1 viert.
A: 8 „ er Niclaußenn Stedenn
8 „ ern Johann Hengelbach
2 „ ern Johann Winter
1 „ 1 V. dem gemeß abgangen
38 „ m. g. fr. holeii ; laßen freitags nach
Andrea.
S. 57 maß 1 virtell, Rest: 1 maß garsten.
4. Hafer:
E: 115 m. 3 v. l^/g Kietze
A: 109 „ — 1
Die Viehrachnung weist auf: 30 melckuha
1 reitachs
17 kalbenn
5. S. 48 nosser alles m. g. h. zuständig.
Aus der Stift srachnung von 154 2/4 3 :
Die Einnahme belauft sich auf:
538 seh. 77 gr. I6I/2 -X 1 a. A- 1 a. h.
(Die einzelnen Posten sind nicht zusammengezählt.)
Davon wurde auf Befehl des Grafen ausgegeben:
gr. den zweien ordenßperßonn
„ ehrn Charius zwei quartall.
„ idem zur abfertigung
„ idem vermog ßeiner bestellung
„ idem vor sein kleidtt
ern Niclauß Stedenn
„ ehr Conradtt Rudigem
„ ehrn Johann Winthernn
„ dem pfarrer zu Behlenn
„ dem pfarner zu Gösselbornn.
16 seh.
16
4 „
4
15 „
15
15 „
15
5 „
5
21 „
10 „
10
10 „
10
6 „
6
2 „
12V
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 197
Ferner: 157 ^/j seh, m. g. h. a. abent mart.
22 „ 16 gr, an 19 tallern m. g. fraue.
Die übrigen Ausgaben verteilen sich auf Ausgaben
^Ins Gemein", Gesindelohn, Schenkenausgabe und Retardata.
S. S. dieser Ausgabe auf Befehl des Grafen allein:
362 seh. 9 gr. 6 A. (also ca. ^j^ aller Ausgabe).
Der Ergänzung halber fügen wir noch hinzu: Die Ein-
nahme- und Ausgabeposten der folgenden Rechnungen des
Stiftes stellen sich so:
z. B. 1544/45 (Mich. — Walpurgis)
E: 532 fl. 17 gr. 4 A 1 a. A
A: 505 „ 2 „ 4 „ 1 heller.
Darunter beträgt die Ausgabe für Ordenspersonen:
221 fl.
1545/46 (Michael. — Michaelis).
E: 1014 fl. 14 gr. 1 a. A.
A: 938 „ 17 „ 2^/^ „
1546/47 E: 1016 fl. 2 gr. 77» -X 1 a. h. ■
A: 913 „ 1 „ 4Vj „ 1 „ A,
1649/50 E: 962 fl. 3 gr. 8 A, 1 a. A
A: 950 „ 11 „ 1 „ 1 „ „
1550/51 E: 1282 fl.)
A: 1248 fl.f'^^
1561/52 E: 1090 fl.
A: 1055 „
1554 55 E: 1077 €.
A: 1034 „
Wir ersehen aus dieser Zusammenstellung, daß die
Barüberschüsse, welche dem Staate zufielen, bez. im Vorrat
blieben, keine bedeutenden' waren. Unter den Stifts-
ausgaben dieser Jahre kehrt die für die Ordenspersonen,
bez. Predikanten, regelmäßig wieder, welche sich 45/46
auf 93 fl., 46/47 auf ebensoviel, 49/50 auf 95 fl., 50/51 auf
93 fl., 51/52 auf 88 fl., 54/55 auf 397 fl. (Nico. Herco er-
hält davon 300 fl.), 57/58 auf 347 fl., 58/59 auf 347 fl., 59/60
auf 347 fl., 60/61 auf 377 fl. beläuft.
Beispielsweise wird die Ausgabe von 93 fl. nach der
Rechnung von 1545|46 in folgender Weise verteilt:
sizen E :
285
maß
A.
70
12
))
15
5)
10
;;
10
Tl
10
?)
jc)g über die Vcrweiuliing der Klostergüter
20 fl. ehr Nielaß Stedenn zum Horba
25 „ ehr Charius Wainern zum Gehrenn
10 „ ehr Conradtt Rudigern zu Talndorflf
10 ,, ehr Johann Winttern zu Dornffeltt
8 „ ehr Petter Kochenn
2 , idem vor hoßenn und wameß
6 ,, ehr Sebastian Sommig
12 „ dem pfarner zu Neußitz.
Aus den Getreiderechnungeen des Stiftes geht hervor,
daß auch hier einzelne Pfarrer Gehaltsteile beziehen: z. B.
1545/46.
1 virt
m. g. fr. zu Rudolstadt
dem pfarrer zu Neußitz
„ „ zu Gehrnn
ehr Nielaß Stedenn
ehr Johann Winthern
ehr Conradt Rudigern
Gesamt- Ausgabe : 269 ^/^ maß
Rest: 15 maß 3 viert.
Unter Gerstenausgabe findet sich:
8 maß Niclas Stedenn
8 „ Conradt Rudigern
8 „ Johan Winter u. s. "W.
Wir machen aus dieser Rechnungsübersicht die für
unsere Präge wichtige Beobachtung, daß ein Teil der
Stiftseinnahmen (allerdings anfänglich durchschnittlich etwa
nur der zehnte Teil der gesamten Stiftseinnahme bis zu
der Zeit, da der Superintendent Nie. Herco zu Arnstadt-
HOO. fl vom Stiftseinkommen empfing) für „frommen Zwecke",
d. h. für Besoldung evangelischer Pfarrer, die dem Stifte
zugehörten, direkt verwendet wurde. Wir werden bei der
Betrachtung der Rechnungen der beiden anderen ober-
herrschaftlichen Stifte sehen, daß gerade hierin ein, wenn
auch nur äußerlicher, Unterschied zwischen diesem und
jenen beiden anderen Stiften bestand, denn bei Stift Um
und Arnstadt bestritt die Staatskasse die Ausgaben „ad.
pias causas", wofür sie aber auch die Stiftseinnahmen in
vollem Umfange für sich beanspruchte. Sachlich angesehen,
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 199
war aber auch das Verfahren bei der staatlichen Ver-
wendung des Paulinzeller Stiftsgutes das nämliche wie bei
den beiden anderen Stiften. Die Überschüsse von der
Stiftsgutsbewirtschaftung kamen vornehmlich dem Lande,
aber auch dem gräflichen Hofe zu gute. Der Hauptvorteil
lag dabei weniger in den Barüberschüssen, als vielmehr in
den Naturalerträgen der Klosterwirtschaft.
2. Das Stift Um.
1) Die Rechnung vom Jahre 1541 (Montag
nach Valentini — Mich.) (Hermann Zienemann, vor ihm
war H. Drechßel Verw.) weist auf:
E: 1637 seh. 16 gr.
A: 1558 „ 5 „ 6 A-
Dabei ist hervorzuheben: Unter Zinseinnahme steht
„Zinse des Leuttenbergisch teils ist zugeben verpotten, als
22 seh. 5 gr."
Unter Geilßdorf: „Bei regierung des wolgeborn hern
herr Heinrichs weilandt grafe zu Schwarzburgk löblicher
gedechtnis ist vieleicht uf anßuchung der fraun von Grieß-
heim drei schogk vier huner zins, von Hannn Schelhorns
wegen zu Geilßdorf zugeben nachgelaßen wurden, zu ge-
dengken." Und unter Ausgabe findet sich z. B. :
105 seh. meinem g. h., 752 schnö gr. dem Rentm. Sig. v.Witzleben
255 „ dem Amtmann Lutze von Wüllersleben.
Darunter z. B. 10^/ 2 seh. Jacob Froben dem Studenten
zur abfertigung nach Wittenbergk.
1 seh. 13 gr. vor hier thonnen, den jungkfrauen ins closter
— 8 „ idem . . . den jungkfr. ins closter.
Später ins closter: 66 seh. 10 ^/g gr. etc.
2) Mich. 1541/4 2 (H. v. Witzleben).
E: 1251 fl. 7 gr. ö^/j A. 1 a. ^
A: 1025 i, 17 „ 10
Darunter für Klosterjungfrauen: 76 fl. 20 gr. 2 ^
u. gegen Hof geantwortet bezh. auf Befehl 342 fl.'8 gr. 6 -X
(100 fl. Sig. Witzleben, Rentmstr., 100 fl. dem Amtmann
Lutz V. Wüllersleben.)
200 Über die Verwendung der Klostergüter
3) 154 3/44 (Mich. — Walp. Galle Barrethern n)
E: 925 fl. 12 gr. — ^ 2 a. ^
A: 947 „ 4 „ 9 „ 1 „ „
Darunter den Jungfrauen : 49 fl. 18 gr 6 ^
Dem g. Herrn : 500 „ .
Einzubringen bleibt: 234 fl. 20 gr. b X 1 a,. \>
Aus den folgenden Rechnungen möge noch folgendes
mitgeteilt werden: Die Rechnung von 44/4 5 (Gall.
Barrethern):
S. E: 1095 fl. 3 gr. 2^1^ ^ 1 a ^
Die Ausgabe fehlt.
Die folgenden Rechnungen ergeben nun diese inter-
essante Tabelle :
1546/47 in die schwarzb. Renterei: 400 fl.
E: 955 fl. — gr. 6 ^ 2 a. ^
A: 953 „ 14 „ lOVj „ (Eür die Jungfr. 81 fl. 14^12 gr.)
1547/48 (Amt Um): in die schwarzb. Renterei: 300 fl.
E: 983 fl. 18 gr. l^j^ X 1 a. ^
A: 985 „ 4 „ 1 h. (für Jgfr. 78 fl. 20 gr. 10^) ■
1548/49: in die schwarzb. f E : 904 fl. 9 ^ 1 h. 2 a. X
Renterei 300 fl. \A: 866 „ 1 gr. 5 ^ 2 „ „
1550/51: in die schwarzb. Renterei 300 fl.
1551/52: „ „ „ „ 300 „
1552/23: „ „ „ „ 300 „
1554/55: „ „ „ „ 300 „
1555/56: auf Befehl u. in (E: 1787 fl. 17 gr. 8 ^ 1 h. 2 a. ^
die Renterei 900 fl. 12 gr.{ A: 1415 „ 14 „ 2 „
+ 315 fl. [Rest: 57 „ 3 „ 6 „ lh.2a.^
Um sich aber annähernd einen Begriff zu machen,
welchen Nutzen die Rentereikasse allein aus dem Getreide-
verkauf dieses einen Stiftes hatte, sei bemerkt, daß in der
Zeit von 1547—1553 (Mich.)
1) an Korngeld der Renterei zufloß : 3076 fl. 14 gr.
(Rest: 404 „ 2 „ )
2) an Gerstengeld: 880 fl. — gr.
Rest: 251 „ 7 „
Bei diesem fStift fällt es ganz besonders auf, welcher
Vorteil der Rentereikasse und der Hofhaltung aus den
Stiftseinnahmen erwuchs. Dabei ist noch hervorzuheben.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 201
daß ja auch die außerdem vorhandenen ßechnungsüberschüsse
in bar der Herrschaft zufielen,
z. B. 1548/49: 38 fl. 6 gr. 1 h.
1550/51: 147 „14 „ 6 -X 1 ä .5v,
1551/52: 55 „ 8 „ 7 „ 1 h.
Zu bemerken ist, daß eine allmähliche Abnahme des
Klostereinkommens bei diesem Stift ersichtlich wird, die
offenbar auf staatlicherseits in Anspruch genommene und
abgetrennte Einkommensteile zurückzuführen ist. Denn bei
der Abnahme der Ausgaben für die Stiftsjungfrauen hätten
sich eher die Abschlüsse der Stiftsrechnungen günstiger ge-
stalten müssen ; man vergleiche : Ausgabe für die Jungfrauen
1546/47: 81 fl. 14 1/^ gr.
1547/48: 78 „ 20 „ 10 ^
1548/49: 77 „18 „8 „
1551/52: 78 „ 9 „ 2 „
1552/53: 8 „
1554/55: —
Erstaunlich ist es, wie gering die Beträge sind, welche
für den gemeinen Kasten und für evangelische Pfarrstellen
(ad pias causas) direkt vom Stiftseinkommen ausgegeben
werden. Man findet z. B. in der Rechnung von 1547/48 nur
für den Pfarrer v. Großhettstedt 5 fl., 1548/49 für den
gemeinen Kasten zu Hm 20 fl. und für denselben Pfarrer
5 fl., den gleichen Betrag 1552/53 in Ausgabe angesetzt.
Dies ist darauf zurückzufüliren, daß die Rentereikasse selbst
die Besoldungszahlung für einzelne, diesem Stift zufallende
Pfarreien übernommen hatte. Wir werden gerade mit
Bezug auf dieses Stift selbst später bei der Prüfung der
Staatsrechnungen zusehen müssen, in welcher Weise die
der Renterei zugeflossenen Beträge verwandt wurden.
3. Das Stift zu Arnstadt.
Die Rechnung 1538/39 (Lutze von Wüllersleben) weist
als Einnahme nur noch auf:
504 seh. 18 gr. 1 ^
als Ausgabe: 494 „ 4 „ 1 „ 1 heller.
XXI. 14
202 Über die Verwendung der Klostergüter
Unter Einnahme findet sich die Notiz, daß seitens de^
Herrschaft seit 7 Jahren Zinsen innebehalten wurden, welche
dem Kloster zugehörten in Höhe von 102 seh, 4 gr, 6 \,-
Der weitere bedeutende Rückgang dei* Klostereinkünfte in
bar ist darauf zurückzuführen, daß die Klostereinnahmen
fortgesetzt durch Verkauf bezw. Verbrauch der Getreide-
einnahmen seitens der Herrschaft stark geschmälert wurden-
Unter Ausgabe findet sich für Pfarrherrnkost : 25 seh
4 gr. und für die Jungfrauen :
1) 122 seh. 3 gr. 2 ^ 1 heller : Küche und Gesinde
2) 16 „ 10 „ 11 „ für Wein
3) 30 „ 11 „ TVs >. Notdurft.
Die Getreiderechnung dieses Jahres zeigt ganz be-
sonders hohe Posten auf, welche an die Hofhaltungen ge-
langten. Es handelt sich hierbei offenbar um die Ab-
findung der Witwe Graf Heinrichs XXXVII. Wir sehen
daß der Getreideertrag des Stiftes ohne weiteres als herr-
schaftliches Eigentum galt :
Korn E: 347 maß 2 virtel
A: 461 „ 3 „
(Aufs Schloß: 126 „ 3
Insgemein: 106 „ 1 „ )
Ein noch vorhandener Gesamtbestand v. 319 m. stehet
der g. frau zu Rudolstadt zu.
Gerste E: 202 maß 1 v. 3 molm.
A: 611 „ _ 3 „
S. 8. aller Gerste, so in dieser Rechnung aufs Schloß geschickt
und im Vorrat vorhanden ist: 417 maß 1 v. S^j^ molm.
(Die m. g. fr. von Schwarzburg zu Rudolstadt zusteht.)
Vorher findet sich unter Ausgabe „aufs Schloß geschickt":'
517 maß l^/g virtel 3 molm.
Hafer E: 237 maß 2 virtel 21/2 molm.
A: 467 „ 1 „ 1
aufs Schloß: 370 „3 „1
S. S. Vorrat, der dieses Jahr noch vorhanden:
261 maß 3 molm.
stehen alle m. gr. fr. zu Rudolstadt zu.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 203
Die Viehrechnung weist im Vorrat auf:
40 Rindvieh
69 Schweine
744 Schafe,'.
In den folgenden Jahren wurde das Stiftseinkommen
staatlicherseits weiter geschmälert, so daß die Rechnung
1555/56 folgendes aufweist:
E: 335 fl. 7 gr. 4 X 1 h.
A: Das Gleiche. (In die Schosserei: 171 fl. 8 gr. 2 X 1 h.)
Den 4 Dorfpfarrern : 41 fl.
Kostgeld dem Pfarrer b. M. Virg: 12 fl.
Holzgeld den amst. Kirchendienern: 21 fl.
Den Jungfrauen: 42 fl.
und 2en zur Bestallung, je einer: 4 fl. 19 gr, 2 -X
Die Rechnung 1556/57:
E: 327 fl. 2 gr. 11 ^ 1 h.
A: Das Gleiche.
In die Schlosserei: 161 fl. 19 gr. 8 ^ 1 h,
In der Rechnung 1557/58 beträgt
die Summe aller E: 328 fl. 16 gr. 10 ^ 1 h.
„ „ „ A: Das Gleiche.
Trotzdem konnten selbst bei solchem geringen Ein-
kommen noch 165 fl. 3 gr. 6 -X 1 heller auch nach dieser
Rechnung an die Schosserei abgegeben werden, während
unter anderem an 4 Pfarrer (zu Espenfeld, Dornheim, Sigel-
bach und Wüllerßleben) iftisammen 41 fl., an Holzgeld für
Prediger, Schulmeister und Kirchendiener 25 fl., an Kost-
geld dem Pfarrer Beat. M. Virg. 17 fl. und für der Jung-
frauen Küche und Notdurft 56 fl. gezahlt werden ; 2
Jungfrauen aber wegen ihrer Bestallung — es sind zu-
sammen noch 4 Jungfrauen erwähnt: Magdalene und Anna
von Hespergk, Else Kohlern und Frau Martha Rudolffin
— erhalten je 4 fl. 19 gr. 2 ^. Zu diesen lehrreichen
Rechnungsauszügen gewährt nun noch eine Urkunde des
Jahres 1550 eine wichtige Ergänzung. Ihrer , Bedeutung
wegen, lassen wir sie hier wörtlich folgen^):
1) Amstädter Ratsarchiv.
14*
204 Über die Verwendung der Klostergüter
„Verweisung der geistlichen, welche sonst
aus der rentherei und schösserei bezahlet
worden, an die beiden clöster zu Arnstadt und
Urnen a. 155 0. '
wie es m. gn. herr überschickt ist uff wei-
nachten anfangs des 5 0. jars.
Auszug und verzeichnus, was von der wollöblichen
obem herschaft zu Schwarzburgk jarrenthen und ein-
kommen etzlichen pfarhern , predicanten, geistlichen, dem
armen kirchenkasten, hospitalen, siechheusern und Stipen-
diaten jerlich von wegen der renterei auch schösserei hiebe-
vor alleine ausgegeben und abgerechnet worden, welche
jerliche ausgäbe dann nun hinfürder von beder stiffte und
closter wegen, als Arnstadt und Urnen, jarrenthen zu be-
zalen sollen verordennt, uff daß die renterei und schosserei
ihrer rente hinfürder möchten damit verschonet werden.
Und erstlich hat das closter zu Arnstadt an allen erb- und
wiederkäuflichen erbzinsen jerlich, wie denn itzo vor
einnähme berechnet in summa fallende, thut summa 333 fl,
19 gr. 10 -X 1 heller davon sollen dan, wie volget, jerlich
zu erhaltunge ausgegeben und bezalt werden:
100 fl. er Jörgen Spenlein, Pfarher Bonifacii uff vier quartal
25 „ beden pharhem, capellan, schulmeistern u. kirchnern
holzgeld
12 „ dem magistro costgeld
21 „ 9 gr. er Johann Ferbern, dem armen kranken prediger
48 „ den dreien dorfpharhem, als Dornheim, Sigelbach
und Espenfeld
5 „ er Mattes Knobeloch
32 „ den beden Schwestern von Heßbergk
26 „ vor die Jungfrauen kuechen
12 „ 4 gr. 2 -X vor allerlei zugemüse
8 „ 11 gr. 10 X back- und Schlachtelohn und von ihrem
getränke einzulegen
18 gr. 8 X zu erbzins, als ins amt Molbergk, den dum-
herrn zu Gotha und den pfarhern zu Oberndorf.
5 fl. zu jerlicher einbringung des klosterzinses zehrung
und trinkgeld
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 205
13 fl. 5 gr. dem closterschreiber sein jahrlohn vor stiefeln
und schuhe
2 „ 18 „ der köchin im closter ihr lohn
3 „ dem thorwardt im closter
1 „ dem holzförster in Keutzsch.
Summa von des closters Arnstadts einkommen
ausgäbe thut: 326 fl. 3 gr. 8 A,
Zum andern hat man von wegen des stifftes Urnen
rente hiebevor über sonst desselbigen stiffts gewonliche
nottdürftige ausgaben ungeverlich an gelde in die renterei
jerlich zum vberschuß gelifert:
Summa 300 fl.
darvon soll dann auch, wie volget, jerlich und erstlich
gegen Arnstadt abgegeben und bezalt werden:
38 fl. dem armen kirchenkasten zu Arnstadt
18 „ demselbigen in zwei item [Jahren?]
23 „ item demselbigen Emieber zins
11 „ 16 ^/j gr. der von Witzleben testament als in gemein-
kasten, dem hospital u. leprosis leuten
10 „ beden pfarhern zu Wüllersleben u. Hettstedt
20 „ 10 gr. er Peter Ittiges zu Arnstadt
90 „ den stadirenden Stipendiaten zu Wittenbergk und
Leipzigk alle drei markt zu verordnen.
In der Stadt Ilmen abzugeben:
10 fl. er Johann Heiner und den castenmeistern zu Urnen
10 „ er Johan Heiner viparius
3 „ 12 gr. dem Kasten zu der vicarei Dorotheae
1 I» 16^/2 S^- item dem kästen zu der vicarei crucis
16 gr. zu der vicarei michaelis dem kästen
15 „ dem pharher zu Witzleben zu einer vicarei insonderheit.
In das amt Schwarzburgk abzugeben:
15 fl. dem pfarher zu Geillersdorff
5^/2 fl. dem hospital zu Konigessehe
5 fl. zu sanct Annen bruderschaft Jörgen Oberlender
Summa des Stiffts Ilmen allenthalben
Ausgabe thut:
276 fl. 19 gr.
Dieweil dann solche Summe beder stiffte und klöster
sonst ad pias causas geordnet und ohne das jerlich
206 Über die Verwendung der Klostergüter
von wegen wolgedachter herschaft jarrenthe und derselbigen
renterei auch schösserei bezalt, auch vor bhar geld ab-
gegeben und zugerechnet wird, so mochte solliches ohne
der renterei und schosserei weitere beschwerung von der
zweier stiffte und klöster Ilmen und Arnstadt jerlichen
einkominen, doch in alle wege nach der herschaft gnedigen
wolgefallen jerlich abzugeben auch hievon bestimmte aus-
gaben zu unterhaltunge geordnet werden,"
Wir erfahren aus dieser Urkunde die für unsere
Frage wichtige Thatsache, daß vom Stift Arnstadt rund
326 fl., vom Stift Um rund 276 fl. ad pias causas seitens
des Staates verordnet waren, für deren Zahlung die Staats-
kassen sich verpflichtet hatten aufzukommen, wofür diesen
auch die Stiftseinnahmen, soweit dieselben nicht für Be-
wirtschaftung und Unterhalt des noch vorhandenen Kloster-
personals verwendet wurden, zuflössen. Nach der mitge-
teilten Urkunde nun sollten diese staatliehen Aufwendungen
ad pias causas von den Staatskassen abgewälzt und von
dem noch vorhandenen, zum Teil spärlichen Überrest des
Stiftseinkommens von Um und Arnstadt selbst getragen
werden, und 'zwar zu einer Zeit, als z. B. bei Arnstadt das
Stiftseinkommen annähernd bis auf die angegebene Summe
reduziert war. Jedenfalls ein, für die Rentereikasse zwar
gewinnbringendes, für die Verwendung der Stiftsgüter im
christlichen Sinne aber nachteiliges Verfahren. Das Stift
Paulinzella ist hierbei nicht mitgenannt, weil die ad pias
causas verordnete Summe dieses Stiftes direkt von dem
Stiftseinkommen bestritten wurde. Ein interessanter Bei-
trag zur Orientierung der Verwendung des Stiftsgutes zu
Arnstadt gewährt auch eine noch vorhandene Nachricht
des Cons. Assess. und Archiad. Christoph Eberhardt vom
10. Febr. 1794 betr. Nachricht über die Eruchtbesoldung
in Arnstadt (Arnst. Kirchenarchiv). Er sagt, indem er
mit einem Hinweis auf die Reformationszeit beginnt : „Als
nach Einführung der Reformation die Klostergüter (davon
die meisten dem Benedictiner-Nonnenkloster bei der Lieb-
>
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 207
frauenkirche gehöreten, wie denn das jetzige Gymnasium,
früher Prinzessinenhof, Ackerhof und Wohnung des Prä,-
positus war) säcularisirt werden sollten, that der damal.
Churfürst von Sachsen, Johann Friedrich, als Landgraf in
Thüringen den Ausspruch, daß sie in 5 theile sollten ge-
theilt werden, drei sollten dem Grafen zufallen und zwei
den hies. Geistlichen" etc. Wir wollen nun im An-
schluß hieran an der Hand der Rentereirechnungen prüfen,
welche von den in diesen Rechnungen verzeichneten Aus-
gaben allenfalls auf das Konto der Stiftsüberschüsse gesetzt
werden dürfen.
1) Die Rechnungen der schwarzburgischen Rentereien
von Sig. Witzleben, betreifend Einnahme und Ausgabe für
Graf Günther den Reichen ao. 1539 — 41.
Unter Einnahme findet sich:
448 gute schock von Gallo barrethernn aus dem Stift
Paulincella
aus der Schäferei im Kloster zu Arnstadt wurde 54 Stein 18 h. (?)
„ „ „ zu Paulincella 55 „ 19 „
(Wolle verkauft k Stein zu 36 gr.)
Bei der Einnahme aus der Unterherrschaft findet sich
unter Einnahme insgemein :
50 fl. von abt zu Uveldt weliche ehr funff jar lang
von den guetern, so er in. der herschafft hatt zugeben ver-
sprochen.
Unter den nun folgenden Ausgaben können wir diese
mit gutem Grund auf das Konto der Stiftseinnahm^n setzen :
1) Die Ausgaben gelegentlich der Zusammen-
kunft der Protestantenin Arnstadt (November
15 3 9). Darauf weist z. B. eine Ausgabe von 8 ü. (rund)
und 15 gr. Fuhrlohn hin.
2) Die Ausgaben gelegentlich der Visita-
tion der Pflege Kevernburg und des Stiftes
Um im Jahre 1539, welche vom Churfürsten von
Sachsen angestellt und wobei auch Dr. Johann Lang von
Erfurt thätig war, und zwar offenbar im Auftrag des Grafen,
208 tiher die Verwendung der Klostergüter
Es findet sich angegeben:
23 fl. 17 gr. an 20 talern doctor Johan Langen von
Erffurd vor seine gehabte muhe, zuvor^hrung geben, als er
sich zu m. g. h. visitacion zu arnstat hat gebrauchen
lassen, bevelhe des ambtmans freitags p. corporis christi.
^/g taler doctor Langenn diener auch daßmals zuvor-
ehrung geben.
3) Die Ausgaben für Studierende:
20 fl. Nycla Mende dem ordenspersonn zu Wittenn-
berg uff bevelhe doctor Eeinharts entricht den 30. august.
Später: 20 fl. Niclao Mende dem ordens personenn
itzo walpurg. uff bevelh der rethe entricht.
15 fl. Heinrichen Biossenn von Eichenfeld einem student
zu Wittenberg zum studio auß beveliche des ambtmans
durch Burgkkarthenn von Gera von Ettichleben seinem
vettemn die Mathie.
4) Die Ausgaben für evangelische Geistliche.
In dieser Rechnung:
12 fl. doctor Joachim Morlein dem prediger bevelhe des
hern doctor Reinhards über schickt die wochen
Elizabet.
7^/2 „ er Johan Kernnernn pfarrer zu Dornheim 3 quartal
geld cruc. Lucie in 40 und reminiscere 41.
4:^/.j „ er Valentino Flidenaro pfarrer zu Eßpenfelt uffs
quartal cruci ao. 40 bevelhe doctor. Reinhards.
9 „ Er Christopf vom Berg idem pfarrer zu Espenfelt.
uffs quartal lucie 40 und reminiscere 41.
2 „ Melchor Metzell pfarrer zu Sigelbach uffs quartal
reminiscere ao. 41.
3 „3 ortt. Niclauß Drescher pfarrer zu Wullerßlebenn
drei quartal als crucis lucie 40 und reminiscere
41 ydes quartal 5 ortt.
25 „ Joachim Morlein doctor und prediger uffs quartal
reminisc. ao. 41.
25 „ desgl. trinitatis fellig 41.
5) Die Ausgaben für dieArnstädterSchule:
29 fl. Peter Watzdorffenn hindershelligk costgeld von wegen
der Schulmeister unnd Studenten im Barfussenn closter
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 209
als sie von ihme gezogen bevelhe des hem doctor
Reinhards sambstags p. erhardj.
161 ^, Clausen Wuersten dem wirt vffn rieth auch cost-
gelt ^/2 jar von den Schulmeister und Studenten
des Barfüsser closters etc.
2B „ Adamo Aemilio dem Schulmeister im closter eine
halbe iarbesoldung bezalt bevelhe dr. Reinhards
den 15. Jenner.
6) Die Ausgabe unter Wiederkauf in m. g. h.
Städten:
30 fl. idem in casten bonifacij zwene zinß etc.
" » » » ?> n 6tc.
7 „ 3 gr. dem casten zu Urnen jerlich an 5 seh. vor
1. marz zwen zins zu der vicari Dorothee als mich.
39 und 40.
Die Ausgaben für die Geistlichen, desgl. die für die
Schule wiederholen sich:
25 fl. Morlein quart. geld crucis fellig 41.
9 „ Christoph v. Berg zu Espenfelt trinit. u. cruc. 41.
5 „ Joh. Kornner zu Dornheim trini. u. cruc. 41.
21/2 „ Nicl. Drescher zu Wollerßlebenn trinit. u. cruc. 41.
4 „ Melchior Metzel Sigelbach trinit. u. cruc. 41.
25 „ Adamo Aemilio halbe jarbesold.
161 „ kostgeld pro '/g Jahr bei Claus. Wursten.
27 „ dem baccalaureo Sigmund Krad im closter 1 '/^ jar-
besoldung ^/j taler s. discipulo.
50 „ dem jungen Joggen Bogken kostgeld etc.
Die Renterei-Rechnung von 1541/42 weist gleichfalls
die Ausgaben für die vier Dorfprediger, Dr. Morlein und
für die Schule auf.
Die Rechnung von 1542/43 (Sig. Witzleben) hat unter
Stiftseinnahme nur 50 fl. aus dem Stift Arnstadt verzeichnet
dazu die Einnahme aus den Klosterschäfereien zu Arnstadt
Paulincella und Stadtilm, nämlich:
Kloster Arnstadt: 44 Stein 12 h.
„ Paulincella: 41 „ 0 „
„ Um: 60 „ 19 „
Hier findet sich die interessante Notiz, daß den g. h.
von den beiden ersten Schäfereien ^/^ , der Ertrag der
210 Über die Verwendung der Klostergüter
letzteren ihm aber ganz gehört. Diese Notiz mag erklären,
wie es kommt, daß die Stiftsüberschüsse von Um zum Teil
gar nicht in der Rentereirechung stehen. Auch der Bar-
überschuß des Stiftes scheint in diesen Jahren völlig dem
Grafen zugeflossen zu sein.
Dazu kommt noch die Einnahme von 50 fl. vom Abt
zu Ilfeld, und auch 2 geistliche Lehen fallen zu Königsee
der ßentereikasse zu:
1) 17 fl. 18 gr. von einem geistlichen lehen an
25 seh. vom rathe zu Konigssehe er Wilh. v. Gebesse.
2) 17 fl. 18 gr. vom rath zu Konigssehe her Hermann
Riedinann.
Die Ausgaben für den gemeinen Kasten zu Arnstadt
und lim, sowie Zinsabgaben an einzelne Pfarrer (Joh. Fink,
Niclaus Tantz) und an das Hospital zu Königsee (S^/g fl.)
kommen hier vor. Die Ausgabe für Besoldung von 6 Prädi-
kanteu beläuft sich auf 196 fl., die Ausgaben für Erhaltung
des Magisters und der Studenten im Barfüßerkloster jauf.
292 fl. 5 gr. „one das getreilich tuch zu kleidung und
ander uncost".
Außerdem finde ich für den Schulmeister zu Sonders-
hausen 10 fl. in Ausgabe gesetzt.
Auffällig ist folgende Ausgabe:
500 fl. m. g. h. graff Popenn von Hennenbergk, als
vor die halb vergleichung, vor die zwei canonicat, Stras-
burgk unnd Bamljergk , so m. g. jungen hern grafi'en
Hansen Güntern auffgelassen ich innhalts der recognicion
entri eiltet die Wochen crucis exalt.
Die lienterei-Rechnung 1643/44 weist unter Einnahme
nur noch die Wolleneinuahme aus den Stiften auf. Unter
Ausgabe finden sich 20 fl. der Domina des Klosters zu
Frankenhausen und 14 fl. G gr. demselben Kloster purif.
Mar. 1).
Hinsichtlich der Ausgaben für arnstädtische Geistliche
findet sich nichts Neues:
1) Cf. weiter unten bei f^tiil Frankcnhauseu.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Keformation. 211
Für die Klosterschule: 346 fl. 10 gr. 8 ^
„ „ Geistlichen: 208^/2 fl.
Außerdem 3 fl. 9 gr. dem doctor Morlein den rest der
zerunge nach Wittenberg, und das er etzlich tage magi-
strum Schillingstad in seiner cost gehalten bevel der rethe
7. okt.
Endlich für einen Studenten :
60 fl. Mathie Möllern hat zu Wittenberg studirt als
vor 3 jähr zinße, zu einer vicarei vultum tuum dni genant
zu Erfurd als mich. 40 und walp. 41, mich. 41 und walp. 42,
mich. 42 und walp. 43.
Der Ergänzung halben sei hinsichtlich der Renterei-
Rechnungen dieses Jahrzehntes noch folgendes hinzugefügt :
1) Ren t. -Rechnung von 1544/45:
Einnahme nur aus Stift Um: 300 fl.
Dazu die Wollennutzung von Um, Arnstadt und Paulin-
Cella, ferner der Getreidegewinn vom Stift Um 810 fl.
S. S. Einnahme: 23820 fl. 15 gr. lO^/j X.
Die Zinsenausgabe des Staates beträgt allein:
12297 fl. 12 gr. 6 X 1 h.
Unter eigentlich „christlichen" Ausgaben findet sich
nur: 100 fl. für Georg Spenlein, Pfarrher St Bonifacii.
Dazu gelegentlich 19 fl. (rund) und 17 fl. (rund) für den
Licenciaten Joh. Schnerüewein v. Wittenbergk, ferner 10 fl.
Magist. Kauln, Schulmeister zu Frankenhausen. 3 fl. 5 gr.
dem Schneider für Kleider ins Barfüßerkloster.
2) Rent.-Rechnung 1546/47:
Einnahme aus Stift Um: 400 fl.
Dagegen findet sich unter Ausgabe:
1. an den Pfarrherrn Bonifacii: 100 fl.
2. an 6 studierende Stipendiaten zu Leipzig: 60 fl. (ä. 10 fl.)
Zusammen (incl. der Ausgabe für Leonh. Förster):
177 fl. 15 gr.
3) Die Rent.-Rechnung von 1547/48
weist allein aus Stift Um 300 fl. und dann noch 240 fl.
in einzelnen Posten als Stiftseinnahme auf.
212 Über die Verwendung der Klostergüter
4) 1548/49 Rent.-Rechnung:
Einnahme vom Stift Um: 300 fl.
Dazu noch Getreide- und Wollen-Einnahme aus den
Stiften.
Unter Ausgabe die gleiche Summe wie oben für den
Pfarrer v. St. Bonifacii (100 fl.) und für 3 Studenten
(Förster, Möller und Wacker zu Wittenberg und Leipzig)
auf ein Jahr 90 fl. (ä Person 30 fl.)
Von den Amtsrechnungen liegen uns solche des
Amtes Arnstadt-Kevernburg vor:
sub Einnahme: 1543/44 38 seh. 19 gr. 3 A. 1 h. Ilmer Zinsen
39 „ 6 „ 5 „ 1 „ Zeller „
Die Ausgaben für „christliche" Zwecke sind etwa
folgende :
2 fl. 3 gr. Doctor Morlein vor 3 fuder holtz ime vffin
margt kauft bevhelich, der hern rethe.
1 „ 3 „ von doctor Langen fhurlohn gegen Arnstadt.
18 gr. sein knecht ader furmann vorzert.
5 „ dem kuchen jungen ime closter zu einem par schue
etc.
Die Amtsrechnung Arnstadt-Kevernburg 1544/45:
36 fl. 9 gr. 2 a. X Ilmer Zins
37 „ 1 „ 2 n. „ Zeller Zins.
Diese Stiftszinseinnahme hat ungefähr die gleiche
Höhe wie früher. Aus diesen Rechnungsauszügen ersieht
man, daß für Studierende staatlicherseits Geldbeihilfen aus-
gesetzt waren. Auch sonst finden sich urkundliche Belege,
daß von anderer als staatlicher Seite Studierenden jährliche
Unterstützungen gewährt wurden. (Cf. 1543, Arnst. Cantzlei
Handelsbuch, S. 76: den Studenten Johannes Erobenius u.
Joh. Metzler, jeden 2 jähr lang, jedes jähr 25 fl. von den
testamentarien Holtzeygen seligenzu Um testirt ! . Auch
Anton Stange zu Dömfeld hatte dem Knaben Heinrich
20 gr. zum Studium festgesetzt: Rechtshändel Buch 1538/46,
S. A.)
1) S. A.
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 2l3
Prüfen wir also die Stiftsgutsverwendung der drei
oberherrschaftlichen Stifte an der Hand der angezogenen
Stifts- und Staatsrechnungen, so muß hervorgehoben werden,
daß unter Graf Günther XL. das Bestreben unverkennbar
ist, einen bestimmten, wenn auch gegenüber den Erträgen
der Stifte geringfügigen Teil des oberherrschaftlichen Stifts-
einkommens ad pias causas zu verwenden. Allerdings scheint
es, als wenn die Stifts Verwaltungen schon gänzlich ihren
kirchlichen Charakter gegenüber staatlichen Amtern ein-
gebüßt haben ; es werden die Stiltsgüter als völlig staat-
liches Eigentum angesehen, der Gewinn aus ihnen kommt
der Staatskasse und den Hofhaltungen zu gute, und die
Staatskasse trägt selbst, was für christliche Zwecke zur
Ausgabe bestimmt ist. Man darf deshalb, weil in den
Staatsrechnungen größere Einnahmen aus den Stiften nicht
verzeichnet sind, nicht meinen, daß der staatliche Vorteil
ein geringer, oder überhaupt nicht vorhanden gewesen sei,
denn thatsächlich war das Stiftseinkommen z. B. vom Stift
Arnstadt bereits so geschmälert, daß seine Einnahmen ge-
rade noch zur Deckung der ad pias causas festgesetzten
Ausgaben ausreichten. Dabei muß anerkannt werden, daß
staatlicherseits Aufwendungen für Schul- und Studienzwecke
gemacht wurden, und zwar besonders für die ersteren.
B. Die untel-herrschaftllohen Stifte.
Es erübrigt noch, daß wir, soweit das Urkundenmaterial
es gestattet, einiges über die Verwendung der ^tiftsgüter
einzelner unterherrschaftlicher Klöster hinzufügen. Es handelt
sich hierbei lediglich um die Stifte, welche in der weiter
unten citierten Urkunde vom Jahre 1544 erwähnt sind,
nämlich um Frankenhausen i), Capelle^) und Kelbra^). Die
1) Gegründet im Jahre 1215 von Friedrich, Gr. v. Beichlingen,
8. Dobenecker, Reg. d. Thur. II, no. 1656.
2) Gegründet im Jahre 1193 von dem Edlen Godebold imd
seiner Gem. Bertradis, s. Dobenecker a. a. O. II, no. 939.
3) Gegründet im Jahre 1251, s. Winter, Die Cistercienser II, 39.
214 Über die "Verwendung der Klostergüter
übrigen unterherrschaftliclien Klöster müssen mit Eücksicht
auf den Umfang dieser Arbeit und aus sonstigen gewichtigen
Gründen in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben.
Am ehesten würde sich noch für Stift \rechaburg eine ein-
gehende Darstellung mit Bezug auf unsere Frage lohnen.
Leider ist es aber noch nicht einmal hinsichtlich der drei
erstgenannten Stifte möglich, da die Stiftsrechnungen fast
gänzlich fehlen, einiB Prüfung der Einnahme- und Ausgabe-
posten vorzunehmen. Aus der noch vorhandenen Rechnung
des Klosters Kelbra von 1544/45 (Georges Roßeier) mag
wenigstens folgendes angeführt werden:
S. E: 553 fl. 11 gr. 4 >, 1 heller
S. A: 368 „ 10 „ 6 „
Überschuß: 185 „ 10 „ 1 heller
Dabei findet sich für die Jungfrauen verausgabt:
162 fl. 2 gr.
und für den Propst, Pfarrer, Schulmeister und Kirchner
82 fl.
Unter den Getreideausgaben kehren die an die Schosser
beider Herren (Schwarzburg und Stolberg) immer wieder.
Die Rechnung von 1571/72, die wir, da überaus dürftiges
Material nur vorhanden ist, kurz anführen, verzeichnet bei
einer Einnahme von:
757 fl. 12 gr. 1 X 1 heller
und bei einer Ausgabe von 753 fl. 4 gr. 1 ^ 1 heller als
Ausg. für Kirchendiener : 92 fl. und an die Rentmeister ,
beider Herren je: 311 fl. 4 gr. 1 ^X.
Überaus auffällig ist es nun, daß sich aus den unter-
herrschaftlichen Stiften gar keine Barüberschüsse in den
gemeinsamen Rentereirechnungen angegeben finden. Es mag
dies so erklärt werden, daß die Stiftseinnahmen sogleich
den Amtskassen zuflössen, so zweifellos bei Stift Eranken-
hausen; denn die Amtsrechnungen von Frankenhausen
weisen folgende Ausgaben auf:
1540: 1) Der Domina: 151 fl. 9 gr. 71/2-^
2) Den Kirchendienern: 113 „ 16 V2 n
142 fl. 3
gr. 3
77 „ 14
„ 6
114 „ 8
„ 4
141 „ 16
r, 6
im Schwarzburgiechen zur Zeit der Reformation. ^15
1541/42: 1) Der Domina: 142 fl. 3 gr. 3 X
2) Den Kirchendienern :
1546/46: 1) Ins Kloster
2) Den Kirchendienern;
(cf die Steigerung der Ausgaben für Kirchen-
diener!)
Die Getreiderechnung des Amtes Frankenhausen von
1540/41 macht es unzweifelhaft, daß die Fruchtvorräte in
der Klosterscheune und die Getreidezinsen dem Amt zu-
flössen. Ins Kloster wurde davon nach Bedarf abgegeben.
Was an Frucht aus dem Klostervorrat und Zinsen dem
Gut zufloß, erhellt z, B. aus folgenden Notizen der Rech-
nung von 1540/41 :
1) Einnahme aus der Klosterscheune:
13 fort. 6 scheff. Weizen
113 malter 4 „ Rocken
44 1
2) Klosterzins (Rocken) : 88 „ 11 1/2 „ (13 Orte)
Ausgabe der Domina
etc: 18 „ 8 „ (für 14 Pers.)
etc.
3) Einnahme: Gerste aus der Klosterscheune:
43 malter 1 scheff.
Ausgabe: 1 „ der Domina
4 „ dem doctori (Pfarrer) zu Frankenhausen
4) Hafer aus der Klost«rscheune :
62 malter 11 scheff.
Außerdem erhält die Domina:
2 malter Rübesamen, 2 thun keße
1 steyn 7 ^ Unschlitt 14 s weine
(vnhlett) 3 Stck. Rindvieh
2 thun puttern 10 Schafe etc.
Ahnlich wird nun auch hinsichtlich des Stiftes Capelle
verfahren worden sein, einigermaßen orientiert uns die oben
angeführte Urkunde über die Bestallung des Ritters Fr.
von Vippach vom Jahre 1539. 1542 wurde die Bestallung
erneuert. Unbedeutende Ausgaben für meines g. H. Kaplan
finden sich in der Arnsburger Rechnung 1545. Hinsichtlich
216 tHaer die Verwendung der Klostergüter
des Stiftes Kelbra war eine gesonderte Stiftskassenver-
waltung, da zwei Herren Ansprüche an das Stift machten
(Stolberg und Schwarzburg), vorhanden (siehe die Rech-
nung vom Jahre 1544/45). ''
Es unterliegt nach dem Gesagten keinem Zweifel, daß
die Herrschaft nach Einziehung dieser drei unterherr-
schaftlichen Stifte sich lediglich zum Unterhalt der noch
vorhandenen Klosterpersonen, sowie zur Dotierung einzelner
zu den Klöstern gehöriger Pfarreien für verpflichtet hielt.
Es mag auch hier zutreffen, daß anfangs die Überschüsse
in bar unbeträchtliche waren und daß die staatliche Auf-
sicht erst Ordnung und rationellere Bewirtschaftung bringen
mußte, aber mit den Jahren gestalteten sich die Einnahme-
verhältnisse und Barüberschüsse im Interesse der Staats-
kassen immer günstiger (vergl. oben die Stiftsrechnung
von Kelbra 1571/72). Aber auch schon in den Jahren
unmittelbar nach Säkularisation der Stifte (1540 ff.) dürfte
es als ausgemacht gelten, daß die staatlichen Aufwendungen
für die Klosterpersonen und die evangelischen Kirchen-
diener kaum in einem Verhältnis zu denjenigen Einnahmen
gestanden haben, welche die Amtskassen den Siften ver-
dankten [vergl. z. B. die staatlichen Aufwendungen für die
Klosterpersonen und die evangelischen Kirchendiener nach
den Frankenhäuser Amtsrechnungen :
1540 : 264 fl. (rund)
1541/42: 219 „ ( „ )
1545/46: 255 „ ( „ )] i)
Die Ursache für diese , dem gemeinen Nutzen des
Landes so überaus vorteilhafte Verwendung, besonders des
Stiftsgutes dieser drei unterherrschaftlichen Klöster, ist
wohl vornehmlich in der schwierigen Finanzlage des Landes
1) Hinsichtlich der Verwendung der Stiftsgebäude des Franken-
häuser Klosters sei wenigstens so viel erwähnt, daß seit 1552 die ur-
sprüngliche Nonnenwohnung durch den städt. Eat unter Zustimmung
des Grafen als Knabenschule mit 5 Klassen eingerichtet wurde (cf .
Müldener, die Gesch. d. Klosters, S. 193).
im Schwarzburgischen zur Zeit der Reformation. 217
Anfang der 40 er Jahre zu suchen. Nur einiges möge zum
Beleg hierfür angeführt werden. Die drückendsten staat-
lichen Verpflichtungen waren die der wiederkäuflichen Zinsen
an Edelleute und besonders die in den Städten Erfurt und
Nordhausen an geistliche Stifte fälligen. Die Summe aller
Zinsausgaben in der Unterherrschaft machte allein, z. B.
nach der Renterei-Rechnung von 1539/41 5560 fl. 1 gr. 5 .X,
nach der Renterei-Rechnung von 1542/43:
die Zinsen an die Edelleute: 4244 fl. 17 gr.
die Nordhäuser Zinsen: 889 „ 9^/2 „
die Erfurter Zinsen: 2266 „6 „ 2 ^
die übrigen Zinsen: 2719 „ 6 „8 „
Eine Eolge dieser drückenden finanziellen Lage des
Landes war nun auch die Verordnung des Grafen Günther
vom 1. Mai 1544, das Kreditwesen betreffend i), welche
die Verwendung eines bedeutenden Teiles des Stiftsgutes
der in Frage stehenden säkularisierten Klöster im Interesse
besonders der Schuldentilgung des Landes auf längere
Zeit festlegte. Die staatliche Finanzkommission, be-
stehend aus Benedictus Reinhart, der Rechten Doctor,
Günther von Heringen und Oßwalt von Tottieben, hatten
über die Schulden der Herrschaft dem Grafen Bericht er-
stattet, und der Graf verordnete darauf auf Grund ihrer
Vorschläge („das sie (^rinnen unßern nutz und gedeien
gesucht, und das dieß alles unßer graff und herschafften
zu sunderlichen besten gemeint und gereichen thut" . . .)
folgendes : „Nachvolgender empter und stiefft etc. einkommen
als nemlichen, der zweier empter als Arnstadt und Keffern-
bergck, des ampts Klingen, des ampts Sonderßhaussen biß
auff dreihundert gülden verweissung davir die heileitten
zugebrauchen, des ampts Franckenhaußen aus dem halben
ampt Schwartzburgck funfzcigk gülden, des ampts Keuhle
biß auff vierhundertt gülden sechs groschenn, des Strauß-
bergs des nohnnen klosters zu Franckeühaußon
des nohnnen klosters zu Kelbra die helffte
1) S. A. Eeg. 3560.
XXI. 15
218 Über die Verwendung der Klostergüter
des klosters Capella, nutzung alles getreidichs in
allen ampten der undern herschafft, nutzunge des wein-
wachs biß auff funffhundert gülden, nutzi\ng aller scheffereien
außerhalb wollen und hamelgelt der obern herschaefft,
nutzunge aller ferwerge, nutzung aller teichen, nutzung aller
muhlen, nutzung des bierbrauens und der backoffen zcu
unßer underhaltung haben wellen und hierüber unser graeff
und herschaefft, mit keinnen neuen schulden weitter und
ferner nicht belahden und beschweren wellen, und dieweill
wir aus gedachter unser rehte Verwendung vermarckt, auch
ahne das gewust, das wir unserm gleubigern jherlichen
zuverpensioniren 12 519 gülden schuldigck, als haben wir
unserm rentmaister und lieben getreuen Sigmundt Witz-
leben nachvolgende einnähme, als 1500 gülden bei dem
rath zu Franckenhaussen, 1374 gülden bei dem rath zu
Arnstadt, 428 gülden bei dem rath zu Greussenn, 357 gülden
bei dem rath zu Sonderßhaussen, 225 gülden bei dem rathe
zu Ilmen, 57 gülden bei dem rath zu Flaue, 6 gülden bei
dem rath zu Konnigßehe, 357 gülden im ampt Kelbra,
400 gülden im ampt Keuhla, 300 g. im ampt Sonderß-
haussen, 3500 gülden an allen zcohllen, 800 an nutzunge
aller scheffereien der obern herschafft, 800 im stiefft
Ilmen, 550 gülden im ampt schwartzburgck, 500 gülden
aus Notleben und Erffurt den herffen [?], 600 gülden aus
dem getreidich zu Ilmen, 500 g. aus getreide zu Arn-
stadt, 400 g. aus geholtz zu Arnnstadt, 500 gülden von*
weinkauf, 100 gülden aus getreidich zur Zcella, 60 g. ver-
spruch gelt zu Northaußen, 300 gülden an dem Zceller
walde gerehn und partzell S. 13 604 gülden zcu bezcalung
der zcinß verordent, mit dieser zcusage, das wir ader
unßer gemahll noch niemandt von unsertwegen darein kein
eingrieff thun soll etc. etc."
Über den Verbleib der zum Teil sehr wertvollen
Klosterkleinode sei kurz gesagt, daß dieselben, soweit sie
nicht im Bauernkrieg verloren gingen, mit Beginn der
Säkularisation oder wohl auch schon früher durch staat-
im Schwarzburgiechen zur Zeit der Eeformation. 219
liehe Beamte an die zuständigen Ämter oder auch direkt
an die Herrschaft laut Inventarverzeichnissen abgeliefert
wurden (cf Kloster Schlotheim, Frankenhausen, Kelbra
u. s. w.).
Damit sind wir am Schluß dieser Abhandlung ange-
langt, und wir dürfen das Resultat derselben in folgende
Punkte kurz zusammenfassen:
1) Das Stiftsgut der 6 schwarzburgischen Stifte:
Paulinzella, Stadtilm, Arnstadt, Frankenhausen, Capelle und
Kelbra mußte zur Zeit der Reformation des schwarz-
burgischen Gebietes in weit umfangreicherem Maße, als es.
dem materiellen Interesse der jungen evangelischen Landes-
kirche entsprach, zum gemeinen Nutzen des Landes —
wobei die Verwendung für die gräflichen Hofhaltungen
mit eingeschlossen ist — gebraucht werden.
2) Gleichwohl soll nicht geleugnet werden, daß seitens
der staatlichen Obrigkeit wenigstens ein Teil, wenn auch
ein kleiner, ad pias causas (d. h. für direkt kirchliche Zwecke)
verordnet wurde, wodurch wenigstens in einzelnen Fällen
und anfänglich der materiellen Not der Kirche gesteuert
wurde.
3) Ist es darum auch vom kirchlichen Standpunkte
aus zweifellos zu bedauern, daß nicht von vornherein so-
gleich die Verwendung der Stiftsgüter der genannten
Stifte eine den kirchlichen Interessen entsprechendere sein
konnte, so hat doch auch die staatliche Obrigkeit, sobald
sie die kirchlichen Stiftsgüter einzog, zugleich die Ver-
pflichtung der materiellen Beihilfe an die Kirche thatsäch-
lich anerkannt, indem sie, trotz der finanziellen Notlage
des Landes, vom Anfang an, soweit möglich, diese Beihilfe
auch wirklich gewährte.
15*
V.
Die von Balenhusen.
Von
L. Armbrust.
Ein gutes Menschenalter ist verflossen, seitdem der
Landrat von Hagke Nachrichten über seinen Kreis Weißensee
und dessen adlige Bewohner herausgegeben hat. In der
Zwischenzeit ist eine Reihe von Urkundensammlungen und
anderen Quellen erschienen, in denen der Geschlechtsname
Balenhusen erwähnt wird. Es schien daher angebracht,
die neuen Erwähnungen mit den alten zu verbinden, auch
in einigen Archiven nachzuforschen. Daneben war der
Zweck dieser Arbeit, auf den Zweig der Ballhausischen
Familie im Hessenlande hinzuweisen und endlich eine
scharfe Scheidung von den Namensvettern, zumal von
denen im Leinegau herbeizuführen, die zuweilen in be-
irrender Nähe auftauchen i).
A. Die Ton Ballhausen im thtiringisclieii Altgan.
1. Die freien Herren von Ballhausen
(1110—1206).
Zum thüringischen Altgau gehörten ehemals die Dörfer
Groß- und Klein-Ballhausen. Sie liegen dicht bei einander
im westlichen Teile des jetzigen Kreises Weißensee. Dort
1) An dieser Stelle möchten wir den Archiv- imd Bibliotheks-
verwaltungen und den einzelnen Herren, die uns bei der Arbeit
unterstützt haben, nochmals unsern Dank aussprechen.
Die von Balenhusen. 221
— d. h. nach etwas späterer Nachricht (um 1258) nur
in Klein-Ballhausen — saß ehemals ein ansehnliches
freies Geschlecht, dem der Ort seinen Namen lieh.
Das erste Mitglied der Familie, von dem man Kunde
empfängt, hieß Henselin, Hinter dem kindlichen und
bescheidenen Vornamen barg sich ein hervorragender Mann.
Als er in Erfurt, der nächsten größeren Stadt, eine Schenkung
Ludwigs des Springers, Grafen von Thüringen, bezeugte
(1110), ward Henselin unmittelbar hinter dem Grafen Erwin
von Tonna aufgeführt; darauf kamen fünf andere Freie,"
und dann erst Vasallen des Grafen Ludwig ^),
Der nächste Vertreter des Geschlechtes, Adalbert,
R. No. 2 und 15, 16), brachte es bis zum gräflichen Titel.
Bei seiner ersten Erwähnung freilich (1144) fehlte ihm
diese Bezeichnung noch. Er stand sogar an der letzten
Stelle unter den thüringischen Freien, die bei Erfurt eine
Urkunde Heinrichs L, des Erzbischofs von Mainz, be-
zeugten. Ein Vierteljahrhundert später weilte er indessen
mit seinem Sohne Konrad in Frankfurt an Kaiser Friedrichs
Hofe, und da führte ihn der Kanzler unter den Grafen
auf. Darauf ist aber nicht allzuviel Gewicht zu legen,
denn andere Freie erfreuten sich zuweilen derselben Be-
nennung.
Adalberts Sohn Xonrad (R. No. 3 — 23) ward öfter
und mit besserem Grunde in solcher Weise ausgezeichnet.
Die Italiener, mit denen er teils als Krieger, teils als
kaiserlicher Vertrauensmann viel zu thun hatte, "ehrten ihn
80 ; aber wohl nur deswegen, weil bei ihnen nach uraltem
Herkommen die Bezeichnung Graf (comes) einer bestimmten
Art höherer Beamten beigelegt wurde. Daß Konrad von
Ballhausen den Stand der freien Herren mit dem der
Reichsministerialen vertauscht hätte, ist nicht ausdrücklich
überliefert. Den Weg dazu schlug er jedenfalls ein.
Konrad war zweifellos der glänzendste Vertreter des
gesamten Ballhäuser Geschlechtes. Friedrich Rotbart, noch
1) Auszug aus Urkunden uud Chroniken im Anhange (ß.), No. 1.
222 ^iö "^on ßalenhusen.
heutzutage für den Deutschen der Inbegriff kaiserlicher
Würde und kaiserlichen Glanzes, fesselte eine Anzahl
tüchtiger Persönlichkeiten an seinen Dienst, mehr durch
die Bewunderung und Verehrung, die er einflößte, als durch
große Versprechungen und reiche Geschenke. So widmete
sich auch Konrad von Ballhausen dem Kaiser mit Herz
und Hand. Schon ehe Landgraf Ludwig von Thüringen
zu Friedrichs Heere stieß i), befand sich Konrad in Ober-
italien und nahm am Feldzuge gegen die Lombarden ruhm-
vollen Anteil. Die Mailänder belagerten im Sommer 1160
die Feste Carcano. Der Kaiser Friedrich eilte zum Ent-
sätze herbei. Am 9. August kam es zum Kampfe. Un-
widerstehlich war der Ansturm Friedrichs und seiner
wenigen Deutschen, unter denen Herzog Berthold von
Zähringen, ein Herzog von Böhmen und Graf Konrad von
Ballhausen besonders namhaft gemacht werden. Das ver-
goldete Kreuz und das Banner des feindlichen Fahnen-
wagens wurden erbeutet und viele Gefangene von dannen
geführt.
Konrad nahm darauf an der Belagerung von Mailand
teil und trat am 1. September des folgenden Jahres zum
erstenmal in einer kaiserlichen Urkunde als Zeuge auf,
zu Landriano im Gebiete von Mailand. Als Landgraf Lud-
wig im Spätsommer heimkehrte, blieb Konrad bei Friedrich
Rotbart und gewann im Laufe der Zeit eine einflußreiche
Stellung im kaiserlichen Rate. Nach der Einnahme der
lombardischen Hauptstadt gehörte er zu den sechs Deutschen
und sechs Lombarden, die den gedemütigten Mailändern den
Unterwerfungseid abnahmen. Er besorgte dies zusammen
mit dem Italiener Girardo de Cornazano, der auch während
der Belagerung die oben erwähnte kaiserliche Urkunde
mitbezeugt hatte.
An Mailands Römischem Thore erledigten sie zwischen
dem 8. und 10. März 1162 ihre gewiß nicht angenehme
1) Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, V, 1,
290. 295.
Die von Balenhusen. ' 223
und gefahrlose Aufgabe. Der Podestä, von Lodi, Acerbus
Morena, der zu derselben Zeit den Schwur der Bürger am
Neuen Thore entgegennahm, war der Geschichtsschreiber
dieser Ereignisse. Er hielt neben dem Kaiser selbst und
seinen bedeutendsten Mitarbeitern und Mitkämpfern den
thüringischen Freien für hervorragend genug, um seine
Persönlichkeit mit einigen Strichen zu zeichnen.
Konrad von Ballhausen war nicht so groß von Gestalt
wie sein Landsmann Markward von Grumbach und andere
Deutsche aus dem kaiserlichen Gefolge. Seine Abstammung
verrieten jedoch die hellblonden Haare, deren Farbe dem
Italiener geradezu weiß erschien, und die weiße Haut. Er
hatte angenehme Gesichtszüge. Man betrachtete ihn als
einen gebildeten und klugen Mann, weil er die italienische
Sprache so gut verstand wie die deutsche. Er verband
mit der nötigen Vorsicht rüstige Entschlossenheit im Felde.
Bei aller Kriegstüchtigkeit rühmte man ihm ein freund-
liches und leutseliges Wesen nach. '
So beteiligte er sich anscheinend auch nicht an
den Erpressungen und Bedrückungen im lombardischen
Lande die ein Markward von Grumbach für erlaubt
hielt 1).
Der Kaiser wußte Konrads Eigenschaften zu schätzen
und ernannte ihn im, Mai 1162 zum Statthalter (Podestä)
von Ferrara. Das Amt war kein Ruhesitz für ausgediente
Invaliden, sondern Hort und Stütze der kaiserlichen Macht
in einem unruhigen Lande, unter einem heißblütigen Volke,
das durch Ungerechtigkeiten erbittert und in den Waffen
ebenbürtig war. Da galt es, neben der nötigen Thatkraft
auch rechtzeitig Klugheit und Milde zu gebrauchen. So
war es gewiß Konrads Verdienst, wenn die Stadt Ferrara
sich nach einiger Zeit so beruhigt und gut kaiserlich er-
1) Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, V, 1,
386. 387. 413; V, 2, 523; VI, 423.
224 I^'e "Pon Balenhusen.
wies, daß Friedrich Rotbart ihren Bürgermeistern ein Privileg
verlieh ^).
Über besondere Fälle hatte der Podestä seinem kaiser-
lichen Herrn jedenfalls persönlich Bericht zu erstatten und
dessen Befehle einzuholen. Wahrscheinlich brauchte man
seine Teilnahme auch bei anderen Beratungen und Unter-
nehmungen , denn nachher wie vorher hielt er sich häufig
am kaiserlichen Hofe auf. Anfang April 1162 weilte er
bei Friedrich Rotbart in Pavia, Mitte August in Turin
Ob er dem Kaiser dann nach Deutschland folgte, ist zweifel-
haft. Sein eigentliches Arbeitsfeld war und blieb Italien.
Im Herbste 11G3 traf er mit seinem kaiserlichen Herrn
wieder in Lodi ein, um bei kirchlichen Feierlichkeiten und
bei einer Reichsversammlung zugegen zu sein.
Beim Beginne des folgenden Jahres befand er sich in
Friedrichs Gefolge zu Faenza und im Sommer zu Pavia, wo
er die Krönung des sardinischen Schattenkönigs Bareso wohl
mitgefeiert hat ^j. Einen oder zwei Monate darauf begab
sich der Kaiser beinahe mit allen Deutschen, die in der
Lombardei zu seiner Begleitung gehört hatten, ins Vater-
land zurück. Markward von Grumbach, Gewalthaber in
Brescia und Bergamo, behielt die oberste Leitung der lom-
bardischen Angelegenheiten. Leider fehlt jede Andeutung,
ob Konrad von Ballhausen damals zu den Heimkehrenden
oder zu den Zurückgebliebenen gehörte. Daß das Amt des
Podestä in Ferrara anderweitig besetzt wäre, ist nicht über-
liefert. Andererseits begegnet uns Konrad in den nächsten
Jahren nur in der Heimat. Seine eigenen Angelegenheiten
mochten seine längere Anwesenheit fordern. Ein heftiger
Streit tobte nämlich in Thüringen: Landgraf Ludwig be-
1 ) Koiirad Varrentraiip, Erzb. Christian v. Mainz, Berlin 1867,
S. 121), No. 2') (]1()4 Mai 21.): nicdiante et auctore .. principe uostro
(,'liristiaiio s. pal. oaiicollario, (jui corum fidem et probitatem
nobi.s adprobavit.
2] Gics.'l)rcdit, V, ], 410.
Die von Balenhusen. 225
kriegte den Erzbischof Konrad von Mainz, Die Mauern
der Stadt Erfurt, von der Ballhausen nicht sehr weit ent-
fernt lag, wurden dabei zerstört (1165) ^).
Im August 1166 hielt er sich beim Kaiser auf dem
Schlosse Boyneburg (südlich von Eschwege) auf, dann war
er wieder an der entgegengesetzten Mark des Thüringer
Landes, beim Magdeburger Erzbischof Wichmann. Und
im Sommer 1170 läßt er sich, wie schon oben erwähnt,
mit seinem Vater auf dem großen Frankfurter Hoftage
nachweisen.
Aber seine Thätigkeit in Italien war noch nicht ab-
geschlossen. Während seiner Abwesenheit neigte sich die
Stadt Ferrarä wiederum dem neuen lombardischen Städte-
bunde zu und schloß sich endlich dem allgemeinen Wider-
stände gegen den Kaiser an (Dezember 1167) 3). Wie
Konrad von Ballhausen ehemals die Triumphe des ge-
waltigen Hohenstaufen mitgefeiert hatte, so war es ihm
nun auch beschieden, die Niederlagen und Demütigungen
aus nächster Nähe anzusehen und seinen bescheideneu
Teil davon auf sich zu nehmen. Als Verfechter der Sache
des Kaisers weilte Erzbischof Christian von Mainz auf
italienischem Boden. Ihm schloß sich Konrad an. Als
Christian in die Streitigkeiten zwischen Genua und Pisa
eingrifft), stand Konrad ihm zur Seite und gehörte zu den
Unterzeichnern des Vertrages mit Genua (am 6. März 1172).
Er folgte dem Erzbischof südwärts bis nach Toscana hin-
ein und bezeugte zu Siena das Privileg, das - sich die
Stadt Viterbo ausgebeten hatte. An der Belagerung Anconas
mag er sich ebenfalls beteiligt haben, obwohl sich kein Be-
weis dafür findet.
Als Kaiser Friedrich selbst über die Alpen kam und
im Herbste 1174 die Bestürmung Alessandrias begann,
reihte sich Konrad von Ballhausen wiederum in die Schar
1) Giesebrecht V, 2, 710.
2) Giesebrecht V, 2, 573. 574. 588. 590.
3) Giesebrecht V, 2, 708. 733 ff.
226 I^iß von Balenhusen.
seiner Streiter. Kurz vor Weihnachten wurde sein Name
unter einen kaiserlichen Lehnbrief gesetzt, als man „vor
Rovoreto" lag; denn so liebten die Kaiserlichen die Stadt
Alessandria noch immer zu nennen. Er mußte es erleben,
daß Friedrich Rotbart vor der Lombardenfeste schwere
Verluste erlitt und ruhmlos abzog und ein Jahr später bei
Legnano von den Mailändern und ihren Verbündeten em-
pfindlich aufs Haupt geschlagen wurde. Da kamen denn
die Friedensverhandlungen, die schon so oft begonnen und
wieder gescheitert waren, in ein festes Gleis. Hierbei fiel
Konrad eine bedeutsame Rolle zu. Seine Charaktereigen-
schaften ebenso wie seine Kenntnis der italienischen Sprache
befähigten ihn zum Vermitteln. Als noch kurz vor dem
Abschlüsse des Waffenstillstandes die Stadt Tortona er-
obert wurde, fand sie glimpfliche Behandlung. Ein Friedens-
vertrag kam mit ihr zu stände, und in des Kaisers Namen
beschwor ihn Konrad von Ballhausen. Darauf leisteten
sowohl die übrigen fürstlichen und adeligen Begleiter Fried-
richs wie auch Konrad den Eid für ihre eigene Person.
Um dieselbe Zeit (im Dezember 1176) hielt es die Stadt
Cremona für geboten, ihren Sonderfrieden mit den Deutschen
zu machen. Zwanzig deutsche Fürsten, die von den Konsuln
Cremonas dazu ausgewählt waren, beschworen die kaiser-
liche Friedensurkunde. Es war eine hohe Ehre für Konrad
von Ballhausen, daß ihn neben den angesehensten Großen
und Bischöfen des Reiches die Wahl traf. Vorher hatte
er schon den Eid an des Kaisers Stelle abgelegt i). Höchst
wahrscheinlich ist es Konrad auch gewesen, der den Waffen-
stillstand zu Venedig (am 1. August 1177) in des Kaisers
Namen beschworen hat 2). Ob er einige Jahre später ebenso
an dem endgiltigen Frieden beteiligt war, der den Lom-
bardenkriegen ein Ziel setzte, läßt sich bei dem Stande der
Quellen nicht mit Sicherheit behaupten.
1) Giesebrecht V, 2, 810. 811.
2) Giesebrecht V, 2, 841, nimmt dagegen den Grafen Heinrich
von Diez als Eidesleister an. Vgl. auch VI, 542. 544.
Die von Balenhusen. 227
Nun schweigen die Urkunden und Chroniken über
Konrad von Ballhausen lange, Jahrzehnte lang. Der Kaiser
Friedrich, dessen Bart längst nicht mehr im germanischen
Rot schimmerte, fand seinen Tod im fernen Morgenlande.
Heinrich VI. bestieg den deutschen Königsthron, aber be-
reits nach sieben kurzen Jahren riß ihn der Tod wieder
herab. Und dann begann der unselige Streit um die Krone
zwischen Staufern und Weifen, Philipp von Schwaben und
Otto IV. Thüringen, dessen Landgraf Hermann der
staufischen Fahne nicht treu blieb, ward als bevorzugter
Kriegsschauplatz übel mitgenommen. Der Kampf war um
so erbitterter, da zu gleicher Zeit die Grafen und freien
Herren ihre Selbständigkeit gegenüber der Landgrafschaft
zu verteidigen hatten. Jedesmal, wenn der Landgraf Her-
mann die Partei wechselte, mußten freie Städte und kleine
Dynasten den Übertritt mit ihrer Reichsunmittelbarkeit
bezahlen. Da die Stadt Weißensee im Sommer 1204 eine
Belagerung durchzumachen hatte i), so ist anzunehmen, daß
das benachbarte Ballhausen und seine Besitzer besonders
stark litten. Damals wird auch die Zeit gekommen sein,
in der die Herren von Ballhausen ihre Freiheit aufgaben
und in die landgräfliche Ministerialität eintraten.
Konrad, der diese Ereignisse noch erlebte, wurde da-
durch vermutlich in seiiiem Gemütsleben aufs stärkste be-
einflußt. Er begab sich, dem Zuge der Zeit folgend, in
den geistlichen Stand. Als Stiftsherr zu Jechaburg, west-
lich von Sondershausen, läßt er sich (um 1206) noöh einmal
nachweisen. Mit den Vertretern des Stiftes hatte er wohl
in seiner Heimat Bekanntschaft gemacht; denn Jechaburg
besaß schon 1128 Güter in Ballhausen. Schwerlich hat er
lange die verdiente Buhe genossen. Aus dem Leben
schied mit ihm der einzige Vertreter des Geschlechtes,
1) Knochenhauer und Menzel, Geschichte Thüringens zur Zeit
des ersten Landgrafenhauses (1039—1247), Gotha 1871, S. 242 ff.
257—261.
228 I^iß von Balenhusen.
der dem deutschen Könige seine Dienste weihte, der
auf der großen Bühne der Weltgeschichte eine Eolle spielte.
2. Eckhard I. von Ballhausen-Sömmern und
seine Geschwister (— 1265),
Jahre vergehen, fast ein halbes Jahrhundert verstreicht,
und kein Mitglied der Familie tritt in das Licht der Ge-
schichte. Beinahe gewinnt man den Eindruck, als ob das
Geschlecht vom Erdboden verschwunden wäre.
Das nächstfolgende Eamilienhaupt setzte in zwei Ur-
kunden (von 1256 und 1262) seinem Namen Eckhard
von Ballhausen die Worte „genannt von Sommern"
(Sumeringen) hinzu und führte auf seinem Siegel schlecht-
weg die Umschrift : Eckhard von Sumeriggen. Mit Lützen-
sömmern (Lutzeln-Sumeringen) hatte die Familie von Ball-
hausen noch im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts einen
gewissen Zusammenhang, indem sie dort das Patronatsrecht
über die Kirche in Anspruch nahm.
So ist es kein allzu gewagter Schluß, wenn man in
der großen Lücke von 1206 — 1250 Hugo und Eckhard
von Sommern als Zwischenglieder betrachtet.
Jener Hugo von Sommern, dessen Vorname bei einem
Bruder und dem dritten Sohne Eckhards von Ballhausen-
Sömmern wiederkehrt, wird zum erstenmal in einer Ur-
kunde von 1206 erwähnt 1). Ob er damals, wie sein Ahn-
herr Heinrich (1169), noch freier Herr war, bleibt zweifel-
haft. In der Umgebung des Landgrafen befand er sich zu
dieser Zeit nicht. Einige Jahre später indessen trifft man
einen Hugo von Sommern häufig bei Hermann und Lud-
wig IV., und allmählich gleitet er dabei hinter den Schenken
von Vargula und andere Hof beamte hinab. Er war landgräf-
licher Ministeriale geworden.
1) Dobenecker, Regesta Thuringiae II, No. 1313, 1488, 1637,
1638, 1720, 1866, 1908, 2184, 2233, 2261. — Nach J. H. MöUer,
Erwerb und Besitz des Klosters Volkenrode, in der Zeitschr. f. Thür.
Gesch., Jena 1865, VI, 831 trat Hugo schon 1192 als Schiedsrichter
zwischen dem Kloster Volkenrode und Rudolf von Kömer auf.
Die von Balenhusen. 229
Höchst wichtig ist eine Urkunde von 12371). Darin
wird berichtet, daß ein Hugo von Sommern Beisitzer des
G-augerichts in Aspe (so. Sömmerda) war. Als das Gericht
einst vom Landgrafen Heinrich von Thüringen, unter Bei-
stand des Grafen Christian von Kirchberg, geleitet wurde,
fand Hugo von Sumeringen das Urteil, und alle übrigen
Beisitzer sprachen ihren Beifall aus. Daraus zu schließen,
nahm er unter den Schöffen eine angesehene Stellung ein,
seine Ansicht erfreute sich allgemeiner Beachtung. Noch
ein anderer Umstand ist vielleicht erwähnenswert. An dem-
selben Gaugerichte in Aspe nahm 13 Jahre später keiner
von Sommern teil, wohl aber Eckhard und Hugo von Ball-
hausen.
Eckhard von Sommern tritt von Anfang an als land-
gräflicher Ministeriale auf. Er wird zum erstenmal in
einer Urkunde von 1225 genannt, und zwar unmittelbar vor
Hugo 2). Urkunden der Landgrafen Heinrich und Konrad
bezeugt er öfter. Im fürstlichen Gefolge gelangt er auch
ins Hessenland, nach dem Kloster Ahneberg bei Cassel
(im September 1231) und trifft dort mit Helfrich von
Rotenburg zusammen, auf den wir weiter unten noch zurück-
kommen werden.
In welchem Verwandtschaftsverhältnisse Eckhard und
Hugo von Sommern zu 'Sten folgenden Gliedern der Familie
von Ballhausen standen, darüber mangelt jede Angabe.
Sie können nach den Erwähnungen von 1225 bis 1237
mit Eckhard I. und Hugo I. von Ballhausen identisch
sein. Solange die große Lücke in der ersten Hälfte des
1) P. Boehme, U.-B. des Klosters Pforte (Geschichtsqu. der
Prov. Sachsen, XXXIII, 1, 8. 156 No. 110 (1237 Nov. 23. Asp):
. . quesitum est per sententiam et inventum per honestum virum
Hugonem de Sumeriggen omnibus, qui tunc affuere, laudantibus,
quod licitum est domino abbati in causis suis, sive criminalem con-
tineant questionera, fratrum suorum uti testimoniis.
2) O. Posse, Codex diplomat. Saxoniaereg., Leipzig 1898, 1. Haupt-
teil, Bd. 3, No. 411, 423, 444, 447. — A. Wyss, Hessische Urkunden
(Publ. aus preuß. Staatsarchiven, Bd. 3), I, S. 12 No. 13; S. 21 No.24.
230 Diß ^<^^ Balenhusen.
13. Jahrhunderts nicht besser ausgefüllt wird, bleibt
unsere persönliche Ansicht, daß mit Konrad von Ball-
hausen die gerade Linie ausgestorben, und ein Seitenzweig,
vielleicht auch ein ganz neues Gesc'hlecht in den Besitz
eingerückt ist.
Im Jahre 1246 ist von Konrad dem Roten von
Ballhausen die Rede (R. No. 113 [6j). Er führt seinen
Beinamen im Gegensatze zu einem andern Konrad, dem
Sohne des Vogtes zu Ballhausen. Er ist vornehmen Standes,
denn in der Zeugenreihe steht er vor einem Geistlichen.
Trotzdem kann er nur mit Bedenken in die Familie von
Ballhausen eingereiht werden. Seine Umgebung könnte
ebenso gut auf die Familie Struz hindeuten.
Das folgende Jahr brachte mit dem Aussterben des
alten Landgrafenhauses große Umwälzungen in Thüringen
hervor. Stürmische Wirren suchten das Land heim, bis
der Markgraf Heinrich von Meißen die Herrschaft gewann.
Gleich darauf treten wir auch in der Ballhäuser Familien-
geschichte wieder auf festen Boden.
Die Mitte des Jahrhunderts beschert uns nämlich drei
von Ballhausen auf einmal, alle erwachsen und mitten in
einer Schar von adligen Genossen stehend: Eckhard, Hugo
und Berthold. Dem letzteren, den wir für den jüngsten
von ihnen halten, lassen wir den Vortritt.
Als der Deutschmeister Albert von Hallenberg einem
Müller in der Reichsstadt Mühlhausen eine Mühle in Erb-
pacht gab, bezeugte Bert hold I. von Ballhausen den
Vertrag (R. No. 24). Den weißen Mantel des Ordensritters
trug er aber nicht.
Hugo L von Ballhausen und sein Bruder Eckhard
treten wenige Monate später als Berthold auf (R. No. 25).
Und zwar sind beide Beisitzer des Gaugerichts unter der
Espe, an dem einige Jahre vorher Hugo von Sommern teil-
nahm. Eckhard und Hugo stehen ziemlich am Ende der
Grafen und Herren, die in der Sitzung anwesend waren.
Aber ihre Teilnahme am Gaugerichte beweist, daß die Er-
Die von Balenhusen. 231
innerung an die alte Freiheit und an die Schöffenrechte
noch nicht erloschen war.
Ehe wir zu Eckhard übergehen, ist noch eine Be-
merkung von nöten. Vielleicht war auch eine Schwester
vorhanden, die den Ritter Konrad von Weidensee heiratete.
Konrads Söhne, Hugo und Johann, bezeichneten einmal
Eckhard I. von Ballhausen-Sömmern als ihren
Oheim von mütterlicher Seite (avunculus [R. No. 30]).
Und nun zu dem letzteren, dem Familienhaupte in
dieser Zeit (R. No. 25 — 39). Er war ein Bruder Hugos I.
und wohl auch Bertholds L, nach denen er zwei seiner
Söhne benannte. Vermählt war Eckhard mit Luitgard,
der Tochter des Ritters Helfrich von Rotenburg. —
Helfrich, an dessen hochgelegenes Heim noch jetzt
Trümmer über der Stadt Rotenburg an der Fulda erinnern,
wird seit 1216 erwähnt, mehrfach auch in landgräflichen
Urkunden. Im Gefolge des Fürsten gelangte er nach
Thüringen, nach Riethnordhausen nördlich von Erfurt
(1223) und nach der Wartburg (1229), meistens blieb er
aber im Hessenlande ^). Für seine Erben war es von Be-
lang, daß er zwei Drittel seines Zehnten in Mönchehof
bei Cassel, welche Ritter Rüdeger von Heinebach von
ihm zu Lehen trug, dem westfälischen Kloster Harde-
hausen (bei Paderborn J* verkaufte (1216). Zwei Jahrzehnte
danach übertrug er den dortigen Mönchen geschenkweise
die Hälfte seines Dorfes Metzebach (zwischen Spangenberg
und Rotenburg a, d. F.). Seine Gattin hieß Elisabeth,
seine Söhne Berthold, Heinrich und Hermann. Der letztere
war das jüngste aller seiner Kinder. Luitgard, schon
vor 1216 geboren, besaß noch zwei ältere Schwestern,
Hertha und Elisabeth. Zu seinem Seelenheile, dem seiner
drei Söhne, und seiner Gattin machte Helfrich von Roten-
burg am 30. Juli 1252 dem Kloster Blankenheim (am linken
1) Cod. dipl. Sax. reg. I, 3, No. 316, 420, 444 {1231 Kloster
Ahneberg), 490 (1233 Marburg). Kuchenbecker, Analecta Hassiaca
IX, 154 (1235 Rotenburg a. d. Fulda).
232 Die von Balenhusen.
Fuldaufer, in der Nähe von Rotenburg) reiche Schenkungen.
Im September 1259 weilte er nicht mehr unter den Lebenden i).
Wahrscheinlich fällt sein Todesjahr noc|i vor 1256.
Eckhard I. von Ballhausen-Sömmern war bereits 1255
Ritter. In welchem Grade er seine kriegerische Tüchtigkeit
bewiesen, und an welchen Kämpfen er teilgenommen hat,
darüber wird nichts berichtet. Dagegen findet sich ein
gutes Dutzend von Zeugnissen über friedliche Geschäfte
und milde Schenkungen.
Seine Neifen, die Ritter Hugo und Johann von Weiden-
see, Reichsministerialen in der Stadt Mühlhausen, gewannen
an Eckhard einen hilfreichen Freund. Die Bürger der
Reichsstadt standen mit den Mannen der kaiserlichen Burg
nicht im besten Einvernehmen. Es erhob sich blutiger
Streit, und der Hof, den die von Weidensee auf der Reichs-
burg besaßen, ging mit den Wohnstätten anderer Adliger
und mit der ßurgkapelle in Flammen auf. Eckhard erschien
nun in Mühlhausen, und in seiner Gegenwart wurde eine
Sühne abgeschlossen (Juni 1256). Die Ritter von Weiden-
see blieben frei vom Bürgergeschosse, versprachen dafür
aber, in Streitfällen vor dem städtischen Schultheißen zu
erscheinen. Zugleich verzichteten sie auf Rache für die
erlittene Unbill. Sie gingen also nicht als Sieger aus dem
Kampfe mit dem Bürgertume hervor ; bei den obwaltenden
Umständen ließ sich wohl nicht mehr erreichen. Unter den
zahlreichen Zeugen adligen und bürgerlichen Standes ward
der Name Eckhards von Ballhausen an erster Stelle ange-
führt, gewiß ein Beweis des Ansehens, das er damals genoß.
Diese Ehre widerfuhr ihm öfter.
Als Hugo und Johann von Weidensee (1258) einige
(Jüter in Bollstedt (ö. Mühlhausen) dem Kloster Volkenrode,
das nordöstlich von Mühlhausen zu suchen ist, verkaufen
1) Schniinckc, Moninicnta Hassiaca IV, 638; Westfälisches
rrkuruleuhuc]), ]5(1. 4: Uik. des Bistums Paderborn, Münster 1874,
\o. 250, 805 ; Wenck, Hess. Landesgesch., Urk. zum Bd. 3 S. 123,
Xo. CXXXVI.
Die von Balenhusen. §33
wollten, begaben sie sich nach Ballhausen. Dort wurde
die Urkunde abgefaßt, und ihr Oheim Eckhard untersie^elte
sie. Die biederen Neffen ersetzten den Kaufbrief aber bald
darauf durch einen anderen, worin sie eine Unmenge ihres
Bollstedter Grundbesitzes verschleuderten. Eine wahre Ver-
schleuderungswut überfiel sie in diesen Jahren ^). Eckhard
von Ballhausen hielt sich von ihrem Treiben fem, sein
Name und sein Siegel zierten keinen einzigen der späteren
Verträge.
Vernünftigerweise ließ er selbst sich auf Güterver-
käufe nur in sehr mäßigem Umfange ein. Dem Deutsch-
ordenshause zu Nägelstedt (ö. Langensalza) verkaufte er
(1258) zwei Hufen daselbst, die er von der Kirche zu Raß-
dorf erworben hatte. Und dem eichsfeldischen Kloster Reifen-
stein trat er (1265) eine halbe Hufe, eine Baustelle (arcam)
und einen Garten zu Schwerstedt (sw. Weißensee) ab.
Auch auf die beliebten Tauschgeschäfte ging er nicht
allzu oft ein. Nur mit einigen Klöstern tauschte er Güter.
Was er von dem Peterskloster in Erfurt (1255) bekam,
bleibt unbekannt, da die Urkunde des Klosters verloren
ist. Er selbst gab Güter in Walschieben und Raßdorf
(nw. Erfurt) und in Herbsleben an der Unstrut (im Gothaer
Amtsgericht Tonna) hin. Der Tausch fand in Erfurt statt,
in Gegenwart des Erzbischofs Gerhard von Mainz. Anderen
Grundbesitz wechselte er (1258) mit dem Kloster Volken-
rode, an demselben Tage, als seine Neffen ihren ersten
Verkauf vornahmen. Die Mönche erhielten von ihm eine
Hufe in Kirchheilingen (nö. Langensalza) und einen jähr-
lichen Eruchtzins von 21/2 Maltern; Eckhard empfing dafür
1 i/j Hufen und 4 Morgen Landes in Klein-Ballhausen. In
Hochstedt (ö. Erfurt) hatte sowohl das Kloster wie Eck-
1) Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 1035 (1259),
No. 160 (1260), No. 1036 (1260; vgl. No. 152 vom Jahre 1258). Die
Urk. vom 17. Oktober 1261 im Staatsarchiv Marburg (Kloster
Lippoldsberg) ist wohl noch ein weiterer Beweis von Hugos Greld-
bedürfnisse.
XXL 16
234 I^iß '^on Balenhueen.
hard Besitzungen, und zwar schlössen Eckhards Ländereien
ein Stück vom Klosterfelde ein und umgekehrt die Volke-
röder Äcker ein Stück Ballhäuser Landes. Durch Austausch
wurde nun für beide Eigentümer eine zusammenhängende
Flur hergestellt.
Nicht nach dem Umfange des gewechselten Besitzes,
wohl aber nach verschiedenen Angaben in der betreffenden
Urkunde ist ein Tausch mit dem niederhessischen Kloster
Breitenau von weit größerer Bedeutung, Das Geschäft fällt
in Eckhards letzte Lebensjahre, wenngleich der schriftliche
Vertrag durch die Nachlässigkeit des Schreibers von 1200
datiert ist. Als Aussteller wird bezeichnet: Eckhard von
Ballhausen, genannt Sack. Das war kein ehrenvoller Bei-
name ; so schalt man armselige oder liederliche Menschen.
Aus welchem Grunde Eckhard zu solchem Vergleiche heraus-
forderte, entzieht sich unserer Kenntnis. Er besaß nach
dem Schriftstücke ein Anrecht an den Zehnten zu Holtt-
husen. Da es ein gutes Dutzend westfälischer und ein
halbes Dutzend hannoverscher Orte giebt, die früher Holt-
husen hießen und jetzt Holthausen oder Holtensen, so ist
es schwierig, sich für einen bestimmten von diesen zu ent-
scheiden. Nur ein Umstand könnte vielleicht als Hin-
weis benutzt werden. Das Kloster Breitenau gab ihm für
das Anrecht an jenem Zehnten die Einnahmen zu Ober-
Stüter 1), einem Dorfe, das im westfälischen Kreise Hattingen,
nicht sehr weit von Dortmund, zu suchen ist. In demselben
Kreise findet sich auch eine Ortschaft Holthausen. Die nieder-
sächsische Besitzung mochte aus der Erbschaft seiner Gattin
Luitgard stammen. In der Urkunde ist der Ausstellort
nicht genannt, mehrere Zeugen weisen aber auf die Gegend
des Fuldastädtchens Melsungen hin, nämlich Herwig von
Bödiger, Werner von Salzberg, Giso Sprengel und Konrad
von Wehren. Salzberg, dessen Heimat freilich zwischen
1) G. Landau, Beschreib, des Hessengaues, Halle 1866, S. 181
liest Stuercen und sucht den Ort in der Nahe von Homberg a. d.
Efze (in Niederhessen).
Die von Balenhusen. 235
Hersfeld und Schwarzenborn liegt, und Sprengel kommen
in zwei Heidaer und Eppenberger Urkunden von 1269 vorj
Bödiger ist an dem Emsflüßchen (w. Melsungen) gelegen.
Eine Breitenauer Urkunde von 1253^) berichtet ferner,
daß Werner von Salzberg ein Lehen des Grafen von Fels-
berg in Dagobertshausen (sw. Melsungen) innehatte und
Konrad von Wehren u. a. eins in Gleichen (w. Gudensberg).
Auch die Anwesenheit Bertholds von Kreuzburg, auf den
wir unten noch zurückkommen müssen, weist auf dieselbe
Gegend. Es ist daraus der Schluß zu ziehen, daß die große -
Rotenburger Erbschaft Eckhard von Ballhausen-Sömmern
zuweilen nach Niederhessen zog und dort mit Menschen
und Verhältnissen vertraut machte. Der Mittelpunkt des .
Geschlechts für den Aufenthalt am Fuldastrande wurde die
Burg Schwarzenberg.
Etwa 20 km oberhalb Cassels, eine halbe Wegstunde
nördlich von der Kreisstadt Melsungen, schmiegt sich ein
Dorf malerisch an den Fuß der tannendunkelen Haar:
Schwarzenberg. Ehemals bespülte die Fulda den unbe-
deutenden Hügel, auf dem die Häuser liegen; jetzt ist
sie der Eisenbahn wegen um einige Schritt weiter abge-
leitet. Zwischen der Kirche und der Schule fließt der
„Burggraben", eine schmale und wasserarme Rinne; das
Schulhaus aber declifr die Stätte der ehemaligen Burg.
Selbst ein Kenner wird nicht vermuten, daß dort sich vor
Zeiten ein historischer Bau erhoben hat, so gründlich haben
Jahrhunderte und Menschenhände mit den Trümmern auf-
geräumt. Schon Eckhards Söhnen ward Schwarzenberg
zu einer Stätte des schwarzen Verderbens. Auch die
Schenkungen, die der Vater als echtes Kind seiner Zeit
den geistlichen Stiftungen zuwandte, lenkten das Unglück
nicht ab.
An der frommen Freigebigkeit Eckhards, hatte seine
Gemahlin, Luitgard von Rotenburg, mindestens denselben
1) Die drei Urkunden befinden sich im Staatsarchiv Marburg.
16*
236 I^iß "^<^^ Balenhusen.
Anteil. Gleich die erste Schenkung (1256) betraf offenbar
ein Stück ihres Erbgutes, nämlich Eigentum in Leimbach,
einer Wüstung zwischen Altmorschen und Heinebach, nord-
westlich von Rotenburg. Die glücklichen Empfängerinnen
waren die Nonnen zu Heida, das man jetzt fälschlich Heidau
schreibt. Eckhard sandte seinen Knecht („servum meum")
Eriedrich von Burschla nach Rotenburg, und vor dem
dortigen Schultheißengerichte fand die Übergabe an das
benachbarte Kloster statt.
Auch das öfter erwähnte Kloster Volkenrode ging
nicht leer aus: das Vogteirecht über eine Hufe in Groß-
Ballhausen fiel ihm anheim.
Um so weniger brauchten die Mönche im westfälischen
Hardehausen zu befürchten, daß Eckhard etwa, nach dem
Beispiele anderer Zeitgenossen, die Zuwendungen seines
verstorbenen Schwiegervaters für ungiltig erklärte. Er
leistete ihnen (1259) sogar Gewähr für den Besitz des
Zehnten in Mönchehof, den sie größtenteils Helfrich von
Rotenburg verdankten, und veranlaßte (1262) auch den
Ritter Rüdiger Mönch von Rotenburg und dessen Kinder^
auf jenen Zehnten zu verzichten. Dieser Rüdiger Mönch
mochte der Erbe des Ritters Rüdiger von Heinebach sein,
der den Zehnten von Helfrich von Rotenburg zu Lehen
hatte und durch einen Teil des Kaufpreises abgefunden
wurde (1216).
Zur Kenntnis Eckhards und seiner Eamilie ist es
nicht ohne Bedeutung, zu untersuchen, für welche Zeit-
genossen er Urkunden bezeugte, und was für Zeugen er
wiederum für seine eigenen Rechtsgeschäfte heranzuziehen
pflegte.
Im Jahre 1262 bezeugte er in Mühlhausen einen Lehn-
brief der Grafen Erf und Widekind von Bilstein, die zwei
Mühlhäuser Bürger mit Gütern ausstatteten. Die Beziehungen
zu den Grafen von Bilstein wurden von erheblicher Wichtig-
keit für das Ballhäuser Geschlecht, das mehrere hessische
Güter von ihnen zu Lehen erhielt.
Die von Balenhusen. 237
Ohne weitere Folgen blieb Eckhards Zeugnis bei einer
Schenkung des Grafen Heinrich von Hohnstein, der einem
Hospitale die Kirche zu Mehler (nö. Mühlhausen) überließ
(1264).
In Eckhards eigenen Urkunden kehrt der Ritter Eck-
hard von Wartburg am meisten wieder, nicht weniger als
sechsmal (1255, 1256, 1258, 1259, 1265, s. a.). Es mangelt
aber an jeder näheren Bezeichnung, ob er als Verwandter,
Freund oder Dienstmann zugegen war. Ebensowenig läßt
sich Genaueres bei den Mühlhäuser Rittern Heinrich und
Konrad Topelstein und bei Hermann Stock, Burgmann zu
Weißensee, angeben. Ein Dienstverhältnis steht fest bei
Friedrich von Burschla.
Berthold von Kreuzburg scheint Eckhards oder ge-
nauer Luitgards Schwager gewesen zu sein. Seine Frau
hieß Bertha, wie die älteste Tochter Helfrichs von Roten-
burg. Mit ihr zusammen verkaufte er S^/g Hufen in Leim-
bach (an der Fulda) i), wo ja auch Eckhard und Luitgard
Eigentum besaßen. Endlich kommt (1301) ein Helfrich
von Kreuzburg vor ^), von dem es sich jedoch leider nicht
sagen läßt, ob er Bertholds ältester Sohn war.
Als nahen, sehr nahen Verwandten haben wir noch
den Ritter Eberhard von Kaienberg anzusprechen.
Freilich wird er in keiner Ballhäuser Urkunde angeführt.
Allein er selbst bekundete (1256 am 17. März) 3) dem
Stifte Heerse, daß er eine Meierei in Meckbach^ (nö. Hers-
feld)*) in Zeitpacht besitze. Dabei fügte man seinem
Namen den Zusatz „genannt von Sommern" (dictus
1) Heidaer Urkunde vom 13. Dez, 1266 im Staatsarchiv
Marburg.
2) Schoettgen et Kreysig, Dipl. et script. I, 782 ; Wenck, Hess.
Landesgesch., Urk. zum 2. Bde. S. 249 No. CCIL.
?,) Westfäl. U.-B. IV, S. 364 No. 643.
4j In Meckbach hatte auch Helfrich von Rotenburg Einkünfte :
Wenck, Hess. Landesgesch., Urk. zum 3. Bde., S. 124 No. CXXXVl
(1252 Juli 30.).
238 l^ic von Balenhusen.
de Sumeringen) hinzu, und der letzte Zeuge war Friedrich
von Burschla, der Knecht Eckhards von Ballhausen-Sömmern.
Auch der vorletzte Zeuge, Eberhards Blutsverwandter Her-
mann von Rengshausen, begegnet uns in demselben Sommer
in dem Ballhäuser Schenkungsbrief für Heida. Endlich
macht auch der Eingang der Urkunde den Eindruck, als
ob ihn Eckhards Schreiber Dietrich verfaßt hätte. Heerse,
Kaienberg und Menne, nach dem sich der erste Zeuge Ritter
Rupert nennt, sind im westfälischen Kreise Warburg zu
suchen.
Zum Schlüsse noch ein Wort über den Wohnsitz Eck-
hards I. Thüringen blieb seine Heimat, Ballhausen sein
ständiger Aufenthalt (1256, 1258, 1262). Die größeren
Städte, wie Erfurt (1255) und Mühlhausen (1256, 1262),
besuchte er nicht oft.
Bei seinem Tode hinterließ er seinen Söhnen ein
doppeltes Feld der Thätigkeit: in Thüringen und in Hessen.
3. Eckhards I. Nachkommen bis zum Aussterben
der thüringischen Hauptlinie (1255—1363).
Luitgard von Rotenburg gebar ihrem Gatten, Eckhard I.
von Ballhausen-Sömmern, mehrere Söhne, von denen einige
oder alle bereits 1255 am Leben waren, aber anscheinend
noch in jugendlichem Alter standen i). Erst 7 Jahre da-
nach wird der älteste mit Namen genannt : Helfrich, wie
ja auch sein Großvater von mütterlicher Seite hieß. Und
abermals 3 Jahre später treten neben ihni vier jüngere
Brüder namentlich auf: Eckhard IL, Hugo IL, Bert-
hold IL und Rudolf. Von ihnen hat sich keiner mehr
nach Sommern genannt ; Ballhausen blieb ihr Familienname
im Thüringischen.
Eckhards I. ältester Sohn Helfrich, der nur zwei-
mal urkundlich erwähnt wird (1262 und 1265, [R. No. 36,
1) . . . puerorum meorum consensu. ürk. v. 1255 Nov. 1.,
R. No. 26.
Die von Balenhusen. 239
38]), war im Jahre 1262 herangewachsen; denn er bezeugte
damals mit seinem Vater zusammen den schon erwähnten
Lehenbrief der Grafen Erf und Widekind von Bilstein.
Helfrich hat sich um diese Zeit herum vermählt. Sein
ältester Sohn, dessen Dasein 1273 zuerst bekundet wird,
trug den in Thüringen so seltenen Namen Widekind
(R. No. 40, 41, 49—51, 53, 59, 61). Ein zweiter Sohn
hieß Berthold III. (R. No. 49—51, 59, 61). Beider
Mutter war ohne Zweifel Bertha von Naumburg, die
ich für eine Tochter des Grafen Widekind von Naumburg
(1219 — 1250) und der Gräfin Osanna halte. Demgemäß
müßte sie eine jüngere Schwester des Grafen Volkwin und
des Kanonikus Widekind zu Halberstadt gewesen sein ^).
Auf ihr Stammgut Naumburg, das im Kreise Wolfhagen,
westsüdwestlich von Cassel, zu suchen ist, scheint Bertha
bei ihrer Heirat verzichtet zu haben. Nach dem frühen
Tode ihres ersten Gemahls, Helfrichs von Ballhausen, ver-
heiratete sie sich zum zweiten Male mit dem Edelherrn Giso
von Ziegenberg. Dadurch wurde sie ihrer niederhessischen
Heimat endgiltig zurückgegeben. Auch ihre Söhne erster
Ehe, Widekind und Berthold, vergaßen auf diese Weise
ihre thüringische Abstammung. Sie erfreuten sich (1286
und später) der Gesellschaft und Obhut ihres Stiefvaters
Giso von Ziegenberg, Widekind freilich mehr als Berthold.
Ebensowenig wie Helfrich, dem ältesten Sohne Eck-
hards I. von Ballhausen, war seinem jüngsten, Rudolf,
langes Leben beschieden. Nur ein einziges "Mal (1265)
geschieht seiner Erwähnung (R. No. 38).
Die übrigen Brüder, Eckhard IL (R. No. 38, 40—43,
45, 46, 56, 61, 62—64, 68—70), Hugo IL (R. No. 38.
40, 41 [42], [45], [46], 56, 61) und Bert hold IL (R.
No. 38, 40, 41, [42], 44, [45], [46], 56, 58, 66) können
1) Wyss, Hess. Urk. I, S. 5 No. 6, S. 46 No. 47 ; Wenck,
Hess. Landesgesch., Urk. zum 2. Bde., S. 153 No. CXVII, S. 159
Anmerk., S. 161 No. CXXVIII, S. 173 No. CXLIV, S. 197
No. CLXXVI.
240 1^16 ^on Balenhusen.
nur neben einander angeführt werden. Jahrzehnte lang
sind sie unzertrennlich, oft auch mit ihrem Neffen Wide-
kind vereinigt, bis des Schicksals rauhe I^aust sie für immer
auseinanderreißt.
Von Anfang an waren ihnen keine Rosen auf den
Pfad gestreut. Allerdings gehörten sie auch zu den Ad-
ligen, die ihre Bauern bedrückten und darum selbst kein
besseres Los verdienten. Schon ihr erstes Auftreten zeugte
von Kämpfen, wenn auch noch harmloser Art. Das alt-
berühmte Nonnenkloster Gandersheim, an den Ausläufern
des Nordwestharzes gelegen, hatte Besitzungen in Ball-
hausen und in der Umgegend i). Die Vogtei über die
Güter zu Tennstädt (Kreis Langensalza) war von der Äb-
tissin denen von Ballhausen zu Lehen gegeben. Diese
mißbrauchten aber ihre Vogteirechte, legten den Pächtern
und Bauern hohe Naturalabgaben auf und trieben sie vor-
her ein, ehe das Kloster seine Einkünfte aus Tennstädt
bezogen hatte. Wenn dann der Gandersheimer Beamte
kam, standen Felder und Scheunen, Ställe und Kasten leer,
und aus ungefüllten Schläuchen wußte selbst die Kloster-
kunst nichts mehr herauszupressen. Das war ärgerlich. Die
Minderung des eigenen Einkommens bildete daher für die
Äbtissin gewiß einen eben so starken Grund zum Ein-
schreiten, wie die in den Vordergrund gestellte Bedrückung
der Unterthanen. In Großen-Ehrich (Schwarzburg-Sonders-
hausen) wurde der Zwist durch einen Vergleich beigelegt
(1273). Den Brüdern Eckhard, Hugo und Berthold von
Ballhausen standen dabei zwei Freunde ihres Vaters zur
1) 1480 verkaufte Hermann von Hausen zu Groß-Ballhausen
Güter an das Kloster Volkenrode, darunter eine Schaftrift, die ehe-
mals gandersheimisches Lehen gewesen war. Schoettgen et
Kreysig, Dipl. et Script. I, 820. — Von der Mühle in Balhusen hatte
das Kloster bedeutende Einkünfte, viel brachten auch Magnum und
Parvum Dennestede ein, wo ein officialis und ein hovemannus
erwähnt wird. Harenberg, Hist. eccl. Gandershem. dipl., Hann.
1734, S. 531.
Die von Balenhusen. 241
Seite, der Weißenseeer Burgmann Hermann Stock und
Edelher von Arnstadt, außerdem Heinrich von Döllstädt.
Das Kloster setzte seinen Willen durch und erlangte das
Versprechen , daß allen Beschwerden abgeholfen werden
sollte.
Ebenso mußten die drei Brüder in einer anderen An-
gelegenheit den Rückzug antreten. Es handelte sich um
das Patronatsrecht über die Kirche in Lützensömmern, das
sie dem Nonnenkloster Kapelle (im heutigen Eürstentume
Schwarzburg-Rudolstadt) streitig machten. Erst wurde die
Sache fünf Schiedsrichtern zur Untersuchung übertragen,
und dann entschied (1277) der geistliche Richter Ulrich in
Jechaburg zu Gunsten des Klosters Kapelle. Der Erz-
bischof Werner von Mainz bestätigte den Spruch.
Aber die Gebrüder gingen nicht im Interesse für ihr
Stammland ganz und gar auf, sie pflegten die hessischen
Beziehungen ebenso gut. Dem Kloster Heida an der Fulda,
dem schon die Eltern ihre Neigung thatkräftig bewiesen
hatten, wandten nun (1275) auch Söhne und Enkel (Wide-
kind) eine Hufe, also etwa 30 Morgen Landes zu, deren
Ertrag bisher der Ritter Guntram von Morschen^) von
ihnen zu Lehen gehabt hatte. Und Ritter Eckhard IL,
nunmehr das Haupt der Familie, verhieß den Nonnen,
binnen Jahresfrist die Hufe aus dem Lehnsverbande zu
befreien, wenn sie nicht zu den Alloden der Familie ge-
hören sollte. Darüber waren die Inhaber also selbst nicht
klar. Solche Unklarheit über Eigentums- oder Lehens-
verhältnis ihrer hessischen Güter sollte ihnen später ver-
hängnisvoll werden.
1) Eitter Guntram von Morschen (Gundraraus iniles de Morsen,
de Morsone) bezeugte am 27. November 1250 eine Urkunde des
Grafen Gottfried von Reichenbach und am 12. Juli 1254 eine solche
des Schultheißen von Homberg an der Efze. Wenck, Hess. Landes -
geschichte, Urk. zum 3. Bde., 8. 122 No. CXXXIV ; Kuchenbecker,
Analecta Hassiaca, Bd. 11, S. 141. Sonst isfr mir sein Name nicht
begegnet.
242 jf^ie von Balenhusen.
Die beiden für Heida ausgestellten Urkunden bieten
Cxelegenheit zu mancherlei Betrachtungen. Die eine nennt
ausdrücklich Schwarzenberg als Ausstellort, die andere
weist durch die Namen der Zeugen a,uf dieselbe Gegend.
Da sind Hermann von Spangenberg und zwei Ludwige von
Slutwinsdorf, die nach Spangenberg (ö. Melsungen an der
Fulda) gehören ; Siegfried von Haldorf und Helwig von Adels-
hausen kommen auch in anderen Melsunger Urkunden dieser
Zeit vor; da sind endlich Pfarrer und Schultheiß des kleinen
Euldastädtchens. Die Anwesenheit des landgräflichen Schult-
heißen macht es zur Gewißheit, daß die von Ballhausen
damals noch in ungetrübter Freundschaft zum Herrn des
Hessenlandes, Heinrich dem Kinde, standen.
Allmählich fühlten sie sich auf dem herrlichen Sitze
an der Fulda völlig heimisch , und der junge Widekind
war, soweit man sehen kann, der erste, dem auch der
Name von Schwarzenberg beigelegt wurde (1289).
Dem Anscheine nach weilte er damals zum Besuche in der
Nordostecke Hessens, bei seinem Stiefvater Giso von Ziegen-
berg, und ritt mit seinen Stiefbrüdern Hermann und Johann
von Ziegenberg weiter nach dem Kloster Mariengarten bei
Göttingen. Nicht ein einziger Thüringer befand sich in
seiner Gesellschaft, nur hessische Ritter, wie Konrad von
Berlepsch, Kitter aus dem Leinegau, wie Johann von Harste^
und Göttinger Bürger.
Von Widekinds Oheimen ist in dieser Zeit wenig die'
Rede. Nur einmal (127(i) bezeugen sie gemeinschaftlich
einen Lehenbrief ihres Neffen Luitpold von Heimburg.
Und Bertholds IL Gattin Mechthild, die aus dem
Halberstädter Ministerialeugeschlechte von Gatersleben
stammte, gab in demselben Jahre ihre Einwilligung zu einer
frommen Schenkung ihrer Brüder. Im übrigen mochten die
thüringiselien Wirren die von Ballhausen stark in Anspruch
nehmen. Dort käm])fte in den achtziger Jahren Landgraf
Albrecht der b'nartige mit seinen Si'ihnen, und wieder galt
Vergils S]iruch: Wenn die Fürsten rasen, dann seufzen die
Die von Balenhusen. 243
XJnterthanen unter den Schlägen. Die Landgrafen reichten,
sich zur Versöhnung die Hände, aber die Ritterschalt ver-
lernte sobald das Reiten und Rauben nicht. Wurde auf den
Straßen des Altgaues ein Frachtwagen überfallen oder von
der Weide eine Kuhherde weggetrieben, dann mochte man
— wenn es erlaubt ist, aus späteren Umständen zu schließen
— auf den Schilden der Schnapphähne zuweilen auch die
Ballhausischen Widderhörner erblicken.
Allein der deutsche König, Rudolf von Habsburg, hatte
den ernsten Willen, Bürger und Bauern zu schützen ^). So
ernannte er den Erzbischof Heinrich II. von Mainz zum
Hauptmann und Rektor der thüringischen Lande, und Hein-
rich erschien persönlich in Erfurt und gebot Landfrieden.
Albrecht von Thüringen gab dem Erzbischof die Erlaubnis,
innerhalb seiner Landgrafschaft Burgen und Befestigungen
anzukaufen und neu anzulegen (1287)2). Nach Heinrichs
Tode übernahm erst König Rudolf, der seit dem Dezember
1289 fast ein ganzes Jahr lang in Erfurt weilte, die Haupt-
mannschaft in Thüringen und übertrug sie dann dem edlen
Herrn Gerlach von Breuberg (1290 — 97) ^). Dieser brachte
Schloß Ballhausen (R. No. 55, 60, 79) in seine Gewalt.
Ob es dabei sonderlich friedfertig zugegangen ist? Die
Quellen schweigen darüber. Man erinnere sich indessen, daß
König Rudolf Q6 Ritter- und Raubburgen der Erfurter
Gegend unschädlich machen ließ. Ballhausen wurde nicht
zerstört, denn Gerlach von Breuberg verpfändete das Schloß
dem Erzbischof Gerhard II. von Mainz. In seinem ersten
Ij Th. Lindner, Deutsche Gesch. unter den Hab!«burgern und
Luxemburgern, Stuttg. 1890, I, 74. 75; 0. Dobenecker, Rudolfs I.
Friedenspolitik in Thüringen, in der Zeitschr. f. Thür. Gesch. XII
(N. F. IV), Jena 1885, S. 529 ff,
2) Gudenus, Cod. dipl. I, 819.
3) Gerlach v. Bruberg, conservator pacis in Thuringia ex parte
regis Romanorum 1290 sabbatho festo Paschae exspirante. Wolff,
Chronik des Klosters Pforta, II, 223. 224; Regesten des Geschlechts
8alza, Leipzig 1853, No. 90 S. 95 (1296), No. 92 S. 97 (1297
März 20.).
244 Jf^iß '^0^ Balenhusen.
Regierungsjahre versprach König Adolf von Nassau, Ball-
hausen in den Händen Gerhards zu lassen, es sei denn,
daß er dem Erzbischof 1000 Mark da/ür bezahlte. Aber
woher sollte Adolf eine so bedeutende Summe nehmen?
So blieb die Burg einstweilen mainzisch. Nach der Tra-
gödie von Göllheim setzte Gerhard zwei seiner Getreuen,
Friedrich von Rosdorf und Dietrich von Hardenberg, als
Amtleute hinein (1299). Eine derartige Verwaltung und
die ganze mainzische Herrschaft über Ballhausen war aber
nicht von langer Dauer. In den allerersten Jahren des
14. Jahrhunderts nahm sie ein Ende.
Es mangelt an einem vollgiltigen Beweise dafür, daß
es sich hierbei um das Schloß Klein -Ballhausen, um den
Sitz unseres Geschlechtes handelte. Jedenfalls ging aber
die Familie von Ballhausen etwa um diese Zeit ihrer
Stammburg verlustig und gelangte auch nicht wieder in
den Besitz derselben. Ebenso büßte sie fast alle übrigen
Güter in der Nähe ein. Nur selten noch ist von den
letzteren die Rede. Ein Beispiel mag sofort folgen.
Johann, der Sohn Wilhelms von Weißensee, verkaufte
eine halbe Hufe in Schwerstedt an das eichsfeldische Kloster
Reifenstein. Die Ländereien waren ein Ballhausisches Lehen.
Eckhard, Hugo und Berthold gaben ihre lehnsherrliche Ein-
willigung zum Verkaufe gegen das mäßige Entgelt von
einer Mark Silbers. Der niedrige Preis sollte zugleich
ihrem Seelenheile dienlich sein. Auf dem öffentlichen Ge-'
richte in Weißensee sprachen sie ihren Verzicht aus (am
4. Dezember 1292). Sie hatten also keine Verfolgung mehr
zu besorgen.
Man geht schwerlich fehl in der Annahme, daß sie
fortan öfter auf Schwarzenberg an der Fulda ihre Zuflucht
suchten und von dort aus in Gemeinschaft mit Widekind
und Berthold, Helfrichs Söhnen, ihrem Thatendrange folgten.
Aber nur von den letzteren beiden kann es als wirklich
ausgemacht gelten, daß sie zu den hessischen Raubrittern
gezählt wurden. Schwarzenberg gegenüber erklomm die
Die von ßalenhusen. 245
alte Kasseler Landstraße einen steilen Hügel, und auf dem
Strome glitten die Frachtkähne langsam dahin; beides war
geeignet, verwilderte Gemüter zu räuberischen Anschlägen
zu verführen. Es kam hinzu, daß die von Ballhausen über
die Natur mancher ihrer Besitzungen im Fuldathale unklar
waren, nicht immer wußten, ob sie Allode oder Lehen darin
sehen sollten. Ihrem Eigennutze ist es zuzutrauen, daß sie
sich nicht gründlicher unterrichteten, sondern allemal das
Vorteilhafteste annahmen. Anderseits versäumte der hessische
Landgraf Heinrich das Kind keine Gelegenheit, seine Unter-
thanen gegen Gewaltthat zu schützen und nebenher auch
seine landesfürstliche Macht zu erweitern und zu mehren.
Zwei Ziele verfolgte er daher unablässig: die Ritterburgen
sollten keine Raubnester werden, und der Adel seine Lehen
vom Landgrafen empfangen, sonst drohte Feuer und Schwert.
Im Jahre 1293 erstürmten oder zerstörten die Landgräflichen
nicht weniger als 18 feste Häuser in Hessen, darunter auch
Schwarzenberg (R. No. 57). Seitdem hörte der Zu-
sammenhang zwischen den drei Gebrüdern von Ballhausen
und ihren beiden Neffen bis auf geringfügige Spuren auf.
Der jüngste von den drei Ballhäusern, Berthold IL,
war der Wechselfälle des weltlichen Lebens satt. Schon
im Sommer des nächsten Jahres (1294) begegnet er uns
als Laienbruder im Kloster Volkenrode, nordöstlich von
Mühlhausen, Im Laufe der Zeit brachte er es dort bis
zum Stallmeister (1306). Auf seinen Anteil an den Familien-
besitzungen muß er beim Eintritte ins Kloster verzichtet
haben.
Hugo II, ist nach der Zerstörung von Schwarzenberg
so gut wie verschollen, 1301 wird er noch einmal ge-
nannt, aber ohne Angabe des Wohnsitzes und sonstiger
Lebensumstände.
Eckhard II, besaß in Thüringen noch einige Güter.
Wahrscheinlich fielen ihm auch bald neue Lehen zu. Ehe
wir auf seine ferneren Schicksale und Verhältnisse näher
eingehen, haben wir die seiner Neffen, Widekinds und
246 I^i^ ^0" Balenhusen.
Bertholds III., zu betrachten. Mit diesen stand es recht
übel, da sie durch längeren Aufenthalt, Besitz und Ver-
wandtschaft vorwiegend an Hessen gefesselt waren. So
lag ihnen der Gedanke, sich mit dem Landgrafen Heinrich
zu versöhnen, besonders nahe. Versöhnung bedeutete da
aber so viel wie bedingungslose Unterwerfung. Über die
Hälfte der Ballhausischen Besitzungen im Hessenlande konn-
ten Widekind und Berthold III., nachdem Berthold IL ins
Kloster getreten war, verfügen. Und das thaten sie dann
auch. In Cassel wurden die Verhandlungen mit dem
hessischen Landgrafen geführt (1295). Der Edelherr Giso
von Ziegenberg, der Stiefvater Widekinds und Bertholds,
stand beiden getreulich zur Seite. Allein er konnte ihr
Los nicht ändern, zumal da er selbst ein ähnliches Schick-
sal erfahren hatte, seine Burg von den Scharen Hein-
richs des Kindes erobert war^). Widekind und Bert-
hold mußten ihre Eigen- und Lehngüter, die größtenteils
aus der Rotenburgischen Erbschaft stammten, zu einem
geringeren Teile wohl auch Naumburgischer Herkunft waren,
an Heinrich I. und dessen Erben abtreten : die Hälfte des
Allods in Körle (nö. Melsungen) und in Rotenburg an der
Fulda und das Allod neben der Burg Rotenburg. Die
letzteren waren vom Landgrafen bereits mit Beschlag be-
legt und an zwei seiner Getreuen, den Ritter Tammo von
Alnhusen (EUnhausen w. Marburg) und einen gewissen
Wollkopf, als Lehen ausgegeben. Ferner verzichteten Wide-
kind und Berthold auf die Hälfte des Grundes und Bodens,
der bisher die Burg Schwarzenberg getragen hatte, jetzt
eine wüste Trümmerstätte, sowie auf die Hälfte vom Zehnten
in Elgershausen (sw. Cassel) und einen Malter Weizen
jährlicher Abgabe in Venne, einer Wüstung bei der Stadt
Gudensberg. Endlich veräußerten sie auch ihre Bilstein-
schen Lehen an das Kind von Hessen , nämlich einen
Hof in Waldau mit ihrem Anteile am Zehnten, 8 Malter
1) Landau, Hess. Eitterburgen IV, 312. — E. No. 57.
Die von Balenhusen. 247
jährlichen Kornzinses zu Krumbach (beide s, Cassel), Geld«
einkünfte in Fuldhagen, einer Wüstung in derselben Gegend,
ein Viertel vom Zehnten in Melsungen ^) und alle Geldein-
künfte daselbst.
Von einer Entschädigung, welche für die bedeutenden
Abtretungen bewilligt wurde, verlautet nichts, Widekind
und Berthold hofften jedenfalls auf eine Neubelehnung mit
dem größeren Teile des ehemaligen Eigen- und Lehngutes.
Der Landgraf wird durch eine verloren gegangene Gegen-
urkunde seine Gnade bewiesen haben.
Der Graf Otto von Bilstein , der letzte seines Ge-
schlechtes, kümmerte sich zunächst nicht um die Ordnungs-
und Eroberungspolitik Heinrichs des Kindes, sondern be-
trachtete Eckhard II. und Hugo IL von Ballhausen und
ihre Neffen noch geraume Zeit als rechtmäßige Inhaber
seiner Aktivlehen. Erst im Jahre 1301 verkaufte er diese
letzteren an den Landgrafen '). Heinrich gewann dadurch
noch größere Gewalt oder vielmehr ein unbestreitbares
Recht über die Bilsteinschen Lehen der Familie Ballhausen-
Schwarzenberg.
Eckhard und vielleicht auch Hugo hausten in der
thüringischen Heimat und trachteten nicht mehr nach
Gütern im Hessenlande, ihre Neffen Widekind und Bert-
hold III. blieben also die einzigen, die im stände waren,
das Geschlecht am Fuldastrande fortzupflanzen. Irgend
eine weitere Nachricht über beide hat sich aber bis jetzt
nicht gefunden.
In der Gegend des alten Stammsitzes hatte die Ball-
hausische Familie jede Bedeutung verloren. Der Priester
Siegfried von Groß-Ballhausen, der freilich den größten An-
1) Eine Urkunde von 1301 (vergl. weiter unten) verlegt den
Zehnten nach dem benachbarten Dorfe Obermelsungen , wohl irr-
tümlich.
2) In dem Kaufbriefe werden Widekind und Berthold III. als
Brüder Eckhards II. und Hugos II. bezeichnet. Der gemein-
schaftliche Besitz hatte offenbar diesen Irrtum hervorgerufen.
248 I^iß von Balenhusen.
teil an Wundermärchen nimmt, hat einen Abschnitt der
Zeitgeschichte bis 1304 hinterlassen i). Er wirft zuweilen
seine Blicke auch auf die Nachbarschaft seines Wohnortes ;
auf die Gebrüder von Ballhausen ddutet er jedoch mit
keinem Worte hin.
Und doch hielt sich Eckhard IL, soweit sich er-
kennen läßt, häufig in geringer Entfernung auf. Allerdings
ist zu bemerken, daß nicht alle folgenden Urkunden mit
völliger Sicherheit auf Eckhard II. zu beziehen sind. Es
fehlt hier und da an hinlänglichen Kennzeichen, um seine
Persönlichkeit festzustellen. Unbedingt kann behauptet
werden, daß er gegen Ende des Jahres 1308 noch am
Leben war. Außerdem scheinen die folgenden Thatsachen
ihn zu betreffen.
In der Saalegegend, im heutigen Kreise Querfurt, be-
zeugte er — unverkennbar durch den Rittertitel — ein
Kaufgeschäft zwischen den Klöstern Reinsdorf und Beutitz,
und der Abt von Goseck, mit dessen Nachfolgern das Ge-
schlecht später noch mehr zu schaffen hatte, war neben
ihm Zeuge (1302). Wir schließen daraus, daß Eckhard II.
damals schon vom Land- bezw. Markgrafen mit Gütern
zu Markröhlitz (im Kreise Querfurt) und in der Nachbar-
schaft ausgestattet war. Aber erst Eckhards IL Nach-
kommen sind im Besitze dieser Lehen ganz sicher nachzu-
weisen. Im Sommer des nächsten Jahres treffen wir ihn
in der Reichsstadt Mühlhausen, in der er öfter weilte. Er
bezeugte hier — wiederum als Ritter ausgezeichnet — eine
Schenkung für das eichsfeldische Kloster Anrode und lieferte
wenige Wochen später den Beweis, daß er auch in der alten
Heimat noch begütert war. Dem Deutschordenshause zu
Nägelstedt überwies er nämlich ein tüchtiges Stück Land
nebst 2 Höfen in Clettstedt (nö. Langensalza). Sein Sohn
Eckhard III. beteiligte sich an der Schenkung. Als erster
Zeuge wird Heinrich von dem Haine genannt, wohl ein
1) M. G. Scriptores XXV, 711.
Die von Balenhusen. 249
Mitglied der Familie Hagen (bezw. Westernhagen), mit der
der junge Eckhard III. von da ab regen Verkehr unterhielt.
Mit der Stadt Erfurt vermied Eckhard 11. dem An-
scheine nach jede Verbindung. Wenn man nach einem
Grunde hierfür sucht, so braucht man nur auf einen Um-
stand hinzuweisen. Die Erfurter waren samt König Rudolfs
Kriegern einstmals ausgezogen, um die thüringischen Ritter-
burgen zu bestürmen. Jetzt bot sich Gelegenheit zur Rache.
Der Land- und Markgraf Friedrich wurde Erfurts Feind.
Und bei diesem Fürsten, der gerade auf der Wachsenburg
in der Nähe von Arnstadt Hof hielt, befand sich im Herbste
1308 ein Ritter Eckhard von Ballhausen, also wohl Eck-
hard II. Ehe es aber zum offenen Kampfe mit der Stadt
Erfurt kam, dachte Eckhard IL, der an der Schwelle des
Greisenalters stand, an Tod und Seelenheil. Die Nonnen des
Mühlhäuser Brückenklosters sollten sein und seiner Gemahlin
Bertrade Jahrgedächtnis feiern, darum machte er ihnen
eine bedeutende Zuwendung in Clettstedt (am 8. Dezember
1308). Seine drei Söhne Giselher, Eckhard III. und
Eckhard IV. hatten natürlich nichts dagegen einzuwenden.
Wenige Wochen später erfüllte ein Eckhard von Ball-
hausen — da der Rittername fehlt, kann man zweifelhaft
sein, ob Eckhard IL oder III. — neben Hermann von
Westernhagen und Johann von Esplingerode, die ehrenvolle
Aufgabe, zwischen der Reichsstadt Mühlhausen und einem
Vogte des Herzogs Heinrich von Braunschweig zu vermitteln.
Es handelte sich um einen Totschlag. Die unter Mühlhäuser
Gerichtsbarkeit stehenden Bauern von Eberolderode (Elbe-
rode, eine Zeit lang auch Mönchhof genannt?) und Eigen-
rode (ö. Dingelstedt) hatten den herzoglichen Kaplan, der
zugleich Pfarrer des erstgenannten Dorfes war, ermordet.
Der Krieg zwischen dem Markgrafen Friedrich und
den Erfurtern brach aus. Den Bürgern halfen zwei starke
Bundesgenossen: der Feldhauptmann des deutschen Königs,
Heinrichs VIL, und der Landgraf Johann von Hessen. Die
Verbündeten zogen (im Sommer 1309) alle miteinander
XXL 17
250 I^iß voll Balenhusen.
gegen (Lützen-?) Sommern und Ringleben und verbrannten
die Ortei).
Seitdem verschwindet Eckhards II. Name aus den
Geschichtsquellen. Ob das mit diesem Kriege zusammen-
hängt, oder ob er schon vorher, vielleicht im Dezember
1308, gestorben ist, wissen wir nicht.
Eckhards II. Sohn Giselher (R. No. 69. 83) wird
nur zweimal erwähnt. Das eine Mal (1308) nimmt er in
Mühlhausen an der Stiftung teil, die seine Eltern zu ihrem
Seelenheile errichten. Das andere Mal (1331) schließt er
neben anderen Verwandten einen Vergleich mit dem Kloster
Homburg bei Langensalza. Es kamen dabei Güter in Bothen-
heilingen (Kreis Langensalza) in Betracht.
Eckhard III. und Eckhard IV., die anderen Söhne Eck-
hards II;, scharf zu scheiden, kostet viel Mühe. Ich habe
folgenden Unterschied zu bemerken geglaubt. Eckhard IV.
hält sich in der Gegend von Markröhlitz (Kr. Querfurt) auf,
während Eckhard III. in den Dienst des Herzogs Heinrich
von Braunschweig tritt und der Familie von Hagen nahe steht.
Eckhard III. (R. No. 64. 65. 69—72. 74. 75) tritt
zum ersten Male im Jahre 1303 auf Neben seinem Vater
spendete er damals dem Deutschen Hause zu Nägelstedt
Ackerland und 2 Höfe. Wie bei dieser Gelegenheit ein
Heinrich von dem Haine bei Eckhard III. war, so bezeugte
der letztere (1306) zusammen mit den Gebrüdern Heinrich
und Rüdiger von Hagen eine Urkunde Dietrichs und Hein-
richs von Hagen, die mit dem eichsfeldischen Kloster Reifen-
stein Güter tauschten. Als seine Eltern (1308) für ihr
Seelenheil sorgten, war er mit der Schenkung einverstanden.
Vielleicht ist es auch Eckhard III. (und nicht Eckhard II.)
gewesen, der (am 9. Jan. 1309) zwischen Berthold Fuchs,
dem herzoglich braunschweigischen Vogte, und der Stadt
Mühlhausen vermittelte. Denn der Rittertitel, den Eck-
1) Sächsische Weltchronik (Deutsche Chroniken II), S. 312;
Cronica S. Petri Erfordensis moderna (M. G. SS. XXX) S. 441—443.
Die von Balenhusen. ^51
hard II. führte, fehlt, und das vorgesetzte Wort „Herr"
(dominus) könnte man ja als eine Erinnerung an die
frühere Freiherrlichkeit des Geschlechtes oder als ein-
fachen Ehrentitel auffassen.
Einen Monat später befand er sich in Oberhagen, das
man wohl auf dem Eichsfelde zu suchen hat. Die Ge-
brüder Heinrich, Rüdiger und Hermann von Hagen mach-
ten dem Deutschordenshause zu Wahlhausen (im Kreise
Heiligenstadt) eine Schenkung, die auf Bitten der Ordens-
brüder Eckhard III. mit seinem Siegel bekräftigte. Im
Herbste des Jahres 1311 finden wir ihn in Eisenach im
Gefolge der Herzogin Agnes, Gemahlin des Herzogs Hein-
rich von Braunschweig und Schwester des Markgrafen
Friedrich von Meißen. Jetzt hatte Eckhard III. den Ritter-
schlag empfangen. Als Ritter bezeugte er dann (1314) eine
Urkunde des Herzogs Heinrich für die Marienkirche vor
der Stadt Eimbeck und (1315) die Empfangsbescheinigung
zweier braunschweigischer Ritter, die demselben Herzoge
Vogteien und andere Güter verdankten.
Eckhard IV. von Ballhausen (R. No. 69. 76. 77),
der dritte Sohn Eckhards II., tritt wenig hervor. Bei der
Stiftung von 1308 wird er neben seinen Eltern und Brüdern
erwähnt. Im Herbste des Jahres 1315 war er Ritter. Am
24. Oktober übertrug er dem Kloster Homburg bei Langen-
salza den Zehnten in Bothenheilingen, den Hermann von
Greußen von ihm besaß. Dies scheint aber nur der Verzicht
auf einen Bruchtheil vom Zehnten gewesen zu sein. Denn
ein Ritter Ludwig von TJbach verkaufte nicht allzulange
vorher denselben Zehnten an das Kloster Homburg ^).
Günther von Salza, unter Gerlach von Breuberg stellver-
tretender Friedenshauptmann in Thüringen ^), bezeugte Eck-
hards Schenkung an erster Stelle. Kaum drei Wochen
1) Förstemann, ürk. des Klosters Homburg in den Neuen
Mitteil, histor.-antiquar. Forschungen VIII, 2, S. 83 No. 55.
2) Regesten des Geschlechts öalza, Leipzig 1853, S. 95 No. 90.
(1296).
17*
252 t>ie von I5alenhusen.
danach, am 11. November 1315, bezeugte Eckhard IV.
einen Kaufbrief auf dem Schlosse Neuenburg bei Freiburg
an der Unstrut. Nach einer Andeutung in der Urkunde mag
er zu den dortigen Burgmannen gehöH haben. Als Vogt
auf der Burg waltete Rudolf von Cannawurf. Derselbe^
sowie Eckhard von Cannawurf i) und Mitglieder der mut-
maßlich verwandten Familien von Haldeck und von Ücht-
ritz werden von jetzt ab öfter neben den Ballhäusern ge-
nannt. Vielleicht ist der Schluß erlaubt, daß Rudolf von
(Jannawurf eine Tochter Eckhards IL von Ballhausen heim-
geführt und dem ältesten Sohne, wie es damals üblich war
den Vornamen seines Schwiegervaters beigelegt hat.
Allem Anscheine nach haben Eckhard III. und IV.
von Ballhausen kein hohes Alter erreicht. Wenige Jahre
später taucht Eckhard V. (R. No. 80. 83. 85. 86) auf,
vermutlich Eckhards IV. Sohn , auffälligerweise bereits
1322 Ritter. Sein Siegel ist (1322 und 1336) kenntlich
an einer Rose unter den Widderhörnern. Sein Wohnsitz
war Rollicz (Markröhlitz im Kreise Querfurt). In einer
Urkunde von 1331 bezeichnet er Giselher von Ballhausen,
Eckhards II. Sohn, als seinen Vetter, d. h. Vatersbruder;
Friedrich und Apel von Wangenheim dagegen nennt er
seine Oheime, also waren sie wohl Brüder seiner Mutter.
Man darf es nicht als gewiß hinstellen, daß dieser Eckhard
von 1331 mit dem von 1322 und 1336 identisch ist, aber
zeitliche und örtliche Verhältnisse sprechen dafür. Darum
werden hier die wenigen Nachrichten aus den 3 Jahren
zusammen aufgeführt.
Im Jahre 1322 verkaufte Eckhard V. seinen Zehnten
zu Korbetha (n. Weißenfels) an das Kloster Beutitz (w-
1) E. No. SC) (l:!-3r)). 94 (i:i63) — Wolff, Chronik des Klosters
rfortu II, '){)[). 510. — IT, 298: Gebrüder Günther und Rudolf von
Cannawurf (1301). — Über die mutmaßliche Verwandtschaft der
von Cannawnrf mit denen von Scheidungen, Haldeck und
Uehtritz vergl. von Wangenheim, Regesten des Geschl. Wangen-
Iieiiii, II .")? No. 95 Anm.
Die von Balenhusen. 253
Weißenfels). Unter den Zeugen befanden sich neben Al-
bert Knut noch Hermann, Heinrich und Tammo von Hal-
deck, deren Stammburg bei Freiburg an der Unstrut lag.
Vor ihnen wird der Ritter Peter Porzik genannt, später
Marschalk des Landgrafen Friedrich i). Neun Jahre danach
verzichtete Eckhard V. auf seine Ansprüche an den Zehnten
in Bothenheilingen (Kreis Langensalza), den Eckhard IV.
16 Jahre früher dem Kloster Homburg überlassen hatte.
Jetzt kam auch noch ein Gut an demselben Orte in Be-
tracht. 8 Mark Silbers brachte Eckhard V. der Ver-
zicht ein, dem sich alle seine Erben anschlössen, vor-
züglich sein „Vetter" Giselher von Ballhausen. Unter den
Zeugen befanden sich mindestens vier Wangenheimsche
Burgmannen (Schnoyse und Schaf). Zu Eckhards V. Lehen,
die ihm der Markgraf Friedrich von Meißen übertragen hatte,
gehörte unter anderen ein Wald bei Mücheln im Kreise
Querfurt. In Weißenfels versprach Eckhard (am 10. Jan.
1336) dem Markgrafen, ihm oder seinen Erben den Forst
zurückzugeben, sobald eine entsprechende Entschädigungs-
summe (118 Schock Groschen) dafür gezahlt würde. Wie
es scheint, unterblieb aber Bezahlung und Rückgabe. Im
Monat Mai desselben Jahres kam Eckhard V. nach Merse-
burg und traf mit Rudolf von Cannawurf und anderen den
dortigen Bischof Gebhard bei einem Kaufgeschäfte.
Ein volles Dutzend von Jahren schweigen nun die
Quellen von den Eckharden. Dann erscheint (1348) mit
Eckhard VI. (R. No. 90. 91) eine ganz neue Generation
auf der Bildfläche. Die fehlende Ritterwürde und die drei
vorher nie erwähnten Brüder Marold, Peter und Fried-
rich (R. No. 90. [91]. 94) lassen keinen Zweifel an dieser
Annahme zu.
Am 24. August 1348 stiftete nämlich der Pfarrer
Günther zu Markröhlitz einen Vergleich zwischen dem
Kloster Goseck (Kreis Querfurt) und den Gebrüdern Eck-
1) Wangenheim, Reg. des Geschl. Wangenheim I, S. 78 No. 82.
S. 79 No. 83 (1329). S. 82 No. 89 (1337).
254 Die von Balenhusen.
hard, Marold, Peter und Friedrich von Ballhausen ^). Der
Streit, der auf diese Weise beigelegt wurde, betraf ein
Untergericht und unbedeutenden Gruildbesitz in der Feld-
mark von Goseck. Wegen zweier Hufen mußten die Brü-
der sich erst noch einem Schiedsgerichte unterwerfen. Unter
den Zeugen fällt wieder einer von Haldeck auf, Heinrich,
Petzolds Sohn; daneben Tammo von Üchtritz, auf dessen
Geschlecht schon einmal hingewiesen ist (Seite 252 und
Anm. 2).
Die Lehen, welche die vier Ballhäuser (1349) besaßen,
lagen zu einem großen Teile in Markröhlitz (Kr. Querfurt).
Dazu gehörten die beiden Gehöfte, auf denen sie selbst
wohnten, 15 Bauernhöfe und das Ortsgericht, in der Dorf-
mark 18 Hufen Landes und 8 Acker Holz. In Podelwitz
(bei Leipzig ? oder Pödelist, Kr. Querfurt ?) hatten sie einen
Teil des Lehnholzes; auch von dem Forste in Mücheln
(Kr. Querfurt) stand ihnen noch immer etwas zu, vielleicht
ebensoviel wie 1336. In Lunstädt (Kr. Querfurt) waren
sie mit einer Hufe, einem Hofe und einer Wiese belehnt,
in den unbekannten wüsten Dörfern Slaukar und Preps
mit dem Gerichte. Wenn das Land fruchtbar war, und
die Besitzer keine zu hohen Ansprüche machten, dann
konnten sie von diesen Lehengütern wohl ihren Lebens-
unterhalt bestreiten. Freilich war es im damaligen Ritter-
stande eine seltene Kunst, sich nach der Decke zu strecken.
Und diese Kunst verstanden die Ballhäuser nicht.
Solange noch etwas da war, verbrauchten sie es, und dann
machten sie Schulden. Eine Urkunde von 1363 — Eck-
hard VI. war damals wohl schon tot — entwirft uns da-
von ein anschauliches Bild. Peter und Friedrich borgten
40 Schock schmaler Groschen von ihrem Bruder Marold.
Dieser hielt sie aber für so wenig zahlungsfähig, und er
lebte selbst in so knappen Verhältnissen, daß er sich
l) F. B. von Hagke, Weißensee, S. 316, führt denselben Ver-
gleich schon einmal zum Jahre 1334 an. Ich habe nichts darüber
gefunden.
Die von Balenhusen. 255
sofortige Rückgabe des Geldes ausbedang, sobald er darum
mahnte, und außerdem die vier Bürgen seiner Brüder eben-
falls zu sofortiger Zahlung verpflichtete. Die vier Bürgen
waren Hans und Albrecht Knut, Henzel von der Vesten
und Eckhard von Cannawurf. Peter und Friedrich von
Ballhausen hatten ihrem Bruder schon früher vor dem Abte
Hans von Goseck gelobt, daß er ihre damaligen und zu-
künftigen Schulden nicht zu bezahlen brauchte ; und was
er an Geld und Gut besonders besäße, das sollte er nicht
mit in die Teilung bringen, wenn er sich von ihnen trennen
wollte. Trotzdem würden sie ihm sein Erbteil gütlich
geben. Peters und Friedrichs Überschuldung war demnach
so groß, daß Marold eine Gütertrennung in Erwägung zog.
Eine innige brüderliche Liebe herrschte schwerlich unter
den dreien, wenn sie auch nicht zu der Gattung der feind-
lichen Brüder zu rechnen waren. Sie mögen noch ein paar
Jahre gelebt und geliehen, verbraucht und verloren haben,
aber in den Quellen herrscht Schweigen über sie^). Sang-
los, klanglos versinken sie im Strome der Vergessenheit.
4. Der Ausgang des Schwarzenberger Zweiges
(1329—1420).
Um einige Jahrzehnte länger läßt sich die hessische
Linie des Geschlechtes verfolgen. Ihre Stammväter können,
wie oben nachgewiesen ist, nur Widekind (1273 — 1301)
oder Berthold IIL (1286—1301) gewesen sein.
Fast ein Menschenalter vergeht, ehe. wieder ein Seh warzen-
berg auftaucht, der zweifellos dem Zweige der Ballhäuser
am Fuldastrande angehört 2). 1329 bezeugte der Knappe
1) Bis 1415 hatte Konrad von Tannrode Besitzungen in Rolitz.
(Wolff, Pforta II, 539). Vergeblich habe ich mich bemüht, fest-
zustellen, ob die von Tannrode die Lehensnachfolger derer von Ball-
hausen gewesen sind.
2) Die Untersuchung wird dadurch sehr erschwert, daß in
Oberhessen, in der Grafschaft Ziegenhain imd manchmal noch näher
am Fuldagebiet ein Werner, Friedrich oder Johann von Schwarzen-
9f)(') Die von IJalenlmsen.
J oll an 11 I. v(^n 8 ch w ar z en b er g (11. No. 82. 92) eine
Urkunde des westfälischen Klosters Hardehausen, das bis
gegen das Ende des 13. Jahrhunderts Besitzungen in Mel-
sungens nächster Nähe hatte, nämlich den Hof Schwerzel-
furt unter dem Wildesberge.
Johann 1. besaß in Schwarzenberg und Umgegend
Güter als hessische Lehen, aber ach ! wie waren sie
zusammengeschmolzen seit den Tagen der Väter! Im Dorfe
Schwarzenberg selbst war ein Teil des Grundbesitzes in
andere Hände übergegangen. 8o besaßen dort fl354) Elisa-
beth von Taboldshusen (Dagobertshausen, ssw. Melsungen)
und deren Söhne zwei Hufen i). Statt der Burg, die einst-
mals ihre Zinnen stolz gen Himmel streckte, nannte Johann
von Schwarzenberg nur noch Haus und Hof sein eigen
oder vielmehr sein landgräfliches Lehen; denn Allode be-
saß er höchst wahrscheinlich überhaupt nicht mehr. Dort
hatte er seine bescheidene Wohnstätte, dabei eine kleine
Wiese, ein Ländchen und ein Bergstück. Vor der Stadt
lierg angeführt wird, der zu einer anderen Familie gehört. Johann
ist noch dazu Zeitgenosse Johanns I. —
Man vorgleiche die Urk. des Grafen Gottfried von Eeichenbach
[-Ziegenhain], Heiligenberg (w. Melsungen) ]263 „Wernhero de
Suarzinberg; Wcnck, Hessische Landesgesch. Urk. zum ?>, Bde.
S. 131 No. 148. — Urk. des Grafen Gottfried von Ziegenhain,
Kaiischenberg 1285 JuU G. „Fridericus de Suarzinburg armi-
geri"; Wonck, Hess. Landesgesch., Urk. zum 2. Bde. S. 218 No. 207.
Derselbe Friedrich läßt sich 1275 — 1308 nachweisen; Wyse, Hess.
Urk. I, an verschiedenen Stellen, II, 121. 137. ^ Urk. der Ab-
tis>iii Mechtliildis zu P^schwege, 1310 Juli 2G: „frater Conradus
dictiis de Sil arche nbe rg" ; Jul. Schmincke, U.-B. des Klosters
Uornliorg, in der Zcitschr. f. hess. Gesch. N. F. I. Suppk S. 152
No. 7)2. Dieser Konra<l könnte noch am ersten zur Familie Ball-
liausen - Schwarzenlierg gehören. — 1336 Juni 8. „Johan von
bwart zen l)crg ein wapendreger'' ; Wyss II, 642; L. Baur, Hess.
Urk. 11, 711 Annierk. Urk. Kaiser Karls IV.: Prag 1360 Januar 12.
,,Johannes de Hwarzenberg . . . comites" (natürlich noch ein
anderer .Johann) ; Uanr, Hess. Urk. V., 396 No. 422.
1) T'rk. vom 15. Jan. 1354 im Staatsarchiv Marl)urg (Georgs-
kloster in Honiberir).
Die von Balenhusen. 257
Melsungen stand ihm noch der sechzehnte Teil vom Zehnten
zu, der bis zur Ablösung (1835) der Schwarzenberger Zehnte
hieß. Er war einem Melsunger Bürger namens Korsener auf
Lebenszeit zu Lehen gegeben ; nach Korseners Tode fiel
er an Johann von Schwarzenberg zurück. Ferner gehörte
diesem der Zehnte zu Wendesdorf, einem armseligen Dorfe
(heutzutage Wüstung) am Steinwalde oberhalb Röhrenfurts,
und gegenüber auf dem rechten Fuldaufer eine Hufe zwischen
Melsungen und Schwarzenberg, ihrer Gestalt halber Zungen-
hufe genannt, eine Hufe in Körle, eine Stunde Weges strom-
abwärts, und endlich fünf Viertel (etwa Scheffel) jährlichen
Kornzinses im Dorfe Krumbach, am Nordabhange der Söhre.
Von sämtlichen Eigengütern, die Widekind und Berthold
ehemals dem Landgrafen Heinrich I. abgetreten hatten, war
einzig und allein die Körler Hufe eine schwache Erinnerung,
aber natürlich jetzt auch hessisches Lehen. Und wie hatten
sich die Bilsteinschen Lehen, der Melsunger Zehnte und
die übrigen Güter verringert! Von den kärglichen Über-
resten, die man kaum für das ganze Vermögen halten kann,
ernährte Johann sich, sein Weib Katharina und seine
Kinder Johann II. und Gisela. Und der Besitz war
nicht einmal den Erben sicher, sondern nur Johanns I.
persönliches Lehen.
Landgraf Heinrich II. von Hessen hatte nun aber ein
Einsehen und belehnte (1351) Katharina und ihre vor-
handenen und zukünftigen Kinder erblich mit dem oben
geschilderten Besitztume und befreite ihr Haus von'Diensten
und außerordentlichen Steuern.
Von der Kirche zu Schwarzenberg, die 1269 — 84
in dem Pfarrer Reinhard oder Reinher und 1313 in Rupert
eigene Prediger besaß i), fiel in dem Lehnbriefe kein Wort.
Die Ansprüche derer von Ballhausen auf die Kirche konnten
auch unmöglich schwer wiegen; denn als 1284 Helwig von
Adelshausen den Schwarzenberger Kirchzehnten an sich riß,
1) Urk. vom 23. April 1269 (Kloster Eppenberg) und vom
1. September 1313 (Martinsstift in Cassel) im Staatsarchiv Marburg.
2f)g Die von Balenhusen.
ließ der Official der Propstei Fritzlar die Sache durch die
Pfarrer von Körle und von Melsungen untersuchen und
wies Helwigs Übergriffe zurück, ohne "^idekind und Bert-
hold von 8chwarzenberg und deren Oheime im mindesten
zu Kate zu ziehen oder zu erwähnen. Darum hielten sich
Landgraf Heinrich II. und dessen Sohn, der unter dem
Namen Otto der Schütz berühmt geworden ist, für be-
rechtigt, das Patronatsrecht über die Schwarzenberger
Kirche dem Martinsstifte in Cassel zu schenken ^). Papst
Urban V. bestätigte die Schenkung und beauftragte (1366)
den Bischof Ludwig von Halberstadt, das Martinsstift in
den Genuß der ihm erteilten Rechte zu setzen. Das mochte
für die Schwarzenbergische Familie Nachteile und Demüti-
gungen im Gefolge haben, aber schießlich handelte es sich
doch um eine kirchliche Stiftung, welcher das Mittelalter
mit Nachsicht begegnete. So erteilte Johann IL von
Schwarzenberg (R. No. 92. 99) seine Zustimmung, zu seinem
Seelenheile und dem seiner inzwischen verstorbenen Eltern.
Er verzichtete (1372) ausdrücklich auf sein bisheriges An-
recht am Schwarzenberger Kirchlehen und an den Kirchen,
die dazu gehörten (in den Dörfern Schwarzenberg und
Röhrenfurt).
Nun war aber Johann IL nicht der einzige Erbe, sondern
es lebte noch ein jüngeres Mitglied der Familie, H elf rieh
(R. No. [101]. 103—107), ein Vetter oder ein Bruder Jo-
hanns, der erst nach 1351 geboren war. Auf diesen
Jüngling scheint man weiter keine Rücksicht genommen
zu haben.
Landgraf Heinrich II. und sein Nachfolger Hermann
hatten in den siebziger Jahren des 14. Jahrhunderts mit
der Ritterschaft und den Städten Hessens arge Käinpfe zu
bestehn, und da wurden die wenigen Treugebliebenen auf
Kosten der Feindseligen und der Lauen mit Gnaden und
Gütern ausgestattet. Ritter Walther. von Hundeishausen
1) Kiichonbecker, Anal. Ifass. fX, 210. E. No. 96. 97.
Die von Balenhusen. 259
der Jüngere gehörte, im Gegensatze zu anderen Mitgliedern
seiner Familie, zu den Freunden des Landgrafen. Darum
belehnte ihn Hermann der Gelehrte (1379) mit einer Geld-
summe, die in erster Linie aus den Einkünften des Gerichtes
und Gutes zu Schwarzenberg und anderen Gefällen des
Dorfes bestritten werden sollte. Wenn man die Urkunde
von 1417, die unten noch zu besprechen ist, vergleicht, so
war dies ein gewaltthätiger Eingriff in die Rechte der
Familie Schwarzenberg. Helfrich faßte es auch so auf und
begab sich zum Erzbischof Adolf L von Mainz, dem er
seine Kraft und sein Schwert zur Verfügung stellte. Adolf
war der Erzfeind Hermanns des Gelehrten i). An den
Kriegen des Erzbischofs gegen Hessen hat Helfrich ohne
Frage teilgenommen. Im Sommer 1385 ernannte Adolf den
jungen Schwarzenberg and dessen Leibeserben zu Burg-
mannen auf dem Bischofsstein im oberen Eichsfelde. Dies
sollte die Belohnung sein für geleistete Dienste tind die-
jenigen, welche er dem Erzstifte noch leisten würde. Ein
festes Haus freilich, das dann als Burglehen galt, mußte er
sich dort erst bauen. Helfrich ging in seiner Gegenurkunde
unbedenklich auf diese Bedingungen ein, nahm auch nicht
den mindesten Anstoß an der Spitze, die sich gegen Her-
mann den Gelehrten richtete. Was der Landgraf nämlich
von den Schwarzenbergischen Lehen- und Eigengütern an
sich risse, sollte Helfrich, sobald er es zurückgewönne, dem
Stifte zu Lehen auftragen, überdies auch 200 Gulden baren
Geldes.
Mit dem braunschweigischen Herzoge Otto dem Quaden
und dem Landgrafen Balthasar von Thüringen verbündet,
begann der Erzbischof zwei Jahre später seinen Haupt-
feldzug gegen Hessen. Er eroberte und teilte mit seinen
Bundesgenossen drei hessische Städte: Rotenburg an der
Fulda, Melsungen und Niedenstein. Bei Melsungen endete
1) Vgl. W. Friedensburg, Landgr. Hermann II. von Hessen
und Erzb. Adolf I. von Mainz, in der Ztschr. f. hess. Gesch. N. F.
XI, 138 u. s. w.
9(j0 Die von Halenhusen.
das von den drei Fürsten besetzte Gebiet unmittelbar an
der Schwarzenberger Feldmark. Ob Helfrich sich wieder im
Dorfe seiner Väter festgesetzt oder Einkünfte von da be-
zogen hat, ist unsicher. Bei der Xähe der befreundeten
Streitkräfte durfte er das aber wohl wagen. 1392 befand
er sich In der Stadt Melsungen und untersiegelte dort einen
Schenkungsbrief für das Georgshospital. Sein Siegel zeigte
noch die Ballhausischen Widderhörner, aber sie waren flach
und winzig geworden im Laufe der Jahre, ein Symbol für
den Niedergang des Geschlechts.
Nach dem Tode des Erzbischofs Adolf vermochte der
gedemütigte Landgraf von Hessen sein Haupt zu erheben.
Sieben Jahre lang hatte er seine drei Städte in Feindes-
händen gesehen, jetzt erhielt er sie zurück (1394). Zahl-
reiche Urkunden mit genauen Einzelbestimmungen sind aus
der Zeit des Friedensschlusses erhalten, aber vom Schicksale
des Dorfes Schwarzenberg und seines Herrn berichtet keine.
Helfrich hielt jedenfalls an seinen Ansprüchen zähe fest.
Erst nach dem Tode Hermanns des Gelehrten schloß er mit
dem Landgrafen Ludwig I. einen Vertrag, worin er auf
Schwarzenberg endgültig verzichtete (1417). Er überließ
den hessischen Fürsten das Gericht und das Dorf, nach
dem er sich nannte, und andere Güter, die dort und im
Gerichte Melsungen lagen, erklärte die Lehenbriefe für
kraftlos und versprach deren Rückgabe.
Viertehalb Jahre danach entschädigte ihn Erzbischof
Konrad von Mainz. Er l^elehnte ihn mit zwei Hufen Landes
zu Bartdorl' unter dem Bischofssteine (Groß-Bartloff auf
dem Eiclisfelde), mit einer Hufe im Luttergrunde bei Groß-
Bartloff und 5 Gulden Geldes zu Schnellmannshausen (s.
Treffurt a. d. Werrai. So wurden Helfrichs Interessen
einzig und allein aui' das mainzische Eichsfeld beschränkt.
Die Hoj^nungen und Bestrebungen seiner Jugend hatte er zu
Grabe getragen, und bald folgte er ihnen nach, der letzte
Sproß eines edlen Geschlechts.
Die von Balenhueen. ' 261
5. Schloß Kl ein- Ballhausen und Ballhäuser ohne
erkennbaren Zusammenhang mit dem Haupt-
geschlechte.
Sowohl im Dorfe Groß- wie in Klein-Ballhausen befand
sich ehemals je eine Burg. Nach der Überlieferung, die
schwer auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen ist, lag das
Schloß Groß-Ballhausen auf der Stätte des jetzigen Grünen
und Roten Hofes. Durch Erbteilung in der Familie von
Hausen sollen diese beiden Gehöfte auf den Trümmern der
alten Burg entstanden sein.
In einer Urkunde (um 1258) wird Eckhard I. von
Klein-Ballhausen genannt. Hier war also der Sitz
des Geschlechts. Und gerade über das Schloß Klein-Ball-
hausen vermögen wir einige bestimmtere Angaben zu
machen 1). Vorjahren waren im Dorfe noch Trümmer und
Gräben vorhanden, die an die Feste erinnerten. Die Gräben
hat der jetzige Besitzer, Minister Lucius von Ballhausen,
einebnen und auf der alten Burgstätte sein neues Herren-
haus errichten lassen. Es liegt dicht beim Dorfe und bildet
mit diesem einen ununterbrochenen Zusammenhang.
Wenn es schon mit Schwierigkeiten verbunden ist, die
Lage der beiden Burgen festzustellen, so stößt die Darstellung
ihrer älteren Geschichte noch auf größere Hindernisse. Das
rührt von folgenden Ursachen her.
So lange Eckhard I. um die Mitte des 13. Jahrhunderts
in Ballhausen Urkunden ausstellte, ist mit hoher Wahr-
scheinlichkeit das Schloß Klein-Ballhausen als sein Wohnsitz
anzunehmen. Diese Wahrscheinlichkeit hört bereits bei
seinen Söhnen auf, da ihre Verträge samt und sonders an
anderen Orten abgeschlossen wurden. Dann wird die Burg
Ballhausen im Zusammenhange mit dem Erzbischof von
Mainz und verschiedenen Fürsten und Adligen genannt.
Nun erhebt sich aber die heikle Frage, ob Groß- oder
Klein-Ballhausen gemeint sei. Denn erst gegen die Mitte
1) Nach gütigen Mitteilungen des Herrn Steuerinspektor Hoff-
mann, Kataster-Kontrolleur zu Weißensee in Thüringen.
9ß2 i^ie von Balenhusen.
des 14 Jahrhunderts beginnt man die beiden festen Häuser
regelmäßiger durch Vorsetzung der Eigenschaftswörter „groß"
und „klein" zu unterscheiden. Man möchte vermuten, daß
anfangs nur eine Burg vorhanden geweseii, Klein-Ballhausen,
und daß das Schloß Groß-Ballhausen erst erbaut wäre, nach-
dem das Cistercienser-Kloster (1326) von da nach Großen-
Furra verlegt war. Allein da jene Vermutung in den
Quellen auch nicht durch die leiseste Andeutung unter-
stützt wird, so sind mit Sicherheit auf die Burg Klein-Ball-
hausen nur diejenigen Überlieferungen zu beziehen, welche
genügende Unterscheidungsmerkmale aufweisen. In den
folgenden Zeilen mußten aber zunächst noch andere An-
gaben berücksichtigt werden , wenn ihre Beziehung auf
Klein-Ballhausen auch nicht unbedingt feststeht. Sie geben
jedoch Aufklärung über Personen, die zuweilen den Namen
von Ballhausen führen.
Auf irgend eine Weise, vielleicht durch Kauf, gelangte
zu Beginn des 14. Jahrhunderts , also nach dem Auf-
hören der mainzischen Herrschaft, Hugo von Herbs-
leben in den Besitz des Schlosses Ballhausen. Beim
Friedensschlüsse mit der Stadt Erfurt, die ja mit dem
Landgrafen Friedrich von Thüringen einen Kampf zu
bestehn hatte, stand Hugo von Herbsleben zu seinem
Landesfürsten im besten Verhältnisse, er gehörte zu den
20 Bürgen des Vertrages, die sich zum Einlager ver-
pflichteten (1310)1). Aber dann trübte sich die Freund-
schaft, es kam sogar zu Gewaltthaten und offener Fehde
zwischen dem Fürsten und Hugo und dessen Söhnen. Im
Laufe des Streites veräußerten die letzteren das Schloß
Ballhausen an die Grafen von Hohnstein , von denen es
nach längeren Zwistigkeiten und Verhandlungen endgültig
in die Hände der thüringischen Landgrafen überging
]) H. F. A. V. WangenhcHTi, Rcgesteu und Urk, des Geschl.
Wantrcnhcini I Hannover 1S57, II Göttingen 1872, II, 21 No. 23
(l.'Uü Mai 29.).
Die von Balenhusen. '263
(1319)^). Dort wahrte nunmehr ein landgräflicher Vogt
den Nutzen seines Herrn 2).
Ein Gut in Ballhausen, das Hugo von Herbsleben
bisher eigentümlich besessen hatte, behielt er bei der Ver-
söhnung als landgräfliches Lehen. Hier richtete er sich
mit den Seinen wieder häuslich ein. Wenn in einer Ur-
kunde (1317) „Hugo in Ballhausen" genannt wird 3) neben
den Söhnen Heinemanns von Herbsleben, so ist jener kein
anderer als Hugo von Horbsleben. Das beweisen auch die
dabei angeführten Besitzungen in Engeleben, einer Wü-
stung bei Vehra an der Unstrut, wo die von Herbsleben
begütert waren. Und einer der Zeugen, unverkennbar
durch den sonderbaren Namen Albert Nacht, bezeugte
sonst (mindestens dreimal) Herbslebensche Verträge.
Sieben Jahre später, im März 1324, wird „Hugo von
Ballhausen" mit seinen Söhnen Apele (= Albert), Jo[hann]
und Hugo zusammengestellt. Das ist wieder Hugo von
Herbsleben. Denn abermals sind es Güter in Engeleben,
über die er verfügt; und nach einer Urkunde vom folgen-
den Monate*) hießen die Söhne Hugos von Herbsleben eben-
falls Albert, Johann und Hugo. Endlich ist Dietrich Zopf,
der Lehensmann jenes Hugo von Ballhausen, zugleich Vasall
Rudolfs und Johanns von Herbsleben ; und sämtliche vier
Zeugen bescheinigen (1323) auch eine Urkunde der eben
erwähnten Herren von Herbsleben.
Hugo von Herbsleben , dessen Tod 1326 berichtet
wird^), muß bereits im Sommer 1324 verstorben sein. Denn
im September desselben Jahres verpfändete Markgraf Fried-
rich das Gut zu Ballhausen an die Ritter Hermann Gold-
1) Jovius, Chronic. Schwarzburgicura, 5. Teil, Kap. VIII (Schoett-
gen etKreysig, Diplomataria et script. hist.Germ. I, 315 D.). R. No. 76.
2) C. Beyer, U.-B. der Stadt Erfurt II, No. 14 (1322 Juni 8.).
3) G. A. B. Wolff, Chronik des Klosters Pforta, I^eipzig
1843—46 II, 408 (1323). 417 (1326).
4) Wolff, Pforta II, 414.
5) Wolff, Pforta II, 417 (1326 Nov. 9.): Albert, Sohn Hugos
in Hervisleben seligen Angedenkens.
2G4 -1-^'G von Balenhusen.
acker und Tytze von Weberstedt. Er behielt sich aber
das Recht vor, die Besitzung nach 4 Jahren mit 682 Mark
lötigen Silbers wieder einzulösen i). Das hat er später
jedenfalls gethan, und die von Herbsreben sind wieder in
den Genuß des Lehens gelangt.
Im Jahre 1348 schrieb Heinrich Topelstein, Hauptmann
der Bürger zu Mühlhausen, an Günther von Herbsleben
über eine vorübergehende Erwerbung, die „Hugos Sohn
von Ballhausen" gemacht hätte 2). Daß auch hier nur ein
Nachkomme Hugos von Herbsleben gemeint sein kann, er-
leidet keinen Zweifel.
Noch beinahe zwei Jahrzehnte später saß Heinrich
von Herbsleben mit seinem Sohne auf Ballhausen ^). Unter
dem Namen Heinrich von Gebesee, wie sich bereits 1296
einer seiner Vorfahren nannte *), belehnte er die Gebrüder
Albrecht und Berit von Hopfgarten mit einem Siedelhofe
zu Ballhausen, und sie schlugen (1365) dort ebenfalls ihre
Wohnstätte auf^). —
Über die Feste Klein-Balihausen seien hier
noch einige Nachrichten hinzugefügt, die nach mensch-
1) U.-ß. der Vögte von Weida, Gera und Plauen (Thür. Ge-
schichtsqu., N. F. IL Band), Jena 1885-92, I, 268 No. 562 (1324
Sej)t. 4. Gotha).
2) Herquct, U.-B. der St. Mühlhausen No. 100] (1348 Juni 10.).
3) Brückner, Hennebergisches U.-B., Meiningen 1845 ff., V,
154 No. 265 (1365 Mai 25.).
4) Wangenheim, Ecgestcn II, 18 No. 19 (1296 März 4.): fra-'
trum nostroruni, videlicet Alberti de Herversleybin et Henrici de
Gebese. — l:!()3 Freitag in der Osterwoche verkaufen Heinrich von
Hervorsleyl)en, genannt von Gebese, Johann und Heinrich, seine
Söluic, Eitter, dem Kloster Gernicrode Land zu Welsbeche, Jul.
8chminckc, U.-B. des Klosters Germerode, in der Zeitschr. f. hess.
(resch. N. F. I. Suppl. S. 73 No. 177.
5) F. B. von Hagkc, Urkundl. Nachrichten über den Kreis
Weißensec, S. 316, 317, 396, 397. Ebendaher stammen auch die
iolgenden Nachrichten, soweit keine andere Quelle angegeben ist. —
Nach Ijchenbriefen von 16(51 und 1690 besaßen übrigens die von
Werthern in Klcin-Ballhauscn sowohl ein Rittergut als auch
finen freien Siedelhof und einen freien Hof.
Die von Balenhusen. * 265
liehen Ermessen volle Zuverlässigkeit beanspruchen. 1336
versetzte sie der Markgraf Friedrich dem Grafen Dietrich
von Hohnstein auf 8 Jahre für 300 Mark lötigen Silbers.
4 Jahre später ward dem Ritter Rudolf von Reischach
die Belehnung mit den Häusern „Wenigen-Balnhusen" und
Tennstädt zugesagt, und (1344) nach dem Ablaufe der ganzen
Versatzfrist bestätigte ihm der Landgraf, daß die Briefe
über die „Veste zu Balenhusen" ihre Kraft behalten sollten.
Im dauernden Besitze blieben die Reischachs nicht. Ob
allerdings (1398) „Tylen von Wertirde gesessin zcu Wenigin-
Balnhussen" i) die Feste oder das Gut gehörte, entzieht sich
unserer Kenntnis. Dietrich von Hopfgarten und Reinhard
und Peter Rost waren darauf die Inhaber des Schlosses
Ballhausen. Sie gaben es (1402) um 300 Mark an Hart-
mann von Spira und dessen Söhne weiter. Hartmann, be-
saß es nicht länger als 5 Jahre. Es wurde um 305 Mark
eingelöst, dann aber zu demselben Preise sofort wieder an
andere Ritter verpfändet. 5 Mark mochten die von Spira
daran verbaut haben. Denn durch den fortwährenden
Wechsel des Besitzers litt der bauliche Zustand der Burg;
niemand hatte offenbar Lust, für sein gutes Geld dem Nach-
folger ein prächtiges und festes Bauwerk herstellen zu lassen.
Vom Ritter Heinrich Rußer lösten nach vier kurzen
Besitzjahren (also 1411) Christian und Heinrich von Weber-
stedt das Schloß „Wenigen-Balnhusen" für 305 Mark ein,
und Landgraf Friedrich der Jüngere ließ die Verpfändung
auf den Namen jener beiden umschreiben. Die Burg
befand sich jetzt in einem noch schlechteren Zustande,
denn die beiden Weberstedter verbauten in kurzer Zeit
236 Gulden und erhielten vom Landgrafen (1413) die Ver-
sicherung, daß ihnen diese Bausumme bei der Einlösung des
Pfandes zurückgezahlt werden sollte. Nach 2 Jahrzehnten
hatte die Baufälligkeit eingestandenermaßen bedeutend zuge-
nommen. Darum verschrieb Friedrich der Jüngere (1436)
1) Beyer, U.-B. der Stadt Erfurt II, No. 1122 (1398 Juli 15.).
XXL 18
26ß Die von Balenhusen.
Christian und Georg von Weberstedt zum Verbauen an
der Feste „Wenigen-Balnhusen" 100 Schock alter Groschen.
So hielt das alte Bauwerk wiederum einige Jahre. 1453
entschied Herzog Wilhelm von Sachsen einen Streit zwischen
den Kindern von Weberstedt und anderen Adeligen, die
Ansprüche auf Gut und Schloß erhoben. Dabei ging den
Weberstedtern, die eine hohe Schuldsumme nicht bezahlen
konnten, die Burg verloren. Die von Reckerode, Bende-
leben und Heilingen begegnen uns dort, und seit dem Ende
des 15. Jahrhunderts die von Werthern. 1531 xind 1534
wird das Schloß Klein-Ballhausen als wüst bezeichnet.
Alles Ausflicken hatte nichts geholfen, der Bau war dem
dem Zali^ne der Zeit zum Opfer gefallen. — —
Es bleibt übrig, noch einen Blick auf mehrere Träger
des Namens Ballhausen zu werfen, die abseits wandeln,
aber zum Teil doch wohl dem Geschlechte der Eckharde
zuzurechnen sind.
Schon in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts wollen
sich einige Glieder in den Hauptstamm nicht einfügen, ver-
schmähen es auch, mit ihm irgend eine sichtbare Gemein-
schaft zu unterhalten.
Gerbot von Ballhausen (R. No. 47. [52]) tritt zuerst
(1278) in der Umgebung der Grafen von Schwarzburg auf
und bezeugt dann, mit dem Ritternamen ausgezeichnet,
höchst wahrscheinlich die Urkunde einer adligen Witwe
für einen Erfurter Augustinermönch (1286). Bei dieser
Gelegenheit wird ihm aber nicht sein voller Vorname Gerbot
beigelegt, sondern der Schreiber begnügt sich mit einem
einfachen G. Mehr erfährt man über ihn nicht.
Ein Hermann von Ballhausen, den wir als Hermann II.
bezeichnen wollen, taucht seit 1308 in der Gegend von
Mühlhausen auf (R. No. 67. 73). Er nahm in den .Reihen
des landsässigen Adels eine Stelle ein. Bei der ersten
Erwähnung wird er ein Verwandter Günthers von Willerstedt
genannt, der in Mühlhäuser Urkunden mehrfach vorkommt.
Vermutlich war es dieser Hermann IL, der seinen Tod durch
Die von ßalenhuseii. 267
Mörderhand fand. Die Rache übernahm Friedrich yon
Kühnhausen. Dessen Oheime Ludwig und Konrad stifteten
(1314) einen Vergleich zwischen ihm und dem eichsfeldischen
Kloster Reifenstein, das mit den Mördern durch irgend ein
Band verknüpft sein mußte.
Geraume Zeit nach der Mordthat wird Hermann III.
von Ballhausen in Urkunden der Ritter von Weberstedt
angeführt, die mit dem hessischen Kloster Kaufungen in
Verkehr standen (1334 und 1336, R. No. 84. 87. 88).
Der Stammsitz des Geschlechtes Weberstedt lag westlich,
von Langensalza, also unfern der Reichsstadt Mühlhausen.
Unmittelbar in die letztere verweist eine dritte Erwähnung
Hermanns III. Er selbst und seine Frau Gertrud, ge-
borene von Botichenrode, gaben (1336) die Erklärung ab,
daß mit ihrer Einwilligung Konrad von Botichenrode, Dom-
herr zu Dorla, eine Wiese an das Deutschordenshaus in
der Neustadt Mühlhausen veräußert habe. — Im Jahre
1324 erwarb ja Tytze von Weberstedt, der mit dem Ritter
Dietrich von Weberstedt in der Urkunde von 1334 wohl
eine und dieselbe Person ist, das Gut Ballhausen. Daher
liegt die Möglichkeit vor, daß Hermann III. von Ballhausen
entweder Hermann Goldacker war, der zweite Pfandinhaber
des Gutes, oder noch wahrscheinlicher ein aus Ballhausen
gebürtiger Dienstmann derer von Weberstadt.
Mögen nun die hier aufgezählten Ballhäuser mit dem
Geschlechte der Eckharde verwandt sein oder nicht, es er-
leidet keinen Zweifel, daß sie zum Landadel gehören.
Nicht so fest steht das bei dem Geistlichen Kon-
rad III. von Ballhausen (R. No. 93. 98). Wie sein be-
rühmterer Namensgenosse machte er Jechaburg (w. Sonders-
hausen) zur Stätte seines frommen Wirkens (1363 — 67).
Er bekleidete dort die Vikarstelle an der Marienkapelle. —
Es gab auch bürgerliche Geschlechter, die sich
von Ballhausen nannten. Damit ist jedoch keineswegs be-
wiesen, daß sie mit den Adligen dieses Namens nicht durch
Bande des Blutes verknüpft waren. Denn mehr als einen
18*
268 Die von Balenliusen.
Sprößling von Ritterfamilien erblickte man in den Städten
bei einer bürgerlichen Hantierung oder wenigstens mitten
im Strome des städtischen Lebens. So erwarb, um nur
ein Beispiel statt vieler anzuführen, der ^Knappe Tilo von
Rusteberg (1359) das G-öttinger Bürgerrecht (vgl. weiter
unten S. 282). Warum sollten also nicht unter den folgen-
den Ballhäusern Abkömmlinge des Rittergeschlechtes ver-
borgen sein?
In der Reichsstadt Mühlhausen lebte um 1282 Her-
mann I. von Ballhausen als Ratsherr (R. No. 48). Er
mußte noch ziemlich jung oder erst kürzlich in den Rat auf-
genommen sein. Denn in der betreffenden Urkunde steht sein
Name erst an der vorletzten Stelle unter seinen Amtsgenossen,
Wenige Jahre später (1290) hielt sich an demselben
Orte Ludwig Ansinendank von Ballhausen mit seiner
Frau Christine auf (R. No. 54). Den merkwürdigen
Beinamen verdankte er augenscheinlich einer Redensart^
die er im Munde führte.
Aber nicht nur Mühlhausen, sondern auch Erfurt hatte
eine gleichnamige Familie aufzuweisen.
Als Schlußglied dieser ganzen Kette lebte hier ein
Heinrich von Ballhausen (1363 80, R. No. 95. 100.
102). Er war Ratsherr und besaß einen Kramhandel, den
man (sicherlich nach dem Hauszeichen) „zu den Affen"
nannte. Nachdem er sein Geschäft verkauft hatte, nahm
er, zusammen mit zwei anderen Erfurter Bürgern, Land
vom Grafen Heinrich von Schwarzburg zu Lehen. Ob seine
Frau Thele ihn mit Kindern beschenkt hat, ist unbekannt.
B. Namensvettern.
1. StruzundSchalun.
Man wird wohl nicht fehlgehn, wenn man die Familien
Struz und Schalun nach Groß-Ballhausen versetzt. Wenigstens
haben sie zu Klein-Ballhausen keinerlei Beziehungen. Da-
gegen verfügten die Schalun zu verschiedenen Malen über
Güter in Groß-Ballhausen.
Die von Balenhuseu. 209
In der Ausdehnung ihres Grundbesitzes und im An-
sehen ihrer Mitglieder kamen beide Geschlechter dem Hause
der Eckharde nicht im entferntesten gleich, dem Stande
nach trat aber kein Unterschied zwischen ihnen hervor.
Denn freier und ritterlicher Herkunft waren auch die
Familien Struz und Schalun. Wenn zwischen ihnen und
den eigentlichen Ballhäusern Verwandtschaft bestehn sollte,
so kommt hierfür allein die Familie Struz in Betracht
(R. No. 14. 108 [1]. 117 [10] — 119 [12]. 121 [14]). Und
auch da sind nur sehr schwache Anzeichen vorhanden.*
Heinrich Struz wird in der kaiserlichen Urkunde von
1166 dicht vor Konrad von Ballhausen als Zeuge aufge-
führt; und die Gebrüder Heinrich und Konrad ge-
nannt Struz von Ballhausen verzichten 1302 auf ihre
Ansprüche an das Kloster Volkenrode und an dessen Leute
(personas). Wenn man in Betracht zieht, daß Eckhard I.
von Ballhausen dasselbe Kloster mit dem Vogteirechte über
eine Hufe in Groß-Ballhausen beschenkte, und daß Bert-
hold II. um 1300 Laienbruder in Volkenrode war, so
glaubt man ja Spuren eines gewissen Zusammenhanges zu
erkennen. Allein vom Nebelflecken bis zur Sonne ist ein
weiter Weg.
1216 war Heinrich Struz unter den Zeugen, die
der Versöhnung des Markgrafen Dietrich von Meißen mit
der Stadt Leipzig beiwohnten. Konrad Struz bekleidete
den Rang eines Diakonen zu Heusdorf bei Apolda (1291).
Auch sonst kommt der Name Struz wohl vor, aber nicht
bezeichnend genug, um auf den Wohnort Ballhausen be-
zogen zu werden. —
Die Urkunde von 1302 wird unter anderen durch
Heinrich Schalun bezeugt (R. No. 84[?]. 109 [2]-116[9].
120 [13]— 123 [16]). Auf den ersten Blick erkennt man
den fremdländischen Ursprung dieses Namens, während
Struz urdeutsch anmutet. Mit Schalun bezeichneten unsere
Altvorderen die Stadt Chalons in der Champagne und ebenso
die Kleiderstoffe und Decken, die von da stammten. Der
270 I^iß ^0"^ Balenhusen.
Beiname konnte also ebenso gut einen Händler treffen wie
einen wohlhabenden Mann, dessen Wams aus französischem
Zeuge geschnitten war. Das letztere ist hier wahrschein-
licher ^). Über den vornehmen Stand und das Wesen Hein-
richs I. mit dem Beinamen S c h a 1 u n giebt eine Urkunde
von 1220 Auskunft. Er hatte 11^/2 Hufen zu Vehra an der
Unstrut (sw. Weißensee) vom Grafen Lampert von Gleichen
zu Lehen genommen, aber selbst wieder an mehrere andere
ausgegeben. So stand er also au£ der Leiter des Lehns-
wesens nicht auf der untersten Stufe. Das B,echt des Stärke-
ren übte er rücksichtslos aus. Er belästigte und schädigte
die Bewohner des Hofes, den das Kloster Pforta in Vehra
besaß. Schließlich konnte der Abt Frieden und Wohlfahrt
der Seinigen nur dadurch sichern, daß er die Hufen Hein-
rich Schaluüs durch Kauf erwarb.
Die Familie Schalun war anfänglich freien Standes, denn
sie nahm (1233) am Gaugerichte teil, zu welchem damals
noch den übrigen, seit alters unfreien Ministerialen der Zu-
tritt verwehrt war 2). Auch sonst beweist Heinrichs Stellung
in den Zeugenreihen, dicht hinter den edlen Herren von
Vippach, seine vornehme Abstammung (1234, 1235).
Ein Jahrzehnt später werden Heinrich Schalun
von Ballhausen und dessen Bruder Siegfried ange-
führt, vermutlich Söhne Heinrichs I. 1263 war Heinrich II.
Ritter. Er suchte damals mit anderen Rittern einen Streit
zwischen dem Kloster Pforta und denen von Salza zu
schlichten. Der Zankapfel war wiederum der Unglücks-
ort Vehra oder wenigstens die dortige Fischerei und andere
Besitztümer des Klosters. In derselben Angelegenheit wird
Heinrichs Name (Schalun von Ballhausen) noch zweimal er-
wähnt, im Frühjahr und Herbste 1266.
1) Eine Ableitung von dem Ortsnamen Scalun, Schallune (Hof
vor Seehausen in der Altmark, vgl. Riedel, Cod. dipl. Brandenb.
A, V, 302 ; XVI, 322) befriedigt weniger, weil vor den Familiennamen
niemals de oder „von" gesetzt wird.
2) 0. von Zallinger, Die Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels,
Innsbr. 1887, S. 256.
Die von Balenhueeu. 271
Heinrich III., zum erstenmale (1297) in Sangerhausen
vorkommend , hatte einen Bruder , Namens Dietrich.
Vielleicht verdient es Beachtung, daß bei ihnen (1313) der
Name der Herkunft, von Ball hausen, vorangestellt wird,
und dann folgt erst : genannt S c h a 1 u n.
In der Kaufunger Urkunde von 1334 ist Heinrich
genannt Schollen möglicherweise aus Schalun entstellt.
Mit dem Geistlichen Dietrich Schalun, Rektor zu
Langensalza (1841), wollen wir die Reihe beschließen, ob-
wohl sich die Familie noch Jahrhunderte lang verfolgen
ließe und auch gegen Ende des Mittelalters (1483, 1496)
in Ballhausen Güter besaß. Aber die eigentlichen Ball-
häuser waren ja um diese Zeit längst ausgestorben, und
etwaige Beziehungen schon vorher durch die räumliche Ent-
fernung noch unwahrscheinlicher geworden.
2. Die von Ballenhausen im Leinegau.
Ein Balo, seinen Feinden ein „Verderbenbringer", schlug
sich ein Haus im Leinegaue auf. In späteren Jahrhunderten
nannte sich ein freies Geschlecht nach diesem Orte : von
Balenhusen. Der Name ist von dem der thüringischen
Familie nicht zu unterscheiden^ aber soweit der Leinegau
von dem Altgau entfernt ist, so tief ist die Kluft zwischen
beiden Geschlechtern.
Das niedersächsische Ballenhausen liegt etwa 2
Wegstunden südlich vom Leineberge, auf dem das'Gaugericht
(Goding) abgehalten wurde; und von diesem Godinge führt
ja die Stadt Göttingen den Namen. Trotz der Nähe der
Stadt haben die Freien von Ballenhausen, soweit sich er-
mitteln läßt, keinen Verkehr mit ihr gepflogen, sie fühlten
sich mehr zu Adel und Geistlichkeit hingezogen.
Als Stammvater des Geschlechts ist anscheinend U n o k o
(1135 bis etwa 1152) zu betrachten (R. No. 124 [1].
126 [3]). Der Vorname ist ungewöhnlich, aber nicht
einzig dastehend; auch ein Graf von Wernigerode hieß
272 Di® von Balenhusen.
so 1). Unoko Ton Ballenhausen tritt zum erstenmal auf, als
von anderer Seite über Güter in seinem Heimatdorfe verfügt
wurde. Ein anderer Freier, namens A z o^, über dessen Ver-
wandtschaft mit Unoko nichts gemeldet wird, übergab dem
benachbarten Kloster Reinhausen ein vollständiges Gut in
Ballenhausen: Haus, Hof, beinahe 100 Morgen Landes und
Mitbenutzung der Mark in Feld und Wald. Seine Erben
waren damit einverstanden, da das Kloster sich verpflichtete,
Azos Unterhalt zu übernehmen 2). Als erster unter den Laien
bezeugte der Freie Unoko die Schenkung. Neben ihm
standen drei andere Freie, von denen Degenhard nnd Helm-
wig möglicherweise die Ahnherren der noch jetzt in der
Nachbarschaft begüterten Freiherren von Bodenhausen sind ^).
Heinrich der Löwe bestätigte (1168) die Besitzungen
des Klosters Reinhausen, unter anderen die 3 Hufen Azos in
Ballenhausen, ferner noch eine Hufe daselbst, die ein gewisser
Othwin den Mönchen zugewandt hatte, und eadlich den
Ballenhäuser Berg*). Die Feldmark von Ballenhausen war
an und für sich nicht sehr umfangreich ; so konnte die Familie
von Ballenhausen sich nicht durch Reichtum auszeichnen,
aber Mangel litt sie um diese Zeit noch weniger.
Unoko, diesmal nach seinem Wohnsitze von Ballen-
hausen genannt, war in der Lage, dem Grafen Poppo von
Blankenburg ein Darlehen von 4 Mark zu geben ; er knüpfte
1) Samml. ungedr. Urk. u. anderer zur Erläuter. der nieder-
sächs. Gesch. gehör. Nachr. Bd. I, Gott. 1749—52; Bd. II, Hann.
1754. II, 34 (1006 April 9.).
2) In welcher schmählichen Weise die Mönche sich der Unter-
haltungspflicht zu entziehen suchten, das erläutert die verfälschte
Urkunde, die Scheidt hat abdrucken lassen. Vgl. R. No. 124 (1).
3) Vgl. R. No. 129 (6) von 1225 und Orig. Guelf. III, 505
(1168): Item in Alwardeshusen unum mansum, quem Helmwicus
in concambio dedit pro manso in Bodinhusen; endlich bezeugt
ein Helewicus de Bodenhusen 1148 eine Urkimde, worin Erz-
bischof Heinrich I. von Mainz eine Schenkung an das Kloster
Ichtershausen bestätigt: Anemüller, U.-B. deö Klosters Paulinzelle
(Thüring. Geschichtsq., Bd. VII, N. F. Bd. IV), Heft 1, Jena
S. 32 No. 23.
4) Origines Guelficae, Hann. 1752, III, 505 (1168 Juni 2.
Die von Balenhusen. 273
iie Bestimmung daran, daß das Geld dem Kloster Reinhausen
zurückgezahlt würde. Daß der unruhige Poppo statt dessen
die Güter des Abtes Reinhard und seiner Mönche ausraubte,
war Unokos Schuld nicht.
Ein jüngerer Zeitgenosse Unokos, vielleicht sein Sohn,
war Reinhard von Ballenhausen. Er befand sich (1151)
in der ansehnlichen Versammlung, vor welcher der Erz-
bischof Heinrich I. von Mainz den Grafen Hermann von
Winzenburg mit dem Schlosse Schonenberg belehnte (R.
No. 125 [2]). Reinhard wußte seine Freiheit noch zu be-
wahren; reicheres Einkommen hätte ihm die Stellung eines
Ministerialen gebracht, aber die persönliche Unabhängigkeit
war dann für immer dahin.
Nach einem starken Menschenalter soll Otto I. von
Ballenhausen gelebt haben (R. No. 127 [4]). Die Urkunde,
in der er als Zeuge angeführt wird, trägt aber die Merk-
male der Fälschung. Da indessen viele von den übrigen
Zeugen auch in anderen Urkunden derselben Zeit genannt
werden, warum sollte gerade Ottos Name aus der Luft ge-
griffen sein? Sicherlich ist es aber unrichtig, wenn er zu
den Ministerialen gezählt wird.
Denn der erste Dienstmann in der Familie war H e i n -
rieh I. von Ballenhausen (R. No. 128 [5]. 129 [6]. 136 [13].
138 [15]). Vermutlich befand er sich in mainzischen Diensten.
Mit dem Erzbischof Siegfried traf er (1221) in Erfurt zu-
sammen, kam also in die nächste Nähe seiner thüringischen
Namensvettern. Da er wohl noch ein junger Mann war,
erhielt er seinen Platz ganz am Ende der Zeugenreihe.
Der eichsfeldische Vitztum Terricus von Rengelrode und
der .thüringische Vitztum des Erzbischofs Terricus von
Apolda, sowie Berthold von Geismar und andere standen
vor ihm.
Vier Jahre danach hatte Heinrich den Ritterschlag
empfangen. Er hielt sich in der Heimat auf und bezeugte
mit Helmwig und Degenhard von Bodenhausen und anderen
Rittern aus der Nachbarschaft eine Urkunde des Abtes von
Reinhausen.
274 ^iß ^^'^ Balenhusen.
Es mag noch derselbe Heinrich sein, der um die Mitte
des Jahrhunderts in Gemeinschaft mit seinen Rosdörfer
Verwandten den Zehnten in Dramfel(jl verkaufte. Käufer
war der Abt Dietmar von Reinhausen, Dramfeld, nicht zu
verwechseln mit Dransfeld, liegt südwestlich von Göttingen,
dicht beim ehemaligen Kloster Mariengarten.
Zum letzten Male erscheint er in Nordhausen (1256) im
Gefolge des Grafen Heinrich von Hohnstein. Da dieser
Heinrich von Ballenhausen aber nicht mit der Ritterwürde
ausgezeichnet ist, so bleibt es eine offene Frage, ob hier
nicht ein jüngeres Familienglied in Betracht kommt.
Heinrichs Zeitgenosse, OttoII. von Ballenhausen
(R. No. 130 [7]. 131 [8]), war noch nicht in den Stand der
Ministerialen hinabgestiegen. Daß aber an den Wurzeln seiner
Freiheit ' schon die Not nagte, das beweist die Veräußerung
seines Gutes Settmarshausen (zwischen Göttingen und Drans-
feld), welches er wohl durch Heirat oder Erbschaft erworben
hatte. 120 Mark Silbers war der Preis, den das Kloster Ame-
lunxborn, in der Gegend von Holzminden gelegen, dafür be-
zahlte. Den Zehnten vom neuen Rodelande trug der Ritter
Johann von Settmarshausen von Otto zu Lehen ; Johann ver-
zichtete jetzt gegen eine Entschädigung von 9 Mark. Den
Zehnten von der alten Settmarshäuser Feldmark aber gaben
Hermann von Uslar und dessen Lehnsleute zu Gunsten des
Klosters auf. Ottos II. Söhne Hermann L und Dietmar
erklärten sich einverstanden, Graf Albert der Jüngere von
Everstein bestätigte zu Uslar das Kaufgeschäft, alles schien
in schönster Ordnung. Da erhoben sich plötzlich ungeahnte
Schwierigkeiten. Ritter Ludwig von Rohrberg, der ein
Stückchen südlich von Ballenhausen, im jetzigen Kreise
Heiligenstadt, seine Heimat hatte, machte auf Settmarshausen
ein angebliches Erbrecht geltend; er war also ein Ver-
wandter Ottos IT. Gewaltsam setzte sich Ludwig in den
Besitz des Gutes, das erst nach längeren Streitigkeiten und
Klagen vom Kloster Amelunxborn zurückgewonnen wurde.
Aber noch war der Besitz nicht sicher. Der Abt mußte
nach einigen Jahren (1245) abermals in den Beutel greifen,
I
Die von Balenhusen. 275
im Otto III. und Arnold von Ballenhausen und deren
Mutter Mechthild abzufinden (R. No. 133 [10]). Diese,
\ermutlicli Schwägerin (Schwester?) und Neffen Ottos 11.,
I atten ebenfalls ein Anrecht auf Settmarshausen.
Und endlich waren da noch Bertram und Florenz von
Ziegenberg, die erst 1250 vor dem Vogte Hermann von
Ziegenberg und den Burgmannen von Münden ihren Ver-
geht erklärten ^). Hoffentlich hat das Kloster dann Ruhe
-ehabt.
Otto III. (IL?) führte ums Jahr 1246 die Bezeichnung
Vogt von Ballenhausen (R. No. 134 [11]. 135 [12]). Er
mochte die Vogtei über die Güter des Klosters Reinhausen
in seinem Heimatsorte ausüben. Wichtiger ist es, daß die
3 Urkunden, in denen er vorkommt, kaum eine andere
Person erwähnen, als Ritter und Knappen von Hardenberg.
Hermann der Ältere und Hermann der Jüngere sind ihres
Vornamens halber besonders hervorzuheben.
Hermann I. von Ballenhausen, Ottos II. Sohn, trat
im Jahre 1253 neben eichsfeldischen Adligen als Zeuge
auf (R. No. 130 [7]. 136 [13]. 137 [14]). Die Urkunde
-rellten die Grafen Konrad und Friedrich von Klettenberg
aus, die in Ballenhausen begütert waren. Die Geldnot, in
der Otto II. steckte, bedrängte auch seine Söhne. Hermann
verkaufte mit seinem Bruder Dietmar zusammen dem Kloster
Reinhausen den Zehnten im benachbarten Alwardeshusen
(jetzt wüst).
Dietmar (R. No. 130 [7]. 132 [9]. 136 [13]) setzte
die Verkäufe fort und fand an dem gleichnamigen Abte
von Reinhausen einen willigen Abnehmer. So gingen andert-
halb Hufen in Alwardeshusen und dann noch eine halbe
Hufe daselbst in das Eigentum der Mönche über. Zur
Veräußerung gaben Dietmars Erben ihre Zustimmung, näm-
lich Otto und Arnold von Rusteberg. Die Vornamen
der letzteren machen es wahrscheinlich, daß sie zu Mecht-
hild von Ballenhausen und deren Söhnen in einem näheren
1) Falke, Cod. trad. Corbeiens. S. 867 No. 247.
276 I^^6 von Balenhusen.
Verwandtschaftsverhältnisse standen. Oder sind sie gar
dieselben Personen wie Otto und Arnold von Ballen-
hausen ? V
Dietmar war in jüngeren Jahren mit seinem Vermögen
nicht gerade haushälterisch umgegangen. So schenkte er
1241, damals bereits Ritter, dem Kloster Lippoldsberg an
der Weser (sw. Uslar) den ganzen Zehnten zu Bunekenhusen,
das jetzt als Wüstung zur Feldmark von Großenschneen
(s. Göttingen) gehört. Er hatte den Zehnten von dem
Edelherrn Hermann, Vogte von Ziegenberg, zu Lehen.
Beide, Hermann von Ziegenberg wie Dietmar, verzichteten
darauf, um Vergebung für ihre Sünden zu erlangen. Ob
sie sich gemeinsam gegen das Kloster vergangen hatten,
oder ob die Redewendung ganz allgemeinen Sinn hat, bleibt
unklar.
Es ist schon oben berührt, daß Dietmar keine Nach-
kommen besaß, sondern daß zwei Mitglieder der Familie
Rusteberg ihn beerbten. Über Hermann I. liegt keine ähn-
liche Nachricht vor.
Den folgenden Ballenhäusern weist Johann Wolf, der
Geschichtsschreiber der Hardenberg ischen Familie i),
einen Platz in diesem noch jetzt blühenden Geschlechte an.
Dafür sprechen auch mancherlei Umstände. Der Knappe
Hermann II. von Ballenhausen (R. No, 139 [16]. 140 [17].
143 [20J. 145 [22]) führt (1279) auf seinem Siegel den Namen
Hermann von [Hardjenberg ; 13 Jahre später nennt er sich
ebenso, wenn auch von dem Geschlechtsnamen nur der letzte
Buchstabe G übrig geblieben ist. Sein Wappen stimmt
mit dem Dietrichs von Hardenberg, des nachmaligen main-
zischen Amtmanns auf Ballhausen in Thüringen, zum Ver-
wechseln überein. Und gerade diesen Dietrich von Harden-
berg nennt Hermann II. von Ballenhausen seinen Oheim
väterlicherseits (patruum). Wenn man auch die schwankende
Bedeutung der Verwandschaftsnamen in Betracht zieht, so
1) Johann Wolf, Gesch. des Geschl. v. Hardenberg, 2 Bde.,
Göttingen 1823/25, I, 73. 74.
Die von Balenhusen. 2V7
muß man hier doch Wolfi) beistimmen. Die eigentlichen
Ballenhäuser sind demnach bald nach der Mitte des 13.
Tahrhunderts ausgestorben, und die Überbleibsel ihrer Be-
sitzungen erbte teils ein Mitglied der Familie Hardenberg,
reils Otto und Arnold von Rusteberg.
Hermann IL aus dem Hause Hardenberg führt in
den Urkunden den Geschlechtsnamen von Ballenhausen.
1279 gab er die Erklärung ab, daß mit seinem Willen sein
Oheim Dietrich von Hardenberg den halben Zehnten von
Lutteringehusen (bei Hardegsen) dem Nonnenklosler Predels-
loh (zwischen Moringen und Dassel) verkauft habe. Als
Zeuge steht Werner von Hardenberg da. Außer ihm ist
Hartwig von Rohden bemerkenswert, weil er 13 Jahre
später wiederum eine Urkunde Hermanns II. bezeugt. In
dieser letzteren verpfändete Hermann von ßallenhausen,
von Geldnot gepeinigt, das Dorf Krumelen, das vor Zeiten
bei Moringen lag, für 4 Mark dem Propste von Fredelsloh.
Die Wiedereinlösung für dieselbe geringe Summe behielt
er sich vor. Die Lage der beiden Wüstungen Krumelen
und Lutteringehusen weist eher auf ursprünglich harden-
bergische als auf ballenhausische Besitzungen hin. Her-
mann IL scheint es bis zum Ritterschlage garnicht gebracht
zu haben, am 14. April 1303 lebte er nicht mehr.
In naher Verwandtschaft mit ihm stand vermutlich
Bruder Dietrich von Ballenhausen, Mönch im Kloster
Walkenried (R. No. 141 [18]). Es verlohnt sich der Mühe,
hier zu wiederholen, daß der Ritter Dietrich von Harden-
berg der Oheim Hermanns IL von Ballenhausen war, und
daß er vom Erzbischof Gerhard von Mainz zum Amtmann
von Ballhausen in Thüringen bestellt wurde. Ein anderer
Dietrich von Hardenberg war übrigens Kanonikus in Hildes-
heim 2),
Hermann 11. hinterließ einen unmündigen Sohn mit
1) Wolf kannte freilich kaum 3 von den älteren Mitgliedern
der Familie Ballenhausen.
2) Würdtwein, Subsidia diplomatica, Heidlb. 1772 ff. I, 2:J1
(1341 Januar 9.).
278 ^^J6 ^on Balenhusen.
Namen Werner (R. No. 142 [19] —146 [23]). Im Jahre
1303 war Werner Knappe, also mindestens 14 Jahre alt.
Hildebrand von Hardenberg hatte die Vormundschaft über-
nommen, erregte aber bald die Unzufriedenheit seines
Mündels und Neffen (nepotis). Der Vormund verkaufte
nämlich nach und nach Besitztümer, auf die auch seine
Verwandten ein Anrecht hatten. Neben mehreren Harden-
berger Vettern und Basen erklärte sich Werner von
Ballenhausen (1303) damit einverstanden, daß in Holtensen
bei Moringen eine Hufe an das Kloster Amelunxborn ver-
äußert würde. Im Beginne des nächsten Jahres verfügte
Hildebrand ebenso über den Zehnten von Rosdorf (wsw.
Göttingen), den er und seine Miterben von dem Edelherrn
G-erhard vom Berge zu Lehen trugen ; Gerhard hatte ihnen
aber kurz vorher das Lehenrecht geschenkt i). Der Käufer
des Zehnten war das Kloster Walkenried am Südharze.
Dem Kaufbriefe nach bekannte Werner von Ballenhausen
in Gegenwart und mit Ermächtigung seines Vormundes
Hildebrand, daß er kein Anrecht auf den Rosdorfer Zehnten
besäße ; wenn das dennoch der Fall wäre, so begebe er sich
seines Rechtes und verspreche, den Kauf nicht anzufechten.
Obwohl Werner also Verzicht geleistet hatte, mußte die
Öache wohl nicht ganz in Ordnung sein, denn die außer-
gewöhnlichen Anstalten und Bestätigungen zeugten von
einem bösen Gewissen: Am 24. Januar 1304 wurde die
Urkunde in Göttingen ausgestellt und von Hildebrand be-
siegelt, am 27. hängten noch 6 andere Adlige ihre Siegel
daran, und abermals 3 Tage später beurkundete und be-
stätigte der Dechant Johann von Nörten den Verkauf und
Werners Verzicht. Der letztere aber sah sich nach mäch-
tiger Hilfe um. Zunächst wandte er sich an den Braun-
schweiger Herzog Albrecht II. Allein Albrecht überzeugte
sich schließlich, daß nicht er, sondern der Erzbischof von
Mainz Oberlehnsherr und Eigentümer des Rosdorfer Zehnten
1) Walkenrieder U.-B. II, S. 24 No. 641 (1304 Jan. 3.
Minden).
Die von Balenhusen. ^79
war 1). Dabei beruhigte sich Werner nicht. Wenn wir nicht
irren suchte er darauf den Grafen Otto von Everstein für
seine Sache zu erwärmen ^). Als das ebenfalls mißlang, stellte
er sich unter die Vormundschaft der hessischen Edelleute
Werner und Heinrich von Schweinsberg. Mit ihnen begab
er sich (1307) nach Cassel und suchte die Entscheidung
des Prinzen („lantgravius iunior") Johann von Hessen nach.
Am Verkaufe des Rosdorfer Zehnten ließ sich nichts mehr
ändern, doch errrang Werner von Ballenhausen auf diesem
Wege eine anständige Entschädigung, nämlich 26 Mark
reinen Silbers. Damit konnte er eher zufrieden sein als
mit dem Füllen, das ihm der Abt von Walkenried für
den Verzicht versprochen hatte.
Hierauf scheint allmählich wieder ein leidliches Ver-
hältnis zu den Hardenberger Verwandten eingetreten zu
sein. Denn Werner verkaufte (1310) an Hildebrand, dessen
Bruder und zwei Vettern das Dorf Krumelen und andere
Güter. Auf dem Dorfe lag jetzt eine so hohe Pfandsumme,
daß Werner beim Verkaufe nichts mehr ausbezahlt erhielt.
Damit verschwindet er aus den Geschichtsquellen. Der
Geschlechtsname von Ballenbausen lebte noch fort; die
Inhaber gehörten aber zu anderen Familien. —
Heinrich II. von Ballenhausen (1330—1350, R. No.
147 [24] —149 [26]), Scholastikus der Nörtener Kirche,
war ein Glied des Rittergeschlechts vonGrone. Er ward
zuweilen auph Heinrich von Grone genannt (1341)^); in
diesem Falle schließt die Hinzufügung des Titel§ „Scho-
lastikus der Nörtener Kirche" jeden Zweifel aus. Gunzelin
und Johann von Grone bezeichnet er bei anderen Gelegen-
1) Walkenrieder U.-B. II, S. 40 No. 663 (1305 Juli 1. Uslar)
licet aliquando ex inductu erroneo aliter fuit informatus. Werners
Name wird dabei nicht genannt.
2) B. Chr. V. Spilcker, Beitr. zur älteren dtsch. Gesch, Arolsen
1827—33, II, 245 No. 284 (1305 Nov. 18.) : Wernerus de WaUenhusen
Z. in einer Urk. des Grafen Otto v. Everstein.
3) Joh. Wolf, Diplomat. Gesch. des Petersstiftes zu Nörten
Erf. 1799, U.-B. 8. 37 No. 33: Henricus de Grona ecclesie nostre
scholasticua (1341).
280 I^ie von ßalenhusen.
heiten (1347, 1350) als seine Brüder.. Eine Zeit lang war
er Kaplan zu Göttingen und hatte hier auch seinen Wohn-
sitz, nämlich in einem Hause des Deutschritterordens, das
bei der Marienkirche am Leinekanal lag. Im Frühlinge des
Jahres 1334 wohnte er an diesem Orte bereits nicht mehri).
Wenigstens gilt dies von einem Priester Henric van Grone ;
wir irren wohl nicht in der Voraussetzung, daß derselbe mit
Heinrich von Ballenhausen eine und dieselbe Person ist. Der
letztere blieb Kaplan in Göttingen, schlug aber seine Heim-
stätte in Ballenhausen auf, ob als Pfarrer an der dortigen
Kirche oder aus einem anderen Grunde, das verschweigen
die Quellen. Mit dem Rate der Stadt Göttingen stand er
in geschäftlicher Verbindung (1347). Den jüngeren Mit-
gliedern der Familie von Grone diente er einmal als Sach-
walter. Denn auf Veranlassung von Gunzelins Sohne, Udo
von Grone, übergab er dem Kloster Mariengarten ein Viertel
vom Zehnten zu Deiderode (nö. Hedemünden) gegen 14
Mark Silbers; er machte aber die Lösung gegen dieselbe
Summe zur Bedingung. Herzog Ernst von Braunschweig
bestätigte den Vertrag (1350). —
Nicht mehr als Heinrich von Grone hatte die Göttinger
Bürgerfamilie von Bolnhusen mit dem alten Adelsge-
schlechte von Ballenhausen zu thun. Jene tritt erst auf,
als dieses längst ausgestorben war. Die Präposition „von"
wird bei dem bürgerlichen Namen öfters ausgelassen. Eine
Herleitung von dem hannoverschen Ortsnam^ Bollensen
wäre an und für sich möglich. Da aber gerade in Göttinger
Urkunden das Dorf Ballenhausen bei Reinhausen auch
Bolnhusen genannt wird, so erheben sich keine Bedenken
dagegen, die Heimat der Bürgerfamilie hierhin zu ver-
legen.
H e y s e von Bolnhusen oder Bollenhusen läßt sich von
1377—1400 nachweisen, Tile von 1383—95. Beide nahmen
1) G. Schmidt, U.-B. der St. Göttingen I, 113 No. 131 (1334
Mai 12.). Vgl. I, 172 No. 183 (1350 Okt. 19.), aber auch I, 96
Anm. 1 (1327 Sept. 30.), wo ein anderer Heinrich von Grone vor-
kommt, dessen Geschwister Dietrich, Ludolf und Osteken heißen.
Die von Balenhusen, '281
eine angesehene Stellung in der Stadt ein. 1392 waren sie
zusammen Vorsteher der Kaufmannsgilde (magistri gildae
mercatorum), 1395 Tile Mitglied des Rates, und Heyse 5
Jahre später Provisor des Bartholomäushospitals zu Göttingen.
Vielleicht gehörte der Priester Heinrich Bollenhusen
(1397) zu derselben Bürgerfamilie 1). Ein Tile Bollnhusen
trat 1445 zum letztenmal unter Göttinger Bürgern auf. In
dem benachbarten Rosdorf dagegen war noch 1507 ein
B a r 1 0 1 d Bollnhusen „ Alderman" ^). —
Daß Otto und Arnold von Rusteberg die Erb-
schaft Dietmars von Ballenhausen antraten, ist oben bemerkt.
Seit dieser Zeit fallen nicht selten Beziehungen der Familie
von Rusteberg zum Dorfe Ballenhausen ins Auge. Besonders
wichtig ist dafür das Braunschweiger Lehensverzeichnis vom
Herbste des Jahres 1318 3): Während Arnold von Ruste-
berg mit dem Dorfe Deiderode nebst allem Zubehör be-
lehnt wurde, wo ja später Udo von Grone einen Teil vom
Zehnten besaß, und mit einer Hufe vor dem Schlosse Fried-
land, empfing Bruno von Rusteberg unter anderem den Zehn-
ten von Ballenhausen zu Lehen. Es war vielleicht einige
Zeit danach, als die Hälfte vom Ballenhäuser Zehnten auf
1) G. Schmidt, U.-B. der St. Gott. I, 266 Anm. 3 (1377);
I, 3C)4 No. 291 (1379 Juni IL); I, 328 No. 306 (1383); I, 367
No. 335 (139() :März 1.); I, 372 No. 346 (1392 Febr. 1.); I, 417
No. 384 (14(X) Mai 25.). — I, 299 Anm. 1 (1397 Okt. 23.) Heinrich.
— Franz Lübeck, Chronik v. Göttingen, Blatt 93a (Urk. v. 1395
Aug. 24.), Handschr. „Göttmgen 4" in der Universitätsbibliothek
Göttingen.
2) Franz Lübeck, Chronik von Göttingen, Bl. 114b, 202b. —
Ein Ritter Asquinus de Bollenhusen, anscheinend ganz
anderer Herkunft, bezeugte 1258 eine Urkunde des Grafen Burghard
von Wölpe. Th. Schramm, 16 Barsinghäuser Urk. in der Ztschr. f.
Niedersachs. Jahrg. 1858, Hann. 1800, S. 114 No. 4.
3) Sudendorf, Urk. zur Gsch. der Herzöge von Braunschw.-
Lüneb. Hann. 1859 ff., I, 171 No. 303 und Anm. v. — Mit 3
Hufen in Ballenhausen wurde Berthold von Ludolfshausen belehnt,
mit der Vogtei über 4 Hufen daselbst (die des Klosters Reinhausen?)
Bruno von Bodenhausen.
XXL 19
282 ^^^ '^0" Balenhusen.
Otto von Rusteberg, einen Bruder Arnolds ^), als lebens-
längliches Lehen überging. Demselben wurden vom Her-
zoge auch zahlreiche Güter in Friedland übertragen.
Andere Besitzungen in BallenhauSen hatten Heinrich
von Rusteberg und dessen Frau Gertrud inne, verkauften
sie indessen (1345) an das Kloster Reinhausen 2).
Der Knappe Tile von Rusteberg erwarb (1359) das
Bürgerrecht der Stadt Göttingen. Nach seinem Tode wurden
seine Söhne Arnd und Hans Feinde der Stadt und erlitten
durch die Fehde mancherlei Schaden in „Bolnhusen". Tiles
Witwe Jutta, einer Schwester des Ritters Berthold von
Winzingerode, gelang es dann aber, den Göttinger Rat zu
einer billigen Entschädigung zu bestimmen ^).
Der halbe Zehnte zu Ballenhausen blieb in der Familie
Rusteberg bis zu deren Aussterben (1437), dann gelangte
er an die von Bodenhausen ^). Die letzteren verfügten aber
später auch über ein Gut und über ein Vorwerk von 4 Hufen
in Ballenhausen ^). Ob das mit ihrer Vogtei zusammen-
hing ?
C. Siegel.
Das Siegel der Familie von Ballhausen im Altgau
ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Das Wappen-
bild stellt zwei Widderhörner dar. Desselben Abzeichens
bediente sich eine große Gruppe von thüringischen Ge-
schlechtern : die Stranz von Döllstädt, die von Ballstädt,
von Lichtenberg, von Zimmern, angeblich auch die von
Kreuzburg und von Mülverstedt. Mit einem Widderhorne
begnügten sich die von Salza, von Straußfurt und von
1) 1317 Jan. 6. Gebrüder Arnold, Heyso und Otto von Euste-
berg. Urk. im Staatsarch. Marburg (Kloster Lippoldsberg).
2) Urk. im Staatsarch. Hannover (Kloster Eeinhausen).
3) G. Schmidt, U.-B. der St. Gott. I, 313 No. 297 (1381 Aug. 14.)
u. S. 313 Anm. 1.
4) V. Hanstein, Urkundliche Gesch. des Geschl. von Hanstein,
I, Reg. No. 226.
5) Urk. vom 15. Juni 1483 im Staatsarch. Marburg (Wilhelmi-
tenkloster zu Witzenhauseu).
Die von Balenhusen. 283
Güntersleben ^). Zum Teil läßt sich noch nachweisen, dali
es sich um verschiedene Zweige einer und derselben
Familie handelt, so bei denen von Salza und von Strauß-
furt , denen von Kreuzburg und von Mülverstedt ; bei
anderen ist der Zusammenhang, der etwa früher bestanden
hat, gänzlich aufgelöst.
Was die von Kreuzburg und von Mülverstedt betrifft,
so fehlt dem Gehörn auf ihrem Siegel die bezeichnende Um-
biegung nach außen, das sind also nicht Widder-, sondern
Steinbock- oder Ziegenhörner 2). Unmöglich kann man aber
darin, wie Herquet will, das Geweih des späteren Mülver-
stedtischen Hirschkopfes erblicken.
Die Stranz von Döllstädt hatten ursprünglich (noch
1280) wie die von Salza nur ein Widderhorn im Wappen^),
später aber führten sie durch Aufnahme des zweiten Hernes
eine vollständige Übereinstimmung mit dem Ballhausischen,
Ballstädter und Lichtenberger Siegel herbei. Auf Tafel II,
Fig. 1 und 2 sieht man die Siegel Hermanns Stranz
von Döllstädt des Alteren und des Jüngeren vom Jahre
1 302 *). Sie hängen an einer und derselben Urkunde des
Magdeburger Staatsarchivs. Auf den ersten Blick springt
die große Ähnlichkeit mit den Ballhausischen Siegeln in
die Augen. Außer der Umschrift, die beide Male S. HER-
MANI STRANZ DE TVLLESTE(T)E zu lauten scheint,
zeigt sich nur ein einziger unbedeutender Unterschied: die
Widderhörner des Stranzischen Wappens springen in ihren
1) W. Rein, Mittelalter!. Familiengruppen, im Korrefepondenzbl.
des Gesamtver. dtschr. Geschiclitsver. 1860, VIII, No. 46; 1861, IX,
No. 4. — W. Rein, Thuringia sacra. I, 77. 100; II, 77. 86 u. s. w.
— A. von Mülverstedt, Der abgestorbene Adel der Prov. Sachsen,
in Siebmachers Wappenb., Nürnb. 1884, VI, 6. 7. 98. 163.
2) Siegel Ludwigs v. Mülverstedt-Kreuzburg (1268, 1274) bei
Herquet, U.-B. von Mühlhausen, Taf. VIII, Fig. 43; Siegel Bertholds
von Kreuzburg (1266 Dec. 13.) im Staatsarch. Marburg (Kloster Heida).
3) Schoettgen et Kreysig, Dipl. et script. I, Tafel III, Fig. 2.
— Ztschr. f. thüring. Gsch. IV, S. 215 No. 4 u. S. 199 ff. — Mül-
verstedt, Tafel CVl u. S. 163 Anm.
4) Die Photographien der beiden Siegeltafeln verdanke ich der
Güte des Herrn Archivar Dr. Theuner zu Münster in Westf.
19*
284 Die von Balenhusen.
Wurzeln weiter auseinander, sind also von Anfang an
stärker gekrümmt. Außerdem sitzen sie noch auf einem
verbindenden Stirnteile, an dem die Wollhaare des Widders
hängen. Der freie Raum an der untereü Spitze des Schildes
ist durch eine kleine Figur ausgefüllt, das persönliche Ab-
zeichen des Siegelinhabers. Nur beim zweiten Siegel unserer
Abbildung ist das Abzeichen erkennbar: eine Rose. Nach
Mülverstedts Wappenbuche führte (1299) Hermann der
Ältere die Rose, Hermann der Jüngere dagegen eine Figur,
die einem M oder N gleicht. Stranz war übrigens nur der
Beiname einzelner Glieder im Hause Döllstädt. So heißt
es (1266): Giselher von Döllstädt und sein Bruder Her-
mann Stranz; und nach einer ungedruckten Urkunde von
1289 wurde das Patron atsrecht der Döllstädter Nikolaus-
kirche durch Hermann Stranz, Heinrich und Giselher von
Döllstädt dem dortigen Nonnenkloster geschenkt i). — —
Das älteste Ballhausische Siegel, das noch er-
halten ist, hängt an einer Urkunde vom 19. Juni 1256
(Stadtarchiv Mühlhausen). Es unterscheidet sich in keiner
Weise von den ersten, die wir bringen (Tafel I, Fig. 1
und 2). Sie sind auch nur wenige Wochen jünger, vom
1. August desselben Jahres. Der Aussteller der beiden
Urkunden heißt Eckhard von Ballhausen; in der
Umschrift seiner Siegel ist dagegen zu lesen : SIG(IL.)
EKEHARDI DE SVMERIGGEN. Das Siegel Eckhards I.
von Ballhausen-Sömmern bietet die Widderhörner in der^
größten und schönsten Ausführung. Vorzüglich in der oberen
Rundung liegt ein Schwung, wie er später nicht wiederkehrt.
Die Wollhaare der Widderstirn zieren als artige Fransen
die Wurzel der Hörner. Zur Ausfüllung des leeren Raumes
ist in die untere Spitze eine Art von Nagelbohrer einge-
zeichnet, zugleich ein persönliches Merkmal des • Siegel-
führers. Das Siegel Eckhards I. von 1265 (Tafel I, Fig. 'S)
an einer Urkunde des Magdeburger Staatsarchivs befestigt,
scheint von einem anderen Stempel herzurühren, obwohl in
1) Rein, Thur. sacra, II, 156 No. 191. — Urk. von 1289 im
Staatsarch. Gotha.
I
Die von Balcnhusen. "2^')
der Stellung der Buchstaben keine Abweichung hervortritt.
Die Hörner sind etwa um 1 mm kürzer, ihre Ausläufer um
eine halbe Drehung mehr nach innen gezogen. Auch er-
scheii)en die Querreifen wagerechter als an den frühei'en
Siegeln, und an der Hornwurzel fehlt der feine Strich, von
dem die Schlußfransen ausgehn. Durch Abnutzung des Pet-
schaftes läßt sich das nicht alles erklären.
Am Siegel Eckhards IL vom Jahre 1275 (Tafel I,
Fig. 4 und 5) wie an dem seiner Brüder sind die Widder-
hörner kleiner und steifer geworden. Der Stempelschneider
Eckhards II. hat statt der feinen Fransen rohe Einschnitte
in den Wurzeln der Hörner angebracht. Zum persönlichen
Abzeichen dient ein Maueranker. Die Umschrift lautet:
SV. EKEHARDI DE BALLENHVSEN.
Beim Siegel Bertholds IL, das an derselben Urkunde
von 1275 hängt (Tafel I, Fig. 6), sind die Fransen unter
den Homwurzeln ganz weggeblieben. Zum persönlichen
Abzeichen wählte er die Büste eines Gewappneten. Als Um-
schrift liest man : S^. BERTOLDI DE BALLE[NHVSEN].
Das Siegel des dritten Bruders, Hugos IL, findet sich
auf Tafel II, Fig. 3 abgebildet. Es stammt von einer Ur-
kunde des Magdeburger Staatsarchivs aus dem Jahre 1292.
Der Beschädigungen halber ist man nicht im stände, zu ent-
scheiden, ob Zacken oder Fransen die Homwurzeln ab-
schließen. Von der Umschrift erkennt man S[IGr. HVjGO-
NIS DE BALLENHVSEN. Das eigentümliche Merkmal
bildet ein Stern in der unteren Spitze.
Ein späterer Eckhard von Ballhausen — ich habe ihn
als Eckhard V. bezeichnet — führt in den Jahren 1322 und
1336 eine Rose unter den Widderhömern (R. No. 80. 85) i).
Es ist also eine ausgeprägte Eigentümlichkeit der Familie,
jeden Siegelinhaber durch ein besonderes Merkmal zu kenn-
zeichnen.
Von dem hessischen Zweige des Geschlechtes führen
wir das Siegel Helfrichs von Schwarzenberg aus
1) Schoettgen et Kreysig, Dipl. et script., Tora. II, Tab. V,
Fig. 56.
2^(5 Die von JJalenliusen.
dem Jahre 1 o92 vor (Tafel II, Fig. 4). Jedes der beiden
Widderhiirner ruht auf einem schräggestellten Fuße. Sie
sind von einem Schildrande umgeben, der auf einem kreis-
runden Felde liegt, während alle Siegel der älteren Ver-
wandten die Herzform zeigen. Anscheinend lautet die
Umschrift kurz und bündig: HELFRICH VÖ SWARCZ-
BER(t. Für ein persönliches Abzeichen fehlt der Raum.
Die dauernde Trennung von der thüringischen Heimat und
vom Stamme der Familie mochte auch diese Eigenheit
ins Vergessen gebracht haben. — —
Das eigentliche Geschlecht von Ballenhausen im
niedersächsischen Leinegau hat kein einziges Siegel hinter-
lassen. Das Siegel von 127!), das wir Tafel II, Fig. 5
bringen, gehört Hermann IL von Ballenhausen aus
dem Hause Hardenberg an. Es ist ein Helmsiegel. Als
Helmzier dienen 2 riesige Schlüssel. Der dreiteilige, nach
oben gerichtete Bart ist nach auswärts gekehrt, die kleinen
Grilfe sitzen wie Ohren an den Helmseiten. Der Vorname
Hermann läßt sich am Rande leicht bestimmen, vom übrigen
ist dagegen nur noch . . . enberg zu entziffern. Es leidet
indessen keinen Zweifel, daß man zu lesen hat: S. HERMANI
DE HARDENBERG. Die jetzigen Grafen von Hardenberg,
deren Stammsitz zwischen Göttingen und Northeim liegt,
führen zwar seit vielen Jahrhunderten ein recht unähnliches
Wappen ; nur in dem einer einzigen Linie sind noch Schlüssel
in ziemlich bescheidener Weise verwendet. Allein ihr an-"
fängliches Siegel (1241) zeigte, ebenso wie. das der Herren
von Rosdorf, nichts weiter als zwei Schlüssel derselben Art
und Gestalt. Dietrich von Hardenberg führte im Jahre
1270 — von der Umschrift abgesehen — sogar genau das-
selbe Siegel wie sein Neffe Hermann IL von Ballenhausen i).
1) Ku('hfiil)cckcr, Erbhofäniter der Landgnitbch. Hessen, lie'ü.
S. 11. — .loh. Wolf, Das Gesehl. der Herren von Rosdorf, Gott.
1S12. S. :57. ;]8. — Job. AVoIf, Gesch. des, Gesehl. v. Hardenberg,
I, 7(i vukI Fig. 1 und 2 der l)eigefügten Tafel.
Auszüge aus Urkunden und Chroniken zur Geschichte etc. 287
Auszüge ans llrkuiulen ^) und Chroniken
zur (beschichte derer Ton Balenhusen.
Von
Dr. L. Armbrust in Marburg.
A. Das thüringische Geschlecht toii Ballliausen.
No. 1.
1110 Juli 2(3. Erfurt. Ludwig der Springer, Graf zu Thüringen,
und dessen Angehörige schenken dem Kloster Reinhardsbrunn die
Kirche zu Bangerhausen. Zeugen: . . . (Abte); Graf Erwin von
Tonna, Henseiin von Balnhusen, Gerhard Bruder Dietrichs,
Hermann von Gudensberg, Gerhard von Willerstedt, Bebo von öpira;
von den Vasallen des Grafen Ludwig: Adelbert von Heihngen, Ger-
hard von Mülverstedt,
Posse, Codex diploinaticus Saxoniae regiae I, 2, No. 25 (25. Juli
1 HO). — F. B. von Hagke, Nachrichten über die Städte, Dörfer und
Güter des Kreises Weißensee, Weißensee 1867, S. 311. 394. — Doben-
ecker, Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiac
I, No. 1058. — Das Werk von Hagke ist noch an vielen anderen
Stellen mitbenutzt, wird aber nur hier genau angeführt, sonst durch
(in einfaches H bezeichnet.
No. 2.
1144 Juni. Erfurt. Erzbischof Heinrich 1. von Mainz bestätigt
Schenkungen an das Petersklosler in Erfurt. Zeugen: der Bischof
von Zeitz ; zwei Grafen ; mehrere Äbte und Pröpste ; die Freien :
Wigger von Wartburg, Meinhard von Mühlberg, Adelbert von
r. alenhusen; die Ministerialen: Berthold von Tüttleben u. s. w.
Codex dipl. Sax. reg. I, 2, No. 180 S. 126. — H. — Doben-
rker I, No. 1490.
No. 3.
1160 August 9. Um Carcano, eine Feste Überitaliens, zu ent-
setzen, greift Kaiser Friedrich I. die Mailänder an. Bei ihm be-
finden sich nur sehr wenige Deutsche, unter ihnen Herzog Berthold
von Zähringen, ein Herzog von Böhmen und comes Conradus de
Ballamixe. „Imperator vero cum suis Theotonicis et aliquibus
aliis robuste contra Mediolanenses irruens fere usque ad carozolum
ipsorum, ubi erat multitudo peditum Mediolanensium, eos impulit
et magnam ipsorum peditum copiam . . . interfecit et boves ipsius
carozoli occidit ipsumque carozolum incidit et crucem deauratam,
1) Diejenigen Regesten, welche auf die Archive in Hannover,
Magdeburg und Marburg verweisen, habe ich persönlich aus den
Originalen angefertigt. Von den übrigen Urkunden sind mir durch
die verschiedenen Archivverwaltungen Abschriften oder Auszüge
gütigst zur Verfügung gestellt worden.
288 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
que super perticam carozoli erat, atque vexillunä ibi positum abstulit
et multos ex ipsis tarn cquites quam pedites ad tentoria duxit."
Chronik des Lodesen Otto Morena: M. G. Bcriptores XVIII,
t)2ü. ,
No. 4.
[1161] September 1. Landriano im Gebiete von Mailand. Kon-
rad de BellaJuce Zeuge bei Kaiser Friedrich I. in emer Urkunde
für den Grafen Rubald von Lavagna und dessen Neffen.
Stumpf-Brentano, Reichskanzler III, No. 354 S. 503. — Doben-
ecker II, No. 216.
No. 5.
1162 März 7.— 10. Nachdem sich Mailand ergeben hatte, wählte
Kaiser Friedrich I. sechs Lombarden und sechs Deutsche aus, die
den Unterwerfungseid der Mailänder entgegennehmen sollten. „Et
usque ad sabbatum proximum fecimus iurare quasi universos Medio-
lanenses, quos invenimus .... comes vero Conradus de Ball-
anuce et Girardus de Cornazano fecerunt fieri sacramenta per
portam Romanam.
Acerbi Morenae continuatio: M. G. Scriptores XVIII, 636.
No. 6.
1162 April 6. Pavia. Cunradus de Ballenhusen Zeuge
in einem Vertrage Kaiser Friedrichs I. mit Pisa. Konrads Name
steht am Ende der Fürsten und freien Adligen, dicht vor den Hof-
beamten.
M. G. Leges IV, 1, S. 286, 44. — Dobenecker II, No. 230.
No. 7.
1162 Mai. Kaiser Friedrich I. setzt in der Lombardei Deutsche
zu Gewalthabern ein: „comitem Conradum de Ballanuce (alias:
Balamite) preposiüt Ferrarie." Charakteristik Konrads : „Comes Con -
radus de Bellamitte (alias: Belamite; Ballanuce j erat stature
non magne, albus, formosa facie, capillis albis, litteratus et sapiens,
dulcis et affabilis, providus et m hello strenuus, tarn lingua Theo-
tonica quam Ytahca doctus et in consiliis imperatoris maxime potens."
Acerbi Morenae continuatio: M. G. Scriptores XVIII, 639. 641.
No. 8.
1162 August 18. Turin. Udo IL, Bischof von Zeitz, Markward
von Grumbach, Conradus deBalnhusen Zeugen in dem Lehn-
briefe Kaiser Friedrichs I. für den Grafen Raimund von Barcelona.
Konrads Name steht hinter den Fürsten und Adligen, aber vor dea
Hofbeamten.
M. G. Leges IV, 1, S. 808, 18. — Dobenecker II, No. 237.
No. 9.
1163 Oktober 28. Rückkehr Kaiser Friedrichs I. nach Lodi :
,,Die vero Lune, que fuit quarta dies ante Kaleudas Novembris pre-
dicti anni reversus est de terra Theotonica christianus augustus in
zur Geschichte derer von IJalenhuscn. 289
civitate Laude cum Beatrice . . . comite Gabardo, Marcoardo et
comite Conrado de BeUanuce (alias: Balamite, Ballunuce> . ."
Acerbi Morenae continuatio: M. G. Scriptores XVIII, 042.
No. 10.
1164 Januar 5. Faenza. Curandus de Balhusen Zeuge
bei Kaiser Friedrich I. in einer Urkunde für das Kloster San Bene-
detto di Polirone.
Stumpf, Reichskanzler III, No. 4003 und S. 548. — Dobenecker II ,
No. 271. — Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit VI, 424.
No. 11.
11()4 August 10. Pavia. KonradvonBellaluce (Bellelucen )
Zeuge bei Kaiser Friedrich I. für den Pfalzgrafen Hildebrand von
Tuscien.
Stumpf, Reichskanzler III, No. 150 S. 202. — Dobenecker II,
No. 277.
No. 12.
1 1 (54 September. Kaiser Friedrich I. kehrt mit fast allen Deutschen
heim. „Sequenti vero mense Septembris Imperator cum iraperatrice
causa legendi exercitus in terram Theotonicam cum omnibus fere,
qui secum ex Theotonicis in Longobardia fuerant, perrexit; suosque
missos et procuratores per omnes fere Longobardie civitates, qui sua
iura suasque rationes, quas in Longobardia habere debebat, colligerent,
dimisit."
Anonymi Laudensis continuatio: M. G. Scriptores XVIII, 643.
No. 13.
[1164 Oktober — 1168.1 Erzbischof Wichmann von Magdeburg
gestattet dem Wichard von Deliniz, eine Kirche in Lochau (bei Merse-
burg) zu erbauen, und überweist derselben zwei Dörfer. Zeugen :
Rokerus vicedominus Magdeburgensis ecclesie'), Godefridus, Hart-
modus, Otto, Bertholdus, Anno Magdeburgensis ecclesie canonici;
Bertholdus de Grizlav, Conradus de ßallenhusen, Fredericus
de Lesnik, Fredericus de Langebuie.
G. A. von Mülverstedt, Regesta archiepiscopatus Magdebur-
gensis, Magdeburg 1876 ff., 1, No. 1398 S. 560. — Kehr, U.-B. des
Hochstiftes Merseburg (Geschichtsqu. der Prov. Sachsen, Bd: XXXVI),
Halle 1899, No. 105 S. 89. — Dobenecker II, No. 374.
No. 14.
1166 August 20. Schloß Boyneburg (ssw. Eschwege). Kaiser
Friedrich I. bekundet, daß er dem Erzbischof Wichmann und der
Kirche zu Magdeburg ein Schloß und eine Abtei übertragen habe.
Zeugen: . . . (Bischöfe und Fürsten); . . . (Grafen); , . . (Geistliche);
Marquardus de Grumbac, burgravius Magdeburgensis Burcardus,
Theodericus burgravius de Kirburc, Heinricus de Buch, Conradus
Makechcrve, Heinricus de Erdenbronnen, Heinricus Struz, Con-
radus de Balnehusen, Gero de Seburg und andere.
1) „Dieser Rocker kommt als Vitztum des Erzstiftes Magde-
burg in Urkunden von 1100—68 vor." v. M.
290 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
Cod. dipl. Sax. reg. I, 2, No. 387 S. 229.,— Dobenecker II, No.
324. — von Mülverstedt, Eeg. Magd. I, No. 1455 ö. 600. — O. v.
Heinemann, Codex diplomaticus Anhaltinus I, No. 497 ö. 361. — H.
No. 15.
1170 Juli 25. Frankfurt. Kaiser Friedrich I. bestätigt einen
Gütertausch zwischen dem Abte Burghard Von Fulda und dem
Landgrafen Ludwig von Thüringen. Zeugen: . . . (Bischöfe und
Fürsten); comes Eraico de Liningen, comes Boppo de Hollinde,
comes Rodulphus de Cigenhagen et comes Gozmarus frater eins,
comes Boppo de Hanestein , comes Bertholdus de Schowenburc,
comes Everhardus de Leine, comes Albertus de Balnehusen
et filius eius Conradus, Marquardus de Grumbach, Sibodo de
FVankenstein et alii quam plures.
Cod. dipl. Sax. reg. I, 2, No. 369 S. 257. — H. — Doben-
ecker II, No. 401.
No. 16.
1170 Juli 25. Frankfurt. Kaiser Friedrich I. bestätigt dem
Stifte St. Petersberg bei Goslar dessen Besitz und Reichsunmittel-
barkeit. Zeugen: dieselben wie in No. 15. (Fälschung!)
Bode, Urkundenbuch der Stadt Goslar (Geschichtsquellen der
Prov. Sachsen, Bd. XXX), Halle 1893 ff., I, No. 268 S. 299. — Doben-
ecker II, No. 402.
No. 17.
1172 März 6. Erzbischof Christian I. von Mainz schheßt einen
Vertrag mit Genua. Unter den Zeugen : Graf Macharius, die beiden
Vettern des Erzbischofs Friedrich und dessen Bruder, Graf Erwin
[von Tonnaj, Konrad von Balnehusen, Konrad Suevus, Otto
von Vesperde.
Konr. Varrentrapp, Erzbischof Christian I. von Mainz, Berlin
1867, No. 95 S. 135.
No. 18.
1172 März 19. biena. Erzbischof Christian I. von Mainz be-
stätigt die Rechte und Besitzungen der Stadt Viterbo. Unter den
Zeugen: Graf Erwin [von Tonna], Reimbot und Friedrich Grafen
von Beichlingen, Konrad von Balnehusen, Otto von Vesperdfe
und italienische Grafen und Markgrafen.
Konr. Varrentrapp, Erzb. Christian, No. 96 S. 135. — Dobenecker II,
No. 442.
No. 19.
1174 Dezember 21. Vor Rovoreto. Kaiser Friedrich I. belehnt
den Grafen Wilhelm mit der Grafschaft Forcalquier. (Sententia de
non alienandis bonis comitatuum.) Zeugen: . . . . Conradus de
Balhusen als letzter der Deutschen, aber vor den italienischen
Markgrafen und Adligen.
M. G. Leges IV, 1, 337. 338, 23. — Dobenecker II, No. 489.
No. 20.
1176 Dezember 12. Cremona. Notariatsprotokoll über den Ver-
trag des Kaisers Friedrichs I. mit den Cremonesen. „Ipse impe-
zur Geschichte derer vou ßalenhuben. 291
rator die quodani dominico, qui tuit duodecimus intrante menirQ
Decembris, et in quodain casanieiito de ecdcsia beate Agathe de
burgo Cremone iuravit per sancla dei euangelia per Conraduni de
B e 1 1 a 1 u c e , cui ad hec omnia parabolam dcdit . . . Itera et C o n -
radus de Bellaluce similiter et pro se iuravit/'
M. G. Leges IV, 1, 355, 8; 356, 13. — Dobenecker II, No. 510.
No. 21.
[Ende 1176—77] ')• Vertrag zwischen dem Kaiser und der Stadt
Tortona. „Dominus hnpcrator per interpositam personam, scilicet
per Conradum de Belalus (alias: Belaliis) super animam suam
feeit iurare, quod civitas Terdona de cetero non destruetur ....
Öicut Conradus de Belalus (alias: Belaliis) iuravit pro domino
imperatore et pro se, sie et principes et nobiles subscripti iuraverunt
pro se."
M. G. Leges IV, 1, 392, 1; 393, 14. — Dobenecker II, No. 511.
No. 22.
1177 August 1. Venedig. Friedensschluß des Kaisers mit dem
Papste und dem Könige von Sicilien, Waffenstillstand mit den
Lombarden. „(Forma iuramenti decem magnatum imperii): Ego
C. Moguntinus, ego Ph. Coloniensis, ego V. Magdeburgensis, ego
B. (Arnold!) Treverensis archiepiscopi , ego D. Pactaviensis, ego C.
electus Warmaciensis, ego A. impenalis aule protonotarius, ego C.
quondam Mantuanus episcopus, ego G. cancellarius et ego C. comes
(Anm.: Conradus de ßalnhusen) iuramus in animabus nostris
super hec sancta dei euangelia, quod pacem ecclesie atque imperii et
pacem regis Siciliae usque ad quindecim annos et treuguam Lom-
bardorum usque ad VI annos, sicut statutum est et scriptum per
mediatores utriusque partis, bona fide servabimus absque fraude" . .
M. G. Leges IV, 1, 367. — Dobenecker II, No. 524.
No. 23.
[Um 1206,] Propst Werner von Jechaburg bekundet, daß der
Streit mit dem Kloster Walkenried um einen GOtertausch beige-
l^t sei. Zeugen : Christian Dechant, Friedrich Scholastikus, . . .
Friedrich von Nordhausen Priester, Konrad von Ballenhusen,
Heinrich von Salza Priester etc.
Stumpf, Acta Moguntina, S. 137. — Dobenecker ir, No. 1323.
No. 24.
1250 Januar 5. Der Deutschmeister Albert von Hallen berg
übergiebt dem Müller Heinrich aus Gottern die Mühle bei der
Kilianskirche in Mühlhausen. Zeugen : . . . (Brüder vom Deutschen
Orden); Henricus de Komre, Rodolfus Winmann, Fridericus Trut-
1) Das Protokoll, das unter anderem in emer Urkunde Kaiser
Heinrichs VI. vom 4, Februar 1193 enthalten ist, wird gewöhnUch
vom 4. Februar 1183 datiert. Stumpf, Reichskanzler III, No. 410
S. 575 und Giesebrecht, Deutsche Kaiserzeit VI, S. 536 setzen den
Schwur aber Ende 1176 oder 1177. Später (etwa 1183) scheint der
Vertrag Zusätze erhalten zu haben. M. G. Leges IV, 1, 391.
292 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
lindis, Henricus Wederoldi, Tidericus Baldebärti, Meinardus frater
suus, Bertoldus de Ballenhusen, Conradus de Effeldere etc.
K. Herquet, Urkundenbuch der ehem. freien Eeichsstadt Mühl-
hausen in Thür. (Gesehichtsquelien der Prov. Sachsen, ßd. III),
Halle 1874, üo. 107 S. 33.
No. 25.
1250 Julj 4. Der Propst des Nonnenklosters zu Wechterswinkel
vollzieht die Übergabe eines Dorfes und dreier Hufen an das Kloster
Pforte vor Dietrich Grafen von Berka: „cum nos (Graf Dietrich i
vice et mandato gloriosi domini nostri Misnensis et Orientalis mar-
cMonis, Thuringie lantgravii et Saxonie comitis palatini presideremus
in Maspe') iudicio provinciali, quod landinch vulgariter appellatur,
secundum morem terre figurato iudicio et sententialiter instaurato. . .
Acta sunt hec anno domini M^CC'L", IUI" Nonas lulii in presentia
eorum, quorum nomina sunt subscripta: Theodericus de Vipechc
scultetus comitatus in Maspe, Guntherus comes in Keuirnberc, Al-
bertus comes de Rauenswalt, Heinricus comes de Swarcburg, Gunt-
herus comes de Blankenberc, Theodericus burgravius de Kyrchperc,
Albertus comes de Clettenberc, Heinricus de Helderungen, Theodericus
de Vipeche, Lutolfus et frater eins Heinricus de Alrestete, Heinricus
et frater eins Ludewicus de Meldingen, Hugo de Salza, Albertus de
Eueleiben, Heinricus et frater eius ßudolfus et Bertoldus de Yscer-
stete, Ekehardus et frater eius HugodeBalnhusen, Heinricus
de Komre et alii quam plures."
P. Böhme, Urkundenbuch des Klosters Pforta (Geschichtsqu.
der Prov. Sachsen, Bd. XXXIII, 1), Halle 1893, No. 129 S. 152.
Jfo. 26.
1255 November 1. Erfurt. Ekkehardus de Ballenhusen
dictus de Summeringen miles vertauscht mit Erlaubnis seiner
Gattin Lucardis und unter Zustimmung seiner Söhne dem Abte
Andreas und dem Peterskloster in Erfurt Güter. Eckhard gab die
folgenden hin: in Walschlebeu (nw. Erfurt) Güter, die jährlich 3
Vierdunge einbrachten, in Raßdorf, einer Wüstung bei Witterda (nw.
Erfurt), 4 Hufen und in Herbsleben an der Unstrut (A.-G. Touna)
l Hufe. Zeugen : venerabilis dominus Gerardus archiepiscopus Mo-
guntinus, Fridericus praepositus Northusensis, dominus Heydenricus '
abbas Bursfeldeusis, magister Bertoldus eiusdem archiepiscopi scriptor ;
Fridericus de Drivordia senior, Bertoldus vicedöminus, Heinricus
pincerna dictus de Appolt, Ecckehardus de Wartperg milites et alii
fide digni.
Joh. Fr. Schannat, Vindemiae litterariae, Fulda u. Leipzig
1723, II, 12 No. 20. — H.
No. 27.
1256 Juni 19. Sühne der Gebrüder Johannes und Hugo von
Weidensee mit der Bürgerschaft von Mühlhausen wegen Zerstörung
ihres Hofes auf der Burg. Zeugen: Ekehardus de Balhusen,
1) Die Gerichtsstätte Maspe (1237 Asp) soll bei Mark-Vippach,
80. Sömmerda, nach Sprötau hin, zu suchen sein.
zur Geschichte derer von Balenhueen. *293
Th. de Rettelheim, Hugo de C!ornre, Cun. de Ammera, Th. de C!onjre,
C, Hcinricus fratres dicti Dopelstein milites; Fridericus villicus etc*
Anhängend die Siegel der Ritter von Ballhausen, Körner und Weiden-
see, sowie das sehr verstümmelte Stadtsiegel.
Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 135 S. 46.
Xo. 2S.
12r)() August 1. Ballhausen (Kreis Weißensee). Ekehardus
de Ballenhusen miles teilt dem Schultheißen, den ßurgmannen
und Bürgern zu Rotenburg an der Fulda mit, daß er seine Eigen-
güter in Leimbach, einer Wüstung südlich von Altraorschen, dem
Kloster Heida (bei Altmorschen) übertragen habe. Seinen Knecht
Friedrich von Burschla (servum etiam mcum I'ridericum de Burslo)
ordnet er ab, um an seiner Statt vor ihnen (loco raei vobis presen-
tibus) die Güter dem Kloster zu übertragen. Datum Ballenhusen
anno domini M CC LVI", Kai. Augusti. Anhängend das Siegel Eck-
hards v. B. Vgl. Tafel I Fig. 1.
Original im Staatsarchiv Marburg (Kloster Heida).
^"0. 29.
1256 August 1 '). Heida. Ekehardus de Ballenhusen ac
Lucardis nostra contectalis und beider Söhne übertragen ihr
Eigentum in Leimbach dem Kloster Heida. Zeugen : Bertholdus de
Cruceburg, Ekehardus de Warberg, Hermannus de Reingotshusen,
Rudegerus Monachus milites et alii fide digni. Datum Heyde anno
domini MCCLVI", Kai. Augusti. Das Siegel Eckhards v. B. an-
hängend. Vgl. Tafel I Fig. 2.
Original im Staatsarchiv Marburg (Kloster Heida).
Xo. 30.
1258 Januar 28. Ballhausen. Die Ritter Hugo und Johannes
von Weidensee, Gebrüder, verkaufen dem Kloster Volkenrode (nö.
Mühlhausen) Güter zu Bollstedt (ö. Mühlhausen). Sie selbst besiegeln
die Urkunde, außerdem wird sie versehen mit dem Siegel avunculi
nostri domini Ekehardi de Ballenhusen. Zeugen: Ekehardus
de Warburg, Heinricus et Conradus dicti Toppelstein, Hermannus
Stoc milites; Wideroldus rector ecclesie de Ballenhusen.
Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 1034. — H.
Xo. 31.
1258 Januar 28. Ballhausen. Der Abt Albert und das Kloster
VolkenrodetauschenGüter mit Ritter Eckhard von Ballenhusen
Das Kloster erhält von Eckhard: 1 Hufe in KirchheiUngen (ö
Bothenheilingen, nö. Langensalza) und 2| Malter triplicis annonae
Er empfängt dafür: 1| Hufen und 4 Morgen in Klein-Ballhausen
Außerdem giebt er seine Ländereien in Hochstedt (ö. Erfurt) hin
1) Der Schenkbrief ist ursprünglich an einem anderen Tage
ausgestellt, denn die Worte Kai. Augusti stehen auf einer Rasur;
meÄwürdigerweise auch der Name des Klosters : sancte Marie vir-
ginis in Heyde.
294 Auszüge aus iTkuiidcn und Chroniken
die innerhall) der Klosterflur liegen , und erhält das Klosterland,
das zwischen seinen Ländereien daselbst liegt. Acta sunt hec in
r>allenhusen anno domini MCCLVIII, quinto Kai. Februarii.
Orig. im Hauptstaatsarchiv Dresden, No. 576. — Auszug bei
J. H. jMöller, Erwerb, u. Besitz, des Klostet's Volkenrode, in der
Ztschr. f. thüring. Gsch., Jena, LSü5, VI, 307. — H.
Xo. S2.
1258 März 13. Ballhausen. Eitter Eckhard von Ballen -
husen verkauft dem Deutschordenshause zu Nägelstedt (ö. Langen-
salza) von seinen Gütern daselbst 2 Hufen, die er früher von der
Kirche zu Raßdorf (Wüstung bei Witterda nw. Erfurt) erworben hat.
Zeugen : Hugho de Widense, Guntherus dictus Slirzcil, Hermannus
dictus Sthoc, Heinricus dictus Topelstein inilites ; frater Lamber-
tus, frater Heinricus de Scirbcde, frater Bertholdus commendator
dorn. Theut. in Negilstete; Meinhardus laicus, Theodericus scriptor
Ekehardi de Ballenhusen. Acta sunt in Ballenhusen anno domini
MCCLVIII, tercio Id. Marcii.
()rig. im Haupt-Staatsarchiv Dresden, No. 078. — H.
Xo. 83.
[Um ]2r)8]') Oktober 2.— 7. Eckhard Ritter de Minori
1} allen husen schenkt das Vogteirecht über 1 Hufe in Ma[iori
Ballenhusen] dem Kloster Volkenrode. Zeugen: Wideroldus plebanus
in Maiori Ballenhusen ; Ekehardus de Wartpurc, Volmarus cie Wige-
leiben, Cun[radus dictus Topelstein?] .... Non. Octobris.
Orig., stark beschädigt, rechte Seite abgerissen, im Haupt-
Staatsarctiv Dresden, No. 1624 ss. — Auszug bei J. H. Möller in
der Ztschr. f. thüring. Gsch. VI, 306. - H.
Xo. 34.
1259 September 18. Ritter Eckhard von Ballenhusen,
dessen Frau Lukkar dis und beider Söhne erklären sich mit einer
Schenkung Helfrichs von Rotenburg seligen Angedenkens einver-
standen. Dieser, der Schwiegervater Eckhards v. B., hatte den Cister-
ciensern zu Hardehausen (bei Paderborn) den Zehnten in Mönchehof
(bei Cassel) übertragen. Eckhard leistet den Mönchen, wenn nötig,
Gewähr für den ]>esitz. Zeugen: dominus Gumpertus frater et
monachus eiusdem monasterii, dominus lohannes plebanus in Surthen-
burg; dominus Albertus de Ebeleyuen, Ekkehardus deWarthberg,
Heinricus dictus Thobelstein milites ; Theodericus scriptor et multi alii
fide digni.
Westfälisches Urkundenbuch, Bd. IV, Münster 1878—89, No.
S05.
Xo. 35.
1262 Oktober 15. Ballhausen. Ekkehardus de Ballenhusen
dictus de S u m er i n ircn -) miles bekundet, daß der Ritter Rüdiger
1) Pfarrer Widerold kommt auch am 28. Jan. 1258 vor (Regest
No. 30).
2) Westfäl. Ü.-B. : Sinnering.
zur Geschichte derer von Baleuhusen. *295
itenannt Mönch von Rotenburg und dessen Söhne den Hardehauser
Mönchen gegenüber auf alle Ansprüche an den Zehnten in Mönche-
hof Verzicht geleistet haben.
Westfälisches Urkundenbuch, IV, No. 915.
Xo. 36.
1262. Die Grafen Erf und Widekind von JJilstein belehnen
Ernst von Kranichfcld und Gernod von Brunne.. Bürger zu Mühl-
hausen, mit 6 Hufen in Holbach (sw. EUrich am Harz). Zeugen :
Fridericus nobili.s vir senior de Drivordia et frater ip.sius, dominus
Eckehardus uominatus de Ballenhusen et Helfericus filius
suus, Cameranus de Molehusen, tSwicherus, Eckehardus Molendinarius
dictus, Henricus et Theodericus de Cornre .... Wal|t]heru.s de
Hunoldeshusen, Hugo de Widense etc. Das Stadtsiegel von Mühl-
hausen ist an beiden Ausfertigungen der Urkunde abgefallen.
Joh. Wolf, Gesch. des Eichsfeldes, I, Urk. No. XXXVII,
S. 32. — Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 166. — H.
Xo. 37.
1264 Oktober 11. Graf Heinrich von Hohnstein schenkt dem
Hospital zu N. (Weißensee?) die Kirche in Mehler (nö. Mühlhausen).
Zeugen: Eckhard von Ballhausen, Härtung von Kirchberg.
Friedrich von Ehrich, Dietrich von Werthern, Eckhard von Berga,
alle Ritter; Hermann von Furra. genannt Farch; und Herr Heiden-
reich, Graf Heinrichs Kaplan.
Jovius, Chrouicou Schwartzburgicum, cap. XV, bei Schoettgen
et Kreysig, Diplomataria et scriptores, Altenburg 1753 ff., I, 179 B.
— H."
No. 38.
1265 Mai 30. Ritter Eckhard von Ballenhusen bekundet
daß er im Einverständnisse mit seiner Gattin Lickard und mit Er-
laubnis seiner Söhne (Helferici, Eckehardi, Hughonis , Ber-
toldi et Rudolfi ac aliorura omnium puerorum meorum) dem
Kloster Reifenstein (auf dem Eichsfelde, s. Worbis) eine halbe Hufe,
ein Grundstück (aream) und einen Garten in Schwerstedt (sw. Butt-
städt, Kreis Weißensee) verkauft habe. Zeugen : Eckehardus de
Wartperg, Elherus de Amsted, Conradus dictus Thopelstein, Beren-
gerus de Webersted, Conradus et Henricus filii dicti Conradi Thopel-
stein et multi alii fide digni. Acta sunt hec anno domini-MCCLXV,
III. Kai. lunii. Siegler: der Abt von Volkenrode und der Aus-
steller. Beide Siegel beschädigt.
Original im Staatsarchiv Magdeburg. — H.
No. 39.
rUm 1265.] Eckh[ardus] miles de Ballinh[usen] dictus
Sak Dekundet, daß er sem Anrecht am Zehnten in Holtthusen dem
Kloster Breitenau (am Zusammenflusse der Eder und Fulda) angewiesen
und dafür die Klostergüter in Stuetren superiori (Ober-Stüter, westfäl.
Kreis Hattingen) mit Ausnahme des Grundes und Bodens (praeter aream)
erhalten habe. Zeugen: dominus Bertoldus de Cruceborc, Herwicus
de Bodegerne, Eckh[ardus] de Wartberc, Wer[njheru8 de Salzberc, Giso
dictus Sprengel, Eckh[ardu8] de Stuerten, Cunradus de Wernehe et alii
9()(3 Aus/.ütrc aus Urkunden und Chroniken
<|uaiu plurcs tide digni . ..Acta sunt anno domini MCC'j. Siegler:
Mckhard von Hallhauscn. Siegel abgefallen.
()riginal im Staatnarchiv Marburg (Kloster Breitenau).
Xo. 40.
1273 November 14. Ehrich. Eckehardus, Hugo et Bert-
hold us fratres de Ballenhusen et Widekindus noster nepos
machen bekannt, daß ihr Zwist mit der Äbtissin Margaretha von
Gandersheim beigelegt sei. Von den Gandersheimor (Jütern, die sie als
Vögte zu Tcnnstüdt (Kreis Langensalza) von der Äbtissin zii
Ischen tragen, lassen sie den ganzen Jahresertrag freiwillig nach und
geben ihn als bezahlt auf (relaxavimns omnem annonam et solutam
dimisimus), weil sie Verwalter und Bauern (villicos et colonosj da-
durch bedrückt hätten. Sie wollen auch in Zukunft den Vogtei-
leuten nicht eher Abgaben auferlegen, bis das Kloster seine Einkünfte
bezogen hat, und beim Eintreiben milde vorgehn , dagegen eifrig
dafür sorgen, daß das Kloster seine Abgaben erhält. JJies alles
war in Gegenwart der Äbtissin festgestellt. Die Aussteller versprachen
die Befolgung dieser Bestimmungen dem Edelherrn Gottschalk von
Plesse, dessen Sohne Otto, dem Kämmerer Heinrich und Hermann
von Uslar, dem Schultheißen Eriedrich und dem derzeitigen Vogte
Bruning in die Hand. Zeugen: dominus Gotscalcus nobilis de Plesse,
()tto filius suus, Theodericus plebanus sancti Georgii in Ganderseni,
Thidericus ])lebanus orientalis ecclesie in Tcnnenstede, Heinricus came-
rarius, I'runingus advocatus, Eridericus sculthetus in Erich, Arnoldus
de Wulfenchen, Hermannus Stock, Heinricus de Tennenstede et alii
([uam plures. Siegel der Aussteller et Heinrici de Lebenstede, Ede-
leri de Arnestede, Hermanni de Vslaria et Heinrici de Tullenstede
militiun . . . Datum et actum Eriche anno domini M''CC"LXX"II1",
XVni" Kai. Decembris.
.1. Chr. Harenborg, Historia ecclesiae Gandershemensis diplo-
matica, Hannover 1731, S. 784; vgl. auch S. 531, 775, 1550. — H.
Xo. 41.
1275 Juli 2(J. Eckhard, Hugo und Bert hold [von Ball -
haus(Mi] ,,una cum Widckindo nostro fratruele" bekennen, daß
sie eine ilufe in Rangenrode (Wüstung in der Gegend von IVIorschen),
die jährlich (i solidos denariorum zu zahlen hatte — diese Einkünfte
hatte der Bitter Guntram von Morschen von ihnen zu Lehen — .
dem Kloster Heida zum ständigen Eigentum übertragen haben.
Zeugen: dominus Her|mannus| miles de Spangenberg, Sifridus miles
de Haldorf; Arnoldus plebanus in Milsr.ngcn ; Ludewicus de Sluwines-
dori, Heiu-icus Winze, Gerhardus scultetus in Milsungen, Lude-
wiens ninior de Sluwintesdorf, Herelwicus (!) de Otolueshusen et
alii (|uam plures. Acta sunt hcc anno domini MCCLXXV, in cra-
-tino 1). Tacol)i a])ost()li.
1) Die Schrift deutet aber auf die Mitte des 13. Jahrhunderts,
f4)enso die Xamen einiger Zeugen; Berthold von Kreuzburg läßt
sich in Urkunden von 12511, r2(i() und li()7 nachweisen. Konrad von
Wehren r2')7 und 1275, Herwig von Bödiger 1238, Eckhard von
Wartburti- 1255 — 12(55, Werner von Salzberg und Giso Sprengel je
zweimal 'l2(;!», ersterer auch 1253, letzterer 1255, 1259, 1260, 1267.
zur Geschichte derer von Balenhusen. 297
Eckhards und Bertholds Siegel anhängend, da« Hugoe fehlt.
Vgl. Tafel I Fig. 5 und 6.
Original im Staatsarchiv Marburg (Kloster Heida).
No. 42.
1275 Juli 26. Schwarzenberg (n. Melsungen an der Fulda).
Eckehardus miles de Ballennusen verpflichtet sich mit seinen
Brüdern, die Einkünfte von 6 sol. den., die der Ritter Guntram von
Morschen von ihnen einstmals zu Lehen gehabt, und die sie jetzt
den Nonnen zu Heida überlassen haben, binnen Jahresfrist aus dem
etwaigen Lehensverhältnisse zu befreien. Augenblicklich vermögen
sie nämlich nicht zu entscheiden, ob es sich um Eigentum oder
0 0
Lehen handelt. Datum anno domini MCCLXXV apud Svarzenberg,
in crastino beati Jacobi apostoh. Eckhards Siegel anhängend. Vgl.
Taf. I Fig. 4.
Original im Staatsarchiv Marburg (Kloster Heida).
No. 43.
1276 April 22. Luitpold, Sohn des verstorbenen Luitpold Truch-
seß von Heimburg, giebt Güter im Dorfe Urbach (w. Lbeleben, in
Schwarzburg-Sondershausen) den Söhnen des Northäuser Bürgers
Gottschalk von Holzmarkt zu Lehen. A. 1276, X. Kai. Mali. Zeugen :
avunculi mei Eckehardus de Balnehusen et fratres eius.
Urkunden des Stiftes Walkenried (Urkundenbuch des historischen
Vereins für Niedersachsen Heft II und III), Hannover 1852, S. 287
No. 440.
No. 44.
1276 [Januar — September]. Gatersleben (b. Aschersleben).
Mechthild, Ehefrau des Ritters Heinrich von Dunstedt, Margarethe,
Ehefrau des Ritters von Alerstedt und Mechthild, Ehefrau Bert-
holds Ritters vonBallenhusen, geben ihre Zustimmung zu der
Schenkung, die ihre Brüder Rudolf, Dietrich Johann und Johann
von Gatersleben dem Stifte Quedlinburg zugewendet haben.
O. von Heinemann, Codex diplomaticus Anhaltinus, II, 352
No. 487.
No. 46.
1277 Januar 4. Ulrich, geistlicher Richter und Scholastikua
zu Jechaburg, macht bekannt, daß der Streit zwischen dem Propste
des Klosters Capelle (in Schwarzburg- Rudolstadt) und Herrn Eck-
hard von Ballenhusen und dessen Brüdern über das Patronate-
recht der Kirche in Lützen-Sömmern (Luzelensumeringen) einem
Schiedsgericht übertragen sei, nämlich domino Reinoldo plebano de
Sumeringen sancti Gangolfi, domino Henrico de Gruningen militi,
Heinrico de Sumeringen militi, Heidenrico dicto Velkenero de Gruzen
militi, Bertoldo de Rotteleiben mihti. Er (Ulrich) hätte dann Magister
Heidenreich, Pfarrer in Markt-Greußen (Sondershausen), zugezogen
und im Einverständnisse mit den Schiedsrichtern das Patronatsrecht
dem Kloster Capelle überantwortet. Acta sunt hec anno domini
MCCLXXVII in octava innocentum. (Michelsen hält dies für den
8. Jan. des folgenden Jahres.)
XXI. 20
298 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
A. L. J. Michelsen, Codex Thuringiae diplomaticus. Jena 1854,
H. 18 No. VIII; Jovius, Chronicon iSciiwartzburgicum, III, cap. I bei
Schoettgen et Kreysig, Dipl. et script. 1, 191. — H.
No. 46.
1277 September 23. Mainz. Erzbischof W[erner] von Mainz
bestätigt den obigen Spruch über das Patron atsrecht der Kirche von
Sumeringen, das dem ßitter Eckhard und dessen Brüdern von
Balnhausen somit verloren geht. Datum Maguntie anno domini
raillesimo CCLXXVII, Villi. Kai. Octobris. (Michelsen deutet dies
als den 18. Sept., dann müßte aber XIIIl. Kai. Octobris in der Ur-
kunde stehn.)
Michelsen, Cod. Thuringiae dipl., S. 17 No. VII.
No. 47.
1278 September 25. Die Grafen Günther IX. und Heinrich X.
von Schwarzburg treten ihrem Bruder Günther XI., Domherrn zu
Magdeburg, das Dorf Seberaen ab. Zeugen: Ludwig von Branden-
stein, Heinrich und Otto Gebrüder von Greußen, Gerbot von
Balnhausen, Heinrich von Ranis, Hermann, Konrad und Diet-
rich Gebrüder von Beulwitz.
Jovius, Chronicon Schwartzburgicura, II, cap. XVIII bei Schoett-
gen et Kreysig, Dipl. et script., I, 183 C. — H.
No. 48.
1282 März 27. Mühlhausen. Sühne zwischen den Mühlhäuser
Bürgern von Göttingen und von Küllstedt wegen Ermordung Gott-
frieds von Küllstedt. Als vorletzter der Mühlhäuser Ratsherren wird
Hermann von Ballenhusin genannt.
Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 296 S. 118.
No. 49.
128t) Januar 6. Berta de Nouo Castro (= Naumburg s,
Wolfhagen in Niederhessen) verkauft auf den Rat ihres Gemahls,
des Herrn Giso Ritters von Ziegenberg, und mit Zustimmung ihrer
Söhne Widekind und Berthold [von Schwarzenberg] dem
Deutschen Hause in Marburg ihren Leibeigenen Herwig von Möllrich.
Zeugen : Conradus de Uslathe miles , Gozwinus de Osterhusen,
Heinricus Vingerhut scultetus und Bürger von Fritzlar.
Die letzteren und Giso von Ziegenberg sind Siegler. Siegel ab-
gefallen.
Wyss, Hessische Urkunden (Publ. aus Preuß. Staatsarchiven
IIL Bd.) I, 338 No. 456; Guden , Codex diplomaticus, IV, 953
No. LXXVIII.
No. 50.
1286 Januar 6. Ritter Giso von Ziegenberg verbürgt sich für
die Zustimmung seines zweiten Stiefsohnes B e r t h o 1 d [von Schwarzen-
berg] zu obigem Verkaufe.
Wyss, Hess. Urk., I, 339.
No. 51.
1286 Januar 6. Giso Ritter von Ziegenberg und dessen Stief-
sohn Widekind [von Schwarzenberg] verbürgen sich eidlich dafür,
zur Geschichte derer von ßalenhusen. 299
daß Berthold [von Öchwarzenberg], ihr Stiefsohn bezw. Bruder,
obigen Verkauf für gültig erklären und bis zum Sonntage Quasi-
raodogeniti (April 21.) in eigener Person zu Fritzlar auf den Leib-
eigenen H, V. M. Verzicht leisten wird. Wenn dies am 22. April
nicht geschehen ist, wollen die beiden Aussteller sich in Fritzlar
stellen und dort so lange bleiben, bis ihr Versprechen erfüllt ist. Datiun
anno MCCLXXXVI, in Epiphania domini.
Guden, Codex diplomaticus, IV, 954 No 79. Kurz erwähnt bei
Wyss, Hess. Urk., I, 339.
No. 62.
1286 Februar 17. Agnes, Witwe des Ritters von Wirbach, ge-
stattet dem Augustinermönche B. genannt Quadrans im Brühl vor
Erfurt, einen von ihr erhaltenen Zins an den Pfarrer zu St. Martin .
daselbst zu verkaufen. Zeugen: G [erbot] de Balnhusen, C. de
Mulde milites; G. de Erfort et H. de Lychstete cives in Salvelt
et alii.
C. Beyer, Urkundenbuch der Stadt Erfurt (Geschichtsquelleu
der Prov. Sachsen, XXI. Band), Halle 1889, 1. Bd., No. 361.
No. 53.
1289 Mai 26. (in crastino Urbani pape). Hermann und Johann,
die Söhne des Ritters Giso von Ziegenberg, verzichten auf alles An-
recht an ihr Allod und ihre Mühle zu Martageshusen (Marzhausen
n. Witzenhausen) zu Gunsten des Klosters Mariengarten (s. Göttingen).
Siegler: Ritter Johann von Helfenberg und die Stadt Münden.
Zeugen : Conradus de Berleuessen , Henricus de Reingoldeshusen
milites; Johannes de Herste advocatus in Fridelant, Widekindus
de S warzenberg*) und andere.
Orig. im Staatsarchiv Hannover (Mariengarten, No. 53).
Gedruckt bei Scheidt, Histor. u. diplomat. Nachr. vom hohen
u. niederen Adel in Teutschland. Hannover 1754, S. 88. — Gust.
Schmidt, U.-B. der Stadt Göttingen (Niedersächs. U.-B., Heft VI),
I, 23 No. 31.
No. 54.
1290 Juli (1. — 6.). Das Brückenkloster in Mühlhausen verkauft
an Lodewicus dictus An sinen danc de Balnhusen, dessen
Frau Christine und Erben zwei Acker Landes.
Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 363 S. 151.
No. 55.
1292 Juli 1. Aachen. Der römische König Adolf (von Nassau)
macht dem Erzbischof Gerhard von Mainz verschiedene Versprech-
ungen : . . . Item castrum Ballenhusen, obligatum ipsi . . archiepis-
copo et sue ecclesie Maguntine per nobilem virum Gerlacum de
Bruberg, non repetemus ab ipsis , nisi mille marcis argen ti puri
primitus sibi datis .... Datum Aquisgrani Kai. Julii, indictione
1) Scheidt setzt hinter diesen Namen: „famuli", ein Wort, das
im Originale fehlt ; es entspricht aber den Thatsachen , denn aDe
folgenden sind Göttinger Bürger, denen solch eine Bezeichnung nicht
zukommt.
20*
,'300 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
V., anno domini MCC nonagesimo secundo, regni vero nostri anno
primo.
Guden, Codex dipl.I, 8G2. — H. Reimer, U.-B. der Herren
von Hanau (Publikationen aus Preuß. Staatsarchiven, Bd. 48). 4 Bde.
Leipzig 1891 ff., I, 52G No. 725. — H,
Xo. :)6.
1292 Dezember 4. Die Gel)rüder Eckhard, ßerthold und
Hugo genannt von Balnhusen bekunden, daß Johann, der Sohn
Wilhelms von Weißensee, eine halbe Hufe in Schwerstedt (Kreis
Weißensee), die er von ihnen zu Lohen hatte, dem Kloster Reifenstein
(auf dem Eichsfelde) für fünf Mark Silbers und einen Vierdung
verkauft und das Lehen in ihre (der Ballhäuser) Hände zurückge-
geben hat. Die 3 Brüder haben nun vom Kloster eine jNIark Silbers
erhalten und setzen es dafür in das Eigentumsrecht der halben Hufe
ein, auf die sie vor dem Gerichte (in publico plebiscito) zu Weißen-
see verzichtet haben. Zeugen : dominus I5erthous viceplobanus in
Swegerstete; Heidenricus de Cruzen , Berthous de Melre milites;
Cunradus de Sumeringcn, Theodericus de Eilichen, Gerhardus de
Varnrode, Heinricus de Swegerstete. Thimo de Bichelingen et plures
alii fide digni. Acta sunt hec anno domini MCCLXXXXII, pridie
Non. Decembris.
Siegler: die Aussteller. Von Eckhards Siegel ein Stück an-
hängend, das Bertholds fehlt ganz, das Hugos anhängend, aber durch
einen Querriß entstellt. Vgl.^Taf. II Fig. 3.
Original im Staatsarchiv Magdeburg. — H.
Xo. 57.
1293. . . . Bic dissen getzyten woren in dem lande zu Hessen
vile roupslosse unde mortkuten, die dan irc lehene nicht umbe den
fursten entphaen wulden, sundern sie woren des lants fygent, etzliche
uffenberlichc, etzliche heymelichin. Die bestreid der lantgrave unde
gewan sie; etzliche brach er zu gründe nidder, etzliche besatzste er
mit den synen , unde in sunderheid dusse nachgeschrebin XVIII
slosse: Blancksteyn, die tzwey Hoenfelssche, die tzwey Gudenberge, de
Kesseberg uff der Eddern , Aldenburg , Rulkirchen , Rudelssen,
Swartzenberg, Helffinberg, Wulff eshussen, Ruckershussen, Lan- ,
dessburg, Czigenberg, Pcderssheyn, Ulrichsteyn unde Eyssenbach. Unde
in suk'her masse hat he gar eyne reyne Strasse gemacht unde gehalten.
So oder ähnlich erzählen : Wigandi Gerstenbcrgeri Chronicon
Thuringico — Hassiacum (bei Schmincke, Monimenta Hassiaca,
Cassel 1_747— 05, II, 433, und bei Ayrmann, Syllopfe anecdotorum,
Frkf. 1746), die hessische Reinchronik (bei Kuchenbecker, Analecta
Hassiaca. Marburg 1731, VI, 260. 201), die Excerpta chronic! Riede-
seliani Hassiaci (bei Kuchonbecker, Anal. Hass., VI, 401).
No. 58.
1294 JuH 4. (IUI. Non. Julii.) Die Gebrüder Günther und
Friedrich, Vögte zu Salza , bekunden , daß Eckhard von Görmar
einen Hof in (lörmar (ö. jNIühlhausen), den er von ihnen zu Lehen
hatte, dem Kloster Volkenrode.. (nö. Mühlhausen) verkauft hat.
Dafür nimmt Eckhard v. G. 10 Äcker seines Eigengutes in Urbach
zur Geschichte derer von Balenhusen. 301
(Schwarzb.-Sondersh.) von den Vögten von Öalza zu Lehen. Zeugen :
fr. Heinricu» provisor hospitalis in iSalza, Heinricu» Alboldi -sacer-
dotes et monachi; Heinricus magi.ster marstabuli, Bertoldus de
Balnhusen conversi in Volkolderode ; Gernodus de Wigeleiben et
Hermaunus de Nuwenmarte milites.
Schoettgen et Kreysig, Dipl. et scrij)t., Bd. I (Historia monasterii
Volcolderodensis diplomatica), Ö. 77t) jSo. 65.
No. 59.
1295 September 28. Cassel. Widekindus et Bertholdus
fratres de Swarcenberg bekennen, daß sie dem Landgrafen
Heinrich (I.), Herrn des Hessenlandes, seiner Gemahlin Mechthild
und beider Erben verkauft haben: einen Hot in Waldau mit ihrem
(nostra) Teile des Zehnten daselbst, alle ihre Geldeinkünfte in Fuld-
hagen, acht Malter jährUcher Abgabe in Krumbach, die Hälfte des
Zehnten in Elgershausen, einen Malter Weizen in Venne, die Hälfte des
Allods in Körle, das halbe Grimdstück des Schlosses Schwarzenberg
(mediam partem aree castri Swarcenberg), den vierten Teil vom
Zehnten in Melsungen, alle Geldeinkünfte (oranem monetam) *) daselbst,
das halbe Allod in Kotenburg mit dem Allod neben der Burg Roten-
burg, die Ritter Ihainmo und Vollecop vom Landgrafen zu Lehen
haben ■■*). Da die Aussteller kein Siegel besitzen, siegeln die Stadt
Cassel und Herr Giso von Ziegenberg. Zeugen: Ludewicus miles
dictus Kalp , Thamrao de Alenhusen , Johannes Rithesel milites ;
Wernherus de Gesmaria, Heinricus Conradi et Conradus de Gudens-
berg scabini in Casle et a. qu. pl. f. d. Datum in Casle anno
domini MCCXC quinto, quarto Kai. Octobris.
Wenck, Hessische Landesgeschichte : Urkunden zum III. Bde.,
S. 163 No. 192.
No. 60.
1299. Die Ritter Friedrich von Rosdorf und Dietrich von
Hardenberg, Amtleute (officiati) des Erzbiachofs Gerhard von Mainz,
bekunden, daß ihnen vom Erzbischof sein Schloß Mühlberg (nw.
Arnstadt) nach Lehnrecht verliehen ist, rückkäuflich zu 500 Mark.
Außerdem hat Gerhard sie zu Amtleuten (officiatos) eingesetzt in
fceebach (nw. Langensalza), Gleichenstein (Eichsfeld), Ballenhusen
und Bischofs-Gottern (= Großen -Gottern so. Mühlhausen). Bezahlen
sollen die beiden den Burgmannen von Seebach 10 Mark und 9 Malter,
Ludwig von Kühnhausen 7 Mark nach dem Inhalte der ihnen über-
gebenen erzbischöfüchen Urkunde, dem von Spangenberg 30 Mark.
Nach dem Rückkaufe Mühlbergs sollen auch die übrigen 4 Burgen
dem Erzbischof zurückgegeben werden.
1) Von einer Münzstätte in Mls. war bisher nichts bekannt.
H. Dr. Buchenau in Weimar hat jedoch im Kaufunger F'unde eine
Münze entdeckt, die er nach Mls. (um 1240) verlegt. Er wird im
nächsten Jahrg. der Bl. f. Münzfreunde Näheres berichten. — An-
scheinend zeigt die Münze das ältere Wappen der Ritter v. Roten-
burg, Ringe (gegen Ende des 13. Jahrh. führten die R. v. R. aber
2 Querbalken im Schilde.)
2) Sämtliche Ortschaften sind zwischen Rotenburg a. d. Fulda
und Cassel zu suchen.
302 Auszüge aus Urkimden und Chraniken
Joh. Wolf, Gesch. des Geschlechts von Hardenberg. Göttingen
1823—25, I, Urk. No. XXVII S. 30. — Würdtwein, Diplomataria
Moguntina, Mainz 1788, I, 110.
No. 61.
1301 Mai 14. Graf Otto von Bilstein bekennt, daß er (cum
consensu domine nostre Katerine) dem Landgrafen Heinrich (I.),
Herrn des Hessenlandes, dessen Gattin Mechthild und den Söhnen
beider seine Aktivlehen zwischen der Werra und dem Hainchen bei
Altmorschen (usqüe ad silvam, que Hecheno appellatur) verkauft hat.
Unter anderen haben Lehen vom Grafen Otto von Bilstein Eckhard
Ritter, Berthold, Widekind und Hugo Brüder von Swarzen-
burg Güter in Waldau, Volthagen und Crumbach, den halben
Zehnten in Ober-Melsungen und andere Güter. . .
Wenck, Hessiche Landesgeschichte, Urk. zum IL Bd., 8. 248
No. CCIL.
No. 62.
1302 Oktober 28. (Actum et datum anno domini millesimo
trecentesimo secundo, quinto Kai. Novembris). Das Kloster Reins-
dorf (nö. Nebra) verkauft dem Kloster Beutitz (w. Weißenfels)
lA^ Hufen Landes in verschiedenen Dörfern. Zeugen: abbas in
Goska, dominus Conradus scolasticus Cicensis nee non Conradus
sancti Othmari et Johannes sancti Wentzelai ecclesiarum rectores in
Nuenburgk; ac strenui viri Eckehardus de Ballenhusen,
Heinricus de Glina milites cum pluribus al. f. d.
Schoettgen et Kreysig, Dipl. et Script., II, 387 No. LV.
No. 63.
1303 August 13. Mühlhausen. Johann Kämmerer von Mühl-
hatisen, seine drei Söhne und eine Tochter schenken dem Kloster
Anrode (Eichsfeld) 1^ Hufen Landes bei Helmsdorf (osö. Dingel-
städt). Zeugen: dominus Gotfridus prepositus pontis Molhusen;
Albertus Proyso, Echardus de Balnhusen milites; et Bartoldus
de Worbeze opidanus in Molhusen et al. pl. fid. d.
Joh. Wolf, Eichsfeldisches Urkundenbuch. Göttingen 1819,
S. 40 No. XLI. — Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 540.
— H.
No. 64.
1303 September 8. Ritter Eckehart von Ballenhusen
und sein Sohn Eckehart übereignen dem Bruder Gottfried von
Kornre (Körner), Landkomtur von Thüringen, und den gemeinen
Brüdern des Deutschen Hauses zu Neylstete (Nägelstedt ö. Langen-
salza) auf Bitten Richards von Vrimar 1 Hufe Landes, 12 Acker
in der Flur von Cletstete (Clettstedt nö. Langensalza) zu, nebst zwei
dazu gehörigen Höfen. Zeugen : Heynrich von deme Hayne, Ditmär
Schutze von Heyltngen, Richart von Vrimar, Hartunc sein Bruder,
Heynrich von Bremendorf. Geben noch der geburt unses herrn
tusent jar druhundert jar in deme dritten jare, an unser vrowen
tage der lezzeren. Siegel fehlt.
Original im Hauptstaatsarchiv Dresden, No. 1738.
No. 65.
1306 Januar 18. (in die beate Prisce virginis mart.). Die Ge-
zur Geschichte derer von Balenhusen. 303
brüder Dietrich und Heinrich von Hagen tauschen Güter mit döm
Kloster Reifenstein (Eichsfeld). Zeugen: Theodericus dictus Saxon,'
Henricus et Kudegerus fratres dicti de Indagine, Eckehardus de
Ballenhusen, Conradus dictus Lupus et quam pl. al.
Joh. Wolf, Politische Geschichte des Eichsfeldes. Göttingen
1792-93, Bd. I, Urk. No. 69. — H.
No. 66.
1306 März 30. Johann, Dietrich und Heinrich Kämmerer von
Mühlhausen bezeugen den Verzicht Heinrichs von Mehler auf 1|
Hufen in Groß-Mehler (nö. Mühlhausen), die sein Vater Werner dem
Kloster Volkenrode (nö. Mühlhausen) zur Entschädigung gegeben
hatte. Zeugen : Bertoldus dictus Rappe et Johannes frater ipsius,
frater Bertoldus de Balnhusen magister marstabuli, frater
Henricus magister hospitum et frater Ernestus conversi de Volkolderode
ac alii qu. pl. f. d.
Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen, No. 564.
No. 67.
1308 Februar 5. (anno domini M'*CCC° octavo, Non. Februarii).
Günther von Willerstedt söhnt sich mit dem Kloster Reifenstein
aus, nachdem ihm für die 8 Hufen in den Feldern des Dorfes Hüp-
stedt (so. Worbis) 4 Mark Silbers gegeben sind, zugleich um Sicherheit
von Seiten seines Verwandten Hermann von Ballhausen zu
erkaufen (nee non et in emendam cognati mei Hermann! de Ballen-
husen plenariam).
Joh. Wolf, Eichsfeldisches U.-B., S. 43 No. XLV. — H.
No. 68.
1.'508 Oktober 24. Wachsenburg (nw. Arnstadt). Landgraf
Friedrich von Thüringen, Markgraf von Meißen und des Osterlandes,
schenkt Getreide- und Geldzinsen zu einer Vikarei in der Domkirche
zu Meißen, Praesentibus nobilibus viris Gunthero et Heinrico comi-
tibus de Schwarczburcg, Gunthero comite de Keuernberc, H. comite
de Stalberc ; et honoraoilibus viris H. de Zwein praeposito Misnensi
et magistro Walthero curiae nostrae prothonotario ; Witoldo de Foresto,
Eckehardo de Balinhuse, Conrado de Bukkewitz militibus et
qu. pl. al. f. d.
Gersdorf, Cod. dipl. Saxoniae reg., IL Hauptteil (U.-B. des
Hochßtifts Meißen), Leipzig 1864, I, 274 No. 344.
No. 69.
1308 Dezember 8. Eckardus miles deBalnhusen verzichtet
zusammen mit seiner Gattin Bertrade und im Einverständnisse
mit seinen Söhnen Giselher , Eckhard und Eckhard zu Gunsten
des Brückenklosters in Mühlhausen auf zwei Hufen in Clettstedt
(riö. Langensalza), die Dietmar von Pfertingsleben erblich besitzt.
Sie (Eckh. und Bertrade) verzichten auch auf das Herbergerecht
und jegliches andere Anrecht an jenen Gütern, zum Heile ihrer
Seelen, damit nach ihrem Tode ihr Andenken von den Nonnen um
80 feierlicher begangen werde. Zeugen : Cristanus de Langelo senior,
Cristanus iunior de Langelo, Berthous de Bischoverode et Ernestus
frater suus et al. qu. pl. f. d.
Herquet, U.-B, der St. Mühlhausen, No. 599.
304 Auszüge aus Urkundeu und (Jhrouikea
>'o. 70.
IBO!) Januar 9. Sühnevertrag zwischen Berthold Fuchs, Vogt
des IIcrz()<rs Heinrich von Braunschweig in Hagen, und der Stadt
Mühlhausen per strennuos vires dominum Ekk^hardum de Baln-
husen, Jlermannum de Westernhayn et Johanuem de Espelingerode
interniedios. Es handelte sich um einen Totschlag, den die unter
Mühlhäuser (Terichtsharkeit stehenden Bauern von Eberolderode fWüst.
Elberode?) und P^igenrode (ö. Dingelstedt) an dem herzoghchen Kaplan
und Pfarrer von Eberolderode begangen hatten.
Heniuct, U.-ß. der St. Mühlhausen, No. 600.
Xo. 71.
1300 Februar 4. Oberhagen (auf dem Eichsfelde?). Rüdiger,
Heinrich und Hernuvnn, Gebrüder, genannt de Indagine, schenken
dem Deutschen Orden.shause in Walhusen (Wahlhausen im Kreise
Heiligenstadt) eigentümlich 1 Mansus in der Flur Kemstete (Kehm-
stedt in der Grafschaft Hohnstein) und einen Hof ebendaselbst, den
Boso Cristcninge, Bürger von Nordhausen, von ihren Vorfahren
zu Lehen hatte, sowie ein Brombeergesträuch (rubetum), das 2 Gänse
zinst, und das die Brüder Konemundus und Henricus, einst Bewohner
von Kemstete, von ihnen erkauft. Auf Bitten der Ordensbrüder be-
kräftigt Ekk ehard US de Jialnhusen die Schenkung mit seinem
Siegel, das aber beschädigt ist. Datum in Indagine Superiori pridie
' . . -f c
Nonas Februarii anno domini M CCC nono.
Original im Hauplstaatsarchiv Dresden, No. 1853.
No. 72.
1311 Oktober 23. Eisenach. Die Herzogin Agnes von Braun-
schweig giebt, gleichzeitig im Namen ihres Gemahls Heinrich, ihre
Einwilligung zu dem Ehevertrage, den ihr Bruder, Markgraf Fried-
rich von Meißen, zwischen Johajines dominus de Werle atque Slavie,
und ihrer Tochter Mechthildis aufgerichtet. Zeugen : Fridericus
filius [Agnetisl, Eckehardus de BaUenhusen, Siffridus de
P^ltze, milites, Thidcricus de Dorstat, notarius qui de parte [Agnetis]
interfucrunt ; Hartmodus de Bylewicz, Heinricus de Myla, Her-
mannus dictus Goldacker, milites, Nicolaus notarius, [Friderici mar-
chionis Misnensis]; Thesmarus de Reberge, miles, Stacius de Babecin,
JohanniM domini de Werle j^rocuratores. . Datum Isenaco anno do-
mini M CCO" undecimo, X" Kalendas Novembris. Mit anhängendem
Siegel der Herzogin.
Original im Hauptstaatsarchiv Dresden, No. 1944.
No. 7:j.
l.'^M Januar '27). Ludwig und Konrad von Kühnhausen stiften
einen VerglHch zwischen Friedrich, ihres Bruders Sohne, und dem
Kloster Reifenstein ül)er den Totschlag Hermanns von BaUen-
husen. l)i(; Mönche sollen dem Neffen (patruo nostro) sechs Mark
reinen SiUiers in bestinnnten Terminen ])ezahlcn, Friedrich dagegen
das Kloster in allen Dingen h'irdern. Zeugen: Theodericus de West-
huscn, Heinricus de Worl)izche, Herwardus castrenses in Scarphin-
t
zur Geschichte derer von Balenhusen. 305
stein et qu. pl. al. f. d. Datum anno domini MCCCXIIII, in con-
versione beati Pauli aiwstoli.
Silier: die Aussteller, Beide Siegel fehlen.
Original im Staatsarchiv Magdeburg.
No. 74.
1314 Juli lö. Urkunde Herzog Heinrichs von Braunschweig
für die Marienkirche vor der Staat Eimbeck. Zeugen: dominus
Johannes de Nancxen noster capellanus ; Eckehartus deBallen-
husen, Henricus Mudzeval, milites; Eckebertus de Hattorp famulus;
Conradus de Lyndowe noster notarius et quam plures al. f. d. Datum
anno incarnationis domini millesimo trecentesimo quartodecimo, decimo
septimo Kai. Augusti.
Urk. im Staatsarchiv Hannover (Marienst. Eimb., !No. 12). —
Abgedruckt in der Sammlung ungedr. Urkunden zur niedersächsischen
Geschichte, I. Bd. Gott. 1749-52, II. Bd. Hann. 1754, II, 149
No. VIII.
No. 75.
1315 Februar 16. Die Ritter Ludolf von Medem und Burg-
hard von Wildenstein bekennen, daß ihnen Herzog Heinrich von
Braunschweig die Vogtei zu Berka (Kreis Northeim) und Vogtei
und Dienst zu MittUngerode und Eisdorf (Kreis Osterode am Harz)
verpfändet und den lurm, der abgebrochen werden soll, und das
Gericht zu Berka überliefert hat. Zeugen : her EckehardvonBallen-
husen, her Thiderich von Oldendorph un her Heinrich Mudzeual
ritdere.
Sudendorf, U.-B. zur Geschichte der Herzöge v. Braunschweig
und Lüneburg und ihrer Lande. Hann. 1859 ff., Bd. I, 147 No. 259.
Xo. 76.
1315 Oktober 24. (sexta feria ante Symonis et Jude proxima).
Eghardus de Balnhusen miles übereignet dem Abte und Con-
vente zu Homburg (bei Langensalza) den Zehnten in Bothtnheilingen
(Kreis Langensalza), den Hermann von Greußen von ihm besaß.
Zeugen dominus Guntherus de Salcza, Guntherus et Henricus iuniores
de Salcza; Theodericus de Mila canonicus s. Marie Erford[ensis],
Hermannus de Novo Foro, Fridericus de Hopffgarthen, Hartungus
de Hongede.
E. G. Förstemann, Urkunden des Klosters Homburg, in den
Neuen Mitteilungen aus dem Gebiet histor.-antiquariacher Forsch.
HaUe u. Nordhausen 1842, VIII. Bd., 2. Heft, S. 82 No. (XXI b)
53. - H.
No. 77.
1315 November 11. (Acta sunt hec anno domini MCCCXV,
in die sancti Martini episcopi et confessoris). Berthold und Diet-
mar Hund verkaufen einen Hof in Bronstorf (Braunsdorf sw. Merse-
burg) dem Deutschordenshause daselbst und haben auf den Hof
Verzicht geleistet vor den Burgmannen auf dem Schlosse Neuen-
burg (bei Freiburg a. d. Unstrut). Siegler : ßitter Rudolf von Canna-
wurf, derzeit Vogt in castro Nuwenburgk. Zeugen : predictus do-
minus Rudolfus de Canewerfen, Eckhardus de Balenhusen,
306 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
Joannes de Amelungestorf milites; Conradus de Lisnic et al. qu.
pl. f. d.
Joh. Pet. von Ludewig, Reliquiae manuscriptorum omnis aevi
diplomatum ac monumentorum. Frf. et Lips.^1723, tom. V, 96 dipl.
71. — H.
3^0. 78.
1317 August 10. Johann in Canbur (Camburg in Sachsen-Mei-
ningen)^), Hugo in Balnhausen und die Söhne Heinemanns von
H erbsieben erklären, daß sie dem Abte Albert und seinem Kloster
in Pforta für 10 ® Erfurter Denare in Dorf und Flur Endeleiben
(Wüst. Engeleben bei Vehra) 3 Höfe und 17 Morgen nach den
3 Fluren nebst Weidenbäumen, Wiesen, Weideplätzen und anderm
Zubehör verkauft hätten. Das Eigentumsrecht der Güter habe
ihnen bisher zugestanden; Berthold von Nordhausen, oppidanus in
Endeleben, habe sie von ihnen zu Lehen gehabt. Ebenso hätten sie
dem Kloster 5 Morgen in derselben Feldmark verkauft. Nach dem
Tode der jetzigen Nutznießer sollten auch diese Ländereien ans
Kloster übergehn. Siegler: die Aussteller. 1817 am Tage des
heihgen Lorenz. Zeugen : Bruder Heinrich genannt Clowe, Br. Con-
rad genannt von Heseler, Mönche in Pforta; Br. Heinrich genannt
von Vileborn, Br. Conrad genannt Ysenhut, Laienbrüder ebendort;
Albert genannt Nacht und dessen patrui Heine und Tvcel; Bertold
Günthers, Albert von Botzseyger, oppidani in Eimoldeleyben und
andere mehr.
G. A. B. Wolff, Chronik des Klosters Pforta. Leipzig 1843—46,
II, 370.
Xo. 79.
[Um 1319^).] Die Grafen von Hohnstein geben dem Land-
grafen Friedrich von Thüringen das Schloß Ballnausen mit dem
Recht, wie sie es unlängst von Hugo von Herbsleben gekauft hatten.
Dafür sollen Hugo und dessen Söhne beim Landgrafen, „an dem
sie sich bishero auch vergriffen hatten", Gnade finden und das Gut,
das sie noch zu Ballhausen eigentümlich besitzen, vom Land-
grafen zu Lehen nehmen.
Jovius, Chronicon Schwartzburgicum, V. Teil, Kap. VIII bei
Schoettgen et Kreysig I, 315 C. D. — H.
Xo. 80.
1322 Mai 25. Eckehardus miles dictus de Ballenhusin
verkauft im Einverständnisse mit seinen Erben den Zehnten in
Dorf und Gemarkung Corbetha (w. Leipzig), que dari solet de sex
mansis et viginti quinque areis insuper et in deputato viginti duas
sexagenas decimarum, dem Kloster Beutitz (w. Weißenfels). Zeugen:
dominus Petrus dictus Porzik miles, Hermannus, Heinricus, Tammo
dicti de Haldecke, Albertus dictus Knut et al. qu. pl. f. d. . Datiun
et actum anno domini millesimo tricentesimo vicesimo secundo, in
die Urbani martiris atque pontificis gloriosi.
Schoettgen et Kreysig, Dipl. et Script. II, 395 No. LXXVI.
1) Wolff hält es für Cannawurf bei Heldrungen.
2) von Hagke, Nachr. vom Kreise Weißensee, S. 315, 396 führt
einen ähnhchen Vertrag schon zum Jahre 1315 an.
zur Geschichte derer von Balenhusen. 307
Das Siegel Eckhards v. B. daselbst abgebildet tab. V, No. 56 :
Widderhörner, darunter eine Rose; Umschr.: SV. Eckehardi de
Ballenhusen.
No. 81.
1824 März 8. Hugo von Balnhusin mit seinen Söhnen
Apeleio') und Hugo erklärt, daß Dietrich genannt Zcoph, sein
Lwiensmann (feodarius), Güter im Dorfe Endeleiben (Wüst, bei
Vehra), Haus, Hof und Garten und 4 Äcker auf jeder Flur an den
Klosterbruder Konrad genannt Isinhud. Wirtschaftsverwalter in
Vehra (sw. WeiÜensee), für 8 Mark Silbers verkauft habe. Das
Eigentumsrecht über diese Güter übergiebt Hugo zu seinem Seelen-
heile und aus Liebe gegen Dietrich Zcoph, den Bruder Konrad und
das ganze Kloster Pforta. Siegler : der Aussteller. Zeugen : die Brüder
Hermann und Dietrich genannt von Weringishusen, Lutiger Rop,
Albert Nacht u. a. m. Geschehen im Jahre des Herrn 1824, fena
quinta post dominicam Invocavit, 8 Tage vor den Iden des März.
G. A. B. Wolff, Chronik des Klosters Pforta, II, 410.
No. 82.
1329 Oktober 27. Ulrich, Kanonikus der Paderbomer Kirche,
und Ludolf, Knappe, Gebrüder genannt Marschalk, beurkunden, daß
vor ihnen ihre Blutsverwandten Konrad Priester von Osede und dessen
Sohn Werner auf alle Rechtsansprüche an das Cistercienser-Kloster
Hardehausen (bei Paderborn) verzichtet haben. Zeugen: Bernhard,
Pfarrer in Billinghausen (Belnchosen), Johannes genannt S w ar t h en-
berg. Knappe, u. a. — Siegel beider Aussteller abgefallen. 1829
in vigilia beatorum apostolorum Symonis et Jude.
Original im Staatsarchiv Münster.
No. 83.
1881 Juni 24. (an sancti Johanns tage des teuffers). Ritter
Eckhard von Ballhausen, gesessen zu Rollicz (Markröhlitz,
Kreis Querfurt) bezeugt, daß er und alle seine Erben, namentlich
sein Vetter Gysseler von Balnhusen, mit dem Abte und Con-
vente von Homburg (bei Langensalza) sich verglichen haben wegen
ihrer Ansprüche am Zehnten (teczmass) und Gut zu Bothen-
heihngen (Kreis Langensalza). Nach Empfang von 8 Mark lötigen
Silbers verzichtet E. v. B. völlig. Das bekräftigen auch durch
Anhängung ihrer Siegel seine Ohme, die Gebrüder Friedrich und
Apel von Wangenheim. Zeugen : er Apel von Wernrode und sein
Bruder Reinhard, er Konrad Schnoyse, nerr Albrecht Schaff ritter;
Ticzel und Bertold Schoff, Heyne Vogdt.
Förstemann, Urkunden des Klosters Homburg, in den Neuen
Mitteilungen aus dem Gb. histor.-ant. Forsch. Halle und Nord-
hausen 1842, VIII, 2, No. 54 S. 88. — F. H. A. von Waneenheim,
Regesten u. Urk. des Geschl. Wangenheim, I. Hann. 1857, IL Gott.
1872, I, No. 84 S. 79. — H.
No. 84.
1334 Dezember 26. Ritter Dietrich und Knappe Ulrich, Ge-
1) So Wolff nach dem Transsumtbuche. Im Oridnale wird
wohl Apele, Jo.(^ Johannes) und Hugo gestanden haben.
308 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
brüder, und deren Vetter Eitter Heinrich von Weberstedt verkaufen
8 Malter Boggen und 16 Malter Hafer jährlich aus ihrem Kaufunger
Lehen in Über-Heroldshausen (Heroldishausen, Kreis Langensalza)
dem Stifte Kaufungen. In presencia Frederici militis de Weber-
ßtede fratris predictorum, Hermann! de Bialnhusen; Johannis
plebani in Heroldeshusen ; Thilonis de Heylingen, Gebehardi, Hen-
rici dicti Schollen et Dytmari dicti Schotten et aliorum.
Herrn, von Eoques, U.-B. des Klosters Kaufungen. Cassel
L900, I, No. 186 S. 178.
Nu. 85.
1336 Januar 10. Weißenfels. Ritter Eckehardus de Baln-
husen verspricht, einen Wald bei Muchele (Mücheln im Kreise
Querfurt), den ihm der Markgraf Friedrich von Meißen übertragen
hat, an denselben oder dessen Erben zurückzugeben, wenn diese ihm
oder seinen Erben 118 Schock Groschen dafür zahlen würden.
Datum Wizsenuels anno domini M"CCC XXXVI», feria IIIL infra
octavam Epijjhanie. Mit anhängendem Siegel Eckhards v. B. ; unter
den Widderhörnern steht eine Kose. Vgl. Keg. No. 80.
Original im Hauptstaatsarchiv Dresden No. 2717.
No. 86.
1336 Mai 16. Merseburg. Hermann von Eeder verkauft dem
Bischof Gebhard und dem Kapitel zu Merseburg seinen Auteil an
Schloß Ostrau (bei Zeitz) für 600 Mark. Zeugen: nobiles viri do-
minus Henr. de Waidenberg, dominus Albertus burgravius de Liznik;
ac honorabilis vir dominus Otto de Diczkow dicte Mersburgensis
ecclesie scolasticus; nee non famosi viri Thider. vicedominus de
Appoldia, Rudolf US de Kanewerf et Ekkehardus de Ballen-
husen milites et qu. [pl.] al. f. d.
Kehr, U.-B. des Hochstifts Merseburg (Geschichtsqu. der Prov.
Sachsen, Bd. XXXVI), Halle 1899, No. 912 S. 768.
No. 87.
1336 Juni 15. Eitter Friedrich von Weberstedt verkauft 6 Malter
Frucht aus seinen Gütern zu Großen-Gottern (so. Mühlhausen) und
Ober-Heroldshausen an das Stift Kaufungen. Presentibus honestis
viris Eudolfo Longo de Weberstete; domino Johanne plebano in
Heroldeshusen superiori; Bertoldo de Guttern, Hermanno de
Balnhusen, Gebehardo -faniulo dominorum predictorum et Dyth-
maro famulo domine abbatisse et aliis.
H. V. Eoques, U.-B. des Klosters Kaufungen, I, No. 192
S. 184.
No. 88.
1336 November 10. Konrad von Botichenrode, Domherr zu
Dorla, verkauft dem Deutschordenshause in der Neustadt Mühlhausen
eine Wiese zu Graba (b. Mühlhausen). „Ouch so bekenne ich Gerlach
von Botichenrode und Hermann von Ballenhusen min swager
und Gerdrut min swester, daz der kouf geschehen ist mit unseme
guten willen."
Herquet, U.-B, der Stadt Mühlhausen, No. 892 S. 434.
zur Geschichte derer von Balenhusen. 309
No. 89.
1348 Juni 10. Erfurt. Heinrich Topilsteyn, Hauptmann - der
Bürger zu Mühlhausen, schreibt an Günther von Herbsleben, er
habe die vier Hufen, die er in Groß-Vargula (ö. Langensalza) be-
sessen, und einen Hof an hern Hugis sune von Balnhusen und
dann an Heinrich von Mehler verkauft.
Copiarium nionast. ord. S. Augustini Erfordensis. No. 165
(Staatsarchiv Magdeburg). — Herquet, U.-B. der Stadt Mühlhausen,
No. 1001 S. 503.
No. 90.
1348 August 24. Abt Otto, Prior Heinrich und die gesamten
Insassen des Klosters Goseck (nö. Naumburg a. d. Saale) bekennen:
Der Pfarrer Günther zu (Mark-)Röhlitz (Kreis Querfurt) hätte einen
Vergleich gestiftet zwischen ihnen und „hern Eckeharde von
Balnhusen und her Marolde, Peter und Friedrich sinen
lirödern". Die letzteren sollen bis auf weiteres im Genüsse des Ge-
richts zu . . . Lancatz (?) bleiben; dem Abte haben sie zwei halbe
Äcker abgetreten für einen Weg, der am Grundbesitze des Klosters
entlang führt. Sie verzichten auf ein Landstück (der gelenge, dy
da lit in den velde zcu Gotzk) und werden vom Abte belehnt mit
einer halben Hufe, die vormals Friedrich Zehntner hatte. Um 2
Hufen dagegen, die ehemals Herr Hermann von Goseck besaß, müssen
die Brüder sich einem Schiedsgerichte unterwerfen. Des setzen wir
zcu gezeugen den gestrengen rither her Ultzen von Ostrowe; und
dy bedirben hite her Heyniche Petzoldes von Haldeck, her Thame
von Uchtpritz, her Ernfride von der Säle met iren insigeln und andre
frome lute den noch rae. Ouch henge wi . . Abtei- und Conventssiegel
an . . . gegeben noch gotes geburte tusint jähr drihundert jar in
deme achte und virzcigesten jähre, am sancte Bartholome tage des
heyigen aposteln.
J. Mart. Schamelius, Histor. Beschreib, des zw. Naumb. und
Weißenfels gelegenen Benediktinerklosters Gosegk. Naumburg und
Zeitz, 1732. S. 78. — H.
No. 91.
1349. Eckhard von Balnhusen und seine Brüder haben von
dem Herrn [dem Landgrafen Friedrich dem Strengen] in der Flur
des Dorfes Kolicz (Mark-Röhlitz im Kreise Querfurt) 18 Hufen und
2 Höfe, in denen sie wohnen, ebenso 15 gewöhnliche Höfe uud 8
Acker Holz ; ebenso einen Teil des Lemiholzes bei Podelwicz *)
femer das Gericht in Rolicz und in den wüsten Dörfern Slaukar
und Preps; ebenso Holz in Muchele (Mücheln im Kreise Querfurt);
in Lunstete (Lunstädt im Kreise Querfurt) 1 Hufe, 1 Hof und 1
Lehn wiese.
Lehnbuch Friedrichs des Strengen von 1349, Copial 24, fol. 41*»
im Hauptstaatsarchiv Dresden, S. 153 No. 82 in der demnächst
erscheinenden Ausgabe.
No. 92.
1351 September 14. Landgraf Heinrich II. von Hessen, sein
1) Podelwitz bei Leipzig? Ein anderes liegt bei Grimma, ein
Pödelwitz bei Pegau und ein Pödelist im Kreise Querfurt.
310 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
Sohn Otto und Erben belehnen, auf Bitten ihres getreuen Dieners
Johann von Swartzinberg, dessen Frau Katnarina, beider
Kinder Johann und Gisela, „und die sie noch mit eyn gewinnin
raügen", und ihre Erben mit Haus und Hof zu Schwarzen berg, worin
Katharina augenblicklich wohnt, mit kleiner Wiese, Berg und Länd-
chen dabei, mit dem sechszehnten Teile des Zehnten- vor der Stadt
Melsungen, „daz Swartzinberge von Corissenner ledig worden ist",
ferner mit dem Zehnten zu Wendisdorf (einer Wüstung nw. Melsungen),
mit einer Hufe zwischen Melsungen und Schwarzenberg, Zcunkinhübe
genannt ,einer Hufe zu Körle (n. Melsungen) und 5 Vierteln jährlicher
Korngülte in dem Dorfe Krumbach (so. Cassel). Güter und Gülte
sollen ein rechtes Lehen sein, zu ewigem Besitze, wie sie Johann v. S.
bisher besessen hat; Haus und Hof frei vom Dienste und aller Bede.
Siegler : die Aussteller ; beide Siegel abgefallen. Nach Godis geburt
drutzenhundert jar, darnach in dem ein und vumfzegisten jare, an
des heylgin crucis tage, als ez erhabin wart.
Original im Staatsarchiv Marburg.
No. 93.
1363 August 10. Hermann ßarthe zu Großen-Ehrich (Schwarz-
burg-Sondershausen) verkauft dem „klugen Manne" Herrn Conrade
von Balnhusen, Vikar des Altars der Kapelle u. 1. Fr. zu Jecha-
burg (w. Sondershausen), um 5 Mark Nordhäuser Pfennige 1 Markt-
scheffel Korns an jährlichem Zinse von 10 Äckern des Gandersheimer
Lehens zu Ehrich und von einem Acker Eigenlandes zu Kranichborn
(sw. Sömmerda) auf Wiederkauf. Nach Cristi geborte drizehn hundert
jar, dry und sechzig jar, an deme tag sancti Laurentii des heiligen
mertirers.
St. AI. Würdtwein, Diplomataria Moguntina, Mainz 1788, tom. I,
No. LXXXV S. 158.
No. 94.
1363 August 14. Die Gebrüder Peter und Friedrich genannt
von Ballennusen bekennen, daß ihnen ihr Bruder Marold 40
Schock schmaler Groschen geliehen hat. Sie versprechen Rückgabe,
sobald sie gemahnt werden. Bürgschaft für die Geldsumme leisten :
Hannes Knflt von Hordorf (Kreis Oschersleben) , Henczil von der
Vestin. Albrecht Knflt, gesessen zu Sperge (Spergau ssö. Merseburg),
und Eckhard von Kanwerf, gesessen zu Dobich (Dobichau im Kreise
Querfurt). Sollte einer der 4 Bürgen sterben, so. wollen Peter und
Iriedrich, falls Marold darum ersucht, einen anderen an die Stelle
des Verstorbenen setzen. Ferner bekennen die beiden Aussteuer,
„das wir hem Marolde unse brudere glabit habin vor apt Hanse zcu
Gosk (Goseck nö. Naumburg a. d. Saale), das ome got gnedik si,
das he unse schulde, dy wi schuldik sin edir noch schuldik werdin,
her Marolt nicht gelde sal; und was her hat von gute eder von gelde,
das sal her nicht brengin in dy teylate, wen her sich von uns wolde
teyle, sundir wi wollen mne gutlich geben s;fn erbeteil". Siegler:
die beiden Aussteller und die 4 Bürgen. Das erste Siegel fehlt, das
zweite ist beschädigt. Gegebin nodi Cristi gebort driczcenhundirt
jar und in dem dri und sechzcigisten jare, an dem heiigen abunde
unser vrowen alzu zcu h^mele vur.
Original im Hauptstaatsarchiv Dresden, No. 3728.
zur Geschichte derer von Balenhusen. 311
No. 95.
1363 Dezember 6. Heinrich von Balnhusen unter'den
Ratsherren der Stadt Erfurt.
C. Beyer, U.-B. der Stadt Erfurt. Halle 1897, Bd. II, No. 567.
No. 96.
1366 März 30. Avignon. Papst Urban (V.) bestätigt die
Schenkung der Landgrafen Heinrich (II.) und Otto von Hessen, die
dem Martinsstifte in Cassel unter anderem das Patron atsrecht über
die Kirchen in Heiligenrode, Schwarzenberg und Witzenhausen
zugewandt haben. Datum Avinion, III. Kai. Aprilis, poutificatus
nostri anno quarto.
Kuchenbecker, Analecta Hassiaca, V, 28 — 32.
Xo. 97.
1366 Mai 20. Avignon. Bischof Ludwig von Halberstadt ordnet
die Ausführung des obigen päpstlichen Privilegs für das Martinsstift
an, das somit in den Besitz des Patronatsrechtes über die Schwarzen-
b erger Kirche gesetzt wird. Datum et actum Avi[ni]one in hospitio
habitacionis nostre, sub anno a nativitate domini millesimo trecen-
tesimo sexagesimo sexto, indict. quarta, die vicesima mensis Mail,
pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini nostri Urbani di-
vina Providentia pape quinti anno quarto.
Kuchenbecker, Anal. Hass., V, 32 — 37.
No. 98.
1367 August 23. Das Kapitel zu Jechaburg verfügt über ein
Gehöft, das von einem Vikare bewohnt wird. Zeugen : Theod. de Wertere,
Heinr. de Melhusen et Conrad, de Balnhusen dicte nostre ecclesie
vicariis et al. pl. testibus f. d. Datum anno domini MCCCLXVII,
in vigil. s. Bartholomei apostoli.
Würdtwein, Dipl. Mogunt., I, No. XC S. 168.
No. 99.
1372 Oktober 21. Johann von Swartzinberg bekennt
für sich und seine Erben, daß damals, als Landgraf Heinrich (II.)
und sein Sohn Otto sei. das Kirchlehen des Dorfes Schwarzenberg
mit den Kirchen, die dazu gehören, dem Martinsstifte auf der Frei-
heit zu Cassel gegeben hätten, er (Johann) zum Heile seifier Eltern
und seiner eigenen Seele seine Einwilligung erteilt habe. Er ver-
zichtet also auf sein bisheriges Anrecht an dem erwähnten Kirchlehen
in diesem Briefe, der gegeben ist noch Christi geburd drytzenhundirt
jar, dor noch in deme tzwey und sibbintzigisten jare, an deme nehsten
donnerstage noch sente Gallen tage, imder myme ingesigel. . .
Kuchenbecker, Anal. Hassiaca, V, 45.
No. 100.
1376 März 13. Heinrich von Balnhusin und Thele,
dwisen Frau, verkaufen den Kram zu den „affin an der Strasse gelegen
mit alle dem gemache" an Konrad von Aldindorf und Margaretne,
dessen Frau.
Beyer, U.-B. der Stadt Erfurt, II, No. 769.
312 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
Ko. 101.
1379 September 2. Cassel. Ritter Walther von Hundeishausen
der Jüngere bekennt, vom Landgrafen Hermann von Hessen 10 Mark
Geldes jährlichen Zinses, je für eine Mark 56 Schillinge Pfennige
Casselscher Währung zu rechnen, als Mannlehen erhalten zu haben.
Die Summe soll der jedesmalige Amtmann oder Schultheiß zu Mel-
sungen dem Ritter am Walpurgistage auszahlen und zwar aus den
Einkünften des Gerichtes und Gutes und den Gefällen zuSchwarzen-
berg, und erst wenn diese nicht reichen, aus den Gefällen des Ge-
richtes Melsungen. Der Zins ist ablösbar für 100 Mark, die dann
aber wieder in Lehngut angelegt werden müssen ^) . ... an fri-
tage nest nach sente Johanis tage, als yme sin houbit abe geslagen
wart, anno domini millesimo COC septuagesimo nono.
Original im Staatsarchiv Marburg.
No. 102.
1880 März 24. Graf Heinrich von Schwarzburg, Herr zu
Leutenberg, belehnt die Erfurter Bürger Hans und Härtung von
Drevorte und Heinrich von Ballenhusen mit 4^ Hufen Lan-
des zu Süntremde, nachdem die bisherigen Inhaber, Ritter Hart-
mann von Holbach, Reinhard von Holbach und Hartmann Vitztum,
dieselben vor ihm aufgelassen hätten.
Beyer, U.-B. der Stadt Erfurt, II, No. 826.
Xo. 103.
1385 Juli 29. Fritzlar. Erzbischof Adolf I. von Mainz nimmt
Helffrich Swartzenbergund dessen Lehenserben für die Dienste,
die er (Helfrich) dem Mainzer Erzstifte geleistet hat und noch leisten
wird, zu Mannen und Burgmannen auf dem Bischofssteine (bei
Groß-Bartloff, s. Heihgenstadt) an. Dort sollen sie eine „Hobestat"
(Herrenwohnung) bauen zu ihrem Burglehen. Sowie der Landgraf
von Hessen Helfrich an Lehen- oder Eigengütern Unrecht thut, und
Helfrich oder seine Erben erlangen die Güter zurück, so sollen sie
dieselben nebst 200 Gulden dem Stifte zu Lehen auftragen und für
immer als Mainzisches Lehen behalten. Datum Fritzlare sabbato
Eost diem sancti Jacobi apostoli, anno domini miUesimo trecentesimo
.XXX quinto.
Mainzer Ingrossaturbuch Adolf L, Lib. II, No. 10 S. 353.'
Kreisarchiv Würzburg. — Angeführt von Friedensburg in der Zeit-
schrift f. hess. Gesch. N. F. XI, 138.
No. 104.
1385 Juli 29. Helfrich von Schwarzenberg stellt dem
Erzbischof Adolf I. von Mainz einen Revers desselben Inhaltes aus.
Liber registri Utterarum ecclesiae Moguntinae No. 6 S. 172 r.
Kreisarchiv Würzburg. — Angeführt von Friedensburg in der Ztschr.
f. hess. Gesch. N. F. XI, 138.
1) Später (vor 1384 Okt. 27.) wurde W. v. H. der Lehen zu
Ermetsassen (Harmuthsachsen, Kr. Witzenhausen), Milsungen und
Swartzinberg durch ein Lehending verlustig erklärt. Datum-
loser Brief des Ldgr. Hermann an die St. Göttingen (im Stadtarchiv
Göttingen.)
zur Geschichte derer von Balenhusen. 313
yo. 105.
1392 Januar 5. Konrad Langirman und Kunne, dessen Frau,
schenken dem Georgs-Hospital zu Melsungen (an der Fulda) zwei
Stücke Landes. Siegler: Junker Helfrich [von Schwarzen-
berg]. Siegel anhängend (vgl. Tafel II Fig. 4). Gegeben nach Christi
i,'eburt dryczenhundirt in denie zwey und nuynczigstem jare an deme
tzwelften obinde.
Original im Staatsarchiv Marburg (Stadt Melsungen).
No. 106.
1417 April 13. Helfrich Swarcenberg überläßt dem Land-
grafen Ludwig I. von Hessen Gericht und Dorf Schwarzenberg und
andere Güter, die daselbst und im Gerichte Melsungen liegen, und
verspricht die Rückgabe der [Lehen-JBriefe, die keine Gültigkeit mehr
haben sollen. Siegler: der Aussteller. Siegel fehlt ... feria tertia
post festum Paschae.
Original (kaum noch lesbar) im Staatsarchiv Marburg.
No. 107.
1420 Oktober 5. Heihgenstadt. Erzbischof Konrad von Mainz
belehnt seinen lieben Getreuen Helffrich von Swartzenberg
imd dessen Leibes-Lehenserben mit zwei Hufen zu Bartdorff (offen-
bar Groß-Bartloff) unter dem [Bischofs-]Steine (Kreis Heiligenstadt),
einer Hufe zu Litterichshusen ') und 5 Gulden Geldes zu Schnell-
inannshausen (n. Kreuzburg a. d. Werra), die der Provisor Ludwig
von Bynsffort und dessen Bruder Andreas inne gehabt haben, zu
rechtem Mannlehen. Helfrich hat ilim den Lehenseid geschworen.
Sollte er noch mehr Lehen erhalten, hat er sie binnen eines Viertel-
jithrs bei seinem Eide zu empfangen und „beschrieben zu geben".
Siegler: der Aussteller. Siegel anhängend. Datum Heilgenstad sab-
Ijato die post diera beati JVlichaelis archangeli anno domini millesimo
CCCC"* vicesimo.
Original im Staatsarchiv Marburg.
B. ISTamensvetterii.
1. Schalun und Struz.
No. 108 (1).
1216 Juli 20. Erzbischof Albert von Magdeburg und Bischof
P^khard von Merseburg errichten eine Sühne zwischen dem Mark-
trrafen Dietrich von Meißen und der Stadt Leipzig. Unter den
Zeugen: Heinricus Struz.
Cod. dipl. Saxoniae regiae, II, 8 (Urkunden der Stadt Leipzig), 2
No. 3. — Vgl. auch Regest No. 14 (1166 August 20.), worin Hein-
ricus Struz dicht vor Konrad von Ballhausen angeführt wird.
1) Wüstung Lutereckshusen ? Letztere lag im Luttergrunde
bei Groß-Bartloff (w. Mühlhausen). Wenige Tage früher fam 26.. Sept.)
hatte der Erzbischof die Gebrüder von Ershausen mit 16 Äckern
zu Lutereckshusen belehnt. Joh. Wolf, Polit. Gesch. des Eichs-
feldes, I, Urk. No. 99.
XXL 21
314 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
Xo. 109 (2).
1220 [vor November 10]. Abt Ludwig von Hersfeld überläßt
mit Einwilligung seines ganzen Konventes und Kapitels dem Kloster
Pforte gegen Zahlung von 40 Mark und einen jährlichen Zins
11 J Hufen in Vehra (sw. Weißensee). Dfiese Hufen trugen ur-
sprünglich die Grafen Albert und Hermann . von Orlamünde von
Hersfeld zu Lehen, von jenen wieder Graf Lampert von Gleichen,
von dem letzteren Heinrich Schalun und von dem mehrere
andere. Durch Heinrich Schalun hatte aber der Hof des Klosters
Pforte in Vehra schwere Belästigungen zu erleiden. Darum kaufte
Abt Winemar von Pforte, um für den Frieden der Öeinigen zu
sorgen, den Grafen von Orlamünde die 11| Hufen für 250 Mark ab.
P. Boehme, U.-B. des Klosters Pforte, S. 111 No. 85.
No. 110 (3).
1233 Januar 7. Mittelhausen ^). Heinrich Raspe, Landgraf von
Thüringen, bekundet einen Vergleich zwischen seinem Ministerialen,
ßitter Everher von Weißensee, und dem Kloster Pforte über einen
Damm in der Unstrut und streitigen Grundbesitz in Vehra (sw.
Weißensee). Zeugen : . . . (Geistliche) ; comes Albertus de Cletten-
berc, Albero de Vipeche, Theodericus de Vipeche, Heinricus
Scalun, Albertus de Ebeleiben, Burchardus de Bruchtirde, Hein-
ricus de Cranisburne, Cunradus de Unrowe et al. qu. pl.
P. Boehme, U.-B. des Klosters Pforte, S. 130 No. 104.
No. 111 (4).
1234. Graf Heinrich von Schwarzburg und dessen Söhne
Heinrich und Günther bestätigen einen Vertrag zwischen dem Kloster
Georgen thal (w. Ohrdruf) und den Einwohnern von Udestedt (nö.
Erfurt) über Zinsen, Weide u. s. w. Zeugen : Heinrich Abt zu
S. Peter in Erfurt ; Albert Graf von Wihe, Hermann von Vippach
und sein Bruder, Heinrich Scalun, Ludwig und Hermann von
Meldingen.
W. Rein, Ungedruckte Regesten zur Gesch. v. Weimar, Jena,
Erfurt und Umgegend, in der Zeitschr. f. thüring. Gesch., Jena 1863,
V, 240.
No. 112 (5).
1235, Stotternheim. Ludolf v. G. Gn. Vogt in Stotternheün
(n. Erfurt), VoLmars Sohn, überläßt mit seiner Mutter Helburgis
und seinem Bruder Heinrich zusammen dem Kloster Georgenthal
zwei Mark Zins in Stotternheim, eine Wiese und ein Feld bei Bark-
hausen (zw. Stotternheim und Udestedt). Zeugen: Heinrich der
Jüngere von Rosla, Giseller von Tulstete, Theoderich von Vippach
und sein Bruder Hermann , Heinrich Scalun, die Gebrüder
Heinrich und Gerhard von Stuternheim.
W. Rein, Ungedr. Regesten, in der Zeitschr. f. thür. Gesch.
V, 240.
1) in placito provinciali; Mittelhausen liegt nö. Erfurt.
zur Geschichte derer von Baienhuaen. '315
No. 113 (6).
1246. Graf Heinrich von Velseck (aus dem Hause der Grafen
von Gleichen) bezeugt, daß Hartungus et Henricus de Swegerstete
nostre proprietatis noraines dem Kloster Reifenstein (Eichsfeld;
zwei Gärten in Schwerstedt (Kreis Weißensee) verkauft haben. Zeugen :
Henricus Schallun de Ballenhusen, Siffridus frater eius,
C onradus Ruf US de Ballenhusen, Conradus filius advocati
ibidem; Conradus plebanus de Swegerstete; Henricus iuxta Viale,
Widoldus et filius eius, Theodericus Papa et frater eius et ceteri
qu. pl.
Joh. Wolff, Eichsfeldisches U.-B., Gott. 1819, No. VI «. 6.
— H.
No. 114 (7).
1263. Eberher von Salza bekundet, daß nach Vermitteiung der
Schiedsrichter, domini Theoderici de Vibeche, domini Gisilheri de
Tullestethe milituni, fratris Heinrici de Libenstete, fratris Heinrici
magistri in Vher conversorum de Porta, domini Ludolfi de Stutirn-
heim, dommi Heinrici de Gruningen, domini Theoderici Meys de
AVissensehe, domini Heinrici Schalun de Ballinhusen militum
et Johannis de Sprech magistri forensis in Wissense, das Kloster
Pforte ihm und seinen Geschwistern 10 Mark für die streitige
Fischerei in der Unstrut bei Vehra, für ein Weidicht daselbst und
zwei Wiesen in der Flur von Straußfurt (Kr. Weißensee) bezahlt
habe.
P. Boehme, U.-B. des Klosters Pforte, No. 173 S. 190.
No. 115 (8).
1266 April 3. Landgraf Albrecht von Thüringen bekundet den
Vergleich, den die Anordnung der (in dem vorigen Regest be-
nannten) Schiedsrichter, u. a. des Ritters Heinrici Shalun de
Ballinhusen, herbeigeführt hat, sowie noch eine weitere Ver-
einbarung.
P. Boehme, U.-B. des Klosters Pforte, No. 190 S. 203. — H.
No. 116 (9).
1266 nach November 4. Abt Albero und der Konvent des
Klosters Pforte einerseits und Eberher von Salza andererseits ver-
pflichten sich auf die zwischen ihnen geschlossenen und vom Land-
frafen Albrecht bekundeten Vergleiche. Darin wird wieder das
Schiedsgericht des Ritters Heinrici Schalun de Ballenhusen
und der übrigen erwähnt.
P. Boehme, U.-B. des Klosters Pforte, No. 193 S. 207.
No. 117 (10).
1291 Januar 13. Heusdorf (bei Apolda). Dietrich der Ältere
Schenk von Apolda verzichtet mit seinen Söhnen auf die Vogtei
des Klosters Heusdorf. Unter den Zeugen: Gothefridus dictus
Roithe, Cunradus dictus Struiz dyacones.
W. Rein, Thuringia sacra. Weimar 1865, II, 178 No. 158.
21*
316 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
No. 118 (11).
1291 April 26. Heusdorf. Eitter Heinrich von Ischerstete ge-
nannt von Lesten bekundet, daß er ein Viertel der Mühle in Wicker-
stedt und einen Hof dem Kloster Heusdorf verkauft hat. Zeugen :
socer noster Bertoldus de Gruzen; . . Gothefridus dictus Roite . .
sacerdotes; Conradus Struiz dyaconus etc..
W. Rein, Thuringia sacra, II, 179 No. 160.
\o. 119 (12).
1291 Mai 28. Heusdorf. Stiftung eines ewigen Lichtes. Unter
den Zeugen: . . . Gothefridus dictus Koite sacerdotes; Cunradus
dictus Struiz dyaconus.
W. Rein, Thuringia sacra, II, 180 No. 161.
?io. 120 (13).
1297 Dezember 14. Sangerhausen. Hedwig, Witwe des Ritters
Gozwin zu Sangerhausen, entsagt ihren Ansprüchen auf zwei Hufen
zu Fröramstedt (nw. Weißensee), die ihr verstorbener Bruder dem
Deutschen Hause in Griefstedt (nö. Weißensee) gegeben hatte. Unter
den Zeugen: Henri cus dictus Schalün.
Wyss, Hessisches U.-B. (Publ. aus Preuß. Staatsarch., III. Bd.)
I, 475 No. 632.
lüo. 121 (14).
1302 Juli 26. Die Gebrüder Heinrich und Konrad genannt
Struz de Ballinhusen verzichten auf ihre Ansprüche an das
Kloster Volkenrode und dessen personas. Unter den Zeugen : . . .
milites; Heinricus dictus Scnalün.
Schoettgen et Kreysig, Dipl. et script., I, 782. — H.
No. 122 (15).
1314 (1313?) November 23. Graf Heinrich von Beichlingen
urkundet für das Kloster Volkenrode. Zeugen: dominus Bruno
sacerdos vicarius in Swerstete, Henricus et Theodericus fratres
de Balnhusen dicti Schalun^).
Schoettgen et Kreysig, Dipl. et script. I, 789.
No. 123 (16).
1341 Dezember 21. (in die sancti Thome apostoli). Die Brüder
Heinrich und Friedrich, Herren zu Salza, überlassen dem Abte
Hermann zu Homburg (bei Langensalza) und seinem Kloster | Hufe
in SchÖnstedt zu eigen, die Beringer von Weberstedt von ihnen zu
Lehen trug und jetzt an das Kloster verkauft hat. Zeugen : Johann
Propst des Nonnenklosters zu [Langen-] Salza, Berthous Vikar auf
dem Berge daöelbst, Burkhard von Hauenthal; Dietrich Schalun,
Rektor daselbst.
Förstemann, Urkunden des Klosters Homburg, in den Neuen
Mitteilungen aus dem Gebiete histor.-antiqu. Forschungen VIII, 2,
No. 104 S. 101.
1) Vgl. auch Regest No. 84 (1334 Dez. 26.) Henrici dicti
Schollen.
zur Geschichte derer von BaleohuseD. 317
2. Die von Ballenhausen im Leinegau.
Xo. 124 (1).
1135 Januar G. Der Freie Azo übergiebt im Einverständnisse
mit seinen Erben der Kirche in Reinehuson (so. Göttingen) drei
Hufen und ein Grundstück mit Gebäuden imd aller Nutzung in
Wiesen und Wäldern, in Dorf und Feldmark Ballenhuson (s.
Göttingen). Er stellt die Bedingung, daß er von demselben Allode
das Notwendige an Kleidung erhält, während die Kirche zu seinem
Lebensunterhalte zwei Pfründen hinzufügt, nämlich die eines Mönches
und die eines Chorknaben 'j. Keine weltliche Person darf jemals das
Landgut zu Lehen empfangen, sondern es soll nur zum Nutzen der
Klosterbrüder dienen, sonst fällt es den Erben anheim, und die
Schenkung ist nichtig. Siegler: Reinhard, 1. Abt des Klosters ß.
Siegel anhängend. Zeugen : Keinhardus primus abbas cum fratribus
siüs Reinboldo, Sigibodon[e], Jezelino, Svmone, Alboldo et ceteris;
laicorum verum nomina sunt hec: überi ünoco, Thechenhardus,
Helmwicus, Heremarus; ministeriales Aekbertus, Hardwicus*) cum
alüis multis. Acta sunt hec anno dominice incarnationis MCXXXV,
VIII. Id. lanuarii, indictione xiii, regnante piissimo imperatore
Lothario, anno regni eins XI, imperii vero III, domino Adelberto
archiepiscopo.
Original im Staatsarchiv Hannover (Kloster Reinhausen No. 1).
Vielfach abweichend bei Scheidt, Vom hohen und niedern Adel,
Mantissa documentorum, Hann. 1755, ö. 304 No. XXX. — H.
No. 125 (2).
1151 (vor September 1.) In comecia cognati nostri Wickeri in
pago Marprachtissm '). Erzbischof Heinrich I. von Mainz belehnt
den Grafen Hermann von Winzenburg mit dem von dem Grafen
erbauten Schlosse Schonenberg. Zeugen : . . . (GeistUche) ; de laicis :
Heinricus comes Hassie, comes Wickerus de Horeburg et frater
eins Gotfridus de Ameneburg, Boppo comes de Riehen bach, Adelbertus
comes de Eberstein, Arnolaus üe Hagenawe, Sigebodo de Scowen-
burg, Dudo prefectus de Rusteberg et Gebehardus frater eins;
RetSerus comes de Insula, Boppo de ßlanckenburg, Heinricus comes
deßodenburg, Widekindus advocatus de Minden, Heroldus-de Bornen,
1) Original: . . quatenus ab Scheidt: quatenus ab eodem
eodem allodio necessaria sui vesti- allodio necessaria sui vestitus ac-
tus accipiat, additis ab ec- cipiant milites domini,ab ec-
clesia ad victum suum duabus clesia caetera ad victum suum
prebendis , monachi videlicet ac cum caeteris praebendis mo-
pueri. nachis videlicet ac pueris depu-
ten tur.
Scheidt hat offenbar eine zu Gunsten des Klosters verfälschte
Abschrift benutzt.
2) Die beiden letzteren Namen fehlen bei Scheidt.
3) Harburg, nach dem sich Graf Wicker nannte, lag bei Breiten-
Worbis (Eichsfeld).
318 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
Heroldus de Roden . . . Wernherus de Hersethe, Reinhardusde
Ballinhusen; de ministerialibus : Wernherus dapifer . . , Udal-
ricus de Eusteberg, Reinbodo de Pingwia et compl. al.
Codex dipl. Saxoniae regiae I, 2, No. 22§.
Xo. 126 (3).
[Um 1152*)], Unoco de Ballinhuson leiht dem Grafen
Poppo von Blankenburg vier Mark, mit der Bestimmung, daß die
Summe dem Kloster Reinhausen zurückgezahlt würde.
Reinhardt Reinehusensis abbatis opusculum de familia Rein-
hardi episcopi Halberstadensis bei Leibnitz, Scriptores rer. Bruns-
vicensium, Hann. 1707, I, 704.
No. 127 (4).
1189. Erzbischof Konrad von Mainz nimmt Kloster Weende
(n. Göttingen) in seinen Schutz. Zeugen : . . . (2 Pfalzgrafen und Geist-
liche); langravius de Bavaria (!), Albertus comes de Eversten, Sege-
bodo de Scartfelde, Bernhardus et Godescalcus de Plesse, Hermannus
et Bernhardus de Rothe, Thidericus de Gladebike, Hermannus ad-
vocalus de Grona, Hildebrandus, Elvericus de Uslere, Heinricus et
Helwicus de Bodenhusen ; ministeriales : Hetheinricus et Helwicus
de Rusteberge, Conradus et filii eins duo Conradus et Helwicus,
Conradus de Berkeveide, Othelricus de Rusteberge, Johannes de Lüt-
tere, Hartmannus et Conradus fratres de Rorberghe, Otto de
Ballenhusen, Meinhardus et Heinricus de Rostorp et al. qu. pl.
Cod. dipl. Saxoniae reg. I, 2, No. 549 S. 378. Wie Posse hier
näher ausführt, ist die Urkunde eine Fälschung. Die Zeugen sind,
wie ich hinzufügen möchte, aus verschiedenen Urkunden zusammen-
gesucht und dabei Freie und Ministerialen durcheinander gewürfelt:
Hartmann von Rohrberg ist noch 1196 unter den Edlen (Dobenecker,
Reg. Thur. II, No. 1013), ein Otto von Ballenhausen noch im
13. Jahrh. (vergl. weiter unten). Da sich aber auch andere von den
Zeugen um diese Zeit nachweisen lassen, z. B. Heinrich von Boden-
hausen und Konrad von Berkefeld 1189 , Johannes von Luterahe
1175 (Stumpf, Acta Mog. 87), Udalrich von Rusteberg 1151, Graf
Albert von Everstein 1184, 1187, 1194, Heidenreich und Helmwig
von Rusteberg 1171, Konrad von Rohrberg ca. 1201, so ist an-
zunehmen, daß auch ein Otto von Ballenhausen um 1189 gelebt hat.
1) Graf Poppo von Blankenburg kommt im vorigen Regest
(1151) vor, auch in Urkunden des Klosters Homburg von 1143
(Förstemann, Urk. des Klosters Homburg, in den Neuen Mitteil., VII,
4, S. 43 No. 3; S. 54 No. 16); ferner 1158 (v. Spilcker, Grafen von
Everstein, U.-B. S. 19 No. XV) u. s. w. Seine Bedrückungen des
Klosters Reinhausen können aber erst 1152 nach der Ermordung des
mächtigen Grafen Hermann von Winzenburg begonnen haben. Und
1168 fand das Kloster noch einen stärkeren Schützer an Heinrich
dem Löwen. Eine Zeit lang vor 1168 muß Unoko das Geld un-
bedingt verliehen haben.
ztir Greschichie derer von Baleühusen. 319
No. 128 (5).
1221 Juli 25. Erfurt. Erzbischof Siegfried von Mainz stellt
eine Urkunde für das Kloster Hilwartshausen aus. Zeugen : . . .
(Geistliche) ; comes Lambertus in Glichen, Gerhardus de Eppenstein,
Fridericus de Kelberouwe, Heinricus de Metze, Terricus viceaominus
de Ringeiderode, Terricus vicedominus de Apolde, Helewicus de
Reinoldeshusen, Bertoldus de Geismaria, Heinricus deBallen-
husen. Datum Erford anno gracie MCCXXI, Id. luHi, pontificatus
vero nostri anno XX.
Original im Staatsarchiv Hannover (Hilwartshausen 23).
No. 129 (6).
1225. Eine Urkunde des Abtes N. *) von Reinhausen wird be-
zeugt durch: Helmwicus senior de Bodinhusen, Thegenhardus filius
eius, Bertoldus Cozel (?), Henricus de Ballenhusen, Henricus
Picus, Thidericus de Lengethe milites.
Original im Staatsarchiv Hannover (Reinhausen).
No. 130 (7).
[Um 122ö. jedenfalls vor 1239 Mai 27.]"). Uslar. Otto von
Balenhusen und seine Ehefrau verkaufen, unter Zustimmung
ihrer Söhne Hermann und Thietmarus und anderer ihrer Mit-
erben, für 120 Mark ihr Gut Sedemanneshusen [Settmarshausen sw.
Göttingen) an das Kloster Amelunxborn. Dieses Kaufgeschäft ist
bestätigt: comite Alberto iuniore comitiam tenente et iudicio ibi
presidente. Den Zehnten von dem Rodelande (novali), das dem Kloster
1) Abt Heinrich von R. kommt schon um 1201 (Dobenecker,
Reg. Thur. II, No. 1211) und noch 1220 vor. In der letzteren Urk.
erwähnt er unter den Klostergütern: in Ballenhusen marcam in
decima. Or. im St.A Hannover.
2) 1239 Mai 27. Erfurt, bekundet Erzbischof Siegfried von
Mainz, daß die Grafen von Everstein den Zehnten des Dorfes Sith-
manneshusen, den sie von Mainz zu Lehen hatten, in die Hände
des Erzbischofs zurückgegeben haben. Der letztere überträgt den
Zehnten dann dem Kloster Amelunxborn, auf Bitten Hermanns von
Uslar, der zur Entschädigung der Mainzer Kirche zwei Hufen in
Dransfeld anweist und als Lehen zurückerhält. Datum Erfordie
0 0 o
anno M CG XXX Villi, Kai. lunii, pontificatus nostri anno nono.
Falke, Cod. trad. Corb., S. 866. — Hermann und Ernst von
Uslar kommen u. a. in Urkunden von 1222, 1233, 1235 vor. Falke,
S. 781, 860, 900. Ein Graf Albert von Everstein, dessen Vater
ebenfalls Albert hieß, wird 1226 genannt (v. Spilcker, Grafen von
Everstein, U.-B. S. 56 ff.). Er fehlt schon 1230 in der Reihe seiner
Brüder, weil er in den geistlichen Stand getreten war. Freilich wird
1255 ein anderer Albert , der 1240 zuerst vorkommt, ausdrücklich
Albertus iunior genannt. Dieser kann hier aber nicht in Betracht
kommen. Vgl. No. 131 (8).
320 Auszüge ans Urkunden und Chroniken
mitverkauft ist, trug ein gewisser Ritter Johann von Settmarshausen ^)
von dem vorgenannten Otto zu Lehen und verzichtete jetzt darauf
für 9 Mark. Den Zehnten von dem Gute selbst (predio) trugen die
Brüder Heinrich und Berthold von Bertoldeshusen zu Lehen und
verkauften nun denselben für 19 Mark an das^ Kloster und verzich-
teten darauf ihrem Lehnsherrn Hermann von Uslar gegenüber.
Facta sunt hec Uslarie coram Hermanne et Ernesto et clerico par-
rochle et qu. pl. al. Hermannus vero de Uslaria solo divine remu-
nerationis intuitu pro remedio anime sue comitibus de Everstene,
a quibus in beneficio tenuerat, resignavit.
Amelunxborner Copialbuch VII B. 111 fol. 19 im Landes-
hauptarchiv Wolfenbüttel.
No. 131 (8).
[Vor 1227 Juni 24')]. Landgraf Ludwig (IV.) von Thüringen,
Pfalzgraf von Sachsen, macht die Beilegung des folgenden Streites
bekannt. Ein Gut Siddemanneshusen (Settmarshausen sw. Göttingen),
das die Kirche zu Amelunxborn (zwischen Eimbeck und Holzminden)
von dem Freien Otto von Balinhusen und dessen Söhnen mit
Einwilligung ihrer Erben gekauft hatte, gab sie dem Geistlichen
Berthold als Entschädigung für eine Schenkung, die diesen gereute.
Dem Geistlichen wurde aber das Gut durch den Eitter Ludwig von
Eorinberg, der ein Erbrecht darauf zu haben behauptete, entrissen.
Der Bischof von Hildesheim entschied schließlich den Streit zwischen
Berthold, der von dem Kloster Ersatz seines Schadens forderte, und
dem Abte Gottschalk von Amelunxborn*); der letztere nahm das
Gut gegen eine Geldzahlung wieder ein.
Joh. Friedr. Falke, Codex traditionum Corbeiensium, Lips. et
Guelpherbyti 1752, S. 866. — Cod. dipl. Qax. reg. I, 3, No. 402
S. 282.
No. 132 (9).
1241 März 8. Gieselwerder (an der oberen Weser). Erzbischof
Siegfried von Mainz bekundet, daß der edle Herr Hermann, Vogt
von Ziegenberg, den Zehnten von Bunekenhusen (Wüst, in der Feld-
mark von Großenschneen, s. Göttingen), den er von der Mamzer
Kirche zu Lehen trug, in die Hände des Erzbischofs zurückgegeben
habe, wie ihn in seine (Hermanns) Hände zurückgegeben hatte Thet-
marus miles de Ballenhusen, der von Hermann damit belehnt
fewesen war. Dietmar sowohl wie Hermann forderten nun von dem
Irzbischof, daß er den Bunekenhuser Zehnten der Kirche zu Lippolds-
berg (an der oberen Weser) übergäbe zur Vergebung ihrer Sünden ;
denn eben deswegen hätten sie darauf verzichtet. Siegfried vollzog
die Übergabe. Siegler: der Aussteller. Siegel anhängend. Zeugen:
1) Derselbe kommt 1246 in Hedemünden vor. Scheidt, Vom
höh. u. nied. Adel, Mant. docum. No. 135 S. 486.
2) Am 24. Juni 1227 brach Landgraf Ludwig zum Kreuzzuge
auf, bei dem er den Tod fand.
3) Abt Gottschalk, den Joh. Geo. Leuckfeld, Chronologia abba-
tum Amelunxbornensium, 1223 sterben läßt, kommt in Urkunden
von 1222, 1226 und 1233 vor. Falke, Cod. trad. Corb. S. 781, 859,
860.
zur Geschichte derer von BaleDhusen. 321
Heinricus prepositus Heylegenstadensis, Volcmarus abbas Bursuel-
densis; Ckjnradus comes de Euerstein, Godescalcus de Plesse, Giso
de Cygemberge, Herraannus de Uslaria, Heidenricus vicedominus de
Kusteberg et al. qu. pl. Datum apud Insulam anno incarnationis
domin ice millesimo ducentesimo quadrageeimo primo, VIII. Idus
Marcii, pontificatus nostri anno duodecimo.
Original im Staatsarchiv Marburg (Kloster Lippoldsberg). —
Ganz kurz erwähnt bei G. Landau, Hessische Eitterburgen und ihre
Besitzer, Cassel 1832—39, IV, 302.
No. 133 (10).
1245. Propst Heinrich in Heiligenstadt erklärt, daß Otto
von Balenhusen, dessen Bruder Arnold und Mechthild,
beider Mutter, nach Empfang von 6 Mark reinen Silbers auf ihr
Anrecht an die bona Sedemanneshusana verzichtet hätten. Zeugen:
Guntherus de Hardenberge et filius Hermannus, Hermannus, Bern-
hardus et Thidericus filii domini Bernhardi de Hardenberge et Gun-
terus de Bouenten. Actum anno MCCXXXXV.
Falke, Cod. trad. Corb. S. 867.
No. 134 (11).
1246. Hermann der Ältere, Bernhard und Dietrich, Gebrüder,
ebenso Hermann der Jüngere und Günther, Gebrüder, alle genannt
von Hardenberg, übertragen für 7 Mark und 9 Vierdunge dem
Kloster Amelunxborn das Eigentum an 2 Hufen in Schnedinghausen
(zwic'.'hen Moringen und ^'ortheim), die das Kloster von Johann
dicto de eauem viUa für lüV Mark gekauft, und die Johann von
denen von Hardenberg zu Lehen hatte. Zeugen : Hermannus senior,
Bemardus et Thidericus fratres, item Hermannus iunior et Guntherus
fratres, omnes dicti de Hardenberch, Otto advocatus de Baien.
husen et al. qu. pl. Actum anno dominice incarnationis MCCXLVI.
Amelunxborner Copialbuch VII, B 111, foL 31—31» im Landes-
hauptarchiv Wolfenbüttel.
No. 135 (12).
1247. Dieselbe Übertragung und dieselben Zeugen, unter denen
auch wieder Otto advocatus de Balenhusen. Der Lehnsträger
der beiden Hufen wird hier Johannes dictus de Snetingehusen ge-
nannt. Actum anno gratiae millesimo ducentesimo quadragesimo
septimo.
Amelunxb. Copialb. VII, B. 113, S. 1397 u. 1398 im Landes-
hauptarchiv Wolfenoüttel.
No. 136 (13).
[Um 1247—1254').] Abt Thetmarus von Reinhausen zählt seine
1) Abt Dietmar von Reinhausen kommt in einer Plesser Urk.
V. 1247 (Wenck, Hess. Landesgesch. , Urk. z. IL Bd., S. 166
No. CXXXVI) und in einer Nörtener Urk. vom 24, Mai 1254 vor.
Joh. Wolf, Diplomat. Gesch. des Petersstiftes zu Nörten, Erfurt
1799, U.-B. No. III S. 5. — Alheidis von Plesse, die Dietmar eben-
falls erwähnt, nennt eine Urk. von 1244: Falke, cod. trad. Corb.
S. 863.
322 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
Erwerbungen für sein Kloster auf. : . . den Zehnten in Alwardeshusen
(einer Wüstung bei Eeinhausenj für 44 Mark von Herrn anno et
Thetmaro fratribus de Ballenhusen . . 13 Mark für 1^ Hufen
in demselben Dorfe dem genannten Thetmaro de Ballenhusen,
6 Mark für ^ Hufe in Alwardeshusen mit Einwilligung seiner Erben
Otto und Arnold von Rusteberg ... in Dranvelde (Dramfeld sw.
Göttingen) den Zehnten für 50 Mark von Heinrico milite de
Ballenhusen und Friedrich Priester von Eosdorf und seinen
Schwestern.
Copie im Staatsarchiv Hannover (Eeinhausen).
No. 137 (14.)
1253. Die Grafen Konrad und Friedrich von Klettenberg ^) geben
ihre Zustimmung zu einem Verkauf ans Kloster Walkenried. Zeugen :
Ywanus de Memwarderode, Hermannus de Uderde, Bertoldus de
Netheirede milites; Thitmarus de Makkenrod, Hermannus de
Ballen husen.
Urk. des Stiftes Walkenried (U.-B. des Histor. Ver. für Nieder-
sachs. Hft. II) Hann. 1852, No. 298 S. 205.
No. 138 (15).
1256 April 23. Nordhausen. Heinrich Graf von Hohnstein
eignet der Kirche b. virginis des Klosters zu Nordhausen die Pfarrei
Bennungen (w. Sangerhausen) zu. Zeugen : praepositus Hermannus
in Bischofferode, decanus Dittmar, cellerarius et canonicus Her-
mannus de Wilrode frater suus, et filius Theodericus de Wilrode,
Hinricus de Balnhusen. Datum Northusen a. incarn. dorn.
1256, IX. Kai. Maii.
Copie in F. No. 1020, No. 14 im Geh. Haupt- und Staats-
archiv Weimar. — H.
No. 139 (16).
1279 März 20. Hermann genannt von Ballenhusen er-
klärt, daß mit seinem Willen sein Oheim (patruus) Eitter Dietrich'
von Hardenberg den halben Zehnten im Dorfe Lutteringehusen (bei
Hardegsen) dem Nonnenkloster in Fredelsloh (sw. Eimbeck) ver-
kauft hat für 10 Mark reinen Silbers, indem er für ihn (Hermann)
und sich selbst auf alles Anrecht verzichtete in die Hände der
Grafen Otto, Heidenreich und Werner von Lauterberg, von denen
der Zehnte zu Lehen ging. Siegler: der Aussteller. Siegel anhängend.
(Vgl. Taf. II Fig. 5). Zeugen: Wernerus de Hardenberg, dominus
Ludolfus plebanus de Novali, Hartwicus de Novali, lohannes de
Ascha et aL qu. pl. f. d. Datum et actum anno domini M" CC LXX"
IX°, in vigilia sancti fabbatis Benedicti.
1) Dieselben hatten Grundbesitz in Ballenhausen. Urk. des
Stifts Walkr., No. 166. 169 (1229 und 1230).
zur Geechichte derer von Balenhusen. 323
Original im Staatsarchiv Hannover (Fredelsloh 41). — Ge-
druckt bei Joh. Wolf, Geschichte des Gescnlechts von Hardenberg,
Gott. 1823, Bd. I, Urk. No. XVI S. 16.
No. 140 (17).
1292 Januar 10. Der Knappe Hermann, genannt von
Ballenhusen, verpfändet das Dorf Krummelen (Wüstung bei
Moringen) dem Propste von Fredelsloh und dessen Kirche für 4 Mark
reinen Silbers. Das Dorf soll Hermann wieder zufallen, wenn der
Propst sein Geld zurückempfängt. Zeugen: dominus Thidericus
dictus Pininc miles, Hardewicus de Novali, Georius de Kadolves-
husen et qu. pl. al. f. d. Actum et datum anno domiui millesimo
CG** LXXXX'* secundo, feria quinta proxima post Epyphaniam
doraini. Siegel beschädigt , von der Umschrift nur G + S'» er-
halten.
Original im Staatsarchiv Hannover (Fredelsloh 61).
Ifo. 141 (18).
1302 Januar 26. Herzberg (am Südharze). Herzog Heinrich
von Braunschweig gewährt dem Abte und Konvente in Volkolderod
(Volkenrode nö. Mühlhausen) Freiheit von aUer Bede für ihre in
Cornere (Kömer zwischen Mühlhausen und Schlotheim) gelegenen
Güter, die sie vom Grafen Otto von Lutterberch (Lauterberg im
Harze) erkauft, sowie für eine Hufe ebendaselbst, die sie von Fried-
rich genannt Surezich gekauft. Der Herzog erläßt die Steuer zu
seinem Seelenheile, dem seiner Vorfahren und seiner Gemahlin
Agnes. Zeugen: Hermannus abbas Walkenridensis, f rater Theo-
dericus de Balenhusen, monachus ibidem; Ecbertus de
Hattorp, Hartmannus de Munningherode, Jordanus de Barkeuelde
milites; raagister Bruno notarius. Datum Hertesberch anno do-
mini, millesimo CCC secundo in crastino conversionis sancti Pauli
apoBtoli. — Das anhängende gelbe Wachssiegel ist beschädigt.
Original im Hauptstaatsarchiv Dresden No. 1695.
No. 142 (19).
1303 April 14. Der Knappe Hildebrand von Hardenberg ver-
kauft dem Kloster Amelunxborn eine Hufe in Holtensen (bei
Moringen) mit Einwilligung seiner Brüder Bernhard, Kanonikus in
Hildesneim, Hermann, Kanonikus in Minden, und Bernhard des
Jüngern, seiner Schwestern Adelheid und Mechthild, seiner Vettern
(patruelium nostrorum), der Knappen Johann und Burghard von
Saldern, Wernheri nepotis nostri famuli dicti de Balnhusen
.... Nos vero Bernhardus de Hardenberg iun., Johannes et Borc-
hardus de Saldere et Wernherus de Balnhusen, Alheidis et
Mechtildis dicte de Hardenberge, quia propriis caremus sigiJlis, con-
tenti erimus predictorum. Datum et actum anno domini millesimo
trecentesimo tertio in die beatorum martyrum Tiburtii et Valeriani.
Joh. Wolf, Gesch. des Geschlechts von Hardenberg, Gott.
1823—25, Bd. 1, Kachtr. No. 9 S. 13.
324 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
No. 143 (20).
1304 Januar 24. und 27. Göttingen. Die Gebrüder Hildebrand
und Bernhard von Hardenberg und die Gebrüder Johann und Burg-
hard von Saldern, Vettern (patrueles) verkauf ec dem Kloster Walken-
ried den Rosdorfer Zehnten. Item Werner us, filius Hermanni
de Balle nhusen, bonae memoriae, cognatus noster, praesente me
Hildebrando tutore suo et auctoritatem praestante, recognovit, se
nichil iuris habere in decima praedicta, et si quod ius ei de facto,
iure vel consuetudine competeret vel competere posset, renunciavit
, fide data promittens non contra facere vel venire aliqua ratione.
Presentibus lohanne et Theoderico dictis de Gruna . . . miütibus
etc. Siegler: Hildebrand von Hardenberg nono Kai. Februarii;
— Durch sechs andere Adlige (auch Johann und Dietrich von
Grone) besiegelt sexto Kai. Febr.
Urk. des St. Walkenried (U. -B. f. Niedersachsen, Heft 3),
No. 642 S. 25. — Job. Wolf, Gesch. des Geschl. v. Hardenberg,
1. Bd., Urk. No. XXXIII S. 41. — Scheidt, Vom höh. u. nied.
Adel, Mantissa documentorum, S. 537.
No. 144 (21).
1304 Januar 30. Nörten. Der Dechant Johann zu Nörten be-
urkundet und bestätigt dasselbe, auch den Verzicht Werners von
Ballenhausen.
Urk. des St. Walkenried, No. 643 S. 27.
Jfo. 145 (22).
1307 Februar 12. Cassel. Johann, dei gratia terrae Hassiae
lantgravius iunior, bezeugt, daß Wernherus filius quondam Her-
manni de Balnhusen vor ihm und in Gegenwart seiner Vor-
münder Ritter Werner und dessen Bruder Heinrich von Schweinsberg
auf jedes Anrecht an den Rosdorfer Zehnten verzichtet habe,
mochte dieses Recht auf Lehen, auf Erbschaft (paternae successionis)
oder auf einem anderen Umstände beruhen. Das Kloster Walken-
ried, dem Werners Oheime (patrui) Hildebrand und Bernhard von
Hardenberg und Johann und Burghard von Saldern den Zehnten
verkauft hätten, sollte durch Werner v. B. keinerlei Anfechtung er-
fahren. Da Werner älter als 14 und jünger als 25 Jahre war, so*
gab er dem Landgrafen die Hand darauf, den Verkauf und alle
Abmachungen anzuerkennen. Zum Zeugnis giebt der Landgraf
diesen von ihm untersiegelten Brief dem Abte von Walkenried. Der
letztere dagegen schenkt Werner von B., damit dieser, seine Freunde
und Blutsverwandten das Kloster W. im Besitze des Zehnten immer
schützen und es in seinen Geschäften fördern, ohne Rechtszwang,
vielmehr aus Freundschaft 26 Mark reinen Silbers, an Stelle eines
Füllens, das er Werner bei dessen erstem Verzichte versprochen
hatte. Zeugen: dominus Wernherus de Westerborg, Wernherus de
Sweinsberg milites (zugleich Mitsiegler) , dominus Gerlacus de
Griphede, dominus Hermannus de Bulzingesleyben milites; Her-
mannus de Romerode et Heinricus de Sweinsberg farauli et al. qu.
pl. f. d.
Urk. des St. Walkenried (U.-B. f. Nieders., Heft 3j, No. 685
S. 50.
zur Geschichte derer von Balenhusen. 325
No. 146 (23).
1310 Februar 26. Wernherus faraulus de Ballenhusen
bekennt, daß er das Anrecht an dem Dorfe Crumelen (bei Moringen),
welches . . . husen und seine rechten Erben von ihm für 20 Mark
zum Pfände hatten, für die erwähnte Summe imd 5 Lot, die er von
2 Höfen in der neuen Rodung (oder Großen- bezw. Lütgenrode?
de duabus curiis in novali) besaß, ferner einige Einkünfte, die Heiden-
reich genannt Geier (Vultur) in Lenglem, Nörten und Billings-
hausen (nw., n. und nö. Göttingen) auf Lebenszeit besaß, verkauft
hat dem Ritter Hildebrand von Hardenberg, Bernhard, dessen Bruder,
den Gebrüdern Johann und Burghard von Saldern , ihren Vettern
(patruis), und ihren rechten Erben. Heidenreich Geier soll die bis-
herigen Einkünfte auf Lebenszeit von den 4 Käufern erhalten.
Zeugen : dominus Hermannus de Hardenberg, dominus Otto de Boventhe
milites; . . husen, Hutgetswin, Henricus magister; Vastmodus de
Lodingessen, Conradus de Wallenstede famuli et sl. qu. pl. f. d. Siegler :
Ritter Hermann von Hardenberg, quod Wernherus de Ballenhusen
noster consanguineus dilectus proprio sigillo caruit. Siegel fehlt.
Datum anno domini MCCCX, quinta feria ante dominicam Esto mihi.
Original im Staatsarchiv Hannover. — H.
No. 147 (24).
1330 Juni 4 (in octava Pentecostes). Hen [ricus] dictus de
Ballenhusen, 8col[asticus] ecclesie Northun[en8is], kommt in einer
Urkunde de? Klosters Mariengarten (ssw. Göttingen) vor, neben
Heidenreich und Dietrich von Uslar, Dietrich von Bodenhausen,
Johanns Sohn, Heinrich, Pfarrer zu S. Jacobi in Göttingen, u. a.
Original im Staatsarchiv Hannover (Mariengarten No. 147).
Xo. 148 (25).
1347 Februar 24. Der Rat der Stadt Göttingen verkauft dem
Herrn Hen[ricoJ in Ballenhusen, Bruder des verstorbenen (quon-
dam) Ritters Ghunselin von Grone, „nostro cappellano", für eine schon
entrichtete Geldsumme 3 Mark reinen Silbers jährlicher Rente
auf Lebenszeit. Zahltag: Epiphanias. Datum sub sigillo nostre
civitatis a. d. MCCCXLVII, in die b. Mathie apostoli.
Gust. Schmidt, Ü.-B. der Stadt Göttingen (U.-B. des Historischen
Vereins für Niedersachsen, Heft VI), I, 159 No. 168.
Xo. 149 (26).
1350 September 29. Ernst, Herzog zu Braunschweig, Albrechts
sei. Sohn, erkennt auf Bitten „hern H inrikes van Ballenhusen,
des scolemesters to Northene, de hem Ghuntzeles un Janes broder
was gheheten van Grone'), dem kloster to dem Garden" (Marien-
garten) 14 Mark lötigen Silbers Göttinger Währung zu an dem
1) In einer Urkunde von 1341 heißt es darum: Henricus
de Grona ecclesie nostre scholasticus. Joh. Wolf, Gesch. des
Petersstiftes zu Nörten, Erf. 1799, Urk. No. XXXIII S. 37.
326 Auszüge aus Urkunden und Chroniken
vierten Teile des Zehnten zu Deiderode (w. Friedland), den Hein-
rich V. B. dem Kloster gegeben hat. Heinrich selbst hat den Viertel-
zehnten erhalten „van Uoden weghene van Grona", seines Vettern,
der der Sohn Gunzels von Grone war. Geben Udo von Grone oder
dessen Erben dem Kloster 14 Mark Silberp, so erhalten sie auch
den vierten Teil des Zehnten zu Deiderode zurück. Siegler: der
Aussteller; halbes Siegel erhalten. ... na Goddes bord dritteyn-
hundert jar in dem viftighesten jare in sinte Michelis daghe.
Original im Staatsarchiv Hannover (Mariengarten No. 172).
Übersicht über die von Ballenhausen.
Unoko 1135— um 1152. Azo? 1135.
Eeinhard 1151.
Otto I. um 1189.
Heinrich I. 1221—56? Otto H. um 1226.
Hermann I. Dietmar
um 1226—53. um 1226 —
um 1254. X
Gem. Mechthild 124
Otto in. und Arnol
1245. 1245.
(v. Rusteberg?)
Dietrich, Hermann II. v. Hardenbei
Mönch in Walkenried Ballenhausen 127Ü — vor 130!
1302. I
H e i n r i c h II. von Grone-Ballenhauseu 1330—50. Werner 1303—10.
Göttinger Bürgerfamilie von Bolnhusen.
Hey sc 1377—1400. Tile 1383-95.
Heinrich, 1397
Priester.
Tile 1445.
Bartold, Aldermann in Rosdorf bei Göttingen 1507.
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Zur Geschichte derer von Ballenhusen.
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328 Auszüge aus Urkunden und Chroniken etc.
No. 23 a.
1232 Mai 9. Arnold, Propst der Kirche Marie ad gradus,
vuid G., decanus s. lohannis Maguntini, iudices a domino C. Portu-
ensi legato sedis apostolice subdelegati, entscheiden den Streit zwischen
dominum Günzecninum abbatem s. Albani et dominum Helffricum
de Rodenberg über Güter in Drotholinshusen (etwa Drutholues-
husun. Wüst. n. Cassel?). Helfrich verzichtet und übergiebt die
Güter zu seinem und seiner Gattin E[lisabeth] Gedächtnis der
Kirche S. Alban, erhält sie dann aber gegen eine jährliche geringe
Abgabe als Lehen zurück. Nach seinem Tode fällt die Hälfte dieses
Lehens seinen drei Schwiegersöhnen Ec k eh ardo de Sumeringen,^
Bertoldo do Cruczeberc et Hermanno burgravio Hersfeldensi zu.
Zeugen: Arnoldus scolasticus et H. cantor sancti Stephani et G.
cantor sancti lohannis et magister G. canonicus sancte Marie ad
gradus, C. de Erlebach custos sancti Albani Maguntini et S[ifridus]
plebanus de Milsungen ; Dudo de Flersheim, Iggebrandus Mog[untinJus
et Burckardus Pernsac, milites et al. qu. pl. Actum anno domini
millesimo ducentesirao tricesimo secundo, VII. Idus Mali.
Liber copialis de anno 1410 des Klosters, später Stiftes S.
Alban bei Mainz, im Kreisarchiv Würzburg (Mainzer Bücher versch.
Inh. No. 9 fol. 78 — 80). — Das Original im Reichsarchiv München
ist fleckig. und darum unleserlich. — Die Identität Eckhards von
Sumeringen mit Eckhard I. von Ballhausen steht also unzweifelhaft
fest, ebenso seine Verschwägerung mit Berthold von Kreuzburg.
Nachtrag.
Am 21. August 1902 — die vorstehende, auf durchaus selb-
ständigen Forschungen beruhende Abhandlung und ein Teil der
Regesten waren bereits gedruckt — erhielt ich eine soeben erschienene
Arbeit des Herrn Arch.-Dir. Schenk zu Schweinsberg in Darmstadt
über Rotenburg a. d. Fulda. Dadurch wurde ich auf die obige
Urkunde N. 23 a hingewiesen, deren Abschrift ich mir vom Kreis-
archiv Würzburg ausbat. Der Herr Verf. kritisiert auch meinen vor
6 Jahren gedruckten Aufsatz über die Burg Schwarzenberg. Er vergißt
aber, daß ich bereits am 2. April 1901 mich bei seinem Archive nach
ungedruckten Urkunden der Familien von Ballhausen (im Kreise
Weißensee), von Sumeringen und von Schwarzenberg erkundigte, und
daß ich ihm persönlich am 9. Sept. 1901 schrieb, ich würde meine
Arbeit der Zeitschrift für thüringische Geschichte anbieten.
Erklliruiig der Siegeltafelu.
Tafel I.
Fig. 1. Eckhard I. von Ballhausen- Sommern. 1256.
Fig. 2. Eckhard 1. von Ballhausen-Sömmern. 1256.
Fig. 3. Eckhard I. von Ballhausen-Sömmern. 1265.
Fig. 4. Eckhard IL von Ballhausen. 1275.
Fig. 5. Eckhard IL von Ballhausen. 1275.
Fig. 6. ßerthold IL von Ballhausen. 1275.
Tafel IL
Fig. 1. Hermann Stranz von DöUstädt der Jüngere. 1302.
Fig. 2. Hermann Stranz von Döllstädt der Ältere. 1302.
Fig. 3. Hugo IL von Ballhausen. 1292.
Fig. 4. Helfrich von Schwarzenberg. 1392.
Fig. 5. Hermann IL von Ballenhausen-Hardenberg. 1279.
'sehr. d. Vereins f. thüring. Oesch. u. Altertumsk. Bd. XXI.
Taf. 1.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
/ it-<chr. d. Vereins f. ihüring. Gesch. n Allertumsk. Bd. XXI. Tu f. I
"Verlag von Gustav Fischer in Jena.
VI.
Inventarium über fahrende Habe im Kloster
Mönchröden bei Coburg,
aufgenommen am Mittwoch Francisci, den 4. Oct.
im Jahre 1531.
Mitgeteilt
von
Pfarrer Dr. Oeorg Berbig in Schwarzhausen b. Thal.
Am 1. Juni 15311) -^^j. ^Iq kurfürstliche Instruktion für
die gleichzeitig gewählten Sequestratoren für sämtliche kur-
sächsische Gebietsteile erschienen. Im Frankenland hatten
der Ritter Hans Schott, Kunz Gotzmann, der Amtmann von
Königsberg, Hans v. Stern berg, Klaus v. Heßberg und Kaspar
Ramsperger die Sequestrationsgeschäfte übernommen. Was
die Visitatoren bei der Besichtigung auf rein geistlichem
Gebiete hinsichtlich der Lehre und des Lebens der Geist-
lichen und der Gemeinden, zu leisten hatten, das war den
Sequestratoren mehr auf vermögensrechtlichem, verwaltungs-
mäßigem Gebiet übertragen. Sie hatten demnach' die Auf-
gabe, den Vermögensbestand der Coburger Klöster genau
aufzunehmen und festzustellen. Das war außerordentlich
wichtig, seitdem die reiche Kirche des Mittelalters ins
Wanken geraten, und ihre Güter selbst in landesherrlichen
Besitz gekommen waren. Denn eine andere Möglichkeit
1) Vergl. C. A. H. Burkhardt, Gesch. d. sächs. Kirchen- und
Schulvisitationen von 15'24 bis 1545, Leipzig, Fr. Wilh. Grunow
1879, S. 109.
XXI. 22
330 Inventarium über fahrende Habe
gab es nicht. Mit dem Summepiskopat des Landesherrn
ging die Materie, der weltliche Besitzstand der Kirche,
wenn auch allmählich, in die Verwaltung des Staates über.
Für den Coburger Bezirk kamen vier Klöster in Frage :
das Franziskanerkloster der Stadt (an Stelle des heutigen
Besidenzschlosses) , das Nonnenkloster Sonnefeld , das
Augustinerkloster Königsberg i. Fr. und die Benediktiner-
Abtei Mönchröden zwischen Coburg und Sonneberg.
Schon um die Mitte der zwanziger Jahre war die Auf-
lösung dieser genannten Klöster eine beschlossene That-
sache. Der Bauernkrieg verschonte zwar diese vier Klöster
vor einer gewaltsamen Zerstörung, dank des Schutzes
ihrer fürstlichen Patrone und der Umsicht und Festigkeit
der kurfürstlichen Pfleger und Beamten des Landes. Kein
Klostergebäude ward hier von den aufrührerischen Bauern
zerstört. Wohl aber hatte sich bereits 1525 am Donners-
tag nach Misericordias Domini das Franziskanerkloster in
den Schutz der Stadt Coburg begeben, und zwar mit allen
beweglichen und unbeweglichen Gütern.
In demselben Jahre war auch die Selbständigkeit von
Mönchröden als Abtei gebrochen, vielleicht schon ein Jahr
vorher, beim Tode des letzten Abtes Nicolaus Hielbrand
1515—1524)1).
Die Verwaltung des Klosterbesitzes war in die Hände
des ehemaligen Priors Veit Haff übergegangen. Ein Abt
wurde nicht wiedergewählt. Saalfeld und Würzburg hatten
jeden Einfluß auf Mönchröden verloren. Langsam erlosch
die versunkene Glut mittelalterlicher Askese, während die
Begeisterung für die Freiheit der Reformation von Tag
zu Tag wuchs. Wer nicht austrat aus dem Kloster — etwa
aus Altersrücksichten, und diese werden dabei die stärksten
1) Thouiae, Licht am Abend. P. C. G. Karche. Jahrb. der
Herzogl. Sachs. Residenzstadt Cbburg v. 741—1822, Cob. 1825,
B. G7 : 152() wurden die 8 Barfüßer-Mönche auf Befehl Kurfürst
Johanns aus ihrem Kloster nach Mönchröden gebracht, wo sie von
dem dahin verordneten Hofverwalter den benötigten Unterhalt be-
kamen.
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 331
gewesen sein, — der hörte doch auf, es mit seinen Gelübden
noch so ernst zu nehmen, wie ehedem, obschon man seftens
der weltlichen Obrigkeit überaus schonend und rücksichtsvoll
gegen die Mönche vorging.
Mönchröden war einst eine blühende Abtei vom Orden
des h. Benedictus. Sie war gegründet worden vom Burg-
grafen Hermann von Meißen und dessen Bruder, dem Grafen
Stercher i. J. 11 49 ^). Herold, Bischof von Würzburg, hatte
die junge, in seinem Bistum gelegene Stiftung mit der
Parochie Gauerstadt beschenkt. Zu Ehren B. V, Mariae
und S. Walpurgis war das Kloster gegründet.
Von Anfang an war es eine Klostergemeinschaft, be-
setzt mit zwölf Benediktinermönchen, denen ein Abt vorstand.
Ein lebendiger Verkehr bestand in Mönchröden mit dem
benachbarten Benediktinerkloster Banz und dem zu Saalfeld
und Erfurt. Erleichtert wurde dieser Verkehr durch die alte
Heeres- und Paßstraße, welche das Frankenland mit
Thüringen verband, und es ist gewiß, daß die Benediktiner
bei ihren Gründungen diese alten Verkehrstraßen geradezu
gesucht haben, in der praktischen Erwägung, ihre Missionen
auf diese Weise viel bequemer und schneller erfüllen zu
können. Diese Klöster waren also im besten Sinne auch
bei den Reisen der Fürstlichkeiten und hoher Herrschaften
zu jener Zeit unerläßlich. Wir finden gerade in Mönchröden,
daß die Gastfreundschaft ein angenehm hervortretender Zug
der Klosterinsassen war, ja daß bei Beschaffung des Inven-
tars für solchen Besuch jederzeit Vorsorge getroff'en werden
mußte. Bei Bemessung der Wegverhältnisse wird man finden,
daß Erfurt — Saalfeld — Mönchröden — Banz sehr be-
1) Dobenecker, Regesten I, No. 1619. Cf. die Ebracher
Handschr. des Michael de Leone: Monasterium in Roten fundatum
et ecclesiae Herbipolensi oblatum est a Hermanno praefecto seu
burggravio Missnensi et a Sygefrido episcopo Wirzburgensi dotatum
et institutum a. d. milesimo CXLIX et deinde MCLXXI a Heroldo
episcopo ibidem cum parochia Guberstat plurimis decimis et alibi
est dotatum.
22*
332 Inventarium über fahrende Habe
queme und örtlicli sehr sorgsam festgestellte Ruhestationen
bildeten, je eine Tagereise voneinander entfernt und für
Reisende mit Bequemlichkeiten aller Art ausgestattet, auf
die auch das Mittelalter so sehr hielt. ^
Auf die Geschichte unseres Klosters hier einzugehen
ist nicht der Ort. Das mag die Aufgabe für eine andere
Arbeit sein. Aber was an „fahrender Habe" vom Kloster
noch vorhanden war, das sollen uns die folgenden Seiten
zeigen. Dank einer sehr genauen Inventarisierung v. J. 1531
sind wir in der Lage, darüber Rechenschaft zu geben. Die
Inventarisierung erfolgte auf Anordnung der kurfürstlichen
Sequestratoren, weil bei Revision der Klostergüter befunden
worden war, daß die Haushaltung des bisherigen Verwalters
Veit Haff, des vorherigen Priors , eine wenig geordnete
gewesen war. Veit Haff hatte, wie es scheint, ganz will-
kürlich mit dem Klostergut gewirtschaftet, an Grundstücken,
Waldungen, Zinsen, verkauft und veräussert ohne vorher
auch nur die Genehmigung der Behörde eingeholt zu haben.
Vielleicht bezieht sich der Brief Luthers (cf. Förstemann,
Urk. II, 667) von der Veste Coburg auf diese Mißwirtschaft.
Nachstehendes Inventar, welches sich im Original,
wahrscheinlich von der Hand Valentin Müllers des Nach-
folgers Veits Haff geschrieben, im herzoglichen Haus-
und Staatsarchiv zu Coburg vorfindet (E. V. 1 b. No. 14),
gewährt uns nunmehr ein außerordendlich anschauliches
Bild der einst vorhandenen Klosterschätze und Habe, ins-;
besondere auch zum Schlüsse der noch vorhandenen Kloster-
waldungen.
Die Kunstgeschichte wie die Cultur-, Kirchen- oder
Landesgeschichte dürfte an diesen Aufzeichnungen ein
Interesse haben.
Gehört das Kloster auch nicht zu den reichsten des
Ordens, so waren seine Schätze immerhin nennenswert,
insbesondere der Silberschatz, die Paramente, Meßgewänder,
und Ornate. Die Aufzählung der Pergamente und anderer
Aktenstücke bietet eine große Zahl von Regesten und Ur-
kunden, welche sonst nicht bekannt sind, und damit einen
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 333
Einblick in den alten Besitzstand und in die verbrieften
Rechte der früheren Zeit. Die Landesgeschichte erfährt
eine Bereicherung durch die Namhaftmachung alter einge-
sessener Familien , insbesondere des fränkischen Uradels
und ihrer Sitze.
Sehr wertvoll aber dürfte dies Inventarium dadurch
sein, daß auch die Kulturgeschichte jener Zeit beleuchtet
wird, durch die Aufzählung der Haushaltungs- und Wirt-
schaftsgegenstände bis ins kleinste Detail, vom Tuchvorrat,
Zinn- und Erzwerk bis zu den Geräten in Werkstatt,
Hof und Stall, denn das ganze Kloster wird in Augenschein
genommen, das Schlafgemach des Abtes wie des Gesindes,
die Wohnräume, ja Küche, Boden und Keller. Nur eines
ist zu bedauern : ein genaues Verzeichuiß des Bestandes
der vorhandenen Klosterbibliothek fehlt. Hier hat sich der
Schreiber des Inventarii sehr kurz gefaßt, entweder aus
Gleichgültigkeit der alten Mönchslitteratur gegenüber, oder,
was noch wahrscheinlicher ist, weil ein genaues Bücher-
verzeichnis in doppelter Abschrift im Kapitel der Urkunden
und Briefe bereits genannt wird, doch ohne genaue Inhalts-
angabe.
Die Inventarisierung ergab nun folgendes Resultat:
Erstlichen die Kleynodra *) so Er Veyt über-antwort vnd die
hrn Sequestratoren Er Valentin ^ blss vf wej tern Beuelch iu ver-
warung zugestelt.
Acht Silbere Becher, vnd von dem eym ist das Zeychen
vnten vffm Bodenn, bey er Veythenn komenn,
Zwey Sylbere pockeligenn *, Ein kleyn Silbere pacem ', mit keynem
kethlein, Eyn Silbere Kauchfaßs, Zwey bilbere Messkendele*, Ein
Silbere Infulstab", Ein Evangeliü Buch, oben ganz mit Silber thün
vberzogenn, mit eym Crucifix, vnnd zweyeu Bildern, Sant Maria
vnnd fohannes, Ein groß Silbere pacem, mit eynem Gamah** darein
gefast, vnnd mit eyner anhangigenn Silbere Kethenn,
Sechs groß» Buch, funff Sylbere vbergult mit steynen,
darein gesetzt, vnd ein guldener mit elentklahenn ', Ein vbergultig
Ringle, mit eynem tefele, soll ein Demut* sevn, Ein InfeiP mit vier
pildernu, mit klein Bernle *" gestickt, vnnd obenn gerumb mit Silbern
vergulten Knopffen, vnd etüch schlechte steyn, In der Infell vber-
setzt, Sind Zcalperle, Vnnd etlich gestickt Labwerck", vnnd perlein,
1) Wir haben absichtlich, entgegen den herrschenden Eklitions-
grundsätzen, die getreue Wiedergabe der Schreibweise des Inventars
für gut befunden.
334 Inventarium über fahrende Habe
sind durcli Er Veythenn herabgedrennt, vnnd durch ander geringere
perle wider daran gesetzt etc.
Zwue schlechte Infell, ein Weysse, vnnd ein ßothe, sind mit
ethchen Glasssteynen geschmückt, ^
Zwey fcjilbere Köpffle, vberemander , mit vergalten füssleiu,
Ein Silbere Sigel, des Convents, Ein Silbere Secret des Convents,
Zwölff kelg, mit Eyltf patenenn, vnnd hat Elr Veyt eyn kelg, mit
eyner Paten, denselbigen soll er laut des Vertrags, wider ins Closter
antwortenn, Ein kleyn Silbere püchsle, da das Sacrament jnnentsteht,
Eylff löffel, jn eynem Futter, mit Silbere Styln, uf die alten manir,
Sind den parfoth^'' zu Coburgk gevest.
Die Ornat vnd Messgewanth, so noch vorhanden gewest vnnd
genn Köthenn ^* gehört habenn.
Ein Koth Sameth Ürnath, mit seyner zugehörung, nemlich,
Ein Roth sameht Casel**, zwen Roth Sammeth leviten Rock", mit
Iren stolen",Manipeln'^ Humeralen*", albenn"". Ein Roth Sammethen
Mantell. Ein Roth Damaschken Messgewandt, mit Humeral, Casel,
Alben, vnnd aller zugehörung. Eyn Weyß Damaschken Mess-
gewaudt mit seyner Weissen Casel, zweyen leviten Röcken, vnnd
allem ander von Alben, stolenn, Manipeln, humeraln, etc., zu-
gehorung etc. Weyssen Damaschken Mantel, den hat er Veyten
weyb wegk genohmen mit Willen der Sequestratorn.
Ein schwartz Samt Messgewandt, mit seyner zugehörung, von Er
Adam vonn Schaumbergk Mutter. Ein alter blaer Sammt Mit aller
zugehörung, vnnd DÜi Silbere spangen mit verplychenn goldt
vbergult, Sind etwa iii Spangen vergangener zeyt davon kommen.
Ein Rothe Attlas, Ein geplummete Seyden : Chorkappen vnd nichts
mehr dabey. Ein Grunharriss ^' Messgewandt, mit seynem humeral,
Stolen, Alben. Ein Schwarz Burss Messgewandt, mit aller zu-
gehörung, Ein Rothlundich ^* messgewandt mit aller zugehörung. Ein
Alte Gelbe Seydne Messkasell, mit eym bloen Bodenn, Stol, vnnd
mantell, Abei nichts mehr dabey. liii Rothe alte Arrissze, ij
Weysse leymaten^", i Brawn Seydne, iiit Grüne alte Seydne, t
Schwarzer Harrisse, i Bloe Mosirte"^*, i Brawn Seydne: messkaszel,
haben aber kein zugehorung. Item, ii Grüner, ii Blauer Seydene,
ii Brauner Harrissze, ii Rother harrissze, ii weysszer leymaten,
ii Blawer leymat: Levithen Rocke, nichts dabey, 5 guther gewirckter
wuUe fürhengk, für die Altaria, vnnd dabey guther vnnd geringer-
Altartücher fjiti. Ein langk Roth Seydne tuch jn der Kyrchen,
für die Communicanten. Es ist noch ein grosszer haulf von Kyrchen
schmuck vorband enn gewest, Aber bey Er Veyten aufgangenn.
Die Ornat vnd messgewandt szo von Coburgk herauss komen
vnnd noch vorhandenn vbrig pliebenn,
Ein Blawer Samt mit eynem gelbenn Bodenn, vnnd aller zu-
gehörung von humeral, Stol, Alben, Darzu zwen Levithen Rock,
auch von blaun Samith, mit iren humeraln, Albenn, Stolen, Ma-
nipeln. Ein Roth samitisch Messgewandt, mit aller zugehörung.
Zwen Samitisch Leuithen Röcke , mit iren Alben, One Humeral,
Stol & Manipel. Ein Casell von Samit vnnd nichts mehr dabey,
jst von den Sternbergern *^herkomenn. Ein Chor Mantell, vonn Rothenn
Samith, hat vorn gehabt zwue Silbere spangen, vbergult Sind aber
davon geschnithen ehe sie jns Closter komen. Ein Chormanteil
Mit verplychennem Goldt Ist etwa der Bachenn ^'^ gewest. Ein Brawner
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 335
harrisszer Levithen Rock. Sechs alter Messkasell von raanicherley
farbenn, Mit altem verplychen üoldt vnnd one alle zugehörung.
Wiewol Vermögens der Sequestration, vnnd nach Bericht Er
Vevthenn die Bestenn vnnd mehren teyl der privilegia auff Schloss
Coburgk sein sollen, doch sind dem Newen Verwalter nachvolgende
Brive, so noch im Closter in eyner langen Schachteil liegend auch
behendiget :
Die pergameue Briue,
Ein schütz vnnd Bestettigungs Brive, hertzogs Johanssen Chur-
fürsten zw Sachsszen, vber das Closter Rothenn, vnnd desselben
güther.
Zinszbrive Joachim vnnd Valentin von Kosenaw zu Ahorn
jerlich jo gülden walpurgi vnnd jcv gülden Michaeli, dene Bar-
füssern Bruder zu Coburgk
Zinzbrive Kethen Baudlerin zu Kembnathen vber ein jerlichen
Zinszgulden, Walpurgi mit jy gülden Ablösung,
Zinszbrive Claussen Boszen zw Nid Wolfsbach, iij gülden
jerlich Walpurgi gein Rothenn zugebenn vnnd mit l gülden ab-
zulöszenn,
Kauffbrive vber der Lewpoltin gütlein zu Kembnathen, wie
es mit zlussen, fronenn, lehenschafften etc. von Jörgen Zentgraven
zw Birkich vmb Ifiii gülden erkaufft.
Schlicht Briv vber das guth zw Unterlauether, so Hans von
Schaumberg vom Closter zulenenn hatt.
Er Jörgen, Haussen & Christof feil von Schaumberg, zur Lawter-
burg, zw Enelt, Muckberg, Assmuss vnd Haussen von Kunstatt zw
Buch, Sigmunndt, Heintzenn, lorgen, loachim, Valtein von Rosennau,
Caspar vnd Jacob von Bach, Wilhelm, Haussen, Valten Kemb-
nather zw Weyssenbrunn & Wildenheid: Revers. Mertein von
Coburgk zw Einbergk, Wolffen von Schonatat, doeselbst.
Ein Reverss mit iii anhangenden Innsigeln vber die güther
zw Wernszdorf; Reverss Claussen Lubscheyt vber ein behauszung
zw Niderlawther ; Ein alter Reuerss vber eine Sehestatt" jm Visch-
bach, jn papir gewickelt; Ein gar alter Reuers vber ein gutt zw
Berteissdorf, vnnd ein Brive vber die Hubtrecht doeselbst.
Lehennbriff vber die Wabstücke so Wolff von Schaumbergk
zum Rawensteyn Burgvoyt, aeynen vetterni vnnd ßurgkgnosszen
etc., von Mönch Rothen zulehenn hatt.
Kuntschefft vber den zehenden zw Gauberstat, wie weyt der-
selbig gegen Rotha vbergehen soll.
Gütliche vertrage vber den Vihezehenden, eyns heyUchen Güt-
leyns zw Gaueberstatt.
Zinszbrive iij ® jerlicher zinss, die dem pfarrer zw Gaueber-
ptatt sollen gereicht werdenn, betreff endt.
Abscheid auss dem Ambt Coburgk, vber die pöck zw Gau-
eberstat, die nicht mehr zwgeben,
Vertrag, das ein pfarrer zw Gaueberstatt Selbdriett umb sonst
zw Badenn hatt.
Resignatii parrochio jn Gaueberstatt, domini Syffriedi, jn curia
Romana dolo impetrata,
Instrument frederici Sysselmans etc. vnnd die Acta vnnd
(]uittanzen dabey von wegen hinterlegten gelds.
Schiedtbriv was mit dem heyligen Gutlein zum Schlettach ge-
halten werdenn soll.
336 Inventarium über fahrende Habe
Kaufbrif, darin apt Ulrich die pfandtwyssen zw podernndorff
hanssen Brückner zur Newestat, umb 6 gülden verkaufft,
ij lartags Briff, derer von Schonstat, vnnd wie lohannes
Schonstater Abbt^^, die versetztenn güther z^ podernndorf wider
abgelost.
Lehen nbrif, sampt eynem Andern Briff lein, vber ein gütlein
zw Schonstethenn , Item vber ein gütlein zum Hayn, vnnd in
Wustenn am Rothenberg, dabey wie Conntz Zentgrave zw Coburgk
das gütlein zum hayn, dem closter für ein jerlichen ewigen larzinss
zuhalten gegebenn, alles beyeinand gebunden liegendt,
Vidimirte Kuothschafft vber die Schafftrifft zv podernndorff,
Mit jnnliegend papir Kundtschafft,
Ein alter Bescheidt Brive vber der zehendenn Syharssdorff,
jam vocat. Sichelssdorff, vnnd dabey ein Brif vber ein gutt zw
Stambergk, ist itzo ein Wüsten,
Vnnd obverzeichende Brive sind an irenn schrifftenn vnnd
jnnsigeln meystenteils vnversehrt.
Darzu sind Ime dem Newen Verwalter, Etliche alte, Cassirte
perment Brive, so nicht in grosser acht, jn einer langenn schachteil
vberantwort. Nemlich:
Etliche lateynische Instrument, Decret, presentationes vnd con-
firmationes des Bischoffs zw Würtzburgk, vnndConvents zw Rothenn,
Etlicher verstorbnenn Ebbte zw Rothen, Alle zusammen gepunden.
Zinssbriff Er lohanssen folckmar vber d guldenn jerlichen
Walpurgzinss so jin Röthen schuldig gewest. Sind mit c gülden
wider abgelöst.
Etliche Zinss vnnd SchuldBrive, vber cjl guldenn, die Mönch
Röthen Contzen Zechen zw Niderwolfsbach vf gepürlich ver-
zinssenn, schuldig gewest, Jst auch bezcalt vnnd abgelost.
Zinszbriff, daß Mönch Röthenn Er hanssen kauffmann, Vi-
carier zw Coburgk v gülden Walpurgi vnnd v guldenn michaelis
schuldig gewest. Sind aber iic guldenn abgelöst.
Zinss Brive vber ü gülden Walpurgi vnnd d gülden Michel-
zinsz, Er Seyffriden Grevin, auch zw CoDurgk, auss Rothenn ge-
reicht, Sind auch mit iic gülden abgelöst.
Kauff, quidt, geding, vnnd anders papir vnnd permente Briv,
vber den hof zw Rudelssdorf,
Etliche Ablas, vnnd Bruderschafft Brif, zw tewtzsch vnnd
Latein zusamen gepundenn,
Zinss brieff vber v guldenn, jerlichs Zinss, dem Rieh. Almuszen
zw Coburgk gebenn, die Abbt Niclaus mit k guldenn abgelöst,
Mauicherley Copey vnnd Cassirte Brif, von wegen der hinter-
legten Brif jm Closter,' Paris vnnd Ernst von Brandensteyn, dess-
gleychen des Schossers frawe belangends. Lehenn und Revers Brif
vber ein Wystenn zw Bertelsdorff, die phillip Kellner aus Weyden-
hofersgutt zw Nid. lauther kauft, Jst wid. abgelost.
KaufBrif vber die pfandtvyhsen, so abbt Niclaus von Jörgen
Eberth vmb jrjoi uf wiaerlöszen kaufft, Jst auch abgelöst.
Wechssellbrif vber den zehenden zw Vnterwolfsbach vnnd den
zehendenn zw Veylsdorff, alles vorlengst abgangen.
Jartag Brif vber Er Hermann Bruners jartag, so jerlich zw
Gawberstat sollt gehaltenn worden sein.
Item Ein grosszer püschell mit alten lehenn Brifen, so
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 337
die veretorbnenn Ebbte, vber etliche des closters leheun , vnnd
güther gebenn, zuBaniinen gebundenn, haben eynsteyls noch jre an-
nangencfe jnnsigell, ettliche keyne, Seind dennoch, vievol zum teyle
vnpiindig gemacht, Nicht zuverwerffen.
Item etliche Lateinische Investitur vnnd Inductiones von
Würtzburgk vber die pfarrer zw Gaueberstat.
Die vberantworten papir Brive, auch manicherley zwesammen
gelegte. Acta vnnd Copey,
Erstlichenn Vill vnnd Manicherley Acta zwischen dem Closter
vnd Contzen Ziglern, darzu ein gantz Büchle, Etliche quaternn,
solche Acta, comportirt vnnd libellirt, jnnhaltende, Item, Abschrifft
von des Gerichtlibels, dessgleychen, den letzten Abscheid, so Chur.
Gn. jnn rrr jar zw Coburgk geben, sampt Andern vill Copeyen.
Gerichts Acta, die Appelation vnnd alle andere sach, zwischenn
Mimchrothenn, vnnd dem Happachs Müller, des Wasserfluss halben,
die Röthen gnant.
Acta zwischenn Röthen, Heintz von Eosenawe vnnd der Ge-
mein zw Oszle, schaff und Viehtrvbs halben,
Vill Brive vnnd Copey der Marcksilbers halben, darvmb das
Closter von etlichen gescfilechtern jm Land zw francken je zu
zeythen hefftig angefoditenn, die auch in etlichen quatern sonder-
lich libellirt smd.
Manicherley actabeyeinand, zwischen Monich-Rothenn, desselben
Arn^en Lewthen zw Kembnaten vnnd poderndorf dessgleychen denen
von Schaumbergk zur Lauterburgk, trylfts halb.
Etliche Brif, Copey, Sampt der quittantzen, Röthenn vnnd das
closter öteynach belangendt, von wegen etlicher erkaufften Ochssenn.
Acta manicherley vber den hewe, Obs vnnd hüner zehendt zw
Weidach.
Gewalt vnnd Schreck Brive vber die pfandtwyssen ob dem
Heydersssehe gelegenn.
Acta zwischen dem closter vnnd desselben Armen lewthen zw
Weidach Eyns, denen von Newses andersteyls trybens halb, vnd
dabey it Copey, auch den Schaftrifft gein hergottsdorf belangendt,
Ein grosse Monatig frone Brif, Abbt Niclausen zugeschickt.
Etliche Schuldt vnnd Bekenthnuss, beyeinander, dass Abbt
Niclaus, seliger, zum Kauff vmb Weydach vnnd den Eychhoff, etlich
vill hundert gülden, entlehnet, womid diesselbige schuldt auch be-
zcalt, lawt der quittantzen, so einsteyls auch dabey sind?
Anlass wie erstbemelte güther , * desgleychen aie Cuntzen von
dennen vonn Sternnbergk, kautft, vnnd auch bezcalt. Acta zwischenn
dem closter vnnd der Gemeinde zw Schewerfeld, wie es mit den
Schaffen zun Eychhof, treybens halb, gehalten werden soll, dabey
wie es mit den jungen Schrötfienn *^, jm Rorssbach, von Inen mit hegenn ,
glebt soll werdenn, Jtem, wie es umb die Vogellheert zw Weidach
vnnd Eychhof stehenn soll, Desgleychen Etliche Acta, zwischen
Röthenn vnnd dem Muckperger, eyns ortlein holtzhalb jm Rorspach.
Etliche Briff vnnd Copey vber den Zehenden zum Karlszhayn,
so etwan von der Bruderschaft, apostolorura, angefochtenn.
in quittanzen, wie Kypffendorf bezcalt, dabey ein Kunthschafft,
dass Kypffendorf weder Bethe noch stewer gebenn hatt. Mit ij An-
lasszen, wie Heintz Orle sein Seldenn doeselbst zw Kypffendorf Monch-
Röthenn zehendtbar gemacht.
338 Inventarium über fahrende Habe
Ein dicker hawff, mit villerley Quittantzen, dem closter vom
Styfft AVürtzburgk, von wegen Collecte Episcopal' Contributionum
vnnd Exercitationium sübsidii etc., gebenn,
Manicherley vnnd vill Sennt- vnd Revers Brive beyeinander,
von wegen der Lehenn, so ^
die von Rosennawe \
die von Schaumbergk
Wolff von Schonstat, etc. > vom Closter zu leben habenn.
Hanns Siebenhar, etc.
Die von Brandenstein /
Belangend: Die lehenn zw Wemssdorff
Der Knothen zw Bambergk, vnnd wie der hof zw Lawther
dem closter verkewffL
Etliche fürstliche Mandat, an Abbt Niclausen aussgangen vnnd
sonderlichen Etliche Supplicationes, an Se Churf. gn., dess zehendon
H pfennig halb, wie Röthenn derselbenn erlassen.
ij schrifthcher vertrag zwischen den Weymerssdorffernn jtem
Claussen Köler zw Mittelbergk vnnd Veythenn Luthart zw Visch-
bach, Weserung vnnd ander gebrechen mehr halb,
Vill copey vnnd acta zwischen Röthenn vnnd Bastian Rappen
zum Rothenhof, trifft, Sehestat, vnnd vogelhert berürend.
Acta zwischenn Röthenn vnnd denen von Neyda, der zinss
halben zw Burgkharssdorff, iij Öim. Getreydtig i hun. Sendt Brif,
herr hanssen vnnd Wolff vonn Sternnbergk das holtz zw Weydach
betreffendt.
Etliche Copey von wegen der verwechsselten Ecker, so Etwa
Jörg vonn Rosennaw vnnd Anna Schefferin zum Espach mit eynander
gehalten,
Acta vnnd Copien, mit der Gemeinde zw Hawbersfat, des Ge-
meinen pehren^" vnnd Ochsszen halb, so vnverschont gehen sollen.
Etliche auscultirte copeyen vber die Gewbtbrive, der parfuszer
Brüder zw Coburgk.
Verzeichnus vnnd senndt Brif, wie Apt lohann zw Veylssdorff
den zehenden zw Niderwolfsbach , widerumb ledig gemacht hat,
Dann er ward Mönch Röthenn vmb püc fl versetzt.
I Der Schaffhalb zw Mernhawsen,
Acta ■! Der jungen Schrott willen doselbst,
I des kyrcnners zw Gawberstatt halb.
Sennd Briff darjnnen sich der Schosser zu Coburgk erpothenn,
das Broth vnnd Trinckenn, so dene'fronernn an der Hrn grosszen
Sehe, ausszem Closter gebenn, zubezcalen. Vrphede^« Hanssen lutzen
zw Weydach, Abbt Niclaussen vnnd dem closter, gefengknus halb,
Getbann.
Acta Röthenn, auch Casparnn vonn Rosennaw vnnd ettliche
auss der Gemeinde zu Gawberstatt, Sendthabernu , Hawss^s, vnnd
Hewczehenden, Betreffendt,
Manicherley Brif von den taffein, Ornaten, Glockenn, Mon-
strantzen vnnd Andere Zyrung jn die Kyrchenn, wie diesselbig er-
kewfft, gezewgt,
Kunthschaft, das die Röthenner vorzeyten Bethe vnnd stewer
freyhe gewest sind. Item dabey, wie es itzo überwerdt. Mit eynen
Verzeichnuss, daß die zugehörung ettlicher Seldenn^* jmdorff Röthenn,
meysteyls auss des Closterseygenthumb gemacht, vnnd damit merg-
lich gebessert.
Bekenthnus vnd q'ttantzen Lidtlons* «
vr)d hindlegtsgelds halb.
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 339
Kaufbrive, sampt eyner Vrphede, vber des schnevders Seldenn
zw Röthenn, so itzo Hans Lichtenateyner hat, mit etlichen andern
Copien.
Acta zwischenn Monch-Röthen vnd der Dorffschafft zur Thann,
von wegen der Zinszs, der sie sich ins Closter zugeben wegertenn,
Jtem Abschiedt, wie sie des Zentgraven holtz jn unserm holtz, nach
anweyssung hawen, auch den Zehenden von jrem Newegerodt
feldernn, so Bethe vnnd sorg habenn, geben sollen.
Etliche Sendt Brif , an Rorhenmacher zw Nurmbergk, des Bruns" s
halb,
Auch sind zusammen gepunden, Etwa vill quittantzen dem
Closter geben, Belaugendt.
Meyster Leichart Orgellmacher rrjoiii gülden von der Orgell
zumachen vnnd vmb etlich hinterlegt geldt vnd kleynot.
Er Veythen Alinger vf der Rosenaw, vber etlich hinterlegt vnnd
geliehen geldt, Dessgleichen jcii gülden, so Claus Zigenfelder zw
Bewerf elte dem Closter hinterlegt, Jst aber Alles wiedergnügt.
ürsull langin
Bissen Helmothin
lorgen Muckperger
Margrethen Bischoffin
lorgen prehls
Des Brobsts zw Coburg
Contzeu Happachs etc.
Copeyen des Vihezehends halb vom heyligen gütlein zw Gawber-
stat Jtem Anthony schneyders halb.
Zinss Brive Kunnen Eückerin, zw Röthenn, vber ein jerlichen
Zinssguldenn, petri Cathed. mit rr fl ablöszcig.
Zinss Brive Haussen Truckenbrots, zw Vnterlawther, vber ein
jerlichen gülden zinssz, petri Chathed. Mit rr gülden auch ablöszcig.
Bekenthnus des Raths zw Coburgk über rc guldenn, so Hans
Friedrich Sathler zw Coburgk, dem closter jerlich mit ij guldenn,
vf widereinloszen zuverzinszen schuldig.
Vier Kunthschaft 3 ^ bey einander,
Vber ein vierteyll des Zehendts zw Bertolssdorff, so Hans
pawther gein Röthen umb ein jerlichen larsstag gebenn.
Vber fpi ssymmerc Korn, vnnd iiij ® gddts, so Röthenn vf
eym hof auch zw ßertelssdorff gehabt.
Vber des Körners Seldenn zw Röthenn, wie diesselbig nach
seynem todt, dem Closter heymgefallenn.
Vber das Guth zw Oberlawther, so itzo Hans Greyffet, jnnen
hat, voigteyhalb, so die von Hespergk, daruf habenn.
Acta zwischen Ganerbenn''*' vnnd gantzer Gemeinde zw Gawber-
statt, von wegen des Gemeinen holtz, auszugebenn vnnd Ander
Artickell mehr
Christoffeln Schütz \
ConradiLevmbachs Conventualn zw Röthen, Abfertigungs-
Nicolai Bücheis ( qu'ttantz & vertragk««.
Lauren cij Große '
Die Copey BUcher dem Verwalter auch gelassenn.
Ein Copey Buch, jn zwey teyll geteyllt, vnnd jn perment ge-
340 Inventar! um über fahrende Habe
bundenn, darinn durch gnanten Verwalter abcopiret vnnd geschriebenn
sind, alle Stifftung, privilegia, Briffe, Lehenschafft, Zinss , ge-
rechtickeytth, Servitut, Sampt allen obverzeichenden Acten vnnd
Copiis, so das Closter Altenthalben n hatt.
Jtem Ein ander Copiat, auch durch jne geschriebenn, vnnd
Gelbe Compert*" gepundten, darjnne mit vleyß libellirt, vnnd
zusammen gezogen sind, Alles das, soe sich mit kewffenn vnnd allenn
andern sachenn, vmb den Eychhoff vnnd Weydach, begebenn, mit
mannicherley acten.
Ein ander Copey Buch, so er auch geschriebenn, vber alle,
des Closters Rittermessige lehenn, Öampt Irenn libellirtenn Copiis,
acten, Lehen, vnnd Reverssbrief fen, dabey alle ablossige Zinss, so
man dem Closter schuldig, vnd widerumb was das Closter Andern
jerlichen zuverzinssen pflichtig gewest, Mit jrenn Verschreybungen.
Ettliche quaternn, vnnd auch in Büchlein vber die Acta, so
zwischenn dem closter vnnd Contz Ziglern ergangen,
hats auch geschrieben.
Ein alt dick Copey Buch, jn ein gelbe Coopert, gepunden,
darjnn gar vill vnnd manicherley Copey, Acta vnnd Receß, das
Closter, auch ander lewth belangendt, geschrieben stehenn.
Etliche quaternn zusamengepunden , vill Copey, Bekenthnus,
Schuldt, vnnd Kewffbrive etc. innhaltende, etwan bey apt Heinrich*^
von Coburgk geschriebenn, vor \<^Irrr jaren.
Die Register.
iiij Alt Register, so die verstorbnenn Ebbte, habenn schreybenn
lasszenn vber die lehennschafft vnnd zinss , des Closters Monch-
Röthenn, Sampt der Eynnahme, derselben Zinss.
Ein kleyn alt pergamene Registere, vber des Closters Rither-
messige vnd Andere Lehenn.
Ein Newe Manual, mit Rothem Leder, vberzcogenn. Item noch
ein grosses Register, vber alle lehennschafft. Gerech tickeyt, Zehendt,
Zinss, vnnd andere Servitut, des Closters. Darzu noch Ein Register,
gleychs jnnhalts, wiewol nit gar volendet.
Die hat der Verwalter alle drey geschriebenn.
Ein gross lang Register, so Veyth haff meysteyls mit seyner
zinss Eynt Ahme gebrawcht.
Etliche Getreydt Register vnnd wie die zehenden vorlang her,
hingelassen, dessgleychen kleyne Registerie wie die vihezenendt
Eingenohmen, vnnd verzeichen worden sindt.
xj gleychlautende Register, vber alle Bücher jn der Liberey so
Röthenn zustendig, Jtem Computationes ** der Verstorbenenn Ebbte.
Ein kleyn Registerle, vber alle zugehörunge, zinssen vnnd
gerechtigkeyt der pfarrer zw Gawberstat.
Inventarium des Bethgewands.
In der grosszen Camern neben der Obern. Stuben jn der Kemb-
nathenn.
Eyn HymelspannBeth Mit zweyen fürbenncken darjnnen,
Ein Strohesack, Ein vnterpethe Kempnitzer zychenn *' Ein ober Bethe
parchet, Ein wuUe Decke darauf, Eyn pfulln, Zwey küsse, vf jeder
zwue weysse zychen, zwey par leyhelach**, das ein gut, dass ander
bösze vnd zerysszenn,
Eyn hymell Span-Bethe, auch jn derselben Kamern, Mit eyner
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 341
vor Benck , vnnd eynem Schybepethle, darinnen Ein unterpethe,
mit eyner kempnitzer zychenn, ein parchet Uberpethe, Ein wullene
Decke, Ein Pfulln, zwey küsse, jedes Mit einer gestreyfftenn, vnnd
eyner Weysszen zychenn überzcogenn,
Jtem, zwue verschlosszenn halbe trohen**, vnnd eyn zyneCanne,
sind auch in derselben Camern.
Jm kleyn Beykemerle neben dysser Camernn, Ein Spanpethe
Mit eyner vorpanck, vnnd halben tröhele*^ darinnen.
in Tectt } ™- Ke^pniUer zyohenn,
Ein pfulln mit kölnischer ziehen uberzcogeii, zwey küssen in-
wendig mit seyden, vnd aussen mit zweyen weyszen zychenn über-
zcogenn,
Zwey par gemeyn er flesszener*' leylach. Im Mitteil
gemach der Erckers Kamer,
Zwey Spanpehte jn dem Eynen , Ein vnter vnnd Ein Ober
pethe, Kempnitzer zychenn. Ein abgenutzter polster Zwey küsszen
mit jrenn zichenn, zwey par tücher. Im andern, Ein Unterpethe,
kempnitzer. Ein Oberpetne kölnischer Zychen, Ein polster, zwey
kyssen mit iren zychenn, zwey par tücher. Meysteyls abgenutzt,
gereythert, zerysszenn,
Ein halbe verschlosszene trohen, zwey Benckle für die pethe,
auch dabey.
In des Kochs Cam ern,
Vier Schlechte grossze Span Bethe, darinnen : Acht Ober vnnd
Vnterpehte von schlechtem abgenVitztem gereth, gantz gering, zw
jedem pethe. Ein groben pfüUn, Zwey kysszen, mit jrem geringen
zerf ley sehten n zyschenn t par grober Leyhelach, Wurcker tuch,
alles uffs geringst.
In der geweihten kamer neben dem kleyn gewölbten stübelein ;
Eyn Hymelspanpethe mit zweyen vorpencken
Zwey vnterpethe, Eyns kempnitzer vnnd das Ander parchet
Z^^chenn, sind kurtz, Ein Oberpethe Barchat, Ein pfüU, Zwey kysszen,
mit zweyen gestreyfften vnnd zweyen weysszen zychenn.
Ein leer Hymelbethe steht auch in dyser Camem hatt vor jn
der Abtey Behawssung gestandenn, vnnd ist darjnnen gewest: Ein
unterpethe Kempnitzer zychenn. Ein ober Bethe mit eynem trylich,
zwey par newer leylach, Ein polster, zwei kysszen mit zugehörigen
zychenn,
Ist hern Veythen vnnd seyner hawssfrawen gegebenn. Auch
ist in dieser Camern Ein Halbe verschlosszen trohele. Ein Schranck
mit verschrothen werck, Amnd mit vier schlossemn, Ein langer Tysch,
doe man die Kleyder aufflegt.
In der Kempnathenn des Knechts stal.
Ein schlecht Spanpethe, darjnn Ein Unter, Ein Ober pethe mit
Eym par grober Leyhelach, Eym polster, zweyen Küsszenn.
In des Engelharts Stal
Ein schlecht Spanpethe, darinnen Ein Unter, Ein oberpethe,
Ein paar leyhelach. Ein polster, zwey küsszen.
342 laventarium über fahrende Habe
In der Meydt** Camern
Zwey geringer Vnterpethe, Ein Oberpethe, Ein par tücher, Ein
polster, Drey küsszen.
Das pethe in der Müle
Ein boß Öpanbethe mit eynem Vnter vnnd Eym Ober pethe,
Zweyer küsszen, zweien tüchern,
Ins Muppergers Camer
Ein Spanpethe, Eyn polster, Eyn Küssen, zwey leyhelach,
Seind des Closters. Aber das Unter- und Oberpethe jst sey'n, vnnd
bemelte pethe ins kochs, Engelharts, Muppergeres Camer, dessgleychen
in der Kerabnaten, Mul vnnd Meydthawsz, sampt iren Küsszen,
vnnd polstern n sind gestroht grobe ding.
Item Vier kleyner leere Spanbethe, für die Ordenns person
gemacht, der stehen zwey auffm Newen Schlaf fhawssz, vnnd die
Andern zwey jn den kamernn der Ebtey behawszung.
Item Ein grobe Spannpethe hinten in den Camem, neben dem
Sigestüble "»,
Ein kleyn nidrig fawlpethlein, mit eyner Moderatzen *" hat jm
stüble der Ebtey gestanden.
Von tyschtüchern vnd hantzweheln ^^
ji gemeyne vnnd wol abgenützte pose®* Tyschtycher, Einsteyls
von manncherley stücken, zusammen gesetzt, vnd gefückt.
rpü handtzwelen, auch wolabgenützt, gestückt, Bosz vnd gut,
vnnd bemelte tycher vnnd handtzwelen gehören in die Ebtey, haben
im obbestimbten verschrothenn schranck gelegenn in der Kempnaten.
Item üit tyschtycher vnnd ij Handzwelhen , wolabgenützt. Ge-
hören in das Sigestyble für das convent. Item iiij Newe Tysch-
tücher von groben gewürck, so der itzig Verwalter hat machenn
lasszen vnnd ii alte Tyschtücher , gantz zurysszen , mit ii alte
Handtzwelhenn, auch bösz. Gehören in die gesindt stuben. Auch
liegen in obbemelten Schanck jn der Kempnaten 15 Altartücher
vnnd ii Albenn, sind von Coburgk herauss komenn, ii lange Tysch-
tücher, haben etwa in Eef enter gehört. Item Irii strenge grobs
Wirckes garrns. Sind zutuch vermacht, nach Innhalt der Eechnung.
Die Seeke.
V guther Newer Secke, mit streyffenn, die hat Er Veit machen
lasszenn. üi Secke von groben Newen tuch, hat der Newe Verwalter
machen lasszenn , jnnhalts der Rechnung. Darzu sind noch vor-
handen gewest, jrtiil alter Secke, die sindt geflickt vnd meysteyls
abgenützt vnnd zerysszen. iij grosser langer Wolabgenützter hopffen,
vnnd wollenn Secke. i ploen** vf die Wegenn, i leyne Garü für die
pferde, Eyn leyne decke auf die pferde zu felde, Drey grasztücher
für die meydt.
Das wulle vnd leyne tuch.
Ein gantz schwartz tuch, hat eingenetzt gehalten jjr Elnn
Ein gantzes Kemble^*, das sindt eingenetzt gewest jjj EIS
Ein stück gelbs füther tuchs, sind j Elnn genetzt gewest
Ein gantz Weyß füther" tuch, hat eingenetzt gehalten rrrit Ein
vnd ^D* Ein stücke weyßz füther tuchs, smd friti Ein genetzt ge-
west. Ein halb stücke grobe leyne tuchs hat frriii Ein genetzt ge-
im Kloster Mönchröden bei Ck)burg. 343
west. Ein halb stücke grobe leyne tuchs hatt roii Ein gehaltenn.
Ein halbe Stückle leyne grobs tuchs, zw TyscHtüchernn, für das
gesinde, r Elnn.
Ist alle» zu der grosszen geweihte Stuben, in der Kembnathenn
jn eynem grossem verschlossznera schanck gelegen.
Von zynwergk.
ii grosszen zynn. Sind von Coburgk mit den parfüssem
komenn. v zyne eynwenigk kleyner, tii Differ'* Suppen zyne. iii
Zirlige gemüsz zyne, püi mittellmessig geniüsz zyne, riii kleyner
gemüsz zyne, vf iii ade»" iiii person, rnriii zynle für die einzcaln
person. iiii grosszer zyne teler zum gebrathenn, iii Mittellmessiger
zyne Brathteler, i kleyn zyne Brathteler, j kleyner, salzenn vnnd
Essigk zinle Sind nicht jn eyner grössz.
i hohe grosse zyne Bewchete kandell mit eynem Zypff*', i
kleyne kandell mit eynem Zypff, iiii große zyne kandell. Geht in
ein jgliche ij virteyll, iii Kandell, Geht in ein Jgüche ein virteyll,
1 Masskandell, i KewUet*^ beuchet Masskandell, ti zyne Eychkopf,
Landt vnnd Coburger mjiss. vi alter pfrunkandell'*, so etwa jm Re-
fenter gebrawcht worden.
Em gross zyne Vierecket Gyszvas mit eynem eckigem Deckell.
1 Groß zyne Gieszvas, jm altem Refenter, ist itzo in der Oberen
Stuben uf der Kempnaten.
Ein zyne Gyeszvas Mit eynem zum teyl vberzynthen schencklein.
Ein kleyn zyne Gvszvass in der sichstubenn, rii geschlagener zyne
tyschteler in der Ebbtey. ni Zyne Salzkendelein "" in der Ebbtey
vnnd Sychstubenn. i Zyne Stendtnerle zw Bawmole*** vnnd dabev
ein stückle gemenigts zynss von eynem Gyszvasz, ii par gemanck
Bleyer lewchter vf die Altana, in der Kyrchen, i Sechs Ecket zyne
Breyth '* ding, darauf man die Schüssel vffen tysch setzet, roi zyne
theler, acht jn die Ebbtey vnd die andern Acht für das Convent,
nynther jns Sigestyble. Item i Kärthen"" Eychköpffle inn keller,
hat der newe Verwalter Thomassen Kandelgisszer zw Coburgk
machen lasszen, freytags nach Antony A" jjjij.
Solche obbemelte Stücke sind alle, ader gar wenigsz auss-
genomen Coburger Zewgk.
Von meszwerek®*.
In der Kyrchen.
ii grosse Messelewchter, jghcher mit iii Lebenn ®*, vffen hohen
altar. ii Älittellmessig Messlewchter, auch auff den hohen altar.
V par messene zirlige lewchter, vff die Anderen Altar jn der
Kyrchenn. i gar kleyn par Messelewchter auch vff die Altaria.
p kleyne messene lewchter jghcher mit i Rörenn. i Messe
Rawchfaszs Alles Röthen zustendig, darzu Ein Messe gefess,
zvun heyhgen Sact (Sacrament) vna etliche monstrantzle, darein
heylthumb gefast, iii messe Rawchvesser Coburgk, ii messene Fewer
Sprytzenn, i gross Messe Beckenn mit eym englein, iiii großer
Messzener Beckenn, i Mittelhandtmesszne Beckenn, i hoher Messzer
köpf mit iiii henlein zum handtwaschen. i Andre Messzene Knopff,
mit Di kleyner Rörlin, i Messe lange Kandell , domit man auff-
geusset, so man die hendt weschet. i Messe lewchter mit iiii
Rörhen. i Messze lewchter mit iii Röhrenn, iii kleyne Messzne-
lewchter jder mit i Röhrenn i hangender lewchter mit iii Rörenn
;J44 Invcntariuni über fahrendo Hal)e
in der Ebteystubenn , i ^lesszno lewele zum Wasi^zer vf die hendt
zngiesszeiin. Ein niesszene Jjarbir Beckenn von Coburgk, vnud
sunstcn in der Badtstnbenn auch ii niesszene Barbir Beckenn, sampt
den Wannen , nt Infra. i messzne Wage, ii messzene ampell,
] kleyne messe pleye wage, iiii Stocke sampt schewben, vnnd iiii
Korl)enn, dormit man Bleyhc zum fensterwerck zewcht. 1 grosser
Messener Morser, mit eynem Stempffell ^'. i Messene Schuster schmir
Kesseil, Eyn leymtygell. i Messzner tyschrincke. 1 Messze Becken,
darinnen man würtz terret. riiii lass han "*, groß, klein, gutt, vnd
böss. ii hocken Büchssen ii ßüchssen, je eyne mit iii schüsszen.
Ein groß Backey^szen, mit eynem herzcogischem schilt. Eyn
kleyn Backeyszen. Ein Frosch Backeyszenn.
Ere«^ heffen.
iiii großzer Ehertöpff zu rnii raoss, jglicher mit iii Beyn.
iiii Mittellmessiger zu rri Moos, mit iii Beyn. ii kleyner ehre
töppfle, auch mit iii Beynen.
Ton Kiipfforwergk.
i Kupffere ]Monstrantzen ubergult i Kupffere Blaszen zum
Brenweyn, i Kupffere Kesseil mit i Rörenn , auch zum Weyn-
brennen. i Mitelmessiger kupffere Kessel! zum lychtziehenn. i
kupffere Becken pro JNlandato, i Ander kupffere kesseil, darein man
hoffen vnnd anders schuett, ii kleyne kupffere kesszelein.
Dys hat Alles Er Michcll zum Weynbrenuen vnd Lyehtzihen
in seynem gewalt, one die Monstrantzen. t grosse kupffere Wann,
vberzynt, dorynnen man Bath, in der Badtstubenn, i kleyne kupffere
Wann, darein das Kaltwasser gelassen, auch in der "Badstuoenn,
i Kupffere kuelkessell, vi kupffere kandell , Gehen in zwue in
jgliche inii virteyll, die andern sindt kleyner. rii Blechene trinck-
becher, i Kupffere dürchschlagk, ii kleyner durchschlege von kupffer,
i kupffere kelleiin. i Kupffer wasser wendtlein in der küchenn.
iii kupffere kleyne kesselein, i kupffere Oelplaszenn, v kupferrnne
kesszlein zum \Vasszerbrennen, i Kupfer Kuellkesszclem, i weyth
kupffere Blech zum kolen, t Kupffere newe flaschen, ist wol gros
vnd ein andere, Blecheflaschen
Von Eysenwerc vnnd Erstlichen
Decknegel.
iimpic Schintell oder Dccknegell, sind jn der langen trohenn, sa
mit eysen beschlagenn, vnd durc'h fecher aussgeteylt, in der Abbtey
Behawszung gelcgenn.
Bun, wath vnd podennegel"'
iiiiii'iiiic vnnd Inr r)Un, Wath vnnd podennegell Sind jn nechst-
bestimter Trohcmi, mit Eyssenn beschlagenn. Jtem in eynem Kübe-
Icin '' so jn der iiij Camern, der Ebtey gestanden vnd in eynem pulpt '-,
dabey. deszgleychen , jn der langen Sydell'-S so im Klein stüble,
der Ebbtey steht, Gelegenn haben n , aber alle nit ein lenge noch
gross. Derhalb auch solche negell, jn die fecher obbestimbter trohenn,
nach jedes Artt vnnd große, vnterschvedlich gelegt Vnd davon ein
Kiibeil gefüllt
3Iaiii('herIoy Eyson Tnnd Werckzewge.
rii Eyssere Schauffell i fewrgabell, i Mystgabell, i Mysthockenn
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 345
i Krodhawen ". t großer Tryfuß vnter die Kessell, t kleyner. ii,
irrosser, t kleyner Branthreytteil " , iiii große hebeyssenn , v kleyner,
vi hecheil.
ii Wenndthocken r Steyraetzen Meyssel ßreyt vnd schmal i
Kyssere Brecher vf eynem Brethe, sampt eynem Brathspyszs, i
iiebi";er'*' der Groß ist iii alter handtsegenn i langer i kurtzer
üratnspyß, i langer Bornebiger " zun Borenn, i groß Eysszere
Rincke, tti Eysszere Rincke an die Wellen, iiii Zcapffen in die
Wellenn, i zubrogne Sege zcur SchneydtmüUenn i Eysszere Gestell,
vmb ein ofen, riii kleyner Eyssere stehe, iiii Backeysen zw Oblathen,
iii Steinbickell, ii groß schnidtraesser ii kleiner Schnidtmesszer ii
füghöffel ", ii fawsthöffell, ii alter Eamlöffell, iii Kelhöffell, i Diptal "
i Hantpeyl iiii holtzpeyl oder Axen ii Bleyescher** eine gute vnnd
ein Bösze, i Ampasz^' i Huffzcangenn, i Durchschlaheeyszenn, r
trehe Eyszenns gut vnnd Bösze, t> lothkolbenn, i grosszer Eysszer
Rincke vmb ein Mülstein, iii Eysszere WmkeUmaszs v kellen gut
vnnd Boss, i Mawer Hamqr, ij Kethen ^* im Keler. ji Schifferhackenn,
i Eyssere form dadurch man das Bleyhe zewcht. Item Etliche Alt
Eyssenn Rorhenn, püchsszenn, Schloszszer vnd der vill, auch ander
gerümpell mehr, welchs einsteyls von Coburgk heraus komen vnd
im kemerle neben der Melkammer, auch aufnn Newen schaffhausz
in eyner Zcellen zur Zeyt der Jnventation gelegen hatt.
Eysen werckzeug in der küchen.
iiii große pfann, iiii mittel pfann, iiii pfann aber eyn wenigk
kleyner, iii kleyner pfann, iii Eyssere kellenn iii große eyssere
töpffel ii Eyssern Scnawmlöffell. i holtzbeyel ii fleyschbevell ii
hackmesszer, ii Rost, i Treyfuss, ii Brathspyess zum Bretner iii
lange Brathspyß, i Rybe«» Eyszenn, oii alt Bleche deckell.
Item ii groß verschlosszenn öchenncke, Ein kleyns sehen ekle
vnd etüche fecher zum Breymelh^.
Inder Mül.
i grosse Sege. i handtsege, ii grosszer leffel. i grosszer
kannebiger*' i kleyner nebiger, i Schindtmesszer, i Meyssell, i Hol-
meyssell, i großer Eysere Schlegel ader schellhamer ii Hebeeyszen,
i Steynacks ii Billenn ^^, iii par eysszere Ringk, an die getruebe ge-
hörig, ii Eysszere ziehehockenn. Item i Newesz vnnd ii alter
Gryess Syber, i alt stepsiebp ii Rothensiber vnnd i Newe Syeb, ist
ein wenig weyther, ii Rocken npewtell, iii Multer*', i seh wynn, Wann ^.
Schneydmul
i grosse Breithe Sege. ii grossze feylenn darzu gehörig iiii
Eysszer nockenn, i zymmerrmans klammer, i hultze Schlegell. Item
Ijyr» Stubenpolen, klein vnnd gross, langk vnnd kurtz. riii Diell üi
Eyche Diell vffm Newen Schlaffhauss.
Eyssen wergk und ander Gereth,
Ins Engelharts stall.
iiii wagenpferd, Wolabgetriebenn, zu frone vnnd ander not-
turfft des closters. Ein geschirr ist abgethan, nach dem Eyn hoff-
mann vmb halbawe** bey ErVevthenn in das closter angenohmenn.
Item Was zu solchem gescliirr vnnd pferdenn, kumyt, Kethen,
Strenge, Rymawercke etc. gehörig.
XXI. 23
•546 Invcntarium über fahrende Habe
i Newer Rüstwage, i alter Eüstwage, ii Schley ff Reder i Hewe
Wagen, i Mystwagcn, iiti Newer Steynreder.
Darzu etliche alte Reder, i pflugke, ii Egen, v Kethen zum
geschirr, ii hewe gabell, i Mysthock, i Mystgabell, i Holtz Axcks,
i handBeyl, ii hemme ^elh"", ■»
Ein'kleyn alts stadelstehP', ii Wasserstutzen n, i schwingwann,
i Bethe vts.
P>,lich alt Eyssenn von schynnen vund Anderm stücken ab-
gangen, ]\rit etlichem gerümpell wercke.
Item Etlich Rym vnnd stücke wcrgk zum geschirr gehoerend,
darzu Sieben strenge vnd ander kleyne stück, sind alssbald in der
langen trohen vnnd dritten camer der Ebbtey funden.
Item
Das lange groß Sehl zum Weyn abladenn.
Viiten in der gempiiatlieu im stal.
ii pferde in der kembiiathen, szw Reythen, vnnd in Karren,
sampt dem geschirr, vnd was darzu gehoert. iiii Reyth iSetell, gut
vnd Bösze iii alte zerisszene Setell, oben in der iiii Camern der
Ebbtey. r Reytzewme auch oben in der Ebbtey Camer.
Ein schwyngwann, ii halffter, i Karren, ii schuttkarrhen mit
ii Redern.
Invoutarium des Getreydts etc.
Auff allen Getreydt Bodenn, ist gar kein vorrath an getreydt
gewest dann allein,
ini symmer vnnd ii vierteyll Weytzs, lagen uffm alten schlawff-
hawssz vnnd auf dem alten Haff er Bodenn, vff ii hewffle,
Item vi synmier alts leyns Stund in iiii messzern auffem
Leynbodenn,
Item rr szym Ongeverhch Als hopffens wurd aber nit ge-
messzenn, vnd in der Melkamern, ii hewffle körn melhs vf iii
szzmmere Ongeverd,
Doch sindt in zeyt dyeser Inventacion, vf gemeltem Bodenn
fundenn, iii szre News weytzs, iii szre i virteyll korns, rriiii szre
Wintergersten, r szre Sommergerste, rriii szre ii virteyl haffern,
ii metzen Erbess r szre iii virteyl Dinkels Irr szre hopfenn, iiii szre
Leyns, iiii szre hanfftkorner,
Ist aber eytell Newe getreydt gewest, von dem closter, vnnd
etlichen zehendenn, jm xrri Jar erbawt, Vnd dem Newen Verwalter
zuberecheiin zugestellt.
So sind auch vf angezcygten Getreydt Bodenn :
iii fegeSieber, ii Lcynheyt Reyther,' i HanfftSyeb, i LeyuSyeb,
i Achtteyll, v virteyll, i Metzen Coburger vnnd Newstater Maszs.
V Kornschawffell , i fcgkoUenn^l Item ii vn gegerbte Kuehewthe,
ii viiL'cgerbte Kalpfelh.
Die Keller.
Item, in Beden kelern ist kein sonnderlicher Vorrat, vnnd
zuvorausz am Weyn, vorhandenn gewest, Vnd hat der Newe Ver-
walter von stundet an Getranck von Weyn vnnd ßyer vf sein
Rechnung von Er Veythen, annehmen müsszen, Lawt seyner In-
struction,
Doch hatt gnanter Veyt Haff an dem Rest des Weyns, so er
schuldig pli6l)cn, alszbaldt vergnügt.
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 347
i fuder vnnd r Eymer p^uts Virnen Weyns, welchen der Newe
Verwalther angenohmen, vnd soll haf den vbrigen Weyn ]n der
öumma fiiii Eymer, mit newen lawtern Francken Weyn auch ver-
gnügen, vnnd das Closter denselben holen lasszen, Inhalts des
Vertrags.
KUchenspeyß.
Jn der grosszen geweihten stubenn, der kembnathenn, it schock
ever Ongeverlich, i schock halp Visch"'*, ii schock plateysszen, itii
flack visch, rv Hammen, ii stückle schweyns fleysch. Aber keyn
Dürfleysch ist da gewest, iii virteyl von eyner geschlachten kue,
grüns fleyschs vnten jm Speyszgewelb. xv kleyn vnnd Mittellmessig
weyset kessle jn der keszKamern neben der Ebtey, i stenterle mit
hofen kessz, jr Schaffkeszs, groß vnnd klein, fertige vnnd hewerige,
doch waren die Besten hin weck.
lir gemeine grossze Kue Kessz, newe vnnd alte. Oben jn der
Keszs- ader fleyscli Camern,
rii virteyÜ Speck, jn der Saltzkamem, rii schock Karpfen,
Ongeverd, So'jm Closter vnnd Byngarten®* gestanden.
Würtz jn eym Kleyn ledlenn ^'
Etlich Ingwer zehen vnnd einwenig
Saffran i loth 1
Negele vf i loth > angeschlagen
gestoßen Pfeifer ii loth |
Ingwer ii loth
ist bereyts das mehr jn dye Küchen gegebenn
Ein lere Confect schachtell.
Bnthem, im Speyßgewelb vnten jn derKembnathenit stenthner ^
mit Buthemn. Der eyn hat gehaltenn rrriij maß vnnd der ander
i Kübele mit Buthern ist der Engelhartin gewest, hat geeycht ge-
halten fiiii maszs. i Stenthner mit Buthern, vber halb lere, hat
der Hoffmann gebenn, vnnd gehalten rr maszs. iii lere Newe
stenthner iii lere Buther kübell, i stübich mit honig, oben jn eyner
kamer der Ebbtey gestandenn, hat ongeverlich gehaltenn jroii mäszs.
Item iii ® vngelewhter Buthernn jm milchkeler,
Saltz in den Salz Cumern funden.
iii halp vasz mit saltz vnnd Etliche leere Vesszer zw Saltz.
oi Vierteyll kleyner zwybell Ongeverd. Item Grobe Gerstenn, Ein
wenig Gryszs weytze Melhes, jn der Melkamer. Deszgleychen jm
Milchkeler: iii grosszer Hefen mit herbstmilch angestelt i Mitteil-
messiger Haf*' mit Herbstmilch, Etliche hefen mit Milch.
Im Vyhehanß
jii küe, Jungk vnd Alt i Kalben
püi Küe hat der hoffman, gehören auch zum closter laut seyner
bestallung. iii alte schweynsMutter iii grossze dreyjherige schweyn.
Sind aufigelegt vnd gestochen wordenn laut der Rechnung du zwey-
jherige schweyn, der sind iii auch auffgelegt v lerige, piii halb
jerige Sind verkaufft vnd verrechet.
Auch sind jm Vihehawszs, i Buther Kesszell, i Kesszell oben
jm ofen, i Mysthack, ii Hewenn, i Buther faszs, iii Newe vnnd
etliche alte Butherkübell, i alte trohen , i Kuffen , i Sewefaszs,
23*
348 Inventarixun über fahrende Habe
züber gut und Bösz, hoffen, kesskybell, Sicheil, Eine alte senszenn,
Ein Bethe vtsupra.
Item i schock alt Huner, Im hunerhawsz üi junger herbst-
huner die andern sind davor aufgangen.
Schaffhawsz zw Rotheiin/
cpt Jerling, clrrjü tragender schaff fliii hamell Summa tiifrrrtiii
schaff. Der JJrietteyll ist des Scheffers vnd sind jn winther ge-
schlagen vffs frrii jar.
Zum Eychhof.
cyjD Jerling, cir tragender schaff jliii hamell Summa iiicfjpi
schaff, Jn Winter geschlagen, Jst der Drietteyl des scheffers.
Brewehausz
Eyn gantzer Brewegezewgk Sampt Dhorloss, ii grosszer pyr-
kuffenn, t kleyne kuffenn, ji kuellkufienn, iiii tragzüber, i grossze
kuffere Brewpfan, vi schuffenn^^ Jtem iiii Neuer schuffenn.
Die Vesser zum Weyn.
iiii grossze fuderiche Weynvass, guther vnd ßöszer. Sind Mit
Buchstabenn, nemlich 21. B. V. 3i verzeichet.
i Sechs Eyhemerich weyt veszle"^, iii halb vasz. Sind Inn
francken, Sampt dem fuderichen, so mit X verzeichet ii vier
Eymerich veszle , Liegen jm keler gefült, i Dreyehemerich Veszle
iiii kleyner veszle, stenn im Creutzgangk, 1 klein vezle mit weyn,
leyth im keler.
Zum Bir
jo groß Byrvaszs, v newe vngepichte vaszs, jjiii halb vasz alt
vnd newe. Etliche Veszle zum Weyn und Byr, Essigk. Item im
keler i Bleche trichter ii grosszer hultze trichter vnd i Newer.
Von Tyscheii, trohen, Schenken, Sydeln etc.
In der Kempnaten oben jn der großzen stuben,
Drey tvsch vnverschlosszen , der eyn ist gemalt mit eynem
schwartzen deckpreth i lange Sydeln '"" mit zweyen schlosszenn , i
kleyne Sydell mit einem Schlossz, i grossze Fürbanck i schlecht
gueszvaszs behalter, mit eynem zyne Gieszvasz vnd eynem Becken
darunter, ii vmbhenk hinter den tyschen, ii Polster umb den
Eyn tysch.
InderCapelln:i zwifacher tysch, i kleyne taffei mit Bildern
i Crucifix, Büchsszenn.
Auf dem Bodennherausszen, Eyn lange Bancke, ein
kurze Bencke, Zwen Gemeyner tysch, werdenn doch hin vnd her
versetzt.
Oben auffem Bodenn: Eyn zyhe Rode, Eyn zyhe sehl,
so auch zum weyn geprawcht wird.
Inder kleynstuben: Eyn tysch mit eym zerbrochen schloszs.
Ein alte frühen, mit eym schloß. Ein kleyns schenckle. Bencke.
Eyn stul. Ein schanck mit verschrottem Wergk, vnd iiii schlüsseln,
nj der Kamer, neben bemeltem stüble.
In der grosszen stubenn: Ein grosszer verschlosszner
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 349
schanck, da man allerley tuch einlegt. Ein Behalter zun Eyem,
Bencke. Ein unbeschlagner schancke, solt jn Chor für die Paeeysten
komen seyn.
In der Ebtey grosszen stubenn,
Zwen verschlosszne tysch. Ein Gyszvasz schenckle, Sampt
eynem zyne Gyszvasz darjnnen. Ein grosszer stul, mit iiii messzin
Imopffen neben dem ofen, ii Sessel darjnnen man sitzt, i Kandell
Breth, aber die Kandell sind in Keler. Ein Newe Banck Küsszen
vnd ii alter sind nichts werth. DieOrhe"", Lewchter, Becken uts.
Im klein stüble: Ein zwifacher vnverschlosszner tysch, Stet
itzo jm schlaffhawsz stüble. i Gyszvasz Schenckle, i verschlosszne
Sydell. i Kendelbreth i Sessel darjn man sytzt. ii Newe panck-
S)l8ter mit Rothe vberzcogenn, werden in die stuben, woe man der ,
edorff, getragen.
Ein schanck in der Camern darzwischenn mit ii schlosszen. Das
hymelBethe so darinn gewest, steht itzo in der kembnathen.
Im hausz herauszen vffm Boden
i verschlosszner Schank mit ii schlosszern zw kesz vnnd
Broth. i Lange truhen mit eysszen Beschlagen darjnnen Ryme-
werck zw dene geschirren vnnd vil manicherley Negell liegenn.
i truhen mit Eyssen Beschlagenn, darjnn hat der Newe Verwalter
seyne Kleder vnnd hievor lang innegehabt, i alter tysch, mit eynem
Schiffere forstein gemacht i stuell daruff man zwecht vnnd'ßar-
birt. ii vorbenck für die Tysche. jpi lydere fewr Eymfer, hangen
am Durchzugk des hawsszs. i grosszer schancke, mit eynem
Schloszs, der parvoten "** gewest. i alte vn verschlosszne truhen, Oben
jn der Eyszen Kamer, vnnd i Kieyns truhle dabey, darjnnen
manicherley Eyssenwerck, uts. i kieyns schenkle ist auff der Bor-
leben ^ " ^ gestandenn. Item i alte vntugliche truhen, darjnn etUche Vene-
dische schewbenn ^"*, Samp tetlichen schachteln zubrieffen, alles oben
jn der Camern.
Unten jn der gesinde stubenn,
fünff grossze schlechte tysche, mit jrem fürbencken, für das
gesinde.
Im vntern stüble: i tysch vnverschlosszen, i Sydell vnver-
schlosszen, i Gysvasz Beheiter, mit eynem verschlosszen Schenckle,
i vorbanck für den tysch.
Im obern Stüble: i Tysch vnverschlosszen, i vorbanck, i ver-
schlosszen Gyesvaszschenckle.
In der Melkamer: i schanck mit ii schlosszen, ii Melkasten,
ii verschlosszen schencke in der Küchenn uts.
Sigesstüble^"».
i vnverschlosszner zwifechiger Tysch i verschlosszne Bancke,
i vorbancke, i Schenckle zum Gyszvaszs mit eynem Gyszvaszs vte.
Etliche getrehete scheraell jm Closter ii schenckle jm stüble vnnd
herausszen davor, sind verschlosszen. i alter schreyn, i Beheiter
jn der alten eyer kamer, i tysch jm alten Refenter. Item Ein
eysere wolbeschlagner Geltkast, Ein trohen vnd alter käst. Alles
hinten jm gewelbe, Ein langer schanck, herauszen vf der Borleben,
zum Ornathen, vnd ein ander schanck in officina, zum Eyssenwerck.
i kuffen zum krawst jm Milchkeler, i kuffen, fleysch einzusaltzen.
350 Inventarium über tahrende Habe
vnten jn der Kembnathen jm gewelb, i kuffen jn der Meydt-
hawsz vts.
Liberey mit jrenn Büchern,
die MönchRöthen vnd das Closter zw Coburgk gehabt, Ist
aber nichts sonderlich darjnnen.
pt par abgenützter vnd eynsteyls zerbrochner schrawbenn, dor-
mit grossze Bewe zuheben, jm Kemmerle neben der Liberey,
Stadell.
Jtem das getreydt jm stadell so vffs jfri Jar erbawt, sampt
allen nutzungen, desselben lars, ausszerhalb, etlich auszgetroschen,
hof, vnd zehendts getreydts, ist dem newen Verwalter auch zu-
gestellt, vnd nach dem Ausztreschen gewest: Irrftii szre Allerley
Weytzs. jiri szre iii vierteyl Winter vnnd szommer körn, lotii szre
iii virteyU Szommer vnd Wintergersten, fjp szre ii virteyll Dinkeles,
icffi szre ii virteyll haffern, jji szre ii metzen Erbeszs.
Welchs getreydt, der hoffman zum halbenteyll, dem Closter
vberantwort, vnd das ander, auf desselben auszezcogenen Eckern,
ein geerndt worden ist.
liii klobenn, geprechts flachs, wie der zur zeyt der Inventation
befunden den andern hat Er Veyten frawen ausz zulasszung, wegk.
Item vill Büschell Wercks davon.
i guthe Barden hanffts geprecht, vf yoii puschell, klein vnnd
groszs, alts vnnd News, sampt der Vymel'^*, so iii kloben gewest
vnd im jrri'e» erbawt.
Item Opffell vnnd Byrnn, so auffm newen und alten schlaf f-
hawszs jn oii zcellenn vnnd auff iiii ßodenn gelegen.
Etbcher ander hauszrath, so auch vorhanden gewest iii ge-
gerbte Ochzssenhewte, i gegerbte kuehaut, jii gegerbter Kelberhewt,
i schock heffen, vngeverd, kleyn grosz vnd Mittelmessig, jm kemerle
bey der styg jn der Ebbtey.
ii stückle wachs, vf oi % ongeverd, sobaldt jn die In^rchen
komen, i Zcell jm Newen Schlaffhaußz mit fenstern vnnd Fenster
Kamen, Alles für den Newen Eefenter zubereyth.
DÜ Newe hafenBenther, iiüNewe gesinde stützle, jii % Bechs,
ri ® schmehr, Ij ® Vnschlicht, jii schock kleyner vnd grosszer
Lycht, r>i alter Bynstöcke iii Junger Bynstöcke mit Bynen, Die
hultze Schüssel vnnd teler, so dyser zeyt jn der küchen vnd suensten
vorhanden, sint nicht gezcelt wordenn, auch nit. vil noch köstlich
gewest
Item i hultze Wage mit dem eyssere Gewicht, i grossz
Vischgarn für den grosszen sehe ^"^ vnnd ettliche abgenützte harnen '"*.
Item t> glockenn vff den dornen '"", groß, mettellmessig vnnd
kleyn. i Zymbell jm Crewtzgangk, i Orchell jn der Kyrchen.
Auf Montag nach Michaelis Jm 3£3e3£3to haben die Crcstrengeu
herr hans Schott Ritter etc, vnd Contz Gotzman, Amtman zw
konigspergk, als Bevelchhaber, Churfürstlichen Sequestration etc.
Alles gescliülts, vnnd Schrotth ; zum CJoster Münchröden gehörig In
gegenwart Er Veyt Haffen, Valentin Müllners, vnd Clausen Hamper-
verts Besichtiget, vnnd vermelt gehUltz befunden, wieliernachvolget,
Erstlichenn,
im Kloster Mönchröden bei CJoburg. 351
Der Warth Bergk
so ein gross Bawe, vnnd kyffere holtz ist, wie woi sehr verhawenn
Das daraus vorn gegen der straszen, ob des Michels Acker,
Ein ortle zw Brewholtz, für das Closter, vnd daselbst gein dem
Mülgrabenn, aber ein Ortle zw Brennholtz, fürn hoffman, gehawen
worden n ist
Damach an der henge, gegen der Newen Wyszen am graben
hinauf, ist desselben holtz gefeit,
Zu eyner hewe schopffenn für das Closter gein schaffhausen
Jm rrn<o.
Item Am selben Ortt,
Dem Castner, zw Coburgk, holtz zu eym stadell, von Er
veythen vmb iü gülden verkewfft,
Dzgleychenn hatt er, Veyt doeselbst, holtzs zw Eym stadell,
vnnd ander Fewerholtzs Caper Ramspergern auch zw Coburgk vmb
DÜ gülden verkewfft.
Darnach An derselben henge gein dem Gnelesz, ist, befunden,
dass vill Bawe vnnd schleysszen holtzs, abgehawen, Soll aber ein
alter hewe seyn. Doeselbst hat Jacob von Bach jri Bawe Reyser,
ausz Bevelch des Ambts Coburgk, Jm jrrt gefeit, vnnd nichts dafür
geben,
j« Bawe Reysser sind Ernst von Brandensteyn, desselben holtzs,
oben auffn knock, ausz Bevelch des pflegers zu Coburgk Bewyszen,
Sind auch nit Bezcalt wordenn,
Hinthen am Wartbergk, gegen der Thumerey, ist bey Abbt
Niclausen, Baweholtz für das Closter, vnd desselben verwante
gehawen,
Dessgleychen ist bey gnant. Abbte, der Bawe vf der kembnathen,
Im Mülgrabenn, desselben Orts, gefeilt wordenn,
Oben auf der hohe, auch Im Warthbergk, vnd darnach Im
Müll graben, darneben, sind etwan, vier oder v schock Baweholtzs,
vff Bevelch des herrn Schosszers vfs Schloss Coburgk kommen.
Auch sind etliche Bawe Reysser doselbst Im MQlgraben, für
das Closter, vnd Ziglem, auch andere gebraucht wordenn.
Die schlege an der Ryss hinauf.
Auch ist In begriffner Besichtigimg Befunden, das Brunnholtz
jm Müllgraben, bey der Ryss hinüber, Item das holtz, so sich auf
der andern seythen, geym Stanbach erstreckt, Bey Abbt Niclausenn,
vnnd doch meysteyfs bey Er Veythenn, hereyn Ins Closter zu
Brennholtz gehawenn, vnnd davon vill Claffterholtzs gein Coburgk
verfürth sey wordenn.
Auss demselben holtz sind etwa vill Bawe Eychenn f ürss closter
vnd seyne Verwanthe Armelewthe gehawen, auch der ein teyll ver-
kewfft vnnd verschenckt.
Szonnderlichen ,
Die frawe zw Eynet soll solcher Eychenn etwa i schock
gekawfft vnd nichts dafür geben haben.
Oben gegen dem Stannbach, am Sannt, ist auch ein Ort Bawe-
holtzs, vnnd anders abgehawen wordenn, das ist zum teyl zum pfarr-
hawss gein Einbergk, aus Bevelch der herrn Visitatorn komenn etc.
Item Etliche Rigellstangen, dene vonn Rosennaw, aus nacht--
barlicher Bieth, Deszgleychen etliche Bün doeselbst gestewert.
M^
;352 Inventarium über fahrende Habe
Der Bernecker zw Coburgk, Jörg Syler zu Gleind vnnd Aridere
haben desselben holtzs auch ein teyll von Er Veythenn kewfft.
Soe hatt Kr Veyt, neben dem Stannbaeh am Baweholtz hinauf
ein langen Ortt, Jung Bawe vnnd Brennholtz.s ha wen lasszen.
Der Staiinbaeli.
Ist vf Beden seythenn Befunden, das derselbig etwa merghch
verhawen gewest, Aber nach Vnterricht Er Veytenn jst vnnd soll
es für das Closter zu bawen, Bryther zw sehneydenn, zw Barenn,
vnnd ander notturfft, Auch fürdießöthener, den ziglern etc.gebrawcht
vnnd geschehen seyn.
Zu dem, so ist auch ethch Baweholtz darausz, zu manicherley
nütze, verkewfft vnnd verschen ckt wordenn.
Die Lichtleyten.
Ob dem iStannbach, oben auf der Lichten leythenn, ist jn solcher
Besichtigung befundenn, das Veyt haf, Etwa vill Ecker, geraths
Bawe vnnd Brunnholtzs dem Eath zu Coburgk durch sich selbst,
vmb ic vnnd rr gnldenn, So doch eynes andern werths, verkawfft
vnnd rr Jar Stamrecht darzu geben hatt.
Doeselbst auf der Höhe vnnd ebenn, hatt Valentin vom Lichten-
steyn r» schock Baweholtzs gehawenn vnnd gesagt, Er habe des
Churf. Bevelch aber kein aufgelegt, Auch Veyth Hafen nichts
dafür geben,
Item, das Brennholtz an der Lichtenleythenn vorn vom Stann-
bach an, biszhininther In die Wolffskell habenn Abbt Niclaus, Veyt
haf etc. hereyn Ins clostcr scheydten lasszen.
Ausz derselben langen Leythenn, sind etwan vill Bawe Eychenn,
sonderlichen bey Er Veythen, für das clostcr vnnd desselben hinter-
sesszenn gehawenn, auch andern Lcuthenn verschenckt vnnd ver-
kawfft wordenn.
So n nder 1 ich
fini Eychenn dem Rathe zw Coburgk, rii Psychen, heintzen von
Kosenaw vnd der Gemeinde doeselbst zw Besszerung Irer Stege,
ausz Bevelch des pflegers zw Coburgk, vnnd keyner Gerechtickeyt.
n Eychenn gein Lawther zuschrenckenn. Die andern haben sie
bezcalt r.
rri Phillip Schottenn, ausz Bith geschennckt.
Die andern sind vn gezcelt,
Doeselbst auch, neben der Thennerfelth, ist ettlich Brewe vnnd
schleyssenn hollz, für das closter, vnd seyne armclewth abgehawenn,
vnnd etlich Bcwm verkeufft worden.
Die Wolffskeel
vnd das holtz Im Schützenbach.
In vorbegryffner Besichtigung ist auch befunden vnnd ange-
zeygt, Das ausz dem grosszen Ortt Bawe vnnd Brunnholtzs In der
Wolffskell vnd Im schützenbach, der Zigler zw ßöthenn, auf an-
weyszung vill Bawm vnnd holtzs abgehawen hatt.
Vorn neben der zwatzlcrin ist auch ein Ortt Baweholtzs bey
Er Veythenn abgehawen worden, Ist zum teyll gein der Newenstat
zu der hcrn Bawe komenn, vnd das ander hat gnanter Verwalter,
im Kloster Mönchröden bei Coburg. 353
Ja verwüster, Jörgen Roschleb zw Muckpergk, heintzen kremer zw
ßyrkich, vnnd andern, verkawfft.
Doeselbst ein wenigk hiuauff hat Veyt Haff, Etwa iti schock,
gut« Baweholtzs Christofffeln von Schaurabergk zw Muckpergk,
vmb friiii gülden zw seym Schlossz doeselbst verkawfft
vnnd
püi Bawe Reysszer, herfür warts, dem Lawther Müller zw Coburgk
aus Bevelch des Schosszers geben n.
Oben jm Schützenbach, an der henge, hat Veyt haff ein eben
Ortle Bawe vnnd Brunholtzs, Clausen Eberth, zu Coburgk, ausz
fürbieth seyns Eydams, der küchenschreybers, vmb joiii gülden
verkawfft.
An derselbenn henge bisz an die Mörders Bewme, hatt Zigler
zum teyll ein grosszen Ortt, Bawe vnnd Brunnholtzs, Wegkgeholtzt
vnnd den andern vnnd merern teyll hat bemelter haff hanssen
kremer zur Newenstat verkewfft. Doch ist das ober stöckich doeselbst
eynsteyls bey Apt Niclausen abgehawen wordenn.
Das holtz ob der Mörders Bewme
Biszhinynther An der kremer holtz vnnd nawff an Wegk, hatt
Er Veyt Etlichen pawern zw Wolffsbach, Rothenhof, Schaffhawszen
etc verkawfft, der acker vmb rri ®. Wiewol die ßezcalung vf den
Newen Verwalter gewyszenn, laut seyner Instruction.
Das Brun holtz auffem Sannt
Vonn der Thummerey, Stannbach, hinausz Biss an der Wey-
mersz dorffer felde Ein grosszer Ortt holtz, ist bey abbt Niclausen
abgehawen, vnd verkawfft worden.
Der kawibergk
Ist bey apt Niclausen verkewfft vnd dem Closter an demselben
Ortt mit eyn vnnd abziehen, grosszer abbruch, bey Veytheu hafen
geschehenn, darvmb auch dem Newen Verwalter Bevolhen, solchs
vmb zimlich Zinss zu vertragen.
Die Birckleythenn
Hatt aptt Niclaus verkeufft, bisz hinauf, vber das ober Sehle
Bey des Schulteszen zur Thann Bewme, do hatts Er Veyt hingebenn
vnnd ist ein grosszer langer Bergk.
Doeselbst zunechst, ob dem Obern Sehle, ist ein eben grosszer
Ort Baweholtzs bey Veythen haffen abgehawen wordenn, vnnd ausz
Beuelch des herrn Schosszers zw Coburgk zu iti Bewen gein der
Newenstat komenn, Inn hoff.
Item, der Zentgraue zu Coburgk hatt an demselben Ort bey
V schock Beweholtzs zw seyner Behawszung gein Coburgk ausshawrenn
laaszen, aber nichts dafür gebenn, das übrig hatt Haff verkawfft.
Also das derselbig Platz gantz blosz vnd kal befunden.
Obenn vnnd vorn an der Birkleythenn neben dene masszenn,
jst auch ein grosszer Ortt vnnd platz gantz kal vnnd blosz befunden,
denselben ortt, darjnn gutBawe schleysszen vndBrunholtz, gestandenn,
hatt Veyt haff auch verkawftt, vnnd ettliche Schleysszen Bawme
für das closter darausz hawen lasszenn.
354 Inventarium über fahrende Habe
Die Maszs jm Schützenbach
Neben der Byrckleythenn hat haff etwa jm jr'jto Jar auch
eben wegk verkawfft.
Der Petzen Bergk
Szo ein grosszer langer Bergk vnnd bei tcjjo Acker ist,
hatt Veyt haff durch vnd durch, Im jjj' Jar auch verkawfft, je
ein acker vmb j @.
Den helle Bergk
Doeselbst neben dem Betzenpergk oben jm Vischbach hatt Abbt
Niclaus verkawfft vnd ist wider mit jungen Brunholtz aufgewachsszen.
Tewtzchers Bergk
Ausz dem Te wtzschers bergk , so mit guthenn Eychenn aufge-
wachsszenn, vnnd mit Brunholtz gemengt ist, Seind etliche Eychenn
zu der herrn grosszen Sehe kernen.
Daraus hatt Er Veyt auch etliche Eychenn vnd Bawe Reysszer
verkawfft vnnd verschenckt.
Sonderlichen
oi Eychen, dem Weydneu vnd wemfelder zu Coburgk
ij Eychen zu Weyuvesszer ins Closter, aber der Vesszer ist
keyns hinein kommen.
Item hinten neben der Thennerfelth hinauff hatt Veyt Haff
auch etliche Örtle mit Brunholtz den Kembnathern verkawfit.
Kulm
Der hochBergk, der kulm gnant, steht mit Brunholtz aufge-
wachsenn, Jst bey apt Johansen verkeuft worden.
Weyn Bergk
Jtem der Weinbergk hatt knörtzich Brunholtz von alten Eyche-
stöckenn, vngeschlachte kyffernn, vnd Ander gering holtz, gehabt,
das hatt Veyt haff dem hoffman zw Schaffhawsenn, vnd Bader zu
Eymbergk verkauft.
Aber auff der Andern Seythenn gegen Kothenn, vnnd ob der
Kochszleythen, ist gnanter Bergk mit Jungen Fichten vnnd thannen
angeflogen.
Rothenhof
Des holtzs hinten am Weinpergk, gein den Rothenhof, hatt
sich heintz vonn Rosenawe zu Öszle, vnnd wie er saget, mit WiUenn
Veyten hafens, vnterstandenn, vnnd etwa vil Bawe, Rörenn, vnnd
Brunholtzs darausz gehawenn, Aber ausz Beuelch vnnd gütlich an-
synnenn, der herrn Sequestratornn, Jst er heintz von Rosenawe davon
güthch angetrethenn, weyl man saget. Er solts kawfft habenn.
Kypffendorfif
Item, das Brennholtz, hinter Kypfendorff hinnawszs, hat veyt
haff auch eben wegk verkawfft, aö jm yjj, ist itzo ein zwey jeriger
Schrott ffj ito.
Dyss verzeychnus jst in gegenwart herrn Veythen Haffs der-
im Kloster Möuchröden bei Coburg.
'355
maßzs, wie die begrieffen , verleszenn, weichfl er nit jn abreden,
sundern bekentlich gewest
Actum Dynstags nach Dyonieii jm yffW".
Aber des Closters höltzer vnnd schlege zw VVeydach, Schlettach
vnnd Memhawsenn, sind dyszmals nit besichtiget wordenn , vnd
meystens Junge schlege, bey Abbt Niclausen vnnd Veythenn Haffen
hingeben, vnnd verkaufft, AJso das zw Weydach, wenig Bäwme ausz-
gezcogenn gar kein Baweholtz mehr ist, des wüßt man sich zu
richtenn.
1. Valentin Müller, auch ge- 29.
wesener Konventual, Nach- 30.
folger Veit Haffs. 31.
2. Kleiner Pokal. 32.
3. Ein zum Kusse dargereichtes 33.
Rehquien täfeichen. 34.
4. Kleine Kanne für den Meß- 35.
wein. 3t).
5. Bischof stab. 37.
6. Edelstein. 38.
7. Elentklaue. 39.
8. Demant, Diamant.
9. Der bischöfliche Hut. 40.
10. Perlen. 41.
11. Laubwerk,
12. Barfüßer Mönche. 42.
13. Röthen für Mönchröden. 43.
14. Meßgewand. 44.
15. Prießterrock. 45.
16. den zugehörigen. 46.
17. Prießterbinde. 47.
18. Breites Band, welches über 48.
den linken Arm des messe- 49.
lesenden Priesters gehängt 50.
wird. 51.
19. Schultertuch, 52,
20. Weißer Priesterumhang. 53.
21. Harras = leichtes Wolknge- 54.
webe, mhd. arras , von der 55.
Stadt Arras in den Nieder- 56.
landen so genannt. 57.
22. lundich = aus London 58.
stammend, englischer Stoff. 59.
23. Leinwand. 60.
24. bunt gefärbt. 61.
25. von Sternberg auf Kallen- 62.
berg bei Coburg. 63.
26. Die von Bach, altes Coburger 64.
Adelsgeschlecht. 65.
27. Fischteich. 66.
28. Abt Johannes von Schon- 67.
stett t 1418. 68.
Junger Wels.
Saupehr = Zuchteber.
Waldung.
Schriftlicher Eid.
Zenthafer.
Gehöft.
Brunnens.
Dienstlohn.
Urkunden.
Gesamterben.
Namen der abgefundenen
Klosterbrüder zu M.
Aktenstücke.
Heinrich v. Coburg, Abt zu
M, 1343—1363.
Bezüge.
Überzug.
Bettücher.
Truhen.
Kleine Truhe.
Grobe Leinwand.
Mägde.
Kran kenstüblein.
Matratze.
Handtuch.
böse.
Plane.
Webstück.
Futtertuch.
Tiefe Suppenschüsseln.
Ausguß.
keulenförmig.
.Pfründenkanne.
Fäßchen.
Baumöl.
Tablet.
Halb Liter.
Messing.
Jedenfalls Löwen.
Schraube, Kurbel.
Stößer.
Zum Einschlagen in Fässer.
356
rnventarium über fahrende Habe
69. Von Erz.
89.
70. Geschmiedete JJielen-
und
90.
Wassernägel.
91.
71. Kleines Faß.
92.
72. Pult.
93.
73. Sjdell.
94.
74. \on raden, Radehaue.
95.
75. Brandhaken.
96.
76. Nebiger _ ^^
Bornebiger
97.
98.
78. Hobel.
99.
79. Doppel beil.
100.
80. Eundes Gefäß zum
Blei-
101.
schmelzen.
102.
81. Amboß.
103.
8'2. Ketten,
104.
83. Reibeisen.
105.
84. Breimehl zum Morgenimbiß.
106.
85. Bohren.
86. Flachhaue.
107.
87. Mäßchen.
108.
88. Zum Reinigen der Frucht.
109.
Halbbau.
Seile.
Stadel = Scheune.
Zum Reinigen des Getreides.
Getrockneter Fisch.
Bienengarten.
Kleine Lade.
Kübel.
Hafen.
Bierschöpfer.
Kleines Faß.
Bank.
Uhr.
Barfüßer.
Empore.
Venetianisches Glas.
Krankenstube.
Fimmel = weibliche Pflanze
des Hanfes.
See.
Fischgarn.
Türmen.
VII.
Die beiden Burgen in Ilmenau.
Von
Geh. Justizrat Schwanitz in Weimar.
Der Vorstand des Vereins für Thüringische Geschichte
und Altertumskunde hat mich vor einigen Jahren zufolge
einer von Arnstadt aus gegebenen Anregung ersucht, ver-
mittelnd dafür einzutreten, daß eine topographische Skizze
des im sog. Amtsgarten zu Ilmenau — an der Stelle der
jetzigen Eronfeste — befindlich gewesenen Käfernburger
Schlosses für den gedachten Verein beschafft werde. Ich
habe mich gern hierzu bereit erklärt und lege das Er-
gebnis meiner Bemühungen nunmehr vor. Die beiden
Skizzen No. I und II verdanke ich der Güte des Groß-
herzogl. Bezirksbaubeamten, Herrn Baumeister Veitwisch
hier, das Bild No. III ist demjenigen Exemplar des Christ.
Juncker'schen Werkes „Ehre der gefürsteten Grafschaft
Henneberg", welches sich im Besitz des Herzogl. Gymnasiums
zu Hildburghausen befindet, entnommen. Mit Dank habe
ich auch die mir von dieser Seite zu teil gewordene
freundliche Unterstützung anzuerkennen.
Behufs näherer Orientierung füge ich folgende Be-
merkungen hinzu.
Zunächst gedenke ich, daß sich in Ilmenau zwei
Burgen befanden. Die eine, und zwar die älteste, hat sich
unrühmlich bekannt gemacht durch die Raubzüge, die von
ihr aus im Laufe des 13. Jahrhunderts vielfach in die
nähere und fernere Umgebung unternommen wurden und
unter denen insbesondere der Handelsstand der Stadt Erfurt
schwer zu leiden hatte. Kein Wunder war es daher, daß
358 I^iß beiden Burgen in Ilmenau.
bittere Klagen hierüber an das Obr des Königs Rudolf
von Habsburg drangen, als dieser sich zu Ende des Jahres
1289 und weiterhin einige Zeit in Erfurt aufhielt. Daß
diese Klagen nicht ungehört verhallten) ist bekannt. Der
König gab, so sagt Spangenberg in seiner Hennebergischen
Chronik (Straßburg, 1599) den Erfurtern „Leute zu, das
Raubschloß zu zerstören. Also zogen sie hin, gewonnens
und fingen 29 Straßenräuber daroben : die wurden gen Erfurt
geführet und daselbst enthauptet i)". Die Burg aber, die ge-
meiniglich als „die Wasserburg" bezeichnet wird, wurde
zerstört, und zwar so gründlich, daß in späteren Jahr-
hunderten sogar der Ort, an welchem sie gestanden hatte,
nicht mehr mit voller Sicherheit erkannt werden konnte.
Immerhin wird es jedoch, wie ich glaube, nicht zweifel-
haft sein,, daß sie auf der Westseite der Stadt an der —
ziemlich umfangreichen — Stelle, welche im Volksmunde
noch jetzt als der „Burggraben" bezeichnet wird, ihren
Platz gehabt hat. Dort haben sich denn auch noch in den
1860er Jahren einige, wenn auch nicht erhebliche, bauliche
und sonstige Spuren gefunden, welche meine Annahme
unterstützen. Es gilt dies insbesondere von einigen bei
Gelegenheit des Häuserbaues aus der Tiefe entnommenen
altertümlichen Gegenständen: Pfeilspitze von Eisen, Huf-
eisen und Streitaxt.
Näheres über jene Burg ist nicht bekannt. Ob sie,
wie behauptet wird, im Besitz der Grafen von Käfernburg
sich befunden hat, mag dahingestellt bleiben. Wohl aber
wird man annehmen dürfen, daß, nachdem diese ältere
Burg geschleift worden war, an der Stelle, auf welcher
jetzt die Fronfeste steht, eine neue Burg erbaut worden
ist — mutmaßlich von den Käfernburgern. Mindestens
waren sie Besitzer dieser Burg, ehe dieselbe im Jahre 1343
käuflich an die Grafen von Henneberg überging. Es ist
nicht meine Absicht, auf ihre weiteren Schicksale des näheren
einzugehen. Ich bemerke nur, daß sie den Hennebergern
1) Vergl. Cron. s. Petri Erfordensis mod. in Mon. Erphesf. 293.
5
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Fig. 1. Sitiiatipiisplan des Aintsgartens mit Frohnvestc zu Ilmenau.
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Nach den 8citö-
wiesen der Um.
No^-(/.i'rtf. ■;.•■<'
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Fig. 2. Sitiial ionsplan dos Amtsgartons zu Ilmenau.
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Die beiden Burgen in Ilmenau. 359
wiederholt für längere Zeit zum Wohnsitze diente, nament-
lich auch dem — um Ilmenau hochverdienten — Grafen
Boppo XII., dem Bruder des letzten regierenden Grafen
Georg Ernst (f 1583). Nachdem jener im Jahre 1574 mit
Tode abgegangen war, klagte dessen hinterlassene Witwe,
die Gräfin Sophie, über die Baufälligkeit der — zu ihrem
Wittum gehörigen — Burg und erlangte demzufolge van
ihrem vorgenannten Schwager die Vergünstigung, ihren
Wohnsitz nach Burgbreitungen verlegen zu dürfen. Von
da ab ist die Burg mehr und mehr in Verfall geraten, und
dies um so mehr, da die Wittumsberechtigte, die Gräfin Sophie,
in der langen Zeit, die ihr noch zu leben vergönnt war
(bis 1631), sich in so wenig günstigen Verhältnissen befand, daß
sie, auch wenn sie gewollt hätte, nicht im Stande gewesen
wäre, für die bauliche Herstellung und dauernde Instand-
haltung in genügendem Maße Sorge zu tragen. Die schweren
Zeiten des dreißigjährigen Kriegs waren vollends nicht
dazu angethan, Wandel zu schaffen. Ein Wunder ist es
daher nicht, wenn in der — mir vorliegenden — Ilmenauer
Amtsbeschreibung von 1647 „das alte Schloß" mit dem
Zusatz aufgeführt wird, „daß darauf noch ein gering Wohn-
haus stehe, darinnen sich der Landsknecht behelfen könne".
Wenn hiernach aber auch die bewohnbaren Räume auf
ein recht geringes Maß zurückgegangen waren, so war
immerhin, wie das unter III hier beigefügte Bild erkennen
läßt, zur Zeit seiner Aufnahme, also ums Jahr 1700, das
Mauerwerk noch recht vielgestaltig und hochragend. Jetzt ist
auch der letzte Rest desselben verschwunden. Geblieben ist
nur ein niedriges, dem Gerichtsdiener überwiesenes Ge-
bäude, in dessen Anbau die Amtsgefängnisse sich befinden.
Was die beiden unter I und II angefügten Skizzen
betrifft, so gedenke ich noch besonders, daß dieselben sich
gegenseitig ergänzen. Der Situationsplan I stellt den
älteren Zustand dar. Er läßt die Neubauten, die der mit
II bezeichnete Plan erkennen läßt, noch unberücksichtigt,
weil sie zu der betreffenden Zeit (1896) noch nicht aus-
360
Die beiden Burgen in Ilmenau.
geführt waren. Ein Gleiches gilt von den beiden, für den
inneren und resp. den äußeren Umwallungsraum bestimmten]
Wasserzuleitungen , die erst beim Graben des Grundes
für das jetzige Amtsgerichtsgebäude aui"gefunden worden
sind. Dabei mag ausdrücklich erwähnt werden, daß unter^
dem auf No. I als „Amtsgericht" verzeichneten Gebäude
das zuerst im Jahre 1634 eingerichtete und sodann nach
dem großen Brande von 1752 neu aufgeführte „Herrschafts-
und Amthaus" zu verstehen ist, in welchem sich neben den dem
Landesfürsten vorbehaltenen und den dem Oberamtsrichter
überwiesenen Wohnungsräumen insbesondere auch die Ge-
richtslokalitäten bis dahin befanden, wo das neuerbaute
Amtsgerichtsgebäude bezogen wurde. Es geschah dies im
Herbst 1898.
Zu dem Plan I bemerke ich noch weiter, daß die dort
ersichtliche, zwischen „Amtsgericht" und „Fronfeste" den
großen Amtsgarten durchschneidende Straße erst etwa im
Jahre 1849 zur Erleichterung des Fuhrwerkverkehrs an-
gelegt worden ist.
Die Burg lag übrigens, wie die beiden Skizzen er-
geben, auf der Nordseite der Stadt, und zwar, was ich an
dieser Stelle noch besonders betonen möchte, dicht an einer
vor Jahrhunderten sehr wichtigen Heerstraße, — der W e i n -
Straße, welche den Verkehr zwischen Thüringen und
Franken vermittelte und von Erfurt in der Richtung von
Branchewinde, Bücheloh, durch den fiskalischen Forstbe-
zirk Eichicht und durch den Flurbezirk Unterpörlitz an
der Nordseite der Stadt Ilmenau sich hinzog nach der
Höhe des Gebirges zu. Die auf der Skizze II be-
zeichnete „Nordstraße" ist an dieser Stelle identisch
mit der vormaligen Weinstraße. In der Nachbarflur
Unterpörlitz ist diese letztere noch deutlich erkennbat- und
hier so breit und fest angelegt, daß schon aus solcher
Beschaffenheit auf die große Wichtigkeit, die ihr in alter
Zeit beigelegt wurde, geschlossen werden darf. Gerade
diese Wichtigkeit aber mochte wohl den Gedanken nahe-
Die beiden Burgen in Ilmenau. 3ßl^
ffe\ef^t haben, eben an dieser Straße zum Schutze der
Stadt die Burg anzulegen und nach Möglichkeit zu be-
festigen. So erklärt es sich denn, daß, um gegen einen
von Nordosten drohenden feindlichen Überfall besser ge-
sichert zu sein, in dieser Richtung noch ein äußerer
Wallgraben vor den Innern, die ganze Burg um-
schließenden Wallgraben vorgelegt wurde. Das Nähere ist
aus den beiden Skizzen zu entnehmen.
Beide Wallgräben hatten eine ansehnliche Tiefe. Als
etliche Jahre vor Inangriffnahme des Amtsgerichts-Baues
zwei Schächte im äußeren Wallgraben in die Tiefe geführt
wurden, konnte „der gewachsene Boden" erst in einer Tiefe
von 8 Metern erreicht werden. Beide Wallgräben sind
jetzt eingeebnet.
Zum Schlüsse gestatte ich mir noch eine Erläuterung
zur Skizze II. Wenn dort nämlich „der alte Turm"
markiert ist, so beruht dies darauf, daß bei einer etwa im
Jahre 1876 vorgenommenen Nachgrabung an der Stelle,
welche durch jenen Vermerk erkennbar gemacht ist, die
Grandmauer des alten Bergfrieds aufgedeckt worden ist.
Dieselbe ist damals wieder verschüttet worden. Auf meinen
eigenen Wunsch ist jedoch als Fingerzeig für spätere
Zeiten auf dem jetzt vorliegenden Situationsplan die Stelle
bezeichnet worden, an welchem der Turm seinen Stand-
punkt gehabt hat.
XXI. 24
VIII.
Chorherrenstift und Kommende Porstendorf.
Von
0. Dolbenecker.
In der Chronik des Klosters Lausnitz, die uns leider
nur in einer Übersetzung des 15. Jahrhunderts erhalten
ist 1), wird über die Person des 7. Propstes 2) eine Angabe
gemacht, mit der die Forscher ^) offenbar nichts haben an-
fangen können. Der 6. Propst Markward, der dem Kloster
18 Jahre vorgestanden hatte, legte im Jahre 1218 wegen
Krankheit und Altersschwäche sein Amt nieder und bat
seinen Diöcesanbischof Engelhard von Naumburg, mit ihm
dem Kloster einen Nachfolger in der Propstei zu bestimmen.
Der Konvent sah zunächst in dem Vorschlage des Bischofs
einen Eingriff in sein freies Wahlrecht^), gab jedoch nach
1) Zuerst in einer mißlungenen Übertragung ins Neuhoch-
deutsche bekannt gegeben von A. Moser in der Schrift „Marien-
stein oder die Gründung des Klosters zu Laußnitz". Zeitz, 1833
(2. Ausg. Eisenberg, 1837), sodann aus der wiedergefundenen Hand-
schrift von E. Hase in den Mitt. d. G. u. A. Gesellsch. des Oster-
landes, VIII (1875), S. 65—101 veröffentücht. Die Handschrift
(Bibl, der Michaeliskirche in Zeitz) bricht mit der Erwähnung des
8. Propstes Rupert ab. Die lateinische Vorlage, die der alten Über-
setzung zu Grunde liegt, ist bis jetzt nicht aufgefunden worden.
Ihr Verfasser war nach S. 90 u. 98 der Chronik ein Augustiner,
vielleicht ein Propst des Klosters (s. Reg. d. Thür. I, No. 12ü9).
2) Die Chronik nennt ihn den sechsten.
3) S. Hase in Mitt. d. G. u. A. Gesellsch. d. Osterl. VIII, 45 ;
Lobe, G. d. K. u. Seh. des H. S.-Altenburg, III, 101 ; Dietze, G.
des Kl. Lausnitz in Mitt. d. G. u. A. Ver. zu Eisen berg, XVII, 18 f.
4) Hase a. a. 0. 45 hat diese Stelle der Chronik vollständig
mißverstanden.
Chorherrenstift und Kommende Porstendorf. 363
langen Verhandlungen nach und versprach, den zu wählen,
den Engelhard zum Propste bestimmen würde. Der BiscTiof
erklärte sich für Konrad, einen Augustinerbruder, der in
Porstendorf a. d. Saale Pfarrer war. Von ihm berichtet
der Chronist, er habe bei sich, nämlich in Porstendorf,
viele Brüder gehabt ^). Daß dies der einzige chronikalische
Beweis für die Existenz eines Augustiner-Chorherrenstiftes
in Porstendorf a, d. Saale ist, hat bisher trotz meiner Be-
merkungen in den Regesta diplomatica Thuringiae^) noch
niemand beachtet. Auch in der älteren Litteratur wird
des Stiftes kaum Erwähnung gethan. Weder Hermann
in seinem verdienstlichen Verzeichnis ^) der thüringischen
Stifter, Klöster und Ordenshäuser, noch Kronfeld ^) erwähnt
es. Nur K. Schulz in seinem Aufsatze ^) über das Urteil
des Königsgerichtes unter Friedrich Barbarossa u. s. f.
nimmt auf die Urkunde des Bischofs Eckehard von Merse-
burg, in der das Stift genannt wird, Bezug, kennt aber
die übrigen Urkunden nicht, aus denen die Geschichte der
Gründung erhellt. Mit einem Verweis auf Schulzens Ab-
handlung begnügt sich der Herausgeber der Bau- und
Kunstdenkmäler Thüringens, Heft I, S. 193, während Böhme
in seiner lesenswerten Abhandlung „Pforte in seiner kultur-
geschichtlichen Bedeutung während des 12. und 13. Jahr-
hunderts" das Stift nicht einmal erwähnt. Geradezu irre-
1) Diesser erstlich zcuu Borstendorf f eyn pfarrer gewesen, mit
ym vill anhengende brudere gehabt und in unsern closter alss eyn
bruder des ordens, der mit ym vill gelebet nach der regele sancti
Augustini unnd in der heiligen regele und gehorsam sich gehaltenn
auff das demuetigste, zculetzt mit kranckheit underdrugkt uund lager-
hafftigk gewordenn, ye doch widder kommen zcuu krefften, sich
Widder zcuu Marienn kein Laussenitz gewant, da got zcu dinehn,
auch seinenn standt von stunden andermalss angenommen.
2) Dobenecker, Reg. d. Thur., Bd. II, No. 2192 u. 2376. Ich
citiere sie im folgenden nur als Reg. d. Thur.
3) Zs. d. V. f. thür. G. u. A., VIII, Iff.
4) Landeskunde des Großherzogtums S.-Weimar, II, 290.
5) Zs. d. V. f. thür. G. u. A., IX, 156.
24*
364 Chorherrenstift und Kommende Porstendorf.
führend ist die kurze Notiz im Staatshandbuch für das
Großherzogtum Sachsen-Weimar- Eisenach (1864 u. ö.) S, 214
(unter Porstendorf). Und doch läßt sich mit Hilfe einer
Anzahl von Urkunden die Geschichte des Stiftes in groben
Umrissen entwerfen.
Der Ort Porstendorf wird zuerst in Urkunden für das
Cistercienserkloster Pforte genannt. Als während der Friedens-
verhandlungen zwischen Papst Alexander III. und den Ge-
sandten des Kaisers Friedrich Barbarossa zu Venedig auch die
kirchlichen Angelegenheiten Deutschlands geordnet wurden,
stellte am 10. Juli 1177 Alexander III. für Kloster Pforte
und dessen Besitzungen einen Schutzbrief aus, in dem
Porstendorf zum erstenmal Erwähnung findet ^). Die Er-
werbung der grangia in Borsendorph cum appendiciis suis
durch Kloster Pforte muß zwischen 1168 und 1177 erfolgt
sein, denn in der Bestätigungsurkunde, die 1168 Bischof
Udo II. von Naumburg ausgestellt hat ^), wird Forstend orf
noch nicht unter den Besitzungen Pfortes genannt. Wie
aus einigen Urkunden hervorgeht % rührt der Besitz des
Pforteschen Klosterhofes aus einer Schenkung der Gebrüder
Heinrich und Werner von Stechau her, die freilich nicht
unangefochten blieb, da der dritte Bruder Gerhard Falke
unter dem Verwände, er sei Grieche, nicht Franke, die
nach fränkischem Rechte vollzogene Übergabe nicht gelten
lassen wollte. Das Königsgericht, das unter Vorsitz des
Kaisers Friedrich Barbarossa zu Altenburg abgehalten '
wurde, wies diesen Einwand zurück und. bestätigte dem
Kloster den Besitz in einer rechtshistorisch außerordentlich
wichtigen Urkunde, die in der Litteratur eine gewisse Rolle
spielt. Gerhard hat 1182 denn auch der Schenkung seiner
Brüder zugestimmt und zu Gunsten des Klosters auf eine
Weinabgabe, die für ihn seine Brüder bei der Schenkung
1) Reg. d. Thur. II, No. 523.
2) Ebenda II, No. 369.
3) Ebenda II, No. 598, ö36 u. 637.
Chorherrenstift und Kommende Porst^ndorf. 355
vorbehalten hatten, verzichtet. Schon damals wird eine
Kirche in Poratendorf erwähnt i), die nicht zu dem Meier-
hofe Pfortes gehörte. Sie war mit dem Zehnten von 4 Hufen
ausgestattet 2) und muß als vollberechtigte Pfarrkirche ge-
golten haben, da die daselbst amtierenden Geistlichen als
Pfarrer bezeichnet werden und der Friedhof Erwähnung
findet'). Schließlich hatte Pforte in Porstendorf auch eine
Mühle und ein Wehr angelegt*).
Neben dem Besitze des Klosters Pforte und außer der
Pfarrkirche war noch ein Landgut dort, das sich in der
Hand einer ritterlichen Familie befand. Ob diese mit der
oben genannten Familie von Stechau in Zusammenhang
steht, läßt sich nicht beweisen. Sie nannte sich „von Porsten-
dorf''. Zwei ihrer Mitglieder sind uns bekannt, die leib-
lichen Brüder Bruno und Konrad. Jener war in den geist-
lichen Stand eingetreten und wurde 1209 zum Bischof von
Meißen gewählt, wo er als Bruno II. bis zum Jahre 1228
regiert hat. Konrad, der sich Ritter von Porstendorf nannte,
verkaufte vor dem 26. Dezember 1209 dem Kloster Pforte
von seinem Gute eine Hufe, die bald als zu Porstendorf,
bald als zu Ummelstede oder Hummelstede, einer Wüstung
bei Porstendorf, gehörend bezeichnet wird ^). Jeder der beiden
Brüder scheint auf dem Besitztum eine geistliche Stiftung
ins Leben gerufen zu haben.
Der Bischof Bruno gründete auf seinem Gute in Porsten-
dorf nach Einwilligung seiner Erben und mit Erlaubnis
des Erzbischofs Sigfrid IL von Mainz als Diöcesanbischofs ein
Augustiner-Chorherrenstift. In welchem Jahre die Grün-
dung erfolgte, läßt sich nur annähernd bestimmen. Aus dem
Wortlaute der Urkunde **) der vom Papste in dem Streite
1) Keg. d. Thur. II, No. 637.
2) Ebenda II, No. 870.
3) Ebenda II, No. 2315.
4) Ebenda II, No. 853 u. 854.
5) Ebenda II, No. 1437, 1921 und 1922.
6) Ebenda II, No. 2230.
366 Chorherrenstift und Kommende Porstendorf.
zwischen dem Gründer und dem Hochmeister des deutschen
Ordens, Hermann von Salza, delegierten Richter scheint ge-
schlossen werden zu müssen, daß Bruno es gestiftet hat, als er
bereits Bischof von Meißen war, demnach frühestens im Jahre
1209. Mit unbedingter Sicherheit kann angegeben werden,
daß die Gründung in die Zeit des Erzbischofs Sigfrid IL
von Mainz fiel, wie der Erzbischof selbst bestätigt. In
einer [1227] Febr. 1 1 zu Erfurt ausgefertigten Urkunde ^)
bekennt er, daß er den Propst und den Konvent der regu-
lierten Chorherren in Porstendorf ehemals besucht und
als Diöcesanbischof nach dem Tode des ersten Propstes
einen anderen bestätigt habe. Von den Namen der Pröpste
ist urkundlich nur einer überliefert. In einer leider un-
datierten Urkunde, die aber vor 1224 fallen wird 2), er-
scheint als erster unter den Zeugen : Drusing, Propst von
Porstendorf. Ich glaube nachgewiesen zu haben, daß dar-
unter der zweite Propst des Stiftes zu verstehen sein wird.
Als ersten Propst hätte man demnach jenen Konrad anzu-
sehen, den wir im Eingange als Propst von Lausnitz kennen
lernten. Die Angabe des Erzbischofs Sigfrid, daß er defuncto
ipso prfeposito einen zweiten daselbst bestätigt habe, scheint
also nicht genau zu sein. Seit 1218 ist Konrad Propst in
Lausnitz und hat 2 Jahre lang diesem Augustiner-Nonnen-
kloster vorgestanden. Seine Amtsthätigkeit ist durch schwere
Krankheit unterbrochen worden. Ob er neben der Prä-
positur in Lausnitz eine Zeitlang das Stift Porstendorf ver-
waltet hat, erscheint unwahrscheinlich, so daß man vielleicht
ein Hecht zu der Annahme hat, daß die Kunde von seiner
schweren Erkrankung Anlaß zu der Behauptung wurde, er
sei gestorben. Pflichttreue und Demut zeichneten ihn aus.
1) Reg. d. Thur. II, No. 2376.
2) Ebenda II, No. 2192. Wenn Kehrs Ansatz (ÜB. d. Höchst.
Merseburg, I No. 178) zu der Urkunde in Eeg. d. Thur., II No. 1818,
die er mit Rücksicht auf den seit 1218 nachweisbaren Dekan Hein-
rich und das bis 1221 geführte Siegel zu ca. 1221 stellt, richtig ist,
80 würde der Ansatz 1221 — 1224 lauten müssen.
Chorherrenstift und Kommende Porstendorf. ' 367
Ati seine Stelle trat Drusing, der offenbar identisch ist mit
dem im Jahre 1214 genannten Pfarrer Drusing von Apolda,
der dem Kloster Lausnitz zur Wiederherstellung der durch
eine Feuersbrunst geschädigten Kirche 5 Mark schenkte ^),
wahrscheinlich bereits dem Augustinerorden angehörte und
auch 1216 und 1217 in Heusdörfer und Naumburger Ur-
kunden erwähnt wird 2), Sein Wirken in Porstendorf ist nicht
von langer Dauer gewesen.
Kloster Pforte wird die Gründung des Stiftes mit
scheelen Augen angesehen haben. Gefährlicher wurde
ihm aber die Konkurrenz desjenigen Ordens, den als
erster unter den deutschen Stämmen aufgenommen und
mit Gütern ausgestattet zu haben, ein Ruhmestitel für
die Thüringer geworden ist. Ich meine den deutschen
Ritterorden. Obwohl Voigts Angabe ^), daß schon im Jahre
1202 ein Provinzialkomtur des deutschen Ordens für die
Bailei Thüringen genannt werde, irrig ist*); obgleich auch
die zweite Urkunde, auf die Voigt Bezug nimmt, sich als
eine Fälschung erwiesen hat 5), so steht doch fest, daß das
Heimatsland des größten Hochmeisters, den der Orden an
seiner Spitze gesehen hat, die älteste deutsche Bailei des
Ordens gewesen ist, und daß die deutschen Ritter schon
im Anfang des 13. Jahrhunderts in unseren Gegenden reiche
Güter erworben haben. Eine der frühesten Erwerbungen
war nächst Halle und Altenburg unser Porstendorf Schon
im Jahre 1221 wird gleichzeitig mit dem Deutschordens-
priester Hugo, der in Zwätzen offenbar dem Ordenshause
vorstand, der Komtur Konrad von Porstendorf genannt ß),
dem wir noch im Jahre 1225, bez. 1224 in einer Ur-
kunde^) begegnen. Seit 1221 besteht also in Porstendorf
1) Reg. d. Thur., II, No. 1600.
2) Ebenda II, No. 1687, 1713 u. 1749.
3) Die deutsche Grdens-Ballei Thüringen, in dieser Ztschr., 1,95.
4) Reg. d. Thur., II, No. 1226a.
5) Ebenda II, No. 1588.
6) Ebenda II, No. 1983.
7) Ebenda II, No. 2254.
368
Chorherrenstift und Kommende Porstendorf.
ein deutsches Haus oder eine Komturei neben dem Augus-
tiner-Chorlierrenstift ^) und neben dem Pforteschen Mönchs-
hofe, Per Gründer der Komturei ist wahrscheinlich kein
anderer als Konrad, der Bruder Brunos,^ des Bischofs von
Meißen. Vielleicht ist die Annahme berechtigt, daß er selbst!
in den deutschen Orden eingetreten ist, sein Gut dem Ordenj
vermacht hat und zum ersten Komtur in Porstendorf be-
stellt worden ist. Der Niederlassung des deutschen Ordens
mußte eine Verständigung mit dem Erzbischof Sigfrid 11.^
von Mainz vorausgehen. Sie erfolgte am 5. Oktober 1221 2).
Wie einige Jahre später die landgräfliche Familie
den Rittern, die sich in der Landgrafschaft und in ihren
übrigen Landen niedergelassen hatten, weitgehende Förde-
rung zu teil werden ließ, indem sie auf jedes Recht an den
Ordensbesitzungen verzichtete und die Ritter von Zoll, Ab-
gaben und dem Hospitalsrecht in dem landgräflichen Ge-
biete und in den landgräflichen Märkten befreite, so hat
auch Sigfrid IL von Mainz als geistliches Oberhaupt
Thüringens sich dem Orden willfährig gezeigt. Er bestimmte,
daß kein Archidiakon den Orden mit irgend einem Mandate
belästigen dürfe, wogegen der Orden unter Verzicht auf
gewisse päpstliche Privilegien die Kleriker, die an den
Kirchen des Ordens in der Mainzer Diöcese wirkten, unter
näher bestimmten Einschränkungen bei einer „suspensio
divinorum" der Jurisdiktion des Erzbischofs unterwarf. Der
Deutschmeister Hermann ^) verpflichtete sich überdies, be-
treffs der Kirche zu Porstendorf ohne erzbischöfliche Er-
laubnis keine Veränderung vorzunehmen. Mit der Kirche
zu Porstendorf ist offenbar das Stift gemeint, dessen Tage
seit dem Auftreten der deutschen Ritter gezählt waren.
Mit Genehmigung des Erzbischofs wurde es dem deutschen
Orden übertragen, der sich aber verpflichten mußte, eine
1) Reg. d. Thur. II, No. 2192 N. 4.
2) Ebenda II, No. 1982 u. 1983.
3) Also nicht der Hochmeister gleichen Namens, vgl. ebenda II,
No. 1983.
Chorherrenstift und Kommende Poretendorf. 369
Reihe von Bedingungen zu erfüllen. Er mußte versprechen ^),
den Gottesdienst nicht zu mindern, sondern zu vermehren,
upd übernahm deshalb gegenüber dem Erzbischof und dem
Kapitel von Erfurt die Verpflichtung ^), einen Diakonen und
einen Subdiakonen an der Porstendorfer Kirche zu unter-
halten. Die Chorherren mußten Porstendorf verlassen, und
ihre Besitzung wurde von dem deutschen Orden in eine
Meierei verw^andelt.
Die Aufhebung des Stiftes war, wie wir gesehen haben,
auf Grund eines Vertrages zwischen dem deutschen Orden
und dem Erzbischof von Mainz verfügt worden. Die Kon-
trahenten hatten auf den Gründer des Stiftes keine Rück-
sicht genommen. Kein Wunder, daß sich Bruno IL von
Meißen, als Gründer und Patron, schwer verletzt fühlte
und auf Wiederherstellung des Stiftes drang. Er wandte
sich mit seiner Beschwerde über den Hochmeister Her-
mann 3) an den Papst Honorius III. Dieser delegierte als
Richter in dem Streite über das Stift Porstendorf den
Bischof Eckehard von Merseburg, den Propst Poppe zu
Neuwerk in Halle und den früheren Bischof Konrad von
Halberstadt, der im Kloster Sittichenbach als Mönch lebte
und im Dienste der Kirche eine reiche Wirksamkeit ent-
wickelte. Sie luden die Parteien zur Verhandlung nach Leipzig
in das Thomasstift. Bischof Bruno erschien persönlich, als Be-
vollmächtigte des Hochmeisters einige deutsche Ritter. Bruno
forderte Wiederherstellung des Stiftes und erreichte, da die
Bevollmächtigten der Gegenpartei nicht mit geöügenden
Vollmachten ausgerüstet waren, einen neuen Termin. Die
Parteien wurden diesmal von dem Bischof Eckehard und
dem Propste Poppo — Konrad von Sittichenbach war 1225
1) Keg. d. Thur. II, No. 2376.
2) Ebenda II, No. 2290.
3) Kehr, U.B. d. Höchst. Merseburg, I, No. 193 N. 4, erklärt
ihn irrig für den Deutschmeister Hermann Otter, vgl. Zs. d. V.
f. Thür. G. u. A., XX, 684.
370 Chorherrenstift und Kommende Porstendorf.
Juni 21 gestorben 1) — nach Halle in die Marienkirche
geladen. Etwa im Juli, August oder September 1225 kam
es dort zu neuen Verhandlungen, die zu einem Vergleiche
führten. Bruno verzichtete ^) auf das Patfonatsrecht, das ihm
in Porstendorf zustand, erkannte die ohne seinen Willen,
aber mit Genehmigung des Diöcesanbischofs geschehene
Übertragung des Stiftes Porstendorf auf den deutschen
Orden an und erhielt von diesem als Ersatz das Patronats-
recht über die Kirche zu Pulsnitz in der Meißener Diöcese.
Damit war auch die vollkommen einwandfreie recht-
liche Grundlage für die Komturei Porstendorf des deutschen
Ordens gewonnen. Trotzdem blieb der Ordensbesitz nicht
unangefochten. Die Nachbarschaft des Pforteschen Kloster-
hofes wurde Anlaß ^) zu neuen Besitzstreitigkeiten. Da
inzwischen das Deutschordenshaus in dem benachbarten
Zwätzen sich wahrscheinlich als der beste Besitz in dieser
Gegend ausgewiesen hatte, so beschloß schon am 28. Jan. 1226,
wie eine diplomatische Notiz besagt *), der Deutschmeister Her-
mann, das dem Orden gehörige Gut an das Kloster Pforte
zu verkaufen. An die Stelle des Komturs Konrad, der
wahrscheinlich mit Tode abgegangen war, war inzwischen
Rudolf getreten, der neben Porstendorf auch das Deutsch-
ordenshaus in Altenburg verwaltete. Ihm und dem Komtur
Philipp von Halle übertrug der Deutschmeister Hermann
Otter die Aufgabe, den Streit mit Pforte beizulegen ^). Zu
Merseburg wurde am 2. April 1226 zwischen Winemar,
Abt von Pforte, und den genannten Komturen die Ange-
legenheit geordnet. Kloster Pforte kaufte vom deutschen
Orden für die große Summe von 520 Mark Silbers dessen
Gut zu Porstendorf, mit Ausschluß der Hufen und Ein-
künfte, die außerhalb der Grenzen jenes Gutes lagen und
1) Vgl. V. Krosigk, U.B. der Familie von Krosigk, III, 299.
2) Reg. d. Thur., II, No. 2230.
3) Ebenda II, No. 2313.
4) Ebenda II, No. 2269.
5) Ebenda II, No. 2289.
Chorherrenstift und Kommende Porstendorf. 37 J
dem Orden ausdrücklich vorbehalten wurden, übernahm eine
Reihe von Verpflichtungen, die seinerseits der Orden bei
der Übernahme des Gutes von den Augustinern hatte ein-
gehen müssen, insbesondere versprach es, der Edlen Jutta
von Wildenfels , die wahrscheinlich aus der Familie der
Ritter von Porstendorf stammte, eine jährliche Rente von
9 Mark Silbers zu zahlen, dem Merseburger Domherrn
Johannes, der unter den Vermittlern des Vertrages genannt
wird, jährlich eine Fuhre guten Weines zu liefern und in
Porstendorf einen Diakonen und einen Subdiakonen zu.
unterhalten. Die Komture Philipp und Rudolf sollten da-
gegen mit dem Abte von Pforte bei dem päpstlichen Le-
gaten um Aufhebung der dem Verkaufe des Porstendorfer
Gutes entgegenstehenden und gegenüber dem Erzbischof von
Mainz und dem Erfurter Kapitel übernommenen Verpflich-
tungen bitten i).
Der Kaufkontrakt fand am 2. Juni 1226 zu Mantua
die Bestätigung durch den Hochmeister Hermann von Salza ^),
tags darauf auch durch den päpstlichen Legaten Konrad,
Bischof von Porto und Sankt Rufina 3), der am 5. Juni
auch dem Wunsche der Parteien Rechnung trug und Kloster
Pforte von den Verpflichtungen entband *), die es als Rechts-
nachfolger des deutschen Ordens vertragsmäßig hätte er-
füllen müssen. Es brauchte hiernach Pforte an der Ka-
pelle zu Porstendorf nur einen Priester und einen Scholar
zu halten, also nicht einen Diakonen und einen Subdiakonen,
wie bei der Aufhebung des Chorherrenstiftes bestimmt wor-
den war, mußte aber von den Einkünften, die es auf diese
Weise sparte, einen Altar innerhalb des Klosterbezirkes
errichten, um an ihm Seelenmessen für diejenigen lesen zu
lassen, die der Kirche zu Porstendorf jene Güter zu ihrem
Seelenheile vermacht hatten ; auch durfte es die Leichen
1) Urkunde u. Gegenurkunde, Reg. d. Thur. II, No. 2290
u. 2291.
2) Ebenda II, No. 2313.
3) Ebenda II, No. 2314.
4) Ebenda II, No. 2315.
372 Chorherrenstift und Kommende Porstendorf.
der auf dem Friedhofe oder in der Kirche zu Porstendorf
Beigesetzten nach Pforte übertragen und dort beisetzen.
Trotz der von den Herren von Apolda hierauf gegen
Pforte — man erfährt nicht, weshalb — erhobenen Klage i)
blieb es bei diesen von dem Hochmeister und dem Kardinal-
legaten bestätigten Abmachungen, denen anch der Erz-
bischof Sigfrid IL von Mainz in einer am 20. Juli 1230
zu Erfurt ausgefertigten Urkunde 2) mit dem Vorbehalte
beitrat, daß die Kirche in Porstendorf, solange sie nur
unter Pforte stehe und den Cisterciensern daselbst keine
andere Seelsorge obliege als die Totenmessen für die da-
selbst Beigesetzten, in den an Porstendorf stoßenden Pforte-
schen Klosterhof samt den Reliquien der Heiligen verlegt,
die Gebeine der Verstorbenen aber nach dem Friedhof des
Klosters Pforte übertragen werden dürften, doch unbeschadet
der Erhaltung des Andenkens dieser und der Unterwürfig-
keit der verlegten Kirche gegen das Erzstift Mainz. Die
Verlegung der Kirche in den Pforteschen Wirtschaftshof
zu Porstendorf genehmigte schließlich auch Sigfrids II. von
Mainz Nachfolger, Sigfrid III., in einer zu Erfurt, 1231 März
10, ausgestellten Urkunde^).
Somit hatten die rührigen und wirtschaftlich tüchtigen
Cistercienser den Wettbewerb der Augustiner und der
deutschen Ritter überwunden und waren als alleinige Besitzer
in Porstendorf geblieben. Sie haben sich als solche in der
fruchtbaren und landschaftlich schönen Saalaue bis zur
Säkularisation ihres Klosters behauptet.
1) Reg. d. Thur. II, No. 2376.
2) Böhme, ÜB. des Kl. Pforte, No. 101.
3) Ebenda No. 103.
Litteratur.
III.
Georg Mever, Das parlamentarische Wahlrecht. Nach des Verfassers
Tod herausgegeben von G. JeUinek, Berlin, O. Häring, 1901.
IV u. 734 8S. M. 16.
GeorgMeyer, der in den Jahren seiner Jenaer Lehrthätigkeit,
als Mitglied des Ausschusses des Vereins für Thüringische Geschichte
u. A. mit der ihm eigenen Pflichttreue sich als em unermüdlicher
Förderer der Bestrebungen unseres Vereins bewährte, hat in dem nach
seinem Tode durch die Hingebung seiner Witwe druckfertig ge-
stalteten Werke uns ein standard-work über das parlamentarisclxe
Wahlrecht hinterlassen.
Wir möchten die Aufmerksamkeit der Leser unserer Zeitschrift
auf das erschöpfende Werk lenken, da es auch über die Geschichte
des Wahlrechts in den thüringischen Staaten Aufschluß gewährt.
Die allgemeine Entwickelung des parlamentarischen Wahlrechts
in Deutschland von 1815 bis 1848 wird (S. 106 ff.) unter Anführung
aller einzelnen einschlägigen Gesetze erörtert. Die Zusammensetzung
des Landtages beruht auch in den thüringischen Staaten, die, dem
Vorgange Ö.- Weimars (1816) folgend, konstitutionelle Einrichtungen
getroffen hatten, auf einer ständischen Gliederung. Deputierte der
Kitterschaft und andere ländliche Grundeigentümer, sowie solche
der Städte bilden den Landtag. In Weimar war noch die Universität
Jena und in Schwarzburg-Sondershausen der Kaufmanns- und
Fabrikantenstand, sowie der Gelehrtenstand vertreten. - S. 125 ff.
werden die gesetzlichen Bestimmungen (Verfassung, Wahlges.) über
die Erfordernisse des aktiven Wahlrechts und der Wählbarkeit mit-
feteilt. Die Bewegung des Jahres 1848 führte zu einer Umgestaltung
es ständischen Waalrechts. So hatte z. B. das Wahlgesetz für
S.- Weimar vom 17. Sept. 1848 allgemeines Stimmrecht imd direkte Wahl
eingeführt, und augh die anderen Staaten Thüringens (S. 191 ff.) ge-
langten zu einer Änderung des Wahlrechts. — Während nach der
Reaktivierung des Bundestages in vielen deutschen Staaten das Wahl-
recht einseitig im Verordnungswege umgeändert worden war, rühmt
Meyer (S. 201) von den thüringischen Staaten, daß die Einschrän-
kungen des 1848 ausgedehnten Wahlrechts in durchaus verfassungs-
mäßiger Weise xmd in maßvollem Umfange vollzogen wurden. Über
die Entwickelung der Wahlgesetzgebung seit Gründung des Nord-
deutschen Bundes verbreitet sich der Verfasser S. 244 ff.
374 Litteratur.
Das 2. Buch (S. 411 ff.) behandelt die wichtigsten Probleme
des Wahlrechts mit bewundernswerter Objektivität. Einzelne Teile
sind wahre Kabinettsstücke einer feinsinnigen, maßvollen, von staats-
männischem Geiste erfüllten politischen Erörterung. Wir wünschen
diesem Werke des der Wissenschaft und dem politischen Leben zu
früh entrissenen Verfassers recht viele Leser.
Eduard ßosenthal (Jena).
IV.
W. Stieda, Die Anfänge der Porzellanfabrikation auf dem Thüringer-
walde. Jena, G. Fischer, 1902. 425 SS. VI.
Seit seiner Erfindung diente das Porzellan Zwecken der Luxus-
industrie und bot es ein reiches und dankbares Feld für kunstgewerbliche
Bethätigung. Noch heute pflegen wie ehedem kunstvolle Porzellan-
erzeugnisse staatlicher Manufakturen mit Vorliebe zu fürstlichen Ge-
schenken bestimmt zu werden, ein Zeichen gleichsam für die vornehme
Stufe, auf welcher sich zum Teil die Porzellanindustrie bis heute be-
hauptet hat. Aber die große volkswirtschaftliche Bedeutung, welche
diese im Laufe der Zeit erlangte, wurzelt nicht sowohl in der Verarbeitung
des Materials zu Luxuszwecken, als vielmehr in der Herstellung
gewöhnlicher Gebrauchsware, die einen Massenkonsum ermöglicht.
Vermöge der hervorragenden Eigenschaften, die es hierfür prä-
destinieren, hat sich in der ganzen Kulturwelt die Verwendung des
Hartporzellans für Gebrauchsgeschirr im Haushalt in einem solchen
Maße eingebürgert, daß es uns heute schwer fällt, uns eine Haus-
haltsführung ohne ausgiebige Verwendung von Porzellangefäßen vor-
zustellen. Und doch ist diese allgemeine Verwendung des Porzellans
überaus jungen Datums. Wurde auch auf Grund der Böttgerschen
Erfindung die erste deutsche Porzellanmanufaktur in Meißen bereits
im Jahre 1710 errichtet und war die Fabrikation des weichen Porzellans
sogar schon etwas früher in England, J'rankreich und Italien auf-
fekommen, so entwickelte sich doch, obwohl eine ganze Anzahl von
lartporzellanfabriken in den genannten Ländern schon früher sich
aufgethan hatte, ein eigentlicher Massenverbrauch, an dem ver-
möge der großen Verbilligung auch der ärmere Haushalt sich
beteiligen konnte, erst während der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts. In dieser Zeit erst verdrängte das Porzellangeschirr all-
gemein die bisher üblichen Zinngefäße. Vermöge der größeren Härte
seiner Glasur sowie der überlegenen Schönheit seines Aussehens machte
es auch dem irdenen Töpfergeschirr eine vernichtende Konkurrenz,
so daß dessen Verwendung ganz auf untergeordnete Küchenzwecke
in ärmeren Haushalten beschränkt wurde.
In der Porzellanfabrikation behauptet Deutschland einen hervor-
ragenden Platz. Zur Zeit bestehen hier nicht weniger als 1503 Be-
triebe für Porzellanfabrikation und -Veredelung mit zusammen
35 914 Personen, unter ihnen Betriebe mit 6 und mehr Personen 268,
auf die allein 34 227 Erwerbsthätige entfallen. Von diesen 268
Fabriken liegen 112, zu einem erheblichen Teil erst in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts entstanden, im Gebiet der thüringischen Staaten,
darunter einige, die Hunderte von Arbeitern beschäftigen. Nur der
kleinere Teil der Fabrikate wird im Inlande abgesetzt, der weitaus
frößere Teil — von der auf 51,3 Mill. M. geschätzten Jahresproduktion
)eutschlands nicht weniger als 33,6 Mill. M. — , geht ins Ausland.
Litteratur. 375
Die Kleinheit der thüringischen Staaten brachten es mit sich,
daß die hier im 18. Jahrhundert erstehenden Fabriken für ihre
Produktion von vornherein nur in verschwindendem MaiSe in den
engen Grenzen des Heiraatsstaates Absatz zu finden vermochten. Für
die Hauptmasse war man ganz und gar auf die Ausfuhr ange-
wiesen. Aber nicht nur in allen Teilen des weiteren Vaterlandes
fanden die Fabrikate Verbreitung, trotz der größeren Transport-
schwierigkeiten jener Zeit gingen sie vielmehr auch damals schon
in ansehnlichen Mengen über die entfernten deutschen Grenzen zu
Lande und zu Wasser: nach Holland, Skandinavien, Rußland,
der Schweiz etc. Waren doch die „Türken koppchen " früh ein be-
liebter Handelsartikel, der in großen Posten über Wien in die Türkei
wanderte.
Gerade darin, daß in dem Porzellan ein neues Fabrikat erstand;
das bei allgemeiner Brauchbarkeit und hohem Wert verhältnismäßig
leicht und oillig nach allen Richtungen und auf große Entfernungen
mit Vorteil vertrieben werden konnte, lag die große Bedeutung des
neu aufkommenden Produktionszweiges für die vorwiegend armen
thüringischen Waldgebiete, deren Wohlstandsentwickelung und Be-
völkerungswachstum bei Beschränkung auf Urproduktion und Lokal-
gewerbe nur allzu enge Grenzen gezogen waren. Hier boten die
meist reichen Holzbestände ein billiges Brennmaterial, wie denn auch
die erforderlichen Thon- und Erdarten im Lande selbst vorgefunden
wurden. Zum zweiten Male ist hier in Thüringen das von Böttger
seiner Zeit entdeckte Porzellan von zwei Männern, von Georg Hem-
rich Macheleid zu Sitzendorf in Schwarzburg-Rudolstadt, sowie von
Gotthelf Greiner zu Limbach in S.-Meiningen, von jedem selbständig,
— um 1760 — nochmals erfunden worden. Auf Grund dieser Er-
findung entstanden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts etwa ein
Dutzend Fabriken auf thüringischem Gebiet, und wurde damit der
Grund gelegt für eme gegenwärtig in hoher Blüte stehende Industrie,
welche die Armut mancher abgelegenen Orte in Wohlstand verwandelt
oder in begünstigteren Orten den vorhandenen Nahrungsquellen eine
neue und ergiebige hinzugefügt hat.
Diesen Anfängen der thüringischen Porzellanfabrikation ist
Stieda in mehrjährigem eifrigen Studium nachgegangen, dessen Er-
gebnisse in dem oben bezeichneten Werke niedergelegt sind. Die
Arbeit, die er unternahm, war schon insofern wenig dankbar, als die
vorhandenen archivalischen Nachrichten nicht nur gering, sondern
überdies ganz außerordentlich zersplittert waren. Noch dürftiger
und schwieriger beschaffbar erwies sich begreiflicher Weise der
Vorrat sonstiger Spuren und Nachweise. Mit regem Interesse an
fewerbegeschichtlichen Materien mußte derjenige, der an diese
)ar8tellung herantrat, eine starke Vorliebe für Detailforschung
verbinden, sollte er nicht ermüden bei einer Arbeit, die von vorn-
herein auf Ergebnisse von weittragender Bedeutung nicht rechnen
konnte. Man kann daher die thüringische Porzellanindustrie nur
beglückwünschen, daß sich ihrer Geschichte ein Mann wie Stieda
annahm, der alle Voraussetzungen für erfolgreiche Arbeit auf diesem
Gebiete in sich vereinigte. Wenn bei der ünvoUständigkeit der
Quellen auch eifrigem Bemühen die Klarstellung gar vieler Einzel-
punkte nicht gelingen konnte, darf doch der Verfasser mit Recht,
wie er es thut, das Anerkenntnis beanspruchen, daß er „auf einem
bisher fast brach gelegenen Felde viel Neues und Sicheres gebracht
37G Litteratur.
und deu bisherigen Wirrwar auf dem (jebiete thüringischer Porzellane
beseitigt habe".
Hchon in den Anfang des ](S. Jahrhunderts fallen die ersten
Gründungsversuche, deren Schauplatz Saalfeld, Rudolstadt, Ilmenau
und (Joburg waren. Einige von ihnen führten zur Errichtung von bald
wieder untergegangenen Fabriken, bei denen es sich jedoch anscheinend
nicht sowohl uni eigentliche Porzellan-, als um Fayence-Produktion
handelte, wie dies anfänglich auch bei der Fabrik in Untermhaus
})ei Gera der Fall war. Erst mit der Thätigkeit der 1760 von
Macheleid, einem Studiosen der Theologie, in Sitzendorf errichteten,
bald schon nach Volkstedt verlegten Fabrik setzt die eigentliche
Porzellanfabrikation in Thüringen ein. Es folgen Gera 1762, Wallen-
dorf 1764,__Kloster Veilsdorf 17ör), Gotha 1767, Limbach 1772,
Ilmenau l;77, Großbreitenbach 1779, Rauenstein 1783, Blankenhain
1790, p]isenberg 1795, endlich Pößneck 1799. Über die Gründungs-
geschichte der einzelnen Fabriken, über ihre Leistungen und Schick-
sale werden wir überall so eingehend unterrichtet, wie es das beschaffte
Material gestattet.
Die von Macheleid errichtete Fabrik, die einer Sozietät gehörte,
an welcher der Fürst von Rudolstadt selbst sich mit einer Kapitalseinlage
beteiligte, war seit 1767 an den Erfurter Kaufmann Nonne verpachtet.
Aus der Sozietät mußte Macheleid selbst später ausscheiden und
genoß er seitdem eine Pension, welche der Fürst ihm ausgesetzt hatte.
Bedeutungsvoller als die Wirksamkeit des als grillicht und
eigensinnig geschilderten Macheleid war zweifellos diejenige Gottheit
Greiners für das allgemeine Aufblühen der thüringischen Porzellan-
industrie. Freilich was die Erfindung des Porzellans betrifft, so
gebührt ihr Ruhm — auch von Machelcids Verdiensten abgesehen —
unseres Erachtens nicht Gottheit Greiner allein. In den Ruhm der
Erfindung teilt dieser sich vor allem mit seinem Vetter Gottfried
Greiner, bis zu einem gewissen Gradwohl auch mitdem Coburger Topf er-
meisterDümmler, die beide gemeinsam mit ihm die schließhch ergebnis-
reichen Versuche vmternahmen. Ja, sein Vetter Gottfried war es, der sich
zuerst auf die Erfindung des P(jrzellans legte und ihm die erste An-
regung gab, da Gottfried selbst es an Zeit und Geld mangelte, allein
die Versuche zu Ende zu führen. Übrigens handelte es sich bei
Greiner wie bei Macheleid unserer Meinung nach im Grunde ge-
nommen immer nur um ein Nacherfinden. Denn aus welchen Be-_
Staudteilen das damals noch seltene Porzellan gewonnen wurde,
wußte Macheleid aus den Vorlesungen des Jenenser Physikers Ham-
berger, und Gottheit Greiner hatte nach eigenem Bekenntnis die
Schriften aller Vorgänger und Zeitgenossen über diese Materie eifrig
studiert, bevor ilmi sein Werk gelang. In den berühmten Meißener
Fabrikaten hatten sie überdies ein Vorbild, dessen Qualitäten zu er-
reichen das ausgesprochene Ziel ihrer Bestrebungen bildete.
Die Gründung Gottheit Greiners, dieses überaus strebsamen,
Eraktisch klugen und unternehmenden Mannes, war die Fabrik zu
,im])ach in S.-iMeiningen. Er selbst war eines Glasmachers Sohn,
auf den früh schon der Besitz der väterlichen Glashütte über-
gegangen war. Nachdem er die Limbacher Fabrik trotz mancher
äußeren Schwierigkeiten zu großer Blüte gebracht hatte, überließ er
sie 5 Jahre vor seinem 1797 erfolgenden Tode seinen ö Söhnen.
Im Laufe der Zeit war es Greiner sogar gelungen, mehrere
Porzellanfabriken in seiner Hand zu vereinigen. So erstand er 1782
Litteratur. 37^
von Herrn v. Hopfgarten die von diesem im Jahre 1777 oder 1779
in Großbreitenbacn geschaffene Anstalt, um sie, nachdem er sie neu
hergerichtet hatte, seinem Sohne Friedemann zu übergeben. Unter
dessen Leitung gelangte das EtabUssement zu großer Blüte, und
wenn sie auch unter dessen Nachkommen 1869 fallierte, so kam sie,
nachdem sie in den Besitz der Bühlschen Familie übergegangen
war, wieder zum alten Ansehen.
Von 1786—1792 hatte er überdies die Ilmenauer Fabrik von
der weimarischen Schatullverwaltung in Pacht. Gegründet 1777 von
dem Porzellanfabrikanten Christian Zacharias Gräbner aus Groß-
breitenbach, war diese infolge ausstehender Forderungen in fürst-
liche Verwaltung genommen worden. Schließlich sah sich die Scha-
tulle, nachdem sie nach einem Brande auch noch kostspielige
Neubauten hatte vornehmen lassen müssen, genötigt, die Fabrüc
selbst zu erwerben und an Greiner zu verpachten. 1792 trat an
Stelle Greiners, der die Pacht aufgab, Nonne, der schon erwähnte
Pächter der Volkstedter Anlage, welcher — anscheinend 1808 — die
Fabrik sogar eigentümlich erwarb, um sie bei seinem Tode seinem
Kompagnon und Schwiegersohn Eoesch zu überlassen. Gegenwärtig
noch floriert sie als Aktiengesellschaft, die 1896 gegen 500 Arbeiter
beschäftigte.
Am ausführlichsten sehen wir die Wallendorfer Fabrik be-
handelt, weil für ihre Geschichte die Quellen am reichlichsten flössen.
In der Geschichte der Porzellan fabrikation nimmt diese Anlage
insofern eine bedeutsame Stellung ein, als die beiden Greiners, da
Gotthelfs erste Konzession von 1762 für Limbach wegen mangeln-
der Sicherung des benötigten Holzes unverwertet blieb, hier in Ge-
meinschaft mit dem kapitalreichen Wolfgang Hammann ihre erste
Unternehmung gründeten, und zwar auf dem gemeinsam gekauften
dortigen Rittergute. 1770 trennte sich Gotthdf Greiner, nachdem
sein Vetter Gottfried inzwischen gestorben war, von Hammann,
um allein den oben erwähnten Betrieb in Limbach zu eröffnen, für
den er 1772 eine inhaltlich befriedigende Konzession von der mei-
ningenschen Regierung erlangte. Die Art, wie diese und die übrigen
Fa,brikgründun^en zu stände kamen, entsprach überall den Gepflogen-
heiten jenes Zeitalters. Sie erfolgten im Geiste eines verständigen
Merkantilismus. Nach gewissenhafter Prüfung ihrer persönlichen
Leistungsfähigkeit erteilte man den Gründern ein menr oder we-
niger exklusives Fabrikationsprivilegium für das Landesgebiet, gab
ihnen Grund und Boden, wies ihnen eventuell auch vorhandene Ge-
bäude, bisweilen sogar unentgeltlich, an, sicherte ihnen meistens das
erforderliche Brennmaterial aus den Landes forsten, verlieh ihnen
das Recht, die im Lande vorhandenen Fabrikationsmaterialien zoU-
und geleitfrei graben und abfahren zu lassen gegen billige Ent-
schädigung der Grundeigentümer, gewährte ihnen Freiheit von Steuern,
Auflagen und Einquartierung, von Mühlen- und Handwerkszwang,
gestattete ihnen, für den eigenen Bedarf und den der Arbeiterschaft
einen gewissen Viehstand zu halten, in diesem Umfange auch zu
backen, zu schlachten, zu mälzen, zu brauen und Branntwein
zu brennen. Selbst die Schriftsässigkeit, d. h. die eigene Gerichts-
barkeit über ihre Leute, die durch einen zu bestellenden Justitiarius
ausgeübt werden mußte, wurde ihnen vielfach gewährt. Bisweilen
auch erhielten sie nur die Kanzleisässigkeit, d. h. den unmittelbaren
XXI. 25
378
Litteratur.
Gerichtsstand unter dem Fürsten. Alles dieses und was sonst in
dieser Richtung geschah, trug nicht den Charakter rein persönlicher
Begünstigung, ledighch in reiflicher Erwägung der wirtschaftlichen
Vorteile vielmehr, welche man sich von derartigen Unternehmungen
für Land und Bewohner nicht ohne Grund versprach, wurden ihnen
solche Vorteile und Vorrechte eingeräumt.
Verschiedentlich beteiligten sich der Fürst und seine P^amilien-
glieder mit Kapitaleinschüssen an den Unternehmungen. Das Ru-
(lolstädter Beispiel erwähnten wir bereits. Die Fabrik von Kloster
Veilsdorf an der Werra war sogar vollständig und ausschließlich
eine Neuschöpfung des Prinzen Eugen von Hildburghausen, eines
Bruders des seit 1745 regierenden Herzogs Ernst Friedrich III.
Die Fabrik in Goha erstand der dortige Erbprinz von der Witwe
ihre? Begründers, um sie bald danach seinem ehemaligen Kammer-
diener in Erbpacht zu geben. Prinz Eugen, der Besitzer von Veils-
dorf, war offenbar ein Mann von mannigfachen wirtschaftlichen
und geschäftlichen Interessen, der sich eingehend mit seiner Fabrik
befaßte , dem es aber übrigens auch nicht darauf ankam , den
regierenden Fürsten gelegentlich zu übervorteilen. Es scheint, als
wäre seine Gründung die älteste Fabrik in Thüringen gewesen,
so daß. es uns nicht berechtigt erscheint, die Entstehung der thü-
ringischen Porzellanindustrie so ganz und gar auf die Erfindungen
von Macheleid und Gotthelf Greiner zurückzuführen, wie es St.
thut. Wenn die Veilsdorfer Anstalt auch seinem fürstlichen Besitze
anscheinend keine pekuniären Vorteile brachte, — vielleicht weil sie
zu sehr auch seinen Liebhabereien dienen mußte — so nahm sie
doch später, als sie nach seinem Tode in andere Hände übergegangen
war, einen großen Aufschwung. Die Käufer dieser Fabrik waren
die Söhne Gotthelf Greiners , welche dieselbe zusammen mit den
Besitzern des Rauensteiner Unternehmens — ebenfalls drei Greiners,
die in der Firma Friedrich Christian Greiner vereinigt waren, betrieben.
Später ging sie ganz auf Gotthelfs Söhne über. Hält man dies
zusammen mit dem früher Erwähnten, so erkennt man, in welch
erheblichem Umfange die Geschichte der Greiner'schen Familie mit
der Geschichte der thüringischen Porzellanfabrikation verwoben ist.
Wir müssen darauf verzichten, auf den Zustand und die
wechselnden Schicksale dieser und der übrigen Fabriken noch näher
einzugehen. Wer an weiteren Einzelheiten ein Interesse nimmt,
bleibt ja doch auf die Lektüre des Buches selbst angewiesen. Wir
vermögen aber an dieser Stelle die Bemerkung nicht zu unter-
drücken, daß unserem Urteile und Empfinden nach die Details
des Verfassers vielfach so sehr ins Extreme gehen, daß sie höchstens
noch ein lokal- und familiengeschichtliches Interesse bieten und
bisweilen auch das nicht einmal. Dies gilt meines Erachtens vor
allem von zahlreichen orts- und familiengeschichtlichen Bemerkungen
und Daten, desgleichen von der Baugeschichte und der Schilderung
der räumlichen Einteilung einzelner Fabrikanlagen. Irgend welchen
wirtschaftsgeschichtlichen Wert in ihnen zu entdecken, ist uns nicht
gelungen. Welche Beziehung bat denn — um dies Eine heraus-
zugreilFen — die ausführliche Schilderung, wie das von Hammann
erstandene Rittergut Wallendorf von den Vorbesitzem durch Zu-
sammenkauf geschaffen wurde, zu der Geschichte der Porzellan-
industrie? Die Thatsache, daß Wallendorf behufs Gründung einer
Fabrik angekauft wurde, begründet doch nur einen rein äußerlichen
Litteratur. 379
Zusammenhang. Welches allgemeine Interesse kann ferner die
fenaue Mitteilung all der Anweisungen in Anspruch nehmen, welche
'rinz Eugen von H. für die Ausführung irgend einer Kaffee-
tasse oder eines Medaillonbildnisses gab, die er zu Geschenken be-
stimmte, oder gar die näheren Angaben darüber, wieviel Stufen im
Gebäude der Ilmenauer Fabrik die Treppen zählten, die von einem
Stock zum anderen, auf den Boden und in den Kellerraum führten,
wieviel Penster an jeder Seite die Dreherstube besaß, wieviel Re-
positorien zur Aufbewahrung der Formen vorhanden waren und wie-
viel Seiten- und Querpfosten das Gestell zum Trocknen des ge-
drehten Geschirrs enthielt? Wen kann es endlich interessieren, zu
erfahren, daß dort 2 Abtritte auf einem Gange vorhanden waren,
daß die Thür, welche das große Porzellan magazin mit dem kleineren
verband, „nur einen Drücker und über diesem noch einen Riegel
hatte", sowie daß das Treppengeländer grau gestrichen war?!
In der Ausdehnung, in der es hier geschehen ist, will uns
auch die Mitteilung des urkundlichen Materials nicht ganz be-
rechtigt erscheinen. Manches Dokument ist denn doch gar zu be-
deutungslos, als daß es sich lohnte, es im Wortlaut vorzuführen,
zumal wenn sein Inhalt im Texte seine Verwertung gefunden
hat. Als Beispiele, die sich beliebig vermehren ließen, nennen wir
das Schreiben des Fürsten zu Schwarzburg an den Geheimrat von
Holleben wegen Tilgung eines der Volkstedter Fabnk geliehenen
Kapitals sowie die Abrechnung über die Tilgung, die einfache Be-
scheinigung des Verwalters Ludwig über die Beschäftigung eines
gewissen Conrad Meyer in der Fabrik zu Kloster Veilsdorf, eine ge-
schäftUche Anweisung des Hofrats Bertuch in Weimar an den Rent-
Kommissar in Ilmenau zu Zahlungen für die Porzellanfabrik etc. etc.
Vermögen wir schon den Wert der seitenlangen Inventur- und Sen-
dungsverzeichnisse nicht recht einzusehen, so ist es uns ganz unerfind-
lich, warum St. verschiedentlich sogar Naraenslisten der in einzelnen
Fabriken beschäftigt gewesenen Künstler und Arbeitern, die er von
Pfarrern aus den Kirchenbüchern ausziehen ließ, für mitteilungs-
wert erachtet hat. Von manchem Arbeiter finden wir das Todes-
jahr, bisweilen selbst den Todestag registriert. Noch darüber hinaus
gehen Mitteilungen wie die, daß ein 1798 als Dreher und Maler in
Großbreiten bach beschäftigter J. W. L. Luther, den die Liste nennt,
früher in Wallendorf thätig war und ein — ungenanntes — Mädchen
aus Großbreiten bach heiratete! Weiter als es hier geschehen ist,
kann die Specialisierung wirtschafts-historischer Forschung schwerlich
getrieben werden I
Mehr Interesse hat es zu erfahren, wie schon am Ende des
18. Jahrhunderts die thüringischen Fabriken der Meißner Ware
unlautere Konkurrenz bereiteten, indem sie die Meißener Fabrikmarke,
zwei gekreuzte Kurschwerter, auf ihren geringeren und entsprechend
billigeren Fabrikaten imitierten. Hiergegen suchte Bich Sachsen
durch Mandate zu schützen, welche Einfuhr und Verkauf so ge-
zeichneten Porzellans verboten. Zeitweise dachte man sogar daran, nach
preußischem Muster, auch die Durchfuhr in das Verbot einzu-
beziehen, doch sah man hiervon nach Erwägung der damit ver-
bundenen Nachteile ab. Da die Mandate nicht genügend fruchteten,
wandte sich schheßlich der Churfürst mit erfolgreichen Beschwerden
an die thüringischen Fürsten, die „alsbald den Gebrauch der-
artiger imitierter oder doch durch ihre Ähnlichkeit mit dem Meißener
25*
380 Litteratur.
Zeichen zu unbeabsichtigter Verwechslung führender Marken wirk-
sam verboten. Gotthelf Greiner ersetzte aus freien Stücken seine
alten Fabrikmarken durch ein Kleeblatt. Zu einer gewissen Ent-
schuldigung der thüringischen Fabrikanten, kann zum Teil wohl
der Umstand dienen, daß ihre Abnehmer vielfach jene imitierten
Marken des besseren Absatzes wegen ausdrücklich verlangten.
Erwähnenswert ist endlich die Thatsache, daß bereits aus dem
Jahre 1814 ein Entwurf zu einem Kartell vertrage vorhanden ist,
nach welchem die Beteiligten sich verpflichten sollten, gleiche Preise
für ihre Fabrikate zu halten, ihre Erzeugnisse mit einem Stempel
schon in der Masse zu zeichnen und die Arbeitszeugnisse für die
entlassenen Arbeiter in einheitlicher Form auszustellen. Ob das
beabsichtigte Kartell zustande gekommen ist, ließ sich nicht fest-
stellen. Das letzte Kapitel gedenkt in Kürze der erfolgreichen Ver-
pflanzung der Porzellanindustrie nach Böhmen durch thüringische
Arbeiter und Fabrikanten.
Dürfen wir zum Schluß noch kurz der Darstellungsmethode
gedenken, so möchten wir darauf hinweisen, daß das St. 'sehe Buch
eine einheitlich zusammengearbeitete Schilderung des industriellen
Entwickelungsganges nicht bietet, sondern nur eine Aneinander-
reihung einzelner Fabrikgeschichten. Wir wollen nicht bestimmt
entscheiden , ob eine zusammenfassende Darstellung durchweg
möglich war. Jedenfalls hätte, durch eine solche, soweit sie sich er-
möglichen ließ, das Ganze an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit außer-
ordentlich gewonnen. Allerdings hätte die Einschlagung dieses
Weges den Verzicht auf zahlreiche Details und somit eine wesentliche
Kürzung bedingt. Aber mit einer gedrängteren und geschlosseneren.
Darstellung, zumal wenn mit ihr eine wesentliche Beschränkung des
mitgeteilten Urkundenmaterials Hand in Hand gegangen wäre, nätte
der Verfasser, ohne dem Inhalt Abbruch zu thun, seinem Buche
sicherlich einen bedeutend erweiterten Leserkreises gesichert, ein
Gewinn , mit dem wohl nicht nur dem Verfasser sondern auch
der Sache gedient gewesen wäre. Aber auch in der vorliegenden
Form erscheint uns im Hinblick auf die mäßige Ausbeute an wirt-
schafts- oder kulturgeschichtlich relevanten Momenten, welche St.'s
Untersuchungen ergeben haben — und daß dem so ist, liegt nicht
an dem Verfasser, sondern an der geringen Fruchtbarkeit des be-
handelten Gegenstandes — das Buch allzu umfangreich. Weniger
wäre mehr gewesen I J. Pierstorff (Jena).
V und VI.
Jordan, R. : Der Übergang der Eaigerlichen freien Reichsstadt
Mühlhauscn in Thüringen an das Königreich Preußen 1802.
Festschrift der Stadt Mühlhausen zur Jubelfeier 1902, im Auf-
trage der städtischen Behörden verfaßt. Mühlhausen i. Thür.,
Druck der Danner'schen Buchdr., 1902. 124 SS. gr. 8". Mit
1 Karte u. 6 Abb.
OTcrmann, A.: Die ersten Jahre der preußischen Herrschaft in
Erfurt, 1802—1806. Mit 6 Abb. Erfurt, Keyser'sche Buchh.,
1902. VIII u. 145 SS. 8". (A. u. d. Titel: Festschrift zur Feier
der hundertjährigen Zugehörigkeit Erfurts zu Preußen. Veran-
laßt und unterstützt von der Stadt Erfurt.)
Daß in ursprünghch freien Reichsstädten, deren Selbständigkeit
durch die als „Fürstenrevolution" von Treitschke bezeichnete Gewalt-
Litteratur. 3g^
politik des Reichsdeputationshauptrecessea vernichtet worden ist,' eine
Jubelfeier unter dem Motto „Hundert Jahre unter Preußens Krone"
abgehalten worden ist, ist ein glänzendes Zeugnis für die preußische
Verwaltung und ein sprechender Beweis für die dem Staate des
Großen Fnedrich innewohnende Kraft, neu gewonnene Gebiete innig
mit sich zu verschmelzen. In Mühlhausen und in Nordhausen, den
alten thüringischen Reichsstädten, wie in dem vom Krunmistabe
ehemals beherrschten Eichsfelde und in Thüringens Metropole hat
man sich kaum genug thun können, um dem Jubel darüber Aus-
druck zu geben, daß man vor 100 Jahren unter die Fittiche des
preußischen Aares genommen worden ist.
Eine Anzahl von Gelegenheitsschriften hat die Ereignisse, die
vor einem Säkulum im dahinsiechenden alten Reiche den Zersetzungs-
prozeß beschleunigt haben, wiederum ins Gedächtnis zurückgerufen.
Einige haben nicht nur ephemere Bedeutung. Unter den auf thürin-
fischem Boden zur Jubiläumsfeier veröffentlichten Büchern verdienen
ie oben genannten besondere Beachtung.
Der Chronist der Stadt Mühlhausen, Professor Dr. R, Jordan,
ist ein vortrefflicher Kenner der Geschichte Mühlhausens, wie eine
große Anzahl von ihm verfaßter Schriften beweist. Ihm ist mit
Recht die Abfassung der Festschrift von den städtischen Behörden
übertragen worden. Er hat seine Aufgabe weiter gefaßt, als der
Titel des Buches erkennen läßt; denn er behandelt zunächst die
älteren Beziehungen Mühlhausens zu Brandenburg-Preußen und am
Schluß auch Mühlhausens Schicksale unter Jerömes Herrschaft und
während der Befreiungskriege. Wir erfahren daraus, daß schon der
Große Kurfürst sein Augenmerk auf die Stadt gerichtet hatte. Im
Jahre 1687 forderte er die beiden thüringischen Reichsstädte als
Entschädigung für im Dienste des Reiches aufgewandte Kosten. Die
Städte und ihr Gebiet sollten eine Verbindung seiner Staaten mit
Umgehung Hannovers schaffen helfen. Angesichts der heftigen
Opposition, die von den Reichsstädten erhoben wurde, ließ Branden-
burg 1688 auf Rat Dankelmanns seine Ansprüche gegen eine Geld-
entschädigung fallen.
Nachhaltiger wurde Preußens Eingriff in die Geschicke der
Stadt im Jahre 1783 unter Friedrich VVilhem I. Immer wieder-
kehrende Verfassungsstreitigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft
hatten in diesem Jahre zu ernsten Unruhen geführt. Zur Her-
stellung der Ordnung rückten im Namen des Kaisers preußische
Truppen unter Leopold von Dessau und Wolfen büttelscne Mann-
schaften in Mühlhausen ein. Die Reichsexekution, die der Stadt
rund 121 000 Thaler Kosten verursacht hat, wurde offenbar auch der
Anlaß, daß von 1738 bis 1796 ein preußischer Resident in der Stadt
weilte. Schlimmer erging es ihr im siebenjährigen Kriege, der die
Schuldenlast dieser kleinen Gemeinde um 300000 Thaler steigerte.
Der berüchtigte preußische Rittmeister Kowatsch, der auch in Langen-
salza und in Nordhausen wie ein Brigant hauste, hat Mühlhausen
zweimal ausplündern lassen. So gerieten die Finanzen in heillose Ver-
wirrung. Der Krieg der deutschen Mächte gegen die Franzosen seit 1792
kostete der Stadt, die samt der Bewohnerschaft der zu ihrem Gebiet ge-
hörigen Dörfer nicht ganz 15000 Köpfe betrug, wieder fast 200000
Thaler. Ihre Bedrängnis wurde immer größer. Und nun gelangte mehr
und mehr ,,jene ruchlose Ländergier in Europa zur AUemherrschaft",
wie Treitschke die Politik jener Tage kennzeichnet, „die kein Recht
anerkannte als das Recht des Stärkeren". Durch den Kleinmut von
382 Litteratur.
Basel und durch das Ränkespiel von Grodno hat Preußen an seinem
Teile dazu geholfen. Säkularisation und Mediatisierung waren jetzt
die Schlagwörter der Diplomaten. Und doch ist diese würdelose
Ländergier für unser deutsches Vaterland schließlich segensreich ge-
worden. Wurde doch die Politik des Eeichsdeputationshauptschlusses,
wie wir retrospektiv erkennen, eine Vorstufe für die Einigung.
Lebensfähig waren die meisten der kleinen deutschen Reichsstände
längst nicht mehr. Wie Overmann für das geistUche Territorium,
so zeigt das Jordan auf das Anschaulichste für das reichsstädtische.
Der Abschnitt über die Zustände der Stadt am Ende der
Reichsfreiheit und das vierte Kapitel, das eine Beurteilung des
Unterganges reichsstädtischer Freiheit bietet, gehören zu den ge-
lungensten Partien des Buches. Der Verfasser giebt darin einen
vortrefflichen Überblick über die wirtschaftliche Lage der Stadt, die
Verwaltung und Justiz, über Kirchen- und Schulwesen, über Stadt-
wehr und das Leben der Bürger und zeigt, daß das Urteil Häusser's
und Maurers über den Verfall der Reichsstädte auch für Mühl-
hausen Geltung hat. Auch hier wurde geklagt über Verschuldung
und mangelhafte Justiz und Verwaltung; bitterer Hader herrschte
zwischen der Bürgerschaft und dem Stadtregiment. „Mühlhüsch
Gebot, hält's der Borger, so bricht's der Roth", so lautet ein charak-
teristisches Sprichwort.
Dahin war der Wohlstand vergangener Tage, verfallen das einst
blühende Gewerbe, geschwunden der Geist der Väter, das trotzige
Selbstvertrauen und der alte Freiheitsstolz. Die Wehrverfassung
war zum Gespött geworden. Treffend ist das Urteil des wackeren
Archivars Stephan, der als Augenzeuge die Verwaltung kennen ge-
lernt hat: „Das reichsstädtische Regiment glich einem Greise, der
die Ruhe liebt, wenngleich er noch gern von den Thaten und Wag-
nissen seiner früheren Jahre erzählt."
So war es ein Glück, daß die Stadt unter die strenge, aber
gerechte Zucht des preußischen Staates genommen wurde, deren
Wert auch von dem Teil der Bürgerschaft schließlich anerkannt
wurde, der sich nur schweren Herzens, und der Gewalt weichend, in
die neuen Verhältnisse geschickt hat. Die westfälische Zeit, in der
mit den Resten der Selbständigkeit aufgeräumt und die Bewohner
durch hohe Steuern und Zwangsanleihen bedrückt wurden, hat sie
die Reichsstadt vergessen lehren, und während sie westfälisch waf,
ist sie gut preußisch geworden. Die Wiedervereinigung mit dem
preiißischen Staate wurde ihr eine Erlösung.
Mühlhausen hat allen Grund, dem fleißigen Verfasser der
Jubiläumsschrift, der im Mühlhäuser Anzeiger (1902) No. 179 und
191 noch einige Nachträge dazu gegeben hat *), dankbar zu sein für
die gediegenen und lehrreichen Forschungen, die in dem Buche
niedergelegt worden sind.
Eine willkommene Ergänzung zu Jordans Schrift bildet das
Buch A. Overmanns, des Nachfolgers des leider zu früh durch den
Tod entrissenen Erfurter Stadtarchivars C. Beyer, ,,Uber die ersten
Jahre der preußischen Herrschaft in Erfurt 1802—1806" ; denn der
Geschichte einer freien Reichsstadt tritt hier die Darstellung der
Verhältnisse einer untereeistlicher Herrschaft stehenden größeren und
wichtigeren Stadt beim Übergange an den preußischen Staat zur Seite.
1) Auch Ed. Heydenreich gab einige Ergänzungen. Siehe
N. A. f. Sachs. Gesch., Bd. XXIlf 1902, 357 f.
Litteratur. 383
Gegenstand eingehender Forschung ist ein kleiner Zeitraum
der Stadtgeschichte, der aber für die neuere Geschichte Erfurt« ent-
schieden die wichtigsten und folgenreichsten Jahre umfaßt. Die
Untersuchung dieser Periode mußte fast ausschließlich auf Grund
von archivalischem Material geführt werden. Um so wertvoller und
fewinnbringender ist des Verfassers Arbeit, deren Ergebnisse in
larer und schöner Sprache niedergelegt werden und eine wesent-
liche Bereicherung der Geschichte der preußischen Staatsverwaltung
und des preußischen Beamtentums bedeuten. Die Akten des Er-
furter Stadtarchivs, des Staatsarchivs zu Magdeburg und des Ge-
heimen Staatsarchivs zu Berhn wurden mit gutem Erfolg ausgebeutet.
Für die Aufnahme, die die preußischen Reformen in der Bürger-
schaft fanden, konnte das Zeugnis eines biederen Erfurter Bürgers,
der handschriftliche tagebuchartige Aufzeichnungen hinterlassen hat,
herangezogen werden.
Um die Verhältnisse, unter denen der Übergang an die preußi-
sche Herrschaft erfolgte, historisch zu beleuchten, giebt Overmann
in einem wesentlich auf gedrucktem Material beruhenden Abschnitt
ein Bild von Erfurts Entwickelung von den frühesten Anfängen bis
zur Occupation durch Preußen. Auch Erfurts Lage war am Schluß
dieser Periode trotz Dalbergs gut gemeinter Reformen in jeder Be-
ziehung traurig. Verfassung, Verwaltung, Wirtschaftsleben, Uni-
versität und Schulen waren unter der Herrschaft des Kurfürsten
von Mainz durchaus rückständig geblieben, und trotz gänzlicher
Abhängigkeit von der geistlichen Herrschaft zeigten Erfurts Bürger
bis zuletzt noch das Gebahren, wie es zur Zeit der „de facto", wenn
auch nicht ,,de jure" völligen Selbständigkeit im Mittelalter be-
rechtigt gewesen, zur Zeit der Einverleibung aber nur noch wesen-
loser Schein war.
Viel mußte also die preußische Bureaukratie leisten, wenn der
Stadt aufgeholfen werden sollte. Dieser Aufgabe zeigten sich die
Beamten durchaus gewachsen. Während gleich die ersten, nament-
lich die ärmeren Klassen belastenden Maßregeln der Militärverwal-
tung geradezu darauf angelegt schienen, in der Bevölkerung eine
leidenschaftliche Opposition gegen die Besetzung durch Preußen
wachzurufen, operierten die Civilbeamten der sogenannten Organi-
sationskommission, die von den Militärs nicht einmal als gleichbe-
rechtigt angesehen wurden, viel glücklicher. Sie, nicht etwa erst die
französischen Beamten, legten den Grund zu dem modernen Erfurt.
In übersichtlicher und scharf disponierter Darstellung zeigt der Ver-
fasser, wie die Organisationskommission in kurzer Zeit maßvoll und
geschickt Reformen auf allen Gebieten durchführte oder anbahnte,
o wurde die Säkularisierung der reichen katholischen Kirchengüter,
wenn auch nach rein fiskalischen Gesichtspunkten , durchge-
führt. Sorgfältig vorbereitet wurden weiter die Neuorganisation
und die großen Reformen der Justiz, die in dem ganzen kur-
fürstlich Alainzer Gebiete in völligen Verfall geraten war. Waren
doch nicht weniger denn zwölf zum Teil konkurrierende Gerichts-
stellen in der Stadt vorhanden, die geradezu chaotische Zustände
herbeiführten. Das Recht war nicht einheitlich, Justiz und Ver-
waltung waren auch hier noch nicht getrennt, und der Gerichtsstellen
waren zu viel. Auf dem Gebiete der Justiz wirkten die preußischen
Beamten, wie Overmann in einem vortrefflich gelungenen Abschnitte
nachweist, Wunder. Sofort wurde die Folter aufgehoben, die preußi-
sche Gerichtsordnung am 1. Juni 1803 eingeführt und ein Jahr
384 Litteratur.
später mit der Einführung des bewährten preußischen Landrechts
ein einheitliches Recht für Erfurt geschaffen, endlich auch die
Trennung der Justiz und der Verwaltung verfügt.
Schwierig, aber folgenreich war die Reform der Stadtverfassung
und Stadtverwaltung, die in der Form noch auf mittelalterlicher
Grundlage beruhten, trotzdem der absolute Staat ihre Befugnisse
längst beschränkt hatte. Die Mitglieder der obersten städtischen
Behörde wurden königliche Beamte, ihre Anzahl wurde gehörig be-
schränkt, das Wahlrecht aufgehoben, nur ein Präsentationsrecht ge-
währt, auch hier die Justiz von der Verwaltung getrennt, so daß
der Magistrat nur „Polizeimagistrat" blieb. In der Verfassung der
Stadt ließ man dagegen das alte Institut der Specialgemeinden, über
die uns Vollbaum unterrichtet hat, sowie das der fünf Hegemäler
mit ihrer Aufsicht über die Fluren bestehen.
Das Kassenwesen wurde vereinfacht, was im Interesse des
Staates, wie der Stadt lag; dagegen wirkte der rein fiskalisch ge-
haltene neue Tarif, der eine umfassendere und höhere Besteuerung
zur allgemeinen Entrüstung der Bürgerschaft brachte, auf den Er-
furter Handel ungünstig ein.
Auf dem Gebiete des Kirchen- und Schulwesens ging die Re-
gierung sehr behutsam vor. Was reformbedürftig war, sollte ge-
ändert werden ; doch setzte der Krieg von 1806 allen weiteren Maß-
nahmen ein Ziel.
Von besonderem Interesse sind des Verf. Ausführungen über
die Ursachen, die zur Aufhebung der über 400 Jahre alten Hoch-
schule, der einstigen Hochburg des Humanismus in Deutschland,
geführt haben. Lebensfähig schien allerdings auch dieses Institut, .
das einst der Stolz der Erfurter gewesen, nicht mehr zu sein, doch
hätte man ihm ein ehrenvolleres Ende gönnen sollen, als es aus
fiskalischen Gründen leider geschehen ist. Definitiv wurde die Auf-
hebung erst 1816. Bezeichnend ist, daß man auch die Akademie zu
opfern ursprünglich entschlossen war.
Daß alle Reformen gut gemeint, vortrefflich vorbereitet und, so-
weit die Zeitumstände es erlaubten, thatkräftig durchgeführt wurden,
hat schließlich auch die damals lebende Generation trotz mancher
berechtigter Klagen anerkennen müssen und hat sich 1814 gefreut,
nach der Franzosenzeit, die ihr fast völligen Ruin gebracht, wieder
unter den Schutz des schwarzen Adlers zu kommen.
0. Dobenecker.
VII.
Bergner, H. : Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler der Kreise Ziegenrück: und Schiensingen.
Herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz
Sachsen. Mit 156 in den Text gedruckten Abbildungen, 3 Tafeln
u. 2 Karten. Halle, O. Hendel, 1901. VII und 260 SS. gr. 8».
(Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler der Provinz Sachsen und Herzogtum Anhalt, XXIL
Heft.) 7 M.
Die beiden südlichsten, von dem Kerne völlig abgetrennten
Kreise der Provinz Sachsen haben weder im geologischen Aufbau,
noch im Volkstum ihrer Bewohner, noch in im-er historischen Ent-
wickelung gemeinsame Züge aufzuweisen. Wenn die Beschreibungen
ihrer Bau- und Kunstdenkmäler trotzdem in diesem Buche vereinigt
Litteratur. 335
worden sind, so haben praktische Erwägungen den Ausschlag dafür
geben müssen. Thatsächlich zerfällt der Band in zwei ganz selb-
ständige Teile, die aber nach einem und demselben Schema bear-
beitet worden sind. Die Aufnahme und die Verarbeitung sind fast
ausschließlich das Werk H. Bergners. Nur subsidiär dienten ihm
Notizen, die der unermüdliche G. iSommer im Jahre 1879 gesammelt
hatte. Anlage und Ausführung zeigen, daß die Arbeit den rechten
Händen anvertraut worden ist.
In der Einleitung zu jedem der beiden Teile, giebt Bergner auf
Grund der besten einschlägigen Werke einen Überblick über die
geologischen und aligemein geographischen Grundlagen der Land-
schaften, schließt daran eine Betrachtung über die vorgeschicht-
hche und geschichtliche Entwickelung der Kreise bis in die neuere
Zeit an, um zuletzt die Kirchengcschichte im besonderen und einen
Überblick über die allgemeine Litteratur zu bieten. Die Sagen
werden mit Recht nur skeptisch behandelt.
Auf die Einleitung folgt in alphabetischer Folge der Orts-
namen die Inventarisation der Bau- und Kunstdenkmäler, die in
jedem Falle durch kurze historische Notizen über die Ortsgeschichte
eingeleitet und durch in den Text eingefügte Abbildungen nach
vortrefflich ausgeführten Federzeichnungen des Verfassers illustriert
werden. Das Gesamtergebnis der Forschung wird sodann in einer
kunststatistischen Übersicht nach bestimmten Kategorien gezogen.
3 Tafeln mit Abbildungen der Henneberger Grabdenkmäler in
Schleiisingen und je eine baugeschichtliche und Wüstungskarte für
jeden Kreis, bei deren Herstellung dem Herausgeber die erprobte
Kraft eines Reischel zur Seite stand, schließen den „Band.
Die Inventarisation und der kunsthistorische Überblick zeigen,
wie verschieden die beiden Kreise sind. Der Kreis Ziegenrück ist
arm an Kunstdenkmälern. Es hat ihm an einem Centralpunkt von
jeher gefehlt. Kein Fürstensitz , kein wichtiges Kloster , keine
frößere Stadt war vorhanden. Die örtlichen Verhältnisse waren
ümmerlich. Kriegsdrangsale und Feuersbrünste vernichteten nur
zu oft die Ansätze zu einigem Wohlstand. Nur der eingesessene,
verhältnismäßig zahlreiche Landadel war begütert und kunstsinnig. So
zeichneten sich als Förderer der Kunst die Herren des Schlosses Wern-
burg aus. Dazu kam, daß das Baumaterial, das man in der Gegend vor-
fand und verwandte, der Schiefer, zu Kunstformen ungeeignet ist.
Reicher und anziehender sind dagegen die kirchlichen und pro-
fanen Bauwerke und Kunstaltertümer im Kreise Schleusiagen. Die
Basilika in Vessra, die noch aus der ersten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts stammt, die Bertholdsburg in Schleusingen und die Schlösser
in Kühndorf und Schwarza ragen besonders hervor.
Die vortrefflichen Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz
Sachsen haben durch Bergners Publikation eine wertvolle Erweite-
rung erfahren. Mit reicher Sachkenntnis und technischem Geschick,
das in den photographische Aufnahmen bei weitem übertreffenden
Federzeichnungen zu Tage tritt, verbindet Bergner großen Fleiß und
echt wissenschaftliche Gewissenhaftigkeit. Er hat sich bemüht, die
vorhandene Litteratur möglichst vollständig zu verwerten, erschöpft
hat er sie allerdings nicht; mancher Beitrag zur Ortsgeschichte ist
ihm entgangen. So wird es ihn gewiß interessieren, zu erfahren,
daß Wernburg einst als Raubburg in recht üblem Rufe stand. So
heißt es in einer sehr wichtigen und umfangreichen Urkunde vom
Jahre 132Ü, „raptorum in Werrinberg, qui pro maiori parte de
386 Litteratur.
rapinis nutriuntur", und weiter, „per gwerras dominorurn in Wida
cum marchione Mysnense, burggravio de Nornberg, dominis in
Werrinberg". Auch vormisse ich einen Hinweis auf die Walsburg,
die elK.'nfalls ein Raubschloß genannt wird (inspectis gwerris et
rapinis continuis per raptores morantes in castris Honwalde,
Werriberg et Waldisbcrg). Von einem Grafen von Arnshaugk sollte
man trotz der Angaben einiger Chnmiken nicht sprechen. Elisabeth
von Arnshaugk wurde übrigens schon am 24. August des Jahres
1800 mit Friedrich dem Freidigen vermählt (s. Cron. Eeinhardsbr.
ad a.). Auffällig ist, daß Bergner (S. 120, N. 1) die Ausgabe der
Cronica Reinhardsbrunnensis von Holder- Egger noch nicht kennt.
Unverständlich ist es, wie er du'/.u kommt, das im Hersfelder Zehnt-
verzeichnis als Ort des Friescnfeldes genannte Bisgofesdorph S. 131
auf Bischofsrod bei Schleusingen zu beziehen. Auch der Name
Eicholuesrode gehört nicht zu Bischofsrod. Die Arbeit von H. Quantz
über „Neue La Tene- Bronzen aus Ranis" in dieser Zeitschr., Bd. 20,
S. 663^668, wird dem Verf. als Ergänzung zu seinen Ausführungen
über i^rähistorische Funde im Kreise Ziegenrück willkommen sein.
O. Dobe n ecker.
VIII.
Gutbier, II. : Die Grabdeiikmälc^r der Bergkirche zu Langensalza.
30 Abbildungen mit erläuterndem Text. Herausgegeben vom
Gewerbeverein zu Langensalza, 1!)01. Kommissionsverlag von
H. Beltz m Langensalza. 30 Tafeln, 1 Plan und 41 SS. 4P.
6 M. ^
Die Bergkirche oder Kirche des hl. Stephanus in Langensalza,
die urkundlich zum erstenmal im Jahre 1196 genannt wird, enthält
in der Vorhalle, in den Gängen und im Altarraum eine Anzahl
Grabdenkmäler, die das Interesse der Geschichtsfreunde zu erregen
geeignet sind. Der rührige Stadtarchivar von Langensalza, Herr
H. Gutbier, hat 30 Abbildungen davon in 29 trefflichen, von C.
Hcllfarth in Gotha hergestellten Lithographien und in einem Licht-
drucke auf Kosten des Gcwcrbevereins von Langensalza und mit
Unterstützung der Historischen Kommission der Provinz Sachsen,
der städtischen Beh()rden von Langensalza und des Vereins zur Er-
forschung und Erhaltung der Denkmäler der Provinz Sachsen ver-
öffentlicht und dazu eingehende historische und genealogische Er-'
klärungen gegeben. Letztere wenden sich zwar in erster Linie an
solche Leser, die mit den Institutionen früherer Zeiten nicht vertraut
sind, werden darum für den Geschmack des Historikers an manchen
Stellen zu breit, dürften aber den Zweck, belehrend und aufklärend
zu wirken, erreichen. Gutbier hat sich bemüht, aus allerhand Archi-
valien, Chroniken inid darstellenden Werken Nachrichten über die
auf den Denkmälern genannten Personen und ihre Zeit zusammen-
zubringen, und hat damit ganz interessante Beiträge zur Geschichte
verschiedener Geschlechter, wie der von Salza, Stockhausen, Berlepsch,
Haugwitz, Erfia, Wurmb, der Spitznase, Metzsch, Goldacker u. a.
geliefert. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß dabei Irr-
tümer mit untergelaufen sind, ja daß einige Notizen im Widerspruch
zu den auf den Grabdenkmälern überlieferten Angaben stehen.
So ist der thüringische Erbfolgestreit nicht schon, wie S. 1 be-
hauptet wird, im Jahre 1200 beendet worden; wurde doch die
Schlacht bei Wettin erst am 27. Oktober 12G3 geschlagen. — Die
Litteratur. 337
Umschriften in den Tafeln No. 7, 8 und 9 sind nicht richtig trans-
skribiert und nicht richtig erklärt worden. In No. 7 ist S. 9. : Anno
domini MCCCCLXXXVI. feria sexta ante Ambrosii; in Tafel 8,
S. 11: Anno MCCCCLXXXVIIII (anstatt MCCCCLXXX III.) und
in Tafel 9, S. 12: feria V. (anstatt feria) zu lesen. Feria sexta ante
Ambrosii ist ebensowenig der sechste Tag vor Ambrosius, als feria V.
f)ost Mariae als der fünfte Tag nach Maria anzusehen ist. Bekannt-
ich bedeutet feria den Wochentag. Tafel 7 ist also zu datieren:
1486 März 30; Tafel 8, wo vor quinta zu ergänzen ist „feria* und
demnach gelesen werden muß „Anno MCCCCLXXXVIIII. [feria]
quinta po.st Lucie" : 1489 Dezember 17, und Tafel 9: 1490 Donners-
tag nach Maria. O. D oben eck er.
IX.
Thiele, R.: Bilder aus Thüringens Sage und Gescbiebte. Nach
Konrad Stolles Chronik. Erfurt, C. Villaret [1902]. II und 96
öS. 8«.
Im Jahre 1900 gab K. Thiele im 39. Bande der Geschieh ts-
Quellen der Provinz Sachsen das Memoriale, thüringisch-erfurtische
Chronik von Konrad Stolle ') neu heraus, jene kulturhistorisch inter-
essante thüringische Chronik, die, im engsten Anschluß an Johann
Rothes Düringische Chronik') verfaßt, mit dieser und Härtung
Kammermeisters Erfurter Chronik eine Fundgrube für Sagen aus
Thüringens reicher Vergangenheit geworden ist. Aus dieser Quelle
schöpfte der Herausgeber bereits, als er seine „Bilder aus Erfurts
Vergangenheit" verfaßte"). Sie gab ihm auch die Anregung zur Her-
ausgabe des oben genannten neuen Werkchens.
Mit liebevoller Hingabe, mit Umsicht und feinem Verständnis
hat er sich seiner Aufgabe unterzogen, die er sich nicht leicht ge-
macht hat; denn er hat nicht etwa kritiklos seinen Gewährsmann
ausschreiben wollen. Als guter Kenner der thüringischen Geschichte
und der reichen Litteratur über diese macht er überall kenntlich,
wie weit StoUes Angaben Glauben verdienen. So führt er uns an
der Hand der Geschichte und der Sage durch die Vergangenheit der
Thüringer und ihres schönen Landes, berichtet von ihrer Herkunft
und erzählt von ihren Schicksalen bis zu dem letzten Landgrafen
von Thüringen, d. h. bis zum Jahre 1440.
Des Verfassers Liebe zur thüringischen Heimat und sein Ver-
ständnis für historische Vorgänge treten in jedem der zehn Bilder,
deren Lektüre angelegentlichst empfohlen werden kann, deutlich her-
vor. O. Dobenecker.
X.
Wilhelm, Ottomar: Tauf- und Rufnamen im Herzogtum Coburg.
Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Namengebung. Coburg,
Druck von A. Rossteutscher, 1902. Pr. 33 SS. 4«.
Eine Geschichte der deutschen Namengebung, die ihrerseits ein
Teil der Sitten- und Kulturgeschichte Deutschlands werden müßte,
ist noch nicht geschrieben worden. Wilhelms Arbeit will einen Bei-
1) Halle, O. Hendel, 1900. XII u. 568 SS. 8".
2) Thür. Geschichtsqu., 8. Bd. Jena, Fr. Frommann, 1859.
3) Erfurt, C. Villaret. 1901. 52 SS. 8".
388 Litteratur.
trag dazu liefern, und dieser Beitrag ist dank der Gründlichkeit, mit
der das Thema hier behandelt worden ist, als ein wohlgelungener zu
bezeichnen.
Der Verf. hat unter Benutzung historiscl^^er Litteratur die Vor-
namen zunächst für die Bewohner der Stadt Coburg bis ins 16. Jahr-
hundert und zum Teil darüber hinaus verfolgt. Gute Dienste leisteten
ihm dabei die bis 1598 zurückreichenden Verzeichnisse der Schüler
der Coburger Rats- und Knabenschule. Zu bedauern ist, daß gleich-
artige Quellen für die weiblichen Vornamen nicht vorhanden sind,
so daß deren Bestand nur für die jüngste Vergangenheit aufgenom-
men werden konnte. Den gegenwärtigen Stand der Namengebung
im ganzen Herzogtum giebt eine 1901/2 an sämtlichen Schulen
vorgenommene Namenzählung wieder.
In einem lehrreichen Überblick behandelt er zunächst Bildung
und Geschichte unserer klang- und bedeutungsreichen altdeutschen
Namen und vergleicht sie mit den anderer indogermanischer Völker,
wobei in verständiger Auswahl die germanistische und kulturhisto-
rische Litteratur zur Beweisführung herangezogen wird.
Auf die Bedeutung der großen geistigen Strömungen und der
politisch-nationalen Entwickelungsreihen, die die Geschichte unseres
deutschen Volkes bestinunt haben, besonders des Humanismus, der
Reformation und des dreißigjährigen Krieges geht er sachkundig
ein und hebt scharf hervor, wie auch auf dem Gebiete der Namen-
gebung Deutschland in eine wesentlich norddeutsch - protestantische
und eine süddeutsch- (und westdeutsch-)katholische Provinz zer-
fällt.
Auf diesem Hintergrunde behandelt Wilhelm nun in gründ-
licher Forschung die Entwickelung der Coburger Tauf- und Ruf-
namen bis zur Gegenwart und läßt dabei höchst interessante
historische Streiflichter auf die Zeitereignisse, die sich in der Namen-
gebung widerspiegeln, fallen. Als Motive für die Wahl der Namen
findet er traditionelle, ethische, religiöse, patriotische, dynastische und
litterarische Hilfen, zu denen sich schließlich noch gesellen die der
Originalität und der Unauffälligkeit. Die statistischen Angaben und
die daraus gezogenen Folgerungen werden den Forschern auf diesem
Gebiete willkommen sein und mancherlei Anregungen geben.
Nur ergänzend möchte ich darauf hinweisen, daß in Thüringen,
wie zahlreiche Urkunden beweisen, schon im IB. Jahrhundert Fa-
miliennamen belegt sind, und daß auch für Coburg ein früherer An-
satz für die Zeit ihres Auftretens als das 14. Jahrhundert gerecht-
fertigt ist; kommt doch schon im Jahre 1225 ein Konrad Schott
(oder Schad) dort urkundlich vor. 0. Dobenecker.
XI.
Litterarische Mitteilung'.
„Tliüring-ens Sturz", dramatische Dichtung in 2 Teilen von Her-
mann Größler. E. Pierson 's Verlag, Dresden, 1902. Preis
M. ;j,— .
In Thüringens alte Heldenzeit führt uns. das prächtige Drama,
das eine ernsthafte Talentprobe bedeutet. „Seiner thüringischen
Heimat" hat es der Dichter gewidmet, und etwas von dem kräftigen
Hauche des Thüringer Waldes durchflutet auch das interessante
Litteratur. 339
Stück, das in zwei Teile zerfällt, deren jeder ein abgeschlossene«
Schau- bezw. Trauerspiel bildet. Im ersten Teile „Amalberg" steht
diese Königin, eine Tochter des gotischen Herrschergeschlechts, im
Mittelpunkte der Handlung, sie greift in den Konflikt zwischen
ßadench von Südthüringen und seinem Bruder Irminfried von Nord-
thüringen, der mit dem Tode des ersteren endet, ehrgeizig ein.
Amalberg trägt sich mit großen Plänen, die deutsche Einheit untor
ihres Gatten Vormacht erscheint ihr als leuchtendes Ziel. Im
zweiten Teile „Irminfried" erleben wir den Zusammenbruch so
großer Hoffnungen — die Ermordung des Königs durch die Franken.
Die umfangreiche Tragödie ist geschickt aufgebaut und in charak-
teristischen, der Situation angepaßten Versen — gereimten Jamben,
Blankvers, Strophen und Stäben — geschrieben. Das Drama des
begabten Landsmanns Otto Ludwigs dürfte auch von der Bühne
herab von starker Wirkung sein.
XII.
Übersicht der neuerdings erschienenen Litteratur zur
thüringischen Geschichte und Altertumskunde').
A. H.: Die Mission des Obersten v. Döring und das Telegramm
des Landrats v. Wintzingerode vom 25./26. Juni 1866. Jahrb. f. d.
deutsche Armee. 121, S. 343—352.
A. K.: Das 100-jähr. Wahrzeichen am Adlerturm. Eine Epi-
sode beim Einzug der preußischen Truppen am 5. Aug. 1802. Münl-
häuser Anz. (Fest-Nummer) vom 2. Aug. 1902.
Aktenstücke, Zwei, zur G. der Klosterschule Roßleben, zum
erstenmale gedruckt. Progr. der Klostersch. zu Roßleben, 1901.
3 SS. 4».
Am ende, E.: Landeskunde des Herzogt. Sachsen- Altenburg.
Altenburg, Tittel, 1902. VII u. 272 S§. gr. 8^ Mit 14 Abb.
Ansprachen, gehalten bei der Übergabe des neuen Lesehallen-
gebäudes seitens der Carl Zeiss-Stiftung an den Lesehallenverein in
Jena, 20. Sept. 1902. Inh. : 1. Ansprache des Stiftungskommissars,
des Herrn Geh. Regierungsrat Vollert. 2. Ansprache des Herrn
Professor Eduard Rosenthal, 1. Vorsitzenden des Lesehallen Vereins.
16 SS. 8».
ATrnold], E.: Zum Gedächtnis des „Vaters der sächsischen
Geschichte" (J. Chr. Schöttgen). Leipziger Tagebl. (1901). No. 641.
Arnstadt. Thür. Monatsbl. X, 36— 39, 66— 68. '
Baethcke: Die Kirche zu Georgen thal. S.-A. 7 SS. 8».
Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, H. XXVIII,
Herzogtum Sachsen -Coburg und Gotha. Landratsamt Coburg. Amts-
ferichtsbezirke Neustadt, Rodach, Sonnefeld und Königsberg in
ranken. Mit 5 Lichtdrucken u. 45 Abb. im Texte. Jena, G. Fischer,
1902. 153 SS. gr. 8°.
[Benedijct: Nord bayerische Reste im Vogtlande. Vogtl.
Anz. u. Tagebl. (1902). No. 81.
1) Vgl. die Übersichten über die neuen Erscheinungen zur Ge-
schichte des Königreichs Sachsen von H. Ermisch im Neuen
Archiv für Sächsische Geschichte u. Altertumsk. XXIII, 180—192
u. 361—372.
390
Litteratur.
Berbig, M.: Ernst der Fromme. Gothaische Ztg. 1901. Dez. 24.
Derselbe: Die Würdigung der Verdienste Herzog Ernst d.
Fr. um das Schulwesen in der Litteratur. — Zeyß, A. : Joh. Ernst
Christian Haun. Prgr., Gotha, Thienemann, 1901. 29 SS. 8".
Beschorner, H.: Denkschrift über die Hersteilung eines
Ortsverzeichnisses für das Kgr. Sachsen. Der Auftr. der Kgl.
Sächsischen Kommission für Geschichte. Dresden, Dr. von W. Baensch,
1903. VII u. 68 SS. 8°.
B e t h 1 e h e m , Das Thüringer. Thür. Monatsbl. IX. S. 103—105.
Beyer, C.: Zur Geschichte der Hospitäler u. des Armen-
wesens in Erfurt. Erfurt, Gramer, 1901. 60 SS. 8'».
Blanckmeister, F.: Karl von Hase. Festrede zur Ent-
hüllung einer Gedenktafel an Hases Geburtshaus bei der Feier seines
100. Geburtstages in Niedersteinbach. Beitr. z. sächs. Kirchengesch.
H. XV. Leipzig, 1901.
Bohl, Ed. : Beiträge zur Geschichte der Reformation in Öster-
reich. Hauptsächlich nach bisher unbenutzten Aktenstücken des
Regensburger Stadtarchivs. Jena, G. Fischer, 1902. VI u. 484 SS.
8°. Vgl. Zs. des V. f. Thür. G. u. A. XX, 327—432.
Bönhof f : Das Bistum Naumburg u. sein Gebiet im heutigen
Königr. Sachsen. Sächsisches Kirchen- u. Schulblatt. 1901. No. 38
—40. Sp. 470—476, 482—487, 498—502.
B ohn e , E. Ch. : a) Diarium oder Tagebüchlein weg. d. kgl. preuß.
Einfalls in Nordhausen unter d. Commando des Gen .-Adjutanten und
Obristeu von Tettau . . . 1703. b) Nordhäusische Chronika ; beigefügt ist
die Walkenriedische Chronika, so vormals von H. Eckstormio in Lat.
Sprache ausgefert. worden, nunmehr aber ins Teutsche übers. 1701.
Hrsg. von H. Heineck, Nordhaixsen, Ebert, 1901. 33. u. 85 SS.
Bojanowski, El. v. : Herder u. die Herzogin Louise. Halb-
monatshefte der deutschen Rundschau, hrsg. von J. Rodenberg
1901/1902. No. 8, 9, 10, 11.
Bosse, H. : Fürstl. Gymnasium zu Sondershausen. Katalog
der Lehrerbibl. T. 1. Sondershausen. OPr. 1901. 32 SS. 8".
Bruchmüller, W. : Zur Colonisierung und Germanisierung
des südlichen Sorbenlandes. Leipziger Ztg. 1901. No. 133.
Brüll, Joh.: Fürst Hardenberg u. Kanonikus Wolf. Nach
ungedruckten Briefen. Heiligenstadt, 1901. GPr. 28 SS. 8«.
Buchner, O. : Die mittelalterlichen Grabplatten in Nord-
Thüringen mit besonderer Berücksichtigung der Erfurter Denkmäler. .
(Studien z. d. Kunstgesch. H. 37.) Straßburg, E. Heitz, 1902. IX u.
180 SS.gr. 8».
Bühring, J. : Zur Verbindung des Rennsteigs mit Karl dem
Großen u. dem Landgrafenumritt. Das Mareile III. Reihe (1902).
No. 4 u. Zum Landgrafenumritt. Ebenda No. 5.
Christmann, C. : Melanchthons Haltung im schmalkaldischen
Kriege. Hist. Studien, veröffentl. von E. Ehering. H. 31. Berlin,
E. Ehering, 1902. VIII u. 160 SS. 8».
Giemen, O. : Beiträge zur Reformationsgeschichte aus Büchern
u. Handschr. der Zwickauer Ratsschulbibl. H. 2. Berlin, C. A.
Schwetschke u. S., 1902. IV u. 147 SS. 8".
Derselbe: Ein Brief des Wolf gang Cyclopius von Zwickau (an den
Bischof Johann v. Naumburg). NA. f. Sächs. G, XXIII, 134-137.
Delbrück, B. : Eine Gedächtnisrede für den 1899 verstorbenen
Schulrat Dr. Friedrich Urtel. Jenaische Ztg. Jahrg. 229. No. 154
(1902, 4. Juli).
Litteratur. 391
Derham, J.: Saxe et Thuringe. Situation ^conomigue en
1901. Extrait du recueil consulaire beige T. 117. Broxelles» P.
Weisscnbruch, 1902. 54 p. 8°.
Devrient, E. : Testament der Frau Margarete von Gera. Zs.
f. Kulturgesch. (1902). S. 345 u. 34Ü.
Derselbe: Bericht über den Verein f. Thür. Gesch. u. A.
Deutsche Geschichtsbl. III, 308-311.
Derselbe: Ernst der Fromme. Thüringer Rundschau 1901.
No. 49. Jena, d. 22. Dez. 1901.
Derselbe: Saalfeld. Ebenda 1902. No. 15 u. Saalfelder Kreis-
anzeiger 1902. No. 87.
Ebart, P. v.: Die Teilung des Herzogtums S.-Gotha-Alten-
burg im J. 1826. Goth. Tagebl. (1901;. No. 264, 270, 272, 275, 279,
281, 285, 287.
Derselbe: Camillo Richard Freih. v. Seebach. Ebenda (1902).
No. 63, 64, 66.
Derselbe: Georg Benda, Herz. Sachsen-Gothaischer Kapell-
direktor. Bl. f. Haus- u. Kirchenmusik. VI. No. 1 — 3. Langen-
salza, 1902.
Eckermann, J. P. : Gespräche mit Goethe in den letzten
Jahren seines Lebens, hrsg. von A. Bartels. Leipzig, Diederichs, 1901.
XXIV, 490; 568 SS. 8".
Ehwald, R.: Ausstellung z. Feier des 300-jähr. Geburtstages
Emsts d. Fr. aus den von ihm begründeten Sammlungen, eröffnet
auf Schloß Friedenstein am 20. Dez. 1901. Gotha, Perthes (1902).
Eichhorn, K. : Studien zum Chronicon Hennebergense.
Meinin^en. G. Einladungsschr. 1901. 28 SS. 4".
[Eichhorn, K.] : Die erste Fahrpost durch die Grafschaft
Camburg im Jahre 1690. Bl. f. Unterhaltung u. Belehrung, Sonn-
tags-Beil. z. Jenaischen Ztg. 1902. No. 30 (27. Juli).
Er 1er, G. : Die Matrikel der Universität Leipzig. Im Auftrage
der kgl. Sachs. Staatsreg. hrsg. A. u. d. T. : Cod. dipl. Saxoniae
regiae IL Hauptt. Bd. XVlII. Leipzig, Giesecke u. Devrient, 1902.
XIV u. 1001 SS. 4".
Ermisch, H. : Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Erster
Hauptteil. Abt. B. Zweiter Band. Urkunden der Markgrafen von
Meißen und Landgrafen von Thüringen. 1396 — 1406. Leipzig, Giesecke
u. Devrient, 1902. XV u. 597 SS. 4". (Besprechung im nächsten Heft.)
Festgabe der Stadt Ilmenau zur XVII. Generalversammlung
der Goethe-Gesellsch. 1902. Hrsg. von P. Pasig. Ilmenau, A.Schröter,
P. Schulze: 1902. 20 SS. gr. 4».
Festschrift zur 25-jähr. Jubelfeier des städtischen Museums
in Nordhausen. Nordhausen, Haacke in Komm., 1901. 56 SS. 8*".
Inh.: Heineck, H., Urkundl. Gesch. des städtischen Museums (1876
— 1901). — Rausch, P., Führer durch das städt. Museum.
Fischer, W.: Voigtland oder Vogtland. N. Vogtl. Ztg. 1902.
No. 15.
Derselbe: Un gedr. Plauen betreffende Urkunden aus dem Stadt -
archive zu Eger. Mitt.des Altertumsv, zu Plauen i. V. XV, 9—16.
Derselbe: Adam Viether aus Plauen, Lehrer an der Latein-
schule zu Eger. Ebenda XV, 17-20.
Derselbe: Zwei Urkunden betr. Georg Raute. Ebenda XV,
21-24.
Flemming, P. : Zwei Aktenstücke z. Geschichte der Kloster-
schule Roßleben. Roßleben, Prgr. S. 1—3. 4°.
392 Litteratur.
Fort seh: Über die vor- u. frühgeschichtlichen Verhältnisse der
Provinz Sachsen. Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthropologie
etc. XXXI, S. 77—80.
Francke, [H. G.]: Die St. Peterskirche in Weida. Weidaer
Ztg., Jahrg. 53, 20. Sept.. 1901 u. Jahrg. 54, No. 4 vom 5. Jan. 1902.
Fritsch, K. v. : Über Taubach und andere Thüringer Fund-
stätten ältester Spuren und Reste des Menschen. Correspondenzbl.
d. deutsch. Ges. f. Anthropologie etc. XXXI, S. 99, 101—103.
Fuchs, H. : Christoph Roßhirt: Des Fürsten Wilhelm, Grafen
zu Henneberg, Leben, Amt u. seliger Abschied. Drei Geschichten
von Besessenen, aus der Mitte des 16. Jahrh. Schleusingen, Prgr.
1902. 29 SS. 4«.
F Ursen. O. : Die kursächsischen Floßkontrakte mit der Stadt
Halle. NA. f. Sachs. G. XXIII, 64-83.
G. : Die 300-jähr. Erinnerungs-Feier der Rückkehr Kurfürst
Johann Friedrich des Großmütigen aus seiner Gefangenschaft und
seines Empfanges am Fürsten brunnen. Jenaische Ztg., Jahrg. 229,
No. 240.
Gabi tz seh, W. : Ein altes Eisenacher Stadtbild. Thür.
Monatsbl. IX, S. 96—98.
Derselbe: Eisenach vor zweihundert Jahren. Thür. Monatshl.
X, S. 25 f., 105—108.
Gerischer: Der Sturm auf Kloster Zella. Eine Erinnerung
an den 24. März 1848. Mühlhäuser Anz., 106. Jahrg. (1902). No.
69 u. 70.
Geschichte, Die, der Einverleibung Mühlhausens in Preußen.
Mühlhäuser Anz. (Fest-Nummer) vom 2. Aug. 1902.
Gesellschaft, Thüringische, des Pfefferhandels zu Leipzig.
Leipziger Tagebl. (1901). No. 484.
Goethe- Briefe. Mit Einl. u. Erläut. hrsg. von Ph. Stein.
Bd. I: Der junge Goethe 1764—75. Bd. II: Weimarer Sturm u.
Drang, 1775-83. Berhn, Eisner, 1901 u. 1902. XVI, 304 u. XVI,
312 SS. 8«.
Göpel: Das Kaiserschloß Mylau. Unsere Heimat, Illustr.
Monatsschr. f. d. gesamte Erzgebirge u. Vogtland I (1902). 248 — 251,
277-279.
Grenadier-Bataillon, Das kursächsische, „Aus dem Win-
kel" bei Jena. Jahrb. für die deutsche Armee, 113, S. 39 — 42.
Gritzner, M.: G. des sächs. Wappens. Vierteljahrsschrift f.*
Wappenkunde, XXX (1902). 1—65.
Größe 1, J. : Das Kollektenbuch der Stadt Pegau vom J. 1670.
NA. f. Sächs. G. XXIII, 115—124.
Größler, H.: Thüringens Sturz. Dramatische Dichtung in
zwei Teilen. Dresden u. Leipzig, C. Piersons Verl., 1902. 280 SS.
8». 3 M.
Grundkarte von Deutschland, nach v. Thudichums Vorgange
als Grundlage für historische und statistische Forschungen bearbeitet.
Sektion 415/441 (Borna-Altenburg). Hrsg. von der kgl. Sächsischen
Kommission für Geschichte. Gez. von R. Lorenz. Dresden, Druck
von P. Herrmann.
Günther, 0.: Ein historisches Lied gegen Herzog Moritz von
Sachsen, NA. f. Sächs. G. XXIII, 214—219.
Gutwasser, K.: Kursachsen u. Erfurt im 18. Jahrh. Leipzig,
1901. Inaug.-Diss. 120 SS. 8°.
Litteratur. 393
Habbicht, H. : Die ehemalige Zeug- u. Raschm acherei in
Eisenach. Thür. Monatsbl. X, 95—09.
H a n n a c h , E. : Erzb. Siegfried I. von Mainz als jieröönlicher
u. politischer Charakter. Rostock. Diss. 1901. G2 SS. 8".
Heer wart, El.: Friedrich Fröbels Heimatland. Thüringer
Rundschau. 2. Jahrg. No 12 u. 13.
Heine, K. : Nordhausen u. Preußen. Nordhausen, L. Hor-
nickcl, 1902. VIII u. 119 SS. 8».
Heineck, H.: G. Juni 1902. Brandenburg-Preußen und Nord-
hausen in urkundlicher Darstellung. Zur Feier der l(X)-jähr. Zu-
gehörigkeit der Stadt Nordhausen zur Krone Preußen. Fest«ichrift.
Commissionsverlag von C. Hanckes Buchhandlung. [Nordhausen,
1902]. IV u. 239 SS. 8«.
Heineraann, O. v. : Höckelheim [und Langensalza]. Braun-
schw. Magazin 1901. No. 20 f.
Held mann, K. : Das Spital der h. Elisabeth und die Anfänge
des deutschen Ritterordens in Marburg. Hessenland, XVI. Jahrg.
No. lü. 1. Aug. 1902.
Helmrich, W. C: Wanderbilder und Waldpartieen aus
Jenas Umgegend und dem Saalthale. 2., um mehr als die Hälfte
verra. u. verb. Aufl., Jena, G. Neuenhahn, 1902. 143 SS. 8".
Hertel, O. u. L. : Die Pfersdorfer Mundart. Zs, f. hoch-
deutsche Mundarten III, 96 — 120.
Heyden reich. Ed.: Eine ungedruckte Urkunde des Münz-
meisters Nicolaus Monhaupt. NA. f. Sachs. G. XXIII, 128 f.
Derselbe: Bau- und Kunstdenkmäler im Eichsfeld und in Mühl-
hausen. Vortrag, geh. auf der Frühjahrs- Versammlung des geschäftsf.
Ausschusses der Provinzial-Denkmälerkoramission der Provinz Sachsen
in Heiligenstadt am 20. Mai 1902. Mit 2 Tai u. 40 Holzschnitten
im Text. Mühlhaiisen i. Thür., C. Albrecht, 1902. 35 SS. gr. 8».
Hörnlein, R.: Festrede, gehalten am Geburtstage Sr. Hoheit
des Herzogs, 2. April 19<X) (über Herzog Bernhard v. S.-Meiningen).
Hildburghausen, 1901. GPr. S. 3-12. 4°.
Hofmann, B. : Magister Andreas Reyher. Ein Gedenkbl. zu
8. 300-jähr. Geburtstage. Thür. Schulbl. 1901. S. 65.
Derselbe: Thüringens Volksschule vor der Schulreformation
Herzog Ernsts d. Frommen. Ebenda 1901. S. 179 ff. u. Forts. 1902.
Derselbe: Herzog Ernst d. Fromme. Gotha, Thienemann
(1901). 29 SS.
Hörn, E. : Sainte Elisabeth de Hongrie. Paris, Perrin, 1902.
VII u. 288 SS. 8«.
Ißleib, S. : Hans von Küstrin und Moritz von Sachsen.
NA. f. Sachs. G. XXIII, 1—63.
Jänner, G. : Sättelstädt u. s. Gewannflur. Goth. Tagebl.
(1901). No. 30.
Jahre, Zweihundert, Regimentsgeschichte. Zum 200-jähr.
Jubiläum des 5. Thüring. Inf. -Rej;:inients No. 94 (Großherzog von
Sachsen). Jenaische Ztg. Jahrg. 229 (1902). No. 251—254.
Jellinek, G. : Georg Meyer. Worte der Erinnerung. Heidel-
berg, J. Hörning, 1900. 14 SS. 8«.
J e n a , als Universität und Stadt. Herausg. vom Verein zurFörder-
ung des Fremdenverkehrs. Jena, Verl. d. Vereins, [1903J.46 SS. 4".
Jena, das weinumkränzte. JenaischeZtg. Jahrg. 229 (1902j No. 92.
Johnson: Vogtl. Altertümer. Vogtl. Anz. u. Tagebl. (1901).
XXI. 26
394
Litteratur.
No. 215. 228, 240, 252, 263, 274, 286, 297, 302; (1902), No. 15, 20,
27, 39, 50, 59, 73, 76, 107, 121, 140, 151, 159, 163, 188, 207.
J ordan : Inscriptiones Mulhusinae. Die öffentlichen Inschriften
der Stadt Mühlhausen (Thür.). Gesammelt von W. Bader. Aus
alter Zeit. Zwanglose Beibl. zum Mühlhäiiser Anzeiger (1902).
No. 38 u. 39.
Derselbe: Schollmeyer, J. G., Der heilige Kampf vom Jahre
1815. Ein Epos. Mühlhausen 1816. [Neu herausgeg.] Aus alter Zeit.
Zwangl. Beibl. zum Mühlhäuser Anzeiger. 1902. ]So. 35.
Derselbe: Zur Geschichte der Stadt Mühlhausen. Thür.
Beil. z. Jahresber. des Gymnasiums in Mühlhausen i. Th. 1902.
48 SS. 8". Inh : 1) B. C. Graßhof, Von dem eigentlichen Alter der
ältesten Statutorum der Reichsstadt Mühlhausen. Hrsg. von Dr.
Jordan. S. 3—9. — 2) Zur Gesch. der städtischen Bibliothek. S. 9
bis 20. — 3) Verzeichnis der Inkunabeln der Ratsbibliothek. S. 20
bis 27. ~ 4) Thomas Münzers Witwe. S. 27—31. — 5) Zur Geschichte
der Unruhen 1523 — 25. S. 31 — 42. — 6) Caspar Federwisch und die
entwichenen Bürger. 1526. S. 42 — 48.
Derselbe: Der Uebergang der Kaiserlichen freien Reichsstadt
Mühlhausen i. Thür. an das Kgr. Preußen 1802. Festschrift der
Stadt Mühhausen zur Jubelfeier 1902 im Auftrage der städtischen
Behörden verfaßt. Mühlhausen i. Thür., Druck der Danner'schen
Buchdr., [1902 1. 124 SS. gr. 8".
Derselbe: General Czernischeff u. die Behörden der Stadt
Mühlhausen, nebst einigen andern Nachträgen zur Festschrift. Mühl-
häuser Anz. (Festnummer) vom 2. Aug. 1902.
Derselbe: Das Patent vom 6. Juni 1802. Mühlhäuser Anz.
106, Jahrg. (1902). No. 191.
Kalender, Thüringer, 1903. Hrsg. vom Thüringischen
Museum in Eisenach. Mit Zeichnungen von E. Liebermann-München.
Inh.: Herzog Bernhard von Weimar. Von Herrn. Freih. v. Egloff-
stein. — Paulinzelle und Thalbürgel, Von E. Kriesche. — Der
Säulenbau im Kloster Georgenthal. Von Pfarrer Baethcke. — Der
ehemalige Lustgarten in Weimar. Von Dr. Burkhardt. — Die
Wiedenkirche zu Weida. Von Eggeling. — Altes Fachwerkhaus
in Arnstadt. Von P. Weber. — Thalerkannc aus dem Jahre 1636.
Von L. Pick. — Von der „fruchtbringenden Gesellschaft". Von
P. V. Bojanowski. — Das Portal des Rathauses zu Gotha. Von _
R. Ehwald. — Burg Lauen stein, die fränkisch-thüringische Grenz-
warte. Von Merat. — Waltershausen. Von A. Trinius.
Kawerau, G. : Luthers Rückkehr von der Wartburg nach
Wittenberg. Halle, O. Hendel, 1902. 68 SS. 8». (Neujahrsbl. hrsg.
von der hist. Kommission der Pr. Sachsen. H. 26.)
Keil hau in Wort und Bild. Geschildert von Lehrern,
Schülern und Freunden Keilhaus. Hrsg. vom Bunde ehemaliger
Keilhauer. Leipzig, Druck von Thalacker u. Schöffer, 1902. 242 SS. 4".
Kettner, Ad.: In Thüringen. Aus der Jugendzeit des Frei-
waldauer Amtshauptmanns Karl Ditters von Dittersdorf. Mit
Illustration. Altvater, Organ des mährisch -schlesischen Sudeten-
Gebirgs- Vereins. XX. Jahrg. (Freiwaldau 1901). S. 65—67.
Kirchenordnungen, Die evangelischen, des 16. Jahrb.,
hrsg. von E. Schling. I. Sachsen u. Thüringen nebst angrenzenden
Gebieten. 1. Hälfte: Die Ordnungen Luthers. Die ernestinischen
und albertinischen Gebiete. Leipzig , Reisland , 1902. XXIII u.
746 SS. 8».
Litteratur. 395
Klarmann, J. L.: G. der Familie v. Kalb auf Kalbsrieth.
Erlangen, F. Junge, 1902. XII u. Ö7G SS. 8". Mit Karten.
Kl eint eich, H. : Kranichfeld u. s. Umgebung. Historisch,
topographisch u. naturgeschichtl. dargestellt. Denkschr. zur 250-jähr.
Jubelfeier der Erhebung des Ortes zur Stadt am 21. Sept. 1901. Zu-
gleich Führer u. Wegweiser durch den Ort u. die Umgegend. I. Heft:
Geschichte u. Topographie. Mit einem topographischen Kärtchen
u. 3 nach des Verfassers Handzeichnungen ausgeführten Autotypieen.
Kranichfeld a. Ihn, G. Hahn, 1901. 150 SS. 8°. Dazu Supplement
mit weiteren Quellennachweisen u. Ergänzungen. 1902.
Knetsch, K. : Von der Hochzeit des hessischen Lgr.
Wilhelm d. M. zu Cassel 20. Okt. 1500; aus dem Henneberg. Gem.
Archiv zu Meiningen. Vierteljahrsschr. f. Wappenkunde. XXIX,
247-252.
Derselbe: Die Familie Steitz zu Schmalkalden. Wellers A.
f. Stamm- und Wappenkunde. III. S. 73—76.
Kort um: Die ßauthätigkeit des kurfürstl. Statthalters Philipp
Wilhelm von Boineburg in Erfurt. Denkmalpflege. III, 34—36,
43-45, 54 f. "^ ^ .
Krüger, G. : Karl August v. Hase. Realencyklop. f. prot.
Theol. VII, 453-61.
Laue, M.: Sachsen u. Thüringen. Jahresber. der Geschichtsw.
Jahrg. XXIII. 1900. Berlin, Gärtner, 1902. II, 223—253.
Lauri n , W. : Der Kampf um das Pleißnerland. Unsere Heimat.
Illustr. Monatsschr. f. d. gesamte Erzgebirge u. Vogtland. I (1901),
89—91.
Derselbe: Rudolf v. Habsburg u. die Wettiner. Wiss. Beil.
der Leipz. Ztg. 1901. No. 68.
Lemmens, L. : Zur Biographie der h. Elisabeth, Landgräfin
v. Thüringen. Mitt. d. bist. V. der Diöz. Fulda. IV, 1—24.
Leonhardt: Führer durch Jena u. Umhegend. 2. Teil. Aus-
flüge in die nähere u. weitere Umgegend (mittleres Saalthal mit
Nebenthälern u. Nachbarstädte)' 2. A. Mit Eisenbahnkarte, Wege-
karte für die nähere Umgegend (1:33000) u. Spezialkarte für die
weitere Umgegend (1:150000). Jena, Doebereinersche Buchh. Nachf.
Raßmann, 1902.
Licht, B.: Ein Thüringer Kulturbild aus dem 16. Jahrh.
Thür. Monatsbl. X, 108—110.
Liederhandschrift, Die Jenaer. Bd. I: Getreuer Abdruck
des Textes ; besorgt von G. Holz. Bd. II : Uebertragung, Ilhythmik
und Melodik; bearb. von E. Bernoulli u. F. Saran. Leipzig, Hirsch-
feld, 1901. 240 u. 200 SS. gr. 4».
Lockner, G. H. : Meiningen als Münzstätte der Bischöfe von
Würzburg. Blätter für Münzfreunde. XXXVII, Jahrg. (1902). No. 9.
Derselbe: Würzburger Pfennige aus der Münzstätte zu
Stadtschwarzach. Ebenda.
[Lobe, R.] : Zum Gedächtnis an D. th. et phil. August Julius
Lobe, Geh. Kirchenrat u. Pfarrer em. in Rasephas, geb. d. 8. Jan.
1805, gest. d. 27. März 1900. SA. aus dem Kirchl. Jahrb. f. d.
Herzogt. Sachsen-Altenburg. 6. Jahrg.
L ober , E. : Die Glashütte am Einsiedeisbrunn. Thür. Monatsbl.
X, 23—25, 99—101.
Lorenz, H.: Nachricht von einer verloren gegangenen, nach
Wernigerode geflüchteten Kaiserkrone des Domschatzes zu Quedlin-
26*
396 Litteratur.
bürg [auf Grund eines Befehls des Churf. Jollann Friedricli d. Gr.
von 1547 März 15J. Zs. des Harzv. XXXIV, 135—140.
Loth, R.: Erfurter Volksfeste. Thür. Monatsbl. IX. S. 111— 115.
Derselbe: Abergläubische Vorstellungen in Erfurt. X. S.17f.,
26-28, 80-82.
Lutze, G. : Die fürstliche Hofkapelle zu 8ondershausen von
1801—1901. Sondershausen, Eupel, 1901. 40 SS. 4» u. 5 Taf.
M., G. : Zur Erinnerung an das 200-jähr. Jubiläum des ö.
Thüring. Inf. - Regiments No. 94 (Großherzog von Sachsen). Dem
III. (Füsilier-) Bataillon zu Jena gewidmet. Jena, 28. Okt. 1902,
G. Neuenhahn. 15 SS. 8"
Derselbe: Das alte Schloß [in Jena]. Beil. zu No. 33 der
Jenaischen Ztg. 1902. Febr. 8.
Mahlmann,M.: Andreas Reyher. Gotha 190L
Meßraer, Erh.: Sagen und Sänge vom Lauenstein und
Loquitzthal. Mit Bildern von F. Müller in Münster. Berlin, Fischer
und Franke, 1902.
Meyer, H. B.: Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner in
der Zeit einheitlicher Herrschaft über die Meißnisch-Thüringischen
Lande. 1248—1379. Leipz. Studien IX. Bd. 3. Heft. Leipzig,
B. G. Teubner, 1902. XI u. 151 SS. 8».
Meyer, K. : Die Wasserversorgung der Stadt Nordhausen seit
alter Zeit. Zs. des Harzv. XXXIV, 519—534.
Minnigerode-Allerburg, A. Frh. v. : Ein Südharzer
Grundherr [Hans von Minnigerode] zur Reformationszeit. Zs. d.
Harzv. XXXIV, 444-472.
Mitzschke,P. : Weimars Klassiker und die Stenographie. Fest-
schrift zur X. Bundesversammlung des Thüringer Stenographen-
Bundes Stolze-Schrey in Weimar 1902. S. 19-27.
Möller, H.: Ernst d. Fromme, Herzog zu Gotha. Gotha,
P. Ott, [1901].
Derselbe: Ueber Elephas antiquus Flc. u. Rhinoceros Merki
als Jagdtiere des alt-diluvialen Menschen in Thüringen u. über das
erste Auftreten des Menschen in Europa. Zs. f. Naturw. LXXIII,
S. 41-65.
Derselbe: Ueber Feuerstätten in Kalktuffsand von Taubach
u. über die geologische Stellung der Weimar -Taubacher Kalktuff-
lager. Ebenda. LXXIV, S. 237—272.
M ort z seh, Otto: Die Ausrüstung sächsischer u. thüringischer
Schlösser mit Feuerwaffen im Jahre 1436. Zs. f. bist. Waffenkunde.
II (1902), 3211
Moltke, S.: Die Leipziger Kramer-Innung im 15. u. 16 Jahrh.
Zugleich ein Beitr. zur Leipziger Handelsgeschichte. Hrsg. von
der Handelskammer zu Leipzig. Mit einem Stadtbilde u. mehreren
Tafeln. Leipzig, Verl. der Handelskammer, 1901. 186 SS. 8«.
Motz: Kirchenhistorien aus Langula. Mühlhäuser Anz. 1902.
No. 232-234.
Müller, Ed. J. L. : Weimar. Ein Gedenkbuch. Wanderungen
durch Vergangenheit und Gegenwart. Weimar, H. Grosse, 1902.
IV u. 223 SS. 8«.
Nalbandian, W.: Leopold v. Rankes Bildungsjahre u. Ge-
schichtsauffassung. Leipzig. Diss. 1901. 42 SS. 8°.
Naumann, L.: Skizzen u. Bilder zu einer Heimatsk. d.
Kreises Eckartsberga. H. III. 96 SS. 8".
Litteratur. 397
Nebelsieck: Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bauern-
krieges, Mühlhausen i. Thür. betr. N. Mitt. hist-ant. Forsch. XXI,
182—205.
Noack: Alte Grabdenkmäler auf Gothaer Friedhöfen. Goth.
Tagebl. 19t)2. No. 97 ; auch Denkmalpflege. IV. No. 4.
Nobbe, H. : Luthers Bergung auf der Wartburg vom 4. Mai
1521 bis 3. März 1522. Nach s. Briefen dargestellt. Wissensch.
Beil. der Leipz. Ztg. 1902. No. 27 f. S. 105—110.
übernitz, Gg. v. : Verzeichnis hervorragender Namen von
Gelehrten, Schriftstellern, hohem und niederem Adel aus einem großen
Teil der Stammbücher, welche auf der Großh. Bibliothek zu Weimar
sich befinden. Vierteljahrsschr. f. Wappenk. XXIX, 285 — 389.
Obser, K. : Zu Wielands U ebersied elung nach Weimar.
Euphorion. VIII, 68—72.
Orgelbau, Ein, in einem Thür. Dorfe 1786—1787. Thür.
Monatsbl. X, 3—5.
Overmann, A. : Die ersten Jahre der preußischen Herrschaft
in Erfurt, 1802 — 1806. Festschrift z. Feier der 100-jährigen Zuge-
hörigkeit Erfurts zu Preußen. Veranlaßt u. unterstützt von der
Stadt Erfurt. Erfurt, Keyser'sche Buchh., 1902, VIII ü. 145 SS. 8°.
Pabst, W.: Die Sammlung von Fußspuren vorweltlicher
Tiere im Herzogl. Museum zu Gotha. Goth. Ztg. (1901). No. 252.
Peter , H.: Eisenachs Bewohner von 1630—1640. Ein Namens-
verzeichnis Eisenach, H. Kahle, 1901. 120 SS. 8«. A. u. d. T.:
Beitr. z. G. Eisenachs. X.
Pfestorf, K.: Schnepfenthal. Thür. Schulbl. (1901). S. 9.
Picard, K. : Ein altes Stadtrecht von Schlotheim. N. Mitt.
aus dem Gebiet historisch-ant. Forsch. XXI (Halle 1902). S. 105
bis 153.
Pick, A.: Faust in Erfurt. Eine kulturgesch. Untersuchung.
Prgr. d. Kgl. G. in Meseritz. O. 1902. 48 SS. 8**.
Planitz, G. : Spalatins Verzeichnis der Pfarreien in Sachsen,
Meißen, Thüringen u. Vogtland. Nach einem Aktenstück des S-
Ernest. Ges. Archivs zu Weimar. Beiträge zur sächs. Kirchenge-
schichte. H. VI, 1—19.
E., L.: Marie Seebach in Gotha. Goth. Tagebl. (1901). No. 219.
Ha ab, C. v. : Das Amt Plauen im Anfang des 16. Jahrhunderts
und das Erbbuch vom Jahre 1506. Beil. zu den Mitt. des Alter-
tumsvereins von Plauen i. V. 15. Jahresschrift auf die Jahre 1901/1902.
Plauen i. V., Neupert, 1902. 332 SS. 8".
Derselbe: Die Beköstigung der Fröner. Mitt. d. Aitertumsv.
zu Plauen i. V. XV, 30—33.
Derselbe: Eine Urk. über Falkenstein i. V. Ebenda. XV, 34 f.
Derselbe: Fürstl. Nachtlager in Plauen 1471 — 1506. Ebenda
XV, 41 4.5.
Derselbe: Noch ein Amtserbbuch von Plauen . Ebenda XV, 46 f.
Regesten des kl. Sonnenfeld v. 1260—1539 in Cistercienser-
Chronik. XIII, 289 ff., 321 ff., 358ff.; XIV, lOff., 48 ff., 78 ff.
[Reineck, C.J: Die Geschichte des Schloßgartens von Arn-
stadt. Arnstädtisches Nachricht- und Intelligenzblatt. 134. Jahrg.
No. 109 u. 115 (1902, Mai 11 u. 18).
Derselbe: Bürgergärten von Alt-Arnstadt. Arnstadt. Nachr.-
u. Intelligcnzblatt. 134. Jahrg. (1902). No. 64 u. 70.
Richter, G. : Jena und sein Gymnasium. Eine Festrede.
398 Litteratur.
Mit Beilagen. Jena und Leipzig, 0. Eaßniann (Doebereinersche
Buchh. Nachf.), 1902. 78 SS. 8".
Derselbe: Festbericht [über das 2ö-jährige Jubiläum des
Gymnasium zu Jena]. G.Pr. Jena, 11)02. S. 5 — 12.
ßicbter, P. E. : Zu den Beinamen Hednrichs d. Erlauchten.
NA. f. Sachs. G. XXIII, 319—320.
Rodigast, G. : Zur Geschichte der Jenaer Schützengilde.
Jenaische Ztg. Jahrg. 229 (1902). No. 204 (Beil.), 206, 207, 210 (Beil.).
Rogge, Beruh., Johann Friedrich Kurf. von Sachsen gen.
der Großmütige. Eine Gedenkschrift zur vierhundertjährigen Wieder-
kehr seines Geburtstages. Halle a. S., 1902. VIII u. 125 SS. 8".
Eoller, Ü. C: Eberhard von Fulda und seine Urkunden-
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Roques, H. v. : Urkundenbuch des Klosters Kaufungen in
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schusses verf. Mühlhausen i. Thür. (C. Albrecht, 19Cß). VIII u.
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Konrad Stolies Chronik. Erfurt, C. Villaret, (1902). II u. 96 SS. 8«.
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Beiträge, Neue, zur Gesch. deutschen Altertums. Hrsg. von
dem Henneberg. Altertumsf. V. in Meiningen. 16. Lief. Meiningen, Kom-
missionsverl. der Brückner' u, Rennerschen Hofbuchh. 1902. 32 SS.
8°. Mit 1 Taf. u. 1 Karte. Inh. : Die Steiusburg auf dem Kleinen
Gleichberge bei Römhild. Von A. Götze.
Festschrift des Thüringisch-Sächsischen Geschichtsvereins,
dem Vorsitzenden der Centraldirektion der Monumenta Germaniae,
Herrn Geh. Oberregierungsrat Dr. Ernst Dümmler, dargebracht zur
Feier semes 50-jähr. Doktor-Jubiläums am 5. August 1902. Halle a.S.,
Ed. Anton, 1902. 139 SS. 8". 3 M. Inh.: Geschichtlicher Überblick
über die Entwickelung des Thüringisch-Sächsischen Geschichte- u.
Altertumsvereins von seiner Stiftung bis zur Gegenwart. Von G.
Hertzberg. S. 1 — 17. — Der haUische Universitätskanzler Johann
Peter von Ludewig. Von R. Brode. S. 18 — 38. — Über eine Samm-
lung Straßburger Ordnungen u. Mandate von 1518 — 1673 auf der
Univ.-Bibliothek zu Halle. Von M. Perlbach. S. 39-84. — Die
Thronkandidatur Hohenzollern u. Graf Bismarck. Von W. Schnitze.
S. 85—139. (Die Abhandlung von W. Schnitze auch als Sonder-
abdruck zum Preise von 0,80 M. zugänglich.)
Festschrift des Geschieh ts- und Altertumsforschenden Ver-
eins zu Schleiz zur Feier seines 25-jähr. Bestehens. Namens des
Vereins hrsg. von Archivrat Dr. B. Schmidt. Schleiz 1902. 194 SS.
8**. Inh. : Die Herrschaft Schleiz bis zu ihrem Anfall an das Haus
Reuß. Vom Herausg. S. 1 — 115. — Zur Gesch. der Stadtkirche
(St. Georgen) zu Schleiz. Von J. Alberti. S. 117—136. — Adam
Rathmann. Ein Schleizer Lehrerleben aus der zweiten Hälfte des
17. Jahrh. Von W. Böhme. S. 137—160. — 20.-25. Jahresber. Von
R. Viercke. S. 161—194.
Geschichtsblätter, Mühlhäuser. Zs. des Mühlhäuser Alter-
tumsvereins. Jahrg. III, 1902/1903. 80 SS. gr. 8«. Mit 3 Taf. u.
65 Holzschnitten. Inh.: Königin Luise und die Stadt Mühlhausen.
Litteratur. * 401
Ein Erinnerungsblatt an den Übergang der freien Reichestadt Mühl-
hausen an den preuß. Staat. Von Geh. Archivrat Dr. G. Bailleu
S. 1 — 4. — Fortschritte in der Datierung der Steinzeit. Von" Prof.'
Dr. P. Höfer. S. 4—7. — Neueste Gräberfunde b. Mühlhausen aus
der Bronzezeit. Von Lehrer K. Seilmann. S. 7 f. — Die Ministerialen
u. Ritter von Germar. Von Bruno von Gerniar. S. 9—16. — Goethe
in Mühlhausen. Von E. Schulze. S. 10. — Bau- u. Kunstdenk-
mäler im Eichsfeld u. in Mühlhausen. Von Prof. Dr. Ed. Heyden-
reich. S. 17 — 51. — Aus der Geschichte des Marstalles der freien
Reichsstadt Mühlhausen i. Thür. Von R, Zenker. S. 02 — 54. —
Malereien an Gebäuden in Mühlhausen u. am deutschen Hause auf
der Pariser Weltausstellung 1000. Von R. Böhland. S. 54—57. —
Zur mittelalterl. Topographie von Mühlhausen. Von K. Ausfeld. S.
57. — Ein Brief der Staclt Nürnberg an die Stadt Mühlhausen i. Th.
Von Nebelsieck. S. 58 f. — Hessische eiserne Ofenplatten im Mühi-
häuser Gewerbemuseum. Von Franke. S. 59 u. 61. — Jüdische
Selbst Verfluchung im Falle des Meineids 1712. Von Heineck. S. 61.
Jahrbucn, Jenaer. Mit Unterstützung der Stadt Jena hrsg.
vom städtischen Museum. 1. Jahrg. Das Jahr 1901. Jena, From-
mannsche Hofbuchh., 1902. VI u. 42 SS. gr. 8". Inh.: Jena im
Jahre 1901. Von E. Piltz. S. 1—16. — Das Herzogtum Sachsen-
Jena. Von E. Devrient. S. 17-21. — Das Jenaer Schloß. Von
P. Weber. S. 22—38. — Die i. J. 1901 erschienene geschichtl. Litte-
ratur über Jena. S. 39. — Jahresbericht des städtischen Museums.
Von P. Weber. S. 40—42.
Jahrbücherder Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissen-
schaften zu Erfurt. N.F. Heft XXVIH. Erfurt, C. Villaret, 1902.
135 SS. 8°. Inh.: A. Abb.: R. Thiele, Die Schicksale der Erfurter
Akademie nützlicher (gemeinnütziger) Wissenschaften nach der ersten
Besitznahme Erfurts durch Preußen (1802 — 1803). Ein Erinnerungsbl.
im Säkularjahr. S. 1—46 (s. a. unter Thiele). — Funck, Das römische
Afrika. S. 47—63. — G. Oergel, Der nationale Gedanke im deutschen
Humanismus. S. 65—84. — B. Jahresbericht der Akademie. Von
Heinzelmann. S. 85 — 135.
Mitteilungen der Geschichts- u. Alterthumsforschenden Ge-
sellschaft des Osterlandes. 1. Ergänzungsheft: M. Geyer, Verzeichniß
der Handschriften in dem Archive der Gesellschaft. Ältenburg, Hof-
buchdr., 1901. 123 SS. 8«.
Mitteilungen des Geschichts- u. Altertumsforschenden Ver-
eins zu Eisenberg i. H. S.-Altenburg. H. XVII (Bd. Jll, H. 2).
Eisenberg, Komm, von H. Geyer, 1902. 72 SS. 8". Inh. : Geschichte
des Klosters Lausnitz. Von P. Dietze. S. 1—63. — Zur Eisenberger
Propstreihe. Von P. Mitzschke. S. 64. — Petersbergica. Von P.
Mitzschke. S. 65—67. — H. XVIII (Bd. III, H. 3) 1903. Inh.:
Gesch. des Klosters Lausnitz. Forts. Von Pfarrer P. Dietze. S. 1 —
56. — Über Job. Gottl. Heineccius. Von Prof. Dr. O. Weise. S. 57
- 64. — Die Begründung der Pprzellanindustrie in Eisenberg. Von
Prof. Dr. O. Weise. S. 65-71.
Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte
und Altertumsforschung. Jahrg. 1902. Friedrichroda, J. Schmidt & Co.
128 SS. 8". Inh. : Tambach im Thüringer Wald. Unter Verwertung
der Arbeiten u. Sammlungen des verstorbenen Rechnungsrates A.
Fleischhauer zusammengestellt von F.Hering, Forstassessor. S. 1—99.
— Die Anfänge der Dorf- u. Hufen- Verfassung in Thüringen. Vor-
402
Litteratur.
trag in der Versammlung der Ver. f. Goth. G. u. A. gehalten am
7. Jan. 1902 von K. F. v. Strenge. S. 100—117. — Zur Geschichte
des Gymnasiums zu Gotha. Von M. Schneider. S. 118—122. —
Rezens., Vereins-Chronik u. Neue heimatkundl. Litteratur. S. 123
—128.
Mittheilungen des Vereins f. d. Geschichte u. Alterthums-
kunde von Erfurt. H. XXllI. (Erfurt, Komm, bei H. Güther, 1902.)
91 SS. 8". Inh.: Schröer, Der Erfurter Todtentanz. Mit 45 Abb.
S. 1 — 62. — Zschiesche, Übersicht über die vor- und frühg&schicht-
lichen Wallburgen in Thüringen. S. 63 — 91.
Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte
u. Landeskunde. 40. Heft. Inh. : Neue Landeskunde des Herzogt.
Sachsen -Meiningen, Heft 3. Von Dr. L. Hertel. Hydrographie.
Mit 2 Karten, 1902, Hildburghausen, Kesselringsche Hofbuchdr.,
1902. 318 SS. 8». — 41. Heft. Inh.: Die Grafschaft Camburg.
Von Kirchenrat Dr. E. Eichhorn. — 42. Heft. Inh.: Ernst Eitt-
weger, weil. Direktor des Gymnasium Georgianum zu Hildburg-
hausen. Ein Bild seines Lebens und Wirkens, dargestellt von seinem
Sohne Dr. Karl Eittweger 1902. 88 SS. 8».
0. Dobenecker.
Das Germanische Museum zu Jena.
Das Germanische Museum zu Jena wurde im Sommer
1901 einer Neuordnung unterzogen. Bei der neuen Aufstellung und
{jruppierung wurde einmal bezweckt, eine fortlaufende, systematische
Übersicht der Typen der vor- und frühgeschichtlichen
Waffen, Schmucksachen, Geräte, Werkzeuge in den einzelnen
Epochen der Vorgeschichte zu geben — hierzu wurden die Einzel-
funde und die im Museum ohne näheren Fundbericht vorhandenen
Objekte verwendet — , andererseits lokal zusammenhängende Funde
auch lokal zusammen aufzustellen. Schon im Verlauf des Sommers
noch war es möglich, das Museum dem Publikum zum Besuch zu
öffnen. Jeden Freitag von 2 — 4 und jeden ersten Sonntag im Monat
von 11 — 1 Uhr können die Sammlungen besichtigt werden.
Infolge der Eröffnung des Museums wurde die Aufmerksam-
keit wieder von neuem auf die reichen Sammlungen gelenkt, die
Prof. Klopfleisch in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren
mit rastlosem Eifer und großer Sorgfalt zusammengebracht hatte.
Viele von denen, die zu Klopfleisch in näherer Beziehung ge-
standen hatten, wendeten wieder ihr Interesse dem Jenaer Museum
zu. So überraschte mit einer großer Schenkung Prof. Dr.
Compter in Apolda. Die sämtlichen von ihm in der Lehm-
grube der Ziegelei zu Nauendorf, 3 km nordnordöstlich von
Apolda, gemachten Funde: neolithische Waffen und Werkzeuge aus
Stein und Knochen in großer Zahl, Hüttenbewurfstücke, Tierreste,
Urnen und Gefäßscherben einer bisher im Germanischen Museum
zu Jena noch nicht vertretenen Gattung, des Rössener Typus , auf
Cartons sorgfältigst und wohlgeordnet aufgezogen, füllen jetzt einen
großen Schrank. Einen eingehenden Bericht über diese Funde hatte
Compter 1893 in der Zeitschrift f. Thür. Gesch. und Alt,, Bd. XVI,
S. 391 — 415 gegeben.
Weitere Gaben gingen ein: von Oberlehrer Quant z (Geeste-
münde) Bernsteinstücke, unbearbeitet, aus der Umgebung von
Geestemünde, ferner ein vollständiges bei Thiemsdorf (Pößneck) aus-
gegrabenes slavisches Skelett ohne Beigaben, vom Prof. Verworn
(Göttingen) ein kleiner, gut profilierter Thonbecher, ein durchbohrter
Knochenhammer, ein Bruchstück eines Löffels aus Thon, sämtlich
Fundgegenstände aus den Herdgruben im Pennickenthal bei Wöll-
nitz, von stud. Stier eine bronzene Nadel, verbogen, mit plattem
Knopf, aus den Herdgruben in Ammerbach, von Dr. G. Eicnhorn
(Jena) eine Sammlung von 27 Nachbildungen vor- und frühgeschicht-
licher Töpferwaren der Provinz Sachsen, die unter der Aufsicht
desselben in der Töpferei von Franz Eberstein in Bürgel hergestellt
sind, Paradigmata für die Keramik der einzelnen prähistorischen
404 -A^us der Jenaer Gesellschaft für Urgescliichte.
Epochen Mitteldeutschlands, von Carl Kunze (Hirschroda) Topf-
scnerben und Steingeräte aus Hirschrodas Umgebung.
Außerdem wurden vom Museum angekauft aus Jenas Um-
gebung: Steinbeile, durchlochte Steinhämmer, Steinhacken, Feuer-
steingeräte, Topfscherben, mehrere ganze Urnon, Thonwirtel, ein
Bronzekelt, eine bronzene la T&ne-Fibel, ein Knochenhammer und
eine kleine Sammlung römischer Gefäße und Bronzen, aus Neuß
bei Düsseldorf, Xanten, Bungen und Köln stammend, in Summa circa
250 Nummern. Dr. G ustav Eichhorn.
Aus der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte.
Am 18. Februar 1901 wurde in Jena eine Gesellschaft für
Urgeschichte gegründet, die allen denen, die den verschiedenen
Gebieten der Urgeschichte wissenschaftliches Interesse entgegen-
bringen oder an deren Erforschung nach irgend einer Seite hin aus-
übend teilnehmen, die Gelegenheit zu persönlicher Aussprache und
Anregung bieten will. Hierbei soll in erster Linie die thüringische
Vor- und Frühgeschichte berücksichtigt, gleichzeitig aber auch, um
eine Isolierung der Forschung zu verhüten, auswärtige Funde und
Beobachtungen mit zur Sprache gebracht w^erden. Endlich wird
hier auch der reiche Schatz prähistorischer Altertümer, den der ver-
dienstvolle Prof. Dr. Klopfleisch im Germanischen Museum zu Jena
sorgsamst angesammelt hat, und der in neuerer Zeit durch Schenkungen
und Ankäufe vermehrt worden ist, mannigfache wissenschaftliche
Verwertung finden. Die Gesellschaft hat sich nur insoweit organisiert,
als sie 1) einen Vorstand von 3 Mitgliedern (einen Vorsitzenden,
dessen Stellvertreter und einen Schriftführer) hat, der nach Ablauf
jeden Jahres in der letzten Sitzung des Wintersemesters gewählt
wird, 2) einen Jahresbeitrag (1 M.) für Bestreitung der notwendigsten
Unkosten von jedem Mitglied erhebt. Während des Semesters findet
jeden zweiten Montag im Monat abends 8 Uhr im kleinen
Saal des Burgkellers zu Jena eine Sitzung- statt.
Für das erste Jahr wurden in den Vorstand gewählt:
Prof. Dr. Ferd. Noack, Vorsitzender,
Dr. O, Dobenecker, stellvertretender Vorsitzender,
Dr, Gustav Eichhorn, Schriftführer.
Als Mitglieder traten ein:
Hofrat Prof. Dr. von Bardeleben, Direktor Dr. Karl Konrad Müller,
Verlagsbuchhändler H. Costenoble, Realschullehrer Quantz, Pößneck,
Prof, Dr. med. et phil. P. Fraisse, Prof. Dr. O. Schrader,
Prol. Dr. W. Keller, Privatdozent Dr. Leonh. Schnitze,
Prof. Dr. Fr. Keutgen, Dr. Georg Steinhausen,
Prof. Dr. Alb. Leitzmann, Prof. Dr. Max Verwom,
Prof. Dr. Geora; Mentz, Prof. Dr. Karl Völlers,
Prof. Dr. Vikt.^ Michels, Prof. Dr. Paul Weber.
Aus der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte. 405
I. Semester.
In der ersten Sitzung im Mürz gab Prof. Vo.rworn als
Einleitung in die Arbeiten der Gesellschaft eine kurze Übersicht
über einige der wichtigeren prähistorischen Fund-
orte, die aus der näheren und weiteren Umgebung Jenas bekannt
äeworden sind: Taubach, LindenthaJer Hyänenhöhle bei Gera aus
er paläolithischen Periode; Buttstedt, Klein-llomstedt, Hirschroda,
Eckol.stedt aus der neolithischen Epoche; Hainichen, Thierschneck,
Crölpa aus der Bronzezeit; Jenzig, JVIünchenroda, Flurstedt, Lieb-
stedt aus der älteren Eisenzeit; Gleisberg, Pennickenthal, Thieras-
dorf aus der vollentwickelten Eisenzeit; Weimar aus der Mero-
winger-Zeit; Klein-llomstedt, Caraburg, Taubach, Thicmsdorf aus
der Slavischen Periode. Bei Anführung derselben wurden die
einzelnen Epochen der Vor- und Frühgeschichte kurz charakterisiert.
— Oberlehrer Quantz demonstrierte aus seiner Sammlung: einen
Bronze-Halsring mit petschaftähnlichen Endknäufen aus einem Skelett-
grab in der Nähe von Ranis. — Prof. Schrader legte Funde vor,
die auf dem Ronneberg bei Zingst unweit Nebra, nördlich der Finne
gemacht worden sind: eine Nadel und 2 Flachkelte der älteren
Bronzezeit, ein bronzenes steigbügelähnliches Objekt.
Sitzung' im Mai: Prof. Noack sprach über die Funde von
Taub ach, die im Germanischen Museum zu Jena aufbewahrt werden.
Auf diese für die Urgeschichte des gesamten Europa so wichtige
Stelle hatte Klopfleisch zuerst aufmerksam gemacht. I)ie Fund-
stellen sind Gruben, die auf Sand und Kalkstein abgebaut werden.
In dem weichen diluvialen Tuffsand — 4 bis 5 m unter dem heutigen
Ackerboden — liegen die von Menschenhand zerschlagenen Knochen
von Wisent, Höhlenbären, Riesenhirsch und Gerätfunde aus paläo-
lithischer Zeit. — Prof. Keutgen regte die Frage nach der Her-
kunft der Bronze an, deren man sich in Deutschland zur Bronze-
zeit beim Guß von Geräten bedient hat. — Straßenbauverwalter
Heim (Camburg) zeigte einen bronzenen Fingerring, der bei Groß-
heringen kürzlich an einem freigelegten Skelette gefunden wor-
den war.
Im Juni fand in P>furt eine Beratung der Kommission zur
Herausgabe einer archäologischen Karte von Thüringen
statt. Die Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte hatte eine Ein-
ladung zu derselben erhalten und wurde dortselbst vertreten durch
Prof. Noack und Dr. G. Eichhorn.
Sitzung im Juni: Dr. L. Schulze besprach die vom Lehrer
Krämer aus Pößneck vorgelegten Knochen und Zähne vorgeschicht-
hcher Tiere, die dem Pößnecker Thal, speciell der sogenannten Kies-
grube an der Aitenburg entstammen. Anschließend hieran gab
Prof. Walther eine kurze Schilderung der diluvialen Fauna jener
Gegend. — Bibliotheksdirektor Dr. K. K. Müller berichtet über die
in Magdala unter seiner Leitung vorgenommenen Ausgrabungen der
Burg, die bis dahin so weit vorgerückt waren, daß ein Grundriß
der einstigen Burganlage im großen und ganzen vorgelegt werden
konnte.
Sitzung im Juli: Oberlehrer Quantz hielt einen Vortrag über
die Steinkammergräber in der Umgebung von Geestemünde an der
Hand einer Anzahl selbs^efertigter Skizzen, knüpft daran an einige
Bemerkungen über die Feuersteinbearbeitung und über das Vor-
406 -Ä^us der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte.
kommen des Bernsteins im Blixener Groden bei Geestemünde. Zum
Schluß wurde hingewiesen auf eine kurze Abhandlung von Möller
über Taubach.
Einer Einladung des Herrn Lehrer Möller in Weimar an die
Mitglieder der Gesellschaft, den Ausgrabungen in Kalbs-
rieth beizuwohnen, folgte Dr. G. Eichnorn am 27. Juli.
II. Semester.
Sitzung im November: Prof. Fraisse sprach über das alte
Goldland Ophir und legte eine größere Anzahl besonders interessanter
Schmuckgegenstände, Waffen und Geräte vor, die in ihren Formen
und ihrer primitiven Herstellung an vorgeschichtliche Fundstücke
erinnern.
Sitzung im Dezember: Lehrer Kr am er (Pößneck) zeigte
2 kleinere Funde von prähistorischen Scherben vor, die bei Bremen
gemacht worden waren. — Prof. Seh rader machte auf die neue
Fundtafel zur Ur- und Frühgeschichte Elsaß-Lothringens aufmerk-
sam, die von R. Forrer bearbeitet ist. Die Anregung, sämtliche
bis jetzt erschienenen derartigen Fundtafeln für die Gesellschaft zu
erwerben und bei den Sitzungen auszuhängen , findet allgemeine
Zustimmung. — Prof. Noack erstattet Bericht über eine neue andere
Pubhkation Forrers: Achmimstudien I: Ueber Steinzeithockergräber
in Oberägypten und europäische Parallelfunde. — Prof. Weber ver-
weist auf einen vor kurzem erschienenen Aufsatz über das Salomonische
Goldland Ophir, anknüpfend an Fraisses Vortrag in der vorigen
Sitzung. Sodann schildert er in kurzen Zügen die verschiedenen
Grundformen der bäuerlichen Hofanlage innerhalb des deutschen
Sprachgebietes.
Sitzung im Januar 1902 : Prof. Noack referierte über
Schlitz: das steinzeitliche Dorf Großgartach und über neuerdings
mitgeteilte Analysen altbabylonischer Bronzewerke, die ergeben
haben, daß man anfänglich das Kupfer durch Beimischung von
Arsen und Antimon gehärtet habe, Scniüsse, die kürzlich auch Mon-
telius aus Analysen nordischer Bronzen gezogen hatte. Zinnbronze
ist eine jüngere Erfindung und ist dem südwestlichen Asien zuzu-
weisen. Von dort ist ihre Kenntnis schon vor Beginn des 2. Jahr-
tausends V. Chr. an die Küsten Südeuropas gelangt. Hier hat sich
im zweiten vorchristlichen Jahrtausend die große bronzezeitliche
Kultur entwickelt, die man die mykenische zu nennen pflegt. Im
Hinblick auf die Bedeutung neuerer und neuester klassischer archäo-
logischer I'orschung für die nordische Urgeschichte gab Prof.
Noack in dieser und der folgenden Februar-Sitzung eineu Über-
blick über die bis jetzt gewonnene Kenntnis der mykenischen Kultur.
Statutengemäß wurde in der Februarsitzung, der letzten im
ersten Geschäftsjahr, 1) der Kassenbericht vom Schriftführer Dr.
G. Eichhorn gegeben; 2) der Vorstand neugewählt. Es werden
wiedergewählt Prof. Noack als erster Vorsitzender, Dr. G. Eich-
horn als Schriftführer; an Stelle von Prof . Dr. Dobenecker, der, mit
anderen Arbeiten überlastet, eine Wiederwahl abgelehnt hatte, wird
Prof. Mentz zweiter Vorsitzender. Als Mitglieder wurden im Ver-
lauf des ersten Jahres in die Gesellschaft neu aufgenommen :
Kramer, Lehrer, Pößneck, Heim, Straßenbauverw., Camburg.
Wiedemann, Kommerzienrat in Dr. Eichter, Geh. Hofrat, Gym-
Apolda, nasialdirektor, Jena.
Aus der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte. 407
Matthes, Lehrer, Wenigenjena, Freiberg, Kantor, Magdala,
Dr. Walthcr, Professor, Jena. Dr. Graf, Arzt, Jena,
Dr.Hercher, Gymnasialprof.,Jena, Eichhorn, Pfarrer, Taupadel,
Dr. Dinger. Privatdozent, Jena, Dr. Schmidt, Professor, Jena,
Dr. Gutzmer, Professor, Jena, Dr. Florschütz, Arzt, Gotha,
Matthes, Apotheker, Jena, Cand. phil. Becker, Jena.
Es zählt die Gesellschaft am Schluß des ersten Geschäftsjahres
somit 35 Mitglieder. — Bei seinem Weggang von Jena nach Göt-
tingen wurde Prof. Dr. Verworn, der eigenthche Begründer
der Gesellschaft, zum Ehren mi t gl ied ernannt. Unser Mitghed
Dr. Steinhausen verzog nach Kassel, Oberlehrer Quantz von Pößneck
nach Geestemünde.
III. Semester.
In der Mürz-Sitzung, der ersten im neuen Geschäftsjahr, bean-
tragte Prof. Mentz an seiner statt als stellvertretenden Vorsitzenden
der Gesellschaft Herrn Prof. Dr. Schmidt zu wählen. Es geschah,
Prof. Schrader behandelte sodann die Frage: Wer waren
die Träger der mykenischen Kultur? und kommt zu dem Resultat,
daß die mykenische Kultur ein älteres Stadium der homerischen
darstelle, aus dem sich diese kulturhistorisch folgerichtig entwickelt
habe, und kein stichhaltiger Grund angeführt werden könne, der
den Griechen die mykenische Kultur abspreche.
Eine außerordentliche Sitzung hielt die Gesellschaft, im April
ab, da das Ehrenmitglied derselben, Prof. Verworn, aus Göt-
tingen gekommen und der Gesellschaft über seine im vorigen Jahre
auf italienischem Boden : in der Nähe des kleinen, im alten Picenum
gelegenen Dörfchen Belmonte unternommenen ergiebigen und inter-
essanten Ausgrabungen Bericht erstatten wollte. Verworn schickte
der Demonstration seiner eigenen Fundgegenstände zunächst einen
Vortrag voraus über die erste Eisenzeit an den Küsten der Adria.
In der Mai-Sitzung legte Lehrer Kram er (Pößneck) die un-
längst bei Schlettwein gemachten prähistorischen Fundgegenstände
vor und gab einen näheren Bericht über die Fundumstände. Beim
Einebenen eines 2 m hohen, 3 m im Durchmesser haltenden Hügels
auf dem sogenannten Lämmerberg bei Schlettwein stießen die Ar-
beiter auf eme schwarze Erdschicht und eine große Zahl mensch-
licher Knochen. Unter umsichtiger Aufsicht des Ortspfarrers wurden
gerettet: 4 — 5 menschliche Skelette, die mit dem Gesicht nach
Westen schauend beerdigt worden waren, ohne jede Steinumsetzung,
ein bronzener Halsring, dünn, mit Haken- und Ösen Verschluß, ein
bronzener Halsring mit 3 kleineren angeschnürten bronzenen Ringen,
mehrere Unterarmringe mit je 3 Wülsten vom späten Hallstatt-
typus. — Von der Gesellschaft eingeladen, gab Herr Lehrer Möl 1 er
(Weimar) Bericht über die von ihm im Juli und August vorigen
Jahres methodisch durchgeführte, höchst ergebnisreiche Ausgrabung
des einen Hügels bei Kalbsrieth im Unstrutthal. Der 5 m hohe,
weithin sichtbare Grabhügel barg weit über 100 Bestattungen aus
den verschiedensten vorgeschichthchen Epochen. Als besonders
interessant war zu nennen das wohlerhaltene Steinkistengrab, zeit-
lich der neolithischen Periode angehörend, mit einem Hockerskelett,
einem Schnurbecher, Feuersteinbeil, einer Kugelamphora und weiteren
3 verzierten Gefäßen, einer Doppelnadel aus &iochen, einer einfachen
Knochennadel, 3 Eberzähnen.
408 ^U8 der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte.
An der VIII. am 1. Juni in Erfurt abgehaltenen Ver-
sammlung der an der Herstellung einer archäologischen Karte
von Thüringen beteiligten Vereine nahm als Gast die Jenaer Gesell-
schaft, vertreten durch Dr. G. Eichhorn, teil.
In der Juni-Sitzung' der Gesellschaft wurUen 2 Photographien
einer Herdgrube vorgelegt, die Prof. Verworn am Hainberg bei
Göttingen aufgenommen hatte. Die sehr zahlreichen keramischen
Reste weisen auf die Zeit der Völkerwanderung. — Aus der neuer-
schienenen Fachlitteratur referiert Prof. No a c k über die neolithische
Station Jablanica in Serbien und legt vor: die vorgeschichtlichen
Altertümer der Provinz Sachsen mit Klopfleischs epochemachender
Abhandlung über die steinzeitliche Keramik.
Der an die Gesellschaft ergangenen Einladung zur Feier des
50-jährigen Stiftungsfestes des Vereins für Thür. Gesch. u. Alt. zu
Jena, am 21. und 22. Juni, leistete eine große Zahl der Mitglieder
Folge.
In der Juli-Sitzung^ sprach Prof. Walther über die megahthi-
schen Grabdenkmäler, die er auf seiner Reise durch Nord f rankreich
besucht hatte. Im Anschluß daran gab Prof. Schmidt eine Über-
sicht über die Verbreitung und Anlage der megalithischen Grab-
denkmäler überhaupt. — Lehrer Möller (Weimar) beendete seinen
Bericht über Kalbsrieth und erörterte eingehend die Keramik des
stein zeitlichen Kistengrabes, besonders das Vorkommen der Kugel-
amphora.
Während des Sommersemesters traten neu in die Gesellschaft ein :
Justizrat Lommer, Orlamünde, Stabsarzt Dr. Schultes, Jena.
Dr. Gustav Eichhorn.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Fohle) in Jena — 2377
I.
Bericht
über die Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes
des Vereins für Thüringische Geschichte und
Altertumskunde.
Von
0. Dobenecker.
Am 2. Januar 1902 waren 50 Jahre verflossen, seitdem
in einer konstituierenden Versammlung unter dem Vorsitze
des Professors Dr. Michelsen in Jena der Verein für
Thüringische Geschichte und Altertumskunde ins Leben
gerufen worden war. Der Vorstand hielt es für eine Pflicht
der Pietät, durch eine einfache und würdige Feier die Er-
innerung an das Wirken jener Männer, die als Gründer,
Leiter und Mitarbeiter den Zwecken des Vereins im Ver-
laufe eines halben Säkulums gedient haben, wach zu rufen.
Die Ungunst der Jahreszeit gestattete jedoch nicht, den
wirklichen Stiftungstag zu begehen ; darum wurde beschlossen,
die Feier mit der Hauptversammlung der Thüringischen
Historischen Kommission und des Vereins, die im Sommer
1902 abzuhalten war, zu verbinden.
Auf die Einladung des Vorstandes versammelten sich
bereits am 21. Juni abends 7 Uhr die Mitglieder der
Kommission zu einer Tagung, um später an einer zwang-
losen Vereinigung der Gäste und einer Anzahl von Vereins-
mitgliedern aus Jena teilzunehmen.
In der Kommissionssitzung waren vertreten: das
Staatsarchiv zu Weimar durch Herrn Geh. Hofrat Dr. Burk-
hardt, das Gemeinschaftliche Hennebergische Archiv zu
1
II Bericht über die Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes.
Meiningen durch Herrn Professor E, Koch, der Verein zu
Roda S.-A. durch Herrn Kirchenrat D. Lobe, der Verein
zu Eisenberg S.-A. durch Herrn Pastor Lobe, der Verein
zu Hohenleuben durch Herrn Oberlehrer Auerbach, die
wissenschaftliche Abteilung des Thüringer Waldvereins
durch Herrn Archivrat Dr. Mitschke, die Thüringische Hi-
storische Kommission und der Verein für Thüringische Ge-
schichte durch die Herren Prof Dr. Rosenthal, Prof. Dr.
Dobenecker, Prof. Dr. Keutgen, Prof. Dr. Michels, Prof. Dr.
Mentz, Dr. Stoy und Geh. Justizrat Unger. Vertreten waren
zugleich die Hauptpflegschaften Weimar, Apolda, West-
kreis S.-A., Gera und Hohenleuben.
Verhandelt wurde der Reihe nach über die Weiter-
führung der Edition der Ernestinischen Landtagsakten, deren
1. Band vorgelegt wurde, über Publikationen zur thürin-
gischen Wirtschaftsgeschichte, von denen als 1. Band das
Werk Stiedas über die Porzellanfabrikation auf dem
Thüringer Walde erschienen ist, über die Arbeiten an den
Stadtrechten von Eisenach und Saalfeld, über die be-
antragte Unterstützung des Druckes der Saalfelder Chronik
von Caspar Sagittarius, über die Vorarbeiten zur Ver-
öffentlichung von Archivalien zur neueren Geschichte
Thüringens, besonders über Abfassung einer Biographie
Ernsts des Frommen, eines Urkundenbuchs für die Ge-
schichte der Universität Jena und einer im wesentlichen
darauf beruhenden Geschichte der Universität, desgleichen
eventuell einer Publikation über Wilhelm IV. von Weimar.
Weitere Mitteilungen betrafen die Organisation der Kom-
mission, deren Sekretariat Herr Professor Dr. Mentz über-
nommen hat, nachdem es seit der Begründung der Kom-
mission Prof. Dr. Dobenecker geführt, wegen Überbürdung
aber im Mai 1902 niedergelegt hatte; ferner die Inven-
tarisation kleinerer Archive, die Grundkartenfrage und die
früher beantragte Edition der Matrikel der Universität Jena.
Anträge waren gestellt, bezw. erneuert worden über Ab-
fassung einer Bibliographie zur Geschichte Thüringens,
Bericht über die Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes. UJ
über Herstellung von Stadtplänen im Maßstabe 1 : 2000 und
über Bearbeitung einer Erziehungsgeschichte der Emestiner,
Am Sonntag den 22. Juni trafen von nah und fern
Gäste ein, um an der Feier teilzunehmen. Den Festteil-
nehmern waren von 9^/3 Uhr das ethnographische, das ger-
manische und das städtische Museum sowie die Universitäts-
bibliothek zur Besichtigung geöffnet. Unter Führung der
Vorsteher dieser Sammlungen, der Herren Professoren
Dove, Noack und Weber, und des Herrn Direktor Dr.
Müller nahmen viele Mitglieder des Vereins die in liebens-
würdigster Weise gebotene Gelegenheit wahr, die reichen
Schätze der Museen und der Bibliothek zu besichtigen.
Um 11^/4 Uhr wurde in den akademischen Rosen-
sälen, wo sich die Vertreter der Regierung, der Universität,
der Stadt, mehrerer auswärtiger gelehrter Gesellschaften
und eine stattliche Anzahl von Mitgliedern und Gästen ver-
sammelt hatten, von dem Vorsitzenden, Herrn Prof. Dr.
Ed. Rosenthal, die Versammlung eröffnet, indem er zuerst des
schweren Verlustes gedachte, den das Gesamthaus Wettin und
das ganze deutsche Vaterland durch das Hinscheiden Sr.
Majestät des Königs Albrecht von Sachsen erlitten hatte.
Hierauf übermittelte im Auftrage Sr. Königlichen Hoheit
des Großherzogs S. Excellenz Herr Staatsminister Rothe die
Glückwünsche und Grüße des Landesherrn. Der Großher-
zog, so führte er aus, werde das warme Interesse und die
Teilnahme, die er fortgesetzt der Thätigkeit des Vereins
zugewendet habe, auch weiterhin bekunden und sich die
Förderung seiner Ziele stetig angelegen sein lassen. Auch
seitens des Großh. Ministeriums überbrachte Excellenz Rothe
herzliche Glückwünsche zu der Jubelfeier und die Zusicherung
fortgesetzter wohlwollender Anteilnahme. Wie ein deutscher
Eichbaum im Schatten des Waldes wachse und sich ent-
falte, so sei auch der Verein für Thüringische Geschichte im
Schatten der Jenaer Universität während eines halben Jahr-
hunderts gesegneter Thätigkeit, durchdrungen von der Freude
an der Wissenschaft und der Liebe zur Heimat, unter der Mit-
1*
IV Bericht über die Feier des fünfzigjälirigeii Stiftungsfestes.
Wirkung hervorragender Männer emporgediehen. — Auf die An-
sprache des Ministers erwiderte der Vorsitzende dankend ;
er betonte, daß der Verein wohl wisse, was er der verständnis-
vollen Förderung der Regierung zu verdanken habe.
Hierauf sprach im Namen der Jenaer Universität der
Prorektor Herr Geh, Hofrat Prof. Dr. Goetz. Er wies auf die
enge Fühlung hin, die die Universität mit dem Verein ge-
halten habe. Glänzende Namen seien mit beider Geschichte
verknüpft, er erinnere nur an das Dreigestirn Seebeck —
Muther — Lipsius. Er dankte für die wissenschaftliche
Unterstützung, die der Universität durch den Verein zu teil
geworden sei, und wünschte, daß auch in der Zukunft die
Thätigkeit des Vereins einen so wesentlichen Kulturbeitrag
bedeuten werde wie bisher, und daß der Verein sein hundert-
jähriges Stiftungsfest mit den gleichen Gefühlen der Be-
friedigung über das Erreichte werde feiern können. In
seiner Antwort dankte Herr Prof. Rosenthal für diese Worte.
Die Universität und der Verein seien in der That Ge-
schwister, die zusammengehören. Er teilte mit, daß der
Verein beschlossen habe, zu dem in 6 Jahren zu feiernden
350-jährigen Jubiläum der Universität Jena eine Geschichte
der Universität zu verfassen. Die Vorarbeiten seien be-
gonnen worden, und man dürfe die Fertigstellung dieses
Werkes bis zu diesem Tage wohl erwarten. Noch ein zweites
Werk werde seitens des Vereins in Angriff genommen ;
nämlich das Urkundenbuch für die Universität Jena, das
für die Universitätsgeschichte die Grundlage bilden solle.
Im Namen der Stadt Jena begrüßte sodann Herr Ober-
bürgermeister Singer den Verein. Mit Recht, führte er aus,
habe man früher der Stadtverwaltung den Vorwurf machen
können, daß sie lange Zeit dem Verein wenig Teilnahme
geschenkt habe. Erst in den letzten Jahren sei dieä besser
geworden; Beweis dafür sei, daß die Stadt mit einem
Jahresbeiträge dem Verein beigetreten sei. Der Geschichte
der Heimat hätten die städtischen Behörden ein größeres
Interesse seit einiger Zeit entgegengebracht und im stillen
Denkmäler der Vergangenheit gesammelt. In wenigen
Bericht über die Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes. V
Monaten werde das städtische Museum, in dem diese Zeugen
der Vergangenheit Jenas untergebracht würden, seine Räume
öffnen. Auch sei ihnen in dem neuen Universitätsgebäude
ein würdiger Platz gesichert. Vor der Öffentlichkeit spreche
er die Hoffnung aus, daß die Behörden sich von diesem
Wege nicht wieder abdrängen lassen würden. Zum Beweis
der guten Absicht verkünde er, daß der Gemeinderat ein-
stimmig 1500 Mark zu den Kosten des 2. Bandes des
Urkundenbuches der Stadt Jena zur Verfügung gestellt habe.
Der Vorsitzende sprach den wärmsten Dank des
Vereins für das großherzige Geschenk, sowie für die Be-
thätigung echt wissenschaftlicher Gesinnung aus, indem er
an die Worte des Nationalökonomen Lorenz von Stein er-
innerte, daß nur durch ein Zusammenwirken von Organi-
sationen, von Staat und Kommunen die Kultur dauernd ge-
fördert werden könne.
Der sich anschließende Vortrag des Vorsitzenden über die
Geschichte des Vereins und der Vortrag des Herrn Dr. St. Stoy
über Ernst den Frommen, die mit großem Beifall aufgenommen
wurden, werden weiter unten zum Abdruck gebracht.
Nach der Festsitzung versammelten sich die meisten
Teilnehmer zum Festmahl im „Schwarzen Bären".
Als Ehrengäste konnte der Verein in seiner Mitte
begrüßen S. Exe. Herrn Staatsminister Rothe , den Pro-
rektor und den Kurator der Universität, den Oberbürger-
meister und den Vorsitzenden des Gemeinderates, auch Ihre
Excellenzen Herr Staatsminister a. D. von Strenge und
Gemahlin beehrten die Feier mit ihrer Gegenwart. Als
Vertreter der Erfurter Akademie und des Vereins für die
Geschichte und Altertumskunde zu Erfurt nahm Herr
Pfarrer Oergel, als Vertreter des Vereins zu Kahla Herr
Justizrat Lommer und als Vertreter der Stadt Mühlhausen
i. Th. Herr Erster Bürgermeister Trenckmann teil. Von
den beiden ältesten Mitgliedern des Vereins, Herrn Geh.
Justizrat Schwanitz, der an der Festversammlung in den
Rosensälen teilgenommen hatte , und Herrn Geh. Hofrat
Archivdirektor Burkhardt, war der letztere zugegen ; erst
YI Bericht über die Feier des fünfzig] ährigen Stiftungsfestes.
nachträglich wurde bekannt, daß er gerade am 22. Juni 1852
dem Vereine beigetreten ist.
Eine große Anzahl von Toasten würzte das Mahl. Herr
Prof. Rosenthal brachte ein Hoch auf S. Maj. den Kaiser
und auf die thüringischen Fürsten, die Protektoren des
Vereins , aus ; Prof. Dobenecker begrüßte die Gäste, ins-
besondere S. Exe. Herrn Staatsminister Rothe, S. Magni-
ficenz Herrn Prorektor Geh. Hofrat Dr. Goetz und Herrn
Oberbürgermeister Singer. Dann sprach S. Exe. Herr
Staatsminister Rothe auf den Vorstand des Vereins, dessen
Verdiensten um die Wissenschaft er warme Anerkennung
zollte. Es folgte ein Toast von Herrn Prof. Mentz auf
die Damen, Herr Oberbürgermeister Singer gedachte der
Universität Jena^ S. Magnificenz der Herr Prorektor Geh.
Hofrat Prof. Goetz erwiderte als Vertreter der Universität
und feierte dann den Verein als historische Klasse der Jenenser
Akademie der Wissenschaften. Herr Geh. Staatsrat Egge-
ling brachte ein Hoch auf die Stadt Jena aus, und Herr
Prof. Thümmel feierte den Festredner Herrn Privatdocent
Dr. Stoy. Während der Tafel wurden Huldigungstelegramme
an die thüringischen Fürsten abgesandt, die dem Verein
ihre Protektion zu teil werden lassen. Danktelegramme
sind darauf von den Herzögen von Altenburg und von
Meiningen, von dem Erbprinzen von Hohenlohe-Langenburg,
dem Regenten von Sachsen-Coburg und Gotha, und von
den Fürsten von Rudolstadt, von Sondershausen und von
Reuß j. L. eingelaufen. Wir bringen als das ausführlichste
hier das Telegramm des Regenten Hohenlohe zum Abdruck :
Langenburg, Württemberg.
Dem Verein für Thüringische Geschichte und Alter-
tumskunde spreche ich für die freundliche Begrüßung
herzlichsten Dank aus und verbinde damit aufrichtigste
Glückwünsche zur schönen Jubiläumsfeier. Die Pflege
vaterländischer Geschichte schätze ich als ein wichtiges
Mittel, im Volke die Liebe zur Heimat zu wecken, sehr
hoch und wünsche dem Verein von Herzen auch für die
Zukunft Gedeihen seiner edlen Bestrebungen.
Erbprinz Hohenlohe.
Bericht über die Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes. VII
Herr Bibliotheksdirektor Dr. Müller berichtete über
die Glückwünsche, die dem Verein anläßlich seines Jubiläums
gesandt worden waren. Glückwunschschreiben sind einge-
laufen von den Ministerien zu 'Meiningen, zu Gotha, zu
Gera, zu Greiz und zu Sondershausen, von dem Fürstl.
Reußischen Staatsminister Exe. Engelhardt, von dem Landes-
hauptmann der Provinz Sachsen, von dem Ehrenmitglied
des Vereins, Herrn Geh. Hofrat Prof. Schäfer in Heidelberg,
von der Stadt Sondershausen, von Frau Geheimrat Wegele
in Würzburg, ferner von dem Verwaltungsausschuß des
Gesamtvereins der Deutschen Geschichts- und Altertums-
vereine, von dem Mühlhäuser Altertumsverein, von dem
Fuldaer Geschichtsverein, von dem Historischen Verein für
Unterfranken und AschafFenburg , von dem Historischen
Verein zu Mittelfranken, von der Königl. Sachs. Kommission
für Geschichte, vom Königl. Sachs. Altertumsverein, vom
Museum für Völkerkunde in Leipzig, von der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Kultur, vom Architekten-
und Ingenieurverein zu Hannover, vom Altertumsverein der
Stadt Worms, der Königl. Böhmischen Gesellschaft der
Wissenschaften, vom nordböhmischen Exkursionsklub, vom
Verein zur Geschichte der Deutschen in Böhmen, von der
Direktion des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich,
vom Institut national genevois und vom Institut arch^o-
logique liögeois. Auf telegraphischem Wege sandten ihre
Glückwünsche der Verein für Geschichte und Altertums-
kunde zu E,oda, die Vereinigung für Gothaische Geschichte
der Hennebergische altertumsforschende Verein, der Thüringer
Wald-Verein, der Mansfelder Geschichtsverein, der Ober-
hessische Geschichtsverein, der Historische Verein für Nieder-
sachsen, der für Oberbayern, der Sudetengebirgsverein,
die Gesellschaft für lothringische Geschichte und Alter-
tumskunde, die Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und
Schulgescbichte, der Verein Herold, das Germanische
Nationalmuseum in Nürnberg, der Verein für die Geschichte
der Stadt Nürnberg, die Oberlausitzische Gesellschaft der
Wissenschaften, der Historische Verein der Pfalz, der Alter-
YIII Bericlit über die Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes.
tumsforschende Verein für Ronneburg, der Geschicbts- und
Altertumsforschende Verein zu Leisnig, die Staatswissen-
schaftliche Gesellschaft und die Fuchsturmgesellschaft zu
Jena, die Gelehrte estnische Gesellschaft zu Dorpat, der
Altertumsverein zu Wien, die Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde, die Gesellschaft für die Geschichte des
Protestantismus in Osterreich „aus dem Asylland vieler
thüringischer Geistlicher", die Reale Accademia dei Lincei
zu Rom und die Pinische Litteraturgesellschaft zu Helsing-
fors. Eine kunstvolle Adresse hatte der Harzverein seinem
thüringischen Bruderverein gewidmet. Durch Vertreter
hatten überdies ihre Glückwünsche aussprechen lassen :
der Geschichts- und Altertumsforschende Verein zu Eisen-
berg S.-A., der Vogtländische Altertumsforschende Verein
zu Holienleuben, der Thüringer Archivtag und die Wissen-
schaftliche Vereinigung zu Apolda. Auch eine Anzahl der
Mitglieder des Vereins, die an der Eeier nicht teilnehmen
konnten, gratulierten ihm in Briefen und Telegrammen, so die
Herren S. Exe. Departementschef von Wurmb in Weimar,
Oberlehrer Dr. E. AnemüUer in Detmold, Kammerherr von
Ebart in Gotha, Prof. Dr. Kühn in Eisenach, Archivrat Dr.
W. Lippert in Dresden, Dr. G. Neuenbahn, der sich in Wies-
baden befand, Realschuloberlehrer Quantz in Geestemünde,
Oberlehrer Dr. P. Regel in Gotha, Legationsrat von Tümpling
auf Thalstein und Prof Dr. K. Wenck in Marburg.
Ein gemeinsamer Spaziergang nach dem Forst schloß
sich an das Festmahl an, und eine kleine Anzahl der Teil-
nehmer vereinigte sich schließlich am Abend noch in der
„Sonne", um hier den Abgang der letzten Züge abzuwarten.
Wir können den Bericht nicht schließen, ohne allen,
die sich um das Zustandekommen des Festes bemüht, und
allen, die bei dem Jubiläum ihr Interesse für die Be-
strebungen des Vereins bewiesen haben, herzlichst zu danken.
II.
Die fünfzigjährige Wirl(samkeit des Vereins für
Thüringische Geschichte und Altertumsl(unde.
Vortrag, gehalten am Stiftungsfeste des Vereins den
22. Juni 1902 in den akademischen Rosensälen zu Jena.
Von
dem Vorsitzenden Prof. Dr. Ed. Rosenthal.
Hochansehnliche Versammlung !
Wenn nach Zeiten politischer Erregung eine Epoche
die Ruhe eingetreten ist, erscheint der Boden für ge-
schichtliche Betrachtung und Versenkung in die Vergangen-
heit besonders günstig. Nach den bewegten Jahren der
Befreiungskriege hat so der Freiherr von Stein 1819 die
Gesellschaft für deutsche Geschichtskunde gegründet, die
die Herausgabe der Monumenta Germania historica ins Werk
setzte. So ist in der Ruhe nach dem Sturme der Be-
wegung von 1848/49, in welcher der Versuch der Gründung
des deutschen Staates gescheitert war, der Verein für
Thüringische Geschichte und Altertumskunde ins Leben
gerufen worden.
Die unmittelbare Anregung zur Gründung unseres
Vereins ging aus von dem Archäologen Bernhard Stark,
dem Gliede einer mit der Geschichte unserer Hochschule
eng verbundenen Professorenfamilie, nachdem frühere
Anregungen zu keinem greifbaren Ergebnisse geführt
hatten.
Am 1. November 1851 lud Stark die Professoren
Droysen (Historiker), Göttling (klass. Philologe), H. Rückert
X Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
(germanist. Philologe), Michelsen (Jurist), Schwarz (Theologe),
und Wegele (Historiker) für den folgenden Tag zu einer
Besprechung über „eine Vereinigung der eipzelnen Kräfte zu-
nächst auf hiesiger Universität, dann im Bereiche Thüringens
selbst zu einem Historischen oder Altertumsforschenden Ver-
eine, in naher, aber selbständiger Verbindung mit dem in
Halle bereits bestehenden". Diese 7 Herren verschickten i),
nachdem sie sich über einen Statutenentwurf geeinigt
hatten, eine von Droysen verfaßte gedruckte Einladung zum
Beitritt. „Schon mehrfach", so spricht sich diese über die
Aufgaben des Vereins aus, „ist der Wunsch ausgesprochen
worden, daß auch in den thüringischen Landen ein Verein
entstehen möchte, der es sich zur Aufgabe macht, die Ge-
schichte derselben zu erforschen, die vorhandenen Reste
des Altertums zu erhalten , Urkunden , Chroniken , Über-
lieferungen zu sammeln, aus den gewonnenen Materialien
besonders Wichtiges zu veröffentlichen".
Die Anregung fiel auf einen fruchtbaren Boden. Denn
wenn auch außer dem erwähnten thüringisch- sächsischen
Verein für die Erforschung des vaterländischen Altertums
zu Halle, der mehr ein sächsischer 2) geblieben war, schon
die Geschichts- und Altertumsforschende Gesellschaft des
Osterlandes zu Altenburg, der Vogtländische Altertums-
forschende Verein zu Hohenleuben und der Hennebergische
Geschichtsverein zu Meiningen bestand, so hatte dieser
seine Thätigkeit einem fränkischen Landesgebiet zu widmen,
während jene bestimmungsgemäß ihre Aufgabe in der Er-
forschung der Geschichte eines kleinen Bezirks Thüringens
erblickten. So kann man nur staunen, daß, nachdem in so
vielen deutschen Gauen bereits Geschichtsvereine eine er-
1) Einen „Bericht über die Stiftung des Vereins für Thüring.
Geschichte und Altertmnskunde" aus der Feder Kückerts, nebst den
Statuten des Vereins, Namensverzeichnis der Mitglieder und Ver-
zeichnis der an den Verein eingegangenen Geschenke enthält Bd. 1
Heft 1 der Zeitschrift des Vereins, Jena, Friedrich Frommann, 1852.
2) Vergl. Bericht, S. 5 f.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XI
folgreiche Thätigkeit entfalteten, Gesamtthüringen noch
immer eines Mittelpunktes für die Förderung seiner landes-
geschichtlichen Studien entbehrte ; Thüringen , das Herz
Deutschlands, mit seiner reichen und wechselvollen Ge-
schichte, die so innig verflochten war mit der Geschichte
des Gesamtvaterlandes.
Weithin leuchtende Glanzpunkte im deutschen Geistes-
leben der Vergangenheit sind es, die auf thüringischem
Boden in die Erscheinung treten. Hier erblühte des Minne-
sangs Frühling. An dem gastfreien Hof des kunstsinnigen
Landgrafen Hermann , den schon Heinrich von Veldeke
in seiner Eneide als einen Freund deutscher Dichtung
rühmte, ließen Wolfram von Eschenbach, der größte deutsche
Dichter des Mittelalters, und Walter von der Vogelweide
ihre unvergänglichen Weisen ertönen. In Hermanns Auf-
trag schrieb Herbort von Fritzlar seinen Trojanerkrieg und
Wolfram seinen Willehalm i). Dann ist wiederum im
16. Jahrh. die Wartburg die Stätte, wo Luther das erfolg-
reiche Werk der Bibelübersetzung unternahm , und die
Reformation, jene gewaltige religiöse und geistige Bewegung,
die eine neue Zeit einleitete, hat hier ihre Ursprungsstätte.
Und um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts ver-
sammelt Karl August am Weimarer Musenhof die Heroen
deutscher Dichtkunst, deren Ruhm die civilisierte Mensch-
heit bis in die fernsten Tage durchleuchten wird. In
unserem Jena erschlossen in dieser Epoche Fichte, Schelling,
Hegel der Weltweisheit neue Bahnen.
Es fällt auf, daß man nicht schon längst auch hier
den Versuch gemacht hat, durch Zusammenfassung der
interessierten Kreise den Schauplatz all dieser gewaltigen
Geistesthaten und so vieler bedeutsamer politischer Er-
eignisse, die sich auf diesem landschaftlichen Hinter-
grunde abspielten , geschichtlich zu ergründen. Denn
1) Vergl. Scherer, Geschichte der deutschen Litteratur, Berlin
1Ö83, S. 195.
XII Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
Fr. Böhm er hatte schon 1844 geklagt, daß „leider gerade
in Thüringen die Kenntnis der Landesgeschichte und die Teil-
nahme für dieselbe sogar erloschen sei i)". Ein Mittelpunkt
für die Erforschung der Vergangenheit Thüringens war
gerade hier anzustreben, wo die staatsbildende Kraft
in ihrer überreichen Entfaltung eine größere staatliche
Zersplitterung als in anderen Grauen Deutschlands erzeugt,
bis in unsere Tage erhalten hatte und hier keine gemein-
same Centralgewalt auch den leitenden Mittelpunkt für
diese Studien darbot, wie dies in anderen größeren deutschen
Staaten der Fall war.
Die konstituierende Versammlung des Vereins fand am
2. Jan. 1852 im Saale des Bürgervereins unter dem Vor-
sitze des Rechtshistorikers Michelsen statt. Über die
wissenschaftlichen Aufgaben des Vereins verbreitete sich
in einem eindrucksvollen Vortrage Prof. Rückert, ein Sohn
des Dichters.
Es war selbstverständlich, daß man zum Sitze des
Landesvereins Jena mit seiner ernestinischen Gesamt-
universität erwählte, an der eine Reihe von Gelehrten
wirkte, welche die Erforschung des geschichtlichen Lebens
Thüringens in seinen verschiedensten Kulturgebieten am
besten zu leiten in der Lage waren. Zugleich bestimmten
aber die Statuten, die in der konstituierenden Versammlung
zur Annahme gelangten, daß die jährliche Generalver-
sammlung abwechselnd an einem Orte Thüringens abgehalten
werden solle. So konnte das Interesse für die Vereinsbe-
strebungen durch Anknüpfung und Auffrischung persönlicher
Beziehungen in den verschiedensten Teilen Thüringens ge-
weckt und gefördert werden. Bei der Bildung des Vor-
standes und Ausschusses durch die konstituierende General-
1) Vergl. Dobenecker, Die Bedeutung der Thüringischen Ge-
schichte und der gegenwärtige Stand ihrer Erforschimg (1886), in
Zeitschrift des Vereins für Thüringiscse Geschichte, N. F. Bd. 5,
S. 167.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. ' XIII
Versammlung wurden gewählt zum Vorsitzenden der Kurator
der Universität, Staatsrat Seebeck, zu dessen Stellver-
treter Prof. Michelsen , zum Sekretär Prof. Rückert, zum
Kassierer Buchhändler Frommann, zu Mitgliedern des Aus-
schusses die Historiker Droysen, und Wegele, der National-
ökonom Fischer, der Philologe Göttling, der Theologe
Schwarz, der Archäologe B. Stark, sämtliche Lehrer unserer
Hochschule. Die Wahl Seebecks zum ersten Vorsitzenden
des Vereins muß als ein besonders glücklicher GriflF ge-
priesen werden. Noch im Oktober des Gründungsjahres
trat an Stelle des nach Breslau berufenen Rückert Prof.
von Lilienkron in den Ausschuß ein.
Zum Ehrenmitglied des Vereins wurde der damalige
Erbgroßherzog von S.-Weimar Carl Alexander gewählt.
So waren hier zu gemeinsamem Wirken verbunden
Wegele, der künftige Geschichtsschreiber der deutschen
Historiographie, und Lilienkron, die dereinst berufen wurden
zur Leitung des großen nationalen Unternehmens, der All-
gemeinen Deutschen Biographie, das die Historische Kom-
mission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
ins Leben rief und an dessen Spitze heute noch der greise
Stiftsprobst von Lilienkron steht.
Der Verein stellte sich durch seine Statuten unter den
Schutz aller thüringischen Landesfürsten ^). Zu korrespon-
dierenden Mitgliedern werden 40 auswärtige Gelehrte 2) er-
nannt, darunter die ersten Namen wie Jakob und Wilhelm
Grimm, Moritz Raumer, Sybel, Dahlmann, Perthes, Arndt,
Pertz, Böhmer, General von Radowitz.
Die Aufgabe, die sich der Verein bei seiner Gründung
stellte, war die, „durch Sammlung und wissenschaftliche
Benutzung der heimischen Denkmäler die Geschichte
1) Vereinsstatut, 1852, § 2.
2) Die Namen derselben sind abgedruckt in der Vereinszeit-
schrift, Bd. 1, 8. 201.
XIV I^iö fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
Thüringens in allen seinen früheren und jetzigen Bestand-
teilen allseitig zu erforschen und zu erweitern" ^).
Um diese Aufgabe zu erfüllen, war die Bildung von
Sektionen ^) für die einzelnen Zweige der Vereinsthätigkeit
(Geschichte, Landeskunde, Sprachkunde, Rechtsquellen,
Altertumskunde) ins Auge gefaßt, indem der Ausschuß in
Verbindung mit einzelnen sachverständigen Vereinsmit-
gliedern diese Zweige des geschichtlichen Lebens pflegen
sollte.
Schon in der ersten Sitzung (15. Jan. 1852) schritt
der Gesamtausschuß zur Organisation von Sektionen und
beauftragte folgende Herren mit der Bildung derselben. Prof.
Fischer mit der Bildung der Sektion für Landeskunde und
Statistik, Stark mit der für Kunstaltertümer, Michelsen für
Rechtsaltertümer, Droysen mit der für neuere Geschichte,
Wegele mit der für mittlere Geschichte, Schwarz für
Kirchengeschichte und E,ückert für die Sprache und Littera-
tur. Nach dem Weggang Rückerts trat Prof. von Lilien-
kron an seine Stelle. Ein solcher Organisationsplan ging
doch wohl etwas zu sehr ins Große und die immerhin
nicht sehr zahlreichen zur Verwendung stehenden persön-
lichen Kräfte und die Beschränktheit der finanziellen Mittel
gestatteten nicht eine gleichzeitige gedeihliche Wirksamkeit
auf diesen verschiedenen Gebieten. Es waren doch nur
einige Sektionen, in denen sich eine lebendige Sorgsamkeit
entfaltete. In der „Zeitschrift des Vereins", von der jetzt.
die staatliche Reihe von 20 Bänden abgeschlossen vor-
liegen, fanden die verschiedensten Seiten des Kulturlebens
der Vergangenheit eine ertragsreiche Pflege. Wenn man
sich den reichen Inhalt dieser Jahrgänge, die erstaunliche
Vielseitigkeit der erörterten Materien vergegenwärtigt, dann
muß man bei objektiver Beurteilung zugestehen, daß in
ihnen nicht nur eine wesentliche Erweiterung unserer Kennt-
1) Vereinsstatut, 1852, § 2.
2) Daselbst § 10.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XV
nis des politischen Lebens, daß Quellenkunde, Kirchen-,
Litteratur-, Rechts- und Kulturgeschichte Thüringens durch
diese Veröffentlichungen eine ganz bedeutende Erweiterung
erfahren. Einzelne Spezialuntersuchungen hellen nicht nur
das Dunkel, das die Geschichte einzelner Ortschaften und
Bezirke umgab, auf, sondern setzen durch ihre Ergebnisse
Institutionen der Vergangenheit in helle Beleuchtung und
bieten wichtige Beiträge zur Gesamtgeschichte Thüringens und
Deutschlands. Eine für unsere Stadt und Universität be-
deutungsvolle Angelegenheit wurde durch die Zeitschrift des
Vereins in Fluß gebracht. Schon im ersten Jahre beschloß der
Vorstand die Aufforderung zur Errichtung eines Denkmals des
Kurfürsten Johann Friedrich, des Stifters unserer Universität,
zu erlassen. An die Spitze des gegründeten Denkmalver-
eins trat der Vorsitzende des Vereins, Seebeck, der dann
auch bei der 1858 erfolgenden Enthüllung die Festrede
hielt. Dank der Arbeitskraft Michelsens war es dem Verein
möglich, neben den ersten Heften der Zeitschrift auch noch
im ersten Jahre mit einer Herausgabe von Quellenpublikation
hervorzutreten. Michelsen legte schon im August 1852
die erste Lieferung der Rechtsdenkmale aus Thüringen vor,
die die bisher ungedruckten Stadtrechte von Arnstadt ent-
halten, deren Inhalt germanistisch zum Teil bedeutend
war, mit einer Staats- und rechtsgeschichtlichen Einleitung.
Von diesen Rechtsdenkmalen erschienen im Ganzen 5 Liefer-
ungen. Michelsen hat sich aber nicht darauf beschränkt,
die ihm, dem Rechtshistoriker, nahe liegenden Rechtsdenk-
mäler zu edieren, sondern vorläufig auch die Herausgabe
des thüringischen Urkundenbuchs übernommen, von dem
allerdings nur eine Lieferung, die Urkunden des Klosters
Capelle, erschienen ist. Seiner energischen Thätigkeit im
Dienste der Vereinsaufgaben, denen sich die Mitarbeit eines
Wegele und Lilienkron und anderer tüchtiger Forscher
würdig anschloß, ist wohl das günstige Urteil zu danken,
das den Leistungen des Vereins nach 2^/2 jährigem Be-
steben zu teil geworden ist.
XVI I^iß fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
In einem Aufsatze der Augsburger Allgemeinen Zeitung
(1864)1) heißt es: „Es ist bereits von sachverständigen
Männern ausgesprochen worden, daß wohl kein ähnlicher
Verein seine Aufgabe so scharf und treffend sich gestellt
und so energisch und getreu ausführt".
Es ging ein großer, nicht am kleinen haftender Zug
durch die Leitung des Vereins, trotz der Kärglichkeit der
zur Verfügung stehenden Mittel. Gleich in einer der
«rsten Ausschußsitzungen 2) fand so ein Vorschlag des Präsi-
diums Annahme, in den künftigen Heften der Vereins-
zeitschrift möglichst Gleichartiges zu vereinigen nach
Maßgabe der bereits gebildeten Sektionen und dabei
sich nicht zu ängstlich an die vorrätigen Kassenmittel zu
binden".
Ein hoffnungsfroher Optimismus, eine ideale Begeister-
ung für die Sache führte die in Jena so glücklich ver-
einten Kräfte zu schönen Erfolgen, denen, wie wir gesehen,
die Anerkennung nicht versagt blieb. Aber, wenn auch
fast alle Mitarbeiter auf jegliches Honorar verzichteten,
die Druckkosten für die wissenschaftlichen Unternehmungen
wollten doch bezahlt sein. Der geringe Jahresbeitrag der
Mitglieder von 1 Thaler, der auch heute nach 50 Jahren
trotz der starken Steigerung der Setzerlöhne und Papierpreise,
auf der gleichen Höhe sich erhalten hat, kam nicht in Be-
tracht, da den Mitgliedern die Zeitschrift unentgeltlich ge-
liefert wurde. Der Verein war gezwungen Schulden zu
machen und das Tempo seiner Publikationen zu verlang-
samen. Die Gefahr war nahe gerückt, daß die dringendste
Aufgabe des Vereins, die Herausgabe der thüringischen
Geschichtsquellen, deren 1. Band, die Reinhardsbrunner
Annalen von Wegele nahezu beendigt war, nicht zur Aus-
führung gelangen konnte, wenn nicht neue Geldquellen er-
1) Abgedruckt in der Gothaischen Zeitung vom 8. August
1854 Nr. 184.
2) 14. Juni 1852.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XVII
schlössen wurden. Ebensowenig durfte man auf eine Fest-
setzung und Beendigung des Planes hoffen, durch Bear-
beitung aller noch vorhandenen alten Landeschroniken für
eine quellenmäßige Darstellung der thüringischen Geschichte
eine ganz sichere Grundlage zu gewinnen ^).
Seebeck wandte sich, um eine Stockung in den litte-
rarischen Unternehmungen zu verhüten, im Frühjahr 1854
an die Fürsten und Minister der thüringischen Staaten *),
legte mit staunenswerter Unermüdlichkeit offen und mann-
haft die Schwierigkeiten und die Bedeutung der Unter-
nehmungen dar, und erbat von den Protektoren Unter-
stützung, denn er glaubte davon überzeugt sein zu dürfen,
„daß es für die thüringischen Staaten und deren erhabene
Fürstenhäuser ein recht wesentliches Interesse habe, ihre
ältere Geschichte, die noch vielfaches Dunkel decke, mit
Hilfe wissenschaftlicher Forschung in jeder politischen,
rechtlichen und kulturgeschichtlichen Hinsicht möglichst
erhellt zu sehen" 3). Die Bittgesuche hatten Erfolg, die
Fürstlichkeiten machten Zuwendungen in der Höhe von
3 Louisdor bis 100 Thaler. Es waren mehrere hundert
Thaler auf diesem Wege dem Verein zugeflossen, und die
Schulden waren 1857 fast ganz gedeckt. So konnte 1857
der Kassierer*) Frommann dem Vorsitzenden melden; „Unsere
Finanzen stehen gut, da wir im vorigen Jahr wenig ver-
druckt haben , und an außerordentlichen Zuschüssen
50 Thaler von der Großfürstin, 50 Thal er vom Herzoge vom
Altenburg in die Kasse geflossen sind". Die Zukunft der
1) Eingabe Seebecks an verschiedene Minister thüringischer
Staaten vom 1. April 1854. Vergl. auch G. Richter, Moritz See-
beck in Zeitschrift des Vereins N. F. V. S. 75.
2) Eine überzeugend begründete Eingabe Seebecks an den
weimarischen Minister von Watzdorf 4. Mai 1857 bei den Akten des
Vereins. Auszüge aus dieser bei G. Richter a. a. O.
8) G. Richter, a. a. O., S. 76.
4) Aschermittwoch (Akten, Herausgabe des U.B. betr. I) Der
Kassenbestand betrug an diesem Tage 4ö4 Thaler 4 Groschen.
2
XVIII I^iß fünfzigjälirige Wirksamkeit des Vereins.
Publikationen war aber hierdurcli nicht sicher gestellt.
Und wieder war es Seebeck i), dessen eindrucksvollen und
energischen Bemühungen es gelang, durch Vermittlung des
Staatsministers von Watzdorf von der Großherzogin Groß-
fürstin Maria Paulowna eine Unterstützung von 500 Thaler
zu erwirken (1857). Diese hochherzige Gabe der fürst-
lichen Frau ermöglichte die Herausgabe der von Lilienkron
bearbeiteten Chronik des Joh. E.ohde. Von Schulden nicht
mehr bedrückt war das Schiff des Vereins wieder flott ge-
macht und konnte von der sicheren Hand eines thatkräftigen
und intelligenten Steuermanns gelenkt wieder einige Jahre
ruhig seine Bahn weiter segeln.
1861 (15. Mai) legte Seebeck den Vorsitz im Verein
nieder ; er hatte schon früher erklärt, daß er nur bis zum
Abschlüsse der Bearbeitung der Geschichtsquellen und der
Rechtsdenkmale das mitunter dornenvolle Amt weiter führen
werde. Daß er seinem Nachfolger eine wohlgefüllte Kasse,
einen Barvorrat von 427 Thalern ^) hinterlassen konnte,,
war sein Verdienst und das des Buchhändlers Frommann 3),
der selbst in seiner Person den Zusammenhang mit einer
großen Vergangenheit verkörpernd erfolgreich die Geschäfte
des Vereins als Verleger besorgte und als Kassierer dessen
Vermögen verwaltete und dem Verein oft mit Vorschüssen
unter die Arme griff. Nach Seebecks Austritt aus dem
Vorstand ging das Präsidium, nachdem der 2. Vorsitzende
Mich eisen der auch die Herausgabe der Vereinszeitschrift'
1) a. a. O., S. 77 f.
2) In der Vorstandssitzung v. 30. Okt. 1862 teilte der Vor-
sitzende Michelsen mit, daß die finanziellen Verhältnisse des Ver-
eins nie so günstig beschaffen gewesen als in den Jahren 1861 imd
1862, indem 1861 der Kassebestand 761 Thaler betragen habe und
nach Abzug der erwachsenen Kosten in das Jahr 1862 ein Baar-
vorrat von 427 Thalern mit den eingegangenen Beiträgen herüber
genommen worden sei, so daß nach Abzug der neu entstandenen
Kosten circa 300 Thaler Baarbestand bleiben werden (Protokolle).
3) Über ihn vergl. Erich Schmidt, Charakteristiken. 1. Reihe
2. A. Berlin. 1902, S. 316 f.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XIX
besorgte, dasselbe 1 ^g Jahr geführt hatte, auf diesen- über
(30. Okt. 1862) ; zum 2. Vorsitzenden wurde später From-
mann gewählt (10. Okt. 18G3). Schon Ende 1863 schied
Michelsen, der zum 1. Vorstand des Germanischen Museums
in Nürnberg ernannt worden war, aus dieser Stellung.
Mit ihm ist so ziemlich die erste arbeitsfrische und
ertragsreiche Epoche der Geschichte unseres Vereins zu
Ende.
Als (am 20. Juni) 1864 Klopfleisch die Öffnung eines Grab-
hügels bei Nerkewitz auf Kosten des Vereins beantragte, er-
klärte Frommann dies für unbedenklich, „da der Verein jetzt
Geld hat und sonst wenig Thätigkeit entwickelt", eine höchst
charakteristische Äußerung. Jetzt war der Kreis jener
emsigen Arbeitsgenossen mit Lilienkron und B. Stark, der
nach Heidelberg übergesiedelt war, — auch der verdienst-
volle Wegele war schon 1857 einem Rufe nach Würzburg
gefolgt, — die sich mit Begeisterung der Erforschung der
Thüringischen Geschichte geweiht, in alle Winde zerstreut.
Die Arbeit ruhte doch fast ausschließlich auf den Schultern
der Jenenser im Ausschusse, der, wie Seebeck berechnet,
„in seiner Arbeit eigentlich nur vom Hofrat Preller in
Weimar und vom Hofrat Funkhänel und vom Prof. Rein
in Eisenach sich einer mitfördemden Hülfe erfreute",
Adolf Schmidts wissenschaftliches Interesse, der dem Aus-
schusse mit Klopfleisch 1861 beigetreten war, lag auf einem
andern Felde. 1865 wurde kein Jahresbeitrag erhjoben, da
kein Heft der Zeitschrift ausgegeben worden, obwohl
(17. Okt. 1864) eine Redaktionskommission gewählt worden
war. 1867 (18. Januar) lief bei Prof. Hermann eine An-
regung des Archivrats Dr. Burkhardt ein zur Herausgabe
bezw. Fortsetzung des Codex Thuringiae diplomaticus. In
einer Konferenz (20. Febr. 1867) wurde der Plan zwischen
beiden dahin vereinbart, daß der Codex Thuringiae dipl. in
4 Hauptabteilungen erscheinen solle:
1) Urkunden des landgräflichen Hauses und des Landes,
2) Urkunden der geistlichen Stiftungen,
XX I^iß fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
3) Urkunden der Städte und Ortschaften,
4) Urkunden thüringischer Eamilien (Grafen von Orla-
münde, von Tautenburg etc.) be^w. Urkunden ver-
mischten Inhalts.
Der Verein für Thüringische Geschichte sollte das
Werk in seinem Namen herausgeben und das Verlagsrecht
erhalten. Die Edition der Urkunden sollte Dr. Burkhardt
in Verbindung mit den Beamten des Weimarischen Archivs
übernehmen, doch wurde die Beteiligung bei der Heraus-
gabe auch anderen, insbesondere Mitgliedern des Vereins
freigestellt. Man glaubte aber seitens des Vorstandes auf
denselben nicht eingehen zu können, hauptsächlich weil
dermalen nicht zu hoffen sei, daß die Herzoglich säch-
sischen Regierungen eine Geldbewilligung für diesen Zweck
gewähren würden, aber auch weil Kollisionen zwischen dem
Verein und der Archivverwaltung bei den modifizierten
B'schen Plänen unausbleiblich wären. Das ist die letzte
urkundliche Spur der Thätigkeit des Vereins vor seiner
Neubildung, die ich in den Akten fand.
Langsam war in den letzten Jahren der einst
rührige Verein dahingesiecht, und mit dem Tode Prof.
Hermanns verfiel er in einen etwa neunjährigen sanften
Schlummer.
Die Verwirklichung eines lange vergeblich ersehnten
Zieles, die Wiederaufrichtung von Kaiser und Beich hat_
wieder eine Periode politisch mächtig bewegten Lebens
abgeschlossen. Und wiederum empfing die Geschichts-
schreibung durch tiefeingreifende politische Ereignisse neue
Impulse. Das Interesse für die Geschichte der engeren
und weiteren Heimat wuchs. Diese Strömung führte auch
zur Wiedergeburt unseres Vereins noch im Decennium des
großen Kriegs.
Am 12. Nov. 1876 versammelten sich auf Einladung
des einzigen noch übrigen Mitgliedes des alten Vorstandes,
des alten Frommanns, einige alte Mitglieder des Vereins,
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XXI
denen sich einige neue beigesellten i). Man schritt zur
Bildung des Vorstandes, wählte den Juristen OAGRat
Prof. Muther zum 1. Vorsitzenden, Gymnasialdirektor Dr.
Richter zum stellv. Vorsitzenden, Prof. Klop fleisch zum
Schriftführer, später zum Konservator, und Dr. Karl Schulz
denjetzigen Bibliothekar des Reichsgerichts, dann zum Schrift-
führer ; am 6. Juni 1877 wurde Buchhändler Eduard From-
mann, der auch an Stelle seines Vaters den Verlag der
Zeitschrift des Vereins übernommen hatte, zum Kassierer
gewählt. In der Vorstandssitzung vom 5, Februar 1877
wurden in den Ausschuß gewählt die Professoren Georg
Meyer, der bis zu seinem Weggang von Jena mit kurzer
Unterbrechung mit der ihm eigenen Pflichttreue lebhaften
und erfolgreichen Anteil an der Leitung der Vereinsge-
schäfte nahm, dann der Germanist Sievers, der Theologe
Lipsius und Oberbibliothekar Klette. Am 7. November 1877
traten noch hinzu Dr. Ulrich Stechele und der Btistoriker
Prof. Dietrich Schäfer, der nach Klettes Abgang ihn als
Vereinsbibliothekar ersetzte.
Es ist wohl kein Zufall, daß die Neubildung unseres
Vereins zeitlich zusammentrifft mit der Gründung des
hiesigen Gymnasiums, und ich vermute, daß die Persönlich-
keit des neuen Direktors, dem auch gleich die Redaktion
unserer Vereinszeitschrift übertragen wurde, die er bis zum
Jahre 1885 geführt hat, auch bei der Renaissance des Ver-
eins ihre Hand erfolgreich im Spiele gehabt hat. ,Treu hat
Gustav Richter unserer Sache gedient bis zum heutigen
Tage. Nach Lipsius' Tode übernahm er das Präsidium, in
dessen Führung er mit der Würde der Repräsentation
feines Verständnis für die Aufgaben unserer Landesge-
schichtsforschung verbunden hat. Für die Interessen des
1) Vergl. E. A. Lipsius, Bericht über die Thätigkeit des Ver-
eins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde seit seiner
Neubegründung am 12. November 1876 bis zur Generalversammlung
in Gotha am 12. Oktober 1881. Zeitschrift des Vereins für Thüring.
Gesch. u. Alt. Neue Folge, Bd. 2, S. 467 ff.
XXII Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
Vereins ist er stets mit Wärme und Entschiedenheit einge-
treten. Der Verein dankt ihm besonders auch einige fein-
sinnige Denkmäler der Pietät, die er in der Zeitschrift
verstorbenen Vorstandsmitgliedern gesetzt hat, ich erinnere
an die schönen, von warmer Sympathie durchhauchten Lebens-
bilder seiner Vorgänger im Vereinspräsidium, Seebecks ^)
und Lipsius' ^), an die ehrende Charakteristik Michelsens 3),
Eduard Frommanns und Martins. So war es uns allen höchst
schmerzlich, als Richter im September vorigen Jahres wegen
seines leidenden Gesundheitszustandes seine Stelle als
1. Vorsitzender niederlegte und auch, als wir auf meinen
Antrag dies Präsidium den Winter hindurch unbesetzt
ließen, nicht zur Weiterführung zu bewegen war. Doppelt
schmerzlich ist es mir, ihn nicht heute statt meiner
an dieser Stelle zu sehen , denn er war der berufene
Chronist des Vereins , dessen ältere Geschichte er in
den erwähnten Charakteristiken so anziehend dargestellt,
dessen jüngere Geschichte er an leitender Stelle mitge-.
macht hat.
Ihm bei der heutigen Feier den innigsten Dank des
Vorstandes für sein Wirken auszusprechen, ist mir ein
Herzensbedürfnis, Ich verbinde damit den Wunsch, daß
ihm noch eine recht lange Thätigkeit als Mitglied unseres
Ausschusses beschieden bleibe.
1) Vergl. oben S. XVII, Anmerk. 1.
2) G. Richter, Lipsius' Lebensbild. Außer dieser Gedächtnis-
rede Richters wurde bei der vom Verein für Thüringische Geschichte
zu Ehren seines Vorsitzenden am 5. Februar 1893 in der Rose zu
Jena veranstalteten Gedächtnisfeier von des Verstorbenen Fakultäts-
genossen Prof. Dr. Nippold Lipsius' historische Methode in einer
warmen Gedächtnisrede gewürdigt. Beide Reden sind abgedruckt in
der Zeitschrift des Vereins für Thüring. Gesch. u. Alt. Neue Folge
Bd. 9, S. 3 f.
3) G. Richter, A. L. J. Michelsen und seine Bedeutung für
die thüringische Geschichtsforschung. Zeitschrift des Vereins für
Thüring. Gesch. u. Alt. Neue Folge Bd. 2 S. 441 f.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XXIII
Der Verein nahm wie in alten Zeiten seine Abend*
Zusammenkünfte ^) mit Vorträgen wieder auf ').
Durch den plötzlichen Tod Muthers (25. November 1878)
war der neu aufstrebende Verein seines Leiters beraubt.
Auf Richters Vorschlag wurde Kirchenrat Lipsius zum 1. Vor-
sitzenden gewählt, der bis zu seinem Tode (19. August
1892) das Steuer des Vereins mit sicherer Hand führte.
Mit Wehmut gedenken wir, denen es noch vergönnt war,
mit ihm im Verein zu arbeiten, des vortrefflichen Mannes,
dessen hervorragende Geschäftsgewandtheit, dessen zielbe-
wußte Energie und dessen wissenschaftliches Ansehen dem
Verein, für den er unermüdlich wirkte, in hohem Maße zu
statten kam. Ein halbes Jahr vorher schon war dem Vor-
stande ein durch seltene Pflichttreue ausgezeichnetes Mit-
glied durch den Tod entrissen worden: Am 27. Januar
1892 starb der Universitätsbibliothekar Dr. Martin, der die
Bibliothek des Vereins lange Zeit verwaltet und seit 1885
die Zeitschrift redigiert hatte. Das von ihm herausge-
gebene Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer geistlichen
Anstalten ist ein sprechender Beweis für seine Gewissen-
haftigkeit und Sachkenntnis.
Die Verwaltung der Bibliothek übernahm nach Martins
Hinscheiden der Direktor der hießigen Universitätsbib-
liothek Dr. Müller, die Redaktion der Zeitschrift aber Dr.
0. Dobenecker.
Dem Vorsitzenden hatte seit 1885 Freiherr von Thüna als
Schriftführer zur Seite gestanden, dem durch planvolle Ordnung
1) Am 11. Dezember 1877 fand die erste Vereinszusammenkunft
statt, bei der Dr. Stechele einen Vortrag über die Herstellung eines
thüringischen Urkundenbuchs hielt.
2) Am 31. März 1878 hielt Dr. Schulz in einer solchen Zu-
sammenkunft einen Vortrag über die Thüringische Landesordnung
Herzog Wilhelms des Tapferen von 1446. Auf Antrag des Geh. Rat
Hase war am 28. Februar 1879 im Interesse eines festen Zusammen-
schlusses der Mitglieder die Abhaltung von Monatsversamralungen
beschlossen worden.
XXIV I^i^ fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
unserer Akten und durch seine historischen Interessen der
dauernde Dank aller gesichert ist, die an der Verwaltung
unseres Vereins beteiligt waren und sein ^werden. Leider ver-
legte er bald seinen Wohnsitz nach Weimar, und ich folgte ihm
am 17. Januar 1887 im Schriftführeramt, das ich 1896 auf Prof.
Keutgen übertragen konnte. An Richters Stelle übernahm
Geh. Hofrat 0. Lorenz die Funktionen des 2. Vorsitzenden,
legte dieser aber zu unseren großen Bedauern schon 1895 nieder.
Ihn ersetzte Staatsrat Prof. A. Brückner, der frühere Dorpater
Historiker. Die Erinnerung an den liebenswürdigen Kollegen
und seine stete Bereitwilligkeit zur Übernahme von Vor-
trägen wird uns unvergeßlich sein.
Hatte der Verein in seinen Anfängen auch schon in
der Herausgabe von Urkundenbüchern ein Hauptziel seiner
Bestrebungen erkannt, so war doch, wie oben gezeigt wurde,
der Codex Thuringiae diplomaticus über das von Michelsen
1854 herausgegebene 1. Heft nicht hinausgekommen. Privater
Initiative entsprang Reins Thuringia sacra, die nach Heins
Tode keine Fortsetzung fand.
Der Verein hatte gleich nach seiner Neubildung die
Herausgabe eines thüringischen Urkundenbuchs ins Auge
gefaßt, um die Forschung auf dem Gebiete Thüringer Landes-
geschichte auf eine feste Grundlage zu stellen.
Dr. Stechele ^) wurde mit der Bearbeitung des Planes
beauftragt, der von Prof. Schäfer revidiert und vom Vorstan4
veröffentlicht wurde. „Kein Territorium in Deutschland",
so heißt es in dem Prospekt, „hat einen größeren Urkunden-
schatz als Thüringen, wo einst 150 Klöster waren, die
städtischen Gemeinwesen sich so reichlich entwickelten,
mächtige Dynastengeschlechter blühten, frühzeitig eigen-
.tümliche ständische Vertretungen sich ausbildeten und ein
großer Teil des norddeutschen Adels seine Wiege hatte."
]) Der Vorstand des Vereins ersuchte (18. Juli 1878) die Be-
hörden und Archiv vorstände, den mit den Vorarbeiten betrauten Dr.
Stechele zu unterstützen.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XXV
Man plante, die Urkunden derDynastengeschlechte, der StädtOj
der Stifte und Klöster und des Adels herauszugeben. Als
1. Band wurde ein Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer
geistlichen Anstalten ins Auge gefaßt. Dieses, von 1182 bis
1485 reichend, wurde von Dr. Martin, Universitätsbibliotheks-
sekretär in Jena, 1888 veröffentlicht. Nach dem Tode des
pflichteifrigen Mannes erwarb der Verein einige Vorarbeiten
für den 2. Band aus dessen Nachlaß. Es gelang uns, in
Dr. Ernst Devrient eine tüchtige junge Kraft zu gewinnen,
der wir die Bearbeitung des 2. Bandes anvertrauen konnten.
Noch im Laufe dieses Jahres wird das Werk unseren Freunden
zugehen.
Als 2. ürkundenwerk war das von Arnstadt ins Auge
gefaßt, dessen Herausgabe der verdienstvolle Vorstand des
Ernestinischen Archivs in Weimar, Geh. Hofrat Burkhardt
übernahm, nachdem Dr. Balzer von dem ihm gewordenen
Auftrag auf seinen Wunsch entbunden worden war. Wir
haben die große Freude, aus den Händen des Geh. Hofrat
Burkhardt, unseres Kollegen im Ausschusse, des in uner-
müdlicher Schaffensfreudigkeit Wirkenden, vor einigen
Wochen den jüngsten Sprossen unserer archivalischen Publi-
kationen, den 1. Band der Ernestinischen Landtagsakten zu
empfangen.
Auf das Arnstädter Urkundenbuch folgte 1885 der
1. Teil der Urkunden der Vögte von Weida, Gera und
Plauen nebst ihrer Hausklöster (40 Bogen), dessen 2. Teil
1892 folgen konnte (46 Bogen), ein Werk, das in dem
heutigen Schleizer Archivrat Dr. Berthold Schmidt, einem
Schüler von Prof. Schäfer, einen auf der Höhe seiner Auf-
gaben stehenden Herausgeber fand.
An die Verwirklichung des Planes des Urkundenwerks
konnte die Vereinsleitung aber erst schreiten, nachdem die
Mittel für die Durchführung gesichert waren, denn erfahrungs-
gemäß konnte man bei solchen Publikationen auf einen
starken Absatz nicht rechnen. Die Mitgliederbeiträge
reichten aber wie heute kaum zur Deckung der Kosten
XX.VI ^^^ fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
der Vereinszeitschrift, ein Honorar konnte den Mitarbeitern
an dieser nicht gegeben werden.
Der Vorstand legte in einer Eingabe an die Regierungen
der thüringischen Staaten diese Verhältnisse dar und erbat
eine fortdauernde jährliche Unterstützung von denselben,
durch deren Gewährung die Durchführung des Urkunden-
werks bedingt sei.
Es war ein glücklicher Umstand, daß damals die
Leitung des weimarischen Kultusdepartements sich in den
Händen Stichlings befand, des Enkels Herders, der, von
einer hohen Auffassung von den Aufgaben des Staates be-
seelt, als sachkundiger Historiker — verdanken wir ihm doch
eine wertvolle Monographie über die Mutter der Ernestiner ^)
— dem Plane volles Verständnis entgegenbrachte.
Umgehend gab er seiner Bereitwilligkeit zur thunlichsten
Förderung des Unternehmens Ausdruck. Nähere Aufschlüsse
über die erforderlichen Kosten und über die Urkundenbücher,
die den beiden geplanten folgen sollten, wurden vom Vor-
stand eingefordert, da es für die einzelnen Regierungen
von Wert war, zu erfahren, ob und in welchem Umfange
Urkunden aus ihrem Staatsgebiet ediert werden sollten.
Bei den Verhandlungen der weimarischen Regierung mit
den übrigen thüringischen waren mancherlei Schwierig-
keiten zu überwinden, sie zogen sich bis gegen die Mitte
des Jahres 1880 hin. Auf der 2. Generalversammlung zu
Arnstadt (13. Juni 1880) konnte die Gewährung einer
Unterstützung von 2550 M. vorläufig auf 3 Jahre seitens
der Regierungen von Weimar, Coburg-Gotha, der beiden
Schwarzburg und der beiden Reuß verkündet werden.
Weimar zahlte 1000 M., obwohl der Vorstand nur um
einen Zuschuß von 750 M. gebeten hatte. Abe:i- trotz
dieser so überaus dankenswerten Zuschüsse konnte der
Verein nicht ohne Sorge in die Zukunft schauen. „Ein
1) G. Th. S ti chlin g, Die Mutter der Ernestiner. Ein Lebens-
bild von der Grenzscheide des 16. und 17. Jahrhunderts, Weimar 1860.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XXVII
Jahresbeitrag von 2550 M.", so heißt es in dem vom Vor-
sitzenden 1883 erstatteten Berichte *)," reicht gerade aus,
um einen mäßigen Band von 30 — 40 Bogen zu drucken
und bescheiden zu honorieren. In diesem Betrage sind aber
die Auslagen für die Vorarbeiten, Diäten und Reisever-
gütungen an die Bearbeiter noch nicht mitbegriffen". Später
kamen noch Meiningen und Altenburg hinzu, und die Jahres-
subvention stieg damit auf 3800 M.
Wir sind von herzlichem Danke gegen die Regierungen
und Landtage der thüringischen Staaten erfüllt, die uns an-
dauernd in die Lage versetzten, die urkundlichen Grund-
lagen für die Geschichte der Thüringer Lande zu ver-
öffentlichen.
Da die größeren Mittel nicht in jedem Jahre aufge-
braucht wurden, denn nicht in jedem Jahr konnte ein Band
druckfertig gestellt werden, während wieder in anderen
Jahren eine größere Zahl von Werken zur Veröffentlichung
bereit lagen, war eine gute Disposition über die Finanz-
kräfte Vorbedingung günstigen Gedeihens des Vereins. Daß
diese Vorbedingung erfüllt wurde, dankt der Verein unserem
Kassenführer Herrn Dr. Gustav Fischer, der nach Eduard
Frommanns Tode (f 9. Mai 1881) in den Vorstand eintrat
und den Verlag der Veröffentlichungen des Vereins über-
nahm. Alle Kollegen im Vorstand wissen, welche wertvolle
unentbehrliche Förderung uns in der 21-jährigen Mitarbeit
Dr. Fischers zu teil geworden ist. Der praktische Blick
des Leiters eines wissenschaftlichen Verlags von europäischem
Ansehen geht bei ihm Hand in Hand mit einem feinen
Takte in der Beurteilung unserer wissenschaftlicher Auf-
gaben, der unseren Unternehmungen in so reichem Maße
zu statten kommt.
Eine voraussehende , weitblickende Finanzgebahrung
war aber auch besonders geboten, als auf Antrag von Prof.
eitschrift des Vereins, Neue Folge Bd. 3, S. 563.
XXVIII -Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
Dr. Schäfer 1882 die Herstellung eines thüringischen Ur-
kundenrepertoriums beschlossen wurde. In Dietrich Schäfer,
unserem einzigen noch lebenden Ehrenmitgliede, der es be-
dauert, heute nicht unter uns weilen zu können, da er gestern
ein Referat in der badischen ersten Kammer erstatten
mußte, hatte der Verein einen Leiter seiner wissenschaftlichen
Unternehmungen von ganz hervorragender Tüchtigkeit und
Energie gewonnen. Er hat seine organisatorische Kraft
dann als Tübinger Professor bei der Einrichtung der
würtembergischen Kommission für Landesgeschichte, deren
Geschäfte er führte, glänzend bewährt und ist jetzt als
Heidelberger Historiker ein angesehenes Mitglied der badischen
historischen Kommission.
Die Schwierigkeiten, die sich bei den Vorarbeiten zu
den geplanten Urkundenbüchern ergeben hatten, waren sehr
große, indem es unmöglich war, bei der „überaus großen
Mannigfaltigkeit, Zersplitterung und Verzettelung der histo-
rischen Litteratur und der archivalischen Fundstellen, wie
sie sich gerade in Thüringen im Zusammenbange mit der
territorialen Vielgestaltigkeit herausgebildet hat, die Voll-
ständigkeit beim Sammeln des Materials auch nur einiger-
maßen zu sichern und die Tragweite eines beginnenden
Unternehmens wenigstens annähernd sicher zu überblicken" ^).
Nachdem ein Arbeitsplan von Prof. Schäfer und Dobe-
necker aufgestellt war, der selbstverständlich im Laufe der
Jahre einige Abänderungen erfahren hatte, konnte dieser
mit der Repertorisierung Michaelis 1883 beginnen. Alle zur
Geschichte Thüringens gedruckten Briefe und Urkunden
sollten in Regestenform geboten werden. Von dem Plan,
das Werk bis 1648 fortzusetzen, ist man bald abgekommen,
da seine Verwirklichung mehrere Decennien angestrengter
Arbeit erfordert haben würde, und man setzte zunächst das
Jahr 1350 als Zeitgrenze fest.
1) V. Schäfer in der Deutschen Zeitschrift für Geschichts-
wissenschaft, N. F. Jahrg. 1896/7, S. 349 f.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XXIX
Das Regestenwerk rückte in den Mittelpunkt aller
Vereinsunternehmungen. Es war eine gewaltige Arbeit, die
da zu leisten war. Mit einer unermüdlichen Gewissen-
haftigkeit, mit echt deutschem Gelehrtenfleiße hat sich
Dobenecker in seine Aufgabe vertieft. Als die Früchte
dieser selbstlosen Hingabe zu Tage traten, da war auch
die Anerkennung der Kritik eine einmütige.
1896 konnte der 1. Halbband der Regesten i) erscheinen.
Bis dahin waren über 22 000 Regesten hergestellt worden,
und zwar, um den Bedürfnissen der Lokalforschung be-
sonders zu dienen, in möglichst sorgfältiger und ein-
dringender Behandlung des Stoffes, In dieser Beziehung
heißt es in einer Besprechung in der Deutschen Zeitschrift
für Geschichtswissenschaft 2), ist „das denkbar Tüchtigste und
Vollkommenste geleistet worden". Auch auf den Inhalt
geht Dobenecker ein, erklärt ihn, weist die handschriftlichen
Quellen nach, ordnet die Drucke nach ihrem Werte, weist
die Litteratur über die einzelnen Fragen nach und setzt
so den Benutzer in den Stand, das wissenschaftlich Fest-
stehende von dem Zweifelhaften klar zu unterscheiden.
Damit ist ja die eigentliche Aufgabe eines Regestenwerks
überschritten, aber das Verfahren ist gerade in Rücksicht
auf die Thüringer Verhältnisse von allergrößtem V^ert').
Der 2. Band, die Periode von 1152 — 1227 umfassend, er-
schien 1900. Für beide Bände hat Dobenecker sehr aus-
führliche die Benutzbarkeit wesentlich erhöhende Namens-
register von 87 bezw. 102 Seiten bearbeitet. Und Ich darf
hier die Worte widerholen, mit denen ein kompetenter Be-
urteiler nach Erscheinen des 1. Bandes seine Kritik schloü:
„bis auf die gediegene Ausstattung ein Standard work
1) Regesta diplomatica nee non epistolaria historiae Thuringiae,
Band 1. ca. 500 — 1152. Namens des Vereins für Thüringische Ge-
schichte und Altertumskunde bearbeitet und herausgegeben von
Otto Dobenecker, Jena, Gustav Fischer, 1896.
2) Vergl. Schäfer, a. a. O.
3) Schäfer, a. a. O. S. 351.
XXX J^ic fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
ersten Ranges. Man kann dem thüringischen Geschichts-
verein von ganzem Herzen Glück wünschen zu dieser Publi-
kation, die ihn in die vorderste Reihe unserer trefflichsten
deutschen Lokalvereine stellt" i). Diesem Urteil Schäfers
tritt ein Urteil des Marburger Historikers Wenck zur Seite,
der sagt 2): „Während Thüringen bisher in der Bereit-
legung seiner urkundlichen Materialien hinter anderen
deutschen Landschaften weit zurückstand, wird es nun
durch diese Arbeit treuesten Fleißes, umfassender Gelehr-
samkeit und scharfsinniger Einzelforschung mit einem
kräftigen Rucke in die erste Reihe gehoben."
Ich spreche unserem verehrten Kollegen Dobeneckei
im Namen des Vorstandes den allerherzlichsten Dank aus
für diese monumentale Musterleistung, durch die er nicht
nur sich, sondern auch unserem Verein den wissenschaftlichen
Lorbeer errungen, durch die er nicht nur der Erforschung
der thüringischen, sondern auch der der deutschen Reichs-
geschichte des Mittelalters eine reichhaltige Fundgrube er-
schlossen hat. Während bisher Dobenecker von einem
Teil seiner amtlichen Verpflichtungen — er gehört seit etwa
16 Jahren dem Lehrkörper unseres Gymnasiums an — be-
freit war und unser Verein die Kosten einer Stellvertretung
trug, hat das Ministerium namentlich in Hinblick auf den
Mangel genügender zur Vertretung geeigneter Lehrkräfte diese
Befreiung nicht weiter genehmigt. Da nun die Fortsetzung
des Regestenwerks, die eigentlich eine volle Arbeitskraft
erfordert, notwendig ins Stocken geraten muß, wenn für
Dobenecker nicht die Möglichkeit einer Minderung seiner
amtlichen Wirksamkeit ermöglicht wird, wurde der Vorstand
wiederholt in diesem Sinne bei S. Exe. dem Herrn Staats-
minister Rothe vorstellig, der eine wohlwollende Berück-
sichtigung unserer Bitte in Aussicht stellte.
1) Schäfer, a. a. 0. S. 352.
2) Zeitschr. des Vereins für Thüring. Gesch., N. F. Bd. 10,
337.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XXXI
Die glückliche Lösung dieser Frage ist eine Vorbe-
dingung der gedeihlichen Durchführung unseres Arbeits-
programms, die man in wissenschaftlichen Kreisen mit Ent-
schiedenheit erwartet.
Dann können wir wohl auch hoffen, daß Dobenecker,
der beste Kenner unserer Landesgeschichte, eine Darstellung
der Geschichte Thüringens, nach der sich alle Kreise sehnen ,
schenken wird, wie sie z. B. Württemberg und Bayern in
den Werken von Stählin und Riezler schon besitzen.
In einer anderen Beziehung, als unser Bibliothekar, hat
sich Schäfer große Verdienste um unseren Verein erworben.
Mit großer Mühe ordnete er die Bibliothek und leitete eine
Vereinbarung mit der Verwaltung der Universitätsbibliothek
in die Wege, nach welcher sich der Verein verpflichtete,
die Bibliothek samt allen in Zukunft durch Tauschver-
kehr zu erwerbenden Schriften an die Universitätsbibliothek
abzutreten. Die Verwaltung derselben übernahm dagegen die
Verpflichtung, die Bücher zu ordnen, zu katalogisieren
und dadurch der wissenschaftlichen Benutzung zugänglich
zu machen. Der Aufgabe, den unterbrochenen Schriften-
austausch mit auswärtigen Vereinen wieder aufzunehmen
und zu erweitern, unterzog er sich mit großem Erfolge,
und auch sein Nachfolger als Vereinsbibliothekar, Herr
Direktor Dr. K. K. Müller, wandelt in seinen Bahnen.
So steht unser Verein gegenwärtig mit 238 Vereinen
und gelehrten Instituten im Austausch verkehr, der unserer
Universitätsbibliothek mehrere Tausende, zum Teil sehr
wertvolle Schriften zuführt und der Benutzung der Forscher
auf den verschiedensten Wissenschaftsgebieten erschließt.
Die Sammlung und Erhaltung der vaterländischen
Monumente und Altertümern aller Art nahm der Verein
gleich bei seiner Gründung in sein Programm auf. 1853
wurde dem Professor Rein in Eisenach die Obsorge für
die kunstgeschichtlichen Denkmäler im Namen des Vereins
für den Bezirk Eisenach übertragen.
Nach der Neubelebung des Vereins wurde eine Reper-
XXXII J^iß fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
torisierung aller thüringischen Kunstdenkmäler ins Auge
gefaßt. Unser Vorstand wurde von den Regierungen mit
der Ausarbeitung eines Planes betraut und eignete sich
das in seinem Auftrage von Professer Klopfleisch ver-
faßte Gutachten an. Die Regierungen setzten eine be-
sondere Kommission für diese Aufgabe ein. Prof. Klop-
fleisch widmete sich diesen Vorarbeiten für die Heraus-
gabe der Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, die dann
durch Lehfeldt in raschem Tempo ausgeführt wurde und
jetzt nach Lehfeldts Tode von Prof. Voß zu Ende gebracht
werden soll.
Eine Erweiterung seines Arbeitsgebiets strebte der
Verein an durch eine nähere Verbindung mit den in
Thüringen zerstreuten Lokalgeschichtsvereinen. Auf der
Generalversammlung zu Pößneck (30. September 1894) hatte
schon der Vorsitzende Richter in Übereinstimmung mit
einer früher von Prof. Lorenz gegebenen Anregung darauf
hingewiesen, daß der Verein jetzt mehr Publikationen zur
neueren Geschichte in Angriff zu nehmen habe, und daß es gelte,
„die Entwicklung der sozialen und gewerblichen Gliederung
in Zünften und Gilden, der gutsherrlichen und bäuerlichen
Verhältnisse , den Niederschlag des wirtschaftlichen und
sozialen Lebens in den Stadtrechten, Grundbüchern, Elur-
karten und dergl. zu verfolgen" i). Dieses Ziel konnte nur
erreicht werden, wenn es gelang, alle historisch interessierten
Kreise in Thüringen zu veranlassen mit Hand anzulegen..
Er erklärte eine „planmäßige Beeinflussung und Leitung
der ortsgeschichtlichen Forschungen" für eine Aufgabe der
größeren provinziellen Vereine. Und mit Recht! Hatten sich
doch in anderen Staaten und Provinzen, ich erinnere an
die badische Historische Kommission, an die der Provinz
Sachsen, an die des Königreichs Württemberg, auch histo-
rische Kommissionen gebildet, die eine sehr erfolgreiche
Thätigkeit entfalteten.
1) Zeitschr., Bd. 10, S. 612.
Die fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins. XXXIII
Wir schritten nun also auch zur Gründung einer
thüringischen Historischen Kommission, indem Prof. Kauff-
mann, Bibliothekar Steinhausen, Oberlandesgerichtsrat Unger
mit Dobenecker und mir, dem der Vorsitz übertragen wurde, be-
auftragt wurden den Verein in dieser Kommission zu vertreten
und Statut und Arbeitsprogramm auszuarbeiten. Wir hatten
die Freude, daß sich die Geschichtsvereine in Arnstadt,
Eisenberg , Gotha , Greiz , Hildburghausen , Hohenleuben,
Kahla, Meiningen, Roda, Schleiz, Schmalkalden, Sonders-
hausen uns anschlössen — nur der Altenburger Verein
hielt sich ferne.
Nach mehrfach wiederholten Beratungen fand am
7. März 1896 hier die konstituierende Versammlung statt.
Die Kommission besteht aus 4 Vertretern des Vereins für
thüringische Geschichte und je einem Vertreter der dem
Verbände angehörigen Vereine. Die Hauptarbeitslast ruhte
auf den Schultern des Schriftführers Dobenecker, nach dessen
vor einigen Monaten erfolgtem Rücktritte Prof. Mentz seine
Geschäfte übernahm, während Prof. Michels für Steinhausen
eintrat. Die Leitung der Veröffentlichungen zur neueren
Geschichte hat Dr. Stephan Stoy übernommen.
Zur Förderung der von der Kommission geplanten
Inventarisierung der Archive der Gemeinden, Stiftungen,
Korporationen und Privaten wurde Thüringen in 20 Bezirke
eingeteilt und jeder einem neuen Mitglied der Kommission
als Hauptpfleger unterstellt. Für jeden Amtsgerichtsbezirk
sollte ein Vertrauensmann (Pfleger) ernannt werden". Diesen
wurde von der Kommission eine eingehendere Anweisung
für Durchforschung, OrdnungundVerzeichnungder Archivalien
zugestellt und Muster für die Inventarisierung kleiner Archive
von den Kollegen Keutgen und Mentz ausgearbeitet. Mit
einer Veröffentlichung der Archivalien des Kirchenarchivs
in Jena und des „Museums" des Lithographen Hunger und
der der Gemeinde Lobeda ist bereits in der Vereinszeit-
schrift begonnen worden. Andere Verzeichnisse liegen schon
zur Veröffentlichung bereit.
3
XXXIV I^iß fünfzigjährige Wirksamkeit des Vereins.
Wir waren in der erfreulichen Lage, gerade im Jubi-
läumsjahre zwei Werke der Öffentlichkeit zu übergeben,
den 1. Band der Ernestinischen Landtagsakten, die Land-
tage von 1487 — 1532 umfassend. Auf Urund einer Verein-
barung mit der Königl. Sächsischen Historischen Kommission
zu Leipzig hat diese die Bearbeitung der Landtagsakten
vor der Teilung 1485/1486 übernommen. Die rasche Her-
stellung dieser Edition verdanken wir unserem schaffens-
frohen, rüstigen, sich uns nie zu ernster Mitarbeit versagenden
Geh. Hofrat Burkhardt. Diese wertvolle Quellenedition ist
aber nicht nur für die Geschichtsforscher, sondern für jeden
Freund unserer Landesgeschichte wertvoll, denn auf Grund
eine Vereinbarung mit der Kommission giebt Burkhardt
in einer ausführlichen Einleitung Aufschluß über die Verhält-
nisse des Hofs, des Steuer- und Münzwesens, über Territorial-
gesetzgebung, Gewerbe und Handel.
Sodann konnten wir unseren Freunden den 1. Band der
Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Thüringens darbieten,
in dem Prof. Stieda in Leipzig die Anfänge der Porzellan-
fabrikation auf dem Thüringer Walde in ausführlicher, auch
kulturhistorisch interessanter Darstellung schilderte. Nach-
dem Versuche zur Bildung einer selbständigen thüringischen
Gruppe der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schul-
geschichte 1) nicht zum Ziele geführt hatten, wurde auf
Antrag Richters von der Thüringischen Historischen Kom-
mission die Sammlung von Materialien zur Schulgeschichte-
Thüringens übernommen. Der Vorsitzende der Thüringi-
schen Historischen Kommission organisierte im Verein
mit Prof Rein eine besondere thüringische Gruppe aus
tüchtigen und bewährten Schulmännern aller Teile Thüringens.
Ein erstes Heft der Mitteilungen der Ortsgruppe
Thüringen ist bereits erschienen. Die Schriftleitung über-
nahm Prof. Mentz.
1) Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und
Schulgeschichte, Berlin 1898, Bd. 8, S. 373 f.
Die fünfzigjährige Wirköamkeit des Vereins. XXXV
Das Jubiläumsjahr wird aber noch weitere litterarische
Gaben bringen, so das Urkundenbuch von Paulinzella,
dessen 1. Heft 1889 erschienen ist. Der ganze Urkunden-
text, über 30 Bogen, ist schon im Druck fertiggestellt.
Diese von Archivrat Anemüller in Rudolstadt begonnene
Edition ist dann von seinem Sohne, dem Gymnasialoberlehrer
Dr. Anemüller in Detmold, weitergeführt und zu Ende ge-
bracht worden. Endlich hat auch Herr Dr. Devrient den 2. Band
des Jenaer Urkunden buchs so weit gefördert, daß derselbe,
wie schon hervorgehoben wurde, in einigen Monaten wird aus-
gegeben werden können. Daneben haben Sie den reichhaltigen
20. Band unserer Zeitschrift vor einigen Wochen als eine nach-
trägliche Gabe für 1901 empfangen und eben konnten wir auch
die Schar unserer neugewonnenen Mitglieder mit dem 1. Heft
des 21. Bandes begrüßen, dessen anziehender Inhalt Ihnen
gewiß einige genußreiche Stunden schaffen wird. Es ist
eine reiche Ernte, die uns in diesem Jubeljahr beschieden
wurde. Sie werden es deshalb mit Nachsicht beurteilen,
wenn andere Gaben, die Ihnen zugedacht waren, wie das
Stadtrecht von Eisenach von Prof. Kühn und das Stadt-
recht von Saalfeld von Prof. Koch, erst im nächsten Jahre
als vollausgereifte Erüchte vom Baume unserer Thüringischen
Historischen Kommission werden gepflückt werden.
Auch an der Herstellung einer archäologischen Karte
für Thüringen hat sich unser Verein beteiligt.
Ich weiß Sie alle, meine hochverehrten Anwesenden,
eins mit mir in dem Wunsche, daß auch in der 'Zukunft
unserem Vereine eine reiche Wirksamkeit im Dienste der
Thüringer Heimat und des deutschen Vaterlandes und damit
auch im Dienste der Wissenschaft beschieden sei. Lassen
Sie unsere Wünsche für die Zukunft unseres Vereins zu-
sammenfassen in den Worten unseres Dichters:
„Stehe in dem Sturm der Jahre,
Daure in der Zeiten Elucht !"
III.
Herzog Ernst der Fromme.
Festvortrag, gehalten bei der Feier des fünfzigjährigen
Stiftungsfestes des Vereins für Thüringische Geschichte und
Altertumskunde in den akademischen Rosensälen zu Jena
den 22. Juni 1902.
Von
Dr. Stephan Stoy.
Ein Zufall ist es nicht, daß in demselben Jahre, in
dem das „Grermanische Museum" gegründet wurde, auch der
„Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde"
ins Leben trat. Die gleichen geistigen Kräfte und Impulse
waren wirksam. Denn nicht nur in Zeiten der Erhebung
und des Ruhmes, sondern auch in solchen der Erschlaffung
und der getäuschten Hoffnungen versenkt sich die Volks-
seele in die früheren Zeiten seiner Geschichte, um seinen
Werdegang zu verstehen und Trost und Hoffnung zu
schöpfen. Uns Thüringern war leider das traurige Los
beschieden, zu keiner einheitlichen staatlichen oder auch
nur provinziellen Selbständigkeit und Eigenart zu gelangen^
aber ein gemeinsames Stammesgefühl ist uns doch erhalten
geblieben trotz aller fortgesetzten Teilungen und Zer-
reißungen, die immer wieder die hoffnungsvollen Keime
wirklicher Staatengründung zerstörten. Es war daher er-
laubt und geboten, bei dem fünzigj ährigen Jubiläum unseres
Vereins das Lebensbild eines Fürsten zu zeichnen, dessen
300-jähriger Geburtstag soeben unter Teilnahme S. Majestät
des Kaisers gefeiert worden ist, eines Fürsten aus dem
Hause der Ernestiner, der in seiner Zeit eine sehr be-
deutende und eigentümliche Rolle gespielt hat.
Herzog Ernst der Fromme. XXXVII
Geboren als das 9. Kind unter 12 Geschwistern, verlor
Herzog Ernst den Vater, den Herzog Johann von Weimar,
bereits im 4. Lebensjahre. Die Mutter Dorothea Maria,
der Stichling als der „Mutter der Ernestiner" ein schönes
litterarisches Denkmal gesetzt hat, leitete von da an aus-
schließlich die Erziehung ihrer stolzen Knabenschar. Klug,
tapfer, energisch, hellen Blickes für alles Gute, ist sie ihren
Kindern der beste Segen geworden, die alte Weisheit be-
während, daß die bedeutenden Menschen am stärksten von der
Mutter beeinflußt sind. Ihr ratend und helfend zur Seite steht
ein charakterfester Gelehrter, der große Geschichtschreiber
des Protestantismus, Hortleder. Unter solcher treuer Pflege
wächst Ernst heran, zäh und energisch wie der echte Erne-
stiner, auch darin ein rechter Sproß dieses Geschlechts, daß
er von früh an für alles Religiöse und Theologische leb-
hafteste Neigung und tiefes Verständnis zeigt.
Da tritt die große Krisis des deutschen Volkes ein,
der dreißigjährige Krieg bricht aus. Getreu den großen Tra-
ditionen des Hauses ergreifen die Ernestiner mutig die Partei
des Winterkönigs und halten trotz der Niederlage am Weißen
Berge tapfer aus. Die Prinzen haben ihren Glauben mit
ihrem Blute bezeugt. Als der Retter des Protestantismus,
Gustav Adolf, naht, sind wieder die Ernestiner an seiner
Seite zu finden. Auch Herzog Ernst ist jetzt als Kriegs-
mann thätig , begleitet den großen Schwedenkönig nach
Süddeutschland, ist hervorragend beteiligt bei der Besiegung
Tillys am Lech, streitet mit gegen Wallenstein bei Nürn-
berg und hilft seinem Bruder Bernhard den Sieg bei Lützen
erringen.
So tapfer sich Herzog Ernst überall gezeigt, hier im
Kriegshandwerk lag weder seine Neigung, noch seine Be-
deutung. Dies zeigte sich, als 1633 sein Bruder Bernhard
das Herzogtum Franken von der Krone Schweden zu Lehen
erhielt und Ernst von diesem als Verwalter eingesetzt
wurde. Denn wenn auch schon 1634 nach der Schlacht
von Nördlingen das Herzogtum wieder aufgegeben werden
XXXVIII Herzog Ernst der Fromme.
mußte, schon dieses eine Jahr hatte gezeigt, daß Ernst ein
Verwaltungstalent ersten Ranges war. Und doppelt interessant
ist dieser Versuch unseres Helden hierein Würzburg, weil
hier ein lutherischer Fürst ein katholisches Fürstentum zu
verwalten und zu reformieren unternahm.
Dem Evangelium sollte dauernd eine Stätte bereitet
werden, gewiß, aber die Milde, mit der Ernst hier vorging,
ist sehr bemerkenswert. Den Katholiken empfiehlt er den
Besuch des protestantischen Gottesdienstes, er verbietet
auch die öffentlichen Prozessionen, ruft aus Thüringen
Lehrer herbei, die Domkirche wird den Lutherischen über-
geben, aber ebenso ist er bedacht, die Besoldungen der
katholischen Lehrer und Pfarrer zu verbessern, unterstützt
er das Kollegium der Jesuiten. Die neuen Schulen, die er
überall gründen will, sollen paritätische sein, die Lehrer
nach dem Verhältnis der Religion der Schüler katholischer
oder protestantischer Konfession sein, und das Lesebüchlein
soll für beide Konfessionen passend sein.
Allein dabei bleibt er nicht stehen, er will auch die
gesamte Methode des Unterrichts verbessern. Detaillierte
Vorschläge werden vom Herzog Ernst aufgesetzt und der
Jenenser Universität zur Begutachtung vorgelegt. Nur der
plötzliche Umschlag der politischen Verhältnisse durch die
Nördlinger Schlacht hindert die Ausführung dieser edlen
Absichten. Ernst mußte Würzburg verlassen. Aber der
zurückkehrende Fürstbischof mußte von seiner Verwaltung'
rühmen, daß Herzog Ernst „besser als er selbst, wenn er
gegenwärtig sein können, hausgehalten" hätte.
So kehrt denn Herzog Ernst in seine Lande zurück, um
sie in gemeinsamer Regierung mit seinen Brüdern Wilhelm und
Albrecht zu verwalten. Dem von Kursachsen mit dem Kaiser
abgeschlossenen Prager Frieden treten die Ernestiner bei, ein
besseres Los dem Protestantismus zu erkämpfen den
Schweden überlassend, und machen ihr Land dadurch erst
recht zum Schauplatz wilder Kämpfe und Verwüstungen.
Aber selbst in diesen schweren Zeiten läßt Herzog Ernst
Herzog Ernst der Fromme. XXXIX
nicht ab von seinem großen Ziele der Bildung und Besserung
der Jugend. Er beruft den Evenius, der schon in Würz-
burg sein treuer Berater gewesen war, nach Weimar und
wird nicht müde, mit ihm und den Jenenser Professoren
bessere Methoden, für den Lateinunterricht zumal, zu er-
örtern. Sein großes Ziel ist, in Weimar ein auf solchen
Grundlagen eingerichtetes Gymnasium zu errichten.
Da entschließen sich die Brüder nach Ernestinischem
Brauche, ihre Länder zu teilen. Herzog Ernst bekommt
den gothaischen Anteil. Am 24. Okt. 1640 zieht er in
seine Hauptstadt Gotha ein.
Und nun beginnt jene großartige Reformthätigkeit
Herzog Ernsts, durch die er den Namen des „Frommen"
sich erworben, die ihn heraushebt selbst aus den anderen
tüchtigen, von ähnlichen Gedanken geleiteten Regenten
der damaligen Zeit. Ein wahrhaft heiliger Ernst liegt über
allen seinen Maßnahmen ; er fühlt sich seinem Gott verant-
wortlich für die Seele jedes seiner Unterthanen. Daher
eine Fürsorge, die keine Ruhe sich gönnt und das Leben
des Menschen vom frühen Morgen bis zum späten Abend
begleitet und reglementiert. Streng gegen sich selbst, ver-
langt er die gleiche Selbstzucht von jedem Unterthanen.
Gottesfurcht soll in jedes Menschen Herzen wohnen. Es
ist ein fest gefügter Bau, den er aufführt, jeder Stein ist
dem anderen angepaßt und mit ihm verankert, es giebt keine
Lücke, und die Idee, die ihn erfüllt, wird streng und kon-
sequent bis zur letzten Schlußfolgerung durchgesetzt. Heiter
und glanzvoll sieht der Bau nicht aus, er ist herb und streng,
von puritanischer Nüchternheit, aber solid und rein, durch-
weht von edelstem Wohlwollen und pflichttreuer, gottge-
weihter Arbeit.
Trostlos sind die Zustände des Landes. Pfarren und
Schulen zerstört oder verwüst, Prediger und Lehrer verroht
oder behindert in ihrer Wirksamkeit, das Volk in Not
und Elend verwahrlost und entsittlicht. Mit fester Hand
greift Herzog Ernst ein. Zuerst gilt es den wahren Zustand
XL Herzog Ernst der Fromme.
des Landes zu erkennen. Durch Rundschreiben und Visi-
tation verschafft er sich diese Kenntnis. Sein Lebensziel ist, die
Jugend zu echter Gottesfurcht und treue^ Arbeit zu erziehen,
aber gewartet darf nicht werden, bis dieses so erzogene Ge-
schlecht herangewachsen ist, auch die Erwachsenen müssen so-
gleich sittlich gebessert werden. So entsteht unter eifrigster
Anteilnahme des Herzogs Ernst in vielfacher Anlehnung an die
Ordnung des Johann Casimir von Coburg nach eingehendsten
Beratungen im Konsistorium die berühmte Katechismus-Infor-
mation. Nichts bezeichnet so klar seine Absichten, nichts
läßt so deutlich seine ganze Art des Denkens, nichts so
scharf seine Regierungsgrundsätze erkennen wie diese
Katechismus-Information. Ernst fühlt auch selber mit Stolz,
daß diese sein eigenstes Werk ist, er tritt daher überall
dafür ein und sucht ihre Nachahmung zu erreichen. Er
empfiehlt sie Kursachsen oder Braunschweig, aber auch
den nordischen protestantischen Königreichen und wird
nicht müde, ihren Segen zu preisen.
Durch Lehrbücher und methodische Anleitungen, die
auf des Herzogs Befehl ausgearbeitet und immer wieder
neu aufgelegt und verbessert wurden, sollten die Infor-
matoren in den Stand gesetzt werden, ihre Aufgabe nach
den Absichten des Herzogs zu erfüllen. Da waren „Seelen-
register" anzufertigen über sämtliche Pfarrkinder mit An-
gabe über ihren christlichen Lebenswandel und Teilnahme
am heiligen Abendmahl. Alle wurden in Klassen eingeteilt, '
je nach ihrer geistigen Fähigkeit, den Katechismus zu ver-
stehen. So oft eine Klasse an die Reihe kam, hatte jeder
derselben pünktlich zu erscheinen. Jede Versäumnis wird
bemerkt. Bis in Äußerlichkeiten der Stellung, der Aus-
sprache etc. wird vorgeschrieben, was zu thun ist. Je
nach den Fortschritten kann ein jeder von der niederen
Klasse zur höheren aufrücken. Wer alles gelernt, wird
entlassen, muß aber durch stets wiederholte Examina nach-
weisen, daß er seinen Katechismus nicht verlernt hat.
Auch Hausarbeiten werden den einzelnen gegeben. Und
Herzog Ernst der Fromme. XLI
das Alles galt für die Erwachsenen ! Mindestens 20 solcher
Stunden mußte jede Klasse haben, und nur während der
Erntezeit durften sie ausgesetzt werden.
An seinem Hofe gilt die gleiche Ordnung. Er sorgt auch,
daß seine Hofbedienten und Schloßsoldaten solche Kate-
chismusstunden haben. In jedem Hause soll nach der Abend-
mahlzeit ein Hauptstück des Katechismus wechselsweise
recitiert werden ; Predigt und Katechismus sollen das Tisch-
gespräch sein.
Es leuchtet ein, daß nur strenge Oberaufsicht und nie
ruhende Mahnung und eignes Beispiel im stände waren,
alle diese Gebote durchzuführen. Rügegerichte und andere
Einrichtungen traten ergänzend zur Seite, und so geschah
es, daß trotz Klagen über Versäumnisse und Lässigkeit
das Informationswerk sich fest einbürgerte und segensreich
wirkte. Boehne, der diese Bestrebungen Ernsts des Frommen
mit großer Sachkunde und liebevollem Verständnis uns er-
schlossen, hat gewiß recht, wenn er diesen Maßnahmen nicht
nur moralische Besserung der Unterthanen, sondern auch
wirtschaftlich segensreiche Folgen zuschreibt. Wie auch
wohl sollte dieses verwahrloste und verwilderte Geschlecht
zu Gottesfurcht, Arbeit, Treue und jeder Tugend erzogen
werden, wenn nicht durch festen Zwang und sichere Ge-
wöhnung? So unerträglich uns Modernen eine solche Be-
vormundung sein muß, für die damalige Zeit war sie die
einzige Rettung, und alle die Übertreibungen und Mißgriffe
im einzelnen verblassen vor der edlen Reinheit dieses
fürstlichen Willens.
Mandate gegen den Luxus, gegen ünmäßigkeit in Essen
und Trinken, die Verschwendung bei Taufen und Hoch-
zeiten vervollständigen das Bild. Die Reinheit und Zucht der
Familie sucht Herzog Ernst unablässig durch Ermahnung und
Mandate, dann auch durch treffliche Bücher, die auf seine
Veranlassung abgefaßt werden, zu bewahren und zu mehren.
Nicht minder in weltlichen Dingen ist er der treue für-
sorgende Berater seiner Unterthanen, giebt ihnen Ratschläge,
XLII Herzog Ernst der Fromme.
wie sie bei Feuersgefahr oder ansteckenden Krankheiten
sich zu verhalten haben. Wie ein Vater, bald mahnend
und aufklärend, bald strafend und drohend, sorgt er für das
geistige und leibliche Wohl seiner Unterthanen.
Die Schule ist ihm daher, getreu den Mahnungen seines
geliebten Dr. Luther, die wichtigste und heiligste Sache
seines Regentenberufs, denn für die Seele jedes Kindes
fühlt er sich verantwortlich. Was Ernst der Fromme für
die Schule gethan hat, ist groß und wahrhaft bewunderns-
wert. Er ist der Schöpfer unserer deutschen allgemeinen
Volksschule. So trostlos der Zustand ist, in dem er gerade
in dieser Beziehung sein Land vorfindet, er ruht nicht, bis
jedes Dorf seine Knabenschule, die Städte und größeren
Dörfer auch noch ihre Mägdleinschulen haben. Jedes Kind
hat die Schule zu besuchen, die es nicht eher verlassen
darf, bis es durch ein Examen das erreichte Ziel nachge-
wiesen hat. Der Lehrerstand wird durch bessere Besoldung
und bessere Vorbildung gehoben. Die Methode des Unter-
richts wird reformiert, in Schriften und Instruktionen bis
ins einzelste genau festgesetzt und in steter Arbeit ver-
bessert; der „Schulmethodus" ist geradezu die Grundlage
der gothaischen und andrer deutschen Volksschulen ge-
blieben.
Natürlich ist die Religion, speciell der Katechismus,
das Rückgrat des ganzen Unterrichts, aber sehr bemerkens-
wert ist es, welches Gewicht auf Lesen, Schreiben und*
Rechnen gelegt wird. Und ein Markstein in der Geschichte
der Erziehung ist es, daß im Jahre 1656 der Unterricht
„von den natürlichen Dingen" in den Lehrplan auf-
genommen wird. Stets werden Bücher, die die betreffenden
Ideen darstellen, auf des Herzogs Befehl verfaßt und ge-
druckt, Schriften, die zum Teil in geradezu klassischer
Weise ihre Aufgabe erfüllen. Die Fürsorge des Herzogs
erstreckt sich auch auf die aus der Schule Entlassenen,
die Anfänge unserer Fortbildungsschule sind hier zu finden.
Streng durchgeführte Visitationen überwachen das
Herzog Ernst der Fromme. XLIII
ganze Schulwesen, die letzte Instanz ist das Konsistorium,
dessen Vorsitz in den wichtigsten Fällen der Herzog selbst
führte.
So ist er auch hier die Seele, nichts entgeht ihm, stets
sieht er selber nach dem Rechten, visitiert, spornt an, tadelt,
treibt, belohnt. Denn nichts war ihm so ans Herz ge-
wachsen wie seine Schule.
Bekannt ist, wie Ernst der Fromme auch dem gothaischen
Gymnasium sein wärmstes Interesse widmete und auch
diese Anstalt zu einer Musteranstalt zu machen bemüht
war, mit bestem Erfolge, wie der Ruhm des Gothaischen
Gymnasiums in damaliger Zeit und seine steigende Fre-
quenz bezeugen.
Es versteht sich von selbst, daß Herzog Ernst auch
für die Universität Jena, die er mit seinen Brüdern ge
meinsam besaß, das wärmste Interesse zeigte. Er ist es
in erster Linie gewesen, der durchsetzte, daß die Güter
Remda und Apolda der Universität vermacht wurden, und
wenn die Professoren, was bei den Kriegsnöten nur zu oft
eintraf, zu klagen hatten über Ausbleiben ihres Gehaltes,
so wendeten sie sich an Herzog Ernst, der ihnen, wenn
irgend möglich, gern half. Für seine Landeskinder, die die
Universität bezogen, sorgte er in geradezu väterlicher Weise.
Jeder mußte sich erst bei seinem Seelsorger abmelden, dann
in Jena anmelden bei einem Inspektor, den er eigens für
die Gothaner eingesetzt hatte. Dieser hatte dafür zu sorgen,
daß sie fleißig die Kollegia besuchten und einen ehrbaren,
ordentlichen Lebenswandel führten. Er mußte sich auch
vergewissern, ob sie die Predigt anhörten und auch sonst
die religiösen Übungen, wie er sie vorgeschrieben, erfüllten.
Denn fromm, gottesfürchtig, verständig und gelehrt sollten
sie werden, ohne Gottesfurcht war aber Gelehrsamkeit nur
„lauteres Gift". Er durfte mahnen, im Falle dauernden
Ungehorsams mußte er an das Konsistorium nach Gotha
berichten.
Was die Landeskinder zu hören und wie sie ihr
XLIV Herzog Ernst der Fromme.
Studium zu betreiben hatten, war genau festgesetzt, ebenso
auch ihnen auf das strengste eingeschärft, allen Anforderungen
und Anordnungen der Universität nachzul^ommen. Aber nicht
nur den Studenten schreibt er vor, wie sie zu studieren
haben, auch für die Docenten stellt er Maximen auf, wie
sie die Materien ihres Faches vorzutragen haben, bei den
Theologen so gut wie bei den Juristen.
Die Zustände an der Universität selber verfolgte er
dabei mit scharfem Auge. Deshalb sucht er die Disciplin
zu heben, und nichts ist ihm so verhaßt wie das ärgerliche
Wesen des Pennalismus, das gerade damals auch in Jena
auf dem Höhepunkte stand. Er sucht nicht bloß seine
Landeskinder von diesem Wesen fernzuhalten und zu be-
wahren, sondern er überlegt auch in Konferenzen mit den
Professoren Mittel und Wege, wie diesem Übel zu steuern
sei. Von Erfolg sind diese edlen Bemühungen, die er auch
auf den Reichstagen nicht aus dem Auge verliert, nicht zu
sehr begleitet gewesen, weil die Verhältnisse stärker waren
als er. Wie groß sein Interesse an der Universität war,
kann man auch noch daraus ersehen, daß er noch in seinem
Testamente die Hochschule seinem Nachfolger aufs wärmste
empfahl und für die Stipendiaten aus Gotha 10000 Gulden
bestimmte.
Überblickt man alle diese Bestrebungen Ernsts des
Frommen, so wird man nicht verkennen können, daß sie
leiden an einem Übermaß von Verordnungen. Es ist gleich-'
sam ein Reglementieren in alles und jedes; der einzelne
wird an einem Gängelbande geleitet, der Lehrer so gut
wie der Geistliche, der Student wie der Erwachsene. Und
doch muß man zugestehen, daß Herzog Ernst dazu die triftigsten
Gründe hatte, die eben in der Natur dieser Zeit lagen.
Der sittliche Ernst, mit dem er alle diese Fragen anfaßt
und behandelt, ist einfach bewundernswert, und ein anderes
Mittel, Religion und Zucht dem verwilderten Volke wieder-
zubringen, war schwer denkbar.
Und was er von seinen Unterthanen verlangt, er selber
Herzog Ernst der Fromme. XLV
hat es an der eigenen Person und bei seinen Kindern nicht
weniger streng geübt. Alles bei ihm ist einheitlich und
charaktervoll. Man maß die Instruktionen lesen, die er
für seine Familie aufgesetzt hat, um zu sehen, wie ernst
er alle diese Dinge auffaßte. Da wird genau für seine
Kinder der Tag geregelt von früh bis spät am Abend, ge-
nau ist festgesetzt, was sie zu jeder Tageszeit zu thuu und
zu lassen haben, selbst die Spielzeit wird reglementiert.
Für jeden Präceptor oder Bedienten oder Koch und selbst
die Mutter ist eine eigene Instruktion verfaßt, nach der sie
streng sich zu richten haben. So wird z. B. der Mutter
in 18 Paragraphen genau vorgeschrieben, wie sie in der
Kinderstube sich zu betragen hat, nur tritt die Kinder-
erziehung fast zurück hinter der Sorge für saubere Wäsche.
Auch die Stalljungen, die Köche, sie alle haben genau nach
festgelegten Instruktionen ihr Tagewerk zu verrichten.
In diesen Instruktionen und überhaupt in seinen Ver-
ordnungen spricht sich am klarsten sein Denken und Fühlen
aus. Hier fließen ihm die Worte beredt vom Munde, streng
und schlicht, mit echter Religiosität und tiefer Herzens-
wärme befiehlt, mahnt, bittet und droht er. Nie hat ein
Fürst seine Regentenpflicht strenger aufgefaßt und sein
ganzes Leben dieser großen Aufgabe geweiht. Das Wort
Gottes ist ihm überall Richtschnur, ihm fühlt er sich ver-
antwortlich für jedes Thun. Die Übertreibungen fehlen nicht
und sind leicht zu erkennen, aber der Wille ist rein und gut.
Ein Landesvater wollte er sein und war er. ^ie giebt
es ein Auseinanderfallen von Worten und Thaten. Was
er sagt, denkt er und lebt danach. Der Zwang und die
genaue, stete Einteilung jedes Tages, die er seinen Landes-
kindern vorschreibt, für ihn gelten sie erst recht. Die
Religiosität ist ihm reinste Herzenssache, er lebt und webt
in diesen religiösen Übungen. Und wie er selbst diese
bessernde, reinigende Kraft verspürt, so soll auch jeder
seiner Unterthanen ihrer teilhaftig werden und sein Leben
Gott weihen.
XLVI Herzog Ernst der Fromme.
Von früher Kindheit an mit ganz besonderer Wärme
allen religiösen Fragen zugethan, ist Ernst der Fromme,
auch hier ein echter Ernestiner, später geradezu ein Ge-
lehrter geworden, der alle theologischen Streitfragen und
Gedanken beherrschte. Sein Christentum ist wesentlich
praktisch, an den dogmatischen Fragen hängt nicht sein
stärkstes Interesse, auf praktische Bethätigung im Lebens
kommt es ihm hauptsächlich an. Die Verwandtschaft seiner
Ideen, wie er sie in seinem Lande durchzuführen suchte
und nach denen er selber lebte, mit Spener und dem Pietismus
ist augenfällig.
Daneben hatte er aber allen theologischen Streit-
fragen die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Die Zeiten
sind schwer, und gerade der lutherische Protestantismus
ist von allen Seiten bedroht. Er hat sich nicht nur gegen
den Calvinismus zu verteidigen, sondern auch sich der
übermächtigen Angriffe des Katholicismus zu erwehren.
Kann man es in dieser Lage den lutherischen Theologen
verdenken, wenn sie in erbittertem Kampfe ihren Stand-
punkt wahren, dabei wohl auch des Guten einmal zuviel
thun ? Herzog Ernst steht mitten drin in all diesen Kämpfen,
und sowie ein größeres litterarisches Werk den Protestantis-
mus angreift, so sinnt er auf Mittel und Wege, es zu wider-
legen und die Wahrheit der Lehre Luthers zu beweisen.
Auf den Reichstagen wahrt er daher die Verbindung mit
dem lutherischen Schweden auf das sorgfältigste und sieht
mit Bekümmernis die Gegensätze zwischen Brandenburg
und Schweden.
Aus diesen Gedanken heraus entsteht dann jener eigen-
tümliche und groß angelegte Plan des Collegium Hunnianum,
ein Werk, das gerade in neuester Zeit in die Öffentlichkeit
gezogen ist. Man hat geglaubt, den frommen Herzog als
Eideshelfer heranziehen zu dürfen zu jenen Bestrebungen,
die auf eine Vereinigung der gesamten protestantischen
Kirchen hinauslaufen. Ist es nun wirklich an dem, ist
Herzog Ernst eingetreten — und konnte er eintreten für eine
derartige Union aller Protestantischen?
Herzog Ernst der Fromme. XL VII
Das Buch, das dem Herzog die Anregung zu dem Plane
und seiner Ausführung gegeben hat, ist im Jahre 1632 bereits
erschienen. Der Verfasser ist der Superintendent Nikolaus
Hunnius in Lübeck, und sein Buch führt den Titel „Con-
sultatio oder wohlmeinendes Bedenken, ob und wie die
evangelisch lutherischen Kirchen die jetzt schwebenden
Religionsstreitigkeiten entweder friedlich beilegen oder durch
christliche und bequeme Mittel fortstellen und endigen
mögen".
Dargelegt wird nun in dem Buch, wie weder mit der
katholischen Kirche noch mit der reformierten oder anderen
Sekten ein Friede gemacht werden kann. Es heißt gerade-
zu im 19. Kapitel: „mit den Päbstlichen kann man sich
in Vertrag und geistliche Brüderschaft nicht einlassen" im
20. Kapitel: „Mit den Reformierten oder Calvinianern kann
man keinen geistlichen Vertrag machen; und endlich „auch
mit den Phontinianem und den neuen Propheten kann man
keinen geistlichen Vertrag anstellen". Was also ist zu thun?
Es muß ein Kollegium von Gelehrten und frommen Leuten
eingerichtet werden, — denn alle bisherigen Versuche, wie
Concilia, Religionsgespräche etc. haben nichts erreicht, — etwa
zu zwölf Personen. Die Kraft eines einzelnen Mannes reicht
dazu nicht aus, auch die Professoren an den Universitäten
können es nicht wegen ihrer sonstigen Verpflichtungen, nur
ein Kollegium vermag es von dazu besonders qualifizierten
Gelehrten. Diese haben die Pflicht, alle vorkommenden
Religionsstreitigkeiten zu erörtern, in Schriften zu verfassen
und den Kampf durchzuführen, solange bis das Gewissen
der Gegner bezwungen ist. Weiter sollen sie gelehrte
größere Bücher und Kompendien verfassen und sollen über
die Reinheit der Lehre wachen. Angestellt werden sie
und bezahlt von den betreffenden Fürsten, die sich zu
diesem Kollegium vereinigen. Eingehende Visitationen
sorgen dafür, daß alles zum besten bestellt ist. Die Dotation
dieser Körperschaft — 200000 Thaler sind etwa erforderlich —
erscheint nicht schwer, wenn mehrere Fürsten und Städte
und auch Privatpersonen dazu bereit sind.
XLVIII Herzog Ernst dsr Fromme,
Diesen Plan greift jetzt, durch viele schlimme Er-
fahrungen dazu bewogen, Herzog Ernst auf. Seine Gedanken
fußten ganz auf diesen Vorschlägen von Hunnius. Wie er
selbst die größten persönlichen Opfer zu bringen bereit ist,
so erwartet er eine ähnliche Opferwilligkeit auch bei den
anderen Fürsten. In Reinhardsbrunn als einem gesunden
Orte, in der Mitte von Deutschland gelegen, denkt er sich
den Sitz des Kollegiums. Dort soll auch eine große Biblio-
thek angelegt werden und der Gehalt der einzelnen so groß
bemessen sein, daß jeder seine ganze Arbeitskraft dem In-
stitute widmen kann und ein neuer Nachwuchs stets heran-
gezogen wird.
Schon die Begründung und die Ausgestaltung dieses
Gedankens beweist, daß Herzog Ernst nie und nimmer an
eine Vereinigung der protestantischen Kirchen, wie sie von
unseren Tagen jetzt verlangt wird, gedacht hat. Streng auf
lutherischem Standpunkt stehend, will er das Luthertum
schützen und kräftigen im Kampfe gegen seine Widersacher.
Diese Widersacher sind ihm in erster Linie die Katholiken,
die eben damals auf der ganzen Linie zu neuen Angriffen
übergingen. Es ist die Zeit der großen Konversionen, wo
nicht nur Gelehrte und Staatsmänner, sondern auch Fürsten
von ihrem protestantischen Glauben abfielen und zum Ka-
tholicismus übertraten. Gerade dieser letztere Punkt, der
Abfall fürstlicher Personen, erregt die schwersten Sorgen bei
Herzog Ernst.
Kann aber die lutherische Kirche diese Aufgabe er-
füllen, wo sie selbst durch Lehrstreitigkeiten zerrissen ist,
Streitigkeiten, die mit einem unglaublichen Eifer durchge-
fochten werden? Er denkt, ganz wie Hunnius, hier eine
Übereinstimmung herbeiführen zu können durch litterarische
Niederkämpfung der Gegner.
Was die protestantischen Theologen damals besonders
bewegte, waren die synkretistischen Streitigkeiten, die sich
an den Namen von Georg Calixtus in Helmstädt hefteten.
Dieser fromme und gelehrte Mann hatte betont, wie Katho-
Herzog Ernst der Fromme. XLIX
iiken, Lutheraner und Calvinisten in den Fundamental-
iragen des Glaubens tibereinstimmten. Es braucht hier
nicht untersucht zu werden, wie weit Calixtus recht hat,
nur das leuchtet doch ein, daß er den lutherischen Prote-
stantismus in einem Augenblick, wo er selber einen Existenz-
kampfdurchkämpfte, schwächte, und schon aus diesem Grunde
ist es begreiflich, wie namentlich die kursächsischen Theo-
logen die Ideen des Calixtus mit tödlicher Feindschaft be-
fehdeten. Gelang es, diesen Aufruhr und Streit auszu-
gleichen, was Ernst ja auch sonst durch Specialgesandt-
schaften an die betreffenden Höfe versucht hat, so war dem
Luthertum ein großer Dienst gethan, und eben das sollte
auch das Collegium Hunnianum mit seinen Gelehrten
bewirken. Es soll also das Luthertum in geschlossener
Rüstung seinen Gegnern gegenüberstehen, sowohl den
Katholiken wie den Reformierten gegenüber. Denn auch
die Reformierten hatten damals im verstärktem Maße den
Kampf gegen die Lutheraner aufgenommen, eine Feind-
schaft, die von den Lutheranern voll heimgezahlt wurde.
In eingehenden Beratungen unter Vorsitz des Herzogs wird
im April d. J. 1670 der Plan dieses Kollegiums durchge-
sprochen. Auch der Jenenser Professor Musäus wird herbei-
gezogen. Man verhehlt sich nun nicht die großen Schwierig-
keiten, aber man ist von der Wichtigkeit der Sache so
durchdrungen, daß man glaubt, ihrer Herr zu werden. Der
Herzog hat auch noch dem einen oder anderen seinen
Plan vorgelegt, teils Zustimmung, teils Ablehnung er-
fahren, und hier ist es besonders die Universität Gießen,
die sehr klare Einwendungen erhebt, aber die Sache nimmt
ihren Verlauf.
Eine sehr wichtige Frage betraf das Verhältnis zu
Kursachsen, welches das Direktorium des Corpus evangelicum
auf den Reichstag führte und infolgedessen den größten
Einfluß auf die deutschen evangelischen Stände hatte.
Wenn man schließlich gleichwohl von ihm absah und zuerst
hauptsächlich an die nordischen Königreiche ging, so sollte
4
L Herzog Ernst der Fromme.
damit allerdings Sachsen nicht ausgeschlossen bleiben,
wie man ja auch, während die Gesandtschaft des Herzogs
im Norden weilte, durch eine besondere Gesandtschaft vor-
sichtig bei dem Kurfürsten und seinen Räten sondierte.
Aber man hielt eben die nordischen Königreiche für wich-
tiger und mußte es auf die Gefahr ankommen lassen, da-
durch bei Sachsen anzustoßen.
Sehr eigentümlich berührt es, wenn man im Rate des
Herzogs erwog, ob man nicht alte Forderungen, die n[ian
gegen Schweden sowohl als gegen Dänemark erheben konnte,
benutzen und so diese Kronen williger machen könnte, auf
die Pläne des Herzogs einzugehen. Man läßt sich die be-
treffenden Dokumente aus dem weimarischen Archive kommen,
welche die Schenkung des Herzogtums Franken an Bern-
hard, den Bruder Ernsts des Frommen, betrafen, wie man
ebenso die Anrechte Johann Ernsts an Dänemark hervor-
suchte. Schließlich fühlt man aber doch, daß die Ver-
quickung dieser strittigen Fragen mit den vorliegenden Plänen
der guten Sache nur schaden würden.
Sehr eingehend werden die finanziellen Schwierigkeiten
erwogen. Es ist sehr bemerkenswert, daß man auch in diesem
Punkte vollständig den Gedanken von Hunnius folgt. So werden
nicht nur die Fürsten und Städte mit gewissen Summen in
Rechnung gestellt zur Unterhaltung des Kollegiums, sondern
man rechnet auch mit einer allgemeinen Kollekte, die auf
30 — 50 000 Thaler eingeschätzt wird. Dänemark hätte
etwa 10 — 25 000 Thaler beizutragen, die gleiche Summe
Schweden. Kursachsen wird mit 5 — 10 000 eingesetzt, und
— höcht bezeichnend — die gleiche Summe will auch Gotha
allein aufbringen. Weiter werden herangezogen die Fürsten
von Weimar, Altenburg, Darmstadt , Wolfenbüttel , Celle,
die Markgrafen von Durlach, Ansbach ubd Bayreuth und
die Herzöge von Holstein und Mecklenburg. Schwarzburg,
Waldeck und die Hohenlohes werden mit 1000 — 1500 Thalern
angesetzt. Die großen Städte, wie Nürnberg, Straßburg,
Augsburg, Frankfurt, sollen je 3 — 4000 Thaler zahlen, die
Herzog Ernst der Fromme. LI
übrigen Reichsstädte zusammen 6 — 9000 Thaler. So glaubt
man auch nach dieser Seite gesichert zu sein, die Instruk-
tionen werden verfaßt, und am 4. Mai verläßt die Gesandt-
schaft Gotha.
Man wendet sich zunächst an den Herzog von Braun-
schweig - Wolfenbüttel — der Herzog als Landesherr der
Helmstädter Universität ist besonders wichtig. Auf be-
sondere Beachtung rechnet man hier, weil Herzog Ernst
100 000 Gulden vorgeschossen hat. Freilich entspricht die.
Aufnahme den Erwartungen nicht. Der Herzog ist in einen
ärgerlichen Konflikt mit seinem Nachbarn , dem Großen
Kurfürsten von Brandenburg, gekommen, und Truppen sind
bereits zusammengezogen; man hat daher alle Ursache, vor-
sichtig zu sein, um den calvinistischen Eifer des hohen
Herrn nicht zu erregen, und die Antwort lautet daher so
gut wie ablehnend.
Darauf wendet man sich an den Herzog von Holstein.
Auch hier sucht Herzog Ernst ein rein persönliches Interesse
des holsteinischen Herzogs zu benutzen, der die Absicht
hatte, ein orientalisches Seminar an seiner Universität Kiel
zu errichten; Herzog Ernst ließ durchblicken, daß er dies
Unternehmen zu unterstützen geneigt sein könnte. Gleich-
wohl war auch hier das Resultat ein negatives, der Herzog
erklärte, bei seiner Lage zwischen den nordischen Reichen
sehr vorsichtig sein zu müssen.
So bricht man wieder auf und gelangt ani 7. Juni
nach Kopenhagen. Der König, jung und von größerem
Interesse für Jagd als für andere Dinge, ist erst am
28. Juni zu einer Audienz zu bestimmen. Es wird eine
Kommission ernannt, der auch am 4. Juli die herzoglichen
Propositionen vom Kirchenrat Verporten ausführlich dargelegt
werden, aber trotz allen Drängens erhält man erst am 13. August
die königliche Resolution, in der man sich wohl mit der
Idee einverstanden erklärt, aber zugleich die großen
Schwierigkeiten betont und warten will, wie Schweden in
dieser Angelegenheit sich entscheiden wird.
LH Herzog Ernst der Fromme.
Am 30. August sind die Reisenden in Stockholm,
Wieder liegen die Verhältnisse sehr ungünstig, der König
ist minderjährig, zudem abwesend von\ Stockholm, und
zwischen den Räten besteht heftige Eifersucht und Un-
friede. Man ist genötigt, längere Zeit auf Reisen zu gehen,
bis endlich der König in die Residenz zurückkommt und
ihm die Angelegenheit vorgetragen werden kann. Die
eingesetzte Kommission ist nun an sich wieder durchaus
nicht abgeneigt, der Idee des gothaischen Herzogs zuzu-
stimmen, namentlich die Bischöfe erkennen die Notwendig-
keit und Berechtigung der Idee voll an, aber schon sie
machen aufmerksam auf die große Schwierigkeit, die darin
bestehen wird, wie Kursachsen seine Stellung nehmen wird.
Etwa alternieren im Vorsitz mit dem Kurfürsten könne
das Königreich Schweden nicht, weil dieses nur inter pares
möglich sei. Die weltlichen Räte berühren eine andere
heikle Frage, die Stellung von Kurbrandenburg. Der große
Kurfürst werde bei seinem calvinistischen Eifer in dieser
lutherischen Vereinigung eine Ligue sehen, wie auch der
Kaiser dadurch sich bedroht sehen könnte, und der Kur-
fürst von Brandenburg stehe in großen Allianzen. Mit der
Vertröstung, das Werk gegebenen Falles unterstützen zu
wollen, muß man sich zufrieden geben.
Auf dem Heimwege besucht man noch Güstrow, allein
auch an diesem Hofe, wo die damaligen Unsitten dei'
Trinkgelage im höchsten Schwange waren, erzielt man kein
besseres Resultat. Man will sich, lautet der Bescheid, mit
einheimischen und fremden Gelehrten in Verbindung setzen
und später sich resolvieren.
Nach Ablauf eines vollen Jahres kehrt die Gesandt-
schaft nach Gotha zurück, das Ergebnis ist ein durchaus
ungünstiges, von keiner Seite ist eine direkte Unterstützung
zugesichert worden. Aber Herzog Ernst läßt sich nicht
schrecken. Wie er selber in eigenhändiger Urkunde das
Kollegium fundiert und dabei 200 000 Thaler ausgeworfen
- Herzog Ernst der Fromme. LIII
hat, so hat er noch im Jahre 1671 versucht, auf die
betreffenden Höfe günstig einzuwirken. Die definitive Ent-
scheidung des Wolfenbüttler Hofes lautet einfach hinaus-
schiebend, und auch vom schwedischen Hof hat er trotz
eines Ermahnungsschreibens an den Feldmarschall Wrangel,
das er einem Kondolenzbriefe bei dem Tode von dessen Frau
beifügt, keinen günstigeren Bescheid erhalten. Die Er-
klärung liegt in den politischen Verhältnissen. Nur
wenige Jahre, und die Schlacht von Fehrbellin wird ge-
schlagen.
Trotzdem hat Herzog Ernst noch am 23. Oktober 1672
gedacht, das Kollegium einzurichten und einen Fundations-
brief darüber ausgestellt und die Hoffnung nicht aufge-
geben, daß der Nutzen des Kollegiums auch noch die übrigen
lutherischen Fürsten und Stände zum Beitritt bewegen würde.
50 000 Thaler Kapital von den ausgesetzten 200 000 Thalern
sollen zur Aufbesserung von Pfarrer- und Lehrergehältern
im Altenburgischen und Coburgischen verwendet werden,
sowie zur „Unterhaltung und Fortpflanzung unserer evan-
gelischen Kirchen und Schulen in anderen Landen".
Gescheitert ist das Projekt des Collegium Hunnianum
und mußte wohl scheitern, weil bei der damaligen Lage der
Welt die religiösen Impulse nicht mehr die entscheidenden
waren, sondern die politischen Verhältnisse überall das ent-
scheidende Wort sprachen. Aber man soll die Idee des
Herzogs Ernst des Frommen nicht einfach phantastisch
nennen, es lag in Wahrheit ein großer berechtigter Gedanke
darin. So konnte nur ein Kollegium einer Anzahl gelehrter
und geeigneter Männer Unternehmungen vollbringen, wie
sie Herzog Ernst im Sinne liatte. Sein Kollegium wäre quasi ge-
wesen eine protestantische Akademie, eine Vereinigung der
sämtlichen lutherischen Universitäten. Große Werke über
Kirchengeschichte und Ähnliches hätte eine solche Akademie
trefflich ins Leben rufen können.
Wie fruchtbar der Gedanke Herzogs Ernst war, die
LIV Herzog Ernst der Fromme.
litterarisclien Werke der Gegner durch eingehende groß
angelegte Gegenschriften zu widerlegen, das hat in glänzender
Weise Seckendorf in seinem Commentarius de Lutheranismo
bewiesen, jenem zweiten großen Geschichtswerke des Prote-
stantismus, dessen Anregung und Anlage direkt auf Herzog
Ernst zurückgeht. Auch die Mitwirkung eines Spener war
ins Auge gefaßt.
Bedenklicher ist der Gedanke, daß dieses Kollegium
von 12 Männern berufen gewesen wäre, alle Streitfragen
der theologischen Welt vor ihr Forum zu ziehen. Denn
so war die Absicht: keine Streitschrift sollte künftig mehr
erscheinen, ohne daß dieses Kollegium sie approbiert hätte.
Und wer in letzter Linie hatte die Direktion dieses Kollegiums ?
Niemand anders als die staatlichen Gewalten , die diese
12 Gelehrten erwählt und besoldet hätten und die Visi-
tation, wie sie von Ernst gedacht und formuliert war, aus-
üben sollten. Es wäre dadurch ein Zustand geschaffen
worden, der die freie Regung des Geistes unterbunden
hätte. Wie es die theologische Fakultät von Gießen in
einem anderen Falle, wo Herzog Ernst die Absicht hatte,
die Predigten den einzelnen Geistlichen genau vorzu-
schreiben, ausgesprochen hat, das wäre hier jetzt er-
standen: das geistliche Papsttum, das Luther vernichtet,
würde jetzt als weltliches Papsttum ins Leben gerufen
worden sein.
An der ungünstigen politischen Konstellation ist die
Idee des Collegium Hunnianum gescheitert. Es mutet
einen seltsam an, diesen religiösen Idealismus zu sehen in
einer Welt der schärfsten politischen Gegensätze, und doch
hatte Ernst mit seiner Idee mitten ins Schwarze getroffen.
Der Katholicismus ist damals auf den höchsten Gipfel
seiner Macht gelangt. In Italien und Spanien durch die
Kämpfe eines früheren Jahrhunderts restauriert und zur
Alleinherrschaft gekommen, jetzt auch in Deutschland sieg-
reich behauptet, ist er in Frankreich in Ludwig XIV. zu
Herzog Ernst der Fromme LV
imponierender Macht emporgestiegen. Daneben beherrschte
er mit seinen Ideen die litterarische Welt, übte daher
eine Kraft der Anziehung, die ohnegleichen ist Und jetzt,
in eben diesem Momente, wo Ernst eine Vereinigung der
lutherisch-protestantischen Kirchen Deutschlands und der
nordischen Reiche ins Werk zu setzen sich bemühte, hat
der Katholicismus das weitausgreifendste Unternehmen seit
Philipps IL von Spanien Zeiten zu unternehmen versucht
Ludwig XIV. schließt, in tiefstem Geheimnis noch, mit Karl IL
von England ein Bündnis, dessen tiefste Triebfeder die
Rekatholisierung Englands ist
Im Mai des Jahres 1670 — die Gesandtschaft Her-
zogs Ernst des Frommen ist auf dem Wege nach Däne-
mark — wird das englisch-französische Bündnis abge-
schlossen. So weltfremd die protestantischen Absichten und
Ideen Ernst des Frommen erscheinen, sie erfassen in Wahr-
heit den tiefsten Kern der Situation.
Der Protestantismus des gothaischen Herzogs hat noch
etwas vom alten Schwung und der alten Kraft des Dr. Luther.
Nicht nur auf ein Ausleben in Frieden und ein Verteidigen
seiner Stellung kommt es ihm an, sondern er fühlt noch
die Kraft und die Berechtigung der Propaganda in sich. So
wird berichtet, daß unter seiner Regierung mehr als 40 Mönche
und andere vornehme katholische geistliche Personen
öffentlich in Gotha zum Protestantismus übergetreten seien.
Wie mutig und fest hat er auf den Reichstagen die
Forderungen der Evangelischen Österreichs unterstützt,
um ihr hartes Los zu erleichtern! Und noch in seinem
Stiftungsbrief für das Kollegium Hunnianum vom
Jahre 1672 bestimmt er, daß die Zinsen, die übrig bleiben,
zum Besten dieser österreischischen Evangelischen ver-
wendet werden.
Sein Plan der näheren Verbindung mit Abessinien ist
mit diktiert von dem Gedanken der Ausbreitung des Prote-
stantismus. Auch seine Beziehungen zu dem Moskauer Zaren
LVI Herzog Ernst der Fromme.
führen auf die Teilnahme zurück, die er der dortigen prote-
stantischen Gemeinde zuwendet, für deren Kirche und Schule
er ebenfalls noch in seinen letztwilligen Verordnungen Summen
ausgesetzt hat. Da war es wohl ein denkwürdiges Zeichen
der Stellung, die Ernst der Fromme in der Welt einnahm, daß
eine moskauische Gesandtschaft 1674 in Gotha eintraf.
In diesen religiösen und kirchlich-pädagogischen Be-
strebungen offenbart sich am deutlichsten die Eigenart des
frommen Herzogs, aber es giebt kaum ein Gebiet des
staatlichen Lebens, wo er nicht schöpferisch aufgetreten
wäre. Das Justizwesen hat er in seinem Lande streng ge-
regelt und verbessert, und die Prozeßordnung, die er am Jenaer
Hofgericht eingeführt, ist lange Zeit maßgehend geblieben.
In der Verwaltung schafft er eine streng durchgeführte
Centralisation. Die oberste Behörde seiner Landesregierung
ist der geheime Bat, durch den es dem Fürsten ermöglicht
wurde, überall nach dem Rechten zu sehen und die Über-
wachung aller Anordnungen durchzuführen. Nichts entgeht
dem wachsamen Auge des nie rastenden Fürsten. Es liegt
in dem Charakter der Zeit, ist aber auch durch die Natur
der Verhältnisse durchaus berechtigt, daß auch hier alles
und jedes reglementiert wird. Mit welcher Thatkraft hat
der Fürst die verwüsteten Äcker und Güter der Kultur
zurückgeführt! Die einzelnen Gewei-be werden von oben
geleitet und bestimmt, aber wo immer eine Lücke sich
zeigt, sorgt der Herzog, daß sie ausgefüllt wird. Die tüch-
tigsten Leute sucht er an die rechte Stelle zu setzen, und
wo er ein versprechendes Talent entdeckt, spart er keine
Kosten. So hat er auch den berühmten Veit von Secken-
dorf entdeckt, unterstützt und ausgebildet. Noch in den Wirreu
des 30-jährigen Krieges sucht er auf dem Thüringer Walde
die Glasindustrie zu heben und läßt zu diesem Zwecke
sogar Glasbläser aus Venedig kommen. Der für sein Land
und den Export wichtigen Waidfarbe hat er überall auf den
B-eichstagen und in Sonderverhandlungen ihr Absatzgebiet
zu erhalten und gegen die Konkurrenz zu schützen gesucht.
Herzog Ernst der Fromme. LVII
Der Hauptreichtum seines Landes bestand in den
Forsten des Thüringer Waldes. Um diese besser verwerten
u können, hat er mit zäher Ausdauer die Projekte einer
SchifFbarmachung der Werra und ihrer Verbindung mit
der Saale verfolgt, wie er auch Werra und Main durch
einen Kanal zu verbinden beabsichtigte. Aber Neid und
Unverstand ließen diese großen Projekte nicht zur Aus-
führung gelangen. Aber den Triumph erlebte der Herzog
doch, daß nach dem großen Brande von London vom
Jahre 1666 bedeutende Massen von Stämmen und Brettern
nach Bremen verflößt werden konnten, die dann nach London
verfrachtet wurden.
Der Bau seines Residenzschlosses, dem er sehr be-
zeichnender Weise den Namen Friedenstein gab, auf der
althistorischen Stätte des gewaltigen Grrimmensteins ist eine
bedeutende That. Und wie schmückt er ihn und stattet
er ihn aus mit Kapelle, Zeughaus, Münzsammlung^ Biblio-
thek! Der sonst so sparsame Fürst hat für solche Zwecke
immer Summen flüssig. Wie charakteristisch ist es für
ihn, daß er alljährlich einen großen Schatz anlegt, um für
alle möglichen Fälle gesichert zu sein ! Ihm entgehen die
Zeichen der Zeit nicht, und so ist er in steter Fortbildung
und Verbesserung seiner Wehrverfassung bedacht, sein Land
zu schirmen und vor neuen Kriegsgefahren zu schützen.
Bei allen diesen Plänen und ihrer Ausführung hat
Ernst der Fromme Mitarbeiter gehabt und zum Teil sehr
bedeutende, wie einen Reyher, einen Simon GJass, einen
Ludwig und einen Seckendorf, um nur die wichtigsten zu
nennen. So groß das Verdienst der einzelnen in jedem
Falle ist, es muß doch gesagt werden, daß der Herzog selber
die Seele aller Pläne und ihrer Ausführung war. Sei es
in pädagogischen Fragen oder in Justizsachen, bei dem
lateinischen und griechischen Unterricht wie bei dem juri-
stischen Studium, Vjei seinen kirchlichen wie bei seinen welt-
lichen Anordnungen hat er die leitenden Ideen, die seine
Mitarbeiter ausführen müssen, und er selbst ruht nicht eher.
LVIII Herzog Ernst der Fromme.
als bis seine Gedanken wirklich vollständig zum Ausdruck
gekommen sind. Vier- und fünf mal wohl sind ihm Sachen
vorgelegt worden und umgearbeitet, ehe er sie billigte. Das
große Werk des Geschichtschreibers des Protestantismus,
Hortleder, geht so gut auf seine Anregung mit zurück, wie
das andere große protestantische Geschichtswerk, Secken-
dorfs Commentarius, direkt auf seine Veranlassung ge-
schrieben ist. Das zweite große Werk dieses Gelehrten,
„der teutsche Fürstenstaat" ist in Wahrheit nichts anderes
als die Beschreibung der Verfassung und Zustände, wie sie
durch Ernst den Frommen in Gotha geschaffen worden
waren. In ganz der gleichen Weise, wie es Herzog Ernst ver-
langte, wird auf die Religiosität der erste Nachdruck ge-
legt. Und will es nicht viel besagen, daß hier Seckendorf
ebenso, wie sein Fürst sein ganzes Lebelang es gehalten,
für die Stände eintritt — in einer Zeit, wo sonst überall
die Fürstenmacht die Stände niederdrückt und ihre Gewalt
bricht ? Das große Bibelwerk, das Ernst der Fromme ins .
Leben rief, es trägt mit Recht seinen Namen. So sicher
weiter Ernst der Fromme bei seinen pädagogischen Be-
strebungen von Commenius und Ratke beeinflußt ist, so
soll man darüber doch nicht vergessen, daß erst die ein-
heitliche Ausgestaltung und die Umsetzung in die Wirklich-
keit das Entscheidende sind. Das Goethesche Wort
Selbst erfinden ist schön;
Aber glücklich von Andern Gefundenes
Freudig erkannt und geschätzt.
Nennst du das weniger dein?
es gilt auch hier, und an Ernst des Frommen Namen haftet
Verdienst und Ruhm aller Ideen und ihrer Ausführung.
Gerade weil Herzog Ernst in allen Sachen ein so aus-
nehmend hervorragendes Verwaltungstalent zeigte und in
jeder Weise als großer Regent dasteht, um so auffallender
ist die Erscheinung, daß er in seinem Testamente die Teilung
seiner Lande unter seine verschiedenen Söhne verfügt. Ein
wunderbares Glück hatte es noch einmal bewirkt, daß sich
Herzog Ernst der Fromme. ^IX
in Thüringen ein größeres Staatswesen bildete: 1669 fällt
der Eisenacher Anteil und 1672 der altenburgische und
coburgische Teil an Herzog Ernst. Seine relogiös- pä-
dagogischen Einrichtungen, die er im eigenen Lande getroffen
hat, werden sofort auch dort durchgeführt, aber der Ge-
danke des Staatsmannes, daß es die Aufgabe war, hier zu
erhalten, was ein gütiges Geschick noch einmal ihm in den
Schoß gelegt, fehlt. Der Vater siegt über den Staatsmann.
Freilich kann er für sich anführen die alte Tradition des
Emestinischen Hauses, die immer und immer die Länder
geteilt hat ; aber gerade die Bedeutungslosigkeit, zu der da-
durch das Ernestinische Haus verurteilt wurde, hätte warnen
sollen. Bestärkt in seinen Gefühlen als Vater ist er aber
noch geworden durch eine betrübende Erscheinung der da-
maligen Zeit, daß die nachgeborenen Söhne der Fürstenge-
schlechter in ruhelosem Ehrgeiz sich verzehrten, in fremde
Dienste traten, dem Vaterlande und, was Ernst dem Frommen
besonders schmerzlich war, dem Glauben der Väter ab-
trünnig wurden. Diesen Gefahren wollte er in seinem
Hause vorbeugen, und so zerschlug er lieber die letzte
größere Ernestinische Staatenbildung.
Am 16. Mai 1676 entschlief er.
Was Goethe ein Jahrhundert später von seinem Herzog
— auch einem Ernestiner — in jenen wunderbaren Worten
der venetianischen Epigramme sagte, wir können es von
Ernst dem Frommen Wort für Wort wiederholen:
Klein ist unter den Fürsten Germaniens -
freilich der meine ;
Kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur,
was er vermag.
Aber so wende nach innen, so wende nach außen
die Kräfte
Jeder, da wär's ein Fest,
Deutscher mit Deutschen zu sein!
IV.
Mitgliederverzeichnis.
in
Jena.
Vorstand :
1) Vorsitzender: Professor Dr. Ed. Rosenthal ■*
2) Stellvertretender Vorsitzender und Herausgeber der Zeit-}
Schrift : Professor Dr. 0. Dobenecker j
3) Bibliothekar und Konservator: Bibliotheksdirektor Dr.v
K. K. Müller
4) Schriftführer: Professor Dr. F. Keutgen
5) Schatzmeister : Verlagsbuchhändler Dr. Q. Fischer
Ausschuß :
Geheimer Hofrat Dr. C. A. H. Burkhardt, Archivdirektor in
Weimar.
Professor Dr. G. Mentz
Professor Dr. V. Michels
Buchdruckereibesitzer Dr. G. Neuenhahn
Geheimer Hofrat Professor Dr. G. Richter, Gymnasial- 1 in
direktor | Jena.
Privatdocent Dr. St. Stoy
Geheimer Justizrat A. Unger, Oberlandesgerichtsrat
Professor Dr. P. Weber
Ehrenmitglied :
Schäfer, Geheimrat Professor Dr. Dietrich, Heidelberg.
Korporative Mitglieder:
Jahresbeitrag 20 M., für welche sie sämtliche Schriften des
Vereins erhalten:
1. Arnstadt, Magistrat.
2. Coburg, Magistrat.
3. Eisenach, Stadtgemeinde.
4L. Erfurt, Magistrat.
5. Gotha, Stadtrat.
6. Hildburghausen, Magi-
strat.
7. Jena, Gemeindevorstand.
8. Mühlhausen i. Th., Magi-
strat.
9. Nordhausen, Magistrat.
10. Rudolstadt, Stadtrat.
11. R u hl a W. A., Gemeinderat
12. Saalfeld, Magistrat.
13. Sondershausen, Magi-
strat.
Mitgliederverzeichnis.
LXI
17.
8.
lU.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
Ordentliche
Allstedt. I
Nicolai, D., Geh. Kirchenrat.
Stadtgemeindevorstand.
Altenb urg S.-A.
V. Helldorf, Exe, Staats-
minister.
Kipping, R. 0., Lehrer.
Matthes, Dr. Isol., Professor
am Herzogl. üealgymnasium.
Voretzsch, Dr. phil. Max,
Prof am Herzogl. Realgym-
nasium.
Apolda.
Compter, Prof. Dr.
Elle, Robert, Buchbinder-
meister.
Eulenstein , Karl , stellver-
tretender Vorsitzender des
wissenschaftlichen Vereins.
Eischer, Rektor.
Gönna, v. d., Hugo, Posamen-
tier.
Gönna, v. d., Otto.
Kürsten, Dr. 0., Realschul-
lehrer.
Meyer, Albert, Stadtbaurat.
Müller, H. E., Kommerzien-
rat.
Neumärker, Archidiakonus.
Stier, Karl, Großh. Schul-
rat.
Wiedemann, Johann, Eabri-
kant.
Wiedemann, Emil, Kommer-
zienrat.
Arnstadt.
Bloedau, Karl Kurt, v., Re-
gierungsrat.
Boese, Eranz, Kaufmann.
Brehme, Franz , Kaufmann.
Czamikow, N., Bankdirektor.
Mitglieder:
24. Gymnasium, Eürstliches.
25. Hallensleben, Oberlehrer.
26. Hülsemann, R., Justizrat.
27. Klörs, Heinr., Oberlehrer am
Gymnasium, Pfleger.
28. Krieger, Max, Major a. D,
29. Krieger, Th., ökonomierat.
30. Lederer, Dr. F., Prof
31. Leib, Dr., Direkt, der Bürger-
schule.
32. Leupold, A. , Kommerzien-
rat.
33. Maempel, L., Rentier.
34. Maempel, Karl, Amtsrichter.
35. Maempel, Hugo, Major.
36. Museumsgesellschaft, Vor-
sitz. : Schulrat Direktor Dr.
Fritsch.
37. Müller, Prof Dr.
38. Osswald, Dr., Geh. Sanitäter.
39. Osswald, Dr. med.
40. Rieck, Rud., Kommerzien-
rat.
41. Schmidt, Aug., Rentner.
Auma.
42. Hörschelmann, Amtsrichter.
Bamberg.
43. Marschalk von Ostheim,
Emil, Freih. von.
Beichlingen b. 'Cölleda.
44. Werthem, H. Graf von.
Bergedorf b. Hamburg.
45. Hoecke, Leutnant a. D.
Bergsulza b. Stadtsulza.
46. Binder, C, Pfarrer.
Berlin.
47. Bibliothek, Königliche.
48. Goetze, Dr. A., Direktorial-
assistent am Königl. Museum
für Völkerkunde.
LXII
Mitgliederverzeichnis.
49. Gutbier, H., Fabrik chirurg.
Artikel.
50. Kind, D. theol. Dr. phil,
August, Pred. a. d. neuen
Kirche.
51. Völker, Fräul. stud. Klara
Bernburg,
52. Heß, E., Pfarrer.
Blankenhain i. Th.
53. Kaestner , E,. , Oberamts-
richter.
Bors eh b. Geisa.
54. Malkmus, Ferd., Pfarrer.
Bromberg.
55. Schmidt, Dr. E., Gymnasial-
lehrer.
Buchheim b. Eisenberg.
56. Loebe, Rudolf, Pfarrer.
Bürgel b. Jena.
57. Stoebe, Pfarrer.
Buttstädt.
58. Diöces« Buttstädt.
59. Gemeindevorstand.
60. Schulz , Richard , Lehrer
emer.
Charlottenburg.
61. Kehrbach, Dr. K., Prof.
62. Scheit, Dr. med. Th., Arzt.
63. Lorentz, Dr.
Coburg,
64. Wilhelm, Dr. 0., Prof.
Dermb ach.
65. Jänisch, Landbaumeister.
Detmold.
66. Anemüller, Dr., Bibliothekar.
Dielsdorf b. Markvippach.
67. Gutzeit, Reinh., Pfarrer.
Döbritschen bei Gr.-Schwab-
hausen.
68. Heyge, Karl, Pfarrer.
Dornburg a. S,
69. Rauch, Superintendent.
D^orndorf a. Werra.
70. Niese, Pfarrer.
Dörrberg b. Gräfenroda i. Tl
71. Brückner, Oberförster.
Dresden.
72. Hauptstaatsarchiv, KönigL
73. Kötschau, Dr., Dir. des Kg
Sachs. Hist. Museums.
74. Lippert, Archivrat Dr.
75. Mansberg, V., Oberstleutnan-
Frhr.
Eisenach.
76. Bibliothek, Großherz. Car
Alexander-.
77. Bibliothek des Realgyn
nasiums.
78. Elex, Dr., Prof.
79. Gentsch, Dr., Oberlehrer.
80. Krehan, G., Großh. Steuer
kommissar.
81. Kühn, Dr. G., Prof.
82. Marbach, F. D. , Superii
tendent a. D.
83. Österheld, Prof. Dr.
84. Paulsen, Geh. Justizrat.
85. Peter, H.
86. Reinhardt, Dr. med. ,
87. Roese, Major a. D." (trij
für 1903 aus).
88. Wartburgbibliothek.
Eisenberg.
89. Geschichts- und Altertum
forschender Verein.
Elberfeld.
90. Wislicenus, Dr.
91. Bühring, Dr. Joh., Prof.
Elbersberg, Kr. Wolfshagd
(Hessen).
92. Buttlar, Freiherr von und z
Mitgliederverzeichnis.
LXIII
Erfurt.
93. Sonnekalb, Paul, Schrift-
steller.
94. Wilson, L., OLGRat.
Flurstedt b. Apolda.
96. Alberti, Pfarrer.
Freiburg i. Br.
96. Simson, Dr. L. v., Prof.
Geestemünde.
97. Quantz, Oberlehrer.
Gehren.
98. Hülsemann, Edw., Amtsricht.
Geisa a. Rh.
99. Kiel, Dr. A. J., Landtags-
abgeordneter.
100. Saalfeld, Karl, Oberförster.
Georgenthal.
101. Baethcke, Pfarrer.
Gera R. j. L.
102. Auerbach, Oberlehrer.
103. Eisel, Rob. , Kurator des
städtischen Museums.
104. Ministerium, Fürstliches,
Abt. für Kirche u. Schule.
105. Voß, H. von, Rechtsanwalt.
Gerstung en.
106. Stegmann, Dr., Medizinalrat.
107. Stölten, Lic. theol., Super-
intendent.
Gotha.
108. Bamberg, Dr. v., Ober-
schulrat.
109. Beriet, Exe, Landgerichts-
präsident.
110. Bibliothek, Herzogliche.
111. Bierschenk, F. W.,Kommer-
zienrat.
1 12. Böttner, R., Landrichter.
113. Dannenberg, Dr., Medizinal-
rat.
114. Dietzsch, Dr., Geh. Re-
gierungsrat.
116. Doebel, J., Finanzrat.
116. Ebart , v. , Kammerherr,
Kabinettssekr. S. H. d. Her-
zogs. Pfleger.
117. Emminghaus, Dr., Direktor.
118. Florschütz, Dr. Physikus
a. D.
119. Georges, Dr.H., Prof ,Herzgl.
Bibliothekar.
120. Goldschmidt, Dr., Handels-
schuldirektor.
121. Grützmüller, Landgerichts-
rat a. D.
122. Haeseler, v., Kammerherr.
123. Haus- u. Staatsarchiv, Hzgl.
124. Heinrich, Otto, Bankdirekt.
125. Heller, C, Rechtsauwalt.
126. Hellfarth,Buchdruckereibe8.
127. Hennicke, Dr., Gymnasial-
lehrer.
128. Heß, H., Finanzrat.
129. Hollstein, Lehrer.
130. Ketelhodt, v.. Exe, Geh.
Staatsrat , Minister des
Herzogl. Hauses.
131. König, Dr. C, Lehrer an
der Realschule.
132. Landschütz, Direktor.
133. Hofkirche, Herzogliche.
134. Liebetrau, Oberbürgermeist.
135. Müller, Herrn., Superintend.
136. Ostertag, K., Bürgermeister.
137. Perthes, B., Hofrat.
138. Perthes, Emil, Buchhändler.
139. Pick, Prof. Dr.
140. Regel, Dr. P., Oberlehrer
am Gymnasium.
141. Ritter, Bankdirektor.
142. Rohrbach, Dr. C, Real-
schuldirektor.
143. Samwer, Dr. C, Bank-
direktor.
144. Schapitz, Finanzrat.
145. Schmidt, Staatsrat.
LXIV
Mitgliederverzeichnis.
146. Schneider, Dr. G. Bank-
direktor,
147. Schreiber, Schulrat.
148. Schwarz, Dr., Sanitätsrat.
149. Strenge, v., Exe, Staats-
minister a. D.
150. Thienemann, E.F.jHofbuch-
händler.
151. Vereinigung für Gothaische
Geschichte und Altertums-
forschung.
152. Bibl. des Herzog Ernst-
Seminars.
G ö ttingen.
153. Verworn, Dr. Prof.
Göttern b. Magdala.
154. Wächter, Pfarrer.
Greiz.
155. Steinhausen, Landrichter,
Justizrat.
156. Verein für Greizer Gesch.
157. Verwaltung der Stadtschul-
bibliothek.
Großrud es tedt.
158. Spieß, Superintendent.
Hainichen b. Dornburg.
159. Schröder, Arno, Pfarrer.
Halle a. S.
160. Lotholz, Dr., Gymnasial-
direktor a. D.
Hamburg.
161. rüßlein,Dr. Gymnasialober-
lebrer.
Hannover.
162. Doebner, Dr., Archivdirekt,
und Geh. Archivrat.
Heilsberg b. Remda.
163. Bankwitz, Walther, Pfarrer.
Hildburghausen.
164. Hertel, Dr. Ludwig, Ober-
lehrer.
165. Humann, Dr. A., Superin-
tendent.
166. Verein für Sachs.-Meiningi-
sche^ Geschichte u. Landes-
kunde.
Hörseigau b. Fröttstedt.
167. Perthes, F., Pfarrer.
Hohenleuben.
168. Voigtländ. Altertumsforsch.
Verein.
Jena.
169. Abbe, Prof. Dr.
170. Alberti, Rechtsanwalt.
171. Ambron n, Prof Dr.
172. Anton, Prof. Dr.
178. AufiParth, Archidiakonus.
174. Bachstein , Ernst , Kauf-
mann.
175. Bauer, Fräul. C.
176. Baensch, Prof. Dr.
177. Bergmann, Stadtschreiber.
178. Beyer, Uhrmacher.
179. Beyer, Lehrer.
180. Bezold, Möbelfabrikant.
181. Bibliothek des Gymnasiums.
182. Binswanger, Geh. Medizinal-
rat Prof. Dr.
183. Bleyer, Optiker.
184. Blomeyer, Senatspräsident.
185. Blomeyer, Frau, Amtsrat.
186. BÖckel, Dr. jur.
187. Böttcher, Max, Buchhändl.
188. Braasch,D., Superintendent.
189. Brüger, V., Dr., Exe, Wirkl.
Geh. Rat, OLG-Präsident.
190. Buchner, Dr., Museumassist.
191. Butz, W., Direktor.
192. Cartellieri, Dr. Alex, Pro.
193. Cosack, Stadtbaumeister.
194. Delbrück, B., Dr. Prof.
195. Devrient, Dr. Ernst.
196. Dienemann, Lehrer.
Mitgliederverzeichnis.
LXV
i'.w.
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207.
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210.
211.
212
213.
214.
215.
216.
217.
218.
219.
220.
221.
222.
223.
224.
225.
226.
227.
228.
229.
Dobenecker, Dr. 0., Prof.
Dobschütz, V., Prof. Dr.
Dornbluth, Rentner.
Dove, Prof. Dr.
Duden, Prof. Dr.
Dultz, Arzt.
Dyckerhoflf, Frau Amts-
richter.
Eggeling, Dr., Geh. Staats-
rat.
Eichhorn, Dr. Kirchenrat.
Eichhorn, Dr., Arzt.
Elster, A., Dr. jur.
Engau, Bezirksvorsteher.
Eschke , R. , Univ.-Biblio-
thekar.
Ett, Pfarrer a. D.
Eucken, Rud., Prof. Dr.,
Geh. Hofrat.
Feder, Zahnarzt.
Feuerstein, Arzt.
Fischer, Dr. Gustav.
Flegel, H., Kanzleirat.
Förtsch, Prof
Fraisse, Prof. Dr.
Frommann, Frau General-
superintendent.
Gang, Steueramtsrendant.
Geltzer, Prof. Dr. A., Geh.
Hof rat
Giese , Dr. Bezirksarzt,
Privatdozent.
Giese, jun., Zimmermeister.
Goetz, Prof Dr. G., Geh.
Hofrat.
Graf, Dr. Arzt.
Gresitza, Werkmeister.
Grohe, Dr., Assistent.
Groß, Assistenzarzt.
Hädrich , Gustav , Kauf-
mann.
Haerdle, H., Buchhändler.
230. Harseim, Wirkl. Geb.
Kriegsrat a. D.
231. Härtung, Otto, Mühlenbe-
sitzer.
232. Häußler, Magazinverwalter.
233. Heinrich, Dr. Hilfsbiblio-
thekar.
234. Heinrich , P. , Bezirksver-
walter.
235. Helmrich, C, Aktuar am
Oberlandesgericht.
236. Hertel , Dr. , Professor'
Assistenzarzt.
237. Heß, Referendar.
238. Heuschkel, Dr. Oberlehrer.
239. Hilgenfeld, Prof. Dr., Geh.
Kirchenrat.
240. Hochhausen sen. , Buch-
binder.
241. Hunger, Lithograph.
242. Jacobi, Kaufmann.
243. Jacobs, Dr., Rechtsanwalt.
244. Jobst, Major a. D.
245. Jungherr, Geh. Justizrat.
246. Jurk, Ernst, Buchhändler.
247. Kaiser, Hotelier.
248. Kämpfe , Anton , Buch-
druckereibesitzer.
249. Kanold, Rentner.
250. Kästner, Buchbindermeist.
251. Keller, Prof. Dr.
252. Keutgen, Prof -Dr.
253. Klee, Dr., Med.-Assessor.
254. Kniep, Prof Dr.
255. Knorr, Dr. Prof Geh.
Hofrat.
256. Koblinski, Redakteur.
257. Koch, Rud., Bankier.
258. Koch, Wilh., Bankier.
259. Köcher, E. F., Lehrer.
260. Köhler, Dr. A.
261. Köhler, Kommerzienrat
5
LXVI
Mitgiiederverzeichnis.
262. Kohlmann, Postassistent. 299.
263. Kötschau, Prof. Dr. 300.
264. Krell, Pastor emer. \
265. Kronefeld, Frau Dr. |301.
266. Langenbeck, Prof. Dr. | 302.
267. Lambeck, H., Prof. j 303.
268. Leist, Prof. Dr., Geh. Justiz-
rat. 304.
269. Leschbrand, Dr. C. 305.
270. Liebmann, Senatspräsident. 306.
271. Lichtwer, Rechnungsrat. 307.
272. Lincke, Prof. Dr.
273. Lipsius, Lic, Privatdocent. 308.
274. Lommer, Geh. Oberjustizrat. 309.
275. Loening, Prof. Dr., Geh. 310.
Justizrat. 311.
276. Marschall, Gärtner. 312.
277. Matthes, Rentner. 313.
278. Mentz, Dr. G., Prof. 314.
279. Meyer, Redakteur. 315.
280. Michels, Prof. Dr.
281. Möbus, Bürgerschullehrer. 316.
282. Mosdorf, Wirt.
283. Müller, Prof. Dr. G., Geh. 317.
Hofrat. 318.
284. Müller, Dr. K. K., Direktor
der Univ.-Bibliothek. 319.
285. Müller, Maurermeister.
286. Netz. Karl. 320.
287. Netz,' Gustav. 321.
288. Neuenhahn, Dr. Gustav. 322.
289. Nippold, Dr. Prof. 323.
290. Noack, Prof. Dr. 324.
291. Oschatz, Louis, Mühlenbes. 1 325.
292. Peter, Gymnasiallehrer. \
293. Petrenz, Dr. Otto. | 326.
294. Pfeiffer, Institutsdirektor. '
295. Pierstorff, Dr. J., Prof. Geh. j 327.
Hofrat. I
296. Piltz, Ernst, Institutslehrer. } 328.
297. Planer, Dr. Hermann.
298. Pohle , Wilh. , Buch- i 329.
druckereibesitzer. | 330.
Raßmann, Buchhändler.
Reichardt, Dr. phil., Ober-
lehrer am Gymnasium.
Rein, Prof. Dr.
Richter, Dr. G., Geh. Hofrat.
Riemann , Oberlandesge-
richtsrat.
Rodigast, Rentner.
Rosenthal, Dr. E., Prof.
Rückert, B.
Schellbach , Oberlandesge-
richtsrat.
Scheller, Max, cand. hist.
Schlösser, Prof. Dr.
Schmidt, Dr. Emil, Prof.
Schneider, Lehrer.
Schoele, Gastwirt.
Schott, Dr., Fabrikbesitzer.
Schott, Prof. Dr.
Schnitze, Dr. Alfred, Prof.
OLGRat.
Schnitze, Dr. Leonhard,
Privatdozent.
Seesemann, Lehrer.
Seidel, Dr. M., Prof. Geh.
Medizinalrat.
Seyerlen, Geh. Kirchenrat
Prof.
Siebert, Dr., Medizinalrat.
Singer, H., Oberbürgermstr.
Staeger, Prof. Dr.
Stäps, Justizrat.
Stark, Frl. Clara.
Stichling, Alex, Oberlandes-
gerichtsrat.
Stintzing, Prof. Dr., Geh.
Med.-Rat.
Stoy, Dr. Heinrich, Instituts-
direktor. ■
Stoy, Dr. Stephan, Docent
an der Universität.
Strobel, F., Buchhändler.
Strohschein, Frl. Johanna.
Mitgliederverzeichnis.
LXVII
81. Strupp, Rechtsanwalt.
i.52. Stütz, Dr. E., Apotheker.
.83. Thümmel, Prof. Dr.
.84. Timler, C, Architekt.
35. Timler, Heinrich, Kauf-
mann.
m. Türck, Dr., Herrn.
837. Unger,OLGrRat, Geh. Justiz-
rat.
>88. Veit, Zimmermeister.
■ 39. Vogel, Polizeisekretär.
.40. Völlers, Prof Dr.
341. Vopelius, Bernhard, Buch-
druckereibesitzer.
342. Wagenmann, Prof. Dr.
343. Wagner, Dr., Bürgermeister.
344. Wagner, Lehrer.
345. Weber, Prof. Dr.
346. Weimar, Hugo.
347. Weise, Lithograph.
348. Wilhelm, Prof. Dr.
349. Willkomm, Hilfsbibliothek.
350. Winkelmann, Prof. Dr., Geh.
Hofrat.
351. Wittich, Lehrer.
352. Wolsborn ,Pfarrer emer.
353. Woltersdorf, Referendar.
354. Zeiß, Dr. H., Justizrat.
Ilmenau.
''55. Bock, Richard, Glashütten-
besitzer.
356. Böttcher, Dr. A., Prof.
357. Hassenstein, Dr., Direktor
der Wasserheilanstalt.
358. Naumann, Herrn., Kommer-
zienrat.
Immenrode b. Schernberg.
359. Einicke, G. Pfarrer.
Kahla S.-A.
360. Stadtrat.
361. Verein für Geschichte und
Altertumskunde.
Kapellendorf.
362. Weiner, Franz, Pfarrer.
Keilhau b. Rudolstadt.
363. Wächter, Dr. 0.
Köln a. Rh.
364. Aldenhoven , K. , Hofrat,
Direktor des Museums.
365. Blumschein, Dr. G., Ober-
lehrer a. d. Oberrealschule.
Königsberg i. Pr.
366. Sommerfeld, Dr. G., Real-
gymnasiallehrer (für 1903
abgemeldet).
367. Stieda, Dr. L., Geheimrat.
Kreuzburg Oberschlesien.
368. Bartenstein, Regierungsass.
K u n i t z.
369. Böhme, E., Pfarrer.
Langensalza.
370. Gutbier, H., Stadtarchivar.
Lausanne.
371. Kuhlenbeck, Dr., Rechtsan-
walt.
Leipzig.
372. Beyer, Dr., in Leipzig-
Eutritzsch.
373. Hase, Dr. Oskar v., Hofrat.
374. Schulz, Prof.Dr.K.,OberbibL
am Reichsgericht.
375. Stieda, Dr. W., Prof.
Madelungen b. Eisenach.
376. Schneyer, H., Pfarrer.
M a g d a 1 a.
377. Freyberg, K., Lehrer.
M ar bürg a. L.
378. Universitätsbibliothek, Kgl.
379. Wenck, Dr. Karl, Prof.
Marienwerder.
380. Baltzer, Dr. M., Direktor
des Gymnasiums.
LXVIII
Mitglieder Verzeichnis .
Maua b. Göschwitz.
381. Stoeßner, C. Otto, Pfarrer.
Meiningen.
382. Bibliothek, Öffentliche Her-
zogliche.
383. Domrich,.Dr.,Geh. Med. Rat
384. HennebergischerAltertums-
forschender Verein.
385. Koch, Prof. E., Vorsteher
des Henneberg. Archivs.
386. Linschmann, Th., Pfarrer.
387. Trinks, Staatsrat.
M e 1 1 i n g e n.
388. Pörtsch, Geh. Kirchenrat.
Miltenberg a. M.
389. Erdmann, Hans.
Mügeln b. Oschatz.
390. Opel, Postmeister.
Münchenbernsdorf.
391. Liebeskind , Paul , Ober-
pfarrer.
Naumburg a. S.
392. Schöppe, Redakteur.
Neidhardshausen b. Zella
(Eelda).
393. Löber, Pfarrer.
Neustadt b. Coburg.
394. Magistrat.
Neustadt a 0.
395. Magistrat.
396. Wünscher , Archidiakonus.
Neustadt b. Gerstungen.
397. Pfaff, H., Pfarrer.
Nirmsdorf b. Buttstädt.
398. Kunze, Pfarrer.
Nischwitz b. Mannichs-
walde S.-A.
399. Bergner, Dr., Pfarrer,
Nordhausen.
400. Harzverein für Geschichte
und Altertumskunde.
Ob er hausen (Rheinland).
401. Herthum, Dr., Realschul-
lehrer.
Ohrdruf,
402. Ereytag, H,, Assessor.
Oldenburg im Großh,
403. Menge, Dr. Rudolf, Ober-
schulrat.
Orlamünde.
404. Lommer, Justizrat.
405. Stadtrat.
Pforta b. Naumburg a. S.
406. Boehme, Prof. Dr.
407. Siefert, Dr. G., Oberlehrer.
Pößneck.
408. Berger, Robert, Kommer-
zienrat.
409. Härtel , R. , Apotheker,
Fabrik, med. Verbandstoffe.
410. Herrmann, Richard, Kauf-
mann.
411. Keßow, Lehrer.
412. Magistrat.
413. Museum (vertreten durch
Lehrer Kramer).
414. Weißer, Dr., Sanitätsrat.
Potsdam.
415. Obernitz, v.. Major a. D.
Roda S.-A.
416. Dobenecker, R., Bezirks-
schulinspektor.
417. Kropff, V., Landrat.
418. Stadtrat.
419. Verein für Geschichte und
Altertumskunde.
Ronneb urg S.-A.
420. Bibliothek der Stadtschule.
421. Altertumsforsch. Verein für
Rönneburg und Umgegend.
Rostock i. M.
422. Universitätsbibliothek.
Mitgliederverzeichnia.
LXIX
Rothenstein b. Jena.
128. Plöthner, Pfarrer.
Rudolstadt.
124. Ackermann, Ed., Redakteur.
425. Bangert, Dr. W., Prof.,
Pfleger.
126. Bloß, C.,' Hofmusikus.
427. Bock, E., Buchhändler.
128. Brecht, Geh. Baurat.
429. Eichhorn, Buchhändler.
I.'50. Franke, Lehrer.
431. Großmann, Hotelier.
432. Haushalter, Prof. Dr.
433. Hauthal, Staatsrat.
434. Heinze, Lehrer.
435. Hickethier, Lehrer.
436. Horcher, Prof. Dr.
487. Körbitz, Dr., Staatsrat.
438. Krause, Prof Dr.
t39. Ortloff, Günther, Kommis-
sionsrat.
140. Ose, stud. phil.
44L Rein, Dr., Seminarober-
lehrer.
442. Röhner, Baurat a. D.
443. Rübesamen, Dr., Oberlehrer.
1:4. Schinzel, Gottwert, Archi-
tekt
Saalfeld.
445. Freysold, Justizrat.
446. Groß, Geh. Justizrat.
447. Heym, Dr. Oberlehrer.
448. Liebscher, Bürgermeister.
449. Schneider, Geheimrat.
Schlei z.
4.50. Geschichts- und Altertums-
forsch. Verein.
401. Schmidt, Dr. B., Fürstl.
Archivrat.
Schlotheim
452. Ketelhodt, Freih. v., Amts-
richter.
S chm alka Iden.
453. Verein für Henneberg. Ge-
schichte.
Schnepfe nthal b. Waltersh.
454. Ausfeld, Dr., Schulrat
456. Gerbing, Frau, geb. Aus-
feld.
456. Thomas, Ed., Prof. Dr.
Sondershauaen.
457. Bärwinkel, Dr. Felix, Land-
rat.
458. Bärwinkel, Prof Dr., Ver-
walter des fürstl. Archivs.
459. Hülsemann , H. , Amts-
gerichtsrat.
460. Maempel, Fr., Amtsgerichts-
rat.
461. Trautvetter, Dr., Bank-
direktor, Landrat a. D.
462. Verein für Deutsche Ge-
schichte und Altertums-
kunde.
Stadtilm.
463. Speerschneider, J. , Amts-
richter.
Stadtlengsfeld (Felda).
464. Ziemendorf , Dr. , prakt.
Arzt.
S t e i n a c h S.-M.
465. Freysold, Herzog!. Forst-
assessor.
Stetten, Post Sondheim (Rhön).
466. Kaiser, H, Pfarrer.
St otternhe im.
467. Schwabe, Kirchenrat.
Suhl.
468. Kunze , F. , Lehrer und
Schriftstellei-.
469. Kroebel, Amtsgerichtsrat.
Taupadel b. Jena.
470. Eichhorn, Aug., Pfarrer.
LXX
Mitgliederverzeichnis.
Thalstein b. Jena.
471. Tümpling, v., Legationsrat
a, D.
Tiefenort.
472. Anhalt, Adjunkt.
473. Schröter, Hausvater (Ret-
tungshaus).
474. Renner, Dr., Bezirksarzt.
T r i p t i s.
475. Magistrat.
Udestedt b. Vieselbach.
476. Ritter, Otto, Superintendent.
Uelleben.
477. Lerp, C, Pfarrer.
Unterwirbach b. Blanken-
burg i. Th.
478. Bastheim er, Emil, Lehrer.
Vacha.
479. Buhler, Superintendent (tritt
für 1903 aus).
480. Stößner, Superintendent.
481. Löber, Dr. Paul, Bezirks-
arzt.
Vieselbach.
482. Schmidt, Otto, Justizrat.
483. Starcke, Dr. med., Amts-
physikus.
W e i d a.
484. Meder, Adjunkt.
485. Pfeifer, Louis,. Fabrikant.
Weimar.
486. Bachmann , Landgerichts-
präsident.
487. Bibliothek, Großherzogliche.
488. Bojanowski, v.. Geh. Hofrat.
489. Buchenau, Dr., Oberlehrer.
490. Burkhardt, Geh. Hofrat Dr.,
Direktor des Staatsarchivs.
491. Conservator der Bau- und
Kunstdenkm. Thüringens,
(dz. Prof. Dr. Georg Voß,
Berlin-Grunewald).
492. Devrient, Dr. Hans, Ober-
lehrer am Gymnasium.
493. Dollstädt, Kommerzienrat.
494. Eglo'ffstein, Freih. v., Dr.,
Kabinettsekretär.
495. Flöl, Dr. W. , Justizkom-
missar.
496. Gohren, Dr. v.. Geh. Re-
gierungsrat.
497. Groß, v., Exe, Staatsminister
a. D.
498. Gymnasium, Großherzogl.
499. Habbicht, Heinrich, Ober-
postsekretär a. D.
500. Henß, Adolf, Hofbuch-
binder.
501. Jüngst, Pfarrer.
502. Kaehler, Dr. 0., Prof.
503. Krause, Staatsrat.
504. Kriesche, Oberbaurat.
505. Langlotz, Direktor.
506. Lengefeld, v., Dr. phil.,
Selma.
507. Mardersteig, Rechtsanwalt.
508. Mirus, Präsident.
509. Möller, Oberlehrer.
510. Müller, A., Geometer.
511. Müller, W., Revisor.
512. Müller, Hofjuwelier.
513. Schwanitz, Geh. Justizrat.
514. Slevoigt, Geh. Regieruiigs-
rat.
515. Spinner, Dr., Oberhofpredi-
ger, Kirchenrat.
516. Staatsministerium, Großh.
Depart. des Kultus.
517. Stadtgemeinde.
518. Stadtkirchengemeinde.
519. Thelemann, Hofbuchhändl.
520. Trefitz, Dr., Archivar.
521. Thüna, Dr. Freih. V., Bezirks-
direktor a. D.
522. Virck, Prof. Dr.
523. Walther, Kuno, Kirchenrat.
Mitgliederverzeichnis,
LXXI
)_' \. Wernekke, Realgymnasial-
direktor.
'>_'5. Wurmb, v., Minister des
Äußeren und Inneren.
Weißensee i. Thür.
.")'2G. Magistrat.
Wen igen Jena.
■ )-2l. Bauer, Oberstleutnant a. D.
■J8. Brauckmann,Institutsdirek-
tor.
!♦. Gemeindevorstand.
• I. Hollenbach, Dr. Rektor.
531. Jäger, Lehrer.
532. Schlag, Zimmermeister.
Wien.
533. Bibl. des Historischen Mu-
seums der Stadt Wien.
Wiesenthal b. Dermbach.
584. C^sar, Pfarrer.
Würzburg.
535. Regel, Dr. Fr., Prof.
Zabrze i. Schles.
536. Schellwitz, Hauptmann a. D.
Zeulenroda.
537. Stadtgemeinde.
Ziegenhain.
538. Fuchsturmgesellschaft.
V.
Verzeichnis
der Vereine, Institute und Redaktionen, mit denen der Ver-
ein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde in
Schriftenaustausch steht.
Landesgebiet
No.
Sitz
1
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
Reich
1
Preußen
1
Berlin
Verein für Geschichte der
Mark Brandenburg.
2
Berlin
Brandenburgia. Gesellschaft
für Heimatkunde der Pro-
vinz Brandenburg.
3
Berlin
Märkisches Provinzial-Mu-
seum.
4
Berlin
Verein für die Geschichte
Berlins.
5
Berlin
Der deutsche Herold.
6
Branden-
Historischer Verein zu
burg
Brandenburg a. H.
7
Prenzlau
Uckermärkischer Museums-
und Geschichtsverein.
8
Stettin
Gesellschaft für Pommersche
Geschichte und Altertums-
kunde.
9
(Treifswald
Rügisch-Pommerscher Ge-
schichtsverein zu Greifs-
wald und Stralsund.
10
Danzig
WestpreußischerGeschichts-
verein.
Verzeichnia der Vereine, Institute u. Redaktionen etc. LXXIII
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
Reich
Preußen
11
Marien-
Historischer Verein für den
werder
Regierungsbezirk Marien-
werder.
12
Königsberg
Altertumsgesellschaft Prus-
i. Pr.
sia.
13
Königsberg
Verein für die Geschichte
i. Pr.
von Ost- und Westpreußen.
14
Frauenburg
Historischer Verein für Er-
meland.
In
Lötzen
Litterarische Gesellschaft
Masovia.
16
Posen
Historische Gesellschaft für
die Provinz Posen.
17
Posen
Towarzystwo Przyjaciol
Nauk Poznanskie (Ge-
sellschaft der Freunde
der Wissenschaften).
18
Kurnik
Graf Dzialinski'sche Bi-
(Posen).
bliothek.
19
Thorn
Copernicusvereinfür Wissen-
schaft und Kunst-
20
Breslau
Verein für die Geschichte
und Altertum Schlesiens.
21
Breslau
Schlesische Gesells'chaft für
vaterländische Kultur.
22
Breslau
Schlesische Gesellschaft für
Volkskunde.
23
Breslau
Verein des Museums schle-
sischer Altertümer.
24
Breslau
Königl. Regierungspräsi-
dium (Kunstdenkmäler
der Provinz Schlesien).
25
Freiwaldau
Mährisch-schlesischer Su-
detengebirgsverein.
LXXIV Verzeichnis der Vereine, Institute und Redaktionen,
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
\
Reich
Preußen
2G
Görlitz
Oberlausitzer G-esellschaft
der Wissenschaften,
27
Magdeburg
Verein für Geschichte und
Altertumskunde des Her-
zogtums und Erzstifts
Magdeburg.
28
Salzwedel
Altmärkischer Verein für
vaterländische Geschichte.
29
Wer-
Harzverein für Geschichte
nigerode
und Altertumskunde.
30
Halle-
Historische Kommission der
Merseburg
Provinz Sachsen.
31
Halle a. S.
Thüringisch-sächsischerVer-
ein für Erforschung des
Vaterland. Altertums.
32
Eisleben
Verein für Geschichte und
Altertümer der Grafschaft
Mansfeld.
33
Sanger-
Verein für Geschichte und
hausen
Naturwissenschaft von
Sangerhausen und Um-
gebung.
34
Mühlh.i.Th.
Mühlhäuser Altertumsvereiq.
35
Erfurt
Verein f. Geschichte u. Alter-
tumskunde von Erfurt.
36
Erfurt
Königliche Akademie ge-
meinnütziger Wissen-
schaften.
37
öchmal-
Verein f. HennebergischeGe-
kalden
schichte u. Landeskunde.
38
Kassel
Verein für Hessische Ge-
schichte.
39
Fulda
Fuldaer Geschichtsverein.
40
Eulda
Historischer Verein der
Diöcese.
mit denen der Verein in Schriftenaustauech steht. LXXV
1 Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
Beich
Preuüen
41
Hanau
Hanauer Geschichts verein.
42
Wiesbaden
Verein für Nassauische
Altertumskunde und Ge-
schichtsforschung.
43
Homburg
V. d. H.
Verein für Geschichte und
Altertumskunde.
44
Frankf. a.M.
Verein für Geschichte und
Altertumskunde.
45
Frankf. a.M.
ötadtbibliothek.
46
Trier
Stadtbibliothek.
47
Aachen
Aachener Geschichtsverein.
48
Bonn
Verein von Altertums-
freunden im Rheinlande.
49
Köln a. R.
Historischer Verein für den
Niederrhein.
50
Köln a. R.
Stadtarchiv.
51
Düsseldorf
Düsseldorf Geschichtsverein
52
53
Elberfeld
Essen
Bergischer Geschichtsverein.
Historischer Verein für Stadt
und Stift Essen.
54
Dortmund
Histor. Verein für Dortmund
und die Grafschaft Mark.
55
Soest
Verein für evangelische
Kirchengeschichte der
Grafschaft Mark.
56
Münster
Verein f. Geschichte u. Alter-
tumskunde Westfalens.
57
Münster
Redaktion des litterarischen
Handweisers für das
katholische Deutschland.
58
Hannover
Historischer Verein für
Niedersachsen.
59
Hannover
Verein für Geschichte der
Stadt Hannover.
LXXVI Verzeichnis der Vereine, Institute und Redaktionen,
Landesgebiet
No.
Deutsches i
Reich
Preußen : OO
64
(i5
Bayern
67
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Hannover
Osnabrück
Lüneburg
Stade
Lehea. d.W.
Emden
Kiel
Kiel
Ansbach
69 Augsburg-
70 Bamberg
7 1 Bayreuth
7-2 Hof
1'.') Landshut.
7 I München
Architekten- und Ingenieur-
Verein.
Verein für Geschichte und
Landeskunde von Osna-
brück.
Musenmsverein für das
Fürstentum Lüneburg.
Verein für Geschichte und
Altertümer der Herzog-
tümer Bremen und Verden
und des Landes Hadeln.
Heimatbund Männer von
Morgenstern.
Gesellschaft für bildende
Kunst und vaterländische
Altertümer.
Gesellschaft für Schleswig-
Holsteinsche Geschichte.
Anthropologischer Verein
in Schleswig-Holstein.
Historischer Verein für
Mittelfranken,
Historischer Verein für
Schwaben und Neuburg.
Historischer Verein zu Bam-
berg in Oberfranken.
Historischer Verein für
Oberfranken.
Nordoberfränkischer Verein
für Natur-, Geschiclits-
und Landeskunde.
Historischer Verein füi-
Niederbayern.
Kgl. Bayer. Akademie dej'
VVissensch. Hist. Klasse.
mit denen der Verein in Öchriftenaustausch steht. LXXVII
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
Reich
Bayern
75
München
Historischer Verein von
Oberbayem.
76
München
Münchener Altertumsverein.
77
München
Redaktion des Historischen
Jahrbuchs der Görres-
Gesellschaft.
78
Neuburg
Historischer Verein Neu-
a. d. D.
burg a. d. D.
79
Nürnberg
Germanisches Nationalmu-
seum.
80
Nürnberg
Verein für die Geschichte
der Stadt Nürnberg.
81
Regensburg
Historischer Verein für
Oberpfalz und Regens-
burg.
82
Speyer
Historischer Verein für die
Pfalz.
83
Wtirzburg
HistorischerVereinfürUnter-
franken u. Aschaffenburg.
Königreich
84
Chemnitz
V^erein für Chemnitzer Ge-
Sachsen
schichte.
85
Dresden
Kgl. Sachs. Altortumsverein.
86
Dresden
Verein für die Geschichte
Dresdens.
87
Freiberg
Freiberger Altertumsverein.
88
Leipzig
Verein für die Geschichte
Leipzigs.
89
Leipzig
Deutsche Gesellschaft zur
Erforschung vaterlän-
discher Sprache und Alter-
tümer.
90
Leipzig
Museum für Völkerkunde.
91
Leisnig
Geschichts- u. Altertums-
verein.
LXXVIII Verzeichnis der Vereine, Institute und Redaktionen,
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
. ^^ .
Reich
Königreich
92
Meißen
Verein für die Geschichte
Sachsen
der Stadt Meißen.
98
Plauen i. V.
Altertumsverein.
94
Zwickau
Altertumsverein für Zwickau
und Umgegend.
Württem-
95
Friedrichs-
Verein für Gesch. d. Boden-
berg
hafen
sees u. seiner Umgebung.
96
Hall
Historischer Verein für das
Württemberg. Franken.
97
Ravensburg
Redaktion des Diöcesan-
Archivs von Schwaben.
98
Stuttgart
Kgl. Statist. Landesamt.
(Württemb. Geschichts-
und Altertumsverein. Hi-
storischer Verein für das
Württemb. Franken. Ver-
ein für Kunst und Alter-
tum in Ulm und Ober-
schwaben. Sülchgauer
Altertumsverein.)
99
Stuttgart
Kgl. Landesbibliothek.
Baden
100
Donau-
Verein für Geschichte und
eschingen
Naturgeschichte der Baar
und der angrenzenden
• Landesteile.
101
Freiburg
Gesellschaft zurBeförderung
i. Br.
der Geschichts- , Alter-
tums- undVolkskunde von
Freiburg i. Br.
102
Freiburg
Kirchlich-historisch. Verein.
i. Br.
für d. Erzdiöcese Freiburg.
103
Heidelberg
Historisch - philosophischer
Verein.
104
Heidelberg
Kommission für die Ge-
schichte der Stadt.
mit denen der Verein im Schriftenaustausch steht. LXXIX
T^ndesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
Beich
Baden
105
Mannheim
Altertumsverein.
Großherzt.
106
Darmstadt
Historischer Verein für das
Hessen
Großherzogtum Hessen.
107
Gießen
Oberhess. Geschichtsverein.
108
Gießen
Vereinigung für hessische
Volkskunde.
109
Mainz
Verein für Erforschung der
rheinischen , Geschichte
und Altertümer.
110
Worms
Altertums verein.
Mecklenb.-
111
Rostock
Verein für Rostocks Alter-
Schwerin
tümer.
112
Schwerin
Verein für Mecklenburgische
Geschichte und Altertums-
kunde.
Oldenburg
113
Oldenburg
Oldenburgischer Landesver-
ein für Altertumskunde
und Landesgeschichte.
Braunschw.
114
Braun-
Stadtbibliothek und Stadt-
schweig
archiv.
115
Wolfen-
Redaktion des Braun-
büttel
schweigischen Magazins.
Sachsen-
116
Altenburg
Geschichts- und Altertums-
Altenburg
forschende Gesellschaft
des Osterlandes.
117
Eisenberg
Geschichts- und Altertums-
forschender Verein.
118
Kahla-Roda
Verein für Geschichts- und
Altertumskunde zu Kahla
und Roda.
119
Papiermühle
Weller 's Archiv für Stamm-
b. Roda
und Wappenkunde.
Sachsen-
120
Gotha
Vereinigung für Gothaische
Gotha
Geschichte und Altertums-
forschung.
LXXX Verzeichnis der Vereine, Institute und Redaktionen,
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Deutsches
T
Reich
Sachsen-
121
Meiningen
Hennebergischer altertums-
Meiningen
forschender Verein.
122
Meiningen
Verein für Meiningische Ge-
schichte undLandeskunde.
Anhalt
123
Dessau
Verein für Anhaltische Ge-
schichts- und Altertums-
kunde.
Schwarzb.-
124
Arnstadt
Museumsgesellschaft.
Sondersh.
Reuß j.. L.
125
Hohen-
Vogtläudischer altertums-
leuben
forschender Verein.
126
Schleiz
Geschichts- und Altertums-
verein.
Reuß ä. L.
127
Greiz
Verein für Greizer Ge-
schichte.
Waldeck
128
Arolsen
Geschichtsverein für Wal-
deck und Pyrmont.
Ft. Städte
129
Bremen
Historische Gesellschaft des
Künstlervereins.
130
Hamburg
Verein für Hamburgische
Geschichte.
131
Lübeck
Verein für Hansische Ge-
schichte.
132
Lübeck
Verein für Lübeckische Ge-
schichte und Altertums-
kunde.
Reichslande
133
Metz
Gesellschaft für Lothringi-
sche Geschichte und
Altertumskunde.
134
Straßburg
Historisch - litterar. Zweig-
verein des Vogesenklubs.
Österreich-
135
Agram
Kroatischer archäologischer
Ungarn
Verein.
136
Agram
Kr. Hrvatsk-Slavonsk Dal-
matinsk Zemalysk Arkiv.
mit denen der Verein in Schriftenaustausch steht. LXXXI
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Österreich-
Ungarn
137
138
Bregenz
Budapest
Vorarl bergerMuseumsverein .
Ungarische Akademie der
Wissenschaften.
189
Eger
Verein für EgerländerVolks-
kunde.
140
Graz
Historischer Verein für
Steiermark.
141
Hermann-
stadt
Verein für Siebenbürgische
Landeskunde.
142
Ung.-
Hradisch
Redaktion des Prav§k.
143
144
145
Innsbruck
Klagenfurt
Krakau
Ferdinandeum für Tirol und
Vorarlberg.
Geschichtsverein f. Kärnten.
K. K. Akademie der Wissen-
schaften.
146
147
Böhmisch-
Leipa
Linz
Nordböhmischer Exkursions-
Klub.
MuseumFrancisco-Carolinum .
148
Prag
Kgl. böhmische Gesellschaft
d. Wissenschaften, Philos.-
Histor.-Phil. Kl.
149
Prag
Verein für Geschichte der
Deutschen in Böhmen.
150
Raigern
b. Brunn
Benediktinerstift. ,
151
Salzburg
Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde.
152
Spalato
Kais.-Kgl. archäol. Museum.,
153
Trient
Direkt, d. Archivio Trentino.
154
Wien
K. K. Akademie der Wissen-
schaften. Philologisch-hi-
storische Klasse.
155
Wien
Verein für Landeskunde von
Nieder- Österreich.
G
LXXXII Verzeichnis der Vereine, Institute und Redaktionen,
Tiandesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Österreich-
156
Wien
Altertum s verein.
Ungarn
157
Wien
Gesellschaft für die Ge-
schichte des Protestantis-
mus in Österreich.
158
Wien
Akademischer Verein deut-
scher Historiker.
159
Wien
Archiv für Brakteatenkunde.
Schweiz
Herausgegeben von Rud.
V. Höfken.
160
Aarau
Historische Gesellschaft des
Kantons Aargau.
161
Basel
Historische u. antiquarische
Gesellschaft.
162
Bellinzona
Redaktion des Bollettino
Storico.
163
Bern
Allgemeine geschichtsforsch.
Gesellschaft der Schweiz,
164
Bern
Historischer Verein des
Kantons Bern.
165
Frauenfeld
Historischer Verein des
Kantons Thurgau.
166
Freiburg
Deutscher geschichtsforsch.
Verein des Kantons Frei-
burg.
167
St. Gallen
Historischer Verein.
168
Genf
Institut National Genevois.
169
Genf
Societe d'histoire etd'archöo-
logie de Geneve.
170
Glarus
Historischer Verein des Kan-
tons Glarus.
171
Luzern
Historischer Verein der 5 Orte
Luzern, Zug, Uri, Schwyz,
Unterwaiden.
172
Zürich
Antiquarische Gesellschaft.
173
Zürich
Schweizerische heraldische
Gesellschaft.
mit denen der Verein in Schriftenaustausch steht. LXXXIII
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Schweiz
174
Zürich
Schweizerische Gesellschaft
für Volkskunde.
175
Zürich
Schweizerisches Landes-
museum.
Nieder-
176
Amsterdam
Koninklijke Akademie van
lande
Wetenschappen. Afdee-
ling: Letterkunde.
177
Amsterdam
Koninklijke oudheidkundig
Genootschap.
178
Assen
Museum van Oudheden in
Drenthe.
179
Groningen
Archiv.
180
Groningen
Gesellschaft pro excolendo
jure patrio.
181
Herzogen-
Het Provinciaal Genoot-
busch
schap van Künsten en
Wetenschappen in Noord-
Brabant.
182
Leeuwarden
Friesch Genootschap van
Geschied-, Oudheid- en
Taalkunde.
183
Leiden
Maatschappij van Neder-
landsche Letterkunde te
Leiden.
184
Middelburg
Het Zeeuwsch Genootschap
der Wetenschappen.
185
Utrecht
Historisch Genootschap.
186
Utrecht
Provinciaal Utrechtsch
Genootschap van Künsten
en Wetenschappen.
187
Zwolle
Vereeniging tot beoefening
van Overijsselsch Regt
en Geschiedenis.
Luxem-
188
Luxemburg
Institut Grand Ducal de
burg
Luxembourg. Section his-
torique.
LXXXIV Verzeichnis der Vereine, Institute und Redaktionen,
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Luxemburg
189
Luxemburg
v
Verein für Luxemburger
Geschichte, Litteratur und
Kunst.
Belgien
190
Antwerpen
Academie d'archeologie de
Belgique.
191
Antwerpen
Archieven der stad van
Antwerpen.
192
Arlon
L'institut arch^ologique du
Luxembourg.
193
Brüssel
Societe des Bollandistes.
194
Löwen
Redaktion der Revue d'his-
toire ecclesiastique.
195
Lüttich
L'institut archeologique 116-
geois.
196
Maredsous
Abbaye de Maredsous.
197
Namur
Societe archeologique.
198
St. Nicolas
Cercle archeologique du
Pays de Waes.
Dänemark
199
Kopen-
Jydsk - Historisk - Topogra-
hagen
fisk Selskab.
Norwegen
200
Christiania
Norsk Historisk Forening.
201
Christiania
Foreningen for norsk Folke-
museum.
Schweden
202
Göteborg
Kongl. Vetenskaps - och
Vitterhets-Samhälle.
203
Stockholm
Kongl. Svenska Vitterhets-,
Historie- och Antiquitets-
Akademie.
204
Stockholm
Svenska Fornminnes Fore-
ningen.
205
Stockholm
Riksarkiv.
206
Stockholm
Nordisk Museum.
207
Upsala
Humanistisk Vetenskaps-
samfund.
Bußland
208
Dorpat
Gelehrte estnische Gesell-
schaft.
mit denen der Verein in Schrifteuauataiwch steht. LXXXV
Fiandesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Bußland
209
Pellin
Litterarische Gesellschaft.
210
Helsingfors
Finnische Altertumsgesell-
schaft.
211
212
Helsingfors
Mitau
Finska Litteratur Sällskap.
Kurländische Gesellschaft
für Litteratur und Kunst.
213
214
215
Petersburg
Petersburg
Reval
Commission imperiale ar-
cheologique.
Kaiserlich russische Ar-
chäologische Gesellschaft.
Esthländische Litterarische
Gesellschaft.
216
Riga
Gesellschaft für Geschichte
und Altertumskunde der
OstseeprovinzenRußlands.
Bumänien
217
Bukarest
Academia Romana.
Italien
218
Bergamo
Ateneo di Scienze, Lettere
ed Arti.
219
Como
Societä Storica per la Pro-
vincia e antica Diocesi
di Como.
220
Genua
Societä, Ligure di Storia
Patria.
221
Lucca
Reale Accademia Lucchese
di Scienze, Lettepe ed Arti.
222
Rom
Reale Accademia dei Lincei.
223
Rom
Reale Societä Romana di
Storia Patria.
224
Sieoa
Reale Accademia dei Rozzi.
Frankreich
225
Amiens
Soci^te des Antiquaires de
Picardie.
226
227
Besan9on
Chälon sur
Saöne
Acadämie des sciences,
belles-lettres et arts de
Besanpon.
Societe d'histoire et d'archöo-
logie.
LXX^CVI Verzeichnis der Vereine, Institute u. Redaktionen etc.
Landesgebiet
No.
Sitz
Name des betr. Vereins u. s. w.
Frankreich
•228
Chäteau-
Sociöte dünoise archeologie
dun
histoire, sciences et arts.
229
Dijon
Commission des antiquites
du depart. de la Cote-d'Or.
230
Grenoble
Academie delphinale.
231
Nimes
Acad^mie de Nimes,
232
Paris
Soci^te nationale des anti-
quaires de France.
233
Romans
Bulletin d'histoire ecclesias-
tique et d'archeologie reli-
gieuse des dioceses de
Valence, Digne, Gap, Gre-
noble et Viviers.
234
Saint-
Soci^te d'emulation des
Brieuc
C6tes-du-Nord.
235
Toulouse
Soci^te archeologique du
midi de la France.
England
236
Cambridge
Cambridge Antiquarian So-
ciety.
237
Newcastle
The Society of Antiquaries
upon Tyne
of Newcastle upon Tyne.
Vereinigte
238
Baltimore
Johns Hopkins University.
Staaten
239
Lincoln,
Nebraska State Historical
von
Nebr.
Society.
Amerika
240
Phila-
The American Philosophical
delphia
Society, held at Phila-
delphia, f'or the Promotion
of Useful Knowledge.
241
Washington
Bureau of ethnology.
242
Washington
Smithsonian Institution.
Canada
243
Toronto
Canadian Institute.
Krommanaschf! Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 2377
ZEITSCHRIFT DES VEREINS
FÜR
THÜRINGISCHE GESCHICHTE
UKD
ALTERTUMSKUNDE.
NEUE FOLGE. VIERZEHNTER BAND.
DER GANZEN FOLGE ZWEIÜNDZ WANZIGSTER BAND.
Mit 1 Karte und 147 Abbildungen im Texte.
SENPER i
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1904.
Alle Rechte vorbehalten.
Inhalt.
Abhandlungen. Seite
I. Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. Von
Professor Dr. Rudolf His a. d. Univ. Heidelberg . . 1
IL Pfeifers und ]Münzers Zug in das Eichsfeld und die
Verwüstung der Klöster und Schlösser. Von Prof. Dr.
Jordan in Mühlhausen 36
IIL Die vor- und frühgeschichtlichen Funde der Grafschaft
Camburg. Von Dr. Gustav Eichhorn in Jena. Mit
79 Abbildungen im Text 97
IV. Studien zur Geschichte des Unterganges des alten
Thüringischen Königreichs im Jahre 531 n. Chr. Von
Dr. Wilhelm Pelka 165
V. Ueber ein 1525 und 1526 geplantes Religionsgespräch zur
Beseitigung des Gegensatzes zwischen Ernestinern und
Albertinern. Von Prof. Dr. G. Mentz 229
VI. Der Diesberg (Diesburg) an der Rhön, und der Steinwall
auf demselben. Von Landesgeometer A. Mueller. (Mit
einer Karte) 239
VII. Neues über den Sturz des Thüringischen Königreichs.
Von Prof. Dr. Hermann Größler in Eisleben. (Mit
einem Kärtchen der Gegend von Runibergun) .... 249
Vni. Die vor- und frühgeschichtlichen Funde der Grafschaft
Camburg. Von Dr. GustavEichhornin Jena. II. Stadt
Camburg an der Saale. (Mit 67 Abbildungen im Text) 269
Mi6z6llen.
1. Landmesserordnung und Holzordnung im Amt Keula
aus den Jahren 1567 und 1572. Mitgeteilt von Tfairer
P'leischhauer in Oberspier 145
2. Mitteilungen aus Copialbüchern der Stadt Naumburg a. S.
Von Redakteur Karl Seh öppe . . 331
Literator.
1. Dr. Eduard Bohl, Beiti'äge zur Geschichte der Refor-
mation in Österreich, hauptsächlich nach bisher unbe-
nutzten Aktenstücken des Regensburger Stadtarchivs.
Jena, G. Fischer 1902. Von Professor Dr. F. Nippold
in Jena 151
2. Hessische Landtagsakten, herausgegeben von Dr. Hans
G lag au, Privatdozenten an der Universität Marburg.
Erster Band, 1508 bis 1521. Marburg 1901. XV, 593 SS.,
M. 14.—. Von Professor Dr. G. Mentz in Jena . . . 161
rv Inhalt.
Seite
3. Er misch, H., Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im
Auftrage der Königlich Sächsischen Staatsregierung heraus-
gegeben von Otto Posse und Hubert E^r misch. Erster
Hauptteil. Abteilung B. Zweiter Band. Urkunden der
Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen
1396—1406. Leipzig, Giesecke und Devrient, 1902. XV
und 597 SS. 4". Von Professor Dr. 0. Dobenecker
in Jena 162
4. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler der Provinz Sachsen. Herausgegeben von der
Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und das
Herzogtum Anhalt. XXIV. Heft. Die Stadt Naumburg.
Bearbeitet von Dr. Heinrich Bergner. Mit 162 in den
Text gedruckten Abbildungen, 20 Lichtdrucktafeln und
1 Stadtplan. Halle a. S. (Hendel) 1903. Von Archivar Dr.
Rosenfeld in Magdeburg 334
5. Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben
im Auftrage der Gesellschaft für Sächsische Kirchen-
geschichte von F r. D i b e 1 i u s und T h. B r i e g e r. Leipzig,
J. A. Barth, 17 Hefte, 1882—1904. Von 0. Dobenecker 338
6. Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte
und Altertumsforschung. Jahrgang 1903. Friedrichroda,
Jac. Schmidt U; Co. [1903]. Von 0. Dobenecker. . 339
7. Größler, Hermann: Führer durch das Unstruttal von
Artern bis Naumburg für Vergangenheit und Gegenwart.
2. vermehrte und verbesserte Auflage. (Mit einer Karte
des Unstruttales.) Freyburg (Unstrut), Joh. Finke, 1904.
Von 0. Dobenecker 340
8. Gröger, Johannes: Ein thüringisches Städtchen. Bei-
träge zur Geschichte Großbreitenbachs und der Umgegend,
hauptsächlich auf Grund der Kirchenbücher zusammen-
gestellt. Arnstadt, E. Frotscher, 1903. Von 0. Dobenecker 341
9. Die Pfarrei Mupperg. Topographisch und kirchengeschicht-
lich dargestellt von weil. Dr. Gustav Lotz, Kirchenrat,
Pfarrer zu Mupperg und Gefeil. Neu herausgegeben von
Adolf Joch, Lehrer. Mit 3 Abb. Sonneberg, Druck
von Grabe u. Hetzer, 1903. Von 0. Dobenecker . . 343-
10. Behr, Otto: Triebeser Schul chronik. Ein Beitrag zur
Geschichte der Landesschulen in der Herrschaft Schleiz.
Selbstverlag des Verfassers. [Triebes] 1903. Von 0.
Dobenecker 343
11. Übersicht über die neuerdings erschienene Literatur zur
thüringischen Geschichte und Altertumskunde. Von 0.
Dobenecker 344
Mitteilung .362
Gustav Richter. Ein Gedächtniswort. Von Eduard
Rosenthal I
Karl Konrad Müller. Ein Gedächtniswort. Von Eduard
Rosenthal IX
I.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels.
Von
Budolf Hls.
1. Freier und dienstmännischer Adel.
Otto von Zallinger hat nachgewiesen, daß in Ostfalen,
dem Vaterlande des Sachsenspiegels, im 12. und 13. Jahr-
hundert die große Mehrzahl der alten Herrengeschlechter
den freien Stand aufgegeben hat und in die Ministerialität
übergetreten ist ^).
Schon von vornherein durfte mart annehmen, daß die
gleiche Entwickelung, wie in Ostfalen, sich auch in
Thüringen vollzogen habe, wo die Lage des Adels eine
ganz ähnliche war, wie in den benachbarten sächsischen
Gegenden.
Auch hier saß ursprünglich ein sehr zahlreicher freier
Adel, der mit der endgültigen Unterwerfung der Sorben
eine früher reichlich fließende Einnahmequelle verloren hatte,
gerade zu einer Zeit, wo die von Westen her vordringende
höfische Kultur das Leben des Adels zu verteuern begann.
Auch hier war die Möglichkeit, Lehen zu erhalten, für den
freiherrlichen Adel sehr beschränkt, da die Sitte es ihm
ebensowenig wie in Ostfalen gestattete, von Standesgenossen
1) V. Zallinger, Die Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels, 1887.
XII (XXII)- 1
2 Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels,
Lehen zu nehmen *). So kamen für den freien Adel als
Lehensherren nur das Reich und die Fürsten in Betracht:
die Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg, die Bischöfe
von Naumburg, Merseburg und Halberstadt, die Äbte von
Fulda und Hersfeld, der Landgraf von Thüringen, sowie
die in Thüringen begüterten Weifen und Askanier^j. Die
Fürsten aber gaben die verfügbaren Lehen lieber an
Ministeriale, da sie diese in stärkerer Abhängigkeit halten
konnten.
So trieb die Not manchen freien Herrn zur Ergebung
in die Ministerialität, und der Entschluß zu einem solchen
Schritte mochte bei der verhältnismäßig hohen Stellung, die
der ganze Ministerialenstand in der Staufenzeit erlangte,
nicht mehr allzuschwer fallen.
So finden wir denn auch in Thüringen im 12. und
13. Jahrhundert zahlreiche Übertritte freiherrlicher Ge-
schlechter in die Ministerialität ^).
Zunächst zwei Beispiele aus der Erfurter Gegend. Otto
von Walschleben heißt 1170 frei, liber*); seit 1217
dagegen zeigt seine Stellung in den Zeugenreihen, daß er
1) Ich kenne nur zwei Beispiele einer Lehens Verbindung unter
freien Herren: 1169 (Dobenecker II, No. 381) ist Heinrich von Hel-
drungen Vasall der Grafen von Beichüngen ; 1259 (Walkenried. Üb.
No. 337) Heinrich von Heldrungen Lehensmann des Grafen von
Honstein.
2) Zu den Askaniem gehören die Grafen, von Orlamünde, die
als Fürstengenossen gelten und daher freie Herren und selbst Grafen
zu Vasallen haben.
3) Die folgenden Ausführungen stützen sich fast durchweg auf
Belege in Dobeneckers ßegesten. — Bei den Mainzer Urkunden ist
Vorsicht geboten, da diese unter der Rubrik Ministeriales bisweilen
nur die Mainzer Stiftsdienstmannen aufzählen. So führt eine
Mainzer Urkunde von 1158 (Dobenecker II, No. 153) den Reichs-
ministerialen Werner von Bolanden und die fuldischen Dienstleute
Härtung von Scharf enberg und Härtung von Erfa unter den
Freien an.
4) Dobenecker II, No. 415.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 3
den freien Stand aufgegeben hatte i). Er tritt von nun. an
mehrfach im Gefolge des Mainzer Erzbischofs auf und
scheint zu den Ministerialen dieses Fürsten gehört zu
haben.
Etwa gleichzeitig haben die Herren von Kühnhausen
den Übertritt vollzogen. Bertold von Kühnhausen wird
1170 noch ausdrücklich als frei bezeichnet 2); auch 1184
scheint er noch dem freien Stande angehört zu haben 3).
Dagegen erscheint er in der Zeugenreihe einer undatierten
Paulinzeller Urkunde, die spätestens ins Jahr 1191 zu setzen
ist, hinter dem (Hersfelder?) Ministerialen Adelher von
Arnstadt und gibt sich dadurch deutlich als Dienstmann
zu erkennen *).
Die Herren vonBerlstedt bei Weimar, also ein ost-
thüringisches Geschlecht, werden 1184 und 1186 unter den
Freien genannt 5) , auch 1191 sind sie sicher noch frei : eine
Zeugenreihe dieses Jahres nennt Ludolf von Berlstedt
vor Volrad von Kranichfeld, der einem freiherrlichen Ge-
schlecht angehörte^). Ebenso noch im Jahre 1200, wo
Ludolf von Berlstedt vor Albrecht von Wippra erscheint,
denn dieser war freier Herr und gehörte zum Hause der
Edlen von Hackebom ''). Bald darauf aber müssen die
von Berlstedt in die Ministerialität tibergetreten sein.
1214 erscheint Ludolf von Berlstedt hinter dem ßeichs-
ministerialen Heinrich Vogt von Weida ^) und einige Jahre
später (1221) wird er selbst ausdrücklich als Ministerial be-
zeichnet^): wahrscheinlich gehörte er zur landgräflichen
Dienstmannschaft ^°). Sind die Herren von Berlstedt, wie
1) Dobenecker II, No. 1747, 2111, 2215, 2224, 2377.
2) Dobenecker II, No. 398. 3) Dobenecker II, No. 070.
4) Dobenecker II, No. 1031.
5) Dobenecker II, No. 700. 760. 6) Dobenecker II, No. 881.
7) Dobenecker II, No. 1178. Vgl. v. Mülverstedt, E^est.
Stolberg. 1141).
8) Dobenecker II, No. 1590. Ebenso No. 1613 (a. 1215).
9) Dobenecker II, No. 1976. 10) 1225 wird er irrtümlich noch
einmal zu den Freien gerechnet (Dobenecker II, No. 2261).
1»
4 Zur Kechtsgeschichte des thüringischen Adels.
von mehreren Forschern auf Grund gewichtiger Anzeichen
behauptet wird ^), gleichen Stammes mit denen von Aller-
stedt, so wird auch für dieses Geschlecht freie Abkunft
wahrscheinlich, obwohl die von Allerstedt schon bei ihrem
ersten Auftreten (1157) Reichsministerialen sind 2).
Bei den Herren v. Vippach (nw. Weimar) können
wir fast genau das Jahr ihrer Ergebung in die Ministerialität
feststellen. 1221 wird Albero von Vippach als nobilis und
liber bezeichnet 3) ; 1225 erscheint er mitten unter Ministe-
rialen *). Sein Sohn Hermann wurde 1233 Burgmann des
Mainzer Erzbischofs zu Erfurt 5).
Aus dem Norden Thüringens kann man die Geschlechter
von Bendeleben und von Honstein als Beispiele anführen.
Die libera etwizzinthaftfemina Aksuit nomine
de Bendeleve (Bendeleben b. Sondershausen) macht 1136
eine Schenkung an das hessische Kloster Lippoldsberg 6).
Ein Verwandter der Familie, Hathemar von Bendeleben,
ficht 1155 die Schenkung an, wird aber mit einer Geld-
zahlung abgefunden '). Der Sohn dieses Hathemar, Egelolf,
erscheint 1203 unter den landgräflichen Dienstmannen');
wahrscheinlich hatte sich sein Übertritt schon vor 1198
vollzogen. In diesem Jahre finden wir Egelof von Bende-
leben am Schluß einer Ministerialenreihe, auf die dann auf-
fälligerweise' noch die zwei Grafen von Schwarzburg und
Klettenberg folgen : diese mögen später nachgetragen worden
sein 3).
Burchard von Honstein, benannt nach derselben
Harzburg Honstein, die auch einem Grafengeschlechte den
1) Eein, Thur. Sacra I, 72; v. Mülverstedt, Kegesta Stolbergica
1136).
2) Dobcnecker II, No. 152. 3) Dobenecker II, No. 1973, 1976.
4) Dobenecker II, No. 2261. 5) ÜB. Erfurt I, No. 108.
6) Dobenecker I, No. 1312. 7) Dobenecker II, No. 101.
8) Dobenecker II, No. 1247. 9) Dobenecker II, No. 1085.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 5
Namen gab, steht in einer Zeugenreihe von 1178 vor dem
Schöffenbarfreien Eckehard von Liebenrode, war also damals
jedenfalls noch freier Herr ^). In einer Urkunde von 1216
wird dagegen sein gleichnamiger Sohn ausdrücklich als
Ministerial bezeichnet 2) : wahrscheinlich ist die Ergebung
in den Jahren 1209 — 1215 vorsieh gegangen 3), Im Jahre
1217 heißt Burchard Vasall (fidelis) des Grafen von Honstein,
was ebenfalls auf Zugehörigkeit zum niederen Adel hinweist*).
Eine landgräfliche Urkunde von 1216 nennt Burchard von
Honstein allerdings wieder „liber", aber man wird darauf
kein allzu großes Gewicht legen dürfen ^). Die übrigen
Urkunden, in denen Burchard auftritt, geben über seinen
Stand keinen sicheren Aufschluß. Erst 1242 vermögen wir
einen Burchard v. Honstein sicher als Dienstmann zu be-
zeichnen ß). Ein Bruder des jüngeren Burchard ist Hermann
von Arnswald, der in einer landgräflichen Urkunde von 1227
unter Ministerialen aufgeführt wird'). Dienstherren der
Honsteiner waren die Grafen v. Honstein: 1215 und 1219
wird Burchard von Honstein unter den Burgleuten dieses
Schlosses genannt ^).
Sogar ein ehemaliges Grafengeschlecht treffen wir später
unter den thüringischen Dienstmannen: es sind die Grafen
vonWartberg9). Der Stammvater Wigger (1 138— 1 189)
1) Dobenecker II, No. 539. Eckehard von Liebenrode wird in
einer Urk. von 1214 (Dobenecker II, No.' 1604) als schöffenbarfrei
(qui insigni gaudebat libertatis titulo et qui in foro iuris unus erat
scabinorum) bezeichnet.
2) Dobenecker II, No. 1644.
3) Im Jahre 1209 (Dobenecker ll,\ No. 1448); scheint er noch
frei gewesen zu sein.
4) K. Meyer, Z. d. Harzvereines XXVIII, S. 421, No. 92.
5) Dobenecker II, No. 1680.
6) K. Meyer, a. a. O. S. 440, No. 145.
7) Dobenecker II, No. 2421.
8) K. Meyer, a. a. O. S. 420, No. 91 ; Dobenecker II, No. 1845.
9) Vgl. Rein, Z. f. thür. Gesch. IV, S. 190 ff und Thur. Sacra I,
S. 72.
Q Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
aus dem Hause der Grafen von Bilstein führt den Grafen-
titel nicht ständig und verwaltete vielleicht gar keine
eigentliche Grafschaft. Er war mit einer fuldischen Ministe-
rialin, der Tochter Christians von Goldbach, vermählt ^).
Nach strengem Recht hätten somit seine Kinder Dienst-
mannen werden müssen. Trotzdem behielt sein Sohn
Burchard den freiherrlichen Stand und den Grafentitel
Er nennt sich comes de Wartberg (1182), wird einmal auch
castellanus de Wartberc genannt und scheint demnach
landgräflicher Burggraf auf der Wartburg gewesen zu sein.
Auch die Enkel und Urenkel Wiggers führen noch den
Grafentitel, aber die nächste Generation gab diesen und
zugleich den Freiherrenstand auf: Albert IL, zuerst 1279
noch Graf von Wartburg genannt, heißt 1283 bloß noch
miles und muß demnach zwischen 1279 und 1283 sich in
die Ministerialität ergeben haben ^). Dieser Übertritt er-
folgte also wesentlich später als die übrigen uns bekannten
Fälle.
Kenner der thüringischen Orts- und Adelsgeschichte
werden jedenfalls die angeführten Beispiele mit leichter
Mühe vermehren können. So ist z. B. bei den Herren
von Liebenrode im Norden, bei denen von Döllstädt
und von Hausen im Süden Thüringens der Übertritt in
die Ministerialität sehr wahrscheinlich. Für uns mögen
diese Fälle genügen.
Das Ergebnis der geschilderten Entwickelung war
schließlich, daß am Ausgang des 13. Jahrhunderts von dem
einst so zahlreichen freiherrlichen Adel Thüringens — von
den Grafen und Burggrafen abgesehen — nur noch 5 Ge-
schlechter übrig waren: die Herren von Frankenstein
im äußersten Westen, im Osten Thüringens die Herren
1) Dobenecker 1, No. 1354. Christian von Goldbach war Freier,
aber mit einer Stiftsministerialin verheiratet (Dobenecker I, No. 1161).
2) Belege bei Rein a. a. 0,. Auch später führt Albert von
Wartberg noch bisweilen den Grafen titel : 1291 (ÜB. Pforte I, No. 297)
und 1292 (vgl. Landau, Z. f. thüring. Gesch. II, S. 357).
Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels. 7
von Held rungen, Kranichfeld und Tannroda und
das halb osterläudische Geschlecht der Lobdeburger.
Aber der stark zusammengeschmolzene freiherrliche
Adel erhielt gerade in jener Zeit einigen Zuwachs durch
einzelne neufreiherrliche Familien, die sich aus der Ministe-
rialität zu dem höheren Stande emporgehoben hatten : es
sind die Herren von Treffurt, von Salza und von
Blankenhain. Von ihnen wird später noch die Rede
sein.
Für den Gegensatz zwischen hohem und niederem Adel
im 14. Jahrhundert ist von Interesse eine Urkunde von
1371, die ein Schuldversprechen der Landgrafen Friedrich
Balthasar und Wilhelm gegenüber einigen Erfurter Juden
enthält ^). Die Landgrafen stellten eine größere Anzahl
von Bürgen: „dese ediln unde gestrengen hem, hern F.,
bischofe zcu Merseburg, h e r n F. von Orlamünde, heiTe zcu
Drozsig, herren G. von Querenfurte, herre daselbins, herre
C. von Thannenrode den elderen, herre daselbins, herre
H. von Heiderunge, herre daselbens, herre F. von Schon-
burg, herre zcu Gluchowe, e r K. von Wiczeleyben, e r n
N. von Kokericz, ern von Eckirsberge" u. s. w. Hier ist
auffallend dieverschiedeneBedeutungderFormen
herre und er. Der von Schönburg ist der letzte Bürge
aus freiherrlichem Stande, die folgenden sind Angehörige
des niederen Adels. Sie müssen sich mit der unbetonten
Form er begnügen, während die voraufgehenden Füi'sten,
Grafen und Herren durch das vollklingende herrB ausge-
zeichnet werden.
2. Dienstleute und einfache Ritter.
Die unfreie Ritterschaft, aus der bekanntlich unser
niederer Adel hervorgegangen ist, teilt sich in die beiden
Klassen der Ministerialen und der einfachen Ritter. Der
Unterschied liegt in erster Linie in ihrer Tätigkeit : während
die einfachen Ritter bloß Kriegsdienst leisten, und zwar
1) Uß. Erfurt II, No. 666.
8 Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
hauptsächlich als Burgmannen, steht bei den Ministerialen
der Hofdienst im Vordergrund. Ministerialen kann daher
nur derjenige Herr haben, der über einen Hofstaat mit den
vier Amtern ^des Marschalls, Truchsesäen, Kämmerers und
Schenken oder wenigstens einzelnen dieser Amter verfügt.
Dazu kommt ein lehnrechtliches Merkmal : nach der Zählung
des Sachsenspiegels bilden die Ministerialen den fünften
Heerschild; die einfachen Ritter nehmen den sechsten ein
und stehen häufig in Lehensabhängigkeit von jenen. Die
Kluft zwischen den beiden Gruppen, in früherer Zeit kaum
bemerkbar, erweitert sich seit der Mitte des 13. Jahr-
hunderts, und in^Südostdeutschland kommt es so weit, daß
den Rittern sogar die Ebenbürtigkeit mit den Ministerialen
abgesprochen wird i).
Diese Sätze verdanken wir wiederum den Forschungen
Zallingers ^), der seine Darstellung vorwiegend auf
baierische und österreichische Quellen gründet. Sehen wir
zu, inwieweit Zallingers Ergebnisse für unser Gebiet Geltung
beanspruchen können.
Die Ministerialen heißen in Thüringen „Dienst-
mannen", „Dienstleute" ^); der Ausdruck „Dienst-
herren", der in Österreich seit dem 13. Jahrhundert
üblich wird *) und der sich auch in der Mark Brandenburg
belegen läßt ^), kommt in Thüringen nicht vor. Ministerialen
finden wir im Dienste des Reiches, der geistlichen und
weltlichen Eürsten. Auch Grafen sprechen von ihren
1) Siegel, Wiener Sitzungsber., . phil.-hist. Kl. CIT, S. 280;
V. Zallinger, Ministeriales und Milites S. 21.
2) In der vorhin genannten Schrift.
3) „Dienstmanne" z. B. im thüringischen Landfrieden von 1338
(Erhard, Mitteil. z. Gesch. d. Landfrieden, 1829, S. 30); „dinstlute"
in Urk. von 1315 (Eeitzenstein, Eegesten von Orlamünde S. 129).
4) V. Zallinger, Die ritterlichen Klassen im steirischen Landrecht,
Mitt. d. Inst. f. Ost. Gesch.-For8ch. IV, S. 393 ff.
5) Riedel, C. dipl. Brandenb. II, 320 (a. 1350). Das Wort
wird hier durch die wittelsbachi sehen Markgrafen eingeführt
worden sein.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 9
„Ministeriales", so 1217 der Graf von Honstein, 1270 die
Grafen von Käfernburg, 1294 der Graf von Gleichenstein ^).
Dem entspricht es, wenn wir an den Höfen der Grafen
auch einzelne Hofämter finden: wir kennen Truchsessen
der Grafen von Schwarzburg (um 1200), von Rabenswald
(1237) und von Beichlingen (1263) und einen Marschall
des Grafen von Käfernburg (1283) 2). Einmal wird auch
ein Ministerial einfacher Edelherren, der Herren von Lobde-
burg, erwähnt (1266)3). Auch anderwärts kommen Ministe-
rialen von freien Herren bisweilen vor, in Nord- und
Westdeutschland, wie es scheint, häufiger, im Südosten nur
ausnahmsweise *).
Eine Stufe unter den Dienstmannen stehen auch in
Thüringen die einfachen Ritter, milites, auch wohl
castrenses, auf deutsch R i 1 1 e r oder einfach Mannen
genannt. Zum ersten Male begegnet die Unterscheidung
in einer landgräflichen Urkunde vom Jahre 1206^): comes
Ernestus (von Gleichen) mediatorem se exhibens accersitis
. . quibusdam regis ministerialibus et nostris aliisque
quam plurimis bone fame militibus ex utraque parte . .
commune iniere consilium. 1270 übergeben die Grafen
Günther und Günther von Käfernburg dem Erfurter Peters -
kloster Güter zu Alach „in presentia ministerialium
et militum nostrorum" *). In einer Urkunde Günthers
1) K. Meyer a. a. O. S.421, No. 92. — Diplomat, des Erfurter
Petersklosters (ßeriin; Kgl. Bibüothek), f. 103. - Wolf, 'Gesch. d.
Eichsfeldes I, Urk. No. 60.
2) Dobenecker II, No. 1480; ÜB. Pforte I, No. 110; Mencke,
Scriptores I, S. 537, 685.
3) Avemann,' Grafen und Burggrafen von Kirchberg, Urk.
'No. 146.
4) V. Zallinger, Ministeriales und Milites S.! 5. Vgl.' W.', Öchsli,
Die Anfänge der schweizerischen Eidgenossenschaft (1891), S. 164.
5) Dobenecker II, No. 1313 aus Cod. dipL Sax. reg. I, 3,
No. 98.
6) Diplomat, des Petersklosters, f. 103.
10 Zur Eechtsgeßchichte des thüringisclieii Adels.
von Salza (1272) i) treten als Zeugen auf Tuto von Stein und
Ludwig von Almenhausen, ministeriales, Konrad von
Heilingsieben, Albert Falanga, Heinrich von Eppenrode,
Giseler sub monte ^ ), Bertold Surezzic, Gerlach Schrimpf,
Friedrich Meliere, milites de Salza. Was milites de
Salza bedeutet, ist zweifelhaft: man könnte sowohl an Burg-
mannen der landgrätlichen Burg Salza, wie an ritterliche
Unfreie der Ministerialen von Salza denken. Letztere An-
nahme ist wahrscheinlicher 3). Aber das ist jedenfalls klar,
daß diese milites den Ministerialen als eine niedrigere Klasse
gegenübergestellt werden. Ahnlich eine Urkunde des-
selben Günther für Homburg (1284): dominus Ludewicus de
Almenhusen, d. Burghardus de Newnheilingen, d. Conradus
ipsius .. germanus, ministeriales, itemque d. Bertoldus
de Salza dictus Surezzich, d. Johannes de Thungesbrucken,
. . milites*). Im Jahre 1294 verkauft Graf Heinrich von
Gleichenstein an den Erzbischof von Mainz das Land Eichs-
feld cum . . vasallis, ministerialibus, castrensibus
et hominibus ^). Eine landgräfliche Urkunde von 1280 nennt
als Zeugen: Hermann Kämmerer von Fahner, Günther von
Salza, Heinrich von Allerstedt, Thuringie ministe-
r i al e s , dann Siegfried von Hopfgarten und Heinrich vom Hain,
ebenfalls rittermäßige Leute ^). Der Ausdruck ,,Thuringiae
ministeriales" ist bemerkenswert: die von Allerstedt sind
nicht landgräfliche, sondern Reich sministeriale. Endlich
führe ich noch die Zeugenreihe einer landgräflichen Urkunde
von 1294 an: Heinrich Kämmerer von Mühlhausen, Heinrich
von Gottern, Heinrich von Webelo (?), ministeriales,
1) Schöttgen und Kreysig, Diplom, et scriptor. I, S. 762, No. 34.
2) Von Salza.
3) Vgl. Urk. von 1320 (Eegesten von Salza, No. 156J: Berthous
dictus Schrimph,; Hartungus de Hungede, millites dominorum
de Salza.
4) N. Mitteil. d. thür.-sächs. Vereines VIII, S. 2. 96.
5) Wolf, Gesch. d. Eichsfeldes I, Urk. No. 60.
6) ÜB. d. Vögte v. Weida I, No. 201.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. \\
Dietrich und Giseler, Söhne Elisabeths, Eberhard von Kutz-
leben, Dietmar Netsche, milites^).
Eür die Standesunterschiede im 14. Jahrhundert ist
lehrreich der Landfriede Friedrichs des Ernsthaften von
1338, den der Markgraf „nach rate der greven, der frien,
der herren unde dinstmanne, man unde stete" er-
richtet *). Auch in ihrem weiteren. Verlaufe unterscheidet
die Urkunde aufs bestimmteste den Dienstmann von
dem Ritter oder ritt ermäßig en Knecht.
Dinstleute, rittere und knechte werden auch
in einem Landfrieden von 1382 auseinandergehalten ').
Die angeführten Belege stammen fast alle aus der
Zeit nach der Mitte des 13. Jahrhunderts: ein Beweis, daß
auch in Thüringen erst jetzt eine schärfere Sonderung der
Ministerialen von den einfachen Rittern eintritt. Das wird
durch verschiedene sonstige Anzeichen bestätigt. Gerade
in dieser Zeit wird es üblich, den Titel ministerialis als
auszeichnenden Zusatz zum einzelnen Namen zu führen, was
auf ein starkes Standesbewußtsein der Dienstmannschaft
hindeutet. Vgl. z. B. 1264 nos Johannes et Albertus
germani nee non ministeriales de Herversleiben *), 1282
nos Beroldus ministerialis de Ischirstete 5), 1288 Bertoldus
ministerialis de Isserstete ^), 1306 nos Ludolfus ministerialis
de Gruningen ').
Aber noch mehr! Zur selben Zeit beginnen die
Ministerialen sich in eigentümlicher Weise des Titels „Herr"
zu bedienen. Herr, dominus kann im 13. und 14. Jahr-
hundert bekanntlich Verschiedenes bedeuten, den Geistlichen,
den dem Herrenstande angehörigen freien Herrn oder auch
1) Schöttgen und Kreysig, Diplom, et Script. I, S. 775.
2) Erhard, Mitteil. z. Gesch. d. Landfrieden S. 30.
3) Cod. dipl. Saxon. reg. I B 1, 79.
4) ÜB. Pforte I, No. 178.
5) ÜB. Erfurt II, Nachtr. No. 8.
6) Struv, Hi8t.-polit. Arch. II, S, 132.
7) llfelder Kopialb. (Mitt. v. Herrn K. Meyer in Nordhausen).
12 Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
jeden, der die Ritterwürde erlangt hat, und man muß des-
halb bei jeder Urkunde zuerst feststellen^ wie sie das Wort
versteht. Da ist es nun merkwürdig, (laß viele Urkunden
nur den Ministerialen den Herrentitel zugestehen, ihn da-
gegen den niederen Rittern versagen.
1273 nennt eine Urkunde Heinrichs von Treffurt als
Zeugen : dominus Ludovicus de Almenhusen, Albertus miles
dictus Stange ^). Beide Zeugen sind Ritter, aber nur der
Ministerial von Almenhausen heißt „Herr''. Eine dem
gleichen Jahre angehörige Urkunde des Kirchberger Burg-
grafen führt zuerst den „dominus" Meinhard von Lehesten,
dann „Heidenricus miles" an ^). Ebenso wird in einer land-
gräflichen Urkunde von 1275 der Truchseß von Schlotheim
als „dominus Guntherus de Slatheim" ausgezeichnet, es
folgen Heinemann vom Hain, Albert Bolerus, landgräflicher
Vogt, Hermann Stranz von Döllstedt, Hermann von Mihla,
milit es 2). Weiter 1277 Jechaburger Urkunde: „dominus
Henricus de Gruningen, miles", es folgen Heinrich von
Sommern, miles, Heidenreich V elkener von Greußen, miles,
Bertold von Rottleben, miles u. a. *).
1288 Urkunde der Grafen von Gleichen: „dominus
Thidericus de Wechmar", Friedrich v. Möbisburg, Dietmar
von Büßleben, milites ^).
1292 Urkunde Dietmars des Älteren von Willerstedt,
dominus Ditmarus iunior et filius suus Bertoldus, Her-
mannus miles de Rode ^).
1324 dominus Lodewicus de Gruzen (Greußen),
Heinricus Geze, Bertoldus de Semerde, Heimicus Hezebolt
milites '}.
In all den angeführten Belegen gehören die ala
dominus bezeichneten Zeugen angesehenen Ministerialen-
1) Wolf, Gesch. d. Eichsfeldes I, Urk. No. 44.
2) Mencke, Scriptor. 1, S. G94. 31 ÜB. Erfurt I, No. 278.
4) Michelsen, Cod. Thuring. diplom. No. 27.
5) Mencke, Scriptor. I, 542. 6) ÜB. Erfurt I, No 428.
7) Michelsen, a. a. O. No. 8.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 13
geschlechtern an: die von Wechmar sind Hersfelder, die
übrigen landgräfliche Dienstmannen.
Denselben Sprachgebrauch zeigt eine deutsche Urkunde
des Grafen von Käfernburg vom Jahre 1341 i) mit folgender
Zeugenreihe: Graf Günther von Schwarzburg, Herr Otto
von Fahner, Herr Rudolf von Meilingen, Ludwig von Sonders-
hausen, Burchard von Mülverstedt, Beringer von Witzleben,
Ritter. Ähnlich eine Honsteiner Urkunde von 1344 2):
Die Grafen von Honstein stellen der Stadt Nordhausen
eine größere Anzahl Bürgen aus verschiedenen Ständen:
den Grafen Friedrich von Orlamünde mit Gernot von Ober-
weimar, Ritter, Konrad von Häseler, Gemot von Croms-
dorf, Gernot von Weimar, Dietmar von Hellingen ; den Grafen
Günther von Schwarzburg-Arnstadt, den Grafen Heinrich
von Gleichen mit je einem Ritter und zwei anderen Mannen ;
den Grafen Heinrich von Honstein-Sondershausen mit
9 Mannen; ferner Friedrich von Werther, Ritter, und
Friedrich von Dennstedt, Knecht, „ern" Günther von Willer-
stedt mit Heinrich aus dem Brühl, „ern" Rudolf von Ebe-
leben mit Dietrich von Badra; ferner die eigenen Mannen
der Aussteller : Heinrich Hacke u. s. w. Auch diese Urkunde
scheidet in anschaulicher Weise die „Herren", d. h. Ministe-
rialen, Günther von Willerstedt und Rudolf von Ebeleben,
von den einfachen Rittern, wie z. B. Gemot von Oberweimar.
Mitunter wird dominus nur bei einzelnen Ministe-
rialen hinzugesetzt, während es bei anderen fehlt:, so ist in
der vorhin angeführten Urkunde von 1275 Hermann Stranz
von Döllstedt landgräflicher Dienstmann, so gut wie der
Truchseß von Schlotheim, und wird in einer späteren Ur-
kunde auch als dominus bezeichnet ^). So nennt eine Urkunde
von 1282 als Zeugen dominus Hugo et Ludewicus de
1) Rein, Thur. sacra I, 129.
2) Reitzenstein, Regest, v. Orlamünde, No. 161.
3) Urk. von 1296 (ÜB. Erfurt I, No. 457) : dominus Hermannus
senior dictus Stranz, dominus Hermannus frater suus, milites, . . .
item Dietmarus miles dictus am Cygenberge.
14 Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
Almenhusen, Härtungen de Herversleiben milites ^), hebt also
nur den ersten als dominus hervor, obwohl alle drei land-
gräfliche Ministerialen sind. Man dar:f vermuten, daß an
diesen Stellen nur solche Dienstmannen domini genannt
wurden, die Häupter des Geschlechtes oder
wenigstens einer Linie des selben waren.
Das Wort dominus wird bei den Dienstmannen noch
in anderer Weise verwendet, nämlich dem Namen nach-
gestellt und mit dem Ortsnamen durch „in"
verbunden, z. B. Albertus dominus in Heilingen. Diese
Art des Gebrauchs läßt sich nur bei freien Herren und
Dienstmannen, niemals bei einfachen Rittern, nachweisen
und bietet daher ein Mittel für die Abgrenzung des Ministe-
rialenstandes nach unten. Die Ausdrucksweise ist etwas
jünger als die vorhin beschriebene : sie tritt erst am Aus-
gang des 13. Jahrhunderts hervor.
1293 Albertus dominus in Heilingen 2).
1298 nos Hugo de Herversleyben, dominus in Rinke-
leyben ^).
1306 Erfurter Urkunde : viri strenui Hermannus et
Hermannus fratres Camerarii, domini in Vanre, Hermannus
Stranz de Tullestete, Henricus dictus vonme Cyegenberge
et Henricus dictus Pfefir, milites *).
1316 Theodericus et Hugo fratres filii quondam
Theoderici beate memorie domini in Almenhusen ^).
1317 Ludolfus dominus in Ebeleiben gibt an Kloster
Ilfeld eine Hufe, die Ludolf von Bachra, miles und castellanus
noster, von ihm zn Lehen hat •'').
1317 Berthous miles dapifer et lohannes domini in
Slatheym geben demselben Kloster eine halbe Hufe, Lehen
des genannten Ludolf von Bachra ^).
1) öchöttgen und Kreysig, Diplom, et Script. I, S. 770.
2) Schöttgen und Kreysig, Diplom, et Script. I, S. 774.
3) ÜB. Erfurt I, No. 471.
4) Eein, Thur. sacra I, No. 138.
5) Ilfelder Kopialb. (frdl. Mitteil, von Herrn K. Meyer in
Nordhausen).
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 15
1323 Urkunde des Grafen Heinrich von Honstein.
Zeugen : viri strenui Lutolphus dominus in Ebeleiben et
Ileinricus . . Funke, milites ^).
1328 Henricus de Erfa miles, dominus in Mulverstete,
urkundet mit Genehmigung seiner Brüder Hartungus et
Hartungus domini in Erfa ^).
1331 Graf Günther von Schwarzburg stellt als Bürgen
den Fridericus dominus in Wangeheim ^).
1332 Fridericus de Wiczzeleyben dominus in Eylgers-
burg ^).
1342 Henricus miles dominus in Denstethe ^).
In dieser Anwendung bezeichnet dominus den Besitz,
insbesondere den (Eigen-, Lehens- oder auch Pfand-)Besitz
einer Burg ^). Die Familien, die sich in dieser Weise nennen,
bilden den später sogenannten schloßgesessenen Adel
und unterscheiden sich dadurch von den einfachen Rittern,
die regelmäßig auf der Burg eines anderen als Burgmannen
wohnten '').
Eine scharfe Scheidung von Dienstmannen und Rittern
zeigt sich im Lehnregister Markgraf Friedrichs des Strengen
von 1349/50*), Das Buch zählt zuerst die Lehen auf, die an
„H e r r e n" (domini) vergeben sind, dann folgen die übrigen
Lehen, nach Bezirken eingeteilt. In dem Abschnitt über
die Herren finden wir außer Grafen und Edelfreien auch eine
ganze Reihe von unzweifelhaft dienstmänni-
1) Schöttgen und Kreysig, a. a. O., S. 794.
2) ÜB. Mühlhausen, No. 825. 3) ÜB. Erfurt II, No. 95.
4) Ebenda, No. 104. 5) Rein, Thur. sacra II, S. 79.
6) 1320 Ludolphus de Alrestete, dominus castri in Alrestete
(Regesta Stolberg., S. 1140).
7) V. Mülverstedt, Regesta Stolberg., S. 1137 ff.
8) Ausgabe von W. Lippert und H. Beschorner (Publikation d.
Kgl. sächs. Kommission f. Geschichte), erscheint demnächst. Herr
Archivrat Lippert in Dresden war so liebenswürdig, mir die Aushänge-
bogen des Werkes zu überlassen.
16 Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels.
sehen Geschlechtern. Es sind die Geschlechter
Slune, von Fahner, Marschälle von Gosserstedt, Schenken
von Saaleck und von Käfernberg, dann die von Ebeleben,
Willerstedt, Herbsleben, Seebach, von Allerstedt, von Wan-
genheim und von Farnrode, also großenteils dieselben Ge-
schlechter, die wir auch sonst in Besitz des Herrentitels
fanden. Die fünf erstgenannten sind die Inhaber der alten
landgräflichen Erbhofämter: Slune ist ein Beiname der Truch-
sessen von Schlotheim, und die von Eahner verwalteten das
Kämmereramt. Auch die nächstfolgenden sind altangesehene
landgräfliche Ministerialenfamilien i), die von Allerstedt
sind Reichsdienstmannen, die von Wangenheim fuldische
Ministerialen. Die von Farnrode scheinen zur landgräflichen
Dienstmannschaft gehört zu haben. Man darf nicht glauben,
daß das Kapitel über die Herren erschöpfend sei, d, h. alle
dienstmännischen Vasallen des Landgrafen umfasse. Es
fehlen eine ganze Anzahl echt dienstmännischer Geschlechter,
z. B. die von Erfa oder von Vippach, und das ist bei der
etwas flüchtigen Anlage des ganzen Lehnbuches auch nicht
zu verwundern. Aber es ist sehr bezeichnend, daß das
Lehnbuch unter der Rubrik „Herren" so viele Dienstmannen,
dagegen keinen einzigen Ritter anführt. Eine fa'st
derselben Zeit angehörige Aufzeichnung der markgräflichen
Kanzlei (wahrscheinlich 1347 entstanden) ^) zählt unter der
Rubrik „Registrum ministerialium in Thuringia" außer
den genannten noch folgende Geschlechter auf: Salza^),
Heilingen, Vippach (landgräfliche. Dienstmannen), Viztume
von Eckstedt und Apolde, Schenken von Apolde (Mainzer),
Erfa (Fuldaer Ministerialen), Weberstedt. Auch dieses Register
dürfte nicht vollständig sein : man vermißt z. B. die Orla-
1) Die von Willerstedt sind eines Stammes mit den Truch-
sessen von Schlotheim.
2) Abgedruckt bei Lippert und Beschomer, a. a. O. S. 263 ff.
3) Über dieses Geschlecht nachher.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 17
mttnder Ministerialen. Einfache Ritter fehlen auch
diesem Verzeichnis fast ganz^).
Das Emporsteigen der thüringischen Ministerialen übt
seinen Einfluß auf die Hof- und Landesverwaltung
aus. An Stelle der dienstmännischen Erbhofbeamten treten
um die Mitte des 13. Jahrhunderts Beamte aus der Schicht
der einfachen Ritter. So erscheint 1246 anstatt eines der
Erbmarschälle von Eckartsberge, Trebra, Gosserstedt oder
Ebersberg der Ritter Hellwig (von Goldbach) als Marschall
im Gefolge des Landgrafen *). Die Ministerialen sind zu
vornehm geworden, um noch ständig den Hofdienst zu ver-
sehen. Sie bleiben aber dem Namen nach im Besitz der Ämter,
beziehen die damit verbundenen Einkünfte und üben die
betreffenden Funktionen vielleicht noch bei festlichen Ge-
legenheiten aus ^).
In Süddeutschland ist im 13. Jahrhundert der Stand
der Ministerialen dermaßen gestiegen, daß sogar der Aus-
druck edel, früher ein Prädikat der freien Herren, auf sie
angewandt wird *). Auch in Thüringen finden sich Beispiele
für diesen Sprachgebrauch.
Eine Urkunde von 1266 bezeichnet die Ministerialen
von Allerstedt als nobiles ^). In einer Urkunde des Erfurter
Petersklosters von 1272 werden die Dienstmannen von Kühn-
1) Ausnahme: die von Weberstedt gehörten, wenigstens im
13. Jahrh., zur Schicht der einfachen Ritter. 1283 ist Hermann
von W. Vasall des landgräflichen Dienstmanns Hermann von Ball-
städt (Schwarzes Georgenth. Kopb., A. Gotha, Fol. 31).
2) Mon. Germ. L. L. Sect. IV, t. 2, S. 630.
3) Vgl. H. B. Meyer, Hof- imd Zentralverwaltung der Wettiner,
1902, S. 29 ff.
4) V. Zallinger, Die Rechtsgeschichte des Ritterstandes und das
Nibelungenlied, S. 37; Roth v. Schreckenstein, Z. f. Gesch. d.
Oberrh. XXXXI, S. 288 ff.; Ritterwürde und Ritterstand. S. 360 ff.
5) Böhme, Die Totteilung und ihre Folgen, S. 53, No. 7. Auch
in einer undatierten Urkunde der Vitztume von Apolde wird der von
Allerstedt als nobilis vir bezeichnet (ÜB. Pforte I, No. 248 ; vgl
noch ebenda No. 2).
XU (XXII). 2
18 Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
hausen als nobiles bezeichnet. 1 299 nennt der Erzbischof
von Magdeburg den Schenken Heinrich von Apolde nobilis
vir 1). Im Jahre 1290 stellt Pridericus nobilis de Hetstede
den Gothaer Augustinern eine Urkunde aus 2). Im letzteren
Fall ist der Titel um so auffallender, als Friedrich von
Hettstedt nicht einmal Ministerial, sondern einfacher Ritter
ist. Aus dem 14. Jahrhundert haben wir eine Urkunde
des Grafen von Gleichen, die die von Witterda als nobiles
viri bezeichnet (1329)^), ferner zwei Urkunden des Abtes
von Fulda, in denen er die von Erfa, von alters her Dienst-
mannen seines Klosters, „nobiles viri", „edele herren" nennt
(1354 und 1390) 4).
Merkwürdig ist auch die Zeugenreihe einer Urkunde
von 1362 5), die wiederum die strenge Scheidung der beiden
Klassen des niederen Adels vor Augen führt: „di ediln
her Fritzsche von Wangenheim, er Otto von Ebeleyben und
die gestrengen er Kristan von Witzeleyben, er Dietrich von
Honsperg, er Otto von Stutirnheim, Heinrich von Loucha,
ritte r".
3. Aufsteigen dienstmännischer Creschlecliter zum Herrenstande.
Eine Sonderstellung nehmen drei thüringische Ministe-
rialengeschlechter ein, denen es gelungen ist, sich über ihre
Standesgenossen zu erheben und eine den freien Herren
ähnliche Stellung einzunehmen : es sind die Herren von
Treffurt und vonSalza im Westen, die von Blanken-
h a i n im Osten des thüringischen Landes.
Als Stammvater des treffurtischen Geschlechts^)
pflegt man den 1104 genannten Pilgrim anzusehen. Der
erste Treffurter aber, dessen Stand mit Sicherheit ermittelt
1) N. Mitt. d. thür.-sächs. Ver. VIII, 2, S. 94; Gesch. d.
Geschlechts der von Hanstein I. Urk. No. 50.
2) Sagittarius, Hist. Goth. S. 153. 3) ÜB. Erfurt II, No. 79.
4) Thur. Sacra S. 150. Schannat, Fuld. Lehnhof S. 205.
5) Eein, Thur. sacra I, No. 205.
6) Vgl. die zuverlässige Arbeit von Landau in der Zeitsckr. d.
Ver. f. hessische Gesch. IX, S. 145—240.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. X9
werden kann, ist der landgräfliche Ministerial Reginhard II.
a 186— 1192)1). Friedrich IL, wahrscheinlich Reginhards
Sohn, hielt sich öfters in der Umgebung des Landgrafen
auf und wird 1221 in einer landgräflichen Urkunde aus-
drücklich als ministerialis bezeichnet ^). Auch die Nach-
kommen Friedrichs unterscheiden sich zunächst noch nicht
von den anderen Dienstmannen. Sie gehen mit einfachen
Grafen, wie denen von Gleichen 3) oder von Bilstein *), ja
sogar mit den Edelherren von Frankenstein ^) Lehens-
verbindungen ein und werden in den Zeugenreihen häufig
anderen Ministerialen nachgestellt ^). Wenn seit der Mitte
des Jahrhunders die Treffurter auch mehrfach den anderen
Ministerialen voran stehen, so kann das auf Zufall beruhen'').
Auffallend aber ist eine Urkunde Günthers von Salza von
1272, die als Zeugen anführt: dominus Fridericus de
Drifordia et Heinricus filius suus, Tuto de Lapide, Ludovicus
de Almenhusen, ministeriales ^). Die Urkunde gibt
Friedrich von Treffurt den Titel Herr, den sie den anderen
versagt. 1262 nennt der Graf von Bilstein den Friedrich
von Treffurt geradezu nobilis vir ^), und eine Urkunde
des folgenden Jahres erwähnt die no blies Hermannus et
Hermannus filius suus de Spanginberg, die ebenfalls dem
Treff'urter Hause angehören i^'). Im Jahre 1364 erscheinen
1) Dobenecker II, No. 760, 897. 2) Dobenecker II, No. 1976.
3) Graßhof, Orig. Muhlhusan., S. 181, No. 9 (a. 1257).
4) Landau, a. a. O. S. 163 (a. 1288). 5) Landau, S. 177.
6) Z. B. 1246 Friedrich von Treffurt hinter dem Truchsessen
von Schlotheim (Mon. Germ. L.L. Sect. IV, :t. 2, S. 630); 1254
derselbe hinter dem Truchsessen von Borna (Thuringia sacra,
S. 488); 1255 wieder hinter dem von SSchJotheim (Z. d. Ver.
f. hess. .Gesch., N. F. X, S. 371 ; Schannat, Vindem. litter. I,
S. 122); 1266 hinter dem Schenken von Vargula (Rein, Thur. sacra II,
157) ; 1267 hinter dem von Isserstedt (ebenda II, 158) ; 1272 hinter
Hermann Stranz von DöUstädt (Walkenried, ÜB. No. 412).
7) Urkk. von 1258 (Sagittarius, Hist. Goth., S. 64 f.), 1259
(ebenda S. 67), 1265 (ebenda S. 71) u. ö.
8) Schöttgen und Kreysig, Dipl. et script. I, S. 763.
9) ÜB. Mühlhausen, No. 160. 10) Landau, S. 192.
2*
20 Zur Bechtsgeschichte des thüringischen Adels.
„die edeln lüde her Herman von Drifurte, herre zu
Bielstein, und frouwe Margrete sin eliche frouwe^). Aber
daneben stehen auch wieder zahlreiche Zeugnisse einer
anderen Auffassung: in einer Urkunde von 1279 heißt
Hermann von Spangenberg ministerialis 2), 1299, 1304, 1313
und 1338 werden Angehörige des Geschlechts als strenui
bezeichnet ^). Vielleicht hielten es die einzelnen Linien des
Hauses Treffurt verschieden mit dem Gebrauch dieser Titel.
So wird die Linie der Scherfe meines Wissens nie mit dem
Prädikat nobilis bedacht, während bei der spangenbergischen
Linie sich dasselbe, nach der Angabe Landaus*), regelmäßig
vorfindet.
Auch die Herren von Salza^), bekannt insbesondere
durch den Deutschordensmeister Hermann, sind ursprünglich
nicht freie Herren gewesen, obwohl man diese Behauptung
in alten und neuen Büchern häufig zu lesen bekommt. Ob
der Reichsministerial Heidenreich (1157)^) ein Angehöriger
des Hauses war, möge dahingestellt bleiben. Sicher ist,
daß später mehrere Glieder des Geschlechts als Ministerialen
der Weifenherzöge bezeichnet werden '^). Von den Weifen
scheinen sie später, wenigstens zum Teil, an die Landgrafen
gekommen zu sein ; Hermann von Salza (der Ordensmeister ?)
heißt 1237 ausdrücklich ministerialis domini lantgravii^),
1) Wenck, Hess. Landesgesch. III, ÜB. No. 422.
2) ÜB. Kaufungen I, No. 54.
3) 1299 Urk. Heinrichs von Treffurt; Zeugen: strenui viri dominus
Hermannus Wolpheri de Drivordia, Giselherus de Graba, milites
(ÜB. Mühlhausen, No. 490). 1304 : strenuorum miUtum Hermanni de
Drivordia dicti Scherf, Joh. de Amera etc. (ÜB. Kaufungen I, No. 101).
1313 : G. relicta quondam strenui militis Eeinhardi dicti Oboli nostri
patrui (ebenda No. 125). 1338 : strenui et famosi viri domicelli Hermanni
de Drivordia (ebenda No. 197).
4) a. a. O., S. 238. Ich vermag die Bichtigkeit dieser Angabe
auf Grund des mir vorliegenden Materiales nicht nachzuprüfen.
5) Vgl. die Begesten des Geschlechts Salza, Leipzig 1853 (ober-
flächlich und unkritisch). 6) Dobenecker II, No. 152.
7) Dobenecker II, No. 2450 und Begister unter Salza.
8) Schannat, Vindem. Uter. I, S. 121.
Zur Bechtsgeschichte des thüringischen Adels. 21
(TÜnther von Salza ist 1278 und 1281 ebenfalls land-
gräflicher Ministerial *). Auch die Stellung in den Zeugen-
reihen weist deutlich auf Zugehörigkeit zum Dienstadel.
So steht z. B. 1251 Hugo von Salza hinter dem Truch-
sessen Bertoh von Schlotheim, Albert von Herbsleben und
Kunemund von Mihla ^), 1275 Günther von Salza hinter
dem Schenken Dietrich von Vargula^). Zu den Grafen
von Gleichen stehen die Gebrüder Günther und Friedrich
1292 im Vasallenverhältnis*).
Erst am Anfang des 14. Jahrhunderts beginnen die
von Salza aus den übrigen Dienstmannengeschlechtem her-
auszutreten. In den Zeugenreihen stehen sie jetzt häufig an
der Spitze der Ministerialen oder am Ende der freien
Herren^). 1307 urkundet der Abt von Hersfeld für den
.,e d 1 e n Mann" Friedrich von Salza *') ; in Urkunden des
Jahres 1336 ^) ist von dem nobilis vir dominus Henricus
de Salza, dem „edlen man hem Heinrich herre zu Salza",
die Rede.
Aber noch im 14. Jahrhundert werden die Herren von
Salza mehrfach zum niederen Adel gezählt. Noch im Jahre
1308 nennt Markgraf Friedrich die Gebrüder Günther und
Friedrich ministeriales nostri ^). Besonders schwer wiegt
eine von einem Angehörigen des Geschlechts
selbst, von Friedrich von Salza, im Jahre 1311 ausge-
stellte Urkunde : ihre Zeugen sind „die edeln Herren" Graf
Günther von Schwarzburg, Graf Günther von Käfern bürg,
1) ÜB. Mühlhausen, No. 268 ; ÜB. BaUei Hessen I, S. 296,
No. 396.
2) Sagittarius, Histor. Goth., S. 57.
3) Leuckfeld, Beschreibg. von Kelbra, S. 84.'
4) lifelderXopialb. (Mitteilg. v. Herrn K. Meyer in Nordhausen).
5) z. B. ÜB. Erfurt I, No. 499, 557, 559 ; Regesten von Salza,
No. 150.
6) Reg. V. Salza, No. 111.
7) Kuchenbecker,] Anal, hassiaca XII, 368; ÜB. Erfurt II,
No. 147.
8) Schöttgen und Kreysig, Diplom, et script. I, S. 785, No. 91.
22 Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
Burggraf Dietrich von Altenberge, „und die erbern
r i 1 1 e r e" Ludolf von Allerstedt, Günther von Salza,
des Ausstellers Bruder, und der Kämmerer Otto von Pahner i).
Eine Dfiarkgräfliche Urkunde von 1320 2), eine gräflich
honsteinische von 1330^) zählen die von Salza noch immer
zum dienstmännischen Adel. Die markgräfliche Kanzlei
scheint sich besonders hartnäckig dagegen gesträubt zu
haben, sie als Herren anzuerkennen: so noch 1346 und
1347*). Die Markgrafen scheinen den Herren von Salza
den hohen Adel erst gegönnt zu haben zu einer Zeit, da
sie gar keine unabhängige Herrschaft mehr
besaßen. 1360, 1365 5) und dann wieder 1402, 1405 6)
und öfter werden die Herren von Salza auch in den mark-
gräflichen Urkunden als Herren bezeichnet.
Die Herren von Blankenhain (südlich von Weimar),
ebenfalls ein ehemaliges Dienstmannengeschlecht, haben sich
etwa gleichzeitig mit denen von Salza zum freiherrlichen Adel
emporgearbeitet. Sie sind ein bloßer Nebenzweig der Familie
von Mellingen (so. von Weimar) '') und traten infolgedessen
erst spät auf.
1272 steht Heinrich von Blankenhain hinter dem
orlamündischen Marschall von Tiefurth ^). 1308 zählt
Landgraf Triedrich den Ludwig von Blankenhain zu
1) Or. Dresden No. 2056 (frdl. Mitteilg. von Herrn Archivrat
Dr. Lippert). 2) Cod. dipl. Sax. reg. II 1, No. 309.
3) Urk. von 1330 Sept. 1 (A. Sondershausen).
4) Heg. V. Salza No. 221, 227. Auch das ca. 1347 entstandene
Verzeichnis der Edeln und Ministerialen (s. o. S. 16) führt die Herren
von Salza unter den Dienstmannen auf.
5) Eeg. V. Salza, No. 249. Thur. sacra, 153.
6) Eeg. V. Salza, No. 307, 310.
7) Die von MeUingen sind Mainzer Dienstmannen. Mit Förtsch
(Gesch. d. Gemeinde M., S. 6) nehme ich trotz der Verschiedenheit
der Wappen nur eine Familie dieses Namens an. Anders Funkhänel,
Z. f. thüring. Gesch. II, S. 178 f, 480 ff ; Eein, Korrespondenzbl. d.
Ges.-Vereins, 1860, S. 47, 75 ; 1861, S. 251 u. ; v. Mülverstedt in
Siebmachers Wappenbuch VI«, S. 106 f. Taf. 69.
8) Mencke, Scriptores I, S. 693.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 23
seinen Ministerialen ^), und auf dienstmännischen Stand
■ leuten auch die Lehensverbindungen mit den Grafen von
Honstein (1312), den Burggrafen von Eai-chberg (1281 *).
Noch die folgenden Jahrzehnte zeigen uns die Blanken-
hainer als Angehörige des niederen Adels. 1315 zeugen
in einer Urkunde Bussos von Elsterberg (aus dem
Hause Lobdeburg) „der edle man . . herr Herman von
Luchtenberg (ebenfalls ein Lobdeburger), herr Ludwig von
Blankenhain, herr Heinrich von Arnstedt"^); 1331 in einer
Orlamünder Urkunde hinter mehreren „edeln Herren" „die
gestrengen rittere Ludewig, herre zu Blankenhain" u. s. w. *).
Daneben steht allerdings ein Diplom des Grafen von Schwarz-
burg, das schon im Jahre 1309 den Ludwig von Blanken-
hain als nobilis vir bezeichnet^).
Das mehrfach angeführte Verzeichnis vom Jahre 1347
nennt Ludwig und Heinrich von Blankenhain unter den
nobiles in Thuringia, und von nun ab werden die von
Blankenhain ständig zu den Herren gerechnet. Landgraf
Balthasar nennt 1392 Ludwig und Heinrich von Blanken-
hain „edle Herren" ^), in einer anderen Urkunde desselben
Fürsten (1396) '') steht Ludwig Herr zu Blankenhain vor
dem Edelherrn Friedrich von Heldrungen.
Alle drei Familien, die von Treffurt, Salza und Blanken-
hain, haben sich aus dem Ministerialenstand emporge-
schwungen, alle drei haben dann eine Zeitlang eine Mittel-
stellung eingenommen, dergestalt, daß man sie bald zu den
Dienstmannen, bald zu den freien Herren rechnete. Die
Treffurter sind überhaupt nie über diese Zwitterstellung
hinausgekommen, während die Herren von Salza und von
1) Schöttgen und Kreysig, Diplom, et scriptor. I, S. 785.
2) Honstein: 1312 (IlfelderKopb., Mitteilg. von Herrn K. Meyer
in Nordhausen). Burggraf von Kirchberg: 1281 (A. Weimar).
3) ÜB. Jena I, No. 85. 4) ÜB. Erfurt II, No. 94.
5) ÜB. Erfurt I, No. 551.
6) Cod. dipl. Saxon. reg. I B 1, No. 455.
7) Ebenda 2, No. 36.
24 Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
Blankenhain schließlich allgemein als freie Herren anerkannt
worden sind. Einen Anhalt für die technische Bezeichnung
dieser Mittelstufe bildet vielleicht der thüringische Land-
friede von 1338 ^). Landgraf Friedrich IL errichtet diesen.
Frieden „nach rate der greven unde frien, der herren
unde dinstmanne, man unde stete". Die „Herren" er-
scheinen hier als besondere Klasse zwischen den Dienst-
mannen und den freien Herren : es liegt die Annahme nahe,
daß mit diesem Namen eine Mittelstufe gemeint sei, wie
sie die Herren von Treffurt, Salza und Blankenhain ein-
nahmen. Auch das mehrfach erwähnte Verzeichnis von
1347 nennt die domini neben den nobiles: registrum domi-
norum et nobilium in terra Missnensi, in terra Orientalin
auch hier sind vielleicht unter den domini Geschlechter
verstanden, die aus alter Ministerialität hervorgegangen
sind 2).
Fragt man nach dem Rechtsgrund, auf dem die Tren-
nung dieser Familien von ihren früheren Standesgenossen
beruhte, so ist der Gedanke einer förmlichen Frei-
lassung jedenfalls abzuweisen. Wohl kennen wir aus
der Stauferzeit einen Fall einer solchen formellen Standes-
erhöhung eines Dienstmannes: er betrifft den Reichstruch-
sessen Markward von Annweiler, der von Heinrich VL zum
freien Herrn erhoben wurde ^). Auch bei anderen süd-
deutschen Reichsministerialen, die wir später unter den
Edelherren finden, mag ein solcher Akt vorgekommen seih.
Aber einmal gehören diese Fälle einer ganz anderen Gegend *),
1) Erhard, Mitteilungen zur Geschichte d. Landfrieden, S. 30.
2) Wie die Herren von Eilenburg, Schönburg u. a.
3) Ficker, Vom Heerschilde, S. 150 ff. Dazu A. Schulte, Z. f.
deutsches Altert. XXXIX, S. 195. — Bekanntlich kennt auch der
Sachsenspiegel (3, 80 f.) die Freilassung eines ßeichsministerialen zum
Rechte des Schöffenbarfreien. Da der ganze Stand der Schöffen-
barfreien sich der neueren Forschung als eine Fiktion des Spiegels
ergeben hat, so ist schwer zu sagen, was Eike hier gemeint hat.
4) Ficker, S. 151, meint, in Sachsen dürfte sich ein Übergang
vom Ministerialen zum freien Herrn schwerlich nachweisen lassen.
Zur Kechtsgeschichte des thüringischen Adels. 25
einer ganz anderen Zeit an als die unsem: was im 12. Jahr-
hundert in Süddeutschland vorkam, wäre für Thüringen
um 1800 herum kaum denkbar. Vor allem aber widerstrebt
das merkwürdige Schwanken der urkundlichen Titel dem
Gedanken einer förmlichen Freilassung. Wenn dieselbe
Person bald als nobilis, dann als Dienstmann, dann wieder
als freier Herr bezeichnet wird, so kann die Standeser-
höhung nicht auf einem formellen Akt beruhen. Der einzige
Grund für die Sonderstellung der drei Familien liegt viel-
mehr auf staatsrechtlichem Gebiet. Es sind Ge-
schlechter, die sich auf ihrem Besitz frei von fremder
Landeshoheit erhielten. Urkunden des 14. Jahrhunderts
zeigen uns die Herrn von Salza und Blankenhain im völker-
rechtlichen Verkehr den Grafen und Freien völlig gleich-
berechtigt : wie diese schließen sie Verträge und Bündnisse
mit Fürsten und Städten, wie diese beteiligen sie sich an
der Errichtung von Landfrieden i). Bei den Treffurtern
läßt sich dies nicht nachweisen; daß aber auch sie eine
exempte Stellung einnahmen, ist sehr wahrscheinlich. Noch
lange nach ihrem Aussterben wurde ihr Besitz als „Gan-
erbschaft Treifurt" gesondert verwaltet.
Von den drei neuen Herrengeschlechtern Thüringens
hat keines das Mittelalter überdauert.
Am frühesten verschwinden die Treffu rter 2). Der-
jenige Zweig des Geschlechtes, der die thüringischen Be-
sitzungen, insbesondere Treifurt selbst erhalten hatte, ver-
lor diese Gebiete durch Eroberung 1333 und endgültig
1336 an die verbündeten Fürsten von Thüringen, Hessen
und Mainz und starb um 1370 aus. Länger hielt sich der
hessische Zweig des Geschlechtes , der zu Spangenberg
seinen Sitz hatte. Er verkaufte die Herrschaft Spangen-
berg 1350 an den Landgrafen von Hessen, erhielt sie aber
nebst der Herrschaft Bilstein von den Landgrafen in Pfand-
1) z. B. Eegesten von Salza, No. 157 ; ÜB. Erfurt II No. 131,
136 ; ÜB. der Vögte von Weida I, No. 853.
2) Landau a. a. 0.
26 Znr Rechtsgeschichte des thüringischen Adels.
besitz. 1376 ist auch diese Linie der Treffurter aus-
gestorben.
Die Herren von S a 1 z a verkauften ihre Herrschaft
1344 zur Hälfte an den Landgrafen Friedrich IL, zur
anderen Hälfte 1345 an den Erzbischof von Mainz, doch
erhielten sie einen Teil ihres Besitzes als Lehen zurück i).
Diese Unterwerfung unter fremde Landeshoheit hat aber
den Stand der Herren von Salza nicht erniedrigt. Anders
als 70 Jahre früher die Grafen von Wartberg wurden sie
nach wie vor bis zu ihrem Aussterben (1409) zu den edlen
Herren gerechnet.
Die Herren von Blankenhain haben sich bis zu ihrem
Aussterben im Jahre 1446 im Besitz ihrer Herrschaft und
ihres Standes behauptet 2),
In Thüringen dürften die drei genannten Familien die
einzigen sein, bei denen sich ein Übergang von der Ministe-
rialität zum Herrenstande nachweisen läßt. Richten wir
aber den Blick über die Grenzen Thüringens hinaus in die
Markgebiete, so bieten sich noch weitere Beispiele in
den Vögten von Weida, den Herren von Schönburg ^), von
Kolditz und von Eilenburg. Da es sich hier um interessante
und noch wenig beachtete Tatsachen handelt, so mag auf
die Geschichte dieser Geschlechter noch kurz eingegangen
werden.
Unter allen Ministerialenfamilien Deutschlands ist keine
höher gestiegen als die V ö g t e v o n W e i d a : sie sind die
Vorfahren der heutigen Fürsten von Reuß. Der älteste be-
kannte Vertreter des Geschlechts ist Erkenbertus de Weida,
der 1122 mit dem Titel ministerialis auftritt^). Wer die
1) Kegesten von Salza, S. 151 — 154.
2) Sagittarius, Historie der Grafschaft Gleichen, S. 181.
3) Auch die Herren von Waidenburg, deren Besitz später
an die Schönburger fiel, sind, wie es scheint, dienstmännischer Abkimft.
Unarg von Waidenburg ist noch 1296 Eeichsministerial (ÜB. der
Vögte V. Weida I, No. 295).
4) ÜB. der Vögte von Weida I, No. 1.
Zur Bechtsgeschtchte des thüringischen Adels. 27
Dienstherren derer von Weida waren, zeigt eine Urkunde
Heinrichs des Löwen 1154, die Heinrich von Weida als
ministerialis noster bezeichnet ^). Mit dem Sturz des Weifen-
herzogs 1180 ging das Eigentum an diesem, wie an
andern Ministerialengeschlechtern, über an das Reich. Vgl.
Arnoldi Lubicensis chron. : multi ministerialium ducis . .
ut Henricus de Witha . . recesserunt ab eo et ad imperium
se transtulerunt 2). Als Reichsministerial wird Heinrich
von Weida in einer Urkunde von ca. 1196 ausdrücklich
bezeichnet 8). Eine Urkunde Kaiser Friedrichs I. 1188 nennt
ihn sogar nobilis vir*), und wenn dieser Titel auch auf
den Irrtum eines kaiserlichen Kanzleischreibers zurück-
geführt werden muß, so beweist er doch das große Ansehen,
das das Geschlecht schon damals genoß. 1214 tritt uns
zum erstenmal der Titel Vogt von Weida, advocatus
de Wida °) entgegen : die Eamilie erlangt die Vogtei über
das Ileichsgut in jener Gegend. An ihrem Stande ändert
sich dadurch noch nichts; die Vögte von Weida, später
Vögte von Gera und Plauen genannt, bleiben Ministerialen
und unterscheiden sich dadurch von den in ähnlicher Stellung
befindlichen Reichsburggrafen der Nachbargebiete, den Burg-
grafen von Kirchberg, Altenburg und Leisnig, die alle dem
Herrenstande angehören. So zählt eine Urkunde König
Friedrichs II. für das Kloster Lausnitz 1220 den Heinrich
von Weida zu den ministeriales regni^). Auffallend ist
die Anrede in einer anderen Urkunde desselben Fürsten
von 1232'^): dilectis ac nobilibus sibi Heinricis, seniori,
regni nostri advocato, . . domino dePlawen, et iuniori,
strenui militis eins filio, advocato de Plawen. Hier
nennt der König Heinrich den Älteren in demselben Satze
nobilis und strenuus miles. Bemerkenswert ist an dieser
Urkunde auch der Titel dominus de Plawe, der zeigt, daß
1) Ebenda No. 10. 2) Mon. Germ. S.S. XXI, S. 137.
3) ÜB. d. Vögte von Weida I, No. 36: ministeriales imperii
et nostri Heinricus de Wida . .
4) Ebenda l, No. 28. 5) Ebenda I, No. 40.
6) Ebenda J, No. 49. 7) Ebenda I, No. 58.
28 Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels.
das Amt schon damals begann, sich in eine Herschaft zu
verwandeln. Die Urkunden der folgenden Jahrzehnte rechnen
die Vögte von Weida ausnahmslos zum \ niederen Adel. So
schreibt König Rudolf 1281 strenuo viro Heinrico
advocato dePlawe^), König; Albrecht 1302 strenuo viro
Heinrico advocato de Wida^). In einer Urkunde Markgraf
Friedrichs des Freidigen für Großenhain 3) 1291 erscheinen
als Zeugen: nobilis vir Albertus burgravius de Lisnic^
Heinricus de Zweyne, noster protonotarius, Heinricus iunior
de Plawen, Heinricus advocatus de Wida senior, Thimo
Knut . . Der Vertreter des geistlichen Standes, der mark-
gräfliche Schreiber, schiebt sich hier, wie sehr häufig in
jener Zeit, zwischen den'.hohen und den niederen Adel ein :
die Vögte von Weida und Plauen sind dem letzteren zu-
gewiesen.
Erst um das Jahr 1300 ist es den Vögten gelungen^
als Herren anerkannt zu werden. Das zeigt sich zuerst
in den Urkunden Landgraf Diezmanns. Während eine Ur-
kunde von 1306 ian. 23 ^) den Vogt Heinrich von Weida
noch ausdrücklich als strenuus vir den vorher genannten
nobiles viri gegenüberstellt, erscheint derselbe Heinrich in
einem nur drei Tage später ausgestellten Briefe
zwischen einem nobilis und mehreren strenui in der Mitte ^).
Eine Urkunde Diezmanns vom 26. Februar desselben Jahres
rechnet Heinrich zu den nobiles"). Eine Urkunde König
Johanns von Böhmen 1312, ein Beschluß des Landfriedens-
gerichts von 1322 führen die Vögte gleichfalls als nobiles auf ^).
Am spätesten scheint die Kanzlei Markgraf Friedrichs L
1) Ebenda, No. 205. 2) Ebenda, No. 347.
3) Ebenda, No.' 256. 4) Ebenda, No. 378.
5) Wegele, Friedrich der Freidige S. 443 (nach einer schlechten
Kopie): nobilis vir dominus Henricus comes de Stalberg, dominus
advocatus de Wyda, strenui: Rodolfus pincerna de Dornberg, Johannes
miles de Gelnowe.
6) ÜB. d. Vögte I, No. 381: presentibus viris nobilibus
Heinrico comite de Stalberg, Heinrico advocato de Wyda, itemque
Eudolpho pincerna de Dornburg, Johanne de Geilnowe . .
7) Ebenda, No. 429, 524.
J
Zur Bechtsgeschichte des thüringischen Adels. 29
sich zur Anerkennung ihres Herrenstandes bequemt zu haben.
Eine Urkunde der Markgräfin Elisabeth von 1322 nennt
als Zeugen unse liben frunde greve H. von Swarzburch,
A. burcgreve von Aldenburg, her Walter tumprobst von
Mysnen, Heinrich Ruze, der Voit von Plawe, Henrich Voit
von Gera der eldere, her Hans Groze von Doblyn der eldere ^):
sie schiebt also wiederum den Geistlichen zwischen die
Herren und Dienstmannen ein, zu den letzteren rechnet sie
unsere Vögte,
Diese Urkunde ist — was die markgräfliche Kanzlei
anlangt — der letzte mir bekannte Fall dieser
Art. In einer Urkunde des folgenden Jahres, die Elisabeths
Sohn, der junge Markgraf Friedrich ausstellt, erscheinen
die Vögte von Gera und Plauen unter den viri nobiles,
vor dem Dompropst von Meißen und dem niederen Adel 2).
Eine letzte Erinnerung an die ursprüngliche Ministerialität
findet sich in einer Urkunde König Ludwigs des Bayern von
1329, in der er die Vögte tamquam (imperi) principales
ministeriales et vasalli nobiles anredet'').
Den Grafen titel haben die Vögte, oder, wie sie sich jetzt
nennen, die Reußen, erst 1671 angenommen. Die Erhebung
in den Reichsfürstenstand erfolgte bei den verschiedenen
Linien des Hauses in den Jahren 1778, 1790 und 1806 *).
Die Stammburg der Herren und späteren Fürsten von
Schönburg 5) liegt zwischen Naumburg und Weißenfels
an der Saale. Die ältesten Vertreter des Geschlechts, die
uns seit dem Jahre 1171 entgegentreten, sind teils Reichs-
dienstmannen, teils Naumburger Ministerialen
und nennen sich bald von Schönburg (Schönberg), bald auch
von Rudelsburg 6), Es gab zwar auch ein freiherrliches
1) Ebenda, No. 526. 2) Ebenda, No. 541.
'S) Ebenda, No. 669. 4) Ficker, Reichsfürstenstand S. 239.
5) Frauötadt und v. Schönberg, Gesch. des Geschlechtes von
Schönberg I A (2. Ausg.) und II ; C. A. Tobias, Regesten des Hauses
Schönburg (Zittauer Schulprogr. 1865). Die ältere Geschichte des
Geschlechtes ist noch sehr zweifelhaft.
6) Siehe Dobenecker II, Register unter den Stich werten Schön-
burg tmd Rudelsbiurg.
30 Zur ßechtsgeschichte des thüringischen Adels.
Geschlecht von Schönburg, doch scheint dieses mit unserer
Familie nicht verwandt zu sein. Auch dieses altfreiherr-
liche Geschlecht finden wir übrigens später (sicher seit 1225)
in der Ministerialität ^).
Unsere Schönburger, mit denen wir es hier allein zu
tun haben, werden fast das ganze 13. Jahrhundert hindurch
zu den Ministerialen gezählt: 1268 stehen sie in einer
Zeugenreihe hinter den Schenken von Vargula 2), 1279 und
1292 hinter den Vögten von Weida^), die ja damals
auch noch zum Dienstadel gehörten. Anders eine Urkunde
Landgraf Diezmanns von 1293, die Hermann und Friedrich
von Schönburg zwischen den Burggrafen von Altenburg
und den Kirchberger Burggrafen, also zwei freie Herren,
in die Mitte stellt^). Eine Urkunde Friedrichs von
Dresden vom Jahre 1300 nennt Friedrich von Schönburg
ausdrücklich nobilis vir; auf ihn folgen die milites Jordan
von Brand, Heinemann von Naundorf ^ ). Auch hier ist es
wieder die markgräfliche Kanzlei, die sich am längsten
gegen die Anerkennung der Standesänderung sträubt: noch
1808 führt sie Friedrich von Schönburg unter den strenui
milites et famosi an ^). Auch die Markgrafen haben schließlich
sich in die Veränderung geschickt. Das beweist z. B. eine
markgräfliche Urkunde von 1345, die sich durch genaue
Klassifizierung der Zeugen auszeichnet : an der Spitze nennt
sie die illustres, die Fürsten Herzog Rudolf von Sachsen
1) Dobenecker II, No. 2235.
2) ÜB. der Vögte von Weida I, No. 146.
3) Ebenda, No. 191, 270. 4) Ebenda, No. 280.
5) Cod. dipl. Sax. reg. II, 15, 214, No. 300.
6) ÜB. der Vögte I, No. 401. — Ob Johann und Dietrich
von Schönberg, die eine markgräfliche Urk. vom Stephanstag 1343
(A. Sondershausen) zu den Dienstmannen zählt, zu unseren Schön-
biu-gern gehören, kann ich nicht sagen. Die Standesänderung be-
trifft übrigens nur die pleißenländischen Schönburger. Die oster-
ländische Linie, die in der alten Heimat des Geschlechts zurück-
blieb, erscheint bis zu ihrem Erlöschen (im 14. Jahrb.) unter dem
niederen] Adel. Vgl. v. Schönberg, Gesch. des Geschlechtes von
Seh. II, S. 165—167.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 31
und Graf Albrecht von Anhalt, dann die n o b i 1 e s Friedrich
den Alteren von Schönburg, Herrn zu Pürstein, Friedrich
den Jüngeren von Schönburg, Herrn zu Crimmitzschau, und
Botho von Eilenburg, den markgräf liehen Marschall; es
folgt der markgräfliche Schreiber Konrad Pruzze als Ver-
treter der Geistlichen, und den Schluß bildet der niedere
Adel, die strenui Ulrich von Gladbach, Ritter, der Truch-
seß Heinrich von Borna und der Hofrichter Albrecht von
Maltitz 1).
Die Herren von Schönburg haben die Zugehörigkeit
zum hohen Adel auch dann behauptet, als sie sich unter
fremde Landeshoheit beugen mußten.
Der Stammvater der Herren von Kolditz^), Thimo,
war ursprünglich weifischer Ministerial, wurde aber durch
Vertrag vom Jahre 1158 dem Reiche abgetreten») und
erscheint als Reichsdienstmann häufig im Gefolge Kaiser
Friedrichs I. Seine Nachkommen gehören lange Zeit dem-
selben Stande an: 1271 zeugen in einer Urkunde Markgraf
Dietrichs von Landsberg die nobiles viri Otto von Arnshaug
(aus dem lobdeburgischen Hause) und Gebhard von Quer-
furt, dann die milites Botho von Eilen bürg, Ulrich von
Kolditz u. s. w. *). 1293 nennt eine Urkunde Friedrichs
des Freidigen den nobilis vir A. Burggraf von Leisnig und
die strenui viri Heinrich von Kolditz, H. von Trebezin
u. s. w. 5). 1295 werden die Burggrafen von Altenburg
und Meißen als nobiles terre den ministeriales imperii
H. von Kolditz und Genossen gegenübergestellt ^ ). Ganz
1) ÜB. Erfurt II, No. 252. Schon 1343 wird Friedrich von
Schönburg in einer raarkgräflichen Urkunde zu den edeln Herren
gerechnet (ÜB. Erfurt II, No. 228). Ebenso das Verzeichnis von 1347.
2) Vgl. H. G. Francken, N. Beitr. z. Gesch. d. sächs. Lande I
(1767), 8. 320 ff; Limmer, Das Pleißnerland (BibHoth. d. sächs.
Gesch. II) I, S. 598 ff.
3) Dobenecker II, No. 158. 4) ÜB. Erfurt I, No. 249.
5) Cod. dipl. Saxon. reg. II 1, No. 310.
6) ÜB. der Vögte von Weida I, No. 295.
32 Zur Eechtsgeschichte des thüringischen Adels.
vereinzelt steht ein Brief des Grafen von Brehna an den
nobilis vir dominus de Koldiz aus dem Jahre 1278^). Erst
mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts mehren sich die
Zeugnisse für die Zugehörigkeit zum Herrenstand. So nennt
eine Urkunde des Burggrafen von Meißen 1312 als Zeugen
den dominus H. senior de Coldiz und den strenuus miles
Bertold de Roschitz 2). In einer Urkunde des Burggrafen
von Leisnig 1333 erscheinen als Zeugen „der edle herr
herr Volrad von Kolditz, des Wolkenberg ist, herr Konrad
von Sachsendorf, herr Adolf von der Wieden" ^). Die
markgräfliche Kanzlei widerstrebt auch hier der An-
erkennung. Noch 1320 rechnet sie die Herren von Kolditz
zum niederen Adel : das beweist eine Urkunde Friedrichs I.,
die als Zeugen die viri nobiles Graf Heinrich von Schwarz-
burg, Burggraf Albrecht von Altenburg, Albrecht von Hacke-
born, ferner (itemque) Heinrich von Kolditz, Günther
von Salza, Tammo von Haldeck, Siegfried von Schönefeld,
Hermann Goldacker, milites, anführt*). Um die Mitte
des Jahrhunderts, seit 1340, wird der hohe Adel der Kolditzer
auch von dieser Seite nicht mehr bestritten ^). Die Herren
von Kolditz haben ihre Herrschaft 1404 an die Markgrafen
abgetreten, scheinen aber trotzdem bis zu ihrem Aussterben
(um das Jahr 1500) ihren Stand behauptet zu haben ,^).
An der nördlichen Grenze der alten Meißner Mark
liegt die Stadt Eilenburg, die den Herren, später (seit 1786)
Grafen, von Ilburg, Eilenburg oder Eulenbufg
ihren Namen gegeben hat '^). Auch sie sind dienstmännischer
Abkunft: Konrad von Eilenburg 1197 wird ausdrücklich
1) Cod. dipl. Saxon. reg. II 1, S. 188, No. 245.
2) Cod. dipl. Sax. reg. II, 1, S. 283.
3) Mencke, Scriptor. III, S. 1044. 4) Ebenda, S. 309.
5) Schöttgen und Kreysig, Diplom, et script. II, S. 399 (a. 1340).
Verzeichnis von 1347. Thur. sacra 149 (a. 1350). Cod. dipl. Sax.
reg. II, 15, S. 21, No. 27 (a. 1351); IB 1, S. 60, 79 (a. 1383, 1384).
6) 1436 schreibt König Siegmund „dem edeln Albrechten von
Kolditz (Hörn, Friedrich d. Streitbare S. 860).
7) Vgl. V. Mülverstedt, Diplomatarium Ileburgense, Bd. I.
Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels. 33
Is Ministerial genannt i), die Gebrüder Bodo I. und Otto,
-eit 1215, geben sich durch ihre Stellung in den Zeugen-
reihen ebenfalls als solche zu erkennen und gehörten
wahrscheinlich zur markgräflich - meißnischen Dienstmann-
chaft 2).
Wir finden aber später auch einen Teil des Geschlechts
im Dienste des Markgrafen von Brandenburg. 1292 be-
zeichnen die Markgrafen Otto und Konrad von Brandenburg
Otto von Buch, Otto von Eilenburg und mehrere andere als
ministeriales nostri 8). 1298 erscheint Otto von Eilenburg
in einer Urkunde desselben Fürsten am Schlüsse einer
:-anzen Reihe von milites^).
1305 zeugen in einer Urkunde Markgraf Ottos der
Graf von Lindow und der Herr von Heldrungen als nobiles;
es folgen Herr Friedrich und sein Sohn Friedrich von
Torgau, Herr Otto von Eilenburg, Herr Wibald von Forst
u. s. w. 5).
Aber schon seit 1296 finden sich auch Zeugnisse für
Jas Emporsteigen der Eulenburger zum Herrenstand. Eine
markgräfliche Urkunde dieses Jahres stellt den vir
nobilis Bodo von Yleburch vor eine Anzahl markgräf-
licher milites. ^).
Noch einmal, im Jahre 1332, wird Bodo von Eilen-
burg von Herzog Rudolf von Sachsen unter einer Anzahl
einfacher Ritter angeführt '), aber im ganzen ist jetzt der
Eintritt der Eilenburger in den Herrenstand eine vollzogene
Tatsache. Das bezeugen sowohl die brandenburgischen wie
die Meißner Urkunden: 1336 Markgraf Ludwig der Ältere.
Zeugen : Herr Johann von Buch, capitaneus generalis, Herr
1) Dobenecker II, No. 1036.
2) Dobenecker II, Register unter Eilenbiu-g.
3) Riedel, Cod. dipl. Brandenburg. A. VII, S. 396.
4) Ebenda, A. XIV, S. 177.
5) Ebenda, B.l, No. 226. 6) Ebenda, No. 492.
7) Ck)d. dipl. Sax. reg. II, 1, S. 334.
XXII.
34 Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels.
Otto von Eilenburg, n o b i 1 e s , Herr Guzzo von Guzzen-
berg . . . milites ^).
1337 Gleicher Aussteller; Zeugen: Herzog Rudolf
von Sachsen nee non nobilis dominus Otto de
Yleburg, Herr Johann von Buch, Herr Henning von Jagow
U. S. W. 2).
1344 Markgraf Friedrich der Ernsthafte stellt als
Bürgen „di ediln lute" Graf Heinrich von Honstein,
. . . Heinrich Vogt von Plauen, Heinrich Vogt von Weida,
Burggraf Otto von Leisnig, Bodo von Eilenburg und „die
gestrengen" Nickel von Ende u. s. w. ^). — Eine
andere hierher gehörige Urkunde desselben Fürsten von
1345 wurde schon bei den Herren von Schönburg ange-
führt 4)..
Endlich noch eine Urkunde Markgraf Ludwigs des
Römers von 1354: Zeugen sind der nobilis vir Otto
Wend dominus in Hburg, strenuique viri Petrus de Breidow
u. s. w. •'').
Die Herren von Eilenburg waren nicht im stände,
ihren Besitz zu behaupten: um 1395 veräußern sie ihre
Herrschaften Eilenburg und Liebenwerda an Sachsen, 1477
mußten sie auch die Herrschaft Sonnenwalde in der Nieder-
lausitz aufgeben. Ihren Freiherrnstand haben sie sich aber
trotzdem bewahrt.
Auch bei den zuletzt besprochenen Geschlechtern der
Vögte von Weida, der Herren von' Schönburg, Kolditz
und Eilenburg ist kaum eine förmliche Freilassung als
Rechtsgrund ihrer Standesänderung anzunehmen. Auch sie,
wie die thüringischen Dynasten , nennen sich schließlich
Herren, weil sie eine der Landeshoheit entzogene Herrschaft
besitzen. Bei den vier ersten Geschlechtern fällt die Standes-
1) Riedel, a. a. O. A. 11, S. 33.
2) Ebenda, A 6, S. 353.
3) ÜB. der Vögte von Weida I, No. 869.
4) S. o. S. 30.
5) Riedel, a. a. O. A. 5, No. 156.
Zur Kechtsgeschichte des thüringischeu Adels. 35
Verschiebung um das Jahr 1300, also in eine Zeit, da in den
\vettinischen Landen alles drunter und drüber ging, wo
h also für eine derartige Anmaßung eines höheren
indes gute Gelegenheit bieten mochte. Bei den Eilen-
irgern scheint der Übertritt sich etwas später vollzogen
haben, und zwar zuerst bei den brandenburgischen
Familienmitgliedern. Möglich, daß hier die märkischen
Wirren nach dem Tode des letzten Askaniers (1319) den
Anlaß gaben.
Nachtrag.
(Zu Seite 8.)
Die Bezeichnung „Dienstherren" für die Ministe-
rialen kommt auch in den wettinischen Ländern
>r. Ich finde sie in einer Urkunde Friedrichs des Freidigen
u 1311 (Scheidt, Von dem hohen und niederen Adel,
lantissa docum., No. 131b, S. 468). Der Markgraf stellt
lU Herren und 10 „dienstraan" als Bürgen; unter letzteren
den Vogt Heinrich Reuß , Günther von Salza , Hermann
von Spangenberg. Die Herren sollen 2 Ritter nach Erfurt
zum Einlager senden, die „Dienstherren" dagegen selbst
in Erfurt einreiten. Die Dienstmannen oder Dienstherren
heben sich hier sehr deutlich von den Herren einerseits
und den Rittern andererseits ab.
IL
Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser.
Von
Prof. Dr. Jordan in Mühlhausen.
Man war bisher gewohnt, die beiden in der Über-
schrift genannten Männer in gleicher Weise zu behandeln
und ihr Tun und Treiben gleichmäßig zu beurteilen oder
vielmehr zu verurteilen. Bei längerem Studium hat sich
mir aber mit steigender Sicherheit eine Verschiedenheit
ergeben, die, wie ich nicht bezweifle, noch stärker hervor-
treten wird, wenn es gelingen sollte, tieferen Einblick in
die Ereignisse zu gewinnen, die sich damals in Mühlhausen
i. Thür. und seiner Umgebung abspielten. Der Unterschied
beruht im tieferen Grunde auf der Charakterverschiedenheit
beider Männer, wie sie deutlich genug bei ihrer Hinrichtung
hervortritt; er klingt scharf hervor aus der schadenfrohen
Äußerung Münzers bei der Meldung von Pfeifers Gefangen-
nahme ^).
In anderer, hier allerdings einfach und wohlbegründeter
Weise zeigt sich dieser Unterschied auch in dem Streben
beider Männer, die Umgegend für ihre Pläne zu gewinnen.
Als früherer Mönch des Klosters Reifenstein hatte Pfeifer
engere Beziehungen zum Eichsfelde, zu dem jenes Kloster
1) Neue Mitteil. XXI, S. 204.
Pfeifers und Mönzers Zug in das Eichsfeld etc. 37
i^hörte, wie er es ja auch zunächst versucht hatte, sich
if dem Eichsfelde festzusetzen. Als er dann in seine
aterstadt Mühlhausen wich, begleiteten ihn 4 Männer aus
Worbis, auch wird er absichtlich die Pfarre zu S. Nicolai
liir sich gewonnen haben, da diese Vorstadt auf der dem
Eichsfelde zugekehrten Seite der Stadt Hegt, und ihm alsbald
Zuzug von dort zu Hilfe kam. Münzer dagegen war von Allstedt
kommen, von wo aus er die Fäden seines Bundes gesponnen
itte, es war also natürlich, daß es ihn mehr nach Osten
vjg, führte ihn doch auch sein Traum, der ihm anzeigte,
„er sollte nach Aufgang der Sonne ziehen" (Chronik 189),
schließlich dort seinem Verderben entgegen, während Pfeifer
in Mühlhausen blieb, vielleicht weil nun der Gegensatz
unter ihnen offen hervorgetreten war. Bereits Stephan
{Anzeige, S. 128) bemerkte: „Münzer ziehen seine Pläne
nach Osten, doch Pfeifer dringt in der Richtung nach dem
Eichsfelde durch."
Dennoch ist unter beiderseitiger Teilnahme i) ein ge-
meinsamer Zug nach dem Osten unternommen worden, der
ganz unerwarteter Weise dann plötzlich nach Westen ab-
schwenkte. Diesen zweiten Teil des Zuges genauer darzu-
stellen, soll hier auf Grund von Akten unternommen werden,
die mir in den Abschriften und Auszügen vorliegen, wie
sie Friedrich Stephan anfertigen ließ ^) ; sie gehören also
zu dem Aktenmaterial, das aus dem Nachlasse unseres
Archivars von seinem Neffen einst Zimmermann fyr die
zweite Auflage seiner Geschichte des großen Bauernkrieges
zur Verfügung gestellt wurde. Es ist bekannt, in welcher
Weise diese Akten dort benutzt sind ; Zimmermann nahm
f'ilig heraus — besonders aus der gedruckten „Anzeige" —
1) Georg Pfeifer sagte aus, „zu demselben Zuge; habe Münzer
und Pfeifer, sein Bruder, Kat und Tat gegeben" (Zur Gesch. d. Stadt
Mühlhausen I, S.25). Auch Strutinann (St. A. 47) sagt aus, Heinrich
Pfeifer habe sie geheißen auszuziehen.
2) Stephans Akten, No. 68. Ich zitiere die Blattzahl dieses
Aktenstückes.
38 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
was zu seinen Anschauungen paßte, ohne eine Nachprüfung
und weitere Verwertung des gebotenen zu unternehmen.
Dies nun wenigstens für diese Untersuchung nachzuholen,
soll hier versucht werden. Insgesanit aber soll dieselbe
erfolgen mit dem von vornherein ausgesprochenen Zwecke,
zu prüfen, inwieweit die Verwüstungen, die auf jenem Zuge
erfolgten, dem Rat und der Bürgerschaft der Stadt Mühl-
hausen zu Schuld geschrieben werden können. Bis in
unsere Zeit hinein war es ein etwas bequemes Verfahren^
alle Schuld „den Mühlhäusern" zuzuschieben; es wird sich
fragen, ob das überall mit Recht geschehen ist. In jenen
Akten liegen zum Teil Aussagen vor, die frei sind von dem
Verdachte, parteiisch für den Bauernkrieg zu sprechen,
wurden sie doch großenteils unter dem von den Fürsten
eingesetzten Rate aufgenommen, der nur aus Gegnern der
Bewegung bestand. Die Akten, deren Originale in unserem
Archiv vorliegen, sind K. 3, No. 4 Cantica canticorum
sampt etlichen urgichten ; K. 3, No. 13 Fragestühk vnd
Etlicher bekentnis Bey beyden Regierenden Burgermeistern
Sebastian Rodeman vnd Johan Wettich anno XXV ; K. 3,
No. 18 und 20: In Sachen Mühlhausen contra Mainz (der
Erzbischof verlangte Entschädigung für die Verwüstungen i).
Dazu kommen die Nachrichten unserer Chronik, gelegentlich
auch wohl das Verzeichnis „Disse dorffe sint auch vf der
Beschedigungk des Adels mit gewest" (Jordan, Zur Gesch.
d. St. Mühlhausen, Heft 2, S. 36—37).
Absichtlich verzichte ich bei dieser Untersuchung von
1) Diese letzten Akten stammen aus dem Jahre 1544, die Aus-
sagen unterliegen also dem Verdachte der Vergeßlichkeit, haben
aber den Vorzug, daß sie zu einer Zeit gemacht wurden, wo man
ihretwegen keine Strafe mehr zu befürchten hatte ; auch stimmen
sie oft genug so gut überein, daß sie sich gegenseitig stützen, sind
auch vielfach so lebhaft und anschaulich, daß man sie kaum für
ersonnen halten wird. — Kardinal Albrecht machte 1530 Ansprüche
an die Mühlhäuser, wegen des Schadens, den sie den Gotteshäusern
auf dem Eichsfelde getan hätten, auf 18 000 Fl. N, M. XIV, S. 423.
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 39
einem Berichte auszugehen, der sich in der „Histori Thome
Munzers" findet; freilich ist gerade diese Darstellung weit
verbreitet worden, da die Historie früher unter Melan-
chthons Namen ging und in Luthers Werken aufgenommen
wurde. Für die allgemeine Beurteilung dieser Schrift berufe
ich mich auf die Untersuchungen von Droysen ^) und
Falckenheiner *); dem dort festgestellten geringen Werte
dieser Quelle entspricht ganz die folgende, auf die hier zu
besprechenden Ereignisse sich beziehende Stelle: ,,Er
(Münzer) hatte einen Prediger bey jm, der hies Pfeiffer,
ein ausgelaufener Münch, seer gut zum spiel, frevel vnd
mutwillig, der wolt je den ersten angriff thun vnd gab für,
Er hette ein Gesicht gehabt, daraus er mercket, das Gott
in fodert, fortzufaren, Er hette einen träum gehabt, wie
er were in einem Stall gewesen vnd viel Meuse gesehen,
die hette er alle verjagt, Damit meint er hette jm Gott
angezeigt, er solte ausziehen vnd allen Adel vörjagen.
Vnd da Thomas aus furcht nicht wolt vergönnen nach zu
ziehen, ward er seer mit Thoma zwietrechtig, Drewet jm
hefftig, er wolt jn vertreiben, wo er jn nicht ziehen Hesse
vnd jm das volck abschreckt, Denn Thomas wolt den an-
griff nicht thun, er were denn starck gnug vnd nicht aus
der Stadt komen, es hetten sich denn vorhin die Bawren
allenthalb in der Nachbarschaft erreget. — Pfeiffer zog aus
ins Eisfeld, plündert Schlösser vnd Kirchen, verjagt vnd
fieng die Edlen, kam heim, bracht viel Raubs. Da ward
der gemein Pöbel beissig, dieweil es gelückt hette."
Diese Erzählung ist nach meiner Auffassung und
Kenntnis der Dinge ohne geschichtlichen Wert. Wie
wenig der Verfasser der Schrift von der inneren Geschichte
Mühlhausens wußte, ergibt sich schon daraus, daß er Münzers
erste Anwesenheit in der Stadt gar nicht kennt und diese
Unkenntnis hinter dem Satze birgt, „er machte sich davon
1) Zeitschrift für preußische Geschichte X, S. 594.
2) Philipp der Großmütige im Bauernkriege, 8. 65.
40 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
vnd verborg sich ein halbes Jahr", auch verdanken wir
ihm den Irrtum, der sich dann weit verbreitete, „da haben
die Johanniter einen Hof gehabt", A^^ährend es doch die
alte Komturei des deutschen Ordens war, in der Münzer
als Pfarrer an der Marienkirche Wohnung nahm. Nicht
Pfeifer war es, der leidenschaftlich hinausdrängte, sondern
Münzer; nicht Pfeifer war der Träumer, sondern Münzer,
der es in Zwickau von Nikolaus Storch gelernt hatte, an
Träume zu glauben, bis ihn sein letzter Traum gen Pranken-
hausen führte. Wer seine Briefe kennt oder auch nur eine
seiner Schriften gelesen hat, wird es schwerlich glauben,
daß er je eine zurückhaltende Mäßigung vertreten hat. Edle
vom Eichsfelde, die gefangen wären, finde ich nirgends er-
wähnt, und auf die Plünderung der Schlösser und Klöster
geht unsere ganze Untersuchung hinaus. Ich hoffe, zu einem
anderen Schluß zu kommen.
Ich stelle zunächst zusammen, was unsere Chronik
bietet, aus deren Angaben sich folgende nach Tagen ge-
ordnete Übersicht der einleitenden Ereignisse ergibt:
Mittwoch, April 26. Musterung, Zug nach Langensalza
(Homburg).
Donnerstag, April 27. Nach Goermar, Lager auf S. Nicolaus
Kirchhof.
Freitag, April 28. Nach Schlotheim, Kloster geplündert,
Haus des R. v. Hopfgarten. Volken-
roda^). Lager bei Goermar. Eichs-
felder treffen ein mit 8 — 9 Wagen
Beute.
Sonnabend, April 29. Nach Ebeleben ; Schloß geplündert,
Nonnenkloster in Sussra, Schloß
Almenhauseu. (Freienbessingen),
1) Nach einem 8chreil)en des Abtes an Herzog Georg ist
Volkenroda ,, Donnerstag nach Quasimodogeniti" überfallen. Nebel-
sieck in N. M. XXI, S. 202. Keil, Aus Volkenrodas Vergangenheit
in No. 31 ,,Aus alter Zeit", Beiblatt zum Mühlh. Anzeiger. Münzer
war am 27. in Volkenroda. Forschungen XIV, S. 535.
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 41
Sonntag, April 30. Zug der Mühlhäuser nach Seebach ^).
Beratung des Haufens vor Ebeleben ;
Münzer rät, auf Heldrungen zu ziehen.
Botschaft der Eichsfelder (Zug über
Nieder-Orschel, Beuren auf Heiligen-
stadt.)
Schon vor dem Zuge nach Langensalza berichtet unsere
Chronik (S. 187): „In dieser Woche sind zwei von der
tStruth, Hans Hesse und Michael N., samt andern mehr zu
Mühlhausen auf den Markt gekommen, haben zwei Faß
voll Geräte und fünf Glocken daselbst verkauft, und als
sie des Kaufgeldes streitig werden, wird ein großer Tumult
darüber." Diese Nachricht wird bestätigt in den Akten
iS. 186) : „Hans Hesse und den artikulierten Michel — auch
hier fehlt der Name! — habe er wohl gekannt und ge-
sehen, daß sie etliche Glocken vom Eichsfelde in Mühl-
hausen geführt, dieselben zerschlagen und den Bürgern
verkauft, darnach sich d erhalben untereinander erwürgen
wollen". Ferner sagt ein Zeuge aus (S. 179), er sei ein-
mal mit seinem Junker gen Mühlhausen gekommen, hätte
er gesehen, daß eine Glocke unter dem Rathaus gestanden,
hätte der Propst „zur Zelle" (Kloster Zella) zu ihm gesagt:
Siehe, das ist unsere Glocke. Hans Hesse zur Struth findet
sich in Pfeifers Bund (Heft 2, Zur. Gesch. d. St. Mühl-
hausen, S. 35); bei seiner Vernehmung (St. A. 104 — 105)
leugnet er jede Teilnahme an Plünderungen, will vielmehr
die „frommen" Bürger in Mühlhausen gewarnt haben (Be-
zeichnung der Partei des alten Rates).
Freitag, den 28. April, zog der Haufe nach Schlot-
heim; mit dem Raub beladen lagerte er bei Görmar.
„Als sie daselbst", berichtet unsei'e Chronik, S. 187, „die
Beute austeilen wollten, sind die Eichsfelder sehr stark ^),
1) Förstemann, Neues Urk.-Buch No. 277.
2) Hans von Göttingen ist mit den 600 Knechten aus Hessen (!)
nach Görmar gezogen (St.A. 68, 36). Zeuge S. 156 berichtet,
als die Mühlhäusischen zu Felde gezogen, sei ein Haufe Eichsfelder,
42 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
auch mit acht oder neun Wagen gekommen, darauf gewesen
Speck, Glocken, Hausrat und Geschmeide und haben an-
gezeigt, daß sie solches auf dem Eichsfelde aus den Klöstern
genommen. Des hat sie der Münzer empfangen und als
christliche Brüder gelobt und zu seinen Brüdern ange-
nommen, und ist er so bald auf ein Pferd gesessen und
hat im Felde eine Predigt gethan und nach der Predigt
den Raub gleich unter die Mühlhäusischen und Eichsfeldi-
schen Buben geteilet. Bei diesem Haufen und Zuge sind
wenig Bürger und kein Ratsherr von Mühlhausen gewesen,
allein einer, Jobst Homberg genannt i), der zuvor des Raths
Ausreiter gewesen, hat auf einem Motzen (Wallach) vor
dem Haufen her geritten und sich einen Hauptmann schelten
lassen. , Das andere ist allerlei zusammengelaufen Volk ge-
wesen, welches dem Pfeifer und Münzer gefolget und
auch zum großen Teil in der Stadt bei ihnen gewesen ist."
„Sonnabend früh (29, April) sind Pfeifer und Münzer
mit ihrem Volk, auch der Eisfeldische Haufe, der mit einem
gelben und grünen Fähnlein (darin ein Pflug gestanden,
sagt Zeuge S. 153) zu ihnen auf dem Rieth zu Goermar
gekommen, nach Ebeleben gezogen, haben daselbst das
Schloß geplündert, zerrissen, zerschlagen, was sie konnten,
den Wein ausgesoffen, das Korn auf dem Felde aus den
Garben gelangt, die Teiche gefischt, auch zu Sustra (Mark-
sussra) die Nonnen gestürmt, geplündert, item das Schloß
Almenhausen und andere, schickten den Raub gen Miihl-
hausen in die Nieder Pfarre (zu S. Blasien), viel Wagen
voll große Haufen. Da hat der neue Rath (der ewige) die
Bürger gezwungen, dem Haufen Bier und Proviant nach-
zuführen, wohin sie zogen. Als nun der Haufe von Ebe-
leben wieder hat auf sein wollen, haben sie Gemeine ge-
auf 3—400 ungefähr, mit einem Fähnlein unter dem Risingberge
nahe bei der Stadt gelegen, wie er gesehen habe.
1) Er muß sehr großen Eindruck gemacht haben, da auffallend
oft gerade er in den Akten erwähnt wird.
und die Verwüstung der Klöster und öchlösser. 43
halten, und hat Münzer im Ringe angezeigt, daß sie nach
Heldrungen ins Mansfeldische Land ziehen wollten."
Gegen den Grafen Ernst von Mansfeld hegte Münzer
den bekannten, unaufgeklärten Groll, doch sollte aus diesem
Zuge nichts werden, der dem Haufen wohl die Mansfelder
Knappschaft zuführen sollte, die als wohlgeübt in den
Waffen galt. Dringende Bitte lenkte den Zug nach
anderer Richtung; sie kam zunächst von Nordhausen.
Förstemann (Kl. Sehr. 86) berichtet darüber: „In der Ober-
stadt verbanden sich einige Bürger, die um geringer Sachen
willen einen persönlichen Groll gegen den Rat hatten.
Diese, Hans Sander und dessen Stiefbruder Berthold Helms-
dorf, Hans Kehner ^) und andere beratschlagten in einem
Hause vor dem Dome und entwarfen einen Brief an die
Häupter des Aufstandes zu Mühlhausen, sie möchten nach
Nordhausen kommen und hier auch ein „ewiges Regiment*
anrichten ; damit sendeten sie einen ihrer Verbündeten nach
Mühlhausen. Auch ritten die Häupter dieser Verbündeten
zu der mühlhäusischen Rotte, als diese bei Ebeleben lag.
Da sagte Pfannenschmied 2), welchen sie dringend baten,
das auszuführen, sobald es sich schicken wollte, würden sie
kommen und „den Brief und die Artikel" mitbringen S),
und wer sich nicht wohl verantworten könnte, den wollten
sie absetzen und einen ewigen Rat machen. Schleunig sah
sich der Rat in Nordhausen nach Hilfe um, doch Herzog
Johann von Sachsen, an den er sich deshalb wandte (Lesser,
Nordh., S. 562), antwortete Mittwoch post Misericordias D.
(3. Mai), „Nordhausen sei so gut befriedet und habe eine so
1) Alle 3 finden sich im Verzeichnis. Zur Gesch. d. St. M.,
Heft 2, S. 36.
2) „Ohne Zweifel einer der Anführer", Förstemann. Ein Klaus
Pfannenschmidt findet sich in Pfeifers Bund (Zur Gesch. d. St. M. 2,
S. 33).
3) Darunter möchte ich die 12 Artikel verstehen, wenn nicht
etwa die 11 Mühlhäuser Artikel gemeint sind (Förstemann, Neues
Urk.-Buch, S. 254. Zur Gesch. d. St. Mühlh. 1, 26).
44 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
stattliche Sammlung, daß man' sich vor diesen Leuten
wenigstens eine Zeit lang werde aushalten können. Der
Rat möge darauf denken, er mit seinem Vater wollte als
Landes- und Schutzfürst thun, was zur Abwendung der
Beschwerung dienen könne." Auch Zeuge S. 176 erzählt,
der Haufe habe von Ebeleben nach Nordhausen ziehen
wollen.
Die Sorge der Nordhäuser sollte unbegründet bleiben,
denn eine weitere Bitte um Hilfe rief den Haufen alsbald
nach einer ganz anderen Gegend. „Da sind etliche Eichs-
felder, Hans Gehäusen, Hans Stein, Hans Kirchworbis und
andere mehr hervorgetreten und haben um Gotteswillen
gebeten, man wolle mit ihnen aufs Eichsfeld ziehen und sie
zuvor von der bösen Obrigkeit erretten, denn die Edelleute
wären schon in Dingelstedt gefallen und wollten alle armen
Leute ermorden, wie sie ihnen allbereit viel zu Leide ge-
than hätten, darum wollte man ihnen zu Hülfe kommen und
sie rächen." (Chronik 188.)
Veranlaßt wurde dieser Hilferuf durch das Vorgehen
der Adligen, die sich, als die Bewegung das Eichsfeld er-
griff, auf Schloß Rusteberg, die alte mainzische Burg,
geflüchtet hatten und nun in dieser Weise auf die Ver-
wüstung ihrer Besitzungen antworteten. S. 134 soll gefragt
werden, „ob der Zeuge nicht weiß oder gehört hat, nach-
dem die Geistlichen und vom Adel solcherweise beschädigt,
daß sie durch den gemeinen Amtmann des Eichsfeldes auf
einen eilenden Landtag an gewöhnliche Malstatt gefordert
und daselbst geratschlagt sei, wie und was Gestalt sie dem
bösen, tyrannischen Vornehmen und Aufruhr derer von
Mühlhausen begegnen, auch sich, ihre Weiber, Kinder,
Haus und Güter dazu dem Erzbischof das Land . erretten
könnten von den von Mühlhausen. Item, daß der gemeine
Adel und Geistlichkeit sich deshalb zusammen auf das
Haus Rustenberg getan in Mut und Willen, dem auf-
rührerischen Haufen zu begegnen und sie aus dem Lande zu
schlagen". Die Adligen gingen später auch angriffsweise
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 45
vor; ein Zeuge berichtet (St. A. 188): Als der Haufe vor
Heiligenstadt gelegen und viele vom Adel des Eichsfeldes
auf Rustenberg gelegen, hätten seine Junker, denen ihre
Schäden und Verjagen wehe getan, dabei er, Zeuge, in
Dienst gewesen, sich gerüstet und reisige Leute, der
Bauernschaft Abbruch zu tun angefangen, und was sie
derselben abbrechen mögen, gewürgt und erstochen, dabei
er Zeuge gewesen. S. 190 sagt Hans Grebingk von Beber-
stedt dasselbe aus.
Wie es scheint, wurde es Münzer nicht leicht, auf den
geplanten Zug nach Heldrungen zu verzichten. Es be-
durfte der dringendsten Bitte der Eichsfelder, ja eines
Kniefalles. So berichtet ein Zeuge (St. A. 68, 145), er
habe die Zeit von seinem Junker Seifart von Bolzingsleben
hören sagen, daß die artikulierten Personen vor Pfeifer und
Münzer in ihre Knie gefallen seien und gebeten haben sollen.
Dagegen erhebt ein wichtiger Zeuge folgende Einsprache
('S. 151): „Hans Gobelen, Hans Stein, die beide im Artikel
genannt, habe er gekannt, desgleichen werde er, Zeuge,
mit diesen zweien im Artikel angezogen, daß sie und er,
Zeuge, sollen vor den Prädikanten auf ihre Knie gefallen
sein und von wegen der Eichsfelder um Gottes willen ge-
beten haben, mit ihrem Haufen auf das Eichsfeld zu
kommen. Darauf sagt er bei geschworenem Eide, daß er
solches nie in seinen Sinn genommen, auch nicht getan oder
tun geholfen habe, sollte sich auch zu ewigen Tagen nicht
erfinden, wisse auch nicht, ob es die zwei Hans GoTael oder
Hans Stein getan haben sollen." Der Unterschied beider
Aussagen wird durch einen dritten Zeugen vermittelt
S. 158): „Es seien etliche vom Eichsfelde zum Haufen gen
Ebeleben gekommen, Hans Gebelhausen, Hans Stein von
Stadtworbis, so der dreien einer gewesen, so vormals mit
dem Pfeifer gen Mühlhausen gekommen (Zur Gesch. der
St. Mühlhausen, Heft 1, S. 6 und 48), und andere mehr; hätte
Gebelhausen das Wort gehalten und wäre allein auf die
Knie gefallen und hätte Pfeifer und Münzer gebeten, um
46 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Gottes willen auf das Eichsfeld zu ziehen, sie zu erretten,
denn die Edelleute nähmen alle das Ihre. Also hätten die-
selben Eichsfelder einen besonderen Haufen (gebildet), die
ein Fähnlein grün und gelb dabei gehabt, das hätte einer, ge-
nannt Hans Kaiser (Heft 2, 35), getragen, welcher Haufe viel
gröiJer und stärker gewesen, denn der Mühlhäusische und
thüringische Haufe. Darauf wären Pfeifer und Allstedter
auf das Eichsfeld gezogen; er habe alles selbst gesehen
und dabei gestanden." — Die Zahl der Eichsfelder, die nach
Ebeleben gekommen, gibt ein Zeuge (S. 160b) auf 6 — 700
an; auch er hat dabei gestanden, als etliche von ihnen „in
den Kreis getreten, hat gehört, daß dieselben Alstedter,
Pfeifer samt den Oberen gebeten, geflehet und zuletzt ge-
drohet." Diese Aussage ist wichtig durch die Erwähnung
der Oberen ; es gab also neben Pfeifer und Münzer noch
andere Führer des Zuges; wer waren die? Schwerlich allein
der oft genannte Jost Homberg, den Zeuge S. 149 „als einen
Hauptmann hat vorreiten sehen".
Ein weiterer Zeuge (165b) nennt als die Eichsfelder,
die nach Ebeleben kamen und kniefällig um Hilfe baten
Hans Gebelhausen, Hans Stein, Hans Kirchworbis, Augustin
Konemunt, Reusse von Gernrode u, a. m. Gebelhausen
wird auch S. 166 genannt, Gebelhausen, Stein und Kune-
mundt S. 174b. Ein Zeuge (S. 180) nennt neben dem
immer wiederkehrenden Gebelhausen Paul Wollhaupt, Hans
Hebestreit und Kolruß, „diese vier, die er wohl kenne, habe
er gesehen, daß sie zu dem Haufen gen Ebeleben gekommen
und vor den Prädikanten auf die Kniee gefallen und ge-
beten". Paul Wollhaupt von Helmsdorf nennt auch Zeuge
S. 181. Eine neue Tatsache ergibt die Aussage S. 182 b,
die Eichsfelder hätten 3 Briefe geschickt, wären selbst ge-
kommen und hätten die Prädikanten gebeten; sie wird be-
stätigt durch die sehr wichtigen Angaben des Zeugen
S. 184 — 185 : „Als er derselben Zeit zu Hofferstedt (Hüp-
stedt) in seinem Hause morgens noch geschlafen, wären
2 Bauern zu ihm gekommen, der eine wäre „von pewrn"
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 47
Bauern) Hans Heie (Hein?), der andere von Birkungen,
Hans Hunolt genannt, gewesen, die hätten ihn gebeten,
;;iß er also wohl tun wollte und von wegen der im Gericht
Scharfenstein und Reifenstein, so beieinander sich in der
Xacht versammelt, zu dem Haufen zu Ebeleben gelegen
zu kommen, um heimlich zu erfahren und zu sehen , wo
doch derselbe Haufen hinziehen wollte. Also wäre er
dahin geritten und zu dem Haufen zu Ebeleben gekommen,
um heimlich zu erfahren, wo doch derselbe Haufe hin-
ziehen wollte. Also wäre er dahin geritten und hätte sein
Pferd an einen Wagen daselbst gebunden, auf dem Wagen
gelegen, sich nichts angenommen und sehen und hören
wollen, wo doch der Haufe hinaus wollte. Wäre einer,
genannt Hans Pfeil, zu ihm gekommen, der auch beim
Haufen gewesen, und habe gesagt, was er da täte; hätte
r ihm geantwortet, er solle ihm zuvor sagen, warum er
da wäre, hätte er ihm gesagt, die Edelleute vom Rüsten-
berg hätten ihn dahin geschickt, zu sehen, wo dieser
Haufen hinaus wollte. Hätte er, Zeuge, ihm auch gesagt,
80 wäre er von denen im Gerichte Scharfenstein und
Reifenstein wegen da, so sich zusammengetan und ihn
hergeschickt, zu erfahren, wo sie hin wollten. Hätte der
Hans Pfeil ihm gesagt, sie wären schon im Haufen und
hätten Augustin Konemunt und noch zween Briefe ge-
bracht, die lese man jetzt, daß sie aufs Eichsfeld zu ihnen
ziehen sollten." — Der Haufe lag damals zwischen Ebe-
leben und Schernberg (S. 185b).
Über den Erfolg den diese dringende Bitte der Eichs-
felder um Hilfe hatte, die also schriftlich und mündlich
kam, berichtet Zeuge (S. 176b): „Als der Haufe vor Ebe-
leben gelegen und nach Nordhausen habe ziehen wollen,
wären 4 auf Pferden geritten vor die Obersten, Prädikanten
und andere, hetten sie gebeten, daß sie ihnen auf dem
Eichsfelde zu Hilfe kämen, denn die Edelleute wollten
ihnen Weib und Kind erstechen. Darauf Pfeifer geredet
3 tauge nicht, daß man sie verderben ließe, darauf die
48 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Oberen gesagt, was sie auf dem Eichsfelde suchen sollten,
sie hätten nicht Geschütz, daß sie vor derselben Schlössern
bestehen möchten. Sagte der Pfeifer :\En (on, ohne, aus-
genommen) Rustenberg, so wollte er die. anderen Schlösser
alle mit weichen Käsen umschießen. Also wäre der Haufe
aufs Eichsfeld gezogen. Zeuge S. 176b berichtet, „Pfeifer
hätte den ganzen Haufen zusammenberufen. Gemeine ge-
halten und öffentlich geredet : Ihr lieben christlichen Brüder,
es sind da Leute vom Eichsfeld kommen, zeigen an, daß
man ihnen um Gottes willen zu Hilfe komme, dieweil je
billig, daß ein Bruder dem andern helfen soll und nicht
verlassen. Da sprach der ganze Haufe, ja, es wäre billig,
daß ein christlicher Bruder dem andern zu Hilfe käme, und
wären also aufs Eichsfeld gezogen". — Eine weitere
Äußerung Pfeifers erwähnt ein Zeuge S. 179: „Als der
Haufe gen Ebelebon gekommen, habe er der Zeit hören
sagen, Pfeifer hätte beim Haufen ausgerufen, man wäre
willens, aufs Eichsfeld zu ziehen, die Klöster Reifenstein
und Beuren, die Hurenhäuser, zu vertreiben; da soll der
ganze Haufe „Ja" geschrieen haben und wäre also aufs
Eichsfeld gezogen". Zeuge S. 177 stimmt damit überein,
gibt aber an, der weitere Zug hätte auf Heldrungen ge-
richtet sein sollen, wie es ja Münzers Absicht gewesen
war, läßt den Allstedter den Haufen im Ring versammeln,
aber doch wieder Pfeifer jene bezeichnende Äußerung tun,
die in merkwürdiger Weise zu Münzers großsprecherischen
Worten paßt (vgl. Heft 1, S. 44), Auch S. 181b berichtet
ein Zeuge, „Pfeifer habe im Haufen ausgerufen, sie hätten
Willen, vor Heldrungen zu ziehen, aber dieweil die
vom Eichsfelde also bedrängt, sollte man ihnen zu Hilfe
kommen".
Diese Gesandtschaft der Eichsfelder hatte schon ein
kleines Vorspiel gehabt, wie wir ebenfalls durch Zeugen-
aussagen erfahren. S. 166b: „Als. die auf dem Eichsfelde
hören sagen, daß ein Haufe in Thüringen gelegen, haben
sich die Eichsfeldischen Bauern auch gesammelt und bei
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 49
loppenstedt (Hüpstedt) gelegen; haben sie zu ihren Herrn
id Obrigkeit geschickt, ob sie trauten, sie vor dem
1 iiringischen Haufen zu verteidigen. Da nun dieselben
• rnommen, daß ihre Herrschaft und die Edelleute geflohen
A\i den Rusteberg), sei der Zeit unter demselben Haufen
■redet, daß man sollt zu dem thüringischen Haufen
iiicken vor Ebeleben, sie vor ihrer Obrigkeit zu ver-
tidigen." Auch hier erscheint Hans Gebelhausen als
Führer. — Zeuge S. 163b berichtet: „Hans Gebelhausen,
ins Hebestreit und sonst noch einer — hätte eine
hramme über der Backe — wären zu ihm gen Urbach^)
_ekommen und hätten zu ihm gesagt, er sollte Sturm
leinten, denn die vom Adel erwürgten auf dem Eichsfeld
Weib und Kind, und ihnen zu Hilfe kommen. Darauf er
ihm geantwortet, er hätte keinen Befehl ; sie sollten zum
Haufen zu Ebeleben ziehen, sie könnten ihnen nicht helfen.
Darauf sie zum Haufen geritten." Das bestätigt Zeuge
Ö. 171: „Hans Gebelhausen und Hansen Reußen habe er
gesehen sammt etlichen mehr, die er nicht gekannt, daß sie
zum Haufen nach Ebeleben wollten reiten." S. 171b er-
fahren wir dann, „Reusse und Gebelhausen seien unehelich
gewesen und Pfaffenkinder". Daß die Gesandten der Eichs-
felder Bauern zu Pferde vor Ebeleben eintrafen, bestätigt
Zeuge S. 176: „Wären 4 auf Pferden geritten gekommen
vor die Obersten, Prädikanten, und andere, hätten sie ge-
beten, daß sie ihnen auf dem Eichsfeld zu Hilfe kämen."
Dieser Angriif der Adligen war aber erst als Antwort
auf die Verwüstungen der Bauern erfolgt: S. 163b wird be-
richtet : „er und sein Anhang und der Schlösser und Klöster
Untertanen hätten die Schlösser und Klöster geplündert und
verbrannt, darum wollten die vom Adel sie alle erwürgen,
darum sie Hilfe suchen müßten." Dieses erste, selbständige
Vorgehen der eichsfeldischen Bauern ergibt sich aus der Er-
1) Urbach liegt auf schwarzburgischem Gebiete, auf halbem
Wege nach Ebeleben.
XXII. 4
50 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Zählung der Chronik (vgl. oben S. 41), die durch Äußerungen
von Zeugen Ergänzung findet. So wird S. 177b berichtet, es
sei einer gewesen zu Diedorf, Hans Thomas genannt, unter
dem Gericht zu Bischofsstein, der habe Briefe hin und wieder
gesandt, daß die Bauern im selben Gerichte auf sein
sollten; das wäre geschehen; wiewohl es auf dem Eichs-
felde durch die Amtleute und den Adel verboten bei Leib
und Gut, nicht zu dem aufrührerischen Haufen zu ziehen,
so wären sie doch mit solchem seinem Haufen zu dem
Mühlhäusischen Haufen der Zeit ausgezogen und zu Görmar
gelegen (vgl. oben S. 42), und seien die beiden Haufen
ein Haufe geworden und gleich darauf gen Ebeleben ge-
zogen. Auch Zeuge S. 178 ist mit dem Haufen von Die-
dorf nach Görmar gezogen. Das erwähnte Verbot des
Adels bestätigt Zeuge S. 179 : „Seines Wissens sei noch
keine Versammlung auf dem Eichsfelde gewesen, denn sein
Junker^ Werner von Herstall, habe den Seinen geboten,
diesem aufrührerischen Haufen, so schon zu Mühlhausen
ausgezogen, bei Leib und Gut nicht zuzuziehen."
Derselbe Zeuge macht folgende wichtige Angabe: „Er
habe nie gehört der Zeit, daß ein Aufruhr oder eine Ver-
sammlung auf dem Eichsfelde gewesen, bis daß die
Prädikanten zu Mühlhausen geschrieben, ihnen samt ihrem
Anhange zuzuziehen — (doch wohl die Briefe, die Hans
Thomas aus Diedorf umhertrug) — und seien die Prädikanten
zuvor ausgezogen sammt ihrem Anhange allenthalben; dem-
nach sei erst der eichsfeldische Haufe zu jenem gen Görmar
gekommen." — Die erwähnten Briefe bestätigt Zeuge
S. 171b: „wisse auch von keinem Verbot, daß man sich der
Prädikanten enthalten solle" (vgl. aber das Verbot Werners
von Herstall); „es hätte aber der| Allstedter in alle
Dörfer daselbst herum geschrieben, daß ein jedes Dorf seine
Anzahl gerüsteter schicke bei Kopfabhauen ; also wären
15 Mann zu Orsla (Nieder-Orschel) zum Haufen zu ziehen
gewählt, deren er einer gewesen und also ausgezogen;
wären noch 15 aus Orsla willig mitgezogen. Also hätten
und die VCTwüstung der £lIÖ8ter und Schlösser. 51
andere Dörfer auf dem Eichsfelde auch getan." Ich erinnere
an die von mir abgelehnte Erzählung der Historie (vgl.
oben S. 39) ; nirgends wird aber hier ein persönliches Ein-
greifen Pfeifers erwähnt, nur Briefe der Prädikanten. Auch
Förstemann (Kl. Sehr., S. 79) berichtet: „Hier (in Görmar)
vereinigte sich mit Münzers Schar die eichsfeldische Rotte
Pfeifers, welche indessen die Klöster Anrode und Zelle und
die Edelhöfe Diedorf und Katharinenburg geplündert hatte" ;
ein Beweis, daß Pfeifer bei diesen Plünderungen gewesen,
ist nirgends geliefert, vielmehr kann er nach unserer Chronik
gar nicht dabei gewesen sein.
Über die Plünderung des Klosters Anrode fand ich in
Akten i) des Dresdener Staatsarchivs folgendes Schreiben, das
leider wenig Aufklärung bietet: „Wir Elizabeth Luchtewalt
eptisten, Appolonia Ödester priorin, Arndt luckhart probst
sampt ganczen convent gemelts closter beclagen uns, das wir
von der negstenn Vorgängen auffrur szo aus Molhaußen gescheen
und durch ihr gewaltige handlunge unser closter kirchenn
und alle eyngebew geplündert unnd folgens abgebrannt
auch cleynoth unnd hausrath hynweg genomen vnnd darzu
ein gute anczahl kom, gerstenn hafern malcz byr — speck
sampt anter proviant' entfromt, welchen obangezeigten
schaden auffs geringst achten auff dritt halb tausend gülden,
do mit obgemelt closter inn vorigen standt unnd weßen
nicht zcu bringen vermögen." An dieser Zerstörung waren
die Bauern von Bickenriede beteiligt. (Knieb, Geschichte der
Reformation und Gegen-Reformation auf dem Eichsfelde S. 25,
nach dem Kopialbuch von Anrode.) Entsprechend lautet die
Beschwerde des Klosters Zella : „Wir Barbara Jocuffin priorin
unnd Joeoff Hencz probst des stiffts zcune Zcelle. Wir
beclagen unns das wir inn der mutwilligen emporunge
durch die von Molhaußen und yhr angeben unser
1) 9135 No. 127: Was die von Mühlhausen sammt ihren An-
hängern in der aufrührerischen Empörung den Stiften und Klöstern
u. s. w. vor Schaden gethan haben. 1525. S. 9. u. f. Beschedigungen
der closter des Eysfeldes.
4*
52 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
closter unnd gotz haus gestyrmpt unnd geplündert auch
alle ceremonni und cleynoth der kirchen unnd sunst allen
hauszrath geweltiglich hynweg genomsn unnd vorterblich
gemacht sampt kuwe schweine unnd schaffe darunder ent-
frombt auch zwene teych abgestochen unnd gefischt sampt
andre vorderblichenn schedenn zugefügt, die in der eyle
nicht zue zelen, welchen beschedigung unsers closters wir
auff das geringste auff vyr hundert gülden achten, do mit
wir obangezeigt closter nit widder in forigen baw und
vorroth unnd stand zcu bringe vermögen. Auch haben
wir eine freyge schafftrifft im flur und dorff zcu Pelchte,
welche uns die von Molhaußen in dieser geweltiglichen
emporung abgedrunge und underslangenn habenn." Leider
enthalten diese Schreiben kaum mehr als ein vor-
läufig — doch wohl bei Herzog Georg — eingereichtes
Protokoll und angemeldete Klagforderung. Inwieweit solche
Beschädigungen wirklich die Bürger der Stadt Mühlhausen
treffen, werde ich im Laufe dieser Untersuchung noch
weiter erörtern.
Nach den Klagen, die später gegen sie erhoben wurden,
erhielt der Haufe vor Ebeleben Unterstützung durch adlige
Herren. N. M. 14, 527 heißt es, „Heinrich von Schwarz-
burg habe seinen Sohn Günther zum Haufen gen Franken-
hausen lassen reiten, ist förder gen Ebeleben gezogen und
hat sich daselbst dem Münzer auch mit Pflichten verwandt
gemacht, hat ihm Knechte und Pferde zugesichert aufs
Eichsfeld zu ziehen." Auch Ernst von Honstein ist zu
Münzer vor Ebeleben geritten.
Von Ebeleben wandte sich der Zug nun weiter;
„da sind sie auf Keula und folgends nach Orsla (Nieder-
Orschel) gezogen", berichtet die Chronik, „da sind die Altesten
aus Orsla gekommen und haben sie zu Gaste gebeten, denn
sie hatten den Edelleuten und den Klöstern alle Teiche
abgestochen, die Braupfannen genommen und dieselben voll
Fische gesotten, daß jedermann Fische genug kriegte." Nach
Orsla war der Haufe ausdrücklich berufen, wie Zeuge
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 53
-. 164b zu erzählen weiß: „Als er zu Ebeleben bei dem
I laufen gewesen, seien auch 7 oder 8 Personen aus dem
Eichsfeld, die er nicht gekannt, zu dem Haufen daselbst zu
: 'Feifer und Münzer gekommen und hätten gebeten aufs Eichs-
i'ld zu ziehen und gen Orsla, wo der Eichsfelder Haufe läge,
u kommen, da wäre für sie gekocht, wollten ihnen Essen
md Trinken geben ; darauf der Haufe zu dem eichsfeldischen
laufen, so vor Orsla gelegen, gezogen." Die Nachricht
-eines Kommens zog ihm voraus; Zeuge S. 171b berichtet:
„Über 2 Tage danach seien Gebehausen und Reuse wieder
zu ihnen vor das Dorf Orsla geritten und hätten zu ihnen
und allen Nachbarn zu Orsla gesagt : Freut euch, wir haben
den Haufen zu Ebeleben angesprochen, die wollen kommen
und uns frei machen." „Von Orsla aus (berichtet die Chronik)
schrieben Münzer und Pfeiffer in Heiligenstadt, man sollte
ihnen aller Pfaffen und Edelleute, die sie Baals und Nimrods
Geschlecht nannten, Güter aus der Stadt geben. Des schickte
der Rat vier Personen zu ihnen, die um Bedenkzeit baten, aber
sie konnten keine erlangen, sondern sie zogen mit dem Haufen
vor die Stadt." Unsere Akten bieten dazu mancherlei Er-
gänzung. Am genauesten berichtet der Zeuge S. 149b — 150
(Iring) : „Die Prädikanten Pfeifer und Allstedter samt
ihrem Anhange hätten dem Rat zu Heiligenstadt geschrieben,
daß die von Heiligenstadt ihnen, den christlichen Brüdern,
300 Bürger, aufs geschickteste gewaffnet, mit ihrem besten
Geschütz 1) schicken und zuziehen wollten, darauf ein Rat
sich bedacht und ihn, Zeugen (Iring), Hansen Oppermann,
Hansen Tieffenhart und Hansen Schierbach verordnet, zu
dem Haufen, so der Zeit vor Orsla gelegen, zu reiten, das
sie gethan und dieselbe Schrift mit ihnen genommen, alles
mit Befehl, mit dem aufrührerischen Haufen zu handeln und
zu bitten, denen von Heiligenstadt 4 Wochen ein Bedenken
auf ihr Begehren zu lassen. Als sie solches Gewerbe (vor-
gebracht) und im Haufen umringt (wären), hätten die Auf-
1) Vgl. oben S. 48 Pfeifers Äußerung über Rusteberg.
54 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
rührerischen denen von Heiligenstadt keine Zeit geben
wollen, sondern begehrt, der Geistlichen und Edelleute Güter
daselbst ihnen zuzustellen und herauszugeben und das stracks
haben wollen, oder vor Heiligenstadt zu ziehen. Hätten sie
abermals 4 Tage Bedenkzeit erbeten, solch' ihre Antwort
an den Eat zu Heiligenstadt zu bringen, was sie hätten gar
nicht haben wollen, sondern gesagt und gewollt, die Gesandten
sollten gedenken, bei ihnen zu bleiben, so wollten sie gen
Heiligenstadt ziehen und solche Güter der Geistlichen und
Edelleute selbst holen, und sind also auch mit dem Hauien
Abends 9 Uhr vor Heiligenstadt gekommen."
Diesen nach Heiligenstadt gesandten Brief der Prädi-
kanten bestätigt der Zeuge S. J 75 : „Der Zeit, als der Haufe
im Zug aufs Eichsfeld vorhanden war, wäre eine Schrift
vom Haufen gen Heiligenstadt geschickt worden ungefähr
des Inhaltes, die Gemeine hätte sich beklagt, die wären hoch
von den Geistlichen beschwert, begehrte, daß ein Rat ihnen
wolle zu Hülfe kommen. Solche Schrift sei öffentlich vor
der Gemeine verlesen worden. Darauf habe der Rat, Gilde-
meister und Gemeine etliche aus ihnen zum Haufen verordnet
und geschickt, die hätten den Haufen mit sich vor Heiligen-
stadt gebracht." Nach dem Zeugen S. 175 „wären die Ver-
ordneten gewesen Hans Oppermann, Engelhardt Iringk von
Rats wegen, von der Gildemeister (wegen) Hans Tiefenhardt ;
wer von der Gemeine wegen verordnet, das wisse er nicht".
Das müßte also Hans Schlierbach gewesen sein, denn Zeu^e
S. 148 berichtet, „Engelhardt Iring, Johann Opermant, Hans
Schlierbach und Hans Tiefenhardt, diese vier und nicht mehr
seien seines Wissens zum Haufen verordnet und geschickt."
Jene Forderung an den Rat zu Heiligenstadt, die ein
Brief der Prädikanten aussprach, der nach der kurzen Notiz
ganz in Münzers Stil abgefaßt gewesen zu sein scheint, be-
stätigt in auffallender Übereinstimmung mit der Chronik
Zeuge S. 147b : „Der aufrührerische Haufe habe der Zeit von
einem ehrbaren Rat in Heiligenstadt begehrt, ihnen alle
Priester und Edelleute, die sie Baals und Nimrods Geschlecht
I
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 55
u;eDannt, zu überliefern. Darauf ein Rat etliche zu dem
aufrührerischen Haufen verordnet dieser und keiner anderen
Meinung, denn sie zu bitten, von solchem abzusehen und,
wo sie etwas verwirket, ihnen, einem Rate zu Heiligenstadt,
dieselbe Strafe anheimzustellen, denn ein Rat zu Heiligen-
stadt (wäre) samt und sonders gar nicht der Meinung, die
geforderten Geistlichen und Edelleute auf die Fleischbank
zu liefern." Danach ist Chronik 189 Zeile 6 zu verbessern. —
Diese Gesandtschaft des Rates zu Heiligenstadt wurde zum
Teil auch wohl ganz falsch aufgefaßt, so in der Aussage
des Zeugen S. 181b: „Als der Haufe zu Orsla gelegen,
seien jaufP (elf?) oder zehn Personen zum Haufen geritten,
habe man gesagt, es seien die von Heiligenstadt, welche
gebeten, zu ihnen zu ziehen und eine Einigung mit ihren
Bürgern helfen zu machen, darauf der Haufe umgeschlagen
und Abends spät vor Heiligenstadt gekommen." Nicht recht
zu verstehen ist ferner die Äußerung des Zeugen S. 182b,
„die Zeit hätte er etliche Personen beim Haufen zu Orsla
gesehen, da hätte man im Haufen gesagt, die von Heiligen-
stadt wären da und wollten den Haufen verhindern, daß
er nicht gen Heiligenstadt sollte ziehen ohne Wissen derer
von Duderstadt". Auch erfahren wir, daß die Boten von
Heiligenstadt ihren Weg über Beuren nahmen, S. 169b :
„die von Heiligenstadt, so zum Haufen verordnet, seien
zuvor zu ihm gen Beuren gekommen, vermeinend, sie
wollten den Haufen vor Beuren finden; hätten sie ihm ge-
sagt, sie wären abgefertigt mit den Bauern zu handeln,
damit sie und andere wieder zum Frieden kämen, und seien
also fort zum Haufen gen Orsla zu geritten, und sei der
Haufe gleich hernach vor Heiligenstadt gezogen."
Von Orsla aus wird der Haufe vermutlich seinen
Marsch auf Leinefelde genommen haben und dann, der Leine
folgend, am Fuße des Dün auf Heiligenstadt gezogen sein,
wo heute Chaussee und Eisenbahn führen. Dabei erreichte
er alsbald Kloster Beuren, über dessen Schicksal mancherlei
Nachrichten vorliegen. In den erwähnten Akten des Dres-
56 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
dener Archivs findet sich S. 12 ein Schreiben: „Zue wissen
das wir Margaretha von Bodenhusen eptisten, priorin mit
dem gantzen conventh zcu Buern ^haben oberschlagen
unsers closters branth der uns zue gefügt ist von etzlichen
des hauffs von Molhusen, in welchem hauffen der Alstetter
und PfifFer oberste hawbtleute gewest sind ^), geschin ufi
dinstag nach Misericordia Domini (2. Mai) anno MDXXV. Hier
nacher folget alles ufs geringst gerechnet und angeschlogen."
(Folgt Verzeichnis.) In einem besonderen Stück aus dem
Jahre 1531 liegt vor: „Der Syndicus des Klosters Bevern
klagt bei dem Reichskammergericht gegen Bürgermeister,
Rat und Gemeine zu Mühlhausen wegen Landfriedensbruches
auf Schadenersatz von 2188 Fl." Aus der Klage hebe ich
heraus: „Erstlich — das die jetzt gedachten von Muhl-
hausen im jähr 1525 im monat Aprilis sich zcu Mulhausen
in der stadt aus eignem furnemen hauflich rotirt zcusamen
in aufruhr gethan unnd embort haben gemute und meynunge
gegenn geistlichen auch dem adel unnd denn oberkaiten
ihres gefallens thetlich handtlung zcuoben unnd furzuuemen.
Item das die genanten von Mulhausen also zcur aufrur versam-
let solchem irem thetlichem vornehmen — etliche hauptleut
verordent haben. Item das die obgemeltenn von Mulhausen
erstlich in der stadt Mulhausen etlich closter unnd andere
gotshauser mit thetlicher ungestymmickeit überfallen. Item
ire cleynoter unnd gezeurde so man zcum gots dienst unnd
sunst gebraucht auch andere gutter gewaltiglich hinwegk
genomen und entvurt haben. Item das auch gemelte von Mül-
hausen des ungesettigt über solchs also vorsamelt gewapnet
und mit wehrhafter handt unnd mit der stadt Mülhausen ge-
schutz under auffgerichtem fliegendem vhenlein ausz ge-
dachter Stadt Mülhausen in etliche umbliegende lande her-
schafft unnd fleckenn auch uff das Eychsfeldt dem ertzstifft
Mentz zcustendig gezcogen sein. Item das solch irre
1) Daß sie das nicht gewesen sind, der Haufe vielmehr be-
sondere „Oberste" hatte, haben wir oben (S. 46) gesehen.
und die Venvüstung der Klöster und Schlösser. 57
ciehen von einem ort zcum andernn viel tage unnd gute
zceit gewert hat. Item das sie sich auch zcu veldt gelegert
haben. Item das der gedachtenn von Mulhausen in solchem
irem zcugk viel closter und gotshauser in obgemelten
landen und herschaften umb sie gelegen gefallen sein und
dieselbige mit gewapenter handt geplündert, inen ire
cleinoter geczirde allerley fruchte unnd andere gutter
genommen und sie derselbigen beraubt haben. Item
das sie gleicher masse vieler vom adel der lande ire
hausser und wesentliche wonungen mit gewalt einge-
nommen, geplündert und inen ire habe und gutter raublich
genommen haben. Item das sie auch viel derselben closter,
Schlosser unnd heuser ausgebrandt verwüstet, zcerstort und
gentzlich vorheeret haben. Item das under andern jung-
frawen clostern unnd stifFtern auff dem Eichsfelde das ob-
genante closter unnd stifft Bewren langzeit gelegen gewest
ist. Item das die obgenannten von Mulhausen mit solchem
irem aufrürerischen hauffen in obarticuliertem iare im monat
3Iai dornstagk nach Sanct Marci tag [27. April] mit ge-
wapneter handt das nechst articulirt closter gewaltiglich
eingenommen, dasselbige geplündert des closters guter, so
sie in der kirche und sonst im stifft und closter auch außer-
halb desselben fanden geraubt und was sie derselben nit
verbrannt hinweg zu sich genommen haben. Item das sie
auch etlich derselben und an andern obgemellten orten
genommene guter gen Mülhausen gebracht und daselbst
gebeutht haben. Item das nachdem die churfürsten und
fürsten von Sachsen und Hessen solcher aufruhr halben die
Stadt Mulhausen mit gewalt erobert haben, dieselben fast
viel obartikulierter geraubter guter noch in der Stadt Mul-
hausen gefunden worden seien. Item das btirgermeister
rat und gemeine zu Mulhausen den churfürsten und fürsten
zu Sachsen und auch vielen vom adel und der ritterschaft
des Eichsfeldes und sonst andern die scheden inen in solcher
aufruhr durch sie mit plündern nähme verbrennen und Zer-
störung zugefügt zum teil wiederumb erstattet, bezahlt und
58 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
derhalben zufrieden gestellet haben." — Der Schaden wird
sodann auf 2188 Gulden berechnet; genaues und kultur-
historisch ganz interessantes Inventar der zerstörten Gebäude
und geraubten Güter liegt vor. 100 Gulden werden berechnet
für Kirche und Turm, 100 für Bücher, meistens Pergament, und
Leuchter, 217 Gulden für Glocken, deren eine 8 Zentner
schwer gewesen, 250 Gulden für die Abtei, Schlafhaus,
Refektorium und 2 Häuser auf beiden Seiten, 80 Gulden
für Brauhaus und Backhaus, 100 Gulden für das neue
Schafhaus und die Scheuern, 30 Gulden für 6 Ackerpferde
und 4 Tüllen im dritten Jahre, 40 Gulden für ein Schock
Schweine, große und kleine, 90 Gulden für 300 „Melk-
schafe" etc.
Groß ist, wie man sieht, die Zahl der „Item", doch
wird es der Mühe wert sein, damit zu vergleichen, was die
Zeugen in unseren Akten aussagen. S. 148b wird be-
richtet : „Das Kloster Beuren sei auf Sonnabend nach
Quasimodogeniti (29. April) geplündert i), wer aber das
getan, habe er kein Wissen; wohl habe er die Zeit gehört
sagen, es sollten das des Klosters eigene Untertanen getan
haben, aber folgendes 2) Dienstags (2. Mai), als der große
Haufe von Orsla davor gezogen, sei es verbrannt worden."
Genaueres weiß ein anderer Zeuge (S. 170) zu berichten:
„Zuvor und ehe die Prädikanten mit ihrem Haufen auf das
Eichsfeld gezogen, hätten des Klosters Beuren eigene Unter-
tanen dasselbe Kloster geplündert, alles darin gefressen,
gesoffen und zerschlagen, das habe er, Zeuge, selbst gesehen
und die Nachbarn und eigene Leute, die es getan, gekannt;
das sei Schlössern und anderen Klöstern auch von ihren
eigenen Leuten und anderen geschehen und also geplündert,
das habe er auch gesehen. Hernach aber, als der Prädikanten
Haufe von Orsla aufgebrochen und nach Heiligenstadt ge-
zogen, wären zwei auf einem Pferde den Berg von Lengen-
1) An diesem Tage zog der Mühlhäuser Haufe nach Ebeleben.
2) Nach der Chronik erfolgte an diesem Tage bereits die Eück-
kehr nach Mühlhausen, was allerdings nicht richtig ist.
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 59
feld (Leinefelde) zum Kloster herein geritten, als er aber die
'_'esehen, hätte er zweien der Nonnen, „pfrundtner mit namen
;aid?) goltman genennet", gesagt: Was gilts, die werden
das Kloster anstecken ? Denn der Haufe zieht daher. Diese
zwei wären ins Kloster geritten und erstlich auf der
Nonnen Schlafhaus gegangen, da noch Stroh in den Betten
lag, das hätten die zwei alle angezündet und gebrannt.
Alsbald kam der Haufen bei dem Dorfe Beuren her, und
liefen wohl hundert Personen aus dem Haufen auch ins
Kloster und steckten die Scheune an und sind demnach
im Kloster hin und wieder gelaufen und haben den ersten
zweien geholfen, das allenthalben anzuzünden und zu ver-
brennen. Das hätte er, Zeuge, gesehen. Gleich alsbald
habe er, Zeuge, auch gesehen, daß Reifenstein und Scharfen-
stein die selbst auch gebrannt." Ein anderer Zeuge
(S. 174), der Hofmeister von Kloster Beifenstein (in
Hoppenstedt), berichtet: „Hätten der Zeit auch Eichsfelder
etlich viel Schweine und Schafe gen Hoppenstedt (Hüpstedt),
da er seine Wohnung habe, gebracht, die hätte er hören
sagen, sie hättens aus dem Kloster Beuren genommen."
Ob der Haufe von Orsla aus direkt über Leinefelde
auf Beuren zog oder einen kleinen Umweg über Reifen-
stein machte, etwa auf dem Wege, wo heute die Chaussee
zieht, läßt sich nicht sagen ; vielleicht zog nur eine sich
abtrennende Schar dorthin, jedenfalls brannten, wie wir
eben schon sahen, beide Klöster an demselben Tage. Auch
über das Schicksal Reifensteins bieten unsere Akten
mancherlei Auskunft. S. 168 erzählt ein Zeuge: „Zuvor
und ehe die Prädikanten mit ihrem Anhang auf das Eichs-
feld gekommen, seien die eichsfeldischen Dörfer und
Nachbarn, um Reifenstein gelegen, nämlich Hoppenstedt
(Hüpstedt), Beberstedt, Birkungen, Lenckenfeld (Leinefeld),
Zella, Helmsdorf, Bernrode (Gemrode), Stadtworbis, Kirch-
worbis, Breitenworbis und kein Fremder in das Kloster
Reifenstein gefallen, hätten gefressen und gesoffen und,
was sie nicht gesoffen, die Böden ausgeschlagen und alles
60 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
was im Kloster gewesen, Orgeln und anderes, zerbrochen
und mit Füßen getreten, dazu die Glocken zerschlagen und
samt dem Vieh hinweggeführt und übel in diesem Kloster
gehandelt, daß nichts dageblieben wäre. . Das habe er als
der Zeit ein Mönch im Kloster gesehen. Aber im Zuge
nach Heiligenstadt, da sei das Kloster Reifenstein gebrannt
worden." — Der schon erwähnte Hofmeister des Klosters
in Hoppenstedt sagt ferner aus: „Er habe gesehen, daß
die Eichsfelder das Kloster Reifenstein, ehe der Haufe
dahin gekommen 3 oder 4 Tage, geplündert haben und
alle Dinge zerschlagen und verwüstet; aber das Brennen
der Schlösser und Klöster habe er gesehen^ als der Haufe
von Orsla nach Heiligenstadt zu gezogen; wer das getan,
hätte er nicht Wissen. Es sei noch ein Ziegelhüttlein da-
gestanden, sei ein Mönch im Gerücht gewesen, Bernhard
genannt, der soll es verbrannt haben. Der Abt zu Reifen-
stein habe seine Kleinode, Kirchengezierde, Silber, Bi-ief
und Siegel geflüchtet; er, Zeuge, habe es mit 3 Wagen gen
Heiligenstadt helfen führen." S. 141 sagt der Zeuge: „Als
das Kloster zu Reifenstein angebrannt, sei der Abt und er,
Zeuge, auf Rustenberg zur Erhaltung ihres Leibes und
Nahrung geflohen, auf welchem Schloß die Edelleute auf
dem Eichsfeld versammelt gewesen, und wäre Hans von
Minnigerode derselben Versammelten Hauptmann gewesen."
Das bestätigt Zeuge S. 169 : „Der Abt zu Reifenstein habe
des Klosters Kleinode, Kirchengezierde, dergleichen Brief
und Siegel gen Heiligenstadt geflüchtet, er habe es helfen
einpacken samt anderen Mönchen im Kloster; seien 2 Wagen
voll gewesen." Zeuge S. 180 gibt an: „Zuvor der Haufe
gezogen, habe er von etlichen von Hoppenstedt gehört, daß
sie sollten die Glocken zu Reifenstein aus dem. Kloster
genommen, zerschlagen und Büchsen daraus gegossen haben.
Auch wären der Zeit etliche Bauern von Beberstedt zu
ihm gekommen, hätten viel Eisens gebracht und ihm zum
Kaufe zum Teil gegeben, hätte er ihnen gesagt, das Eisen
wäre zu Reifenstein aus dem Kloster genommen, darauf
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. ßj
io bekannt, sie hätten daselbst genommen und geplündert,
aid im Zuge auf das Eichsfeld nach Heiligenstadt zu, ehe
er Haufe hinan kommen, hätten Schlösser und Klöster
ibrannt." — S. 182b wird ausgesagt: „Hätte einer eine
;emliche Glocke, die in 3 Stücke geschlagen, samt anderem
^irchengezeuge mit ihnen gen Hoppenstedt gebracht, da-
rbst auf einen Anger gelegt und das mit anderen geteilt.
's hätte auch einer derselben eine ziemliche Pfeife aus
r Orgel zu Reifenstein gehabt und vorher gepfiffen, und
ien nach der Teilung gen Mühlhausen gekommen und
hätten die Glocke um Handrohr verwechselt, das habe er
-f'sehen." — Zeuge S. 141 berichtet : „Es haben einige von
irkungen dem Abt zu Reifenstein gesagt, daß Hans
L'reutzeburg und ein Zimmermann, beide Bürger zu Mühl-
hausen, die hätten das Kloster Reifenstein angesteckt und aus-
gebrannt." — Der Zeuge S. 145b „hat solches von Michel
dem Zimmermann, so der Zeit, ehe er das Kloster Reifen-
stein angezündet, bei einem zu Stadtworbis, Hans Demut,
gedient, gehört sagen, als er und andere im Kloster nichts
gefunden, und es geplündert gewesen, hat er Feuer geholt
und das Kloster angezündet und verbrennen lassen". Auch
unsere Chronik erzählt: „ — wie auch einer das Kloster
Reifenstein, Michel Zimmermann genannt, angesteckt und
das Feuer zu Bartlof dazu geholet hatte." Zeuge S. 167
sagt aus, „er könne nicht glauben, daß Reifenstein vor
3 Tagen vor dem Zuge verbrannt, sondern im Zuge sei es
verbrannt worden, das habe er gesehen". — Über die Zeit
dieses Brandes gibt Zeuge S. 170b an: „Gleich alsbald
als Beuren gebrannt, hat er gesehen, daß Reifenstein auch
gebrannt." Das läßt noch mehr vermuten, daß nur eine
Abteilung nach dem etwas seitab gelegenen Reifenstein zog,
nicht der ganze Haufe.
In jenen Dresdener Akten liegt nun auch die Be-
schwerde vor, mit der der Abt von Reifenstein seinen
Schaden anmeldete : „Wir Matthes abt des stiffts zu
Reiffenstein beclagen unns sampt unserem convent, das unns
62 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
in der ietzigenn vergangenen aufFruhr unsre kirchenn sampt
anderen ubir zenn (? subiczenn 17 ?) gebeuwen groß unnd
cleyn in grundt vorterbt unnd vorbrandt, daczu alle alteren
unnd alle geschmeyde, messegewandt, altartücher, leuchter,
orgeln nidergescblagen unnd hynweg genommen, das wir
ufFs wenigst achtenn auf dritthalb tausend gülden , do
mit wir solch gebew unnd vorrot nicht getrauwen mit
auffzurichten oder in vorigen stant widder zu bringen.
Auch sind unns fünft' teiche ausgestochen unnd gefischt,
welchen schaden wir achten uuifs wenigst auif drey hundert
gülden. Es haben uns auch die menner zu Lengefeldt im
Molschen gericht unser schaif entfrempt, die sie noch bey
sich haben unnd die woln abgenommen und der selbigen
etlich geschlacht, welchen schaden wir achten uff sechzigk
gülden.
Note. Es haben die vonn Molhaußen sampt dem mut-
willige anhange vonn Glichisteyn hundert drey stücke
rinth vyhes, darunder fuffzig funff milchkuwe sampt virzigk
acht rinder gewest ungeverlich im andre unnd dryhundert
unnd zwelff zeigen on einige fede unnd verwarnunge ge-
nommen und ubir Molhaußen getriben, welch ich der vogt ^)
gemelts schloß zum Glichensteyn vor mich außerhalb meins
gnedigsten hern vonn Mentz churfursten oder andere (?)
eh. f. g. rethe oder amptman des Eysfeldes beuelich nicht
angezeigt haben wyl, sundern vor mich E. f. f. g. ver-
ordnethen rethen untirthenig angezeigt haben. Von obge-
melter vyhe hab ich von den Molhaußen acht melcke kuw
unnd ein rind widder krigen."
Gegenüber von Kloster Beuren erhob sich auf dem
Abhänge des Dün Schloß Scharfenstein, das an jenem Tage
gleiches Geschick mit ihm teilte. Ein Zeuge (S. 183) er-
zählt: „Als der Haufe von Orsla aufgebrochen und nach
Heiligenstadt gezogen, wäre er und wohl 60 Männer mit
ihm von dem Haufen auf das Schloß Scharfenstein gegangen,
1) Matthes Hunebom.
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 63
hätten sie nichts mehr da oben gefunden, weder Essen
noch Trinken, denn ein wenig Korn, noch nicht ausge-
droschen; hätte er gesehen, daß es die Nachbarn unten im
Dorf genommen und geteilt hätten, wären er und die mit
ihm wieder hinweggegangen und gen Heiligenstadt mit
dem Haufen gezogen. Alsbald sie also herabgekommen,
hätte er gesehen das Feuer um das Schloß samt andern
Schlössern und Klöstern brennen. Wer nun die Schlösser
und Klöster angesteckt habe, davon habe er gar kein
Wissen." — Daneben stelle ich das Zeugnis S. 167 : „Zuvor
und ehe die Prädikanten aufs Eichsfeld gen Heiligenstadt
zu gezogen, seien durch die Eichsfelder Scharfenstein,
Horburg , Reifenstein , Kloster Worbis , Beuren und
Teistungenburg geplündert worden. Aber als der Haufe
im Zug gen Heiligenstadt zu gezogen, seien vorgemeldete
Schlösser und Klöster gebrannt worden, wer aber das
Brennen gethan, weiß er nicht. Und er, Zeuge, habe ge-
sehen, daß die Eichsfelder die Schlösser und Klöster ge-
plündert haben," — Auch über den Brand des Schlosses
erfahren wir näheres. Zeuge S, 166b erzählt: „Da man mit
dem Haufen bei Beuren gekommen, hätte der Pfeifer, der
auf einem kleinen Pferdlein (gesessen) voller Schellen ge-
hangen, mit der Hand gedeutet auf Scharfenstein i) und
gesagt : „Seht ihr dort das Dinglein ?'• Scharfenstein
meinend, und schwieg damit. „Neher" denn ^/g Stunde
hätte das Schloß in alle Höhe gebrannt, das hätte er, Zeuge,
selbst gesehen und gehört. Wer aber die Klöster und
das Schloß angeaündet und geplündert, davon habe er nicht
Wissens." — Auch diese letzte Frage läßt sich beantworten
nach dem Zeugnis S, 188: „sie hätten — danach die
4 Klöster, auch das Schloß Scharfenstein und Horburg
durch ihre verordneten Brandmeister, nämlich Hans Hern,
Glasen Frosch, Christoffel Schmidt und Tiel Guttem aus-
gebrannt und geplündert", Zeuge S, 190 bestätigt die
1) Wir erinnern uns, daß er auf diesem Schlosse bei dem Junker
Hans V, Enzenberg gewohnt hatte. Heft 1, S, 5.
64 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Namen dieser Brandmeister (Hans Heer), desgl. S. 134
(Glasen Krosch),
Der „Dialogus oder Gesprächbüchlein zwischen einem
Müntzerischen Schwärmer und einem Evangelischen frommen
Bauern" weiß noch mehr zu berichten (Duval, Das Eichsfeld,
S. 232) . „Da wir vor den Scharfenstein kamen, war die
Zugbrücke aufgezogen, und war niemand darin. Da stiegen
wir hinein über die Gräben und über die Mauern und
kamen in einen Weinkeller, da dürstete uns sehr, fanden
darin wohl 20 Faß Wein, der war gar vergiftet, und
tranken etliche eilends davon und starben unter unseren
Händen. Da wir das sahen, nahmen wir Messer und
Hellebarten und hieben die Eässer zu Stücken und ließen
den Wein in den Keller laufen ; wir nahmen Schafe, fraßen
sie zum Teil und die andern verkauften wir, das Stück zu
5 Groschen. Der mehrste Raub wurde dem Rat überliefert,
um im Fall der Not etwas zu haben." Diese Giftgeschichte,
die Duval aus Wolf, Denkwürdigkeiten der Stadt Worbis,
S. 96 entlehnte, verdient natürlich nicht mehr Glauben als
andere ähnlicher Art; schon Wolf spricht sein Be-
denken aus (vgl. SeidemanU; Thomas Münzer S. 75).
Auf halbem Wege zwischen Scharfenstein und Heiligen-
stadt liegt Westhausen; da „der frawen von Westhusen"
57 1/2 El. Ersatz gezahlt werden mußten (Chronik, S. 209),
so muß auch dort eine Plünderung stattgefunden haben,
über die ich Weiteres nicht nachweisen kann, als daß ich'in
den Dresdener Akten die Forderung fand von „Ursula
Reinharth von Westhusen selig Wittfrau",
Besondere Mühe gab man sich in den hier benutzten
Akten, festzustellen was vor und in Heiligenstadt geschehen
ist, leider ohne uns einen sicheren Einblick in die Ereig-
nisse zu gewähren. So wurde bestimmt (S. 144): „Bei
dem XX. und XXI. Punkte soll gefragt werden, ob nicht
die von Mühlhausen die Stadt Heiligenstadt bei nächtlicher
Weile überfallen und unversehens erobert, eingenommen
und also mit Gewalt gehandelt haben. Item, ob Zeuge nicht
I
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. §5
ehört habe oder sonst wisse, daß der Rat zu Heiligenstadt
mit ihnen eines füglichen Abzuges halber Sprache und Unter-
handlung gehabt. Item ob nicht Allstedter, als die Stadt
erobert, sich selbst in die Kirche gedrängt, nur einmal un-
geheißen des Befehls eines Rates und sonst keiner mehr
gepredigt hat," Es fällt auf, daß von diesen Ereignissen
keine sichere Kunde vorlag, über die sich aus den Zeugen-
aussagen folgendes ergibt. S. 150b wird erzählt: „Als
der aufrührerische Haufe vor Heiligenstadt gekommen, sei
Pfeifer samt dem Hauptmann Jost Hamwurg (Homberg)
des Nachts zwischen 10 und 11 Uhr eingelassen, desgleichen
sei der Allstedter des Morgens an einem Mittwoch nach
Walpurgis (3. Mai) auch eingekommen, habe nicht ver-
nommen, daß sie bei einem Rate zu Heiligenstadt will-
kommen oder empfangen worden seien." Eine um 8 Tage
abweichende Angabe des Tages bietet Zeuge S. 148: „All-
stedter sei mit dem gewaltigen Haufen vor die Stadt
Heiligenstadt Dienstags nach Quasimodogeniti (25. April)
gegen Abend gekonjmen, sich davor gelagert, folgenden
Mittwoch morgens in die Stadt vor den Rat daselbst ge-
treten." Aus beiden Aussagen ergibt sich, daß der Haufe
Dienstag abends vor Heiligenstadt eintraf; da der Zug erst
Sonnabend, 29. April, sich nach Ebeleben wandte, so kann das
nur Dienstag, 2. Mai ^), gewesen sein. Wenn dann unsere
Chronik (S. 189) berichtet: „Da wurden die Prädikanten
vor den Rat gelassen, und begehrte Münzer, einen Sennou
zu tun, der ist ihm verstattet worden in der Kirche
Mariae", so wird das durch die Zeugen bestätigt. So er-
zählt Zeuge S. 148: „Allstedter sei vor den Rat daselbst
getreten und habe begehrt, einen Sermon zu tun; das habe
ein Rat mit großer Beschwerde zulassen müssen." Ge-
naueres berichtet Zeuge S. 149 : „Als der aufrührerische
Haufe sich vor Heiligenstadt gelegt, sei Allstedter an einem
1) Also ist die Angabe unserer Chronik, der Haufe sei an
diesem Tage nach Mühlhausen zurückgekehrt, nicht richtig.
XXII. 5
6ß Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Morgen auf das Rathaus vor den Rat gekommen und habe
begehrt, ihm zu vergönnen, das Wort Gottes zu prediget
darauf habe ihm der Rat sagen lassen, sie erlaubten ei
nicht, so verböten sie es ihm auch nicht. Darauf ist erjj
Allstedter, aufgestanden und hat in Unser Frauen Kirch«
einmal geprediget." Ahnlich erzählt Zeuge S. 152: „AI
die Prädikanten und der Haufe gen Heiligenstadt gekommen,!
sind des anderen Tages Pfeifer und Allstedter mit Per-
sonen, deren er, Zeuge, einer gewesen, eingelassen; sind die
Prädikanten mit einander auf das Rathaus gegangen, haben
ein Gespräch gehabt, was dasselbe gewesen, sei ihm ver-
borgen." Münzers Predigt bestätigt der Zeuge S. 1 50b : „All-
stedter habe zu Heiligenstadt in der Pfarrkirche zu Unser
L. Frauen geprediget, wer es aber erlaubt und zugelassen,
wisse er nicht." Auch Zeuge S. 16b sagt aus: „Münzer
habe zu Heiligenstadt geprediget, das habe er gehört", und
Zeuge S. 148b: „Allstedter habe dem Rate angezeigt,
ihm zu vergönnen, eine Predigt zu halten; das haben sie
gestattet." Ferner verdanke ich H. Pfarrer Nebelsieck
noch folgende Aussagen aus Mühlhäuser Akten: Bürger-
meister Strecker (von Heiligenstadt) : „Es hätte mit großer
Beschwerde zugelassen werden müssen" (daß Münzer in der
Marienkirche predigte). Hans Hersch , Verweser des
Schultheißenamtes in Heiligenstadt, sagte aus, der Rat habe
Münzer sagen lassen, „sie erlauben es yhm nicht, so ver-
bietten sie ihme es nicht"; darauf habe er einmal in 'der
Marienkirche gepredigt. Diese Nachrichten lauten so be-
stimmt, daß andere dahinter zurücktreten müssen, wie die Aus-
sage S. 146: „Seines Wissens seien Pfeifer und Allstedtej
von einem Rat zu Heiligenstadt gar nicht empfangen, vie
weniger sei ein Gespräch mit ihnen gehalten, denn ein Ra^
hätte wohl leiden mögen, daß sie gar nicht zu ihm ge
kommen wären", oder S. 149: „daß ein Rat dieselbel
empfangen oder ein heimlich Gespräch mit ihnen gehabt
oder gefordert, das glaube er nicht."
Von einer feindlichen Behandlung der Stadt ist kein^
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 67
Rede; der Haufe blieb vor den Mauern liegen, nur wenige
wurden eingelassen. Zeuge S. 148b sagt ausdrücklich:
„Heiligenstadt sei nicht mit Gewalt erobert", ein anderer
S. 146b: „Darauf soll auch der Haufe abgezogen sein
und die von Heiligenstadt nicht viel beschädigt haben",
endlich S. 152: „Der Haufe sei zu Heiligenstadt gekommen
und draußen geblieben, bis sie wieder weggezogen seien;
er wisse von keiner Eroberung." Daneben ist die Angabe
S. 134, der Haufe habe „bei nächtlicher Weile Heiligen-
stadt eingenommen", ohne Bedeutung. — Daß die Prä-
dikanten eingelassen wurden , berichten ganz genau fol-
gende Zeugen, S. 165: „Er sei mit Pfeifer und anderen an
einem Abend spät in Heiligenstadt eingelassen und in die
Herberge gekommen ; wäre der Pfeifer mit etlichen Bürgern
— wer die gewesen, wisse er nicht — hinweggegangen
und bald wiedergekommen, wäre das Essen bereit gewesen,
hätten sie gegessen und getrunken und seien fröhlich ge-
wesen. Auch hätten die von Heiligenstadt ihnen 2 Faß
Eimbeckisch und Heiligenstädter Bier in die Herberge
führen lassen, das sie getrunken. Den andern Morgen seien
sie wieder herausgeritten." Ein ebenso guter Zeuge be-
richtet S. 166: „Die 2 Prädikanten seien gen Heiligenstadt
an einem Abend eingelassen, er sei mit geritten und in
die Herberge, des Bürgermeisters Listemann Haus, gewiesen,
habe da gegessen, getrunken, sei 2 Nächte geblieben."
Zeuge S. 175 weiß dann noch anzugeben : „Die Prädikanten
wären ungefähr mit 30 Pferden eingelassen und der Wein
geschenkt." Wenn Zeuge S. 148b berichtet : „Anders
oder weiter sei nicht mit ihnen gehandelt, denn daß der
Haufe denen von Heiligenstadt (gegen) Geistliche und
Adelspersonen, wo sie etwas verwirkt, ihnen die Strafe
heimstelle ; das sei also geschehen, und der Haufe dar-
auf wieder abgezogen" — so ist das vielleicht nur eine
Erinnerung an den oben erwähnten Brief (S. 54), wenn es
natürlich auch möglich ist, daß jene Forderung nochmals
mündlich erörtert wurde.
6*
68 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Vor Heiligenstadt erhielt der Haufe Verstärkung]
und Verpflegung. Zeuge S. 146b berichtet: „Er habe
einen Haufen der Zeit sehen ziehen^ den Reiser Grund 1
nach Heiligenstadt; habe man gesagt, es seien etliche von|
Mühlhausen zu Fuß und Roß darunter.'* — Andere hatten sich
wohl schon früher angeschlossen; S. 177b wird berichtet
„Wäre ein Haufe Eichsfelder zwischen Zaunröden und
Orsla zu dem Haufen von Mühlhausen gekommen, und
wären als beide Haufen auf Heiligenstadt gezogen." Der
Zeuge S. 154b gibt an, „er habe 9 Fässer Bier in das
Lager vor Heiligenstadt geführt, das sei ihm durch die
Bauern ausgetrunken, und nicht viel dafür gegeben worden".
Auch Zeuge S. 159b berichtet, „er habe Bier gen Heiligen-
stadt geführt, das hätten ihm etliche Bürger geheißen,
nämlich Michael Koth (was doch sicher Koch heißen soll)
und Dietrich Weißmüller, Goldschmidt", also 2 der Acht-
männer (Chronik, S. 173). Zeuge S. 159b erzählt, ,,der
Haufe habe vor Heiligenstadt gelegen ; er, Zeuge, habe einen
Wagen und 2 Karren Brod ins Lager geführt, auf des
ewigen Rats Befehl". S. 131 wird dann angegeben, es
seien 2 Viertelsmeister, die des neuen Regiments gewesen,
mitgezogen, mit Namen Hans Schmidt und Klaus Fulstich.
Diese beiden finden wir bereits in der Liste der Acht-
männer des Jahres 1523 (Chronik S. 173); sie müssen also
auch 1525 dies Amt bekleidet haben, denn mit dem „neuen
Regiment" wird der ewige Rat bezeichnet; ähnlich heißt
es Zur Gesch. d. Stadt Mühlhausen, Heft 3, S. 24 „des
newen Radts achtmann". Georg Pfeifer sagte aus (Heft 1
S. 24): „Als die von Mühlhausen ausgezogen seien vor
Ebeleben, Schlotheim und andere Flecken in der Fürsten
Lande, die Schlösser zu stürmen, da ist Reinhard Lamhart
ein Kriegsmeister und Bock, jetzt ein Ratsherr zu Mühl-
hausen, auf die Zeit ein Rottmeister gewesen." Lamhart
ist aus dem Bauernliede (Chronik S. 224) bekannt ; Bock
ist vielleicht Heinrich Boy in der Liste Chronik S. 197.
Dem Einfluß dieser Männer wird es auch zuzuschreiben
und die Verwüstimg der Klöster und Schlösser. 59
sein, daß Geschütz dem Haufen zur Verfügung stand,
wenigstens sagt Hans Ditmar aus (S. 69 — 61), „Michael
Koch, ebenfalls einer der Achtmänner, habe ihn im Lärm
erstechen wollen, daß er die Büchsen nicht habe führen
wollen"; ferner „er habe aus Gehorsam die Büchsen nach
Heiligenstadt, Ebeleben und Schlotheim geführt" (als Fuhr-
mann); „er sei also an dif Büchsen gebunden gewesen",
daß er nicht habe plündern können.
Was in Heiligenstadt damals geschehen, ist, so viel
ich weiß, bisher nicht genauer bekannt geworden. Wolf,
Eichsfelder Kirchengeschichte, S. 148 weiß zu berichten:
„Nach ihrer Ankunft zu Heiligenstadt mußte sich der Rat
versammeln und ihren Vortrag anhören, der hauptsächlich,
wie es scheint, dahin ging, den bisherigen Gottesdienst zu
ändern, die alten Zeremonien abzuschaffen und den Stifts-
geistlichen ihre Privilegien zu nehmen. Nicht genug
damit, Münzer ließ sich nach geendigtem Ratssitze eine
Kanzel auf dem Kirchhofe u. 1. Frau errichten und hielt
nach seiner Bibel eine Predigt, nicht ohne heftige Rührung
der zuhörenden Bürger und Bauern. Denn von dem Kirch-
hofe liefen sie auf das Stift, fielen wütend in die Curien,
raubten das Hausgerät, zerschlugen die Braupfanne und
schleppten aus der Kirche die Kleinodien mit sich fort."
Auch in seiner Geschichte von Heiligenstadt S. 55 be-
richtet er nicht mehr. Es fällt auf, daß die Zeugen in
unseren Akten Münzer in der Liebfrauenkirche predigen
lassen, von einer Predigt auf dem Kirchhofe nichts er-
wähnen. War der Zudrang so stark, daß die Kirche
nicht ausreichte? Oder ist mit Absicht eine Änderung in
der Überlieferung eingetreten ? Vermutlich wird sich in
Heiligenstadt Genaueres feststellen lassen. Die von Wolf
erwähnten Bauern gehörten jedenfalls nicht zum Haufen,
dem ja die Tore geschlossen blieben ; Wolf freilich scheint
angenommen zu haben, der Haufe sei in die Stadt ge-
drungen. Wichtig ist die von ihm (Politische Geschichte
des Eichsfeldes II, Ürk.-Buch S. 74) veröffentlichte Urkunde :
70 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
„Wie sich die von Heiligenstadt ihrer Empörung halber
verschrieben haben. Wir burgermeister, rat und gemeinheitj
der Stadt Heiligenstadt bekennen . . \ , nachdem als die
aufrührige bauernschafift des Eichßfeldes verschienener weil
anher in diese stadt sich begeben und davor gelagert, und]
wir wieder dieselben wie feind uns nit, sondern freundlich
gehalten, dadurch zwischen uns allen derselbigen aufruhr
und empörung in dieser stadt sich erhebet und erstanden
ist" etc. Zu beachten ist, daß hier nur die Bauernschaft
des Eichsfeldes erwähnt wird ; von Pfeifer und Münzer
oder ihrem Haufen ist keine Rede.
Knieb (Gesch. der Reformation und Gegenreformation auf
dem Eichsfelde, S. 23) berichtet (nach Wolf) : „Treulos öffneten
die Bürger die Tore. Auf Geheiß Münzers und Pfeifers mußte
der Rat zusammentreten und deren Forderungen entgegen-
nehmen, die wahrscheinlich auf Abänderung des bisherigen
Gottesdienstes, Abschaffung der alten Ceremonien und Privi-
legien der alten Stiftsherren lauteten. Darauf hielt Münzer
auf dem Kirchhofe bei der Liebfrauenkirche eine seiner
gewohnten Brandreden mit dem Erfolge, daß die Zuhörer
sofort die Häuser der Stiftsherren und die Kirchen erstürmten
und plünderten, die Braupfannen zerschlugen, die Privilegien-
briefe der Stiftsherren wegnahmen und letztere zu allen
öffentlichen Lasten zwangen." Vergebens habe ich nach
der Quelle dieser Angaben geforscht, halte es auch für
keinen Beweis, wenn noch 1564 ein steinerner Predigtstuhl
auf dem erwähnten Kirchhofe stand; hätte den Münzer be-
nutzt, so dürfte man eher annehmen, daß man ihn eben
deswegen bald entfernt haben würde. Ebenso vermisse ich
eine Begründung für die von Knieb aus Janssen II, S. 524
übernommene Angabe, daß „selbst etliche Grafen und!
Edelleute mit Gewalt gedungen wurden, ihnen anzuhangen;!
wer solches nicht tun wollte, hat müssen durch den Spieß!
laufen". Münzer ließ, was doch wohl betont werden darf,]
kein Blut vergießen, auch das Urteil über Matern von Ge-
hofen und die anderen Diener des Grafen von Mansfeld hat]
&-\
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser, 71
er „aus dem Munde der gemeyne" verkündigt und hat das
„auß forcht gethan" (Seidemann, Th. Münzer, S. 154). Frei-
lich würden seine leidenschaftlichen Worte, die er an seine
Anhänger richtete, bei längerer Dauer der Bewegung ohne
Zweifel zu blutigen Scenen geführt haben; so aber ist in
dem bekanntlich sehr kurzen Thüringer Bauernkriege von
Scenen, wie sie sich vor Weinsberg oder an anderen Orten
in dem viel blutigeren, aber auch großartigeren Bauernkriege
Oberdeutschlands abspielten, keine Rede.
Die Schriften von Wolf sind nun 100 Jahre alt oder
werden es bald sein; es wird doch wohl Zeit, daß wir in
der Kenntnis jener Ereignisse weiterzukommen suchen als
der fleißige und tüchtige Kanonikus zu Northeim. Sollten
nicht die von mainzischer Seite geführten Akten noch vor-
handen sein ? Sie würden eine willkommene Ergänzung
bieten , selbst wenn ich dadurch des Irrtums überführt
werden sollte.
In sehr auffallender Weise lassen uns, nachdem der
Haufe Heiligenstadt erreicht hatte, unsere Nachrichten im
Stich; schon was in dieser Stadt geschehen ist, läßt sich,
wie wir eben sahen, nicht genauer angeben, noch viel
weniger aber erfahren wir, wenn wir den Zug weiter zu be-
gleiten suchen.
Man fragt sich unwillkürlich, woran das liegt, ohne
die Möglichkeit, eine auch nur einigermaßen sichere Antwort
zu finden. Vermuten kann man ja, daß die Mühlhäuser im
Haufen, als der Zug sich nun nordwärts in das untere
Eichsfeld wandte, zurückblieben und umkehrten, um sich
nicht zu weit von der Heimat zu entfernen; das gäbe
wenigstens die Möglichkeit, es zu erklären, daß in unseren
Zeugenaussagen, so reichlich sie auch vorliegen, über die
weiteren Ereignisse so gut wie nichts zu finden ist. Ein
Beweis kann dafür in keiner Weise geboten werden, viel-
mehr sind auch die weiteren Verwüstungen Mühlhausen in
Rechnung gestellt. Münzer und Pfeifer sind, wie wir sehen
werden, auch weiter mitgezogen, aber außer in Duderstadt
72 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
tritt ihre Tätigkeit fast nirgends hervor. Dennoch soll hier
alles zusammengestellt werden, schon um eben dadurch
vielleicht zu weiterer Forschung anzuregen.
Unsere Chronik bietet über alle die folgenden Er-
eignisse nur die magere Notiz : „Danach zogen sie gen
Duderstadt, die machten einen Bund mit ihnen, daß sie
wieder abzogen." Wer damit gemeint ist, bleibt unbe-
stimmt; man wird doch zunächst an Münzer und Pfeifer
denken; mit dem Bunde kann dann die Verbrüderung mit
den Bauern gemeint sein, oder auch der besondere „Bund",
wie ihn Münzer weithin ausgedehnt hatte, dessen Beispiel
auch Pfeifer ^ ) in Mühlhausen gefolgt war. Daß Pfeifer
mit nach Duderstadt zog, ergibt sich aus einer Zeugen-
aussage (St. A. 151): „Pfeifer habe ihn vor Duderstadt ge-
fänglich annehmen lassen." Hier mögen auch gleich die
weiteren Aussagen folgen: (S. 147) „Der Mühlhäuser Haufe
sei von Heiligenstadt nach Duderstadt gezogen, in dem sei
das Kloster Teistungenburg geplündert und ausgebrannt
worden". Ein anderer Zeuge ist etwas genauer (S. 170b):
„Als sie nun vor Heiligenstadt gekommen, und wieder ab-
gezogen und den andern Tag gen Duderstadt gerückt, habe
er gesehen, daß Teistungenburg gebrannt, und daß sie da-
selbst zu Duderstadt auch einen Tag still gelegen, demnach
wieder aufgebrochen und sich nach dem Bodenstein ge-
wandt."
Georg Scharf von Nordhausen bekannte (Förstema'nn
Kl. Sehr. S. 88), er sei mit vor .Heiligenstadt gewesen und
darauf auf dem Wege nach Duderstadt bei der Plünderung
des Schlosses Westernhagen und des Jungfrauenklosters
Teistungenburg, welches ganz verbrannt sei; darauf sei
auch das Haus Berits von Westernhagen zu Berlingerode
zerstört worden und das Haus Thilos von Hagen zu
Teistungen, auch sei er mit dem Haufen nach Gerblingerode
und vor Duderstadt gezogen.
1) Zur Gesch. d. St. Mühlh. 2, S. 33.
und die Venvüötung der Klöster und Bchlösser. 73
Wir gewinnen daraus zunächst die Möglichkeit, die
Richtung des weiteren Zuges festzustellen. Der Haufe
wird vermutlich seinen Weg genommen haben, wo jetzt die
Chaussee von Heiligenstadt nach Duderstadt führt. „Auf
dem Marsche nach Duderstadt wandte er sich gegen die
Herren von Westcrnhagen, zerstörte das Schloß dieses
Namens, die Häuser Berits von Westemhagen in Berlinge-
rode, Tilens von Hagen in Teistungen nebst dem Kloster
Teistungenburg" ^). Duval ^) weiß folgende etwas romanti-
sche Sage zu erzählen: „Als die Bauern das Schloß
Westemhagen zu zerstören beschlossen hatten, sannen sie
auf eine List und schickten an die von Westemhagen einen
Boten, der denselben einen Gruß von denen von Hanstein
bringen und sie dringend bitten mußte, nach dem Hanstein
zu kommen und denselben gegen die eben anrückenden
Bauern verteidigen zu helfen ; sie, die von Hanstein, wollten
denen von Westemhagen ebenfalls beistehen, wenn auch
sie etwa später von dem Bauernheere gefährdet werden
sollten. Infolge dieser Aufforderung machten sich die von
Westemhagen mit ihren Knechten sogleich auf den Weg,
indem sie nur eine geringe Besatzung auf der Veste zui'ück-
ließen.
Kaum aber waren sie fort, so rückten die im Hinter-
halte lauernden Bauern herbei, griffen die Veste an, er-
oberten und zerstörten sie und hieben alles nieder, was sich
nicht schleunig durch die Flucht zu retten vermochte.
Eine Amme mit einem zarten Knaben des Geschlechts von
Westemhagen auf dem Arme, rettete des Kindes Leben
einzig und allein dadurch, daß sie dasselbe für ihr eigenes
ausgab. Sie brachte es nach Teistungenburg, wo sich die
Klosterfrauen seiner eifrig annahmen, unter deren Pflege
es fröhlich aufwuchs. Die Sage fügt noch hinzu, daß, da
alle des Namens Westemhagen im Bauernkriege umge-
1) Wolf, Eichsfeldische Kirchengeschichte 149.
2) Das Eichsfeld, S. 589.
74 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
kommen seien, dieser Säugling der letzte Sproß des ganzen
Stammes gewesen, — dem ist nicht so." Wir haben hier
also eine Übertragung der Erzählung von der Rettung
Volkmars von Berlepsch in Langensalza^ Nüchterner lauten
die Summen in unserer Chronik (209), die von Mühlhausen
für diese Verwüstungen gezahlt werden mußten : „Hansen
vom Hayne löTSi/g Fl., Tyelen (Thilo) von Westernhagen
150 i\ Arnolten von West. 35 Fl., Bernharten von W.
70 Fl., Ernsten von W. 130 Fl., Otten von W. 15 FL,
allen von W. des Hauses W. 1200 Fl." In den oben er-
wähnten Akten des Dresdener Archivs (9135 No. 127)
liegen Verzeichnisse der erlittenen Verluste vor von Berit
von W., Ernst von W., Berits Sohn, Thilo von W.
Auf dem weiteren Zuge bereitete der Haufe dem
Kloster Teistungenburg dasselbe Schicksal wie dem Mutter-
kloster Beuren. Auch hier liegen sehr geringe Nachrichten
vor. Duval (S. 322) weiß nichts weiter zu berichten als:
„Die Bauern verwüsteten bei dieser Gelegenheit Teistungen-
burg, wodurch ein großer Teil der Klosterschriften verloren
ging." Einer aus dem Bauernheere, Georg Scharf, hat
nachher bekannt: „daß das Jungfrawen-Closter Teistingenburg
geplündert, beraubet und bis in den Grund verbranndt, er
habe aber für seine Person nichts dazu gethan." Diese
Aussagen bietet auch Förstemann, Kl. Schriften, S. 88.
In den Dresdener Akten i) fand ich folgende Klage der Vor-
gesetzten des Klosters: „Wir Steffanus Hogenius probst,
Osanna Nesselroder eptisthen, Margrita Mollers priorin
unnd gantz convent gemeltes closters beclagen uns, das wir
durch die mutwillige uberfahrunge unnd gewaltige emporunge
der von Molhaußen unser closter sampt der kirchen unnd
eyngebewe in gründe verbrandt, auch alle cleynoth unnd
hausroth sampt allen kirchen geschmeyde unnd glocken
1) Die Beschwerden der Klöster liegen dort nur in Kopie vor,
von einer Hand und machen fast den Eindruck aufgenommener
Protokolle.
und die Verüwstung der Klöster und Schlösser. 75
auch andir das in einer eyl nicht erzelt mag werden hin-
weg genommen, darzu etliche vyhe szo vyl das do bifunden
auch enpfromt, welchen schaden wie oben angezeygt auffs
geringst veranschlagen auff funffczehen hundert gülden, do
mit obgemelt closter nit vermochtenn in vorigenn stände zu
bringen."
Der Zug ging dann weiter auf Duderstadt, wo der
Haufe, trotzdem die Stadt gegen einen derartigen Überfall
durch ihre Befestigungen gesichert war, wie es scheint,
unter ähnlichen Verhältnissen, wie sie in Heiligenstadt ge-
herrscht haben können, Aufnahme fand, ohne daß sich ge-
naueres darüber und über den Bund, den man mit den
Bauern schloß sagen ließe. Wolf (Eichsfelder Kirchen-
geschichte S. 149) sagt : „Was die Bauern in Duderstadt
getrieben, weiß man nicht; es ist aber bekannt, daß die
dasigen Bürger sich wegen ihres Verhaltens, wie die
Heiligenstädter, eine schwere Strafe von ihrem Landesherrn
zugezogen haben." In der Geschichte der Stadt Duderstadt
(S. 1 54) bringt er nur die knappe Meldung unserer Chronik
und setzt hinzu: „Einen mächtigen Feind sich in Gutem
vom Halse schaffen, ist Klugheit und kein Staatsverbrechen.
Die Duderstädter müssen mehr als dieses gethan haben,
sonst würde sie der Herzog von Braunschweig nicht ebenso
strenge als die Heiligenstädter, ja noch strenger behandelt
haben." Das ist ganz richtig geschlossen, wenn wir auch
leider tatsächliches dadurch nicht erfahren, auch nicht
vergessen dürfen, daß die wachsende Fürstenmacht die gute
Gelegenheit benutzte, die alten Freiheiten der Städte zu
mindern; das mußten Mühlhausen, Heiligenstadt wie Duder-
stadt empfinden. In Münzers „Bund" hatten sich auch
adlige Herren aufnehmen lassen; man hört nicht, daß sie
dafür in gleicher Weise hätten büßen müssen. Vom Felde
vor Duderstadt schrieb Münzer an den Grafen Günther
von Schwarzburg am Donnerstag nach Walpurgis (Förste-
mann. Kl. Sehr. S. 79, der das angegebene Datum [Mai 4]
bezweifelt).
76 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Von Duderstadt aus wird sich der Zug zum alten
Benediktinerkloster Gerode gewandt haben, wobei es un-
sicher bleiben muß, ob der gesamte Haxife mit Pfeifer und
Münzer dorthin zog, oder ob nur eine kleine Schar bis an
die nordöstliche Grenze des Eichsfeldes vordrang. Jeden-
falls ist der Ausdruck Förstemanns „die Benediktinerabtei
Gerode verwüsteten sie, wie scheint, auf ihrem Rückzuge
nach Mühlhausen", nach der örtlichen Lage des Klosters
bemessen, kein richtiger.
Über die Zerstörung des Klosters klagt der Abt :
„Wir Petrus abt des stifftes zu Gerode beclagen uns sampt
unserem convent, das uns in dissem uncristlichem auffruhr
unsere kirchen verbrandt mit allen gebyltnys, gestöle, auch
acht glockenn und die orgel entfromt und hynweg gefiret,
dergleichen bucher, meßbucher, meßgewandt, kannen, ampelen,
handtfesser, altartücher, handzwelen, lichte und kerzen,
darczu alle alteren inschlagen darczu das ganze closter
sampt allen eingebew zu gründe vorbrandt, alle keßel,
topffe, bette sampt alle was yn closter gewest, in ... .
(Fleck und Loch!) closter hynweg genomen unnd gefiret,
der gleichen schweine, kuwe, pferde, schaffe, wagen, geschir
unnd was zum ackerwergk gehört alles hinweg genommen
sampt allem vorrate, was im closter gewest. Des gleichen
weyne, byr alles ausgedrungken unnd dye fesser zerschlagen,
auch die teiche ausgestochen unnd gefischt worden, das dann
uns (?) denen des Eysfeldes vom adell wol bewost, welche
beschedunge wyr auffs aller gerings auff fünffthalber taußent
gülden ermessen, do mit wir unßer closter im vorigen
standt nit mugen adir können bringken und widder auff-
richten."
Duval (S. 253) berichtet : „Im Bauernkriege, hausten
die wilden Rotten hier ebenso zügellos als anderwärts.
Die Mönche, welche glücklicher Weise noch zeitig genug
vernommen hatten, daß die Bauern nach Gerode zu ziehen
gesonnen seien, beschlossen den ungebetenen Gästen aus
dem Wege zu gehen, rafften zusammen, was sie in der
I
und die Verwüstung der Klöster und Schlöseer. 77
Angst und Hast erraffen konnten, und flohen von dannen,
um nur das Leben zu retten. Ein Mehreres blieb ihnen
aber auch wirklich fast nicht übrig, denn als sie nach dem
Abzüge der Bauern zu der geliebten Stätte zurückkehrten,
fanden sie dieselbe leergebrannt und von allem, was ehe-
dem hier vorhanden, nichts als ein Marienbild, ein Pult
und drei Glocken." Auch Wolf, Eichsf Kirchengesch., S. 149
weiß nicht mehr zu berichten, ebenso Kegel in dem
^Sammelwerke Thüringen und der Harz VIII, S. 59. Am
betrübtesten waren die Mönche über den Verlust ihrer
Bibliothek und Abt Nicolaus (? Petrus) sagt in einem Briefe
vom 31. August 1525: „Imo quod sanguineis quoque
deplorandum est lacrymis bibliothecam monasterii nostri
instructissimam simul cum Gramato phylacio , archivis,
imaginibus, tabulis sacris et profanis tam foede lacerarunt,
conscideruntet depraedati sunt non modo raptores illi facinorosi
verum etiam, utfama fert(Knieb, S. 25), vicinorum pagi rustici,
adeo ut, si quid reliquum reperiatur, illud ipsum tarnen sit
laceratum, mutilum vel pedibus conculcatum." Mehr weiß
Duval nicht zu erzählen, obgleich er ein seiner Zeit in
Duderstadt aufbewahrtes Chronicon Monasterii Gerodensis
ab anno 1124 — 1618 kannte. War der altbewährte wissen-
schaftliche Sinn der Benediktiner wirklich so weit ge-
schwunden, daß niemand das traurige Geschick des Klosters
aufzeichnen mochte?
Von Gerode aus zog der mit Beute beladene Haufe
wohl schwerlich über das damals vermutlich wehig weg-
same Ohmgebirge; er wird sich nach Duderstadt zurück-
gewandt haben und von dort aus auf Worbis gezogen sein.
Unterwegs stieß man auf den Bodenstein, bei dem nach
bisheriger Erzählung der Angriff gescheitert sein sollte.
Duval (S. 522) weiß folgendes zu berichten: „Die Bauern
rückten auch endlich vor den Bodenstein, der damalige
Besitzer des Schlosses aber. Barthold von Winzingerode,
war fest entschlossen, lieber das Leben mit dem Schwerte
in der Hand zu verlieren, als dem elenden Haufen lebendig
78 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
in die Hände zu fallen. Alle Versuche, welche Thomas
Münzers Banden machten, die Feste zu erobern, blieben
erfolglos, und der wilde Haufe faßte daher den Entschluß,
den kühnen Ritter zur Übergabe zu zwingen. Die tobenden
Feinde lagerten sich deshalb auf das nächste, südliche
Vorgebirge, welches noch bis heute von ihnen die „Mühl-
häuser Burg" genannt wird, aber die Belagerer mußten
un verrichteter Sache wieder abziehen, zerstörten aber aus
Wut die Dörfer Wintzingerode und Kaltohmfeld, weshalb
später die Mühlhäuser an Friedrich und Georg von
Wintzingerode als Entschädigung 2039 Gulden und außer-
dem den ,Frawen von Wintzingerode' 150 Gulden zahlen
sollten." Diese Angaben stimmen mit denen in der
Chronik I, S. 209 überein, doch kommen da noch „Heinrichs
von Wintzingerode gelassene Erben" dazu.
So bestimmt diese Erzählung lautet, so kann doch kein
Zweifel sein, daß die Burg ebenfalls zerstört wurde ; so sagt ein
Zeuge (St.A. 170b), der Haufe habe „sich nach dem Boden-
stein gewandt, der auch verbrannt", ebenso will Zeuge (St.A.
188b) gesehen haben, daß Bodenstein brannte. Auch Lant-
greffer (S. 75b) wird befragt, warum er habe den „budenstein"
helfen anstecken, und sagt, er habe ihn nicht helfen an-
stecken, er sei sonst letztlich dazugekommen. In den
Dresdener Akten finde ich : „Georgen Wissingerode sampt
seines bruders vnd wittfrauen empfangenen Schadens an-
schlagk, Friederich von Wissingerode, Heinrichs selig von
Wissingerode nachgelassene wittw.e" ; darin heißt es : „Item
wir weiten lieber dreytausent gülden den den baw und
schloß Bodenstein das mit zweyen scheffereyen in grünt
verbrant verloren haben." Danach wird die Summe des
erlittenen Schadens auf 4677 Gulden berechnet, während
in der Chronik (S. 209) für Friedrich und Georg von
Wissingerode und Heinrichs gelassene Erben nur 2039 Fl.
angesetzt sind ; der Unterschied erklärt sich dadurch, daß
in der ersten Summe noch die Hälfte des Scharfensteins
eingerechnet ist („Bau unsers teils des Scharfensteins"),
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 79
der den Herren von Wintzingerode oft verpfändet war
(Duval S. 23 1 ). Die andere Hälfte hatte Hans von Enzenberg
inne. (In den Dresdener Akten findet sich: Georg v. W.
Verlust zum Scharfenstein, Heinrichs v. W. Witwe desgl.
Enzenberg: Hälfte des Scharfen stein s verbrannt.) Die
Verwüstung der Dörfer ist nicht ganz sicher; Wolf, Denk-
würdigkeiten der Stadt Worbis, sagt darüber : „Denen von
Winzingerode sind vielleicht auch die 2 Dörfer Winzingerode
und Kaltenohmfeld von den Bauern vernichtet worden,
weil sich die von Bülzingsleben 1539 darüber beklagen,
daß man ihrem Gerichte zu Worbis, das sie pfandweise
besäßen, jene Orte entziehen wolle, da sie doch vor der
Verwüstung dabei erschienen wären."
Der Zug ging dann weiter auf Worbis, wo das Kloster
geplündert wurde. In den Dresdener Akten liegt darüber
folgendes Schreiben vor: „Wir Jost probst i), Anna priorin
und gantz convent gemeltes closter beclagen uns das wir
inn itzigen vergangenen aufPruhr durch die von Molhaußen
geplündert unnd kirchenn sampt allenn eyngebew des
closters gebraut auch alle cleynoth unnd geschmeyde der
kirchenn sampt allem hausrath unnd sunderlich vyl kelche
auch zwey monstrancz hyn weg genommen, darzu hundert
sechzig sechs schafe unnd ander vyhe sampt allen geschirr,
so zcum acker gehört, gewaltiglichen enteussert,- welchen
schaden wir auffs geringst uff zwelff hundert gülden er-
messen, do mit obgemelt closter in vorigen standt unnd
zcu zcurichten nicht möglich."
Duval (S. 187) berichtet: „Müntzer und Pfeiffer, als
sie auf dem Eichsfelde wüteten, fielen mit ihren Scharen,
zu denen sich viele Eichsfelder gesellt hatten, auch über
das Kloster Worbis her, plünderten es und steckten es
nachher in Brand" ; Genaueres hat auch er offenbar nicht
gewußt. Da Nickel Heise nur 30 fl. zu zahlen waren
(Chronik, S. 209), so werden die vor Worbis und Breitenworbis
1) Jodocus Stowffenbuel ; Förstemann, KL Sehr., 8. 100.
80 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
gelegenen „Heisengüter" nicht viel gelitten haben. (Wolf,
Denkwürdigkeiten der Stadt Worbis, S. 87 — 88; über den
Zug der Bauern weiß auch er nichts weiter zu berichten).
Daß Pfeifer — wohl auch Münzer — hier noch bei dem
Haufen war, ergibt sich aus der Aussage in St.A. S. 151:
„Pfeifer habe ihn vor Duderstadt gefänglich annehmen und
mit dem Haufen vor Breiten-Worbis geschraubt und ge-
bunden führen lassen, daselbst ihn vor dem Haufen für
Recht stellen und beklagen lassen. Da habe er, Zeuge,
um Gottes willen gebeten, ihn ledig zu lassen, angesehen
seine Unschuld, darauf der Haufe ihn ledig erkannt und
gelassen." Von Worbis aus wandten sich später (Förstemann,
Kl. Sehr., S. 100) 8 Brüder und Vettern von Bülzingsleben
an den Rat von Nordhausen. Sie hatten die Güter der
dorthin geflüchteten, aus Worbis ausgetretenen Männer in
Beschlag genommen, den „langen Jacoff" erwischt und hin-
richten lassen. Am 23, Mai 1526 forderten „Alle von
Bülzingsleben" die Kirchenkleinodien zurück, die sie im
Bauernaufruhr dem Rat zu Nordhausen in Verwahrung ge-
geben hatten; da der Propst zu Worbis und 2 Kirchen-
vormunde die Quittung über den Empfang der Monstranzen
und des übrigen ausstellten, so werden diese Kleinodien
wohl aus Worbis gestammt haben.
Mit Worbis hatte Pfeifer ältere Beziehungen, vgl.
Heft 1 , 48 ; auch berichtet Sittich v. Berlepsch (Forschungen
XI, 385) aus früherer Zeit: „Es haben etliche zu Stadt-
worbis in der von Bolzingsleben. Gebieten einen Priester
gestürmt und noch einen Priester die andere Nacht auch
stürmen wollen, deshalb die von Bolzingsleben sich fast
beschwert und Leute dabei gelegt. Als die Stürmer ge-
kommen, haben sie zu ihnen einfallen und sie annehmen
lassen. Da haben derselben Freundschaft zu Worbis sich
etliche versammelt und dieselben angenommenen entwehrt,
daß ihnen also zusammen 25 entlaufen ; die haben die von
Mühlhausen in ihre Stadt gelassen, ihnen Geleit gegeben
und der deutschen Pfarrhöfe einen eingethan."
und die Verwüstung der Klöeter und Schlösser. gj
Weiter östlich wandte sich der Haufe zur Zerstörung
der Harburg (Horburg). Auch hier fehlt es fast ganz an
Nachrichten. Duval (S. 310) schreibt: „1525, als der
Bauernkrieg wütete, kam der tobende Haufe auch in diese
Gegend, rückte vor die Harburg, nahm sie ein, plünderte sie
aus und zündete sie an. Die hier und auf dem Scharfensteine
gemachte Beute wurde auf 9 Wagen von dannen geführt".
In den Dresdener Akten liegen auch hier die Verzeichnisse
des erlittenen Schadens: „Dis sint die Verluste, so wir
Henrich und Rudolff von Butzigsleben die jungem zur
Horborgk von den von Molhusen und yrim anhang gelitten.
Erstlich ist das haus Horborgk uns der hel£Fte gewest,
darauff wir haus gehaltenn, das zimlich und zum Teil
newerlich durch unsern vater seligk Erbawet gewesen, das
von den von Molhusen rein aus gebranth samt der vorborgk
und unser solch hauß des stiflftes Mentz eygentum und
unser pfanth." — „Nach folgende bescheddigunge haben
dy von Molhusen mit irem anhangk Heinrich von Bulzings-
leben amptman zum Glichenstein zugefügt. Erstlich mynen
teyll an der Horborgk samt myner vettern behusunge yst
Mentzsch pfantschafft ausgebranth. — Rudolf der ältere
v. B. : myn teil zur Horborgk — der schade am hauße zu
Heigenrode [Haynrode] — das hauß in Gemrode ist ab-
gebrandt." In dem „Schadegeldt nach dem Bawrenlerm"
(Chronik, S. 208) muJSte Mühlhausen zahlen an SeifTart von B.
500 fl., „darin der brandschaden des schloßes Horburg, so
allen von Bultzingisleben zustendig, dweil ehs mentzisch
pfant, nicht gezogen". Rudolf v. B. der Ältere erhielt 500 fl.,
Heinrich der Ältere 200 fl., Heinrich und Rudolf die Jüngeren
1000 fl. Wenn Duval, dem die in der Chronik benutzten
Akten bekannt gewesen sind — mittelbar? — hinzusetzt,
daß die adligen Herren diese Summen „wahrscheinlich
niemals erhalten haben", so hat er dabei schwerlich das
dicke Bündel der Abrechnungen durchstudiert, das leider
noch ungeordnet in unserem Archive ruht. — Georg Scharf
(vgl. S. 72) bekannte, daß er aus Siegfrieds (Seiffarta) v. B.
XXTT. 6
82 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
Hause einen Scheffel Korn bekommen, mit seiner Gesell-
schaft die Pfanne zu Heygenrode gelanget und nach Worbis
gebracht habe (Duval S. 311, Förstemaun, Kl. Sehr., S. 86).
Einiges der Güter, die Rudolf von Bülzingsleben in „Heigen-
rode" geraubt waren, war nach Nordhausen gekommen, wo
später die Auslieferung verlangt wurde (Pörstemann, Kl.
Sehr., S. 100).
Auch hier erwecken die Zeugenaussagen Zweifel, ob
alle diese Zerstörung dem heranziehenden Haufen zuzu-
schreiben ist. Ein Zeuge berichtet (St.A. S. 68, 145), „er
habe von seinem Junker Seifart von Bülzingsleben sagen
gehört, daß das Schloß Horburg und Kloster Worbis zuvor
und ehe der große Haufe dahin gekommen, ausgebrannt ge-
wesen sein sollen". Ein anderer sagt aus (S. 147), „er habe
hören sagen, daß Worbis und Horburg durch ihre eigenen
Leute verbrannt worden ; ob es also sei, oder nicht sei,
davon weiß er nichts zu sagen". Weiter gibt ein Zeuge
(S. 167) an, Horburg sei vor dem Zuge geplündert worden,
dagegen erklärt ein anderer (S. 149), „das wisse er wohl,
daß Pfeifer und Münzer samt ihren Anhängern solch Kloster
und Schloß (Worbis, Horburg) verbrannt und geplündert
haben". Schließlich erzählt ein Zeuge (S. 170), Bodenstein,
Kloster Worbis und Horburg, diese drei wären auf einen
Tag und Stunde verbrannt worden, das habe er gesehen.
„Dienstages nach Misericordias Domini [2. Mai] i) sprach
Münzer, ihm wäre im Traum angezeigt, er sollte nach Auf-
gang der Sonne ziehen, darum sprach er: Wer nicht gern
will, der mag heimziehen. Da verliefen sich etliche Hessen
und Eichsfelder, er aber mit den andern zog wieder gen
Mühlhausen" (Chronik, S. 189).
Die Rechnung, die man Mühlhausen machte, erstreckte
sich noch weiter. In den Dresdener Akten findet sich auch
ein Verzeichnis „us der Graffschafft Hoenstein geystlicher
1) Daß das Datum falsch ist, haben wir schon oben (S. 65)
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 83
und der vom adell empfangener schadenn" ; unter der Auf-
schrift steht „Mulhaußen". Wir finden hier verzeichnet:
„Wolff Schmidt zu Bleichenrode pfarrer, er Johann Schmidt
(desgl.), er adam Korber vicarius (desgl.), er Nicolaus
vicarius (desgl.), er Johan Wihemut zu Elende vicarius, er
Valentin Eckenbrecht vicarius zu Elende, schaden der kirchen
zu Elende, er Heinrich Härtung vicarius zu Elendt, er
Heinrich Haydorn vicarius in exilio, Hermann Haydom
bruder zu S. Annen zu Hauroden, Grethe Spiegels, Grethe
Spiegels tochter, die von Bursfelde, er Johann Schnetteler
zu Blicherode. Item vorzeichnus des Schadens, so an den
zweien geistlichen jungfraw closter zu Monchenlohra und
Dittenborn in der Grafschaft Lohra gelegen gescheen, Ernst
Windol t, Heinrich Meysse, Nickel Heysse." — Die 3 letzten
finden sich in der Chronik S. 209. Kloster Dietenborn
wurde von den Landleuten der Umgegend ausgeplündert.
(Duval in „Thüringen und der Harz« VIII, S. 271.) Dann
folgen noch Hans von Entzenberg, Ursula Reinhardt von
Westhusen selig Wittfrau (Chronik S. 209, vgl. oben
S. 64).
Der Zug fand noch ein Nachspiel, das wir doch an
dieser Stelle nicht vergessen wollen. Unsere Chronik
(S. 1 98 — 1 99) berichtet : „ Da nun solches alles geschehen, ließen
die Kur- und Fürsten durch einen von Schonberg i) in der
ganzen Stadt öffentlich einen Frieden und Sicherheit allen
Bürgern und Untertanen ausrufen, darauf dann viele Unter-
tanen von den Dörfern mit dem, was sie in die Stadt ge-
liohen, wiederum zu Haus zogen. Denselben wurden auch
Friedebriefe gegeben, daran der Fürsten Wappen gemalet,
die sie öffentlich anschlugen an ihre Tore, verhofften, sie
wollten also ferner unbeschädiget bleiben. Aber dessen
allen ungeachtet haben die eichsfeldischen Edelleute und
andere, so auf Schloß Rusteberg gelegen, deren Hauptmann
Hans von Mingerode gewesen (vgl. oben S. 44), item mit
1) Wolf von Schönberg.
84 Pfeüere und Münzers Zug in das Eichsfeld
ihm die Vögte Matthes Huneborn und der Propst zu Anroda,
Arnold Luckart, auch der geistliche Mönch und Daniel, der
schwarze Mönch, Matthias zu Reifenstein den armen Leuten
ihren Jammer gemehret und großen Mutwillen mit ihnen
getrieben. Denn erstlich haben sie dem Rate zu Mühlhausen
zwo Warten, als den Ziegenrain und Eichel, ausgebrannt
und zerstöret; danach haben sie das Vieh zu Dörna, Hollen-
bach und Lengefeld alle genommen und hinweggetrieben,
die Kirchen beraubt, die Häuser geplündert, letztlich die
Dörfer angezündet und dergestalt erbärmlich verbrannt, daß
zu Dörna nicht mehr zwei, zu Lengefeld drei und die Kirche,
zu Hollenbach gar wenig Häuser geblieben sind. Der Vogt
Matthes Huneborn auf dem Scharfenstein (Gleichenstein vgl.
oben 8. 62) sagte zu Lengefeld zu den armen Leuten, als sie
auf dem Kirchhofe saßen : ,Seid ihr noch Martinisch ? Wir wol-
len euch Lutherischen Buben jetzt lehren', und ist darauf in
die Kirche gefallen, hat dieselbe beraubt und das Dorf an-
gesteckt. Dieser Schade, von den Eichsfeldischen den Tag
geschehen, ist an 21 000 fl. allein geachtet worden. So
hatten zuvor Kersten von Schmalstieg und der von Beune-
burgi) mit dem einen Auge und die Hessischen das Dorf
Eigenrieden geplündert und gar in Grund hinweggebrannt,
daß nicht ein Haus geblieben. Als nun die letzten Feuer
zu Dörna, Lengefeld und Hollenbach von den Türmen in
der Stadt gemeldet wurden, und es die im Lager gesehen,
haben sie etliche Reiter zu den Eichsfeldischen abgefertiget,
die ihnen angezeigt, es wäre ein Friede bedingt, sie sollten
nicht mehr brennen; darauf sie miteinander ins Lager
geritten. Da nun die armen Leute solchen großen Schaden,
der ihnen im Friedestande zugefüget, weinend geklagt, tat
der Herzog von Braunschweig die gnädige Bitte für sie,
daß ihnen die Eichsfelder etlich Vieh wieder gaben."
Dieser Erzählung läßt sich aus den Akten noch man-
cherlei hinzufügen, besonders aus denen, die wir dem
1) Boyneburg.
und die Verwüstung der Klöster und ßchlösser. 85
Rechtsstreit „Mühlhausen gegen Mainz" verdanken (K. 3,
Nr. 18). S. 134b. Es soll gefragt werden: ,.0b nicht die
Kur- und Fürsten vor Mühlhausen gezogen sind und die
obgemeldeten auf dem Hause Rustenberg gelegenen zu sich
erfordert haben, ... sie darauf dahingezogen und etliche
Wagen mit Proviant mit sich genommen, daß der gemeldete
Abt, auch der Vogt zu Rustenberg und Mathes Hindebom
mit denselbigen Proviantwagen gezogen und dabei auch bis
ins Lager geblieben seien." Zeuge erzählt, er sei als ein
reisiger Knecht der Junker von Winzingeroda mit in das
Lager gezogen, und hat gesehen, daß des andern Tags
[27. Mai] Pfeifer samt etlichen Bürgern und Bauern
ijerichtet worden. Drei Stunden, ehe der Haufe (der Ad-
ligen) ins Lager gekommen, sei der Abt (von Reifenstein?)
ins Lager bei Nacht mit Kuntze Gutghar zu Rusten-
berg — Zeuge S. 141 setzt noch den Amtmann auf dem
Eichsfelde, Bernhard von Härtungen dazu — vorgeritten.
Der Vogt zu Rustenberg , der Abt und Wolf Zeisig,
diese 3 seien mit den Proviantwagen vor ihrem Haufen
gezogen).
Auf diesem Zuge in das Lager der Fürsten kamen die
Adligen, etwa über Bickenriede, in das mühlhäusische Ge-
biet, das sie sofort als feindliches behandelten, um an ihm
die Verwüstung der eigenen Schlösser und Klöster zu
sühnen. In den Akten wird nun festzustellen gesucht, ob
bei ihrem Einrücken in das städtische Gebiet der Friede,
wie ihn im Namen der Fürsten Wolf von Schönberg ver-
kündigt hatte, bereits in den Dörfern bekannt, die Friede-
briefe angeschlagen waren. Darüber finden sich mancherlei
Aussagen, aus denen hier einige hervorgehoben werden
mögen. So berichtet Zeuge S. 135: „Die vom Adel seien
durch die Bauernschaft von dem Ihrigen, Weib und Kind
verjagt worden und auf Rustenberg zusammengekommen,
sich daselbst zu rüsten, daselbst den bäurischen Haufen zu
erwarten, Leib und Leben bei einander zu lassen. Als nun
Gott Glück gegeben, daß die Fürsten den bäurischen Haufen
86 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
geschlagen und auch vor Mühlhausen gelegen, hätten sich
diese Ede Heute auf Rustenberg zu Häuf getan und zu den
Fürsten vor Mühlhausen kommen wollen, wie denn ge-
schehen ; damit er, Zeuge, als ein reisiger Knecht seines
Junkers von Winzingerode mitgezogen." Weiterer Bericht
lautet (S. 135): „Kunz Gutjahr, der Vogt, und der Abt
zu Reifenstein seien zuvor, ehe der Haufe von Rustenberg
gezogen, mit den Proviantwagen in das Lager vor Mühl-
hausen gekommen. Als dann die vom Adel, so auf Rusten-
berg gelegen, zu den Fürsten ins Lager gen Mühlhausen
hätten ziehen wollen und zwischen die 3 Dörfer gekommen
wären, habe er, Zeuge, gesehen, daß die 3 Dörfer gebrannt.
Indem wären auf die 200 Pferde von den Fürsten von
Mühlhausen ihnen entgegengekommen, also, daß nicht weit
gewesen wäre, daß die beiden Haufen einander geschlagen,
und jede Partei hätte schon ihren Vorteil genommen und
geschickt zu schlagen gehalten, — Dazwischen hätte man
Sprache gehalten, und sei also der Sachen eins geworden,
daß beide Haufen zufrieden und nach dem Lager gezogen
seien." Genaueres über die Absendung dieser Reiterscbar
aus dem Lager der Fürsten erfahren wir S. 136b: „Als
die Dörfer gebrannt und alle Dinge hinweggenommen, wären
die Nachbarn aus diesem Dorfe zu den 3 Fürsten, so vor
Mühlhausen gelegen, gekommen, hätten solchen ihren Schaden,
der ihnen über den ausgerufenen Stillstand geschehen, ge-
klagt, hätten sie wohl bei 600 Pferden dem Haufen in dfen
Dörfern, so gebrannt, entgegen geschickt. Wären die beiden
Haufen mit einander in der Fürsten Lager gezogen, das
hätte er gesehen."
Genaueres erfahren wir über die Zerstörung von Dörna.
Zeuge S. 137b erzählt: „Als er vor seiner Herrschaft von
dem Eichsfelde geflohen, wäre er zu Dörna gewesen und
hätte sich heimlich daselbst aufgehalten, wären die Nach-
barn aus der Stadt gen Dörna heimgekommen, hätten zum
Teil das Ihre mitgebracht, hätten sie ihm gesagt, wie die
Fürsten auf denselbigen Tag, der da war Ascensionis Do-
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 87
mini ^) einen Frieden ausgerufen, daß jedermann sollte heim-
ziehen und sicher sein, und hätten Friedebriefe mit sich
gebracht und dieselben Briefe denselben Tag oder den
nächsten Morgen an die 2 Tore ^) angeschlagen, das habe
er gesehen ; das Wappen der Fürsten habe an den Briefen
gestanden. — — Als er bei den Nachbarn auf dem Kirch-
turme den nächsten Freitag nach Ascensionis Domini ge-
wesen, hätte er samt den andern droben gesehen, daß ein
Haufe zu Roß und zu Fuß vom Eichsfelde her den Warten
zugezogen, wären dieselben Warten angesteckt und ver-
brannt. Derselbe Haufe hätte sich zerteilt, ein Teil still
gehalten, auf 7 oder 8 Reiter sich gen Dörna vor das Tor
getan und hätten hinein gewollt; hätten die Nachbarn auf
dem Kirchturm 2 aus ihnen zu denselben an das Tor ge-
schickt, zu fragen, was sie wollten. Hätten dieselbigen
Reiter ihnen zweien zu Antwort gegeben, sie suchten 2
Eichsfelder, deren er, Zeuge, einer und sein Gesell von
Bickenriede der andere. Also wären die 2 Gesandten zu
ihnen auf den Kirchturm gekommen, hätten solches an-
gesagt und sie zwei nicht mehr bei ihnen haben wo)^n ;
also hätten sie seinem Gesellen Weibskleider gebracht, die
er angetan und also davongekommen, und er, Zeuge, sei
über die Kirchhofsmauer hinausgefallen und habe sich in
Hecken und Genicke 3) gesteckt und verborgen. Als dem-
nach sie zwei hinweggekommen wären die Tore geöffnet,
und das Dorf Dörna angesteckt" Diese Erzählung ergänzt
ein anderer Zeuge (136 — 137) : „Als er und seine Nachbarn
zu Dörna auf dem Kirchturm gewesen, hätten er und
andere da oben gesehen, daß Reiter und Fußgänger auf
1) Bekanntlich zogen an diesem Tage (25. Mai) die Fürsten in
Mühlhausen ein.
2) Das Dorf war durch den „Dorfhagen", einen mit Holz be-
standenen Wall, befestigt (Sommer, Bau- und Kunstdenkmäler des
Kreises Mühlhausen S. 15).
3) Vgl. das „Geneige" unseres Gebietes. Chronik I, 17.
38 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
dem Felde gehalten und sich gegen das Dorf gewendet
hätten. Hätten die von Dörna 2 aus ihnen zu demselbigen
Haufen geschickt, zu erforschen, was sie wollten, darauf
ihnen aus demselbigen Haufen geantwortet sei, sie wollten
2 Eichsfelder bei ihnen suchen ; wäre der eine sein Bruder
gewesen, den sie suchten, also wäre er mit seinem Bruder
ab dem Turme gestiegen und hätte ihm davon wollen helfen,
da wären etliche von dem Haufen vor dem Tore gestanden,
unter denen er Lukarden und den schwarzen Daniel, so
ein Reifensteiner Mönch gewesen, und Liborius Thon-
hose, der Zeit ein Obervogt zu Rustenberg, gekannt hätte,
welcher ihm und andern zu Dörna, so auf dem Tor (Turm?)
gewesen, gerufen, zu ihnen zu kommen, sie sollten Leibes
und Lebens sicher sein, ihnen sollte nichts geschehen, und
hätten von ihm, seinem Bruder und anderen die Gelübde
genommen von wegen des Bischofs zu Mainz. So wäre
die Kirche geöffnet von etlichen, die geflohen aus der Kirche
und über die Mauer gefallen wären. (?) Wären dieselben,
auch Mathes Hundeborn und etliche vom Haufen, so vorm
Tore gehalten, Reiter und Fußgänger in die Kirche ge-
langt, hätten geplündert und genommen, was sie gefunden,
hin und wieder im Dorfs gelaufen, das Feuer angesteckt
und brennen lassen und demnach dem Lager des Fürsten
zu Mühlhausen zugezogen, und wäre ihnen ein Haufe von
Mühlhausen entgegen gekommen und sie als miteinander
in das Lager der Fürsten gezogen." Weiter erzählt em
Zeuge: „Als der Friede zu Mühlhausen ausgerufen, derzeit
er, Zeuge, noch zu Mühlhausen gewesen, hätte der Wächter
auf dem Turme 3 Feuer geblasen, darauf man gefraget,
wo das wäre, hätte der Türmer gesagt, es wäre Dörna,
da er, Zeuge, wohnhaftig, Lengefeld und Hollenbach. Hätte
der Freiherr von Schönberg den Nachbarn gesagt, sie
sollten hinlaufen und löschen. Wäre er, Zeuge, gen Dörna
seinem Hause zu gelaufen, hätte das Dorf Dörna in aller
Höhe gebrannt, dabei hätte er gesehen Mathes Hundeborn»
und die Verwüstung der Klösiex und Schlöseer. g9
Vogt auf Gleichenstein, und Lukharden, jetzt Propst zu
Anrode, auch hätte Lukhard selbst ein Haus angezündet,
das hätte er gesehen. Auch wäre Mathes Hundeborn auf
einem Pferde im Dorfe hin und wieder gerannt, hätte
diesen und jenen geschlagen, Kühe, Pferde und anderes,
was er bekommen, hinweggeführt und andere hinwegzu-
führen angewiesen, und wären sonst viel Reiter, auf
80 Pferde, und Fußgänger im Dorfe gewesen, die er nicht
gekannt. Nachdem die Häuser angesteckt, wären sie vor
den Kirchhof gekommen, hätten sie die Bauern gezwungen,
die Kirche zu öffnen. Das wäre geschehen, wären diese Leute,
Reisige und Fußgänger, in die Kirche gelaufen und hätten
genommen alles, was sie darin gefunden, und mit sich
hinweggenommen. Auch hätte er gesehen, daß der Luk-
hard nach einem auf dem Kirchtor (Turm ?) geschossen, der
hätte das Tor öffnen müssen."
Weitere Aussagen ergeben nun aber, daß die Dörfer
schon vorher (vgl. S. 84) von anderer Seite geplündert waren
(S. 138): „Da die Fürsten vor Mühlhausen gelegen, haben die
Hessischen und ihr Hauptmann Kersten Schmalstich (Schmal-
steygk) von Treffurt auf Ascensionis Domini um den Mittag
ungefähr in das Dorf Dörna gefallen und etwa die Hälfte
abgebrannt, auch die Schafe und Kleinvieh hin weggetrieben ;
und folgenden Freitags nach Ascensionis um den Mittag sei
es angesteckt worden durch den Haufen vom Eichsfeld "
S. 138b : „Außer dem, so an dem Dorf Junker Schmal-
stich samt seinen Reitern gebrannt, sei des andern Tages
durch den Haufen, so vom Eichsfelde gezogen, das Dorf
Dörna bis auf 2 Häuser und die Pfarre verbrannt." —
Noch genauer erzählt ein weiterer Zeuge (138b) : „Als der
Friede ausgerufen, wären er und sein Vater der Zeit zu
Mühlhausen gewesen. Hätte der Vater zu ihm gesagt, der
Priede wäre von den 3 Fürsten ausgerufen, es sollte nun
jedermann sicher sein, und niemand nichts mehr geschehen.
Darauf habe Zeuge seinen Wagen geladen und, was er
90 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
hätte führen mögen mit 4 Pferden, wieder gen Dörna ge-
fahren und abgeladen. Er wisse nicht, ob die Friedens-
briefe angeschlagen seien desselben Tages. Darauf des-
selbigen Tages wären etliche niederländische Reiter ge-
kommen, hätten das Dorf Dörna angesteckt und zum Teil
verbrannt, dazu etlich Vieh auch genommen. Des andern
Tages hernach wäre ein Haufe vom Eichsfeld gekommen und
hätte das übrige geplündert und verbrannt; doch wären des-
selben Tages die Briefe an den Toren angeschlagen." Auch
ein weiterer Zeuge sagt, Dörna und Hollenbach seien zwei-
mal in 2 Tagen nacheinander gebrannt. Auch die Plün-
derung des Dorfes Eigenrieden, wie sie unsere Chronik
erwähnt, bestätigt ein Zeuge: „Auf Ascensionis Domini sei
ein Haufe aus dem hessischen Lande dem Lager vor Mühl-
hausen zugezogen, der sei in Eigerode — in Dörna ge-
fallen". — Einiges wichtige bietet dann folgende Aussage :
„Als auf Ascensionis Domini der Friede ausgerufen und
er, Zeuge, von seinem Vater mit den Wagen und Pferden
wieder gen Dörna geschickt, und er den Freitag danach
auch gen Dörna gekommen, wäre geboten worden zu
Dörna, welcher noch nicht den Fürsten gelobet, daß der-
selbige in das Lager der Fürsten käme und daselbst an-
gelobte. Also wären viele aus den Dörfern gen Mühl-
hausen in das Lager gekommen, den Fürsten zu Fuß ge-
fallen und hätten um Gnade bitten müssen". Schließlich bietet
eine Aussage (S. 140) auch genaue Bestätigung der Er-
zählung in der Chronik: „Als der Haufe vom Eichsfeld
bei Dörna gekommen, wären 4 Reiter an das Tor zu Dörna
geritten und hätten hinein gewollt. Hätten die Bauern,
die auf dem Kirchturm versammelt, 2 aus ihnen zu den-
selbigen 4 geschickt, sie fragen lassen, was sie wollten.
Darauf dieselbigen zur Antwort gegeben, sie suchten zwei
ihrer Männer, darauf die ihnen wieder geantwortet, sie
wären der Fürsten und Friede sei ausgerufen, ihre Nach-
barn wären im Lager und wollten deshalb Briefe
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 91
bringen. Dagegen habe Mathes Hundebom gesagt, so
sollten sie die Tore auf tun und mit ihm in das Lager der
Fürsten ziehn; meinten die Nachbarn, es sollte Glauben
sein, und werden die Tore des Dorfes und Kirchhofes ge-
öffnet. Hätte Zeuge gesehen, daß Mathes Hundeborn und
einer, genannt Luckart, wären die vordersten gewesen, wären
auf den Kirchhoff gekommen und hätten gesagt, ob sie
Martinisch wären, hätte ihm ein Bauer geantwortet: Ja.
Hätte er wieder gesagt : Seit ihr noch Martinisch und haltet
deutsche ^) Messen ! Ich will euch eine deutsche Messe halten !
und habe zu den andern gesagt: Steckt das Dorf an! und
übel geflucht. — Auch hätte ihn, Zeugen, derselbige Matthes
und noch einer mit einem Auge (vgl. S. 84 ; v. Beuneburg) ge-
zwungen, das genommene Vieh zu helfen, mit ihnen zu
treiben, und sie seien damit der Fürsten Lager zugerückt.
Indem wären etliche Reiter aus der Fürsten Lager diesem
eichsfeldischen Haufen entgegengeschickt, um das Brennen
zu wehren, hätten sie die Bauern, so ihnen das Vieh hätten
helfen treiben müssen, von sich gejagt und den Nachbarn
gar nichts wiedergegeben." Eine besondere Nachricht gibt
dann noch der Zeuge S. 141 : „Als der Hauptmann der Edelen
auf dem Rustenberge, Hans v. Minnigerode, mit seinem
Haufen zum Ziegenrain, der Warte (Chronik S. 16), gekommen,
hätte er den Matthes Hundeborn und seinen Untervogt ge-
rufen, zu ihm zu kommen, hätte ihnen befohlen samt
andern noch fünfen, daß sie das Dorf Dörna plündern und
ausbrennen sollten ; das war also geschehen, und hätte er,
Zeuge, auf einem Pferdlein gehalten und zugesehen."
Nach diesen Ereignissen standen in Eigenrieden noch 3 Häuser,
in Dörna etwa noch 6, in Hollenbach waren 4 Höfe abge-
brannt, in Lengefeld standen noch 4 Häuser (N. M. 14, 407
vgl. S. 84). Die Gemeinde zu Dörna klagte am 3. Juni schrift-
lich bei Dr. v. Otthera, dem neuernannten Schultheißen,
1) Die hatte Münzer eingeführt. (Chronik 182, 186.)
92 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
daß sie an ihrer Behausung und ihren Gütern, ohne Ursache
am Aufruhr gewesen zu sein, merklichen Schaden durch
Feuer erlitten hätten, und baten um sein^e Vermittelung bei
Herzog Georg, dem Otthera die Klage alsbald übersandte.
Es ist ein reiches Detail, das unsere Akten bieten,
oft in recht lebhafter Färbung, der Schluß aber, der sich
daraus ergibt, ist doch nur ein einfacher, und es darf
wohl nun ausgesprochen werden, daß „denen von Mühl-
hausen" mancherlei zugeschoben ist, an dem sie nicht oder
nur wenig schuld waren. Ausgeplündert sind die Klöster
und Schlösser größtenteils von den Eichsfelder Bauern, doch
wohl den umwohnenden ; als der Haufe heranzog, sind die
geplünderten und verlassenen Klöster und Schlösser an-
gezündet worden, vielleicht aus Ärger, daß es nichts mehr
zu plündern gab. Das gilt freilich mit einiger Sicherheit
nur bis Heiligenstadt hin ; darüber hinaus hört ja unsere
genauere Kunde auf.
Einige allgemeine, diese Auffassung bestätigende Zeug-
nisse stelle ich hier noch zusammen. S. 146b gibt ein
Zeuge an, „die Feldnachbaren hätten das Kloster (Name
fehlt) geplündert, ungefähr gleich nach Ostern Ursach seines
Wissens, denn Bernhard von Honten (Härtungen), gemeiner
Amtmann auf dem Eichsfelde, des Schreiber der Zeuge ge-
wesen, der hätte samt seinen Reisigen etliche Bürger von
Heiligenstadt zu ihm gefordert, dieselben, so das Kloster
geplündert, schlagen (?!). — Das Kloster sei noch nicht
verbrannt gewesen, sondern nachmals geschehen." Dies letz-
tere wird dann genauer wiederholt: „Als das obgemeldet©
Kloster geplündert wäre, wäre über 3 oder 4 Tage un-
gefähr hernach der große Haufe, so man den Mühlhäusischen
genannt, vor Heiligenstadt gekommen ; sei in demselben
Zuge seines Wissens das Kloster verbrannt worden."
S. 152 : „Als die Prädikanten und der aufrührerische Haufe
von Orsla gen Heiligenstadt gezogen, seien die Schlösser
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 93
und Klöster geplündert gewesen, aber im Zuge gen Hei-
ligenstadt seien sie durch diejenigen, so von dem Haufen
gelaufen, verbrannt worden, solch' Brennen habe er selbst
gesehen." S. 163: „Als der Haufe von Orsla auf Heiligen-
stadt zu gezogen sei, seien zuvor Schlösser und Klöster
geplündert und ausgebrannt, denn er von Gebelhausen
(vgl. 8. 49), als er und die Eichsfelder zu ihnen gen Ur-
bach gekommen, gehört., er und sein Anhang und der
Schlösser und Klöster Untertanen, hätten die Klöster und
Schlösser geplündert und verbrannt." S. 167: „Zuvor und
ehe die Prädikanten aufs Eichsfeld gen Heiligenstadt ge-
zogen, seien durch die Eichsfelder Scharfenstein, Horburg,
ßeifenstein, Kloster Worbis, Beuren und Teistungenburg
geplündert worden. Aber als der Haufe im Zuge gegen
Heiligenstadt gezogen, seien vermeldete Schlösser und
Klöster verbrannt worden. Er, Zeuge, habe gesehen, daß
die Eichsfelder die Schlösser und Klöster geplündert haben."
S. 178: „Er habe hören sagen, die Schlösser und Klöster
seien vorhin geplündert gewesen, ehe der Haufe gezogen;
als aber der Haufe zu Orsla gezogen nach Heiligenstadt,
hätten Schlösser und Klöster gebrannt."
Es wird femer der Mühe wert sein, zu fragen, wer
denn eigentlich den Mühlhäuser Haufen gebildet hat. Früh,
schon im Beginne der Bewegung haben sich fremde Ele-
mente in unsere Stadt gedrängt, deren Einfluß in anderem
Zusammenhange erörtert werden muß ; hier muß doch
darauf aufmerksam gemacht werden, daß die kleine Stadt,
an deren Volkszählung vom Jahre 1525 (Chronik S. 215)
immer wieder erinnert werden möge, zu dem Haufen wirk-
lich nicht viele ihrer Bürger oder Mitwohner entsenden
konnte. In den Akten liegen ja genug Aussagen vor über
die, welche mitgezogen waren, aber ihre Zahl ist doch
in Summa klein, wenn man an den großen Haufen denkt,
der gen Heiligenstadt zog. Fremde in Menge sind darin
vertreten gewesen, worüber ebenfalls Zeugnisse vorliegen.
94 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld
So heißt es S. 151: „er sei mit dem aufrührerischen Haufen
der Zeit im Feldlager gezogen, in welchem Hessen, Mühl-
häuser, Eichsfelder, vom Harze und sonst aus anderen
Orten gewesen," S. 178 erzählt ein Zeuge: „Vielerlei Volks,
als Sachsen, Hessen, Eichsfelder, Franken, Meißner und
andere seien mitgezogen, die alle gern reich und frei hätten
werden wollen." Zeuge S. 154b erzählt: „Die Prediger
sollen allenthalben hin geschrieben haben, also sind aus
Hessen, Sachsen, Eichsfeld viel zu ihnen gelaufen." Ein
anderer berichtet S. 155: „Hernach aus Hessen haben sich
von der Werra und allenthalben viel zu Pfeifer gen Mühl-
hausen getan, also daß der Anhang der Ausländer und der
Bürger so groß geworden, daß der Rat ihrem Mutwillen
nicht mehr hat vorkommen mögen." S. 161 heißt es,
Pfeifer habe sich einen großen Anhang gemacht von
Bürgern und ausländischen Bauern, und S. 172: „sei das
Volk allenthalben her Bürger, Eichsfelder und Sachsen in
ihre Predigt gelaufen." Leider ist keine Hoffnung vor-
handen, daß wir über Pfeifers Bund, dessen Liste ich Heft 2,
S. 33 — 35 veröffentlicht habe, jemals genaueres erfahren.
Schließlich verweise ich noch auf das dort S. 36 — 37 ver-
öffentlichte Verzeichnis: „Disse Dorffe wye hernach folgendt
sint auch vf der Beschedigungk des Adels mit gewest."
„Alle Welt wollte von Mühlhausen entschädigt sein",
schrieb schon Seidemann, N. M. 14, 412. Herzog Georg,
der doch wahrlich Mühlhausen nicht freundlich gesinnt wai",
ließ bei einer Tagung der Räte anbringen (N.M. 14, 417):
„Ernsten Windolt hätten der von Honstein Leute mehr
Schaden getan, als die von Mühlhausen", dennoch mußte
die Stadt Ernst und Hans Windolt 1200 Fl. zahlen (Chro-
nik, S. 209). Der Erzbischof von Mainz forderte zunächst als
Entschädigung für die Klöster 18000 Fl. (N. M. 14, 423),
begnügte sich aber 1550 bei einem Vergleiche mit 3000 Fl.,
immerhin ein Beweis, daß der Schaden der Stadt nur zu
einem kleinen Teile zugeschoben werde konnte.
und die Verwüstung der Klöster und Schlösser. 95
Schon in unserer Chronik tritt an einzelnen Stellen ein
Streben hervor, die gegen die Stadt gerichteten Anklagen
zurückzuweisen, wie ich denn auch nicht Stephan zustimmen
kann, der für „die Beschreibung des Bauernkrieges" an-
nahm, wahrscheinlich habe der Verfasser die Vorgänge
selbst mitangesehen (Stofflieferungen II, S. 145). Vielmehr
habe ich immer mehr den Eindruck gewonnen, daß unsere
Akten dem Verfasser bei der Niederschrift nicht fremd
gewesen sind. Man behauptete, der Haufe sei „mit der
Stadt aufgerichtetem Fähnlein" ausgezogen (vgl. oben S. 56);
daß das unmöglich war. soll die genaue Erzählung zeigen,
wie der Stadt Fähnlein von Rodemann und Wettich entführt
wurde; deshalb wird auch genau das weiße Fähnlein, „darin
ein Regenbogen stund", beschrieben, mit dem Pfeifer und
Münzer auszogen, ebenso das gelbgrüne Fähnlein des Eichs-
felder Haufens. Absichtlich betont die Chronik (S. 187):
,,Bei diesem Haufen und Zuge sind wenig Bürger und kein
Ratsherr von Mühl hausen gewesen" außer dem berühmten
Jobst Homberg ; war doch Klage erhoben, Mitglieder des Rates
hätten den Haufen geführt. Auch was ich zuletzt zusammen-
gestellt habe, faßt die Chronik dahin zusammen: „Das
andere ist alles zusammengelaufen Volk gewesen." Genaueres
Studium wird diesen Grundton der Darstellung in der
Chronik wohl noch deutlicher nachweisen können. Ob sie
damit recht hat, wird die vorliegende Untersuchung er-
kennen lassen ; vielleicht dient sie dazu, daß man in Zukunft
mit „denen von Mühlhausen" etwas gnädiger ins Gericht
geht. Man vergleiche mit unserer Darstellung Mühlh.
Gesch.-Bl. III, S. 64: „So singt Bernardus Americanus von
Thomas Münzer und seinem ,Speerarme', der noch rauchte von
dem Blut der Edelleute" ; hoffentlich wird man dann uns zu-
stimmen, daß es Zeit ist, diese Dinge etwas genauer zu prüfen.
Vielleicht vergißt man dabei auch folgende Stelle aus Münzers
letztem Briefe (Seidemann S. 146) nicht, wohl dem einzigen
Schreiben aus seinen letzten Jahren, in dem aufrichtiges
96 Pfeifers und Münzers Zug in das Eichsfeld etc.
Gefühl niclit durch übertriebene Phrasen verhüllt ist: „Ich
weyß das ewer der mehrer theyl in Molhoußen dysser
uffrurischen und eygenutzigen emporung nihe anhengig
gewest, szondern. das allewege gerne gewerth und vor-
komen" i).
1) Das kürzlich erschienene Werk von v. Wintzingeroda-Knorr,
„Die Wüstungen des Eichsfeldes etc." konnte ich leider zu dieser
Studie nicht mehr durcharbeiten (1060 Seiten!), doch möge wenig-
stens folgende Notiz zu S. 78 hier Platz finden : „Der jetzige Name
Mühlhäuser Burg ist erst im 18. Jahrhundert gebräuchlich ge-
worden" (S. 691). — Das 8. 1020 für die Zerstörung des Schlosses
Westernhagen gegebene Datum (1. Mai) wird kaum richtig sein, da
der Haufe Dienstag den 2. Mai erst vor Heiligeustadt eintraf (vgL
oben S. 65). Die Sage von der Vernichtung der Familie v. Western-
hagen bis auf einen Knaben wird auch hier als irrig bezeichnet, wie
sie ja auch neben den von den Herrn v. W. erhobenen Forderungen
(vgl. S. 74) lächerhch genug erscheint. Ich finde aber, selbst in der
Sage, sonst keine weitere Gelegenheit, bei der das „Blut der Edel-
leute" vergossen sein könnte.
III.
Die vor- und frühgeschichtiichen Funde der
Grafschaft Camburg.
Von
Dr. Gustay Eichhorn in Jena.
Mit 79 Abbildungen im Text.
Die vorliegende Arbeit ist das Resultat einer mehr-
jährigen Sammlung aller vor- und frühgeschichtlichen Funde,
die im Saalegebiet in der Grafschaft Camburg gemacht
worden sind. Das umfangreiche Material ist weit verstreut
worden. Es sind Funde nach Berlin gekommen in das
Museum für Völkerkunde, nach Meiningen in das Henne-
berger Haus, nach Jena in das Germanische Museum, nach
Weimar in das städtische Museum, nach Coburg in die
Sammlung des Anthropologischen Vereins ; eine größere
Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer besitzt die Schule
zu Eckolstedt, Herr Gutsbesitzer Becker in Schinditz, einige
Stücke Herr Pfarrer Schröder in Hainichen, Herr Ritter-
gutsbesitzer von Schönberg in Kreipitzsch, und heute noch
gehen Fundobjekte in reichlicher Menge dem unermüdlichen
Sammler Herrn Straßenbauverwalter Heim in Camburg zu.
Ich habe die einzelnen Gegenstände genau gebucht, ge-
zeichnet und beschrieben. Beim Abschluß der Arbeit bin
ich nun lange unschlüssig gewesen, wie der umfangreiche
Stoff am besten zu sondern und zu gruppieren wäre, ob
ich die Funde aufzählen sollte nach den Fundorten oder
XXII. 7
98 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
nacht dem jetzigen Verbleib in den genannten Sammlungen,
oder ob ich eine zusammenhängende Darstellung der Vor-
geschichte der Grafschaft Camburg geben und die hier ge-
machten Funde einflechten sollte. Schließlich bin ich zu
dem Entschluß gekommen, die Funde zunächst nach den
Fundorten zusammenzustellen, jeden Fundgegenstand ein-
zeln zu beschreiben und erst in einem Schlußkapitel einen
Überblick der vor- und frühgeschichtlichen Entwickelung
der Grafschaft Camburg auf Grund dieses Materials zu
geben. Es wird auf diese Weise zwar der flüchtige Leser
leicht ermüden, wenn er die trockene Aufzählung ganzer
Serien von gleichartigen Steingeräten oder Schädelbeschrei-
bungen durchmustert, doch geschieht damit dem Prähistoriker
sowohl, wie der Landeskunde ein Gefalle, das weit ver-
streute Material dieser Gegend wenigstens in einer katalog-
artigen Zusammenstellung beieinander zu finden.
Die Fundgegenstände sind in ihrem Wert, d. h. in
ihrer wissenschaftlichen Verwertbarkeit sehr verschieden.
Wird ein Steinbeil z. B. eingeliefert ohne nähere Angabe
der Fundstelle und der begleitenden Fundumstände, so hat
es einen verhältnismäßig geringen Wert. Wir können nicht
einmal mit Sicherheit sagen, ob es der Steinzeit angehört,
da Steinbeile auch in der späteren metallischen Zeit noch
häufig im Gebrauch waren. Wir bezeichnen ein derartiges
Fundstück als „Einaelfand".
Wird uns aber z. B. glaubwürdig mitgeteilt, daß das Stein-
beil innerhalb einer schwarzen Schicht Bränderde auf einem
sonst lehmfarbenen Acker beim Pflügen neben ornamen-
tierten Gefäßscherben, Feuersteinmesserchen und Reibsteinen
zu Tage gefördert worden ist, so läßt sich mit Sicherheit an-
nehmen, daß es einer steinzeitlichen Wohnstätte entstammt.
Wie hieraus erhellt, macht ein genauer Fundbericht, der
präzise Angaben hinsichtlich des Fundortes und der be-
gleitenden Fundumstände bringt, den Fund für das wissen-
schaftliche Studium zu einem bedeutend wertvolleren. Im
Gegensatz zu den oben erwähnten Einzelfunden nennen wir
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 99
derartige gleichzeitig an gleichem Orte zusammen gemachte
Funde „Gesamt- oder Gruppenfünde".
Als Gesamtfunde sind dementsprechend anzuführen:
1) die funde aus einer Wohnstätte „Wo hnstätten-
funde,
2) die Funde aus einem Grab, die „Grabfunde",
3) die sogenannten „Depotfunde", d. h. Funde von
Gegenständen, die in vorgeschichtlicher Zeit an einer Stelle
in der Erde, z. B. unter einem großen Stein, in der Nähe
eines Baumes oder im Wasser niedergelegt worden sind,
sei es von einem fahrenden Händler, der in Zeiten der Gefahr
diese Schätze vergrub, sei es von einem heimkehrenden
Krieger, der dankerfüllt diese kostbaren Stücke nach glücklich
bestandenem Kampfe seinen Göttern weihte.
Bei allen Gesamtfunden gilt es aber, genau zu beobachten.
Es ist nicht immer richtig, alle an einem Wohnplatz, in
einer Herdgrube gemachten Funde einer Epoche zuzuteilen,
da die Wohnplätze oft lange Zeit hindurch benutzt worden
sind, und die unteren Schichten der Abfallgruben einer
viel früheren Epoche angehören können als die oberen.
Ebenso sind auch die Grabhügel oft in zeitlich ganz
getrennten vorgeschichtlichen Epochen als Bestattungsstellen
benutzt worden. Es sind z. B, Grabhügel eröffnet worden,
in welchen das Hauptgrab im Zentrum bereits in der
Steinzeit angelegt worden war, während die oberen Hügel-
schichten Bestattungen aus der slavischen Zeit enthalten.
In der vorliegenden Arbeit sind diese äußerst wichtigen
Gruppenfunde bei den betreffenden Fundorten vorangestellt.
Die Einzelfunde sind ihnen angereiht worden. Die Zeit-
schriften , Tageszeitungen , Abbildungen , die schriftlichen
Notizen, welche die Funde schon in irgend einer Weise
behandeln , sind quellenmäßig angegeben , ebenso wie der
jetzige Aufbewahrungsort der Fundgegenstände bei jedem
Stück verzeichnet ist.
100 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
I. Die auf dem linken Ufer der Saale gelegenen Fundorte
in der Grafschaft Kambi^rg.
1. Eckolstedt.
Steinzeitliche "VVohnstätten.
Im Germanischen Museum zu Jena liegen eine große
Anzahl von Tongefäßscherben, welche Herr Land-
wirt Carl Kunze aus Hirschroda bei Eckolstedt gesammelt
und unserem Museum zu Klopfleischs Zeiten übergeben
hat. Die Gefäßreste sind zumeist der Bandkeramik
angehörig und stammen aus sogenannten Herdgruben
steinzeitlicher Siedelungen. Im vergangenen Sommer habe
ich mit Herrn Kunze eine Reihe derartiger Anlagen unter-
sucht und neues Material derselben Art gesammelt.
Auf derartige Reste vorgeschichtlicher Wohnstätten
wird man aufmerksam durch eine auffällige, schwarze Boden-
färbung, die ein meist kreisförmiges Stück auf dem sonst lehm-
farbenen Ackerboden deutlich heraushebt. Besonders nach
einem Regen sind die Stellen auf den frisch geackerten
Feldern deutlich sichtbar. An senkrecht angeschnittenen
Herdgruben sieht man, daß dieselben ursprünglich als cylin-
derförmige Gruben aus dem Boden ausgehoben worden
sind mit senkrechten Wandungen, ihr Durchmesser schwankt
von 1 — 2 m, ihre Tiefe beträgt ^j^- — 1 m. Unter-
sucht man derartige Stellen genauer, so findet man in der
schwarzen Erde eine große Zahl Gefäßbruchstücke, die zu-
nächst leicht zerbrechen, aber, lufttrocken gemacht, sehr
rasch wieder erhärten , vereinzelt Holzkohle , Feuerstein-
splitterchen oder -messerchen, Elintpfeilspitzen, Knochen von
Tieren, zuweilen Steinbeile, Steinhacken, Reibsteine, Klopfer.
Nach meiner Ansicht sind diese schwarzen Stellen auf den
Ackern, die sogenannten Herdgruben, nicht Feuer-
stätten, d. h. Stellen, wo sich der Herd der primitiven
Siedelung befunden hat, sondern Abfallgruben, die in
der Nähe der leicht gebauten Wohnhütten, in den Boden
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 101
vertieft, angelegt worden sind. Man bedurfte ihrer, um
die Reste des Herdfeuers, die glühende Asche, aus der
leicht brennbaren Hütte zu entfernen und sie unschädlich
zu machen. Schließlich warf man auch alle Küchen abfalle,
Tierknochen nach der Mahlzeit, zerbrochene Töpfe, un-
brauchbar gewordene Werkzeuge mit in die Grube.
Die Wohnstätten dieser steinzeitlichen Besiedler der
Eckolstedter Flur lagen auf dem nord- und südöstlichen
Hochplateau, zwischen denen sich das heutige Dorf ins
Tal hinabzieht.
Die mir vorliegenden Gefäßscherben aus diesen Fund-
stellen gehören, wie eingangs erwähnt, in die Periode
Fig. 2. Vr
Fig. 3. %. Fig. 4. Vr
der Bandkeramik, also den letzten Abschnitt der jün-
geren Steinzeit. Bekanntlich hat dieser Abschnitt der Vor-
geschichte von der Verzierungsweise der Gefäße seinen
Namen. Eingeritzte Linien umziehen geradlinig, in Winkeln
102 Die vor- u. frühgeschichtl. Fuude der Grafschaft Camburg.
gebrochen, oder bogen - (spiral-)linig das ganze Gefäß.
Die Linien verlaufen zumeist parallel, zu Bändern ge-
ordnet. Klopfleisch führte daher die Namen „Winkel-
band" und „Bogenband" für diese Ornamentierung in
die Literatur ein. Zur ersten Gruppe gehören die Gefäß-
scherben , Fig. 1 , 2 , 3 , 4 , zur Bogenbandverzierung
Fig. 5, 6, 7. Wir wissen, daß die Bandkeramik aus Süd-
Fig. 5. V^.
Fig. 6. ^/,.
deutschland zu uns nach Thüringen gekommen ist. Eine
neuerdings erschienene Arbeit von Dr. Schliz, „Das stein-
zeitliche Dorf Großgartach", bringt eine große Anzahl von
abgebildeten Gefäß Bruchstücken, die in Ornamentierung,
Form und, wie die Beschreibung ergänzt, auch in der Masse
genau übereinstimmen mit den bandverzierten Gefäßresten
Eckolstedts.
Die uns erhaltenen Gefäßscherben sind Rand-,
Bauch-, Boden- und Henkelstücke. Ihrem Material,
ihrer Form, ihrer Verzierungsweise nach sind mit Sicher-
heit zwei Arten zu unterscheiden : 1) blaugraue, bräunlichgelbe
oder schwarze, hartgebrannte, dünnwandige Gefäße,
deren Masse mit feinem Sand versetzt ist, so daß sich die-
selben feinsandkörnig anfühlen, und 2) schmutzig - ziegel-
farbene, grobgearbeitete, dickwandige, poröse Gefäße,
mit gröberen Quarzkörnern in der Tonmasse eingebettet.
Die ersteren sind kleinere, halbkugelförmige Gefäße
mit weiter Mündung, gerad abgeschnittenem Rand, oder
größere, amphorenartige oder kugelförmige Gefäße
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Caraburg. 103
mit engem, kurzem Hals, kugeligem Bauch und Boden.
Die dickwandigen Gefäße sind groß, topf förmig. Auch
hinsichtlich der Henkelbildung sind beide Gruppen
wesentlich verschieden. Bei der ersten Sorte fehlen eigent-
liche Henkel. Von andern Fundstellen Thüringens wissen
wir, daß derartige Kugelgefäße nur kleine Schnurösen
Fig. 11. V2.
Fig. a V,
haben. Auf den hier-
her gehörigen Eckol-
stedter Gefäß-
scherben haben wir
nur runde , kleine,
Warzen, die mehr
zum Schmuck, z. B.
als Abschluß eines
linearen Band-
musters, angebracht
sind (Fig. 5). An
den größeren Ge-
fäßen sind größere,
undurchlochte Hand-
haben angebracht,
kegelförmig mit plattgedrückter Spitze (Fig. 8), oder breit-
gedrückt, in ein oder zwei Spitzen auslaufend (Fig. 9, 10,
11), senkrecht aufsitzend auf der Wandung oder leicht
nach abwärts gebogen. Daneben kommen quersitzende
Bogenhenkel vor, zum Durchziehen einer Schnur berechnet,
Fig. 12. V2
104 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
(Fig. 12), mit geradflächiger oder schwach ausgemuldeter
Ober- und gewölbter Unterseite. Die blaugrauen, bräun-
lichgelben und schwarzen, dünnwandigep Gefäße sind, wie
erwähnt, mit der charakteristischen Linearzeichnung ver-
sehen (Fig. 3, 2, 3, 4 und 5, 6, 7). Vereinzelt ist der
Bandcharakter der Verzierung durch eine Ausfüllung mit
Tupfenstichen erhöht (Fig. 6). Von den Scherben der großen,
grobwandigen Gefäße ist einer mit tiefen Fingerspitzen-
und Nageleindrücken verziert, die in einer einfachen Reihe
den Gefäßhals umzogen haben.
Auf ein eigentümlich verziertes, verhältnismäßig dick-
wandiges amphorenartiges Gefäß läßt ein Randstück
schließen mit daranhängendem oberen Bauchteil (Fig. 13).
Das Gefäß hatte einen
kurzen , gerad auf-
steigenden Hals, eine
enge Mündung. Der
Mündungsrand ist glatt
gestrichen, abgerundet,
der Bauch kugelförmig.
Den Hals umziehen
am Grunde 2 parallele
Reihen von tiefen
Stichen, die mit einem
dreieckigen Pfriemen
ausgeführt sind. Den
oberen Bauchteil zieren
parallele, im Winkel
gebrochene Linien, den
Winkel überdacht ein
Bogenband, dessen Gipfel sich dem Halse nähert. Ab-
wechselnd mit diesem Bogen tritt daneben ein Winkel-
band an den Gefäßhals. Die Bandverzierung ist seitlich
begleitet von kräftigen Wülsten, welche die Ornamentierung
stark hervortreten machen. Das Gefäß ist aus schwarzem,
Fig. 13. V2
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 105
mit Kohle gemischtem Ton hergestellt, Wandung am Hals-
grund 9 mm stark ; oberer Durchmesser 8 cm circa, Innen-
und Außenfläche schwarzglänzend.
Ein 7 mm wandstarker Gefäßscherben aus schwarzem
Ton ist mit Quarzstückchen in Stecknadelkopfgröße durch-
setzt. Außen- und Innenfläche geglättet, die Außenfläche
mit kleinen, getupften Ovalen verziert (Fig. 14).
Die gleiche Verzierung zeigt der Bauchteil eines Rand-
stückes, das einem größeren Napf angehört, mit glattge-
strichenem Rand. Das Material ist dasselbe.
Fig. 14. V,
Fig. 15. V«
Zwei kleinere Gefäßbruchstücke: ein dünnwandiges
Randstück aus graublauem Ton und ein innen graues, an
der Außenfläche schmutzig - ziegelfarbenes Gefäßbruchstück
sind mit schmalem Furchenstich verziert nach Art der
Monsheimer Gefäße (Fig. 15, 16).
Fig. 16. V2
Fig. 17. V3
Aus der steinzeitlichen Ansiedelung stammen eine An-
zahl Wandbewurffetücke aus Lehm im Jenaer Museum.
Ferner ein spitzer Enochenpfriemen (Fig. 17).
Einzelfnnde.
Die Schule in Eckolstedt bewahrt eine reiche
Sammlung von Steingeräten. Die meisten Fundobjekte sind
— mineralogisch betrachtet — Diabase, kommen im Saale-
106 Die vor- u. frühgeschichtl, Funde der Grafschaft Camburg.
Schotter vor und treten im Fichtelgebirge auf. Aus Feuer-
stein ist bisher nur ein Steinbeil auf Eckolstedter Flur
gefunden worden. An einen Kampf ai^f der Höhe Eckol-
stedts während der Steinzeit ist nicht zu denken, wie ver-
mutungsweise zur Erklärung der großen Zahl von ganzen
und zerbrochenen Steinwaffen ausgesprochen worden ist.
Es sind vielmehr einzeln aufgelesene Funde aus jenen oben
erwähnten steinzeitlichen Wohnstätten. Wie die Menge
der gesammelten Steingeräte beweist, muß das steinzeitliche
Dorf ein großes gewesen sein. Die Bewohner haben sich
auch sicherlich mit der Massenfabrikation der Steinwerk-
zeuge beschäftigt, da eine Reihe halbvollendeter Beile, an-
gebohrte Steinäxte, Bohrzapfen als unbrauchbar wegge-
worfene Bruchstücke aufgefunden worden sind.
Die Eckolstedter Schulsammlung bietet mir Gelegen-
heit, gleich von vornherein, bestimmte
Typen der Steinwerkzeuge
aufzustellen, die immer wiederkehren und mit deren voraus-
genommener Charakterisierung ermüdende Wiederholungen
vermieden werden können.
I. Steinbeile.
Wir sehen Steingeräte in Keilform (Steinkeile), die,
hochkant, d. h. auf die Schmalseiten gestellt, mit ihrer gut
geschliffenen Schneide, den zwei symmetrischen Seiten-
Wangen, dem Rücken oder Bahnende im ganzen unseren
Beilen gleichen und wie diese zum Zerspalten weicherer
Objekte verwendet wurden. Diese Steinbeile wurden
in einen oben gespaltenen Knüttel mit dem Bahnende hin-
eingezwängt und durch umgewickelte Lederstreifen oder
Schnuren festgehalten. Das Bahnende wurde im ganzen
bei der Herstellung, bei der Glättung der Steinbeile, da
es im Holz stak, weniger sorgfältig bearbeitet als Schneide
und Seitenwangen. Auch die Schmalseiten blieben oft un-
bearbeitet. Es deutet schon auf eine bessere Kunstfertig-
«<
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburp. 107
keit, wenn wir ein Steinbeil vor uns liegen sehen mit gut
u'Cglätteten Schmalseiten und sorgfältig gearbeitetem Bahn-
ende. Die Steinbeile sind undurchlocht. Ihrem Quer-
schnitt nach unterscheiden wir vierkantige und bikon-
vexe, nach der gegenseitigen Richtung der Schmalseiten
Steinbeile mit parallel verlaufenden Schmal-
seiten, mit konvergierenden Schmalseiten, mit
verjüngtem, mit spitzem Bahnende. Bei der Be-
schreibung und Messung denken wir uns das Steinbeil
hochkant gestellt: infolgedessen reden wir von einer
Schneidenhöhe, von einer größten Breite des Beils,
von links nach rechts gemessen, von einer Beillänge,
von vom nach hinten gemessen.
Bei der Mehrzahl der Steinbeile verjüngt sich der
Körper des Beils allmählich nach dem Bahnende zu, sehr
selten ist die absatzweise Verlängerung des
Schneidenteils nach unten.
Einzig in seiner Art unter den Steinbeilen der Graf-
schaft Camburg ist ein Steinbeil mit dünnem, breitem
Schneidenteil und scharf abgesetztem, schmälerem,
abgerundetem Bahnendenteil. Es erinnert in seiner Form
an die Absatzcelte, eine Bronzebeilform, die einen Quer-
steg zwischen Schaftteil und Schneidenteil haben, damit
das Beil beim Schlag nach hinten nicht ausweichen kann.
Entsprechend diesem bronzenen Absatzcelt können wir es
Absatzbeil nennen.
Zur größeren Festigung der Steinbeile am Schaft und
zur hammerartigen Verwendung des stumpfen Bahnendes
versah man die Steinbeile mit einer quer über die Mitte
des Beilkörpers verlaufenden Rille. In diese Rille hätte
man die Griffgabel stecken und die Kreuzstelle mit Schnuren
fest umwickeln können. Die mir bisher bekannten quer-
gerillten Steinbeile haben aber alle eine geradflächige
Schmalseite und eine gewölbte, und diese Eigentümlichkeit
gibt uns einen Anhalt für die Art der Befestigung mit dem
Griff. Das Beil wurde nämlich mit dieser geradflächigen
108 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Schinalseite auf den einen Arm eines rechtwinklig gebogenen
Holzgriffes mit Lederriemen fest aufgeschnürt, die ihrer-
seits in der Rille ihren Halt fanden, Diese Form der
Steinbeile ist selten.
Fig. 18. V2
A. Vierkantige Steinbeile mit breitem Bahnende, Schneiden-
höhe gleich oder wenig höher als mittlere Beilhöhe, deutliche
Schmalseiten, Seitenwangen flach gewölbt oder gerade.
(Fig. 18, 19)^).
Steinbeil, mittelgroß, schön geschUffen, 8eitenwangen flach
fewölbt, Schmalseiten geradflächig, Schneidenhöhe gleich der Höhe
es Bahnendes, Schneide gebogen ; aus Diabas. Länge 11 cm, Schneiden-
höhe 4 cm. Schwere 227 g. (ES 58.)
Steinbeil mittel-
groß (Fig. 18), schön
geschliffen an der
Schneide und den ge-
radflächigen Schmal-
seiten,nach dem Bahn-
ende sich kaum ver-
jüngend. Seitenwangen
roh, Schneide gebogen,
Bahnende abgerundet ;
aus Grauwacke, Länge
9,5 cm, Schneidenhöhe
4 cm. Schwere 121 g.
(ES 31.)
Mittelgroßes, dickes Stein-
beil, geschliffene Schneide und
Schmalseiten , Seitenwangeu
flach gewölbt, nach dem Bahn-
ende sich kaum verjüngend,
Schneide gebogen , Bahnende
roh; aus kristall. Schiefer. Länge
11,2 cm, Schneidenhöhe 4 cm,
Schwere 215 g. (ES 57.)
Kleines Steinbeil, gut er-
halten, leicht gewölbte Seiten-
wangen , nach dem Bahnende
zu sich etwas verjüngend, gerad-
flächige Schmal s(!iten , ge-
glättetes Bahnende; aus Dia-
bas. Länge 6,3, Schneiden-
höhe 3,5, Schwere 70 g. ■ (ES 15.1
Schön erhaltenes, gut poliertes, vierkantiges, geschliffenes Stein-
1) In den folgenden Aufzählungen sind die Funde, welche im
Berliner Völkermuseum aufbewahrt werden, mit BV, die des Ger-
manischen Museums zu Jena mit GMJ, die der Schule zu Eckolstedt
mit ES bezeichnet, die des Henneberger Hauses in Meiningen mit
HH, die in Heims Privatsammlung mit HPS.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 109
heil mit scharfer, gebogener Schneide, flach gewölbten Seitenwangen;
Schmalseiten flach gewölbt, nach dem Bahnende zu sich leicht ver-
jüngend, Bahnende geschliffen; aus Diabas. L. 7,0, Schneidehöhe
"4,6, Gewicht 88 g. (ES 28.)
Kleines, gut erhaltenes, vierkantiges Steinbeil mit flach ge-
wölbten Seitenflächen, Schneide gebogen, nach dem ßfüinende sich
etwas verjüngend, geradflächige Schmalseiten; aus Diabas, L. 5,2,
Schueidenhöhe 3,1, Gewicht 38 g. (ES 29.)
Schön erhaltenes, gut poliertes, vierkantiges Steinbeil aus Diabas,
nach dem Bahnende sich leicht verjüngend, mit flach gewölbten
Seitenwangen, halbmondförmig angeschliffener, gebogener Schneide;
Bahnende abgerundet, Schmalseiten geradflächig. L. 5,8, Schneiden-
höhe 4,2, Gewicht 62 g. (ES 49.)
Schön erhaltenes, geschliffenes Steinbeil (Fig. 19) aus Diabas,
vierkantig, nach dem Bauende sich leicht verjüngend, mit flach ge-
wölbten Seitenwangen, halbmondförmig angeschliffener, gebogener
Schneide, Schmalseiten geradflächig; Bahnende geschliffen. L. 6,3,
Schneidenhöhe 4,2, Gewicht 82 g. (ES 40.)
Vierkantiges, geschliffenes Steinbeil aus Diabas, nach dem
Bahnende zu sich kaum verjüngend, Seitenwangen flach gewölbt,
zum Teil unbearbeitet, Bahnende roh. Schneide gebogen. L. 6,6,
Schneidenhöhe 4,0. (ES 12.)
Gut erhaltenes, geschliffenes, vierkantiges Steinbeil aus kristall.
Schiefer mit scharfer, gebogener Schneide, nach dem Bahnende
sich etwas verjüngend, Seitenwangen gewölbt, Schmalseiten gerad-
ilächig, Bahnende abgerundet. L. 5,7, Schneidenhöhe 4,7, Gewicht
96 g. (ES 46.)
Geschliffenes, vierkantiges Steinbeil aus Diabas, nach dem
Bahnende sich wenig verjüngend, Schmalseiten abgerundet, Seiten-
wangen flach gewölbt. Schneide gebogen. L, 6,0, Scnneidenhöhe 4,3,
Gewicht 82 g. (ES 38.)
Geschliifenes, vierkantiges Steinbeil aus Diabas, nach dem
Bahnende zu sich etwas verjüngend, Schmalseiten abgerundet,
Schneide gebogen, Seitenwangen flach gewölbt. L. 6,0, Schneiden-
höhe 4,8, Gewicht 75 g. (ES 39.)
Großes, schön geschliffenes, vierkantiges Steinbeil aus fein-
körniger Grauwacke, nach dem Bahnende zu sich etwas verjüngend,
mit geradflächigen Schmalseiten und geradflächigen Seitenwangen,
Schneide gebogen. Bahnende abgebrochen. Schneidenhöhe 6,0. , (ES 13.)
Grosses, geschliffenes, vierkantiges Steinbeil aus Diabas, nach
dem Bahnende zu sich etwas verjüngend, Schmalseiten geradflächig,
Seiten Wangen kaum gewölbt. Schneide gebogen. Bahnende fehlt,
ßchneidenhöhe 6,5. (ES 54.)
Mittelgroßes, geschliffenes, dickes Steinbeil aus Buntsandstein,
nach dem Bahnende zu sich kaum verjüngend, Schmalseiten gerad-
flächig, Seitenwangen flach gewölbt. Schneide fehlt. Bahnende ab-
gerundet. Mittlere Höhe 4,7. (ES 89.)
Schneidenteil eines großen, vierkantigen Steinbeils aus Quarzit,
mit geradflächigen Schmalseiten und gerad flächigen Seitenwangen,
Schneide gebogen. Schneidenhöhe über 5,0. (ES 26.)
Schneidenteil eines mittelgroßen, vierkantigen Steinbeils aus
kristall. Schiefer mit leicht gewölbten Seitenwangen, Schneide ge-
bogen. Schneidenhöhe 5,0. (ES 41.)
Schneidenteil eines abgerundet vierkantigen Steinbeils aus
110 Die vor- u. fruhgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Diabas mit flachgewölbten Seiten wangen, Schneide gebogen. Schneiden-
höhe ca. 5,5 cm. (ES 48.)
Hierzu kommen von derartigen Steinbeilen im Völker-
museum zu Berlin: \
Ein sehr kleines Steinbeil aus grünem Gestein , L. 5,0,
Schneidenhöhe 3,0. (BV II b. 1102.)
Eins aus grauem Gestein, L. 6,0, Schneidenhöhe 4,0. (BV 1103.)
Einsaus grünlichem Gestein, L. 10,0, Schneidenhöhe 5,1. (BV 1225.)
Eins aus grauem Gestein, L. 7,5, Schneidenhöhe 5,0. (BV 1529.)
Eins aus grauem Gestein, L. 23,0, Schneidenhöhe 10,5. (BV 2344.)
Eins 8,5 cm lang, Schneidenhöhe 6,5. (BV 2618.)
Ein flaches Feuersteinbeil, 10 cm lang, verjüngt sich nach
dem Bahnende zu stärker. Bemerkenswert ist das Stück als eins
der wenigen aus Feuerstein gefertigten. (BV 24:23.)
Im Henneberger Haus in Meiningen ein Steinbeil mit
abgestumpfter Schneide.
B. Vierkantige Steinbeile, nach dem Bahnende sich ver-
jüngend, Schneide gebogen, Schmalseiten geradfiächig, Seiten-
wangen gewölbt, nach dem Bahnende zu stark konvergierend.
Schön erhaltenes, mittelgroßes, geschliffenes, vierkantiges Stein-
beil aus kristall. Schiefer, nach dem Bahnende zu sich verjüngend.
Schneide gebogen, Schmalseiten geradflächig, Seiten wangen gewölbt,
nach dem Bahnende zu stark konvergierend. Ij. 9,2, Scnneidenhöhe
7,2, gr. Dicke 3,6, Gewicht 315 g. (ES 45.)
Geschliffenes, vierkantiges Steinbeil aus Diabas, nach dem
Bahnende zu sich verjüngend, Schmalseiten geradflächig, Seiten-
wangen gewölbt, nach dem Bahnende zu stark konvergierend. L. 7,0,
Schneidenhöhe 6,0, gr. Dicke 2,2, Gewicht 130 g. (ES 35.)
Schön erhaltenes, fein poliertes, vierkantiges Steinbeil aus Diabas,
nach dem Bahnende sich verjüngend ; Schneide gebogen, halbmond-
förmig angeschliffen, Schmalseiten geradflächig, Seiten wangen ge-
wölbt, nach dem Bahnende zu ziemlich stark konvergierend. L. 5,5,
Schneidenhöhe 5,5, gr. Dicke 2,2, Gewicht 88 g. (ES 37.)
Schön erhaltenes, kleines, fein poliertes, undeutlich vierkantiges
Steinbeil aus Diabas, nach dem Bahnende zu sich verjüngend, Schneide
kaum gebogen, Schmalseiten geradflächig, Seiten wangen flach ge-
wölbt, nach dem Bahnende zu konvergierend. L. 4,0, Schneidenhohe
3,8, gr. Dicke 1,1, Gewicht 25 g. (ES 25.)
Kleines, vierkantiges Steinbeil aus Diabas, nach dem Bahnende
zu sich verjüngend, Schneide gebogen, Schmalseiten geradflächig,
Seitenwangen kaum gewölbt. L. 4,5, Schneidenhöhe 3,5, gr. Dicke 1,1,
Gewicht 25 g. (ES 52.)
Kleines, vierkantiges Steinbeil aus Diabas, nach dem Bahnende
zu sich verjüngend, Schneide gebogen, Schmalseiten geradflächig,
Seitenwangen flach gewölbt. L. 5,0, Schneidenhöhe 4,5, gr. Dicke 1,5.
(ES 21.)
Kleines, vierkantiges Steinbeil aus Diabas, beschädigt, nach
dem Bahnende zu sich verjüngend. Schneide gebogen, Schmalseiten
geradflächig, Seitenwangen flach gewölbt. L. 6,0, Schneidenhöhe 5,0,
gr. Dicke 2,3. (ES 42.)
Gleichartiges aus Diabas, klein, beschädigt. L. 5,0, Schneiden-
höhe 4,0. (ES 11.)
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg, m
Mittelgroßes, geschliffenes, vierkantiges Steinbeil aus Diabas,
nach dem Bahnende sich stark verjüngend, Schmalseiten geradflächig.
L. 9,3, Schneidenhöhe 4,0, Gewicht 120 g. (ES 47.)
Kleines, gut poliertes Steinbeil aus Diabas, nach dem abge-
schrägten Bahnende zu sich verjüngend; eine Schmalseite gerad-
flächig, an der anderen stoßen die Seitenwangen in einer scharfen
Kante zusammen. Seitenwangen sehr flach gewölbt. L. 5,8, Schneiden-
höhe 3,8, gr, Dicke 1,3, Gewicht 37 g. (ES 51.)
Ein Bruchstück eines derartigen Steinbeils von mittlerer Größe
aus grünlichem Gestein mit feinen dunkleren Sprenkeln ist im
Jenaer Museum.
Zu diesen Steinbeilen mit sich stark verjüngendem Bahnende
kommen im Berliner Völkermuseum :
Eins, 7 cm lang. (BV 1411.)
Eins aus grauem Gestein, 6,5 cm lang, 6 cm Schneidenhöhe.
(BV 1530.)
Eins aus grauem Gestein, 8 cm lang, 6^/- cm Schneidenhöhe.
(BV 2103.)
Eins, 8 cm lang, 7 cm Schneidenhöhe. (BV 2619.)
C. Steinbeile mit spitzem Balinende, flach gewölbten Seiten-
wangen, die an Stelle der Schmalseiten oben und unten in einer
mehr oder weniger scharfen Kante zusammenlaufen, Schneide ge-
bogen. (Fig. 20.)
Kleines derartiges Steinbeil . .
Fig. 20) mit breit-halbmondförmig
angeschliffener Schneide, aus Diabas.
Seitenwangen in abgerundeter Kante
aneinander stoßend, nach dem Bahn-
ende zu stark konvergierend. L. 6,6,
Schneidenhöhe 5,6, gr. Dicke 1,9,
Gewicht 67 g. (ES 36.)
Mittelgroßes , gleichartiges
Steinbeil aus Diabas. Seiten wangen
in abgerundeter oberer und unterer
Kante aneinander stoßend , nach
dem Bahnende konvergierend. L.
8,0 cm , Schneidenhöhe 4,0, gr.
Dicke 2,0, Gewicht 129 g. (ES 44.)
Mittelgroßes , gleichartiges
Steinbeil aus Diabas, stark beschädigt.
Schneidenhöhe 5,1. (ES 34.)
Fig. 20. V2
D. Steinbeile vierkantig mit breitem Bahnende, Schneidenhöhe
geringer als mittlere Beilhölie, deutliche geradflUchige Sehmal-
seiten; Seitenwangen gewölbt. (Fig. 21.)
Mittelgroßes Steinbeil dieser Art aus Diabas, Bahnende fehlt ;
Seitenwangen flach gewölbt. Schneidenhöhe 3,2, mittlere Beilhöhe
4,5, gr. Dicke 1,8. (ES 27.)
Mittelgroßes Steinbeil dieser Art aus Diabas, Seiten wangen
fewölbt. L. 8,0, Schneidenhöhe 3,0, mittlere Beilhöhe 4,0, gr. Dicke
,3, Gewicht 151 g. (ES 19.)
112 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Mittelgroßes Steinbeil dieser Art (Fig. 21) aus Diabas. Seiten-
wangen gewölbt. L. 10,0 Schneidenhöbe 4,0, gr. Höhe am Bahn-
ende 5,5, gr. Dicke 2,3. (ES 20.)
Fig. 21. V,.
Mittelgroßes Steinbeil dieser Art aus Variolit, mit flach ge-
wölbten Seiten wangen, beschädigt. L. 7,5, Schneidenhöhe 3,5, gr.
Höhe am Bahnende ca. 6,5, gr. Dicke 2,5. (ES 24.)
E. Ein Steinbeil mit absatzweise nach unten verlängerter Schneide.
(Fig. 22.)
In Schröders Sammlung von Eckolstedt. L. 12,6, Schneiden-
höhe 7,2, gr. Dicke 2,5.
. Fig. 23. V4-
Fig. 22. V^-
Originell in seiner Form ist ein kleines, zierliches Steinbeil
(Fig. 23) aus schwarzem Kieselschiefer. Schneide gebogen, scharf,
Seitenwangen geradflächig, in abgerundeter Kante oben und unten
aneinander stoßend, nach dem Bahnende zu sich etwas verjüngend;
kleines Schnurloch am Bahnende. Gewicht 20 g. Vielleicht ist
es als Amulet getragen worden. Als Beil hat es bei der Weichheit
des Materials sicher nicht Verwendung gefunden. (ES 50.)
II. Steinäxte.
Diesen undurchlochten Steinbeilen stehen die wuchtigeren
Steinäxte gegenüber mit Schaftloch. Ein gewaltiger
Die vor- u. frühgeschichtL Funde der Grafschaft Camburg. 1]3
Fortschritt in der Technik der Steinwerkzeuge! Die Schaft-
löcher wurden in der Mehrzahl mit einem Hohlbohrer
hergestellt, selten mit einem Vollbohrer. Als Hohlbohrer
diente ein querdurchbrochener Röhrenknochen, ein quer-
durchsägter Holunderast. Nach den vielen Bruchstücken
zu urteilen, die uns in den verschiedensten Stadien der
Bearbeitung vorliegen, verlief die Herstellung einer Stein-
axt mit Schaftloch folgendermaßen. Man schlug den ge-
wählten passenden Stein grob zu, so daß er im ganzen die
Axtform bekam. Dann begann man mit der Bohrung. Der
Hohlbohrer wurde auf die obere Fläche aufgesetzt, die an der
Bohrstelle mit angefeuchtetem Sand bedeckt war. Mit
einem halbkugelförmigen Stein drückte man den senkrecht
stehenden Bohrer an und brachte ihn durch eine umgelegte
Schnur, die bald nach rechts, bald nach links gezogen
wurde zur Drehung, wie einen Kreisel. Die Bohrlöcher
sind meist konisch, nach unten stärker werdend, kreisrund.
Dementsprechend auch die ausfallenden Bohrzapfen.
Bei genauer Betrachtung lassen sich unschwer die vom
Bohren erzeugten spiralförmigen Kritzel am Zapfen und im
Bohrloch erkennen. Das Schaftloch sitzt bei der großen
Mehrzahl der Äxte mehr nach dem Bahnende zu, oft an
der Grenze zwischen vorderen zwei und hinterem ein Drittel.
War nun die Durchbohrung gelungen, so wurde die Axt
sorgfältig geglättet und geschärft. — Die Schneide
steht wie bei den Steinbeilen senkrecht. Die S.eiten-
Wangen sind meist symmetrisch, das Bahnende gerad-
flächig angeschliffen oder abgerundet.
Beim Schlag war die links und rechts vom Schaftloch
befindliche. Schneiden- und Bahnendenteil verbindende
Brücke die gefährdeteste für den Bruch des Gerätes. Und
in der Tat zeigen die meisten Bruchstücke zerbrochener
Steinäxte hier die Bruchfläche. Diesem Mangel half man
durch Verstärkung dieser seitlich vom Schaftloch gelegenen
brückenförmigen Seitenwangenpartie ab. Aus der ursprüng-
licheren dreieckigen Form des Horizontaldurchschnitts wird
XXII. 8
114 Die vor- u. früligeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
ein Rhombus. Die Seitenwangen sind nicht mehr einfache,
zur Schneide konvergierende f^lächen, sondern stumpf-
winklig gebrochene. ^
m. Axthämmer.
Den Abschluß dieser Entwickelungsreihe bilden schließ-
lich die Axthämmer, bei welchen, wie der Name
sagt, das sorgfältig bearbeitete Bahnende als Hammer
verwendet wurde, die Schneide als Axt. Wahre Prunk-
stücke sind die polygonal facettierten Axthäm-
mer, bei denen eine Reihe von angeschliflfenen Längs-
flächen die Seitenwangen zieren.
Steinäxte von dreieckiger Grrundfläche.
Sehr gut erhaltene Steinaxt dieser Art: Fig. 24 von oben,
Fig. 24a seitlich gesehen. Die Steinaxt ist schön poliert, aus grauem
Gestein, das Bahnende abgerundet, unregelmäßig, die Schneide
scharf, senkrecht. Das Schaftloch ist an der Grenze des hinteren
imd mittleren Drittels der ganzen Axtlänge angebracht. Es ist oben
enger als unten (2,3 : 2,5 cm), verläuft von oben etwas nach rechts
hinten unten. Der obere Lochrand ist abgestumpft, der untere
! Fig. 24. Vr
Fig. 24a. V,.
Fig. 25. V4- Fig. 25a. V4
Lochrand scharf. Im Bohrloch sind an der hinteren Wand fünf
parallele, 1 mm weit voneinander entfernte Kratzlinien sichtbar;
sonstige Wandung des Lochs spiegelglatt poliert , ganz ver-
einzelt kaum merkliche Glättkritzel von oben nach unten. L. 18 cm,
gr. Breite in der Ebene des Bohrlochs 6,5 cm, gr. Höhe 4,0, Gewicht
828 g. ^ (ES 3.)
Gleichartige Steinaxt, Fig. 25 von oben, Fig. 25a von unten,
aus grauem Gestein, mit geradflächigen Schmalseiten und nach der
stumpfen Schneide zu allmählich konvergierenden Seitenwangen. Das
Exemplar ist besonders wertvoll und lehrreich, da hier die Schaft-
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. X15
loohbohrung an der Grenze des hinteren und mittleren Drittels an-
jrefangen und nicht vollendet ist. Der Bohrzapfen steht noch im
Bohrloch. Bohrung 14 mm tief, Bohrloch 16 mm Durchmesser,
Bohrzapfen oben 8 mm. Nach links hinten ist die Umgebung des
Bohrlochs durch falsche Bohrung erweitert. Richtung des Bohr-
lochs von hinten oben nach vorn unten. Ein zweiter Bohrversuch
wurde auf der Unterseite gemacht, 2 mm tief, 17 mm im Durch-
messer. Bohrzapfen oben 10 mm. L. 11,5, gr. Breite in der Quer-
ebene des Schaftlochs 4,1 cm, Höhe 2,5 cm. Gewicht 225 g. (ES 105.)
Bruchstück einer gleichartigen Steinaxt. Das grünliche
Gesteinstück ist auf allen Seiten noch rauh, nur eine Schmalseite
zeigt Sägekritzel. Auf der zur Oberseite bestimmten Fläche ist das
Schaftloch halb gebohrt, der Bohrzapfen zur Hälfte noch fest im
Bohrloch, Bohrkritzel stellenweise parallel laufend, 1 mm von-
einander entfernt. Das Stück beweist, daß man die Bohrung vor
der feineren Glättung an nxii roh axtförmig zubehauenen Stücken
vornahm. (ES 103.)
Bruchstück einer mittelgroßen, durchbohrten Steinaxt, aus
grauem Gestein mit grünlichen Streifen, gut poliert. Lochwandung
fein glattpoliert. Unter- und Oberfläche eben, Schmalseiten zur
Schneide konvergierend, Bahnende breit. L. ca. 12,5, Loch zwischen
3,5—6 cm der Länge, Höhe des Bohrlochs 4,6 cm. (ES 4.)
Hier einzureihen sind 3 Steinäxte von dreieckiger Grundfläche
aus dem Völkermuseum in Berlin :
Schmale Steinaxt aus schwarzem Gestein, mit langer, scharfer^
senkrecht gebogener Schneide, breitem, abgerundetem Bahnende.
L. 14,0, gr. Br. 3,5. (BV 2346.)
Dickere Steinaxt aus schwarzem Gestein, mit senkrecht ge-
bogener Schneide, breitem, abgerundetem Bahnende. L. 13,2, gr.
Br. 6,0. (BV 2347.)
Eine ebensolche aus schwarzem Gestein. L. 12,0, gr. Br. 5,0.
(BV 2348.)
Axthämmer von rhombischer Grundfläche.
Axthammer dieser Form mit kreisrundem Bohrloch imd
eiuem zweiten Bohrversuch auf der Oberfläche, Fig. 26 von oben;
die Seitenansicht, Fig. 26a, zeigt
eine Reihe angeschliffener Facetten.
L. 13,0, Schneidenhöhe 3,0. gr. Br.
5 cm. Privatsammlung von Scmöder
in Hainichen.
Bruchstück eines mittelgroßen,
flurchbohrten Axthammers aus
.ajauem Gestein, Schneide bis Hälfte
Bohrloch 7 cm , Höhe des Bohr-
lochs 5 cm, Schneidenhöhe 4,5 cm.
Schneide stumpf. Im Inneren des
Bohrlochs ca. 57 Bohrkritzel quer,
fast parallel laufend. (ES 107.)
Bruchstück eines mittelgroßen, _. „„ _. „_ ,
durchbohrten Axthanuners aus grau- ^ ^8- ^"- Iv '^^S- '^oa. /^.
grünem Gestein. Höhe im Bohrloch
4,5 cm, Bohrloch spiegelglatt innen poliert, berechnete, ungefähre
Hammerlänge lO'/g cm. (ES 5.)
8»
116 Die roT- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Hintere Hälfte eines großen, breiten Axthammers mit
größtem Teil des Bohrlochs, aus schwarzgrauem Gestein. Bohrloch
oben 18 mm, unten 22 mm. Im Innern parallele, 1 mm voneinander
entfernte Bohrkritzel, seichtere Bohrversuche rechts und ünks vom
unteren Bohrloch; Höhe des Hammers im Bohrloch 4 cm, unge-
f^e Breite 8,5 cm, Länge ca. 15 cm. (ES 1Ö6.)
Schneidenteil eines großen Axthammers aus grünlichgrauem
Gestein. Schneide abgestumpft, Schneide bis vorderen Bohrlochrand
11 cm, Bohrlochdurchmesser 2,2, Breite in der Querebene des Bohr-
lochs ca. 6,5, Höhe des Bohrlochs 5 cm. (ES 10.)
Bruchstück eines mittelgroßen Axthammers mit halbem
Schaftloch, aus grünem Gestein. Durchmesser des Schaftlochs 2,3 cm.
(ES 9.)
Ebensolches aus grünem Gestein, Lochdurchmesser 2,5 cm. (ES. 8.)
Breites Bahnende eines großen Axthammers mit halbem
Bohrloch, aus grünlichgrauem Gestein. Bohrloch 2,4 cm im Durch-
messer, viel senkrechte Glättkritzel in der Bohrlochwandung. (ES. 7.)
Ebensolches aus grauem Gestein mit Bohrlochhälfte. Bohrloch-
durchmesser 2,4 cm. (ES 109.)
Scharfe Schneide eines großen Axthammers, hellgrau mit
dunkleren Flecken. (ES 110.)
Bruchstück eines Axthammers mit ^i Bohrloch, aus grünem
Gestein. Bohrkritzel in der Bohrlochwandung. Kreisbogenkntzel an
der Oberfläche um das Loch. Durchmesser des Schaftlochs 2,4 cm.
(ES 104.)
Ein Prachtstück der Sammlung ist ein poly go n al facettierter
Axthammer (Fig. 27 von der Seite, Fig. 27a von unten) aus
grauem Gestein, sehr fein
poliert. Die Schneiden-
höhe ist absatzweise nach
unten verlängert, die Seiten,
Wangen zu beiden Seiten
des Bohrlochs verstärkt.
Die Schneidenhälfte zählt
17 Facetten, das Bahn-
ende ist ein Sechzehneck.
Das Schaftloch ist unten
und oben gleich weit im
Durchmesser 1,9 cm. Wan-
dung innen gut poliert,
man sieht nur Glättkritzel
von oben nach unten. L.
18,8, Schneidenhöhe 5,0,
Schaftlochhöhe 3,3, Breite in der Schaftlochquereben e 5,0, Gewicht
522 g. (ES 2.)
Bruchstück (Bahnende mit 7^ Schaftloch) eines polygonal
facettierten Axthammers aus grünlichgrauem Gestein, 12 Facetten,
Bohrlochdurchmesser 2,2 cm, Höhe des Bohrlochs 4,4 cm. (ES 6.)
Ein polygonal facettierter Hammer aus schwarzem Gestein,
13 cm lang, mit zur Seite des Schaftlochs verstärkten Seitenwangen,
nach unten allmählich verstärkter Schneide, liegt im Berliner Völker-
museum aus EckoJstedt. (BV II b 2607.)
Fig. 27. V4.
Fig. 27a.
Die vor- u. frühgeechichtl. Funde der Grafschaft Gamburg. WJ
Bohrzapfen.
Bohrzapfen (Fig. 28), kegelförmig, unten am Rand glocken-
förmig umbiegend, Oberfläche raun, Durchmesser unten 18 mm, oben
9 mm, Höhe 2,5 cm.
Fig. 28. V,. Fig. 28a. V*-
Bohrzapfen (Fig. 28a), aus schwarzgrauem Gestein, Achse schräg,
oberer Durchmesser 13 mm, unterer 18 mm, Höhe 2 cm. (ES 114.)
IV. Hacken.
Diesen Steinbeilen, Steinäxten und Axthämmern steht
eine Form von Steinwerkzeugen gegenüber, die als Hacken
verwendet worden sind. Wir sehen an einer derartigen Stein-
hacke eine gut geglättete, geradflächige Unterfläche
und eine gewölbte Oberfläche, wiederum das Gerät
im Gebrauch gedacht, in diesem Falle quer gelegt. Die
Schneide ist bogenförmig nach rechts und links abgerundet
und nach oben schnäbelnd ; bei der Beschreibung reden wir
selbstverständlich hier von einer Schneidenbreite. Bei
sorgfältig gearbeiteten Exemplaren sind schmale Seiten-
Wangen angeschliffen. Das Bahnende ist auch hier, weil
es im Holzgriff stak, mit weniger Sorgfalt behandelt als
die Schneidenhälfte, und nach ihm zu verjüngt sich die
Hacke. Dadurch wird das Bahnende beim Hacken fester
in den Griff eingekeilt. Selbstverständlich mußte der Griff
eines derartigen Werkzeuges ein zweiarmiges, ungefähr im
rechten Winkel aneinander stoßendes Holzstück sein.
Wir unterscheiden zwei Sorten der Steinhacken:
1) breite, flache und
2) lange, schmale, hochgewölbte (schuh-
leistenförmige).
Die ersteren sind die häufigeren. Eine Durchbohrung
der Hacken, um dieselben an einen Stiel zu befestigen, ist
äußerst selten.
118 Die vor- u. frühgeschichtl. i'unde der Grafschaft Camburg.
\J
Fig. 29
A. Steinbacken: flach, breit. (Fig. 29.)
Groß, aus Diabas, gut erhalten, nach dem Bahnende zu sich
etwas verjüngend. L. 10,2, öchneidenbreite v4,2, mittl. Dicke 1,5,
Gewicht 101 g. (ES 79.)
Mittelgroß, aus Diabas, gut er-
r\ /'•*''''^^^?^^nk halten. L. 6,5, Schneidenbreite 4,0,
\ r'*^- 11 mittl. Dicke 1,1, Gewicht 42 g. (ES 84.)
\ llll Klein, aus Diabas, gut erhalten,
\ IWM nach dem Bahnende zu sich verjüngend.
L. 5,3, Schneidenbreite 3,6, mittl. Dicke
1,0, Gewicht 22 g. (ES 74.)
Klein, aus Diabas, nach dem Bahn-
ende zu sich verjüngend. L. 5,7,
Schneidenbreite 4,5, mittl. Dicke 1,2,
Gewicht 49 g. (ES 83.)
Mittelgroß, aus Diabas, nach dem
Bahnende zu sich etwas verjüngend,
gut erhalten. L. 7,1, Schneidenbreite
4,0, mittl. Dicke 1,2, Gewicht 61 g. (ES 32.)
Mittelgroß, aus Diabas, sehr gut erhalten. L. 6,5, Schneiden-
breite 3,8, mittl. Dicke 1,2, Gewicht 50 g. (ES 33.)
Mittelgroß, aus Diabas, gut erhalten. L. 6,0, Schneidenbreite
4,2, mittl. Dicke 1,5, Gewicht 67 g. (ES 65.)
Mittelgroß, aus Diabas, Bahnende roh, sonst gut erhalten.
L. 5,0, Schneidenbreite 4,3, mittl. Dicke 1,4, Gewicht 46 g. (ES. 66.)
Mittelgroß, aus Diabas, schönes Exemplar (Fig. 29), halbmond-
förmiger Schliff der Oberfläche nach der Schneide zu. L. 5,6,
Schneidenbreite 4,0, mittl. Dicke 1,0, Gewicht 39 g. (ES 67.)
Mittelgroß, aus Diabas, Schneide etwas beschädigt. L. 7,2,
Schneiden breite 5,0, mittl. Dicke 1,1, Gewicht 75 g. (ES 81.)
Mittelgroß, aus Diabas, vollständig, eine angeschliffene, gerad-
flächige Seitenwange. L. 6,3, Schneiden breite 4,5, mittl. Dicke 1,0,
Gewicht 51 g. (ES 85.)
Klein, aus Diabas, vollständig, angeschliffene, geradflächige
Seitenwangen. L. 5,0, Schneidenbreite 3,7, mittl. Dicke 0,8, Gewicht
29 g. (ES 70.)
Klein, aus Diabas, beschädigt, angeschliffene Seitenwangen.
L. 6,0, Schneidenbreite 4,0, mittl. Dicke 1,0, Gewicht 38 g. (ES 71.)
Zierlich, dünn, gut erhalten, aus Diabas, angeschliffene Seiten-
wangen. L. 5,7, Schneidenbreite 2,5, mittl. Dicke 0,7, Gewicht 22 g.
(ES 72.)
Klein, etwas beschädigt, aus Kieselschiefer. L. 4,5, Schneiden-
breite 3,2, mittl. Dicke 0,7. (ES 73.)
Mittelgroß, aus Diabas, angeschhffene, geradüächige Seiten-
'en. L. 7,0, Schneidenbreite 4,5, mittl. Dicke 1,0, Gewicht 63 g.
(ES 86.)
Mittelgroß, aus Diabas. L. 6,8, Schneidenbreite 5,3, mittl.
Dicke 1,8, Gewicht 102 g. (ES 87.)
Mittelgroß, aus Diabas, sehr glattpoliert, angeschliffene, gerad-
flächige Seitenwangen. L. 6,5, Schneiden breite 5,0, Gewicht 72 g.
(ES 88.)
Schneidenteil einer größeren derartigen Hacke, aus Diabas,
Schneidenbreite 5,7, mittl. Dicke 2,2. (ES 18.)
Wangen.
-t
Die vor- u. frühgcschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 119
Schneidenteil einer größeren derartigen Hacke, aus Diabas,
Schneidenbreite 7,0, mittl. Dicke 1,5. (Et* 60.)
Bruchstück einer größeren derartigen Hacke aus Diabas.
Breite (3,6, Dicke 1,4. (ES 78.)
Bahnende einer kleinen, derartigen Hacke aus Diabas. (ES 68.)
Vollständige, geschliffene derartige Hacke aus Diabas; scharf-
kantiges, seitliches Aneinanderstoßen von Ober- und Unterfläche.
L. 6,8, Schneidenbreite 4,2, mittl. Dicke 1,1. (ES 102.)
Kleinere, dicke derartige Hacke aus Diabas, mit angeschliffenen
Seiten Wangen. L. 7,0, Schneidenbreite 4,7, mittl. Dicke 2,2 ! Gewicht
127 g. (ES 96.)
Schneidenteil einer großen, breiten derartigen Hacke aus Diabas,
geradflächige Seitenwangen angeschliffen. Gr. Breite 5,3, mittL
Dicke 2,4. (ES 16.)
Hierzu kommen aus dem Berliner Völkermuseum:
Steinhacke aus grauem Gestein, mit angeschliffenen Seiten wangen,
6,2 cm lang, 3 cm Schneidenbreite und beinahe spitzem Bahnende.
(BV 2104.)
Eine dergleichen aus dunkelgrauem Gestein, mit angeschüffenen
Seiten wangen, 8 cm lang, 4,5 cm Schneiden breite. (BV 2105.)
Aus dem Jenaer Museum: Steinhacke aus grünlichem G^e-
stein. Schneide abgesprungen, nach dem Bahnende zu sich wenig
verjüngend; gefunden auf der steihzeitlichen Ansiedelung an der
Hirschrodaer Grenze.
Eine gleiche, sehr beschädigt.
Eine flache Hacke von &kolstedt besitzt Pastor Schröder
(Hainichen), 7,5 cm lang, Schneidenbreite 3,5.
B. Steiuhacken: lang, schmal, hochgewölbt, schuhleisteniörmlg.
(Fig. 30.)
Größere, schön erhaltene derartige Hacke aus feinkörnigem,
hartem, einfarbig hellgrauem Sand-
stein. L. 13,5, größte Breite 3,7, mittL
Dicke 2,5, Gewicht 255 g. (ES 94.)
Mittelgroße, gut erhaltene der-
artige Hacke (Fig. 30) aus Diabas.
L. 10,6, gr. Breite 4 cm, mittl. Dicke
2.2, Gewicht 177 g. (ES 97.)
JNIittelgroße, gut erhaltene der-
artige Hacke aus Diabas. L. 10,3,
gr. Breite 3,0, mittl. Dicke 3,0 cm.
Gewicht 157 g. (ES 93.)
Kleinere, etwas beschädigte
derartige Hacke aus Diabas. L. 8 cm,
gr. Breite 1,8, gr. Dicke 1,5. (ES 99.)
Ebensolche. L. 7,3, gr. Breite
2,0, gr. Dicke 1,5. (ES 98.)
Ebensolche, klein, sehr gut
erhalten. L. 6,5, gr. Breite 1,8, gr.
Dicke 1,4, Gewicht 25 g. (ES 102.)
Ebensolche. L. 7,0, gr. Breite
1.3, gr. Dicke 1,6, Gewicht 24 g.
(ES 101.) Fig. 30. V»
120 J^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Schneidenteil einer großen derartigen Hacke aus Diabas. Gr.
Breite 4,7. (ES 95.)
öchneidenteii einer größeren derartigen Hacke aus Diabas. Gr.
Breite 3,8, gr. Dicke 3,0. ^ (ES 30.)
Schneidenteil einer größeren derartigen^ Hacke aus Diabas.
Gr. Breite 4.0. (ES 100.)
Eine hochgewölbte, schuhleistenförmige Steinhacke, 9,5 cm
lang, 3,3 cm Schneidenbreite, 2,3 cm gr. Dicke, in Pastor Schröders
Sammlung (in Hainichen).
zu Sehr große, langgestreckte, hochgewölbte, nach dem Bahnende
sich etwas verjüngende, schuhleistenförmige Hacke (Fig. 31) aus
Fig. 31. V,.
Diabas. L. 31,3 cm, gr. Höhe 5,1 cm, gr. Breite 3,8, Gewicht 1146 g.
5,5 — 7,5 cm vom Bahnende entfernt sind auffällig ca. 25 — 30 quer
über die Unterfläche verlaufende Kritzel (vielleicht von der Be-
festigung?). (ES 2.)
Sehr großes, langgestrecktes, spitz-schuhleis tenförmiges ,
hochgewölbtes Steingerät (Fig. 32), sehr schön poliert, aus
Fig. 32. •/,.
Diabas. Unterfläche glatt, Schneide wenig aufbiegend, ebenso Bahn-
ende. Quer durchbohrtes Loch an der Grenze der vorderen
^/^ und hinteren ^4 der ganzen Länge, auf der einen Seite 3 cm
im Durchmesser, nach der anderen sich verjüngend zu 2,5 cm Durch-
messer, kreisrund. Im Innern des Bohrlochs circa 50 im ganzen
spiralig verlaufende Kratzfurchen des bohrenden Instruments sicht-
bar. Beim Bohren ist auf der einen Seite die Umgebung des Bohr-
lochs leicht abgesprengt, auch ist der Bohrer einmal ausgeglitten
und hat einen scharfen Kratzer erzeugt. Das Loch verläuft etwas
schräer. L. 28,9, gr. Breite 5,1, höchste Hohe 5.7, Gewicht 1552 g.
(ES 1.)
Die vor- u. frühgeschichü. Funde der Gra&chaft Camburg. 121
Ein interessantes Stück ist eine senkrecht durchbohrte,
breite, flache Hacke (Fig. 33) aus schwarzgrauem Kieselschiefer, mit
angeschliffenen Seitenwangen, gerader
Unter- , flach^ewölbter Oberfläche.
Das Bohrloch ist von 2 Seiten her-
gestellt, das obere hat nicht genau
auf das untere getroffen. Das Bahn-
ende fehlt. Lochweite oben 10 ram,
unten 12 mm. L. ca. 7,0, gr. Breite
3,3, Höhe 1,2. (ES 112.)
Von sonstigem Gerät, das
mit jenen Steinwa£fen und Werk-
zeugen auf Eckolstedter Boden ge-
fanden worden ist, sind zu nennen:
Fig. 33. V,
Fig. 34. V^. Fig.35. V2.
V. Feuersteiniuesser.
Im Jenaer Museum haben wir von da: ein sehr
schmales (Fig. 34), 4,2 cm langes, 1,1 cm breites. Es ist
flach dachförmig.
Ebenso ein kürzeres, aber
etwas breiteres, 3,8 cm lang,
1,8 cm breit.
Ebenso ein dickeres von 2,6
Länge, 1,5 Breite.
Ebenso ein kleines von
stumpf- dreieckigem Querschnitt,
2,3 cm lang, 0,8 cm breit.
Ein 3,3 cm langes, 13 cm breites, feinklingiges (Fig. 35)
hat trapezförmigen Querschnitt.
Ebenso ein 2 cm langes, 1,1 cm breites, etwas kräf-
tigeres.
VI. Feuersteinpfeilspitzen.
Im Völkermuseum wird aus Eckolstedt
eine Feuersteinpfeüspitze mit Wider-
haken (Fig. 36) bewahrt, Höhe 5,6; gut
erhalten. (BV IIb 2420.)
In Jena eine 3,2 cm lange, 1,2 cm breite ohne
Widerhaken.
Fig. 36. V,.
122 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
vn. Steinsäge.
Eine Steinsäge aus Kieselschiefer, von Dreiecksform
(Fig. 37), ein sehr seltenes Stück. Nach der Schoeide
zu verdünnt sich das an der Rück-
seite starke Sägeblatt keilförmig
und trägt 15 Zähne. Höhe des
dreieckigen Sägeblattes 3,5 cm,
Rückenbreite 1,2. Auf der Rücken-
kante verläuft ein 1,1 cm langer
Einschnitt (zur Befestigung?).
(ES 118.)
Fig. 37. %.
Fig. 38. Vr
Vni. Steinmeißel.
Ein kleiner grauer Stein-
meißel, 5,5 cm lang, 2,5 gr.
Breite, vierkantig, mit gerader
Schneide ist im Berliner Völker-
museum (BV IIb. 1531.)
Ein ebensolcher im Jenaer
Museum aus blaugrauem Schiefer,
4 cm lang, 2,5 cm breit. Fo. am Lohholz.
Als -Hohlmeißel verwendet werden konnte ein kleines,
vierkantiges Steingerät (Fig. 38) aus Diabas mit scharfer
hohlgeschliffener Schneide, 11 g schwer,
L. 4,7, Breite 1,7, Dicke 0,8 cm. (ES 55.)
IX. Zum Schneiden rmd Schaben
gedient hat ein 8,6 cm langes, 3,5 cm
breites, im ganzen messerförmiges Stein -
gerät (Fig. 39) mit scharfer Schneide, sehr
starkem (1,6 cm) Rücken. ' (ES 117.)
X. Als Wetzstein
kennzeichnet sich ein langes, rechteckiges
Steingerät aus grünlichgrauem Diabas.
L. 9,2, Breite 3,0, Dicke 1,5. (ES 80.)
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 123
Bruchstück eines ebensolchen, 2,6 cm breiten, lang-
gestreckten, rechteckigen Wetzsteins aus Kieselschiefer.
(ES 76.)
Ebenso ein 9 cm langes, 2,2 cm breites
Stück aus Kieselschiefer (Fig. 40), mit trichter-
förmigem , kleinem Schnurloch an dem einen
Ende und vielen Kritzeln. (ES 64.)
Oberes Ende eines ebensolchen aus
Kieselschiefer, mit zwei seitlichen, einander
gegenüberliegenden Grübchen zum Einklemmen
eines federnden Metallbogens. In der Tiefe
des einen gewahrt man eine grünliche Ver-
färbung (Bronze?). Breite 2 cm, Dicke 1,4 cm.
(ES 82.)
Ein Schleifstein von vierseitiger Prisma-
form mit ausgemuldeter Schleiffläche ist aus
Quarzit, 12 cm lang, 3 cm breit. (ES 62.)
Fig. 40.
^^^-
XI. Beibkolben.
Unter den gesammelten Steinwerkzeugen findet man
allenthalben ein Gerät in Zigarrenetuiform, im ganzen
rechteckig, mit abgerundeter oberer und
unterer Schmalseite. Die glatte, gerad-
flächige Unterseite, die gewölbte Ober-
fläche erinnern an die Steinhacken, so
daß der Gedanke naheliegt, daß man
diese Art Steingeräte durch Abschleifen
der Bruchfläche unbrauchbar gewordener
Exemplare hergestellt hat. Zum Polieren,
Glätten, Reiben haben derartige Stein-
geräte gut dienen können.
Ein derartiges schön geschliffenes, gut
Fig. 41. V».
Jan derartiges scnon gescminenes, guc
erhaltenes Exemplar (Fig. 41) ist in der Eckolstedter Sammlung aus
Diabas, 12 V^ cm lang, 5 cm breit, 3,3 cm hoch, 335 g schwer. (ES 63.)
Ein ebensolches, kleineres aus Diabas. L. 8,0, Breite 4,5,
Dicke 2,0, 147 g schwer. (ES 91.)
Ein ebensolches aus Diabas. L. 6,6, Breite 6,0, Dicke 2,0,
159 g schwer. (ES 92.)
124 I^ie ^or- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Ein noch wenig abgeriebenes, derartiges aus Diabas. L. Q,öi
Breite 4,0, Dicke 2,0. (ES 61.)
Ein gleiches, hergestellt aus einer breiten, flachen Hacke auj
grünlichem, schwarzgesprenkeltem Gestein im Jenaer Museum. Fo.
zwischen Lohholz und Eckolstedt.
Beweisend für die Verwendung unbrauchbarer Stein-
beile, Hämmer und Hacken zu derartigen Reibsteinen ist das
Bruchstück einer durchlochten Steinaxt. Das Stück istj
mitten durch das Schaftloch zersprungen, die entstandener
Bruchflächen durch Reiben abgerundet und glatt geschliffei
(ES 111.
XII. Reibplatten.
Zum Zerreiben der Getreidekörner bediente man sich]
fußlanger, ovaler Platten, meist aus einem harten SandsteinJ
als Unterlage und faustgroßer Reibkugeln. Diese ovalen i
Reibplatten wurden durch längeren Gebrauch auf der Reib-j
fläche ausgemuldet, und dies ist das Kennzeichen, an deml
man sie auch in Bruchstücken erkennen kann. Meist sind]
die übrigen Flächen roh zugehauen.
Reibplatten sind häufige Funde auf den Eckolstedtei
steinzeitlichen Wohnplätzen.
Fig. 42.
Ein schönes Exemplar (Fig.
42, links von oben gesehen, da-
neben im Querschnitt) besitzt das
Jenaer Museum. Es ist 30 cm
lang, gr. Breite 18 cm.
Fig. 43. V2
XIII. ReibkugelD.
Große, schwere Eeibkugel (Fig. 43) von 8 cm Durchmesser,
aus graurötlichem Gestein, mit einer fast geraden Fläche, 648 g
schwer. (ES 124.)
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaf t Camburg. 125
Eine ebensolche, etwas plattgedrückt, von 9 cm Durchmesser,
aus Braunkohlenquarzit, 780 g schwer. (ES 123.)
Eine ebensolche, halbkugelförmig, aus Porphyr, von 6,8 cm
Durchmesser, 165 g schwer. (ES 122.)
XIV.
Von besonderem Interesse sind 2 halbkugelfönnige
Steingeräte, die vermutlich zum Aufdrücken des Trill-
bohrers auf den zu durchbohrenden Steinhammer gedient
haben : Eine 258 g schwere, grausteineme Halbkugel (Fig. 44),
Fig. 44. V,.
mit glatter Unterfläche, Durchmesser 6,7, Höhe 4,7. In der
Mitte [derselben seichte, 1,6 cm große Aushöhlung mit vielen
Kritzeln, die strahlenförmig vom Zentrum nach außen gehen.
(ES. 125.)
Fig. 45.
Ein 167 g schwerer, breit-ovaler Kiesel (Fig. 45) mit
seichter, zentraler Anbohrung eines Trepanbohrers auf der
Oberfläche. Die Umgebung des gebohrten Kreises ist durch
Absprengen der Oberfläche gerauht. Durchmesser 6,5, Höhe
3,6. (ES 126.)
126 -Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
XV.
Bei der Töpferei könnte ein kleines, zugespitztes, pris-,
matisches Steingerät aus Kieselschiefer zum Ziehen d
Ornamectlinien gedient haben. (ES 53,
XVI. Spinnwirtel.
Als Einzelfunde sind auch eine Reihe von Spinnwirtel:
in der Eckolstedter Flur gemacht worden (Fig. 46 — 51)
Fig. 46. V,.
Fig. 47. V2
Fig. 49.
Fig. 50.1 V2
Fig. 51. Vr
Sie haben die Gestalt von großen Perlen. In das zentrale
Loch wurde ein Stab fest hineingesteckt, so daß das
Ganze nun eine Spindel darstellte, die mit der Hand nach
Art einer Tori in rotierende Bewegung versetzt wurde und
den gesponnenen Flachsfaden auf sich wickelte. Diese Spinn-
wirtel sind zumeist aus Ton, einige wenige aus Stein. Auf
der Außenfläche sind viele ornamentiert. Ihre Zeitstellung
ist unsicher, da sie selbst noch im Mittelalter im Gebrauch
blieben.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 127
Tonwirtel aus schwarzgrauem Stein (Fig. 46), doppeltkonißch,
unverziert, abgerundete Mittelkante. D. 3,7, Höhe 2,1, 28 g schwer,
Lochweite oben 12,0, unten 11 mm. (ES 128.)
Tonwirtel (Fig. 47), doppeltkonisch, unverziert, scharfe Mittel-
kante, schmutzig-ziegehrot. D. 4,0, Höhe 2,2, 29 g schwer, Loch-
weite oben 11,0, unten 10,0 mm. (ES 129.)
Tonwirtel, doppeltkonisch, Andeutung von Querfurchen um
die Außenfläche, scnwarzgrau, abgerundete Mittelkante. D. 4,0,
Höhe 2,2, 42 g schwer, Lochweite 13 mm oben, 11 unten. (ES 130.)
Tonwirtel (Fig. 48), doppeltkonisch, mit 4 parallelen Streifen
oberhalb und 4 parallelen Streifen unterhalb des Umbruchs, weiß-
rau. D. 3,5, H. 2,2, 21 g schwer, Lochweite oben imd unten
mm. (ES 131.)
Tonwirtel, doppeltkonisch, unverziert, gelblich. D. 3,2, Höhe
1,9, 17 g schwer, Lochweite oben und unten 9 mm. (ES 132.)
Tonwirtel, doppeltkonisch, weißlich, an einer Stelle orange-
farben, 4 obere parallele Streifen, 3 untere. D. 2,4, Höhe 1,6, 8 g
schwer, Lochweite oben 6 mm, unten 5 mm. (ES 13?!)
Tonwirtel (Fig. 49), doppeltkonisch, mit scharfer Kante, un-
verziert, schwarzgrau, trichterförmige Einsenkung der Oberfläche zum
Loch. Obere Breite des Trichters 21 mm, Lochdurchmesser 6 mm,
Durchmesser der Unterfläche 1,6, gr. D. 3,5, Höhe 1,7, Gewicht
16 g. (ES 136.)
Tonwirtel (Fig. 50) , doppeltkonisch , mit scharfer Kante ;
seichte Einsenkung der Oberfläche zum Loch, schmutzig-ziegelrot,,
mit 14 speichenartig vom Zentrum nach der Peripherie verlaufenden
Schnitten. D. 4,1, Höhe 2,2, Gewicht 21 g, Lochweite oben und
unten 8 mm, Durchmesser der Oberfläche 2,2, der Unterfläche
1,5 cm. (ES 127.)
Tonwirtel (Fig. 51) von ovalem Längsschnitt, verwaschene
Oberfläche, an einer Stelle 2 parallele Kreislinien lun das zentrale
Loch des Wirteis sichtbar. Dieselben sind rötüchgelb gefärbt.
D. 3,2, Höhe 1,9, Schwere 16 g, Lochweite oben und vmten 8 mm.
(ES 135.>
Wirtel aus bläulichgrauem Stein,
im Längsschnitt trapezförmig; an
einer intakten Stelle sieht man einen
gelblich weißen, glasurähnlichen Belag
mit 2 Paar um den Wirtel verlaufenden
Linien. D. oben 3,3, unten 2,2, Höhe
1,5, Schwere 18 g, Lochweite unten
10 mm, oben 12 mm. (ES 133.)
Der jüngeren Bronzezeit
gehört eine auf Eckolstedter Flur
gefundene Bronzenadel (Fig. 52)
an, mit reich verzierter, quer-
stehender Kopfscheibe , 10 cm
lang, der Hals der Nadel ist quergerillt
2421.
Fig. 52. Vs-
Im BV. n b.
128 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Fig. 53.
Auf der Flur Eckolstedt liegt im Norden des jetzigen
Dorfes eine Wüstung Obergosserstedt. Hier wurden
slayische Scherben mit Kammornament ^fanden. Dieselben
befinden sich jetzt im Jenaer Museum (Fig. 53). Es ist ein
Rand stück eines großen Topfes
mit glattgestrichenem, leicht aus-
ladendem Rand und 2 Halsbruch-
stücke. Das eine System Wellen-
linien bricht auf dem einen Stück
(in der Figur auf dem rechten)
einmal spitzwinklig um, darüber
verläuft es in niederen Kämmen; auf dem anderen Stück
in der Mitte ist der Kamm nur kurz in die noch weiche Ton-
masse eingetupft, so dass in bestimmten Zwischenräumen
die Punkte übereinander stehen. Die Tonmasse dieser Gefäße
ist grau, sehr hart gebrannt. Die Wandung der Gefäße ist
1 cm stark.
Einen slavischen Gefäß-
scherben mit Wellenornament
besitzt auch die Schule zu
Eckolstedt. Das Gefäßstück
ist grau, gut gebrannt, die
Masse mit Sand reichlich ge-
mengt, Gefäßwandung 9 mm
stark.
Ebenda wird auch ein
Gefäßbruchstück aufbewahrt
(Fig. 54), welches auf seiner
Außenfläche mit 3 Reihen ge-
stempelter Ornamente verziert ist. Jede Stempelreihe
ist mit einem anderen Stempel ausgeführt. Die oberste,
dem Halsübergang nächste Reihe ist mit einem rechteckigen,
mit 5 parallelen. Leisten versehenen Stempel hervorgebracht,
die mittlere mit einem etwas größeren, ebenfalls rechteckigen
Stempel, der durch eine Längsleiste in zwei Hälften, jede
Hälfte wieder in 9 Rechteckchen geteilt ist. In der dritten
Fig. 54. %
Die vor- u. frühgeschichtL Funde der Grafschaft Camburg. 129
Reihe sind Stempeleindrücke eines achtspeichigen Rades. Der
Scherben gehört zu einem großen, terrinenartigen, henkel-
losen Tongefäß von grauer Farbe. Die Masse ist gleich-
mäßig durchsetzt mit rötlichen und weißlichen Quarzstückchen.
Die Gefäßwand hat am oberen Bauchteil 9 mm Durchmesser.
Aehnliche Gefäße mit fast denselben rechteckigen
Stempeln finden sich unter den inerovingischen Altertümern,
die den ßeihengräbern bei Nordendorf in Schwaben ent-
nommen sind.
2. Münohengosserstedt.
Von Münohengosserstedt liegen nur Einzelfunde vor:
Steinbeile, Steinäxte, Hammeräxte, breite und hochgewölbte
Hacken, Reibsteine, Topfscherben. Interessant ist ein Stein-
beil mit Andeutung von Absatz hinter der Schneidenhälfte
an der unteren Schmalseite und ein Axthammer mit sehr
weitem Bohrloch, quadratischem Bahnende und sehr langer,
dünner Schneide. Funde von Münohengosserstedt besitzt
das Berliner Völkermuseum, das Henneberger Haus in
Meiningen, das Germanische Museum zu Jena, Herr Heim
in Camburg, das städtische Museum in Weimar. Näher be-
zeichnet wird eine Münchengosserstedter Fundstelle als
„am Fußweg nach Camburg"; eine zweite als: „am
Ort Münohengosserstedt".
Meiner früheren Einteilung folgend, haben wir
I. an vierkantigen Steinbeilen mit breit em. Bahn-
ende, leicht gewölbten Seiten wangen, gebogener Schneide:
Ein mittelgroßes Exemplar im HH.
Ein etwas kleineres, ebenda, aus Hornblendeschiefer.
Ein gleichartiges aus Hornblendeschiefer, mit halbmondförmig
angeschliffener Schneide, ebenda.
Ein gleichartiges, ca 8,0 cm lang, ebenda.
Ein mittelgroßes aus grauem Gestein im BV 1416. Länge
7,0 cm, Schneidenhöhe 3,0 cm.
Ein desgl. mit geradflächig geschliffenen Schmalseiten, in H.P.S.
Länge 10,0 cm, Breite 2,0 cm, Schneidenhöhe 5,0 cm.
Ein breites, flaches Steinbeil dieser Art im BV 1030, aus grau-
braunem Gestein, Länge 12,0 cm, Schneidenhöhe 6,0 cm.
Ein ebensolches im BV 2032, aus grauem Gestein. Länge
7,0 cm, Schneidenhöhe 5,5 cm.
Ein sehr langes, meißelartiges, ca. 15,0 cm lang, im HH.
XXII. 9
130 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
II. Von vierkantigen Steinbeilen, die sich stark
nach dem Bahnende zu verjüngen, bewahrt das BV ein
Exemplar (1900) aus grauem Gestein, Länge 8,5, Schneidenhöhe 6,5.
III. Bikonvexe Steinbeile mit spitzem Bahnende
gibt es aus Münchengosserstedt 3 :
Ein schönes Exemplar in H.P.S., aus Kieselschiefer, grau mit
schwarzen Flecken, Länge 9,5 cm, Schneidenhöhe 5,0 cm.
Ein gleichartiges aus schwarzem Kieselschiefer im HH.
Ein sehr langes dieser Art (Länge 16,0 cm) im BV 2652.
IV. Ein Steinbeil, vierkantig, mit geradflächiger oberer Schmal-
seite und hinter der Schneidenhälfte durch eine Quer-
rille eingebogter unterer Schmalseite, in H.P.S., Länge
8,0 cm, gr. Breite 1,5, Schneidenhöhe 4,5 cm.
Steinäxte von dreieckiger Grundform mit Schaft-
loch:
Ein ca. 8,0 cm langes im HH., gut erhalten.
Die vordere lange Hälfte einer Steinaxt, mitten durch das
Schaftloch gebrochen, mit einer zweiten unvollendeten Schaftloch-
bohrung aus dunkelgrauem Gestein im BV 2101. Länge 12,0 cm,
gr. Breite 4,0 cm.
Ein Bruchstück: Schneidenhälfte eines ebensolchen mit spitz-
bogiger Vereinigung der Seitenwangen, mitten durch das Schaftloch
zerbrochen, im HH,
Ein ebensolches ebenda, Schneidenhälfte.
Ein ebensolches Bruchstück mit rundlich abgeschliffenen Bruch-
flächen, wohl als Reiber benutzt, ebenda.
Eine sehr interessante Hammeraxt im St.M.W. (Fig. 55),
von sehr schmaler Form, mit gebogener Schneide, quadratischem
Fig. 55. V4-
Bahnende und sehr großem Schaftloch. Die Hammerende und
Schneidenteil verbindende Brücke ist kaum 1 mm dick. Länge
18 cm, Schneidenhöhe 3,5, gr. Breite in der Gegend des Bohrlochs
3,0 cm.
Steinhacken, breit, flach:
Eine mittelgroße im HH, „vom Fußweg nach Camburg".
Eine mittelgroße mit angeschliffenen Seitenwangen, Schneide
abgebrochen im G.M.J., aus grünlichgrauem, schiefrigem Gestein.
Eine 11,0 cm lange, 4,5 cm breite im BV (1147), von grünlichem
Gestein.
Eine 7,5 cm lange, 4,25 breite, aus grauem, schiefrigem Gestein,
gut erhalten im BV 586.
Eine 8,5 cm lange, gut erhaltene im BV 2653.
Bemerkenswert ist eme ca. 10,0 cm lange, breite Hacke mit ab-
gerundeter Schneide, breiterem Bahnende und Schaftloch, im HH.
Schuhleistenf örmige Steinhacken, hochgewölbt,
schmal:
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Orafscliaft Camburg. 131
Eine mittelgroße im HH.
Eine 10,0 cm lange, 2,0 cm breite aus schwarzem Gestein, im
BV 2102.
Eine mittelgroße, verhältnismäßig breite, in H.P.S. aus Kiesel-
schiefer, Länge 9,0 cm, gr. Höhe (Dicke)^'/» c™. Schneidenbreite 4,0 cm.
Eine ca. 15,0 cm lange, meißelartig geformte im HH.
Ein großes, langes, hochgewölbtes, scnuhleistenförmiges Stein-
gerät mit querdurchbohrtem Schaftloch, planer Unter-
fläche, geglättetem Bahnende, im HH.
Als Reib kolben benutztes dickes, nach dem Bahnende zu
sich verjüngendes Steinbeil mit abgebrochener Schneide im G.M.J.,
8,5 cm lang, gr. Breite 5,6, an der Bruchstelle glatt gerieben.
Ein zigarrenetuiförmiger Reibkolben im BV 1415, aus schwarzem
Gestein, 10,0 cm lan^, 4,5 gr. Breite, mit 2 auf beiden Breitseiten
angefangenen, cylindrischen Bohrungen.
Ein kugelförmiges Steingerät mit näpfchenartiger zen-
traler Vertiefung, im HH., faustgroß.
Ein Bruchstück einer roten Sandsteinreibplatte mit
Fg.: „Fußweg nach Camburg", im HH.
Thonscherben eines großen Gefäßes, schwarzbräunlich, dar-
unter ein Randstück mit torquierter Verzierung. Als Fundort für
letzteres ist angegeben „am Ort Münchengosserstedt". HH.
3. Sohmiedehansen.
Im Juli 1882 berichtet Klopfleisch in der Weimarischen
Zeitung von einer Fundstätte am Schmiedehäuser
Weg.
Dieselbe war klein. Es fanden sich:
Knochen dort vom Schaf, ein vollständiges Gebiß des-
selben,
und Getreidereibsteine, meist bläuliche Kieselsteine.
Die Klopfleischschen Fundstücke im Germanischen
Museum zu Jena tragen die Signatur „Schmiedehausen
zwischen Ziegelei und Dorf". Es sind Knochen vom Rind.
Ein Kästchen ist gefüllt mit harzigen Körnchen und sig-
niert: „Schmiedehausen vom Altare mit den vielen runden
Gruben".
Die Fundobjekte sprechen dafür, daß es sich hier um
Reste alter Niederlassungen handelt. Die Zeitstellung
derselben ist unmöglich.
Eine zweite Fundstelle: „im Gelände" und eine
dritte: „am oberen Lindenberg" beutete Heim aus.
9*
132 l^iß vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Beide liegen am Südwestende des Dorfes. Auch die Fund-
objekte dieser beiden lassen auf alte Wohnstätten schließen.
Es wurden gefunden: ^
Scherben rohgearbeiteter Töpfe, mit Quarzkörnchen
reichlich vermengt,
ein abgebrochenes Henkelstück,
ein breiter Henkel,
ein kleiner, ausgebauchter Becher aus Ton mit aus-
ladendem Rande, zeitlich der Bronzezeit angehörig,
3 Knochenpfriemen, von denen der längste ein zu-
gespitzter Pferdefußzehenknochen, der mittelgroße ein feder-
artig zugespitzter zarter Röhrenknochen ist,
ein Lehmbewurfstück,
ein kegelförmiger, ein doppeltkonischer Wirtel, mit senk-
rechten Einkerbungen am Umkreis.
Zeitlich sicherzustellen sind die Eunde einer Herd-
grube auf Schmiedehäuser Flur, die nach Berlin in das
Völkermuseum gekommen sind. Die Funde gehören in die
Zeit der Bandkeramik. Unter IIb 2750 sind als aus
einer Herdgrube stammend angegeben :
a) 1 Tonscherben der Bandkeramik (Bogenband);
b) 1 schuhleistenförmige , hochgewölbte Steinhacke,
L. 7,5 ; 1 Bruchstück einer solchen ;
d) 2 Flintmesser, flach, dreikantig ;
f) 1 Klopfstein in Kugelform (L, 8) ;
g) 1 ausgemuldeter Mahlstein, L. 25, gr. Breite 25 cm.
Südwestlich vom Dorfe „an der Ziegelei" hat Heim
eine Grabstätte aus der Bronzezeit ausgegraben. In einer
schwarzen Brandaschenschicht, umgeben von einem Kreis
hochkant gestellter Steine, wurden
Tierknochen,
Urnenscherben in reichlicher Menge,
das Kinnstück eines menschlichen Unterkiefers mit
3 wagrecht abgekauten Zähnen zu Tage gefördert neben
einer Anzahl gut erhaltener Bronzen (Fig. 56 — 61) :
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 133
1) Ein großer Halsring (Fig. 56), massiv, oval, offen,
von rundem Querschnitt, nach rechts schnurförmig gedreht,
mit wenig sich verjüngenden, glatten Enden, die etwas über-
einander stehen. Weite ca. 17 cm.
Fig. 57. V,
Fig. 58. V2
Fig. 56. V,
Fig. 59. V,.
Fig. 60. V2-
Fig. 61. Vs-
2) Ein Oberarmring (Fig. 57), massiv, oval, wejt offen,
von rundem Querschnitt, nach rechts schnurförmig gedreht,
nach den Enden sich etwas verjüngend; die ungedrehten
Enden mit längs verlaufendem Grätenmuster verziert.
Weite ca. 11 cm.
3) Ein Unterarmring (Fig. 58), massiv, oval, offen, mit
übereinander liegenden Enden, vierkantig im Querschnitt;
längs der oberen und unteren Kante verläuft ein fortlau-
fendes, kleinästiges Grätenmuster, quer um die Enden ein
von einem System paralleler Linien beiderseits eingefaßtes,
größeres Grätenmuster. Das äußerste Ende schließen kurze.
134 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
in der Längsachse des Armbandes verlaufende parallele
Striche. Weite ca. 6 cm.
4) Ein Unterarmring (Fig. 59), massiv, oval, mit über-
einander liegenden Enden, schön glänzender Patina ; Quer-
schnitt rund, innen glatt. An den Enden und an 3 gleich
weit voneinander entfernten Stellen mit einem System
paralleler, um die Außenfläche des Ringes verlaufenden Linien
verziert. An den Enden sind diese einseitig, in der Ring-
mitte beiderseits von entgegengesetzt verlaufenden Fisch-
grätenmustern begleitet. Weite ca. 7,5 cm.
5) Ein Unterarmring (Fig. 60), massiv, breit-oval, offen,
mit übereinander gelegten Enden, Enden etwas verjüngt,
Querschnitt rund, innen abgeplattet, Ober- und Unterseite
durch Scheuern an einem anderen beim Tragen stellen-
weise plattgeschlifFen, an den Enden und 3 anderen Stellen
mit einem System parallel um den Ring verlaufender
Linien ornamentiert, die in der Ringmitte jederseits von
einem Fischgrätenmuster begleitet werden. Dicker als
vorheriger. Weite ca. 8,5.
6) Ein bronzenes Zierstück (Fig. 61), leicht schalen-
förmig gemuldetes Blechband, 14 cm lang, 5 cm breit un-
gefähr, beschädigt, mit 2 den Rändern parallel verlaufen-
den, eingepunzten Punktreihen, an den Schmalseiten je
2 zum Teil ausgebrochene größere Löcher.
Die genannten Funde sind in das Henneberger Haus
nach Meiningen gekommen i).
Außerdem sind eine große Reihe von Einzelfunden
auf Schmiedehäuser Gebiet gemacht worden, besonders
auffällig viel Spinnwirtel , wenig Steinbeile und Stein-
hacken. Die meisten Einzelfunde sind steinzeitliche, einige
slavische.
1) In E. Eichhorn, Die Grafschaft Gamburg (im 20. Heft der
Schriften des Vereins für S.-Meiningische Geschiente und Landes-
kunde) sind die Ringe auf Tafel III ohne Nennung des Fundortes
abgebildet, Fig. 6, 2, 8, 5, 4.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Catnburg. 135
Ein kleines, vierkau tigee Steinbeil mit breitem Bahnende
im HH.
Ein größeres ebensolches im HH.
Ein ebensolches mit gebogener Schneide im HH.
Ein vierkantiges Steinbeil , beschädigt, L. 9,5, im BV 2793.
Ein desgl., nach dem Bahnende zu sich verjüngend, im BV
2794. L. 7,0 cm.
Ein desgl. im BV 2748. L. 5,0 cm.
Ein Stembeil mit spitzem Bahnende im HH.
Ein desgl. mit ovalem Querschnitt, die Schneide nach Art der
Hacken gekrümmt, aus grauem Gestein. L. 10,0, Schneidenhöhe
5,5. Im BV Hb 1224.
Eine durchlochte Steinaxt von dreieckiger Grundfläche im
HH, mit abgerundetem Bahnende.
Eine desgl. mit ungleich langen Seitenwangen, in Pastor Schrö-
ders Besitz, hat eine Länge von 17,0 cm, Schneidenhöhe 2,0, Bahn-
endehöhe 3,0 cm, gr. Breite 6,7 cm.
Ein durchlochter Axthammer von rhombischer Grund-
fläche, L. 10,0 cm., die eine Hälfte fehlt, im BV 2749.
Bruchstück einer durchlochten Steinaxt (Schneidenteil) im HH.
Ein desgl., Axthammerende, im HH.
Ein sehr flacher Axthammer von rhombischer Grundfläche,
mit abgerundeter Schneide, 24,0 cm lang, 2,8 Schneidenhöhe, 7,0 cm
gr. Breite, in P. Schröders Besitz.
Ein längliches Steingerät, wohl das roh zugehauene Stück zu
einem Axthammer, mit näpfchenartiger, angebohrter Vertiefung, grau-
braunes Gestein, im BV 1097. L. 16,5, gr. Breite 3,5.
Ein polygonal facettierter Axthammer aus grauem, schwarz-
gesprenkeltem Gestein, mit scharf vorspringender, senkrechter Kante
zu beiden Seiten des Schaftlochs, L. 13,5, Breite 5,0, Schneiden-
höhe 3,5 cm, in Heims Privatsammlung.
Eine flache, breite Steinhacke, gut erhalten, in H.P.S., 8,5 cm
lang, 5,0 cm Schneidenbreite, 1,5 cm dick.
Eine breite, verhältnismäßig dicke Steinhacke, Oberfläche be-
schädigt, aus Kieselschiefer, L. 8,5, Schneidenbreite 5,0, in H.P.S.
3 Feuersteinmesser im HH.
2 Flintmesser im BV 2752. L. 4,5 resp. 6 cm.
1 Wetzstein aus Schiefer im HH.
1 Reibstein im HH.
1 durchlochtes, webege wichtartiges Gerät im HH.
1 Tonwirtel, doppeltkonisch, die niedere Hälfte leicht aus-
gemuldet, im BV ^756, mittlerer Durchmesser 3,5.
1 Steinwirtel, doppeltkonisch, Durchm. 2,9, im BV 2757.
1 Steinwirtel, breit-oval, mit konzentrischen Linien um die
Außenfläche, Bruchstück, in H.P.S. Durchm. 3,5.
1 Tonwirtel, doppeltkonisch, die niedere Hälfte ausgemuldet,
Außenfläche mit je 2 parallelen Furchen auf jedem Quadrant,
in H.P.S. Durchm. 2,6.
1 Tonwirtel, doppeltkonisch, in H.P.S. Auf der niederen
Hälfte senkt sich das Stabloch trichterförmig ein.
1 Tonwirtel, breit-oval, mit abgeplatteter mittlerer Zone, in
H.P.S. Durchm. 4,0 cm, Höhe 2,5 cm.
10 weitere Spinnwirtel im HH.
1 Bernsteinperle, hell, doppeltkonisch, kirschengroß, im HH.
2 Stück Wandbewurf im BV 2753.
136 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
5 Tonscherben älterer Art, davon eine ornamentiert mit
Reihen von kleinen Spitzovalen (Fig. 62), eine andere mit ge-
stichelten Dreiecken (Fig. 63), im BV 2755.
4 slavisöhe Topfscherben mit
Wellenornament, mit 7-zinki-
gem Kamm gezogen , im
BV 2751.
2 Tiergehörne, das Geweih
ziemlich gut erhalten.
4. Stöben.
_. „_ _. „„ Im Mai 1882 wurden auf
Flg. 62. Flg. 63. .
einem irischgeackerten Felde
in der Stöben er Flur vom Lehrer A. Sorge in Camburg
schwarze Stellen entdeckt, die bei näherer Untersuchung
Knochen, Urnenreste, eigentümliche Kieselsteine enthielten.
Klopfleisch wurde hiervon benachrichtigt. Am 12. Juli 1882
wurden Ausgrabungen in der Nähe von Stöben veranstaltet.
Die von Klopfleisch hierüber gemachten Tagebuchnotizen
und Skizzen beweisen, daß man auf vorgeschichtliche Ab-
fallgruben gestoßen war, in deren Nähe einstens mensch-
liche Niederlassungen gelegen hatten.
Fundstelle 1: „In der
unteren Trif t", an dem Feld-
raine beim Dorfe (Besitzer Albert
Hanemann) wurden trichter-
förmige Herdstellen freigelegt.
-picr, ö4. Unter der Ackererde senkte
sich in den lehmigen, natürlichen
Boden trichterförmig eine Grube (Fig. 64), die ausgefüllt
war mit schwärzlicher, aschenartiger Erde. In dieser lagen
zerstreut bunt durcheinander:
viele Tierknochen,
viele Urnenscherben, die meist schön geglättet, schwarz
gefärbt, teilweise mit hübschen Randleisten versehen sind,
Reste von Reibern,
größere Reibplatten aus Sandstein , eine von ihnen :
19 cm lang, I21/2 cm breit, 5 cm dick,
kleinere Handreiber,
Holzkohlen.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 137
Fundstelle 2: „auf der Heide" (Fig. 65), auch
noch auf Schmiedehäuser Flur, Besitzer Albert Hanemann.
40 cm unterhalb des lehmigen Bodens stieß man auf
einen großen, mit kloinen Steinen eingefaßten Kreis von
2,80 m Durchmesser. Innerhalb desselben fand sich melierte
Fig. 65.
Branderde mit Tierknochen. An der Nordseite der Peri-
pherie, innerhalb des Kreises, war eine kleinere, runde
Stelle von 50 cm Durchmesser als Brandstelle deutlich zu
unterscheiden. Das Zentrum der steinumgrenzten Fläche
bildete eine in den Boden flach eingesenkte, kreisrunde
Vertiefung, die mit Branderde ausgefüllt war und ziemlich
♦viel Tierknochen und einzelne Tonscherben enthielt. Weiter-
hin wurde ein kleiner Bronzerest gefunden, daneben eine
zerquetschte, sehr weiche Urne von Schalenform, Reste
eines etwas härteren Gefäßes und eines töpfernen Napfes mit
hohem Rande.
Fundstelle 3: „auf der Heide", südwestlich der
Fundstelle 2, von ähnlicher Anlage.
Hier war eine rautenförmige Steinumgrenzung unter
der Lehmdecke zu Tage gekommen. An der Nordecke
Reste eines sehr starken, großen Tongefäßes innerhalb der
umgrenzten Stelle. Die Mitte der Fundstelle war, wie
bei der vorigen Fundstelle, tiefer in den Lehmboden ein-
gesenkt und mit vereinzelten Tierknochen durchsetzt. Am
Grunde der Senke lag ein Stein. Im Profil wie Stelle 2.
Fundstelle 4: „auf der Heide", südwestlich hinter
Stelle 3, in einer Linie mit 2, bereits in der Mitte durch-
wühlt. Die Anlage war im ganzen so wie die der anderen,
ein kreisförmiger Fleck mit schwarzer Branderde ausge-
füllt. In derselben lagen Tierknochen, Tierzähne zerstreut
138 I^iß ^OJ"" ^- frühgeschiclitl. Funde der Grafschaft Camburg,
und ein besonders nennenswertes zertrümmertes Gefäß von
roter Farbe, durch Feuer nachträglich gehärtet, klingend.
Fundstelle 5: „auf der Hei de'V schon angegraben.
Anlage ebenso, schwarze Brand erde mit zahlreichen Tier-
knochen und Urnenresten, darunter ein sehr starkes, großes
Gefäß und ein Bruchstück eines Henkelgefäßes.
Ein in der Weimarischen Zeitung noch im Juli 1882
erschienener kurzer Bericht bezeichnet diese Stellen als
Opferstätten unserer Vorfahren und gibt ihr Alter auf
2—3000 Jahre an.
Am 21. August 1889 suchte Klopfleisch neue Fund-
stellen in der Nähe von Stöben auf. Ein an der
Ausgrabung damals mitbeteiligter Herr, der Landwirt
Carl Kunze in Hirschroda, schilderte diese Ausgrabung in
einem schriftlichen Bericht, dem wir folgendes entnehmen:
Hanemann war wiederum beim Ackern auf vorge-
schichtliche Fundobjekte gestoßen. Die Stellen waren an
der Oberfläche nicht sichtbar, höchstens beim frischen Ackern
fielen sie durch eine dunklere Färbung des Ackerbodens auf."
Die erste Stelle lag am Fahrweg nach Schmiede-
hausen. In schwarzer Erde fand man einige Urnen-
scherben.
Eine etwas erhöht gelegene zweite Stelle war von
circa 4 m Durchmesser und ^j^ m Tiefe. Dieser Raum
war angefüllt mit Branderde. Der Boden im Mittelraum
war mit Steinen besetzt; ein mit Branderde gefülltes Loch
ging noch über 1 m unter den Boden. Gefunden wurden:
ziemlich viel Urnenscherben und ein ziemlich gut erhaltener
Unterkiefer eines Hirsches.
Die dritte ausgegrabene Stelle hatte einen Durchmesser
von ca. 1^/2 m und eine Tiefe von über 2 m. In diesem
Raum war der oberste Teil angefüllt mit Branderde. Diese
lag auf einer Schicht Estrich, einer rot aussehenden ge-
brannten Lehmschicht, die nach Art einer Tenne behandelt
und gebrannt wurde. Unter dieser Estrichschicht befand
sich wieder ein kleiner Raum, angefüllt mit Branderde.
In dem oberen Raum lagen zahlreiche Knochen und
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 139
Scherben von Urnen, im unteren ein vollständigea, gut er-
haltenes Skelett einer jungen Ziege, umgeben von Scherben
und anderen Knochen.
Weitere Fundstellen wurden am 24. August 1889
ebenfalls auf Hanemannschen Grundstücken aufder Höhe
nachLachstedt zu ausgebeutet. Die erste Stelle war
3 m im Durchmesser, 1 m tief, mit Branderde ausgefüllt,
die mit Knochen und Scherben vermengt war. In der Mitte
des Bodens waren eine ziemliche Anzahl von Steinen gelegt.
Die zweite Stelle, ziemlich so groß, mit Branderde
gefüllt, bot eine große Zahl sehr mürber Tierknochen, dar-
unter 2 Kinnladen, Rippen, Zähne vom Rind. Der Boden
war stellenweise mit Estrich belegt.
Die dritte Fundstelle war die ergiebigste: l'/g m
breit, 70 cm tief. Gleich von Anfang an wimmelte es
von Scherben. Die mächtigen Scherben mit Fingertupfen-
eindrücken auf einem 1^/g cm unter dem Rand um das
Gefäß herumlaufenden Wulst ermöglichten eine ungefähre
Zeitbestimmung.
In einer ähnlichen, etwas kleineren Stelle mit Brand-
erde fand man 2 noch zusammenhängende Kinnladen von
einem Hausrind.
Auch hier handelte es sich also — wie wir sehen —
um eine Anzahl von Abfallgruben im Bereiche vorgeschicht-
licher Siedelungen.
Die in d iesen Abfallgruben vorgefundenen
prähistorischen Funde sind ihrerzeit in das Ger-
manische Museum zu Jena gekommen. Die hier auf-
bewahrten Scherben sind meist Reste grobgearbeiteter
Gefäße. Die Masse der meisten ist mit Quarzkömchen
durchsetzt von Sandkorn- bis Hirsekomgröße. Die hart-
gebrannten sind geringer an Zahl und haben meist eine
schmutzig-ziegelrote Farbe. Die meisten sind dickwandig,
bis über 1 cm stark, hell-lehmfarben, braun, bis schwarz-
grau. Die größeren sind oberflächlich geglättet, die dünn-
wandigeren besser.
140 I^iß vor- u. frühgescMchtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Als besonders interessant seien genannt:
Das Bruchstück eines großen, dickwandigen Gefäßes mit ge
glätteter Oberfläche, schwarzgrau, die Masse mit bräunlichen und
weißen zerkleinerten Steinchen reichlich durchsetzt, ist besonders
interessant, weil am Halsübergang zum oberen Bauchteil eine nicht
verstrichene Furche sichtbar, die beweist, daß der Hals extra auf
das Gefäß aufgesetzt ist, nachdem der Bauch fertiggestellt war. Der
Durchmesser der Urne an dieser Übergangsstelle beträgt 14 cm.
Hals und oberer Bauchteil bilden einen Winkel von 110".
Auf eine beträchtliche Größe läßt ein Gefäßrandstück schließen
mit oberem Bauchteil. Der Durchmesser des Gefäßes an der Hals-
wurzel beträgt 28 cm, der Winkel, den Hals und oberer Bauchteil
miteinander bilden, 120". Der Eand ist abgerundet, ohne ver-
stärkenden Wulst. Die Bubstanz des Gefäßes durchweg grau, mit
Quarzstückchen vermengt, die Oberfläche geglättet. Die Wandungs-
stärke 6—8 mm.
Ein Bodenstück mit teilweise erhaltener, anschließender Gefäß-
wand, äußerlich gut geglättet, schmutzig- braun, die Masse im Bruch
schwarzgrau, mit vielen bis hanfkorngroßen Quarzkörnchen durch-
setzt, die Wandung 10 mm stark. Bodenfläche und Wandung bilden
einen Winkel von 125". Der Bodendurchmesser 12 cm.
Ein anderes Bodenstück eines ebenfalls dickwandigen, großen
Gefäßes mißt im Durchmesser 14 cm, die Wandung steht auf ihm
im Winkel von 125°.
Ein Bodenstück eines kleineren Gefäßes hat nur einen Durch-
messer von 4,5 cm.
Der Band der aufgefundenen Gefäße ist entweder da-
durch hergestellt, daß die Gefäßwandung oben einfach glatt-
gestrichen ist, ohne Ausladung, ohne besondere wulstförmige
Verstärkung, so besonders bei den großen Gefäßen, deren
Masse mit Quarzkörnchen reichlich durchsetzt ist, oder der
Rand ist leicht wulstig umgebogen oder er ist von einer
krauseiförmig gefalteten Tonleiste begleitet, die man, den
oberen Gefäßhals verstärkend, aufgelegt und in bestimmten
Zwischenräumen mit der Fingerkuppe ein- und angedrückt,
das verdrängte Stück nach unten geschoben hat. Randstücke
dieser Art finden sich eine ganze Anzahl (Fig. 66 — 69).
Sie gehören zu großen Gefäßen mit dicken Wandungen.
An der Halswurzel hat das eine (Fig. 66) einen Durchmesser
von 22 cm. Es ist schmutzig-backsteinrot auf der Außenfläche und
Innenfläche gefärbt, die Masse innen grau, mit Quarzstückchen
reichlich vermengt, 7 mm starke W^andung.
Bei einem gleichartigen (Fig. 67) liegt über der Leiste ein ver-
stärkender Eandwulöt. Dies Gefäß ist dunkelziegelrot, die Masse in
der Mitte schwarzgrau, mit Quarzkörnchen vermengt, Wandstärke
10 mm, Dm. am Hals 24 cm.
Bei einem weiteren derartigen Gefäß (Fig. 68) sieht man be-
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 141
sonders gut, wie das verdrängte Stück nach unten geschoben worden
ist. Dm. des Mündungsrandes 22 cm.
Schließb'ch sieht man bei einem kleineren Randstück (Fig. 69),
wie die Fingerkuppen zweier nebeneinandergelegten und eingedrückten
Junger den aufquellenden kleinen Kamm noch einmal von beiden
Seiten eingedrückt haben.
Fig. 67. Vr
Fig. 69. V4.
Fig. 58. V4-
Diese Tupfenleiste tragen einige Gefäße am Hals,
nicht mit dem Rande zusammenhängend, als besonderes
Ornament (Fig. 70).
Auch eine abgesprungene derartige Leiste wurde ge-
funden (Fig. 71).
Zwei hell-ziegelrote, hart gebrannte Randstücke (Fig. 72)
demselben Gefäß angehörig, sind in einiger Entfernung vom
Fig. 70. V4.
Fig. 71. V,.
Fig. 72. V4-
Rand durch eine Kette von oben nach unten ausgehobener,
lanzettförmiger Stiche verziert. Der obere Durchmesser
dieses Gefäßes betrug 10 cm nach Berechnung.
142 Die vor- u. frühgescMchtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Die gefundenen Henkel (Fig. 73 — 76) sind alle breit,
das Henkelloch für einen Finger passierbar. Sie sitzen
am Halse, gehen mit ihrem einen Bogeriansatz unmittelbar
in den Gefäßrand über, mit dem anderen unmerklich in die
Wandung des Topfes (Fig. 73, 74) oder sie sitzen am Um-
Fig. 73. \/,. Fig. 74. '/,. Fig. 75. V',.
Fig. 76. V,
bruch des Bauches (Fig. 75, 76). Der eine ist im Querschnitt
plankonvex, er gehört zu einem Gefäß von 28 cm weitestem
Durchmesser, der andere, plankonkav, zu einem Gefäß von
24 cm Durchmesser zwischen den Henkeln.
Nur wenige Gefäße sind in ihrer ganzen Form re-
konstruierbar: Ein napfförmiges, hartgebranntes, ziemlich
dünnwandiges, ziegelrotes (Fig. 77). Der Boden, 6^/3 cm
Fig. 77. V,
Fig. 78. V,
im Durchmesser, größter Durchmesser 17^2 cm in 8^/2 cm
Höhe, ganze Höhe 13 cm. Nach dem Rande zu biegt
die Wandung sanft nach innen, Durchmesser hier 16 cm,
um 1 cm vom Gefäßrand wieder wenig auszuladen. Der
Rand ist ohne Wulstverstärkung, scharf. Die Bodenfurche
innen ist ausgefüllt; auf dem oberen Bauchteil hüben und
drüben je ein brustwarzenförmiger Buckel.
Die vor- u. frühgeechichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 143
Ein großes, im ganzen kugelförmiges Gefäß, am Hälse
-ich leicht verjüngend, der Rand dann wieder ausladend,
einfach glatt abgerundet; Wandstärke 12 mm, größter
Durchmesser 30 cm, oberer Durchmesser 26 cm, Hals im
Lichten 24 cm.
Ein sehr großes, glockenförmiges Gefäß mit Tupfen-
leiste unter dem Rande ; 29 cm oberer Durchmesser, 28 cm
Höhe, sehr dickwandig (Fig. 78).
Von weiteren Fundobjekten aus den Herd-
gruben sind zu nennen :
14 teils kugel-, teils eier förmige Körper, die
einen künstlich hergestellt aus Ton, die anderen abge-
schliffene, feine Sandsteingebilde.
Eine kleine Anzahl Feuersteinspäne,
ein großes Webegewicht, aus rötlichgrauem Lehm,
schwach gebrannt, 4 Längsseiten, Unterseite beschädigt
durchgehendes Loch von l'/g Durchmesser;
eine hochgewölbte schuhleistenförmige Steinhacke
16,0 cm lang, 3,5 cm breit, 4,0 cm hoch, 410 g schwer;
eine kleine Steinhacke, flach, breit.
Fundort „an der Schweinsbrücke", ausgebeutet von
Heim. Hier fanden sich Urnenreste ohne Verzierungen, ein
kleines, henkelloses, napfartiges Gefäß aus Ton mit 4 bronzenen,
vierkantigen Stückchen im Innern (Reste einer Nadel).
Als Einzelfunde von Stöben liegen im Henneberger Haus
in Meiningen:
Eine Steinaxt aus Grünstein, Schaftloch im Zentrum der
Axt, was besonders zu bemerken '), 15 cm lang, im Horizontalschnitt
dreieckig, mit langer Schneide, Bahnende seitlich abgerundet.
Eine Steinhacke, flach, breit, mit gebogener Schneide, ge-
radem Bahnende, aus Kieselschiefer, mit Schaftloch, eme
Seltenheit -) !
Ein Bruchstück: der Schneidenteil einer Steinaxt aus grün-
lichem Gestein.
Heim in Camburg besitzt zur Zeit ebendaher eine durchlochte
Steinaxt von unregelmäßig-dreieckiger Grundfläche, mit ge-
1) Vgl. E. Eichhorn, Die Grafschaft Camburg, Heft 20 der
Schriften des Ver. f. S.-Mein. Gesch. u. Landeskunde, Taf. IV, Fig. 7.
2) Vgl. ebenda Taf. IV, Fig. 7.
144 I^iG vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
bogen er Schneide, schiefem Bahnende, aus graugrünem Gestein ; auch
hier befindet sich das öchaftloch mehr nach dem Zentrum zu.
Im Berliner Völkermuseum :
Ein vierkantiges Steinbeil aus grauem Gestein, mit ge-
bogener Schneide, breitem Bahnende, flach gewölbten Seitenwangen.
L. 8,5, Schneidenhöhe 4,0 cm. (BV II b 1611.)
Ein Steinhamraer, durchlocht, im Horizontalschnitt un-
regelmäßig-dreieckig, Ober- und Unterseite flach gewölbt. L. 11,5 cm.
(BV II b 2641.)
Ein Klopfstein von länglicher Gestalt, aus grauem Gestein.
L. 8,5, gr. Br. 3,0. (BV II b 1612.)
In einer Iiehmgrube zwischen Stöben und Camburg
fand Klopfleisch eine steinzeitliche Abfallgrube,
die Tonscherben waren gut gebrannt, grau, mit feinem Sand
gemengt , mit Bandverzierung (gerade Linien und
Tupfen von unten nach oben aus der Tonmasse ausgehoben).
Dabei ein stark gebrannter, ziegelroter Gefäßscherben,
3 mm stark, ein Randstück mit einer Kette von ausge-
stochenen lanzettförmigen Gruben unterhalb des glatten
Gefäßrandes.
Andere Scherben waren unverziert. Diese Fundobjekte
liegen im Germanischen Museum zu Jena.
Es sei hier ein prachtvoller Bronzekelt (Fig. 79) er-
wähnt, der in Stöbens Nachbarschaft auf Lachstedter
Flur bei Großheringen ge-
funden worden ist neben mensch-
lichen Skeletten. Nähere Fund-
berichte fehlen. Der Kelt be-
findet sich im G.M.J.
Er ist 269 g schwer, mit niederen
^. Randleisten versehen , nach der
rig. 79. Schneide zu kräftig ausladend.
Schneide gebogen. Bahnende ab-
gerundet, grün patiniert. Länge 13,0 cm, Schneidenhöhe 6,0 cm,
m der Mitte 2,3 cm hoch, Dicke 14 mm, Höhe der Randleisten
2 mm. In der Schaftrille ist an der bräunUchen Verfärbung der
Patina die Holzschäftungsform noch erkennbar.
(Fortsetzung folgt.)
Miszellen.
Luiidmesserordnung und Holzordiiung im Amt Kenia ans den
Jahren 1567 und 1572.
Mitgeteilt von Pfarrer Fleischhauer in Oberspier.
Die nachstehenden zwei Ordnungen, eine Ordnung im Land-
messen zur Feststellung der Grenzen und Beilegung der Grenz-
streitigkeiten zwischen Flurnachbarn und eine Ordnung für die
Nutzung der Gemeindewaldungen, sind entnommen der Gemeinde-
lade von Großbrüchter, einem Dorfe des früheren Amtes Keula, daa
den Viergrafen des Eeiches von Schwarzburg gehörte.
Das Amt Keula, jetzt der westliche Teil der Schwarzburg-
Sondershausenschen Unterherrschaft und dem Landratsamt, Amts-
Serichtsbezirk und der Superintendentur Ebeleben zugeteilt, kam
urch Erbvertrag zwischen den Grafen von Honstein und Schwarz-
burg um die Mitte des 14. Jahrhunderts an die letzteren.
Im Jahre 1421 nahm Graf Heinrich von Schwarzburg Keula
nebst Straußberg vom Erzbischof zu Mainz zu Lehen, wogegen der
Erzbischof seinen Ansprüchen auf Heringen entsagte.
Im Jahre 1437 kam durch Tausch gegen das Dorf Blanken-
burg Kleinkeula (jetzt zu Gotha gehörig) und halb Urbach, die beide
bisher im Besitz der Landgrafen von Thüringen gewesen waren, an
das Amt.
Um 1540 führte Graf Günther XL. die Reformation in- seinen
Landen ein.
1670 — IbSl residierte als Herr des Amtes Graf Anton Günther IL
in Keula.
1682 — 1716 bestand ein Unterkonsistorium daselbst.
Im Jahre 1852 ist der Sitz des Justizamtes nach dem Markt-
ilecken Ebeleben verlegt worden.
Zum Amt Keula gehörten die Ortschaften Keula, Holzthaleben,
Großbrüchter, Kleinbrüchter, Urbach, Toba, Wiedermuth, Kocken-
sußra, Großmehlra.
Zur „Holtzordnung", die einige Hauptbestimmungen der jetzt in
den Ortschaften Keula, Holzthaleben, Großbrüchter und Urbach (sog.
obere Pflege des Landratsamtes Ebeleben) geltenden Waldordnung
enthält, ist zimächst zu bemerken, daß sie wohl der erste bekannte
N'ersuch ist (vergl. auch Art. 6), den vorbenannten Orten die Nutz-
nießung des ihnen gehörigen Waldes zu ordnen und ein Gemeinde-
XXII. 10
146 Miszellen.
vermögen zu erhalten, das noch heute als die vorzüglichste Ursache
ihrer Wohlhabenheit zu gelten hat. Besonders sind in dieser Rich-
tung Artikel 1 und 2 bedeutsam. Nach den Bestimmungen der
neuesten Zeit sind die politischen Gemeinden Besitzer der Inter-
essentenwaldungen, so z. B. Kenia, das 748 ha 22 a 38 qm Wald
besitzt, durch endgültiges Urteil des RevisionsköUegiums für Landes-
kultursachen in Berlin vom 10. Juli 1868 und durch Zuschreibungs-
urkunde des Fürstlichen Justizamtes in Ebeleben aus demselben Jahre.
Art. 1 ist selbstverständlich nicht mehr gültig. Dagegen be-
steht Art. 2 seinem Inhalt nach noch jetzt zu Recht. Die Besitzer
von Holzgerechtigkeiten (im genannten Orte 95 an der Zahl) sind
Hausbesitzer oder Besitzer von Hausstätten (Grundstücke, auf denen
ein Haus gestanden hat), zu denen die Holzgerechtigkeiten untrenn-
bare Pertinenzen sind.
Art. 6 hat in den neuesten Bestimmungen dahin eine Ab-
änderung gefunden, daß sämtlichen ürtsangehörigen, so lange sie im
Ort ihren bleibenden Wohnsitz haben, also auch zugezogenen Hei-
matsberechtigten, die Ausübung folgender Nebenberechtigungen
zusteht :
1) Die Nutzung der Stämme (Stocken), der beim Fällen stehen
gebliebenen Schaftenden, denm Höhe mindestens 2 Fuß von der
Erde ab betragen muß, nebst Wurzeln. Ausgenommen von der
Nutzungsberechtigung sind der Pächter der fürstlichen Domänen,
der Pfarrer, die Lehrer, Alimentanden, die nicht eigene Wirtschaft
führen, und Witwen, die keinen über 14 Jahre alten Sohn haben.
Zu dieser Bestimmung kann Einsender von einer ihm mit-
geteilten Sitte berichten, die noch in den 30er und 40er Jahren des
vorigen Jahrhunderts bestand (1846 abgeschafft). An einem festge-
setzten Frühlingstage nach Beendigung der Schlagzeit versammelten
sich die erwachsenen männlichen Bewohner Kenias an einer be
stimmten Stelle des Dorfes. Beim Glockenschlag begannen sämt-
liche Teilnehmer zum Walde zu laufen, um dort die Stocken, die ein
jeder zuerst erreichen konnte, für sich in Besitz zu nehmen. Wer
am frühesten am Ziele war, hatte die Auswahl unter den besten
Stocken bis zu einer gewissen Anzahl. Die Besitzergreifung bestand
zu Recht.
2) Das Recht der Gräserei mit gewissen Einschränkungen.
3) Das Sammeln von Raff- und Leseholz für den Hausbedarf.
4) Die Nutzung der Laubstreu. Ausgeschlossen bleiben die drei
jüngsten Schläge.
5) Die Nutzung der Bucheckern. Nur das Auflesen, resp. Zu-
sammenkehren der Eckern, nicht aber das Anschlagen und Klopfen
der Bäume ist gestattet.
Wegen dieser Einschränkung entstand im 3. Jahrzehnt des
19. Jahrhunderts ein Streit zwischen der Gemeinde Keula und der
Regierung. Die Gemeinde nahm das Recht des Bucheckerschlagens
für sich in Anspruch. Im Interesse der Waldverjüngung und des
Nationalwohlstandes konnte die Regierung das Recht nicht gelten
lassen. Als die Ortsbewohner trotz mehrfacher Verwarnung und
Strafen nicht von der Ausübung ihres vermeintlichen Rechtes ab-
ließen, mußte eine Abteilung Soldaten des Schwarzburger Kontingents
in den Ort gelegt werden. Es kam sogar im Walde zum Kampf, bei
dem Blut geflossen sein soll. Die Begebenheit wurde im Volksmund
der Bucheckerkrieg genannt.
Miszellen. 147
Art. 9 bestimmt, daß bis zum Walpurdstajp das gefällte Holz
aus der Maße geschafft sein sollte. Nach den jetzt geltenden Sta-
tuten (S 13 — 15) muß das Fällen der Bäume spätestens bis 1. Mai,
die Aufbereitung des Holzes bis 24. Juni, die Abräumung der Maßen
durch Abfuhr bis spätestens den 1. Dezember beendet sein.
Zum Schluß ist zu bemerken, daß, wie heute dem Staate
(Fürstl. Ministerium, Abt. des Innern), zur Zeit der Aufstellung der
Holzordnung die Oberaufsicht den Grafen von Schwarzburg (den
fräfl. Räten zu Keula) zustand. Sie bestimmten die Strafen, setzten
ie Holzförster ein, wie sie auch Urheber der hier wiedergegebenen
Holzordnung gewesen sind. So heißt es am Ende: „Es soll auch
unser gnädiger herr diese Ordnung jederzeit zu mehren, zu mindern
oder abzuthun macht haben".
1. Ordnung im landtmessen des ambts Keula.
Anno 1567.
Erstlichen.
Wer befindet, daß ihm von seinen nachbar etwas aus unbillig-
keit abgepflflget, der soll denselben gütlich bereden, oder mit zween
mann beschicken und begehren ihm sein abgepflügtes landt in der
§üthe wieder zu geben, und wo er ihm an fruchten schaden ge-
lan, denselben auf billige wege erstatten und wenn sie sich unter
einander nicht vergleichen können, ein jeder zween unpartheyische
ntänner zu sich bitten ;
2) Wenn aber diese güthl. handlung der sachen nicht helffen
will, soll der kläger den bürgermeister oder heimbürger bitten, den
geschwohren männern zu befehlen, einen gelegenen tag zu ernennen,
und den gebrechen abhelffen.
3) SSU der kläger verpfhchtet seyn, denen meßer 4 gr., ehe sie
hinausgehen, zu erlegen.
4) Wenn nun beyde theile hinaus beschieden, sollen die meßer
beyder partheyen bericht nothdürftig hören und mahl-steine, steine,
alte gewende fleißig besehen, auch wo es noth, andere leuthe be-
fragen und nach des oder derselben anzeigunge, bey ihren pflichten
vertheilen, den nicht an allen orthen der ruthe meisterin seyn kann.
5) Sollen auch die meßer, wo sichs ohne verrückung anderer
gewende leiden will , all ende , so sie verglichen , alsobalden ver-
steinigen, damit gezänke, so viel möglichen, abgeschaffet werden mögen.
6) Soll der beklagte, so er in wenigen oder vielen unrecht
befunden, den klägern die ausgelegten 4 gr. alsobalden wieder er-
statten, und den meßer von jeder forche (:doch unbegeben gnädiger
herrschafft strafe :) 3 gr., ist aber der acker bestellt, 7 gr. erlegen
und den kläger seinen schaden nach erkänndtnüß obgenanndter
messer entrichten.
7) Weiln es aber gleichwohl an deme, daß die gesetzten mahl-
steine beyden theilen zu guthe gerichtet , soll jeder parth von
j^lichen steine, welche auch kläger und beklagte zugleicn schaffen
sollen, den messer 6 ^. vergnügen, und ob wohl 4 ruthen breit
und 30 lang und also auf und zurichten einen gemeinen acker, da
(?) die ruthe 14, sehne lang seyn sollen, so soll es doch (?) um die
ruthen und große der acker, wie es an einem jeglichem orthe von
alter hergebracht, gehalten werden und bleiben.
10*
148 Miszellen.
8) Sollen auch beyde partlieyn verbunden seyn, wenn sie den
meßer ihre notdurfft angezeigt, auf begehren von der irrung abzu-
weichen, damit sich die meßer desto freyer zu unterreden und die
handlung fürzunehmen haben. ^
9) Würde eine oder beyde partheyen, in ausführen oder er-
scheinen, sie die meßer mit losen wortten angreiffen, oder gegen
dieselben sich ungehohrsamb erzeigen, so sollen die ungehohrsamen,
so oft es geschieht, den meßer 5 gr. zur straffe verfallen seyn, doch
unbegeben unser gnädigen herrn straffe.
10) Sollen die meßer bey ihren geschwohren eyde hirinnen
vorsichtig, fleißig, auch unpartheyisch handeln, im fall aber da es
von ihnen änderst vermerckt, sollen sie um gestalte Sachen u. g.
herrn strafffällig seyn , obgleich nicht vermuthl. , daß die meßer
jemand wißendtlich unrecht thun, derowegen ihnen auch von den
partheyen gefolget werden soll, so soll doch eine oder beyden theilen,
so sich beschwerth befunden, weiln am meßen geirrt werden kann
frey stehen, wenn sie den meßer wie gehöret, ihre gebühr zuvor
erlegt, das ambt zu besuchen, da aber nach besieh tigung befunden,
daß er die meßer zur unbilligkeit beklaget, so soll er Mgfl. 4 . . (?)
unabläßig zur straffe verfallen seyn , würde aber daß er seine
suchens ursach gehabt, erkandt, so soll die irrung nach Weisung
des ambts gerichtet und sein erlittener schaden nach erkändtnüß
deßelbigen erstattet werden.
11) Soll ein jeglicher, der eine langweilige irrung zu haben
vermeinet, zur zeit, wann das feldt offen und unbestellt ist, sonder
in der braache, solche suchen und rechtfertigen laßen, würde er aber
zur zeit bestellter felder derentwegen ansuchen, so sollen die messet
nicht verbunden seyn, dazumahl die meßunge für die handt zu
nehmen, aber in neuen abpflügen sonderl. in der brache soll kein
Verzug geschehen.
12) Sollen die meßer an allen orthen der fluhr uf die mahl-
steine fleißig achtung geben und wo sie befunden, daß jemand die-
selbigen verrückt, umbgeworffen oder verändert, solches alsobalde bey
ihren pflichten im ambte anzeigen und bescheides gewarten.
13) Würde eine gemeine fluhr irrung zu rechtfertigen von
nöthen seyn, daran sollen sich die meßer ohne vorwissen des ambts
nicht unterstehen, auf daß niemanden darinnen zu kurtz geschehe.
2. Geschwohren- oder stein-setzer eydt.
Demnach ihr bey der gemeinde NN zum ältesten und ge-
schwohrenen außerlesen und vorgeschlagen worden und anitzo darzu
bestätiget werden sollet, als sollet ihr zu der heil, dreyfaltigk. ge-
loben und schwehren.
Daß ihr zuförderst gnster herrschafft unsem gnsten graffen
und herrn, dero hochlöbl regierung und ambte treu, hold, und
gewärtig seyn, nutzen fördern, schaden und nachtheil aber hüten
und warnen, sodann 2) auf richtig maaß, gewichte, schue und ruthen
sehen und halten, und nicht zugeben, daß darinnen unterschleiff
vorgenommen werde. — 3) Auf die gräntze genaue aufsieht mit
halten , und da was gnster herrschafit dem ambte oder der ge-
meinde nachteiliges vorfiele, oder unternommen würde, sofort ge-
hörigen orths berichten. 4) So irrungen zwischen reinen (Rainen ?)
und steinen geschehen, solches auf erhaltenen ambts-befehl euren
Miszellen. |49
besten wißen und gewißen nach mit anbescheiden helffen, auch auf
erfordern zu versteinen und uhrkunden zu machen, mit den maß-
ruthen richtig anschlagen und darinnen niemand so viel oder zu
weni^ geschehen lassen , auch 5) dafem von dem ambte bey Be-
sichtigung von baustädten, feuerstädten und dergl. it. Executionen,
Immissionen oder Taxationen häuser, acker und wiesen erfordert;
werden, solts euch darbey willig finden und auch in allen als wie
treuen, rechtschaffenen geschwohrenen zustehet, verhalten, und da-
bey nicht ansehen wollet freundtschafft oder feindschafft, geschenke
oder gäbe, haß, furcht, gunst oder Ungunst, oder wie es nahmen
haben möge. So wahr euch gott helffe.
S.Copia der holtz Ordnung im amte Keüla aufgerichtet
anno 1572.
Art. 1.
Welcher einwohner seine holtzmaßen verkauftet und nicht zu
seinem haushält gebraucht, derselbige soll meinem gnäd. herrn ein
fuder hier und der gemeind ein faß zur straffe geben.
Art. 2.
Es soll keine holtzmaßen von den häusern verkaufft werden,
sondern eine jede maße soll bey dem hause, darzu sie gegeben,
bleiben; wer daß über treten wird, soll obenangezogen straffe geben;
da aber jemand über seinen hauß halt etwas zu verkauffen übrig
hat, daß soll ihm hier mit nicht verbothen seyn.
Art. 3.
Wer im holtze mit hauen oder fahren schaden thut oder
sonsten an schaden betroffen wirt, derselbe soll meinem gnäd. hern
2 fl. und der gemeinde 1 fl. straffe geben und sich mit dem förster
abfinden und verdragen.
Art. 4.
Wer ohne erlaubnis des holtzförsters in seinem übergebenen
forst eigenmächtig einen reiß stock hauen würde, derselbe soll meinen
gnäd. herrn 2 fl. zur straffe geben und sich mit der gemeind und
lörster abfinden.
Art. 5.
Alle hauungen sollen mit hüten und treiben von hirtten und
schäffern, desgl. mit den pferden, sieben jähr lang geheget und nicht
betrieben noch behütet werden bey straffe 3 fl., so orft einer dar-
über begriffen und befunden wirt.
Art. 6.
Dieweil befunden wird, daß sich viel mithlinge in die dörffer
um daß holtzes und feuerwerckes willen begeben, dem selben soll
nicht mehr, wie wohl gesehen, holtz gegeben werden, sondern wer
die einnimmt und aus dem amte sie einzunehmen Vergünstigung und
laube hat, der soll sie mit feuerwercke aus seiner holzmaßen mit
versehen, wer aber daß nicht thun kan oder will, der mag ihrer
müßig gehen und aus dem seinen laßen bey straffe 5 gil.
150
Miszellen.
/
Art. 7.
Sollen alle heegereiser so geschlagen und gemarcket sein be-
neben den haubtstämmen, sie sein gleich jung oder alt, abzuhauen
verbothen seyn bey straffe 5 gfl. meinen gnädig herrn, und der ge-
meinden isre straffe unbenommen.
Art. 8.
Verbothene und unnöthige wege im holtze soll niemand fahren ;
wer das thut und darüber begriffen, der soll der herrschaft 2 fl. zur
straffe geben und den förstern ihr pfandgeld.
Art. 9.
Ein jeder soll sein holtz wintters zeit und im frühlinge auß der
maßen schaffen, also daß die gehölze von groben holtze und vom
reisich auf den tag Walburgis gantz ledig und gereümet sein, bey
Verlust des holtzes und gäntzlicher enthaltung des selben, wie denn
auch nach dem tage Walburgis keiner mehr holtz führen soll bey
straffe 2 fl. auf jede führe. Es würde den in ansehung der hohen
nothurfft und gelegenheit der vorgefallenen Verhinderungen auff an-
suchen und bitten, aus dem amte einem insonderheit oder ingemein
nach Walburgis auf ein oder mehr tage gunst und verlaubnis ge-
geben.
Es soll auch unser gnädiger herr diese Ordnung jederzeit zu
mehren, zu mindern oder abzuthun macht haben.
Hiernach wolle sich ein jeder halten und zu richten wissen,
und sich vor schaden selbst hüten, den ein jeder soll hiermit ge-
nungsam vor der straffe gewarnt seyn.
Literatur.
Dr. Eduard Bökl, Beiträge zur Geschichte der Refor-
mation in Osterreich, hauptsächlich nach bisher
unbenutzten Aktenstücken des Regen s b u rger
Stadtarchivs. Jena, G. Fischer 1902.
Das Böhlsche Buch hat für die Thüringer Geschichte eine
H)eziellere Bedeutung, indem die von hier vertriebenen Anhänger des
Flacius gutenteils in Österreich Aufnahme gefunden imd auf die
Weiterentwickelung des dortigen ..Protestantismus entscheidenden
Einfluß ausgeübt haben. Ein aus Österreich gebürtiger Referent im
kirchenhistorischen Seminar (der in der Darsteflung der dogmatischen
Streitfragen den Verfasser möghchst in dessen eigenen Worten an-
führt, somit zugleich auch ein klares Bild von dem Standpunkt
seines Werkes gibt) stellt die hierauf bezüglichen Tatsachen fol-
gendermaßen zusammen.
Von außerordentlicher Bedeutung für die Entwickelung und
Verbreitung der protestantischen Lehre in Österreich sind die mehr-
maligen Vertreibungen evangelischer Prediger und Lehrer aus Thü-
ringen.
Im vorliegenden Buche werden diese Ausweisungen in dem
historischen Überblick behandelt. Der Verfasser beginnt mit den
Ereignissen nach Luthers Tod. Nach Gegenüberstellung der ent-
gegengesetzten Ansichten Maurenbrechers und Wolfs über den
Charakter des Kurfürsten Moritz geht er auf das Augsburger Interim
über, das 1548 auf dem Reichstag zu Augsburg vom Kaiser er-
lassen, auch als Reichsgesetz proklamiert, jedoch nicht allgemein
durchgeführt werden konnte.
Seit Flacius und Gallus und überhaupt die Magdeburger 1549
energisch für die Interessen des Protestantismus eintreten, werden
die Klagen über das Interim allgemein, infolgedessen die Opposition
immer stärker. Im Frühjahr 1549 läßt Moritz von Sacnsen, um
den verschiedenen Klagen gerecht zu werden, von Vertretern beider
Parteien das Augsburger zum Leipziger Interim umarbeiten, das den
Protestanten wonl mehr zusicherte, die katholische Kirche aber
immer noch so weit bevorzugte, daß ein großer Teil der Protestanten,
im Gegensatz zu dem Mitarbeiter am Interim Melanchthon, erklärte,
das Interim nicht annehmen zu können.
Gleichermaßen erklärten die strengen Katholiken, das Interim
benachteiligte sie, und deshalb könnten sie es nicht annehmen. So
war denn die Folge dieser Einheitsbestrebungen, daß die protestan-
152 Literatur.
tischen und katholischen Kirchen keinesfalls einander näher getreten
waren, und daß es von nun an innerhalb des protestantischen Lagers
zwei feindlich sich gegenüberstehende Parteien gab, die der Ortho-
doxen (Flacius, Amsdorf, Wigand u. s. w.) uxia die der Paktierer
mit der katholischen Kirche (Melanchthon und die Wittenberger
überhaupt). Im Anschluß an das Interim folgen nun jene erbitterten,
gehässigen Kämpfe um die Adiaphora, den Synergismus und Majo-
rismus, die immer mehr persönlichen Charakter annahmen, vor allem
weil Melanchthon in den den Adiaphorismus betreffenden Fragen
privatim wohl Schuld bekannte, nicht aber öffentlich, weil er be-
fürchtete, sich selbst bloßzustellen und viele Anhänger von sich ab-
zuwenden.
Es ist leicht zu begreifen, daß bei einem solchen Stand der
Dinge auch das Wormser Kolloquium ergebnislos sein mußte, das auf
dem Regensburger Reichstag beschlossen worden war.
„Erst der Naumburger Fürstentag loöl brachte größere Klar-
heit in die Situation." Nach Melanchthons Tod hörte die Nach-
giebigkeit gegen seine Schule auf, und die strenge Richtung Jenas,
wo seit Jahren schon Flacius und seine Freunde lehrten, drang
durch. 1574 geht auch Kursachsen in das Lager der strengen
Lutheraner, über, nachdem dem Kurfürsten August „über die schon
anfänglich durch Melanchthons Beispiel genährte Unaufrichtigkeit
von Männern wie Peucer, Cracov, Stößel, Schütz die Augen ge-
öffnet" worden.
Während der adiaphoristische Streit im Sinne der strengen
Lutheraner seinen Abschluß fand, endete der synergistische Streit, der
bald nachher entstanden war, mit dem ersten Exodus thüringischer
Pfarrer und Professoren, die auf Luthers Standpunkt im Streite
über die Erbsünde verharrten.
Eingeleitet wurde der Streit durch ein Vorgefecht zwischen
dem Leipziger Pfaffinger und Amsdorf nebst Flacius. Gegen den
Frankfurter Rezeß vom Jahre 1558 ließ Herzog Johann Friedrich
auf Rat des Flacius das Konfutationsbuch ausgehen, verfaßt von
Strigel und Stößel und von Flacius durchgesehen. Dasselbe war
keineswegs dazu angetan, die Kluft zwischen den Jenaern und
Wittenbergern zu überbrücken, im Gegenteil, es erweiterte die Tren-
nung. Nun ereignete sich das Unerwartete, daß Strigel, der Mit-
verfasser der Confutatio, der erste Prorektor der neugegründetea
orthodoxen Universität, bald im Sinne der Synergisten zu lehren be-
gann. Flacius bekämpfte ihn, erzielte jedoch nur so viel, daß er am
10. Dezember 1561 aus Jena ausgewiesen wurde. Herzog Johann
Friedrich, der bisher ganz und gar von der orthodoxen Partei ge-
leitet worden war, konnte so weit umgestimmt werden, daß er das
Urteil unterschrieb. Man kann diesen Umschwung ins gerade Gegen-
teil vielleicht zu beschönigen suchen durch die Vorfälle am Hofe,
sowie den Fall Wesen beck und die Behandlung der reformierten
Kurfürstin Marie v. d. Pfalz, die ja tatsächlich den Beweis Tsrachten,
daß die Orthodoxen doch zu weit gingen ; aber trotzdem ist es ein
Zeichen der Charakterschwäche des Herzogs. Der Herzog war offen-
bar der Spielball jener Leute, die sein Ohr hatten, besonders des
(jüngeren) Kanzlers Brück. Genug, das Urteil war gefällt: Flacius
nebst 40 anderen Predigern und Pfarrern, unter denen auch der
spätere österreichische Prädikator Magdeburgius war, mußten das
Land räumen.
Literatur. 153
„1562 wurde durch eine Visitation den Predigern zwangsweise
auferlegt, sich des Zankes über den Synergismus zu enthalten."
Damit fand der erste Exodus seinen Abschluß.
In den Jahren 1571 — 73 fand eine zweite Massenvertreibung
stati, die durch den Erbsündestreit veranlaßt wurde. Flacius lehrte
in Übereinstimmung mit Luther, daß der Mensch sich in der Be-
kehrung nicht nur rein passiv verhalte und zum Guten völlig er-
storben sei, sondern daß er sogar nur widerstreben könne. Anfangs,
auf dem Kolloquium zu Weimar, wich sein Gegner Strigel dem
Flacius beständig aus, und letzterer blieb im Recht. Doch als
Heshus infolge eines Mißverständnisses dem Flacius Dinge auf-
bürdete, die Flacius gar nicht behauptet hatte, und als es den
Gregnem gelang, Flacius' Lehre vom Boden der Augsburgischen
Konfession zu verdrängen, da hatten sie gesiegt.
Die folgenden Blätter sind der Geschiente der Flaciangr und
ihrer Behandlung in den thüringischen Ländern gewidmet. Überall
heß man dem Haß gegen den Verfolgten und semen Anhänger frei
die Zügel schießen, weil er die. Erbsünde als Substanz definierte.
Dieser Haß ward bald auch in Österreich allgemein. Kaiser Maxi-
milian schloß sich schon aus politischen Gründen dem Kurfürsten
August an. Und demnach sind gerade hier in Österreich die
Flacianer fast die einzigen Stützpfeiler des Evangeliums gewesen
dadurch, daß sie für Luthers Lehre von dem „unfreien Willen"
sich von Stadt zu Stadt, von Land zu Land verfolgen ließen — aber
aufrichtig treue Lutheraner blieben. „Sie widerstanden aufs heftigste
dem ihnen vom Kaiser und den Papisten gelegten Fallstrick, daß
man Ceremonien, wie sie die Adiaphoristen zuließen, in die neue
Agende nehmen solle, und perhorreszierten Leute, wie Camerarius,
Eber, kurz die Melanchthonianer, die sich zu solchen Kompromissen
hergaben."
Die nennenswertesten der flacianischen Prediger in Österreich
sind wohl Mathias Klombner, der in Krain wirkte, Sebastian Krell,
mit Flacius aus Jena geflohen, und Primus Trüber.
Es tritt in dieser Übersicht deutlich zu Tage, daß Professor
Bohl seinen aus früheren Veröffentlichungen bekannten dogmatischen
Standpunkt auch in der Darstellung der den alten Protestantismus
innerhch zerfleischenden Gegensätze zur Geltung gebracht hat. Es
ist hier aber nicht der Ort, diese Gegensätze selber genauer zu
zeichnen bezw. an der ßöhlschen ürteilsweise Kritik zu üben. Es
wird genügen, neben den bekannten zusammenfassenden Geschichts-
werken, zumal von Hase und Kurtz, die bei dem Jenaer Jubiläum
von 1858 erschienene Schwarzsehe Geschichte der ersten 10 Jahre
der dortigen Universität in Erinnerung zu rufen, wo begreiflicherweise
sowohl die Strigelsche wie die Flaciussche Tragödie im Mittelpunkt
stehen. Ebenso zeichnet sich die Einleitung zu der Loebeschen Ge-
schichte der Kirchen und Schulen im Herzogtum Sachsen-Altenburg
durch ihre objektive Zeichnung der gegenseitigen Verfolgungen aus,
deren Opfer hüben und drüben so zahlreiche Pfarrer- und Lehrer-
familien geworden sind.
Mit den Beziehungen zwischen den Thüringer Exulanten und
der österreichischen Kirche ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt
aus dem Böhlschen Werke gegeben. Sein übriger Inhalt wird in
dem schon erwähnten Referat folgendermaßen gekennzeichnet.
Die Bedeutung der „Beiträge" ist, wie der Verfasser in der
154 Literatur.
Vorrede bemerkt, darin zu suchen, daß er bei seiner Arbeit der
Mehrzahl nach bisher unbekannte Quellen benutzte. Es sind dieses
Akten und Briefe aus dem Regensburger Stadtarchiv, die bis in die
mittleren Jahre des 16. Jahrhunderts zurückreichen und interessante
Daten zur ßeformationsgeschichte überhaupt, wie speziell zu der-
jenigen Österreichs bieten. Sie werfen ein helles Licht auf die dog-
matischen Streitigkeiten innerhalb der protestantischen Kirchen, die
nach Luthers Tode die Gemüter in Aufregung hielten, und reinigen
zugleich die Keformationsgeschichte Österreichs von mannigfachen
Irrtümern.
Dem eigentlichen Thema schickt der Verfasser einen theologischen
und einen poMtischen Überblick voraus.
Der theologische Überblick hat es mit den dogmatischen
Streitigkeiten zu tun, deren wir schon oben gedachten. Spezieller
hebt sich die Schilderung der Folgen des Leipziger Interim S. 38
heraus.
In dem historischen Überblick finden die Vertreibungen evan-
gelischer Professoren und Pfarrer aus Thüringen eine emgehende
Behandlung, weil sie auf die österreichischen Verhältnisse und den
Gang der Reformationsbewegung in den habsburgischen Erbländem
einen nicht zu imterschätzenden Einfluß ausgeübt haben.
Dem ersten Exodus von 1561 folgte zu Anfang des nächsten
Jahrzents der zweite 1571 — 73, der direkt durch die Parteinahme
für Flacius im Erbsündestreit verursacht war. Dieser zweite Nach-
schub fand in Österreich abermals bereitwillige Aufnahme.
1573 fand eine dritte Vertreibung statt, als Kurfürst August
mit Hilfe des Kaisers die Vormundschaft in den durch Johann
Wilhelms Tod verwaisten sächsischen Herzogtümern erhalten und
nun aus Rache alle Gegner seiner Richtung — damals der melan-
chthonischen — auch Wigand und Heshusius, fortschaffen ließ, wobei
so viele Prediger das Land räumen mußten, daß großer Mangel an
Kandidaten eintrat.
Während der Verfasser im bisherigen besonders die Beziehungen
Thüringens zu dem evangelischen Österreich erläutert, tritt er jetzt
auf österreichischen Boden über. Zunächst untersucht er auf Grund
des vorliegenden Quellenmaterials die Stellungnahme der vier Herr-
scher Ferdinand!., Maximilian II., Rudolf IL und Mathias zur Refor-
mationsbewegung. Keiner der vier Kaiser hat sich absolut feindselig
zu den Evangelischen gestellt und — abgesehen von der ersten Re-
gierungszeit lerdinands — dieselben blutig verfolgt. Wenn sich der
Protestantismus trotzdem für die Dauer nicht befestigen konnte, so
lag das an den protestantischen Fürsten selbst, die gerade in ent-
scheidenden Augenbücken am meisten entgegen arbeiteten, unter
ihnen besonders August von Sachsen (1553 — 86).
Unter den leitenden Persönlichkeiten des Jahrhunderts kommt
zunächst König Ferdinand I. in Betracht. Er war für seine Person
dem alten Glauben ergeben und sah mit Schmerz, wie ein Teil
seiner Untertanen, besonders der Adel, sich dem neuen Bekenntnis
zuwandte. Er duldete aber die Verbreitung des protestantischen
Gottesdienstes trotz aller Mandate dagegen und gab selbst seinem
Sohn Maximilian einen Lehrer von protestantischer Richtung.
Die Verderbtheit und Unwissenheit des Klerus hatte auch in
Österreich die Reformation vorbereitet, und als die Bewegung einmal
im Gange war, konnte Ferdinand sie nicht mehr hemmen. Er
Literatur. J55
mußte trachten, die protestantischen Stände für sich zu gewinnen,
weil er ihre Hilfe im Kriege gegen die Türken unbedingt brauchte.
1546 ändert sich die Sachlage. Es wird für österreichische Theologen
nicht bloß das Studium in Wien und Freiburg obligatorisch ge-
macht und die Universität Wittenberg verboten, sondern bald bringt
der Bischof von Laibach, Urban Textor, auch die Jesuiten ins
Land. Nach den Regensburger Akten scheint im Jahre 1554 die
Verfolgung der Protestanten ihren Höhepunkt erreicht zu haben.
Perkheim, Herr von Wirtine und Roseneck, klagt in einem Brief
an den Juristen Hiltner in Kegensburg: „Und werdn nun thegÜch
mehr gefenklich eingezogen, wellns alles auff das pabstumb pringen."
Weiter berichtet er über einen Hofkaplan Paulus: „Redt frei her-
aus trefflich und thut den Sachen recht; ist schon einmal von der
K. M. selbst und zwier vor dem Herrn Hofmarschall im Capitl
gebest, hart angeredt wordn."
In einem zweiten Brief berichtet er, wie man sich vom Hofe
aus bestrebe, die Protestanten zu entzweien und gegeneinander auf-
zuhetzen.
28. August 1554 schreibt er an Gallus: „Vor verrugkhung der
Ro. K. M. in Wien sein abermal 3 arm pfarherr gefangen wordn,
allain, das sy das sacrament des altars In bederlaj gestaldt gebn
habn, di lign noch gefangen."
Nach Karls V. Rücktritt von der Regierung 1556 eröffneten
eich für Ferdinand die Aussichten auf die deutsche Kaiserkrone, und
er mußte bestrebt sein, den Religionsfrieden aufrecht zu erhalten
und die Protestanten für sich zu gewinnen, zumal da der Papst
sich in einer Anklageschrift offen gegen seine Nachfolge erklärte.
In diesem Zusammennang führt der Verfasser eine Reihe von Briefen
an, die deutlich beweisen, wie sich die Politik Ferdinands zu Gunsten
der Protestanten geändert hatte. Diese, Umwandlung in Ferdinands
Verhalten den Protestanten gegenüber ging so weit, daß er noch in
seinem Todesjahre sich ernstlich bestrebte, eine Union zwischen
Protestanten und Katholiken zu erwirken und auf dem Tridentiner
Konzil energisch die Gewährung des Laienkelches forderte,
1564 kommt Maximilian IL zur Regierung. Er ist eine durch-
aus unberechenbare Persönlichkeit. Faßt man seine Jugendjahre
ins Auge, so ist es schwer verständlich, wie er, der der Protestanten
halber von seinem Vater viel hatte leiden müssen, es so weit kommen
ließ, daß er gegen seine innere Überzeugung zu Zeiten 9ie Pro-
testanten in ihrem Rechte einschränkte. Er lavierte zwischen den
streitenden Parteien hindurch, bald dieser, bald jener etwas zur Be-
ruhigung nachlassend. So behandelte er die Jesuiten äußerst streng
und ließ sich dann doch wieder von ihnen leiten, wenn sie sich
schmeichelnd an ihn heranmachten. Er wollte allem Anschein nach
Vermittler zwischen den Parteien sein. Doch war die einzige Folge
seiner Bestrebungen die, daß bei seinem Tod niemand wußte, ob er
als Protestant oder Katholik gestorben.
So ist es auch erklärlich, daß die zeitgenössischen Schriften
nur ein unklares, verschwommenes Bild seiner Person geben können.
Unter den Regensburger Dokumenten finden sich mehrere Briefe
Reuters, Perkheims u. s. f., aus denen man deutlich herauslesen
kann, wie die Protestanten auf Maximihan bei seinem Regierungs-
antritt die größten Hoffnungen setzten, wie sie später immer mehr
an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln beginnen, bis sie ihm schließlich
156 Literatur.
nicht selten mit offenem Mißtrauen entgegentreten. Und dennoch
müssen wir einen Maximilian hochschätzen, wenn wir seine Regierung
mit der seines Sohnes und Nachfolgers Rudolfs II. vergleichen.
Persönlich ist auch er den Protestanten nicht feindlich gesinnt ge-
wesen. Obgleich in Spanien von Jesuiten erzogen, zeigte er in
politischen wie in religiösen Dingen eine auffallende Gleichgültigkeit.
Er war nicht der Mann, um mit dem System seines Vaters plötzlich
zu brechen, und rührte nicht an die Privilegien und Freiheiten der
protestantischen Stände. Das Verhängnisvolle seiner Regierung war,
daß er die Verwaltung des Erzherzogtums Österreich seinem Bruder,
Erzherzog Ernst, übertrug, der an Entschlossenheit und Willens-
stärke Rudolf weit überragte. Von seiner Zeit datiert die Gegen-
reformation in Osterreich. Obgleich die Protestanten ursprünglich
noch an Zahl bedeutend stärker waren als die Römisch-Katholischen,
gelang es der Regierung bald, der evangelischen Kirche ihre Rechte
und Privilegien zu entziehen, und damit war der Anfang zur voll-
ständigen Unterdrückung der evangelischen Bewegung gegeben.
Unter Mathias wurde die Gegenreformation allgemein durch-
geführt, hier gewaltsam, wie in Oberösterreich, dort auf Umwegen, wie
in Niederösterreich.
Es ist eine auffallende Erscheinung, daß im Regensburger
Stadtarchiv keine einschlägigen Schriften erhalten sind, als ob die
Beziehungen der Protestanten Österreichs seit dem Beginn der Gegen-
reformation zu denen des Reiches mit einem Schlage aufgehört
hätten.
„Die evangelische Bewegung ist in Österreich so mit dem Adel
verwachsen, daß, wer eine vollständige Geschichte derselben geben
wollte, die Geschichte der vornehmsten Adelsgeschlechter schreiben
müßte." Daß bei der Gegenreformation trotzdem auch von dieser
Seite nur verhältnismäßig schwacher Widerstand geleistet werden
konnte, hat seinen Grund* darin, daß die Jesuiten es von jeher
gründlich verstanden, die Protestanten in ewigem Streit und Hader
zu erhalten.
Die Hauptfaktoren bei der Ausbreitung des Evangeliums waren
die Prädikanten. An diesen war Österreich nicht arm ; es erhielt sie
vom Reiche, besaß aber auch unter den eigenen Landeskindem
Prediger und Lehrer, die als kühne Streiter für ihren Glauben ein-
traten. Der größte Teil der einheimischen Prädikanten bestand aus
Mitgliedern alter Adelsfamilien und vor allen Dingen aus ehemaligen
katholischen Geistlichen oder Mönchen. Die Visitation der Klöster
vom Jahre 1528, veranlaßt durch Faber, den Bischof von Wien,
zeigte, daß die Reformation in den Klöstern Ober- und Niederöster-
reichs zahlreiche Anhänger hatte. Und wenn der Kampf gegen das
Luthertum auch von den Kanzeln organisiert wurde, so blieben
solche Verteidigungsmaßregeln ähnlichen Erscheinungen gegenüber
doch wirkungslos.
Von allen Prädikanten verdient an erster Stelle genannt zu
werden Nikolaus Gallus.
1516 war er in Köthen in Anhalt geboren. Frühzeitig, nach-
dem er seine Studien in Wittenberg vollendet und daselbst magistriert
hatte, wurde er als Diakonus an die Marienkirche in Regensburg
berufen. Beim Ausbruch der theologischen Streitigkeiten zwischen
Melanchthon und Jena bekennt er sich als entschiedener Anhänger
des Flacius. Später wurde er in Regensburg Superintendent, und
I
Literatur. ] 57
als solcher entfaltet er eiue außergewöhnlich umfangreiche Tätigkeit,
l'ür Österreich hat er insoweit eine große Bedeutung, als er, lange
bevor durch die Agende ein mehr geordnetes Kirchenwesen zu stände
kam, für Österreich eingehend sorgte. David Chvträus rühmt ihm
nach, daß er „totius vicinae, Austriae et Stiriae ecclesiaa emendavit,
(loctrina et consiliis suis pie et fideliter erudiit et gubernavit".
Grenzenlos war das Vertrauen der Herren vom Adel, gewisser
-Magistrate und vieler Prädikanten zu ihm ; unter letzteren besonders
Reuter. Gallus war unermüdlich, allen an ihn gerichteten Gesuchen
um Prüfung und Ordination zu entsprechen. Nur die von ihm Or-
dinierten seien gut, so lautete das Urteil eines Pfarrers aus Öster-
reich. Groß und unermüdlich war er auch auf literarischem Gebiet.
54 Jahre alt starb er im Zellerbad in Württemberg 1570, wohin er
.-ich begeben hatte, um Linderung von Steinbeschwerden und Podagra
zu suchen.
Zu den bedeutenderen Prädikanten gehören weiterhin Wolfgang
Waldner, Christoph Reuter und Joachim Magdeburgius.
Wolfgang Waldner, etwa 1520 in TuUn bei Wien geboren, war
<ler Sohn eines Bauern. Seit 1545 war er Geistlicher zu Steyr und
lobte als solcher, wie viele seiner Zeit, im Konkubinat, das er später
in eine Ehe umwandelte. Diese Ehe, wie auch der Umstand, daß
or zuerst und allein evangehsch wirkte, machte ihn in Steyr un-
möglich. Er ging zunächst nach Augsburg, von da nach Nürnberg
und beteiligte sich lebhaft an den späteren Lehrkämpfen. Er stand
«Mitschieden zu der Partei, die Melanchthon und die Wittenberger
überhaupt scharf verurteilte. Als Prediger am Dominikanerkloster
zu Nürnberg erhält er von Steyr aus mehrere Ansuchen, in die
Heimat zurückzukehren, doch kann er sich nicht entschließen,. .seine
feste Stellung in Nürnberg für die unsicheren Verhältnisse Öster-
reichs umzutauschen. Doch verfolgt er auch später von Regensburg
aus die Vorgänge im Nachbarlande mit aufmerksamem Auge und
ist stets bereit, die Evangelischen mit seinem Rat zu unterstützen.
Im Anschlüsse an die Charakteristik dieses Mannes gibt der
Verfasser eine Auswahl der Briefe, die der alte Hans Waldner mit
.-einem berühmten Sohn Wolfgang wechselte, und die uns tief in
<iie intime Gesinnung der österreichischen Landbevölkerung bücken
lassen.
Unter den in Österreich selbst wirkenden Prädikanten war der
bedeutendste Christoph Reuter. Derselbe war etwa im 4. Jahrzehnt
ij.es .Jahrhunderts in der Oberpfalz geboren. 1555 kam er nach
( ).sterreich und lebte anfangs zu Spitz in Niederösterreich. Dann
ward er als Schloßprediger nach Rosenberg versetzt. Einige seiner
liriefe aus Rosenberg teilt der Verfasser im Anschluß m.it, aus denen
wir sehr Wertvolles über die damaligen Zustände in Österreich er-
fahren. Man begegnete ihm allgemein mit solchem Vertrauen, daß er
aufgefordert wurde, ein Bekenntnis aufzustellen, welches er 1562 im
l)ruck erscheinen ließ. Wegen dieses Bekenntnisses mußte er im
tolgenden Jahr aus Österreich weichen, doch durfte er schon 1564
wieder in Wien erscheinen, und bald lernte ihn Kaiser Maximilian
>() hoch schätzen, daß er sich oft bei ihm Rat holte. Es war ein
ernster Lutheraner, dem es auf die Seelsorge und nicht auf dogmatische
Distinktionen ankam. In seiner Bescheidenheit konnte er es nicht
verstehen, daß ihn die Stände und der Kaiser als eine Art Beirat in
allen kirchlichen I'ragen betrachteten.
158 Literatur.
Das letzte Lebenszeichen, das wir von ihm haben, ist ein Brief
an Backmeister, in welchen er von demselben Abschied nimmt.
Nach dem Tode Ferdinands I. erhielt dessen Sohn Erzherzog
Karl bei der Erbteilung Innerösterreich. Anfangs tolerant, machte
er den Protestanten immer größere Zugeständnisse, blieb aber selbst
streng katholisch. Die Jesuiten und seine Gemahlin, eine bayerische
Prinzessin setzten es aber bald durch, daß er g;egen die Protestanten
strenger auftrat. Es wurde dem gewaltig vordrmgenden Protestantis-
mus dadurch ein Damm entgegengesetzt, daß 1573 in Graz eine
Jesuitenschule gegründet wurde, die schon 1578 den Charakter einer
Universität annahm. Bald darauf erfolgte die entscheidende Ver-
ordnung Karls, daß die ihm untergebenen Städte und Märkte die
Jugend auf keine andere als die Jesuiten schule schicken dürften.
Ebenso wurde den Bürgern der Stadt Graz der Besuch des evan-
gelischen Gottesdienstes in der Stiftskirche verboten. So war denn
an Stelle der Toleranz in kurzer Zeit Gewalt getreten, besonders
seitdem sich der Bischof Martin Brenner als Haupt der Gegenrefor-
mation an die Seite Karls stellte. Aus den Scnriften dieser Zeit
können wir die große Gefahr erkennen, die den Bestand der evan-
gelischen Kirche bedrohte, obgleich sich die Protestanten nach
Kräften ge^en solche Gewaltmaßregeln wehrten. So wurde 1574 an
die Reformierung der Landschaftsschule in Graz geschritten, damit
dieselbe nicht hinter der 1573 eröffneten Jesuitenschule zurückbleibe.
Gleichzeitig sollte auch eine neue Kirchenordnung aufgestellt werden.
Hierbei kam es aber zwischen den beiden Hauptpersonen, KJiun und
Chyträus, zu Zwistigkeiten, welche das Gelingen des ganzen Werkes
nicht wenig gefährdeten. Endlich entschied man sich dahin, daß
die heilige Schrift, die altkirchlichen Symbole, Luthers Katechismus
und die Konfession hinzugenommen werden sollen, und die De-
claratio (Norm der Lehre) auf Grund dieser Schriften insgesamt
verfaßt werde. Luthers Schriften durften unter keinen Umständen
ausgeschlossen werden. Endlich wurde auch noch über die Ordination
der Kirchendiener und die Ceremonien verhandelt; bezüglich der
letzteren sollten keine lateinischen Gesänge und überhaupt weniger
Ceremonien gebraucht werden. Der letzte Punkt betraf die Be-
stellung des Predigeramtes, die Einsetzung eines Kirchenvaters, die
Visitation und Aufsicht über Kirche und Schule, die Aufstellung
nützücher Synoden u. s. w.
Der Einfluß dieser neuen innerösterreichischen Kirchenordnung
auf die Nachbarländer (Steiermark, Kärnten, Krain) kann nicht ge-
rade günstig genannt werden. Überhaupt gibt der ganze Fortschntt
der Reformationsbewegung reichlich Anlaß zu Enttäuschungen. Der
Grund dafür lag darin, daß die beteiligten Prädikanten nicht geeignet
waren, um dem gewaltigen Vorstoß des mit den Jesuiten verbündeten
Hofes erfolgreich Widerstand zu leisten. Dieser, oder besser die
Jesuiten scheuten sich nicht, das Volk zu vergewaltigen. Tortur,
Öffentliche Hinrichtungen und Kerker waren in Graz nichts Unge-
wöhnliches.
So wurde die Gegenreformation in diesen gut evangelischen
Ländern durchgeführt. Sie übte mit ihren Gewalttätigkeiten auf
den Geist der Bevölkerung eine niederschmetternde Wirkung, die
bis heute noch in ihren Folgen nicht überwunden ist.
Auch der Streit um die Erbsünde war mit den aus Sachsen
Vertriebenen nach Österreich verpflanzt und konnte nicht so bald
Literatur. 159
beigelegt werden. Ebenso schieden sich in der Frage um das Abend-
mahl die Philippisten von den Antiphilippisten. Das Interesse des
einen an Melancnthons Namen sich hängenden Teiles lag nunmehr
darin, die Streitfrage möglichst unentschietlen zu lassen. Sie hofften
auf Ausgleichung und Abstumijfung der Gegensätze im Laufe der
Zeit. Diese Partei, die augenblicklich noch die Oberhand hatte, be-
trieb eifrigst die Vertreibung der Pfarrer der Gegenpartei. Es be-
§ann überhaupt auf der ganzen Linie ein Vorstoß zur Unterdrückug
er strengen Lutheraner, dessen Opfer ohne ihr Vorwissen Opitz
und seine Freunde in Ilegensburg wurden. „Man entledigte sich
der Klamanten und Schreier, wie es hieß, um soviel Ruhe als mög-
lich zu bekommen und konform mit den benachbarten Städten vor-
zugehen. Ja, man bediente sich der Gutachten von orthodoxer
Seite, um nur unter einem guten Schein die Partei des Flacius
tunlichst zu schwächen. In diesem Zusammenhang fügt sich nun
der Erbsündestreit der 70er Jahre in Österreich ein. Es war nur
die Fortsetzung des Kampfes im Reiche und wurde von manchen
herzlich beklagt. So schreibt Philipp Barbatus 1573 an Waldner
in Regensburg: ., Nicht mit wenigen Schmertzen erfahre ich auch,
daß es albereidt unter den Predigern und Lehrern Eurer Kirchen
und Schulen über dem Zank De peccato originis zu splittern anfahe.
Ach der bösen, i'ammerlichen Zeiht. Blibe man bey Gottes Wortt
und der Lehre D. Luthers, welcher an vielen Ortten seiner Bücher,
wie auch in Schmalkaldischen Artikeln klar zeuget . . . ".
Innerhalb der evangelischen Stände selbst war Zwiespalt an-
läßlich der bevorstehenden Berufung eines Landschaftspredigers in
Wien. Die Bestellung eines Supermtendenten war nämlich nicht
gestattet. Nach längeren Parteiumtrieben wurde Opitz, der aus
Regensburg hatte tlüchten müssen, zum Landschaftsprediger in der
Hauptstadt gewählt. In dieser Stellung wirkte er nun 4 Jahre, dann
wegen seiner als flacianisch verschrienen Lehre wurde er bald ver-
leumdet und war seinen Gegnern ein Dorn im Auge. Wenn dieser
erst 32 -jährige hochgewachsene Mann rücksichtslos predigte, in seinem
Feuereifer selbst ärgerliche Dinge auf der Kanzel vorzubringen sich
nicht scheute, so darf ihm das nicht als Schuld angerechnet werden.
§eine schweren Erlebnisse hatten ihn nicht entmutigt und nicht die
Überzeugung bei ihm bewirkt, daß er, weil er verfolgt wurde, eine
ungerechte Sache vertrete. Die große Stadt Wien lag vor ihm
offen, die Ernte reif zum Schnitte. Schon gaben die Römischen
ihre Sache verloren. Ein Brief aus dieser Zeit gibt ein gutes Bild
von der Stimmung, die in katholischen Elreisen herrschte: „Das
Religionswesen ist allhie in 20 Jahren nicht übler eingestanden,
als eben jetzo. Außer des Hauffleins so die frummen heiligen Vatter
der societas Jesu bis anhero auffgehalten, ist es alles gefallen. Die
sacramenta werden nicht mehr oei der haupt- und pfarrkirchen,
sondern alle im landhaus gesucht und prophaniert. Auch Skt.
Stephan werde in kurzem zu einer Wüste werden, und niemand
nehme das zu Herzen." — Die Erregung wurde aufs höchste ge-
steigert, als Opitz die Erzählung von etlichen tausend Kindsköpfen,
die in Klöstern gefunden sein sollten, auf die Kanzel brachte. Der
Jesuit Georg Scherer schrieb gegen diese das katholische Gefühl
verletzende, doch allgemein veroreitete Erzählung, ließ aber außer
acht, daß es Opitz nicht auf die Zahl der Köpfe ankam, sondern
160 Literatur.
daß er das System treffen wollte, das Cölibat, das solche Früchte
notwendig tragen mußte.
Die Aufrüttelung der Gemüter durch Opitz und seine Mit-
prädikanten war eine gewaltige; sie griff t,ief in die Bürger- und
Handwerkerkreise ein, die angewiesen wm-den, keine Gemeinschaft
mehr mit den Katholiken zu pflegen.
Da aber schon die überwiegende Mehrheit des Adels, nun der
der Bürger der Augsburger Konfession angehörten, mußten wieder
Gewaltmittel helfen. Nach einer Verordnung vom 7. Juni 1578
sollte allen Verhandlungen über die evangehschen Angelegenheiten
die Ausweisung der Prädikanten und Schulmeister aus Wien vor-
ausgehen. Trotzdem nun die Verordneten Eudolfs den Evangelischen
Zugeständnisse machten, verlangten die letzteren, Regendorf an der
Spitze, freie Verfügung über ihre Prediger; besonders wollten sie
von einer Ausweisung des Opitz nichts wissen. Als die kaiserlichen
Abgeordneten darauf bestanden, wurden die Verhandlungen abge-
brochen, und die Resolution trat in Kraft. Am 21. Juni erhielten
Opitz und die übrigen evangelischen Lehrer und Prediger den Aus-
weisungsbefehl zugestellt. Opitz, offenbar schon vorbereitet, empfing
die Nachricht mit größter Ruhe; dagegen in der Stadt gärte es.
Zur befürchteten Revolte kam es aber nicht.
Wie wohlberechnet dieser Schachzug war, zeigt nicht bloß
der Triumph der römischen Partei, die soeben noch verzweifelt da-
festanden, sondern mehr noch die Folgen der Ausweisung: in der
lauptstadt war der evangelische Gottesdienst mit einem Schlag all-
gemein eingestellt ; es gelang nicht wieder, die Schließung der Land-
hauskirche und -schule rückgängig zu machen, sogar der Gottes-
dienst war untersagt.
Der augenblickliche Erfolg der römischen Partei in Wien hatte
keineswegs eine Entmutigung der Evangelischen außerhalb Wiens
zur Folge; diese verdoppelten ihre Kräfte, und namentlich die ge-
schlossene Partei der Flacianer war für ihre Sache außerordentlich
tätig. WoUte aber auf protestantischer Seite ein Sieg errungen
werden, so war dazu einheitliches Vorgehen der Parteien unbedingt
nötig. Diese Einigkeit konnte nur durch eine Austragung der pro-
testantischen Dogmenstreitigkeiten erzielt werden , und hierzu war
eine Synode nötig, die von den Flacianern auch gefordert wurde.
Statt der Synode wurde aber 1580 die von den Ständen dekretierte
Visitation durchgeführt. Diese Visitation hatte ein strengeres Vor-
gehen gegen die „beständigen" Lutheraner zur Folge. Letztere
spalteten sich später in zwei Parteien, bekämpften sich gegenseitig,
und so kam es, daß sie in den 80er Jahren gänzlich verschwanden.
So sind es eine Reihe bedeutsamer Momente in der Geschichte
der österreichischen Reformation und Gegenreformation, welche durch
die von Bohl herangezogenen Regensburger Quellen mannigfach ge-
nauer illustriert werden. Zur vollen Verwertung derselben kommt es
aber zugleich darauf an, die letzteren mit der einschlägigen Literatur
in die rechte Verbindung zu setzen. Es ist dies um so leichter
möglich , weil gerade die österreichische Reformationsgeschichte
neuerdings in überaus fruchtbringender Weise archivalisch gefördert
worden ist. Schon die formlose, aber stoffreiche Wiedemann-
sche Aktensammlung zur Geschichte der österreichischen Gegen-
reformation verdient trotz der römisch-katholischen Tendenz des
Verfassers nach wie vor gründliche Beachtung. In noch höherem
Ijteratur. \Q1
Grade gilt dies von den bahnbrechenden Untersuchuneen LosertliB,
sowohl über die hussitische Vorreformation wie über die Reformation
selber und die verschiedenen Stadien ihrer Unterdrückung. Und
wie wir dem Grazer Professor Loser th eine Fülle der über-
raschendsten neuen Einblicke speziell in diesteiermärkische Geschichte
verdanken , so hat der unermüdliche Wiener Kirchenhistoriker L o e s c h e
schon durch seine gründliche Mathesiusforschung die gesamte öster-
reichische Reformationsgeschichte bedeutsam gefördert, überdies aber
zugleich dem „Jahrbuch für die Geschichte des österreichischen Pro-
testantismus" einen gewichtigen Aufschwung gegeben. An das Jahr-
buch haben sich dann noch zahlreiche Einzelarheiten angeschlossen,
deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Wir erinnern nur an
die (aus dem an gut gesichtetem Quellenmaterial überreichen Archiv
des e.V. geschöpften) Darstellungen der von dem G.A.V. unter-
stützten Gemeinden, zumal in den Berichten für die große Liebes-
gabe, aber auch in den provinziellen Veröffentlichungen. Das be-
sondere Verdienst des Böhlschen Werkes liegt somit darin, daß es
über eine überaus fleißig bearbeitete Periode trotzdem viel neues
Licht verbreitet. Zugleich aber darf der so vielseitig geweckte histo-
rische Forschungstrieb als ein besonders bedeutsames Symptom fiir
die Zeit der österreichischen Los - von - Rom - Bewegung bezeichnet
werden. Nippold.
II.
Hessische Landtagsakten, herausgegeben von Dr. Hans Glagau,
Privatdozenten an der Universität Marburg. Erster Band, 1508
bis 1521. Marburg 1901. XV, 593 SS. M. 14.-.
In Bd. XX, S. 318 f. dieser Zeitschrift ist Glagaus Monographie
über Anna von Hessen angezeigt worden. Der jetzt vorliegende
Band bildet gewissermaßen das Urkundenbuch dazu, denn er ent-
hält mehr, als man nach dem Titel erwarten sollte. Doch wird
man dem Herausgeber dankbar dafür sein dürfen, daß er sich
keine allzu strenge Beschränkung bei der Auswahl der Akten auf-
erlegt hat.
An der Hand der mitgeteilten, bisher mit ganz wenigen
Ausnahmen ungedruckten Akten können wir nun die Darstellung
des Herausgebers in seinem Buche über die Landgräfin genauer
nachprüfen und feststellen, wie weit seine Auffassung votf seiner
Heldin in den Quellen begründet ist. Von anderer Seite') hat man
demgegenüber jetzt eine andere Anschauung vertreten ; nicht als
eine Vorkämpferin landesherrlicher Macht, sondern als eine Fürstin,
die nur von persönlicher Herrschsucht und egoistischen Bestrebungen
bestimmt war, hat man Anna auffassen wollen. Ihren einheitlichen
und großartigen Charakter würde ihre Politik auch dann behalten,
an allgemeinem Interesse aber würde sie bedeutend verlieren. Nun
läßt sich allerdings die Richtigkeit der Auffassung Glagaus aus den
vorhandenen Quellen nicht strikt beweisen, Referent möchte ihr aber
auf Grund seiner Durchsicht der Akten doch eine größere Berechti-
gung zugestehen, als das durch Wolf geschieht.
Für uns kommt auch die vorliegende Publikation Glagaus
wieder vor allem in Betracht wegen der Bedeutung, die sie für die
1) Vgl. G. Wolf in den G.G.A., Bd. 164, S. 465-480 (Juni 1902).
XXIL 11
162 Literatur,
thüringische Geschichte hat, doch brauchen wir hier auf die sach-
lichen Ergebnisse der Forschungen Glagaus nicht noch einmal hinzu-
weisen. Man wird es thüringischerseits mit Freuden begrüßen
dürfen, daß uns der Herausgeber auch das Material zur Beurteilung^
der wettinischen Politik in der hessischen Frage nicht vorenthalten
hat, an einigen Punkten berührt und ergänzt sich seine Publikation
mit Burkhardts inzwischen erschienenen Ernestinischen Landtags-
akten, ohne aber durch diese überflüssig gemacht zu werden. Für
jeden, der die wettinische Geschichte von 1509—21 studiert, wird
jedenfalls auch Glagaus Publikation von höchster Wichtigkeit sein.
Äußerlich hat Gl. seine Ausgabe nach dem Muster der Below-
schen Ausgabe der Landtagsakten von Jülich-Berg gestaltet und
verweist auf diese. Vielleicht hätte er sich für solche Benutzer,
denen Belows Publikation nicht zur Hand ist, aber doch etwas aus-
führlicher über die befolgten Grundsätze aussprechen können. Die
Einleitungen zu den 8 Abschnitten des Buches sind präzis und über-
sichtlich, die Inhaltsangaben am Kopfe der einzelnen Aktenstücke
von genügender Gründlichkeit, was besonders bei den zum Teil sehr
umfangreichen Protokollen der Landtags Verhandlungen die Benutzung
sehr erleichtert, das Register macht einen sehr genauen Eindruck
und scheint auch praktisch eingerichtet zu sein.
An Einzelheiten sei bemerkt, daß auf S. 111 doch wohl die-
selbe Landgräfin Elisabeth gemeint ist wie auf S. 103, als pfälzische
Prinzessin konnte sie sehr wohl als „aus dem Fürstenstamm Bayern"
gebürtig bezeichnet werden, tebten auf S. 81 möchte Referent
als Tapeten oder Teppiche deuten. Eine Erklärung ungebräuch-
licher Ausdrücke wäre auch sonst hie und da erwünscht gewesen.
Was bedeutet z. B. erne auf S. 544? Mancher wird auch Mit-
teilungen über den äußeren Hergang der Landtagsverhandlungen ver-
missen. Man darf wohl vermuten, daß der Herausgeber sich in dem
versprochenen Einleitungsbande, der die Zeit vor 1509 darstellend
behandeln soll, auch darüber aussprechen wird. G. Mentz.
HL
Ermisch, H., Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im
Auftrage der Königlich Sächsischen Staatsregierung herausgeg.
von Otto Posse und Hubert Er misch. Erster Hauptteik
Abteilung B. Zweiter Band. Urkunden der Markgrafen von
Meißen und Landgrafen von Thüringen 1396 — 1406. Leipzig,
Giesecke und Devrient, 1902. XV und 597 SS. 4°.
Der erste Hauptteil des Codex dipl. Saxoniae regiae hat für alle
unter der Herrschaft der Wettiner stehenden oder einst von diesem
Geschlechte beherrschten Länder die größte Bedeutung, denn in
dieser Abteilung der groß angelegten Publikation sollen ja alle Ur-
kunden zur Geschichte des Gesamthauses bis zu der folgenreichen.
Teilung vom Jahre 1485 und bis zu deren Bestätigung durch Kaiser
Friedrich III. vom 24. Februar 1486 ediert werden. Darum ist von
allen Interessenten auf das lebhafteste bedauert worden, daß gegen-
über dem rüstigen Fortschreiten der Arbeit an den Urkunden-
büchern des zweiten Hauptteiles, der die Urkunden zur Geschichte
der einzelnen Stifter und größeren Städte umfassen soll (s. O. Posse,
Cod. dipl. Sax. regiae. Seine bisherige Herausgabe und seine
Weiterfiihrung. Leipzig, Giesecke und Devrient, 1876, S. 5), die
Literatur. X63
Arbeit an dem ersten Hauptteil nicht recht von der Stelle räcken
wollte. Daß in einem Zeiträume von mehr denn 20 Jahren nur
drei schwache Bände mit insgesamt 1301 Nummern erschienen,
konnte nicht verwundern, da bekannt war, daß die Bearbeitung
dieser Abteilung, trotzdem sie bei weitem schwieriger und zeitrauben-
der als die für die Urkundenbücher des zweiten Hauptteils ist, lange
Zeit im wesentlichen auf den Schultern eines Mannes ruhte, der
überdies durch andere mit dem Cod. d. Sax. r. in inniger Ver-
bindung stehende wissenschaftliche Unternehmungen abgehalten
worden war, sich der Aufgabe ausschließlich zu widmen.
Mit Freuden begrüßte man daher den Entschluß, die bewährte
Kraft eines Ermisch, der schon für den zweiten Hauptteil das Beste
geleistet hat, für den ersten Hauptteil mit heranzuziehen. Mit außer-
ordentlichem Eleiße hat er sich seiner Aufgabe angenommen, die Ab-
teilung B des ersten Hauptteiles, die die Urkunden der Wettiner
des späteren Mittelalters, zunächst von dem Tode des Markgrafen
l*Yiedrich III. (1381) bringen wird, zur Drucklegung zu fördern.
Dank seiner Rührigkeit und seiner Sachkunde konnten in verhält-
nismäßig kurzer Zeit zwei stattliche Bände dieser Abteilung ver-
öffentlicht werden. Dem 1899 erschienenen ersten Bande mit 637
Nummern für die Jahre 1381—1395 folgte schon 1902 der 2. Band,
der nicht weniger als 719 Urkunden und Regesten für die Zeit von
1396—1406, d. h. bis zum Ende der Regierung Balthasars und Wil-
helms I. der Forschung erschließt.
Ueber das bei der Publikation beobachtete Verfahren, das von
dem von Gersdorf einst aufgestellten Plane nicht unerheblich ab-
weicht, hat sich Ermisch im Vorbericht zum 1. Bande, S. XX ge-
äußert. Er hat es mit Rücksicht auf den gewaltigen Umfang des
ürkundenvorrates des späteren Mittelalters für nötig gehalten, für
die Drucklegung eine Auswahl unter den Urkunden zu treffen, hat
dabei aber in den Anmerkungen zu den Urkunden wenigstens kurze
Verweise auf viele ausgelassene Stücke gegeben. Im 1. Bande sind
so ca. 400 Urkunden, die in dankenswerter Weise am Schlüsse
S. 519—521 zusammengestellt worden sind, nur in den Anmerkungen
erwähnt worden, eine große Anzahl nach dem subjektiven Ermessen
des Herausgebers unb^eutender Urkunden, z. B. Bestallungen unter-
geordneter Personen, Verschreibungen über geringfügige Schulden,
Lehn-, Leibgeding- und Gunstbriere , desgleichen Verschreibungen
der Land- und Markgrafen für Städte und Ortschaften, die" in dem
zweiten und dritten Hauptteile Aufnahme finden, oder soweit — was
uns im besonderen angeht — Thüringen in Frage kommt,
thüringischen lokal- oder familiengeschichtlichen Urkundenbüchern
überlassen bleiben sollen, sind überhaupt von der Aufnahme ausge-
schlossen worden. Man kann aus mehr denn einem Grunde be-
dauern, daß Vollständigkeit das gebotenen diplomatischen Apparate«
somit nicht gewährleistet werden kann, man würde aber ungerecht
sein, wenn man darüber mit dem Herausgeber rechten wollte. Mir
will sogar scheinen, als ob die Arbeit des Editors bei dem beobach-
teten Verfahren schwieriger gewesen sei, als wenn er alles, was an
urkundlichem Material für die Geschichte der Markgrafen und Land-
grafen vorhanden ist, ohne Auswahl hätte publizieren können. Tat-
sächlich läßt sich für das spätere Mittelalter mit seinem reichen
Urkundenvorrat und seinen in vielen Fällen zu Akten auswachsen-
den Diplomen ebensowenig alles dem Drucke übergeben als bei den
11*
164 Literatur.
Aktenpublikationen zur neueren und neuesten Geschichte. Selbst-
verständlich mußte überdies bei den meisten Urkunden die Regesten-
form an Stelle des vollständigen Druckes treten.
In eigenartiger Weise hat Ermisch ahet die Gesamtheit der
von Wettinern ausgestellten Urkunden skizzenhaft angedeutet in der
Uebersicht über die Wettinerurkunden im 1. Bande für die Zeit von
1381—1395, im 2. Bande für die Jahre 1396—1406. Diese Listen
dienen zugleich als Itinerare. Es ist dabei alles so wohl durchdacht
und so exakt ausgeführt, daß man diese üebersichten zur Nach-
ahmung empfehlen kann. Nur in einem Punkte muß man mehr
wünschen. Ich halte es für nötig, daß bei Stücken, die in den Codex
nicht aufgenommen werden, ein Wort über die eigentliche Disposition
fesagt wird, natürlich so präzis wie möglich, so daß in jedem
'alle nur einige Worte dazu kommen. Anzuerkennen ist, daß für
solche Urkunden die Zeugenreihen nicht unterdrückt worden sind.
Von größter Wichtigkeit ist auch, daß er zahlreiche Rgchnungen
zur Erklärung der Urkunden und zur Vervollständigung des Itinerars
verwertet hat. Man sieht. Ermisch ist in verschiedenen wichtigen
Punkten seine eigenen Wege gegangen, und man muß ihm dafür
Anerkennung zollen ; es sind Wege, die nur ein gewiegter Praktiker
finden und weisen konnte.
In beiden Bänden sind eine Menge inedita enthalten, die über
die Geschichte der Wettiner und ihre Lande neues Licht verbreiten
und die nicht zum wenigsten gerade für Thüringens Geschichte von
Bedeutung sind. Ermisch verspricht, die Ergebnisse seiner Publi-
kation in einer darstellenden Arbeit zusammenzufassen, sobald das
Material bis zum Tode Friedrichs des Streitbaren (4. Jan. 1428) ge-
sammelt vorliegen wird. Dann wird man die Bedeutung seiner
Publikation erst recht würdigen lernen.
Die Behandlung der Texte, die Regesten, die Bemerkungen über
die handschriftliche Ueberlieferung, die Anmerkungen zur Erklärung
der Texte und die Indices sind so vortrefflich, wie wir es bei Ermischs
Publikationen längst gewöhnt sind, nur in den Drucknachweisen ist
Vollständigkeit nicht erreicht, wohl auch nicht erstrebt worden.
|Möge die Fortsetzung dieser mustergiltigen Publikation in dem
Tempo, das sie bis jetzt eingehalten hat, erfolgen I
O. Dobenecker.
Berichtigung.
S. 94, Z. 3 V. u. ist zu lesen: 7000 Tl.
Zur Nachricht.
Eine Anzahl Rezensionen und die Literatur üb ersieht
können erst im nächsten Hefte zum Abdruck kommen.
i
Frommannsche Buuhdruckerei (Hermaan Fohle) in Jena. — 2532
IV.
Studien zur Geschichte des Unterganges des
alten Thüringischen Königreichs im Jahre 531 n. Chr.
Von
Dr. Wilhelm Pelka.
Teil I. Orundlegang.
Seit Gloels klassischer Abhandlung i) durfte man es
wohl als nutzlos bezeichnen, den Thüringerkrieg des Jahres
531 noch einmal zum Gegenstande einer Untersuchung
zu machen 2). Erst neuerdings haben Lorenz 3) und Größler*)
die Frage wieder aufgenommen, und dabei hat sich doch
herausgestellt, daß noch immer nicht, selbst nicht in den
Hauptpunkten, eine Einigung erzielt ist.
Auffallend, welch helles Licht unsere Überlieferung
gerade auf den Untergang des Thüringerreichs wirft;
merkwürdig, wie tief das Dunkel, in dem die Vorgeschichte
des Reiches für uns liegt. Trojas Geschick scheint hier
erneut; wo ist aber der Homer, der uns den Helden-
kampf dieses untergehenden Volkes geschildert hätte?
1) A. Gloel, Zur Gesch. der alten Thüringer. Forsch- zur
Deutsch. Gesch. IV, S. 195 ff. Die Litteratur vor Gloel habe ich
nicht benutzt, sie ist am besten zu finden bei Lorenz, vergl. imter
Anm. 3.
2) H. W. Lippert, Zeitschrift des Vereins für thüring. Ge-
schichte Bd. 15, S. 5.
3) E. Lorenz, Die thüring. Katastrophe vom Jahre 531.
Z. d. V. f. th. G. Bd. 15, S. 335 ff.
4) H. Größler, Der Sturz des thür. Königreichs im Jahre
531. Z. d. V. f. th. G. Bd. 19, S. 1 ff.
XXII 12
166 Studien zur Geschichte des Unterganges
Wohl erhebt Venantius Fortunatus kaum vierzig Jahre
später klagend seine Stimme:
Condicio belli tristis, sors invida rerum!
quam subito lapsu regna superba cadunt !
quae steterant longo felicia culmina tractu
victa sub ingenti clade cremata iaeent.
aula palatmo quae floruit antea cultu
hanc modo pro cameris maesta favilla tegit
ardua quae rutilo nituere ornata metallo
pallidus oppresit falgida tecta cinis
Wohl mögen später auch im Munde des Volkes Liedei
und Sagen umgelaufen sein, aber bis auf unsere Zeit ist
nichts davon hinübergerettet.
Wie großartig muß es daher um die historische Über-
lieferung bestellt sein, wenn die neueren Forscher im
Stande sind, die Plätze der verschiedenen Schlachten zu
bezeichnen, in denen die thüringische Streitmacht vernichtet
wurde, wenn Größler i) sogar die Furt zeigen kann, über
die vor nunmehr fast 1400 Jahren die Sachsen zogen,
ehe sie den letzten Sturm auf Burgscheidungen unter-
nahmen. Sieht man jedoch genauer zu, so ergibt sich,
daß es mit der Überlieferung nicht so sehr gut bestellt sein
kann. Gewiß können neuere Forscher die verschiedenen
Schlachtorte angeben, aber eine Übereinstimmung ist nicht
erzielt ; der eine 2) behauptet, alles habe sich im Verlauf
von wenigen Stunden ereignet, ein anderer 3) braucht'
Wochen, ja Monate dazu; der eine*) nimmt drei, der
andere ^) vier Schlachten an ; auch darüber, wo man die
1) a. a. O. S. 51 ff. Größler läßt alle 3 Furten, die sich heut-
zutage in der Nähe von Burgscheidungen befinden, benutzt werden,
die eine von den Franken, die andere von dem thüringischen Abge-
sandten, die dritte von den Sachsen. Daß Furten sich im Lauf
der Zeit ändern können, berücksichtigt Größler nicht, wiewohl er
selbst davon spricht. Vergl. a. a. O. S. 52.
2) Lorenz, a. a. 0. S. 387.
3) Größler, a. a. O. S. 21 ff.
4) Lorenz, a. a. O. S. 391.
5) Größler, a. a. O. S. 35.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. lß^
benannten Orte, Eunibergun u. s. w., eigentlich zu suchen
hat, herrscht keine Klarheit, Die Verwirrung ist eine
vollständige, und zwar, wie wir gleich sehen werden, vor
allem deshalb, weil man es bisher nicht für nötig gehalten
hat, mit den Quellen eine reinliche Scheidung vorzunehmen.
Untet den Quellen zur Geschichte des Untergangs des
Thüringerreichs lassen sich zwei große Gruppen unter-
scheiden.
I. Die fränkischen Quellen:
1) Venantius Fortunatus i)
2) Gregor v. Tours ^)
3) Der Scholasticus Fredegar ^^
4) Der über historiae Francorum *)
5) Die Gesta Theoderici %
wozu man auch noch Aimoin ^) rechnen kann , die mit
Ausnahme des letzteren sämtlich vor 750 geschrieben haben,
Venantius sogar nur wenig mehr als 30 Jahre, Gregor
etwa 60 Jahre später ^.
Vorweg sei bemerkt, daß diese fränkischen Quellen,
auch Aimoin, von sächsischer Hilfe gegen die Thüringer
nicht das mindeste wissen, einige erwähnen außerdem die
Verwandtschaft Amalabergas mit den Ostgoten, während
die anderen nichts darüber melden.
1) M. G. Auct. antiqu, IV, 1, S. 271 ff.
2) M. G. SS. rerum Merov. I, S. 111—116.
3) M. G. SS. rerum Merov. II, S. 103 f. '
4) M. G. SS. rerum Merov. II, S. 277 f.
5) M. G. SS. rerum Merov. II, S. 206.
6) Bouquet, Eecueil des historiens des Gaules et de la France.
m, 50.
7) Das betreffende Gedicht des Venantius muß nach 565 ge-
schrieben sein, weil er erst von da an in Gallien sich aufhält und
erst von da an seine Beziehungen zu Radegunde datieren. Gregors
historia eccl. Francorum ist zwar erst nach 591 ganz fertig ge-
stellt, die ersten Bücher jedoch (in denen sich auch die Erzählung
vom Thüringerkrieg findet) sind bereits um 577 entstanden. Vergl.
Teuf fei, Gesch. d. römisch. Litteratur II», S. 1261. 1278. Watten-
bach, Geschichtsquellen I«, S. 91. 100.
12*
163 Studien zur Geschichte des Unterganges
Auf der anderen Seite stehen II. die sächsischen
Quellen, die uns von sächsischer Hilfe berichten und die
Amalaberga zu einer Schwester des Merowingers Theuderich
machen :
1) Ruodolfi translatio S. Alexandri i)
2) Widukind 2)
3) Die Annales Quedlinburgenses 3).
Scheinbar beeinflußt von den sächsischen Quellen,
in Wahrheit aber unabhängig von ihnen ^), ist
4) Der Anonymus de origine Suevorum S).
Ganz abseits steht
5) Procop v. Caesarea*^) (um 550) mit einigen
Nachrichten.
1) M.- G. SS. II, 674 f.
2) M. G. SS. III, 420-424.
3) M. G. SS. III, 31 f.
Ist die den Thüringerkrieg behandelnde Stelle in den Annale»
Quedlinburgenses echt? Nach dem Vorgang von L. Hoffmann
(Jahresbericht über die höhere Bürgerschule in Eathenow 1872) hat
sie auch Wattenbach (sowohl : Geschichtsquellen I '^, 342 f. als : Ge-
schichtsschreiber der deutschen Vorzeit [Widukind ^, 1882, S. XIV f.]
für interpoliert erklärt. Im Gegensatz zu Hoffmann jedoch, der
den Bericht für eine Zutat des 13. Jahrhunderts hält, glaubt
Wattenbach, die Erzählung sei bereits im 12. Jahrhundert vorhanden
gewesen.
H. Lorenz (Germania XXXI, S. 137 ff.) hat gegen die Auf-
fassung dieser Stelle als interpoliert erhebliche Bedenken geltend
gemacht.
P. Eajna, le origini dell' epopea francese. Firenze 1884, S. 103,
n. 1 hält es für wahrscheinlich, daß die Erzählung vom Thüringer-
krieg in den Ann. Quedl. auch vom Verfasser der Chronik ge-
schrieben ist. Der Verfasser habe wahrscheinlich die Erzählung
in sein eigenes Werk eingefügt, als es schon geschrieben war. Ich
lasse diese Frage unentschieden, bemerke jedoch, daß wenn man
die Stelle als Interpolation auffaßt, man diese Interpolation bis
zu den Worten: „culteUo perfossus, interiit" reichen
lassen muß.
4) siehe weiter imten.
5) Zeitschrift für deutsches Altertum XVII, S. 59—61.
6) ex. recens. Dindorf. Bonn 1833 (corp. scr. bist. Byz.).
des alten Thüring. Königreicha im Jahre 531 n. Chr. 169
Diese sächsischen Quellen sind mit Ausnahme der
translatio S. Alexandri sämtlich nach 900 geschrieben, ver-
dienen also, wie man annehmen sollte, von vornherein ge-
ringeren Glauben. Trotzdem hat man sie von verschiedenen
Seiten in beträchtlichem Umfange mit zur Darstellung ver-
wertet, ein „gemischtes Verfahren" beliebt, wie sich Größler
ausdrückt 1), andererseits steht man ihnen jedoch wieder
mißtrauisch gegenüber 2). Die Hauptvertreter des „gemischten
Verfahrens" sind Lorenz und Größler. Letzterer nimmt
z. B. aus den sächsischen Quellen all das heraus, was nur
einigermaßen zu den fränkischen paßt 3), und erklärt dies
für richtig, alles andere für falsch.
1) a. a. 0. S. 3.
2) Gloel a. a. O. S. 189 ff. nimmt eine Art Mittelstellung ein.
Den Nachrichten, welche sich auf Hauptbegebenheiten beziehen, ist
er geneigt Glauben zu schenken, insbesondere tritt er warm für die
Quedlinburger Annalen ein. Lippert spricht sich in seinen „Beiträgen
zur ältesten Geschichte der Thüringer" über Widukind aus: „bei
letzterem sind alle diese Begebenheiten von dichtem Sagengewebe
umrankt" (Z. d. V. f. th. G. Bd. 15, S. 12).
3) Ein Beispiel dafür findet sich gleich im Anfang (a. a. O.
S. 4 f). Größler stellt die Quellenstellen über den ersten Zusammen-
stoß der Franken und Thüringer zusammen. Zuerst Gregor : venientibus
Francis dolos praeparant. Dazu bemerkt Größler ganz richtig: Die
Handlung beginnt also für ihn (d. h. Gregor) bereits beim Anrücken
der Franken. Aimoins Bericht : „Profectus itaque Theodericus in Tho-
ringam obvium habuit Hermenefredum cum innumera mnltitudine
hostium" legt er dann dahin aus, daß Irminfried dem Merowinger
entgegen gezogen sei. Obvium habere aliquem heißt aber : jemandem
begegnen, also muß die Stelle übersetzt werden: Theuderich begeg-
nete dem Hermanfried. Weiter zieht Größler noch die Stellen Widu-
kinds und der Ann. Quedlinburgenses heran (appropinquans terminis
Thuringorum invenit .... generum suum se expectantem in loco, qui
dicitur Runibergun und venit in regionem Maerstem vocatam et
Irminfridum illic sibi hello occurentem vicit et fugavit) und schließt
dann : Also sowohl die sächsischen als auch die fränkischen Quellen
behaupten übereinstimmend, daß Irminfried den Franken entgegen-
gezogen und daß es außerhalb Thüringens zur ersten Schlacht ge-
kommen sei." Von einem Entgegenziehen Irmiufrieds wissen nur
170 Studien zur Geschichte des Unterganges
Lorenz verfährt fast genau ebenso, kommt aber doch
dabei zu vollständig entgegengesetzten Resultaten. Gerade
dieser Umstand aber ist ein deutliche:? Beweis, daß die
beiden Forscher sich entweder einer falschen Methode be-
dient haben oder in der Beurteilung der Quellen fehl ge-
gangen sind. Sehen wir uns daher zum mindesten du
sächsischen Quellen etwas genauer an.
Wir beginnen mit dem Anonymus de origine Suevorui
der von Müllenhoff herausgegeben ist und dem 13. bez.
12. Jahrhundert zugeschrieben wird^). Alles, was in den
andern Quellen von den Sachsen erzählt wird, wird hier
auf die Schwaben übertragen.
Nach einer Einleitung, die für uns nicht in Betracht
kommt, berichtet der Anonymus von dem Kriege zwischen
Theuderich und Irminfried. Gleich zu Anfang dieses Be-
richtes heißt es : causa vero congressionis in hystoria Saxonum
describitur talis. Müllenhoff sieht in dieser hystoria Saxo-
num eine Ableitung von Ekkehards Weltchronik ^). Zwar
ließe es sich nicht leugnen, daß eine wörtliche Benutzung
der Vorlage, wenn man Ekkehard vergleicht, überhaupt nicht
oder nur in sehr geringem Maße stattgefunden zu haben
scheint, aber es wird das Werk des Ekkehard vorausgesetzt ^).
Worauf stützt aber Müllenhoff seine Behauptung? Er schließt
folgendermaßen *). Der betreffende Abschnitt in -Ekkehards
Chronik ist aus Widukind geschöpft, er wird jedoch ein-,
geleitet durch einen Bericht über die Verteilung des Franken-
die Annalen etwas ; daß es außerhalb Thüringens zur ersten Schlacht
gekommen sei, behaupten allerdings die Annalen und scheint Widu-
kind anzudeuten. Die fränkischen Quellen lassen alles unentschieden.
1) Müllenhoff, Von der Herkunft der Schwaben. Zeitschrift
für deutsches Altertum Bd. XVII, S. 63 f.
2) Müllenhoff a. a. O. S. 63. Dümmler, Zeitschr. für deutsch.
Alt., XIX, S. 131 f. hält Ekkehard selbst für die Vorlage.
3) Müllenhoff a. a. O. S. 63.
4) Müllenhoff a. a. O. S. 63.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 171
reiches nach dem Tode Chlodwigs unter dessen vier Söhne,
einen Bericht, der, aus dem liber historiae Francorum ab-
geleitet, sich bei Widukind nicht findet, wohl aber in den
Anonymus übergegangen ist. Letzterer kann daher nicht
Widukind benutzt haben, sondern schon eine Vorlage, in
der die Erzählung des Korveyer Mönches mit dem Bericht
über die Verteilung des Reiches verbunden war. Erst
Ekkehard i) verbindet diese Nachrichten, aber auch er kann
nicht die Vorlage gewesen sein, sondern nur eine daraus
abgeleitete jüngere sächsische Chronik 2). Ist diese Hypo-
these richtig? Sehen wir im einzelnen zu, wie sich der
Anonymus zu Widukind-Ekkehard verhält 3). Die sachliche
XJebereinstimmung zwischen den beiden Berichten des
Anonymus und des Widukind-Ekkehard beginnt etwa mit den
Worten des Anonymus : Quo (sc. Theuderico) regnante misit
legatos ad Irminfridum. Beide Berichte erzählen überein-
stimmend, daß Theuderichs Gesandtschaft von dem Thüringer-
könig gut aufgenommen, daß der Zweck der Gesandtschaft
aber von Amalaberga mit Irings Hilfe hintertrieben wird.
' Die Gesandten kehren zurück (der Anonymus ist hier im
Verhältnis zu Widukind sehr kurz), es kommt zum Kriege.
Und hier findet sich der erste große Unterschied zwischen
beiden Quellen. Der Anonymus weiß nichts von der Schlacht
bei Runibergun und den sich daran anschließenden Be-
ratungen im Frankenlager, bei ihm verwüstet Theuderich
nur das Land und verbindet sich dann mit den Sachsen,
nicht etwa in der Absicht, sich durch sie zu verstärken
(Widukind), sondern in der Absicht, den Thüringerkönig
1) Ich setze trotz Bresslau's berühmter Abhandlung
(N. A. XXI, 1896. „Bamberger Studien") hier immer den Namen
Ekkehard anstatt Frutolf, einerseits weil ich hier über M's. Ansicht
. referiere, und dieser noch keinen Frutolf kannte, andererseits weil
der Name Ekkehard sich einmal eingebürgert hat.
2) Man sieht nicht recht, weshalb Müllen ho ff eine Ableitung
Ekkehard's annimmt und nicht vielmehr Ekkehard selbst, wie
Dümmler (a. a. 0.).
3) Ekkehard ist hier nur Abschrift von Widukind.
172
Studien zur Geschichte des Unterganges
ihrer etwaigen Unterstützung zu berauben. Man erkennt hie
deutlich, wie konsequent der Anonymus verfährt. Er ei
wähnt keine Schlacht (d. h. bis zur Ankunft der SachsenÜ
er weiß daher von keinen Verlusten des Theuderich, ffl
ihn wird somit die Angabe Widukinds, Theuderich habe"
sich durch die Sachsen verstärken wollen, überflüssig; er
muß sich nach einem andern Grunde umsehen. Was liegt
da wohl näher als die Vermutung, Theuderich habe aus
Furcht, Irminfried möchte die Hilfe der Sachsen erlanget
selbst seinerseits mit den Sachsen angeknüpft, zumal de
Anonymus merkwürdigerweise die Erklärung Widukinds|
Saxones, qui iam olim erant Thuringis acerrimi hostes nichv
beachtet? Man könnte vielleicht einwenden, der Anonymus
berücksichtige diese Worte doch, indem er die Sachsen als
so eminent bündnisfähig hinstellt, aber dem steht entgegen,
daß die Sachsen nach dieser Ueberlieferung soeben erst von
Norden her die Elbe überschritten haben, daß Theuderich
nur aus Furcht vor einer Verbindung der Thüringer und
der Sachsen mit letzterem abschließt.
Im folgenden ist der Anonymus wieder reicher als
Widukind.
W i d u k i n d.
ßi quidem vincerent Irminfridum
urbemque caperent, terram eis in
possessionem aeternam traderet.
Anonymus.
(Theudericus) spopondit eis ter-
ram illam in proprietatem tradi-
turum, quam fluvius Salza per
decursum suum cingeret defiuen-.
do in flumen Sala.
Aehnlich wie der Anonymus berichten die Ann. Quedlin-
burg. : si Thuringos sibi adversantes vincerent , omnem
illis eorum terram daturum, usque ad confluentiam Salae
et Unstradae fluviorum i).
Interessant ist ferner, daß bei dem einen Schriftsteller
die Reiterei der Schwaben (= Sachsen) den Franken zu Hilfe
kommt, ja es wird noch erwähnt: Das Fußvolk wird zu-
1) Eine Abhängigkeit des Anon. von den Ann. ist hier natürlich
en.
des alten Thüriag. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 173
rückgelassen (relicto pedestrali exercitu), während es bei
dem andern (Widukind) unverkennbar Fußtruppen sind, die
den Sturm auf Burg-Scheidungen unternehmen. Kurz, wir
sehen, der Anonymus unterscheidet sich doch nicht unbe-
trächtlich von Widukind-Ekkehard. Ich übergehe die nächsten
Ereignisse, obwohl sich auch hier sehr starke Unterschiede
zwischen den beiden Quellen zeigen i), und komme gleich zur
sogenannten Jagdanekdote. Zur Orientierung diene, daß
die Thüringer sich nach Burg-Scheidungen zurückgezogen
und somit die Unstrut zwischen sich und ihre Feinde gelegt
haben 2), Nun geht es bei Widukind-Ekkehard folgender-
maßen weiter 3): Interea urbe ex pace promissa securiore
reddita, egressus est quidam cum accipitre, victum quaeri-
tans^) supra litus fluvii supradicti. Emisso vero volucre,
quidam ex Saxonibus in ulteriore ripa ilico eum suscepit.
Quo rogante, ut remitteretur, Saxo dare negavit. Ille autem:
„Da", inquit, „et secretum tibi sociisque utile prodam".
Saxo econtra: „Die, ut accipias, quod quaeris". „Reges",
inquit, „inter se pace facta decretum tenent, si cras invenia-
mini in castris, capiamini aut certe occidamini". Ad haec-
ille: „Serione haec an ludo ais?" — „Secunda hora, alt,
sequentis diei probabit, quia vos oporteat sine ludis agere.
Quapropter consulite vobis ipsis et fuga salutem quaerite".
Saxo statim emittens accipitrem, sociis retulit quae audivit.
Uli satis commoti, in promptu non inveniebant, quid super
hoc agere debuissent.
Es kommt zu Beratungen im Sachsenlager, und am
nächsten Tage früh stürmen sie Burg-Scheidungen.
1) Auf einen sehr wichtigen Unterschied komme ich noch später
zurück.
2) Vergl. die Karte bei Größler, a. a. 0., S. 54.
3) Widukind I, 10, Separatausgabe (Waitz 1882, S. 11).
4) Der Reiher (ardea. Vergl. den Bericht des Anonymus) ist
zwar ein Jagdvogel (Heyne, Deutsche Hausaltertümer II, S. 242, 245),
indes habe ich keinen Beleg dafür finden können, daß er auch als
Nahrung diente.
174 Studien zur Geschichte des Unterganges
Sehr klar und verständlich ist diese Erzählung eben nicl
Schon das „Nahrungsuchen oberhalb des Flusses" i) ist sehr
merkwürdig, als ob die Burg, die eben ferst eingeschlossen
ist, bereits an Nahrungsmangel litte. Auffällig ist auch
die Reiherbeize nach Sonnenuntergang — es heißt ja
kurz vorher (cap, 9): talique spectaculo tota dies illa trahi-
tur. Wie vollends der Sachse in den Besitz des Vogels
gelangen soll, ist nicht recht zu ersehen. Vergleichen wir
jetzt dazu den Bericht des Anonymus, so wird die Sinn-
losigkeit des Berichtes bei Widukind-Ekkehard uns noch
klarer. Der betreffende Absatz beim Anonymus lautet 2):
Praeterea forte accidit, ut quidam ex Thuringiis, Wito
vocabulo, ripam fluminis accipitrem manu gestans descen-
deret alteramque ripam Gosholdus quidam de Swevis e re-
gione ascenderet. et mittens Wito accipitrem ad irretiendam
ardeam flumen trausvolare, a Gosholdo ambe aves sunt in-
terceptae. Quem Wito imprecatus, ut si suum volatile sibi
restitueret, rem quam ignoraret, ei insinuaret. Tum demum
Gozoldus fecit eum amnem transire et accipitrem cum ardea
recipere. qui caballo vadum quoddam pernatavit atque ar-
deam cum accipitre recepit, Gosholdo quoque inquit : id pro
certo tibi notifico, quod reges sunt placati, et hoc quod
hactinus hereditarie possidebamus, ex Iringi ^) superflua ra-
tionatione modo in praestationem recepimus". Haec audiens
Gozoldus ad commilitones suos rediit eisque causam pactionis
examussim exposuit. At illi confederationes regum metu-
entes, ne vel Theoderici sponsionum fraudarentur vel regum
conspiratione ex provincia propellerentur, decreverunt noctu
vadum per Gosholdum monstratum transire ac Thuringio-
rum castra ex inproviso irrumpere. Quo peracto tantam
stragem de hostibus dederunt, ut vix quingenti cum Irmin-
frido evaderent.
1) Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit X 6'^ S. IS.
2) MüUenhoff a. a. O., S. 61.
3) Iring spielt am Hofe Irminfrieds die Eolle eines einfluß-
reichen Günstlings.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 175
Auch hier bleiben innere Unwahrscheinlichkeiten. Wes-
halb verrät z. B. eigentlich der Thüringer das Bündnis mit
den Franken? Im ganzen genommen ist dieser Bericht
jedoch klarer wie der des Korveyers; wir sehen aber auch,
daß Widukind die Pointe der Erzählung, die listige Auf-
findung der Furt, einfach weggelassen hat, falls er sie über-
haupt kannte. Da sich nun der ganze Bericht über den
Thüringerkrieg bei Ekkehard ebenso findet, wie bei Widu-
kind, so kann der Anonymus in den angeführten Stellen
unter keinen Umständen auf Ekkehard zurückgehen.
Müllenhoif hat aber schon bemerkt i), daß im Anonymus
ausdrücklich gesagt wird : causa vero congressionis in
hystoria Saxonum describitur talis, d. h. nur der Grund
zum Kampfe wird der hyst. Sax. entlehnt. Daraus folgt
aber unmittelbar, daß der Anonymus zum mindesten noch
eine weitere Quelle benutzt haben muß, die sogar besser
unterrichtet war, als Widukind-Ekkehard.
Wir verlassen für einen Augenblick diese Gedankenreihe
und wenden uns den Quedlinburger Annalen zu. Gewisse
TJebereinstimmungen zwischen ihnen und dem Anonymus
finden sich wohl, doch sind sie so geringfügig, daß an eine
Abhängigkeit beider Quellen von einander nicht gedacht
werden kann. Andererseits findet man zwischen dem Quedlin-
burger und Widukind eine auffallende Uebereinstimmung,
so daß man fast auf den Verdacht kommt, jener habe diesen
excerpiert. Und doch ist der Quedlinburger teilweise wieder
viel reichhaltiger als der Korveyer Mönch. So hat er
allein die Erinnerung an eine Schlacht bewahrt, die nach
der Ankuiift der Sachsen geschlagen und doch der Schlacht
an der Unstrut noch voraufgeht 2). Man höre: Qui (sc.
Saxones) nihil morantes venerunt ad eum etpersequentes
Irminfridum pugnaverunt contra eum super Unstradan fluvi-
1) a. a. O., S. 66.
2) Die Schlachten im Gau Maerstem und an der Ocker sind,
wie ich später nachzuweisen versuchen werde, freie Erfindungen des
Annalisten.
176 Studien zur Geschichte des Unterganges
um etc. Dieses „persequentes" setzt aber schon ein«
anderen Kampf voraus ^), von dem weder in den Qued
burger Annalen noch bei Widukind sich eine Spur finde'
nur der Anonymus hat uns einen Bericht darüber aufbe-
wahrt: Quod ut Irminfridus rescivit (sc. daß die Sachsen
den Franken Hilfe gebracht haben), manum validam equestri-
um elegit et ad pugnandum contra Theodericum direxit,
in qua congressione Irminfridus terga vertit atque amnem
Unstruot cum suis celerius transivit et in ripa eiusdem
fluminis hostibus acrius restitit.
Der Anonymus allein hat uns diesen Bericht aufbewahrt,
in der Vorlage des Quedlinburgers muß dieser Kampf aber
auch erwähnt gewesen sein, denn sonst ist der Begriff
„persequentes" nicht recht zu verstehen. Wir geben zu,
daß dieser Schluß nicht zwingend ist, er hat zunächst nur
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, wird aber durch
weiteres noch gestützt werden. Da der Anonymus später
geschrieben hat als der Quedlinburger, so kann jener nicht
die Quelle von diesem sein, wir müssen für beide eine
gemeinsame Quelle annehmen.
Und nur unter dieser Voraussetzung ist es uns möglich,
den Schluß des Berichts in den Ann. Quedl. zu verstehen.
Der Anonymus läßt Irminfried zu Attila ziehen, der Annalist
läßt ihn zwar von den Mauern Zülpichs herabgestürzt
werden, bringt aber merkwürdigerweise gleich im Anschluß
daran den Satz: Attila rex Hunorum et totius Europas
terror, a puella quadam, quam a patre bcciso se rapuit,
cultello perfossus interiit, ein Satz, der in keinem erkenn-
baren Zusammenhang mit dem Bericht über Irminfrieds
Schicksal steht, zumal da Attila und Irminfried fast
100 Jahre auseinander lebten. Wir sehen uns so in der
Tat zu der Annahme gedrängt, daß beiden Autoren ge-
gemeinsam dieselbe Quelle vorgelegen haben muß.
1) An und für sich könnte mau dies aus dem „persequentes"
nur schließen, wenn man das Wort stark preßt. Der Vergleich mii
Anonymus macht aber obigen Schluß höchst wahrscheinlich.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 177
Wir haben oben^) bemerkt, daß der Unterschiöde
zwischen Widukind und dem Anonymus nicht wenige sind,
es dürfte sich aber doch verlohnen, die Kehrseite des Ver-
hältnisses zwischen diesen beiden Quellen aufzusuchen, die
üebereinstimmungen zwischen beiden Schriftstellern im
einzelnen zu prüfen. Doch bevor wir dazu schreiten, be-
darf es noch einer kleinen Digression. Die Quedlinburger
Annalen stimmen teilweise auffallend mit Widukind über-
ein 2), doch hat Widukind durchaus nicht alles, was jene
haben ; so fehlt bei ihm z. B. die Erwähnung jener Schlacht,
von der uns der Anonymus allein einen Bericht aufbewahrt
hat, und die die Annalen wenigstens andeuten ; daher können
die Annalen zum mindesten hier nicht Widukind zur Vor-
lage gehabt haben. Da aber der den Annalen und dem
Anonymus gemeinsam vorliegende Bericht sehr reichhaltig,
vielleicht allerdings nur stellenweise, gewesen sein muß (er
brachte ja Tatsachen, die Widukind in seiner recht aus-
führlichen Erzählung nicht bot), die merkwürdige Ueber-
einstimmung zwischen Widukind und den Annalen aber
nicht aus der Welt zu schaffen ist, so dürfen wir zunächst
wohl vermuten, dem Korveyer Mönch habe dieselbe Quelle
vorgelegen, die wir als gemeinsame Vorlage des Anonymus
und der Ann. Quedlinb. erkannt haben.
Und in der Tat läßt diese Vermutung sich wahr-
scheinlich machen. Wir haben ja ein Mittel, diese Frage
weiter zu verfolgen, — eben jene Vergleichung zwischen
Widukind und dem Anonymus, die wir oben für einen
Augenblick ausgesetzt haben.
Ich setze die wichtigsten Stellen zum bequemeren
Vergleich neben einander:
"Widukind.
Ad haec Irminfridus iuxta
quod regalem decuit dignitatem
clementer legato respondit, pla-
Anonymus.
Cuius legationem Irminfridus
benigne quidem suscepit et iure
pacem concordiamque cum eo
1) S. 171 ff.
2) Wattenbach, Geschichtsquellen I«, S. 342.
178
Studien zur Geschichte des Unterganges
cita sibi placere populi Franco-
rum, ab eorum concordia non
discordare, pace omnimodis indi-
gere, super negotio vero regni
responsionem suam in amicorum
praesentiam velle differre.
Die Uebereinstimmung ist hier schon auffallend, nocl
mehr aber in Folgendem:
habere asseruit, quod sororer
suam sibi in matrimonium copi
laverit, sup^r regni vero stabil!^
täte nil ei posse respondere nia
principum suörum assentatione
Anonymus.
Soror itaque regis Theoderic
indignum ducens, ipsum regen
constitutum affirmabat, illum not
iure sibi regnum vendicasse, set
potius ex paterna hereditate sei
debere attinere, ascitoque Iring(M
Irminfridi consiliario egit cum
eo, quatinus in auribus princi-
pum ac fratris veredariorum con-
ferret,Theodericum patris sui con-
cubine filium fore et ideo merito
sibi servum, non debere regnum
invadere , quod eam attingeret
ex paterna successione.
Auch hier die Verwandtschaft, aber — nur die in-
haltliche, in der Struktur des Satzes und in der Stilistik
"weichen beide Berichte beträchtlich von einander ab.
Wir gehen zur Hauptstelle über:
Widukind.
Audiens autem regina, lega-
tum fratris supervenisse et locu-
tum cum rege super negotio reg-
ni, suasit Iringo, ut pariter per-
suaderent viro, quia sibi regnum
cessisset iure hereditario, utpote
quae filia regis erat et filia regi-
nae, Thiadricum vero suum ser-
vum tanquam ex concubina na-
tum, et ideo indecens fore, pro-
prio servo umquam manus dare.
Widukind.
Et haec dicens (sc. legatus)
reversus est ad Thiadricum, quae
audivit non celat. Thiadricus au-
tem nimiam iram vultu Celans
sereno: Oportet nos, inquit, ad
servitium Irminfridi festinare,
quatinus qui libertate privamur,
Anonymus,
legati ... ad dominum su-^
um rediere sibique huiusmodi|
verba intulere. Qui furorem ani-
mi simulans statuit, quia Irmin-
fridus se pro servo haberet, quan-
tocius ei ad obsequendmn occur-J
reret.
inani saltem vita fruamur.
Nach der Lektüre dieser Stelle dürfte wohl niemand']
mehr zweifeln, daß beide, Widukind' wie der Anonymus,']
auf dieselbe Quelle zurückgehen. Wenn dies aber der
Fall ist, so ist nach dem oben (S. 177) Gesagten höchst
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 179
wahrscheinlich, daß allen drei Berichten dieselbe Urquelle
zu Grunde liegt.
Aber die eben angeführten drei Stellen lehren uns
noch etwas Anderes, nicht minder wichtiges. Dieselbe
Quelle liegt dem Anonymus und dem Korveyer Mönche
zu Grunde, und doch ist es uns unmöglich, durch Ver-
gleichung beider den Wortlaut jener Urquelle zu rekon-
struieren. Der Inhalt ist — fast möchte man sagen, satz-
weise — übereinstimmend, der Ausdruck ganz verschieden,
wie sich aus den mitgeteilten Stellen, besonders der letzten,
zur Evidenz ergibt. Wäre es zu kühn, daraus zu folgern,
daß die gemeinsame Quelle keine lateinische gewesen sein
kann, daß sie vielmehr eine deutsche gewesen sein ^) muß,
selbstverständlich, da deutsche Prosa in jener Zeit völlig
ausgeschlossen ist, ein deutsches Heldenlied, das den Unter-
gang des Thüringerreichs behandelte, wo nicht zum Vorwurf
hatte 2) ?
Bisher hatte man eine Zusammensetzung des Quedlin-
burger Berichts aus Widukind und der Volkssage ^), eine
Zusammensetzung des Berichtes des Anonymus aus Widukind,
den Ann. Quedlinb. und der Volkssage *) angenommen. Nur
1) Besonders klar wird dies bei der Betrachtung der letzten
Stelle, wo einerseits die (wahrscheinlich) direkte Rede des Heldenliedes
in das Lateinische hinübergenommen ist, während der Anonymus
den Inhalt der Worte Theuderichs durch einen Nebensatz mit quia
wiedergibt, wo andererseits ein Begriff, der etwa unserm heutigen
„sich beeilen" entspräche, von beiden verschieden übersetzt wird,
von dem einen mit „festinare", von dem andern mit „quantocius
occurrere". Daß Widukind hier auf Volkssagen bez. Heldenlieder
zm-ückgeht, ist längst erkannt worden, er ahmt sogar die AUitteration
nach; z. B. cap. 9: Indecorum est rictoribus, rictis vincendi locum
dare oder vincere velle aut certe vivere nolle.
2) Es ist mir nicht sicher, ob die betreffende gemeinsame Quelle
nur den Untergang des Thüringerreichs behandelte, oder ob auch
die Vorgeschichte der Sachsen darin poetisch dargestellt wurde. In
letzterem Falle würden wohl auch die ersten Kapitel des Widukind
auf diese poetische „origo Saxonum" zurückgehen.
3) Wattenbach, Geschichtsquellen I", S. 342.
4) Wattenbach a. a. O. I «, S. 333. Müllenhoff a. a. O. S. 67.
180 Studien zur Geschichte des Unterganges
Könnecke i) sprach gelegentlich von der Wahrscheinlichkeit
einer gemeinsamen Quelle für Widukind und die Quedlin-
burger Annalen, ohne aber einen Beweis dafür zu erbringen.
Wir müssen, wie gesagt, eine gemeinsame Quelle annehmen,
ein sächsisches Heldenlied 2).
Und doch! Werden wir uns dazu entschließen, eine
schriftliche Quelle anzunehmen? Wohl sind wir durch
Verfolgung der Uebereinstimmungen zu unserem Resultat
gelangt, aber vergessen wir doch nicht, daß unsere Arbeit
von den kleinen Unterschieden zwischen den einzelnen Autoren
ihren Ausgang nahm. Berücksichtigen wir dies, so können
wir ruhig einen Schritt weiter tun, indem wir sagen: Das
Lied hat sich wahrscheinlich zunächst nur mündlich fort-
gepflanzt. , Manche ^) Abweichungen der Autoren von einander
verdanken ihren Ursprung lokalen Varianten.
Wenn in der Geschichtsliteratur neue Quellen auftauchen,
so pflegt man zuerst nach der Zeit der Entstehung und
nach dem Verfasser zu fragen. Es dürfte sich hier vielleicht
doch verlohnen, wenigstens nach jener zu forschen. Man
wird es möglicher Weise als widersinnig bezeichnen, die
Entstehungszeit eines Liedes feststellen zu wollen, das nur
im Volksmunde lebt, und das sich daher sozusagen in stetem
Fluß befindet. Aber so war jene Frage auch nicht gemeint.
Es kann doch nur heißen: Können wir feststellen, inner-
halb welcher Zeitgrenze das Lied so gestaltet wurde, wie
Widukind es gekannt, oder falls es gestattet ist, diesö
1) Könnecke, Das alte Thüringische Königreich und sein Unter-
gang. Querfurt 1893, S. 26.
2) Daß das Lied ein sächsisches gewesen ist, ist ohne weiteres
klar. Der ganze Inhalt ist ad maiorem gloriam Saxonum zugeschnitten.
3) Nicht etwa alle ! Ich werde unten zeigen, daß der Quedlin-
burger Annalist die Schlacht an der Ocker z. B. frei erfunden hat.
Daß der Bericht über die Teilung des Eeiches (in den Ann. QuedL)
auf eine echte historische Quelle zurückgeht, ist ebenfalls klar.
Auch der Umstand, daß in den Ann. Quedlinb. die Leichenbrüd
erwähnt wird, wie bei Gregor v. Tours, läßt auf Benutz
einer echten Quelle schließen.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. X8l
„Gestaltung" als Recension zu bezeichnen, innerhalb welcher
Zeitgrenzen kann die von Widukind benutzte Hecension
des Liedes nur zu stände gekommen sein? Der terminus
ad quem ist natürlich das Jahr 967, das Jahr, in dem
"Widukind sein Werk vollendete i). Schwieriger ist es, den
terminus a quo zu bestimmen. Hier gibt uns aber glücklicher-
weise Widukind selbst einen Fingerzeig.
Nicht mit Unrecht ist seine Schilderung der Sachsen
(I 9) so berühmt. „Ihm geht das Herz auf 2)", wenn er
von diesen Kriegern spricht, die durch Körperkraft und
Mut hervorragend, bewaffnet mit langen Lanzen, auf ihre
Schilde gestützt dastehen, bewundert und angestaunt von
den Franken. Mit naivem Stolz erzählt er, wie bereits da-
mals manche Franken sich hätten vernehmen lassen : tantis
ac talibus amicis Francos non indigere; indomitum genus
hominum fore, et si presentem terram inhabitarent, eos
procul dubio esse, qui Francorum imperium quandoque
destruerent ^). Ist dies etwa keine vaticinatio post eventum ?
Und wenn es eine ist, so kommen wir auf das Jahr 919,
in welchem die Herrschaft endgültig von den Franken auf
die Sachsen überging.
Man wird einwenden : Diese ganze Stelle sei erst von
Widukind seiner Quelle eingefügt worden und habe daher
für die chronologische Festsetzung des Liedes durchaus
keinen Wert. Es läßt sich zeigen, daß dem nicht so ist.
Als Iring in Irminfrieds Auftrage zu Theuderich geht,
um den Frieden zu erbitten, da bietet der schlaue Thüringer
dem Merowingerkönig ein Bündnis gegen die Sachsen an;
utilius esse, eum in fide suscipere, quem iam superatum
haberet tamque contritum, ut numquam se contra eum possit
levare quam illud genus hominum indomabile et ad omnem
1) Wattenbach, Geschichtsquellen 1 «, S. 328.
2) Köpke, Widukind von Korvey S. 5.
3) Widukind I, 9, Separatausgabe von Waitz, 1882, S. 9 f.
XXII. 13
182 Studien zur Geschichte des Unterganges
laborem perdurabile, a quo nichil expectaret Francorum
imperium nisi solum penculum i).
Theuderich geht auf den Vorschlag ein, den Sachsen
wird das Bündnis verraten, sie stürmen, um ihm zuvor zu
kommen, am nächsten Tage früh Burg Scheidungen,
Man sieht hier deutlich, wie der Gedanke, den Franken
drohe von den Sachsen nur G-efahr, zum forttreibenden
Motiv der Handlung wird. Daher muß der Gedanke dem
Heldenlied entstammen, und er ist wohl verwertbar zur
chronologischen Fixierung 2).
So stellen wir denn als bisheriges Resultat unserer
Untersuchung nochmals fest.
Für die Darstellung des Thüringerkrieges von 531
haben Widukind, die Annales Quedlinburgenses und der
Anonymus de origine Suevorum ein jetzt verlorenes, in der
von Widukind benutzten Recension zwischen 919 und 967
entstandenes sächsisches Heldenlied benutzt, in dem der
Krieg zwischen Theuderich und Irtninfried ausführlich ge-
schildert, wo nicht zum Vorwurf gemacht war. In diesem
Heldenlied verschob sich das Verwandtschaftsverhältnis
Amalabergas insofern, als man ihre Person im Gegensatz
zu den echten historischen Quellen an die Merowinger statt
an die Ostgoten anknüpfte, wodurch sich allmählich eine
Verschmelzung der Persönlichkeiten der beiden Theuderiche
vollziehen mußte. Diese Verschmelzung mußte logischer
Weise dazu führen, die Irminfriedsagen mit dem Sagen-
kreise Dietrichs von Bern (des Ostgoten Theoderich), d. h.
1) Das ,,periculum" wird man am ehesten doch auf den Ueber-
gang der Krone von den Franken an die Sachsen beziehen können.
Etwa an den großen Sieg der Sachsen über Chlotar I. zu denken,
geht Jiicht an, weil dieser Erfolg nur ein ganz vorübergehender war.
2) Ucber die Persönlichkeit des Verfassers wage ich kein Urteil.
Auffüllig sind allerdings die zahlreichen Anklänge an angelsächsische
Sagen. Der Ausdruck Huga für Franke^ der bei Widukind und
den Ann. Quedl. erscheint, kommt bereits im Beowulf v. 2195 und
V. 2503 vor. Vergl. Kurth histoire poetique des Meroving. 1893,
S. 338, n. 2.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 183
auch mit dem Hunnenkönig in Verbindung zu bringen ; und
wirklich finden wir im Nibelungenliede Irminfried und Iring
am Hofe Etzels lebend ^). Aber auch schon unser Gedicht
wirft Irminfried, Iring und Attila zusammen : Der Anonymus
läßt Irminfried mit Iring an Etzels Hof kommen, der
Quedlinburger schließt einen Kompromiß mit den historischen
Quellen, indem er den Thüringerkönig von Theuderich zwar
töten läßt, daran jedoch jenen Satz über Attila anschließt,
der in diesen Zusammenhang gar nicht hineinpaßt; Widu-
kind erwähnt Attila überhaupt nicht und hat über den
Tod des Irminfried eine vom Quedlinburger abweichende
Version. Daraus folgt, daß sowohl der Quedlinburger als
Widukind mindestens noch je eine Quelle benutzt haben.
Aber des Quedlinburgers Bericht ist nur ein Anklang
an die echten historischen Quellen: Post haec Theodericus
data fide Irminfrido in Zulpiaco civitate illum dolo perimi
iussit, ein Satz, der sich ebensowohl mit Gregor von Tours 2)
als mit Widukind verträgt. Wie jedoch der Korveyer zu
seiner Nachricht kommt, Iring habe den Irminfried auf
Befehl des Theuderich erschlagen und dann Theuderich
selbst getötet, ist nicht mehr zu erkennen. Vielleicht war
es die ursprüngliche Sagenfassung 3)^ und Widukind mag
diese aus Furcht, einen Anachronismus zu begehen, wenn
er in einem Geschichtswerk die Person Irminfrieds mit
1) Nibelungenlied, übersetzt von K. Simrock 1893, 22. Al^enteuer
Str. 1286, 35. Abenteuer Str. 1965 ff.
2) III, 8. Idem vero regressus (sc. Theud.) ad propria, Hermene-
fredum ad se data fidem securum praeeipit venire, quem et honorificis
ditavit muneribus. Factum est autem, dum quadam die per murum
civitatis Tulbiacensis confabularentur, a nescio quo impulsus, de
altitudine muri ad terram corruit ibique spiritum exalavit. Sed quis
eum exinde deiecerit ignoraraus; multi tarnen adserunt Theudorici
in hoc dolum manifestissime patuisse.
3) Dies ist wohl das Wahrscheinlichste. Man wolle übrigens
bemerken, daß Widukind die Erzählung vom Tode Irminfrieds scharf
von der vorhergehenden sondert (Qui autera finis r^es secutus sit,
quia memorabilis fama est, prodere non negligo).
13*
184 Studien zur Geschichte des Unterganges
Attila verband, vorgezogen haben. Auch der Quedlinburger
scheint diesen Anachronismns gescheut zu haben, verrät
uns aber doch durch jenen Satz über Attila wieder die ge-
meinsame Quelle. Erst der Anonymus, der mehr die Sagen
aufzeichnete als Geschichte schrieb, konnte ohne Bedenken
seiner Vorlage folgen.
Auf Grund unserer bisherigen Untersuchung können wir
jetzt in die Verhandlung darüber eintreten, ob den säch-
sischen Quellen irgend welche historische Glaubwürdigkeit
beizumessen ist oder nicht.
Teil II. Kritik der Sage.
Schon Ephoros ^) hat im Wesentlichen das Princip
ausgesprochen, dessen man sich in diesen und ähnlichen
Fällen bedienen muß :
7C£qI ixhv yuQ räv xaO' iq(iag ysy£vr}(iiv(OV rovg ccKQißiöraTct
Xiyovtag TtiötoruTOvg i^yovfisd^a, tcsqI ös rmv nccXatcöv tovg
ovroo die^iovxag unid'avcatarovg eivai vojitiJ[ojtt£v, v7coXc((Aß(ivov-
rsg ovre tag nQa^sig anaßag ovrs tcov Xöycov TOvg nXsiöTovg
tLKog elvai ^vrjfiovBvsa&ai Sia toöovtwv.
Streng genommen müßten wir also über die sächsischen
Quellen (Widukind, die Ann. Quedlinburg., den Anonymus
de origine Suevorum) in Bausch und Bogen das Ver-
dammungsurteil aussprechen; aber ist ein so völlig ab-
sprechendes Urteil auch wirklich gerechtfertigt ? In einen;
Punkte wohl sicher nicht. Erinnern wir uns daran, daß
historisch bedeutsame Örtlichkeiten nicht so leicht vom
Volke vergessen werden. Die homerischen Epen nimmt
heutzutage niemand mehr für Geschichte, und doch hätte
Schliemann ohne ihre Existenz wohl schwerlich jene
epochemachenden Ausgrabungen auf Hissarlik vorgenommen.
Die Nutzanwendung auf unser Gebiet liegt nahe. Wir
werden die in unserm Heldenlied vorkommenden Ortlich-
1) Ephoros bei Harpokration u. apx«£w? (Harpokration ed. Bekker,
1833, S. 36).
des alten ThüriDg. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. Ig5
keiten und Schlachten bis auf Weiteres als historisch be-
trachten , aber auch hier werden wir das Lied nur als
bestätigende, nicht als grundlegende Quelle verwenden
dürfen.
Manchem wird es schwer fallen, den ihm lieb ge-
wordenen Glauben an die Verwendbarkeit des Details der
sächsischen Quellen aufgeben zu müssen ; es wird daher
nicht nutzlos sein, den Inhalt des Liedes einer sachlichen
Kritik zu unterziehen.
Ist diese Forderung aber überhaupt durchführbar?
Nicht als ob die sachliche Kritik an sich groOen
Schwierigkeiten begegnete, die Schwierigkeit liegt in der
erforderlichen Rekonstruktion des Liedes.
Es giebt dazu nur einen Weg.
Wir müssen nach den Ausführungen von Teil I. die
drei uns bereits bekannten sächsischen Quellen als ver-
schiedene Ableitungen ein und derselben Urquelle be-
trachten. Die Abweichungen der Quellen von einander
schrieben wir schon oben (S. 180) teilweise lokalen Va-
rianten zu; an manchen Stellen genügt dies jedoch nicht.
Daher kann man als dem Liede angehörig alle diejenigen
Stellen bestimmt annehmen, die mit dem Berichte der
anderen Quellen übereinstimmen, oder wenigstens sich
gegenseitig nicht völlig ausschließen. Es wird demnach
am einfachsten sein, bei einer Kritik der Sage von Widu-
kind auszugehen und nötigenfalls die Stellen der anderen
Quellen zum Vergleich, resp. zur Ergänzung heranzuziehen.
Im Anfang ist bei Widukind Sage und Geschichte
in wirrem Durcheinander gemischt. Erst etwa von den
Worten „Thiadricus autem designatus rex" an scheint
Widukind ganz der Sage zu folgen , wie ein Vergleich
mit dem Anonymus lehrt. (Quo regnante misit legatos etc.).
Der von Theuderich an Irminfried „pro pace atque
concordia" abgesandte Bote hält vor dem Thüringerkönig
eine bemerkenswerte Rede. „Mortalium optimus maximus,
dominus meus Thiadricus misit me ad te, exoptans te
J86 Studien zur Geschichte des Unterganges
bene valere et lato magnoque diu imperio vigere seque
tibi non dominum sed amicum, non impera-
torem, sed propinquum, propinquMtatisque iura in-
violabiliter tibi fine tenus velle servare demandat; tantum
ut a populi Francorum concordia non discordes rogat;
ipsum namque sibi regem sequuntur constitutum."
Auf was für Voraussetzungen fußt denn diese Redel
Weist sie nicht deutlich auf ein Abhängigkeitsverhältnis
Irminfrieds von Theuderich hin ? Man sage nicht etwa
die Ausdrücke dominus und imperator seien nur eine
rhetorische Phrase im Munde des Gesandten; ein Ge-
sandter, der pro pace atque concordia zu einem fremden
Herrscher hingeht, wird sich hüten, diesen grundlos zu
beleidigen. Zum Überflluß aber ergänzen hier die Ann.
Quedlinb. den Korveyer Mönch auf das vortrefilichste.
Es wird von der Teilung des fränkischen Reiches unter
die Söhne Chlodwigs gesprochen und dann heißt es:
Cuius (sc. Theoderici) parti cum Thuringia ces-
s i s s e t , Irminfridus , gener eins , hortatu uxoris suae
Amelburgae invitationem regis respuit (vorhin war schon
erwähnt worden: Theodericus rex ad electionem
suam Irminfridum regem Thuringorum honorifice invitavit).
Wir sehen: die Worte dominus und imperator stehen
nicht zufällig bei Widukind. Die ganze Notiz ist aber so
absurd, keine der fränkischen Quellen bestätigt sie, obwohl
diese doch am ehesten davon etwas wissen mußten; wir
sind daher gezwungen diese Nachricht als unhistorisch zu
verwerfen.
Bei der folgenden Entgegnung Irminfrieds ist nur der
Anonymus außer Widukind zum Vergleich heranzuziehen;
beide Berichte sind inhaltlich fast identisch, nur fehlt beim
Anonymus die Beteuerung des Thüringers : pace omnimodis
indigere. Man wäre fast versucht, diese Worte als nichts-
sagende Phrase aufzufassen; aber der weitere Bericht des
Korveyers steht dieser Auffassung unter allen Umständen
im Wege. Denn bei der Versammlung der Großen, die
des alten Thüring. Königreich» im Jahre 531 n. Chr. Igy
Irminfried einberuft, raten diese ihm : quae pacis atque cön-
cordiae sunt, eum sentire, quia impetus Francorum ferre
non posset, maxime qui acrioribus hostium armis ex alia
parte premeretur. Und trotz dieses Rates schenkt Irmin-
fried seinem Vertrauten Iring Gehör, der ihm rät, er dürfe
den Franken nicht nachgeben! Wer sind denn diese Feinde,
um derentwillen Irminfried „gar sehr des Friedens bedarf",
mit denen er jetzt bereits im Kampf ist und deren Waffen
noch schärfer sind als die der Franken ? Sind es etwa die
Sachsen, qui iam olim erant Thuringis acerrimi hostes?
Aber diese kommen ja selbst erst auf den Ruf Theuderichs
(nach dem Liede) den Franken zu Hilfe, wir erfahren
nichts davon, daß sie schon zu Beginn des fränkischen
Feldzuges mit den Thüringern in Fehde liegen ! Und trotz
dieses bedeutenden Krieges gegen unbekannte Feinde fühlt
sich Irminfried doch veranlaßt, noch einen Krieg gegen
die Franken einzugehen ! Sowie dieser Krieg aber beginnt,
verschwinden die anderen Feinde plötzlich, wir erfahren
nichts mehr von ihnen! Auch die Gründe, die Iring an-
führt, um Irminfried zum Kriege fortzureißen, sind dazu
angetan, das ganze Verhalten des Königs in ein recht
merkwürdiges Licht zu rücken. Zwar was Iring zuerst
sagt, läßt sich hören : Die Sache Irminfrieds sei die gerechtere ;
aber gleich darauf heißt es : latum praeterea imperium, mili-
tum manus et arma caeterasque belli copias sibi ac Thia-
drico parum procedere.
Hier wird es klar ausgesprochen : Die Macht Irminfrieds
reicht nicht an die Theuderichs heran ; wenn der Unterschied
•auch nur klein ist, er ist aber doch eben da. Irminfried
übernimmt also den Kampf gegen die Franken, deren Macht
bedeutender als die seinige ist, zu dem Kampf gegen eine
andere Nation, deren Macht noch bedeutender als die der
Franken sein soll ! Wohin wir uns wenden, lauter Wider-
sprüche, lauter Unmöglichkeiten!
Sehen wir uns den Inhalt des Liedes weiter an.
Es kommt zum Kriege, die erste Schlacht findet „an
188 Studien zur Geschichte des Unterganges
den Grenzen der Thüringer" statt, in loco qui dicitur Ri
berguni). Wo diese Schlacht eigentlich stattgefunden hat,
kann hier noch unerörtert bleiben. Gehug, die Thüringer
werden in die Flucht geschlagen, aber auch die Franken
erleiden solche Verluste, daß in dem Kriegsrat, der sofort
abgehalten wird, man den Gedanken in Erwägung zieht, unge-
säumt nach Hause zurückzukehren. Dieser Kriegsrat muß
unmittelbar nach der Schlacht abgehalten sein, denn noch sind
die Toden nicht bestattet, noch ist kein Lager von den
Franken aufgeschlagen ^). Trotzdem daß also dieser Kriegs-
rat auch „an den Grenzen der Thüringer" stattfinden muß,
behauptet der Sklave des Theuderich : Nunc terra in nostra
est potetaste (!), und, damit noch nicht genug : Num singulis
urbibus administranda sufficimus presidia? Et eas omnes
perdimus, dum imus et redimus.
Kann man sich einen größeren Widerspruch denken?
Der Kriegsrat findet sofort nach der ersten Schlacht an
der Grenze des Landes statt, und doch soll das Land bereits
in der Gewalt der Franken sein, und doch können diese
die Befürchtung aussprechen, sie würden die Burgen ver-
lieren, wenn sie abziehen würden.
Während Theuderich zu den Sachsen schickt, muß das
fränkische Heer (nach dem Liede) weiter gezogen sein,
denn die Sachsen treffen im Lager Theuderichs vor Burg-
Scheidungen ein. Neun Scharen zu je tausend Mann sind
es, die den Kampf gegen die Thüringer wagen wollen.
Möglich, daß dies noch eine Erinnerung an die alten
Tausendschaften ist, in diesem Falle müßten die Elemente
des Liedes bis weit in die fränkische Zeit hinaufreichen.
Die neuen Bundesgenossen begrüßen den Frankenkönig verbis
pacificis. Ist dieser Zusatz nicht selbstverständlich? Fast
1) Ueber die Lage dieses Ortes vergl. weiter unten im Teil III.
2) Walderich sagt im Kriegsrat : Censeo causa caesos sepeliendi
.... patriam remeandum. Der Sklave Theuderichs sagt im selbea
Kriegsrat: castrorum esto labor. (Widukind I, 9, Sep.-Ausg. 1882,
S. 8 und 9.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 189
scheint es nicht, denn Theuderich nimmt den Gruß hilarior
auf. Hat etwa eine Spannung zwischen Sachsen und Franken
bestanden, die jetzt durch den Vertrag beseitigt ist? Wir
wissen es nicht; über die Vorgeschichte des Vertrages
meldet nicht einmal unser Lied etwas. Die Sachsen schlagen
nun ein Lager auf ad meridianam plagam urbis in pratis
fluvio contiguis d. h. im Süden der Burg auf den dem Fluß
benachbarten Wiesen. Da sie bei dem ersten Sturm am
nächsten Tage aber den Fluß nicht zu überschreiten brauchen,
so muß man sich das Lager zwischen Burg und Fluß denken.
Damit ist nun wieder die Jagdanekdote nicht vereinbar,
die ja von der Voraussetzung ausgeht, daß Sachsen und
Thüringer durch den Fluß getrennt sind. Ich gebe zu, daß
die Auffassung Größler's^), daß die Sachsen ihr Lager
südlich vom Flusse gehabt hätten, sich allenfalls halten
läßt; auffallend muß dann aber die Stellung der Jagdanek-
dote bleiben. Diese Anekdote gipfelt doch (in der Urquelle),
wie wir gesehen haben, in der listigen Auffindung der Furt,
sie ist eingeschoben zwischen dem ersten und zweiten Sturm
der Sachsen. Wie kommt es nun (immer unter der Vor-
aussetzung, daß der Fluß Sachsen und Thüringer trennt),
daß die Sachsen, um den zweiten Sturm machen zu können,
erst die Furt auffinden müssen, während sie doch bereits den
ersten Sturm gemacht haben, ohne die Furt zu kennen?
Diese heikle Frage hat Größler völlig übersehen. Auch hier
liegen wieder unlösbare Widersprüche vor.
Die Sachsen sind im Lager Theuderichs eingetroffen
und haben dann selbst ihr Lager aufgeschlagen. Am nächsten
Tage beginnen sie in aller Frühe den Kampf, stürmen die
Vorburg und stecken sie in Brand. Die in der Burg be-
findlichen Thüringer machen einen Ausfall, es kommt zu
einem fürchterlichen Handgemenge, talique spectaculo tota
dies illa trahitur. Erst die Nacht macht dem Treffen ein
1) a. a. O. S. 3ö. Größler hält übrigens die Schilderung des
Angriffs für historisch.
190 Studien zur Geschichte des Unterganges
Ende: Cum neuter agmen loco cessisset, iam tardior hör«
prelium diremit. Dann wird Iring der Friedensunterhand-
lungen wegen zu Theuderich geschickt,' Theuderich ver-
spricht am nächsten Tage mit den Thüringern vereint di«
Sachsen anzugreifen, es folgt die Jagdanekdote, die Be^
ratung im Sachsenlager, und dann plötzlich heißt es: Quoc
supererat diei in reficiendis suis corporibus expendebant
während wir doch vorhin schon gehört hatten, daß erst di^
Nacht dem Treffen ein Ende macht. Bereits in der erster
Nachtwache unternehmen sie den Sturm i). Ich frage, wi«
ist das chronologisch denkbar? Man könnte versucht sei
sich zu helfen, indem man zwischen den ersten und zweiten^
Sturm einen ganzen Tag einschiebt und an diesem die
Friedensverhandlungen spielen läßt, aber in den sächsischen
Quellen steht davon nichts 2).
Was sollen wie noch das ganze Detail im Einzelnen
nachprüfen? Längst ist erkannt worden, daß das sächsische
Löwen- und Drachenbanner der Sage angehört 3), und der
Umstand, daß es teilweise doch zur Schilderung der Ereig-
nisse mit verwendet wird^), ändert daran nicht das mindeste.
Ehe wir aber diesen Teil abschließen, müssen wir noch
eine Stelle besprechen, die von Größler zum Ausgangspunkt
seiner Hypothese gemacht wird, das der Krieg „den ganzen
Sommer hindurch" gedauert habe^). Wir meinen die Da-
tierung von Burg-Scheidungens Einnahme auf den 1 . Oktober ^).
1) Die erste Vigilie tritt bekanntlich gleich liach Sonnenunter-
gang ein. *
2). Damit erledigt sich die Ansicht Koennecke's (a. a. O. S. 47) :
„Der Sturm der Sachsen auf die Vorburg und der verzweifelte Aus-
fall der Thüringer können also recht wohl geschichtlich sein", ebenso
wie die Auffassung Größler's, der (a. a. 0. S. 46 ff.) eine detaillierte
Schilderung der letzten Ereignisse um Burg- Scheidungen giebt.
3) Geschichtsschreiber d. deutschen Vorzeit X, 6'^, S. 19 n.
4) Kirchhoff, Thüringen doch Hermundurenland. 1882, S. 34.
5) Größler, a. a. 0. S. 22.
6) Widukind, I, 12, Separatausgabe 1882, S. 13. Giesebrecht,
Gesch. der deutschen Kaiserzeit I, 812 hält die Notiz W. für eia-
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 191
Eins ist von vornherein klar: dem Heldenlied kann
dieses Datum nicht entstammen. Es muß Widukinds
eigene Zutat sein, der auf die Datierung folgende Satz
läßt darüber keinen Zweifel: Acta sunt autem haec omnia,
ut memoria maiorum prodit, die Kai. Octobris. Qui dies
erroris religiosorum sanctione virorum mutati sunt in
ieiunia et orationes, oblationes quoque omnium nos prece-
dentium christianorum i). Auch darüber , daß unter den
erwähnten Festtagen die sog. „gemeine Woche" verstanden
ist, ist man einig ^j. Ist aber die Ableitung selbst richtig ?
Homeyer^) nimmt es an und Grotefend^) scheint ebenfalls
keine andere zu kennen. Und doch giebt es noch eine
andere, freilich wohl auch nur lokalen Ursprungs. Trotz
Wattenbach 's ^) Zitat scheint sie so gut wie unbekannt
geblieben zu sein, selbst Grotefend erwähnt sie nicht.
In einem Sammelbande der Bibliothek der Ritter-
geschoben, da sie sinnstörend sei; er glaubt allerdings, daß Widukind
die Notiz nachträglich selbst eingeschoben habe. Die Cronica du-
cum de Brunswick (M. G. deutsche Chronicken II. 1877, S. 581),
die auf die Nienburger Annalen, deren Quellen hier wieder Ekkehard
und die Ann. Quedlinb. sind, zurückgeht ( a. a. O. S. 574), läßt die
Eroberung Burg-Scheidungens am 25. September 534 vor sich gehen.
Die Jahreszahl ist sicher falsch, vgl. Richter „Annalen der
deutschen Geschichte" unter dem Jahre 531. Wie die Chronik zu dem
von Widukind um 6 Tage abweichenden Datum kommt, vermag ich
nicht zu sagen.
1) Herr Professor Rühl macht mich darauf aufmerksam, daß
der Text an dieser Stelle völlig korrumpiert sein muß. Das „die
Kai. Oct." giebt keinen Sinn, weil es ]'a nachher heißt : qui dies
mutati sunt. Vielleicht hat es ursprünglich „circa diem" oder ähn-
lich geheißen.
2) Waitz, in s. Widukindausgabe, 1882, S. 13 n. 3. Wattenbach
in den „Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit" X, 6*, S. 21, n. 1.
G. Homeyer, Stadtbücher des Mittelalters, 1860, S. 71 f.
3) Homeyer, a. a. O.
4) Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der
Neuzeit I, 72 unter „gemeine Woche".
5) Wattenbach, Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit X, 6*,
S. 21, n. 1.
192 Studien zur Geschichte des Unterganges
akademie zu Brandenburg i) steht eine „Commemoracic
sancti episcopi Borchardi et confessoris". Dieser Burchard
ein ungebildeter Priester, nesciens aliatn missam quai
pro defunctis, wird, als ein Bischofswechsel eingetreten ist
de ignorancia sui officii bei dem neuen Bischof verklaf
1) Mitteilungen aus den Handschriften der Eitter-Akadec
zu Brandenburg a. H. I. Johannes von Hildesheim, beigegeben den
22. Jahresbericht über die Eitter- Akademie von E. Köpke, Brander
bürg 1878. Der für uns in Betracht kommende Passus findet sie
S. 2 f. Commemoracio sancti episcopi Borchardi et confessoria
Elapso tempore hie Borchardus fuit illiteratissimus et sacerdott
simphcissimus, nesciens aliam missam quam pro defunctis, quai
devotissime, cum ab affine episcopo suo fuit beneficiatus, celebravit
unde per eum multe anime fuerunt salvate. postea aliquo tempore
moritur coUator et episcopus sue ecclesie, et dos eius cum villa
funditus fuit exusta. Novo episcopo superveniente et villico aüo
succedente Beatus Borchardus de ignorancia sui officii apud novum
episcopum accusatur, et quomodo ecclesiam possideret citatur et in-
terrogatur. Ille affirmans a mortuo episcopo esse curam, cui novus
episcopus respondit: Si infra quindenam autenticum literarum ves-
tre eure a primo (?) unius testis non adhibueritis, privabo vos be-
neficio et officio. Beatus Borchardus abiit flens et iterum flendo
se super tumulum defuncti episcopi locavit auxilium accusacionis ab
eo petens. Mortuus vero episcopus divina ordinacione illum con-
solatus est dicens: Breviter tuus episcopus consilium generale habe-
bit cum Omnibus suis prelatis et ciericis. Tunc vadas et compare-
as oboedienter, et sequor te. Et secutus est eum sicud cum infula,
sua fuit usque ad kathedralem suam sedem, ubi visus est ab omni^
bus cuni episcopo sedentibus. Qui dum mortuum viderunt, omn«
fugierunt. Quibus precepit sub virtute sancte oboediencie ut reside-
rent et eum in negocio suo audirent. Episcopus vero et alii au-j
dientes obedienciam nominare, se reposuerunt ipsumque audieruntj
Tunc mortuus episcopus affatur episcopo vivo dicens: Ci
sanctum Borchardum beneficio suo et officio privare intendetis]
preferens eis, quod quamdiu ecclesie sue prefuisset omniiun anii
sub sua cura defunctorum essent salvate, et adiecit: si privaveriti^
sanctum Borchardum beneficio et officio, vos privabimus regno
lorum. His dictis mortuus episcopus, dimittens se ab omnibus, re
divit ad sepulchrum. Sanctus Borchardus adhuc stans ante sui
presulem graciam exspectans, cui episcopus: „Borcharde, vis nobi
in omnibus oboedire?" Cui ille: „Volo." „Precipio ergo tibi in vic
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 193
Dieser droht ihn abzusetzen, falls er innerhalb 14 Tagen
kein authentisches Zeugnis dafür schaffen könne, daß er
seine Kirche zu Recht besäße. Burchard entfernt sich
weinend und klagt am Grabe des alten Bischofs diesem
sein Leid. Der Verstorbene ist bereit, ihm zu helfen, er
erscheint mit ihm in einer Versammlung, die der Bischof
mit seinen Prälaten und Klerikern abhält, und befiehlt
ihnen, den heiligen Burchard in seinem Amte zu belassen,
widrigenfalls sie des Himmelreichs verlustig gehen würden.
Dann kehrt der Verstorbene zu seinem Grabe zurück.
Der neue Bischof tritt, erschüttert durch diesen Vorfall,
seine Würde an den Heiligen ab, und man feiert die Be-
gebenheit mit einem Gastmahl. „Daher rührt die Sitte
der Kleriker, jährlich an St. Burchardstag ein Gastmahl
zu halten. Et ex isto miraculo communis septimana
sanctis patribus solempniter pro defunctis in memoria
habeatur. Tandem sanctus Borchardus obdormivit in do-
mino".
Die Identificierung dieses Burchard macht nicht ge-
ringe Schwierigkeiten, vornehmlich aus zwei Gründen.
Einmal läßt sich die Geschichte, wie sie hier erzählt wird,
von keinem der bekannten Heiligen dieses Namens nach-
weisen 1), und sodann fallen die Tage, an denen man die
aancte obediencie, ut capias locum mee dignitatis; et mei miserere."
Et provolutus pedibus eum episcopus cum aliis digne et alta voce
in sede sua collocavit omnibusque grande convivium fecit. Exinde
inolevit mos clericorum omni anno in die Sancti Borchardi habere
convivium. Et ex isto miraculo communis septimana sanctis pa-
tribus solempniter pro defunctis in memoria habeatur. Tandem
sanctus Borchardus obdormivit in domino.
1) Die verschiedenen Heiligen Verzeichnisse führen an: 1. S.
Burchardus, Graf von Melun (Acta SS. BoU. 26. Febr.) 2. S.
Burchardus, Abt von St. Gallen. (Mabillon Acta SS. ord. S.
Benedicti saec. VI, 1. von Mas Latrie im „trfeor de Chronologie"
Paris 1889, S. 694 als S. bezeichnet, während Potthast Bibliotheca
II -, 1227 und Grotefend a. a. O. II, 2, 75 ihn als v. (venerabilis)
bezeichnen). Festtag: 4. März. 3. S. Burchardus, Erzbischof von
294 Studien zur Geschichte des Unterganges
Feste dieser Heiligen gewöhnlich feiert, nicht in die „ge-
meine Woche 1)", Diese Schwierigkeit wird noch dadurch
erhöht, daß weder in der Diöcese Brandenburg noch bei
den Prämonstratensern („Die Bischöfe und Kapitularen des
Hochstifts Brandenburg waren bis zum Jahre 1506 sämt-
lich regulierte Chorherren des Prämonstratenser-Ordens 2)".
Die Handschriften des Hochstifts sind zum Teil in die
Bibliothek der Ritter-Akademie hinübergerettet, und einer
dieser Handschriften entstammt die obige Erzählung) die
Verehrung eines Heiligen Namens Burchard sich nach-
weisen läßt •'^). In Betracht kommt für uns eigentlich
nur Bischof Burchard von Würzburg, da dieser sein Fest
meistenteils am 14. Oktober hat. Wenn nun auch der
vierzehnte Oktober nicht mehr in die „gemeine Woche"
fällt, so erinnern wir uns daran, daß die Feste der Heiligen
örtlich verschieden gefeiert werden. Da nun in der Diö-
cese Lebus, die der Diöcese Brandenburg benachbart ist^),
der Tag des heiligen Burchard am 6. Oktober, also ge-
nau eine Woche nach Michaelis, gefeiert wird, ferner der
Heilige im Lebuser Diöcesankalender als cf. (= confessor)
Vienne. (Acta SS. BoU. 19. Augost, nur Mas Latrie führt ihn
auf, bei Potthast und Grotefend fehlt er.) 4. B. Burchardus, Pres-
byter in der Schweiz. (Acta SS. Boll. 20. August. Mas Latrie
bezeichnet ihn a. a. 0. als pretre et conf. en Suisse. 5. S. Burchar-
dus, Bischof von Worms (Mas Latrie bezeichnet ihn fälschlich als^
S.; nach Grotefend a. a. O. II, 2,75 ist er nie kanonisiert worden.
In den Acta SS. Boll. fehlt seine Vita). 6. S. Burchardus, Bischof
von Würzburg. (Acta SS. Boll. 14. Oktober).
1) Grotefend erklärt a. a. O. I, 72 die „gemeine Woche" als
„meist die volle Woche nach dem Michaelisfeste" (29. Sept.) Der
Halbcrslädter ordo divinus versteht unter der gemeinen Woche die
Woche nach Remigius (1. October), vgl. die Nachweise bei Grote-
fend a. a. O.
2) E. Köpkc, a. a. 0. S. 1.
3) Vgl. die entsi:)rechenden Diöcesan-' und Ordenskalender bei
Grotefend a. a. O. II, 1, 14 ff. II, 2, 48 ff.
4) Spruner-Menke, Handatlas 1880, Karte no. 42.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. X95
auftritt 1), so dürfte, zumal da der heilige Burchard in
der Überschrift unserer Erzählung auch als confessor er-
scheint, die Ableitung der „gemeinen Woche" von dem
heiligen Burchard ein geistiges Produkt der Lebuser Diö-
cese sein.
Wir haben jetzt die Wahl zwischen beiden Erklärungen,
derjenigen Widukinds und derjenigen der Brandenburger
Handschrift, Aber gerade der Umstand, daß beide Erklärungen
rein lokaler Natur sind, führt auf die Vermutung, daß auch
Widukinds Ableitung erfunden ist. Die „gemeine Woche",
die sich in einem großen Teil von Deutschland, und nicht
bloß auf sächsischem Stammesboden nachweisen läßt ^), sollte
ihren Ursprung einem lokalen Ereignis verdanken, mag es
nun die Eroberung von Burg-Scheidungen durch die Sachen
oder die wunderbare Erhebung des heiligen Burchard auf
den Bischofsstuhl sein? Wie sagt doch der Halberstädter
ordo divinus? In illa septimana erunt communes orationes
tam pro vivis quam pro defunctis. Und ähnlich heißt es
in der Brandenburger Handschrift: Et ex isto miraculo
communis septimana sanctis patribus solempniter pro defunctis
in memoria habeatur. Die gemeine Woche ist also eine
Gedächtniswoche für die Toten, sie vertritt die Stelle des
späteren Festes Allerseelen ^), ja, zuweilen werden bestimmte
Tage in ihr als „aller selentag" oder „seledage" bezeichnet,
auch lateinische Bezeichnungen finden sich: com'memoratio
omnium animarum, memoria omnium animarum *). Und hier
drängt sich uns eine neue Frage auf: hängt vielleicht die
gemeine Woche mit dem Feste Allerseelen zusammen, und
inwiefern hängt sie zusammen ?
1) Grotefend, a. a. O. II, 1, 101. II, 2,75.
2) Vgl. die Nachweise bei Grotefend a. a. 0. 1. S. 72 f. er führt
Beispiele an aus: Halberstadt, Duderstadt, Frankfurt a. M., Bremen,
Mecklenburg, Stolberg, Oldenburg, Braunschweig, Verden, Jena,
Niederrhein.
3) „Die Feier des 2. November als Allerseelen-Tag drang in
Norddeutschland erst spät ein". Grotefend a. a. 0. I, 8. 73.
4) Die Nachweise bei Grotefend a. a. O. I, S. 73.
196 Studien zur Geschichte des Unterganges
Nach Widukinds Bericht (er hat im Jahre 967 ge-
schrieben) bleibt es 300 Jahre lang still, in keiner Quelle
finden wir die „gemeine Woche" erwähnt, bis sie 1243
plötzlich in dem sog. scriptum super Apocalypsim auftaucht i).
Urkundlich erscheint sie selbst in jener Zeit noch nicht,
erst vom Jahre 1304 an kommt sie in Diplomen vor, zuerst
(d. h. 1304) auf thüringischem Boden in einer Urkunde
der Herren von Heldrungen ^). Von da ab erscheint sie
öfter und läßt sich bis zum 16. Jahrhundert einschließlich
— das letzte uns bekannte Beispiel stammt aus dem Jahre
1536 und findet sich in den Schmalkaldischen Artikeln
(art. 2 de Missa)^) — nachweisen; im 17. Jahrhundert
scheint sie nicht mehr vorzukommen. Wahrscheinlich wird
sie um diese Zeit durch die Feier des 2. November als
Allerseelentag verdrängt. „Diese drang in Norddeutschland
erst spät ein, die liturgischen Bücher der Diöcesen Verden,
Paderborn, Osnabrück und Minden aus der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts führen dieselbe noch nicht im Kalender
auf*)". Muß es schon eigentümlich berühren, daß wir nach
Widukind fast 300 Jahre lang von der „gemeinen Woche"
nichts hören, so muß es noch mehr überraschen, daß zu
Widukinds Zeiten die Feier eines Gedächtnistages für die
Verstorbenen überhaupt noch nicht^ gesetzlich geregelt war.
Erst Abt Odilo von Cluny (994—1048) hat, angeblich durch
die Vision eines Pilgers bewogen, das Pest Allerseelen
eingeführt.
Man pflegt sich auf eine Stelle Sigeberts von Gembloux ^)
zu stützen, wenn man, wie es gewöhnlich geschieht, die
Einführung des Festes Allerseelen im Jahre 998 stattfinden
läßt, da eben bei diesem Jahre Sigebert die Legende bringt,
im Anschluß an die Thronerhebung Papst Agapits.
1) Vgl. Wattenbach, Geschichtsquellen II'', S. 254.
2) Haltaus, calendariura medii aevi etc. Lipsiae 1729, S. 136.
3) Haltaus a. a. O. S. 136.
4) Grotefend a. a. 0. I, S. 73.
5) M. G. SS. VI, S. 353.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 197
Ernst Sackur hat neuerdings diese Auffassung in ihren
Grundfesten erschüttert i). Er zeigt, daß Sigebert in völlig
unberechtigter Weise zwei Nachrichten, den Bericht über
den sagenhaften Papst mit der Erzählung über die Einführung
des Allerseelentages (Marianus Scotus und die Vita Odilonis
von Jotsald) verbunden hat. Er setzt vermutungsweise
die Einführung des Festes Allerseelen in den Anfang der
dreißiger Jahre des 11. Jahrhunderts, ohne jedoch den Be-
weis hierfür antreten zu können. So viel steht immerhin
fest: unter Abt Odile von Cluny ist die Einführung des
Festes erfolgt, zunächst jedoch nur innerhalb des Cluniacenser-
ordens, erst Papst Leo IX. (1048 — 1054) soll, einer An-
gabe der Vita S. Bertulfi zufolge, den neuen Festtag in
die gesamte Kirche eingeführt haben 2).
Aber nun wird die Stelle Widukinds noch unverständlicher.
Wer sind denn diese „religiosi viri", durch deren sanctio
„diese Tage des Irrtums verwandelt sind in Fasten und
Gebetstage und in Opfergaben für alle Christen, die vor
uns gelebt haben" ? Widukind spricht davon, wie von etwas
ganz Bekanntem, wir aber jSnden in der gesamten Litteratur
des Mittelalters vor 1243 keinen weiteren Beleg für seine
Angaben. Man kommt unwillkürlich auf den Verdacht, daß
die Stelle erst später eingeschoben sei, aber diesen Verdacht
müssen wir in etwas gleich einschränken.
Abgesehen von der ersten Ausgabe Widukinds, die 1532
von Martin Frecht nach einem jetzt verlorenen Ebersbacher
Kodex veröffentlicht ward, ist uns das Geschichtswerk des
Korveyer Mönches in drei Handschriften überliefert 3).
Alle drei gehören dem 12. Jahrhundert an, die eine vielleicht
sogar schon dem ausgehenden 11. Jahrhundert, alle drei
bringen jenen in Frage stehenden Satz, also muß jene Er-
wähnung der gemeinen Woche sicherlich dem 11. Jahrhundert
1) E. Sackur, Die Cluniacenser, 1894, II, S. 475 ff.
2) E. Sackur a. a. O. II, S. 231.
3) Vgl. hierzu und zum Folgenden die Separatauegabe Widu-
kinds von Waitz, 1882, S. XII f.
XXII. 14
198 Studien zur Geschichte des Unterganges
angehören, vielleicht hat sie gar schon als Randglosse im
Archetypus gestanden. .Daß wir es hier mit einer Rand-
glosse zu tun haben, ergibt sich mit ^hoher Wahrschein-
lichkeit aus dem folgenden: His itaqde omnibus peractis
reversi sunt ad Thiadricum in castra, wo das Subjekt aus
der Erzählung der Sachsenfeier (sc. Saxones) ergänzt werden
muß. Am wahrscheinlichsten bleibt es immer, daß diese
Glosse bereits im Archetypus gestanden hat, denn die drei
Handschriften, die uns vorliegen, sind völlig unabhängig
von einander und geben doch alle drei das Datum und
den Erläuterungssatz an.
Wie schade, daß wir nicht jene Notiz Sigeberts ver-
werten dürfen! Möglich, daß der Schreiber der Glosse —
daß es Widukind selbst ist, ist nach dem Stil sehr wahr-
scheinlich — tatsächlich die Einführung des Festes Aller-
seelen im Auge gehabt hat, daß mit den religiös! viri die
Cluniacenser gemeint sind. In diesem Falle müßte Widu-
kind — immer unter der Voraussetzung, daß Sigebert die
richtige Jahreszahl hat — noch nach dem Jahre 998 gelebt
haben. Aber mit dem Nachweis, daß Sigeberts Verfahren
ungerechtfertigt ist, müssen wir uns aller Kombinationen
enthalten.
Und vielleicht läßt sich doch etwas gegen den Zusammen-
hang der „gemeinen Woche" mit dem Feste Allerseelen
geltend machen, der Umstand nämlich, daß in manchen
Diöcesen mehrere Gedenktage für die Verstorbenen im Jahre
stattzufinden pflegten. Nur eine einzige Urkunde ist es,
die hierüber Aufschluß erteilt. In einer Verordnung des
Willehadkapitels zu Bremen über die Verteilung der an
gewissen Tagen bei den Altären dargebrachten frommen
Gaben und über die Feier der Leichenbegängnisse — diö
Urkunde stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 1308 —
heißt es ^) : Sed sacerdos cuius est prior missa in die nativi-^
tatis domini, habebit de oblationibus huiusmodi dimidium
1) Bremer Ürkundenbuch II, 91, S. 97.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 199
fertonem, in pasche XV solidos, in die pentecostes unum
lotonem, in tribus autem diebus animarum ebdo-
medarius recipiat oblationes prioris misse. Und weiter : Nota
quod constitutum est a canonicis ecclesiae beati Willehadi,
quod in octava pentecostes dictis vesperis maiores vigilie
sollempniter dicantur pro animabus fidelium defunctorum
et simile debet fieri post festum beati Micha-
elis in septimana beati Dyonisii martiris,quan-
do agitur memoria fidelium defunctorum.
Wir sehen, es wird nicht nur einmal im Jahre für die
Seelen der Verstorbenen von der Kirche gebetet.
Die Bestimmung, die memoria defunctorum falle post
festum beati Michaelis in septimana beati Dionysii martiris,
paßt, wenigstens auf das Jahr 1308, dem die Urkuüde
wahrscheinlich angehört, vortrefflich. Die „gemeine Woche"
ist doch, wie wir gesehen haben, die volle Woche nach
Remigius^); da der 1. Oktober 1308 aber ein Dienstag war,
so muß die „gemeine Woche" in diesem Jahre von Sonntag
den 6. Oktober bis Sonnabend den 12. Oktober gereicht
haben.
Das Fest des heiligen Dionysius fftUt aber auf den
9. Oktober. Man wird zur näheren Fixierung der „gemeinen
Woche" diesen Tag gewählt haben, weil Dionysius der
bekannteste der Heiligen war, die in der Zeit vom 6. bis
12, Oktober ihr Fest haben. Zugleich geht aber aus dieser
Tatsache, daß man zur Fixierung einen Tag wählte, der
nicht unter allen Umständen in die „gemeine Woche" fiel,
hervor, daß dieser Erlaß nur für das betreffende Jahr be«
stimmt sein konnte.
Wir kehren zu Widukind zurück. Wir haben gesehen,
daß die Notiz über die „gemeine Woche" wahrscheinlich
eine Glosse ist, die vielleicht schon von Widukind selbst
geschrieben, jedenfalls im 11. Jahrhundert bereits vorhanden
war. Aber die Frage, von der wir ausgingen, haben wir
1) vergl. oben S. 194, n. 1.
14*
200 Studien zur Geschichte des Unterganges
noch nicht beantwortet: ist die Ableitung der „gemeinen
Woche" von der Eroberung Burg-Scheidungens richtig?
Ein naheliegender Gedanke ist, daß ursprünglich in
heidnischer Zeit um den 1. Oktober herum ein Götterfest
gefeiert wurde, das die katholische Kirche später in ein
christliches Fest umwandelte. Schon Widukind deutet das
an 1), wenn er sagt: (Saxones) secundum errorem paternum
Sacra sua propria veneratione venerati sunt ; nomine Martern,
effigie columpnarum imitantes Herculem, loco Solem, quem
Graeci appellant Apollinem. Ex hoc apparet aestimationem
illorum utcumque probabilem, qui Saxones originem duxisse
putant de Graecis, quia Hirmin vel Hermis Graece Mars
dicitur.
Daß hier Ares und Hermes verwechselt sind, darüber
besteht kein Zweifel. Wir sehen aber: die Sachsen ver-
ehren zur Feier ihres Sieges ihr Heiligtum, das „dem Namen
nach den Mars vorstellt", — eine Feier zu Ehren ihres
Kriegsgottes. „Das Fest fand dem Irmin zu Ehren statt,
der durch seinen Namen an Hermes-Mars erinnert ^j". Das
Fest ist dreitägig, acta sunt autem haec omnia, ut maiorum
memoria prodit, die Kalendis Octobris, also muß es entweder
am 29. September, 30. September oder 1. Oktober begonnen
haben.
Zum Vergleich ziehen wir eine Parallelüberlieferung
heran. Wahrscheinlich unter den Karolingern oder Ottonen ^)
ist das sog. excerptum ex Gallica historia entstanden, das
man früher wohl auf Caesar oder Velleius Paterculus
zurückführte *).
1) Separatausgabe 1882, S. 12 f. (c. 12).
2) K. Koppmann, „Irmin und St. Michael" im Jahrbuch des
Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung II, 1876, S. il4. Ich
folge im weiteren den Ausfühnmgen Koppmann's, ergänze sie aber
teilweise.
3) M. G. SS. XXIII, S. 387.
4) So Wolfg. Lazius, Commentariorum reipublicae Romanac
libri duodecim. Basileae (1551), S. 85.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 201
Es erzählt von einem Sieg der Schwaben über die
Römer bei Augsburg ^) : Germanorum gentes, qui Retias
occupaverant, non longe ab Alpibus , ubi duo
rapidissimi amnes inter se confluunt, in ipsis Noricis finibus
civitatem non quidem muro, set vallo fossaque cinxerant,
quam appellabant Cizarim, ex nomine deae Cizae, quam
religiosissime colebant Hanc urbem (Augsburg
ist gemeint) Titus Annius praetor ad arcendas barbarorum
excursiones Kalendis Sextilibus exercitu circumvenit.
Die Belagerungsmaßregeln werden geschildert, dann heißt
es weiter : Igitur quinquagesimo nono die, quam eo
ventum est, cum is dies deae Cizae apud barbaros (sc. Suevos)
celeberrimus ludum et lasciviam magis quam formidinem
üstentaret, immanis barbarorum (sc. Suevorum) multitüdo
e proximis silvis repente erumpens ex improviso castra irrupit,
equitatum omnem et, quod miserius erat auxilia sociorum
delevit Oppidani vero non minori fortuna, set maiori
virtute praetorem in auxilium sociis properantem adoriuntur,
Romani haud segniter resistunt Et inclinata iam res
oppidanorum esset, ni maturassent auxilium ferro socii, in altera
ripa iam victoria potiti. Denique coadunatis viribus castro
irrumpunt, praetorem, qui paulo altiorem tumulum frustra
ceperat, Romana vi resistentem obtruncant, legionem divinam,
ut ne nuntius cladis superesset, funditus delent.
Otto von Freising nennt diesen Hügel, der später die
Gebeine der Erschlagenen deckte, perleich 2). Im Ja?hre 1064
sind, wie Grimm angiebt 3), Stift und Kirche St. Peter auf
dieser Anhöhe gegründet worden. „Auf dem Perlachturm war
ein Bild des heiligen Michael angebracht, das am Michaelis-
feste bei jedem Glockenschlage zum Vorschein kam" *).
Jene Augsburger Tradition berichtet nun doch, daß am
Tage der Göttin Cisa, der der 29. September gewesen sein
1) M. G. SS. XXIII, .s. 388.
2) Ottonis Fris. chronicon, III, 3. (M. G. SS. XX, 8. 173.)
3) J. Grimm, Mythologie, S. 274«.
4) Grimm, Mythologie, S. 274 S n. 3.
202 Studien zur Geschichte des Unterganges
muß — denn der 59. Tag nach den Kaienden des August
ist der 29. September — , ein Siegesfest gefeiert wurde zur
Erinnerung an einen errungenen Sieg. ^
Wenn nun auch, wie Bachlechner gezeigt hat^), der
Name der Göttin Cisa wahrscheinlich auf ein Mißverständnis
zurückgeht, so bleibt doch die Tatsache des Siegesfestes
bestehen. „Beide Erzählungen (sc. Widukind und die
Augsburger Tradition) gehören offenbar zusammen, be-
glaubigen und erläutern einander" ^). Am 29. September
wird bei den Sachsen und Schwaben ein Siegesfest gefeiert,
sollte es sich nicht vielleicht um ein gemeingermanisches
Fest zu Ehren des Kriegsgottes (Ziu oder Irmin) handeln?
Erwägen wir, daß erst 813 auf dem Konzil zu Mainz der
29. September als Tag des heiligen Michael in die deutsche
Kirche eingeführt wurde ^) erwägen wir ferner, daß St. Michael,
„der Erzengel, bei dem der Sieg ist", im Muspilli dem
Antichrist das Haupt spaltet, der in den Ungarnschlachten
von 933 und 955 den Sachsen voranzieht*), so wird es in
der Tat klar — wir wissen ja, daß die katholische Kirche
mit Vorliebe ihre großen Feste auf heidnische Festtage
verlegt hat — , daß am 29. September das Fest des ger-
manischen Kriegsgottes war. Ein dreitägiges Fest, das mit
diesem Tage beginnt, mußte also mit dem 1. Oktober schließen.
„Acta sunt autem haec omnia, ut maiorum memoria prodit,
die Kaien dis 0 ctobris."
Verstehen wir jetzt den Sinn dieses Satzes? Was
ist natürlicher, als an das Fest des Krieggottes, das man
feiert, die Erinnerung an gewonnene Siege anzuknüpfen.
1) Haupt's Zeitschrift für deutsches Altertum VIII, S. 587.
2) Koppmann a. a, O, S. 115.
3) Die Aachener Synode von 809 führt in ihrer Aufzählung
der Feste das des heiligen Michael noch nicht auf. Zuerst erscheint
es in den Akten der Mainzer Synode von 813, vgl. Mansi sacrorum
conciliorum collectio XIV, S. 73, can. 36 und H. Kellner, Heortologie,
1901, S. 15.
4) Koppmann a. a. O. S. 115.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 203
Und dazu kommt noch eins. Koppmann hat in schöner
"Weise darauf hingewiesen i). „Mit dem Siegesfeste zu Ehren
Irmins war eine Totenfeier für die Verstorbenen verbunden.
St. Michael heißt praepositus paradisi *) et princeps
animarum, er gilt als Empfänger und Wäger der Seelen."
So konnte sich am Michaelistage eine Totenfeier ausbilden,
in der man den Heiligen nicht als den siegbringenden Erz-
engel, sondern als den praepositus paradisi verehrte.
Warum später allerdings diese Totenfeier in der Form
einer Woche erscheint, ist uns völlig verborgen; vielleicht
ist schon früh das Fest des heiligen Michael mit einer
Oktave versehen worden, und dies der Ursprung der
„gemeinen Woche" ^). Die Umwandlung muß ins 11., 12.
oder 13. Jahrhundert fallen, denn Widukind erwähnt die
„gemeine Woche" noch nicht; bei ihm sind es nur die
dies erroris, die „durch die Heiligung frommer Männer",
vielleicht das Konzil von 813, verwandelt sind in Fasten
und Gebetstage.
Es ist ein Akt der großartigsten Volksdankbarkeit,
wenn das Volk, und mit ihm Widukind, die „gemeine
Woche" an die Einnahme Burg Scheidungens durch die
Sachsen knüpft. In der Tat, was konnte verlockender sein,
als die Feier der Woche, in der man Gebete für die Ver-
storbenen zum Himmel sandte, an ein Ereignis anzuknüpfen,
durch das 6000 Sachsen ihr Streben, ihrem Volk neues
Land zu gewinnen, mit ihrem Blut bezahlt hatten-.*), eiHe
1) Koppmann a. a. O. S. 115.
2) Vgl. den codex tradit. Wessofont. in den Monumenta Boica
VIII, S. 371.
3) Heute wird die Oktave des Michaelisfestes überall begangen,
und zwar am 6. Oktober. Vgl. Grotefend, Zeitrechnung II, 2, S. 143.
Die oben gegebene Erklärung hat den Fehler, daß die Definition der
„gemeinen Woche", wie sie der Halberstädter ordo divinus gibt, sich
mit ihr nicht in Einklang bringen läßt. Ob die Halberstädter De-
finition erst das Produkt einer späteren Entwickelung ist?
4) Widukind I, 9, de Saxonibus vero numerati sunt sex mlli»
caesa.
204 Studien zur Geschichte des Unterganges
Tat zudem, durch die die Sachsen sich zum ersten Male
den Pranken überlegen gezeigt hatten. Und gerade bei
einem Schriftsteller, wie Widukind, der durch und durch
Sachse ist, mußte sich eine derartige Kombination am
ehesten finden.
Und nun fragen wir nochmals: ist die Hypothese Größ-
lers, daß der Thüringerkrieg den ganzen Sommer gedauert
habe, da die Franken bereits im Frühjahr auszurücken
pflegten i), und die Eroberung der Burg erst am 1. Oktober
vor sich ging, berechtigt? Wir können diese Frage nur
verneinen, da wir eben gesehen haben, auf welchen Grund-
lagen diese Kombination beruht. Über die Dauer des
Krieges gewährt uns die Stelle Widukinds durchaus keinen
Aufschluß.
Als Resultat dieses Abschnittes dürfen wir aussprechen :
Bei einer eingehenden Prüfung der sächsischen Quellen
stellt sich heraus, daß sie historisch durchaus unglaub-
würdig sind. Einige Tatsachen mögen vielleicht wahr
sein, die Methode zeigt uns aber keinen Weg zu ihnen zu
gelangen. Daher dürfen diese Quellen für eine Darstellung
des Thüringerkrieges von 531 unter keinen Umständen
verwendet werden. Der Grund dazu liegt in nicht weg-
zuschaffenden inneren Widersprüchen. Auch das Datum
der Einnahme ßurg-Scheidungens ist nicht historisch.
Von diesem Verdikt nicht berührt bleiben vorläufig
nur die Schlachtorte.
Fast scheint es, als ob wir gezwungen sind, auch die
Sachsenhilfe zu leugnen, aber diese ist, wie wir versuchen
werden zu zeigen, wirklich historisch; mit der Erörterung
dieser Frage verlassen wir das Gebiet der Sage und treten
in das der Geschichte ein.
1) Es ist kein Grund vorhanden anzunehmen, daß die Franken
gerade in diesem Jahre von ihrer Gewohnheit abgewichen seien. Gre-
gor sagt zwar nichts über den Zeitpunkt ihres Ausrückens, indes
spricht dieser Umstand gerade zu unsern Gunsten, da er eine Ab-
weichung von der Regel wohl verzeichnet haben würde.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 205
Teil OL Kritik der historischen Probleme.
Außerordentlich dürftig ist, was uns übrig bleibt. Nie
wird es gelingen, jene furchtbare Katastrophe im Einzelnen
aufzuhellen, nur die Umrisse der Ereignisse festzustellen,
kann unsere Aufgabe sein.
An Quellen bleiben uns nur die fränkischen Autoren
nebst Prokop und Rudolf von Fulda.
Rudolfs translatio S. Alexandri ist zwischen 851 und
865 1), also rund 100 Jahre vor Widukind geschrieben.
Sagenbildung ist auch bei ihm nicht zu verkennen, aber die
Ausgestaltung, die die Sage durch unser Lied erhalten hat,
ist ihm noch völlig fremd. Trotzdem wird man gut tun,
ihm nicht zu viel Glauben zu schenken, denn die Elemente
der Sage sind ihm auch vertraut. Irminfried ist der
Schwager Theuderichs, er ist dux Thuringorum, wodurch
natürlich das Abhängigkeitsverhältnis des Thüringerkönigs
von den Franken angedeutet werden soll. Vor allem aber
berichtet auch er die Hilfe der Saohsen, ihr „Herzog" heißt
hier Hadugoto, bei Widukind Hathagat ^).
Kann es als historisch richtig betrachtet werden, daß
die Sachsen den Franken zu Hilfe gekommen sind? Zweifel
hat, soweit wir sehen, niemand ausgesprochen. Nach Lorenz ^)
geht die Mithilfe der Sachsen „sicherlich auf historischen
Kern zurück. Liefert ihm (sc. Widukind) auch die Volks-
überlieferung den Stoff zur Darstellung des Gegenstandes,
so ist auch zu berücksichtigen, wie fest sich dieselbe an
historische Vorgänge und namentlich an ein so wichtiges
Ereignis, wie den Feldzug von 531 klammert."
Könnecke ^) hält es für klar, daß die Sachsenhilfe „von
den sächsischen Geschichtsschreibern nicht aus der Luft
gegriffen sein kann", und Größler 5) weist sogar seinen Vor-
1) Wattenbach, Geschichtsquellen I«, 238 f.
2) Bei Widukind ist Hathagat nur veteranus miles.
3) Lorenz, a. a. O. S. 374.
4) Koennecke, a. a. 0. S. 26.
5) Größler, a. a. O. S. 18 f.
206 Studien zur Geschichte des Unterganges
ganger Lorenz scharf zurecht, weil dieser „das Maß und
die Bedeutung der Sachsenhilfe in die gebührenden Schran-
ken weisen" will ^). Die Gründe von >Lorenz und Kön-
necke erledigen sich aber durch den Hinweis, daß wir ebenso,
falls uns die fränkischen Quellen hier im Stich ließen, Ir-
minfried für einen Schwager Theuderichs halten müßten.
„Wie fest klammert" sich nicht diese „Tatsache" an
historische Vorgänge an, der ganze Krieg entspringt ja,
nach den sächsischen Quellen, aus ihr. „Daß sie nicht
aus der Luft gegriffen sein kann, ist klar."
Sehr viel schwerwiegender ist der Einwand Größler's 2) :
„Was soll es da heißen, wenn Lorenz meint, die Bedeutung
und das Maß der Sachsenhilfe müsse in die gebührenden
Schranken, gewiesen werden? Kann etwa die Tatsache
umgestoßen werden, daß seit dem Sturze des thüringischen
Königreichs durch die Tranken das ganze Nordthüringer
Land Sachsenboden geworden und seitdem geblieben ist,
jene Tatsache die den Anstoß dazu gab, daß der Sachsen-
name erst auf die heutige Provinz Sachsen, dann auf das
Kurfürstentum und Königreich und die thüringischen Her-
zogtümer sich verbreitet hat ? Das Vordringen des Sachsen-
namens zunächst bis an die Unstrut, die Helme und den
Sachsgraben wäre ganz unbegreiflich, wenn die Sachsen
keine entscheidende Rolle in dem thüringischen Trauer-
spiel gespielt und die Frankenkönige nicht zur Anerkennung
ihrer Ansprüche genötigt hätten."
Gegen den Schlußsatz dieses Beweises wird man viel-
leicht Widerspruch erheben, gegen die Anfangssätze kaum.
Sind diese aber wirklich in ihrer Allgemeinheit richtig?
Woher weiß Größler, daß „seit dem Sturze des thüringischen
Königreichs durch die Franken" das ganze Nordthüringer
Land Sachsenboden geworden ist? Direkte Belege aller-
1) Lorenz, a. a. O. S. 374.
2) Größler, a. a. O. S. 18 f.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 207
dings finden sich nicht, wohl giebt es aber Stellen,- aus
denen sich die angedeutete Tatsache erschließen läßt.
Im Jahre 568 ziehen 26000 Sachsen mit Alboin und
seinen Langobarden nach Italien ^) ; in den von ihnen ver-
lassenen Gegenden siedelt der Merowinger Sigebert „Suavos
et alias gentea" an. Später kehren die Sachsen zurück und
kämpfen mit den Schwaben um ihr früheres Land, in diesen
Kämpfen kommen die meisten Sachsen um, der Rest steht
vom Kriege ab.
Jede Gaukarte des Mittelalters 2) zeigt nördlich von
der Unstrut vier Gaue, die ihren Namen augenscheinlich
von Volksnamen hergeleitet haben. Es sind dies (von Sü-
den nach Norden gerechnet): Der pagus Hassegowe mit
dem pagus Frisoneveld, der pagus Suevon und der pagus
Nortthuringia. Hält man dazu die Nachricht der Ann.
Quedlinburg. 3), daß Theuderich den Sachsen alles Land der
Thüringer bis zum Zusammenfluß der Saale und Unstrut
versprochen und ihnen später wirklich alles Land im Norden
des Harzes gegeben habe, so wird es allerdings sehr wahr-
scheinlich, daß die Sachsen bereits in sehr früher Zeit,
jedenfalls vor dem Jahre 568, bis an die Unstrut gesessen
haben.
Vielleicht aber läßt sich ein noch früheres Datum er-
mitteln.
^ Nach der Eroberung von Burg- Scheidungen verschwinden
die Sachsen zunächst völlig aus unserer Ueber lieferung.
Erst in den Jahren 555 und 556 erscheinen sie wieder in
1) Vgl. zu dem Folgenden: Gregor v. Tours IV, 42; V, 15;
Fredegar, III, 68. 76. Paulus Diaconus II, 6; III, 7 (SS. rerum
Langob, et Ital.). Vgl. auch Ann. Mett. a. 748 (M. G. SS. I, 330):
fines Saxonum, quos Nordosquavos vocant.
2) Spruner-Menke, 1880, Karte no. 33.
3) Ann. Quedlinb. (M. G. SS. III, 31.) Ob die betreffende
Stelle der Annalen ursprünglich zum Lied gehört hat oder nicht,
tut nichts zur Sache.
208 Studien zur Geschichte des Unterganges
den Quellen, gleichzeitig bei Gregor v. Tours i) und bei
Marius V. Avenches 2).
Gregor berichtet (IV, 10) : Eo anno \555) rebellantibus
Saxonibus Chlotacharius rex, commoto contra eos exercitu,
maximam eorum partem delevit, pervagans totam Thoringiam
ac devastans, pro eo quod Saxonibus solatium praebuisset :
Marius ergänzt diesen Bericht: a. 555. 1. Hoc anno
Theudobaldus rex Francorum obiit et obtinuit regnum eius
Chlotacarius patruus patris eius .... 3. Eo anno Saxones
rebellantibus Chlotacharius rex cum gravi exercitu contra
ipsos dimicavit, ubi multitudo Francorum et Saxonum ceci-
derunt, Chlotacharius tarnen rex victor abscessit. Und a. 556. 1.
Eo anno iterum rebellantibus Saxones Chlotacarius rex
pugnam debit ibique maxima pars Saxonum cecidit. 2. Eo
anno Franci totam Toringiam pro eo quod cum Saxonibus
coniuravit vastaverunt.
Man beachte, daß bereits in diesem Jahre die Kriege
der Sachsen gegen die Franken unter dem Gesichtspunkt
einer Empörung aufgefaßt werden. Welchen ßechtsgrund
die Franken dazu haben, erfahren wir auch von Gregor,
vier Capitel später (IV. 14) 3) : Igitur Chlotacharius post
mortem Theodovaldi cum regno Franciae suscepisset atque
eum circuiret, audivit a suis in iterata insania eiferviscere
Saxonis sibique esse rebelles, et quod tributa, quae annis
singulis consueverant ministrare, contempnerent reddere*
His incitatus verbis, ad eos dirigit. Cumque iam prope
terminum illorum esset, Saxones ad eum legatus mittunt,
dicentes : „Non enim sumus contemptores tui, et ea quae
fratribus ac neputibus tuis reddere consuevimus non nega-
mus, et maiora adhuc, si quaesieris, reddimus. TJnum tamen
exposcimus, ut sit pax, ne tuus exercitus et noster populus
conlidatur".
1) M. G. SS. rerum Merov. I, 147.
2) M. G. Auct. antiqu. XI, 236 f.
3) M. G. SS. rerum Merov. I, 151.
\
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 209
Wir sehen : Schon die Erhebung des vorhergehenden
Jahres (unsere Erzählung fällt in das Jahr 656) wird des-
halb als Empörung aufgefaßt, weil die Sachsen gewöhnt
sind, jährlich Tribut zu zahlen. Wer sind aber die „Brüder
und Neffen", denen sie ursprünglich den Tribut zu zahlen
pflegten ?
Chlotar hatte drei Brüder: Chlodomer, der über Aqui-
tanien herrschte und bereits 524 starb, und Childebert, der
zu Paris seinen Sitz hatte, können nicht in Betracht kommen;
so bleibt Theuderich übrig. Dieser, der in Austrasien
herrschte, kann allein gemeint sein. Daraus folgt aber un-
mittelbar, daß bereits vor dem Jahre 534, dem Todesjahre
Theuderichs, die Sachsen in einer Art Abhängigkeitsverhältnis
von den Franken gestanden haben i).
Und nun wird in der Tat die Sachsenhilfe höchst
wahrscheinlich. Wir werden uns die Sache so zu denken
haben, daß die Sachsen für das ihnen von Theuderich über-
lassene Land einen Tribut bezahlen, der vielleicht aus
500 Kühen bestanden hat ^) und der ihnen dann von Dago-
bert erlassen wurde (632 oder 33).
Diese ganze Beweisführung beruht auf der Voraus-
setzung, daß zum mindesten jene vier Gaue, von denen oben
1) Die „Neffen" sind natürlich Theuderichs Sohn und Enkel,
Theudebert und Theudebald.
2) Vergl. Fredegar IV, 74. Es muß höchst auffallend erscheinen,
daß die neueren Forscher nicht das geringste von diesem Tribut
der Sachsen unter Theuderich wissen, obwohl schon bei Wenck
Hessische Landesgeschichte 1789, II, S. 198, das Richtige steht, frei-
lich ohne Quellenangabe. Lorenz, a. a. O. S. 402 ist hier-in einen
merkwürdigen Irrtum verfallen ; er verwechselt den Schweinezins, den
die Thüringer zu zahlen haben, mit diesem lYibut der Sachsen.
Dieser Schweinezins der Thüringer, wie er uns aus den Ann.
Quedlinb. und Thietmar von Merseburg (V, 9) bekannt ist, wird wohl
nur auf die Thüringer gehen, die, zwischen Harz und Thüringer
Wald sitzend, direkt unter fränkische Oberhoheit kommen; die nörd-
lich von der Unstrut wohnenden Thüringer mußten Tribut an die
Sachsen zahlen (Widukind 1, 14: Saxones .... reüquias pulsaegentifl
tributis condempnavenmt).
210 Studien zur Geschichte des Unterganges
die Rede war, einst noch zum thüringischen Gebiet gehört
haben. Wer bürgt uns aber dafür, daß sich das Thüringer-
reich soweit nach Norden erstreckt hatv?
V. Wersebe i) ist, soweit wir sehen, der erste gewesen,
der die bis dahin übliche Auffassung, daß der pagus Nort-
thuringia seinen Namen von der einstigen Zugehörigkeit
zum thüringischen Königreich erhalten habe, angegriffen
hat. Was er vorbringt, klingt nicht unwahrscheinlich. Wie
der pagus Suevon seinen Namen von den Schwaben hat, die
dort von Sigebert angesiedelt werden, der pagus Hassegowe
von hessischen, der pagus Frisoneveld von friesischen Kolo-
nisten, so läßt sich „dieser Name (sc. Nortthuringia) weit
natürlicher von einer dahin verpflanzten Kolonie südlicher
Thüringer, die bei dem sächsischen Heere gegen den König
Sigebert mit gefochten, als davon, daß diese entfernte
Gegend einen Teil des alten thüringischen Königreichs
ausgemacht, ableiten" 2). Wir werden uns bei der Bedeutung
v. Wersebe's nicht der Pflicht entziehen können, unsei-e
abweichende Anschauung durch Gegenbeweise zu stützen.
Nur ein Gelehrter hat bis jetzt versucht, die Ansicht
V. Wersebe's zu widerlegen, der Meister mittelalterlicher
Gauforschung, Leopold v, Ledebur^). Leider muß diese
Widerlegung in der Hauptsache als total mißlungen bezeichnet
werden, wenn ihn allerdings auch nur teilweise die Schuld
daran trifft.
Auf einer Wundererzählung der Vita S. Emmeramx
1) V. Wersebe, Über die Verteilung Thüringens zwischen den
alten Sachsen und Franken. Hamburg 1834, S. 13 ff. Ferner : v. Wer-
sebe, Beschreibung der Gaue zwischen Elbe, Saale und Unstrut, Weser
und Werra etc. Hannover 1829, S. 109. Ihm folgt: Bolze, Die
Sachsen vor Karl dem Großen (Jahresbericht der Luisenstädtischen
Realschule Berlin 1861), S. 10. 18.
2) V. Wersebe, Beschreibung etc. S. 109.
3) L. V. Ledebur, Nordthüringen und die Hermunduren oder
Thüringer, 1842. Neudruck: Berlin 1852. Vgl. über ihn das Vor-
wort zu Bottger's Diöcesan und Gau-Grenzen Norddeutschlands 1875,
I, S. VIII ff.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 631 n. Chr. 21 1
von Arbeo i) baut sich der erste Beweis v. Ledeburs auf.
Er giebt zunächst den Inhalt der Erzählung wieder.
1) Die Ausgabe der Acta SS. Boll. tom. VI, Sept. 22 ist ver-
altet, neue Ausgabe (v. Sepp) in den Analecta Boliandiana, Band VIII,
(1889), S. 211 ff. Hier ist auch die Schreibweise Arbeo, (früher
Aribo) eingeführt. Die Vita ist geschrieben von Arbeo, Bischof
V. Freising, zwischen 770 und 772 (a. a. O. S. 217 f.). Die in Be-
tracht kommende Erzählung findet sich im Cap. IV, Absatz 39,
(a. a. O. S. 249 ff.): Unde silentio praetereundura non est, quod a
quodara religioso et prudenti viro me contigit audisse; aiebat enim,
quia quadara die ad beati martyris ecclesiam pro suis delictis rainu-
endis accedere voluiaset. Sed contigit ei, dum solus iter carperet
et venisset in solitudinem quandam, quae locutione vulgari feroni-
faidus appellatur, in latrones incidisse, .... extra terminum genti
francorum venundant. Quidam vero, qui eum exinde redimerat,
genti duringorum partibus aquilonis tradidit in confinio parahtano-
rum gentis, quae ignorat deum. Curaque se praedictus senex gentili-
um idolorumque cultoribus proximum cemeret, coepit viribus, ut
potuit, domino suo temporali tam presenti, quam absenti, dignimi
omnino praebere famulatum. Erat enim operandi peritia instructu»,
ita ut molendinam domino suo perfecisset edificiorumque miro modo
conpositiones, [40] et ob hoc in conspectu eius gratiam invenit. Cum-
que hoc contiuuo per triennium, prout poterat, ex pura voluntate
ministraret et tamen a dei cultura et oratione minime receesisset,
accidit, ut quidam de conservis eius moreretur. Qui relicta vidua
iuvencula secundum huius carnis putredinem speciosa sine procrea-
tione filiorum, quam temporalis dominus huic seni in matrimonium
volebat sociare, ut domo et omnibus defuncti substantiis frueretur.
Sed senex idem obtemperare huic facto nolens respondit dicens : Uxo-
rem in cognatione mea reliqui, cum pro innumeris meis captivitati
huic traderer peccatis et eo modo his locis devenirem. Nunc igitor
ea vivente quomodo aliam in matrimonium ducam? Unde dominus
eius asperrimis serraonibus adiunxit dicens : Haec mihi facit dominoi
et addat, nisi illam in matrimonio snmpscris, genti te saxonum
trad am , quae tot idolorum cultibus dedita est, quia novi et didici ex-
perimento, si accipere mulierem hie rennueris, nuUo modo te mecum
velle commorari, sed magis fugere, ut de pretio tuo remaneam omni
modo fraudatus.
Im Weiteren ist der lateinische Text zur Vergleichung nicht
wesentlich, nur der Schluß mag hier noch Platz finden : [44] Perao-
tis itaque continuis diebus in profectione quindecim tanta prosperitate
ac securitate supernus iudex eum reduxit ex itinere fatigatum, ita
212 Studien zur Geschichte des Unterganges
„Ein frommer und verständiger Mann erzählte mir, so
hebt Aribo an, er sei in einer Wildnis, die den Namen
Feronifaidus führe (oder wie der spätere Bearbeiter Me-
ginfried i) sagt, Verroniwaida, was er in longinqua pascua
überträgt und für den Wald von Langwaid gehalten wird),
von Eäubern überfallen, außer Landes geführt und dem Volke
der Franken verkauft worden. Diese letztern nennt Me-
ginfried bestimmter Ostfranken, worunter also zunächst die
Pranken des Würzburgischen Sprengeis zu verstehen sind.
Einer aus diesem Volke nun verkaufte ihn wieder, wie
Aribo sagt, an jemand in den nördlichen Teilen des Volkes
der Thüringer 2) an der Grenze des Volkes der Porahtanen,
die Gott nicht kennen ! oder, wie Meginfried sich ausdrückt ^),
an einen Thüringer an den Grenzen der Parathanen, die zu
jener Zeit grausame Heiden waren. So in der Nähe von
Heiden und Götzendienern, fährt Aribo fort, bemühte sich
ut in tertia hora quintae decime diei staret in monte contra radas^
ponam inter danubii et imbris fluenta iuxta plantationem vinearum.
Et ex eodem iugo montis urbem avidam videns beati etiam
dei martyris ecclesiam contemplans magnas et immensas domino
gratias referebat et demum ita descendens venit ad portum.
1) An dieser Stelle müssen noch einige Bemerkungen über den
Text eingeschaltet werden. Der in den Analecta Boll. jetzt gebotene
und hier wiedergegebene Text ist weit älter als der Text der Acta
SS. Boll. Nach Sepps Ansicht sind die drei Handschriften, die er
zur Rekonstruktion des Textes benutzt und die der ältere Heraus-
geber noch nicht gekannt hat, direkt aus dem Archetypus geflossen'
(Anal. Boll. VIII, S. 213). Außerdem gibt es aber noch eine Über-
arbeitung der Vita, von dem Magdeburger Probst (Potthast Biblio-
theca etc. II, 1289) Meginfried im Jahre 1030 verfaßt, und die Mono-
graphie Arnold's v. Vochburg über die Wunder des heiligen Emmeram.
2) Quidam ex his, qui eum pretio redemerat, in partibus Aqui-
lonis Thuringorum gentis cuidam venundavit in coniacenti confinio
Porahtanorum gentis, quae ignorat Deum (so die Acta SS. Boll.)
3) V. Ledebur ist noch der Ansicht, daß sowohl die spätere
Überarbeitung der Vita als auch die Schrift de miraculis S. Emmerami
auf Meginfried zurückgehen, während die letztere doch von Arnold
V. Vochburg verfaßt ist (Anal. Boll. VIII, S. 214). Die unter Megin-
fried citierten Stellen finden sich alle bei Arnold (M. G. SS. IV, 550).
des alten Thüriog. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 213
derselbe, in allen Kräften seinem Herren treu und redlich zu
dienen." Nach drei Jahren will ihm sein Herr eine Witwe
zur Ehe geben, er weigert sich jedoch dessen. „Er habe
bereits daheim ein Weib und diese zurücklassen müssen,
als er, wohl seiner großen Sünden wegen, in Gefangenschaft
geraten und seiner Heimat entrissen worden sei: solange
aber diese Gattin lebe, dürfe er keine andere Ehe eingehen.
Sein Herr aber erwiderte ihm in listigen und gebieterischen
Worten : „Nun bei Gott, wenn du die " nicht zum Weibe
nimmst, da überliefere ich dich dem Volke der Sachsen,
das ganz dem Götzendienste ergeben ist: denn ich sehe
schon aus deiner Weigerung, daß du nicht bei mir bleiben
und mich durch Flucht um den Kaufpreis bringen willst i)." —
Der Diener muß schließlich, um nicht an die Sachsen verkauft
zu werden, in die Heirat willigen, flieht aber gleich dar-
auf und kommt am 15. Tage glücklich zu dem. Berge,
„von wo aus er über die Weinpflanzungen zwischen der
Donau und dem Regen hinweg des heiligen Emmeram
Kirche und die mit Mauern und Türmen prangende Stadt
erblicken konnte 2).*'
Der Beweis v. Ledebur's ist nun folgender. Er identi-
fiziert die Parathaner Meginfrieds (d. h. Arnolds) mit den
Barden des Bardengaus ; da zwischen dem Gau Nordthü-
ringen aber und dem Bardengau noch der Balsamgau liege,
die Parathaner aber an den nördlichen Teil des Volkes
der Thüringer anstießen, so müsse der Balsamgau ,in jener
Zeit notwendig zu Nordthüringen gehört haben. Daraus
ergebe sich aber wieder, daß der Begriff „Nordthüringen"
umfassender sei als der pagus Nortthuringia. v. Ledebur
behauptet nun, die Ausdrücke Nortthuringia und Nordthu-
ringorum gens könnten „für das ganze nordwärts der Un-
strut gelegene Sachsenland, soweit der Sprengel von Halber-
stadt sich erstreckte , genommen werden" '). Wenn aber
1) v. Ledebur a. a. O. S. 24—26.
2) ebenda S. 27.
3) a. a. O. S. 31.
XXII. 15
214 Studien zur Geschiclite des Unterganges
dies ganze Land Nordthüringen heißt, so muß es zu Thüringen
gehört haben, denn sonst wird der Name unerklärlich.
Ein auffälliger geographischer Irrtum, in den v. Lede-
bur hier verfallen ist ! Der Balsamgau iiämlich stößt nir-
gends an den Bardengau i), wohl aber ist dies beim Derlin-
gau der Fall, der auch zum Bistum Halberstadt gehört 2).
Wir könnten also allenfalls den Balsamgau in dem Ledebur-
schen Beweis durch den Derlingau ersetzen ; aber der Beweis
selbst wird dadurch nicht besser. Mag immerhin der Be-
griff Nortthuringia sich in früher Zeit auch auf den Der-
lingau mit erstreckt haben, so könnte daraus nur geschlos-
sen werden, daß auch im Derlingau Thüringer gesessen
haben ; ob das ganze Land aber von der Unstrut nordwärts
bis zum Derlingau einst zu Thüringen gehört hat, ist da-
mit nicht entschieden. Man könnte recht gut annehmen,
im Jahre 568 seien nach dem Auszug der Sachsen nach
Italien neben Schwaben, Friesen und Hessen auch Nord-
thüringer, und zwar in dem Gebiete des späteren Nord-
thüringgaus und des späteren Derlingaus angesiedelt worden,
in einem Gebiete, das man damals als Nortthuringia be-
zeichnete. Erst später sei die Beschränkung dieses Namens
auf den eigentlichen pagus Nortthuringia eingetreten. Und
dann das Andere! Warum identifiziert v. Ledebur die
parahtani mit den Barden ? Er hat sich durch die Schreib-
weise parathani verleiten lassen, die sich aber erst in der
Schrift Arnold's findet ; die alten Lebensbeschreibungen lesen
parahtanorum oder porahtanorum.
Grund genug jedenfalls, sie nicht mit den Barden zu
I
1) Der pagus Belesem stößt an die Gaue: Nielitizi, Liezizi,
Zemzizi, Moraciani, Northuringowe und Osterwalde. Vgl. Böttger,
Diöcesan- und Gaugrenzen III, S. 181 f.
2) Urkunde Ludwigs des Frommen vom 2. September 814.
v. Wersebe, Beschreibung etc. S. 137 schiebt zwischen Derlingau und
Bardengau noch den pagus Wittinga ein; nach Böttger Diöcesan-
und Gaugrenzen III, 176 ist der pagus Witingao nur „ein Unter-
gau des Derlingowe".
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 215
identifizieren i). So müssen wir diesen Beweis v. Ledebur's
ablehnen; wie steht es mit dem zweiten Beweise? In
einer Urkunde Karls des Großen werde die Stadt Scannige
als in Nordthuringia liegend angegeben, dieses „Schöningen"
aber liegt, wie sich aus sonstigen Urkunden klar ergibt,
im Derlingau^). v. Ledebur findet es bemerkenswert, daß
in der Urkunde in Nordthuringia, nicht etwa in pago Nort-
thuringon oder ähnliches stände 3).
V. Ledebur bringt die Bezeichnung in Nordthuringia
als gewichtigen Grund für die Echtheit des Diploms zur
Sprache. Anstatt mit einem echten Diplom die Zugehörigkeit
Schöningens zu Nordthüringen zu beweisen, sucht er die
Echtheit des Diploms eben durch den Umstand zu beweisen,
daß Schöningen zu Nordthüringen gehört hat, was eben noch
bewiesen werden muß. Was würde v. Ledebur wohl sagen,
wenn er wüßte, daß das Stück als eine Fälschung entlarvt
ist, die womöglich erst dem 18. Jahrhundert angehört?
Würde er auch dann noch die Worte in Nortthuringia
„höchst beachtenswert" finden? Wir müssen auch diesen
Beweis v. Ledebur's ablehnen. Wie würden wir uns aber ver-
halten, wenn die angezogene Urkunde echt wäre? In diesem
Falle würde sich gegen sie wohl mit Recht dasselbe
geltend machen lassen, was wir bereits gegen den ersten Be-
weis V. Ledebur's vorgebracht haben, Es möchte daher nutzlos
scheinen, dieses noch einmal zu wiederholen, in der Tat werden
wir dadurch jedoch ein gut Stück weiter geführt werden.
1) Ich verstehe nicht, wie Sepp in s. Ausgabe (Anal. Boll. VIII
249) trotz der endgültig festgestellten Schreibart parahtanorum noch
immer die Barden in ihnen sehen kann. Höchst wahrscheinlich sind
die Brukterer gemeint, allerdings muß man in diesem Falle dem
Verfasser der Vita Unkenntnis der ethnographischen Verhältnisse zur
Last legen. Für Brukterer hält die parahtani bereits: Zeuß, Die
Deutschen und die Nachbarstämme, 1837, S. 352. Rudhart erklärt
(Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken, 1842,
II, 1, S. 103 ff.) die parahtani nach dem Vorgang von Mannert und
V. Lang für Bayreuther.
2) V. Ledebur a. a. 0. S. 30 f.
3) Vgl. Mühlbacher, Reg. der Karolinger I ', 1899, no. 267 (258).
15*
216 Studien zur Geschichte des Unterganges
Der Derlingau liegt ungefähr im Norden des Nord-
thüringgaus und grenzt an diesen. Es ist nun nicht
richtig, wie wir eben gesehen haben, kus dem Umstand,
daß eine im Derlingau liegende Stadt als in Nortthuringia
bezeichnet wird, zu schließen, daß das ganze Gebiet von
der Unstrut nordwärts bis zum Derlingau einschließlich
einst zu Thüringen gehört hat. Man konnte recht gut an-
nehmen, daß bei der gleichzeitigen Ansiedelung von vier
Kolonistengruppen durch König Sigebert im Jahre 568 der
thüringischen Kolonistengruppe das Gebiet, das später in
die Gaue Nordthüringen und Derlingau zerfiel, angewiesen
wurde, ein Gebiet, das damals zuerst und nur aus diesem
Grunde den Namen Nordthüringen erhielt, während sich die
Bezeichnung pagus Nordthuriugia erst später für einen be-
stimmten Teil dieses Gebietes festsetzte. Diese Annahme
aber wird unmöglich, wenn sich zeigen läßt, daß irgend eine
beliebige Stadt, die in einem der 3 andern Kolonistengaue
gelegen ist, auch als in Nordthuringia gelegen bezeichnet
wird, denn die Abgrenzung der vier Gaue gegeneinander
erfolgte ja gleichzeitig, da die Kolonisten in ein und dem-
selben Jahre (568) angesiedelt wurden. Wenn uns ein
Nachweis dieser Art gelingt, so ist zugleich damit der Be-
weis geführt, daß das ganze Land von der Unstrut nordwärts
bis mindestens zum Nordthüringgau einschließlich, soweit
es eben jene genannten vier Gaue umfaßt, einst tatsächlich
zum thüringischen Reiche gehört hat.
Eine einzige Urkunde gibt es i), die den Beweis liefert,
1) Zu den bei Böttger, Diöcesan- und Gaugrenzen III, S. 183 ff.
für den pagus Northuringowe angezogenen Urkunden kommen noch
folgende Urkunden hinzu:
1. Urkunde Ludwigs des Jüngeren für Drübeck. 877. 26. Januar
(U.B. d. Klost. Drübeck, 1874, S. 1, no. 1).
2. Urkunde Ottos I. für St. Moritz in Magdeburg. 941. 23. April
(M. G. DD. I, S. 123, no. 37).
3. Urkunde Ottos I. für St. Moritz in Magdeburg. 965. 12. April
(M. G. DD. I, S. 397, no. 281).
4. Urkunde Ottos IIL für s. Taute, die Äbtissin Mathilde. 987. 21. Mai
(M. G. DD. II, S. 434, no. 35).
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. :>17
wenn auch spätere Abschrift, so doch „sachlich unver-
dächtig \)." In dieser Urkunde Ludwigs des Jüngeren für das
Kloster Drübeck vom 26. Januar 877 heißt es : Quapropter
noverit omnium industria, qualiter Theti et Wikker
nostri fideles comites tradiderunt nobis quoddam
monasterium, quod dicitur Drubiki ; ipsi autem
quoddam monasterium sui iuris quod dicitur Homburg in
pago North-Thuringa situm ad idem monasterium
contradiderunt. Dieses Hornburg ist das „im Mansfelder
Seekreise, l^j.. Stunden südlich von Eisleben belegene vor-
malige Kloster Holzzelle oder Hornburg-Celle, Celle Homburg,
unter dem jetzigen Dorfe Hornburg, südwestlich vom salzigen
See" 2j. Es hat also nicht in dem pagus Nordthuringa ge-
legen, sondern vielmehr im Hassago, speziell in dem unter
dem Namen Frisoneveld bezeichneten Teil desselben ^).
Es wird somit höchst wahrscheinlich, daß das thüringische
Reich vor der Katastrophe von 531 sich über die Unstrut
5. Urkunde Heinrichs II. für Merseburg. 1021 5. Oktober (M. G.
DD. III, S. 571, no. 449).
G. Urkunde Konrads IL für Nienburg. 1025. 8. Februar (Cod. dipl.
Anhalt. I, S. i^, no. 106).
7. Urkunde Heinrichs III. für Nienbiu-g. 1041. 22. Juli (Cod. dipl.
Anhalt. I, S. 89, no. 113).
8. Urkunde Heinrichs IV. für Nienburg. 1062 5. März (Cod. dipl.
Anhalt. I, S. 111, no. 138).
9. Urkunde Heinrichs IV. für einen gewissen Lantfried. 1068. 5. Aug.
(Schmidt, U.B. des Hochstifts Halberstadt, S. 67, no. 92).
10. Urkunde Bischof Rudolfs von Halberstadt (über die Ansprüche
des Klosters Hamersleben). 1144. 18. Juni (Schmidt a. a. O. I,
S. 174 ff., no. 206).
1) Einer genauen Prüfung ist die Urkunde unterzogen von
E. Jacobs (Zeitschrift des Harzvereins XI, 1878, S. 1 ff.). Er kommt
^u dem Resultat (S. 15), daß die Urkunde zwar nicht eine „Original-
ausfertigung", aber eine „sachlich unverdächtige Nachbildung des
jetzt verlorenen Originals" ist. Auch E. Mühlbacher (Zeitschrift des
des Harzvereins XI, S. 25) bezeichnet die Urkunde als „sachlich un-
verdächtig".
2) G. ßode in Zeitschrift d. Harzvereins IV, ö. 24.
3) Spruner-Menke 1880 Karte no. 33.
218 Studien zur Geschiclite des Unterganges
hinaus nördlicli bis mindestens zum Nordthüringgau ein-
schließlich erstreckt hat; ob aber wirklich Nordthüringeo
mit dem nachmaligen Halberstädter Sprengel zusammenfällt,
ob also der pagus Derlingowe, der pagus Belkesheim ^) und
der pagus Hartingowe auch einst zu Thüringen gehört haben,
ist nicht mehr auszumachen ^). Immerhin kann diese An-
sicht, die von v. Ledebur eingehend — wie uns allerdings
scheinen will, in unzulänglicher Weise — begründet ist,
nicht als unmöglich bezeichnet werden. Über das Gebiet
des Halberstädter Sprengeis hinaus aber hat sich Nord-
thüringen nicht erstreckt, das ist die Ansiebt aller, die sich
mit diesem Gegenstande beschäftigt haben.
Sollte aber nicht die erste Schlacht, die Schlacht bei
Runibergun , an den Grenzen des Landes stattfinden ^) ?
Was könnte uns verhindern, ihr den Platz im Gau Maerstem
anzuweisen, wie es so häufig geschehen ist ^) ?
Wir haben oben gesehen, wie unglaubwürdig der Be-
richt des sächsischen Liedes ist: bei Runibergun „an den
Grenzen der Thüringer" findet die Schlacht statt, gleich
jiach der Schlacht wird ein Kriegsrat abgehalten, in dem
davon gesprochen wird, daß das ganze Land in der Gewalt
der Franken sei u. s. w.
Sollte die Angabe des Quedlinburgers, die erste Schlacht
sei im Gau Maerstem geschlagen, richtig sein, so ständen
wir vor einer Fülle von Widersprüchen, Liegt denn das.
1) V. Ledebur a, a. O. S. 10 erklärt den Namen dieses Gaues
durch dort angesiedelte Belgier und scheint ihn auch zu jenen Gauen
zu rechnen, die im Jahre 568 von Sigebert neu besiedelt wurden.
2) Gesichert ist nach den obigen Ausführungen nur die Zu-
gehörigkeit der 4 Gaue: Hassigowe, Frisoneveld, Suevon und North-
thuringia zum einstigen thüringischen Reich,
3) Widukind I, 9. a. a. O. S. 8. Et cum gravi exercitu ap-
propians terminis Thuringorum, invenit cum valida quoque manu
generum suum se expectantem in loco qui dicitur Eunibergun,
4) v, Ledebur a. a. O. S, 5 f; Gloel a. a. O. S. 225 ; Venediger,
Das Unstrutthal und seine geschichtliche Bedeutung (Jahresbericht
des Stadtgymnasiums zu Halle a. d. S. 1886), S. 24 ; Größler a, a. O.
S. 10 ff.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 219
Ronneberg im Gau Maerstem wirklich „an den Grenzen dei*
Thüringer" ? Der Gau Maerstem gehört zur Diöcese Minden '),
wird also von dem Halberstädter Sprengel durch die ganze
Breite des Hildesheimer getrennt, wie kann hier die Schlacht
stattgefunden haben? Wie kann in diesem Falle, wo ein
Kriegsrat abgehalten wird, um zu beraten, ob man nach
Hause ziehen solle — ehe man überhaupt noch thüringischen
Boden erblickt hat!, — der Sklave Theuderichs die Be-
hauptung wagen: Nunc terra in nostra est potestate, wie
kann er wissen, daß „der Anführer (sc. Irminfried) selbst wie
ein schwaches Tierlein durch seinen Versteck sich schützt, sich
hinter den Mauern seiner Burg vergräbt ?" Diese Erwägung
gibt in der Tat den Ausschlag 2), Das Lied muß ein Runi-
bergun in der Nähe von Burg- Scheidungen gemeint haben,
das Ronneberg im Gau Maerstem ist ausgeschlossen.
Interessant ist es zuzusehen, wie Größler manövriert,
um dieser unabweislichen Folgerung zu entgehen. Für ihn
steht es fest, daß Runibergun im Gau Maerstem gemeint
sei — Widukind sagt ja : die Schlacht habe außerhalb
Thüringens stattgefunden, und die Übereinstimmung Widu-
kinds und der Quedlinburger Annalen ist doch zu merk-
würdig! — , er argumentiert folgendermaßen weiter 8): „Wenn
nun aber auch der servus satis ingeniosus des Theuderich
in dem von Widukind geschilderten Kriegsrate mit Be-
ziehung auf Irminfried spöttisch bemerkt : Ipse namque
dux, ut quaedam bestiola suo munitur latibulo, nrbis cir-
cumdatur claustro, so setzt diese Bemerkung voraus, daß
die Franken sehr lange bei Orheim gelegen haben müssen,
sonst hätte ja die Kunde, daß Irminfried sich nach Schei-
dungen begeben habe, nicht in das dortige Lager der Franken
gelangen können." Zunächst beruht es auf einer durch
1) Böttger, Diöcesan- und Gaugrenzen II, 113 B. glaubt übrigens
auch, daß die sächsischen Quellen das „Eunibergun" im Gau Maerstem
meinen.
2) Es ist Könneckes Verdienst, hierauf aufmerksam gemacht
zu haben a. a. O. S. 37.
3) a. a. O. S. 2G.
220 Studien zur Geschichte des Unterganges
nichts gerechtfertigten Kombination von Widukind und den
Quedlinburger Annalen ^), wenn Größler von einem Lager
bei Orheim spricht, und sodann wird der Kriegsrat so schnell
nach der Schlacht berufen, daß man überhaupt noch kein
Lager aufgeschlagen hat 2). Die „überzeugende Kraft der
Gründe", die Größler sich gerade in dieser Frage vindiziert ^),
ist gewiß nicht auf seiner Seite.
Wir müssen trotz Gloel und Größler zu der Ansicht
von Joh. Gottlob Böhme zurück, die in neuerer Zeit wieder
von E, Lorenz und Koennecke aufgenommen ist : das Runi-
bergun Widukinds sind die Ronneberge an der Unstrut
bei Nebra. Der Ausdruck Widukinds „appropians terminis
Thuringorum" läßt nur darauf schließen, daß der Verfasser
des Liedes in diesen Gegenden nicht genau Bescheid ge-
wußt hat.
Wie ist unter dieser Voraussetzung aber die Schlacht
bei Orheim an der Ocker, von der uns der Quedlinburger
zu erzählen weiß, zu erklären ?
Die Schlacht bei Ronneberg wird von dem Annalisten
in den Gau Maerstem verlegt, ohne Zweifel, weil er nur
dort ein Ronneberg '^) kannte. Das Heldenlied wußte aber
von drei Schlachten, erstens bei Runibergun, zweitens einer
unbekannten, von der nur der Anonymus erzählt, die die An-
nalen aber wenigstens andeuten ^}, drittens der Schlacht an
der Unstrut. Es mochte für den Annalisten wohl etwas
Verlockendes haben, da er bereits den Ort der ersten
Schlacht genannt hatte, auch den Ort der zweiten Schlacht
1) Wenn eine Kombination von Widukind und dem Quedlin-
burger möglich wäre, so handelt Größler durchaus konsequent, indem
er den Kriegsrat erst nach der Schlacht an der Ocker stattfinden
läßt ; denn erst nach dieser Schlacht wird die Sachsenhilfe in An-
spruch genommen. Nach Widukind wird aber der Kriegsrat sofort
nach der Schlacht bei Runibergun gehalten , daher können beide
Berichte nicht kombiniert werden.
2) Vgl. S. 188 Anmerkung 2.
3) a. a. O. S. 6.
4) E. Lorenz a. a. O. S. 391 f. Koennecke a. a. O. S. 38.
5) S. 175 f.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 221
näher zu bestimmen. Weshalb er aber gerade auf Orheim
an der Ocker verfallen ist, bleibt völlig rätselhaft. Viel-
leicht ist es indes auch nur eine lokale Abwandlung des
Liedes gewesen, die der Quedlinburger aufgezeichnet hat.
Auch das wird man nicht unerwähnt lassen dürfen, daß an
der Ocker bei Ohrum ein „Duringesrod" sich nachweisen
läßt 1). Weitere Folgerungen hieraus wird man aber nicht
ziehen dürfen. Außerdem hat der Annalist noch die größte
Verwirrung dadurch angerichtet, daß er die Ankunft der
Sachsen erst nach der zweiten Schlacht erfolgen läßt,
während sie im Liede bereits nach der ersten Schlacht erfolgte
(vor dem Kampf, von dem der Anonymus allein berichtet,
und der in dem Liede der zweite gewesen sein muß, haben
sich die Sachsen bereits mit Theodorich verbündet), , So
viel steht in allen Fällen iest: für die Schlacht an der
Ocker ist im Thüringerkrieg von 531 kein Platz 2).
Wir kommen jetzt zu der Frage: Wann haben die
Sachsen in die Ereignisse eingegriffen und wieviel Schlachten
haben überhaupt stattgefunden ? Gregor v. Tours spricht
von zwei Schlachten ^), einer in campo piano, auf einem
Blachfelde. Der über historiae Francorum kennt ebenfalls
zwei ^), die sich mit denen Gregors decken. Aimoin berichtet
auch nur von zwei ^). Rudolf von Fulda erzählt ^) : nach zwei
Schlachten mit zweifelhaftem Ausgang und großem Blut-
vergießen (ancipiti pugna incertaque victoria miserabili
suorum caede) habe Theuderich Boten an die Sachsen um
1) Trad. Fuld. ed. Dronke S. 101: in terminis Darlingen novale
quod dicitur Duringesrod iuxta fluvium Oncra. Vgl. Böttger a. a. O.
III, S. 168.
2) Koennecke S. 36 f. glaubt an die Schlacht an der Ocker, setzt
sie aber vor die Schlacht bei Runibergun — ein höchst bedenkliches
Verfahren.
3) Gregor v. Tours, III, 7 a. a. 0.
4) Liber hist. Franc, c. 22 a. a. O.
5) Aimoin II, 9 bei Bouquet III, 50.
6) SS. II, 67: Et cum duobus proeliis ancipiti pugna incertaque
victoria miserabili suorum caede decertassent, Thiotricus spe vincendi
frustratus, raisit legatos ad Saxones.
222 Studien zur Geschichte des Unterganges
Hilfe geschickt. Widukind weiß nur von einer Feldschlacht^
nach deren Verlauf die Franken bereits so sehr geschwächt
sind, daß sie die Sachsen um Hilfe angeben. Der Quedlin-
burger spricht von drei Schlachten, bei Runibergun, bei
Orheim an der Ocker und an der Unstrut. Da Widukind
außerdem von der Erstürmung der Vorburg (oppidum) Burg-
Scheidungens redet, so sieht sich Größler i) natürlich ver-
anlaßt, damit ja alle Berichte in seinem Schema Platz haben,
vier Schlachten anzunehmen ; Lorenz 2) nimmt drei Schlachten
an, bei Runibergun, an der Unstrut und vor Burg-Scheidungen.
Koenneckes ^) Ansicht ist, daß „abgesehen von den Vorgängen
bei Burg-Scheidungen nur zwei Schlachten im ganzen Kriege
geschlagen sind", und. zwar bei Ohrum an der Ocker und
bei Runibergun. Alle drei Forscher stützen sich auf die
fränkischen und sächsischen Quellen, alle drei suchen alle
Berichte möglichst in Einklang miteinander zu bringen, alle
drei kommen dabei zu abweichenden Resultaten.
Kein Zweifel, das Heldenlied steht in einem gewissen
Widerspruch mit den fränkischen Quellen ; diese wissen nur
von zwei, jenes kennt drei Schlachten. Aber man wird es
doch bemerkenswert finden, daß nur zwei von den drei
Schlachten des Liedes lokalisiert werden ; die Erinnerung
an den Ort der zweiten, d. h. derjenigen Schlacht, die der
an der Unstrut noch voraufgeht, scheint gänzlich aus dem
Gedächtnis des Volkes geschwunden zu sein.
Es hieße die Grenzen der historischen Kritik verkennen,
wollte man hieraus noch weitere Schlüsse ziehen ; das jedoch
wird man zugeben müssen, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit
nur zwei Schlachten in diesem Kriege geschlagen sind, eine
bei Runibergun, eine an der Unstrut (abgesehen von der
Eroberung Burg-Scheidungens).
Haben die Sachsen die Schlacht an der Unstrut mit-
geschlagen? Mit anderen Worten: hat Widukind oder
1) a. a. O. S. 35.
2) a. a. O. S. 390 ff.
3) a. a. O. S. 35.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 223
Rudolf von Fulda Recht? Jener läßt die Sachsen bereits
nach der Schlacht bei Runibergun rufen, dieser läßt zwei
Schlachten vergehen, ehe Theuderich Beistand in Anspruch
nimmt. Nach der Volksüberlieferung haben die Sachsen
an der Schlacht an der Unstrut bereits teilgenommen (so-
wohl die Ann. Quedlinb. als der Anonymus geben das zu),
Rudolf, der jenen Gegenden ferner stand, wenn auch früher
schrieb, läßt die Sachsen am zweiten Kampfe nicht teilnehmen
— wenn wir hier überhaupt einen Schluß machen wollen,
so werden wir die Überlieferung des Liedes vorziehen.
Schon bei der zweiten Schlacht, so will das Lied,
haben die Sachsen mitgekämpft. Sie soll an der Unstrut
geliefert worden sein, aber wo ? Die Antwort dürfte hier
nicht schwer fallen.
Die erste Schlacht hat, wie wir sahen, bei Runibergun
d. h. den Ronnebergen in der Nähe von Vitzenburg stattgefun-
den 1), die Thüringer haben also die Unstrut direkt im Rücken
gehabt. Irminfried flieht, und wenn auch Theuderichs Heer
zunächst noch stehen bleibt, um jenen Kriegsrat abzuhalten,
so ist es doch nicht anzunehmen, daß, nachdem die Fort-
setzung des Krieges einmal beschlossen ist, er nicht über
den Fluß seinen Feinden nachgerückt sein sollte. Es ist
also von vornherein wenig wahrscheinlich, daß das zweite
Treffen etwa in unmittelbarer Nähe der ersten Wahlstatt
geschlagen worden ist ^). Nun geht aber der Bericht der
zweiten Schlacht wieder von der Voraussetzung aus. daß die
Thüringer die Unstrut im Rücken haben, daß die Unstrut
sie von Burg-Scheidungen trennt. Daher muß der Kampf sich
in unmittelbarer Nähe von Burg-Scheidungen abgespielt
haben, vielleicht auf der Strecke Wennungen-Tröbsdorf, viel-
leicht auch direkt im Süden der Burg und des Flusses östlich
von Tröbsdorf. Größler nimmt merkwürdigerweise an ■^),
die Stätte des Gefechts sei bei Seigerstädt, das er für Sieger-
städt erklärt, zu suchen, also auf demselben Ufer der Unstrut,
1) vgl. Koenneckes Ausführungen a. a. 0. S. 39 ff.
2) Generalstabskarte, Sektionen Querfurt und Naumburg.
3j a. a. O. S. 29 ff.
224 Studien zur Geschichte des Unterganges
auf dem auch Burg-Scheidungen liegt. Dann läßt er die
Franken auf das andere Ufer gehen (!), nach Süden ziehen,
wo sie „nordwestlich von Tröbsdorf der Feste gegenüber
auf dem Tröbsdorfer TJnterfelde unterhalb, der Neideck ihr
Lager aufschlagen." Die Sachsen beziehen ebenfalls auf
dem südlichen Ufer der Unstrut östlich (!) von Tröbsdorf
ihr Lager. Von hier aus findet der Sturm statt (man muß
also von neuem den Fluß überschreiten !) und dann folgt
die weitere Erzählung nach Widukind. Größler weiß uns
sogar den Pfad i) zu zeigen, auf dem Irminfried geflohen
ist. Daß der Übergang der Franken bei Carsdorf auf das
andere Ufer, in unmittelbarer Nähe der feindlichen Burg
gegen allen Kriegsgebrauch und Vorsicht verstösst, sieht
Größler selbst ein 2). Womit motiviert er ihn denn aber? Die
Franken hätten auf der linken Seite des Flusses nicht die
Möglichkeit gehabt, sich zu verpflegen ^), wenn eine längere
Belagerung in Aussicht stand. Aber gründet sich nicht diese
Voraussetzung wieder auf eine andere, die nämlich, daß der
Krieg erst am 1. Oktober zu Ende gegangen sei, eine An-
sicht, die, wie wir oben gezeigt haben ^), von Widukind selbst
erst kombiniert ist. Ln Gegenteil, nimmt man an, daß die
erste Schlacht an den Ronnebergen bei Vitzenburg stattge-
funden hat, daß die Sachsen selbst schon in der Schlacht
an der Unstrut mitgekämpft haben, so wird es höchst wahr-
scheinlich, daß der Krieg nicht so übermäßig lange gedauert
hat, wenn man auch nicht mit Lorenz^) der Ansicht sein'
wird, alles hätte sich im Verlaufe von wenigen Stunden
abgespielt. Die Größler'sche Anschauung muß, wenn auch
zugegeben werden soll, daß sie höchst scharfsinnig kon-
struirt ist, zurückgewiesen werden, weil sie auf falschen
Voraussetzungen beruht '').
1) a. a. O. S. 49.
2) a. a. O. S. 30.
.3) a. a. O. S. 30.
4) S. 190 ff.
5) a. a. O. S. 387.
6) Soweit ich sehe, hat außer Größler niemand versucht, die
Schlacht an der Unstrut näher zu lokalisieren.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 225
Der Sturz des thüringischen Königreiches ist die Folge
der Katastrophe. Berthachar, der Vater Radegundens, der
Bruder Irminfrieds, kann erst jetzt i) gestorben sein; wahr-
scheinlich ist er in einer Schlacht gefallen ; Radegunde fällt
in die Hand Chlotars 2), dessen Gemahlin sie später wird;
1) Gloel a. a. O. S. 208 f. hat bekanntlich zuerst darauf hinge-
wiesen, daß die Erzählung Gregors von der Ermordung Berthachars
durch Irmiufried jedes realen Hintergrundes entbehrt. Er hat gleich-
zeitig gezeigt, daß der Tod Berthachars frühestens in die Mitte der
zwanziger Jahre fallen kann (a. a. O. S. 212). Baderich, der andere
Bruder Irminfrieds, ist (Lippert, Z. d. V. f. th. G. u. A. XI, S. 287)
zwischen 515 und 522 geschlagen und getötet, hat also die Kata-
strophe nicht mehr erlebt. Andrerseits ist Berthachar vor Irrain-
fried gestorben (Radegunde bei Venantius Fortunatus ad Artachin
[Auct. antiqu. IV, 1, S. 278]: nam pater ante cadens et avunculus
inde secutus). Schon der Ausdruck cadens läßt auf einen gewalt-
samen Tod schließen, zum Überfluß sagt aber Theudebert I. in einem
Briefe an Justinian (M. G. epistolae III, S. 132 f., no. 20) : Dei nostri
misericordiam feliciter subactis Thoringiis et eorum provinciis adqui-
sitis, cxtinctis ipsorum tunc tempore regibus. Also kann Ber-
thachar, der neben Irminfried nur allein noch als rex bezeichnet werden
kann, erst zur Zeit des Fraukenkrieges gestorben sein; ob er aber in
einer Schlacht gefallen oder erst später, etwa ähnlich wie sein
Bruder, ums Leben gekommen ist, bleibt dunkel; jedenfalls deutet
das extinctis auch auf einen gewaltsamen Tod.
2) Nach Gregor III, 7 wird Theuderich von seinem Bruder
Chlotar und seinem Sohne Theudebert iu dem Thüringerkriege unter-
stützt. Wann und wie Radegunde in die Hände Chlotars gefallen
ist, bleibt völlig dunkel. Koennecke a. a. O. S. 44 f. hält es für
wahrscheinlich, daß sie in der ersten Schlacht (bei K. also in der
Schlacht an der Ocker) gefangen genommen wird. Über sie geraten
beide Frankenkönige in Streit miteinander. Koennecke hat im Anschluß
daran eine neue Hypothese aufgestellt. Bei Gregor findet sich nämlich
der Satz (III, 7) : Chlotacharius vero rediens, Radegundera, filiam
Bertacharii regis, secum captivam abduxit. Koennecke argumentiert
nun so (a. a. O. S. 45) : Zwischen der zweiten Schlacht und der
Einnahme von Burg-Scheidungen liege ein so kleiner Zeitraum;
daß „für die Mißhelligkeiten zwischen den beiden fränkischen Königs-
brüdern kein rechter Raum mehr bleibt." Daher müßten wir die
Gefangennahme Radegundes und den Streit der Brüder nach der
ersten Schlacht ansetzen. Chlotar sei dann erzürnt mit seiner Beute
abgezogen und Theuderich habe sich jedenfalls nach Abzog neine»
226 Studien zur Geschichte des Unterganges
Irminfried selbst entkommt, wird aber später zu Zülpich
auf Betreiben Theuderichs ^) von der Stadtmauer hinabge-
Bruders nicht mehr stark genug gefühlt, die Thüringer zu überwinden.
So sei die Sachsenhilfe zu erklären. Aber Koennecke hat die Stelle
bei Gregor aus dem Zusammenhang gerissen; Gregor hat nämlich
bereits von der zweiten Schlacht (an der Unstrut) gesprochen und
fährt dann fort: Patratam ergo victuriam, regionem illam capessunt
et in suam redigunt potestatem. Chlotacharius vero rediens etc.
Hiernach kehrt Chlotar also erst nach Schluß des Feldzuges, nach
Unterwerfung Thüringens zurück.
1) Wohin Irminfried zunächst entkommt, wissen wir nicht. Erst
sein Tod gibt Gregor (III, 8) Veranlassung, ihn wieder zu erwähnen:
er soll von Theuderich, nachdem ihm Sicherheit verbürgt war, nach
Zülpich eingeladen und dann dort von der Stadtmauer herab-
gestürzt sein. Der liber historiae Francorum und Aimoin folgen der
Version Gregors. Fredegar dagegen (III, 32) erzählt : Ipsi (= Ipse =
Ermenfridus) a Theodeberto, filium Theuderici interfectus est. Hier
ist also Theuderichs Sohn, Theudebert, der 534 zur Regierung kommt,
der Mörder.
Diesem Berichte Fredegars werden wir doch nicht ohne weiteres
Glauben schenken können. Zunächst hat Fredegar später, wenn
auch nicht viel später, geschrieben als Gregor, sodann ist sein ganzer
Bericht so außerordentlich dürftig, daß man nur annehmen kann, er
sei schlecht unterrichtet gewesen. Alles, was er sagt, ist folgendes:
III, 32 : Thoringorum tres fratres regnabant, Badericus, Ermen-
fridus et Bertharius. Ermenfridus Bertharium interfecit. Instigante
uxore Ermenfridi nequissima nomen Amalberga et Baderici, germanum
suum cum solatio Theuderici interfecit. Ipse vero a Theudeberto,
filium Theuderici interfectus est. Kegnum Toringorum Francorum
dicione subactum est.
Wir werden uns entschließen müssen, der ersteren Fassung
(Gregor und liber historiae), daß Irminfried auf Betreiben Theuderichs
ermordet sei, den Vorzug zu geben. Man beachte übrigens, daß Gregor
sagt : Sed quis eum exinde deiecerit, ignoramus ; multi tamen adserunt,
Theuderici in hoc dolum manifestissime patuisse, daß er mithin nur
von einem Gerücht spricht. Auch der über historiae läßt es nur
gleichsam durchschimmern, daß Theuderich der eigentliche Urheber
des Mordes war. Wie fest und bestimmt tritt dagegen nicht die
Nachricht bei Fredegar auf: Ipsi vero a Theudeberto, filium Theu-
derici interfectus est. Wahrscheinlich liegt hier wieder die bekannte
Tatsache vor, daß ein unbestimmtes Gerücht sich zu einer bestimmten
Tatsache verdichtet hat.
des alten Thüring. Königreichs im Jahre 531 n. Chr. 227
stürzt und findet so ein elendes Ende. Amalaberga flieht
und kommt im Jahre 534 (wo sie so lange geweilt hat,
wissen wir nicht) zu ihrem Bruder Theodahat, der damals
bereits König der Ostgoten war^); ihr Sohn Amalafried und
mehrere Töchter begleiten sie -). 540 nach der Kapitulation
von Ravenna wurde Amalafried mit Witigis von Belisar
nach Byzanz gebracht, wo ihn Justinian zum „Archon"
machte 3). 551 wurde ihm eine Feldherrenstelle in einem
Wie es jedoch hier zu einer Verwechslung Theuderichs mit
Theudebert gekommen ist, können wir nicht sagen.
L. V. Kanke ist übrigens bei der Besprechung dieser Stelle
Fredegars ein Versehen mit untergelaufen. Er interpungiert die
Stelle falsch: Ermenfridus ßerthariura interfecit instigante uxore
Ermenfridi nequissima nomen Araalberga. Et Baderici etc. Auf
diese Weise konstruiert er einen Gegensatz zwischen der Erzählung
Gregors und der des Fredegar (Weltgeschichte IV, 2, Analekten
S. 337). Daß Irminfried jedenfalls einer Treulosigkeit der, Franken
erl^en ist, ergibt sich mit ziemlicher Sicherheit auch aus einer Stelle
bei Procob (de hello goth. II, 28). Dort verdächtigen die Franken dem
Witigis bei der Belagerung von Ravenna die byzantinische Treue, worauf
Belisars Gesandte erwidern : x6 81 Sri toutwv (sc. der Franken) :i'.5tov,
(J ypTJabat au^oüatv £; navta; ßapßapou;, fASTaye öopfyYou? xa\ t6
BoupYiov^tuvwv l?!3vo? xai i^ Tou; ^ujjifjiaxous ^l^ii izapa TcUv avSpwv
£Ki8iSv.xrai. Die hier erwähnte Treulosigkeit gegen die Thüringer
wird man am ehesten auf Irminfrieds Tod beziehen, da wir die Stelle
mit einem andern Ereignis nicht gut in Verbindung setzen können.
Außerdem sagt Procop selbst (de hello goth. 1, 13) : ol <^piyyo:
^ . . . . £k\ ©optyyou; ^cJTpdTEUoav xa\ 'EpixEve^ptSo'v te tov «utwv ap^ovra
xTeivouotv. Vgl. über den Tod Irminfrieds den Aufsatz von Lippert
(„Der Tod König Herminafrids" in Zeitschrift für thüring. Gesch.
u. 8. w. XV, N. F. VII, S. 5 ff).
1) Procop a. a. 0. I, 13: n] 8£ tou 'EpfievecppfSou yuviQ giv rot«
Tiaia\((>\jyo\Jaoi, Tiapa HeuSarov tov aS£A9ov, roTi3uvTir]vtxaOTa apxovT« tjÄSc.
2) Von Irminfrieds Kindern kennen wir nur einen Sohn, Amala-
fried mit Namen. Daß er auch Töchter gehabt hat, ergibt sich
aus Venantius Fortunatus „de excidio Thoringiae", Vers 159 ff.
3) Procop a. a. O. IV, 25: xal 'AfxaXa9p{8o;, FotSo;
avT^p 'A}xaXa<pp{6TQ« (j.lv ::uYaTpi6oui;, tt)? Qe-jSepixou toC FotSwv ßao'.X£(i);
aSsXtpfi?, 'Epfxeve9pi8ou 8k ulo; toü eopCyYW TJYTjCfa.u^vou. "Ovzcp
BeXioapio; [ih ^Ov OuirrfYtSt ii BuJavTtov -nYOtY«» ßao'-XtO; 8k 'Pwjuitwv
apxovta xaTcOTYj'aaTO. xa\ nnv auToO ddi\(f>ri'i Aü8oulv Tw AaYYoß'P^""'
apXovTi xaTTQYYviQOs.
228 Studien zur Geschichte des Unterganges etc.
Krieg gegen die Gepiden übertragen i). Dann entschwindet
er unsern Blicken. Größler läßt ihn bald darauf sterben ^\
ohne aber einen Beweis dafür anzutreten, Lippert hat es
wahrscheinlich gemacht 3)^ daß er erst nach 561 gestorben ist.
Wir sind am Schlüsse. Absichtlich haben wir darauf
verzichtet, die Vorgeschichte des Krieges in den Bereich
unserer Untersuchung zu ziehen, da besonders durch die
Arbeiten von Lippert diese, soweit es überhaupt möglich^
aufgeklärt is.t. Nur der Katastrophe haben wir unser Augen-
merk zugewandt. Wir fanden dabei, daß die drei sächsischen
Quellen (Widukind '^), die Ann. Quedlinburg, und der Anony-
mus de origine Suevorum) auf ein jetzt verlorenes Helden-
lied gemeinsam zurückgehen und stellten ihre fast völlige
historische Unglaubwürdigkeit fest. Von der so geschaffenen
Grundlage aus haben wir dann versucht, ein Bild von der
Katastrophe zu gewinnen. Wir geben uns der Hoffnung
hin, daß dieses Bild das richtige sein mag.
1) Procop a. a. O. iV, 25 : tJyoü-jto Se ttq? arptxxiäi TotuTif); (sc^
gegen die Gepiden) 'AfjLaXacppiSoi; x.t.X. Vgl. hierüber noch
Lippert, Z. f. th. G. XII, S. 80 f.
2) Größler, „Radegundis". Mansfelder Blätter II, S. 69 ff.
3) Lippert, Z. d. V. f. th. G. XV, N. F. VII, S. 23 ff.
4) Größler, „Sturz des thüring. Königreichs" (Z. d. V. f. th. G.
XIX, N. F. XI, S. 3) bezeichnet Widukind als Abt (!) und Rudolf
von Fulda als Presbyter (!). Es ist mir völlig rätselhaft, woher
Größler diese Kenntnis geschöpft hat. Beide waren schlichte Mönche».
V.
Ueber ein 1525 und 1526 geplantes
Religionsgespräch zur Beseitigung des Gegensatzes
zwischen Ernestinern und Albertinern
Von
0. Mentz.
In Bd. IV dieser Zeitschrift hat 1885 W. Karstens
über die sächsisch-hessischen Beziehungen in den Jahren
1524, 1525 und 152G gehandelt, in demselben Jahre gab
Friedensburg den Briefwechsel zwischen Herzog GFeorg von
Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen aus den Jahren
1525 — 1527 heraus ^), vollständiger als das schon 1849
durch Seidemann 2) geschehen war. Zu diesen Arbeiten
sollen hier einige Ergänzungen gegeben werden.
Für die Ausbreitung der Reformation war der Gegen-
satz zwischen Ernestinern und Albertinern ein großes
Hindernis, andererseits wurde aber auch wieder durch die
Abneigung Herzog Georgs gegen Luther und sein Werk
die Feindschaft der beiden sächsischen Linien gesteigert.
Landgraf Philipp, der Freund und Bundesgenosse Johanns
des Beständigen und der Schwiegersohn Georgs, schien
die geeignetste Persönlichkeit, um die Vermittlung zu über-
nehmen. Ihm sowohl wie den Ernestinern war 1525 das
gespannte Verhältnis zu dem albertinischen Vetter sehr
1) Neues Archiv für Sachs. Gesch. Bd. VI.
2) In Niedners Zeitschrift für die historisch« Theologie. N. F.
XIII, 1849, S. 175 ff.
XXII. 16
230 Ueber ein 1525 und 1526 geplantes ßeligionsgespräch
unbequem, sie benutzten gern jede Gelegenheit zu einer
Versöhnung. Die gemeinsame Aufgabe, die die Erhebung
der Bauern den benachbarten Fürsten v stellte , bot einen
erwünschten Anlaß zu Verhandlungen, vor Mühlhausen
einigte man sich auf eine gemeinsame Politik den Unter-
tanen gegenüber. Andere Fürsten sollten für den Eintritt
in diesen Bund gewonnen werden i). Bald a^Der zeigte sich,
daß man dabei von ganz verschiedenen Voraussetzungen
ausging. Die Nachrichten, die Johann und Philipp im
August 1525 zum Teil aus Georgs eigenem Munde über
seine Dessauer Verabredungen mit den Kurfürsten von Mainz
und von Brandenburg u. a. erhielten, verschafften ihnen
die unerwünschte Erkenntnis, daß Georg dem Bunde einen
antievangelischen Charakter zu geben suchte. Trotzdem
gaben sie die Hoffnung, die Einigung zu erhalten, nicht
auf. Es entstand jetzt in ihnen der Gedanke, durch ein
Religionsgespräch die religiöse Differenz zu beseitigen, und
wir dürfen wohl annehmen, daß sie dabei die Hoffnung
hegten, Georg für den neuen Glauben zu gewinnen. Längere
Zeit kamen sie immer wieder auf diesen Gedanken zurück,
und es ist dieser Punkt, den ich hier auf Grund bekannter
und unbekannter Akten verfolgen möchte.
Zuerst findet sich der Vorschlag in dem Briefe, den
Johann und Philipp am 15. Sept. 1525 aus Treffurt an
Herzog Georg richteten ^). Es heißt darin, sie sähen für
gut an, „das die obgemelten churfursten und fursten (d. h;
die, die zu Dessau versammelt waren), auch E. L. und wir
zu allen theiln gelarte, erbare, gotsfurchtige und geschigte
personen, auch wenn von allen theilen unsem freunden und
verwanten, uf einen gelegenen platz zusamen schigten und
sich von allen misspreuchen und Sachen das evangelium
und wort gottis sampt den ceremonien belangent erbarlich
und christlich zu unterreden, und was dann befunden, das
I
1) Vgl. Friedensburg, Zur Vorgeschichte des Gotha-Torgauischen
Bündnisses, S. 7 ff .
2) Friedensburg, Vorgeschichte, S. 114 ff.
zwischen ErnestiDern und Albertinem. 231
am allermeisten dem wort gottis gleich wäre, das man das-
selbige furgehen Hess, was aber am meinsten darwidder were,
das solchs nachpliebe bis auf einen mehrem christlichen und
entlichen beschlus". Auch am 25. Oktober scheinen die
beiden Türsten ihren Vorschlag noch einmal wiederholt zu
haben ^), sie hofiften, daß nach Beilegung des Religions-
streites die Beseitigung der übrigen Differenzen der Wet-
tiner keine großen Schwierigkeiten mehr machen würde'),
bei Georg aber fanden sie mit ihren Vorschlägen wenig
Anklang. Er zog sich auf seine Dessauer Verbündeten
zurück. Diese erklärten in ihrer Antwort vom 13. November,
die Georg am 12. Dezember an Johann übersandte, daß
sie sich auf dergleichen Verhandlungen nicht einlassen
könnten, weil sie den Reichstagsbeschlüssen und den Ge-
boten des Kaisers zuwider laufen würden. Trotzdem gaben
die evangelischen Fürsten ihren Plan noch nicht auf, in
ihren Briefen vom Dezember 1525 und Januar 1526 ist
noch öfters davon die Rede, sogar in einem Briefe an
Georg berühren sie ihn noch einmal ^), aber wohl nur, um
diesen zu nötigen, Farbe zu bekennen. Besonders der
Landgraf scheint sich keine großen Hoffnungen mehr
gemacht zu haben, daß man auf diesem Wege etwas er-
reichen könne *). Erst als ihm seine Schwester Elisabeth
im Februar 1526 meldete, der Herzog gestatte die freie
Predigt des Evangeliums, wagte Philipp einen neuen Vor-
stoß. Im Februar, März und April fand eine Korrespondenz
zwischen ihm und seinem Schwiegervater statt ^), die aber
bald zeigte, daß auch diese neuen Hoffnungen eine Täu-
schung waren. Auch die Ermahnungen, die der Landgraf am
1) Karstens, S. 362. Vgl. auch Friedensburg, Vorgeschichte,
S. 93 ff.
2) Karstens, S. 369.
3) am 7. Jan. 1526. Vgl. Friedensburg, Vorgeschichte, S. 97.
4) ebenda S. 96.
5) Abgedruckt bei Friedensburg im Neuen Aich. L die sächs.
Gesch., VI, 129—135.
16*
232 Ueber ein 1525 und 1526 geplantes Religionsgespräch
1. April an den Kurfürsten Johann ergehen ließ, Georg
gegenüber behutsam zu verfahren und besonders Luther,
den er so sehr hasse, zurückzuhalten ^), hatten nun keine
weitere Bedeutung.
Man hat bisher angenommen, daß Philipp von nun an
die Hoffnung auf Gewinnung seines Schwiegervaters auf-
gegeben habe^). In der Tat scheint er selbst direkt nicht
weiter in Verbindung mit ihm getreten zu sein, dagegen
veranlaßte er aber im Juni, daß kursächsisch erseits der
Gedanke des Religionsgesprächs noch einmal aufgenommen
und ein letzter energischer Versuch, Georg auf diese V^eise
zu gewinnen, gemacht wurde. Der folgende auch in anderer
Hinsicht interessante Brief belehrt uns darüber:
Landgraf Philipp an Herzog Johann Friedrich. Eppen-
berg [1626 Juni 16]. 3).
Ich hab E. L. schreiben verstanden und will meiner
swester bei eigener botschaft antwort geben. Zum andern
hz. Heinrichs halben, was er zu Quedelburg gemacht hat,
das hab ich E. L. vater vorhin angezeit, wie E. L. an
zwiffel von im vernemen werden, desglichen so schick ich
E. L. ein briff von hz. Heinrich an mich gangen, do wirt
E. L. sein gemut wol in vernemen und ist darnach mein
frundlich bit an E. L., als E. L. und mein gluck stet,
E. L. woll sich kegen hz. Heinrich nit verhetzen lassen,
das E. L. ein unfrundlich gemute zu im entpecht, wan er
wert E. L. dünn, was E. L. lieb ist, das hat er mir zu-
gesagt, so wirt es E. L. auch selbst von im hören.
1) ebenda S. 114. Karstens S. 372. Weim. Arch. Reg. A, 237.
2) Friedensburg, ebenda S. 116.
3) eigenh. Or. Weim. Arch. Reg. N. 50. Dort ins Jahr 1525
gesetzt, doch gehört der Brief offenbar ins Jahr 1526. Es ist der
Hauptbrief zu dem bekannten Briefe Philipps an Joh. Friedr. vom
17. Juni 1526 (Eppenberg am sontage nach Viti et Modeeti anno
XXVI. Or. von Kanzleihand Reg. H. p. 3. C. beginnend mit : Wir
bitten auch E. L.) , den Seckendorf II , 47 f. imd Friedensburg,
Speier S. 291 f. u. a. benutzt haben.
zwischen Ernestinern und Aibertinern. 233
Nachdem ich nu E. L. und E. L. fater mit verwantnis^
und frundschaft zugetan bin, 8o kan ich nit underlassen;
nachdem auch es dem evangelium, nach menchslicher weise
zu reden, schaden tut und vil leut dardorch geergert werden,
wo das also war were, nu gehet ein gemeine geschrei, wie
das E. L. her vater die monch und nonnen us den clostern
jag mit gewalt und in nichts geben und mit dem closter-
gut auch übel gehandelt wirt und die closterleut darüber
zu huren und buben werden. Wo das nu so were, das ich
nit hoff, so wers mirs leit, es wer auch nit ewangelichs, es
werden auch vil lut darüber geergert, ich kunt auch kein
glauben do mirken, nachdem die liebe nit da wer, und
darumb ist mein frundlich bit an E. L. umb Cristi willen,
wo das also wer, wolt das abstellen und mit Martine und
Melanthon nach laut des wort gots darin handeln, uf das
unser schätz, das wort gots, durch unser böse leben nit
gelestert werde.
Desglichen höre ich, das vil buberei mit ebruch und
sust mit nemen einem dem andern und das sich czwei hin-
nemen, morn wieder von ein[ander]laufen, in E. L. vater land
sei, do sich dan vil leut an ergern, das bit ich auch E. L.,
wo im also ist, das E. L. her vater darin ein insehen habe,
das das gestraift werde, wie dan das Sein Liebe schuldig
ist zu dun, wie dan das Petrus und Paulus sagen, da sie
schriben, die oberkeit trag das swert nit vergebelich, wan
sie seie gots dinerin zu straffen den, der bosses tut, uf das
[das] evangelium nit durch unser leben gelestert werde.
Nachdem uns auch nu Cristus gebeut und heist uns
frid haben, auch Paulus sagt, wir sollen mit iederman frid
haben und auch Petrus spricht, man sol dem frid nach-
jagen und iderman um bitten, und ich auch gelessen hab
in der schrift der geschieht der apostel, wan ein irruug
gewesen ist, das sie dan zu häuf komen sein und sich nach
laut des Worts gots vereiniget, und ich nu mirk, das zwei-
xöpellicheit und irrung zwischen E. L. vater und hz. Jörgen
ist, und ir mir von beiden teilen verwant seit und sich zu
234 Ueber ein 1525 und 1526 geplantes Religionsgespräch
besorgen were, das ein funklein ain ganzen walt anstechken
wird, wo es nit in der zeit vorkomen werde, und mir nu
ein menchs i), dem evangelio geneit, ei» anslag geben hat,
wie E. L. fater und hz. Jörg in ein entlichen vertrag komen
kouten, so kan ich E. L. nit bergen, das mir angezeit worden
ist die meinung, das hz. Jörg ein halstarigen köpf habe
und wo man im auch nit ein wenig nachgibt, so bringt
man in numer davon, wan mir wirt angezeit, er Sprech,
was den corforsten gut dunkt, das sol also recht sein.
Nu hat mir der menchs den weg angezeit, das er meinte,
und ich halts auch darvor, er kunt nit darvor über und ob
ers schon nit duen wolt, so vermerk ich so vil, das er dem
son das regiment übergeben und liß den dun, und es hat
mich glaublich angelangt, wie ich E. L. wol anzeigen wil,
wan ich einmal bei E. L. kum oder bei den corforsten.
Und das ist der weg, das sich E. L. her vater der corforst
zu hz. Jörgen schickt, wo es dan Sein Lieb haben wolt,
so wolt ich dergleichen auch dun, und lies im sagen, das
S. L. gern frundschaft und guten willen bei S. L. haben
wolt, auch gern sehen, das S. L., desglichen sein eigen
undertan in einer guten eintracht und einikeit weren, und
wolt es auch gern machen, das got gefil, und darumb wer
sein bit an S. L., das S. L. wolt etlich frome gelerte menner
US S. L. landschaft [verordnen], desglichen wolt er auch dun,
desglichen wol er mich vermögen, ich solt auch die meinen
darbei schicken, und das die das wort gots vor sich nemen
und alle cermonien und userliche Sachen darnach richten.
Wie die es machen nach laut des wort gottes, so solt es im
gefallen, und nem das E. L. vater, so kunt es hz. Jörg
nit abslagen, und ich hoffe, alle Sachen solten gut werden,
es wer auch recht und wer dem wort gots glich, es wirt
auch Lutern, versehe ich mich, gefallen, er und ander musten
auch darbei sein. Wan auch das geschege, su were der
paffen pratica ser gebrochen und wan man dan ein veinen
1) Vielleicht Herzogin Elisabeth.
zwischen Ernestinern und Albertinern. 235
waudel füret, wie ich for geschriben hab, so werden sich
vil leut bessern und nit ergem, so fer als auch got sein
gnade verleit. Ich bit, E. L. wol dis mein achriben in
geheim halten und nimant wan E. L. her vater und, wo
E. L. wil, dem Lutter sehen lassen und sich cristlich und
frundlich darin erzeigen und mein schriben nit anders dan
US getruem herzen keigen E. L. vermirken ... D, Ebpen-
berk sambstag uach Viti etc.
Johann Friedrich scheint den Wunsch des Landgrafen
bereitwillig erfüllt zu haben, denn in der Listruktion, mit
der am 4. Juli Hans v, d. Planitz und Günther von Bünau
als kursächsische Gesandte an Herzog Georg geschickt
wurden ^), kehren die hessischen Vorschläge, allerdings in
mancher Hinsicht modifiziert und ohne Erwähnung des
Landgrafen, wieder. Nachdem der Kurfürst darin zrmächst
auseinandergesetzt hat, daß ohne Beilegung der Differenzen
in Glaubenssachen auch auf eine Beseitigung der zeitlichen
Streitigkeiten nicht zu rechnen sei, betont er seine Bereit-
willigkeit, sich einem freien christlichen Konzilium oder
einer Versammlung, „so von Kais. M*, kfen, fursten und
andern stenden des heiligen reichs, auch allen cristglaubigen
menschen furgenomen wirdet", zu fügen und fährt dann
fort: „So aber E. f. Gn. solchs auch nit gefallen wolt, vil-
leicht darumb, das sichs darmit zu lange verziehen wurde,
ader aus andern Ursachen, können und mögen S. kf. Gn.
wol leiden und wollen S. kf. Gn. sich auch hiemit darzu
erboten haben, das beide E. kf. und £ Gn. sich eines tags
und malstadt freuntlich vereinigen und auf denselben tag
beiderseits gelerte und ungelerte rete in gleicher anzalh
geschickt und verordent werden und das dazumal notturf-
tiglich und mit gutem bedacht aus Verleihung gotlicher
gnaden von demjhenigen, so in beiderseits E. kflichen und
f. Gn. furstentumben und landen für mißbreuchlich und
unschigklich angesehen wirdet, gehandelt und geredt werde.
1) Weira. Arch. Reg. A 237 Conc. Vgl. Karstens S. .378 f.
236 Ueber ein 1525 und 1526 geplantes Religionsgespräch
auch mit gotlicher hulf und durch sein wort Vereinigung
gemacht, wie es allenthalben bis auf ein frei cristlich con-
cilium solte gehalten und gebraucht werden.
Und zu einem weitem erbieten, wo es E. f. G. nicht
gefeilig, wollen S. kf. Gn. willigen und sich darzu erboten
haben, das durch gemeine landschaft und von allen stenden
beiderseits E. kf. und f. Gn., inmassen wie hiebevorhn von
den reten meidung bescheen, aus Verleihung gotlicher gnaden
und durch sein heiligs wort gehandelt werde."
Die Antwort Georgs vom 19. Juli i) lautete rundweg
ablehnend. Er erkannte zwar an, daß Einigkeit in den das
Seelenheil berührenden Dingen erwünscht sei, empfahl im
übrigen aber, die Beschlüsse des bevorstehenden Speierer
Reichstags über die Missbräuche und über die bis zum
Konzil zu beobachtende Haltung abzuwarten, und erklärte
eine besondere Verhandlung darüber für unangebracht.
Unsere Kenntnis über die Verhandlungen der beiden
Gesandten mit Georg ist aber nicht auf die beiden erwähnten
offiziellen Aktenstücke beschränkt, wir besitzen vielmehr
darüber noch einen lebensvollen Bericht des Hans von der
Planitz an den Kurprinzen, der sich seinen berühmten
Berichten vom Reichsregiment würdig anreiht und auch
zur Charakteristik Herzog Georgs einen hübschen Beitrag
liefert. Ich denke manchem eine Freude zu machen, wenn
ich ihn hier mit anreihe:
Hans von der Planitz an Hz. Johann Friedrich. Grimma
1526 Juli 212).
Er Günther von Bunan und ich seint am nechsten
mitwochen zu Dresden einkommen und am donerstag das
antragen getan in gegenwertigkeit der rett Jörgen von
Karlwitz, des canzlers, Haussen von Haubitz und Haussen
1) Dresden dornstags nach Alexii 1526. Or. Reg. A. 237. Kar-
stens S. 379. Am 26. Juli wurde Georgs Antwort von den Räten
aus Weimar dem Kfen nach Speier nachgesandt (ebenda Or.), daher
wohl das Datum bei Karstens S. 385.
2) eigenh. Or. Reg. N. pag. 68. C. No. 17.
zwischen Erneetinern und Albertinern. 237
von Schonberghs, gab uns unsser gn. herr hz. Jorge antwort
desselben tages umb VII höre auf den abent, wie E. f. Gn.
befinden werden, dan wir dieselbigen unsserm gnsten. hn.
dem kfen, E. f. Gn. vattern, haben zugeschigkt, und betten
gern weiter antwort gehabt, wue nichts auf disem reichstag
von sulcher Ordnung aufzurichten gehandelt ader beschlossen
wurde, ab alsdan S. f. Gn. der erpiten eins und welchs
annemen und willigen wolde, wir haben aber nichts erlangen
mögen. Dan ich allein bekam von S. f. Gn. mein auspeut
und also : Do wir die antwort entpfangen hetten und unssern
abschidt nemen weiten, sprach ich zu m. gn. hn. hz. Jörgen
ich wolt mich auch versehen, die reichsstende wurden von
einer Ordnung reden, wie man es mit den ceremonien und
anderen halten solde bis auf ein zukonftig concilium, wue
es aber nicht beschee, als woll zu besorgen stunde, nochdem
es die geistlichen nicht gern wurden nachlassen, ßo ver-
hoffet ich doch, S. f. Gn. wurden sich mit m. gn. hn. dem
kfen einer Ordnung vereinigen. Darauf S. Gn. antwortet
Wir haben ein gute Ordnung gehabt, hett man es dobei
bleiben lassen. Saget ich • Gn. her, E. f. Gn. wissen den-
nochst woll und haben gesehen, was Unordnung die geist-
lichen haben mit eingefurt, dieselben alle zu dulden were
auch vast beschwerlich. Antwortet er: Man soll darumb
den bäum mit der wurzel nicht ausreissen. Zu dem ich
antwortet: Were etwas guths und cristlichs umbgestossen,
gn. h., so rieht man es wider auf, allein das E. beider kf.
und f. Gn. darvon reden und handeln lissen, was dem evan-
gelio gemeß ader ungemeß were, darnach hett man die
Ordnung aufzurichten. Do sprach er zomiglichen: Ja Ir
land ich verstehen und wissen woll, was dem ewangelio
gemess sei oder nicht. Darauf ich saget : Gn. her, E. beider
kf. und f. Gn. haben, gott hab lobe, vill verstendiger und
redlicher leut im furstentum, die sulchs woll verstehen und
wissen. Ja, sprach ehr, was itzunt ein ausgelaufener monch
saget, das muß recht sein. Man kan kein besser Ordnung
machen, dan die, ßo hievor gewest. Und wurde also schoel-
238 Ueber ein 1525 und 1526 geplantes Religionsgespräch etc.
lig und ungeberig, das ich mein pfeif einzog, gab ern
Günthern und mir ein gute nacht, zogen alßo in unsser
herbergh, und in summa, S. f. Gn. mogeti übel leiden, das
man mit im von disser sachen rede, und ßonderlich vermerk
ich, das er es von mir unliber, den von einem andern hat.
Er ist auch etwas schwach gewest am fiber und ist noch
nicht woll geschigket, dan S, Gn. haben einen bösen husten,
sagen die erzt, es sei ein fluß, der falle S. Gn. auf die lunge.
Gott helf uns allen.
Von neuen Zeitungen aus disen landen weiß E. f. Gn.
ich nichts zu schreiben, den das man saget, wie das der
kg. von Polen zu Danzig vill leut hab richten lassen, und
müssen die von Danzig alle altar und ceremonien, wie zuvor
gewest, widerumb aufrichten. Nicht wes ich, ob dem also.
Greffendorfif, wen der kommet, wirt die warheit wissen.
D. Grim am XXI. tage julii anno dni XV'= und XXVI.
Die Beschlüsse des Speierer Reichstags konnten in
keiner Weise dazu dienen, die Gegensätze im Hause Wettin
zu beseitigen. Wohl aber lag es nahe, daß man von
ernestinischer Seite jetzt auf den Gedanken einer gemein-
samen Regelung der religiösen Frage wieder zurückkam.
Tatsächlich wurde in einem Briefe Johanns an Georg
vom 3. Januar 1527 i) an den Vorschlag vom vorigen Jahre
noch einmal erinnert. Georg ging in seiner Antwort vom
8. Jan. 2) aber auf die Sache überhaupt nicht ein, und nun
scheint man auch auf ernestinischer Seite den Plan fallen
gelassen zu haben.
1) Reinentw. Reg. A. 238.
2) ebenda.
VI.
Der Diesberg (Diesburg) an der Rhön, und der
Steinwali auf demselben.
Von
Landesgeometer A. Mueller.
(Mit einer Karte.)
Zwischen den Dörfern Wohlmuthausen, Aschenhausen
(Sachs. -Weimar) und Oberkatz (Sachs.-Meiningen). erhebt
sich in den östlichen Vorbergen der Rhön bis zu einer Höhe
von 710 m der Baseltkegel „der Diesberg", von den benach-
barten Basaltbergen Alte Mark, Hutsberg, Streufelsberg etc.
durch einen breiteren, von Ost nach West laufenden Rücken
sich unterscheidend. Den Gipfel umschließt ein von Basalt-
steinen (sogen. Wackersteinen) aufgeführter Ringwall in
elliptischer Form, der bei einer unteren Breite von 7 — 8 m,
von außen immer noch eine Höhe von i^/g — 2 m hat,
während im Innern durch Anschwemmung und Humus-
bildung die Erhebung über den Boden nur eine geringe ist.
Ein jedenfalls alter Eingang liegt auf der westlichen Seite
des Rings, nach Wohlmuthausen hin, während noch drei
weitere Ausgänge, nach Süden und Westen, erst in neuerer
Zeit zur Abfuhr des auf der Höhe geschlagenen Holzes in
den Steinwall gebrochen worden sind. Derselbe schließt
eine Fläche von ca. l^/^ ha = 15000 qm ein, und hat in
der Richtung von Süd nach Nord eine Länge von etwa
230 m, bei einer größten Breite von 160 m von Ost nach
West; der Stein wall selbst bedeckt eine Fläche von 40 ar.
Bis vor etwa 80 Jahren war der Rücken des Berges inner-
240 I^ßi* Diesberg an der Rhön,
halb des Ringes nur mit einzelnen Bäumen bestanden und
diente als Viehweide ; dann haben die Gemeinden, des
höheren Ertrags wegen, die eingeschloissene Fläche auf-
geforstet, wodurch natürlich die Uebersicht und Aussicht
höchlichst beeinträchtigt wird.
Auf der höchsten Stelle der Umwallung, die im Volks-
munde „der Kringel" genannt wird, stoßen, wie aus dem
beigegebenen Kärtchen ersichtlich, die Grenzen der drei
genannten, ehemals hennebergischen, Fluren zusammen, die
nach Absterben dieses Hauses 1583, an Sachsen, und zwar
Aschenhausen und Wohlmuthausen an S.-Koburg — später
Eisenach (Weimar) — , Oberkatz an S.-Hildburghausen —
später Meiningen — fielen, so daß die Flurgrenze zwischen
Oberkatz und Aschenhausen-Wohlmuthausen, jetzt gleich-
zeitig Landesgrenze zwischen Sachsen- Weimar und Sachsen-
Meiningen, ist.
In einer Abhandlung (Programm) vom 29. Dezbr. 1709
stellte der aus Oberkatz stammende Jenaer Professor und
Rechtsgelehrte J. W. Ditmar die Behauptung auf, daß jene
Umwallung auf dem Diesberge, die er aus eigener An-
schauung genau kannte, das längst gesuchte Dispargum des
Gregor von Tours, die fränkische Königsburg des Chlodio
sei, von welcher aus der Frankenkönig im Jahr 491 den
Römern nach Cambray (Cameracum) gefolgt sei und sie
geschlagen und vertrieben habe. Dieser Ansicht trat der
um die Mitte des 18. Jahrhunderts als Pfarrer in Betten-
hausen lebende Magister Johann Ludwig Heim, und nach
ihm die meisten Forscher, bei.
Wenn nun jetzt auch feststeht, daß diese Ansicht un-
richtig, und das Dispargum in unserer Diesburg nicht zu
erblicken ist, so dürfte es doch ebenso irrig sein, Diestheim
bei Tongern (s. Binder, „Das ehemalige Amt Lichtenberg
V. d. Rhön", in Bd. XVI, S. 238 d. Zeitschr.) dafür an-
zusehen, als das Ronneberg bei Hannover für das „Runi-
bergun" Gregors zu halten, wo im Jahre 531 der Kampf
zwischen den Thüringern und Franken stattgefunden.
und der Stein wall auf demselben. 241
Nach Ansicht der Umwohner hat allerdings den Gipfel
des Diesbergs eine Königsburg gekrönt, und in der Regel
wird die Umwallung, ja der ganze Berg, die „Diesburg"
genannt, freilich nicht erst, wie Binder vermutet, seit Ditmars
Hypothese, denn schon 1661 kommt nachweislich die Be-
nennung „Dießburgk" vor^) vor. Wir kommen später
darauf zurück.
Auf alle Fälle bleibt die Frage bestehen: Welchen
Zwecken hat die Umwallung (der Steinring) ursprünglich
gedient?
Ditmar beschreibt den Berg folgendermaßen : Est mons
altissimus, longe lateque conspicuus, in cacumine magnam
planitiem, raris arboribus continet, lateribus inhaerent nemora
. . . und fährt dann fort: in monte hoc nuUa supersunt
rudera, nisi quod in superna planitie circulus ex lapidibus
collectus , et lapis limitaneus tribus cochlearibus incisus
notabilis appareat", und Heim setzt erläuternd hinzu :
„Dieser Grenzstein ist von ziemlicher Größe oder Umfang,
oben darauf ist eine Schüssel, in welcher drei Löffel liegen,
gehauen; anzuzeigen, daß derselbe 3 Ämter unterscheide,
als das Amt Lichtenberg, Amt Kaltennordheim und Amt
Sand — (jetzt Meiningen) — und fährt scherzend fort:
„sodann, wann etwa die 3 Herren Beamten bey einer Grenz-
Beziehung wollten eine Suppe verzehren, ein jeder sich auf
den Stein bey die Schüssel setzen und dabey seine Füße
auf seinem Amts-Territorio könne ausruhen lassen,"
Zu Ditmars und auch zu Heims Zeiten also war noch
ein großer Stein auf der höchsten Stelle der Umwallung
vorhanden, dessen Vorhandensein Binder, der in der Um-
wallung eine Kultus- und Opferstätte erblickt, fälschlich
auch jetzt noch anzunehmen scheint. „Der Block in jenem
1) Man hat gegen die Ansicht, eine Burg habe den Berggipfel
gekrönt, geltend gemacht, daß sich kein einziger Überrest eines Bau-
werks auf dem Berge vorfinde ; es ist dieser Grund deshalb hiniällig,
weil noch im 4. und 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Innen-
bauten der Höfe — Burgen — nur aus Holz errichtet waren.
242 ^^^ Diesberg an der Khön,
Steinring", sagt er, „ist jedenfalls der Opferstein gewesen,
lind die schüsselförmige Vertiefung .... dürfte zuna Auf-
fangen des Blutes der geopferten Tiere, oder Menschen
gedient haben."
Dieser große Stein auf dem höchsten Punkte der Um-
wallung, von jeder Stelle derselben sichtbar, solange der
Gipfel unbewaldet war, ist heutzutage nicht mehr vorhanden,
und niemand ist imstande, über den Verbleib oder das
Schicksal desselben Kunde zu geben, wenn sich auch die
Erinnerung an den „großen Stein" bei den Umwohnern noch
erhalten hat. Was aber heute von den Bewohnern der
umliegenden Dörfer als „der große Stein" bezeichnet wird,
ist eine zu Tage tretende Basaltfelsmasse, auf dem Ost-
abhange des Berges, außerhalb des Kringels gelegen.
Jetzt befindet sich auf der höchsten Stelle der Um-
wallung ein neuer Landesgrenzstein zwischen Sachsen-Mei-
ningen und Sachsen- Weimar.
Der Verfasser, der 4 Jahre lang zum Zwecke der
Landesvermessung in Wohlmuthausen stationiert war, kam
zu der Überzeugung, daß sich in den Protokollen über
frühere Landesgrenzbegehungen Aufzeichnungen über den
verschwundenen Stein vorfinden würden. Herr Professor
Koch in Meiningen, der mich auch später in meinen Nach-
forschungen freundlichst unterstützte, verschaffte mir Ab-
schriften von Begehungsprotokollen aus dem Archive des
Herzoglichen Landratsamts in Meiningen, in welchen dieser
sogen, große Stein erwähnt wird. In dem Protokoll vom
28. Juni 1837 heißt es: „Die Grenzbeziehung begann auf
der Höhe der Duisburg am 1. Stein. Nr. 1 ein alter Stein,
auf dem Kopf abgeschlagen (mit unkenntlicher Bezeichnung,
und sind daran noch Spuren von Nr. 42 vorhanden), stehend
am Anfang der Plurgrenze zwischen Oberkatz und Wohl-
muthhausen auf dem sogen. Kringel."
In einem anderen Protokolle vom 6. Aug. 1845, in
welchem auf eine frühere Grenzbegehung vom 31. Juli 1834
Bezug genommen wird, heißt es betreffs des vorerwähnten
und der Stein wall auf deniHelbeii. 243
Steins Nr. 1 „zwischen den Markungen Wohlmuthhausen,
Oberkatz und Aschenhausen" : „Der Punkt wurde heute
anerkannt, der alte Stein ausgehoben und ein neuer be-
hauener, oben abgerundeter Sandstein, auf der einen Seite
S. W. E., auf der anderen S. M., eingesetzt etc.". Dieser
Stein ist der jetzt noch vorhandene.
Es ist also damals (1845) der von Ditmar und Heim
erwähnte große Stein mit ausgehauener schüsseiförmiger
Vertiefung (die allerdings stark beschädigt war) entfernt
worden. Das Protokoll von 1834, dessen Abschrift mir
aus dem Archiv der Großherzoglichen Bezirksdirektion in
Dermbach mitgeteilt wurde, weist wieder auf eine im Ge-
meindearchiv in Oberkatz befindliche Abschrift einer Grenz-
beschreibung vom 18, Sept. 1669 hin. In dieser, mir eben-
falls durch die Freundlichkeit des Herrn Professor Koch,
der sich deshalb selbst nach Oberkatz begeben, zugänglichen
Abschrift heißt es S. 110: „Zum Eüniften: „Grenzet unsere
Fluhrmarkung gegen Niedergang an deß Junkern von
Speßart seine Fluhrmarkung zu Aschenhaußen, derowegen
den 4. February" Anno 1661 das erste mahH), sodann den
18, Septembris Anno 1669 wiederumb begangen, vnd weilen
solche Fluhrmarkung gar Eckicht, nachfolgend nicht allein
alle Stein, so noch gestanden, sondern auch, wo Stein
gemangeldt, Neue Eingesetzet, vnd wie sie befunden vnd wo
sie stehen vfgesetzet."
„Erstlich ein gehaubener Eck-Stein, oben auf der Diß-
burgk, so nicht allein zwischen vnß, vnd dem von Speßart,
sondern auch gegen den Wohlmutheußern die Fluhrmarkung
scheidet. Zum Andern zwey Neue Stein an der Dießburgk
herab auff den Ellern Eingesetzet" etc. etc.
Es ist demnach dieser von Ditmar und Heim erwähnte
„gehaubene" Stein im Jahre 1661 schon vorhanden gewesen,
keinesfalls aber ist es, wie Binder annimmt der ursprüng-
1) Das erste Mal wahrscheinlich nach den Wirren und Greueln
des 30-iähr. Krieges.
244 I^'" Diesberg an der Rhön,
liehe Opferstein, der sicher ein behauener Stein nicht
gewesen ist.
Durch örtliche Nachgrabungen glaubte der Verfasser
einen sicheren Anhalt über den Zweck, den der Steinwall
gehabt, zu gewinnen. Etwa in der Mitte desselben befindet
sich eine, auch aus dem beigegebenen Kärtchen ersichtliche,
Stelle ohne Baumwuchs, bloß von Moos und Pflanzen bedeckt,
auf welcher der Boden feuchter scheint, als ringsum, wes-
halb dieselbe für ehemals Sumpf oder Moor gehalten werden
konnte, wie man es ja des öfteren an der Rhön trifft.
Diese Stelle erschien zur Nachgrabung am günstigsten.
Eine solche hat nun in Verbindung mit Herrn Professor
Koch der Verfasser an gedachtem Platze vorgenommen. An
fünf verschiedenen Stellen wurden Gruben in einer Breite
von ca. 1 m, bei etwa 2 — 2^/3 m Länge und bis zu einer
Tiefe von IV2 ^ ausgeworfen, ohne daß sich das Geringste
vorgefunden hat. Eine nach Angabe von Bewohnern in
Wohlmuthausen schon vor ungefähr 30 Jahren durch einen
Ungenannten vorgenommene Nachgrabung auf dem Kringel,
deren Spuren sich noch erkennen ließen, soll ebenfalls ohne
Resultat verlaufen sein. Auch die in großer Anzahl vor-
handenen Dachsgruben an verschiedenen Stellen der Um-
wallung, haben ebenfalls nie etwas an Waffen, Knochen,
Scherben etc. zu Tage gefördert.
Diese negativen Resultate verstärken die Annahme,
daß wir hier eine große Kultus- und Thingstätte vor uns "
haben. Wäre der Ringwall ein Überrest von Wohnstätten, oder
hätte irgend ein Kampf auf dem Berggipfel stattgefunden,
dessen Resultat die Zerstörung des Ringwalls gewesen, so
würden sich wohl noch Waffen, oder Waffenstücke, oder
sonstige Überreste bei den Ausgrabungen etc. vorgefunden
haben, Diese*Annahme erleidet auch keine Störung durch die
ortsübliche Bezeichnung Di es bürg. In einem Vortrage : „Ein
Streifzug durch das mittelalterliche Weimar" im Wartburgs-
Herold Bd. I sagt 0. V. Franke : „Die Altenburg (bei Weimar)
ist weiter nichts als eine hundertfach unter diesem oder
b
und der öteinwall auf demselben. 245
ähnlichem Namen vorkommende alte heidnische, meist
befestigte, Kultusstätte, wie wir sie in Verbindung mit
„Burg" beispielsweise bei Hetschburg, Oettern und Hel-
lingen, — Hainburg — als „Burg" schlechtweg bei Ober-
i^runstedt finden." Die Altenburg in Merseburg, jetzt
Kirche mit Kirchhof, ist auch ohne jeden Zweifel eine alte
heidnische Kultusstätte gewesen. Auf Befestigung deutet
die Bezeichnung „Burg" unbedingt, und wir erkennen, daß
liese heiligen Stätten befestigt waren, zum Schutze des
Heiligtums selbst wie der Bewohner, die wahrscheinlich in
Zeiten der Gefahr innerhalb der Befestigung Zuflucht
suchten. Die Befestigung der heiligen Stätten hat sich
auch in die christliche Zeit hinübergetragen, wo überall
die um die Kirche herumliegenden Kirchhöfe befestigt, d. h.
wenigstens mit Mauern umgeben waren, und in Kriegs-
zeiten gar oft die letzte Zufluchtsstätte der Bewohneir, wie
nicht minder der kämpfenden Scharen, bildeten; in die
Nähe des Heiligtums flüchteten die Bewohner ihre Hab-
seligkeiten. Burgähnliche Befestigungen erblicken wir an
ier Rhön besonders in Ostheim und in Walldorf bei Mei-
ningen.
Wessen Dienste die Kultusstätte gewidmet gewesen,
zeigt uns der Name des Berges, der schon von Grimm als
Kultusstätte bezeichnet wird. Mannhardt : „Die Götter der
deutschen und nordischen Völker", sagt S. 262: „Der
älteste unter allen germanischen Göttern: goth. Tiijs, ags.
Tiw, ahd. Zio, altn. Tyr, war der Gott des lichten Himmels-
'j;ewölbes, der Vater Himmel, welcher dem Laut und Begriffe
jiach dem vedischen Dyaus, griechischen Zeus genau
entsprach. Nach ihm führte der dritte Wochentag bei den
Angelsachsen den Namen Tiwesdag (engl. Tuesday): in
Schwaben und Bayern heißt er Ziestag (ahd. Ziwestac) und
luch unser Dienstag ist aus Tag des Tiu verderbt. Das
Wenige, was wir von dem Dienste dieses Gottes wissen,
berichtet uns Tacitus. Zwischen Elbe und Oder wohnte
im ersten Jahrhundert der Hauptstamm der Sueven, Sem-
XXII. 17
246 1^61 Diesberg an der Bhön,
nonen, d. h. Feßler, genannt. „Für die ältesten und edelsten
der Süeven", sagt der römische Geschichtsschreiber, .,geben
sich die Semnonen aus. Zur festgesetzten Zeit kommen in
einem Walde, der durch der Väter Weihe und alther-
kömmliche Scheu geheiligt ist, alle Völkerschaften desselben
Blutes vermittelst Gesandschaften zusammen und begehen
nach, barbarischem Gebrauche schauderhafte Weihen." . . .
Die Semnonen wanderten später nach Süden aus, und hier
finden wir sie am Ende der Völkerwanderung als Juthungen,
d. h. „die echten Abkömmlinge des Gottes", und als
Schwaben, ntirdlich vom Bodensee wieder. Ihren National-
gott haben sie in die neuen Sitze mitgebracht, und wir
lernen seinen Namen kennen. Es ist Zio. Denn die
Schwaben werden in Glossen des 9. und 10. Jahrhunderts
Ziuwarl, d. h. Männer des Zio, genannt, und die Stadt
Augsburg führte vom Kulte des Gottes den Namen Zies-
burc (Stadt des Zio). Ein Tiesdorf kömmt in nieder-
schlesischer Eibgegend vor, ein Ziesberg liegt im Wei-
marischen" 1).
Daß diese Kultusstätte eine besonders hervorragende
gewesen sein muß, läßt sich nicht nur aus der eigentümlichen
Lage des Berges, sondern vornehmlich aus der Größe der
ümwallung erkennen, die bei ca. 15 000 qm Flächengehalt
leicht bis zu 8000 Menschen zu fassen im stände war.
Gerade gegen eine solche bedeutende Kultusstätte mußte
I
1) Es ist dies unser Diesberg. Etwa V/^ Stunden von dem-
selben entfernt liegt zwischen Kaltensundheim , Mittelsdorf uud
Reichenhausen eine Höhe, Zeunsberg oder „am Zeunsberg" genannt,
ein Diedorf ebenfalls in dortiger Gegend, im Feidagrunde, 1 Stunde
nördlich von Kaltennordheim, ein Dietlas gleichfalls im Feldagrunde.
Sollten uns diese Namen nicht vielleicht den Weg zeigen, den die
Semnonen auf ihrer Wanderung von der Elbe nach Westen und
Süden genommen ? Haben nach dem Berichte des Tacitus die Sem-
nonen noch im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung an der Elbe
gesessen, so ließe sich mit einiger Wahrscheinlichkeit die Errichtung
des Heiligtums — Steinwall — auf dem Diesberge in das Ende des
ersten oder zu Anfang des zweiten Jahrhunderts setzen.
und der Steinwall auf demselben. 247
sich in besonderem Grade der Religionseifer der christlichen
Missionare und Priester richten, und sie nahmen vorzüglich
auf dem höchsten Punkte des Ringes, der Nordseite, auf
welchem sich wohl der Opferstein befand, eine so gründ-
liche Zerstörung vor, daß diese Seite der Umwallung wenig
mehr als ein großes Trümmerfeld von Basaltsteinen zeigt;
auch die übrigen Seiten des Berges, namentlich die West-
seite, sind mit Basal ttrümmem bedeckt. Daraus läßt sich,
außer aus dem oben schon erwähnten Grunde, wohl mit
Recht schließen, daß der von Ditmar und Heim beschriebene
umfangreiche Stein auf dem Gipfel der Umwallung nicht
mehr der ursprüngliche Opferstein gewesen sein kann, für
den ihn Binder ansieht, der ebenso unrichtig, den Namen
Diesberg von „dissen" (Hegedissen) ableitend, in ihm den
Blocksberg der Rhön erblicken will. Wenn außerdem
Binder in seinem Aufsatz über das Amt Lichtenberg einer
dem Diesberg analogen Opferstätte und Umwallung im
kleinen bei Urspringen Erwähnung tut, so irrt er auch
darin, wie ich in einer späteren Arbeit nachweisen werde.
Auf eine andere, der auf dem Diesberg ähnliche, Um-
wallung machte mich Herr Professor Eoch in Meiningen
aufmerksam. Er schrieb: „Im Juni d. J. (1902) besuchte
ich mit einigen Freunden zum erstenmal den Gangolfsberg,
einen mit der hohen Rhön durch einen ziemlich flachen
Sattel verbundenen Basaltberg bei Urspringen bez. Ober-
elsbach. Dabei entdeckte ich einen alten Basaltwall, der
sich auf einem Teil des Nordrandes, sowie des westlichen
Bergabhanges hinzieht. In den landläufigen Rhönbüchem
ist nichts davon zu lesen, und weder der bayerische Förster,
zu dessen Revier der Gangolfsberg gehört, noch der Pfarrer
von Obereisbach, der im vorigen Jahre einen kleinen Auf-
satz über den Gangolfsberg veröffentlichte, hatten eine
Ahnung von der Existenz dieses doch ganz ausgeprägten,
dem auf der Dißburg ähnlichen Walles. Im September
(1902) suchte ich denselben noch zweimal auf. Dabei stellte
es sich heraus, daß die Umwallung gerade da sich findet,
17*
248 ^^^ Diesberg an der Ehön, und der Steinwall auf demselben.
wo sich der Berg am leichtesten ersteigen läßt; sie diente
somit augenscheinlich zum Schutze des Gipfels.
Bei einem freien Ausblick vom NorHrand des Gangolfs-
berggipfels nach Norden zu ergab sich die überraschende
Tatsache, daß die Dißburg im ganzen Umfang ihrer Süd-
hälfte frei in der Gesichtslinie liegt, und zwar so merk-
würdig frei, als wenn ein rechts und links von mäßigen
Erhebungen eingefaßtes Hochtal die beiden Berge verbände.
Von der Dißburg aus wird jedenfalls nur der Gipfel des
Gangolfsbergs zu sehen sein, da dem letzteren ein Ausläufer
der hohen Rhön vorgelagert ist. Aber das genügte auch
vollständig, um etwaige Zeichen von dem einen zum anderen
Gipfel auszutauschen. Denn in Anbetracht der eigenartigen
Befestigung auf dem Gangolfsberge, komme ich zu der An-
sicht, daß die Gipfel, sowohl dieses Berges wie der Dißburg
befestigt waren, um in erster Linie Beobachtungsposten
zum Schutz zu dienen, die dort droben Umschau halten
mußten, und mittels verabredeter Zeichen sich gegenseitig
Nachrichten über den Stand der Dinge übermittelten."
Der Wall auf dem Gangolfsberge — nicht Ring wall,
denn er bedeckt bloß die Nord- und einen Teil der West-
seite — den ich selbst in Begleitung des Herrn Professor
Koch besuchte, scheint mir nicht durchaus in Bezug auf seinen
Zweck mit dem auf dem Diesberge verglichen werden zu
können, da er einen Abschluß nicht hat, und allerdings wohl
lediglich zu Schutz- und Verteidigungszwecken gedient
haben mag. Ein ganz regelmäßiger Bauüberrest am Nord-
rande des Steinwalls auf dem Gangolfsberge gehört, wenn
wenn er auch nicht Überrest einer Klause ist, offenbar einer
späteren Zeit an.
Hoffentlich führt Herr Professor Koch die geäußerte
Absicht, einen Hinweis auf diese Basaltumwallung zu ver-
öffentlichen, recht bald aus.
VII.
Neues über den Sturz des Thüringischen
Königreichs.
Von
Prof. Dr. Hermann Größler
in Eisleben.
(Mit einem Kärtchen der Gegend von ßunibergun.)
Die „Studien zur Geschichte des Unterganges des alten
Thüringischen Königreichs im Jahre 531 n. Chr." von
Herrn Dr. Pelka kann ich nicht in die ÖiFentlichkeit gehen
lassen, ohne zu ihnen Stellung zu nehmen i), da ich weder
seiner Methode noch seinen Ergebnissen zustimmen kann.
Da mir aber durch den Herrn Herausgeber räumlich enge
Schranken gezogen sind, so werde ich mich möglichst kurz
fassen und nicht auf alle Einzelheiten eingehen, die Pelka
an meiner Auffassung bemängelt. Es ist dies aber auch
nicht nötig, da ich schon durch Erörterung der Hauptfragen
zu einer hinlänglich klaren Entscheidung zu gelangen hoflfe
und die meisten Einwände Pelkas gegenstandslos werden,
wenn die Unhaltbarkeit seines Standpunktes ütjerhaupt
erwiesen ist. Ein weiterer Grund mich kurz zu fassen, ist
der, daß ich auch noch einiges Neue vorzubringen habe.
Zur Kennzeichnung meines Standpunktes bemerke ich
im voraus, daß nach meiner Ansicht selbst durch noch so
umständliche, ja haarspaltende Untersuchungen über Be-
schaffenheit, Ächtheit, Alter, Verwandtschaft und Benutzung
1) Herr Prof. Dr. Größler erhielt zu diesem Zwecke von der
Eedaktion die Revisionsbogen der Abhandhing Pelkas. Bera. des
Herausgebers.
250 Neues über den Sturz
der „Quellen" schwerlich etwas Neues, unsere Erkenntnis
Förderndes zu ermitteln sein wird, da jede Stellungnahme
auf diesem Gebiete angreifbar ist und^ jeder, der diesen
Weg einschlägt, Gefahr läuft, unter dem Anschein der
Objektivität recht subjektiven Phantasieen zu verfallen,
denn es kommt eben darauf an, was einer für möglich,
wahrscheinlich, selbstverständlich oder unzweifelhaft hält.
Den Anlaß und die Notwendigkeit seiner „Studien etc."
findet Pelka (S. 167) in der „vollständigen Verwirrung",
die nach seiner Meinung auf diesem Forschungsgebiete
herrscht. Wenn er unter dieser Verwirrung Vielheit der
Auffassungen versteht, zu deren Vermehrung auch er das
Seinige beiträgt, so hat er recht. Versteht er aber darunter
Verwirrung aller bisher aufgestellten Auffassungen selbst,
so dürfte eine solche Behauptung als eine starke Über-
hebung bezeichnet werden, die nur durch den Nachweis,
daß er selbst volle Klarheit zu schaffen vermag, gerecht-
fertigt werden könnte.
Doch nun zur Sache. Die Verwirrung ist nach Pelka
deshalb eine vollständige, weil man es bisher nicht für
nötig gehalten habe, „mit den Quellen eine reinliche
Scheidung vorzunehmen". (Soll übrigens wohl heißen „eine
reinliche Scheidung der Quellen vorzunehmen"?) Diese
Behauptung ist falsch, denn es sind ja verschiedene Ver-
suche der Art gemacht worden; die Hoffnung aber auf
einen Erfolg in dieser Richtung dürfte sich als eine eitle
erweisen, weil eine reinliche, d. h. keinen Zweifel zurück-
lassende Scheidung der Quellen unmöglich ist, oder die
erwünschte „reinliche Scheidung" doch nur in der Weise
stattfinden könnte, daß man entweder nur die fränkischen
Quellen maßgebend sein läßt, die von der Sachsenhilfe nichts
wissen oder wissen wollen, oder nur die sächsischen, die
denn doch unverkennbar gut unterrichtet sind. Um so
gespannter ist man natürlich darauf, wie denn Pelka die
von ihm in Aussicht gestellte reinliche Scheidung zu stände
bringen wird. Aber sehr bald wird man zu seinem Er-
des Thüringischen Königreichs. 261
staunen gewahr, daß dieser Anwalt einer reinlichen Schei-
dung nicht nur von den fränkischen, sondern auch von den
sächsischen Quellen Gebrauch macht und aus ihnen, als
hätte er den Lorenz und mir gemachten Vorwurf des
„gemischten Verfahrens" ganz vergessen, ebenfalls ganz
munter heraus nimmt, „was in sein Schema paßt"; ja
schließlich, anstatt sich mit einer Scheidung zu begnügen,
noch eine dritte Quellengruppe oder zum mindesten noch
eine neue Quelle aufstellt, nämlich den Anonymus de origine
Suevorum, beziehungsweise das dieser Schrift zu Grunde
liegende „Heldenlied".
Mit diesem Heldenliede nun hat es nach Pelka folgende
Bewandtnis: Er nimmt nämlich (S. 176) an, daß der Qued-
linburger Annalist und der später schreibende Anonymus
eine gemeinsame Quelle gehabt haben, und weiter (S. 177),
daß diese Quelle auch Widukind vorgelegen habe. Also
haben nach ihm alle drei Berichte dieselbe Urquelle (S. 179
und 185), und zwar eine deutsche, da zwar der Inhalt
übereinstimmend sei, nicht aber der Wortlaut. Sei es aber
eine deutsche, so könne es nur ein sächsisches
Heldenlied gewesen sein. Im besondern sei anzunehmen,
daß alle Stellen der erwähnten drei Berichte, welche mit-
einander übereinstimmten oder wenigstens sich gegenseitig
nicht völlig ausschlössen, diesem Heldenliede angehörten;
die abweichenden aber seien lokale Varianten.
Neu ist der Grundgedanke dieser Behauptung nicht.
Wenigstens ist schon früher in gewissen Teilen (fes Widu-
kindschen Berichtes und auch der Quedlinburger Annalen
die Wiedergabe eines epischen Gedichts erblickt worden.
Die Frage ist nur, wie die mannigfachen Abweichungen
der sächsischen Berichte zu erklären sind, und welche
Glaubwürdigkeit man ihnen beimessen kann. Wenn Pelka
sagt, die Punkte, betreffs deren sie voneinander abweichen,
seien „lokale Varianten", so ist damit nichts erklärt. Läge
wirklich eine gemeinsame Quelle vor, aus der alle drei
geschöpft haben, so müßte doch wohl eine durchgängige
252 Neues über den Sturz
Übereinstimmung in allen Hauptzügen und in der Fassung
der Gedanken wahrzunehmen sein, die aber Pelka nicht
hat nachweisen können. Dagegen läßt sich die Verschieden-
heit begreifen, wenn man annimmt, daß nicht bloß Ein
Heldengedicht die für den sächsischen Stamm so wichtigen
Begebenheiten besungen hat, sondern mehrere. Aus der
Tiefe des sächsischen Volkstums heraus werden eben ver-
schiedene selbständige Gestaltungen desselben
Stoffs an verschiedenen Orten hervorgegangen sein,
die sich im wesentlichen auf die Mitteilungen von Teil-
nehmern an den Kämpfen stützten, und deren Urgestalt
daher bis in die Zeit der in ihnen erzählten Begebenheiten
zurückreichen wird. Woran ein solcher Sänger oder seine
Gewährsmänner nicht teilgenommen, das konnte er natürlich
auch nicht besingen. Diese Volksepen aber dienten bei
dem Mangel geschichtlicher Lehrbücher und Unterrichts-
stätten den Zeitgenossen als zeitgemäßer Ersatz für unsere
heutigen Zeitungen und ihren Nachkommen als Lehrmittel
der Geschichte der Vergangenheit. Je nach dem Orte ihres
Entstehens und der Kenntnis und Urteilsfähigkeit ihres
Verfassers konnten diese Dichtungen natürlich mancher
Trübung, manchem Irrtume unterliegen, zumal sie zunächst
Jahrhunderte hindurch nur mündlich fortgepflanzt wurden.
Die sächsischen Berichterstatter könn en also, jeder für sich
aus einer andern epischen Urquelle geschöpft haben. In
diesem Falle wird sowohl die Übereinstimmung in den
meisten Hauptbegebenheiten , wie . auch die Abweichung
in Einzelheiten (die „lokalen Varianten" Pelkas) begreiflich.
Die sodann notwendig sich erhebende Frage, welche
Glaubwürdigkeit denn nun den sächsischen Be-
richten beizumessen sei, wird von Pelka dahin
beantwortet, daß sie von vornherein geringeren Glauben
verdienten, eine Behauptung, die er freilich nicht begründet,
daß aber ein völlig absprechendes Verdammungsurteil doch
nicht gerechtfertigt sei. Namentlich müsse man sich er-
innern, daß historisch bedeutsam gewordene Örtlichkeiten
des Thüringischen Königreichs. 253
nicht 80 leicht vom Volke vergessen würden, beiläufig
bemerkt, eine Tatsache, die nicht erst von Pelka entdeckt
ist, auf die vielmehr vorher ich ^) hingewiesen hatte. Er
werde also, fährt Pelka fort, die in dem Heldenliede vor-
kommenden Ortlichkeiten und Schlachten bis auf weiteres
als historisch betrachten, das Lied dagegen nur als be-
stätigende, nicht aber als grundlegende Quelle.
Ist das nun eine reinliche Scheidung der Quellen?
Wissen wir nun, ob die sächsischen Berichte irgend welchen
geschichtlichen Wert haben? Pelka will es oflfenbar mit
den Franken halten, ohne aber zuvor ihre Glaubwürdigkeit,
im besonderen die Gregors von Tours, kritisch untersucht
zu haben, jenes Berichterstatters, der nicht nur bewußt die
Sachsenhilfe verschweigt, vermutlich weil er nicht wagte,
mißliebige Dinge, die dem fränkischen Nationalstolz wehe
taten, zu berichten, sondern auch zweifellose Irrtümer be-
richtet, wie z. B. die meuchlerische Beseitigung Berthars
durch Irminfried. Andererseits kann er sich der Bedeutung
der sächsischen Berichte nicht ganz verschließen. Aber
obwohl er wenigstens die in ihnen erwähnten Örtlichkeiten
für geschichtlich bedeutsam erklärt, bringt er es doch,
diesem seinem Zugeständnis zuwider, fertig, zu behaupten,
der Quedlinburger Annalist habe die Schlachten in pago
Maerstem und an der Ocker frei erfunden. Was bleibt
denn dann von seinem Zugeständnisse noch übrig?
Aber warum wird er dem von ihm verkündeten Grund-
satze untreu? Weil er sich von seiner irrigen Voraus-
setzung nicht losreißen kann, daß allein die Franken maß-
gebend seien, und daß auf den Ronnebergen bei Vitzenburg
die erste Schlacht stattgefunden habe, obwohl die fränkischen
Berichterstatter diesen Namen nicht einmal nennen. Ich
frage daher nochmals: Ist das eine reinliche Scheidung
der Quellen? Ist das nicht vielmehr der höchste Gipfel
der Verwirrung? Und welchen Zweck hat denn überhaupt
1) Zeitschr., Bd. XIX, 1897, 8. 19.
254 Neues über den Sturz
Pelkas Versuch, eine gemeinsame Quelle der sächsische!
Berichte nachzuweisen, wenn er weder diesen noch jener"
irgend welche Beweiskraft zugestehen will? Dann hätte er
sich die ganze Mühe sparen können. Ich meinerseits spreche
allerdings den sächsischen Berichten, die nach meinei
Ansicht aus mehreren älteren Heldenliedern geflossei
sind, eine gewisse Beweiskraft zu. Gewiß ist in solchei
Volksepen manches frei erfunden, ja sogar Mythen können
eingewebt sein; trotzdem aber können geschichtliche Tat-
sachen in ihnen treu überliefert sein, und zwar um so treuer,
je entschiedener der Bericht auf eine bestimmte Ort«
lichkeit sich bezieht. Wir haben dafür ein recht beweis-
kräftiges Beispiel in dem angelsächsischen Epos „Beowulf".
Dort steht im zehnten Gesänge folgender Bericht (nach
Hans von Wolzogens Übersetzung) über den Tod des
Gautenkönigs Hygelac (ahd. Hugileich):
„Wahrlich, nicht war es das wenigst schwere
Handgemenge, wo Hugileich sank;
Hin gab da im Kampfe der gautische König,
Der liebe Volksfürst, im Lande der Friesen,
Des Eodilo Erbe, den Rottrunk des Eisens,
Vom Beile getroffen. Doch Bärweif entrann
Durch seine Kraft, die Sundstraße nutzend,
und trug noch am Arme einunddreißig
Maschige Streitheniden mit an den Strand.
Da erwuchs den Chattwaren nur wenig Ruhm
Aus dem Fußgefecht; die zuvor ihm die Schilde
Entgegen gekehrt, nun entgingen nicht viele
Dem schlagfertigen Helden, die Heimat zu schauen.''
Und im zwölften Gesänge spricht der Bote, der seinen
Landsleuten die Nachricht vom Tode Beowulfs bringt, unter
Bezugnahme auf dasselbe Ereignis die Befürchtung aus:
„Das Land erwarte
Blutige Zeiten, sobald da draußen
Franken und Friesen der Fall unsres Fürsten
Bekannt geworden ! Wir waren im Kampfe
Fast stets mit den Hugen, seit Hugileich gesteuert
Zum Friesenlande mit den Leuten zu Schiff,
des Thüringischen Königreichs, 265
Wo auf der Wahlstatt ihn warf der Chatt waren
Eilig bereite Übermacht,
Daß der Held in der Brünne sich beugen mußte,
Im Fußkampf gefällt. Wir empfingen nie mehr
Gaben vom Fürsten; auch gönnten uns fürder
Wenig Milde die Merowinge!"
Dagegen halte man nun folgende Stelle aus Gregors
Historia Francorum, Lib. III, cap. 3. zum Jahre etwa 515
(Mon, Germ. SS. rer. Merow. I, p. 111):
„His ita gestis Dani cum rege suo nomine Chlochi-
laichum (rectius C h o c h 11 a i c h u m) evectu navale per mare
Gallias appetunt. Egressique ad terras, pagum unum
de regno Theudorici de vastant atque captivant onera-
tisque navibus tam de captivis quam de reliquis spoliis
reverti ad patriam cuplunt; sed rex eorum in litus resedebat,
donec navis alto mare conpraehenderent, ipse deineeps secu-
turus. Quod cum Theudorico nuntiatum fuisset, quod sci-
licet regio eins fuerit ab extraneis devastata, Theudobertum
filium suum in illis partibus cum valido exercitu as magno
armorum apparatu direxit. Qui, interfectu rege, hosti-
bus navali proelio superatis oppraemit omnemque rapinam
terrae restituit."
Wer sähe hier nicht, daß beide, das Epos und der
Geschichtschreiber, im wesentlichen übereinstimmend, das-
selbe Ereignis darstellen, daß also das Epos eine anderweit
beglaubigte Nachricht von einem geschichtlichen Ereignisse
bringt und insofern genauer bringt, als der Geschicht-
schreiber, als es die Erinnerung an die Gegend, in der
der feindliche Zusammenstoß stattgefunden, treuer fest-
gehalten hat? Und wie es hier geschehen, so können, ja
werden auch in den sächsischen Heldengedichten wirklich
geschichtliche Ereignisse der Nachkommenschaft treu über-
liefert worden sein, so daß zwar Einzelzüge abweichen
mögen, die eigentliche Tatsache aber als fester geschicht-
licher Kern gelten darf.
Was aber nun die Entstehungszeit dieser Helden-
gedichte oder des nach Pelkas Auffassung als Urquelle
256 Neues über den Sturz
der sächsischen Überlieferung benutzten einzigen Helden-
gedichts betrifft, so habe ich meine Ansicht bereits aus-
gesprochen; Pelka dagegen ist der Meinung, es müsse
zwischen den Jahren 919 und 967 entstanden sein. Das
Jahr 967 ist als terminus ad quem nicht anzuzweifelnJ
wenn Widukind aus dem Gedichte geschöpft hat; um so!
mehr aber das Jahr 919 als der terminus a quo. Schon^
an sich ist es kaum denkbar, daß erst im 10. Jahrhundert es
einem Dichter eingefallen sein soll, das größte Ereignis des
6. Jahrhunderts auf sächsischem Boden zu besingen.
Gedichte, die solche geschichtliche Katastrophen behandeln,
muß man sich als unmittelbar oder bald nach jenen ent-
standen denken, denn nur da war das nötige Interesse
für die in ihnen erzählten Begebenheiten vorhanden, was
natürlich nicht ausschließt, daß später mit Rücksicht auf
spätere Hörer und Zustände Zutaten und Änderungen statt-
gefunden haben. Warum aber erst nach 919? Weil die
Äußerung Irings (nach Widukind I, 9) : „eos (Saxones) procul
dubio esse, qui Francorum Imperium quandoque
destruerent" nach Pelka ein vaticinium post eventum
ist, welches die Tatsache im Auge habe, daß in diesem
Jahre die Herrschaft endgültig von den Franken auf die
Sachsen überging. Und diese Deutung gibt derselbe Pelka,
der an anderen Stellen, wenn auch nicht mit besonderem
Glück, größten Wert auf genaue Deutung des Wortsinnes
legt (vgl. die gekünstelten Erörterungen über die Bedeutung
von persequentes auf S. 175 und 176), hier aber gar nicht
zu bemerken scheint, daß iraperium destruere eine höchst
unzutrefiende Bezeichnung für den Übergang der Führung
von den Franken auf die Sachsen ist, da ja der Herzog
der Sachsen von einer fränkischen Gesandtschaft um Über-
nahme der Führung ersucht wird und der Übergang der
Krone von den Franken auf die Sachsen in der friedlichsten
Weise stattgefunden hat. Von einer Destruktion der fränki-
schen Herrschaft und einem vaticinium post eventum kann
also wirklich keine Rede sein. Alles, was Pelka auf diesem
des Thüringischen Königreichs. 257
schwachen Grunde aufbaut, hat natürlich keinen Halt Et
selbst empfindet das, da er wenigstens erwägt, ob man
nicht an den großen 8ieg der Sachsen über Chlothar L
denken müsse, wenn Iring davon spreche, daß die Sachsen,
illud genus hominum indomabile et ad omnem laborem
durabile, zu einer Gefahr für die fränkische Herrschaft
werden könnten, ein Gedanke, den er aber alsbald nur aus
dem Grunde verwirft, weil „dieser Erfolg nur ein vorüber-
gehender" gewesen sei. Ich halte solches Nachrechnen
überhaupt für überflüssig und ergebnislos, da mir feststeht,
daß in jener Zeit, wo es noch keine nach unverbrauchten
Stoffen suchenden Dichter gab, ein Gedicht nur geschaffen
worden ist, um gleichzeitige Ereignisse oder solche, die
nur wenig zurücklagen, zu Kenntnis weiterer Kreise zu
bringen.
Da Pelka es für nötig hält, mich auf eine nach seiner
Meinung richtigere Übersetzung des Wortlauts hinzuweisen,
so will ich gleich hier über seine mit dem Anschein philo-
logischer Akribie auftretenden Übersetzungen noch einiges
bemerken. S. 174 übersetzt er „victum quaeritans supra
litus fluvii dicti" „Nahrung suchend oberhalb des Flusses",
was gar keinen Sinn gibt, während es doch nur übersetzt
werden kann „am Ufer des Flusses, entsprechend dem fran-
zösischen sur Marne, sur Aube; S. 169 belehrt er mich
freundlichst, daß obvium habere aliquem heiße „jemandem
begegnen". Aber wer bezweifelt denn das? ,Und was
läßt sich daraus zu Ungunsten meiner Erklärung schließen ?
Der fragliche Satz Aimoins lautet ja: „profectus itaque
(Theodoricus) in Toringiam obvium habuit Hermenefredum",
Da muß ich denn doch fragen, ob ihm die Bedeutung von
proficisci unbekannt ist. Proficisci bedeutet „sich fort-
machen, sich aufmachen, einen Marsch antreten" ; also ist
der Satz zu übersetzen : „Auf dem Marsche nach Thüringen
begegnete er dem Hermenefried". Dieser Satz, welcher
also im wesentlichen dasselbe besagt, wie Widukinds „ap-
propinquans terminis Thuringorum" und des Annalisten
258 Neues über den Sturz
„bello sibi occurentem", hätte schon aus sprachlichen Gründen <
ihn hindern müssen, die ßoniieberge bei Nebra für den
Ort des ersten Zusammenstoßes auszugeben, wozu dann
freilich noch topische und psychologische Gründe kommen.
Pelka bemerkt zwar spöttisch, als hätte ich etwas ganzj
Unerhörtes und Unhaltbares behauptet, ich wüßte sogari
die Furt zu zeigen, über die vor nunmehr fast 1400 Jahren ^
die Franken gezogen seien, aber damit beweist er eben
nur, daß er von dem Gewichte gerade solcher Beweisgründe
eine recht unzulängliche Vorstellung hat. Gerade die ört-
lichen Verhältnisse gewähren den sichersten Anhalt für die
Beurteilung geschichtlicher Fragen. Erst, wenn die Örtlich-
keiten, die für eine Reihe geschichtlicher Begebenheiten
in Frage kommen, festgelegt sind, kann der Verlauf der
Begebenheiten selbst mit einiger Sicherheit beurteilt werden.
Es gereichte mir daher zu nicht geringer Befriedigung, als
ich einige Zeit nach dem Erscheinen meiner Abhandlung
in der Einleitung zu Moltkes leider unvollendet gebliebenem
Werke über Rom und seine Umgebung folgende, meine
Forschungsmethode aufs schönste bestätigenden Bemer-
kungen des großen Feldherrn fand: „Geschichte und Orts-
kunde ergänzen sich, wie die Begriffe von Raum und Zeit.
Die Örtlichkeit ist das von einer längst vergangenen Be-
gebenheit übrig gebliebene' Stück Wirklichkeit. Sie ist
sehr oft der fossile Knochenrest, aus dem das Gerippe der
Begebenheit sich herstellen läßt, und das Bild, welches die
Geschichte in halb verwischten Zügen überliefert, tritt durch
sie in klarer Anschauung hervor. Denn wenn auch die
Jahrtausende nicht spurlos vorübergehen an der größten
aller Ruinen, der Mutter Erde, wenn der Anbau die Ober-
fläche glättet, die Wälder verschwinden, die Bäche ver-
siegen und tarpejische Felsen sich zu sanfteren Hängen
ebnen, so sind doch alle diese Einwirkungen höchstens im
Stande, nur die Hautfarbe der alma niater zu verändern,
ohne ihre Gesichtszüge unkenntlich zu machen." Und
weiter: „Selbst wenn die Forschung eine Überlieferung nur
des Thüringischen Königreichs. 259
noch als Fabel bestehen läßt, bezieht sich diese doch ineist
auf eine ganz bestimmte Örtlichkeit, welche der ursprüng-
liche Erzähler im Auge hatte. Eine Erzählung kann
geschichtlich unwahr und örtlich vollkommen genau sein.
. . . Die Aufgabe, welche wir uns stellen, wird nicht die
sein, die Fabel von der Wirklichkeit zu scheiden, sondern
beide mit derjenigen Örtlichkeit zu verbinden, auf welche
sie sich jedesmal beziehen." Ganz im Geiste Moltkes, ob-
wohl damals noch unbekannt mit seinen eben wieder-
gegebenen Äußerungen, habe ich „aus dem fossilen Knochen-
reste der Örtlichkeit" das Gerippe jener längst vergangenen
Begebenheit des Thüringerkriegs herzustellen gesucht und
bin der Meinung, daß diese Methode zu neuen und brauch-
baren Ergebnissen geführt hat. Gewiß weiß auch ich,
worauf Pelka mich aufmerksam machen zu müssen meint, daß
Furten im Laufe der Zeit sich ändern können, aber doch
nur, wenn die Bedingungen ihres Entstehens und ihrer
Fortdauer sich geändert haben. Bei einem Flusse, der, wie
das bei der Unstrut der Fall ist, zur Zeit des gewöhnlichen
Wasserstandes 3 — 5 m Tiefe hat, können nur ganz bestimmte
Stellen des Flußbettes in Frage kommen, und meine Auf-
spürung eben dieser Durchgangsstellen verliert dadurch
doch nicht an Beweiskraft, daß keiner vor mir auf den
Gedanken gekommen ist, die Furten zu erkunden, die für
die Feststellung des Ganges der Begebenheiten von aus-
schlaggebender Bedeutung sind, und noch weniger^ dadurch,
daß sie die Angaben gerade der sächsischen Quellen, auch
des von Pelka bevorzugten Anonymus de origine Suevorum,
in mich selbst überraschender Weise bestätigt haben.
In gleicher Weise nun, wie ich es betreffs der Furten
getan, habe ich die Vereinbarkeit der verfehlten Annahme,
die erste Schlacht habe auf den Ronnebergen bei Nebra
stattgefunden, mit den örtlichen Verhältnissen dieses Ge-
birgsstocks nachgeprüft. Ich kann allen, welche es be-
zweifeln, daß jene Schlacht, in welcher die Thüringer ihre
berittenen Gegner durch Anlegung von Gruben zu Falle
260 Neues über den Sturz
gebracht haben sollen, nicht auf den Ronnebergen bei
Nebra stattgefunden haben kann, und im besonderen Herrn
Dr. Pelka, nur empfehlen, diese Örtliöhkeit durch den
Augenschein kennen zu lernen. Dann werden sie sehen,
daß dieser mächtige, von einer nur dünnen Erdschicht
bedeckte Sandsteinblock mit allseits steil abfallenden
Hängen als Ort einer Reiterschlacht und als geeignet zur
Anlage einer Reihe von Fallgruben überhaupt nicht in
Frage kommen kann. Gedankenlos, muß ich sagen, haben
alle Späteren die leichtfertige Behauptung des Leipziger
Professors Böhme nachgeschrieben, obwohl sich dieser mit
ganz allgemeinen Vermutungen begnügt und selbst zweifel-
haft ist, ob die ihm zugesandten Fundstücke von den
Ronnebergen der Zeit des Thüringischen Königreiches zu-
geschrieben werden können. Auf diesen Crewährsmann,
dessen Schrift Pelka gar nicht gelesen zu haben scheint,
sonst würde er ihm nicht solche Autorität zusprechen, und
die von ihm besehenen Funde, von denen nicht ein einziger
mehr nachweisbar vorhanden ist, darf man sich um so
weniger berufen, als die später auf den Ronnebergen und
namentlich auf ihrer südlichsten Erhebung, dem Bock,
gemachten Funde, welche ich bei Herrn Baron von Hell-
dorf auf dem Rittergute Zingst habe besichtigen können,
sämtlich teils der jüngeren Steinzeit, teils der ältesten und
mittleren Bronzezeit, also einer Zeit angehören, die von
der Schlacht bei Runibergun durch mindestens ein bis
zwei Jahrtausende getrennt ist, wie ich in meinem Führer
durch das Unstruttal (2. Aufl., S. 160, Freyburg, 1904 bei
Joh. Finke) mitgeteilt habe.
Zu den Gründen, die sich aus der Beschaffenheit der
Örtlichkeit ergeben, gesellt sich nun aber ein nicht minder
maßgebender psychologischer. Welcher unbefangene Be-
urteiler kann es wohl für möglich halten, daß der thüringische
König trotz der innumera multitudo seines Heeres stumpf-
sinnig bei Burgscheidungen gewartet hat, bis ihn die
Franken dort aufsuchten und auf den kaum 10 km in der
des Thüringischen Königreichs. 261
Luftlinie von Burgscheidungen entfernten Ronnebergeri zum
Kampfe zwangen ? Ein solches Verhalten wäre wohl denk-
bar nach einer oder mehreren verlorenen großen Schlachten,
nicht aber vor irgend einer Schlacht. Das ist doch wohl
so einleuchtend, daß es sich wirklich nicht verlohnt, darüber
noch weitere Worte zu verlieren.
Auf die übrigen Einwände Pelkas und seine Versuche,
meine Ausführungen zu erschüttern, glaube ich bei der
Unhaltbarkeit der von ihm vertretenen Auffassung bezüglich
der Lage von Runibergun vorläufig nicht weiter eingehen
zu sollen, obwohl es nicht schwierig wäre, sie zu wider-
legen, wenn ich auch seinem Fleiße meine Anerkennung
nicht versagen kann. Wohl aber möchte ich nun noch
Verschiedenes geltend machen, was geeignet ist, meine Be-
hauptung, daß die erste Schlacht in der Nähe von Hannover
stattgefunden haben müsse, zu bestätigen, weil schon dieser
Nachweis genügt, die Unhaltbarkeit der Pelkaschen Auf-
fassung darzutun.
Da in Deutschland eine beträchtliche Anzahl von Orten
den Namen Ronneberg führt und auch bloß aus diesem
Grunde ohne Rücksicht auf passende Lage viele von ihnen
als die Stätte der Schlacht bei Runibergun in Anspruch
genommen worden sind, so wird man fordern dürfen, daß
irgend welche bedeutsamen Namen, Sagen oder Funde nach-
gewiesen werden, die es wahrscheinlich machen, daß an
dem Orte dieses Namens eine große Völkerschlaeht statt-
gefunden hat. Für die Ronneberge bei Nebra ist man
bisher diesen Nachweis schuldig geblieben und auch Pelka
wird ihn schwerlich liefern. Anders steht es, wie ich
zeigen werde, um Ronnenberg südwestlich von Hannover,
welches westlich der Leine und ihres Zuflusses Ihme am
Nordende eines den gleichen Namen tragenden Bergrückens
liegt, nördlich dessen in einer von mehreren Bergrücken
umgebenen Ebene die Dörfer Empelde und Benthe liegen.
Nun hat Sanitätsrat Dr. Weiß in Bückeburg-Eilsen in einem
XXII. 18
262
Neues über den Sturz
vor 3 Jahren erschienenen Aufsatze i) zur Erklärung des Orts-
namens Empelde folgendes bemerkt : „Das Dorf Empelde,
südwestlich von Hannover (im 9. Jahrhundert Amplithi,
1186 Emplithe, 1204 Emplethe, 1676 Empelde) ist dadurch
merkwürdig, daß in seiner Gemarkung der Sattel des un-
geheuren unterirdischen Salzgebirgs der Umgegend von
Hannover so nahe unter der Erdoberfläche liegt, wie an
keiner anderen Stelle, wie durch neue bergbauliche Unter-
suchungen erwiesen ist. Nun erscheinen in der Empelder
Feldmark in höchst auffälliger Weise eine ganze
I
Hannover
Anzahl von Bodenvertiefungen, Noch zu Menschen-
gedenken war die Elur durchsetzt mit nicht übermäßig tiefen
Erdfällen von trichterförmiger Grestalt. Die Entstehung
derselben ist sehr leicht erklärbar. Durch. Auslaugen des
Salzbergsattels oder der Gypsdecke entstanden hier Hohl-
räume, die, weil sie oben lagen, sich nicht, wie es sonst
bei Hohlräumen im Salzlager der Fall zu sein pflegt, mit
Wasser füllten, sondern ein Nachstürzen der Decke ver-
anlaßten, welcher Vorgang wiederum an der Erdoberfläche
zur Bildung von Trichtergruben Veranlassung gab. Diese
1) „Neue Erklärungen der Namen von einigen wichtigen Orten
in Niedersachsen." Jahrgang 1900 der Zeitschrift des historischen
Vereins für Niedersachsen, Hannover, Hahn, 1900, S. 181 — 193.
des Thüringischen Königreichs. 263
Gruben scheinen teilweise trocken geblieben zu sein ; waren
sie aber tief, so bildeten sie, jedenfalls durch einströmendes
Grundwasser, „Kolke". Solche finden sich, oft ausgezeichnet
durch ihre Tiefe und scheinbar ohne Zusammenhang mit
anderen Gewässern, gar nicht selten in dem Gelände über
dem Salz- und Gypslager. Sie führen in der Umgegend von
Hannover den besonderen Namen „Glocksee" und zwar sicher
von ihrer Gestalt. Stadtler erwähnt ausdrücklich große
Erdfälle am Ende des Ronneburger Holzes
unmittelbar an der Empelder Mark, welche als drei etwa
7 Morgen große „Teiche" früher Glocksehe genannt wurden."
Aus dieser Eigentümlichkeit des Geländes erklärt nun
Weiß den Ortsnamen Empelde. Die urkundlich älteste
Namensform Amplithi kann nicht etwa auf eine Wurzel
Amp — und ein Grundwort — lithi (richtiger hlltä! = Leite,
Bergabhang) bezogen werden, „weil wegen vollständig
ebener Beschaffenheit der Feldflur eine Zu-
sammensetzung mit lithi (hlitä) ausgeschlossen ist Es
muß also der Name aus der bereits erweiterten Wortform
Ampi — mit dem Suffix — ithi gebildet sein, welches dem
vorangehenden Worte den Begriff der Häufigkeit verleiht
oder es verallgemeinert." Das zu Grunde liegende ampl —
führt Weiß — meines Erachtens mit Recht — auf das
(dem lateinischen ampulla entlehnte) ahd. ampullä (amplä),
mhd. ampel, nhd. Ampel zurück, welches ein Gefäß von
kegel- oder trichterförmiger Gestalt bedeutet, und von der
Wurzel amb, welche Krümmung und Bogenform bezeichne,
abzuleiten sei. In dem Namen des Dorfes oder seiner Flur
komme also die auffällige Häufigkeit trichterförmiger, durch
Erdfälle entstandener Gruben zum Ausdruck.
Da nun diese Erd fälle sich ganz in der Nähe von
Runibergun in regione Maerstem zeigen, so findet es Weiß
— und man kann sagen: mit gutem Grunde — wahr-
scheinlich, daß sie in der dreitägigen Völkerschlacht des
Jahres 531 (Weiß setzt unrichtig 530) zwischen Franken
und Thüringern, weil nicht sehr groß, als Wolfsgruben
18*
264 Neues über den Sturz
verwendet und der fränkischen Reiterei verderblich
geworden sind. Hierzu möchte ich bemerken, daß es kein
Bedenken zu erregen braucht, wenn die fränkischen Bericht-
erstatter diese zu Fallgruben eingerichteten Erdfälle als
fossae oder fossata ^) bezeichnen, da den Erdfällen, falls
sie zu flach erschienen, durch nachhelfende Ausschachtung
größere Tiefe gegeben sein kann oder auch die vereinzelten
durch Verbindungsgräben zu einer fortlaufenden Hindernis-
kette verbunden sein mögen. Darum werden auch diese Ver-
tiefungen, wie ich bald nachweisen werde, Grüften genannt.
Am Schlüsse seiner Ausführungen macht Weiß darauf
aufmerksam, daß auf dem naturgemäß sehr ausgedehnten
B,onneberger Schlachtfelde bei dem Dorfe Benthe die alte
Gerichtsstelle der „sieben Trappen" gelegen habe,
die noch im vorigen Jahrhundert eine Reihe von sieben
Löchern und zwar in Einer Flucht mit den bekannten,
damals an anderer Stelle als jetzt stehenden 8 Steinen, an
diese ostwärts sich unmittelbar anschließend, gebildet hätten.
Die erste Trappe war flach, jede folgende tiefer, als 'die
vorhergehende, so daß die letzte etwa l^/g m (Tiefe) er-
reichte. Auf einem Hofe in Benthe aber ruhte die Ver-
pflichtung, die Trappen in jedem Jahre aufzuräumen und
wieder herzustellen 2). Weiß hält es nicht für unmöglich,
daß wir es hier mit einer Gedächtnisstätte und Gedächtnis-
feier in Bezug auf die Fallgruben der Schlacht bei Runi-
bergun zu tun haben und daß die Steine vielleicht als
Grabsteine aufzufassen seien. Diese Annahme wird, woran
Weiß nicht gedacht hat, bestätigt durch mehrere Sagen,
welche sich an die sieben Trappen der Benther Gerichts-
1) Auffällig ist überdies, daß nördlich von Benthe und Empelde
ein Bach, die Fosse, unterhalb von Linden in die Leine geht.
Ob dieser zu der lateinischen Bezeichnung fossa in irgend welcher
Beziehung steht, muß ich dahingestellt sein lassen.
2) So berichtet G. F. Fiedeler, Das Kirchspiel Gerden.
Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrg. 1862,
S. 145—242.
des Thüringischen Königreichs. 265
Stätte knüpfen und welche Fiedeler in seinem Aufsatze er-
wähnt. Diese Sagen erzählen folgendes: „Nicht weit von
Hannover sind die sogenannten sieben Trappen oder
Grüften zu sehen, woselbst ein Brauer (!) — oflFenbar
ein Druckfehler für Bauer — sich verflucht, daß er seiner
Magd das Lohn gegeben, und soll darauf daselbst unter-
gesunken sein i)." Ausführlicher und etwas abweichend
ist folgende Fassung: „Zu Benthe unweit Hannover zeugen
noch heutiges Tages die sieben Trappen oder Fußtapfen
von einem besondern daselbst gehaltenen Gerichte" »), und
namentlich folgende Fassung: „Des Weges nach Gerden
hin zwischen Eberloh und Empele (!) bemerkt man einen
Platz zwischen einem Knick, die Sieben Trappen genannt
Die Tradition saget hiervon, daß vorzeiten hieselbst öflfentlich
Landgericht gehalten worden. Als nun ein Bauer vor-
kömmt, der seinem Nachbar Land abgepflüget,
oder, wie eine andere Tradition will, seinem Knecht
das verdiente Lohn versaget, (hat er) einen falschen
Eid gethan und sich dermaßen vermaledeyet, daß ihn Gott
sollte lassen versinken, ehe er von dem Platze ginge, wenn
die Sache nicht so wäre, als er ausgesaget. Allein, wie er
kaum seinen Abtritt genommen, fanget er an zu gleiten
und in dem siebenten Schritt sinket er gar in die Erde.
Ob er nun sein Leben noch davon gebracht, ist nicht
bekannt. Indessen muß ein Bauer dasiges Orts diese sieben
Schritt oder Trappen jährlich unterhalten und erneuern ').
Wieder etwas abweichend lautet die Sage auf Grund
mündlicher Überlieferung bei Kuhn und Schwarz*).
„Bei E verlob unweit Hannover liegen am Berge sieben große
Steine, die man die sieben Trappen nennt und die auf die
1) P. L. Berckemeyer, Vermehrter Curieuscr Antiquarius,
S. 675. Hamburg.
2) W. E. Baring, Beschreibung der Lauensteinschen Saale,
S. 73, 1744.
3) W. E. Baring, Beiträge zur Hannoverschen Kirchen- und
Schulgeschichte, S. 89 der Vorrede. 1748.
4) Norddeutsche Sagen, S. 253. Leipzig 1848.
266 Neues über den Sturz
folgende Weise ihren Namen bekommen haben sollen. Zur
Zeit, als das Gericht noch unter freiem Himmel gehalten
wurde, war mal ein Bürgermeistelr, der schwor
seinem Knecht das Lohn ab, sagend, er hätte es
ihm bereits gegeben, und wenn es nicht wahr sei, so wolle
er gleich in die Erde versinken. Da hat er denn nur noch
sieben Schritte gemacht, und bei dem letzten ist er in die
Erde gesunken. Zum Andenken aber hat man nachher bei
jedem Schritt, den er gethan, einen Stein gesetzt, und davon
haben diese Steine den Namen der sieben Trappen erhalten."
Offenbar liegt in diesem Bericht insofern eine Ver-
wechselung vor, als nicht die Steine, sondern die neben
ihnen befindlichen Vertiefungen die sieben Trappen heißen.
Auch sind, es nach Fiedeler nicht sieben, sondern acht
Steine. Laut einer an Ort und Stelle eingezogenen Er-
kundigung haben diese 8 Steine vor dem Jahre 1857 in
einer Reihe, und zwar ungefähr 10 Schritte von ihrem
jetzigen Standorte nach Benthe zu gestanden, sind aber
nach diesem Jahre infolge der Verkoppelung der Benther
Feldmark beim Bau des dort errichteten Müllerhauses an
ihre jetzige Stelle gesetzt worden, und vor denselben haben
sich die sieben Trappen befunden, welche jährlich auf-
geräumt und dadurch erhalten gewesen. Die erste Trappe
sei klein, die zweite größer, die folgenden immer größer
als die vorhergehende, und die siebente ein großes Loch
gewesen. Eine Lagezeichnung der Trappen und auch der
Steine sowohl nach ihrem früheren, wie auch nach ihrem
jetzigen Stand bei dem Müllerhaus dicht an der Chaussee
von Nenndorf nach Hannover ist dem Fiedelerschen Auf-
satze beigegeben i).
Die erwähnten 8 Steine, welche a. a. 0. ebenfalls nach
einer um das Jahr 1830 angefertigten Zeichnung abgebildet
sind, sind etwa 2 ' breit und 3 — 4 ' hoch gewesen, übrigens
mehr oder weniger beschädigt. Auf der Vorder- und Rück-
1) Zeitschr. des Histor. Vereins für Niedersachsen, Jahrg. 1862,
vor S. 171.
i
des Tbüringischen Königreicha. 267
Seite waren durch einfache, vertiefte Linien Kreuze von
mannigfacher altertümlicher Form eingehauen, welche es
wahrscheinlich machen, daß sie als Grabdenkmäler vor-
nehmer, dort gefallener Franken dienen sollten ^), zumal da
ihre Zahl eine so beträchtliche ist.
Der eigentümlichste Zug der über die sieben Trappen
überlieferten Sagen ist der, daß ein Bauer oder Bürger-
meister, in jener ländlichen Gegend das Urbild des
Machthabers, seinem Knechte das verdiente Lohn
versagt oder seinem Nachbar das diesem gehörige Land
abgepflügt und darum seinen Untergang gefunden haben
soll. Es liegt nahe, in dieser dem Volksverständnis an-
genäherten Darstellung eine Erinnerung an die Ur-
sache des fränkisch-thüringischen Krieges,
die Vorenthaltung des von Irminfried seinem Bundes-
genossen und Helfer Theodorich vorenthaltenen Beuteanteils,
und in dem Untergange des von der göttlichen Vergeltung
ereilten Wortbrüchigen eine Erinnerung an den den Später-
lebenden als ein Gottesgericht erscheinenden Untergang
des Thüringerkönigs zu erblicken, eine Auffassung, die
freilich den fränkischen Siegern und ihrem Einflüsse ihren
Ursprung verdanken wird. Denn der Unterlegene erscheint
immer im Unrecht nach dem Worte des Dichters: „Denn
jeder Ausgang ist ein Gottesurteil."
Machen es schon diese sagenhaften Überlieferungen
wahrscheinlich, daß bei Benthe unweit Ronnenberg tat-
sächlich der große Völkerkampf zwischen Franken und
Thüringern stattgefunden hat, so wird diese Wahrscheinlich-
keit durch die Bedeutung des Namens Benthe zur Gewiß-
heit erhoben. Es mag hier ganz davon abgesehen werden,
daß nach einer Urkunde vom Jahre 1362 im Gogericht
Gerden eine MordmohP) erwähnt wird, welche in ihrem
1) Man vergesse nicht, daß die Franken damals bereits Christen
waren.
2) Nach Fiedeler a. a. O. S. 171 die jetzige Landwehrschenke,
Amts Linden.
268 Neues über den Sturz des Thüringisclien Königreiclis.
Namen die Erinnerung an den blutigen Zusammenstoß der
feindlichen Heere bewahrt haben kann. Weit wichtiger ist
der Name Benthe (urkundlich Benethe) selbst, dessen Ur-
form Banithi gelautet haben muß. Offenbar liegt dem-
selben die Wurzel bhan in der Bedeutung schlagen und
das ahd. und as. Wort bano, mhd. baue (vgl. das griechische
<povi^)j welches Tod und Verderben bedeutet, zu Grunde.
Mit dem verallgemeinernden Suffix — ithi zusammengesetzt,
welches ein häufiges Vorkommen der Wurzelbedeutung an-
zeigt, bezeichnet es eine Stätte oder Gegend, in welcher
Todschlag und Verderben in ungewöhnlichem Maße statt-
gefunden hat, ist also ein durchaus passender Name für
die Stätte eines großen Völkerkampfes. Faßt man alle
besprochenen Umstände zusammen, so kann es wohl kaum
noch einem Zweifel unterliegen, daß bei den Orten Ronne-
berg, Empelde und Benthe die erste große Schlacht
zwischen Thüringern und Franken stattgefunden hat und
daß die durch eingeritzte Kreuze ausgezeichneten Steine
Denkmäler dort gefallener und begrabener, vornehmer
fränkischer Krieger sind, die ebenso einmal erneuert worden
sein mögen, wie man die Trappen oder Grüften neben ihnen,
welche wohl die Ursache ihres Todes ad oculos demon-
strieren sollten, durch stetige Erneuerung zu erhalten bemüht
gewesen ist. Hat aber die erste Schlacht in dem Kriege
tatsächlich bei Ronneberg unweit Hannover stattgefunden,
so wird nicht nur wahrscheinlich, daß die Westgrenze des
Thüringischen Königreichs sich damals (531) bis an die
Leine erstreckt hat, sondern man muß dann auch zugeben,
daß die sächsischen Quellen betreffs des Örtlichen weit
besser, betreffs des allgemeinen Ganges der Begebenheiten
aber mindestens eben so gut unterrichtet sind, als die
fränkischen, und daß dann eben nichts weiter übrig bleibt,
als die Anwendung des von Pelka als vollständige Ver-
wirrung bezeichneten „gemischten Verfahrens".
Die vor- und frühgeschichtlichen Funde der
Grafschaft Camburg.
Von
Dr. Gustay Eichhorn in Jena.
II. Stadt Camburg an der Saale.
Slavisches Gräberfeld
in der Nähe des heutigen Amtsgerichtsgebäudes.
Am 2, April 1869 teilte Dr. Bender in Camburg
Prof. Klopfleisch, der in Tierschneck mit Ausgrabungen gerade
beschäftigt war, brieflich mit, daß sich beim Ausgraben
eines Grundes in der Stadt Camburg 2 sehr alte Skelette
gefunden hätten, dabei ein Messer, ein kleiner Wetzstein von
messerähnlicher Form, an einem Ende durchlocht, und ein
Topf von schwarzer Masse. Die Sachen ständen zur Ver-
fügung.
Mit dieser Benachrichtigung hat Dr. Bender der thü-
ringischen Prähistorie einen großen Dienst geleistet. Klop-
fleisch wurde nämlich auf die Spur eines Gräberfeldes
geleitet, das sich bei den veranstalteten Ausgrabungen als
eines der größten in Thüringen erwies , dessen
Schädelmaterial unsere namhaftesten Anthropologen zu
wiederholten Malen auf den Kongressen auf das lebhafteste
beschäftigte. Der Schädel einer Jungfrau wurde schließlich
zu einer internationalen Berühmtheit.
Die Ausgrabungen wurden erst im Mai des Jahres 1872
abgeschlossen. In der Zwischenzeit waren alljährlich eine
größere Anzahl Gräber aufgedeckt worden unter spezieller
Aufsicht Klopfleischs, der, wie Virchow auf dem VII. all-
gemeinen Kongreß zu Jena am 9. August 1876 rühmend
sagte, „mit einer Treue und Sorgfalt, wie sie außerhalb der
Kreise der Naturforscher, einschließlich Altertumsforscher
270 ^ie vor- u. fröhgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
selten gefunden wird, seit Jahren das Material, das auf
diesem Boden zu haben ist, gesammelt hat." Die Funde
befinden sich im germanischen Museum \zu Jena.
Unter den Akten des germanischen Museums befindet
sich ein Situationsplan dieser Gräber von der Hand Klop-
fleischs (Kg. 80).
Fig. 80.
Wie ich gleich vorweg nehmen will, war dieses Gräber-
feld ein slavisches. Es lag auf dem westlichen Ufer
der Saale ungefähr da, wo jetzt das Hotel zur Post und
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 271
dessen Nebengebäude stehen. Die Ausschachtungen - beim
Bau der Saaleisenbahn zerstörten es. Der Fundort ist
übrigens ganz besonders zu beachten. Wir wissen, daß
ganz in der Nähe dieses slavischen, also frtihgeschichtlichen
Gräberfeldes die älteste Burg Camburgs im frühen Mittel-
alter errichtet wurde, da, wo heutigen Tages das Amts-
gerichtsgebäude steht.
Die Skelette lagen 0,60— 1,50 m tief, meist einzeln, in
ungleichmäßigen Abständen voneinander, in nicht sehr regel-
mäßigen Reihen, ohne jede Steinsetzung oder Spur von Holz-
umhüllung im Lehmboden. Fast durchgängig aber war eine
dünne Schicht Asche mit Kohlen unter und neben die Toten
gestreut worden, keine Scherben.
Die Toten waren derart beerdigt, daß die Füße im Osten
oder Südosten, der Kopf im Westen resp. Nordwesten lag.
Es sind Frauen jeden Alters, Kinder, Männer. In einzelnen
Fällen waren zwei Erwachsene, oder Frau und Kind dicht
beieinander beerdigt. In einem Grab lagen zwei Erwachsene
nebeneinander, der eine kopfüber, wie in abwärts sitzender
Stellung.
Die Beigaben der Toten waren im ganzen ärmlich.
Bei vier Skeletten standen zur rechten Seite halbierte
Urnen, teils wagrecbt, teils senkrecht zerschlagen. Die Urnen
waren am oberen Bauchteil mit dem charakteristischen
slavischen Wellenomament verziert. Die zwei ' senkrecht
halbierten Gefäße (Fig. 81. 82) habe ich ergänzt.
Hohes Gefäß von Topfforra (Fig. 81), proportioniert Der
Rand schwach ausladend ; unterhalb desselben laufen am Hals 2
Systeme von unregelmäßigen Wellenlinien um das Gefäß, die mit
einem raehrzinkigen (5 — 7), karamartigen Instrumente unter mäßigem
Druck in die noch weiche Tonmasse gezogen sind. Die Tonmasse
ist hart gebrannt, mit Glimmer durchsetzt, rötlich grau ; Außenfläche
wenig sorgfältig glattgestrichen. Der Boden geraae. Wand mittel-
stark: 0,8 cm. Das ergänzt« Gefäß hat im oberen Durchmesser
17,5 cm, im größten Durchmesser 19 cm, im Bodendurchmesser 10,5;
ganze Höhe 20 cm, Umbruch in 15 cm Höhe, (No. 1538). (War
1880 mit auf der Ausstellung vorgeschichtlicher Altertümer in Berlin.)
272 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Mittelhohes Gefäß von Topf form (Fig. 82), dem vorigen
gleichartig. Der Eand ebenfalls schwach ausladend. Unterhalb des-
selben umzieht ein System von Wellenlinien, mit einem 7-zinkigen
Instrument erzeugt, den Gefäßhals. Eine gleichartige Wellenlinie
umzieht den Umbruch des Gefäßbauches. Die Tonmasse ist hart
gebrannt, mit Sandkörnchen reichlich durchsetzt, rötlich grau. Die
Außenseite ist ohne große Akkuratesse glatt gestrichen, Innenfläche
schwärzlich. Das ergänzte Gefäß hat einen oberen Durchmesser von
15 cm ; größter Durchmesser 16 cm, ßodendurchmesser 8 cm, Höhe
15 cm ; Umbruch in einer Höhe von 10 cm vom Boden. Wandstärke
1 cm. (No. 1539). (War 1880 mit auf der Ausstellung vorgeschicht-
licher Altertümer in Berlin.)
Fig. 82. V,
Fig. 81. »/,
Bodenhälfte eines großen Tontopfes, aus einzelnen Bruch-
stücken wieder zusammengesetzt. Die Tonmasse ist hart gebrannt,
mit Sandkörnchen reichlicn durchsetzt, so daß sie sich anfühlt wie
Sandpapier; Außenfläche gut geglättet, gelblich grau, Innenfläche
geschwärzt; der Boden ist glatt und in scharfem Winkel abgesetzt
von der Seitenwand. Durchmesser 13 cm. In 8 cm Höhe ist der
Topfdurchmesser 18,5 cm. Wandstärke 6 mm. Auf der Kante rings
um den Boden scharfe geradlinige Einschnitte, zum Teil sich spitz-
winklig schneidend, wohl vom Wetzen eines metallenen Werkzeuges
auf der sandigen Fläche und Kante herrührend. (No. 1540.)
Bodenstück eines mittelgroßen Tontopfes von roher Arbeit.
Die unteren Partieen der Seitenwandung sitzen in stumpfem Winkel
auf. Tonmasse bräunlich grau, mit klargestoßenen Steinstückchen
reichlich durchsetzt. Auf der Außenfläche des Bodens im Zentrum
nabeiförmige Einsenkung und einige konzentrische Furchen, durch
die Befestigung auf der Töpferscheibe erzeugt; periphere Furche innen
am Übergang des Bodens in die Seitenwandüng. Durchmesser des
Bodens 11 cm, des Topfes in 472 ^^ Höhe 14 cm. Wandstärke
6 mm. (No. 1541.)
Die vor- u. frühgeechichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 273
Bei 5 Skeletten wurden zu Füßen die eisernen Beifen,
Handhaben und Ösen von je einem Eimer gefunden, die
Holzgefäße waren natürlich vermodert.
Die eisernen Henkel (Fig. 83 — 88) sind gut er-
halten, durch die Erdlast aber verbogen. Sie sind aus
einem vierkantigen Eisenstab geschmiedet, der entweder
als solcher halbkreisförmig gebogen, an seinen Enden zur
Aufnahme der Ösen umgelegt war (Fig. 84, 85); oder der
mittlere Teil des Bogens war in der Glühhitze nach rechts
um seine Achse vielmal gedreht, so daß er schnurförmig aus-
sah (Fig. 83) ; oder der mittlere Teil war bandförmig breit
gehämmert und nach Art der noch heute gebräuchlichen
Eimerhenkel halbzylinderförmig aufgebogen (Fig. 86, 88).
Ein starker vierkantiger Henkel ist durch zwei längliche
Knoten geziert (Fig. 87).
Die Ösen (Fig. 86, 87), in welchen sich die umge-
bogenen Henkelstücken drehten, haben die Form eines ge-
schwungenen V. Ihre freien Enden sind rechtwinklig ab-
gebogen, um ins Holz des Eimers nageiförmig einzugreifen.
Gefunden wurden 10 Stück, von denen einzelne noch mit
ihrem Henkel zusammenhängen. Bei einem Henkel (Fig.
88) hängt an dem einen Ende ein fingerlanger, gerader
Eisenstab, der sich ringförmig um dasselbe legt.
Die eisernen Eimerreifen bilden einen Kreis, einige
ein Oval. Ihr Querschnitt ist dreieckig, quadratisch, schmal
rechteckig ; einige sind bandförmig breit ; ein vierkantiger
ist schnurförmig, in der Glühhitze nach rechts gedreht.
4 Reifen sind vollständig, dreikantig, kreisrund, 7 ebenso,
aber verzogen oder gebrochen; ein Reif hat quadratischen
Querschnitt, er ist kreisrund, vollständig; 2 vierkantige
waren nur in Bruchstücken erhalten ; 2 sind breitbandförmig,
3 schmalbandförmig. Die Stelle, an welcher die ursprüng-
lichen Enden aneinander geschmiedet sind, ist nur bei wenigen
etwas verdickt. Bei den bandförmigen sind die Enden
übereinander gelegt und vernietet.
274 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Eiserner Henkel (Fig. 83) zu einem Holzeimer, gut erhalte»^
nach der einen Seite etwas auseinandergezogen, auf der anderen Seitt
nach innen gedrückt, verrostet. Der vierkantige Henkel ist aus
einem im Querschnitt quadratischen Stab hergfestellt, der im Verlauf
I'ig. 83. V,.
des Bogens vielmal nach rechts gedreht worden ist, die zum Haken
bestimmten Enden sind nicht gedreht, 2 -förmig abgebogen und auf
der einen Seite zu einer Spiralscheibe eingerollt. Dicke des 'unge-
drehten Stabes 0,5 cm, in der Bogenmitte 0,7 cm. Durchmesser des
Bogens von einem Haken zum andern 20 cm, Peripherie des Bogens
außen 38 cm. Aus diesen Zahlen ergibt sich eine obere Peripherie
des Eimers von 76 cm, vorausgesetzt, daß der Henkel auf den Eimer -
rand auflag, wie bei unseren jetzigen Holzeimern. Durchmesser des.
beigesetzten Eimers ursprünglich 21 cm, (No. 1542.)
Fig. 84. V*-
Eiserner Henkel (Fig. 84) zu einem Holzeimer, gut erhalten,
verrostet, vierkantig, gleichmäßig nach beiden Seiten etwas auseinander
gezogen. Der Henkel ist aus einem ungedrehten Eisenstab hergestellt
von quadratischem Querschnitt, die Enden zur Aufnahme der Oese
umgebogen. Dicke des Stabes 0,6 cm, Peripherie des Bogens 39 cm,
Durchmesser zwischen den beiden Haken 25 cm ; berechnete obere
Peripherie des dazugehörigen Eimers 78 cm, Durchmesser desselben
21,6. (No. 1543.)
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 275
Eiserner Henkel (Fig. 85) eiuee Eimers, gut erhalten, ver-
rostet, vierkantig, aus einem bandförmigen Eisen gearbeitet, die Enden
verjüngt, hakenförmig umgebogen. Bogenperipherie 31 cm, Durch-
messer zwischen den Haken 20,5 cm. Größte Breite 1 cm in der
Bogenmitte, Dicke 2 mm. Berechnete obere Peripherie des zugehörigen
Eimers 62 cm, Durchmesser desselben 19,5 cm. (No. 1544.J
Fig. 85. V,.
Eiserner Henkel (Fig. 86) eines Eimers, in zwei Stücke ge-
brochen, mit den daran festgerosteten Ösen, gut erhalten. Der
Henkel ist aus einem vierkantigen Stab hergestellt, von quadratischem
Querschnitt; die Mitte des Bogena ist breitgehämmert und mulden-
förmig umgebogen, damit es besser in der Hand li^. Die Enden
sind hakenförmig umgebogen. Der Henkel hat auf dem oberen Eimer-
rand aufgelegen, infolge dessen sind die ankerförmigen Ösen recht-
winkhg dazu angerostet. Sie lagen auf der äußeren Eimerwand nach
beiden Seiten sich spreizend auf und waren — wie ein in der Mitte
des einen Ankerschenkels angerosteter Nagel beweist — durch Nägel
Fig. 86. V,.
befestigt. Gleichzeitig läßt die Richtung der ösenschenkel den Schluß
zu, daß die Eimer oben enger, der Boden weiter war. Bogenperipherie
26 cm. Ösenlänge 4 cm. Berechnete obere Eimerperiphene 52 cm,
Durchmesser oben 13,5 cm. (No. 1545.)
Kräftiger eiserner Henkel (Fig. 87) eines großen Eimers, gut
erhalten, mit dazu gehörigen, lose daran hängenden, ankerförmigen
Ösen. Der Bügel ist aus einem 1 cm starken, vierkantigen Eisenstab
276 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
hergestellt, von quadratischem Querschnitt; durch zwei längliche
Knoten ist der Bogen in drei Drittel geteilt. Peripherie des Bogens
außen 40 cm. 23,2 cm jetziger Durchmesser. Die Enden des Henkels
sind rechtwinklig abgebogen und durch einen ^quadratischen Knopf
abgeschlossen. Die anhängenden, bandförmig gehämnierten Ösen
enden in divergierende Bogen, die Spitzen sind zugespitzt und nach
der Eimerwand zu abgebogen, um nageiförmig ins Holz einzugreifen.
Berechneter oberer Umfang des Holzeimers 80 cm. (No. 1546.)
Fig. 87. V4.
Eiserner Eimerhenkel (Fig. 88) mit rechtwinklig dazu an-
gerosteter, einarmiger Öse. Auch dieser Bügel ist hergestellt aus
einem vierkantigen Eisenstab von quadratischem Querschnitt, der in
Fig. 88. V,.
Die vor- u. frühgeßchichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 277
kurzer Entfernung von den hakenförmigen Enden viele Male nach
rechte gedreht ist und in der Mitte für das Anlegen der Hand breit
gehämmert und muldenförmig aufgebogen ist. Peripherie de« ßogena
29,0 cm, Durchmesser des Bogens jetzt 17 cm. Dicke des Eisenstabes
0,(3 cm, des breitesten Teiles der mittleren Mulde 1,7 cm. Berechnete
obere Peripherie des Eimers 59 cm. Die anhängende Öse ist ein 1 1 cm
lange«, stabförmigcjs, gerades Eisen, das obere Ende legt eich kreis-
förmig um den Henkelhaken, das ^untere Ende ist nach außen
abgebogen. Vermutlich lag diese Ose auf der äußeren Eimerwand
auf, und ein Keif drückte dieselbe fest an. Da» umgebogene Ende
verhinderte das Hervorgleiten unter dem Reif. Die Öee ist in einem
leicht stumpfen Winkel angerostet, so daß auf eine nach unten sich
erweiternde Eimerform zu schließen wäre. Ebenso gut aber kann es
auch auf eine Verschiebung des ganzen Eimers durch die drückende
Erdlast zurückgeführt werden. (No. 1547.)
Eiserne Eimer Öse, aus einem 7 mm breiten, bandförmigen
Eisenstück hergestellt, mit gespreizten Schenkeln. Höhe 72 cm.
(No. 1548.)
Eiserne Eimer ose, aus einem Eisenstab hergestellt von
quadratischem Querschnitt. Die Schenkel auseinander gespreitzt und
nach der Eimerwandung zu zugespitzt und abgebogen, um ins Holz
einzugreifen. Höhe 8,5 cm. (No. 1549.)
Eiserne Eimeröse, aus einem Eisenstab hergestellt von
c[uadradischem Querschnitt, mit ebenso gespreizten Schenkeln und
ins Holz eingreifenden Spitzen, aber sehr verschoben beim Zusammen-
drücken des Holzeimers. Jetzige Höhe 9,2 cm. (No. 1550.)
Eiserne Ei m e rös e — der eine gespreizte Schenkel fehlt — , eben-
falls hergestellt aus einem Eisenstab von quadratischem Querschnitt
und geformt wie die anderen; auch hier ist das letzte Ende des er-
haltenen Schenkels zum Eingreifen in das Holz des Eimers abgebogen.
Höhe 9 cm. (No. 1551.)
Eiserne Eimeröse, die sich spreizenden Schenkel fehlen;
schmal bandförmig. (No. 1552.)
Eiserner Eimerreif, vollständig, kreisrund, von dreieckigem
Querschnitt, innere Peripherie 53 cm, die Seiten des gleichseitigen
Dreiecks 0,6 cm breit. (No. 1553.)
Eiserner Eimerreif, vollständig, kreisrund, von dreieckigem
Querschnitt, innere Peripherie 56 cm; 0,6 cm Länge der Seite des
gleichseitigen Dreiecks. (No. 1554.)
Eiserner Eimerreif, vollständig, kreisrund, Querschnitt ein
gleichseitiges Dreieck, jede Seite 0,6 cm, innere Peripherie 65,5 cm.
(No. 15550
Eiserner Eimerreif, vollständig, kreisrund, im Querschnitt
ein gleichschenkliges Dreieck von 0,8 cm Hypothenueen=, 0.6 Seiten-
länge, innere Peripherie t)8,5 cm. (No. 1556.)
Eiserner Eimerreif, vollständig, zu einem unregelmäßigen
Oval verzogen, im Querschnitt ein gleichseitiges Dreieck von 0,6 cm
Seitenlänge, innere Peripherie 58 cm. (No. 1557.)
Eiserner Eimerreif, vollständig, breitoval, im Querschnitt
ein gleichseitiges Dreieck von 0,6 cm Seitenlänge, innere Peripherie
85,5 cm. (No. 1558.)
XXII. 19
278 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Eiserner Eimer reif, oval, gesprengt, die Enden stehen 3 cm
auseinander, Querschnitt dreieckig, 0,6 cm breit, innere Peripherie
67 cm. (No. 1559.)
Eiserner Eimerreif, 74 eines Ovals, Querschnitt dreieckige
von 0,6 cm Seitenlänge, innere Peripherie 59 cm. (No. 1560.)
Bruchstücke eines eisernen Eimerreifs, im Querschnitt ein
Dreieck von 0,6 cm Seitenlänge ; dieselben ergeben zusammen, ihren
Krümmungen entsprechend, emen Reif von 75 cm innerer Peripherie.
(Nr. 1561.)
Mehrere Bruchstücke eines eisernen Eimerreifs, in ihren
Krümmungen entsprechend einem Bing von annähernd derselben
Peripherie wie No. 1561. Im Querschnitt ein Dreieck von 0,6 cm
Seitenlänge. (No. 1562.)
Bruchstücke eines eisernen Eimerreifs, im Querschnitt ein.
Dreieck von 0,6 cm Seitenlänge, an einer Stelle schleifenförmig (zum
Einhängen des Henkels?) in die Höhe gezogen. Innere Peripherie
ohne Ausbiegung zur Schleife 55,5 cm, 7^ eines Ovals in seiner vor-
hegenden Gestalt. (No. 1563.)
Schön erhaltener, starker, kreisrunder Eimerreif, hergestellt
aus einem 0,8 cm starken vierkantigen Eisenstab von quadratischem
Querschnitt ; der Stab ist in seiner ganzen Länge um seine Achse
vielmals nach rechts gedreht, die Enden hakenförmig abgebogen und
übereinander gelegt. Innere Peripherie 66,5 cm. (No. 1564.)
Schwächerer, eiserner Eimerreif, aus 3 Bruchstücken be-
stehend, im Querschnitt rechteckig, die Enden hakenförmig über-
einander gelegt. Innere Peripherie ca. 62 cm, das größere Bruch-
stück oval verzogen. (No. 1565.)
Eiserner Eimerreif in 3 Bruchstücken von ca. 66 cm innerer
Peripherie, die Enden hakenförmig umeinander gebogen und inein-
ander gerostet, Querschnitt vierkantig. (No. 1566.)
Drei isolierte kleine Bruchstücke von eisernen Reifen, vier-
kantig. (No. 1567.)
Eiserner Eimerreif in 3 Bruchstücken, nach ihren Krüm-
mungen zu einem Reif von ca. 82 cm innerer Peripherie gehörig,
schmal bandförmig, im Querschnitt rechteckig, 0,7 cm breit. (No. 1568.)
Zwei kleine Reifenbruchstücke von rechteckigem Querschnitt aus
Eisen. (No. 1569.)
Eiserner E i m e r r e i f , breit bandförmig, vollständig, geschlossen,
ohne erkennbaren Niet; innere Peripherie 77 cm, oval, Breite 3 cm.
(No. 1570.)
Brucnstücke eines eisernen Eimerreifen, breit bandförmig,
an dem größten eine 10 cm lange Stelle doppelter Dicke. Hier
waren die Enden übereinander gelegt und genietet. (No. 1571.)*)
Bald rechts bald links in der Handgegend hatten die
Toten verrostete Messerklingen aus Eisen liegen (Fig.
89 — 100), einschneidig, in langer, schmaler Form oder
kürzer und breiter, die meisten mit Griffdorn, an einem
*) Von den eisernen Eimerhenkeln waren zwei, von den Eimer -
reifen einer mit auf der Ausstellung in Berlin 1880.
Die vor- u, frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 279
sogar die Spuren einer Holzverschalung (Fig. 91), im
Ganzen 15 Stück.
Fig. 89. Fig. 90. Fig. 91. Fig. 92. Fig. 93. Fig. 94.
Fig. 100.
Fig. 95. Fig. 96.
Fig. 98. Fig. 99.
Fig. 89-101. V,.
Fig. 97. Fig. 101.
Lange, schmale, eiserne, einschneidige Messerklinge (Fig. 89),
ein Dritteil mit der Spitze fehlt, mit Griffaorn. Länge des erhiuten«!
Klingen teiles 4,5 cm, des Griffdorns 3 cm, Breite 1,2 cm. Verrostet,
Form deutlich. (No. 1502.)
Lange, schmale, eiserne, einschneidige Messerklinge (Fig. 90),
Rücken und Schneide gleichmäßig zur Spitze sich vereinend, mit
Griffdorn. Länge der Klinge 12 cm, des Griffdorns 3,5 cm, ^ößte
Breite in der Mitte 1,8 cm. Verrostet, aber mit Deutlichkeit die
Form zu erkennen. (No. 1501.)
Großes, mittelbreites, eisernes Messer (Fig. 91), in drei Bruch-
stücken, die Spitze fehlt, Länge der Klinge 9 cm, größte Breite
19*
280 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
2 cm, in der Mitte, Griff dorn 8 cm lang, mit Besten der Holz-
verschalung. (No. 1503.)
Eiserne Messerklinge (Fig. 92), klein', mittelbreit, Rücken
wenig, Schneide mehr zur Spitze sich umbiegend, mit Griffdorn,
stark verrostet. KUnge ö, Griffdom 3 cm lang, Breite der KUngen-
mitte 1,5 cm. (No. 1504.)
Breite, eiserne Messerklinge, in 2 Stücke zerbrochen, stark ver-
rostet. Griff dorn fehlt, Länge 9 cm, Breite in der Mitte 2,2 cm.
(No. 1505.)
Breite, eiserne Messerklinge (Fig. 93), Eücken gerade, Schneide
allmählich zur Spitze umbiegend. Griffdorn fehlt, verrostet, Länge 9 cm,
Breite 2,2 cm. (No. 1506.)
Schmale, eiserne Messerklinge (Fig. 94), Rücken leicht,
Schneide mehr geschweift, Griffdorn fehlt, Länge 9,5 cm, Breite in
der Mitte 1,7 cm. Verrostet. (No. 1507.)
Lange, schmale, eiserne Messerklinge, Rücken gerade. Schneide
allmählich zur Spitze umbiegend, nach dem Schaft zu sich leicht
verjüngend, Griffdorn fehlt, Länge 9 cm. Breite in der Mitte 1,7 cm,
verrostet, Form aber sehr deutlich. (No. 1508.)
Langes, schmales Messer (Fig. 95), gut erhalten, mit Griffdorn,
Rücken leicht, Schneide mehr geschweift, Rücken am Griffansatz
abfallend, Länge der Klinge 10 cm, des Griffdorns 4 cm, mittlere
Breite 1,7 cm. (No. 1509.)
Ebenso geformtes , etwas schmäleres Messer (Fig. 96) , gut
erhalten. Länge der Klinge 10 cm, des Griffdorns 2,5 cm. Breite
der Klingenmitte 1,3 cm. (No. 1510.)
Eisernes Messer (Fig. 97), lang, schmal, mit langem, deutlich
abgesetztem Griffdorn, ein viertel der Klinge mit der Spitze fehlt.
Rücken und Schneide gleichmäßig zur Spitze zu sich verjüngend.
Länge des Klingenrestes 8 cm, des Griffdorns 8 cm. (No. 1511.)
Besterhaltenes, schmales, spitzes Eisenmesser (Fig. 98), Rücken
und Schneide fast gleichmäßig im schwachen Bogen zur Spitze sich
vereinend. Griffdorn abgesetzt, Länge der Klinge 8 cm, Klingen-
breite in der Mitte 1,2 cm. Griff dorn vollständig, 3,5 cm lang.
(No. 1512.)
Eisernes Messer (Fig. 99), gut erhalten, in 2 Stücke zerbrochen,
mit Griffdorn, mittelgroß, mittelbreit, zugespitzt. Länge der Klinge
10 cm, des Griffdoms 4,5 cm, Breite der Klingenmitte 2 cm. (No. 1513.)
Kleines, gut erhaltenes, eisernes Messer (Fig. 100), mit langem
Griffdorn, Rücken gerade, Schneide allmählich aufgebogen. Länge
der Klinge 6,5 cm, des Griffdorns 5 cm, Klingenbreite in der Mitte
1,4 cm. (No. 1514.)
Langes, schmales, stark verrostetes Messer mit breitem Griffdorn,
Länge der Klinge 9,0 cm, Breite in der Mitte 1,3 cm, Griffdom 3,5 cm
lang. (No. 1515.)*)
Einzelne Skelette hatten auch Schleifsteinchen und
Plußkiesel bei sich.
Ein Schleifstein (Fig. 101) war messerförmig, aus grauem
I
*) 2 eiserne Messer davon waren 1880 auf der Ausstellung vor-
geschichthcher Altertümer in Berlin.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 281
Schiefer, mit beiderseits trichterförmigem, kleinem Loch nahe
dem einen Ende zum Anhängen. 14 cm lang, 2 cm breit
1 cm größte Dicke, beide Enden abgeschliflfen. (No. 1516.)
In der Nähe der rechten Hand einer erwachsenen Person
lag eine kleine patinierte BronBenadel (Fig. 102) mit platt
gehämmertem und 2 -förmig umgebogenem Kopf. Länge 7 cm
(No. 1518.)*)
In der Ohrgegend lagen bei einem Skelett z w e i g 1 e i c h-
artige, große, bronzene, patinierte Sohläfenringe'
(Eig. 103), das eine platt gehämmerte Ende mit der charakte-
ristischen 2 -förmigen Umbiegung, das andere hakenförmig
im rechten Winkel abgebogen, so daß es mit der 2 -förmigen
Schleife einen festen Verschluß bildet.
Fig. 103. V,-
Fig. 102. V,
Auf jeden Ring sind lose aufgeschnürt drei vergoldete,
kugelförmige Metallperlen mit je einem geperlten Xranz um
die Mitte und an jedem Ende dem Schnurloch vorgelegt, und
vier zylinderförmige Spiralen aus feinem Silberdraht in ab-
wechselnder Reihenfolge vom 2 -förmigen Ende an. Die
kleinere Hälfte des Ringes ist frei. Der Haken des zweiten
Ringes ist nach der entgegengesetzten Seite abgebogen, so
daß der eine Ring zum Tragen für die rechte, der andere
für die linke Seite berechnet worden ist. Durchmesser
*) War 1880 mit in Berlin auf der Ausstellung vorgeschicht-
licher Altertümer.
282 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Cambiirg.
beider Ringe gleich, 6,2 cm im Lichten, Stärke des Drahtes
2 mm. Breite der Perle 1,2 cm, Dicke 1,3 cm, Länge der
Spiralen 1,1 — 2,1 cm. Gewicht beider ilinge gleich, je 12
Gramm. (No. 1519.)*)
Außerdem wurden 11 kleinere Schläfenringe (Fig.
104 — 108) gesammelt, die bekanntlich die Slaven in der
Ohrgegend an einem um den Kopf gelegten, ledernen Stirn-
riemen trugen, einzeln oder paarweise, in größerer Zahl.
6 waren aus Silber, 5 aus Bronzedraht.
Fig. 107. Fig. 108.
h' '*•
Schläfenring (Fig. 104) aus Silberdraht, mittelgroß, Durch-
messer im Lichten 3,5 cm. Drahtstärke 1,8 mm. (No. 1520.)
Schläfenring (Fig. 105) aus Bronze, mit Patina überzogen,
mittelgroß, in 2 Stücke gebrochen, Durchmesser im Lichten ca. 3,0 cm.
Drahtstärke 2 mm. (No. 1521.)
Schläfenring aus Silber, mittelgroß, von dem g -förmigen
Ende fehlt ein Stück. Durchmesser im Lichten 2,8 cm. Drahtstärke
2 mm. (No. 1522.)
Schläfenring aus Silber, in drei Teile zerbrochen, mittelgroß,
Durchmesser im Lichten ca. 2,5 cm, Drahtstärke 1,3 mm. (No. 1523.)
Schläfenring aus Silber, in zwei Teile zerbrochen, das
2 -förmigeEnde fehlt, mittelgroß. Drahtstärke 1,3 mm. (No. 1524.)
Scnläf enring (Fig. 106) aus Bronzedraht, patiniert, weit
offen, klein. Durchmesser im Lichten 1,5 cm. Drahtstärke 1,8 mm.
(No. 1525.)
Schläfenring (Fig. 107) aus Bronzedraht, patiniert, Enden
wenig übereinander liegend, klein. Durchmesser im Lichten 1,9 cm.
Drahtstärke 1,5 mm. (No. 1526.)
Schläfenring aus Silber, sehr klein, Enden aneinander
liegend. "Von der 2 -förmigen Schleife fehlt ein Stück. Durchmesser im
Lichten 1,1 cm. Drahtstärke 1,3 mm. (No. 1527.)
Schläfenring (Fig. 108) aus Silber, sehr klein, in zwei Teile
gebrochen, g -förmiges Ende abgebrochen. Drahtstärke 1,1 mm.
(No. 1528.)
Schläfenring aus Bronze, patiniert, mittelgroß, von der
*) Waren 1880 mit in Berlin auf der Ausstellung vorgeschicht-
licher Altertümer.
Die vor- u. frühgeechichtl. Funde der Grafschaft Cambm^.
? -förmigen Schleife fehlt ein Teil. Durchmeaser im Lichten- 2.5 cm.
Drahtstärke 1,8 mm. (No. 1529.)
Sehr kleiner Schläfenring aus relativ dickem Bronzedraht,
•die 2 Schleife fehlt zum großen Teil. Drahtstärke 2,9 mm. Durch-
messer im Lichten 0,8 cm. (No. 1533.)
Von 5 weiteren kleineren und mittelgroßen Ringen
ist nicht sieber mehr zu sagen, wo und wie sie getragen
wurden. Von einem kleineren wissen wir, daß er in der
Hüftgegend lag.
O o
Fig. 109. V,. Fig. 110. '/,. Fig. 111. V,. Fig. 112. •/,•
Mittelgroßer Eing (Fig. 109) aus Bronzedraht, patiniert, ver-
bogen, das eine Ende etwas platt gehämmert und eingerollt. Durch-
messer im Lichten ca. 2,5 cm. (No. 1530.)
Mittelgroßer Ring (Fi^. 110) aus Bronzedraht, patiniert, vier-
kantig, das eine Ende zu einer Schleife unigebogen, das andere in
die Schleife eingreifende Ende abgebrochen. Durchmesser im Lichten
2,5 cm. (No. 1531.)
Kleiner ovaler Ring aus Bronzedraht, patiniert, einzelne Stelien
mit braunem Rost inkrustiert, die Enden übereinander gebogen.
Drahtstärke 2,1 mm. (No. 1532.)
Kleiner; offener Bronzering (Fig. 111), patiniert, Durchmesser
im Lichten 1,3 cm, relativ starker Draht 2,0 mm. (No. 1534).
Sehr kleiner, offener Bronzering (Fig. 112), patiniert, von
relativ starkem Draht. Durchmesser im Lichten 0,9 mm. Drahtstärke
2,0 mm. (No. 1535.)
Eine eiserne Schnalle (Fig. 113), in Bruchstücken, ver-
rostet, mittelgroß (No. 1536) lag zusammen mit einem kleinen,
zylinderförmig gerollten, starken Bronzeblech (Bronze-
perle ? Fig. 114), 1,3 cm lang, in der Beckengegend einer
erwachsenen Person. (No. 1537.)
Fig. 113. V,. Fig. 114. V,.
284 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg,
In der Halsgegend wurden hier und da bei Erwachsenen
und Kindern Glasperlen gefunden, einzeln oder mehrere
Stück bei einander. Die Glasperlen hatten doppeltkonische
Form (Fig. 115, 116, 117), oder sie waren breit faßförmig
(Fig. 118), platt kugelförmig (Fig. 119), zylinderförmig
(Fig. 120 — 124). Die langen, zylinderförmigen hatten im
Querschnitt Sternform. Die Farbe der Perlen ist schwärz-
lich, grünlich, rotbraun, blau, durchsichtig oder undurch-
sichtig. Einige sind mehrfarbig, gefleckt, eine Perle ist mit
einer zackigen Glasauflage geziert (Fig. 115).
Bei allen zylinderförmigen Glasperlen ist das Schnur-
loch innen ausgekleidet mit einer sehr dünnen, mit grüner
Patina überzogenen Metallschicht (Bronze). Bei einzelneu
durchbrochenen Stücken (Fig. 121a) ist das Glas abgesprengt
und die sehr feine Blechplatte isoliert sichtbar. Bei genauer
Betrachtung der Struktur der Glasschicht (Fig. 123) sieht
mau ferner eine Summe einzeln übereinander liegender
Flächen. Diese beiden Beobachtungen geben einen Aufschluß
über die Herstellung der Perlen. Mau fertigte erst dünne,
metallene Hohlzyliuder, umwickelte diese eine Reihe mal
mit einem sehr fein ausgezogenen Glasband und drückte
in die noch weiche Glasmasse vier Längsfurcheu.
Perlen von Halsketten. (No. 1517.)*)
Fig. 115. V,. Fig. 116. Vi. Fig. 117. V,. Fig. 118. Fig. 119. Vi-
a) Große Perle (Fig. 115) mit weitem Schnurloch von annähernd
doppelkonischer Form aus schwärzlichem, undurchsichtigem Glas-
fluß. Auf die Außenfläche ist ein gelblichweißes Glasstäbchen
in unregelmäßige Zacken gelegt aufgeschmolzen. Durchmesser
der Perle 1,5 cm, Dicke 1,0 cm, Schnurloch weite 0,6 cm.
b) Mittelgroße Perle (Fig. 116) von doppelkonischer Form aus
schwärzlichem, undurchsichtigem Glasfluß. Auf der Außenfläche
vier große auswendig weiße, mit hellblauen Zentren versehene,
*) Waren 1880 mit in Berlin zur Ausstellung vorgeschichtlicher
Altertümer.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der GrafHchaft Camburg. 285
kreisförmige Flecken in unregelmäßigen Abständen. Schnurlodi
kreisrund, beiderseits llachtrichtcrförniig. Durchmesser der Perle
1,1 cm, Dicke 0,8 cm, Schnurloch weite 0,3 cm.
c) Mittelgroße doppelkonische Perle (Fig. 117) aus malachitgrünem,
undurchsichtigem Glasfluß. 1,0 cm Durchmesser, 0,8 cm Dicke,
Schnurloch kreisrund, 0,3 cm weit.
d) Mittelgroße, schmale Perle (Fig. IIB», breit faßförmig, von rot-
braunem, undurchsichtigem Glasfluß. Die Seitenflächen senken
sich flach trichterförmig zum kreisrunden Schnurloch. Durch-
messer 1,1 cm, Dicke 0,5 cm, Schnurlochweite 0,3 cm.
e) Kleine, blaue, durchsichtige Glasperle (Fig. 119), platt kugelförmig.
0,5 cm Durchmesser, 0,2o cm Dicke, Schnurloch weite 0,1 cm.
Fig. 120. Vr
Fig. 121. V,.
Fig. 121a. V,.
f) Lange, zylinderförmige Perle (Fig. 120) von durchsichtigem,
grünlichem Glas mit vier tiefen Längsfurchen, so daß die Perle
aus vier um das Schnurloch gelegten Wülsten zusaminengesetzt
erscheint, der Querschnitt infolgedessen sternartig. Durchmesser
0,7 cm, Länge 2,1 cm, Schnurloch kreisrund, 0,2 cm Schnur-
iochweite.
g) Lange, zylinderförmige Perle (Fig. 121) von durchsichtigem,
grünlichem Glas, durcn vier Längsfurchen in vier Wülste_ ge-
sondert, Querschnitt sternförmig. Durchmesser 0,9 cm, Län^e
2,5 cm, Schnurloch kreisrund, 0,2 cm Schnurlochweite. Lm
Bruchstück dieser Perle (Fig. 121a) zeigt die innere Auskleidung
des Schnurlochs mit einer sehr dünnen Bronzeschicht.
Fig. 122. '\.
h) Lange, olivenförmige Perle (Fig. 122) von durchsichtigem Gla»,
die eine Hälfte bläulich, die andere grünlich, durch vier Längs-
furchen vierwulstig geformt. Gr. Durchmesser 1,1 cm, Länge
2,4 cm, Schnurloch kreisrund, 0,2 cm weit.
i) Hälfte einer langen, zylinderförmigen Perle (Fig. 123) von durch
sichtigem, grünlichem Glas, vier tiefe Längsfurchen, Querschnitt
sternförmig, kreisrundes Schnurloch, Dicke 1,1 cm. Zwei wulet-
förraige Bruchstücke derselben Perle angehörig.
k) Bruchstücke einer mittelgroßen, zylinderförmigen Perle (Fig. 124)
aus grünlichem Glas, vier Längsfurchen mit abgerundeten Enden.
286 üie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Nicht alle Skelette hatten* Beigaben, einzelne dagegen
mehrerlei. Die Notizen von den Ausgrabungen am 13.
Oktober 1871 berichten darüber: \
1 Frauenskelett mit Messer von Eisen, zur Linken neben
dem Vorderarm ein paar Flußsteine.
1 Kind mit silbernen Ohrringen, Glasperle.
Die Ausgrabungen am 6, 7. 8. Mai 1872:
1 erwachsene Person mit kleinem Bronzering in der Hüften-
gegend, ein etwas größerer Bronzering unter dem Kopfe
zur rechten Seite, in der Mitte ein Messer.
1 Kind mit zwei silbernen, kleinen Ohrringen, Bronzeperle
und Bernsteinperle, kleinem Reibstein.
1 Kind, dabei länglich geteilter Schleifstein.
1 Erwachsener, Messer zur Linken.
1 alte Person, Ohrring von Bronze.
1 erwachsene Person, in der Beckengegend Reste einer
eisernen Schnalle und eine lange Bronzeperle.
1 Kind, am Kopf ein Hahnenskelett, zu Füßen ein Eimer.
1 erwachsene Person, ein eisernes Messer mit Holzspuren
am Griff.
1 Skelett, bei der linken Hand ein Messer.
1 Skelett, bei der rechten Hand eine Nadel; ein Eimer.
1 Skelett mit Messer in der rechten Hand.
1 Skelett mit Messer in der linken Hand, am Halse drei Perlen.
1 Skelett mit Messer in der rechten Hand.
1 Kind, beim Schädel drei Perlen.
1 Skelett, beim Schädel zwei Ohrringe; ein Eimerhenkel.
1 Skelett mit Messer in der Linken.
1 weibliches Skelett mit Perlenbruchstücken an der linken
Halsseite.
1 männliches Skelett mit Messer in der Rechten.
1 Skelett mit Messer in der Linken.
Das von Klopfleisch sorgsamst gesammelte, große
Material an Skelettresten ist bisher nur zu einem
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 287
kleinen Teil wissenschaftlich verwertet worden. 1880 waren
es nur 6 Schädel, die, fast unversehrt dem Boden entnommen,
zur Ausstellung vorgeschichtlicher Altertümer nach Berlin
gesandt wurden, und Virchow stellte auch nur an diesen
bei Gelegenheit der allgemeinen Anthropologen Versammlung
zu Jena 1876 seine Messungen an. Im vergangenen Jahre
habe ich nun das gesamte Knochenmaterial gereinigt, ge-
ordnet und die Schädel mit gütiger Unterstützung des
Herrn Zahnarztes Hahn in Jena, soweit es möglich
war, zusammengesetzt. Die Schädel und Schädelreste
gaben die wichtigsten Anhaltepunkte zur nachträglichen,
näheren Bestimmung der hier Beerdigten nach Geschlecht
und Alter. "Wir erinnern uns daran, daß größeres Volumen,
größere Derbheit der Knochen, kräftigere Entwickelung der
den Muskeln zum Anheften dienenden Knochenhöcker und
Leisten besonders am Hinterhaupt, knochigeres Gesicht mit
wulstigeren Umrahmungen der Augenhöhlen, tiefen Fossae
caninae, größere Zähne, massiverer Unterkiefer, kräftigeres
Gebiß den männlichen Schädel gegenüber den weiblichen
charakterisiert. Ganz besonderen Wert lege ich auf die
genaue Untersuchung der Zähne. Sie sind oft der einzige
wissenschaftlich brauchbare Körperüberrest, während das
übrige Skelett morsch unter unseren Händen beim Aus-
graben zerfällt. Aus ihrem Erhaltungszustand, der Art
ihrer Entwickelung, ihrem Bau, ihrer Stellung können eine
ganze Reihe von Schlüssen gezogen werden auf das Ge-
schlecht, auf das Alter, auf die Ernährungsweise ihrer Besitzer.
Um einem weiteren Kreise die Möglichkeit einer selb-
ständigen Beurteilung der Schädel zu ermöglichen, habe
ich in der photographischen Abteilung der Firma Zeiss in
Jena Photographien derselben anfertigen lassen. Die Bilder
sind alle in demselben Verhältnis 1 : 4 der natürlichen Größe
mit einem sehr großen Apparat in weitem AbsUnd vom
Original aufgenommen worden, so daß eine Verzeichnung
80 gut wie ausgeschlossen ist Sie sind so scharf, daß jede
288 -l^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Einzelheit am Knochen auf das deutlichste hervortritt. Auf
die gleichmäßige Aufstellung der Schädel beim Photogra-
phieren wurde besondere Acht gegeben. ^ Sie sind allesamt
in die deutsche Horizontalebene eingerichtet photographiert,
d. h. in die Ebene, welche bestimmt wird durch 2 Grade,
die beiderseits den tiefsten Punkt des unteren Augen-
höhlenrandes mit dem senkrecht über der Mitte der Ohr-
öffnung liegenden Punkt des oberen Randes des knöchernen
Gehörganges verbinden.
Im ganzen sind es 56 Personen, die hier ausgegraben
worden sind, und deren Skelettreste wir im Germanischen
Museum haben, und zwar:
im ersten Kindesalter verstorbener (bis Ende des
6. Lebensjahres gerechnet): 8 (No. 16. 17. 25. 32. 33.
53. 54. 55);
im zweiten Kindesalter (vom 7. bis Ende des
13. Jahres): 1 (No. 52);
im Jugendalter (vom 14. — 25. Jahr): 7 (No. 1. 2.
10. 15. 26. 41. 45);
im Greisenalter (über 60 Jahr) mit Sicherheit 1 ;
die übrigen 28 gehören dem kräftigen erwachsenen
(25.— 40. Jahr) und reifen Alter an (40.— 60. Jahr).
Von diesen sind weiblichen Geschlechts 22, männlichen
Geschlechts 17. Die übrigen sind unbestimmbar.
Wissenschaftlich verwertbar sind heute, nach der Zu-
sammensetzung 24 Schädel. Ein flüchtiger Ueberblick sagt
uns, daß es fast durchgängig Schmalgesichter sind, lange,
relativ schmale und verhältnismäßig hohe Schädel. Die einen
(Fig. 126) im Bau, in ihrem Profil ebenmäßig, andere (Fig. 129)
starkknochig, mit kräftigen Augenbrauenwülsten, Sattelnase,
hervortretenden Backenknochen und starker Prognathie, d. h.
die Ober- und Unterkieferzahnreihe ist stark schnauzenartig
nach vorn gezogen. Das Extrem von Prognathie zeigt der
Schädel eines 14-jährigen Mädchens (Fig. 126), der inter-
Die vor- u. fruhgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 289
national berühmt gewordenen „Camburger Jungfrau**.
Einige der Schädel haben sehr hohe Unterkiefer, auch ist
das Mittelstück, das die Schneidezähne enthält, sehr breit.
Stellenweise ist die Kinnbildung eine sehr starke, durchweg
aber steht die Bildung im Gegensatz zur progenäischen
Form, d. h. trotz der starken Ausbildung des Kinns schiebt
sich die Kiefergegend gleichzeitig nach vorne. Das gibt
einen stark eingebogenen Unterkiefer, an dem sowohl
das Kinn als die Zahngegend hervortreten. Die Differenz
in der Kieferwinkeldistanz ist eine sehr große. Bei den
Männern beträgt diese Distanz im Mittel 92,6 mm, bei den
Frauen 94,5; in mittlerer Summe 93,8. Die Zähne sind
im ganzen sehr gut, kräftig, blendend weiß ; nur ausnahms-
weise mit Zahnstein besetzt. Einige Personen haben aller-
dings Caries der Zähne, vereinzelt auch sehen wir einige
Fistelö£fnungen und Spuren gewaltsamer Extraktionen
während des Lebens. Ein Schädel (Fig. 128) hatte fünf
untere Schneidezähne.
Als interessant seien hier erwähnt 2 Schädel mit voll-
ständig erhaltener Stirn naht (Fig. 134, 143) und 2 Schädel,
welche einen Processus frontalis squamae tem-
poralis aufweisen (Fig. 144, 145), Exemplare von solcher
Güte, „wie sie", nach Virchows Ausspruch „vielleicht kein
anderes Museum an deutschen Schädeln zu zeigen im stände
ist". Es sind dies Schädel, bei welchen die Schuppe des
Schläfenbeins unmittelbar an das Stirnbein anstößt dadurch,
daß die Schläfenschuppe einen Fortsatz von hinten her so
weit vorschiebt, daß die Verbindung zwischen Keilbeinflügel
und Seitenwandbeinwinkel unterbrochen wird, eine Eigen-
tümlichkeit der höheren Affen. Fig. 145 ist das Bild des
Schädels eines etwa 1^, -jährigen Kindes (1590). Bei
Fig. 144, dem Schädel einer Erwachsenen (1591), ist ein
Processus frontalis incompletus, wo die Schläfenschuppe
nicht ganz an das Stirnbein reicht, aber doch einen Vor-
sprung bildet, der so groß ist, daß nur noch ein kleiner
290 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Zwischenraum übrig geblieben ist. Eine zweite Eigentüm-
lichkeit desselben ist eine ungemein starke Vorschiebung
des Kiefers, ein zweites Merkmal niederer ^asse. Im ganzen
ist dieser Schädel ziemlich groß und gut entwickelt.
Chirurgisch interessant ist eine einzelne linke Tibia
mit geheilter Fraktur. Der Bruch verlief schräg, beinahe
in der Mitte des Knochens. Das untere Stück ist medial-
wärts etwas disloziert.
Im folgenden gebe ich eine genaue Beschreibung des gesamten
Camburger Skelettmaterials. Ich folge dabei den auf den Knochen
mit Tinte oder Blei notierten Buchstaben und Zahlen und den
kleinen Zetteln, die den einzelnen Knochen beilagen. Diese geben
die Reihenfolge an, in der die Toten zu Tage gefördert wurden.
Ueber die als A und B bezeichneten Ausgrabungen Klopfleischs be-
sitzen wir keine speziellen Tagebuchnotizen. Was von den Aus-
grabungen C, D, E, F an Einzelheiten in Klopfleischs Büchern an-
gegeben worden ist, ist bei den betreffenden Nummern bemerkt.
A. Erste Ausgrabung.
1) „A." Kräftige Person unter 20 Jahren.
Nur erhalten die linke Hälfte des Stirnbeins und der kräftige
Unterkiefer mit allen Zähnen. Weisheitszähne noch nicht vorhanden.
Abkauung der Zähne horizontal.
2) „A." Weibliche Person.
ßechte Oberkieferhälfte des Schädels. Weisheitszahnpartie ab-
febrochen. Die vorhandenen Zähne klein, gut erhalten, nicht abge-
aut. Fossa canina tief.
3) „A3." Weibliche Person von 25—40 Jahren.
Sehr gut erhaltener vollständiger Schädel Fig. 125.
Unterkiefer mittelgroß, zierlich, stärkere Muskefensätze ; Kieferast
eher dünn, hegend, Kieferwinkel 135". Distanz der Kieferwinkel
10,0 cm. Gelenkfortsätze klein, Gelenkachsen schräg gestellt; Proc.
coronoid. klein, Incisur flach; unterer Rand des Unterkieferkörpers
dick, ausgeschweift; Kinn spitz, Kinnprotuberanz stark entwickelt,
Alveolarteil vollständig erhalten.
Gebiß:*)
*) Die arabischen Zahlen bedeuten die bleibenden Zähne und
zwar:
1) 1. Schneidezahn
2) 2.
3) Eckzahn
4) 1. Präraolar
5) 2. Prämolar
6) 1. Molar
7) 2. „
8) 3. „
die römischen die Milchgebißzähne. -^ = im Durchbruch begriffen .
f 1 ausgefallen. ( ) fehlt, Alveole oblitteriert.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 291
8 (7) (6) 5 4 [3] 2 [1]
7 (6) 15] 4 3 12J 1
[1] 2 3 4 5 (6) (7) (81
[1] [2] 3 4 5 6~T
Zahnbogen im Oberkiefer elliptisch, im Unterkiefer ein Halbkreis,
feschlossen; gerader Biß, scharf artikulierend; Zahnkronen klein,
orizontal abgekaut mäßigen Grades ; die relative Größe der einzelnen
Zähne untereinander normal; am Weisheitszahn oben rechts Caries
der Krone.
Gaumen lang, schmal, mäßig gewölbt, sehr stark höckerig,
Gaumenlänge 4,6, Mittel breite 3,5, Gaunieuend breite 3,6. Leptostaphylin
Fig.'l25. V4.
(Index 78). Alveolarfortsatz des Oberkiefers hoch, gegen die Hori-
zontale senkrecht gestellt; Juga alveolaria im Unterkiefer stark ent-
wickelt, oben nicht; Fossa canina flach. Wangenbein zierlich;
Jochbogen leicht ausbauchend. Nasenhöhe 4,7, gr. Breite der Na-sen-
öffnung 2,4. Platyrrhinie (51,1). Nasenbeine schmal, viereckig, Me-
dionasalnaht geschlängelt; Nasenrücken im Seiten profil eingesattelt,
im Querschnitt hoch und achmal gewölbt; Naaenöffnung birnförmig ;
Nasenstachel spitz, rechte Nasenhöhlenhälfte bedeutend enger wie
die linke durch schief verlaufende Nasenscheidewand, unterer Nasen-
rand scharf. Orbita verhältnismäßig klein , abgerundet viereckig,
Querachse rechts stärker abfallend wie links. Augenhöhleneingang : gr.
Breite 3,5, horizontale Breite 3,2, gr. Höhe = Vertikalhöhe 2,9,
Mesoconchie ('Index 82).
CJesichtsbreite (Virchow) 9,1, nach v. Holder 10,1. Jochbreite
12,1. Gesichtshöhe 11,1, obere Gesichtshöhe 6,7, demnach im ganzen
schmalgesichtig (Index 100), schmales Obergesicht (Index 66)^ Gla-
bella wenig vorspringend, ebenso Arcus superciliares. Der Schädel ist
dolichocephal (Index 71), orthocephal (Index 71), gerade Länge 18,4 ==
größte Länge, Intertuberallänge 18.3. Größte Breite 13,1, kleinst©
Stirnbreite 8,4. Gerade Höhe 13,1 = Hilfshöhe. Ohrhöhe 10,9, Hilts-
ohrhöhe 11,0. Länge der Schädelbasis 9,5, Breite derselben 10,4.
292 Die vor- u, frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Länge der Pars basilaris 2,4. Foramen magnum langoval, (gr. Länge
3,8, gr. Breite 2,8), Eichtung auf Gaumen. Horizontalumfang des
Schädels 50,0, Sagittaiumfang 37,0, vertikaler Querumfang 29,5,
Profillänge 8,8.
Koronalnaht zum größten Teil verwachsen, Pfeilnaht geschlängelt,
Lambdanaht zahnreich, erscheint an der Spitze durch drei große,
zusammenhängende Schaltstücke gedoppelt. Hinterhauptsschuppe
ausgebaucht.
Vom übrigen Körperskelett sind erhalten:
die beiden Humeri,
die beiden Darmbeine und das Os sacrum, dessen oberste Wirbel-
segmente zusammen verknöchert sind,
die beiden Femora, die beiden Tibiae und Fibulae.
Länge des Beins vom Trochanter major bis äußere Knöchelspitze
70 cm, Kniegelenkspalt bei 3772 cm, Distanz der weitesten Stelleder
Hüftbeinkämme 26,5 cm, der vorderen Darmbeinstachel 23,5 cm,
gerader Durchmesser des Eingangs des kleinen Beckens 10,5 cm,
querer 13 cm. Länge des Humerus vom Tuberculum majus bis
Epicondylus lateralis 29 cm.
B. Zweite Ausgrabung.
4) Grab 1. „B, 1." 14-jähriges Mädchen.
Vollständiger, wieder zusammengesetzter Schädel No. 1572 mit
einer affenähnlichen Prognathie Fig. 126.
Fig. 126. 74-
Er hat die allgemeine Aufmerksamkeit der Anthropologen
erregt. Schaafhausen (Bonn) hat ihn eingehend untersucht und auf
dem internationalen Kongreß in Stockholm besprochen. Herr Schaaf-
hausen zeigte in Stockholm eine Abbildung desselben und ein nach
dieser Abbildung künstlerich ausgeführtes Bild. „Es waren Fleisch
und Haare herangezeichnet , wie sie etwa , . der Schädelform ent-
sprechend , im Leben vorhanden gewesen sein konnten." Es kam
dieses Schädels we^en dann auf der Versammlung zu einer Aus-
einandersetzung zwischen Herrn Schaafhausen und Virchow. Der
Die vor- u. frühgeschicbtl. Funde der Grafschaft Camburg. 293
■erstere erklärte die Schädelform als dnen Typus eino" niederen'
Basse, „einer deutschen Jungfrau der Vorzeit", wie er sich aus-
drückte, Virchow erklärte die Öchädelbildune als eine krankhafte,
•die Jungfrau als ein Cretin urgermanischer Herkunft.
Der Prognathismus dieses Schädels war so hochgradig, daß er
„dem Schimpansen ziemlich nahe kommt, ja daß er ihm Konkurrenz
machen kann". Es ist aber bei diesem Schädel nicht bloß die un-
gewöhnliche Entwickelung der Kiefergegend, sondern zugleich die
tiefe Lage der Nasenwurzel, die stark emgedrückte Form des Nasen-
rückens, die Breite der Nasenöffnung, welche ihn dem Affenschädel
annähern. Trotzdem ist die Stirn ziemlich stark gewölbt. Der Schädel
hat eine Kapazität von 1260 ccm; das ist allerdings keine mikroccphale
Kapazität.
Auf der VII. allgemeinen Versammlung der Anthropologen zu
Jena am 9. — 11. August 1876 kam Virchow nochmals auf den Oretin-
öchädel der Jungfrau von Camburg zu sprechen. Bei dieser Ge-
legenheit berichtet er von seinen Messungen der übrigen Schädel und
führt an: durchschittliche Länge der Nasenwurzel bis Ohrlochlinie für
die Männer 107, für die Weiber 101,8 und als Gesamtmittel 103,5 mm;
<lagegen bei dem Cretinkopfe nur 95 mm. Die Entfernung der
Linie vom Nasenstachel bis Ohrloch beträgt bei den Männern 106,5,
bei den Frauen 101,7, im Gesamtmittel 103,3, bei der Cretine 99 mm.
Es ist also bei den Männern die Basis des Schädels (Nasenwurzel bis
Ohrloch) etwas länger als die Entfernung vom Ohrloch bis zum
Nasenstachel; bei den Frauen ist sie ein klein wenig kürzer; die
Frau schiebt schon im ganzen den Nasenstachel etwas weiter vor.
Gewöhnlich ist (im Mittel) die Differenz beider Linien sehr uner-
heblich, aber bei der Cretine erscheint auf einmal eine Differenz von
4 mm, um welche die Spina nasalis weiter nach vorn geschoben ist.
Die Nasenhöhe (Linie zwischen Nasenwurzel und Nasenstachel) ist
bei den Männern 51,7, bei den Frauen 51,6, als Gesamtgröße 51,65;
bei der Cretine sinkt die Zahl auf einmal bis auf 38.
Bei dieser großen Differenz der Nasenhöhe und bei der relativ
starken Vorschiebung der Spina nasalis mußte der untere Teil des
Gesichts vorrücken. Wenn man den Schädel in die horizontale
Stellung bringt, so geht die Profillinie von dem Nasenstachel an
nicht gerade abwärts, sondern der Zahnfortsatz des Oberkiefers macht
nach vorn einen schrägen Vorsprung, und die Zähne stehen fast
horizontal nach vorn. Hier ist eine ungewöhnliche Breite der Schneide-
zähne vorhanden. Die Schneidezähne, namentlich die mittleren,
stehen außer allem Verhältnisse zu der Größe der Prämolaren und
der Backzähne. Sie sind so groß, daß die Eckzähne durch sie ganz
aus der Reihe herausgedrängt und gar nicht zum Ausbruch gelangt
sind. Höchst interessant ist übrigens die fast horizontale Richtung
der schaufelfömiigen Zähne.
Der Prognathismus, der sich bei der Cretine findet, ist derselbe,
den wir bei den Cretins aller Völker antreffen. Alle Cretins werden
prognath, weil ihre Zunge ganz unmäßig wächst und vor und zwischen
den Zähnen liegt.
Bei der Cretine beträgt die Kieferwinkeldistanz nur 81 mm,
sonst durchschnittlich bei den Camburger weiblichen SchädeUi 94,5,
dabei ist er am allerwenigsten progenäisch, d. h. das Kinn als solches
drängt sich hier nicht heraus.
XXII. 20
294 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Die von mir vorgenommene Untersuchung des Schädels ergibt :
Schädel im ganzen klein, dolichocephal, schmal-
gesichtig, mit auffällig großen Augen, sehr starker
alveolärer Prognathie, Unterkiefer dementsprechend klein,
zierlich. Distanz der Unterkieferwinkel 8,1, Kieferwinkel 130**;
Muskelansätze mäßig entwickelt; Ast liegend; Gelenkfortsätze klein,,
zierlich; Axen der Gelenkköpfe etwas schräg gestellt; Coronoidfort-
satz klein, Incisur flach; unterer Rand des Unterkiefers dick, wenig
ausgeschweift; Kinn spitz, Kinnprotuberanz kräftig entwickelt..
Alveolarteil des Unterkiefers vollständig erhalten, Juga wenig hervor-
tretend, Zahnbogen halb elliptisch, vergrößerte Peripherie der Schneide-
und Eckzähnepartie durch die starke dentale Prognathie, Lücke-
zwischen Schneide- und Eckzahn, größere noch zwischen Eckzahn und
ersten Prämoloren (Diastema). Offener Biß von den Eckzähnen an,
Backzähne artikulieren scharf. Die Schneidezähne des Oberkiefers
bilden mit denen des Unterkiefers einen stumpfen Winkel von 113 ".
Zahnkronen groß; im Oberkiefer erster Molar größer als der zweite,
mittlere untere Schneidezähne kleiner als die äußeren. Kaufläche der
oberen echten Molaren (1 und 2) mit vier Höckern, ein fünfter ist an-
gedeutet (Primatentypus), untere Molaren mit fünf deutlichen Höckern :
teilweise noch Milchgebiß, keine Abnutzung, echte Karies des zweiten
Milchmolar oben rechts. Gebißformel:
I
8 7* 6 V 4 [III] 2 1
1 "2* III 4 V 6 ? 8
7 6 V IV 3 2 [1]
1 2 rill] IV V 6 T
Gaumen mesostaphylin, ziemlich flach gewölbt. Alveolarfortsatz
des Oberkiefers niedrig, gegen die Horizontale sehr schräg gestellt, Juga
alveolaria schwach ausgeprägt, Alveolarrand oben halbkreisförmig,
Fossa canina tief. Wangenbein zierlich, stark vortretend, schnell
nach hinten umbiegend, Tuberositas malaris ausgeprägt, hinterer
Eand des proc. front, des Jochbeins leicht flügeiförmig ausgezogen.
Jochbogen zierlich, schwach ausbauchend. Nasenbeine dreieckig,
an das Stirnbein mit einer Spitze heranreichend. Nasenrücken breit,
eingesattelt. Nasenöffnung abgerundet viereckig, Nasenstachel stumpf,
unterer Nasenrand verstrichen.
Orbita sehr groß, breit oval, im Jochbeinteil stark nach unten
ausbauchend, Querachse stark nach außen abfallend, untere Ränder
stark vorspringend. Stirnbeinschuppe 12 cm hoch, 11,4 größte Breite,
steil gestellt, kugelig gewölbt, Stirnhöcker mäßig hervortretend,
Glabella glatt, keine Supraorbitalwülste, Koronalnaht wenig gezackt,
Pfeilnaht wenig gezackt ; Scheitelbeinhöcker wenig ausgeprägt, Hinter-
hauptsbein im ganzen langoval, schalenförmig, Muskelansätze wenig
ausgeprägt, Protuberantia occipitalis mäßig entwickelt, Proc. mastoi-
deus klein, die Außen- und Unterfläche des rechten durch Patina
frün verfärbt,
chädelmaße: Gerade Länge 17,7, größte Länge 18,00, Intertuberal-
länge 18,1.
Größte Breite 12,6, Kleinste Stirnbreite 9,7.
Ohrhöhe 11,5, Hülfsohrhöhe 11,5.
*) Der zweite Schneidezahn links oben im Durchbruch und stark
palatinalwärts disloziert.
Die vor- u. frühgeechichtl. Funde der Gra&chaf t Camburg. 295
Breite der Schädelbasis 10,7.
Horizontaluinfang des Schiädels 49,0.
Vertikaler Querumfang 30,2.
Gesichtsbreite nach Virchow 8,6, nach v. Holder 103.
Ganze Gesichtshöhe 9,0, obere Gesichtshöhe 5,5.
Nasenhöhe 3,9, größte Breite der Nasenöffnung 2,Ö.
Augenhöhleneingang gr. Breite 4,1 , horizontale Breite 33.
gr. Höhe 3,2, vertikale Höhe 3,2.
Gaumenlänge 4,5, Gaumenraittelbreite 3,7, Gaumen-
endbreite 3,8.
Der Schädel ist dolichocephal (70,0), schmalgesichtig (116), mit
schmalem Obergesicht (64,0) mit sehr breiter Nase (66,(5), Chunae-
conchie (78,0).
Von weiteren Skelettresten nichts vorhanden. •
6) „B neben Grab 1." Ältere Frau.
Schädel (No. 1605) ganz zertrümmert, doch läßt sich konstatieren:
Sagittalnaht fast vollständig oblitteriert, Proc. mastoid. beiderseits
ohne Patinaverfärbung. Der Unterkiefer grazil, Kinn spitZj vor-
springend. Erster Molar rechts intra vitam verloren, Alveole oblit-
teriert, der zweite Molar mit kariöser Krone, WeiHheitszahn stark
horizontal abgekaut. Zweiter Prämolar Unks bei Lebzeiten verloren,
Alveole oblitteriert. Kieferwinkel 132 ".
Vom sonstigen Skelett erhalten:
Der rechte Femur, die rechte Patella, das rechte Chi ileum,
einzelne Fußknochen.
6) „BS 2-3,1." JV B, 2—3,1." Ca. 50 Jahre alte Frau.
Vollständiger, gut erhaltener Schädel (No. 1577) Fig. 127.
Fig. 127. Vr
Schädelmaße: Gerade Länge 183= größte i^nge, Intertuberallänm
18,2, größte Breite 14,0, kleinste Stirnbreite 9,6, ganze Höhe 133,
Hilfshöhe 13,7, Ohrhöhe 11,4 == HUfsohrhöhe, Länge der Schädelba««
20*
296 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
10,0, Breite derselben 10,8, Länge der Pars basilaris 3,0, Foramen
magnum langoval, gr. Länge 3,8, gr. Breite 2,8, Horizontalumfang
des Schädels 51,5, Sagittalumfang desselben 37,1, vertikaler Quer-
umfang 31,2. V
Der ßchädel ist mesocephal (Index 76) und orthocephal (Index 74).
Gesicht schmal (Index 138), schmales Obergesicht (Index 66),
Gesichtsbreite nach Virchow 9,3 v. Holder 10,8, Gesichtshöhe 11,0,
obere Gesichtshöhe 6,2, Jochbreite 13,2. Stirn schmal, hoch, steil ge-
stellt, kugelig gewölbt. Stirnhöcker mäßig entwickelt, Glabella wenig
hervortretend, Arcus superciliares mäßig entwickelt, auf der linken
Stirnhälfte nahe der Mittellinie kleine Exostose, Augenhöhlen abge-
rundet viereckig, Querachsen mäßig nach außen abfallend. Augen-
höhleneingang gr. Breite 3,7 = horizontale Breite, gr. Höhe 3,2 =
vertikale Höhe. Hypsiconchie (Index 86). — Nasenhöhe 5,0, gr.
Breite der Nasenöffnung 2,6. Hyperplatyrrhinie (Index 52). Nasen-
beine schmal, viereckig, Nasenrücken eingesattelt, flach dachförmig.
Nasenöffnung langoval, rechts tiefer wie links. Unterer Nasenrand
schneidend scharfkantig. Fossa canina mäßig tief. Alveolarfortsatz
des Oberkiefers niedrig, gegen die Horizontale gerade gestellt.
Gebiß:
(8) (7) 6 5 4 L31 [2] (1)!
(1) [2] [3] 4 5 6 (7) (8)
[8] (7) 6* 5 4 [3] [2] [1]
[Ij [2] [3J 4 5 (6) 7 8
Die beiden mittleren oberen Schneidezähne sind intra vitam
extrahiert (selten !). An Stelle des 2. und 3. linken oberen Mo-
laren ein großer Knochendefekt, gut verheilt, vermutlich die Folge
einer Oberkieferhöhleneiterung. Am rechten, unteren ersten Molar
Halscaries. An dem schlechten Gebiß außerdem auffällig starker
Zahnsteinansatz. Gerader Biß , scharfe Artikulation. Zahnbogen
halbkreisförmig, Zahnkronen groß, stark horizontal abgekaut. —
Gaumen flach gewölbt. Am Foram. incisiv. von der Gaumennaht
rechtwinklig beiderseits eine kleine Naht abgehend. Gaumenlänge
4,5, Gaumenmittelbreite 3,4, Gaumenendbreite 3,8. Der Gaumen ist
mesostapylin (Index 84), Profillänge 9,3. — Unterkiefer zierlich,
Distanz der Kieferwinkel 9,6, Kieferwinkel 113°, Ast ziemlich steil
gestellt. Kand des Unterkieferkörpers dick, geradlinig, Kinn spitz,
Protuberanz desselben stark entwickelt. — Koronalnaht zartlmig,
ebenso Sagittalnaht. */^ der letzteren verknöchert. Die Sagittalnaht
tritt leicht kielartig hervor. Lambdanaht zartlinig, wenig gezahnt.
Schaltstücke in beiden Schenkeln. Protuberantia occipit. und Muskel-
ansätze kräftig entwickelt.
Vom Skelett sonst erhalten : der rechte Humerus, der rechte
Radius, der linke Femur, die linke Tibia und das vollständige Becken.
7) „B 7s> 2." Erwachsener Mann über 40 Jahr alt.
Schädel beinahe vollständig (No. 1574). Es fehlt rechtes Schläfen-
bein, Hinterhauptsbein. Fig. 128. Der Schädel ist dolichocephäl
(Index ca. 73,0), eben noch als schm algesichtig zu bezeichnen (Index 91),
während das Obergesicht breit ist (Index 53,0). Größte Breite des
Schädels 13,8, kleinste Stirnbreite 9,7. Ohrhöhe 11,8, Hilfsohrhöhe 12,0.
Unterkiefer groß, massiv, Distanz der Kieferwinkel 10,5, kräftige
Muskelansätze, Kieferwinkel wenig stumpf 112", die zum Proc.
coronoid. aufsteigende Kante sehr steil, kleiner wie im rechten
Winkel, Proc, coronoid. groß, unterer Rand des Unterkieferkörpers
Die vor- u. frühgeechichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 297
dick, stark ausgeschweift. Kinn stumpf, Kinnprotuberanz mäßig
entwickelt. Alveolarteil vollständig erhalten.
Fig. 128. V4.
Gebiß:
7 6* 5 4 3 2 1
1 2 3 4 5 6 7
[IJ 2 3 4 5 6 7 8
[8] 7 6 5 4 3 2 [1]
Erster Molar rechts oben durch Karies zu Grunde g^angen,
nur palatinale Wurzel da. Es waren fünf untere Schneidezahne da
in normaler Stellung. Zahnbogen im Unterkiefer halb elliptisch über
die kleinere Achse hinaus fortgesetzt, im Oberkiefer halbkreisförmig,
nicht eng geschlossen ; normaler Biß , scharf artikulierend ; Zahn-
kronen groß, relative Größe der einzelnen normal, mäßig horizontal
abgekaut; der linke obere Weißheitszahn nicht durchgebrochen,
nicht angedeutet. Gaumenmittelbreite 4,2 , Gaumenendbreite 4,7,
Gaumenlänge 5,1. Gaumen brachystaphylin (Index 92), mäßig ge-
wölbt. Alveolarfortsatz des Oberkiefers hoch, ge^en die Horizontale
schräg gestellt (mittlerer Grad der Prognathie). Juga alveolaria stark
ausgeprägt, besonders am Eckzahn des Oberkiefers. Fossa canina
sehr tief. Wangenbein massiv, stark nach vorn vortretend, in weitem
Bogen umbiegend, hinterer Rand des Proc. frontal, des Jochbeins
flügeiförmig nach oben ausgezogen. Jochbogen massiv , weit ab-
stehend. Nasenbeine schmal, viereckig, Medionasalnaht ganz oblit-
teriert, Nasenrücken eingesattelt, steil dachförmig, Nasenöffnung
langoval, schmal, Nasenstachel mäßig hervortretend, unterer Nasen-
rand scharfkantig. Nasenhöhe 4,5, gr. Breite der Nasenöffnung 2,4,
Platyrrhinie (Index 53,0j. Orbita verhältnismäßig klein, niedrig, vier-
eckig, Querachse sehr wenig nach außen abfallend, Cribra in der Mitte
des Orbitaldachs. Augenhöhleneingang gr. Breite 3,8, horizontale
Breite 3,7, gr. Höhe 3,0, Vertikalhöhe 3,0. Chamaeconchie (Index 78».
Gesichtsbreite nach Virchow 9.3, nach v. Holder 12,0, Joch-
breite 14,0. Gesichtshöhe 11,0, obere Gesichtshöhe 6,4. Stirn hoch
298 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
gewölbt, relativ schmal, Glabella und Arcus superciliares kräftig.
Koronalnaht zackenreich, die einzelnen Zacken stark verästelt. Die
Sagittalnaht auf der Höhe des Scheitels kielartig hervortretend.
Stirnbeinhöcker mäßig, Scheitelbeinhöcker gar Glicht hervortretend.
Im rechten Schenkel der Lambdanaht ein Schaltknochen. Proc.
mastoid. groß.
Vom übrigen Skelett sind erhalten:
Der linke Humerus, das rechte und linke Darmbein, der rechte
Oberschenkel, die rechte Tibia.
8)„BNo. 3". Frau mittleren Alters.
Fast vollständig erhaltener Schädel (No. 1595) Fig. 129. Hintere
Kopfhälfte etwas nach rechts gedrückt. Gesicht sehr schmal. Kopf-
durchmesser von vorn nach muten sehr lang.
Fig. 129. %.
Gerade Länge 19,4 := größte Länge. Intertuberallänge 18,8.
Gesichtsbreite 12,9, kleinste Stirnbreite 9,3. Ohrhöhe 11,6. Hilfs-
ohrhöhe 11,7. Breite der Schädelbasis 10,8. Horizontalumfang 51,2.
Sagittalumfang 37,0. Vertikaler Querumfang 30,5. Der Schädel ist
dolichocephal (Index 66).
Gesichtshöhe 11,4, Gesichtsbreite (Virchow) 9,7, nach v. Holder
10,4; obere Gesichtshöhe 6,85. Schmalgesichtigkeit (Index 117);
schmales Obergesicht (Index 70). Stirnhöcker stark entwickelt, auf
dem rechten kleine Exostose. Glabella überhängend vorgewulstet,
Supraorbitalwülste mittelstark. — Augenhöhleneingang breit viereckig,
abgerundet, gr. Breite 4,0, horizontale Breite 3,8, gr. Höhe 3,1 =
Vertikalhöhe. Chamäkonchie (Index 77). — Nasenrücken tief ein-
gesattelt, Nasenhöhe 4,6, gr. Breite der Nasenöffnung 2,3. Mesorrhinie
50. Wangenbeine seitlich gestellt. Alveolarfortsatz des Oberkiefers
lang. Gebiß :
[81 7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 ^8
7 6 5 4 3 2 1
[IJ 2 3 4 5 6 7
Die vor- u. frühgeechichtl. Funde der Grafschaft Caroburg» 299
Keine Caries, kein Zahnstein. Zähne sehr gedrängt stehend,
•obere Vorderzähne fast dachzie^elförmig an einander. An den Eck-
zähnen Gebiß oben und unten winklig umbiegend. Zahnkronen klein,
naäßig schräg abgekaut. Die Vorderzähne überbeißend, Backzähne
scharf, gerade aufbeißend. — Kinn breit, geradHnig, sehr Htark vor-
springend, eckig umbiegend. Unterer Rand des Kieferi£Öri)er8 mittel-
^ck. Kieferwinkel 124", Distanz der beiden 10 cm. — Gaumen
hochgewölbt, schmal, mittlere Breite 3,7.
Nähte feinlinig, reichlich gezackt. Sagittalnaht im letzten Teil
oblitteriert, zu beiden Seiten dieses Stückes zwei Foramina parietalia.
Am Lambda schaltbeinförmiges Knochenstück mit der Spitze der
Occipitalschuppe fest verwachsen. Muskelansätze auf der Schuppe
des Hinterhaupts mäßig hervortretend.
Vom Skelett sonst erhalten:
Der linke Femur, lang, schlank; die rechte Patella, zwei Finger-
knochen, der Epistropheus.
-9) „B 3, la". Frau mittlerer Jahre.
Vom Schädel (No. 1593) ist nur erhalten die Hinterhaupt»-
«chuppe, das linke Schläfenbein, das Gesicht mit Ausnahme der
Umgebung des rechten Auges, der Unterkiefer bis auf den rechten
Ast. Fig. 130.
Fig. 130. '/,.
Gesicht schmal (Index 13,3). Gesichtsbreite (Virchow) 8,6, ganje
Oesichtshöhe 11,0, obere Gesichtshöhe 6,3, schmales Übergesicht
<Index 78). Glabella flach. Nasenrücken flach konkav, Nasenbeine
viereckig. Nasenhöhe 4,6, gr. Breite der Nasenöffnung 2,4. Platyr-
rhinie (Index .^3). Augenhöhleneingang gr. Breite 3,5, horizontale
Breite 3,45, gr. Höhe 3,45, Vertikalhöhe 3,5. Hypsikonchie (Index 98>.
Fossa canina mäßig tief, starke alveolare und dentale Prognathie.
Gebiß :
[8] 7 6 5 4 3 2_1
1 2 3 4 5 6 7 [8]
[IJ 2 3 4 5 6 7 8
8 [7] 6 5 4 3 [2J [Ij _
Zahnbogen parabolisch, großer medianer Zwischenraum zwischen
den zwei ersten oberen Schneidezähnen. Biß gerade, Vorderzälme
etwas übergreifend. Zahnkronen wenig abgekaut, raittelgroB, enge
Zahnhälse. Unterer Band des Unterkieferkörpers dick, Kinn stumpf.
300 l^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Unterkieferwinkel 121.*', Distanz derselben ca. 10 cm. Gaumenlänee
4,9, Gaumenmittelbreite 4,2, Gaumenendbreite 3,9. Leptostaphylm
(Index 79). Zwei strahlenförmig von For. incisivum schräg nach
den Schneidezähnen zu verlaufende linienartige Nähte ; querer Hinter-
hauptswulst.
Vom übrigen Skelett erhalten:
Die linke Scapula, die beiden Darmbeine, unteres Ende der
Tibia und des rechten Femur.
10) „B 3, 3". Mann mittlerer Jahre.
Schädel unvollständig. Vorhanden sind: Stirnbein größere
Hälfte, beide Scheitelbeine, linkes Schläfenbein, Hinterhauptsbein,
kleines Stück der rechten Hälfte des Oberkiefers ohne Zähne; sehr
breiter, kräftiger Unterkiefer, links die Molaren schräg nach außen
stark abgekaut, rechts hintere Molarenalveolen oblitteriert.
Vom übrigen Skelett sind erhalten: das vollständige Becken
("auf dem Os sacrum sitzt der unterste Lendenwirbel mit seinem linken
Fortsatz fest verwachsen auf, der rechte ist abgebrochen, nach hinten
verschoben), die beiden Femora, die beiden Tibiae und Fibulae, der
rechte Humerus, Ulna und Kadius.
11) „B 3, 5". Frau in mittleren Jahren.
Zusammengesetzter Schädel (No. 1581), fast vollständig. Fig,
131. Im allgemeinen betrachtet ist der Schädel grazil. Stirn schmal,.
Scheitelbeine in der Sagittalnaht winklig zusammenstoßend, kräftiges,^
wohlerhaltenes Gebiß.
Fig. 131. V4-
Gerade Länge 18,7 = größte Länge, Intertuberallänge 18,6,
größte Breite 13,4, kleinste Stirnbreite 9,ö5, ganze Höhe 14,3, Hilfs-
öhe 13,9, Ohrhöhe 11,65 = Hilfsohrhöhe. Länge der Schädelbasis
10,5, Breite der Schädelbasis 10,2. Horizontalumfang 52,0, Sagittal-
umfang 38,0, vertikaler Querumfang 31,5, Profillänge des Gesichts-
Die vor- u. frühgeöchichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 301
11,0. — Der Schädel ist demnach dolichocephal (Index 71,6), ortho-
cephal (Index 74,0).
Gesichtsbreite nach Virchow 9,0, Gesichtshöhe 10,9, obere Ge-
sichtshöhe 7,1. Das Gesicht ist schmal (Index 121,0), schmale»
Obergesicht (Index 78,0). Glabelia flach, kaum angedeutete Arcus
superciliares. Die Augenhöhlen waren verhältnismäßig niedrig, in
ihrer Form oval. Nasenhöhe 4,8, größte Breite der Naseiiüffnung
3,0. Hyperplatyrrhinie (Index 62,0), unterer Nasenrand stuinpfkantig,
Nasenstachel mittellang. Gaumenlänge 5,3, Gaumenmittelbreite 4,1,
leptostaphylin (Index 77,0). Alveolarfortsatz des Oberkiefers mittel-
hoch, Juga alveolaria deutlich, Fossa canina flach. Gebiß:
8 7$ 6 5 4 3 2 1 i 2 3 4 5 6 (7) (8)
8 7 (ö) 5 4 3 2 [1]
[1] [2] 3 4 5 [6J 7 8
Zahnstein in geringem Grade. Zahnbogen halbkreisförraie.
Überbiß, scharfe Artikulation der Backenzähne, Zahnkronen mittel-
groß ; Abkauung schräg palatinalwärts abfallend. Der erste Molar
links oben stark abgekaut, weil er intra vitsim der einzige Molar ge-
wesen. Unterkiefer mittelgroß, an den Kieferwinkeln nach au&n
etwas ausladend, kräftige Eßmuskelansätze. Kieferwinkel 115",
Distanz der beiden 10,5. Unterer Rand des Unterkieferkörpers noiittel-
dick, ausgeschweift; Protuberantia mäßig stark, Kinn stumpf.
Koronalnaht zahnreich, ebenso Sagittalnaht und Lambdanaht.
Hinterhauptsschuppe mit stark entwickelten Muskelansätzen ; linker
Proc. mastoid. klein, rechter groß, durch Patina grün gefärbt. Foramen
magnum langoval 2,9 breit, 3,2 lang.
Sonstige Knochenreste dieses Skeletts:
Das vollständige Becken ohne Symphysenpartie (bemerkenswert
ist, daß die rechte Darrabeinschaufel kleiner als die linke ist), der
rechte Oberarm, der rechte Oberschenkel, die rechte Tibia und Fibula.
12) „B 3, 6". Mann.
Schädel in Bruchstücken. Stirnbein mit kammartiger Erhebung
in der Medianlinie, beiderseits dachförmig abfallend , dabei noch
Becken in drei Teilen mit 12 cm geradem Durchmesser im Becken-
eingang und 14 cm quer.
13) „Bei B 3, 6". Weibliche Person von 18 Jahren.
Linker Oberkiefer mit drei festsitzenden Zähnen, darunter der
Milch-Eckzahn ; der Weisheitszahn noch nicht durchgebrochen. Der
Oberkiefer ist zierlich.
14) „B 3, 7". Frau von ungefähr 30 Jahren.
Schädel (No. 1583) zusammengesetzt, bis auf unwesenUiche
Stücke vollständig. Im allgemeinen breites Gesicht, mehr runder Kopf.
Fig. 132.
Gerade Länge 19,3 = größte Länge, Intertuberallanee 19,4,
größte Breite 14,5; kleinste Stinibreite 10,1. Ohrhöhe 12,2, HUfs-
ohrhöhe 12,3. Breite der Schädelbasis 10,8, Horizontal um fangM, 4,
Sagittalumfang 40,5, vertikaler Quer umfang 34,0. Es ist der Schädel
also mesocephal (Index 75,2),
Gesichtsbreite nach v. Holder 12,2, Jochbreite 13,3, Gesichte-
hohe 11,3, obere Gesichtshöhe 6,7. Der Schädel gehört demnach immer
noch zu den Schmalgesichteru (Index 92,0) mit schmalem Obergesicüt
(Index 54,0). Stirnhöcker deutlich, GlabeUa flach, Are. supercüur.
wenig entwickelt. — Augenhöhleneingang abgerundet viereckig, (^uer-
302 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
axe wenig nach außen geneigt. Gr. Breite 3,7 = horizontale Breite ;
fr. Höhe 3,1 = Vertikalhöhe. Mesokonchie (Index 83,0). — Nasen-
öhe 4,5, gr. Breite der Nasenöffnung 2,6. Platyrrhinie (Index 57,0).
Unterer Nasenrand verstrichen mit Andeutung von Fosea praenasahs.
Fig. 132. V,.
Nasenseptum nicht in der Mitte, mehr nach rechts gedrückt. Nasen-
stachel spitz, mittellang. Wangenbeine mehr nach vorn gestellt.
Alveolarfortsatz des Oberkiefers niedrig; Juga alveolaria deutlich.
Gebiß :
8 7 6 5| 4 3 2 1 I [1] 2 3 4 (5) (6) |7_8
8 7 6 5 4 3 2 1 I 1 2 3 4 5 6 7 8
Zweiter Molarzahn beiderseits im Unterkiefer mit seiner Krone
tiefer stehend. Sehr gute Zähne, Zahnkronen klein, horizontal wenig
abgekaut ; Zahnbogen parabelförmig. Biß gerade, an Vorderzähnen
Aufbiß. — Gaumen mittelbreit. — Unterkiefer hoch. Kinn breit, vor-
springend, Protuberanz mittelgroß. Unterer Rand des Kieferkörpers
dick, geradlinig. Unterkieferwinkel 115°, Distanz der beiden 10,6.
Koronalnaht reichzackig, Sagittalnaht geschlängelt, Hinterhaupts-
schuppe mit mäßig stark entwickelten Muskelansätzen; Warzen fort-
sätze lang, relativ schmal.
Vom übrigen Skelett sind erhalten :
Das vollständige Becken, ein Lendenwirbel, der linke Femur,
die linke Tibia und Fibula, der rechte und linke Humerus, der linke
Eadius und die halbe Ulna, das linke Schulterblatt, die rechte
Clavicula, Atlas und Epistropheus.
15) „B 3, 8 (a)". Alter Mann.
Vom Schädel (No. 1594) nur erhalten Oberkiefer und Unter-
kiefer. Gesichtsbreite 9,3, gr. Breite der Nasenöffnung 2,4. Fossa
canina mitteltief, Alveolarfortsatz des Oberkiefers hoch. Gebiß:
Die vor- u. frOhgeschichtl. Funde der GrafBchaft Camburg. 303
(8) (7) (6) 5 [41 [3] 2 [1]
(8) 7 6 5 [4] [3] 2 1
[1] 2 3 4 [5] m [7] [8]
12 3 4 5 6 7 (8)
Im Unterkiefer rechts sind die Molaren 6 und 7 stark verlängert,
•weil Antagonisten lange fehlen. Von links unten 6 beide kariöse
Wurzeln erhalten, von 7 nur die mesiale kariöse Wurzel; Aufbifi
gerade; Abkauung sehr stark, teilweise bis zum Zahnhals. Zahn-
ogen schmale Parabel. Kinn schmal. Unterkieferwinkel 115*,
Distanz der beiden 9,9. Gaumenlänge 5,5, Gaumenmittelbreite 4,4,
■Gaumenendbreite 4,2. Leptostaphyün (Index 7ö,0).
Keine weiteren Skelettreste.
16) „B 3, 8 (6)". Frau mittlerer Jahre.
Schädel in Bruchstücken: Os frontis mit deutlichen Arcus
superciliares und Glabella, beide Scheitelbeine, beide Oss. teraporaJia,
Os occipit. beschädigt; rechte Oberkieferhälfte mit 2. stark hori-
zontal abgekautem Molar. 3. Molar einwurzelig, sehr klein. Vom
Unterkiefer ist nur die Kinngegend erhalten. Der Bau des Schädels
ist im ganzen grazil.
17) „B 3, 9". Erwachsene Person.
Schädel in Bruchstücken: Os frontis, Ossa parietalia in dtem
Stück, Oberkiefermittelstück mit Zähnen, Hinterhauptsschuppe. Auf-
fällig ist die Schwere der Knochen. Stirnbein mit deutlich entwickelten
Arcus superciliares, zwei Finger breit über dem rechten Supraorbital-
wulst quer laufende Delle. Hinterhauptsschuppe und die angrenzenden
Partien der üssa parietalia höckerig uneben. Die Parietalia stoßen
in der Sagittalnaht flach dachförmig aneinander. Die Zähne sind
stark schräg abgekaut, erhalten bis inklusive 2. Bicuspis, haben
breite Kronen, sehr engen Hals. Wurzeln schwarz gefärbt, auch
die Zahnkronen auf der Innenseite.
Vom übrigen Körper ist das Mittelstück eines Oberschenkels
erhalten, auch dieser Knochen fällt auf durch seine Schwere und
höckerige Unebenheit.
18) „B 4, 2". Frau jüngerer Jahre.
Schädeldach vollständig erhalten (No. 1596), rechte Gesichta-
hälfte zum größten Teil, die rechte Unterkieferhälfte, das linke
Schläfenbein. Fig. 133.
Größte Länge 19,5, Intertuberallänge 19,9, größte Breite 13,5.
Hilfsohrhöhe 14,2. Horizontaler Umfang 54,3. Der Schädel ist
dolichocephal (Index 69), hoch.
Von vorn betrachtet, fällt das flachdachförmige Zusammenstoßen
der Scheitelbeine auf. Die Stirnhöcker wenig ausgepräj,^, Supraorbital-
wülste wenig hervortretend. Augenhöhleneingan^ nietirig. Wangen-
bein seitlich gestellt, eher anliegend. Fossa canina flach. Die er-
haltenen Zähne:
7 6 5 4 [3]
7 6 5 [4J £
mittelgroß, wenig abgekaut, nach schräg außen, noch kein Washeits-
zahn, viel Zahnstein an den oberen Zähnen, gerader Biß. Unt««
kieferwinkel 124°. Nähte feinlinig gezackt. Drittes und viertes
Fünftel der Sagittalnaht verwachsen.
Vom übrigen Skelett erhalten :
304 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Eechte Tibia, schlank; rechter Femur, schlank, groß; linke
Darmbeinschaufel; linkes Schienbem und Fibula; rechter Humerus.
Fig. 133. V4-
19) „B 4, 3". Kind 6. 4 Jahr alt.
Vom Schädel erhalten: Squama occipitalis, linke Oberkiefer-
hälfte mit Zahnbogen, Unterkieferzahnbogen, Äste desselben abge-
brochen. Gebiß :
I I [II] [III] IV V
V IV [III] II [I] I I II III IV V 6^
Milchzahngebiß vollständig, hinter dem linken II. Milchmolar
ist der Keim des bleibenden ersten Molar ausgefallen.
Kinn unterer Rand geradlinig, eckig umbiegend.
20) „B 4, 4". Jüngerer Mann.
Schädel in Bruchstücken : Scheitelbeine, rechtes Schläfenbein,
linke Unterkieferhälfte mit sehr starken Zähnen , 2. Prämolar, 1.
und 2. Molar.
21) „B 5". Ein Erwachsener.
Nur die Gehirnkapsel erhalten in einem Stück: Os frontis,^
Parietalia, Occiput, Temporalia, Wespenbein. Schädel oval , Nähte
gezackt, keine Schaltknochen. Arcus superciliares nicht hervor-
tretend, auch Glabella nicht. Auf der rechten Höhe des rechten
Parietale achtförmiges Loch mit glatten Rändern. Foramen mag-
num breitoval. Außerdem sind Atlas und Epistropheus erhalten.
C. Dritte Ausgrabung am 13. Oktober 1871.
22) Kind 2, 8-9 Jahr alt.
Schädelreste: Os frontis in Stücken, Parietalia, Schläfenbeine,
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 306
Hinterhaupt, alle einzeln und beschädigt. Unterkiefer faat voll-
ständig, spitzes Kinn. Gebiß:
6 V IV [in] 2 1
fl] [2] 3 [IV] V 6
4
In der Alveole des ausgefallenen ersten Milchmolaren links ist
der erste bleibende Bicuspis sichtbar; etwas tiefer liegend als dieser
in der Alveole des Eckzahns der bleibende Eckzahn ; erster Milch-
molar mäßig horizontal abgekaut.
23) „C 2". Junger Mann von 14 Jahren.
Schädel (No. 15842 vollständig, zusammengesetzt; im ganzen
breites Gesicht, rundlicher Kopf, mit stark ausgebauchter Hinter-
hauptsschuppe. Fig. 134.
Fig. 134. V..
Gerade Länge 18,5, größte Länge 18,6, IntertuberaUänge 18,9,
gößte Breite 18,9, kleinste Stirnbreite 10,15. Ganze Höhe 14,5,
ilfshöhe 14.7, Ohrhöhe 11,4, Hilfsohrhöhe 11,5, Horizontalumfang
52,3. Sagittalumfang 37,3, vertikaler Querumfang 31,7. Demnach ist
der Schädel eben noch dolichocephal (Index 74), aber hart an der
Grenze der Mesocephalie und charaäcephal (Index 63,0).
Gesichtsbreite nach Virchow 9,25, nach v. Holder 11,4. Joch-
breite 13,1, Gesichtshöhe 11,2, obere Gesichtshöhe 6,9, schmalgcsichtig
(Index 120,0), schmales Obergesicht (Index 74,0). Stirnnaht in ganzer
Länge erhalten , scharfzahnig. Auf der linken Stirnbeinhülfte
schwärzliche Brandflecken. Glabella wenig gewulstet, ebenso Arcus
superciliares. Augenhöhleneingang abgerundet viereckig. Quer-
achsen wenig nach außen unten geneigt. Gr. Breite 3,7 — horizontale
Breite; gr. Höhe 3,1, Vertikalhöhe 3,2. Mesokonchie (Index 83,0).
Nasenrücken breit, wenig eingesattelt, Nasenbeine viereckig; Nasen-
höhe 4,8, größte Breite der Nasenöffnung 2,5. Flathyrrhinie (Index
306 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
52). Nasenöffnung ulmenblattförmig. Unterer Nasenrand verstrichen,
Gaumenlänge 5,1, Gaumenmittelbreite 4,4, Gaumenendbreite 4,4.
Brachystapnylin (Index 86). Hinter dem Foramen incisivum zwei
rechtwinklig von der Gaumennaht abgehende Nähte. Alveolarfortsatz;
des Oberkiefers hoch. Fossa canina flach. Profillänge des Gesichts
9,2. Gebiß:
7654 321 123"4567
7 6 5 4 III 2 1
1 2 3 4 5 6 7
Zahnwurzeln der Schneidezänne und des Eckzahnes sehr lang.
Zahnbogen in Form einer Parabel, breit. Vordere Zähne überbeißend,
Backzähne aufbeißend. Zahnkronen mittelgroß, nicht abgekaut. —
ünterkieferwinkel 118", Distanz beider 9,5. Kinn spitz. Protube-
ranz mittelgroß. — Länge der Schädelbasis 10,2, Breite derselben 11,8.
Länge der Pars basilaris 2,9. Foramen magnum longoval, gr. Breite
3,1, gr. Länge 3,8. Hinterhauptsschuppe kapseiförmig vorspringend,
Muskelansätze verhältnismäßig kräftig.
Keine weiteren Knochen vom Skelett vorhanden. Eine Notiz,
hierüber sagt:
„C 2, Skelett von 1,87 m Länge, ohne Beigaben, mit auffällig
kurzen Arrnen, das Handwurzelgelenk beginnt am Skelett schon 2 Zoll
unter dem Hüftknochen.*'
24) „C" (3?). Erwachsene, schmalgesichtige Frau, mit,
spitzem Kinn.
Schädel in Bruchstücken : Os frontis mit wenig erhabenen Supra-
orbitalwülsten, wenig vortretender Glabella. Kleinste Stirnbreite 9,0.
Ossa parietalia. Os occipitis mit mittelstarker Protuberantia. Os temp.
Ein stark schräg abgekauter 1. Oberkiefermolar mit Oberkieferbruch-
stück, von der linken Oberkieferhälfte ein Bruchstück mit Eckzahn
und den zwei Prämolaren. Zähne gut, aber stark schräg abgekaut,
klein. Vom Unterkiefer Bruchstücke der linken und rechten Außen-
seite und je dem 1. Molar. Kinnpartie ohne Zähne. Eine zu C 3
gehörige Notiz sagt:
„C 3, Frauenskelett, Länge 1,72 m, mit Messer von Eisen, zur
Linken neben den Vorderarmen ein paar Flußsteine beigelegt."
25) „C" (4?). Mann in mittleren Jahren.
Schädel (No. 1582) zusammengesetzt, bis auf die mittlere Ge-
sichtspartie vollständig, aber verschoben in der Richtung von rechts
vorn nach hnks hinten. Schädel im allgemeinen kräftig, schwer, mit
auffälliger kielartiger Leiste in der Sagittalnaht, kräftiges Gebiß.
Fig. 135.
Größte Länge 19,5, Intertuberallänge 19,9, größte Breite 13,9,
kleinste Stirnbreite 9,9. Hilfshöhe 16,48. Horizontalumfang 54,0,
Sagittalumfang 40,0. Es ist also ein dolichocephaler HochschädeL
(Dolicocephalieindex 71,0, Hochschädelindex 84,7).
Gesicht schmal, Stirnhöcker deutlich, Glabella kräftig entwickelt,
Arcus superciliares weniger. Nasenbeine viereckig, Nasenrücken stark
eingesattelt. — Unterer Nasenrand stumpfkantig. Alveolarfortsatz
des Oberkiefers hoch. Gebiß:
7 [6] 5 4 3 2 1
1 234 5 678
8 7 6 5 4 [3] [2] [1] [1] [2] 3 4 5 6 7 8
Fast an allen Zähnen Halscaries. Zahnbogen in der Form
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 307
einer Parabel, breit; Biß gerade, Vorderzähne überbeißend, schaufel-
artig nach innen gestaltet, Backenzähne artikulierend, Zahnkronen
mittelgroß, horizontal mäßig abgekaut. — Gaumenlänge 5,0, Gaumen-
mittelbreite 4,0, Gaumenendbreite 4,4. Brachystaphylin (Index 88,0).
— Unterkiefer massiv, rechter Kieferwinkel stark lateralwärt« aus-
ladend, kräftige Muskelansätze. Unterer Eand des Kieferkörpers
Fig. 135. V4-
dick, geradlinig. Kinn vorspringend, breit, Protuberantia mäßig ent-
wickelt. Kieferwinkel 120°, Distanz der beiden 11,4. Koronalnaht
zahnarm. Sagittalnaht in der mittleren Strecke verknöghert. Larabda-
naht mit mehreren kleinen Schaltstücken in beiden Asten, Hinter-
hauptsschuppe mit kräftigen Muskelansätzen. Foramen magnum
langoval: 3,1 breit; 4,4 lang. Breite der Schädelbasis 12,15 (ver-
schoben), Länge derselben 12,0.
Keine weiteren Skelettreste jetzt vorhanden. Eine Notiz besagt :
„C 4. Skelett von 1,70 m Länge, wohl erhalten."
26) Kind 4. 3—4 Jahr alt.
Vollständiges Milchzahngebiß des Unterkiefers und der linken
Hälfte des Oberkiefers.
I rn [11] [IUI IV V
V IV [III] LH] [IJ I [iJ [iiJ l"i] ^v V
Vom sonstigen Schädel nur noch das linke Jochbein erhalten.
Unterkiefer außen durch Brand schwarz gefleckt.
D. Vierte AusgrabnngrKlopfleisehs am 6. u. 7. Mai 1872
„bei Appler".
27) „D". Eine erwachsene Person.
Gehirnkapsel in einem Stück: Parietalia, ein Stück der Hinter-
hauptsschuppe, Os frontis. Dazu lose, aber passend die Temporalia.
308 I^ic "^'or- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Es fehlen Kiefer und Gesichtsknochen. Der Schädel ist oval, die
rechte Seite des Hinterhaupts ist platt gedrückt, Nähte gezähnt.
Arcus superciliares, Glabella kaum nervortretend.
28) „D 2". Erwachsene Person. ^
Schädel in Bruchstücken, unvollständig. Os frontis, Parietalia,
Os occipitis, Os temporale rechts. Gehirnkapsel mit rechter hinterer
Seite stark nach Imks gedrückt. Vom Unterkiefer erhalten ein
größeres Bruchstück der rechten Hälfte mit
6 5 4 3 [2J [1] I 11] [2]
Zähne abgekaut schräg nach unten außen, dentale Prognathie;
Protub. mentalis kräftig. Eine hierher gehörige Notiz berichtet:
„D 2, am 7. Mai 1872 ausgegraben. Skelett schlecht erhalten,
Schädel eingedrückt, Stirnpartie erhalten. Lage südöstlich, Länge
1,29 + 0,15 (Kopfj, etwas verschoben, liegend.
In der Hüftgegend ein kleiner Bronzering, ein etwas größerer
Bronzering unter dem Kopf zur rechten Seite; in der Mitte ein
Messer."
29) „D 3" Kind 9. 3 Jahr alt.
Bruchstück des Stirnbeins und die Mandibula zum größten Teil.
6 V IV [III] [II] [I] I [I] [II] [III] IV V
Kinn spitz, einige graue Brandflecken auf der Außenseite.
„D 3. Der Kinderschädel lag ganz allein; mit zwei silbernen,,
kleinen Ohrringen, Bronzeperle und Bern stein perle; kleiner Eeibstein."
30) „D 4" Kind 7. 5- jährig.
Ober- und Unterkiefer. Nur Milchgebiß:
V IV III II I I I II in IV iv
V IV III [II] [I]| [I] [II] III IV V 6
Unterkiefer breit, Kinn breit.
„D 4. Dabei ein länglich geteilter Schleifstein."
31) „D 5". Mann über 40 Jahre.
Unterkiefer (No. 1600) sehr kräftig, hoch, dickknochig. Kinn
spitz, vorspringend, Außenfläche des Kiefers beiderseits schwarz ge-
fleckt. Zähne gut, groß, stark abgekaut. Links fehlen 2. und 1.
Molar, deren Alveolen sind oblitteriert ; 3. Molar links nach vom
gewandert und geneigt. Kondylenachsen geradlinig verlaufend.
Kieferwinkel 125", Distanz beider 9,3, kräftige Masseterleisten.
Vom übrigen Schädel vorhanden Os frontis, Ossa parietalia,
beide Ossa temporalia. Schädel langoval, rechtes Parietale glatt ge-
drückt, Nähte gezackt. Keine sonstigen Skelettteile.
Notiz zu D 5. „Skelett eines Erwachsenen, 1,60 lang, Schädel
schief gequetscht, auf Asche liegend, kohlige Erde auch darüber, zwei
Fuß tief; Messer zur Linken."
32) „D 6". Frau mittlerer Jahre.
Schädel (No. 1597) im ganzen vollständig vorhanden, zusammen-
gesetzt aber nicht genau aneinanderpassend, der Hinterkopf verdrückt.
Der Schädel dolichocephal. Gr. Breite 12,5, kleinste Stirnbreite
9,2. Breite der Schädelbasis 10,0. Stirnhöcker deutlich. Supraorbital-
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 309
■Wülste kräftig. Glabella vorgewulstet. Gesicht schmal. AlVeolire
Prognathie, während Zähne gerade herunter stehen. Gebiß :
7ö5432[ll [1] 2345678
8765432 1 [1] 2 345678
Der rechte obere Weisheitszahn fehlt noch. Gedrängte Stellung
•der Schneidezähne unten, dadurch in der Höhe unregelniäßij?. Zahn-
kronen klein, fast nicht abgekaut. Elliptischer Zahnbogen oben, unten
parabolisch. Kinn spitz. Protuberanz kräftig. Kieferwinkel 111',
Distanz beider 9,4. Gaumen mittelhoch, Gaumenlänge 4,9, Gaumen-
niittelbreite 4,0, Gaumenendbreite 3,8. Leptostaphylin (Index 77).
Linienhafte schräg vom For. incisiv. nach dem Interstitium zwischen
1. und 2. Schneidezahn verlaufende Naht rechterseits. Nähte grob-
zackig, am Lambda sehr großes Schaltstück. Auf der linken und
rechten Seite, besonders auf den Scheitelbeinen schwärzliche Flecken
von Branderde, ebenso an beiden Proc. mast. For. magn. langoval,
3,7 zu 3,0. Protub. occipital. kräftig.
Keine weiteren Skelettreste.
Notiz zu D 6. „Gleich links neben dem vorigen, 1,71 m lang,
Arm in unregelmäßiger Lage, alte Person, Ohrring von Bronze."
33) „D 7". Älterer Mann.
Schädel (No. 1589) ohne Oberkiefer und Wangenbeine, unvoll-
#itändige Basis, linker Unterkiefer abgebrochen. Fig. 136. Größte
Länge 19,0, Intertuberallänge 188, größte Breite 14,3, kleinste Stirn-
breite 10,1, Hilfsohrhöhe 13,5, Breite der Schädelbasis 11,5, Horizontal-
Fig. 136. V«.
umfang 53,0, Sagittalumfang 38,6. Der Schädel ist dolichocephal (Index
75). Starke Arcus superciliares. Sattelnase, mediane Nasennaht teilweise
oblitteriert. Koronalnaht feinlinig, zahnreich. Sagittalnaht in) hiiitorcn
V-, verwachsen. Zwei Foramina parietalia. Lainbdanaht labyrinthisch
verschlungen, großer Schaltknochen am Lambda, Gegend de« I^anibda
XXII. iil
310 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
eingesunken, rechte Hälfte der Koronalnaht und Sagittahiaht flach
dachförmig hervortretend. Kräftige Muskelin sertionsleisten auf der
Hinterhauptsschuppe. Unterkieferwinkel lateralwärts ausladend, 110°.
Unterer Rand des Unterkieferkörpers dick, göradlinig. Kinn sehr
breit, eckig umbiegend, Spina mentalis interna gedoppelt. Zahnbogen
parabolisch. Zahnkronen nicht abgekaut. Geoiß im Unterkiefer:
(8) (7) 6 [5] 4 L3] [2J [1]
[1] [2] [3] 4 [5] [6] 7 ^8
Von 6 steht nur noch die kariöse mesiale Wurzel mit Fistel.
Beginnende Caries des Halses des 2. linken Molaren.
Keine weiteren Skelettreste.
Notiz zu D 7. „Gut erhaltener? Schädel, Skelett 1,70 lang,,
ohne Beigaben, ein Scherben."
34) „D 8". Junger Mann, über 20 Jahre alt.
Vollständiger, sehr gut erhaltener Schädel (No. 1586), auffällig
hoch und groß. Stirn, Wangenbeine, Unterkiefer, durch Berührung
mit Branderde schwärzlich gefleckt. Fig. 137. Gerade Länge 18,9 =
größte Länge. Intertuberallänge 18,5, größte Breite 13,6, kleinste
Stirnbreite 10,1. Ganze Höhe 14,5 = Hilfshöhe. Ohrhöhe 10,9 =
Hilfsohrhöhe. Länge der Schädelbasis 10,4, Breite derselben 11,35.
Horizontalumfang 52,5, Sagittalumfang 37,8, vertikaler Querumfäng
31,6. Der Schädel ist dolichocephal (Index 71,0), ein Hochschädel (Index
76). Das Gesicht ist schmal (Index 128), Index des schmalen Ober-
gesichts 71,5. Gesichtsbreite nach Virchow 10,0, nach v. Holder
11,78. Jochbreite 13,4, Gesichtshöhe 12,8, obere Gesichtshöhe 7,15.
Stirnbeinhöcker kaum entwickelt. Glabella mittelstark, ebenso die
Supraorbitalwülste, — Nasenrücken mäßig eingesattelt, Nasenbeine
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Caniburg. 3H
viereckig, dachförmig gestellt. Nasenhöhe 5,0; gr. Breite derNasen-
öffnung 2,6, Nasenöftnung ulmenblatf förmig, unterer Naseoraod
scharfkantig, Stachel stumpf. — Augenhöhleneingang abgerundet
viereckig, Querachsen sehr wenig schräg gestellt ; gr. Breite 3,9 —
horizontale Breite, gr. Höhe 3,2, vertikale flöhe 33. — Fossa canina
flach. Wangenbeine etwas nach vorn gestellt. Jochbogen lacht aus-
gebaucht. Alveolarfortsatz des Oberkiefers mittelhoch. Gebiß sehr
gut, keine Caries, weiße Farbe, kein Zahnstein.
8 7 6 5 4 3 2 1
[1] 2 3 4 5 6 7 8
8765432 1
[1] 2 3 4 5 6 7 8
Der zweite obere rechte Schneidezahn um 90 " gedreht Zahnbogen
in Parabelform, gerader Biß, große Zahnkronen, nicht abgekaut. Unter-
kiefer hoch, unterer Rand des Unterkieferkörpers sehr dick, geradlinig.
Kinn vorspringend, geradlinig, eckig umbiegend. Kieferwinkel 122°,
Distanz der beiden 9,8. Muskelansätze wenig hervortretend. — Gaumen-
länge 5,1, Gaumenmittelbreite 4,5, Gaumenendbreite 4,8. Brachy-
staphylin (Index 94,0). Gaumen hochgewölbt, vom Foram. incisiv.
beiderseits ausgehende ca. 1 cm lange kleine N^te quer über das
Gaumendach. — Koronalnaht mäßig gezackt, ebenso Sagittal- und
Lambdanaht. Die Sagittalnaht beiderseits von je einer kammartigen
Leiste begleitet. Muskelinsertionsleisten der Hinterhauptsschuppe
kräftig. Hinterhauptsloch langoval ; gr. Breite 3,1, gr. L^nge 4,15.
Länge der Pars basilaris 3,1. Profillange 9,6.
Keine weiteren Skelettreste.
Notiz zu D 8. „Das Skelett 1,60 m lang, sehr hohe Unter-
kiefer. In der Beckengegend Reste einer eisernen Schnalle und
eine lange Bronzeperle."
35) „D 9." Erwachsener Mann.
Unterkieferfragment mit 17 losen Zähnen. Unterer Rand de»
Kieferkörpers dick, Kinn stumpf. Zähne stark horizontal abgekaut,
einzelne kariös.
Ein dabei liegendes linkes Schlüsselbein stark gebogen.
Notiz zu D 9. „Skelett sehr mitgenommen. Am Kopf in
der Nähe des Unterkiefers lag ein Huhnskelett (Opfer). Eimer zu
Fußen des Skeletts."
36) „D 10." „VII D 10." Frau, über 40 Jahre alt.
Ganz vollständig erhaltener, im ganzen kleiner Schädd (No. 1588).
Fig. 138.
Gerade Länge 18,0 = größte Länge. Intertuberallänge 17,8,
Sößte Breite 13,6, kleinste Stirnbreite 9,6. Ganze Höhe 13,6 —
ilfshöhe. Ohrhöhe 11.6, Hilfsohrhöhe 11,75. Länge der Schädel-
basis 9,8, Breite der Schädelbasis 10,0, Horizontalumfane ')0^, Sagittal-
umfang 37,0, vertikaler Querumfang 30,7. Dolichocephalie 75, Ortho-
cephalie 75. Stimhöcker wenig entwickelt. Glabella breit, wulstartig.
Arcus superciliares wenig entwickelt Gesichtsbreite 9,1 (Virchow), Uß
(v. Holder). Jochbreite 12,5, Gesichtshöhe 10,6, obere Gesichtshöhe
6,3. Schmalgesichtig (Index 116), schmales Obergesicht (Index 09).
Nasenrücken flach sattelförmig, unterer Nasenrand stumpfkanti^.
Nasenhöhe 3,9, gr. Breite der Nasenöffnung 2,7, Hyperplatyrrhinie
(Index 71). — Augenhöhleneingang abgerundet viereckig, gr. Breite
3,6, horizontale Breite 3,5, gr. Höhe 3,1 = Vertikalhöhe. Hypd-
konchie (Index 86). Fossa canina tief. Wangenbeine anliegöad.
21*
312 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Alveolarfortsatz des Oberkiefers mittelhoch, gegen die Horizontale
schräg gestellt. Stellung der Zähne schräg nach vorn.
Fig. 138. V*-
8 7| 6 5 4 [3] [2] 1
[IJ 2 3 4 5 6** (7) (8)
87 6543 21
123456 7* 8
Von 7 * unten nur die distale kariöse Wurzel erhalten, bei links
oben 6 ** Gaumenfistel. Der daneben stehende Zahn 5 kariös, durch
Caries der Krone eröffnete Pulpahöhle. Zahnbogen in Form einer
Ellipse über die kleine Achse fortgesetzt , Biß offen , Backzähne
artikulieren scharf. Zahnkronen klein, stark abgekaut und zwar
unregelmäßig, mehr schräg. — Unterkiefer mit kräftigen Muskel-
ansätzen. Unterer Eand des Unterkieferkörpers dick. Kinn etwas
vorspringend, breit, Protuberanz mäßigentwickelt. Kieferwinkel 121 ",
Distanz der beiden 9,7. Gaumen brachystaphylin (Index 88),
Gaumenlänge 5,1, Gaumenmittel breite 4,8, Gaumenendbreite 4,5. —
Koronalnaht feinlinig, zahnreich. In der Sagittalnaht treten die
Scheitelbeine flach dachförmig aneinander. Kleine» For. pariet. auf
dem rechten Scheitelbein, Scheitelbeinhöcker deutlich. P^oramen mag-
num langoval, klein, 2,65 breit, 3,3 lang. Länge der Pars basilans
2,2. Profillänge 9,8.
Keine weiteren Skelettreste.
Notiz zu D 10. „Skelett, Länge 1,30 + 0,21 = 1,51. Eisernes
Messer mit Holzspuren am Griff."
37) „Dil." Cirka 40-jähriger Mann.
Schädel (No. 1585) fast vollständig erhallen, seitlich zusammen-
gedrückt, aber auch abgesehen davon mit schmalem Gesicht, langem
ovalen Kopf. Fig. 139.
Gerade Länge 19,9 = größte Länge. Intertuberallänge 19,2,
größte Breite 13,4, kleinste Stirnbreite 9,8. Ohrhöhe 11,8, Hilfsohr-
höhe 11,9. Horizontalumfang 53,8, vertikaler Querumfang 32,0.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 3] 3
Der Schädel ist dolichocephal (Index G7.0)chamäcephal (59)l Oeeichto-
2LTnL% S nf t n'^- ^^.'"'^'gesicht (Index 129), schmale« Ob^r:
geeicht (74,0). GlabeUa und Are. supercil. vorgcwulstct Nasenrücken
Fig. 139. %
tief eingesattelt, Nasenbeine viereckig, Medionasalnaht teilweise oblit-
teriert. Nasenhöhe 4,8, gr. Breite der Nasenöffnung 2.26. Leptor-
rhinie (Index 47,0). Unterer Rand der Nasenöffnung scharfkantig,
Nasenstachel spitz, lang. — Augenhöhleneingang abgerundet vier-
eckig, gr. Breite 3,7, horizontale Breite 3,4; gr. Höhe 3,0, Vcrtikal-
höhe 3,2. Mesokonchie (Index 81). Gaumenlänge 5,1, Gaumenmittel-
länge 4,0. Leptostaphylin (Index 78,0). Alveolarfortsatz des Ober-
kiefers mittelhoch. Fossa canina tief. Wangenbein anli^end. Gebiß:
[8] [7] 6 [5] 4 3 2 1 12 3 4 5 6 (71, [8]
8 7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 [5] 6 (7) 8
Auffällige Verstärkung des vorderen Alveolarrandes der unteren
Schneide- und Eckzähne. Am linken unteren ersten Molaren tiefe
Caries der Krone und des Halses. Zahnbogen parabelförraig. Gerader
Biß, Vorderzähne überbeißend. Zahnkronen mittelgroß, wenig ab-
gekaut, horizontal. Unterkiefer sehr hoch, massiv, ünterkieferwinkoi
113", Distanz beider 10,8. Kinn stumpf, Protuberanz gering. Koronal-
naht feinlinig, gezackt. Zwei große Foramina parietalia in der Nähe
der Sagittalnaht. Sagittalnaht wenig gezackt, auf der Höbe de«
Scheitels kielartig vorspringend. Klemes Schaltbein im rechten Ast
der Lambdanaht. Hinterhauptsschuppe mit mittelstarken Muskel-
ansätzen.
Dazu gehörig ein linker Femur und eine linke Tibia.
Notiz zu D 11. „Skelett 1,80 m lang."
314 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
E. Fortsetzung der Ausgrabung durch Schachtmeister Mayer*)
am 8. Mai 1872.
38) „E." Jüngerer Mann. ,
Unterkiefer (No. 1599). Unterer Rand des Unterkieferkörpers
dick, Kinn stumpf, Gebiß vollständig, linker Weisheitszahn noch
nicht vorhanden. Zahnkronen mittelgroß, horizontal abgekaut, wenig.
Außenfläche des Unterkiefers schwarz gefleckt durch Brand. Kiefer-
winkel 115°, Distanz beider 10,2.
Vom übrigen Schädel Os frontis, Ossa parietalia, Os occipitis
und Unkes Os temporale in einem Stück erhalten, von der linken
Seite her durch Druck verschoben. Die Gehirnkapsel war im ganzen
schmal, oval. Die Parietalia vereinigen sich in der Sagittalnaht
flach dachförmig, starke Protub. occipitalis.
Keine weiteren Skelettreste.
Notiz zu E 1. „Vom Skelett nur Schädelreste vorhanden, vom
Körper nichts. In der Nähe stand ein Eimer allein (eine alte schon
durchgegrabene Stelle nach dem einzelnen Eimerrest."
39) „E 2." 30— 40-jähriger Mann.
Wohlerhaltener Schädel (No. 1576). Fig. 140. Unterkiefer groß,
massiv, mit starken Muskelansätzen; Distanz der Kieferwinkel 11,0,
Kieferwinkel 135 ", Kieferast dick, liegend, am scharfen Winkel lateral-
wärts ausgebogen ; Gelenkfortsätze groß, schräg gestellt; Proc. coronoid.
klein; Incisur rechts tiefer als links. Rand des Unterkieferkörpers
dick, geradlinig; Kinn stumpf, Protuberanz schwach entwickelt.
Alveolarteil des Unterkiefers vollständig; Zahnbogen halbkreisförmig,
geschlossen ; Biß gerade , scharf artikulierend ; Zahnkronen groß,
relative Größe der einzelnen normal, Kaufläche horizontal mäßig
abgekaut. Gebiß: alveodentale Prognathie.
Fig. 140. 74-
*) Herr Schachtmeister Mayer aus Dürrenberg war schon Tags
zuvor bei Klopfleischs Ausgrabung anwesend gewesen.
Die vor- u. frflhgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 315
876543 2 1
[1] [2] 3 4 5 6 7 8
8 7 6 5 4 3 [2] [1] [1] [2J 3 4 5 6 7 8
Zahnsteinansatz. — Gaumen mittelhoch gewölbt, medianer
Gaumenwulst höheren Grades, einzelne Höckerchen am Gaumen.
Gaumenlänce 5,0, Gaiunenmittelbreite 4,1, Gaumenendbreite 3,9.
Brachystaphylin (Index 94,0). — Alveolarfort«atz den Oberkiefer»
niittelhoch, gegen die Horizontale schräg gestellt, Juga alveolaria
stark ausgeprägt, sehr dünn auf der rechten Seite ; Fossa canina
«ehr tief. — \Vangenbein nach vom vortretend; Tuberositas malaris
stärker ausgeprägt, hinterer Eand des Proc. frontal, des Jochbeins
leicht flügelförmig ausgezogen ; Jochbogen abstehend. — Nasenbeine
achmal, viereckig; Nasenrücken im Seitenprofil eineesattelt, hoch-
gewölbt im Querschnitt. Nasenöffnung lang, oval; Nasenstachel .
sehr lang, spitz ; unterer Nasenrand schneidend scharfkantig. Nasen-
höhe 4,4, gr. Breite der Nasenöffnung 2,2. Mesorrhinie (Index 50,0).
— Augenhöhlen groß, rundlich, Querachsen wenig abfallend. Augen-
höhleneingang größte Breite 3,7, horizontale Breite 3,6, größte Höhfe
3,4 = Vertikalhöhe. Hypsikonchie (Index 91,8). — Gesicht erscheint
im ganzen etwas breit. Stirn etwas nach hinten gedrückt. Glabella
und Arcus superciliares mäßig entwickelt. Gesichtshöhe 10,7, obere
•Gesichtshöhe 6,15, Gesichtsbreite nach Virchow 8,85, nach v. Holder
11,4. Jochbreite 13,45. Schmalgesichtig (Index 102), schmales Ober-
fesicht (Index 67,5). Gerade Länge des Schädels 17,9 «= größte Länge,
ntertuberallänge 17,5, größte Breite 14,0, kleinste Stirnbreite 9,5.
Ohrhöhe 11,6, vertikaler Querumfang 31 cm, horizontaler Umfang
51, sagittaler Umfang 35 cm. Koronalnaht zahnreich, Sagittalnaht
und Lambdanaht grobzähnig. Am Vereinigungspunkt des Scheitel-
beins, Schläfenbeinschuppe, Wespenbeinflügel, rechterseits ein ge-
zackter Schaltknochen. Proc. mastoid. klein, Hinterhauptsschuppen-
muskelleisten wenig entwickelt.
Vom übrigen Skelett vorhanden:
Das vollständige Männerbecken mit herzförmigem Beckenein-
fang, spitzer Symphyse; beide Femora, beide Tibiae, rechte Scapula,
eide Humeri, beide" Ulnae, rechter Radius.
„Das Skelett war 1,62 lang, hatte rechts eine Nadel, wie e«
«cheint, in der rechten Hand."
40) „3." Alter Mann von ca. 60 Jahren.
Wieder zusammengesetzter, beinahe vollständiger Schädel
(No. 1580). Fig. 141. Gerade Länge 20,0 = größte Länge, Inter-
tuberallänge 19,3, größte Breite 14,0, kleinste ötü-nbreite 10,5, Ohr-
höhe 11,3, Hilfsohrhöhe 11,6, Horizontalumfang 55,3, Stimbeinhöhe
in Sagittalnaht 15,0, vertikaler Querumfang 32,6. Der Schädel ist
dolichocephal (Index 70,0), chamäcephal (Index 56,0). Gesichtebreite
nach Virchow 10,0, nach v. Holder 11,8, Jochbreite 13,4. Gesichtehöhe
11,0, obere Gesichtshöhe 6,5. Das Gesicht ist schmal (Index 110,0),
auch das Obergesicht (Index 65,0). Stirnbein schwärzlich braun,
■ebenso Nasenbein und linke Hälfte des Oberkieferalveolarforteatzes.
Glabella flach, Arcus supercil. wenig entwickelt. Kleine Exostose auf
der linken Sthnbeinhälfte nahe dem Stirn bei nhöcker. — Augenhöhlen-
Eingang abgerundet viereckig, größte Breite 4,5, horizontale Breite
4,3, größte Höhe 3,4 = Vertikalhöhe. Chamäkonchie (Index 75,5).
Wangenbeinteil der Orbita nach unten außen ausgebaucht, Quer-
316 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
achse nach außen abfallend. — Nasenhöhe 4,8, größte Breite der
Nasenöffnung 2,64. Platyrrhinie (Index 55,0), Nasenbeine viereckig,
Nasenrücken eingesattelt, breit, Nasenöffnung oval, unterer Rand
der Nasenöffnung stumpfkantig, Nasenstachel spitz, lang. Wangen-
beine seitlich gestellt; Fossa canina links flach; in der rechten
I
Fig. 141. V4.
Fossa canina eine groschengroße, höckerig unebene, neugebildete
Knochen partie, die sich deutlich von der normalen Umgebung abhebt ;
in die Neubildung ist der untere Rand des Foramen infraorbitale
mit hineingezogen ; dadurch erscheint das Foramen sehr groß. Auch
die Innenfläche der rechten Kieferhöhle ist an der pathologisch ver-
änderten Stelle höckerig uneben. Alveolarfortsatz des Überkiefers
mittelhoch; Fistelöffnung an der Wurzel des rechten Eckzahns,
ebenso am linken Eckzain; Alveolarcyste ziemlicher Ausdehnung
am linken kleinen Schneidezahn. Gebiß sehr schlecht im Oberkiefer.
(8) (7) (6) (5)- (4) 3* (2) [1]|[1] [2] [3] [4] (5) (6) (7) (8)
[8] [7] 6 5 4 3 2 [1]| 12 3 [4] (5) 6 7 (8)
Im Unterkiefer links ist der 2. Bicuspis vermutlich auch durch
eine Knocheneiterung zu Grunde gegangen. Der daneben stehende
erste Molar ist disloziert, seine mesiale Fläche durch Anwendung
von Gewalt bis tief in die Wurzel glatt abgesprengt, wohl bei
Extraktions versuchen des kranken Prämolaren. Die Sprengfläche
ist glänzend schwarz, ein Folgezustand, der häufig eintritt bei Frei-
legung des gesunden Zahnbeins. Zahnstein unten links. Zahn bogen
parabelförraig. Unterkiefer vorbeißend, gerader Biß, Zahnkronen
mittelgroß, untere Zähne mäßig abgekaut, horizontal, der eine erhaltene
Zahn im Oberkiefer sehr stark abgekaut, da er längere Zeit der einzig
artikulierende gewesen. Durch diese Abkauurig ist die Pulpahöhle
eröffnet, durch Gangrän der Pulpa eine alveoläre Zahnfleischfistel
entstanden. Unterkiefer massiv, hoch, Muekelansätze kräftig. Unter-
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg, 31 7
kieferwinkel 118°, Distanz der beiden 10,2; unterer Rand de« ünter-
kieferkörpers dick, ausgeschweift; Kinn »tumpf, breit, Protuberanz
stark entwickelt. — Gaumenlänge 4,5, Gaumenmittelbreite 4,1.
Bfachystaphylin (Index 91,0). Gaumen flach; an Stelle des Foram.
lucisiv. großes rundes Loch mit glatten Wänden; starke mediale
Kämme längs der Vasa palatina. — Koronalnaht zartlinig. ebenso
Sagittalnaht. Muskelansätze der Hinterhauptsschuppe kräftig hervor-
tretend, auch die Linea nuchae suprema.
Vom übrigen Skelett sind erhalten: Die rechte Beckenhälfte
(ein großes Becken), der rechte und Unke Femur, sehr lang, die
rechte und linke Tibia.
Notiz zu E 3. „Skelett 1,77 m lang, wenig erhalten ; bei der
linken Hand ein Messer."
41) „E 4." Ältere Frau.
Unterkiefer. Zähne stark abgekaut, unregelmäßig.
l7J 6 (5) 4 3 2 1 I [1] [2] 3 4 [5] (6) [7]
Notiz zu E 4. „Unterkiefer allein."
42) Kind 3. 0 Jahr alt.
Unterkieferfragment mit Zähnen, Kinnpartie mit rechter Zahn-
bogenhälfte, etwas von der linken. Unterer Rand des Kieferkörpers dick.
6 V IV III rr I T r
Die bleibenden Schneidezähne sichtbar bis zum Rand der
Alveole.
43) Kind 1. Ca. 15 Monate alt.
Oberkiefer. Die zweiten Milchmolaren sind noch nicht durch-
gebrochen, die Schneidezähne postmortal ausgefallen, in den Alveolen
die Anlagen der bleibenden Zähne sichtbar. Gaumen breit, Nasen-
stachel spitz.
F. Fortsetzung der Ausgrabung durch Sehaeht-
meister Mayer.
44) „F 1." „IX F 1." Ungefähr 18-iährige Frau.
Vollständiger, gut erhaltener Schädel (No. 1573). Fig. 142.
Schädelmaße: Gerade Länge 17,6, größte Länge 18,1, Inter-
tuberallänge 18,5, größte Breite 13,2, kleinste Stirnbreite 9,05. Ganze
Höhe 14,0, Hilfshöhe 14,0, Ohrhöhe 11,3, Hilfsohrhöhe 11,1. Länge
der Schädelbasis 12,0, Breite der Schädelbasis 10,4. Horizontalüm-
fang des Schädels 50,0, Sagittalumfang 37,0, vertikaler Qnerumfang
29,5. Gesichtsbreite (Virchow) 9,3, 10.9 (v. Holder). Ganze Gesichta-
höhe 10,4, obere Gesichtshöhe 6,3, Profillänge des Gesichts 9,75.
Schädel im ganzen klein, dolichocephal (72,0), Hochschädel
(77,0), schmalgesichtig (112,0). Unterkiefer dementsprechend klein,
zierlich, Muskelansätze mäßig entwickelt. Kieferast dünn, stumpf-
winklig 121°, Distanz der Kieferwinkel 9^, Gelenkfortsätze klem,
Achsenderseiben schräg gestellt; Koronoidf ortsatz klein, Incisur
rechts flach, links etwas tiefer, unterer Rand des Unterkieferkörpers
mitteldick, leicht ausgeschweift, Kinn vorstehend, Kinnprotuberanz
mittelstark. Alveolarteil vollständig erhalten. Gebiß:
7 6 5 4 3 [2J [1]
7 v6) 5 4 2 [2] [1]
[1] 2 3 4 [5] « 7
[IJ [2J [3J 4 5 6 7
318 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Alveolen erhalten, nur der erste Molar rechts unten extrahiert
(wenigstens 2 Jahr vor dem Tod), Alveole oblitteriert. Weisheits-
zähne fehlen noch. Zahnbogen halbelliptisch ; normaler Biß, scharfe
Fig. 142. %
Artikulation; Zahnkronen mittelgroß, relative Größe normal, leicht
schräg bukkalwärts abgekaut, keine Caries.
Gaumenlänge 4,9, Gaumenmittelbreite 4,2, Gaumenendbreite 4,2,
Mesostaphylin (Index 85,0), Gaumen flach; Alveolarfortsatz des Ober-
kiefers niedrig, sehr schräg gegen die Horizontale gestellt (prognath).
Juga alveolaria stark ausgeprägt, besonders am Eckzahn. Fossa canina
sehr tief. Wangenbein massiv, stark vortretend, schnell umbiegend,
hinterer ßand des Proc. front, des Jochbeins leicht flügeiförmig,
Jochbogen zierlich, leicht ausbauchend. Nasenl)eine viereckig, seit-
lich etwas ausgeschweift, Nasenrücken steil dachförmig, schwach
konkav eingesattelt, Nasenöffnung oval, rechts tiefer ausgemuldet als
links, Nasenstachel fehlt, unterer Nasenrand verstrichen. Nasenhöhe
4,8, gr. Breite der Nasenöffnung 2,7. Platyrrhinie (Index 56). Augen-
höhlen abgerundet viereckig, Querachse wenig nach außen abfallend,
unterer Rand vorspringend. Augenhöhleneingang: gr. Breite 3,9,
horizontale Breite 3,7, gr. Höhe 33,0, Vertikalhöhe 3,4, Mesokonchie
(84,0). Stirnbein schmal, hoch, steil gestellt, kugelig gewölbt, auf
der linken Hälfte nahe der Mittellinie linsengroße Exostose. 8tirn-
höcker hervortretend, Glabella flach, Arcus superciliares angedeutet.
Koronalnaht zahnreich, Scheitelbeinhöcker wenig ausgeprägt, Linea
temporalis suprema links deutlich. Occipitalschuppe schaufeiförmig,
hier Nackenlinien angedeutet, Prot, occipit. fehlend. Lambdanaht seni
reichzähnlg, mit zwei größeren Schaltknochen am rechten Schenkel.
Foramen magnum langoval, gr. Breite 2,9, gr. Länge 3,4. Richtung
auf die Choanen. Länge der Pars basilaris des Hinterhauptbeins 3,4.
Notiz zu F 1. „Skelett 1,60 m lang, Knochenüberreste mangel-
haft, bloß der Schädel gut. In der rechten Hand ein Messer."
45) „F 2." Ein Erwachsener.
Schädelreste. Os frontis, Parietalia, Occiput, rechtes Schläfenbein.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Caiuburg. 319
Notiz zu F 2. „Skelett 1,80 m lang, Bchlecht erhalten, Schädel
gut ; in linker Hand ein Messer, am Halse 3 Perlen."
46) Frau von 30—40 Jahren.
Halber Gesichtsschädel (No. 1579), kleinste Stirnbreite 10,0.
Glabella und Arcus supercil. mäßig entwickelt Gesichtsbreite nach
Virchow 9,6, Gesichtshöhe 11,1, obere Gesichtshöhe 6,9. Gesicht im
ganzen schmal (Index 129), ebenso Obergesicht (Index 80). Augen-
öhleneingang abgerundet viereckig, gr. Breite 3,8 «= horizontale
Breite, gr. Höhe 3,2, Vertikalhöhe 3,4. Mesokonchie (Index 84). —
Nasenhöhe 4,9, gr. Breite der Nasenöffnung 2,4. Mesorrhinie (Index
48,9), Nasenöffnung langoval, unterer Nasenrand scharfkantig, spitzer,
langer Nasenstachel. Fossa canina flach. Wangenbein seitlich ge-
stellt, Jochbogen wenig ausbauchend. Alveolarfortsatz des Ober- ■
kiefers niedrig, fast gerade gestellt gegen die Horizontale. Gebiß :
8 [7] 6 5 4 3 p] fl]
[7] 6 [5] [4] [3] [2] [1] [IJ
Zähne gut; der Weisheitszahn ist ein wurzelig und verlängert,
■weil keine Antagonist vorhanden war. Biß gerade, scharfe Artiku-
lation, Zahnkronen klein, zierlich, sehr schmale Zahnhälse, mäßige
Abkauung horizontal. — Unterkieferwinkel 118°. Kieferast sehr breit,
dick. Kinn spitz, unterer Rand des Kieferkörpers dick, geradlinig.
Keine sonstigen Skelettreste.
47) Kräftiger Mann.
Nur der Unterkiefer (No. 1592) vorhanden. Derselbe ist sehr
kräftig, breit. Unterer Rand des Unterkieferkörpers sehr dick, grad-
linig, Kinn vorspringend. Gelenkfortsätze klein, Incisura flach. Kon-
dylus breit, mit mittlerer Einschnürung. Unterkieferwinkel lateral-
wärts schaufelartig ausladend. Unterkieferwinkel 120", Distanz der-
selben 12 cm. Gebiß:
8 7 [6] [5] 4 3 2 1 I 1 2 3 4 5 6 7 8
Zahnbogen fast halbkreisförmig, Zahnkronen groß. Abkauung
unregelmäßig, einzelne höher, einzelne tiefer.
Notiz zu F 3. „Skelett lag sehr flach, daher alle« zerfallen,
1,50 m lang, nur der Unterkiefer gut, rechts ein Messer."
48) Kind 5. 6 Jahr alt. ^ ,. ^
Schädel in Bruchstücken: Stirnbein, (linke Ecke schwirzhcb
braun gefärbt durch Brand), Parietalia, Hinterhauptbein, Schläfen-
beine, Oberkiefer (linke Seite schwärzlichbraun), Unterkiefer. Der
linke Ast fehlt. Gebiß:
fe V IV [III] [III [I]
6 V IV III tllj [I]
1
in [II] [in] IV V 6 7
"[Ii"[IIl [III] IV V 6
1
Notiz zu F 4. Kinderskelett, Schädel defekt, sonet nichte vom
Körper ; beim Schädel zwei ganze Perlen, eine in drei Stücken."
49) „Camburg 5." Frau von ca. 30 Jahren.
Schädel (No. 1578) fast vollständig erhalten. Fig. 143. Gerade
320 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Länge 18,2, größte Länge 18,5, Intertuberallänge 18,6, größte Breite 13,6,
kleinste Stirnbreite 10,0, Ohrhöhe 11,2 = Hiifsohrhöhe. Horizontal-
umfang 51,7, Sagittalumfang 37,4, vertikaler Querumfang 31,0. Der
Schädel ist dohchocephal (Index 73,0), flach (Index 61). Üesichts-
Fig. 143. %
breite nach Virchow 9,6, nach v. Holder 10,9, Gesichtshöhe 11,5,
obere Gesichtshöhe 7,1. Das Gesicht ist schmal (Index 119), auch
im Obergesicht (Index 73,9). Stirnnaht in ganzer Ausdehnung er-
halten, in der hinteren Hälfte zahnreich. Glabella flach, Arcus
superciliares eben angedeutet, ebenso Stirnhöcker. Augenhöhlenein-
fang gr. Breite 3,7, horizontale Breite 3,5; gr. Höhe 3,4, vertikale
löhe 3,7. Hypsikonchie 91,8, Nasenhöhe .5,0, gr. Breite der Nasen-
öffnung 2,4, Mesorrhinie (Index 48,0). Nasenbeine sehr schmal, vier-
eckig, Nasenöffnung langoval, unterer Nasenrand scharfkantig,
Nasenstachel mittellang. Nasenrücken kaum eingesattelt. Fossa
canina mäßig tief. Jochbeine seitlich anliegend, Jochbogen kauna
ausgebaucht. Alveolarfortsatz des Oberkiefers hoch, sehr wenig
fegen die Horizontale schräg gestellt. Zähne gut erhalten, Zahn-
ronen des Oberkiefers senkredit gestellt, leicht einwärts geneigt.
Gebiß :
7 6 5 4 3 2 1
8 7 6 5 4 3
12 3 4 5 6 7
2 [1] [1] 2 3 4 5 6 7 8
Keine Caries, nur wenig Zahnstein. Zahnbogen in Parabelform.
Biß gerade, obere Schneidezähne überbeißend, scharfe Artikulation,.
Zahnkronen schmal, klein, wenig abgekaut, horizontal. Gaumen
hoch gewölbt, schmal. Unterkieferwinkel 115 ", Distanz der Kiefer-
winkel 9,2. Kinn spitz, Protuberanz mäßig entwickelt, Rand des
Unterkieferkörpers mitteldick, geradlinig. — Koronalnaht stark ge-
zackt, ebenso Sagittalnaht und Lamdanaht, zwei kleine Schaltknochen
im linken Ast derselben. Hinterhauptsschuppe leicht ausbauchend.
Muskelleisten mäßig entwickelt. Warzen fortsatz lang.
Vom übrigen Skelett nichts erhalten.
Die vor- u. frühgeachichtl. Funde der Grafechaft Camburg. 321
K ?.?*'^ü''^•f ^u"^''^^^*i J'-^^ *" ^*°g- <i'e Knochen ganz un-
brauchbar, bchadel aber gut, dabei zwei Ohrgehänge, ein Eiraerhenkel."
ÖO) „F." Frau mittlerer Jahre.
Unterkiefer (No. 1598) mit gutem Gebiß, keine Caries. Zahn-
tw"^u- ,/f "' T^enig abgekaut, horizontal. Kinn spitz, rechte Unter-
kieferhalfte schwarz gefleckt von Branderde. Kieferaete abgebrochen
Der linke Eckzahn hat zwei Wurzeha.
Vom übrigen Schädel erhalten in einem Stück, aber seitlich
lum Teil "" ^^^^'■"ckt: Os frontia, Ossa parietalia, Os occipiti«
Sonst keine Skelettreste.
Notiz zu F 6. „Skelett 1,68 m lang, Knochen unbrauchbar,
bchadel gut; in Imker Hand ein Messer."
51) „F 7." Frau von ca. 40 Jahren.
Schädel (No. 1591) vollständig bis auf rechtes Schläfenbein und
Unterkiefer, zusammengesetzt, im ganzen zierlich. Fig. 144.
Fig. 144. V,.
Gerade Länge 18,.3 = größte Länge, Intertuberallänge 13,0,
kleinste Stimbreite 9,6. Ohrhöhe .11,8 = Hilf sohrhöhe. Breite der
Schädelbasis 11,2, Horizontalumfang 51,0, Sagittalumfang 383. Der
Schädel ist dolichocephal (Index 71), charaäcephal (Index 64,2).
Stirnhöcker wenig entwickelt. Starker Supraoroitalwulst, Glabell«
vorgewulstet, Nasenrücken eingesattelt. Gesichtsbreite nach Virchow
9,5, V. Holder 11,1. Obere Gesichtshöhe 6,4, schmales Obergesicht
(Index 67,3).
Augenhöhleneingang abgerundet viereckig, größte Breite 3,9,
horizontale Breite 4,75 ; gr. Höhe 3,1 = Vcrtikalhöne. Chamäkonchie
(Index 79). — Nasenbeine viereckig, dachförmig aneinandergestellt.
Nasenhöhe 4,3; gr. Breite der Nasenöffnung 2,3. riatyrrhinie
(Index 53,0). Fossa canina mäßig tief. Jochbeine seitlich gestellt,
Jochbogen wenig auegebaucht. — Alveolarfortsatz des Oberkiefer»
322 I^ie vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
sehr schräg gestellt gegen die Horizontale, ziemlich lang. Gebiß
gut, keine Caries.
8 7 6 5 4 3 [2] [1]|[1] [2] 3 4 5 6 7 8
Die ersten Molaren stark abgekaut schräg nach innen, die anderen
fast gar nicht. Zahnbogen parabolisch. Gaumen flach, vom Foram.
incisivum schräg nach der Ecke der mittleren Schneidezähne zu ver-
laufende feinlinige Nähte. Gaumenlänge 5,1, Gaumenmittelbreite 4,2,
Gaumenendbreite 4,1. Mesostaphylin (Index 80,0). Nähte grob-
zackig, am linken Schenkel der Lambdanaht zwei reich- und lang-
zackige Schaltknochen. Scheitelbeine in der Sagittalnaht flach dach-
förmig aneinanderstoßend. Parietalhöcker deutlich hervortretend.
Muskelleisten der Hinterhauptsschuppe gering. Spitzer drei-
eckiger Schlaf enschuppenfortsatz bis beinahe an das
Stirnbein linkerseits. Linke Kopfseite schwarz gesprenkelt
durch Aufliegen auf Branderde.
Keine weiteren Skelettteile.
Notiz zu F 7. „Weibliches Skelett 1,54 m lang, Knochen defekt ;
im hnken Arm ein Kind (s. folgende No.). Dicht dabei zur Linken
am Hals Bruchstücke von Perlen."
52) Kind 8. IV, Jahr alt.
Zusammengesetzter Schädel (No. 1590), es fehlt das mittlere
Gesicht. Fig. 145.
Fig. 145. Vv
Größte Länge 16,2, Intertuberallänge 16,3, größte Breite 11,3,
kleinste Stirnbreite 7,6, Hilfsohrhöhe 10,8. Horizontalumfang 44,2,
Sagittalumfang 82,0, wovon 11,0 auf Stirnbein entfallen. Stirnhöcker
stark hervortretend, Stirnnaht bis auf einen kleinen Rest auf der
Glabella obUtteriert, Parietalhöcker kräftig. Länge der Sagittalnaht
11 cm. Bemerkenswert: spitzdreieckiger Fortsatz deir
Schlaf en schuppe links bis ans Stirnbein, Scheitelbein
und Wespenbeinflügel trennend. For. magnum spitzoval>
2,2 cm breit. Oberer Teil der Hinterhauptschuppe kräftig ausge-
baucht, relativ schmal. Länge der Schädelbasis 8,5. Der Schädel
ist dolichocephal.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg. 323
Unterkiefer vollständig, Unterkieferwinkel 135', Distanz der
beiden 6,1. Gebiß normal, Stellung der Zähne gerade.
6 V IV III fllj Ij I II III IV V 6
V und 6 beiderseits tief li^end. Kinn stumpf, kräftige Pro-
tuberanz, parabolische Zahnkurve.
Lag beim vorigen Skelett.
63) „F 8." Ältere Frau.
Unterkieferhälfe (No. 1606): Kinn vorspringend, Zahnkronen
klein, weiß, ohne Zahnstein, stark abgekaut, unregelmäßig. 2. Molar
bei Lebzeiten verloren, Alveole atrophiert und bei Extraktion zerbrochen,
da der 1. Molar eine hoch freistehende distale Wurzel hat
Notiz zu F 8. „Skelettknochen ganz untauglich, 1,66 m lang,
in der rechten Hand ein Messer."
54) „F 9." Erwachsene Person.
Schädelrest in einem Stück zusammenhängend: Stirnbein,
Scheitelbeine, Hinterhauptsbein, Schläfenbeine, Wespenbein. Arcus
superciliares und Glabella gewulstet. Schädel oval, regelmäßig.
Keine Beigaben.
65) „F 10." Ältere Frau.
Sehr gut erhaltener Schädel (No. 1587), im ganzen zierlich.
Fig. 146.
Fig. 146. Vr
Gerade Länge 17,8, größte Länge 18,0, Intertuberallänge 17^5. Größte
Breite 12,7, kleinste Stirnbreite 9,05. Ganze Höhe J3,7, Hilfahöhe
13,6, Ohrhöhe 11,5 = Hilfsohrhöhe. Länge der^^Splmdelbaaui 10^
Breite der Schädelbasis 11,1. HorizontalumW 60,0, SagitUilumfang
34,5. Vertikaler Querumfang 29,5. DoUchocephalie 70A Orthocephahe
75,0. Glabella und Arcus superciliares mäßig entwickelt
324 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Das Gesicht ist schmal (Index 126), auch das Obergesicht
(Index 79). Gesichtsbreite nach Virchow 9,1, nach v. Holder 11,2,
Jochbreite 13,1, Gesichtshöhe 11,5, obere Gesichtshöhe 7,2. Nasen-
rücken gerade,Nasenbeine viereckig, steil dachförmig aneinanderstoßend.
Nasenöffnung ulmenblattförmig, unterer Nasenrand stumpfkantig.
Nasenhöhe 5,05, gr. Breite der Nasenöffnung 2,4. Leptorrhinie (In-
dex 47). — Augenhöhleneingang abgerundet viereckig, gr. Breite 3,9
= horizontale Breite; gr. Höhe 3,3 = Vertikalhöhe. Querachsen
wenig nach außen unten geneigt. Mesokonchie (Index 84). — Fossa
canina flach. Wangenbeine etwas nach vorn gedreht. Alveolarfort-
satz des Oberkiefers mittelhoch, tiefes erbsengroßen Loch über der
Wurzel des rechten lateralen Oberkieferschneidezahn (Cyste). Gebiß:
8 (7) 6 5 4 [3| [2J [1]
7 (6) 5 4 [3] 2 1
[1] 2 3 4 5 (6) 7 [8]
2 3 4 5 (6) (7) 8
Zahnstein in stärkerem Maße. Durch das Fehlen vom 2.
rechten oberen Molaren hat sich der 1. Molar dem Weisheitszahn
derart genähert, daß sich die Lücke um mehr als die Hälfte verringert
hat und dadurch eine unregelmäßige, aber scharfe Artikulation zu
Stande gekommen ist. Kleine Zahnwurzeln. Zahnbogen im Unter-
kiefer eine Parabel, im Oberkiefer Halbkreis, Biß gerade. — Gaiunen-
länge 5,2, Gaumenmittelbreite 4,4, Gaumenendbreite 3,8. Lepto-
staphylin (Index 73). Unterkiefer hoch, unterer Rand des Unter-
kieferkörpers mitteldick, leicht geschweift. Kinn etwas vorspringend,
stumpf. Protuberanz wenig entwickelt. Muskelansätze ziemlich
kräftig. Kieferwinkel 131 ", Distanz der beiden 10,1. Koronalnaht
reich gezackt, Sagittal- und Lambdanaht labyrinthisch verschlungen.
Am Lambda großer Schal tknochen, Muskelansätze der Hinterhaupts-
schuppe wulstig, oberer Teil der Schuppe kapseiförmig vorspringend.
Länge der Pars basilaris 3,1, Foramen magnum langoval, 3,0 breit,
3,8 lang. Profillänge 10,3.
Keine weiteren Skelettreste.
Notiz zu F 10. „Skelett 1,60 m lang, Knochen unbrauchbar,
Schädel gut, in linker Hand ein Messer."
56) Sehr alte Person.
Vom Schädel sind erhalten: Das Mittelstück des Unterkiefers,
ohne Zähne, die postmortal ausgefallen, ein Stück vom Oberkiefer
mit drei stark aogekauten, kariösen Zähnen (2. Prämolar rechts
und links, Eckzahn), alle übrigen Zähne sind intra vitam verloren.
Anmerkung: Über das slavische Gräberfeld finden
sich kurze Notizen in:
1) Korrespondenzblatt der deutsch. Ges. für Anthropologie,
Ethnologie, Urgeschichte 1871. No. 6—10.
2) Ebenda 1872. No. 6. S. 46.
3) Schaaffhausen, Sur quelques trouvailles faites en AUemagne.
Congrfes international d' Anthropologie et d'arch^ologie pr^historique
Compt. rendu de la 7 ° session. Stockholm 1874. Tome IL p. 841—850.
4) Korrespondenzblatt der deutsch. Ges. für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte 1876. No. 9. S. 76—84.
5) Supplement des Berliner Katalogs v. J. 1880. S. 29.
6) E. Eichhorn, Grafschaft Camburg.
7) Regel, Thüringen, T. IL S. 516—517.
Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Caitiburg. 325
8) R. Lehmann, Beiträge zur prähistorischen Chirurg!
Funden aus deutscher Vorzeit.
Zum spezielleren Studium standen mir zur Verfügung au« dem
Germanischen Museum zu Jena:
Ein Brief von Dr. Bender an Klopfleisch vom 2. April 1869
(Act. des Germ. Mus. Jena.
Lose Blätter aus einem Notizbuch Klopfleische 1871. 1872),
Ein kurzer Bericht von Schachtmeister Alayer an Klopflei)»ch.
Zwei Tafeln mit Zeichnungen von Klopfleisch.
Eine Wandtafel im Germ. Museum zu Jena No. 57. (1891.
Wandtafel No. XXIX.)
Beste vorgeschichtlicher Wohnplätze,
a) An der neuen Ziegelei.
Trichterförmige Abfallgruben, die Reste vorgeschicht-
licher Siedejungen, entdeckte Heim westlich der Stadt bei
der neuen Ziegelei an der Straße nach Döbritschen. Er
fand in denselben Urnenreste mit Tupfenleisten, neben
nicht ornamentierten Gefäßscherben; ferner einen Klopf-
st e i n , halbkugelförmig, stark beschädigt, von 10 cm Breite ;
einen Mahlstein (Läufer) mit abgeplatteter, rauher Fläche
von 24 cm Breite, auf der Gegenseite in der Mitte mit kreis-
förmiger Vertiefung. (Die Funde sind jetzt im B.V.M. IIb
2640 a — d). In seiner jetzigen Privatsammlung besitzt
Heim ein ca. 15 cm langes, im Querschnitt abgestumpft
dreieckiges Stein gerät von cylindrischer Gestalt, mit Rille,
was ebenfalls an der neuen Ziegelei gefunden wurde.
Aus „Thielemanns Ziegelei" ferner einen Randscherben
eines großen Tongefäßes, dessen Masse mit Quarzstückchen
reichlich durchsetzt ist; der 7 cm hohe glatt gestrichene
Hals ist leicht nach außen ausladend, der sich anschließende
Bauchteil raub, mit einem senkrecht nach unten verlaufenden
schmalen, nasenförmigen Ansatz versehen. Die Krümmungs- '
Verhältnisse des Scherben lassen auf ein Gefäß von wenigstens
25 cm Höhe schließen.
b) An der Chaussee nach Sohmledehausen.
Bei Ausgrabungen an der Chaussee nach Scluniedehausen
auf Camburger Gebiet förderte Heim Urnenreste zu Tage,
die unverziert waren. ,
XXIL 22
»
c
326 I^ie vor- XI. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Eiuzelfunde.
Nähere Bezeichnung der Fundstelle finden sich nur
bei wenigen Einzelfunden. •>
Im Henneberger Haus in Meiningen liegt ein Bruch-
stück eines ca. 7 cm breiten keilförmigen Steinbeils, das
beim Bau der Niederlage des Kaufmann Stürze
gefunden worden ist.
Bei einer sechsflächigen facettierten rötlichen Perle
ist als Fundstelle der Flurname „Lisch wig" angeojeben.
(RH)
An Einzelfunden auf Camburger Stadtflur ohne
speziellere Angaben bewahrt das HennebergerHaus in Meiningen :
Eine ca. 10 cm lange, schuhleistenförmige gewölbte Steinhacke;
eine kleinere, hochgewölbte Steinhacke mit zugespitztem
Bahnende ;
einen faustgroßen Reib st ein aus Porphyr;
zwei apfelgroße Glatt steine;
einen kleineren Glatt st ein.
Ein kleines vierkantiges Steinbeil, grau mit schwarzer
Sprenkelung , mit gerader Ober- und Unterseite , leicht gewölbten
Seitenwangen, zugespitztem Bahnende, von 8,6 cm Länge, 15 cm
größter Breite besitzt das Germanische Museum zu Jena.
Eine polierte, mit Bohrloch versehene Steinaxt aus Camburg
aus der Sammlung des Oberstabsarztes Dr. Schwabe in Weimar —
war 1880 auf der Ausstellung prähistorischer und anthropologischer
Funde in Berlin ausgestellt (Katalog der Ausstellung S. 542).
In den Mitteilungen der G. und A. G. des Osterlandes zu
Altenburg I. B. wird em mündlicher Vortrag des Mühlenverwalters
Brauer in Camburg am 15. April 1840 erwähnt über Ausgrabungen
von Altertümern (Vasen, Schalen, Knochen, Reifen etc.) in der Cam-
burger Gegend und unter den Altertümern, die die genannte GeseU-
Bchaft besitzt, 1841 in den Mitt. I. B. S. 27 erwähnt unter anderen:
„Ein halber steinerner Streithammer (sog. Donnerkeil);
vier eiserne schmale Reifchen nebst eisernem Bügel;
Bruchstücke einer Aschenurne, Scherben von Vasen."
Alles im Amtsbezirk Camburg aufgefunden (Mühlenverwalter
Brauer daselbst)." Es erinnern diese Funde an die Beigaben des
1871 ausgebeuteten slavischen Gräberfeldes.
Einen schön polierten, polygonal (elfflächig) fecettierten Axt-
hammer mit Schaftloch, Länge 14 cm, größte Breite 5,3 cm, Höhe
3 cm, besitzt Heim in seiner jetzigen Sammlung.
Die vor- u. frühgeschichll. Funde der Grafschaft Camburg. 327
Einzelfunde aus Caraburg im Berliner Völkermu^eam:
Steinbeil, sehr gut poliert, vierkantig, nach dem Bahn-
ende sich leicht verjüngend, obere und untere Schmalseite
feradf lächig , Schneide etwas gebogen. Seitenwangen flach gewölbt,
tahnende geradflächig. Länge 11cm, Schneidenhöhe 5,5 cm.
Kllb. 133.
Steinbeil, meist gut poliert, vierkantie, nach dem Bahnende
sich leicht verjüngend,* ooere und untere Scnmalseite geradflächig,
Seitenwangen sehr flach gewölbt, Schneide schief verlaufend, Bahn-
ende abgerundet. L. 7,7 cm, Schneidenhöhe 4,9 cm. Kllb. 134.
Steinbeil, leicht facettiert, vierkantig, nach dem Bahnende
sich etwas verjüngend, obere und untere Schmalseite gera(lflä<-hig,
Seiten wangen sehr flach "gewölbt. Schneide gebogen, Bahnende schräg
abfallend, ohne Sorgfalt behandelt. L. 11,0 cm, wihneidenhöhe 5,5 cm.*
Kill). 1122.
Steinbeil, vierkantig, aus schwärzlichem Gestein , Schmalpciten
geradflächig, Seitenwangen flach gewölbt. Bahnende abgenmdet;
Schneide gebogen. L. 8,0, Schneidenhöhe 5,0. Kllb. IKX).
Steinbeil, vierkantig, nach dem Bahnende sich etwas ver-
jüngend, aus grauem Gestein, die obere und untere Schmalseite
feradf lächig, Seiten wangen sehr flach gewölbt, Schneide fast gerade,
i. 7,0, Schneidönhöhe 4,0. . IIb. 1279.
Steinbeil, beschädigt, aus grauem Gestein, nach dem Bahn-
ende zu sich verjüngend, flach gewölbte Schmalseiten i^nd Seiten-
wangen. L. 8, Schneidenhöhe 4,8. II b. 1532.
Steinbeil, vierkantig, nach dem Bahnende sich etwas ver-
jüngend, aus grauem Gestein, Schneide gebogen, Schmalseiten gerad-
flächig, Seitenwangen flach gewölbt, Bahnende* abgerundet.
L. 9,0, Schneidenhöhe 4,8. • 11 b. 1534.
Steinbeil, vierkantig, aus grauem Glestein, nach dem Bahn-
ende sich etwas verjüngend, Schneide gebogen, Seitenwangen gewölbt,
obere und untere Schmalseite geradflächig. Bahnende abgerundet
L. 14,0, Schneidenhöhe 7,0. . " ^ Hb. 1704.
Steinbeil, nach dem Bahnende sich ^twas verjüngend, vier-
kantig, aus grauem Gestein, unvollständig, Schneide gebogen, obere
und untere Schmalseite annähernd geradflächig. L. 7,0, Schneiden-
höhe 5,0. II b. 18.55.
Steinbeil, beschädigt, vierkantig, aus schwärzlichem Gestein,
nach dem Bahnende sich etwas verjüngend. Schneide leicht gebogen,
schief verlaufend. Seiten wangen sehr flach gewölbt, Bahnende abge-
rundet. L. 7,5, Schneidenhohe 4,5. 11 b. ia56.
Steinbeil, beschädigt, vierkantig, nach dem Bahnende sich
etwas verjungend, aus grauem Gestein, Schneide kaum gelwMn,
Schmalseiten geradflächig, Seiten wangen sehr flach gewölbt, in-
ende abgerundet. L. 5,5, Schneidenhöhe 4p. H b. 1857.
Steinbeil, beschädigt, vierkantig, nach dem Bahnende »ich
etwas verjüngend. Schneide kaum gebogen, Schmalseiten geradflachie,
Seitenwangen sehr flach gewölbt, Bahnende abgerundet, aus dunkel-
grauem Gestein. L. 5,5, Schneidenhöhe 4,0. , H o. löö».
Steinbeil, vierkantig, nach dem Bahnende sich etwM ver-
jüngend, Schmalseiten geradflächig , Seitenwangen flach gewölbt,
Schneide gerade. Bahnende abgerundet, aus grünem Gestein.
L. 4,0, Schneidenhöhe 3,0. " •>. 185».
22»
328 I^JG voi*- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Steinbeil, vierkantig, nach dem Bahnende sich etwas ver-
jüngend, Schneide leicht gebogen, Schmalseiten geradflächig, Seiten-
wangen sehr flach gewölbt. Bahnende abgerundet, aus grauem Gestein.
L. 6,5, Schneidenhöhe 4,0. , II b. 2202.
Steinbeil, vierkantig, nach dem Bahnende sich etwas ver-
jüngend. Schneide gerade, Seitenwangen flach gewölbt. Bahnende
schräg. L. 6,5, Schneidenhöhe 4,0. II b. 2203.
Steinbeil, vierkantig, nach dem Bahnende sich wenig ver-
jüngend, Schneide wenig gebogen, Schmalseite gerade. Bahnende fehlt.
Länge des erhaltenen Stückes 9,2. II b. 2424.
Steinbeil, vierkantig, etwas beschädigt, nach dem Bahnende
sich wenig verjüngend. Schneide leicht gebogen, Schmalseiten gerad-
flächig, Seitenwangen flach gewölbt, Bahnende abgerundet. L. 8,5.
II b. 2425.
Steinbeil, vierkantig, nach dem Bahnende sich verjüngend.
Schneide stark gebogen, Seitenwangen flach gewölbt, Bahnende ab-
gerundet. L. 8,5. II b. 2468.
Steinbeil, vierkantig, facettiert, gut erhalten, nach dem
Bahnende sich etwas verjüngend. Schneide gebogen, Schmalseiten
geradflächig, Seitenwangen flach gewölbt, Bahnende gerade. L. 6,2.
II b. 2799.
Steinbeil, stark beschädigt, nach dem Bahnende sich etwas
verjüngend. Schneide gebogen, Seitenwangen flach gewölbt. Bahnende
abgerundet. L. 7,0. II b. 2800.
Steinbeil, mit spitzem Bahnende, Schneide gebogen,
Seitenwangen gewölbt, in spitzem Winkel aneinanderstoßend, rauhe
Oberfläche. L. 8,0, Schneidenhöhe 5,0. IIb. 1123.
Steiiibeil, das spitze Bahnende abgebrochen, aus schwarzem
Gestein. L. 6,0, Schneidenhöhe 8,5. IIb. 1241.
Steinbeil, vierkantig, aus grauem Gestein, mit spitzem Bahn-
ende, flach gewölbten Seiten wangen, gebogene, an der einen Ecke
beschädigte Schneide. L. 10,0, Schneidenhöhe 5,0. II b. 1533.
Steinbeil, vierkantig, aus grauem Gestein, mit spitzem Bahn-
ende, flach gewölbten Seitenwangen. Gebogene Schneide. L. 9,0,
Schneidenhöhe 6,0. II b. 2107.
Steinbeil, aus Flint, nach dem Bahnende zu sich zuspitzend.
Schneide gebogen. L. 6,1. II b. 2422.
Steinbeil mit spitzem Bahnende, sehr gut erhalten, die ge-
wölbten Seitenwangen in scharfer Kante spitzwinklig aneinander-
tretend, Schneide gebogen. L. 19,0. II b. 2638.
Steinhacke, hochgewölbt, schuhleistenförmig, aus grauem
Gestein. L. 14,0, größte Breite 4,5. II b. 1124.
Steinhacke, breit, flach, vierkantig, aus schwarzem Gestein,
die gebotene Schneide in scharfem Winkel an die geradflächigen
Schmalseiten angrenzend. L. 11,0, gr. Br. 6,8. IIb. 1159.
Steinhacke, breit, flach, leicht facettiert, am Bahnende be-
schädigt. Schneide gebogen, allmählich in die Schmalseiten übergehend,
aus grauem Gestein. L. 7,0, gr. Br. 7,9. II b. 1239.
Die vor- u. frühgcschichtl. Funde der Grafschaft Camburg, 329
Steinhacke aus dunkelgrauera Gestein, breit, flach, vier-
kantig; die geradflächigen Schmalseiten abgerundet in die gebogoae
Schneide übergehend, am Bahnende etwas beschädigt. L. 7,0, gr.
Br. 4,0. II b. 1240.
Steinhacke aus grauem Geetein, flach, breit, die gebogene
Schneide abgerundet in die Schmalseiten übergehend. L. 0,8, gr.
Br. 0,5. II b. 1242.
Steinhacke aus grünlichem Gestein, facettiert, vierkantig,
die gebogene Schneide in scharfem Winkel an die gerad flächigen
Schmalseiten angrenzend. L. 12,5, gr. Br. 5,0. II b. 1535.
Steinhacke aus schwärzlichem Gestein, flach, breit, mit ab-
§erundeter, allmählich bogenförmig in die Schmalseiten umbiegender
chneide. L. 8,4. II b. 2406.
Steinaxt aus grünlichem Gestein, mit Schaftloch, mit hoch-.
festellter, scharfer Schneide, Bahnende breit, wenig bearbeitet.
,. 11,0, gr. Br. 6,2. II b. 1238.
Steinaxt aus grauem Gestein, plumpe Form, mit Schaftloch,
horizontaler Querschnitt dreieckig, vertikaler unregelmäßig recht-
eckig. Bahnende breit, abgerundet. L. 10,0, gr. Br. 7,0. II b. 1408.
Steinaxt aus grauem Gestein, beschädigt, mit 'Schaftloch.
Die Schmalseiten in einer Sdineide unter spitzem Winkel sich ver-
einend. Bahnende schräg. Horizontalschnitt areieckig, Vertikalschnitt
rechteckig. L. 13,0, gr. Br. 4,5. II b. 1G75.
Steinaxt mit Schaftloch, im Horizontalschnitt dreieckig, im
Vertikalschnitt rechteckig. Die Schmalseiten unter einem spitzen
Winkel zu einer scharfen Schneide sich vereinend, Bahnende breit,
abgerundet. L. 13,5. II b. 2639.
Steinaxt aus schwärzlichem Gestein, mit Schaftloch, leicht
facettiert, im Horizontalschnitt dreieckig, im Vertikalschnitt recht-
eckig. Die Schmalseiten unter spitzem Winkel sich zu einer scharfen
Schneide vereinend, zum Bahnende allmählich umbiegend, Bahnende
abgerundet. L. 10,0, gr. Br. 4,0. II b. 1901.
Schöner polygonal facettierter Axthammer aus schwärzlichem
Gestein, im Horizontalschnitt fünfeckig. Die Schmalseiten zu beiden
Seiten des Schaftloches in leichter Biegung zu einem Kamm aueee-
zogen, Bahnende breit, abgerundet. Von der Seite betrachtet ist der
axtförmige Teil nach unten verbreitert, so daß die Schneide höher
als der übrige Hammerteil ist. L. 15,0, gr. Br. 4,8. II b. 1705.
Große hochgewölbte, Schuhleisten förmige Hacke aus
grauem Gestein, quer durchlocht. L. 22,0, gr. Br. G,0. IIb. 1413.
Hirschhornhammer mit kreisrundem Schaftloch, mit
breitem Bahnende, Schneidenteil fehlt. L. des erhaltenen Stücke»
12,5, gr. Br. 6,5. " »• 1^31.
K 1 o p f s t e i n , würfelförmig, abgerundet, mit zentraler Vertiefung
auf den Seiten. Mittlerer Durchmesser 6 cm. II b. 1412.
330 Die vor- u. frühgeschichtl. Funde der Grafschaft Camburg.
Klopf stein aus grauem Gestein, von annähernder Kugelform
mit einzelnen Kanten. Mittl. Durchm. 7 cm. IIb. 1854.
Klopfstein aus rötlichem Gestein, kugelförmig. Mittl.
Durchm, 7,5 cm. IIb. 2031.
Reib er von Halbkugelform, gr. ßr. 9,0 cm. IIb. 2426.
Feuerst ein span , L. 3,4, gr. Br. 3,0, IIb. 1536.
Zwei weitere Feuersteinspäne. II b. 1537.
Feuersteinmesser, doppelschneidig und zugespitzt, 7 cm
lang, 2 cm breit, im Vertikalschnitt flach dachförmig. II b. 1860.
Feuerstein m es ser, doppelschneidig, 5 cm lang, 2 cm breit,
auf der einen Schneide vielfach zahnförmig gemuschelt. II b. 1902.
Miszellen.
II.
Mitt«ilimgeu aus Copialbiichern der Stadt Naumburg: a. S.
Von Karl Schöppe.
Von einer eigenartigen Beleidigung, deren Bedeutung
noch der Erklärung bedarf, handelt das folgende Leumundszeugnis
des Nauraburger Rates : „Wir burgemeister und geschworene ratmanne
der Stadt Naumburg bekennen hiemit gegen ydermänniglich, so dieser
unser offene brief vorkumpt, den senen oder hören lesen, und be-
sunderlich gegen euch, fürsichtigen und ehrsamen herren burge-
meistern und raten zu Eisenberg, daß auf heute montag nach St.
Lorenzentage dieses 1521. jahrs vor uns, als wir nach gewöhnlicher
verheischung ratsweise versammelt, persönlich erschienen ist der
fürsichtige Lorenz Kune, gegenwärtigen briefs zeiger, etwa unser
bürger, anzeigend, wie er nach seinem abschiede von uns und als er
sich allhieher zu euch um seiner b&sserung willen gewandt, von etz-
lichen euren einwohnern mit schmähelichen worten, die ihm auch
seine ehr und gut gerüchte letzen thäten, beschwerlicherweise be-
leidigt und geschmähet würde und u.a. ein achtundzwanziger
von Naumburg gescholten würde, welches ihm zu merklicner
verkleinung, höhn, schmähe und schände reichte, vertraulicher hoff-
nung, es möchte doch solches von ihm in Wahrheit nimmermehr
angezeigt, viel weniger rechtlich auf ihn erweist noch beibracht
werden.'' Auf seine Bitte bescheinigt ihm nun der Rat, „daß uns
nicht anders wissend sei, denn daß sich derselbige Lorenz Kune die-
zeit und allsolange er bei uns bürger gewesen, aufrichtig, frömmlich
und wie einem gehorsamen bürger zierabt, wohl gehalten habe, also
daß wir ihm, so es ihm fügsam gewesen, wohl länger bei uns hätten
erdulden mögen".
Von einer sonderbaren Wette erzählt ein Protokoll dai
J^^aumburger Rates von 1520: „Wir burgemeister und eeschworene
ratmannen der stadt Numburg bekennen hiemit gegen allermännig-
hch und besonderlich vor euch ehrbaren und ehrsamen weisen burge-
meister und ratmannen der stadt Weida, daß auf heute freitag nach
Invocavit dieses 1520. jahrs vor uns, als wir nach gewöhnlicher
verheischung ratsweise versammlet, erschienen ist der fürsichtige, er-
fahrene meister Georg Schieferdecker, anzeigend, wie er sich allhie
zu Weida mit einem bürger daselbst, der einem ehrbaren rate allent-
halben und wohl bekannt, etzlichermaßen mit nachfolgendem eide
in der meinung dergleichen worten begriffen und eine Verpflichtung
gegen einander gethan haben, also: Es solle derselbige euer büi^er
vor gewiß und wahr angezeigt und gehabt haben wollen, ea wären
332 Miszellen.
aus der behausung unsers bürgers Bastian Friedrichs seligen, eines
backen hinter dem rathause wohnhaftig, in nächstvergangenen
sterbenslaüften 9 personen verstorben , dargegen genannter Georg
Schieferdecker in Wahrheit zu erhalten angezeigt, daß derselbigen
alsoviel aus solcher behausung nicht gestorben sein sollten und solche
Verpflichtung bei 20 gülden verpönt, welcher darinnen fällig befunden,
dem gewinnhaftigen ohne alle rechtliche und ertrachtliche behelfe
die zu überreichen ; mit emsiger bitte, ihm dieser versterbung und
wie es sich in Wahrheit darum hielte, ergründte bekundschaftimg zu
geben ; stallte und brachte derhalb vor uns die ehrsamen, fürsich-
tigen Wolfen Caspar und Veiten Leuben, als nächste nachbar der
gelassenen witwen desselbigen Bastian Friedrichs seligen, desgleichen
auch sie, die witwe, selbst, die allenthalb sämtlich und jedes be-
sondern, was ihnen um die anzahl der personen, so aus dieser be-
hausung in nächstem sterben verschieden, zu befragen bittend. Die-
weil wir uns die Wahrheit nach vermögen zu fördern schuldig erkennen,
haben wir ihm solch sein bitten als ziemliches abzuschlahen nicht
gewußt, sondern demnach dieselbigen unse bürger, auch die witwen
selbst bei den pflichten, damit sie dem hochw. und hochgeborenen
fürsten unsern gn. herrn von Freising und Numburg und uns be-
haftet und zugethan, was ihnen um die zahl der personen, so aus
oft bemeldter behausung Bastian Friedrichs seligen in nächstem
sterben hingeschieden bewußt, die lautere Wahrheit zu vermelden mit
fleiß befragt. Also haben sie darauf sämtlich und jeder besondern
ausgesagt und bekannt, daß daraus Bastian Friedrich der hauswirt
selbst und zu ihm 6 seiner erben und nicht mehr verstorben sein,
welches wir also vor uns geschehen hiemit bekennen und darauf
freundlichs fleiß bitten, Ihr wollet gemeldtem eurem bürger die billig-
keit und daß er die verwilligte pön, damit sich der Eure gegen ihm
verbunden, ohne weitere beschwerung bekommen möge und weitere
unkost derhalb nicht thun müsse."
Eine gar naiveBemerkung findet sich bei einem Schreiben
des Naumburger Kates vom Mittwoch n. Nik. 1538 an den Papier-
müller zu Glaucha, worin er ihm den Sohn des Eatsdieners Hans
Donner als Lehrling empfiehlt. „Hans Donner", bemerkt der Stadt-
schreiber bei dem Entwürfe dieses Schreibens, „hat kein geld, aber
zur Steuer (d. h. zu den Unkosten) hat er einen bogen papier kauft,
den will er — daß es nicht gar, wie er spricht, über uns gehen
darf — darzu geben."
Auf die irage nach gewissen Hand werksbräuchen der
Tuchmacher gab der Kat zu Naumburg am Dienstag n. Quas.
1528 dem Dr. Joh. Rainboth, Amtmanne zu Leuchtenburg und
Orlamünde und dem Schösser Seb. Wellner zu Jena folgende Aus-
kunft: ,,Wenri jemand fremde tücher in die Stadt Naumburg bringt,
so werden dieselbigen tücher durch die verordneten und geschwo-
renen meister besichtigt, und wenn ein tuch oder mehr zu geringe,
zn schmal oder sonst mit einem wandel ihren tüchern nicht gleich
befunden wird, dasselbige tuch seind sie versessen. Desgleichen wenn
unsere meister in andere städte kommen, da die tuchmacher Innungen
oder zunft halten, müssen sie auch ihrer tücher, ob sie gleich ver-
siegelt sein, von denselbigen meistern nach ihrer handwerksübung
und gewohnheit besichtigung und erkenntnus leiden. Dazu' gestatten
unsere tuchmacher iddermänniglich auf karren oder wagen tuch in
Miszellen. 333
die Stadt zu führen, auch ein, zwu adder drei nacht ihre« gefallou
darin ne zu beharren, doch, daß dieselbigen tücher nicht mit der eile
verschnitten werden."
Am Donnerstage Himmelfahrt 1522 mußte sich der Naumburger
Rat mit folgendem Ersuchen au den Vorsteher de« Klosters zu Roda
wenden : „Es giebt uns unser bürger Georg Kietze klagend zu er-
kennen, wie ihm seine tochter Agatha, welche noch nicht zu ihren
vollkommenen jähren und beständiger Vernunft kommen, durch eine«
priesters dienerin sunder sein bewußt, willen und vergunst ins kloster
zu Koda mit guten , süßen worten aufgesprochen und geantwurt
wurden sei, die er bisher anher durch vielfältig sein freundlich an-
suchen und erinnern wiederum zu notdürftiger hilfe und Handreich-
ung seiner aufenthaltung und haushaltens nicht habe zu ihm brengen .
rangen. Mit emsiger bitte ihn derhalb und in ansehung, daß solcne« '
alles wider seinen willen und bewußt geschehen, auf meinung, daß
ihm seine tochter als diejenige, so uocn aus seinem, als ihres vaters
gewalt nicht entledigt, wiederum folge, zu verschreiben. So wir
dann solche seine bitte gar in nichts vor unbillig ermerken mögen,
auch daß es ja billig, daß die kinder dem gewalt ihres vaters in
allem ziemlichen gefoTgig seien, schätzen, ist unser freundlich fleißig
bitten, ihr wollet gemeldtem unserm bürger dieselbige Jungfrau Aga-
then, seine natürfiche und eheliche tochter, wiederum sonder alle
Weigerung überreichen und folgen lassen, und also zwänglich ihm
vorzuhalten nicht gestatten, damit er derhalb fördere unkoet und
nachrichten nicht thun darf." Der arme Vater bekam aber darauf
keinen Bescheid, weshalb der Rat am Montage n. Mar. Himmelfahrt
1522 den Herzog Johann von Sachsen bat, zu beschaffen, „daß die
klosterjungfrau m beiwesen ihrer eitern und des klosters Vorsteher»,
der domina und wer dies füglich zu thun und schaffen hat, um
ihr gemüt, sinne und bewegung, warum sie wider ihrer eitern willen,
gunst und verjahung in berührtem kloster zu bleiben und verharren
gesinnt, notdürftiglich befragt und alsdann darauf die billigkeit zu
geschehen gnädiglich gefehlen."
Literatur.
IV.
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler
der ProTinz Sachsen. Herausgegeben von der Historischen
Kommission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum
Anhalt. XXIV. Heft. Die Stadt Naumburg-. Bearbeitet von
Dr. Heinrich Bergner. Mit 162 in den Text gedruckten Ab-
bildungen, 20 Lichtdrucktafeln und 1 Stadtplan. Halle a. S.
(Hendel) 1903. 8°. (Preis 10 M.).
Dieser neue Band der Baudenkmäler der Provinz Sachsen er-
hält durch die Beschränkung auf die Stadt Naumburg einen ein-
heitlicheren Charakter als ähnliche Kunsttopographieen — sehr zum
Vorteil seiner Lesbarkeit — und bietet bei dem großen Reichtum
Naumburgs an Denkmälern und Kunstwerken aller Jahrhunderte
der Naumburger Vergangenheit ein geschlossenes Bild von dem
Kunstleben einer nicht unbedeutenden deutschen Stadt. Der Kreis
Naumburg ist in der Reihe dieser Publikation der Hist. Kommission
schon lange vermißt worden; jetzt hat Herr Pfarrer Bergner in der
kurzen Frist von 2 Jahren den vorliegenden Band fertiggestellt,
dem ein zweiter für den Kreis außerhalb der Stadt folgen soll.
Schon daß nun eine Beschreibung der Naumburger Kunstdenkmäler
also endlich vorliegt, ist dankenswert, mehr noch die eingehende und
lebhafte Art, wie B. den reichen Stoff behandelt hat. In der Serie,
zu der es gehört, zeichnet sich das Werk vorteilhaft vor manchen
anderen aus, namentlich durch die Detaiüiertheit und Gründlichkeit
der Beschreibung, durch das eindringende Studium und die Analyse
sonst meist vernachlässigter Teile, wie des romanischen und gotischen
Ornaments, und durch das Bestreben, die Zusammenhänge und die
innere Entwickelung dieses lokalen Kunstlebens überall zu erkennen
und hervorzuheben. Daß dieses Bestreben ihn manchmal etwas zu
weit, zu etwas gewaltsamer Vereinfachung und Systematisierung
verleitet, sowie daß auch Irrtümer und Fehler untergelaufen sind,
vielleicht zahlreicher, als Ref. bei der Lektüre, ohne Vergleichung
der Originale, feststellen konnte, ist wohl begreiflich und entschuldbar.
— Die Einleitung gibt in 3 Abschnitten von anerkennenswerter Knapp-
heit eine Übersicht über die Topographie (geologischen Chara"kter,
Wasserläufe, Umfang des Weichbildes, Straßen, Stadtanlage), die
geschichtliche Entwickelung der Stadt, bez. des Hochstiftes, nament-
Literatur. 335
lieh unter den älteren Bischöfen bis zum 14. Jahrhundert, und Ob«
die Literatur').
Die Darstellung der Verwaltung«- und RechtsverhältniMe im
Mittelalter leidet an Ungenauigkeiten ; dafür wäre Hoffmann« Buch
über Naumburg im Zeitalter der Reformation heranzuziehen ge-
wesen; es findet sich unter der Literatur nicht aufgeführt, wohl
weil B. es nach seinem Titel, aber mit Unrecht, zu den „überaus
zahlreichen Schriften zu Reforraations- etc.-Geschichte" rechnete. —
Den weitaus größten Raum nimmt natürlich der Dom mit seinen
Denkmälern und zugehörigen Bauten ein, ihm folgen die anderen
Kirchen, die Friedhöfe, die Profanbauten der Stadt, endlich die —
zum großen Teil nur auf Abbildungen und historischen Nachrichten
beruhende — Beschreibung der Befestigungen ').
Wie überhaupt B. den einzelnen Baulichkeiten vorausgehen
läßt, was über ihre Baugeschichte zu sagen ist, so gibt er auch über
den Dom zunächst die wenigen urkundlichen Daten bis zu der
großen Restauration von 187G ff. Dann folgt die Beschreibung der
auteile, in der Hauptsache, wenn auch naturgemäß nicht streng im
einzelnen, nach der Zeit ihrer Entstehung, beginnend mit der
Krypta; die romanischen Ostteile (Vierung mit dem ursprünglichen
Altarhaus, Querschiff, Osttürme), dann das Landhaus und der
Unterbau der Westtürme; über die Bauzeit dieser Teile konnte nach
Lüttichs Naumburger Gymn.-Progr. von 1902 nicht viel Neues
gesagt werden ; die dort mitgeteilten Resultate werden im wesent-
lichen gesichert; abgesehen von der mittleren Krypta, die der ersten
Hälfte des 12. Jahrhunderts angehört, sind alle diese Teile das Werk
der Bischöfe Udo II.,„ Berthold IL und Engelhard (1161—1.242); in
dieser Zeit hat eine Änderung des ganzen Bauplans, der Übergang
von einer Flachdeckbasilica zu dem erhaltenen Gewölbebau stattge-
funden, dessen Ausführung nach der überall einheitlich wiederkeh-
renden reichen Ornamentik im spätesten romanischen Stil der Zeit
Engelhards (1202-1242) zuzuschreiben ist. B. geht sehr genau auf
die ornamentalen Einzelheiten ein und sucht in sehr dankenswerter
und lehrreicher Weise die Motive des stilisierten Pflanzen- und
Rankenwerkes dieser Kapitale u. s. w. zu analysieren ; ebenso interes-
sant ist sein Versuch einer Charakteristik des Stiles und der persön-
lichen Eigenart des Meisters dieses Baues. Nach diesem aber söLzt
im Westchor unter Dietrich IL (1243-1272) mit einern^ SchUge die
1) Erwähnt sei, daß ein lautlicher Übergang von WythÄwe tu
Wichaw (Weichau) [ S. 3] doch sehr unwahrschemlich ist ; die ersterc
Form der Urkunde von 1278, die nur abschriftlich vorliegt, ist (loch
wohl nur als naheliegende Verschreibung für Wychawe anzuheben.
— Der „Rosengarten" (S. 5) ist wohl die nicht vereinzelte Bezeichnung
der Straße des Frauenhauses. - Die Bestätigungnurkunde Papt
Johanns XIX. (nicht XX.) von 1032 über die Bistumsverl^ng ist
eine spätere Fälschung (S. 8), nicht diese, sondern die echte Pap.vrus-
urkun^e von 1028 ließ Engelhard erneuern (&. 9), d. h. >n Korn
transsumieren. - Bischof Bruno (S. 10) gehört zu der Familie
^fs. 3§2' ist zu korrigieren : Dietrich von Landsberg; natürlich
verhandelt 1270 nicht DietAch „der Bedrängte", der Val«- Heinn^
des Erlauchten, sondern der Sohn des letzteren, mit Bischof Memlwr.
336 Litteratur.
volle Gotik in schönster Blüte ein ; die Naturfreude, mit der diese
Künstler die heimische Bluraenfülle hier für ihre Ornamente ver-
wertet haben, läßt sich nur bei einer so eingehenden Erläuterung
der Architektur und ihrer Zierglieder ahnen , ^ wie sie auch hier
wieder ß. gibt. — Die Erweiterung des Ostchores will B. etwa 4ö — 50
Jahre früher ansetzen , als man bisher annahm und als Lüttich
a. a. O. noch ausführte ; er beruft sich dafür auf ein Türbogenfeld in
dem Ostchor, das erst von ihm überhaupt beachtet und von ihm als
letztes, unvollendetes Werk des Meisters der Stifterfiguren im West-
chor angesehen wird und danach gegen 1280 angesetzt werden muß.
— Mehrere (von Lüttich angeführte) ürkundenstellen von 1323 und
1328, die sich nur auf diesen Teil der Kirche beziehen können, er-
geben indessen, daß der Ostchor 1323 bereits begonnen und 1328
noch nicht vollendet war ; demgegenüber kann jene neue Annahme
nicht bestehen, selbst wenn das Tympanon dem Meister der Stifter-
figuren zuzuschreiben sein sollte, was Eef. sehr anfechtbar erscheint.
Mit diesem Meister, von dem natürlich auch der Diakon und die
Reliefs am Lettner, wie auch nach B.s Meinung die liegende Bischofs-
figur im Ostchor, herrühren, beschäftigt sich der Verf. natürhch
besonders und bemüht sich — auch unter Heranziehung der so nahe
verwandten Meißner Figuren — der Persönlichkeit dieses großen
Künstlers nahe zu kommen, und wenn auch dabei die wiederholte
Parallele zu Goethe etwas sonderbar anmutet, so ist doch die starke
Hervorhebung der Bedeutung dieses Mannes nur zu billigen. Sein
Einfluß wirkt in Naumburg noch lange nach, wie B. an den Wasser-
speiern des Westchors, an den Glasmalereien und an Grabdenkmälern
nachweist. — Sehr eingehend beschreibt B. weiter die Glasgemälde
der beiden Chöre, die Altäre, Grabsteine ^) und Gemälde, die wenigen
Paramente des Domes, auch die im Besitze des Kapitels erhaltenen
8 großen Meßbücher, an deren Miniaturen und Drolerien er 3 oder
4 verschiedene Hände festzustellen sucht. Leider vermißt man bis-
weilen eine Angabe über den Aufstellungsort (z. B. S. 166 No. 10;
167 No. 11 ; 168 No. 12). Auf den Dom folgt die Beschreibung der
anstoßenden Baulichkeiten : DreikönigskapeUe, Marienkirche, Klausur
— meist auf Grund der Lüttichschen Untersuchungen; alle Fragen
sind auch da nicht zu lösen gewesen — die Kurien -), namentlich
die interessante Agidienkapelle, deren Inneres wenigen bekannt sein
dürfte. — Armer an baulichem Interesse, wie an Denkmälern sind
St. Moritz, St. Otmar und die Marienkirche; doch lernen wir auch
hier noch manches bemerkenswerte und wenig bekannte Kunstwerk
i
I
1) Falsch angegeben ist die Jahreszahl des Grabsteins des
älteren Dechanten Günther v. Bünau (S. 189, No. 53), der das Jahr
1519, nicht 1512 zeigt ; der Fehler stammt wohl aus Mitzschkes
„Naumburger Inschriften". Auch das Todesjahr des Kilian Meusel
(S. 192) muß wohl 1553 lauten. — Unrichtig angesetzt ist auch der
Teppich (S. 173, No. 3) ; nach den Wappen : Schleinitz und Merse-
burger Bistum und beide quadriert, ist der dargestellte Bischof der
Merseburger Vincenz v. Schleinitz (1526 — 1535).
2) An dem Giebel des jetzigen Landratsamtes, früher Kurie des
Dompropstes von Werthern, befindet sich nicht das Burgsdorf sehe
(S. 214), sondern das Werthernsche Wappen.
Litteratur. 337
kennen •). Intereasanter ist als Bau die Wenzelskirchc ; Ref. vermag
aber nicht die Ansicht des Verf. zu teilen, nach der die beiden von
ihm als „Chörlein" bezeichneten Seitenkapellen am Chor zur ur-
sprünglichen Anlage gehören sollen (S. 239). Das Vorhandensein
des Laubkapitäls bei dem rechten Ecksäulchen des südlichen
„Chörleins" für einen Kielbogen, wie solche über die Seitenflächen
des Chores unter den Fenstern gezogen sind, setzt doch auch an
dieser Seite eine gerade Wandfläche statt des Polygons als ursprüng-
liche Anlage voraus; die „3 Knollen" an dem Kapital des linken
Ecksäulchens sind übrigens Reste einer Tiergestalt, entsprechend dem
Affen rechts und den Kapitälfiguren an dem anderen „Chörlein".
Auch der Ansatz für den Anbau der Sakristei (vor dem Brand von 1517)
steht doch auf schwachen Püßen. — Die Profanbauten sind, abge-
sehen von dem hochinteressanten Marientor und allenfalls dem Rat-
haus, ohne erhebliche Bedeutung; als den für Naumburg vorherr-
schenden und charakteristischen Stil bezeichnet B. eine Mischung
von Spätgotik und Renaissance, wie sie höchst originell schon der
Hochaltar des Doms zeigte; daneben sind auch Zierformen des
Barock und Rokoko, namentlich als Fenstenimrahmung, sehr beliebt.
— In einer kunststatistischen Übersicht läßt der Verf zum Schluß,
in kurzem Rückblick auf die Ergebnisse seines Buches, die Entwicke-
lung der Naumburger Kunst in kirchlicher und weltlicher Baukunst,
Bildnerei und Malerei noch einmal an uns vorüberziehen. Dabei
geht er nur in dem Bestreben nach Zusammenfassung der mannig-
fachen Erscheinungen und nach Systematisierung mehrfach über das
vorher Gesagte hinaus und kommt auch zu direkten Widersprüchen
mit dem Text der Beschreibung, z. B. wenn er (S. 315, No. 2) dem
von ihm so bezeichneten ., Meister der Dreikönige" aus dem ersten
Viertel des 15. Jahrhunderts den Altaraufsatz auf dem Hieronymus-
altar, den er S. 162 durchaus zutreffend um 1350 ansetzt, zuschreiben
will. Muß man ferner schon zweifeln, ob die — so schlecht erhaltene
— Dreikönigsgruppe (Fig. 100, nicht 67, wie B. auf S. 315 zitiert)
dem Meister der vortrefflichen Grabfigur des Bischofs Gerhard IL
zugewiesen werden kann, so ist vollends die Annahme, daß da«
Schleinitzraonuraent und die gänzlich verhältnislose Figur des Günther
V. Bünau im Westchor von einer und derselben Hand berühren,
wohl ganz haltlos. Auch die Annahme eines Urhebers für die
Epitapnien des Münch, Draschwitz und Gottart, oder die Absicht,
die doch wohl erheblich späteren Figuren der Caritas und Pietas in
St. Wenzel dem Künstler des Cracauschen Holzepithaphs von 160(5
im Dom zuschreiben zu wollen, scheint nur durch dies Streben des
Verf. nach Zusammenfassung veranlaßt zu sein. Immerhin lassen
sich doch einzelne KOnstlerpersönlichkeiten in dem reichen Schaffen
des 16. Jahrhunderts unterscheiden. — Die Abbildungen sind un-
gleichmäßig, die Lichtdrucktafeln schon häufig nicht scharf und klar
genug, namentlich aber meist zu klein im Maßstab, da zu viel Aus-
schnitte auf ihnen zusammengedrängt sind; die in den Text ge-
druckten Autotypien sind vollends schlecht ; die Zeichnungen B.s selbst
1) S. 226 No. 3 ist zu lesen : des letzten Propstes statt Prior».
S. 268 ist zu verbessern: 1493, statt 1494. — S. 270, Kelch No. 1
lautet die Jahresz^l des Schriftbande» doch wohl M". OCCO.
XVII »=1417.
338 Litteratur.
teilweise recht instruktiv, z. B. die verschiedenen Kapitälformen ; man
bedauert dabei indessen, daß nicht alle besprochenen Kapitale auch in
Abbildung vorgeführt werden, und daß die Beziehung des Textes auf
diese Abbildungen nicht eine genauere ist. ^ndere seiner Zeich-
nungen sind dagegen auch nur sehr flüchtig und oberflächlich, aber
doch nur selten so irreführend unklar, wie Fig. 120 Hnke Ecke.
Auch der Stadtplan ist nicht einwandsfrei ; abgesehen davon, daß
z. B. die S. 214 No. 2 beschriebene Bischofskurie hier als Propst-
kurie fälschlich bezeichnet wird, so ist vor allem der Bezirk der
Eatsvorstadt viel zu weit abgegrenzt, so daß der Sprengel der Dom-
propsteigerichte, die Michaelis-, Moritz- und Medergasse umfassend,
überhaupt ausgefallen ist.
Magdeburg. Dr. Rosen fei d.
V.
Beiträge ziir Sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im
Auftrage der Gesellschaft für Sächsische Kirchengeschichte von
Fr. Dißelias und Th. Brieger. Leipzig, J. A. Barth. 17 Hefte,
1882—1904.
Seit dem Jahre 1882 gibt die Gesellschaft für Sächsische
Kirchengeschichte „Beiträge" heraus, die in gewissem Sinne als eine
Ergänzung zu dem Neuen Archive für Sächsische Geschichte gelten
können und, wie es bei der historischen Entwickelung der wettini-
schen Lande nicht anders erwartet werden kann , auch für die
thüringische Geschichte von Bedeutung sind. Es sind Namen von
filtern Klange, deren Träger sich in den bisher erschienenen 17 Heften
ören ließen. Die beiden verantwortlichen Herausgeber, Fr. Dibe-
lius und Th, Brieger, bürgen schon dafür, daß wirklich wissenschaft-
liche Aufsätze in den Heften zum Abdrucke gelangen, und neben
den Herausgebern haben Männer wie Buchwald, Giemen, Drews,
Flathe, Kanis, Knothe, Müller u. a. beigesteuert. Es darf nicht
Wunder nehmen, daß der Reformationsgeschichte der breiteste Raum
in den Heften eingeräumt wird, doch kommen auch Mittelalter und
neueste Zeit zu ihrem Rechte. Der Mehrzahl der Beiträge kommt
es zu gute, daß ihren Verfassern wertvolle archivalische Quellen zur
Verfügung gestanden haben ; besonders sind die Schätze des wohl-
feordneten und vortrefflich verwalteten Hauptstaatsarchives in Dresden
enutzt worden. Es ist natürlich nicht angezeigt, an dieser Stelle
auf alle in den Beiträgen veröffentlichten Abnandlungen hinzuweisen,
es scheint aber geboten, einige unseres Erachtens hervorragende Ar-
beiten, zumal sie auch auf die Geschichte Thüringens Streiflichter
werfen, hervorzuheben. Wir stellen die umfangreiche, auf eingehenden
Quellenstudien beruhende „Verfassungs- und Verwaltungs-
geschichte der sächsischen Landeskirche" von Prof. Dr.
G. Müller, die die Hefte 9 und 10 (272 u. 320 SS.) füllen, voran.
Für Thüringen hat auch Bedeutung die Untersuchung Flathes
über „Römische Inquisition in Mitteldeutschland, insbesondere in
Literatur. oog
den sächsischen Ländern- (XI, 58 ff.). Wertvoll weiter ist ßuch-
walds und Scheufflers Zusammenstellung der in Wittenberg
ordinierten Geisthchkeit der Parochien de« jetzigen KönitScK
bachsen (XII lOlff. u. XIII^ 1-214) und die\'onTerma?TiJü
leferte Biographie Sebastian Fröschel, sein Leben und seine 8<-hri£tÄ^
• ! V iJ~ u ^' ^'^^ prachtige lUustration unserer Kleinstaatml
bietet Krobers Aufsatz „Wie Bocka mit seiner Kirche und deren
z;ubehor nebst zwei Gutern nach Sachsen gekommen ist" (XIV 127
bis 148); für Thüringen wichtig ist M eu sei s Abhandlung übe; die
f7o"^'fo5^® ^^^ Reußisch-Schön burgische Konfession von 15Ü7 (XIV
ir •^^^^i^V-^r"^'' Spalatins Verzeichnis der Pfarreien in Sachsen!
J^^'fen Thüringen und Voigtland (!), mitgeteilt von Planitz (XV
Itt.), «lanckmeisters Festrede „Karl von Ha«e" (XV 265 ff)
Zimmermanns Untersuchung über „die Entwickeluntr der Kirchen'-
msDektionen 1530-li^' (XVI, 120-209), „Johann Tetzel" von
Dibehus (Xyil Iff.); „Die Grenzen der Bistümer Naumburg,
Merseburg und Meißen" von Bönhoff (XVII, 142—156) u. a. m
Wenn jetzt auch in der Provinz Saciisen eine Zeitschrift für
Kirchengeschichte zur Ausgabe vorbereitet wird, so kann man nur
wünschen, daß die Herausgeber sich an den vortrefflichen Beiträgen
zur Sächsischen Kirchengeschichte ein Muster nehmen mögen.
O. Dobenecker.
VI.
Mitteilungen der Vereinigung für Gotliaisclie Geschichte nod Alter-
tumsforschung. Jahrgang 1903. Friedrichroda, Jac. Schmidt
u. Co. [1903]. 136 SS. 8».
Seit einigen Jahren läßt die Vereinigung für Gothnische Ge-
schichte und Altertumsforschung an Stelle der Quartalheftchen Jahres-
hefte erscheinen, deren Redaktion in den Händen des Oberbiblio-
thekars Professor Dr. R. Elhwald liegt. Der Jahrgang 15)03. der hier
zur Besprechung steht, wird von einer rechtshistonschen Abhandlung
über die Stadtrechte im Herzogtum Gotha aus der Feder v. Strenges
eröffnet. Der Verfasser, der im Auftrage der Thüringischen Histori-
schen Kommission die Herausgabe der Stadtrechte von Gotha und
Eisenach vorbereitet, gibt wohl im Hinblick auf diese größere Arbeit
zunächst einen Überblick über das, was bisher über diese Materie
veröffentlicht worden ist, und zeigt, wo die Forschung einzusetzen
hat, um das Recht der Städte des gothaischen Lande«, das auf das
sächsische Landrecht sich gründet, an das Magdeburg-Leipziger an-
geschlossen und schließlich in einzelnen Fällen zu förmlichen Stadt-
ordnungen ausgebildet worden ist, zur Darstellung zu brin^n. 0>nz
methodisch behandelt er somit zunäciist die handschriftliche Über-
lieferung des Stadtrechtes von Gotha, Ohjdruf und Waltershaoaen
und geht schließlich auf einige Punkte des Stadtrechtes sdbat dn.
Als Anlagen fügt er einige archivalische Mitteilungen bei.
Unter den übrigen Abhandlungen sei zuerst auf die beiden
Aufsätze des Herausgebers hingewiesen. Ehwald berichtigt einige
340 Literatur.
fehlerhafte Notizen zur „Druckgeschichte Gothas" uud ediert S. 119
bis ISO die Konfession und das Passionale Johann Friedrichs des Groß-
mütigen. Der Erforschung der Prähistorie dient Florschütz'
Untersuchung des Urnenfeldes auf dem Semmel bei Eischleben.
Heß unternimmt den schwierigen Versuch, die Grenzen der Mark
Lupnitz (Reg. d. Thuringiae I no. 638) zu bestimmen. Literarhisto-
risch ist der Beitrag Berbigs zur Geschichte des Hainbundes in
dem Aufsatze über Schack Hermann Ehwald und von allgemeiner
Bedeutung der Vortrag Felgners über „Herzogin Louise Dorothea
und ein ßesitzstück der Herzogl. Bibliothek zu Gotha (Matinöes
du roi de Prusse)".
Reichhaltig ist der Inhalt dieses Heftes, und mannigfach sind
die Anregungen, die der Leser bekommt. Man kann nur wünschen,
daß die folgenden Hefte auf der Höhe dieses Jahrganges bleiben.
O. Dobenecker.
VII.
Cri'össler, Hei'iiianii : Führer durch das Unstruttal von Arterii bis
Naumburg für Verg-aiig-enheit und Gegenwart. 2. vermehrte
und verbesserte Auflage. (Mit einer Karte des Unstruttales).
Freyburg (Unstrut), Joh. Finke, 1904. XVI u. 256 SS. Preis
kartonniert 1 M. 75 Pf., gebunden 2 M. 25 Pf.
Ein Buch Größlers anzuzeigen ist eine Freude, denn man be-
findet sich von vornherein in der angenehmen Lage, es mit einem
gründlichen, echt wissenschafthchen Forscher zu tun zu haben.
Größler kennt wie kaum ein zweiter die geographische und geschicht-
liche Eigenart des Unstruttales, des Schauplatzes so vieler für die
Geschichte des thüringischen Stammes und des ganzen deutschen
Volkes wichtiger Ereignisse, und verläßt sich nirgends auf das Urteil
anderer, sondern will alles selbst sehen, prüfen und abwägen. So
ist, wie wir vorausschicken wollen, in diesem Führer, der zuerst in
den von A. Kirchhoff herausgegebenen Mitteilungen des Vereins für
Erdkunde zu Halle a. S., Jahrg. 1892 und 1893 erschienen ist, etwas
Ausgezeichnetes zu stände gekommen. „
Der Verf. gibt zunächst einen Überblick über die Bedeutung
des Unstruttales im allgemeinen, indem er die Etymologie des Namens
„Unstrut" untersucht, den Lauf des Flusses in der Diluvialzeit und
die geologische Gliederung des untersuchten Geländes beschreibt,
dabei auch der Erklärung der Namen fortgesetzt seine Aufmerksam-
keit schenkt. Wie der Titel des Buches schon andeutet, will er das
Unstruttal und das Gelände zu beiden Seiten des Flusses von dem
Unstrutknie bei Artern bis zur Mündung verfolgen. In scharfer
Gliederung behandelt er zunächst den oberen Teil des Tales bis
Nebra. Wir besuchen unter seiner sachkundigen Führung von
Artern aus jene Gegend, wo König Heinrich I. „iuxta locum, qui
dicitur Riade" am 15. März 933 die wilden und räuberischen Ungarn
zu schmählicher Flucht gezwungen hat, wandern über Gehofen nach
Kloster Donndorf und nach Wiehe, dem Geburtsorte Rankes, von
Literatur.
341
da nach Kloster Memleben , wo die beiden größten Vertreter des
sachsischen Königshauses, der Einiger der deutschen Stamme und
der i.rneucrer des römischen Kaisertums, ihren Tod gefunden haben,
und besuchen auch das südliche und nördliche Gelände mit allen
historisch wichtigen Punkten.
Im 2. Abschnitte der Wanderung gelangen wir von Nebra auA
in das untere Unstruttal über Vitzenburg, wo einst ein alter Herren-
sitz und ein Kloster sich befanden, über Reinsdorf nach Burgschei-
duneen, jenem Ort, wo 531 das thüringische Königreich den von dem
Verf. m Prosa, wie in poetischem Gewände be8chriel)eneii Todw-
kampf gekämpft hat, besuchen auch die seitwärt» gelegenen Orte,
wie Bibra und Thalwinkel, und kommen über Laucha und Zscheip-
htz nach Freiburg und dem alten Landgrafenschloß Neuenburg und
von da nach Groß-Jena, dem alten Sitze der Ekkehardiner, der seit
der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts von Naumburg, der Neu-
gründung desselben Markgrafenhauses, überflügelt worden ist, und
verfolgen den Unstrutlauf bis zur Mündung gegenüber Naumburg.
Gegenstand und Form der Darstellung fesseln uns bis zu den
letzten Seiten, auf denen der Verf. das sonderbare in den Felsen ge-
hauene Stammbuch, über welches er schon im Archiv für Landes- und
Volkskunde der Provinz Sachsen I, 150—154 berichtet hat, beschreibt;
denn das Buch bietet mehr, als sonst die Führer leisten, es ist eher
eine die Geographie, Prähistorie, Sage, Kunstgeschichte und Geschichte
berücksichtigende kleine Landeskunde des Unstnittales. die jedem,
der dies schöne Stück Land Thüringens besucht, auf das wärmste
zu empfehlen ist O. Dobenecker.
VHL
Oröger, Johannes: Ein thUrlng-isches Stüdtchen. Beiträge zur (ie-
schichte Großbreitenbachs und der Umgegend, hauptsächlich
auf Grund der Kirchenbücher zusammengestellt. Arnstadt,
E. Frotscher, 1903. 150 SS. 8".
Aus Vorträgen erwachsen und zum Teil auf einer handachrift-
lichen Ortschronik des früheren Bürgermeisters v. Hopffgarten be-
ruhend, will diese Stadtgeschichte in ganz anspruchsloser Form die
Entwickelung des hochgelegenen thüringischen Waldstädtcheos den
Bewohnern Breiten bachs schildern.
Großbreitenbach ist eine verhältnismäßig späte Sicdelung in
der Nähe des Rennsteiges. Erst im Jahre 1442 wird sie, sowdt bis
jetzt bekannt ist, urkundlich erwähnt, und zwar bereit« als Besitz
der Grafen von Schwarzburg. Im Jahre 1586 erhielt das Dorf das
Recht, jährlich drei Märkte abzuhalten, und erst 1855 wurde es zur
Stadt erhoben. Es liegt an alten Straßenzügen, von. denen dereine
von Ilmenau und Gehren über Breitenbach nach Olze führt, ein
anderer, von Erfurt kommend, dem Rennsteig bei Neustadt zustrebt
Der Verf. behandelt zunächst Ort und P'lur im allgemeinen
und erzählt dann von den Heimsuchungen des Ortes, wie Hungem-
not, Seuchen und Bränden. Dieser Abschnitt hätte besser mit dem
XXII. 23
342 Literatur.
Abschnitt VII „Großbreitenbach in Kriegszeiten" verbunden werden
können. Das Pfarrarchiv enthält Kirchenbücher, die bis zum Jahre
1619 zurückreichen und für die Zeitgeschichte höchst wertvolle Ein-
tragungen erhalten, die in ihrer Urwüchsigkeit an Einerts Berichte
in dem lesenswerten Buche „Ein Thüringer Landpfarrer im 30-jährigen
Kriege" (Arnstadt, E. Frotscher, 1895) erinnern. Der Ort hat da-
mals wiederholt schwere Heimsuchungen erfahren, besonders durch
die bestialische Mordgier der Kroaten, jenes kaiserlichen Eaubgesindels,
das in ganz Thüringen im schlimmsten Andenken steht. Nicht Ge-
schlecht und nicht Alter bewahrte vor Mißhandlung und schmählichem
Tod. Die viehische Roheit der entmenschten Soldateska schonte
nicht Kinder und nicht Greise. Da würgen diese Banditen einen
einjährigen Knaben , dort morden sie eine 91-jährige Matrone.
„Christina, Claus Tresseids des älteren hinterlassene Witwe, eine
ehrliche Matron, welche nach Gottes Gnaden, weniger achte, hundert
Jahre erlebt hat und doch auf ihrem Siechbettlein nicht sterben
können, sondern hat vom Feinde einen schmählichen Tod leiden
müssen, alt 91 Jahre", trägt der Pfarrer ein. Und welchen Jammer
enthüllt der kurze Vermerk : „Mittlerweile ist hierum auf 2 Meilen
Wegs keine Stadt, Flecken, noch Dorf bewohnt gewesen, und hat auch
das Volk in den wüsten, weit abgelegenen Wäldern, Klüften und
Höhlen nicht sicher sein können, ist allenthalben durchstreift uud
geplündert worden."
Auch im Nordischen Kriege, als im Jahre 1706 die Sachsen von
Karls XII. Scharen über den Wald gejagt wurden, und im 7-jäh-
rigen Kriege durch die Preußen hatte der Ort mancherlei zu leiden.
Die Kapitel über Kirche, Schulen und Familien werden wiederum
durch Mitteilungen aus den erhaltenen Kirchenbüchern wertvoll er-
gänzt. Für das Jahr 1620 ist sogar ein genaues Verzeichnis über
die Häuser des Ortes und die Namen sämtlicher Bewohner dieses
aufgestellt worden. Der Ort, der 1900 378 Häuser und 2898 Ein-
wohner zählte, hatte im Jahre 1620 289 Häuser und 1314 Bewohner.
Die Untersuchung über das Erwerbsleben in alter Zeit zeigt, daß
die Bewohner wie in anderen Gebirgsorten genötigt sind, ihren
Lebensunterhalt auswärts zu suchen, sei es als Fuhrleute, die bis
Lüneburg und Hamburg fahren, sei es als hausierende Handwerker,
die die Produkte ihres Gewerbefleißes selbst verkaufen; besonders
bekannt sind die Breitenbacher Olitätenhändler. Schon 1648 wurden
Glashütten angelegt, dazu kam Bergbau auf Silber, Kupfer u. s. f.,
der aber nicht recht lohnte; viel wichtiger wurde, wie schon Stieda
in seinem gründlichen Werke über die Anfänge der Porzellanfabri-
kation auf dem Thüringerwalde ^) S. 263 ff. gezeigt hat, die Porzellan-
fabrikation für den Ort.
Aber nicht allein die materielle Entwickelung hat Gröger zu
erforschen gesucht ; wie wir es von einem Geistlichen erwarten dürfen,
hat er auch dem religiösen und sittlichen Leben seine Aufmerksam-
keit geschenkt. Wiederum gaben ihm die Kirchenbücher dabei den
besten Führer ab. So hat der Verf. die historische Entwickelung
des Städtchens nach allen Richtungen verfolgt und kann versichert
sein, daß sein Buch, das ja in erster Linie lokalgeschichtlichen Wert
1) Jena, G. Fischer, 1902.
Literatur. 343
hat, dazu beitragen wird, in den Bewohnern Großbreitenhachs Ver-
ständnis für die Vergangenheit ihrer Gemeinde und damit recht«
Heimatsliebe zu wecken. O. Dobenecker.
IX.
Die Pfan-ei Mupper?. Topographisch und kirchengeschichtlich dar-
festellt von weil. Dr. Gustav Lotz, Kirchenrat, Pfarrer zu
lupperg und Gefeil. Neu herausgegeben von Adolf Joch,
Lehrer. Mit 3 Abb. Sonneberg, Druck von Grabe u. Hetzer,
1903. Broch. 3 M., geb. 3 M. 50 Pf.
Das Dorf Mupperg südlich von Sonneberg (S.-Meiningen) wird
bereits im Jahre 1069 urkundhch als ein Dotalstück des von dem
Markgrafen Hermann von Vohburg und seiner Gemahlin Alberade
gegründeten Klosters Banz in der Diöcese Bamberg erwähnt. Die
Vogtei über den Klosterbesitz und damit auch ül^r Mupperg lag
zunächst in der Hand des Gründers, ging dann auf die Herzöge
von Meran und nach dem Aussterben dieses Geschlechtes auf me
Henneberger über. Die Geschichte des Dorfes und der Pfarrei
Mupperg nat zu einer Zeit, als Dorfgeschichten eine große Selten-
heit waren, der ehrwürdige Pfarrer Gustav Lotz in ganz geschickter
Weise und nach guten Quellen bearbeitet und 1843 auf eigene
Kosten in Coburg drucken lassen. Das 353 SS. 8" füllende, mit
urkundlichen Beilagen ausgestattete Buch ist sehr selten geworden;
es ist daher dankenswert, daß der Lehrer des Ortes, Adolf Joch,
eine 2. Auflage hergestellt hat. Pietätvoll hat er das Buch im ganzen
unverändert gelassen, natürlich aber bis zur Gegenwart fortgesetzt.
Die urkundlichen Beilagen hat er freilich bedeutend gekürzt, trotz-
dem ist die neue Auflage mit 275 SS. gr. S" ein stattlicher Band
geworden. O. Dobenecker.
X.
Behr, Otto: Triebeser Schulehroulk. Ein Beitrag zur Geschichte
der Landschulen in der Herrschaft Schleiz. Selbstverlag des
Verfassers. [Triebes] 1903. 43 SS. 8".
Es ist ein erifreuliches Zeichen für einen gesunden historischen
Sinn, daß man mehr und mehr beginnt, das Wesen und die Bedeu-
tung auch kleinerer Institutionen durch Untersuchung ihrer geschicht-
lichen Entwickelung zu studieren. Diese ■ Betrachtungsweise wird
um so wertvoller, wenn für sie die rechten Quellen erschlonsen werden
und wenn die Darstellung dadurch in die rechte Beleuchtung gerflckt
wird, daß man sie in Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicke-
lung bringt. Beide Bedingungen smd in dem vorli^enden Hefte
23*
344 ].i1eratur.
erfüllt worden. Der \"erlasser, der erst vor kurzem eine lesbare und
dankenswerte Untersuelumj,^ der Gcschiehte des aufstrebenden Ortes
Triebes und seiner Uini:(l)un<r «refreben hat'), hat die Schulchronik
wesentlich nach Arcliivaiien, die er im Archive zu Schleiz, im Amts-
aericlitsarchive zu Jloheidcuben , im J'farr- und Bchularchive zu
Triebes und im Archive des ]vitterautes ^^'eißendorf gefunden hat,
zusammengestellt. ])ie Darstellung ist gewandt und übersichtlich
und verfolgt die lehrreiche iMitwickelung der Schule von der Eefor-
niation bis zur Ciegenwart. Sie wirft eine ^Menge Streiflichter auf
die Geschichte des N'ogtlandes und die allgemeine Sitten- und
Kulturgeschichte und bleibt immer im Zusammenhang mit der all-
gemeinen Geschichte. Interessant sind Erscheinungen, wie der Burg-
graf, der seit 1550 Landesherr war und, obwohl Katholik und
Bundesgenosse des Kaisers, in seinem Lande doch die evangeh'sche
Kichtung zu fijrdern sich angelegen sein ließ. Wichtig ist auch der
Nachweis, wie der politisch!^ und wirtschaftliche Aufschwung Deutsch-
lands im Zeitalter I^ismarcks selbst auf kleine und abgelegene Orte
segensreich eingewirkt hat und als glänzendes Gegenstück zu der
allgemeinen Depression in und nach der Zeit des 3ü"jährigen Krieges
gelten kann.
^Möchte die Geschiclitc aucli anderer vogtländischer Schulen
mul Orte ähidiche Bearbeituntr erfahren I O. Dobenecker.
XL
i bersioht über die neuerdings crscliienenc Literatur zur thüriu-
gisclien Gescliielite und Altertumskunde.
Von 0. Dobenecker.
Abriß, kurzer, iler Geschichte des Herzogl. Lehrerseminars zu
Altenburg. Festschr. Altenburg, l'ierer, 1!)Ü2. 5(i SS.
Albrecht, O. : Mitteilungen aus den Akten der Naumburger
Koformationsgeschichte. Thcol. Studien u. Kritiken (1904). 32 — 82.
Derselbe: Geschichte der Marien-Magdalenenkirche in Naum-
burg. Naumlnirger Kreisblatt. ]!K)2. No. 21(5—259. '
Alt- Plauen in Wort und Bild. Aus Anlaß des 30-jährigen
P>estehens des Altertumsver. zu Plauen lierausg. vom Gesamtvor-
stande. Plauen im V., 1903. IV u. üO SS. 4".
Armbrust, L. : NeuigkeitcTi von 1384. Mit einem Anhange.
I Nachrichten über das Verhältnis Hermanns d. Gelehrten, Lgr. v.
Ilessen, zum Erzbischof v. Mainz, dem Lgr. Balthasar v. Thüringen
u. Herzosi: Otto d. (|uaden v. P)raunschwei(r-(TÖttingen.] Hessenland,
XVII. Jahrg. No. 1 u. 2 (1903. Jan. 2 u^Ki). S. 2— 5 u. 18—21.
1) O. Behr, Buiilc J>ilder aus der Geschichte von Triebes und
seiner Uniirebuntr. (Triebes, Selbstverlatr des Verfassers, 1903.)
ö.'j SS. 8".
Literatur.
345
Auerbach, F.: Das Zeißwerk und die Carl-Zeifi-Stiftune In
Jena Ihre wissenschaftliche, technische und soziale Entwickduiur
iT- ?o !V^,""? ^^^ weitere Kreise dargestellt. Jena, G. Fischer. 190£
Mit 78 Abb. im Text,
Aus vergangenen Tagen. Nach den Tagebüchern eines Jena-
ischen Burgers. Blätter f. Unterhaltung u. ßelehrune. Sonntacs-
Beil. zur Jenaischen Ztg. 1903. No. 9, 10.
Bärwinkel: Die Bedeutung der Besitzergreifung EMurt« durch
Preußen für die evang. Kirche m Erfurt. Deutsch-evang. Blätter.
A.X.VH1, ^03 — <^15.
Bamberg, V.: Herzog Ernst d. Fromme u. seine kirchl.
Friedensbestrebungen. Monatshefte der Comenius-Ges, XI, 258—272.
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Bearbeitet von P. Leh-
feldt, herausg. von G. Voss. Heft XXIX. Herzogt. S.-Meiningen.*
Amtsgerichtsbezirk Hildburghausen. Jena, G. Fischer, 1903. Ö. 1—1 12.
Mit 2 Lichtdrucken u. 12 Abb. im Texte. Gr. 8«. Heft XXX.
Herzogt, ö. - Meiningen. Amtgerichtsbezirke Eisfeld u. Themar. S.
113—247. Mit 2 Lichtdr. u. 27 Abb. im Texte. Heft XXXI. Her-
zogt. S.-Meiningen. Amtsgerichtsbezirke Heldburg u. Römhild. Jena,
G. Fischer, 1904. XVI u. S. 249—479. Mit 11 Lichtdrucktafeln u.
68 Abb. im Texte.
Behr, Otto: Bunte Bilder aus der Geschichte von Triebes
und seiner Umgebung. (Triebes, Selbstverl. des Verf., 1903.) 55 SS. 8°.
Derselbe: Triebeser Schulchronik. Ein Beitr. zur Gesch. der
Landschulen in der Herrschaft Schleiz. Selbstverl. des Verf., Okt.
1903. 43 SS. 8«.
Derselbe: Türkensorgen eines vogtl. Adligen ums J. 1600.
Ein Beitr. z. G. derer von Metzsch. Unsere Heimat. lUustr. Monats-
schr. f. d. gesamte Erzgebirge, Osterland u. Vogtland. II (1902/3),
243 —246.
Beiträge z. Gesch. des 30-jährigen Kri^es. (Aus Prof. Opels
Nachlaß.) N. Mitt. hist.-ant. Forsch. Bd. XXI. H. 3 (Halle a. S.
1903). S. 291—320.
Benndorf.P.: Vier Tafeln vorgeschichtlicher G^nstande aus
Mitteldeutschland. Mit erläut. Text auf jeder Tafel. L^pzig, Brand-
stetter, 1903.
Berbig, G. : Die Deutsche Augsburgische Konfession nach
der bisher unbekannten Coburger Handschrift. Zs. f. Kirchen-O.
XXIV, 429—474.
Derselbe: Urkundliches zur Reformations - Geschichte.
Theol. Studien u. Kritiken (1904), 1—31. Inh.: 1) Eigenh. Brief des
H. Georg v. Sachsen vom Reichstag zu Augsburg 1530. 2) Sp»-
latiniana.
Derselbe: Geschichte des Ems^undes. Waltershausen, J.
Waitz, o. J.
Derselbe: Kurf. Bestätigung des Konsistoriums zu Coburg
V. J. 1542. Zs. f. Kirchen-G. XXIV, 150-152.
Derselbe: Zwei Vorladungen vor das Konsistorium zu Co-
burg in Ehesachen v. J. 1563. Ebenda XXIV, 153 f.
Derselbe: Eine Differenz Luthers mit dem Stadtrate zu
Coburg im J. 1539. Ebenda XXIV, 154-164.
ßergner, H: Beschreibende Darstell uüg der älteren Bau- a.
Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg. A. u. d. T. : Beschr. Darst.
346 Literatur.
der älteren Bau- u. Kunstdenkmäler der Prov. Sachsen. Herausg.
von der bist. Kommission für die Prov. Sachsen u. das Herzogt.
Anhalt. H. XXIV. Die Stadt Naumburg. Halle a. S., O. Hendel,
1903. Mit 162 in den Text gedr. Abbildungen, v20 Lichtdrucktafeln
u. 1 Stadtplan. VIIl u. 322 SS. 8".
Bericht über die Hauptversammlung des Gesamtvereins in
Erfurt. Korrespondenzbl. des Gesamtvereins (1908). No. 10/11, 12:
(1904). No. 1, 2, 3, 4/5.
Beyer, C. : Geschichte der Stadt Erfurt, fortges. von J. Biereye.
Lief. 8 u. 9. Erfurt, Keysersche Buchh. , 1903. S. 225-256 u.
257—288.
Bibra, Reinh. v.: Bodenlauben bei Bad Kissingen. Ge-
schichte der Burg u. des Amtes. Mit 8 Abb. u. Plänen. Bad
Kissingen, Fr. Weinberger (1903). 146 SS. 8".
Bl au, G.: Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Großbodungen
bis zum Beginn des 30-jäir. Krieges. Zs. z. Harz-V. XXXVI, 1 — 18.
Bönhoff: Die ursprüngliche Parochie Zwickau. Zwickauer
Ztg. 1903. No. 15—17.
Derselbe: Die Grenzen der Bistümer Naumburg, Merseburg
und Meißen unter einander. Beitr. zur Sachs. Kirchengesch. H. 17.
(Leipzig,^ J. A. Barth, 1904). S. 142—156.
Bojano.wski, El. v. : Louise, Großherzogin von Sachsen und
ihre Beziehungen zu den Zeitgenossen. Nach größtenteils unver-
öffentlichten Briefen u. Niederschriften. Stuttgart u. Berlin, Cottasche
Buchh., 1903. Mit einem Porträt. VIIl u. 429 SS. 8".
Bojanowski, P. v. : Das Weimar Johann Sebastian Bachs.
Zur Erinnerung an den 8. April 1703. Mit einem Bilde: Die Schloß-
kirche zur Zeit Bachs. Weimar, Böhlaus Nachf., 1903. 50 SS. 8».
Derselbe: Niederschriften des Herzogs Karl August von
Sachsen-Weimar über den Schutz der Demarkationslinie, den Eenn-
weg (1796) und die Defension Thüringens (1798). Mit einer Karte
der Südgrenze Thüringens aus dem J. 1796 nach Güssefeld- Weimar.
Weimar, H. Böhlaus Nachf., 1902. VII u. 73 SS. 4°.
Derselbe: H. Karl August u. der Pariser Buchhändler
Pougens. Weimar, Böhlaus Nacht., 1903.
Brackmann, A. : Papsturkunden des östhchen Deutschlands.
Ein Reisebericht. Nachr. von der Königl. Ges. der Wissensch. zu
Göttingen. 1902. S. 193—223.
Brandenburg, E. : Politische Korrespondenz des Herzogs u.
Kurfürsten Moritz von Sachsen. Bd. IL 1. Hälfte (1544 u. 1545).
Leipzig, Teubner, 1903. 468 SS. 8».
Brode, Reinh.: Der Schauplatz der Kaisermanöver 1903.
Hist. Skizze aus Deutschlands Vergangenheit. Halle a. S., Gebauer-
Schwetschke, 1903. XIV u. 155 SS. 8".
Brück, R. : Friedrich d. Weise als Förderer der Kunst. Mit
41 Lichtdrucktafeln u. 5 Textabb. (Studien z. d. Kunstgesch. H. 45.)
Straßburg i. E., Huth, 1903. VIII u. 336 SS. 8".
Brüll, J. : Die Anfänge des preußischen Eichsfeldes, 1902.
32 SS. 8».
B[uchenau], H. Über einige thüringische Pfennige aus der
Zeit Friedrichs d. I"^eidigen, Markgrafen von Meißen, und seiner
Gemahlin Elisabeth von Lobdeburg. Bl. f. Münzfreunde (1904).
No. 4. Sp. 3121—3126.
Literatur. 347
Derselbe: Kurzer Bericht über den um 1238 vergrabenen
fefchleusinger Fund. Ebenda Sp. 3126—3129.
Bu ebner, O.: Erfurt und die dortige kunsthistoriscbe Aiw-
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Derselbe: Das städtische Museum zu Jena. Ebenda I. Jahne.
Bd. I. S. 61 ff. *
Buddeus, Th. : Szenen aus dem Kommandantenleben der
Wachsenburg. Goth. Tagebl. 1902. No. 143, U.ö, 149, 153, 155.
Bühring, Johannes: Geschichte der Stadt Arnstadt 704 bu
1904. Im Auftrage der Stadt und unter I5enutzung hinterlaBaenor
Vorarbeiten des Archivrats Hermann Schmidt dargestellt. Arnstadt,
E. Frotscher, 1904. IV u. 212 SS. 8". Mit vielen Abbildungen.
Derselbe: Die Rennsteigurkunde von 1519 im Sonder<»häuser
Landesarchiv. Das Mareile. III. Reihe (1903, No. 11/12. S. 127.
Derselbe: Karl August u. der Rennsteig. Das Mareile. 1903.
Ko. 7. S. 66-71.
Derselbe: Rennsteigyermessimg mit dem Ha&dmeßrad von
Pretzsch. Ebenda S. 71— &.
Bürkner, R.: Herder u. Dresden. Ein Gedenkwort zur 100. '
Wiederkehr seines Todestages (f 18. Dez. 1803). Dresdener Arn.
1903. No. 349. S. 2 f.
Derselbe : Herders Deutschtum. Wartburgstimmen. I. Jahrg.
Bd. II. S. 119 ff.
Derselbe, Herder; sein Leben und Wirken. Berlin, Hof-
mann u. Co., 1903. 287 SS.
Giemen, O.: Ein Brief von Johannes Bernhardi aus Feld-
kirch (an Johann Lang in Erfurt). A. f. Reformationsgesch. I. Jahrg.
H. 2. (Berlin, C. A. Schwetschke u. S.) 1904. S. 192 ff.
Derselbe: Beiträge zur Reform ationsgeschichte aus Büchwn
u. Handschriften der Zwickauer Stadtschulbibl. Ebenda H. 3. Berlin,
«chv?etschke u. S., 1903). IV u. 115 SS. 8".
Debes, H. : Aug. Trostbach, der Thüringer Pfarrer u. Dichter.
Ev. Gemeindebl. f. d. Stadt Gotha. V, 19, 20, 21.
Derham, M. J.: Saxe et Thuringe. Situation öconomique en
1902. Extrait du recueil consulaire beige. Bruxelles, P. Wdaaen-
bruch, 1903. 30 SS. 8".
Dermbach a. d. Feldabahn. Rhön-8oram«rf tische. (Führer,
Hofbuchdr. H. Kahle, Eisenach, 1903.) 10 SS. 8".
Devrient, E.: Saalfeldische Historien von M. Caspar Sagit-
tarius, im Auftrage der Stadt Saalfeld herausg. 1. Teil: Bis zur
Reformation. Saalfeld a. S., 1903. 189 SS. 8*.
Derselbe: Urkundenbuch der Stadt Jena u. ihrer geistlichen
Anstalten. Bd. II. (1406—1525). Namens des Vereins f. Thüringische
Geschichte u. Altertumskunde mit Benutzung des Nachlawex von
Dr. J. E. A. Martin herausg. Jena, G. Fischer, 1903. XLIV u.
€08 SS. 8». A. u. d. T.: Thur. Gesch.-Qu. N. F. III. Bd. 2. Teil.
Dibelius, [Fr.] : Johann Tetzel. Beitr. zur Sachs. Kirchen-
geschichte. H. 17 (Leipzig, Job. Ambr. Barth, 1904). 8. 1—23.
Die mar, H. : Stammreihe des Thüringischen LAndgrafen-
hauses u. des Hessischen Landgrafenhauses bis auf Philipp d. Groß-
mütigen. Zs. d. V. f. hess. G. u. Lt. N. F. XXVII. 8. 1—^.
Derselbe: Texte u. Untersuchungen zur verlorenen Heesen-
chronik. Ebenda S. 33—55.
348 Literatur.
Dobenecker, O.: Die Vermählung des Landgrafen Ludwig IV»
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(Mai 1903). S. 169 ff.
Doebner, E. : Bausteine zu einer Gesch. 4er Stadt Meiningen.
N. Beitr. z. G. des deutschen Altertums, herausg. v. Henneb. Alter-
tumsver. zu Meiningen. Lief. XVIL Meiningen, Brückner. 112 SS. 8^.
D[o ebner, E.J: Die Meininger Maler des 18. Jahrhunderts.
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Meininger Tageblatt (1904). No. 112.
Döring, E. : Beitr. zur Kenntnis der Sondershäuser Mundart.
T. I. Sondershausen, Prgr. 1903. 48 SS.
Döring, O.: Alte Fachwerkbauten der Provinz Sachsen. Mit
112 Lichtdrucktafeln u. 16 Tatein in Photolithographie. Magdeburg,.
E. Baensch jun., 1903.
Duijnstee, Dominicar Fr. X. P. ord. erem. s. Aug.: Pole-
mica de s. s. Eucharistiae sacramento inter Bartholomaeum Arnoldi
de Usingen 0. E. S. A. ejusque olim in universitate Erfurdiana disci-
pulum Martinum Lutherum anno 1530 etc. Würzburg, Stahel, 1903.
VIII u. 98 SS. gr. 8°.
Ebart , P. V.: Gotha in den Oktobertagen 1806. Goth. TagebL
1902. No. 289, 291, 292, 293, 295.
Eckermann, J. P.: Gespräche mit Goethe in den letzten
Jahren seines Lebens, herausg. von L. Geiger. Leipzig, Hesse, 1902.
Erbstein, J. : Medaille auf Herzog Christian I. v. Sachsen-
Merseburg u. s. Gem. Christiana Prinzessin v. Schleswig- Holstein-
Sonderburg-Glücksburg. Münz- u. Medaillenfreund. IV (1902). No.
47. Sp. 372—374.
Escherich, M. : Die kunsthistorische Ausstellung in Erfurt.
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Feier, Die, der Eröffnung des Städtischen Museums. Beil.
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P. Weber u. des Oberbürgerm. Singer.)
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feldes in die Krone Preußens. Heiligenstadt, F. W. Cordier, 1902.
20 SS.
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Heidelberg, Wintersche Universitätsbuchh. gr. 8". Mit 16 Licht-
drucktafeln.
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Gensei, Jul. : Frietlrich Preller d. A. Mit 134 Abb. u. einem
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Görin g, H.: Friedrich Fröbel. Wartburgstimmen. I. Jahrg.
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Goethes Briefe. Bd. XXVI— XXVIII: 24. Älai 1815 bis.
Dez. 1817. Weim. Goethe-Ausg. (Abt. IV. Bd. 26—28).
Goethe-Briefe. Mit Eimeit. u. Erläut. herausg. von Ph. Stein.
Bd. III: Weimar u. Italien 1784—1792. Bd. IV: Weimar u. Jen»
1782—1800, Bd. V, 1801—1807. Berlin, Eisner, 1903 u. 1904. 8*.
Götze: Das vorgeschichtliche Thüringen (Vortrag). Korre*-
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Grein er: Die kirchlichen Verhältnisse von Jüdewein. Pöft-
necker Tagebl. 1904. No. 19 u. 20.
Greiner, Hugo: Aus alter Zeit. Volksschausniel in einem
Vorspiel u. vier Aufzügen. Festgabe zu Arnstadts Zwölfjahrhundert-
feier. Arnstadt, K. Brettinger, 1904. 90 SS. 8».
[Grimm. L.] Ausf. Nachricht von der am 6. April 18Cß in
Greiz leider erfolgten schrecklichen Feuersbrunst Unsere Hdmat.
111. Monatsschr. f. d. gesamte Erzgebirge, Osto-land u. Vogtland.
II (1903) 87 ff.
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scher, 1903. 150 SS. 8».
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XVII. Jahrg. (Eisleben 1903). S. 113-125.
Derselbe: Führer durch das Unstruttal von Artern bis
Naumburg für Vergangenheit u. G^nwart. 2. verm. u. vwbesBert«
Aufl. Mit einer Karte des Unstruttales. Freyburg, J.'Fmke, 1904.
XVI u. 256 SS. 8«. ^ ^ . , . ■
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(1903 Juni 17). . . , . !?• --k ss«
Derselbe: Das ehrbare Töpferhandwerk zu E»«eM^ Em
Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens »««''^V'*' fj«**^
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Hartmann, N. v. : Herder als Erzieher. Wartburgstimmen.
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graf Philipps V. Hessen vor Ausbruch des schmalkaldischen Krieges
(Jan. bis Juli 1546). Marburg i. H., Elwert, 1903. 88 SS. 8°.
Haupt, H. : August Trinius, der Thüringer Wandersmann.
Thüringer Warte. I. Jahrg. No. 1. S. 37—40.
Hecker, Max F.: Wild- und Weidwerk in Goethes Dichtung.
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Beil. zu No. 78 des Naumburger Kreisblattes. 1903 April 2.
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1903. No. 11. S. 9.
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duren. Emdener Prgr. (1903). 43 SS.
Her r mann, M.: Übersicht über die historische und nume-
rische Entwickelung der römisch-katholischen Kirche in der Provinz
Sachsen am Ende des 19. Jahrh. Herausg. vom Hauptverein des
Evang. Bundes der Prov. Sachsen. Halle, Wischau u. Wettengel,
1902. 88 SS. 8°.
Hertel, L. : Kleine Landeskunde des Herzogtums Sachsen-
Meiningen. Hildburghausen, F. W. Gadow u. S., 1903. 118 SS.
8". 1 M.
Hertzberg, H. : Deutsch-sorbische Kulturzustände. Mitt. d.
V. f. Erdk. zu Halle (1902). S. 1—7.
Heydenreich, Ed.: Städtische Archivbauten. Korrespon-
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312—320, 346—354.
Höfer: Archäologische Probleme in der Provinz Sachsen.
Festgabe der hist. Kommission für die Provinz Sachsen u. das
Herzogt. Anhalt. Halle a. S., 0. Hendel, 1903. 31 SS. 8^.
Hof mann, A. : Kurf. Johann Friedrich d. Großm. v. Sachsen.
Die Wartburg. IL Jahrg. No. 27 (3. Juli 1903).
Huxsel, A. : Ein Elgersburger Jubiläum. Thür. Monatsbl.
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Iber, Gesch. des Wiederherstellungsbaues der Marienkirche zu
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Moritz V. Sachsen in den J. 1541 — 1547. Jahrb. des Geschichtsv.
f. d. Herzogtum Braunschweig. II (1903). S. 1 — 80.
Derselbe: Moritz von Sachsen u. die Ernestiner, 1547 — 1553.
N. A. f. Sachs. G. XXIV, 248-306.
Jahr, E. E. : Die Entwickelung des Verkehrswesens in Thü-
ringen im 19. Jahrh. Leipzig, E. Glausch, 1903.
Literatur. 35J
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Beil. zu No. 64 der Jenaischen Ztg. 17. März 1903.
Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächaiich-thuriii-
gischen Länder. Herausg. v. d. Provinzial-Museuin der Provin«
Sachsen in Halle a. S. Bd. I. Halle, O. Hendel, 1902. 258 SS 8»
Mit 25 Taf. u. 4 Plänen. * *
Joch, Ad.: Die Pfarrei Mupperg, topographisch u. kirchen-
geschichtlich dargestellt von weil. Dr. 8. Lotz, Kirchenrat, Pfarrer
zu IMupperg u. Gefell, neu herausg. Mit 3 Abb. Sonneberg, Druck
von Grabe u. Hetzer, 1903. XV u. 275 SS. B". (Broch- 3 M eeb
3,50 M.) * '
Johnson: Vogtl. Altertümer. CLIV— CLVI. Wirk, der Eimpfe
zw. Weifen u. Staufen. CLVIL Eine Gennaneiiburg b. Jocketa..
CLVIII. Das Ende der plauischen Herrsch, über das Ascher Gebiet.
CLIX. Aus der Perrücken zeit. CLX. Sünderhauf. CLXL Plauen
als Bergort. CLXII. Vogtländer mit Luther in Worms. Vgtl. Anz.
u. Tagehl. 1903. No. 67, 76, 86, 101, 118, 125, 129, 141, 165.
Jordan: Chronik der Stadt Mühlhausen in Thüringen. Bd. II'
(1526—1599 [1604]). Mit 4 Abb. u. einem Plane. Mühlhausen L
Thür., Danner, 1903. VII u. 200 SS. 8°.
Derselbe: Zur Geschichte der Stadt Mühlhausen i. Thür.
H. 3. Beil. zum Jahresber. des Gymn. in Mühlhausen i. Thür. 1903.
48 SS. 8".
Derselbe: Zur Geschichte der Stadt Mühlhausön i. Thür.
Heft 4 „Zur Schlacht bei Frankenhausen." Hierzu ein Plan von
Frankenhausen u. Umgegend. Mühlhausen i. Thür., Dannersche
Buchdr., 1904. 52 SS. 8°. (S. 1—40 als Beil. zum O.Prgr. des Gymu.
zu Mühlhausen i. Thür. 1904).
Derselbe: Aus der Franzosenzeit 1806— 1807. In „Aus alter
Zeit." Zwanglose Beiblätter zum ^lühlhäuser Anzeiger. 1903. No.
47—51 ; 1904. No. 52, 53, 54, 55, 56. Mühlhausen i.Thür., Dannersche
Buchdr.
Derselbe: Die Verwaltung der Stadt Mühlhausen i. Thür.
unter dem Königreich Westfalen. Mühlhäuser Anz. CVII. Jahrg.
(1903). No. 119—124 (23.-29. Mai).
Derselbe: Inscriptiones Mulhusinae. Sonderabdr. aus ^vm
alter Zeit". Mühlhausen i. Thür., Danner, 1903. 33 SS. &.
Jubiläumsfeier, Zur 200-jährigen, de» 3. Bataillons des
7. Thüringer Infanterie-Rqgiments No. 96. Rudolstädter Ztg. XXXIII.
Jahrg. (1903). No. 191 u. 193.
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stein. — Voß, G: Dornburg b. Jena. — Loßnitzer: GedeoktaR u.
Gedenkstücke Herzog Bernhards v. Weimar. — Voß, G.: Greif«-
stein am Eingang des Schwarzatales. - Bacthcke: Aus den Klostar-
ruinen Georgentals. - Ehwald, R.: Die Gothaer I*rachtbibel Ott-
heinrichs von der Pfalz. — Bomemann, G.: Mit Goethe auf dem
Inselsberg. — Bojanowski, P. v.: Der Honistein in Wramar. Zur
400-j. Gedenkfeier Johann Friedrichs d. Großm. - Voß, O. : IMe
Osterburg b. Weida. - Pick, B.: Porträt-Medaillen Johann Fried-
richs d. Großm. — Eggeling: Im Dom zu Naumburg. — KnedCli«:
Die Liebfrauenkirche in Arnstadt. — Fritze: Da« steineme Haus in
Meiningen. — Voß, G.: Das obere Schloß in Greir.
352 Literatur.
[Ketelhodt, G. v.] Unsere Gesetzsammlung. 1. Beil. z.
Schwarzb.-Rudolstädtieclien Landeszeitung (1904). No. 14.
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gebung. Kranichfeld a. Um, G. Hahn, 1902. 16^SS. Mit 1 Karte.
Koch, Ernst: Die Jüdeweiner Kirche und die Kirche zu
St. Bartholomäus in Pößneck. Pößnecker Ztg. 1904. März 2 u. im
Pößnecker Tageblatt. 1904. März 2.
Derselbe: Die ehemalige Hospitalkirche zu Pößneck. Pöß-
necker Ztg. 1904. April 17.
Derselbe: Das Gemeindevermögen, die Einwohner u. Gebäude
der Stadt Meiningen im Jahre 1650. Meininger Tagebl. 1904. No.
49, 55, 61, 67.
Derselbe: Nachrichten über die Stadtflur von Meiningen aus
dem Jahre 1650. Meininger Tagebl. 1904. No. 73.
Krauth, S.: Untersuchung über den Namen u. die ältesten
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lomäus, 1904. Beil. zum Jahresber. des Realgymn. zu Erfurt. 36 SS. 4".
Krebs, K. : Nach der Schlacht bei Jena am 14. Okt. 1806.
Leipz. Tagebl. 1902. No. 521, 534. S. 7083 f. 7261 f.
Krieg, Thilo: Prinz Leopold von Coburg bei der Erfurter
Kaiserzusammenkunft. Beil. zu No. 97 der Coburger Zeitung (26.
April 1903). ■
Derselbe: Herzog Ernst L v. Sachsen-Coburg-Saalfeld am
napoleonischen Kaiserhofe 1807/8. Beil. zu No. 75 der Coburger
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Kück, Ed.: Die Erfurter Ausgabe des Katechismus der böh-
mischen Brüder. Mitt. d. Ges. f. d. Erzieh.- u. Schulgesch. XIII
(Beriin, Hofmann u. Co., 1903). S. 86 f.
Kühn: Zur Geschichte der Stadt Eisenach. II. (Schluß der
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Jahresbericht über das Kari Friedrichs-Gymn. 1904. S. 3—23. 4«.
K u n t z e , H. : Einladung zum Grabgeleite Ludwigs v. Wiehe
auf Burgscheidungen vom 16. Febr. 1596. Mansf. Bl. XVI, 178—180.
L a u e , M. : Sachsen u. Thüringen. Jahresberichte der Geschichts-
wissenschaft. 1901. n, 218—254.
Liebe, G. : Das Beginenwesen der sächsisch- thüringischen
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herausg. von G. Steinhausen. I (1903), 35—42.
Liebe: Die Herausgabe von Kirchenvisitations - Protokollen.
Korrespondenzbl. des Gesamtvereins (1903). S. 47 — 49..
[Lieb mann, P.] Die geschichthche Entwickelung und wirt-
schaftliche Bedeutung des Forstwesens im Fürstentum Schwarburg-
Rudolstadt. Ein Beitrag zur vaterl. Geschichte. Schwarzb.-Rudol-
städtische Landeszeitung (1903). No. 245, 251, 256 u. 262.
Lindner: Die Stellung Sachsens u. Thüringens in der deut-
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Geschichts- u. Altertumsvereine, LI. Jahrg. No. 10/11. S. 202 f.
Li nn -Linsenbarth, O. : Schiller u. der Herzog Karl Au-
gust v. Weimar. Teil IL Prgr. Kreuznach, 1903. 44 SS.
Linz, W. : Beiträge zur Ortschronik von Apfelstädt. Apfel-
städt 1902.
Lippert, W. u. Beschorner, H.: Das Lehnbuch Friedrichs
des Strengen, Markgrafen v. Meißen u. Landgrafen v. Thüringen,
Literatur. 353
1349/1350. Mit 9 Tafeln in Lichtdruck. Leipriir, B. G. Teabner'.
1903. CCLVIII u. &40 SS. 8«. (A. u. d. T.: Schnften der KönigL
Sächsischen Kommission für Greschichte. Bd. VIII). (Be»jM:«chuDg
folgt.)
Lippert, W. : Jahresanfang am 1. Januar in der mdßnisch-
thüringiscnen Kanzlei um die Mitte des 14. Jahrb. Mitt. d. Inst f.
öst. GF. XXIV, 302—309.
Derselbe: Studien über die Wettinische Kanzlei u. ihre ältesten
Register im 14. Jahrb. NA. f. Sachs. G. XXIV, 1—42.
Löber, E: Aus einem Stützerbacher Patrizierhause. Thür.
Monatsbl. X, 115—118.
Loreta, M.: Miedzy Jenq a Tylzi^ Warschau, LaBkauo* u.
Co., 1902. XV u. 165 SS.
Lüttich, S. : Zur Baugeschichte des Naumburger Doms u.
der anliegenden Baulichkeiten. Prgr. des G. zu Naiunburg a. 8., 1902.
48 SS. 4*. Mit 4 Tafeln.
Derselbe: Dritter Beitrag zur Baugeschichte des Naumburger
Doms und der anliegenden Baulichkeiten. Beil. zum Jahresber. des
Dom-G. zu Naumburg a. S., H. Sieling, 1904. 62 SS. 4". Mit einer
Karte.
Lutze, G. : Aus Sondershausens Vergangenheit Lief. 1 — 4.
Sondershausen. Eupel, 1902. 128 SS. 8°.
Mansberg, Frh. v., Rieh.: Erbarmanschaft Wettinischer
Lande. Urk. Beitr. zur Obersächs. Landes- u. Ortsgeschichte in
Regesten vom 12. bis Mitte des 16. Jahrh. I. Bd.: Das Osterland.
IMit 6721 Regesten, 22 Taf. u. 66 Holzschn. Dresden, W. Baensch,
1903. IX u. 676 SS. 8°.
Meier, H.: Aus Schulprogrammen des Gymnasiums zu Nord-
hausen 1712—1722. Zs. des Harz.-V. XXXVI, 270—274.
Mensing, K. : Bilder aus der sächsischen Geschichte. IL
Georg d. Bärtige u. Kurf. Moritz. Dresden, E. Zacharias, 1902.
96 SS 8"
Mentz, G.: Johann Friedrich d. Großmütige. L Teil: Johann
Friedrich bis zu seinem Regierungsantritt 1503—1532. Festschrift
zum 100-j. Geburtstage des Kurfürsten namens des Vereins f. IJQ-
ringische Geschichte u. Altertumsk. herausg. von der thunngischai
historischen Kommission. Mit dem Bildnis Johann Fnedncl« als
Bräutigam. Jena, G. Fischer, 1903. XII u. 142 SS. 8J. (A. u. d. T.:
Beiträge zur neueren Geschichte Thüringens. Bd. I. Erster Ten.)
Derselbe: Zur Geschichte der Packschen Händel. A. f. Ite-
formationsgeschichte. I. Jahrg. H. 2. Beriin, C. A. Schwetsciike u. 8.,
1904. S. 172—191. ,, „, u i. U-»
Derselbe: Die Briefe G. Spalatins an V. Warbeck nebst er-
gänzenden Aktenstücken. A. f. ReformationsgeschK^te. I. Jahrg.
H. 3 (Beriin, C. A. Schwetschke u. S., 1904). No. 3. fe- 1Ö7-246.
M eurer, H.: Zum Regimentejubiläum. Beitr. ^ O. «« K«n-
ments „Großherzog von Sachsen" (1807-34). Weimar, Böhlaus NacW.,
1902 28 SS
"Meyer, P.: Droyßig 1852-1902. Eine Festschrift BresUu,
F. Hirt, 1902. 168 SS. Mit 10 Tafeln. . • n.. nr.^au
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354 Literatur.
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448—750;; III (1902/3), 48-51.
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aus der Gymnasialbibliothek, die sich auf die ehemalige Grafschaft
Henneberg beziehen. T. I. Schleusingen, Prgr. 1903. 22 SS. 4".
Mücke, R.: Aus der älteren Schulgeschichte Ilfelds. Prgr.
der Klosterschule zu Ilfeld. 1902. 26 SS. 4«.
Naumann, L. : Die Ruinen des Schlosses Eckartsberga u.
seine einstige Bedeutung als Festung. Eckartsberga, Verl. des
Eckartshauses, 1902. 31 SS. 8". Mit 3 Taf.
Derselbe: Das Schloß Eckartsberga, „Eckartsburg." H. 4
der Beitr. zur Lokalgeschichte des Kreises Eckartsberga. 3. Aufl.
Eckartsberga, Verl. des Eckartshauses, 1902. 48 SS. 8". Mit 1 Abb.
Nehm er, A.: Beiträge zur Landesk, des Eichsfeldes (mit 2
Karten u. 1 Profiltafel). A. f. L.- u. Volkskunde der Prov. Sachsen.
XIII (1903). S. 77—127.
Nippold, Fr.: Der Kurfürst-Confessor Johann Friedrich.
Rede, gehalten zu seinem Säkular - Jubiläum am 30. Juni 1903.
Jena (G. Neuenhahn) 1903. 29 SS. 4».
Derselbe: Zum 400. Geburtstage des Kurf. Johann Friedrich.
Deutschland, Monatsschr. f. d. ges. Kultur. II, 493 — 507.
0er gel: Das Bursenwesen der mittelalterlichen Universitäten,
insbesondere Erfurts (Vortrag). Korrespondenzblatt des Gesamtverein&
(1904). No. 4/5. Sp.„151— 159.
Opitz, W. : Über die Hersfelder Schrift: de unitate ecclesiae
conservanda. Prgr. des RG. zu Zittau, 1902. 18 SS. 4».
Overmann: Erfurt in Geschichte u. Kunst (Vortrag). Kor-
respondenzblatt des Gesamtvereins (1903). S. 237—244.
Polack, Fr.: Der Kreis Worbis in den hundert Jahren preuß..
Herrschaft von 1802—1902. Worbis, C. Müller, 1902. 136 SS. 8".
Posse, O.: Die Siegel des Adels der Wettiner Lande bis zum
J. 1500. Im Auftr. der Kgl. Sachs. Staatsregierung herausg. I. Bd. :
Grafen von Käfernburg-Schwarzburg, Vögte von Weida, Plauen und
Gera. Adel Buchst. A. Dresden 1903. VII, 65 SS. 50 Taf. 4».
Quantz, H.: Skelet-Gräber von Solkwitz in Ost-Thüringen.
Nachr. über deutsche Altertumsfunde. XIIL Jahrg. (1902). H. 5.
S. 67—71.
Raab, C. v. : Das Amt Pausa bis z. Erwerbung durch Kurf.
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Mitt. d. Altertumsv. zu Plauen i. V. 16. Jahresschr. auf die J. 1903/4.
Plauen i. V. 1903. 4 Bl. u. 115 SS. 8«.
Rademacher, O. : Die Merseburger Bischofschronik. Über-
setzt u. mit Anm. versehen. T. I. Beil. z. Jahresber. des Dom-G. zu
Merseburg, 1903. Merseburg (F. Stollberg). 74 SS. 8".
Ranke, H.: Stammbaum der Familie Ranke. 12 Tafeln. A1&
Manuskr. gedruckt. München. 1901.
Ratzel, F.: Bruno Hassenstein f. Petermanns Mitteilungen.
XLVIII (1902). Heft. 12. S. 1—5.
Rechnungslegung über die Ausgaben eines Jenenser Stu-
denten in der Zeit vom 12. April 1589 bis zum 18. Mai 1590.
Jenaische Zeitung. 1903. Juli 17.
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Jenaische Ztg. Jahrg. 230. No. 100 (1903, April 30).
Literatur. 355
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Derselbe: Sagen aus Nordthürineen. Zb. A V. f. Volkskunde.
XI, 68—73 u. XII, 06-72.
Derselbe: Die Grafschaft Hohenstein unter der Hemduft
des Grafen Thun 1628—1631. Zs. des Harz.-V. XXXVI, 274—283.
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Rodigast, G. : Ursprune und Alter der Schützengilde Jena
mit einer Original-Urkundentafel. Aus amtlich beglaubigtfu Tbüring.
Geschichtsurkunden verschiedener Staatsarchive u. der X'niveraitäts-
bibhothek Jena zusammengestellt. Gewidmet zum 600. Stiftunnfeste.
Jena, 28. Februar 1904. 16 SS. 8°. Mit einer Tafel.
Rühl, K.: Das obere Saaletal. 2. verm. Aufl. Zieeearück, H.
Jentzsch, 1903. 132 SS. 8".
Rühlmann, P.: Die öffentliche Meinung in Sachsen während
der Jahre 1806—1812. Gesch. Untersuchungen, herausg. von K. Lam-
precht. H. 1. Gotha, Perthes, 1902. 121 ^. 8".
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Monatsschr. f. d. gesamte Erzg. u. VoeÜ. I (1902), 353 f.
Schenk zu Schweinsberg, G. Frh.: Die drei thünndiichen
Werraorte Breitungen. Quartalbl. des hist. V. f. d. Großh. Hessen.
NF. Bd, III. H. 5.
Derselbe: Bemerkungen zu neueren Urkunden büchem (zu
Cod. d. Sax. r. I, 3). Ebenda NF. Bd. IIL H. 7. S. 279 u. 280.
Schlüter, Otto: Die Siedelungen im nordöstlichen Thüringen.
Ein Beispiel für die Behandlung siedelungsgeographischer Fragen.
Berlin, H. Costenoble, 1903. Mit 6 Karten u. 2 Tafeln. XIX u. 453
SS. 8". (S. a. Zs. der Ges. f. Erdkunde zu Berlin [1902). Na 10. 8.
850-874.)
Schmidt, B.: Die Reußen. Genealogie des GesamthauMS
Reuß älterer u. jüngerer Linie, sowie der ausgestorbenen Vogtslinien
zu Weida, Gera u. Plauen u. der Burggrafen zu Meißen aus dem
Hause Plauen. Im Auftr^e Sr. Durcnlaucht Heinrichs XIV. Re-
fierenden Fürsten Reuß j. L. und Fürstregenten Reuß ä. L. Schleix,
". Webers Nacht, 1903. IX u. 70 SS. Fol. (Besprechung folgt)
Schmidt, C. F. L.: Heimatliche Kunst und Bauweise in
Sachsen und Thüringen (Vortrag). Korrespondenzblatt des Gesamt-
vereins (1904). No. 4/5. Sp. 169—175. -
Schmidt, Erich: Luise, Großherzogin v. 8.- Weimar. D.
Rundschau. XXX. H. 1.
Schmidt, Fr.: Die schwedische Invasion in Kursadwen n.
insbesondere im Herzogtum S.-Weißenfel« in d. J. 1706 u. 1707.
Mansf. Bl. XVI (1902), 115-137. *
Derselbe: Die Dinggrafen (Dinggrefe) von Sangeriiaoaen.
Zs. d. Harz-V. XXXV, 443-447. , «u • u «^
Schmidt, Kunhardt v.: Aus der Gesch. d» 4. Bl»einbuiid-
regiments Herzöge v. Sachsen. Militär- Wochenbl. 1902. No. 99, lOö;
1903. No. 5, 12, 16, 21.
Schmidt, O. E.: Wolfg. Lazius, em Geschichtaschmbcr de»
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Schnehen, W. v.: Herders religiöse Weltanschauung. Wart-
burgstimmen. I. Jahrg. H. 2. S. 83 ff.
356 Literatur.
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(d. h. Eealabteilung) am Gymnasium zu Gotha durch Herzog Ernst
d. Fr. im J. 1662. Mitt. der Ges. f. d. Erziehungs- u. Schulgeschichte.
XIII. Jahrg. (Berlin, Hofmann u. Co., 1903). S. 34—41.
Schneider, W.: Querfurter Stadt- u. Kirchchronik. Querfurt,
W. Schneider, 1902. VII u. 575 SS. Mit 4 Taf.
Schöppe, K. : Das Vereinswesen in Naumburg. Naumburg
a. S., Druck von H. Sieling, 1903. 36 SS. 8°.
Derselbe: Zur Häuserchronik von Naumburg. (Gesch. ver-
schiedener bemerkenswerter Häuser: Schloß, Schlößchen, Drei Lilien
u. a. m.). Naumburger Kreisbl. 1902. No. 100, 117, 143, 213.
Derselbe: Siegel aus dem Stifte Naumburg-Zeitz. Mit Siegel-
tafeln. Vierteljahrsschr. für Wappen-, Siegel- u. Familienk. Jahrg.
1903. S. 81—88.
Derselbe: Das Naumburger Kirschfest. Seine Geschichte u.
Bräuche. Naumburg a. S., H. Sieling, 1903. 16 SS. 8».
Derselbe: Innungsartikel der Glaserinnung zn Naumburg
a. S. N. Mitt. hist-ant. Forsch. Bd. XXI. H. 3 (Halle a. S., 1903).
S. 209—223.
Derselbe: Mittelalterliche Rechtsfragen. Ebenda S. 224 — 236.
Schrödel, H.: Ernst, Herzog von Sachsen-Altenburg. Fest-
schrift zur Feier seines fünfzigjährigen Regierungsjubiläums am 3.
August 1903. 1. Geschichtliche Einleitung bis zum J. 1826 von Herm.
Schrödel -Friedrichstanneck. 2. Lebensbild des Herzogs von Gym-
nasialdirektor Prof. Dr. Moritz Geyer-Eisenberg. Eine Jubiläums-
gabe für die Schulen des Altenburger Landes. Friedrichstanneck
1903. 68 SS. 4». Mit 12 Abb.
Schröder, Edw.: Der Epilog der Eneide. Zs. für deutsches
Altertum u. deutsche Literatur. XLVII. Bd. (Berlin 1903). S. 291
bis 301.
Scobel, A. : Thüringen. 2. Aufl. Bielefeld, Velhagen u.
Klasing, 1902. 160 SS. 8".
Schling, E. : Die evang. Kirchenordnungen des XVI. Jahrh.
I. Abt. Sachsen u. Thüringen nebst angrenzenden Gebieten. 2. Hälfte.
Leipzig, Reisland, 1904. VII u. 614 SS. 4°.
Seitz, O.: Der authentische Text der Leipziger Disputation
(1519). Aus bish. unbenutzten Quellen herausg. Berlin, Schwetschke
u. S., 1903. V u. 247 SS. 8".
Sief ert, G.: Zum Gedächtnis Gustav Richters. In Lehrproben
u. Lehrgänge. H. 79. (Halle a. S. 1904).
Stein, F.: Kuimbach und die Plassenburg in alter u. neuer
Zeit. Kuhnbach, Rehm, 1903. 184 u. 17 SS.
Suphan, B. : Briefe von Goethe und Frau von Stein an Joh.
Georg Zimmermann. Wartburgstimmen. II. Jahrg. (Bd. I.). S. 171 ff.
Tangl, M. : Das Todesjahr des Bonifatius. Zs. d. V. für
Hessische G. u. Lk. NF. XXVII (1903). S. 223-250.
Techow: Zur Gesch. der Fischgerechtigkeit bei Kosen. Naum-
burger Kreisbl. 1902. No. 186.
Teichmann, E. : Zur G. der vogtl. Perlenfischerei. Unsere
Heimat, illust. Monatsschr. f. d. ges. Erzgeb. u. s. f. II (1902/3),
177—181.
Th., R.: Der Hörselberg. Thür. Monatsbl. X, 1-3.
Litentar 357
Derselbe: Ein Herbstthing auf dem Venusb«». Ebenda S.
13—15,43-44,77—80. * i:.ü«iu» o.
Thauß, G: Das Herzog!. Coburg-Gothaische Infanterie-Kefri.
ment in der Schlacht b. Langensalza am 27. Juni 1866. Laneeoäiilat
Wendt u. Klauwell. '
Thiele: Die sprachliche Bedeutung unserer mitteldentBcben
Urkunden und Handschriften (Vortrag). Korreepondenzblatt des
Gesamtvereins (1904) No. 4/5. Sp. 142—150.
Thümmel: Herder als Leiter der weimarischan Landeekirche.
Aus einem am 3. Dez. im Zweigverein de« Evang. Bundes gehalt«aen
Vortrag. Jenaische Ztg. (1903). No. 290, 291 Dez. 11 u. 12).
T h ü n a , L. Frh. v. : Das löschpapierne Prinzchen im und beim
Witthumspalais in Weimar. Nord und Süd. 1903. Juni. S. 321.
Thüringen in Wort u. Bild. Herausg. v. d. Thüringer Peeta-
lozzivereinen. Bd. II. Leipzig 1902. III u. 492 SS.
Ti m p el , M. : Graf Gotter u. Schloß Molsdorf. Thür. MonatsbL
IX. Jahrg. No. 6.
Töpfer, H.: Der Püsterich in SondershauBen. A. iL.- u.
Volkskunde der Prov. Sachsen. XIII (1903). S. 62—74.
Trauer, Ed.: Chronik des Dorfes Marienev i. VogtL bi« zur
Einführung der Sachs. Landesverf. Plauen i. V., A. KelL 1908.
111 SS. 80.
ünstruttale. Aus dem. Heft 1—3. Langensalza, Wendt u.
Klauwell, 1901/2. 52, 72 u. 96 SS. 8«. Inh.: 1. Ludendorff, ImmobiL
Erinnerungen eines Landwehroffiziers an die Schlacht b. Langen-
salza am 27. Juni 1866. — 2. Cramm, B. Baron v.: Aus Langeooäza.
Ein Erinnerungsblatt. — 3. Erinnerungen, Langensalzaer ans der Zeit
vor u. während des tollen Jahres 1848/49 (von Prof. Dr. Wolf).
Voigt, R. : Der Landkreis Erfurt unter preußischer Herrschaft.
Bericht über die Jahre 1802—1902. Erfurt, Selbstverl., 19<72. 52 88. 4«.
Voß: Thüringische Holzschnitzerei an der Schwelle der deut-
schen Renaissance. Thüringer Warte. I. Jahrg. No. 1. S. 2—1.5.
Wächter, A.: Das Kudolstädter Gymnasium sonst und jetzt,
besonders in den letzten 6 Jahrzehnten, eine Überschau. Rodoktädter
Ztg. 1904. No. 119 (22. Mai).
Derselbe: Wie Rudolstadt u. Umgebung unsemi Sduller er-
schienen sind. 2. Beil. zu No. 79 (1904) der Rudolstädter Zeitung.
Weber , P.: Forschungen über mittelalterliche Gral>ienkmiler.
Beil. zur AUg. Ztg. 1903. No. 117 (Mai 26).
DerseFbe: Die Burgen des mittleren Saaltales. Eine bauge-
schichtliche Übersicht. Wartburgstimmen. I. Jahrg. H. 4.
Derselbe: Die Pflege unserer kirchlichen Altertümer. Eine
kurze Handweisung für den thüringischen Pfarrer- u. LdtrenrtaiMl.
Weimar, H. Böhlaus Nachf., 1903. 20 SS. 8«.
„Aus Weimars klassischer und nachklassischcr Zeit", nea
herausg. von Robert Kohlrausch. Memoirenbibliothek, R. Lutz, Stutt-
gart, 1904. , „ . ,r «
Wenick, K.: Zur Geschichte des Hesaengau». In Z«. d. V. f.
Hess. G. NF. XXVI (1903). S. 227-276.
Derselbe: Landgraf Philipp d. GroßmüUge. Rede gehalten
auf der 7. Jahresversammlung der historischen KommiasiOD für
Hessen und Waldeck am 7. Mai 1904. SA. au» der Z«. des V. f.
XXII. 24
358 Literatur.
hessische Gesch. u. LK N. F. Bd. 28. Marburg, Eiwert, 1904.
13 SS. 8°,
Derselbe: Berichtigungen zum Elisabeth -Auf satz. Ebenda
S. 304.
Wenzel, A. : Das höhere Schulwesen in Langensalza seit dem
Übergang der Stadt an Preußen. Festschr. z. Feier des fünfzigjährig.
Jubiläums des Eealgymnasiums. 1902. 76 SS. 8".
Werthern, Alfr. Frh. v.: Gesch. des Geschlechts der Grafen
u. Freiherrn v. Werthern. T. I. Urkundl. Familiengesch. H. 1.
Älteste Familiengesch. bis 1501. Als Manuskript gedr. Naumburg,
Rietz, 1902. VI u. 133 SS. 4«.
Wieland, M. : Cistercienserinnenkloster Sonnenfeld. Cisterc-
Chron. XIII.
Wilhelm, E. : Gustav Paul Eichter. Im Jahresbericht über
das Großh. Gymnasium Ciarolo-Alexandriniun zu Jena. 1904. S. 4 — 6
(s. a. Jen. Ztg. 1904. No. 26).
V. Wintzingeroda-Knorr, Die Wüstungen des Eichsfeldes.
Verz. der Wüstungen, vorgesch. Wallburgen, Bergwerke, Gerichts-
stätten u. Warten innerhalb der landrätl. Kreise Duderstadt, Heiligen-
stadt, Mühlhausen (Land u. Stadt) u. Worbis. Halle, Hendel, 1903.
(A. u. d. T. : Geschichtsqu. der Prov. Sachsen. Bd. 40.) LXXXVIII u.
1280 SS. 8".
Wispel, A. : Entwickelungsgeschichte der Stadt Naumburg
a. S. nebst einem Anhang: Abriß der G. von Freyburg a. U., Goseck,
Schönburg, Saaleck u. Rudelsburg. Naumburg a. S., A. Schirmers
Buchh., 1903. VI u. 120 SS. 8».
Wolff-Beckh, Br.: Johann Friedrich Böttger, der deutsche
Erfinder des Porzellans. Mit Böttgers Porträt. Steglitz b. Berlin,
Wolff-Beckh, 1903. 48 SS. 8».
Wolf f , W.: Die Entstehung des Ortsnamens Eschwege, sprach-
lich u. geschichtlich erklärt. Eschweger Tagebl. 1901. No. 27.
Zemmrich,J. : Die vogtl. Landschaft von einst u. jetzt. Unsere
Heimat. II (1902/3), 105—110, 129—133.
Zimmer, H.: Herzog Ernst d. Fromme. Wartburgstimmen.
L Jahrg. Bd. 1. S. 355 ff.
Zschiesche: Das vorgeschichtliche Erfurt. Korrespondenzbl.
des Gesamtvereins (1904). No. 3. Sp. 102—105.
Aus den coburg-gothaischen Landen. Heimatsblätter, unter
dem Protektorate Seiner Durchlaucht des Regierungsverwesers Erb-
prinzen Ernst zu Hohenlohe-Langenburg im Auftr. des schriftl. Aus-
schusses herausg. von R. Ehwald. Gotha, Perthes, 1903. IV u. 76 SS.
gr. 8». Inh.: Baethcke: Die Gründung des Kl. Georgental. S. 1/18.
— Berbig, M.: Gotha im Mittelalter. Aus dem Tagebuche eines
fahrenden Schülers. S. 19/23. — Ehwald, R.: Drei Stücke aus dem
Briefwechsel Friedrichs d. Weisen. S. 24/31. — Gerbin g, L.: Die
Thüringer Landwirtschaft bis zur Reformationszeit S. 32/41. — Krieg,
Th.: Erbprinz Herzog Ernst (H. Ernst I.) v. Sachsen-Coburg-Saad-
feld im preuß. Lager 1806/7. S. 42/44. — Pabst, W. : Die Fußspuren
Literatur. 359
vorweltlichcr Tiere in den Gesteinen der Umgegend von Friedrich-
roda, Tambach u. Kabarz in Thüringen. S. 45/51. — Pick, B. : Die
ältesten Thüringer Münzen. S. 52/57. — Schäfer, H.: Was uns die
Kalktuffe von Tonna erzählen. S. 58/63. — Trinius, A. : Schloß
Tenneberg. S. 64/70. — Zahn, G.: Einheimische u. eingebürgerte
Pflanzen als Heilmittel. S. 71/76.
Beiträge, Neue, zur Geschichte deutschen Altertums. Lief. 17.
1902. Inh. : Doebner, E. : I. Die Entstehung der Jahrmärkte u. die
Wochenmärkte in Meiningen. II. Inschriften u. Denkmäler der Stadt-
kirche in Meiniugen. III. Die Beziehimgen des letzten Fürstbischofs
von Würzburg zur Stadt Meiningen. IV. Die Gast- u. Unterkunfts-
häuser im alten Meiningen. V. Ein Leprahaus in Meiningen. Ylr
Meininger Gelehrte u. a,.. hervorragende Meininger Stadtkinder aus
alter u. neuer Zeit. VII. Übersicht über Herkunft u. Bearbeitung der
Meininger Straßennamen. VIII. Die Bevölkerungszahlen der Stadt
Meiningen sonst u. jetzt. 111 SS. 8". — Lief. 18. 1903. Inh.: Fritze,
E. : Die Veste Heldburg (Abdr. aus den Bau- u. Kunstdenkm, Thü-
ringens. H. 31.) 41 SS. gr. 8".
Geschichtsblätter, Mühlhäuser. Zs. des Mühlhäuser Alter-
turasvereins Jahrg. IV (1903/1904). Mühlhausen i. Thür., Komm.-
Verl. von C. Albrecht, 1903. 80 SS. gr. 8". Inh.: Heydenreich: Ge-
denkblätter an die Feier der hundertjähr. Zugehörigkeit zum preuß.
Staat 1902. S. 1/16. — Claes: Die Maßnahmen zur Bekämpfung der
Pest in Mühlhausen 1683. S. 16/20. — Heydenreich: Regesten zu den
im Archiv der Stadt deponierten Pergamenturkunden I. S. 20/24. —
Aemiaius, H. : Die St. Kilianslinde zu Mühlhausen i. Thür. S. 24/25.
— Heydenreich : Zum Erfurtianus Antiquitatum variloquus. S. 25/26.
— Jordan : Zur Verfassungsgesch. der Stadt Mühlhausen i. Thür. im
18. Jahrh. S. 28/36. — Seilmann : Prähistorische Funde aus der Um-
gebung von Mühlhausen i. Thür. S. 36/39. — Jordan : Wie Molhawssen
eyngenommen. S. 40/42. — Ders.: Aus dem J. 1813. S. 43/62 — Ders.:
Der Sühnebrief von 1525 u. die Festungswerke der St. Mühlhausen.
S. 63/66. — V. Kauffungen: Ein Altertumsfund in der St. Blasius
(Untermarkts-IKirche. S 66/67. — Die Gerichtslinde zu St. Kiliani.
8. 67/68. — Jordan : Joachim ä Burgk u, der Rektor Matthaeus
Zimmermann in Sondershausen. S. 68/69.
Jahrbücher der Königl. Akademie gemeinnütziger Wissen-
schaften zu Erfurt. N. F. H. XXIX. Erfurt, C. Villaret, 1903. 276
SS. 8°. Inh. : A. Abhandlungen : 1) Heinzelmann : Gedenkrede auf
den verewigten Prinzen Georg v. Preußen. S. 1/16. — 2) Thiele :
Archäol. Wunsche eines altkl. Philologen. S. 17/27. — 3) Köster:
Über die Persönlichkeit des Horaz in seinen Oden. S. 29/57 — 4)
Treitschke: Der Föhn der Alpen u. der deutschen Mittelgebirge. S.
59/87. — Bithorn : Blicke in Bismarcks Seelenleben. S. 89/107. — 6)
Axmann : Die Giftwirkung des Wassers. S. 109/123. — 7) Schwarz-
lose: Die geistlichen Schauspiele der Vergangenheit. S. 125/150. —
8) Kekule v. Stradonitz: Die Ahnen des Prinzen Georg v. Preußen.
S. 151/170. — 9) Heinzelmann : Über den ethischen Beruf der Kunst.
S. 171/200. — 10) Thiele : Philol. u. archäol. Studien. S. 201/225. B.
Jahresbericht der Akad. S. 227/276. — H. XXX. 1904. Festschrift zur
Feier des 150-jährigen Bestehens der Kgl. Akademie. 652 SS. gr. 8°.
Mit einer Porträttalel. Inh. : Thiele R. : Die Gründung der Akademie
24*
360 Literatur.
nützlicher (gemeinnütziger) Wissenschaften zu Erfurt und die Schick-
sale derselben bis zu ihrer Wiederbelebung durch Dalberg (1704 bis
1776). Mit urkundlichen Beilagen. S. 1—138. — Oergel: Die Aka-
demie nützlicher Wissenschaften zu Erfurt voii ihrer Wiederbelebung
durch Dalberg bis zu ihrer endgültigen Anerkennung durch die
Krone Preußen (1776-1816). S. 139—224. — Heinzelmann, W.:
Beiträge zur Geschichte und Statistik der Erfurter Akademie im
neunzäinten Jahrhundert. S. 225—382. — Loth, R. : Das Medizinal-
wesen, der ärztliche Stand und die medizinische Fakultät bis zum
Anfang des 17. Jahrhunderts in Erfurt. S. 383—466. — Lüttge, A. :
Die Lebensarbeit eines Hohenzollern im Osten Europas. S. 467 — 509.
— Hagen, Ed. v. : Die Transfiguration von Raffael. Ein Deutungs-
versuch. S. 511 — 541. — Baumeister, A. : Ein Vorschlag zur Neugestal-
tung des Geschichtsunterrichts in den obersten Klassen unserer höheren
Schulen. S. 543 — 564. — Albrecht, O. : Luthers kleiner Katechismus
nach der Wittenberger Ausgabe im J. 1540 zum ersten Male herausg.
S. 565—600. — Hintner, V.: Beiträge zur tirolischen Namen-
forschung. S. 601—630. — Althof, H.: Gerald und Erchambald.
Eine Untersuchung über ein Problem in der Walthariusforschung.
S. 631—652.
Jahresbericht, 72. und 73. des Vogtländischen Altertumsf.
Vereins zu Hohenleuben, herausg. von Diak. F. Thormann. 119 SS.
8°. Inh.: Auerbach, A. : Das Archiv des Vogtland. Altertumsf. Ver-
eins. S. 1 — 45. — Francke, H. G. : Die St. Peterskirche zu Weida. S.
46—76. — Behr, O. : Das Copial-Buch des Ernst Metzsch auf. Triebes,
1576. S. 77—82. — 72. u. 73. Jahresber. S. 83—96. - Verz. der Mitgl.
S. 97—102. — Bücher-Katal. S. 103—119.
Mitteilungen des Geschichts- u. Altertumsf. Vereins zu
Eisenberg. H. 19. Eisenberg, H. Geyer, 1904. 76 SS. 8». Inh.: 1)
Lobe, E. : Zur Gesch. des deutschen Zunftwesens während seiner
Blütezeit, mit bes. Rücksicht auf die Städte Altenburg u. Eisenberg
S.-A. S. 3/71. — 2) Bericht über die Tätigkeit des Vereins. S. 72 f.
— 3) Verz. der Mitgl. S. 74/76.
Mitteilungen des Vereins f. d. G. u. A. von Erfurt. H.
XXIV. 1. Teil: Vereinsnachrichten. Erfurt. 1903. 23 SS. — H. XXIV.
2. Teil. Mit 12 Tafeln, 1 Karte u. 4 Abb. im Texte. Erfurt 1903.
204 SS. (Festgabe für die Teilnehmer an der Generalversammlung des
Gesamtvereins der deutschen Geschichts- u. Altertumsvereine zu
Erfurt vom 27.— 30. Sept. 1903.) Inh. : Eitner, Th. : Erfurt u. die
Bauernaufstände im XVI. Jahrh. S. 3 — 108. — Peters. P. : Das Col-
legium malus zu Erfurt. S. 109 — 121. — Apell, Fr.: Zur Münzge-
scüichte Erfurts. S. 123—134. — Buchner, O. : Der Severi-Sarkophag
u. s. Künstler. S. 135—157. — Oergel, G. : Das ehemalige Erfurtische
Gebiet. S. 159 — 190. — Zschiesche: Funde aus der merovingischen
Zeit in Erfurt u. der Umgegend. S. 191—204.
Mitteilungen des Vereins f. Geschichts- u. Altertumsk. zu
Kahla u. Roda. Bd. VI. H. 2. Kahla 1904. 181 SS. 8». Inh. : Leh-
mann, Fr,: Die Renovierung der Stadtkirche zu Kahla im J. 1791.
S. 73 — 99. — Martin, M. : Nachrichten über Adelige aus den Kirchen-
büchern der Parochie Reinstädt. S. 100—109. — Schaffner, S.: Aus
dem Gerichtsbuch der Stadt Kahla, angefangen Michaelis 1527. S,
Literatur. 361
110—113. — Lomraer, V.: Volkstümliches aus dem Saaltale. Sagen
u. Erzählungen, Sitten u. Gebräuche. S. 114 — 181.
Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte
u. Altertumsforschung. Jahrg. 1903. Friedrichroda, J. Schmidt u. Co.
136 SS. 8°. Inh. : v. Strenge: Stadtrechte im Herzogt. Gotha. S.
1/48, — Ehwald, R.: Ein Kuriosum aus der Druckgeschichte Gothas.
S. 49/54. — Felgncr, G.: Herzogin Luise Dorothee u. ein Besitz-
stück der Herz. Bibliothek zu Gotha. S. 55/80. — Florschütz, G.:
Das ürnenfeld auf dem Simmel b. Eischleben. S. 81/87. — Berbig,
M.: Schack Hermann Ehwald. S. 88/111. — Heß, H.: Die Grenzen
der Mark Lupuitz. S. 112/118. — Ehwald, R. : Zur Erinnerung an
Johann Friedrich d. Großm. S. 119/130. — Jahresber. u. Lit. S.
131/136.
Schriften des Vereins für Sachsen-Meiningische Geschichte
u. Landeskunde. Heft 43. Hildburghausen, Kesselringsche Hofbuchh.,
1903. Inh.: Neue Landesk. des Herzogt. S.-Meiningen. H. 4. Geo-
logie von Dr. E. Zimmermann. — Heft 44. Hildburghausen 1903. Inh. :
Neue Landesk. des Herzogt. S.-Meiningen. H. 5. Klimatologie von
Prof. Dr. Lehmann. — Heft 45. Inh. : Neue Landesk. des Herzogt. S.-
Meiningen. H. 8. Zweiter Hauptteil: Die Leute. A, Vorgeschichtliches.
Von Hofr. Dr. med. G. Jacob (t)- Abdr. aus dem 24. Heft der Ver-
einsschr. (1896), neu herausg. von Dr. L. Hertel 1903. 56 SS. 8". —
Heft 46. Neue Landesk. des Herzogt. S.-Meiningen. H. 9 B. Ge-
schichthches. Polit. G. von den frühesten Zeiten bis auf die Gegen-
wart. 1. Teil. Thür. Geschichte. Von Prof. Dr. Hertel. 1903. H. 47.
2. Teil. Meining. Geschichte von 1680 bis zur Gegenwart. Erste
Hälfte bis zum Regierungsanstritt Herzog Bernhards II. (1821). 1904.
362
An unsere Mitarbeiter and an die Pfleger der TliUringlschen
historisctien Kommission.
Zur Förderung theatergeschichtlicher Forschungen, die
in der Herstellung einer wissenschaftlich begründeten und jedem Ge-
bildeten verständlichen Geschichte des deutschen Theaters gipfeln
sollen, gibt seit diesem Jahre die Gesellschaft für Theatergeschichte
ein „Archiv für Theatergeschichte" heraus. In der Ankün-
digung wendet sich der Herausgeber, einer Anregung Gaehdes in
den Deutschen Geschichtsblättern Bd. II. Heft 6 u. 7 (März und
April 1901) folgend, an alle Forscher, die, sei es um Einzelunter-
suchungen zur Lösung wissenschaftlicher Fragen anzustellen, sei es,
um im Interesse der Allgemeinheit ganze Archiv bestände zu inven-
tarisieren, in den Archiven arbeiten, und bittet sie, ihr Augenmerk
auf sogenannte Komödiantenakten zu richten.
Im Interesse dieser Forschungen bitten wir unsere Mitarbeitfer
und besonders die Hauptpfleger und Pfleger der Thüringischen histo-
rischen Kommission, bei archivalischen Forschungen und besonders
bei der Inventarisationsarbeit auch Theaterakten zu verzeichnen und
auf Katsprotokolle und auf Sammelbände gedruckter und handschrift-
licher Veröffentlichungen dieser Art (Theaterzettel!) zu achten. Hin-
weise auf Archivfunde zur Theatergeschichte werden am besten direkt
an den Herausgeber des Archivs für Theatergeschichte, Herrn Dr.
Hans Devrient in Weimar, gerichtet.
Die Redaktion.
^
DD Verein für Thüringische
801 Geschichte und Alter tumskxinde,
T4V4 Jena
n.F, Zeitschrift.
Bd.l3-U n.F., Bd.l3-U
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