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ZEITSCHRIFT  DES  VEKEI^'    ^^ 


FÜR 


THÜRINGISCHE  GESCHICHTE 


ALTERTUMSKUNDE. 

HERAUSGEGEBEN  VON 
PROFESSOR  DR.  OTTO  DOBENECKER. 

NEUE  FOLGE.    NEUNZEHNTER  BAND. 

DER  GANZEN  FOLGE  SIEBENUNDZWANZIGSTER  BAND. 


Mit  15  Kärtchen,  1  Bilde,  1  Stadtplan,  2  Siegelabbiidungen 
und  4  Figuren  im  Text. 


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JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1909. 


Alle   Rechte    vorbehalten, 

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nhalt. 


Seite 

Abhandlaugen. 

I.  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.    Von  Prof. 

Dr.  jur.  E.  Hey  mann  in  Marburg 1 

II.  Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thü- 
ringen.   Von  Dr.  Eichard  Wagner  aus  Apolda  .     ,      23 

III.  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen  im  Herzogtum 
Sachsen-Gotha  1641—1645.  Von  Fr.  Waas,  Pfarrer  in 
Waldmichelbach  (Odenwald) 83 

IV.  Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  Angust  von  Weimar 

in  Stützerbach.    Von  Prof.  Dr.  Wilhelm  St ieda  .     .    129 
V.  Eine  Glashütte  in  Ilmenau   im    18.  Jahrhundert.     Von 

Prof.  Dr.  Wilhelm  Stieda 153 

VI.  Die  Wüstungen  im  I.  und  IL  Verwaltungsbezirke  des 
Großherzogtums  Sachsen-Weimai*.  Von  A.  Mueller, 
Großherzogl.  Landmesser  in  Weimar.    Mit  15  Kärtchen 

und  einem  Bilde  im  Text 199 

VII.  Wider  alte  und  neue  Legenden.     Von  Paul  Höfer   .      275 
VIII.  Die  Reichspolitik  Hermanns  L,   Landgrafen  von  Thü- 
ringen und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190 — 1217).    Von 

Dr.  Ernst  Kirmse  aus  Ronneburg 317 

IX.  Konrad ,  Landgraf  von  Thüringen ,  Hochmeister  des 
deutschen  Ordens  (f  1240).    Von  Dr.  E.  Caemmerer 

aus  Arnstadt 349 

X.  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen  im  Herzogtum 

Sachsen-Gotha  1641—1645.    Von  Fr.  Waas,  Pfarrer  in 

Waldmichelbach  (Odenwald).    (Fortsetzung)      ....     395 

XI.  Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu 

Gotha.    (Mit  1  Stadtplan  von  Gotha).    Von  Dr.  Ernst 

Devrient  .     .     .  .'     .     .     . 423 

XII.  Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.  (Mit 
2  Siegelabbildungen  im  Texte.)  Von  Archivrat  Dr.  Bert- 

hold  Schmidt  in  Schleiz 435 

XIII.  Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706.    Von  Prof.  Dr. 

Jordan  in  Mühlhausen  in  Thür 461 


IV  Inhalt, 

Stite 

Miszelleii. 

I.  Die  Grabsteine  in  der  Kirche  zu  Gräfenthal  (Sachs.- 
Mein.)     (Mit  4  Figuren  im  Text.)     Von   Ernst  Kieß- 

kalt,  Postsekretär  in  Nürnberj;- .     .     . 480 

IL  Thüringische  Tranksteuerregister  der  Amter  Kamburg 
und  Dornburg  1632—1637.  Von  Prof.  Dr.  F.  Tetzner 
in  Leipzig 489 

III.  Eine  Fropsteirechnung  für  Coburg  vom  Jahre  1535.  Von 
Pfarrer  Dr.  ß erbig  in  Neustadt  bei  Coburg   ....    497 

IV.  Inventar,  Kleinodien  etc.  der  Kirchen  St.  Moritz  und 
St.  Nikolaus   zu  Coburg   im  Jahre  1528.    Von  Pfarrer 

Dr.  Berbig  in  Neustadt  bei  Coburg 501 

V.  Zur  Geschichte  der  Grafen  Heinrich  XXIV.  (f  1444) 
und  Heinrich  XXVI.  (f  1448)  von  Schwarzburg-Sonders- 
hausen.  Von  Dr.  G  u  s  t  a  v  S  o  m  m  e  r  f  e  1  d  t  in  Königsberg     506 

Litersitur. 

1.  Zwei  Schriften  zur  300-jährigen  Jubelfeier  des  Gymna- 
siums zu  Gera.  1.  Büttner,  R. :  Geschichte  des  Fürst- 
Hchen  Gymnasiums  Rutheneum  zu  Gera.  Festschrift  zur 
Feier  des  300-jährigen  Bestehens  des  Gymnasiums.    Gera 

1908.  IV  u.  234  SS.  Gr.  8°.  Mit  einer  Tafel  und 
24  Abbildungen  im  Text.  —  2.  Vollert,  Wilhelm: 
Heinrich  Posthumus  als  lutherischer  Christ  und  seine 
Bedeutung  für  die  Thüringische  Kirchengeschichte.  Gera 

1909.  63  SS.    Mit  5  Tafeln.  Von  Berthold  Schmidt 

in  Schleiz •    513 

IL  Bemmann,  Rudolf,  Zur  Geschichte  des  Reichstages 
im  XV.  Jahrhundert.  Leipzig,  Quelle  u.  Meyer,  1907. 
95  SS.  8".  =  Leipziger  Historische  Abhandlungen. 
Heft  VIL    Von  W.  Stechele 517 

III.  Fehr,  Hans,  Der  Zweikampf.  Antrittsrede.  Berlin, 
Karl  Curtius,  1908.    64  SS.    8°.    Von  W.  Stechele    .    518 

IV.  Heldmann,  Karl,  Mittelalterliche  Volksspiele  in  den 
thüringisch-sächsischen  Landen.  Halle  a.  S.,  O.  Hendel, 
1908.  57  SS.  8".  =  Neujahrsblätter,  hrsg.  v.  d.  Hist. 
Kommission  f.  d.  Prov.  Sachsen  u.  d.  Herzogtum  Anhalt. 
XXXIL    Von  W.  Stechele 518 

V.  Übersicht  über  die  neuerdings  erschienene  Literatur  zur 
thüringischen  Geschichte  und  Altertumskunde.  Von  W. 
Stechele  und  0.  Dobenecker 519 


I. 
Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

Von 

Prof.  Dr.  jur.  E.  Heymann,  Marburg  a.  L. 


In  der  Lebensgeschichte  der  Elisabeth  spielen  ihre 
Ehegüterrechtsverhältnisse  eine  besondere  Rolle.  Die  Akten 
des  Kanonisationsprozesses,  und  zwar  sowohl  der  Bericht 
Konrads  von  Marburg  wie  der  die  Zeugenaussagen  wieder- 
gebende libellus  de  dictis  quattuor  ancillarum,  erwähnen 
die  Vermögensfragen,  und  dies  ist  angesichts  der  werktätigen 
Frömmigkeit  und  des  tatsächlichen  —  wenn  auch  nicht 
rechtlichen  —  Verzichtes  der  Heiligen  auf  den  Gebrauch 
der  Güter  zu  anderen  als  frommen  Zwecken  sehr  natürlich. 
In  neuerer  Zeit  ist  die  Frage  nach  dem  Witwengut  Elisa- 
beths namentlich  von  Huyskens  ^)  erörtert  worden.  Er  ver- 
wendet die  Nachrichten  darüber  zur  Begründung  seiner  von 
der  bisher  herrschenden  durchaus  abweichenden  Meinung, 
daß  die  sog.  Vertreibung  der  Heiligen  nicht  von  der  Wart- 
burg, sondern  von  der  Marburg  erfolgt  sei. 

Auf  eine  Aufforderung  K.  Wencks  beschäftigte  ich 
mich  vor  einiger  Zeit  mit  den  in  Betracht  kommenden 
Rechtsfragen.    Im  folgenden  gebe  ich  die  an  Wenck  erteilte 


1)  Vergl.  A.  Huyskens,  Quellenstudien  zur  Geschichte  der  hei- 
ligen Elisabeth,  Landgräfin  von  Thüringen,  Marburg  1908  (im  folgen- 
den zitiert:  Huyskens). 

XXVII.  1 


2  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

Auskunft  1)  in  der  Hoffnung  wieder,  damit  zur  Klärung  des 
Elisabethlebens  eine  Kleinigkeit  beizutragen.  Darüber  hinaus 
entbehrt  die  Sache  auch  für  die  allgemeine  Rechts-  und 
verfassungsgeschichtliche  Betrachtung,  insbesondere  für  die 
Verfassungsgeschichte  des  Ludowingerhauses  nicht  des 
Reizes.  Die  Vorgänge  sind  in  der  rechtsgeschichtlichen 
Literatur,  soviel  ich  sehe,  bisher  nicht  verwertet,  und  sie 
fallen  in  eine  Zeit,  welche,  für  Thüringen  nicht  reich  an 
güterrechtlichem  Quellenmaterial  —  die  ausgiebigeren  Stadt - 
rechte  setzen  erst  später  ein  — ,  die  engen  Beziehungen 
zwischen  dynastischem  Vermögensrecht  und  Landeshoheits- 
entwickelung stark  hervortreten  läßt. 

Huyskens'  Ausführungen  haben  mich  nicht  veranlaßt, 
meine  in  allen  wesentlichen  Punkten  ohne  Kenntnis  seiner 
Arbeiten  gefaßte  Meinung  zu  ändern  ^).  Seine  Darlegungen 
sind  aber  im  folgenden  nachträglich  berücksichtigt,  und  es 
ist  zu  ihnen  Stellung  genommen  ^).    Auf  die  von  Huyskens 


1)  Für  seinen  Vortrag  zur  Marburger  Elisabethfeier,  der  jetzt 
unter  dem  Titel:  K.  Wenck,  Die  heilige  Elisabeth,  Tübingen  1908, 
gedruckt  vorliegt  (vergl.  dort  S.  52  n.  24).  Bei  der  Anfrage  ver- 
wies Weijck  auf  eine  Anzahl  für  die  Rechtsfrage  in  Betracht  kommen- 
der Quellenstellen  aus  dem  Quellenkreis  des  Elisabethlebens.  Für 
die  folgende  Untersuchung  habe  ich  das  Quellen material  dann  erheb- 
lich vermehrt;  jedoch  erschien  ein  Eingehen  auf  etwa  noch  vor- 
handenes ungedrucktes  Material  nicht  erforderlich,  zumal  der  Charak- 
ter der  gelegentlichen  Auskunft  gewahrt  bleiben  sollte. 

2)  Huyskens  rechtsgeschichtliches  Verdienst  hegt  in  der  Förde- 
rung der  Kenntnis  des  Kanonisationsverfahrens,  für  das  seine  Dar- 
legungen (vergl.  Huyskens,  S.  28,  29)  neben  den  Ausführungen 
Brackmanns  zur  Kanonisation  Annos  (N.  Archiv,  Bd.  32,  S.  153) 
Wichtiges  beibringen. 

3)  Die  umfangreiche  Elisabethliteratur  ist,  abgesehen  von 
K.  Wencks  und  Huyskens'  Arbeiten,  sowie  den  Schriften  von  Börner 
(N.  A.  13,  431  ff.)  und  Älielke  (Zur  Biographie  der  heiligen  Elisabeth, 
Eostock  1888,  Diss.)  und  den  Bemerkungen  Holder-Eggers  in  seinen 
quellenkritischen  Werken  (N.  A.  20  und  Mon.  Germ.  bist.  Sriptorum, 
tomXXX,  1,  S.  490ff.,  vergl.  612)  nur  gelegentlich  herangezogen ;  sie 
bietet  sonst  ohnehin  für  die  Rechtsfragen  kaum  etwas.    Vergl.  noch 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  3 

angeregten  quellenkritischen  Fragen  gehe  ich  im  allgemeinen 
nicht  ein ;  soweit  Quellenkritisches  für  die  hier  zu  behan- 
delnden Punkte  in  Betracht  kommt,  ist  es  im  einzelnen 
erwähnt.  Fortlaufend  aber  ist  neben  der  alten  Menckeschen 
Edition  des  Libellus  de  dictis  quattuor  ancillarumi)  der 
Huyskensche  Druck  (H.)  nach  Seitenzahlen  angeführt;  der 
Zusatz  „Nicolaus"  bezeichnet  dabei  diejenigen  Stellen,  welche 
Huyskens  auf  einen  Bearbeiter  namens  Nicolaus  zurück- 
führen will,  ohne  daß  damit  zu  dieser  Huyskensschen  Ver- 
mutung Stellung  genommen  werden  soll. 


Die  Ehe  der  Elisabeth  mit  dem  Landgrafen  Ludwig  IV., 
geschlossen  1221,  war  güterrechtlich  eine  Wittumsehe  nach 
fränkischem  Recht  2).  Denn  die  Landgrafen  von  Thüringen 
lebten  nach  fränkischem  Recht: 

Sachsenspiegel  Ld.  R.,   von  der  herren  geburt  (Homeyer, 
S.  140):  .  .    de    landgreven   von  düringen  .  .    dit  sin 
alle  vranken. 
Das    fränkische    eheliche    Güterrecht    galt    zudem    in 
Thüringen  (Schröder,  Gesch.  d.  ehel.  Güterr.,  II,  3,  S.  299), 
ohne    daß    die   späteren   Besonderheiten   der   thüringischen 
Stadtrechte  (Schröder,  1.  c.  11,  3,  S.  354)  für  die  Landgrafen- 
ehe in  Betracht  kämen.     Vor  allem  aber  ist  die  fränkische 
Wittumsehe  überhaupt  die  Grundform  für  die  Eheverträge 
des  hohen  Adels  im  Mittelalter  und  insbesondere  jener  Zeit, 


K.  Wenck,  Die  heilige  Elisabeth,  Hist.  Zeitschrift,  69;  derselbe  im 
Wartburgbuch  S.  27  ff.,  183  ff.  Sonstige  Literatur  bei  Huyskens 
1.  c,  vergl.  auch  Huyskens,  Hist. -pol.  Blätter,  1907,  Bd.  140, 
S.  725.  809. 

1)  Mencke,  Scriptores  rerum  Germanicarum  et  praecipue  Saxoni- 
carum  II,  1728,  2008—2032.  Über  die  sonstigen  Elisabethquellen 
informiert  jetzt  anschaulich  Wenck,  Vortrag,  1908,  S.  43. 

2)  Über  diese  Ehegüterrechtsform  E.  Schröder,  Geschichte  des 
ehehchen  Güterrechts,  II,  2,  §  24.  Hermann  Schulze,  Das  Erb-  und 
Familienrecht  der  deutschen  Dynastien,  S.  88ff. 


4  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

wobei    die    einheitlichen    Grundgedanken    des    hochadligen 
Eherechts  vereinfachend  gewirkt  haben. 

Elisabeth  hat  von  ihrem  Vater  eine  Aussteuer  (Heim- 
steuer) erhalten,  teils  in  Geld  (1000  Mark),  teils  in  kost- 
barer Fahrnis,  Geradestücken,  bestehend: 

Dietrich  von  Apolda  I,  2  (Canisii  Thesaurus  Monu- 
mentorum  eccl.  Ed.  J.  Basnage  I,  p.  119):  transmisit 
quoque  cum  filia  vasa  aurea  et  argentea  multa  et  magna 
et   varia   et    diademata  .  .  et  ornamenta  .  .  cum  alio 
suppellectili     innumerabili    pretiosa.      Addit    insuper 
mille    marcarum    pecuniae    summam   necnon    et    alia 
promittens  ampliora  si  vivere   contigisset  ^). 
Libellus    (Mencke  2022  A,  Huyskens,  S.  125):  insuper 
si  qua  ei  residua  fuerunt    ornamenta,    quae   de  domo 
patris    sui   regis  Ungariae  detulerat  .  .  . 
Die    Höhe    der    Geldsumme    war    die    bei    fürstlichen 
Heiraten  der  Zeit  übliche  2) ;  auch  Kaiser  Friedrich  11.  gab 
seiner  Tochter   bei   Verheiratung   mit    einem    thüringischen 
Landgrafen    1000  Mark   (Schulze,   1.  c.  S.  107);    die  Kost- 
barkeiten scheinen  dagegen    das  übliche  Maß  überschritten 
zu  haben. 

Von  Seiten  ihres  Gatten  (bezw.  dessen  Vater)  ist  ihr 
eine  dos,  ein  Wittum,  bestellt  worden: 

als  dos  bezeichnet  Libellus  2013  C,  H.  113  Nicolaus; 
2014  D,  H.  115;  2021  C,  H.  125;  2022,  H.  125; 
2022  C,  H.  Nicolaus  126  n.  a. ;  als  donatio  propter 
nuptias  2021  C,  H.  Nicolaus  125  n.  b. ;  als  dota- 
licium  2019  A.  B,  H.  121.  Wegen  der  Terminologie 
Schröder  1.  c.  II,  2,  S.  216; 


1)  Über  den  Quellenwert  ungünstig  Mielke,  Zur  Bibliographie 
der  heil.  Elisabeth,  S.  34 ;  vergl.  aber  dagegen  Holder-Egger,  N.  A.  20, 
S.  633,  der  die  Stelle  mit  Börner  für  gute  Überlieferung  hält. 

2)  Die  Vasallen  sollen  nach  der  Aussage  der  Guda  später  die 
Höhe  bemängelt  haben.    Libellus  2013  C,  H.  113  Nicolaus. 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  5 

und  zwar  handelt  es  sich  nicht  um  eine  dos  am  ganzen 
Vermögen,  sondern  um  eine  „benannte  dos":  bona  specia- 
liter  in  dotem  assignata  (Libellus  2014  D,  H.  115),  was 
als  technischer  Ausdruck  erscheint: 

Friedrich    II,    1234    Pertz.,    Mon.    Leg.    II,    308:     quae 
etiam    dodaria   nos,    die    nuptiaram    nostrarum,    prout 
est  juris  et  moris,  future  uxori  promittimus  specia- 
liter  assignare. 
Das  Wittum   der   Elisabeth   bestand   nach    der  Weise 
der  Zeit   in  Grundstücken   oder  Grundrenten,    possessiones, 
bona,    und  Elisabeth    hatte  das  Recht  auf  die  Erträge  aus 
der  Zeit    der  Ehe    (Schröder  II,  2,  S.  230).     Sie  hat  über 
diese  Erträge   während  stehender  Ehe    selbständig  verfügt. 
Libellus  2014  D,    H.  115:    de    quibusdam    bonis   specia- 
liter    in    dotem    assignatis    familiariter    sibi    et   suis 
providebat;     auch     sonst     verfügt     sie     selbständig: 
Libellus    2017,    H.    118:     quendam    .    .    .    infirmum 
pauperem  visitans  .  .  .  solvit  (sc.  debita).    Dagegen  ist 
vielleicht  die  Verteilung  des  Getreides  de  suis  grangiis 
specialibus   und   der  Verkauf  von   ornamenta  sua  zu- 
gunsten der  Armen    (2017  C.  D,  H.  119,    vergl.  den 
Bericht  Conrads  von  Marburg  1232  Wyss,  Hessisches 
Urkundenbuch  No.  34)  auf  die  erweiterte  Verfügungs- 
gewalt während  der  Abwesenheit  des  Gatten  auf  dem 
Cremonenser  Reichstage  zurückzuführen. 
Wenn  Huyskens  (S.  55)  annimmt,  daß  es  sich  bei  diesen 
von  Elisabeth  selbst  genutzten  Gütern  nur  um  eine  Morgen- 
gabe   handeln    könne    und    daß    daneben  noch  eine  Wider- 
legung,   ein  Wittumsgut,    in  Betracht  kommt,   so  kann  ich 
dem  nicht  beipflichten.    Abgesehen  davon,  daß  Wittum  und 
Widerlegung    nicht   begrifflich   identisch  sind,    scheint  mir 
keine  Nötigung  zur  Annahme  einer  Morgengabe  (wenigstens 
einer  Immobiliarmorgengabe)  vorzuliegen.     Es  ist  möglich, 
daß    eine    solche  gegeben  ist,    eine  Mobiliarmorgengabe  ist 
sogar  wahrscheinlich,  aber  in  den  Quellen  findet  sich  kein 


6  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

Hinweis  darauf.  Es  ist  immer  nur  ganz  einheitlich  von  der 
dos  die  Rede^).  Die  etwa  beim  Eheschluß  gewährte  Mobiliar- 
morgengabe mußte  wirtschaftlich  um  so  mehr  in  den  Hinter- 
grund treten,  als  das  Wittum  zweifellos  schon  bei  der  Über- 
nahme des  Kindes  Elisabeth  versprochen  worden  ist.  Auch 
der  Umstand,  daß  Elisabeth  über  die  Einkünfte  gewisser 
Güter  selbständig  verfügte,  nötigt  keineswegs  zur  Annahme 
einer  Immobiliarmorgengabe.  Denn  grundsätzlich  steht  auch 
die  Morgengabe  in  den  fürstlichen  Ehen  ebenso  wie  das 
"Wittum  in  der  Verwaltung  des  Mannes  2).  Wenn  vertrags- 
mäßig in  den  Eheberedungen  des  14.  Jahrhunderts  die  Ver- 
fügung über  die  Morgengabe  der  Frau  freigegeben  zu  werden 
pflegte  ^),  so  ist  das  eine  spätere  Sitte.  Zudem  kommt  ge- 
legentlich, und  gerade  in  der  Nähe  des  hier  fraglichen 
Rechtsgebietes,  eine  sogar  von  Rechts  wegen  eintretende 
selbständige  Verwaltung  des  Wittums  durch  die  Ehefrau 
vor  (Kl.  Kaiserrecht,  II,  51),  und  vor  allem  sind  observanz- 
mäßige  und  rechtsgeschäftliche  Dispositionserweiterungen 
zugunsten  der  Ehefrau  möglich  ^).  Eine  solche  observanz- 
mäßige  oder  auf  Einwilligung  des  Gatten  beruhende  ^)  Er- 
weiterung anzunehmen,  liegt  hier  um  so  näher,  als  die  Ein- 
künfte während  stehender  Ehe  der  Elisabeth  ohnehin  ge- 
bührten und  nicht  dem  Nutzungsrecht  des  Mannes  unter- 
lagen. Huyskens  dürfte  auch  zu  seiner  Annahme  nur  ge- 
kommen  sein,    weil   er    unzutreffend    nicht    die   Grundsätze 


1)  Das  Zurücktreten  der  Morgengabe  entspricht  durchaus  der 
Praxis  des  12.  und  13.  Jahrhunderts,  vergl.  H.  Schulze,  1.  c.  S.  102. 

2)  H.  Schulze,  1.  c.  S.  86  ff. 

3)  Belege  bei  Schröder,  II,  2,  S.  247;  nur  einer  der  dort 
angeführten  Verträge  ist  aus  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts, 
von  1286. 

4)  Vergl.  Schröder,  Geschichte  des  ehelichen  Güterrechts,  II,  2, 
S.  8  ff. 

5)  Vergl.  Aussage  der  Isentrud:  Maritus  .  .  .  beate  Elizabeth 
ad  omnia  exercenda,  que  ad  Dei  spectant  honorem,  liberam  concessit 
facultatem  eam  ad  anime  salutem  promovendo,  LibeUus  H.  121. 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  7 

der  fränkischen  Wittumsehe,  sondern  diejenigen  des  süd- 
deutschen, schwäbisch-bayrischen  Eherechts  zugrunde  legt  i), 
in  welchem  es  an  einem  entwickelten  Wittumsrecht  im 
späteren  Mittelalter  fehlt. 

Wo  die  Wittumsgüter  Elisabeths  lagen,  wird,  soviel 
ich  sehe,  im  allgemeinen  nicht  gesagt.  Nur  Isentrud  (Mencke 
2021  C,  H.  125  Nicolaus)  sagt  ausdrücklich:  .  .  .  idem 
oppidum  (sc.  Marborch)  a  marito  suo  in  donationem  propter 
nuptias  accepisset.  Daß  daselbst  sämtliche  Wittumsgüter 
lagen,  ist  möglich,  folgt  aber  aus  der  Stelle  meines  Erachtens 
nicht  notwendig.  Huyskens  folgert  (S.  55)  ein  nicht  allzu 
weites  Auseinanderliegen  der  Güter  aus  dem  Umstand,  daß 
einige  Vasallen  zur  Dejektion  genügten.  Indessen  handelt 
es  sich  bei  den  Worten  eiecta  fuit  de  possessionibus  a  quibus- 
dam  vasallis  mariti  sui  (Libellus  2019  C,  H.  121 ;  2028  A, 
H.  129)  nicht  um  körperliche  Depossedierung  aus  den 
Grundstücken.  Denn  nach  mittelalterlicher  Wirtschaftsart 
können  als  Einkünfte  der  Wittumsgüter  nur  (Natural-) 
Renten  in  betracht  gekommen  sein.  Diese  gingen  natür- 
lich durch  die  Hände  der  landgräflichen  —  zentralen  und 
lokalen  —  Verwaltungsbeamten  und  von  diesen  wurden 
sie  der  Elisabeth  gesperrt  2).  Daß  diese  Beamten  Vasallen 
ihres  verstorbenen  Gatten  gewesen  waren,  müßte  auch 
dann  angenommen  werden,  wenn  die  Urkunden  nicht  er- 
gäben, daß  Heinrich  Raspe  das  ministeriale  Verwaltungs- 
personal seines  Bruders  Ludwig  in  der  Hauptsache  beibehalten 


1)  Behandelt  bei  Schröder,  1.  c.  II,  1;  Huyskens  (S.  55  n.  2  u.  3) 
zeigt  durch  seine  Verweisungen  auf  diesen  Teil  des  Schröderschen 
Werkes  deuthch,  daß  er  dem  für  den  Nichtjuristen  entschuldbaren 
Irrtum  verfallen  ist;  erst  S.  (55  verweist  er  neben  einer  Stelle  aus 
Schröder  II,  1  auf  eine  solche  aus  Schröder  II,  2,  wo  das  fränkische 
Recht  behandelt  wird. 

2)  In  ähnlichem  Sinne,  jedoch  ohne  hinreichenden  Einblick 
in  die  Rechtslage,  spricht  Mielke  (Zur  Biographie  der  heihgen 
Elisabeth,  S.  67)  von  Entziehung  der  Vermögensrechte  und  De- 
possedierung. 


8  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

hati).  Es  leuchtet  ein,  daß  unter  diesen  Umständen  auch 
einige  Vasallen  genügten,  um  Elisabeth  die  Einkünfte  vor- 
zuenthalten. —  Nicht  als  zum  Wittum  gehörig  bezeichnet 
wird  übrigens  diejenige  Stadt,  in  welcher  Elisabeth  de  castro 
eiecta  bei  den  fratres  minores  das  Te  deum  laudamus  singen 
ließ  (Mencke  2019  C,  H.  121),  vielmehr  wird  von  ihr 
nur  gesagt,  daß  opidi  dominium  ex  successione  paterua  ad 
pueros  (parvulos  sc.  der  Heiligen)  spectäbat  (vergl.  unten). 
Zwar  wurde  die  Nutzung  der  dos  wie  gesagt  der  Elisabeth 
vorenthalten,  doch  wurde  ihr  von  Heinrich  Raspe  sustentatio 
Natural  Verpflegung,  zusammen  mit  dem  minderjährigen 
anderen  Bruder  ihres  verstorbenen  Gatten  (bezw.  Heinrich 
selbst)  angeboten ;  diese  lehnt  sie  aber  ab : 

Aussage  der  ancilla  Irmgard,  Libellus  2028  A,  H.  129: 
Mortuo  marito  ipsius  non  fuit  beate  Elisabeth  permissa 
ad  tempus  uti  bonis  mariti  sui  prepedita  a  frate  mariti 
sui ;  poterat  quidem  sustentationem  habuisse  cum  fratre 
mariti  sui,    sed  de  preda    et  exactione  pauperum,    que 


1)  Rudolf  US  pinceroa,  Hermannus  dapifer,  Heinricus  camerarius, 
Heinricus  marescalcus,  Heinricus  notarius  oder  scriptor  (letzterer 
vielleicht  Kleriker)  erscheinen  unter  Ludwig  IV.,  vergl.  Cod.  dipl. 
Sax.  I,  3  no.  376  a.  1226,  no.  391  a.  1227,  no.  393  a.  1227,  no.  401 
a.  1217—27,  no.  404  a.  1217—27;  und  sie  kehren  unter  Heinrich 
Raspe,  gelegentlich  gemischt  mit  anderen  Trägern  der  gleichen  Amter 
wieder,  vergl.  daselbst  no.  409  a.  1228  Heinricus  scriptor,  no.  411 
a.  1228  Rudolfus  pincerna  de  Vargla,  Heinricus  marescalcus  de 
Eckhartesberc,  notarius  Heinricus,  no.  412  a.  1228  dieselben,  vergl. 
no.  414  a.  1228,  no.  415  a.  1228,  no.  423  a.  1228  Rudolfus  pincerna 
de  Saleke,  no.  424  a.  1229  Rudolfus,  no.  425  a.  1230  Berthohus  et 
Cunemundus  dapiferi,  no.  445  a.  1231  Rudolfus  uterque  pincerna, 
Berchtous  Dapifer,  Heinricus  et  Hermanus  camerarii:  Heinricus 
notarius.  —  Was  die  lokalen  Verwaltungsbeamten  anbetrifft,  so 
kommt  hier  der  Amtmann  (viUicus,  scultetus)  von  Marburg  in 
Betracht.  Daß  dieser  damals  als  Ritter,  und  wahrscheinlich  als  Mar- 
burger Burgmann  zu  denken  ist,  siehe  Küch,  Z.  f.  hess.  Gesch., 
N.  F.  Bd.  29,  S.  153.  —  Über  die  thüringische  Ministerialität  und 
ihr  Verhältnis  zum  Adel  im  Allgemeinen  His,  Z.  f.  thüring.  Gesch., 
Bd  22,  S.  1  ff. 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  9 

sepius  in  curiis  principum  fiunt,  noluit  victum  habere 

et  elegit    abjecta    esse    et    opere    manuum  eins    velud 

questionaria  victum  acquirere. 

Huyskens    (S.  61)    erklärt   diese  Aussage    für  Klatsch. 

Indessen  sie  ist  ganz  einwandsfrei.     Ein   Gegensatz  zu  der 

Aussage    der  Isentrud   und  Guda,  wonach  Elisabeth    eiecta 

sei,    ist  gewiß   vorhanden  (vergl.  Boerner,    N.  Archiv  XIII, 

1888,  S.  463  n.  5),    er   erklärt  sich  aber  meines  Erachtens 

aus  dem  Gegensatze    einer   feineren  Auffassung    der  Dinge 

bei  Isentrud  iind  Guda,  zu  einer  natürlicheren  und  derberen 

bei  Irmgard.      Was   jenen    beiden    als    ein    Hinausdrängen 

erschien  (eiecta),  und  erst  recht  von  der  sensiblen  Jiilisabeth 

so  beurteilt  wurde,  führt  Irmgard  naiv  auf  den  einfacheren 

—  gleichviel  ob  direkt  oder  indirekt  in  Erfahrung  gebrachten 

—  Tatbestand  zurück,  daß  Elisabeth  zwar  hätte  bleiben 
können,  aber  wegen  der  Vermögensstreitigkeiten  und  ihrer 
damit  zusammenhängenden  religiösen  Bedenken  nicht  bleiben 
wollte  (elegit  abjecta  esse).  Dementsprechend  stellt  auch 
Irmgard  ruhig  fest,  daß  der  Landgraf  Heinrich  Raspe  selbst 
der  Schuldige  ist,  während  die  beiden  anderen  Zeuginnen 
ihn  schonen  und  die  Verantwortung  den  Beamten  zuschieben. 
Dabei  entschuldigt  ihn  Irmgard  im  Grunde  besser  als  jene 
beiden  es  mit  ihrer  formellen  Unterscheidung  tun  (vergl. 
unten).  Die  sehr  gut  redigierten  Zeugenaussagen  würden 
auch  in  einem  heutigen  Protokoll  so  nebeneinander  stehn 
können;  der  äußerliche  Widerspruch  macht  sie  nur  wert- 
voller. Endlich  bedeutet  die  von  Huyskens  (S,  61  n.  1) 
erwähnte  Bemerkung  einer  Handschrift  von  1282 :  tamquam 
dissipatrix  et  prodiga  a  quibusdam  vasallis  sui  viri  turpiter 
et  totaliter  est  eiecta  meines  Erachtens  ebenfalls  keineswegs 
einen  unlösbaren  Widerspruch,  sondern  es  werden  nur  die 
Motive  der  handelnden  Vasallen  erläutert. 

Elisabeth  forderte  also  ihr  Wittum.  Im  Streit  darum 
versprechen  ihr  die  heimkehrenden  Vasallen  ihres  Gatten 
Hilfe  (Libellus  2021  C,  H.  125)  zur  recuperatio  dotis. 
Andererseits  nimmt  Gregor  IX.  Elisabeth  unter  seinen  Schutz 


10  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

und  bestellt  ihr  —  offenbar  als  einer  persona  miserabilis 
—  (vergl.  c.  15  X  de  foro  competenti  2,2  Honorius  III,  ein 
ähnlicher  Fall)  —  den  Magister  Konrad  von  Marburg  als 
Defensor  (Bericht  Konrads  Wyss  34,  H.  156,  157,  Irmgard 
Libellus  2022,  H.  126,  Dobenecker,  ßegesta  diplomatica 
Historiae  Thuringiae  II  2454).  Auf  Betreiben  Konrads  wird 
die  Landgräfin  von  den  Brüdern  ihres  Gatten  befriedigt,  und 
zwar  erfolgt  die  Befriedigung  zum  Teil  in  Geld :  2000  Mark 
pro  dote.  Davon  wurden  sogleich  500  Mark  an  die  Armen 
verteilt  (Libellus  2022,  H.  125),  allmählich  ist  auch  der 
Rest  in  elemosinam  verwendet  worden,  insbesondere  wohl 
zur  Erbauung  des  Hospitals  (quam  totam  in  elemosinam 
expendebat,  Libellus  2022  C,  H.  126  n.  a.  Nicolaus).  Außer 
dem  Gelde  empfing  Elisabeth  aber  Grundstücke  zur  Leib- 
zuoht,  und  zwar  sicher  diejenigen,  auf  denen  später  das 
Marburger  Hospital  stand : 

Urkunde  der  Schwäger,  Wyss  no.  25:  nihil  juris  tam  in 
area    quam    in  aliis,     quae  supradicto  hospitali  assig- 
naverat,  nisi  quamdiu  viveret,  ipsi  a  nobis  fuit  assig- 
natum. 
Endlich  finden  sich  in  ihren  Händen  nach  Erledigung 
des  Streites  auch  noch  erhebliche  Reste  der  kostbaren  Ge- 
rade,   ornamentai  (Libellus    2022  A,  H.  125),    die  ihr  viel- 
leicht   überhaupt    nicht,     oder    nur    teilweise    vorenthalten 
worden  waren.     Darauf  läßt  die  Wendung  schließen :  pigno- 
ribus  expositis  (Libellus  2019,  H.  122,  der  meines  Erachtens 
ohne  hinreichenden  Grund  expulsis  liest).     Soweit  Elisabeth 
außer  dem  Wittum  (und  einer  etwaigen  Mobiliarmorgengabe) 
Fahrnisstücke  des  Ehemanns,  erhielt,   haftet  sie  für  dessen 
Schulden  (vergl.  Schröder,  II,  2,  S.  228);  die  Wendung  im 
Berichte  Konrads  von   Marburg:    propter   reddenda    debita 
mariti    deutet   wohl    aber   hierüber   hinaus    darauf,    daß  sie 
auch    etwaige   sonstige    Schulden    und   vor   allem    die    rein 
moralische  Schuld  der   preda  et  exactio   pauperum    decken 
und   sühnen  wollte.     Im   Zusammenhang    damit   wird   man 
auch  an  Zahlungen  für  Seelenmessen  denken  dürfen,  wenn 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  H 

man  nicht   etwa   mit  Börner    (1.  c.  S.  461  u.  2)    die  Stelle 
sogar  ausschließlich  auf  solche  beziehen  will  i). 

II. 

Der  eigentliche  Streitpunkt  mit  den  Schwägern  in  der 
Wittumssache  wird  in  den  Quellen  nicht  genannt.  Er  läßt 
sich  im  einzelnen  nur  vermuten.  Vielleicht  könnte  Näheres 
auf  Grund  umfassender  Nachforschungen  über  die  Ver- 
mögenslage des  landgräflichen  Hauses  —  wie  sie  für  die 
spätere  Zeit  namentlich  Küch  (Z.  f.  hess.  Gesch.,  Bd.  29) 
angebahnt  hat  —  festgestellt  werden.  Vorläufig  wird  man 
etwa  folgendes  sagen  können. 

Die  landgräfliche  Familie  lebte  nach  dem  Tode  des 
Landgrafen  Hermann  —  und  gewiß  auch  schon  vorher  — 
in  Ansehung  ihres  Familiengutes  in  einer  privatrechtlichen 
Gemeinderschaft  ^).  Zwar  galt  für  die  Landgrafenwürde  das 
Prinzip  der  Sukzession  des  Erstgeborenen,  und  dieser  Grund- 
satz ist  unter  starker  Betonung  des  Amtscharakters  der 
Würde  gerade  im  Ludowingerhause  besonders  streng  befolgt 
worden  ^).  Davon  aber  ganz  abweichend  konnten  sich  die 
Rechtsverhältnisse  und  insbesondere  die  Sukzession  am 
Hausvermögen,  der  hereditas,  gestalten,  gleichgültig,  ob 
dieses  Hausvermögen  aus  Allodien  oder  aus  Lehen  oder, 
wie  meist  und  insbesondere  bei  den  Ludowingern  *)  aus  Allo- 
dien und  Lehen  (bei  den  Ludowingern  namentlich  Kirchen- 


1)  Vergl.  aber  Ducange  s.  v.  debitum  no.  3,  welcher  unter 
debitum  animae  überhaupt  preces  et  eleemosinae,  quae  pro  anünae 
defuncti  offeruntur  versteht;  bei  Elisabeth  liegt  es  besonders  nahe, 
an  Gaben  für  die  Armen  zu  denken. 

2)  Vergl.  dazu  im  allgemeinen  H.  Schulze,  Recht  der  Erst- 
geburt, S.  178  ff.  235  ff. 

3)  Vergl.  H.  Schulze,  Erstgeburt,  S.  135  ff.;  Diemar,  Stamm- 
reihe, Z.  f.  hess.  Gesch.,  Bd.  27,  S.  1  ff. 

4)  Über  den  Bestand  des  landgräflichen  Vermögenszusammen- 
ßtellung  bei  Ilgen  und  Vogel:  Z.  f.  hess.  Gesch.,  Bd.  20,  S.  201  ff., 
Geschichte  des  thüringisch-hessischen  Erbfolgekrieges. 


12  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

leben)  bestand.  Nur  die  eigentliche  Ausstattung  des  Reichs- 
amtes teilte  dessen  Schicksale  i).  Sondergut  einzelner  Mit- 
glieder des  Hauses  war  neben  dem  Gemeindergut  möglich. 
Wir  finden  solches  später  in  der  Hand  des  Landgrafen 
Konrad  (Dobenecker,  Eeg.  III,  231,  239,  472):  de  bonis 
propriis  eidem  hospitali  .  .  possessiones  .  .  assignavit. 

Für  die  Annahme  einer  Gemeinderschaft  der  landgräf- 
lichen Familie  am  Familiengut  spricht  zunächst  der  Um- 
stand, daß  die  jüngeren  Brüder  Statthaltereien  zu  erhalten 
pflegten  2).  Es  bedarf  aber  des  Hinweises  hierauf  gar  nicht  ^). 
Denn  es  werden  vielfach  Verfügungen  geradezu  mit  „ge- 
samter Hand"  vorgenommen: 

Codex  dipl.  Sax.  I,  3  no.  344  a.  1225  (Dobenecker  2235) 
Ludowicus  dei  gratia  lantgravius  .  .  coadunata 
Heinrici  [et]  Cunradi  meorum  manu  .  .  advocatiam 
resignavi. 
Wyss  1.  c.  no.  13  a.  1225  (Dobenecker  2261)  Ludwig  IV. 
urkundet:  .  ,  habito  .  .  consensu  fratrum  nostrorum 
Heinrici  et  Cunradi,  omne  jus,  quod  in  omnibus  posses- 
sionibus  eorum,  quos  habent  et  habituri  sunt  in  terris 
nostris,  habere  dinoscimur  coadunatis  manibus 
et  pari  consensu  fratribus  donavimus. 


1)  Das  war  offensichtlich  der  Standpunkt  der  Sophie  im  späteren 
hessisch- thüringischen  Erbfolgestreit,  als  sie  (Wegele,  Friedrich  der 
Freidige,  S.  10  ff.)  die  Erbgrafschaft  mit  Eisenach  und  der  Wart- 
burg in  Anspruch  nahm.  Vielleicht  beruhte  auch  die  Eisenacher 
Eichtung  von  1250  auf  dem  Gedanken  einer  Fortsetzung  der  Ge- 
meinderschaft mit  den  Wettinern  in  Ansehung  dieser  Hausgüter. 

2)  Hermann  Schulze,  Erstgeburt,  S.  181. 

3)  Die  von  Ilgen  und  Vogel  1.  c.  S.  208  note  2  gegen  Schutzes 
Annahme  gerichteten  Ausführungen  greifen  nicht  durch.  Die  Titu- 
laturen schwanken,  und  andererseits  beweisen  einzelne  Rechtshand- 
lungen einzelner  Gemeinder  ohne  Zustimmung  der  anderen  nichts 
gegen  die  Gemeinderschaft;  solche  Akte  können  auf  Ermächtigung, 
Nutzteilung,  Sondergut  etc.  beruhen  und  liegen  im  Falle  einer  Statt- 
halterei  besonders  nahe.  Zudem  beweisen  die  im  folgenden  gegebenen 
Belege,  daß  Schulze,  der  übrigens  nicht  von  Gemeinderschaft  spricht, 
durchaus  recht  hatte. 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  13 

Cod.    dipl.    Sax.  I,    3    no.  515  a.  1234    (Dobenecker   III, 

464) :  Die  Landgrafen  Heinrich,  Konrad  und  Hermann 

handeln    entsprechend    unanimi    voluntate    et 

consensu. 

An  anderen  Stellen  wird  ausdrücklich  von  den  coheredes 

den  Gremeindern,  gesprochen: 

Cod.    dipl.    I,    3    no.    345    a.    1225    (Dobenecker    2246): 
Ludowicus  ...    ex  consensu  predilecte  matris  nostre 
Sophie,    uxoris    nostre    Elisabeth,    fratrum    nostrorum 
Heinrici   E.(aspe)    et    Cunradi    ibidem    praesentium  et 
universorumcoheredumnostrorum  liberaliter 
consensimus. 
Cod.  dipl.  Sax.  I,  3  no.  412  a.  1228  (Dobenecker  III,  15) 
Heinricus  ...    ex    consensu  predilecte    matris   nostre 
Sophie,  uxoris  nostre  Elisabeth,  fratris  nostri  Conradi 
et  universorum  coheredum  nostrorum. 
Auch  Cod.  dipl.  Sax.  I,  3  no.  305  a.  1222  (Dobenecker  2001) 
heredum    suprascriptorum,    preter  quos   necdum    alios 
habui  ist  auf  die  Gemeinderschaft  zu  deuten. 
Diese  Gemeinderschaft   am    Familiengut    ist    zu  unter- 
scheiden   von    der    Gesamtbelehnung    mit    dem    Reichsamt. 
Diese  Gesamtbelehnung,  an  der  Ficker  (Reichsfürstenstand, 
S.  251)  noch  zweifelte,  hat  K.  Wenck  (Wartburgbuch,  S.  215 
und  Note  dazu  S.  702)    für  die  Zeit  nach  dem  Tode  Lud- 
wigs IV.    dargetan.     Das    Bestehen    einer   Gemeinderschaft 
am    Familiengut    würde    Wencks    Annahme    nicht    wider- 
sprechen, sie  vielmehr  stützen,  da  die  Gesamtbelehnung  in 
der  Gemeinderschaft  eine  Unterlage  finden  müßte.     Wurde 
doch  bisweilen  als  Voraussetzung  für  die  Gesamtbelehnung 
gefordert,    daß    die  zusammen    zu  Belehnenden   wirklich   in 
gleicher  Gewere  saßen,   „ein  Haus  und  ein  Gesinde"  hatten 
(Homeyer,    Ssp.  II,  2,  457  f.,    Schulze,  Erstgeburt,  S.  235) 
Wenn  sich  dies   auch  zunächst    auf  das  gemeinsame  Sitzen 
in  der  Lehnsgewere  bezieht,    so    mußte    in  Fällen  wie  dem 
vorliegenden    das  Verhältnis    am   Familiengute    die    gleiche 
Rolle  spielen,  da  dieses  die  tatsächliche  wirtschaftliche  Basis 


14  2um  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

der  hohen  Pamilie  bildete  und  nach  der  herrschenden  Meinung 
nicht  einmal  die  Wartburg  Reichslehn  war.  Die  energisch 
durchgeführte  i)  Gemeinderschaft  an  der  hereditas  und  die 
damit  gesicherte  Fortexistenz  der  landgräflichen  Grundherr- 
schaft als  Einheit  ist  die  entscheidende  Grundlage  ^)  für  die 
tatsächliche  Machtstellung  der  Ludowinger  gewesen ,  die 
damals  nach  der  Königskrone  greifen  konnten. 

Mit  dem  Tode  des  Landgrafen  Ludwig  IV.,  des  Gemahls 
der  Elisabeth,  erhielten  dessen  Anteil  an  der  Gemeinder- 
schaft seine  Kinder.  Doch  blieb  dieser  Anteil  ungeteilt 
mit  den  Anteilen  der  Brüder  des  verstorbenen  Landgrafen 
zusammen,  und  diese  konnten  während  der  Unmündigkeit 
der  Kinder  ihres  Bruders,  als  durch  dessen  Fortfall  allein 
vertretungsberechtigte  Gemeinder,  über  das  Hausgut  ver- 
fügen. 

Wyss  no.  25  a.  1232 :  hospitale  .  .  in  hereditate  nostra 
situm  est,  in  qua  (sc.  Elisabeth)  ne  unum  agrum 
habet  vel  habuit,  quae  ad  nos  cum  area,  in  qua  ipsum 
aedificatum  est  ex  parte  fratis  nostri  non  devenisset. 

Der  Text  B,  welcher  patris  statt  fratris  sagt  ^),  hat  den 
Zusammenhang  nicht  voll  verstanden,  ohne  daß  übrigens  das 
Wort  patris    mit  dem  Gedanken    der    Gemeinderschaft   un- 


1)  Um  Durchsetzung  der  Gemeinderschaft  handelt  es  sich  ver- 
mutlich bei  den  Differenzen  (Ilgen  und  Vogel  1.  c.  S.  212)  mit  den 
Lehnsherren  der  landgräflichen  Kirchenlehen.  Ein  einzelnes  Beispiel 
der  von  den  Landgrafen  gegenüber  den  eigenen  Familienmitgliedern 
bei  der  Durchführung  der  Gemeinderschaft  bewiesenen  Energie  ist  die 
sog.  Vertreibung  Elisabeths  von  der  Wartburg,  s.  unten  S.  18  ff. 

2)  Wie  anders  die  Entwickelung  laufen  konnte,  wenn  das  Haus- 
vermögen nicht  mit  dem  Reichsamt,  der  rechtlichen  Grundlage  der 
Landesherrlichkeit,  als  Einheit  verbunden,  sondern  unter  verschiedene 
Zweige  des  Hauses  verteilt  war,  zeigt  ein  vergleichender  Blick  auf 
die  Verhältnisse  der  Zähringer,  wie  sie  jüngst  Fehr,  Die  Entstehung 
der  Landeshoheit  im  Breisgau,  Leipzig  1904,  dargestellt  hat. 

3)  Offenbar  wegen  des  naheliegenden  Gedankens,  daß  an  sich 
die  Kinder  und  nicht  die  Brüder  den  Landgrafen  hätten  beerben 
müssen. 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  15 

vereinbar  wäre.  —  Wenn  Heinrich  Raspe  und  Konrad  nur 
von  sich  und  nicht  von  ihrem  Neffen,  dem  jungen  Landgrafen 
Hermann,  sprechen,  so  erklärt  sich  das  eben  aus  dessen  Un- 
mündigkeit. Es  ist  für  die  Gemeinderschaft  charakteristisch 
daß  nach  Eintritt  der  Mündigkeit  Hermanns  (geboren  28.  März 
1222.  Diemar,  Namenreihe  S.  11)  dieselben  Grundstücke 
—  allodia  circa  Marburc  —  um  die  es  sich  in  der  genannten 
Urkunde  von  1232  handelt,  von  Heinrich  und  dem  jungen 
Hermann  als  ihnen  gehörig  bezeichnet  werden. 

Wyss  no.  45  a.   1234  November  6  (Dobenecker  III,  464, 
cf.  465):  Heinricus  et  Hermannus  .  .  .  unanimi  volu- 
tate  et  consensu  .  .  .  donavimus  .  .  .  omnia  bona  nostra 
in  villis,  que  dicitur  Rieth,  .  .  .  allodium  in  Grifstete 
.  ,  .  officium   in  Gunnestete    (etc.)  .  .  et    molendinum 
juxta   hospitale    in  Marburc  cum    omnibus    allodiis 
nostris  circa  Marburc  adjacentibus. 
Unter  demselben  Datum  stellen  Heinrich,  Konrad  und 
Hermann    eine  gleichlautende  Urkunde    aus.      Hermann    ist 
jetzt  ebenfalls  vertretungsberechtigter  Gemeinder  geworden. 
Mit  der  Gemeinderschaft  steht  es  weiterhin  auch  im  Einklang, 
wenn  Isentrud  (H.  S.  121)  mit  Bezug  auf  die  Stadt,  wo  das 
Te  deum  gesungen  wurde,  sagt :  capita  puerorum  suorum,  ad 
quos  tarnen  ejusdem  opidi  domininum  ex  successione  paterna 
spectabat.     Das  heißt  nicht,  sie  seien  ausschließliche  Eigen- 
tümer,   sondern  nur,    sie    seien  an    der  Gemein derschaft  an 
Stelle  des  Vaters  beteiligt;  an  ein  eigentliches  Sondergut  der 
Kinder  oder  auch  nur  an  eine  Nutzteilung  zu  ihren  Gunsten, 
die  übrigens  an  sich  möglich  wären,  braucht  man  nicht  zu 
denken. 

In  einer  Reihe  von  Fällen  wirken  Frauen  —  die  ver- 
witwete Landgräfin  Sophie,  die  heilige  Elisabeth,  Elisabeth 
die  Gattin  Heinrich  Raspes  —  bei  Rechtsakten  der  Ge- 
meinderschaft mit  1).   Huyskens  (S.  57)  schließt  aus  solchen 


1)  Dobenecker,  II  1814  a.  1218;  1976  a.  1221;  2001  a.r222;  2118 
a.  1223 ;  2246  a.  1225 ;  Dobenecker  III  15  a.  1228 ;  212  a.  1231  etc. 


IQ  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

Mitwirkungen  für  die  Sophie,  daß  es  sich  jedesmal  um  ihre 
Wittumsgüter  handelt.  Vielleicht  ist  das  für  einige  Fälle 
zutreffend.  Indessen  scheint  die  Verallgemeinerung  doch  be- 
denklich, schon  deshalb,  weil  neben  der  Sophie  seit  1221, 
dem  Jahre  der  Verehelichung  Ludwigs  IV.,  regelmäßig  auch 
dessen  Gattin,  die  heilige  Elisabeth,  genannt  wird,  und  zwar 
bis  zur  Zeit  ihrer  Abschichtung.  Diese  ist  offenbar  bei  der 
Beerdigung  ihres  Mannes  erfolgt  i),  so  daß  die  Urkunden  bei 
Dobenecker  III,  no.  14  und  15  vom  16.  Mai  1228,  bereits 
in  die  Zeit  nach  der  Abschichtung  fallend,  die  Elisabeth  nicht 
mehr  erwähnen.  Wenn  vorher  die  Elisabeth  neben  der 
Sophie  genannt  wird,  so  müßte  es  sich,  wenn  Huyskens 
recht  hätte,  in  solchen  Eällen  um  Wittumsgut  beider  Frauen 
handeln,  was  namentlich  bei  Vergabungen  kleiner  Grund- 
stücke (z.  B.  Dobenecker  II,  2001)  ausgeschlossen  ist.  Man 
wird  vielmehr  die  Mitwirkung  der  Frauen  so  zu  erklären  2) 


1)  Damit  schied  sie  aus  der  Gemeinderschaft  aus,  und  das  Recht 
auf  das  Zusammenleben  mit  der  Familie  hörte  auf.  Damit  stimmt 
die  Aussage  der  Isentrud  überein :  Post  sepulturam  (vero)  viri  sui 
commodo  eius  ab  omni  neglecto  in  priori  mendicitate  stetit  et  in- 
opia,  donec  ad  mandatum  magistri  Cunradi  Marburc  se  transtulit 
etc.  Libellus  2021  C,  H.  125.  In  Marburg  ist  der  Abschichtungs- 
vertrag  von  Reinhardsbrunn  dann  seitens  der  Familie  durch  Übergabe 
der'  Leibzuchtgrundstücke  imd  der  Geldsumme  unter  Vermittlung 
Konrads  von  Marburg  erfüllt  worden.  Übrigens  auch  wenn  man, 
wie  Huyskens  (S.  66)  das  zu  tun  scheint,  den  Abschichtungsvertrag 
nach  Marburg  verlegen  wollte,  ändert  das  nichts.  Denn  die  Urkunden 
vom  16.  Mai  1228  von  Moseburc  bei  Steinbach-Hallenberg  auf  der 
anderen  Seite  des  Gebirges  (vergl.  Dobenecker  III,  15  note  1)  sind 
damit  ebenso  vereinbar,  da  sie  nicht  unmittelbar  nach  der  Be- 
erdigung ausgestellt  sein  werden.  Zudem  bleibt  natürlich  auch 
offen,  daß  Elisabeth  in  Moseburc  gerade  wegen  ihres  Streites  mit 
den  Verwandten  nicht  konsentiert. 

2)  Eine  Erklärung  aus  dem  Erbenwartrecht  allein  würde  schon 
wegen  der  Mitwirkung  kinderloser  Frauen  (z.  B.  Elisabeth  1221, 
Dobenecker  II,  1976)  Bedenken  unterliegen  (vergl.  allerdings  Stobbe- 
Lehmann  II,  1  §  117  n.  25).  Doch  hängt  Erbenwartrecht  und  Ge- 
meinderschaft aufs  engste  zusammen.  Vergl.  R.  Schröder,  R.  Gesch. 
§  61  n.  73  ff.;   O.  Gierke,   D.  Priv.-R.  II   §  153  und  dort  Zitierte, 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  17 

haben,  daß  die  fürstlichen  Ehefrauen  und  Witwen  des  Land- 
grafenhauses als  Mitglieder  der  Gemeinderschaft  betrachtet 
wurden,  weil  ihnen  die  Wittumsgüter  zunächst  nur  in  der 
Form  der  Nutzteilung  (Mutschierung)  zugewiesen  wurden  und 
sich  im  übrigen  ihre  Zugehörigkeit  zur  Gemeinderschaft 
durch  das  ihnen  freistehende  Leben  im  Kreise  der  Familien- 
genossen mit  dem  Recht  auf  Naturalunterhalt  —  sustentatio  — 
betätigte.  Man  zog  sie  deshalb  zu  wichtigeren  Akten,  nament- 
lich zu  Schenkungen  zu.  Kamen  sie  auch  nicht  als  Erbinnen 
ihrer  Gatten  (wohl  aber  ihrer  Kinder)  in  Betracht,  so  hatten 
sie  doch  am  Gesamtgut  ein  rechtliches  Interesse;  weil  ihre 
Wittumsgüter  noch  ungeteilt  im  Gemeindergut  sich  befanden, 
wirkten  sie  bei  Verfügungen  überhaupt  mit.  Natürlich  konnte 
dieser  Zustand  auch  über  den  Tod  des  Gatten  hinaus  für 
die  Witwen  andauern  und  er  scheint  insbesondere  für  die 
Sophie  angedauert  zu  haben.  Es  konnte  aber  auch  eine 
Abschichtung  der  Witwe  im  Sinne  der  Tatteilung  erfolgen. 
Dann  bekam  sie  nicht  nur  ihre  Wittumsgüter,  sondern  daneben 
auch  die  ihr  sonst  gebührenden  Werte,  wie  eingebrachte  Geld- 
summen, Kostbarkeiten,  Gerät  etc.,  heraus,  löste  aber  ihre 
Zugehörigkeit  zur  Gemeinderschaft ;  die  Wittumsgüter,  die 
sie  ohnehin  schon  genutzt  hatte,  standen  ihr  dann  zu  ge- 
wöhnlicher Leibzucht  zu,  wie  sie  auch  für  jeden  Dritten  am 
Gemeindergut  begründet  werden  konnte. 

Die  Gemeinder  leben  auf  gemeinsamen  Gedeih  und 
Verderb,  am  gleichen  Herd.  Die  ganze  Familie  hatte  ein- 
schließlich der  Frauen  und  Kinder  die  bereits  erwähnte 
gemeinsame  sustentatio  —  die  Familienmitglieder  des  Land- 
grafenhauses wohl  in  erster  Linie  auf  der  Hauptburg,  der 
Wartburg.  Diese  sustentatio  ist  Elisabeth  angeboten  worden, 
die  Nutzung  ihres  Wittums  wurde  ihr  dagegen  vorenthalten. 
Sie  wollte  aber  aus  Gewissensbedenken  —  dem  früheren 
Speiseverbot   ihres  Beichtvaters  entsprechend  —  nicht  aus 


insbesondere   Schulze,   Erb-   und   Familienrecht,    S.  50,   aber  auch 
E.  Schröder,  Z.  f.  E.G.,  Bd.  9,  S.  410  ff. 

XXVII.  2 


J3  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

Einkünften  leben,  die  aus  der  Landgrafschaft  flössen.  Sie 
forderte  daher  die  Nutzung  ihres  Immobiliar Wittums,  das 
an  dem  Familiengut  bestellt  war.  Ihr  Verlangen  scheint 
aber  weiter  gegangen  zu  sein:  sie  beanspruchte  offenbar 
vollständige  Abschichtung,  Tatteilung,  und  zwar  scheint  sie 
nicht  nur  das  Eigentum  an  den  ihr  zu  Eigentum  gebühren- 
den Werten,  sondern  darüber  hinaus  das  Eigentum  an  den 
Wittumsgrundstücken  gefordert  zu  haben,  weil  sie  auch 
über  diese  in  elemosinam,  durch  Vergabungen  ad  pias  causas 
in  der  Weise  der  Zeit  verfügen  wollte ;  hatte  doch  Magister 
Konrad  sie  am  Armutsgelübde  gehindert,  wie  er  berichtet: 
propter  egenos,  quibus  volui  de  hiis,  que  pertinebant  ad 
eam  ratione  dotis  subveniri.  Daß  Elisabeth  damit  die  Vor- 
stellung von  Immobiliarverfügungen  verbunden  haben  mag, 
zeigt  ihr  späteres,  gleich  zu  erwähnendes  Verhalten  i). 

Die  Landgrafen  waren  zweifellos  zur  Herausgabe  des 
Eigentums  an  den  Wittumsgrundstücken  nicht  verpflichtet, 
da  das  Wittum  gewöhnlich  und  namentlich  im  Fall  einer 
Gemeinderschaft  nur  zu  Leibzucht  bestellt  wurde.  Dagegen 
hatte  Elisabeth  ein  Recht  auf  Abschichtung,  und  ins- 
besondere mußte  ihr  die  Sündernutzung  der  Wittums- 
grundstücke gewährt  werden.  Warum  diese  verweigert 
worden  ist,  läßt  sich  aus  den  Quellen  nicht  unmittelbar 
erkennen.  Nahe  liegt  es  aber,  anzunehmen,  daß  Heinrich 
Raspe  bezw.  seine  Beamten  2)  den  Standpunkt  vertraten  — 


1)  Wenn  Konrad  weiterhin  berichtet,  daß  von  ihr  vor  ihrem 
Tode  substantia  et  suppellex  den  Armen  bestimmt  wird,  so  deckt 
diese  Wendung  ebenfalls  das  ganze  Vermögen,  aber  sie  wird  von 
Konrad  wohl  nur  auf  die  Fahrnis  bezogen  worden  sein. 

2)  Der  ganze  Vorgang  erinnert  an  Xiebelungenlied  XIX,  wo 
gegenüber  der  verschwenderischen  milte  Krimhilts  (ed.  Bartsch  1127, 
1128)  Hagen  die  Entziehung  des  Schatzes  der  Morgengabe  Krimhilts 
auf  sich  nimmt:  dö  sprach  aber  Hagene:  „lät  mich  den  schuldigen 
sin"  (1131).  Nur  ist  Heinrich  Raspes  Stellungnahme  höchst  wahr- 
scheinlich im  guten  Glauben  an  sein  Recht  erfolgt,  vielleicht  sogar 
rechtlich  einwandsfrei  gewesen. 


Zum  Ehegüterrecht  der  heihgen  Elisabeth.  JQ 

und  mit  Rücksicht  auf  die  verschwenderische  Freigebigkeit 
Elisabeths  praktisch  durchführten  — :  eine  selbständige 
Verfügung  der  Elisabeth  über  die  ihr  gebührenden  Ein- 
künfte des  Wittums  sei  vor  einer  endgültigen  Abschichtung 
unzulässig,  diese  Verfügung  sei  ihr  etwa  nur  vom  Ehemann 
während  der  Ehe  einseitig  gestattet  worden  und  seine 
Gestattung  sei  mit  seinem  Tode  wirkungslos.  Vielleicht 
verweigerten  sie  darüber  hinaus  —  etwa  unter  Berufung 
auf  Observanz  —  im  Interesse  der  Gemeinderschaft  die 
Abschichtung. 

Als  dann  unter  Vermittelung  Konrads  von  Marburg 
die  Abschichtung  doch  erfolgte,  hat  man  sich  so  geeinigt, 
daß  Elisabeth  einen  Teil  der  Wittumsgrundstücke  zu  Leib- 
zucht erhielt  i),  an  Stelle  des  anderen  Teiles  -)  aber  ein 
Teil  der  Geldabfindung  (2000  Mark  pro  dote,  in  estimatione 
dotis)  gegeben  wurde,  um  ihr  insoweit  die  gewünschten 
Substanzverfügungen  zu  ermöglichen.  Elisabeth  selbst  aber 
hat  offenbar  noch  bis  zu  ihrem  Tode  an  dem  Gedanken 
festgehalten ,  daß  auch  die  Grundstücke  eigentlich  ihr 
Eigentum  wären.  Daraus  dürfte  sich  die  unrechtmäßige 
Veräußerung  der  nur  zur  Leibzucht  überlassenen  Grund- 
stücke an  den  Johanniterorden  (Wyss  no.  25  S.  22)  er- 
klären, welche  die  Schwäger  nach  dem  Tode  der  Heiligen 
auf  simplicitas  et  stultum  consilium  zurückführen  und  an 
welcher  der  hinreichend  rechtskundige  Magister  Konrad 
offenbar  keinen  Anteil  gehabt  hat  (vergl.  Wyss  no.  26,  27 
S.  23  ff.). 


1)  Karl  Wenck,  Wartbm-gbuch,  S.  200  nennt  das  Hospitalgrund- 
stück die  wohl  einzige  Liegenschaft,  welche  ihr  neben  der  Geldab- 
findung überlassen  wiude. 

2)  Der  verhältnismäßig  geringe  (Huyskens,  S.  65)  Betrag  von 
2000  Mark  harmoniert  übrigens  aufs  beste  mit  dem  Bestreben  des 
Landgrafen  Heinrich,  die  Substanz  des  Hausgutes  nach  Möglichkeit 
zu  erhalten.  Übrigens  ist  er  wohl  als  die  Verdoppelung  der  ein- 
gebrachten 1000  Mark  aufzufassen  und  ist,  wie  der  Vergleich  mit 
gleichzeitigen  Eheberedungen  zeigt,  nicht  ganz  so  geringfügig. 


20  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

III. 

Zu  der  Frage,  ob  die  sogen.  Vertreibung  Elisabeths 
von  der  Wartburg  oder  von  der  Marburg  erfolgt  ist,  sei  es 
gestattet,  nur  das  Folgende  kurz  zu  bemerken.  Die  ent- 
scheidende Stelle  in  der  Aussage  der  Isentrud  lautet: 
Post  mortem  vero  mariti  eiecta  fuit  de  Castro  et  omnibus 
possessionibus  sui  dotalicii  a  quibusdam  vasallis  mariti 
sui,  fratre  ipsius  mariti  adhuc  juvene  existente.  Ipsa 
vero  intrans  civitatem  sub  Castro  sitam  intravit  pau- 
perem  domum  etc.  (Mencke  2019  A.  B,  H.  S'.  121). 
Die  Worte  sind  meines  Erachtens  einfach  zu  übersetzen : 
sie  wurde  aus  Burg  und  Wittumsgut  vertrieben.  Im  streng 
juristischen  Sinne  der  Dejektion,  Spoliation  ist  das  Wort 
eiecta  dabei  nicht  gebraucht,  denn  es  ist  nach  dem  bisher 
Ausgeführten  an  eine  eigentliche  Dejektion  nur  in  betreff 
der  Wittumsnutzung  zu  denken,  bezüglich  der  Burg  ist  ein 
freiwilliges  i)  Verlassen  unter  bloß  moralischem  Druck  zu  ver- 
stehen, das  der  Isentrud  allerdings  als  erzwungen  erschien. 
Das  ergibt  sich  aus  der  Aussage  Irmgards  und  aus  der 
gesamten  Rechtslage.  Die  Zusammenfassung  beider  Dinge 
mit  dem  Wort  eiecta  hat  sprachlich  nichts  Besonderes;  wir 
können  auch  heute  z.  B.  sagen:  er  wurde  aus  dem  Haus 
und  der  Erbschaft  seines  Vaters  vertrieben.  Wir  wissen 
dabei  dann  ohne  weiteres,  daß  es  sich  um  eine  Kombination 
von  Zwang  zum  räumlichen  Verlassen  des  Hauses  und  Ent- 
ziehung des  Rechtsgenusses  handelt,  wobei  der  Zwang  zum 
Verlassen  des  Hauses  durchaus  nicht  durch  körperliche 
Gewalt  geübt  worden  zu  sein,  überhaupt  nicht  ein  Zwang 
im  Rechtssinne  zu  sein  braucht.  Die  Worte  sui  dotalicii 
sind  also  nur  auf  omnibus  possessionibus,  nicht  auf  castro 
zu  beziehen;  die  Burg  ist  vielmehr  die  Familienburg,  die 
Wartburg. 


1)  Dies  ist  auch  herrschende  Meinung:  Wenck,  Holder-Egger, 
Boerner,  Mielke,  Michael,  Zitate  jetzt  bei  Wenck,  Vortrag,  S.  52 
n.  26.    Wenck,  Wartburgbuch,  S.  200,  701;  vergl.  Huyskens,  S.  62. 


Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth.  23 

Huyskens  nimmt  dagegen  körperliche  Austreibung  aus 
Burg  und  aus  Wittumsgrundstücken  an.  Er  folgert  daraus 
weiter,  daß  beides  zusammengelegen  haben  müsse.  Er  be- 
zieht dementsprechend  sui  dotalicii  auch  auf  Castro  und 
schließt,  daß  infolgedessen  mit  dem  castrum  das  an  anderer 
Stelle  als  donatio  propter  nuptias  bezeichnete  Marburg  ge- 
meint sein  müsse. 

Diese  Schlußfolgerung  kann  ich  nicht  als  zwingend  er- 
achten. Zunächst  wird  als  donatio  propter  nuptias  nur 
oppidum ,  nicht  castrum  Marburg  bezeichnet  (s.  o.  S.  7). 
Es  ist  mehr  als  fraglich,  ob  das  Marburger  Schloß  zur 
donatio  propter  nuptias  gehörte.  Betrachtet  man  aber  auch 
Schloß  und  Stadt  Marburg  als  Einheit,  so  entscheidet  das 
auch  nicht  für  Huyskens.  Denn  die  Aussage  der  Isentrud 
zwingt  keineswegs  zur  Auffassung  des  castrum  als  Dotal- 
burg.  Schon  rein  sprachlich  scheint  es  mir  vielmehr  am 
nächsten  liegend,  sui  dotalicii  nur  auf  possessionibus  zu 
beziehen.  Jedenfalls  aber  ergibt  sich  diese  Auffassung  aus 
dem  Inhalt  der  Quelle  und  der  geschilderten  Rechtslage. 
Liest  man  die  Aussage  im  Zusammenhang  i),  und  sieht  man 
namentlich  von  der  vor  den  entscheidenden  Worten  einge- 
schobenen Bestätigungserklärung  der  Guda  ab,  so  weist  auch 
der  Gesamtzusammenhang  von  Isentruds  Worten  auf  die  von 
ihr  vorher  mehrfach  erwähnte  Wartburg.  Weiterhin  ist 
auch  nicht  einzusehen,  warum  denn  zwar  das  dominium 
der  Kinder  an  der  Stadt  (s.  o.  S.  15),  nicht  aber  das 
Wittumsrecht  der  Elisabeth  daran  betont  wird,  wenn  es 
daran  bestand.  Endlich  und  entscheidend :  wenn  die  unter 
dem  castrum  liegende  Stadt  Marburg  wäre  und  daher  zum 
Wittum  gehörte  und  femer  das  Wort  eiecta,  wie  Huyskens 
will,  im  Sinne  handhafter  Gewalt,  körperlicher  Austreibung 
zu  verstehen  wäre,  nicht  im  Sinne  der  bloßen  Renten- 
Vorenthaltung    —    wie    oben    ausgeführt    —    so    läge    ein 


1)  Hierauf  weist  K.  Wenck,   Vortrag,  S.  53  u.  26  hin,  sowie 
auf  einige  andere,  hier  nicht  zu  erörternde  Argumente. 


22  Zum  Ehegüterrecht  der  heiligen  Elisabeth. 

Widerspruch  vor,  da  Elisabeth  aus  dieser  Stadt  eben  nicht 
körperlich  eiecta  ist,  sondern  sich  darin  aufhält. 

Die  Rechtsverhältnisse  am  Wittumsgut  der  Elisabeth 
sprechen  also  meines  Erachtens  geradezu  für  die  bisherige, 
bekanntlich  alte  Meinung,  daß  die  sogenannte  Vertreibung 
von  der  Wartburg  erfolgt  ist,  und  geben  keine  Anhalts- 
punkte für  die  Verlegung  des  Vorganges  nach  Marburg. 
Mir  scheint,  daß  vom  Standpunkt  rechtsgeschichtlicher 
Betrachtung  dieses  Stück  Wartburgpoesie  erhalten  bleiben 
kann. 


I 


IL 

Die   äußere  Politik  Ludwigs  IV.,    Landgrafen  von 
Thüringen  0. 

Von 

Dr.  Richard  Wagner  aus  Apolda. 


Infolge  der  verhängnisvollen  Doppelwahl  vom  Jahre 
1198  waren  über  Deutschland  die  Schrecken  des  Bürger- 
krieges hereingebrochen.  Während  im  allgemeinen  der 
Süden  des  Reiches  sich  für  den  Staufer  Philipp  von 
Schwaben  erklärte,  trat  der  Norden  für  den  Weifen  Otto 
von  Braunschweig  ein.  In  der  Mitte  aber  zwischen  den 
Machtgebieten  beider  Gegner  lag  Thüringen.  Hier  war  der 
Inhaber  einer  alle  übrigen  Gewalten  weit  überragenden 
Stellung  der  Landgraf  Hermann  I.  Indem  er  sich  bald  der 
einen,  bald  der  anderen  Partei  anschloß,  wähnte  er,  von 
beiden  Vorteile  gewinnen  zu  können.  Namenloses  Unglück 
brachte  er  freilich  durch  eine  derartige  Schaukelpolitik  über 
sein  Land :  abwechselnd  hausten  hier  sowohl  die  staufischen 
als  auch  die  weifischen  Scharen.  Zwar  wurde  durch  die 
Ermordung  Philipps  von  Schwaben  und  die  darauf  folgende 
allgemeine  Anerkennung  Ottos  diesen  Verwüstungszügen 
Einhalt  getan.  Aber  schon  im  Jahre  1211  brach  der  bruder- 
mörderische Streit  infolge  der  Exkommunikation  des  Kaisers 
mit  vermehrter  Wut  wieder  aus.  Von  neuem  seufzten  die 
Gebiete  Hermanns,  der  sich  bereits  1210  mit  mehreren 
anderen  Pursten  gegen  Otto  verschworen  und  die  Kandidatur 


1)  Unter  dem  Titel  „Die  Reichspolitik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen 
von  Thüringen",  ist  ein  Teil  dieser  Abhandlung  bereits  als  Inaugural- 
Dissertation  im  Verlag  von  B.  Vopelius,  Jena  1908,  erschienen. 


24     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

des  jungen  Friedrich  II.  mitveranlaßt  hatte  i),  unter  den 
Heimsuchungen  des  Bürgerkriegs,  denen  erst  ein  Ende  be- 
reitet wurde,  nachdem  durch  das  persönliche  Erscheinen 
Friedrichs  und  durch  die  Schlacht  bei  Bouvines  die  Macht 
Ottos  gebrochen  worden  war.  Freilich  war  es  nicht  mög- 
lich, ihn  vollkommen  zu  unterwerfen :  hinter  den  festen 
Mauern  seiner  Städte  und  Burgen  trotzten  er  und  die 
Seinen  allen  feindlichen  Angriffen. 

Am  Anfang  dieser  langjährigen  Wirren  war  dem  Land- 
grafen Hermann  am  28.  Oktober  1200  ein  Erbe  geschenkt 
worden,    der    den  Namen  Ludwig^)    erhielt.     Seine  Mutter 

1)  Vergl.  O.  Dobenecker,  Eegesta  diplomatica  necnon  epistolaria 
historiae  Thuringiae,  II,  No.  1464a,  1468. 

2)  Cronica  ßeinhardsbrunnensis :  MG.  SS.  XXX,  1,  S.  563. 
Das  Leben  des  heiligen  Ludwig,  Landgrafen  in  Thüringen,  übersetzt 
von  Friedrich  Ködiz  von  Saalfeld,  hrsg.  von  H.  Rückert,  Leipzig 
1851,  S.  8  (=V.  L.);  über  die  Frage,  ob  Ludwig  oder  Hermann  der 
Erstgeborene  war,  gehen  die  Meinungen  auseinander.  Man  muß  wohl 
C.  Wenck,  Die  heilige  Elisabeth,  Wartburgwerk,  Berlin  1907,  S.  700, 
Anm.  zu  S.  191,  beistimmen,  daß  Ludwig  der  älteste  Sohn  war.  Gegen 
diese  Auffassung  spricht  nur  der  allerdings  sehr  wichtige  Umstand, 
daß  Hermann  in  einer  Urkunde  vom  29.  Mai  1214  vor  seinen  Brüdern 
genannt  wird.  Es  handelt  sich  darum,  daß  der  Landgraf  Hermann  L, 
seine  Gemahlin  und  seine  Söhne  Hermann,  Ludwig  und  Heinrich 
genehmigen,  daß  das  Kloster  Aulisburg  in  Hessen  verlegt  wird. 
Vergl.  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1585.  Da  die  Urkunde  von  Em- 
pfängerhand geschrieben  ist,  so  meint  Wenck,  daß  hier  wohl  ein 
Versehen  des  Schreibers  vorliege.  Vielleicht  läßt  sich  diese  Voran- 
stellung auch  anders  erklären. 

Nach  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte,  VII,  S.  11,  war 
es  möglich,  daß  die  Söhne  teilten,  wenn  der  Vater  mehr  als  eine 
Grafschaft  innehatte.  So  war  es  im  thüringischen  Landgrafenhause 
üblich,  daß  die  Grafschaft  Hessen  auf  den  zweiten  Sohn  überging. 
Vergl.  Ilgen  und  Vogel,  Geschichte  des  thüringisch-hessischen  Erb- 
folgekrieges, in :  Zeitschr.  d.  Ver.  f.  hess.  Gesch.  u.  Altertumskunde, 
Neue  Folge  X,  1883,  S.  206  ff.  (=:ZHG.);  Wenck,  Älteste  Gesch.  d. 
Wartburg,  Wartburgw.,  S.  39. 

Vielleicht  erklärt  sich  die  Voransetzung  Hermanns  in  jener 
Urkunde  dadurch,  daß  üun  als  zweitem  Sohn  die  hessischen  Besitz- 
ungen bestimmt  waren,  und  daß  er  infolgedessen  an  irgendwelchen 
Veränderungen  in  diesem  Gebiet  das  größte  Interesse  hatte. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     25 

war  Sophie,  die  Tochter  des  Herzogs  Otto  I.  von  Bayern  ^). 
Hermann  hatte  sich  mit  ihr  1189  vermählt  2)^  nachdem  seine 
erste  Gemahlin,  die  ebenfalls  den  Namen  Sophie  führte,  in 
demselben  Jahr  gestorben  war  ^).  Aus  dieser  Ehe  waren 
nur  zwei  Töchter  entsprossen :  Jutta,  die  später  den  Mark- 
grafen Dietrich  den  Bedrängten  von  Meißen  und  nach  dessen 
Tode  den  Grafen  Poppo  von  Henneberg  heiratete,  und 
Hedwig,  die  der  Graf  Albert  von  Orlamünde  heimführte. 
Von  seiner  zweiten  Gemahlin  wurde  der  Landgraf  mit 
sechs  Kindern  beschenkt:  Irmengard,  Ludwig,  Hermann, 
Heinrich  Easpe,  Konrad  und  Agnes*). 

Über  Ludwigs  früheste  Jugend  haben  wir  nur  eine 
dürftige  Nachricht,  die  wohl  auf  ihn  zu  beziehen  ist.  Im 
Jahre  1204  gelang  es  König  Philipp,  mit  einem  großen 
Heer  in  Thüringen  einzudringen  und  Weißensee  zu  belagern, 
das  von  einer  landgräflichen  Besatzung  hartnäckig  verteidigt 
wurde.  Hermann  war  nämlich  wieder  einmal,  dvirch  Ver- 
sprechungen von  Otto  verführt,  zu  diesem  übergetreten. 
Gewitzigt  freilich  durch  Hermanns  wiederholten  Abfall,  be- 
gnügte sich  Philipp  diesmal  nicht  mit  dem  Treueid,  sondern 
er  ließ  sich  eine  Anzahl  von  Geißeln  ausliefern,  unter  denen 
sich  als  wertvollstes  Unterpfand    des  Landgrafen  Sohn  be- 


1)  Genealogia  Ottonis  IL  Ducis  Bavariae  et  Agnetis  Ducissae : 
MG.  SS.  XVII,  S.  376;  Cron.  Reinh.,  S.  564;  V.  L.,  S.  8. 

2)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  842,  871,  Anm.  1.  —  Ungenau  bei 
H.  Diemar,  Stammreihe  des  thüringischen  Landgrafenhauses  und  des 
hessischen  Landgrafenhauses  bis  auf  Philipp  den  Großmütigen  in: 
ZHG.,  N.  F.  XXVII,  1903,  S.  7,  No.  32:  „spätestens  um  1196". 

3)  Cron.  Reinh.,  S.  544,  564;  V.  L.,  S.  7;  Dobenecker,  Reg.  II, 
No.  871,  Anm.  1. 

4)  Cron.  Reinh.,  S.  563 f.;  V.  L.,  S.  6 ff.;  gegen  C.  Wenck,  Ent- 
stehung der  Reinhardsbrimner  Geschichtsbücher,  Halle  1878,  S.  15, 
tritt  O.  Holder-Egger,  Studien  zu  thüringischen  Geschichtsquellen 
in:  Neues  Archiv  der  Gesellsch.  f.  ältere  deutsche  Geschichtskunde 
(=NA."),  XX,  1895,  S.  632  dafür  ein,  daß  auch  die  genealogischen 
Angaben  über  die  Familie  Hermanns  I.  noch  den  Gesta  Ludovici 
quarti  des  Hofkaplans  Berthold  zuzuweisen  sind. 


26     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

fand  1),  Wird  uns  dessen  Name  auch  nicht  überliefert,  so 
kann  dies  doch  nur  Ludwig  gewesen  sein,  der  so  an  den 
Hof  Philipps  kam.  Die  Dauer  seines  Aufenthalts  ist  unbe- 
kannt. Er  wird  wohl  nur  so  lange  zurückgehalten  worden 
sein,  bis  die  Verschiebung  der  Machtverhältnisse  zugunsten 
Philipps  nach  allgemein  menschlichem  Ermessen  einen  Ab- 
fall Hermanns  nicht  mehr  befürchten  ließ  (1206  oder  1207). 
Man  darf  annehmen,  daß  1208  wenigstens  Ludwig  entlassen 
war,  da  in  diesem  Jahr  der  Landgraf  wieder  Verbindungen 
mit  dem  Weifen  angeknüpft  hatte  ^). 

Nachdem  am  31.  Dezember  1216  S),  erst  fünfzehnjährig, 
Ludwigs  Bruder  Hermann  in  Eisenach  gestorben  war, 
folgte  ihm  schon  am  25.  April  1217  sein  Vater,  Landgraf 
Hermann  L,  nach ;  entsprechend  seiner  Bestimmung  fand  er 
seine  letzte  Ruhestätte  an  der  Seite  des  ihm  im  Tode  voran- 
gegangenen Sohnes  in  dem  von  ihm  gegründeten  Katharinen- 
kloster  zu  Eisenach  ^).  Er  war  in  der  letzten  Zeit  seines 
Lebens  schwer  von  irgendwelchen  chronischen  Leiden  heim- 
gesucht worden  ^)  und  scheint  infolgedessen  regierungs- 
unfähig gewesen  zu  sein:  schon  am  15.  Januar  1217  tritt 
Ludwig  als  „Dei  gratia  Thuringie  lantgravius  et  Saxonie 
comes  palatinus"  in  einer  Urkunde  auf  ^),  er  führt  also  die 
Regierun  gsgesch  äfte. 

1)  Cron.  Reinh.,  S.  568;  Cron.  St.  Petri  Erford.  Mod.,  S.  203. 
E.  Winkelraann,  Philipp  von  Schwaben  und  Otto  IV.  von  Braun- 
schweig, I,  S.  326  ff.  (Jahrb.  d.  deutsch.  Geschichte). 

2)  Winkelmann,  PhiUpp  von  Schwaben  und  Otto  IV.,  I,  S.  443  ff. 

3)  Cron.  Eeinh. ,  S.  564,  Anm.  6  verwechselt  Holder -Egger 
diesen  Hermann  mit  dem  gleichnamigen  Sohn  Ludwigs  und  der  heiligen 
Elisabeth,  vergl.  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  871,  Anm.  1;  V.  L.,  S.  7; 
Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1672,  Anm.  S.  307;  Sifridi  de  Balnh. 
Compendium  bist. :  MG.  SS.  XXV,  S.  700 :  seine  Angabe,  daß  Her- 
mann 15  Jahre  alt  war,  mag  wohl  richtig  sein.  Diemar,  ZHG., 
N.  F.  XXVII,  S.  9,  No.  40. 

4)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1672,  Anm. ;  Diemar,  S.  7,  No.  32. 

5)  Cron.  Reinh.,  S.  587;  V.  L.,  S.  15;  Dobenecker,  Reg.  IL 
No.  1672,  Anm.  S.  307. 

6)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1731. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Laudgrafen  von  Thüringen.      27 

Offenbar  wurde  Ludwig  ohne  Schwierigkeiten  die  Be- 
lehnung mit  den  väterlichen  Gütern  von  Seiten  des  Königs 
Friedrich  IL  erteilt  i).  Rückhaltlos  schloß  sich  der  junge 
Landgraf  an  ihn-  an  und  verfehlte  nicht,  sich  in  allen 
wichtigeren  Angelegenheiten  des  Reiches  freudig  zu  be- 
tätigen. 

Noch  immer  hielt  sich  Otto  IV.  in  seinen  braun- 
schweigischen  Burgen,  ja  er  schickte  sich  sogar  an,  zum 
Angriff  überzugehen.  Zwar  trieb  ihn  Friedrich  IL  im  Herbst 
1217  wieder  zurück  und  schloß  ihn  in  Braunschweig  ein; 
aber  diese  Stadt  zu  nehmen,  vermochte  er  auch  diesmal 
nicht.  Wahrscheinlich  stieß  Ludwig  mit  seinem  Kontingent 
zu  Friedrich,  als  dieser  von  Fulda  durch  Thüringen  gegen 
den  Weifen  heranrückte  2).  Dazu  paßt  sehr  gut,  daß  gerade 
damals  der  Graf  Heinrich  I.  von  Anhalt,  der  mit  der 
Schwester  des  Landgrafen,  Irmengard,  vermählt  war  ^),  Otto 
verließ  und  den  Staufer^)  anerkannte,  sicherlich  durch  den 
Einfluß  und  die  Vermittelung  seines  Schwagers.  Auch  be- 
fand sich  Ludwig  am  8.  November  in  der  Umgebung  des 
Königs  in  Altenburg  5),  wohin  das  Reichsheer  über  Leipzig 
zurückgegangen  war^). 

Erst  durch  den  Tod  Ottos  wurde  der  unselige  Streit 
beendet.  Aber  noch  befanden  sich  die  Reichsinsignien  in 
der  Hand  der  Weifen,  und  sie  zögerten,  sie  auszuliefern, 
um  sich  für  ihre  Übergabe  bestimmte  Zugeständnisse  von 
Friedrich  machen  zu  lassen.  Auch  auf  dem  Hoftag  zu 
Fulda  im  Dezember  1218,  an  dem  neben  zahlreichen  anderen 


1)  Cron.  ßeinh.,  S.  589;  V.  L.,  S.  16. 

2)  Anderer  Ansicht  ist  Th.  Knochenhauer,  Geschichte  Thüringens 
zur  Zeit  des  ersten  Landgrafenhauses  (1039 — 1247),  herausgeg,  von 
K.  Menzel  (Gotha  1871),  S.  300. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  564;  V.  L.,  S.  7;  Diemar,  S.  9,  No.  39. 

4)  Steudener,  Albrecht  I.,  Herzog  von  Sachsen  (1212 — 1260), 
Diss.  HaUe,  1894,  S.  14. 

5)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1770. 

6)  Winkelmann,  Otto  IV.,  S.  462 f. 


28     I^ie  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

Fürsten  der  Landgraf  teilnahm,  war  es  nicht  möglich,  eine 
Einigung  herbeizuführen  i). 

Inzwischen  hatte  Ludwig  am  6.  Juli  1218  in  Eisenach 
unter  großen  Feierlichkeiten  die  Ritterweihe  erhalten  2). 

Schon  im  folgenden  Jahre  sah  er  sich  genötigt,  zur 
Behauptung  seiner  Rechte  zum  Schwert  zu  greifen. 

Die  Landgrafen  standen  in  Thüringen  wie  in  Hessen 
hinsichtlich  zahlreicher  Besitzungen  im  Lehensverhältnis  zu 
Mainz  ^).     Auch   sie,    wie    überhaupt    der   ganze    Adel,    der 


1)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1807,  1808;  Winkelmann,  Kaiser 
Friedrich  II.,  Bd.  1,  S.  11  f.    (Jahrb.  d.  deutschen  Gesch.). 

2)  Cron.  ßeinh.,  S.  591;  V.  L.,  S.  24;  Chr.  Haeutle,  Landgraf 
Hermann  I.  von  Thüringen  und  seine  Familie,  in:  Zeitschr.  d.  Ver. 
f.  thür.  Gesch.  u.  Altertumskde.  (=ZThG.),  V,  1863,  S.  137;  Wenck, 
Wartburgw.,  S.  697,  Anm.  zu  S.  42.  Über  das  Zeremoniell  bei  der- 
artigen Feierlichkeiten  vergl.  A.  Schultz,  Das  höf.  Leben  zur  Zeit  d. 
Minnesinger,  I,  S.  181  ff.,  2.  Aufl.  (Leipzig  1889). 

Th.  Knochenhauer,  S.  299,  Anm.  3  und  E.  Bernecker,  Beiträge 
zur  Chronol.  d.  Regier.  Ludwigs  IV.,  des  Heil.,  Landgrafen  von  Thür. 
Diss.  Königsberg,  1880,  S.  15 ff.  sind  entgegen  der  Überlieferung  der 
Ansicht,  daß  die  Schwertleite  schon  im  Jahre  1217  stattgefunden  habe, 
indem  sie  sich  darauf  stützen,  daß  die  Fehde  des  Landgrafen  mit 
dem  Erzbischof  von  Mainz  im  Jahr  danach  ausgebrochen  ist  (vergl. 
Cron.  Reinh.,  S.  591 ;  V.  L.,  S.  24).  Sie  behaupten,  daß  dieser  Streit 
im  Jahre  1218  entstanden  sei,  ohne  daß  dies  irgendwie  durch  die 
Quellen  bewiesen  werden  könnte;  es  fällt  damit  also  die  Voraus- 
setzung, auf  der  sie  fußen  (vergl.  Holder-Egger,  Cron.  Reinh.,  S.  591, 
Anm.  2).  Daß  der  Kampf  zwischen  beiden  erst  1219  begann,  dafür 
spricht  ferner  der  Umstand,  daß  sie  zu  gleicher  Zeit  dem  eben  er- 
wähnten Hoftag  zu  Fulda  (Dezember  1218)  beiwohnten  (vergl.  Böhmer- 
Ficker,  Regesta  imperii,  V,  1,  No.  965,  966;  Wenck,  Ludwig  IV., 
Allgemeine  deutsche  Biographie  (=  A.  D.  B.),  XIX,  S.  595  (Leipzig 
1884).  Dies  wäre  sicher  nicht  der  Fall  gewesen,  wenn  sie  sich  schon 
danaals  mit  den  Waffen  in  der  Hand  gegenübergestanden  hätten. 

3)  In  Thüringen :  die  Komitien  Siebleben,  Schönstedt  (Dobe- 
necker, Reg.  II,  No.  2333),  Bergeren,  die  kleinere  Komitie  in  Mittel- 
hausen (mit  ihr  ist  wohl  identisch  das  Gericht,  „de  Aspe"  genannt 
im  Langsdörfer  Vergleich  1263,  vergl.  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1973), 
Burg  und  Stadt  Thamsbrück  mit  den  dazugehörigen  Gerichten,  die 
Burg  Spatenberg,  der  Hof  in  Greußen  usw.  In  Hessen :  die  Vogteien 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     29 

Kirchenlehen  empfangen  hatte,  bemühten  sich,  ihre  Rechte, 
vor  allem  das  der  Gerichtsbarkeit  ^),  über  die  benachbarten 
Kirchengüter  auszudehnen,  während  andererseits  die  geist- 
lichen Fürsten  diesen  Übergriffen  energisch  entgegentraten,  ja 
es  sogar  nicht  an  Versuchen  fehlen  ließen,  diese  Lehen  wieder 
zurückzugewinnen  ^).  Naturgemäß  führte  dieser  Gegensatz 
fast  stets  nach  dem  Regierungsantritt  eines  Fürsten  zu  Zu- 
sammenstößen; jetzt  glaubten  die  geistlichen  Herren  den 
Augenblick  gekommen,  um  über  strittige  Ansprüche  eine 
Entscheidung  zu  ihren  Gunsten  herbeizuführen  und  so  dem 
unaufhörlich  vordringenden  Einfluß  des  hohen  Adels  Halt 
zu  gebieten. 

Wie  schon  zwischen  seinen  Vorgängern  und  den  Erz- 
bischöfen von  Mainz,  so  kam  es  auch  zwischen  Ludwig  und 
dem  derzeitigen  Inhaber  des  Erzstuhls,  Siegfried  IL  von 
Eppstein,  bald  zu  einem  ernsten  Konflikt  wegen  derartiger 
Streitfragen.  Vielleicht  veranlaßte  den  Erzbischof  daneben 
noch  ein  zweiter  Grund,  dem  Landgrafen  entgegenzutreten. 
Siegfried  war  aus  einer  zwiespältigen  Wahl  hervorgegangen^) 
und  hatte  infolge  des  langen  Wahlstreites  und  des  Bürger- 
krieges erhebliche  Aufwendungen  machen  müssen,  so  daß 
die  Lage  seiner  Finanzen  eine  sehr  schlechte  war  ^).  Sollte 
es  jetzt  nicht  leicht  sein,  den  noch  so  jungen  Landgrafen 
zum  Nachgeben   in    den  so  lange  umstrittenen  Ansprüchen 


über  Wetter,  Fritzlar,  Breitungen,  Hasungen;  das  Patronatsrecht 
über  die  Kirchen  von  Wildungen,  Eeichenhagen,  Felsberg,  Wenigen- 
Zennern;  ferner  die  Stadt  Melsungen  usw.  Dazu  das  Marschallamt 
des  Erzstiftes,  vergl.  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1719,  434;  Böhmer- 
Will,  Eegesta  archiepiscoporum  Maguntinensium,  II,  S.  324,  No.  89 
S.  360,  No.  97 ;  Ilgen  und  Vogel,  ZHG.,  N.  F.  X,  S.  206,  316 ff.,  346  f. ; 
Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg,  Beitr.  z.  Frage  über  d.  Bed.  d.  Land- 
grafsch..  Forsch,  z.  d.  Gesch.,  XVI,  S.  535  f. 

1)  Ilgen  und  Vogel,  S.  211,  223  ff.,  247  f. 

2)  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgesch.,  VII,  S.  337,  368ff. 

3)  H.  Lewin,  Der  Mainzer  Erzbischof  Siegfried  II.  v.  Eppstein, 
Diss.  Bern,  Schlüchtern  1895,  S.  4  ff. 

4)  Lewin,  S.  20,  32. 


30     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

oder  zum  mindesten  zur  Zahlung  einer  Geldsumme  zu  ver- 
mögen ?  Als  Verhandlungen  nicht  zum  Ziele  führten, 
machte  der  Erzbischof  unbedenklich  von  den  kirchlichen 
Strafmitteln  Gebrauch:  er  belegte  Ludwig  mit  dem  Bann 
und  erklärte  zugleich,  daß  auch  dessen  Vater  im  Bann  ge- 
storben sei  1).  Damit  betrachtete  er  augenscheinlich  die 
Mainzer  Kirchenlehen  als  erledigt. 

Ludwig  freilich  war  auch  jetzt  noch  nicht  gewillt, 
sich  zu  fügen;  er  suchte  vielmehr  die  Entscheidung  mit 
den  Waffen  herbeizuführen :  rasch  hat  er  ein  starkes  Heer 
gesammelt,  eilt  nach  Hessen  und  geht  hier  offensiv  gegen 
den  Erzbischof  und  seine  Vasallen  vor;  weithin  werden 
ihre  Gebiete,  vor  allem  die  Besitzungen  Hartrads  (IV.)  von 
Merenberg  2)  und  der  Herren  von  Scharfenstein  verwüstet, 
entsprechend  der  damaligen  Kriegsführung  ^). 

Offenbar  kam  den  Gegnern  dieser  Angriff  so  über- 
raschend, daß  sie  noch  gänzlich  unvorbereitet  waren,  denn 
wir  hören  nichts  davon,  daß  sie  mit  ihren  Truppen  im 
freien  Felde  erschienen  wären.  So  sah  sich  Siegfried  durch 
die  schnellen  Erfolge  des  Landgrafen  gezwungen ,  auf 
Eriedensverhandlungen  einzugehen ,  die  unter  Vermittlung 
der  Äbte  von  Fulda  und  Hersfeld  ^)  in  Fulda  stattfanden 
und  zu  dem  Ergebnis  führten,  daß  sich  die  streitenden 
Parteien  am  20.  Juni  1219  in  der  Kirche  des  heiligen 
Bonifatius  versöhnten :  der  Erzbischof  spricht  den  Land- 
grafen, seinen  Vater  und  alle  seine  Anhänger  feierlich  von 
dem  über  sie  verhängten  Bann  los  ^).  Der  weitere  Inhalt 
des  Friedensvertrages   ist    uns  nicht  überliefert,  jedoch  ist 

1)  Cron.  Eeinh.,  S.  5i)l ;  V.  L.,  S.  24. 

2)  Cron.  Eeinh.,  S.  591,  Anm.  3;  vergl.  auch  Dobenecker, 
Reg.  II,  No.  2377. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  591 ;  V.  L.,  S.  24. 

4)  W.  Gerstenberg,  Thüringisch-hessische  Chronik,  in :  Schmincke, 
Monimenta  Hassiaca,  II,  S.  301. 

5)  Cron.  Eeinh.,  S.  593;  V.  L.,  S.  24;  dem  Wortlaut  gemäß 
müßte  diese  Nachricht  eigentlich  zum  Jahr  1220  gerechnet  werden. 
Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1831. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     31 

anzunehmen,  daß  bei  der  Regelung  der  Verhältnisse  Ludwig 
als  Sieger  seine  Stellung  behauptet  hat.  Diese  Vermutung 
wird  dadurch  gestützt,  daß  schon  im  nächsten  Jahr  der 
Streit  von  neuem  ausbrach,  daß  also  einer  der  Gegner  hin- 
länglichen Grund  zu  haben  glaubte,  sich  bei  den  Resultaten 
dieses  Vertrages  nicht  beruhigen  zu  dürfen.  Alles  spricht 
dafür,  daß  dies  nur  der  Erzbischof  sein  konnte.  Ferner 
darf  man  vielleicht  dafür  folgendes  anführen:  Als  Konrad, 
der  Bruder  Ludwigs,  im  Jahre  1232  aus  ähnlicher  Ver- 
anlassung mit  dem  Erzbischof  von  Mainz  in  kriegerische 
Verwickelungen  geraten  war,  wurden  nach  einem  siegreichen 
Feldzug  des  Landgrafen  beim  Friedensschluß  die  Bestim- 
mungen der  Vereinbarung  von  Fulda  zugrunde  gelegt  ^). 

Gegen  Ende  Juli  1219  treffen  wir  die  beiden,  freilich 
nur  äußerlich  ausgesöhnten  Gegner  in  Erfurt  in  der  Um- 
gebung des  Königs  ^). 

Friedrich  war  damals  damit  beschäftigt,  die  nötigen 
Vorbereitungen  zu  treffen,  um  sich  in  Italien  die  Kaiser- 
krone zu  erwerben  und  darauf  den  gelobten  Kreuzzug  an- 
zutreten. Vor  seiner  Abreise  legte  er  das  größte  Gewicht 
darauf,  daß  sein  noch  unmündiger  Sohn  Heinrich  zum  deut- 
schen König  gewählt  würde,  um  so  die  Nachfolge  in  seinem 
Hause  zu  sichern.  Freilich  war  es  ihm  trotz  seiner  Be- 
mühungen noch  nicht  gelungen,  alle  Fürsten  für  seine  Ab- 
sichten zu  gewinnen.  Da  kamen  seinem  Vorhaben  die 
Ereignisse  zu  Hilfe  ^). 

Als  sich  im  April  1220  auf  den  Ruf  des  Königs  die 
deutschen  Fürsten  in  Frankfurt  versammelten,  um  über  diese 
80  wichtige  Frage  zu  verhandeln  und  zu  entscheiden,  da 
fehlten  unter  ihnen  natürlich  nicht  zwei  so  bedeutende 
Herren,  wie  der  Erzbischof  von  Mainz  und  der  Landgraf 
von  Thüringen.  Sofort  brach  der  alte  Zwist  zwischen 
ihnen  mit  erneuter  Heftigkeit  aus.    Da  sie  beide  mit  zahl- 

1)  Dobenecker,  Eeg.  III,  No.  323. 

2)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1841. 

3)  Winkelmann,  I,  S.  12  ff. 


32     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

reichem  Gefolge  erschienen  waren,  befürchtete  man  sogar 
auf  dem  Reichstag  einen  Zusammenstoß  mit  den  Waffen. 
Alle  Versuche  der  Fürsten,  die  Gegensätze  durch  Vergleich 
oder  durch  gerichtlichen  Austrag  zu  beseitigen,  scheiterten. 
Angesichts  dieser  großen  Gefahr,  die  bei  der  Abwesenheit 
Friedrichs  den  Reichsfrieden  auf  das  Bedenklichste  zu 
stören  drohte,  entschlossen  sich  jetzt  auch  die  bis  dahin 
noch  Schwankenden,  der  Wahl  Heinrichs  zuzustimmen. 
Wahrscheinlich  am  23.  April  wurde  er  zum  deutschen 
König  erhoben  i).  Zugleich  schwuren  die  Fürsten,  nicht 
eher  heimzukehren,  als  bis  eine  Versöhnung  der  Gegner 
zustande  gekommen  wäre  ^) ;  da  sie  ferner  durch  die  Wahl 
gezeigt  hatten,  daß  sie  ernstlich  gewillt  seien,  die  Ruhe  im 
Reich  aufrecht  zu  erhalten,  scheint  es  ihren  Bemühungen 
doch  noch  gelungen  zu  sein,  Frieden  zwischen  den  Parteien 
zu  stiften ;  daß  freilich  Ludwig  irgendwelche  Ansprüche  auf- 
gegeben hat,  daran  ist  wohl  nicht  zu  denken ;  höchstens  hat 
er  sich  vielleicht  zu  einer  Geldzahlung  bereit  gefunden.  Sehr 
gut  würde  dazu  stimmen,  daß  Siegfried  am  29.  Mai  1220 
seinen  Gläubigern  eine  größere  Summe  zurückzahlen  konnte  ^). 
Auch  aus  einem  Streit  mit  dem  Grafen  Hermann  von 
Orlamünde  ging  Ludwig  siegreich  hervor.  Am  6.  August 
1222  *)  brach  er  an  der  Spitze  seiner  Truppen  in  das  Ge- 
biet des  Grafen  ein.  Es  glückte  ihm,  den  Berg  Schauen- 
forst^)  zu  besetzen  und  zu  befestigen  und  so  die  Verbindung. 


1)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1897, 1899;  Wmkelmann,  I,  S.  39  ff., 
5231,  Erläuterung  I. 

2)  Winkelmann,  Acta  imp.  ined.,  I,  S.  157,  No.  180. 

3)  Böhmer- Will,  II,  S.  176,  No.  353;  Lewin,  S.  42. 

4)  Cron.  Eeinh.,  S.  598;  V.  L.,  S.  .32;  Bernecker,  S.  26;  Titt- 
mann, Gesch.  Heinrichs  d.  Erl.,  2.  Aufl.,  II,  S.  156,  und  Knochen- 
hauer, S.  396  setzen  diesen  Zug  in  das  Jahr  1223. 

5)  Die  Burgruine  öchauenforst  hegt  nordwestlich  von  Orla- 
münde; vielleicht  befand  sich  damals  schon  auf  dem  Berg  eine  kleine 
Burg,  die  Ludwig  überraschend  nahm  .und  beträchtlich  verstärken  ließ. 

P.  Lehfeldt,  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüringens,  Heft  VI, 
S.  44  (hier  S.  45  ein  Grundriß  der  Euine). 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     33 

zwischen  den  beiden  feindlichen  Hauptburgen,  Orlamünde  und 
Rudolstadt,  zu  bedrohen.  Das  übliche  Sengen  und  Brennen 
in  der  Umgegend  wird  nicht  gefehlt  haben,  so  daß  sich  der 
Graf  wohl  bald,  mürbe  gemacht,  mit  Ludwig  verglichen  hat. 
Über  den  Grund  dieses  Zwistes  ist  etwas  Sicheres  nicht  zu 
erfahren;  man  ist  lediglich  auf  Vermutungen  beschränkt. 
Am  ansprechendsten  scheint  zu  sein,  daß  der  Graf  von  Orla- 
münde, getreu  der  alten  Politik  seines  Hauses,  sich  energisch 
gegen  die  immer  weiter  um  sich  greifenden  Souveränitäts- 
gelüste des  Landgrafen  wehrte,  und  daß  es  darüber  zum 
Bruch  kam^). 

Bald  genug  eröffnete  sich  dem  jungen  Fürsten  ein  noch 
größerer  Wirkungskreis,  der  zunächst  alle  seine  Kräfte  in 
Anspruch  nehmen  sollte. 

Am  17.  Februar  1221  war  der  Markgraf  von  Meißen, 
Dietrich  der  Bedrängte,  gestorben  -);  er  war  mit  einer  Stief- 
schwester Ludwigs,  Jutta,  vermählt  gewesen  und  hinterließ 
einen  noch  unmündigen  Sohn  Heinrich,  später  der  Erlauchte 
genannt.  Noch  bei  seinen  Lebzeiten  hatte  er  seinen  Schwager 
trotz  seiner  Jugend  zum  Vormund  und  Landesverweser  be- 
stimmt. Ludwig  befand  sich  Anfang  Februar  1221  in  Würz- 
burg, wo  er  mit  seinem  Oheim,  dem  Herzog  Ludwig  I.  von 
Bayern,  eine  Besprechung  hatte  ^).  Vielleicht  versuchte  dieser 
seinen  Neffen  zur  Teilnahme  an  dem  Kreuzzug  zu  bewegen, 
den  er  soeben  als  Stellvertreter  des  Kaisers  antreten  wollte  ^), 
vielleicht  hat  er  ihn  nur  gebeten,  auf  sein  Land  und  seinen 


1)  Lobe,  Der  Schauenforst,  in:  Alitt.  d.  Geschichts-  und  Alter- 
tumsforschenden Gesellschaft  des  Osterlandes,  VIII,  S.  471  ff.  (seLue 
Vermutungen  sind  wohl  zu  verwerfen). 

V.  Lommer,  Orlamünde,  S.  24.  Tittmanns  (II,  S.  156)  und 
Knochenhauers  (S.  306)  Vermutimg,  daß  die  Fehde  mit  den  deutsch- 
dänischen Händeln  von  1223  in  Zusammenhang  steht,  fäUt  mit  der 
chronologischen  Anordnung. 

2)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1953;  Diemar,  S.  8  f.  No.  37. 

3)  Cron.  Reinh.,  S.  596,  Anm.  2;  V.  L.,  S.  29;  Ann  Pegav.: 
MG.  SS.,  XVI,  S.  270;  Bernecker,  S.  19  f. 

4)  Winkelmann,  I,  S.  146. 

XXVII.  3 


34     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

unmündigen  Sohn  Otto  ^)  ein  wachsames  Auge  zu  haben. 
Auf  der  Rückreise,  als  er  eben  die  Burg  Henneberg,  deren  Be- 
sitzer Graf  Poppo  (VII.)  ihn  überaus  glänzend  aufgenommen, 
verlassen  hatte,  traf  ihn  ganz  unerwartet  die  Meldung  vom 
Tode  Dietrichs.  Sofort  eilt  er  nach  Meißen,  um  gemäß  dem 
Willen  des  Verstorbenen  mit  fester  Hand  die  Zügel  der 
Regierung  zu  ergreifen  2).  Schon  am  18.  März  tritt  er  hier 
zum  ersten  Male  urkundlich  auf  3).  Nach  allen  Seiten  hin 
entfaltet  er  eine  energische  Tätigkeit,  um  die  seiner  Obhut 
anvertrauten  Gebiete  zu  sichern  und  in  ihnen  für  den  Frieden 
zu  sorgen.  Er  entbot  die  Edlen,  Dienstmannen  und  das 
übrige  Volk  an  die  alten  Dingstätten  und  ließ  sie  hier  im 
Einverständnis  mit  Jutta  feierlich,  unter  Anrufung  der 
Heiligen,  einen  Huldigungseid  leisten,  in  dem  sie  dem  jungen 
Heinrich  als  angestammtem  Erben  und  dem  Landgrafen  als 
vormundschaftlichem  Regenten  Treue  gelobten ;  für  den  Fall 
aber,  daß  der  Markgraf  während  seiner  Minderjährigkeit 
vom  Tod  dahingerafft  würde,  wählen  sie  schon  jetzt  Lud- 
wig zu  ihrem  Herrn  und  erkennen  ihn  als  Erben  an*).  So- 
legitimierte  und  befestigte  der  Landgraf  seine  Autorität  in 
diesen  Gebieten  und  eröffnete  zugleich  sich  und  seinem 
Haus  die  großartige  Aussicht  auf  die  eventuelle  Nachfolge 
in  den  Besitzungen  der  Wettiner.  Noch  konnte  man  frei- 
lich nicht  absehen,  welche  Stellung  der  Kaiser  und  die 
Fürsten  zu  dieser  Vereinigung  zweier  so  bedeutender  Terri- 
torien  in    einer    Hand   nehmen   würden.      Zwar   die  Aner- 


1)  Otto  wurde  erst  1228  wehrhaft  gemacht,  war  also  1221  sicher 
noch  unmündig;  vergl.  Eiezler,  Otto  II.  von  Bayern,  A.  D.  B.,. 
XXIV,  S.  647,  1886. 

2)  Cron.  Reinh.,  S.  596;  V.  L.,  S.  29;  W.  Füsslein,  Hermann  I., 
Graf  von  Henneberg,  in:  ZThG.,  XIX,  N.  F.  XI,  S.  63. 

3)  Im  Verein  mit  seiner  Schwester  und  seinem  Mündel  be- 
schenkt er  das  Kloster  Altzelle,  in  dem  die  sterblichen  Überreste 
des  Markgrafen  ruhten,  zum  Seelenheil  des  Toten  mit  sehr  wertvollen 
Vorrechten ;  vergl.  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1953. 

4)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1954;  Füsslein,  S.  64,  Anm.  1. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     35 

kennung  seiner  vormundsciiaftlichen  Regierung  i)  scheint  er 
ohne  Schwierigkeiten  von  Friedrich  erreicht  zu  haben.  Denn 
wenn  dieser  dem  Landgrafen  und  seiner  Schwester  am 
23.  März  1222  verbietet,  dem  Bischof  von  Meißen  gewisse 
Besitzungen  weiter  vorzuenthalten  ^),  so  setzt  dies  doch  wohl 
den  Akt  der  Bestätigung  voraus.  Sicher  ist  diese  Bestäti- 
gung als  ein  Zeichen  besonderer  kaiserlicher  Gunst  und  als 
ein  Beweis  aufzufassen,  daß  auch  Friedrich  die  Bedeutung 
dieses  jungen  Fürsten  nicht  entgangen  war  ^).  Die  Eventual- 
belehnung  mit  Meißen  allerdings  jetzt  schon  zu  erhalten, 
daran  war  noch  nicht  zu  denken,  da  Friedrich  nicht 
gewillt  war,  sie  so  leichten  Kaufes  zu  gewähren*).  Aber 
unverrückt  behielt  der  Landgraf  dieses  Ziel  im  Auge,  und 
wir  werden  später  sehen,  wie  es  Ludwig  gelang,  seine  Ab- 
sicht durchzusetzen. 

Ludwig  sorgte  dafür,  daß  alle  die  Kirchenlehen,  die 
Dietrich  innegehabt  hatte,  seinem  Mündel  übertragen  wurden; 
dabei  setzte  er  wieder  die  Bestimmung  durch,  daß  diese 
Gebiete  nach  Erbrecht  auf  ihn  übergehen  sollten,  wenn 
Heinrich  minderjährig  ohne  Erben  stürbe  ^).  Nur  der 
Bischof  Ekkehard  von  Merseburg  wehrte  sich  energisch 
gegen  dieses  Ansinnen.  Er  erklärte  sich  wohl  zur  Über- 
tragung der  Lehen  auf  Heinrich  bereit,  nahm  dafür  aber 
die  vormundschaftliche  Regierung  über  diese  Besitzungen 
bis  zur  Volljährigkeit  des  Markgrafen  für  sich  in  Anspruch. 
Als  Ludwig  diese  Forderung  zurückwies  und  auch  durch 
Verwarnungen    sich  nicht  beirren   ließ,  exkommunizierte  er 


1)  Der  Kaiser  hätte  nach  Lehensrecht  selbst  die  Vormund- 
schaft beanspruchen  können ;  vergl.  Encyclica  Friderici  d.  d.  Capuae, 
6.  Dez.  1227:  Doeberl,  Mon.  Germ,  selecta,  V,  S.  58;  Cod.  dipl. 
Sax.  r.  II,  8,  S.  XXIII,  Anm.  39 ;  Böhmer-Ficker,  No.  1715. 

2)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2000. 

3)  Man  vergleiche  damit  das  Verhalten  Friedrichs  gegen  die 
unmündigen  Kinder  Alberts  IL  von  Brandenburg  und  ihre  Mutter: 
Dobenecker:  Reg.  II,  No.  1980. 

4)  Winkehnann ,  I,  S.  379. 

5)  Cron.  Reinh.,  S.  597;  V.  L.,  S.  30.  ' 


36     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

zunächst  den  jungen  Heinrich  und  seine  Ratgeber,  d.  h. 
Ludwig  und  Jutta,  und  endlich,  als  er  damit  den  erwünschten 
Erfolg  nicht  erzielte,  belegte  er  das  ganze  Land  mit  dem 
Interdikt.  Schließlich  einigte  man  sich  nach  langen  Ver- 
handlungen dahin,  daß  der  Bischof  gegen  Zahlung  von 
800  Mark  Silber  die  verhängten  Kirchenstrafen  aufhob,  die 
strittigen  Gebiete  Heinrich  zu  Lehen  übertrug  und  die  Vor- 
mundschaft Ludwigs   anerkannte^) 

Daß  dabei  der  Landgraf,  hierin  ganz  ein  Territorial- 
herr seiner  Zeit,  von  den  geistlichen  Fürsten  unbedenklich 
auch  Rechte  verlangte  und  in  Besitz  nahm,  auf  die  er  nur 
mehr  oder  weniger  schlecht  begründete  Ansprüche  geltend 
machen  konnte,  erhellt  aus  folgendem:  Der  Bischof  Bruno 
von  Meißen  beschwerte  sich  bitter  beim  Kaiser  darüber, 
daß  Ludwig  Silbergruben,  die  innerhalb  der  Grenzen  des 
Bistums  lagen  und  zu  ihm  gehörten,  mit  Gewalt  besetzt 
habe,  über  die  damit  verbundenen  Zehnten  verfüge  und  ihn 
wegen  gewisser  Kirchengüter  arg  belästige.  Es  gelang  ihm, 
gegen  dieses  Vorgehen  ein  kaiserliches  Verbot  zu  erwirken  2). 

Ludwig  besuchte  das  seiner  Obhut  anvertraute  Land 
regelmäßig  und  hielt  an  den  althergebrachten  Stätten  die 
Gerichtsversammlungen  ab,  in  denen  er  sich  vor  allem  eifrig 

1)  Chron.  Episc.  Mereeb. ;  MG.  SS.  X,  S.  190 f.;  F.  v.  Posern- 
Klett,  Cod.  dipl.  Sax.  r.  II,  8,  Vorrede  S.  XXIII;  Winkelmann, 
I,  S.  362 f.;  F.  W.  Tittmann,  Heinrich  d.  Erl.,  II,  S.  151  f.,  2.  Aufl. 
Es  ist  ganz  unnötig,  mit  Tittm.  aus  einer  Urkunde  vom  22.  Dezem- 
ber 1225  (Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2252)  auf  eine  Teilnahme  des 
Bischofs  an  der  Regentschaft  zu  schließen.  K.  Grosse,  Gesch.  d. 
Stadt  Leipzig,  I,  S.  123;  G.  Wustmann,  Gesch.  d.  Stadt  Leipzig, 
S.  17  ff.  Die  Besitzungen,  die  von  Merseburg  zu  Lehen  gingen, 
lagen  zwischen  Saale  und  Mulde;  die  wichtigsten  waren  Leipzig, 
Grimma,  Naunhof,  Borna,  Groitzsch  und  Rötha.  Vergl.  0.  Küster- 
mann, Altgeographische  Streif züge  durch  das  Hochstift  Merseburg, 
in:  Neue  Mitteil,  aus  dem  Geb.  d.  hist.-antiquar.  Forsch.,  XVIII, 
S.  155  ff. 

2)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2000.  Tittmann,  II,  S.  154  ver- 
tritt die  Ansicht,  daß  der  Bischof  versucht  habe,  sich  die  Minder- 
jährigkeit Heinrichs  zu  nutze  zu  machen. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     37 

um  die  Wiederherstellung  und  Aufrechterhaltung  des  Friedens 
bemühte  ^).  Jetzt  verstummen  die  Nachrichten  von  Auf- 
ständen der  Ritter  und  Dienstmannen,  die  unter  Dietrichs 
Regierung  bis  an  sein  Ende  nicht  aufgehört  hatten'-^). 

Bald  freilich  wurde  die  friedliche  Herrschertätigkeit 
des  Landgrafen  durch  die  Umtriebe  seiner  eigenen  Stief- 
schwester Jutta  gestört.  Sie,  die  zuerst  die  Unterstützung 
des  Bruders  freudig  entgegengenommen  hatte,  mußte  rasch, 
genug  iune  werden,  daß  gegenüber  der  überragenden  Per- 
sönlichkeit und  dem  energischen  Eingreifen  Ludwigs  ihr 
Einfluß  mehr  und  mehr  schwand  ^).  An  aufreizenden  Stimmen 
aus  den  Reihen  der  unzufriedenen  Großen,  die  die  starke 
Hand  des  Regenten  nur  widerwillig  ertrugen,  mag  es  nicht 
gefehlt  haben  ^).  Allmählich  entwickelte  sich  diese  Ab- 
neigung Juttas  gegen  ihren  Bruder  zur  Feindschaft.  Dem 
wachsamen  Auge  Ludwigs  waren  diese  Veränderungen  und 
die  erregte  Stimmung  im  Lande  nicht  entgangen.  Noch 
war  für  ihn  kein  Anlaß  zum  Eingreifen  vorhanden;  um 
gegen  alle  Möglichkeiten  gerüstet  zu  sein,  erschien  er  wohl 
schon  im  Jahre  1222  an  der  Spitze  eines  stattlichen  Auf- 
gebots in  Meißen,  um  hier  die  Regierungsgeschäfte  zu  er- 
ledigen 5). 

Schon  am  Beginn  des  folgenden  Jahres  sollte  die  ent- 
scheidende Wendung  eintreten^). 

1)  Cron.  Reinh.,  S.  597;  V.  L.,  S.  30;  Cron.  Eeinh.,  S.  598; 
V.  L.,  S.  31  f.;  Cron.  Eeinh.,  S.  600;  V.  L.,  S.  35. 

2)  Tittmann,  II,  S.  153 ;  v.  Posern-Klett,  Cod.  dipl.  Sax.  r. 
II,  8,  S.  XXII. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  596  f.;  V.  L.,  S.  29  f. 

4)  Ann.  Peg.:  MG.  SS.  XVI,  S.  269;  V.  L.,  S.  34.  Auch  der 
kräftige  Widerstand,  den  Jutta  in  dem  bald  ausbrechenden  Kriege 
leistete,  war  nur  durch  ihre  Beihilfe  möglich. 

5)  Cron.  Eeinh.,  8.  598 ;  V.  L.,  S.  31  f. 

6)  Vergl.  über  diesen  Krieg:  Cron.  Eeinh.,  S.  598  ff. ;  V.  L., 
S.  32  ff. ;  Ann.  Pegav.,  S.  269  f. ;  allerdings  muß  man  wohl  ihre  Nach- 
richten über  diese  Ereignisse  für  unglaubwürdig  halten,  im  Gegensatz 
zu  Winkelmann,  Friedrich  II.,  I,  S.  380  (Anm.  3),  und  in  Überein- 
stimmung mit  L.  A.  Cohn,  die  Pegauer  Ann.  aus  dem  12.  und  13. 


38     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

Die  Markgräfin  Jutta  hatte  es,  wohl  im  Einverständ- 
nis mit  ihren  Anhängern,  für  das  Beste  gehalten,  eine  zweite 
Ehe  einzugehen,  um  dadurch  mit  einem  Schlage  der  so 
drückenden  Regentschaft  des  Stiefbruders  ein  Ende  zu 
machen :  sie  mußte  ja  gänzlich  überflüssig  erscheinen,  wenn 
dem  unmündigen  Heinrich  ein  Stiefvater  zur  Seite  treten 
würde.  Für  ihre  Zwecke  schien  am  geeignetsten  der  Graf 
Poppo  von  Henneberg,  der  seit  1220  verwitwet  war :  er 
verfügte  über  eine  nicht  unbedeutende  Macht  und  hatte  bis 
dahin  zu  Ludwig  in  einem  sehr  freundschaftlichen  Verhält- 
nisse gestanden,  so  daß  man  vielleicht  erwartete,  daß  für 
ihn  der  Landgraf  noch  am  ehesten  auf  seine  Ansprüche 
verzichten  werde. 

Mit  der  größten  Verschwiegenheit  war  man  zu  Werke 
gegangen.  Unter  dem  Vorwand  einer  Reise  nach  Sachsen 
eilte  Poppo  durch  Thüringen  nach  Leipzig,  und  hier  fand 
am  Dienstag,  den  3.  Januar  1223,  die  feierliche  Vermäh- 
lung*) in  der  Thomaskirche  statt.  An  demselben  Tage  traf 
Ludwig,  wieder  begleitet  von  einem  ansehnlichem  Gefolge, 
auf  der  Neuenbürg  bei  Freiburg  ein.  Seine  Absicht  war, 
sich  von  hier  nach  Görschen  zu  begeben  und  dort  am  9.  Januar 
ein  Landding  abzuhalten.      Plötzlich    erschien    Graf  Poppo 


Jahrh.  in :  Mitt.  d.  Gesch.-  und  Altertumsforsch.  GeseUsch.  des 
Osterlandes,  IV,  S.  530  ff.,  1858.  Tittmann,  II,  S.  157  ff.,  verlegt 
diese  Ereignisse  fälschlich  in  das  Jahr  1224,  ebenso  Knochenhauer, 
S.  307  ff.,  dem  aber  schon  Menzel:  S.  307,  Anm.  3  widerspricht; 
auch  die  übrigen  chronologischen  Angaben  Knochenhauers,  die  sich 
auf  diesen  Krieg  beziehen,  sind  wohl  falsch.  Winkehnann,  I,  S.  380  f. 
Füsslein,  ZThG.  XIX,  N.  F.  XI,  S.  65  ff. ;  hinsichtüch  der  Zeitan- 
gaben :  Bernecker,  S.  26  ff. :  hier  der  Beweis,  daß  diese  Vorgänge 
dem  Jahre  1223  zuzuweisen  sind;  vergl.  dazu  auch  Holder-Egger, 
Cron.  Keinh.,  S.  598,  Anm.  4. 

1)  Die  Benennung  der  in  Frage  kommenden  Handlungen  ist  eine 
sehr  schwierige,  da  der  Sprachgebrauch  ein  sehr  schwankender  ist; 
vergl.  I.  Ficker,  Erörter.  z.  Eeichsgesch.  d.  13.  Jahrh.,  in:  Mitt.  d. 
Inst.  f.  östr.  Geschf.  IV,  1883,  S.  6 ff.;  er  unterscheidet  drei  Stufen: 
Verlobung,  Vermählung,  Verheiratung  (Hochzeit). 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     39 

am  6.  Januar  1)  auf  der  Burg  und  teilte  dem  vollkommen 
überraschten  Landgrafen  das  Geschehene  mit;  zugleich  lud 
er  ihn  zu  der  bevorstehenden  Hochzeit  ein.  Der  Landgraf 
beschränkte  sich  zunächst  auf  eine  ausweichende  Antwort 
und  lehnte  es  ab,  der  Feier  beizuwohnen.  Er  erwartete 
erst  das  von  ihm  angesagte  Landding,  um  hier  die  Stimmung 
der  Bevölkerung,  vor  allem  des  Adels,  zu  erkennen  und 
danach  sein  Verhalten  zu  bemessen.  Immerhin  war  seine 
Ausflucht  durchsichtig  genug:  sie  bedeutete  den  endgül- 
tigen Bruch  der  Beziehungen  zwischen  den  Geschwistern. 
"Wie  hätte  auch  ein  Fürst  wie  Ludwig  auf  so  weit  aus- 
schauende Pläne  und  so  bedeutende  und  wertvolle  Ansprüche 
verzichten  können! 

Indessen  hatte  Jutta  nicht  versäumt,  ihre  Maßregeln  zu 
treffen,  um  nötigenfalls  ihren  Bruder  durch  Waffengewalt 
zur  Anerkennung  ihrer  Forderungen  zu  zwingen. 

Eine  Anzahl  von  Burgen  hatte  sie  mit  ihren  Anhängern 
besetzt.  Von  wie  langer  Hand  sie  dieses  ganze  Unternehmen 
vorbereitet,  wie  geschickt  sie  dabei  zu  Werke  gegangen 
war,  das  erkennt  man  daraus,  wie  sie  versucht  hatte,  sich 
Leipzigs  zu  versichern.  Hier  hatte  Dietrich  der  Bedrängte, 
um  die  Stadt  im  Zaume  zu  halten,  im  Jahre  1216  drei 
Festen  aufführen  lassen  ^).  Eine  von  diesen,  in  der  Dietrich 
von  Schladebach  3)  den  Befehl  geführt  hatte,  hatte  sie  nach 
dessen  Tode  ohne  Wissen  des  Landgrafen  mit  ihr  ergebenen 
Leuten  besetzen  lassen,  deren  Aufgabe  es  natürlich  war,  die 
Bürger  zum  Anschluß  an  die  Markgräfin  zu  veranlassen, 
nötigenfalls  zu  zwingen. 

Als  indessen  Ludwig  am  9.  Januar  1223  das  Landding 
in  Görschen  abhielt,  sind  ihm  sicher  auch  Berichte  über  die 


1)  Füsslein,   S.  65  setzt  seine  Ankunft  mit  Unrecht  schon  auf 
den  4.  Januar. 

2)  V.  Posern-Klett,  Cod.  dipl.   Sax.  r.  II,  8,  S.  XXI f.;   Wust- 
mann, I,  S.  26. 

3)  Er  wird  zum  letztenmal  urkundlich  erwähnt  am  11.  April 
1220,  vergl.  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1878. 


40     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

feindlichen  Maßnahmen  seiner  Schwester  zugegangen.  Als 
dann  vollends  am  folgenden  Tage  gemeldet  wurde,  daß  der 
Saaleübergang  bei  Weißenfels  gesperrt,  und  so  ihm  der  direkte 
Weg  nach  der  Neuenburg  verlegt  sei,  als  ferner  ein  Gesandter 
aus  Leipzig  i)  eintraf,  der  ihn  im  Auftrag  der  Bürger  dringend 
aufforderte,  in  ihre  Stadt  zu  kommen,  um  sie  gegen  Über- 
griffe der  markgräflichen  Besatzung  zu  schützen,  da  mußte 
es  Ludwig  klar  werden,  daß  es  nunmehr  hieß,  energisch  ein- 
zuschreiten, wenn  nicht  das  ganze  Land  seiner  Regierungs- 
gewalt entzogen  werden  sollte. 

Rasch  entschlossen  eilte  er  am  12.  Januar  mit  seinen 
Truppen  nach  Leipzig,  um  vor  allem  diese  so  wichtige  Stadt 
in  seinem  Besitz  zu  sichern. 

Sofort  beginnt  er  mit  der  Einschließung  der  von  den 
Truppen  Juttas  besetzten  Feste:  während  die  Bürger  sich 
von  der  Stadt  aus  zum  Sturm  anschickten,  übernahm  er  mit 
seinen  kampfgeübten  Mannen  die  gefährlichere  Aufgabe;  er 
ging  gegen  die  außerhalb  der  Stadtmauern  gelegene  Front 
zum  Angriff  vor.  Als  die  Besatzung  diese  Anstalten  be- 
merkte und  sah,  daß  es  keine  Möglichkeit  des  Entrinnens 
gab,  überlieferte  sie  den  Turm  dem  Landgrafen,  der  ihn 
dem  Erdboden  gleich  machen  ließ,  wie  er  es  den  Bürgern 
versprochen  hatte  ^). 

So  hatte  Ludwig  die  Feindseligkeiten  eröffnet,  und  Jutta 
mußte  den  Fernerstehenden  als  die  unschuldig  Angegriffene 
erscheinen.  Sie  verfehlte  auch  nicht,  diese  für  sie  so  günstige 
Stellung  nach  Kräften  auszubeuten.  Zur  Aufklärung,  und 
um  die  noch  Schwankenden  zu  sich  herüberzuziehen,  sandte 
sie  durch  das  ganze  Land  ein  Rundschreiben,  in  dem  sie 
sich   unter  vollkommener  Verdrehung  der  Tatsachen  bitter 


1)  Cron.  Eeinh.,  S.  598,  Anm.  5.  Nach  dieser  Auslegung  Holder- 
Eggers  muß  man  die  Ausführungen  Berneckers  berichtigen,  der  S.  31 
meint,  daß  die  Nachricht  aus  Weißenfels  am  8.  Januar  eingelaufen, 
imd  daß  Ludwig  am  11.  Januar  in  dieser  Stadt  gewesen  sei. 

2)  V.  Posern-Klett,  Cod.  dipl.  Sax.  r.  II,  8,  S.  XXIII. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV..  Landgrafen  von  Thüringen.     41 

über  ihren  Bruder  beschwerte  und  ihn  beschuldigte,  daß  er 
nur  daran  denke,  ihr  zu  schaden. 

Ludwig  blieb  natürlich  die  Antwort  nicht  schuldig:  in 
seiner  Erwiderung,  die  er  nach  allen  Seiten  schickte,  legte 
er  die  Gründe  für  sein  Verhalten  dar  und  betonte,  daß  es 
ihm  nur  auf  die  Sicherung  des  Friedens  und  das  Wohl- 
ergehen der  Bewohner  ankomme.  Bezeichnend  ist,  daß  die 
Städte  sich  rückhaltlos  an  den  Landgrafen  anschlössen, 
dessen  Regierung  ihnen  die  öffentliche  Sicherheit,  die  erste 
Bedingung  für  eine  gedeihliche  Fortentwickelung  ihres  auf- 
blühenden Handels,  verbürgte.  Dagegen  schlug  sich  ein  nicht 
unbeträchtlicher  Teil  des  Adels,  der  sich  durch  eine  starke 
Begierungsgewalt  in  seinen  alten  Gewohnheiten  bedroht  sah, 
zu  der  feindlichen  Partei. 

Auf  beiden  Seiten  wurden  die  Rüstungen  mit  Eifer 
fortgesetzt.  Jutta  hatte  ihr  Hauptquartier  in  der  Burg 
Döbeln  aufgeschlagen,  die  so  ziemlich  im  Mittelpunkt  des 
von  den  Aufständischen  beherrschten  Gebietes  lag.  Damit 
war  Ludwig  das  Ziel  für  seine  Operationen  gegeben.  Als  er 
aber,  nachdem  er  sein  Heer  durch  frische  Truppen  verstärkt 
hatte,  die  Offensive  ergriff,  gelang  es  ihm  zwar,  mehrere  kleinere 
Burgen  zu  erstürmen  und  das  platte  Land  weithin  zu  ver- 
wüsten, aber  irgendeinen  namhafteren  Erfolg  zu  erringen, 
vermochte  er  nicht.  Es  scheint,  daß  der  Widerstand,  den 
er  bei  seinem  Vordringen  fand,  doch  weit  kräftiger  war,  als 
er  vermutet  hatte ;  um  ihn  zu  brechen,  bedurfte  er  stärkerer 
Kräfte,  als  er  bis  jetzt  zur  Verfügung  gehabt  hatte.  Also 
ergingen  Befehle  an  die  in  der  Heimat  Zurückgebliebenen, 
sich  bei  ihm  einzufinden.  Um  ihr  Herankommen  abzuwarten, 
ging  er  nach  der  Neuenburg  zurück :  hier  traf  er  am  7.  März 
ein  1).  Nachdem  sich  dann  ein  starkes  Heer  versammelt  hatte, 
brach  er  am  2.  April  wieder  auf,  um  am  16.  April  die 
Operationen  von  neuem  zu  eröffnen.  Man  kann  sich  wohl 
vorstellen,    daß   während   seiner   Abwesenheit   die  Aufstän- 


1)  Holder-Egger,  Cron.  Eeinh.,  S.  599:  März  8. 


42     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

dischen  es  an  Belästigungen  seiner  Anhänger,  vor  allem  der 
Städte,  nicht  haben  fehlen  lassen.  Sie  galt  es  vor  allem  zu 
schützen.  Um  Dresden  gegen  Plackereien  sicherzustellen, 
warf  er  sich  auf  die  starke  Feste  Tharandt  ^),  und  es  gelang 
ihm,  sie  am  Ostersonnabend  (22.  April)  durch  Sturm  zu 
erobern.  Während  der  Osterfeiertage  nahm  er  in  Dresden 
Aufenthalt.  Vielleicht  zum  Schutz  Leipzigs  und  von  dessen 
Bürgern  gerufen,  wandte  er  sich  jetzt  gegen  die  Burg  Naun- 
hof  2),  deren  Besatzung  sich  ihm  nach  heftiger  Beschießung 
ergab.  Die  Ausführung  dieser  Unternehmung  nahm  min- 
destens einen  Zeitraum  von  2  Wochen  in  Anspruch^). 

Nachdem  der  Landgraf  sein  durch  Marsch-  und  Gefechts- 
verluste, sowie  durch  die  Abgabe  von  Besatzungen  für  die 
genommenen  Burgen  zusammengeschmolzenes  Heer  durch 
heranbeorderte  Reserven  verstärkt  hatte,  eröffnete  er  —  man 
muß  dafür  wohl  die  erste  Hälfte  des  Mai  ansetzen  —  die 
Belagerung  der  starken  Festung  Groitzsch^).  Hier  wurde 
jedoch   die  Ausdauer   der  Belagerer  auf   eine    harte    Probe 

1)  1"/^  Ml.  südwestlich  von  Dresden. 

2)  N.,  jetzt  Stadt,  südöstlich  von  Leipzig;  vergl.  Holder-Egger, 
Cron.  Reiüh.,  S.  599,  Anm.  2.  Übrigens  gibt  es  in  Sachsen  noch 
zwei  andere  Ortschaften  gleichen  Namens :  1.  nordöstlich  von  Leisnig, 
2.  westlich  von  Radeburg.  Bernecker  meint  S.  38,  die  Burg,  die  er 
„Nauenhoff"  nennt,  müsse  in  der  Nähe  von  Dresden  liegen ;  infolge- 
dessen kommt  er  in  der  Zeitbestimmung  dieser  Ereignisse  zu  anderen 
Ergebnissen.  Er  zieht  ferner  bei  seinen  Berechnungen  kaum  oder 
gar  nicht  die  Zeit  in  Betracht,  die  eine  Truppe  vor  einer  Belagerung 
zum  Anmarsch  und  nach  ihrem  Ende  zur  Herstellung  der  Ordnung 
und  zur  Erholung  braucht;  am  schlagendsten  ist  folgendes  Beispiel: 
nach  seiner  Ansicht  fällt  Groitzsch  am  12.  oder  13.  Juli;  dann  wird 
Rochlitz,  6  Meilen  entfernt,  angegriffen,  das  schnell  erliegt;  Ludwig 
eilt  sofort  auf  die  Neuenburg  zurück  (Luftlinie  gegen  80  Kilometer  1) 
und  trifft  hier  am  20.  Juli  mit  Otto  von  Meran  zusammen! 

3)  Die  Entfernung  in  der  Luftlinie  zwischen  Dresden  und  Naun- 
hof  beträgt  nämlich  85 — 90  Kilometer,  so  daß  allein  für  den  Anmarsch 
7 — 8  Tage  gerechnet  werden  müssen ;  zählt  man  dazu  den  Zeitverbrauch 
für  die  Aufstellung  der  Geschütze  und  für  die  Beschießung,  so  wird 
man  einsehen,  daß  der  angegebene  Zeitraum  nicht  zu  hoch  gegriffen  ist. 

4)  Gr.,  östlich  von  Pegau. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     43 

gestellt.  Zwar  die  unterhalb  der  Feste  gelegene  Ortschaft 
wurde  sofort  genommen  und  eingeäschert;  aber  weiter  vor- 
zudringen, vermochte  man  nicht.  Es  zeigte  sich  offenbar 
wieder  einmal  die  Wirkungslosigkeit  der  damaligen  Artillerie 
gegen  eine  gut  befestigte  und  günstig  gelegene  Burg,  so  daß 
man  wahrscheinlich  zur  Aushungerung  seine  Zuflucht  nehmen 
mußte.  Erst  nach  einer  Einschließung  von  einem  Monat 
ergab  sich  die  Besatzung  der  Gnade  des  Landgrafen. 
Nachdem  durch  die  Einnahme  von  Naunhof  und  Groitzsch 
Hauptstützpunkte  der  Aufständischen  gefallen,  und  Leipzig 
vollkommen  gesichert  war,  gab  Ludwig  nunmehr  seinen 
Operationen  wieder  die  Richtung  auf  Döbeln;  zu  dessen 
Belagerung  war  vor  allem  die  Einnahme  von  Rochlitz  nötig, 
das  den  Übergang  über  die  Zwickauer  Mulde  deckte.  Als 
er  gegen  die  Burg  eine  Verschanzung  aufgeführt  hatte, 
mußte  auch  sie  sich  ihm  überliefern. 

Inzwischen  hatte  Jutta,  wohl  auf  die  Nachricht  von 
diesen  Erfolgen  ihres  Bruders  und  von  seinem  immer  be- 
drohlicher werdenden  Vordringen  gegen  den  Mittelpunkt 
ihrer  Macht,  sich  entschlossen,  Ludwig  um  Einstellung  der 
Feindseligkeiten  zu  bitten.  Natürlich  forderte  dieser  für 
die  Erfüllung  des  Wunsches  gewisse  Bürgschaften,  unter 
anderem  auch  die  Auslieferung  des  jungen  Heinrich.  Viel- 
leicht läßt  es  sich  so  erklären,  daß  der  Markgraf  am  24.  Juni 
1223  im  Beisein  und  mit  Zustimmung  seines  Oheims  dem 
deutschen  Orden  mehrere  Schenkungen  machte  i).  Wahr- 
scheinlich, nachdem  dann  auch  die  übrigen  verlangten 
Garantien  gegeben  worden  waren ,  stellte  Ludwig  die 
Operationen  ein  und  kehrte  am  20.  Juli  als  ruhmbedeckter 
Sieger  nach  Thüringen  zurück  2). 


1)  Dobenecker,  Keg.  II,  No.  2062. 

2)  Holder-Egger,  Cron.  Eeinh.,  S.  599,  Note  o,  S.  599,  Anm.  6, 
S.  600,  Anm.  1,  weist  nach,  daß  diese  Zeitangabe  zu  den  vorher- 
gehenden Ausführungen  gezogen  werden  muß,  nicht,  wie  es  fälschlich 
in  der  V.  L.,  S.  35,  geschehen  ist,  zu  den  folgenden.  Damit  sind 
die   für  unlösbar  gehaltenen  Schwierigkeiten   (vergl.  Knochenhauer, 


44     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

Freilich  sollte  sich  der  Abschluß  eines  endgültigen 
Friedens  noch  lange  hinausziehen.  Erst  im  Jahre  1224 
fahrten  die  Unterhandlungen  durch  die  Bemühungen  des 
unermüdlichen  Herzogs  Otto  I.  von  Meran,  der  durch  seine 
nahe  Verwandtschaft  zu  den  Parteien  ^)  zu  einer  Vermitt- 
lung am  besten  geeignet  war,  zum  Ziel  ^).  Die  Einzelheiten 
des  Vertrags  sind  uns  nicht  überliefert.  Daran  war  jeden- 
falls nicht  zu  denken,  daß  der  Landgraf  von  seinen  An- 
sprüchen auf  die  vormundschaftliche  Regierung  in  Meißen 
etwas  von  Belang  aufgegeben  hätte.  Wir  finden  ihn  bis 
an  sein  Lebensende  im  uneingeschränkten  Besitz  der  Macht 
in  diesen  Gebieten.  Zwei  Urkunden  sind  allerdings  erhalten, 
in  denen  der  Markgraf  Heinrich  allein  Verfügungen  trifft, 
ohne  daß  der  Einwilligung  Ludwigs  gedacht  würde.  Dabei 
handelt  es  sich  einmal  um  die  Verleihung  der  Pfarreien 
nebst  dem  Hospital  zu  Freiberg  an  das  Kloster  Altzelle; 
unter  den  Zeugen  steht  an  erster  Stelle  Graf  Poppe  von 
Henneberg  ^).  Hier  erklärt  sich  die  Sache  wohl  so,  daß  die 
vorsichtigen  Mönche  sich  für  alle  Fälle  sichern  wollten  und 
deshalb  noch  auf  die  ausdrückliche  Zustimmung  Heinrichs, 
bezw.  Poppos  und  Juttas,  Wert  legten.  In  der  anderen 
Urkunde  bezeugt  Bischof  Ekkehard  von  Merseburg,  daß  mit 
Bewilligung  Heinrichs  eine  Kirche  in  Ötzsch  gebaut  worden 

S.  311,  Anm.  1)  beseitigt;  vergl.  Füsslein,  S.  68,  Anm.  1.  Füsslein, 
S.  67,  Anm.  5,  behauptet  mit  Unrecht,  durch  Holder-Egger  sei  an 
den  erwähnten  Stellen  festgestellt  worden,  daß  der  Endtermin  der 
Belagerung  in  Groitzsch  der  20.  Juli  sei;  vielmehr  ist  der  20.  Juli 
der  Tag,  an  dem  Ludwig  die  Rückreise  nach  Thüringen  antrat. 

1)  Die  Gemahlin  Ludwigs,  Elisabeth,  war  Ottos  Nichte,  Graf 
Poppo  der  Sohn  seiner  Vaterschwester  Sophia;  vergl.  Füsslein,  S.  68 
und  S.  68,  Anm.  1. 

2)  Ludwig  hielt  sich  damals  auf  der  Neuenburg  auf;  vergl. 
Cron.  Reinh.,  S.  600;  V.  L.,  S.  35;  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2137. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2214;  aus  demselben  Motiv  ver- 
schafften sich  wohl  auch  die  Mönche  des  Klosters  Riesa  die  Be- 
stätigung Juttas  zu  Schenkungen  Heinrichs;  hier  wird  aber  aus- 
schließlich auch  auf  die  Genehmigung  Ludwigs  hingewiesen;  vergl. 
Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2275. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     45 

ist  und  daß  dieser  zu  ihrer  Ausstattung  eine  Hufe  geschenkt 
hati).  Daß  der  Bischof  Ekkehard  nach  Möglichkeit  die 
Regentschaft  Ludwigs  ignorierte,  kann  nicht  wundernehmen, 
da  er  sie  ja  nur  widerwillig  anerkannt  hatte. 

Wahrscheinlich  ist  Heinrich  jetzt  seiner  Mutter  zurück- 
gegeben worden,  um  in  ihrer  Obhut  und  Erziehung  auf- 
zuwachsen 2). 

Ferner  gab  Ludwig  nun  seine  Zustimmung  zur  Heirat 
seiner  Schwester  mit  Poppe  ^)  und  beließ  sie  in  dem  Genuß 
gewisser  Besitzungen,  die  vielleicht  zu  ihrem  Witwengut 
gehörten  ^). 

Aus  dem  Jahre  1223  wird  überliefert,  daß  von  Ludwig 
die  Burg  Bresnitz  zerstört  wurde  ^) ;  da  diese  bei  Annaberg, 
nahe    der    böhmischen    Grenze,    also    weitab    vom   Kriegs- 


1)  Kehr,  ÜB.  des  Hofstifts  Merseburg,  I,  No.  192 ;  Dobenecker, 
Eeg.  II,  No.  2252. 

2)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2214,  2275,  2336.  Mit  Tittmann, 
II,  S.  163  f.,  und  Füsslein,  S.  69  aus  der  Urkunde  vom  22.  Dezember 
1225  (Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2252)  auf  die  Anwesenheit  des  Mark- 
grafen in  der  Umgebung  des  Bischofs  von  Merseburg  zu  schließen, 
ist  wohl  unmöglich. 

8)  Wann  sie  stattgefunden  hat,  ist  unbekannt.  Holder-Egger, 
Cron.  Eeinh.,  S.  563,  Anm,  15,  setzt  sie,  ohne  nähere  Begründung, 
in  das  Jahr  1224.  Füsslein,  S.  66,  vermutet,  daß  sie  im  Juni  oder 
Juli  1223  vollzogen  wurde.  Poppe  hat  übrigens  Meißen  bald  nach 
Ausbruch  des  Kampfes  verlassen :  am  1.  Februar  1223  ist  er  Zeuge 
in  einer  Würzburger  Urkunde;  vergl.  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2028; 
Füsslein,  S.  66,  Anm.  4,  S.  152,  Anm.  4.  Unbestimmt  ist,  ob  er  dann 
später  wieder  nach  Meißen  zurückgekehrt  ist. 

4)  Wir  haben  urkundliche  Belege,  daß  sie  als  Markgräfin  von 
Meißen  über  Güter  in  der  Gegend  von  Bürgel  (Dobenecker,  Eeg.  II, 
No.  2463)  und  bei  Schwerstedt  (Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2336)  ver- 
fügte. Wenn  ferner  Ludwig  sich  verpflichtete,  eine  Burg  niederzu- 
reißen (Cron.  Eeinh.,  S.  600;  V.  L.,  S.  35),  die  er  gegen  seine 
Schwester  gebaut  hatte  (sollten  die  Befestigungen  bei  Eochlitz  ge- 
meint sein?),  so  kann  diese  Bestimmung  doch  nur  dann  Sinn  haben, 
wenn  die  Feste  auf  Grund  und  Boden  stand,  der  der  Markgräfin 
zugesprochen  worden  war. 

5)  Chron.  Montis  Sereni:  MG.  SS.  XXIII,  S.  201. 


46     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

Schauplatz,  liegen  solH),  so  handelt  es  sich  hier  vielleicht 
darum,  daß  die  Besitzer  auch  nach  abgeschlossenem  Waffen- 
stillstand nicht  aufhörten,  die  Gegend  unsicher  zu  machen, 
so  daß  der  Landgraf  sich  genötigt  sah,  sie  von  seinen 
Truppen  zerstören  zu  lassen. 

So  kehrte  nach  harten  Kämpfen  der  Friede  wieder  in 
das  so  schwer  geprüfte  Land  ein.  Ihn  vor  allem  zu  sichern, 
betrachtete  der  Landgraf  als  die  Hauptaufgabe  seiner  Re- 
gierung '^).  Noch  sind  uns  zwei  Urkunden  erhalten,  die  uns 
einen  Einblick  in  diese  seine  friedebringende  Tätigkeit  ge- 
statten. 

Schon  lange  Jahre  hindurch  tobte  zwischen  dem  Dom- 
kapitel von  Meißen  und  den  Herren  von  Mildenstein  wegen 
der  Zehnten  im  Gebiet  von  Trankenberg  und  dem  Burg- 
wart Goze  ein  hartnäckiger  Streit,  der,  wiederholt  beige- 
legt^), immer  von  neuem  ausgebrochen  war.  Schließlich 
hatten  die  Mildensteiner  den  Bischof  Bruno  von  Meißen 
gefangen  genommen,  einen  Priester  schwer  verwundet  und 
die  stiftischen  Besitzungen  furchtbar  heimgesucht.  Wegen 
dieser  Schandtaten  wurde  über  sie  die  Acht  und  die  Ex- 
kommunikation verhängt  4).  Nun  griff  der  Landgraf  ein, 
als  er  am  Anfang  1224  5)  in  Meißen  erschien.  Er  veranlaßte 
die  Geächteten,  eidlich  zu  geloben,  daß  sie  sich  seinem 
Spruch  unterwerfen  würden,  und  traf  darauf  mit  Hilfe 
seiner  Getreuen  Meinher,  Burggraf  von  Meißen,  Ludolf  von 
Berlstedt,  Bernhard  von  Camenz  und  Hermann  von  Schön- 


1)  Chron.  Mont.  Ser.,  S.  201,  Anm.  52. 

2)  Cron.  Eeinh.,  S.  600;  V.  L.,  p.  35. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1583. 

4)  Cod.  dipl.  Sax.  r.  11,1,  S.85f.,  No.92;  Dobenecker,  Eeg.  II, 
No.  1995,  2050. 

5)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  1995,  Anm.  1  setzt  diesen  Schieds- 
spruch frühestens  in  das  Jahr  1222 ;  im  Hinblick  auf  das  Schreiben 
des  Papstes  vom  31.  März  1223  (Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2050),  in 
dem  er  befiehlt,  über  die  Mildensteiner  die  Exkommunikation  zu 
verhängen,  ist  es  vielleicht  richtig,  ihn  mit  Tittmann,  II,  S.  161  f. 
in  das  Jahr  1224  zu  verlegen. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     47 

bürg  folgende  Entscheidung:  Die  Herren  von  Mildenstein 
verzichten  zugunsten  des  Kapitels  von  Meißen  auf  die  strittigen 
Zehnten.  Zur  Buße  für  die  Gefangennahme  des  Bischofs 
überweisen  sie  dem  Bistum  Meißen  zehn  Mark  jährliche 
Einkünfte,  die  sie  dann  vom  Bischof  zu  Lehen  empfangen 
werden.  Dem  mißhandelten  Priester  zahlen  sie  zwanzig 
Mark  Schmerzensgeld.  Im  Büßergewand  und  mit  Geißeln 
werden  sie  mit  dreißig  Personen  in  den  Synoden  der 
Bischöfe  von  Naumburg  und  Merseburg  erscheinen,  ihre 
Schandtaten  bekennen  und  sowohl  dort  als  auch  in  den 
vier  Landdingen  die  Verzichtleistung  wiederholen.  Ferner 
sollen  sie  mit  fünfzig  Personen  der  Strafe,  die  „harmescar"  i) 
genannt  wird,  verfallen  und  vor  dem  Bischof  und  dem 
Kapitel  knieend  um  Verzeihung  bitten;  dabei  hat  Arnold 
von  Mildenstein  nochmals  auf  die  Zehnten  zu  verzichten 
lind  die  Verfügung  über  sie  dem  Bischof  zu  überlassen. 
Endlich  sollen  sie  auf  2  Jahre  das  Land  verlassen  2). 

Am  28.  November  desselben  Jahres  (1224)  schlichtete 
er  im  Verein  mit  den  Bisehöfen  von  Hildesheim  und  von 
Naumburg  einen  Zwist,  der  zwischen  dem  Kloster  Altzelle 
und  den  Rittern  von  Nossen  wegen  des  Zellerwaldes  und 
einiger  Dörfer  ausgebrochen,  und  in  dessen  Verlauf  es  zu 
Gewalttätigkeiten  gekommen  war,  zugunsten  des  Klosters  ^). 

Nachdem  Ludwig  die  Ordnung  im  Innern  der  Mark 
wiederhergestellt  hatte,  richtete  er   sein  Augenmerk  darauf, 


1)  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte,  IV*,  S.  523.  Anm.  2 : 
Offenbar  bedeutet  das  Wort  „harmiseara"  nicht  allgemein  „Strafe", 
wie  J.  Grimm,  Deutsche  Kechtsaltertümer,  S.  681  (4.  Aufl.,  Bd.  II, 
S.  255 f.)  meint;  die  Strafe  konnte  eine  verschiedenartige  sein,  immer 
aber  in  der  Weise,  daß  eine  besondere  Demütigung  damit  verbunden 
war;  besonders  wurde  das  Wort  angewendet  auf  die  schimpfliche 
Strafe  des  Sattel-  und  Hundetragens. 

2)  Cod.  dipl.  Sax.  r.  II,  1,  S.85f.,  No.92;  Dobenecker,  Reg.  II, 
No.  1995;  Posem-Klett,  Z.  Gesch.  d.  Verf.  d.  Markgr.  Meißen  im 
13.  Jahrh.,  S.  35  f. 

3)  Cod.  dipl.  Sax.  r.  I,  3,  S.  235  f.,  No.  332;  Dobenecker,  Eeg.  II, 
No.  2166. 


48     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

vor  allem  die  Ostgrenze  geg'en  die  räuberischen  Einfälle 
und  Streifzüge  der  Polen,  die  diese  Gegenden  immer  noch 
schwer  heimsuchten,  sicherzustellen.  Dazu  gesellte  sich, 
daß  er  im  Namen  seines  Mündels  sehr  wohl  begründete 
Ansprüche  auf  die  angrenzenden  Gebiete,  die  Niederlausitz, 
erheben  konnte. 

Im  Jahre  1210  war  nämlich  mit  Konrad  von  Lands- 
berg der  Zweig  des  Wettinischen  Hauses  im  Mannesstamm 
ausgestorben ,  der  zuletzt  im  Besitz  der  Markgrafschaft 
Niederlausitz,  der  Grafschaften  Eilenburg,  Groitzsch  und 
Sommerschenburg  gewesen  war^).  Sein  Allodialbesitz  fiel 
an  Dietrich  den  Bedrängten  als  den  nächsten  männlichen 
Agnaten,  dem  es  auch  gelaug,  gegen  beträchtliche  Geld- 
zahlungen von  Otto  IV.  die  Verleihung  der  von  jenem 
innegehabten  Reichslehen  zu  erhalten  2).  Offenbar  war  es 
ihm  freilich  nicht  möglich,  die  ganze  Niederlausitz  in  seine 
Hände  zu  bekommen,  da  seine  Kräfte  zuerst  durch  den 
Thronstreit  in  Deutschland  und  später  durch  schwere  Kämpfe 
mit  seinen  Nachbarn  und  mit  seinen  eigenen  Untertanen 
bis  an  sein  Lebensende  gebunden  waren;  vielmehr  scheint 
es  der  Herzog  Heinrich  I.  von  Schlesien  verstanden  zu 
haben,  die  Notlage  Dietrichs  zu  benutzen  und  einen  großen 
Teil  des  Landes  zu  besetzen  3),  Wahrscheinlich  stützte  er 
sich  dabei  auf  Ansprüche,  die  er  im  Namen  seiner  Gemahlin 
Hedwig,  einer  Nichte  Konrads  von  Landsberg,  geltend  machte. 

In  diesen  Zeiten  wurde  Polen  unaufhörlich  von  Fehden 
der  unruhigen  und  ehrgeizigen  Teilfürsten  heimgesucht.  Im 
Jahre  1218  (oder  1217)    wurde    zwischen    zwei   von  ihnen, 

1)  0.  Posse,  Die  Wettiner,  Taf.  II,  No.  23. 

2)  Th.  Scheltz,  Gesamtgesch.  d.  Ober-  und  Niederlausitz,  I, 
S.  138ff.;  Winkelmann,  Otto  IV.,  S.  267  f. 

3)  Ähnlich  nimmt  Passow,  Vergessene  märkische  Grenzlinien 
in  ihrer  geschichtlichen  Bedeutung  (in  ,,Brandenburgia",  XII,  S.  90) 
an,  daß  nach  dem  Tode  Konrads  von  Landsberg  auch  sein  Schwieger- 
sohn, Markgraf  Albrecht  II.  von  Brandenburg,  die  Notlage  Dietrichs 
benutzt  und  die  Grenze  des  Teltow  nach  Süden  vorgeschoben  hat. 
Scheltz,  I,  S.  142. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Tliüringen.     49 

Wladislaw  Laskonogi  und  Heinrich  I.  von  Schlesien,  ein 
Frieden  vereinbart,  wonacli  Heinrich  die  Burg  Lebus  (wahr- 
scheinlich auch  die  Stadt  Lebus  und  einen  Teil  des  dazu 
gehörigen  Gebietes)  an  Wladislaw  auf  Lebenszeit  abtrat; 
dafür  übernahm  dieser  die  Verpflichtung,  keinen  Fremden 
durch  dies  Gebiet  ziehen  zu  lassen,  der  die  Absicht  habe, 
die  Mark  anzugreifen  ^ ).  Diese  Bestimmung  beweist,  daß 
sich  damals  die  Mark  in  den  Händen  Heinrichs  befand, 
und  zeigt  die  Wichtigkeit  der  Burg  Lebus  für  die  Be- 
hauptung der  Lausitz.  Erst  wenn  sie  in  sicherer  Obhut 
war,  war  dieses  Land  gegen  die  räuberischen  Einfälle  der 
Polen  geschützt,  die  hier  die  Oder  zu  überschreiten  pflegten. 

Wladislaw  Laskonogi  lag  in  jahrelangem,  heftigstem 
Kampf  mit  seinem  Neifen  Wladislaw  Odonicz,  der  seine 
ganzen  Kräfte  in  Anspruch  nahm  und  mit  wechselndem 
Erfolg  geführt  wurde  2).  Auch  Heinrich  I.  war  mit  dem 
Herzog  Lesko  von  Krakau  in  Streitigkeiten  verwickelt 
worden,  so  daß  sie  sich  mit  den  Waffen  in  der  Hand 
gegenüberstanden  ^). 

Diese  für  seine  Absichten  so  günstige  Sachlage  benutzte 
nun  Ludwig  und  unternahm  im  Jahre  1225  einen  Zug  durch 
die  Lausitz,  um  dieses  Gebiet  dem  Herzog  Heinrich  zu  ent- 
reißen und  endgültig  für  sein  Mündel  zu  gewinnen.  Auch 
ihm  war  es  nicht  entgangen,  daß  das  Land  nur  dann  zu 
halten  sei,  wenn  es  ihm  gelang,  die  Burg  Lebus  zu  nehmen  ^). 


1)  St.  Smolka,  Herzog  Heinrich  des  Bärtigen  auswärtige  Be- 
ziehungen, in  der  Zeitschr.  d.  Ver.  f.  Gesch.  u.  A.  Schlesiens,  XII, 
S.  104  f.  Den  Friedensvertrag  kennen  wir  aus  der  päpstlichen  Be- 
stätigung vom  9.  Mai  1218.  Dieses  Schreiben  ist  neuerdings  heraus- 
gegeben worden  von  Horoy,  Medii  aevi  BibÜotheca  Patristica,  II, 
S.  733  ff.,  No.  228.  Die  Verhältnisse  sind  sehr  vermckelt  und  unklar. 
Sie  erfahren  eine  etwas  andere  Darstellung  bei  ß.  Roepell,  Geschichte 
Polens,  I,  S.  422  ff. 

2)  Smolka,  S.  Ulf.;  Eoepell,  I,  S.  424 ff. 

3)  Smolka,  S.  108  f. 

4)  Über  diese  Unternehmimg  berichtet  ausführlich  nur  die  Cron. 
Eeinh.,  S.  600  ff.  =  V.  L.,  S.  36  ff.    Die  polnischen  QueUen  ge- 

XXVII.  4 


50     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

Stadt  und  Burg  Lebus  lagen  am  linken  Ufer  der  Oder 
und  waren  Sitz  eines  Bischofs,  der  der  Metropolitangewalt 
des  Erzbischofs  von  Gnesen  unterstand.  Freilich  wurde 
diese  Zugehörigkeit  schon  seit  langer  Zeit  durch  die  Erz- 
bischöfe von  Magdeburg  bestritten,  die  darauf  hinwiesen, 
daß  ihnen  von  Heinrich  V.  Lebus  geschenkt  i)  und  von 
Innozenz  IL  ihre  Rechte  bestätigt  worden  seien  2),  Erst 
in  neuester  Zeit  waren  sie  auch  von  Philipp  von  Schwaben 
anerkannt  worden  3).  Sehr  ansprechend  erscheint  daher  difr 
Vermutung^),  daß  jetzt  Ludwig  im  Einverständnis  und  im 
Bunde  mit  dem  Erzbischof  Albert  von  Magdeburg  diese 
Unternehmung  ausgeführt  hat  5) 


denken  ihrer  nur  mit  wenigen  Worten  und  setzen  sie  noch  dazu  in  ein 
falsches  Jahr:  „Item  anno  Doraini  1224  langravius  Lubus  obtinuit" 
in:  Ann.  Capituli  Posnan. :  MG.  SS.  XXIX,  S.  439;  S.  W.  Wohl- 
brück, Gesch.  d.  ehem.  Bistums  Lebus,  I,  S.  17  ff. ;  Scheltz,  S.  146  ff.; 
Tittmann,  II,  S.  163.  Smolka,  S.  109  f.  C.  Grünhagen,  Regest,  zur 
schles.  Gesch.  =  Cod.  dipl.  Siles.  VII,  1*,  S.  150  ff.  Knochenhauer 
S.  312,  Anm.  1,  setzt  diesen  Zug  fälschlich  in  das  Jahr  1224.  Breiten- 
bach, Das  Land  Lebus  unter  den  Plasten,  S.  52  ff.,  weiß  nicht,  ob 
er  sich  für  1224  oder  1225  entscheiden  soll;  Wenck,  Ludwig  IV.  in: 
A.  D.  B.  XIX,  S.  596 ;  Winkelmann,  Kaiser  Friedrich  IL,  Bd.  I, 
S.  381  f.  Hinsichtlich  der  Chronologie  vergl.  Bernecker:  S.  39  ff.; 
er  weist  nach,  daß  diese  Ereignisse  in  das  Jahr  1225  zu  setzen  sind ; 
Holder-Egger,  Cron.  Eeinh.,  S.  600,  Anm.  5. 

1)  1109;  vergl.  Grünhagen,   I,  S.  22;  Wohlbrück,   S.  7. 

2)  4.  Juni  1133,  vergl.  Jaffe,   Regesta  pontif.,  I,  No.  5458. 

3)  HuiUard-BröhoUes,    Hist.  dipl.  Friderici  sec,  II,  2,  S.  602. 

4)  Schon  Scheltz,  S.  149  hat  sie  ausgesprochen. 

5)  Wahrscheinlich  unterstützte  dieser  ihn  durch  Subsidien  und 
erhielt  dafür  die  Aussicht,  daß  endlich  die  so  hartnäckig  verteidigten 
Ansprüche  auf  Lebus  durchgesetzt  werden  würden.  Denn  an  der 
dauernden  Besitznahme  von  Stadt  und  Land  Lebus  konnte  dem 
Landgrafen  nicht  allzuviel  gelegen  sein.  Es  mußte  ihm  nur  ange- 
nehm sein,  wenn  die  Verteidigung  dieses  für  ihn  so  wichtigen 
Postens,  der  durch  seine  vorgeschobene  Lage  äußerst  gefährdet  war, 
und  für  dessen  Besetzung  er  nur  das  Recht  der  Eroberung  geltend 
machen  konnte,  vom  Erzbischof  übernommen  wurde.  Daher  erklärt 
es  sich  denn  auch,  daß  er  offenbar  ohne  Widerspruch  einwilligte 
in  die  erneute  Verleihung  von  Bistum,    Burg  und  Stadt  Lebus  an 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     51 

Ludwig  beabsichtigte,  wie  es  scheint,  durch  überraschen- 
des Vordringen  in  das  feindliche  Gebiet  sein  Ziel  zu  er- 
reichen. In  aller  Stille  versammelte  er  ein  starkes  Heer  i) 
aus  allen  Teilen  seines  Gebietes  und  trat  am  15.  Juli  den 
Vormarsch  an.  Erst  nach  Überschreitung  der  Elbe,  im  Lager 
bei  Stauda  2)^  machte  er  es  mit  der  Aufgabe,  für  die  er  es 
verwenden  wollte,  bekannt.  Wie  so  oft  in  ähnlichen  Fällen, 
zeigte  sich  zunächst  allgemeine  Verwunderung,  und  es  mag 
auch  nicht  an  Furchtsamen  gefehlt  haben,  die  gern  umge- 
kehrt wären,  wenn  sie  sich  nicht  vor  der  Schmach  gescheut 
hätten:  einmütig  gelobte  schließlich  das  Heer,  zu  folgen. 

Als  Vorhut  wurde  ein  Kommando  von  300  auserlesenen 
Rittern  vorausgeschickt;  ihre  Aufgabe  war  es,  aufzuklären 
und  das  Ziel  schnell  zu  erreichen,  um,  wenn  möglich,  die 
Burg  durch  einen  Handstreich  zu  nehmen,  oder  im  Falle  des 
Nichtgelingens  die  Feste  zu  blockieren  und  sie  von  ihrem 
Hinterland,  abzuschneiden.  Ohne  Widerstand  zu  finden  — 
offenbar  war  die  Überraschung  der  Polen  eine  vollkommene 
—  drangen  sie  bis  Lebus  vor;  es  gelang  ihnen  in  die 
Unterstadt  einzudringen  und  sie  in  Brand  zu  stecken.  Die 
Besatzung  der  Burg  freilich  scheint  den  Feind  rechtzeitig 
bemerkt  und  die  Tore  geschlossen  zu  haben,  so  daß  hier 
die  Vorhut  zum  Stehen  kam.  Sie  nahm  nun  in  der  Ebene 
westlich  der  Feste  eine  Beobachtungsstellung  ein  und  er- 
wartete das  Herankommen  Ludwigs  mit  dem  Gros  der  Armee. 
Drei    Tage    später    —    am  L  August  3)  —  traf  der   Land- 


Albert,  die  im  Juni  1226  in  Parma  erfolgte :  imter  den  Zeugen  wird 
Ludwig,  Landgraf  von  Thüringen,  genannt.  Vergl.  Dobenecker, 
Reg.  II,  No.  2320. 

1)  Die  Hist.  de  Landgraviis  Thuringiae,  ed.  I.  G.  EccarduB  in: 
Hist.  Geneal.  Princ.  Saxoniae  Sup.  Leipzig  1722,  S.  416,  weiß  zu 
berichten,  daß  es  über  3400  Wohlbewaffnete  zählte,  ohne  daß  er- 
sichtlich wäre,  woher  diese  Angabe  stammt;  vielleicht  ist  sie  richtig; 
vergl.  Holder-Egger,  Cron.  Reinh.,  S.  601,  Anm.  3;  Wenck,  Ent- 
stehung d.  Reinhardsbr.  Geschbücher.,  S.  17. 

2)  St.,  südlich  von  Großenhain. 

3)  Cron.  Reinh.,  8.  601,  Note  1. 

4* 


52     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

graf  ein,  und  jetzt  wurde  sofort  die  Blockade  in  eine  regel- 
rechte Belagerung  umgewandelt. 

Die  Besatzung  hatte  indessen  ihren  Fürsten,  den  Herzog 
Wladislaw  Laskonogi,  von  dem  feindlichen  Angriff  benach- 
richtigt und  ihn  um  Unterstützung  gebeten.  Diese  jedoch 
ihnen  zu  schicken,  war  der  Herzog  damals  wohl  kaum  im- 
stande, da  er,  wie  erwähnt,  wieder  in  einen  schweren  Krieg 
mit  seinem  Neffen  Wladislaw  Odonicz  verwickelt  war,  der 
alle  seine  Streitkräfte  fesselte  i). 

Am  Mittwoch,  den  6.  August,  begann  die  Beschießung 
mit  Geschützen,  die  sich  gegen  das  Osttor  richtete.  Bald 
genug  scheinen  sich  in  der  Burg  die  Folgen  dieses  gewalt- 
samen Angriffes  bemerkbar  gemacht  zu  haben.  Offenbar  noch 
am  selben  Tage  erschien  im  Hauptquartier  Ludwigs  der  Kom- 
mandant der  Burg  mit  fünf  Offizieren,  um  in  Unterhandlungen 
einzutreten.  Man  einigte  sich  schließlich  dahin:  wenn  der 
Herzog  Wladislaw  bis  zum  nächsten  Montag,  den  11.  August, 
nicht  zum  Entsatz  erschienen  wäre,  sollte  die  Besatzung 
an  demselben  Tag  zwischen  zwei  und  drei  Uhr  kapitulieren 
Dafür  wurden  alle  Feindseligkeiten  eingestellt.  Die  sechs 
Unterhändler  blieben  als  Bürgen  dieses  Vertrages  im  Ge- 
wahrsam Ludwigs.  Nachdem  die  festgesetzte  Frist  ver- 
strichen, und  ein  Entsatzheer  nicht  erschienen  war,  über- 
gaben die  Polen  zur  bestimmten  Stunde  schweren  Herzens 
die  Feste.  Den  Gefangenen  wurde  freier  Abzug  gewährt  ^). 
Die  Burg  selbst  wurde  stark  besetzt  und  hinreichend  ver- 
proviantiert,  indem  jedermann    aus    dem  Heere    dazu    nach 

4)  Es  ist  wohl  Wenck,  Entstehung,  S.  16  f.  und  Bernecker, 
S.  46,  darin  zuzustimmen,  daß  die  Erzählung  von  den  Gesandtschaften, 
die  angeblich  vom  Herzog  Wladislaw  geschickt  wurden  und  den 
Landgrafen  durch  Bitten  und  Drohungen  zum  Abzug  veranlassen 
sollten,  erst  späterer  Zusatz  ist.  Die  Cron.  Reinh.,  S.  601,  nennt 
den  Besitzer  der  Burg  „Zlozlaus"  (V.  L.,  S.  37,  „Solzlaus");  daß 
damit  Wladislaw  Laskonogi  gemeint  ist,  weist  Smolka,  S.  110, 
Anm.  1,  nach. 

2)  Wahrscheinlich  war  schon  in  dem  Waffenstillstandsvertrage 
der  Besatzung  freier  Abzug  eingeräumt  worden. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     53 

seinen  Kräften  beitrug.  Nachdem  die  Beute  geteilt,  und 
am  16.  August  i)  ein  Kampfspiel,  „tjoste"  genannt,  veran- 
staltet worden  war,  kehrte  der  Landgraf  siegreich  an  der 
Spitze  seiner  Truppen  in  die  Heimat  zurück  2).  Wahrschein- 
lich auf  dem  Rückweg  wird  Ludwig  daran  gegangen  sein, 
die  Polen  aus  der  Lausitz  zu  verjagen.  Daß  damals  der 
polnischen  Herrschaft  in  diesem  Gebiet  eine  Ende  bereitet 
wurde,  erhellt  daraus,  daß  einige  Jahre  später  der  Mark- 
graf Heinrich  der  Erlauchte  hier  Verfügungen  trifft,  ohne 
daß  man  von  einem  neuen  Krieg  mit  den  Polen  etwas  er- 
fährt ^).  Offenbar  konnte  Herzog  Heinrich  I.  der  Wegnahme 
des  Landes  keinen  ernstKchen  Widerstand  entgegensetzen, 
da  es  ihm  ähnlich  erging,  wie  dem  Herzog  Wladislaw  Las- 
konogi :  verwickelt  in  andere  Fehden  und  Händel,  waren 
seine  Streitkräfte  gebunden^). 

Nicht    unbedeutend   war    der    Anteil  Ludwigs    an    der 
Erledigung  der  dänischen  Frage  5). 


1)  Nach  Bemecker,  S.  46,  am  18.  August;  Holder-Egger,  Cron. 
Eeinh.,  S.  602,  Note  g,  für  den  16.  August.  Übrigens  erscheint  es 
doch  nicht  so  unwahrscheinlich,  wie  Bernecker  S.  46  f.  meint,  daß 
damals  ein  Turnier  stattfand;  über  „tjoste"  vergl.  Schultz,  D.  höf. 
Leben  d.  Minnesinger,  II,  S.  126  ff. 

2)  Das  ganze  Land  Lebus  zu  erobern,  daran  hatte  Ludwig 
nicht  gedacht,  konnte  auch  garnicht  seinen  Absichten  entsprechen. 
So  erklärt  es  sich,  daß  Herzog  Heinrich  I.  von  Schlesien  im  Jahre 
1229  in  diesem  Gebiet  eine  große  Landschenkung  machen  konnte; 
vergl.  Grünhagen,  No.  345. 

3)  1235  für  Guben  ein  Stadtprivilegium,  vergl.  Wilke,  Tice- 
mannus,  Cod.  dipl.  No.  V,  S.  21  f.  1249  Bündnis  Heinrichs  mit 
dem  Herzog  Heinrich  III.  von  Schlesien :  in  diesem  Vertrag  zeigt 
sich  klar,  daß  Heinrich  im  Besitz  der  Lausitz  war;  vergl.  Grün- 
hagen, No.  697.  1250:  Erlaß  Heinrichs,  an  alle  seine  Beamten  in 
der  Lausitz;  vergl.  Grünhagen,  No.  727. 

4)  Smolka,  S.  108  f.,  111  ff. 

5)  Vergl.  für  diese  Angelegenheit:  Winkelmann,  Kaiser  Frie- 
drich IL,  Bd.  I,  S.  418  ff ;  E.  Usinger,  Deutsch-dänische  Geschichte 
(1189—1227),  S.  286  ff.;  I.  Ficker,  Engelbert  der  Heilige,  S.  119  ff. 
Hinsichtlich  der  Chronologie  siehe  Bernecker,  S.  43  ff.  Frhr.  Roth 
von  Schreckenstein,  Konrad  von  Urach,  Bischof  von  Porto  und  St. 


54     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV,,  Landgrafen  von  Thüringen. 

In  ganz  Deutschland  machte  es  das  größte  Aufsehen, 
als  es  im  Jahre  1223  dem  Grafen  Heinrich  von  Schwerin 
gelang,  auf  der  Insel  Lyö  bei  Fünen  den  König  Walde- 
mar  II.  von  Dänemark  nebst  seinem  Sohn  gefangen  zu 
nehmen.  Damit  war  mit  einem  Schlag  dem  Vordringen 
der  Dänen  in  jenen  heißumstrittenen  nördlichen  Marken 
Halt  geboten. 

Im  Jahre  1214  nämlich  hatte  Friedrich  II,  infolge 
des  Thronstreites  mit  Otto  IV.  in  die  Abtretung  Nordal- 
bingiens  und  Slaviens  an  Waldemar  in  aller  Form  einge- 
willigt. Dieser  übertrug  einen  Teil  der  Gebiete  als  Lehen 
an  den  Grafen  Albert  von  Orlamünde,  der  vermählt  war 
mit  Hedwig,  der  zweiten  Stiefschwester  des  Landgrafen 
Ludwig  von  Thüringen  ^).  Dann  hatte  Waldemar  für  seinen 
unmündigen  Enkel  Nikolaus  die  halbe  Grafschaft  Schwerin 
besetzt,  während  Graf  Heinrich  auf  dem  Kreuzzug  in  Aegypten 
abwesend  war.  Nach  seiner  Heimkehr  wartete  er  natür- 
lich nur  auf  eine  günstige  Gelegenheit,  diese  Gebiete  zurück- 
zugewinnen ;  jetzt  hatte  er  sich  durch  eine  tollkühne  Tat 
der  Person  des  dänischen  Königs  bemächtigt  und  sich  zum 
Herrn  der  Lage  gemacht. 

Aber  auch  von  selten  des  Reichs  wollte  man  diese 
schöne  Gelegenheit  nicht  vorübergehen  lassen,  die  verlorenen 
Lande  ohne  Kampf  wieder  zu  erhalten.  Im  Auftrag  der 
Reichsregierung  wurden  durch  den  Bischof  Otto  von  Würz- 
burg Verhandlungen  mit  dem  Grafen  Heinrich  eröffnet,  die 
auf  die  Auslieferung  des  Königs  an  das  Reich  hinzielten. 
Um  sie  zu  einem  Abschluß  zu  bringen,  wurde  von  dem 
Erzbischof  Engelbert  von  Köln,  der  während  der  Abwesen- 
heit Friedrichs  IL  für  den  unmündigen  König  Heinrich  (VII.) 
die  Regierung  führte,  ein  Hoftag  für  den  September  nach 
Nordhausen    berufen.      Von    den  weltlichen  Fürsten    waren 


Eufina,  als  Kardinallegat  in  Deutschland  1224  —  1226,  in  den  Forsch- 
ungen zur  deutschen  Geschichte,  VII,  S.  338  ff. 

1)  Cron.  Eeinh.,  S.  564  =  V,  L,,  S,  7 ;   Cron,  Eeinh.,  S.  587 ; 
Diemar,  S.  9,  No.  38. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  liandgrafen  von  Thüringen.     55 

freilicli  nur  zwei  anwesend:  Landgraf  Ludwig  und  sein 
Oheim  Herzog  Ludwig  von  Bayern^}.  Um  so  zahlreicher 
hatten  sich  andere  weltliche  Herren  und  vor  allem  die  geist- 
lichen Fürsten  eingefunden.  Unter  ihrer  Mitwirkung  kam 
am  24.  September  1223  ein  Vertrag  zustande,  nach  dem 
der  König  gegen  Zahlung  einer  Summe  von  52  000  Mark 
Silber  an  den  Grafen  Heinrich  und  seine  Genossen  dem 
Reich  ausgeliefert  werden  sollte.  Ferner  sollten  die  Dänen 
gezwungen  werden,  die  eroberten  Gebiete  an  die  alten  Be- 
sitzer zurückzugeben:  damit  wäre  der  Graf  Albert  von 
Orlamünde  seiner  Lehen  in  diesen  Landen  verlustig  ge- 
gangen. So  erklärt  sich  das  lebhafte  Interesse,  das  Land- 
graf Ludwig  auch  weiterhin  an  der  Erledigung  der  Frage 
zeigte.  Auf  dem  Hoftag  zu  Frankfurt,  Mitte  Mai  1224  2), 
ist  er  wieder  zu  finden;  hier  wurde  ein  Brief  Friedrichs 
verlesen,  in  dem  er  den  Deutschordensmeister  Hermann 
von  Salza  für  die  weiteren  Verhandlungen  in  der  dänischen 
Angelegenheit  beglaubigte.  In  Begleitung  einer  Anzahl 
ihm  beigeordneter,  angesehener  Persönlichkeiten  begab  sich 
Hermann  alsbald  zu  dem  gefangenen  König,  und  nun  wurde 
zwischen  dem  Bevollmächtigten  des  Reiches,  dem  König 
und  dem  Grafen  von  Schwerin  ein  Präliminarfrieden  fest- 
gesetzt. 

Betrachten  wir  nur  diejenigen  Artikel,  die  sich  mit 
den  territorialen  Veränderungen  beschäftigen  :  Danach  soll 
Waldemar  auf  Transalbingien  verzichten;  dem  Grafen  von 
Orlamünde  werden  seine  bisher  dänischen  Lehen  in  diesem 
Land,  nunmehr  als  Reichslehen,  gelassen  ^),  es  wird  also 
von  der  ursprünglich  beabsichtigten  Wiedereinsetzung  der 
früheren  Besitzer  abgesehen.  So  erlangten  die  Dänen  be- 
deutend günstigere  Bedingungen,  als  man  nach  dem  Ver- 
trag von  Nordhausen  hätte  erwarten  sollen.  Sie  verdankten 
dies  einmal  dem  Eingreifen  des  Papstes,  der  sich  entschieden 

1)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2080,  2081,  2087. 

2)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2140,  2141. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2145. 


56     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

für  die  Freilassung  Waidemars  verwandte;  dann  aber  ist 
der  Einfluß  des  Landgrafen  Ludwig  nicht  zu  verkennen,  der 
sicher  sehr  energisch  für  seinen  Schwager  eingetreten  ist, 
und  dies  mit  um  so  größerem  Nachdruck,  da  er  schon  seit 
einiger  Zeit  mit  dem  Kaiser  wegen  seiner  Teilnahme  an 
dem  beabsichtigten  Kreuzzug  verhandelte. 

Dieser  Präliminarfriede  wurde  alsbald  auf  dem  Hof- 
tag zu  Nürnberg,  in  der  zweiten  Hälfte  des  Juli,  den  Fürsten 
zur  Genehmigung  vorgelegt.  Daß  sie  sich  einverstanden 
erklärten,  ist  neben  dem  Eintreten  des  Deutschordensmeisters 
und  des  päpstlichen  Legaten  Konrad  von  Porto  nicht  zum 
mindesten  dem  Einfluß  des  Landgrafen  zuzuschreiben,  der 
natürlich  anwesend  war  i). 

Für  die  Schlußverhandlung  mit  den  Dänen  wurde  ein 
Hoftag  nach  Bardewiek  berufen,  auf  dem  auch  Ludwig  nicht 
fehlte  2).  Von  Bardewiek  begaben  sich  die  Fürsten  Anfang 
Oktober  nach  Bleckede,  dicht  an  der  Elbe  gelegen  ^),  um  den 
Verkehr  mit  den  Dänen,  die  jenseits  des  Flusses  lagerten, 
zu  erleichtern  und  so  den  Abschluß  der  Verhandlungen  zu 
beschleunigen.  Trotzdem  der  Landgraf  in  Bardewiek  heftig 
erkrankt  war,  ging  er  doch  ohne  Rücksicht  auf  seinen  Zu- 
stand mit  nach  Bleckede  *),  um  an  den  Beratungen  teil- 
nehmen zu  können.  Diese  hatten  sich  nämlich  durch  die 
unerwartete  V^eigerung  der  Dänen,  den  Vertrag  vom  Juli 
1224  anzunehmen,  äußerst  schwierig  gestaltet.  Sicherlich 
haben  die  Fürsten,  allen  voran  Ludwig,  der  das  Resultat 
seiner  Anstrengungen  gefährdet  sah,  kein  Mittel  unversucht 
gelassen,  um  sie  umzustimmen.  Alle  ihre  Bemühungen  waren 
vergebens.  Die  Dänen  brachen  schließlich  die  Unterhand- 
lungen ab.  Unverrichteter  Sache  und  ganz  ratlos  zogen  die 
deutschen  Fürsten  heim. 


I 


1)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2148. 

2)  Cron.  Eeinh.,  S.  602  (auch  Anm.  1);  V.  L.,  S.  40. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,.  No.  2161. 

4)  Cron.  Eeinh.,   S.  602  (vergl.  Anm.  2):   =  V.  L.,  S.  40,  am 
Oktober  begann  die  Krankheit  des  Landgrafen. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     57 

Nunmelir  mußte  das  Schwert  entscheiden,  und  diese 
Entscheidung  fiel  in  den  Schlachten  bei  Mölln  (1225)  und 
bei  Bornhöved  (1227)  vollkommen  zugunsten  der  Deutschen. 

Ludwig  scheint,  nachdem  seine  Anstrengungen  miß- 
lungen waren,  den  Grafen  Albert  seinem  Schicksal  über- 
lassen zu  haben.  Er  erklärte  sich  sogar  damit  einverstanden, 
daß  Friedrich  IL  im  Mai  1226  der  Stadt  Lübeck  den  Frei- 
brief bestätigte,  den  ihr  1188  Friedrich  I.  verliehen  hatte  i), 
obwohl  sie  zum  Machtbereich  seines  Schwagers  gehört  hatte. 

Einen  vollen  Erfolg  vermochte  dagegen  seine  Politik 
zu  erringen,  als  es  sich  darum  handelte,  mit  wem  der  junge 
König  Heinrich  (VIL)  vermählt  werden  sollte.  Der  Eeichs- 
verweser  Engelbert  von  Köln  hatte  die  Absicht,  ihn  mit 
einer  Schwester  des  Königs  Heinrich  HL  von  England  zu 
verheiraten,  um  durch  diese  Verbindung  die  deutschen,  vor 
allem  die  niederrheinischen  Handelsbeziehungen,  zu  fördern 
und  einem  übermächtigen  Erstarken  Frankreichs  vorzu- 
beugen 2).  Eine  derartige  Politik  lag  aber  damals  garnicht  im 
Sinne  des  Kaisers,  und  die  Durchführung  seines  Planes 
wurde  für  den  Erzbischof  um  so  schwieriger,  als  auch  der 
König  von  Böhmen,  Ottokar  L,  seine  Tochter  Agnes  als  Gre- 
mahlin  für  den  König  in  Vorschlag  brachte,  unterstützt  von 
einer   sehr   ausgebreiteten,   einflußreichen  Verwandtschaft  3). 


1)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2304. 

2)  J.  Ficker,  Engelbert  der  HeiUge,  S.  124  ff.,  133  ff. ;  Winkel- 
mann,  Kaiser  Friedrich  IL,  Bd.  I,  S.  447  ff.;  G.  Juritsch,  Geschichte, 
der  Babenberger  und  ihrer  Länder  (976—1246),  S.  483;  A.  Huber, 
Geschichte  Österreichs  I,  S.  397  f. 

3)  Ficker,  S.  127  f.,  S.  350  (Gesandtschaftsbericht  des  Erz- 
bischofs Walter  von  Cariisle);  Winkelmann,  I,  S.  454;  A.  ßachmann, 
Geschichte  Böhmens  I,  S.  467. ;  Juritsch,  S.  483  f. ;  Conr.  de  Fabaria 
Cont.  Gas.  St.  Galli  in:  St.  Gallische  Geschichtsquellen,  herausge- 
geben von  G.  Meyer  v.  Knonau,  IV,  S.  230  f.  (Mitteilungen  zur 
vaterländischen  Geschichte  N.  F.  VII,  1879);  Contin.  Claustroneob. 
tert.:  MG.  SS.  IX,  S.  636;  Cron.  Eeinh.,  S.  607  behaupten,  daß 
Agnes  schon  mit  Heinrich  verlobt  gewesen  sei;  gegen  Juritsch, 
S.  483,  Anm.  5  muß   man   wohl   Ficker,  S.  128,   Anm.  1,   Winkel- 


58     -Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

Engelbert  war  es  zunächst  gelungen,  den  Herzog  Leopold  VL 
von  Österreich  durch  die  Aussicht  für  sich  zu  gewinnen, 
daß  der  König  von  England  selbst  eine  seiner  Töchter 
heiraten  werde  i).  Im  Frühjahr  1225  ging  Leopold  aber 
ganz  insgeheim  zur  böhmischen  Partei  über  2),  für  deren 
Absichten  er  so  vollkommen  gewonnen  zu  sein  schien,  daß 
ihm  sogar  Ottokar  die  zur  Braut  ausersehene  Tochter  bis 
zur  Hochzeit  anvertraute  ^).  Wahrscheinlich  hatte  der  Her- 
zog bei  dieser  Schwenkung  seiner  Politik  die  Absicht,  die 
ihm  von  seinen  Nachbarn  drohenden  Kriege  abzuwenden, 
um,  gesichert  nach  allen  Seiten,  mit  um  so  größerer  Aus- 
sicht auf  Erfolg  für  seine  geheimsten  Pläne  wirken  zu 
können  4). 

In  dieser  Zeit  war  die  Verlobung  seines  ältesten  Sohnes 
Heinrich  mit  Agnes,  der  Schwester  Ludwigs  von  Thüringen, 
vollzogen  worden  ^).  Die  Vermutung  liegt  zu  nahe,  daß 
bei  den  Unterhandlungen  über  diese  Angelegenheit  Leo- 
pold mit  der  Absicht  hervortrat,  den  jungen  König  mit 
seiner  Tochter  Margarete  zu  vermählen.  V7ohl  gegen  ge- 
wisse Zugeständnisse  hinsichtlich  der  Mitgift  seiner  Schwester 
war  der  Landgraf  bereit,  Leopold  mit  seinem  ganzen  Ein- 
fluß bei  dem  Papst  und  bei  dem  Kaiser  zu  unterstützen. 
Im  Juni  1225  ^)  eilte  der  Herzog  zunächst  zum  Papst,  um 

mann,  I,  S.  454,  Anm.  2,  Holder  -  Egger,  Cron.  Reinh.,  S.  607, 
Anm.  1  zustimmen,  daß  diese  Nachricht  falsch  ist. 

1)  Ficker,  S.  127;  Winkelmann,  I,  S.  455. 

2)  Winkelmann,  I,  S.  456  f;  Juritsch,  S.  485  f. 

3)  Cron.  Reinh.,  S.  607 ;  V.  L.,  S.  48. 

4)  Winkelmann,  I,  S.  4591;  Juritsch,  S.  486  f. 

5)  Cron.  Reinh.,  S.  602  f.,  V.  L.,  S.  40.  Ende  Juli  befanden 
sich  die  landgräflichen  Gesandten,  die  den  Papst  wegen  dieser  Hei- 
rat um  Dispens  bitten  sollten,  in  der  Umgebung  des  Herzogs  Leopold 
bei  dem  Kaiser;  vergl.  Cron.  Reinh.,  S.  607  =  V.  L.,  S.  48;  A.  v. 
Meiller,  Reg.  z.  Gesch.  d.  Markgr.  u.  Herz,  Österreichs  aus  dem 
Hause  Babenberg.   No.  201,  202,  203. 

6)  Cron.  Reinh.,  S.  607:  „medioquadragesime  tempore";  V.L., 
S.  48:  „umbe  mittefastin".  Um  diese  Zeit  hatte  Leopold  wohl  ur- 
sprünglich beabsichtigt,  nach  Italien  zu  gehen,  war  aber  durch  eine 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     59 

auch  diesen  für  seine  Absichten  zu  gewinnen  und  von  ihm 
die  Erlaubnis  zur  Heirat  seiner  Tochter  Margarete  mit  dem 
König  Heinrich  zu  erhalten  i).  Zu  gleicher  Zeit  trafen  bei 
der  Kurie  Rudolf  von  Vargula  und  Hermann  von  Schlot- 
heim 2)  als  landgräfliche  Gesandte  ein,  um  für  die  Ehe  der 
Schwester  Ludwigs,  Agnes,  mit  Heinrich  von  Osterreich 
den  päpstlichen  Dispens  wegen  ihrer  Verwandtschaft  zu  er- 
wirken s).  Daß  dießes  Zusammentreffen  nicht  ein  zufälliges 
war,  ist  ohne  weiteres  anzunehmen ;  ihren  vereinten  An- 
strengungen und  ihrem  Zusammenwirken  gelang  es  auch, 
die  gewünschte  Zustimmung  des  Papstes  zu  beiden  Hei- 
raten zu  erhalten  *).  Nunmehr  begab  sich  Leopold,  begleitet 
von  den  landgräflichen  Gesandten,  zum  Kaiser  selbst,  der 
sich  damals  in  San  Germano  aufhielt,  und  trat  mit  seinem 
Vorschlag,  vielleicht  unter  Vermittlung  des  Bischofs  Kon- 
rad IV.  von  Regensburg  ^j,  an  ihn  heran.  Er  wurde  von 
Friedrich  sehr  freundlich  aufgenommen,  und  die  Verhand- 
lungen begannen.  Leopold  war  vor  anderen  Bewerbern  da- 
durch bedeutend  im  Vorteil,  daß  er,  ohne  die  kostspielige 
Reise   zu   scheuen,    persönlich   seine  Sache  vertrat   und   so 


gegen  ihn  gerichtete  Koalition  des  Königs  von  Ungarn  und  des 
Herzogs  von  Bayern  daran  verhindert  worden.  Erst  nachdem  am 
6.  Juni  eine  Verständigung  mit  Ungarn  herbeigeführt  worden  war, 
konnte  er  seine  Keise  antreten.  Vergl.  Winkelmann,  I,  S.  459  f. ; 
Juritsch,  S.  486  f.;  v.  MeiUer,  No.  200;  Huber,  I,  S.  398,  Anm.  2 ; 
Holder-Egger,  Cron.  Eeinh.,  S.  607,  Anm.  6. 

1)  Es  ist  nicht  richtig,  wie  Winkelmann,  I,  S.  456  und  Juritsch, 
S.  486  es  tun,  zu  glauben,  daß  Leopold  seine  Reise  im  Auftrage 
der  böhmischen  Partei  gemacht  habe;  an  der  Stelle  der  Cron.  Reinh., 
S.  606  f.  findet  sich  nichts  derartiges.  Sie  hat  wohl  Winkelmann,  I, 
S.  456,  Anm.  5  falsch  interpretiert ;  vergl.  Holder-Egger,  Cron.  Reinh., 
607,  Anm.  5;  Cout.  Garst.:  MG.  SS.  IX,  S.  596.  Cron.  Reinh., 
S.  607  =  V.  L.,  S.  48. 

2)  Vergl.  Cron.  Reinh.,  S.  611;  Dobenecker,  II,  No.  2233. 

3)  Cron.  Reinh.,  S.  602 ;  V.  L.,  S.  40. 

4)  Cron.  Reinh.,  S.  602  =  V.  L.,  S.  40 ;  Cron.  Reinh.,  S.  607 
=  V.  L.,  S.  48. 

5)  Notae  St.  Emmeram. :  MG.  SS.  XVII,  S.  574. 


60     I^ic  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

unmittelbar  auf  den  Kaiser  wirken  konnte  ^) ;  dazu  kam  die 
sehr  wesentliche  Unterstützung  der  thüringischen  Gesandten 
und  des  Bischofs  Konrad  IV.  von  Regensburg. 

Friedrich  konnte  sich  nicht  entschließen,  das  traditionelle 
Bündnis  mit  Frankreich  aufzugeben:  Damit  war  die  von 
Engelbert  befürwortete  Verbindung  mit  England  endgültig 
verworfen  2).  Auch  für  die  Heirat  mit  der  böhmischen 
Prinzessin  Agnes  versagte  er  schließlich  seine  Zustimmung, 
sei  es  daß  ihm  die  Abneigung  Heinrichs  gegen  Agnes  be- 
kannt war,  oder  daß  ihm  die  österreichischen  Anerbietungen 
vorteilhafter  erschienen  ^).  Nach  längeren  Verhandlungen 
entschied  er  sich  endlich  für  den  Vorschlag  Leopolds.  Von 
den  Verpflichtungen,  die  der  Herzog  natürlich  auf  sich 
nehmen  mußte,  erfahren  wir  nur,  daß  sein  Sohn  Heinrich 
die  Schwester  des  Landgrafen  Ludwig  ohne  jede  Mitgift 
heimführen  sollte*),  offenbar  eine  Belohnung  für  die  guten 
Dienste  des  Landgrafen.  Wahrscheinlich  mußte  Leopold 
versprechen,  sich  an  der  lombardischen  Heerfahrt,  die  am 
30.  Juli  in  San  Germano  für  das  nächste  Jahr  angesagt 
wurde  %  mit  zahlreicher  Mannschaft  zu  beteiligen  und  den 
Kreuzzug,  der  1227  unternommen  werden  sollte,  nach 
Kräften  zu  unterstützen. 

So  war  den  beiden  Verbündeten  ein  diplomatisches 
Meisterstück  gelungen.  Daß  freilich  die  Art,  wie  sie  ihre 
Absichten  durchgesetzt  hatten,  vom  Standpunkt  der  Moral 
aus  betrachtet,  sehr  bedenklich  ist,  ist  nicht  zu  verkennen. 
Aber  darf  man  denn  an  das  diplomatische  Verhalten  einer 
Persönlichkeit  den  Maßstab  der  bürgerlichen  Moral  anlegen  ? 
Deshalb  ist  es  wohl  ganz  überflüssig,  wenn  unter  Verkennung 


1)  Die  Anwesenheit  Leopolds  wird  durch  mehrere   Urkunden 
bezeugt:  Böhmer-F.,  No.  1571—1575. 

2)  Winkelmann,  I,  S.  460;  Juritsch,  S.  488. 

3)  Winkelmann,  I  S.461;  Juritsch,  S.  488. 

4)  Cron.  Eeinh.,  S.  607;  V.  L.,  S.  48. 

5)  Winkelmann,  I,  S.  241  f. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     Q1 

der  Tatsachen  versucht  worden  ist  ^),  zu  beweisen,  daß  Leo- 
pold bei  seiner  Reise  nach  Italien  zunächst  gar  nicht  irgend- 
welche selbstsüchtige  Absichten  gehabt  habe,  um  ihn  so 
gegen  den  Vorwurf  in  Schutz  zu  nehmen,  daß  er  die  böhmi- 
sche Partei  hintergangen  habe  ^). 

Der  Entschluß  des  Kaisers  wirkte  auf  die  deutschen 
Fürsten  äußerst  überraschend ;  am  unangenehmsten  wurde 
davon  der  König  von  Böhmen  berührt,  dem  der  Wiener  Hof 
seine  Tocher  Agnes  wieder  zurückschickte  ^). 

Schon  am  29.  November  1225  fand  die  feierliche  Doppel- 
hochzeit in  Nürnberg  statt :  König  Heinrich  vermählte  sich 
mit  Margarete  von  Osterreich,  Heinrich  von  Österreich  mit 
Agnes  von  Thüringen^).  Zahlreiche  weltliche  und  geist- 
liche Fürsten ,  an  ihrer  Spitze  der  Herzog  Leopold  von 
Osterreich  und  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen,  wohnten 
den  Festlichkeiten  bei  °).  Wahrscheinlich  damals  wurde 
der  Markgraf  Heinrich    von  Meißen,    der  Mündel   Ludwigs, 


1)  Vergl.  Winkelmann,  I,  S.  459  ff.  Auch  Juritsch,  S.  487  f. 
trifft  wohl  bei  der  Beurteilung  dieser  Angelegenheit  nicht  das  Richtige. 
Er  legt  zuviel  Gewicht  auf  das  Eingreifen  des  Bischofs  Konrad  von 
Regensburg,  der  zuerst  mit  dem  bewußten  Heiratsprojekt  an  den 
Kaiser  herangetreten  sein  soll.  Bei  ihm  erscheint  es  so,  als  ob  Leopold 
diesen  Erfolg  nur  durch  das  zufällige  Zusammentreffen  verschiedener 
günstiger  Umstände  erreicht  hätte,  ganz  im  Gegensatz  zu  glaub- 
würdiger Überheferung,  aus  der  wir  entnehmen  müssen,  daß  es  sich 
hier  um  eine  sehr  wohlberechnete,  fein  angelegte  diplomatische 
Aktion  handelte. 

2)  Vergl.  Ficker,  S.  132;  Huber,  I,  S.  398. 

3)  Cron.  Reinh.,  S.  607;  V.  L.,  S.  48. 

4)  Cron.  Reinh.,  S.  602  f.;  V.  L.,  S.  40;  Böhmer -Ficker, 
No.  3993  a;  Gotifr.  Viterb.  cont.  Funiac:  MG.  SS.  XXII,  S.  343; 
Winkelmann,  I,  S.  469,  Anm.  1;  Bernecker,  S.  47  f.,  S.  50;  die 
übrigen  Quellen,  die  über  die  Hochzeit  berichten,  bei  Juritsch, 
S.  489,  Anm.  2 ;  hinzuzufügen  sind  vielleicht  noch :  Notae  S.  Emmer., 
S.  574;  Ann.  S.  Rudperti  SaUsb.:  MG.  SS.  IX,  S.  783;  auszu- 
schheßen  sind  die  Ann.  Herrn.  Altah.:  MG.  SS.  XVII,  S.  387,  da 
ihre  Nachrichten  entlehnt  sind  aus  den  Ann.  S.  Rudperti  Sahsb. 

5)  Böhmer-Ficker,  Reg.  imp.,  No.  3995;  Dobenecker,  Reg.  II, 
No.  2250. 


62     -Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

mit  einer  Tochter  Leopolds,  Konstantia,  verlobt,  ein  weiterer 
Ausdruck  der  engen  Freundschaft,  die  zwischen  beiden 
Fürstenhäusern  bestand  i). 

Getrübt  wurde  freilich  die  fröhliche  Feier  durch  die 
Nachricht  von  der  Ermordung  des  Reichsverwesers  ^j.  Als 
der  junge  König  über  die  Mörder  zu  Gericht  saß,  entstand 
ein  Tumult,  in  dessen  Verlauf  unter  einer  zusammenstürzen- 
den Treppe  mehr  als  vierzig  Menschen  begraben  wurden  ^). 
So  endeten  die  Festlichkeiten  unter  dem  Stöhnen  und 
Ächzen  der  Sterbenden. 

Während  aus  der  Anwesenheit  des  Herzogs  Ludwig 
von  Bayern  auf  der  Hochzeit^)  darauf  geschlossen  werden 
kann,  daß  er  sich  mit  der  überraschenden  Wendung  der 
Dinge  ausgesöhnt  hatte,  konnte  der  König  von  Böhmen  die 
ihm  zugefügte  Schmach  nicht  vergessen;  er  lauerte  nur  auf 
eine  günstige  Gelegenheit,  um  an  dem  verhaßten,  glücklichen 
Nebenbuhler  Rache  zu  nehmen.  Als  Leopold  Mitte  April 
1226  mit  seinem  Schwiegersohn  südwärts  zog,  um  an 
der  lombardischen  Heerfahrt  teilzunehmen,  fiel  Ottokar  mit 
seinen  Scharen  in  Österreich  ein,  wurde  aber  durch  Leo- 
polds Statthalter  Heinrich  von  Kuenring  wieder  aus  dem 
Lande  vertrieben,  ja  Heinrich  folgte  ihm  sogar  nach  Böhmen 
selbst  nach.  Erst  durch  die  Vermittelung  des  Landgrafen 
Ludwig,  der  dafür  durch  seine  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen zu  den  beiden  streitenden  Fürsten  sehr  gut 
geeignet  war,  wurde  der  Fehde  vorläufig  Einhalt  getan. 
Wahrscheinlich    von    Meißen    aus    begab    er    sich    Anfang 


1)  Cont.  Scot.:  MG.  SS.  IX,  S.  624.  Die  Nachricht  steht  un- 
mittelbar hinter  dem  Bericht  von  der  Doppelhochzeit  zu  Nürnberg. 
Über  die  Nachricht  der  Ann.  Peg. :  MG.  SS.  XXI,  S.  270,  vergl., 
S.  37  f.,  Anm.  6. 

2)  Ficker,  Engelbert,  S.  152 ff.;  Winkelmann,  I,  S.  465  ff. 

3)  Cron.  Reinh.,  S.  603;  die  übrigen  Quellen  verzeichnet  bei 
Winkelmann,  I,  S.  469,  Anm.  2;  Ann.  Erphord.  Fratr.  Praed.:  MG. 
BS.,  XVI,  S.  27. 

4)  Böhmer-Ficker,  No.  3995. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     63 

Herbst  ^)  nach  Prag,  und  von  hier  nach  kurzem  Aufenthalt 
nach  Znaim  in  Mähren,  nahe  der  österreichischen  Grenze. 
Man  kann  annehmen,  daß  auch  Leopold  sich  hier  eingefunden 
hat ;  für  ihn  war  ja  Znaim  von  Wien  aus  sehr  leicht  zu 
erreichen.  Redlich  bemühte  sich  der  Landgraf  ungefähr 
einen  Monat  lang  in  täglichen  Verhandlungen  mit  allen  diplo- 
matischen Mitteln,  die  beiden  Parteien  zu  versöhnen,  ohne 
daß  er  etwas  anderes  erreichen  konnte,  als  daß  sie  sich 
endlich  bereit  erklärten,  einen  Waffenstillstand  bis  zum 
10.  November  abzuschließen  2).  Nach  dessen  Ablauf  scheint 
dann  doch  noch  ein  endgültiger  Friede  zwischen  ihnen  zu- 
stande gekommen  zu  sein,  bevor  die  Feindseligkeiten  wieder 
ausgebrochen  waren. 

Schon  Mitte  November  3)  fand  sich  der  Landgraf  wieder 
auf  dem  Hoftag  zu  Würzburg  ein,  um  an  den  sehr  wichtigen 
Verhandlungen  teilzunehmen.  Es  handelte  sich  darum,  den 
aufstrebenden  Städten  entgegenzutreten,  die  mit  allen  Kräften 
bemüht  waren,  sich  eine  möglichst  weitgehende  Selbstver- 
waltung zu  verschaffen.  Wie  schon  im  Juni  durch  den 
Kaiser  [auch  damals  war  der  Landgraf  zugegen  gewesen  *)] 
wurden  jetzt  nochmals  die  Privilegien   der  Stadt  Kamerik 


1)  Bernecker,  S.  52  ff.  setzt  die  Unterhandlungen  wohl  zu  früh 
in  den  August— September  1226;  vergl.  Holder-Egger,  Cron.  Eeinh. 
S.  607,  Anm.  10. 

2)  Cron.  Eeinh.,  S.  606 f.;  V.  L.,  S.  47;  Ann.  Gotwic:  MG. 
SS.  IX,  S.  603 ;  MG.  Epist.  saec.  XIII.  select.  I,  No.  347 ;  Juritsch, 
S.  490  ff.;  Winkelmann,  I,  S.  489;  Huber,  I,  S.  399  1;  Knochen- 
hauer, S.  321  f.;  Bachmann,  I,  S.  468;  die  beiden  letzteren  vermuten, 
daß  Ludwig  im  Auftrag  des  Kaisers  gehandelt  habe.  Riezler,  Gesch. 
Baierns  II,  S.  52  setzt  die  Verhandlungen  in  Znaim  fälschlich  in 
das  Jahr  1225  und  nimmt  an,  daß  dort  auch  ein  Waffenstillstand 
mit  dem  Herzog  Ludwig  von  Baiem  geschlossen  worden  sei. 

3)  MG.  LL.  sect.  IV,  Constitutiones,  II,  S.  407,  No.  92:  in 
octavis  beati  Martini,  also  auf  den  18.  November  war  der  Tag  be- 
rufen; vergl.  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2357,  Anm. 

4)  MG.  LL.  Constitutiones,  II,  S.  134  f .,  No.  106  (vergl.  unten); 
Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2329. 


64     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

aufgehoben  i) ;  ferner  wurde  der  königlichen  Stadt  Oppen- 
heim verboten,  Untertanen  des  Erzstiftes  Mainz  aufzunehmen, 
und  der  Städtebund  zwischen  Mainz,  Bingen,  Worms,  Speyer, 
Frankfurt,  Gelnhausen  und  Friedberg  für  aufgelöst  erklärt  2). 

Vollends  als  am  28.  März  1227  in  Aachen  auf  einem 
glänzenden  Hoftag  die  junge  Gemahlin  Heinrichs  (VIL)  in 
Gegenwart  zahlreicher  Fürsten  und  Herren  von  dem  Erz- 
bischof Heinrich  von  Köln  feierlichst  gekrönt  wurde,  da 
versäumte  Ludwig  nicht,  zu  erscheinen^). 

Als  für  Ostern  1226  von  Friedrich  II.  ein  Reichstag 
in  Cremona  angesagt  wurde,  um  über  die  Herstellung  der 
Reichsrechte,  Ausrottung  der  Ketzerei  und  Maßnahmen  für 
den  Kreuzzug  zu  beraten^),  war  auch  der  Landgraf  bereit, 
diesem  Rufe  Folge  zu  leisten. 

Auf  die  Nachricht  aber,  daß  Friedrich  beabsichtige,  im 
Frühjahr  1226  in  der  Lombardei  zu  erscheinen,  scharte  sich 
sofort  die  Mehrzahl  der  lombardischen  Städte  unter  der 
Führung  Mailands  zusammen,  um  einem  etwaigen  Eingreifen 
des  Kaiser  in  die  bestehenden  Zustände  energisch  entgegen- 
zutreten 5).  Als  das  deutsche  Heer,  bei  dem  sich  der  König 
Heinrich  und  zahlreiche  Fürsten  befanden,  heranrückte,  fand 
es  die  berüchtigten  Veroneser  Klausen  gesperrt,  so  daß  es  ihm 
nicht  möglich  war,   zum  Kaiser  zu  gelangen  ^) :  nach  sechs- 

1)  MG.  LL.  Constitutiones,  II,  S.  407  f.  No.  292;  Dobenecker, 
Reg.  II,  No.  2357. 

2)  MG.  LL.  Constitutiones,  II,  S.  409  f.  No.  294;  Dobenecker, 
Eeg.  II,  No.  2359. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  607  (vor  allem  Anm.  11);  Chron.  reg.  Col., 
S.  259;  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2396—2400;  Winkelmann,  I, 
S.  498  ff. ;  Bernecker,  S.  53  f. 

4)  Eycc.  de  S.  Germano  Chronica  priora  in :  Mon.  Stör.  Napol. 
Ser.  I,  Cronache,  S.  118;  HuUl.-Br^h.  II,  2,  S.  642 ;  MG.  LL.  Con- 
stitut.,  II,  S.  136  f.;  Winkelmann,  I,  S.  267,  Anm.  2.;  Böhmer-Ficker, 
No.  1623  a :  hier  vs'ird  mit  Unrecht  der  Tag  auf  Pfingsten  festgesetzt. 

5)  Winkelmann,  I,  8.  267  ff. 

6)  Winkelmann,  I,  S.  285  (vor  allem  Anm.  5).  Es  war  dies  nicht 
möglich,  weil  das  Heer  zum  größten  Teil  aus  Eittern  bestand  und 
nur  sehr  wenig  Infanterie  zählte;    vergl.  Job.  Codagnelli  Ann.,  S.  77. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     65 

wöchentlichem  Warten  mußte  es  unverrichteter  Dinge  nach 
Hause  zurückkehren  ^).  Trotzdem  hatten  sich  doch  allmäh- 
lich eine  Reihe  von  Fürsten  bei  dem  Kaiser  eingefunden; 
unter  ihnen  auch  der  Landgraf.  Er  hatte  von  seiner  Burg 
Isserstedt  2)  aus  die  Reise  nach  Italien  angetreten,  und  ihm 
war  es  wohl  gelungen,  gerade  noch  die  Pässe  zu  passieren^ 
bevor  sie  von  den  Lombarden  besetzt  wurden:  am  22.  April 
traf  er  bei  Friedrich  in  Ravenna  ein  3).  Dieser  hatte  in- 
folge der  veränderten  Lage  davon  Abstand  nehmen  müssen, 
an  dem  bestimmten  Termin  die  Tagung  in  Cremona  abzu- 
halten und  erwartete  nun  in  Ravenna  das  Eintreffen  seines 
Sohnes  und  der  Fürsten  mit  ihren  Aufgeboten.  Ludwig  wurde 
von  ihm  auf  das  freundlichste  aufgenommen ;  zu  Ehren  der 
Gäste  wurden  allerlei  fürstliche  Vergnügen  veranstaltet*). 
Endlich  brach  der  Kaiser  am  7.  Mai  mit  den  bis  dahin 
angekommenen  Herren  von  Ravenna  auf  und  schlug  zu- 
nächst die  Richtung  auf  Forli  ein,  um  sich  mit  seinem 
Heer  zu  vereinigen,  das  in  einem  Lager  bei  Cosna  stand  ^). 

1)  Chron.  reg.  CoL,  S.  258;  Chron.  Tolosani  in:  Docum.  di  stör. 
Ital.  YI;  Chronache  dei  sec.  XIII,  XIV,  S.  719,  c.  181;  Winkel- 
mann, I,  S.  293  f.,  S.  285,  Anm.  5. 

2)  Zwischen  Jena  und  Apolda  gelegen. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  603  f. ;  V.  L.,  S.  41  hat  zwar  den  20.  April 
als  Ankunftstermin  Ludwigs,  doch  muß  man  sich  wohl  für  den 
22.  April  entscheiden;  vergl.  Bernecker,  S.  56;  Dobenecker,  Reg.  II, 
Xo.  2299  a;  Steudener,  Albrecht  I.,  Herzog  von  Sachsen,  S.  37 
meint,  daß  Albrecht,  ebenso  wie  sein  „Schwager"  Ludwig,  den  Weg 
durch  Österreich  genommen  habe;  er  beruft  sich  dafür  auf  die  Chron. 
reg.  Col.,  S.  258:  „Quidam  autem  principes  de  Saxonia  alia  via 
per  Austriam  simt  ad  Imperator em  ingressi".  Nun  ist  Albrecht 
sicher  eher  beim  Kaiser  angelangt  als  Ludwig  (vergl.  Böhmer- Ficker, 
No.  1599,  1601,  1602).  Da  der  Landgraf  schon  am  22.  April  in 
Ravenna  eintrifft,  so  muß  es  für  beide  noch  möglich  gewesen  sein, 
die  Veroneser  Klausen  zu  passieren;  am  11.  April  tritt  Verona  der 
Liga  bei;  frühestens  in  der  zweiten  Hälfte  des  April  wurde  dann 
erst  die  Sperrung  der  Pässe  beschlossen  (vergl.  Winkelmann,  I,  S.  285). 

4)  Cron.  Reinh.,  S.  604;  V.  L.,  S.  41;  Winkelmann,  I,  S.  284. 

5)  C,  zwischen  Forü  und  Faenza ;  vergl.  Böhmer  -  Ficker, 
No.  1192  b;    Chron.  Tolos.,   S.  718,   c.   181;    Joh.   CodagnelU  Ann., 

XXVIL  5 


66     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

In  seiner  Umgebung  befanden  sich  der  Landgraf  Ludwig 
von  Thüringen,  die  Herzöge  Albrecht  von  Sachsen  und 
Reinald  von  Spoleto,  die  Erzbischöfe  Albrecht  von  Magde- 
burg, Heinrich  von  Mailand  und  Lando  von  E,eggio,  die 
Bischöfe  Rudolf  von  Chur,  Engelhard  von  Zeitz,  Jakob 
von  Turin  und  Mainard  von  Imola,  der  Deutschordens- 
meister  Hermann  von  Salza,  die  Markgrafen  Hermann  von 
Baden  und  Azzo  von  Este,  nebst  einer  Anzahl  von  Grafen 
und  Herren  ^). 

Friedrich  beabsichtigte,  nach  Cremona  zu  marschieren^ 
um  hier,  wenn  irgend  möglich,  doch  noch  den  angekündigten 
Reichstag  abzuhalten.  Er  folgte  zunächst  der  alten  Heer- 
straße, der  Via  Aemilia,  und  bog  dann  vor  Eaenza  nach 
Süden  ab,  um  die  Stadt,  die  sich  noch  in  der  Reichsacht 
befand,  zu  umgehen.  Am  18.  Mai  erreichte  er  über  San 
Procolo,  Imola,  Medicina,  Modena  und  Reggio  unter  mancher- 
lei Beschwerden  und  Fährnissen  Parma  2). 

Hier  nahm  der  Kaiser  einen  Aufenthalt  von  ungefähr 
einem  Monat  ^);  während  dessen  knüpfte  er  mit  den  Lom- 
barden Verhandlungen  an,  um  den  deutschen  Fürsten  den 
Durchzug  durch  die  gesperrten  Pässe  zu  ermöglichen  *), 
Als  jene  freilich  dafür,  die  günstige  Lage  des  Augenblickes 
benutzend,  die  demütigendsten  Bedingungen  stellten  ^),  da 
brach   er,    im    Einverständnis     mit    sämtlichen    anwesenden 


S.  77;  Cron.  Eeinh.,  S.  604;  V.  L.,  S.  41:  Aufbruch  am  10.  Mai. 
Hinsichtlich  der  Chronologie  ist  wohl  Ficker  (No.  1605  a)  zuzustimmen, 
der  die  genauen  Angaben  des  Joh.  Codagnellus,  S.  77  ff.,  derWochen- 
und  Monatstag  angibt,  den  unbestimmteren  der  Cron.  Reinh.,  S.  604f. 
vorzieht,  während  Bemecker,  S.  55  ff.  unbedingt  der  Cron.  Reinh. 
folgt.     Winkelmann,  I.  S.  287. 

1)  Böhmer-Ficker,  No.  1604,  1606;  sie  alle  treten  wieder  in 
Parma  als  Zeugen  auf:  vergl.  Böhmer-Ficker,  No.  1608,  1619;  Cron. 
Eeinh.,  S.  604;  V.  L.,  S.  42. 

2)  Winkelmann,  I,  S.  288  ff. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  605 ;  V.  L.,  S.  43. 

4)  Chron.  Tolos.,  8.  719,  c.  181. 

5)  MG.  LL.  Constitutiones,  II,  S.  133. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen,     ß7 

Fürsten,  die  Verhandlungen  ab  und  stellte  ihnen  eine  letzte 
Frist,  innerhalb  deren  sie  sich  mit  ihm  auszusöhnen  hätten, 
bis  zum  25.  Juni^). 

Indessen  brach  der  Kaiser  am  13.  Juni  mit  dem  Heer 
nach  Borgo  San  Dounino  auf  2);  hier  verblieb  er  wieder 
längere  Zeit,  um  die  Antwort  der  Lombarden  abzuwarten  und 
verschiedene  wichtige  Reichsangelegenheiten  zu  erledigen  ^). 

Dem  Landgrafen  gelang  es  hier,  ein  langersehntes  Ziel 
zu  erreichen :  Der  Kaiser  belehnte  ihn  mit  der  Mark  Meißen 
und  mit  der  Lausitz  für  den  Fall,  daß  der  junge  Heinrich 
stürbe,  ohne  in  das  mündige  Alter  gekommen  zu  sein ;  zu- 
gleich schenkte  ihm  Friedrich  noch  so  viel  vom  Lande 
Preußen  („Pruscie"),  als  er  zu  erobern  vermöchte^). 

Man  hat  mit  Unrecht  gemeint  ^) ,  es  sei  doch  nicht 
zusammenzureimen,  daß  der  Kaiser  im  März  1226  alle 
Teile  Preußens ,  die  der  deutsche  Orden  erobern  würde, 
diesem  verliehen  und  3  Monate  später  dasselbe  Gebiet  dem 
Landgrafen  Ludwig  im  Beisein  Hermanns,  des  Deutsch- 
ordensmeisters, als  Eeichslehn  aufgetragen  habe.  Vielleicht 
ist  gerade  dieses  Zusammentreffen  ein  Beweis  dafür,  daß 
hier  nur  an  Preußen  gedacht  werden  kann.  Offenbar  war 
es  auch  dem  Deutschordensmeister  nicht  unbekannt,  wie 
vingebändigt  und  ungebrochen  die  Volkskraft  der  Preußen 
noch  war,  und  daß  es  nicht  leicht  sein  werde,  ihren  Wider- 


1)  MG.  LL.  Constitutiones,  II,  S.  137;  Winkelmann,  I,  S.290ff. 

2)  Joh.  Codagn.  Ann.,  S.  80;  Cron.  Reinh.,  S.  605  =  V.  L., 
S.  43:  am  22.  Juni.  Böhmer-Ficker,  No.  1929  a  wendet  sich  schon 
gegen  diese  Angabe,  für  die  aber  Bernecker,  S.  60,  und  Winkelmann, 
I,  S.  293  Anm.  5  eintreten.  Holder-Egger,  Cron.  Eeinh.,  S.  605, 
Anm.  1  zeigt,  daß  in  der  Cron.  ßeinh.  eine  Verwechslung  mit  dem 
Tag  der  Abreise  Ludwigs  nach  Deutschland  vorliegt.  Dobenecker, 
Eeg.  II,  No.  2330,  Anm.  1. 

3)  Vergl.  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2304,  2328,  2329. 

4)  Über  die  Erklärung  der  verschiedenen  Lesarten  vergl.  Dobe- 
necker, Eeg.  II,  No.  2330,  Anm.  2, 

5)  J.  Caro,  Zu  einer  Stelle  d.  Ann.  Eeinh.  in:  Forsch,  z.  d. 
Gesch.,  XXIII  (1883),  S.  330. 

5* 


68     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

stand  zu  brechen.  Es  mußte  ihm  nur  angenehm  sein,  daß 
der  Landgraf,  der  sowohl  zu  Hermann  wie  zum  Orden  selbst 
in  einem  sehr  nahen  Verhältnis  stand  i),  sich  bereit  er- 
klärte, bei  der  Eroberung  Preußens  mitzuwirken,  natürlich 
unter  der  Bedingung,  daß  das  von  ihm  gewonnene  Gebiet 
auch  ihm  zufallen  werde  2). 

Wir  erkennen  in  dieser  Verleihung  den  Ausdruck  der 
kaiserlichen  Dankbarkeit  für  die  stets  bewiesene  Treue  3), 
vor  allem  für  die  Bereitwilligkeit,  an  dem  geplanten  Kreuz- 
zug teilzunehmen. 

In  diesem  Augenblick  hatte  Ludwig  den  Höhepunkt 
seines  Lebens  und  seiner  Erfolge  erreicht :  er  wird  des  be- 
sonderen kaiserlichen  Vertrauens  gewürdigt ;  er  sieht  sich 
im  ungestörten  Besitz  von  Thüringen  und  Hessen,  hält  fest- 
begründete Ansprüche  auf  Meißen  und  die  Lausitz  in  Händen, 
und  es  besteht  für  ihn  die  beste  Hoffnung,  in  Preußen  weite 
Gebiete  durch    die  Schärfe    seines  Schwertes    zu  gewinnen. 

An  ein  Nachgeben  der  Lombarden  war  wohl  kaum 
noch  zu  denken;  damit  war  auch  jede  Aussicht  geschwunden, 
daß  der  angekündigte  Reichstag  in  Cremona  abgehalten 
werden  könne.  Da  ferner  der  Landgraf  für  seine  Pläne 
die  kaiserliche  Genehmigung  erlangt  hatte,  so  trat  er  am 
22.  Juni  von  Borgo  San  Donnino  die  Rückreise  nach  Deutsch- 
land an  ^). 

Der  Kaiser  betraute  ihn  hinsichtlich  der  neuen  Reichs- 
regentschaft mit  besonders  wichtigen  Aufträgen,  die  dahin 
lauteten,  den  Herzog  Ludwig  von  Bayern  mit  allen  Mitteln 
zu  veranlassen,  für  den  ermordeten  Erzbischof  von  Köln  die 
Vormundschaft  über  den  jungen  König  Heinrich  und  damit 
die  Leitung  der  deutschen  Regierung  zu  übernehmen. 

1)  Er  beschenkte  ihn  mit  wichtigen  Privilegien;  vergl.  Dobe- 
necker,  Reg.  II,  No.  2261;  J.  Voigt,  Die  deutsche  Ordens -Baliei 
Thüringen  in :  ZThG.  I,  S.  93. 

2)  Winkelmann,  I,  S.  382  Anm.  2. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  605;  V.  L.,  S.  43. 

4)  Cron.  Eeinh.,  S.  605;  V.  L.,  S.  43;  Böhmer-Ficker,  Reg.  imp., 
No.  1638a;  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2330,  Anm.  2. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     69 

Nach  Überschreitung  des  Po  bei  Cremona  —  hier  über- 
nachtete er  am  23.  Juni  —  eilte  er  so  schnell  als  möglich 
durch  die  Lombardei;  freilich  gelang  es  ihm  trotzdem  nicht 
mehr,  die  Fürsten  noch  in  Trient  zu  treffen,  die  schon 
Mitte  Juni  nach  Deutschland  zurückgekehrt  waren  i).  Mit 
tunlichster  Beschleunigung  reiste  er  ihnen  nach,  so  daß  er 
bereits  am  2.  Juli  in  Augsburg  anlangte;  hier  erwartete 
ihn  seit  ungefähr  drei  Tagen  die  Mehrzahl  der  Fürsten, 
wohl  durch  Eilboten  von  seiner  wichtigen  Sendung  benach- 
richtigt. Als  freilich  der  Landgraf  dem  Herzog  Ludwig 
die  Bitte  des  Kaisers  unterbreitete,  weigerte  sich  dieser 
sehr  energisch,  die  Regentschaft  zu  übernehmen,  im  Hin- 
blick auf  die  Schwierigkeiten  dieses  Amtes. 

Erst  nach  vierzehntägigen  langwierigen  Verhandlungen 
gelang  es  dem  Geschick  Ludwigs  und  dem  einmütigen 
Andringen  sämtlicher  anwesenden  Fürsten,  den  Widerstand 
des  Herzogs  zu  überwinden  und  ihn  zur  Annahme  der  Vor- 
mundschaft zu  bestimmen  2). 

Nunmehr  konnte  der  Landgraf  die  weitere  Heimreise  an- 
treten. Als  er  aber  nach  Schweinfurt  gelangte,  wo  er  von 
den  Bürgern  auf  das  glänzendste  aufgenommen  wurde  und 
die  Nacht  verbringen  wollte,  wurden  ihm  offenbar  dunkele 
Gerüchte  hinterbracht,  daß  der  Graf  Poppo  von  Henneberg, 

1)  Winkelraann,  I,  S.  294;  vergl.  oben  S.  64  f. 

2)  Cron.  Eeinh.,  S.  605;  V.  L.,  S.  43 f.;  Dobenecker,  Reg.  II, 
No.  2346  a;  Böhmer-Ficker,  Reg.  imp.,  No,  4011,  4065  (hier  tritt 
Ludwig  von  Bayern  ausdrücklich  als  Reichsregent  auf).  Winkel- 
mann, I,  S.  486;  Riezler,  S.  54;  diese  folgen  einer  falschen  Les- 
art der  Ann.  Rein.,  S.  189:  ,,quia  principes  ceteri  omni  restiterunt 
conanime",  ohne  Berücksichtung  der  V.  L.,  S.  44:  „zu  letzt  batin 
doch  di  furstin  unde  di  hern  also  sere  daz  .  .  ,"  So  meint  Winkel- 
mann, I,  S.  486,  der  Herzog  von  Bayern  hätte  erst,  „nachdem  alle 
anderen  Fürsten  die  Regentschaft  von  sich  abgelehnt  hatten'-,  diese 
übernommen,  während  die  übrigen  erzählen,  daß  Ludwig  neben  der 
Weigerung  des  Herzogs  auch  noch  den  Widerstand  der  Fürsten 
zu  überwinden  hatte;  „restituerunt"  hat  mm  Holder-Egger  unzweifel- 
haft richtig  in  „instituerunt"  berichtigt;  vergl  H.-E.,  Cron.  Reinh., 
S.  605,  Note  3. 


70     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

wohl  aus  Ärger  über  seine  fehlgeschlagenen  Pläne,  sich 
rüste,    um  ihn    beim  Passieren    seines  Gebietes  abzufangen. 

Wahrscheinlich  hatte  nämlich  Poppe  versucht,  die  Even- 
tualbelehnung  Ludwigs  beim  Kaiser  unter  Geltendmachung 
der  Ansprüche  seiner  Gemahlin  Jutta  zu  hintertreiben  oder 
zum  mindesten  eine  Entschädigung  zu  erhalten.  Freilich 
waren  seine  Bemühungen  ohne  ein  anderes  Ergebnis  ge- 
blieben, als  daß  Friedrich  dem  Grafen  ein  schon  im  Jahre  1216 
gewährtes  i)  Berg-  und  Salzwerksprivilegium  erneuerte  2). 
Sicher  war  Poppe  nicht  selbst  erschienen,  sondern  ließ  durch 
einen  Gesandten  am  kaiserlichen  Hefe  seine  Ansprüche  ver- 
treten. Dafür  spricht,  daß  er  in  keiner  der  zahlreichen 
Urkunden  Friedrichs  aus  dieser  Zeit  als  Zeuge  auftritt, 
wohl  aber  als  selcher  in  einer  Urkunde  seiner  Gemahlin 
Jutta  und  seines  Stiefsohnes  Heinrich  am  1.  Juli  1226 
erscheint;  ist  auch  der  Ausstellungsort  dieser  Urkunde  un- 
bekannt, so  lag  er  doch  unzweifelhaft  in  Thüringen  ^).  Da- 
mit erweist  sich  aber  auch  die  Vermutung  Füßleins*)  als 
irrig,  daß  der  Graf  erst  nach  der  Abreise  Ludwigs,  d.  i. 
nach  dem  22.  Juni  am  kaiserlichen  Hof  erschienen  und  von 
hier  nach  kurzem  Aufenthalt  nach  Hause  eilends  zurück- 
gekehrt sei,  um  nun  dem  glücklicheren  Gegner  nachzustellen. 

Jedenfalls  hielt  es  der  Landgraf  für  geraten,  gegen 
Feindseligkeiten  Poppos  auf  der  Hut  zu  sein.  Nach  einer 
Besprechung  mit  seinem  Bruder  Heinrich  Raspe  und  den 
Herren  seines  Gefeiges  beschloß  er,  sich  durch  einen  Ge- 
waltmarsch in  Sicherheit  zu  bringen :  gleich  nach  dem 
Abendessen  brach  er  von  Schweinfurt  auf,  marschierte 
die  ganze  Nacht  ununterbrochen  hindurch  und  durcheilte 
so  unangefochten  das  Gebiet  des  Hennebergers.  Daß  er 
schon  am  folgenden  Tag  die  Wartburg  erreichte,  wie  die 
Cron.  Reinh.,  S.  606    berichtet,    daran    ist    bei    der    großen 


1)  Debenecker,  Eeg.  II,  No.  1674. 

2)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2326. 

3)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2336. 

4)  S.  71  f. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     71 

Entfernung  zwischen  Schweinfurt  und  Eisenach  i)  nicht  zu 
denken.  Jedenfalls  langte  er  an  einem  Freitag  (vielleicht 
den  24.  Juli)  auf  dem  Schlosse  an,  jubelnd  begrüßt  von 
seiner  Familie  -). 

Da  wir  auch  in  der  Folge  von  irgend  welchen  Kämpfen 
zwischen  dem  Landgrafen  und  dem  Grafen  von  Henneberg 
nichts  hören,  sondern  im  Gegenteil  beide  auf  dem  Hoftag 
zu  Würzburg  (November  1226)  treffen  ^)  und  wissen,  daß 
Poppo  auch  dem  Leichenbegängnis  Ludwigs  (1228)  bei- 
wohnte ^),  so  ist  in  jenem  auffälligen  Verhalten  des  Land- 
grafen wohl  nichts  weiter  zu  sehen  als  eine  Vorsichts- 
maßregel für  alle  Fälle. 

Wahrscheinlich  sind  bei  dem  Aufenthalt  in  Italien  auch 
die  letzten  Verabredungen  zwischen  ihm  und  dem  Kaiser  hin- 
sichtlich seiner  Teilnahme  an  einem  schon  lange  beabsich- 
tigten Kreuzzuge  getroffen  worden.  Am  25.  Juli  1215,  gleich 
nach  seiner  Krönung,  hatte  der  junge  König  Friedrich  frei- 
willig das  Gelübde  eines  Kreuzzuges  abgelegt  5).  Freilich 
mußte  er  Aviederholt,  gezwungen  durch  die  politische  Lage, 
im  Einverständnis  mit  der  Kurie  den  Antritt  des  Zuges 
verschieben  ^).  Endlich  wurde  auf  der  Zusammenkunft  zu 
Ferentino,  Anfang  März  1223,  zwischen  Papst  und  Kaiser 
verabredet,  daß  dieser  bis  zum  Johannistag  des  Jahres 
1225  in  das  heilige  Land  gezogen  sein  solle  ^).  Zugleich 
wurde  die  Agitation  für  diese  Unternehmung  von  beiden 
Gewalten  energischer  betrieben  ^) ;  an  die  deutschen  Fürsten 
gingen  Sendschreiben  ab,  in  denen  ihnen  vom  Kaiser  für 
den    Fall    ihrer   Teilnahme   beträchtliche    Geldsummen    zu- 


1)  Sie  beträgt  in  der  Luftlinie  ungefähr  100  km! 

2)  Cron.  Eeinh.,  S.  606;  V.  L.,  S.  45;  Füßlein,  S.  70ff. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2357. 

4)  Dobenecker,  Eeg.  III,  No.  13. 

5)  E.  Eöhricht,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Kreuzzüge,  I,  S,  4. 

6)  Eöhricht,  I,  S.  4  ff. 

7)  Winkelmann,  I,  S.  197  ff. 

8)  Winkelmann,  I,  S.  216  ff. 


72     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

gesichert  wurden  ^).  Auch  der  Landgraf  Ludwig  empfing 
einen  derartigen  Brief  Friedrichs,  in  dem  ihm  als  Beihilfe 
für  seine  Rüstungen  4000  Mark  Silber  angeboten  wurden, 
während  der  Papst  ihn  und  sein  Land  unter  den  Schutz 
der  Kirche  stellte  ^).  Wahrscheinlich  konnte  sich  damals 
Ludwig  noch  nicht  entschließen,  dieser  Aufforderung  Folge 
zu  leisten,  hauptsächlich,  da  er  ja  alle  seine  Kräfte  an- 
spannen mußte,  um  den  Widerstand  seiner  Stiefschwester 
in  Meißen  niederzuwerfen.  Sicher  hat  es  der  Deutschordens- 
meister Hermann  von  Salza  anläßlich  seines  Zusammentreffens 
mit  Ludwig  auf  dem  Hoftag  zu  Nordhausen  (Ende  Septem- 
ber 1223)  nicht  unterlassen,  auf  ihn  im  Sinne  des  Kaisers 
einzuwirken  ^). 

Die  Erfolge  der  Kreuzzugsprediger  waren  überall  so  ge- 
ringe, daß  Friedrich  sich  im  März  1224  an  die  Kurie  wandte 
und  sie  unter  Dai'legung  der  von  ihm  unternommenen  Schritte 
um  energischere  Anstrengungen  bat^).  Er  selbst  sandte 
als  seinen  Bevollmächtigten  für  die  Angelegenheiten  des 
Kreuzzuges  den  Deutschordensmeister  wieder  nach  dem 
Norden  ^),  während  der  Papst  sich  entschloß,  zur  Leitung 
der  Agitation  einen  Legaten,  den  Kardinalbischof  von  Porto, 
Konrad  von  Urach  ^),  nach  Deutschland  zu  schicken  und 
für  die  einzelnen  Kirchenprovinzen  besondere  Kreuzprediger 
zu  bestellen ;  so  für  die  Mainzer  Diözese  den  Bischof  Konrad 
von  Hildesheim  und  den  Magister  Salomon,  Domherrn  zu 
Würzburg  ''). 

1)  Z.  B.  MG.  Epist.  saec.  XIII.  pont.  Eom.  sei.  I,  S.  156  f., 
No.  227. 

2)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2059. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2086,  2087. 

4)  Winkelmann,  Acta  imp.  ined.  I,  S.  237  ff.,  No.  261 ;  Winkel- 
mann, I,  S.  220  ff. 

5)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2131. 

6)  Frhr.  Roth  von  Schreckenstein,  Konrad  von  Urach,  Bischof 
von  Porto  und  S.  Rufina,  als  Kardinallegat  in  Deutschland  (1224 
bis  1226)  in:  Forsch,  z.  d.  Gesch.  VII,  S.  335. 

7)  MG.  Epist.  saec.  XIII.,  I,  S.  173,  No.  244;  A.  Potthast, 
Reg.  pontificum  Romanorum  I,  No.  7193. 


Die  äiißere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     73 

Wahrscheinlich  als  nun  Hermann  von  Salza  auf  dem 
Hoftag  zu  Frankfurt,  Mitte  Mai  1224,  nochmals  mit  dem 
bedeutend  erhöhten  Anerbieten  des  Kaisers  an  den  Land- 
grafen herantrat,  —  jetzt  wurden  ihm  5000  Mk.  Silber,  dazu 
noch  freie  Überfahrt  und  Verpflegung  zugesagt,  —  da  mag 
er  sich  endgültig  entschlossen  haben,  teilzunehmen  i);  zugleich 
mit  ihm  schmückten  sich  zehn  Grafen,  viele  Ritter  und 
eine  unzählbare  Schar  des  gemeinen  Volkes  mit  dem  Kreuz. 
Freudig  bewegt  davon,  daß  ein  so  wackerer,  reicher  und 
mächtiger  Herr  sich  angeschlossen  hat,  konnte  der  Kreuz- 
prediger Oliver,  Domscholaster  von  Köln  ^),  im  Juni  den 
Prälaten  Frieslands  dieses  Ereignis  mitteilen  3).  Die  Nach- 
richt Dietrichs  von  Apolda^),  daß  Ludwig  das  Kreuz  aus  den 
Händen  des  Bischofs  Konrad  von  Hildesheim  empfangen 
habe,  scheint  unzutreffend  zu  sein,  wenigstens  läßt  sich  die 
Anwesenheit  des  Bischofs  in  Frankfurt  nicht  nachweisen  °). 

Wurden  so  auch  noch  eine  ganze  Reihe  von  bedeuten- 
deren Herren  gewonnen,  so  war  ihre  Zahl  doch  noch  zu 
gering,  um  für  einen  Zug  in  das  heilige  Land  zu  genügen  *5). 
Wiederum  trat  deshalb  der  Kaiser  mit  dem  Papst  wegen 
eines  Aufschubes  in  Unterhandlungen,  die  zu  dem  Vertrag 
von  San  Germano  führten  (25.  Juli  1225);  in  ihm  sind 
die  Leistungen,  zu  denen  Friedrich  verpflichtet  ist,  auf  das 

1)  Winkelmann,  I,  S.  225,  Anm.  3;  Doeberl,  MG.  sei.  V,  S.  58. 
Winkelmann,  Acta  I,  S.  238,  No.  261 ;  erst  jetzt  werden  freie  Über- 
fahrt und  Verpflegung  versprochen. 

2)  Vergl.  über  ihn :  H.  Hoogeweg,  Die  Kreuzpredigt  des  Jahres 
1224,  in:  Deutsche  Zeitschrift  f.  Geschichtswissenschaft,  hrsg.  von 
Quidde,  IV,  2,  S.  62  ff.  (1890). 

3)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2144. 

4)  Vita  D.  Elizab.  in :  Thesaurus  Monum.  eccles.  ed.  Canisius, 
IV,  S.  131;  vergl.  MG.  Epist.  saec.  XIIL,  I,  S.  254,  No.  335:  Brief 
Honorius  III.  an  Ludwig:  11.  Jan.  1227:  „qui  ab  olim  suscepto 
crucis  signaculo  illi  militare  vovisti,  qui ..."  Dobenecker,  Eeg.  II, 
No.  2371,  Anm.  1. 

5)  Böhmer- Ficker,  Eeg.  imp.,  No.  3921—3924;  Winkelmann, 
I,  S.  432. 

6)  Winkebnann,  I,  S.  227  f. 


74     I^ie  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

genaueste  festgesetzt;  er  wird  gehalten,  bis  zum  August 
1227  endgültig  die  Ausreise  anzutreten  i). 

Als  Ludwig  sich  im  Frühjahr  1226  beim  Kaiser  auf- 
hielt, werden  ihm  wohl  die  näheren  Anweisungen  für  den 
Zug  gegeben  worden  sein.  Als  spätester  Aufbruchstermin 
wurde  für  die  Deutschen  wahrscheinlich  der  24.  Juni,  der 
Johannistag,  festgesetzt-).  Als  endlich  das  Jahr  1227  her- 
ankam, erließ  der  Papst  an  alle  geistlichen  und  weltlichen 
Fürsten  und  Herren  ein  Rundschreiben,  in  dem  er  sie  ein- 
dringlich bittet,  dafür  zu  sorgen,  daß  alle,  die  das  Kreuz 
genommen  haben,  sich  im  August  zur  Überfahrt  einfinden  ^). 

Bald  darauf  starb  der  Papst  Honorius  IIL  am  18.  März 
1227;  sein  Nachfolger  war  Gregor  IX.  ^). 

Er  beeilte  sich,  schon  am  15.  April  dem  Landgrafen 
die  Versöhnung  des  Kaisers  mit  den  Lombarden  mitzuteilen 
und  die  dringende  Bitte  hinzuzufügen,  dem  gegebenen  Ver- 
sprechen nachzukommen  5). 

Der  Erfolg  all  dieser  Bemühungen  blieb  dann  auch 
nicht  aus.  Im  Frühjahr  1227  zogen  zahlreiche  Scharen 
von  Kreuzfahrern  nach  dem  Süden*').  Von  den  Fürsten 
beteiligten  sich  außer  dem  Landgrafen  der  Herzog  Heinrich 
von  Limburg  und  die  Bischöfe  Gebhard  von  Passau  und 
Siegfried  von  Augsburg,  daneben  eine  große  Menge  von 
Grafen  und  Rittern  ^). 

Vor  seiner  Abreise  ordnete  Ludwig  die  Verhältnisse 
seines  Landes  auf  das  sorgfältigste.    Für  seinen  unmündigen 

1)  Winkelmann,  I,  S.  234  ff. 

2)  Bald.  Ninov.  Chron.:  MG.  SS.  XXV,  S.  542;  Cron.  Eeiuh., 
S.  611;  V.  L.,  S.  56;  an  diesem  Tage  brachen  sowohl  die  Nieder- 
lothringer als  auch  Ludwig  auf.     Winkelmanu,  I,  S.  326. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2371. 

4)  Winkelmann,  I,  S.  316  ff. 

5)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2401. 

6)  Job.  Codagn.  Ann.  ed.  O.  Holder-Egger  in:  SS.  rer.  Germ, 
in  usum  schob  S.  85.  Cron.  Minor,  Mon.  Erphesf.,  S.  654 :  „ad  LX. 
railia".  Winkelmann,  I,  S.-325. 

7)  Doeberl,  Mon.  Germ.  sei.  V,  S.  58  f.;  Winkelmann,  I,  S.  226; 
S.  824. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     75 

Sohn  bestellte  er  seinen  Bruder  Heinrich  Raspe  als  Vor- 
mund 1),  während  die  Regentschaft  in  Meißen  offenbar  auf 
den  Herzog  Albrecht  von  Sachsen  überging,  der  wohl  durch 
seine  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  dem  jungen  Mark- 
grafen dazu  am  besten  geeignet  erschien  ^). 

Dem  Magister  Konrad  von  Marburg,  der  als  Beichtvater 
Elisabeths  am  landgräflichen  Hofe  weilte,  übertrug  er  mit 
Zustimmung  seiner  Gemahlin,  seiner  Kinder  und  seiner 
Brüder  die  Gewalt,  die  Kirchenlehen,  deren  Patronat  ihm 
gehörte,  nach  seinem  Gutdünken  zu  besetzen  ^).  Dieses  Ver- 
halten Ludwigs  mag  zunächst  auffällig  erscheinen  in  einer 
Zeit,  in  der  die  Fürsten  die  größten  Anstrengungen  machten, 
sich  immer  mehr  Rechte  in  ihren  Gebieten  zu  sichern  und 
so  allmählich  geschlossene  Territorien  zu  bilden.     Aber  jene 


1)  Dobenecker,  "Reg.  II,  No.  2450,  246L  III,  No.  9,  13,  14, 
15  usw.  H.  Mielke,  d.  heil.  Elis.,  S.  63.    Diss.  Rostock  1888. 

2)  Dobenecker,  Reg.  III,  No.  3.  Steudeuer,  S.  45  f.,  weist  die 
Annahme  Tittmanns,  I,  S.  73  mit  Recht  zurück,  daß  diese  Vor- 
mundschaft nicht  ohne  Zusammenhang  mit  dem  ehemaligen  Recht 
der  Herzöge  von  Sachsen  über  Meißen  gewesen  sei. 

Die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  sind  folgende: 
Albrecht  der  Bär 
Hedwig  00  Otto  von  Meißen  Bernhard  v.  Sachsen 


Dietrich  d.  Bedr.  Albrecht  I.  v.  Sachs. 


Heinrich  d.  Erl.     (Steudener,  S.  46,  Anm.  1.) 
Dazu    war    Heinrich    verlobt    mit    Constantia   von  Österreich,    der 
Schwester  von  Albrechts  Gemahlin  Agnes,  die  allerdings  schon  1226 
gestorben  war;  vergl.  Steudener,  S.  41. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2409,  2410,  2411 ;  Cron.  Reinh., 
S.  606;  V.  L.,  S.  47.  Die  Ansicht  I.  Becks,  Konrad  von  Marburg 
(Diss.,  Breslau  1871),  S.  12  ff.  ist  wohl  richtig,  daß  diese  Verleihung 
nur  für  die  Zeit  der  Abwesenheit  des  Landgrafen  bestimmt  war. 
Dafür  auch  Wenck,  A.  D.  B.  XIX,  S.  595;  Mielke,  D.  heil.  EHs., 
S.  40;  vergl.  H.  v.  Eicken,  Gesch.  u.  System  d.  mittelalterl.  Welt- 
anschauung, S.  343. 


76     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

gewaltige  asketische  Strömung,  die  damals  das  ganze  abend- 
ländische Leben  durchdrang,  war  auch  an  Ludwig  nicht 
ohne  Eindruck  vorübergegangen,  mächtig  gefördert  durch 
den  Einfluß  Elisabeths  und  ihres  Beichtvaters.  Ferner 
traten  gerade  in  diesen  Jahren  die  Bettelorden  in  Thüringen 
auf  und  gewannen  durch  ihren  Eifer  und  ihre  Predigten 
bald  eine  große  Macht  über  die  Gemüter  i).  Daher  ist  es 
nicht  zu  bezweifeln,  daß  für  den  Entschluß  des  Landgrafen, 
an  dem  Kreuzzug  teilzunehmen,  das  religiöse  Moment  aus- 
schlaggebend war. 

Nachdem  so  die  Regierung  der  ihm  anvertrauten  Lande 
geordnet  war,  berief  er  die  Herren  und  Ritter  nach  Kreuz- 
burg, machte  sie  mit  seiner  Absicht  bekannt  und  ermahnte 
sie,  Ruhe  und  Frieden  zu  halten.  Danach  hielt  er  einen 
Umritt  durch  seine  Besitzungen,  besuchte  dabei  vor  allem 
die  Klöster  und  empfahl  sich  den  Gebeten  der  Mönche  und 
Nonnen  2). 

Als  Sammelplatz  für  die  thüringischen  Kreuzfahrer 
war  offenbar  Schmalkalden  bestimmt.  Nach  herzlicher  Ver- 
abschiedung von  seinen  Verwandten  brach  Ludwig  von  hier  3) 
am  24.  Juni ,  umgeben  von  einer  stattlichen  Schar ,  nach 
dem  Süden  auf '^).  Nicht  leicht  mag  ihm  die  Trennung  von 
seiner  Gemahlin  geworden  sein;  wußte  er  doch,  daß  ihr 
wieder  ihre  schwere  Stunde  nahe  war  5),  während  er  selbst 
ungewissen,  gefährlichen  Kämpfen  entgegenzog. 

In  seiner  Begleitung,  die  er,  wahrscheinlich  bis  zur 
Ankunft  in  Apulien ,  auf  eigene  Kosten  unterhielt  ^),  be- 
fanden   sich    die  Grafen  Ludwig  von  Wartburg,    Burchard 

1)  A.  Hauck,  Kirchengesch.  IV,  S.  379  f. 

2)  V.  L.,  S.  53 f.;  Cron.  Reinh.,  S.  609 f. 

3)  Nicht  von  Eisenach,  wie  Röhricht,  I,  S.  64,  Anm.  104  meint. 

4)  Cron.  Reinh.,  S.  611;  V.  L.,  S.  58;  Wenck,  A.  D.  B.  XIX, 
S.  597;  Bernecker,  S.  63. 

5)  Cron.  Reinh.,  S.  609;  S.  608  (Anm.  5);  Diemar,  ZHG.  N.  F. 
XXVII,  S.  12,  No.  47. 

6)  Cron.  Reinh.,  S.  611;  V.  L.,  S.  58;  dazu  war  wohl  die  Bei- 
hilfe des  Kaisers  in  Höhe  von  5000  Mark  Silber  bestimmt. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     77 

von  Brandenburg  ^)  (sie  waren  Vettern),  Meinhard  (III.)  von 
Mühlberg  2)  und  Heinrich  von  Stolberg  ^)  •  die  Herren  Hart- 
mann von  Heldrungen  '*),  Ludolf  (der  Jüngere)  von  Trefiurfc  5), 
die  hervorragendsten  seiner  Hofbeamten :  der  Schenk  Rudolf 
von  Varguia*'),  Marschall  Heinrich  von  Ebersburg '^),  der 
Truchseß  Hermann  von  Schlotheim  ^)  und  der  Kämmerer 
Heinrich  von  Fahner  ■') ;  ferner  die  Ministerialen  Rudolf 
von  Bilzingsleben  1°) ,  Friedrich  von  Treffurt  ^^) ,  Gerhard 
von  Ellen  12)^  Dietrich  von  „Subach"  i^),  Siegfried  der  Rote 
von  Spatenburg  1*),  die  Brüder  Ludwig  und  Rudolf  von 
Hausen  15)^  Heinrich  von  „Meydeburg"  ^%  Reinhard  Varch  1^), 

1)  Urkundlich   erwähnt  im  Jahre  1227 ;    Dobenecker,   Eeg.  II, 
No.  2381,  2382. 

2)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2425. 

3)  Dobenecker,  Eeg.  II,  No.  2420. 

4)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2261. 

5)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2421. 

6)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2421. 

7)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2261. 

8)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2419. 

9)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2418. 

10)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2417;  bei  Röhricht,  II,  S.  381, 
fälschlich  Rud.  von  „Burgsleben"  genannt. 

11)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2157. 

12)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2419;  „Elnde"  (Cron.  Reinh., 
S.  611)  ist  nicht  gleich  „Elende",  wie  Thiele,  Memoriale  —  thüringisch- 
erfurtische  Chronik  —  von  Konrad  Stolle,  S.  151,  Anm.  4,  meint, 
sondern  identisch  mit  „Ellen"  (Dorf  südwestlich  von  Eisenach;  vgl. 
Dobenecker,  Reg.  II,  S.  479.). 

13)  Vielleicht  Saubach  (Kr.  Eckartsberga,  vergl.  Thiele,  S.  151, 
Anm.  4)  oder  Seebach  (nordw.  Langensalza);  1225  tritt  ein  Albert 
von  Seebach  („Sebech")  in  einer  Urkunde  Ludwigs  als  Zeuge  auf; 
vergl.  Wegele,  Ann.  Reinh.,  S.  204,  Anm.  8. 

14)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2417. 

15)  Zuletzt  urkundlich  erwähnt  1216:  Dobenecker,  Reg.  II, 
No.  1706a,  ebenso  wie  Rudolf:  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1680. 

16)  Kommt  in  thüringischen  Urkunden  dieser  Zeit  nicht  vor. 
Nach  Thiele,  S.  151,  Anm.  4,  „Meydeburg"  =  „Magdeburg". 

17)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2334;  Cron.  Reinh.,  S.  611,  Anm.  2; 
„Varch"  (V.  L.,  S.  58)  ist  die  deutsche  Bezeichnung  für  „porcellus" 
oder  „porcus". 


78     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen, 

Berthold  von  Mila  i)  und  Berthold  von  Heilingen  ^),  dann 
die  Kapläne  Gerhard,  Domkustos  in  Naumburg  ^),  Berthold^ 
der  Verfasser  der  Gesta  Ludowici^),  Werner,  Priester  von 
Marburg  ^),  der  Schreiber  und  Notar  Konrad  von  Würzburg 
und  viele  andere  Geistliche,  Ritter  und  Ärzte  ^). 

Ludwig  marschierte  wohl  auf  dem  Wege,  den  die 
Deutschen,  wenn  sie  nach  Italien  zogen,  gewöhnlich  ein- 
schlugen :  durch  Franken ,  Schwaben ,  Baj^ern ,  über  den 
Brenner,  das  Etschtal  abwärts  eilte  er  nach  dem  Süden  ''). 
Unterwegs  schlössen  sich  ihm,  wahrscheinlich  in  Augsburg, 
der  Bischof  Sigfrid  von  Augsburg,  fernerhin  Ludwig  von 
Kastei,  Ludwig  der  Altere  von  Stolberg  und  viele  andere 
Herren  und  Ritter  an,  so  daß  er  mit  einem  ansehnlichen 
Heer  vor  dem  Kaiser  erscheinen  konnte  ^),  als  er  am 
3.  August  in  Troia  mit  ihm  zusammentraf;  bis  hierher  war 
Friedrich  ihm  entgegengeeilt^).  Nachdem  drei  Tage  ge- 
rastet worden  war,  marschierte  man  am  6.  August  gemein- 
sam   nach  Mein  weiter,    wo  man  wieder  einen  mehrtägigen 

1)  In  Urkunden  nicht  erwähnt. 

2)  Urkundlich  ein  Berthold  von  Heilingen  nicht  erwähnt,  wohl 
aber  1223  ein  Johann  (Dobenecker,  Eeg.  II,  Xo.  2109)  und  1225 
ein  Albert  von  Heilingen  (Dobenecker,  Eeg.  II,  Xo.  2223). 

3)  Cron.  Reinh.,  S.  öll;  diese  Stelle  wohl  durch  ein  Versehen 
des  Abschreibers  verderbt,  richtig  in  der  V.  L.,  S.  58. 

4)  Holder- Egger,  Studien  zu  thüringischen  Geschichtsquellen, 
II,  XA.  XX,  S.  631  ff. 

5)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  1585. 

6)  Cron.  Eeinh.,  S.  611;  V.  L.,  S.  58  f. 

7)  Vergl.  Winkelmann,  I,  S.  326;  V.  L.,  S.  59;  Cron.  Eeinh., 
S.  611.  Wahrscheinlich  ist  er  am  adriatischen  Meer  entlang 
marschiert. 

8)  Ann.  Marb.,  MG.  SS.  XVII,  S.  175. 

9)  Cron.  Eeinh.,  S.  611;  V.L.,  S.  59;  gut  paßt  dazu  die  Xach- 
richt  des  Eycc.  de  S.  Germ.  (MG.  SS.  XIX,  S.  348)  „Eodem  mense 
(mense  Julii)  langravius  cum  cruce  signatorum  esercitu  de  Alamannia 
in  Apuliam  venit".  Doeberl,  Mon.  Germ.  sei.  V,  S.  59;  ßernecker, 
S.  63;  S.  65;  Winkelmann,  I,  S.  327;  Knochenhauer,  S.  326,  meint 
fälschlich,  daß  Ludwig  schon  im  Juli  mit  Friedrich  zusammen- 
getroffen sei.    Böhmer- Ficker,  Eeg.  imp.,  No.  1700a. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     79 

Aufenthalt  nahm  i).  Diese  Ruhepausen  lassen  sich  am 
besten  dadurch  erklären,  daß  der  Kaiser  das  Herankommen 
aller  Pilgerscharen  erwarten  und  Zeit  gewinnen  wollte  zur 
Herstellung  einer  hinreichenden  Anzahl  von  Schiffen,  die 
sich  durch  eine  unter  den  Bauleuten  ausgebrochene  Krank- 
heit verzögert  hatte  2).  Von  Melfi  gingen  die  Fürsten 
wahrscheinlich  das  Ofan total  abwärts  und  trafen  am  16. 
August  über  Barletta,  Bari  und  Monopoli  (15.  August)  in 
Brindisi  ein  3). 

Hier  hatten  sich  indessen  gewaltige  Menschenmengen 
angesammelt*),  so  daß  infolge  dieser  Anhäufung  wohl  bald 
Mangel  an  Lebensmitteln  entstand.  Dazu  gesellten  sich 
noch  eine  glühende  Sommerhitze  und  das  ungewohnte 
Klima :  eine  furchtbare  (wahrscheinlich)  typhusartige  Seuche 
brach  aus,  die  unter  den  dicht  zusammengedrängten  Massen 
schrecklich  wütete.  Tausende  fielen  ihr  zum  Opfer  und 
ein  großer  Teil  des  Heeres  zerstreute  sich  ^).  Der  Kaiser 
selbst  war  schon  auf  dem  Marsch  nach  Brindisi  von  der 
Krankheit  geplagt  worden,  so  daß  ihm  seine  Ärzte  dringend 
rieten,  sich  zu  schonen;  unbekümmert  freilich  um  ihren 
Rat,  hatte  er  die  Reise  fortgesetzt,  um  die  Vorbereitungen 
zur  Einschiffung  persönlich  überwachen  zu  können.  End- 
lich ging  in  der  zweiten  Hälfte  des  August  der  erste 
Transport  mit  Kreuzfahrern  ab,  dem  acht  Tage  später  die 
kaiserliche  Kammer  und  Dienerschaft  folgte  ^).  Indessen  war 
der  Kaiser,  der  selbst  noch  nicht  ganz  wieder  hergestellt 
war,  mit  dem  Landgrafen  nach  der  kleinen  Insel  S.  Andrea, 


1)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2431. 

2)  Doeberl,  Mon.  Germ.  sei.  V,  S.  59;  Winkehnann,  I,  S.  328. 

3)  Cron.  Eeinh.,  S.  611;  V.  L.,  S.  59;  Bernecker,  S.  63 ff.; 
Winkelmann,  I,  S.  327. 

4)  Joh.  Codagn.  Ann.,  S.  85  f. 

5)  MG.:  Epist.  saec.  XIIL,  I,  S.  283,  No.  368;  Doeberl,  Mon. 
Germ.  sei.  V,  S.  59;  Joh.  Codagn.  Ann,,  S.  86;  Ann.  Scheftl.  Mai, 
MG.  SS.  XYIL,  S.  338;  Notae  St.  Emmerami,  MG.  SS.  XVII,  S.  574; 
Winkelmann,  1,  S.  328  ff. 

6)  Doeberl,  Mon.  Germ.  sei.  V,  S.  59;  Winkelmann,  I,  S.  329  f. 


80     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

die  dem  Hafen  von  Brindisi  vorliegt,  übergesiedelt,  um  sich 
in  der  erfrischenden  Seeluft  zu  erholen  und  die  Zurüstungen 
für  die  eigene  Abreise  zu  leiten  i).  Aber  schon  hatte  auch 
den  Landgrafen  die  tückische  Seuche  ergriffen ;  sein  Be- 
finden begann  sich  mehr  und  mehr  zu  verschlimmern. 
Trotz  seines  besorgniserregenden  Zustandes  schifften  sich 
die  Fürsten  am  9.  September  ein  und  fuhren  zunächst  nach 
Otranto,  um  sich  von  der  hier  weilenden  Kaiserin  zu  ver- 
abschieden 2).  Am  nächsten  Tag  kamen  sie  dort  an ;  nach- 
dem Ludwig  aber  bei  der  Kaiserin  einen  Besuch  gemacht 
hatte  und  auf  sein  Schiff  zurückgekehrt  war,  steigerte  sich 
das  Fieber  so,  daß  er  sich  zu  Bette  legen  mußte  und  man 
das  Schlimmste  befürchtete.  Der  Patriarch  Gerold  von 
Jerusalem  spendete  ihm  unter  Assistenz  des  Kardinal- 
predigers Leo  Brancaleo  von  S.  Cruce  in  Jerusalem  ^)  die 
letzte  Oelung  und  die  Wegzehrung.  Hierauf  wurde  er  am 
11.  September,  umgeben  von  seinen  Getreuen,  von  seinen 
Leiden  erlöst^).  Auf  die  Trauernachricht  von  seinem  Tod 
kehrte  der  Teil  seiner  Mannen,  der  schon  vorausgefahren 
war,  wehklagend  nach  Otranto  zurück,  um  hier  vorläufig 
seine  irdischen  Ueberreste  zu  begraben,  während  sie  selbst 
dann  die  unterbrochene  Fahrt  nach  dem  heiligen  Lande 
wieder  aufnahmen.  Als  die  Thüringer  im  Jahre  1228  aus 
Palästina  nach  Italien  zurückkamen,  gruben  sie  die  Gebeine 
aus  und  lösten  durch  Abkochen  das  Fleisch  von  den 
Knochen.  Die  Ueberreste  wurden,  in  kostbaren  Schreinen 
verwahrt,  feierlich  nach  Deutschland  überführt.  Überall, 
wo  die  Kreuzfahrer  übernächtigten,  wurde  der  Leichnam  in 


1)  Wahrscheinlich  dauerte  der  Aufenthalt  hier  längere  Zeit, 
nicht  nur  einen  Tag,  wie  Ficker,  Reg.  imp.,  No.  1709b  meint;  ihm 
folgt  Bernecker,  S.  68;  vergl.  Winkelmann,  I,  S.  330,  Anm.  4. 

2)  Falsch  dargestellt  bei  Eöhricht,  I,  S.  20. 

3)  Der  Name  festgestellt  nach  C.  Eubel:  Hierarchia  catholica 
medii  aevi,  I,  S.  40. 

4)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2453,  Anm.  1;  Röhricht,  I,  S.  20: 
falsch  der  14.  September  als  Todestag  Ludwigs. 


Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen.     31 

den  Kirchen  aufgestellt,  und  reichliche  Spenden  sorgten  für 
das  Seelenheil  des  Verstorbenen.  Bis  nach  Bamberg  war 
die  tiefbetrübte  Witwe  Elisabeth  dem  Leichenzug  entgegen- 
geeilt ;  begleitet  von  ihrem  Oheim,  dem  Bischof  Ekbert  von 
Bamberg,  einer  zahlreichen  Schar  von  Priestern  und  einer 
gewaltigen  Menschenmenge,  holte  sie  die  Heimkehrenden 
ein.  Je  mehr  man  sich  dem  Ziele  näherte,  um  so  mehr 
schwoll  das  Trauergefolge  an.  Von  allen  Seiten  eilten  die 
treuen  Untertanen  herbei,  um  ihrem  Herrn  das  letzte  Gre- 
leit  zu  geben. 

Allgemeine  Trauer  erfüllte  das  ganze  Land  um  den  so 
früh  dahingegangenen  Fürsten,  unter  dessen  starker  Re- 
gierung der  Friede  wieder  in  das  so  schwer  heimgesuchte 
Land  eingezogen  war.  Die  irdischen  Überreste  fanden  ihre 
letzte  Ruhestätte  im  Kloster  Reinhardsbrunn  i) :  in  Gegenwart 
der  so  früh  verwitweten  Elisabeth,  seiner  Mutter  Sophie, 
seiner  Brüder  Heinrich  und  Konrad,  des  einstigen  Gegners 
Grafen  Poppo  von  Henneberg  und  zahlreicher  anderer 
Grafen  und  Herren  wurde  er  unter  großen  Feierlichkeiten 
beigesetzt  ^).  Zum  Andenken  und  zum  Seelenheil  des  ver- 
storbenen Bruders  machte  Heinrich  Raspe  dem  Kloster  eine 
bedeutende  Landschenkung  ^). 

Von  der  Kirche  selbst  niemals  kanonisiert,  errang  er 
beim  Volk  bald  den  Ruf  eines  Heiligen,  vor  allem,  nachdem 
Dietrich  von  Apolda,  der  Reinhardsbrunner  Mönch,  der  Zu- 
sätze zu  dessen  Werk  machte,  und  der  Verfasser  der  latei- 
nischen Vita  Ludowici  sein  Leben  mit  so  wunderbaren 
Zügen  ausgeschmückt  hatten.  Dazu  gesellten  sich  sehr 
bald  Gerüchte,  die  sich  im  Laufe  der  Zeit  in  direkte  Be- 
hauptungen   verwandelten,    daß    Ludwig  vom  Kaiser    durch 


1)  Das  Begräbnis  muß  vor  dem  16.  Mai  stattgefunden  haben, 
da  in  einer  Urkunde  von  diesem  Tag  Begleiter  Ludwigs  genannt 
werden;  vergl.  Dobenecker,  Reg.  III,  No.  13,  Anm.  1,  No.  14. 

2)  V.  L.,  S.  62 ff.;  Cron.  Eeinh.,  S.  612 f.;  Dobenecker,  Reg.  III, 
No.  13. 

3)  Dobenecker,  Reg.  III,  No.  13. 

XXV  IL  6 


82     Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thüringen. 

Grift  aus  dem  Wege  geräumt  worden  sei.  Noch  findet  sich 
in  dem  Manifest  des  Papstes  vom  10.  Oktober  1227,  in 
dem  er  die  Exkommunikation  Friedrichs  verkündet,  nichts 
von  einem  derartigen  Verbrechen  ^).  Aber  schon  im  Jahre 
1239,  als  es  galt,  die  zweite  Exkommunikation  des  Kaisers 
zu  verteidigen,  wird  dieser  von  dem  Papst  offen  des  Grift- 
mordes  beschuldigt  ^),  eine  Behauptung,  die  in  der  Folge- 
zeit von  sehr  vielen  Quellen  nacherzählt  worden  ist  ^). 

Ludwig  tritt  uns  in  seiner  auswärtigen  Politik  als 
ein  hervorragender  Staatsmann  entgegen.  Er  verfolgt  weit- 
ausschauende Pläne,  ohne  dabei  das  Erreichbare  aus  dem 
Auge  zu  verlieren.  Ruhig  und  sicher  leitet  er  seine  Politik, 
seine  Zeit  abwartend,  wenn  es  ihm  nicht  gelingt,  eine 
Forderung  sofort  durchzusetzen.  Mit  Energie  wendet  er 
sich  gegen  jedermann,  der  seinen  Absichten  entgegentritt, 
und  scheut  auch  vor  dem  letzten  Mittel  der  Politik,  dem 
Kampf,  nicht  zurück.  Niemals  fehlte  er  bei  der  Erledigung 
wichtiger  Reichsangelegenheiten  und  stets  stand  er  dem 
Kaiser  treu  zur  Seite.  Wie  er  sich  freilich  bei  einem 
Zwist  zwischen  Papst  und  Kaiser  verhalten  haben  würde, 
wer  vermag  es  zu  sagen?  Das  Schicksal  hat  ihm  diese 
schwere  Entscheidung  erspart.  Von  größtem  Einfluß  war 
auch  auf  ihn  die  gewaltige  geistige  Strömung,  die,  die 
kluniazenische  Bewegung  fortsetzend,  damals  in  allen  Gre- 
mütern  tiefe  Spuren  zurückließ. 

Daß  er  trotz  seiner  Jugend  eine  der  bedeutendsten 
Erscheinungen  des  damaligen  Deutschlands  ist,  darf  man 
getrost  behaupten. 


1)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2453. 

2)  MG.  Epist.  saec.  XIII.,  I,  S.  647,   No.  750;   Dobenecker^ 
Reg.  III,  No.  802. 

3)  Dobenecker,  Reg.  II,  No.  2453,  Anm.  1. 


III. 

Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen  im 

Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641—1645. 

Von 

Fr.  Waas,  Pfarrer  in  Waldraichelbach  (Odenwald). 


Die  Generalvisitation,  die  Herzog  Ernst  der  Fromme 
sofort  nach  seinem  Regierungsantritt  in  den  Kirchen  und 
Schulen  seines  Herzogtums  gehalten  hat,  verdient  nach  zwei 
Seiten  hin  unser  lebhaftes  Interesse.  Zunächst  ist  es  für  uns 
von  großer  Wichtigkeit,  genauere  Aufschlüsse  über  das  erste 
größere  Unternehmen  dieses  bedeutenden  Mannes  nach  An- 
tritt seiner  Regierung  zu  erhalten.  Durch  die  Arbeiten  von 
W.  B  ö  h  n  e  1)  sind  in  neuerer  Zeit  die  pädagogischen  Be- 
strebungen des  Herzogs,  seine  Bemühungen  um  die  Erziehung 
und  Bildung  der  Kinder  sowohl  wie  der  erwachsenen  Unter- 
tanen, sowie  seine  Verdienste  um  das  Gymnasium  zu  Gotha 
und  die  Universität  zu  Jena  auf  Grund  eingehender  archi- 
valischer  Studien  genauer  erforscht  worden.  Über  die  Ge- 
neralvisitation jedoch,  die  allen  diesen  Bemühungen  voran- 
ging und  die  die  Grundlage  für  alle  seine  weiteren  Reformen 
bildete,  haben  wir  in  der  seitherigen  Literatur  nur  gelegent- 
liche Notizen.  Es  ist  bis  jetzt  weder  ihr  näherer  Verlauf 
erforscht,  noch  sind  ihre  Ergebnisse  verwertet.  Und  doch 
steht  diese  Visitation  im  engsten  Zusammenhang  gerade 
mit  den  wichtigsten  Einrichtungen  des  Herzogs,  sie  fällt  in 
seine  fruchtbarste  Zeit ;  das  Informationswerk  von  1642  ist 


1)  Das  Informationswerk  Herzog  Ernst  des  Frommen,  Disser- 
tation, Leipzig  1885.  —  Die  pädagogischen  Bestrebungen  Ernst  des 
Frommen  von  Gotha,  Gotha  1888. 

6* 


84  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

als  eine  direkte  Folge  des  Ergebnisses  der  Visitation  zu 
bezeichnen,  und  der  Schulmethodus  aus  demselben  Jahr 
(zuerst  unter  dem  Titel  „I.  Special-Bericht"  erschienen) 
läßt  ebenfalls  den  Zusammenhang  mit  der  Visitation  deut- 
lich erkennen.  Sie  hatte  die  Aufgabe,  den  Zustand  der 
Kirchen  und  Schulen  des  Landes  zu  erforschen,  damit  man 
daraus  ersehen  könne,  wo  die  Reformarbeit  des  Herzogs 
einzusetzen  habe.  Sie  hat  die  Schäden  aufgedeckt,  die  es 
zu  bessern  galt;  sie  hat  die  Ansätze  gezeigt,  bei  denen 
Ernst  anknüpfen  konnte,  und  die  Grrundlagen,  auf  denen  er 
nachher  weiterbaute.  Dabei  zeigen  uns  die  verschiedenen 
Ausschreiben,  Instruktionen  und  Fragepunkte,  die  gelegent- 
lich der  Visitation  veröffentlicht  wurden,  sowie  die  sonstigen 
Nachrichten  über  die  Vorbereitung  und  den  Verlauf  der- 
selben schon  ganz  deutlich,  worauf  das  Interesse  des  Herzogs 
hinausging,  und  bieten  uns  dadurch  eine  wertvolle  Ergänzung 
seines  Charakterbildes.  Sie  zeigen  uns  Ernst  als  einen 
Fürsten,  der  in  den  schrecklichen  Zeiten  des  dreißigjährigen 
Krieges  in  patriarchalischer  Weise  für  sein  Volk  sorgte, 
der  sich  um  jede  Einzelheit  in  seinen  Gemeinden  be- 
kümmerte und  überall,  wo  es  nur  in  seiner  Macht  stand, 
helfend  und  bessernd  eingriff.  Wir  lernen  ihn  kennen  als 
einen  Mann ,  der  unter  der  Herrschaft  der  strengsten 
Orthodoxie  doch  davon  durchdrungen  war,  daß  es  letztlich 
nicht  auf  die  Lehre,  sondern  auf  das  Leben  ankomme,  der 
gegenüber  den  oft  so  kleinlichen  theologischen  Streitig- 
keiten seiner  Zeit  auf  den  einen  Hauptartikel,  die  Recht- 
fertigung aus  dem  Glauben,  hinwies,  und  der  sich  bei 
seinen  katechetischen  Bestrebungen  nicht  damit  begnügte, 
wenn  die  Leute  sich  die  Katechismuswahrheiten  mechanisch 
aneigneten ,  sondern  der  auf  ein  lebendiges  Verständnis 
derselben  und  auf  ihre  Anwendung  im  Leben  drang.  Er 
verstand  es,  die  rechten  Männer  an  den  rechten  Platz  zu 
stellen  und  alle,  die  ihm  geistesverwandt  waren  und  in 
seine  Dienste  traten,  auch  dauernd  an  sich  zu  fesseln ;  er 
stand   in  Beziehung   mit    allen  praktisch  gerichteten  Theo- 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  85 

logen  seiner  Zeit,  während  ihm  von  Seiten  der  einseitigen 
Orthodoxie  die  heftigsten  Vorwürfe  entgegengebracht  wurden, 
und  wir  sagen  wohl  nicht  zu  viel,  wenn  wir  ihm  unter  der 
Reihe  der  Männer,  die  im  17.  Jahrhundert  das  praktische 
Christentum  hochhielten  und  dadurch  den  Pietismus  vorbe- 
reiten halfen,  eine  der  ersten  Stellen  einräumen.  Gerade 
die  Greschichte  der  Vorbereitung  und  Durchführung  der 
Generalvisitation  von  1641  — 1645  wirft  auf  diese  Seite 
seines  Bildes  ein  deutliches  Licht. 

Doch  auch  abgesehen  von  der  Person  des  Herzogs 
sind  die  gothaischen  Visitationsprotokolle  von  1641  ff.  für 
uns  von  der  größten  Wichtigkeit.  Bei  der  ungeheuren 
Gründlichkeit  und  Genauigkeit,  mit  der  die  Visitation 
durchgeführt  wurde,  bieten  uns  die  Protokolle  ein  bis  in 
die  kleinsten  Einzelheiten  gehendes  Bild  der  kulturellen, 
sittlichen  und  religiösen  Verhältnisse  der  Gemeinden  zu 
jener  Zeit.  Wir  erhalten  durch  sie  Aufschlüsse  über  die 
Seelenzahl  der  einzelnen  Dörfer,  über  den  Beruf,  die  Schul- 
bildung und  die  Familienverhältnisse  jedes  einzelnen  Ge- 
meindegliedes ;  wir  lesen  hier  Urteile  über  die  Kenntnisse 
im  Katechismus  bei  alt  und  jung,  über  den  Besuch  des 
Gottesdienstes  und  die  Teilnahme  am  Abendmahl.  Wir  dürfen 
hineinschauen  in  die  Sitten  und  Gewohnheiten  in  Stadt  und 
Land,  die  sittlichen  Verhältnisse  werden  mit  der  größten 
Ausführlichkeit  behandelt,  wir  erfahren  manches  über  die 
Stellung  der  Gemeinden  zu  den  adligen  Gerichtsherren  und 
zur  Obrigkeit,  sowie  zu  Pfarrer  und  Schulmeister;  die 
Wirkungen  des  Krieges  auf  die  einzelnen  Gemeinden  lassen 
sich  aus  den  Protokollen  deutlich  erkennen.  Wir  erhalten 
Nachrichten  über  die  Pfarrer,  ihren  Bildungsgang,  ihre 
soziale  Lage,  ihr  Einkommen,  ihre  Familienverhältnisse  und 
ihren  Lebenswandel.  Alle  die  einzelnen  gottesdienstlichen 
Funktionen  des  Pfarrers  werden  aufs  eingehendste  in  den 
Protokollen  besprochen.  Die  allgemeine  Kulturgeschichte, 
die  Volkskunde,  die  Geschichte  des  Pfarrstandes,  des 
Gottesdienstes  und  des  Schulwesens  können  hier  wichtiges 


86  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

Material  finden.  Seit  man  angefangen  hat,  die  Visitations- 
akten namentlich  aus  der  Reformationszeit  zu  studieren  i), 
ist  unsere  Kenntnis  der  Entwickelung  der  evangelischen 
Kirche  im  16.  und  17.  Jahrhundert  entschieden  erweitert 
worden.  Aber  es  ist  hier  noch  außerordentlich  viel  unbe- 
arbeitetes Material  vorhanden,  und  unsere  Kenntnis  dieser 
Zeiten  hat  noch  sehr  viele  Lücken.  So  haben  wir  über 
das  Herzogtum  Gotha  aus  der  Zeit  des  dreißigjährigen 
Krieges  nur  sehr  wenig  zuverlässige  Nachrichten.  Die  Zu- 
stände, die  Herzog  Ernst  bei  seinem  Regierungsantritt  in 
seinem  Herzogtum  vorfand,  werden  meist  auf  Grund  einiger 
allgemeiner  Notizen  grau  in  grau  gemalt,  um  nachher  die 
reformatorische  Tätigkeit  des  Herzogs  in  um  so  hellerem 
Lichte  erscheinen  zu  lassen.  Erst  ein  genaues  Studium  der 
Akten  ermöglicht  es  uns,  nachzuprüfen,  inwieweit  z.  B.  die 
allgemeinen  Angaben  Böhnes^j  und  Becks 3)  über  den 
traurigen  Zustand  des  Landes  auf  Wahrheit  beruhen.  Vor 
allem  aber  lassen  diese  allgemeinen  Angaben  durchaus 
nicht  erkennen,  wie  vieles  sich  tatsächlich  durch  den  Krieg 
hindurch  erhalten  hat,  was  alles  dem  verheerenden  Einfluß 
des  Krieges  hat  Trotz  bieten  können.  Erst  wenn  wir  den 
Visitationsbefund  genau  kennen  gelernt  haben,  können  wir 
beurteilen,  inwieweit  Herzog  Ernst  mit  seinen  Reformen 
etwas  völlig  Neues  gebracht,  inwieweit  er  dagegen  nur  das 
Alte,  Bestehende  erhalten  und  vor  dem  Verfall  geschützt  hat. 
Von  den  beiden  so  sich  ergebenden  Aufgaben,  der 
Untersuchung  des  historischen  Verlaufs  der  Visitation  und 
der  Verwertung  ihres  Befundes,  will  ich  zunächst  nur  die 
erste   zu   lösen  versuchen.     Die  Akten  gestatten  uns  aller- 

1)  Vergl.  für  Sachsen  besonders:  C.  A.  H.  Burkhard,  Ge- 
schichte der  sächsischen  Kirchen-  und  Schulvisitationen  1524 — 1545, 
Leipzig  1879 ;  W.  Schmidt,  Die  Kirchen-  und  Schulvisitation 
im  sächsischen  Kurkreis  von  1555,  Haue  1906;  B erbig,  Joh.  Ger- 
hards Visitationswerk  in  Thüringen  und  Franken  1613,  Gotha  1896. 
Außerdem  Hering,  Nik.  Müller,  Kayser  und  viele  andere. 

2)  Die  pädagogischen  Bestrebungen,  S.  28  f.,  105  f. 

3)  Geschichte  des  gothaischen  Landes,  I,  S.  332. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641—1645.  87 

dings  nicht,  hier  in  jeder  Beziehung  völlig  klar  zu  sehen;  wir 
sind,  namentlich  was  die  Vorgeschichte  der  Visitation  und 
ihre  Beziehungen  zu  den  Visitationen  in  Weimar  und  Eise- 
nach angeht,  vielfach  auf  Vermutungen  und  Kombinationen 
angewiesen.  Trotzdem  erhalten  wir  ein  im  wesentlichen 
deutliches  Bild,  wenn  auch  nicht  ausgeschlossen  ist,  daß 
sich  noch  Akten  finden,  aus  denen  sich  Ergänzungen  oder 
Korrekturen  des  von  mir  dargestellten  Verlaufs  ergeben. 
Die  Verwertung  des  Visitationsbefundes  muß  einer  späteren 
Bearbeitung  vorbehalten  bleiben. 


I,  Die  Vorgeschichte  der  Visitation  bis  zur  Landes- 
teilung  1640. 

1.  Die  DeUberation  des  Jahres  1636  und  die  Schrift  über 
die  „Mängel,  Ursachen  und  Eemedia". 

Der  Plan,  eine  allgemeine  Visitation  der  Kirchen  und 
Schulen  größeren  Maßstabes  in  den  sächsisch-ernestinischen 
Landen  zu  unternehmen  und  auf  Grund  der  Ergebnisse 
dieser  Visitation  eine  durchgreifende  Reform  ins  Werk  zu 
setzen,  datiert  schon  aus  den  Jahren  vor  dem  Regierungs- 
antritt des  Herzogs  Ernst.  Die  ersten  Schriftstücke,  in 
denen  uns  dieser  Plan  deutlich  entgegentritt,  stammen  aus 
der  Zeit,  da  die  späteren  Herzogtümer  Weimar,  Eisenach 
und  Gotha  noch  von  den  drei  Brüdern  Wilhelm,  Albrecht 
und  Ernst,  Herzögen  zu  Sachsen,  gemeinsam  regiert  wurden, 
nämlich  aus  dem  Jahr  1636.  Nachdem  Herzog  Ernst,  der 
jüngste  unter  den  drei  genannten  Brüdern,  in  den  Jahren 
1633  und  1634  für  seinen  Bruder  Bernhard  von  Weimar 
das  von  diesem  eroberte  Bistum  Würzburg  verwaltet  hatte, 
wandte  er  sich  nach  der  Rückkehr  des  Fürstbischofs  Franz 
von  Hatzfeld  nach  Würzburg  (Dezember  1634)  wieder  nach 
Weimar  zurück,  um  dort  gemeinsam  mit  seinen  Brüdern 
die  Verwaltung  der  väterlichen  Lande  zu  übernehmen.  Er 
war  die  treibende  Kraft  bei  dem  bald  darauf  auftauchenden 


83  Die  Generalvisitation  Ernste  des  Frommen 

Plan,  den  Zustand  des  Landes  durch  eine  bis  ins  einzelne 
gehende  Visitation  aufs  gründlichste  zu  erforschen  und  allen 
sich  ergebenden  Mängeln  nach  Möglichkeit  abzuhelfen. 

Bereits  im  Jahr  1635  hatte  Ernst  versucht,  auch  in 
Sachsen  eine  Einrichtung  durchzuführen,  deren  Zweckmäßig- 
keit er  schon  in  Würzburg  erprobt  hatte.  Er  beantragte, 
daß  außer  der  General-Superintendentur  Weimar  und  der 
Spezial-Superintendentur  Königsberg  noch  vier  weitere 
Spezial-Superintendenturen  errichtet  würden  i).  Die  neu  zu 
ernennenden  Spezial-Superintendenten  sollten 

1)  immer  Sonntags  herumziehen  und  die  Prediger  un- 
vermerkterweise hören,  ob  sie  auch  auf  ihre  Predigt  studiert 
hätten, 

2)  auf  die  Studien  der  Dorfpfarrer  Achtung  geben, 
sie  examinieren  und  wöchentliche  Exercitia  mit  ihnen  halten, 

3)  ihren  Lebenswandel  beaufsichtigen, 

4)  täglich  in  die  Schulen  kommen,  sich  hinsetzen  und 
anhören,  ob  die  Schulmeister  dem  vorgeschriebenen  Methode 
nach  auch  in  allen  Stücken  recht  instruieren, 

5)  die  Zankhändel  unter  den  Zuhörern,  wie  auch 
zwischen  Pfarrer  oder  Schulmeister  und  den  Zuhörern  in 
Verhör  ziehen  und  so  viel  immer  möglich  vertragen, 

6)  die  Kirchenrechnungen  überwachen  und 

7)  auf  die  Gebäude,  die  Pfarr-  und  Kirchengüter  eine 
genaue  Aufsicht  haben. 

Dieser  Vorschlag  des  Herzogs  fand  jedoch  den  heftigsten 
Widerspruch  von  Seiten  des  Weimarischen  Generalsuper- 
intendenten M.  J  o  h.  K  r  0  m  a  y  e  r.  In  einem  Schreiben  vom 
2.  Januar  1636  führt  er  eine  ganze  Unmenge  von  Gründen 
an,  warum  diese  Einrichtung  unter  keinen  Umständen  ins 
Werk  gesetzt  werden  dürfe  2).  Er  sagt  hier  unter  anderem : 
es  werde  an  der  nötigen  Besoldung  fehlen ;  es  würden  sich 
zu  solchen  Spezialsuperintendenten  nicht  wohl  tüchtige  Leute 

1)  Herzogl.  Haus-  und  Staatsarchiv  zu  Gotha,  XX  5,  1,  No.  1. 

2)  Was  Beck,  Ernst  der  Fromme,  Bd.  I,  S.  505,  von  diesem 
Schreiben  angibt,  ist  unrichtig. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  89 

finden  lassen;  als  man  vor  hundert  Jahren  die  kirchlichen 
Verhältnisse  in  Sachsen  ordnete,  habe  man  diese  Einrichtung 
nicht  für  nötig  befunden,  er  wolle  deshalb  nicht  die  Ver- 
antwortung dafür  tragen,  wenn  jetzt  zu  seiner  Zeit  und  auf 
seinen  Rat  hin  eine  solche  Änderung  vorgenommen  würde. 
Vor  allem  aber  fürchtet  er,  daß  „durch  Anordnung  der 
neuen  Specialsuperintendenten  die  Weimarische  Superinten- 
dentur,  die  sonst  allezeit  in  hohem  Ansehen  ist  gehalten 
worden,  würde  auf  Stücken  zerrissen  werden.  Denn  die 
Weimarische  Superintendenz  begreifet  nicht  nur  das  Ge- 
neralat  in  sich  .  .  . ,  sondern  sie  ist  auch  ein  Specialwerk 
und  hat  unter  sich,  ohne  Mittel,  in  die  92  Pfarren  und  bei 
134  Schulen.  .  .  .  Wenn  nun  diese  Kirchen  und  Schulen 
alle  sollten  in  Specialsuperintendenzen  eingeteilt  werden, 
so  behielte  ein  Superintendent  zu  Weimar  nichts  davon  als 
den  bloßen  Schatten  des  Generalats."  Wenn  man  aber  ein- 
wende, fährt  Kromayer  fort,  „ein  Generalsuperintendeut 
zu  Weimar  könne  die  Kirchen  und  Schulen  im  Lande  nicht 
alle  versorgen,  so  ist  gleichwohl  zu  ermessen,  daß  man  von 
hundert  Jahren  her  von  meinen  hochansehnlichen  Vorfahren 
in  diesem  Amt  niemals  so  viel  gefordert,  auch  niemals 
sonderliche  Klagen  derhalben  über  sie  gehabt  hat,  daß  sie 
nicht  eben  alle  Sonntage  im  Fürstentum  herumgefahren  und 
auf  die  Institution  Achtung  gegeben  haben". 

Der  Widerspruch  Kromayers  gegen  den  Vorschlag 
Ernsts  zeigt  uns  aufs  deutlichste,  wie  unbequem  die  Reform- 
bestrebungen des  Herzogs  ihm  und  vielen  seiner  Zeit- 
genossen waren.  Es  stoßen  hier  zum  erstenmal  die  zwei 
Strömungen  aufeinander,  die  uns  im  Lauf  der  Zeit  immer 
wieder  begegnen  werden.  Auf  der  einen  Seite  standen 
Ernst  und  seine  Ratgeber.  Sie  empfanden  aufs  deutlichste 
den  Unterschied,  der  zwischen  dem  Ideal,  das  ihnen  vor- 
schwebte, und  den  tatsächlichen  Verhältnissen  bestand,  sie 
übten  deshalb  scharfe  Kritik  und  waren  erfüllt  von  dem 
glühenden  Wunsch,  eine  Besserung  der  Zustände  herbei- 
zuführen.    Auf  der    anderen  Seite    standen  Kromayer   und 


90  i^ie  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

seine  Freunde,  die  Vertreter  des  Alten,  die  mit  dem  gegen- 
wärtigen Zustand  der  Kirche  zufrieden  waren  und  in  ihrer 
Ruhe  und  Bequemlichkeit  nicht  gestört  sein  wollten. 

Freilich  früher,  in  seiner  Jugend,  da  war  auch  Kro- 
mayer  ein  begeisterter  Anhänger  des  Fortschritts  gewesen. 
Da  war  er  eifrig  für  Reformen,  namentlich  auf  dem  Gre- 
biete  des  Schulwesens,  eingetreten.  Aber  jetzt  war  er  alt 
geworden.  Der  60-jährige  Mann  konnte  sich  nicht  mehr  in 
die  Gedankengänge  des  35-jährigen  Fürsten  hineinversetzen. 
Infolge  der  vielen  Mißerfolge  und  Kämpfe  seines  Lebens 
war  sein  Eifer  erlahmt.  Er  blieb  jetzt  starr  auf  dem  ein- 
mal für  richtig  erkannten  Standpunkt  stehen  und  setzte 
allen  Reformbestrebungen,  die  von  anderer  Seite  unter- 
nommen wurden,  heftigen  Widerstand  entgegen,  zumal  da 
er  eine  Zurücksetzung  seiner  Person  durch  die  Günstlinge 
Ernsts  befürchtete. 

Vorläufig  trug  Kromayer  allerdings  den  Sieg  davon. 
Auf  sein  Gutachten  hin  unterblieb  die  Einsetzung  von 
SpezialSuperintendenten.  Doch  ruhte  Ernst  nicht;  er  suchte 
vielmehr  seinen  Einfluß  jetzt  in  anderer  Weise  für  Hebung 
und  Besserung  der  kirchlichen  Zustände  einzusetzen.  Die 
Gelegenheit  dazu  sollte  sich  bald  bieten.  Im  Januar  1636 
fand  in  Jena  ein  Landtag  statt,  auf  dem  laute  Klage  über 
den  traurigen  Zustand  der  Kirchen  und  Schulen  erhoben 
wurde.  Herzog  Wilhelm  versprach  im  Landtagsabschied 
vom  1.  Februar  Abhilfe  und  beauftragte  eine  Kommission, 
zu  der  auch  Kromayer  gehörte,  mit  der  Untersuchung  der 
Schäden.  Die  Sache  wurde  aber  nur  mit  halber  Kraft  be- 
trieben, solange  Kromayer  an  der  Spitze  stand  ^).  Da  griff 
Ernst  ein.  Er  nahm  das  Werk  der  Verbesserung  des  Kirchen- 
und  Schulwesens  selbst  in  die  Hand  und  berief  zu  seinen 
Gehilfen  den  Kirchen-  und  Schulrat  Sigismund  Evenius 
zu  Weimar   und    den    Pfarrer    Christoph  Brunchorst 


1)  Zeitschrift  des   Vereins   für   Thüringische   Geschichte   und 
Altertumskunde,  N.  F.,  X  (1897),  S.  423. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  91 

zu  Frankendorf.  Beide  waren  schon  vorher  mit  ihm  be- 
kannt und  ihre  Tüchtigkeit  von  ihm  erprobt  worden.  Bereits 
im  Jahre  1634  hatte  Ernst  während  seines  Aufenthalts  in 
Würzburg  den  ersteren,  der  sich  damals  in  Regensburg 
aufhielt,  zusammen  mit  dem  Superintendenten  Balthasar 
Walther  aus  Würzburg  nach  Jena  geschickt,  damit  diese 
beiden  mit  den  Professoren  der  theologischen  Fakultät 
wegen  des  Religionsunterrichts,  mit  denen  der  philosophischen 
wegen  des  sprachlichen  Unterrichts  berieten.  Evenius 
leitete  sodann  die  Verbesserung  des  Kirchen-  und  Schul- 
wesens im  Herzogtum  Franken  und  wurde  bald  darauf  von 
Ernst  als  Kirchen-  und  Schulrat  nach  Weimar  berufen  i). 
Er  hatte  sich  die  Lehrmethode  des  Ratichius  angeeignet 
und  erstrebte  eine  Reform  der  Schulen  nach  dessen  Grund- 
sätzen. Seine  Schriften  sind  meist  pädagogischen  Inhalts, 
so  das  1630  herausgegebene  „Christianarum  scholarum 
unicum  necessarium".  Mit  religiös-kirchlichen  Fragen  be- 
schäftigt sich  die  1634  erschienene  Schrift:  „M.  Sigismundi 
Evenii  Rectoris  Ratisb.  Bescheidentliche  Erörterung  der 
jetzigen  Zeit  sehr  nötigen  vnd  wichtigen  Frage:  Wie  vnnd 
durch  wem  der  Christlichen  an  allen  Orthen  höchst  be- 
drengten  vnd  zerrütteten  Kirchen  gründlich  zu  rathen  vnd 
zu  helffen  /  damit  sie  zur  erwünschten  Leiblichen  vnd  Geist- 
lichen Ruhe  /  Wolstand  vnd  Seeligkeit  verbracht  werde?  .... 
Gedruckt  vnd  verlegt  zu  Nürnberg  /  bey  Wolffgang  Endtern  / 
Anno  1634"  2).  In  dieser  Schrift,  die  auch  den  Titel 
„Missive  oder  Sendschreiben"  trägt,  übt  Evenius  eine  scharfe 
Kritik  sowohl  an  der  herkömmlichen  Praxis  des  geistlichen 


1)  Beck,  Ernst  der  Fromme,  I,  S.  498,  5031;  Bohne,  Päda- 
gogische Bestrebungen,  S.  8,  22  f. ;  Herzog  Ernsts  Spezialbericht, 
herausg.  von  Joh.  Müller,  S.  124  f.  Vergl.  auch  Tholuck,  Lebens- 
zeugen der  lutherischen  Kirche  aus  der  Zeit  vor  und  während  des 
30-jährigen  Krieges  (Berlin  1859),  S.  68  ff.,  406  ff. 

2)  Herzogl.  Bibliothek  zu  Gotha.  Theol.  4".  p.  338.  Vergl. 
Bohne,  a.  a.  O.  S.  31  f.  Tholuck,  Lebenszeugen  der  lutherischen 
Kirche,  S.  68  f.,  411  f. 


92  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

Amtes  wie  auch  an  dem,  was  man  im  Volk  im  allgemeinen 
unter  Frömmigkeit  zu  verstehen  pflegte.  Die  Leute  sind, 
so  führt  er  aus,  mit  der  äußerlichen  Erfüllung  der  not- 
wendigsten kirchlichen  Pflichten  zufrieden,  sie  gehen  zum 
Gottesdienst  und  zur  Beichte;  daneben  aber  richten  sie 
„alle  Sinne  und  Gredanken,  allen  Meiß  und  Arbeit  des 
ganzen  Tags,  ja  Tag  und  Nacht,  Wochen  und  Monat,  eines 
Jahres  nach  dem  andern  einig  und  allein  auf  das  Zeitliche 
und  sonderlich  den  schnöden  Mammon"  .  .  Sie  meinen,  „der 
Seelen  Andacht  und  Übung  in  der  Gottseligkeit  lasse  sich 
wohl  des  Tags  mit  einem  halb-  oder  drei  viertelstündigen 
Papageiengebet  morgens,  mittags  und  abends  abspeisen  .  . 
Das  Übrige  könne  in  der  Todesnot  mit  einem  gläubigen 
Seufzen  zu  Gott  verrichtet  werden."  Die  Pfarrer  dringen 
ebenfalls  auf  keine  entschiedene  Betätigung  des  Christen- 
tums bei  ihren  Zuhörern,  sie  begnügen  sich  damit,  wenn 
diese  nur  regelmäßig  zur  Beichte  kommen  und  bei  dieser 
Gelegenheit  eine  unverstandene,  auswendig  gelernte  Beicht- 
formel hersagen,  auf  den  Zustand  ihres  Herzens  achten  sie 
nicht.  Sie  sind  mit  einer  äußerlichen  Aneignung  der  Kate- 
chismus Worte  zufrieden,  wenn  auch  das  Verständnis  völlig 
fehlt.  Dem  gegenüber  betont  Evenius,  „daß  die  bloßen  Worte 
des  Catechismi,  wie  sie  nach  der  Larve  hergeplappert  werden, 
keine  Christen  machen,  sondern  es  muß  derselben  heilsamer 
Verstand  und  seliger  Gebrauch  dazukommen,  weil  man 
zu  Gott  nicht  nur  mit  den  Lippen  allein  nahen  müsse, 
sondern  mit  gläubigem  Herzen".  Das  Interesse  der  Schrift 
ist  also  ein  durchaus  praktisches;  immer  wieder  wird 
darauf  hingewiesen,  daß  es  auf  „die  rechte  Weise,  die  Gott- 
seligkeit und  den  Glauben  zu  üben",  ankomme.  Das  Wort 
Gottes  soll  „nicht  allein  gehört,  sondern  auch  bewahrt  werden 
in  einem  feinen  guten  Herzen,  damit  es  Prucht  bringe  in  Ge- 
duld". Zur  Erreichung  dieses  Zieles  aber  sollen  außer  der 
Predigt,  der  sonstigen  Verkündigung  des  Wortes  und  dem 
Schulunterricht  vor  allem  private,  durch  den  Pfarrer  anzu- 
stellende Katechismus-Informationen  dienen,  damit 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641—1645.  93 

durch  sie  „der  einfältige,  unberichtete  oder  übel  informierte 
Zuhörer  .  .  .  von  seinen  gefährlichen  und  schädlichen  Ein- 
bildungen ab-  und  zur  wahren  Erkenntnis  und  Glaubens- 
übung und  dann  zu  einem  geistlichen  Leben  durch  Gottes 
Gnade  gebracht  werde". 

Diese  Schrift  des  Evenius  entspricht  in  ihren  Grund- 
gedanken durchaus  den  Anschauungen  und  Bestrebungen 
des  Herzogs.  Sein  Informationswerk  von  1642  bedeutet 
den  Versuch,  dasselbe  Ziel,  das  Evenius  vorschwebte,  auf 
ganz  ähnliche  Weise  zu  erreichen.  Beiden  kommt  es  auf 
eine  Besserung  des  Lebens,  der  Frömmigkeit  und  der 
Sittlichkeit,  an,  und  beide  versuchen  dieses  Ziel  zu  er- 
reichen in  erster  Linie  durch  Einprägung  der  christlichen 
Wahrheiten ,  durch  Belehrung.  Evenius  hatte  seine 
Schrift  veröffentlicht,  bevor  er  in  die  Dienste  des  Herzogs 
trat;  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  Ernst,  wie 
Gelbke  annimmt,  durch  sie  veranlaßt  wurde,  ihn  an  seinen 
Hof  zu  ziehen  1). 

Ungefähr  gleichzeitig  mit  Evenius  war  auch  Brunchorst, 
der  spätere  Hofprediger  Ernsts,  nach  Weimar  gekommen. 
Von  1631  an  war  er  Inspektor  der  Kirchen  und  Schulen 
des  Eichsfeldes  gewesen,  nach  dem  Prager  Frieden  (1635) 
kam  er  nach  Weimar  und  wurde  bald  darauf  Pfarrer  zu 
Frankendorf  und  Hohlstedt  2).  Von  dieser  Zeit  an  arbeitete 
er  mit  Evenius  zusammen  an  der  Reform  des  Kirchen-  und 
Schulwesens.  Das  Resultat  dieser  gemeinsamen  Arbeit  war 
zunächst  die  Herausgabe  der  Bilder-  und  der  Katechis- 
mus-Schule. Beide  Schriften  erschienen  im  Jahre  1636, 
die  erste  in  Jena,  die  zweite  in  Erfurt.  Die  Vorreden  dazu 
sind  beide  datiert  Weimar,  den  9.  Oktober  1635;    sie  sind 


1)  Tholuck,  a.  a.  O.  S.  410,  hält  dies  für  unmöglich,  da  die 
genannte  Schrift  erst  1637  erschienen  sei.  Das  ist  jedoch  ein  Irr- 
tum. In  der  herzoglichen  BibMothek  zu  Gotha  findet  sich  der 
Originaldruck  von  1634.  Vgl.  Bohne,  a.  a.  O.  S.  31 ;  Gelbke,  Ernst 
der  Fromme,  II,  S.  254. 

2)  Beck,  a.  a.  O.  II,  S.  10;  Gelbke,  a.  a.  O.  II,  S.  245. 


94  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

nach  Beck  beide  von  Evenius  verfaßt  i).  Sowohl  die  Bilder- 
wie  die  Katechismusschule  ist  zum  Unterricht  der  Kinder 
in  Haus,  Schule  und  Kirche  bestimmt.  Beide  sollen  ihnen 
die  Wahrheiten  der  christlichen  Religion  in  einfacher,  ge- 
fälliger Weise  nahebringen.  Zur  Förderung  des  Bibel- 
studiums begannen  Evenius  und  Brunchorst  außerdem  zu 
derselben  Zeit,  die  Herausgabe  einer  neuen  Bibel  mit  er- 
klärenden Anmerkungen  vorzubereiten.  Bereits  im  Jahre 
1635  hatte  Ernst  die  beiden  veranlaßt,  den  Plan  zu  einer 
solchen  Bibel,  die  die  nötigen  Anmerkungen  enthalten  sollte, 
um  von  allen  Christen  gelesen,  leicht  verstanden  und  richtig 
gebraucht  werden  zu  können,  zu  entwerfen.  Eine  ganze 
Reihe  der  bedeutendsten  Theologen  wurden  nun  mit  der 
Ausarbeitung  der  einzelnen  biblischen  Bücher  beauftragt. 
Die  Oberleitung  lag  in  der  Hand  von  Johann  Gerhard  in 
Jena,  nach  seinem  Tode  (1637)  wurde  sie  Salomon  Glass 
übertragen.  Ihre  Herstellung  nahm  naturgemäß  mehrere 
Jahre  in  Anspruch,  erst  1640  lag  sie  vollständig  gedruckt 
vor  2), 

Hand  in  Hand  mit  diesen  verschiedenen  Arbeiten  ging 
auch  die  Vorbereitung  zu  einer  allgemeinen  Kirchen- 
visitation. Ernst  erklärte  sich  bereit,  dem  Konsistorium 
in  dieser  Hinsicht  bestimmte  Vorschläge  zu  unterbreiten; 
auf  seine  Veranlassung  hin  verfaßten  Brunchorst  und  Evenius 
eine  Denkschrift  über  „die  eingerissenen  Mängel,  deren 
Ursachen  und  Remedia",  die  der  Beratung  des  Konsistoriums 
zur  Grundlage  dienen  sollte.  Unter  Hinweis  auf  diese  Schrift 
berief  Herzog  Wilhelm  sodann  die  Mitglieder  des  geist- 
lichen Konsistoriums  zu  Weimar  zu  einer  Deliberation  über 


1)  Job.  Müller  (Ausg.  des  I.  Spezialberichts),  S.  119,  bezweifelt, 
daß  Evenius  der  Verfasser  der  Katechismus-  und  Bilderschule  sei, 
doch  mit  Unrecht.  Vgl.  Bohne,  S.  11;  Brückner,  Goth.  Kat.-Hist., 
S.  47—50;  Eudolphi,  Goth.  dipl.  pract.  I,  S.  166,  §  7,  sowie  Joh. 
Müller,  S.  125. 

2)  Näheres  über  die  „Ernestinische  Bibel"  siehe  Beck,  a.  a.  O. 
I,  S.  660  ff. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  95 

die  Erage,  „wie  mit  kräftigem  Nachdruck  in  Kirchen  und 
Schulen  gute  Ordnung  und  Disciplin  anzustellen  und  da- 
durch obberührtem  Landtagsabschied  (vom  1.  Februar  1636) 
in  diesem  Passu  genug  zu  tun"  sei  i).  Er  forderte  die 
Konsistorialen  auf,  sich  vorher  über  diese  Sache  zu  unter- 
richten und  nötigenfalls  sich  entweder  bei  Herzog  Ernst 
selbst  oder  bei  Evenius,  der  „sonder  Zweifel  gute  Wissen- 
schaft darum  hat",  die  erforderlichen  Aufschlüsse  zu  holen. 
Die  Beratungen  selbst,  deren  Anfang  zuerst  auf  den  10.  bis 
12.  September  festgesetzt  war,  fanden  darauf  am  16. — 27. 
September  1636  statt.  Es  nahmen  an  ihnen  außer  den  drei 
Herzögen  Wilhelm,  Albrecht  und  Ernst  noch  folgende  Per- 
sonen teil :  Generalsuperintendent  Kromayer,  Georg  Franzke, 
Weimarischer  Rat,  später  Kanzler  und  Präsident  des  Kon- 
sistoriums zu  Gotha,  Friedrich  Hortleder,  Geheimrat  in 
Weimar,  Samuel  v.  Goechhausen,  Kanzler,  Hieronymus  Prae- 
torius,  Hofprediger  bei  Herzog  Wilhelm,  Dr.  Braun,  Hof- 
und  Kirchenrat,  M.  Salomon  Brandes,  Archidiakonus,  Dr. 
Hieronymus  Brückner,  Rat  in  Weimar,  sowie  Brunchorst 
und  Evenius.  Gleich  am  ersten  Tage  wurde  die  Schrift 
über  die  „Mängel,  Ursachen  und  Remedia"  verlesen,  am 
zweiten  wurden  einige  „Dubia  und  Bedenken"  dagegen 
vorgebracht  und  endlich  in  verschiedenen  Sitzungen  über 
die  zu  ergreifenden  Maßregeln  im  allgemeinen  und  über  die 
Visitation  im  besonderen  beraten.  Herzog  Ernst  selbst 
nahm  an  den  beiden  ersten  Sitzungen  nicht  teil,  da  er  Be- 
denken trug,  bei  der  Verlesung  der  auf  seine  Veranlassung 
und  Verantwortung  verfaßten  Schrift  zugegen  zu  sein. 

Die  Schrift  über  die  „Mängel,  Ursachen  und  Remedia", 
die  uns  hier  am  meisten  interessiert,  ist,  soviel  ich  bis  jetzt 
in  Erfahrung  bringen  konnte,  leider  nicht  erhalten.  Weder 
in  Gotha  noch  in  Weimar  war  sie  aufzutreiben.  Doch 
geben  uns  die  Protokolle   über  die  Deliberation  einige  An- 


1)  Herzogl.  Haus-  u.  Staatsarchiv  zu  Gotha,  XX  5,  1,  No.  3. 
Schreiben  vom  19.  August  1636. 


96  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

haltspunkte,  denn  wir  haben  hier  einen  sehr  ausführlichen 
Auszug  aus  den  Abschnitten  über  die  „Ursachen  der  ein- 
gerissenen Mängel"  und  die  „Remedia".  Als  Mängel, 
denen  abgeholfen  werden  muß,  kommen  in  erster  Linie  das 
gottlose  Leben,  die  Heuchelei  und  Bosheit,  sowie  die  mannig- 
fachen sonstigen  Sünden  und  Laster  in  Betracht.  Die 
Schrift  muß  ein  langes  Verzeichnis  all  der  Sünden  enthalten 
haben,  die  im  Volk  im  Schwange  gehen.  Diese  sittliche 
Verkommenheit,  die  das  Haupt-  und  Grundübel  ist,  hängt 
aber  zusammen  mit  der  Unwissenheit  der  Leute  im  Kat- 
echismus und  ihrem  mangelhaftem  Verständnis  der  dort 
niedergelegten  Heilswahrheiten.  Deshalb  gilt  es,  zunächst 
die  Zuhörer  auf  Grund  der  Bibel  und  des  Katechismus 
über  die  rechte  Frömmigkeit  und  Sittlichkeit  zu  be- 
lehren, damit  nachher  auch  eine  Besserung  des  Lebens 
eintrete.  —  Der  zweite  Teil  der  Schrift  handelt  von  den 
Ursachen  sowohl  der  mangelnden  Erkenntnis  wie  des 
gottlosen  und  lasterhaften  Lebens.  Es  wird  hier  zuerst 
danach  gefragt,  wie  es  kommt,  daß  die  Jugend  den 
Katechismus  nicht  kennt,  versteht  und  im  Leben  anwendet, 
sodann,  wie  es  kommt,  daß  die  Erwachsenen  in  dieser  Be- 
ziehung so  viel  zu  wünschen  übrig  lassen,  ein  dritter  Ab- 
schnitt endlich  handelt  von  den  „Ursachen  der  Heuchelei  und 
Bosheit".  An  der  Unwissenheit  und  dem  gottlosen  Leben 
der  Kinder  tragen  Eltern,  Lehrer,  Pfarrer  und  Obrigkeit 
die  Schuld.  Die  Eltern  verstehen  selbst  nichts  vom  Kat- 
echismus und  sorgen  nicht  für  die  Unterweisung  ihrer  Kinder, 
die  Schulmeister  sind  lässig  im  Unterricht,  sie  lehren  nur 
die  Worte,  aber  nicht  den  „Verstand"  und  „Gebrauch",  sie 
stellen  den  Kindern  den  Zorn  Gottes  über  die  Sünde  nicht 
genügend  vor  Augen  und  verführen  sie  durch  ihr  böses 
Beispiel.  Die  Pfarrer  und  Vertreter  der  Obrigkeit  aber 
kümmern  sich  nicht  um  die  Schulen  und  um  die  häusliche 
Katechismusunterweisung;  sie  sorgen  nicht  für  die  Be- 
stellung tüchtiger  Lehrer  und  für  eine  genügende  Be- 
soldung.    Daß  die  Erwachsenen  so  viel  Anlaß  zu  Klagen 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  97 

geben,  daran  ist  vor  allem  ihre  Gleichgültigkeit  gegenüber 
Kirche,  Kinderlehre,  Predigt  und  Katechismusübung  schuld. 
Sie  richten  ihre  Gedanken  auf  das  Zeitliche  und  meinen, 
es  sei  gut,  wenn  sie  nur  eine  „Beichte"  auswendig  wissen, 
die  Übung  der  Gottseligkeit  sei  nicht  von  nöten.  Die  Pfarrer 
aber  sind  nachlässig  in  der  Katechismusübung,  sie  kümmern 
sich  nicht  darum,  ob  ihre  Zuhörer  den  Katechismus  können, 
halten  nur  selten  Kinderlehre  und  sind  zu  nachsichtig  im 
Brautexamen.  Ihre  Predigten  richten  sie  nicht  „ad  captum 
auditorum",  sie  halten  sich  in  den  Katechismuspredigten 
zu  lange  mit  der  Erklärung  auf  und  zeigen  den  „Brauch" 
nicht.  Sie  weisen  nicht  auf  den  Kampf  des  Fleisches  und 
des  Geistes  hin,  sie  „tun  nicht  rechten  Bericht,  wie  ein 
Mensch  der  Gnade  Gottes  recht  gebrauche  und  von  der- 
selben sich  müsse  züchtigen  lassen,  und  wie  die  Liebe  zum 
Nächsten  zu  erweisen".  Sie  besuchen  die  Kranken  nicht 
ohne  Aufforderung,  kümmern  sich  zu  wenig  um  den  Lebens- 
wandel ihrer  Zuhörer,  ja  sie  kennen  sie  nicht  einmal  alle 
persönlich  und  geben  ihnen  ein  schlechtes  Beispiel  durch  ihr 
eigenes  Leben.  —  Als  Ursache  der  Heuchelei  und  Bos- 
heit wird  angegeben,  „daß  die  Leute  nicht  recht  wissen  und 
verstehen,  mit  was  Aufrichtigkeit  und  Andacht  und  nicht  nur 
dem  äußeren  Schein  nach  das  Christentum  geführt  werden 
müsse".  Sie  haben  nicht  das  rechte  Bewußtsein  von  groben 
Sünden,  sie  halten  solche  für  menschliche  Schwachheit  und 
suchen  sie  aus  Gottes  Wort  zu  entschuldigen.  Daran  sind 
aber  außer  den  Hausvätern  selbst  und  den  Schulmeistern 
vor  allem  die  Pfarrer  schuld.  Sie  zeigen  in  ihren  Pre- 
digten nicht  deutlich  genug,  was  Heuchelei  und  was  Eifer 
im  Christentum  ist;  sie  beschreiben  die  Laster  aus  Gottes 
Wort  nicht  genug  und  weisen  auf  den  Untei'schied  zwischen 
Schwachheiten  und  solchen  groben  Sünden,  durch  die  der 
Glaube  verloren  wird,  nicht  genügend  hin.  Sie  machen 
nicht  darauf  aufmerksam,  daß  „wahre  Erkenntnis  nicht  in 
bloßer  Wissenschaft  bestehe",  sie  zeigen  den  Unterschied 
zwischen  wahrem  und  falschem  Christentum  nicht  deutlich 
XXVII.  7 


98  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

genug.     Sie  erinnern  nicht  an  die  Pflichten  eines  getauften 
Christen,  rufen  nicht  zur  Buße,  weisen  nicht  auf  den  Zorn 
Gottes    über    die    Sünde    und    auf   die  Gnade,    die    er    dem 
reuigen  Sünder  anbietet,  hin.     Sie  lassen  grobe  Sünder  zum 
Abendmahl   zu,    geben  Gottlosen  Lob    in    Leichenpredigten 
und  sind  nachlässig   in    den  Ermahnungen    an    die   Beicht- 
kinder.     Die    Obrigkeit    endlich    sorgt    nicht    für    die    Be- 
stellung tüchtiger  Prediger  und   ist  nicht   streng  genug   in 
der  Bestrafung  der  Sünder.  —  Am  stiefmütterlichsten  werden 
in  der  Schrift  „von  den  Mängeln,  Ursachen  und  Remediis", 
wenn  anders  wir  unserem  Auszug  Glauben  schenken  dürfen, 
auffallenderweise  die   „Re media"    behandelt.     Es  werden 
hier  nur  einige  Verfügungen  und  „Instruktionen"  aufgezählt, 
die  herausgegeben  werden  sollen,  um  den  verschiedenen   in 
Betracht  kommenden  Organen,  den  Pfarrern,  Schulmeistern, 
Superintendenten    und    der  weltlichen  Obrigkeit,   wie    auch 
den  Hausvätern  selbst  ihre  Pflichten  vorzuhalten,  die  Unter- 
weisung im  Katechismus  und  die  Handhabung  der  Kirchen- 
zucht zu  regeln.     Von  durchgreifenden  Maßregeln,  wie  etwa 
von    einer    allgemeinen    Information    der   Erwachsenen    im 
Katechismus    oder    von    einer    Neueinrichtung    des    Schul- 
wesens, erfahren  wir  dagegen  nichts  Genaueres.     Man  kann 
vielleicht  annehmen,   daß  Evenius  und  Brunchorst  vorläufig 
mit  Absicht  und  im  Sinne    des  Herzogs    noch  von   solchen 
weitausschauenden  Reformen  geschwiegen    haben,    weil    sie 
die  Zeit  dafür   noch   nicht   für    geeignet   hielten ;    zunächst 
kam  es  darauf   an,    mit    dem  Konsistorium    über    die  Visi- 
tation und  über    etwaige  kleinere  Maßregeln    zu   beraten  i). 
Die  Verwandtschaft  der  „Mängel,    Ursachen    und    Re- 
media"    mit    dem   „Missive"  von  1634   leuchtet   sofort    ein. 
Beide  Schriften  sind   beherrscht  von  einem  durchaus  prak- 
tischen Interesse,  für  beide  ist  es  charakteristisch,  daß  unter 


1)  Die  Protokolle  der  Verhandlungen,  sowie  den  Auszug  aus 
der  Schrift  von  den  Mängeln  etc.  siehe  im  Haus-  und  Staatsarchiv 
zu  Gotha,  XX  5,  1,  No.  4. 


im  Herzogtum  Sachsen -Gotha  1641 — 1645.  99 

den  Mängeln  die  falsche  Lehre  nicht  auftritt.  Nirgends 
wird  vor  Ketzereien  gewarnt,  es  wird  einfach  als  selbst- 
verständlich vorausgesetzt,  daß  alle  Pfarrer  der  reinen 
Lehre  zugetan  sind.  Die  intellektualistische  Anschauung 
von  der  Religion  ist  zwar  durchaus  nicht  überwunden,  man 
hält  es  für  den  einzigen  gangbaren  Weg,  durch  Wissen 
zum  seligmachenden  Glauben,  zur  „fiducia",  emporzusteigen. 
Aber  das  Interesse  bleibt  doch  nicht  bei  dem  Wissen  stehen, 
sondern  man  dringt  auf  persönliche  Frömmigkeit  und  einen 
sittlichen  Lebenswandel.  Die  Hauptaufgabe,  die  die  Kirche 
an  ihren  Gliedern  zu  leisten  hat,  ist  die,  durch  Belehrung 
über  die  Wahrheiten  des  Katechismus,  über  das  Wesen 
von  Sünde  und  Gnade,  über  Buße  und  Glaube,  sowie  über 
die  Früchte  des  Glaubens  zunächst  der  Unwissenheit  und 
dann  dem  gottlosen  Lebenswandel  des  Volkes  ein  Ende  zu 
machen.  Das  Ideal,  das  den  Verfassern  der  Schrift  und 
dem  Herzog  dabei  vorschwebt,  ist  eine  Gemeinde,  die,  gut 
geleitet  und  in  Zucht  gehalten  von  der  Obrigkeit,  dem 
Pfarrer  und  dem  Schulmeister,  die  Lehre  des  Katechismus 
nicht  nur  den  „Worten"  und  dem  „Verstand"  nach  kennt, 
sondern  auch  richtig  zu  „gebrauchen",  d.  h.  ihre  Glaubens- 
erkenntnis in  ein  frommes  sittliches  Leben  umzusetzen 
versteht. 

Wie  stellte  sich  nun  das  Konsistorium  zu  dieser  Schrift? 
Es  ist  wohl  selbstverständlich,  daß  man  nicht  ohne  weiteres 
seine  völlige  Zustimmung  erklärte,  sondern  erst  verschiedene 
Bedenken  und  Einwände  laut  werden  ließ.  Die  mannig- 
fachen Bedenken,  die  im  Lauf  der  Verhandlungen  vor- 
gebracht wurden,  lassen  sich  im  wesentlichen  in  folgende 
Punkte  zusammenfassen: 

1)  Die  Laster  rühren  nicht  aus  Mangel  der  Wissen- 
schaft oder  rechten  Verstandes  des  Katechismus  her,  sondern 
„ex  contumacia  voluntatis". 

2)  Die  Laster  sind  nicht  so  allgemein,  wie  die  Schrift 
es  darstellt,  es  sind  vielmehr  auch  fromme  Leute  vor- 
handen.    Die  Laster  sind  auch  nichts  Neues,  auch  Propheten 

7* 


100  -l^ie  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

und  Apostel  haben  darüber  geklagt,  ebenso  Lutlier.  Es 
habe  das  Ansehen,  als  wolle  man  ein  engelreines  Leben 
einführen,  da  doch  solche  Laster,  so  von  verderbter  mensch- 
licher Natur  herrühren,  auf  dieser  Welt  wohl  nicht  ab- 
geschafft werden  können. 

3)  Die  Leute  sind  in  der  Lehre  gar  nicht  so  schlecht 
informiert;  es  wird  vielmehr  nur  zu  viel  von  ihnen  verlangt, 
„als  von  der  heiligen  Dreifaltigkeit  und  dergleichen,  so  nur 
vortreffliche  Theologen  wissen  sollen". 

4)  Die  Remedia,  die  in  der  Schrift  angeführt  sind,  be- 
ziehen sich  meistenteils  nur  auf  die  Unwissenheit  und  den 
Unverstand,  daraus  die  Laster  kommen  sollen.  Auch  seien 
die  E-emedia  viel  zu  wenig  ausführlich  in  der  Schrift  be- 
handelt. 

Trotz  dieser  Ausstellungen  aber  war  das  Konsistorium 
darin  einig,  daß  jedenfalls  einmal  eine  genaue  Untersuchung 
aller  Zustände  in  Kirchen  und  Schulen  angestellt  werden 
müsse,  und  nachdem  Herzog  Ernst  auf  die  „Dubia  und 
Bedenken"  zufriedenstellende  Antwort  gegeben  hatte,  ging 
man  zur  Beratung  der  praktischen  Frage  über,  wie  die 
Greneralvisitation  ins  Werk  zu  setzen  sei.  Ernst  schlug 
dazu  vor,  vorher  solle  man  bei  einer  ganzen  oder  halben 
Gemeinde  Erkundigungen  einziehen ,  ob  die  Unwissenheit 
wirklich  so  groß  sei,  und  wenn  es  sich  als  richtig  erwiese, 
„sollte  von  den  Deputierten  ein  gewisses  Modell  vorge- 
schrieben werden,  der  Unwissenheit  in  etwas  sowohl  bei 
den  Alten  als  bei  den  Jungen  zu  steuern".  Auch  die  Mit- 
glieder des  Konsistoriums  waren  der  Ansicht,  daß  die 
Visitation  „ohne  Praeparatoria  nicht  geschehen  könne". 
Besonders  Kromayer  zeigte  sich  einer  sofortigen  Inangriff- 
nahme der  Visitation  wenig  geneigt.  Er  meinte,  eine 
solche  könne  bei  jetziger  Zeit  nicht  so  schleunig  ins 
Werk  gesetzt  werden.  Die  Obrigkeit,  Pfarrherren  und 
Schulmeister  sollten  zunächst  einmal  ihre  Beschwerungen 
aufsetzen  und  hereinschicken.  Dann  könnten  vielleicht 
etliche  aus  der  Gemeinde    oder    auch    die    ganze  Gemeinde 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  ]01 

hereingefordert  werden,  um  die  Mängel  in  der  „Pietät"  zu 
erforschen  und  abzustellen.  Nach  längerer  Verhandlung 
kam  man  schließlich  zu  dem  Beschluß:  weil  man  zu  einer 
Generalvisitation  vorläufig  nicht  kommen  könne,  wolle  man 
zuerst  eine  SpezialVisitation  halten  und  bei  dieser  darauf 
achten,  daß  ihre  Ergebnisse  später  in  der  Generalvisitation 
verwendet  würden.  Bei  der  letzteren  solle  dann  aber  nicht 
allein  auf  die  „Pietät"  gesehen,  sondern  auch  alle  anderen 
Mängel  erkundet  und  abgestellt  werden.  Es  wurde  ein 
ständiger  Ausschuß  ernannt,  der  die  Vorbereitungen  zu  der 
Kirchenvisitation  treffen  sollte;  zu  Mitgliedern  dieses  Aus- 
schusses bestimmte  man  Kromayer,  Prätorius,  Braun  und 
Hortleder  i). 

2.  Die  Opposition  Kromayers.     Der  Vorwurf  der  Ketzerei 
gegen  Brunchorst  und  Evenius. 

Der  Generalsuperintendent  Kromaj^er  hatte  in  der 
Deliberation  kein  Hehl  daraus  gemacht,  daß  ihm  die  Be- 
strebungen des  Herzogs  Ernst  ziemlich  unsympathisch  waren. 
Wie  er  sich  dem  Plan  des  Herzogs,  durch  Bestellung  von 
SpezialSuperintendenten  eine  bessere  Beaufsichtigung  der 
Pfarrer  und  Schulmeister  zu  ermöglichen,  aufs  heftigste 
entgegengestellt  hatte,  so  war  er  auch  hier  einer  von  denen 
die  der  Schrift  des  Brunchorst  und  Evenius  Zweifel  und 
Bedenken  entgegenbrachten.  Während  der  Beratung  ver- 
hielt er  sich  zwar  noch  ziemlich  zurückhaltend :  Wenn 
er  auch  im  allgemeinen  kein  Gegner  einer  Reform  sei,  so 
halte  er  doch  die  Beurteilung  der  Zustände,  die  in  den 
„Mängeln,  Ursachen  und  Remediis"  ausgesprochen  war,  für 
völlig  unzutreffend  und  übertrieben.  Nach  der  Konferenz 
aber  trat  er  mit  seiner  Feindschaft  allmählich  immer  offener 
hervor,  und  da  er  gegen  den  Herzog  selbst  nichts  aus- 
richten konnte,  wandte  sich  sein  ganzer  Zorn  gegen  Brun- 


1)  Zeitschrift  für  Thür.  Geschichte  u.  Altertumskunde,  N.  F.  X, 
S.  424. 


102  J^iß  General  Visitation  Ernsts  des  Frommen 

cborst  und  Evenius.  Ja  er  ging  so  weit,  die  beiden  auf 
Grund  ihrer  verschiedenen  Schriften  der  Ketzerei  zu  be- 
schuldigen i).  Den  ersten  Stein  des  Anstoßes  für  ihn  bildeten 
die  Katechismus-  und  die  Bilderschule.  Er  behauptete, 
„man  wolle  den  Katechismus  Luthers  abschaffen  und  eine 
neue  Lehre  einführen,  die  Erklärung  des  Textes  und  die 
Auslegung  Luthers  mehr  verdunkeln  als  erklären".  Von 
der  Bilderschule  wurde  gesagt,  die  Bilder  stimmten  oft  mit 
der  Lehre  nicht  überein ;  so  sei  darin  ein  Bild  von  zwei 
Stühlen  vorhanden,  „dadurch  man  Christo  nach  der  Mensch- 
heit eine  andere  Majestät  als  des  Vaters  auf  gut  calvinisch 
wolle  zulegen,  wie  solches  I.  P.  G.  Herzog  Ernsten  in 
faciem  gesagt  worden".  Vor  allem  aber  waren  es  die 
„Mängel  und  Ursachen",  die  die  Kritik  Kromayers  heraus- 
forderten. In  einer  Unzahl  von  Predigten,  in  Schriften  und 
in  Privatgesprächen  wurde  auf  diese  Schrift  gestichelt  und 
die  unglaublichsten  Ketzereien  darin  gefunden.  So  be- 
hauptete Kromayer,  es  treten  in  Weimar  neue  Geister  auf, 
„die  an  Mose  und  den  Propheten  nicht  genug  haben,  sondern 
wollen  eine  neue  Lehre  einführen ;  sie  verdammen  ganz 
Weimar,  als  könne  kein  Mensch  selig  werden  wegen  des 
gottlosen  Lebens".  Sie  sagen,  unsere  ganze  Gemeinde  be- 
stehe aus  Hurern,  Ehebrechern,  Dieben  und  E-äubern.  Sie 
rühmen  und  dringen  beständig  auf  gute  Werke,  während 
doch  der  Glaube  vor  Gott  erhöhe.  Sie  rufen  immer :  Buße, 
Buße,  Buße,  und  wissen  selbst  nicht,  was  wahre  Buße  ist. 
Sie  mengen  iustificationem  und  renovationem  ineinander, 
sie  „treiben  Reu  und  machen  Gehorsam,  über  den  Glauben 
aber    wischen    sie    hin;    sie    verdammen   treue   Lehrer   und 


1)  Beck,  I,  S.  551 — 554  berichtet  auf  Grund  derselben  Akten 
ebenfalls  über  diese  Beschuldigungen  Kromayers.  Da  bei  ihm  aber 
der  Zusammenhang  mit  den  „Mängeln  und  Ursachen"  und  mit  dem 
Visitationswerk  gar  nicht  hervortritt,  bringe  ich  die  Sache  hier  noch- 
mals ausführlicher.  —  Bohne,  S.  59  verwechselt  die  Vorwürfe,  die 
hier  1636  gegen  ßrunchorst  und  Evenius  erhoben  w^erden,  mit  späteren 
Beschuldigungen.  —  Vgl.  Goth.  dipl.,  I,  S.  64. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  X03 

Prediger,  weil  sie  den  Glauben  so  heftig  treiben".  Be- 
ständig klagen  sie  über  Laster  und  Mängel,  von  falscher 
Lehre  aber  sagen  sie  nichts.  Und  doch  sind,  nicht  die 
äußerlichen  Laster  die  Ursachen  der  jetzigen  Landstrafen, 
sondern  vornehmlich  die  falsche  Lehre,  der  Majorismus, 
Anabaptismus  und  Schwenkfeldismus.  Die  Kirche  ist  nun 
einmal  nicht  engelrein,  Mängel  und  Defekte  werden  bleiben, 
solange  die  Welt  steht.  Deshalb  hat  es  keinen  Zweck, 
darüber  große  Klagen  anzustellen;  es  ist  verkehrt,  „die 
Verstorbenen  liederlich  zu  verdammen.  Die  Leichenpredigten, 
darinnen  man  der  Leute  löblich  gedenkt,  sind  nicht  er- 
logen". Es  ist  unnütz,  die  Kinder  und  das  Gesinde  mit 
Beten  und  Lesen  zu  martern  und  zu  quälen,  zumal  am 
Sonntag,  der  doch  ein  Ruhetag  ist.  Das  ganze  Gebaren 
der  ..neuen  Geister"  zeigt  eine  große  Scheinheiligkeit;  da- 
hinter aber  verbergen  sich  die  schlimmsten  Irrtümer  und 
Ketzereien,  als  Interimistische,  Majoristische,  Schwenk- 
feldische, enthusiastische,  Photinianische,  halb  papistische, 
Weigelianische  und  wiedertäuferische.  In  ihrer  Schein- 
heiligkeit lassen  sie  es  sich  zum  höchsten  angelegen  sein, 
ihre  Ketzereien  durch  das  Verbesserungswerk  fortzusetzen. 
Sie  verführen  den  Fürsten  dermaßen,  daß  er  nicht  mehr 
weiß,  was  er  glaubt  und  tut.  Sie  hätten  sicherlich  das 
Fürstentum  schon  längst  mit  Schwenkfeldischen  Irrtümern 
angesteckt,  wenn  er,  Kromaj^er,  nicht  mit  seinen  Ketzer- 
predigten dem  gewehrt  hätte.  Solche  Geister  muß  man 
deshalb  meiden;  sie  gehören  nicht  in  das  Fürstentum, 
sondern  müssen  vertrieben  werden. 

Kromayer  hütete  sich  zwar,  in  seinen  Predigten  bei 
der  Polemik  irgend  einen  Namen  zu  nennen.  Aber  aus  der 
ganzen  Charakterisierung  der  Ketzereien  ging  deutlich 
hervor,  auf  wen  seine  Angriffe  zielten,  und  in  Privatge- 
sprächen trug  er  kein  Bedenken,  klar  und  deutlich  zu  sagen, 
wen  er  unter  den  „neuen  Geistern"  meine.  So  bezeichnete 
er  Herzog  Ernst  gegenüber  ausdrücklich  Evenius  und 
Brunchorst  als  die  schlimmen  Irrlehrer;   ja    er   ging   sogar 


104  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

so  weit,  dem  Herzog  mit  Verweigerung  der  Absolution  und 
des  Abendmahls  zu  drohen,  wenn  er  die  beiden  Männer 
nicht  aus  seinem  Dienst  entließe.  Ernst  erwiderte  darauf, 
„auf  solche  Weise  müßten  sie  viele  Theologen,  ja  ganze 
lutherische  theologische  Fakultäten  abschaffen  und  ver- 
werfen, welche  alle  das  billigten  und  guthießen,  was  bisher 
geschehen".  Wenn  Kromayer  sie  aber  wirklich  irriger 
Lehre  überführen  sollte,  wollte  er  sie  keine  Stunde  länger 
bei  sich  behalten,  sondern  sie  schleunigst  aus  dem  Lande 
vertreiben  ^). 

Wie  kam  Kromayer  zu  diesen  überaus  scharfen  An- 
griffen gegen  Evenius  und  Brunchorst?  Zunächst  mögen 
es  wohl  Gründe  persönlicher  Art  gewesen  sein,  die  ihn 
in  diese  Oppositionsstellung  drängten.  Er  befand  sich  schon 
lange  Zeit  im  Dienst  des  Hofes  zu  Weimar.  Bereits  1613^ 
war  er  von  der  verwitweten  Herzogin  Dorothea  Maria 
als  Hofprediger  dorthin  berufen  worden,  Herzog  Wilhelm 
hatte  ihn  darauf  1627  zum  Generalsuperintendenten  ernannt. 
Während  dieser  ganzen  Zeit  hatte  er  einen  maßgebenden 
Einfluß  auf  die  Gestaltung  des  Kirchen-  und  Schulwesens 
im  Weimarischen  ausgeübt.  Selbst  ein  eifriger  Anhänger 
der  Lehrmethode  des  Ratke,  hatte  er  bereits  unter  der 
Herzogin  Dorothea  Maria  die  Weimarischen  Schulen  nach 
dessen  Prinzipien  reformiert.  Er  hatte  die  katechetische 
iLrziehung  des  jungen  Herzogs  Ernst  geleitet.  Von  seiner 
Tätigkeit  im  Kirchen-  und  Schulwesen  zeugt  das  1624  von 
ihm  herausgegebene  „Kirchenbuch  für  die  Pfarrherren  im 
Fürstentum  Weimar",  die  „Loci  communes  theologici  teutsch" 


1)  Vgl.  Haus-  und  Staatsarchiv  zu  Gotha  XX  5,  1,  No.  5. 
„Catalogus  oder  Verzeichnuss  etlicher  starcken  mutmassungen  theils 
auch  klaren  Beweissungen  auss  dess  Herrn  Generali  Superint.  Mag. 
Joh.  Kromajers  predigten,  Schrifften  vnd  fürnehmen,  darauss  er- 
scheinet, dass  Er  bisshero  Christophorum  Brunkorsten  vnd  M.  Sigism. 
Evenium  Irriger  Lehren  halben  nicht  allein  in  Verdacht  gehalten, 
sondern  sie  öffentlich  vieler  Kätzereyen  beschuldigt."  (Anfang  April 
1637.) 


im  Herzogtum  Sachsen -Gotha  1641 — 1645.  105 

(Weimar  1632)  und  das  von  ihm  „New  zuegericht  Evan- 
gelien- vnd  Epistel-Büchlein"  (Weimar  1625)  i).  Nun  drohte 
dieser  sein  Einfluß  auf  einmal  gefährdet  zu  werden.  Herzog 
Ernst,  sein  ehemaliger  Schüler,  trat  auf  mit  weitausschauen- 
den Reformplänen,  in  denen  Kromayer  eine  Kritik  seiner 
seitherigen  Tätigkeit  sehen  mußte.  Während  Wilhelm  sich 
in  allen  Angelegenheiten  von  dem  Generalsuperintendenten 
beraten  ließ,  verstand  es  Ernst,  sich  von  der  Bevormundung 
durch  den  allmächtigen  Hoftheologen  freizumachen.  Er  berief 
unter  Umgehung  Kromayers  Evenius  und  Brunchorst  zu 
seinen  Ratgebern  und  war  mit  allem  Eifer  bedacht,  das  „Ver- 
besserungswerk" ohne  Rücksicht  auf  die  Tätigkeit  des  im 
September  1636  eingesetzten  Ausschusses  in  die  Tat  umzu- 
setzen. Kein  Wunder^  daß  Kromayer  seinen  Plänen  ab- 
lehnend oder  doch  wenigstens  zurückhaltend  gegenüberstand ! 
Indessen  genügt  dieser  persönliche  Gegensatz  doch  nicht, 
um  seine  Oppositionsstellung  völlig  zu  erklären.  Vor  allem 
läßt  sich  nicht  einsehen,  wie  Kromayer  durch  solche  persön- 
lichen Gründe  veranlaßt  worden  sein  sollte,  den  Leuten 
gerade  Ketzerei  vorzuwerfen.  Es  trat  vielmehr  zu  dem 
persönlichen  noch  ein  sachlicher  Gegensatz  hinzu.  Die 
Vertreter  des  Alten  und  des  Neuen  stoßen  hier  aufeinander. 
Hier  Betonung  der  objektiven  Kirchenlehre,  dort  der  sub- 
jektiven Frömmigkeit ;  hier  ein  Hängen  am  Alten,  dort  die 
weitgehendsten  Reformbestrebungen;  hier  im  wesentlichen 
Zufriedenheit  mit  den  bestehenden  Verhältnissen,  dort  die 
schärfste  Kritik;  hier  der  Gedanke,  daß  es  vor  allen  Dingen 
auf  die  Rechtgläubigkeit  ankommt  und  daß  man  über  sitt- 
liche Mängel  unter  Umständen  hinwegsehen  kann,  wenn 
nur  die  reine  Lehre  vorhanden  ist,  dort  bei  aller  orthodox- 
intellektualistischen  Auffassung  des  Glaubens  doch  ein 
deutliches  Bewußtsein  davon,  daß  der  Glaube  nicht  in  bloßer 
Anerkennung  der  Lehre  besteht,  sondern  daß  es  im  letzten 

1)  Beck,  a.  a.  O.  II,  S.  40;  Bohne,  Päd.  Bestr.,  S.  3;  Tholuck, 
Lebenszeugen,  S.  50;  Müller,  Ernsts  d.  Fr.  Special-  vnd  sonderbahrer 
Bericht,  S.  118. 


106  I^ie  General  Visitation  Ernsts  des  Frommen 

Grund  darauf  ankommt,  ob  er  sich  auch  im  Leben  wirksam 
erweist;  hier  die  alte  strenge  lutherische  Orthodoxie,  dort 
der  kommende  Pietismus.  Kromayer  ahnte  instinktiv  das 
Neue,  das  in  den  Bestrebungen  des  Herzogs  lag,  und  es  kam 
ihm  verdächtig  vor.  Die  reine  Lehre  schien  ihm  bedroht, 
die  Forderung  eines  reinen  Lebens  .schien  ihm  die  Gefahr  in 
sich  zu  schließen,  daß  man  die  Verderbtheit  der  menschlichen 
Natur  durch  den  Sündenfall  leugnete.  Die  Bestrebungen  der 
verschiedenen  Ketzergemeinschaften,  eine  „Gemeinde  der 
Heiligen"  auf  Erden  darzustellen,  schienen  ihm  hier  wieder- 
zukehren. Das  Dringen  auf  Buße  und  die  Forderung  eines 
sittlichen  Lebenswandels  erschien  ihm  als  Weigelianische 
oder  Schwenkfeldische  Ketzerei,  die  Betonung  der  Werke 
als  Majorismus  oder  gar  Papismus. 

Durch  solche  öffentliche  Verketzerung  von  Seiten  Kro- 
mayers  waren  Evenius  und  Brunchorst  fast  von  aller  Gesell- 
schaft ausgeschlossen  und  der  allgemeinen  Verachtung  preis- 
gegeben worden.  „Jedermann  redete  ihnen  Böses  nach, 
man  wies  mit  Fingern  auf  sie,  ihre  Häuser  wurden  wie  die 
von  Aussätzigen  und  wie  Ketzernester  gemieden,  und  von 
männiglich  als  ein  Fluch  und  Scheusal  geachtet,  und  wenn 
einer  oder  der  andere,  welchem  ihre  Unschuld  zur  Genüge 
bekannt  war,  sie  in  Schutz  nahm  und  den  Wunsch  aus- 
sprach, daß  man  sie  hören  möchte,  so  hob  man  die  Hände 
auf  und  schlug  ein  Kreuz  vor  sich,  sprechend,  davor  sollte 
sie  Gott  behüten,  daß  sie  dieselben  hören  sollten,  sie  hätten 
Mosen  und  die  Propheten"  i). 

Dieser  Zustand  war  natürlich  auf  die  Dauer  unhaltbar. 
Ernst  drang    deshalb    bei   seinem  Bruder  Wilhelm    darauf, 

1)  XX  5,  1,  No.  8.  „Summarischer  Bericht  vnd  warhafftige 
Erzehlung  dessen,  was  in,  bey  vnd  wegen  des  zu  AVeimar  fürge- 
noramenen  Verbesserungs  Wercks  in  Kirchen  vnd  schneien  Mitt  vnd 
zwischen  dem  Consistorio  vnd  fürnemblich  dem  H.  General  Super- 
intendten  M.  Johan  Kromeyern  an  einem:  vnd  denen  Christoi^hero 
Bronkhorsten  Pfarrern  zu  Hohlsted  vnd  Franckendorff  vnd  M.  Sigis- 
mundo  Evenio  am  andern  teil  biss  ahnhero  fürgelaufen  vnd  gehandelt 
worden."  —  Vgl.  Beck,  I,  S.  551. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641—1645.  107 

daß  ein  Verhör  wegen  der  Sache  angestellt  werde.  Kro- 
mayer  erklärte  daraufhin,  er  habe  zwar  die  beiden  nicht 
als  Ketzer  bezeichnet,  sondern  in  seinen  Predigten  nur  die 
Schwenkfeldische  Ketzerei  im  allgemeinen  gestraft;  es 
gingen  jetzt  Ketzereien  in  den  großen  Städten  Lübeck, 
Hamburg,  Lüneburg,  sowie  in  Erfurt  vor^),  und  es  sei 
Gefahr  vorhanden,  daß  diese  auch  nach  Weimar  übergriffen; 
dem  habe  er  in  seinen  Predigten  vorbeugen  wollen.  Da 
aber  nunmehr  tatsächlich  Brunchorst  und  Evenius  bei  dem 
gemeinen  Mann  in  ketzerischem  Verdacht  wären,  solle  man 
sie  auf  einige  Punkte  befragen  und  ihr  Bekenntnis  vernehmen. 
Würden  sie  dann  richtig  in  der  Lehre  befunden,  so  könne 
man  ihnen  ein  testimonium  orthodoxias  ausstelle.n  und  sie 
dadurch  ihrer  Ehr  und  Lehr  halben  öffentlich  restituieren. 
Brunchorst  und  Evenius  waren  indessen  damit  durch- 
aus nicht  einverstanden.  Sie  hielten  ein  Verhör  über  be- 
stimmte Punkte  für  völlig  unnötig  und  beriefen  sich  dem- 
gegenüber auf  Gott  und  ihr  Gewissen,  auf  ihren  Eid,  den 
sie  auf  die  Konkordienformel  geschworen  und  auf  ihre 
Unterschrift  unter  diese,  auf  das  Zeugnis  der  Personen, 
in  deren  Diensten  sie  gestanden  hätten,  sowie  der  theologi- 
schen Fakultäten,  die  sich  für  das  Verbesserungswerk  er- 
klärt und  damit  auch  ihre  Anschauungen  und  Bestrebungen 
gebilligt  hätten.  Aber  ihr  Protest  nützte  nichts,  er  war 
im  Gegenteil  nur  dazu  geeignet,  den  Verdacht  der  Ketzerei 
noch  zu  erhöhen.  Sie  mußten  sich  deshalb  in  das  Verhör 
fügen  und  baten  nur  um  das  Zugeständnis,  der  General- 
superintendent möchte  während  des  Verhörs  abtreten,  und 
es  möchten  ihnen  die  Verdachtspunkte  vorher  schriftlich 
eingehändigt  werden ,  damit  sie  —  außer  der  mündlichen 
Antwort  vor   dem  Konsistorium    —    auch    eine    schriftliche 


1)  Bei  den  Ketzereien  in  Erfurt  ist  vielleicht  an  den  Gesinnungs- 
genossen Einsts  Johann  Matthäus  Meyfart  gedacht,  der  von  seinem 
Kollegen  Zapf  (später  Hofprediger  und  Nachfolger  Kromayers  in 
Weimar)  viel  Anfeindungen  zu  erleiden  hatte.  Tholuck,  Lebens- 
zeugen, S.  74. 


108  ßiß  Generalvisitation  Ernsts  des  Froramen 

Antwort  darauf  geben  könnten.  Allein  auch  dieser  Wunsch 
wurde  nicht  gewährt.  Die  einzige  Zusage,  die  sie  er- 
langten, war  die,  daß  Kromayer  nur  als  ein  „auditor" 
und  nicht  als  ein  „judex"  bei  dem  Verhör  anwesend  sein 
solle.  Allein  mit  diesem  einzigen  Zugeständnis  gaben  sich 
die  beiden  Angeschuldigten  noch  nicht  zufrieden.  Da  ihnen 
die  Bitte  um  schriftliche  Zustellung  der  Anklagepunkte 
abgeschlagen  worden  war,  stellten  sie  jetzt  folgende  Be- 
dingungen : 

1)  Wenn  sie  in  der  Beantwortung  etwas  Irriges  vor- 
brächten, sollte  man  ihnen  das  alsbald  mitteilen,  um  zu 
vernehmen,  ob  sie  solches  „praeter  meutern"  oder  „ex 
simplicitate"  oder  „malitiose  et  pertinaciter"  vorgebracht, 
ehe  man  es  als  ihre  eigene  Meinung  verzeichnen  ließe. 

2)  Wenn  sie  etwas  nicht  zur  Genüge  beantworteten, 
sollte  man  ihnen  das  ebenfalls  anzeigen,  um  fernere  völlige 
Erklärung  von  ihnen  zu  vernehmen. 

3)  Wenn  die  abgelegte  Konfession  anderen  solle  zuge- 
schickt werden,  sollte  man  sie  ihnen  zuerst  zur  Revision 
übergeben. 

Wir  erkennen  aus  diesen  Bedingungen,  wie  sehr  die 
beiden  fürchteten,  das  Verhör  möchte  zu  ihren  Ungunsten 
ausschlagen ;  wir  sehen  zugleich,  wie  leicht  Personen,  die 
sich  doch  keiner  Abweichung  von  der  reinen  Lehre  bewußt 
waren ,  durch  unbedachte  Antworten  bei  einem  solchen 
Verhör  gebrandmarkt  werden  konnten.  —  Die  Bedingungen 
wurden  genehmigt,  und  nachdem  bereits  am  23.  März  und 
21.  April  1637  vorbereitende  Verhöre  stattgefunden  hatten, 
wurde  am  28.  April  mit  Brunchorst  und  Evenius  ein  pein- 
liches Verhör  über  24  Punkte  angestellt  i).     Dieses  Verhör 


f 


1)  Vgl.  XXV,  1,  No.  7.  Die  Punkte  lassen  sich  aus  den  Akten 
nicht  entnehmen.  Wir  haben  nur  die  Antworten,  diese  sind  aber  so 
kurz,  daß  sich  die  Fragen  daraus  nicht  rekonstruieren  lassen.  —  Das 
Datum  der  Verhandlung  war  vielleicht  auch  der  26.  April.  Das 
Protokoll  trägt  das  Datum  :  Mittwoch,  den  28.  April;  der  28.  April 
1637  war  aber  ein  Freitag. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  109 

ergab  nun  die  völlige  Rechtgläubigkeit  der  beiden  Be- 
schuldigten. Die  Consistoriales,  von  denen  manche  doch 
sicherlich  darauf  lauerten,  den  beiden  irgendeine  Ketzerei 
nachzuweisen,  mußten  erklären,  daß  sie  an  der  Beantwortung 
nichts  zu  tadeln  hätten. 

Damit  sollte  man  denken,  sei  die  Sache  aus  der  Welt 
geschafft  gewesen.  Aber  weit  gefehlt !  Die  Beschuldigungen 
gingen  auch  nachher  ruhig  weiter,  die  verheißene  Restitution 
und  Erklärung  ihrer  Orthodoxie  dagegen  blieb  aus.  Die 
Gegner  brachten  es  vielmehr  dahin,  daß  Herzog  Wilhelm 
ungeachtet  des  ersten  Verhörs  die  beiden  Beschuldigten 
nochmals  vor  das  Konsistorium  fordern  ließ.  Er  erklärte, 
damals  habe  man  „nicht  genugsam  gefragt  und  die  indicia, 
d,ie  man  haben  konnte,  nicht  genügend  an  die  Hand  ge- 
bracht". Deshalb  sollen  Brunchorst  und  Evenius  nochmals 
vor  dem  Konsistorium  erscheinen  und  dort  noch  einmal 
eingehend  befragt  werden.  Allein  auch  dieses  Verhör  führte 
nicht  zum  Ziel.  Die  Streitigkeiten  dauerten  fort,  sie  zogen 
sich  durch  das  ganze  Jahr  1637  bis  in  den  Sommer  des 
folgenden  Jahres  hin.  Ja,  Herzog  Ernst  wurde  selbst  in 
den  Verdacht  gebracht,  als  ob  er  die  Schwenkfeldischen 
und  Weigelianischen  Irrtümer  in  seinem  Lande  zu  fördern 
suche.  Brunchorst  wurde  schwer  krank,  trotzdem  aber 
fand  der  Streit  kein  Ende.  Der  böse  Verdacht  wurde  „bei 
den  Leuten  merklich  von  Tag  zu  Tage  vermehrt,  daß  man 
fast  in  allen  Zechen  und  Zusammenkünften  von  ihnen  ge- 
redet, ja  daneben  sich  auch  verlauten  lassen,  sie  neben  dem 
Pursten  zum  Lande  hinaus  zu  steinigen". 

Da  griff  Ernst  selbst  in  die  Sache  ein.  Um  die  end- 
liche Entscheidung  zu  fördern,  richtete  er  am  19.  Juli 
1638  ein  Schreiben  an  das  Konsistorium,  in  dem  er  diesem 
zu  Gemüt  führte,  was  für  Händel  man  seither  mit  Brun- 
chorst und  Evenius  angestellt  habe,  wie  man  sie,  obwohl 
sie  ihr  Bekenntnis  abgelegt,  dennoch  verketzert,  seinen 
fürstlichen  Namen  damit  beschmutzt  und  das  Hauptwerk 
der  christlichen  Verbesserung  in  ketzerischen  Verdacht  ge- 


110  I^iß  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

bracht  habe.  Mit  scharfen  Worten  weist  er  allen  Verdacht, 
den  man  gegen  seine  Person  und  gegen  das  Verbesserungs- 
werk ausgesprochen  hatte,  zurück.  Er  könne  mit  Gott  und 
Grund  der  Wahrheit  bezeugen,  daß  er  „mit  berührtem  Haupt- 
werk nichts  anderes  als  die  Ehre  Gottes  und  der  Kirche 
Wohlfahrt  gesucht"  habe.  Er  sei  dazu  bewogen  worden 
durch  das  Interesse,  das  er  an  dem  Lande  nehme;  denn 
er  habe  gesehen,  wie  man  sich  desselben  seither  „gar 
schlecht  und  wenig  durch  gesamte  ordentliche  Tat  ange- 
nommen" habe.  Man  könne  ihm  und  seinen  beiden  ßat- 
gebern  nicht  vorwerfen,  daß  sie  keinen  Beruf  dazu  gehabt 
hätten,  Kritik  an  den  bestehenden  Verhältnissen  zu  üben 
und  sich  um  eine  Besserung  zu  bemühen.  Habe  doch 
Herzog  Wilhelm  selbst  dem  Konsistorium  anbefohlen,  mit 
ihm  oder  mit  Evenius  über  seine  Vorschläge  zu  beraten  i). 
Deshalb  erwarte  er  bestimmt,  daß  man  jetzt  dem  ganzen 
langwierigen  Prozeß  ein  schleuniges  Ende  mache.  Wenn 
das  Konsistorium  nicht  baldige  Antwort  gebe,  so  sehe  er 
sich  wider  seinen  Willen  genötigt,  zur  Erhaltung  der  Ehre 
Gottes  und  zur  Rettung  seines  guten  fürstlichen  Namens 
„diese  ganze  Sache  mit  dem  bis  daher  verspürten  Prozeß 
ans  offene  Tageslicht  zu  bringen"  und  ohne  Rücksicht  auf 
etwaige  Ungelegenheiten,  die  sich  daraus  ergeben  könnten, 
so  zu  handeln,  wie  er  es  vor  Gott  und  der  ganzen  ehrbaren 
Welt  und  Christenheit  verantworten  könne. 

Dieses  Schreiben,  das  auf  ein  von  dem  Herzog  selbst 
seinem  Sekretär  in  die  Feder  diktiertes  Protokoll  zurück- 
geht, verfehlte  seine  Wirkung  nicht  2).    Bereits  am  24.  Juli, 

1)  Vgl.  oben  S.  95.  —  XX  5,  1,  No.  3.  (Schreiben  vom  19.  Au- 
gust 1636.) 

2)  Wir  haben  in  den  Akten  (XX  5,  1,  No.  12)  sowohl  die  end- 
gültige Form  des  Schreibens  wie  das  Protokoll.  Beide  sind  mit- 
einander sehr  nahe  verwandt,  das  letztere  trägt  die  Unterschrift: 
„Dieses  Protokoll  ist  von  meinem  Herrn  heute  mir  also  in  die  Feder 
dictieret  am  12.  Juli  1638  in  I.  F.  Gn.  Gemach  in  der  Alabaster- 
stuben. Daraus  ich  ein  Concept  aufgesetzt  u.  I.  F.  Gn.  zu  der 
Hand  zugestellet."  —  Vgl.  zum  Ganzen  Beck,  I,  S.  552  f. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  m 

also  nur  wenige  Tage  später,  fand  eine  abermalige  Verhand- 
lung im  Konsistorium  statt,  und  schon  am  25.  stellte  dieses 
den  beiden  Angeschuldigten  das  verlangte  Zeugnis  über 
ihre  Rechtgläubigkeit  aus  i). 

Durch  dieses  „Attestatum"  hatte  der  Streit  sein  Ende 
erreicht.  Brvinchorst  und  Evenius  nahmen  die  Attestation 
mit  einem  Handschlag  an.  Es  wurde  ihnen  zwar  nicht  ge- 
stattet, das  Zeugnis  von  der  Kanzel  zu  verlesen,  aber  es 
wurde   ihnen   freigestellt,    „dasselbe    zu    distrahieren    nach 


1)  Dieses  „Attestatum"  hat  folgenden  Wortlaut: 

„Wier  dess  Fürstl.  Sachs,  geistl.  Consistorii  alhier  zu  Weymar 
Verordnete  praesident  vnndt  ßeysitzer,  hiermit  thun  kundt  vndt 
bekennen ,  daß  die  würdigen  vnd  wohl  gelahrten ,  Ehr  Christoff 
Brunkhorst,  Pfarrer  zu  Franckendorff ,  Holstedt  vndt  Kötzschau, 
vnndt  M.  Sigismund  Evenius,  Irriger  Lehr  halben  in  Verdacht 
kommen ,  vnd  darauf  voua  dem  Durchleuchtigen ,  Hochgebornen 
Fürsten  vnndt  Herren,  Herrn  Wilhelmen,  Hertzogen  zu  Sachssen, 
Jülich,  Cleve  vndt  Bergk  etc.,  vnnserm  gnedigen  Fürsten  vnndt 
Herrn,  Sie  im  Consistorio  zu  vernemen  verordnet  worden,  Dahero 
wier  mit  Ihnen  aus  gewissen  uffgesetzten  Puncten  conferiret, 
Wenn  Sie  sich  denn  darauf  dermaseun  erklähret,  dass  mann 
darmit  zufrieden  sein  können,  insonderheit,  weil  Sie  Ihre  Confession 
vor  vnns  gethan  vnd  darbey,  solange  Ihnen  Gott  dass  Leben  fristete, 
zu  verharren  sanctc  promittiret  vnd  versprochen,  nehmblich,  dass  Sie 
bey  dieser  Lande  Christi,  glaubensbekändtnüss,  wie  solche  aus  den 
Prophetischen  vndt  Apostolischen  schrifften  altes  vnndt  Neues 
Testaments,  in  der  Vnveränderten  Augsburgischen  Confession,  deren 
Apologi,  Schmahlkaldischen  Articuln,  Christlichen  Concordienbuch 
vnndt  andern  Libris  Symbolicis  begriffen,  vonn  grundt  Ihres  Herzens, 
nach  wie  vor,  zugethan  verbleiben,  vnd  darwieder  heimblich  oder 
öffentlich  nichts  reden,  Lehren,  handeln  oder  schreiben  wollen. 

So  haben  Avier  der  Wahrheit  zu  Steur,  vff  sonnderbahren  Fürstl. 
gnedigen  befehlch  vnndt  obberürther  Personen  ansuchen  Ihnen  mit 
diesem  Attestato  zustatten  zukommen,  kein  bedencken  getragen. 

Vhrkundlich  mit  dem  Fürstl.  Consistorialsecret  bedruckt  vnd 
geben  zu  Weymar  den  25,  Julij  Ao.  1638." 
L.  S. 

(XX  5,  1,  No.  15.  „Abschrift  des  Attestati,  welches  H.  Brun- 
chorsten  und  M.  Evenio  von  dem  fürstl.  Consistorio  zu  Weimar 
wegen  der  Orthodosia  gegeben,  am  25.  Juli  1638.") 


112  Die  General  Visitation  Ernsts  des  Frommen 

Gefallen,  auch  wohl  gar  drucken  zu  lassen".  Außerdem 
wurde  Brunchorst  beauftragt,  den  Sachverhalt  in  einer 
Predigt  darzulegen,  zu  der  Herzog  Wilhelm  den  Termin  an- 
geben wolle.  Diese  Predigt  solle  „nach  geschehener  Revision 
durch  das  Konsistorium"  zuerst  auf  den  Dörfern,  dann 
auch  in  der  Stadt  gehalten  und  schließlich  durch  den  Druck 
veröffentlicht  werden.  Endlich  aber  erklärten  sich  beide 
Teile  bereit,  die  Streitereien  künftig  ruhen  zu  lassen. 

Bei  diesem  Ausgang  der  Sache  war  Kromayer  zwar 
äußerlich  unterlegen.  Seine  Beschuldigungen  hatten  sich 
als  unwahr  erwiesen ;  seine  Absicht,  Brunchorst  und  Evenius 
aus  den  Diensten  des  Herzogs  zu  entfernen,  sie  womöglich 
aus  dem  Lande  zu  vertreiben  und  dadurch  ihren  Einfluß 
auf  Ernst  völlig  zunichte  zu  machen,  hatte  er  nicht  er- 
reicht. Und  doch  ging  er  wenigstens  teilweise  als  Sieger 
aus  dem  Kampf  hervor.  Es  war  ihm  gelungen,  die  In- 
angriffnahme des  Visitations-  und  Verbesserungswerkes  um 
etwa  zwei  Jahre  zu  verzögern.  Es  war  ihm  gelungen,  die 
Reformpläne  des  Herzogs  unbeliebt  zu  machen  und  einen 
Verdacht  gegen  seine  Ratgeber  hervorzurufen,  der  auch 
nach  der  Beilegung  des  Streites  noch  haften  blieb.  Der 
Einfluß  von  Evenius  und  Brunchorst  war  geschwächt,  Ernst 
sah  sich  in  seinen  Plänen  gehindert  durch  die  entgegen- 
stehenden Absichten  Kromayers.  Wohl  ruhte  seine  Arbeit 
auch  in  den  folgenden  Jahren  nicht,  aber  sie  war  gehemmt 
dadurch,  daß  er  nicht  allein  über  die  zu  ergreifenden  Maß- 
nahmen zu  bestimmen  hatte,  sondern  Rücksicht  auf  seinen 
Bruder  Wilhelm  und  auf  dessen  Ratgeber  nehmen  mußte. 
Seine  größten  Reformen  stammen  daher  auch  nicht  aus  dieser 
Zeit ,  sondern  aus  den  Jahren  nach  der  Landesteilung 
(1640).  Erst  nachdem  er  das  Herzogtum  Gotha  zu  seinem 
alleinigen  Besitz  bekommen  hatte,  begann  er,  und  zwar 
sofort  nach  seinem  Regierungsantritt,  in  seinen  Landen 
eine  Visitation  großen  Stils  nach  seinen  Grundsätzen  und 
mit  den  von  ihm  erwählten  Ratgebern  durchzuführen,  und 
auf  Grund   dieser  Visitation    entstand   schon    1642  das  In- 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  II3 

formationswerk  und  dei'  Schulmethodus.  Bei  all  diesen 
Maßnahmen  aber  verstand  es  der  Herzog,  ihm  gesinnungs- 
verwandte Männer  zu  seinen  Organen  zu  machen.  Evenius 
war  allerdings  schon  am  4.  September  1639  an  der  Pest 
gestorben,  so  daß  er  die  Regierung  seines  Fürsten  und  die 
Verwirklichung  seiner  Gedanken  nicht  mehr  erlebte;  aber 
Brunchorst  wurde  von  Ernst  als  Hofprediger  mit  nach  Gotha 
genommen,  und  er  spielte  vor  allem  bei  der  Durchführung 
der  Visitation  eine  hervorragende  Rolle. 


3.  Die  Gutachten  der  theologischen  Fakultäten  über  das 
geplante  Visitations-  und  Verbesserungswerk. 

Schon  in  den  Verhandlungen  des  Jahres  1636  war 
wiederholt  darauf  hingewiesen  worden,  daß  Ernst  zu  seinem 
Vorhaben  die  Gutachten  verschiedener  „vornehmer 
theologischer  (sowie  auch  philosophischer)  Fakul- 
täten" eingeholt  habe.  Aus  den  Akten  geht  hervor,  daß 
Ernst  sich  bereits  vor  der  Deliberation  im  September  1636, 
wahrscheinlich  zwischen  Februar  und  September  dieses 
Jahres,  an  verschiedene  theologische  Fakultäten  gewandt 
hat,  um  ihr  Urteil  über  seine  Pläne  und  eventuelle  neue 
Vorschläge  zu  vernehmen.  Welche  Fakultäten  und  Be- 
hörden es  waren,  die  man  damals  befragt  hat,  erfahren  wir 
aus  einem  ungefähr  1639  aufgestellten  „Catalogus  oder 
Vortzeichnüss  Derer  Theologischen  Sachen,  welche  bisshero 
elaborirt  oder  noch  elaboriret  werden  sollenn"  i).  Hier 
werden  zunächst  die  bereits  „elaborierten  Sachen"  aufgezählt 
und  unter  diesen  auch  folgende  angeführt: 

„26.  Christliches  vnd  in  Gottes  wort  wohlgegründetes 
Bedencken,  wie  dass  heutiges  tages  tieff  gefallene  Christen- 
thumb  bey  den  Erwachssenen  vnd  verseumeten  sonderlich 
wieder  auf  zu  richten,  vnd  ein  Gotseliges  wesen  vnd  Leben 
bey    Ihnen    zu    pflanzen ,    welches    nach    Strassburgk, 


1)  Gothaisches  Staatsarchiv,  XX  5,  4,  Blatt  36  ff. 
XXYIL 


Il4  Die  Generalvisitation  Einsts  des  Frommen 

Helmstadt,    Jena    vnd  Altenburgk    verscliieckt  vnd 
iedes  orts  Theologen  Bedencken  darüber  ein  geholet  i). 

27.  Erwegung  vnd  Abbildung  der  in  der  reinen  Luthe- 
rischen Kirchen  vnd  Schneien  eingerissenen  mängel  vnd 
wie  dieselbe  durch  Christliche  Mittel  abzue  schaffenn  vnd 
zuuerbessern,  welches  nach  Dressden  geschickt  wordenn. 

28.  Weitleiifftigere  Aussführung  dessen,  sonderlich  wass 
die  Mengel  betrifft,  sambt  Beygefügten  Theolog.  Testimonijs, 
sowohl  bey  den  Mängeln  alss  Vrsachen  vnd  remedijs  vnd 
einen  Extract  oder  Tabella  darauss, 

29.  Vnvorgreiffliches  Bedencken,  warumb  vnd  wie  dem 
ieziger  Zeit  eüsserst  zerrüteten  vnd  verderbten  Christen- 
thumb  wieder  aufzuhelffen,  vnd  dadurch  Gottes  Zorn  vnd 
dessen  Zeitliche  vnd  Ewige  straffe  abzuwenden,  nebenst 
stetigen  eingeführten  Theologicis  Testimonijs  aus  den  Kirchen 
Ordnungen  vnd  reden  Lutherischer  Theologen. 

30.  Erinnerungen,  bey  dem  Strassburgischen,  Helm- 
stetischen, Jenischen  (doppelt,  weitleufftig  vnndt  kurz,  so 
mit  D.  Himmeln  communiciret)  vnd  Altenburgischen  Be- 
dencken. 

31.  Extract  auss  der  Strassburgischen  vnd  Dressdni- 
schen  Erage. 

32.  5  Extract  1.  Auss  dem  Strassburgischen,  2.  Helm- 
stedtischen, 3.  Jenischen,  4.  Altenburgischen,  5.  Dressnischen 
Bedencken." 

Aus  dieser  Aufzählung  geht  mit  Deutlichkeit  hervor, 
wohin  man  sich  mit  der  Bitte  um  Gutachten  gewandt  hat ; 
leider  sind  nur  die  Nachrichten  sowohl  über  den  Entwurf 
einer  Reform,  den  man  den  Fakultäten  und  Behörden  zu- 
gesandt hat,  wie  auch  über  die  von  dort  eingelaufenen 
Antworten  äußerst  dürftig  2).  Man  wird  nur  so  viel  ver- 
muten dürfen,  daß  in  den  oben  unter  No.  26 — 29  genannten 

1)  Vgl.  Tholuck,  Lebenszeugen,  S.  224  f. 

2)  Weder  in  den  Archiven  zu  Gotha  noch  in  Weimar  ist  eins 
der  unter  No.  26 — 29  erwähnten  Schriftstücke  vorhanden,  ebenso- 
wenig die  Gutachten  der  Fakultäten  und  Behörden. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  115 

Schriftstücken  der  Plan  einer  Reform  im  wesentlichen  im 
Sinne  von  Evenius'  „Missive"  und  von  den  „Mängeln  und 
Ursachen"  entwickelt  war.  Charakteristisch  ist  es,  zu  be- 
obachten, welche  theologischen  Fakultäten  es  waren,  mit 
denen  Ernst  in  Verbindung  trat.  Es  sind  nicht  die,  an 
denen  die  strengste  Orthodoxie  im  Sinne  der  Konkordien- 
formel  herrschte,  wie  vor  allem  Wittenberg,  sondern  Helm- 
stedt mit  Georg  Calixt,  Jena  mit  Johann  Gerhard  und 
Straßburg  mit  Johann  Schmid,  alle  drei  milder,  versöhn- 
licher gerichtet  und  mehr  für  die  praktische  Seite  des 
Christentums  interessiert.  Besonders  nahe  mußte  es  dem 
Herzog  liegen ,  sich  an  die  Landesuniversität  Jena  zu 
wenden.  Denn  —  ganz  abgesehen  von  der  örtlichen  Nähe  — 
hier  herrschte  eine  Richtung,  die  ihm  besonders  sympathisch 
war,  eine  Betonung  der  persönlichen  lebendigen  Frömmig- 
keit gegenüber  allem  theologischen  Formalismus,  die  den 
Einfluß  von  Johann  Arndts  „wahrem  Christentum"  nicht 
verkennen  ließ  und  die  besonders  durch  Johann  Gerhard 
und  von  1638 — 40  durch  Salomon  Glass  vertreten  war. 
Hier  wirkten  die  Männer,  mit  denen  Ernst  schon  früher  in 
Beziehung  gestanden  hatte  und  die  er  auch  zur  Mitarbeit 
an  seinem  großen  Bibelwerk  heranzog :  die  „Johanneische 
Trias''  Major,  Gerhard  und  Himmel,  sowie  Johann  Michael 
Dilherr.  Ähnlich  stand  es  mit  Helmstedt.  Hier  war 
der  führende  Geist  Georg  Calixt.  Ihn  hatte  Ernst 
bereits  im  Jahre  1633  zusammen  mit  Johann  Gerhard  und 
Salomon  Glass  zu  einer  Beratung  über  die  Neugestaltung 
des  Kirchen-  und  Schulwesens  in  dem  von  ihm  verwalteten 
Herzogtum  Würzburg  herangezogen,  wobei  sich  Calixt  die 
volle  Zufriedenheit  des  Herzogs  erworben  hatte  i).  Er  blieb 
auch  weiter  mit  ihm  in  Verbindung.  Als  Ernst  die  Re- 
gierung seines  Landes  im  Jahr  1640  angetreten  hatte, 
korrespondierte  er  mit  ihm  und  bat  ihn  um  Auskunft  über 


1)  Tholuck ,  Lebenszeugen ,  S.  53 ;   derselbe,  Das  akademische 
Leben  des  17.  Jahrhunderts,  I,  S.  51. 

8* 


116  Die  Generalvisitation  Emsts  des  Frommen 

einige  Männer,  die  er  in  seine  Dienste  zu  ziehen  beab- 
sichtigte, sowie  über  das  Visitationswerk  und  seine  Durch- 
führung 1).  Ja  auch  nach  dem  Ausbruch  der  synkretistischen 
Streitigkeiten  scheute  er  sich  nicht,  noch  weiter  freund- 
schaftliche Beziehungen  mit  ihm  zu  unterhalten  und  seinen 
Rat  und  seine  Hilfe  bei  seinen  Unternehmungen  heranzu- 
ziehen, ohne  doch  selbst  auf  seine  Seite  überzutreten,  — 
Die  dritte  der  von  Ernst  befragten  Universitäten  war 
Strasburg.  Hier  wirkte  seit  1623  Johann  Schmid, 
ein  treuer  Anhänger  der  Konkordienformel,  zugleich  aber 
auch  der  Vertreter  einer  durchaus  praktisch  gerichteten 
Frömmigkeit.  Bei  allem  Eifer  für  die  reine  Lehre  hatte 
er  doch  ein  klares  Bewußtsein  davon,  daß  es  im  letzten 
Grund  nicht  auf  theologische  Streitfragen,  sondern  auf  die 
Gesinnung  ankomme ;  so  wollte  er  z.  B.  die  auf  die  Kontro- 
versen gehenden  quaestiones  von  Hutters  Compendium  aus 
dem  Gymnasialunterricht  entfernt  wissen.  Unter  mancherlei 
Anfeindungen  von  rechts  wie  von  links  übte  er  einen  ge- 
waltigen Einfluß  auf  seine  Hörer  aus.  Es  muß  ein  väterlich 
seelsorgerliches  Verhältnis  gewesen  sein,  in  dem  er  zu  den 
Studierenden  und  insbesondere  zu  seinen  Hausgenossen 
stand.  Manche  sprechen  es  ausdrücklich  aus,  daß  sie  ihm 
die  Erweckung  zum  geistlichen  Leben  verdanken.  Auch 
Spener  war  sein  Schüler,  ja  er  bezeichnet  Schmid  nicht  nur 
als  seinen  Präzeptor,  sondern  als  seinen  „Vater  in  Christo"  ^). 
Seine  Interessen  berühren  sich  auf  das  deutlichste  mit  denen 
des  Evenius  und  des  Herzogs  Ernst.  Auch  er  betont  den 
Schulunterricht,  auch  er  dringt  auf  eine  Unterweisung  der 
Erwachsenen  im  Katechismus.  Er  stand  in  Verkehr  mit 
den  meisten  praktisch  gerichteten  Theologen  seiner  Zeit. 
„Seine  Beziehungen   zu  Meisner,    Gerhard,  Andrea,   Lütke- 


1)  Konsistorialarchiv  zu  Gotha,  Loc.  29  b,  No.  14.  „D.  Georg 
Calixtus  gibt  sein  iudicium  von  etlichen  Theologis  vnd  Juristen,  vnd 
vberschicket,  was  wegen  Kirchen  Visitation  im  Braunschweigischen 
aussgangen."     1639.  40.  41. 

2)  Grünberg,  Spener,  I,  S.  139. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  117 

mann,  Glavius,  Mosclierosch  und  anderen  lassen  eine  Weit- 
herzigkeit und  Vielseitigkeit  seines  religiösen  und  kirch- 
lichen Standpunkts  erkennen,  die  über  das  Maß  der  ge- 
wöhnlichen Schultbeologie  hinausging".  Auch  bei  Ernst 
stand  er  in  hohem  Ansehen,  beide  korrespondierten  ver- 
schiedentlich miteinander,  ja  wir  hören  sogar,  daß  Ernst 
beabsichtigt  habe,  Schmid  in  sein  Land  zu  ziehen  i).  Wir 
besitzen  ein  Schreiben  des  Salomon  Glaß  vom  5.  Februar 
1640,  aus  dem  hervorgeht,  daß  Ernst  auch  in  den  Jahren 
1639  und  1640  mit  ihm  über  die  Katechismus-Information 
unterhandelt  hat.  Schmid  übersandte  ihm  auf  seine  Bitte 
einen  Vorschlag  über  diese  Angelegenheit,  der  von  den 
Vorschlägen  des  Evenius  nicht  sehr  verschieden  war,  und 
der  die  volle  Zustimmung  des  Salomon  Glaß  wie  des  Herzogs 
hervorrief  ^). 

Über  die  Antworten  der  drei  Fakultäten  haben  wir 
nur  sehr  dürftige .  Nachrichten.  Daß  ihr  Votum  im  allge- 
meinen wohlwollend  war,  ist  wohl  anzunehmen,  sonst  hätten 
Ernst  und  seine  Ratgeber  sich  nicht  beständig  auf  diese 
Vota  berufen ;  doch  ob  man  unbedingte  Zustimmung  äußerte, 
ist  zum  mindesten  fraglich.  Vor  allem  werden  die  Jenenser 
wohl  kaum  ihre  uneingeschränkte  Zufriedenheit  mit  den 
Vorschlägen  des  Herzogs  geäußert  haben;  finden  wir  doch 
die  Professoren  Major  und  Dilherr,  die  sich  doch  beide 
schon  1636  in  Jena  befanden,  später,  1641,  unter  den 
Gegnern  des  Visitationswerkes.  Genaueres  wissen  wir  nur 
über  das  Fakultätsbedenken  von  Straßburg^).  Es  weist 
„zur  Hebung  des  gefallenen  Christentums"  vornehmlich  auf 
folgende  Stücke  hin: 

1)  Bußpredigten,  Abschneidung  der  Kontroversen,  weil 
man  nicht    mit    widerwärtiger  Lehre,    sondern   mit  Legung 


1)  Näheres   über   Schmid   siehe  bes.   Tholuck,   Lebenszeugen, 
S.  217—225,  sowie  Grünberg,  Spener,  1,  S.  110  f.,  139. 

2)  Goth.  Staatsarchiv,  XX  5,  4. 

8)  Kitschi,  Geschichte  des  Pietismus,  II,  S.  129, 


11g  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

eines  guten  Fundaments  zu  tun  habe,    mit  Sanftmut,    nicht 
durch  sonderbare  Texterklärung  oder  neue  Anstalten, 

2)  öffentliche  Katechismuslehre ,  der  die  Alten  bei- 
wohnen sollen, 

3)  häusliche  Einübung  des  Katechismus, 

4)  Hausbesuche,  wie  sie  Christus  auch  gemacht  hat, 

5)  daß  die  Christen  gelehrt  werden,  auch  in  Abwesen- 
heit ihres  Pfarrers  sich  mit  christlichen  Übungen  zu  be- 
schäftigen, 

6)  Verhör  der  Kommunikanten  i). 

Es  sind  dies  (vielleicht  abgesehen  von  den  Hausbe- 
suchen) dieselben  Stücke,  auf  die  es  auch  Ernst  in  seinem 
Visitations-  und  Verbesserungswerk  besonders  ankam.  — 
Die  drei  Fakultätsbedenken,  sowie  das  Gutachten  von  dem 
Konsistorium  in  Altenburg,  über  das  uns  alle  näheren  Nach- 
richten fehlen,  stammen  aus  dem  Jahr  1636.  Anders  steht 
es  mit  dem  Votum  von  Dresden.  Ein  Gutachten  von 
dorther  bat  sich  Ernst  erst  aus,  nachdem  bereits  die  Be- 
denken der  Fakultäten  eingelaufen  waren.  Wir  besitzen 
noch  das  Schreiben,  das  er  zu  diesem  Zweck  an  das  Kon- 
sistorium nach  Dresden  geschickt  hat.  Es  ist  datiert  vom 
30.  April  1638,  setzt  also  die  Eakultätsbedenken  und  die 
Beratungen  über  das  Visitations-  und  Verbesserungswerk 
voraus,  ist  aber  noch  vor  Abschluß  der  Verhandlungen 
mit  Evenius  und  Brunchorst  abgeschickt  ^j. 


1)  Tholuck,  a.  a.  O.  S.  225. 

2)  Goth.  Staatsarchiv,  XX  5,  6.  —  In  diesem  Schreiben  sagt 
Ernst  u.  a.:  „Wir  geben  Euch  hiermit  zu  vernehmen,  demnach  wir 
und  neben  uns  noch  andere  gottesfürchtige  fromme  Herzen  uns  die 
jetzige  böse  Zeit,  in  welcher  Gott  der  Allmächtige  mit  vielfältigen 
leiblichen  und  geistlichen  Strafen,  als  da  sind  der  so  lang  währende 
und  unaufhörliche  Krieg,  große  Teurung  und  Hungersnot,  Pestilenz 
und  andere  abscheuliche  Krankheiten,  wie  nicht  weniger  auch  an 
vielen  Orten  die  gänzliche  Beraubung  oder  doch  seelenschädliche 
Verdunklung  des  heiligen  göttlichen  Worts  ohne  Unterlaß  anhalten 
tut,  beweglich  zu  Gemüt  gezogen  und  in  der  Furcht  des  Herrn  dem- 
selben nachgedacht,  auch  nach  Anleitung  heiliger  göttlicher  Schrift 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645,  119 

Gleichzeitig  mit  diesem  Sclireiben  sandte  Ernst  ein 
solches  an  den  Oberhofprediger  Hoe  von  Hoenegg,  den 
Beichtvater  des  sächsischen  Kurfürsten,  in  Dresden.  Er 
erwähnt  hier,  daß  er  bereits  früher  mit  ihm  wegen  der  von 
ihm  geplanten  Reformen  unterhandelt  habe.  Jetzt  über- 
sendet er  ihm  eine  „Delineation"  des  geplanten  Werkes 
nebst  einem  ausführlichen  „Bedenken"',  mit  der  Bitte,  die 
genannten  Schriftstücke  dem  Konsistorium  zur  Begutachtung 
vorzulegen^).    Daß  Ernst  sich  nicht  mit  den  Gutachten  der 


so  viel  befunden,   daß  solches  alles  sonder  allen   Zweifel  um    der 
großen  und  bei  vielen  überhand  genommenen  äußersten  Verachtung 
desselbigen  willen  .  .  .  herrühre  und  verursacht  werde:  Als  haben  wir 
solches  nicht  allein  mit  vornehmen  theologischen  Fakultäten  com- 
mimizieret  und  derselben  mit  uns  einstimmende  Meinung  gern   ver- 
nommen, sondern  auch  uns  bemühet  und  endlich  erhalten,  daß  die 
Sache  allhier  in  gemeine  Ratschlagung  und  Deliberation  gezogen  und 
in  derselben  für  hochnötig  und  nützlich  befunden  worden,   daß  des- 
wegen eine  absonderliche  Visitation  angestellet,  alsdann  aber 
darauf  gedacht  werde,   wie    durch    heilsame  Mittel    in    allen 
Ständen,    sonderlich   aber    in    Kirchen    und    Schulen    Besserung 
angerichtet  werden  möchte.    Und  deswegen  zu  solchem  heilsamen 
Gott  wohlgefälligen  guten  Werk  wirklich  zu  gelangen  ein  aus  den 
akademischen   Censuren    und   anderen   theologischen    Schriften    ver- 
mehrtes und  verbessertes  Bedenken  aufsetzen  und  zusammentragen 
lassen,  welches  wir  Euch  hiermit  übersenden,  .  .  .  damit .  .  .  also  Euer 
allerseits   Rat   und   Gutachten   darüber   vernommen    und   eingeholet 
werde.    Und  solches  um  so  viel  desto  mehr,  weil  Ihr-  als  vornehme 
Säulen  und  Pfeiler  der  reinen  lutherischen  Kirchen  Augsburgischer 
Confession  und  Formulae  Concordiae  von  allen  solcher  Religion  zu- 
getanen Ständen  und  dero  Kirchen  und  Untertanen  in  solchem  hohen 
Wert  und  Ansehen  auch  für  diejenigen  billig  gehalten  werdet,  welche 
nicht  allein  die  Wahrheit  mehr  besagter  reinen  lutherischen  Religion 
zu  erhalten  und  fortzupflanzen  ihnen  höchst  angelegen   sein   lassen, 
sondern  auch  einig  und  zum  höchsten  wünschen,  daß  alles,  was  dieser 
unserer  seligmachenden  Religionswahrheit  hinderlich  und   schädlich, 
abgeschaffet,  und  hingegen,  was  zu  derselben  Besten  und  Aufschwung 
dienlich,  nach  äußerster  Möglichkeit  befördert  werde  .  .  ." 

1)  Die  nach  Dresden  gesandten  Schriftstücke  sind  vermutUch 
die  oben  (S.  114)  unter  No.  27 — 29  genannten,  vielleicht  auch  nur 
27  und  29. 


120  Die  Generalvisitation  Ernats  des  Frommen 

Fakultäten  begnügte,  ist  vielleicht  dadurch  veranlaßt,  daß 
er  gegenüber  den  Anfeindungen,  die  er  in  Weimar  zu  er- 
fahren hatte,  eine  Stütze  bei  dem  Konsistorium  in  Dresden 
und  dem  als  streng  lutherisch  bekannten  einflußreichen 
Hofprediger  Hoe,  dem  schroffen  Gregner  der  Calvinisten, 
suchte.  Aus  dieser  Erwägung  heraus  ist  wohl  auch  der 
Passus  in  dem  Schreiben  za  erklären,  in  dem  Ernst  die 
Mitglieder  des  Dresdener  Konsistoriums  als  „Säulen  und 
Pfeiler  der  lutherischen  Kirchen  Augsb.  Conf.  und  Formulae 
Concordiae"  bezeichnet.  Wie  sich  Hoe  zu  Ernsts  Plänen 
gestellt  hat,  wissen  wir  leider  nicht.  Wenn  wir  aber  be- 
denken, wie  heftig  er  später  das  Ernestinische  Bibelwerk 
angegriffen  hat  i),  so  können  wir  daraus  schließen,  daß  er 
wohl  auch  im  übrigen  den  Absichten  des  Herzogs  zum 
mindesten  zurückhaltend   und    gleichgültig   gegenüberstand. 

4.  Entwürfe  und  Vorarbeiten  zu  dem  Visitationswerk 
aus  der  Zeit  vor  der  Landesteilung. 

Wie  vielseitig  die  Verbindungen  des  Herzogs  mit  hervor- 
ragenden Theologen  aus  allen  Teilen  Deutschlands  waren, 
geht  nicht  nur  aus  diesen  Gutachten,  sondern  auch  aus 
sonstigen  gelegentlichen  Notizen  über  seine  Korrespondenzen 
hervor.  Er  stand  in  Verkehr  mit  Joh.  Valentin  Andreae 
in  Calw  (seit  1638  in  Stuttgart),  mit  Johann  Saubert  in 
Nürnberg,  mit  Joh.  Matthäus  Meyfart,  Bartholomäus  Eisner 
und  Georg  Grosshain  in  Erfurt,  zu  den  Mitarbeitern  an  seinem 
Bibelwerk  gehörten  nicht  weniger  als  28  der  bedeutendsten 
Theologen  Thüringens  2).  Von  allen  Seiten  wurden  Gut- 
achten und  Ratschläge  eingeholt  und  diese  von  den  Theo- 
logen Ernsts  zu  umfassenden  ßeformprogrammen  und  Ent- 
würfen verarbeitet.  Der  oben  (S.  113  £)  erwähnte  „Catalogus" 


1)  Beck,  a.  a.  O.  I,  S.  667. 

2)  Zahl  und  Namen  der  Mitarbeiter  am  Bibel  werk  stehen  nicht 
unbedingt  fest.    Eudolphi,  üoth.  dipl.,  III,  S.  348—350. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  121 

läßt  uns  einen  Blick  in  diese  Arbeit  tun.  Hier  werden 
in  dem  Abschnitt  „elaborierte  Sachen"  nicht  weniger  als 
37  Aufsätze  und  Arbeiten  aufgezählt,  die  alle  mit  der 
Reformarbeit  des  Herzogs  in  Beziehung  stehen.  Wir  finden 
hier  außer  den  bereits  angeführten  Schriften  auch  die  Kat- 
echismus- und  Bilderschule,  sowie  die  „Mängel,  Ursachen 
und  Remedia  .  .  .  welche  in  der  Deliberation  anno  1636 
übergeben",  außerdem  eine  ganze  Anzahl  von  Entwürfen 
zur  Reform  des  Kirchenwesens,  eine  Sammlung  von  über 
100  Stellen  aus  Kirchenordnungen  und  anderen  theo- 
logischen Schriften,  die  sich  auf  das  Reformwerk  an- 
wenden lassen,  und  anderes  mehr  ^).  Wenn  wir  auch  von 
den  meisten  dieser  Arbeiten  nichts  weiter  haben  als  den 
Titel,  so  gewähren  sie  uns  doch  einen  Einblick  in  die 
Tätigkeit  des  Herzogs  und  seiner  Theologen  in  den  Jahren 
vor  1640.  Es  ist  im  wesentlichen  eine  Ai-beit  mit  der 
Feder,  die  hier  geleistet  wurde;  aber  man  blieb  doch 
nicht  dabei  stehen,  Entwürfe  und  Reformprogramme  auf- 
zustellen, sondern  man  ging  auch  gleich  daran,  die  Re- 
formen durchzuführen  oder  ihre  Durchführung  doch  wenig- 
stens vorzubereiten. 

Zunächst  kam  es  darauf  an,  durch  eine  allgemeine 
Visitation  die  Zustände  in  Kirchen  und  Schulen  bis  ins 
kleinste  hinein  genau  zu  erforschen,  um  die  nötige  Unter- 
lage für  das  „Verbesserungswerk"  zu  gewinnen.  Der 
Vorbereitung  für  die  Generalvisitation  ist  die  Arbeit  der 
nächsten  Zeit  gewidmet.  Bereits  1636  war  beschlossen 
worden,  vor  der  großen  Generalvisitation  eine  Spezialvisita- 
tion  abzuhalten,  deren  Ergebnisse  man  dann  bei  der  ersteren 


1)  Außerdem  enthält  der  „Catalogus"  noch  ein  Verzeichnis  von 
9  Punkten,  „welche  noch  zu  elaborieren".  Neben  dem  „Catalogus", 
der  sich  auf  die  theologischen  Dinge  bezieht,  finden  wir  ferner  einen 
solchen,  der  sich  mit  den  „Künsten  und  Sprachen"  beschäftigt  und 
17  „elaborierte  Sachen",  sowie  4  ,, Sachen,  welche  noch  zu  elaborieren" 
enthält. 


122  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

verwenden  könne  ^).  Die  Ausführung  dieses  Beschlusses 
wurde  durch  die  Verhandlungen  mit  Brunchorst  und  Evenius 
verzögert;  erst  1638  oder  1639  kam,  wenn  überhaupt,  die 
SpezialVisitation  zustande.  Wir  besitzen  verschiedene  Kon- 
zepte zu  den  bei  dieser  Gelegenheit  zu  stellenden  Fragen, 
die  jedoch  der  genauen  Datierung  entbehren  2).  Es  heißt 
hier,  mit  der  Partikularvisitation  solle  im  Amt  Weimar 
angefangen  werden,  und  zwar  an  den  nächsten  und  „nicht 
inficierten"  Orten  3)^  als  Tie£furt,  Gaberndorf,  Taubach  und 
Mellingen.  Die  Pfarrer  und  Schulmeister  sollen  vor  das 
Konsistorium  beschieden  werden,  ihnen  werden  23  Fragen 
über  Predigt  und  Katechismusübung  vorgelegt.  Dann  wird 
die  Gemeinde  vorgefordert  und  im  Katechismus  examiniert. 
An  den  Fragen,  die  an  die  Leute  bei  dieser  Gelegenheit 
gestellt  werden  sollen,  ist  charakteristisch,  wie  stark  hier 
das  dogmatische  Element  hinter  dem  religiösen  zurücktritt. 
Die  Fragen  lauten  folgendermaßen: 

1)  Was  sie  vom  Katechismus  auswendig  können? 

2)  Ob  sie  es  verstehen?  (Da  denn  die  Commissarii  die 
Fragen  ein  wenig  ändern  könnten.) 

3)  Was  sie  auf  etzliche  wenige  Generalfragen,  so  zu 
ihrem  Christentum  und  Seligkeit  am  nötigsten,  antworten 
können  ?    Als 

1)  Ob  sie  auch  hoffen,  selig  zu  werden? 

2)  Durch  wen? 

3)  Ob  sie  aber  nicht  erkennten,  daß  sie  Sünder 
seien?  Und  daß  Gott  die  Sünder  verdammen 
wolle  ? 

4)  Wessen  sie  sich  denn  wider  ihre  Sünde  trösten? 


1)  Vgl.  oben  S.  101. 

2)  Goth.  Staatsarchiv,  XX  5,  5,  Blatt  4  f. 

3)  Unter  „inficierten  Orten"  haben  wir  vermutlich  die  Orte 
zu  verstehen,  wo  Brunchorst  wirkte:  Frankendorf,  Hohlstedt  und 
Kötzschau.  Es  würde  dies  in  die  Zeit  vor  Abschluß  der  Verhaud- 
limgen  wegen  Brunchorst  und  Evenius,  also  Frühjahr  1638,  weisen. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  123 

5)  Mit  was  Sprüchlein  sie  dasselbe  tun  könnten? 

6)  Wodureh  sie  der  Herr  Christus  erlöset? 

7)  Ob  sie  auch  täglich  daheim  beteten? 

8)  Wie  oft? 

9)  Ob  sie  auch  ihre  Kinder  ließen  lesen? 

10)  Wie  sie  sich  an  ihrem  Ende  trösten  wollen? 

Die  Beziehung  auf  die  „Seligkeit"  steht  hier  durchaus 
im  Vordergrund.  Die  Zuhörer  werden  gefragt,  ob  sie  den 
Weg  zur  Seligkeit  kennen,  damit  sie  diesen  Weg  auch 
gehen  können.  Auf  irgendwelche  einzelnen  Lehren  wird 
dagegen  nicht  eingegangen.  Wir  finden  hier  ein  deut- 
liches Bewußtsein  davon,  daß  der  Artikel  von  der  Recht- 
fertigung durch  den  Glauben  nicht  ein  Artikel  neben 
anderen,  sondern  der  Grund-  und  Hauptartikel  des  christ- 
lichen Glaubens  ist,  ein  Bewußtsein,  das  der  strengen  Ortho- 
doxie des  17.  Jahrhunderts  mehr  und  mehr  verloren  zu 
gehen  drohte. 

Neben  diesen  Fragen  haben  wir  dann  noch  ein  ausführ- 
licheres „ohn verfängliches  Concept  etlicher  Fragen,  darüber 
neben  anderen  entweder  alle  oder  doch  zum  wenigsten 
etliche  Zuhörer  in  den  Gemeinden  auf  dem  Lande  bei 
der  Specialvisitation  möchten  vernommen  werden".  Dieses 
Konzept  enthält  19  Fragen,  die  sich  auf  die  Katechismus- 
Kenntnisse,  sowie  auf  die  Schulbildung  der  Zuhörer  beziehen ; 
doch  ist  hier  von  einem  Hervortreten  des  religiösen  Moments, 
von  einem  Hinweis  auf  die  „Seligkeit"  nichts  zu  bemerken. 
Ferner  beziehen  sich  auf  die  Spezialvisitation,  wie  wohl  mit 
Bestimmtheit  anzunehmen  ist,  drei  Entwürfe  von  Fragen 
an  die  Pfarrer,  die  sich  in  demselben  Aktenfaszikel  befinden. 
Die  Fragen  betreffen  den  Katechismus  (47  Fragen),  die 
Predigten  (20  Fragen),  die  Beichte  und  Absolution  (12 
Fragen).  Die  Entwürfe  zeichnen  sich  dadurch  aus,  daß  in 
ihnen  die  Quellen  angegeben  sind,  die  man  bei  ihrer  Aus- 
arbeitung benutzt  hat.  Wir  finden  hier  Hinweise  auf 
folgende  Verfügungen  und  Kirchenordnungen : 


124  J^ie  General  Visitation  Ernsts  des  Frommen 

1)  Unterricht  der  Visitatoren,  anno  1528. 

2)  Herzog  Heinrichs  Kirchen-Agenda  von  1539  bezw. 
15361). 

3)  Kurfürst  Augusts  Kirchenordnung  von  1580. 

4)  Die  Coburgische  (Kasimirianische)  Kirchenordnung 
von  1626. 

Außerdem  wird  an  manchen  Stellen  auf  eine  Schrift 
Kromayers  verwiesen ,  ohne  daß  ich  jedoch  feststellen 
könnte,  welche  seiner  Schriften  bei  diesen  Zitaten  gemeint 
ist.  Im  wesentlichen  liegt  den  Entwürfen  die  Kasimirianische 
Kirchenordnung  zugrunde,  und  zwar  gehen  die  meisten 
Fragen  über  den  Katechismus  auf  Kapitel  7  und  8  des 
zweiten  Buches  dieser  Ordnung,  die  Fragen  über  die  Pre- 
digten auf  Kapitel  6,  die  über  die  Beichte  und  Absolution 
auf  Kapitel  10  desselben  Buches  zurück.  Es  ist  dabei  auf- 
fallend, daß  nicht  die  in  der  Kirchenordnung  (Buch  II, 
Kap.  24)  für  die  von  den  Superintendenten  vorzunehmenden 
Visitationen  vorgesehenen  Fragen  zugrunde  gelegt  werden, 
sondern  die  Ordnungen  und  Bestimmungen,  die  dort 
für  die  Predigten,  den  Katechismus,  die  Beichte  und  Ab- 
solution getroffen  werden  und  die  das  Verhalten  des  Geist- 
lichen und  der  Gemeindeglieder  in  diesen  Fällen  regeln 
sollen. 

Ob  und  inwieweit  Ernst  und  seine  Ratgeber  bei  der 
Ausarbeitung  dieser  Fragen  beteiligt  waren,  läßt  sich  nicht 
sagen.  Doch  spricht  für  eine  Beteiligung  derselben  nicht  nur 
das  Katechismusexamen,    das  nach  Charakter  und  Tendenz 


1)  Über  diese  Kirchenordnung  findet  sich  bei  den  Akten  folgende 
Bemerkung:  „Notabilia  aus  H.  Heinrichs  Kirchen-Ordnung.  1.  H. 
Heinrichs  KG  ist  nicht  von  H.  Heinrichen  immediate,  auch  nicht 
von  Luthero  gestellt,  sondern  von  Justo  Jona,  D.  Georg  Spalatino, 
Caspar  Crucigero,  Frid.  Myconio,  Justo  Menio,  Joh.  Webero  ....  5. 
Ihr  Datum  ist:  19.  Sept.  an.  1536,  wie  das  Jenische  an.  1600  ge- 
druckte Exemplar  setzet,  aber  Kurf.  Aug.  KD  setzet  an:  1539."  — 
Vgl.  dazu  Sehling,  Kirchenordungen,  I,  1,  S.  88  ff.  (264  ff.). 


im  Herzogtum  Sachsen -Gotha  1641 — 1645.  125 

auf  derselben  Stufe  steht  wie  das  in  der  Instruktion  von 
1641  für  die  Generalvisitation  in  Gotha  vorgesehene,  sondern 
auch  der  rein  äußerliche  Umstand,  daß  sich  die  betr.  Akten- 
stücke im  Archiv  zu  Gotha  befinden,  und  zwar  in  dem- 
selben Faszikel  mit  einem  Entwurf  zu  den  Präparations- 
fragen, die  am  5.  Januar  1641  an  die  Pfarrer  in  den 
Herzogtümern  Eisenach  und  Gotha  abgegangen  sind. 
Ob  die  SpezialVisitation  allerdings  gerade  so  ausgeführt 
wurde,  wie  hier  vorgesehen  ist,  und  ob  die  uns  vorliegenden 
Fragen  alle  Fragen  darstellen,  die  bei  dieser  Gelegenheit 
gestellt  wurden,  läßt  sich  nicht  ausmachen,  da  alle  näheren 
Nachrichten  über  ihre  Durchführung  fehlen.  Ja  es  ist  nicht 
einmal  sicher  auszumachen,  ob  die  Spezialvisitation  über- 
haupt zustande  gekommen  ist.  Jedenfalls  ist  auffallend, 
daß  nicht  nur  weite  Gebiete  der  pfarramtlichen  Tätigkeit, 
wie  die  Taufe ,  Kopulation ,  Krankenseelsorge  und  Be- 
erdigung, sondern  auch  das  religiöse  und  sittliche  Leben 
der  Gemeinde ,  sowie  die  äußere  Lage  von  Pfarrer  und 
Gemeindegliedern  überhaupt  nicht  berührt  werden. 

Eine  gewisse  Ergänzung  in  dieser  Hinsicht  bieten  nun 
allerdings  die  Fragen,  die  Kromayer  im  Jahr  1639  den 
Pfarrern  und  Schulmeistern  zur  schriftlichen  Beantwortung 
übersandte  i).  Wir  haben  hier  zunächst  einen  Entwurf  von 
33  Artikeln  aus  dem  Februar  dieses  Jahres;  da  diese 
Fragen  aber,  wie  ausdrücklich  bei  dem  Entwurf  bemerkt  ist, 
nicht  zur  Absendung  gelangten,  brauchen  sie  uns  hier  nicht 
näher  zu  beschäftigen.  Ein  Ausschreiben  vom  13.  Februar 
desselben  Jahres  betrifft  sodann  den  „Unterhalt  der  Prediger 
und  Schuldiener".  Alle  Pfarrer  und  „Schuldiener'-  sollen 
innerhalb  14  Tagen  schriftlichen  Bericht  über  12  Punkte 
an  das  Konsistorium  einschicken.  Von  diesen  12  Punkten 
beziehen    sich    8    auf    das   Pfarr-    und    Kircheneinkommen, 


1)  Konsislorialarchiv  zu  Gotha,  Loc.  19,  No.  19,  „Weimarische 
Visitationsaeta".  —  Vgl.  auch  Zeitschrift  für  Thür.  Geschichte  und 
Altertumskunde,  N.  F.  X,  S.  425. 


126  Die  Generalvisitation  Emsts  des  Frommen 

während  die  übrigen  von  der  Zahl  der  Einwohner,  den 
Schulen,  der  Lehre  und  den  Predigten,  den  Sünden  und 
Lastern  handeln.  Am  Schlüsse  heißt  es:  Die  übrigen 
Punkte,  „die  zu  künftiger  Visitation  gehörig,  werden  jetzo 
gespart,  auf  obige  aber  soll  alsobald  geantwortet  werden." 
Da  indessen  die  Antworten  nicht  rechtzeitig  einliefen  und 
vielfach  nicht  ausführlich  genug  gearbeitet  waren,  sandte 
Kromayer  am  2.  Juli  1639  nochmals  ein  Ausschreiben  mit 
16  Fragen  an  die  Pfarrer  und  Schulmeister,  das  innerhalb 
dreier  Tage  schriftlich  beantwortet  werden  solle.  Diese 
neuen  Fragen  betreffen  indessen  nur  das  Pfarr-  und  Kirchen- 
einkommen. Eine  Verwandtschaft  der  verschiedenen  Fragen 
mit  denen  der  Spezialvisitation  ist  von  vornherein  ausge- 
schlossen, da  sich  beide  ja  auf  ganz  verschiedene  Gegen- 
stände beziehen.  Auch  eine  Verwandtschaft  mit  der  Kur- 
fürstlichen oder  der  Kasimirianischen  Kirchenordnung  ist 
ebensowenig  wie  eine  solche  mit  den  späteren  Gothaischen 
Visitationsfragen  festzustellen. 

Einen  weiteren  Schritt  zur  Durchführung  der  Visitation 
bedeuten  sodann  die  Fragen,  die  Kromayer  am  28.  Februar 
1640  an  die  Pfarrer  der  Ämter  Ichtershausen,  Georgenthal 
und  Reinhardsbrunn  richtete  *).  Auch  dies  sind  nur  wenige 
Fragen:  3  betreffen  den  „Pfarracker",  10  die  „Special- 
Kirchen- Agenda".  Zu  diesen  Fragen  liegen  uns  auch  die 
Antworten  von  12  Pfarrern  und  2  Schulmeistern  vor;  doch 
beziehen  sich  diese  meistens  nur  auf  den  zweiten  Abschnitt. 
Auch  hier  ist  von  einem  Zusammenhang  mit  den  früher  be- 
sprochenen Fragen  nichts  zu  bemerken.  Von  Wichtigkeit 
ist  ferner  der  ebenfalls  1640  von  Kromayer  verfaßte  „un- 
vorgreifliche  Fürschlag  wegen  einer  Weimarischen  Kirchen- 


1)  Kons. -Archiv  zu  Gotha,  Loc.  29b,  No.  15.  —  Die  ge- 
nannten Ämter  gehörten  bis  zur  Landesteilung  zur  Superinten dentur 
Weimar.  Wahrscheinlich  hat  Kromayer  seine  Fragen  nicht  nur 
an  die  Pfarrer  dieser  Ämter,  sondern  an  die  der  ganzen  Super- 
intendentur  gerichtet. 


im  Herzogtum  Sachsen- Gotha  1641 — 1645.  127 

Ordnung",  der  sich  namentlich  auch  mit  der  Ordnung  des 
Schulwesens  befaßte  i).  Daß  Ernst  auf  die  Ausarbeitung 
dieser  verschiedenen  Entwürfe  und  Fragen  einen  maß- 
gebenden Einfluß  gewonnen  habe,  ist  wohl  nicht  anzu- 
nehmen. 

Leider  ist  es  uns  nicht  möglich,  ein  völlig  klares  Bild 
von  den  Bemühungen  des  Herzogs  Ernst  um  Hebung  der 
kirchlich- sittlichen  Verhältnisse  im  Land  in  der  Zeit  vor 
der  Landesteilung  zu  gewinnen;  die  Vorgeschichte  der 
Generalvisitation  und  der  aus  ihr  folgenden  Reformen  liegt 
zum  großen  Teil  im  Dunkeln.  Nur  so  viel  läßt  sich  deutlich 
erkennen,  daß  Ernst  sich  schon  vor  seiner  Thronbesteigung 
im  Verein  mit  gleichgesinnten  Ratgebern  in  verschieden- 
artiger Weise  bemüht  hat,  der  „höchst  bedrängten  und 
zerrütteten  Kirche  gründlich  zu  raten  und  zu  helfen".  Alle 
seine  Bestrebungen  hatten  in  erster  Linie  den  Zweck,  der 
sittlichen  Verkommenheit  des  Volkes  abzuhelfen ;  dieses 
Ziel  suchte  er  aber  zu  erreichen  vor  allem  durch  Belehrung 
der  Leute  über  den  Weg  zur  Seligkeit,  damit  sie,  wenn  sie 
den  Weg  wissen,  ihn  dann  auch  finden  können.  Diesem 
Ziel  soll  zunächst  die  Visitation  dienen.  Sie  ist  das 
erste  Glied  in  der  Reihe  der  Maßregeln  des  Herzogs.  Er 
sieht  in  ihr  nicht  ein  untergeordnetes  Werk,  sondern  er 
will  tatsächlich  den  ganzen  Zustand  des  Landes  er- 
forschen. Die  kleinsten  Einzelheiten  sollen  aufgedeckt, 
alle  Fehler  und  Mängel  abgestellt  werden.  Zu  diesem 
Zweck  ist  ihm  kein  Mittel  zu  schwierig  und  zu  kost- 
spielig. Er  verlangt  mehr  von  den  Visitatoren,  als  man 
sonst  zu  verlangen  pflegte,  er  erwartet  aber  auch  mehr 
von  der  Visitation. 

Diese  Bestrebungen  mußten  selbstverständlich  auf 
Widerstand    stoßen.      Der    Gegensatz    zwischen   Ernst    und 


1)  Zeitschr.  f.  Thür.  Geschichte  und  Altertumskunde,  N.  F.  X, 
S.  425. 


128  l^iö  Generalvisitation  Ernste  des  Frommen  etc. 

Kromayer  mußte  zu  Streitigkeiten  führen,  zumal  da  Kro- 
mayer  einen  großen  Einfluß  auf  Herzog  Wilhelm  ausübte 
und  da  auch  persönliche  Eifersüchteleien  zu  dem  sach- 
lichen Gegensatz  hinzutraten;  Ernst  sah  sich  in  der  Aus- 
führung seiner  Pläne  gehindert,  Wilhelm  und  Kromayer 
aber  fühlten  ihren  Einfluß  bedroht.  Alle  diese  Schwierig- 
keiten hätten  die  Reformtätigkeit  des  Herzogs  Ernst  noch 
lange  zurückhalten  und  hemmen  können,  wenn  nicht  mit 
einem  Schlag  ein  Umschwung  eingetreten  wäre:  durch  die 
Landesteilung  des  Jahres  Iß-lO. 

(Fortsetzung  folgt.) 


IV. 

Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von 
Weimar  in  Stützerbach. 

Von 

Wilhelm  Stieda. 


Die  Baulust  des  Herzogs  Ernst  August,  des  Großvaters 
von  Karl  August,  ist  bekannt.  Sie  betätigte  sich  nicht 
nur  in  einem  feinen  geläuterten  Geschmack,  wie  an  den 
Schlössern  zu  Belvedere  und  Dornburg  ersichtlich,  sondern 
stand  auch  in  Verbindung  mit  der  Freude  am  mannhaften 
Weidwerk.  Sie  bewog  ihn,  eine  Anzahl  von  Jagdgebäuden 
erbauen ,  ausbessern  und  verbessern  zu  lassen ,  z.  B.  in 
Ettersburg,  Ilmenau,  Zillbach,  Wilhelmsthal  und  veranlaßte 
ihn  auch,  kleinere  Pirsch-  und  Brunsthäuser  in  verborgener 
Waldeinsamkeit  hinzustellen  ^).  Es  lag  nahe,  diese  in  eben 
solchen  Gegenden  errichten  zu  lassen,  in  denen  der  Wild- 
bestand ein  reicher  war.  Zu  diesen  bevorzugten  Landes- 
strichen gehörte  Stützerbach  und  Umgegend.  Im  Orte 
selbst  lud  überdies  der  die  ganze  Ansiedlung  so  sehr  be- 
herrschende später  sogenannte  Schloßberg  zur  Aufrichtung 
eines  größeren  weit  hinausragenden  Gebäudes  förmlich  ein. 

Auf  eben  diesem  Berge  ließ  der  Herzog  Ernst  August 
seit  1733/34  ein  Gebäude  erbauen,  dem  freilich  nur  eine 
kurze  Dauer  beschieden  war.  Die  Bezeichnung  „Dianen- 
burg", die  ihm  in  einem  Aktenstück  vom  Jahre  1748  bei- 
gelegt  wird,    läßt    über    dessen    Zweck,    als    Jagdschloß    zu 


1)  Beaulieu-MarcoiiDay,   Ernst  August,   Herzog  von   Sachsen- 
Weimar,  1872,  S.  237. 

XXVII.  9 


130     I^3,s  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

dienen,  keinen  Zweifel.  Mit  der  ihm  in  Bausachen 
eigenen  Ungeduld  ließ  der  hohe  Herr  sich  angelegen  sein^ 
den  einmal  beschlossenen  Bau  tunlichst  zu  fördern.  Am 
20.  Mai  1735  wies  er  von  Ilmenau  aus,  wo  gleichzeitig  ein 
Schloß  erbaut  wurde,  das  später  abbrannte,  einen  Teil  der 
Forst-  und  Amtsrevenuen  zur  Deckung  der  „vorjährigen 
Bauschulden"  an  ^).  Der  vierte  Teil  der  Schulden  sollte  auf 
diese  Weise  getilgt,  die  anderen  drei  Viertel  aber  aus  den 
laufenden  für  den  Bau  ausgeworfenen  Geldern  genommen 
werden.  Diesem  Befehle  war  jedoch  der  Amtsverwalter 
nicht  nachgekommen,  denn  am  12.  August  1735  erging  vom 
Jagdhaus  München  bei  Berka  ein  neues  Reskript: 

„Nachdem  Wir  in  höchsten  Ungnaden  vernommen 
haben,  dass  diejenigen  Gelder,  die  Wir  einzig  und  allein  zu 
Bestreitung  derer  Bau  Kosten  zum  Ilmenauischen,  haupt- 
sächlich aber  zum  Stützerbacher  Bau  angewendet  wissen 
wollen,  zu  Bezahlung  derer  vorher  restirent  gewesenen  Bau 
Kosten  genommen  und  bezahlet  worden  und  dann  dieses 
schnurstracks  wieder  Unsern  Willen  und  gnädigste  Intention, 
so  wird  hiemit  angeordnet,  die  Baugelder  einzig  zu  dem 
Zweck  zu  gebrauchen  den  Stützerbacher  Bau  in  14  Tagen 
fertig  zu  stellen." 

Das  scheint  jedoch  nicht  zu  erreichen  gewesen  zu  sein. 
Vielmehr  mußte  der  Herzog  noch  einmal  den  säumigen 
Amtsverwalter  an  seine  Pflicht  erinnern.  Ein  eigenhändig 
vom  Herzog  geschriebenes  Brouillon  zu  einem  neuen  Re- 
skript, datiert  aus  Ettersburg  vom  21.  September  1735,  läßt 
unverkennbar  den  Ärger  des  hohen  Herrn  hervortreten.  Er 
schreibt : 

„Wir  haben  zu  empfindlichen  Missfallen  wahrnehmen 
müssen,  dass  das  in  Stützerbach  neu  angelegte  Gebäude  so 
gar  langweilig  von  statten  gehet  und  Wir  aber  solches  zu 
Ende  jetzt  laufenden  Monaths  Septembris  mit  Mahlerey  und 
allem  in  fertigen  Stand  gesetzet  wissen  wollen.    Als  geben 

1)  Wilhelm  Stieda,  Ilmenau  und  Stützerbach,  eine  Erinnerung 
an  die  Goethe-Zeit,  Leipzig  19Ü2,  S.  96. 


in  Stützerbach.  \^\ 

Wir  euch  hiermit  die  geschärffte  Ordre,  dass  ein  jeder  von 
euch,  soviel  ihme  nach  seiner  Function  dabey  oblieget,  das 
dazu  benöthigte  ohne  Verzug  betreibe  und  veranstalte,  auf 
den  Unterbleibungsfall  aber  gewärtig  seye,  was  Wir  vor 
Messures  dieserwegen  vorkehren  werden.  Wornach  sich  zu 
achten"  i). 

Vom  21.  September  desselben  Jahres  hat  sich  auch 
noch  ein  anderes  Schreiben  an  denselben  Amtmann  Fleisch- 
mann in  Ilmenau  erhalten,  ebenfalls  aus  Ettersburg  datiert  2). 
Es  bleibe  dahingestellt,  ob  beide  Briefe  abgesandt  wurden. 
Von  beiden  hat  sich  nur  ein  Entwurf  erhalten,  und  es 
wäre  ja  denkbar,  daß  der  eine  durch  den  anderen  ersetzt 
worden  wäre,  weil  die  erste  Niederschrift  nachher  nicht 
mehr  den  Beifall  ihres  Urhebers  fand.  Die  Tonart  ist  in 
beiden  Fällen  recht  scharf. 

„Nachdem  Wir",  so  beginnt  der  andere  Entwurf,  „das 
zu  Stützerbach  neu  angelegte  Gebäude  ohne  Verzug  zu 
Stande  gebracht  wissen  wollen  und  dahero  nöthig  seyn 
will,  dass  die  darum  befindlichen  Stöcke  ausgerottet,  die 
Löcher  wieder  zugeworfen  und  planiret  werden,  A.  B.  W. 
D.  G.  3).  Du  wollest  denen  Stützerbacher  Unterthanen  die 
geschärfte  Auflage  thun,  dass  sie  die  Stöcke  vorgeschriebener 
massen  ausrotten  und  alles  wiederum  planiren  oder  gewärtig 
seyn,  dass  auf  den  Fall  ihres  Ungehorsams  ihne  die  Wisch  ^) 
eingezogen  werden,  welches  Du  auch  nachdem  vor  einiger 
Zeit  an  Dich  ergangenen  gnädigen  Befehle  bey  der  Roda- 
ischen  Gemeinde  ohne  Anstand  zu  betreiben  hast,  damit  in 
Unterbleibung  dessen  Wir  uns  nicht  genöthigt  finden  mit 
der  Schärfe  zu  verfahren.  Datum  Ettersburg  am  21.  Septbr. 
1735." 

Möglicherweise  ist  der  zweite  Brief  als  eine  Ergänzung 


1)  Rechnungsamt  Ilmenau,  Abt.  V,  II,  No,  1;  SLieda,  a.  a.  O. 
S.  96/97. 

2)  Großherzogl.  Geh.-  und  Hauptarchiv  in  Weimar,  B.  8765,  S.  46. 
8)  Also  befehlen  wir  Dir  gnädigst. 

4)  Wiesen. 

9* 


132     Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

des  ersten  aufzufassen,  da  ja  ein  neuer  Auftrag  hinzukam, 
nämlich  die  Ausrodung  der  Baumstubben,  und  die  Dorf- 
insassen zur  Fortsetzung  der  Arbeit  streng  unter  der  An- 
drohung ihre  Wiesen  einzuziehen  angehalten  werden  sollten. 
Die  wiederholten  Mahnungen  dürften  ihre  Schuldigkeit 
getan  haben.    Es  ist  sicher,  daß  sowohl  im  Jahre  1734  als 

1735  fleißig  an  dem  Gebäude  gearbeitet  wurde.  Ob  es  nun 
aber  bis  zum  Oktober  1735  so  weit  gefördert  war,  daß  es 
den  erlauchten  Jagdherrn  mit  Bequemlichkeit  aufnehmen 
konnte,    steht  freilich  dahin.     Ein  Schreiben    vom    30.  Juli 

1736  an  den  Wildmeister  Ludwig  und  den  Amtsverwalter 
Eisfelder  läßt  es  zweifelhaft  erscheinen.  In  ihm  drückt 
nämlich  der  Herzog  den  Wunsch  aus,  die  Gebäude  in 
Ilmenau  wie  in  Stützerbach  so  schnell  gefördert  zu  sehen 
im  Bau,  daß  er  sie  Ende  August  benutzen  könnte. 

„Nachdem  Wir  wollen,  dass  der  Ilmenauer  sowohl  als 
Stützerbacher  Bau  möglichstermassen  poussiret  wird,  dass 
letzterer  zu  Ausgang  künftigen  Monaths  Augusti  in  völligen 
Stand  gesetzet  werde,  also  haben  Wir  gnädigst  resolviret 
Unsern  Major  von  Busch  zu  committiren  die  Ober  Aufsicht 
auf  gedachtem  Baue  zu  führen  und  alles  nach  Unseren 
ihme  bekannt  gemachten  gnädigsten  Intention  zu  Wercke 
zu  bringen  und  befehlen  euch  beyden  hiermit  auf  das  nach- 
drücklichste:  ihr  wollet  gedachten  Major  von  Busch  in 
allen  Vorfallenheiten  mit  Hülfe  und  That  an  Händen  gehen 
und  Besorgnis  tragen,  damit  er  sowohl  mit  dem  benöthigten 
solte  secundiret  als  auch  die  Arbeits  Leute  richtig  bezahlet 
werden,  damit  Wir  in  dessen  ünterbleibung  nicht  Ursache 
haben  mögen  euch  dieserhalb  empfindlich  zu  bestrafen. 
Weimar  d.  30.July  1736"  i). 

Der  Major  von  Busch  sollte  also  offenbar,  weil  es  mit 
dem  Bau  nicht  rasch  genug  ging,  künftig  die  Aufsicht  über 
ihn  führen.  Er  sollte  auch  —  ein  hübscher  Zug  in  dem 
Wesen  des  Fürsten  —  dafür  Sorge  tragen,  daß  die  am  Bau 


])  Großherzogl.  Geh.-  und  Hauptarchiv  in  Weimar,  B.  8765,  S.  64. 


in  Stützerbach.  133 

beteiligten  Arbeitsleute  ihren  verdienten  Lohn  richtig  be- 
kämen. Gerade  weil  es  an  den  nötigen  Mitteln  zum  Bau 
mitunter  fehlte  und  die  Baviten  zu  den  sonstigen  Staats- 
ausgaben nicht  in  richtigem  Verhältnis  stehen  mochten, 
geriet  die  Fortsetzung  der  Bauten  oft  ins  Stocken.  Nun 
wollte  der  Herzog  wenigstens  die  Arbeiter  unter  diesem 
ihm  gewiß  selbst  verdrießlichen  Umstände  nicht  leiden 
lassen. 

Das  Jagdgebäude  zu  Stützerbach  wurde  mit  einiger 
Eleganz  hergerichtet.  Was  es  überhaupt  im  ganzen  ge- 
kostet hat,  läßt  sich  nicht  mehr  ermitteln.  Allerdings  hat 
sich  eine  vom  Amtsschreiber  Gebhard  Hans  Hamp  in  Ilmenau 
geführte  Baurechnung  erhalten,  die  die  Bau-  und  Reparatur- 
kosten in  seinem  Amtsbezirk  während  des  Rechnungsjahres 
1734/35  nachweist.  Aber  die  systematisch  nach  den  be- 
teiligten Gewerbetreibenden  und  Lieferanten  aufgeführten 
Ausgaben  beziehen  sich  keineswegs  auf  die  Dianenburg  in 
Stützerbach  allein,  sondern  auf  die  verschiedenen  Jagd-, 
Pirsch-  und  Brunsthäuser  und  Vogelherde ,  die  auf  dem 
sogenannten  Wildstalle  (bei  Stützerbach),  beim  „Gückel- 
hähngen",  im  Gabelbach  usw.  errichtet  worden  waren. 
Insgesamt  waren  in  dem  erwähnten  Zeiträume  einschließ- 
lich der  Fuhrlöhne,  Tagelöhne,  Ankauf  von  Baumaterialien 
u.  dgl.  m.  2487  Fl.  2  Gr.  43/^0  Pf  für  die  der  Jagdlust 
bestimmten  Gebäude  verwandt  worden. 

An  der  Ausschmückung  des  Stützerbacher  Jagdhauses 
war  der  Stukkateur  Buzzi  beteiligt.  Er  hatte  einige  Hirsch- 
köpfe und  ein  Hirschgeweih  angefertigt  („poussirt").  Auch 
ein  Brustbild,  dessen  Gegenstand  nicht  angegeben  wird, 
war  von  ihm  geliefert  worden.  Was  für  ein  Honorar  ihm 
dafür  zuteil  wurde,  ist  leider  nicht  angegeben.  Wohl  aber 
ist  mitgeteilt,  daß  Johann  Georg  Schmidt,  der  „die  von  Gips 
gegossene  Hirschhörner  und  Formen  von  Ilmenau  nach 
Stützerbach  tragen  müssen",  für  diese  Leistung  12  Gr.  er- 
hielt. Er  hatte  sechsmal  gehen  müssen.  Am  29.  September 
1735  wurden  dann   dem  Stukkateur  Buzzi   für  „die  Grotte 


134     Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

in  Stützerbach",  über  die  nichts  weiter  bekannt  ist,  15  Fl. 

5  Gr.  ausgezahlt.  Vielleicht  steckte  in  dieser  Summe  auch 
das  Honorar  für  die  erwähnte  künstlerische  Schöpfung. 

Von  dem  Kaufmanne  Johann  Christian  Stieda  in 
Arnstadt  waren  wiederholt  Bleiweiß  und  Farben  bezogen 
worden,  die  zur  Ausmalung  der  Räume  nötig  waren.  Die 
ihm  gezahlten  Beträge  sind  mehrfach  angeführt. 

Das  gräflich  Schulenburgische  Hüttenwerk  zu  Katz- 
hütte i)  hatte  10  Öfen  geliefert  zu  IVs  ßtlr.  pro  Zentner. 
Ihm  wurde  am  27.  Juli  1735  für  39i|2  Zentner,  die  das 
Gewicht  der  Öfen  darstellten,  die  Summe  von  84  Fl.  13  Gr. 

6  Pf.  ausgezahlt.  Der  Hoftöpfer  Leonhard  Holmberger  in 
Altenburg  hatte  dazu  8  Ofenaufsätze  geliefert,  die  ihm  mit 
5  Rtlr.  das  Stück  honoriert  wurden.  Von  Johann  Lorenz 
Huber  rührten  andere  5  Aufsätze  her  auf  „die  eisernen 
Oefen  im  Jagdhauss",  für  die  ihm  12  Fl.  8  Gr.  bewilligt 
worden  waren. 

Ein  Bildhauer  Jopflf  empfing  am  13.  August  1735  4  Fl. 
dafür,  daß  er  „16  Stück  Schnürckel  (!)  ins  fürstliche  Sallet 
nachher  Stützerbach  machen  lassen".  Die  Malerei  im 
Innern  des  Gebäudes  hatte  dem  Johann  Heinrich  Straubel 
obgelegen,  der  in  41J2  Wochen  „die  beyden  Palcons  an 
denen  Pavillons  mit  Oelfarben  staffiret  und  vergüldet".  Er 
wurde  dafür  mit  einem  wöchentlichen  Lohne  von  2  Fl.  ent- 
schädigt. 

Die  übrigen  Nachweisungen  in  der  Baurechnung  be- 
treffen die  gewöhnlicheren  gröberen  Arbeiten  und  die  ge- 
lieferten Baumaterialien. 

„Vor  Brether  und  Pallisaden  zu  schneiden,  so  aufs 
Jagdhauss  in  Stützerbach  und  Wildstall  kommen"  wurden 
16  Fl.  15  Gr.  6  Pf.  eingetragen. 

16  Fl.  19  Gr.  erhielt  Johann  Michael  Greiner  (in 
Stützerbach)  „vor  Thielen,  Latten  und  Leisten  zum  Stützer- 

1)  Über  dieses  Hüttenwerk  siehe  Eduard  Kühne,  Chronik  von 
Katzhütte,  1891,  S.  65,  und  Wilhelm  Stieda,  Die  Anfänge  der 
Porzellanfabrikation  auf  dem  Thüringer  Walde,  1902,  S.  72/73. 


I 


in  Stützerbach.  135 

bacher  Jagdhausse".  In  dessen  Hause  war  es  auch,  daß 
der  Maurer  Casper  Höhn  „2  Heerde  und  CastruUe  zurechte 
machen  müssen  als  Hochfürstliche  Herrschaft  nach  Stützer- 
bach gehen  wollen".  Am  18.  Dezember  1734  erhielt  der 
Maurer  für  diese  Leistung  11  Gr.  Für  5450  Schindeln  „aufs 
fürstliche  Jagdhauss  zu  machen"  wurden  in  der  Rechnung 
11  Fl.  5  Gr.  2  Pf.  angesetzt. 

Der  Zimmermeister  Nikiaus  Köchert  empfing  „accor- 
dirter  masen  vor  sämtliche  Arbeit  an  einem  Pavillon  beym 
fürstlichen  Jagdhauss  in  Stützerbach"  77  Fl.  15  Gr.;  dem 
Steinhauer  Nikel  Geyer  aber  wurden  „vor  1571  Ciibic 
Ellen  Mauer  an  dem  Fürstlichen  Neuen  Bau  in  Stützerbach, 
imgleichen  vor  181  Felder  auszumauern"  67  Fl.  5  Pf.  aus- 
geworfen. Johann  Paul  Grimm  mußte  11  Türen  im  Stützer- 
bacher Bau  beschlagen.  Er  erhielt  dafür  am  28.  Juni 
1735  27  Fl.  9  Gr.  Johann  Kobe  wiederum  ließ  sich  „die 
sämmtliche  Tischer-Arbeit  im  fürstlichen  Jagd-Pavillon  zu 
Stützerbach"  mit  59  Fl.  9  Gr.  vergüten.  Er  war  es  dann, 
dem  der  Auftrag  im  Januar  1735  zufiel,  „2  Clafter  Tannen- 
holtz  zu  schlagen  als  welches  Holtz  zu  Einheitzung  herr- 
schaftlicher Zimmer  in  Stützerbach  verbraucht  worden". 

Teilweise  bemühte  man  sich,  sparsam  zu  sein,  indem 
anderweitig  überflüssig  gewordene  Baumaterialien  beim 
Stützerbacher  Bau  wiederum  verwandt  wurden.  Johann 
Nikolaus  Lincke  z.  B.  erhielt  5  Gr.  für  die  Mühe  „wegen 
Aussuchung  der  alten  Schloss-Fenster,  so  alsdenn  auf 
Stützerbach  verbraucht  worden". 

Auf  einen  in  der  Nähe  des  Jagdschlosses  belegenen 
Wasserbehälter  deutet  folgender  Eintrag  in  der  Amts- 
rechnung unter  dem  3.  September  1735:  „3  Fl.  8  Gr.  3  Pf. 
vor  3  Eymer  18  Maass  Bier,  so  auf  gnädigen  Befehl  des 
Herrn  Oberlandjägermeisters  von  Volgstädt  an  die  Berg- 
leuthe,  so  an  dem  Bassin  zu  Stützerbach  gearbeitet,  ver- 
abfolgt worden".  Man  könnte  an  die  Anlage  eines  Spring- 
brunnens denken,  obwohl  von  einem  solchen  keine  Rede 
ist,  oder  an  den  großen  Teich  bei  Stützerbach,  der  bei  der 


136     Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

Erbauung  der  Eisenbahn  von  Ilmenau  nach  Schleusingen 
im  Jahre  1905  zugeschüttet  worden  ist. 

In  der  Hauptsache  dürfte  nach  den  vorliegenden 
Rechnungen  der  Bau  des  Jagdgebäudes  in  den  Jahren  1734 
und  1735  vor  sich  gegangen  sein.  Wahrscheinlich  hätte 
er  schneller  erfolgen  können,  wenn  immer  die  erforderlichen 
Gelder  flüssig  gewesen  wäi'en.  Daß  man  spätestens  seit 
dem  Herbst  1734  am  Bau  beschäftigt  war,  erweist  auch 
der  Eintrag  eines  Botenlohnes  von  19  Gr.  vom  7.  Oktober 
1734  an  Johann  Christoph  Sturm  „als  welcher  einen 
Brieff  wegen  des  fürstlichen  Baues  in  Stützerbach  an  Ihro 
Excellence  den  Herrn  Oberlandjägermeister  von  Volgstädten 
nachher  Weimar  bringen  und  auf  Antwort  warten  müssen". 

Es  läßt  sich  nicht  mehr  ermitteln ,  wann  der  hohe 
Jagdherr  zum  ersten  Male  in  seinem  neuen  Schloß  erschien 
und  sich  persönlich  davon  überzeugte,  inwieweit  die  Aus- 
führung seinen  Wünschen  entsprach.  Ist  er  im  Oktober 
1734,  wie  einer  der  oben  erwähnten  Einträge  vermuten  läßt, 
wirklich  in  Stützerbach  gewesen,  so  hat  er  es  jedenfalls 
noch  in  recht  unfertigem  Zustande  gesehen.  Einige  Jahre 
gingen  nun  dahin,  in  denen  der  Herzog  sich  seines  Besitzes 
erfreute  und  hoffentlich  die  schönen  Forsten,  innerhalb  deren 
es  sich  befand,  behufs  Ausübung  des  Weidwerks  häufig 
aufgesucht  haben  dürfte.  Bald  aber  sagten  ihm  die  Räume 
nicht  mehr  zu,  und  er  entschloß  sich,  einen  neuen  Pavillon 
beim  Jagdhause  erbauen  zu  lassen.  Ein  Reskript  vom 
21.  November  1738  setzt  den  Amtsverwalter  in  Ilmenau 
davon  in  Kenntnis : 

„Nachdeme  Wir  entschlossen  im  künfFtigen  Erühjahr 
ein  neues  Pavillon  in  Stützerbach  aufbauen  zu  lassen,  alss 
wird  Unser  Amts -Verwalter  hierdurch  befehligt,  die  zu 
diesem  Bau  erforderliche  Werckstücke  und  zwar  von  weissem 
harten  und  nicht  gelbstreifigten  Steinen  bey  jetzigem  hartem 
Wetter  brechen  und  durch  die  Bau-  und  Stützerbacher 
Frohnfuhren  hinauf  führen  zu  lassen,  den  Betrag  dess 
Brecherlohns    ad    64  Rthlr.    1   Gr.    6  Pf.    von    denen   Amts 


« 


I 


in  Stützerbach.  I37 

Revenuen  zu  zahlen,  wie  er  dann  auch  die  darzu  benöthigte 
Backsteine  von  gutem  Letten  und  nicht  von  blosser  Erden 
brennen  zu  lassen ,  und  zwar  soll  alles  erforderliche  in 
Zeiten  angeschaffet  werden,  daß  dieser  Bau  im  April  ange- 
fangen und  umb  Johannis  Tag  in  fertigem  Stande  seyn 
könne.     Weimar  d.  21.  November  1738." 

Die  Absicht  zu  diesem  Neubau  muß  schon  zeitig  sich 
geltend  gemacht  haben.  Denn  am  7.  Februar  und  am 
15.  April  1738  beklagte  sich  Serenissimus  in  einem  an  den 
Oberlandjägermeister  gerichteten  Reskripte,  daß  das  zu  den 
Stützerbacher  und  Ilmenauer  Gebäuden  nötige  Holz  noch 
nicht  gefällt  sei.  Holz  sollte  doch  geschlagen  werden,  ehe 
der  Saft  in  die  Bäume  trete  ^). 

Indes  so  rasch,  wie  der  Herzog  gewünscht  hatte,  konnte 
der  Neubau  nicht  gefördert  werden.  Vielleicht  war  ein 
rauhes  Frühjahr  dem  Vorhaben  nicht  günstig.  Genug,  statt 
im  April  den  Bau  des  Pavillons  zu  beginnen,  hatte  Herr 
Landbaumeister  Gottfried  Heinrich  Krohue  sich  erst  am 
6.  Juni  1739  mit  dem  Ilmenauer  Amtsschreiber  und  den 
Handwerkern  nach  Stützerbach  begeben,  um  alle  Anord- 
nungen „nach  dem  gnädigst  approbirten  Riss"  zu  treffen; 
was  er  dort  vorfand,  erschütterte  ihn  offenbar  dermaßen, 
daß  er  erst  nach  einigen  Tagen  den  Mut  fand,  dem  Herzog 
zu  berichten.  Am  12.  Juni  1738  sandte  er  ein  längeres 
Schreiben  an  den  Herzog  ab,  in  dem  es  u.  a.  heißt:  „da  ich 
nicht  nur  die  neu  anzubauenden  Pavillons  accurat  zum 
Grundgraben  abgestecket  und  zu  den  neuen  Aufsatze  gleich- 
massige  Veranstaltungen  machen  wollen,  so  hat  sich  bey 
nochmaliger  genauen  Untersuchung  des  in  sehr  Übeln  Um- 
ständen befindlichen  Souterrains  gefunden,  dass  kein  Ge- 
wände noch  Bandmauer  mehr  in  Stande  ohne  baldige  Hülffe 
nun  das  jetzige  Gebäude  ohne  die  gröste  Gefahr  zu  tragen, 
welches  lediglich  daher  rühret,    weil  von   denen    in    diesem 


1)  Großherzogl.  Geh.-  und  Hauptarchiv  zu  Weimar,  B.  8765, 
S.  120  und  126. 


138     Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

Früh  Jahr  öffters  gewesenen  Sturmwinden  nicht  nur  das 
Souterrains  sondern  auch  sogar  das  obere  Gebäude  sehr 
zerrüttelt  und  ausser  Verbindung  gesetzet  worden  und  ohne 
die  grösste  Gefahr  auf  dieses  Gebäude  nichts  mehr  zu 
bauen  ist."  Er  veranschlagt  nun  die  Kosten  des  Neubaues 
auf  im  ganzen  2407  Rtlr.  16  Gr.,  stellt  es  jedoch  der 
gnädigsten  Disposition  anheim,  ob  die  Arbeit  vorzunehmen 
ist,  „besonders  da  der  Gebrauch  dieses  Gebäudes  vor  Ew. 
Hochfürstl.  Durchlaucht  eigenen  Hohen  Person  nicht  sicher 
herzustellen  ist". 

Trotz  dieser  nicht  erfreulichen  Sachlage  muß  es  doch 
möglich  gewesen  sein,  über  die  entgegenstehenden  Hinder- 
nisse zu  triumphieren,  denn  zwei  Rechnungen  aus  Ilmenau 
vom  3.  Oktober  1739  weisen  nach,  daß  dieses  Jahr  auf  den 
Stützerbacher  Bau  verwandt  worden  waren  427  Rtlr.  und 
9  Gr.i). 

Im  September  1739  wird  somit,  als  der  Herzog  nach 
Stützerbach  kam,  er  seine  Wünsche  erfüllt  gefunden  haben. 
Aber,  charakteristisch  für  ihn,  hegte  er,  kaum  daß  seine 
Baulust  durch  Aufrichtung  des  Pavillons  befriedigt  worden 
war,  schon  wieder  neue  Pläne.  Am  27.  September  befahl 
er  von  Stützerbach  aus  dem  Oberjägermeister  und  dem 
Amtsverwalter,  daß  das  „Hauptgebäude  zu  Ilmenau"  bis 
zum  kommenden  Frühjahr  noch  vor  seinem  Geburtstage, 
den  er  in  Ilmenau  zu  feiern  gedachte,  in  wohnhaften  Stand 
gesetzt  werden  möchte''^). 

Im  übrigen  war  der  Herzog  mit  der  Ausführung  seiner 
Vorschriften  nicht  immer  zufrieden.  Einige  Wochen  später 
beschwerte  er  sich  beim  Bauamt,  daß  bei  seinen  Bauten 
„so  gar  nicht  nach  Unserer  gnädigsten  intention  verfahren, 
sondern  alles  nach  eigenem  Gefallen  zu  Unserm  grössten 
Schaden  und  Nachteil  veranstaltet"  werde.  Was  ein  Privat- 
mann für  16  Groschen  bauen  könne,    müsse  der  Fürst  mit 

1)  Großherzogl.  Geh.-  u.  Hauptarchiv  zu  Weimar,  B.  8765, 
S.  202. 

2)  Großherzogl.  Geh.-  u.  Hauptarchiv  zu  Weimar,  B.  8856  d. 


in  Stützerbach.  139 

einem  Reichstaler  und  „noch  weit  theuerer"  bezahlen.  Bei 
alle  dem  werde  dabei  kein  einziges  Gebäude  zustande 
gebracht. 

Nur  vorübergehender  Unmut  kann  dem  hohen  Herrn 
einen  derartigen  Vorwurf  entlockt  haben.  Vielleicht  mochte 
für  ihn  zu  teuer  gebaut  worden  sein,  aber  jedenfalls  ge- 
schah schließlich  alles ,  was  er  gewünscht  oder  befohlen 
hatte,  und  die  Hauptschwierigkeit  für  die  Baubeamten  wird 
darin  gelegen  haben,  daß  den  verfügbaren  Mitteln  seine 
Pläne  vorauseilten. 

Nach  einem  Bauextrakt  aus  Weimar  vom  6.  Februar 
1740^)  waren  von  1728  bis  1740  auf  den  Bau  des  fürstlichen 
Schlosses,  auf  Jagd-  und  Lusthäuser  im  Amte  Ilmenau 
68000  Tlr.  12  Gr.  71/4  Pf.  verwandt  worden.  In  allen 
Ämtern  belief  sich  die  Ausgabe  insgesamt  auf  287  653  ßtlr. 
11  Gr.  7Yg  Pf.,  und  die  noch  zu  bezahlende  Bauschuld 
wurde  auf  16136  Rtlr.  22  Gr.  und  l^/g  Pf-  beziffert.  Das 
mag,  mit  heutigem  Maßstabe  gemessen,  ja  keinen  großen 
Aufwand  bedeuten.  Für  jene  Zeiten  und  den  damaligen 
Etat  des  Herzogtums  war  es  vermutlich  ein  großer  Betrag. 

Für  das  Stützerbacher  Jagdhaus  macht  dieselbe 
Rechnung  einen  Überschlag,  der  jedoch  die  erstmalig  auf 
den  Bau  verwandten  Gelder  schwerlich  in  sich  schließt. 
Aufs  Jagdhaus  zu  Stützerbach  wurden  ausgegeben: 

von  Michaelis  1735—1736  2924  Fl.     2  Gr. 

1736—1737  2013    „     16     „       S^/^  Pf. 
1737—1738     326    „     15    „     IOV2    ^ 
1738—1739  1084    „     13     „      8V5    „ 

Obwohl,  hiernach  zu  urteilen,  alles  geschah,  was  tun- 
lich war,  konnte  der  Herzog  mit  den  Neubauten  doch  nicht 
völlig  zufriedengestellt  werden.  Er  hatte  namentlich  in 
bezug  auf  Türen  und  Fenster  später  noch  verschiedene 
Anordnungen  erlassen,  die  bis  zum  Februar  noch  nicht  aus- 


1)  Großherzogl.   Geh.-   u.   Hauptarchiv   in   Weimar,   B.   8765, 
S.  212,  215. 


140     ^^s  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

geführt  zu  sehen,  ihn  verstimmte.  Um  so  ärgerlicher  war 
ihm  die  Unterlassung,  als  er  aus  seiner  Privatschatulle  für 
diese  Reparaturen  200  Rtlr.  ausgeworfen  hatte.  Dem  Amts- 
verwalter Hävecker  bezeugte  er  daher  unter  dem  23.  Febr. 
1741  sein  entschiedenes  Mißfallen  über  die  Nichtbeachtung 
seiner  Befehle: 

„Dem  Amtsverwalter  Hävecker  zu  Ilmenavi  ist  wissend 
was  Wir  voriges  Jahr  sowohl  vor  als  auch  nach  Unserer 
Reisse  von  Nürnberg  vor  ernstliche  Befehle  wegen  völliger 
Verfertigung  des  Jagd  Schlosses  zu  Stützerbach  ergehen 
und  zu  dessen  mehrerer  Beschleinigung  zweyhundert  Rthlr. 
aus  Unserer  Scatul  selbigen  zahlen  lassen:  Da  Wir  nun 
aber  zu  grösten  Verdruss  hören  müssen,  dass  diesen  Unsern 
nachdrücklichen  Befehlen  noch  keine  gehorsamste  Folge 
geleistet  und  was  zu  ändern  gewesen,  gefertigt  worden, 
Alss  bezeigen  Wir  Unsere  dieserhalb  geschärfte  Ungnade 
hierdurch  und  befehlen  nochmals  hiemit  ernstlich  dasjenige 
was  an  gedachten  Jagd-Schlosse  annoch  fehlet,  und  Unserer 
geäuserten  Anordnung  nach  nicht  in  fertigen  Stand  gesezet 
worden,  so  fort  und  ohne  Verzug  vollkommen  fertigen  zu 
lassen,  wiedrigenfalls  solches  in  14  Tagen  als  zu  welcher 
Zeit  Wir  daselbst  seyn  wollen,  nicht  gesehen,  Wir  die 
dazu  erforderliche  Kosten  dem  Amtsverwalter  bey  Heller 
und  Pfennigen  an  der  Besoldung  abziehen  lassen  werden. 
Wornach  sich  zu  richten.    Weimar  den  23.  Februar  1742')." 

Hoffentlich  gab  sich  der  Herzog,  nachdem  diese  Re- 
paratur erledigt  war,  zufrieden  und  erfreute  sich  für  die 
kurze  Zeit,  die  ihm  noch  auf  Erden  vergönnt  war,  seines 
hübschen  Besitzes.  In  den  Akten,  aus  denen  wir  die  vor- 
stehende Erzählung  geschöpft  haben,  ließen  sich  weitere 
herzogliche  Reskripte  nicht  finden. 

In  hohem  Grade  anziehend  wäre  es,  wenn  von  dem 
Jagdgebäude,  um  dessen  Herstellung  und  Vervollkommnung 
der  Herzog  sich  so   angelegentlich   bemühte,    ein  Bild   vor- 


1)  Großherzogl.  Geh.-  u.  Hauptarchiv  zu  Weimar,  B.  8765,  S.  307. 


in  Stützerbach.  14J^ 

handen  wäre.  Leider  hat  sich  bis  jetzt  ein  solches  nicht 
nachweisen  lassen.  Dasjenige,  welches  im  Sitzungssaale 
der  Gemeinde  Gabelbach  hängt,  beruht  auf  Phantasie  des 
Malers.  In  Stützerbach  erzählt  man,  daß  ein  dort  in  Privat- 
besitz befindlich  gewesenes  Bild  an  den  Hof  nach  Weimar 
gelangt  und  dort  verschollen  sei.  Um  so  erfreulicher  ist 
unter  diesen  Umständen,  daß  sich  im  Rechnungsamte  zu 
Ilmenau  eine  Aufzeichnung  vom  Jahre  1748  erhalten  hat, 
die  aus  der  Feder  des  Amtsschreibers  Hillardt  eine  Be- 
schreibung der  sämtlichen  Pirsch-,  Jagd-  und  Brunsthäuser 
im  Amte  Ilmenau  liefert.  Von  der  Dianenburg,  dem  Jagd- 
hause zu  Stützerbach,  weiß  er  das  Folgende  zu  bemerken: 

„Inventarium 
über    das    Fürstliche    Jagd  -  Gebäude    zu    Stützerbach ,    die 
Dianen-Burg  genant,  wie  solches  den  18.  Februar  1748  be- 
funden worden,  als 

Der  Wall,  so  um  das  Haupt-Gebäude  doppelt  herum 
gehet,  ist  in-  und  auswendig  mit  roth  angestrichenen 
Brethern  beschlagen ,  aber  alles  verfaulet  und  sehr  bau- 
fällig, und  stehen  auf  dem  Wall  herum  4  steinerne  Kugeln. 
Zwischen  denen  Wällen,  ingleichen  im  Schlosshofe,  sind 
fichtene  Hecken  angeleget,  auch  Linden  und  Eberäschen 
angepflantzet. 

Im  vorderen  Hofe  stehen  2  Haupt- Wachen ,  so  mit 
Schindeln  gedecket  und  mit  Brethern  beschlagen  und  ge- 
mahlet, vor  jeder  eine  Doppel-Thür  mit  2  paar  Bändern, 
Schloss  und  Drücker,  2  Fenster,  jedes  mit  2  Flügeln  und 
Zugehör,  in  der  Haupt- Wache  rechter  Hand  ein  eisernes 
Lang  Oefgen  mit  töpffern  Aufsatz.  Es  sind  aber  beyde 
Wachten  sehr  baufällig  und  ruiniret.  Neben  beiden  Wachten 
quer  vorm  Hoff  ein  Wall -Graben,  so  auf  beiden  Seiten  mit 
roth  angestrichenen  Brethern  beschlagen,  über  welchen 
1  höltzerne  Brücke.  Ist  aber  alles  schlecht  und  Einfall 
unterworfen. 

Auf  beyden  Seiten  dieses  Hoffes  sind  Parriers  mit 
Bohlen    beschlagen    und    roth    angestrichen ;    rechter   Hand 


142     Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

hinter  der  Parrier  1  großer  Pferde  Stall,  worinnen  Rauffea, 
Krippen,  Lattier-Bäume,  und  alles  Zugehör.  Vor  welchen 
Stall  1  Doppel-Thür  mit  Schloß  und  Bändern  versehen, 
4  Tafel-Penstergen.  Dieser  Stall  ist  inwendig  noch  ziem- 
lich gut,  in  der  Dachung  aber  baufällig.  In  diesem  Stall 
ist  1  Stübgen,  wovor  1  einfache  Thür  mit  Zugehör.  In 
der  Stube  Fenster  mit  kleinen  Tafel-Scheibgen,  1  eisernes 
lang  Oefgen  mit  töpffernem  Aufsatz.  Aus  dieser  Stube 
gehet  1  Thür  in  das  Kämmergen,  so  mit  Brethern  be- 
schlagen, woran  2  Bänder,  Schloß  und  Zubehör.  In  der 
Kammer  1  Fenster  auch  mit  4  eckigen  Täfelgen;  neben 
diesem  Stalle  unten  quer  vor  stehet  1  Schoppe  zum  Heu, 
so  mit  Schindeln  gedeckt,  aber  bereits  halb  eingefallen. 
Noch  ferne  her  stehen  die  Hunde-Zwinger,  so  auch  sehr 
ruiniret. 

Nun  folget  das  Corps  de  Logis.     Vor  dessen  Eingang 

1  steinerne  Treppe,  auf  jeder  Seite  8  Stuffen,  1  eisernes 
Geländer  und  auf  steinernen  Postamentern  4  steinerne 
Kugeln. 

Die  Haupt-Thür   in    das  Vorzimmer    oder  Vorsaal    hat 

2  Flügel  mit  Bändern,  Schloss  und  Zugehör.  In  diesem 
Vorzimmer  sind  2  grosse  Bogen-Fenster,  jedes  mit  2  Flügeln, 
weisen  Tafeln  und  allem  Zugehör.    Vor  jedem  Fenster  noch 

2  Laden,    1  Schliess-Schlössgen   nebst   2   Vorreibern;    noch 

3  ovalrunde  Fenster  über  denen  grossen  und  der  Thür,  auch 
mit  Tafeln.  Das  Zimmer  ist  ringsherum  gemahlet  und  hat 
einen  Estrich-Boden.  Aus  diesem  Zimmer  gehet  1  Thür 
ins  Tafel  -  Zimmer  mit  2  Flügeln ,  4  Kutsch  -  Bändern, 
1   Schloss  nebst  Schlüssel  und  Zugehör,   auch  2  Riegeln. 

Das  Tafel- Gemach,  darinnen  2  grosse  Bogen-Fenster, 
jedes  mit  2  Flügeln  und  Zugehör,  2  Laden  nebst  Schlössgen 
und  Vorreiber,  3  ovalrunde  Fenster,  8  Hirsch-Köpffe,  wor- 
auff  starcke  Gehörne,  1  Schenck- Tischgen,  so  gemahlet  und 
mit  vergoldteten  Leisten,  unter  diesem  Schenck- Tischgen 
befindet  sich  1  Schranck,  worvor  1  Thür  mit  2  Kutsch- 
Bändern,  Schloss  und  Schlüssel,  1  ovalrundes  Täfelgen  nebst 


! 


ia  Stützerbach.  143 

Gestelle,  1  eiserner  queer  Ofen  mit  weiss  und  grün  glassur- 
tem  Aufsatz,  Dieses  Tafel-Zimmer  ist  ringsherum  gemahlet, 
auch  der  Plavon. 

Aus  diesem  Zimmer  rechter  Hand  gehet  1  Thür  mit 
2  Flügeln,  4  Bändern,  4  Haacken,  1  Schloss  mit  Zugehör, 
auch  2  Riegeln  ins  Neben-Zimmer,  worinnen  neben  der  Thür 
lincker  Hand  1  Wand  -  Schränckgen ,  wovor  1  Thür  mit 
2  Kutsch-Bändern,  1  Klincke  nebst  Zugehör,  1  Fenster  mit 
4  Flügeln  und  Zugehör,  2  Laden  nebst  Schloss  und  Vor- 
reibern. 

Rechter  Hand  der  Thür  1  eiserner  Ofen  mit  glassurtem 
Aufsatz.  Neben  diesen  1  Thür,  so  ins  andere  Zimmer  gehet, 
woran  2  Bänder,  2  Haacken  Schloss,  Schlüssel  und  Zugehör. 
Neben  dieser  Thür  wieder  1  Wand -Schränckgen,  wovor 
1  Thür  mit  2  Kutsch-Bändern,  1  Klincke.  Das  Zimmer  ist 
ringsum  gemahlet  und  die  Decke  mit  Stuccatur- Arbeit. 

Aus  diesem  Zimmer  gehet  1  Thür  ins  hintere  Zimmer, 
woran  2  Bänder,  2  Haacken,  1  Schloss  nebst  Schlüssel  und 
Zugehör.  In  diesem  Zimmer  nun  sind  2  Bogen-Fenster, 
jedes  mit  2  Flügeln  und  Zugehör,  auch  2  gebrochenen 
Laden  mit  Zugehör,  1  Cammin  von  Stein,  so  aschfarbig 
angestrichen,  die  Decke  mit  Stuccatur-Arbeit  und  Farben 
ausgesetzt. 

Aus  diesem  Zimmer  gehet  1  Thür  ins  Schlaaf-Zimmer, 
woran  2  Bänder,  2  Haacken,  Schloss  nebst  Schlüssel  und 
Zugehör.  Neben  dieser  Thür  lincker  Hand  1  schmal 
Thürgen  zum  Abtritt,  woran  2  Bänder,  2  Haacken,  1  Schloss 
mit  dem  Riegel  und  Zugehör.    In  dem  Zimmer  befindet  sich 

1  Fenster  mit  2  Flügeln  nebst  Zugehör,  2  Laden  und  alles 
Zugehör. 

Aus  diesem  Zimmer  gehet  1  Thür  ins  Vorzimmer,  woran 

2  Bänder,  2  Haacken,  Schloss  nebst  Schlüssel  und  Zugehör. 

In    dem   Zimmer   sind    2    Wand-Schräncke,  jeder   mit 

1   Thür,    2  Bändern    und  1  Klincke,    1  eiserner  quer  Ofen 

mit  glassurtem  Aufsatz,  1  Fenster  mit  2  Flügeln  und  allem 
Zugehör,  auch  2  Laden  mit  Zugehör. 


144     I^as  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

Aus  diesem  Zimmer  gehet  1  Thür  in  Vorsaal,  woran 
2  Bänder,  2  Haacken,  Schloss,  Schlüssel  und  Zugehör. 
Dieser  Thür  gegenüber  gehet  1  dergleichen  Thür  in  das 
hintere  Zimmer,  woran  2  Bänder,  2  Haacken,  Schloss, 
Schlüssel  und  Zugehör.  Diese  Seite  ist  in  Zimmer,  Fenster, 
Thüren,  Oefen  in  allem  wie  die  rechte  Seite.  Unter  diesem 
Haupt-Gebäude  und  zwar  unter  der  steinernen  Treppe  gehet 
1  Thür  ins  Souterrain,  welche  mit  2  Flügeln,  4  Bändern, 
4  Haacken,  2  Riegeln,  1  Schloss  nebst  Schlüssel  und  Zu- 
gehör. Dieser  Thür  gegenüber  im  Souterrain  gehet  1  Thür 
in  den  Abtritt,  woran  2  Bänder,  2  Haacken,  1  Schloss  ohne 
Schlüssel.  Neben  dieser  Thür  rechter  band  gehet  1  Thür 
in  die  Hoflf-Stube,  woran  2  Bänder,  2  Haacken,  1  Schloss, 
Schlüssel,  Handhabe  und  alles  Zugehör.  In  dieser  Hoff- 
Stube  sind  2  Fenster,  jedes  mit  einem  Schieber  und  eisernen 
Stäben.  Aus  dieser  Stube  gehet  1  Thür  in  die  Kammer, 
woran  2  Bänder,  2  Haacken. 

In  der  Kammer  rechterhand  1  Fenster  mit  1  Schieber 
und  3  eisernen  Stäben,  In  dieser  Kammer  liegen  alte 
Fenster,  Thüren  und  Fenster-Läden.  Neben  dieser  Kammer 
ist  noch  1  Stube,  wovor  1  Thür  mit  2  Bändern,  2  Haacken, 
Schloss,  Schlüssel  und  Zugehör.  In  dieser  Stube  1  Fenster 
mit  1  Schieber  und  3  eisernen  Stäben.  Die  andere  oder 
lincke  Seite  des  Souterrains  ist  in  allem  wie  die  rechte. 
Vor  der  Hoff-Stube  sind  2  Fenster,  jedes  mit  1  Schieber 
und  3  eisernen  Stäben.  Der  Bavillon  übern  Stalle,  vor 
welchen  1  Auftritt  von  8  steinernen  Stuffen,  ringsum  mit 
Brethern  beschlagen,  2  steinerne  Kugeln  auf  2  dergl. 
Postamentern.  Vor  dem  Bavillon  1  Thür  mit  2  Flügeln, 
4  Haacken,  4  Bändern,  2  Riegeln,  Schloss  und  Schlüssel. 
Im  Auftritte  befindet  sich  1  Fenster  mit  2  Flügeln  nebst 
Zugehör.  Von  gedachten  Auftritt  in  dem  Bavillon  gehet 
1  Thür  auf  die  Gallerie  mit  2  Kugeln,  4  Bändern,  4  Haacken, 
Schloss,  Schlüssel  nebst  Zugehör  und  2  Riegeln.  Auf  der 
Gallerie  gehet  linckerhand  1  Thür  in  das  erste  Zimmer, 
woran    2    Bänder,     2    Haacken,    1    Drücker    Schloss   nebst 


in  Stützerbach.  j^45 

Drücker,  Schlüssel  und  Zugehör.  In  diesem  Zimmer  2  Fenster, 
jedes  mit  2  Flügeln  und  allem  Zugehör,  die  Fenster  sind 
mit  grünen  Zeug  ausgeschlagen,  1  eiserner  queer  Ofen  mit 
glassurten  Aufsatze.  Das  gantze  Zimmer  ist  mit  gedruckten 
ieinwandenen  Tappeten  ausgeschlagen. 

Aus  diesem  Zimmer  gehet  1  Glass-Thür  mit  2  Flügeln 
ins  Cabinet,  woran  4  Bänder,  4  Haacken,  2  Riegel,  Schloss 
und  Zugehör.  In  diesem  Cabinet  1  Fenster  mit  2  Flügeln 
und  Zugehör,  2  Schräncke  jeder  mit  1  Thür,  woran  2  Kutsch- 
Bänder  mit  1  Klincke.  Dieses  Cabinet  ist  auch  ringsum 
mit  Ieinwandenen  gemahlten  Tapeten  beschlagen.  Die  andern 
2  Zimmer  sind  ebenfallss  wie  die  ersten  2  beschaffen  und 
stehen  in  selbigen  wie  am  Ende  specificiret.  Diesen  letzten 
2  Zimmern  gegenüber  sind  noch  2  dergleichen  in  Thüren, 
Fenstern,  Schlössern  und  Tappeten.  Das  fordere  Zimmer  beym 
Eingang  rechter  Hand,  die  Cammerdieners  Stube  genannt,  da- 
vor 1  Thür,  woran  2  Bänder,  2  Haacken,  1  Schloss,  Schlüssel 
und  Zugehör.  lu  dieser  Stube  sind  2  Fenster  jedes  mit  2 
Flügeln  und  Zugehör,  1  eiserner  Ofen  mit  glassurtem  Aufsatze. 
Das  Zimmer  ist  mit  Ieinwandenen  Tappeten  ausgeschlagen. 

Auf  der  Gallerie  2  doppelte  Caminthüren ,  jede  mit 
2  Flügeln,  4  Bändern,  4  Haacken  und  1  Klincke,  1  Thür 
zum  Abtritte  mit  2  Flügeln,  4  Bändern,  4  Haacken,  2  Riegeln, 
Schloss  und  Schlüssel. 

Die  Treppe  in  die  Obere  Etage,  worauf  1  Fenster  mit 
2  Flügeln  und  Zugehör.  Ueber  diesem  Fenster  sind  noch 
2  Fenster,  jedes  mit  2  Flügeln  und  Zugehör.  Linckerhand 
oben  auf  der  Treppe  ist  das  Camin  zum  Einheitzen.  Neben 
diesem  die  Obere  Stube,  davor  1  Thür,  woran  2  Bänder, 
2  Haacken,  Schloss,  Schlüssel  und  Zugehör.  In  dieser  Stube 
ist  befindlich  3  Fenster,  jedes  mit  2  Flügeln  und  Zugehör, 

1  eiserner  Ofen  mit  schwartzen  töpffernem  Aufsatze,  Aus 
dieser  Stube  gehet  1  Thür  in  die  Kammer,  davor  2  Bänder, 

2  Haacken,  Schloss,  Schlüssel  und  Zugehör.  In  der  Kammer 
1   Fenster   mit  2  Flügeln  und  Zugehör. 

Unter  diesem  Bavillon  befindet  sich   der  Pferdte-Stall, 
wovor  1   alte  Thür  mit  2  Flügeln,  2  Bändern,    2  Haacken. 
XXVII.  10 


146      I^äs  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

Im  Stalle  befinden  sich  12  Pferdte-Stände  mit  Rauifen, 
Krippen  und  allem  Zugehör,  6  kleine  Tenstergen,  jedes  mit 
1  Schieber  und  4  eisernen  Stäben.  Aus  diesem  Stalle  gehet 
1  Thür  in  die  Stall-Stube,  wovor  2  Bänder,  2  Haacken, 
Drücker-Schloss,  Drücker  und  Schlüssel.  In  der  Stube  1 
eiserner  Ofen  mit  1  alten  töpffernen  Aufsatz,  2  Fenster, 
jedes  mit  1   Schieber  und  vor  einem  3  eiserne  Stäbe. 

Aus  dieser  Stube  gehet  1  Thür  ins  Cabinet,  so  mit 
Brethern  verschlagen,  woran  2  Bänder,  2  Haacken  und 
altem  unbrauchbaren  Schloss.  Im  Cabinet  2  Eenster,  jedes 
mit  einem  Schieber,  noch  1  Thür  aus  der  Stube  aufs  Privet, 
daran  2  Bänder,  2  Haacken,  1  Drücker-Schloss,  1  Fenster 
mit  1   Schieber. 

Nun  folget  der  Bavillon  über  der  Küche.  Dieser 
Bavillon  ist  in  der  mitlern  und  obern  Etage  accurat  wie 
der  Bavillon  überm  Stalle  gebauet,  sowohl  an  Thüren, 
Penstern  und  Öfen,  nur  sind  auf  denen  Öfen  keine  glassur- 
ten  sondern  schwartze  töpfferne  Aufsätze,  auch  sind  keine 
Zimmer  mit  Tappeten  ausgeschlagen ,  auch  keine  Glass- 
Thüren  und  Wand-Schräncke  in  selbigen. 

Unter  diesem  Bavillon  befindet  sich  die  Küche,  wor- 
innen  4  Thüren  vor  4  Apartements  und  6  Penstergen,  jedes 
mit  1  Schieber  und  3  eisern  Stäben. 

In  sämtlichen  Gebäuden  befinden  sich  folgende  Meubles. 

12  gemahlte  Spiel-Tischgen, 

10  beschlagene  schwartze  Lehn-Stühle, 

3  Peld-Stühlgen, 

3  Peld-Tische  mit  Wachstuch  überzogen, 

4  Glatte  Tische, 

3  Schranck-Betten  mit  Zugehör, 

23  Holländische  Stühle  mit  braunledernen  Küssen, 

6  dergleichen  Taboretts, 

10  alte  höltzerne  Lehn-Stühle, 

1  Laterne, 

1  Carbiner, 

2  Pistolen, 


in  Stützerbach.  147 

6  Stück  Feuer-Eymer, 

6  Stück  Hand-Spritzen, 

4  halbovale  Tischgen. 

Johann  Georg  Hillardt." 

Weiter  unten  ist  diesem  Schriftstück  von  anderer  Hand 
hinzugefügt  eine  „Specification  derer  Sachen,  welche  noch 
unterm  dato  12ten  Martii  1748  auf  der  Dianenburg  zu 
Stitzerbach  befunden,  alss  (es  folgt  nun  dasselbe  Ver- 
zeichnis wie  oben,  das  außerdem  noch  folgende  Gegenstände 
nachweist,  nämlich) : 

I  Oval-Tisch  im  Sali, 
4  Spiegel, 

II  Cardinen  von  rothstriefigter  Leinewand, 
6  Span-Betten, 

8  unbrauchbare  Stroh-Säcke. 

Eine  ganze  Kammer  voll  unbrauchbarer  Laden  und 
Thüren." 

Nach  dieser  Beschreibung  hätte  man  sich  ein  ein- 
stöckiges Gebäude,  wahrscheinlich  von  erheblicher  Längen- 
ausdehnung,  vorzustellen,  das  einen  Vorsaal,  einen  Eßsaal, 
zwei  Wohnzimmer  und  ein  Schlafzimmer  mit  Vorzimmer, 
im  ganzen  6  Räume  enthielt.  Rechts  und  links  vom  Haupt- 
gebäude befanden  sich  die  beiden  Pavillons,  der  eine  über 
dem  Stall  und  der  andere  über  der  Küche.  Sie  werden  zur 
Aufnahme  etwaiger  Gäste,  der  Jagdbegleitung  und  der 
Dienerschaft  bestimmt  gewesen  sein.  Die  innere  Ausstattung 
zeigt  namentlich  den  Speisesaal  durch  Bildhauerarbeit  deko- 
riert, die  Decken  zum  Teil  mit  Stukkaturarbeit  geschmückt. 
An  Möbeln  war  aber,  wenn  das  im  Jahre  1748  aufge- 
nommene Inventar  nicht  vielleicht  nur  einen  Rest  der 
einstigen  Einrichtung  wiedergibt ,  die  Ausstattung  be- 
scheiden. Einige  Lehnstühle,  holländische  Stühle  mit  Leder- 
kissen, einige  Schrank-  und  Spanbetten ,  einfache  Tische 
und  Spieltische,  Gardinen  von  Leinwand  vervollständigen 
die  für  einen  Fürsten  sicher  nicht  luxuriöse  Einrichtung. 

Bei  den  Akten  befindet  sich  außerdem  ein  Nachweis 
des  Zinngeschirrs,   das  im  November  1749  von  dem  Amts- 

10* 


148       Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  vou  Weimar 

Schreiber  Hillardt  auf  Befehl  der  Obervormundschafts- 
kammer abgeliefert  werden  mußte.  Es  ist  nicht  gesagt,  daß 
dieses  Zinn  lediglich  aus  dem  Jagdgebäude  von  Stützerbach 
stammte,  aber  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  daß  es  sich 
um  dessen  Geschirr  gehandelt  hat.  Das  Schloß  zu  Stützer- 
bach wurde  ja  niedergelegt,  während  die  anderen  Schlösser 
und  Gebäude  stehen  blieben.  Also  ist  es  nicht  anzunehmen, 
daß  man  die  letzteren,  auf  deren  weitere  Benutzung  man 
gefaßt  sein  mußte,  ihrer  Einrichtung  beraubt  haben  wird. 
Das  bemerkenswerte  Verzeichnis  läßt  doch  auch  nicht  mehr 
als  das  Notwendige,  keinenfalls  Luxus,  in  den  für  die  Tafel- 
freuden bestimmten  Geschirren  zutage  treten. 

„Specification 
des  alhiesigen  Fürstlichen  Zinnes,  so  wie  solches  laut  meines 
Inventarii  zeithero  bestanden  und  von  Stück  zu  Stück   auf 
hochfürstl.  Obervormundschafftl.  Ober  Cammer  Befehl  hiermit 
überlieffert  worden,  alss: 

2  ovale  grosse  Schüsseln, 

12  grosse  und  2  etwas  kleinere  dito, 

4  Potage  Schüsseln, 
7  Assietten, 

2  getriebene  Tarrains  mit  dergl.  Glocken  und  zuge- 
hörigen Unterschaalen, 

2  glatte  grosse  Suppen-Schaalen  mit  Glocken  und  zu- 
gehörigen Unterschaalen, 

5  eintzelne  getriebene  Suppen-Schaalen, 

6  Saliers, 

1  getriebener  und 
4  glatte  Leuchter, 

2  messingene  Leuchter 

2  Tafel-Leuchter,  jeder  mit  4  Armen, 

41I2  Dutzend  zinnerne  Teller,   worunter  etliche  Stücke, 

so  Stücke  herausgeschmoltzen, 
2  grosse  zinnerne  Thee-Kessel, 
4  Thee-Kängens, 
2  Milch-Kängen, 
1  grosser  zinnerner  Schwenck-Kessel, 


in  Stützerbach.  149 

2  getriebene  Lavoirs  mit  dergleichen  Giess-Kannen, 

2  Mittelschüsseln  mit  A.  J.  bezeichnet. 

Ilmenau  d.  19.  Novbr.   1749.  - 

Johann  Christoph  Rost. 

Dass  von  alhiesigen  Fürstl.  Amtschreiber  Herrn  Johann 
Georg  Hillardten  der  Lieferungs-Schein  von  dem  alhier  befind- 
lichen Zinne,  so  zu  meinem  mir  gnädigst  anvertrauten  Inven- 
tario  gehörigen,  verabfolget  worden,  wird  hiermit  attestiret. 

Ilmenau  d.  5.  Dezember  1749. 

Johann  Christoph  Rost  i)." 

Die  Beschreibung  der  Dianenburg  durch  den  Amts- 
schreiber Hillardt  läßt  die  Baufälligkeit  des  Gebäudes  er- 
kennen. Wiederholt  spricht  er  von  verfaulten  Brettern, 
baufälliger  Bedachung.  Immerhin  lassen  diese  Wendungen 
nicht  den  Eindruck  hervortreten,  daß  es  sich  um  ein  dem 
Untergange  rettungslos  geweihtes  Gebäude  handelt.  Um 
so  auffälliger  wirkt  der  nur  ein  Jahr  später  —  am  28.  Juni 
1749  —  vom  herzoglichen  Landbaumeister  Gottfried  Heinrich 
Krohne,  der  zur  Besichtigung  der  herrschaftlichen  Häuser 
in  Ilmenau  und  Stützerbach  von  der  Obervormundschafts- 
regierung abgeordnet  war,  erstattete  Bericht.  In  diesem 
heißt  es:  „Zu  Stützerbach  sind  die  fürstlichen  Jagdgebäude 
dergestalt  runiret  und  verfaulet,  dass  keine  dauerhaffte  Re- 
paratur mehr  anzubringen.  Die  vielen  Fenster  Thüren 
Öfen  und  Fussböden,  auch  übriges  Holtz  und  Brether 
Werck  wäre  noch  anderswo  mit  mehrern  Nutzen  zu  ge- 
brauchen." Daraufhin  wurde  von  der  Obervormundschafts- 
kammer beschlossen,  den  Bau  niederzulegen,  und  der  Dominus 
Tutor  in  Obervormundschaft  seines  unmündigen  Vetters,  des 
Erbprinzen  Ernst  August  Konstantin  zu  Weimar,  genehmigte 
am  2.  August  den  Antrag.  Fünf  Tage  darauf  hatte  die 
herzogliche  Obervormundschafts-  und  Landes-Administration- 
Kommission  die  Kammer  angewiesen,  dementsprechend  vor- 
zugehen. Damit  war  das  Schicksal  des  Hauses,  das  seinem 
Erbauer  offenbar  viel  Vergnügen    bereitet    hatte,    besiegelt. 


1)  Großherzogl.  Geh.-  u.  Hauptarchiv  zu  Weimar,  B.  8857. 


150      J^as  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von  Weimar 

Heute  erinnert  nur  noch  eine  Akte  betreffend  „die 
Demolirung  des  fürstlichen  Jagdgebäudes  zu  Stützerbach" 
im  Großherzoglichen  Geh.-  und  Hauptarchiv  zu  Weimar  i) 
an  das  einstige  stattliche  Gebäude.  Sie  weist  nach,  was 
seit  dem  22.  September  bis  zum  3.  Oktober  1749  von  der 
Dianenburg  verkauft,  an  andere  Orte  für  herrschaftliche 
Zwecke  gebracht  oder  noch  am  Orte  selbst  vorhanden  war. 
Verschiedene  Privatpersonen  beeilten  sich,  von  der  wohlfeilen 
Einkaufsgelegenheit  Gebrauch  zu  machen.  Johann  Gundlach 
von  der  Franzenshütte  erstand  36  Stück  teils  zerrissene, 
teils  noch  ganze  Bohlen  für  2  Rtlr.  und  die  eine  Haupt- 
wache zum  Eingange  linker  Hand  für  8  Rtlr.  Die  andere 
Hauptwache  rechter  Hand  erstand  Heinrich  Jahn  für 
10  Rtlr.  Für  ein  altes  Spanbett  bezahlte  Friedrich  Wiegand 
8  Gr.  und  2  Gr.  für  „3  Stückgen  alte  gemahlte  Brether". 
Ebensoviel  gab  Michel  Kobe  für  eine  alte  halbe  Tür  ohne 
Beschläge.  Zwei  hölzerne  Lehnstühle  erwarb  Friedrich 
Wiegand  für  4  Gr.  Die  alten  Dachschindeln  fanden  zum 
Preise  von  je  6,  7  und  8  Gr.  pro  Hundert  verschiedene 
Liebhaber. 

Der  Erlös  aus  den  verkauften  Materialien  bezifferte 
sich  im  ganzen  auf  79  Rtlr.  22  Gr.  11  Pf.  Dagegen  be- 
liefen sich  die  für  die  Demolierungsarbeiten  den  Zimmer- 
leuten, Maurern,  Schreinern  usw.  entrichteten  Tagelöhne 
auf  64  Rtlr.  1  Gr.  3  Pf.,  so  daß  sich  ein  Reinertrag  von 
15  Rtlr.  21  Gr.  8  Pf.  ergab.  Aber  alles,  was  für  das 
Jagdgebäude  einstmals  geliefert  worden  war,  hatte  sich 
seither  nicht  bezahlen  lassen.  So  waren  noch  Beträge  von 
insgesamt  42  Rtlrn.  16  Gr.  1  Pf.  zu  berichtigen,  für  welche 
zunächst  nicht  mehr  als  die  15  Rtlr.  21  Gr.  8  Pf.  vor- 
handen waren.  Demnach  schloß  die  Niederlegung  zuletzt 
mit  einem  Defizit  in  der  Höhe  von  26  Rtlrn.  18  Gr.  5  Pf. 

Manches  von  dem,  was  einst  das  Jagdhaus  geschmückt 
hatte,  wurde  als  an  anderer  Stelle  noch  verwendbar  erachtet. 
Einiges    ging    nach    Kammerberg,    anderes    nach    Hmenau. 


1)  Großherzogl.  Geh.-  u.  Hauptarchiv  zu  Weimar,  B.  8869  a. 


in  Stützerbach.  151 

„519  Schu  gehauene  Steinplatten"  wurden  zur  Reparatur  an 
die  herrschaftliche  Schenke  nach  Kammerberg  abgegeben. 
Ebenso  gelangten  dahin  „75  Schu  gehauener  Steinstufen  und 

4  Stück  Ofen-Füssgen",  eine  verdoppelte  Tür  mit  Schloß  und 
Beschlägen,  3  Türen  mit  eingefaßten  Füllungen  samt  den 
Beschlägen,  1  Tür  mit  Schloß  und  Beschlägen,  1  Tür  mit 
2  Flügeln,  auch  Schloß  und  Beschlägen.  Fenster  und  Tür- 
futterstücke kamen  teils  nach  Kammerberg,  teils  nach  Ilmenau. 
Nach  dem  letzteren  wurden  gebracht  Bretter,  „4  grosse  Tafeln, 
8  Stück  Termes  (!)  nebst  8  Hirschköpfen  mit  Geweihen, 
2  Stück   gemalte  Brether,    worauf  Landschaften  gemahlet", 

5  Stück  einfache  Türen  mit  Beschlägen,  aber  ohne  Schloß 
und  4  Türen  mit  Schloß  und  Beschlägen. 

Mit  die  wertvollsten  Stücke  waren  die  Öfen.  Über 
ihren  Verbleib  gibt  ein  Blatt  in  dem  erwähnten  Inventar 
aus  dem  Rechnungsamte  Ilmenau  Auskunft. 

„Specificatio  derer  eisernen  Oefen,  welche  auf  Hochfürstl. 
Obervormundschafts-Cammer  gnädigsten  Befehl  aufm  Schlosse 
zu  Stützerbach  ingleichen  ausm  Wildstaller  Brunst  -  Hause 
abgenommen  und  nachher  Weimar  geliefert  werden  müssen : 

1.  Ausm  Küch-Pavillon ,  welcher  sehr  baufällig,  ein 
eiserner  Lang-Ofen  mit  dergleichen  Aufsatze.  Darzu  ge- 
hören 11  Stücke  Blatten  und  G  Schrauben. 

2.  ein  dergleichen  Lang-Oefgen,  worauf  ein  eiserner 
Bogen  -  Aufsatz  und  hat  21  Stücke  nebst  einer  kleinen 
blechernen  Zug-Röhre. 

3.  und  4.  zwey  eiserne  Queer-Oefgen,  worauff  töpfferne 
Aufsätze  gewesen  und  hat  jeder  9  Stück  Blatten  und  eine 
blecherne  Zug-Röhre. 

5.  ein  dergleichen  Queer-Ofen,  hat  ebenfalls  9  Stücke. 

6.  ein  eiserner  Lang-Ofen  ohne  Halss,  worauff  auch  ein 
töpfferner  Aufsatz  gewesen  und  hat  5  Stücke. 

7.  ein  dergleichen  Lang-Ofen  mit  dem  Halss,  worauff 
auch  ein  töpfferner  Aufsatz  gewesen,  und  hat  9  Stücke. 

8.  Ferner  aus  der  Stall  -  Stube  unterm  Pavillon  ein 
eiserner  Lang-Ofen  mit  dem  Halse  worauf  gleichfals  ein 
töpferner  Aufsatz  gewesen  und  hat  9  Stücke. 


152  I^^s  JagdscKloß  des  Herzogs  Ernst  August  etc. 

9.  Aus  der  Stall-Stube  am  grossen  Stalle  ein  eiserner 
Lang-Ofen  mit  dem  Halse  und  hat  9  Stücke,  worauf  auch 
ein  töpferner  Aufsatz  gewesen. 

10.  Aus  der  Hauptwache  rechter  Hand  ein  langer 
eiserner   Wind- Ofen  mit  5  Stücken  und  einer  Wind-Röhre. 

11.  Ausm  Wildstaller  Prunsthause  ein  eiserner  Lang- 
Ofen  mit  dem  Halse,  worauf  ein  töpfferner  Aufsatz  gewesen, 
hat  9  Stücke. 

Hmenau  den  13.  Novbr.   1748. 

Johann  Georg  Hillardt. 

Nota :  eines  jeden  Ofens  Numer  stehet  auf  jeden  darza 
gehörigen  Stücken  mit  Rodel  geschrieben.  Die  Ofen-Füsse, 
so  meistens  von  Sand-Stein,  können  auf  Verlangen  auch  nach- 
geschicket  werden. 

Vorstehende  11  eiserne  Öfen  sind  geliefert  worden 
und  an  folgende  Orte  gekommen  nehmlich: 

3  Stück  ins  Grosse  Schloss  bey  die  Gothaische  Com- 
mission, 

2  Stück  in  der  Durchl.  Prinzessin  Ernestinen  Zimmer, 

1  ins  Justiz- Amt, 

1  ins  rothe  Schloss  auf  des  Bereiters  Intras  Stube, 

2  in  die  ehemaligen  Forst-Amts  Zimmer, 

2,  so  an  Herrn  Kammermaister  Hainisch  verkaufft 
worden  sind,  welches  hiermit  attestiere." 

Es  wäre  nicht  ohne  Interesse,  zu  ermitteln,  was  von 
diesen  Gegenständen  sich  bis  heute  noch  an  der  Stelle,  für 
die  sie  ursprünglich  nicht  bestimmt  waren,  erhalten  hat. 
In  Stützerbach  ist  alle  Erinnerung  an  das  Gebäude  fast 
geschwunden.  Nur  dem  Eingeweihten  verraten  einige  Er- 
höhungen über  der  Oberfläche,  vielleicht  die  früheren  Wall- 
anlagen, den  Platz,  wo  mutmaßlich  das  Haus  sich  erhoben 
hat.  Im  übrigen  aber  gilt  von  dem  Jagdhause  zu  Stützer- 
bach dasselbe,  was  A.  Kopisch  einst  von  Aquileja  ge- 
sungen hat:  daß  man  nichts  als  die  Stätte  und  nicht  die 
Stätte  fand! 


V. 

Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Von 

Wilhelm  Stieda. 


1.  Die  Gründung  und  Entwickelung  der  Hütte. 

Bis  zum  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  war  auf  dem 
Thüringer  Walde  eine  ganze  Reihe  Glashütten  allmählich  in 
Gang  gekommen.  Von  den  mutmaßlich  ältesten  unterhalb 
Judenbach  am  Glasbach,  auf  der  Wiefelsburg  bei  Steinach, 
am  Hüttengrund  im  Schleusinger  Forst,  an  der  langen 
Silbacher  Wand  und  an  anderen  Orten  mehr  weiß  man  nicht 
viel  mehr  als  daß  sie  einst  bestanden  und  vermutlich  wegen 
Mangel  an  Brennholz  eingehen  mußten  i).  Historisch  besser 
beglaubigt  sind  die  Glashütten  im  Zillbachgrunde,  an  der 
Winckelmühle  in  der  Torgauer  Heide,  in  Langenbacb,  einem 
Seitentale  des  Schleusegrundes,  in  Fehrenbach  und  Lauscha, 
die  dem  15.  und  16.  Jahrhundert  entstammen.  Sie  haben, 
mit  Ausnahme  der  beiden  letztgenannten,  ebenso  wie  die 
im  17.  Jahrhundert  in  Grumbach  und  Tambach  in  Betrieb 
gesetzten,  bald  ihre  Tätigkeit  wieder  einzustellen  sich  be- 
wogen gefühlt.  Außer  den  Hütten  zu  Lauscha  und  Fehren- 
bach haben  sich  auch  spätere,  dem  17.  und  18.  Jahrhundert 
entstammende  Hütten,  wie  die  zu  Piesau,  zu  Schmalenbuche, 
zu  Gehlberg,  zu  Altenfeld,  zu  Stützerbach  und  zu  Allzunah, 
lebensfähiger  erwiesen.  Sie  bestehen  zum  Teil  bis  auf  den 
heutigen  Tag. 

Den  Bedarf  der  Bewohner  des  Thüringer  Waldes  an 
Hohl-  und  Tafelglas  hätten  diese  Etablissements   sicher   zu 

1)  A.  Freysoldt,  Die  fränkischen  Wälder  im  16.  und  17.  Jahr- 
hundert, 1904,  S.  150;  Ernst  Koch,  Die  ehemalige  Glashütte  zu 
Langenbach,  1908,  passim. 


154  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

decken  vermocht.  Sie  hatten  sogar  immer  über  den  ein- 
heimischen Bedarf  hinaus  erzeugt  und  einen  mehr  oder 
weniger  flotten  Handel  in  andere  deutsche  Länder,  selbst 
ins  Ausland,  namentlich  nach  Holland  einzuleiten  gewußt. 
In  den  Gewinnen,  die  hierbei  erzielt  wurden,  ist  vermutlich 
der  Grund  zu  suchen,  daß  das  18.  Jahrhundert  eine  ganze 
Reihe  neuer  Gründungen  brachte.  Die  Landwirtschaft  hat 
in  Thüringen  niemals  viele  zu  ernähren  vermocht.  Wenn 
es  auch  in  älterer  Zeit  vorgekommen  sein  mag,  daß  ge- 
legentlich mehr  Frucht  gebaut  worden  ist,  als  man  brauchte, 
und  auf  der  Werra  über  Bremen  nach  Spanien  und  Portugal 
Getreide  ausgeführt  wurde,  wenn  an  den  Ufern  der  Saale 
der  Weinstock  gedeiht  und  in  der  Ebene  von  Erfurt,  wo 
einst  blühende  Waidkulturen  bestanden,  heute  ein  intensiver 
Gartenbau  getrieben  wird,  —  im  ganzen  laden  doch  weder 
Klima  noch  Bodenbeschaffenheit,  von  einigen  bevorzugten 
Gegenden  abgesehen,  zu  eifriger  Feldarbeit  ein. 

Dafür  aber  bot  der  Wald,  der  schöne  ausgedehnte 
Forst,  den  man  sich  keineswegs  als  undurchdringlichen  Ur- 
wald, unwegsam  und  verlassen  vorzustellen  hat,  für  einen 
ansehnlichen  Teil  der  Bevölkerung  eine  schier  unerschöpf- 
liche Quelle  von  Möglichkeiten,  den  Lebensunterhalt  zu  ge- 
winnen. Von  jeher  war  dieser  Wald  nicht  nur  der  beste 
Freund,  nein  auch  der  Schützer  und  Ernährer  der  armen, 
schwer  um  ihr  Dasein  kämpfenden  Menschen  i).  Nicht  nur, 
daß  man  in  ihm  das  nötige  Feuerungsmaterial  schlug  und 
das  Holz  zum  Bau  von  Häusern  erhielt,  daß  er  auf  seinen 
Wiesen  und  Triften  dem  Vieh  im  Sommer  eine  kräftige 
Weide  und  ausreichendes  Futter  für  den  Winter  verab- 
folgte —  so  setzte  er  viele  fleißige  Hände  in  eifrige  Be- 
wegung, die  seine  natürlichen  Reichtümer  auszubeuten  und 
klingendes  Geld  für  sie  einzutauschen  verstanden. 

Im  Walde  verdiente  der  Handarbeiter  seinen  Tagelohn. 
In  seinen  Gründen  fanden  die  Laboranten,  Balsamträger  und 

1)  Vgl.  Kius,  Das  Forstwesen  in  Thüringen  im  16.  Jahrhundert ; 
H.  Heß,  Der  Thüringer  Wald  in  alten  Zeiten,  1898;  A.  Freysoldt, 
Die  Fränkischen  Wälder  im  IG.  u.  17.  Jahrhundert,  1901. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhunderc.  155 

Olitätenliändler  jene  heilbringenden  Kräuter  und  Gewächse, 
die  sie  zu  Pillen,  Wundwässern,  Balsamen  u.  dgl.  m.  ver- 
arbeiteten, mit  denen  sie  armen  Leidenden  zu  Hilfe  kamen. 
Erd-  und  Himbeeren,  Pi'eisel-  und  Schwarzbeeren  in  ihm  zu 
sammeln,  ist  auch  heute  nicht  aus  der  Mode  gekommen. 

Mehr  als  andere  brauchte  den  Wald  der  Köhler.  In 
einer  Zeit,  die  Steinkohlen  noch  wenig  kannte,  war  der 
Bedarf  an  Holzkohlen  seitens  der  Waffen-,  Huf-,  JSTagel- 
und  Hammerschmiede,  der  Kupfer-  und  Eisenhütten  ein  ge- 
waltiger. Während  heute  die  Köhlerei  als  ein  harter,  müh- 
seliger Beruf  erscheint,  der  in  Wind  und  Wetter,  am  Tage 
und  in  der  Nacht  unausgesetzte  Aufmerksamkeit  erfordert, 
drängten  sich  früher  die  Leute  zu  dieser  Tätigkeit  so  sehr, 
daß  man  sich  im  Jahre  1548  genötigt  sah,  die  Holzmengen, 
die  ihrem  Zwecke  dienten,  an  vorgeschriebenen  Orten  fest 
zu  bestimmen. 

Ansehnliche  Gegenstände  des  Handels  waren  Pech, 
Kienöl  und  Kienruß,  die  von  den  sogen.  Harzern  oder  Pech- 
leuten aus  dem  Harze  des  Nadelwaldes  gewonnen  wurden. 
An  Pottaschesiedereien  fehlte  es  ebenfalls  nicht.  Auf  sie 
rechneten  die  zahlreichen  Glashütten ,  die  den  Sand  des 
Waldes  und  sein  Holz  zum  Feuern  nicht  entbehren  konnten. 
Dazu  kamen  die  Schneidemühlen,  die  große  Holzmengen  ver- 
arbeiteten. Man  fand  sie  nicht  nur  an  den  größeren  Gebirgs- 
wässern,  die  noch  heute  deren  Räder  treiben,  sondern  auch 
in  den  entlegenen  Tälern,  die  von  damals  wasserreichen 
Bächen  durchzogen  waren.  Man  mußte  ihnen  im  Laufe  der 
Jahre  Einhalt  tun,  weil  die  Waldverwüstung,  die  sie  ver- 
schuldeten, zu  arg  wurde.  Noch  im  Jahre  1812  waren  128 
vorhanden  ^). 

Hand  in  Hand  mit  ihnen  gingen  alle  jene  Handwerker, 
die  auf  Holz  angewiesen  waren,  als  Schindler,  Büttner, 
Felgen-  und  Muldenhauer,  Wagner,  Sieb-,  Korb-,  Kammacher, 
Löffler,  Drechsler,  Schnitzer.  Bereits  seit  dem  14.  Jahr- 
hundert   pflegten    nachweislich    deren    Erzeugnisse    auf   den 

1)  von  Hoff  und  Jacob,  Der  Thüringer  Wald,  besonders  für 
Reisende,  1807,  II,  S.  487. 


156  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Markt  zu  Erfurt  zu  gelangen.  In  den  noch  heute  mit  ihren 
Holzwaren  herumziehenden  Hausierern  aus  dem  Altenburger 
Holzlande  haben  wir  die  Reste  jener  einst  blühenden  G-ewerbe. 

Mit  dem  Walde  im  Zusammenhange  stand  der  Berg- 
bau. Galt  die  mühevolle  Arbeit  nicht  dem  edlen  Golde,  das 
übrigens  stellenweise  im  Sande  der  Flüsse  sich  ebenfalls 
fand,  so  war  an  Eisen-,  Stahl-  und  Kupferhämmern,  an  Blau- 
und  Erischfeuern,  an  Hochöfen  und  Drahtwerken  kein  Mangel, 
Auf  diesen  Stoffen  beruhte  die  weitverzweigte  mannigfaltige 
Metallindustrie ,  vornehmlich  in  Suhl  und  Schmalkalden. 
Allen  diesen  Tätigkeiten  diente  der  Fuhrmann,  der  in  Abfuhr 
des  Überflusses  und  Zufuhr  des  Notwendigen  eine  ungleich 
wichtigere  Rolle    in  der  Volkswirtschaft    als   heute    spielte. 

Fehlte  es  auf  diese  Weise  einem  gewerbefleißigen  und 
tätigen  Völkchen  an  Gelegenheit  zur  Beschäftigung  nicht, 
so  mochte  doch  fünf  Jahrzehnte  nach  dem  30-jährigen  Kriege 
bei  der  nun  wieder  stärker  sich  vermehrenden  Bevölkerung 
mitunter  ein  Mangel  eintreten.  Das  18.  Jahrhundert,  be- 
sonders seine  zweite  Hälfte  ist  die  Zeit,  in  der  überall  fast 
wegen  der  Nahrungs-  und  Erwerbslosigkeit  geklagt  wird. 
Eben  jener  Periode  gehören  vielfache  Projekte  und  Kom- 
missionen an,  die  sich  bemühen,  Stadt  und  Land  wirtschaft- 
lich zu  heben.  Daß  die  Waldbesitzer  darauf  bedacht  waren, 
ihren  Holzbestand  besser  zu  verwerten  und  darum  die 
Begründung  von  Glashütten  begünstigten,  mag  für  die  erste 
Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  vielleicht  gelten.  Später  schaffte 
die  aufkommende  Flößerei  auf  den  Waldströmen,  der  Gera, 
Hm,  Schwarza,  Saale,  Werra,  Haslach,  Kronach  und  Rodach 
viel  Geld  ins  Land,  und  als  im  letzten  Drittel  des  Jahr- 
hunderts die  Porzellanfabriken  aufkamen,  gebrach  es  bald 
an  vielen  Orten  am  erforderlichen  Brennholze.  Die  Glas- 
hütten des  18.  Jahrhunderts  sind  mit  vereinzelten  Aus- 
nahmen Gründungen  kleiner  Leute  oder  wohlhabender  Kapi- 
talisten, aber  jedenfalls  solcher  Personen,  die  sich  um  Privi- 
legien zur  Beschaff'ung  des  Brennmaterials  bemühen  müssen. 

So  ist  es,  glaube  ich,  mehr  der  Wunsch,  der  wachsenden 
Bevölkerung  den  Unterhalt  zu    bieten,    der   in    den  Jahren 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  157 

1707  — 1745  nicht  weniger  als  10  Glashütten  an  ver- 
schiedenen Orten  des  Thüringerwaldes  entstehen  läßt.  Ja 
bei  zweien,  den  Hütten  zu  Manebach  und  Ilmenau,  ist  aus- 
gesprochen der  Wunsch  maßgebend  gewesen,  vorhandene 
Steinkohlenlager  ausnutzen  zu  können. 

An  dem  Aufkommen  der  Glasindustrie  war  das  Herzog- 
tum Sachsen-Weimar  ebenfalls  beteiligt.  In  Stützerbach  war 
um  1656,  in  Allzunah,  anderthalb  Wegestunden  davon,  um 
1691  eine  Glashütte  eröffnet  worden.  Zu  ihnen  gesellte  sich 
seit  dem  Jahre  1735  eine  neue  Hütte  in  Ilmenau.  Da  die 
Stützerbacher  Glashütte  sich  ganz  gut  anließ,  wird  dem 
Herzog  Ernst  August  die  Begründung  einer  zweiten  Anstalt 
in  Ilmenau  nahe  genug  gelegen  haben.  So  berief  er  den 
Glasmachergesellen  Martin  Müller  im  Jahre  1731  zur  Leitung 
der  neu  anzulegenden  Hütte  in  Ilmenau  i). 

„Von  Gottes  Gnaden  Wir  Ernst  August  Hertzog  zu 
Sachsen,  Jülich,  Cleve  und  Berg,  auch  Engern  und  West- 
phalen  uhrkunden  und  bekennen  hierdurch,  dass  wir  den 
bissherigen  Glassmachergesellen  zu  Stützerbach ,  Martin 
Müllern,  in  Ansehung  seiner  guten  Geschicklichkeit  zu 
unsern  Glasmeister  bey  der  jetzt  anzurichtenden  Glass-Fabric 
zu  Ilmenau  in  Gnaden  ernennet  (worüber  ihme  nechstens 
die  Instruction  zugefertiget  und  er  darüber  verpflichtet 
werden  soll),  auch  ihme  hiernechst  zu  seinem  jährlichen 
Gehalte  200  Rthlr.  an  Gelde  nebst  dem  freyen  Logis  vom 
1.  September  curr.  anni  ausgesetzet.  Gleichwie  wir  nun 
der  richtigen  Abgabe  halber  ohnverzüglich  Verfügung  thun 
werden,  also  haben  wir  dieses  Bestallungs-Decret  auszu- 
fertigen befohlen  und  solches  unter  unserer  eigenhändigen 
Unterschriflft  und  vorgedruckten  fürstlichen  Insiegel  dem- 
selben wissentlich  zustellen  lassen.  Datum  Weimar  den 
8.  Septembr.  1731.« 

So  lautete  das  Dekret,  das  den  Glasmachergesellen  zum 
wahrscheinlich    viel    beneideten  Glasmeister  in   bevorzugter 

1)  Nach  Akten  im  Großherzoglichen  Geheimen  und  Haupt- 
archiv zu  Weimar,  ß  6447,  6451,  6466,  8856  c. 


158  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Stellung  berief,  und  offenbar  noch  in  demselben  Jahre  ist 
der  Betrieb  begonnen  worden.  Denn  schon  im  folgenden 
Jahre  wurde  vom  Herzog  ein  Bericht  eingefordert,  den  der 
Glashüttenfaktor  Burgkhard  auch  getreulichst  abgestattet 
hat.  Leider  ist  er,  einem  Bericht  des  Amtsschreibers 
Eisfeld  in  Ilmenau  vom  16.  Januar  1733  angeschlossen, 
nicht  auf  uns  gekommen.  Wie  es  den  Anschein  hat,  war 
der  Herzog  mit  den  Ergebnissen  nicht  zufrieden,  und  ver- 
mutlich von  der  Überzeugung  durchdrungen ,  daß  zur 
Förderung  des  Werkes  Betriebsmittel  gehörten,  wies  er  von 
seinem  Lustschloß  Belvedere  die  Kammer  an  i),  dem  Ober- 
jägermeister von  Volgstedt  200  Rtlr.  zum  Behufe  der  Glas- 
hütte in  Ilmenau  zu  zahlen.  Offenbar  handelte  es  sich  um 
den  Ankauf  von  Holz  aus  den  fürstlichen  Forsten.  Sogleich 
hatte  er  auch  für  seinen  Glasmeister,  dessen  Geschicklich- 
keit ja  schon  im  Dekret  gerühmt  wurde,  ansprechende  Auf- 
gaben. Er  ließ  ihn  im  Januar  1735  schleunigst  nach  Weimar 
kommen,  um  über  die  Anfertigung  von  Kronleuchtern  („Cronen- 
Leuchter"),  zu  denen  die  Zeichnungen  bereits  in  seinen 
Händen  waren,  sich  zu  besprechen. 

Jedenfalls  war  die  Hütte  im  Betrieb.  Über  die  Er- 
gebnisse der  Kampagne  vom  18.  Februar  bis  zum  15.  Juni 
1737  liegt  eine  Rechnungsablage  vor,  die  Einnahmen  von 
1759  Rtlr.  10  Gr.  und  1  Pf  nachweist  2).  Leider  war 
gleichzeitig  die  Ausgabe  nicht  unbeträchtlich,  im  ganzen 
1743  Rtlr.  18  Gr.,  so  daß  ein  Reinertrag  von  nicht  mehr 
als  15  Rtlr.  18  Gr.  und  1  Pf  sich  ergab  3).  Dabei  war 
die  Besoldung  des  Rechnungsführers  und  des  Glasmalers 
noch  gar  nicht  in  der  Ausgabenrechnung  mitenthalten.  Doch 
war  Aussicht  auf  eine  freundlichere  Gestaltung  der  Zu- 
kunft ,  da  man  von  vornherein  einen  hohen  Grad  der 
Geschicklichkeit  erreicht  hatte.  Die  Mannigfaltigkeit  der 
Gläser,  sowohl  der  Hohlgläser  als  des  Tafelglases,  die  man 

1)  Am  4.  Septbr.  1734. 

2)  Großh.  Archiv  Weimar,  B.  6447,  S.  15. 

3)  Anlage  1. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  159 

herstellen  konnte,  ist  nicht  gering.  Auch  die  nächste  Rech- 
nung, die  sich  über  die  Zeit  vom  Michaelis  1736  bis  eben- 
dahin 1737  erstreckt,  zeigt  noch  kein  erfreuliches  Ergebnis. 
Denn  der  gesamten  Einnahme  von  3574  Tlr.  17  Gr.  1  Pf. 
standen  Ausgaben  in  der  Höhe  von  3503  Tlr.  und  1  Gr. 
gegenüber.  Somit  war  der  Reinertrag  noch  nicht  größer 
als  71  Rtlr.   16  Gr.  1  Pf.i). 

Die  Anlage  läßt  die  Verschiedenartigkeit  der  Produk- 
tion in  jener  Zeit  erkennen.  Wie  bemerkenswert  sie  sein 
mochte,  bei  einer  Hütte,  die  noch  nicht  lange  im  Betriebe 
war,  so  genügte  sie  doch  dem  herzoglichen  Ehrgeize  durch- 
aus nicht.  Bald  darauf  berief  er,  im  August  1738,  den 
Glasmacher  Johann  Gottlieb  Crahmer  aus  Böhmen,  der  im 
Rufe  stand,  in  der  Fabrikation  von  Spiegelglas  vorzüglich 
bewandert  zu  sein  und  besonders  die  Zusammensetzung  des 
„englischen  Glassatzes"  zu  beherrschen.  Er  sollte  mit  „mög- 
lichsten Fleisse"  die  Spiegelfabrikation  einführen.  „Seine 
einzige  Sorge"  sollte  sein,  „diese  Fabrique  immer  je  mehr 
und  mehr  in  besseres  Aufnehmen  zu  bringen"  ^).  Es  ist 
zwar  in  diesem  Vertrage  der  Ort,  an  dem  die  Spiegel- 
fabrikation vor  sich  gehen  sollte,  nicht  genannt.  Aber  man 
kann  doch  kaum  etwas  anderes  annehmen,  als  daß  die  Her- 
stellung von  Spiegelglas  als  ein  besonderer  Zweig  an  das 
bestehende  Etablissement  angeschlossen  werden  sollte.  Kurz 
vorher  ^)  hatte  der  Herzog  seinen  Berghauptmann  v.  Imhoff 
beauftragt,  ihm  „einen  habilen  Mann"  zu  verschreiben,  der 
die  Anlage  einer  Glashütte  mit  dem  Brande  von  Steinkohlen 
verstehe,  die  bei  Ilmenau  —  er  meinte  wohl  die  Kohlen- 
werke von  Kammerberg  —  „in  ziemlicher  Qualität  gewonnen" 
würden.  Einige  Jahre  später  schickt  er  den  Amtsschreiber 
Tromler  nach  Voßfeld  zu  dem  dortigen  Pfarrer,  dessen 
Namen  nicht  genannt  wird,  der  aber  in  der  Optik  sehr  er- 
fahren   sei    und    bei    dem    Rat   Tschirnhausen    in   Dresden 


1)  Anlage  1. 

2)  Stieda,  Anfänge  der  Porzellan fabrikation,  S.  19. 

3)  Am  22.  Septbr.  1736. 


160  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

gelernt  hätte  ^).  Augenscheinlich  sollte  von  diesem  sach- 
und  fachkundigen  Manne  irgendeine  Auskunft  zur  Ver- 
besserung des  herzustellenden  Glases  eingezogen  werden. 

Der  Fachmann,  der  den  Steinkohlenbetrieb  kannte, 
wurde  zunächst  nicht  gefunden,  und  am  Ausgange  des 
Jahres  1737  mußte  die  Hütte  eine  Zeit  lang  stillstehen. 
Zu  Beginn  des  neuen  Jahres  1738  liegt  eine  Eingabe  des 
Tafelglasraachers  Michael  Heintze  vor,  ihm  das  versprochene 
Wartegeld  von  einem  Taler  wöchentlich,  sofern  die  Glas- 
hütte stillstehe,  auszahlen  lassen  zu  wollen.  Auch  ein 
verdienter  Lohn  in  der  Höhe  von  30  Thalern  wäre  ihm 
noch  nicht  geworden. 

Aber  die  bösen  Zeiten  gingen  vorüber,  und  am  5.  Juli 
1738  traf  ein  herzoglicher  Befehl  beim  Oberjägermeister 
von  Volgstedt  ein,  die  Glashütte  in  Ilmenau  wieder  in 
Gang  bringen  zu  lassen.  Von  dem  zu  diesem  Zweck  ge- 
schlagenen Holz  sollten  80 — 100  Klafter  zur  Flöße  gefahren 
und  an  die  Glashütte  gebracht  werden. 

Kurz  vorher  hatte  der  stellvertretende  Amtsverwalter 
Wirsing  in  Hmenau  ein  sehr  ungnädiges  Reskript  bekommen, 
dahin  lautend,  daß  die  Glashütte  ordentlich  in  Betrieb  kommen 
sollte  und  den  Glasarbeitern  der  verdiente  Lohn  verabfolgt 
werden  möge.  Vermutlich  waren  dem  erwähnten  Gesuche 
Heintzes  andere  gefolgt.  Er,  Wirsing,  werde  sich  wahr- 
scheinlich seinen  Lohn  „ordentlich  nehmen",  dann  sollte  es 
aber  mit  den  Arbeitern  ebenso  gehalten  werden.  Der  Herzog 
wollte  aus  seiner  Schatulle  im  verflossenen  und  im  laufen- 
den Jahre  8000  Tlr.  zum  Besten  Ilmenaus  hergegeben 
haben.  Wozu  daneben  die  Amtseinkünfte  verwandt  worden 
wären,  konnte  er  sich  nicht  erklären.  „Und  ich  werde  gewiss", 
schloß  der  Befehl,  „ein  anderes  Procedere  machen,  woferne 
einigen  Unterschleif  hinterkommen  sollte,  dahero  selbiger 
besser  thut,  er  entdecke  es  freywillig  und  weil  es  noch  Zeit 
ist,  damit  nicht  am  Ende  das  Zuchthauss  erfolgen  müsse." 

1)  Bericht  Tromlers  vom  10.  Mai  1744,  B.  8447,  S.  98—102, 
Anlage  5. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  \Ql 

So  schlimm,  wie  der  Herzog  vermutete,  lag  indes  die 
Sache  keineswegs.  Wirsing  war  mit  Eecht  sehr  gekränkt 
über  die  „geringe  Confidence",  die  der  Herzog  ihm  schenke. 
Er  fühlte  sich  in  seinem  Gewissen  vollkommen  frei  und 
erbot  sich  sofort,  sowohl  eine  Kaution  zu  stellen  als  auch 
seine  Rechnungen  von  dem  ßentamte  in  Ilmenau  prüfen 
zu  lassen.  Daß  die  Glashütte  bis  jetzt  keinen  Reingewinn 
abgeworfen  habe,  erklärte  er  aus  den  Schulden,  die  er  bei 
seinem  Amtsantritt  vorgefunden  hatte  und  die  er  hatte  ab- 
tragen müssen,  um  deren  Kredit  zu  erhalten. 

Zugleich  bereitete  Wirsing  alles  zum  Beginn  der  Arbeit 
vor.  Das  Holz  war  angefahren,  die  nötigen  Glashäfen 
standen  zur  Aufnahme  der  Masse  bereit  und  alle  Veran- 
staltungen, den  neuen  Glasofen  zu  setzen,  waren  gemacht. 
Nur  die  Beschaffung  der  Glasmacher  stieß  auf  Schwierig- 
keiten. Denn  alle  Hütten  in  der  nächsten  Umgebung  von 
Stützerbach  hatten  zu  arbeiten  begonnen  und  die  verfüg- 
baren Kräfte  an  sich  gezogen.  Die  fürstliche  Arbeitsstätte 
mochte  um  so  williger  von  ihnen  aufgegeben  worden  sein, 
als  in  der  letzten  Zeit  die  Ruhepause  lange  gedauert  haben 
mochte. 

Wirsing  stellte  jetzt  einen  Ueberschlag  für  die  dem- 
nächst erforderlichen  Betriebskosten  auf: 

30  Ethh-.  vor  Potasche 

2  „       12  Gr.  vor  Gipss 

4  „       vor  Besoldung  dem  Glasmeister  Müller 

3  „       dem  Glassmeister  Greiner 

5  „       dem  Tafelraacher  Heinzen 

4  „       denen  2  Vorbläseren 

2       „       20  Gr.  denen  2  Rhürern 

2       „       12  Gr.  denen  2  Knopff-  und  Bodenmachern 

1       „       lö  Gr.  denen  3  Eintragjungen 

1       „        vom  Sandwaschen  und  Glasseinbinden 
—       „12  Gr.  vor  Schmiedekosten 
57  Rthlr.  Summa  ^). 


1)  „Specificatio  des  baaren  Verlags,  so  bey  alhiesiger  hochfürst- 
lichen Glasshütte  allwöchentlich  unumgänglich  erfordert  wird", 
Ilmenau  den  24.  July  1738.  Geh.  Haupt-  u.  Staatsarchiv  in  Weimar 
B.  6447,  S.  40. 

XXVII.  11 


162  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Diese  57  Rtlr.  wöchentlich  anweisen  zu  wollen,  wurde 
der  Herzog  ersucht.  Da  oiFenbar  hierbei  neue  Schwierig- 
keiten vorauszusehen  waren,  erbat  Wirsing  die  Zustimmung, 
Hohlglas  anfertigen  zu  dürfen.  In  diesem  Falle  würde  er 
von  einigen  Kaufleuten  Vorschüsse  auf  die  zu  liefernden 
Gläser  in  der  Höhe  von  einigen  100  Rtlr.  erwirken  können. 
„So  werde  dann  das  Werck  Ew.  Hochfürstlichen  Durchlaucht 
hohen  Intention    gemäss    mit  Avantage    getrieben  werden." 

Des  Herzogs  Sinn  aber  war  auf  Höheres  gerichtet, 
Trinkgläser  waren  von  jeher  in  den  thüringischen  Glas- 
hütten angefertigt.  Der  Herzog  wollte  jetzt  die  Spiegel- 
fabrikation einführen.  Außerdem  war  sein  Augenmerk  auf 
die  Schonung  seiner  Wälder  gerichtet.  Daher  bestand  die 
zweite  Neuerung,  auf  die  er  es  abgesehen  hatte,  in  der  Ver- 
wendung von  Steinkohlen.  Demgemäß  ließ  er  sich  von 
Johann  Christoph  Glasser  aus  Bischofsgrün  i)  am  20.  Januar 
1739  einen  Bericht  über  die  Durchführbarkeit  seiner  Pläne 
erstatten.  Sehr  ermunternd  fiel  dieser  gerade  nicht  aus 
Glasser  hatte  auf  einer  Spiegelhütte  im  Sultzbachischen  ^) 
mit  den  dortigen  Arbeitern  Rücksprache  genommen  und 
diese  hatten  anerkannt,  daß  die  Steinkohlen  eine  weit 
größere  Hitze  gäben  als  Holz,  allein  zur  Herstellung  eines 
feinen  weißen  Glases  taugten  sie  nicht.  Die  Flamme  sei 
schweflicht  und  das  Verbrennen  erzeuge  viel  Staub  und 
Asche,  wodurch  das  Glas  „gelb,  schwartz,  finster  und  un- 
gestalt"  werde.  Nicht  einmal  gewöhnliches  grünes  Glas 
lasse  sich  mit  Steinkohlenfeuer  gewinnen,  wie  er  sich  in 
Saarbrücken    und   in    Lück^),     wo    fürstliche    Hütten    mit 

1)  Über  die  Glasfabrikation  in  Bischofsgrün  vergl.  Alb.  Schmidt, 
Die  Geschichte  der  Glas-  und  Perlenfabrikation  im  Fichtelgebirge, 
Bayreuth  1900,  S.  10  ffg. 

2)  Welches  Sulzbach  gemeint  ist,  ließ  sich  nicht  ermitteln, 

3)  Von  einer  Glashütte  in  Friedrichstal,  in  Nassau-Saarbrücken, 
berichtet  Goethe,  Wahrheit  und  Dichtung,  Cottasche  Ausgabe  von 
1809,  Bd.  XXII,  2.  Teil,  10.  Buch,  S.  105.  Einen  Ort  Lück  vermag 
ich  nicht  nachzuweisen.  Lyck  in  Ostpreußen  wird  wohl  schwerlich 
gemeint  sein. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert,  163 

Steinkohlenfeuer  in  Betrieb  wären,  überzeugt  hätte.  Auch 
in  London  erzeuge  mau  feines  Glas  nur  mit  Holzfeuer  und 
in  Holland  sei  kürzlich  ein  Versuch,  eine  Spiegelglashütte 
mit  Steinkohlen  zu  feuern,  mißglückt. 

Was  die  Herstellung  von  Spiegelglas  anbelangt,  so  war 
nach  der  Ansicht  des  Gutachtenden  „es  rathsamer,  wenn  nur 
die  2  mittleren  Häfen  zu  den  Ausgüssen  genommen  würden 
und  die  anderen  4  Haffen  herausgearbeitet,  das  sie  geblasen 
würden,  es  käme  ein  größerer  Nutzen  heraus,  indem  man 
Spiegel  blaasen  und  machen  kann,  dass  sie  uf  36,  38,  auch 
wohl  uff  40  Zoll  hoch  kommen".  Das  dabei  erforderliche 
Personal  bezifferte  er  auf  7,  „die  giessen  und  blaasen", 
ferner  1  Strecker,  1  Tafelschneider,  1  Kompositionsbereiter, 
2  Schürer  und  2  Holzträger.  Für  die  Schleif-  und  Polier- 
arbeiten aber  seien  14  Schleifer,  6  Polierer,  1  „Beleger,  der 
das  Folio  trauff  macht",  und  1  Zieraten-Schleifer  nötig. 
Zur  Herstellung  der  baulichen  Vorrichtungen  sowie  zu 
dem  Ankauf  der  metallenen  Platten  und  der  Schleife  seien 
5000  Rtlr.  erforderlich.  An  Holz  werde  die  Spiegelhütte 
wöchentlich  25  Klafter  brauchen.  Das  Flößholz  tauge  dazu 
nicht  und  daher  müsse  die  Spiegelhütte  im  „wilden  Wald" 
erbaut  werden  ^). 

Der  Herzog  ließ  sich  durch  diese  kostspielige  Auf- 
stellung des  Bedarfs  keineswegs  entmutigen.  Wenn  auch 
zunächst  auf  die  Verwendung  von  Steinkohlen  verzichtet 
worden  zu  sein  scheint,  an  der  Idee,  Tafel-  und  Spiegelglas 
anzufertigen,  hielt  der  hohe  Herr  mit  Hartnäckigkeit  fest. 
Im  September  1739  schickte  er  einen  Sachverständigen 
nach  Steuerwald  2),  um  die  dortige  Glasfabrik  zu  besichtigen 


1)  Bericht  Joh.  Christoph  Glassers  aus  ßischofsgrün  v.  20.  Jan. 
1739.  Ueber  die  Geschichte  der  Spiegelfabrikation  vergl.  Bruno 
Schönlank,  Die  Fürther  Quecksilber-Spiegelbelegen  und  ihre  Arbeiter, 
1888,  S.  1—64;  v.  Karmarsch,  Geschichte  der  Technologie,  1872, 
S.  540. 

2)  Ein  Dorf  dieses  Namens  findet  sich  in  der  Provinz  Hannover, 
unweit  HUdesheim;  von  einer  Glashütte  daselbst  ist  nichts  bekannt. 

11* 


164  Ei'ic  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

und  über  „Flammiscbe  Scheiben"  nähere  Erkundigungen 
einzuziehen.  Aus  Groß-Almerode  in  Hessen  ließ  er  feuer- 
festen Ton  zur  Herstellung  der  Glashäfen  anfahren,  in 
denen  die  Glasmasse  geschmolzen  wurde.  Aus  Eisfeld  be- 
zog er  Gips,  aus  Weimar  Salpeter  und  in  Kulmbach  leitete 
er  Verhandlungen  ein,  um  von  dort  regelmäßig  Pottasche 
beziehen  zu  können.  Vermutlich  lieferten  die  Pottasche- 
siedereien  im  Bezirk  Ilmenau  keine  ausreichende  Menge,  da 
auch  noch  andere  Glashütten  zu  versorgen  waren  und  außer- 
dem die  Seifensieder  auf  sie  Anspruch  erhoben. 

Für  alle  diese  Materialien  und  zur  Bestreitung  sonstiger 
Unkosten  hatte  die  fürstliche  Kasse  vom  13.  Oktober  1739 
bis  zum  26.  März  1740  1666  Rtlr.  und  16  Groschen  her- 
gegeben. Es  war  auch  gelungen,  in  dieser  Zeit  2604  Scheiben 
anzufertigen.  Nach  einer  späteren  Aufstellung  waren  bis 
zum  Anfang  August  1740  1919  Tlr.  8  Gr.  IOV2  d.  ver- 
ausgabt worden,  wogegen  die  2604  Scheiben,  zum  Preise 
von  18  Groschen  das  Stück,  einen  Wert  von  1953  Rtlrn. 
repräsentierten.  Die  Produktion  hätte  noch  umfangreicher 
ausfallen  können,  wenn  die  Arbeiter  von  vornherein  genügend 
erfahren  gewesen  wären  und  keine  so  strenge  Kälte  ge- 
herrscht hätte. 

An  Stelle  von  Wirsing,  der  nur  vorübergehend  den 
Posten  eines  Verwalters  bekleidet  zu  haben  scheint,  trat 
der  Amtsverwalter  Hävecker  in  Hmenau.  Die  eigentlich 
fachmännische  Inspektion  über  die  Hütte  wurde  seit  dem 
Mai  1740  in  die  Hände  des  Glasmeisters  Beyer  gelegt. 
Zwei  Kocher,  die  den  „englischen  Glassatz  zu  mischen  ver- 
standen", wurden  gesucht.  Der  Glasmeister  Müller  sollte 
die  Masse  verarbeiten  und  dafür  Sorge  getragen  werden, 
daß  die  Hütte  vor  „unnützem  Besuch  fremder  Personen" 
bewahrt  bleibe.  Wahrscheinlich  fürchtete  man,  daß  die 
Mischung  des  neuen  Spiegelsatzes  von  unberufenen  Augen 
erforscht  werden  könnte. 

Trotz  aller  dieser  verständigen  Anordnungen  gelang 
es    nicht,    die    Hütte    zu    der    Blüte    zu    bringen,    die    dem 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  165 

Herzog  vorschwebte.  Obwohl  mit  der  Berufung  des  Glas- 
faktors Wenzel  von  der  Glashütte  zu  Frauenwald  i)  ein  sehr 
glücklicher  Griff  geschehen  war,  wollte  die  Entwickelung 
keinen  gedeihlichen  Fortgang  nehmen.  Am  10.  Juni  1741 
forderte  ein  fürstlicher  Befehl,  aus  Ilmenau  datiert,  den 
Geheimrat  von  Volgstedt  auf,  in  eine  Untersuchung  darüber 
einzutreten,  warum  „Wir  durch  die  hiesige  Glashütte  in  so 
großen  Schaden  gesetzet  seien  und  woher  der  üble  Fort- 
gang der  Fabrique  rühre".  Es  war  wohl  die  Folge  des 
darauf  eintreffenden  Berichts,  der  sich  nicht  erhalten  zu 
haben  scheint,  daß  Ende  Oktober  1741  empfohlen  wurde, 
die  herrschaftliche  Glashütte  fortan  ausschließlich  mit  Holz 
zu  betreiben.  Dem  Berginspektor  Tromler  wurde  die  In- 
spektion und  dem  Faktor  Wenzel  die  Ueberwachung  eines 
Neubaues  übertragen.  Wenzel  sollte  den  Glasofen  „nach 
der  englischen  Fa9on  in  die  Rundung  anlegen,  daß  acht 
Häfen,  nemlich  2  ganz  allein  vor  uns,  4  zu  Tafelglas  und 
2  zu  currenten  Sorten  eingesetzet  und  daraus  gearbeitet 
werden  kann,  doch  noch  ä  parte  Platz  gelassen  werde, 
damit  ein  kleiner  Ofen  auf  Spiegelglass  angeleget  werden 
könne". 

Demnach  trat  die  auf  die  Herstellung  von  Spiegelglas 
gerichtete  Absicht  etwas  zurück  und  es  sollte  neben  der 
Anfertigung  von  Tafelglas  auch  „currenteste  Waare",  d.  h. 
wohl  Trinkgläser,  nicht  vernachlässigt  werden.  Die  Masse 
der  2  Häfen  „ganz  allein  vor  uns"  mochte  dann  vielleicht 
zur  Fortsetzung  der  Experimente  dienen.  Unter  dem  neuen 
Regime  stellte  sich  nun  die  finanzielle  Gebahrung  folgender- 
maßen: Von  Michaelis  1741  bis  zum  10.  März  1742  waren 
vereinahmt  worden  512  Rtlr.  17  Gr.  10  d. 
und  verausgabt  229  „  18  „  4  „ 
Demnach  ergab  sich  ein  Ueberschuß  von  282  Rtlr. 
23   Gr.    6   d.     Indes    gingen    von    dieser   Summe   noch   für 


1)  Es  wird  die  Glashütte  von  Allzunah   nahe   bei  Frauenwald 
zu  verstehen  sein. 


166  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Löhne  ab,  die  erst  teilweise  bezahlt  worden  waren,  280  E,thlr. 
20  Gr.  8Y2  <ä.,  so  daß  auf  diese  Weise  ein  ganz  geringer 
Ueberschuß  von  2  Rtlrn.  und  einigen  Groschen  und  Pfennigen 
nachblieb. 

Scheinbar  war  dieser  Abschluß  nicht  so  ungünstig,  in- 
dem ein  nicht  unerheblicher,  auf  822  Rtlr.  und  11  Groschen 
bewerteter  Vorrat  an  fertigem  Glas  vorhanden  war.  Dieser 
setzte  sich  aus  folgenden  Stücken  zusammen: 

„an  verschiedenen  Sorten  Hohlglass,  so  in  der 
Glasskammer  noch  lieget  und  noch  nicht  ein- 
gepackt ist 295  Rthlr. 

an  5  Küsten  Glass,  so  gepacket  und  zum  Verkauff 

fertig  stehen 354       „      11  Gr. 

an  theils  geschnittenem,  theils  ungeschnittenem 
Tafelglass  excl.  desjenigen  Tafelglasses,  so  zu 
denen  Fenstern  in's  Ilmenauer  Hauptgebäude 
geschnitten  worden 124       „ 

an  309  Stück  Tafeln       30       „ 

an  800  eckigten  Scheiben 14       „ 

an  400  runden  Scheiben,  so  aus  denen  von  voriger 
Hitze  gefertigten  Flammischen  Scheiben  ge- 
schnitten worden 5  Rthlr." 

Aber  undurchsichtig,  wie  die  Rechnung  war,  kamen 
nun  noch  Schulden  in  der  Höhe  von  413  Rtlrn.  8  Gr. 
und  4  d.  zum  Vorschein,  so  daß  als  Reingewinn  nur 
409  Rtlr.  2  Gr.  und  8  d.  sich  ergaben.  Und  auch  dieser 
Reingewinn  verflüchtigte  sich  bei  näherem  Zusehen,  denn 
davon  mußte  noch  das  Holz  bezahlt  werden,  in  welchem 
Betrage,  ist  wohlweislich  nicht  angegeben. 

Dieses  Ergebnis  war  schwerlich  dasjenige^  das  der 
Herzog  erwartet  hatte.  Daher  kann  man  nicht  erstaunt 
sein,  daß  der  Glasmeister  Wenzel  am  18.  April  1742  darum 
nachsuchte,  den  Ofen  für  4 — 5  Wochen  auslöschen  zu 
dürfen.  An  Tafelglas  und  sonstigen  „currenten  Sorten"  sei 
ein  großer  Vorrat,  den  man  zuvor  zu  Gelde  zu  machen  an- 
streben müßte,  ehe  man  weiter  arbeite.  Hartes  Holz  sei 
nicht  mehr  vorhanden,  die  Rohstoffe  müßte  man  auf  Borg 
nehmen  und  die  Arbeitslöhne  beliefen  sich  auf  28  Rtlr. 
die  Woche.  Unter  diesen  Umständen  war  gewiß  der  Vor- 
schlag, zeitweilig  eine  Pause  im  Betrieb  eintreten  zu  lassen, 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  167 

ganz  angebracht.  Allein  in  Weimar  ging  man  darauf  nicht 
ein.  Denn  4  Wochen  später  meldet  Tromler  i),  daß  der 
ganze  Einsatz  zu  dem  englischen  Glas,  der  auf  15  Rtlr. 
zu  stehen  gekommen  wäre,  aufgearbeitet  sei.  50  Stück 
extrafeine  Gläser  habe  man  aus  ihm  hergestellt.  Also  war 
doch  wohl  weitergearbeitet  worden. 

Wie  sich  der  Aufwand  in  der  Glashütte  herausstellte 
und  wie  hoch  man  ungefähr  den  Reinertrag  anschlagen 
könne,  berechnete  Wenzel  im  Jahre  1744.  Danach  belief 
sich  die  Ausgabe  wöchentlich  auf  134  Rtlr.  gegen  57,  die 
im  Jahre  1738  als  erforderlich  angesehen  worden  waren. 
Den  Reinertrag  aber  schätzte  er  aus  dem  verkauften  Tafel- 
glase, den  Scheiben  und  dem  Hohlglase  auf  150  Rtlr.,  so 
daß  man  also  ca.  16  Rtlr.  Reingewinn  wöchentlich  erhalten 
haben  würde.  Hierbei  war  Voraussetzung,  daß  der  Absatz 
beständig  vor  sich  ging ;  wenn  er  einmal  stockte,  war  aller 
Gewinn  dahin. 

Ob  man  nachträglich  auf  Wenzels  Vorschlag  einging 
oder  sich  im  Laufe  des  Jahres  1743  die  Notwendigkeit  er- 
gab, den  Ofen  ausgehen  zu  lassen,  entzieht  sich  unserer 
Kenntnis.  Erst  im  Juli  1744  wird  wieder  mitgeteilt,  daß 
die  herrschaftliche  Glashütte  in  Ilmenau  seit  drei  Wochen 
im  Betriebe  sei.  Es  ließ  sich  jetzt  auf  ihr  alles  Glas  an- 
fertigen, das  der  Herzog  wünschte :  Tafeln  von  verschiedener 
Größe,  ganze  und  doppelte  Scheiben,  kleine  „Buschinger 
Scheuben",  Hohl-  und  Beinglas.  Und  damit  für  die  Fort- 
dauer die  nötige  Garantie  geboten  sei,  waren  aus  Böhmen 
Glasarbeiter  verschrieben  worden. 

Nachdem  auf  diese  Weise  der  Betrieb  sich  flott  ent- 
wickelte, fragte  Wenzel,  der  um  seine  Stellung  besorgt  sein 
mochte,  in  Weimar  an,  ob  er  die  Aufsicht  über  die  Hütte 
behalten  sollte  und  was  für  eine  Entschädigung  man  ihm 
alsdann  bewilligen  wolle.  Sofort  bestätigte  der  Herzog  den 
Faktor  Wenzel,  der  ja  offenkundig  Proben  seiner  Geschick- 


1)  Am  19.  Mai  1742. 


163  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

lichkeit  in  der  Verwaltung  der  Hütte  abgelegt  hatte,  als 
Aufseher,  warf  ihm  100  Kaisergulden  i)  als  Vergütung 
für  die  dreijährigen  Dienste  aus  und  setzte  sein  weiteres 
Einkommen  auf  1  Groschen  pro  Talerwert  verkauften 
Glases  an. 

Wenzel  war  mit  dieser  Abfindung  nicht  zufrieden, 
sondern  verlangte  mehr.  Er  faßte  seine  Forderungen  einige 
Wochen  später  wie  folgt  zusammen :  Er  wünschte  ein 
Wohnhaus  nebst  Stube  und  Kammern,  die  Bewilligung  eines 
gewissen  Einzählgeldes,  da  er  bei  Einnahme  und  Ausgabe 
des  Geldes  manche  Einbuße  habe ,  etwas  Deputatholz, 
Diäten,  wenn  er  verreisen  müsse,  ein  Einfuhrverbot  fremden 
Glases  und  1000  Klafter  Holz  für  die  Hütte  jährlieh. 
Tromler  suchte  seine  Forderungen  insofern  zu  ermäßigen, 
als  er  dem  Wenzel  vorschlug,  den  Gedanken  an  ein  neues 
Wohnhaus  aufzugeben  und  sich  damit  zu  begnügen,  wenn 
auf  das  jetzige  Haus  eine  Mansarde  gelegt  würde.  Was 
aus  der  Anregung  wurde,  ist  nicht  ersichtlich,  doch  ist 
vermutlich  der  Herzog  auf  die  kaum  als  unbillig  zu  be- 
zeichnenden Wünsche  des  Mannes  eingegangen,  der  wesent- 
lich den  Betrieb  zu  einem  so  flotten  gemacht  hatte.  Bald 
danach  bezeugt  Wenzel  auch  sein  dauerndes  Interesse, 
indem  er  erneut  Verbesserungsanträge  formulierte.  Er  regte 
an,  einen  Zoll  von  einem  Taler  auf  100  Gläser  bei  der 
.Einfuhr  zu  legen  oder  noch  besser  die  Einfuhr  fremden 
Glases  ganz  zu  untersagen.  Für  den  Verkauf  des  Ilmenauer 
Glases  sollten  in  Rudolstadt,  Allstädt,  Hardisleben,  Buttstädt 
und  Stadt  Suiza  Niederlagen  eröffnet  werden.  Zur  Vervoll- 
kommnung der  Erzeugnisse  wünschte  er  die  Anstellung 
eines  Glasmalers  und  eines  Glasschneiders.  Endlich  regte 
er  die  Anlage  eines  eigenen  Pottaschewerks  an.  Man  könnte 
für  ca.  50  Rtlr.  jährlich  Asche  zusammenkaufen  und  daraus 
Pottasche  sieden.    Man  würde  auf  diese  Weise  den  Bedarf 


1)  Ein  Kaisergulden   war  ein   Gulden   des   20-Guldenfußes   iii 
Oesterreich,  gleich  2,10  Mark. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  169 

billiger  decken  können,    da  die  Pottasche  von  auswärts  zu 
beziehen  immer  schwerer  falle. 

Auf  alle  diese  Anträge  einzugehen,  wird  man  in  Weimar 
keine  Möglichkeit  eingesehen  haben.  Daher  fragte  Wenzel 
im  Juni  1745  an,  ob  die  Hütte  denn  noch  weiter  betrieben 
werden  sollte.  Nachdem  am  4.  Februar  1745  der  Ofen 
ausgelöscht  worden  war,  hatte  man  im  Mai  die  Häfen 
wieder  eingesetzt.  Dabei  ergab  sich,  daß  in  Ilmenau  un- 
gleich teuerer  als  auf  anderen  Glashütten  produziert  wurde. 
Während  man  überall  frisches  und  wohlfeiles  Holz  zur 
Verfügung  hatte,  konnte  man  in  Ilmenau  nur  schlechtes 
faules  Holz  für  teueres  Geld  bekommen.  Vor  allen  Dingen 
aber  war  die  Pottasche  stark  im  Preise  gestiegen.  Während 
man  sie  früher  für  5,  5V6  oder  Sy^  Rtlr.  pro  Zentner  ge- 
kauft hatte,  mußte  man  jetzt  6Y2  Rtlr.  zahlen.  Da  man 
wöchentlich  7 — 8  Zentner  nötig  hatte,  so  ergaben  sich 
daraus  Mehrkosten  von  ca.  9  Rtlr.  in  der  Woche.  Unter 
diesen  Umständen  hielt  Wenzel  es  für  ausgeschlossen,  daß 
der  fürstlichen  Schatulle  durch  den  fortgesetzten  Betrieb 
pekuniäre  Vorteile  erwachsen  könnten. 

In  Weimar  wird  man  einen  derartigen  Bericht  offenbar 
mit  geteilten  Empfindungen  aufgenommen  haben  und  konnte 
sich  lange  nicht  zu  einer  Antwort  entschließen.  Und  so 
wiederholte  Wenzel  am  14.  Dezember  1745  seine  Anfrage. 
Seit  drei  Monaten  stand  die  Hütte  damals  still.  Pottasche 
war  unterdessen  auf  8V2  Rtlr.  pro  Zentner  gestiegen. 
Daher  mußte  man  das  Bund  Tafelglas  um  4  Groschen  und 
das  Hundert  Scheiben  um  3  Groschen  höher  als  bisher  im 
Preise  ansetzen.  Die  Kammer  in  Weimar  wußte  nun  nichts 
anderes  vorzuschlagen,  als  die  Glashütte  an  Wenzel  zu  ver- 
pachten, um  aller  zu  erwartenden  Einbuße  aus  dem  Wege 
zvi  gehen  ^).  Diese  Idee  fand  indes  keine  Zustimmung  und 
die  Folge  war,  daß  die  Hütte  ihre  Tätigkeit  einstellte.  Auf 
die  Dauer  war    man   damit  in  Weimar  nicht  einverstanden 


1)  Am  18.  Dezbr.  1745. 


170  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

und  eines  Tages  ^)  erging  daher  an  Wenzel  in  Ilmenau  die 
Anweisung,  die  Hütte  wieder  schleunigst  in  Betrieb  zu 
setzen.  Er  sollte  2  besondere  Oefen  erbauen  und  die 
Feuerung  auf  Steinkohlen  und  Holz  einrichten.  Der  Ofen 
für  die  Masse  zu  Hohl-  und  anderem  Glas  sollte  mit  Stein- 
kohlen und  der  andere  für  die  Herstellung  von  Tafelglas 
mit  Holz  geheizt  werden.  Gleichzeitig  wurde  der  Amts- 
schreiber Hillardt  angewiesen,  laut  einer  ihm  übergebenen 
Zeichnung  eine  Hütte  als  Wohnung  für  die  Glasarbeiter 
bauen  zu  lassen. 

Wenzel  folgte  den  erhaltenen  Befehlen  gern,  und  im 
Mai  1747  war  der  Ofen  für  Steinkohlenheizung  fertig.  In 
14  Tagen  gedachte  er,  so  meldete  er  am  6.  Mai  1747  2)  an 
den  Geheimen  Kabinetssekretär  in  Weimar,  Feuer  in  der 
Hütte  anmachen  zu  lassen.  Man  sollte  ihm  nun  jemanden 
aus  der  Kammer  in  Weimar  schicken,  um  das  ganze  Werk 
zu  regulieren,  auch  einen  Betriebsfonds  auswerfen.  Aus 
Kammerberg  wünschte  er  für  200  Rtlr.  Steinkohlen  und 
wegen  des  Verkaufs  sollten  Patente  im  Lande  ergehen,  die 
einerseits  auf  das  Erzeugnis  der  Ilmenauer  Hütte  aufmerk- 
sam machten,  andererseits  bestimmten,  daß  ohne  Zollzahlung 
fremdes  Glas  nicht  mehr  ins  Land  hineindürfte.  Endlich 
regte  er  die  Ernennung  eines  Gegenschreibers  oder  Rech- 
nungsführers an. 

Ueber  die  Möglichkeit,  mit  Steinkohlen  feuern  zu  können, 
sprach  sich  Wenzel  sehr  hoffnungsvoll  aus.  Er  hoff'te  über 
100  Rthlr.  dabei  (im  Jahre  ?)  sparen  zu  können.  So  schnell 
als  er  gedacht  hatte,  kam  es  indes  zum  Beginn  der  Arbeiten 
nicht,  denn  am  29.  Juli  1747  meldete  er,  daß  die  Hütte 
seit  6  Wochen  im  Betriebe  wäre.  Er  hatte  insofern  mit 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen  gehabt,  als  ihm  unzureichende 
Pottasche  geliefert  worden  war  und  er  daher  die  Glasmasse 
hatte  umsieden  müssen.  Dann  war  alles  seinen  erfreulichen 
Gang  gegangen,  Glas  war  massenhaft  erzeugt  worden,  allein 


1)  Am  21.  April  1747. 

2)  B  6447,  S.  127. 


i 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  171 

der  Absatz  stockte.  Während  die  Glasmacher  ihren  Lohn 
verlangten,  seien  keine  Abnehmer  des  Glases  da.  Damit 
im  Zusammenhange  steht  offenbar  die  Verordnung  vom 
10.  August  1747,  daß  kein  fr.emdes  Glas  heimlich  ins  Land 
gebracht  werden  dürfe. 

Mit  der  letzten  Mitteilung  schließen  die  Akten  in 
Weimar,  die  von  der  Ilmenauer  Glashütte  im  Zusammen- 
hang melden. 

Noch  einmal  scheint  Aussicht  vorhanden  gewesen  zu 
sein,  die  Glashütte  in  Ilmenau  zu  neuem  Leben  zu  er- 
wecken. Im  Jahre  1755  erbot  sich  der  Glasfaktor  Wenzel, 
die  herrschaftliche  Glashütte  auf  einige  Jahre  zu  über- 
nehmen, wenn  man  ihm  jährlich  150  Klafter  „Aflfter-Schlag- 
Holtz  gegen  gewöhnlichen  taxirten  Preiss"  zugestehen 
wollte  ^).  Die  Glashütte  wurde  in  dieser  Eingabe  an  die 
Kammer  als  eine  „seit  längerer  Zeit  bestehende,  bald  ver- 
fallende" bezeichnet.  Die  Klafter  Holz  stellte  damals  einen 
Wert  von  1  Rtlr.  dar.  Herzog  Franz  Josias  fragte  nun 
bei  Oberforstmeister  von  Schütz  an  ^),  ob  man  dem  Wenzel 
zu  diesem  Preise  das  Holz  überlassen  könne.  Einen  höheren, 
etwa   1   Tlr.  und  6  Gr.  wolle  er  nicht  bezahlen. 

Wahrscheinlich  glaubte  der  auf  die  Erhaltung  des 
Waldes  und  seine  tunlichst  gewinnbringende  Verwertung 
bedachte  Forstmann  den  gebotenen  Preis  nicht  annehmen 
zu  können.  Wenigstens  kam  die  Glashütte  nicht  wieder  in 
Aufnahme  und  im  Jahre  1773  heißt  es  einmal  in  Akten  des 
Rentamts  zu  Ilmenau  ^),  „zu  dem  wüsten  Flecke,  wo  sonsten 
die  herrschaftliche  Glashütte  gestanden",  findet  sich  ein 
Käufer. 


1)  Wenzels  Eingabe  vom  10.  Januar  1755,  Afterschlagholz :  der 
auf  einem  Holzschlag  zurückbleibende  schlechtere  Teil  des  Holzes. 
Freysoldt,  Die  fränkischen  Wälder  1904,  S.  5,  Anm.  3. 

2)  Am  26.  August  1755.  Dieses  Schreiben,  wie  das  vorher- 
gehende, im  Besitze  des  Herrn  Schneidemühlenbesitzers  Wenzel  in 
Ilmenau. 

3)  IV  A,  III,  18. 


172  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

2.  Das  Personal. 

In  sehr  großem  Umfange  ist  die  Hütte  wohl  niemals 
betrieben  worden.  Die  Zahl  der  an  ihr  beschäftigten  Per- 
sonen wird  auch  in  den  besten  Jahren  schwerlich  über 
12  hinausgegangen  sein.  Dennoch  herrschte  unter  ihnen 
eine  strenge  Arbeitsteilung.  Im  Jahre  1737  waren  tätig  i 
Glasmeister,  Garmacher,  2  Vorbläser,  2  Knopf-  und  Böden- 
macher, 1  Tafelmacher,  2  Schürer  und  3  Einträger.  Außer- 
dem wird  noch  eine  Frau,  die  beim  „Einstoßen  des  Glases" 
behilflich  zu  sein  pflegte  und  der  Holzspalter  erwähnt. 
Im  folgenden  Jahre,  1738,  werden  nachgewiesen:  2  Glas- 
meister, 1  Tafelmacher,  2  Vorbläser,  2  Schtirer,  2  Knopf- 
oder Bödenmacher,  3  Einträgerjungen.  Wieder  einige  Jahre 
weiter  war  die  Zahl  der  Arbeiter  noch  mehr  gestiegen.  Im 
Jahre  1744  sind  genannt:  4  Tafelmacher,  1  Scheibenmacher, 
1  Glasmeister  mit  seinem  Vorbläser,  4  Einträgerjungen,  4 
„Mateurenmacher"  i),  2  Schürer,  4  Holzspalter,  d.  h.  im 
Ganzen  19  Personen.  Sie  hatten  alle  einen  Schwur  beim 
Beginn  ihrer  Tätigkeit  in  der  Hütte  abzulegen.  „Ich,  N.  N.", 
so  lautete  er,  „schwehre  hiermit  zu  Gott  dem  Allmächtigen 
einen  leiblichen  Eyd,  daß  ich  bey  der  allhiesigen  fürstlichen 
Glasshütten-Arbeit  und  bey  meinen  Verrichtungen  vornehm- 
lich ein  Gott  wohlgefälliges  Leben  und  Wandel  führen, 
mich  jederzeit  treu,  ehrlich,  redlich,  verschwiegen  und 
rechtschaffen  halten,  keinen  Zanck  oder  Verhezung  erregen, 
dasjenige  was  ich  in  gedachter  Glasshütten  sehen  lernen 
und  erfahren  werde,  be}^  mir  behalten  und  weder  Vater 
noch  Mutter,  Bluts-  oder  anderen  Freunden  das  mindeste 
davon  offenbahren,  sondern  solches  mit  in  meine  Grube 
nehmen,  mich  eines  stillen  und  nüchtern  Lebens  befleissigen, 
alles  Vollsaufen  in  Brandewein  oder  Bier  unterlassen,  in 
keine  fremde  Dienste  noch  auser  Landesgehen,  binnen  der 
Zeit  als  die  fürstliche  Glasshütte  gebauet  wird,  in  keiner 
frembden  Hütten    arbeiten,    mich    aber  in  allen  Stücken  so 


1)  Derjenige,  der  die  Mischung  bereitete. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  173 

verbalten  will,  als  es  meine  Pflicht  und  Schuldigkeit  er- 
fordert, so  wahr  mir  Gott  helfe  und  sein  heiliges  Wort 
durch  Jesum  Christum  Unsern  Herrn  und  Seeligmacher. 
Amen." 

Unter  allen  diesen  Persönlichkeiten  war  die  Tätigkeit 
des  Schürers  oder  Schmelzers  eine  außerordentlich  wichtige. 
Er  hatte,  nachdem  der  Ofen  erbaut  worden  war,  für  dessen 
allmähliche  Anwärmung  zu  sorgen.  Eine  plötzliche  starke 
Hitze  würde  die  Steine  auseinandertreiben.  Ist  dann  der 
Ofen  genügend  erwärmt,  so  wird  in  der  Schüre  zunächst 
mit  ungedörrtem  Holz  eingeheizt,  was  man  Kaltschüren 
nannte.  Unterdessen  hatte  in  den  Scheitöfen  das  Holz  ge- 
dörrt werden  müssen.  Das  hierzu  erforderliche  Holz  mußte 
besonders  gespalten  sein  und  bei  6  Schuh  langen  Scheiten 
bekam  man  durch  Spaltung  die  für  den  Ofen  richtige 
Länge  der  Holzstücke.  Im  Scheitofen  wurde  das  Holz  nun 
so  dürr,  daß,  wenn  es  der  Flamme  des  Schmelzofens  ge- 
nähert wurde,  sofort  brannte.  Auch  das  Feuer,  durch  das 
die  Häfen  anzuwärmen  waren,  mußte  er  regieren.  Ferner 
beim  Einlegen  des  Gemenges  in  die  Häfen  helfen  und  die 
sogenannte  Glasgalle  abschöpfen,  wenn  die  Masse  zum 
Schmelzen  gebracht  war.  Es  war  auch  seine  Aufgabe,  den 
Schmelzofen  täglich  zweimal  zu  reinigen,  d.  h.  das  Glas, 
das  übergesprungen  oder  aus  den  aasgehenden  Häfen  ge- 
flossen war,  fortzuschaffen. 

In  die  eigentliche  Arbeit  teilten  sich  dann  der  Bailot, 
2  Vorbläser  und  Fertigmacher,  in  Ilmenau  als  Knopf-  oder 
Bödenmacher,  Vorbläser  und  Glasmeister  bezeichnet.  Sie 
arbeiteten  sich  gegenseitig  in  die  Hände,  und  es  ist  schwer 
zu  sagen,  wessen  Tätigkeit  die  wichtigere  war.  Es  hing 
von  ihnen  allen  ab,  und  von  ihrer  Geschicklichkeit,  ob  das 
Erzeugnis  befriedigend  ausfiel.  Der  Bailot  war  mehr  Ge- 
hilfe, er  hatte  die  Pfeife  bereitzuhalten,  die  Knöpfe  ein- 
zublasen,  neues  Glas  aus  dem  Hafen  herauszureichen,  wenn 
der  Vorbläser  dessen  bedurfte,  die  Böden  aufzublasen.  Der 
Vornehmste  war  der  Fertigmacher,  in  der  Regel  der  Werk- 


174  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

besitzer  oder  Besitzer  wenigstens  eines  Standes.  Eine  Vor- 
stufe zu  den  Tätigkeiten  der  genannten  Glasarbeiter 
repräsentiert  der  Einträger,  gewöhnlich  ein  Junge,  der  eine 
Art  Lehrzeit  durchmachte.  Er  hatte  den  Platz,  wo  der 
Meister  mit  seinen  Gehilfen  hantieren  wollte,  sauber  zu 
halten,  Werkzeuge  und  Geräte  im  Stand  zu  halten. 
Scheren  und  Zwackeisen  bereitzustellen  und  schließlich 
mit  der  Eintragsschaufel  die  fertigen,  noch  heißen  Gläser 
in  den  Kühlofen  zu  befördern  i). 

Keine  dieser  5  Persönlichkeiten  durfte  an  einem 
Stande  fehlen,  wenn  der  Betrieb  ungehindert  fortgesetzt  vor 
sich  gehen  sollte.  Als  der  Amtsverwalter  Cotta  im  Winter 
1743/1744  einen  unbotmäßigen  Vorbläser  eingesteckt  hatte 
und  4  Wochen  brummen  ließ,  kam  eines  Tages  vom  Herzoge 
aus  Wilhelmstal  ein  herzhafter  Verweis.  Er  sollte  den 
Schuldigen  sofort  freigeben,  da  man  seiner  Mitarbeiterschaft 
auf  der  Hütte  nicht  entbehren  konnte  und  seine  andauernde 
Abwesenheit  schwer  empfunden  hatte. 

Die  Namen  der  wackeren  Männer  in  der  herrschaft- 
lichen Glashütte  zu  Ilmenau  sind  in  der  Regel  in  den 
Akten  nicht  genannt.  Ein  Garmacher  Hartwig,  sowie  die 
Glasmeister  Müller  und  Beger  sind  nachgewiesen.  Müller 
war  leider  kein  ganz  zuverlässiger  Arbeiter.  Er  mochte 
geschickt  sein,  aber  der  brennende  Durst,  der  sich  am 
Ofen  entwickelte,  plagte  ihn  auch  außerhalb  der  Hütte. 
Als  der  neue  Glasfaktor  Wenzel  die  Geschäfte  der  Hütte 
übernahm,  im  Jahre  1741,  mußte  er  den  Müller  zur  Rede 
stellen,  indes  ohne  dauernden  Erfolg.  Zwei  Jahre  später 
war  es  so  weit  mit  ihm  gekommen,  daß  die  Regierung  von 
Weimar  aus  anweisen  mußte,  auf  ihn  besser  aufzupassen 
und,  falls  er  betrunken  angetrorfen  würde,  ihn  einsperren 
und  krumm  schließen  zu  lassen.  Zuletzt  mußte  er  doch 
wegen  seiner  üblen  Aufführung  entlassen  werden.  Er  kehrte 
dann   nach  Stützerbach    zurück,    von   wo  er  seiner  Zeit  an 

1)  Hochgesang,  Historische  Nachricht  von  Verfertigung  des 
Glases,  abgefasset  1780.    Neudruck  von  1898,  S.  31  ff. 


Eine  Glashütte  ia  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  175 

die  Glashütte  in  Ilmenau  übergesiedelt  war.  Von  hier  aus 
machte  er  Jahre  1750  bei  der  Kammer  in  Weimar  Forde- 
rungen geltend.  Vom  Herzog  Ernst  August  in  Gnaden  als 
Glasmeister  mit  200  Rtlrn.  und  freiem  Logis  angestellt  ge- 
wesen, sei  er  vor  einigen  Jahren  entlassen  worden,  habe 
aber  noch  „etliche  hundert  Thaler  an  rückständigen  Salario" 
zu  fordern.  Weder  in  Weimar  noch  beim  ßechnungsamt 
in  Ilmenau  habe  man  ihm  etwas  zubilligen  wollen,  „weil 
die  Glas-Fabrique  diejenigen  Jahre  über,  da  ich  bey  der- 
selbigen  gedienet  zuweilen  eine  Zeit  lang  stille  gestanden 
und  keine  Arbeit  benöthigt  gewesen".  Die  Schuld  an  diesen 
Pausen  habe  er  nicht  getragen.  Er  sei  doch  immer  be- 
schäftigt gewesen,  indem  er  einerseits  für  den  verstorbenen 
Herzog  andere  Glashütten  besichtigt  und  auch  „Serenissimo 
pie  defuncto  bald  diese  bald  jene  Sorte  Glas"  habe  an- 
fertigen müssen.  Für  den  Besuch  fast  aller  Glashütten 
Deutschlands,  nach  deren  Einrichtung  er  sich  habe  erkun- 
digen müssen ,  seien  ihm  nur  die  Reisekosten  vergütet 
worden.  Demnach  bat  er,  den  noch  rückständigen  Gehalt 
ihm  jetzt  auszuzahlen,  nannte  indes  keinen  Betrag.  Die 
Kammer,  vom  Herzog  Franz  Josias,  der  für  seinen  minder- 
jährigen Vetter  die  Vormundschaft  führte,  zum  Bericht  auf- 
gefordert, stellte  fest,  daß  bis  zum  Jahre  1737  der  Glas- 
meister Müller  seinen  Gehalt  bezogen  habe ;  dann  habe  der 
Herzog  angeordnet,  dem  Müller  für  die  Zeit,  in  der  er  auf 
der  Glashütte  nicht  tätig  gewesen  wäre,  nur  die  Hälfte 
seines  wöchentlichen  Gehalts  zu  übermitteln.  Demgemäß 
sei  mit  dem  Glasmeister  verfahren  worden  und  er  hätte 
somit  nicht  mehr  als  45  Rtlr.  und  16  Groschen  noch  zu 
fordern.  Der  Herzog  erklärte  sein  Einverständnis  damit, 
dem  Petenten  diesen  Betrag  auszuzahlen,  doch  war  das  bis 
zum  1.  Februar  1751  noch  nicht  geschehen. 

Für  die  Veredlung  des  Glases  waren  andere  Persön- 
lichkeiten tätig:  der  Glasmaler,  der  Glasschneider  und  der 
Glasschleifer.  Durch  Bemalen  ein  Glas  zu  verschönern,  ist 
eine    alte  Kunst.     Das  Altertum  kannte  sie,    Griechen  und 


176  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Araber  haben  sie  geübt,  in  der  Herstellung  der  bunten 
Kirchenfenster  leistete  sie  im  13.  und  14.  Jahrhundert 
Hervorragendes.  Zisterzienser  und  Kluniazenser  haben  sich 
ihrer  befleißigt  und,  wenn  es  auch  kaum  richtig  ist,  daß  die 
Deutschen  die  Erfinder  der  Glasmalerei  gewesen  sind,  so 
spricht  doch  der  Mönch  Theophilus  im  12.  Jahrhundert  von 
dem  Bemalen  des  Glases  als  einer  gewöhnlichen  Technik. 
In  Murano  scheint  dann  das  Bemalen  des  Glases  mit  Email- 
farben um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  aus  der  Mode 
gekommen  zu  sein.  In  Deutschland  aber  kam  sie  damals 
recht  auf,  und  die  Eichtelberger  Gläser  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  und  dem  18.  Jahrhundert  beweisen,  daß 
man  an  ihren  Leistungen  viel  Gefallen  fand^). 

Hochgesang  teilt  uns  mit,  daß  sie  zu  seiner  Zeit  nicht 
so  hoch  wie  ehedem  gehalten  wurde  und  schlecht  vergütet 
zu  werden  pflegte.  Daher  sah  man  selten  Eleiß,  Mühe  und 
Kunst  auf  sie  verwandt.  Bei  ihm  hören  wir  auch  von  der 
Technik.  Aus  Mennige  bereitete  sich  der  Glasmaler  die 
gelbe,  aus  Kupferwasser  die  rote,  aus  Kobalt  die  blaue, 
aus  Zinnasche  die  weiße,  aus  Eisen  und  Braunstein  die 
schwarze  und  durch  Mischung  der  gelben  und  blauen  Farbe 
die  grüne.  Mit  solchen  Farben  malte  der  Maler  Figuren 
auf  die  Gläser,  wärmte  die,  auf  ein  Blech  gestellten, 
damit  der  Sand  nicht  in  das  Gemälde  eindrang,  bemalten 
Stücke  in  dem  Kühlhafen  im  Aschofen  allmählich  an,  und 
holte  das  Glas,  „wenn  es  heiß  satt",  mit  dem  Hefteisen 
durch  das  kleine  Loch  aus  dem  Aschofen.  Alsdann  kam 
es  in  den  Schmelzofen,  damit  die  Farbe  anschmelze,  und 
schließlich  ließ  er  das  Stück  kunstgemäß  kalt  werden  2). 

Derartige  Künstler  gab  es  somit  auch  in  Thüringen. 
In  Gehlberg   werden    um    das    Jahr  1737    in   dem  dortigen 


1)  Gessert,  Geschichte  der  Glasmalerei,  1839.  —  Sepp,  Ursprung 
der  Glasraalerkunst  im  Kloster  Tegernsee,  1880.  —  Lobmeyr,  Die 
Glasindustrie,  1874,  S.  54  ff.,  77—79  ff.  —  Friedrich,  Die  alt- 
deutschen Gläser,  1884,  S.  123  -155,  besonders  S.  137. 

2)  A.  a.  O.,  S.  41-42. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  177 

Kirchenbuche  Kaspar  Heinz  und  Johann  Schmid,  um  das 
Jahr  1755  Johann  Andreas  Heinz  als  Glasmaler  genannt. 
In  Ilmenau  wird  uns  zu  gleicher  Zeit  von  dem  Glasmaler 
Negele  (oder  Wegele)  erzählt,  der  ein  sehr  geschickter 
Künstler  gewesen  sein  dürfte.  Was  er  in  der  Zeit  "vom 
25.  Februar  bis  zum  2.  Mai  1737  in  der  Bemalung  von 
Porzellan  geleistet  hat,  ist  uns  durch  einen  Zufall  auf- 
bewahrt. Vasen,  Kannen,  Chokoladebecher,  Lavoirkannen, 
Butterbüchsen  wußte  er  geschmackvoll  zu  verzieren  i).  Wenn 
man  nicht  annehmen  mag,  daß  Meißner  Porzellan  weiß  ver- 
kauft worden  war,  das  er  nunmehr  dekorierte,  so  kann  er 
nur  Fayence  bemalt  haben.  Eine  Porzellanfabrik  gab  es 
damals  noch  nicht  in  Thüringen.  Fayence  war  eine  kurze 
Zeit  in  Saalfeld  gemacht  worden  und  wurde  in  Dorotheen- 
thal  und  Rudolstadt  angefertigt  2).  Über  Negeles  Leistungen 
als  Glasmaler  kann  man  so  lange  nicht  urteilen,  als  keine 
Stücke  von  ihm  nachgewiesen  sind. 

Eine  andere  Veredlung  betraf  das  Schleifen  und  Polieren 
des  Glases.  Der  Glasschliff  reicht  bis  tief  in  das  Altertum 
zurück.  Man  kannte  den  Kugel-  und  Facettenschliff,  und 
auch  im  Abendlande  ging  diese  Kunst  während  des  Mittel- 
alters nicht  verloren  3).  Hochgesang  beschreibt  das  Ver- 
fahren etwas  undeutlich,  wie  folgt ^}:  „Der  Sand,  aus 
welchem  das  Glas  verfertigt  wird,  wie  auch  Sandsteine, 
müssen  mit  Wasser  vermenget  und  genetzet,  durch  Reiben 
oft  das  Ungleiche,  welches  in  der  Arbeit  nicht  hat  können 
vermieden  werden,  dem  Glase  benehmen,  oft  ihm  viel  schmale. 
Ecken  geben,  weil  die  Hand  des  Künstlers  bey  der  Ver- 
fertigung sie  nicht  hat  ertheilen  können.  Aber  durch  diese 
Arbeit  wird  das  Glas  riesig  und  dunkel.  Dieser  üblen 
Gestalt    abzuhelfen,    wird    es    wieder  mit  Schmergel  glatter 


1)  Anlage  2. 

2)  Wilh.  Stieda,  Die  Anfänge  der  Porzellanindustrie  auf  dem 
Thüringerwalde,  1902,  S.  10—12. 

3)  Friedrich,  a.  a.  O.  S.  201. 

4)  Hochgesang,  a.  a.  O.,  S.  40. 

XXVII.  12 


178  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

gemacht  und  durch  die  Politur  in  ein  solches  Ansehen  ge- 
setzet, dass  dessen  voriger  Glanz  dem  jetzigen  nicht  gleich 
zu   schätzen  ist;    das  heisset  alsdenn  ein  geschliffen  Glas." 

Die  Glasschneiderei  als  ein  besonderer  Zweig  der 
Glasschleiferei  ist  wohl  den  Sarazenen  abgesehen  und  über 
Italien,  besonders  Venedig,  nach  Deutschland  gelangt^). 
Kaspar  Lehmann  wird  in  einem  Privileg  Kaiser  Rudolfs  II. 
vom  10.  März  1609  als  Erfinder  des  Glasschneidens  be- 
zeichnet, ohne  daß  ersichtlich  wird,  worin  seine  Erfindung 
eigentlich  bestanden  hat  2).  Hochgesang  beschreibt  das 
Verfahren  folgendermaßen :  „Der  Glasschneider  bedient  sich 
einer  Maschine,  die  einem  Tische  gleich  sieht.  Unten  ist 
nach  der  linken  Hand  zu  ein  Schwungrad  angebracht; 
gerade  über  ihm  auf  dem  Tische  ist  eine  hölzerne  Docke 
über  einen  Schuh  hoch.  Auf  dieser  Docke  ist  ein  Viereck 
von  Eisen  befestigt,  über  zween  Zolle  breit  und  einen 
halben  stark.  Die  Seiten  des  Vierecks  sind  mit  bleyernen 
Sätzen  ausgefüttert,  in  deren  Mitte  ein  Loch,  in  welchem 
die  Queere  eine  eiserne  Spindel  gehet,  welche  mit  einem 
Rade  versehen  ist,  das  in  der  Mitte  des  Vierecks  zu  stehen 
kommet  und  durch  eine  Schnur  vom  Schwungrade  gedrehet 
wird.    In  diese  Spindel  werden  mit  Bley  begossene  Dornen 

gesteckt,  an  deren  Ende  ein  Kupferrad  befestigt  ist Mit 

einem  derartigen  Schneidrade,  deren  der  Künstler  mehrere 
von  verschiedener  Stärke    und  Größe  haben  muß,   wird  das 

Glas  geschnitten Es  wird  mit  klarem,  in  Öl  gemischtem 

Schmergel  am  Rande  bestrichen  und  vermag  alsdann  das 
Glas  zu  schneiden"  ^). 

Solche  Glasschneider  hat  es  gewiß  mehrfach  auf  dem 
W^alde  gegeben,  und  ich  bin  überzeugt,  daß  manche  kunst- 
fertig geschnittene  Gläser,  die  heute  als  venetianische. 
Nürnberger  oder  böhmische  gelten,  auf  Thüringer  Künstler 
zurückzuführen    sind.     In  Ilmenau    saß    um  1721   ein  Glas- 


1)  Friedrich,  a.  a.  O.  S.  210—211. 

2)  Friedrich,  a.  a.  O.  S.  213. 

3)  Hochgesang,  a.  a.  0.  S.  41. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhvmdert.  179 

Schneider  Johann  Kaspar  Eichhorn,  der  früher  in  Weimar 
seinen  Wohnsitz  gehabt  hatte.  Er  bat  den  Herzog  Wilhelm 
Ernst  von  Sachsen- Weimar  (1662—1728)  am  23.  März  1721 
bestimmen  zu  wollen,  daß  alle  Glasverstecher  und.  Ausspieler 
im  Weimarischen  ihre  Gläser  von  ihm  nehmen  möchten  i). 
Schon  vor  Jahren  war  ihm  ein  derartiges  Monopol  zuge- 
standen, aber  in  den  letzten  Jahren  nicht  mehr  gehörig 
geachtet  worden,  wodurch  er  in  seinem  Erwerbe  sehr 
zurückgekommen  wäre. 

Leider  sind  uns  die  Namen  anderer  Glasschneider  in 
Ilmenau  nicht  aufbewahrt.  Doch  standen  solche  sicher  im 
Dienste  der  Hütte.  Denn  im  November  1741  werden 
Zeichnungen  zu  „Caravinen"  erwähnt,  die  der  herzogliche 
Kammerdiener  überbracht  hat.  Offenbar  hat  es  sich  doch 
um  Anweisungen  für  das  Schneiden  der  Flaschen  gehandelt. 
Inspektor  Tromler  berichtete  damals,  daß  die  Anfertigung 
der  Gläser  begonnen  habe,  aber  mit  der  Wiedergabe  der 
Zeichnungen  man  nicht  zurechtgekommen  wäre.  Im  folgen- 
den Jahre  überschickte  derselbe  Tromler  dem  Herzoge 
einige  Gläser  mit  der  Bitte  um  Angabe,  wie  sie  geschnitten 
werden  sollten.  Hierbei  erfährt  man  auch  einmal  von  der 
Vergütung,  die  dem  Künstler  zuteil  wurde.  Er  erhielt 
16  Groschen  für  jedes  Glas.  „Wan  aber  die  gezeichnete 
Arbeit  erhaben  und  muschlicht  geschliffen  würde",  verlangte 
er  3  Taler  für  das  Stück,  Diese  Bemerkung  macht  es 
wahrscheinlich,  daß  auch  die  Glasätzerei,  die  Heinrich 
Schwanhardt  gegen  das  Jahr  1680  erfunden  hat,  in 
Thüringen  nicht  unbekannt  war  ^).  Das  muschlichte  Schleifen 
konnte  offenbar  nur  mit  dem  Rädchen  ausgeführt  werden. 
Im  ganzen  war  das  Glasschneiden  eine  langwierige  Tätig- 
keit. Vieles  zerbrach  unter  den  Händen,  besonders  wenn 
das  Glas  nicht  dickwandig  genug  war.  Zur  Herstellung 
einer   größeren  Zeichnung    brauchte    der    Künster  wohl   an 


1)  Geh.  und  Hauptstaatsarchiv  in  Weimar,  ß.  6432. 

2)  Friedrich,  a.  a.  O.  S.  217. 

12* 


180  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

die  8  Tage.  Weil  der  Glasschneider  in  Ilmenau  die 
fürstlichen  Wünsche  nicht  so  schnell  erfüllen  konnte,  wandte 
man  sich  nach  Prauenwald,  wo  indes  der  Glasschneider 
ebenfalls  stark  in  Anspruch  genommen  war.  Über  den 
Künstler  in  Ilmenau  klagte  der  Inspektor  Tromler  noch 
4  Wochen  später,  daß  er  mit  der  Zeichnung  „nicht  ganz 
zurecht  komme,  er  könne  sie  nicht  accurat  treflfen".  Leider 
ergibt  sich  aus  den  Akten  nicht,  auf  welchen  Gegenstand 
sich  die  Darstellung  beziehen  sollte. 

3.  Die  Fabrikate. 

Die  Glashütte  in  Ilmenau  fertigte  sowohl  Tafel-  als 
Hohlglas  an.  Die  Herstellung  des  ersteren  war  die  schwerere 
Aufgabe.  Von  ihr  redet  z.  B.  Hochgesang  noch  nicht,  so 
daß  man  annehmen  muß,  daß  auf  den  thüringischen  Hütten 
dasselbe  weniger  oft  angefertigt  wurde.  Gerade  aber  auf 
diese  Produktion  legte  der  Herzog  Ernst  August  großes 
Gewicht.  Dem  Tafelmacher  an  der  Hütte,  der  offenbar 
Fensterglas  bereitet  haben  wird,  wurde  für  die  Zeit  vom 
18.  Februar  bis  zum  15.  Juni  1737,  d.  h.  also  für  4  Monate, 
der  Betrag  von  82  Rtlr.  10  Gr.  ausgezahlt.  Er  hatte  in 
dieser  Zeit  7  Wagen  und  13  Blatt  Tafelglas  zu  10  Etlrn. 
(welche  Einheit?)  gemacht.  Sein  Einträger  erhielt  außer- 
dem 8  Gr.  wöchentlich,  was  für  16  Wochen  6  Rtlr.  2  Gr. 
ausmachte.  Die  Tafeln  wurden  in  verschiedener  Größe  an- 
gefertigt. Große  und  Doppelscheiben,  auch  sogen.  Buschinger 
Scheiben  wurden  hergestellt. 

Sehr  viel  mehr  Mannigfaltigkeit  tritt  bei  der  Anferti- 
gung des  Hohlglases  entgegen.  Man  kann  drei  Gruppen 
von  solchem   unterscheiden. 

1)  wurden  Apotheker-  und  Medizinalgefäße  hergestellt. 
Derart  waren :  Retorten,  Kolben,  Phiolen,  Rezipienten  i),  Prob- 
gläser, Helme,  Uringläser. 


1)  Rezipienten  sind  Gefäße  zum  Aufnehmen  und  Ansammeln 
flüchtiger  Stoffe. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  Igl 

2)  Gefäße  zum  Aufbewahren  von  Flüssigkeiten  und 
Trinkgläser.  Zu  ihnen  gehören:  Deckelpokale,  Weinkelche, 
ordinäre  Kelche,  Römer  und  Römerkelche,  Karavinen, 
Kannen,  Paßgläser  i),  Biergläser,  Bierbecher,  Rossolis-Kelche, 
Prinzenkelche,  nackigte  Jungfern,  geformte  Kelche,  Mund- 
gläser, Glockenkelche,  Weinkrüge,  Mängelsgläser. 

3)  Gläser,  die  im  Haushalt  für  verschiedene  Zwecke 
gebraucht  wurden,  wie :  Zuckerhäfen,  Weinheber,  Flaschen, 
Bouteillen,  Wettergläser,  Kammertöpfe,  Lichtgläser,  Essig- 
kännchen,  Melonenglocken,  Taschengläser,  Laternen,  Kon- 
fiturengläser. 

Wie  mannigfaltig  diese  Aufzählung  zu  sein  scheint,  so 
erschöpft  sie  keineswegs  die  Leistungsfähigkeit  der  thüringi- 
schen Glashütten.  Daß  ein  Hochgesang,  der  um  das  Jahr 
1780  sein  Büchlein  über  die  Glasfabrikation  schrieb,  mehr 
Sorten  aufzuzählen  vermag,  ist  vielleicht  nicht  auffällig. 
Aber  es  gibt  einen  gedruckten  Preiskurant  vom  Jahre  1735, 
der  auf  einer  Vereinbarung  sämtlicher  Glasmacher  Thüringens 
beruht,  und  in  ihm  werden  verschiedene  Stücke  genannt, 
die  in  Hmenau  offenbar  nicht  gemacht  wurden  und  die 
man  heute  überhaupt  nicht  mehr  kennt.  Im  wesentlichen 
handelt  es  sich  dabei  um  Trinkgefäße.  Zu  ihnen  gehören : 
Brabanter-,  Burgunder-,  Casselische,  Schloß-,  Englische, 
Champagner- ,  Flöden- ,  geformte ,  Knossen-,  Marissen-, 
Schwedische  und  Stiefel-Kelche,  Storchbeine,  Spitz-Mäusel, 
Schweizer  Hosen,  Angster,  Aufsteher,  Hahneknie,  Humpen, 
Cordianter-Becher  mit  Öhren,  Johannis-Becher,  Schuppen- 
Becher,  Englische  lange  und  kurze  Becher,  Berlinische 
Becher,  Mützen. 

Verschiedene  dieser  Gefäße,  die  sämtlich  Hilfsmittel 
zur  Stillung  des  Durstes  waren,  wurden  in  mehrfacher  Aus- 
führung geboten.  Die  englischen  Kelche  hatte  man  6eckigt, 
„in  Wasser  viel  Perlen"  und   „mit  der  Kugel".    Die  Flöden- 

1)  Paßgläser  sind  Gläser  von  hoher  zylindrischer  Gestalt,  deren 
Mantelfläche  durch  parallele  horizontale  Ringe  in  Zonen  geteilt  ist, 
in  denen  Malereien  oder  Inschriften  Platz  fanden. 


182  Eii^ß  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

kelche  unterschied  mau  „von  runder  ra9on"  und  „6-eckig 
oder  Seckigt  geformt".  Bei  den  Glocken  hielt  man  aus- 
einander „1)  ausgeschweifte,  2j  solche  mit  einem  rundten 
Wasser,  darinnen  ein  Bläslein,  gleichen  langen  Stengel, 
3)  mit  ungewendten  Knöpfen,  4)  Kelche,  die  statt  des 
Fußes  eine  formale  Glocke  mit  dem  Knöpfel  aufweisen". 

Bei  den  „nackigten  Jungfern"  wiederum  unterschied 
man  solche  1)  mit  einem  Bläslein,  2)  mit  einem  Bläslein, 
aber  ein  wenig  ausgeschweift,  3)  mit  Perlen,  4)  mit  accurat 
gedrehten  Schlangen,  5)  mit  Stengel  6-eckig  und  gemuschelt. 

Zum  Teil  gewinnt  es  den  Anschein,  als  ob  die  Trink- 
gefäße, je  nach  dem  Getränk,  für  das  sie  bestimmt  waren, 
verschiedene  Gestalt  annahmen,  etwa  dick-  oder  dünnwandig 
waren.  So  erhielt  der  Herzog  Ernst  August  im  Jahre  1743 
von  seiner  Hütte  in  Ilmenau :  4  Dutzend  Kelche  zu  Ungarisch 
Wein,  4  Dutzend  Kelche  für  Moselwein,  4  Dutzend  Kelche 
zu  Burgunderwein,  4  Dutzend  Kelche  zu  „Rheinwein". 

Andererseits  mögen  die  Gläser  in  Gestalt  und  Umfang 
abweichend  ausgefallen  sein,  je  nachdem  für  welches  Land 
sie  in  erster  Linie  ausersehen  waren.  Bei  „englischen 
Kelchen"  mag  das  vielleicht  nicht  stimmen.  Hier  läßt  sich 
auch  an  die  Glasmasse  denken,  deren  Mischungsverhältnis 
aus  England  stammte  und  die  das  gesuchte  schöne  Kristall- 
glas lieferte.  Das  englische  Glas  ward  wegen  seines  reizen- 
den Farbenspiels  gern  dem  sogenannten  Brillantschliff  unter- 
zogen 1).  Was  der  Herzog  Ernst  August  sich  im  Jahre 
1742  nach  Weimar  schicken  ließ,  waren  sicherlich  Probe- 
stücke  aus  dem  englischen  Glassatz.    Er  erhielt  nämlich  2) ; 

„100  Stück  Englische  Kelche,  Nackigte  Jungfern  genannt, 
6      „      Englische  Römer- Kelche, 

1  ,,      Englisch  Mundglas, 

2  Kelche  von  ordinairem  Glas,  vom  Glasschneider  geschnitten, 


1)  Lobmeyer,  Die  Glasindustrie,  S.  177. 

2)  „Verzeichnuss  derer  Gläser,  welche  in  der  Schachtel  sich 
befinden",  vom  18.  April  1742,  Geh.  und  Haupt-Staats-Archiv  in 
Weimar  ß.  6447,  S.  74. 


I 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  183 

1  Stück  von  englischem  Glass,  so   nach  der  Zeichnung  hat  ge- 
schnitten werden  sollen, 
6  Stücke  von  demjenigen,  wass  in  die  fürstliche  Küche  und  Con- 
ditorey  gelieffert  worden. 
Notabene:   30  Stück  Englische  Kelche  befinden  sich  hier  noch  vor- 
räthig,  auch  boU  ein  Pocal  noch  gemacht  werden". 

Aber  abgesehen  von  diesen  englischen  Kelchen,  werden 
andere  Gläser  nach  Brabanter,  Portugalöser,  Amsterdamer, 
Münsterer,  Weseler  und  Züthphener  Maße  angefertigt, 
d.  h.  je  nach  den  Gewohnheiten  der  Empfänger  größer  oder 
kleiner.  Demgemäß  werden  sie  vermutlich  im  Handel 
unterschieden  worden  sein. 

Unschwer  erkennt  man  in  dem  Nachweis  aller  dieser 
Gefäßformen  den  allgebieteuden  venetianischen  Einfluß.  Von 
dort  her  stammt  der  Kelch,  den  man  in  außerordentlich 
vielen  Variationen  von  dem  zierlichsten  bis  zum  schwereren 
Deckelpokal  herzustellen  verstand.  Inwiefern  deutscher 
Sinn  die  fremde  Form  einheimischem  Geschmack  anzupassen 
wußte  und  eigenartige  Formen  schuf,  bleibe  auf  sich  be- 
ruhen. Etwas  Originelles  war  offenbar  der  englische  Römer- 
kelch, von  dem  wir  freilich  nicht  wissen,  wie  er  aus- 
gesehen und  der  auch  die  Nachwelt  nicht  zu  erobern 
gewußt  bat,  wenigstens  nicht  unter  diesem  Namen.  Nach 
diesem  vereinigte  er  die  deutsche  Spezialität  mit  der  vene- 
tianischen. Allein  die  deutsche  Glasindustrie  hat  nicht  nur 
das  unsterbliche  Verdienst,  den  Römer  erzeugt  zu  haben 
—  ihr  verdankt  man  auch  das  Bierglas,  den  zylindrischen 
Humpen,  den  Becher.  Dagegen  sind  Krug,  Schale  und 
Flasche  Überlieferangen  aus  sehr  alter  Zeiti). 

Die  kostbarsten  Gläser  waren  nach  dem  Preiskurant 
die  „6-  oder  8-eckigt  geformten  Flödenkelche,  die  Glocken- 
Stumpf-,  Schwantzkelche",  Kelche,  die  statt  des  Fußes  eine 
formale  Glocke  aufwiesen,  die  Casselischen  Schloßkelche, 
die  englischen  Kelche,  die  Römerkelche,  die  „uackigten 
Jungfern  " . 


1)  Carl  Friedrich,  Die  altdeutschen  Gläser,  1884,  S.  260-261. 


184  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Auch  an  Gebrauchsgegenständen  bieten  die  Thüringer 
Glashütten  nach  dem  erwähnten  Preiskurant  eine  größere 
Auswahl,  als  gerade  die  Hütte  in  Ilmenau  in  der  kurzen 
Zeit  ihres  Bestehens  fertigzustellen  pflegte.  Dahin  sind  zu 
zählen :  Brennglas,  Kredenzteller,  Gluntz-Becher  (Leimtöpfe)^ 
Tintenglas ,  Glocken  auf  die  Wanduhren ,  Illuminations- 
gläser, Leuchter,  Löffel,  Lichtkugeln,  Machina  zu  Konfi- 
türen mit  G  Armen  und  Deckel,  Nadelbüchsen,  Querpfeifen, 
Trichter ,  Vogelgläser  mit  weißen  oder  blauen  Knöpfen, 
Trompeten  u.  a.  m. 

An  Medizinalgläsern  nennt  Hochgesang  noch  Bader- 
Köpfe  und  Brustgläser. 

Die  Preise  für  alle  diese  Fabrikate  waren  sehr  ver- 
schieden normiert.  Zum  Teil  rechnete  man  nach  100  Stücken, 
so  bei  den  Kelchen  und  einigen  anderen  Sorten.  Außerdem 
wurde  nach  Schauben  i)  gerechnet.  Von  gewissen  runden 
Fläschchen,  deren  Herstellung  eine  schwierigere  sein  mochte, 
gab  es  6 — 8  auf  einen  Schaub.  Bei  anderen  Gläsern  gingen 
2 — 3  auf  einen  Schaub,  ja  es  gab  sogar  solche,  bei  denen 
Stück  und  Schaub  identisch  waren.  26  Schaub  bildeten 
ein  sogenanntes  Hüttenhundert  (104  Stück).  Schließlich 
gab  es  verschiedene  Gläser,  deren  Preis  pro  Stück  angesetzt 
war,  vermutlich  die  weniger  gangbaren.  Bei  den  Kelchen 
galt  der  Hundertpreis  zunächst  für  solche  „nach  dem 
ordinairen  Fuß  mit  Portten".  Verlangte  man  sie  mit  ab- 
geschnittenen oder  glatten  Füßen,  so  kostete  das  Hundert 
2  Gr.  mehr.  Für  die  Sorten  jedoch ,  deren  Hundertpreis 
über  2  Rtlr.  hinausging,  war  bei  abgeschnittenen  oder 
glatten  Füßen  ein  Zuschlag  von  4  Gr.  üblich. 

4.  Der  Absatz. 

Man  kann  sich  denken,  daß  für  sämtliche  Erzeugnisse 
den  Absatz  zu  finden ,  nicht  immer  ganz  leicht  war. 
Thüringen  selbst  konnte  unmöglich  alle  Gläser  verbrauchen, 

1)  Schaub  ist  ursprünglich  die  Verpackung  des  Hohlglases  in 
Langstroh,  wobei  das  eine  in  das  andere  gesteckt  zu  werden  pflegte. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  185 

also  war  man  gezwungen,  sich  nach  Abnehmern  in  der 
Fremde  umzusehen.  Wie  das  geschah,  läßt  sich  einstweilen 
noch  nicht  mit  Sicherheit  angeben.  Wahrscheinlich  hat 
auch  hierbei  der  thüringische  Fuhrmann  eine  wesentliche 
Rolle  gespielt.  Mit  seiner  Hilfe  versandte  mau  bestellte 
Sachen  ins  Ausland,  und  in  nicht  seltenen  Fällen  mochte 
er  auch  unbestellte  Sachen  mitnehmen,  die  er  den  Handels- 
herren in  den  größeren  Städten,  insbesondere  den  Hafen- 
städten anbot.  Daneben  war  es  üblich,  durch  Hausierer 
im  Lande  die  Glasware  feiltragen  zu  lassen. 

Der  Glashandel  war,  wie  eine  Eingabe  sämtlicher  Glas- 
meister des  Thüringerwaldes  an  den  Herzog  Ernst  August 
vom  4.  Juli  1735  ausführte,  seit  einigen  Jahren  in  Verfall 
geraten.  Daher  hatten  sich  alle  Glashütten  auf  bestimmte 
Preise  geeinigt,  die  in  einer  gedruckten  Taxe  allen 
Interessenten  bekannt  gegeben  wurde.  Der  Glasmeister 
Heinrich  Gottlob  Wentzel  in  Allzunah  wurde  zum  Faktor 
ernannt,  d.  h.  man  beabsichtigte  durch  ihn  den  Absatz  zu 
den  angegebenen  Preisen  in  die  Wege  zu  leiten.  Von  ihm 
oder  durch  ihn  wird  man  Gläser  haben  beziehen  können. 
Vielleicht  sollte  er  auch  überwachen,  daß  zu  anderen  Preisen 
als  den  festgelegten  keine  Hütte  ihre  Ware  abgab.  Die 
Glasmeister  baten  nun  den  Herzog,  ebenfalls  die  „kurren- 
tensten  Glaswaaren"  nur  zu  den  in  der  Taxe  angegebenen 
Preisen  verkaufen  zu  lassen.  Offenbar  hatten  sie  die  auf 
der  herrschaftlichen  Hütte  erzeugten  Gläser  im  Auge,  denn 
daß  Hütten  außerhalb  der  Preiskonvention  geblieben  wären, 
kann  man  schwerlich  annehmen.  War  das  aber  der  Fall, 
so  wird  der  Herzog  schwerlich  in  der  Lage  gewesen  sein, 
diese  zur  Einhaltuug  der  gleichen  Preise  zu  veranlassen. 
Es  erhellt  denn  auch  aus  den  Akten  nicht,  daß  der  Herzog 
auf  die  Eingabe  geantwortet  hätte. 

Der  Absatz  in  die  Fremde  umfaßte  im  wesentlichen 
deutsche  und  holländische  Städte.  Unter  den  ersteren  sind 
Braunschweig,  Bremen,  Frankfurt  a.  M.,  Hamburg,  Hannover, 
Hildesheim,  Kiel,  Köln,  Leipzig,  Lübeck,  Limburg,  Minden, 


186 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 


Münster,  Rostock,  Warendorff,  Wesel  und  Zella  hervor- 
gehoben. Unter  den  letzteren  werden  genannt  Amsterdam, 
Ammerfort,  Zwolle  und  Züthphen.  Doch  waren  sicher  mehr 
holländische  Städte  an  diesem  Handel  beteiligt. 

Für  die  Hütte  in  Hmenau  wurde  am  11.  März  ebenfalls 
eine  Taxe  aufgestellt,  die  insofern  bemerkenswert  ist,  als 
sie  die  Orte  erkennen  läßt,  nach  denen  für  gewöhnlich  der 
Handel  neigte  und  die  für  einzelne  Sorten  besondere 
Neigung  zeigten.  Die  hauptsächlichsten  Plätze  für  Ilmenauer 
Glas  waren  Frankfurt  a.  M.,  Hamburg,  Köln,  Münster  und 
Wesel,  sowie  Mastricht.  Mit  den  Preisen  der  Taxe  von 
1735  lassen  sich  die  der  Hmenauer  Erzeugnisse  nicht  ver- 
gleichen, da  Sorten,  Formen,  Größe  nicht  übereinstimmen. 
Der  Preiskurant  lautet: 

So  nach  Frankfurth  gehen : 
Rossolis-Kelche 1  Tlr.  12  ür. 


Priiitz-Kelche  von  denen  kleinsten  oder  Cölnisch  Maass  1 
Dergl.  etwas  grösser  nach  Münster-  und  Weseier  Maass  1 
Dergl.  Franckfurther  Mittel-Maass  oder  dritthalb  in's 

halbe  Nösel 

Dergl.  von  den  grössten  oder  Spanisch  Maass    .    .    . 
Nackigte  Jungfern  von  den  kleinsten  oder  Cöllnisch 

Maass      

Dergl.  etwas  grösser  nach  Münster-  und  Weseler  Maass 
Dergl.  Franckfurther  Mittel-Maass  oder  dritthalb  in's 

halbe  Nösel 

Dergl.  von  den  grössten  oder  Spanisch  Maass    .    .    . 
Geformte  Kelche  von  den   kleinsten  oder  Cöllnisch 

Maass      

Dergl.  etwas  grösser  oder  Münster  und  Weseler  Mass 
Dergl.  Frauckfurther  Mittel-Maass  oder  dritthalb  ins 

halbe  Nösel 2 

Dergl.  von  den  grössten  oder  Spanisch  Maass    ...     2 

Dergl.  noch  etwas  grösser 2 

Chur-Pfältzische  Mund-Gläser  mit  glatten  Füssen  .  2 
Dergl.  von  den  grössten 3 

Glas-Sorten  nach  Mastrich: 

Rossolis-Kelche  Nro.  1 1 

Printz-Kelche  Nro.  7      1 

Dergl.  Nro.  11      1 

Dergl.  Nro.  10      2 

Englische  Glocken-Kelche  Nro.  11      1 

Dergl.  Nro.  10      2 

Nackigte  Jungfern  Nro.  14       1 

Dergl.  Nro.  9 2 

Dergl.  von  den  grössten  Nro.  13 3 


16 
18 

20 
04 

16 
18 

20 
18 

18 
20 


04 
08 
12 


Tk. 


12  Gr. 
16  „ 
20  „ 

20  „ 

20  „ 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  137 

Glas-Sorten  nach  Hamburg,  Cöln,  Münster  und  Wesel: 

Caravin,  glatt,  von  eine  guten  halben  Nösel    ....     4  TIr.  12  Gr. 

Dergl.  gestrifft     2     „    12     „ 

Mängels-Bier-Gläser,  Cöllnisch  oder  Weseler  Mass         2     „    06    „ 

Es  hat  den  Anschein,  daß  man  bei  der  Aufstellung  dieses 
Tarifs  sich  nicht  ganz  sicher  fühlte,  denn  schon  14  Tage 
darauf,  am  26.  März  1737,  wurde  eine  neue  Taxe  auf- 
gestellt, die  freilich  erhebliche  Veränderungen  nicht  hervor- 
treten läßt.  Immerhin  führt  sie,  als  bisher  noch  nicht  nach- 
gewiesene, Nuß-Kelche,  zu  3  Tlr.  8  Gr.  bis  zu  4  Tlrn.  und 
Perl-Kelche  zu  3  Tlr.  12  Gr.  bis  4  Tlr.  auf.  Und  bei  den 
nach  Mastricht  gehenden  Gläsern  wurden  noch  mehr 
Nummern  und  Muster  auseinandergehalten,  z.  B.  Printz- 
Kelche  erstes  Muster  No.  2  zu  2  Tlrn.  und  Printz-Kelche 
erstes  und  zweites  Muster  No.  10  zu  2  Tlrn. 

Den  Preiskurant  hat  man  sich  nach  allen  wichtigeren 
Orten  versandt  vorzustellen.  Indes  schlug  er  nicht  in  dem 
Maße  ein,  wie  erwartet  wurde.  Denn  ein  Bericht  des  Amts- 
verwalters Hävecke  in  Ilmenau  vom  8.  August  1740  klagt 
darüber,  daß  niemand  gekommen  sei,  Glas  zu  holen.  Nach 
Holland  drohte  der  Absatz  ins  Stocken  zu  geraten,  denn 
der  Weg  sei  weit  und  der  Bruch,  der  unterwegs  unvermeid- 
lich sei,  fiele  dem  Absender  zur  Last.  Allerdings  habe  die 
Firma  List  und  Pfeiler  in  Amsterdam  Proben  von  Ilmenauer 
Gläsern  in  Kommission  verlangt. 

In  Deutschland  bemühte  man  sich,  den  Absatz  zu  be- 
günstigen, indem  man  an  bekannte  oder  vertrauenswürdige 
Firmen  in  größeren  Städten,  wie  Erfurt,  Wesel,  Rudolstadt, 
Proben  schickte.  Für  den  Verkauf  von  Spiegelglas  trug 
man  sich  im  Jahre  1740  mit  dem  Gedanken,  in  einzelnen 
Städten  Niederlagen  einzurichten.  Ob  es  zu  seiner  Ver- 
wirklichung kam,  steht  dahin. 

Eine  wichtige  Rolle  spielte  endlich  der  Hausierer.  Für 
ihn  wurde  eine  besondere  Legitimation  eingeführt,  mit  deren 
Ausweis  er  in  den  weimarischen  und  eisenachischen  Landen 
ungestört  und  ungehindert  seinem  Gewerbe  nachgehen 
durfte.     Ihr  Wortlaut  war: 


138  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

„Nachdem  Vorzeiger  dieses Stück  geschnittenes, 

Stück    gemahltes, Stück    verguldes    und 

Stück   ordinair  glatt   Glas   bey  hiesiger    Fürstlich 

Sächsischer  Weimarisch-  und  Eisenachischen  Glas-Fabrique 
bey  mir  eingeladen,  ud  solches  auch  allenfalls  in  bemeldten 

demselbigen   gegenwärtiger    auf Wochen    geltenden 

Schein  zu  dem  Ende  mitgetheilet,  damit  wann  er  solche 
Glas-Waaren  in  Weimarisch-  und  Eisenachischen  zu  ver- 
kaufen gewillet,  die  Herren  Beamte  dienstlich  ersuchet 
werden,  diesem  mit  inländischen  Glase  mit  keinem  Haussier- 
Geld  zu  beschweren,  derselbe  auch  von  dem  auf  fremden 
Glas,  nemlich  100  Stück  1  bis  2  Rtlr.  stehenden  Impost 
oder  einiger  Confiscation  der  Waare  verschonet  bleiben 
möge.  Warum  die  Herren  Beamte  oder  wenn  dieses  an 
einem  oder  dem  anderen  Ort  concerniret  unter  reciprocirten 
anderweiten  angenehmen  Diensten  dienstlich  ersuchet  werden. 
Gegeben  auf  Fürstl.  Sachs.  Weimarisch-  und  Eisenachischen 
Glas-Fabrique  zu  Hmenau". 

Nun  konnte  dabei  freilich  nicht  gehindert  werden,  daß 
die  Hausierer  auch  die  Erzeugnisse  ausländischer  Hütten 
vertrieben.  Das  mußte  natürlich  mißfallen.  Statt  Glas  nach 
Holland  zu  schicken,  hätte  man  lieber  gesehen,  es  in  den 
weimarischen  Landen  selbst  absetzen  zu  können.  Daher 
erwog  man  gegen  Ende  des  Jahres  1739,  die  Hausierer  mit 
einem  solchen  „Impost"  zu  belegen,  daß  wenig  oder  gar 
kein  ausländisches  Glas  mehr  ins  Land  gebracht  werden 
könnte.  Im  übrigen  sollte  man  in  jeder  Stadt  einen  Handels- 
mann ausfindig  zu  machen  suchen,  der  von  der  Ilmenauer 
Hütte  eine  gewisse  Menge  Gläser  übernähme  und  sie  zu 
angemessenen  Preisen  vertriebe.  Dieser  Gedanke  kam 
später  in  einer  Verordnung  vom  12.  Juli  1742  zum  Aus- 
druck. Man  teilte  mit,  daß  alle  Sorten  Tafel-  und  Hohl- 
glas in  Ilmenau  zu  haben  wären  mit  Ausnahme  von  ge- 
schliffenem und  kleinem  grünen  Apothekerglase.  Zugleich 
erging  die  Aufforderung,  an  jedem  Orte  im  Weimarischen 
einen  bemittelten  Mann  ausfindig  zu  machen,  der  in  Ilmenau 
Glas  einkaufen  und  an  dem  Sitze  seines  Wohnortes  ab- 
setzen   könnte.      An    den    Stadtrat    zu    Jena    war    bereits 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  189 

am  19.  Februar  1742  ein  Mandat  des  gleichen  Inhalts 
ergangen  ^). 

Schon  einige  Jahre  vorher,  im  Jahre  1737,  war 
eine  Verordnung  erlassen  worden,  laut  welcher  weder 
Fensterglas  noch  anderes  Glas,  namentlich  keine  Butzen- 
scheiben, eingeführt  und  vertrieben  werden  durften.  Alle 
Interessenten  wurden  auf  die  inländischen,  insbesondere  die 
Ilmenauer  Glashütte  verwiesen.  Sicher  aber  kam  man 
diesem  Reskript  nur  unvollkommen  nach,  sonst  wäre  die 
spätere  Verordnung  nicht  erforderlich  gewesen.  Es  ergibt 
sich  auch  daraus,  daß  die  zur  Regierung  verordneten  Räte 
am  9.  Mai  1741  anfragten,  ob  das  Einfuhrverbot  von  1737 
während  der  Jahrmärkte  ebenfalls  gelten  sollte.  Es  ver- 
stand sich  wohl  von  selbst,  daß,  wenn  man  diese  Freiheit 
zugestanden  hätte,  das  Einfuhrverbot  überhaupt  von  geringer 
Bedeutung  gewesen  wäre. 

Willkommene  Abnehmer  waren  natürlich  die  Glaser. 
Aber  die  Herren  Fenstermacher  waren  nicht  so  leicht  zu 
behandeln.  Einmal  klagten  die  Eisenacher,  im  September 
1743,  daß  sie  kein  Glas  aus  Ilmenau  hätten  bekommen 
können,  obwohl  sie  schon  8  Wochen  darauf  warteten.  Es 
sei  in  Eisenach  gar  kein  Glas  mehr  zu  haben.  Nun  sei 
ein  böhmischer  Glashändler  auf  dem  Wege  nach  Mühlhaussn 
erschienen,  und  man  wünschte  lebhaft,  bei  ihm  den  Bedarf 
decken  zu  dürfen.  Die  Kammer,  die  diese  Eingabe  der 
Glaser  zu  der  ihrigen  machte,  fragte  deswegen  bei  dem 
Herzoge  an.  Indes  war  dies  vermutlich  ein  Versuch,  das 
lästige  Einfuhrverbot  zu  umgehen.  Denn  in  Jena,  Allstedt 
und  Buttstädt  waren  Niederlagen  von  Ilmenauer  Glas  und 
an  der  Hütte  selbst  ein  größerer  Vorrat.  Unwirsch  wies 
daher  der  Herzog  die  Kammer,  die  vielleicht  auch  sonst 
seinen  volkswirtschaftlichen  Ansichten  entgegengetreten  sein 
mochte,  an,  ,,ihre  unanständige  Conduite  endlich  einmal  ab- 
zulegen und  sich  zu  besserer  Befolgung  und  Beachtung 
seiner  Befehle  zu  gewöhnen". 

1)  Anlage  4. 


190  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Diese  Mahnung  wirkte.  Am  6.  März  1744  erklärten  die 
Herren  Glaser  aus  Eisenach,  —  es  waren  ihrer  nur  drei,  — 
sich  bereit,  alles  Tafel-  und  Scheibenglas,  auch  Hohlglas, 
soviel  als  im  Inlande  erzeugt  würde,  der  fürstlichen  Hütte 
abzunehmen.  Die  Preise  wurden  für  ein  Bund  Tafeln  auf 
1  Tlr.  10  Gr.  und  für  100  Scheiben  auf  23  Gr.  angesetzt. 
Das  Hohlglas  sollte  ihnen  nach  Maßgabe  des  jeweiligen 
Preisstandes  überlassen  werden.  Sie  wollten  die  Ware  bar 
bezahlen  und  versprachen,  eifrig  den  Absatz  in  die  Wege 
leiten  zu  wollen.  Die  Hütte  sollte  franko  nach  Eisenach 
liefern  und  für  unterwegs  vorkommenden  Schaden  haften. 
Bei  Ankunft  der  Ware  in  Eisenach  sollte  ein  fürstlicher 
Beamter  anwesend  sein,  um  beim  Auspacken  festzustellen, 
was  zerbrochen  sei.  Diese  Stücke  sollten  in  einer  Kiste 
gesammelt  und  offenbar  nicht  bezahlt  werden.  Ihrerseits 
stellten  die  Glaser  der  Hütte  in  Aussicht,  Glasscherben  zu 
4  Groschen  pro  Zentner  außer  der  Fracht  zur  Verfügung 
zu  stellen.  Sie  meinten,  12 — 16000  Ilmenauer  Scheiben,  die 
wohlfeiler  als  die  Nürnberger  waren,  jährlich  vertreiben  zu 
können.  Die  Kammer  war  mit  diesem  Arrangement  ein- 
verstanden, und  da  die  Fenstermacher  sich  beschwerten, 
nicht  genug  Buschinger  Scheiben  bekommen  zu  können,  die 
von  Nürnberg  nur  bei  gleichzeitiger  Bestellung  von  Spiegel- 
scheiben geliefert  zu  werden  pflegten,  ordnete  man  sofort 
deren  Anfertigung  auf  der  Ilmenauer  Hütte  an^). 

Indes  die  Genugtuung  über  die  Vereinbarung  mit  den 
Glasern  und  die  Verleihung  des  Rechts  zum  Glashandel  an 
einzelne  Persönlichkeiten  war  keineswegs  allgemein.  In 
Jena  lehnten  sich  die  böhmischen  Glashändler  Kaspar  König 
und  Christoph  Heucke  dagegen  auf.  Sie  betonten  in  einer 
Eingabe  an  den  Herzog,  daß  sie  eine  Niederlage  von 
guten  echten  und  fein  geschnittenen ,  auch  geschliffenen 
böhmischen  Gläsern  von  allerhand  Gattungen  in  Jena  seit 
Jahren  führten  und  jährlich  für  das  Recht  zum  Glashandel 


1)  Am  7.  März  1744. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  191 

und  Hausieren  12  Taler  bezahlten.  Nun  hätten  die  Brüder 
Georg  und  Nikolaus  Ungere  aus  Schmiedefeld  versprochen, 
ilmenauisches  und  böhmisches  Glas  zu  vertreiben  und  dafür 
mehr  als  sie  zu  zahlen.  Ihnen  sei  daraufhin  geboten  worden, 
sich  des  Glashandels  zu  enthalten.  Indes  diese  beiden  ver- 
kauften kein  böhmisches  Glas,  wonach  sehr  starke  Nach- 
frage, auch  wenig  ilmenauisches,  sondern  meist  Glas,  das 
sie  aus  Hütten  bei  Gräfental  holten.  Die  böhmischen 
Händler  versprachen,  ihre  Abgabe  auf  20  Tal  er  jährlich  zu 
erhöhen  und  einen  geschickten  Glasschleifer  aus  ihrer 
Heimat  zu  besorgen,  der  zur  Hebung  des  Ilmenauer  Glas- 
handels beitragen  könnte,  wenn  man  ihnen  das  Recht  zur 
Fortsetzung  ihres  Glashandels  ließe.  Ob  in  diesem  Falle 
das  Gesuch,  das  sich  überhaupt  gegen  die  Monopolisierung 
des  Handels,  nicht  speziell  gegen  die  Glaser  richtete,  etwas 
half,  wissen  wir  nicht.  Bald  darauf  baten  die  Material- 
warenhändler in  Eisenach  den  Fürsten,  das  dem  Glaser 
Zahn  und  Konsorten  verliehene  Monopol  des  Glashandels 
wieder  zurücknehmen  zu  wollen  i).  Ihr  Erwerb  litte  darunter, 
und  das  Publikum  käme  auch  zu  kurz,  vermutlich  weil  die 
Glaser  ihre  privilegierte  Stellung  ausnutzten.  Und  die 
Glaser  selbst,  denen  sich  die  aus  Weimar  und  aus  Jena 
angeschlossen  hatten,  fanden  bald  ein  Haar  in  dem  Ge- 
schäft. Sie  beschwerten  sich,  daß  die  Hütte  entgegen  dem 
Vertrage  die  Preise  in  die  Höhe  getrieben  hätte  ^}.  Sie 
hätten  vereinbart,  für  100  Spiegelscheiben  einschließlich  der 
Fracht  23  Gr.  zu  zahlen ,  man  nähme  ihnen  aber  jetzt 
1  Rtlr.  und  2  Gr.  ab.  Und  für  ein  Bund  Tafelglas 
ä  1  Rtlr.  8  Gr.  sollten  sie  1  Rtlr.  und  16  Gr.  geben.  Das 
könnten  sie  nicht  leisten,  denn  für  diese  Preise  fänden  sie 
keinen  Absatz  im  Lande.  Das  böhmische  Glas  sei  wohl- 
feiler. 100  Spiegelscheiben  kosteten  nicht  mehr  als  20  Gr. 
und  ein  Bund  Tafelglas,  das  noch  „ein  ziemlich  Teil  größer 


1)  Mai  und  Juni  1744. 

2)  Am  29.  August  1746,  Geh.  Haupt-Archiv  in  Weimar,  B.  6451. 


192  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

sei  als  das  hiesige",  1  Rtlr.  8  Gr.  Dazu  falle  die  Lieferung 
nicht  immer  einwandsfrei  aus.  Neulich  habe  in  der  Nieder- 
lage zu  Weimar  sich  Glas  gefunden,  das  schon  etliche 
Jahre  gelegen.  Daher  baten  die  Glaser,  daß  man  die  Be- 
stimmungen der  Abmachung  einhalten  und  zu  den  verein- 
bax'ten  Preisen  zurückkehren  möge.  Der  Herzog  sah  die 
Billigkeit  des  Verlangens  ein  und  wies  die  Kammer  an, 
den  Glaskontrakt  so  zu  gestalten,  daß  das  Werk  nicht 
ruinieret  werde.  Der  Fürst  hatte  also  die  richtige  Einsicht, 
daß,  wenn  man  den  Wettbewerb  mit  dem  fremden  Glase 
aushalten  wollte,  es  vor  allem  darauf  ankam,  nicht  teurer 
zu  sein,   als  z.  B.  die  Böhmen. 

Es  muß  dahingestellt  werden,  ob  die  Verwaltung  in 
der  Tat  darauf  Rücksicht  nahm.  Wenige  Jahre  danach 
war  die  Glashütte  geschlossen. 

Anlagen. 

1.  Bilanz  der  Glashütte  zu  Ilmenau  über  die  Zeit  von 
Michaelis  1736  bis  ebendahin  1737. 

(Geh.-Haupt  u.  Staatsarchiv  in  Weimar.    B.  6467,  S.  28.) 
Extract   aus    alhiesiger    fürstlichen   Glasshütten -Rechnung   de 
Mich.  1736  bis  dahin  1737  und  zwar  sind  an  Glasswaaren  bey  heuriger 
Hitze  gefertiget  und  verkauf f et  worden,  wie  folget  alss: 

23  Stück  Poeale 

109  270  „  ord.  Kelche 

172  „  Eöhmer 

734  „  Caravinen 

25  „  Essigkänngen 
1  „  Weiuheber 

9       „       Weinkrüge 

26  „       Kannen 

1  Hh ')  Bassgläser 

20  Hh  11  Schaub  Bierglass 

30    „    22        „       Becher 
144  Stück  Zuckerhäfen 
174       „       Bouteillen 
251       „       Flaschen 

24  „       Melonenglocken 
7       „       Probgläser 

2  „       Windleuchter 
400      „       Wettergläser 

1)  Hh  =  Hüttenhundert. 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert.  193 

2  Hh  2  Seh.  Taschengläser 
2     „     4     „     Uringläser 
8  Stück  Laternen 


282 

11 

Weinkelche 

8 

11 

Cammertöpffe 

98 

n 

Betörten 

20 

15 

Violen 

10 

Kolben 

8 

11 

Helme 

10 

Eecipienten 

623 

11 

Cont'iturgläser 

756  Bund  Tafelglass 
150  Stück  Scheiben. 

Beträgt  an  Gelde  in  Summa  3396  Rthlr.  17  Gr.  6  ^.  Hierzu 
kommt  noch  177  Ethlr.  20  Gr.  —  ^.  an  verbliebenen  Vorrath  von 
heuriger  Hitze  alss  an  132  Bund  Tafelglass  excl.  14  Wagen  1472  Blatt 
und  an  alten  Vorrath. 

6  Stück  Pokale 

21       „      Weinkelche 
18  Schaub  ord.  Kelche 
3  Stück  Caravinen 

7  Hh  15  Seh.  Bierglass 
5  Seh.  Becher 

115  Stück  ßouteillen 
20      „      Flaschen. 

Summa  aller  Einnahme  Geld 

3574  Rthlr.  17  Gr. 
Ausgabe  Geld: 
Rthlr.  Gr.    o). 

1296      8     10    vor  allerhand  Glassmaterialien  an  Potaschen,Gipss  etc. 
520    —     -    vor  364  Clafter  Scheit  ä  1  Rthlr.  6  Gr. 
206    18    —    vor  181  Clafter  Schürholtz  ä  1  Rthlr. 

19      1     —     vor  50  Clafter  Stocken  ä  8  Gr. 
981      1     —    an  Wochen-  und  Jahrlohn  denen  Glässern  und  anderen 
Arbeitern 
92     12     —     dem  Glassmahler  Negele 
23      4    —    vor  Schmiedearbeit 
169     —     —    an  Holzslagerlohn 
142      1     —    Anfuhr  und  Flösserlohn 
34    —      2    an  Baukosten 
18     17       1     ingeraein. 

Summa  aller  Ausgabe  Geld 
3503     -       1 

Diese  gegen  die  Einnahme  gehalten  so  erscheinet  Ueberschuss 
71     17      1 

Ilmenau  den  17.  October  1737. 

Joh.  Herm.  Wirsinger. 

Vom  I8ten  Februario  bis  löten  Juni  sind  an  Glasswaaren 
auss  alhiesiger  herrschaff tlicher  Glasshütten  gefertiget  worden,  wie 
folget  alss : 

XXV  n.  13 


194  EiJ^e  Glashütte  in  Ilmen&u  im  18.  Jahrhundert. 

9  Stück  Poeale  mit  Deckel 


72 

„      grosse  Weinkelche 

56  532 

„      ordinaire  Kelche  diverser  Sorten 

1283 

„      Böhmer  und  Eöhmer  Kelche 

444 

„      Caravinen 

400 

„       Wettergläser 

3 

„      Weinkrüge 

14 

„      Kannen 

1 

,,      Weiüheber 

1  hundert  Bassgläser 

12 

„        24  Schaub  Bierglass 

16 

7        „       Becher 

12  Stück  Zuckerhäfen 

186 

„      Bouteilleu 

180 

„      Flaschen 

18  Schaub  Uringlass 

6  Stück  Cammertöpfe 

58 

„      Betörten 

10 

„      Kolben 

8 

„      Violen 

6 

„      Recipienten 

2 

„      Lichtglässer 

433  Blatt  Tafelglass. 

Ausgabe  Geldt  bey  hochfürstlichen  Glashütten  vom   18.  Febr. 
bis  15.  Juni  1737. 

vom    Glassofen    umzusetzen    und    andere    gefertigte 

Mauerarbeit 

vor  2  Fuder  Hafenerde 
,,     6  Stück  Kühlhäfen 
„    847^  Ctnr  Potasche  ä  57,  Rthlr. 
„    55V2  Sümmere  Gipss  a  I673  ßthlr.,  sojbis  löten 

Juny  ausgangen 

vor  IV4  Cntnr  Braunstein 

vor  2  0  Wachss 

vor  257  Clafter  Holtz,  so  bis  hieher  ausgangen,^  alss 

108   Gl.   Schürholtz   ä  18   Gr.  und   149    Cl.  Scheit- 

Holtz  ä  1  Ethlr. 

vor  Holtzschlagerlohn  von  diesem  Holtze 

solches  zur  Flösse  anzuführen 

selbiges  zu  flössen  und  auszusetzen 

Lohn  auf  16  Wochen   ä   18  Gr.   das  floltz  Ibey   die 

Hütten  zuführen 

Besoldung  auf  74  Jahr  von  Mich.  1736  bis  Johannis 

1737  dem  Glasmeister  Müllern,  bez. 

dem  Gohrmacher  Hartwigen  auf  18  Wochen  ä  3  Rthlr. 

denen    beiden    Vorblässern   auff    diese    Zeit,   jeden 

wöchentlich  2  Rthlr. 

denen  2  Knopff-  und  Bödenmachern  auff  obige  Zeit 

ä  30  Gr.  jeder  wöchentlich. 

denen  2  Einträgern  auf  16  Wochen  ä  16  Gr.  Jedem. 

dem  Einträger  beym  Tafelmacher  ä  8  Gr.  pro  1  Woche 

Zuschuss 


Rthlr. 

Gr 

13 

11 

22 

18 

6 

6 

585 

6 

44 

4 

__ 

15 

— 

20 

262 

18 

77 

8 

54 

14 

109 

7 

13 

15 

171 

9 

54 

18 

73 

3 

45 

15 

24 

8 

6 

2 

Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 


195 


Ethlr.  Gr.    d). 

51     17    —    denen  beyden   Schörern   auff  16  Wochen  ä  34  Gr. 

Jedem 
82     10    —    dem  Tafebnacher  vor  7  Wagen   13  Blatt  Tafelglass 

ä  10  Rthlr.  Arbeitslohn 
12     12    —    vor  distiUirzeug,  Bouteillen  und  Flaschen  zu  blassen 

diesem. 
18      6    —    der  Glasmeister  Müllerin  vom  Glass  Einstossen   auf 

16  Wochen  ä  1  Ethlr. 

2  —    —    vor  Stroh  zur  Einstossung  des  Glasses. 
16    —    —    vor  soviel  Fuder  Sand  anzuführen. 

3  1    —      „    selbigen  zu  graben. 

—  18    —      „1  Sandsieb. 

8      8    —      „    gefertigte  Schmiedearbeit 
6    17    —      „    tischerarbeit 

—  18      6      „    brether 

1     18    —      „    Schlosserarbeit 

1    11    —      „    bothenlohn,  Kühlhäfen  zu  hohlen  und  arbeitsleute 

zu  bestellen. 

Summa  aller  ausgäbe  gelte 
1743    18    — 


2.  Leistungen  des  Glasmalers  Negele  im  Porzellanmalen 

vom  25.  Febr.— 2.  Mai  1737. 

(Geh.  Haupt.-  u.  St.-Arch.  Weimar,  B.  6447,  S.  27.) 
Specificatio    derer    sämtlicher    Porcellainwaaren     durch     den 

Glassmahler  Negele  vom  25ten   Februarii  c.  a.   bis  jetzo   gemahlet 

worden  alss: 

3  Stück  grosse  Vasa  zu  einem  Aufsatz  mit  dem   Hochfürstlichen 

Nahmen  und  Wappen. 
2      „      Kannen  mit  Deckel  auf  obige  Fa§on  gemahlt. 
12      „      Chocolade  Becher  mit  Henckel,   worauf  der  hochfürstliche 

Nähme  verzogen. 
18      „      dergl.  mit  Indianischen  Figuren 
6      „  „      Schwarz  gemahlt 

6      „      noch  dergl.  mit  gebrochen  Stabe 
1       „      Lavor  Känngen^) 
1      „      Butterbüchsse. 

Ilmenau  d.  2.  May  1737. 

Joh.  Herm.  Wirsing. 


3.  Produktionsaufwand  in  einer  Woche    bei  der  Glas- 
hütte in  Ilmenau  1744. 

(Geh.  Haupt-  u.  Staatsarchiv  Weimar,  B.  6447,  S.  88—89.) 
Anschlag  des  Auffwandes,  welcher  bey  dem  Umtrieb  einer  Glas- 
hütte wöchentUch  erfordert  wird. 


1)  Kännchen  zum  Waschbecken. 


13^ 


196  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

Rthk.  Gr. 

32    —  vor  24  Clafter   Holz ,  halb   Tannen   und   halb   Fichten 

ä  1  Ethlr.  8  Gr. 

44    —  vor  8  Centner  calcionirter  Podasche  ä  5  ßthlr.  12  Gr. 

2     —  vor  3  Simmer  Gips  ä  16  Gr. 

1    —  „3  Karn  Sand  ä  8  Gr. 

1  —  „    Baukosten  zum  Glassoffen. 

2  —  „    Coburger  Thon  zum  Glassoffen  und  Häffenn 

—  12      „    Kühlhäffen  Drat,  Bindfaden,  Stroh  und  Futter 

—  12    vor  das  gehörige  Eiseuwerck  zu  halten. 

—  6    vor  Braunstein ,  Kobalt ,   Greide ,  Gelbwachs   und  Anti- 

monium 

16  —    vor  4  Taffelmacher  Arbeitslohn 

1  8    vor  2  Jungen  solchen  einzutragen 

3  —      „1  Scheibenmacher 

—  14      „1  Jungen  solchem  einzutragen 

4  —     vor  den  Glassmeister  Martin  Müller 

2  —      „    dessen  Vorbläser 

1  —      „1  Knopff-  und  Fussmacher 

—  14      „1  Jungen  zum  Eintragen 

2  —      „1  Mateurenmacher 

2  12      „2  Schürrer 

4  —       „4  Holzspalter 

5  12      „    die  Niederlaggebühren  vor  132  Rthlr.  Glass  ä  1  Gr. 
4      6      „     127^  Centner  Glassfracht  ä  8  Gr. 

1     —       ,,     die  Kisten  zum  Glasseinpackeu 

3  —    ohngefähr  vor  den  Bruch  bei  Liefferung  des  Glasses 
134    —     Summa. 

Wöchentlicher  Ertrag  nach  Abzug  aller  Kosten. 
Ethlr.  Gr. 
114    16    vor  86  Bund  Taffelglass  ä  1  Ethlr.  8  Gr. 
18    —      „     1800  Stück  Scheiben  ä  1  Ethlr. 

17  8      „     allerhand  Sorten  Hohlglass 
250     — 

Ilmenau  d.  22.  Jan.  1744. 

Johann  Heinrich  Gottheb  Wentzel. 


4)  Herzogliches  Reskript    an  den  Stadtrat  zu  Jena    in 
Sachen  des  Glashandels.      1742,  Febr.   19. 

(Grossherzogl.  Haupt-  u.  Staatsarchiv  Weimar,  B.  5119,  Stück  41.) 
L.  G.  Nach  dem  Wir  in  Unserm  Fürstenthum  Weimar  das 
lUmenauer  Glas  schon  vorlängst  eingeführet  unnd  dahero  wollen, 
dass  solches  in  Unsern  übrigen  Landen  und  also  auch  in  der  Jena- 
ischen Portion  auss  Unsrer  Hütten  zu  lllmenau  genommen  werden, 
a.  b.  W.  h.,  ihr  wollet  zu  Jena  einen  wohlhabenden  und  ansässigen 
Mann  ausmachen,  welcher  sowohl  Tafeln,  Scheiben,  Bouteillen  und 
alle  andere  Sorten  Gläser  um  billigen  Preiss  aus  der  Illmenauschen 
Hütten  hole,  solches  wieder  verkaufe,  auch  andere  darmit  verlege, 
wobey  Wir  die  Einfuhr  alles  fremden  Glases  ausgenommen  ge- 
«chlieffener  Waare  hiermit  ernstlich  verbieten,  wie  denn  alle  Sorten 


Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhmidert.  197 

so  nur  vertrieben  werden  können ,  daselbst  gemacht  und  bestelt 
werden  und  habt  ihr  hiernächst  dahin  acht  zu  haben,  dass  derjenige 
Manu,  welchen  ihr  hierzu  ausmachen  werdet,  nicht  etwann  ein 
Monopolium  einzuführen  suche,  noch  die  Leute  im  Preiss  übersetze 
und  vervortheile.  An  dem  etc. 
Weimar  d.  12.  Febr.  1749. 


5.  Aus  einem  Schreiben  Christ.  Friedr.  Trommlers  in 
Ilmenau  au  Herzog  Ernst  August  von  Sachsen-Weimar  in 
Wilhelmsthal  1744,  Mai   10. 

(Grossherzog.  Haupt-  u.  Staatsarchiv  Weimar,  B.  6447  S.  98.) 
....  „Was  Ew.  Hochfürstl.  Durchl.  wegen  desjenigen  Glasses 
gedencken,  worinnen  3  Sortten  von  Brennspiegel  etngeschliffen  werden 
sollen,  dabey  ist  unterthänigst  zu  gedencken,  wie  in  derjenigen 
Zeichnung,  welche  Herr  Cammerdiener  Jahr  überbracht  und  dem 
Glassmeister  Müller  dieses  lange  Glass  darnach  zu  verferttigen  ge- 
geben, nur  ein  einziger  Falss  (: worauf  ein  Brennglass  zu  liegen 
kommen  soll:)  angemerckt  ist,  dahero  ich  sofort  mich  mit  Herrn 
Ludwigen  nach  Vossfeld  begeben,  um  mit  dem  Herrn  Pfarr 
daselbsten  alles  nach  Ew.  Hochf.  Durchl.  hoher  Intention  zu  ver- 
abreden, damit  die  Glässer  zuförderst  gemacht  werden  und  der  Glass- 
schneider in  Frauenwalde  diese  hernach  gehebe  einpassen  kan.  Ge- 
dachter Herr  Pfarr  will  auch  alles  sofort  bewercksteUigen,  wann  er 
nur  erst  das  Glass  darzu  von  Nürnberg  erhalten  haben  wird,  welches 
er  binnen  14  Tagen  gewärttig  ist,  massen  er  kein  geblasenes  sondern 
dazu  ä  part  besteltes  und  auff  Sand  in  dicken  Stücken  gegossenes 
Glass  gebrauchen  kan.  Es  scheinet  dieser  Mann  in  der  Optic  sehr 
erfahren  zu  seyn ;  er  hat  sich  in  seiner  Jugend  zu  Dresden  bey  dem 
berühmt  gewesenen  Rath  Zschernhaussen  auffgehalten ;  er  ist  erbötig 
(:wenn  Ihro  Hochf.  Durchl.  gnädigst  beliebten  Jemanden  zu  ihm  zu 
schicken:)  denselben  diese  Wissenschafft  in  Zeit  von  4  bis  6  Wochen 
bey  zu  bringen ;  er  ist  auch  gesonnen  mit  denen  Glässern  Ew.  Hochf. 
Durchl.  Selbsten  unterthänigst  aufzuwartten.  Der  Ort  Vossfeld  wird 
5  Meilen  von  der  Zillbach  obliegen,  von  daher  aber  müste  er  ab- 
geholet  werden.  Mit  dem  Herrn  Hoffrath  Schrecken  ist  er  ganz 
genau  bekandt,  welcher  öffters  zu  ihm  kommt.  Von  dem  hoch- 
seeligen  Prinz  Carln  von  Meiningen  hat  er  ein  Decret  als  Hoff- 
opticus,  dergleichen  er  dem  Vernehmen  nach,  auch  von  Hildburg- 
hausen gewärttig  ist.  Die  dasigen  2  durchlauchtigen  Prinzen  besuchen 
ihn  öffter  und  nehmen  von  ihm  Unterweisung  zu  der  Optic.  Er  hat 
verschiedene  Monita  gemacht  (:wie  in  beyliegenden  zu  ersehen:)  welche, 
bey  denen  Brennglässern  in  Sonderheit  an  der  Machine,  worinnen 
solche  zu  liegen  kommen,  zu  observiren  wären 

Der  beiliegende  Zettel  von  anderer  (eben  doch  wohl 
des  Pfarrers)  Hand: 

1.  Wenn  die  radii  solares  durch  viel  Gläser  gehen,  werden  sie 
sehr  debilitiret,  dahero  2  genug. 

2.  Wenn  das  objectum  estibile  unten  an  der  Spitze  des  coni 
heiss  wird,  wird  der  conus  zerspringen. 


198  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahrhundert. 

3.  Wenn  das  objectum  rauch  fängt,  können  die  concentrirten 
radii  solares  weiter  nicht  würcken  und  das  kleineste  convexe  ßrenn- 
glass  wird  vom  Rauch  anlaufen. 

4.  Ist  es  höchst  unbequem,  wenn  man  ein  experiment  machen 
will,  die  Gläser  allezeit  herauszunehmen  und  wieder  einzusetzen. 

5.  Wird  es  viel  mühe  kosten  die  Proportion  der  Convexiteten 
zu  finden,  dass  der  Breunpunct  gerade  nicht  weiter  und  näher 
komme  sondern  fast  die  Spitze  des  coni  berühre. 

6.  Wenn  die  Brenngläser  concaviteten  geschliffen  werden,  so 
verliehren  sie  fast  die  helffte  ihrer  Force  aus  richtigen  optischen 
Ursachen. 


VI. 

Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirice  des 
Großherzogtums  Sachsen-Weimar. 

Von 

A.  Mu eller, 

Großherzogl.  Landmesser  in  Weimar. 
Mit  15  Kärtchen  und  einem  Bilde  im  Text. 


Die  ursprüngliche  Absicht  des  Verfassers  war,  nur 
eine  Beschreibung  der  Wüstungen  und  Elurgenossenschaften 
mit  ihren  Hegemalen  in  der  Nähe  von  Weimar  zu  geben. 
Nachdem  mir  aber  die  vielfachen  Ungenauigkeiten  und 
Irrtümer  in  Werneburgs :  „Namen  der  Ortschaften  und 
Wüstungen  Thüringens"  klar  wurden,  entschloß  ich  mich, 
die  Arbeit  auf  die  sämtlichen  Wüstungen  des  I.  und  II. 
Verwaltungsbezirks  des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar 
auszudehnen,  da  mir  in  länger  als  40-jähriger  Dienstzeit 
meine  Arbeiten,  die  mich  von  der  Rhön  bis  Allstedt,  von 
der  Werra  bis  zur  Elster  führten,  vielfach  Gelegenheit 
geboten  hatten,  die  Orts-  und  Flurverhältnisse  namentlich 
der  Gegenden  von  Weimar,  Apolda,  Jena  etc.  genau 
kennen  zu  lernen. 

Außer  eigener  Kenntnis  habe  ich  als  Hilfsmittel  ge- 
habt: das  von  Großherzogl.  Staatsministerium,  Departement 
der  Finanzen,  mir  zur  Benutzung  freigegebene  Karten- 
material, sowie  die  Urkunden  und  Akten  des  Haupt-  und 
Staatsarchivs  in  Weimar;  Dobenecker,  Regesten;  ferner  das 
rote  Buch  von  Weimar,  herausgegeben  von  0.  Franke ; 
4as  Jenaer  Urkundenbuch  von  Martin ;  Beyer,  Urkundenbuch 
von  Erfurt;  Böhme,  Urkundenbuch  von  Pforta;  Dominikus, 


200         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Erfurt;  Otto  und  Rein,  Thuringia  sacra;  Zeitschrift  des  Ver- 
eins für  Thür.  Geschichte  und  Altertumskunde ;  Mitteihingen 
des  Vereins  für  Geschichte  etc.  von  Erfurt;  Zenker,  Jenaer 
Taschenbuch  ;  Schmid,  Burggrafen  von  Kirchberg ;  Schumann 
und  Kronfeld,  Weimarische  Landeskunde ;  Lippert  und  Be- 
schorner,  Das  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen,  u.  a. 

Zu  großem  Danke  bin  ich  verpflichtet  den  Herren  vom 
Archiv  in  Weimar  für  freundliche  Unterstützung,  Herrn 
Postsekretär  Heinrich  in  Buttstädt,  sowie  Herrn  Pfarrer 
Gärtner  in  Berka  (Hm)  für  mancherlei  wertvolle  Mitteilungen. 

Ein  alphabetisches  Verzeichnis  ist  am  Schlüsse  bei- 
gefügt. 

a)  Die  Wüstungen  und  Flurgenossenschaften  bei  Weimar. 

Von  den  westlich  von  Weimar  und  nördlich  davon  am  Etters- 
berg  gelegenen,  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  noch  vorhandenen 
Dörfern  ist  das  eine,  „Herren-  oder  Großroda",  vollständig  ver- 
schwunden, während  von  den  drei  anderen:  „Wenigen-  oder 
Kleinroda",  Lützendorf  und  Wallendorf,  noch  einzelne 
Baulichkeiten  übrig  geblieben  sind. 

Herren-  oder  Großroda 

lag  oberhalb  Becks  Haus  auf  der  westlichen  Seite  der  Ettersburger 
Straße  nach  Lützendorf  hin.  Der  Platz  des  Dorfes  ist  jetzt  mit 
Holz  bestanden,  der  Name  existiert  aber  noch  in  der  Flurkarte  als 
Wüstung.  Wann  die  Gründung  des  Ortes,  der  dem  Namen  nach 
germanischen  Ursprungs  gewesen,  stattgefunden  hat,  läßt  sich  so  wenig 
ermitteln  wie  bei  den  übrigen  Orten,  so  viel  steht  aber  bezüglich 
aller  4  Ortschaften  fest,  daß  sie  im  Bruderkriege  (1447 — 1451),  aus 
welchem  die  meisten  Wüstungen  in  Thüringen  stammen,  ihren  Unter- 
gang gefunden  haben.  1301  wird  Herrenroda  zuerst  als  Dorf  ge- 
nannt. Unterm  10.  Mai  d.  J.  bekennt  Graf  Hermann  von  Orla- 
münde,  daß  er  Vj^  Hufen  im  Felde  des  Dorfes  Groß-Rode,  auf 
denen  Conrad  und  Heinrich,  Gebrüder,  genannt  Eoten,  wohnen,  und 
welche  Ritter  Gotefried  Mulich  von  Walter  v.  Varila  zu  Lehen  hatte, 
auf  Bitten  Gottfried  Mulichs  dem  Konvente  der  Klosterjungfrauen 
in  Oberweimar  zueigne. 

Der  Ort  war  wohl  nur  klein,  aus  einigen  Gehöften,  Freihöfen, 
bestehend,  während  Wenigen-Roda  bevölkerter  gewesen  sein  wird.  Im 
Jahre   1533    kommt  der   Ort  als    Wüstimg  vor;    in  diesem   Jahra 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar. 


201 


belehnt  Johann  Friedrich,  Herzog  zu  Sachsen  (der  Beständige),  Jörg 
V.  Denstedt  mit  7  Hufen  Land,  7  Hainen,  mit  Wiesen,  Weiden  und 
mit  der  Wüstung  Großroda,  diese  wieder  zu  bebauen  (d.  h.  das  Land 
anzubauen),  ein  Vorwerk  dort  anzulegen,  ingleichen  dem  wüsten  Dorf- 
raum, mit  aller  Nutzung,  mit  den  Schafen,  Vieh  etc.  Nach  dem 
roten  Buche  gab  der  Ort  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  der  Herr- 
schaft in  Weimar  an  Zinsen  28  Schillinge  und  5mal  im  Jahre 
Küchenspeise,  jedesmal  5  Schillinge.  Der  Herrschaft,  der  alle  Ge- 
richte im  Dorfe  und  der  Flur  zustanden,  mußten  Frondienste  ge- 
leistet werden. 

Wenigen-Roda,  Heinroda, 

jetzt  „das  Ködchen"  genannt,  lag  östlich  von  Herrenroda,  zu  dem 
es  gehörte.  Die  runde  Anlage  des  Dorfes  deutet  auf  slavische  Nieder- 
lassung, d.  h.  dessen  Bewohner  waren  unterjochte  Wenden,  Leib- 
eigene  der  deutschen    Bevölkerung  von   Herrenroda.    Diese   runde 


Wustizruj  KleiTtr^oda  CdA&  Rödch^rv) 


-i.  HOOO 


Fig.  1. 

Dorfanlage  zeigen  in  der  Nähe  von  Weimar  noch  die  Orte  Ober- 
grunstedt,  Schoppendorf,  Kleinschwabhausen  (Windisch  -  Schwab- 
hausen, Suabehusa  slavica),  ein  Zeichen,  daß  die  slavische  Bevölke- 
rung   vor  ihrer  Unterjochung  sich   weit   nach  Thüringen   hin   aus- 


202         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

gebreitet  hatte.  Zuerst  kömmt  der  Ort  urkundlich  1323  vor,  in 
welchem  Jahre  das  Kloster  Oberweimar  daselbst  1  Hufe  Land  er- 
hält; 1374  verleiht  Landgraf  Wilhelm  dem  weimarischen  Bürger 
Hans  Ute  32  Schilling  und  7  Fastnachtshühner  ebendaselbst;  1379 
werden  die  dortigen  Güter  des  Dietrich  Nefen  der  Martinskirche  auf 
der  Burg  Weimar  zugeeignet;  1387  gibt  Landgraf  Balthasar  dem 
Kloster  Oberweimar  2  dort  gelegene  Hufen,  und  1434  wird  der  Ort 
wieder  in  oberweimarischen  Urkunden  genannt.  Die  dasige  Pfarr- 
kirche zu  St.  Georg  wird  schon  1433  als  baufällig  bezeichnet,  und 
da  die  Gemeinde  zu  arm  war,  die  Kirche  wieder  aufzubauen,  so 
werden  die  beiden  Orte  —  Groß-  und  Kleinroda  —  nach  Weimar 
eingepfarrt,  und  von  den  Einkünften  der  Pfarrei  und  Kirche  die 
St.  Georg-Brüderschaft  in  der  Stadtkirche  St.  Peter  und  Paul  ge- 
stiftet. Nach  Weimar  zogen  auch  später  die  Bewohner  beider  Orte 
und  bewirtschafteten  von  hier  aus  ihre  Grundstücke;  noch  bis  in 
das  zweite  Jahrzehnt  des  vorigen  (19.)  Jahrhunderts  hat  zwischen 
den  beiden  Wüstungen  ein  der  Familie  Koch  gehöriger  Gutshof  ge- 
standen. Im  Bruderkriege  ist  die  baufälhge  Kirche  vollends  zerstört 
worden. 

An  Zinsen  gab  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  das  Dorf 
1  Mark  (=  50  Schillinge)  und  5mal  des  Jahres  Küchenspeise,  wofür 
jedesmal  5  Schillinge  gerechnet  wurden.  Frondienste  und  Gerichte 
gehörten  der  Herrschaft  auf  der  Burg.  Außerdem  waren  nach  einer 
späteren  Notiz  noch  4%  Malter  Hafer,  Erfurter  Gemäß,  und  3  Scheffel 
Hopfen  zu  entrichten. 

Südwestlich  von  Herrenroda  lag 

Lützendorf. 

Auch  dieses  Dorf  war  im  Bruderkriege  arg  verwüstet  worden,  so 
daß  nur  einige  Höfe,  die  Wallfahrtskirche  zu  St.  Gangloff  und  eine 
bei  derselben  befindliche  Klause  übrig  geblieben  waren.  Nach  Hort- 
leder soll  im  Jahre  1525  nur  noch  die  Kirche  und  die  Klause  ge- 
standen haben,  darin  ein  Klausner  und  eine  Klausnerin  gewohnt. 
Aus  den  übrig  gebliebenen  Höfen  ist  später  das  Kammergut  ent- 
standen. Erwähnt  wird  Lucendorf  schon  1295;  im  Jahre  1310 
vergleicht  Graf  Hermann  von  Orlamünde  das  Kloster  Oberweimar 
wegen  Gütern  bei  Lützendorf  gelegen ;  1358  verleihen  die  Grafen 
von  Orlamünde  dem  Deutschen  Ritterorden  Land  daselbst.  1424 
besitzt  Dietrich  v.  Hesseier  dort  Zinsen  an  Va  H'ife  Landes,  die  er 
zur  Stiftung  einer  Messe  in  der  Pfarrkirche  zu  Weimar  an  mehrere 
Bürger  daselbst  verkauft.  In  einer  Urkunde  von  1435  belehnt  Land- 
graf Friedrich  (IV.)  Wittich  v.  Krumsdorf,  sowie  Lutolf,  Heinrich 
und  Gottschalk  v.  Krumsdorf  (Großkromsdorf)  unter  anderem  auch 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  203 

mit  Land  zu  Lützendorf.  1492  fordert  der  Kurfürst  Friedrich  (der 
Weise)  zur  Unterstützung  für  Erhaltung  und  Erweiterung  der  sehr 
baufälligen  Kirche  in  Lützendorf  auf;  1495  ist  infolgedessen  die 
Kirche  restauriert  worden,  wodurch  die  Wallfahrt  dahin  sehr  zu- 
genommen. Allein  schon  1530  geht  die  Kirche  ganz  ein.  Im  Jahre 
1541  verkaufen  Kurfürst  Johann  Friedrich  (der  Beständige)  und 
Herzog  Johann  Ernst  an  den  Schösser  Johann  Kunolt  35  Acker 
Land  in  der  wüsten  Dorfflur  Lützendorf,  wofür  er  ein  Haus  (Vor- 
werk) auf  der  Stelle  der  Kapelle  bauen  mußte,  den  jetzigen  Gasthof 
(1544).  1657  am  6.  März  tauscht  es  Herzog  Wilhelm  von  seinem 
Bruder  Ernst  gegen  andere  Güter  ein  und  vermehrt  damit  das 
Wittum  seiner  Gemahlin  Eleonore  Dorothea,  und  am  24.  Januar 
1726  schenkt  es  Herzog  Ernst  August  seiner  Gemahlin  Eleo- 
nore Wilhelmine  auf  Lebenszeit.  Später  wurden  das  Vorwerk  und 
die  Güter  der  Kirche  in  ein  Kammergut  verwandelt. 

In  Lützendorf  (in  der  Kirche  oder  Kapelle)  soll  der  Leichnam 
des  im  Jahre  1510  in  Erfurt  hingerichteten  Vierherrn  Heinrich 
Kellner,  nachdem  er  10  Wochen  am  Galgen  gehangen,  bestattet 
worden  sein.  Wenn  man  aber  die  Art  der  Überführung  —  durch 
2  Männer,  die  den  Körper  in  einem  Sack  durch  Stangen  getragen 
—  bedenkt,  so  erscheint  die  Erzählung  etwas  zweifelhaft.  Die  vor 
mehr  als  30  Jahren  durch  den  Archivdirektor  Geh.  Hof  rat  Burk- 
hardt  in  den  Gewölben  der  alten  Kapelle  vorgenommenen  Nach- 
forschungen nach  den  Gebeinen  sind  resultatlos  gewesen. 

Südwestlich  von  Lützendorf,  zwischen  Gaberndorf  und  Weimar, 
nördlich  des  Eisenbahndammes,  lag  bis  gegen  das  Ende  des  14,  Jahr- 
hunderts noch  ein  Dorf :  Krakeudorf  (Krakindorph)  ^),  das  aber 
schon  im  roten  Buche  als  „desolata"  bezeichnet  ist  und  wahrschein- 
lich im  Grafenkriege  (1342 — 1345)  der  Zerstörung  anheimfiel.  Die 
frühere  Flur  Krakendorf  ist  in  der  Flur  Gaberndorf  aufgegangen. 
Im  roten  Buche  heißt  es :  Petir  Fride,  residens  in  villa  Gaberndorff 
dat  de  uno  manso  8  sol.,  1  pull.  (8  Schilling  und  1  Huhn).  Item  5 
med.  frum.  wimar.  maßis  Michaeli.  Item  ouch  ist  daselbins  eine 
wese  czu  czweyen  fudern  houwis  (d.  h.  eine  Wiese,  die  zur  Burg 
gehört  und  2  Fuder  Heu  ergibt).  Item,  ouch  gebit  Ditherich  Gor- 
licz,  myns  hern  furster  (der  wohl  in  Gaberndorf  saß),  czween  gense 
erbecinze  uff  Mich,  von  eyn  halbin  hufin,  die  gelegen  ist  daselbinst, 
die  etzwan  ist  gewest  Frederich  Kesseler.  Item  ouch  hat  man  da- 
selbinst alle  gerichte  yn  felde  unde  yn  dorfe,  obirste  unde  nedirste. 
Item  ouch  hat  man  daselbinst  weitgelt  3  sol.  von  deme  acker,  wer 
da  weyt  sehit  (säet).    Wie  aus  vorstehendem  hervorgeht,  haben  sich 


1)  Werneburg  gibt  die  Lage  von  Krakendorf  ganz  unrichtig  an. 


204         I^ic  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

die  Bewohner  des  zerstörten  Ortes  nach  dem  zunächst  gelegenen 
Gaberndorf  gewendet.  Peter  Fride  wird  im  Weimarischen  Handels- 
buche: „von  Gaberndorff"  und  als  weimarischer  Bürger  genannt. 

Zuerst  wird  Krakendorf  in  einer  Urkunde  von  1217  erwähnt,  laut 
welcher  Bischof  Otto  von  Würzburg  den  Grafen  Albrecht  und  Hermann 
von  Orlamünde  6  Hufen  in  Crakendorf  schenkt ;  im  Jahre  1283  am 
25.  März  schenkt  Graf  Otto  von  Orlamünde  dem  Klosterkonvente 
in  Oberweimar  die  Güter  in  Tasdorph  (Daasdorf  a./B.)  und  1  Hufe 
in  Krakendorf,  in  denen  er  das  Vogteirecht  hat;  1345  eignen  die 
Grafen  von  Orlamünde  V2  Hufe  zu  Krakendorf  dem  Deutschordens- 
hause zu  Weimar;  1374  erhält  Hans  Ute,  Bürger  zu  Weimar,  vom 
Landgrafen  Wilhelm  1  Malter  Weizen  und  7-2  Hufe  zu  Krakendorf 
in  Lehen ;  1375  sind  die  Gebrüder  Kyrnemilch  dort  begütert,  und  1387 
verkauft  Landgraf  Balthasar  dem  Kloster  Oberweimar  Land  im  Felde 
des  Dorfes  Krakendorf.    Später  kommt  der  Ort  nicht  mehr  vor. 

Eine  zur  Flur  Kleinobringen  bei  Weimar  gehörige  Wüstung^ 
deren  Lage  in  der  Natur  noch  wohl  zu  erkennen  ist,  befindet  sich 
auf  dem  nördlichen  Abfall  des  Ettersberges,  unmittelbar  an  der  Straße 
von  Weimar  nach  Ramsla,  und  wird  in  der  Flurkarte  bezeichnet: 
„das  Rödigen".  Der  Ort  hat  nur  aus  wenigen  (3—4)  Höfen  be- 
standen, die  in  der  Nähe  der  jetzigen  Straße  lagen,  während  die  Flur 
sich  nach  Westen  hin  erstreckte;  jetzt  ist  die  Flur  ganz  mit  Wald 
bestanden.  Urkundliche  Nachweise  über  den  Ort  und  dessen  — 
wahrscheinlich  auch  im  Bruderkriege  erfolgten  —  Untergang  haben 
sich  nirgends  auffinden  lassen. 

Das  im  XIII.  Bande  der  Zeitschr.  f.  Thür.  Geschichte  u.  Alter- 
tumskunde enthaltene  Verzeichnis  der  10  Bezirke  (Termineien)  der  Er- 
furter Augustinermönche  (ord.  S.  Augustini  eremitarum)  im  östhchen 
Thüringen,  das  wahrscheinlich  1381  aufgestellt  ist,  führt  unter  den 
Ortschaften  der  Terrainei  Weimar  an:  Lutendorf  (Lützendorf), 
Rodechin  (Kleinroda),  Obernrode  (Groß-  oder  Herrenrode),  die  also 
damals  als  Dörfer  noch  bestanden.  Wallendorf  wird  nicht  erwähnt; 
ebenso  nicht  Krakendorf,  ein  Zeichen,  daß  dasselbe  in  dem  mit- 
genannten Gaberndorf  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  schon  auf- 
gegangen war. 

Von  allen  Orten  in  der  unmittelbaren  Nähe  von  Weimar,  die 
heute  zu  seiner  Flur  gehören,  war 

Wallendorf  (Waldindorf) 
wohl  der  bedeutendste  und  bekannteste,   den   im  Bruderkriege  das- 
selbe  Schicksal   betroffen,   wie   die   zuerst   genannten.     Wallendorf 
besaß  eine  berühmte  Wallfahrtskirche  St.   Nicolai  imd   wird   zum 
erstenmal  in  einer  Urkunde  vom  Jahre  1279  genannt,  als  Graf  Otto 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar. 


205 


von  Orlamünde  Va  Hufe  daselbst  dem  Kloster  Oberweimar,  dem 
Hauskloster  des  Orlamünder  Grafengeschlechts,  schenkt.  Auch  im 
Jahre  1295  kommt  der  Ort  urkundlich  vor,  als  Walther  v.  Vargula 
demselben  Kloster  Oberweimar  seine  Güter  in  Waldindorf  verkauft, 
sowie  diejenigen  Güter,  welche  er  daselbst  aus  seines  Bruders  Bert- 
hold, Pfarrers  zu  St.  Jakob  in  Weimar,  künftigen  Erbschaft  zu  er- 
warten hat,  an  3V2  Hufen  mit  zugehörigem  Hofe  und  dem  Kirchlein 
zu  Ulla  (01a),  auch  3  Mark  jährlichen  Zins  in  Lützendorf  und  Wal- 
dindorf. 1291  wird  in  einer  Jenaer  Urkunde  Albrecht,  Komthur  von 
Zwätzen,  genannt  von  Waldindorf,  erwähnt.  1307  verkauft  Hermann 
von  Oberweimar  Vg  Hufe  dort  an  Hans  Schyn.  —  Eudolf,  Heinrich 
und  Johannes  von  Gleißberg  (Kunitzburg)  geben  1345  dem  Kloster 


Fig.  2. 

Oberweimar  V2  Hufe  Feld  in  Waldindorf,  und  1360  bekennt  der  vor- 
genannte Heinrich  v.  Gleißberg,  daß  er  6  Pfennige  jährlichen  Zinses 
von  V2  Hufe  in  Waldindorf  an  den  Geistlichen  Nicolas  Eobill  ver- 
kauft habe;  1379  eignet  wieder  Graf  Otto  von  Orlamünde  dem 
Kloster  Oberweimar  IV2  Hufen  in  Tobach  (Taubach)  und  '/^  Hufe 
in  Waldendorf  zu,  welche  Dietrich  Zazernei  besessen.  1382  werden 
die  weimarischen  Bürger  Heinrich  und  Dietrich  Uthen  als  Grund- 
besitzer in  WaUendorf  aufgeführt;  1401  gibt  Dietrich  Rost,  gesessen 
zu  Heldrungen,  dem  Spitale  vor  dem  Kegel tore  in  Weimar  1  Hufe 
Land  in  Waldindorf,  und  in  demselben  Jahre,  21.  Oktober,  bestätigen 
Hans  Jegher  und  Hans  v.  Jehne,  sowie  die  Ratsmeister  und  Rats- 
leute von  Weimar  die  Überlassung  von  weimarischen  Spitalgüterii 
in  Waldindorf  an  Andreas  Kluge  und  Andreas  Haufeld  gegen  einen 


206         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

jährlichen  Zins.  1412  verkauft  der  Rat  zu  Weimar  Grundstücke  zu 
Waldendorf  an  den  gestrengen  Hans  v.  Gutenshausen  (Gutmanns- 
hausen), und  1417  werden  Zmsen  von  V/^  Hufen  zu  Waldindorf  an  die 
Pfarrei  des  deutschen  Ordens  in  Weimar  verkauft ;  1458  verkauft  der 
Schösser  Heinrich  Funke  in  Weimar  einen  Weingarten  in  Wallendorf. 

1447  wird  der  Ort  im  Bruderkriege  von  den  Scharen  des  Kur- 
fürsten Friedrich  so  verwüstet,  daß  nur  die  Kirche  und  die  Mühle 
stehen  geblieben  sind.  Die  Kirche,  die  auf  der  Anhöhe  über  der 
Mühle  stand,  suchte  man  zu  erhalten,  baute  1513  den  Chor  neu  auf, 
schoß  aber  1540  dieselbe,  da  sie  immer  baufälliger  wurde,  mit  großen 
Büchsen  (Kanonen),  die  man  probieren  wollte,  ganz  ein. 

Nach  dem  roten  Buche  von  Weimar  gab  das  Dorf  den  Grafen 
von  Weimar-Orlamünde  im  14.  Jahrhundert  an  Zinsen :  zu  Michaelis 
25  Schill.  8  Pfg.  jährlich;  auiäerdem  1  Scheffel  Korn,  3  Scheffel 
Hafer,  1  Scheffel  Hopfen.  Weiter  heißt  es :  „ouch  was  eyne  hufe 
do,  die  cinste  ouch  also  vyl,  die  üch  myn  here  von  Orlamunde  Fri- 
derichin  Risebutele,  die  lac  wüste  unde  ist  verlegt  (die  Grenzen 
sind  verlagt,  festgestellt).  Item  ouch  habin  unsir  heren  alle  gerichte 
in  felde  unde  yn  dorffe.  Item  Hermann  Scheffel  gebit  2  hunire  uff 
Michaehs  de  V2  manso  ibidem,  olim  Risebutels".  Nach  dem  Dresdener 
Register  gab  vermutlich  dieselbe  halbe  Hufe,  als  sie  Risebutel  noch 
besaß,  1  tal.  (Pfund  Pfennige)  und  1  Lämmchen. 

Nach  der  Zerstörung  des  Dorfes;  das  sich  von  der  Mühle  an 
in  westlicher  Richtung  im  Grunde  hin  erstreckte,  zogen  die  Ein- 
wohner, die  den  Ort  nicht  wieder  aufbauen  wollten,  teils  nach 
Weimar,  teils  nach  Niedergrunstedt,  behielten  aber  die  gesonderte 
Flurgenossenschaft,  ihre  Gemeindelade  mit  Urkunden  und  Insignien, 
wie  den  Heimelstab  (Hegemalsstab)  bei  und  wählten  ihre  Heim- 
bürgen, bis  infolge  der  Grundstückszusammenlegung  nach  1870  durch 
Vereinbarung  die  Flurgenossenschaft  aufgehoben  und  die  bisher  ge- 
sonderte Flur  Wallendorf   mit  der   Flur  Weimar  vereinigt  wurde*). 

b)  Wüstungen  am  westlichen  Fuße  des  Ettersberges. 

Außer  den  in  Abschnitt  a)  aufgeführten  Wüstungen,  die  sich 
sämthch  auf  dem  südlichen  Abhänge  des  Ettersberges  befinden,  gibt 
es  am  westlichen  Fuße  noch  4  Wüstungen.  Während  südöstlich 
von  Gaberndorf  (nicht  nordwestlich,  wie  Werneburg  angibt)  der  Ort 
Krakendorf  lag,  war  nordwestlich  davon,  über  Ottstedt  a./B.  nach. 
Niederzimmern  zu :  Getoru  oder  Thorn ,  das  ebenso  wie  Kraken- 
dorf schon  im  Grafenkriege  1343  der  Zerstörung  anheimfiel.  Bereits 
im  roten  Buch  von  Weimar,  etwa  1379  begonnen,  heißt  es :    Thom,, 

1)  Über  das  Hegemal  etc.  später. 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar. 


207 


daz  wüste  dorff ,  daz  da  gelegin  ist  gensyt  Tostorff  (Dassdorf  a/B.  etc.". 
Es  lag  also  der  Ort  in  der  Nähe  von  Niederzimmern,  wie  auch  aus 
einer  Urkunde  vom  22.  Sept.  1348  hervorgeht,  die  abgedruckt  ist 
in  Beyers  Urkundenbuch  der  Stadt  Erfurt.  Nach  dieser  Urkunde 
erkennen  die  Grafen  Friedrich  und  Hermann  von  Orlamünde  — 
welche  1346  das  Dorf  Niederzimmern  an  Erfurt  abgetreten  hatten 
—  das  von  Konrad  dem  Jüngeren  von  Tannroda  gefällte  Urteil  an, 
daß :   „das   Dorfstadil   zu   Geturn,  das  etwann   eyn    gebuwet   dorff 


Wüstungen  amEüershepde 


Wei  mar. 


se^K^ 


Fig.  3. 


was"  zu  Erfurt  gehören  solle.  Die  Stadt  Erfurt  und  die  Grafen  von 
Orlamünde  scheinen  gemeinschaftlichen  Besitz  daselbst  gehabt  zu 
haben,  und  da  die  Bewohner  des  zerstörten  Ortes  sich  dem  Anschein 
nach  nach  Zimmern  gewendet  hatten,  dieses  aber  durch  den  Land- 
grafen Friedrich  an  Erfurt  gekommen  war,  so  fiel  die  Entscheidimg 
Konrads  v.  Tannroda  zugunsten  Erfurts  aus.  Es  kommt  auch  die 
Bezeichnung  vor:  stadil  und  getorn,  so  daß  die  irrige  Ansicht  ent- 
stand, es  seien  zwei  Dörfer  gewesen.  Ganz  richtig  bemerkt  Franke 
im  roten  Buche :  , .vermutlich  hat  man  stehengebüebene  Wirtschafts- 


208         I^iß  Wüstungen  im  I,  und  II.  Verwaltungsbezirke 

gebäude  des  eingegangenen  Ortes  mit  (dem  auch  jetzt  noch  übhchen 
Ausdrucke)  stadil,  stadel  (Stall)  bezeichnet,  die  zu  Getorn  gehört 
haben",  aber  vom  Orte  entfernt  lagen  und  allgemein  „der  stadil" 
genannt  wurden. 

Auch  das  Stift  Hersfeld  hat,  wie  wir  bei  Ranigisdorf  sehen 
werden,  Gerichte  und  Gefälle  in  den  Dörfern  am  Fuße  des  Etters- 
berges  gehabt. 

Der  Ort  hat  vielleicht  zu  den  ältesten  Orten  in  Thüringen  gehört, 
denn  nach  Dronke,  Cod.  diplom.  überträgt  Graf  Erpho  (Erphold) 
etwa  im  Jahre  860  die  Orte  Zimmern  (Zimbron)  und  Getorn  (Gu- 
torne)^)  in  Thüringen  dem  heiligen  Kilian  neben  anderen  Orten  in 
Thüringen  und  im  Grabfeld.  Eigentümlich  ist  es,  daß  schon  im 
13.  Jahrhundert  der  Ort  als  Wüstengetorn  bezeichnet  wird.  In 
einer  Urkunde  ohne  Datum,  die  aber  sicher  in  die  Zeit  von  1250  bis 
1260  fällt,  zwar  mit  einem  Siegel  versehen  ist,  aber  ohne  Angabe 
von  Zeugen ,  bekennen  Reinhard  und  VoLrad ,  und  die  übrigen 
Kinder,  von  Kranichfeld,  daß  sie  die  Nutznießung  etlicher  in  „Wusten- 
geturne"   gelegenen    Güter,    welche   Ritter  Ekkehard   von    Weimar 


1)  Gewöhnlich,  und  mit  viel  Wahrscheinlichkeit,  wird  Alt-  oder 
Großgottern  bei  Langensalza  für  dieses  Gutorne  angenommen ,  in 
welchem  Falle  Zimbron  das  südlich  davon  gelegene  Zimmern  sein  würde. 
Es  könnte  aber  auch  unser  Geturn  und  das  dabei  liegende  Nieder- 
zimmern gemeint  sein.  Werneburg  hat  Getorn  nicht  unter  den  Wüstun- 
gen aufgeführt,  er  hält  es  irrigerweise  für  „Göttern"  nordöstlich  von 
Blankenhain  (besser:  südlich  von  Magdala),  das  aber  in  Urkunden  nur: 
Gittern,  Jittern  und  Gitterde  genannt  wird.  Schon  v.  Tettau  hat  hin- 
gewiesen auf  diesen  Irrtum  Werneburgs,  dem  übrigens  namentlich 
bezüglich  der  Lage  der  Wüstungen  zahlreiche  Irrungen  untergelaufen 
sind.  So  ist  auf  der  Werneburgschen  Karte  die  Lage  der  Wüstungen 
Ranigsdorf  (richtiger  Ranigisdorf)  Mannzimmern,  Gebeisborn,  Kra- 
kendorf, Herrenroda  falsch  angegeben,  Mannzimmern  liegt  da,  wo 
Ranigisdorf  verzeichnet  ist,  und  umgekehrt,  Herrenroda  liegt  nörd- 
Uch  von  Lützendorf,  nicht  südUch,  Krakendorf  südlich  von  Gabern- 
dorf,  nicht  nordwestlich.  Derselbe  Fehler  wie  bei  Werneburg  be- 
züglich der  Lage  der  Wüstungen  Mannzimmern  und  Ranigisdorf 
befindet  sich  in  der  zu  Bd.  XIII.  der  Zeitschrift  des  Vereins  für 
die  Geschichte  und  Altertumskunde  von  Erfurt  gehörigen  Karte, 
aus  der  er  in  Werneburg  und  neuerdings  in  die  „Geschichte  der 
Stadt  Erfurt"  von  Beyer  übergegangen  ist.  Nach  den  älteren  Karten 
von  Ollendorf  und  Eckstedt  liegt  der  Distrikt  „in  Mannzimmern" 
an  der  Flurgrenze  Udestedt-Eckstedt,  also  in  der  Flur  Ollendorf 
nicht  aber  in  den  Fluren  Ottstedt  oder  Niederzimmern. 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  209 

von  ihnen  zu  Lehen  hatte,  dem  Konvent  zu  Weimar  (Kloster  Ober- 
weimar) übertragen  haben  etc.  Da  Zeugen  und  Datum  fehlen,  scheint 
die  Übertragung  nichl  perfekt  geworden  zu  sein. 

Die  Lage  des  Ortes  läßt  sich  ziemlich  sicher  nachweisen  und 
jetzt  noch  erkennen;  in  der  Flur  Niederzimmern  —  wohin  sich  die 
Einwohner  gewendet  —  war  nach  Ottstedt  a./B.  hin  ein  Distrikt : 
„am  Tornschen  Kirchhofe". 

Oebelsborn  (Gebelichesborn),  jedenfalls  wie  die  benachbarten 
Orte  Mannzimmern  und  Ranigisdorf  im  Bruderkriege  zerstört,  lag 
nach  Ausweis  der  alten  Karten  von  Ottstedt  aus  nach  Hottelstedt 
zu  und  wird  nebst  Getorn  xind  Ranigisdorf  in  einer  Urkunde  vom 
31.  Otober  1366  erwähnt,  laut  welcher  der  Abt  und  der  Konvent 
des  iStiftes  Hersfeld  zur  Wiedereinlösung  von  Dorf  und  Schloß 
Gebese  dem  Rate  zu  Erfurt  für  735  Mark  Silber  wiederkäuflich  alle 
ihre  Gerichte  und  Gefälle  aus  verschiedenen  Dörfern  in  der  Nähe, 
darunter:  Zimmern,  Ollendorf,  „czu  Getorn,  czu  Otstete,  czu  Nan-. 
gisdorf  (verschrieben  statt  Rangisdorf ),  czu  Gebelichesborn"  verkaufen. 

Noch  existiert  die  Flurdistriktsbenennung  „auf  dem  Göbels- 
berge"  südlich  vom  Wege  von  Ottstedt  a./B.  nach  Hottelstedt. 

Ranigisdorf  lag  zwischen  Ottstedt  und  Ollendorf,  mit  dem 
es  verbunden  war  und  wohin  sich  nach  der  Zerstörung  die  Be- 
wohner gewendet  haben  werden.  1490  Mai  5.  verkauft  Heinrich 
Hüttener  —  Bürger  zu  Erfurt  —  seinen  aus  einem  Hofe  und  einem 
Vierteil  der  Gerichte  zu  Ollendorf,  Gebeisborn,  Ranigisdorf  und  Ge- 
torn bestehenden  Besitz  an  den  Rat  zu  Erfurt.  In  der  Flur  Ott- 
stedt am  Ollendorfer  Wege  und  an  der  Ollendorfer  Flurgrenze  finden 
sich  noch  die  Benennungen:  „am  Höfchen"  und  „beim  Spende-Gute", 
wodurch  die  Lage  des  Ortes  Ranigisdorf  wohl  bestimmt  wird.  Der 
Ort  scheint  danach  nur  klein  gewesen  zu  sein. 

Bedeutender  war  jedenfalls  der  zwischen  Ollendorf,  Udestedt 
und  Eckstedt  gelegene  Ort  Mannzüumeni.  Nach  der  Zerstörung 
des  Ortes  im  Bruderkriege  scheinen  sich  die  Bewohner  in  die  drei 
vorgenannten  Orte  zerstreut  zu  haben,  denn  in  allen  drei  Fluren, 
da  wo  deren  Grenzen  zusammenstoßen ,  kommt  die  Flurdistrikts- 
benennung „in  Mannzimmern"  vor. 

1383  verkauft  das  Peterskloster  in  Erfurt  seinen  Anteil  an 
Mannzimmern  an  Härtung  von  Diffort;  1518  März  15.  belehnt  Graf 
Sigmund  von  Gleichen,  als  Oberlehnsherr,  mit  diesem  Anteil  des  Ge- 
richts und  272  Hufen  Landes  daselbst  die  Familie  v.  Utzberg. 
1519  März  21.  wird  Aßmann  Schade,  Erfurter  Bürger,  damit  belehnt, 
und  1532  verkaufen  die  Grafen  Philipp,  Ernst,  Sigmund  und  Hans 
von  Gleichen  die  Hälfte  des  Gerichts  zu  Mannzimmern  für  3500  Gul- 
den an  den  Rat  zu  Erfurt.  Ein  Viertel  des  Gerichts  daselbst  war 
XXVII.  14 


210         I^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

schwarzburgisches  Afterlehn  unter  sächsischer  OberlehnsherrlicKkeit. 
Dasselbe  wurde  1502  von  Dietrich  und  Heinrich  Paradies  —  Er- 
furter Patriziern  —  für  1000  Rh.  Gulden  an  den  Rat  verkauft.  Den 
übrigen  Teil  des  Ortes  und  Gerichts  soll  schon  1344  die  Stadt  Erfurt 
als  Entschädigung  für  die  von  ihr  im  Grafenkriege  dem  Landgrafen 
Friedrich,  dem  Ernsthaften,  gegen  die  Grafen  von  Orlamünde  und 
Schwarzburg  (Arnstadt)  geleisteten  Dienste  und  Kosten  —  („das 
Dorf  Zimmern  unter  dem  Ettersberge,  welches  auch  Mannzimmern 
genannt  werde")  —  erhalten  haben.  Vergl.  v.  Tettau,  Geschicht- 
liche Darstellung  des  Gebiets  der  Stadt  Erfurt  etc. 


c)  Die  Wüstungen   in    der   Nähe  von  Jena,   bei    Buoha, 
Göttern,  Magdala. 

Wenn  auch  die  meisten  Kriege  und  Fehden  im  Mittelalter  der 
Hauptsache  nach  in  der  Verwüstung  und  Zerstörung  feindUcher 
Dörfer  bestanden,  um  den  Gegner  materiell  zu  schädigen,  so  ist 
dies  in  solchem  Umfange  und  mit  solcher  Gründhchkeit  niemals 
geschehen  wie  im  Bruderkriege.  Auch  die  Wüstungen  bei  Bucha 
und  Göttern  stammen  aus  jener  Zeit. 


Vöb. 


^cluyrhcc. 


OssinariH 


Fos&ro 


Fig.  4. 

Fünf  Wüstungen  liegen  in  unmittelbarer  Nähe  der  vorgenannten 
Ortschaften:  Niederbucha,  Uhrda,  Wilgelau  (Willelo)  — 
manchmal  auch  Wigelau  genannt,  in  den  Flurbüchern  und  Karten 
aber  bloß  mit  Wiegelau  bezeichnet  —  Iritz  und  Gauga,  auch 
bloß  Gau  und  Ingau  geheißen.  Nach  der  Zerstörung  haben  sich 
die  Einwohner  der  vier  zuerst  genannten  Orte  nach  Bucha,  diejenigen 
von  Gauga  nach  Göttern  gewendet. 


des  Großherzogtums  Sachsen -Weimar.  211 

Von  den  Ortschaften  bei  J  e  n  a  werden  in  dem  oben  erwähnten 
Verzeichnisse  der  Termineien  der  Erfurter  Augustinermönche  als  zur 
Terminei  Jena  gehörig  genannt:  Bucha,  Schorbe,  Dorbitze  (Döbr- 
itschen),  Oßmaritz ;  zur  Terminei  Weimar  dagegen  merkwürdiger- 
weise: Posen  (Posen,  das  also  damals  noch  ein  Dorf  war),  Willelo 
(Wilgelau),  Urden  (Uhrda),  Jugowe  (Ingau,  Gauga),  Jeteren  (Göttern). 
Die  Verteilung  der  so  nahe  beieinander  liegenden  Ortschaften ,  Bucha, 
Posen,  Oßmaritz,  Ingau,  Wilgelau  und  Uhrda  auf  zwei  Termineien 
erscheint  unklar. 

Iritz  wird  überhaupt  nicht  erwähnt;  vielleicht  war  es  schon 
damals  Wüstung  und  in  Bucha  aufgegangen.  Niederbuche 
scheint  als  zu  Bucha  mitgehörig  betrachtet  worden  zu  sein. 

Bacha, 

der  Hauptort,  zeigt,  nach  seiner  Anlage,  daß  es  slavischen  Ur- 
sprungs ist.  In  seinem  nördhchen  Teile  ist  die  runde,  slavische 
Ortsanlage  noch  vollständig  erhalten,  während  sie  im  südlichen  Teile 
mehr  verschwunden  ist  (s.  Fig.  5).  Wahrscheinlich  bauten  sich  in 
diesem  Teile  die  zugezogenen  Bewohner  der  zerstörten  Nachbardörfer 
an.  Mit  Bucha  war  die  im  Amte  Burgau  begüterte  Famihe  Puster 
in  Drackendorf  belehnt. 

Außer  unserem  Bucha  gibt  es  in  der  Nähe  noch  zwei  Ort- 
schaften, die  diesen  Namen  führen:  Bucha  im  Neustädter  Kreise  des 
Großherzogtums  Sachsen  und  nordöstlich  von  Ziegenrück,  und  Bucha 
südwestUch  von  Eanis  im  Fürstentum  Schwarzburg-Rudolstadt. 
Beide  können  ihrer  Gestalt  nach  ebenfalls  wendischen  Ursprungs 
sein.  Ein  weiteres  Bucha  hegt  im  Kreise  Eckartsberga.  Südlich  von 
unserem  Bucha,  an  dem  bei  Maua  sich  in  die  Saale  ergießenden 
Leutrabache,  liegt  ein  Gut  Posen  oder  Posen  (früher  3  Höfe),  und 
in  der  Nähe  des  bei  Ziegenrück  gelegenen  Dorfes  Bucha  ein  anderer 
kleiner  Ort  Posen,  ein  Umstand,  welcher  der  früher  schon  zutage 
getretenen  Ansicht,  daß  unser  Bucha  eine  Kolonie  dieses  gleich- 
namigen Ortes  sei,  einigen  Halt  verleihen  könnte.  Das  Gut  Posen 
wird  genannt  in  einer  Urkunde  vom  8.  März  1642  ausgestellt  in 
Weimar,  in  welcher  Herzog  Wilhelm  zu  Sachsen  bekennt,  daß  er 
die  Magdalene  v.  Nesselrott,  geb.  v.  Diemar,  mit  einer  Jahresrente 
von  3  Maltern  Korn,  3  Maltern  Gerste,  1  Malter  Weizen,  1  Malter 
Hafer,  8  Klaftern  Holz,  1  Tonne  Wildbret,  V2  Zentner  Karpfen 
und  15  Gulden  Geld  als  Ablösung  der  auf  dem  anheimgefallenen 
Gute  Posen  stehenden  1000  Gulden  Ehe-  und  Wiederlagsgeld  be- 
gabt habe. 

Urkundlich  wird  Bucha  oft  genannt.  1338  JuH  25  bekennt 
Propst  Hermann  und  der  ganze  Konvent  des  Klosters  Kapellendorf, 

14* 


212         -Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 


daß  sie  dem  Henrich,  genannt  Longus,  Bürger  in  Jene,  und  seiner 
Frau  Lucardis  den  halben  Teil  der  Mühle  „unter  dem  Berge"  zu 
dauerndem  Besitze  übertragen  haben,  wofür  sie  jährlich  an  Jacobi 
24  Groschen  und  ebensoviel  an  Christi  Geburt,  und  zwar  an  jedem 
Termine  8  Groschen  dem  Konvent  und  16  Groschen  dem  Herrn 
Conrad,  Pfarrer  in  Bucha,  und  der  Begine  Jutte  Faber  zu  zahlen 

haben.  Aus  einer  Ur- 
kunde des  Propstes 
Kuno  der  heiligen 
Frauen  in  Jhene  er- 
hellt, daß  der  ge- 
nannte Pfarrer  Con- 
rad von  Bucha  in 
Jhene  einen  Hof  be- 
sitzt. In  einer  Jenaer 
Urkunde  vom  29. 
Nov.  1382  wird  unter 
den  Jenaer  Eats- 
meistern  auch  ein 
Hannus  von  Bucha 
aufgeführt,  und  1364 
— 1372  kommt  ein 
Ratsmeister  Conze 
von  Bucha  vor;  1406 
22.  Sept.  wird  ein 
Hans  Plone  in  Gro- 
ßenbucha  erwähnt, 
in  einer  Urkunde  des 
Schenken  Rudolf  v. 
Tautenburg  vom  24. 
Nov.  1412  unter  den 
Zeugen  Wyrich  v. 
Kirch  berg ,  Pfarrer 
in  Bucha.  1465  Au- 
gust 9  belehnen  die 
Gebrüder  Ernst, 
Kurfürst,  und  Albrecht,  Herzog  zu  Sachsen  den  Nickel  Puster  mit 
Schloß  Lobdeburg  und  zugehörigen  Ortschaften,  darunter  auch 
Bucha.  Am  4.  Febr.  1469  beauftragt  Papst  Paul  II.  auf  Bitten 
des  Abtes  in  Posau  den  Abt  des  Georgen klosters  in  Naumburg  nach 
vorhergängiger  Erkundigung  über  den  Sachverhalt,  die  Pfarrkirche 
in  Bretzenitz  (Jena-Prießnitz)  mit  ihren  Tochterkirchen  zu  Löbichau, 
Wintberg,  Ziegenhain,  Kirchberg,   Oberlöbichau  und   Bucha   aufs 


Fig.  5. 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  213 

neue  dem  Kloster  Posau  zu  inkorporieren.  Seitens  des  Klosters  in 
Jena  werden  unterm  12.  Juli  1483  an  Hans,  Conz,  Ludwig  und 
Christoffel  Gebrüder  Sommerlatte  Güter  und  Zinsen  in  Bucha 
übertragen;  1491  Okt.  28  gestatten  Kurfürst  Friedrich  und  Herzog 
Ernst  zu  Sachsen  dem  Adam  Puster  zu  Drackendorf,  die  Güter  in 
Bucha,  die  er  gemeinschaftlich  mit  seinen  Brüdern  besessen,  seiner 
Ehefrau  Anna  zu  übertragen.  1674  erwirbt  W.  J.  v.  Treschow  zu 
Zwätzen  von  Günther  v.  Bünau  als  Vormund  des  v.  Harras  Güter  etc. 
in  Lobeda  etc.  und  auch  in  Bucha,  und  1707  Nov.  2  wird  mit 
diesen  Gütern  J.  Chr.  v.  Treskow  in  Lobeda  belehnt  gegen  Gestel- 
lung eines  Eitterpferdes  etc.  1679  Mai  10  verleiht  Joh.  Ernst 
Herzog  zu  Sachsen  für  sich  und  seinen  Vetter  etc.  etc.  dem  Geh. 
Rat  und  Professor  in  Jena  Dr.  Georg  Adam  Struwe  die  Zinsen, 
welche  einst  denen  v.  Hollbach  gewesen  in  verschiedenen  Orten, 
unter  denen  auch  Bucha,  zu  rechtem  Mannlehn,  und  1699,  Juli  5 
bekennt  Herzog  Joh.  Wilhelm  zu  Sachsen,  daß  er  nach  dem  Tode 
seines  Bruders  Joh.  Georg  dem  Hanß  Michael  Förster  in  Burgau 
Güter  und  Gerechtigkeiten  in  verschiedenen  Orten ,  so  auch  in 
Bucha,  gegeben  habe,  nebst  Nieder-  und  Koppeljagd  und  den 
Diensten,  welche  einige  Einwohner  in  besagtem  Bucha  und  Win- 
zerla  vermöge  der  alten  und  neuen  Erbzinsbücher  zu  leisten  haben. 
Der  frühere  Ort  und  spätere  Wüstung 

Nieder-Bueha, 

jedenfalls  von  Bucha  aus  angelegt  und  bevölkert,  lag  nur  etwa 
500  m  östhch  von  Bucha  (Groß-Bucha),  und  der  zwischen  beiden 
Orten  gelegene  Flurteil  hieß  bis  in  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts 
noch :  „zwischen  den  Dörfern".  Adrian  Beier  nennt  es  in  seinem 
Geogr.  Jenens.  „Niederbucha  auf  dem  Buchischen  Berge",  und  J.  C. 
Zenker  in  seinem  Taschenbuche  von  Jena  „Niederbucha  bei  Oßmaritz 
(Ushimbritz)"  da  es  von  Bucha  nach  diesem  Orte  hin  lag.  Die  Flur 
Niederbucha  grenzte  an  die  Fluren  Nennsdorf,  Posen,  Bucha  und 
Oßmaritz. 

Auch  Niederbucha  zeigt  in  seinem  Grundriß  Spuren  slavischer 
Gründung  wie  Bucha  (s.  Fig.  6),  die  Abtrennung  vom  Mutterort 
muß  also  wohl  schon  frühzeitig  geschehen  sein.  Mit  Niederbucha 
war  ebenfalls  die  Familie  Puster  in  Drackendorf  belehnt ;  urkundlich 
wird  der  Ort  oft  genannt,  häufig  in  Verbindung  mit  Bucha. 

Nach  dem  Jenaer  Urkundenbuche,  herausgegegen  von  Martin, 
überträgt  —  Jhenis  1380,  17.  März  —  Markgraf  Friedrich  von  Meißen 
der  Frau  Clara,  Gattin  Conrad  Pusters,  verschiedene  Zinsen  und 
Weinberge  als  Leibgedinge,  so  in  Niederbucha  (in  inferiori  Bucha) 
XII.  modios  tritici,   IIIj  (4)  modios  ordei,    V  quartas  piscorum,   XI 


214         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 


l/^üsf 


Ni  ederbiLCiha^. 


solidos  denariorum,  XXII  pullos  etc.  Unterm  22.  Mai  1395  belehnt 
Markgraf  Friedrich  die  Brüder  Nickel  und  Heinrich  Puster  —  jeden- 
falls die  Söhne  des  Vorgenannten  —  mit  ihren  ganzen  Gütern  auch 
in  Niederbucha,  und  unterm  16.  Mai  die  Frau  Feiice,  Gattin  Hein- 
richs V.  Bockedra  —  Tochter  Hans  Pusters  —  mit  Gütern  und 
Zinsen  in  Klein -Bockedra,  Eodel  (ßödelmisch?)^),  Ober  und  Nieder- 
bucha etc.  etc.  als  Leibgedinge,  und  zwar  in  Oberbucha  mit  Vs  Hufe 
Landes,  die  Concze  Conrad  besitzt,  und  in  Niederbucha  auch  mit 
Va  Hufe,  „dy  Jaooffs  Porczen  eydem"  (Eidam)  besitzt.  —  1427  am 
14.  Januar  bekundet  Herzog  Friedrich  von  Sachsen,  daß  er  folgende 

Jahrzeichen  mit  allen 
Gerichten,  Eechten  und 
Zugehörungen,  die  ihm 
der  bisherige  Lehns- 
träger Hans  Puster  mit 
Bewilligung  seines  Bru- 
ders Burgolt  Puster  und 
seines  Vetters  Nicol 
Puster  aufgelassen,  an 
Hans  Pusters  Ehefrau 
Kethe  als  Leibgedinge 
geüehen  habe,  nämlich 
18  Scheffel  Weizen,  10 
Scheffel  Gerste,  ß'/* 
Scheffel  Hafer,  1  Schock 
7  Gr.  3  Pf.,  und  20  Hüh- 
ner zu  Niederbucha.  Am 
28.  Oktbr.  1461  wird 
Anna,  Nickel  Pusters 
Frau,  damit  belehnt. 
1498  Mai  8  bekundet 
Hans  V.  Grevendorf  zu 
Knaw;  daß  er  mit  Ein- 
willigung seiner  Vettern  alle  seine  erbHchen  Zinsen  im  Amte  Burgau, 
darunter  die  in  Bucha  und  Niederbucha,  für  80  gute  rheinische  Gulden 
an  John  Puster  zu  Drackendorf  verkauft  habe,  dessen  unmündiger 
Sohn  Hans  1516  Jan.  30  nebst  seinem  Oheim  Adam  Puster  von  Her- 
zog Johann  zu  Sachsen  —  in  Vertretung  seines  Bruders  Kurfürsten 
Friedrich  (des  Weisen)  mit  diesen  Zinsen  belehnt  wird.  Diese  Be- 
lehnung erneuert  1533  Febr.  10  Kurfürst  Joh.  Friedrich,  und  1539 
Aug.  23  wird  nach  Adam  Pusters  Tode  Hans  allein  belehnt. 


Fig.  6. 


1)  Wahrscheinlicher  die  Wüstung  Rodeln  bei  Isserstedt. 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar. 


215 


Niederbucha  wird  später  nicht  mehr  erwähnt,  es  scheint  am 
frühesten  in  Bucha  aufgegangen  zu  sein,  eine  gesonderte  Flur  blieb 
es  bis  zur  Grundstückszusammenlegung. 

Südlich  von  Döbritschen  und  wohl  näher  diesem  gelegen,  als 
Bucha,  befand  sich  das  Dorf 

Uhrda  (Vrde,  Ugirde), 

dessen  Flur  an  Döbritschen,  Vollradisroda,  Ammerbach,  Gauga  und 
Bucha  grenzte.  Adrian  Beier  schreibt:  Die  Wüstung  Uhrda  am 
Döbritscher  Holze  hat  noch  1448  gestanden  (d.  h.  als  Dorf  bestanden), 
soll  aber  kurz  hernach  in  dem  damaligen  Bi  aderkriege  zerstört 
worden  sein,  und  G.  A. 

V.  Wette,  Evangelisches       Wastwi,^  UKrda,. 

Jena,  führt  3  Wüstun-  ~ 

gen  als  zu  Bucha  ge- 
hörig auf:  Uhrda  am 
Döbritscher  Holze,  Nie- 
derbucha und  Iritz. 

Getrennt  blieben 
die  Fluren  auch  hier, 
denn  der  Landmann 
sagte :  „ich  habe  meine 
Grundstücke  in  Uhrde", 
bis  die  Separation  alles 
ausgeglichen  hat. 

Uhrda  war  unbe- 
dingt slavischen  Ur- 
sprungs, wie  auch  die 
Bauart,  d,  h.  die  runde 
Form  der  Anlage  ergibt. 

Am  5.  Mai  1383 
verkaufen  die  Gebrüder 
Albrecht,  Ludolf,  Hein- 
rich und  Otto  v.  Bran- 
denstein und  ihre  Schwester  Adelheid  an  das  Michaeliskloster  in 
Jena  das  Dorf  Uhrda  (Vrde)  und  das  Holz  in  dem  Wepnitz  für 
150  Pfund  und  25  Schill.  Pfennige.  Am  16.  Mai  beurkunden  Con- 
rad Lutzmann,  Vogt  zu  Burgau,  und  Albrecht  v.  Schleiz,  Richter 
zu  Jena,  diesen  Kauf  und  setzen  das  Michaeüskloster  in  das  Dorf 
ein;  von  den  erworbenen  Gütern  in  Uhrda  verkauft  das  Kloster. 
4.  Juni  1383,  1  Pfund  Geld  jährUchen  Zinses  an  die  (Kloster-)Jung- 
frau  Adelheid  v.  Wolframsdorf. 

In  einer  Jenaer  Urkunde  vom  15.  März  1366  wird  ein  Nikolaus 


Fig.  7. 


216         I^'e  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 


von  Ugirde  (Uhrda)  erwähnt,  der  „in  der  Ginne"  (wohl  Altengönna) 
sedecim  grossos  communes  et  quatuor  pullos  gibt,  wahrscheinlich 
derselbe  Nicola  Urden,  der  in  einer  anderen  Jenaer  Urkunde  unter 
den  Zeugen  genannt  wird. 

Weitere  urkundliche  Nachweise  über  den  Ort  haben  sich  nicht 
ermitteln  lassen;  nur  1579  wird  die  Flur  Uhr  da  nochmals  erwähnt, 
als  zwischen  der  Gemeinde  Bucha  und  den  Schäfereien  zu  Burgau 
Döbritschen  und  Magdala  Triftirrungen  stattfinden  wegen  einer 
4V5,  Acker  (IV3  ha)  haltenden  Lehde  „jenseits  dem  Döbritsch"  in 
der  Wüstung  Uhrda,  die  zuungunsten  von  Bucha  entschieden  worden. 

Daß  Uhrda  mit  Bucha,  anstatt  mit  einem  der  viel  näher  ge- 
legenen Orte  Döbritschen  oder  Vollradisroda,  vereinigt  worden  ist, 
könnte  vielleicht  in  verwandtschaftlichen  Beziehungen  oder  der 
größeren  Sicherheit,  die  eine  zahlreichere  Vereinigung  bot,  seinen 
Grund  haben. 

Die  Wüstung 

Wiegelau, 

in  den  Urkunden  gewöhnUch  Wygelau,  auch  Wilgelau,  in  den  Flur- 
karten und  im  Volke  nur  Wigelau  genannt,  lag  nordwestlich  von 
Bucha  und  grenzte  an    die  Fluren  Göttern,  Bucha,  Schorba,  Gauga 

(Ingau) ,  mit  welchem 
"WüstuTtg  Wie^eiau-. es  gewöhnlich  zusam- 
men erwähnt  wird,  des- 
halb wohl,  weil  beide 
ein  hersfeldisch  Lehen 
waren  und  zum  Amt 
Kapellen dorf  gehörten. 
1350  wird  urkund- 
lich der  Ort  zum  ersten- 
mal genannt.  Am  10. 
Novbr.  d.  J.  verkauft 
Burggraf  Hartmann  v. 
Kirchberg  die  Dörfer: 
Hohlstedt ,  Hanpmer- 
stedt,  Hausdorf  (jetzt 
Wüstung  bei  Kapellen- 
dorf) Ditterstedt  (Wü- 
stung bei  Apolda), 
Schwabhausen,  Coppanz,  Ingau  und  Wigelau.  Aus  dieser  Urkunde 
geht  hervor,  daß  die  beiden  letztgenannten  Dörfer  ein  Lehn  des 
Klosters  Hersfeld  waren,  und  unterm  11.  Nov.  weisen  die  Burggrafen 
Hartmann  und  Albrecht  die  Lehnträger  für  die  Zukunft  an  die  Stadt 


Fig.  8. 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  217 

Erfurt,  als  Besitzerin  des  Amtes  Kapellendorf.  In  dem  Verzeichnis  der 
Bestandteile  des  Amtes  Kapellendorf  von  1352  werden  aufgeführt: 
„Frankendorf,  Hammerstedt,  Hohlstedt,  Husdorf  (bei  Kapellendorf) 
sind  alle  eigen ;  Schwabhausen  und  Coppanz  gehen  vom  Kaiser  und 
Eeich;  Ingau  und  Wigelau  gehen  zu  Lehn  vom  Abte  zu  Hersfeld; 
Stobrau  und  Hermannstedt  (Hermstedt)  gehen  von  unserm  Herrn 
V.  Mayntz;  das  Meißenkorn  zu  Hohlstedt  gehet  von  unserm  Herrn 
dem  Margrafen;  Slotewin  (Wüstung  bei  Isserstedt)  gehet  von  den 
Grafen  zu  Gleichen  etc.  etc.  1357  Mai  10  bekennt  Henrich  v.  Bran- 
dinsteyn,  Ritter,  daß  er  mit  Zustimmung  seiner  Ehefrau  Adelheyde 
und  seiner  Erben  Zinsen,  welche  er  vom  Rate  in  Erfurt  zu  Lehn 
hatte,  demselben  Rate  verkauft  habe,  darunter:  Albrecht  Lock  von 
Va  Hufe  und  1  Hofe  zu  Ingau  40  Groschen,  Henrich  und  Dietrich 
von  Wigelau  von  1  Hufe  und  1  Hofe  zu  Wigelau  auch  40  Groschen. 
Was  die  vierte  Wüstung 

Iritz  (Örze) 
betrifft,  die,  nördlich  von  Bucha  gelegen,  dem  Namen  nach  auch 
wendischen  Ursprungs  ist,  so  hat  Urkundliches  in  bezug  auf  dieselbe 
nicht  ermittelt  werden  können.  Auch  aus  den  ältesten  zur  Verfügung 
stehenden  Karten  war  die  Lage  und  Bauform  des  Ortes  nicht  zu 
erkennen.  Nur  die  Flurbezeichnungen  „am  Iritzberge"  und  ,,im 
Iritzborne"  erinnern  an  den  Ort.  Die  letztere  Bezeichnung  dürfte 
wohl  die  Lage  des  Ortes  nachweisen,  wenn  man  annimmt,  daß  der 
Iritzborn  der  Dorfbrunnen  gewesen,  wie  es  sich  bei  der  Wüstung 
Stöllborn  in  der  Nähe  von  Vogelsberg  und  anderen  nachweisen  läßt. 
Während  die  übrigen  Wüstungen  noch  bis  ins  19.  Jahrhundert  als 
besondere  —  mit  Bucha  vereinigte  —  Fluren  fortbestanden  haben, 
ist  Iritz  schon  bald  in  der  Flur  Bucha  aufgegangen. 

Die  fünfte  der  eingangs  genannten  Wüstungen  liegt  bei  Göttern 
in  dem  von  Bucha  herabführenden  Wiesengrunde. 

Göttern  (Gitterde,  Gittern,  Jetyrde,  Guttirn), 

das  etwa  5  km  nordwestlich  von  Bucha  liegt  und  in  Urkunden  eben- 
falls öfter  genannt  wird,  ist  dem  Namen  und  der  Bauart  nach  ger- 
manischen Ursprungs.  Ob  Heinrich  von  Guttern,  der  in  einer  Ur- 
kunde des  Grafen  Heinrich  von  Orlamünde  vom  23.  Aug.  1324  als 
letzter  unter  den  Zeugen  vorkommt,  zu  unserm  Göttern  in  Beziehung 
steht,  oder  zu  Gottern  bei  Gotha,  mag  zweifelhaft  sein.  Aber  schon 
in  einer  in  Erfurt  ausgestellten  Urkunde  vom  13.  Mai  1290,  in 
welcher  Volrad  und  Volrad,  Ritter,  genannt  von  Kranchfelt,  be- 
kennen, daß  sie  das  Eigentum  an  einer  Hufe  in  Lenveld  (Legefeld 
bei  Weimar)  der  Kirche  und  den  Klosterfrauen  in  Oberweimar  auf- 


218         Die  Wüstungen  im  I.  und  IL  Verwaltungsbezirke 

gegeben  haben,  kommt  unter  den  Zeugen  Tbeoderich,  Pfarrer  in 
Jetyrde,  vor.  Ferner  erscheint  als  erster  unter  den  Zeugen  in  einer 
Urkunde  vom  6.  Jan.  1357,  nach  welcher  Heinrich  von  Prag,  Priester, 
Conrad,  Pfarrer  in  Kunitz,  und  Friedrich  genannt  Klotz,  Pfarrer  in 
Gumperda,  in  der  MichaeUskirche  in  Jena  eine  ewige  Messe  stiften, 
„dominus  plebanus  in  Gitterde",  aber  ohne  Namen.  —  Unter  den 
von  dem  Mark-  und  Landgrafen  Friedrich  zu  Lehen  gehenden  Gütern 
in  Jena  und  Umgegend,  1348  und  1349,  befinden  sich:  „in  villa 
Getterde"  II  marcas  (2  Hufen),  welche  Thüring  von  Aczmastete 
(Oßmannstedt)  übertragen  sind.  1437  Juli  20  bekennt  Burggraf 
Hartmann  v.  Kirchberg,  daß  Gurt  und  Otto  v.  Wirczburg,  Gebr., 
dem  Nikele  Sennewille,  Bürger  in  Jhene,  Zinsen  mit  Recht  und  Ge- 
richt über  die  Zinsleute  in  Gittern  und  Otstede  (b.  M.)  wiederkäuf- 
lich verkauft  haben.  1455  Okt.  21  verkaufen  Heinrich  v.  Brand  instein 
und  sein  Bruder  Hans  dem  Abte  Erhard  von  Bürgel  und  dem 
ganzen  Konvent  für  230  alte  Schock  Zinsen  in  vielen  Orten  um 
Jena,  darunter  in  Gitterde  17?  Scheffel  Weizen,  3  Scheffel  Gerste, 
'/j  Viertel  Erbsen  und  1  Huhn  von  Claus  Zewitz;  1  Schill,  von 
1  Hofe  und  74  Land  von  Hans  Beyer,  und  an  einem  Weingarten, 
dem  Eymannsberg ;  1^/.,  Scheffel  Weizen,  3  Scheffel  Gerste,  '/^  Viertel 
Erbsen  und  1  Huhn  von  Hans  Hannel  an  1  Hof  und  ^|^  Land. 
Am  3.  Nov.  desselben  Jahres  bestätigt  Herzog  Wilhelm  (HL)  von 
Sachsen  diesen  Verkauf,  sowie  den  Verkauf  von  Zinsen  in  Jena  etc. 
und  Gutterode  an  den  Abt  Rüdiger  von  Saalfeld,  und  1486  ver- 
leiht Herzog  Wilhelm  Friedrich  von  Lonerstedt  (Lenstedt)  Zinsen 
zu  Gittern  und  Bucha. 

Zwischen  Bucha  und  Göttern,  aber  näher  dem  letzteren,  lag 
das  ebenfalls  im  Bruderkriege  zerstörte  und  eingegangene  Dorf 

Iiigaii, 

auch  blos  Gau,  im  Volksmunde,  alten  Karten  und  Flurbüchern 
aber  Gauga  genannt.  Urkundlich  kommt  der  Ort  nur  in  Verbindung 
mit  Wiegelau  vor,  auf  das  wir  daher  verweisen  können.  Die  Ein- 
wohner von  Gauga,  das,  wie  die  Karte  zeigt,  nur  ein  kleiner  Ort  und 
jedenfalls  germanischen  Ursprungs  gewesen,  haben  sich  nach  Zer- 
störung ihres  Dorfes  nach  dem  nahe  gelegenen  Göttern  gewendet,  in 
dessen  Flur  die  ihre  aufgegangen,  trotzdem  Ingau  Hersfelder  Lehn 
war,  während  Göttern  vom  Markgrafen  zu  Meißen  zu  Lehn  ging. 
Die  Nähe  des  größeren  Ortes,  vielleicht  auch  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen mögen  zu  dieser  Verschmelzung  beigetragen  haben. 

Durch  den  Erfurter  Rezeß  vom  26.  April  1667  verzichtete 
Erfurt  gegenüber  Sachsen  auf  Wiedereinlösung  des  Amtes  Kapellen- 
dorf, also  auch  auf  Ingau  und  Wiegelau. 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar, 


219 


Sei  es  mir  gestattet,  an  dieser  Stelle  noch  eine  allgemeine  Be- 
merkung zu  machen:  Noch  bis  über  die  Mitte  des  vorigen  Jahr- 
hunderts hinaus  war  vielfach  nicht  nur  die  Lage  der  Dorfstätten 
der  WüstuDgsfluren  genau  zu  erkennen,  auch  die  Fluren  selbst  be- 
standen zumeist  noch  als  solche.  Die  Zusammenlegung  der  Grund- 
stücke (Separation),  die  auch  bei  ims  um  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts begann,  hat,  so  günstig  sie  für  die  Landwirtschaft  war,  der 
Geschichtsforschung  unersetzliche  Verluste  gebracht.  Die  Wüstungs- 
fluren sind  durch  Ver-  yj...         ^   p        f. 

Schmelzung  mit  anderen        , —-$} ^ — ' 

verschwunden  und  die 
noch  deutlich  erkenn- 
baren Dorflagen  durch 
den  Pflug  so  eingeebnet, 
daß  ihre  Stätten  nur 
selten  noch  zu  erkennen 
sind. 

Aber  mindestens 
ebenso  wichtig  für  die 
Kultur-  und  Geschichts- 
forschung waren  die  oft 
ins  hohe  Altertum  hin- 
aufreichenden Distrikts- 
benennungen der  ein- 
zelnen Feldlagen.  Auch 
diese  sind  durch  die 
Grundstückszusammenlegung  vielfach  verschwunden  und  vernichtet. 
Neue  Wege  und  Gräben,  neue  Grenzen,  die  alten  vielfach  durch- 
schneidend, sind  hergestellt,  neue  örtliche  Zustände  geschaffen  worden, 
die  mit  den  alten  keine  Ähnlichkeit  mehr  haben.  Man  hat  wohl 
versucht,  die  alten  Lagebenennungen  auf  die  neuen  Feidiagen  wieder 
überzutragen,  hat  aber  dadurch  die  Verwirrung  noch  vermehrt,  weil 
eben  die  alten  Bezeichnungen  zu  den  neuen  örtlichen  Verhältnissen 
nicht  mehr  passen  und  häufig  —  wie  sich  an  vielen  Beispielen  nach- 
weisen ließe  —  auch  ganz  falsch  angewendet  worden  sind. 

Schon  vor  40  Jahren  machte  der  Verfasser  den  damaligen 
Leiter  des  Vermessungswesens  im  Großherzogtum  Sachsen- Weimar 
auf  diesen  Übelstand  aufmerksam  und  schlug  vor,  daß  die  Geometer 
bei  Flurmessungen  ein  Verzeichnis  der  üblichen  alten  Distrikts- 
benennungen, mit  Angabe  der  Lage  und  Form  der  Grundstücke, 
Bodenbeschaffenheit,  Umfang  etc.  etc.  anfertigen  sollten.  Es  hat 
dieser  Vorschlag  damals  keine  Berücksichtigung  gefunden. 

Wenn  nun  auch  bereits  der  größte  Teil  der  Fluren  des  Groß- 
herzogtums separiert  ist,  so  ließe  sich  doch   bei  der  wieder  in  Aus- 


220         l^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

sieht  stehenden  Zusammenlegung  nach  dieser  Eichtung  noch  manches 
retten  und  erhalten.  — 

Noch  zwei  Wüstungen  in  der  Nähe  von  Bucha  sind  hier  an- 
zuführen :  Unter-Leutra  und  Gleine. 

Etwa  3  km  östlich  des  Dorfes  Leutra,  nach  Göschwitz  zu,  be- 
findet sich  auf  dem  rechten  Ufer  des  Leutrabaches  eine  JMühle, 
welche  die  Stelle  bezeichnet,  wo  ehemals  das  Dorf  Unter-Leutra 
gestanden,  das  in  der  sog.  Thüringer  Sintflut  am  29.  Mai  1613  seinen 
Untergang  gefunden.  Die  Flurdistriktsbenennungen:  „im  Unter- 
leutraschen  Holze",  „überm  Dorfe"  und  „am  Baumgarten"  existieren 
noch  und  außerdem  östlich  von  Leutra,  nach  der  Mühle  hin,  die  Be- 
zeichnung: „zwischen  den  Dörfern".  Jetzt  gehört  die  Wüstung  zur 
Flur  Leutra.  Nach  einer  Urkunde  von  1394  (Jen.  Urk.-B.,  Bd.  I, 
S.  460)  belehnt  Markgraf  Friedrich  von  Meißen  die  Gattin  Konrads 
V.  Wirzburg  mit  Gütern  zu  Kothenstein,  Burgau,  Ober-  und  Unter- 
leutra  etc.  etc.  zum  Leibgedinge. 

Zwischen  Winzerla  und  Oßmaritz,  auf  der  Höhe  des  Gries- 
berges  lag  das  im  Bruderkriege  zerstörte  Dorf  Gleine,  dessen  Flur 
unter  die  Orte  Leutra  und  Winzerla  geteilt  worden  ist.  Auf  der 
Stelle  des  untergegangenen  Dorfes  legte  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
Friedrich  v.  Kospoth  ein  nach  ihm  „Kospoth"  benanntes  Vorwerk 
an.  1743  beansprucht  die  Gemeinde  Osmaritz  die  Gräserei  in  den 
Gleinaer  Feldern  auf  Grund  eines  Vertrages  von  1619;  Burgau,  der 
ehemalige  Wohnsitz  der  Herren  v.  Gleina,  beanspruchte  das  gleiche 
Recht.  Es  wurde  entschieden,  daß  beiden  Gemeinden  das  Recht  der 
Gräserei  zustehen  solle. 

1320  schenkt  Hartmann  v.  Lobdeburg,  genannt  v.  Burgau,  der 
Alteste,  Herr  zu  Gleina,  dem  Predigerkloster  zu  Jena  einen  Wein- 
berg, den  er  vom  Ritter  Konrad  Buler  für  20  ]Mk.  Silber  gekauft 
hat,  und  laut  Urkunde  von  1321  stiftet  er  mit  dieser  Schenkung  ein 
Seelgeräte  für  sich  und  seine  Vorfahren.  1390  Juli  27  belehnt 
Markgraf  Friedrich  von  Meißen  Frau  Anna,  Gemahlin  des  Burg- 
grafen Dietrich  von  Altenberga,  mit  Zinsen  zu  Gleina  und  anderen 
Dörfern.  In  Urkunde  von  1525  Februar  19  wird  neben  anderen 
Dietrich  v.  Lichtenhain  zu  Gleina  als  Schiedsrichter  in  einer  Streit- 
sache zwischen  dem  Abt  Michel  zu  Bürgol  und  Volkmar  v.  Beulbar 
genannt,  und  1535  April  26  kommt  derselbe  Dietrich  v.  Lichten- 
hain in  gleicher  Eigenschaft  in  einer  anderen  Streitsache  vor. 

1450  scheint  der  Ort  noch  bestanden  zu  haben,  denn  am  31.  Juü 
stellt  Kurfürst  Friedrich  IL  von  Sachsen  einen  Lehnbrief  für  Albrecht 
V.  Welnitz  und  dessen  rechte  Leibeserben  über  das  Dorf  Dorren- 
glyne  —  nicht  Dürrengleina  im  Altenburgischen  —  aus,  nebst  allen 
Rechten  und  Gerichten  etc.,  sowie  einem  wüsten  Gute,  Tietsch  ge- 
nannt, etc.  etc.,  auch  2  wüste  Hufen  zu  Nobis  (bei  Coppanz). 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  221 

Wüstung  Liskau').  Im  roten  Buche  von  Weimar,  also 
gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts,  heißt  es:  „Hannes  von  Nore, 
Heinrich  unde  Hanß  von  Elleuben  habin  von  myme  herren  czu 
lehene  in  deme  dorffe  Lezig  drie  maldir  korns  gersten  unde  haffern." 
Es  ist  darunter  die  jetzige  Wüstung  Liskau  zu  verstehen,  südlich 
von  Göttern,  zwischen  Tromlitz  imd  Schorba.  In  dem  Teilungs- 
vertrage der  Grafen  von  Orlamünde,  Lauensteiner  Linie,  vom  29.  Juni 
1414  wird  der  Ort  unter  den  zu  Magdala  gehörigen  Dörfern  Lesike 
genannt.  Wie  die  Orte  Wilgelau,  Gauga,  Fördern  etc.  fiel  auch 
Lesike  (Liskau)  im  Bruderkriege  der  Zerstörung  anheim,  die  Be- 
wohner wandten  sich  nach  Schorba,  Milda  und  Tromlitz.  Schumann 
erwähnt  in  seiner  Weimar.  Landeskunde  als  zu  Tromlitz  gehörend: 
„ein  Freigut  in  der  Wüstung  Liskau,  1  Haus,  8  Einwohner;  die 
Wüstung  Liskau,  zu  Schorba  gehörig,  hält  127  Vs  Acker."  Es  ist 
diese  Fläche  jedenfalls  bloß  der  nach  Schorba  gekommene  Teil  der 
Flur,  denn  1758  wird  die  Fläche  der  Flur  Liskau,  welche  Schorbaer 
und  Mildaer  Nachbarn  innehatten,  auf  241  Acker  angegeben,  ein- 
schheßlich  eines  Rasenplatzes  von  3  Acker  45  Qu.-Ruthen,  jedenfalls 
der  Stätte  des  zerstörten  Dörfchens.  Den  einen  Teil  der  Wüstungs- 
flur  besaßen  die  erwähnten  Nachbarn  von  Schorba  und  Milda,  den 
anderen  der  Kammerrat  v.  Griesheim  auf  Niedersynderstedt-Tromlitz. 
Bereits  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts  kommen  wegen  der  Schaftrift 
in  Liskau  Irrungen  zwischen  Mildaer  Einwohnern  und  den  Ritter- 
gütern Tromlitz  und  Niedersynderstedt  vor,  die  sich  bis  1781  wieder- 
holen. 

Nach  Zenker,  Taschenbuch  von  Jena,  1836,  soll  in  der  Wüstung 
Liskau  „vor  einigen  Jahren"  —  also  um  1830  ^  ein  Kelch  gefunden 
worden  sein. 

Noch  bis  zum  Jahre  1880  bestand  ein  zum  Rittergut  Tromlitz 
gehöriges  Vorwerk  Liskau  (das  erwähnte  Freigut),  oft  der  Unter- 
schlupf von  allerlei  Gesindel,  weshalb  es  der  Besitzer  des  Rittergutes 
Tromlitz,  Junge,  in  gedachtem  Jahre  einlegen  ließ. 

Wir  führen  hier  gleich  noch  eine  Wüstung,  in  der  Nähe  von 
Göttern  bei  Niedersynderstedt  (Magdala)  gelegen,  an,  um  uns  dann 
wieder  zu  den  Wüstungen  bei  Jena  zu  wenden. 

Siehmanusdorf.  In  einer  Kirchberger  Urkunde  von  1298  wird 
auch  das  Dorf  Sichmannsdorf  erwähnt,  das  Burggraf  Otto  v.  Kirch- 
berg nebst  der  beim  Orte  gelegenen  Mühle,  womit  Johannes  v.  Mag- 
dala belehnt  war,   dem  Kloster  Kapellendorf   überweist.     In   über- 


1)  Werneburg  hat  die  Wüstung  Liskau  (Lesike)  überhaupt  nicht ; 
an  die  ungefähre  Stelle  der  Flur  setzt  er  eine  Wüstung  Ziskau,  die 
aber  nicht  hier,  sondern  bei  Closewitz  (Jena)  liegt. 


222         Die  Wüstungen  im  L  und  II.  Verwaltungsbezirke 

zeugender  und  geistvoller  Weise  hat  Herr  Pfarrer  Alberti  in  Flur- 
stedt  die  Lage  des  ehemaligen  Dorfes  in  der  Flur  Niedersynderstedt 
bei  Magdala  nachgewiesen ,  so  daß  wir  nur  auf  die  erschöpfende 
Darlegung  in  der  Zeitschrift  des  N^ereins  für  Thür.  Geschichte  und 
Altertumskunde,  Bd.  XIII,  S.  335  ff.  hinzuweisen  für  erforderlich 
erachten. 

Mit  diesem  Sichmannsdorf  (Sickeudorf)  ist  verwechselt  worden 
ein  ziemlich  gleichnamiger  Ort  Schichiuaunsdorf,  im  Mühltale  bei 
Jena,  in  der  Nähe  der  jetzigen  Papiermühle,  das  allem  Anschein 
nach  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  im  Grafenkriege,  wenn  nicht 
schon  im  Jahre  1304  bei  Einnahme  der  Kirchberger  Burgen  durch 
die  Erfurter  seinen  Untergang  gefunden.  In  einer  Streitsache  mit 
dem  Landgrafen  Georg  Wilhelm  (1401)  macht  der  Rat  zu  Erfurt 
seine  Ansprüche  geltend  an  eine  „Fehemestatt"  im  Mühltale  bei  Jena 
„unseres  Gerichtis  das  wir  habin  in  dem  moltal  in  feldin  unde  im 
flure  der  dorfstat  (d.  h.  der  Stätte  des  ehemaligen  Dorfes,  das  also 
schon  damals  nicht  mehr  bestand)  Schickmannsdorff  obir  hals  unde 
obir  hand,  vornne  an  dem  bach  der  da  fällit  von  der  nasenmol  ^) 
unde  zugehöret  czu  Capillendorff ,  unserem  sloße"  etc.  In  einem 
anderen  Schreiben  des  Erfurter  Rates  heißt  es:  „Die  Fehemstat  (Ge- 
richtsstätte) unnd  das  gerichte  zcu  Schigsmannsdorff  in  dem  moltal" 
und  weiter:  „Fehemstat  in  dem  moltal  by  Jhene  pobin  der  nasemol."^ 
Die  Lage  des  ehemaligen  Dorfes  ließe  sich  danach  also  mit  ziem- 
licher Sicherheit  bestimmen.  Weitere  Urkunden  und  Nachweise  über 
den  Ort  haben  sich  nicht  gefimden. 

In  der  Nähe  von  Rothenstein  zwischen  Jena  und  Kahla  (Rodo- 
stein  ca.  800,  Zitemorotensteni  876)  die  Wüstung  Rotensteiuichen 
oder  Kleinrotenstein.  1683  wird  die  Wüstung  der  Gemeinde  Rothen- 
stein seitens  des  Herzogs  Wilhelm  Ernst  von  Weimar  gegen  einen 
jährHchen  Zins  von  40  Gulden  abgetreten  und  1695  Oktober  14  ver- 
kauft Joh.  Georg,  Herzog  zu  Sachsen,  noch  das  auf  der  sog.  Wüstenei 
bei  Rothenstein  aufstehende  Holz  an  die  Gemeinde  für  800  Gulden. 
Das  Örtchen  lag  südwestlich  von  Rothenstein  nach  dem  alten- 
burgischen  Dorfe  Altendorf  hin  und  mag  im  Bruderkriege  zugrunde 
gegangen  sein.  —  S.  auch  Bd.  XXIII,  S.  409  dieser  Zeitschrift. 

An  der  Wöllmisse  lag,  zur  Lobedaburg  gehörig,  ein  Ort  Seltz- 
dorf  (Seldensdorf,  Seidisdorf,  Seldigsdorf).    In  einer   Urkunde  von 


1)  Im  Jahre  1658  wurde  an  Stelle  der  sog.  Nasenmühle  (Mahl- 
mühle) im  Mühltale  von  Oberweimar  aus  eine  Papiermühle  errichtet, 
die  mm  auch  abgebrochen  ist.  Oberhalb  der  Mühle  die  Nasenkuppe 
(Felsvorsprung),  nach  der  wohl  die  Mühle  ihren  alten  Namen  er- 
halten haben  mag. 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  223 

1291  0.  D.  (MCCLXXXX  primo,  indicione  quarta)  werden  zwei  bei 
der  Burg  Lobdeburg  „nach  Seidenstorf  hin  gelegene"  Weinberge 
erwähnt,  und  in  einer  Urkunde  von  1436  Juli  13  tritt  Hans  von 
Borgowe,  Herr  zu  Lobdeburg,  an  Nikel  Pusters  Frau  Margarethe 
zu  Drackendorf  unter  anderen  Gütern  auch  „den  Acker  zu  Seldis- 
dorf"  ab.  Als  Zeugen  erscheinen  in  Jenaer  Urkunden  1371  Hencze 
von  Seidenstorf  und  1384.  Henriche  Seldestorff  als  Jenaer  Bürger. 
1468  Juni  8  überläßt  Nicolaus  Puster,  Komthur  des  Deutschen  Hauses 
zu  Altenburg,  das  ihm  verpfändete  Schloß  Lobdeburg  dem  Kur- 
fürsten Ernst  und  Herzog  Albrecht  von  Sachsen  mit  Ausnahme 
der  Weinberge  Ammerbach,  Seltzdorf  etc.  etc.  In  der  Flur  Lobeda 
noch  ein  Flurdistrikt:  „das  Selzdorf".  Zenker  im  Taschenbuch  von 
Jena  sagt  S.  141 :  „Zum  oberen  und  mittleren  Schloß  (Lobdeburg) 
gehören  noch  das  Lobdeburgsche  Ackergebäude,  gewöhnlich  Draken- 
dorfer  Vorwerk  genannt,  ferner  das  wüste  Vorwerk  Seltzdorf  in  der 
Nähe  des  mittleren  Schlosses,  welches  1468  noch  in  baulichem  Wesen 
stand,  davon  besteht  noch  der  Seltzdorfer  Brunnen."  Zenker  schöpft 
wohl  diese  Nachricht  aus  dem  Geograph.  Jenensis  (1626)  von  Adrian 
Beier.  Auf  welche  Weise  der  Ort  zugrunde  gegangen,  hat  sich  nicht 
ermitteln   lassen. 

Unterhalb  der  Kirchberger  Schlösser  (Wintberg)  nach  dem 
Wogauer  Tale  hin  lag  der  frühzeitig  untergegangene  Ort  Schleii- 
dorf,  wahrscheinlich  eine  Ansiedelung  der  Burgmannen  von  Kirch- 
berg, wie  Kunitz  von  Gleisberg.  Adr.  Beier  nennt  im  Geogr.  Jen. 
S.  326  unter  den  wüsten  Orten  der  Umgegend :  „Schiendorf  unter 
dem  zerstörten  Schlosse  Windberg,  davon  ist  noch  übrig  der  Schleen- 
garten  am  Hausberge  gegen  den  Jentzig",  und  Hortleder  schreibt: 
„Schiendorf  ist  heutzutage  nichts  mehr  als  eine  leere  Dorfstätte  mit 
Bäumen,  noch  also  gebauet  und  in  Rundung  abgezirkelt,  daß  man 
daraus  spüren  kann,  es  sei  vor  Zeiten  ein  Dorf  etwan  dagestanden." 
Nach  Schumann,  Landeskunde,  wurde  das  Dorf  1303  zerstört,  was 
aber  wohl  ein  Irrtum  ist,  denn  erst  1304  erfolgte  die  Belagerung 
und  Einnahme  der  Kirchberger  Schlösser  und  gleichzeitig  die  Zer- 
störung des  Dorfes  durch  die  Erfurter,  Mühlhäuser  etc.  Erwähnt  wird 
der  Ort  noch  1455  Okt.  21  und  Nov.  7,  als  die  Gebrüder  Heinrich 
und  Hans  v.  Brandenstein  in  verschiedenen  Orten,  so  auch  in 
Schiendorf  (Wüstung)  Zinsen  verkaufen  an  den  Abt  Ehrhard  zu 
Burgelin,  wozu  Heinrich  Eeuß  von  Plauen  als  Lehnsherr  seine  Ge- 
nehmigung gibt.  In  dem  Geschoßbuch  des  Stadtrats  von  Jena  von 
1406  wird  Siendorf  mitgenannt*).  Auch  in  einem  zu  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  aufgestellten  Erbbuche  des  Klosters  Bürgel,  welches 


1)  S.  auch  Bd.  III,  S.  136  f.  der  Zeitschrift. 


224         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

sich  im  gemeinschaftlichen  Sächsischen  Archiv  in  Weimar  befindet, 
wird  Schlehendorf  erwähnt.  Nach  diesem  Erbbuche  hatte  Ludwig 
Stockheim,  Bürger  zu  Jena,  einen  Acker  in  Schlehendorf;  Nikel 
Apell  einen  Baumgarten,  der  junge  Apell  Holz  auf  dem  Berge  und 
den  Leiten  (Lehde)  zu  Schlehendorf ;  die  Kastenherren  und  Wolf 
Druckscherf  zu  Jena  einen  Weingarten.  Bei  Werneburg  wird  Schlen- 
dorf  nicht  erwähnt. 

Zwei  Wüstungen  Kalthausen  begegnen  uns  in  der  Nähe, 
die  eine  bei  Kunitz,  die  andere  bei  Thalbürgel,  eine  dritte,  auf  die 
wir  später  kommen,  bei  Wickerstedt  (Apolda). 

Kalthausen  bei  Kunitz  lag  zwischen  Kunitz  und  Golmsdorf 
zwischen  zwei  Armen  der  Saale,  wie  eine  Handzeichnung  in  Weimar. 
Staatsarchive  ergibt,  gegenüber  der  Burg  Gleisberg  (Kunitzburg). 
In  der  Flur  Kunitz  besteht  noch  ein  Distrikt  „in  Kalthausen"  und 
„die  Hofstatt"  auf  dem  rechten  Saalufer,  Porstendorf  gegenüber. 
Das  bei  Schmid ,  Kirchberger  Schlösser,  S.  161  —  1295  Aug.  25  — 
erwähnte  Kalthausen  kann  auch  das  bei  Wickerstedt  gelegene  sein. 
Henricus  de  Glizberg  tut  in  einer  Urkunde:  Naumburg  1299  Sept.  9 
kund,  daß  er  seine  langjährigen  Ansprüche  auf  Güter  bei  Porsten- 
dorf etc.  etc.,  das  Wehr  nebst  beiden  Ufern  der  Saale  unterhalb  des 
Dorfes  Kalthausen  und  eine  kleine  Insel  oberhalb  des  Wehres,  eine 
kleine  Wiese  neben  Kalthausen  etc.  zugunsten  des  Klosters  Pforta 
aufgebe.  In  einer  im  Jenaer  Urkundenbuche  enthaltenen  Urkunde 
—  1317  Juni  15  —  entsagen  Friedrich  und  sein  Oheim  Konrad, 
genannt  v.  Wirtzburg,  allen  Ansprüchen  auf  einen  Weinberg  bei 
Jena,  der  Mönch  genannt,  und  auf  1  Hufe  in  Kalthausen,  über  die 
sie  mit  dem  Propst  Heinrich  und  dem  Kloster  Heusdorf  lange  ge- 
stritten. Über  den  Zeitpunkt  der  Zerstörung  des  Ortes  ist  urkund- 
lich nichts  bekannt;  wahrscheinlich  aber  ist  dieselbe  bei  Zerstörung 
der  Burg  Gleisberg  1451  erfolgt. 

Nach  Wenigenjena  hin  lag  bei  Kunitz  noch  der  Ort  Wenigen- 
Kiuiitz,  wahrscheinlich  eine  Ansiedelung  unterworfener  Slaven.  Die 
Lage  des  Ortes  wird  durch  die  Flurbezeichnung  ,,zu  Wenigen-Kunitz" 
innerhalb  der  Flur  Kunitz  bezeichnet.  In  einer  Urkunde  von  1343 
April  20  tut  Heinrich,  Vogt  von  Plauen,  kund,  daß  er  der  Michaelis- 
kirche in  Jena  einen  Zins  in  Wenigen-Kunitz  übertragen  habe. 

Noch  weiter  saaleabwärts  wird  in  Pfortaer  Urkunden  (Böhme,  Ur- 
kundenbuch)  aus  dem  13.  Jahrhundert  ein  Dorf  erwähnt:  Crout- 
sene,  in  der  Nähe  —  südlich  —  von  Dorndorf  a./S.  In  Urkunde 
von  1264  Juni  29  bezeugt  Ritter  Beringer  von  Brisenitz,  daß  er 
Güter  im  Dorfe:  „einst  Groutsene,  jetzt  Dorndorf  genannt",  dem 
Abte  und  der  Kirche  in  Pforta  für  150  Mark  Silber  verkauft  habe, 
und  bestätigt  diesen  Verkauf  durch  Urkunde  vom  1271  Juli  31.   In 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  225 

•emer  anderen  Urkunde  dagegen,  1274  März  5.  —  3  Tage  vor  den 
Nonen  des  März  —  wird  Groutsene  als  „wüst  liegendes  Dorf"  be- 
zeichnet (sitis  in  villa  Groutsene  deserta).  Dazu  bemerkt  Böhme: 
„In  No.  229  (Urkunde  vom  1271)  werden  die  von  Beringer  verkauften 
Güter  sita  in  villa  Groutsene  dicta,  ohne  den  Zusatz  quondam  und 
nunc  autem  Dorndorf  nominata  bezeichnet,  und  daneben  andere 
Besitzungen  juxta  villam  Dorindorf  aufgeführt,  die  Beringer  1268 
an  Pforta  verkauft  hat.  In  No.  251  (Urkunde  von  1274)  heißt  Gr. 
villa  desolata.  Daraus  wird  zu  schließen  sein,  daß  nicht  etwa  Grout- 
sene und  Domdorf,  das  auch  schon  viel  früher  genannt  wird  (Werne- 
burg:  1193?),  verschiedene  Namen  für  ein  und  dasselbe  Dorf  sind, 
sondern  daß  die  Flur  des  verlassenen  Dorfes  Groutsene  mit  der  von 
Dorndorf  vereinigt  worden  ist."  Groutsene  lag  südöstlich  von  Dorn- 
dorf in  durch  die  Saale  gefährdeter  Lage,  weshalb  die  Bewohner  sich 
wahrscheinlich  nach  dem  geschützteren  Dorndorf  zogen  ^). 

Bei  Golmsdorf-Porstendorf  wird  noch  ein  jetzt  verschwundener 
Ort  genannt:  Hnmmelstedt.  In  Urkunde  des  Kaisers  Otto  IV. 
1209,  sieben  Tage  vor  den  Kaienden  des  Januar,  in  welcher  die  Be- 
sitzungen des  Klosters  Pforta  bestätigt  werden,  wird  auch  „Hnmmel- 
stedt mit  der  Mühle  und  dem  anliegenden  Weinberge",  und  vorher 
der  Meierhof  ßorsendorf  (Porstendorf)  genannt.  Weiter :  in  Urkunde 
von  1209  oder  1220  (Pfortaer  Urkunden)  erteilt  Bischof  Bruno  IL 
von  Meißen  seine  Zustimmung  zum  Verkaufe  einer  Hufe  in  Ummel- 
stete,  die  Conrad  von  Borsendorf,  seinem  leiblichen  Bruder,  gehört 
(Böhme,  Pfortaer  Urkunde  B.).  Böhme  bemerkt  dazu:  „Hnmmel- 
stedt scheint  nach  der  Urkunde  des  Bischofs  Bruno  IL  von  Meißen, 
in  Verbindung  mit  der  Urkunde  des  Pabstes  Honorius  III.  von  1220 
Nov.  9  in  welcher  er  dem  Kl. -Pforta  den  Besitz  einer  Hufe  mit 
Mühlstelle  etc.  etc.  in  Hnmmelstedt,  die  dasselbe  vom  Ritter  Conrad 
von  Borsendorf  erworben  bestätigt,  dicht  bei  Porstendorf  gelegen 
zu  haben."  —  Wir  glauben  in  Hummelstedt  das  Dorf,  in  Porsten- 
dorf den  Herrschaftshof  erblicken  zu  sollen,  dessen  Name  sich  er- 
halten hat,  während  ersteres  zugrunde  gegangen  oder  in  dem  Namen 
des  Haupthofes  aufgegangen  ist,  nachdem  Pforta  auch  die  dortigen 
Besitzungen  des  deutschen  Hauses  in  Zwätzen  erworben  hatte.  Wir 
verweisen  in  dieser  Beziehung  auch  auf  den  in  Bd.  IX  der  Zeitschrift, 
S.  153  ff.  enthaltenen  Aufsatz  „über  die  Porstendorfer  Besitzungen 
des   Klosters   Pforta",   wonach   Porstendorf    eine  Ansiedelung   von 


1)  Bei  Dorndorf,  auf  dem  rechten  Ufer  der  Saale   am  Golms- 
dorfer  Wege  heißt   noch   ein   Flurbezirk   „im   wüsten   Graitschen". 
Unmöglich  wäre  es  nicht,  daß  die  Bewohner  sich  weiter  östlich  an- 
gesiedelt und  das  heutige  Graitschen  gegründet  hätten. 
XXVIL  15 


226         I^iß  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

mehreren  Höfen,  Mühlen  etc.  war  und  sogar  eine  Kirche  mit  einem 
Diakonus  und  Subdiakonus  besaß;  s.  a.  Zs.  f.  Thür.  G.,  XXI,  362  ff. 

Aufwärts  im  Gleistale  in  der  Flur  Löberschütz  finden  sich  die 
beiden  Wüstungen  Lotschen  und  Rasdorf;  von  letzterer  liegt  ein 
Teil  auch  in  der  Flur  Jenalöbnitz.  Beide  Wüstungen  werden  in 
A.  Beiers  Geogr,  Jen.  und  in  Zenkers  Taschenbuch  erwähnt.  Hort- 
leder meint.  Lotschen  sei  schon  1450  wüst  gewesen,  und  Zenker  läßt 
die  Zerstörung  im  Hussitenkriege  stattfinden.  Wahrscheinlicher 
aber  ist  es,  daß  dieselbe  im  Bruderkriege  stattgefunden.  Nach 
Schmid,  Geschichte  der  Lobdeburg,  verkaufen  Hermann  der  Altere 
und  Hartmann  und  Hermann  seine  Söhne  dem  Kloster  Lausnitz 
für  70  Mark  S.  den  ganzen  Ort  Lotschen  mit  Zubehörungen,  1256 
April  12.  —  Lotschen  wird  weiter  in  einer  Urkunde  von  1278  ge- 
nannt [Martin,  Jenaer  LTrkundenbuch:  Im  Lande  der  Herren  v. 
Lobdeburg  galt  das  fränkische  Recht ;  das  Landgericht  zu  Eisenberg 
entscheidet  über  die  Frage,  nach  welchem  Eechte  die  Einwohner  des 
Dorfes  Luschen  (Loczen)  welches  (1256)  die  von  Lobdeburg  an  das 
Erlöster  Lausnitz  verkauft  haben,  gerichtet  werden  imd  ihre  Güter 
besitzen  sollen*)]. 

Nordösthch  und  unweit  vom  Dorfe  Löberschütz  die  Flurdistrikte 
„zu  Lutschen"  (am  Gleisbache),  „die  Lotschen kirche"  und  „Lotsch- 
graben"  und  an  der  Grenze  mit  Beutnitz  „zu  Raasdorf".  Ueber 
Ilasdorf  war  Weiteres  nicht  zu  ermitteln. 

Kalthauseu  bei  Thalbürgel  wird  in  Zenkers  Taschenbuche  auf- 
geführt. Bertha  von  Glizberg,  die  Gemahlin  des  Markgrafen  Heinrich 
von  der  Lausitz,  gründete  1132  die  Abtei  Thalbürgel  und  machte 
1133  noch  eine  Stiftung  für  7  fromme  Schwestern,  Kalthausen  genannt. 
Nach  Devrient  soll  die  betreffende  Urkunde  eine  Fälschung  sein. 

In  der  Zeitschrift  f.  Thür.  Geschichte  und  Altertumskunde, 
Bd.  III,  S.  288,  über  das  vormalige  Kloster  Burgelin  von  H.  Heß, 
heißt  es:  „In  mäßiger  Entfernung  von  dem  Ort  Thalbürgel  und 
oberhalb  der  westhch  von  selbigem  gelegenen  großen  Fischteiche 
lassen  sich  in  einem  niedrigen  Graben  und  wenigem  Mauerwerk 
noch  die  Spuren  des  früher  zum  Kloster  gehörigen  Vorwerks  Kalt- 
hausen erkennen,  das  nach  einer  Notiz  in  dem  Gleichensteinschen 
Werk  (über  die  berühmte  Abtey  und  Kloster  Burgelin  fol.  107)  im 
Jahre  1678  auf  Anordnung  des  Herzogs  Bernhard  von  Jena  ein- 
gelegt und  das  Steinmaterial  mit  zum  Bau  einer  neuen  Kirche  im 
Orte  Taupadel  verwendet  wurde." 

Schölldorf  und  Ziskan.  Nordöstlich  von  Closewitz  bei  Jena,  nach 
Lehesten  hin,  lag  das  Dorf  Schöndorf  und  westlich  von  Closewitz 


1)  S.  auch  Bd.  IX,  S.  239  der  Zeitschrift. 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  227 

Ziskau.  Ein  Flurdistrikt  in  Closewitz  nach  Lehesten  hin  heißt 
noch  heute  „der  Schöndorfer  Garten".  Beide  Dörfer  scheinen  im 
Grafenkriege  ihren  Untergang  gefunden  zu  haben,  denn  Ziskau  wird 
schon  1351,  iSchöndorf  1355  als  „wüst"  bezeichnet.  Nach  Martin, 
Urkundenbuch  von  Jena,  eignet  1322  Mai  25  Friedrich  v.  Hel- 
drungen, als  Lehnsherr  der  beiden  Orte,  auf  Bitten  des  Priesters 
Conrad,  genannt  Buckellin,  2  Hufen  in  Schöndorf  und  Vg  Hopfen- 
berg vor  dem  jenaischen  Forst  dem  Allerheiligenspitale  in  Jena  zu. 
Hencze  (Heinrich)  v.  Mollwitz  und  seine  Erben  verkaufen  an  das 
Michaeliskloster  in  Jena  das  Dorf  Closewitz  und  das  ,, wüste  Dorf 
Cziskow"  mit  Vogtei,  Gerichten  etc.  sowie  1  Hufe  in  Schöndorf 
1351  Jan.  20,  und  am  22.  Jan.  geben  auch  die  Lehnsherren  Albrecht 
und  Friedrich  v.  Heldrungen  zu  dem  Verkaufe  ihre  Genehmigung. 
Weiter  verkaufen  1355  Dez.  13.  die  Gebrüder  Johannes  und  Fried- 
rich V.  Mollwitz  an  das  Michaeliskloster  3  Hufen  „in  dem  velde 
und  flure  des  wüsten  dorffes  Schöndorff".  In  Jenaer  Urkunden 
1341  und  1351  kommt  Cyscowe,  Cystowe  als  Personenname  vor. 

Daß  Schöndorf  erst  1355  (Ziskau  1351)  als  „wüst"  bezeichnet 
wird,  mag  darin  begründet  sein,  daß  in  diesem  Orte  —  wie  in  so 
manchem  anderen  wohl  auch  —  sich  nach  der  Zerstörung  einzelne 
Gehöfte  notdürftig  erhielten,  deren  Besitzer,  durch  die  Verhältnisse 
gedrängt,  allmählich  erst  zur  Übersiedelung  nach  dem  größeren  Orte 
—  hier  Closewitz  —  sich  entschlossen. 

Werneburg  verlegt   irrig  Ziskau,   das    er  offenbar    mit  Liskau 
verwechselt,  in  die  Gegend  von  Schorba  bei  Magdala  (s.  Liskau). 

In  der  Nähe  von  Zwätzen  befanden  sich  noch  zwei  urkundlich 
nachgewiesene  Ortschaften :  Proschitz  und  Kötschen.  In  einer 
Gleisberger  Urkunde  von  1293  März  26  tut  Walter  v.  Gleißberg 
kund,  daß  er  den  Brüdern  vom  deutschen  Hause  in  Zwätzen  ver- 
kauft habe :  die  Vogtei  und  das  Gericht  über  Personen  und  Sachen 
„in  den  beiden  Dörfern  Zwätzen  und  Proschitz".  In  einer  späteren 
Urkunde  vom  Dez.  1293  läßt  Walter  v.  Gleißberg  dem  Grafen 
von  Stollberg  die  Güter  auf,  die  er  den  Brüdern  vom  deutschen 
Hause  verkauft  habe  in  „den  beiden  Dörfern  Zwätzen  und  Pro- 
schitz". —  1302  Jan.  7  verkauft  Heinrich  v.  Gleißberg  den  Brüdern 
vom  deutschen  Hause  in  Zwätzen  seine  sämtlichen  Güter,  die  er 
noch  in  Zwätzen  und  Proschitz  besitzt.  Die  Lage  des  Ortes  war 
nach  Eödigen  zu,  wo  heute  noch  ein  Flurdistrikt:  „die  wüste 
Kirche".  —  Bereits  1290  April  4  verkauft  der  oben  genannte 
Walter  v.  Gleißberg  den  Brüdern  vom  deutschen  Hause  Güter  in 
Zwätzen  und  Cozstin  (Kötschen).  Derselbe  Walter  v.  Gleißberg 
verkauft  weiter  1290  Okt.  13  an  Konrad  Messerschmidt,  Bürger  in 
Jena,   das  Lehnrecht  über  2  Hufen  in   Cotsin   etc.  und   überträgt 

15* 


228         ^iß  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

auf  Bitten  des  Käufers  alle  Rechte  dem  deutschen  Hause  in 
Zwätzen  (Martin,  Jenaer  Urkunden  buch).  Östlich  von  Zwätzen  die 
Flurdistrikte :  „das  Kötschfeld"  und  „der  Kötschmar".  Die  Ursache 
und  Zeit  der  Entstehung  der  Wüstungen  hat  sich  nicht  ermitteln 
lassen. 

In  westlicher  Richtung  von  Jena,  nach  Großschwabhausen- 
Lehnstedt  hin  treffen  wir  auf  die  Wüstungen :  Schlotwein,  Grunis- 
dorf,  Neusis  und  Nöbis  bei  Coppanz. 

Zwischen  Großschwabhausen  und  Isserstedt  lag  das  Dorf 
Schlotwein  oder  Schlettwein,  dessen  Zerstörung  im  Bruder- 
kriege erfolgt  sein  wird,  denn  1429  scheint  der  Ort  noch  bestanden 
zu  haben.  Zuerst  tritt  uns  Schlotwein  urkundlich  entgegen  in 
einer  Urkunde  vom  23.  April  1322,  nach  der  die  Vettern  Berthold 
und  Dietrich  v.  Ißerstete  dem  außerhalb  der  Mauern  der  Stadt  Jena 
gelegenen  Spitale  eine  Hufe  in  der  Flur  des  Dörfchens  (in  campis 
villule)  Slotewin  eignen  (Martin,  Jenaer  Urkundenbuch).  Weiter 
schenkt  1324  Mai  24  Dietrich  von  Isserstedt  der  Michaeliskloster- 
kirche in  Jena  1  Hufe  im  Felde  des  Dorfes  „Slotewin".  Laut  einer 
Urkunde  von  1330  April  21  hat  Burggraf  Hartmann  v.  Kirchberg 
im  Kloster  Kapellendorf  der  Jungfrau  Maria  einen  Altar  errichtet 
und  denselben  nebst  anderen  Gütern  auch  mit  9  Hufen  in  Slotewin 
dotirt,  von  denen  18  Scheffel  Korn  und  Hafer  gezinst  werden.  1337 
Febr.  16  bekennt  Ortolf  v.  Divorte,  daß  er  außer  anderen  Gütern 
bei  Jena  1  Hufe  mit  1  Hofe  zu  Slotewin  an  Bertold  v.  Ködircz 
—  Ködderitsch  —  und  dessen  Bruder,  den  Priester  Apetz  v.  Kodirtz 
und  Alebrecht  v.  Flurstete  für  21  Mark  verkauft  habe.  Nach  dem 
in  der  Zeitschrift  (Bd.  XIII,  S.  132  ff.)  von  Martin  veröffentlichen 
Verzeichnisse  der  Termineien  der  Erfurter  Einsiedler  Augustiner- 
ordens in  Thüringen  von  1381  wird  Schlotwein  —  slestwin  —  unter 
den  zur  Terminei  Weimar  gehörigen  Dörfern  genannt. 

Das  Jenaer  Urkundenbuch  bringt  (Bd.  II,  No.  170)  eine  Urkimde 
von  1429  Sept.  13,  laut  welcher  ein  Siedelhof  mit  1  Hufe  Land  zu 
Schlottwein,  Lehen  der  Herzöge  von  Sachsen,  dem  Kloster  Kapellendorf 
für  32  rheinische  Gulden  versetzt  und  demselben  pfandweise  über- 
geben wird. 

Die  Jurisdiktion  über  den  Ort  stand  dem  Amte  Kapellendorf, 
also  Erfurt  zu,  dem  der  Ort  1350  d.  d.  Christabend  von  Härtung 
V.  Isserstedt  überlassen  worden  war. 

Nach  einem  Berichte  des  Pfarrers  Dillinger  m  Pfiffelbach  vom 
10.  Dez.  1721  an  das  Amt  Kapellendorf  erhält  der  dortige  Pfarrer 
laut  Pfiffelbacher  Pfarr-Matrikel  von  1673  aus  der  Wüstung  Schlot- 
wein jährlich  3  Groschen  Zins  von  2  Vierteln  Landes  daselbst.  Über 
den  Ursprung  dieser  Abgabe  läßt  sich  nichts  ermitteln.  —  Die  Vieh- 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  229 

und  Schaf fcrift  in  Schlotwein  stand  dem  Gute  Eemderode  zu;  1613 
entstanden  Streitigkeiten,  weil  sich  Großschwabhausen  diese  Trift 
angeeignet.  Im  Jahre  1827  wird  die  Wüstung  geteilt  und  Ys  an 
Isserstedt,  -/g  au  Großschwabhausen  gewiesen  (Kronfeld  behauptet 
irrig  das  umgekehrte  Verhältnis).  Im  Jahre  1717  ist  im  sog.  Schlett- 
weiner  Grunde  (nach  dem  Mühltale  hin)  eine  Ziegelscheune  nebst 
Gasthof  erbaut  worden,  deren  Demolierung  1728  und  1733  angeordnet 
und  ausgeführt  wurde,  jedenfalls  weil  das  isolierte  Gehöft  der  Schlupf- 
winkel verdächtigen  Gesindels  geworden  war.  —  2  km  südöstlich  von 
Isserstedt  beim  Mühltale  die  Wüstung  Rodeln  (Rodel)  —  nicht  zu 
verwechseln  mit  der  gleichnamigen  Wüstung  bei  Laasdorf  (Sachsen- 
Altenburg)  — .  1356  April  11  bekennt  Lucardis  v.  Isserstedt,  daß 
sie  das  Gut  „zu  den  radiin"  ihrem  Oheim  Beringer  v.  Meldingen 
verkauft  habe,  und  1357  Aug.  ;^23  bekennen  Albrecht  und  Friedrich, 
Herren  zu  Heldrungen,  daß  sie  dem  ehrbaren  Knechte  ßeringer 
V.  Meldingen  das  Dorf  ,,zum  Rodel"  verliehen  haben,  wie  es  Frau 
Lucardis  v.  Isserstedt  besessen.  Weiter  bekennen  in  Urkunde  von 
1361  Mai  9  Friedrich  und  Heinrich  sein  Sohn,  Ritter,  Herren  zu 
Heldrungen,  daß  Beringer  v.  Meldingen  alle  Güter,  die  er  „zu  dem 
Rodiln"  hatte,  „das  ehemals  ein  Dorf  bei  Isserstedt  war",  dem  Kloster 
Kapellendorf  für  40  Schock  schmale  Groschen  verkauft  haben.  — 
Nach  der  Cospedaer  Flurgrenze  hin  existiert  noch,  von  der  alten 
Straße  Apolda-Jena  umschlossen,  ein  Holz  ,,das  Rodel".  Den  Unter- 
gang hat  das  Dorf  wahrscheinlich  im  Grafenkriege  gefunden. 

Westhch  von  Kleinschwabhausen,  nach  Lehnstedt  zu,  lag 
Gruningsdorf  (Grieningsdorf).  Schumann  (Landeskunde)  und  das 
Weimarische  Staatshand  buch  erwähnen  die  Wüstung  beim  Orte 
Lehnstedt,  wohin  wohl  die  Einwohner  nach  dem  Untergange  des 
Ortes  sich  gewendet  haben  mögen.  Genaueres  hat  sich  nicht  er- 
mitteln lassen.  Die  Lage  des  auch  im  Bruderkriege  untergegangenen 
Ortes  wird  durch  einen  Flurdistrikt  in  Lehnstedt  „auf  dem  Grünings- 
dorfe"  am  Wege  nach  Döbritschen  bestimmt.  Auch  in  der  Flur 
Kleinschwabhausen  befindet  sich  nach  Lehnstedt  zu  ein  Flurdistrikt 
„am  Grenings-  oder  Gerningsdorfe",  ein  Zeichen,  daß  die  Flur  der 
Wüstung  zwischen  Kleinschwabhausen  und  Lehnstedt  geteilt  worden  ist. 

In  der  Nähe  von  Mellingen  —  wohl  nach  Umpferstedt  hin,  aber 
noch  in  der  Flur  Lehnstedt  gelegen  —  wird  noch  eine  Wüstung  ge- 
nannt: Neusis.  In  Urkunde  von  1337  Mai  31  bekennen  Heberhard  ge- 
nannt Stich,  seine  Frau  und  Kinder,  daß  sie  eine  Gelenge  im  Felde  des 
Dorfes  Meldingen,  an  dem  Platze,  der  das  „Nuscze"  genannt  wird,  der 
Kirch-St.  Petri  in  Oberweimar  zugeeignet  haben ;  danach  scheint  damals 
ein  Dorf  nicht  mehr  bestanden  zu  haben.  In  Schumanns  Landeskunde 
heißt  es :  „die  Acker  in  der  Flur  der  Wüstung  Neusis  besitzen  die  Lehn- 


230         l^iß  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

stedter  Bewohner  als  Laßgüter  von  der  Propstei  Mellingen,  weshalb 
die  Äcker  auch  das  Propsteifeld  genannt  werden."  An  der  Mellinger 
und   Umpferstedter   Flurgrenze   die  Flurbezeichnung    „im   Neusis". 

Zwischen  den  Dörfern  Ammerbach,  Coppanz,  Münchenroda 
und  VoUradisroda  lag  Nöbis  (Nebis,  Nobis),  im  Jenaischen  Forst. 
Zenker  im  Taschenbuch  von  Jena  sagt  S.  149:  „die  nahegelegene 
[ —  d.  h.  nahe  bei  Coppanz  — ]  Wüstung  Nöbis,  gewöhnlich  Mövis", 
auch  jetzt  noch  so  genannt,  „gehört  halb  nach  Ammerbach",  zur 
Hälfte  nach  Coppanz,  wie  auch  Adrian  Beier  angiebt.  In  Lobdeburger 
Urkunde  von  1227  wird  der  Wald  „Nobus"  bei  Coppanz  erwähnt. 
In  einer  Urkunde  im  Weimar.  Archiv  von  1236  o.  D.  bekennen 
Hartmann  und  Hermann,  Herren  der  oberen  Lobdeburg,  daß  sie  der 
Kirche  in  Hugesdorf  60  Acker  Gehölz  und  15  bebaute  Äcker  an 
dem  Walde  „Nobus"  bei  Coppanz  übertragen  haben.  In  Urkunde 
von  1233  Sept.  1  bekennt  Heinrich,  röm.  König,  daß  er  auf  Bitten 
seines  Getreuen  Hermann  v.  Lobdeburc  150  Acker  Gehölze  an  dem 
Berge  Nobus  gelegen,  die  dieser  von  ihm  zu  Lehn  hatte,  der  Kirche 
zu  Hugesdorf  zu  dauerndem  Besitze  übergeben  habe.  —  In  einem 
Lehnbriefe  des  Kurfürsten  Friedrich  I.  von  Sachsen  1450  Juli  31 
über  das  Dorf  Dürrengleina  (Dorrenglyne)  an  Albrecht  von  Welnitz 
werden  als  Zubehörungen  auch  2  wüste  Hufen  in  Nobis  aufgeführt, 
der  Ort  wird  also  wohl  schon  im  Grafenkriege  zugrunde  gegangen  sein. 

Martin,  Urkundenbuch  von  Jena,  bringt  eine  Urkxxnde  bei 
1328  Jan.  6,  nach  welcher  ein  Johann  von  Nöbis,  Bürger  in  Jena, 
nebst  seiner  Frau  Jutta  dem  Kloster  zu  Hausdorf  einen  Hof  zu 
Leutra  überlassen.  —  In  Hortlederschen  Aufzeichnungen  im  Weimar. 
St.  A.  heißt  es:  „Nöbis,  rustice  Nibis,  bei  Münchenroda  nach 
Döbritschen  zu,  zinset  dem  Stadtrathe  zu  Jena;  mag  zum  Brücken- 
hofe gehört  haben."  Weiter  heißt  es:  „Von  der  Wüstung  Nöbis, 
haben  die  von  Ammerbach  Zinsen  erblich  angenommen"  etc.  Es  scheint 
also  die  Wüstung  Nöbis  zum  Teil  nach  Ammerbach  gehört  zu  haben. 
In  einem  Zinsbuche  aus  der  2.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  werden 
20  Personen  aus  Bucha,  Jena  und  Winzerla  namentlich  aufgeführt, 
welche  die  Grundstücke  in  der  Wüstung  Nöbis  besitzen. 

d)  Wüstungen  bei  Dornburg,  Apolda  (Suiza) 
und  Kapellendorf. 

Im  Weimarischen  Staatshandbuch  1843,  1864  und  in  Schumann, 
Weimar.  Landeskunde  werden  bei  Dornburg  selbst  zwei  Wüstungen 
aufgeführt:  Bernsrode  und  Herreslai  de,  die  Werneburg  danach 
auch  aufgenommen.  Die  Flurkarte  von  Dornburg  weist  nach  Hirsch- 
roda    und   Würchhausen  hin  einen   Distrikt  nach  „auf  Bernsroda" 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  231 

wahrscheinlich  die  Stätte  eines  untergegangenen  Dorfes,  über  dessen 
Existenz  sich  jedoch  nichts  hat  auffinden  lassen.  In  der  Nähe  davon 
ein  Distrikt  „die  Herrenleite",  der  sicher  zu  Bernsroda  gehört  und 
aus  dem  man  später  ohne  weiteres  eine  eigene  Wüstung  „Herreslaide" 
konstruiert  hat.  Westlich  vom  heutigen  Dornburg  die  Bezeichnung 
„die  alte  Stadt",  die  frühere  Stätte  des  Ortes,  der  später  an  die  jetzige 
Stelle  verlegt  worden  ist. 

Nördlich  von  Jena  und  westlich  von  Dornburg  nach  Suiza- Apolda 
hin  besteht  noch  eine  Eeihe  von  Wüstungen,  die  zum  großen  Teile 
der  Bruderkrieg  geschaffen  hat.  Nennen  wir  zuerst  Schemnitz  (Zempt- 
zitz)  zwischen  Nerkewitz  und  Lehesten ;  Kronfeld  verlegt  die  Wüstung 
in  die  Nähe  von  Lehesten.  Werneburg  nimmt  ohne  weiteres  die 
Jahreszahl  1237,  die  unrichtig  ist,  aus  dem  Weimarisehen  Staats- 
handbuche und  aus  Schumanns  Landeskunde.  1337  Mai  4  treten 
die  Gebrüder  Albrecht  und  Hermann,  Burggrafen  v.  Kirchberg,  dem 
Dekan  der  Kirche  zu  ßibra  verschiedene  Lehnstücke  ab,  darunter 
„montem  dictum  Byzekenberg  situm  in  pago  ville  deserte  Schenschitz 
propa  Leysten".  Der  Ort  scheint  also  schon  frühzeitig  zerstört 
worden  zu  sein,  vielleicht  bei  der  Belagerung  und  Zerstörung  des 
Schlosses  Lehesten  durch  die  Erfurter,  1304.  Im  Jenaer  Urkunden - 
buche  von  Martin  verkaufen  1374  Juni  15  Heinrich  v.  Kunitz  und 
seine  Ehefrau  Kune  an  das  Michaeliskloster  in  Jena  3  Groschen  Zins 
und  eine  Lehde  —  wüsten  Acker  —  zu  Zemptzitz. 

Im  Weimar.  Staatshandbuche  von  1843,  1864  wird  bei  dem 
Dorfe  Stiebritz  die  Wüstung  Lichteiidorf  —  jedenfalls  nach  Kößnitz 
hin  —  aufgeführt.  In  Lichtendorf  hatte  das  Kloster  Heusdorf 
wie  in  Schoten,  Herressen,  Oberkösnitz  und  Stiebritz  sein  eigen 
Gericht  über  Hals  und  Hand  (Dresdener  Copialbuch  2,  Fol.  248). 
Als  1544  Kurfürst  Johann  Friedrich  Kloster  Heusdorf  gegen  das 
Rittergut  Tiefurt  an  Georg  v.  Denstedt  vertauscht,  erhält  letzterer 
außer  Heusdorf  noch  die  Wüstungen  ßoda  —  bei  Weimar  —  und 
Lichtendorf.     Die   Zerstörung  des  Ortes    fällt   in    den   Bruderkrieg. 

Oberhalb  —  südlich  —  des  Ortes  Kösnitz,  nach  Stiebritz  hin, 
lag  an  dem  nach  Utenbach  fließenden  kleinen  Bache  Ober-Kösnitz. 
Die  im  Weimar.  Staatshandbuch  von  1864  angegebene  Jahreszahl 
1212  war  nicht  zu  kontrollieren;  wahrscheinlich  1312.  Nach  Kron- 
feld, Landeskunde,  II,  S.  201,  soll  Landgraf  Albrecht  1312  dem 
Kloster  Heusdorf  alle  Güter  in  Ober-Kösnitz  zugeeignet  haben,  die 
es  daselbst  erwerben  könne.  Rudolf  vicedominus  de  Appoldia  et 
Heinricus  pincerna  jun.  de  Appoldia  treten  1362  Febr.  2  Getreide- 
zinsen von  Gütern  in  villa  superiori  Kosenicz  an  das  Kloster  Heus- 
dorf ab.  Der  Ort  Groß-Kosenitz,  das  jetzige  Kösnitz,  wohin  nach 
der  Zerstörung  von   Oberkösnitz   im   Bruderkriege   sich  dessen  Be- 


232         I^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 


woliner  gewendet,  kommt  vor  in  Urkunden  1346  Nov.  13  und  1349^ 
Jan.  18,  sowie  1352  März  6.  Den  slavischen  Ursprung  bezeugen 
Name  und  Ortsanlage. 

Qberkösynitz    b.  Domh-wraf. 


Fig.  10. 

In  der  Nähe  von  Apolda  lagen  bei  Utenbach  Zeptritz,  Herm- 
nitz  und  Kraudorf.  Nach  Stobra  und  Kösnitz  zu  lag  Zeptritz; 
in  der  Flur  Utenbach  kommen  noch  die  Flurbezeichnungen:  „in 
Zeptritz",  „an  der  Zeptritzer  Hohle"  vor.  Hermnitz  lag  nach 
Apolda  hin;  der  „Hermnitzer  Anger",  am  Hermnitzer  Berge",  „am 
Hermnitzer  Graben"  kommen  noch  heute  in  Utenbach  vor.  Kran- 
dorf war  nordöstlich  von  Utenbach,  nach  Flurstedt  zu.  Werneburg 
hat  die  Lage  der  drei  Wüstungen  ziemlich  richtig  angegeben. 

In  Urkunde  von  1325  Nov.  22  bekennt  Al(bert)  v.  Schowin- 
vorst,  Propst  in  Saalburg,  daß  auf  den  in  Hermnitz  liegenden,  mit 
Adil  V.  Werchhausen  dem  Konvente  in  Oberweimar  abgetretenen 
Gütern  keinerlei  Verpflichtung  liege.  1353  März  6  stiftet  Thimo 
V.  Nedischitz  (Neidschitz)  in  Dornburg  in  der  Michaeliskirche  in 
Jena  eine  Vikarie  und  überweist  außer  anderen  Gütern  zur  Unter- 
haltung dieser  im  Dorfe  resp.  der  Flur  Hermnitz  4  Schock  Groschen 
von  2  Hufen,  außerdem  12  Groschen  und  12  Hühner  (Martin,  Ur- 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  233 

kundenbuch  von  Jena,  I,  S.  232).  1335  Dez.  7  verkaufen  Bernger 
de  Werchhusen,  Wernher,  Heinrich  und  Heinrich  seine  Söhne  1  Hufe 
in  Hermenicz  dem  Propste  Heinrich  und  dem  Konvente  in  Heus- 
dorf. —  Laut  Urkunde  von  1365  ohne  Datum  bekennen  Thitherich, 
Henrich  und  Hermann,  Gebrüder,  geheißen  v.  Weychmar  (Wich- 
mar  bei  Camburg),  daß  sie  dem  Propste  von  Kapeilendorf  17,  Mark 
weniger  4  Groschen  und  9  Hühner  jährlichen  Zinses  von  l'/g  Hufen 
und  7*  Landes  im  Dorfe  und  der  Flur  Hermeliz  verkauft  haben, 
und  versprechen ,  den  Käufer  gegen  jede  Einrede  zu  schützen.  — 
Der  Untergang  des  Ortes  scheint  im  Bruderkriege  erfolgt  zu  sein. 

Zepti'itz.  Im  Weimar.  Staatshandbuche  von  1864  wird  bei 
Utenbach  „Zeupitz"  aufgeführt  mit  der  Jahrzahl  1443.  Nach  Rein, 
Thur.  s.  bekennt  in  einer  Urkunde  von  1349  Juli  25.  Dietrich,  Vitz- 
tum  V.  Apolda,  daß  er  außer  anderen  Zinsen  dem  Kloster  Heus- 
dorf auch  „eynen  Vyerdunt"  (Virdung)  von  ^|^  Hufe  in  Zeptritz  zu 
einem  Seelgerete  abgetreten  habe.  Auch  dieser  Ort  wird  wohl  zu 
gleicher  Zeit  wie  der  vorige  eingegangen  sein. 

Die  Wüstung  Krandorf  lag  nach  Alberti  nordöstlich  von  Uten- 
bach —  s.  Zeitschr.,  Bd.  XV,  S.  575.  —  Die  im  roten  Buche  von 
O.  Franke  —  S.  64,  Wersdorff,  Krandorff  —  erwähnte  gleichnamige 
Wüstung  lag  zwischen  Gassala  und  Wersdorf,  der  Lage  nach  wohl 
noch  erkennbar  (siehe  bei  Pfiffelbach).  Über  beide  Wüstungen  findet 
sich  Urkundliches  nicht  vor.  Die  Zerstörung  des  ersteren  hat  im 
Grafeukriege,  die  des  letzteren  wohl  im  Bruderkriege  stattgefunden. 
Das  Weimar.  Staatshandbuch  führt  bei  Dorfsulza  eine  Wüstung 
an,  ßielstedt,  mit  der  Jahreszahl  1268.  Stechele,  Ztschr.  f.Thür.  Gesch., 
Bd.  IX,  S.  129,  hält  dies  Bielstedt  für  das  im  brev.  Lulli  aufgeführte 
Bilistat  (um  800) ;  S.  309  aber  sieht  er  unter  Bilistat  Bellstädt,  öst- 
lich von  Ebeleben,  an,  was  vielleicht  richtiger.  Weder  im  Eegistrum 
subsidii  von  1506,  noch  in  dem  Verzeichnis  der  Termineien  der 
Erf.  Einsiedler  Augustinerordens  in  Thüringen  (Zeitschr.,  Bd.  XIII, 
S.  132  ff.)  1381  wird  der  Ort  genannt. 

Eine  andere  Wüstung  AUstädt  bei  ßergsulza  führt  das  Weimar. 
Staatshandbuch  an ,  über  die  sich  aber  gar  nichts  hat  auffinden 
lassen  und  die  auch  Werneburg  nicht  hat. 

Bei  Großheringen  wird  die  Wüstung  Grünstedt  erwähnt, 
Weimar.  Staatshandbuch  Grunestete  1294  (??),  Grymstete  1346  (??). 
Nach  Schumann,  Landeskunde,  soll  die  eine  Hälfte  der  Wüstung 
nach  Großheringen,  die  andere  nach  dem  jenseits  der  Saale  ge- 
legenen 3  km  entfernten  Hassenhausen  gehören.  Der  Ort  gehörte 
zu  Kirchberg.  1319  März  31  eignen  die  Gebrüder  Otto,  Albrecht 
und  Hartmann  v.  Kirchberg  dem  Kloster  Heusdorf  Güter  zu  Grün- 
stedt  zu  (Schmid,  Kirchberger  Schlösser).  Die  Zugehörigkeit  zu 
Kirchberg  mag  wohl  auch  die  Ursache  der  Zerstörung  des  Ortes 


234         I^iö  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

gewesen  sein  in  der  1345  wiederbeginnenden  Grafen fehde,  an  der  Graf 
Albrecht,  Schwager  der  Grafen  von  Schwarzburg,  nach  Zerstörung 
seiner  Burg  Altenberga  durch  den   Landgrafen  Friedrich  teilnahm. 

Das  Kartenmaterial  im  Weimar.  Staatsarchiv  erwähnt  eine 
Wüstung  Grunstedt  bei  Großromstedt,  südlich  von  Apolda,  doch 
ist  Näheres  nicht  aufzufinden. 

Etwa  2  km  nordwestlich  von  Wickerstedt,  rechts  der  Straße  von 
Weimar  nach  Eckardtsberga,  lag  Kaltliauseu,  dessen  Lage  wohl  noch 
zu  erkennen.  Rein,  Thur.  sacra,  bringt  verschiedene  Kalthausen  be- 
treffende Urkunden  bei.  1289  Aug.  25  bekunden  Albert  v.  Vippach  und 
Frau  Hedwig,  daß  sie  an  Theodorig  Vitztum  v.  Apolda  und  seinen  Sohn 
Berthold  einen  Teil  der  Güter  in  Kalthausen,  die  sie  durch  den  Tod 
von  H.  Holzapfel  erhalten,  gegeben  haben.  12.92  Jan.  29  eignet  Land- 
graf Albert  2  in  Kalthausen  gelegene  und  von  den  Brüdern  Konrad 
und  Dietrich,  Schenken  v.  Doberschen  (Döbritschen),  aufgelassene 
Hufen ;  am  4.  Februar  desselben  Jahres  beurkunden  die  Vorgenannten, 
daß  sie  dem  Propst  Heidenreich  und  dem  Kloster  Heusdorf  diese 
2  Hufen  um  24  Mark  Silbers  verkauft  und  dem  Landgrafen  Albert 
aufgelassen  haben.  1301  Okt.  12  bekundet  Günther  d,  Ä.,  Graf 
von  Schwarzburg,  daß  die  Brüder  Heinrich,  Heinrich,  Heinrich  und 
Ludwig  in  Roßla  1  Hufe  in  Kalthausen  durch  den  Notar  Konrad 
vor  ihm  aufgelassen  haben,  und  eignet  diese  Hufe  auf  Bitten  des 
Propstes  Heidenreich  dem  Kloster  Heusdorf.  1302  Jan.  26  be- 
fiehlt Landgraf  Albert  seinen  Vögten  in  Buttelstedt,  das  Dorf  Kalt- 
hausen zu  schützen  und  in  keiner  Weise  zu  belästigen.  Nach 
Reizenstein,  Orlamünder  Regesten,  eignet  1295  Mai  20  Hermann, 
von  Gottes  Gnaden  Graf  von  ürlamünde,  dem  Kloster  Heusdorf 
2  Hufen,  1  Weinberg  und  Weidig  mit  allen  Gütern,  welche  die 
Brüder  Heinrich  und  Johann  genannt  von  Wormstedt  in  Kalthausen 
von  ihm  zu  Lehen  hatten. 

Bei  Niedertreba,  2\f^  km  südöstlich  nach  Schmiedehausen  hin 
lag  das  Dorf  Escherode,  das  in  Lehnbriefen  der  Schenken  von 
Tautenburg  im  15.  und  16.  Jahrhundert  in  Verbindung  mit  Nieder- 
trebra  vorkommt.  So  in  Urkunde  der  Herzöge  Friedrich  und  Wil- 
helm von  Sachsen  1443  Dez.  10,  worin  sie  den  Gebrüdern  Rudolf, 
Burkart,  Hans,  Busse  und  deren  Vetter  Ludwig,  Schenken  von 
Tautenburg  außer  Tautenburg  und  Niedertrebra  auch  das  Dorf  Eschen- 
rode verleihen ;  ferner  1461,  1483,  1486,  1506  und  besonders  in  Ur- 
kunde von  1525  Jan.  4  des  Herzogs  Georg  von  Sachsen,  in  welcher 
ein  Streit  zwischen  dem  Schenken  Hans  von  Tautenburg  und  der 
Gemeinde  Niedertrebra  geschlichtet  wird.  Aus  dieser  Urkunde  geht 
hervor,  daß  Escherode  damals  schon  kein  Dorf  mehr  war,  sondern 
nur  noch  ein  Vorwerk,  zu  dessen  Bewirtschaftung  die  beiden  Orte 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  235 

Niedertrebra  und  Pfuhlsboru  Frondienste  leisten  mußten  (Lehnbuch 
Friedrichs  d.  Str.  von  Lippert  und  Beschorner,  S.  312  Anm.),  Noch 
heute  ist  das  Vorwerk  mit  Schäferei  an  der  Stelle  des  alten  Dorfes 
vorhanden.  Den  Untergang  des  Dorfes  hat  der  Bruderkrieg  herbei- 
geführt. Als  zur  Terminei  Apolda  gehörig  wird  es  im  Verzeichnis 
der  Erfurter  Augustiner  als  „Herßerode"  angegeben. 

Dieterstedt  und  H.aiisdorf. 

Bei  der  zum  ehemaligen  Kloster  (Amt)  Kapellendorf  gehörigen 
Wüstung  Wiegelau  (Wilgelau)  sind  zwar  einige  Bestandteile  des 
Amtes  angegeben,  wir  führen  aber  zur  Vervollständigung  aus  Beyer, 
Urkundenbuch  der  Stadt  Erfurt,  welcher  das  Amt  Kapellendorf  seit 
1350  gehörte,  das  Verzeichnis  der  Bestandteile  dieses  Amtes  von 
1352  nochmals  vollständig  auf,  weil  die  beiden  oben  genannten 
Wüstungen  Zubehörungen  dieses  Amtes  waren:  „Das  Schloss  etwan 
genannt  Aspann  und  jetzt  Kapellendorf  ist  eigen  bis  an  das  Wässer- 
lein, die  Werntze  geheißen.  Anderseit  der  Werntze  vor  dem  Hause 
( —  der  Burg  —)  liegt  das  Kloster  Kapellendorf,  darüber  haben 
unsere  Herren  die  vogtei  von  unserm  Herren  von  Fulda  und  aller 
•enden  über  das  Eigentum  desselben  Klosters.  Zum  selben  Hause 
Kapellendorf  gehören  diese  nachbeschriebenen  Dörfer:  Frankendorf, 
Hammerstete,  Holstete  und  Hustorf  (Hausdorf)  bei  Kapellendorf, 
sind  alle  eigen;  Swabehusen  und  Coppantz  gehen  vom  Kaiser  und 
reich;  Ingau  (Gauga)  und  Wygelau  gehen  zu  Lehen  vom  Abte  zu 
Hersfeld;  Stobre  und  Hermanstete  gehen  von  unserm  Herrn  von 
Maintz ;  das  meißenkorn  [GetreidezinsJ  von  Holstete  gehet  von  unserm 
Herrn  dem  Markgrafen ;  Slotewin  gehet  von  den  grafen  von  Glichen ; 
<lie  Vogtei  zu  Swabsdorf  und  in  der  gasse  des  heil.  Kreuzes  zu 
Gosserstete  gehen  vom  Abte  zu  Oldisleben ;  Dieterstedt  geht  erb- 
lich von  den  klosterjungfrauen  zu  Kapellendorf,  davon  man  gibt 
2  pfund  wachs  purificationis  zum  Altar  S.  katharinae;  100  Acker 
Holz  zu  Goßerstete,  oder  mehr,  haben  wir  von  dem  abt  zu  Oldis- 
leben ;  40  acker  weniger  einen  acker  Holz  gelegen  am  Belange  ge- 
hören zum  Schloss  Kapellendorf  gekauft  von  Dietrich  Egstherre  zu 
Kotendorf,  jeglichen  Acker  für  16  shillinge  heller,  und  gehen  von 
den  Schenken  von  Apolda;  die  guter  und  Hölzer  Dietrichs  Lauwin 
von  Schouwenforst  gehören  noch  zum  schloß  Kapellendorf."  —  (Über- 
setzt aus  einer  älteren  Abschrift.) 

Ungefähr  ö'/o  km  südwestlich  von  Apolda,  zwischen  Sulzbach 
und  Oberndorf,  lag  Dieterstedt,  dessen  Flur  an  Oberndorf,  Eödigs- 
dorf  und  Oberroßla  grenzte.  Von  den  Unbilden  des  Bruderkrieges 
scheint  der  Ort,  obgleich  er  als  selbständiger  Ort  sich  noch  bis  gegen 
das   Ende  des  15.  Jahrhunderts  gehalten,   sich  nicht  wieder  erholt 


236         JDie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

zu  haben,  und  die  Bewohner  haben  sich  wohl  allmählich  nach  dem 
nächstgelegenen  Oberndorf  gewendet.  Wie  bei  so  vielen  anderen 
Orten  haben  die  Besitzer  dann  in  Oberndorf  eine  eigene  Flur- 
genossenschaft gebildet,  mit  Gerichtsschöppen,  Ältesten  und  Heim- 
bürgen, bis  am  Ende  des  19.  Jahrhunderts  durch  die  Grundstücks- 
zusamraenlegung  eine  vollständige  Verschmelzung  der  Flur  Dieter- 
stedt  mit  Oberndorf  stattgefunden  hat.  In  Kapellendorfer  Zins- 
büchern aus  den  Jahren  1454  und  1473  wird  das  Dorf  noch  als  be- 
stehend und  werden  die  einzelnen  Zensiten  (15  resp.  16)  namentlich 
aufgeführt;  1512  aber  wird  das  Dorf  schon  als  Wüstung  genannt. 
In  einem  Berichte  des  Amtes  Dornburg  von  1008  heißt  es,  daß  in 
der  Flur  Dieterstedt  weit  über  100  Jahre  kein  Haus  mehr  gestanden. 
In  Kapellendorfer  Urkunden  kommt  der  Ort  öfter  vor:  1256 
Okt.  22  bekennen  Heinrich  von  Wida,  Prior  der  Predigerbrüder  in 
Erfurt,  und  Albert,  Dekan  der  St.-Marienkirche  daselbst,  daß  sie 
von  dem  Erzbischof  von  Mainz  den  Auftrag  erhalten,  die  mißlichen 
Verhältnisse  des  Klosters  Kapellendorf  zu  verbessern.  Da  nun  im 
Kloster  9  Frauen,  außerhalb  desselben  aber  deren  15  wohnten,  so 
sind  die  bisher  gemeinschaftlich  benutzten  Güter  geteilt  worden,  und 
es  haben  die  auswärtigen  außer  anderen  Gütern  bei  Taubach  etc.,  auch 
6  Hufen  bei  Dieterstedt  erhalten.  Ebenso  findet  der  Ort  Erwähnung 
in  Urkunden  von  1287  und  1292,  Weimar.  Archiv.  1327  verkauft  das 
Kloster  den  Ort  Dieterstedt  mit  allen  Zubehörungen  an  Burggraf 
Hartmann  v.  Kirchberg  und  dessen  Frau  Jutta  für  80  Mark  Silber, 
doch  sollen  die  Käufer  und  ihre  Erben  zum  Altar  der  heiligen 
Katharine  jährlich  1  Pfund  Wachs  geben.  Am  16.  April  1327  räumen 
die  Käufer  dem  Konvente  zu  Kapellendorf  das  Vorkaufsrecht  ein 
im  Falle  eines  Wiederverkaufes.  Dieser  Fall  tritt  schon  1350  Nov.  10 
ein,  indem  die  Burggrafen  Dieterstedt  nebst  10  anderen  Dörfern  an 
Erfurt  verkaufen;  unterm  11.  Nov.  weisen  die  Burggrafen  Albrecht 
und  Hartmann  ihre  Lehnsleute  zu  Dieterstedt  an,  daß  sie  ihre  Be- 
lehnung künftig  vom  Eate  in  Erfurt  zu  empfangen  haben.  Das 
Kloster  hat  also,  wahrscheinlich  mangels  der  erforderlichen  Mittel, 
von  dem  Vorkaufsrecht  keinen  Gebrauch  gemacht.  Im  roten  Buche 
von  Weimar  wird  Dieterstedt  unter  den  Orten  genannt,  welche  Burg- 
futter ins  Schloß  geben :  Dyterstete  eyne  Hufe ;  da  [davon]  gibet  man 
unßirn  Heren  von  2  mod.  frumentl,  5  mod.  avenae.  Nota:  etzliche 
meynen  daz  noch  eyne  huffe  daselbins  suUe  syn,  daran  uußir  heren 
—  die  Landgrafen,  vorher  die  von  Orlamünde  —  recht  habin.  — 
1405  Mai  14  bekennt  Propst  Nicolaus  v.  Lybergen  zu  Kapellendorf, 
daß  der  ßat  zu  Erfurt  seinen  armen  Leuten  in  Dyderstete,  welche 
daselbst  11  Hufen  erblich  von  ihm  haben  (d.  h.  vom  Kloster)  und 
für  jede  Hufe  2  Malter  Korn  und  2  Malter  Gerste  entrichten,  nach- 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  237 

gelassen  habe  9  Jahre  lang  statt  Gerste  Hafer  zu  geben.  Während 
des  30-jährigen  Krieges  blieb  fast  die  ganze  Dieterstedter  Flur,  weil 
von  Oberndorf  zu  weit  entfernt,  unbebaut  liegen.  1672  Nov.  7  bitten 
die  Grundstücksbesitzer  der  Wüstung  Dieterstedt  den  Herzog  Bern- 
hard in  Jena  wegen  Mißwachses  und  großer  Dürftigkeit  um  Erlaß 
der  nicht  unbeträchtlichen  Zinsen ,  '200  Jenaer  Scheffel  Getreide, 
nebst  Geld,  und  stellen  1756  die  gleiche  Bitte  wegen  Hagelschlages. 

Infolge  fortwährender  und  langjähriger  Differenzen  mit  den 
Grundstücksbesitzern  der  Flur  Oberndorf,  die  zum  Amte  Dornburg 
gehörten,  bittet  1794  die  Gemeinde  Dieterstedt,  welche  dem  Amte 
KapeUendorf  unterstellt  war,  die  Regierung  in  Weimar,  den  Ort 
wieder  aufbauen  zu  dürfen.  Sie  wird  jedoch  abschläglich  beschieden, 
weil  das  Dorf  zu  klein  werden  würde,  da  viele  Grundstücke  der 
Flur  Dieterstedt  sich  in  auswärtigen  Händen  (Sulzbach,  Rödigs- 
dorf  etc.)  befänden.  Kronfeld  teilt  mit,  daß  bei  den  Arbeiten  der 
Separation  im  Jahre  1876  man  die  Grundmauern  der  Kirche  auf- 
gefunden habe.  Die  steinernen  Türgewende  eines  Hauses  in  Obern - 
dorf,  die  offenbar  sehr  alt  und  mit  einem  D  verziert  sind,  sollen 
ehedem  die  Einfassung  der  Kirchtür  in  Dieterstedt  gebildet  haben. 
—  Auch  Dieterstedt  wird  im  Verzeichnis  der  Termineien  der  Erfurter 
Einsiedler  Augustinerordens  als  zur  Terminei  Appoldia  gehörig  mit- 
aufgeführt. 

Hausdorf,  das  oft  mit  Dieterstedt  zusammen  genannt  wird, 
und  ebenso  wie  dieses  zu  Kapellendorf  gehörte,  lag  nordöstlich  von 
diesem.  Nebst  Dieterstedt  gehörte  es  zu  den  Ortschaften,  welche 
Burggraf  Hartmann  v.  Kirchberg  1350  Nov.  10  an  die  Stadt  Erfurt 
verkauft.  1271  August  1  verkauft  Otto  Burggraf  zu  Kirchberg  sein 
Vogteirecht  über  8V2  Hufen  zu  Hausdorf  an  die  Kirche  zu  KapeUen- 
dorf für  26  Mark  Silber  (Jenaer  Urkundenbuch),  und  1291  April  20 
bezeugt  Konrad  Reinfridi  neben  anderem,  daß  Burggraf  Otto  den 
Verkauf  von  1  Hufe  in  Hausdorf  an  den  Pfarrer  Bertold  in  Schwab- 
hausen für  das  Kloster  genehmigt  habe.  Erwähnt  wird  Hausdorf 
noch  in  Urkunden  des  Grafen  Otto  IV,  v.  Kirchberg  aus  den  Jahren 
1274,  1282,  1288,  1291,  1292,  1296.  Die  Zerstörung  des  Ortes  hat 
im  Bruderkriege  stattgefunden. 

Zwischen  Niederroßla  und  Oßmannstedt  auf  dem  linken  Ufer 
der  Um  lag  Alzendorf,  im  roten  Buche  Alchendorf  genannt  und  im 
Bruderkriege  untergegangen.  Dort  heißt  es :  Alchimdorf  8V2  hufen ; 
da  gibet  man  unßirn  heren  von  iglichen  huffen  5  mod.  avene  Mich., 
summa  4272  ^od.  avene.  Der  größte  Teil  der  Flur  gehört  nach 
Oberroßla.  Nach  der  Zerstörung  des  Ortes  sollen  sich  nach  Kron- 
feld die  Einwohner  größtenteils  nach  Oberroßla  gewendet  und  sich  um 
<Jen  inneren  Häuserkomplex  der  sog.  14  Mittelhöfe  angebaut  haben. 


238         I^iß  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

e)  Wüstungen  in  der  Gegend  von  Buttstädt  (Pfiffelbach > 
Buttelstedt  etc.)  —  CöUeda. 

In  der  Nähe  von  Pfiffelbach  bei  Buttstädt  haben  wir  4  Wü- 
stungen, denn  das  von  Wemeburg  angeführte  Oberhofen  ist  nichts 
weiter  als  eine  in  späteren  Zeiten  angelegte  und  wieder  abgebrochene 
Schäferei  ^). 

Südlich  von  Pfiffelbach,  zwischen  Goldbach  und  Wersdorf,  am 
Ursprünge  des  den  letzteren  Ort  durchfließenden  kleinen  Baches 
—  Schmalbach  —  lag  Gassala  (Gasla).  Der  Ort  wird  schon  im 
9.  Jahrhundert  genannt,  s.  Dobenecker,  Eeg.,  I,  S.  65,  no.  287. 
Dithmar  der  Jüngere  und  seine  Söhne  Hermann  und  Beringer  von 
Willerstedt  übergeben  der  Kirche  des  Klosters  Kapellendorf  1  Hufe, 
im  Felde  von  Gosla  gelegen,  die  gegenwärtig  Hermann  sartor,  ge- 
nannt V.  Pfiffelbeche,  besitzt,  27.  Mai  1302,  nachdem  am  24.  Mai 
der  Lehnsherr  Graf  Günther  von  Schwarzburg  die  nachgesuchte 
Genehmigung  zu  dieser  Schenkung  erteilt,  sich  aber  das  Blutgericht 
vorbehalten  hat.  Zwischen  Gassala  und  Wersdorf,  mit  letzterem  im 
roten  Buche  gleichzeitig  genannt,  am  beide  Orte  durchfließenden 
Schmalbache,  Krandorf  (s.  bei  Utenbach). 

Im  roten  Buche  heißt  es:  Gassala,  villa  desolata  und  B  o  t  z  i  n  - 
dorf  (nach  Aussprache  der  Leute  und  in  der  Flurkarte  Puschen- 
dorf)  „die  wüsten  dörffer  beide,  die  gehören  yn  daz  dorff  Pfheffel- 
beche,  unde  unszir  heren  (d.  h.  die  Landgrafen  Friedrich  III., 
Wilhelm  und  Balthasar)  habin  alle  gerichte  weydirsyte  (beiderseits) 
daselbins  yn  felden  unde  yn  dorffern". 

Beide  Dörfer  waren  also  schon  Wüstungen  zu  Ende  des 
14.  Jahrhunderts,  zerstört  vielleicht  im  Grafenkriege  oder  entvölkert 
durch  die  Pest. 

Nach  Förtsch,  Geschichte  der  Parochie  Pfiffelbach- Wersdorf, 
liegt  in  der  Nähe  von  Pfiffelbach  ein  Hügel  ,,der  GasseLhügel", 
wahrscheinlich  ein  Grabhügel,  und  südlich  vom  Orte  heißt  das  Feld 
„am  Gasseiberge";  da  aber,  wo  das  Dorf  gestanden,  befindet  sich 
noch  jetzt  der  „Gasseiborn".  Ein  Rasenrain,  der  sogenannte  Totenrain, 
führte  von  Gassala  nach  Pfiffelbach;  ein  Teil  davon,  in  der  Nähe 
Pfiffelbachs,  besteht  noch.  Das  ßächlein,  an  dessen  Ursprung  Gassala 
lag,  durchfließt  auch  Wersdorf,  das  damals  ebenfalls  wüst  war  und 
erst  unter  Herzog  Wilhelm  Ernst  wieder  aufgebaut  worden  ist. 

Das   schon   genannte  Bozlndorf   (Puschendorf) -)  lag  westlich 

1)  Auf  die  zahlreichen  Werneburgschen  Unrichtigkeiten  und 
Ungenauigkeiten  werde  ich  später  zurückkommen. 

2)  In  einem  Verzeichnis  der  vom  Landgrafen  Friedrich  IL  (dem 
Ernsthaften)  zur  Lehn  gehenden  Güter  —  1348,  1349  —  heißt  es : 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  239 

von  Pfiffelbach,  am  Ursprung  des  Pfiffelbach  durchfließenden  Pfiffel- 
baches.  Nördlich  von  Puschendorf,  zu  dem  es  früher  gehört  haben 
mag,  befindet  sich  das  sogenannte  Blößen-  oder  Komthurei-Holz, 
früher  Besitz  der  Komthurei  Liebstedt,  jetzt  allgemein  als  Pfiffel- 
bacher Holz  bekannt.  Es  stehen  an  der  Stelle,  wo  der  Ort  gestan- 
den haben  [soll,  noch  einige  Bäume,  und  ringsum  befanden  sich 
Gärten,  wie  sich  aus  älteren  Karten  erkennen  läßt;  auch  Gemäuer 
ist  dort  gefunden  worden.  Im  Norden  des  Dorfplanes,  der  früher 
Gemeindetrift  von  Pfiffelbach  war,  stand  auf  einer  kleinen  Erhöhung 
ein  steinernes  Kreuz,  nach  welchem  noch  heute  der  Flurdistrikt 
„beim  Kreuzchen"  heißt.  Hier  soll  ein  Wallfahrtsweg  von  Butt- 
städt  nach  Kapellendorf  geführt  haben. 

In  einem  Vertrage  zwischen  Markgraf  Friedrich  von  Muißen 
und  Graf  Heinrich  von  Schwarzburg  vom  St.  Stephanstage  1344 
wegen  Abtretung  der  Burg  Eckartsberga  an  ersteren  wird  Pot- 
schendorf  nebst  Pfiffelbach,  Ober-  und  Nieder-Sulzbach,  Krippen- 
dorf und  anderen  Dörfern,  dem  letzteren  mitverpfändet  und  als  zu 
dem  Gerichte  „Bothelsteten"  gehörig  bezeichnet.  Gebhard  v.  Sulzbach 
erhält  außer  anderen  Zuweisungen  noch  Zinsen,  genannt  „weytgelt" 
in  Poschendorf.  In  einer  Urkunde  des  Klosters  Heusdorf  vom 
10.  Dez.  1356  wird  als  Klosterschwester  Adelheid  v.  Puczendorf 
genannt,  ebenso  wie  ein  Johann  de  Potschendorf.  In  einer  an- 
deren Pfortaer  Urkunde  von  1382,  conversione  S.  PauUi  bekennen 
Hans  V.  Poczschendorff  und  seine  Erben,  daß  sie  dem  Kloster 
Pforta  alles  Lotgeld,  das  sie  im  Felde  und  im  Dorfe  Großobringen, 
wenn  jemand  Waidsamen  säet,  erhalten,  verkauft  haben  um  einen 
Hengst  und  5  Pfund  guter  Denare. 

Förtsch  (Geschichte  der  Parochie  Pfiffelbach  etc.)  gibt  an,  daß 
ein  zwischen  Oberreißen  und  Rohrbach  gelegenes  Vorwerk  Ober- 
hofen  zu  Puschendorf  gehört  habe,  wie  schon  eingangs  bemerkt,  eine 
später  angelegte  und  wieder  eingegangene  Schäferei. 

Östlich  von  Pfiffelbach,  an  dem  diesen  Ort  durchfließenden 
und  bei  Zottelstedt  in  die  Um  einmündenden  Weiden-  oder  Pfiffel- 


Item  Ulrich  de  Lichtenhain  et  sui  fratres  habent  in  foedum  a  do- 
mino  in  villa  Poschendorf  1  mansum,  item  in  Liebenstete  1  mansum 
et  curiam.  —  Da  Puschendorf  mit  dem  ganz  in  der  Nähe  gelegenen 
Liebstedt  zusammen  genannt  wird,  so  scheint  der  genannte  Ort  eher 
unser  Puschendorf  (Bozindorf)  zu  sein,  als  das  bei  Weimar-Berka 
gelegene  Possendorf,  für  welches  Martin  im  Jenaer  Urkundenbuch, 
Bd.  I,  no.  218  —  S.  203  —  es  hält,  und  ebenso  Lippert  und  Be- 
schorner ,  Das  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen ,  S.  208 ;  vergl. 
Zeitschr.  d.  Ver.  f.  Thür.  G.  u.  A.,  Bd.  XXIII,  S.  410. 


240         ßiö  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

bache  lag  Niederndorf;  an  der  Stelle  des  Dorfes  befindet  sich 
noch  ein  Brunnen.  Der  Flurdistrikt  nördlich  davon  heißt  „überm 
Milchbrunnen",  und  die  dortigen  Ländereien  werden  als  Gärten  be- 
zeichnet ;  Mauerüberreste  sind  gefunden  worden. 


Fig.  11 


In  einer  Urkunde  vom  12.  Mai  1170  bekennt  Markgraf  Otto 
von  Meißen,  daß  er  unter  anderen  Grundstücken  (Mühlen  etc.)  auch 
Ya  Hufe  in  Nietherendorf  der  Kirche  der  heiligen  Jungfrau  und  des 
heiligen  Godehard  in  Hugesdorf  (Heusdorf)  übertragen  habe.  1252 
und  1254  erscheint  der  Ort  als  Niederendorff  und  1350  in  einer 
Urkunde  des  Klosters  Oldisleben  als  Niederndorff. 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  241 

Über  Zeit  und  Ursache  des  Unterganges  des  Ortes  fehlen  alle 
Nachrichten;  die  Vermutung  liegt  nahe,  daß  auch  dieser  Ort  schon 
im  Grafenkriege  den  Untergang  gefunden. 

Nordöstlich  von  Pfiffelbach,  in  einem  kleinen  Seitentale  des 
Weiden baches  südlich  der  sogenannten  Weinstraße,  lag  das  Dorf 
Weiden  (Widin).  Ein  Flurdistrikt  dort  heißt  noch  heute  „in 
Weiden"  und  etwas  südlich  davon  ein  Holz  mit  Quelle,  „in  De- 
litzsch". In  Pfiffelbach  nimmt  man  an,  der  untergegangene  Ort 
habe  Delitzsch  geheißen,  und  es  sei  die  Quelle  der  Dorfbrunnen; 
doch  läßt  sich  dieser  Name  urkundlich  nicht  nachweisen,  während 
„Weiden"  urkundlich  genannt  wird.  In  einer  Urkunde  von  1265, 
am  Sonntag  Oculi,  erklärt  der  Ritter  Heinrich  von  Liebenstete 
(Liebstedt),  daß  sein  Vater,  der  Konverse  in  Pforta,  Heinrich  von 
Liebenstete,  sowie  er  selbst  etc.  etc.  zum  Seelenheil  ihrer  Voreltern 
und  aller  derer,  denen  sein  vorgenannter  Vater  früher  irgendwie 
Schaden  zugefügt  habe,  SVj  Hufen  dem  Kloster  Pforta  zugewiesen, 
wovon  27^  Hufen  in  Gebenstete  (Gebstedt)  und  1  Hufe  in  Widin 
„bei  Pfiffelbeche"  liege,  von  welchen  die  Brüder  Heinrich  und  Her- 
mann ,  die  sie  in  Benutzung  hätten ,  jährlich  2  Malter  Gerste, 
2  Malter  Weizen  und  1  Malter  Hafer  entrichten.  Dafür  müsse 
aber  der  Kellner  in  Pforta  dem  Pleban  in  Liebenstete  1  Paar  neue 
Stiefeln  geben,  wenn  dieser  8  Tage  nach  Peter  und  Paul  nach  Pforta 
käme  und  sich  dieselben  ausbäte. 

Während  Weiden  an  die  Pfarrei  in  Pfiffelbach  keinen  Decera 
gab,  besaßen  —  nach  Förtsch  —  das  freie  Eeichsstift  St.  Crucis  in 
Nordhausen,  das  Pfarrwitwenstift  und  die  Pfarrei  Mattstedt  in  Wei- 
den Zinsen.     Weiden   soll  ein    Filial  von   Mattstedt  gewesen  sein. 

Im  roten  Buche  wird  —  neben  Gassala,  Botzindorf  und  Wers- 
dorf  —  noch  eine  Wüstung  Krandorf  erwähnt,  über  die  jedoch 
gar  nichts  weiter  bekannt  ist.  Der  Ort  hat,  wie  der  Augenschein 
ergibt,  zwischen  Wersdorf  und  Gassala  gelegen  und  ist  sicher  im 
Grafenkriege  untergegangen,  da  er  schon  1381  wüst  war. 

Nicht  weniger  als  15  Wüstungen  finden  sich   auf  der  Strecke 

Buttstädt-  Sömmerda, 

von    denen   wohl    die    meisten   dem    Bruderkriege  ihre  Entstehung 
verdanken. 

Nach  Stolle  (Thüringisch  -  Erfurtische  Chronik)  hat  Kurfürst 
Friedrich  auf  seinem  Wegzuge  von  Erfurt  (1450)  [wo  er  mit  dem 
Rat  wegen  eines  engeren  Bündnisses  verhandelt]  nach  Gera,  das  er 
zu  entsetzen  beabsichtigte,  „den  Nuwenmark  (Neumark),  Bottelstete 
vnnd  vele  dorfere"  verbrannt.  Nach  Härtung  Kammermeisters 
dhronik  kann  es  auch  sein,  daß  Kurfürst  Friedrich  erst  nach  seiner 
XXVII.  16 


242         I^iß  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Rückkehr  von  Meißen  nach  Thüringen,   nachdem  er  sich  verstärkt 

—  August  1450  —  von  Eckartsberga  aus  nach  Buttstädt,  Mannstedt, 
Brembach,  Neuhausen,  Cölleda,  Vogelsberg,  Sprötau  gezogen  ist; 
„alle  dorfere  verbrante  her  reyne",  heißt  es  bei  Kammermeister. 

Sechs  Wüstungen  allein  liegen  in  der  Nähe  von  Buttstädt,  von 
denen  nur  eine,  Wenigen-ßuttstädt,  erst  durch  den  30-jährigen  Krieg 
dazu  geworden  ist. 

Dem  Herrn  Postsekretär  Heinrich  in  Buttstädt,  der  sich  um 
die  Lokalgeschichtsforschung  sehr  verdient  gemacht  und  vieles  in 
dieser  Richtung  veröffentlicht  hat,  verdanke  ich  viele  Rlitteilungen 
über  die  Wüstungen  Emsen  und  Wenigen-Buttstädt. 

Östlich  von  Buttstädt  (3V2  km)  lag  Emsen,  dem  merkwür- 
diger-, vielleicht  auch  erklärlicherweise  seitens  der  Buttstädter  Be- 
wohnerschaft der  biblische  Name  „Emmaus"  beigelegt  wird. 

Emsen  bestand  aus  zwei  Teilen,  der  größere  —  das  eigentliche 
Dorf  —  am  Ursprrmge  des  Emsebaches  hieß  Großemsen,  der  kleinere, 
mehr  südöstlich  gelegene,  näher  der  preußischen  Grenze  bei  Troms- 
dorf,  Kleinemsen.  Nach  beiden  Orten  führten  vor  der  Grundstücks- 
zusammenlegung von  Buttstädt  aus  Wege:  der  Groß-  und  der  Klein- 
emsener  Weg. 

Im  Brev.  S,  Lulli,  also  ums  Jahr  800,  wird  Umisa  aufgeführt 
(Dobenecker,  Reg.  I,  No.  70),  entweder  unser  Emsen,  oder  eine 
gleichnamige  Wüstung  am  Emsbache  bei  Stadtsulza,  slavischen  Ur- 
sprungs jedenfalls  —  hubas  de  Sclavis  manentibus. 

Daß  Emsen  schon  933  durch  die  Ungarn  zerstört  worden  sein 
soll,  ist  eine  durch  nichts  begründete  Sage;  es  werden  damals 
viele  Dörfer  der  Zerstörung  anheimgefallen  und  wieder  aufgebaut 
worden  sein. 

Nach  einer  Urkunde  vom  18.  April  1063  (XIV.  cal.  Mayi; 
Dobenecker,  Reg.  I,  No.  837)  schenkt  Pfalzgraf  Friedrich  II.  dem 
von  ihm  zu  errichtenden  Kloster  Suiza  den  Zehnten  von  Suiza  und 
12  Dörfern,  unter  denen  auch  Imese.  Nach  Schumanns  Weimar. 
Landeskunde  wird  der  Ort  1246  unter  dem  Namen  Emese  erwähnt 
und  dessen  Untergang  im  Bruderkriege  auf  1447  verlegt. 

In  2  Urkunden  vom  12.  März  1276  und  19.  Mai  1277  wird  ein 
Streit  zwischen  dem  Kloster  Pforta  und  Berthold,  dem  Verwalter 
der  Kapelle  in  Rudersdorf  —  2  km  südlich  von  Emsen  —  über  eine 
Hufe  im  Dorfe  Emese  zugunsten  des  Klosters  entschieden. 

Daß  Emsen  noch  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts  als  Dorf  be- 
standen, dürfte  aus  dem  Bd.  XIII,  S.  133—137  der  Zeitschrift  be- 
findlichen Verzeichnis  der  Termineien  der  Erfurter  Augustiner-Ein- 
siedler in  Thüringen  hervorgehen,  wo  es  unter  der  Terminei  Botil- 
stete  als  „Sinse"  —  jedenfalls  verschrieben  oder  verlesen  statt  Emse 

—  aufgeführt  wird.    Aber  bereits  in  dem,  ebenfalls  am  Ausgang  des 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar. 


243 


14.  Jahrhunderts  aufgestellten,  roten  Buche  von  Weimar  wird  es 
„daz  wüste  dorff"  genannt;  es  scheint,  wie  Franke  sagt,  an  den 
Folgen  des  Grafenkrieges  allmählich  verkümmert  zu  sein.  Die  An- 
gabe von  Schumann,  daß  der  Ort  1447  im  Bruderkriege  zugrunde 
gegangen,  erweist  sich  demnach  als  irrig. 

In  dem  Sühnevertrage  von  1347  zwischen  Landgraf  Friedrich 
von  Thüringen  und  den  Grafen  Friedrich  und  Hermann  von  Orla- 
münde  wird  unter  den  abgetretenen  und  wieder  aufgetragenen  Orten 
auch  Emse  aufgeführt. 

Wugtiin^^        Einsen. 


50OO 


Fig.  12. 

1380  Nov.  16  bekennen  Hermann  Worm  zu  Tunczenhausen  und 
Lehne,  seine  eheliche  Wirtin,  daß  sie  mit  Gunst  und  Eat  Ulrich 
Worms,  seines  Bruders,  und  Konrads,  seines  Vetters,  ein  ,,Selen- 
gerete  im  Kloster  zu  Obirweimar"  gestiftet  und  dazu  verschiedene 
Zinsen  bestimmt  haben:  1)  von  einer  Hufe  Landes,  in  dem  Felde 
zu  Emse  gelegen,  die  Heinrich  Oberriche  und  seine  Erben,  Hunayl 
und  Begker  und  ihre  Erben  besitzen,  1  Malter  Korn,  3  Erfurter 
Viertel  Gerste,  11  shill.  Pfennige  und  10  Hühner,  2)  etc.  etc. 

Die  Bewohner  des  Dorfes  hatten  sich  nach  Buttstädt  gewendet, 
während  die  Flur  als  solche  noch  für  sich  fortbestand  mit  jährlichem 
Hegegericht  und  Markt.  Im  Besitze  der  Gemeinde  Buttstädt  resp. 
des  dortigen  Altertumsvereins  befindet  sich  noch  ein  sog.  ,, Kegenten- 
buch" der  früheren  Gemeinde  Emsen  über  deren  Einnahmen  von 
1685 — 1716.   Dieses  sog.  Regentenbuch  enthält  am  Schlüsse  folgenden 

16* 


244         Die  Wüstungen  im  I,  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Eintrag:  „Ao.  1529  ist  der  Marck  auß  Emsen  auf  Kastenburch 
(Rastenberg)  gelögt  wordten,  wie  es  die  Rastenburcher  Bücher 
ausweisen  und  hat  gehüßen  der  Jacobi  Marck.  —  Dieses  hat 
Valentin  Reuß,  jun.  zur  Nachricht  beigebracht,  welches  er  selbst 
aus  ihren  Rastenburger  Büchern  gelesen,  ist  solches  zur  Nach- 
richt registriert.    Datum   Buttstädt  den   25.  Juli  168!)."  |—   Dieser 

Jakobimarkt    soll    auf 
dem  Platze  bei  der  Ka- 
pelle abgehalten  worden 
sein,   wo  das  Hegemal 
gehalten    wurde.      Die 
Stätte  des  Hegegerichts 
befindet  sich  auf  einer 
hügelartigen,  von  Bäu- 
men    umgebenen     Bo- 
denerhebung ,   wie   der 
Grundriß  und  die   von 
Hrn.  Photogr.  Berbig 
in    Buttstädt    besorgte 
photographische     Auf- 
nahme ergeben. 
Die  Fläche  der  Flur  Emsen  betrug  ca.  190  ha,  von  denen  etwa 
11  ha  der  Gemeinde  Emsen  selbst  gehörten.    Nur  diejenigen  Nach- 
barn   waren    in    der    Gemeindeversammlung   (Hegegericht)    stimm- 
berechtigt, die  mindestens  SVo  Acker  —  1  ha  —  besaßen. 

Erst  mit  der  Grundstückszusammeulegung  und  der  Einverleibung 
der  Flur  Emsen  in  der  Flur  Buttstädt  hat  im  Jahre  1881  dies  jähr- 
liche Hegegericht  seine  Endschaft  erreicht  ^). 

Zwischen  Buttstädt  und  Nermsdorf  lag  der  Ort  Stiebsdorf, 
dessen  Flur  an  Wenigen-Buttstädt,  Buttstädt,  Schafendorf  und  Nerms- 
dorf grenzte,  jetzt  zu  letzterer  Flur  gehört  und  von  der  Straße  Nerms- 
dorf-Buttstädt  durchschnitten  wird.  Die  noch  jetzt  bestehenden  Flur- 
distriktsbezeichnungen :  „zu  Stiebsdorf",  „beim  Stiebsdorfer  Brunnen" 
und  ,,der  Anger"  lassen  die  Lage  des  Ortes  erkennen;  früher  standen 
an  dieser  Stelle  mehrere  Linden,  „die  Stiebsdorfer  Linden"  genannt, 
die  aber  beim  Bau  der  Straße  von  Nermsdorf  nach  Buttstädt,  welche 
gerade  hindurchführte,  in  Wegfall  gekommen  sind;  an  deren  Stelle 
setzte  man  eine  Linde  dicht  an  die  Straße.  In  der  Flur  Nermsdorf 
existieren  außerdem  noch  die  Flurnamen  „in  den  Stiebsdorfer 
Wiesen",  „am  Stiebsdorfer  Berge",  „zu  Stiebsdorf  an  der  Stange" 
und  „der  Stiebsdorfer  Rasen",  in  der  Flur  Niederreißen  die  Be- 
zeichnung  „unter  dem    Stiebsdorfer  Raine",   d.  h.  beim  Grenzrain 


Fig.  13. 


1)  Über  die  Abhaltung  des  Hegemals  in  Emsen  später. 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  245 

zwischen  Stiebsdorf  und  Niederreißen.  Erwähnt  wird  Stiebsdorf 
(Stewisdorff)  in  einer  Wenigen-Buttstädt  betreffenden  Urkunde  im 
Magdeburger  Stadtarchiv  vom  Sonntag  nach  U.  l.  Fr.  Empfängnis 
1388. 

Nach  der  Zerstörung  des  Ortes  im  Bruderkriege  übersiedelten 
die  Bewohner  wohl  zum  größten  Teile  nach  Nermsdorf.  Aber  noch 
über  400  Jahre  bestand  Stiebsdorf  als  Flurgenossenschaft  fort.  Erst 
am  30.  Juli  1858  wurde  —  nach  einer  Mitteilung  des  Herrn  Post- 
sekretärs Heinrich  in  Buttstädt  —  seitens  der  Regierung  die  Auf- 
lösung der  Genossenschaft  ausgesprochen  und  die  Einverleibung  in 
Flur  und  Gemeindebezirk  Nermsdorf  bewirkt.  Der  Ackerbesitz  der 
Genossenschaft  ward  öffentlich  versteigert,  der  Erlös  (3171  Thaler) 
unter  die  Flurgenossen  verteilt.  Durch  die  1860  begonnene  Zu- 
sammenlegimg der  Grundstücke  in  Nermsdorf  ist  nun  die  Flur 
Stiebsdorf  vollständig  verschwunden. 

Der  Rat  in  Buttstädt  besaß  die  niedere  Jagd  in  der  Flur,  denn 
am  18.  Januar  1589  tritt  er  dieselbe  in  der  Buttstädter.  Wenigen- 
Buttstädter  und  Stiebsdorfer  Flur  an  den  Herzog  Friedrich 
Wilhelm  von  Weimar  ab. 

Nordöstlich  von  Stiebsdorf,  rechts  der  jetzigen  Straße  von  Butt- 
städt nach  Niederreißen  war  Schafeudorf  gelegen,  etwa  l'/o  km 
von  Buttstädt  entfernt,  dem  Augenschein  nach  nur  ein  kleiner  Ort 
von  nichtslavischer  Bauart,  dessen  Bewohner  sich  nach  der  ebenfalls 
im  Bruderkriege  erfolgten  Zerstörung  wohl  auch  nach  Buttstädt  ge- 
wendet haben ,  in  dessen  Flur  es  aufgegangen  ist.  Urkundliche 
Nachrichten  über  den  Ort  fehlen. 

Crellwitz,  Kröllewitz,  Krollwitz  wird  im  roten  Buche 
in  Verbindung  mit  Oberreißen  erwähnt,  das  als  Oberdorf  bezeichnet 
werden  kann,  und  das  1253  denen  v.  Heldrungen  als  Reichslehn 
gehörte,  während  das  untere  Dorf  Crellwitz  hieß  und  später  in  Ober- 
reißen aufging ;  dieser  nördliche  Teil  zeigt  auch  noch  heute  in  seiner 
Bauart  slavischen  Charakter.  Im  roten  Buche  von  Weimar  heißt 
es:  „Friederich  von  Slynicz,  Hermann  syn  bruder  und  Hans  Lichtin- 
berg  und  ire  erbin  habin  samptlehin  von  mynem  hern  (Landgraf 
Friedrich  II.  und  dessen  Söhne  Friedrich  III.,  Balthasar  und  Wil- 
helm) dise  nachgeschribin  gute  etc.  etc.  Item  czu  Obirn-Risen  und 
czu  Krollewitz  10  phund  phennig  geldis,  IV2  maldir  korns,  IV2  maldir 
gerstin"  etc.  etc. 

Nach  dem  Verzeichnis  der  Termineien  der  Erfurter  Einsiedler 
Augustiner-Ordens  (1381)  gehörte  Crellwitz  mit  Ober-  und  Nieder- 
reißen zur  Termine!  Botilstete;  Crellwitz  und  Niederreißen  waren 
Filiale  der  Pfarrei  Wenigen-Buttstädt  (s.  d.).  Noch  1720  hatte  das 
nördliche  Unterdorf  von  Oberreißen  —  CreUwitz  —  eine  eigene 
Kapelle  und  Friedhof,  deren  Stätte  heute  noch  erkennbar  ist. 


246         -^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Die  Einkünfte  der  Geistlichen  damaliger  Zeit  scheinen  sehr 
kärghch  gewesen  zu  sein,  wie  verschiedene  Beschwerden  erkennen 
lassen.  Am  7.  Okt.  1567,  weiter  am  15.  März  1570  und  am  14.  März 
1575  beschwert  sich  der  Pfarrer  von  Wenigen- Buttstädt  darüber,  daß 
der  Pfarrer  von  Oberreißen  das  zu  Wenigen-Buttstädt  gehörige  Filial 
Crellwitz  an  sich  zu  ziehen  suche  und  ihm  seit  3  Jahren  die  Ein- 
künfte der  Kapelle  in  Crellwitz  vorenthalte,  und  bittet  um  Ent- 
scheidung, ob  dem  Pfarrer  von  Oberreißen  Seelsorge  und  Einkünfte 
von  Crellwitz  übertragen  sei. 

Zwischen  Oberreißen,  Nermsdorf  und  Eohrbach  lag  noch  ein, 
wohl  nur  aus  wenigen  Gehöften  bestehender,  Ort  Hohendorf  ^),  jetzt 
zur  Flur  Oberreißen  gehörig.  Er  lag,  wie  die  älteren  Karten  er- 
geben, an  der  sog.  Weinstraße  und  der  Rohrbacher  und  Nermsdorfer 
Flurgrenze,  wo  heute  noch  die  Bezeichnung  „das  Hohendorfer  Feld" 
sich  findet,  und  von  wo  früher  ein  Weg,  „der  Frauenrain",  nach 
Oberreißen  führte.  Urkundlich  habe  ich  über  den  Ort  nichts  fest- 
stellen können. 

Eine  der  wenigen  Wüstungen,  die  durch  den  30-jährigen  Krieg 
veranlaßt  worden  sind,  über  welche  aber  die  meisten  urkundlichen 
Nachrichten  sich  finden,  ist  Weuigen-Buttstädt,  südwestlich  von 
Buttstädt,  an  Stiebsdorf  grenzend.  Daß  der  Ort  slavischen  Ur- 
sprungs, ist  nicht  nur  aus  dem  Namen  (Wenigen-Buttstädt,  Buttstete 
minor,  Buttstete  slavorum),  sondern  auch  aus  der  Bauart  zu  er- 
kennen. Nachdem  der  Ort  im  Laufe  des  30- jährigen  Krieges  schon 
mancherlei  Drangsale  erlitten,  ist  er  im  Jahre  164]  durch  kaiserliche 
Völker  vollständig  verwüstet  worden;  die  Einwohner  zogen  nach 
Buttstädt. 

In  dem  mir  durch  Herrn  Postsekretär  Heinrich  in  Buttstädt 
zugänglich  gemachten,  schon  erwähnten  ßegentenbuche  heißt  es : 
„Weil  das  Dorf  Wenigen-Buttstädt  in  dem  30-jähr.  Kriege  schon 
eingegangen,  als  wurden  auf  des  Buttstädter  Raths  Gutachten  die 
noch  übrig  gebUebenen  Häuslein,  weil  sich  darin  nur  Raubgesindel 
aufgehalten,  anno  1641  vollends  abgerissen,  und  hat  also  auch  Ge- 
meinde und  Kirchspiel  ein  Ende  nehmen  müssen.  Heinrich  Gerlach, 
der  letzte  Pfarrer,  ein  Buttstädter  Stadtkind,  wurde  nach  Gutmanns- 
hausen berufen."  —  Nur  die  mit  Ziegeln  gedeckte  Kirche  blieb 
stehen,  die  aber  nach  und  nach  bis  auf  einiges  Mauerwerk  zerfiel. 
Nach  mündlichen  und  schriftlichen  Überlieferungen  war  die  Kirche 

1)  Werneburg  verlegt  fälschhch  die  Wüstung  Hohendorf  nörd- 
lich von  Olbersleben.  Das  „Hoendorff",  welches  in  dem  Sühne- 
vertrage zwischen  Landgraf  Friedrich  und  Hermann  von  Orlamünde 
1347  mitaufgeführt  wird,  ist  Hohndorf  nordöstlich  von  Eckardts- 
berga  (4  km). 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar. 


247 


nur  klein,  mit  nur  einem  Eingange  nach  Mittag  zu.  Die  Trümmer 
ließ  Herzog  Ernst  August  von  Weimar  zum  Bau  eines  Jagdschlöß- 
chens (Fischhaus)  bei  Großbrembach  verwenden,  ebenso  wie  die 
Steine  der  wüsten  Kirche  von  Oberndorf  bei  Buttelstedt.  Noch 
lange  führte  der  Pfarrer  zu  Niederreißen  den  Titel  als  Pfarrer  zu 
Wenigen-Buttstädt  und  genießt  bis  auf  den  heutigen  Tag  dort  seine 
Pfarräcker  und  Wiesen  etc.  Filiale  von  Wenigen-Buttstädt  waren 
Niederreißen  und  Grell witz  bei  Oberreißen. 


Wust 


lVeTÜ<^erL  r  B^ttt^tcdi , 


Fig.  14. 


Von  den  3  Glocken  der  Kirche  von  Wenigen-Buttstädt  soll  das 
Dorf  Allerstedt  bei  Wiehe  die  größte  von  Heinrich  v.  Werthern,  der 
sie  gegen  Metall  —  zum  Guß  einer  anderen  Glocke  in  Buttstädt  — 
vom  dortigen  Rat  erworben,  im  Jahre  1660  für  100  Taler  gekauft 
haben ;  die  beiden  kleineren  dagegen  von  Diebsgesindel  vom  Turm 
gestohlen  worden  sein.  Die  große  Glocke  soll  die  Lilie  aus  dem 
Buttstädter  Stadtwappen  und  die  Inschrift  enthalten :  Anno  MDCXXV 
goß  mich  Hieronymus  Mehringk  zu  Erfurdt.  die  Zeit  wahren  her 
Immanuel  Lonerus  Pfarrher,  Ambrosius  Becker,  Jobst  Eierkuchen, 
Heimbürgen.  Am  unteren  Eande :  Nicolaus  Schmidt,  Schulmeister 
zu  Wenigenbuttstädt,  und  Jacob  Keilhau,  Mathes  Manner,  Altarleute. 


248         -Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Urkundlich  erwähnt  wird  Wenigen-Buttstädt  oft.  So  über- 
eignen nach  einer  Magdeburger  Urkunde  1327  Heinrich  und  Konrad, 
Herren  in  Azmanstete,  auf  Bitte  des  Bertold,  genannt  Tuser  aus  Butt- 
stete, dem  Prior  und  den  Brüdern  des  Augustiner-Ordens  zu  Erfurt 
die  Zinsen  von  einer  Hufe  in  Butstete  minori,  welche  Tuser  von  ihm 
in  Lehen,  und  von  diesem  wieder  Nicol  Becherere  in  majori  But- 
stete und  Nyol  gen.  Harraz  in  minori  ßuttstete  in  Afterlehn  hat. 

In  einer  Erfurter  Urkunde  vom  20.  Febr.  1350,  Sabbato  ante 
diem  Sti.  Petri,  schenkt  Heinrich  v.  Hardisleben,  Kanonikus  zu 
Bibra,  dem  Marienstifte  in  Erfurt  eine  Hufe  mit  einem  Hofe  in 
Wenigen-Butstete.  Über  diese  Schenkung  stellen  die  Grafen  Friedrich 
imd  Hermann  von  Orlamünde,  Herren  in  Weymar,  am  15.  Juni 
1350,  in  die  Sti.  Viti,  dem  Marienstifte  in  Erfurt  einen  Eigentums- 
brief aus. 

1366  Febr.  6  (Beyer,  Urkundenbuch  von  Erfurt).  Lutholff 
Marschalk,  gesessen  zu  Steinburg,  genehmigt  lehnsherrUch,  daß  Jo- 
hann V.  Pochzendorf  —  Puschendorf  bei  Pfiffelbach  —  und  Anna 
seine  Frau  dem  Erfurter  Bürger  Dyther  v.  Topztete  2^1^  Malter 
Weizen,  2^1^  Malter  Hafer,  27  shill.  Erfurter  Pfennige  imd  4  Hühner 
jährlichen  Zinses  von  2  Hufen  Artlands  bei  Wenigen-Buttstete  für 
70  Pfund  Pfennige  verkaufen. 

Das  Magdeburger  Stadtarchiv  enthält  3  Urkunden:  1385,  am 
Mittwoch  nach  S.  Peter  und  Paul  (5.  Juli).  Das  Jungfrauenkloster 
zu  sente  Martin  vor  Erforte  in  dem  bruel  verschreibt  der  Kloster- 
jungfrau Katharlne  Brückener  2  Pfund  Geldes  jährl.  Zinsen  an 
verschiedenen  Dörfern,  darunter  872  shill.  zu  Wenigen-Buttstete,  auf 
Lebenszeit, 

1385,  Sonntag  nach  U.L.Frauen  Empfängniß  (10.  Dez.)  Hensel 
V.  Deren  übereignet  dem  Augustiner  -  Kloster  in  Erfurt  für  eine 
ewige  Messe  2  Malter  Korn,  ewigen  Zinses,  auf  einer  Hufe  zu 
kleinen  Butstete. 

1386  Januar  1  genehmigt  Landgraf  Balthasar  die  vorstehende 
Abtretung  mit  Vorbehalt  älterer  fürstlicher  Ansprüche.  Laut  einer 
Urkunde  vom  25.  Juni  1448  verkaufen  Dechant  und  Kapitel  U.L.Fr.- 
Kirche  in  Erfurt  das  Dorf  Wenigen-Buttstädt  mit  allen  Zu- 
gehörungen und  Einwohnern,  Gerichten  etc.,  ausgenommen  8  Malter 
jährl.  Zinses,  für  130  Mark  lötigen  Silbers,  Erfurter  Zeichens,  auf 
Wiederkauf  an  den  Rat  zu  Buttstädt.  Am  9.  Juü  desselben  Jahrea 
steUt  das  Kapitel  U.L.Fr.  einen  Revers  gegen  die  Käufer  des  Dorfes 
aus,  welche  statt  der  Zahlung  Bürgschaft  gestellt  und  Pfänder  hinter- 
legt haben.    (Erfurter  Dom-Archiv.) 

1542  bestand  Wenigen-Buttstädt  aus  19  Häusern;  das  steuer- 
bare Vermögen  betrug  1553  Gld.  11  gr. 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  249 

Da  die  durch  den  SO-jährigen  Krieg  herbeigeführte  Verödung 
des  Landes  auch  auf  die  Einnahmen  des  Staates  von  den  traurigsten 
Einflüssen  war,  Heß  es  sich  Herzog  Wilhelm  schon  gegen  das  Ende 
des  Krieges,  ganz  besonders  aber  nach  dem  Friedensschlüsse,  an- 
gelegen sein,  die  wüsten  Güter  wieder  in  Betrieb  zu  bringen  durch 
Wiederaufbau  der  zerstörten  Hof  reiten  und  den  Verkauf  herren- 
losen Grundbesitzes  an  Fremde.  Auch  den  Wiederaufbau  von 
Wenigen-Buttstädt  hatte  die  Weimar.  Regierung  ins  Auge  gefaßt. 
Schon  1679  wird,  da  sich  Fremde  zum  Wiederaufbau  gemeldet,  in 
dieser  Richtung  seitens  der  Fürstl.  Regierung  an  den  Rat  zu  Butt- 
Btädt  geschrieben  und  derselbe  angewiesen,  den  jetzigen  Besitzern  zu 
eröffnen,  daß  sie  entweder  die  wüsten  Hofstätten  wieder  aufbauen 
oder  dieselben  nebst  Zubehörungen  verkaufen  sollten.  Die  Kirche 
müsse  auch  wieder  aufgebaut  werden,  „denn  Ihrer  Durchlaucht 
Interessen  ruheten  hierunter,  daß  sie  Unterthanen  hätte".  Der  Rat 
reicht  ein  Verzeichnis  ein,  nach  welchem  die  Hofstätten  von  Wenigen- 
Buttstädt  sämtlich  im  Besitz  von  Buttstädter  Bürgern  seien. 

1698  am  2.  September  erfolgt  wiederum  eine  Anfrage  der  Weimar. 
Regierung  beim  Rat  wegen  Wiederaufbaues  des  Ortes  Wenigen- 
Buttstädt,  da  sich  Fremde  zum  Wiederaufbau  und  Erwerbung  der 
Güter  gemeldet.  Der  Rat  erklärt,  daß  Wenigen-Buttstedt,  das  dem 
Stift  St.-Severi  in  Erfurt  (1)  gehört,  vom  Rate  zu  Buttstedt  für 
1000  (I!)  Mark  lötigen  Silbers  mit  Zinsen  und  Ober-  und  Unter- 
gerichten erkauft  worden  sei;  mehr  wie  20  Häuser  seien  daselbst 
nie  gewesen,  die  Feldgüter  hätten  nach  Buttstädt  gehört,  die  Flur 
sei  130374  Acker  groß  gewesen.  Schon  1683  sei  aus  Fürstl.  Kammer 
ein  Befehl  wegen  Wiederaufbauung  ergangen,  allein  man  habe  wegen 
Brandes  und  Krankheit  den  Aufbau  unterlassen  müssen.  Abtretung 
von  Hofstätten,  welche  Buttstädter  Bürgern  gehörten,  seien  nur  um 
viel  Geld  zu  erlangen,  was  die  fremden  Bauern,  die  den  Wieder- 
aufbau vornehmen  wollten,  nicht  besäßen. 

Im  September  desselben  Jahres  melden  sich  auch  Schul- 
pfortaer  Untertanen  zum  Wiederaufbau;  unterm  7.  Oktober  aber 
lehnt  der  Rat  jeden  Verkauf  von  Ackern  an  P'remde  ab.  1699  am 
21.  August  melden  sich  wieder  zu  demselben  Zwecke  „einige  In- 
wohner zu  Pöppeln",  werden  aber  unterm  2.  Novbr.  von  Fürstl. 
Kammer  abgewiesen,  wahrscheinlich  weil  sie  nicht  die  erforderlichen 
Geldmittel  besessen.  Seitdem  ist  von  einem  Wiederaufbau  nicht 
mehr  die  Rede.  Die  Flur  blieb  mit  Buttstädt  vereinigt,  die  Orts- 
lage wird  jetzt  durch  Gärten  und  blühende  Obstanlagen  gebildet. 

Da,  wo  die  Straße  von  Buttstädt  nach  Großbrembach  die  Staats- 
chaussee Weimar- Buttelstedt-Cölleda  trifft,  befindet  sich  die  Wüstung 
Hauthal  die,  durch  den  Grafenkrieg  herbeigeführt,  noch  jetzt  durch 


250         I^J6  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

einen  Brunnen  und  einige  alte  Linden  —  im  Volksmund  Hotelinden 

—  kenntlich  gemacht  wird;  auch  einzelne  Mauerreste  finden  sich 
vor.  Schon  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts  war  Hauthal  —  Hewen- 
thal  —  Wüstung,  wie  sich  aus  dem  roten  Buche  ergibt,  wo  es  „das 
wüste  dorff"  genannt  wird.  In  der  Flur  Buttstädt  befand  sich  bis 
zur  Grundstückszusammenlegung  ein  nach  Großbrembach  führender 
Weg,  der  Hotelweg,  und  eine  Flurbezeichnung :  zwischen  dem  Hotel- 
wege und  Großbrembacher  Wege.  1297  wird  Howental  erwähnt  in 
einer  Urkunde  —  März  —  in  welcher  Albrecht,  Landgi'äf  in  Thü- 
ringen, ^/g  Hufe  „in  campis  ville  Howetal  situm",  die  Heidenreich 
V.  Groß  und  dessen  Bruder  Berthold  ihm  aufgelassen  haben,  dem 
Kloster  Pforta  eignet. 

Im  Jahre  1310  gibt  Propst  Heidenreich  dem  Kloster  Heusdorf 
3  Mark  Zins  in  Hewenthal  (Rein,  Kloster  Heusdorf).  Laut  Urkunde 
vom  17.  Septbr.  1349  verkaufen  Conrad  v.  Aldenkerchen  und  dessen 
Frau  Adelheid  nebst  ihren  Söhnen  Vg  Hufe  „in  campis  viUe  Howe- 
tal für  I6V2  Mark  Silbers,  Erfurter  Gewichts,  an  den  Priester  Theo- 
doricus  de  Brambach.  Theodoricus  und  Berthold  fratres,  vicedomini 
de  Appoldia,  geben  als  Lehnsherren  ihre  Zustimmung.  Im  Jahre 
1422  schenkt  Andreas  Eeiche  Land  im  Felde  zu  Houwental  an 
zwei  Nonnen  in  Oberweimar.  Jetzt  gehört  die  Wüstung  ganz  zu 
Großbrembach. 

Rödchen,  3  km  nordöstlich  (nicht  östlich,  wie  Alberti  meint) 
von  Eastenberg,  ebenfalls  im  Bruderkriege  zerstört.  Im  roten  Buche 
von  Weimar  heißt  es:  Rödechin  bie  Eaßinborg;  da  habin  unßir 
heren  —  die  Landgrafen  —  ynne  czu  rechten  erbeczinse  3  talente 
5  seh.  den.  Mich.  Item  daselbins  uff  ostern  9  sex.  ovor.  (9  Schock 
Eier)  cinses  Mich.  Item  daselbins  45  hunire  cynße  Mich.  Item  ouch 
habin  sie  da  frondinst,  alle  gerichte  unde  recht  yn  felde  vnde  in 
dorffe.  In  einer  Urkunde  von  I6O8  Okt.  6  werden  die  Güter  bei 
Eastenberg  als  „am  Eöderwege",  „auf  der  EöderhÖhe"  und  „auf  das 
Eod  stoßend"  aufgeführt,  und  in  der  Flurkarte  von  Eastenberg 
kommen  noch  jetzt  die  Benennungen  vor:  „zu  Roda",  „die  Eodaer 
Gärten",  ,,am  Eodaer  Graben". 

Südwestlich  von  Eastenberg,  westlich  von  Hardisleben  und 
nördlich  von  Mannstedt  resp.  nordöstlich  von  Gutmannshausen  lag 
Rockstedt.  Die  gewöhnliche  Annahme,  daß  der  Ort  im  Bruderkriege 
untergegangen,  ist  unrichtig,  denn  bereits  im  roten  Buche  (um  1380) 
wird  Eockstedt  als  wüstes  Dorf  bezeichnet.  Es  heißt  dort:  „Ouch 
habin  sie  —  die  Landgrafen  —  daz  wüste  dorff  Eochstete  gelegin 
danebin  —  neben  Gutmannshausen  —  da  sie  alle  gerichte  habin  yn 
felde  unde  yn  dorffe."     Franke  bemerkt  dazu:   Wüstung   nördlich 

—  richtiger  nordöstlich  —  von  Gutmannshausen,  erwähnt  in  einer 
Urkunde  des  Erzbischofs   Konrad  v.  Mainz  1193.    Im  Jahre  1554 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  251 

Jan.  29  verleiht  Johann  Friedrich  Herzog  zu  Sachsen  seinem  Ge- 
treuen Caspar  Worm  Land  zu  Rockstedt.  Im  Dresdener  Register 
heißt  es :  „Item  haben  meyne  herrn  6  huner  zcinß  an  gericht."  Nach 
dem  Weimar.  Staatshandbuch  von  1843  soll  Rockstedt  das  780  und 
874  erwähnte  [Tjricasti  resp.  [TJricusti  sein,  was  sehr  zweifelhaft 
erscheint,  da  von  den  daneben  aufgeführten  Orten  keiner  in  die 
Gegend  paßt.  Erwähnt  wird  Rockstedt  in  einer  Urkunde  von  1580 
Sept.  6,  nach  welcher  Georg  Rudolf  Marschalk  zu  Gutenshusen  der 
Gemeinde  Mannstedt  die  Schenkstatt  daselbst  gegen  einen  jährlichen 
Zins  von  12  fl.  überläßt,  wogegen  die  Anspanner  und  Hintersiedler 
Spann-  und  Frondienste  in  Gutmannshausen  und  Rockstedt  über- 
nehmen wollen.  Bestätigt  wird  der  Vertrag  unterm  18.  Sept.  1580 
vom  Grafen  Ludwig  von  Gleichen,  Herrn  zu  Blankenhain.  —  In  einer 
Urkunde  von  1609  Okt.  6  bekennt  Ludwig  Wurmb  zu  Wolkrams- 
hausen,  daß  er  als  Stellvertreter  des  Kurfürsten  von  Sachsen  den 
Hans  Bartholdt  mit  Gütern  bei  Rastenberg  beliehen  habe,  darunter 
Grundstücke  „in  Rockstedt",  „auf  der  Rockstedter  Höhe"  etc.  Die 
Flurkarte  von  Rastenberg  weist  nach  Gutmannshausen-Olbersleben 
hin  die  Flurbezeichnungen  nach:  „zu  Rockstedt"  und  „am  Rock- 
stedter Berge".  Nach  der  Zerstörung  des  Ortes  scheinen  sich  die 
Bewohner  zerstreut  zu  haben,  denn  die  Flur  Rockstedt  ist  unter 
Gutmannshausen,  Mannstedt  und  Olbersleben  geteilt.  —  Über  die 
Wüstung  Hohenlindeu,  in  Gutmannshausen  aufgegangen  und  nach 
Olbersleben  hin  gelegen,  hat  sich  Urkundliches  nicht  ermitteln  lassen; 
der  Bruderkrieg  hat  auch  diese  Wüstung  geschaffen. 

Etwa  2  km  westlich  von  Buttelstedt,  nach  Krautheim  hin,  be- 
fand sich  noch  bis  zur  Mitte  des  vorigen  (19.)  Jahrhunderts  eine 
Schäferei  mit  ummauertem  Platz  (Kirchhof),  welche  die  Stelle  des 
ehemaligen  Dorfes  Oberndorf  bezeichneten.  Es  lag  auf  der  Höhe 
am  rechten  (nördlichen)  Ufer  der  Scherkonde  und  soll  neben  Wenigen- 
Buttstädt  einer  der  wenigen  Orte  sein,  die  ihren  Untergang  im 
30-jährigen  Kriege  gefunden,  indem  es  1641,  nach  Kronfeld,  durch 
kaiserliche  Soldaten  völlig  zerstört  worden  sein  soll.  Später  scheint 
eine  notdürftige  Wiederherstellung  der  Kirche  und  einiger  Häuser 
stattgefunden  zu  haben,  die  aber  allmählich  wieder  eingingen,  bis 
nur  die  Schäferei  mit  Wohnhaus  und  StaUung  übrigblieb.  Auch 
diese  Reste  sind  durch  die  Grundstückszusammenlegung  1856  ver- 
schwunden und  nur  die  Flurdistriktsbezeichnungen  bestehen  noch: 
„über  Oberndorf",  „hinter   Oberndorf",    „der  alte  Markt"»).    Nach 

1)  Von  der  Kirche  waren  noch  einige  Mauerreste  und  die  etwa 
IV2  Dl  lange  Altarplatte  vorhanden,  die  durch  den  damaligen  Be- 
sitzer des  Grundstückes,  Graneß,  nach  Buttelstedt  geschafft  wurde 
und  vor  dessen  Haustür  liegt. 


252         I^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Schumanns  Weimar.  Landeskunde  soU  Oberndorf  ehemals  ein  Wall- 
fahrtsort gewesen  sein.  Bedenken  gegen  die  Richtigkeit  der  Angabe 
Kronfelds  über  die  Zeit  der  Zerstörung  des  Ortes  könnte  der  um- 
stand erregen,  daß  in  dem  etwa  1381  aufgestellten  Verzeichnis  der 
Termineien  der  Erfurter  Augustiner-Einsiedler  der  Ort  Oberndorf  in 
der  Terminei  Bottilstete  nicht  genannt  wird,  während  alle  übrigen 
Kirchen  und  Dörfer  in  der  Nähe  aufgeführt  sind.  Sollte  der  Ort 
schon  im  Grafenkriege  seinen  Untergang  gefunden  haben! 

In  einer  Urkunde  von  1333  wird  unter  den  betepflichtigen 
Grundstücken  im  Distrikt  Bottilstete  auch  Obirndorf  aufgeführt. 
1554  Okt.  16  wird  Albrecht  v.  Meusebach  von  Herzog  Joh.  Friedrich 
dem  Mittleren,  Joh.  Wilhelm  und  Joh.  Friedrich  dem  Jüngeren  mit 
Lehen,  Zinsen  und  Gütern  in  Buttelstedt,  Oberndorf,  Krautheim  etc. 
begabt.  —  In  den  Aufzeichnungen  des  landgräflichen  Oberschreibers 
(Kanzlers)  Thomas  v.  Buttelstedt  1440—1443  heißt  es  unter  den 
Zugehörungen  zu  Buttelstedt  (Diss  ist  unser  gnedigen  hem  —  der 
herczogen  czugehorunge  zu  Bottelstete) :  „item  die  von  Obirndorff 
gebin  36  Schillinge." 

Kornberg,  das  Werneburg  als  Wüstung  zwischen  Berlstedt 
und  Schwerstedt  erwähnt,  wird  anderwärts  nirgends  genannt  und 
weder  in  den  Karten  noch  Volkserinnerung  findet  sich  eine  Spur. 

Beim  Dorfe  Leutenthal,  und  zwar  nach  Daasdorf  b./B.  zu,  wo 
der  von  Großobringen  herabfUeßende  Bach  sich  in  die  Scheekonde 
ergießt,  lag  ein  Ort  Neuenstete,  eingegangen  vielleicht  schon  im 
Grafenkriege,  denn  im  Augustiner-Termineiverzeichnis  kommt  der 
Ort  nicht  mehr  vor,  und  in  einer  Urkunde  von  1359  wird  er  schon 
als  wüstes  Dorf  bezeichnet  (s.  Alberti,  Bd.  XXIIl,  S.  410  der  Zeit- 
schrift). 

In  Urkunde  von  1367  am  Sonntage  nach  der  Geburt  Mariae 
heißt  es :  „supra  weitgelt  (Waidgeld)  in  pago  villae,  quondam  dictae 
Nuestete".  Am  Wege  nach  Daasdorf  und  an  der  Scheekonde  noch 
die  Flurbeuennungen  „am  Naustädter  Anger",  „die  Naustädter 
Wiesen"  und  „in  der  Hofstätte".  Bis  zur  Grundstückszusammen- 
legung  soll  noch  ein  großer  Stein  an  der  Stelle  des  Dorfes  gestanden 
haben,  den  die  Bewohner  von  Leutenthal  für  einen  Gedenkstein  des 
Gottesackers  hielten. 

In  dem  Wiesengrunde  zwischen  Großobringen  und  Leutenthal 
verzeichnet  die  Generalstabskarte  eine  „Wüstung  Samsborn".  Die 
alte  Flurkarte  von  Großobringen  hat  dort  noch  die  Distrikts bezeich- 
nung  „im  Samstborne",  und  bei  den  Bewohnern  von  Großobringen 
hat  sich  die  Kunde  von  einem  untergegangenen  Orte  erhalten,  dessen 
Stätte  sich  in  dem  von  einem  Bächlein  durchflossenen  Wiesengrunde 
ungefähr   noch    erkennen  läßt.     Urkundliches   hat   sich    nicht    ge-« 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  253 

funden,  der  Untergang  hat  vielleicht  wie  bei  Neuenstete  schon  im 
Grafenkriege  stattgefunden,  denn  auch  diesen  Ort  nennt  das  Terminei- 
verzeichnis  nicht  mehr. 

Nördlich  von  Großbrembach  die  Wüstung  Ebsdorf,  früher 
Ebersdorf,  die  im  roten  Buche  von  Weimar  als  zum  Stuhl  (Gericht) 
Vogelsberg  gehörig  bezeichnet  wird,  ebenso  wie  FüUborn  —  vylborn. 
1433  erhält  die  Georgenbrüderschaft  in  Weimar  Land  in  der  Flur 
zu  Ebirsdorff  und  Brantpach.  In  einem  alten  Zinsverzeichnis  aus 
dem  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  werden  Zinsen  in  Fulborn  —  vil- 
bom  — ,  Ebsdorf  —  ebersdorff  —  und  Nermsdorf  als  „Windisch 
Gut"  bezeichnet. 

Füllborn,  Fölborn  —  vylborn  —  lag  zwischen  Groß-  imd  Klein- 
brembach  zwischen  der  Verbindungsstraße  beider  Orte  und  der 
Scherkonde,  wo  noch  jetzt  die  Benennungen  „im  Füllborner  Grunde" 
und  „bei  der  Füllborner  Linde"  bestehen.  In  einer  Pfortaer  Urkunde 
von  1521  Jan.  29  (Böhme,  Urk.  —  B),  ausgestellt  in  Nordhausen,  ver- 
kauft das  Stift  zum  heil.  Kreuz  in  Nordhausen  eine  Wiese  in  Vilborn 
—  pratum  situm  in  Vilburne  —  für  6  Mark  Silber  an  das  Kloster 
Pforta.  In  der  Überschrift  zur  Urkunde  heißt  es :  „de  prato,  juxta 
brantbach".  Nach  Wolff  ist  diese  Wiese  des  Klosters  Pforta  dieselbe, 
die  in  Urkunden  von  1264,  1267  und  1274  erwähnt  wird  als :  ,.pratum 
Portense",  oder  „apud  pratum  ejusdem  ecclesie  in  Brantbach"  etc.  etc. 
Ob  die  Zerstörung  der  Orte  im  Grafen-  oder  im  Bruderkriege  statt- 
gefunden, läßt  sich  mit  Sicherheit  nicht  nachweisen. 

Das  nahegelegene  Brembach  (brantbach,  brampach)  wird  schon 
im  8.  Jahrhundert  als  dem  Kloster  in  Hersfeld  zehntpflichtig  er- 
wähnt, 876  dem  Kloster  Fulda  zinspflichtig;  daß  Füllborn  ebenso 
alt,  läßt  sich  bezweifeln. 

In  Groß-  und  Kleinneuhausen,  sowie  zum  Teil  auch  in  Cölleda 
ist  aufgegangen  die  bis  zur  Grundstückszusammenlegung  nach  der 
Mitte  des  19.  Jahrhunderts  als  selbständige  Flur  bestandene  Mark 
Wallendorf.  Dieselbe  grenzte,  auf  dem  rechten  Ufer  der  Lossa 
gelegen,  an  die  Fluren  Vogelsberg,  Orlishausen,  Groß-  und  Klein- 
neuhausen,  sowie  Cölleda.  Urkundliches  über  den  Ort  findet  sich 
nicht;  die  Zerstörung  soll  im  30-jährigen  Kriege  stattgefunden 
haben,  wahrscheinücher  jedoch  bereits  im  Grafenkriege  (1342),  in 
welchem  auch  das  angrenzende  Bussindorf,  Pissendorf  unterging. 

Im  Weimar.  Staatshandbuch  wird  bei  Großneuhausen  noch  eine 
Wüstung  Altbansen  aufgeführt,  über  die  sich  Urkundliches  auch 
nicht  ermitteln  läßt,  die  aber  in  Gegensatz  tritt  zu  Neu  hausen. 
Neben  dem  älteren  Orte  ist  wahrscheinlich  in  vorteilhafterer  Lage  ein 
neues  Hausen  angelegt  worden,  das  ältere  allmählich  eingegangen 
während  der  neuere  Ort   sich  später  in  ein  Groß-  und  Klein-Neu- 


254         I^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

hausen  entwickelte.  Da  Neuhausen  —  Nihusna  —  schon  am  Ende 
des  8.  Jahrhunderts  genannt  wird,  dürfte  Althausen  wohl  eine  der 
ältesten  Ansiedelungen  sein. 

Dahingegen  läßt  sich  nachweisen  bei  Großneuhausen  eine 
Wüstung  Bissings-  oder  Beßing'sdorf,  In  Urkunden  des  16. 
und  17.  Jahrhunderts  werden  der  „Bißing-Hof  und  die  ^Bißing- 
Güter"  erwähnt,  und  noch  heute  heißt  ein  Flurdistrikt  nach  Back- 
leben (preußische  Grenze)  hin :  „In  Bisdorf .  Der  Zerstörung  wird  es 
anheimgefallen  sein,  gleich  den  meisten  Orten  der  dortigen  Gegend, 
im  Bruderkriege. 

Im  roten  Buche  von  Weimar  (herausg.  von  Otto  Franke)  wird  ge- 
sagt S.  46:  „item  ouch  habin  sie  (die  Landgrafen)  daselbinst  yn  deme 
phul  da  man  antvögel  ynnestellit  czu  Bussindorff  yn  erme  (ihrem) 
eygingerichte,  d.  h.  im  Stuhl,  Gericht,  zu  Vogelsberg".  Bussindorf, 
jetzt  Wüstung  Pissendorf  lag  im  Riete  auf  dem  linken  Ufer  der 
Lossa  am  Wege  von  Vogelsberg  —  nördUch  —  nach  Cölleda.  An 
Pissendorf  —  das  mit  Vogelsberg  vereinigt  ist  —  grenzte  nordösthch 
die  Mark  Wallendorf;  noch  jetzt  existiert  nach  Kleinneuhausen  zu 
die  Flurbezeichnung:  „wüste  Mark  Wallendorf ".  Daß  schon  zu  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  das  Dorf  wüst  gewesen,  erfahren  wir  auch  aus 
dem  roten  Buche,  in  welchem  es  heißt :  „Bussindorff,  yn  dem  wüsten 
dorffe,  da  habin  imssir  heren  —  die  Landgrafen  —  alle  gerichte  und 
recht,  unde  nymant  myt  yn."  Die  Zerstörung  fällt  also  in  den 
Grafenkrieg  1345,  wofür  auch  das  spricht,  daß  der  Ort  in  dem  Ver- 
zeichnis der  Termineien  der  Erfurter  Augustiner- Einsiedler  nicht  mehr 
aufgeführt  ist. 

Dahingegen  wird  in  diesem  Verzeichnis  unter  der  Termin  ei 
Cölleda  der  Ort  Stelborn,  Stölborn,  Steilbom,  aufgeführt,  der^ 
damals  noch  bestehend,  erst  im  Bruderkriege  seinen  Untergang  ge- 
funden hat.  Stölbjrn  liegt  37?  km  südlich  von  Vogelsberg,  47^  km 
von  Neumark.  Der  große,  schön  übermauerte  Dorfbrunnen  besteht 
heute  noch.  —  1379  April  24  versetzt  Otto  Graf  von  Orlamünde,  für 
einige  Grafen  von  Schwarzburg  seine  Korngilde  zu  Brerabach  und 
Steilborn  mit  Gericht  und  Zinsen  an  die  weisen  Leute  Harrich  und 
Diethrich  und  ern  Hartmann,  Bürger  zu  Erfurt,  für  400  Mk.  Silber. 
Im  roten  Buche  heißt  es:  „Gräfe  Hans  von  Swarzburg  hat  von 
myme  hern  etc.  etc.  etc.  item  czu  Steylborn  7  phund  geldis".  In 
Urkunde  von  1395  Okt.  3,  dem  Vertrag  des  Markgrafen  Wilhelm 
von  Meißen  mit  den  Erfurtern,  Schiedsgericht  betreffend,  werden  die 
Dörfer  Brampach  (Groß-),  Brampich  (Klein-),  Stailborn,  Spreten  und 
Eychilborn  „der  sich  die  von  Erforde  und  die  iren  undirczogin  haben", 
(angemaßt  haben),  erwähnt,  und  aus  dem  Friedensvertrag  zwischen 
Markgraf  Wilhelm  und  der  Stadt  Erfurt  von  1396  Novbr.  24,    ver- 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  255 

mittelt  durch  Landgraf  Balthasar,  den  Mainzischen  Provisor  Lodewig 
zu  Weißensee  und  den  Kat  zu  Mühlhausen  geht  hervor,  daß  die  vier 
erstgenannten  Dörfer  von  Graf  Hans  von  Schwarzburg  an  Landgraf 
Balthasar  gekommen  sind  und  daß  die  —  d.  h.  der  Rat  —  von  Er- 
furt „und  die  yren  von  hern  Wilhelm  vorgenant  und  den  synen 
unbeteidingt  (d.  h.  unbehelligt)  bliben  sollen".  Das  Recht  der  Er- 
furter auf  die  vier  Dörfer  ward  also  von  den  Schiedsrichtern  aner- 
kanut.  In  einer  Urkunde  von  1271  Jan.  9  des  Klosters  Heußdorf 
wird  eine  Jutte  von  Steilborn  als  Käuferin  von  4^2  Hufen  in  Brant- 
pach  genannt. 

Noch  eine  Wüstung  Neißig:  erw^ähnt  das  Weimar.  Staatshand- 
buch bei  Kleinbrembach,  und  Schumann,  Weimar.  Landeskunde, 
sagt  kurz  beim  Dorfe  Kleinbrembach:  „in  der  südlichen  Nähe  die 
Wüstung  Neißig",  also  nach  Thal born  hin,  wo  allerdings  eine  Stelle, 
an  der  ein  Dorf  gestanden  haben  kann.  Etwas  UrkundUches  war 
nicht  zu  ermitteln.  In  den  alten  Karten  von  Neumark,  nach  Vogels- 
berg und  Kleinbrembach  hin  und  dicht  an  der  Vogelsberger  Grenze, 
findet  sich  die  Flurbezeichnung  „zu  Neußig"  und  „die  Neußische 
Straße". 

f)  WüstuDgen  bei  Sohloßvippach-Sömmerda. 

Zwischen  Schloßvippach  und  Sprötau,  etwa  2^1^  km  von  beiden 
Orten  entfernt,  befindet  sich,  vom  Wege  und  einem  kleinen  Bach  durch- 
schnitten, eine  Stelle,  an  der  heute  noch  eine  Dorflage  zu  erkennen 
ist,  die  Stätte  des  ehemaligen  Dorfes  Kaltenborn ,  im  Volksmunde 
Kalbern.  Beim  Pflügen  fortwährend  zutage  geförderte  Ziegelstücke 
deuten  auf  den  (etwas  erhöhten)  Platz  der  Kirche  hin,  deren  Glocken 
nach  der  an  so  vielen  Orten  verbreiteten  Sage  von  Schweinen  aus- 
gewühlt worden  sein  sollen.  Bis  zur  Grundstückszusammenlegung 
war  die  Ortslage  bezüglich  der  einzelnen  Grundstücke  noch  deutlich 
sichtbar.  Kaltenborn  dürfte  wohl  zu  den  ältesten  Orten  Thüringens 
gehören,  falls  darunter  das  von  Stechele  (Bd.  IX,  S.  131  dieser  Zeit- 
schrift) angeführte  Katonbure  (874)  verstanden  werden  könnte.  In 
einer  Jenaer  Urkunde  (Martin,  Urk.,  Bd.  I,  S.  9)  von  1257  Aug.  7 
wird  unter  den  Zeugen :  dominus  Conradus  de  Caldenburnen  an  erster 
Stelle  aufgeführt,  worunter  der  Sachlage  nach  nur  unser  Kaltenborn 
verstanden  werken  kann.  Im  Archidiakonatsregister  von  Thüringen, 
Registr.  subsidii  (Wenck,  Hessische  Landesgeschichte)  wird  in  sedes 
Summerde  auch  Kaltenborn  mitaufgeführt.  Im  roten  Buche  heißt 
es:  Kaldinborn,  in  dem  dorffe  da  habin  unssir  heren  —  die  Land- 
grafen —  gerichte  und  recht,  unde  gehören  czu  gerichte  yn  den  stol 
czu  Voylsburg.   Item  ouch  habin  sie  daselbinst  dinst  und  frondinst. 


256         I^iß  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Item  ouch  habin  sie  daselbinst  20  maldir  Kornguld  und  20  malder 
ordei  (Gerste)  jerlichen.  —  Bis  zur  Grundstückszusammenlegung 
(1860)  wurde  jährlich  im  Juli,  am  Donnerstag  nach  Margarethen,  in 
der  Flur  Kalten born  mit  Sprötau  ein  Rügegericht  über  Feld-  und 
Grenzangelegenheiten  abgehalten,  da  eine  besondere  Flurgenossen- 
schaft noch  bestand.  Der  Zerstörung  anheimgefallen  ist  der  Ort  im 
Bruderkriege. 

Das  rote  Buch  führt  auf  S.  58  an:  Item  die  Kotelinge  ist  der 
herrn  mit  dem  gericht.  Über  den  Ort  Eoteling'eu,  dessen  Stelle 
heute  noch  gut  nachweisbar  ist,  setzen  wir  das  hierher,  was  darüber 
Pfarrer  Alberti  in  Bd.  XV,  S.  574  erschöpfend  und  berichtigend  aus- 
geführt hat:  „Kotelingen  war  ehemals  ein  Dorf  bei  Vippachedel- 
hausen,  welches  Werneburg  S.  62  fälschlich  zwischen  Vippachedel- 
hausen  und  Thalborn  setzt,  und  dem  v.  Tettau  im  Jahrb.  d.  Kön. 
Akad.  gemeinnütz.  Wissenschaften  zu  Erfurt,  Bd.  XIV,  S.  159  darin 
nachgefolgt  ist.  Es  lag  in  Wirklichkeit  zwischen  Vippachedelhausen 
und  Ballstedt,  ^/^  Std.  südlich  von  Vippach,  links  am  Wege  nach 
Ballstedt,  wo  noch  jetzt  ein  Flurteil  von  Vippachedelhausen  „in 
der  Kötteling"  heißt.  Nach  v.  Tettau  a.  a.  O.  leistet  Landgraf  Al- 
brecht von  Thüringen  im  Jahre  1270  Verzicht  auf  1  Hufe  zu  Kote- 
lingen, welche  das  Stift  S.  Severi  in  Erfurt  von  Helferich  v.  Berlstete 
erkauft  hat  (Archiv  der  Marienkirche  in  Erfurt).  Bei  Würdtwein 
Thuringia  et  Eichsfeldia  in  archidiaconatus  distincta  commentatio, 
I,  S.  80  heißt  es:  „Ad  capellam  S.  Petri  in  Kottelingen  nuncupatam 
extra  villam  Vippich-Fedilhusen  sitam  inst.  Georgius  Knauff,  per 
abbatem  Vallis  S.  Georgii  praesent".  Im  Registr.  subsidü  des  Jahres 
1 506  wird  die  Capella  Kottilingen  (zum  sedes  Oltendorf  gehörig)  auf- 
geführt. Zerstört  wurde  der  Ort  im  Bruderkriege,  die  Kapelle  allein 
scheint  länger  erhalten  geblieben  zu  sein. 

Zwischen  Schloßvippach  und  Sömmerda  befanden  sich  3  Dörfer, 
die  vielfach  zusammen  genannt  werden,  von  denen  aber  nur  zwei: 
Ober-  und  Kieder-Marbach,  im  Großherzogtum  Sachsen  —  Flur 
Schloßvippach  —  eins,  Eanstedt,  im  Königreich  Preußen  — 
Flur  Sömmerda  —  liegen.  1230  eignet  Landgraf  Heinrich  (Raspo) 
dem  Kloster  Ichtershausen  1  Hufe  in  Martbech.  In  einer  Erfurter 
Urkunde  von  1322  Dez.  10  erscheint  unter  den  Zeugen :  Conradus 
de  Marpeche  clericus,  der  1323  Juli  28  wiederum  vorkommt.  1328 
Juni  7  belehnt  Günther,  Graf  v.  Kevernburg,  Dittmar  und  Heinrich 
V.  Martbeche,  Gebrüder,  zu  Stuternheim  mit  einer  Hufe  zu  Marbach. 
In  einsr  Pfortaer  Urkunde  (1345)  über  Verkauf  von  Gütern  in 
Endeleben  kommt  unter  den  Zeugen  auch  ein  frater  Hermann  de 
Martpeche  vor.  Ernst  Graf  von  Gleichen  verleiht  1350  Nov.  11  dem 
Bürger  Dietrich  Unsote  in  Erfurt  Kornzinsen  in  Marbach ;  1379 
März   1    verkaufen  Kunne    v.   Sömmerda   und  Claus    v.  Kerchheim 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  257 

Güter  in  Ranstedt  und  Martpeche  an  Albrecht,  Otto  und  Friedrich, 
Gebrüder,  Herrn  zu  Vippach  für  26  Pfund  Pfennige.  1387  Nov.  25 
verkauft  der  vorgenannte  Otto  v.  Vipeche  dem  Rat  zu  Erfurt  Schloß 
und  Ort  Vippach,  sowie  die  Dörfer  und  Gerichte  in  Ranstedt,  über- 
und  Xieder-Marpach ;  und  kurze  Zeit  darauf,  1388  März  20,  schreibt 
derselbe  dem  Abte  zu  Fulda,  daß  er  aus  dringender  Not  das  Dorf 
Nieder-Marpeche  ganz,  die  Dörfer  Obern-Marpech  und  Ranstete  je 
zu  ^/^  mit  allen  Gerechtigkeiten  und  Gerichten  dem  Rate  zu  Erfurt 
verkauft  habe,  und  bittet  diesen  damit  zu  belehnen.  Alle  3  Dörfer 
waren  fuldaisches  Lehn.  Auch  die  Herren  von  Taunroda  waren 
in  Schloßvippach  und  Marbach  begütert.  In  ersterem  Orte  noch 
heute  die  Benennung  ,,im  Tannrodaer  Teiche".  1393  Juli  17  be- 
kennen Conrad  von  Tannroda,  herre  zcu  Stußforte,  Conrad  der  eider 
und  Conrad  der  junge  von  Tannroda,  seine  Söhne,  daß  sie  ihren 
Teil  am  Gerichte  und  Kirchlehn  zu  Marbach  an  den  Rat  zu  Erfurt 
verkauft  haben,  welchen  Verkauf  Heinrich  Graf  v.  Hoenstein  etc. 
und  Heinrich  und  Ernst,  seine  Söhne,  auf  Bitten  seines  Schwagers 
Conrad  v.  Tannroda  1394  Jan.  9  gewährleisten.  1469  verkaufen 
mehrere  Bauern  in  ,,Lawenvipeche  und  Obern marbeche"  Zins  an 
einen  Erfurter  Bürger.  Vippach,  Martbeche  und  Ranstedt  kommen 
auch  im  Verzeichnis  der  Termineien  der  Erfurter  Augustiner,  als  zu 
Weißensee  gehörig,  vor  (1381)  und  erscheinen  ebenso  im  Registr. 
subsidü  (15U6),  wo  Ranstedt  und  Niedermarbach  zur  sedes  Sömmerda, 
Obermarbach  aber  zu  Gutmannshausen  gerechnet  wird.  Die  3  Orte, 
wohl  auch  im  Bruderkriege  zerstört,  sollen  1528  noch  nicht  ganz 
wüst  gewesen  sein.  In  Schloßvippach  wird  der  Untergang  der  Orte 
der  Pest  zur  Last  gelegt.  1529  herrschte  —  nach  Müller  —  aller- 
dings in  den  sächsischen  Ländern  eine  pestartige  Seuche,  der  eng- 
lische Schweiß  genannt.  —  Eine  Wüstung  Unter-Marbach  ist  mir 
an  Ort  und  Stelle  nicht  bekannt  geworden. 

In  der  Flur  Kranichborn  befinden  sich 2  Wüstungen  Hohen- 
berg-en  und  Herbisdorf,  über  die  sich  Urkundliches  nicht  hat  er- 
mitteln lassen  (Werneburg,  S.  99  nennt  nach  v.  Hagke  die  Wü- 
stung Herbelsdorf  und  gibt  die  Jahreszahl  1543  an,  verlegt  den  Ort 
auch  fälschlich  nach  Preußen).  Hohenbergen  lag  östlich  von  Kranich- 
born, wo  noch  heute  die  Flurbenennung:  „Auf  Hohen-Bergen'"  — 
aber  nicht  südwestUch  von  Rohrborn,  wie  Werneburg  angibt  — , 
Herbisdorf  lag  westhch  von  Kranichborn  nach  Werningshausen 
hin.  Dort  war  bis  zur  Grundstückszusammenlegung  die  Dorflage 
noch  vorhanden,  wie  sie  die  beigefügte  Zeichnung  (Fig.  15)  nachweist; 
die  Hofstättenplätze  (Gärten  etc.)  hießen :  „die  Höfchen"  ^).    Die  sla- 

1)  In  einem  Berichte  an  die  Fürstl.  Kammer  in  Weimar  vom 
19.  Sept.  1738  heißt  es:  „die  wüste  Herbsdorfer  Marke,  so  vor  diesem 
XXVIL  17 


258         I^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 


vische  Dorfanlage  ist  unverkennbar ;  dort  waren  jedenfalls  die  unter- 
worfenen Wenden  angesiedelt.  Große  Ähnlicbkeit  hat  die  Orts- 
anlage mit  der  von  EQeinroda  bei  Weimar. 


Herbisdorf. 
1Ö30. 


'/irccmcfi^orTi 


Fig.  15. 

1343  verkaufen  der  Propst  Heinrich,  die  Priorissa  Margarethe 
und  der  ganze  Konvent  des  Neuwerk-Klosters  in  Erfurt  ihren  Mit- 
schwestern Wunne  von  Halle  und  Wunne  von  Wechmar  auf  beider 
Lebenszeit  25  Schillinge  Erfurter  Währ  aus  einer  fuldaischen  Hufe 
—  40  Acker  —  zu  Herboldisdorf  bei  Craynborn.  1483  werden  Georg 
und  Thilo  v.  d.  Sachsen  mit  Gütern  in  Cranichborn  und  Herbs- 
dorf belehnt.  Nach  Hellbachs  Archiv  für  Geographie  und  Geschichte 
der  Grafschaft  Gleichen,  I,  209  ff.  wurden  nach  Aussterben  der 
Grafen  von  Gleichen  die  Grafen  von  Hohenlohe  außer  anderen  Be- 
sitzungen auch  mit  Herbelsdorf  belehnt,  1709  Febr.  28,  „mit  der 
Kirche,  den  Ackern  und  was  dazu  gehört".  1738  wurde  der  Wieder- 
aufbau des  Ortes  von  abgedankten  Soldaten  beabsichtigt,  resp.  be- 
antragt, jedoch  die  fürstliche  Genehmigung  dazu  versagt.     Ehemals 


Hoff  gen  soll  genannt  gewesen  sein"  und  weiter:  „Herbsdorf  oder 
Höfgen  vorgenannt". 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  259 

war  H.  Filial  von  Kranichborn,  weshalb  der  Pfarrer  daselbst  noch 
Haferzinsen  von  den  Besitzern  von  Grundstücken  der  Flur  Herbis- 
dorf erhielt.  Ob  die  Zerstörung  des  Ortes  schon  im  Bruderkriege 
erfolgt  ist,  erscheint  ungewiß. 

Auch  Haßleben  enthält  2  Wüstungen:  Moßendorf  und  Eude- 
leben,  von  denen  Werneburg  nur  die  letzte  angibt;  bei  Kron- 
feld II,  S.  82  wird  Moßendorf  aufgeführt.  Moßendorf  lag  süd- 
östlich von  Haßleben,  die  Flurbezeichnung  ,,in  Moßendorf"  besteht 
heute  noch  in  Karten  und  Flurbüchern.  —  Endeleben,  nach  Leh- 
feldt  1  km  nördlich  von  Haßleben,  nach  Vehra  hin,  soll  1543  noch 
als  Dorf  bestanden  haben,  was  sehr  zweifelhaft  ist,  da  die  Zerstörung 
des  Ortes  in  den  Bruderkrieg  fällt.  Die  Dorfflur  wird,  nach  den 
Bezeichnungen  in  Büchern  und  Karten,  sehr  umfängHch  gewesen 
sein.  Noch  bestehen  die  Flurbezeichnungen :  „das  Endelebener  Feld", 
„der  Endelebener  Anger",  „der  Kirchhof".  Begütert  war  in  Ende- 
leben das  Kloster  Pforta,  von  welchem  im  14.  Jahrhundert  viele 
Erwerbungen  nachgewiesen  sind,  Böhme,  Pfortener  Urk.-B.  1300 
Mai  15  eignet  Graf  Heinrich  von  Gleichenstein  3  Acker  bei  Vehra 
dem  Kloster  Pforta  zu,  die  Hermann  v.  Emundeleben  für  6  Pfd.  Er- 
furter Denare  gekauft  hat.  Verkäufe  von  Ländereien  und  Höfen 
an  das  Kloster  finden  vielfach  statt,  so  1317  Aug.  10  3  Höfe  und 
je  17  Acker  in  den  drei  Eudelebener  Feldern  durch  Johann  v.  Can- 
bur  (Cannawurf  ?),  Hugo  in  Ballhausen  und  die  Söhne  Herimanns 
von  Herbsleben  für  10  Pfd.  Erfurter  Pfennige,  welche  Berthold  von 
Nordhausen  von  ihnen  zu  Lehen  hat,  und  weitere  5  Acker,  die  nach 
dem  Tode  des  jetzigen  Besitzers  an  das  Kloster  übergehen  sollen. 
1320  März  1  eignet  Hermann  Graf  v.  Gleichen  dem  Kl.  Pforta  die 
Besitzungen  in  Emendelybin  zu ,  welche  die  Knappen  (armigeri) 
Berthold  Wustefeld  und  Dietrich  ßintfraß  demselben  verkauft  haben, 
und  1320  Sept.  13  wiederum  5  Hufen  und  10  Acker  nebst  Zinsen 
für  84  Mk.  Silber,  und  außerdem  noch  ^2  Hufe;  1323  Juni  3  eignen 
die  Brüder  Eudolf  und  Johann  v.  Herbsleben  dem  Kloster  „eyne 
Gelenge"  von  5  Ackern  zu ;  1324  März  8  Hugo  v.  Ballhausen  1  Haus, 
Hof,  Garten  und  4  Acker  Feld ;  1326  Nov.  9  die  Brüder  Rud.,  Joh. 
und  Heinr.  v.  Herbsleben  1  Hufe  „in  Emudisleyben",  und  1333 
Mai  30  noch  2  Hufen.  Aber  schon  12  Jahre  später,  1345  Aug.  1 
muß  das  Kloster  Schulden  halber  dem  Pleban  Hermann  von  Hoch- 
dorf resp.  dem  Augustinerkloster  in  Erfurt  4  Hufen  und  1  Hof  in 
Endeleben  für  56  Mk.  verkaufen.  In  verschiedenen  Pfortaer  Urkunden 
kommen  unter  den  Zeugen  Besitzer  und  GeistUche  von  Endeleben 
vor,  so  1286  Albert  von  Emmendeleiben,  1299  März  22  Heinricus 
viceplebanus  in  Emundisleuben ;  1301  Jan.  17  Albertus  junior  de  Emund- 
leuben ;  1315  Sept.  1  Hermann  Creye  de  Emindeleybin ;  1324  April  2ä 

17* 


260         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Albertus  dictus  Nacht  et  Rapoto  de  Emdeleybin,  —  Daß  die  Zer- 
störung des  Ortes  in  den  Bruderkrieg  fällt,  geht  auch  daraus  hervor, 
daß  derselbe  noch  im  Verzeichnis  der  Termineien  der  Erfurter 
Augustiner  1381  vorkommt,  aber  nicht  mehr  im  Eegistr.  subsidii  1506. 

Die  an  Haßleben  angrenzende  Flur  Alperstedt  enthält  2  Wü- 
stungen: nach  Süden  4  km  Neuendorf,  nach  Osten  3  km  Zellen- 
dorf, zwischen  Alperstedt  und  Großrudestedt ;  beide  Jagen  an  einem 
von  Stotternheim  herabfließenden  Bache,  ,,die  Klinge",  der  sich  in 
die  Gramme  ergoß.  Die  beiden  Wüstungen  hatten  bis  zur  Grund- 
stückszusammenlegung noch  eigene  Fluren  und  sind  dann  erst  mit 
Alperstedt  vereinigt  worden.  In  Urkunde  von  1534  Nov.  24  tun 
die  Räte  des  Kurfürsten  Joh.  Friedrich  kund,  wie  sie  den  Frantz 
V.  d.  Sachsa  und  die  Gemeinde  Alperstedt  mit  Christoph  Georg 
und  Eoban  Ziegler  wegen  verschiedener  Gerechtigkeiten  an  den 
Wüstungen  Neuendorf  und  Czellendorf  nach  Gehör  der  ältesten 
Leute  vertragen  haben,  worauf  eine  Neuversteinung  der  Flurgrenze 
von  Alperstedt  und  der  beiden  Wüstungen  vorgenommen  worden 
sei.  Weitere  Streitigkeiten  zwischen  der  Gemeinde  Alperstedt  und 
der  Famihe  Ziegler  in  Erfurt,  die  auch  noch  im  18.  Jahrhundert 
das  Rittergut  in  Alperstedt  besaß,  wegen  der  Trift  in  beiden  Wü- 
stungsfluren werden  1655  Juli  4  von  der  Fürstlichen  Kanzlei  in 
Weimar  zugunsten  der  Gemeinde  entschieden.  —  Die  Zerstörung 
beider  Orte  ist  im  Bruderkriege  erfolgt.  Nach  Urkunde  im  Archiv 
der  Weißfrauen  (Ursulinerinnen)  in  Erfurt,  1296  Juni  28,  setzen  die 
Gebrüder  Ludolf  und  Hermann  von  Stotternheim  ^i\  Hufen  zu 
Neuendorf  zum  Pfände,  bis  die  von  anderen  erhobenen  Ansprüche 
an  die  Weißfrauen  wegen  einer  diesen  verkauften  halben  Hufe 
Erledigung  gefunden.  Wigand,  Provisor,  und  Elisabeth,  Priorissa 
(der  Weißfrauen),  rekognoszieren  gerichtlich  die  von  dem  Erfurter 
Bürger  Gerhardt  v.  Tutelstete  (Töttelstedt)  mit  2^^  Hufen  etc., 
in  Neuendorf  und  Alperstedt  gelegen,  gestiftete  Vikarie  in  ihrer 
Kirche  1314  Dez.  20  (Mitteil.  d.  Vereins  f.  d.  Gesch.  u.  Altertumsk. 
von  Erfurt).  —  Zellendorf  wird  1410  erwähnt.  1693  Febr.  24 
verkauft  die  Rentkammer  Herzog  Johann  Georgs  67^  Acker  Lehden 
in  der  Zellendorfer  Flur  für  24  fl,  an  Phihpp  Köhler  in  Alperstedt ; 
jedenfalls  infolge  des  30-jährigen  Krieges  herrenlose  und  wüst  ge- 
wordene Grundstücke. 

Zwischen  den  Dörfern  Udestedt  und  Stotternheim  befindet  sich 
ein  alter  runder,  nicht  sehr  hoher  Turm,  wie  es  in  der  Karte  zu 
Werneburg  heißt:  „Turm  des  ehemaligen  Klosters  Barkhatisen". 
Es  ist  dies  unrichtig,  trotzdem  man  in  der  Umgegend  glaubt,  daß 
hier  ein  Kloster  gestanden;  es  stand  vielmehr  hier  bis  ins  18.  Jahr- 
hundert ein  Wirtschaftshof  des  dem  Kloster  Georgenthal  gehörigen 


des  Großherzogtums  Sachsen -Weimar.  261 

sogenannten  Georgenthaler  Hofs  in  Erfurt.  Noch  bis  in  die  letzte 
Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  hielt  die  „Gewerkschaft  —  d.  h.  die 
Flurgenossenschaft  —  Barkhausen"  jährlich  zu  Pfingsten  ein  so- 
lennes Hegegericht  ab,  und  bis  heute  bildet  B.  eine  besondere,  mit 
keiner  anderen  vereinigte  Flur.  Wir  verweisen  auf  den  im  ßd.  IV, 
S.  331  ff.  dieser  Zeitschrift  enthaltenen  Aufsatz  von  Keinhold  Schmid: 
„Das  Gericht  der  Gewerkschaft  Barkhausen,  ein  Überbleibsel  alt- 
deutschen Gerichtswesens".; 


g)  Wüstungen  in  der  Gegend  bei  Weimar,  Berka, 
Kranichfeld,  Blankenhain,  Magdala. 

In  der  Flur  des  etwa  10  km  südöstlich  von  Erfurt  gelegenen 
weimarischen  Dorfes  Klettbach  befindet  sich  die  Wüstung  Heßel- 
born,  ungefähr  2  km  südöstlich  von  Klettbach.  Nach  dem  Weimar. 
Staatshandbuch  von  1843  soUen  noch  damals  Trümmer  des  zerstörten 
Dorfes  vorhanden  gewesen  sein.  In  Dominicus,  Erfurt,  II,  S.  218 
(1793)  heißt  es :  „In  dem  Thale  unter  dem  Haarberge  stößt  man  auf 
einen  Platz,  welcher  „die  Hesselborner  Schänke"  genannt  wird,  und 
der  Überrest  eines  zerstörten  Dorfes  Heßelborn  ist' ,  und  weiter 
S.  276:  „Hesselborn  in  der  Klettbacher  Flur  auf  einer  Anhöhe  mit 
einem  noch  vorhandenen  Brunnen ;  die  Schenke  steht  am  Wege  nach 
Tonndorf,  und  die  Flurläufer  (1680)  gaben  5  Hofstätten  an.  „Die 
Hesselborner  Schenke",  sagt  Schumann  (Weimar.  Landeskunde,  1836), 
„ist  jetzt  nur  noch  ein  wüster  Platz."  Die  Schenke  stand  unten  im 
Tale  an  der  Straße,  das  Dörfchen  lag  auf  der  Höhe.  In  dem  Augu- 
stiner-Termineiverzeichnis  wird  als  zur  Terminei  Tannrode  gehörig 
zwischen  Nauendorf  und  Klettbach  auch  Heßelborn  genannt.  Eine 
Notiz  in  der  Zeitung  Deutschland,  Weimar,  24.  Sept.  1893  besagt : 
„In  der  Nähe  von  Nauendorf  trifft  man  auf  der  Höhe  ab  und  zu 
noch  auf  die  Überreste  des  im  30-jährigen  Kriege  dem  Erdboden 
gleichgemachten  Dorfes  Heßelborn.  Einem  Klettbacher  Einwohner 
stieß  dort  kürzüch  folgender  Unfall  zu :  Beim  Steinabfahren  —  [es 
werden  anscheinend  die  Steine  der  alten  Gebäude  als  Bausteine  in 
Klettbach  verwendet)  —  verschwand  plötzlich  das  Pferd  des  Land- 
manns;  es    war   nämlich  durch  ein  altes  Kellergewölbe  gebrochen." 

Eine  Wüstung  Wetterode  oder  W  i  1 1  e  r  o  d  e  befindet  sich 
unweit  der  vorigen  in  der  Flur  Hohenfelden,  nach  Eiechheim  zu. 
Kronfeld,  II,  S.  60  gibt  an :  ^|^  Stunde  von  Hohenfelden  ist  die  Wü- 
stung Witterode.  Von  dem  ehemaligen  Dorfe,  dessen  Untergangszeit 
nicht  zu  bestimmen  ist,  ist  noch  der  Brunnen  erhalten,  und  bis  1850 
waren  die  Trümmer  der  Kirche  zu  sehen;  man  fand  beim  Ein- 
ebnen des  betreffenden  Grundstücks  den  Altar  und  den  Fußboden 


262         ^ie  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

der  Kirche."  Genau  zu  erkennen  war  die  Lage  des  Ortes  noch  im 
Jahre  1880.  Auch  Dominicus,  Erfurt,  II.  S.  276  (1793)  bestätigt, 
daß  Spuren  von  Straßen  und  der  Kirche,  der  Brunnen  und  die 
Linde  bei  der  Schenke  noch  vorhanden  gewesen  ;  von  den  Steinen 
des  Wetteroder  Kirchturms  sei  die  Kirche  von  Hohenfelden  gebaut 
worden;  von  Wetterode  aus  sei  Nieder-Hohenfelden,  jetzt  Hohen- 
felden, bevölkert  worden. 

In  Urkunde  von  1297  o.  D.  bekennen  Volrad  v.  Kranichfeld 
und  sein  Sohn  Hermann,  daß  Theoderich  v.  Azmestete  (Oßmann- 
stedt)  und  sein  Sohn  Hermann  1  Hufe  im  Felde  Witenrode,  die  sie 
von  ihnen  zu  Lehn  gehabt,  den  Klosterfrauen  in  Berka  geschenkt 
haben.  Vielleicht  rührt  von  dieser  Klostererwerbung  der  Berkaer 
Pfarreizins  in  Hohenfelden.  Das  aus  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts stammende  Berkaer  Erbzinsbuch  bezeichnet  mehrere  zins- 
pflichtige Grundstücke  als  „in  Witterode",  und  „in  Witterode  bei  der 
Kirche"  gelegen. 

Da  wo  jetzt  —  auf  s.-meiningischem  Gebiet  —  die  Hornmühle 
steht,  hat  ehemals  das  von  Niederhohenfelden  aus  gegründete  Dorf, 
jetzt  Wüstung,  Ober-Hohenfelden  gestanden. 

In  der  Urkunde  von  1119  Mai  1,  in  welcher  Graf  Wichmann 
der  Marienkirche  in  Erfurt  10  Kirchen  in  Thüringen  schenkt,  werden 
derselben  auch  2  Waldungen  mitzugeeignet,  von  denen  die  eine  in 
Diephenburnen  liegt,  die  andere  sich  bis  an  die  Feldflur  — 
campestria  —  Welemannesdorph  erstreckt.  Wo  Welemannesdorph 
gelegen,  wird  sich  schwerlich  nachweisen  lassen,  auf  alle  Fälle  aber 
nicht  allzuweit  von  Erfurt.  Dahingegen  könnte  sich  die  Lage  von 
Diephenburnen  vielleicht  ermitteln  lassen.  Gewöhnlich  hält  man 
Diephenburnen  für  Tiefengruben,  bei  Berka  und  Tonndorf  (so  auch 
Dobenecker,  Reg.,  I,  238),  aber  schon  EUe,  Geschichte  der  Herrschaft 
Berka,  sagt  mit  Recht :  „wahrscheinlicher  aber  deutet  der  Name  auf 
den  noch  heute  bestehenden  Forstbezirk  Tiefborn  am  Wege  von 
Berka  nach  Troistedt"  —  resp.  nach  Gutendorf.  —  Da,  wo  die 
Straße  nach  Troistedt  sich  von  der  nach  Gutendorf  durch  den  Tief- 
born er  Grund  führenden  abzweigt,  hat  dieser  Grund  eine  Ausbuch- 
tung, die  wohl  ein  Dörfchen  aufzunehmen  imstande  wäre.  Das 
Wasser  der  etwa  l^/j  km  weiter  westlich  gelegenen  Quelle  —  der 
Tiefborn  —  läuft  auf  der  südlichen  Seite  des  Tales  nach  Berka  hin  ; 
die  auf  der  Südseite  des  Wiesengrundes  sich  hinziehenden,  sanft  an- 
steigenden Höhen  wären  wohl  zur  Anlage  von  Gärten  und  Feldern 
tauglich.  Möglich  aber  könnte  es  immerhin  sein,  daß  eine  74  km 
weiter  nach  Südosten  hin  gelegene  Verbreiterung  des  Grundes,  an  die 
sich  ebenes  Feld  anschheßt,  dem,  wie  alle  Ortsanlagen  jener  Zeit,  nur 
kleinen  Dörfchen  Platz  gewährt  hätte.     Schon  frühzeitig   muß    das- 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  263 

selbe  verschwunden  sein,  dem  in  der  Urkunde  von  1422  Juli  14, 
nach  welcher  Kerstan  von  Witzleben  mit  Berka  belehnt  wird,  werden 
als  Zugehörungen  „München  und  andere  wüste  Dörfer"  —  Weyde- 
hausen  und  Tiefborn  —  genannt. 

Nach  dem  Staatshandbuch  und  nach  Schumanns  Landeskunde 
liegt  in  der  Flur  Berka  (lim)  eine  Wüstung  Weydehauseii ,  die 
auch  Werneburg  ohne  nähere  Angabe  aufgenommen,  derselben  aber, 
wie  so  vielen  anderen,  eine  unrichtige  Lage  gegeben  hat.  In  einer 
Urkunde  von  1280  o.  D.  schenkt  die  Gräfin  Elsa  v.  Kabenswald, 
Besitzerin  von  Berka,  dem  dortigen  Nonnenkloster  außer  anderen 
Gütern  und  Zinsen  auch  4  Hufen  zu  Nieder- Weydehausen.  Hierzu 
sagt  Elle  in  der  Geschichte  der  Grafschaft  Berka:  „Im  Volksbewußt- 
sein hat  sich  auch  nicht  die  mindeste  Kunde  von  einer  solchen 
Wüstung  und  von  der  Ortschaft,  die  einst  an  ihrer  Stelle  gestanden, 
erhalten,  aber  die  alten  Renten-  und  Steuerbücher  von  Berka  reden 
allerdings  von  Grundstücken  in  Weydehausen,  und  auch  das  jetzige 
Kataster  hat  noch  die  Distriktsbezeichnung  „in  den  Weydehäusern", 
•oder  „in  der  Weydigsgemeinde".  Die  Nummern  der  im  Kataster 
so  bezeichneten  Grundstücke  weisen  uns  in  die  Gegend  nach  München 
—  Tannroda  —  zu.  Im  zweiten  Berkaer  Kopialbuche  des  Archivs  zu 
Weimar  S.  86  vnrd  angeführt:  „Apel  Vitzthums  Lehns-Revers  an 
Mainz  über  einen  Theil  des  Holzes  Hart,  das  Dorf  Nauendorff  (Nauen- 
dorf),  eine  Mühle  genannt  Weydehausen  und  das  Dorf  Saufeld 
1440."  Somit  scheint  Weydehausen  eine  Mühle  weiter  oben  nach 
Tonndorf  zu  und  1440  im  Besitz  der  Herren  von  Tannroda  befind- 
lich, und  Nieder- Weydehausen  ein  Weiler  weiter  unterwärts,  wohl 
nur  aus  wenig  Häusern  bestehend  und  zu  Berka  gehörig,  gewesen 
zu  sein."  Weydehausen  lag  also  in  dem  Tale  oberhalb,  nordwestlich 
München.  „Der  Name  Weydhausen,  Weydigshausen",  fährt  Elle 
fort  „ist  nicht  von  Weide  (Viehweide),  oder  Weidicht  (kleines  Ge- 
hölz), sondern  von  Waid,  Wayd,  jener  Farbepflanze,  abzuleiten,  die 
vor  Einführung  des  Indigo  zum  Blaufärben  verwandt  wurde."  Werne- 
burg verlegt  den  Ort  fälschlich  nach  Tiefengruben  zu.  Da  1440  der 
Ort  noch  bestand  und  den  Vitztums  gehörte  wird  die  Zerstörung 
wohl  im  Bruderkriege  erfolgt  sein. 

Wüstung  Ramsdorf,  Ramstal,  auch  „das  Dörfchen"  genannt, 
3  km  südlich  von  Rittersdorf  und  südwestlich  der  meiningischen 
Enklave  Treppendorf,  gehörte  zum  jetzigen  Rittergute  Tännich. 
In  einer  Urkunde  von  1534  Juni  8  wird  Ramstall  (Ramsdorf)  als 
Wüstung  genannt,  in  Verbindung  mit  der  Wüstung  Newendorff 
(Nauendorf,  später  wieder  aufgebaut)  und  den  Dörfern  Ehrenstein 
und  Treppendorf.  Auch  hier  scheint  der  Bruderkrieg  den  Unter- 
gang des  Ortes  veranlaßt  zu  haben.     Die  Distriktsbenennung    „im 


264         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Ramsthal",  nach  Treppendorf  hin,  besteht   noch.     Im   Augustiner- 
Termineiverzeichnis  wird  Ramesdall  vor  Rittersdorf  genannt. 

Von  einer  Wüstung  Markersdorf,  zur  meiningischen  Enklave 
Treppendorf,  nördhch  von  diesem,  gehörig,  existieren  noch  Rudera 
der  Kirche,  die  den  gotischen  Bau  erkennen  lassen.  Stechele, 
Bd.  IX,  S.  133  dieser  Zeitschrift,  nimmt  an,  daß  das  874  genannte 
Meiskestorph  unser  Markersdorf  sei,  was  immerhin  möglich.  Die 
Zerstörung  des  Ortes  soU  im  Bruderkriege  stattgefunden  haben,  denn 
in  einer  Urkunde  von  1462  heißt  es:  „die  Wüstung  Markersdorf". 
Aber  in  Verträgen  über  die  Oberherrschaft  Kranichfeld  und  einem 
Verzeichnis  der  Laßäcker  der  Untertanen  dieser  Herrschaft  von 
1615  wird  Markersdorf  als  selbständiger  Ort  neben  Treppendorf  ge- 
nannt, scheint  also  damals  nicht  wüst  gewesen  zu  sein,  was  daraus 
zu  erklären,  daß  manche  Orte  nach  der  Verwüstung  im  Bruder- 
kriege wieder  aufgebaut  wurden.  Im  SO-jährigen  Kriege  hat  die 
endgültige  Zerstörung  stattgefunden.  Auffallend  ist  es  und  läßt 
einen  Schluß  auf  eine  noch  frühere  Verwüstung  zu,  daß  in  dem 
Termineiverzeichnis  der  Erfurter  Augustiner  zwar  Treppendorf  und 
Rittersdorf,  aber  nicht  das  dazwischen  liegende  Markersdorf  auf- 
geführt ist. 

Südlich  von  Hochdorf  bei  Blankenhain  Gabritz  (Gaberwitz). 
Topf,  „Die  Herrschaft  Ober- und  Niederkranichfeld"  schreibt:  „Nicht 
weit  von  Hochdorf  bezeichnete  sonst  ein  steinernes  Kreuz  den  Ort, 
wo  im  Bruderkriege  ein  Gefecht  stattgefunden  und  der  Ort  Gabritz 
zu  einer  Wüstung  gemacht  sein  soll."  Es  sind  an  dieser  Stelle  noch 
Grundmauern  und  Steine  gefunden  worden.  Die  Bauart  des  Ortes 
war,  wie  die  Karte  erkennen  läßt,  unbedingt  slavisch.  Aufgeführt 
wird  Gaberwitz  im  Termineiverzeichnis  der  Erfurter  Augustiner 
zwischen  Neckerode  (Nowekenrode)  und  Rettwitz  (Repnitz).  1366 
Febr.  8  (Erf.  Urk.)  verkaufen  Berwig  Ewe,  Berwigs  Sohn,  seine 
Ehefrau  etc.  ihre  Lehngüter  zu  Großmonra,  Lengefeld,  Hoch- 
dorf und  Gaberwitz,  die  sie  von  Cuno  v.  Blankenhain  zu  Lehn 
tragen,  dem  Kloster  St.  Martini  im  Brühl  von  Erfurt.  —  Noch  be- 
stehen in  der  Flur  Hochdorf  die  Distriktsbenennungen:  ,, hinter 
Gabritz",  „vor  Gabritz"  und  „unter  Gabritz". 

Im  Weimar.  Staatshandbuch  wird,  als  zur  Flur  Lengefeld  süd- 
lich von  Blankenhain  gehörig,  eine  Wüstung  Gerbersdorf  an- 
gegeben, von  Lehfeldt  und  Werneburg  ohne  nähere  Untersuchung 
aufgenommen  und  von  letzterem,  wie  so  oft,  an  unrichtige  Stelle 
verlegt.  Archivalische  Nachrichten  fehlen  allerdmgs,  in  der  Flur- 
karte und  den  Flurbüchern  von  Lengefeld  aber  erscheinen  zwischen 
Kottenhain  und  dem  meiningischen  Rittergut  Spahl  die  Distrikts- 
benennungen „in  Körpersdorf"  und  „unter  Körpersdorf".    Den  Unter- 


des  Großherzogtums  Sachsen-Weimar.  265 

gang  wird,   wie  bei  sämtlichen   Wüstungen  dortiger  Gegend,  wohl 
auch  der  Bruderkrieg  herbeigeführt  haben. 

In  die  Flur  üttstedt  bei  Magdala  ist  die  Wüstung  Eicher 
(Eichorne)  inbegriffen.  Pfarrer  C.  Alberti,  der  auch  die  Stätte  des 
verloren  gegangenen  Sichmannsdorf  ermittelt  hat,  weist  treffend 
nach,  daß  dieses  Eichorne,  in  welchem  laut  Urkunde  des  Erz- 
bischofs Konrad  v.  Mainz  vom  Jahre  1164  die  Pfarrei  Orlamünde 
37^  Hufen  besaß,  bei  Ottstedt  b.  Magdala  gelegen  habe  und  jetzt 
im  Volksmunde  Echer  genannt  werde.  Die  Stelle  des  ehemaligen 
Ortes  war  bis  zur  Grundstückszusammenlegung  in  den  60er  Jahren 
des  vorigen  Jahrhunderts  durch  Trümmerhaufen  noch  zu  erkennen. 
Bis  zum  Jahre  1851  hatte  die  Pfarrei  Orlamünde  die  Lehen  über  die 
Wüstungsgrundstücke,  von  welchen  die  Besitzer  Erbzinsen  dahin 
entrichten  mußten.  Der  Ort  lag  etwa  27^  km  nordwestlich  von 
Ottstedt  —  nicht  südöstlich,  wie  Werneburg  angibt  —  utid  es  stieß 
die  Flur  nördlich  und  östlich  an  Mellingen,  südlich  und  östlich  an 
Ottstedt  und  Maina,  westlich  und  nordwestlich  an  Linda.  Da,  wo 
der  alte  Dorfbrunnen  war,  ist  noch  heule  eine  Quelle,  deren  Abfluß 
in  die  Madel  sich  ergießt.  Da  Eichorne  in  dem  Verzeichnis  der 
Termineien  der  Erfurter  Augustiner  nicht  mehr  vorkommt  —  trotz- 
dem Ottstedt,  Maina,  Magdala  etc.  genannt  werden  —  so  läßt  sich 
annehmen,  daß  es  um  1381  schon,  also  wohl  im  Grafenkriege,  zer- 
stört worden  ist.  Nach  einer  Überlieferung  in  Ottstedt  soll  Eicher 
nur  8  Häuser  gehabt  haben;  die  Einwohner  wandten  sich  wahr- 
scheinlich nach  dem  größeren  Orte  Ottstedt  (Utstete),  der  in  einer 
Urkunde  von  1354  im  Domarchive  zu  Erfurt  auch  als  „wüst"  be- 
zeichnet wird. 

Zwei  Orte  namens  Wittigerode  lagen  in  nicht  allzu  großer 
Entfernung  voneinander,  der  eine  südlich  —  2  km  —  von  Possen- 
dorf, der  andere  südlich  von  Ottern  und  Buchfart.  Werneburg  gibt 
die  Lage  des  letzteren  ebenso  falsch  an,  wie  die  von  Hainroda  und 
Eicher.  Schon  in  den  Aufzeichnungen  des  landgräflichen  Ober- 
schreibers Thomas  v.  Botilstete  (ca.  1406)  wird  unter  den  Zugehörun- 
gen der  Pflege  Weimar  Wetigenrode  (bei  Possendorf)  mit  6  Schock 
30  gr.  pro  1  marg  aufgeführt.  Im  roten  Buche  heißt  es:  „Wetigin- 
rode  gibt  geschoß  Mich.  1  marck"  etc.,  sodann:  „marg  Wusten- 
Withinginrode  gibt  4  scheffel  haffer  burgfutter  Mich,  an  gericht". 
Daraus  erhellt,  daß  die  Angabe  Frankes,  daß  1378  schon  ein  Teil 
des  Dorfes  wüst  gewesen,  wohl  zutreffend  ist;  im  30-iährigen  Kriege 
soll  nach  Schumann,  Landeskunde,  der  Ort  völlig  zerstört  und  der 
letzte  Einwohner,  Heinrich  Schmidt,  nach  Possendorf  gezogen  sein. 
1435  wird  Wittche  v.  Krumsdorf  mit  Gütern  in  Weimar  und  Kroms- 
dorf  und  einer  Holzmarke  in  Wetigenrode  belehnt.     „Die  auch  au» 


266         I^iß  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

anderen  Urkunden  nachweisbaren  Beziehungen  des  Ortes  zu  der 
Kromsdorfer  Familie,  in  welcher  der  Name  Witigo,  Wittche,  häufig 
erscheint,  könnten,  wie  Franke  meint,  zu  der  Annahme  berechtigen, 
das  Dorf  verdanke  diesem  Geschlechte  seine  Entstehung."  Die 
Kopie  einer  alten  Urkunde  von  1605,  die  Rechte  der  Gemeinde 
Wittigerode  betreffend,  befindet  sich  nach  Schumann,  Landeskunde, 
in  der  Gemeindelade  von  Possendorf.  —  Die  Lage  des  Ortes  und 
der  Standpunkt  der  ehemaligen  Kirche  läßt  sich  noch  erkennen. 

Wittigerode  bei  Ottern  schenkte  1319  Nov.  30  Heinrich  III. 
Marschall  von  Tiefurt  dem  Kloster  Kapellendorf.  Im  Verzeichnis 
der  Termineien  der  Erfurter  Augustiner  1381  wird  auch  VVeteginrode, 
zwischen  Kiliansrode  und  Ottern,  genannt,  ein  Zeichen,  daß  der  Ort 
damals  noch  bestand,  und  wohl  erst  im  Bruderkriege  der  Vernichtung 
anheimfiel.  Wittigerode  ward  mit  Ottern,  das  zu  Blankenhain  ge- 
hörte, vereinigt.  Zwischen  dem  Gräflich  Hatzfeldschen  Amte  Blanken- 
hain nun  und  dem  weimarischen  Amte  Kapellendorf  kam  es  zu 
fortwährenden  Irrungen  und  Streitigkeiten  wegen  der  Gerichtsbar- 
keit über  Wittigerode,  die  erst  1816  aufhörten,  als  Blankenhain  an 
Weimar  gefallen  war. 

Zur  Flur  Kiliansroda  gehört  die  Wüstung  Hainrode,  Han- 
rode, Hoenrode.  Ackermann,  Geschichthche  Nachrichten  über  Stadt 
und  Herrschaft  Blankenhain  (1828),  sagt  S.  8:  „Von  Hanrode,  welches 
die  Schweden  im  30-iährigen  Kriege  verwüsteten,  sieht  man  noch 
ein  Keller-  und  ein  Thurmgemäuer."  Im  Bruderkriege  lagerte  dort 
Herzog  Wilhelm.  In  einem  undatierten  Briefe  —  wahrscheinhch 
aber  aus  Burgau  vom  10.  Aug.  1450,  und  an  Adolf  v.  Gleichen  ge- 
richtet —  schreibt  derselbe:  „vnd  wullen  uns  Im  namen  gots  vff 
morne  —  morgen  —  von  hynnen  erheben  vnd  czihen  bei  das  dorff 
Hoenrode  uff  der  Ilmen,  zwuschen  Wymar  vnd  Blankenhayn  ge- 
legen. Auch  czu  stund  unsere  Wagenburg  mit  allen  sachen  czum  strite 
anrichten."  (Weim.  Ges.-Arch.)  Daß  die  Angabe  Ackermanns  vom 
Untergang  des  Ortes  im  SO-jährigen  Kriege  nicht  richtig  sein  kann, 
beweisen  2  Urkunden  von  1615  und  1627,  in  denen  Hainrode  schon 
als  Wüstung  bezeichnet  wird.  1615  April  26  werden  3  Hufen  in  der 
„Wüstung"  Hanrode  gegen  einen  Laßzins  von  3  Malter  weimar. 
Hafer  an  Wolf  Veit  v.  d.  Planitz  überlassen,  welche  3  Hufen  dann 
1643  März  2  demselben  gegen  200  Taler,  welche  Herzog  Wilhelm 
ihm  schuldet,  eigentümlich  zugeschrieben  werden.  —  1627  Sept.  17 
ibelehnt  Hans  Ludwig  Graf  zu  Gleichen  in  Blankenhain  den  Hans 
Heinrich  v.  d.  Planitz,  als  Vormund  des  Georg  v.  d.  Planitz,  mit 
Kiliansroda  und  dem  übrigen  Teile  der  „Wüstung"  Hanrode.  Im 
Termineiverzeichnis  ist  auch  Hoenrode  aufgeführt. 

Ebenfalls   im  Verzeichnis  der  Termineien  wird  mit  Hoenrode 


des  Großherzogtums  öachsen-Weimar.  267 

und  Mechelrode  aufgeführt  Weißeukirehen  fWizzenkerche) , 
Wüstung  bei  letztgenanntem  Ort,  nach  Müllershausen  zu,  jetzt  mit 
Buchenwald  bedeckt.  Ackermann,  Stadt  und  Herrschaft  Blanken- 
iiain,  berichtet:  „Auf  der  Wüstung  Weißkirchen,  bei  dem  Gerichts- 
•ort  Mechelrode,  wo  im  Bruderkriege  ein  blutiges  Gefecht  stattgefunden 
haben  soll,  hat  der  Pachter  auf  dem  Gute  vor  25  Jahren"  —  also 
etwa  1800  —  „eine  Lanzenspitze,  einen  Sporen  und  einige  Wolken- 
batzen (?)  gefunden".  In  einer  Gleisberger  Urkunde  von  1239  Okt.  1 
kommt  unter  den  Zeugen  vor  Henricus  Wizenkirken.  Den  Unter- 
gang des  Ortes  führte  wie  bei  Hainrode  der  Bruderkrieg  herbei.  In 
Urkunden  von  1334  verschreibt  Rudolph  v.  Kindehausen  seiner 
Muhme  und  nach  deren  Tode  dem  Kloster  Berka  V2  Mltr.  Weizen 
und  5  sh.  Pfennige  „im  Dorfe  Weißenkirchen",  und  1376  verschreiben 
wieder  die  von  Kindehausen  (Kühnhausen)  dem  Kloster  V2  Mltr. 
Weizen  und  3  sh.  in  Weißenkirchen  zu  einer  ewigen  Messe  für  ihr 
Geschlecht. 

Drei  Wilstuug'en  liegen  an  der  Um,  zwischen  Berka  und  Weimar. 
Etwa  1  km  südöstlich  von  Hetschburg  (Oberheitingsburg)  lag  Nieder- 
heiting-sburg  unterhalb  der  auf  einem  westlichen  Ausläufer  des 
Adlersberges  befindlichen  sog.  Martinsldrche.  Über  letztere,  die  un- 
weifelhaft  auf  einer  heidnischsn  Opferstätte  (Wodans)  errichtet  worden, 
haben  Götze  in  der  Weimar.  Ztg.  v.  14.,  15.,  16.  Febr.  1890,  und  Mitschke 
in  Nr.  181  vom  5.  Aug.  1883,  sowie  in  den  Mitteilungen  des  Vereins 
für  d.  Geschichte  u.  Altertumskunde  von  Erfurt,  1894,  XVI,  S.  151 
bis  153  sich  des  näheren  ausgelassen,  weshalb  wir  nur  auf  diese  Stellen 
verweisen.  Noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  (1867 
bis  1870)  befanden  sich,  wie  dem  Verfasser  aus  eigener  Anschauung 
bekannt,  auf  dem  nach  der  Um  vorspringenden  Plateau,  fast  in  der 
Mitte,  die  etwa  1  m  hohen  Beste  eines  runden  Turmes  von  ca.  2^1^  m 
Durchmesser,  der  allerdings  auf  ein  nur  kleines  Gotteshaus  schließen 
läßt.  Nach  den  älteren  Karten  lag  der  Ort  Niederheitingsburg  wohl  auf 
beiden  Ufern  der  Um,  die  Mühle  auf  dem  rechten  Ufer,  durch  Brücke  mit 
dem  übrigen  Orte  verbunden.  Niederheitingsburg —  Heidi ngesburch  — 
erscheint  zuerst  urkundlich  1119  Mai  1  in  der  Schenkungsurkunde 
des  Grafen  Wichmann,  in  welcher  er  10  Kirchen,  darunter  die  von 
Heidingesburch  der  Marienkirche  in  Erfurt  übergibt.  Vielleicht  war 
diese  Kirche  die  Martinskirche  gegenüber  dem  Dorfe.  Ober-Heytings- 
burg,  das  jetzige  Hetschburg,  ist  eine  spätere  Ortsanlage.  —  Im 
Lehnbuche  Friedrichs  des  Strengen  wird  Johannes  de  Golmsdorf 
mit  10  Schffl.  Hafer  und  10  Hühnern  in  Heytingsperg  belehnt.  — 
Nach  Niederheytingsborg  benannte  sich  ein  Dienstmannengeschlecht 
der  Grafen  von  Orlamünde.  In  einer  Urkunde  von  1348  wird  ein 
Lutold  von  Heytingsburg  genannt,   der  in  Buchfart  wohnt,   „unser 


268         Die  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

Getreuer",  d.  h.  Burgmann  des  Orlamünder  Schlosses,  und  unter  den 
Zeugen   ein  gleichnamiger  Lutold  von  Heytingsburg,  „der  daselbst 

—  nämlich  in  Heytingsburg  —  wohnt".  Als  Zeugen,  namentlich  in 
Orlamündarr  Urkunden  erscheinen  die  v.  Heytingsburg  öfter,  so  1367 
„her  Theoderich  von  Heitingisburg,  rittere,  etc.  Das  heutige  Hetschburg 
(Ober-Heytingsburg)  gehörte  von  Anfang  an  zur  Herrschaft  Berka, 
während  Nieder-Heytingsburg  einem  nach  ihm  benannten  Ritter- 
geschlecht, Orlamündaer  Vasallen,  zustand.  1534  Febr.  26  werden 
die  Gebrüder  von  Witzleben,  als  Besitzer  von  Berka,  von  Kurfürst 
Joh.  Friedrich,  außer  anderen  Besitzungen  auch  mit  „Niederheidels- 
berg  halb"  belehnt,  so  vor  Zeiten  derer  von  Heideisberg  gewest". 
Das  Geschlecht  scheint  also  damals  ausgestorben.  Nach  heute  heißt 
die  Gegend  auf  dem  linken  Ufer  der  Um  gegenüber  dem  Martins- 
berg „in  Niederheitingsberg". 

Auf  dem  linken  Ufer  der  Um,  unterhalb  —  U/,  km  nördlich 

—  von  Kiliansroda  befindet  sich  die  zu  Ottern  gehörige  „Neue 
Mühle"  als  Überrest  des  im  Bruderkriege  untergegangenen  Dorfes 
Fördern.  Als  zur  Terminei  Weimar  gehörig  wird  Vrotterer 
(Fördern)  neben  Otterer  (Ottern)  im  Termineiverzeichnis  der  Erfurter 
Augustiner  genannt.  Unter  den  Orten,  in  welchen  laut  Urk.  v. 
15./16.  April.  1120  (Dobenecker,  Eeg.,  Bd.  I,  S.  240)  Graf  Wichmann 
dem  von  ihm  gestifteten  Kloster  Kaltenborn  Besitzungen  zuweist, 
befindet  sich  auch  Fördern  —  Vurtheren  —  mit  1  Hufe.  In  der 
schon  bei  Niederheitingsburg  erwähnten  Orlamünder  Urkunde  von 
1367  Nov.  7  wird  dem  Kloster  Berka  1  Hufe  und  1  Hof  „geleyn 
zu  Fortirn  imfelde  und  im  dorff"  überwiesen.  1316  Aug.  22  bekennt 
Günther  v.  Mellingen,  daß  er  ^/,  mansus  im  Felde  des  Ortes  Forther 
und  12  Acker  im  Felde  des  Dorfes  MeUingen  dem  Heinric,  Kapellan 
des  Grafen  Hermann  von  Orlamünde,  verkauft  habe.  Im  Bruder- 
kriege ging  der  Ort,  der  1432  Vortir,  Vortern  genannt  wird  unter, 
die  Gemeinde  Fördern  blieb  aber  bestehen.  1587  Sept.  1  wird  durch 
Bescheid  des  Herzogs  Friedrich  Wilhelm  zu  Sachsen  eine  Streitig- 
keit zwischen  Kirsten  Gottschalkh  in  Meilingen  und  der  Gemeinde 
Fördern,  welche  dem  ersteren  Holz  entwendet  haben  sollte,  ge- 
schlichtet. 1728  ist  für  Fördern  noch  ein  Schulze  und  Heimbürgen 
vorhanden,  von  denen  der  eine  als  in  Kiliansroda  wohnhaft  bezeichnet 
wird.  Die  Einkünfte  in  der  W^üstung  Fördern  wurden  jährlich  „unter 
freiem  Himmel",  d.  h.  wohl  beim,  oder  nach  dem  Hegemale,  von  den 
Ackerbesitzern  verzehrt.  Nach  Protokoll  v.  16.  Febr.  1728  gehören 
die  Grundstücke  in  der  Wüstung  nach  Ottern,  Kiliansroda  und 
MeUingen.  Bis  zur  Grundstückszusammenlegung  bildete  Fördern 
noch  eine  eigene  Flur,  dann  ist  es  in  Ottern  aufgegangen.  Die 
Grundstücke  in   Fördern   waren  zinspflichtig:    dem  Amte  Weimar^ 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar.  269 

dem  Amte  Berka,  dem  Gotteskasten  in  Weimar,  der  Superin tendentur 
in  Orlamünde,  Rittergut  Meilingen,  Gaberndorf,  Amt  Blankenhain. 
Noch  heute  bestehen  die  Distriktsbenennungen:  „in  Fördern"  und 
„am  Fördener  Berge". 

Unweit  Fördern,  aber  auf  dem  rechten  Ufer  der  Um,  lag 
Tamfurt  (Dammfurte,  Thanffurt),  ebenfalls  im  Bruderkriege  zer- 
stört und  zu  Ottern  geschlagen.  In  Urk.  v.  1471  —  Dienstag  nach 
den  Dreikönigstage  —  bekennt  Hans  Beringer,  Amtmann  und  Schosser 
auf  dem  Schlosse  zu  Weymar,  daß  die  2  Pfd.  Wachs,  welche  der 
Konvent  zu  Ober- Weimar  als  Zins  von  der  Mühle,  Weide  und  Wiese  zu 
Thanfurtt,  oberhalb  Mellingen  gehabt,  von  des  Herzogs  (Wilhelm  III.) 
wegen  auf  die  Mühle  zu  Mellingen  gelegt  worden  sein.  Es  geschah 
dies  deshalb,  daß  das  Kloster  Ober- Weimar  durch  Wegfall  des  Zinses 
von  der  im  Bruderkriege  mitzerstörten  Mühle  keinen  Schaden  er- 
leide. Wegen  der  Gerichtsbarkeit  fanden  auch  hier  Streitigkeiten 
zwischen  Blankenhain  und  Weimar  statt.  1567  Juni  4  bekennen 
die  Eäte  des  Herzogs  Wilhelm  zu  Sachsen,  in  welcher  Weise  sie  die 
Irrungen  zwischen  dem  Amte  Weimar  und  Ludwig  Graf  zu  Gleichen 
in  Blankenhain  wegen  Gericht,  Hut  und  Trift  in  der  Gegend  der 
Tamfurdischen  Steige,  sowie  in  Mechelroda  und  Ottern  ausge- 
gUchen  haben. 

Die  im  Zuge  der  Straße  von  (Weimar-)  Mellingen  nach  Blanken- 
hain über  die  Um  führende  Brücke  heißt  noch  heute  die  „Damm- 
furter  Brücke",  für  deren  Benutzung  früher  ein  Brückenzoll  erhoben 
wurde.  1755  Aug.  4  bittet  der  Pachter  dieses  Brückenzolls,  Georg 
Christian  Grüner,  um  Pachterlaß,  der  ihm  auch  von  Herzog  Franz 
Josias  von  Sachsen-Coburg,  in  Vormundschaft  von  Ernst  August 
Konstantin,  gewährt  wurde. 

Eine  bis  jetzt  noch  gar  nicht  genannte  Wüstung  Weyherode, 
Weyenrode,  befindet  sich  südlich  des  Waldes  bei  Belvedere,  am  Wege 
von  Belvedere  nach  Ottern,  etwa  2  km  von  letzterem  Orte  entfernt. 
Eine  Notiz  des  Herausgebers  des  roten  Buchs,  O.  Franke,  lautet: 
„Die  mit  obigen  beiden  Namen  bezeichnete  Flur"  —  jedenfalls  bloß 
ein  Flurteil,  denn  ein  TeU  der  Flur  kam  an  Köttendorf  —  „Lst 
Eigentum  des  Taubacher  Ortsbürgers  Wenzel.  —  1895  —  Derselbe 
ist  mehrfach  auf  Mauerreste,  kellerartige  Höhlungen,  Kalkstücke  etc. 
gestoßen.  Da  auch  an  einer  Stelle  viele  Hohlziegeln  vorkommen, 
so  läßt  sich  wohl  annehmen,  daß  diese  vom  Dache  einer  Kirche 
oder  Kapelle  herrühren.  Ein  unter  den  Überresten  gefundener, 
eiserner  Schlüssel,  stark  verrostet,  etwa  15  cm  lang,  endet  am  Griff- 
teile in  einer  rhombenartigen,  mit  kleinen  Buckeln  verzierten  Form 
und  könnte  dem  15.  Jahrhundert  angehören.  Eine  Kaufurkunde 
von  1760  im  Besitze  des  p.  Wenzel  läßt  erkennen,  daß  das  Grund- 


270         I^ic  Wüstungen  im  I.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

stück  ein  Mellingensclies  „Kirchgut"  war.  Der  Kauf  ist  von 
„Fürstl.  Obervormundschaf tl.  Consistorio"  genehmigt.  Die  Schreib- 
weise der  Flur  variiert,  wie  oben  angegeben,  auch  heißt  es  einmal: 
„in  der  Flur  Weyenrode  oder  im  Haynfeld".  ,, Hainholz"  ist  noch 
jetzt  der  Name  eines  Teils  des  Holzes,  südUch  von  Belvedere,  nach 
Köttendorf  hin." 

1618  Mai  4.  verkauft  Joh.  Wilh.  Förster,  „Obrist  der  Stadt 
Erfurt",  dem  Herzog  Joh,  Ernst  dem  Jüngeren  zu  Sachsen  42  Acker 
Artland,  „auf  dem  Weyrode"  an  den  Köttendorfscheu  Vorwerks- 
feldern gelegen,  für  4000  Gulden.  Der  Ort  wird  im  Bruderkriege 
ebenfalls  den  Untergang  gefunden  haben. 

h.)  Wüstungen  in  den  Ämtern  Allstedt  und  Ilmenau. 

In  der  zum  Amtsbezirk  Allstedt  gehörigen  weimarischen  Ex- 
klave Oldisleben  befinden  sich  4  Wüstungen  :  Kapellendorf,  Mellen- 
dorf,  Eumsdorf  und  Priesendorf,  von  denen  Werneburg  nur  Kapellen- 
dorf und  Rumsdorf  in  die  Flur  Oldisleben  setzt,  Priesendorf  fälsch- 
lich nach  Heldrungen  verlegt  und  Mellendorf  (allerdings  wohl  nur 
eine  Kapelle  mit  kleiner  Ansiedelung  und  Vorwerk)  gar  nicht  erwähnt. 

Unter  den  Besitzungen  des  Klosters  Oldisleben  wird  1227 
April  19  auch  Kapellendorf  genannt;  1297  Mai  22  bekundet 
Graf  Heinrich  von  Stolberg,  daß  er  von  seinem  Eigen  1  Hufe  in 
der  Flur  Kapellendorf  zur  Vergebung  seiner  Sünden  der  Marien- 
kapelle in  Meilendorf  geschenkt  habe.  1319  Jan.  31  erhält  das 
Veitskloster  in  Oldisleben  2  Hufen  in  der  Flur  des  „ehemaligen" 
Dorfes  Kapellendorf.  Vielleicht  war  der  Ort  im  dem  Kriege  Albrechts 
des  Entarteten  mit  seinen  Söhnen  Friedrich  und  Diezmann  zerstört 
worden,  später  aber  wieder  aufgebaut,  denn  1348  und  ]354  wird  das 
Dorf  ohne  diesen  Zusatz  erwähnt,  und  1360  Febr.  28  geben  die 
Grafen  Heinrich  und  Hermann,  Gebrüder,  von  Beichlingen  dem 
Kloster  Oldisleben  wieder  1  Hufe  in  der  Flur  des  Dorfes  Kapellendorf. 

Nach  Graichen,  „Eeg.  des  Amts  Sachsenburg",  lag  Meilen- 
dorf (Malindorf,  MöLndorf)  zwischen  dem  Oldislebener  roten  Berge 
und  der  Sachsenburg  und  soll  1525  im  Bauernkriege  zerstört  worden 
sein,  was  viel  wahrscheinlicher  als  die  Zerstörung  im  30-jährigen 
Kriege  nach  Kronfeld.  1259  März  17  bekennt  Propst  Simon  und 
der  ganze  Konvent  des  Marienklosters  in  Memleben,  daß  dasselbe 
großer  Schulden  wegen  vom  Abte  Theodorich  von  Oldisleben  und  dem 
Provisor  Cristan  der  Kapelle  in  Meilendorf  70  Mk.  Silbers  auf- 
genommen und  dafür  15  Hufen  in  Cannewurf  versetzt  habe.  1262 
Dez.  9  bekundet  Abt  Heinrich  III.  von  Hersfeld,  daß  die  Kapelle 
in  MeUendorf  15  Hufen,  das  Vorwerk  in  Meilendorf,  an  Oldisleben 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar. 


271 


verkauft  habe.  In  Urkunden  von  1261,  1262,  1265  und  1266  kommt 
die  KapeUe  Meilendorf  öfter  vor  und  hat  im  14.  Jahrhundert  ver- 
schiedene Schenkungen  erhalten.  Beim  Landgrafen  Albrecht  dem 
Entarteten  scheinen  die  Priester  der  Kapelle  Meilendorf  sehr  in 
Gunst  gewesen  zu  sein;  1308  Sept.  12  bestätigt  und  erneuert 
Friedrich,  Landgraf  von  Thüringen,  die  von  seinem  Vater  Albrecht 
1302  Sept.  29  angeordnete  jährliche  Überlassung  von  einem  Fuder 
„besseren"  Weins  von  Wißenburg  und  Uthenhusen  an  die  Marien- 
kirche zu  Mellendorf  zum  Lohn  für  die  dasigen  Priester.  In  der 
Lieferung  der  Weinspende  an  die  Priester  mögen  aber  Unregel- 
mäßigkeiten im  Laufe  der  Zeit  eingerissen  sein,  denn  laut  Urkunde 
von  1391  Aug.  29  beauftragt  Landgraf  Balthasar  seinen  Kellermeister 
in  Weißensee,  der  Marienkirche  in  Mellendorf  nach  der  von  seinen 
Vorfahren  getroffe- 
nen Anordnung  jähr- 
Hch  ein  Fuder  des 
„besten"  Weins  zur 
Belohnung  der  Prie- 
ster aus  dem  dasi- 
gen Keller  regel- 
mäßig zu  liefern. 
—  1479  Mai  17  be- 
lehnt Herzog  Wil- 
helm (III.)  von 
Sachsen  Jobsten  v. 
Filtzsch  (Feiütsch) 
mit  einem  Vorwerke  zu  Molndorf  —  bei  Oldisleben.  —  In  der  Flur 
hat  sich  noch,  nach  Sachsenburg  hin,  die  Bezeichnung  erhalten  „zu 
Möllendorf",  ebenso  wie  nördlich  von  Oldisleben,  links  der  Straße 
nach  Esperstedt  noch  die  Distriktsbenennxmg  erhalten  ist:  „zu  Ca- 
pellendorf  am  Damme",  und  „auf  dem  Höfchen". 

Ebenfalls  nordöstlich  von  Oldisleben  an  der  Esperstedter  Straße, 
aber  rechts  derselben,  lag  Rumsdorf  (Romßdorff,  Eomendisdorf), 
nach  Kronfeld  erst  im  30-jährigen  Kriege  untergegangen.  1296 
Aug.  8  beurkunden  Henning  und  Ywan,  Gebrüder,  Ministerialen 
von  Heinrigisberge,  daß  der  Abt  Christian  des  Klosters  Oldisleben 
eine  Hofstatt  in  Eomendisdorf  für  die  KapeUe  der  heiligen  Maria 
in  Mellendorf  von  ihnen  erworben  habe,  und  schenken  diese  der 
Kapelle  ohne  Vorbehalt. 

Die  vierte  Wüstung  Priesendorf  lag  östlich  von  Oldisleben, 
1%  km,  nach  Heldrungen  hin,  und  wird  in  Urkunden  häufig  genannt. 
1293  Juni  19  kauft  Christian  v.  Oldisleben  1  Acker  in  Priesendorf. 
Die  Grafen  von  Honstein   imd  die  von  Beichlingen  waren  daselbst 


Fig.  16. 


272         J-^i^  Wüstungen  im  1.  und  II.  Verwaltungsbezirke 

lehnberechtigt.  1311  Febr.  10  bekennt  Graf  Otto  von  Ascania  und 
Fürst  von  Anhalt,  daß  er  dem  Priester  Godefrid  von  Eannersdorpfe, 
Kaplan  in  Meilendorf,  und  der  Frau  Konigunde,  die  daselbst  dient, 
7o  Hufe  in  Priesendorf  gegeben  habe.  1322  Jan.  21  tauscht  Abt 
Bertram  gegen  2  Hufen  Gehölz  zu  Trebra  (nördlich  von  Greußen) 
von  Heinrich  und  Dietrich,  Gebrüder,  Grafen  von  Honstein,  2  Hufen 
Land  in  Prisendorf  ein.  1350  verpfänden  die  Gebrüder  Heinrich 
und  Hermann,  Grafen  von  Beichlingen  außer  anderen  Gütern:  das 
Niederschloß  Sachsenburg  und  den  Hof  zu  Freysindorf  (Prisendorf) 
dem  Eate  zu  Erfurt.  Die  älteren  Karten  weisen  noch  eine  Hofstatt 
nach:  „das  Priesendorfer  Höfchen",  die  erst  durch  die  Separation 
verschwunden  ist.  —  1449  Jan.  11  bekundet  Johann,  Abt  des 
Klosters  Oldisleben,  daß  er  auf  Bitten  des  Grafen  Hans  von  Beich- 
üngen  die  Verpfändung  einer  dem  Kloster  zu  Lehen  gehenden  Wiese 
von  120  Acker  zwischen  Prysendorf  und  BretJa  (Bretleben)  an  seinen 
Vetter  Hans  v.  Honstein  gestattet  habe.  Nach  Urkunden  von  1485 
April  18  hat  eine  weitere  Verpfändung  dieser  Wiese  („Beichlinger- 
wesen")  stattgefunden,  und  der  Abt  Heinrich  löst  sie  von  Jacuff 
Hacke  und  Jacuff  v.  d.  Asseburg  wieder  ein.  1494  Mai  15  bekunden 
die  Eheleute  Melchior  und  Elizabet  v.  Sundershusen,  daß  sie  eine 
Wiese  von  6  Acker  von  ihrem  „Freigut  zu  Priesendorf",  welche  an 
der  Unstrut  bei  den  „Bawernwesen"  gelegen  ist,  mit  Genehmigung 
des  Lehnsherrn  Grafen  von  Beichlingen,  an  das  Kloster  Oldisleben  für 
337-2  Schock  Groschen  verkauft  haben.  1500  Febr.  3  erwirbt  das 
Kloster  wiederum  16  Acker  Wiesen  in  Brisendorf. 

Die  zum  Amtsbezirk  Ilmenaa  gehörige  weimarische  Exklave 
Bösleben  bei  Arnstadt  umfaßt  ein  untergegangenes  Dorf  Goinmer- 
stadt  (Gummerstadt),  etwa  3  km  nordöstlich  von  Bösleben.  Gommer- 
stadt  gehört  vielleicht  mit  zu  den  ältesten  Orten  Thüringens,  wie 
aus  Bd.  IX,  S.  128  und  312  der  Zeitschrift  hervorgehen  kann.  Nach 
Gommerstadt  nannte  sich  im  13.  und  14.  Jahrhundert  ein  Zweig  der 
Familie  v.  Witzleben;  so  tritt  in  einer  Urkunde  von  1286  Juli  9 
unter  den  Zeugen  ein  Heinrich  von  Gummerstat  auf.  1332  Mai  27 
wird  ein  Streit  zwischen  dem  Frauenkloster  in  Arnstadt  und  dem 
Weißfrauenkloster  in  Erfurt  wegen  einiger  Güter  in  Gommerstadt 
beigelegt.  Im  Grafenkriege,  in  welchem  sich,  mit  Ausnahme  von 
Kerstan  v.  Witzleben,  das  Geschlecht  auf  selten  der  Schwarzburg- 
Orlamünder  befand,  wurden  Witzleben  sowohl,  wie  Gommerstadt 
von  den  Landgräflichen  zerstört;  der  Ort  lag  nach  Wülfershausen 
hin ;  die  Dorflage  war  noch  im  18.  Jahrhundert  zu  erkennen.  Noch 
bestehen  die  Flurbezeichnungen  „Wiesen  zu  Gommerstadt"  und  „über 
die  Gommerstädter  Wiesen".  Im  Termineiverzeichnis  wird  Gommer- 
stadt mit  aufgeführt. 


des  Großherzogtums  Sachsen- Weimar. 


273 


In  der  Nähe  von  Ilmenau  befand  sich  ein  Dorf  Diet- 
hartswinden  (Dietrichswenden),  zwischen  Martinroda  und  Heyda 
gelegen.  Schmidt,  Beschreibung  der  Bergstadt  Ilmenau,  sagt: 
„An  seinem  Fuße  —  Frohnberg  bei  Martinroda  —  fließt,  von  Heyda 
kommend,  der  Titterswint,  ein  Bach,  welcher  sich  mit  dem  von 
Roda  herabkommenden  Eeichenbach  —  die  Trockene  genannt  — 
vereinigt."  Auch  Völkel,  ,,Das  Thür.  Waldgebirge",  nennt  den  Bach 
,,Titterwint'';  er  heißt  aber  ,,der  Kirchbach"  und  durchfließt  den 
Flurdistrikt  „in  Dieterswind",  welcher  die  Stelle  des  ehemaligen  Ortes 
bezeichnet.  Erwähnt  wird  der  Ort  1170.  Im  Henneberger  Lehn- 
verzeichnis  von  1317  heißt  es :  „Gundelach  v.  Guberstat  der  hat  von 
uns  zu  Lehen  den  Zehenden  zu  Diethartswinden."  Der  Ort  wird  im 
Augustiner-Termineiverzeichnisse  nicht  genannt,  wohl  aber  Behringen, 
zweimal  Oberberingen  genannt  im  Gegensatz  zu  dem  noch  bestehen- 
den Sondershausener  Orte  Behringen,  Niederbehriugen.  Der  Ort  lag 
nordöstlich  von  Wipfra  und  grenzte  an  Neuroda  und  Kettmanns- 
hausen.  1239  wird  Behringen  noch  als  Dorf  erwähnt;  in  Henne- 
berger Urkunden  von  1351  Jan.  31,  laut  welcher  Graf  Johann 
von  Henneberg  Schloß  und  Amt  Ilmenau  wiederkäuflich  an  die 
Grafen  Heinrich  und  Günther  von  Schwarzburg  überläßt,  wird  der 
Ort  als  „Obern-Beringen  aufgeführt,  ebenso  in  Urkunden  von  1418 
Nov.  18,  in  -welcher  das  Dorf  mit  Gericht  über  Hals  und  Hand  und 
mit  3  shill.  20  Pf.  Geldes,  11  Hetzen  Hafer  pp.  dem  Grafen 
Wilhelm  von  Henneberg  zugewiesen  wird." 

Alphabetisches  Verzeichnis  der  Orte. 


Allstädt  b.  Bergsulza 

233. 
Althausen  253. 
Alzendorf  237. 


Barkhausen  261. 

Behringen  b.  Ilmenau 
273. 

Bernsrode  230. 

Bielstedt  233. 

Bissingsdorf  (Beßings- 
dorf)  254. 

Botzindorf  s.  Puschen- 
dorf  238. 

Bucha  1  Nieder-Bucha) 
210.  211.  212.  213. 
214. 

Bussindorf  s.  Pissen- 
dorf. 

XXVII. 


Buttstädt   (Wenigen-) 
246. 

C  s.  K. 

D. 

Dammfurt  s.  Tamfurt. 
Delitzsch  s.  Weiden. 
Dieterstedt  235.  236. 
Diethards  wi  n  den 

( Dietrichs  winden) 

273. 

E. 
Ebsdorf  253. 
Eicher  (Echer)  265. 
Erasen  242. 
Endeleben  259. 
Escherode  234. 

P. 

Fördern  268. 
Füllborn      (Vylbom) 
253. 


Gabritz  264. 

Gassala  238. 

Gauga  s.  Ingau 

Gebeisborn  209. 

Gerbersdorf  (Körpers- 
dorf) 264. 

Getorn    (Tom)     206. 
207.  208. 

Gleine  (Kospoth)  220. 

Göttern  210.  217. 

Groutsene     (Wüsten- 
Graitschen)  221. 

Grunisdorf  (Gru- 
ningsdorf )  228.  229. 

Grünstedt  233. 

Gommerstedt  272. 


Hainrode 
266. 


H. 


(Hanrode) 


18 


274     Die  Wüstungen  im  I.  und  IL  Verwaltungsbezirke  etc, 


Hausdorf      (Hustorf) 

235.  237. 
Hauthal  249. 
Heitingsburg       (JNie- 

der-)    (Hetschburg) 

2Ö7. 
Herbisdorf  257. 
Hermnitz  232. 
Herreslaide  230. 
Hesselborn  261. 
Hoben  bergen  257. 
Hohendorf  246. 
Hohenfelden    (Ober-) 

2ö2. 
Hohenlinden  251. 
Hummelstedt  225. 

I. 

Ingau    (Gauga) 

219.  220. 
Iritz  (.Orze)  217. 

£■ 

Kaltenborn  255. 
Kalthausen  b.  Bürgel 
226.  ^^     .^ 

Kalthausen  b.  Kunitz 

224. 
Kalth'ausen  b.  Wicker- 

stedt  234. 
Kapeilendorf  b.  Oldis- 

leben  270. 
Kornberg  252. 
Körpersdorf    s.    C^er- 

bersdorf.  . 

Kösnitz         (Keßnitz) 

Ober-  231.  232. 
Kospoth    (s.    Gleme) 

220. 
Kotelingen  256. 
Kötschen  227.  . 

Krakendorf   b.    Wei- 
mar 203.  ^     ^ 
Krandorf  b.  Utenbach 

233. 
Krandorf  b.  Wersdorf 

241. 
Krellwitz     (Crellwitz, 

Cröllewitz;  245. 
Kunitz  (Wenigen-)  221. 

L. 

Leutra  (Unter-)  220. 
Lichtendorf  231. 
Liskau  (Lezig,  Lesike) 
221. 


P. 


■R. 

Kamsdorf 
263. 

Ranigisdorf  209. 

Ranstedt  256. 

Rasdorf  226. 

Rockstedt  250.  . 

Roda  (Groß-)  b.  Wei- 
mar 20O. 

Roda  (Klein-)  b.  Wei- 
mar 201. 

Rödchen    b.    Rasten- 
berg 250. 

Rödigen    am 
berge  204. 


Rodeln  (Rodel)  229. 
Rotensteinigen  222. 
Rumsdorf    b.    Oldis- 
leben  271. 

S. 

Samstbom  252. 
Bchafendorf  245. 
Schemnitz  231. 
Schichmannsdorf     b. 

Jena  222. 
Schiendorf  223. 
Schlettwein,     öchlot- 

wein  228.  229. 
Schöndorf  226.  227. 
Seltzdorf,     Seldisdorf 
b.  Lobeda  222.  223. 
Sichmannsdorf  b. 

Magdala  221. 
Stiebsdorf  244. 
Stölborn     (SteUbom) 
254. 


X. 

Tamfurt,     Dammfurt 

269. 
Thorn    (Getom)   206. 

207.  208. 
Tiefborn       (Diephen- 

burnen)  262. 

■ü. 

Uhrda  215. 

W. 

Wallendorf  b.  Weimar 

204. 
Wallendorf,Mark-253. 

Weiden  (Delitzsch)  b. 

Pfiffelbach  241. 
Weißenkirchen  267. 
Weydehausen  263. 
Weyherode,    Weyen- 

rode  269. 
Wetterode  (Witterode, 

b.Hohenfelden^261. 
Wiegeiaa,      Wilgelau 

216. 

Wittigerodeb.  Possen- 
dorf 265. 

Wittigerode  b.  Ottern 
266. 


Zellendorf  260.  ^ 
Etters-  1  Zeptritz  232   233. 
Ziskau  226.  ^<i7. 


VII. 

Wider  alte  und  neue  Legenden. 

Von 

Paul  Höfer. 


Meine  Untersuchungen  über  die  sächsische  Legende  zum 
thüringisch-fränkischen  Kriege  von  531  n.  Chr.  im  Bd.  XXV  dieser 
Zeitschrift  ist  in  dem  zweiten  Hefte  desselben  Bandes  durch  Herrn 
Prof.  Dr.  H.  Größler  in  Eisleben  in  einer  sehr  auffälligen  Weise 
angegriffen  worden,  indem  dieser  Herr  meinen  Ausführungen  auf 
Schritt  und  Tritt  folgt,  und  sie  teils  in  hochtrabendem,  teils  in  ge- 
reiztem und  hämischem  Tone  als  falsch  oder  wenigstens  als  für  ihn 
nicht  maßgebend  darzustellen  sucht.  Auf  den  Ton  dieser  angeblichen 
Kritik  brauche  ich  nicht  einzugehen,  er  ist  Ausfluß  des  Charakters, 
und  der  Charakter  des  Herrn  Größler  geht  mich  nichts  an.  Aber 
zu  dem  Versuche,  meine  durch  sorgfältige  Untersuchung  gewonnenen 
und  durch  gute  Gründe  gestützten  Ergebnisse  den  Lesern  dieser 
Zeitschrift  durch  oberflächliche  Einwendtangen,  Verdrehungen  vmd 
unrichtige  Behauptungen  herabzusetzen  und  unglaubwürdig  er- 
scheinen zu  lassen,  zu  dem  Versuche,  richtige  Forschungsmethoden 
und  Erkenntnisse  zu  bekämpfen,  nur  damit  die  früher  gegebene 
eigene  Darstellung  als  die  richtige  erscheine  —  muß  ich  leider  noch 
einmal  das  Wort  ergreifen,  gezwungen  und  nicht  gern;  für  ernste 
Prüfer  und  Kenner  war  die  Verteidigung  nicht  nötig,  wie  ich  aus 
geschriebenen  und  gedruckten  Besprechungen  entnehmen  kann ;  aber 
die  Zahl  derer,  denen  eine  solche  Nachprüfung  nicht  möglich  ist, 
die  sich  vielleicht  durch  absprechende  Behauptungen  imponieren 
lassen,  ist  wahrscheinlich  größer;  und  wer  wird  sich  die  Mühe  geben, 
für  diese  die  Irrgänge  der  Größlerschen  Polemik  aufzudecken,  wenn 
ich  es  nicht  selber  tue? 

Von  vornherein  muß  ich  dem  Vorgeben  Größlers  widersprechen, 
als  sei  meine  Abhandlung  von  1906  dazu  geschrieben,  um  ihn  zu 
kritisieren  (S.  459,  470) ;  er  gibt  sich  dadurch  eine  viel  zu  wichtige 
Stellung.  In  Wirklichkeit  war  mir  bei  meiner  Forschung  Herr 
Größler  ganz  nebensächlich;   für  einen  Geschichtsforscher  wird  ihn 

18* 


276  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

niemand  halten,  der  seine  Studie  über  den  Sturz  des  thüringischen 
Königsreichs  (dieser  Zeitschr.,  Bd.  XIX,  1899)  gelesen  hat;  nur  da, 
wo  er  nicht  zu  umgehen  war  (weil  seine  Auffassung  der  Erkenntnis 
des  Richtigen  im  Wege  stand),  ist  er  von  mir  erwähnt  worden. 
Dennoch  ist  es  gerade  die  Rücksicht  auf  ihn,  den  seit  lange  mir  be- 
kannten Erforscher  von  Gaugrenzen,  Wüstungen,  Ortsnamen,  Orts- 
sagen u.  dgl.,  gewesen,  die  mich  jahrelang  davon  abgehalten  hat, 
meine  Ergebnisse  über  diesen  Gegenstand  zu  veröffentlichen,  weil 
ich  ihm  die  Finderfreude  nicht  verderben  wollte.  Mit  dieser  Be- 
gründung habe  ich  unter  anderen  zweimal  die  Aufforderung  Brechts  ab- 
gelehnt, meine  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  zu  veröffent- 
lichen, ich  war  der  Überzeugung,  daß  bei  den  neueren  Forschungs- 
methoden die  Sache  auch  ohne  mein  Zutun  bald  geklärt  werden  würde. 

Und  meine  Erwartung  wurde  teilweise  schon  erfüllt,  als  Pelka 
seine  vortreffliche  Quellenkritik  in  dieser  Zeitschrift  (Bd.  XXII,  1904) 
veröffentlichte,  die  einen  Teil  dessen  enthielt,  was  ich  zu  sagen  ge- 
habt hatte  und  zwar  in  höchst  gründlicher  und  widerspruchsfreier 
Form.  —  Erst  als  Herr  Größler  sich  berufen  fühlte,  über  diese 
Forschung  herzufallen,  als  er  die  treffliche  und  sehr  nötige  Unter- 
suchung der  sog.  sächsischen  Quellen,  die  Größler  bei  seiner  Studie 
mit  keinem  Finger  angerührt  hatte,  für  überflüssig  und  unbegründet 
erklärte,  da  hielt  ich  die  allzu  große  Rücksichtnahme  nicht  mehr  für 
angebracht.  Dennoch  hätte  Herr  Größler  bemerken  können,  daß 
ich  ihn  schonte  und  jede  Beschämung  fernzuhalten  suchte;  schon 
daraus  hätte  er  es  erkennen  können,  daß  ich  mit  keinem  Worte  seine 
wunderliche  Deutung  der  Kreuzsteine  von  Benthe  und  der  Erdfälle 
von  Empelde  erwähnt  habe.  —  Anstatt  dessen  scheint  er  mir  aus 
diesem  Nichterwähnen  noch  einen  Vorwurf  machen  zu  wollen  (S.  470). 

Herr  Größler  macht  mir  ferner  einen  Vorwurf  daraus,  daß  ich 
frühere  Bearbeiter  dieses  Themas  nicht  genügend  erwähnt  oder  be- 
nutzt habe,  daß  ich  vielmehr  „zu  den  Quellen  selbst  hinabzusteigen" 
mich  entschlossen  habe  und  ,, durch  Vergleichung  und  Würdigung" 
derselben  zu  meiner  Auffassung  gekommen  bin.  —  Es  ist  viele  Jahre 
her,  daß  ich  ältere  Bearbeiter  dieser  Sache  gelesen  habe;  hätte  ich 
einen  gekannt,  der  schon  das  gesagt  hat,  was  ich  zu  sagen  hatte,  so 
hätte  ich  mich  gern  von  jeder  weiteren  Bemühung  dispensiert,  dann 
hätte  aber  auch  eine  solche  Darstellung  wie  die  Größlersche  vom 
Jahre  1899  nicht  entstehen  können.  Der  einzige,  der  einen  wichtigen 
Teil  meiner  Aufgabe  vorweggenommen  hat,  ist  Pelka  gewesen,  dessen 
sorgfältige  Forschung  und  wichtigen  Ergebnisse  ich  gebührend  aner- 
kannt habe^). 

1)  Vorläufig  nur  so  viel  auf  Verdächtigungen  wie  die  S.  485, 
Z.  2—3. 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  277 

Da  nun  Herr  Größler  über  das  „Herabsteigen  zu  den  Quellen" 
die  spöttische  Anmerkung  macht:  „als  ob  alle  seine  Vorgänger  — 
Lorenz,  Pelka  und  ich  (Größler)  eingeschlossen  —  das  nicht  auch 
getan  hätten",  so  muß  ich  nun  doch  noch  die  Art  kritisieren,  wie 
er  das  Herabsteigen  zu  den  Quellen  im  Jahre  1899  gemacht  hat, 
denn  duo  si  faciunt  idem,  non  est  idem. 

Größler  stellt  Textstellen,  welche  über  den  Thüringer  Feldzug 
handeln,  d.  h.  Ausschnitte  aus  3  fränkischen  und  3  sächsischen 
Quellen,  nebeneinander.  Um  Untersuchungen  über  den  Wert,  über 
Originalität  oder  Abhängigkeit  der  verschiedenen  Quellenschriften 
kümmert  er  sich  nicht,  Aimoin  aus  dem  11.  Jahrhundert  (1005),  der 
gar  keinen  selbständigen  Wert  besitzt,  wird  als  gleichwertig  benutzt 
mit  Gregor  aus  dem  (j.  Jahrhundert.  —  Der  Quedlinburger  Annalist 
wird  als  selbständige  Quelle  verwandt  (S.  11,  wie  auch  jetzt  wieder). 
Die  Annahme,  daß  Widukinds  Erzählung  von  derjenigen  Rudolfs 
unabhängig  sei,  ist  die  einzige  Bemerkung,  die  zur  Würdigung  der 
Quellen  gemacht  wird,  sie  ist  aber  unrichtig.  Die  großen  Wider- 
spräche in  Widukinds  Erzählung  sieht  er  nicht.  „Manches  Sagen- 
hafte" in  den  sächsischen  Berichten  wird  zugestanden,  —  aber  das 
soll  sich  ja  leicht  erkennen  und  ausscheiden  lassen  (Z.  Thür.  G., 
Bd.  XIX,  S.  19). 

Aus  den  6  als  gleichwertig  behandelten  Berichten  wird  nun 
ein  gemischter  Bericht  zusammengestellt;  was  der  eine  nicht  hat, 
das  hat  der  andere,  man  muß  nur  jedes  Stück  an  die  passende 
Stelle  unterzubringen  wissen,  so  entsteht  ein  Mosaik,  das  viel  mehr 
enthält  als  jede  einzelne  Quelle.  Zwar  wissen  die  Franken  nichts 
von  einer  Belagerung  von  Burgscheidungen,  die  Sachsen  (Widukind) 
nichts  von  der  vernichtenden  Schlacht  an  der  Unstrut;  —  aber 
Gründe  für  das  Schweigen  lassen  sich  finden  (z.  B.  soll  Widukind 
von  der  letzteren  Schlacht  deshalb  nichts  wissen,  weil  die  Sachsen 
vor  400  Jahren  nicht  dabei  gewesen  sind  [S.  21],  trotzdem  ist  er  der 
einzige,  der  den  Ort  der  ersten  Schlacht  [Eunibergun]  nennt,  ob- 
wohl die  Sachsen  auch  dort  nicht  dabei  gewesen  sind).  Es  werden 
die  Schlachtfelder,  der  Marsch,  die  Furten,  die  benutzt  sind,  die 
Lager  der  Franken  und  der  Sachsen  vor  Burgscheidungen  unter 
Aufbietung  recht  problematischer  Erwägungen  und  Namendeutungen 
ermittelt,  und  damit  ist  der  wirkliche  Verlauf  des  Krieges  aufs  beste 
erwiesen. 

Die  wichtigen  zeitgenössischen  Nachrichten  über  diesen  Krieg 
bei  Prokop  und  im  Briefe  des  Königs  Theudebert  an  Jusiinian,  die 
Nachrichten  aus  den  Gedichten  des  Venantius  Fortunatus  und  aus 
der  Lebensbeschreibung  der  Eadegunde  werden  nicht  berücksichtigt.  — 
Schwer  gemachthat  sich  Herr  Größler  seine  Aufgabe  im  Jahre  1899  nicht. 


278  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

Auch  in  anderer  Beziehung  ist  sein  „Hinabsteigen  zu  den 
Quellen"  unzureichend  gewesen.  Von  den  Quellenschriftstellern,  die 
er  zitiert,  hat  er  gerade  nur  die  wenigen  Stellen  in  Betracht  gezogen, 
die  von  dem  Verlauf  und  nächsten  Erfolg  des  Feldzuges  reden ; 
auch  diese  nicht  vollständig,  insofern  ja  die  Rede  des  königlichen 
Dieners  bei  Widukind  etwas  ganz  anderes  über  die  Gegend  der  ersten 
Schlacht  sagt,  als  Herr  Größler  aus  Widukind  entnimmt.  Was  sonst 
die  Quellen  enthalten  über  das  politische  Verhältnis  der  Sachsen  zu 
den  Franken ,  über  die  Herkunft  und  das  damalige  Gebiet  der 
Sachsen,  über  andere  Feldzüge  der  Franken  nach  Thüringen,  über 
die  Ausübung  herrschaftlicher  Gewalt  in  Nordthüringen  durch  die 
Frankenkönige,  darum  bekümmert  sich  Herr  Größler  nicht.  — 
Gerade  aber  diese  sonstigen  geschichtlichen  Nachrichten  geben  uns 
das  wichtigste  Material  an  die  Hand,  um  die  späten  dichterischen 
Erzählungen  auf  die  geschichtliche  Wahrheit  ihres  Inhalts  zu  prüfen. 
Herr  Größler  hat  diese  Aufgabe  nicht  angerührt. 

Zu  welchen  Irrtümern  das  nur  stückweise  Lesen  der  Quellen 
führen  kann,  dafür  erhielt  ich  eine  Probe,  als  ich  in  der  Dissertation 
von  Wüstenhagen  (Beiträge  zur  Siedelungskunde  des  Ostharzes, 
Halle  1905)  mit  Verwunderung  las,  die  aus  Italien  zurückgekehrten 
Sachsen  , .wollten  die  (in  Nordthüringen)  neu  angesessenen  Stämme 
wieder  vertreiben,  wurden  aber  geschlagen,  und  der  Frankenkönig 
siedelte  sie  zwischen  den  genannten  Stämmen  in  ihrem  alten 
Lande  an".  Der  Verfasser  beruft  sich  für  diese  Angabe  auf  Größler, 
Besiedelung  der  Gaue  Frisenfeld  und  Hassegau  (Zeitschr.  d.  Harzv., 
Bd.  VIII,  S.  92 ff.);  und  wirkUch  wird  dort  S.  108  von  den  Über- 
bleibseln der  geschlagenen  Sachsen  gesagt,  es  scheine,  daß  sie  im 
Hassegau  eine  Heimatstätte  gefunden,  wenigstens  berichte  Gregor 
von  Tours  (IV,  cap.  42):  ,,Die  Sachsen  aber  zogen  zum  König 
Sigibert  und  erhielten  in  der  Gegend,  aus  der  sie  früher  ausgezogen 
waren,  Wohnsitze."  Gregor  erzählt  dies  von  den  Sachsen,  als  sie, 
aus  Italien  durch  das  Frankenreich  ziehend,  die  Erlaubnis  erbaten, 
in  das  früher  besessene  Land  zurückzukehren  (vgl.  meinen  Aufsatz, 
Zeitschr.,  XXV,  1906,  S.  21  u.  28).  Größler  aber  bezieht  die  Worte 
auf  die  in  ihre  frühereu  Sitze  zurückgekehrten,  von  den  Schwaben 
fast  aufgeriebenen  Sachsen,  was  natürlich  einen  ganz  falschen  Sinn 
gibt.  Ein  solcher  Irrtum,  der  die  Erzählung  in  lib.  IV,  42  mit  der 
in  V,  15  zusammenwirft,  ist  doch  nur  möglich,  wenn  man  die 
Quellenschriftsteller  nicht  im  Zusammenhange,  sondern  nur  stück- 
chenweise liest.  Herr  Wüstenhagen  aber  kann  aus  dieser  Erfahrung 
lernen,  daß  man  auch  gegenüber  Größlers  Angaben  gut  tut,  zu  den 
Quellen  selbst  hinabzusteigen. 

Es  kommt  als  dritter  Mangel  in  der  Benutzung  der  Quellen 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  279 

hinzu  die  falsche  persönliche  Stellung,  die  Herr  Größler  den  Quellen 
gegenüber  einnimmt.  Deutlich  charakterisiert  er  diese  auf  S.  463 
seiner  letzten  Veröffentlichung  (Zeitschr.,  XXVI)  in  den  Worten: 
„Bei  der  Stellung,  die  Höfer  zu  den  thüringischen  Ereignissen  ein- 
nimmt, muß  ihm  daran  gelegen  sein,  die  Bedeutung  dieser  Quellen 
und  namentlich  die  Zuverlässigkeit  Widukinds  herabzusetzen."  — 
Nach  Herrn  Größler  ist  es  also  selbstverständlich,  daß  der  Geschicht- 
schreiber zuerst  seine  Stellung  zu  den  Ereignissen  einnimmt  und 
dann  die  Quellen  je  nach  seinen  Bedürfnissen  wertet,  sie  hochstellt  oder 
herabsetzt.  Das  heißt  allerdings  die  Aufgabe  des  Historikers  auf  den 
Kopf  stellen!  Aber  wir  dürfen  aus  diesem  unabsichtlich  offenherzigen 
Geständnis  entnehmen,  daß  für  Herrn  Größler  auch  bei  seiner  letzten 
Auslassung  über  dies  Thema  zuerst  die  Stellung  zu  den  Ereignissen 
feststand,  und  daß  nach  dieser  vorgefaßten  Stellung  die  Quellen  und 
die  aus  ihnen  gezogenen  Schlüsse  gewertet  worden  sind.  —  Wie  ich 
dazu  hätte  kommen  soUeu,  mich  zuerst  für  oder  gegen  irgendein 
Ereignis  zu  entscheiden  und  erst  danach  die  Quellen  zu  beurteilen, 
ist  mir  gänzlich  unverständlich. 

Obwohl  nun  die  im  Jahre  1899  von  Herrn  Größler  unter- 
nommene Behandlung  dieses  schwierigen  geschichtlichen  Problems 
auf  keinen  Fall  als  eine  musterhafte  oder  auch  nur  genügende  be- 
zeichnet werden  kann,  so  scheint  Herr  Größler  doch  jedem  andern 
eine  abweichende  Art  der  Behandlung  verbieten  zu  wollen ;  wenigstens 
ist  er  nun  schon  zum  zweiten  Male  mit  Leidenschaft  über  diejenigen 
hergefallen,  die  den  Gegenstand  nach  der  Methode  der  neueren 
Geschichtschreibung  zu  untersuchen  sich  zur  Aufgabe  gemacht  haben 
und  dabei  zu  anderen  Resultaten  gekommen  sind  als  er.  —  Aber 
Leidenschaft  handelt  nicht  besonnen,  und  wir  werden  sehen,  daß 
auch  diese  allzu  eifrigen  Angriffe  es  an  ernster  und  sorgfältiger 
Prüfung  fehlen  lassen  und  der  uns  gestellten  Aufgabe,  die  Wahrheit 
zu  ermitteln,  nicht  dienen. 


Prüfen  wir  zuerst  diejenigen  Einwendungen,  die  gegen  meine 
Würdigung  der  Quellen  erhoben  werden;  zunächst  diejenigen  über 
Gregor  von  Tours  und  die  übrigen  Quellen  des  6.  Jahrhunderts. 

Ich  habe  auf  28  Zeilen  Gregor  als  gelehrt,  wahrheitsliebend  und 
furchtlos  charakterisiert,  wir  er  mir  bei  der  Lektüre  seiner  Werke 
entgegengetreten  ist;  ich  habe  ferner  bewiesen,  daß  er  von  dem 
fränkischen  Feldzuge  in  Thüringen  genaue  Kenntnis  hatte,  und  darauf 
hingewiesen,  daß  er  „außer  den  fränkischen  Nachrichten  und  Er- 
zählungen" die  Mitteilungen  der  am  nächsten  beteiligten  Frau,  der 
thüringischen  Königstochter  Eadegunde,  zur  Verfügung  hatte.  Was 
sonst  noch  zur  allgemeinen  Charakteristik  der  damaligen  Geschieht- 


280  Wider  alte  uod  neue  Legenden. 

Schreibung  und  derjenigen  Gregors  von  anderen  Männern  gesagt  ist, 
hier  abzuschreiben,  habe  ich  nicht  für  zweckmäßig  gehalten,  da  es 
sich  hier  nur  um  die  Glaubwürdigkeit  der  Nachrichten  über  den 
fränkisch-thüringischen  Feldzug  handelte,  und  Bücher,  wie  die  von 
Wattenbach,  über  Deutschlands  Geschichtsquellen  leicht  nachgesehen 
werden  können. 

Dagegen  setzt  Herr  Größler,  der  früher  sich  um  den  schrift- 
stellerischen Charakter  des  Mannes  gar  nicht  gekümmert  hatte, 
4  enggedruckte  Seiten  mit  einem  Schwall  von  Zitaten  aus  Arndt, 
Monod,  Gloel,  Lippert,  die  alle  nichts  von  dem  bestreiten,  was  ich 
gesagt  habe.  Herr  Größler  betont  dabei  besonders  diejenigen  Aus- 
sprüche dieser  Männer,  die  erwähnen,  daß  Gregor  von  Tours  viel- 
fach auf  mündliche  Überlieferungen  angewiesen  war  (wie  ich  ja 
hinsichtlich  der  Radegunde  besonders  hervorgehoben  habe).  Als  ob 
nicht  alle  Erzähler  von  Zeitgeschichte  bis  auf  den  heutigen  Tag 
vielfach  auf  mündliche  Mitteilungen  anderer  oder  auf  deren  Briefe 
angewiesen  wären !  Hierdurch  soll  aber  der  Schein  erweckt  werden, 
als  sei  die  Überlieferung  Gregors  über  den  fränkisch-thüringischen 
Krieg  nicht  besser  als  die  Widukinds,  der  ebenfalls  aus  mündlicher 
Überlieferung  geschöpft  habe.  Die  Hauptsache  aber,  das  für  die 
Bewertung  der  Quellen  entscheidende  Moment,  wird  in  den  Hinter- 
grund geschoben,  nämlich,  daß  Gregor  nur  44  Jahre  nach  dem  Er- 
eignis schrieb,  Widukind  dagegen  437  Jahre.  Das  heißt:  Gregor 
schöpfte  seine  Kenntnis  über  die  Eroberung  Thüringens  durch  die 
Franken  aus  den  Mitteilungen  von  solchen,  die  die  Sache  noch  er- 
lebt hatten,  Widukind  aus  einer  von  geschichtlichem  Boden  gänzlich 
entfernten,  von  Dichtern  frei  behandelten  und  nach  Belieben  um- 
gestalteten epischen  Erzählung.  Wenn  es  schon  Gregor  trotz  red- 
lichen Bemühens  nicht  gelungen  ist,  sagenhafte  Züge  aus  dem  Leben 
Chlodwigs  fernzuhalten,  das  doch  nur  60  Jahre  zurücklag,  oder  Er- 
zählungen über  das  thüringische  und  das  burgundische  Königshaus, 
wie  sie  bei  den  Franken  umgingen,  kritisch  zu  sichten,  —  so  ist 
doch  wohl  handgreiflich,  daß  es  für  Widukind  ganz  unmöghch 
war,  aus  der  durch  Jahrhunderte  verdunkelten,  mündlichen  und 
dichterischen  Überlieferung  etwas  Zuverlässiges  zu  erfahren  über 
Zeiten  und  Geschehnisse,  die  für  ihn  mehr  als  400  Jahre  zurück- 
lagen, und  von  deren  sonstiger  Geschichte  er  nicht  die  geringste 
Kunde  hatte. 

Größler  sucht  sich  noch  immer  dieser  Einsicht  zu  entziehen. 
Gregor  soll  Erzählungen  der  Kleriker  aufzunehmen  nicht  verschmäht 
haben,  er  soll  auch  epische  Erzählungen  aus  der  Vorzeit  der  Mero- 
winger  zur  Hand  gehabt  haben  —  man  könnte  auch  betonen,  daß 
er  sein  Werk  mit   der  Erschaffung  der  Welt  begonnen  hat.  —  In 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  281 

diesen  Dingen  ist  gewiß  Kritik  nötig.  Das  alles  trifft  aber  seine 
Nachrichten  über  den  Krieg  der  Franken  gegen  die  Thüringen  gar 
nicht,  wie  es  seinen  Charakter  als  walirheitsliebenden  Schriftsteller 
und  als  beste  Quelle  für  die  merowingische  Zeit  nicht  herabsetzt. 
Wenn  aber  der  Hauptgewährsmann  Größlers,  W.  Arndt,  die  Über- 
zeugung gewonnen  hat,  daß  Gregor  niemals  als  Lügner  sich  erweist, 
daß  er  vielmehr  sich  dessen  wohl  bewußt  gewesen  ist,  daß  bei  der 
Geschichtschreibung  überall  die  Wahrheit  zu  erforschen  sei,  —  so 
hätte  Größler  wohl  Ursache  gehabt,  die  von  mir  gerügte  Behauptung 
zurückzunehmen,  als  ob  Gregor  gegen  besseres  Wissen  die  Sachsen- 
hilfe im  Thüringer  Kriege  verschwiegen  habe,  weil  er  „nicht  wagte, 
mißüebige  Dinge,  die  dem  fränkischen  Nationalstolz  wehe  taten,  zu 
berichten"  (vgl.  meine  Abhandlung  Zeitschr.,  XXV,  S.  8).  —  Diese 
Behauptung  war  aber  durchaus  nicht  nebensächlich,  durch  diese 
Behauptung  wollte  Größler  vielmehr  erklären,  wie  es  möglich  ge- 
wesen, daß  von  einer  so  wichtigen  Tatsache,  wie  der  Saehsenhilfe 
und  Sachsenbeute,  bei  dem  wichtigsten  Quellenschriftsteller  kein 
Wort  zu  finden  ist. 

Dieser  Schriftsteller  hatte,  wie  Größler  inzwischen  aus  seinen 
Zitaten  gelernt  haben  wird,  für  die  Roheit  der  Franken  nur  Tadel 
und  Abscheu  (S.  460);  wie  sollte  er  dazu  kommen,  aus  Rücksicht 
auf  ihre  Empfindlichkeit  die  Wahrheit  zu  unterdrücken!  —  Und 
wenn  gar,  wie  jetzt  (S.  461)  vermutet  wird,  die  ersten  6  Bücher  gar 
nicht  zu  Gregors  Lebzeiten,  sondern  erst  nach  seinem  Tode  heraus- 
gegeben sind,  —  wie  sollte  er  aus  Furcht  vor  fränkischem  National- 
stolz die  Geschichte  gefälscht  haben,  während  er  die  furchtbare 
Fredegunde  nicht  im  geringsten  schonte! 

All  dies  Gerede  kann  den  hohen  Wert  und  die  Zuverlässigkeit 
Gregors  für  den  größten  Teil  seiner  Geschichtschreibung  —  näm- 
lich für  diejenigen  Zeiten,  die  seiner  Erkundung  zugänglich  waren  — 
nicht  im  geringsten  herabsetzen.  Zugänglich  war  aber  seiner  Er- 
kundung ganz  besonders  der  fränkisch-thüringische  Krieg,  schon 
deshalb,  weil  er  mit  der  Augenzeugin  Radegunde  persönlich  bekannt 
und  mit  dem  Freunde  und  Dichter  dieser  bedeutenden  Frau,  Venantius 
Fortunatus,  befreundet  war.  Hierüber  schweigen  die  Zitate  Größlers. 
Irrtum  erweckend  ist  dabei  das  Zitat  S.  462,  als  haben  dem  Geschicht- 
schreiber für  die  Zeiten  Chlodovechs  und  seiner  Söhne  andere  als 
mündliche  Belehrungsmittel  fast  gar  nicht  mehr  zu  Gebote  ge- 
standen; erwiesen  ist  vielmehr,  daß  die  Ravennatischen  Fasten  in 
der  zu  Arles  vorgenommenen  Überarbeitung  und  Ergänzung  (An- 
nalen  von  Arles)  von  Gregor  benutzt  worden  sind,  ebenso  Annalen 
von  Angers  und  burgundische  Annalen,  wie  auch  Geschichtschreiber 


282  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

von  ihm  gekannt  und  benutzt  sind,  deren  Namen  wir  ihm  allein 
verdanken  ^). 

Gregor  ist  übrigens  nicht  der  einzige,  der  im  6.  Jahrhundert 
über  den  thüringisch-fränkischen  Krieg  von  531  berichtet.  Ich  habe 
Prokops  Angabe  betont,  der  von  der  Unterwerfung  der  gesamten 
Thüringer  durch  die  Franken  20  Jahre  nach  dem  Ereignis  Nachricht 
gibt  (bell.  Goth.  I,  13).  Ich  habe  auf  die  Elegien  des  Venantius 
Fortunatus  hingewiesen,  welche  die  Klagen  der  Radegunde  über  den 
blutigen  Untergang  der  Ihren  und  die  Zerstörung  ihrer  Heimat  zum 
poetischen  Ausdruck  bringen,  ohne  diese  Taten  den  Sachsen  zuzu- 
schreiben ,  vielmehr  durch  vorsichtiges  Verschweigen  des  Namens 
und  durch  die  Andeutung  iterum  hostes  fratre  iacente  tuli  die  Franken 
als  Täter  bezeichnend  (Zeitschr.,  XXV,  8.  68);  auch  nach  der  Lebens- 
beschreibung der  Eadegunde,  von  Fortunat  gleich  nach  587  ge- 
schrieben, ist  ihre  thüringische  Heimat  durch  den  Sieg  der  Franken 
zerstört  worden. 

Als  schwerwiegende  Bestätigung  für  den  Bericht  Gregors  habe 
ich  den  Brief  Theudeberts  an  Justinian  angeführt  mit  dem  Satze: 
feliciter  subactis  Thoringiis  et  eorum  provinciis  acquisitis,  denn  hier 
sagt  der  fränkische  König  (zwischen  534  und  547),  daß  nach  Unter- 
werfung der  Thüringer  die  Provinzen  derselben  an  sein  Reich  ge- 
kommen sind,  nicht  etwa,  daß  er  sie  mit  den  Sachsen  geteilt  hat. 
Von  diesen  sagt  er  vielmehr  gleich  darauf,  daß  die  Sachsen  und 
Juten  sich  „uns"  freiwillig  ergeben  haben. 

Die  Art,  mit  welcher  Größler  (S.  473 — 474)  sich  diesem  wichtigen 
historischen  Zeugnis  zu  eutziehen  sucht,  das  ja  allerdings  sein 
eigenes  Phantasiegemälde  zu  Boden  wirft,  wird  schwerlich  jeder- 
manns Billigung  finden. 

Während  ich  (S.  16)  die  Stelle  nach  dem  in  den  Mon.  Germ, 
ep.  Merov.  et  Karol,  T.  I,  p.  132 — 133  enthaltenen  ursprünglichen 
Text  zitiere,  druckt  Größler  einen  anders  geformten  Text,  ohne  ein 
Wort  über  diese  Abänderung  zu  sagen ;  daß  in  dem  ursprünglichen 
Text  Italien  mitgenannt  wird,  weiß  er  nicht  imd  streicht  mir  diesen 
Namen  mit  einem  Ausrufungszeichen  an  (S.  473).  Darauf  wundert 
er  sich,  daß  ich  mich  getraue,  diesen  Text  zu  übersetzen,  weil  er 
„annehmen  möchte",  daß  es  wenige  gibt,  die  sich  rühmen,  diese 
Stelle  verstanden  zu  haben.  Und  dann  wirft  er  die  Angabe  des 
Königs  Theudebert,   daß   sich  ihm  (nobis)  die   Sachsen   und  Juten 


1)  Vgl.  Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittel- 
alter bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts,  Bd.  I,  S.  56.  98.  92; 
Holder-Egger,  Neues  Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde,  I, 

S.  268—276. 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  283 

freiwillig  unterworfen  haben ,  leichtfertig  über  Bord ,  weil  „nach 
allem,  was  wir  (d.  i.  Größler)  von  dem  Verhältnisse  der  Sachsen 
zu  den  Franken  in  jener  Zeit  wissen,  das  (nämlich  die  Unterwerfung 
der  Sachsen)  eine  ganz  unglaubliche  Sache  ist"  (S.  474). 

Warum  ich  mir  nicht  getrauen  sollte,  einen  lateinischen  Text 
zu  übersetzen,  auch  wenn  er  die  bei  den  Franken  damals  übliche 
Vernachlässigung  der  Endungen  aufweist,  ist  mir  unerfindlich. 
Über  den  Sinn  der  Stelle  ist  trotz  der  gegenteiligen  „Annahme" 
des  Herrn  Größler  bei  den  Männern,  die  die  Sprache  der  fränkischen 
Schriftsteller  kennen,  kein  Zweifel.  Der  Herausgeber  der  Mero- 
wingischen  Briefe  in  den  Monumenten  Germaniens,  W.  Gundlach, 
z.  B.  gibt  als  Inhalt  des  Briefes  an :  Theodebertus  I  exponit,  regno 
suo  fines  Thuringiorum  et  Nordsuavorum  et  Saxonum  et  Euciorum 
et  totam  Franciam  et  Italiae  Pannoniaeque  partes  contineri.  Er  hat 
also  ebenso  übersetzt  wie  ich  mit  Einschluß  des  Wortes  Italien.  — 
Der  für  die  deutsche  Stammesgeschichte  grundlegende  K.  Zeuß 
(„Die  Deutschen  und  ihre  Nachbarstämme",  1837)  sagt  S.  387:  „Mit 
dem  Sturze  der  thüringischen  Macht  durch  die  Franken  sind  auch 
schon  die  Sachsen  in  die  Abhängigkeit  des  übermächtigen  Franken- 
reichs gekommen.  Theodebert  meldet  darüber:  (Zitat).  Nirgends 
kommen  die  Euten  (Juten)  unter  der  Benennung  Sachsen  vor;  beide 
Namen  sind  also  zu  trennen.  Sachsen  und  Juten  schlössen  sich, 
wie  Baiern,  an  den  mächtigen  Sieger  an."  —  Derselbe  S.  500 :  ,,Nach 
Unterjochung  der  Nachbarvölker,  der  Thüringer  und  der  Nord- 
schwaben, kamen  auch  die  Euten  wie  die  Sachsen  unter  die  Herr- 
schaft der  Franken  durch  freiwillige  Unterwerfung,  wie  König 
Theodebert  an  den  Kaiser  Justinian  berichtet."  Ahnlich  S.  357 
und  S.  371,  Anm.  2.  —  Zeuß  hat  also  den  Brief  Theudeberts  ebenso 
übersetzt  wie  ich,  auch  den  jetzigen  Versuch  Größlers,  aus  8axones 
und  Eucii  einen  besonderen,  irgendwo  vegetierenden,  unbekannten 
Volksstamm  zu  kombinieren,  schon  vor  70  Jahren  abgewiesen. 

Waitz  bezieht  sich  auf  denselben  Brief  Theudeberts  in  der 
Deutschen  Verfassungsgeschichte,  II  (Aufl.  2),  S.  74:  „daß  derselbe 
in  einem  Brief  an  den  Kaiser  Justinian  rühmt,  nach  Besiegung  der 
Thüringer  hätten  die  Norsavi  sich  freiwillig  unterworfen,  wären 
Sachsen  und  Euthen  unter  seine  Herrschaft  getreten,  die  von  der 
Donau  und  den  Grenzen  Pannoniens  bis  zu  den  Küsten  des  Ozeans 
reiche . . ."  „Zu  der  großartigsten  Stellung  haben  sich  die  fränkischen 
Könige  erhoben,  sie  sind  die  mächtigsten  Fürsten  Europas,  sie  ver- 
einigen den  größten  Teil  der  deutschen  Völker  und  stellen  sich  mit 
ihnen  den  Versuchen  der  Oströmer  zur  Wiederherstellung  Römischer 
Herrschaft  auch  im  Westen  auf  das  kräftigste  entgegen."  Waitz 
versteht  also  den  Brief  ebenso  wie  ich,   und  beide,  Waitz  wie  Zeuß, 


284  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

haben  ihm  wichtige  Kenntnisse  über  das  Verhältnis  der  Franken  zu 
den  innerdeutschen  Stämmen  im  6.  Jahrhundert  entnommen.  — 
Größler  dagegen  versichert  den  Lesern  dieser  Zeitschrift:  „Nach 
allem,  was  wir  von  dem  Verhältnisse  der  Sachsen  zu  den  Franken 
in  jener  Zeit  wissen,  ist  das  (die  Unterwerfung  der  Sachsen  und 
Juten)  eine  ganz  unglaubliche  Sache." 

Der  Leser  kann  schon  an  diesem  Beispiel  erkennen,  wie  vor- 
sichtig man  gegenüber  den  absprechenden  Äußerungen  dieses  Autors 
sein  muß. 

Die  Wahrheit  ist  vielmehr  folgendes:  Nach  allem,  was  wir  von 
dem  Verhältnis  der  Sachsen  zu  den  Franken  in  jener  Zeit  aus  guten 
Quellen  wissen,  rebellierten  die  Sachsen  schon  555  gegen  die  Franken 
(Greg.  Tur.  IV,  14),  „weil  sie  die  Tribute,  die  sie  in  jedem  Jahre 
zu  leisten  gewohnt  waren,  zu  entrichten  verschmähten" ;  die  Sachsen 
müssen  also  schon  vor  555  von  den  Frauken  abhängig  gewesen  sein. 
Eine  weitere  Angabe  desselben  Kapitels  sagt,  daß  sie  schon  dem 
Bruder  und  den  Neffen  Chlothars,  also  Theuderich,  Theudebert  und 
Theudebald  Tribut  gezahlt  haben.  Diese  Nachrichten  stimmen  sehr 
gut  zu  der  Angabe  im  Briefe  Theudeberts,  daß  die  Sachsen  sich 
freiwillig  den  Franken  (nobis)  unterworfen  haben.  Und  gerade  diese 
Angabe  Theudeberts  gibt  uns  die  Aufklärung  über  die  Entstehung 
des  sächsischen  Tributs,  der  bis  632  bestand  und  747  von  neuem 
aufgelegt  wurde.  Die  Nachricht  Theudeberts  stimmt  also  vortreff- 
lich mit  dem  überein,  was  wir  sonst  über  das  wirkliche  Verhältnis 
der  Sachsen  zu  den  Franken  wissen.  Der  Brief  Theudeberts  ist  eine 
sehr  wichtige  Geschichtsquelle. 

Um  trotz  alledem  ihren  Wert  herabzusetzen,  führt  Größler  noch 
ein  besonderes  Kunststück  vor,  iind  zwar  in  gesperrtem  Druck,  und 
mit  beigefügter  Verwunderung  darüber,  daß  ich  diesen  ,,  Umstand 
ganz  außer  acht  gelassen"  habe,  nämlich  den  Umstand,  „daß  Leute, 
die  sich  aus  eigenem  Willen  einem  fremden  Herrscher  unterwerfen, 
ihm  vorher  nicht  tributpflichtig  gewesen  sein  können ,  was  doch 
Höfer  von  den  nordthüringischen  Sachsen  behauptet"  (S.  474).  Das 
klingt  überwältigend,  ist  aber  ganz  und  gar  unrichtig.  Ich  habe 
nichts  von  dem  behauptet,  was  Größler  hier  den  Lesern  der 
thüringischen  Zeitschrift  als  meine  Behauptung  vorführt.  Die  Sache 
liegt  sehr  einfach:  Theudebert,  der  Sohn  des  Königs  Theuderich,  ein 
tüchtiger  und  rüstiger  Krieger,  hatte  bekanntlich  531  seinem  Vater 
im  Kriege  gegen  Thüringen  Beistand  geleistet.  Wenn  infolge  dieses 
Krieges  und  der  Eroberung  Thüringens  u.  a.  die  Sachsen  und  Juten 
sich  den  Franken  freiwillig  unterworfen  haben,  so  konnte  Theudebert, 
als  er  König  war,  mit  vollem  Eecht  sagen :  „die  sich  uns  freiwillig 
ergeben  haben"   (qui  se  nobis   voluntate    propria  tradiderunt),  auch 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  285 

wenn  die  ersten  Jahrestribute  noch  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  (bis  534) 
gezahlt  wurden.  Möglich  ist  außerdem,  daß  Theudebert  selbst  die 
Unterwerfung  der  Sachsen  entgegengenommen  hat,  da  er  ihnen  am 
nächsten,  in  Ripuarien  (Köln),  residierte.  Eine  Schwierigkeit  oder 
ein  Widerspruch  in  diesen  Angaben  ist  meines  Erachteus  bei  normaler 
Logik  nicht  zu  entdecken.  Zeuß  z.  B.  betont  gerade  (S.  387),  daß 
König  Theudeberts  Angabe  von  der  freiwilligen  Unterwerfung  der 
Sachsen  durch  die  späteren  Nachrichten  vom  sächsischen  Tribut 
bestätigt  wird.  —  Auch  ieh  habe  demgemäß  nirgends  behauptet,  daß 
die  Sachsen  schon  vor  ihrer  Unterwerfung  den  Franken  tribut- 
pflichtig gewesen  seien,  sondern  ich  sage  S.  16,  daß  die  ,, durch 
Tributzahlung  sich  ausdrückende  Abhängigkeit  der  Sachsen"  durch 
die  im  Briefe  Theudeberts  erwähnte  freiwillige  Unterwerfung  der- 
selben entstanden  ist,  und  S.  17,  daß  diese  „Unterwerfung  der 
Sachsen  nicht  etwa  bloß  auf  Bewohner  früherer  thüringischer  Ge- 
bietsteile zu  beziehen  ist,  sondern  auf  das  ganze  Volk". 

Herr  Größler  dagegen  schließt  diesen  Teil  seiner  Verwirrung 
mit  dem  fröhlichen  Resultat:  ,, Folglich  bietet  auch  der  Brief  Theude- 
berts an  Justinian  der  Höferschen  Hypothese  (sie !)  nicht  die  geringste 
Stütze."  Dies  unkundigen  Lesern  einzureden,  war  ja  wohl  der  Zweck 
des  Kunststücks.    Leider  heiligt  der  Zweck  die  Mittel  nicht. 

Übrigens  ist  es  keineswegs  eine  Hypothese  von  mir,  daß  die 
Sachsen  den  fränkischen  Königen  einen  Zins  von  500  Kühen  haben 
bezahlen  müssen  und  daß  sie  schon  seit  Theuderich  und  Theudebert 
in  dieser  Abhängigkeit  waren.  Die  besten  Quellen  bezeugen  es,  sie 
sind  in  meiner  Abhandlung  S.  14  abgedruckt.  Hätte  Herr  Größler 
nicht  so  leichtfertig  sich  seine  Urteile  gebildet,  sondern  etwas  genauer 
studiert,  so  hätte  er  schon  vor  Abfassung  seines  Aufsatzes  von  1899 
wissen  können,  daß  diese  Untertänigkeit  der  Sachsen  eine  gut  be- 
glaubigte und  längst  bekannte  historische  Tatsache  ist. 

Keinen  Deut  besser  als  der  eben  besprochene  Versuch  Größlers 
gegen  den  Brief  des  Königs  Theudebert  ist  der  auf  S.  471  unter- 
nommene Versuch,  die  Glaubwürdigkeit  der  Nachrichten  über  den 
sächsischen  Tribut  dadurch  herabzusetzen,  daß  er  emen  Widerspruch 
etablieren  will  zwischen  den  späteren  Erwähnungen  dieses  Tributs 
bei  Fredegar  und  Aimoin,  wo  er  als  durch  Chlothar  I  auferlegt 
bezeichnet  wird,  und  der  Nachricht  bei  Gregor,  nach  welcher  er 
schon  an  Chlothars  Bruder  Theuderich  zu  zahlen  war.  „Wer  hat 
nun  recht?"     „Höfers  Aufgabe  wäre  es  gewesen  etc." 

Es  berührt  wirklich  kläglich,  wenn  dieser  Herr,  der  sich  seiner 
eigenen  Aufgabe  und  Pflicht  so  wenig  bewußt  ist,  sich  herausnimmt, 
mir  vorzuschreiben,  was  meine  Aufgabe  gewesen  wäre! 

Wer  Gregors   Text   und  auch  den  von  Marius  von  Avenches 


286  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

(bis  581  geschrieben)  verstehen  kann,  der  liest  dort,  daß  die  Sachsen 
dem  neuen  Herrn  über  Ostfranken,  Chlothar  I.  (555),  den  früher  an 
Theuderich  gezahlten  Tribut  nicht  zahlen  wollten.  Darauf  hat 
Chlothar  in  drei  schweren  Kriegen  gegen  die  Sachsen  gefochten 
(Greg.  IV,  10;  Mar.  Av.  zu  555.  —  Greg.  IV,  14;  Mar.  Av.  zu  556. 
—  Greg.  IV,  16  und  17).  Erst  durch  den  dritten  Krieg  ist  es  ihm 
gelungen,  sie  zu  bezwingen  (Fortiter  tunc  rex  Chlothacharius  contra 
Saxones  decertabat).  Wenn  nun  in  der  Folgezeit  bei  Fredegar  und 
seinen  Nachfolgern  der  Tribut  als  von  Chlothar  auferlegt  bezeichnet 
wird,  so  liegt  nach  meinem  Urteil  darin  kein  Widerspruch  gegen 
die  ältere  Nachricht,  daß  der  Tribut  schon  früher  an  Theuderich 
gezahlt,  aber  unter  Chlothar  verweigert  worden  war.  Chlothar  hatte 
es  sich  in  der  Tat  schwere  Mühe  kosten  lassen,  den  Tribut  von 
neuem  aufzulegen,  der  seinem  Bruder  durch  freiwillige  Unterwerfung 
gezahlt  worden  war.  Die  Aufgabe,  hier  einen  Widerspruch  zu  lösen, 
lag  für  mich  nicht  vor. 


Um  sich  trotz  alledem  der  bewiesenen  Tatsache  zu  entziehen, 
daß  die  Sachsen  schon  seit  den  Zeiten  Theuderichs,  des  Eroberers 
von  Thüringen ,  dem  Frankenkönige  tributpflichtig  gewesen  sind, 
also  nicht  die  siegreichen  Bundesgenossen  und  freien  Mitbesitzer 
Thüringens  gewesen  sein  können,  nimmt  Herr  Größler  (S.  472)  seine 
Zuflucht  zu  der  Behauptung,  daß  die  Nachrichten  über  die  Rebellion 
und  die  Tributpflicht  der  Sachsen  sich  nur  auf  einen  Teil  der  Sachsen 
bezögen  und  sicherlich  nicht  auf  die  Ostweser-  oder  nordthüringischen 
Sachsen,  sondern  auf  die  Westwesersachsen,  oder,  wie  Größler  ganz 
bestimmt  weiß,  nur  auf  die  Bewohner  des  pagus  Hessi-Saxonicus, 
d.  h.  des  Winkels  zwischen  Diemel  und  Weser.  Herr  Größler  stellt 
also  ohne  jeden  Beweis  und  ohne  jeden  Anhalt  in  den  Quellen,  aber 
m  der  Tonart  ausgemachter  Wahrheit,  als  selbstverständlich  hin,  daß 
die  Sachsen  westlich  der  Weser  ein  anderes  Staatswesen  gebildet 
haben  als  die  östlich  der  Weser,  und  auch  von  den  Westwesersachsen 
trennt  er  wieder  den  südlichen  Teil  als  für  sich  bestehend  ab,  und 
sagt  dann  den  Lesern,  ich  hätte  die  Pflicht  gehabt,  nachzuweisen, 
um  welchen  Teil  der  Sachsen  es  sich  in  den  betreffenden  Berichten 
handelt,  obwohl  er  ganz  gut  weiß,  daß  ich  entsprechend  den  QueUen 
nur  ein  Volk  der  Sachsen  kenne. 

Die  Sache  liegt  so:  In  früherer  Zeit  hat  sich  mancher  Ge- 
schichtschreiber zu  der  Auskunft  genötigt  gesehen,  verschiedene 
staatlich  getrennte  Teile  der  Sachsen  anzunehmen,  um  die  älteren 
Nachrichten  von  der  Tributpflicht  der  Sachsen  mit  der  jüngeren 
sächsischen  Darstellung  von  ihrem  tributfreien  Besitz  Nordthüringens 
in  Einklang  zu  bringen.    Dagegen  handelt  es  sich  in  meiner  Unter- 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  287 

suchung  gerade  darum,  den  Widerspruch  der  älteren  Quellen  gegen 
die  jüngere  Darstellung  aufzuweisen  —  wie  kann  man  mir  nur  damit 
kommen,  jene  Ausgleichsversuche  und  Verlegenheitsdeutungen,  die 
den  Quellen  Gewalt  antun,  als  quellenmäßige  Wahrheit  aufzutischen, 
nach  der  ich  mich  hätte  richten  müssen !  —  Quellenmäßig  ist  das 
Gegenteil:  König  Theudebert  berichtet  dem  Kaiser  Justinian  die 
freiwillige  Ergebung  der  Sachsen,  nicht  eines  Teiles  derselben,  während 
er  doch  bei  Aufzählung  von  Pannonien  und  Italien  nur  Teile  (septen- 
trionalem  plagam)  als  ihm  unterworfen  nennt.  König  Theudebert 
sagt,  daß  nach  jener  Unterwerfung  der  Sachsen  und  Juten ,  sein 
Reich  sich  bis  an  die  Küste  des  Ozeans  erstreckt,  Herr  Größler 
aber  verlangt,  daß  unter  jenen  Saxones,  Eucii,  die  sich  freiwillig 
unterworfen  haben,  nur  die  Bewohner  des  Winkels  zwischen  Diemel 
imd  Weser  verstanden  werden  dürfen.  —  Chlothar,  der  mächtige  Be- 
herrscher zweier  Frankenreiche,  kämpfte  in  3-jährigem  schweren 
Kriege  mit  den  rebellischen  Sachsen,  bis  er  sie  mühsam  zur  Tribut- 
pflicht zurückführen  konnte,  und  wir  sollen  glauben,  daß  er  es  nur 
mit  einem  Grenzgau  zu  tun  gehabt  hat!  72  Jahre  später  bewarben 
sich  die  Sachsen  durch  eine  Gesandtschaft  an  den  Frankenkönig 
um  Ablösung  dieses  Tributes,  und  die  Gesandten  beschworen  den 
Vertrag  für  das  Sachsenvolk. 

Ich  meine,  wer  gegenüber  solchen  Quellennachrichten  mit  der 
Behauptung  auftritt,  es  habe  sich  bei  dem  allen  um  einen  kleinen 
Teil  der  Sachsen,  nämlich  den  pagus  Hessi  gehandelt,  der  hätte 
die  Pflicht  des  Beweises.  Aber  die  einzige  Begründung,  die  Herr 
Größler  für  eine  so  unglaubliche  Behauptung  vorbringt,  ist  der  Hin- 
weis, daß  die  eine  Entscheidungsschlacht  im  Kriege  Chlothars  gegen 
die  Sachsen,  südlich  der  Diemel  und  westlich  der  Weser  (an  der  Nablis, 
der  von  mir  nachgewiesenen  Nebeibecke),  d.  h,  an  der  sächsisch- 
fränkischen  Grenze  stattgefunden  habe;  als  ob  nicht  sehr  oft  die 
Entscheidungsschlacht  eines  Volkes  an  dessen  Grenze  stattgefunden 
hätte  1  Die  Entscheidungsschlacht  im  thüringisch-fränkischen  Kriege 
531  ist  ebenfalls  an  der  thüringischen  Grenze  gekämpft,  und  auf 
dem  Jenaer  Schlachtfelde  wurde  1806  das  Schicksal  von  ganz  Preußen 
entschieden,  nicht  bloß  das  der  südwestlichen  Grenzgaue. 

Während  nun  Herr  Größler  für  seine  Umdeutung  der  Quellen- 
nachrichten den  Beweis  schuldig  geblieben  ist,  will  ich  den  Beweis 
antreten,  daß  es  sich  bei  der  freiwilligen  Unterwerfung  und  der 
Tributpflicht  der  Sachsen  um  das  ganze  Volk  und  nicht  etwa  nur 
um  irgendeinen  Teil  der  Sachsen  gehandelt  hat: 

Als  im  Jahre  632  König  Dagobert  zum  Feldzug  nach  Thüringen 
bereit  mit  seinem  Heere  in  Mainz  stand,  iim  das  in  Thüringen  ein- 
gebrochene Heer  der  Wenden  zu  bekämpfen,  schickten  die  Sachsen 


288  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

dorthin  die  oben  erwähnte  Gesandtschaft  und  versprachen,  daß  sie 
die  ihnen  benachbarte  fränkische  Mark  (limes)  gegen  die  Wenden 
verteidigen  wollten,  wenn  Dagobert  ihnen  den  an  den  Fiskus  zu 
leistenden  Tribut  erlassen  wollte  fFred.  IV,  aap.  74).  Die  fränkische 
Mark  gegen  die  Slaven  lag  aber  nicht  etwa  bei  den  Westwesersachsen, 
im  Winkel  der  Dierael  und  Weser,  sondern  an  der  Saale  und  Elbe, 
also  bei  den  östlichsten  Sitzen  der  Sachsen,  dort  mußte  sie  ver- 
teidigt werden.  Das  Versprechen,  das  man  dem  westlichen  Nachbar 
für  Aufhebung  des  Tributes  gab,  mußte  an  der  Ostgrenze  des  Sachsen- 
gebietes eingelöst  werden.  Das  beweist  aufs  deutÜchste,  daß  nicht 
bloß  westhche  Sachsen  oder  die  Bewohner  des  Hessigaues,  sondern 
das  ganze  zwischen  der  fränkischen  und  der  slavischen  Grenze 
wohnende  Volk  der  Sachsen  an  dem  Tribut  und  seiner  Aufhebung 
beteiligt  war. 

Ferner:  Im  Jahre  747  zog  Pippin  durch  Thüringen  nach 
Schöningen  und  an  die  Oker,  um  die  Sachsen  wegen  ihrer  Ver- 
bindung mit  dem  aufrührerischen  Griffo  zu  strafen.  Da  das  sächsische 
Heer  den  Kampf  nicht  wagte,  sondern  entwich,  verwüstete  Pippin 
40  Tage  lang  fast  ganz  Sachsen  (totam  pene  Saxoniam)  und  nötigte 
dadurch  die  Sachsen,  um  Frieden  zu  bitten.  Sie  ergaben  sich  der 
fränkischen  Oberhoheit,  wie  es  vor  alters  üblich  gewesen  war  (ut 
antiquitus  mos  fuerat),  und  versprachen,  die  Tribute,  die  sie  einst 
Chlothar  geleistet  hatten,  in  vollständigster  Zahlung  von  nun  an 
wieder  zu  entrichten  (et  ea  tributa  quae  Chlotario  quondam  prae- 
stiterant  plenissima  solutione  ab  eo  tempore  deinceps  esse  se  reddi- 
turos,  vgl.  Fred.  Cont.  117,  unter  Pippin  aufgezeichnet;  und  Ann. 
Mett.  ad  748). 

Hier  ist  wiederum  deutlich  vom  ganzen  Volke  der  Sachsen  die 
Eede,  nicht  von  irgendeinem  Grenzdistrikt  oder  Gau  westlich  der 
Weser  und  südlich  der  Diemel.  Gerade  im  Ostweserland  fanden 
die  entscheidenden  Heeresbewegungen  und  der  Friedensschluß  statt. 
Aus  den  Friedensbedingungen  geht  hervor,  daß  der  damals  fest- 
gesetzte Tribut  die  Erneuerung  des  alten  Tributes  sein  sollte,  welcher 
also  ebenfalls  das  ganze  Sachsenvolk  betroffen  hatte. 

Es  ist  demnach  eine  unbegründete  und  irrige  Behauptung,  daß 
nur  ein  Teil  der  Sachsen  tributpflichtig  gewesen  sei,  der  östliche 
oder  (wie  Größler  sagt)  der  nordthüringische  aber  nicht.  Vielmehr 
ergibt  sich  für  das  6.  und  7.  Jahrhundert  derselbe  politische  Zu- 
sammenhang des  sächsischen  Volkes  und  die  Gemeinsamkeit  des 
Handelns  im  Kriegführen  und  Friedenschließen,  wie  sie  uns  für  das 
8.  Jahrhundert  durch  die  einzige  und  merkwürdige  Nachricht  über 
die  Verfassung  des  sächsischen  Volkes  in  heidnischer  Zeit,  nämlich 
in  Hucbalds  Vita  Lebuini,  überliefert  ist  (M.  G.  SS  II,  p.  361—362). 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  289 

Über  solche  aus  den  Quellen  zu  entnehmenden  Tatsachen  sich 
hinwegzusetzen  und  dafür  seine  eigenen  Meinungen  und  Einfälle 
einzusetzen,  entspricht  nicht  der  Methode,  die  ich  in  meinen  Unter- 
suchungen befolge. 


Alle  jene  Abänderungen  und  Anzweifelungen  guter  Quellen- 
nachrichten entspringen  derselben  Fehlerquelle:  man  wollte  jene 
Nachrichten  in  Einklang  bringen  mit  den  späten  sächsischen  Er- 
zählungen, deren  Sagenhaftigkeit  doch  allgemein  bekannt  war.  Es 
wurde  hier  dasselbe  falsche  Verfahren  angewandt,  das  Waitz,  Watten- 
bach und  viele  andere  Historiker  hinsichtlich  der  Benutzung  von 
Sagen  längst  als  unkritisch  verworfen  haben:  „Wohl  hatte  man 
schon  früher  einzelnes  als  unhaltbar  aufgegeben,  aber  immer  suchte 
man  doch  wieder  historisches  Material  aus  dem  Wüste  der  Fabeln 
zu  gewinnen ;  man  konnte  sich  nicht  entschließen,  auf  dasjenige, 
dessen  späte  betrügliche  Entstehung  einmal  nachgewiesen  war,  nuu 
auch  gänzlich  zu  verzichten ;  und  auch  jetzt  noch  ist  für  viele  dieser 
Entschluß  zu  schwer :  man  will  doch  nicht  alle  scheinbare  Ausbeute 
aufgeben  für  Zeiten  und  Gegenstände,  von  denen  man  sonst  gar 
nichts  weiß  ....  So  ist  es  nur  zu  gewöhnlich,  daß  man  das  gänz- 
lich Unhaltbare  verwirft,  aber  dasjenige,  was  nicht  in  sich  unmöglich 
ist,  behält  —  ein  durchaus  unhistorisches  Verfahren."  (Wattenbach, 
Deutschlands  Geschichtsquellen,  Bd.  I,  S.  39.)  Oder:  ,,Es  ist  hier 
geschehen,  was  manchmal  geschieht  und  die  Leute  beruhigt:  man 
hat  zeitig  die  besonders  groben  und  anstößigen  Behauptungen  ent- 
fernt, und  dann  gemeint,  daß  das,  was  allenfalls  wahr  sein  könnte, 
nun  auch  Anspruch  habe,  wirklich  dafür  zu  gelten,  während  die 
wahre  Kritik  anerkennt,  daß  ein  solches  Abhandeln  bei  Sage  und 
Erdichtung  meist  gerade  am  allerwenigsten  zur  historischen  Gewiß- 
heit führt"  (Waitz,  Gott.  Gel.  Anz.,  1855,  S.  274j. 

Von  der  hier  geforderten  klaren  Stellung  zu  sagenhaften  Über- 
lieferungen ist  Herr  Größler  weit  entfernt,  er  hat  offenbar  gar  kein 
Verständnis  dafür.  Auch  er  läßt  aus  seiner  sagenhaften  Quelle  die 
besonders  groben  und  anstößigen  Behauptungen  weg,  z.  ß.  die  Ab- 
stammung des  Frankenkönigs  Thiadrich  und  der  thüringischen 
Königin  Amalberga  von  einem  Frankenkönig  Huga,  die  Beleidigung 
des  ersten  durch  die  zweite  als  Ursache  des  Krieges,  das  wunderbare 
Feldzeichen  der  Sachsen ,  die  märchenhafte  Geschichte  von  der 
Tötung  der  Könige  Irmenfrid  und  Thiadrich  durch  den  untreuen 
Vasallen  des  ersteren,  namens  Iring,  und  vielleicht  noch  einiges 
andere;  das  übrige  aber  gilt  ihm  als  gut  überlieferte  Geschichte. 

Als  Pelka  durch  gründliche  Quellenanalyse  nachwies,  daß  die 
spätsächsischen  Erzählungen  vom  Eingreifen  der  Sachsen  im  thüringisch- 
XXVIL  19 


290  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

fränkischen  Kriege  „auf  ein  seinem  historisclien  Detail  nach  gänzlich 
unglaubwürdiges  Heldenlied  zurückgehn",  —  da  stellte  Größler  die 
naive  Frage:  „Welchen  Zweck  hat  denn  überhaupt  Pelkas  Versuch, 
eine  gemeinsame  Quelle  der  sächsischen  Berichte  nachzuweisen,  wenn 
er  weder  diesen  noch  jener  irgendwelche  Beweiskraft  zusprechen 
will?"  (Zeitschr.,  Bd.  XXII,  S.  253.)  Nicht  ohne  8arkasmus 
antwortete  Pelka:  „Ich  habe  in  der  Tat  nicht  geglaubt,  diesen 
Zweck  noch  kommentieren  zu  müssen.  Wenn  ich  nachweise,  daß 
die  sächsischen  Berichte  auf  ein  seinem  historischen  Detail  nach 
gänzlich  unglaubwürdiges  Heldenlied  zurückgehen,  so  müssen  eben 
auch  die  Ableitungen  als  historisch  unglaubwürdig  verworfen  werden" 
(diese  Zeitschr.,  Bd.  XXIV,  S.  402).  —  Über  diese  Zurechtweisung 
äußert  sich  Herr  Größler  in  seiner  nächsten  Entgegnung  gegen 
Pelka  (Zeitschr.,  Bd.  XXV,  S.  452—459)  überhaupt  nicht,  obwohl 
sie  doch  das  Wichtigste  in  Pelkas  Abwehraufsatz  war.  Hat  er  sie 
nicht  verstanden?   Oder  rechnet  er  auf  die  Vergeßlichkeit  der  Leser ? 

Offenbar  in  Vertrauen  auf  diese  Vergeßlichkeit  wagt  er  es  zu 
behaupten,  daß  Pelka  sich  über  den  Wert  der  sächsischen  Quellen 
nicht  bestimmt  ausgesprochen  habe  (Zeitschr.,  Bd.  XXV,  S.  453). 
Da  er  selbst  aber  die  Glaubwürdigkeit  der  fränkischen  Bericht- 
erstatter, im  besonderen  die  Gregors  von  Tours  „mit  guten  Gründen" 
in  Zweifel  gezogen  habe,  so  sei  keine  Aussicht,  daß  auf  Grund  der 
bisher  bekannten  Quellen  in  Zukunft  ein  wesentlicher  Fortschritt 
in  der  Erkenntnis  stattfinden  könnte,  er  sei  also  berechtigt,  von 
seinen  topographischen  Forschungen  diesen  Fortschritt  zu  erwarten. 
—  Damit  ist  nun  der  vagen  Phantasterei  Tür  und  Tor  geöffnet; 
wie  früher  der  anekdotenhafte  Reiherjäger  in  Widukinds  Legende 
von  Größler  für  eine  historische  Person  gehalten  ist,  für  deren  Ritt 
durch  die  Unstrut  die  benutzte  Furt  nachgewiesen  wurde,  so  wird 
jetzt  sogar  der  kindliche  Einfall,  daß  die  Erdfälle  bei  Empelde,  die 
7  Trappen  bei  Benthe  und  die  Kreuzsteine  ebendaselbst  von  der 
Schlacht  bei  Runibergun  herrühren  sollen,  von  neuem,  und  nunmehr 
als  entscheidendes  Argument  vorgetragen.  —  Welcher  Grad  von  ge- 
schichtlicher Gewißheit  würde  uns  bleiben,  wenn  wir,  anstatt  auf 
die  historischen  Quellen  des  6.  Jahrhunderts,  auf  die  Vermutungen 
und  Deutungen  angewiesen  wären,  die  ein  auch  in  archäologischen 
Dingen  recht  unkritischer  Urteiler')  an  einige  ihm  unverständliche 
Naturerscheinungen  oder  menschliche  Gebilde  anzuknüpfen  sich  ge- 
müßigt fühlt! 

In  dem  gegen  mich  gerichteten  Aufsatz  schlägt  Herr  Größler 
ein  anderes  Verfahren  ein,  um  die  kritische  Verurteilung  der  sächsischen 

1)  Vgl.  hierzu  Verhandl.  der  Berl.  Anthrop.  Gesellsch.,  1900. 
S.  270,  Anm.  3. 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  291 

Sagen  und  ihre  Unvereinbarkeit  mit  der  wirklichen  Geschichte  ver- 
gessen zu  machen:  er  stellt  sich  an,  als  müsse  er  den  Wert  Widu- 
kinds  als  historische  Quelle  gegen  mich  verteidigen.  „Gehen  wir  .  .  . 
zu  der  Hauptsache  über,  zu  dem  von  Höfer  versuchten  Nachweise 
der  Unbrauchbarkeit  Widukinds  als  historische  Quelle"  (so  wörtlich 
S.  4651).  Ferner:  „So  wirft  Höfer  dem  Widukind  vor,  er  wisse 
von  der  Abstammung  und  früheren  Geschichte  seines  Volkes  gar 
nichts,  und  darum  seien  alle  seine  Nachrichten  nicht  glaubwürdig" 
(so  wörtlich  S.  4691),  ,,dem  derart  verfemten  Widukind"  (S.  468), 
„der  von  Höfer  als  geistig  beschränkter  Mönch  hingestellte  Widu- 
kind" (S.  477). 

Es  ist  ein  dreistes  Quid  pro  quo,  daß  hier  den  Lesern  dieser 
Zeitschrift  geboten  worden  ist.  —  Mir  ist  es,  wie  sich  von  selbst 
versteht,  nie  eingefallen,  die  Brauchbarkeit  oder  vielmehr  den  hohen 
Wert  Widukinds  als  historische  Quelle  in  Frage  zu  stellen.  Jeder- 
mann weiß,  daß  Widukind,  soweit  er  seine  Zeit  schildert,  eine  höchst 
wichtige  und  zuverlässige  Quelle  ist.  ,,In  allem,  was  ihm  nahelag, 
zeigt  er  sich  durchaus  zuverlässig,  unbefangen  und  wahrheitsliebend" 
(Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquellen ,  S.  311).  Noch  in 
meinem  Aufsatz,  „Die  Frankenherrschaft  in  den  Harzlandschaften", 
der  früher  erschienen  ist,  als  Größlers  Streitschrift,  habe  ich  hervor- 
gehoben, daß  mit  Widukinds,  Thietmars  und  ähnlichen  Geschichts- 
werken das  hellere  historische  Licht  für  unsere  Gegenden  beginnt 
(Zeitschr.  des  Harzv.,  Bd.  XL,  S.  117),  und  ich  zitiere  Widukind 
dementsprechend  reichlich  als  wichtigsten  Gewährsmann  für  das 
10.  Jahrhundert.  —  Aber  wie  der  geschichtschreibende  Mönch  schon 
diejenigen  Vorgänge  seiner  Zeit,  die  seinem  Gesichtskreise  ferner 
lagen,  z.  B.  die  außerhalb  Sachsens  liegende  Tätigkeit  Ottos  des 
Großen,  unrichtig  auffaßte  oder  überhaupt  nicht  kannte,  so  war 
es  ihm,  wie  ich  gezeigt  habe,  ganz  unmöglich,  sich  von  den  geschicht- 
lichen Vorgängen  des  6.  Jahrhunderts,  die  über  400  Jahre  vor  seiner 
Zeit  zurücklagen,  eine  einigermaßen  richtige  Kenntnis  zu  verschaffen; 
er  beweist  das  unter  anderem  durch  gänzliche  Unkenntnis  der  be- 
kannten fränkischen  Könige  im  6.  Jahrhundert,  Chlodwigs  und  seiner 
Söhne,  wie  auch  durch  gänzliche  Unkenntnis  der  Ausbreitung  der 
Sachsen  im  6.  Jahrhundert. 

Also  nur  diese  „Anfangskapitel"  habe  ich  als  „aus  trüben 
Überlieferungen  und  Vorstellungen  zusammengemischt"  bezeichnet, 
und  nur  auf  diese  bezog  sich  das  Urteil,  daß  sie  als  historische 
Quelle  nicht  zu  verwenden  sind  (vgl.  S.  8  meines  Aufsatzes, 
Zeitschr.,  Bd.  XXV).  —  Widukind  ist  so  ehrlich  gewesen,  seine 
Unkenntnis  selbst  einzugestehen,  indem  er  gleich  zu  Anfang  seiner 
Geschichte  sagt,  daß  er  in  dem  Abschnitt  über  den  Ursprung  und 

19* 


292  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

frühesten  Zustand  der  Sachsen  fast  ausschließlich  der  Sage  folgen 
muß,  indem  das  zu  große  Alter  fast  alle  Gewißheit  verdunkelt  *). 
Widukind  hat  also  eine  Warnungstafel  aufgerichtet;  er  ist  nicht 
schuld,  wenn  ein  neuer  Geschichtenschreiber,  zu  eilfertig,  um  solche 
Warnungstafel  zu  lesen,  sich  auf  den  bequem  gebotenen,  die  Phantasie 
angenehm  beschäftigenden  Stoff  stürzt  und  ihn  als  historischen  Tat- 
sachenbericht vorführt,  trotz  der  in  der  Erzählung  selbst  enthaltenen 
Warnungen  und  trotz  des  epischen  Charakters  in  Form  und  Inhalt, 
der  schon  manchen  Hörer  feineren  Taktes  sofort  an  Ihas  und 
Nibelungenlied  erinnert  hat. 

Auch  Herr  Größler  kann  den  epischen  Charakter  dieser  Er- 
zählungen nicht  mehr  leugnen;  aber  er  schreitet  nunmehr  kühn  zu 
der  neuen  Behauptung,  daß  diese  in  Sagen  und  Volksliedern  durch 
die  Jahrhunderte  geflossene  mündliche  Überlieferung  ebenso  alt  und 
glaubhaft  sei,  wie  die  40  Jahre  nach  dem  Ereignis  erfolgte  Nieder- 
schrift eines  kundigen  und  wahrheitsliebenden  Geschichtschreibers, 
wie  Gregor  von  Tours  (S.  465).  —  Auf  dieses  Muster  einer  konfusen, 
allerlei  Wahres  und  Falsches  durcheinander  mischenden  Begründung, 
hat  Größler  über  5  Seiten  (S.  465—470)  verwendet ;  es  ist  ihm  sauer 
geworden,  seine  Leser  oder  auch  sich  selbst  derart  zu  verwirren, 
daß  sie  nicht  merken  sollten,  wie  gänzlich  ziellos  die  Beweisführung 
verläuft.  Sie  besteht  in  der  Hauptsache  aus  folgenden  Sätzen,  denen 
ich  iu  Klammer  eine  kurze  Kritik  beifüge: 

„Jedes  Heldenlied  kann  nur  in  der  Zeit  entstanden  sein,  deren 
Helden  und  Taten  es  feiert."  (Homer  und  die  deutschen  Volks- 
epen lehren  die  Irrigkeit  dieser  Prämisse.)  —  „Diese  Lieder  konnten 
nur  das  erzählen,  was  ihre  Verfasser  selbst  erlebt  oder  von  persönlich 
Beteiligten  in  Erfahrung  gebracht  hatten."  (Von  der  schöpferischen 
Kraft  dichterischer  Phantasie  scheint  Herr  Größler  nie  etwas  be- 
merkt zu  haben.)  —  „Aus  ihrer  Verschiedenheit  schließe  ich  (Größler) 
auf  die  alsbald  nach  den  Ereignissen  stattgehabte  Entstehung  einer 
Mehrheit  von  sächsischen  Heldenliedern,  deren  jedes  die  Erlebnisse 
eines  oder  mehrerer  Teilnehmer  an  den  Begebenheiten  überliefert." 
(Ein  ganz  willkürlicher  Schluß.  Die  Verschiedenheit  der  mündlichen 
Überlieferungen  entsteht  naturgemäß  durch  die  Mannigfaltigkeit  der 
Weitererzählung,  durch  verschiedene  Begabung,  Geschmack,  Kunst, 
Neigung,  Kenntnisse,  Bedürfnis  der  verschiedenen  Erzähler,  Um- 
und  Neudichter,  durch  die  im  Laufe  der  Jahrhunderte  veränderten 
Verhältnisse,   Anschauungen   und   Bildung,   durch   Eindringen    von 


1)  Wid.  I,  cap.  2,  M.  G.  SS.  HI,  p.  417:  Et  primum  quidem 
de  origine  statuque  gentis  pauca  expediam,  solam  pene  famam  sequens 
in  hac  parte,  nimia  vetustate  omnem  fere  certitudinem  obscurante. 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  293 

neuen  Stoffen ,  Erinnerungen  an  jüngere  Begebenheiten ,  jüngere 
Sagen,  und  durch  viele  andere  Möglichkeiten.)  Es  heißt  dann 
weiter:  „Diese  Lieder  sind  die  Vorläufer  unserer  Zeitungen",  „sie 
haben  damals  die  Stelle  der  Annalen  vertreten",  und  den  Schluß 
dieser  Beweisführung  macht  der  Satz:  „Daß  es  einem  Sänger  zur 
Zeit  König  Konrads  L,  nachdem  ganz  andere  Ereignisse  die  Auf- 
merksamkeit der  Späterlebenden  in  Anspruch  genommen  hatten, 
eingefallen  sein  sollte,  nun  erst  Dinge,  die  fast  400  Jahre  zurück- 
lagen oder  geschehen  sein  sollten,  dem  Volke  durch  eine  Dichtung 
bekannt  zu  machen,  das  heißt  denn  doch  dem  heutigen  Geschlecht 
etwas  zu  viel  zumuten." 

„Das  heutige  Geschlecht"  wird  hier  allein  durch  die  Persön- 
lichkeit des  Herrn  Größler  repräsentiert;  keinem  anderen  wird  der 
Gedanke  unannehmbar  erscheinen,  daß  alte  Sagen  oder  Dichtungen, 
die  zur  Verherrlichung  eines  Volkes  oder  eines  Volkshelden  bei- 
tragen, auch  400  Jahre  nach  der  besungenen  Begebenheit  von  neuem 
gedichtet  und  gesungen  werden.  Vielmehr  sind  derartige  Neudich- 
tungen eine  ganz  bekannte  Erscheinung:  die  uns  überkommene. 
Fassung  des  Epos  vom  Trojanischen  Kriege  ist  sicherlich  3 — 4  Jahr- 
hunderte nach  den  zugrunde  liegenden  Begebenheiten  neu  gedichtet; 
noch  niemand  hat  behauptet,  daß  diese  allgemein  angenommene 
Ansicht  dem  „heutigen  Geschlecht"  zu  viel  zumutet.  —  Die  Lieder 
von  Dietrich  von  Bern  lebten  in  märchenhaften  Um-  und  Neu- 
dichtungen, nicht  minder  die  von  Hugdietrich,  dem  Theuderich  des 
fränkisch -thüringischen  Krieges  von  531,  bis  ins  15.  Jahrhundert 
fort.  Glaubt  Herr  Größler  wirklich,  daß  diese  Lieder  „in  der  Zeit 
entstanden  seien,  deren  Helden  und  Taten  sie  feiern",  daß  sie  ,,nur 
das  erzählen,  was  ihre  Verfasser  selbst  erlebt  oder  von  persönlich 
Beteiligten  in  Erfahrung  gebracht  hatten"  ?  —  Das  Lied  von  König 
Eother  in  Unteritalien  (Bari),  der  um  die  Tochter  des  Königs  von 
Konstantinopel  wirbt,  ist  um  1170  gedichtet,  also  nur  200  Jahre 
nach  der  Werbung  König  Ottos  des  Roten  um  die  griechische  Kaiser- 
tochter, und  was  hat  Dichterphantasie  in  dieser  kurzen  Zeit  aus  der 
historischen  Begebenheit  gemacht!  —  Die  historischen  Elemente  des 
Nibelungenliedes  stammen  aus  der  Zeit  der  Völkerwanderung;  eine 
Neudichtung  hat  aber  zur  Zeit  Ottos  IL  stattgefunden,  wie  die  ein- 
geflochtenen Personen  des  10.  Jahrhunderts,  die  Markgrafen  Gero 
und  Eckewart,  der  Bischof  Pilgrin  von  Passau,  wohl  auch  der  junge 
Giselher  und  andere  Beziehungen  beweisen ;  und  wieder  umgedichtet 
ist  der  Stoff  nach  den  Kreuzzügen  und  der  Zeit  des  blühenden 
Rittertums.  —  Sagen  von  Karl  dem  Großen  und  Roland  als  den 
Vorkämpfern  des  Christentums  gegen  das  Heidentum  wurden  in 
Frankreich  von   neuem  gesungen,   als  800  Jahre   später   ein   neues 


294  Wider  alte  und  neue  Legenden, 

christliches  Heldentum  den  Kampf  gegen  die  Ungläubigen  aufnahm. 
—  Die  Sage  von  Kaiser  Friedrichs  Schlaf  im  Kiffhäuser  hat  erst 
1817  Friedrich  Rückert  gesungen,  nachdem  seit  ihrer  Entstehung 
„ganz  andere  Ereignisse  die  Aufmerksamkeit  der  Späterlebeuden  in 
Anspruch  genommen  hatten" ;  und  Heinrich  v.  Kleist  hat  1809  sogar 
die .  Hermannsschlacht,  die  18  Jahrhunderte  „zurücklag",  seinem 
"Volke  neu  gedichtet.  —  Man  sieht:  die  Belehrungen  des  Herrn 
Größler  über  die  Entstehung  der  Heldenlieder  beruhen  auf  sehr 
subjektiven  Vorstellungen. 

Gerade  das  gehobene  und  erregte  Nationalgefühl  der  Sachsen 
im  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  läßt  eine  Neubelebung  alter  Sagen 
erwarten,  Neudichtungen,  die  den  Mut,  die  Kraft  und  die  Helden- 
taten der  alten  Sachsen  priesen  und  sie  als  anderen  Stämmen,  nament- 
lich den  Franken,  überlegen  schilderten.  Widukind  selbst  macht 
die  Bemerkung  (II,  6),  daß  die  Sachsen  durch  die  Oberherrschaft 
ihres  Königs  ruhmredig  geworden  waren  (gloriosi  facti);  und  von 
der  Ruhmredigkeit  ihrer  Sänger  erhalten  wir  auch  eine  ausdrück- 
liche Probe,  wenn  uns  Widukind  (I,  23)  erzählt,  daß  nach  dem  Siege 
des  Herzogs  Heinrich  von  Sachsen  über  P^berhards  fränkisches 
Heer  bei  Eresburg  im  Jahre  915  die  sächsischen  Sänger  triumphiert 
haben:  „Welche  Hölle  wohl  groß  genug  sei,  um  die  erschlagenen 
Franken  aufzunehmen!" 

Herr  Größler  will  von  einer  solchen  Poesie  nationalen  Stolzes 
und  nationaler  Eigenliebe  durchaus  nichts  wissen;  die  Sänger  oder 
Sagenerzähler  sollen  nur  das  erzählt  haben  können,  was  vor  Jahr- 
hunderten von  Mitkämpfern,  Teilnehmern  oder  Zuschauern  erzählt 
ist,  und  die  Verschiedenheit  der  epischen  Erzählungen  des  10.  Jahr- 
hunderts soll  nur  von  der  Verschiedenheit  der  Erlebnisse  der  Teil- 
nehmer an  den  Begebenheiten  im  6.  Jahrhundert  herrühren  können 
(S.  466) !  —  Zur  Durchführung  dieser  wunderbaren  Belehrung  würde 
noch  eine  Erklärung  darüber  nötig  sein,  auf  welche  Weise  die  an- 
geblichen Teilnehm  er  berichte  des  6.  Jahrhunderts  sich  unverändert 
bis  ins  10.  Jahrhundert  erhalten  haben  sollen. 

Herr  Größler  hat  eine  Auskunft  über  dieses  Problem  nicht 
gegeben.  Dafür  schlägt  er  um  so  heftiger  auf  meine  Anschauung 
los,  daß  auch  die  Nachricht  von  einem  schon  durch  Hugdietrich 
erlangten  freien  Besitz  der  Sachsen  über  Nordthüringen  aus  einer 
mit  der  historischen  AVahrheit  frei  schaltenden  poetischen  Quelle 
geflossen  sei.  Diese  Ansicht  scheint  er  als  eine  ganz  besondere, 
gegen  ihn  gerichtete  Bosheit  aufzufassen.  Meinen  aus  guten  Ge- 
schichtsquellen geschöpften  unumstößlichen  Beweis,  daß  es  einen 
freien  Besitz  der  Sachsen  über  Nordthüringen  im  6.  Jahrhundert 
nicht  gegeben  hat,  daß  die  Sachsen  vielmehr  den  Frankenkönigen 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  295 

tributpflichtig  waren,  kann  er  trotz  heißen  Bemühens  und  trotz 
aller  der  gesuchten  und  falschen  Einwendungen  —  wie  oben  gezeigt 

—  nicht  umstoßen,  wenn  er  auch  S.  473  vorgibt,  dies  geleistet  zu 
haben.  Als  Haupttrumpf  wird  deshalb  die  angebliche  Überein- 
stimmung der  sächsischen  Quellen  ins  Feld  geführt. 

Alle  sächsischen  Quellen  sollen  nach  Größler  (S.  471)  überein- 
stimmen in  der  Behauptung  von  der  freieigenen  Erwerbung  des 
nordthüringischen  Landes  durch  die  Sachsen,  sie  „müßten  sich  ja 
geradezu  verschworen  haben,  die  Nachwelt  zu  täuschen"!  Alle  drei, 
Euodolf,  Widukind  und  der  Quedlinburger  Annalist,  „sind  von- 
einander unabhängig  und  keiner   hat   auf  den  anderen   eingewirkt". 

—  „Ein  hoher  Grad  von  Voreingenommenheit  gehört  demnach  dazu, 
alle  drei  des  gemeinsamen  Irrtums  oder  wohl  gar  der  beabsichtigten 
Täuschung  ihrer  Mit-  und  Nachwelt  zu  beschuldigen,  wie  Höfer  das 
tut,  indem  er  behauptet,  sie  hätten  in  einer  Zeit  der  Machtzunahme 
ihres  Stammes  durch  diese  Fälschung  den  Nachweis  führen  wollen, 
daß  auch  die  Vergangenheit  ihres  Stammes  eine  gleich  ruhmvolle 
gewesen  sei  wie  die  Gegenwart." 

Um  mich  der  Voreingenommenheit  beschuldigen  zu  können, 
schreibt  mir  Herr  Größler  wieder  eine  Behauptung  zu,  die  ich  nicht 
gemacht  habe.  —  Ich  habe  vielmehr  gesagt  (S.  32):  „Schon  zur 
Zeit  Ottos  I.  war  die  Art  der  Erwerbung  (Nordthüringens)  bei  den 
sächsischen  Schriftstellern  vergessen.  Aber  das  hochgehende 
Selbstgefühl  der  Sachsen  glaubte  gern  und  machte  gern  glauben, 
daß  diese  Besitzung  schon  seit  400  Jahren,  seit  dem  Fall  des  thü- 
ringischen Königreichs,  den  Sachsen  gehöre  und  von  den  Franken- 
königen ihnen  übergeben  worden  sei.  Sächsische  Sänger  kündeten 
die  Mär,  und  der  Corveyer  Mönch,  dessen  erstes  Buch  noch  manche 
Volkssage  enthält,  die  man  ihm  heute  nicht  glaubt,  nahm  auch  diese 
zur  Verherrlichung  seines  Volkes  so  geeignete  Legende  im  ganzen 
Umfange  auf,  zumal  sie  das  einzige  enthielt,  was  er  über  die  Früh- 
geschichte seines  Volkes  in  Erfahrung  bringen  konnte."  —  Ich  habe 
also  weder  Widukind  noch  Ruodolf  noch  den  Quedlinburger  Anna- 
hsten  der  beabsichtigten  Täuschung  oder  Fälschung  beschuldigt, 
sondern  im  Anschluß  au  die  allgemein  zugestandene  Tatsache,  daß 
die  Widukindsche  Erzählung  aus  Sagen  und  epischen  Liedern  ge- 
schöpft ist,  darauf  hingewiesen,  daß  auch  die  Nachricht  von  der 
Überlassung  Thüringens  durch  Hugdietrich  auf  dichterischer  Legende 
beruht.  —  Wer  Legende  für  Geschichte  hält,  ist  doch  darum  noch 
lange  nicht  bewußter  Täuscher  oder  Fälscher! 

Der  Wahrheit  nicht  entsprechend  ist  auch  die  zur  Verstärkung 
des  eben  besprochenen  Vorwurfes  vorgebrachte  Behauptung,  daß  die 
genannten  drei  sächsischen  Quellen  voneinander  unabhängig  seien  und 


296  Wider  alte  iind  neue  Legenden, 

keiner  auf  den  anderen  eingewirkt  habe  (S.  471).  —  Auch  Größler 
hätte  wissen  können,  daß,  wenn  drei  Schriftsteller  ihre  Nachricht  aus 
derselben  Quelle,  d.  h.  hier  aus  einer  im  Sachsenvolke  immer  reich- 
licher ausgestatteten  Volkssage  geschöpft  haben,  sie  im  Urteil  der 
historischen  Kritik  nicht  als  drei  selbständige,  voneinander  unab- 
hängige Zeugen  gelten,  sondern  nur  als  drei  verschiedene  Relationen 
ein  und  derselben  Quelle.  —  Außerdem  hatte  ich  als  meine  durch 
Vergleichung  der  beiden  Texte  gewonnene  Überzeugung  ausgesprochen 
(S.  7,  9  Anm.  2,  45),  daß  Widukind  die  Schrift  Rudolfs  gekannt  und 
benutzt  hat;  und  längst  bekannt,  auch  von  mir  S.  40  und  59  her- 
vorgehoben ist  es,  daß  der  Bericht  in  den  Quedlinburger  Annaien 
auf  Grund  von  Widukinds  Darstellung  verfaßt  ist.  Wattenbach 
(Deutschlands  GeschichtsqueUen  im  Mittelalter,  1885)  sagt  S.  320: 
„Widukinds  Werk  kann  ihm  (dem  Verfasser  der  Quedlinburger 
Annalen)  nicht  unbekannt  gewesen  sein"  und  weiter:  „Auch  hier 
finden  wir  Stücke  aus  der  alten  Heldensage,  die  zum  Teil  mit 
Widukinds  Erzählung  übereinstimmen,  aber  sie  sind  hier  nur  ganz 
äußerlich  eingeschoben.  Es  fällt  darunter  .  .  .  eine  lange  Erzählung 
vom  Thüringerkriege,  welche  ganz  aus  dem  Charakter  des  übrigen 
Werkes  heraustritt.  Hiervon  hat  nun  L.  Hoffmann  nachgewiesen, 
daß  weder  Ekkehard  noch  der  sächsische  Annalist  und  Chronograph 
sie  in  ihrem  Exemplar  gelesen  haben,  daß  dagegen  der  Verfasser 
des  Chronicon  ducum  Brunsvicensium  sie  gekannt  hat  ...  sie  muß 
also  im  12.  Jahrhundert  vorhanden  gewesen  sein.  Aber  zum  ur- 
sprünglichen Werke  gehört  sie  nicht."  —  Also  eine  in  die  Quedhn- 
burger  Annalen  später  eingeschobene,  im  Anschluß  an  Widukinds 
Erzählung  verfaßte  Geschichte  bezeichnet  Herr  Größler  als  das  un- 
abhängige Zeugnis  des  Quedlinburger  Annalisten;  und  auf  solche 
falsche  Voraussetzungen  gründet  er  die  hochtrabenden  Behauptungen : 
„sie  müßten  sich  geradezu  verschworen  haben,  die  Nachwelt  zu 
täuschen !"  und  ähnliche  Phrasen. 

Was  bleibt  also  übrig  von  den  drei  „unabhängigen"  „sächsischen 
Zeugen",  von  denen  „keiner  auf  den  anderen  eingewirkt  hat"  (S.  471)? 
Eine  sagenhafte  Angabe,  die  zuerst  der  Fuldaer  Mönch  Rudolf  im 
Zusammenhang  mit  ganz  ungeschichtlichen  Vorstellungen  über  die 
Herkunft  der  Sachsen  in  seiner  Translatio  S.  Alexandri  (zwischen 
863  und  865)  vorgebracht  hat,  und  die  in  ähnUcher  Weise  von  Widu- 
kind imd  dessen  Ausschreiber  nacherzählt  ist. 

So  wertvoll  auch  die  annalistische  Zeitgeschichte  ist,  die  wir 
von  dem  nicht  unbedeutenden  Rudolf  in  den  Annalen  von  Fulda 
über  die  Zeit  von  839—863  erhalten  haben,  so  hatte  doch  auch  er 
über  die  Vorzeit  der  heidnischen  Sachsen  so  wenig  eigene  Nach- 
richten, daß  er  die  Beschreibung  ihrer  Sitten  und  ihrer  Religion  aus 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  297 

der  Germania  des  Tacitus  entnehmen  mußte  (vgl.  Waitz,  Forschun- 
gen, X,  S.  602). 

Wie  er  dazu  kommen  konnte,  den  sächsischen  Besitz  Nord- 
thüringens nicht  nur,  sondern  auch  Norddeutschlands  von  der  300 
Jahre  vor  seiner  Zeit  geschehenen  Unterwerfung  des  thüringischen 
Königreichs  durch  den  Frankenkönig  Theuderich  herzuleiten,  habe 
ich  in  meiner  Abhandlung  S.  23  und  30  erörtert:  Eine  Vorherrschaft 
über  die  Schwaben  und  Hassegauer,  also  über  Nordostthüringen  bis 
zur  Unstrut  hatten  die  Sachsen  im  8.  Jahrhundert  erreicht  (Saxoues 
qui  Nordosquavi  vocautur,  Ann.  Mett.  ad  748).  Der  Umfang  des 
sächsischen  Bistiuns  Halberstadt  war  durch  Karl  den  Großen  oder 
Ludwig  den  Frommen  (814)  bis  zur  Unstrut  reichend  festgesetzt. 
Diese  Ausdehnung  der  sächsischen  Sphäre  mußte  erklärt  werden  und 
forderte  zu  Vermutungen  auf.  —  Daß  es  sich  nur  um  ungeschicht- 
hche  V^ermutung  handelt,  lehrt  die  Erzählung  Rudolfs  selbst.  Denn 
nach  dieser  sind  die  Sachsen  erst  in  eben  der  Zeit  an  der  deutschen 
Nordküste  (Hadeln)  von  Britannien  aus  angekommen,  in  welcher  der 
Frankenkönig  Thiotrich  die  Thüringer  bekämpfte.  Durch  Beteihgung 
an  diesem  Kriege  sollen  die  Sachsen  mit  einem  Schlage  das  ganze 
Land  von  Hadeln  bis  zur  Unstrut  erlangt  haben.  —  Und  derartiges 
soll  „eine  zu  gleicher  Zeit  oder  gleich  nach  den  Ereignissen  ent- 
standene und  offenbar  treu  bewahrte  Überlieferung"  sein,  „welche 
von  Mitkämpfern,  Teilnehmern  und  Zuschauern  der  Ereignisse  her- 
rührt?"   (Vgl.  Größler,  S.  466.) 

In  allen  Zeiten,  wo  die  Forderung  unbedingter  Zuverlässigkeit 
noch  nicht  als  höchstes  Gesetz  dem  Gewissen  des  Geschichtschreibers 
eingeschärft  war,  haben  die  Chronikenschreiber  keinen  Anstoß  daran 
genommen,  den  Mangel  einer  sicheren  Überlieferung  durch  eine 
ihnen  richtig  scheinende  Vermutung  zu  ersetzen.  In  seinen  Schriften 
über  das  Leben  der  heiligen  Lioba  und  über  die  Wunder  der  bei 
seinen  Lebzeiten  nach  Fulda  gebrachten  Reliquien  hat  derselbe 
Rudolf  eine  solche  Fülle  von  Wundergeschichten  berichtet,  daß  jeder 
Leser  erkennen  kann,  wie  wenig  die  Forderung  strenger  Kritik  in 
die  Gewissen  auch  der  besseren  Erzähler  eingeschrieben  war.  Bei 
der  Naivetät,  mit  welcher  Geglaubtes  an  die  Stelle  des  Gesicherten 
gesetzt  wurde,  ist  es  deshalb  ganz  unzulässig,  von  Fälschung  zu 
reden,  wenn  ein  solcher  Erzähler  sich  mit  einer  Vermutung  beholfen 
hat,  wo  ihm  sichere  Nachrichten  fehlten.  Stammten  derartige  Vor- 
stellungen aber  aus  Liedern  der  Volkssänger  und  Geschichten- 
erzähler, so  wäre  der  Vorwurf  der  Fälschung  geradezu  lächerlich; 
daß  derart  Leute  über  die  Großtaten  und  Erfolge  der  Vorfahren 
Dinge  zu  rühmen  wissen,  für  die  sie  sich  auf  historische  Nachrichten 
oder  gar  Augenzeugenberichte  nicht  stützen  können,  ist  jedem  be- 


298  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

kannt,  der  von  Homer  oder  den  deutschen  Heldenliedern  etwas  ge- 
lesen hat. 

Ich  habe  in  meiner  Abhandlung  (S.  23  und  80)  darauf  hin- 
gewiesen, daß  mit  demselben  Dichterrechte,  wie  jene  sächsischen 
Epiker,  der  schwäbische  Verfasser  der  Origo  Suevorum  im  12.  Jahr- 
hundert die  Mitwirkung  bei  der  Zerstörung  Thüringens  und  die  Er- 
beutung des  Landes  bis  zur  Unstrut  den  Schwaben  zugeschrieben 
hat;  —  ob  er  darum  für  einen  Fälscher  erklärt  wird,  müssen  wir 
abwarten. 

Wer  solche  Erzählungen  für  genauen  historischen  Bericht  hält 
und  dadurch  in  Irrtum  gerät,  sollte  nicht  über  die  Fälschung  der 
Poeten  oder  über  die  ungläubigen  Kritiker,  sondern  über  die  eigene 
Urteilslosigkeit  klagen.  Wer  aber  den  Glauben  an  die  Zuverlässig- 
keit solcher  Erzählungen  festzuhalten  sucht,  auch  nachdem  ihre 
Ungeschichtlichkeit  erwiesen  ist,  der  hat  am  allerwenigsten  den 
Beruf,  über  die  Ergebnisse  sorgsamer  Quellenprüfung  anderer  sein 
Urteil  zu  verkünden. 

Bei  genauerer  Prüfung  geben  die  angebUch  übereinstimmenden 
Angaben  der  sog.  sächsischen  Quellen  über  die  Besitzung  thüringi- 
schen Landes  einen  merkwürdigen  Aufschluß  über  ihre  Entstehung 
und  ihren  W^ert.  —  Rudolf  sagt,  daß  die  Sachsen  wegen  der  ge- 
ringen Zahl  der  Übriggebliebenen  das  ihnen  zugewiesene  Land  nicht 
haben  besetzen  können  imd  darum  den  östlichen  Teil  an  Kolonisten 
übergeben  haben,  welche  ihr  Ackerlos  gegen  Tribut  bearbeiteten. 
Er  hat  hier  zweifellos  auf  die  Tatsache  Rücksicht  genommen,  daß 
in  Wirklichkeit  der  östliche  Teil  des  angeblich  den  Sachsen  zuge- 
fallenen Landes  nicht  von  Sachsen,  sondern  von  Schwaben,  Hoh- 
singen,  Frisen  eingenommen  war.  Uns  ist  aber  aus  guten  Quellen 
bekannt,  daß  es  nicht  die  Sachsen  gewesen  sind,  welche  jene 
Schwaben  und  andere  Völkerschaften  in  jenen  östlichen  Gegenden 
des  nördlichen  Thüringens  augesiedelt  haben,  sondern  die  Franken- 
könige Chlothar  I.  und  Sigibert  (Greg.  Tur.  V,  15;  Paul.  Diac.  II,  6). 
Man  sieht,  daß  auch  dieser  Versuch  Rudolfs,  die  Sachsenlegende 
mit  den  Tatsachen  in  Einklang  zu  setzen,  lediglich  der  Vermutung 
oder  dichterischer  Kombination  entsprungen  ist. 

Eine  ähnliche,  aber  nicht  übereinstimmende  Auskunft  schließt 
Widukind  seiner  epischen  Erzählung  an.  Nach  ihm  „nahmen  die 
Sachsen  Besitz  von  dem  Lande  (Thüringen)  und  lebten  im  tiefsten 
Frieden  als  Freunde  und  Bundesgenossen  der  Franken".  Eine  Be- 
schränkung des  Besitzes  bis  zur  Unstrut  ist  hier  überhaupt  nicht 
mehr  erwähnt.  Dagegen  fühlt  auch  seine  Erzählung  das  Bedürfnis, 
sich  mit  der  Tatsache  abzufinden,  daß  ein  großer  Teil  des  angeblich 
eroberten  Gebietes   von  Schwaben    und   anderen   Völkern    bewohnt 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  299 

war.  Hier  lautet  die  Auskunft,  die  Sachsen  hätten  einen  Teil  ihrer 
Ländereien  mit  ihren  Freunden,  die  ihnen  zu  Hilfe  gekommen  waren, 
und  mit  freigelassenen  Kxiechten  geteilt.  Auch  das  ist  eine  Ver- 
legenheitsauskunft. In  der  vorhergehenden  Erzählung  von  der  sieg- 
reichen Eroberung  Scheidungens  kommen  solche  hilfreiche  Freunde 
nicht  vor,  die  Sachsen  haben  vielmehr  allein  gekämpft  und  allein 
gesiegt.  Die  geschichtliche  Tatsache,  daß  Schwaben  und  die  anderen 
Völkerschaften  durch  die  Frank enkönige  eingesetzt  sind  und 
nicht  durch  die  Sachsen,  daß  sie  vielmehr  gegen  die  rückkehrenden 
Sachsen  ihr  Besitztum  erfolgreich  verteidigt  haben,  läßt  auch  diese 
Auskunft  als  das  erkennen,  was  sie  ist. 

Die  dritte  sächsische  Quelle,  nämlich  die  in  den  Quedlinburger 
Annalen  nachträglich  eingeschobene  Erzählung,  fühlt  schon  kein 
Bedürfnis  mehr,  die  Anwesenheit  nichtsächsischer  Einwohner  im 
angeblich  eroberten  Lande  zu  erwähnen;  sie  sagt:  Theodorich  über- 
gab den  siegreichen  Sachsen  das  ganze  Thüringerland,  mit  Ausnahme 
des  Landes  zwischen  Louvia  und  Harz,  zu  ewigem  zinsfreien  Besitz. 

So  viel  über  die  „übereinstimmende"  Überlieferung  der  drei  an- 
geblich „voneinander  unabhängigen"  sächsischen  Zeugen. 

Ehe  ich  diesen  Teil  über  die  Quellen  verlasse,  seien  noch  kurz 
einige  Urteile  Größlers  über  Quellen  hier  erwähnt,  die  nicht  un- 
widersprochen bleiben  dürfen :  Meine  aus  Fredegars  Chronik  (III,  68) 
entnommene  Nachricht,  daß  die  20  000  Sachsen  aus  den  Gegenden 
des  späteren  Schwaben-  und  Hassegaues  nicht  568  freiwillig  nach 
Italien  ausgewandert  sind,  sondern  auf  Befehl  des  Königs  Theudebert, 
also  schon  vor  548  (Saxones,  quos  Theudebertus  in  Aetalia  miserat), 
nennt  Herr  Größler  eine  haltlose  Vermutung  von  mir  (S.  475).  Von 
dem  Werte  der  von  mir  zitierten  Quelle,  die  um  642  geschrieben  ist, 
weiß  er  also  nichts.  Dagegen  behauptet  er  frischweg,  daß  der  um 
785  schreibende  Langobarde  Paulus  Diaconus  gerade  in  Italien  über 
den  früheren  Besitz  der  Sachsen  in  Nordthüringen  die  genaueste 
Kunde  habe  erlangen  können,  weil  jene  Sachsen  sich  mehrere  Jahre 
bei  den  Langobarden  aufgehalten  haben  (NB.  200  Jahre  vor  Paulus 
Diaconus).  Herr  Größler  hätte  durch  Nachschlagen  und  Nach- 
lesen ersehen  können,  daß  Paulus  Diaconus  alle  Nachrichten  über 
diese  Sachsen  aus  Gregor  von  Tours,  zum  Teil  wörtlich,  entnommen 
hat,  wie  ich  S.  18  geschrieben  habe,  bis  auf  die  eine  von  der  Ver- 
anlassung zu  ihrem  Auszuge  nach  Italien.  Warum  ich  die  von 
Paulus  gemachte  Angabe  über  den  Auszug  im  Jahre  568  für  falsch 
halte  gegenüber  der  älteren  Nachricht  Fredegars,  ist  leicht  einzu- 
sehen, nämlich  weil  das  leer  gewordene  Gebiet  —  auch  nach  Paulus 
Diaconus  —  durch  die  Frankenkönige  Chlothar  I.  und  Sigibert  neu 
besiedelt  worden  ist,  Chlothar   aber  schon   561  gestorben   ist  (vgl. 


300  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

S.  19    meiner  Abhandlung).    Und   nun   lese   man,    welche   konfuse 
Begründung  meines  Urteils  mir  Herr  Größler  auf  S.  474  zuschreibt ! 

Wir  kommen  zu  dem  zweiten  Teile,  zu  den  politischen,  geo- 
graphischen und  sonstigen  sachlichen  Gründen,  die  nach  meiner  An- 
sicht das  aus  den  Quellen  gewonnene  Urteil  bestätigen.  Herr  Größler, 
der  sich  auch  hier  an  meine  Fersen  heftet,  beginnt  seine  wohlfeilen 
Angriffe  mit  der  Bemerkung,  daß  dieser  zweite  Teil  überflüssig  wäre, 
wenn  der  erste  beweiskräftig  wäre.  Keinem  anderen  wird  es  un- 
bekannt sein,  daß  ein  Beweis  an  Überzeugungskraft  gewinnt,  wenn 
die  zu  erhärtende  Tatsache  auf  verschiedenen  Wegen  bewiesen  wird: 
„Doppelt  reißt  nicht"  sagt  der  Volksverstand.  Es  wäre  übrigens 
recht  wünschenswert,  wenn  das  Gefühl  für  das  Überflüssige  dem 
Herrn  bei  seineu  eigenen  Veröffentlichungen  zu  Gebote  stände, 
manche  unnütze,  breitgetretene  und  grundlose  Auseinandersetzung 
wäre  dann  erspart  worden.  —  Wenn  ihm  meine  ferneren  Betrach- 
tungen ,, nicht  die  geringste  Klarheit  über  die  vorliegende  Frage  ge- 
bracht haben",  so  ist  das  sicherlich  nicht  meine  Schuld;  viele  andere 
Männer  von  mehr  Verständnis  für  logische  Folgerungen  haben  meine 
Beweise  für  schlagend  und  die  Frage  für  endgültig  erledigt  gehalten. 

Charakteristisch  für  die  Art  des  Größlerschen  Angriffes  ist  die 
Wendung,  „ich  hätte  dem  Leser  nicht  erspart",  die  Entwickelung 
der  thüringisch-sorbischen  Mark  usw.,  ja  sogar  die  Ausbreitung  des 
Sachsennamens  bis  zum  Jahre  1423  in  allen  ihren  Phasen  zu  zeigen, 
die  er,  Herr  Größler,  schon  seit  Jahrzehnten  in  der  Schule  gelehrt 
habe  (S,  476).  —  Meine  immerhin  ganz  kurze  Aussprache  hierüber 
(S.  35)  war  nötig  geworden  lediglich  durch  die  seltsame,  aber  mit 
großer  Emphase  vorgetragene  Behauptung  Größlers :  „Kann  etwa  die 
Tatsache  umgestoßen  werden,  daß  seit  dem  Sturze  des  thüringischen 
Königreichs  durch  die  Franken  das  ganze  Nordthüringer  Land 
Sachsenboden  geworden  und  seitdem  geblieben  ist,  jene  Tatsache,  die 
den  Anstoß  dazu  gab,  daß  der  Sachsenuame  erst  auf  die  heutige 
Provinz  Sachsen  (so!),  dann  auf  das  Kurfürstentum  und  Königreich 
und  die  thüringischen  Herzogtümer  sich  verbreitet  hat?  Das  Vor- 
dringen des  Sachsennamens  zunächst  bis  an  die  Unstrut,  die  Helme 
und  den  Sachsgraben  wäre  ganz  unbegreiflich,  wenn  die  Sachsen 
keine  entscheidende  Rolle  in  dem  thüringischen  Trauerspiel  gespielt 
und  die  Frankenkönige  nicht  zur  Anerkennung  ihrer  Ansprüche  ge- 
nötigt hätten"  (diese  Zeitschr.,  Bd.  XIX,  S.  18—19). 

Dieser  rhetorische  Rückschluß  aus  der  späteren  Ausbreitung 
des  Sachsennamens  auf  die  einstige  Beteiligung  der  Sachsen  an 
Thüringens  Zerstörung  war  im  Jahre  1899  die  Hauptstütze  für  die 
Meinung  gewesen,  daß  dem  legendarischen  Bericht  der  späten 
sächsischen    Quellen    geschichtliche    Wahrheit    innewohne.    —   Ich 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  301 

habe  diesen  großartigen  Schluß  für  einen  Trugschluß  erklärt  und 
auf  die  bekannten  Tatsachen  hingewiesen,  durch  welche  die  Aus- 
breitung des  Sachsennamens  in  Wahrheit  sich  zugetragen  hat,  und 
zwar  auf  ganz  andere  Weise,  als  durch  vermeinthche  Eroberungen 
im  6.  Jahrhundert.  Anlaß  und  Zweck  dieser  meiner  Ausführung  ist 
deutlich  auf  S.  34  und  35  meiner  Abhandlung  ausgesprochen,  Herr 
Größler  kannte  sie  —  und  nun  beschwert  er  sich  darüber,  daß  ich 
den  Lesern  die  wahren  Angaben  über  die  Ausbreitung  des  Sachsen- 
namens nicht  erspart  habe !  Jetzt  besinnt  er  sich  darauf,  daß  er  diese 
Angaben  seit  Jahrzehnten  in  der  Schule  gelehrt  habe !  —  Was  kann 
ich  dafür,  daß  er  in  seinem  Aufsatz  über  den  Sturz  des  thüringischen 
Königreichs  von  dieser  Kenntnis  keinen  Gebrauch  gemacht,  daß  er 
den  Lesern  dieser  Zeitschrift  etwas  ganz  anderes  gelehrt  hat  als 
seinen  Schülern  ?  —  Mit  dem  Trugschluß  sank  freilich  der  Boden 
zusammen,  auf  dem  Herr  Größler  sein  Gebäude  bis  ins  einzelnste 
ausgeführt  hatte.  Leider  fand  er  den  Mut  nicht,  die  Konsequenzen 
daraus  zu  ziehen. 

Die  geographischen  Gründe,  die  gegen  einen  Zug  des  fränki- 
schen Heeres  gegen  Thüringen  über  Weser  und  Hannover  deutlich 
sprechen,  haben  für  den  keine  zwingende  Kraft,  der  sie  durchaus 
bekämpfen  will  und  muß,  um  nur  ja  recht  zu  behalten.  Nur  die 
dagegen  vorgebrachten  Schiefheiten  und  falschen  Behauptungen 
seien  berichtigt:  —  Weil  Karl  der  Große  es  endlich  wagte,  gegen  die 
Sachsen  über  die  Weser  nach  Ührum  an  der  Oker  vorzugehen,  so 
soll  dies  ,,auf  das  stärkste  dafür  sprechen"  (S.  479),  daß  244  Jahre 
früher  der  Merowinger  Theuderich  den  Marsch  nach  Thüringen 
über  Weser  und  Hannover  gemacht  habe  !  1  —  Ob  es  Leute  gibt,  die 
das  glauben? 

Unbekümmert  um  die  Richtigkeit  wird  weiter  fortgefahren,  ich 
hätte  „ohne  den  geringsten  quellenmäßigen  Anhalt  behauptet,  auf 
der  sog.  Kinzigstraße,  der  kürzesten  und  ältesten"  Verbindung  von 
Mainz  nach  Thüringen,  ,, müsse  der  Anmarsch  der  Franken  im  Jahre 
531  erfolgt  sein",  das  sei  Phantasiegemälde;  „nur  einen  einzigen 
Fall  vermag  er  übrigens  anzuführen,  daß  ein  fränkischer  Heerzug 
gegen  die  nordthüringischen  Sachsen  durch  Thüringen  gegangen  ist, 
das  ist  der  Zug  Pippins  im  Jahre  747"  (S.  479).  —  Man  sieht  auch 
hier,  wie  oberflächlich  Herr  Größler  liest,  wie  schnell  er  vergißt. 
Gänzlich  vergessen  hat  er  meinen  Hinweis  (S.  42)  auf  das  wichtige 
Beispiel  vom  Jahre  641,  wo  König  Sigibert  seinen  Heereszug  gegen 
den  aufständigen  Statthalter  Thüringens,  Herzog  Radulf,  durch 
die  Buchonia  machte  nach  dem  durchaus  glaubhatten  Bericht  des 
gleichzeitigen  Gewährsmannes  Fredegar  (c.  87).  Durch  die  Buchonia 
führt  aber  gerade  die  Kinzigstraße.  —  Totgeschwiegen  ist  ferner  mein 


302  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

Hinweis  auf  König  Dagobert,  der  632  nach  Thüringen  ziehen  wollte, 
um  es  gegen  die  Wenden  zu  schützen,  und  der  zu  diesem  Zwecke 
mit  den  Austrasiern  nach  Mainz  zog  (S.  43,  Anm.  1).  —  Die  Straße 
(platea),  auf  der  die  Kaufleute  in  Merowingerzeit  von  Thüringen 
nach  Mainz  und  umgekehrt  zogen,  wird,  wie  ich  S.  41  zeige,  im 
Leben  des  heiligen  Sturm  für  das  Jahr  736  uns  deutlich  bezeichnet, 
sie  führte  oberhalb  von  Hersfeld  durch  die  Fulda,  das  kann  nur  die 
Kinzigstraße  sein. 

Herr  Größler,  der  von  allen  diesen  Dingen  bisher  keine  Ahnung 
gehabt  hat,  behauptet  frisch  drauf  los:  ich  hätte  „ohne  den  ge- 
ringsten quellenmäßigen  Anhalt"  und  in  Phantasie  diese  Straße  als 
die  im  Jahre  531  naturgemäß  zu  benutzende  bezeichnet.  Er  tut  so, 
als  hätte  ich  nur  von  dem  Wege  der  fränkischen  Mission  nach 
Thüringen  (über  Fulda  und  Hersfeld)  und  von  dem  Heereszuge 
Pippins  747  gesprochen,  obwohl  auch  diese  viel  mehr  beweisen,  als 
Herr  Größler  glauben  machen  will. 

Dagegen  hegt  für  die  Benutzung  des  Umweges  über  Weser 
imd  Hannover  durch  ein  fränkisches  Heer  aus  merowingischer  Zeit 
kein  einziges  Zeugnis  vor;  auch  die  gegen  die  Sachsen  energisch 
Krieg  führenden  Pippiniden  haben  die  Weser  nie  überschritten,  auch 
Karlmann  nicht,  der  doch  die  Hoohseoburg  in  Nordostthüringen  743 
und  zum  zweiten  Male  744  einnahm  (Ann.  Lauriss.  M.  G.  SS.  I, 
p.  134).  —  Die  Nennung  des  Namens  Runibergun  durch  Widukind  im 
Jahre  968  muß  für  den  hypnotisierten  Anhänger  dieser  Vorstellung 
jeden  Beweis  ersetzen,  jede  Analogie  und  Wahrscheinlichkeit  umstoßen. 

Und  auf  wie  schwachen  Füßen  steht  diese  Nennung  und  die 
aus  ihr  gezogenen  Folgerungen !  —  Nachdem  es  zweifellos  nach- 
gewiesen ist,  daß  die  in  den  Quedlinburger  Annalen  enthaltene  Er- 
zählung vom  Thüringer  Kriege  ein  späteres  Einschiebsel  ist,  aus 
Widukinds  Erzählung  geschöpft,  so  bleibt  die  aus  epischen  Liedern 
entnommene  und  mit  gelehrten  Zutaten  vermehrte  Erzählung  Widu- 
kinds die  einzige  Quelle  für  diesen  Namen.  Der  ältere  Erzähler  der 
sächsischen  Tradition,  Rudolf  von  Fulda,  hat  ihn  noch  nicht  ^).  Auch 
in  Widukinds  Hauptquelle,  dem  Heldenliede,  ist  der  Name  nicht 
genannt  gewesen  (oder  wenn  er  genannt  war,  so  ist  dort  auf  keinen 

1)  Daß  ich  mich  auf  diesen  berufe,  trifft  zwar  bei  Größler  auf 
gänzliches  Unverständnis :  ich  dürfe  das  nicht,  meint  er,  weil  ich  die 
sächsischen  späten  Nachrichten  überhaupt  für  legendenhaft  halte. 
Es  ist  aber  doch  wohl  leicht  einzusehen,  daß  ich  mich  auf  Rudolf 
nur  deshalb  berufe,  um  zu  zeigen,  daß  vor  Widukind  auch  in  der 
sächsischen  Tradition  Name  und  Schlacht  von  Runibergun  noch 
nicht  genannt  war.  Das  Gleiche  läßt  sich  aus  der  Origo  Suevorum 
erschließen. 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  303 

Fall  der  Ort  bei  Hannover,  sondern  ein  Ort  in  Thüringen  gemeint 
gewesen);  das  zeige  ich  auf  S.  39,  und  ausführlich  Pelka  (Zeitschr., 
Bd.  XXIV,  S.  402—403).  Größler  schweigt  darüber;  Runibergun 
bei  Hannover  gehört  ihm  trotz  alledem  zur  sichersten  Überlieferung, 
so  überzeugend  auch  schon  von  früheren  Autoren  und  zuletzt  von 
Pelka  erwiesen  worden  ist,  daß  dieser  Ort  mit  dem  sonstigen  Texte 
Widukinds  unvereinbar  ist.  Wenn  ich  den  Namen  für  alt  über- 
liefert halten  müßte,  würde  ich  anstatt  an  das  hannoversche  Eonne- 
berg viel  eher  an  die  thüringische,  in  altem  Straßendefilee  gelegene 
Ruhnsburg  bei  Amt  Lohra  denken,  eine  einstige  Wallburg,  von  der 
die  Sage  geht,  daß  sie  durch  Bonifatius  zerstört  worden  sei. 

Um  nun  die  Anmarschlinie  über  Weser  und  Hannover  auch 
anderen  annehmbar  zu  machen,  nachdem  er  sie  nun  einmal  früher, 
ohne  an  Schwierigkeiten  zu  denken,  angenommen  hat,  versucht 
Größler  eine  Eeihe  aus  der  Phantasie  geschöpfter  Vorstellungen  den 
Lesern  als  historische  Tatsachen  einzureden:  das  Königreich  Thü- 
ringen soll  nördlich  des  Harzes  sogar  bis  in  die  Gegend  von  Han- 
nover sich  ausgedehnt  haben,  eine  Ansicht,  die  durch  kein  histo- 
risches Zeugnis  gestützt,  durch  die  Dialektforschung  widerlegt  wird, 
welche  in  den  nordharzischen  Gegenden  die  Dialekte  der  Warnen 
und  der  Angeln  erkennt. 

Ferner:  der  König  des  Ostfrankenreichs  in  Metz  und  Eheims 
soll  den  König  von  Thüringen,  der  seinen  Stützpunkt  an  der  Un- 
strut  hatte,  an  der  vermeintlichen  Nordgrenze  des  thüringischen  Ge- 
bietes, bei  Hannover  angegriffen  haben,  wo  er  von  dem  Kern  der 
thüringischen  Macht  noch  fast  ebenso  weit  entfernt  war  wie  an  dem 
fränkischen  Ausfalltor  nach  Thüringen,  in  Mainz. 

Es  wird  nun  des  längeren  ausgeführt,  daß  die  Hilfstruppen 
Theuderichs,  nämlich  die  Eipuarier,  die  Neustrier  —  auch  die  Be- 
wohner der  Auvergne  Averden  genannt  —  bequemer  und  kürzer 
hätten  den  Niederrhein  erreichen  können  als  Mainz,  was  für 
Neustrien  (Paris  und  Soissons)  durchaus  nicht  zutrifft,  von  der 
Auvergne  gar  nicht  zu  reden.  Für  Eipuarien  war  allerdings  Köln 
die  Hauptstadt;  aber  auch  von  Köln  führt  der  Weg  ins  Herz 
Thüringens,  nicht  über  Hannover  —  ein  solcher  Marsch  wäre  vielmehr 
ein  spitzer  Winkel  —  sondern  über  Cassel,  wo  die  alte  Holländische 
Straße  noch  bekannt  genug  ist.  —  Herr  Größler  übersieht  außer- 
dem gänzlich,  daß  zur  Zeit  Theuderichs  der  König  der  Ostfranken 
noch  nicht  in  der  Lage  war,  seine  zum  Heerdienst  verpflichteten 
Franken  hierhin  oder  dorthin  zu  kommandieren,  wie  etwa  heute  der 
höchste  Kriegsherr  über  seine  Heere  und  Heerführer  disponiert. 
Die  ursprünglich  freien  Franken  hatten  auch  damals  noch  ein  die 
Souveränität  des  Königs  beschränkendes  Mitbestimmungsrecht,  das 


304  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

sie  auf  der  großen  Heerversammlung  auf  dem  Märzfelde  ausübten  ^). 
In  Austrasien,  wo  diese  Einrichtung  am  längsten  bestanden  hat, 
fand  die  Versammlung  in  Metz  statt  (z.  ß.  575,  Hist.  Franc,  epit. 
M.  G.  SS  reg.  Merov.  II,  p.  284).  Auch  531  hat  Theuderich, 
wie  aus  Gregors  Darstellung  (III,  7)  deutlich  hervorgeht,  erst 
die  Franken  versammelt  und  sie  durch  eine  Ansprache  und  durch 
krasse  Schilderung  thüringischer  Freveltaten  für  den  Feldzug  ge- 
neigt gemacht  (Convocatis  igitur  Francis,  dicit  ad  eos).  Vorher 
konnte  er  über  den  Heerbann  nicht  disponieren.  Von  der  Beratung 
ist  man  sofort  zum  Feldzuge  aufgebrochen  (Quod  illi  audientes  et 
de  tanto  scelere  indignantes,  uno  animo  eademque  sententia[m] 
Thoringiam  petierunt).  Das  Märzfeld  der  Austrasier  kann  aber  nur 
in  Austrasien  stattgefunden  haben ;  von  dort  aus,  von  der  Haupt- 
statt Metz  aus,  setzte  sich  der  Heerbann  in  Bewegung. 

Ob  Theuderichs  zur  Hilfeleistung  bewogener  Bruder  Chlothar, 
König  von  Neustrien,  und  ob  Theuderichs  Sohn  Theudebert  eben- 
falls den  Heerbann  aufgeboten  haben,  oder  ob  sie  nur  mit  ihren 
Gefolgsleuten  oder  scarae  teilgenommen,  wissen  wir  nicht-). 

Über  die  Marschrichtung  wird  im  Liber  historiae  Francorum 
0.  22  gesagt:  jene  drei  Herrscher  hätten  mit  dem  Heere  der  Franken 
den  Rhein  überschritten  und  die  Richtung  nach  Thüringen  ge- 
nommen gegen  Ermenfred  (Renum  transeuntes  in  Toringam  dirigunt). 
Genaueres  darüber,  wo  bei  einem  Feldzuge  gegen  Thüringen  der 
Rhein  überschritten  wurde,  erfahren  wir  bei  Gelegenheit  der  Feld- 
züge Dagoberts  und  Sigiberts  aus  Fredegars  Chronik.  Dagobert  ist 
632  mit  den  Austrasiern  von  Metz  durch  die  Ardennen  nach  Mainz 
marschiert,  um  dort  den  Rhein  zu  überschreiten  und  nach  Thüringen 
zu  gelangen  (Fredeg.,  IV,  74;  cum  exercito  de  regnum  Austra- 
siorum  de  Mettis  urbem  promovens,  transita  Ardinna,  Magancia  cum 
exercito  adgreditur,  disponens  Renum  transire).  Als  9  Jahre  später 
König  Sigibert  den  von  Dagobert  eingesetzten  Statthalter  Thüringens, 
Herzog  Radulf,  unterwerfen  wollte,  entbot  er  alle  seine  austrasischen 
Männer,  zog  mit  ihnen  über  den  Rhein,  hier  scharten  sich  die 
Völkerschaften  aus  allen  überrheinischen  Gauen  seines  Reiches  um 
ihn  (Fredeg.,  IV,  87).  Auch  diesmal  ist  der  Rhein  bei  Mainz 
überschritten ,    wie  deutlich  aus  dem  folgendem   Satze  hervorgeht : 

1)  Sohm,  Die  fränkische  Reichs-  und  Gerichtsverfassung,  1871, 
S.  38  ff.  —  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte,  Bd.  II,  S.  146  ff. 
und  521  ff. 

2)  Im  Jahre  632  hatte  König  Dagobert,  als  er  mit  dem  Heere 
der  Austrasier  nach  Thüringen  ziehen  wollte,  aus  Neustrien  und 
Burgund  nur  die  scara  auserlesener  tapferer  Männer  bei  sich,  Fred., 
IV,  74. 


Wider  alte  \uid  neue  Legenden.  305 

„Wie  Sigibert  mit  seinem  Heere  in  Eile  durch  die  Buchonia  nach 
Thüringen  zog" ;  denn  die  Straße  nach  Thüringen  durch  die  Buchonia 
(Rhön  und  Vogelsgebirge)  war  die  von  Mainz  ausgehende,  die  auch 
der  Heiüge  Sturm  an  der  Stelle  ihres  Überganges  durch  die  Fulda 
im  Jahre  736  berührte  (pervenit  ad  viam,  quae  a  Turingorum  regione 
mercandi  causa  ad  Magontiam  pergentes  ducit;  ubi  platea  illa  super 
flumen  Fuldam  vadit,  ...  ibi  magnam  Sclavorum  multitudinem 
reperit,  Eigil,  Vita  Sturmi,  c.  22).  Wir  ersehen  also  aus  gut  be- 
glaubigten historischen  Nachrichten  deutlich,  wo  in  merowingischer 
Zeit  die  Frankenheere,  die  nach  Thüringen  zogen,  den  Rhein  über- 
schritten und  wo  sie  ihre  rechtsrheinischen  Truppen  an  sich  zogen, 
nämlich  bei  Mainz.  Ich  meine,  daß  derartige  geschichtliche  Bei- 
spiele einen  ganz  anderen  Wert  für  uns  haben,  als  die  ungeschicht- 
lichen und  ungeographischen  Vorstellungen  des  Herrn  Größler. 

Herr  Größler  versichert  uns  S.  482,  daß  er  an  seiner  bisherigen 
Auffassung  festhält.  —  Wem  liegt  daran? 

Über  den  anderen  schwerwiegenden  Grund,  der  einen  Marsch 
des  Frankenheeres  über  Hannover  unmöglich  machte,  geht  Herr 
Größler  fast  mit  noch  größerer  Leichtfertigkeit  hinweg.  Daß  ich 
den  geschichtlichen  Beweis  über  die  damalige  Ausdehnung  des 
Sachsenlandes  bis  zur  Lippe  geführt  habe,  kann  er  nicht  bestreiten, 
wiU  es  aber  auch  nicht  eingestehen;  durch  einige  gequälte  Witze 
wird  der  Sache  ein  zweifelhafter  Schein  gegeben,  und  das  vollwichtige 
Zeugnis  des  Geographen  von  Ravenna,  der  aus  den  ersten  Jahr- 
zehnten des  6.  Jahrhunderts  die  Nachricht  hat,  daß  die  Lippe  ein 
sächsischer  Fluß  ist,  wird  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  aus  den 
Händen  gespielt  mit  Phrasen,  die  der  Wahrheitserforschimg  sicher- 
Uch  nicht  dienen  (S.  483). 

Trotz  Herrn  Größlers  Anzweifelung  steht  es  fest,  daß  ein 
fränkischer  Marsch  im  Jahre  531  vom  Rhein  nach  Hannover  größten- 
teils durch  sächsisches  Gebiet  geführt  haben  würde;  während  doch, 
wie  der  Ravennatische  Geograph  von  seinem  Gewährsmann  aus  dem 
Anfang  des  6.  Jahrhunderts  weiß,  Rheinfranken  an  Thüringen  an- 
grenzte, so  daß  dies  „sozusagen  vor  dem  Angesichte  Rhein frankens" 
lag^).  —  Der  Frankenkönig  Theuderich  hatte  es  in  seinem  Kriege 
gegen  den  Thüringerkönig  mit  einem  Feinde  zu  tun,  der  ihm  ge- 
wachsen war,  er  hatte  darum  seinen  Bruder  Chlothar  durch  Ver- 
sprechung von  Beuteanteil  zur  Hilfeleistung  bewogen ;  und  nun  wird 
ihm  zugemutet,  daß  er  anstatt  da  vorzugehen,  wo  das  Frankenreich 

1)  Geogr.  Rav.,  IV,  25.  Iterum  desuper  ipsam  quomodo  ut 
dicamus  ad  faciem  patriae  Francorum  Rinensium  (in  welchem  nach 
IV,  24  die  Flüsse  Lahn,  Nidda,  Tauber,  Main,  Roer,  Inde,  Erft 
fließen)  est  patria  quae  dicitur  Turringia. 

XXVII.  20 


306  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

an  Thüringen  grenzte,  ganz  unnützerweise,  nur  um  auf  die  Nord- 
seite von  Thüringen  zu  gelangen,  einen  weiten  Umweg  durch  das 
Gebiet  der  Sachsen  mit  Weserübergang  gemacht  haben  soll,  der 
ihm  doch  die  Feindschaft  imd  den  Widerstand  der  Sachsen  hätte 
eintragen  müssen  und  seine  Rückzugs-  und  Verbindungslinie  den 
größten  Gefahren  aussetzte! 

Dieser  zwingenden  Folgerung  sucht  zwar  Herr  Größler  zu  ent- 
schlüpfen durch  die  wohlfeile  Einrede  (S.  480),  daß  die  Sachsen 
vor  Niederwerfung  des  thüringischen  Königs  „keine  bedeutende 
Bolle  gespielt  haben  können" ;  und  doch  geht  das  heiße  Bemühen 
desselben  Herrn  dahin ,  sich  und  seinen  gläubigen  Lesern  die 
Meinung  beizubringen,  daß  der  Frankenkönig  nur  durch  die  Hilfe 
von  9000  Sachsen  den  thüringischen  König  habe  niederwerfen 
können!  —  Aber  auch  abgesehen  von  dieser  späten  Legende  wissen 
wir  ja  aus  zuverlässigen  historischen  Nachrichten ,  wie  gefährlich 
die  Sachsen  schon  im  4  Jahrhundert  gegen  das  römische  Galhen 
auftraten  (Zosimus  III,  6—9;  Ammianus  XXX,  7);  und  ferner, 
daß  in  den  Jahren  555,  556  und  557,  also  nur  24  Jahre  nach  jenem 
angeblichen  Frankenzuge  durch  Sachsen,  die  Sachsen  dem  König 
Chlothar,  dem  mächtigen  Herrn  des  Frankenreiches,  mit  solcher 
kriegerischen  Kraft  entgegengetreten  sind,  daß  sie  ihm  eine  schwere 
Niederlage  beibrachten  und  nur  in  jahrelangen  mühevollen  Kriegen 
bezwungen  werden  konnten^). 

Wer  nun,  wie  ich,  den  Anmarsch  des  fränkischen  Heeres  über 
Ronneberg  bei  Hannover  für  unmöglich  hält,  der  wird  sich  auch 
die  Frage  vorlegen,  wo  die  natürliche  Anmarschlinie  lag  und  wo 
der  fränkische  Angriff  auf  Thüringen  vermutlich  stattgefunden  hat. 
Ich  sage  auf  S.  49:  ,,am  meisten  Wahrscheinlichkeit  wird  die  Ört- 
lichkeit  für  sich  haben,  wo  auch  in  späterer  Zeit  thüringisch-sächsische 
Heere  die  von  Frankfurt  kommenden  fränkischen  erwartet  haben, 
nämlich  1075  bei  Behringen,  nordöstlich  von  Eisenach,  1080  bei 
Flarchheim,  12  km  nördlicher."  Größler  macht  daraus  folgendes: 
„Wo  aber"  ?  Höfer  antwortet  (S.  49) :  „Höchstwahrscheinlich  bei 
Behringen  oder  bei  Flarchheim."  —  Warum  gerade  dort?  —  Antwort: 
„Weil  da  anno  1075  und  1080  auch  einmal  Schlachten  stattgefunden 
haben."  —  Dieser  Herr  verwandelt  also  meine  Aussage  ins  Thörichte 
und  führt  sein  Machwerk  mit  Anführungsstrichen  an,  als  wären 
es  meine  Worte!!    Es  genügt,  dies  Beispiel  niedriger  zu  hängen. 


Mit  dem  Rest  der  Größlerschen  Äußerungen  will  ich  so  kurz 
wie  möglich  verfahren.  Meine  Darlegung  über  die  Entwickelung 
der  deutschen  Burgen  ist  ihm  zu  lang  oder  zu  lehrhaft,    obwohl  er 

1)  Greg.  Tur.  IV,  10,  14,  16;  Mar.  Avent.  chron.  a.  555  u.  556. 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  3Q7 

dokumentiert,  dajß  er  von  den  wichtigen  Ergebnissen  der  Burgen- 
forschung in  den  letzten  10 — 15  Jahren,  an  denen  ich  in  mannig- 
facher Weise  teilgenommen  habe,  keine  Kenntnis  hat.  Für  den 
Nachweis,  daß  Scheidungen  im  6.  Jahrhundert  als  gemauerte  Burg 
noch  nicht  existiert  haben  kann,  war  die  Darlegung  nötig  trotz  des 
Mißbehagens  des  Herrn  Größler.  Sie  ist  und  bleibt  auch  richtig 
trotz  der  oberflächlichen  Einwendung,  als  hätte  ich  das  lateinische 
Wort  murus  über  die  Maßen  gepreßt.  Wenn  Herr  Größler  seinen 
Lesern  die  Meinung  beibringen  will,  daß  murus  auch  etwas  anderes 
bedeuten  könne,  als  die  nach  den  Eegeln  der  Maurertechnik  her- 
gestellte, richtig  gefügte  und  mit  Mörtel  gebundene  Mauer,  so  be- 
lehrt er  sie  falsch.  Die  Worte  Mauer,  althochdeutsch  möra,  und 
Maurer,  ahd.  mörari,  sind  mit  der  Maurertechnik  aus  der  römischen 
Baukunst  in  die  deutsche  übernommen,  zuerst  bei  den  Franken,  und 
durch  diese,  besonders  aber  durch  die  christUchen  Geistlichen  ist 
der  Mauerbau  langsam  in  das  innere  Deutschland  eingeführt.  Die 
deutschen  Geschichtschreiber  des  10.  und  späterer  Jahrhunderte  ver- 
stehen unter  murus  nur  jene  neu  aufgekommene,  nach  den  Vor- 
schriften der  Technik  geführte  Mörtelmauer,  sie  denken  gar  nicht 
daran,  einen  Steinzaun,  von  bäuerischer  Hand  geschichtet,  oder  einen 
heidnischen  Steinwall  als  murus  zu  bezeichnen;  für  derartige  bar- 
barische Befestigungen  gab  es  die  Bezeichnungen  maceria  oder 
maceries,  moles  lapidea,  strues,  vallum  lapideum,  sepes  ex  siccis 
lapidibus.  Unbestimmterer  Bedeutung  ist  das  Wort  moenia,  das, 
mit  munire  zusammenhängend,  im  allgemeinen  Schutzwehrbauten 
bezeichnet  und  sowohl  Mauern  als  auch  geringere  Schutzbauten 
umfaßt.  Mit  Bedacht  hat  deshalb  Widukind  dies  Wort  gewählt, 
wenn  er  sagt,  daß  es  außerhalb  der  von  Heinrich  I.  erbauten  Be- 
satzungsburgen keine  oder  nur  minderwertige  Schutzbauten  gegeben 
habe  (I,  35:  vilia  aut  nulla  extra  urbes  fuere  menia). 

Wer  sich  in  diese  Studien  nicht  vertiefen  will,  dem  steht  in 
Werken  wie  jenem  des  reich  belesenen  Moritz  Heyne  (Das  deutsche 
Wohnungswesen,  1899)  Belehrung  so  bequem  zur  Verfügung,  daß 
jedes  vage  Gerede  hierüber  ausgeschlossen  sein  sollte,  z.  B.  S.  135 : 
„Neben  dem  Turm  charakteristisch  ist  die  Einführung  der  Mauer 
(NB.  im  9.  Jahrhundert  langsam,  im  10.  Jahrhundert  rascher, 
S.  132).  Der  Name  selbst  zeigt,  daß  sie  ein  ganz  anderes  Werk  ist, 
als  die  Umfassung  von  Gärten  und  Weinbergen,  die  durch  Steine  im 
Trocken  verband  hergestellt  wird  und  die  man  treffend  steinzün  nannte; 
murus  dagegen  ist  das  Kunstwerk  fremder  Einführung,  mit  dem  sich 
von  vornherein   der  Begriff  der  wehrhaften  Festigkeit  verbindet." 

Eine  solche  durch  Mauer  wehrhafte  Burg  des  10.  Jahrhunderts 
hat  Widukind  im  Sinne,  wenn  er  von  dem  Bollwerk  einer  Burg 
spricht,    in    welches    Irminfried    sich    eingeschlossen    habe    (urbis 

20* 


308  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

circumdatur  claustro);  die  Thüringer  sind  daselbst  von  Mauern  ein- 
geschlossen (clausi  muris)  und  machen  einen  kühnen  Ausfall  aus 
den  Toren  (audacter  erumpunt  portis).  In  der  Nacht  steigen  die 
Sachsen  über  die  Mauern  (irruunt  super  muros),  die  sie  ohne 
Wachen  finden  und  dringen  in  die  Burg  (ingressi  sunt  urbem  cum 
clamore  valido) ;  die  Thüringer  suchten  teils  ihr  Heil  in  der  Flucht, 
teils  irrten  sie  wie  Trunkene  längs  der  Straßen  und  Mauern  der 
Burg  (per  plateas  et  muros  urbis). 

Ich  sollte  meinen,  daß  Widukind  die  Mauern  der  Burg  deuthch 
genug  hervorgehoben  hat  und  daß  es  nur  an  der  Oberflächlichkeit  des 
Lesens  liegt,  wenn  jemand  diese  Beschaffenheit  der  geschilderten  Burg 
nicht  bemerkt.  —  Diese  Beschaffenheit  ergibt  sich  aber  auch  aus 
dem  erzählten  Vorgang.  Die  Burg  soll  so  fest  gewesen  sein,  daß 
das  fränkische  Heer  untätig  davor  lag,  ohne  daran  zu  denken,  sie 
zu  erstürmen;  während  die  Franken  doch  durch  ihre  römische 
Schulung  vom  Bau  und  von  der  Eroberung  der  Burgen  sehr  viel  mehr 
verstanden  als  die  Stämme  des  inneren  und  nördlichen  Germaniens. 
Burgen  von  solcher  Wehrhaftigkeit  und  Verteidigungsfähigkeit  sind 
erst  durch  den  Mauerbau  geschaffen ;  und  es  ist  doch  wohl  schon 
den  Schülern  bekannt,  daß  die  ungarischen  Raubscharen  im  Anfang 
des  10.  Jahrhunderts  deshalb  so  ausgedehnte  Plünderungszüge  in 
Thüringen  und  Sachsen  ungehemmt  ausführen  konnten,  weil  es  dort 
widerstandskräftige  Burgen  nicht  gab,  und  daß  aus  diesem  Grunde 
König  Heinrich  I.  den  neun-jährigen  Waffenstillstand  dazu  benutzte, 
um  alte  Burgen,  wie  Merseburg  oder  auch  neue  mit  einer  Mauer 
zu  versehen  (Thielm.  Chron.  I,  10.  Ex  miraculis  S.  Wigberthi).  Eine 
Burg,  in  welcher  ein  geschlagenes  Heer  dem  siegreichen  Feinde 
trotzen  konnte,  mußte  mit  Mauern  umgeben  sein,  deshalb  mußte 
sich  Widukind  die  thüringische  Feste,  die  dem  Frankenheere  Wider- 
stand leistete,  ummauert  denken ;  anders  war  die  RoUe  gar  nicht 
möglich,  die  er  ihr  im  thüringisch-fränkischen  Kriege  zuschrieb. 

Auch  das  oppidum,  der  bewohnte  Ort  am  Fuße  der  Burg,  der 
zuerst  genommen  und  verbrannt  wird,  zeigt  uns,  daß  Widukind 
eine  Burg  des  10.  Jahrhunderts  im  Sinne  hat,  an  deren  Fuße  sich 
das  suburbium,  die  Vorburg  (faubourg),  die  Vorstufe  der  späteren 
Stadt  entwickelt.  Im  suburbium  von  Merseburg  siedelte  Heinrich  I. 
die  Legion  der  Mesaburier  an  (Wid.  II,  3);  im  suburbium  der 
Burg  Nordhausen  erbaute  Mathilde  die  Kirche  und  die  Wohnungen 
der  Stifts]  ungfrauen. 

Wer  die  Unmöglichkeit  einer  solchen  Burg,  die  noch  dazu 
ca.  9000  Streiter  aufgenommen  haben  soU,  im  6.  Jahrhundert  in 
Thüringen  kennt,  und  wer  aus  zahlreichen  Angaben  der  Annalen 
weiß,  wie  wenig  Widerstand  germanische  Volksburgen  (firmitates) 
fränkischen  Heeren  entgegengesetzt  haben,  der  handelt  gewiß  nicht 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  309 

willkürlich,  wenn  er  diese  rhetorisch  und  dichterisch  ausgeschmückte 
Erzählung  von  der  Belagerung  Scheidungens,  die  nur  ein  später, 
aus  Liedern  der  Volkssänger  schöpfender  Gewährsmann  im  Gegen- 
satz zu  besseren  Quellen  überliefert  hat,  in  das  Eeich  der  Dichtung 
verweist. 

Zu  welchen  Strohhalmstützen  derjenige  greifen  muß,  der  den 
quellenkritischen  wie  den  archäologischen  Gründen  zum  Trotz  an 
seiner  einmal  gefaßten  Lieblingsmeinung  festhalten  will,  das  zeigen 
die  letzten  Gegengründe  Größlers.  Amalberga,  die  Schwester  des 
Gotheu  Theodahad  und  Nichte  Theoderichs,  durch  diesen  an  den 
Thüringerkönig  Irminfrid  verheiratet,  „kann  in  ihrem  Gefolge  Leute, 
die  des  römischen  Mauerbaues  kundig  waren,  aus  Italien  mitgebracht, 
oder  von  dort  bezogen  haben"  (S.  464).  Ein  solches  Gefolge  von 
italischen  Maurern  existiert  nur  in  der  Phantasie  des  Herrn 
Größler.  Von  der  exakten  Methode  der  prähistorischen  Forschung, 
die  derartigen  unbewiesenen  Vermutungen  und  Phantastereien  mit 
der  strengen  Forderung  des  Beweises  durch  Funde  ein  Ende  ge- 
macht hat,  hat  er  leider  keine  Ahnung;  sonst  würde  er  wenigstens 
versuchen ,  Spuren  seiner  italischen  Maurer  nachzuweisen.  Frei- 
lich hätten  bekannte  kulturgeschichtUche  Beobachtungen  derartige 
vage  Behauptungen  von  vornherein  ausschließen  sollen:  Wenn 
einzelne  Männer  oder  Frauen  derartige  Umgestaltungen  des  Kultur- 
zustandes und  der  Technik  eines  Landes  hätten  bewirken  können, 
dann  hätten  die  vielen  Germanen,  die  im  römischen  Heere  gedient 
haben,  einen  solchen  Fortschritt  in  ihrer  Heimat  viel  eher  herbei- 
führen können  als  eine  landfremde  Prinzessin;  aber  das  ist  nicht 
geschehen,  selbst  jene  suevischen  und  alamannischen  Germanen,  die 
am  Rhein  und  jenseit  des  Stromes  römische  Villen  und  Städte  in 
Besitz  genommen  und  bewohnt  hatten,  bauten  ihre  Häuser  wieder 
in  väterlicher  Weise,  wenn  die  römischen  Steinhäuser  verfielen. 

Es  bleibt  gegenüber  solchen  Einfällen,  wie  dem  Mauerbau  der 
Amalberga,  bei  der  geschichtlichen  Tatsache,  daß  erst  die  Franken 
durch  längeres  Wohnen  in  Gebieten  mit  provinzialrömischer  Kultur 
sich  allmählich  mit  den  Vorteilen  der  befestigten  Orte  vertraut  ge- 
macht und  den  Wert  römischer  Befestigungsweise  anerkannt  haben, 
und  daß  erst  durch  die  Franken  derartige  Bauten  in  das  östlichere 
Germanien,  frühestens  durch  Karl  den  Großen,  gebracht  worden 
sind,  ursprünglich  als  Grenzbefestigungen.  Und  zwar  haben  anfangs 
auch  diese  Schutzbauten  im  inneren  Deutschland  „kaum  aus  Stein, 
vielmehr  aus  Erde  und  Holz  bestanden"  (M.  Heyne,  Deutsches 
Wohnungswesen,  S.  131 — 133);  das  von  Schuchhardt  untersuchte 
Kastell  Karls  des  Großen  bei  Höhbeck  an  der  Elbe  (808)  war  aus 
Holz,  Flechtwerk  und  Lehm  aufgeführt  (Atlas  vorgeschichtlicher 
Befestigungen,  VI,  No.  46);  und  Merseburg,  schon  im  9.  Jahrhundert 


310  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

Grenzburg  gegen  die  Slaven,  erhielt  erst  durch  Heinrich  I.  die  Mauer 
(Thietm.,  I,  10). 

Gegenüber  der  ausgemachten  Tatsache  von  der  späten  Ein- 
führung des  Mauerbaues  in  Deutschland  macht  Herr  Größler  S.  468 
noch  den  unglücklichen  Versuch,  sich  auf  die  Steinwälle  des  Kleinen 
Gleichberges ,  einer  vorgeschichtlichen  Burg  der  La  Tfene-Zeit,  zu 
berufen,  er  hätte  ebenso  gut  auf  andere  keltische  Festen  mit  ge- 
schichteten Steinwällen,  z.  B.  die  Milsenburg  in  Hessen,  die  Burg- 
stätte von  Stradonice  in  Böhmen,  sich  berufen  können,  die  von  der 
eigentümlichen  Steinbefestigungskunst  der  Kelten  Zeugnis  geben; 
aber  diese  zyklopischen  Bauten  des  älteren  Kulturvolkes  zeigen  eben 
einen  starken  Gegensatz  zur  Kultur  und  Lebensweise  der  Germanen, 
die  solche  Festen  nicht  gebaut  und  bewohnt  haben;  sie  sind  auch 
etwas  ganz  anderes,  als  die  auf  römischer  Technik  beruhenden 
Mörtelmauern  (muri),  von  deren  Einführung  im  9.  und  10.  Jahr- 
hundert hier  die  Rede  war.  Das  Zusammenwerfen  jener  keltischen 
Steinwälle  mit  den  von  den  Franken  eingeführten  Mörtelmauern 
beruht  auf  Konfusion  und  kann  die  Leser  nur  verwirren. 

Auf  Konfusion  oder  Willkür  beruht  es  auch,  wenn  8  Skelette, 
ohne  Beigaben  in  nächster  Nähe  der  Wüstung  Seigerstadt  gefunden, 
verwendet  werden,  um  etwas  für  Scheidunger  Kämpfe  des  6.  Jahr- 
hunderts zu  beweisen  (S.  486),  während  es  doch  am  nächsten  liegt, 
die  Stelle  als  Begräbnisplatz  der  einstigen  Ansiedelung  zu  betrachten. 
Eine  von  einem  Knecht  gefundene  und  (von  wem?)  für  fränkisch 
gehaltene  Axt  (S.  486)  soll  gleichfalls  etwas  beweisen!  —  Daß  man 
sich  unter  Umständen  einen  beweisenden  Franken  zurecht  machen 
kann,  zeigt  die  Besprechung  eines  Fundes  bei  Oberschmon  durch 
Größler  in  den  Mansfelder  Blättern,  XIX,  1905,  S.  201 :  Gefunden 
ist  ein  kegelförmiger,  in  eine  Stangenspitze  auslaufender  Schildbuckel 
und  ein  Langschwert.  Nach  Kossinnas  zuverlässiger  Chronologie 
gehört  diese  Art  Schildbuckel  dem  3.,  höchstens  noch  dem  4.  Jahr- 
hundert an.  Nach  Lindenschmit  ist  ein  derartiger,  in  der  Picardie 
gefundener  Buckel  mit  römischem  Stempel  versehen  (Handbuch, 
1880).  Trotzdem  wird  der  Fund  unter  Zitierung  von  Kossinna  und 
Lindenschmit  einem  „vornehmen  fränkischen  Krieger"  zugewiesen 
und  unter  dieser  Voraussetzung  „als  beachtenswerte  Bestätigung" 
bezeichnet  für  die  Annahme,  „daß  die  gegen  Burgscheidungen 
heranziehenden  Franken  über  Eisleben  und  Querfurt  gekommen 
sind"(!).  Jener  Krieger  von  Oberschmon  lag  aber  schon  200  Jahre 
im  Grabe,  ehe  die  Franken  in  Thüringen  einrückten. 

Was  hat  es  nun  wohl  für  Wert,  wenn  ein  solcher  Beurteiler 
S.  487  behauptet,  die  merowingischen  Funde  in  Weimar  seien  von 
mir  „bedeutend  überschätzt",  weil  ich  sage,  kein  anderer  Ort  in 
Thüringen   habe  ein   so  gut  begründetes  Anrecht,   für  den  Sitz  der 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  311 

thüringischen  Könige  gehalten  zu  werden,  wie  Weimar,  wo  wahrhaft 
königlich  ausgestattete  Gräber  aus  dem  5.  und  6.  Jahrhundert  zu- 
tage gekommen  sind  und  darin  jener  silberne  Löffel,  der  die  In- 
schrift Basenae  trägt.  —  Basina  ist  als  Mitglied  der  thüringischen 
Königsfamilie  bekannt ;  nach  Gregors  und  Fredegars  Erzählung  hieß 
so  die  Gemahhn  des  Königs  Bisinus,  die  nachher  des  Frankenkönigs 
Childerich  Frau  und  Chlodwigs  Mutter  wurde.  Der  Name  ist  außer- 
dem durch  die  bei  Venantius  Fortunatus  genannte  Namensform 
Bassinus  für  den  Vater  Irminfrids,  den  Großvater  der  Eadegunde, 
als  zur  thüringischen  Königsfamilie  gehörig  bestätigt  (vgl.  Waitz, 
Das  alte  Recht  der  sahschen  Franken,  S.  49).  Durch  die  erwähnten 
Funde  ist  also  der  Zusammenhang  jener  Fundstättte  nüt  dem 
thüringischen  Königshause  in  einer  Weise  angedeutet,  wie  sie  bei 
germanischen  Altertumsforschungen  höchst  selten  vorkommt,  denn 
auf  ein  schriftliches  Zeugnis  ist  für  jene  Frühzeit  sonst  kaum  zu 
rechnen.  —  Größler  dagegen  verlangt  „Funde  von  größerer  Beweis- 
kraft" (Ö.  487);  und  welchen  Fund  stellt  er  diesen  weimarischen  ent- 
gegen ,  um  Burgscheidungen  als  thüringischen  Königssitz  zu  er- 
weisen? Gräber,  die  1727  in  einem  „unterirdischen  Gewölbe"  auf- 
gedeckt sind,  in  denen  kostbare  Waffen  und  andere  Wertstücke 
aufgefunden,  von  denen  ein  kleines  Stückchen  eines  brokatartigen, 
„mit  echten  Perlen  und  Türkisen  in  Weintrauben  form  besetzten  Ge- 
wandes" erhalten  ist.  —  Und  welchen  Beweis  bringt  er  dafür,  daß 
diese  Gräber  aus  der  Zeit  der  thüringischen  Könige  stammen  ? 
„Sofort  nach  dem  Funde  verbreitete  sich  das  Gerücht,  der 
thüringische  Königsmantel,  der  größeren  Wert  habe  als  ganz  Burg- 
scheidungen, sei  gefunden" ;  und  auf  dem  Zettel,  in  den  das  Ge- 
wandstückchen eingeschlagen  ist,  steht  von  gleichzeitiger  Hand  ge- 
schrieben: „Ein  Stückchen  Zeug  von  einem  Gewand,  welches  man 
im  Jahre  1727  beim  Schloßbau  zu  Burgscheidungen  in  einem  ge- 
mauerten Grabe  gefunden ,  welches  man  für  das  Grab  eines 
thüringischen  Königs  gehalten  hat."  Das  Gewand,  so  heißt  es  bei 
Größler  weiter,  „setzt  in  der  Tat  einen  Besitzer  von  königlicher 
Machtstellung  voraus" ;  „eine  hervorragende  Stellung  Burg- 
scheidungens  wird  durch  diesen  Fund  unzweifelhaft  verbürgt; 
jedenfalls  sind  die  Weimarer  Funde  an  Kostbarkeit  mit  ihm 
nicht  zu  vergleichen" (I!).  Das  ist  Altertumskunde!  —  Und  der 
Mann,  der  solches  schreibt,  vriU  mich  kritisieren !  —  Einen  Versuch, 
das  Alter  jenes  perlenbestickten  Gewandstückchens  zu  bestimmen, 
wagt  er  nicht;  eine  neue  Legende,  nämUch  das  Gerücht,  das  sich 
1727  in  der  Gegend  von  Burgscheidungen  verbreitet  hat,  muß  den 
Beweis  ersetzen ;  und  wer  hat  wohl  dort  eine  Ahnung  davon  gehabt, 
wie  ein  Grab  des  6.  Jahrhunderts  aussieht,  und  wie  der  Mantel 
eines  thüringischen  Königs  beschaffen  gewesen  ist!    Schließlich  wird 


312  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

die  Kostbarkeit  betont,  durch  welche  die  Burgscheidunger  Perlen- 
stickerei die  weimarischen  Funde  echt  merowingischen  Schmuckes 
übertreffen  soll.  Es  gibt  gewiß  noch  viele  Kostbarkeiten  des  Mittel- 
alters und  der  Neuzeit,  die  reicher  sind  als  die  Reste  merowingischen 
Schmuckes;  aber  dadurch  wird  doch  ihre  Herkunft  von  den 
thüringischen  Königen  des  5.  und  6.  Jahrhunderts   nicht  bewiesen. 

Wie  Gräber,  auch  solche  der  Vornehmen,  aus  den  Zeiten 
Bisinos  und  Irminfrids  aussehen,  ist  uns  nicht  nur  durch  die  zahl- 
losen Reihengräber  Westdeutschlands,  sondern  auch  durch  die  von 
Weimar  gezeigt.  Auch  das  berühmte  Grab  König  Childerichs  und 
seiner  Gemahlin  mit  reichen  Schätzen  an  Schmuck  und  Geld  auf 
dem  Friedhofe  der  Kirche  zu  St.  Brixius  in  Doornik  (Belgien)  war 
ein  Er d grab.  Jenes  in  Scheidungen  aufgefundene  dagegen  war 
„ein  Gewölbe",  ein  „gemauertes  Grab"  und  zeigt  schon  dadurch, 
daß  es  nicht  älter  sein  kann,  als  der  Bau  der  steinernen  Kirchen 
im  Inneren  Deutschlands.  —  Und  die  Perlenstickerei?  Ist  der- 
gleichen schon  einmal  in  einem  fränkischen,  alamannischen  oder 
gotischen  Grabe  zutage  gekommen  ?  Wer  sich  mit  den  Trachten 
der  germanischen  Völker,  der  Italiener  und  der  Byzantiner  zur  Zeit 
Justinians  bekannt  gemacht  hat,  der  weiß,  daß  nicht  das  ganze  Ge- 
wand, sei  es  Mantel,  sei  es  Rock,  sondern  nur  die  Borte,  der  Um- 
fassungsstreifen mit  Stickerei,  Goldblechen,  Steinen  verziert  gewesen 
ist.  Dabei  konnte  der  Stoff,  wenn  er  besonders  reich  war,  mit 
Gold-  und  Silberfäden  durchwebt  sein,  ein  Luxus,  der  in  Italien 
schon  seit  Anfang  der  Kaiserzeit  bekannt  war  (attalische  Gewänder). 
Aus  solchem  Stoff  ist  das  Prunkgewand  Justinians  auf  dem  Bilde 
in  St.  Vitale  zu  Ravenna  (f)47)  und  der  Schultermantel  der  Kaiserin 
Theodora  ebendaselbst.  Auch  die  Gewebreste  im  Grabe  Childerichs 
(481)  waren  mit  Gold  durchwirkt.  Karl  der  Große  trug  bei  fest- 
üchen  Gelegenheiten  einen  mit  Gold  durchwirkten  Rock.  Aus  solchem 
Stoff  könnte  ein  thüringischer  Königsmantel  gewesen  sein,  wenn  er 
besonders  prunkvoll  und  byzantinischer  Herkunft  war.  Perlen  er- 
scheinen auf  byzantinischen  Prunkgewändern  dieser  Zeit  nicht 
(Arkadius,  Justinian,  Theodora),  sondern  werden  nur  am  Diadem 
und  an  den  davon  herabhängenden  Schnüren,  als  Halskette,  am 
Haarnetz  und  auf  den  Purpurschuhen  einzeln  aufgenäht  getragen. 

Die  germanische  Kleidung  begnügte  sich,  ähnlich  wie  die 
ältere  römische,  mit  farbigen  Säumen,  die  bei  Karl  dem  Großen  von 
Seide  waren,  bei  seinen  Nachfolgern  (Lothar,  Karl  dem  Kahlen)  mit 
weitläufig  angeordneten  Edelsteinen  besetzt,  die  in  Gold  gefaßt  waren, 
so  auch  noch  im  prunkhaften  Ritterzeitalter  (Barbarossa,  Nibelungen- 
lied). Kriemhilde  verwendet  bei  Anfertigung  von  24  königlichen 
Prunkgewändern  zwar  viele  Edelsteine,  aber  keine  Perlen.  Erst  spät, 
z.  B.  am  Prunkmantel  der  Kaiserin  Leonora,  Gemahlin  Friedrichs  III., 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  313 

auf  ihrem  Grabmal  von  1467  erscheinen  breite,  dicht  mit  Perlen 
und  dazwischen  mit  einigen  Steinen  besetzte  Bordüren,  Demnach 
hat  Götzinger  gewiß  im  ganzen  recht,  wenn  er  im  Reallexikon  der 
deutschen  Altertümer  schreibt:  „Perlen  werden  als  besonders  kost- 
barer Schmuck  neben  Edelsteinen  wohl  schon  früh  im  Mittelalter 
erwähnt,  dagegen  als  Halsbänder  und  gewöhnlicher  Hut-,  Hauben-, 
Kragen-,  Ärmel-  und  Handschuhbesatz  der  Damen  erst  eigentlich 
im  16.  Jahrhundert.  An  den  Höfen  hielt  man  zur  Anfertigung 
solcher  Arbeiten  eigene  Perlenhefter." 

Der  Zeugrest  aus  dem  Gewölbe  von  Burgscheidungen  ist  noch 
gut  erhalten,  ebenso  die  Fäden,  mit  denen  Perlen  und  Steine  auf- 
geheftet sind,  es  ist  deshalb  wahrscheinlich,  daß  der  P\md  einem 
Sarge  entnommen  worden  ist.  Der  Pfarrer  Dr.  Schmidt  nennt  in 
seiner  urkundlichen  Geschichte  Burgscheidungens  (S.  146)  diesen 
, .Fetzen  eines  dicken  seidenen  Gewandes  mit  echten  Perlen  und 
Türkisen  in  Weintraubenform  bestickt"  —  „ein  an  die  Zeit  der  alten 
thüringischen  Könige  erinnerndes,  vielleicht  aber  auch  aus  späterer, 
etwa  der  Zeit  des  Besitzes  der  Edeln  Herrn  v.  Querfurt  stammendes 
Stück".  Er  macht  damit  der  lokalpatriotischen  Vermutung  von 
1727  zwar  auch  seine  Reverenz,  aber  er  salviert  doch  sein  Gewissen. 
Da  der  Besitz  der  Querfurter  Edelherren  bis  1496  gedauert  hat,  so 
kann  der  perlenbesetzte  Mantel  in  der  Tat  von  einem  Mitgliede 
dieses  Hauses  herstammen').  —  Den  Versuch,  einen  mittelalterlichen 
Grabfund  als  thüringischen  Königsmantel  zu  produzieren  und  darauf 
einen  historischen  Beweis  zu  gründen,  wollen  wir  hiermit  [abgetan 
sein  lassen. 

Ein  Beweis,  daß  die  Scidingeburg  älter  sei  als  die  übrigen  im 


1)  Übrigens  berichtet  A.  Ad.  Bergner  1828,  daß  die  in  Burg- 
scheidungen 1700  aufgefundene  ,, Heidenleiche"  eine  weibliche  ge- 
wesen sei  und  daß  die  kleinen  Perlen,  mit  denen  ihr  seidenes  Kleid 
,, groteskenartig"  besetzt  war,  an  Größe  einem  Schrotkorn,  welches 
man  Vogeldunst  nennt,  kaum  gleichkommen  (Kruse,  Deutsche  Alter- 
tümer, II,  H.  5—6,  S.  99—100).  —  Der  bekannte  Kulturhistoriker 
Gust.  Klemm  sagt  1836  über  dasselbe  Seidenzeug,  von  dem  er 
ein  Stückchen  in  seiner  Sammlung  hatte,  daß  es  ,,mit  kleinen  Perlen 
und  grünen  Schmelzkügelchen  besetzt"  war  (Handbuch  der  ger- 
manischen Altertumskunde,  Dresden  1836,  S.  58).  Die  Kostbarkeit 
dieser  kleinen  Perlen  und  Schmelzkügelchen  ist  schwerlich  so  groß, 
wie  Herr  Größler  annimmt;  ob  die  Echtheit  der  Perlen  xmd  Türkise 
(Schmelzkügelchen?)  schon  jemals  durch  chemische  oder  mikro- 
skopische Untersuchung  festgestellt  ist,  wird  nicht  einmal  erwähnt. 
Ein  so  besticktes  Seidengewand  geht  nicht  über  die  Kleiderpracht, 
hinaus,  die  im  Mittelalter  bei  festlichem  Anlaß  üblich  war. 


314  Wider  alte  und  neue  Legenden, 

Hersfelder  Zehntverzeichnis  genannten  fränkischen  Schutzburgen  des 
Hassegaues  und  Frisenfeldes,  wird  durch  ein  falsch  gedeutetes  Grab- 
gewölbe nicht  gewonnen.  Dagegen  enthält  gerade  jenes  Schriftstück, 
das  erheblich  älter  ist  als  die  Nennung  Scheidungens  durch  Widu- 
kind,  den  Beweis  für  die  Entstehung  der  Burg  im  9.  Jahrhundert. 
Das  Zehntverzeichnis  besteht  aus  4  Abschnitten ,  von  denen  der 
erste  und  umfangreichste  alle  zehntpflichtigen  Orte  im  Gau  Frisen- 
fcld  (einschließlich  des  Hassegaues)  aufzählt,  d.  h.  nach  der  Schenkung 
Karls  des  Großen  vom  Jahre  777  alle  Orte  dieses  Gaues,  soweit  sie 
christliche  Einwohner  hatten.  Der  zweite  Teil  stellt  ausschließlich 
die  Burgen  desselben  Bezirks,  nämlich  18  an  Zahl,  ebenfalls  als 
zehntpüichtig  zusammen.  —  Nach  der  sprachwissenschaftlichen  Unter- 
suchung Schröders  ist  der  erste  Abschnitt  [zwischen  830  und  850 
verfaßt;  der  zweite  im  letzten  Drittel  des  9.  Jahrhunderts  (Mit- 
teilungen des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung, 
Bd.  XVIII,  S.  1 — 13).  Der  erste  Abschnitt  gibt  nur  2  Orten  den 
Zusatz  civitas,  nämlich  Merseburg  und  Gosek,  außerdem  werden 
noch  5  Orte  durch  ihre  Namen  als  Burgen  bezeichnet  (Niunburc, 
Seoburc,  Gerburgoburc,  Fizenburc,  Cucunburc);  die  übrigen  11  Orte, 
welche  im  zweiten  Verzeichnis  zusammen  mit  den  hier  genannten 
7  Orten  als  urbes  aufgeführt  und  mit  der  Endung  bürg  zusammen- 
gesetzt sind,  erscheinen  im  ersten  Register  noch  ohne  die  Endung 
burc,  auch  ohne  den  Zusatz  civitas,  als  einfache  unbefestigte  Orte; 
es  sind  dies  Bornstedt,  Helfta,  Allstedt,  Schraplau,  Lettin,  Querfurt, 
Holleben,  Scheidungen,  Mücheln,  Werben  (der  elfte  Burgort  Sueme- 
burg  ist  unsicher).  Aus  der  Vergleichung  dieser  beiden  Aufzählungen 
ergibt  sich,  daß  bei  Herstellung  des  ersten  Verzeichnisses  die  letzt- 
gcMiannten  10  oder  11  Orte  noch  nicht  mit  Burgen  versehen  waren 
und  daß  das  zweite  Verzeichnis  erst  nach  Erbauung  dieser  letzteren 
Burgen  zur  Ergänzung  des  ersten  Verzeichnisses  verfaßt  worden  ist. 
Die  Erbauung  dieser  letzteren  Burgen,  auch  der  Seidingeburg,  muß 
also  nach  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  stattgefunden  haben.  —  Der 
frühchristlichen  Zeit  gehören  auch  die  ältesten  Gräber  Burgschei- 
dungens  an,  nämlich  Einzelgräber,  die  der  Körperform  entsprechend 
in  den  Sandsteinfelsen  eingehauen  waren,  nordöstlich  der  hoch- 
gelegenen Kirche.  (Vgl.  Jahresschrift  für  die  Vorgeschichte  der 
sächs.-thür.  Länder,  Bd.  I,  1902,  S.  170—171.) 

Zum  Schluß  müssen  wir  uns  noch  kurz  mit  der  neuesten  Stütze 
beschäftigen,  die  Herr  Größler  seinem  wankenden  Gebäude  angefügt 
hat.  In  seinem  ersten  Angriff  auf  Pelka  (Zeitschr.,  Bd.  XXII,  1904) 
trug  er  zur  Rettung  seiner  Ron neberg- Hypothese  den  Einfall  vor, 
daß  Erdfälle  in  der  Feldmark  von  Empelde,  also  Naturprodukte, 
durch   unterirdische   Auswaschung    mineralogischer   Schichten    ent- 


Wider  alte  und  neue  Legenden.  315 

standen,  die  Reste  der  durch  Irrainfrids  Kriegslist  angelegten  ver- 
deckten Gräben  sein  könnten,  der  Bach  Fosse  vielleicht  mit  jenen 
von  Gregor  erwähnten  fossae  in  Beziehung  stehe,  und  daß  die 
7  Trappen  und  die  7  oder  8  Kreuzsteine  in  der  Gegend  von  Benthe 
an  der  Chausse  von  Hannover  [^nach  Neundorf  von  dem  blutigen 
Zusammenstoß  der  Franken  und  Thüringer  im  Jahre  531  herrührten. 
Dazu  kam  noch  eine  herzhafte  Sageudeutung  und  mehrere  eben- 
solche Namendeutungen.  —  Pelka  hat  in  seiner  „Abwehr"  (Zeitschr., 
Bd.  XXIV,  190(3)  zwar  die  Erdfälle  mit  guten  Gründen,  die  Sagen- 
deutung weniger  glücklich  abgelehnt ;  aber  die  Berufung  auf  Trappen 
und  Kreuzsteine  unerwähnt  gelassen. 

Das  scheint  Herrn  Größler  Mut  gemacht  zu  haben,  daß  er 
nunmehr  (Bd.  XXV,  H.  2,  1907,  S.  458)  frischweg  als  „Tatsache" 
behauptet,  daß  dort  auf  dem  voraussetzlichen  Schlachtfelde  von 
Runibergun  „eine  ganze  Reihe  von  Grabsteinen  aus  me- 
rowingischer  Zeit  sich  bis  auf  die  Neuzeit  erhalten 
hat".  „Schon  das  Vorhandensein  dieser  Steine  fällt  schwerer  ins 
Gewicht,  als  alle  Ausführungen  Pelkas."  —  Ich  würde  mich  nicht 
wundern,  wenn  Pelka  für  Leute,  die  derartiges  schreiben  oder  die 
sich  derartiges  bieten  lassen,  überhaupt  nichts  mehr  schreibt.  Auch 
von  mir  wird  man  ein  weiteres  schriftliches  Eingehen  auf  etwaige 
künftige  Behauptungen  dieses  Gewährsmannes  nicht  verlangen  dürfen. 

Beim  ersten  Vorbringen  dieser  Steine  von  Benthe  („Neues  über 
den  Sturz  des  thüringischen  Königreichs",  diese  Zeitschr.,  Bd.  XXII, 
S.  266)  zitiert  Herr  Größler  die  Zeitschrift  des  Historischen  Vereins 
für  Niedersachsen,  1862,  S.  171,  und  entnimmt  von  dort  die  be- 
treffenden Sagen ;  er  kannte  also  die  dort  gegebenen  Zeichnungen 
der  Kreuzsteine,  die  der  Oberlandbaumeister  Vogell  auf  Grund  von 
einer  „vor  30  Jahren"  angefertigten  sorgfältigen  Zeichnung  des 
Herrn  Drosten  von  Münchhausen  geliefert  hat,  und  aus  diesen 
Zeichnungen  entnahm  er  die  Belehrung  zuerst,  daß  die  Steine  mero- 
wingischen  glichen,  darauf,  daß  sie  aus  merowingischer  Zeit  stammten. 

Nun  zeigen  aber  die  beiden  ersten  Steine  auf  jenen  Zeichnungen 
unverkennbar  gotisch  stilisierte  Kreuze  (gotisch  im  Sprachgebrauche 
der  Architektur)  auf  kreisförmiger  Steinplatte  mit  Fuß.  No.  3  und  4 
zeigen  auf  rechteckiger,  oben  flach  gewölbter  Platte  das  Kreuz  in 
Form  des  Eisernen  Kreuzes,  wie  sie  bei  den  Mordkreuzen  des  Mittel- 
alters sehr  gebräuchlich  ist.  Die  übrigen  zeigen  das  Kreuz  mit 
langem  Unterschenkel,  und  zwar  ist  Stein  8,  der  dieselbe  Kreuzform 
aufweist,  in  spätgotischer  Form  gestaltet.  Mithof  sagt  deshalb  in 
seinem  Werke  „Kunstdenkmale  und  Altertümer  im  Hannoverschen", 
Bd.  I,  S.  36:  „Zwischen  Empelde  und  Emsloh  befinden  sich  die 
sogenannten  Sieben  Trappen;  es  sind  dies  sieben  mit  einem  Kreuz 
versehene,  teils  in  gotischen,  teils  in  späteren  Formen   angefertigte 


316  Wider  alte  und  neue  Legenden. 

Steine,  wie  sie  in  früheren  Zeiten  an  Stellen  aufgerichtet  zu  werden 
pflegten,  wo  ein  Mord  begangen,  oder  wo  jemand  verunglückt,  auch 
wohl  eines  jähen  Todes  gestorben  war." 

Das  Alter  derartiger  Steine  läßt  sich  nicht  nur  durch  den 
Kunststil  bestimmen,  sondern  auch  durch  ähnlich  geformte  Steine^ 
die  eine  Jahreszahl  tragen.  Mithof  erwähnt  (ebenda  S.  149)  einen 
ähnlichen  rechteckigen  Stein  bei  Neustadt  am  Rübenberge  unterhalb 
der  großen  Leinebröcke,  auf  beiden  Seiten  mit  einem  gotischen,  auf 
einem  Halbkreise  ruhenden  Kreuz,  und  an  der  vom  Flusse  abge- 
wandten Seite  neben  dem  Fuße  des  Kreuzes  mit  2  Schuhmacher- 
geräten versehen  und  am  oberen  Rande  mit  nachfolgender  Inschrift 
in  gotischer  Minuskel:  Anno  Dni  MCCCCLXIII  submersit  Hans 
Stoter.  Wenn  die  Inschrift  nicht  wäre,  hätte  der  Stein  ebensogut 
wie  die  von  Benthe  als  Denkmal  der  Schlacht  bei  Ronneberg  aus- 
gerufen werden  können.  —  Dem  Grafen  von  Wunstorf,  dessen  Vogt 
Staz  von  Bevelte  den  Stiftshauptmann  Reyners  erschlagen  hatte, 
wurde  1410  unter  anderem  die  Errichtung  eines  steinernen  Kreuzes 
zu  W^unstorf  auferlegt  (ebenda  S.  36).  —  Ein  zu  Linden  bei  Han- 
nover, jetzt  im  V.  Altenschen  Garten  wieder  aufgestellter  Stein  in 
Form  einer  ovalen  Platte  mit  aufgehauenem  Kreuz  in  Gestalt  de& 
Eisernen  Kreuzes  trug  die  noch  erkenntliche  Jahreszahl  1413  (Han- 
noversche Geschichtsblätter,  10.  Jahrg.,  1907,  S.  821).  —  Bei  Leveste 
befindet  sich  eine  rechteckige  Quaderplatte  mit  einem  kunstlos  darauf 
eingehauenen  Kreuze  an  der  Stelle,  wo  Herzog  Magnus  Torquatus 
1378  seinen  gewaltsamen  Tod  gefunden  hat  (Mithof,  Bd.  I,  S.  121). 

Die  sieben  Steine  von  Benthe  gehören  dem  14. — 16.  Jahrhundert 
an  und  bezeichnen  nach  dem  Aufsatz  des  Amtsrichters  Fiedeler 
diejenige  Stätte,  wo  das  Gericht  zu  Benthe,  ein  üntergericht  des 
Gehrdener  Gohgerichts,  gehalten  wurde,  z.  B.  im  15.  Jahrhundert 
(Zeitschr.  für  Niedersachsen,  1862,  S.  169).  Auch  die  lokale  Sage 
leitet  Steine  und  Gruben  von  dem  hier  gehaltenen  „Landgerichte" 
her,  vor  welchem  ein  Mann  durch  frechen  Meineid  die  Strafe 
Gottes  herausgefordert  haben  soll.  An  dem  Zusammenhange  der 
Gruben  und  Steine  mit  dem  einstigen  Gericht  zu  zweifeln,  liegt  nicht 
der  geringste  Grund  vor.  Herr  Größler  hat  aus  diesen  mittel- 
alterlichen Kreuzsteinen  Denksteine  für  dort  bestattete  vornehme 
fränkische  Krieger  aus  der  Schlacht  des  Jahres  581  gemacht  und 
ist  ungehalten  darüber,  daß  jemand  „ihre  Bedeutung  krittelnd  ab- 
zuschwächen versucht"  (S.  457  der  Zeitschr.,  Bd.  XXV).  —  „Neues 
über  den  Sturz  des  thüringischen  Königreichs"  nannte  er  1904 
(Zeitschr.,  Bd.  XXII)  diese  Stütze  seines  wankenden  Hypothesen- 
gebäudes. Die  Stütze  ist  von  demselben  Material  wie  das  Gebäude  i 
Neue  Legende,  erfunden  zur  Rettung  alter  Legenden. 


Frommannsche  Buchdruckerei  (Hermann  Po  hie)  in  Jena.  —  3432 


VIII. 

Die  Reichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen 

von  Thüringen  und  Pfalzgrafen  von  Sachsen 

(1190—1217). 

Von 

Dr.  E.  Kirmse,  Ronneburg  in  S.-A. 


Frühzeitig  schon  hat  Thüringen  in  dem  Gang  der  Reichs- 
geschichte eine  wichtige  Stellung  eingenommen.  Unter  den 
karolingischen  Herrschern  und  auch  noch  unter  den  Sachsen- 
kaisern des  10.  Jahrhunderts  bot  es  einen  zuverlässigen 
Stützpunkt  gegen  die  andringenden  Slaven.  Noch  höhere 
politische  Geltung  genoß  es  im  späteren  Mittelalter  infolge 
seiner  bevorzugten  Lage:  als  das  Mittelland  zwischen  den 
beiden  weifischen  Herzogtümern  war  sein  Besitz  für  das 
jeweilige  Reichsoberhaupt  von  der  äußersten  strategischen 
Wichtigkeit.  Diese  Bedeutung  wuchs  noch  dadurch,  daß 
gerade  in  der  Zeit  der  großen  Kämpfe  der  Weifen  mit 
den  Staufern  die  Träger  seiner  landgräflichen  Würde  dem 
staufischen  Herrscherhause  nahe  verwandt  wurden  durch 
die  Vermählung  Ludwigs  IL  mit  Jutta  Claricia  i),  der  Halb- 
schwester Barbarossas  2).     Noch  jetzt  denkt  der  Thüringer, 


1)  Dieser  Name  „Claricia",  der  nach  zeitgemäßer  Sitte  zweifellos 
nur  ein  zweiter  Vorname  der  Fürstentochter  ist,  findet  sich  Ottonis 
et  Eahevini  Gesta  Friderici  I.  imperatoris,  editio  altera  rec.  G.  Waitz, 
Hannoverae  1884  (öcriptores  in  usum  scholarum  [abgek.  Script,  in  us. 
schol.]),  über  I,  cap.  22, 

2)  Über  die  Verwandtschaft  des  Geschlechts  mit  den  Staufern 
8.  Arnoldi  Chronica  Slavorum  (abgek.  Arn.  Chron.  Slav.),  ed  G.  H. 
Pertz,  Hannoverae  1868  (Script,  in  us,  schol.),  über  VI,  5 ;  Burchardi 
et  Cuonradi  Urspergensium  chronicon  (abgek.  Chron,  Ursp.),  ed. 
O.  Abel   et  L.  Weiland,  Hann.   1874  (Script,  in  us.  schol.),  p.  77. 

XXVII.  21 


318    I^ie  Eeichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

der  den  politischen  Entwickelungsgang  seines  Heimatlandes 
einer  liebevollen  Betrachtung  unterzieht,  mit  leisem  Stolze 
dieser  glänzenden  Periode,  die  auch  der  Historiker  willig 
als  Blütezeit  thüringischer  Landesgeschichte  anerkennt. 

Dem  Bunde  Ludwigs  II,,  jenes  willensstarken  Fürsten, 
der  in  Sage  und  Greschichte  als  der  „eiserne"  Landgraf 
fortlebt,  mit  der  Staufin  Jutta  (Judith)  i)  entsprossen  4  Söhne 
—  Ludwig,  Friedrich,  Heinrich,  Hermann  2)  —  und  eine 
Tochter,  die  nach  ihrer  Mutter  Jutta  genannt  wurde.  Diese 
vermählt  sich  später  mit  dem  Grafen  Hermann  III.  von 
Eavensberg  (in  Westfalen)  und  verläßt  damit  den  Schau- 
platz der  thüringischen  Geschichte.  Von  den  Söhnen  aber 
werden  wir  uns  im  folgenden  hauptsächlich  mit  Hermann, 
dem  jüngsten,  beschäftigen,  auf  die  anderen  dabei  gelegent- 
lich zurückkommen. 

Wann  Hermann  geboren  ist,  läßt  sich  nicht  genau  fest- 
stellen; bekannt  ist  jedoch  die  Zeit  der  Vermählungsfeier 
seines  Vaters,  die  in  das  Jahr  11 50  3)  fällt.  Dies  und  das 
spätere  Auftreten    des  jüngsten  Sohnes    gibt  uns  wohl  das 


1)  So  nennt  Hermann  seine  Mutter.  S.  O.  Dobenecker  II,  1040. 
So  zitiere  ich  die  Regesta  diplomatica  necnon  epistolaria  historiae 
Thuringiae,  Bd.  2  (1152 — 1227),  namens  des  Vereins  für  thüringische 
Geschichte  und  Altertumskunde  bearbeitet  und  herausgegeben  von 
Otto  Dobenecker,  Jena  1900.  —  Es  sind  stets  die  Nummern  der 
Regesten  angegeben. 

2)  In  der  Reihenfolge  der  landgräflichen  Söhne  habe  ich  mich 
H.  Diemar,  Stammreihe  des  thüringischen  Landgrafenhauses  und 
des  hessischen  Landgrafenhauses  bis  auf  Philipp  den  Großmütigen, 
Zeitschrift  des  Vereins  für  hessische  Geschichte  und  Landeskunde 
(abgek.  Zs.  f.  hess.  G.  u.  L.),  N.  F.  Bd. 27  [1903],  S.  6  a.  11  angeschlossen, 
übereinstimmend  mit:  Cronica  Reinhardsbrunnensis,  ed.  O.  Holder- 
Egger,  SS.  XXX  1,  536;  Historia  brevis  principum  Thuringiae,  ed 
G.  Waitz,  SS.  XXIV,  822  (besser:  De  ortu  principum  Thuringiae, 
vgl.  O.  Holder-Egger,  N.  A.  20,  595  ff.). 

3)  Vgl.  Chr.  Häutle,  Landgraf  Hermann  I.  v.  Th.  und  seine 
Familie.  Eine  historisch-genealogische  Skizze.  Zeitschrift  des  Vereins 
für  thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  (abgek.  Zs.  f.  thür. 
G.  u.  A.),  Bd.  5  (1863),  S.  69  ff. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  319 

Recht,  die  Geburt  Hermanns  in  die  Zeit  bald  nach  1155 
zu  setzen. 

Auch  über  die  erste  Jugend  des  Prinzen  wird  nirgends 
berichtet.  Wir  wissen  nur,  daß  Ludwig  11.  große  Sorgfalt 
in  der  Erziehung  seiner  Kinder  bewies,  vor  allen  Dingen 
auf  ihre  wissenschaftliche  Ausbildung  bedacht  war.  Alle 
seine  Söhne  sollten  zu  ihrer  Vervollkommnung  die  berühmte 
Universität  der  französischen  Hauptstadt  besuchen.  Aus 
einem  Briefe  des  Landgrafen  Ludwig  ü.  an  König  Lud- 
wig VII.  von  Frankreich  (vom  Jahre  1162)  i),  in  dem  er 
zwei  seiner  Söhne  dem  königlichen  Schutze  empfiehlt,  läßt 
sich  auf  einen  zeitweisen  Aufenthalt  der  beiden  älteren 
Brüder,  Ludwigs  und  Friedrichs,  in  Paris  schließen  ^) ;  ob 
sich  jedoch  auch  Hermann  Studien  gewidmet  hat,  ist 
gänzlich  ungewiß  ^).  Wir  haben  nicht  den  geringsten  An- 
haltspunkt  dafür. 

Im  Jahr  1172  starb  Ludwig  der  Eiserne,  dessen 
kräftige  und  klugwägende  Regierung  seinem  Lande  zu 
offenbarem  Segen  gereicht  hatte,  auf  der  Neuenburg*). 
Noch  einmal  zeigte  sich  sein  weitschauender  Blick  0)  bei 
der  Erbteilung.     Er    hatte    sie    so    geregelt,  daß   die  Macht 


1)  Henricus  Denifle,  Chartularium  universitatis  Parisiensis, 
Tom.  1,  Parisiis  anno  1889,  p.  39,  setzt  den  Brief  nach  Sept.  1162. 
S.  a.  M.  Frommann,  Lgr.  Ludwig  III.  der  Fromme  von  Thüringen, 
Zs.  f.  th.  G.  u.  A.,  Bd.  26,  N.  F.  Bd.  18,  Jena  1908,  S.  180. 

2)  Besonders  da  Friedrich  später  in  den  geistlichen  Stand  trat. 
3}  Wenck  und  Martin  allerdings  nehmen  es  —  doch  wohl  mit 

Unrecht  —  in  neuester  Zeit  wieder  als  gewiß  an.  S.  K.  Wenck, 
Die  heilige  Elisabeth,  in :  Die  Wartburg,  ein  Denkmal  deutscher  Ge- 
schichte und  Kunst,  dem  deutschen  Volke  gewidmet  vom  Großherzog 
Karl  Alexander  von  Sachsen,  Berlin  1907,  S.  190,  und  ebendaselbst 
E.  Martin,  Der  Minnesang  in  Thüringen  \md  der  Sängerkrieg  auf 
der  Wartburg,  S.  171. 

4)  Die  Literatur  darüber  s.  Frommann  a.  a.  O.  S.  175. 

5)  Vgl.  Th.  Knochenhauer,  Geschichte  Thüringens  zur  Zeit  des 
ersten  Landgrafenhauses  (1039 — 1247)  [mit  Anmerkungen  herausg. 
von  Karl  Menzel,  mit  Vorwort  und  einer  Lebensskizze  des  Verfassers 
von  K.  UsingerJ,  Gotha  1871,  S.  180. 

21* 


320     I^iß  Reichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

des  Hauses  möglichst  geschlossen  blieb.  Ludwig,  der  Erst- 
geborene, folgte  dem  Vater  im  Besitz  der  Landgrafschaft 
und  des  Titels  *).  Neben  ihm  erhielt  nur  Heinrich  Raspe 
die  rheinischen  und  hessischen  Besitzungen  sowie  die  Vogtei 
über  Hersfeld  2).  Unser  Hermann  dagegen  ist  allem  An- 
scheine nach  gänzlich  unberücksichtigt  geblieben  und  gleich 
ihm  der  ältere  Friedrich.  Väterlichem  Wunsche  entsprechend^) 
war  dieser  1171  in  den  geistlichen  Stand  getreten;  bis  1175 
treffen  wir  ihn  als  Propst  zu  S.  Stephan  in  Mainz  ^).  Po- 
litische Rücksichten  veranlaßten  ihn  jedoch  dann  im  An- 
fang des  Jahres  1178  5)  der  priesterlichen  Weihe  zu  ent- 
sagen und  1186  eine  Verbindung  mit  der  Gräfin  Luchardis^) 
von  Ziegenhain  in  Hessen  einzugehen,  so  daß  wir  ihm  in 
der  Folge  nur  als  „Grafen  von  Ziegenhain"  begegnen''). 
Dem  jungen  Ludwig  III.  war  keine  ruhige  Regierung 
beschieden;  Fehde  reihte  sich  an  Fehde.  Tatkräftig  und 
bereitwillig  stand  Hermann  schon  frühzeitig  dem  Bruder 
als  hilfreicher  Berater  und  Kampfgenosse  zur  Seite  ^).    Er  ^) 


1)  Annales  S.  Petri  Erphesfurtenses  maiores,  abgek.  Ann.  S.  P. 
mai.,  und  Cronica  S.  Petri  Erfordensis  moderna,  abgek.  Cr.  S.  P. 
mod.,  in  Monumenta  Erphesfurtensia  saeculi  XII.,  XIIL,  XIV., 
abgek.  M.  E.,  ed.  O.  Holder-Egger,  Hann.  et  Lips.  1899  (Script,  in 
US.  schol.),  S.  60.  186. 

2)  Knochenhauer,  a.  a.  O.  S.  180;  Dobenecker  II,  481.  558  a.  1. 

3)  S.  den  schon  auf  voriger  Seite  Anm.  1  erwähnten  Brief:  „Der 
am  meisten  (zum  Studium)  Befähigte  solle  ganz  dabei  verbleiben." 

4)  Dobenecker  II,  432. 

5)  Dobenecker  II,  534:  Juni  9.  1178  befindet  er  sich  als  „Bruder 
des  Landgrafen"  mit  diesem  imd  Hermann  in  Naumburg. 

6)  Dobenecker  II,  1346. 

7)  So  Dobenecker  II,  753.  756.  842.  867.  1010.  1042.  1110. 
1111.  1281.  1346.  1428.  1447.  1485. 

8)  Urkundlich  verzeichnet  finden  wir  ihn  zum  ersten  Male  am 
9.  Juni  1178  in  Naumburg  (Dobenecker  II,  534:  s.  o.  Anm.  5),  wo 
auch  sein  Bruder  Friedrich  uns  zum  ersten  Male  als  in  den  welt- 
lichen Stand  zurückgekehrt  erscheint. 

9)  Knochenhauer,  a.  a.  0.  S.  189  nennt  irrtümlicherweise  statt 
seiner  ohne  jeden  Quellennachweis  Heinrich  Easpe. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  321 

nahm  im  Oktober  1179  mit  ihm  teil  an  der  Belagerung 
der  welfischen  Grrenzfeste  Haldensleben  ^),  um  die  sich  seit 
dem  30.  September  des  Jahres  die  ganze  Macht  der  nord- 
deutschen Fürsten  konzentriert  hatte,  und  gab,  nachdem 
das  Unternehmen  gescheitert,  im  Gefolge  des  Bruders  dem 
heimkehrenden  Erzbischof  von  Köln,  Philipp  von  Heinsberg, 
bis  zur  Weser  das  erkaufte  Geleit  ^j.  Auch  das  folgende  Jahr 
zeigt  ihn  uns  im  Felde.  Wieder  galt  es  Heinrich  dem  Löwen, 
der  Anfang  Mai  einen  verheerenden  Einfall  in  Thüringen 
gemacht  und  selbst  die  Reichsstadt  Nordhausen  verbrannt 
hatte  •^).  Die  Unbill  zu  rächen,  eilten  Ludwig  und  Hermann 
herbei.  Bei  Weißensee  ^)  stießen  sie  am  14.  Mai  1180 
auf  das  weifische  Heer.  Allein  der  stürmisch  begonnene 
Angriff  der  Thüringer  endete  bald  mit  einer  völligen  Nieder- 
lage, die  landgräflichen  Brüder  selbst  wurden  nach  tapfer- 
ster Gegenwehr  gefangen  genommen  ^).  Über  Braunschweig 
schickte  sie  der  Herzog  zu  strengem  Gewahrsam  in  das 
feste  Lüneburg^),  ly^  Jahr  waren  die  thüringischen  Fürsten 
in  weifischer  Gefangenschaft  auszuharren    gezwungen.     Als 


1)  Alt-Haldensleben  nordwestlich  von  Magdeburg  unweit  des 
Zusammenflusses  von  Bever  und  Ore. 

2)  S.  Arnold  Peters,  Die  Eeichspolitik  des  Erzbischofs  Philipp 
von  Köln  (1162—1191),  Marburger  Diss.,  Marburg  1899,  S.  53,  und 
Hermann  Hecker,  Die  territoriale  Politik  des  Erzbischofs  Philipp 
von  Köhi  (1162—1191),  Leipzig  1883  (Histor.  Studien,  10.  Heft),  S.  38, 
Anm.  1. 

3)  Ann.  Pegavienses  et  Bosovienses  S.  S.  XVI,  p.  263.  S.  a. 
W.  V.  Giesebrecht,  Gesch.  d.  deutschen  Kaiserzeit,  Bd.  5,  Braun- 
schweig 1880,  S.  924. 

4)  Zwischen  Weimar  und  Sondershausen. 

5)  Die  Hauptquellen  für  die  Schlacht  s.  Frommann  a.  a.  O. 
S.  202.  Nach  den  Annales  Patherbrunnenses ,  aus  Bruchstücken 
wiederhergestellt  von  P.  Scheffer-ßoichorst,  Innsbruck  1870,  S.  176, 
gerät  Hermann  durch  Freunde  des  Herzogs  bereits  vor  dem  Feldzuge 
in  weifische  Gefangenschaft.  Ein  weiterer  Anachronismus  dieser  An- 
nalen  —  sie  bezeichnen  Hermann  schon  jetzt  als  „Pfalzgrafen"  — 
läßt  uns  aber  ihren  alleinstehenden  Bericht  ungewiß  erscheinen. 

6)  Arn.  Chrou.  Slav.  hb.  II,  cap.  20. 


322     Die  Reichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

dann  Friedrich  Barbarossa  1181  siegreich  bis  Lüneburg 
vordrang,  wurden  sie  auf  herzoglichen  Befehl  nach  dem 
sicheren  Segeberg  an  der  Trave  gebracht,  und  erst,  als 
nach  der  Einnahme  Lübecks  durch  den  Kaiser  Heinrich  der 
Löwe  den  aussichtslosen  Kampf  aufgeben  mußte,  schlug  ihnen 
die  Befreiungsstunde.  Eine  stattliche  Schar  weifischer  Ritter 
gab  den  Brüdern  bis  Goslar,  wo  ihr  kaiserlicher  Oheim 
sie  empfing,  ehrenvolles  Geleit.  Kurze  Zeit  danach  finden 
wir  beide  auf  dem  Reichstage  zu  Erfurt  i)  (Nov./Dez.  1181) 
anwesend,  wo  sich  der  bezwungene  Löwe  dem  Kaiser  auf 
Gnade  und  Ungnade  unterwarf.  Sie  einigten  sich  hier 
über  das  Erbe  ihres  Bruders  Heinrich  Raspe ,  der  bald 
nach  der  Schlacht  von  Weißensee,  wahrscheinlich  am  18.  Juli 
1180,  kinderlos  gestorben  war^).  Ludwig  übernahm  die 
gesamte  Hinterlassenschaft  des  Verstorbenen  und  verzichtete 
dafür  ^)  auf  die  im  vorhergehenden  Jahre  ^)  erworbene  Pfalz- 
grafschaft von  Sachsen,  die  der  Kaiser  nunmehr  Hermann 
übertrug.  Friedrich  blieb  bei  der  Teilung  ganz  aus  dem 
Spiel ;  er  hat  überhaupt,  soviel  wir  zu  erkennen  vermögen, 
seines  anfänglich  geistlichen  Standes  halber  nie  Erbansprucb 
irgendwelcher  Art  erhoben. 

Auch  in  der  Folge  blieb  der  nunmehrige  Pfalzgraf, 
der  seinen  Sitz  auf  der  Neuenburg  a.  d.  Unstrut  (dem 
jetzigen  Freyburger  Schlosse)  nahm,  in  enger  Verbindung 
mit  seinem  Bruder  Ludwig^),  und  als  dieser  1184  Barba- 
rossa nach  Italien  begleitete,  führte  er  für  ihn  in  Thüringen 
die    Regierung.      Auf    dem  Reichstage    zu    Mainz,    der    be- 


1)  S.  Frommann  a.  a.  O.  S.  205. 

2)  Nach  Frommann  a.  a.  O.  S.  205. 

3)  Also  nicht  „aus  freien  Stücken",  wie  Cr.  S.  P.  mod.  in  M. 
E.  191  sagt:  Ibi  Hermannus  frater  Lodevici  provincialis  comitis 
palatinus  Saxonie  constituitur,  germano  ipsius  eodem  principatu  ultro 
se  abdicante.     S.  a.  Cronica  Keinhardsbrunnensis  SS.  XXX,  1,  563. 

4)  Auf  dem  Reichstage  zu  Gelnhausen  am  6.  April  1180.  S.  a. 
Frommann  a.  a.  O.  S.  199. 

5)  Er  ist  Zeuge  in  zahlreichen  Urkunden  Ludwigs ;  s,  Dobenecker 
II,  642.  643.  647.  651.  652.  700.  719.  753.  760.  761. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  323 

rühmten  „Kurie  Christi",  nahm  am  27.  März  1188  unter 
vielen  anderen  deutschen  Fürsten  auch  Landraf  Ludwig  das 
Kreuz  1).  Beruhigt  konnte  er  im  Juni  1189  nach  Apulien  auf- 
brechen, er  wußte  ja  sein  Land  in  des  Bruders  treuer  Obhut  ^). 
Es  erübrigt  sich  für  uns,  hier  näher  auf  diesen  Kreuz- 
zug einzugehen.  Genugsam  bekannt  ist,  wie  auch  er  wieder 
erfolglos  verlief.  Nur  Trümmer  des  gescheiterten  glanz- 
vollen Unternehmens  kehrten  nach  unsäglichen  Mühsalen 
und  Entbehrungen  in  die  Heimat  zurück.  Zu  den  Opfern 
aber,  die  der  gefahrvolle  Kriegszug  gefordert  hatte,  gehörte 
auch  der  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen ;  er  starb  am 
16.  Okt.  1190  auf  der  Rückreise  3). 


Im  Reiche  führte  seit  dem  Abmärsche  des  Kreuzheeres 
der  noch  jugendliche  Sohn  Barbarossas,  König  Heinrich  VI., 
mit  Kraft  und  Geschick  die  Verweserschaft.  Unruhen 
im  nördlichen  Deutschland,  wo  Heinrich  der  Löwe  wort- 
brüchig von  England  zurückgekehrt  war,  waren  bald  unter- 
drückt; nun  konnte  er  nach  dem  Frieden  von  Fulda  im 
Juli  1 1 90  unbehindert  daran  denken,  seinen  Erbanspruch 
auf  Sizilien,  den  er  durch  seine  Vermählung  mit  Konstanze 
erworben  hatte,  durchzuführen.  Dort  war  nach  Wilhelms  II. 
Tode  1189  ein  Bastard  des  ausgestorbenen  Königshauses, 
der  tapfere  Tankred  von  Lecce  *) ,  zum  König  erhoben 
worden.  Papst  Cölestin  III.  hatte  ihn  bereits  anerkannt 
und  Richard  von  England,  der  Schwager  Heinrichs  des 
Löwen,  sich  nicht  gescheut,  Unterhandlungen  wegen  eines 
Bündnisses  mit  ihm  einzugehen  ^).  Um  sich  sein  Erbe  mit 
Waffengewalt  zu  erobern,    gedachte  jetzt  Heinrich  VI.  mit 

1)  Dobenecker  II,  785  a.  Annales  Marbacences  qui  dicuntur, 
ed.  H.  Bloch,  Hann.  et  Lips.  1907,  p.  59. 

2)  Über  die  Beteiligung  Hermanns  am  Kreuzzuge  s.  Frommann 
a.  a.  O.  S.  225,  dessen  Ansicht  ich  vollkommen  beipflichte. 

3)  Die  Literatur  s.  Frommann  a.  a.  O.  S.  243,  Anm.  1. 

4)  A.  Cartellieri,  Philipp  II.  August,  König  v.  Frankreich, 
Bd.  2,  Leipzig  1906,  S.  127. 

5)  Cartellieri,  a.  a.  0.  S.  143  f. 


324     Die  Reichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

ansehnlichem  Heer  über  die  Alpen  zu  ziehen,  Ende  Sep- 
tember 1190  hielt  er  in  Schwäbisch-Hall  Heerschau  ab, 
und  im  November  erfolgte  von  Augsburg  aus  der  Aufbruch 
des  deutschen  Heeres.  Da  drang  plötzlich  die  Kunde  vom 
Tode  Barbarossas  und  des  Landgrafen  Ludwig  ins  Reich. 
Kurz  entschlossen  schickte  der  König  den  Erzbischof  Phi- 
lipp von  Köln  mit  dem  Kern  des  Heeres  voran,  er  selbst 
eilte  nach  Thüringen,  um  die  heimgefallene  Landgrafschaft 
einzuziehen  i).  Dazu  berechtigte  ihn  das  strenge  Gesetz  des 
Lehnsrechtes,  das  die  Nachfolge  der  Nebenlinien  allein  von 
der  Gnade  des  Kaisers  abhängig  machte,  vor  allem  aber 
forderte  das  kaiserliche  Interesse  aufs  dringendste,  gerade 
hier  nach  Sachsen,  dem  Herde  so  häufiger  reichsfeindlichen 
Bewegungen,  den  staufischen  Besitz  auszudehnen.  Und 
Heinrich  VI.  zeigte  sich  in  seinem  Bestreben,  das  Thüringer- 
land der  staufischen  Hausmacht  als  erwünschteste  Ergän- 
zung hinzuzufügen,  nur  als  Erbe  der  Politik  seines  Vaters, 
der  schon  das  Pleißner  Land  mit  Kolditz  und  Leißnig  er- 
worben hatte  2). 

Allein  schon  unterwegs  erfuhr  der  König,  daß  die 
Durchführung  seines  Planes  —  besonders  unter  den  ob- 
waltenden Umständen  —  so  leicht  nicht  von  statten  gehen 
würde:  Plalzgraf  Hermann  war  gewillt,  auf  Ludwigs  III. 
Erbe,  wenn  nötig,  mit  den  Waffen  in  der  Hand  Anspruch 
geltend  zu  machen.  Konnte  sich  Heinrich  aber  gerade  jetzt 
auf  einen  sicherlich  langwierigeren  Kampf  einlassen?  — 
Unwillig  vernahm  der  König  in  Saalfeld  3)  den  Rat  der 
zur    Vermittlung    daselbst   vereinten  Fürsten^),    den  Pfalz- 

1)  Chronica  regia  Coloniensis,  ed.  G.  Waitz,  Hann.  1880 
(Script  in  us.  schoL),  p.  148:  audita  morte  patris  et  Ludewici  lant- 
gravii,  Coloniensem  archiepiscopum  premittens,  ipse  (rex)  in  ThurLn- 
giam  proficiscitur,  eam  sibi  subicere  temptans. 

2)  Vgl.  R.  Scholz,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Hoheitsrechte 
des  deutschen  Königs,  Leipz.  Stud.,  Bd.  2,  Heft  4,  S.  56. 

3)  Dobenecker,  II,  862. 

4)  Der  Bischöfe  von  Halberstadt,  Merseburg  und  Naumburg 
und   des   Herzogs   Bernhard   von   Sachsen.     Vgl.   O.  Abel,   König 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  325 

grafen  in  die  brüderlichen  Lehen  einzusetzen  und  sich  so 
einen  Freund  zu  schaffen ;  denn  Heinrich  VI.  war  zwar 
„geneigt,  selbständige  politische  Kräfte  anzuerkennen,  wenn 
sie  als  solche  sich  ihm  unterwarfen,  seinen  Plänen  dienen 
wollten"  ^),  doch  hier  ließ  ihn  sein  scharfer  Blick  nicht  all- 
zuviel vom  Charakter  des  ehrgeizigen  Vetters  versprechen. 
So  zögerte  er;  dann  aber  zwangen  ihn  die  Ereignisse  in 
Italien,  die  seine  Anwesenheit  dort  immer  dringender  er- 
heischten 2),  zum  Nachgeben.  Nur  zwei  Städte  und  einen  Teil 
des  Landes  mußte  Hermann  an  das  Reich  abtreten  3). 

Auch  von  anderer  Seite  sollte  der  Landgraf  als  Erbe 
seines  Bruders  nicht  ohne  Anfechtung  bleiben.  Wie  einst 
diesem  ^),  so  machte  jetzt  ihm  der  Abt  Siegfried  die  dem 
landgräflichen  Hause  zuständigen  Hersfelder  Lehen  streitig, 
und  Hermann  erhielt  sie  schließlich  nur  dadurch,  daß  er 
die  Abtei  zu  Burg-Breitungen  a.  d.  Werra  samt  der  Vogtei 
und  allen  zugehörigen  Rechten  dem  Kloster  überließ  ^). 
Ebenso  verweigerte  Abt  Heinrich  von  Fulda  ihm  Kloster- 
güter, welche  sein  Bruder  Ludwig  und  schon  sein  Vater 
erkauft  oder  zu  Erblehen  empfangen  hatten.  Doch  bald 
mußte  auch  dieser  Fürst  bewaffneter  Übermacht  weichen 
und  des  Landgrafen  Forderung  nachgeben. 

Philipp  der  Hohenstaufe,  Berlin  1852,  S.  27.  —  Aus  ihrem  Ver- 
halten dürfen  wir  schließen,  daß  der  Anspruch  der  Fürsten  auf  Erb- 
lichkeit der  großen  Lehen  bereits  allgemein  tiefe  Wurzeln  ge- 
schlagen hatte. 

1)  H.  Bloch,  Forschungen  zur  Politik  Kaiser  Heinrichs  VI. 
in  den  Jahren  1191—1194,  Berlin  1892,  iS.  31. 

2)  Eben  jetzt  kam  der  Vertrag  zwischen  Tankred  und  Eichard 
Löwenherz  zustande,  s.  a.  Bloch  a.  a.  O.,  S.  7.  Den  Bündnisver- 
trag zwischen  E.  und  T.  selbst  s.  Cartellieri  a.  a.  0.   S.  144 — 147. 

3)  Cronica  Eeinhardsbrunn.  SS.  XXX,  1,  p.  551:  sed  pru- 
denti  auxiliatorum  adiutus  consilio  sub  duarum  civitatum  et  unius 
provincie  resignacione  principatum  obtinuit.  —  Was  jedoch  eigent- 
lich abgetreten  wurde,  erfahren  wir  nicht. 

4)  Vgl.  Ph.  Hafner,  Die  Eeichsabtei  Hersfeld  bis  zur  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts,  Hersfeld  1886,  S.  100  ff. 

5)  Dobenecker  II,  897. 


326     Die  Reichspolitik  HermanDs  L,  Landgrafen  von  Thüringen 

Durch  eigene  Kraft  und  Energie,  und  gefördert  durch, 
die  Gunst  glücklicher  Umstände,  war  es  so  Hermann  ge- 
lungen, sich  als  Nachfolger  seines  Bruders  zu  behaupten. 
Unbestritten  stand  er  jetzt  da  als  „Landgraf  von  Thüringen 
und  Pfalzgraf  von  Sachsen"  ^)  und  konnte  nunmehr  — 
einer  der  mächtigsten  Reichsfürsten  der  Zeit  —  an  den 
Angelegenheiten  des  Reiches  nah  und  fern  tätigen  Anteil 
nehmen. 

Von  Saalfeld  aus  hatte  sich  König  Heinrich  eilig  nach 
Italien  begeben,  wo  er  am  Ostermontag,  dem  15.  April 
1191,  aus  der  Hand  Papst  Cölestins  die  Kaiserkrone  em- 
pfing. Doch  ein  erster  Versuch,  sich  des  sizilischen 
Erblandes  seiner  Gemahlin  zu  bemächtigen,  scheiterte  an 
den  festen  Mauern  Neapels.  Enttäuscht  und  halb  krank, 
aber  ungebrochenen  Mutes  kehrte  er  im  Dezember  nach 
Deutschland  zurück ;  wichtige  Aufgaben  harrten  seiner  ^). 
Heinrich  der  Löwe  hatte,  als  er  den  Kaiser  fern  wußte, 
entgegen  den  Bedingungen  des  Fuldaer  Friedens  seine  An- 
griffe auf  das  Gebiet  Adolfs  von  Schaumburg  fortgesetzt, 
während  der  Graf  sich  im  heiligen  Lande  befand.  Als 
dieser  aber  im  Frühjahr  1191  dank  der  Unterstützung  des 
Herzogs  Bernhard  von  Sachsen  und  Ottos  IL  von  Branden- 
burg nach  Holstein  gelangte  und  sofort  den  Kampf  auf- 
nahm, wandte  sich  das  Blatt.  Mit  dem  jungen  Bernhard 
von  Ratzeburg  belagerte  der  Schaumburger  Lübeck;  ein 
weifisches  Entsatzheer  unter  Konrad  von  Rode  wurde  bei 
Boizenburg  völlig  geschlagen ;  zu  Anfang  des  nächsten  Jahres 
fiel  Stade,  und  Lübeck  stand  vor  der  Übergabe.  Die  Lage 
des  Wellen  gestaltete  sich  noch  drohender,  als  jetzt  im 
Frühjahr  1192  auf  das  Drängen  der  sächsischen  Fürsten 
bin    Heinrich    VI.    selbst    ein    Heer    gegen    ihn    zu    führen 


1)  Schon  kurz  nach  dem  Saalfelder  Tage  hält  er  Landding  ab 
als  „Landgravius  Thuringie,  comes  palatinus  Saxonie".  Dobenecker, 
II,  867. 

2)  Vgl.  Bloch  a.  a.  O.  S.  18. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  327 

versprach.  Der  alte  Löwe  sah  das  Aussichtslose  eines 
solchen  Kampfes  ein  und  bat  den  Kaiser  um  Gnade  und 
Frieden.  Aber  Heinrich  ging  weder  auf  Verhandlungen 
mit  dem  gedemütigten  Weifen  ein,  noch  brach  er  zum 
Beistande  der  sächsischen  Fürsten  nach  der  Oker  auf. 
Ihn  beschäftigten  zunächst  die  Vorbereitungen  für  einen 
zweiten  sizilischen  Feldzug,  dann  aber  war  es  vor  allem 
die  Neubesetzung  der  erledigten  Bistümer,  die  seine  volle 
Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nahmen.  Am  meisten  zu 
schaffen  machte  dem  Kaiser  in  dieser  Beziehung  Lüttich. 
Dort  war  eine  Doppelwahl  eingetreten :  dem  kaisertreuen 
Albert  von  Rethel  stand  der  antistaufische  Albert  von  Bra- 
bant,  der  Bruder  des  regierenden  Herzogs  Heinrich,  gegen- 
über. Um  in  einer  so  wichtigen  Stellung  am  Niederrhein 
einen  zuverlässigen  Vertreter  seiner  Interessen  zu  haben, 
bestimmte  Heinrich  VI.  mit  Einwilligung  der  Fürsten  ^) 
keinen  der  beiden  Gewählten,  sondern  Lothar  von  Hoch- 
staden.  Inzwischen  aber  hatte  Albert  von  Brabant  die 
Bestätigung  Cölestins  erlangt,  und  eben  jetzt,  am  21.  Sep- 
tember empfing  er  in  Reims  die  bischöflichen  Weihen.  Da 
brach  der  Kaiser,  um  weiterer  Opposition  vorzubeugen, 
kurz  entschlossen  nach  Lüttich  auf,  um  Lothar  mit  Gewalt 
die  allgemeine  Anerkennung  zu  verschaffen.  Herzog  Heinrich 
selbst  wurde  von  ihm  zur  Huldigung  gezwungen  2).  Hein- 
rich VI.  hielt  hiernach  die  Stellung  seines  Schützlings  für 
hinreichend  gesichert  und  wandte  sich  Anfang  Oktober 
nach  dem  nördlichen  Thüringen,  um  endlich  die  sächsischen 
Kämpfe  beizulegen  ^).    Zu  diesem  Zwecke  schrieb  er  einen 

1)  Gislebert,  La  Chronique  de  Gislebert  de  Mons,  nouv.  ed. 
p.  p.  Läon  Vanderkindere,  avec  une  carte  du  comt^  de  Hainaut  ä  la 
fin  du  XII.  siede,  Bruxelles  1904,  Oommission  royale  d'histoire. 
Eecueil  de  textes  pour  servir  ä  l'etude  d'histoire  de  Belgique,  cap. 
182.  S.  a.  Die  Regesten  der  Erzbischöfe  von  Köln  im  Mittelalter, 
abgek.  Reg.  episc.  Col.,  Bd.  2  (1100—1205),  bearbeitet  von  R.  Kuip- 
ping,  Bonn  1901,  No.  1434. 

2)  24.  Sept.  1192.    Gisl.  1.  c.  p.  279. 

3)  Schon  vorher  hatte  er,  um  die  zur  Zeit  zwischen  der  säch- 
sischen und  weifischen  Partei   (vorläufig  bis  Michaelis)   bestehende 


328     I^iß  Eeichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

Hoftag  nach  Nordhauseu  aus,  und  hier  finden  wir  am 
21,  Oktober  die  hauptsächlichsten  Führer  im  Kriege  gegen 
die  Weifen,  die  Bischöfe  von  Hildesheim  und  Halberstadt, 
den  Abt  von  Korvey  und  Herzog  Bernhard  von  Sachsen, 
um  ihn  versammelt  i).  Von  dem  Ergebnis  der  dortigen 
Verhandlungen  ist  leider  nichts  überliefert. 

Allen  diesen  für  den  Verlauf  der  Reichsgeschichte 
wichtigen  Händeln  hat  Landgraf  Hermann  ferngestanden. 
Hier  aber,  auf  dem  Hoftage  zu  Nordhausen,  tritt  seine 
Person  nahezu  in  den  Vordergrund.  Doch  nicht  mit  dem 
besten  Klange  wird  sein  Name  genannt ;  er  wird  vor  Kaiser 
und  Keich  des  Hochverrats  bezichtigt.  Welche  Bewandtnis 
es  mit  dieser  unerhörten  Anschuldigung  hatte,  wie  sie  zu- 
stande kam  —  dies  zu  erfahren,  müssen  wir  kurz  den 
Gang  der  Ereignisse  in  Thüringen  seit  Hermanns  Regie- 
rungsantritt verfolgen. 

In  dem  östlichen  Grenzland  Thüringens,  der  Mark 
Meißen,  war  im  Herbst  1191  der  ränkesüchtige  und  hab- 
gierige Markgraf  Albrecht,  mit  seinem  jüngeren  Bruder, 
dem  Grafen  Dietrich  von  Weißenfels  ^),  über  die  reichen 
Bergwerke  des  Erzgebirges,  an  denen  nach  des  Vaters 
Vermächtnis  beide  Anteil  hatten,  in  offenen  Streit  ge- 
raten ^j.  Mit  zahlreichem  Heere  zog  Albrecht  unerwartet 
vor  Dietrichs  Feste  Weißenfels.  In  seiner  Bedrängnis  ging 
Dietrich  den  Landgrafen  Hermann  um  Hilfe  an.  Dieser 
versagte    anfänglich  seinen  Beistand  und  hielt  den  Grafen 


Waffenruhe  zu  verlängern,   seinen  Oheim,  den  Pfalzgrafen  Konrad, 
nach  Sachsen  geschickt.    S.  a.  Bloch  a.  a,  O,  S,  38, 

1)  Dobenecker,  II,  905 ;  Bloch,  a.  a.  O,  S  38  und  36,  Anm.  4,  Vgl. 
a.  Toeche  a.  a.  O.  S.  238,  der  glaubt,  nur  auf  die  spätere  Denun- 
ziation Markgraf  Albrechts  von  Meißen  (s,  S.  380,  Anm.  2)  hin  käme 
Heinrich  VI.  nach  Sachsen, 

2)  S.  C.  Wenck,  Ein  meißnischer  Erbfolgekrieg  am  Ende  des 
12.  Jahrhunderts,  in  Z.  f.  thür.  G.  u.  A.,  N.  F,  Bd.  2,  S.  200. 
Genealogia  Wettinensis,  ed.  E.  Ehrenfeuchter,  S.  23,  p,  229. 

3)  Düringische  Chronik  des  Johann  Rothe,  herausg.  von  E.  v. 
Liliencron,  Jena  1859,  in  Thüring.  Geschichtsquellen  III,  314, 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  329 

mit  Ausflüchten  hin.  In  kalter  Berechnung  zögerte  er, 
bis  Dietrich,  in  die  äußerste  Enge  getrieben,  sich  jeder 
Forderung  gefügig  zeigen  mußte.  Hermann  machte  die 
Verlobung  seiner  damals  10-jährigen  Tochter  Jutta  zur 
Bedingung,  und  notgedrungen  gab  der  Graf  schließlich 
seine  Einwilligung.  Tatkräftig  griff  jetzt  der  Landgraf  in 
den  Zwist  ein.  Eine  persönliche  Unterhandlung,  in  der 
Hermann  völligen  Frieden  für  seinen  Schwiegersohn  for- 
derte, zerschlug  sich  an  dem  störrigen  Sinn  des  Markgrafen, 
und  so  mußte  das  Schwert  entscheiden.  Mit  1800  Ge- 
waffneten  rückte  der  Landgraf  vor  Camburg  und  nahm  es 
nach  kurzer  Belagerung.  Hierdurch  erschreckt,  ergab  sich 
ihm  eine  Burg  und  eine  Stadt  nach  der  anderen.  Schon 
streiften  seine  schnellen  Reiter  nahe  an  Leipzig,  da  endlich 
mußte  sich  der  Markgraf  zum  Frieden  bequemen :  er  ver- 
stand sich  zu  gleichmäßiger  Teilung  mit  Dietrich  und  stellte 
Oeiseln  i). 

Für  jeden,  der  Albrecht  genauer  kannte,  war  jedoch 
hierbei  klar,  daß  dieser  eben  geschlossene  Friede  nur  von 
geringer  Dauer  sein  würde.  Ein  maßloser  Grimm  erfaßte 
den  Gedemütigten  gegen  den  Landgrafen  Hermann,  dessen 
rasches,  entschlossenes  Handeln  dem  Bruder  zum  Siege 
verhelfen  hatte  und  dessen  Macht  er,  Albrecht,  nicht  ge- 
wachsen war.  Er  sah  ein:  wollte  er  mit  Aussicht  auf  Er- 
folg gegen  Dietrich  auftreten,  so  mußte  er  vor  allem  diesen 
Helfer  ihm  zu  entziehen  suchen.  Und  dies  zu  erreichen, 
schreckte  sein  Charakter  selbst  vor  niedriger  Verleumdung 
nicht  zurück;  er  beabsichtigte,  den  Landgrafen  beim  Kaiser 
des  Hochverrats  zu  beschuldigen.  Der  Augenblick  dazu 
war  der  denkbar  günstigste,  Heinrich  VI.  sagte  ja  gerade 
den  Hoftag  für  Nordhausen  an. 

So  also  ist  der  schwerwiegende  Vorwurf  gegen  Hermann 
entstanden.  Sein  unedles  Vorhaben  auszuführen,  erschien  der 


1)  Cronica  Reinhardsbrunn.  SS.  XXX,  1,  p.  551.    S.  a.  Toeche 
a.  a.  O.  S.  237  ff. 


330     Die  Reichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

Markgraf  von  Meißen  in  Nordhausen  i)  und  erhob  vor  dem 
Kaiser  und  den  versammelten  Fürsten  laut  Klage  ^)  gegen 
den  Landgrafen  von  Thüringen:  er  sei  das  Haupt  einer 
gegen  das  Leben  Heinrichs  VI.  gerichteten  Verbindung  der 
sächsischen  Fürsten,  die  „sich  in  den  unbeschränkten  Besitz 
ihrer  Güter  setzen  wollten"  ^).  Zugleich  erklärte  sich 
Albrecht  bereit,  die  Wahrheit  seiner  Aussage  im  Zwei- 
kampf"^) zu  erhärten.  Der  Kaiser  berief  hierauf  den  Land- 
grafen nach  Nordhausen,  damit  er  sich  dort  vor  ihm  und 
dem  Reichstag  verantworte  ^).  Ohne  zu  zögern  rüstete  sich 
Hermann,  der  Ladung  Folge  zu  leisten;  im  Geleit  zahl- 
reicher Lehnsmannen  brach  er  auf,  sich  dem  Markgrafen 
zu  stellen,  da  verlegte  der  Kaiser  in  Rücksicht  auf  politi- 
sche Verhältnisse  den  Hoftag  nach  Altenburg.  Neue  Un- 
ruhen  im    südöstlichen  Deutschland   schienen   ihm    wichtig 


1)  Daß  Albrecht  v.  Meißen  schon  vorher  in  der  Umgebung 
des  Kaisers  geweilt  hat,  ist  möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich.  Ur- 
kundlich ist  es  jedenfalls  nicht  zu  erweisen.  Wenn  Knochenhauer 
a.  a.  O.  S.  226  es  als  sichere  Tatsache  hinstellt  im  Hinweis  auf 
Heinrichs  VI.  Urkunde  für  Magdeburg  vom  I.Juni  1192  bei  Gercken, 
Cod.  dipl.  Brand.  IV,  p.  432  (aus  Cop.  [Magdeb.  Cop.  f,  26  Cod. 
no.  103]  Geh.  A.  Berlin),  so  ist  er  im  Unrecht;  denn  die  Zeugen- 
reihe eben  vom  1.  Juni  in  Gelnhausen  gehört  zu  Ende  November 
oder  Anfang  Dezember  nach  Altenburg.    Dobenecker  II,  898. 

2)  S.  Bloch  a.  a.  O.  S.  44;  Toeche  a.  a.  O.  S.  554:  „Am 
4.  Oktober  ist  der  Kaiser  noch  in  Sinzig,  am  27.  zu  Herzberg  am 
südlichen  Harz.  Zwischen  diese  Termine  setze  ich  Albrechts  Mit- 
teilung." Ganz  unzutreffend  aber  ist  die  Hypothese  vorher :  ,, Offenbar 
eilte  Heinrich  sofort  nach  Sachsen,  als  die  Denunziation  Alberts  ihm 
die  Höhe  der  Gefahr  enthüllte."  S.  darüber  die  Ausführungen 
Blochs  a.  a.  0.  S.  37  und,  sich  an  Toeche  anschließend,  P.  Schwartz, 
Die  Fürstenempörung  von  1192  und  1193,  Diss.  Eost.,  1879,  S.  21 
und  41. 

3)  Bloch,  a.  a.  O.  S.  46 :  Cronica  Reinhardsbrunn,  (irrtümlich 
ad.  a.  1195)  SS.  XXX,  1,  p.  552. 

4)  Cron.  Reinhardsbrunn.    SS.  XXX,  1,  p.  552. 

5)  Bis  in  den  Anfang  November  hält  sich  Heinrich  VI.  in  der 
Nähe  der  Reichsstadt  auf :  Okt.  27.  Burg  Herzberg,  Dobenecker  II,  906. 
Nov.  4  MühJhausen,  Dobenecker  II,  907. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  331 

genug,  sich  zu  persönlicher  Vermittlung  selbst  in  die  Nähe 
der  böhmisch- bayrischen  Grenzen  zu  begeben  i). 

In  vollem  Bewußtsein  seiner  Unschuld  erschien  nun 
in  Altenburg  der  Landgraf  Hermann,  um  sich  zu  recht- 
fertigen ;  und  unschwer  gelang  ihm  dies.  Schon  in  Nord- 
hausen mochte  Heinrich  VI.  den  Worten  Albrechts  von 
Meißen  wenig  Glauben  schenken ;  dafür  war  die  Persön- 
lichkeit des  Markgrafen,  der  sich  einst  ^)  nicht  gescheut 
hatte,  den  eigenen  Vater  gefangen  zu  halten,  und  zu  Beginn 
des  sizilischen  Feldzuges  trotz  versprochener  Heeresfolge 
heimlich  aus  des  Kaisers  Lager  entwichen  war  ^),  zu  wenig 
vertrauenerweckend;  weiterhin  aber  mußte  die  ganze  Haltung 
Hermanns  und  der  sächsischen  Fürsten  ihm  auch  den  letzten 
Schein  von  Verdacht  nehmen,  und  vollständig  überzeugt 
von  der  Schuldlosigkeit  des  Landgrafen  und  seiner  Freunde, 
erhob  er  nunmehr  in  Altenburg  selbst  Anklage  gegen  Albrecht 
wegen  Verleumdung.  Vom  näheren  Verlauf  dieses  Ver- 
fahrens wider  den  Markgrafen  ist  uns  nichts  bekannt.  So 
viel  nur  steht  fest,  daß  noch  in  Altenburg,  und  zwar  allem 
Anschein  nach  mit  Wissen  und  Wollen  des  Kaisers^),  der 
Herzog  von  Sachsen  Hermann  und  Albrecht  durch  guten 
Zuspruch  versöhnte. 


1)  In  Altenburg  finden  wir  vom  17.  November  an  die  Großen 
von  Böhmen  und  Österreich  um  Heinrich  VI.  versammelt;  vgl.  die 
Zeugen  in  folgenden  Urkunden:  Nov.  17  Altenburg  —  Dobenecker  II, 
912  und  913.  Nov.  20  Altenburg  —  Dobenecker  II,  914.  Dez.  1 
Altenburg  —  Dobenecker  II,  915.  Hierher  gehört  (s.  oben  S.  380, 
Anm.  1)  auch  die  Zeugenreihe  von  Dobenecker  II,  898  (II,  915  a). 
Die  Reichersperger  Annalen ,  Magnus  presbyter  Reicherspergensis, 
Annales,  SS.  XVII,  p.  519  sagen  dazu:  iubente  namque  imperatore 
pax  facta  et  confirmata  est  inter  eosdem  principes  intrante  mense 
Decembrio  8.  Idus  eiusdem  mensis,  iudicta  curia  generali  Ratisponae 
8.  Idus  Januarii. 

2)  Im  Februar  1189,  s.  Wenck  a.  a.  0.  S.  194. 

3)  Wenck,  a.  a.  O.  S.  199. 

4)  Bloch,  a.  a.  O.  S.  44  —  erst  Bloch  hat  in  neuerer  Zeit  Licht 
in  dies  Dunkel  gebracht  durch  seinen  ebenso  scharfsinnigen  wie 
richtigen  Nachweis,  daß  „im  Herbst  1192  in  Sachsen  eine  Fürsten- 
empörung nicht  stattgefunden  hat",  Bloch,  a.  a.  O.  S.  47. 


332     Die  Eeichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

Auch  die  Erbfolge  des  Markgrafen  und  seines  Bruders 
Dietrich  von  Weißenfels  wurde  hier  durch  Heinrich  VI. 
geregelt,  und  zwar  hat  der  Kaiser  seine  Entscheidung  in 
dieser  Trage  einzig  und  allein  nach  dem  Gutachten  der 
Eürsten  getroffen,  die  ihm  noch  vor  kurzem  nach  Thron 
und  Leben  getrachtet  haben  sollten  ^). 

Damit  hatte  Heinrich  VI.  seine  vielseitige  Tätigkeit 
in  Sachsen  beendet.  Die  meisten  Fürsten  trennten  sich 
von  ihm,  und  nur  mit  geringem  Gefolge  zog  er  im  Anfang 
Dezember  westwärts,  über  Merseburg  2)  und  Allstedt  ^)  nach 
Nordhausen  *),  um  sich  von  da  zum  Reichstag  nach  Regens- 
burg  zu  begeben.  Mit  Albrecht  von  Meißen  sowie  dem 
Herzog  Bernhard  von  Sachsen  gab  der  Landgraf  von 
Thüringen  dem  Kaiser  bis  Merseburg  das  Geleit^). 

Aber  dieses  jetzt  so  freundschaftliche  Verhältnis 
zwischen  Hermann  und  Heinrich  VI.  war  von  Seiten  des 
Landgrafen  nur  ein  scheinbares,  äußerliches,  seine  zuvor- 
kommende Begleitung  des  Kaisers  nur  ein  Beispiel  für  die 
leichte  Täuschung,  die  in  der  Höflichkeit  liegt.  Schon  aus 
der  —  wenn  auch  natürlich  mit  Unrecht  höchst  über- 
triebenen —  Anschuldigung  des  Markgrafen  von  Meißen 
können  wir  immerhin  eine  Mißstimmung  Hermanns  gegen 
Heinrich  VI.  herauslesen,  die  uns  die  Eolgezeit  bestätigen 
wird.  Obwohl  des  Staufers  naher  Verwandter,  gehörte 
Hermann  doch  entschieden  zu  den  Fürsten,  denen  die  Herr- 
schaft eines  Kaisers,  der  alles  nur  seinem  Willen  unter- 
worfen wissen  wollte,  am  wenigsten  behagte.  Ein  leichter 
Schatten    feindseliger  Gesinnung   mochte    in    dem    empfind- 


1)  Dobenecker  II,  9ö2  —  1194,  4.  Dez.,  Palermo:  Heinrich  VI. 
heißt  Herzog  Bernhard  von  Sachsen ,  betreffs  des  Markgrafen 
A.  V.  Meißen  sich  mit  den  Fürsten,  die  der  Verhandlung  zu  Alten- 
burg (Nov./Dez.  1192)  beigewohnt  haben,  zu  besprechen  usf. 

2)  8.  Dez.  1192  —  Dobenecker  II,  916. 

3)  14.  Dez.  1192  —  Dobenecker  II,  917. 

4)  18.  Dez.  1192  —  Dobenecker  II,  918. 

5)  Sie  sind  Zeugen  der  Urkunde  Heinrichs  vom  8.  Dez.  1192. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  333 

liehen  Gemüt  des  Landgrafen  überdies  auch  von  dem  Saal- 
felder Tage  ^)  her  zurückgeblieben  sein,  wo  Heinrich  so 
unverkennbar  ihm  sein  Erbe  zu  entziehen  willens  war. 
So  finden  wir  schon  wenige  Monate  später  den  Land- 
grafen Hermann  offenkundig  unter  den  Gegnern  des  Kaisers, 
als  ein  Glied  der  Fürstenverschwörung  des  Jahres  1193, 
die  der  Ermordung  Alberts  von  Brabant  folgte,  des  von 
Heinrich  VI.  vertriebenen  Bischofs  von  Lüttich.  Am  24.  No- 
vember 1192  war  dieser  in  Reims,  wo  er  Zuflucht  gefunden 
hatte  '^),  durch  die  Hand  deutscher  Ritter  gefallen,  ver- 
mutlich als  ein  Opfer  privater  Rache  ^).  Allgemein  aber 
traf  der  Verdacht  den  Kaiser.  Und  nun  loderte  überall 
im  Reiche  der  lange  verhaltene  Unwillen  über  des  Staufers 
strenges  Regiment  zu  offenem  Aufruhr  empor  ^).  Noch  vor 
Weihnachten  schloß  der  Bruder  des  Erschlagenen,  Herzog 
Heinrich  von  Brabant,  mit  seinem  Oheim,  dem  Herzog  von 
Limburg,  und  dem  Erzbischof  Bruno  von  Köln  ein  festes 
Bündnis  gegen  Heinrich  VI.  Offen  wurde  dabei  (in  Köln) 
zugleich  ausgesprochen,  daß  es  sich  um  eine  Verschwörung 
wider  den  Kaiser  handle  ^),  den  man  absetzen  wolle,  um 
anstatt  seiner  den  Herzog  Heinrich  von  Brabant  auf  den 
Thron  zu  erheben  ^).  Daß  der  Plan  auch  die  Billigung 
Papst  Cölestins  finden  werde,  ließ  sich  bei  dessen  Miß- 
stimmung gegen  Heinrich  VI.  mit  Bestimmtheit  erwarten. 
Ebenso  durften  die  Verbündeten  im  nördlichen  und  öst- 
lichen Deutschland  allenthalben  auf  Anhänger  rechnen,  und 
bereits  zu  Anfang  des    neuen  Jahres  (1193)    traten,    durch 


1)  S.  oben  S.  324 

2)  S.  oben  S.  327. 

3)  S.  die  Erörterungen  bei  Bloch  a.  a.  O.  S.  22,  Anm.  2,  und 
S.  23. 

4)  Über  die  gesamte  Fürsten erhebung  des  Jahres  1193  stehen 
nur  wenige  Nachrichten  zur  Verfügung,  da  es  nicht  zu  Feindselig- 
keiten kam. 

5)  Reg.  episc.  Col.  11,  no.  1440. 

6)  Gislebert,  a.  a.  O.  cap.  194. 

XXVII.  22 


334     I^ie  Reiclispolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

Erzbischof  Konrad  von  Mainz  veranlaßt,  Ottokar  von  Böhmen, 
sein  Schwager  Albrecht  von  Meißen  und  eben  auch  Her- 
mann von  Thüringen  der  Verschwörung  bei  ^).  So  bildeten 
binnen  kurzem  die  mächtigsten  Reichsfürsten  einen  ge- 
schlossenen Bund,  der  auch  den  schwächeren  Mut  machte, 
dem  gewaltigen  Herrscher  Trotz  zu  bieten. 

Zum  offenen  Ausbruch  der  Empörung  kam  es  indessen 
nicht.  Am  21.  Dezember  1192  war  Richard  Löwenherz, 
der  im  weiteren  Verlauf  der  Dinge  doch  zweifellos  den  ge- 
fährlichsten Gegner  des  deutschen  Kaisers  bedeutet  haben 
würde,  bei  Wien  entdeckt  und  gefangen  nach  Herzog  Leo- 
polds Schloß  Dürnstein  an  der  Donau  gebracht  worden. 
Dieser  glückliche  Zufall  bedeutete  eigentlich  schon  den 
Wendepunkt  zugunsten  Heinrichs  VL  Zwar  hinderte,  wie 
auch  Bloch  mit  Recht  bemerkt  2),  für  den  Augenblick  die 
Gefangennahme  des  englischen  Königs  keineswegs,  daß  der 
Aufstand  immer  weiter  um  sich  griff,  im  Gegenteil :  gerade 
die  Nachricht  von  dem  überraschenden  Ereignisse  mag  erst 
Heinrich  den  Löwen,  des  Königs  Schwager,  bewogen  haben, 
der  Opposition  beizutreten ;  aber  später  zog  der  Kaiser  doch 
allen  Vorteil  aus  der  augenblicklichen  Ohnmacht  Englands,^ 
indem  er  geschickt  Richard  und  die  empörten  Fürsten  gegen- 
einander auszuspielen  wußte. 

Mit  scharfem  Blicke  hatte  Heinrich  VI.  sofort  erkannt, 
welch  günstige  Handhabe  sich  ihm  bot,  wenn  er  Richard 
von  England,  den  Feind  des  Reiches  und  zugleich  den  Freund 
der  Empörer,  in  seine  eigene  Gewalt  bekäme.  Ungesäumt 
war  er  deshalb  mit  Herzog  Leopold  in  erfolgreiche  Unter- 
handlung getreten ;  am  24,  März  wurde  der  hohe  Gefangene 
in  Speyer  dem  erfreuten  Kaiser  ausgeliefert  und  nach  Trifels 
in  sicheres  Gewahrsam  gebracht.  Eben  jetzt  hatte  aber  auch 
die  Empörung  ihren  Höhepunkt,  ihre  größte  Ausdehnung  er- 


1)  Cronica  Eeinhardsbr.  SS.  XXX,  1,  p.  552. 

2)  Bloch,  a.  a.  O.  S.  50. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  335 

reicht,  und  für  Heinrich  VI.  war  der  Zeitpunkt  gekommen, 
wo  er  sich  genötigt  sah,  mit  den  rheinischen  Fürsten  in 
Unterhandlung  zu  treten.  Diese  so  bald  als  möglich  zu 
Ende  zu  führen,  tat  der  Kaiser  einen  meisterhaften  Schach- 
zug. Er  erweckte  den  Anschein,  als  sei  er  den  Anträgen 
des  französischen  Königs,  der  gegen  große  Geldsummen 
die  Auslieferung  Richards  oder  wenigstens  die  Verlängerung 
seiner  Gefangenschaft  verlangte,  gar  nicht  so  abgeneigt. 
Die  Aussicht,  in  die  Gewalt  seines  erbittertsten  Feindes  zu 
gelangen ,  mußte  den  unglücklichen  Fürsten  natürlich  in 
nicht  geringen  Schrecken  versetzen;  die  nahe  Gefahr  trieb 
ihn  schließlich,  mit  allen  Mitteln  die  Fürsten,  von  denen  ja 
gerade  die  Führer,  Heinrich  von  Brabant  und  Heinrich  der 
Löwe,  das  lebhafteste  Interesse  an  ihm  hatten,  zum  Frieden 
zu  bewegen  ^),  und  damit  hatte  Heinrich  VI.  seinen  Zweck 
erreicht;  denn  Richards  Bemühungen  waren  von  Erfolg 
gekrönt,  die  Fürsten  gaben  —  besonders  wohl  auch  aus 
Furcht  vor  dem  Schreckgespenst  eines  staufisch-französischen 
Bündnisses  —  seinen  Bitten  willig  Gehör.  Mitte  Juli  1193 
schon  schlössen  die  meisten  Glieder  der  Opposition  2)  in 
Coblenz  unter  höchst  annehmbaren  Bedingungen  für  sie  ^) 
ihren  Frieden  mit  dem  Kaiser.  Neben  Albrecht  von  Meißen 
war  auch  der  Landgraf  Hermann  von  Thüringen  erschienen  *), 
um  sich  mit  Heinrich  VI.  auszusöhnen  ^).  Und  wie  es  den 
Anschein  hat,  ist  dieser  von  allen  anwesenden  Großen  gerade 
Hermann,  seinem  „lieben  Vetter",  mit  größter  Huld  begegnet; 
„auf  jedwede  Art  und  Weise  suchte  er  sich  seine  G.eneigt- 
heit  zu  verschaffen",  so  berichtet  wenigstens  voller  Genug- 
tuung der  auf  seinen  Landesherrn  stolze  Annalist  von  Rein- 


1)  Weitere  Ausführungen   siehe  bei  Bloch  a.  a.  O.  S.  63 — 65. 

2)  Siehe  Toeche  a.  a.  O.  S.  282. 

3)  Nach  Bloch  a.  a.  O.  S.  65,  Anm.  2. 

4)  Dobenecker  II,  925. 

5)  Irrtümer   Toeches  a.   a.   O.   S.  279    und    Wencks   a.  a.  O. 
S.  207  f.  berichtigte  schon  Bloch  a.  a.  O.  S.  65,  Anm.  2. 

22* 


336     I^iß  Keichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

hardsbrunn  ^).  Von  Coblenz  begab  sich  der  Kaiser  mit  dem 
Landgrafen  2)  und  zahlreichen  anderen  Fürsten  ^)  zu  weiterem 
Ausgleich  nach  Worms,  wo  zur  Zeit  der  englische  König 
weilte.  Am  25.  Juni  begannen  dort  die  Verhandlungen  *), 
die  Heinrichs  VI.  Erfolg  befestigen  sollten.  Durch  einen 
Vertrag  wurde  Richards  Befreiung  gesichert,  und  damit 
waren  die  rheinischen  Fürsten  zufriedengestellt.  Herzog 
Ottokar  von  Böhmen  wurde  zur  Strafe  für  seinen  Abfall 
seiner  Würden  entsetzt  und  an  seiner  Stelle  Bischof  Heinrich 
von  Prag  mit  dem  Herzogtum  belehnt  ^).  Unversöhnt  allein 
im  Reiche  standen  dem  Staufer  nur  noch  die  Weifen  und 
Konrad  von  Mainz  gegenüber. 

Mit  den  Wormser  Tagen  hatte  die  so  gefahrdrohende 
Fürstenverschwörung  des  Jahres  1193  nahezu  ihr  Ende 
erreicht.  Geschichtlich  bedeutsam  ist  die  gewaltige  Be- 
wegung wegen  der  Vereinigung  des  rheinisch-brabantischen 
und  sächsisch-weifischen  Fürstenbundes,  die  einmal  der  lang- 
gehegte Unmut  über  die  staufisch -italienische  Politik,  zum 
andern  das  Ziel  der  Befreiung  Richards  von  England  zu- 
stande gebracht  hatte.  Kluge  Mäßigung  im  rechten  Augen- 
blick ließen  den  Kaiser  schließlich  das  Feld  behaupten; 
anfangs   in    fast    aussichtsloser    Lage,    rettete    ihn    die   ge- 


1)  Cron.  Eeinhardsbr.  SS.  XXX,  1,  p.  552:  Imperator,  quibus 
artibus  potuit,  lantgravium  favorabilem  sibi  constituit.  Siehe  Bloch 
65  ff.    Vgl.  aber  Knochenhauer  a.  a.  O.  S.  229. 

2)  Hermann  ist  am  28.  Juni  in  Worms.    Dobenecker  II,  928. 

3)  Siehe  die  Reihe  der  in  Worms  anwesenden  Fürsten  bei 
Toeche  a.  a.  O.  S.  282. 

4)  Roger  von  Howden,  Chronica  Magistri  Rogeri  de  Hovedene 
ed.  by  W.  Stubbs,  4.  Bde.,  1868  —  71  (Rar.  Britannic,  Script.), 
Bd.  III,  214. 

5)  Gerlaci  abbatis  Milovicensis  annales  1167 — 1198  in  S.S.  XVII, 
683—710,  p.  707.  Die  Cron.  Reinhardsbr.  SS.  XXX,  1,  p.  552  be- 
richtet die  Entsetzung  Ottokars  fälschlich  als  gleichzeitig  mit  den 
Gunstbezeugungen  Heinrichs  VI.  gegenüber  dem  Landgrafen  Her- 
mann (s.  o.  Anm.  1). 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  337 

schickte  politische  Ausnutzung  eines  Zufalles,  der  ihm  in 
der  Gefangennahme  des  englischen  Königs  unerwartet  zu 
Hilfe  kam. 

Voll  reger  Teilnahme  ist  den  diplomatischen  Händeln 
dieses  unruhigen  Jahres  Landgraf  Hermann  gefolgt.  Wie 
weit  er  in  den  einzelnen  Fällen  selbst  in  die  Ereignisse 
verflochten  ist,  vermögen  wir  freilich  nicht  zu  entscheiden ; 
immerhin  scheint  uns  die  auffallende  Haltung  Heinrichs  VI. 
zu  Coblenz,  die  in  der  Reinhardsbrunner  Chronik  so  aus- 
drücklich Erwähnung  findet  i),  genugsam  zu  beglaubigen,  daß 
dem  Landgrafen  unter  den  verschworenen  Fürsten  eine 
keineswegs  unbedeutende  Rolle  beizulegen  ist.  Auf  seinen 
geheimen  Groll  gegen  Heinrich  VI.  und  seine  Befürch- 
tungen gegenüber  dessen  skrupelloser  Hausmachtspolitik 
haben  wir  schon  oben  hingewiesen  2) :  es  kommt  aber  noch 
ein  weiteres  Moment  hinzu,  das  ihn  bewog,  sich  der  Op- 
position anzuschließen.  Ein  Hauptzug  seiner  Politik,  der  sich 
allerdings  hier  zum  erstenmal  bemerkbar  macht,  den  wir 
später  aber  häufig  wiederkehren  sehen,  war  nämlich,  stets 
der  Partei  im  Reiche  beizutreten ,  die  ihm  selbst  "  den 
meisten  Vorteil  einzubringen  versprach.  Unzweifelhaft  lieb 
war  ihm  hierbei,  wenn  es  galt,  gegen  das  nach  immer 
größerer  Macht  strebende  staufische  Herrscherhaus  vorzu- 
gehen, zu  dem  ihm  mit  dem  Tode  seiner  Mutter  ^)  jegliche 
verwandtschaftliche  Neigung  geschwunden  zu  sein  schien. 
So  gerade  jetzt,  zu  Beginn  des  Jahres  1193,  welch  günstige 
Gelegenheit:  der  Riesenbund,  der  vereinigten  Fürsten  und 
ihm  gegenüber  in  halber  Ohnmacht  der  staufische  Vetter! 
Kaum  aber  wird  sich  dann  Hermann  der  veränderten  Sach- 
lage bewußt,  des  Vorteils,  den  der  geistesgewaltige  Kaiser 
aus  der  Gefangennahme  Richards  für  sich  herauszuschlagen 


1)  Siehe  auf  voriger  Seite  Anm.  1. 

2)  Siehe  oben  S.  332  f. 

3)  1191,  siehe  Knochenhauer  a.  a.  O.  S.  224. 


338     Die  Reichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

weiß,  so  lenkt  er  ein ;  persönlich  eilt  er  nach  Coblenz,  um 
sich  mit  Heinrich  VI.  wieder  zu  versöhnen.  Und  der  nimmt 
ihn  gern  und  huldvoll  auf;  befindet  er  sich  doch  in  ähn- 
licher Lage  wie  1190  in  Saalfeld:  ein  zweiter,  schon  lange 
vorbereiteter  Feldzug  soll  ihm  jetzt  die  sizilische  Königs- 
krone bringen,  doch  vorher  muß  erst  in  Deutschland  der 
Friede  gesichert  sein.  Von  Coblenz  begibt  sich  Hermann 
nach  Worms,  um  an  den  Verhandlungen  zwischen  dem 
Kaiser  und  Richard  Löwenherz  teilzunehmen.  Will  er  sich 
für  den  englischen  König  verwenden?  —  Heinrich  VL 
fordert  für  dessen  Freilassung  150000  Mark  und  das  Ver- 
sprechen, Heinrich  den  Löwen  zur  Heeresfolge  gegen  Tan- 
kred und  damit  zum  Frieden  zu  bewegen.  Allein  Eichard 
ist  nicht  gesonnen,  durch  des  Schwagers  Überredung  dem 
Kaiser  Ruhe  in  Deutschland  zu  verschaffen.  Da  schreiten 
die  Fürsten,  die  sich  eben  wieder  mit  Heinrich  VL  ver- 
glichen haben,  zur  Vermittlung.  Sie  wirken  zugunsten  des 
Königs;  denn  ihnen  —  und  wir  dürfen  wohl  Hermann  be- 
sonders dabei  hervürheben  —  will  die  volle  Wiederher- 
stellung des  kaiserlichen  Einflusses  in  Deutschland  wenig 
behagen.  Und  es  gelingt  ihnen  schließlich  durchzusetzen : 
daß  Richard,  falls  er  sein  Versprechen,  Heinrich  den  Löwen 
betreffend,  nicht  erfülle,  dem  Kaiser  dann  nur  weitere 
50000  Mark  als  Entgelt  zu  entrichten  habe. 

Landgraf  Hermann  ist  dann  wohl  unmittelbar,  nach- 
dem er  gleich  den  anderen  anwesenden  deutschen  Fürsten 
die  Wormser  Abmachungen  beschworen  hatte,  in  die  Hei- 
mat zurückgekehrt.  Kurze  Zeit  darauf  schon  finden  wir 
ihn  in  eine  Fehde  mit  Erzbischof  Konrad  von  Mainz  ver- 
wickelt i).     Nach  dem  Bericht  des  Reinhardsbrunner  Chro- 


1)  Die  Fehde  fand  also  nicht  im  Frühjahre  statt,  wie  Schwartz 
a.  a.  O.  S.  27  und  Wenck  a.  a.  O.  S.  208  dartun,  sondern  im  Herbst. 
Konrad  von  Mainz  söhnte  sich  mit  dem  Kaiser  erst  1194  (St.  4845) 
aus.    Siehe  auch  Bloch  a.  a.  O.  S.  65,  Anra.  2. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217),  339 

3iisten  ^)  war  dieser  ergrimmt  über  das  eigenmächtige  Ver- 
halten des  Landgrafen,  der,  durch  sein  Zureden  erst  für 
die  Opposition  gewonnen,  plötzlich  wie  im  Spiel  ohne  ihn 
sich  wieder  dem  Kaiser  zugewandt  hatte,  und  suchte  die 
Verbündeten  gegen  ihn  aufzuwiegeln.  Doch  entspricht 
die  Darstellung,  Hermanns  unerwarteter  Parteiwechsel 
lediglich  habe  diesen  Kriegszug  zur  Eolge  gehabt,  wohl 
kaum  den  Tatsachen.  Die  Fehde  wird  wie  zahlreiche  frü- 
here der  Erzbischöfe  von  Mainz  gegen  die  Landgrafen  von 
Thüringen,  so  auch  diesmal  privater  Natur  gewesen  sein. 
Hermanns  vorsichtiges  Handeln,  das  den  Erzbischof  ja 
natürlich  erbittert  haben  mag,  hat  sie  bloß  gezeitigt.  Mit 
Knochenhauer*)  anzunehmen,  es  sei  das  Übereinkommen 
zwischen  dem  Landgrafen  und  dem  Kaiser  zu  Coblenz  auf 
Kosten  des  Erzbistums  getroffen  worden,  sehe  ich  keine 
Veranlassung;  es  fehlt  darüber  jeder  Quellennachweis. 

Auf  die  Kunde  von  Konrads  Umtrieben  sammelte  Her- 
mann rasch  ein  Heer  und  fiel  im  Bunde  mit  Albrecht  von 
Meißen,  der  eine  Gelegenheit  zum  Dreinschlagen  nur  höchst 
ungern  vorübergehen  ließ,  in  die  Mainzer  Lande  ein.  Die 
Einnahme  von  Melsungen  bereitete  dem  Kampfe  ein  baldiges 
Ende,  der  durch  die  Schnelligkeit  des  thüringisch-meiß- 
nischen Angriffes  völlig  überraschte  Erzbischof  bequemte 
sich  zum  Frieden.  Noch  in  demselben  Jahre  finden  wir 
beide  Fürsten  in  friedlicher  Zusammenkunft  ^). 

Über  dem  Streit  mit  Konrad  von  Mainz  hat  der  Land- 
graf nicht  den  Gang  der  Dinge  im  Reich  aus  den  Augen 
verloren.  Noch  immer  stand  der  Ausgleich  Heinrichs  VI. 
mit  den  Weifen  bevor.     Da  endlich,  am  29.  Januar  1194, 


1)  Cron.   Eeinhardsbr.    SS.  XXX,  1,    p.   552.     Dazu   Wenck 
a.  a.  O.  S.  209,  Anm.  1. 

2)  Knochenhauer,  a.  a.  O.  S.  229. 

3)  Vgl.  auch  Bloch  a.  a.  O.  S.  48,  der  die  Ausstellung  dieser 
Urkunde  —  wohl  mit  Unrecht  —  vor  den  Beginn  der  Fehde  setzt. 


340      ^iö  Eeichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

erschien  zu  Würzburg  der  jun^e  Heinrich  von  Braun- 
schweig, der  kurz  vorher  durch  seine  unerwartete  und  ge- 
heime Vermählung  mit  Agnes,  der  Tochter  des  Pfalzgrafen 
Konrad  ^ ),  in  verwandtschaftliche  Beziehung  zu  dem  Kaiser 
getreten  war,  am  Hofe  des  Staufers,  an  seiner  Seite  als 
Fürsprecher  Hermann  von  Thüringen  ^).  Deutlich  sehen 
wir  hier  die  kluge  Politik  des  Landgrafen,  Keine  der 
beiden  Parteien  kann  ihm  jetzt  sein  vorjähriges  Verhalten 
gegen  sie  nachtragen:  Heinrich  VI.  nicht,  daß  er  gegen 
ihn  die  Fahne  der  Empörung  hob,  und  die  Weifen  nicht, 
daß  er  um  seiner  eigenen  Sicherung  willen  treulos  die  Sache 
der  gegen  den  Staufer  Verbündeten  aufgab.  Ja,  beide 
sind  ihm  jetzt  gewissermaßen  noch  zu  Danke  verpflichtet. 
Großmütig  verzieh  der  Kaiser  dem  jungen  Weifen. 
Auf  einem  Reichstage  zu  Saalfeld  Ende  Februar  3)  wollte 
er  dann  auch  Heinrich  den  Löwen  in  Gnaden  aufnehmen. 
Ein  Sturz  vom  Pferde  hinderte  aber  den  greisen  Weifen 
am  Kommen,  und  so  fand  die  Aussöhnung  mit  ihm  erst 
Anfang  März  in  Tilleda,  der  kaiserlichen  Pfalz  am  Fuße 
des  Kyffhäusers,  statt  ^).  Damit  hatte  nach  langen  Mühen 
Heinrich  VI.  den  deutschen  Landen  endlich  den  Frieden 
wiedergegeben ;  mit  Heinrich  dem  Löwen  fiel  das  letzte 
Glied  antistaufischer  Opposition.  Stolze  Genugtuung  durfte 
den  jungen  Herrscher  erfüllen,  wenn  er  diesen  glänzenden 
Erfolg  seiner  Staatskunst  überschaute.  Jetzt  war  auch  an 
dem  Gelingen  eines  zweiten  Zuges  nach  Apulien  kaum  noch 
zu  zweifeln:  in  Sizilien  war  eben,  am  20.  Februar,  der  zum 
König  erhobene  Tankred  gestorben  ^),  und  dem  Banner  des 
Staufers  folgte  diesmal  die  gesamte  Heeresmacht  der  Weifen. 


1)  Annales  Stederburgenses  1000 — 1194,  auctore  Gerhardo  prae- 
poslto  SS.  XVI,  197—231,  p.  227. 

2)  Dobenecker  II,  951. 

3)  Dobenecker  II,  952.  953. 

4)  Dobenecker  II,  954. 

5)  Toeche,  a.  a.  O.  S.  322. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  34I 

Landgraf  Hermann  scheint  nach  dem  Würzburger 
Tage  sich  eifrig  den  Angelegenheiten  seines  Landes  ge- 
widmet zu  haben.  Weder  in  Saalfeld  noch  in  Tilleda  ist 
seine  Anwesenheit  nachweisbar.  Doch  nicht  lange  war 
ihm  friedliche  Betätigung  beschieden;  schon  bald  nach  des 
Kaisers  Aufbruch  aus  Deutschland  (im  Mai  1194)  mußte 
er  von  neuem  die  Waffen  ergreifen.  „Des  Nichtstuns 
müde"i),  hatte  der  streitlustige  Markgraf  von  Meißen  aber- 
mals seinen  Bruder  angegriffen  und  belagerte  die  Burg 
Wunnenfels  ^).  Des  Landgrafen  vermittelnder  Bitte,  sich 
weiterer  Feindseligkeiten  zu  enthalten,  achtete  er  nicht. 
Ja  er  ging  in  seinem  Übermut  so  weit,  einen  Reichsmini- 
sterialen Bernhard  zu  blenden  ^).  Diese  Untat  nun  führte, 
gleichsam  als  dehnte  er  sein  pfalzgräfliches  Amt  auch  auf 
Meißen  aus,  den  Landgrafen  ins  Feld.  Mit  einem  starken 
Heere  fiel  er  in  die  Mark  ein,  Albrechts  Burgen  zu  er- 
obern. Die  einen  zerstörte  er,  andere  zwang  er  zur  Über- 
gabe und  übertrug  ihren  Schutz  dem  Grafen  Dietrich*). 
In  dem  Glauben,  des  Markgrafen  Macht  völlig  gebrochen 
zu  haben,  verließ  er  dann  siegreich  das  Land.  Bereits 
drohte  ihm  von  Westen  her  neue  Gefahr.  Konrad  von 
Mainz  hatte  die  Gelegenheit  der  Fehde  Hermanns  mit 
Albrecht  von  Meißen  benutzt,  um  die  Niederlage  des  vorigen 
Jahres  wettzumachen,  und  dabei  in  dem  über  des  Land- 
grafen Siegeszug  mißgünstigen  Erzbischof  Adolf  von  Köln 
einen  willigen  Bundesgenossen  gefunden  ^).    Vereint  waren 


1)  Cron.  Reinhardsbr.  S.S.  XXX,  1,  p.  5521;  Wenck  a.  a.  O. 
S.  209. 

2)  S.  dazu  Cron.  Reinhardsbr.  S.S.  XXX,  1,  p.  553,   Anm.  2. 

3)  Ausführliches  darüber  siehe  Wenck  a.  a.  O.  S.  209  ff. 

4)  Cron.  Reinhardsbr.  SS.  XXX,  1,  p.  553. 

5)  Cron.  Reinhardsbr.  SS.  XXX,  1,  p.  553  berichtet  wieder 
von  einer  Verschwörung  der  Fürsten  gegen  den  Landgrafen;  aber 
soviel  wir  wissen,  hat  sich  nur  Adolf  von  Köln  noch  an  dem  Kampfe 
beteiligt. 


342     -Die  Eeichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

die  beiden  Prälaten  in  das  landgräfliche  Gebiet  eingefallen 
und  hatten  Grrünberg  (in  Hessen)  verbrannt.  Noch  war 
Hermann  gegen  sie  unterwegs,  als  ihn  die  Nachricht  traf, 
Markgraf  Albrecht  habe  während  seiner  Abwesenheit  das 
Meißner  Land  wieder  in  seinen  Besitz  gebracht  und  über- 
schreite jetzt  die  Saale,  um  in  Thüringen  selbst  einzu- 
dringen. Da  überließ  der  Landgraf  kurz  entschlossen  den 
Kampf  im  Westen  einstweilen  seinen  Lehnsleuten,  er  selbst 
wandte  sich  zum  Schutze  seines  Landes  gegen  den  an- 
rückenden Markgrafen.  Trotz  aller  Ermüdung  durch  den 
Marsch  griff  er  den  Gegner  gleich  beim  ersten  Zusammenstoß 
an  und  erfocht  einen  vollständigen  Sieg  ^)  bei  Reveningen  ''^). 
Zahlreiche  Feinde  gerieten  in  Gefangenschaft,  Albrecht 
selbst  entkam  nur  mit  genauer  Not.  Es  ist  ungewiß,  ob 
Hermann  nach  Beendigung  des  Kampfes  mit  dem  Mark- 
grafen sich  noch  einmal  persönlich  dem  westlichen  Kriegs- 
schauplatze zugewandt  hat,  da  wir  über  den  Verlauf  dieser 
Fehde  nicht  näher  unterrichtet  sind ;  jedenfalls  aber  kam 
noch  in  demselben  Jahre  der  Friede  zustande. 

Für  die  Folgezeit  scheint  das  Verhältnis  des  Landgrafen 
zu  Konrad  von  Mainz  überhaupt  eine  günstigere  Wendung 
genommen  zu  haben ;  wir  hören  von  keiner  Fehde  mehr 
zwischen  den  beiden  Verwandten  ^). 

Auch  von  selten  Albrechts  von  Meißen  sollte  der  Land- 
graf in  Zukunft  unbehelligt  bleiben.  Auf  dem  Wege  von 
Freiberg  nach  Meißen  ereilte  schon  im  folgenden  Jahre,  im 
Juni  1195,  den  Markgrafen  ein  plötzlicher  Tod*). 


1)  Chronicon  montis  Sereni  (Lauterberg),  abgek.  Chron.  mont. 
Ser.,  ed.  E.  Ehrenfeuchter,  SS.  XXIII,  166. 

2)  Heute  Röblingen  (Ober-  und  Unter-)  an  der  Helme,  westlich 
von  Halle,  südlich  von  Sangerhausen. 

3)  S.  Dobenecker  II,  871. 

4)  Cron.  Eeinhardsbr.  SS.  XXX,  1,  p.  554;  Chron.  mont. 
Ser.  SS.  XXIII,  p.  166.  Siehe  auch  Wenck  a.  a.  O.  S.  189 
und  212. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  343 

Kaiser  Heinrich  war  inzwischen  in  Italien  äußerst 
glücklich  gewesen.  Bereits  am  25.  Dezember  1194  konnte 
er  sich  in  Palermo  die  normannische  Königskrone  aufs 
Haupt  setzen.  Auf  der  Rückkehr  nach  Deutschland  machte 
er  die  Erfolge  seines  zweiten  italienischen  Feldzuges  voll- 
ständig, indem  er  sich  mit  der  Kurie  aussöhnte;  nach 
kurzen  Verhandlungen  mit  Cölestin  nahm  er  am  31.  März, 
dem  Karfreitag  des  Jahres  1195,  das  Kreuz.  Im  Sommer 
war  der  Kaiser  eifrig  darauf  bedacht,  auch  die  deutschen 
Pursten  für  den  Zug  zu  gewinnen.  Ein  Reichstag  in  dieser 
Angelegenheit  konnte  freilich  infolge  einer  Erkrankung  des 
Kaisers  erst  Ende  Oktober  in  Gelnhausen  zusammentreten. 
Zahlreiche  geistliche  und  weltliche  Fürsten ,  Grafen  und 
Edle  erklärten  sich  hier  für  die  Kreuzfahrt,  unter  ihnen 
der  Landgraf  Hermann  i).  Nicht  weniger  günstig  für  die 
Sache  des  heiligen  Landes  war  der  Erfolg  auf  einem 
zweiten  Reichstage,  der  am  6.  Dezember  zu  Worms  statt- 
fand 2). 

Lange  schon  hatte  Heinrich  VI.  den  gewaltigen  Ge- 
danken gehegt,  eine  Weltmonarchie  zu  gründen.  Die  Er- 
oberung Siziliens  und  vor  allem  der  Kreuzzugsplan  ließen 
ihn  jetzt  von  neuem  und  stärker  als  je  in  ihm  aufkommen. 
Zu  diesem  Zwecke  suchte  er  zunächst  das  deutsche  Wahl- 
reich zu  einem  staufischen  Erbreich  umzugestalten,  d.  h.  die 
Nachfolge  in  Deutschland,  das  er  mit  Sicilien  zu  einem 
Reiche  verbunden  wissen  wollte,  für  sein  Haus  durch  Reichs- 
gesetz erblich  zu  machen  ^).  Die  Fürsten  aber  sollten  für 
den  Verzicht  auf  ihr  Wahlrecht  unbeschränktes  Erbrecht 
—    auch   in   kognatischer    Nachkommenschaft    —    erhalten. 


1)  Dobenecker  II,  983  a.  Dobenecker  zitiert  hier  irrtümlich 
Toeche  S.  389 ;  es  müßte  besser  heißen :  vgl.  dagegen  Toeche 
S.  390. 

2)  Dobenecker  II,  986-988. 

3)  Toeche,  a.  a.  O.  S.  396—417,  436-446  und  daselbst  Bei- 
lage X. 


344     ^iß  Eeichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

So  hatte  er  schon  kurz  vor  dem  Gelnhauser  Reichstage  im 
Oktober  zu  Mainz  ^)  der  daselbst  anwesenden  nicht  zahl- 
reichen Fürstenversammlung  seine  bekannte  Reichserbfolge- 
ordnung ^)  vorgelegt,  aber  nur  geringes  Entgegenkommen 
gefunden.  Zu  weiterer  Beratung  wurde  zu  Anfang  April  2) 
ein  zweiter  Reichstag  nach  Würzburg  angesagt.  Noch  ehe 
dieser  zusammentrat,  finden  wir  am  Hofe  des  Kaisers  den 
Landgrafen  Hermann^),  der  dem  Plane  Heinrichs  offenbar 
das  größte  Interesse  entgegenbrachte  und,  wie  wir  gleich 
sehen  werden,  bald  darauf  in  Würzburg  zu  seiner  Förderung 
wesentlich  beigetragen  hat. 

Es  war  eine  stattliche  Versammlung,  die  hier  zusammen- 
kam. Energisch  drang  der  Kaiser  in  die  Fürsten,  ihm  ihre 
Zustimmung  zu  geben.  Nach  langem  Zögern,  mit  sichtlichem 
Widerstreben  willigten  sie  schließlich  ein,  „einige  durch 
Überredung  gewonnen ,  andere  durch  Drohungen  einge- 
schüchtert", und  besiegelten  die  darüber  ausgestellte  Ur- 
kunde 5).  Deutlich  zeigte  sich  aber ,  wie  der  Landgraf 
Hermann  bei  seiner  schnellen  Bereitwilligkeit  dem  Plane 
Heinrichs  VI.  gegenüber  nur  seinen  persönlichen  Vorteil 
im  Auge  gehabt  hatte.  Kaum  hatte  er  unterschrieben,  so 
gab  er  dem  neuen  Gesetz  seine  erste  Anwendung;  er  ließ 
unter  dem  Zeugnis  der  versammelten  Fürsten  seiner  noch 
unmündigen  Tochter  Hedwig  vom  Kaiser  das  Recht  auf 
die  Landgrafschaft  übertragen  ^). 

Bald  nach  dem  Würzburger  Tage  begannen  jedoch  die 


1)  Wenck,  a.  a.  O.  ö.  214,  Anm.  1.  Siehe  auch  Dobenecker 
II,  982. 

2)  Toeche,  a.  a.  O.  S.  399—417. 

3)  Toeche,  a.  a.  0.  S.  414;  Dobenecker  II,  1004.  1005. 

4)  März  6  in  Gelnhausen.    Dobenecker  II,  1002. 

5)  Toeche,  a.  a.  0.  S.  414;  Cron.  Eeinhardsbr.  SS.  XXX,  1, 
p.  556;  dazu  die  Zeugenunterschriften  der  gleichzeitigen  Urkunden 
des  Kaisers  bei  Dobenecker  II,  1004.  1005. 

6)  Cron.  Eeinhardbr.  SS.  XXX,  1,  p.  556. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  345 

Fürsten  den  Plan  des  Kaisers  mit  Mißgunst  zu  betrachten. 
Selbst  den  Landgrafen  Hermann,  der  doch  —  allerdings 
nur  aus  selbstischen  Gründen  —  am  ersten  die  Forderungen 
Heinrichs  VI.  gutgeheißen  hatte,  finden  wir  binnen  kurzem 
unter  den  entschiedenen  Gegnern  des  kaiserlichen  Projektes. 
Ihn  entfremdete  dem  Kaiser  vor  allem  ein  Umstand,  der 
wohl  auch  den  Argwohn  der  anderen  Fürsten  wachrief; 
analog  der  Belehnuug  Hedwigs  mit  den  landgräflichen 
Recbten  hätte  auch  Graf  Dietrich  von  Weißenfels  die  Mark 
Meißen  erhalten  sollen ,  besonders  da  die  gesetzmäßige 
Frist  —  nach  Reichsrecht  mußte  ein  erledigtes  Fahnen- 
lehen binnen  Jahr  und  Tag  vom  Kaiser  wieder  verliehen 
werden  ^)  —  damals  gerade  ablief.  Heinrich  VI.  hatte  diese 
Belehnung  nicht  eintreten  lassen  2).  Schon  am  7.  August 
versammelten  sich  zu  Keuschberg  bei  Merseburg  mehrere 
Fürsten  „zur  Beratung  von  Reichsangelegenheiten",  wie  es 
in  einer  dort  ausgestellten  Urkunde  heißt  ^),  jedenfalls  aber, 
um  sich  zwecks  Wahrung  der  fürstlichen  Interessen  zu  ge- 
meinsamer Opposition  zu  verabreden.  In  ihrem  Widerstand 
wurden  sie  noch  bestärkt  durch  die  Nachricht,  daß  auch 
der  Papst  den  universalistischen  Ideen  des  Staufers  feind- 
lich gegenüberstand.  War  ihnen  von  Cölestin  etwa  sogar 
die  Entbindung  von  ihrem  Eide  in  Aussicht  gestellt 
worden  ? 

So  brachte  die  Fürstenversammlung  im  Oktober  1196 
zu  Erfurt^),  die  Heinrichs  VI.  Gesandter  Gebhard  von 
Querfurt  einberief,  um  den  Fürsten  die  wichtige  Angelegen- 


1)  Constitutiones  et  Acta  publica  Imperatorum  et  Eegum  (in 
M.  G.  I.  LL.  Sectio  IV),  ed.  L.  Weiland,  Hann.  1893,  Tom.  I, 
p.  248. 

2)  Cron.  Reinhardsbr.  SS.  XXX,  ],  p.  554;  Chron.  mont.  Ser. 
SS.  XXIII,  p.  166. 

3)  „ubi  (Cuschburk)  tunc  pro  negotiis  imperii  conveneramus". 
Dobenecker  II,  1057. 

4)  Cron.  Remhardsbr.    SS.  XXX,  1,  p.  557. 


346     I^iß  Reichspolitik  Hermanns  I.,  Landgrafen  von  Thüringen 

heit  der  Erbfolge  nochmals  vorzulegen  und  sie  zur  Be- 
schleunigung ihrer  Rüstungen  für  den  Kreuzzug  anzutreiben, 
dem  Kaiser  wenig  Erfreuliches.  Betreffs  des  Planes  konnte 
Gebhard  seinem  Herrn  nur  von  sichtlicher  Abneigung  der 
Fürsten  berichten  ;  aber  auch  der  Eifer  für  den  Kreuzzug 
war  infolge  der  allgemeinen  Mißstimmung  erkaltet.  Hein- 
rich VI.  hatte  sich  in  seinem  Schreiben  besonders  an  den 
Landgrafen  von  Thüringen  gewandt,  der  naturgemäß  seit 
dem  Reichstage  zu  "Würzburg  in  der  kaiserlichen  Gunst 
hoch  gestiegen  war.  „Wenn  er  ein  gutes  Beispiel  gebe, 
so  würden  auch  die  Saumseligen  angefeuert  werden;  wenn 
dagegen  der  Eifer  des  Hauptkämpfers  für  das  heilige  Land 
erkalte,  würden  alle  Anstrengungen  der  kleineren  Fürsten 
vergeblich  sein"  i).  Die  Antwort  aber,  die  ihm  Hermann  ^) 
übermitteln  ließ,  mußte  ihn  in  seinen  Erwartungen  bitter 
täuschen ;  denn  trotzig  erklärte  jener  dem  Gesandten,  „er 
habe  weder  aus  Rücksicht  auf  die  Kreuzpredigt,  noch  aus 
Furcht  vor  dem  weltlichen  Schwert,  sondern  im  Verlangen 
nach  göttlichem  Lohn  das  Heilszeichen  genommen ;  wenn 
ihm  also  die  Zeit  zum  Aufbruch  passend  sei,  dann  werde 
ihn  keines  Menschen  Furcht  oder  Gunst  vom  Zuge  zurück- 
halten" ^).  Die  übrigen  Fürsten  schlössen  sich  dem  ab- 
lehnenden Bescheid  des  Landgrafen  an  *) ;  deutlich  bekundet 
sich  darin  das  Ansehen,  das  Hermann  in  ihrem  Kreise 
genoß. 

Mit  dieser  Erklärung  aber  schwand  auch  für  den  Plan 
der  Erbfolge  jede  Aussicht  auf  Verwirklichung;  gerade  der 
Fürst,  der  im  Frühjahr  am  ersten  seine  Zustimmung  gegeben 
hatte,  war  ja  in  die  Reihen  der  Opposition  getreten.  Da 
faßte  der  Kaiser  mit  jener  bewunderungswürdigen  Mäßigung, 


1)  Toeche  a.  a.  O.  S.  442. 

2)  Des  Landgrafen  Anwesenheit  in  Erfurt  bezeugt  Cron.  Rein- 
hardsbr.   S.S.  XXX,  1,  p.  556;  siehe  auch  Dobenecker  II,  1039. 

3)  Toeche,  a.  a.  O.  S.  442. 

4)  Cron.  Reinhardsbr.    S.S.  XXX,  1,  p.  557. 


und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  347 

die  ein  Erbteil  seines  Vaters  zu  sein  schien,  den  Entschluß, 
von  dem  Plane  abzustehen  i),  um  wenigstens  das  für  den 
Augenblick  Nötigste,  die  Wahl  seines  Sohnes  zum  Nach- 
folger, zu  erreichen.  Ohne  Schwierigkeit  bewilligten 
dies  die  Fürsten ;  gegen  Ende  des  Jahres  noch  wählten 
sie  in  Frankfurt  Heinrichs  VI.  kaum  zweijährigen  Sohn 
Friedrich  zum  deutschen  König  und  schwuren  ihm  den 
Treueid  2). 

Nun  stand  dem  Kreuzzuge  nichts  mehr  im  Wege.  Mit 
Beginn  des  neuen  Jahres  kam  er  zustande.  Ende  März  ^) 
brach  auch  Landgraf  Hermann  von  Thüringen  auf,  nachdem 
er  vorher  noch  einmal  in  Reinhardsbrunn  Abschied  ge- 
nommen  natte. 

Kaiser  Heinrich  VI.  war  im  Hochsommer  1196  über 
die  Alpen  gezogen.  Er  sollte  Italien  nicht  wieder  verlassen. 
Bereits  am  28.  September  1197  starb  der  geistesgewaltige 
Sohn  Barbarossas  zu  Messina,  in  der  Blüte  seiner  Jahre 
durch  tückisches  Fieber  dahingerafft. 

Im  heiligen  Lande  hatte  der  Kreuzzug  einen  günstigen 
Anfang  genommen.  Da  traf  im  Februar  1198  die  Nach- 
richt von  dem  plötzlichen  Hinscheiden  Heinrichs  VI.  ein 
und  lähmte  alle  Unternehmungslust.  Und  noch  so  nach- 
haltig wirkte  die  Persönlichkeit  selbst  des  toten  Kaisers 
auf  die  Fürsten  ein,  daß  sie  gleich  nach  dem  Empfang  der 
Trauerkunde  seinem  unmündigen  Sohn  Friedrich  vor  Berytus 
den  Treueid  erneuerten.  Dann  aber  rüsteten  sich  die 
meisten  zu  eiligem  Aufbruch  in  die  Heimat.  Nur  wenige 
zögerten  mit  der  Abreise,  unter  ihnen  Landgraf  Hermann. 
Und  diesen  wurde    das  einzige  nennenswerte  Ergebnis  der 


1)  Selbst  der  Chronist  von  Eeinhardsbrunn,  der  entschiedene 
Parteigänger  seines  landgräflichen  Herrn,  kann  ihm  hierfür  seine 
Anerkennung  nicht  versagen.    Cron.  Reinh.  a.  a.  O.  p.  558. 

2)  Die  Literatur  darüber  siehe  A.  Hauck,  Kirchengeschichte 
Deutschlands,  4.  Teil,  Leipzig  1903,  S.  676,  Anm.  4. 

3)  Dobenecker  II,  1039—1042. 


348  Die  Reichspolitik  Hermanns  I.  etc. 

Kreuzfahrt  zu  danken :  um  dieselbe  Zeit  etwa,  als  in  Mittel- 
deutschland Herzog  Philipp  von  Schwaben  zum  König  ge- 
wählt wird,  finden  wir  die  thüringer  Fürsten,  Landgraf 
Hermann,  Dietrich  von  Meißen,  Konrad  von  Landsberg  und 
Bischof  Berthold  II  von  Zeitz  unter  den  Teilnehmern  des 
Konzils  von  Accon,  wo  der  deutschen  Spitalbrüderschaft 
der  heiligen  Maria  die  Würde  eines  Ritterordens  verliehen 
wird  1). 


1)  Dobenecker  II,  1072.  Siehe  auch  Arnoldi  Chron.  Slav.  Lib.  V, 
p.  211  ff. 

(Fortsetzung  folgt.) 


IX. 

Konrad,  Landgraf  von  Thüringen,  Hochmeister  des 
deutschen  Ordens  (f  1240). 

Von 

Dr.  E.  Caemmerer  aus  Arnstadt. 


Nach  den  Stürmen  des  Bürgerkrieges  zwischen  dem 
staufischen  und  weifischen  Geschlechte  am  Anfange  des 
13.  Jahrhunderts,  der  auch  über  die  thüringischen  Lande 
überaus  schwere  Heimsuchung  gebracht,  war  mit  der 
Regierung  des  jungen,  tatkräftigen  Landgrafen  Lud- 
wigs IV.,  des  Heiligen,  vorwiegend  eine  Zeit  der  Ruhe 
und  des  Friedens  angebrochen.  Als  er  nach  der  unruh- 
vollen Regierung  seines  Vaters  Hermanns  L  dessen  Erbe 
antrat,  war  die  weifische  Macht,  besonders  nach  dem  Tode 
ihres  Hauptes,  Ottos  IV.,  zu  einer  wirksamen  Opposition 
gegen  die  Staufer  viel  zu  schwach.  So  ergab  sich  für  ihn 
der  politische  Anschluß  an  den  jungen  Hohenstaufen 
Friedrich  II.  leicht. 

Als  dessen  Freund  hat  Landgraf  Ludwig  seine  be- 
sonders auf  Stärkung  und  Erweiterung  seiner  Territorial- 
macht gerichteten  Pläne  fördern  können.  Im  Jahre  1221 
fiel  ihm  nach  Markgraf  Dietrichs  von  Meißen  Tode  die  Vor- 
mundschaft über  dessen  jungen  Sohn  Heinrich,  seinen 
Neffen,  und  zugleich  die  Anwartschaft  auf  dessen  Besitz- 
tum für  den  Fall  des  vorzeitigen  Todes  seines  Mündels  zu. 
In  seiner  Stellung  als  Reichsfürst  hat  der  Landgraf,  der 
an  zahlreichen  politisch  wichtigen  Fragen  regen  Anteil 
nahm,  eine  hervorragende  Rolle  gespielt.  Die  lombardische 
Politik  des  Kaisers  hat  er  tätig  unterstützt.  Mit  ihm  nahm 
XXVII.  23 


350  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

er  auch  das  Kreuz  zum  Kampfe  für  die  heiligen  Stätten 
des  Orients.  Im  fernen  Polen  hat  er  gegen  den  Herzog 
Wladislaw  Laskonogi  sein  Ansehen  und  Recht  zu  wahren 
verstanden.  Ebenso  zielbewußt  und  erfolgreich  behauptete 
er  die  in  den  Marken  errungene  Stellung  als  Regent  und 
Vormund  des  jungen  Heinrich  gegen  den  mächtigen  Henne- 
berger Grafen,  der  diese  Stellung  durch  die  Ehe  mit  seiner 
Stiefschwester  Jutta  bedrohte.  Die  unter  seiner  Regierung 
mit  dem  Erzbistum  Mainz  sich  wiederholenden  Kämpfe  haben 
die  Ruhe  seiner  Lande  nicht  erheblich  zu  stören  vermocht. 
Denn  gerade  weil  seine  Regierung  nach  langwierigen 
Kämpfen  heilsamen  Frieden  und  strenge  Verteidigung  des 
Rechtes  wiederbrachte,  ist  sie  eine  glückliche  gewesen. 
Der  frühe  Tod  des  Landgrafen  vereitelte  dessen  weitere 
Pläne  und  beraubte  Thüringen  zur  Unzeit  des  umsichtigen 
Fürsten  i). 

Bevor  wir  uns  unserm  eigentlichen  Thema  zuwenden, 
ist  eine  kurze  Übersicht  über  die  Familie  Hermanns  L, 
des  Vaters  Landgraf  Ludwigs  IV.,  unerläßlich, 

Landgraf  Hermann  war  zweimal  vermählt  gewesen. 
Seiner  ersten  Ehe  mit  der  Gräfin  Sophia  aus  rheinischem 
Geschlechte  waren  nur  2  Töchter,  die  schon  genannte  Jutta 
und  Hedwig,  entsprossen.  Seine  zweite  Gemahlin  gleichen 
Namens  war  die  älteste  Tochter  des  Herzogs  Otto  I.  von 
Bayern.  Von  ihr  hatte  er  außer  2  Töchtern  4  Söhne  ^). 
Ludwigs,  des  ältesten,  gedachten  wir  bereits  kurz.  Dem 
nächstfolgenden,  nach  dem  Vater  Hermann  genannt,  war 
wegen  seines  vorzeitigen  Todes  keine  Bedeutung  beschieden. 
In  weit  höherem  Grade  gilt  dies  wieder  vom  dritten, 
Heinrich,    dem  Nachfolger  Ludwigs  IV.  als  Landgraf,    und 


1)  Vgl.  über  Landgraf  Ludwig  IV.  jetzt  besonders:  R.  Wagner, 
Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  in :  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  thüriug. 
Gesch.  u.  Altertumsk.  (=  Z.  Thür.  G.),  Neue  Folge  (==  N.  F.) 
Bd.  19,  23  ff. 

2)  Vgl.  Wagner,  S.  24  f. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  351 

von  Konrad,  dem  vierten  und  jüngsten  der  Söhne  Landgraf 
Hernaanns  1. 1). 

Ludwig  IV.,  einer  der  sympathischsten  Erscheinungen 
unter  den  thüringischen  Landgrafen,  dem  Gemahle  der 
heiligen  Elisabeth,  hat  die  Geschichtsschreibung  von  jeher 
Interesse  entgegengebracht.  Auch  Heinrich  Raspe,  bekannt 
als  Gegenkönig  Kaiser  Friedrichs  II.,  ist  oft  Gegenstand 
eingehender  wissenschaftlicher  Untersuchungen  geworden. 
Von  Landgraf  Konrad  besitzen  wir  keine  zusammenfassende 
Schilderung  seines  Lebens  und  seiner  politischen  Tätigkeit^). 

So  mag  der  folgende  Versuch,  ein  Bild  von  seinem 
Leben  und  Wirken  zu  geben,  gerechtfertigt  erscheinen. 

Über  Konrads  Geburtsjahr  wissen  uns  die  ältesten 
Quellen  nichts  zu  berichten,  und  die  Angaben  über  das 
Alter  der  Landgrafen ,  wie  sie  der  spätere  thüringische 
Chronist  Johann  ßotbe  bringt,  lassen  sich  an  den  fest- 
stehenden Geburtsjahren  Ludwigs  IV.,  nämlich  1200,  und 
seines  Sohnes  Hermanns  IL,  1222,  als  falsch  widerlegen. 
So  verdient  auch  Rothe,  wenn  er  Konrad  1203  geboren 
sein  läßt,  keinen  Glauben  ^). 


1)  Die  Altersreihenfolge  der  zwei  ältesten  Söhne  Hermanns  I.  ist 
strittig.  Vgl.  Dobenecker  11,  1585,  Anm.  1.  So  zitiere  ich  O.  Do- 
benecker,  Kegesta  diplomatica  necnon  epistolaria  historiae  Thuringiae, 
Bd.  2  (1900)  und  Bd.  3  (1904,  1.  Teil).  Die  Regesten  werden  stets 
nach  Nummern,  die  des  3.  Bandes  ohne  Bandzahl  angeführt.  —  Ich 
folge  den  neusten  Untersuchungen  von  K.  Wenck,  Die  heil.  Elisabeth 
(S.  181—210);  in:  Die  Wartburg,  ein  Denkmal  deutscher  Geschichte 
und  Kunst  (=  Wartburgb.),  Berlin  1907,  1.  Anm.  zu  S.  191  (S.  700), 
und  Wagner,  S.  24,  Anm.  2. 

2)  Vgl.  über  ihn  Th.  Ilgen,  Konrad  v.  Thüringen,  in  AUg. 
deutscher  Biogr.  XVI,  625  ff. 

3)  Vgl.  die  düringische  Chronik  des  Johann  Eothe,  ed.  R.  v. 
Liliencron  in  Bd.  3  der  thür.  Geschichtsquellen,  Jena  1859,  Kp.  473, 
dazu  ebenda  S.  390 f.,  Anm.  5.  —  Über  Hermanns  II.  Geburtsjahr 
vgl.  Cronica  Reinhardsbrunnensis,  ed.  O.  Holder-Egger:  M.  G. 
SS.  XXX,  597 ;  Dobenecker  II,  2118,  Anm.  1,  über  das  Ludwigs  IV., 
Cron.  Reinh.  5t)3,  auch  607. 

23* 


352  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Dagegen  bietet  uns  für  die  Bestimmung  des  Alters 
der  Söhne  Landgraf  Hermanns  I.  die  von  ihm,  seiner 
Gattin  Sophia  und  seinen  drei  ältesten  Söhnen  ausgestellte 
Marburger  Urkunde  vom  29.  Mai  1214  einen  wichtigen 
Anhaltspunkt^).  In  ihr  heißt  es:  Hermann,  Landgraf  von 
Thüringen  und  Pfalzgraf  von  Sachsen,  genehmigt  mit  seiner 
Gemahlin  und  seinen  Söhnen  Hermann,  Ludwig  und  Heinrich, 
die  zwar  noch  im  Knabenalter  stehen,  aber  schon  aus- 
gezeichnet sind  durch  sittliche  und  geistige  Reife,  die  Ver- 
legung des  Klosters  Aulisburg  ^).  Diese  Stelle,  welche  die 
drei  ältesten  Söhne  Landgraf  Hermanns  durch  die  ange- 
führten Worte  auf  die  gleiche  Stufe  stellt,  schließt  einen 
größeren  Altersunterschied  zwischen  ihnen  aus.  Konrad 
steht  offenbar  auf  einer  jüngeren  Altersstufe.  Auf  ihn 
war  jene  obige,  auf  seine  Brüder  zutreffende  Bezeichnung 
damals  noch  nicht  anwendbar.  Da  Ludwig  1200  geboren 
ist,  und  sich  also  für  Hermann  etwa  1202,  für  Heinrich 
1203  oder  1204  schließen  lassen  kann  3)^  darf  für  Konrad 
mit  großer  Wahrscheinlichkeit  1206  oder  1207  als  Geburts- 
jahr angenommen  werden.  Später  wird  es  nicht  anzu- 
setzen sein*). 


1)  Dobenecker  II,  1585.    Über  die  Datierung  Anm.  1. 

2)  Die  Stelle  lautet:  puerili  quidem  adhuc  indole  florentes  sed 
pietatis  et  ingenii  iam  maturitate  excellentes. 

3)  Vgl.  über  Heinrichs  Geburtsjahr  Böhmer-Ficker,  Regesta 
imperii  V  (1198—1272),  Innsbruck  1881—1901,  4860  b.  Die  Regesten 
werden  stets:  ßöhmer-Ficker  und  stets  nach  Mummern  zitiert. 

4)  A.  Rübesamen,  Landgraf  Heinrich  Raspe  von  Thüringen, 
Hallische  Diss.,  Halle  1885,  S.  4,  Anm.  1,  der  als  Heinrichs  Ge- 
burtsjahr 1206,  bez.  1207  annimmt,  hat  fälschlich  auf  das  „aetate 
tenerum"  im  Schreiben  Papst  Gregors  IX.  vom  7.  Juni  1235  (Monum. 
Germ.  Epistolae  saeculi  XIII.  e  regestis  Pontificum  Romanorum 
selectae,  Bd.  1,  ed.  C.  Rodenberg,  Berlin  1883,  No.  643;  Dobenecker 
536)  zu  großes  Gewicht  gelegt,  indem  er  daraus  schloß,  daß  Konrad 
1235  „höchstens  im  Anfang  der  zwanziger  Jahre"  gestanden  haben 
könne.  In  demselben  Schreiben  wird  aber  die  1235  im  Alter  von 
27  Jahren  stehende  Tochter  des  Königs  Ottokar  I.  von  Böhmen, 
Agnes  (geb.  1208 ;  vgl.  L.  A.  Cohn,  Stammtafeln  z.  Gesch.  d.  deutschen 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  353 

Über  seine  Jugend  fehlt  uns  ebenso  wie  über  die 
seiner  Brüder  nähere  Kunde.  Seinem  ältesten  Bruder 
Ludwig  war  die  Vormundschaft  über  die  jüngeren  Brüder 
zugefallen  i).  Sonst  haben  diese  neben  Ludwig  keine  Re- 
gierungsrechte, auch  nicht  Heini'ich  als  der  ältere,  bis  zum 
Tode  ihres  regierenden  Bruders  ausgeübt.  Beide  werden 
bis  1227  in  Ludwigs  Urkunden  stets  ,,Brüder  des  Land- 
grafen" genannt  2). 

Im  übrigen  scheint  das  Verhältnis  Konrads  zu  seinen 
Brüdern  bis  zu  Ludwigs  IV.  Tod  ein  freundliches  gewesen 
zu  sein  ^),  während  über  das  zu  seiner  Schwägerin  Elisabeth, 
der  Tochter  des  Königs  Andreas  II.  von  Ungarn,  mit  der 
Ludwig  seit  1221  vermählt  war,  nichts  Näheres  bekannt 
ist.  Wenn  die  spätere  Tradition  von  einem  L'belwollen 
gegen  Elisabeth  wegen  ihrer  zu  dem  Leben  am  Hofe  im 
Gegensatz  stehenden  kirchlich-asketischen  Lebensführung, 
ja,  von  einer  ihr  feindlichen  Partei,  der  ihre  Schwieger- 
mutter Sophia  nicht  ferngestanden  haben  soll,  zu  erzählen 
weiß,  so  entbehren  solche  Angaben  jeder  historischen  Be- 
gründung. Von  solchen  Erzählungen,  mit  denen  vor  allem 
unser  Konrad  in  keiner  Beziehung  steht,  hebt  sich  die 
innige  Frömmigkeit  der  Landgräfin-Mutter,  die  sie  um 
1221  in  das  Eisenacher  St.  Katharinenkloster  eintreten 
ließ,   ihre  sicher    bezeugte  Fürsorge    für  Elisabeth    seltsam 

Staaten  und  der  Niederlande,  Braunschweig  1871,  Tafel  42)  ebenfalls 
„aetate  tenera"  genannt. 

1)  H.  Rückert,  Das  Leben  des  heil.  Ludwig,  Landgrafen  von 
Thür.,  Leipzig  1851,  S.  16. 

2)  Vgl.  Th.  Ilgen  u.  R.  Vogel,  Geschichte  d.  thüring.-hessischen 
Erbfolgekrieges  (1247— -1264),  in:  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  hessische 
Gesch.  u.  Landeskunde  (=  Z.  Hess.  G.),  N.  F.  X,  214.  —  Nur 
in  einem  Falle  (Dobenecker  II,  2415)  erscheint  Heinrich  Raspe  in 
einer  Urkunde  seines  Bruders  als  erster  der  Zeugen  unter  dem 
Titel  „Graf",  woraus  wir  keinen  weiteren  Schluß  ziehen  können. 

3j  Theodoricus'  v.  Apolda  libri  octo  de  s.  Elizabeth,  in:  The- 
saurus monumentorum  ecclesiastic.  et  historic.  sive  H.  Canisii  Lec- 
tiones  antiquae,  ed.  J.  Basnage,  Tom.  4,  Amsterdam  1725,  Bch.  3, 
Kp.  8;  Cron.  Reinhardsbr. :  M.  G.  SS.  XXX,  606. 


354  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

ab  ^).  Auch  war  der  lebensfrohe,  oft  frivole  Ton,  der  ehe- 
mals am  Eisenacher  Hofe  herrschte,  damals  längst  einem 
ernsteren  gewichen. 

Am  thüringischen  Hofe  genoß  der  zu  Anfang  des  Jahres 
1226  zum  Beichtvater  der  Landgräfin  Elisabeth  berufene 
Magister  Konrad  von  Marburg  großen  Einfluß.  Vor  seiner 
Kreuzfahrt  begabte  ihn  Ludwig  mit  Einwilligung  seiner 
Gemahlin,  seiner  Kinder  und  Brüder  mit  dem  Verleihungs- 
rechte der  geistlichen  Lehen,  deren  Patronat  ihm  zustand  ^). 
Diesem  Magister  soll  auch,  wie  wir  aus  einer  gleichzeitigen 
Quelle  erfahren,  die  Erziehung  unseres  jungen  Konrad  ob- 
gelegen haben  3).  Diese  Nachricht  vermögen  wir  nicht  näher 
zu  prüfen ;  in  Anbetracht  der  späteren  Beziehungen  beider 
zu  einander  ist  sie  durchaus   glaubwürdig. 

In  Urkunden  findet  sich  Konrads  Name  in  jener  Zeit 
fast  nur,  wenn  wir  von  der  üblichen,  mehr  konventionellen 
Zustimmung  der  nächsten  Familienmitglieder  in  die  Re- 
gierungsakte des  herrschenden  Fürsten  hören.  So  erscheint 
er  in  mehreren  Urkunden  Ludwigs  IV.  mit  seinem  Bruder 
Heinrich  konsentiereud ,  wenn  es  sich  um  Schenkungen, 
fromme  Stiftungen,  oder  überhaupt  meist  um  weniger  wichtige 
Regierungsakte  handelt*).     Im  November    1225    finden  wir 

1)  Vgl.  G.  Börner,  Zur  Kritik  der  Quellen  f.  d.  Gesch.  d.  heil. 
Elisabeth,  in :  Neues  Archiv  d.  Gesellschaft  f.  ältere  deutsche  Ge- 
schichtsk.  (=  Neues  Archiv),  Bd.  13,  453 ;  H.  Mielke,  Zur  Biographie 
d.  heil.  Elisabeth,  Rostocker  Diss.,  Eostock  1888,  S.45ff.;  K.  Wenck, 
Die  heil.  Elisabeth,  Hist.  Zeitschr.  LXIX,  220  f .  Über  Elisabeths  Ver- 
hältnis zu  Sophia :  Wenck,  Wartburgb.  bes.  190 ;  ders. :  Die 
heil.  Elisabeth  und  Papst  Gregor  IX.,  in:  Monatsschrift  „Hochland", 
Novemberheft  1907,  8.  7ff. ;  ders.:  Die  heil.  Elisabeth,  in:  Samm- 
lung gemeinverständlicher  Vorträge  und  Schriften  aus  dem  Gebiet 
der  Theologie  und  Eeligionsgesch.,  Heft  52,  Tübingen  1908,   S.  4  ff. 

2)  Vgl.  Wagner,  Z.  Thür.  G.  N.  F.  XTX,  75,  bes.  Anm.  3. 

3)  Cäsarius'  v.  Heisterbach  Vita  s.  Elisabeth  im  Auszug  bei 
Börner.  Neues  Archiv  XIII,  505;  vgl.  über  Cäsarius'  gen.  Werk  ebenda 
S.  466  ff.,  auch  A.  Huyskens,  Quellenstudien  z.  Gesch.  der  heil. 
Elisabeth,  Marburg  1908,  S.  5 ff.,  siehe  S.  62,  Anm.  1. 

4)  Zuerst  in  einer  Urkunde  Ludwigs  IV.  von  1218  (Dobeneckerll, 
1814);    Dobenecker  II,    1976.   2118.   2137.   2235.  2246.  (2409);  aUer- 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  355 

Konrad  mit  Heinrich  auf  dem  landgräflichen  Schloß  zu 
Neuenburg  bei  Freiburg  im  Gefolge  Ludwigs  IV.  ^),  bevor 
sieb  dieser  an  den  Hof  König  Heinrichs  VII.  nach  Nürn- 
berg begab.  Im  folgenden  Jahre,  1226,  ist  Ludwig  in 
Oberitalien  bei  Kaiser  Friedrich,  dem  er  sich  damals  zu  der 
schon  früher  versprochenen  Kreuzfahrt  verpflichtete.  Welcher 
Art  die  Verwaltung  der  thüringischen  Landgrafschaft  1226 
während  Ludwigs  Abwesenheit  war,  erfahren  wir  nicht. 
Wahrscheinlich  wurde  sie  schon  damals  von  Heinrich  Raspe 
ausgeübt  ^).  Konrad  ist  bestimmt  in  Thüringen  geblieben  2). 
Nach  Regelung  der  Verhältnisse  seines  Landes  und 
der  Beziehungen  zu  einigen  auswärtigen  Fürsten  nahm 
Ludwig  in  Schmalkalden  im  Juni  1227  von  seinen  Ver- 
Avandten  Abschied.  Mit  zahlreichem  Gefolge  brach  er  zum 
Kreuzzuge  auf.  In  Unteritalien  traf  er  mit  dem  Kaiser 
zusammen.  Bald  danach  wurde  auch  er  von  einer  unter 
den  Kreuzfahrern  ausgebrochenen  Seuche  ergriffen  und  starb 
am  11,  September  1227  zu  Otranto^). 

Der  rechtmäßige  Erbe  der  thüringisch-hessischen  Lande 
war  Ludwigs  des  Heiligen  ältester  Sohn,  der  1222  geborene 
Hermann  II.  Da  er  beim  Aufbruch  seines  Vaters  zum 
Kreuzzuge    erst  fünfjährig  war,    hatte  Ludwig  für  die  Zeit 


dings    auch   in   dem   wichtigen   Privileg  für  den    deutschen   Orden 
(Dobenecker  II,  2261). 

1)  Dobenecker  II,  2246. 

2)  Daß  Heinrich  Raspe  die  Reise  nach  Italien  mitunternommen, 
wie  Th.  Knochenhauer,  Gesch.  Thüringens  zur  Zeit  des  ersten  Land- 
grafenhauses (1039—1247),  mit  Anm,  hrg,  von  K.  Menzel,  Gotha  1871, 
S.  320  vermutet,  ist  unwahrscheinlich.  Er  ist  dem  über  Schweinfurt 
zurückkehrenden  Bruder  (Cron.  Reinh. :  M,  G.  SS.  XXX,  606)  wohl 
nur  entgegengekommen.  Daß  die  Brüder  in  der  Heimat  verblieben 
waren,  dürfte  aus  der  Schilderung  der  Freude  über  Ludwigs  Rück- 
kehr hervorgehen.  Vgl.  Theod.  v.  Apolda,  bei  Canisius-Basnage, 
Lectiones  antiquae,  Tom.  4,  Bch.  8,  Kp.  8;  Cron,  Reinh.,  S,  606; 
vgl.  Leben  des  heil.  Ludwig,  S.  45. 

3)  Vgl.  über  Ludwigs  Kreuzfahrt  Wagner,  Z.  Thür.  G.  N.  F. 
XIX,  76  ff. 


356  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

seiner  Abwesenheit  von  Thüringen  Heinrich  mit  der  stell- 
vertretenden Verwaltung  der  Landgrafschaft  betraut  ^).  Durch 
des  Bruders  Tod  wurde  Heinrich  als  ältester  der  Oheime 
Hermanns,  schon  durch  Ludwig  selbst  bei  seiner  Abreise 
als  solcher  bestimmt,  dessen  natürlicher  Vormund  und  damit 
für  die  Zeit  von  dessen  Minderjährigkeit  Regent  der 
thüringisch-hessischen  Besitzungen,  zunächst  wohl  noch  ohne 
das  Einverständnis  Kaiser  Friedrichs.  Daß  dieser  die  un- 
eingeschränkte Nachfolge  des  jungen  Hermann  zunächst 
tatsächlich  anerkannte,  geht  deutlich  aus  seiner  nach  Land- 
graf Ludwigs  Tode  für  dessen  Sohn  erneuten  Eventual- 
belehnung  mit  der  Markgrafschaft  Meißen  und  den  zu- 
gehörigen Ländern  hervor  2). 

Im  Frühjahr  1228  brachten  die  thüringischen  Mannen 
die  Gebeine  ihres  toten  Herrn  von  Süditalien  nach  Thüringen 
zurück.  Der  feierlichen  Beisetzung  des  Fürsten  im  Familien- 
kloster zu  Reinhardsbrunn  zu  Anfang  des  Mai  wohnte 
mit  den  ungezählten  Getreuen  die  gesamte  landgräfliche 
Familie  bei,  die  Landgräfin-Mutter  Sophia,  die  Landgräfin 
Elisabeth,  Landgraf  Heinrich  und  unser  Konrad  3).  Er  be- 
teiligte sich  auch  an  der  Schenkung,  die  Landgraf  Heinrich 
im  Anschluß  an  die  Beisetzungsfeierlichkeiten  dem  Kloster 
zuwandte,  für  das  zu  sorgen  dem  Landgrafen  „eine  von 
seinen  Vorfahren   auf  ihn  übergegangene  Pflicht  geworden 


1)  Vgl.  Börner,  Quellenkritik,  Neues  Archiv  XIII,  458,  Anm.  4. 
—  Heinrich  urkundet  nach  Ludwigs  Abreise  als  Pfalzgraf  von  Sachsen 
und  Landgraf  von  Thüringen,  Dobenecker  II,  2450. 

2)  Dobenecker  II,  2444. 

3)  Über  Datierung  und  Hauptquellen  hierzu  vgl.  Wagner, 
S.  81,  Anm.  1  und  2.  Vgl.  Libellus  de  dictis  quatuor  anciLlarum 
s.  Elisabethae,  in:  J.  B.  Mencken,  Script,  rerum  Germanicarum,  Bd.  2 
(1728),  2021.  —  Die  Anwesenheit  des  jungen  Hermann  erwähnen 
die  Historia  Pistoriana  de  landgraviis  Thuringiae,  in :  Pistorius- 
Struve,  Script,  rerum  German.,  Bd.  1,  Kp.  40,  S.  1323,  und  die 
Historia  de  landgr.  Thuringiae,  in:  J.  G.  Eccardus,  Historia  genea- 
logica  principum  Saxoniae  superioris  (=  Historia  Eccardiana),  Leipzig 
1722,  S.  420  f. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  357 

ist"  1).    Wir  werden  noch  sehen,  daß  die  Brüder  diese  übex'- 
nommene  Verpflichtung  nicht  vergessen  haben. 

Nach  dem  Hinscheiden  seines  Bruders  Ludwig  haben 
Konrads  rechtliche  Befugnisse  zunächst  keine  Ausdehnung, 
überhaupt  keine  Änderung  erfahren.  Würde  Konrad  die 
Regentschaft  in  Hessen,  die  er  von  123  L  an  ausübt,  schon 
gleich  nach  Ludwigs  Tode  zugefallen  sein,  so  müßte  sicher- 
lich eine  Spur  davon,  etwa  eine  Schenkung  an  ein  hessisches 
Kloster  oder  eine  hessische  Kirche,  wie  wir  solche  seit 
1231  zahlreicher  finden,  schon  in  jenen  Jahren  nachweisbar 
sein  2).  Nirgends  wird  Konrad  in  den  Urkunden,  die  wir 
aus  jenen  Jahren  besitzen,  Landgraf  genannt,  sondern  nur, 
zunächst  als  Zeuge  in  Heinrichs  Urkunden :  Bruder  des 
Landgrafen  ^).  In  den  meisten  Fällen  wird  aber  unter  dem 
gleichen  Titel  nur  sein  Konsens  wie  früher  erwähnt*).  Für 
die  obige  Behauptung  läßt  sich  auch  geltend  machen,  daß 
die  gemeinsame  Ausstellung  von  Urkunden  durch  Heinrich 
und  Konrad  eigentlich  erst  mit  dem  Jahre  1231  einsetzt.  Eine 
ganz  strenge  Scheidung  läßt  sich  in  diesem  Punkte  aller- 
dings nicht  durchführen.  Denn  in  einem  Falle  erscheint 
schon  1228  Konrad    als  Mitaussteller    einer   zugunsten    des 


1)  Dobenecker  13. 

2)  Der  Beweis  hierfür  ist  noch  nicht  eingehend  geführt  worden, 
wenn  auch  Ilgen  und  Vogel,  Erbfolgekrieg,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  X, 
219,  Ilgen,  AUg.  deutsche  Biogr.  XVI,  626,  K.  Wenck,  Gesch.  d. 
Landgrafen  und  d.  Wartburg  als  fürstlicher  Residenz  vom  13. — 15. 
Jh.  (S.  211  ff.),  im  Wartburgb.  S.  215,  ungenau  H.  Diemar,  Stamm- 
reihe des  thüring.  Landgrafenhauses  und  des  hess.  Landgrafen- 
hauses, in:  Z.  Hess.  G.  N.  F.  XXVII,  10:  „spätestens  1231"  Konrads 
Regentschaft  von  1231  an  gerechnet  haben. 

3)  Dobenecker  29.  93.  —  Gegen  die  urkundlichen  Beweise  ist 
die  Bezeichnung  Konrads  mit  dem  Titel  Landgraf  beim  Begräbnis 
Ludwigs  IV.  (1228)  im:  Leben  d.  heil.  Ludwig  S.  66,  in  der  Historia 
Pistoriana,  Kp.  42,  S.  1324  (zum  Jahre  1229  statt  1228)  und  in  der 
Historia  Eccardiana  S.  421  nicht  stichhaltig. 

4)  Dobenecker  13  (bei  Konrads  Anwesenheit  in  Reinhards- 
brunn). 14.  15.  —  Auch  Dobenecker  29  und  212  gehören  hierher. 


358  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Klosters  Reinhardsbrunn  erlassenen  Urkunde  ^).  Im  Januar 
1230  befindet  er  sich  mit  seiner  Mutter  am  Hofe  seines 
Bruders  Heinrich  zu  Eisenach  ^).  Doch  auch  in  der  ersten 
Hälfte  des  folgenden  Jahres  ist  Konrad  noch  in  Thüringen 
nachweisbar.  Er  nimmt  mit  seinem  Bruder  und  seiner 
Mutter  an  der  Beisetzung  von  Heinrichs  Gemahlin  Elisabeth 
zu  ßeinhardsbrunn  teil  ^).  In  dieser  zeitlich  sicher  noch 
vor  den  Antritt  seiner  Regentschaft  in  Hessen  fallenden 
Anwesenheit  zu  Reinhardsbrunn  werden  wir  für  jene  Zeit 
das  letzte  Zeugnis  für  Konrads  Aufenthalt  in  Thüringen  in 
der  Umgebung  seines  regierenden  Bruders  zu  erblicken  haben. 
Fassen  wir  Landgraf  Heinrichs  Tätigkeit  in  diesen 
Jahren  kurz  ins  Auge,  so  finden  wir  in  ihr  ein  weiteres 
wichtiges  Zeugnis  für  das  rechtliche  Verhältnis,  in  dem 
die  beiden  Brüder  zu  einander  standen.  Heinrich  hat  damals 
der  großen  Politik  ganz  fern  bleibend  gerade  den  hessischen 
Angelegenheiten  seine  Fürsorge  in  den  Jahren  1228 — 1230 
unverhältnismäßig  mehr  zugewandt,  als  es  seit  1231  der 
Fall  ist.  Im  März  1228  ist  er  selbst  in  Marburg  diplo- 
matisch tätigt).  Auch  der  hessischen  Klöster  nimmt  er 
sich  an  und  erneuert  ihnen  zum  Teil  die  früheren  Ver- 
günstigungen. 1228  beauftragt  er  seine  in  Marburg  und 
Grünberg  ansässigen  Untertanen  mit  dem  Schutze  des  Klosters 
Arnsburg  in  der  Wetterau  ^),  wie  er  damals  auch  dem 
hessischen  Kloster  Lippoldsberg  seinen  Schutz,  aber  auch 
Dienst-    und    Abgabenfreiheit    gewährt  ^).      Im    November 


1)  Dobenecker  39. 

2)  Konrad  ist  Zeuge  in  Landgraf  Heinrichs  Urkunde  vom 
19.  Januar  1230,  Dobenecker  93. 

3)  Dobenecker  212.  —  Über  Elisabeth  vgl.  neben  Ch.  Häutle, 
Landgraf  Hermann  I.  v.  Thür.  und  seine  Familie,  iu :  Z.  Thür.  G.  V, 
171  ff.  auch  Diemar,  Stammreihe,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  XXVII,  10. 

4)  Am  25.  März  1228  schließt  Heinrich  ein  Schutz-  und  Trutz- 
bündnis mit  den  Grafen  von  Battenberg,  Dobenecker  9. 

5)  Dobenecker  25. 

6)  Kloster  Lippoldsberg  an  der  Weser,  A.G.  Karlshafen.  — 
Vgl.  Landgraf  Heinrichs   am  10.  Juli  1229  auf  der  Wartburg  aus- 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  359 

1230  befreit  Landgraf  Heinrich  je  ein  dem  Kloster  Arns- 
burg  gehöriges  Haus  zu  Marburg  und  Grünberg  von  Ab- 
gaben und  Diensten  für  seine  Meier  und  Bürger  i).  In  allen 
diesen  Urkunden  wird  Konrads  mit  keiner  Silbe  erwähnt. 
Heinrich  übt  hier  ganz  allein  Rechte  aus,  die  seit  1231 
zum  mindesten  Konrads  Mitwirkung  hätten  erwarten  lassen. 
Von  1227  — 1231  hat  also  Heinrich  die  ungeschmälerte 
Herrschaft  seines  verstorbenen  Bruders  behauptet,  ohne 
daß  Konrad  irgendwelche  rechtliche  Stellung  neben  ihm 
bekleidet  hätte. 

Seit  dem  Jahre  1231  nimmt  Konrad  neben  seinem 
Bruder  ganz  bedeutenden  Anteil  an  der  Regierung  der 
Landgrafschaft.  Er  erscheint  als  Regent  in  den  hessischen 
Besitzungen  der  Ludowinger,  während  Landgraf  Heinrichs 
Regierungstätigkeit  daselbst  von  1231  ab  gegen  die  Konrads 
erheblich  zurücktritt. 

Diese  hessischen  Gebiete  machen  großenteils  den  Westen 
der  Landgrafschaft  aus.  Durch  die  Ehe  Landgraf  Ludwigs  I. 
mit  Hedwig,  der  Erbtochter  des  Grafen  Giso  IV.,  und  seines 
Bruders  Heinrich  mit  deren  Stiefmutter  waren  die  alten 
Allode  der  in  Hessen  reich  begüterten  gisonischen  und 
wernerischen  Grafen,  vor  allem  die  Burg  Marburg  mit 
Zubehör  und  das  Amt  Grünberg,  die  Grafschaft  Hessen 
um  Gudensberg  (Kreis  Fritzlar),  die  Burg  Homberg  an  der 
Ohm,  die  Vogteien  besonders  über  die  Klöster  und  Stifter 
Breitenau,  Fritzlar,  Hasungen,  Wetter,  die  alle  vom  Erz- 
stift Mainz  zu  Lehen  rührten,  auf  die  Ludowinger  über- 
gegangen 2).     Diese  hessischen  Güter  und  Gerechtsame,  die 

gestellte  Urkunde,  in  der  er  dies  seinen  Beamten  in  Eisenach  und 
anderen  Orten  mitteilt,  Dobenecker  66;  vgl.  auch  Ch.  Rommel, 
Geschichte  von  Hessen,  Teil  1,  Marburg  und  Kassel  1820,  Anm.  245, 
No.  142. 

1)  Dobenecker  137. 

2)  Vgl.  G.  Landau,  Der  Übergang  der  gisonischen  und  werneri- 
schen Besitzungen  auf  die  Landgrafen  von  Thüringen,  in :  Z.  Hess. 


360  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

im  Landgrafenhause  bis  zu  Landgraf  Hermann  I.  der  zweite, 
bezw.  dritte  Sohn  des  regierenden  Landgrafen  zu  erhalten 
pflegte  1),  gingen  jetzt,  wenn  auch  nicht  ausschließlich,  in 
Konrads  Verwaltung  über. 

Mit  dieser  neuen  Stellung  in  Hessen  war  auch  eine 
bedeutsame  Rangerhöhung  Konrads  verbunden.  Denn  seit 
1231  tritt  er  uns  zugleich  auch  in  selbständig  ausgestellten 
Urkunden  mit  dem  Titel  Landgraf,  auch  jüngerer  Landgraf, 
und  mit  dem  Pfalzgrafentitel  entgegen.  Von  1232  an  er- 
scheint er  ausschließlich  im  Besitze  der  neuen  Würden, 
auch  in  den  von  Heinrich  und  ihm  gemeinsam  ausgefertigten 
Urkunden  2),  in  päpstlichen  Schreiben  und  —  was  am 
wichtigsten  ist  —  in  kaiserlichen  Urkunden  '^).  Von  Konrads 
Würde  als  Pfalzgraf  von  Sachsen  hören  wir  nur  aus  dem 
sich  in  Urkunden  beigelegten  Pfalzgrafentitel.  Im  einzelnen 
ist  uns  über  die  Verwaltung  dieses  wichtigen  Reichsamtes, 


G.  IX,  314 ff.;  Nachtrag  dazu  von  Büff  in  derselben  Zeitschr. 
N.  F.  III,  364  ff. ;  O.  Dobenecker,  Über  Ursprung  und  Bedeutung 
der  thüringischen  Landgrafschaft,  in:  Z.  Thür.  G.  N.  F.  7,  299  ff., 
besonders  324  f. 

1)  Vgl.  über  die  früheren  Teilungen  Ilgen  und  Vogel,  Erb- 
folgekrieg, Z.  Hess.  G.  N.  F.  X,  206  ff. 

2)  In  einer  gemeinsam  am  1.  Nov.  1231  ausgestellten  Urkunde 
(Dobenecker  218)  wird  Konrad  auffallenderweise  noch  „Bruder  des 
Landgrafen"  genannt.  —  Die  ebenfalls  gemeinsam  für  Kloster  Ahna- 
berg  ausgestellte,  undatierte  Urkunde,  von  O.  Posse,  Codex  diplo- 
maticus  Saxoniae  regiae,  1.  Hauptteil,  3.  Bd.  (1196—1234)  Leipzig 
1898,  No.  5:^4  (=  Codex  dipl.  Sax.  reg.  1,  3,  Nr.)  und  von  Doben- 
ecker 471 :  „1231—1234..  Nov.  18"  datiert,  in  der  Konrad  ebenfalls 
unter  dem  eben  genannten  Titel  urkundet,  wird,  da  uns  Konrad 
seit  1232  ausnahmslos  als  Landgraf,  bezw.  Pfalzgraf  begegnet,  dem 
Jahre  1231  zuzuschreiben  sein. 

3)  Konrad  wird  vom  Kaiser  selbst  ,, jüngerer  Landgraf"  in  der 
Urkunde  bei  Dobenecker  439  (Rieti  1234,  Juli)  genannt.  Vgl.  auch 
Ilgen,  Allg.  deutsche  Biogr.  XVI,  626.  —  Konrad  selbst  zeugt  als 
Landgraf  von  Thüringen  in  kaiserlicher  Urkunde  gleichen  Datums 
und  Ausstellungsortes  (Dobenecker  442).  —  Über  den  Titel  „jüngerer 
Landgraf"  vgl.  J.  Ficker,  Vom  Reichsfürstenstand,  Bd.  1,  Innsbruck 
1861,  S.  251. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  3ßl 

soweit  es  Konrad  angeht,  nichts  überliefert.  Im  Gegensatz 
zu  Landgraf  Heinrich  führt  Konrad  oft  den  bloßen  Pfalz- 
grafentitel i).  Höchstwahrscheinlich  hat  Heinrich  auch  als 
Pfalzgraf  die  oberste  Verwaltung  geführt,  analog  seiner 
Stellung  als  eigentlicher  Träger  der  Regierungsgewalt  in 
der  Landgrafschaft. 

Denn  der  neben  seinem  Bruder  selbständig  in  Hessen 
regierende  Herr  ist  Landgraf  Konrad  nicht  gewesen.  Dies 
geht  schon  aus  einigen  gemeinsam  von  Heinrich  und  ihm 
ausgefertigten  Bestätigungsurkunden  für  hessische  Klöster 
hervor  2).  Bei  Schenkungen  hessischen  Allodialgutes  lag 
natürlich  ebenfalls  die  Einwilligung  Landgraf  Heinrichs 
vor.  Anderseits  ist  Konrad  an  der  Verfügung  über  thürin- 
gische Eigengüter  des  Landgrafenhauses  beteiligt  ge- 
wesen ^).  Bei  größeren  Schenkungen,  ganz  besonders  an 
den  deutschen  Orden,  überhaupt  bei  allen  wichtigen  An- 
gelegenheiten, bei  denen  die  Macht  und  das  Ansehen  des 
ludowingischen  Hauses  in  Frage  kamen ,  sind  beide  ge- 
meinsam vorgegangen,  so  beim  Ausgleich  der  Gebietsstreitig- 
keiten mit  den  Grafen  von  Ziegenhain*),  ohne  Zweifel  auch 
bei  dem  Kampfe  mit  dem  Erzstift  Mainz.  Die  höchste 
Entscheidung  hat  dann  natürlich  in  Heinrichs  Hand  ge- 
legen. 

Ein  solcher  Fall,  daß  zwei,  1234  für  die  kurze  Zeit 
von  Hermanns  Volljährigkeit  S)    bis  zu  Konrads  Eintritt  in 


1)  Dobenecker  379.  399.  400.  447.  467. 

2)  So  für  Kloster  Ahnaberg  zu  Kassel  (Dobenecker  471)  und 
für  Kloster  Aulisberg  (nö.  Marburg)  bei  Dobenecker  470;  vgl.  Ilgen 
und  Vogel,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  X,  220  Note  1. 

3)  Vgl.  Dobenecker  310.  311.  447. 

4)  Vgl.  Dobenecker  369. 

5)  Wenck  (Wartburgb.  S.  215  f.  u.  3.  Anm.  zu  Ö.  215  [S.  702]) 
rechnete  Hermanns  II.  Volljährigkeit  nach  salisch-fränkischem  Rechte 
vom  vollendeten  12.  Lebensjahre  ab.  Darauf  deutet  auch  schon  der 
Umstand,  daß  Hermann  nach  vollendetem  12.  Jahre  zuerst  neben 
Heinrich  und  Konrad  den  Landgrafen-  und  Pfalzgrafen titel  führt; 
Dobenecker  464.  465.  466.    Als  analoge  Beispiele  für  Volljährigkeit 


362  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

den  deutschen  Orden  (18.  November  1234)  sogar  drei  Regenten 
den  Landgrafen-  und  Pfalzgrafentitel  führen,  hat  in  der 
früheren  Geschichte  des  Landgrafenhauses  noch  nicht  vor- 
gelegen. 

Darüber,  wie  im  einzelnen  die  mit  dem  Jahre  1231 
sich  neu  gestaltenden  Machtverhältnisse  in  den  thüringisch- 
hessischen Landen  sich  durchgesetzt  haben,  ist  uns  keine 
Nachricht  erhalten.  Jedenfalls  sind  sie  1231  geregelt 
worden.  Da  aber  Konrad  im  August  und  September  des 
Jahres  1231  zuerst  als  Landgraf  und  Pfalzgraf  urkundet^), 
so  muß  notwendig  die  den  Landgrafen  erteilte  Gesamt- 
belehnung  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  erfolgt  sein  ^). 
So  werden  wir  fast  zwingend  auf  den  glänzenden  Wormser 
Reichstag  hingewiesen,  den  König  Heinrich  im  April  und 
Anfang  des  Mai  1231  abhielt.  Die  Belehnung  der  thüringi- 
schen Landgrafen  ist  sicherlich  eine  Folge  der  Bevorzugung 
der  Fürsten  durch  die  Regierung  gewesen,  wie  sie  in  den 


I 


mit  12  Jahren  führt  Wenck  im  Wartburgb.  S.  216  an:  1)  Heinrich 
das  Kind  von  Hessen,  geb.  1244,  volljährig  1256;  vgl.  V.  F.  von 
Gudenus,  Codex  diplom.  I  (Göttingen  1743),  S.  640 f.;  Hgen  und 
Vogel,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  X,  317.  2)  Den  Wettiner  Albrecht  den 
Entarteten,  geb.  1240;  vgl.  O.  Posse,  Die  Wettiner,  Leipzig  und 
Berlin  1897,  Beilage  VII;  urkundet  zuerst  1253;  vgl.  F.  X.  Wegele, 
Friedrich  der  Freidige  und  die  Wettiner  seiner  Zeit  (1247—1325), 
Nördlingen  1870,  S.  56  Anm.  1.  Ich  erinnere  noch  an  Heinrich 
den  Erlauchten  von  Meißen,  der  bestimmt  vor  vollendetem  15.  Lebens- 
jahre mündig  war,  wahrscheinlich  ebenfalls  nach  vollendetem  12.; 
vgl.  F.  W.  Tittmann ,  Gesch.  Heinrichs  des  Erlauchten ,  Bd.  2, 
Leipzig  1850,  S.  168  mit  Anm.  92;  Posse,  Wettiner,  S.  50.  —  In 
der  früheren  thüringischen  Gesch.  gibt  es  keinen  analogen  Fall.  Vgl. 
noch  W.  Th.  Kraut,  Die  Vormundschaft  nach  den  Grundsätzen  des 
deutschen  Rechts,  Göttingen,  Bd.  1  (1835),  S.  113  f.,  bes.  Anm.  27, 
Bd.  3  (1859),  S.  113  ff.,  R.  Schröder,  Lehrbuch  der  deutschen  Rechts- 
geschichte, Leipzig  1902,  *  8.  270  Anm.  6;  Dobenecker  464  Anm., 
dagegen  737  Anm. 

1)  Dobenecker  211.  216. 

2)  Daß  eine  Gesamtbelehnung  stattfand,  deutete  schon  J.  Ficker, 
Vom  Reichsfürstenstand,  8.  251  an.  Vgl.  Rübesamen,  Heinrich  Raspe, 
S.  9  mit  Anm.  13;  Wenck  im  Wartburgb.  S.  215. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  3ß3 

dort  erlassenen  Gesetzen,  grundlegend  für  die  weitere  Aus- 
bildung fürstlicher  Landeshoheit,  sich  äußerte^).  Weder 
Heinrichs  noch  Konrads  Anwesenheit  zu  Worms  ist  bezeugt. 
Aber  schon  früher  hat  Heinrich  ohne  Zweifel  in  nähere  • 
Beziehungen  zu  Kaiser  Friedrich  und  König  Heinrich  zu 
treten  gesucht,  um  mit  deren  Einverständnis  seine  recht- 
liche Stellung,  besonders  sein  Verhältnis  zu  dem  jungen 
Mündel  geregelt  zu  wissen.  Da  auch  dem  Kaiser  daran 
liegen  mußte,  nach  Landgraf  Ludwigs  IV.  Tode  Thüringen 
weiterhin  durch  einen  in  reiferem  Alter  stehenden  Fürsten 
vertreten  zu  sehen,  so  wird  Heinrich  leicht  Entgegenkommen 
bei  Friedrich  IL  gefunden  haben.  Schon  im  Januar  1231 
wird  Landgraf  Heinrich  in  einem  päpstlichen  Schreiben 
unter  den  Bürgen  des  im  vorhergehenden  Jahre  geschlos- 
senen Friedens  von  Ceprano  genannt  '^),  für  dessen  Zustande- 
kommen der  Kaiser  wieder  in  erster  Linie  den  Fürsten 
verpflichtet  war.  Im  Dezember  des  Jahres  1231  und  später 
ist  er  in  Ravenna  an  Kaiser  Friedrichs  Hof  ^).  Bei  ihm 
wird  er  die  Bestätigung  der  Gesamtbelehnung  mit  den 
thüringisch-hessischen  Landen  für  sich,  seinen  Bruder  und 
seinen  Neffen  eingeholt  haben,  während  die  Vormundschaft 
über  den  letzteren  zunächst  fortdauerte.  So  erklärt  es  sich 
auch,  wenn  in  der  folgenden  Zeit  nirgends  urkundlich  zum 

1)  Vgl.  bes.  das  statutum  in  favorem  principum  bei  M.  Doeberl, 
Monum.  Germ,  selecta  V,  68  ff. ;  über  den  Wormser  Eeichstag : 
E.  Winkelmann,  Kaiser  Friedrich  II.  (Jahrbücher  der  deutschen 
Gesch.,  Bd.  1  [1889],  Bd.  2  [1897]);  zum  Unterschied  von  dem 
früheren  Werke  desselben  über  Friedrich  II.  mit  dem  Zusätze: 
Jahrbücher  zitiert),  Bd.  2,  238  ff.;  A.  Heusler,  Deutsche  Verfassungs- 
gesch.,  Leipzig  1905,  S.  168  ff. ;  Schröder,  Kechtsgesch.,  S.  585  ff., 
bes.  590.  —  Die  sehr  wahrscheinhche  Vermutung,  daß  die  Belehnung 
der  Landgrafen  mit  den  Wormser  Beschlüssen  zusammenhänge,  fand 
ich  bei  Wenck  (vgl.  vorige  Note)  bestätigt. 

2)  Dobenecker  179;  vgl.  E.  Winiielmann,  Gesch.  Kaiser  Fried- 
richs II.  und  seiner  Reiche  (Bd.  1  [1863],  Bd.  2  [1.  Abteilung: 
1235-1239,  1865];  zitiert:  Winkelmann,  Friedrich  IL),  Bd.  1,  341; 
Eübesamen,  Heinrich  Raspe,  S.  10. 

8)  Dobenecker  229.  230.  252.  254. 


364  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Ausdruck  kommt,  daß  Heinrich,  bezw.  Konrad  etwa  eine 
nur  vormundschaftliche  Regierung  führen,  daß  überhaupt 
Hermanns  bis  1234  in  keiner  landgräflichen  Urkunde  ge- 
dacht wird  1), 

Im  ersten  Jahre  seiner  Regentschaft  ist  Konrads  Tätig- 
keit durchaus  friedlicher  Art  gewesen.  Gleichsam  auf  die 
neuerworbene  Stellung  stolz,  hat  er  gerade  im  Jahre  1231 
zahlreiche  Urkunden,  in  denen  besonders  hessische  Klöster 
und  Kirchen  bedacht  werden,  unter  dem  neuen  Titel  aus- 
gefertigt. Im  August  urkundet  er  zu  Homberg  an  der  Ohm 
für  Kloster  Hasungen  ^).  Im  folgenden  Monat  finden  wir 
ihn  zu  Kloster  Ahnaberg  in  Kassel  ^),  das  von  seinen  Vor- 
fahren, Landgraf  Ludwigs  des  Eisernen  Bruder  Heinrich  II. 
und  dessen  Mutter,  gestiftet  worden  war.  Auch  die  Klöster 
Rohr  und  Breitenau  haben  damals  Vergünstigungen  durch 
Konrad  erhalten^). 

Wichtiger  sind  nun  die  im  folgenden  Jahre  sich  wieder- 
holenden Kämpfe  mit  dem  Erzbistum  Mainz.  Infolge  der 
oft  schwierigen  Lehensverhältnisse,  in  denen  die  Landgrafen 

1)  Nur  in  einem  Falle  erscheint  Hermann  in  einer  Urkunde 
Landgraf  Heinrichs  vom  24.  Januar  1234  konsentierend  (Dobenecker 
393).  —  Vgl.  Ilgen  und  Vogel,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  X,  218.  In  An- 
betracht der  Lage  der  Dinge  erscheint  Heinrichs  und  Konrads 
Handlungsweise  Hermann  gegenüber  keineswegs  so  tadelnswert,  wie 
Ilgen  und  Vogel  215  ff.  und  andere  es  darstellen.  Hie  Annahme 
eines  solchen  Verhaltens  ist  wohl  vielfach  durch  den  unbegründeten 
(vgl.  später)  Glauben  an  eine  förmliche  Verstoßung  seiner  Mutter 
Elisabeth  durch  die  Landgrafen,  besonders  Heinrich,  mit  beeinflußt 
worden.    Vgl.  auch  Börner,  Quellenkritilr,  Neues  Archiv  Xlll,  458  f. 

2)  Dobenecker  211.  —  Auch  Landgraf  Heinrich  hat  für  Kloster 
Hasungen  eine  Urkunde  gleichen  Inhalts  mit  der  Konrads  ausgestellt. 
Vgl.  Dobenecker  in  Anm.  zu  211  und  Eommel,  Gesch.  Hessens,  an 
den  von  Dobenecker  zitierten  Stellen.  —  Hasungen  im  A.G.  Zieren- 
berg,  w.  von  Cassel. 

8)  Vgl.  die  zu  Ahnaberg  ausgestellte  Urkunde  Konrads  für  die 
Kirche  zu  Berich  (im  heutigen  waldeckischen  Ederkreis)  bei  Doben- 
ecker 216. 

4)  Dobenecker  231.  239.  —  Kloster  Breitenau  an  der  Fulda, 
Kreis  Melsungen,  Rgb.  Kassel. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  3ß5 

zu  den  Erzbischöfen  standen,  der  hart  aneinander  stoßenden 
Besitzungen  beider  Fürsten  waren  solche  Fehden  nie  selten 
gewesen.  Besonders  in  Hessen,  wo  die  landgräfliche  Herr- 
schaft nicht  so  alt  und  fest  begründet  war  wie  in  Thüringen, 
mußte  die  von  den  Landgrafen  erst  angestrebte  strengere 
Durchführung  der  Landeshoheit  von  vornherein  auf  den 
schroffen  Widerstand  der  Mainzer  Erzbischöfe  stoßen,  die 
ihrerseits  ähnlichen  Bestrebungen  nachgingen.  So  hatte  noch 
Landgraf  Ludwig  IV.  mit  Erzbischof  öigfrid  II.  erbitterte 
Fehden  zu  bestehen  gehabt  i). 

Diesmal  kam  es  über  das  1186  von  Erzbischof  Konrad 
befestigte  Schloß  Heiligenberg  bei  Gensungen  an  der  Eder 
zum  Streite  zwischen  den  Landgrafen  und  Sigfrid  III., 
der  1230  seinem  gleichnamigen  Oheim  im  Amte  gefolgt 
war.  Es  handelte  sich  auch  noch  um  einige  andere  Dörfer 
und  Besitzungen,  also  offenbar  nur  um  Differenzen  terri- 
torialer Art  2j.  Näher  sind  wir  über  den  Anlaß  zum  Kampfe 
nicht  unterrichtet  ^).   Die  1  and  gräflichen  Scharen  führte,  da 


1)  Vgl.  Wagner,  Z.  Thür.  G.  N.  F.  XIX,  28  ff. 

2)  Über  die  Ursache  zum  Kampfe  vgl.  vor  allem  den  Brief 
Papst  Gregors  IX.:  Anagni  1233,  Febr.  4,  bei  Dobenecker  333,  vgl. 
auch  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  483.  Ähnlich  ist  die  Begründung 
bei  J.  Trithemius,  Ann.  Hirsaugienses ,  Bd.  1,  St.  Gallen  1690, 
8.  546.  —  Die  Hauptquellen  für  den  Kampf  sind:  Ann.  Erphor- 
denses  fratrum  Praedicatorum  in:  Monumenta  Erphesfurtensia,  ed. 
O.  Holder-Egger,  Hannover  und  Leipzig  1899,  (Script,  rer.  German. 
in  US.  schol.)  [=  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  in  Mon.  Erph.),  S.  82  f. 
und  Chronica  regia  Coloniensis ,  rec.  G.  Waitz ,  Hannover  1880 
(Script,  rer.  Germ,  in  us.  schol.),  S.  264.  —  Die  Zerstörung  Fritz- 
lars melden  die  Ann.  breves  Wormatienses :  M.  G.  SS.  XVII,  75 
(Konrad  als  filius  [1]  Ludowici)  und  die  Ann.  Moguntini:  M.  G. 
SS.  XVII,  2. 

3)  Die  vom  Reinhardsbrunner  (M.  G.  SS.  XXX,  613  f.)  und  den 
späteren  Chronisten  noch  hinzugefügte  Begründung  mit  der  Züchti- 
gung des  Reinhardsbrunner  Abtes  durch  Sigfrid  III.  und  des 
letzteren  Bedrohung  durch  Landgraf  Konrad  in  Erfurt  ist  spätere 
Tradition.  Sonst  müßte  sich  ohne  Zweifel  in  den  gleichzeitigen 
Erfurter  Aufzeichnungen  wenigstens  eine  Andeutung  hiervon  finden. 
Vgl.  auch  O.  Posse,  Thiiring.  Sagen,  in :  Hist.  Zeitschr.  XXXI,  58  ff. ; 

XXVn.  24 


366  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

die  strittigen  Gebiete  in  Hessen  lagen,  aber  sicher  im  Ein- 
verständnis mit  seinem  Bruder,  Landgraf  Konrad.  Am 
15.  September  1232  eroberte  dieser  die  wichtigste  dem 
Erzstifte  in  Hessen  gehörige  Stadt  Fritzlar,  die  großenteils 
in  Asche  gelegt  wurde.  Auch  die  Kirche  des  Ortes  wurde 
arg  zugerichtet  ^).  Am  grausamsten  zeigten  sich  bei  der 
Plünderung  der  eroberten  Stadt  die  Leute  Friedrichs  von 
Treffurt,  der,  aus  einem  bekannten  thüringischen  Adels- 
geschlechte  stammend,  sich  oft  in  der  Umgebung  der  Land- 
grafen, besonders  Heinrichs  findet  2).  Seine  Spießgesellen 
schonten  in  die  Kirche  eindringend  nicht  der  Gebetbücher, 
der  Kelche,  des  Kirchenschmuckes,  der  Gebeine  der  Heiligen. 
Dabei  fiel  ihnen  auch  das  Geld,  das  von  den  Fritzlarer 
Bürgern  zur  größeren  Sicherheit,  die  die  Räume  der  Kirche 
zu  bieten  schienen,  in  deren  Schatzkammer  geborgen  war, 
als  Kriegsbeute  in  die  Hände.  Die  ärgste  Beschuldigung 
gegen  die  landgräflichen  Krieger  dagegen,    daß  der  heilige 


Eübesamen,  Heinrich  Raspe,  S.  12  Anm.  21 ;  Holder-Egger  in  M.  G. 
SS.  XXX,  013  Anm.  3.  —  Auch  der  Kampf  selbst  ist  schon  vom 
Reinhardsbr.  Chronisten  und  später  mehr  durch  sagenhafte  Züge 
(Hohn  der  Weiber  von  Fritzlar  u.  a.)  entstellt  worden ;  vgl.  auch 
Wenck,  Entstehung  der  Reiohardsbr.  Geschichtsbücher,  Halle  1878, 
S.  20. 

1)  Die  Cron.  Reinh.:  M.  G.  SS.  XXX,  614,  aber  auch  wiederholt 
die  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  in  Mon.  Erph.  S.  95  bei  der  Schilderung 
der  Buße  Konrads  von  1238,  aber  in  Bezug  auf  1232  reden  über- 
treibend von  mehreren  Kirchen.  Es  gab  aber  1232  in  Fritzlar  nur 
das  Petersstift.  Vgl.  darüber  Holder-Egger,  Studien  z.  thüring. 
Geschichtsquellen,  Teil  6,  Neues  Archiv  XXV,  91  Anm.  2.  Den  von 
ihm  gebrachten  Beweisen  füge  ich  noch  die  päpstlichen  Schreiben 
(Dobenecker  351.  535;  A.  Potthast,  Regesta  Pontificum  Romanorum, 
Bd.  1,  Berlin  1874,  No.  8720)  und  die  Urkunde  Sigfrids  III.  (1233, 
Dez.  2,  bei  Böhmer-Will,  Regesten  zur  Gesch.  der  Mainzer  Erz- 
bischöfe, Bd.  2,  Innsbruck  1886,  S.  230,  No.  111;  vgl.  den  Abdruck 
bei  C.  ß.  N.  Falckenheiner,  Gesch.  hessischer  Städte  und  Stifter,  Bd.  2, 
Kassel  1842,  S.  177)  hinzu,  wo  nur  von  einer  Kirche  die  Rede  ist. 

2)  Über  die  Gesch.  der  Familie  von  Treffurt  vgl.  G.  Landau, 
Z.  Hess.  G.  IX,  145  ff.;  W.  Rein,  Die  erloschenen  Adeisgeschlechter 
des  Eisenacher  Landes,  in :  Z.  Thür.  G.  IV,  203  ff. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  3ß7 

Leib  des  Herrn  von  einigen  zu  Boden  geworfen  sei,  ist 
nur  ein  von  unserm  Chronisten  wiedergegebenes  Gerücht, 
dessen  Wahrheit  er  selbst  bezweifelt  i).  Die  Anzahl  der 
im  Kampfe  Gefallenen  war  immerhin  eine  beträchtliche. 
An  zweihundert  Ritter,  mehrere,  besonders  Fritzlarer  Kano- 
niker, an  ihrer  Spitze  der  Wormser  Bischof  Heinrich  IL, 
der  Propst  Gumbert  von  Fritzlar  und  der  Propst  Heinrich 
von  Heiligenstadt  wurden  in  Fritzlar  von  den  Thüringern 
zu  Gefangenen  gemacht. 

Über  die  Kriegstaten  des  Gegners  Konrads,  Sigfrids  IIL, 
wissen  wir  nur,  daß  dessen  Truppen  die  landgräfliche  Stadt 
Witzenhausen  an  der  Werra  zerstörten,  wie  aus  dem  zwischen 
den  Fehdeführenden  später  geschlossenen  Vertrage  hervor- 
geht. Ob  sie  dabei  als  Angreifer  oder  als  Rächer  der  Heim- 
suchung Fritzlars  vorgingen,  steht  nicht  fest.  Die  mainzischen 
Mannen  scheinen  sich  auch  der  den  Landgrafen  gehörigen 
Stadt  Wolfhagen  bemächtigt  zu  haben.  Denn  noch  im 
August  1231  sehen  wir  sie  als  landgräfliches  Allod  ^),  beim 
späteren  Friedensschlüsse  ging  sie  —  wir  werden  darauf 
noch  zurückkommen  —  auf  Landgraf  Konrad  als  Lehen  vom 
Erzbischof  über. 

Die  Vermittlung,  die  nach  diesen  Kämpfen  geschlossen 
wurde,  kam  verhältnismäßig  rasch,  schon  gegen  Ende  des 
Jahres  1232  zustande.  Sie  ging  von  Magister  Konrad  von 
Marburg  aus,  der  auch  hier  sein  schon  öfters  bewährtes 
Geschick    in    diplomatischen  Geschäften   bekundete  ^).     Das 

1)  Dies  geht  aus  dem  hinzugefügten :  Fertur  etiam  a  quibusdam 
(Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  S.  83)  und  dem :  ut  dicitur  (ebenda  S.  95) 
hervor. 

2)  Wolfhagen  im  Rgb.  Kassel,  an  der  waldeckischen  Grenze. 
Vgl.  Dobenecker  211.  —  Da  es  sich  in  der  Urkunde  um  Verschenkung 
von  Grundbesitz  in  Wolfhagen  durch  Landgraf  Konrad  (und  Heinrich) 
handelt,  wird  die  Vermutung,  Konrad  könne  damals  ungenau  von 
,4n  nostro  opido  Wolfhain"  als  von  einem  mainzischen  Lehen  ge- 
sprochen haben,  hinfällig. 

3)  Über  seine  Vermittlung  in  dem  Nienburger  (A.G.  Bernburg) 
Klosterstreite  vgl.  Dobenecker  II,  1782.  1917;  B.  Kaltner,  Konrad 
von  Marburg  und  die  Inquisition  in  Deutschland,  Prag  1882,  S.  88  f. 

24* 


368  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Ziel,  dem  er  damals  gerade  so  eifrig  nachging,  die  Heilig- 
sprechung seines  vor  Jahresfrist  verstorbenen  fürstlichen 
Beichtkindes,  mußte  ihn  mit  Erzbischof  Sigfrid  und  vor 
allem  mit  den  Landgrafen  in  nahe  Verbindung  bringen. 
Denn  in  diesem  Punkte  berührten  sich  seine  Interessen  mit 
denen  der  Landgrafen  Konrad  und  Heinrich  schon  damals. 
Überhaupt  hatten  seine  Beziehungen  zum  Landgrafenhause 
auch  nach  dem  Aufgeben  seiner  früheren  einflußreichen 
Stellung  am  Hofe  Ludwigs  IV.  ununterbrochen  fortgedauert. 
Dies  bezeugt  wieder  seine  Vermittlung.  So  kam  denn 
durch  seine  Bemühung  der  Vergleich  zustande,  der  wieder 
auf  den  1219  zwischen  Landgraf  Ludwig  IV.  und  Erz- 
bischof Sigfrid  IL  vereinbarten  zurückging,  ohne  wichtige 
Gebietsveränderungen  zu  enthalten.  Konrad  erhielt  die 
Stadt  Wolfhagen  vom  Erzbischof  mit  dem  Rechte  der  Ver- 
erbung auf  seine  Söhne,  in  Ermangelung  solcher  auf  seine 
Töchter,  zu  Lehen.  Auch  durfte  er  mit  Sigfrids  Genehmigung 
die  Belehnung  mit  Wolfhagen  auf  seinen  Bruder  Heinrich 
und  seinen  Neffen  Hermann  übergehen  lassen  ^).  Die  Burg 
Heiligenberg  selbst,  die  den  Hauptanlaß  zum  Streite  ge- 
bildet, ist  vielleicht  auch  damals  von  den  Thüringern  zer- 
stört worden,  da  wir  später  von  ihrem  Wiederaufbau  hören, 
der  von  den  Brüdern  Hermann  und  Heinrich  von  Wolfers- 
hausen  im  Auftrage  des  Erzbischofs  unternommen  wurde  ^). 
Es  ist  nicht  überliefert,  daß  über  Landgraf  Konrad  vom 
Erzbischof  im  Verlauf  des  Kampfes  der  Bann  verhängt 
worden  ist.  Zieht  man  aber  von  den  Fehden  der  Land- 
grafen Hermann  I.  und  Ludwig  IV.  mit  den  Erzbischöfen 
einen  Rückschluß,  so  liegt  auch  für  Konrad  die  Annahme 
der  Bannung  durch  Sigfrid  von  Eppenstein  sehr  nahe.    Dann 


1)  Der  Vertrag  findet  sich  inseriert  in  dem  Vidimus  des  Guar- 
dians  und  Konventes  zu  Fritzlar  vom  25.  März  1247,  Dobenecker  323. 
1492;  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  480. 

2)  Vgl.  die  in  Fritzlar  am  26.  März  1247  von  den  Brüdern  von 
Wolfershausen  ausgestellte  Urkunde  bei  Dobenecker  1493;  siehe 
Ilgen  und  Vogel,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  X,  246,  Anm.  1. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  369 

aber  wurde  ohne  Zweifel  der  Bann  mit  dem  Abschluß  des 
Vertrags  von  Konrad  genommen,  wie  auch  bei  Ludwigs  IV. 
Fehde  mit  Sigfrid  II.  (1219)  die  Absolution  vom  Banne  un- 
mittelbar dem  zwischen  ihnen  geschlossenen  Ausgleich  ge- 
folgt war  1). 

Ohne  Zutun  Landgraf  Konrads  —  es  ist  sagenhaft, 
wenn  er  damals  dazu  beigetragen  haben  soll  —  begannen 
die  Verhältnisse  in  dem  arg  verwüsteten  Fritzlar  sich  zu 
ordnen.  In  den  folgenden  Jahren  hören  wir  mehrfach  von 
der  Wiederherstellung  des  Petersstiftes,  zu  der  die  Stadt 
auch  durch  zwei  päpstliche  Indulgenzbriefe  die  erforder- 
lichen Mittel  erwarb  ^).  Erzbischof  Sigfrid  selbst  suchte 
durch  Unterstützung  der  Peterskirche  und  ihrer  Diener 
helfend  in  Fritzlar  einzugreifen  ^).  Ihm  lag  überhaupt  an 
der  vollständigen  Beilegung  der  Differenzen  offenbar  am 
meisten.  Er  wandte  sich  an  Papst  Gregor  mit  der  Bitte 
um  Bestätigung  des  neuen  Vergleichs,  die  dann  schon  am 
4.  Februar  1233  erfolgte -i). 

Damit  war  der  Friede  wiederhergestellt.  Schon  im 
gleichen  Monat  sehen  wir  einerseits  den  durch  Konrad  in 
Fritzlar  gefangenen  Propst  Gumbert  von  Fritzlar  und  zwei 
andere,  wahrscheinlich  ebendort  gefangene  Fritzlarer  Ka- 
noniker ^),  anderseits  den  schlimmen  Plünderer  der  Stadt, 
Friedrich  von  Treffurt,  in  seiner  Umgebung  ^).  Darin  werden 
wir  mit  Recht  einen  Beweis  dafür  erblicken,  wie  rasch  die 
Versöhnung  zwischen  Konrad  und  seinen  gerade  am  meisten 
geschädigten  Gegnern  erfolgte. 


1)  Dobenecker  II,  1831. 

2)  Dobenecker  351.  535.  Vgl.  Weber,  Der  ehemalige  Stiftshof 
auf  dem  Friedhofe  zu  Fritzlar,  in :  Z.  Hess.  G.  N.  F.  IV,  317  ff. 

3)  Siehe  Sigfrids  am  2.  Dezember  1233  in  Fritzlar  ausgestellte 
Urkunde  im  Abdruck  bei  Falckenheiner,  Hess.  Städte  und  Stifter, 
Bd.  2,  177. 

4)  Dobenecker  333;  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  483. 

5)  Chron.  regia  Coloniensis  S.  264. 

6)  Siehe  die  Zeugen  in  Konrads  in  Homberg  am  25.  Februar 
1233  ausgestellter  Urkunde  bei  Dobenecker  340. 


370  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Schon  früh  entstand  bei  den  Chronisten  der  Glaube, 
Konrad  sei  wegen  der  Vorgänge  in  Fritzlar  dem  päpst- 
lichen Banne  verfallen.  Diese  Nachricht  findet  sich  in 
den  ältesten  Quellen  nicht ,  widerspricht  aber  auch  voll- 
kommen der  tatsächlichen  Lage  der  Verhältnisse.  Schon 
das  erwähnte  Zusammentreffen  Konrads  mit  den  Fritzlarer 
Kanonikern  macht  eine  solche  Annahme  durchaus  unwahr- 
scheinlich. Vielmehr  sind  die  freundlichen  Beziehungen 
zwischen  Papst  Gregor  und  dem  Landgrafen  nicht  im  ge- 
ringsten gestört  worden.  Unmittelbar  nach  der  Zerstörung 
Fritzlars  durch  Konrads  Scharen  beschäftigten  den  Papst 
eifrig  die  Schicksale  Elisabeths,  Konrads  verstorbener 
Schwägerin,  und  das  von  ihr  zu  Marburg  gegründete  Ho- 
spital^). Wie  wohlwollend  Konrad  selbst  der  Erhöhung 
Elisabeths  gegenüberstand,  mochte  Gregor  bereits  bekannt 
sein.  In  dem  regen  brieflichen  Verkehr  zwischen  Anagni, 
Gregors  damaligem  Aufenthaltsorte,  und  Mainz  selbst  gegen 
Ende  des  Kriegsjahres  1232  wird  des  zwischen  Landgraf 
Konrad  und  dem  Erzbischof  vorgefallenen  Streites  mit  keinem 
Worte  gedacht.  Er  handelt  nur  von  Elisabeths  Wundern 
oder  den  gegen  die  Ketzer  zu  ergreifenden  Maßregeln  ^). 
Am  deutlichsten  aber  zeigt  sich  das  ungetrübte  Verhältnis 
zwischen  Papst  Gregor  und  Landgraf  Konrad  darin,  daß 
ersterer  den  Landgrafen  am  20.  Oktober  1233  mit  den 
freundlichsten  Worten  der  Anerkennung  für  seine  dem 
apostolischen  Stuhle  bewiesene  Treue  und  Ergebenheit  in 
seinen  Schutz  nimmt  ^).  Zugleich  wird  der  Hildesheimer 
Bischof  Konrad  II.  mit  dem  Schutze  Konrads  vor  jeglicher 
Anfeindung  beauftragt*). 

Vielmehr  hatten  Heinrich  und  Konrad  bald  Grund,  sich 
ihrerseits  über  den  rücksichtslosen  Prälaten  zu  beschweren, 
als  er  den  Kirchen,  deren  Patronat  den  Landgrafen  zustand, 


1)  Dobenecker  284.  285.  288.  289.  291. 

2)  Dobenecker  286.  290.  293.  294. 

3)  Dobenecker  363 ;  vgl.  auch  Codex  dipl.  Sax.  reg.  1, 3,  No.487, 1. 

4)  Dobenecker  364. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  37]^ 

eine  neue,  ungebührliche  Steuer  in  Gestalt  des  Zwanzigsten 
auflegte.  Offen  spricht  Gregor  seine  Mißbilligung  über  diesen 
feindlichen  Schritt  Sigfrids  in  einem  Schreiben  an  diesen 
aus,  ausdrücklich  hebt  er  hervor,  daß  die  Landgrafen  es 
diesmal  vorgezogen,  seine  Vermittlung  anzugehen,  als  andere 
Wege  einzuschlagen.  Vielleicht  liegt  in  diesen  Worten  eine 
Anspielung  auf  den  zwischen  Konrad  und  Sigfrid  von  Mainz 
ausgefochtenen  Kampf  i). 

Damit  dürfte  die  Erzählung,  daß  Konrad  hauptsächlich 
um  der  Absolution  willen  sich  1234  bei  Papst  Gregor  IX. 
in  Italien  einfand,  eine  Erzählung,  die  fast  alle  späteren 
Chronisten  in  die  Geschichte  aufgenommen  haben,  in  das 
Gebiet  der  Sage  verwiesen  sein  ^).  So  blieb  jener  Kampf 
mit  dem  Erzstift  für  Landgraf  Konrad  von  Thüringen  ohne 
weitere  Folgen. 

Wir  hatten  schon  gesehen,  daß  die  Politik  der  thü- 
ringischen Landgrafen  in  Hessen  naturgemäß  auf  eine  Stär- 


1)  Vgl.  Gregors  IX.  Schreiben  vom  22.  Juni  1234  an  Erz- 
bischof Sigfrid  bei  Dobenecker  413  imd  im  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I, 
3,  No.  498. 

2)  Dies  erzählen  bes.  die  Historia  Pistoriana  Kp.  45,  S.  1325 ; 
Hist.  Eccardiana  S.  423  (beide  fälschlich  zu  1233) ;  Joh.  Eothe,  Bd.  3 
d.  thür.  Geschichtsquellen,  Kp.  470;  W.  Gerstenberg,  Thür.-hess. 
Chronik  bei  F.  Ch.  Schmincke:  Monimenta  Hassiaca,  Bd.  2,  Kassel 
1748,  S.  379 ;  Monachus  Pirnensis  bei  Mencken,  Script,  rer.  Germ.,  Bd.  2, 
1459 ;  Ann.  ecclesiastici,  fortges.  v.  O.  Kaynaldus,  Bd.  13,  Köln  1694, 
ad  a.  1232  Kp.  11,  S.  388.  —  Auch  die  meisten  neueren  Darsteller 
haben  danach  fälschlich  die  Bannung  Konrads  durch  Gregor  oder 
Absolution  vom  Banne  als  Hauptmotiv  für  seine  Reise  nach  Rieti 
(1234)  angenommen,  so  u.  a.  Knochenhauer,  Gesch.  Thüringens, 
S.  339;  Kaltner,  Konrad  von  Marburg,  S.  125;  Rübesamen,  Heinr. 
Raspe,  S.  12;  J.  Feiten,  Papst  Gregor  IX.,  Freiburg  i.  B.  1886,  S.224 
(vgl.  auch  230);  E.  Fink,  Sigfrid  III.  von  Eppenstein,  Erzbischof 
V.  Mainz,  Rostocker  Diss.,  Berlin  1892,  S.  82;  auch  noch  C.  Held- 
mann, Gesch.  der  Deutschordensballei  Hessen,  in :  Z.  Hess.  G.  N.  F. 
XX,  19.  Den  richtigen  Beweggrund  haben  Häutle,  Hermann  I. 
und  seine  Familie,  Z.  Thür.  G.  V,  I88f.,  O.  Posse,  Thür.  Sagen,  Hist. 
Z.  XXXI ,  61 ,  vor  allem  Wenck  (Wartburgb.,  S.  207)  angedeutet. 
Die  Beweisführung  fehlte  noch. 


372  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

kung  der  landesherrlichen  Stellung  gerichtet  sein  mußte. 
Diese  in  seinem  Hause  befolgte  hessische  Politik  scheint 
auch  Konrad,  soweit  es  die  Umstände  gestatteten,  gefördert 
zu  haben.  Der  mit  dem  Erzstift  ausgefochtene  Kampf,  aus 
dem  Widerstreit  der  dortigen  Interessen  des  Landgrafen 
und  Sigfrids  III.  entsprungen,  hatte  allerdings  im  Grunde  ohne 
wichtige  Entscheidung  für  den  einen  oder  andern  Teil  geendet. 
Landgraf  Ludwig  IV.  hatte  von  Burchard  VI.,  Burggrafen  von 
Magdeburg,  dem  Gemahle  Sophias  aus  dem  Ziegenhainischen 
Hause,  die  Schlösser  Wildungen  und  Keseberg  durch  Kauf 
erworben  i).  Auch  Schloß  Reichenbach  war  auf  ihn  über- 
gegangen 2).  Die  Stellung  des  Grafen  Gottfried  von  Reicheu- 
bach  aus  der  jüngeren  Ziegenhainischen  Linie  scheint  sich 
den  Landgrafen  gegenüber  zu  einem  Abhängigkeitsverhältnis 
gestaltet  zu  haben  ^).  Mit  den  Grafen  von  Ziegenhain,  deren 
Gebiet  in  anglücklicher  Lage  zwischen  den  thüringisch- 
hessischen Besitzungen  eingekeilt  war,  hat  es  auch  unter 
Konrads  Verwaltung  Hessens  nicht  an  Streitigkeiten  ge- 
fehlt, wenn  es  auch  nicht  bestimmt  ist,  daß  sie  an  Seite 
des  Erzbischofs  sich  in  den  thüringisch-mainzischen  Kampf 
des  verflossenen  Jahres  eingemischt  haben  *).  Jedenfalls 
kam  gegen  Ende  des  Jahres  1233  auch  mit  ihnen  ein  end- 
gültiger Vertrag  zustande,  den  Konrad  nach  vorheriger  Er- 
mächtigung durch  seinen  Bruder  mit  den  Ziegenhainischen 
Grafen  Gottfried  IV.  und  Berthold  I.  am  25.  November  zu 
Marburg   abschloß.      Konrad    gibt    den    Grafen    den    Besitz 


1)  Vgl.  die  Urkunde  Sophias  vom  2.  April  1247  bei  Dobenecker 
1497  (vgl.  Dobenecker  II,  2427).  —  Wildungen  im  Waldeckischen, 
w.  Fritzlar.   Keseberg  ö.  Bringhausen  an  der  Eder,  jetzt  wüste  Burg. 

2)  Vgl.  Cron.  Reinh.:  M.  G.  SS.  XXX,  602  ;  Dobenecker  II,  2202. 

3)  Darauf  deutet  wohl  die  Bezeichnung  der  Landgrafen  Hein- 
rich und  Konrad  als  „domini  provinciales"  (Dobenecker  3(58)  durch 
Gottfried  von  Reichenbach  und  seine  Bezeichnung  als  „fidelis"  der 
Landgrafen  (Dobenecker  470)  hin.  Vgl.  Ilgen  u.  Vogel,  Z.  Hess. 
G.  N.  F.  X,  223  f. 

4)  Dies  nahmen  Ilgen  u.  Vogel,  S.  246,  u.  Fink,  Sigfrid  III., 
S.  88  an. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  373 

innerhalb  der  Gräben  Ziegenhains,  soweit  ihn  einst  sein 
Oheim  Friedrich  von  Wildungen  besessen,  zu  Lehen  und 
entsagt  seinem  Anrechte  auf  Schloß  Staufenberg  und  auf 
seine  Güter  zu  Treysa.  Beide  Parteien  verpflichten  sich, 
die  Leute  des  andern  ohne  dessen  Zustimmung  nicht  als 
Kolonen  aufzunehmen  und  von  der  Anlegung  von  Burgen 
im  Gebiete  des  andern  abzustehen.  Die  Ziegenhainischen 
Grafen  aber  verzichten  ihrerseits  endgültig  auf  ihr  Recht 
an  den  Burgen  zu  Reichenbach  und  Keseberg,  die  Land- 
graf Ludwig  IV.  seinem  Hause  erworben  hatte.  Der  neue 
Vergleich  wird  durch  ein  Schutz-  und  Trutzbündnis  be- 
siegelt ^).  Nicht  mehr  unter  Konrad,  erst  unter  seinen  Nach- 
folgern in  der  Verwaltung  Hessens,  seinem  Bruder  und 
seinem  Neffen,  kam  es  wieder  zu  Reibungen.  Ihr  Bestreben 
nach  Erweiterung  ihrer  Befugnisse  in  Hessen  scheint  sie, 
besonders  wohl  Heinrich,  mehrfach  zu  einem  gewaltsamen 
Vorgehen  gegen  hessische  Grafen,  so  die  von  Wolfershausen^)^ 
von  Battenburg,  denen  sie  1238  die  Jurisdiktion  über  die 
Grafschaft  Stifft  zum  Teil  entrissen  ^),  verleitet  zu  haben. 
Ein  solches  Vorgehen  mag  vielfach  dazu  beigetragen  haben, 
die  Geschädigten  in  die  Arme  des  Mainzer  Erzbischofs 
zu  treiben,  der  bei  seiner  rücksichtslosen  hessischen  Politik 
sich  jeden  derartigen  Vorteil  vortrefflich  zu  nutze  zu  machen 
verstand  *). 

Die  gleiche  Förderung  und  Beschenkung  hessischer 
Kirchen  und  Klöster,  die  wir  schon  früher  bei  ihm  kennen 
gelernt,  hat  Landgraf  Konrad  auch  weiterhin  diesen  wider- 
fahren lassen.     Am  25.  Februar  1233  weilt  er  auf  der  land- 


1)  Siehe  den  Vergleich  bei  Dobenecker  369  und  im  Codex  dipl. 
Sax.  reg.  I,  3,  No.  490.  —  Staufenberg  n.  Gießen;  Treysa  w.  Ziegen- 
hain an  der  Schwalm. 

2)  Vgl.  den  Revers  der  Grafen  bei  Dobenecker  1493. 

3)  Dobenecker  740.  74].  —  Schloß  Battenburg  ist  nicht  mehr 
erhalten,  Ort  Battenberg  an  der  Eder,  Kreis  Biedenkopf. 

4)  Über  die  Territorialpolitik  der  Landgrafen  vgl.  auch  Ilgen 
u.  Vogel,  S.  223  ff. ;  über  die  Sigfrids  III.  dieselben  S.  247  ff.  u.  Fink, 
Sigfrid  III.,  S.  80  ff. 


374  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

gräfliclien  Burg  Homberg  an  der  Ohm,  wo  er  das  in  Not 
geratene  Kloster  Spieskappel  durch  Anweisung  einiger  Güter 
zur  Verpachtung  unterstützt  i). 

Auch  in  anderer  Beziehung  konnten  sich  die  Land- 
grafen, besonders  Konrad,  als  eifrige  Söhne  der  christlichen 
Kirche  zeigen.  In  den  Jahren  1232  und  1233  erreichte 
die  berüchtigte  Ketzerverfolgung  ihren  Höhepunkt  in  Deutsch- 
land. Magister  Konrad  von  Marburg,  der  sich  bekanntlich 
unerbittlichstes  Vorgehen  gegen  die  Häretiker  zur  Aufgabe 
machte,  übte,  mit  weitgehenden  päpstlichen  Vollmachten 
ausgestattet,  besonders  in  Mitteldeutschland  und  am  Rhein 
seine  gefürchtete  Tätigkeit  aus,  die,  um  das  Mißfallen  des 
neu  beschwichtigten  apostolischen  Stuhles  zu  vermeiden, 
auch  durch  den  Kaiser  unterstützt  wurde.  Bei  den  nahen 
Beziehungen  zwischen  den  Landgrafen  und  Magister  Konrad, 
bei  dessen  Wirken  in  Thüringen  selbst  ^j,  lag  auch  für  die 
Landgrafen  die  Stellungnahme  zur  Inquisition  sehr  nahe. 
Doch  erst  von  Bischof  Konrad  II.  von  Hildesheim,  dem 
unter  den  deutschen  Bischöfen  eifrigsten  Verfechter  rück- 
sichtsloser Verfolgung  der  Häretiker,  der  nach  Magister 
Konrads  Tode  in  Thüringen  und  Sachsen  das  Kreuz  weiter 
predigte  ^),  empfingen  es  auch  die  Landgrafen  Heinrich  und 
Konrad.  Papst  Gregor  hatte  schon  in  seinem  früheren 
Schreiben  an  Konrad  dessen  kirchlichen  Eifer  im  Hinblick 
auf  die  damals  so  verbreitete  Seuche  der  Häresie  belobt 
und  ihn  wohl  dadurch  zur  Teilnahme  an  der  Bekämpfung 
der  Ketzerei  bewegen  wollen*).  Im  Februar  1234  wird 
Konrad  auf  sein  Ansuchen  bei  Papst  Gregor  hin  als  mit 
dem  Kreuze  Bezeichneter  abermals  des  päpstlichen  Schutzes 
teilhaftig    samt  seinen  Hofbeamten,  seinem  Lande  und  Be- 


1)  Dobenecker  340;  Homberg  so.  Fritzlar,  Rgb.  Kassel. 

2)  Anfang  Mai  1232  wurden  in  Erfurt  vor  Konrad  von  Marburg 
Ketzer  verbrannt.    Ann.  Erphord.   fr.  Praed.   in  Mon.  Erph.  S.  82. 

3)  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  S.  84. 

4)  Dobenecker  363.  364. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  375 

sitze  1).  Wieder  werden  Bischof  Konrad  selbst  und  zwei 
andere  hohe  Prälaten  mit  dem  Schutze  beider  Landgrafen 
betraut  '^).  Während  wir  aber  über  Landgraf  Heinrichs 
Beteiligung  an  der  Vertilgung  der  Ketzerei  nichts  Näheres 
erfahren,  scheint  Landgraf  Konrad  schon  den  Marburger 
Prediger  in  seiner  Tätigkeit  unterstützt  zu  haben.  Er 
setzte  auch  nach  des  Magisters  Tode  (Juli  1233)  dessen 
Werk  in  Hessen  fort  und  ließ  im  gleichen  Jahre  die  hessi- 
schen Ketzerschulen,  besonders  die  zu  Willandsdorf  zer- 
stören ^).  Hatte  aber  schon  mit  Konrads  Tode  die  Ketzer- 
verfolgung in  gemäßigtere  Bahnen  eingelenkt,  so  suchte 
bald  König  Heinrich  selbst,  unterstützt  von  den  vornehmsten 
deutschen  Prälaten,  den  Übergriffen  derselben  am  Frank- 
furter Reichstage  im  Februar  1234  energisch  ein  Ziel  zu 
setzen  *).  Damit  fand  auch  Landgraf  Konrads  Vorgehen 
gegen  die  Häretiker  ohne  Zweifel  sein  Ende. 

Das  Jahr  1234  brachte  über  die  thüringischen  Lande 
mehrfach    Unruhe    und    Kämpfe,    wodurch    auch    Landgraf 

1)  Dobenecker  399.  Das  Schreiben  an  Landgraf  Heinrich  bei 
Dobenecker  397, 

2)  Dobenecker  398.  400. 

3)  Willaudfe)sdorf  jetzt  Wilnsdorf  so.  Siegen.  —  Vgl.  Gersten- 
bergs Thür.-hess.  Chronik,  S.  3831;  Excerpta  Chronici  Eiedeseliani 
Hassiaci,  in  J.  Ph.  Kuchenbeckers  Anal.  Hassiaca,  Collectio  3  (1730), 
5  f. ;  Genealogia  und  kurtze  Chronika  der  Landgrafen,  bei  Kuchen- 
becker ebenda,  Coli.  6  (1731),  250.  Vgl.  O.  Lorenz,  Deutschlands  Ge- 
schichtsquellen im  Mittelalter  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrb.,  Berlin, 
Bd.  2,  1887  «,  S.  921;  H.  Vildhaut,  Handbuch  der  Quellenkunde 
zur  deutschen  Gesch.,  Bd.  2,  Arnsberg  1900,  S.  404 1  Über  Gersten- 
berg vgl.  J.  Pistor,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  XVII,  Iff.,  bes.  20fl  59  fl  831 
Da  diese  Nachricht  Gerstenbergs  auf  den  hessischen  Chronisten  Joh. 
Riedesel  zurückgeht,  wird  ihr  im  Gegensatz  zu  den  zahlreichen  auf 
Konrad  bezügUchen ,  späteren  thüringischen  Chroniken  entlehnten 
Nachrichten  Gerstenbergs  historischer  Wert  nicht  abzusprechen  sein. 

4)  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  in  Mon.  Erph.  S.  85  f  1 ;  Böhmer- 
Will,  Regesten  d.  Mainzer  Erzb.,  Bd.  2,  S.  231  f.,  No.  123 ;  vgl. 
Kaltner,  Konrad  von  Marburg,  S.  175  fl ;  A.  Hausrath,  Konrad  von 
Marburg,  in:  Kleine  Schriften  religionsgesch.  Inhalts  von  dems., 
Leipzig  1883,  S.  219  fl 


376  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Heinrichs  Tätigkeit  öfters  in  Anspruch  genommen  wurde. 
Schon  im  August  des  vergangenen  Jahres  waren  die  Auf- 
forderungen zur  Kriegsfolge  gegen  Bayern,  die  Erzbischof 
Sigfrid  auch  an  Erfurt  richtete,  auf  den  Widerstand  der 
dortigen  Bürgerschaft  gestoßen.  Keine  Partei  gab  nach. 
Der  Gegensatz  verschärfte  sich  bis  zur  Bannung  und 
Ächtung  Erfurts  durch  den  Erzbischof,  bezw.  König  Heinrich. 
Die  Vermittlung  fand  durch  Landgraf  Heinrich  statt,  durch 
die  Erfurt  am  1.  August  vom  Banne  gelöst  wurde,  wohl 
noch  ehe  der  Schutz,  den  Kaiser  Friedrich  selbst  den  Er- 
furtern auf  ihre  Bitte  gewährt  hatte,  eine  Wendung  hatte 
herbeiführen  können  i).  Daß  Landgraf  Heinrich  zugunsten 
Erfurts,  das  seinem  Hause  seit  langem  feindlich  war,  ver- 
mittelte, ist  auffallend.  Sicherlich  hängt  diese  Entscheidung 
mit  der  Fehde  Landgraf  Heinrichs  mit  dem  Grafen  Heinrich 
von  Gleichen  zusammen,  in  deren  Vei'lauf  ersterer  am 
18.  Mai  1234  das  Schloß  des  Grafen  zerstört  und  eine 
Anzahl  Gefangener  als  Rebellen  hatte  hinrichten  lassen  2). 
Landgraf  Heinrichs  Intervention  zugunsten  Erfurts  ist  die 
Antwort  auf  die  Heinrich  unwillkommene  Einmischung  des 
Erzbischofs  in  die  Fehde  mit  dem  Grafen  von  Gleichen. 
Diese  Einmischung  Sigfrids  zeigt  sich  darin,  daß  er  vom 
Landgrafen  die  Erfurter  Vogtei,  die  dieser  dem  Grafen 
von  Gleichen  geraubt,  eingelöst  und  ihn  mit  seinen  Ein- 
künften zu  Gottern  abgefunden  hatte  ^). 


1)  Vgl.  über  diesen  Streit  die  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  S.  87 f.; 
Dobenecker  406.  426.  443;  Fink,  Sigfrid  III.,  S.  42  ff.  —  Kaiser 
Friedrich  II.  nahm  Erfurt  im  Juli  1234  in  Eieti  in  seinen  Schut-z; 
Dobenecker  440. 

2)  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  S.  88;  Dobenecker  408a;  Werne- 
burg,  Geschichtliches  über  die  Grafen  von  Gleichen,  in:  Mitteil.  d. 
Vereins  f.  d.  Gesch.  u.  Altertumsk.  von  Erfurt,  Heft  6,  S.  34  ff. 
Über  die  nicht  feststehende  Lage  des  Gleichenschen  Schlosses  siehe 
Dobenecker  438  Anm.,  über  den  Namen  des  Grafen  auch  Doben- 
ecker 1425  Anm.  1. 

3)  Vgl.  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  S.  88;  Dobenecker  438.  — 
Gottern  nw.  Langensalza. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  377 

Von  außerordentlicher  Wichtigkeit  und.  Tragweite  wurde 
für  Landgraf  Konrad  der  Einfluß,  den  seiner  Schwägerin 
Elisabeth    Wandel   und    Wundertätigkeit    auf   ihn    ausübte. 

Schon  früh  war  Elisabeth  mit  den  Ideen  des  heiligen 
Franz  von  Assisi,  die  seit  1221  auch  in  Deutschland  gewaltig 
an  Boden  gewonnen  hatten,  bekannt  geworden,  Freiwillige 
Armut,  Entäußerung  irdischen  Besitzes  und  weltlicher  Macht 
waren  ihr,  schon  bevor  Konrad  von  Marburg  ihr  Beicht- 
vater wurde,  von  einem  Bruder  Rodeger  i)  verkündet  worden, 
und  durch  ihr  ganzes  späteres  Leben  zieht  sich  ein  starker 
Zug  franziskanischer  Lebensideale  hindurch.  Sie  bilden 
den  Grundton  ihres  Wesens.  Sie  besonders  ließen  sie 
nach  des  Gatten  Tode  dem  fürstlichen  Stande  und  dem 
Hofe  ihrer  Verwandten  entsagen  2) ;  denn  Landgraf  Heinrich 
trägt  an  diesem  Schritte  seiner  Schwägerin  nur  geringe 
Schuld,  und  vollends  Konrad  kann  kein  Vorwurf  irgend- 
welcher Art  gemacht  werden.  Unsere  ältesten  Quellen 
geben  uns  von  seinem  Verhalten  gegen  Elisabeth  in  jenen 
Tagen  keine  Kunde  ^). 

Elisabeth ,  nur  zur  Beisetzung  ihres  Gemahls  noch 
einmal  nach  Thüringen  zurückgekehrt,  siedelte  im  Sommer 
1228   nach  Marburg   über,    wo    sie    im   gleichen  Jahre    auf 

1)  Vgl.  über  ihn  Wenck,  in:  Sammlung  gemeinverständlicher 
Vorträge  und  Schriften  a.  d.  Gebiet  d.  Theol.  und  Eeligionsgesch., 
Heft  52,  Anm.  13  S.  50. 

2)  Über  diese  sehr  strittige  Frage  vgl.  bes,  Börner,  Quellen- 
kritik, Neues  Archiv  XIII,  453  ff.;  Mielke,  Elisabeth,  S.  62  ff.; 
Wenck,  Hist.  Z.  LXIX,  233  f. ;  E.  Michael,  Zur  Gesch.  d.  heil.  Elisabeth, 
in :  Zeitschrift  f.  kathol.  Theol.  XXII,  565  ff.  (dazu  Wenck  im  Wart- 
burgb.,  Anm.  zu  S.  200  f.  fS.  701]);  Huyskens,  Quellenstudien, 
S.  53ff. ;  dagegen  Wenck  in  Sammlung  gemeinverständl.  Vorträge 
und  Schriften,  Heft  52,  19  ff.,  bes.  Anm.  26  S.  52  f. 

3)  Erst  die  spätere  Tradition  (Histor.  Pistor.  Kp.  40,  S.  1323 f.; 
Histor.  Eccardiana  S.  421 ;  Das  Legendarium  des  Eisenacher  Domini- 
kanerklosters, hrg.  V.  A.  L.  J.  Michelsen,  in:  Z.  Thür.  G.  IV,  372  f.; 
Gerstenberg,  Thür.-hess.  Chronik,  S.  379;  Joh.  Rothe,  Bd.  3  der 
thüringischen  Geschichtsquellen,  Kp.  457.  477)  stellt  auch  Konrad 
neben  seinem  Bruder  als  schuldig  an  der  „Vertreibung"  Ehsabeths  hin. 


378  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

einem  Grundstücke,  über  das  Landgraf  Heinrich  und  Konrad 
ihr  für  Lebenszeit  den  Nießbrauch  gestattet,  ein  Hospital 
zur  Aufnahme  Hilfloser  und  Un begüterter  erbauen  ließ  ^). 
Diesem  ihrem  Vorbilde,  dem  heiligen  Franz ,  geweihten 
Hospitale  widmete  sie  sich  selbst  als  Pflegerin  der  Kranken, 
nachdem  sie  das  graue  Gewand  der  Tertiarierinnen  angelegt. 
Seitdem  suchte  sie,  nur  geleitet  vom  Marburger  Prediger, 
bis  an  ihr  Ende  auf  dem  Wege  einer  übertriebenen  Askese, 
durch  unermüdliches  Fasten,  Beten,  Pflegen  der  Kranken 
und  Siechen  den  Pfad  zum  ewigen  Heil. 

Der  neuen  Marburger  Stiftung  wurde  mehrfache  Unter- 
stützung zuteil.  Papst  Gregor  IX.  nahm  sich  des  Hospitals 
an  und  erteilte  im  April  1229  den  am  Festtage  des  Heiligen 
von  Assisi  (4.  Oktober)  es  Besuchenden  einen  Ablaß  ^'). 
Wichtiger  war  es,  daß  schon  damals  Landgraf  Heinrich 
und  unser  Konrad  der  Stiftung  ihrer  Schwägerin  Interesse 
entgegenbrachten  und  sie  mit  Verleihung  des  wichtigen 
Patronatsrechtes  über  die  Marburger  Kirchen  ausstatteten. 
Hierin  haben  wir  das  erste  sichere  Zeugnis  des  Verständ- 
nisses und  Wohlwollens  der  Brüder  für  Elisabeths  auf- 
opferndes Wirken.  Vielleicht  hat  auch  Magister  Konrad 
von  Marburg  damals  auf  Heinrich  und  Konrad  einzuwirken 
gewußt.  Elisabeth  wandte  sich  dann  an  Papst  Gregor, 
und  als  dieser  am  IL  März  1231  den  Franziskanern  die 
durch  Landgraf  Heinrich  und  Konrad  verliehenen  Vorrechte 
bestätigte,  schien  der  Bestand  des  Hospitals  gesichert  ^). 

Allein  der  Stifterin  war  nur  eine  kurze  Tätigkeit  in 
demselben  beschieden.  Die  übermäßigen  Anstrengungen, 
überhaupt  eine  in  ihrem  krankhaften  Streben  nach  voll- 
kommener Selbstentäußerung  begründete  Vernachlässigung 
ihrer  Gesundheit  haben  ihren  jungen  Körper  gebrochen. 
Sie  starb  am  frühen  Morgen  des  17.  November  1231  mehr 


1)  Dobenecker  273. 

2)  Dobenecker  55. 

3)  Dobenecker  190  (188.  189);   vgl.  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3. 
No.  437. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  379 

infolge  völliger  körperlicher  Entkräftung  als  einer  Krank- 
heit i).  Am  19.  November  wurde  sie  in  der  Kapelle  des 
von  ihr  erbauten  Hospitals  begraben.  Viele  Abte,  fromme 
Männer  und  die  ungezählte  Menge  dankbaren  Volkes  war 
bei  der  Beisetzung  zugegen  2). 

Über  die  Teilnahme  der  Landgrafen  Heinrich  und 
Konrad  am  Begräbnis  Elisabeths  oder  ihren  Besuch  an 
ihrem  Krankenlager,  das  von  geistlichen  wie  weltlichen 
Personen  aufgesucht  wurde,  fehlt  uns  bestimmte  Nachricht  3). 
Eür  Konrad  ist  beides  allerdings  sehr  wahrscheinlich,  da 
seine  Anteilnahme  an  Elisabeths  Werk  schon  damals  fest- 
steht, weniger  für  Landgraf  Heinrich,  der  schon  im  Dezember 
1231  mehrfach  am  kaiserlichen  Hofe  zuRavenna  bezeugt  ist  *). 

Gleich  nach  Elisabeths  Hinscheiden  verbreitete  sich 
der  Ruf  von  Wundern,  die  an  ihrem  Grabe  geschahen. 
Mochte  doch  bei  Elisabeth ,  die  die  aufopfernde,  völlig 
selbstlose  Tätigkeit  ihrer  Marburger  Zeit  so  unvermittelt 
gegen  den  Glanz  eines  weltfreudigen  Eürstenhofes  vertauscht 
hatte  wie  wohl  keine  Erau  fürstlichen  Standes  vor  ihr, 
schon  in  ihren  letzten  Lebensjahren  der  Grund  zu  solchem 
Glauben  gelegt  sein.  Ungeheuer  war  die  Zahl  der  Pilger, 
die    die    heiligen    Stätten    aufsuchten.      Zahlreiche    Kranke, 

1)  Siehe  den  Brief  über  Elisabeths  Tod  bei  Huyskens,  Quellen- 
studien, S.  147  ff.,  dazu  92  ff.;  Dobenecker  255.  Im  übrigen  vgl. 
Dobenecker  222  a  (auch  2S0  Anm.  1)  mit  vollständiger  Quellen-  und 
Literat  uran  gäbe. 

2)  Libellus  de  dictia  bei  Mencken,  Script,  rer.  German.  II,  2033; 
Theod.  V.  Apolda,  Bch.  8,  Kp.  6;  Dobenecker  222a. 

3)  Siehe  den  Brief  über  Eüsabeths  Tod  bei  Huyskens  S.  149 ; 
Konrads  von  Marburg  Bericht  im  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  476 
(S.  332);  Theod.  v.  Apolda,  Bch.  8,  Kp.  2.  —  Auf  welche  Worte  des 
Cäsarius  von  Heisterbach  bei  Börner,  Neues  Archiv  XIII,  505  hin 
Heldmann,  Deutschordensballei  Hessen,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  XX,  16 
Anm.  2  so  bestimmt  Landgraf  Konrad  unter  die  Besucher  des 
Krankenlagers  Elisabeths  rechnet,  sehe  ich  nicht  ein. 

4)  Dobenecker  229.  230.  Über  den  Irrtum  Winkelmanns, 
Friedrich  IL  (Jahrbücher)  II,  327  Anm.  5  (den  übrigens  auch  Rübe- 
samen, Heinrich  Easpe,  S.  11  hat),  vgl.  Dobenecker  212  Anm. 


380  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Gebrechliche,  Krüppel  fanden  durch  den  Glauben  an  der 
Heiligen  Wunderkraft  Genesung  und  Heilung.  Dieser  ge- 
waltigen Bewegung  entzogen  sich  auch  die  Landgrafen 
nicht,  am  wenigsten  Konrad,  dessen  besonderer  Verwaltung 
das  gepriesene,  wundererfüllte  Marburg  unterstand.  Er 
sowohl,  wie  sein  kaum  vom  kaiserlichen  Hofe  zurück- 
gekehrter Bruder  i)  gehören  mit  ihrem  Berater  Konrad  von 
Marburg  zu  den  Zeugen  der  Wunder,  vor  deren  Macht 
hoch  und  niedrig  verehrungsvoll  sich  beugt  ^). 

Die  nächste  und  größte  Sorge  um  Elisabeths  Werk, 
das  Hospital  und  ihre  vom  Haupte  der  Christenheit  anzu- 
erkennende Heiligkeit,  blieb  Konrad  von  Marburg  vorbe- 
halten 3).  Der  Lösung  dieser  Aufgabe,  wegen  der  man  sich 
bereits  an  Papst  Gregor  gewandt  hatte,  traten  indes  Um- 
stände verschiedener  Art  hemmend  in  den  Weg. 

Zunächst  kam  es  zu  einem  Rechtsstreit  über  die  Besitz- 
nahme des  Marburger  Hospitals.  Die  Landgrafen  Heinrich 
und  Konrad  hatten  dieses  inzwischen  mit  Zehnten  und 
allem  von  dem  Bruchlande  zwischen  Marburg  und  Ockers- 
hausen und  der  Bergspitze  Kassenburg  sich  ergebenden 
Ertrage  sowie  mit  allen  ihnen  an  diesem  Gebiete  zustehenden 
Rechten  auf  Magister  Konrads  Bitten  dotiert^).  Schon 
sehen  wir  das  Bestreben   der  Brüder,  die  durch  Elisabeths 

1)  Heinrich  ist  zuletzt  im  März  1232  Zeuge  unter  kaiserlicher 
Urkunde  in  Venedig,  Dobenecker  257;  vgl.  Winkelmann  (Jahr- 
bücher) II,  350  Anm.  6. 

2)  Konrad  ist  etwa  Juni,  Juli  1232  Zeuge  der  Heilung  eines 
Mädchens  aus  Wehrda  bei  Marburg;  Dobenecker  269.  279  Anm  2. 
—  Über  Landgraf  Heinrichs  Anwesenheit  vgl.  Dobenecker  268. 

3)  Über  den  Gang  der  Heiligsprechung  im  allgem.  vgl.  Wenck 
im  Wartburgb.  S.  207,  über  die  zu  diesem  gehörigen  urkundlichen 
Nachrichten:  Börner,  Neues  Archiv  XIII,  434  ff.  und  bes.  Huyskens, 
•durch  deren  Eesultate  die  früheren  Darstellungen  überholt  sind, 

4)  Siehe  den  Hinweis  auf  die  nicht  erhaltene  Schenkungs- 
urkunde in  Heinrichs  und  Konrads  Schreiben  an  Gregor  im  Codex 
dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No,  481.  Vgl.  Dobenecker  273.  274;  ebenda  439 
4en  Wortlaut  der  Schenkung  in  der  Bestätigimgsurkunde  Friedrichs  II. 
in  Kieti  1234,  JuU. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  381 

Wandel  geheiligten  Stätten  durch  Ausstattung  mit  reicheren 
Gütern  und  Einkünften  aus  ihrer  bisherigen  Ärmlichkeit 
herauszuheben.  Um  so  erstaunter  mußten  sie  über  die 
plötzlich  auftauchenden  Ansprüche  sein,  die  die  Johanniter, 
auf  Elisabeths  Wunsch  selbst  sich  berufend,  an  dem  Hospitale 
zu  haben  vorgaben.  Daraufhin  wandten  sich  die  Land- 
grafen, die  ihr  Eigentumsrecht  natürlich  nicht  aufgegeben 
hatten,  in  einem  Schreiben,  aus  dem  ein  nicht  zu  ver- 
kennender Unwille  über  diese  Ansprüche  spricht,  an  Papst 
Gregor.  Ohne  über  die  neuen  Prätensionen  des  fremden 
Ordens  genauer  unterrichtet  zu  sein  —  auch  Magister  Konrad 
scheint  nichts  davon  gewußt  zu  haben  —  richtete  sich 
Heinrichs  und  Konrads  Verdacht  ohne  Grund  gegen  den 
Erzbischof  Sigfrid,  der  sich  bald  als  völlig  unbeteiligt  an 
dieser  Rechtssache  erwies  i).  Überhaupt  müssen  die  An- 
sprüche des  Johanniterordens,  die  dann  mit  leichter  Mühe 
niedergeschlagen  wurden,  auf  schwachen  Füßen  gestanden 
haben.  Die  Johanniter  wurden  durch  Konrads  von  Mar- 
burg Schiedsspruch  am  2.  August  1232  zum  Verzicht  auf 
jeglichen  Anspruch  am  Hospital  und  zum  Stillschweigen 
in  dieser  Angelegenheit  genötigt  ^). 

Gleich  nach  Beseitigung  dieses  Hemmnisses  nahm  Ma- 
gister Konrad  seine  vornehmste,  ihm  persönlich  besonders 
ehrenvolle  Aufgabe,  sein  Beichtkind  im  Glänze   der  Heilig- 

1)  Siehe  das  Schreiben  der  Landgrafen  an  Gregor  im  Codex 
dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  481  und  bei  Dobenecker  274.  —  Die  Über- 
tragung des  Hospitals  an  die  Johanniter  —  so  heißt  es  in  dem 
Schreiben  —  habe  „tarn  ex  sua  (Elisabeths)  simplicitate  quam  forte 
ex  quodam  stulto  consilio"  stattgefunden.  Daß  Sigfrid  III.  sich 
getroffen  fühlte,  beweist  seine  offen tHche  Erklärung  vom  27.  Juli 
1232;  Dobenecker  275.  —  In  der  Auffassung  des  „ex  sua  simpli- 
citate" stimme  ich  Heldmann,  Deutschordensballei  Hessen,  Z.  Hess. 
G.  N.  F.  XX,  18  Anm,  1  bei.  Vgl.  auch  Wenck,  Hist.  Z.  LXIX,  233  f. 
Anm.  2. 

2)  Dobenecker  276.  277.  Vgl.  A.  Wyß,  Urkundenbuch  der 
Deutschordensballei  Hessen,  Bd.  1  (1207—1300),  =  Bd.  3  der  Publi- 
kationen aus  den  Kgl.  Preußischen  Staatsarchiven,  Leipzig  1879, 
No.  27;  Heldmann  S.  15  ff. 

XXVII.  25 


382  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

keit  strahlen  zu  sehen,  wieder  auf.  In  Verbindung  mit  Erz- 
bischof Sigfrid  von  Mainz,  neben  deren  zielsicherem  Handeln 
damals  noch  der  Anteil  der  Brüder  Heinrich  und  Kourad 
zurücktritt,  sucht  Magister  Konrad  Gregors  Wünschen  hierin 
zu  genügen.  Ohne  offenbar  über  jene  unbegründete  Ver- 
dächtigung der  Landgrafen  im  Hospitalstreit  gekränkt  zu 
sein,  begibt  sich  der  Erzbischof  Anfang  August  nach  Mar- 
burg und  zieht  mit  dem  Magister  sorgfältig  Zeugen  heran 
für  die  Wunder,  die  der  einzelne  an  sich  erlebt  oder  an 
anderen  wahrgenommen  ^). 

Zur  gleichen  Zeit  trat  eine  abermalige  Verzögerung  ein, 
die  höchstwahrscheinlich  in  dem  zwischen  Erzbischof  Sigfrid 
und  Landgraf  Konrad  ausbrechenden  Kampfe  ihren  Grund 
hat.  Mit  Sigfrid,  der  jetzt  zum  Kriege  zu  rüsten  genötigt 
ist,  verliert  das  eifrig  begonnene  Werk  zunächst  seinen  amt- 
lichen Leiter  2).  Wie  eine  Elisabeths  Heiligsprechung  ver- 
zögernde Episode  spielt  hier  der  Kampf  hinein. 

Die  erste  Anregung  in  dieser  Sache  ging  wieder  von 
Gregor  aus,  der  den  Gedanken  der  Kanonisation  aufs  leb- 
hafteste aufnahm.  Dies  beweisen  schon  die  mehrfachen 
Ablässe  zugunsten  des  Hospitals  und  die  Magister  Konrad 
übertragene  Beschützung  desselben  ^).  Sodann  gibt  er  in 
mehreren  Schreiben  an  den  Erzbischof  und  Konrad  von 
Marburg  im  Oktober  1232  Vorschriften  für  die  Vernehmung 
der  Zeugen.  Besonders  in  den  beiden  Schreiben  vom  13. 
und  14.  Oktober  an  die  genannten  Geistlichen  und  den  Abt 
von  Eberbach  ordnet  er  abermals  eine  Untersuchung  der 
am    Grabe    Elisabeths    geschehenen    Wunder    sowie    ihres 

1)  Sigfrid  ist  am  10.  August  in  Marburg;  vgl.  Dobenecker  278. 
279.  —  Demnach  ist  es  ganz  unwahrscheinlich,  daß  der  thüriugisch- 
mainzische  Krieg  mit  der  geschilderten  Verdächtigung  Sigfrids  durch 
die  Landgrafen  im  Hospitalstreite  in  irgendwelcher  Beziehung  steht, 
wie  Rübesamen  S.  11  annimmt. 

2)  Vgl.  die  Worte  in  Konrads  von  Marburg  Bericht  im  Codex 
dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  476:  Dominus  Maguntinus,  quia  ad  alia 
festinabat  quedam  ardua  negocia.   Vgl.  auch  Dobenecker  280  Anm.  1. 

3)  Dobenecker  284.  285.  291. 


Hochmeister  des  deutscheu  Ordens.  333 

Lebens  und  den  Bericht  darüber  an  i).  Dem  letzten  Schreiben 
fügt  er  die  Bemerkung  hinzu,  den  Bericht  erst  auf  eine  neue 
Aufforderung  seinerseits  hin  zu  übersenden.  Im  Januar  und 
Februar  1233  kam  die  Kommission  dem  päpstlichen  Auf- 
trage nach,  und  auf  eigene  Faust  übersandte  Konrad  von 
Marburg  nicht  die  eigentlichen  Protokolle,  sondern  eine  Ab- 
schrift davon  an  Gregor  2).  Da  scheint  Konrads  Tod,  der 
ihm  die  Erfüllung  seines  Lieblingswunsches  versagte,  bald 
darauf  die  größte  der  Unterbrechungen  in  dieser  Ange- 
legenheit nach  sich  gezogen  zu  haben  3), 

Danach  bedurfte  zunächst  das  Franziskushospital,  zu 
dem  mit  der  Schar  der  Anbetenden  auch  zahlreiche  Un- 
lautere sich  drängten,  eines  neuen  Beschützers.  Mit  dieser 
Aufgabe  betraute  Papst  Gregor  im  Oktober  1233  den  Bischof 
Konrad  von  Hildesheim  ^).  Damals  wurde  dem  Marburger 
Hospital  auch  durch  Ankauf  einiger  der  Abtei  Fulda  ge- 
höriger Güter  ein  nicht  zu  verachtender  Güterbesitz  zuteil  °). 
Und  doch  wollen  solche  Vorteile  nur  wenig  bedeuten  gegen 
die  von  Landgraf  Konrad  der  Marburger  Stiftung  ge- 
widmete Fürsorge  und  seine  zielbewußte  Wiederaufnahme 
der  verzögerten  Heiligsprechung.  Mit  Unterstützung  seines 
Bruders  und  seines  Neffen  tritt  er  glänzender,  aber  auch 
erfolgreicher  das  Erbe  des  Marburger  Predigers  an.  Daher 
war    der   Landgrafen    nächstes    Bemühen    darauf    gerichtet. 


1)  Vgl.  die  beiden  Schreiben  im  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3, 
No.  472  u.  474  und  bei  Dobeuecker  286  u.  290. 

2)  Der  Bericht  über  diese  Untersuchung  mit  allen  Beilagen  ist 
gedruckt  bei  Huyskens,  Quellenstudien,  S.  151  ff.,  vgl.  S.  85 ff.;  Do- 
benecker  300.  —  Daß  Konrad  von  Marburg  eine  Abschrift  davon  an 
Gregor  absandte,  geht  aus  dem  von  Huyskens  S.  242  ff.  zuerst  heraus- 
gegebenen Wunderbericht  vom  Januar  1235  (S.  263)  hervor. 

3)  Dem  Erzbischof  Sigfrid  111.  darf  keine  absichtliche  Ver- 
zögerung der  Angelegenheit  zugeschrieben  werden,  wie  es  Wenck, 
Wartburgb.  S.  216  tut. 

4)  Wyß,  Urliundenbuch  d.  Deutschordensballei  Hessen  I,  No.  36. 

5)  Dobenecker  365.  Die  betreffenden  Güter  liegen  bei  Eoßdorf 
(bei  Amöneburg  w.  Marburg)  und  Mardorf  (so.  Fritzlar). 

25* 


384  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

einem  kirchlicli  organisierten  Institut,  einem  geistlichen 
Orden  die  Leitung  des  Hospitals  zu  übertragen,  der  beide 
Aufgaben  zu  lösen  Ansehen  und  Mittel  besaß. 

Am  nächsten  hätte  die  dauernde  Übernahme  durch  die 
Franziskaner  gelegen,  deren  Ordensregel  vorbildlich  für  die 
Heilige  gewesen  war.  Aber  eben  deshalb,  weil  sie  in 
Spendung  alles  Gutes  an  Kranke  und  Arme  ihr  höchstes 
Ziel  sahen,  konnte  ihnen  ein  so  kostspieliges  Unternehmen 
nicht  übertragen  werden.  Die  eigentlichen  Spitalbrüder 
waren  die  im  nahen  Wiesenfeld  angesiedelten  Johanniter. 
Es  lag  indes  nahe,  daß  die  Landgrafen,  erbittert  über  ihr 
unwillkommenes  Eindrängen  in  das  Besitztum  des  Hospitals, 
ihnen  niemals  ihre  Einwilligung  zur  Übernahme  geben 
würden.  Dazu  war  Landgraf  Heinrich  kaum  vom  kaiser- 
lichen Hofe  zurückgekehrt,  als  die  in  ihrer  politischen  An- 
schauung kaiserfeindlichen  Johanniter  mit  ihren  Ansprüchen 
hervortraten.  Ihre  Unterstützung  verbot  ihm  schon  die 
Rücksicht  auf  Friedrich  IL  Dieser  gab  vielmehr  allen 
Fürsten  ein  Vorbild  in  der  Begünstigung  des  deutschen 
Ordens,  der  seinerseits  die  kaiserliche  Gunst  durch  reichs- 
treue Gesinnung  vergalt. 

Zu  diesem  Orden  hatten  die  Landgrafen  längst  enge 
Beziehungen  gepflegt.  Schon  Landgraf  Hermann  I.  hatte, 
persönlich  für  den  Orden  eintretend,  mit  andern  Fürsten 
die  Erhöhung  der  deutschen  Spitalbrüderschaft  zu  Akkon 
zu  einem  Ritterorden  unterstützt  i).  Bei  Hermanns  Sohn 
und  Nachfolger  ergab  sich  ein  Interesse  an  dem  Aufblühen 
dieses  Ordens  schon  aus  der  Freundschaft  mit  Kaiser  Fried- 
rich. Auch  von  einem  freundlichen  Verhältnis  zwischen 
Landgraf  Ludwig  und  dem  angesehenen  Meister  des  Ordens 
hören  wir  öfters,  und  bei  den  wichtigen  Privilegien  Ludwigs 
werden    auch   die  zwischen  ihnen  bestehenden  Beziehungen 


1)  Vgl.  die  Narratio  de  primordiis  ordinis  Theutonici  jetzt  bei 
M.  Perlbach,  Statuten  des  deutschen  Ordens,  Halle  1890,  S.  159  f.  und 
Einleitung  S.  XLIII ;  Peter  von  Dusburg,  Chronicon  terrae  Prussiae, 
ed.  M.  Toeppen  in  Script,  rer.  Pruss.  I,  25 ff.;  Dobenecker  II,  1073. 


Hochmeister  des  deutscheD  Ordens.  385 

mitgesprochen  haben  i).  Ludwig  der  Heilige  hat  durch  das 
wichtige,  mit  Zustimmung  seiner  Brüder  Heinrich  und  Konrad 
1225  erlassene  Privileg  die  feste  Stellung  des  Ordens  in 
seinen  Ländern  durch  seinen  Verzicht  auf  alle  ihm  daselbst 
über  die  Ordensbesitzungen  zustehenden  Rechte  und  die 
Gewährung  von  Abgaben-  und  Zollfreiheit  begründet,  nach- 
dem überhaupt  die  deutschen  Herren  in  den  thüringisch- 
hessischen Landen  schon  früh  Aufnahme  gefunden  ^). 

Die  Landgrafen  Heinrich  und  Konrad  selbst  hatten 
zuerst  1231  den  Orden  mit  ihren  Allodien  zu  Obermöllrich 
in  Hessen  beschenkt  ^).  Doch  steht  diese  Schenkung  mit 
den  ferneren  großen  Plänen,  die  die  Brüder  durch  den 
Orden  durchzusetzen  gedachten,  scheinbar  noch  in  keiner 
Beziehung.  Eher  könnte  man  an  einen  Einfluß  der  Land- 
grafen denken,  wenn  wir  zwei  Jahre  später  den  Orden  in 
Marburg  selbst  sich  ansiedeln  sehen '^).  Im  Jahre  1234  ist 
die  enge  Verbindung  zwischen  ihnen,  besonders  Konrad  und 
den  Brüdern  vom  deutschen  Hause  hergestellt.  Damals  wird 
die  Übertragung  des  Marburger  Hospitals  an  die  Deutsch- 
ritter, die  ohne  vorherige  enge  Beziehungen  nicht  denkbar 
ist,    durch  Heinrich   und    Konrad   vorbereitet   worden   sein. 


1)  Über  die  Beziehungen  zwischen  beiden  vgl.  Dobenecker  II, 
2131 ;  Wagner,  Z.  Thür.  G.  N.  F.  XIX,  66  mit  Anm.  1,  bes.  67  f.  72  f. 

2)  Vgl.  Pobenecker  II,  2261 ;  Heldmann,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  XX, 
llff. ;  vgl.  auch  Ludwigs  Urkunde  von  1222  bei  Dobenecker  II,  2019. 

—  In  Hessen  hatte  der  Orden  zuerst  1207  Eingang  gefunden.  Vgl. 
Dobenecker  II,  1346;  J.  Voigt,  Gesch.  d.  deutschen  Eitterordens  in 
seinen  12  Balleien  in  Deutschland,  Bd.  1,  Berlin  1857,  S.  20f. ;  R. 
Andersonn,  Der  deutsche  Orden  in  Hessen  bis  1300,  Königsb.  Diss., 
Königsberg  1891,  S.  9  ff. 

3j  Dobenecker  218.  219.  —  Möllrich  an  der  Eder   bei  Fritzlar. 

4)  Ann.  breves  domus  ordinis  Theuton.  Marburgensis :  JM.  G. 
SS.  XXX,  5.  Nach  Gerstenberg,  Thür.-hess.  Chronik  S.  380  hätte 
Konrad   1233  die  deutschen  Herren  zuerst  nach  Marburg  gebracht. 

—  Beziehungen  Elisabeths  selbst  zum  deutschen  Orden  sind  nicht 
nachweisbar.  Vgl.  auch  Heldmann  S.  16,  Anm.  3;  xAndersonn,  Der 
deutsche  Orden  in  Hessen,  S.  20 f. 


386  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Um  über  diesen  für  die  Zukunft  des  Hospitals  wichtigen 
Übergang,  besonders  aber  über  die  Wiederaufnahme  der 
Kanonisation  seiner  Schwägerin  persönlich  sich  mit  Papst 
Gregor  zu  besprechen,  sehen  wir  Landgraf  Konrad  im  Juli 
desselben  Jahres  als  Bevollmächtigten  des  Landgrafen- 
hauses am  päpstlichen  Hofe  zu  Rieti  i).  Er  nimmt  somit, 
da  auf  des  Papstes  schon  am  14.  Oktober  1232  in  Aussicht 
gestellte  Aufforderung  zur  Einsendung  der  Berichte  über 
Elisabeths  Leben  und  Wunder  von  dessen  Seite  kein  neuer 
Auftrag  erfolgt  ist,  seinerseits  die  durch  Magister  Konrads 
Tod  gründlich  verzögerte  Angelegenheit  wieder  auf.  Denn 
sicherlich  im  Anschluß  an  die  persönlichen  Verhandlungen 
mit  Landgraf  Konrad  hat  Gregor  bald  nach  dessen  Rück- 
kehr jenen  angekündigten  Auftrag  erteilt,  die  Untersuchung 
über  Elisabeths  Leben  und  den  Wunderbericht  einzusenden 
oder,  falls  der  letztere  verloren  sei,  eine  neue  Untersuchung 
anzustellen  ''^). 

Zunächst  wurde  dann  die  endgültige  Entscheidung  über 
den  bestrittenen  Besitz  des  Hospitals  herbeigeführt.  Auf 
Konrads  und  seines  Bruders  Heinrich  Bitten  überträgt 
Papst  Gregor  am  1.  Juli  1234  das  Franziskushospital  mit 
dem  Patronat  der  Pfarrkirche  dem  deutschen  Ritterorden. 
Den  Ansprüchen  des  Diözesanbischofs  Sigfrid  III.  an  die 
Marbui'ger  Pfarrkirche  wird  durch  einen  jährlichen  Re- 
kognitionszins    genügt  ^}.     Zugleich    wird    dem  Meister  und 


1)  Konrads  persönliche  Anwesenheit  ist  durch  zwei  Urkunden 
bezeugt,  Dobenecker  439.  442.  —  Vgl.  die  beiden  Stellen  bei  Cäsarius 
von  Heisterbach  (aus  der  Vita  s.  Elisabeth  bei  Börner,  Neues 
Archiv  XIII,  505,  und  aus  dem  Sermo  de  translatione  bei  Huyskens 
S.  47,  Anm.  2),  die,  wenn  auch  Cäsarius  Konrad  an  letzterer  Stelle 
fälschlich  Ordensbruder  nennt,  beide  auf  den  Sommer  1234  zu  be- 
ziehen sind.  Vgl.  auch  Heldmann  S.  19,  Anm.  3.  Die  erstere  Stelle 
deutet  auf  einen  Zusammenhang  zwischen  dieser  Eeise  und  dem 
Auftrag  Gregors  vom  11.  Okt.  1234  hin. 

2)  Dobenecker  458;  vgl.  später. 

3)  Dobenecker  421;  vgl.  Cäsarius '  Vita  bei  Börner,  Neues 
Archiv  XIII,  505. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  387 

den  Brüdern  des  Franziskushospitals  diese  Entscheidung 
samt  dem  Befehle,  sich  den  neuen  Herren  zu  fügen,  mit- 
geteilt 1).  Mit  der  Übei'tragung  des  Hospitals  an  den  wohl- 
habenden deutschen  Orden  ist  Elisabeths  Stiftung  auf  eine 
feste  Grundlage  gestellt.  Auf  Landgraf  Konrads  persön- 
liches Ersuchen  wird  dem  Hospitale  und  seinen  gesamten 
Besitzungen  auch  der  höchste  weltliche  Schutz  durch  Kaiser 
Eriedrich  II,  zuteil,  der  damals  mit  seinem  treuen  Berater, 
dem  Meister  des  neudotierten  Ordens,  zu  Rieti  weilte  ^j. 
Auch  zu  letzterem  wird  Konrad  damals  in  nähere  Be- 
ziehungen getreten  sein  ^).  Es  waren  Tage  noch  ungetrübter 
Freundschaft  zwischen  den  Häuptern  der  Christenheit,  als 
Konrad  von  Thüringen  beider  gemeinsame  Unterstützung 
in  einer  bedeutungsvollen  Angelegenheit  seines  Hauses  zu- 
teil wurde. 

Auch  in  einem  andern  Lieblingswunsch  der  Land- 
grafen wird  Konrad  schon  damals  in  ßieti  das  Entgegen- 
kommen des  heiligen  Vaters  gefunden  haben:  der  Aus- 
zeichnung des  Eamilienklosters  zu  Reinhardsbrunn,  die 
die  Landgrafen  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatten.  Aus 
Rücksicht  auf  Konrad  und  aus  ganz  besonderem  Wohl- 
wollen für  ihn  verlieh  Papst  Gregor  am  17.  Oktober  1234 
dem  Abte  des  Klosters  und  seinen  Nachfolgern  die  Aus- 
zeichnung, den  bischöflichen  Ring  zu  tragen^).  Schon 
früher  war  dem  Reinhardsbrunner  Abt  Hermann  und  seinen 
Nachfolgern    auf   Landgraf    Ludwigs  III.    Bitten   eine    ähn- 


1)  Dobenecker  422. 

2)  Dobenecker  439;  vgl.  Cäsarius'  Vita  bei  Börner,  Neues 
Archiv  XIII,  505.  —  Interessant  ist  die  in  der  ötrafformel  der  Ur- 
kunde ausdrücklich  genannte  Geldbuße  von  100  Mark  Silber,  vgl. 
Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  510. 

3)  Beide  sind  Zeugen  in  einer  ßestätigungsurkunde  Kaiser 
Friedrichs,  Dobenecker  442. 

4)  Dobenecker  461;  vgl.  Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  514. 
J.  H.  Möller,  Gesch.  d.  Klosters  Eeinhardsbrunn,  Gotha  1843, 
S.  49  ff.  mit  fehlerhafter  Begründung  der  durch  Konrad  erwirkten 
Vergünstigung. 


Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

liehe  Ehrung,  die  Erlaubnis  zum  Tragen  der  bischöflichen 
Mitra,  zuteil  geworden  i).  Auch  ein  vierzigtägiger  Ablaß 
bewies  dem  Kloster  damals  des  Papstes  Wohlwollen  ^). 

Die  Tage  von  Rieti  waren  für  Konrads  Zukunft  von 
hoher  Bedeutung.  Damals  muß  in  ihm  der  Entschluß  gereift 
sein,  den  er  bald  nach  seiner  Rückkehr  nach  Thüringen 
verwirklichte:  in  den  deutschen  Orden  einzutreten.  Einen 
Monat  bevor  er  das  Ordensgewand  anlegte,  nimmt  er,  schon 
von  dem  Wunsche  erfüllt,  die  neue  Lebensrichtung  einzu- 
schlagen 3)j  mit  seinem  Bruder  Heinrich  die  einleitenden 
Schritte  vor,  die  dessen  Mitwirkung  erforderten.  Nach  dem 
Ordensstatut  war  die  Aufnahme  eines  Verschuldeten  ver- 
boten^). Aber  in  dem  Bestreben,  dem  Eintretenden  jegliche 
Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  zu  räumen,  hatte  Kaiser 
Friedrich  1222  ein  Gesetz  erlassen,  nach  dem  jener  für 
Schulden,  die  er  vor  der  Aufnahme  in  den  Orden  gemacht, 
nicht  aufzukommen  habe.  Diese  sollten  vielmehr  auf  seine 
Erben  übergehen  °).  Dieser  Fall  traf  auf  die  Landgrafen 
zu,  und  so  sehen  wir  am  13.  Oktober  Heinrich  und  Konrad 
zu  Nordhausen  diese  Schuldangelegenheit  ordnen.  Ersterer 
gelobt,  seinem  Bruder  Konrad  zur  Tilgung  der  3000  Mark  be- 
tragenden Schulden  eine  jährliche  Rente  von  400  Mark  auf 
seine  schuldenfreien  Besitzungen  zu  gewähren,  bis  Konrads 


1)  Möller,  Eeinhardsbrunn,  S.  35  f. ;  M.  Frommann,  Landgraf 
Ludwig  III.,  in :  Z.  Thür.  G.  N.  F.  XVIII,  216  f. 

2)  Dobenecker  460. 

3)  In  der  in  Nordhausen  von  Landgraf  Heinrich  ausgestellten 
Urkunde  (Codex  dipl.  Sax.  reg.  I,  3,  No.  513)  heißt  es :  cum  dilectus 
frater  noster  Conradus  ....  se  ordini  fratrum  domus  Theutoni- 
corum  devovisset.  Es  handelt  sich  offenbar  erst  um  die  Absicht 
Konrads,  in  den  Orden  einzutreten.  Er  trat  nicht  schon  im  Oktober 
ein,  wie  Bommel,  Gesch.  Hessens  I,  Anm.  S.  248  No.  150,  und 
Mielke,  Elisabeth,  S.  15  annehmen. 

4)  Vgl.  das  Aufnahmestatut  bei  Perlbach,  Statuten,  S.  127. 

5)  Friedrichs  Privileg  bei  E.  Strehlke,  Tabulae  ordinis  Theuto- 
nici,  Berlin  1869,  No.  258;  Böhmer-Ficker  1423;  vgl.  H.  Prutz,  Die 
geistlichen  Ritterorden,  Berlin  1908,  S.  105. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  389 

Schulden  gedeckt  seien.  Außerdem  verpflichtet  er  sich, 
dem  Orden  stattliche  landgräfliche  Güter,  deren  Wahl 
Konrad  selbst  vorbehalten  bleibt,  mit  einer  jährlichen  Rente 
von  300  Mark  Silber  und  einem  Jahresertrage  von  1 100  Malter 
Getreide  zu  freiem  Besitze  anzuweisen  i).  Bald  gingen 
Heinrich  und  Konrad  gemeinsam  an  die  Erfüllung  dieser 
Versprechen.  Am  6.  November  stellen  die  drei  Landgrafen 
zu  Homberg  an  der  Ohm  die  in  Nordhausen  beschlossenen 
Allodien  dem  deutschen  Orden  zu  Händen  des  Deutsch- 
meisters Heinrich  von  Hohenlohe  zu.  Die  überaus  reichen 
Güter,  die  der  Orden  erhielt,  lagen  auf  zwei  verschiedenen 
Gebieten.  Der  größere  Komplex  lag  im  Unstruttale  bei 
Weißensee,  besonders  zu  Rieth,  Griefstedt,  Willstedt,  Fisch- 
stedt  und  Günstedt,  aus  deren  Mitte  sich  später  die  thüringi- 
sche Kommende  Griefstedt  erhob.  Der  andere,  weniger 
umfangreiche  Komplex  lag  in  Hessen  zu  Marburg,  Werflo 
und  Mardorf,  bei  welch  letzterem  das  Hospital  schon  vom 
Kloster  Fulda  Land  angekauft  hatte  ^).  Dort  sollte  aus 
dem  unbedeutenden  Städtchen  Marburg,  das  erst  vor  acht 
Jahren  nach  Erhebung  seiner  Kirche  zur  Pfarrkirche  sich 
zu  entwickeln  begonnen  hatte  ■^),  durch  Elisabeths  gewaltigen 
Ruf  und  die  aufopfernde  Sorge  des  deutschen  Ordens  um 
ihre  Stiftung  sich  eine  wohlhabende  Stadt  und  die  an- 
gesehenste hessische  Deutschordenskommende  entwickeln. 
Somit  schuf  Landgraf  Konrad,  unterstützt  von  seinen  Ver- 
wandten, die  Grundlage  zu  dem  segensreichen  Wirken,  das 
der  Orden  in  diesen  Gebieten  entfaltete.  Für  diese  höchst 
ansehnliche  Schenkung  übernahm  der  Orden  gleichsam  die 


1)  Dobenecker  459;  Codex  dipl.  Sax.  reg.  1,  3,  No.  513;  vgl. 
Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  in  Mon.  Erph.  S.  88. 

2)  Dobenecker  464.  465 ;  vgl.  Cron.  Eeinh. :  M.  G.  SS.  XXX, 
614;  vgl.  Dobenecker  466.  —  Rieth  jetzt  Riethgen  n.  Griefstedt; 
Günstedt  nnö.  Weißensee.  Über  die  Lage  der  übrigen  Orte  vgl. 
Dobenecker  464,  Anm.  2.  8.  4.  —  Über  Griefstedt  vgl.  J.  G.  L. 
Anderson.  Gesch.  d.  deutschen  Ordenskommende  G.,  Erfurt  1866. 

3)  Vgl.  Wyß,  Hess.  Urkundenbuch  I,  No.  16. 


390  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

Verpflichtung,  die  Förderung  des  Hospitals  und  die  Kanoni- 
sation  Elisabeths  mit  seinen  reichen  Mitteln  zu  betreiben. 
Vielleicht  wurde  auch  schon  damals  der  glänzende  Bau  der 
Elisabethkirche  in  Aussicht  genommen  i). 

Seit  der  Übernahme  des  Hospitals  durch  den  deutschen 
Orden  waren  für  die  Pflege  der  Kranken  des  Hospitals, 
für  die  geistlichen  Bedürfnisse  der  Deutschritter  selbst, 
der  mehr  und  mehr  zunehmenden  Zahl  der  Pilger,  die  das 
heilige  Grrab  Marburgs  besuchten,  und  nicht  zuletzt  der  an 
den  Bauten  des  Ordens  Beschäftigten  zahlreiche  Geistliche 
nötig.  Denn  schon  in  der  nächsten  Zeit  muß  der  Bau  des 
Deutschordenshauses  und  nicht  lange  danach  der  Elisabeth- 
kirche seinen  Anfang  genommen  haben.  Auch  dieser  Not- 
wendigkeit trug  Landgraf  Konrad  noch  vor  seinem  Eintritt 
selbst  Sorge,  indem  er  zur  beständigen  Unterhaltung  der 
stattlichen  Zahl  von  13  Klerikern  die  erforderlichen  Ein- 
künfte und  Besitzungen  anwies  ^).  Noch  am  13.  November 
1234  sehen  wir  beide  Brüder,  Heinrich  und  Konrad,  letzteren 
noch  einmal  mit  dem  Pfalzgrafentitel,  als  Zeugen  unter 
einer  Urkunde  des  Grafen  Dietrich  von  Brehna^).  Also 
wohnte  Landgraf  Heinrich  wohl  auch  der  feierlichen  Ein- 
kleidung des  Bruders  selbst  bei.  Am  18.  November  nahm 
Konrad  zu  Marburg  mit  2  Klerikern  und  9  Rittern,  die 
durch  sein  Beispiel  und  Zureden  zum  Eintritt  bewogen 
sein  mögen,  das  Ordenskleid.    Zwei  der  mit  ihm  eintretenden 


1)  Dafür  spricht  Gregors  Ablaßschreiben  vom  30.  Mai  1235, 
bei  Dobenecker  526. 

2)  Von  der  Schenkung,  deren  Urkunde  nicht  erhalten  ist, 
hören  wir  in  der  Bestätigungsurkunde  Papst  Innocenz'  IV.  vom 
28.  Febr.  1244;  vgl.  Dobenecker  1145,  zur  Datierung  472,  Anm.  1. 
—  Vgl.  Heldmann,  Z.  Hess.  G.  N.  F.  XX,  31  f.;  W.  Bücking,  Bei- 
träge zur  Gesch.  d.  Stadt  Marburg,  in :  Z.  Hess.  G.  N.  F.  VI,  16 ; 
W.  Kolbe,  Erbauung  der  Elisabethkirche,  Marburg  1883,  S.  17  f. 
nimmt  an,  daß  die  Anstellung  der  Kleriker  durch  Konrad  aus- 
schließlich im  Hinblick  auf  die  zu  erbauende  Kirche  stattgefunden 
habe. 

8)  Dobenecker  467. 


Hochineister  des  deutsclien  Ordens.  391 

ßitter  waren  die  Thüringer  Hartmann  von  Heldrungen  und 
Dietrich  von  Grüningen,  die  ebenfalls  später  zu  hohen  Ehren 
im  Orden  gelangten  i).  Ein  solches  Vorbild  des  angesehenen 
Fürsten  mochte  auch  in  weiteren  Kreisen  vornehme  Deutsche 
zur  Nachahmung  begeistern.  Sollen  doch  bald  nach  Her- 
manns von  Salza  Tode  (1239)  zweitausend  edle  Deutsche 
dem  Orden  angehört  haben  2).  Die  langjährigen  engen  Be- 
ziehungen zwischen  dem  Landgrafenhause  und  dem  deutschen 
Orden  und  seinem  Meister  wurden  durch  den  Eintritt  eines 
Landgrafen  selbst  gekrönt. 

Weshalb  vertauschte  Konrad  seine  Stellung  als  Landgraf 
und  Regent  von  Hessen  mit  der  eines  Bruders  vom  deutschen 
Hause  ?  Kein  Zeitgenosse  gibt  uns  auf  diese  wichtige  Frage 
eine  genügende  Antwort.  Die  späteren  Chronisten  und 
nach  ihnen  die  meisten  der  neueren  Darsteller  haben  in 
der  E,eue  wegen  der  in  Fritzlar  (1232)  verübten  Grausam- 
keiten das  Motiv  zu  diesem  Schritt  gesehen  oder  glauben, 
der  Papst    habe    ihm    den  Eintritt   in    den  Orden   als  Buß- 

1)  Siehe  Ann.  Erphord.  fr.  Praed.  in  Mon.  Erph.  S.  88  als 
Hauptquelle;  Dobenecker  474.  Die  Namen  Hartmanns  und  Dietrichs 
finden  sich  bei  Peter  von  Dusburg  in  Script,  rer.  Pruss.  I,  199. 
Ersterer  findet  vor  allem  seine  Bestätigung  in  Hartmanns  von  Hel- 
drungen Bericht  über  die  Vereinigung  des  Schwertbrüderordens  mit 
dem  deutschen  Orden,  ed.  Th.  Hirsch  als  Beilage  zur  jüngeren  Hoch- 
meisterchronik in  Script,  rer.  Pruss.  V,  169.  So  werden  sich  die 
Berichte  brauchbar  einander  ergänzen.  Zuerst  wurde  Heldrungens 
Bericht  von  E.  Strehlke  in  Mitteil,  aus  d.  Gebiete  der  Gesch. 
Liv-,  Ehst-  und  Kurlands,  hrg.  von  d.  Gesellschaft  f.  Gesch.  und 
Altertumsk.  der  Ostseeprovinzen  Rußlands,  Bd.  11,  76  ff.  (=  Mitteil, 
aus  livl.  Gesch.)  herausgegeben.  —  Dietrich  ist  schon  in  Urkunden 
Landgraf  Ludwigs  IV.  (Dobenecker  II,  1908.  2184)  erwähnt.  Hart- 
manns Name  findet  sich  zuerst  1227  urkundlich,  Dobenecker  II, 
2441.  (Zeuge  bei  Ludwigs  IV.  Privileg  für  den  Orden  [Doben- 
ecker II,  2261]  war  nicht  er,  wie  Andersonn,  Der  deutsche  Orden  in 
Hessen,  S.  48  meint,  sondern  sein  gleichnamiger  Vater).  Als  Ordens- 
bruder erscheint  er  zuerst  1238  urkundlich,  Dobenecker  765.  —  Von 
einem  Einfluß  Konrads  auf  die  Miteintretenden  erzählt  auch  Peter 
von  Dusburg  S.  199. 

2)  Peter  von  Dusburg  S.  31. 


392  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen, 

bedingung  anbefohlen  i).  Wie  früher  nachgewiesen,  wurde 
aber  Konrad  nicht  durch  Gregor  gebannt,  ja,  die  längst 
zwischen  ihnen  bestehenden  freundlichen  Beziehungen  fanden 
jetzt  in  der  Ehrung,  in  der  Konrad  als  Gast  des  Papstes 
zu  Rieti  (1234)  erscheint,  ihren  deutlichsten  Ausdruck. 
Mit  diesem  Nachweis  muß  aber  Reue  als  Beweggrund  für 
den  Eintritt  in  den  Orden  wegfallen.  Überhaupt  darf  den 
Vorgängen  in  Fritzlar  längst  nicht  die  Bedeutung  bei- 
gemessen werden,  die  sie  nach  späteren  Quellen  auf  Kon- 
rads weiteres  Leben  ausgeübt  haben  sollen.  Daß  sie  ihn 
vollends  nach  2  Jahren  zu  diesem  Entschlüsse  veranlaßten, 
ist  nur  ein  Gebilde  der  Legende. 

Greifen  wir  nochmals  zu  den  der  Einkleidung  Konrads 
vorausgehenden  Begebenheiten  zurück,  so  muß  uns  auffallen, 
daß  die  Landgrafen  gemeinsam  den  deutschen  Orden  mit 
so  überaus  reichen  Schenkungen  bedachten,  die  jede  übliche 
Guttat  an  geistliche  Anstalten  weit  hinter  sich  lassen.  Da 
bei  diesen  Schenkungen  das  Zusammengehen  der  Land- 
grafen unumgänglich  notwendig  war,  so  ist  der  innerste 
Grund  für  diese  sicher  in  religiösen  Impulsen,  in  ihrer  Be- 
wunderung für  Elisabeth  zu  suchen,  deren  Werk  sie  solche 
Sorge  widmen.  Bei  Heinrich  Raspe  wird  aber  diese  kirch- 
liche Gesinnung  nüchterne,  eigennützige  Triebe  nicht  ganz 
ausschließen.    Er  ist  sich  wohl  bewußt  gewesen,  wie  mächtig 


1)  Vgl.  Cron.  Reinh. :  M.  G.  SS.  XXX,  614,  wo  der  Eintritt  auf 
Reue  zurückgeführt  ist.  Siehe  u.  a.  Raynaldus,  Ann.  ecclesiast.  ad 
a.  1232  Kp.  11,  S.  388;  Gerstenberg,  Thür.-hess.  Chronik,  S.  379; 
Excerpta  Chronici  Riedeseliani  in  J.  Ph.  Kuchenbeckers  Anal.  Has- 
siaca,  Coli.  3,  5;  Chron.  Terrae  Misnensis,  ed.  G.  Struvius  bei  Mencken, 
Script,  rer.  German.  II,  324;  A.  Ursinus,  Chronicon  Thuringiae, 
ebenda  III  (1730),  S.  1289.  —  Sagenhaft  sind  natürlich  auch  die  von 
Peter  v.  Dusburg  S.  198  f.  erzählten  Geschichten  (die  Unterredimg 
Konrads  mit  der  Dirne  und  die  Wallfahrt  nach  Gladbach)  und  die 
darauf  zurückgeführte  Begründung  für  den  Eintritt  in  den  Orden. 
Vgl.  Rommel,  Gesch.  Hessens  I,  Anm.  S.  247  f.,  No.  146,  der  aber 
fälschlich  auch  die  Buße  zu  Fritzlar  (1238)  für  volksmäßig  hält; 
auch  Posse,  Thür.  Sagen,  Hist.  Z.  XXXI,  59. 


Hochmeister  des  deutschen  Ordens.  393 

das  Ansehen  des  ludowingischen  Hauses  und  besonders  des 
landgräflichen  Marburg  wachsen  muß,  wenn  er  mit  Bruder 
und  Neffen  mit  den  reichen  landgräflichen  Mitteln  durch 
den  Deutschorden  die  Verherrlichung  Elisabeths  auch  äußer- 
lich glänzend  gestaltet.  Ein  so  kirchliches  Werk  muß 
seinem  Hause  besonders  in  der  Zeit  verbreiteter  Ketzerei 
den  ehrenvollen  Ruf  rechtgläubiger  Gesinnung  sichern. 

Bei  Konrad  treten  solche  Erwägungen  zurück.  Seine 
Anteilnahme  an  Elisabeths  Werk  und  Größe,  seine  Be- 
geisterung für  ihren  den  Gütern  der  Welt  entsagenden 
Wandel  reicht  weit  zurück.  Schon  Konrad  von  Marburg, 
wie  wir  sahen,  ja,  seine  gefeierte  Verwandte  selbst  hat  bei 
Lebzeiten  einen  nachhaltigen  Einfluß  auf  ihn  geübt,  der 
den  späteren  Eintritt  in  den  Orden  mit  veranlaßt  hat.  Sie 
haben  ihn  gelehrt,  Reichtum  und  Ansehen  dieser  Welt 
gering  zu  achten  i).  Eine  deutlichere  Sprache  redet  die 
Reise  zu  Gregor,  die  fast  ausschließlich  der  Heiligsprechung 
Elisabeths  und  dem  Schicksale  ihres  Hospitals  galt.  Viel- 
leicht wird  Hermann  von  Salza,  dessen  Orden  sich  nach 
Überweisung  des  Marburger  Hospitals  durch  die  Landgrafen 
ein  neues  Feld  der  Tätigkeit  eröffnete,  eher  noch  Papst 
Gregor  einiger  Anteil  an  Konrads  Entschlüsse  zukommen : 
ausschlaggebend  ist  ohne  jeden  Zweifel  sein  eigenster, 
innerster  Wunsch  gewesen.  Elisabeth,  in  deren  Verehrung 
hoch  und  niedrig,  arm  und  reich  einig  sind,  hat  ihren 
Schwager  Konrad,  dessen  Seele  empfänglich  und  bereits 
gestimmt  für  einen  solchen  Schritt  gewesen  sein  mag,  zur 
Nachfolge  begeistert.  In  schwärmerischer  Bewunderung 
für  sie  hat  Konrad  gleich  ihr  den  geistlichen  Stand  erkoren. 
Ein  unschätzbares  Zeugnis  für  die  Richtigkeit  dieses  ehren- 
vollen Beweggrundes,  der  sich  aus  der  damaligen  religiösen 


])  Siehe  Cäsarius'  Vita  bei  Börner,  Neues  Archiv  XIII,  505.  — 
Über  Konrads  von  Marburg  Einfluß  vgl.  auch  früher,  S.  354.  Vgl. 
Kaltner,  Konrad  v.  Marburg,  S.  102,  Kolbe,  Erbauung  der  Elisabeth- 
kirche, S.  13,  und  Mielke,  Elisabeth,  S.  14.  Börner  bezweifelt  diesen 
Einfluß  im  Neuen  Archiv  XIII,  469  Anm.  1  mit  Unrecht. 


394  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen,  etc. 

Zeitströmung  unschwer  verstehen  läßt,  enthalten  die  Worte 
des  Papstes  Gregor,  in  denen  er  noch  unter  dem  frischen 
Eindruck  der  Kanonisation  der  Heiligen  deren  mächtigem 
Einfluß  auf  den  jungen  Konrad  begeistert  Ausdruck  ver- 
lieh i).  Er  mußte  in  Konrads  Gedanken  und  Gefühle,  so- 
weit sie  Elisabeth  und  ihr  Nachleben  angehen,  so  einge- 
weiht sein,  wie  kaum  ein  anderer.  Auch  weiterhin  werden 
wir  in  Konrads  Leben  Beispielen  für  eine  schwärmerisch- 
religiöse Veranlagung  begegnen.  Durch  Erwählung  des 
geistlichen  Standes  wird  aber  auch  seinem  nunmehr  voll- 
jährigen Neffen  Hermann  ein  wesentlicher  Anteil  an  der 
Regierung  der  Landgrafschaft.  Diesen  will  Konrad  dem 
Sohne  der  Heiligen,  deren  Vorbild  er  folgt,  nicht  vorent- 
halten ^),  Aber  auch  der  Tag  seines  Eintritts,  die  zum 
dritten  Male  wiederkehrende  Vigilie  des  angeblichen  ^) 
Todestages  Elisabeths,  ist  ein  beredtes  Zeugnis  für  Kon- 
rads Wunsch,  den  Tag  seiner  Einkleidung  gleichsam  der 
Heiligen  zu  weihen. 


1)  Siehe  den  Brief  Papst  Gregors  an  die  Königin  Beatrix  von 
Kastilien  in  M.  G.  Epistolae  saec.  XIII.,  I,  No.  643,  und  bei  Do- 
benecker  536. 

2)  Die  nüchterne  Erwägung  Konrads,  wie  sie  Wenck  im  Wart- 
burgb.  S.  216  annimmt,  kann  nicht  maßgebend  gewesen  sein.  Vgl. 
auch  Dobenecker  in  Z.  Thür.  G.  N.  F.  XVIII,  414.  —  Vgl.  Wenck 
im  Wartburgb.  S.  206 f.  und  in:  Sammlung  gemeinverständlicher 
Vorträge  u.  Schriften,  Heft  52,  Anm.  42,  S.  56  über  die  Nachahmung 
des  Beispiels  der  Elisabeth  durch  vornehme  Frauen  des   13.  Jahrh. 

3)  Für  Elisabeths  Todestag  muß  fälschlich  der  19.  November, 
der  Tag  ihres  Begräbnisses,  angesehen  worden  sein.  Auch  Gregors 
Bulle  vom  1.  Juni  1235  (Dobenecker  532,  vgl.  533)  gibt  den  19.  No- 
vember als  Todestag  an.    Vgl.  Dobenecker  222  a. 

(Fortsetzung  folgt.) 


X. 

Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen  im 
Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641—1645. 

Von 

Lic.  Fr.  Waas,   Pfarrer  in  Waldraichelbach  (Odenwald). 

(Fortsetzung.) 


IL  Die  Yorbereitung  der  Yisitatioii  clurcli  die  Prä- 
l)arationsfrageii. 

1.  Die  Landesteilung  und  ihre  Folgen  für  Herzog  Ernst. 

Im  Jahre  1638  starb  Johann  Ernst,  Herzog  von  Eise- 
nach, der  seit  dem  Tode  seines  Bruders  Johann  Kasimir 
von  Coburg  1633  auch  dessen  Grebiete  im  Besitz  hatte, 
ohne  direkte  Nachkommen  zu  hinterlassen.  Seine  beiden 
Fürstentümer  fielen  daher  zum  Teil  der  altenburgischen, 
zum  Teil  der  weimarischen  Linie  des  sächsisch-ernestini- 
schen  Fürstenhauses  zu.  Durch  den  Teilungsvertrag  zu 
Altenburg  (13.  Februar  1640)  erhielt  die  altenburgische 
Linie  Coburg,  während  Eisenach  und  Gotha  der  weimari- 
schen Linie,  also  den  Brüdern  Wilhelm,  Albrecht  und  Ernst 
zufielen.  Diese  drei  nahmen  hierauf  eine  erbliche  Landes- 
teilung sowohl  des  weimarischen  als  des  von  Johann  Ernst 
ererbten  Gebietes  vor,  durch  die  die  Herzogtümer  Weimar, 
Eisenach  und  Gotha  entstanden.  Wilhelm  erhielt  Weimar, 
Albrecht  Eisenach  und  Ernst  Gotha.  Zu  dem  Gebiete 
Ernsts  gehörten  außer  Stadt  und  Amt  Gotha  die  Stadt 
Waltershausen  und  das  Amt  Tenneberg,  die  Amter  Rein- 
hardsbrunn, Georgenthal,  Ichtershausen  und  Wachsenburg, 
Schwarzwald,  Tonndorf  und  die  sequestrierte  Hälfte  des 
Amtes    Salzungen,    sowie    Stadt   und    Amt    Königsberg    in 


396  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

Franken,  außerdem  eine  große  Anzahl  adliger  Ortschaften. 
Am  9.  April  1640  nahmen  die  drei  Brüder  die  ihnen  zu- 
gefallenen Landesteile  in  Besitz,  Ernst  nahm  schon  am 
folgenden  Tage  den  Rat  zu  Gotha  in  Pflicht  und  befahl  ihm, 
das  dortige  Kaufhaus  herzurichten  und  ihm  zur  einstweiligen 
"Wohnung  einzuräumen.  Vorläufig  bezog  er  das  Schloß 
Tenneberg  bei  Waltershausen,  erst  am  24.  Oktober  1640 
hielt  er  von  dort  aus  seinen  Einzug  in  Gotha  i).  Wegen 
der  unruhigen  Kriegszeiten  hatte  man  die  geschlossene 
Erbteilung  einstweilen  nur  in  den  Hauptpunkten  aufsetzen 
lassen  und  die  genauere  Festsetzung  der  einzelnen  Be- 
stimmungen sich  für  später  vorbehalten.  Diese  erfolgte 
dann  im  folgenden  Jahre  durch  den  Hauptteilungsrezeß  vom 
12.  September,  durch  den  die  Bestimmungen  des  Vertrags 
von  1640  bestätigt  und  ergänzt  wurden.  Von  den  Fest- 
setzungen dieses  Rezesses  ist  für  uns  besonders  wichtig, 
daß  die  Brüder  sich  zu  unbedingtem  „Festhalten  an  der 
unveränderten  Augsburgischen  Konfession  und  an  der  Kon- 
kordienformel",  sowie  zur  „Einführung  einerlei  geistlicher 
und  weltlicher  Ordnungen  in  Konsistorial-,  Kirchen-,  Schul-, 
Polizei-  und  Justizsachen"  verpflichteten  2). 

Die  Landesteilung,  die  dem  Herzog  ein  eigenes  Gebiet 
zu  alleiniger  selbständiger  Verwaltung  übergab ,  war  für 
sein  Streben  nach  Besserung  der  Zustände  in  Kirchen  und 
Schulen  von  der  allergrößten  Bedeutung.  Es  muß  für  ihn 
wahrhaft    befreiend   gewesen   sein,    daß    er  jetzt   seine  Ab- 


1)  Der  Eisenacher  Kanzler  Simon  Malsius  verfaßte  zur  Teilung 
zwischen  Altenburg  und  Weimar  wie  auch  zu  der  innerhalb  der 
weimarischen  Linie  zwei  schwungvolle  „Carmina  gratulatoria",  beide 
deutsch  und  lateinisch,  die  er  den  drei  fürstlichen  Brüdern  über- 
reichte. Die  beiden  Carmina  sind,  fein  säuberlich  mit  schwarzer  und 
roter  Tinte  geschrieben,  vorhanden  im  Goth.  Staatsarchiv  XX  5,  4. 

2)  Näheres  über  den  Rezeß  siehe  Beck,  Ernst  d.  Fr.,  I,  S.  223 
— 240,  ein  Verzeichnis  sämtlicher  Orte,  die  Ernst  durch  den  Rezeß 
erhielt,  siehe  ebenda  S.  208 — 211.  Vgl.  außerdem  Gelbke,  Ernst 
d.  Fr.,  I,  S.  82—89,  III,  S.  30 f. ;  Gebhardt,  Thüringische  Kirchen- 
geschichte, II,  S.  274f. ;  Rudolph!,  Gotha  diplomatica,  I,  S.  57. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  397 

sichten  durchführen  konnte  ohne  Rücksicht  auf  Männer,  die 
nicht  von  ihm  selbst  zu  seinen  Ratgebern  bestellt  waren 
und  die  seinen  Plänen  dauernd  passiven  Widerstand  ent- 
gegensetzten. Sein  erstes  Bestreben  war  denn  auch  darauf 
gerichtet,  für  die  Durchführung  seiner  Reformen  die  nötigen 
Werkzeuge  zu  finden,  und  wir  müssen  sagen,  daß  er  es  in 
hervorragendem  Maße  verstanden  hat,  die  richtigen  Männer 
an  den  richtigen  Platz  zu  stellen.  Unter  den  Theologen, 
die  er  an  seinen  Hof  berief,  finden  wir  zunächst  Brun- 
chorst,  der  uns  ja  bereits  aus  den  vorhergehenden  Jahren 
genügend  bekannt  ist.  1640  .berief  ihn  Ernst  als  Hof- 
prediger und  Konsistorialassessor  nach  Gotha,  1641  be- 
gegnet er  uns  als  Mitglied  der  Visitationskommission. 
Neben  Brunchorst  ist  es  sodann  vor  allem  S  a  1  0  m  0  n 
G 1  a  ß  ,  der  dem  Herzog  in  seinen  Reformen  zur  Seite  trat. 
Glaß  stand  schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  in  Verkehr 
mit  Ernst.  Bereits  in  den  dreißiger  Jahren  hatte  ihn  dieser 
zu  den  Beratungen  über  das  Kirchen-  und  Schulwesen  in 
Würzburg  herangezogen,  bei  der  Bearbeitung  des  Erne- 
stinischen  Bibelwerkes  übertrug  er  ihm  die  Behandlung  des 
größten  Teiles  der  poetischen  Bücher  des  alten  Testaments, 
sowie  des  Evangeliums  Johannis.  Nach  Johann  Gerhards 
Tod  wurde  er,  einem  Wunsche  Gerhards  selbst  entsprechend, 
als  dessen  Nachfolger  nach  Jena  berufen  (1638),  und  auch 
in  der  Leitung  der  Herausgabe  des  Bibelwerkes  trat  er  an 
seine  Stelle  i).  Doch  sollte  er  nicht  lange  als  Professor  in 
Jena  verbleiben;  bereits  1640  berief  ihn  Ernst  auf  Vor- 
schlag des  Geheimrats  Hortleder  zu  Weimar  und  des  da- 
maligen Professors  der  Rechte  in  Jena,  Zacharis  Prüschenk 
von  Lindenhof,  als  Generalsuperintendent  nach  Gotha.  Am 
8.  August  1640  begab  er  sich  nach  Schloß  Tenneberg  zu 
Herzog  Ernst  und  wurde  von  diesem  sofort  bei  den  Ver- 
handlungen über  das  Visitationswerk  zu  Rate  gezogen.  Be- 
reits im  Februar  hatte  Ernst  mit  ihm  über  die  Katechismus- 


1)  S.  oben  S.  115. 
XXVIL  26 


398  I^iß  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

Übung  korrespondiert;  im  Herbst  begab  sich  Glaß  sodann 
nach  Eisenach,  um  an  den  Beratungen  zwischen  den  Theo- 
logen Albrechts  und  Ernsts  über  ein  etwaiges  gemeinsames 
Vorgehen  bei  der  Visitation  teilzunehmen.  Wir  besitzen 
ein  Schreiben  des  Herzogs  an  ihn  vom  27.  August  1640, 
in  dem  er  ihm  mitteilt,  daß  in  Eisenach  eine  Beratung  über 
das  Visitationswerk  und  andere  hochwichtige  Sachen  statt- 
finden solle.  Er  fordert  ihn  auf,  er  solle  sich  „bei  dem 
Konsistorium  einstellen,  der  vorhabenden  Konsultation  bei- 
wohnen und  auf  die  proponierten  Punkte  neben  den  Kon- 
sistorialen  sein  Bedenken  eröffnen"  i).  Glaß  ist  der  Ver- 
fasser des  ausführlichen  ersten  Visitationsausschreibens,  er 
hat  bei  der  Ausarbeitung  der  Visitationsfragen  mitgewirkt, 
auch  bei  den  Schulreformen  des  Herzogs  ist  sein  Einfluß 
nicht  zu  verkennen,  ebenso  ist  der  Synodalschluß  von  1645, 
der  den  Abschluß  des  ganzen  Visitationswerkes  bildet,  von 
ihm  verfaßt.  Er  war  der  geliebteste  Schüler  Johann  Ger- 
hards und  noch  mehr  als  dieser  von  durchaus  praktischem 
Interesse  erfüllt.  Eür  seine  Person  war  er  den  symbolischen 
Bestimmungen  treu,  aber  an  dem  theologischen  Schulgezänk 
seiner  Zeit  hatte  er  kein  Gefallen.  Er  sah  seine  Aufgabe 
mehr  in  der  Erweckung  wahrer  Gottesfurcht  und  christ- 
lichen Geistes  als  in  dogmatischen  Kontroversen.  Er  tadelte 
das  Kompendium  Hutters,  weil  in  ihm  die  theologischen 
Schulbestimmungen  einen  zu  großen  Raum  einnehmen  und 
darüber  das  „unum  necessarium"  vernachlässigt  zu  werden 
drohe.  Die  Leidenschaft,  mit  der  die  theologischen  Streitig- 
keiten seiner  Zeit  geführt  zu  werden  pflegten,  war  ihm 
verhaßt.  In  dem  synkretistischen  Streit  nahm  er  eine  außer- 
ordentlich milde  und  versöhnliche  Haltung  ein.  Ohne  seiner 
Orthodoxie  etwas  zu  vergeben  und  ohne  sich  selbst  auf  die 
Seite  von  Georg  Calixt  zu  stellen,  versuchte  er  doch,  ihm 
eine  gerechte  und  gemäßigte  Beurteilung  zuteil  werden  zu 
lassen.    Sein  Symbolumwar:   „Vera,  non  ficta  fides  salvat". 


1)  Goth.  Kons.-Archiv,  Loc.  19,  No.  19. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  399 

Er  war  von  Johann  Arndts  „wahrem  Christentum"  beein- 
flußt; wie  hoch  er  ihn  schätzte,  zeigt  aufs  deutlichste  sein 
Ausspruch:  „Wer  Arndt  nicht  liebt,  muß  den  geistlichen 
Appetit  verloren  haben."  Er  war  einer  der  Männer,  die 
im  17.  Jahrhundert  das  praktische  Christentum  hochhielten, 
und  wir  sagen  wohl  nicht  zu  viel,  wenn  wir  ihn  als  einen 
Vorläufer  und  Gesinnungsgenossen  Speners  bezeichnen  ^). 

Aus  dem  Kreise  von  Nichttheologen,  die  Ernst  in  seine 
Umgebung  zog,  seien  erwähnt  der  Kanzler  Franzke,  der 
Hofrat  Johann  Michael  Strauß,  der  Kammerjunker  Hans 
Kaspar  v.  Miltitz  2)  und  der  Rektor  Andreas  Reyher.  Die 
Stelle  eines  Kanzlers  in  den  beiden  Fürstentümern  Eise- 
nach und  Gotha  wurde  zunächst  von  Simon  Malsius 
versehen.  Dieser  nahm  an  den  vorbereitenden  Verhand- 
lungen über  das  Visitationswerk  teil  und  war  Mitglied  der 
Kommission,  die  zur  Visitation  des  Gymnasiums  in  Gotha 
bestimmt  wurde.  Er  blieb  in  seinem  Doppelamt  indessen 
nur  bis  zum  Sommer  1641  ^).  Von  da  an  beschränkte  sich 
seine  Tätigkeit  auf  das  Herzogtum  Eisenach,  zum  Kanzler 
für  Gotha  wurde  dagegen  Georg  Franzke  bestimmt. 
Ernst  hatte  bereits  in  Weimar  Gelegenheit  gehabt,  diesen 
tüchtigen,  geschickten  und  frommen  Mann  kennen  zu  lernen. 
Denn  bereits  seit  1633  bekleidete  Franzke  das  Amt  eines 
weimarischen  Rates  und  nahm  als  solcher  auch  an  den 
Verhandlungen  des  Jahres  1636  (vgl.  oben  S.  95)  teil.  Er 
vermittelte  den  Teilungsvertrag  zwischen  Wilhelm,  Albrecht 
und  Ernst  und  trat  bald  darauf  als  Geheimer  Rat,  Kanzler 
und    Präsident    des    Konsistoriums    in    Ernsts  Dienste.     Er 


1)  Über  Glaß  vergl.  Gelbke,  Ernst  d.  Fr.,  II,  S.  238 ff.; 
AUgem.  deutsche  Biographie,  IX,  S.  218 f.;  RE  ^  VI,  S.  671—674; 
Tholuck,  Lebenszeugen  der  luth.  Kirche,  S.  53ff. ;  ders.,  Das 
akademische  Leben  des  17.  Jahrb.,  II,  S.  62. 

2)  Über  Strauß  vergl.  Beck,  II,  S,  66;  Gelbke,  Kirchen- 
und  Schulverfassung  im  Herzogtum  Gotha,  I,  S.  103;  über  Miltitz 
Beck,  II,  S.  46;  Gelbke,  I,  S.  104. 

3)  Vgl.  Beck,  I,  S.  502.  506;  II,  S.  44.  Dort  Näheres  über 
Malsius. 

26* 


400  I^iß  Generalvisitation  Einsts  des  Frommen 

wurde  von  diesem  häufig  zu  wichtigen  Gesandtschaften  be- 
nutzt und  hat  sich  auch  um  die  Durchführung  des  Visi- 
tationswerkes verdient  gemacht.  Er  war  nahe  befreundet 
mit  Calixt  und  entbehrte  nicht  eines  regen  theologischen 
Interesses.  Er  beschäftigte  sich  viel  mit  theologischen  Stu- 
dien und  gab  auch  zwei  Bändchen  religiöser  Lieder  heraus  i). 
Neben  Franzke  kommen  noch  in  Betracht  die  beiden  welt- 
lichen Mitglieder  der  Visitationskommission ,  Johann 
Michael  Strauß  und  Hans  Kaspar  v.  Miltitz.  Der 
erstere,  weilte  schon  seit  1619  als  Regierungsrat  in  Gotha; 
1641  ernannte  ihn  Ernst  zum  Hof-  und  Konsistorialrat, 
sowie  zum  Direktor  (Vizepräsident)  des  Konsistoriums.  Der 
letztere  befand  sich  bereits  seit  1637  in  der  Umgebung 
Ernsts,  so  daß  dieser  seine  Tüchtigkeit  zur  Genüge  erprobt 
hatte,  als  er  ihn  mit  sich  nach  Gotha  nahm.  Von  be- 
sonderer Wichtigkeit  aber  für  die  Wirksamkeit  des  Her- 
zogs wurde  Andreas  Reyher,  den  Ernst  von  Schleu- 
singen zum  Rektor  des  Gymnasiums  nach  Gotha  berief. 
Er  setzte  das  Werk  der  Schulreform  fort,  das  Evenius  be- 
gonnen hatte,  er  wurde  nicht  nur  der  Reorganisator  des 
Gymnasiums  zu  Gotha  und  der  Verfasser  des  Schulmethodus, 
sondern  der  Gehilfe  des  Herzogs  bei  allen  seinen  pädagogi- 
schen Unternehmungen. 

So  sehen  wir  in  der  Umgebung  Ernsts  eine  Reihe  von 
bedeutenden  Theologen,  Schulmännern  und  Juristen  tätig, 
alle  seine  Gesinnungsgenossen  und  seine  Gehilfen  bei  seinen 
Bestrebungen,  alle  wie  er  erfüllt  von  dem  Gedanken  der 
Notwendigkeit  einer  Reform  in  Kirchen  und  Schulen  und 
getragen  von  der  Überzeugung,  daß  alles  tote  Gedächtnis- 
werk und  alles  bloße  Betonen  der  Lehre  nichts  nützt,  wenn 
nicht  der  rechte  lebendige  Glaube  dazukommt.  Wie  sehr 
es  dem  Herzog  darum  zu  tun  war,  die  leitenden  Stellen  in 


1)  Beck,  Ernst  d.  Fr.,  II,  S.  22;  Gelbke,  Ernst  d.  Fr.,  II, 
S.  226 ff.;  Tholuck,  Lebenszeugen,  S.  63.  —  Vgl.  auch  Galletti, 
Gesch.  u.  Beschreibung  des  Herzogtums  Gotha,  II,  S.  277;  Gelbke, 
K.-  u.  Sch.-Verf.,  I,  S.  102.  190.  219. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645,  401 

seinem  Lande  mit  tüchtigen  Männern  zu  besetzen,  sehen 
wir  aus  einem  Schreiben  an  Georg  Calixt  (13.  Juni  1640), 
in  dem  er  diesen  um  Auskunft  über  eine  Anzahl  Theologen 
und  Juristen  bittet,  die  er  in  sein  Land  zu  ziehen  beab- 
sichtigte. Calixt  gab  auf  die  Bitte  des  Herzogs  hin  ein 
mehr  oder  weniger  ausführliches  Gutachten  ab,  doch  ist 
keiner  von  den  Männern,  die  hier  erwähnt  werden,  tatsäch- 
lich in  Ernsts  Dienste  getreten  i).  Auch  Meyfart  in  Erfurt 
wurde  von  Ernst  zu  Rate  gezogen ;  so  soll  Revher  auf  seine 
Veranlassung  zum  Rektor  nach  Gotha  berufen  worden  sein. 
Indessen  die  Pläne  des  Herzogs  gingen  noch  weiter;  wie 
wir  hören,  beabsichtigte  er,  auch  Johann  Schmid  in  Straß- 
burg und  Johann  Valentin  Andreae  in  sein  Land  zu  ziehen; 
doch  führten  die  Verhandlungen  mit  diesen  Männern  zu 
keinem  Ziel. 

Aber  nicht  nur  in  seiner  nächsten  Umgebung  sorgte 
Ernst  für  tüchtige  Leute,  sondern  auch  sonst  im  ganzen 
Land.  Es  ist  auffallend,  ein  wie  großer  Wechsel  in  der 
Besetzung  der  Pfarrstellen  gerade  im  Jahre  1640  eintrat. 
Stellen,  die  vorher  der  Kriegsunruhen  wegen  unbesetzt 
waren,  wurden  entweder  neu  besetzt  oder  den  Nachbar- 
geistlichen zur  Mitverwaltung  übergeben,  tüchtige  Pfarrer 
wurden  an  andere  Stellen  befördert  und  so  für  eine  geordnete 
Versehung  des  Pfarrdienstes  im  ganzen  Land  Sorge  getragen. 

Hand  in  Hand  mit  diesen  Bemühungen  ging  auch  die 
Vorbereitung  für  die  Visitation.  Aus  dem  oben  erwähnten 
Schreiben  an  Calixt  geht  hervor,  daß  sich  Ernst  auch  wegen 
der  Visitation  an  ihn  gewandt  hat.  Er  bat  Calixt  darum, 
ihm  alles  zuzusenden,  was  bereits  im  Braunschweigischen 
wegen  einer  Kirchenvisitation  entweder  durch  den  Druck 
veröffentlicht  oder  sonst  schriftlich  aufgesetzt  war.  Calixt 
übersandte  dem  Herzog  daraufhin  auch  einige  Druckschriften, 
mußte  aber  zugleich  bekennen,  daß  das  Visitationswei'k  im 
Braunschweigischen   „wegen  stetiger  Unruhe  und  obliegen- 


1)  Kons.-ArcMv  zu  Gotha,  Loc.  29  b,  No.  14. 


402  -Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

den  anderen  hochwichtigen  Geschäften"  völlig  ins  Stocken 
geraten  war.  Unter  den  übersandten  Druckschriften  ist  für 
uns  von  besonderer  Wichtigkeit  ein  Ausschreiben  an  die 
Pfarrer,  das  sie  auffordert,  innerhalb  4  Wochen  einen  Be- 
richt über  bestimmte  Fragepunkte  einsenden  zu  wollen. 
Die  Beantwortung  dieser  Fragepunkte  ist,  ebenso  wie  nach- 
her in  Gotha,  als  Vorbereitung  zur  Visitation,  nicht 
als  wesentlicher  Bestandteil  derselben  gedacht,  doch  beträgt 
die  Zahl  der  Fragen  hier  nicht  wie  in  Gotha  gegen  300, 
sondern  nur  7.  Trotzdem  läßt  sich  eine  Beziehung  zwischen 
beiden  darin  finden,  daß  beidesmal  vor  der  Visitation 
schriftliche  Berichte  eingefordert  werden  und  daß  in  beiden 
Ausschreiben  hierfür  der  Ausdruck  „praeparatoria"  ge- 
braucht wird. 

2.  Das  Ausschreiben  vom  5.  Januar  1641  und  die  dazu 
gehörigen  Fragen. 

Durch  die  Landesteilung  war  der  Rivalität  zwischen 
Kromayer  und  den  Ratgebern  Ernsts  wenigstens  teilweise 
ein  Ende  gemacht.  Eine  Visitation  wurde  zwar  in  allen 
drei  Gebieten  vorgenommen,  doch  ging  Weimar  dabei  unter 
Führung  Kromayers  eigene  Wege,  während  Eisenach  und 
Gotha  gemeinschaftliche  Sache  machten.  Albrecht  folgte 
vollständig  den  Visitationsplänen  von  Ernst  und  Salomon 
Glaß,  Der  Versuch,  auch  Weimar  zu  gemeinsamem  Vor- 
gehen zu  veranlassen,  der  auf  einer  am  7.  und  8.  August 
1640  in  Weimar  abgehaltenen  Konferenz  unternommen 
wurde,  scheiterte.  Wilhelm  zögerte  noch  immer  und  ver- 
anlaßte  dadurch  seine  beiden  Brüder,  auf  eigene  Faust  in 
ihren  Gebieten  vorzugehen  ^).  Es  kommen  daher  für  uns 
von  jetzt  an  nur  noch  Eisenach  und  Gotha  in  Betracht. 
Hier  wird  jetzt  endlich  das  Visitationswerk  energisch  in 
Angriff  genommen.  Glaß  setzte  bereits  Anfangs  September 
auf  Befehl  der  beiden  Herzöge    das  Ausschreiben    zu    dem 

1)  Zeitschr.  d.  Ver.  Thür.  Gesch.  u.  Altert.,  N.  F.  X,   S.  427. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  403 

Visitationswerk  auf  und  übersandte  es  diesem  am  11.  Sep- 
tember 1640,  indem  er  ihnen  anheimstellte,  etwaige  Ände- 
rungen und  Verbesserungen  darin  anzubringen.  Albrecht 
und  Ernst  übergaben  es  darauf  dem  Kanzler  Simon  Malsius 
zur  Begutachtang.  Malsius  war  ganz  begeistert  von  dem 
Entwurf;  er  schreibt  an  Herzog  Ernst,  er  habe  das  fürst- 
liche Schreiben  samt  dem  von  Salomon  Glaß  aufgesetzten 
Patent  „mit  untertäniger  Reverenz  empfangen,  mit  Fleiß 
durchlesen  und  dermaßen  geistreich,  auch  in  anderen  Forma- 
lien also  beschaffen  befunden,  daß  er  nicht  allein  darin 
nichts  zu  insinuieren,  zu  verändern  und  zu  verbessern  ge- 
wußt, sondern  vielmehr  deswegen  eine  sonderliche  Beliebung 
gehabt"  habe  i).  Gleichzeitig  mit  diesem  Ausschreiben  waren 
auch  eine  Anzahl  Fragen  aufgesetzt  worden,  auf  die  die 
Pfarrer  und  Gerichtsherren  schriftlich  antworten  sollten. 
Es  ist  nicht  sicher,  ob  auch  diese  auf  Salomon  Glaß  zurück- 
zuführen sind.  Sowohl  das  Ausschreiben  wie  die  „Visi- 
tationsartikel" wurden  den  Konsistorien  vorgelegt  und  fanden 
hier  volle  Zustimmung.  Noch  Anfangs  Dezember  wurde 
alles  in  Druck  gegeben,  auf  Wunsch  von  Malsius  gab  man 
die  Fragen  an  die  Pfarrer  und  die  an  die  Beamten  ge- 
trennt heraus,  „damit  die  Beamten  nicht  von  den  Unter- 
tanen, die  Pfarrer  aber  nicht  von  den  Pfarrern  et  vice 
versa  schimpfiert  werden  möchten",  sodaß  wir  also  folgende 
drei  Drucke  zu  unterscheiden  haben : 

1)  Des  Durchlauchtigen  /  Hochgebornen  Fürsten  vnd 
Herrn  /  Herrn  Ernstens  ^)  J  Hertzogens  zu  Sachsen  /  Jülich  / 
Cleve  vnd  Berg  /  pp,  Landgraffens  in  Düringen  /  Marg- 
graffens  zu  Meißen  /  Graffens  zu  der  Marck  vnd  Ravens- 
burg /  Herrns  zu  Ravenstein  /  etc.  Ausschreiben  / 
Wie  es  bey  der  General  Visitation  in  I.  F.  Gn.  Fürsten- 
thumb  /  bey    Geist:    vnd    Weltlichen    Ständen  /  Städten  / 


1)  Kons.-Archiv  zu  Gotha,  Loc.  19,  No.  19.  Schreiben  des 
Simon  Malsius  vom  22.  Sept.  1640.  —  In  demselben  Aktenband 
siehe  auch  alle  anderen  hierhergehörigen  Akten. 

2)  bezw.  in  dem  eisenachischen  Ausschreiben:  Albrechts. 


404  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  PVommen 

Bedienten  /  Pfarrkindern  /  Vnterthanen  vnd  Einwolinern  / 
praeparatorie  gehalten  werden  soll. 

2)  Verzeichnüss  Etzlicher  Articul  /  darauff  die  Pfarrer  in 
Städten  vnd  Dörffern  gründlichen  Bericht  einschicken  sollen. 

3)  Verzeichnüss  Etzlicher  Articul  /  darauff  die  Ge- 
richtsherrn vnd  Beampte  in  Städten  vnd  Dorf  fern  gründ- 
lichen Bericht  einschicken  sollen. 

Alle  drei  Schriften  sind  „Gedruckt  zu  Erffurt  /  bey 
Friederich  Melchior  Dedekinden  /  der  Universität  daselbst 
bestelltem  Buchdrucker  /  Im  Jahr  Christi  /  M-DCXL." 
Sie  wurden  am  5.  Januar  1641  den  Pfarrern  und  Gerichts- 
herren zugestellt. 

Die  erste  der  drei  genannten  Schriften,  das  fürst- 
liche Ausschreiben,  ist  für  uns  deshalb  von  be- 
sonderer Wichtigkeit,  weil  es  uns  aufs  deutlichste  die  An- 
schauungen des  Herzogs  über  die  Lage  der  Kirche  und  über 
die  Visitation  zeigt.  Es  gibt  uns  einen  deutlichen  Begriff 
davon,  warum  er  eine  Visitation  für  notwendig  hielt  und 
was  er  von  ihr  erwartete.  Es  ist  sehr  ausführlich,  aber  so 
charakteristisch,  daß  ich  mir  nicht  versagen  kann,  etwas 
genauer  auf  seinen  Inhalt  einzugehen.  Es  wurde  in  zwei 
Rezensionen  verbreitet,  einer  eisenachischen  und  einer 
gothaischen,  die  völlig  gleichlautend  waren  und  sich  nur 
durch  die  Namen  der  Fürsten  und  der  Hauptstädte  unter- 
schieden 1). 


1)  Das  Ausschreiben  hat  mir  in  3  Exemplaren  vorgelegen : 
eins  ist  im  Haus-  und  Staatsarchiv  zu  Weimar  aufbewahrt  und 
trägt  die  Bezeichnung:  „Aus  B  2891'.  Es  hat  am  Ende  das  hand- 
schriftlich ausgefüllte  Datum:  Gotha,  am  15.  Dec.  anno  1640. 
Die  beiden  anderen  finden  sich  im  Gothaer  Staatsarchiv, 
das  eine  in  dem  Band  KK  7,  I  unter  No.  2,  ohne  Datum,  das 
andere  KK  XX,  No.  14,  mit  dem  Datum:  5.  Januar  1641.  Alle 
3  Exemplare  sind  Abdrucke  des  gothaischen  Ausschreibens,  ein 
eisenachisches  Exemplar  hat  mir  nicht  vorgelegen.  Auf  das  Eise- 
nacher  Ausschreiben  weist  die  handschriftliche  Bemerkung  auf  der 
Vorderseite  des  weimarischen  Exemplares:  „Dergleichen  Tenor  Man - 
dati  ist  zu  Eisenach  auch  ausgangen."  —  Ein  geschriebener  Entwurf 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641—1645,  405 

Das  erste,  was  jedem  Leser  des  Ausschreibens  sofort 
auffallen  muß,  ist  die  Unmenge  von  Stellen  aus  der  Bibel, 
namentlich  aus  den  Propheten  des  Alten  Testaments,  die  uns 
hier  auf  Schritt  und  Tritt  begegnen.  Den  weitaus  größten 
Raum  nehmen  Zitate  ein,  und  wir  verstehen  den  Vorwurf 
wohl,  der  später  gegen  das  Ausschreiben  erhoben  wurde, 
es  sei  mehr  einer  Predigt  als  einem  fürstlichen  Schreiben 
gemäß.  Auffallend  ist  nun  hier  das  gänzliche  Zurücktreten 
des  Neuen  Testaments  gegenüber  dem  Alten.  Denn  unter 
den  67  Bibelstellen,  die  am  Rande  angeführt  sind  und  von 
denen  die  meisten  vollständig  zitiert  werden,  sind  nicht 
weniger  als  51  den  Propheten  entnommen,  7  stammen  aus 
den  geschichtlichen  Büchern  des  Alten  Testaments,  5  aus 
den  Psalmen  und  nur  4  aus  dem  Neuen  Testament.  Und 
auch  diese  neutestamentlichen  Stellen  tragen  (außer  Act. 
20  2  8  »die  Gemeinde  Gottes,  welche  er  durch  sein  eigen 
Blut  erworben  hat"),  keinen  spezifisch  neutestamentlichen 
Charakter.     Es  sind  außer  der  erwähnten  die  Stellen  Rom. 


des  Ausschreibens,  der  mit  dem  gedruckten  Schreiben  fast  ganz  wört- 
lich übereinstimmt,  findet  sich  imKonsistorialarchiv  zu  Gotha, 
Loc.   19,  No.   19.     Dieser   trägt   als  Überschrift   die   Bezeichnung: 

(  Albrecht  )  ,        ^    . 

Wir  [     prnst     (  '  '  '         Unterschrift  lautet  nur :  Albrecht.     Er  ist 

datiert  Eisenach,  den  9.  November  1640.  —  Die  Datierung  des 
Ausschreibens  auf  den  15.  Dezember  1640,  die  sich  bei  Kudolphi, 
Goth.  dipl.,  I,  S.  58,  und  Brückner,  Goth.  Kat.-Historie  S.  50,  findet, 
ist  insofern  nicht  richtig,  als  seine  Zusendung  an  die  beteiligten  Per- 
sonen erst  am  5.  Januar  1641  erfolgte.  Noch  weniger  richtig  aber 
ist  es,  wie  Bohne  S.  113,  115  tut,  von  zwei  Ausschreiben,  vom  15.  De- 
zember und  5.  Januar,  zu  sprechen.  Es  ist  nur  ein  Ausschreiben 
vorhanden,  dieses  mag  am  15.  Dezember  im  Druck  erschienen  sein 
zugesandt  wurde  es  den  Adressaten  jedoch  erst  am  5.  Januar.  Das 
beweisen  die  Empfangsbescheinigungen  und  die  Antworten  der  Pfarrer, 
in  denen  wiederholt  der  5.  Januar  als  Datum  des  Ausschreibens  an 
gegeben  wird  (Kons.-Archiv,  Loc.  18,  No.  2 ;  Loc.  19,  No.  19.  22.  23) 
das  Begleitschreiben  des  S.  Glaß,  das  ebenfalls  vom  5.  Januar 
datiert  ist,  und  sonstige  Notizen  in  den  Akten   (vgl.  unten  S.  416). 


406  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

^2  0-2  3^))  *^^®)  ^^^  ^®^  Zusammenhang  herausgenommen, 
zu  einem  Vorwurf  gegen  die  Prediger  gebraucht  wird, 
2.  Thess.  ^10-12  (>i darum,  daß  sie  die  Liebe  zur  Wahr- 
heit nicht  haben  angenommen  .  .  .  darum  wird  ihnen  Gott 
kräftige  Irrtümer  senden"  .  .  .)  und  2.  Tim.  2  jg,  ein  Vers, 
aus  dem  nur  ein  ganz  kurzes  Wort  angeführt  wird.  So 
trägt  auch  die  Frömmigkeit  des  Ausschreibens  einen  ganz 
alttestamentlichen  Charakter.  Es  ist  eine  ganz  andere  Luft, 
die  uns  hier  entgegenweht,  als  die  des  Neuen  Testaments. 
Der  Gedanke  des  zürnenden,  vergeltenden,  strafenden  Gottes 
steht  durchaus  im  Vordergrund:  Gott  zürnt  über  unsere 
Sünden,  deshalb  hat  er  uns  all  dieses  Unglück,  diese  Kriegs- 
not, Verwüstung,  Hunger  und  Pest  gesandt.  Wollen  wir 
haben,  daß  das  alles  aufhört,  so  müssen  wir  vor  allem  den 
Grund  wegschaffen,  weshalb  der  Herr  zürnt;  wir  müssen 
Buße  tun  von  Grund  unseres  Herzens,  dann  wird  sich  Gott 
unser  erbarmen  und  die  Kriegsnot  abwenden.  Das  sind 
Gedankengänge,  wie  sie  uns  zur  Zeit  des  30-jährigen  Krieges 
hin  und  wieder  begegnen  und  die  auch  im  „Missive"  des 
Evenius  anklingen.  Es  ist  die  altisraelitische,  besonders 
stark  von  den  Propheten  vertretene  Anschauung  von  dem 
Zusammenhang  zwischen  Schuld  und  Unglück,  die  uns  hier 
entgegentritt.  Die  Situation  ist  genau  die  gleiche  wie  zu 
den  Zeiten  der  alten  Propheten :  das  „Volk  Gottes"  ist  von 
Peinden  umringt  und  aufs  schwerste  bedrängt,  und  diese 
Situation  wird  auch  genau  so  beurteilt  wie  in  Alt-Israel : 
„Das  ist  dein  Zorn,  daß  wir  so  vergehen,  und  dein  Grimm, 
daß  wir  so  plötzlich  dahin  müssen."  Fragen  wir  nun, 
warum  denn  Gott  so  furchtbar  zürnt,  so  finden  wir  hier 
Gedanken,  die  den  im  Sendschreiben  des  Evenius  und  in 
den  „Mängeln,  Ursachen  und  Bemediis"  ausgesprochenen 
völlig  parallel  sind.  Der  Grund  für  den  Zorn  Gottes  ist 
nicht  in  der  falschen  Lehre  zu  suchen.     Denn  die  Lehre 


1)  „Du  lehrest  andere,  und  lehrest  dich  selber  nicht;  du  pre- 
digest, man  solle  nicht  stehlen,  und  du  stiehlest;  du  sprichst,  man 
solle  nicht  ehebrechen,  und  du  brichst  die  Ehe  ..." 


f 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  407 

ist,  wie  ausdrücklich  betont  wird,  klar  und  hell  genug  durch 
Grottes  Gnade  vorhanden,  „das  Wort  des  Allerhöchsten,  so 
in  den  Schriften  der  heiligen  Propheten  und  Apostel  ver- 
fasset, wird  rein  und  unverfälscht  vorgetragen  und  ge- 
predigt". Grund  für  den  Zorn  Gottes  sind  vielmehr  die 
vielen  Sünden  und  Gebrechen  in  allen  drei  Ständen:  die 
mangelhafte  Erfüllung  der  Amtspflichten  im 
geistlichen  Stande  und  bei  der  Obrigkeit,  die  „schrecklich 
grobe  Unwissenheit  in  der  heilsamen  Lehre  des 
göttlichen  Worts  und  heiligen  Catechismi  als  auch  das 
daraus  entspringende  überhäufte  sündliche  Greuel- 
wesen" in  dem  „gemeinen  Haus-  und  Civilstand".  Des- 
halb kommt  es  darauf  an,  umzukehren  und  Buße  zu  tun, 
damit  das  gottlose  Wesen,  wenn  nicht  ganz,  so  doch  so  viel 
als  möglich,  gedämpft  und  gelöscht  werde.  Es  muß  eine 
ernstliche  durchgehende  starke  Reformation  eintreten,  aller- 
dings nicht  eine  Reformation  der  Lehre  —  die  ist  unnötig 
—  sondern  eine,  solche  des  Lebens.  Das  Böse  muß  ab- 
geschafft, das  Gute  und  alle  Gottseligkeit  dagegen  ange- 
schafft werden.  Sonst  ist  zu  befürchten,  daß  Gott  der  Herr 
uns  sein  heiliges  reines  Wort  entziehe  und  Deutschland 
dieses  teuren  edlen  Schatzes  beraube,  wie  schon  an  vielen 
Orten  die  Exempel  vor  Augen  stehen !  Zu  diesem  heilsamen 
und  nützlichen  Reformationswerk  sind  aber  vor  allem  die 
christlichen  Obrigkeiten  berufen  und  verpflichtet,  und  ein 
Hauptmittel,  dessen  sie  sich  dabei  zu  bedienen  haben,  sind 
die  Visitationen.  Deshalb  soll  auch  in  unserem  Lande 
eine  Visitation  gehalten  werden,  die  sich  vor  allen  Dingen 
auf  folgende  drei  Punkte  zu  erstrecken  hat: 

1)  die  grobe  Unwissenheit  im  Verstände  der  göttKchen 
Lehre  des  Catechismi: 

2)  die  Fehler  und  Mängel    in   schuldiger  Amtsgebühr; 

3)  die  sonderbaren   strafbaren  Laster. 

Diese  drei  Punkte  zeigen  uns  aufs  deutlichste,  worauf 
es  dem  Herzog  bei  seiner  Visitation  ankam,  Sie  kehren 
auch  in  späteren  Ausschreiben  wieder,  und  sie  sind  es,  auf 


408  -Die  Generiüvisitation  Ernsts  des  Frommen 

die  sowohl  in  den  Präparationsfragen  als  bei  der  eigent- 
lichen Visitation  der  Hauptnachdruck  gelegt  worden  ist. 

Gleichzeitig  mit  diesem  Ausschreiben  wurden  auch  die 
Fragen  an  die  Pfarrer,  sowie  die  an  die  Gerichts- 
herren und  Beamten  abgeschickt i).  Beide  sollen  inner- 
halb 4  Wochen  einen  genauen  Bericht  über  diese  Fragen 
einschicken  und  dabei  ihr  Augenmerk  vor  allen  Dingen 
auf  die  drei  genannten  Punkte  richten. 

Betrachten  wir  diese  „Articul"  nun  etwas  näher,  so 
erhebt  sich  zuerst  die  Frage  nach  ihrer  Herkunft.  Sind 
sie  völlig  selbständig  gearbeitet  oder  gehen  sie  auf  eine 
oder  mehrere  Vorlagen  zurück  ?  In  dieser  Hinsicht  gibt  uns 
bereits  das  Ausschreiben  des  Herzogs  einen  deutlichen 
Fingerzeig,  wenn  er  sagt,  gegenwärtige  Visitationsartikel 
seien  „aus  der  in  diesen  Landen  und  Fürstentum  einge- 
führten    Coburgischen     Kirchenordnung     meistenteils      ge- 


1)  Die  Fragen  an  die  Pfarrer  sind  in  Gotha  vreder  im 
Staatsarchiv  noch  im  Konsistorialarchiv  vorhanden.  In  dem  Band 
KK  7,  I  des  ersteren,  der  sowohl  das  Ausschreiben  wie  die  Fragen 
an  die  Gerichtsherren  enthält,  finden  wir  im  Eepertorium  unter 
No.  3  zwar  auch  das  „Verzeichnis  etzlicher  Articul,  darauf f  die 
Pfarrer  in  Städten  vnd  Dörffern  grüodiichen  Bericht  einschicken 
sollen",  angegeben,  aber  in  dem  Band  selbst  fehlt  es.  Nur  das 
weimarische  Archiv  enthält  ein  Exemplar  unter  der  Be- 
zeichnung: „Aus  B  2891".  Besser  steht  es  mit  den  Fragen  an 
die  Gerichtsherren.  Diese  finden  wir  im  Goth.  Staatsarchiv 
KK  7,  I  unter  No.  2,  sowie  im  Konsistorialarchiv  Loc.  19,  No.  23. 
Sie  sind  außerdem  abgedruckt  bei  Beck,  a.  a.  0.  II,  S.  130 — 132. 
(Vgl.  I,  S.  431  unter  „Besserung  des  Gerichtswesens"  ! !)  —  Außer 
diesen  Drucken  haben  wir  noch  einen  Entwurf  zu  diesen  Fragen  in 
zwei  gleichlautenden  Exemplaren,  nämlich  im  Staatsarchiv  XX  5,  5 
und  Konsistorialarchiv  Loc.  19,  No.  19.  Der  Entwurf  unterscheidet 
sich  von  der  endgültigen  Form  zunächst  dadurch,  daß  die  Fragen 
an  Pfarrer  und  Gerichtsherren  nicht  getrennt,  sondern  zu  einem 
Schriftstück  vereinigt  sind.  Außerdem  aber  fehlen  in  dem  Entwurf 
einige  Fragen,  die  wir  in  den  gedruckten  Exemplaren  finden.  Die 
Gesamtzahl  der  Fragen  an  die  Pfarrer  beträgt  im  Entwurf  235,  im 
Ausschreiben  273  (bei  anderer  Zählung  je  3  mehr),  die  Zahl  der 
Fragen  an  die  Gerichtsherren  46  bez.  55. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  409 

nommen  und  mit  etzlichen  Spezialpunkten  illustrieret  und 
vermehret  worden".  Ein  Vergleich  mit  der  Kirchenordnung 
zeigt  in  der  Tat,  daß  eine  gewisse  Verwandtschaft  zwischen 
den  Präparationsfragen  und  den  Visitationsfragen  der 
Kirchenordnung  (Buch  II,  Kap.  24)  nicht  zu  verkennen  ist. 
Die  Reihenfolge  und  Benennung  der  Kapitel  stimmt  in 
beiden  in  weitgehendem  Maße  überein,  einzelne  Fragen  der 
Präparationsartikel  sind  der  Casimiriana  wörtlich  ent- 
nommen 1).  Aber  die  Verwandtschaft  zwischen  beiden  ist 
doch  bei  weitem  nicht  so  groß,  wie  mau  nach  der  ange- 
führten Stelle  des  Ausschreibens  annehmen  könnte.  Ja  die 
Selbständigkeit  der  Fragen  gegenüber  der  Kirchenordnung 
ist  viel  größer  als  ihre  Abhängigkeit  von  ihr.  Von  den 
273  Fragen  an  die  Pfarrer  stimmen  nur  24  wörtlich  oder 
nahezu  wörtlich  mit  dieser  überein,  andere  sind  dem  Inhalt 
nach  verwandt,  die  meisten  aber  sind  ganz  unabhängig  von 
ihr.  Es  ist  eigentümlich,  wie  in  den  Kapiteln,  die  hier  wie 
dort  dieselbe  Überschrift  tragen ,  der  Inhalt  der  Fragen 
häufig  ganz  verschieden  ist.  Es  hat  oft  den  Anschein,  als 
ob  die  Fragen  der  Kirchenordnung  mit  Absicht  vermieden 
und  andere  an  die  Stelle   gesetzt  wären  2). 


1)  Vgl.  z.  B.  die  Kapitel  von  der  Beichte,  von  den  Hochzeiten, 
vom  Pfarr-  und  Kircheneinkommen,  von  Schulen. 

2)  Beispiele  dafür  lassen  sich  in  großer  Zahl  anführen.  So 
wird  in  dem  Artikel  „Von  Begräbnissen"  in  der  Kirchenordnung  nach 
dem  Begräbnisplatz  und  den  Gräbern  gefragt,  die  Präparationsfragen 
beschäftigen  sich  außer  mit  dem  Hergang  beim  Begräbnis  (auf  den 
sich  allerdings  auch  in  der  Kirchenord nung  eine  Frage  bezieht)  mit 
den  Begräbnisraahlzeiten.  ,,Von  Predigten"  handeln  in  der  Kirchen- 
ordnung 2  Fragen,  die  der  Pfarrer,  und  11,  die  die  Gemeinde  zu 
beantworten  hat.  Doch  zeigen  diese  Fragen  kaum  eine  Verwandt- 
schaft mit  den  12  Fragen  unserer  ,,Articul".  Die  Kirchenordnung 
hat  einen  ausführlichen  Artikel,  „Von  Glaubensbekenntnis,  Leben  und 
Wandel  der  anbefohlenen  Zuhörer"  (33  Fragen),  in  dem  besonders 
eifrig  nach  der  Sonntagsheiligung  und  dem  Besuch  des  Gottesdienstes, 
nach  Zauberei  und  Gotteslästerung,  sowie  nach  dem  ehehchen  Leben 
gefragt  wird.  Die  Präparationsfragen  behandeln  in  den  Artikeln 
„Von  öffentlichen  Sünden  und  Ärgernissen"   und   „Von  Eltern  und 


410  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

Überall  sehen  wir  eine  eigentümliche  Mischung  von 
Abhängigkeit  und  Selbständigkeit,  bei  der  die  Selbständig- 
keit aber  bedeutend  überwiegt. 

Wir  können  dieses  eigentümliche  Verhältnis  nur  er- 
klären, wenn  wir  den  andersartigen  Zweck  der  Fragen  in 
der  Kirchen  Ordnung  und  hier  in  Betracht  ziehen.  Dort 
haben  wir  die  Fragen  für  die  jährliche  Spezial Visitation, 
hier  für  die  einmalige  Generalvisitation.  Dort  werden 
die  Fragen  bei  der  Visitation  selbst  gestellt  und  münd- 
lich beantwortet,  hier  tragen  sie  einen  durchaus  vor- 
bereitenden Charakter.  Sie  bilden  noch  nicht  die  eigent- 
liche Visitation,  sondern  sollen  nur  ein  vorläufiges  Bild  der 
Zustände  und  Verhältnisse  in  den  Gemeinden  geben,  an 
das  die  eigentliche  Visitation  nachher  anknüpfen  kann.  Sie 
rechnen  stets  mit  dem  nachfolgenden  mündlichen  Verhör, 
während  sie  selbst  schriftlich  zu  beantworten  sind. 
Dieser  vorbereitende  Charakter  der  Fragen  bedingt  nun 
auch  ihr  eigentümliches  Verhältnis  zur  Casimiriana.  Be- 
trachten wir  die  Instruktion  vom  13.  November  1641,  die 
das  Verfahren  bei  der  eigentlichen  Visitation  regelt  und  die 
hier  zu  stellenden  Fragen  enthält,  so  sehen  wir  hier  ganz 
im  Gegensatz  zu  den  Präparationsartikeln  eine  außerordent- 
lich weitgehende  Verwandtschaft  mit  der  Casimiriana.  Die 
Instruktionsfragen  sind,  besonders  in  ihrem  zweiten  Teil, 
nichts  anderes  als  eine  Erweiterung  der  Fragen  der  Kirchen- 


Hausherrn"  ähnhche  Dinge,  doch  in  vöUig  anderer  Weise.  Sonntags- 
heiligung, Besuch  des  Gottesdienstes  und  Gotteslästerung  kommt  hier 
fast  gar  nicht  vor,  der  Artikel  „Von  Eltern  und  Hausherrn"  be- 
handelt viel  mehr  das  Verhältnis  der  Eltern  zu  den  Kindern  als  das 
der  Ehegatten  zueinander.  Katechismus  und  Kinderlehre  haben  in 
der  Kirchenordnung  bei  den  Fragen  an  den  Pfarrer  überhaupt  keine 
Stelle,  während  sie  in  den  Präparationsfragen  ausführlich  behandelt 
werden;  unter  den  Fragen  der  Kirchenordnung  an  die  Gemeinde 
finden  sich  allerdings  5  ,,vom  Catechismo" ,  doch  ist  keine  von 
diesen  wörtlich  in  die  Präparationsfragen  übergegangen ,  und  nur 
eine  stimmt  dem  Inhalt  nach  mit  einer  der  Fragen  Herzog  Ernsts 
überein. 


im  Herzogtum  Sachsen- Gotha  1641 — 1645.  411 

Ordnung.  Und  auf  die  später  abzuhaltende  Visitation  hatte 
man  schon  bei  der  Ausarbeitung  der  vorbereitenden  Fragen 
sein  Augenmerk  gerichtet:  die  Fragen  der  Casimiriana 
sollten  erst  später  gestellt  werden,  jetzt  kam  es  darauf 
an,  einige  andere  Dinge,  die  dort  nicht  vorgesehen  waren, 
zu  ergründen.  Daher  die  Verschiedenheit  von  der  Kirchen- 
ordnung, daher  die  eigentümliche  Erscheinung,  daß  unter 
denselben  Überschriften  oft  ganz  verschiedene  Dinge  be- 
handelt werden,  daher  aber  auch  die  stellenweise  Überein- 
stimmung, die  sich  daraus  erklärt,  daß  es  nicht  immer  mög- 
lich war,  die  Fragen  der  Casimiriana  ganz  zu  umgehen. 

Dieses  Verhältnis  zur  Kirchenordnung  wird  noch  be- 
sonders deutlich,  wenn  wir  statt  der  endgültigen  Form  der 
Fragen  uns  den  Entwurf  dazu  ansehen.  Der  Entwurf 
hat  38  Fragen  weniger  als  die  „Articul".  Von  diesen  38 
Fragen  sind  aber  nicht  weniger  als  20  wörtlich  oder  nahezu 
wörtlich,  4  dem  Sinne  nach  der  Casimiriana  entnommen. 
Ziehen  wir  nun  in  Betracht,  daß  von  den  273  Fragen  in 
der  endgültigen  Form  der  Artikel  nur  24  wörtlich  mit  der 
Kirchenordnung  übereinstimmen,  so  sehen  wir,  daß  in  dem 
Entwurf  das  Prinzip,  die  Fragen  der  Casimiriana  zu  ver- 
meiden und  einer  späteren  Beantwortung  vorzubehalten, 
fast  ganz  rein  durchgeführt  war.  Die  endgültige  Form  ist 
entstanden  durch  Hinzufügung  von  Fragen,  die  größtenteils 
aus  der  Casimiriana  stammen,  zu  dem  Entwurf.  Es  ist 
also  nicht  so,  daß  die  Fragen  „der  Kirchenordnung  ent- 
nommen und  mit  etzlichen  Spezialpunkten  illustriert  und 
vermehrt  worden"  sind.  Vielmehr  ist  es  gerade  umgekehrt : 
erst  waren  die  Spezialpunkte  da,  zu  diesen  wurden  dann 
Ergänzungen  aus  der  Kirchenordnung  gemacht.  Die  Ver- 
teilung der  Fragen  auf  Präparation  und  eigentliche  Visi- 
tation erklärt  sich  nicht  durch  die  Reflexion  darauf,  welche 
Fragen  sich  mehr  zu  schriftlicher  und  welche  mehr  zu 
mündlicher  Beantwortung  eignen,  sondern  durch  die  Rück- 
sicht auf  die  Kirchenordnung. 

Die  Selbständigkeit  gegenüber  der  Casimiriana  schließt 


412  Die  Generalvisitatiou  Einsts  des  Frommen 

nun  an  sich  nicht  aus,  daß  die  Fragen  vielleicht  von  einer 
anderen  Kirchenordnung  oder  von  bestimmten  Entwürfen 
und  Vorarbeiten  abhängig  sind.  Aber  ich  habe  nichts  der- 
gleichen konstatieren  können.  Die  Verwandtschaft  mit  der 
Kirchenordnung  des  Kurfürsten  August  von  Sachsen  (1580, 
2.  Aufl.  1618)  erstreckt  sich  nur  auf  solche  fragen,  die 
dieser  und  der  Casimiriana  gemeinsam  sind ;  ebensowenig 
läßt  sich  eine  deutliche  Abhängigkeit  von  früheren  Visi- 
tationsinstruktionen oder  sonstigen  Vorarbeiten  i)  feststellen. 
Auch  die  Ordnungen  im  zweiten  Buch  der  Casimiriana, 
Kap.  6 — 22,  bilden  keine  Quelle  für  die  Präparationsfragen; 
diese  stehen  vielmehr  allen  früheren  Entwürfen  und  Vor- 
arbeiten im  wesentlichen  selbständig  gegenüber. 

Diese  Unabhängigkeit  der  Fragen  gegenüber  früheren 
Ordnungen  verleiht  ihnen  auch  ihren  besonderen  Charak- 
ter. Eine  Neuerung  gegenüber  früheren  Visitationen  und 
Kirchenordnungen  ist  es  zunächst,  daß  von  den  Pfarrern  hier 
verlangt  wird,  ein  genaues  Register  der  ihnen  an- 
vertrauten Zuhörer  mit  Angabe  der  Familienverhält- 
nisse, des  Alters  und  Berufes  jedes  einzelnen  aufzustellen. 
Weder  in  der  kursächsischen  Kirchenordnung  von  1580 
noch  in  der  Casimiriana  ist  von  derartigen  „Seeleuregistern" 
die  Rede.  Auch  igt  mir  nicht  bekannt  geworden,  daß  bei 
Gelegenheit  irgend  einer  früheren  Visitation  von  den  Pfarrern 
verlangt  worden  wäre,  solche  aufzustellen  und  zu  führen. 
Evenius  (in  seinem  Sendschreiben  von  1634)  und  Schmid  (in 
seinem  G-utachten  von  1636)  sprechen  zwar  von  der  Pflicht 
des  Pfarrers,  Hausbesuche  zu  machen  und  für  häusliche  Ein- 
übung des  Katechismus  zu  sorgen,  aber  daß  zu  diesem  Zweck 
ein  Seelenregister  angefertigt  werden  soll,  verlangen  sie  nicht. 
Erst  im  Pietismus  wurde  es  Sitte,  solche  Register  zur  Be- 
aufsichtigung der  Pfarrkinder  und  Erleichterung  der  Seel- 
sorge   anzulegen.     Die    einzige    Spur   einer    ähnlichen    Ein- 

1)  Vgl.  die  „Mängel,  Ursachen  und  Eemedia",  oben  S.  95 ff.; 
die  Fragen  der  Spezialvisitation  im  Amt  Weimar,  S.  122—125; 
Kromayers  Fragen  von  1639,  S.  125  f.,  und  von  1640,  S.  126  f. 


im  Herzogtum  Sachsen -Gotha  1641—1645.  413 

richtung  in  lutherischen  Landeskirchen  aus  v  o  r  pietistischer 
Zeit  finden  wir  in  Hessen-Darmstadt,  In  der  „Ord- 
nung von  fleißiger  Übung  des  Catechismi"  des  Landgrafen 
Georg  II.  wird  die  reformierte  Einrichtung  des  Hausbesuches 
auch  in  der  lutherischen  hessen-darmstädtischen  Landes- 
kirche eingeführt  und  zur  Erleichterung  dieser  Hausbesuche 
ebenfalls  nach  reformiertem  Vorbild  bestimmte  „Seniores" 
oder  Presbj^ter  bestellt  ^).  Einem  jeden  von  diesen  Senioren 
sollen  bestimmte  Gassen  oder  Häuser  zugeordnet  werden, 
die  er  zu  beaufsichtigen  hat.  Damit  er  aber  diese  Auf- 
sicht desto  besser  ausüben  kann,  soll  „ein  jeder  Senior 
einen  Catalogum  aller  derer  Seelen,  so  in  den  ihm  zu- 
geordneten Häusern  und  Bezirk  befindlich  sind  und  ihrer 
aller  Namen,  auch  wie  alt  ein  jeglicher?  was  sein  Tun  und 
Amtsgeschäfte  seien?  aufgezeichnet  haben,  und  wann  er 
selbst  nicht  lesen  könnte,  das  Verzeichnis  von  dem  Pre- 
diger oder  auch  von  den  dazu  tüchtigen  Mitsenioren  ihm 
vorlesen,  und  wann  etliche  Personen  zu-  oder  abgingen, 
ändern  lassen".  Diese  Bestimmung  wurde  indessen  in 
Hessen  tatsächlich  nicht  durchgeführt.  Sie  stand 
nur  auf  dem  Papier.  Trotzdem  aber  ist  es  nicht  unmög- 
lich, daß  Ernst  die  Anregung  zur  Einführung  von  Seelen- 
registern aus  Hessen  erhalten  hat.  Von  der  Einführung 
des  Seniorenamtes  hielt  ihn  wohl  der  reformierte  Bei- 
geschmack ab,  der  diesem  Institut  anhaftete,  die  Seelen- 
register aber  hielt  er  für  brauchbar  und  übernahm  sie.  Es 
war  dasselbe  Interesse,  das  ihn  beseelte,  das  auch  nachher 
den  Pietismus  zur  Einführung  der  gleichen  Einrichtung  ver- 


1)  Vnsere/  Georgen  von  GOttes  Gnaden  /  Landgrafen  zu  Hessen  / 
Grafen  zu  Catzenelnbogen  /  Dietz  /  Ziegenhain  vnd  Nidda  /  etc.  Ord- 
nung/ Von  f leissiger  Vbung  dess  Catechismi  /  der  Kinderlehr  /  mehrer 
Kirchen-disciplin,  vnd  anderer  /  zu  erbawung  dess  wahren  Christen- 
thumbs  nötiger  Stücke.  Gedruckt  zu  Marpm-g  /  Bey  Nicolas  Ham- 
pelio,  Typogr.  Academ,  1634.  Wiederumb  auffgelegt  vnd  gedruckt 
zu  Darmbstatt  /  Bey  Christoph  Abeln  /  1661.  —  S.  10  ff.  Vgl. 
Tholuck,  Lebenszeugen,  S.  85  f. 

XXVII.  27 


414  I^iß  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

anlaßt  hat:  Es  ist  die  Pflicht  der  Pfarrer,  solche  Register 
zu  führen,  denn  der  Pfarrer  ist  verantwortlich  für  jede 
einzelne  Seele,  er  muß  sich  um  jedes  einzelne  Gremeindeglied 
kümmern,  es  kennen,  beobachten  und  beaufsichtigen.  — 
Leider  kann  ich  die  Frage,  ob  es  vielleicht  in  einzelnen 
gothaischen  Gemeinden  schon  vor  1641  Seelenregister  gab, 
oder  ob  wir  es  hier  mit  ihrer  erstmaligen  Einführung  zu 
tun  haben,  auf  Grund  des  mir  vorliegenden  Materials  nicht 
völlig  sicher  beantworten.  Doch  kann  es  wohl  als  aus- 
gemacht gelten,  daß  wir  von  Seelenregistern  als  einer  all- 
gemeinen Einrichtung  vor  der  Zeit  des  Herzogs  nicht 
reden  können.  Erst  seit  seiner  Regierung  finden  wir  solche 
Register  überall  in  den  gothaischen  Gemeinden.  Sie  er- 
hielten sich  an  vielen  Orten  noch  lange  Zeit  und  bildeten 
die  Grundlage  für  die  von  den  Pfarrern  zu  haltenden 
Katechismus-Informationen. 

Das  Interesse  am  Katechismus,  das  für  die  Ein- 
führung von  Seelenregistern  zum  mindesten  mitbestimmend 
war,  tritt  uns  auch  sonst  in  den  Fragen  aufs  deutlichste 
entgegen.  „Die  grobe  Unwissenheit  im  Verstände  der 
göttlichen  Lehre  des  Catechismi"  war  ein  Hauptgegenstand 
der  Visitation.  Haben  die  Zuhörer  den  Katechismus  im 
Gedächtnis  und  haben  sie  auch  den  richtigen  „Verstand 
von  den  notwendigsten  Stücken  der  Seligkeit"  ?  Sind  die 
nötigen  Einrichtungen  in  Kirchen  und  Schulen  vorhanden, 
um  die  Leute  in  die  Kenntnis  und  den  „Verstand"  des 
Katechismus  einzuführen?  Tun  Pfarrer  und  Lehrer  in  dieser 
Hinsicht  ihre  Schuldigkeit  ?  Das  sind  die  Fragen ,  auf 
die  es  den  Visitatoren  ankam.  Und  wenn  der  „Verstand" 
des  Katechismus  auch  —  weniger  von  den  Visitatoren  als 
von  den  Pfarrern  —  noch  sehr  äußerlich  und  dogmatisch 
gefaßt  wurde,  so  war  es  doch  ein  Fortschritt  gegenüber 
dem  bloßen  Herplappern  der  Katechismusworte,  wie  es  in 
den  Schulen  und  Katechismus-Unterweisungen  vielfach  geübt 
wurde.  Die  Präparationsfragen  erkundigen  sich  aufs  ge- 
naueste nach  den  Katechismus-Kenntnissen  aller  Gemeinde- 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  415 

glieder,  der  Alten  wie  der  Jungen,  nur  beim  Adel  wird 
vorsichtigerweise  blol]  gefragt:  „Ob  die  Kinder  auch  einen 
guten  Grund  im  Catecbismo  gelegt?" 

In  engem  Zusammenhang  mit  dem  Interesse  des  Her- 
zogs am  Katechismus  steht  das  für  die  Schule.  Schon 
Bohne  hat  ja  darauf  hingewiesen,  wie  ausführlich  das  Schul- 
wesen in  den  Fragen  behandelt  wird.  Er  führt  eine  ganze 
Anzahl  der  Fragen  an,  die  die  Schule  betreffen  i).  Wäh- 
rend die  Casimiriana  nur  5  Fragen  „von  Schulen"  und  20 
„von  Schreibern,  Kirchnern  und  Custoden  in  Dörrern"  ^) 
enthält,  die  alle  von  der  Gemeinde  zu  beantworten  sind, 
und  während  dort  der  Pfarrer  überhaupt  nicht  über  die 
Schulen  befragt  wird,  hat  er  hier  35  Fragen  „von  Schulen", 
11  „von  Küstern"  und  9  „von  Mägdlein-Schulen"  zu  be- 
antworten. Die  Fragen  beschäftigen  sich  mit  der  Zahl  der 
Schüler,  der  Methode  und  dem  Inhalt  des  Unterrichts,  dem 
Schulbesuch,  der  Person  des  Lehrers,  seiner  Qualifikation 
zum  Amt  und  seinem  Lebenswandel,  dem  Verhältnis  von 
Pfarrer  und  Schulmeister,  Kirche  und  Schule.  Es  wird 
gefragt,  ob  etliche  „gute  ingenia"  vorhanden  seien,  die  eine 
höhere  Bildung  erlangen  könnten.  Man  erkundigt  sich  da- 
nach, wer  von  den  Erwachsenen  lesen  und  schreiben  kann 
und  wer  nicht,  sowie  ob  die  Eltern  ihre  Söhne,  wenn  sie 
nicht  studieren,  etwas  Tüchtiges  und  Ehrliches  lernen  lassen. 
Auch  die  Schulbildung  der  adligen  Kinder,  die  meistens  in 
der  Hand  von  Privatpräzeptoren  lag,  wurde  in  den  Bereich 
der  Visitation  gezogen. 

Das  katechetisch-pädagogische  Interesse  steht  durchaus 
beherrschend  im  Vordergrund.  Auch  die  Amtshandlungen 
des  Pfarrers  werden  zum  Teil  unter  diesem  Gesichtspunkt 
betrachtet.  Dabei  ist  aber  zu  beachten,  daß  der  Katechis- 
mus nicht  als  Selbstzweck,  sondern  als  Mittel  zum  Zweck 
eines  sittlichen  Lebens  und  schließlich  der  „Seligkeit"  er- 
scheint.    Die  „reine  Lehre"    wird    nur    vorübergehend    ge- 

1)  Bohne,  Die  pädagog.  Bestrebungen  Ernsts  d.  Fr.,   S.  113  f. 

2)  Das  Schulamt  war,  wie  der  Visitationsbefund  zeigt,  auf  den 
Dörfern  allgemein  mit  dem  Küsteramt  verbunden. 

27* 


416  Die  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

streift.  Nach  Ketzern  zu  fahnden  ist  nach  Ansicht  der 
Visitatoren  glücklicherweise  unnötig. 

Durch  die  Kriegslage  veranlaßt  sind  besonders  die 
Tragen  nach  dem  E  i  n  k  o  m  m  e  n  des  Pfarrers  und  der 
Kirche.  Sicherung  und  Aufbesserung  des  Gehalts  der 
Geistlichen,  Sicherstellung  des  Kirchenvermögens,  Be- 
wahrung der  Kirchen,  Pfarr-  und  Schulhäuser  vor  Verfall 
und  Wiederherstellung  baufälliger  Gebäude  war  durch  die 
im  Krieg  geschaffenen  Verhältnisse  dringend  geboten.  Des- 
halb richteten  auch  die  Visitatoren  gerade  auf  diese  Dinge 
ihre  besondere  Aufmerksamkeit.  Auch  die  Fragen,  die  sich 
mit  der  Fürsorge  für  Arme  und  Kranke,  den  Hospitalen 
und  der  Waisenpflege  beschäftigen,  sind  im  wesentlichen 
durch  dieselben  Erwägungen  veranlaßt. 

Den  gleichen  Charakter  wie  die  Fragen  an  die  Pfarrer 
tragen  auch  die  an  die  Gerichtsherren  und  Beamten.  Sie 
handeln  zunächst  von  den  öffentlichen  Sünden  und  Ärger- 
nissen und  dem  Amt  der  Obrigkeit  (1 — 10),  dann  von  dem 
Pfarrer,  seiner  Amtsführung,  seinem  persönlichen  Leben  und 
seiner  Besoldung  (11 — 39),  ferner  vom  Schulmeister  (40 — 45), 
endlich  von  der  Waisen-  und  Armenpflege  (46 — 55).  Sie  sind 
wegen  ihrer  geringeren  Ausführlichkeit  nicht  von  derselben 
Bedeutung  wie  die  Fragen  an  die  Pfarrer.  —  Das  Aus- 
schreiben und  die  Fragen  wurden  den  Pfarrern  und  Ge- 
richtsherren in  den  ersten  Tagen  des  Jahres  1641  zugestellt. 
Es  wurde  von  Gotha  aus  den  Superintendenten  und  Ad- 
junkten, von  diesen  wieder  den  Pfarrern  vermittelt,  die 
Räte  der  Städte  und  die  adligen  Gerichtsherren  erhielten 
es  direkt.  Wir  besitzen  noch  das  Begleitschreiben  des 
Salomon  Glaß,  mit  dem  er  das  fürstliche  Patent  den  Pfarrern 
der  Inspektion  Gotha  zusandte.  Es  ist  datiert  vom  5.  Ja- 
nuar 1641  1).  Alle  Pfarrer  und  Gerichtsherren  hatten  durch 
Namensunterschrift  den  Empfang  zu  bescheinigen  2),   außer- 

1)  Original  im  Kons.-Archiv  zu  Gotha,  Loc.  18,  No.  2. 

2)  Eine  Anzahl  Empfangsbescheinigungen,  die  aus  der  Zeit  vom 
ö. — 28.  Januar  1641  datiert  sind,  siehe  im  Goth.  Kons.-Archiv,  Loc.  18, 
No.  2,  und  Loc.  19,  No.  19. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  417 

dem   mußten  die  Pfarrer  das  Ausschreiben    durch  Vorlesen 
von  der  Kanzel  zur  Kenntnis  ihrer  Gemeinden  bringen. 

3.   Kritik  an  dem  Ausschreiben  von  selten  der  Diaconi 
zu  Gotha. 

Das  Ausschreiben  mit  den  Fragen  erregte  bei  den 
Pfarrern,  sowie  den  Adels-  und  Magistratspersonen,  denen 
es  zugeschickt  wurde,  durchaus  keine  ungemischte  Freude. 
Und  das  ist  nicht  zu  verwundern.  Zwang  es  die  Pfarrer 
doch,  aufs  genaueste  über  ihre  Amtsführung  und  die  Zu- 
stände in  den  Gemeinden  zu  berichten  und  alle  Miß- 
stände bis  ins  kleinste  hinein  aufzudecken.  Gegenüber 
solch  ausführlichen  Fragen  war  eine  Vertuschung  oder 
Verschweigung  unangenehmer  Dinge  kaum  möglich.  Dazu 
kam ,  daß  diese  Maßregel ,  vor  der  Visitation  schrift- 
liche Berichte  einzufordern,  als  etwas  durchaus  Neues 
empfunden  wurde.  In  der  Tat  weiß  ich  von  keiner  Visi- 
tation, bei  der  man  die  Einsendung  auch  nur  annähernd 
so  eingehender  Berichte  verlangt  hätte.  Die  hessische  Visi- 
tation von  1628  kennt  nur  die  vor  der  Visitation  einzu- 
reichenden „Gebrechen"  der  einzelnen  Gemeinden  und  Ge- 
meindeorgane i),  Georg  Calixt  weiß  nur  von  7  Fragen,  die 
vor  der  Visitation  schriftlich  zu  beantworten  waren  (s.  oben 
S.  402),  Kromayer  hatte  allerdings  von  den  Pfarrern,  wie 
wir  sahen,  schriftliche  Berichte  über  bestimmte  Punkte  ein- 
gefordert, aber  auch  diese  hielten  sich  doch  in  durchaus 
bescheidenen  Grenzen  (s.  oben  S.  125 — 127).  Weder  die 
Casimiriana  noch  eine  andere  von  den  Kirchenordnungen, 
die  mir  bekannt  geworden  sind,  weiß  von  einer  ähnlichen 
Einrichtung;  und  wenn  später  in  Weimar  unter  der  Leitung 
Kromayers  allerdings  ein  ähnlich  ausführlicher  Fragebogen 
an  Pfarrer  und  Beamte  abgesandt  wurde  -),  so  besteht  doch 
ein  großer  Unterschied  zwischen  Weimar  und  Gotha.    Denn 

1)  Diehl,  Zur  Geschichte  des  Gottesdienstes  in  Hessen,  S.  14  f. 

2)  Goth.   Kons.-Archiv,  Loc.  19,  No.  19.     „Weimarische  Vis.- 
Acta"  J.  K.  L.  M. 


418  ßiß  Generalvisitation  Emsts  des  Frommen 

in  Weimar  ist  mit  der  schriftlichen  Beantwortung  der  Fragen 
die  Visitation  im  wesentlichen  beendet,  während  hier  die 
Hauptsache  erst  nachher  anfängt.  Die  Fragen  bilden  nur 
die  Vorbereitung,  und  zwar  eine  Vorbereitung  sowohl 
zur  Schul-  wie  zur  Kirchenvisitation. 

Kein  Wunder  also,  daß  Widerstand  und  Kritik  nicht 
lange  auf  sich  warten  ließen.  Die  drei  Diaconi  zu  Grotha, 
M.  Liborius  Thilo,  M.  Andreas  Gnüge  und  M.  Johann 
Strobel,  hatten  nach  vorhergegangener  Verabredung  sofort 
einen  oder  höchstens  2  Tage  nach  dem  Erscheinen  des  Aus- 
schreibens (vielleicht  am  Epiphaniastag,  6.  Januar)  öffent- 
lich von  der  Kanzel  herab  gegen  ein  neu  erschienenes 
ketzerisches  Büchlein  polemisiert,  ohne  jedoch  den  Titel 
dieses  Büchleins  anzugeben.  Es  wurde  dadurch,  jedenfalls 
der  Absicht  der  Prediger  entsprechend,  der  Verdacht  er- 
weckt, als  ob  unter  diesem  Büchlein  das  fürstliche  Visi- 
tationsausschreiben gemeint  sei.  Die  Sache  wurde  rasch 
bekannt,  und  schon  am  8.  Januar  wurden  die  Diaconi  vor  das 
Konsistorium  gefordert.  Sie  wurden  kurz  verhört  und  noch- 
mals auf  den  folgenden  Tag  zitiert,  damit  man  ihnen  die 
Ungehörigkeit  ihres  Vorgehens  vorhalte  und  eine  öffentliche 
richtigstellende  Erklärung  verlange.  Die  „Vorhaltung",  die 
ihnen  bei  dieser  Gelegenheit  vorgelesen  wurde  und  die  von 
Simon  Malsius  verfaßt  ist,  bezieht  sich  auf  folgende  Punkte  ^) : 

1)  Die  Zusammenkunft  und  Beratung  über  ein  ver- 
dächtiges Büchlein  hätte  nicht  ohne  Zuziehung  des  Super- 
intendenten vorgenommen,  viel  weniger  aber  ohne  ihn  über 
das  Büchlein  ein  Beschluß  gefaßt  werden  dürfen. 

2)  Wenn  verdächtige  Dinge  in  einer  Gemeinde  vor- 
kämen, so  hätten  diese  zuerst  nach  den  von  Christus  selbst 
vorgeschriebenen  „gradibus"  im  geheimen  erkundigt,  die- 
jenigen, die  verdächtige  Bücher  gebrauchen,  absonderlich 
zur  Rede  gesetzt  und  nach  Gelegenheit  gestraft  werden 
müssen,  damit  nicht  eine  ganze  unwissende  Gemeinde  ent- 
weder geärgert  oder    doch    zu    gefährlicher  Nachfrage   ver- 


1)  Kons.-Archiv  zu  Gotha,  Loc.  18,  No.  2. 


im  Herzogtum  Sachsen-Gotha  1641 — 1645.  419 

anlaßt  werde.  —  Außerdem  hätte  man  den  Verfasser  des 
ketzerischen  Traktates  mit  Namen  nennen  oder,  wenn  das 
Buch  anonym  erschienen  wäre,  den  Titel  so  genau  be- 
zeichnen müssen,  daß  kein  Zweifel  möglich  sei. 

3)  I.  Fürstl.  Gnaden  lassen  es  zwar  dahingestellt,  ob 
die  Polemik  sich  auf  das  „von  vielen  fürtrefflichen  Theo- 
logis und  Politicis,  auch  ganzen  theologischen  Fakultäten 
und  geistlichen  Consistoriis  wohl  erwogene,  approbierte  und 
censurierte  Visitationswerk"  bezieht.  Da  aber  durch  die 
Predigten  der  Verdacht  erweckt  worden  sei,  als  sei  das 
Visitationswerk  damit  gemeint,  so  müsse  den  Leuten  dieser 
Verdacht  auf  dieselbe  Weise  wieder  genommen  werden,  wie 
er  ihnen  beigebracht  sei,  nämlich  durch  öffentliche 
Verkündigung  von  der  Kanzel.  Die  Diaconi  sollen 
deshalb  nicht  nur  das  Ausschreiben  von  der  Kanzel  ver- 
lesen, sondern  auch  die  gute  Gelegenheit  „morgenden  sonn- 
täglichen Evangelii,  da  Christus  zu  seinem  Tempel,  den- 
selben von  allem  pharisäischen  Sauerteig  und  Heuchelei  zu 
reinigen,  zum  erstenmal  kommen"  i),  benutzen,  um  von  der 
„Notwendigkeit  christlicher  Visitation  und  ßepurgation"  zu 
reden,  das  Vorhaben  des  Herzogs  zu  empfehlen  und  da- 
durch alle  Mißverständnisse  zu  beseitigen, 

4)  Endlich  aber  sei  es  zu  tadeln,  daß  die  Diaconi  gegen 
den  Hofprediger  Brunchorst  „beschwerliche  Suspiciones  und 
fast  unverdunkelte  Imputationes"  sich  haben  vermerken 
lassen.  Der  Herzog  wolle  ihnen  zwar  für  diesmal  ver- 
zeihen, aber  „dergleichen  hinfüro  nicht  mehr  gewärtig  sein". 

Auf  diese  Vorhaltung  hin,  die  den  Diaconis  von  Simon 
Malsius  in  Gegenwart  von  Glaß,  Brunchorst  und  dem 
Kammerherru  Christoph  v.  Hagen  gemacht  wurde,  erklärte 
Thilo  als  der  älteste  in  seinem  und  seiner  Kollegen  Namen : 
sie  hätten  niemals  das  Visitationswerk  anstichein  wollen, 
ihre  Polemik  habe  sich  gegen  ein  verwerfliches  Buch  mit 
anonymem  Verfasser,  „dasselbe,  so  Zapfius  refutieret",    ge- 

1)  Das  Evangelium  des  1.  Sonntags  nach  Epiph.  (10.  Januar 
1641)  ist  Lc.  2^,_52:  Der  zwöKjährige  Jesus  im  Tempel! 


420  I^iß  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen 

richtet  i).  Den  Herrn  Superintendenten  hätten  sie  nicht  zu- 
gezogen, weil  sie  auch  sonst  jederzeit  falsche  Lehre  für 
sich  allein  gestraft  hätten.  Mit  dem  Hofprediger  wollten 
sie  sich  wohl  vertragen,  wenn  sie  nur  selbst  zufrieden  ge- 
lassen würden.  Die  Deklaration  auf  der  Kanzel  solle  ge- 
schehen. Sie  bitten  darum,  sie  bei  dem  Herzog  zu  recom- 
mendieren,  da  sie  nicht  gern  in  der  Zahl  oder  auch  dem 
Verdacht  von  Rebellen  sein  wollten. 

Die  ganze  Angelegenheit  mit  den  Gothaer  Stadtgeist- 
lichen entwickelte  sich  äußerst  rasch.  Am  5.  erschien  das 
Ausschreiben,  am  6.  (oder  7.)  predigten  sie  dagegen,  am  8. 
wurden  sie  vorgefordert  und  am  9.  wurde  ihnen  der  nötige 
Vorhalt  gemacht.  Auf  die  Vorhaltung  hin  unterwarfen  sie 
sich  de-  und  wehmütig;  sie  leugneten  jeden  Zusammenhang 
zwischen  ihrer  Polemik  gegen  das  mysteriöse  ketzerische 
Büchlein  und  dem  Visitationswerk.  Trotzdem  ist  ein  solcher 
Zusammenhang  ganz  unleugbar  vorhanden.  Die  Spitze  der 
Predigten  richtete  sich  tatsächlich  gegen  das  Visitations- 
werk, nur  aus  Vorsicht  unterdrückten  die  Prediger  den 
Namen  und  schoben  das  unfaßbare  ketzerische  Büchlein  vor. 
Das  sehen  wir  deutlich  aus  dem  Wenigen,  was  wir  über 
den  Inhalt  der  Predigten  aus  den  Akten  entnehmen  können. 
Strobel  hatte  gesagt,  daß  die  Alten  den  Katechismus  nicht 
können,  daran  seien  sie  nicht  schuld.  Es  sei  ungereimt, 
daß  die  alten  Leute  den  Katechismus  sollten  wieder  ge- 
brauchen; es  sei,  als  wenn  man  ein  weggeworfenes  Paar 
Schuhe  wieder  hervorsucht.  Man  wolle  jetzt  die  Leute  in 
einer  Stunde  heilig  machen.  Das  sei  aber  verdächtig ;  denn 
der  Satan    sei    es,    der  die   Leute  alle  auf  einmal  engelrein 

1)  Nicolaus  Zapf,  1632 — 42  Professor  in  Erfurt,  später  Hof- 
prediger  und  Nachfolger  Kromayers  in  Weimar  (letzteres  seit  1643), 
begegnet  uns  auch  sonst  unter  den  Gegnern  des  Herzogs.  Er  gab 
1639  die  „Treuherzige  Wächterstimme"  heraus  „wegen  der  an  einigen 
Orten  der  Stadt  Gottes  einschleichenden  Weigelianischen  Mord- 
brenner". Unter  diesen  Mordbrennern  sind  (nach  Beck,  a.  a.  O.  II, 
S.  81,  und  Tholuck,  Lebenszeugen,  S.  74  f.)  Saubert,  Evenius  und 
Herzog  Ernst  gemeint.  (Im  übrigen  verwechselt  Tholuck  Zapf  mit 
Kromayer.)    Vgl.  oben  S.  107,  Anmerkung. 


im  Herzogtum  Sachsen- Gotha  1641—1645,  421 

machen  wolle ;  derselbe  Satan  wolle  aber  zugleich  andere  Leute 
zu  Teufeln  machen.  Deshalb  müsse  man  widerstehen,  jetzt 
sei  es  Zeit  dazu.  —  Das  sind  ganz  ähnliche  Vorwürfe  und 
Beschuldigungen,  wie  sie  von  Kromayer  gegen  Brunchorst 
und  Evenius  erhoben  worden  waren,  und  in  der  Tat  läßt  sich 
ein  Zusammenhang  mit  jenen  Vorwürfen  nicht  verkennen. 
Schon  die  Person  Brunchorsts,  gegen  den  man  sich  auch 
jetzt  in  erster  Linie  wandte  —  man  warf  ihm  vor,  er  habe 
am  3.  Advent  gepredigt,  „jetzo  solle  man  die  Kinder  zu 
Christo  bringen",  gleich  als  wäre  es  zuvor  nicht  geschehen 
—  weist  darauf  hin.  Zur  völligen  Sicherheit  aber  wird  die 
Vermutung  eines  Zusammenhanges  mit  Kromayers  An- 
feindungen durch  die  Aussage  Strobels:  „Der  Verdacht 
gegen  Brunchorst  käme  her  von  Herrn  Kromaj^er,  der  hätte 
durch  Studiosos  vor  ihm  warnen  lassen!"  Die  Gothaer 
Stadtgeistlichen  standen  den  Bestrebungen  Ernsts  mit  ähn- 
lichen Gefühlen  gegenüber  wie  Kromayer.  Sie  fühlten  sich 
durch  sie  nicht  nur  in  ihrer  Bequemlichkeit  gestört,  sondern 
sie  sahen  auch  wie  er  die  reine  Lehre  in  Gefahr.  Sie  ver- 
muteten Weigelianische  und  Schwenkfeldische  Ketzerei,  und 
als  nun  gar  noch  einige  Andeutungen  von  selten  Kromayers 
ihnen  zu  Ohren  kamen,  da  gingen  sie  zur  Opposition  über, 
und  diese  Opposition  hörte  auch  nach  ihrer  Vorladung  vor 
das  Konsistorium  nicht  auf. 

M.  Strobel,  der  dritte  Diaconus,  der  auch  vorher  die 
kühnsten  Behauptungen  aufgestellt  hatte,  unterließ  die  ihm 
auferlegte  öffentliche  Erklärung.  Er  wurde  deshalb  am 
12.  Januar  nochmals  vorgefordert,  und  erst  die  Drohung  der 
Suspension,  wenn  er  sich  am  nächsten  Sonntag  nicht  „besser 
herauslasse",  brachte  ihn  zur  Vernunft.  Auch  Thilo  konnte 
es  nicht  lassen,  trotz  der  Warnungen  des  Konsistoriums 
wiederholt  auf  das  Visitationswerk  zu  sticheln.  Bei  der 
Hochzeit  der  Tochter  des  Bürgermeisters  Weidmüller  in 
Gotha  am  9.  März  hatte  er  „in  Gegenwart  etlicher  vor- 
nehmer geehrter  Leute  die  alten  Suspiciones  wider  das  an- 
gestellte   christliche  Visitationswerk    wieder  herfürgesucht" 


422  l^ie  Generalvisitation  Ernsts  des  Frommen  etc. 

und  dabei  namentlich  die  Katechismusbestrebungen  des 
Herzogs  angegriffen.  Salomon  Glaß,  dem  diese  Reden  zu 
Ohren  kamen,  hatte  ihnen  anfänglich  keine  allzu  große  Be- 
deutung beigelegt.  Er  glaubte,  es  werde  „nicht  sowohl 
dem  TCQoaiQstag  sie  statuenti  animo  als  der  zufälligen 
Trunkenheit  beizumessen  sein".  Als  aber  die  Sticheleien 
sich  wiederholten  und  auch  in  Predigten  ähnliche  Äuße- 
rungen laut  wurden,  hielt  es  Glaß  für  geboten,  ihn  noch- 
mals zu  zitieren  und  ihm  sein  Unrecht  vorzuhalten.  Thilo 
erwiderte  darauf:  „Er  gestehe  und  bekenne,  daß,  wenn  er 
trunken,  er  liberius  rede,  wolle  aber  hinfüro  Achtung  auf 
seine  Reden  haben,  wenn  er  zu  Gaste  sei."  Doch  war  auch 
damit  der  Gegensatz  noch  nicht  aus  der  Welt  geschafft. 
Er  scheint  sich  aus  einem  sachlichen  mehr  und  mehr  zu 
einem  persönlichen  entwickelt  zu  haben,  der  sich  in  ge- 
hässigen Vorwürfen  gegen  den  Superintendenten  äußerte. 
Glaß  sah  sich  genötigt,  sich  in  einem  Schreiben  (vom  22.  Juli 
1641)  an  Ernst  zu  wenden,  um  sich  gegen  Beschuldigungen 
zu  verteidigen,  die  Thilo  gegen  ihn  erhoben  hatte,  und  um 
Schutz  gegen  fernere  Verunglimpfungen  zu  erbitten.  Wie 
die  Zwistigkeiten  schließlich  ausgingen,  ist  mir  nicht  näher 
bekannt. 

Das  Verhalten  der  Diaconi  ist  nur  ein  Symptom  für 
die  allgemeine  Stimmung  im  Land.  Überall  empfand  man 
das  Ausschreiben  als  etwas  Unangenehmes,  Lästiges,  nur 
äußerte  sich  diese  Stimmung  sonst  meist  nicht  in  offenem 
Widerspruch,  sondern  mehr  in  passivem  Widerstand  und 
Nachlässigkeit  in  der  Einsendung  der  Berichte.  Nament- 
lich der  Adel  war  groß  in  dieser  Beziehung,  die  meisten 
Gerichtsherren  und  Beamten  sandten  ihren  Bericht  erst 
nach  nochmaliger  dringender  Mahnung,  während  die  Pfarrer 
allerdings  zum  größten  Teil  eifriger  waren.  Doch  wird  uns 
auch  bei  ihnen  während  des  Verlaufs  der  Visitation  noch 
verschiedentlich  Unzufriedenheit  und  Widerspruch  begegnen. 
(Fortsetzung  folgt.) 


XL 

Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen 
zu  Gotha. 

Von 

Dr.  Ernst  Devrient. 

(Mit  1  Stadtplan  von  Gotha.) 

Über  die  Gothaer  Klöster  hat  J.  H.  Möller  im  IV.  Bande 
dieser  Zeitsclirift  an  der  Hand  der  Urkunden  berichtet. 
A.  Beck  bat  in  seiner  Geschichte  der  Stadt  Gotha  S.  245  ff. 
Möllers  Angaben  teilweise  kritiklos  übernommen.  Beide 
Forscher  haben  sich  mehrere  Unklarheiten  und  Wider- 
sprüche zuchulden  kommen  lassen,  die  sich  namentlich 
bei  der  Gründungsgeschichte  des  Kreuzklosters  bemerklich 
machen  und  leider  auch  die  Darstellung  von  Holtmeyer 
(Zisterzienserkirchen  Thüringens,  1906)  beherrschen.  Eine 
Nachprüfung  der  Urkunden  führte  zu  einem  von  jenen  Dar- 
stellungen mehrfach  abweichenden  Ergebnis,  das  für  die  Ge- 
schichte der  Stadt  und  besonders  ihrer  kirchlichen  Organi- 
sation von  Wert  ist. 

Das  Kloster  soll  um  1251  durch  Heinrich  Setzepfand 
von  Siebleben  und  Burkard  von  Leina  gegründet  worden 
sein,  und  die  Klosterkirche  soll  früher  Katharinenkapelle 
geheißen  haben.  Für  die  erste  Angabe  dient  als  Beleg 
eine  von  Dietrich  von  Gotha  und  seinen  Brüdern  zugunsten 
des  Klosters  ausgestellte  Urkunde.  Sie  ist  gedruckt  bei 
Sagittarius,  Hist.  Gothana,  S.  55  (Berichtigungen  dazu  gab 
Tentzel,  Suppl.  hist.  Goth.,  S.  47)  und  auszugsweise  bei 
Möller  a.  a.  0.  S.  47  f.    Ein  Original    ist    nicht  vorhanden. 


424    Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha. 

Ich  gebe  sie  hier  im  Wortlaut  nach  dem  aus  dem  14,  Jahr- 
hundert stammenden  Kopialbuch  im  Geh.  Haus-  und  Staats- 
archiv (RR  I  12),  wo  sie  auf  Bl.  la  unvollständig,  auf  Bl.  Ib 
vollständig  und  besser  eingetragen  ist.  Die  in  der  ersten 
Abschrift    fehlenden  Stellen  setze  ich  in  eckige  Klammern. 

[E]go  Theodericus  de  Gotha  et  fratres  mei  Johannes 
et  Hermannus  litteris  presentibus  innotescimus  omnibus  has 
audituris  et  visuris,  quod  parentum  nostrorum  et  heredis 
nostri  Hermanni  accedente  consensu  vendidimus  conventui 
sanctimonialium  sancte  crucis  aput  Gotha  et  fundatoribus 
earum  Heinrico  de  Sybeleibe  [dicto]  Sezzepfant  et  Burchardo 
de  Lina  allodium  nostrum  aput  predictam  civitatem  cum 
Omnibus  [eidem  allodio]  attinentibus  et  villula  in  Rode  simul 
et  ecclesiam  sancte  crucis  cum  dote  attinenti,  tam  propria 
quam  illa,  que  in  feodo  possedimus  a  domino  lantgravio 
Thuringorum.  Insuper  hec  omnia  resignavimus  coram  do- 
mino Rudegero  advocato  de  Arnstete  et  Heinrico  de  Ostheim 
tunc  temporis  sculteto  in  Gotha,  presentibus  etiam  multis 
aliis  fide  diguis,  cum  litteris  nostro  sigillo  roboratis  et 
testimonio  subscriptorum.  Testes[ :  scabini  civitatis  dominus 
Helherus  Rigolvus,  Wicelo  Longus,  dominus  Hertwicus, 
dominus  Cünradus  de  Wigeleiben,  Heinricus  Volucris,  do- 
minus Ludewicus  de  Wechmar,  dominus  Kunemundus  senior 
de  Maisleiben,  dominus  Heinricus  de  Baldestete.  Datum  anno 
domini  MCCLL] 

In  dieser  Urkunde  werden  allerdings  die  beiden  oben 
genannten  Personen  als  Stifter  des  Klosters  bezeichnet,  mit 
einem  Ausdruck,  der  auf  die  Hergabe  von  Grund  und  Boden 
(fundus)  zu  der  Klosterniederlassung  hinweist.  Daß  Dietrich 
von  Gotha  und  seine  Brüder  für  dieses  Kloster  die  Kirche 
zum  heiligen  Kreuz  hergeben,  nach  der  das  Kloster  zugleich 
schon  genannt  wird,  scheint  ebenfalls  darauf  hinzuweisen, 
daß  es  sich  um  den  ersten  Akt  der  Gründung  selbst  handelt 
Nun  führt  aber  das  Kloster  in  keiner  der  sonst  vorliegenden 
Urkunden  aus  den  Jahren  1251  — 1255  diese  Bezeichnung. 
Ich  lasse  sie  in  Regestenform  folgen. 


Die  Anfänge  des  Kreiizklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha.    425 

1.  Tharandt  1251  Juli  15:  Heinricli,  Markgraf  von 
Meißen  usw.,  tut  kund,  daß  er  in  Anbetracht  der  Dürftig- 
keit sanctimonialium  ordinis  beate  Katherine 
conversantium  uunc^)  in  Gotha  ihnen  und  ihrem 
Kloster  5  mansos  sitos  aput  ci vitalem  Gotha,  die  Th.  miles  de 
Gotha  von  ihm  zu  Lehen  gehabt  und  ihm  vor  vielen  Zeugen 
aufgelassen  habe,  gegeben  habe,  sie  zu  besitzen  mit  allem 
jetzt  (nunc)  und  künftig  daran  befindlichen  Nutzen.  Acta 
sunt  hec  apud  Tarantum,  anno  domini  M.CC.LL,  XVIII  kal. 
Aug.,  mit  Zeugen.  (Abschr.  XIV.  Jh.  Gotha  HuStA.  RR 
I  12,  Bl.  2b.  —  Druck:  Sagittarius,  Hist.  Goth.,  S.  56 f.; 
vgl.  Möller,  S.  49;  Beck,  S.  246.) 

2.  Weißenfels  1253  August  7:  Derselbe  tut  kund, 
daß  mit  seiner  Einwilligung  Theodericus  de  Tullestete  m  o  n  a  - 
sterio  sanctimonialium  in  Gotha  6  mansos  über- 
trage, die  gen.  Th.  zu  eigen  besessen  habe.  Datum  Wizenvels 

o       o 

anno  domini  MCCLIII.,  VII  Idus  Augusti.  (Orig.  Perg. 
Gotha  HuStA.  QQ  Ic,  1.  —  Druck:  Sagittarius,  S.  63, 
wo  im  Datum  1  Strich  ausgefallen  ist;  vgl.  Möller,  S.  49; 
Beck,  S.  246  falsch  1255.) 

3.  Erfurt  1254  April  24:  Gerhard,  Erzbischof 
von  Mainz  usw.,  erklärt  priorisse  et  conventui  monasterii 
in  Gotha  Cysterciensis  ordinis,  daß  er  sie  mit 
ihrem  Gesinde  und  ihren  Gütern  unter  des  h.  Martin  und 
seinen  Schutz  nehme  und  sie,  ihren  Wohnort  und  ihr  Ge- 
sinde von  der  Pfarrkirche  ausnehme,  so  daß  sie  sich  die 
Gottesdienste  durch  Weltgeistliche  halten  lassen  können; 
auch  verleihe  er  ihnen  alle  Freiheit  und  Ehre  an  Personen 
und  Sachen,  deren  sich  andere  Klöster  ihres  Ordens  im 
Mainzer  Sprengel  erfreuen.  Datum  Erfordiae,  anno  domini 
MCCLIIIL,  VIII  kal.  Maii,  pontificatus  nostri  tercio.  (Orig. 
Gotha  a.  a.  0.  2.  —  Druck :  Sagittarius,  S.  63  f.  mit 
falscher  Jahreszahl  [1253],    berichtigt   von  Tentzel,    S.  49.) 


1)  Hschr.  nc;  Sagittarius  liest:  rite. 


426     I^iß  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha. 

4.  Neapel  125  5  Febr.  22:  Papst  Alexander  IV. 
teilt  dem  Erzbischof  von  Mainz  mit,  daß  er  auf  Bitten  von 
Äbtissin  und  Sammnung  des  Klosters  von  Gotha,  Zister- 
zienser-Ordens ,  da  sie  wegen  des  Geräusches  und  der 
Menschenmenge  in  der  Stadt  Gotha,  in  der  das  Kloster 
gelegen  sei,  ihre  Ordenspflichten  nicht  ganz  erfüllen  könnten 
und  in  der  Muße  der  Betrachtung  gestört  würden,   erlaubt 

habe,    mit   Zustimmung    des    Abtes das   Kloster 

an  einen  besser  geeigneten  Platz  vor  die  Stadt  zu  verlegen. 
Datum  Neapoli,  VIII.  kal.  Marcii,  pontificatus  nostri  anno 
primo.  (Orig.  Gotha  a.  a.  0.  15  (9). —  Druck:  Thüringische 
Stadtrechte  I  (Thür.  Gesch.-Quellen  IX),  S.  387.) 

Die  zuletzt  aufgeführte  Urkunde  war  bisher  so  gut 
wie  unbekannt.  Beck  scheint  sie  nur  flüchtig  gesehen  zu 
haben,  da  er  S.  247  von  einer  Genehmigung  Papst  Alexanders 
zu  der  Urkunde  des  Erzbischofs  Gerhard  (oben  No.  3) 
spricht  (die  Zahl  1229  bei  Beck  ist  natürlich  Druckfehler). 
Wir  erhalten  daraus  wichtige  Aufschlüsse.  Das  Kloster 
lag  zuerst  in  der  Stadt,  wie  auch  aus  allen  angeführten 
Urkunden  hervorgeht.  Draußen  vor  der  Mauer  hatten  die 
Nonnen  11  Hufen  Landes,  teils  eigen,  teils  landgräfliches 
Lehen,  von  Dietrich  von  Gotha  oder  Döllstedt  erworben. 
So  bot  sich  der  Ort  zur  neuen  Anlage  des  Klosters  von 
selbst  dar.  Und  erst  jetzt  können  wir  die  oben  im  Wortlaute 
wiedergegebene  Urkunde  Dietrichs  für  das  Kloster 
zum  h.  Kreuz  bei  Gotha  als  Nr.  5  einreihen.  Denn 
in  ihrer  Datierung  liegt  ein  Widerspruch  mit  den  Tat- 
sachen. Sie  kann  frühestens  1255  ausgestellt  worden  sein, 
geht  also  den  beiden  Bestätigungsbriefen  des  Landgrafen 
nicht  voraus,  sondern  enthält  eine  Zusammenfassung  und 
Vermehrung  der  dort  bestätigten  Veräußerungen  ^).  Es 
wäre    also    möglich,    daß    in    der    Urkunde    gestanden   hat: 

o      o        o 

MCCLV.      Indessen    ist    eine    andere   Erklärung   vielleicht 


1)  Möller  und  Beck  sprechen  ohne  Grund  von  Schenkung 
der  11  Hufen. 


Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha.     427 

richtiger,  nämlich  daß  das  Datum  zu  beziehen  ist  nicht  auf 
den  Hauptteil  der  Urkunde,  sondern  auf  die  angehängte 
Bekräftigung  mittels  zahlreicher  Zeugen,  die  vielleicht  ur- 
sprünglich nur  zu  der  vom  Landgrafen  zuerst  bestätigten 
Auflassung  gehört  (vergl.  die  oben  No.  1  erwähnten  „vielen 
Zeugen").  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  fällt  die  Erwer- 
bung des  Dörfchens  Roda  mit  der  Kreuzkirche  nicht  vor 
das  Jahr  1255.  Dieses  „Rödchen",  wie  es  jetzt  heißt,  wdrd 
zuerst  1231  und  wieder  1239  erwähnt,  indem  Hersfelder 
Lehnstücke  daselbst  vom  Kloster  Georgenthal  an  Gottfried 
v.  Hochheim  vertauscht  werden  ^ ).  Hersfeld  ist  als  Lehns- 
und Zinsherrin  um  Gotha  auch  sonst  bekannt  ^).  Die  Bulle 
Alexanders  IV.  spricht  von  der  Einwilligung  des  Abtes  zur 
Verlegung  des  Klosters  vor  die  Stadt.  Die  stark  beschädigte 
Urkunde  (No.  5)  bat  ein  Loch  im  Pergament  an  der  Stelle, 
wo  das  Kloster  des  Abtes  genannt  war.  Die  Ergänzung 
mit  Fuldensis  (StE,.  S.  387)  ist  keinesfalls  richtig;  möglich 
wäre  Hersfeldensis.  Wahrscheinlich  muß  aber  vallis  s.  Georgii 
ergänzt  werden.  Den  Abt  von  Georgenthal,  ebenfalls 
Zisterzienser-Ordens,  finden  wir  schon  1272  zusammen  mit 
Vertretern  der  Stadt  in  einer  Aufsichtsstellung  über  das 
Nonnenkloster;  ähnlich  tritt  er  1365  auf,  und  zum  Jahre 
1486  erfahren  wir,  daß  ihm  die  Ernennung  des  Propstes 
zustand  ^).  Diese  Tatsachen  in  Verbindung  mit  dem  er- 
wähnten Grundbesitz  lassen  vermuten,  daß  Georgenthal  an 
der  Gründung  dieses  Klosters  seines  Ordens  beteiligt  war 
und  demnach  bei  dessen  Verlegung  ein  gewichtiges  Wort 
mitzusprechen  hatte.  Wenn  übrigens  das  ganze  Rödchen 
ursprünglich  hersfeldisches  Lehen  gewesen  ist,  so  muß  es 
spätestens  1255  aus  diesem  Verhältnis  entlassen  worden 
sein,  da  ja  in  Urkunde  5  nur  von  Eigengütern  und  land- 
gräflichen Lehen  die  Rede  ist. 

1)  Dobenecker,  Reg.  III,  226  und  835.    Beck  gibt  den  Inhalt 
der  Urkunde  von  1239  falsch  wieder. 

2)  Dobenecker,  I  70;  Beck,  S.  27. 

3)  Sagittarius,  S.  76 f.  142.  60;  vgl.  MöUer,  S.  110;  Holtmeyer, 
Zisterzienserkirchen  Thüringens,  S.  146. 


428     Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha. 

Wir  fahren  in  der  Aufzählung  der  Klosterurkunden  fort. 

6.  1255  Mai  24:  Heinrich,  Graf  von  Schwarzburg, 
tut  kund,  daß  er  die  Güter,  welche  conventus  sancti- 
monialium  in  Gotha  von  Ludolf  von  Stotternheim 
und  seiner  Gemahlin  gekauft  hat,  gelegen  im  Dorfe  Goldbach 
und  ihm,  dem  Grafen,  ad  manum  que  vulgariter  salman 
appellatur  zustehend  ^),  in  Gegenwart  des  Grafen  Hermann 
von  Henneberg,  zur  Zeit  Landrichters  ^),  dem  Kloster  über- 
geben   habe.      Mit    Zeugen.     Acta    sunt    hec    anno    domini 

o        o 

MCCLV,  II.  post  octavas  pentecosten.  (Orig.  Gotha  HuStA. 
QQ  Ic,  15.  —  Druck:  Sagittarius,  S.  64;  Hegest  bei  Möller, 
S.  49 f.  Beide  lesen:  1257  post  octava  p.,  wozu  die  Hschr. 
allerdings  zunächst  berechtigt;  da  dieses  Tagesdatum  aber 
keinen  Sinn  hat,  auch  das  Kloster  nicht  noch  über  2  Jahre, 
nachdem  der  Umzug  erlaubt  worden  war,  in  der  Stadt  ge- 
blieben sein  wird,  so  muß  das  Datum  wie  oben  interpungiert 
werden.) 

7.  1258  Juli  11:  Graf  Burchard  v.  Brandenberg 
tut  kund,  daß  er  das  Patronatrecht  der  Pfarrkirche  in  Gold- 
bach, auch  eine  Mühle  daselbst  mit  zugehörigen  Wiesen 
ecclesie  sancte  crucis  iuxta  Gotha  bezw.  monasterio 
sancte    crucis     ordinis    C y s t e r c i e n s i s    aput 

Gotha  übertragen  habe  usw anno  dominice  incarna- 

tionis  millesimo  CCLVIII,  indictione  prima,  feria  quinta 
ante  Margarete.  (Abschr.  XIV  Jh.  in  2  teilweise  ab- 
weichenden Fassungen  Gotha  RR  I  12;  —  Druck:  Sagit- 
tarius, S.  64  f.) 

8.  1258  November  19:  Soror  J.,  miseracione  di- 
vina  dicta  abbatissa  totusque  conventus  sanctimonia- 
lium  Cisterciensis  ordinis  prope  Gotha,  auch  der 
Amtmann  mit  Ratsherren  und  Schöffen  und  der  Gemeinde 
der  erwähnten  Stadt    tun    kund,    daß    sie    die    Kirche    und 


1)  Der  Graf  urkundet  also  nur  als  Treuhänder,  nicht  als  Lehns- 
herr. Über  Salmannen  s.  Heusler,  Institut,   d.  dt.  Privatrechts  I  §  49. 

2)  Über  Hermann   v.  Henneberg  als   Vorsitzenden   des  Land- 
gerichtes vgl.  W.  Füßlein  in  dieser  Zeitschr.  XIX,  303. 


Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha.     429 

Hofstätte  mit  allen  Gebäuden,  die  sie  einst  in  obgenannter 
Stadt  besessen  hatten,  den  Brüdern  vom  Orden  St.  Au- 
gustins  zu  freiem  Eigentum  übertragen  haben,  mit  Aus- 
nahme einer  Hofstätte,  auf  der  ein  Haus  mit  Scheune  steht. 
Doch  solle,  wenn  die  Brüder  genötigt  würden,  den  Ort  zu 
"verlassen,  dieser  mit  allen  Gebäuden  an  die  Nonnen  zu- 
rückfallen. Acta  sunt  hec  anno  domini  MCCLVIII,  tercio 
decimo  kal.  Decembris.  (Abschr.  a.  a.  0.  Bl.  1  b ;  —  Druck  : 
Sagittarius,  S.  1491,  verbessert  Tentzel,  S.  621;  vgl.  Möller, 
S.  259;  Beck,  S.  2701) 

Von  da  an  heißt  das  Nonnenkloster  regelmäßig  zum 
heiligen  Kreuz  bei  (apud,  iuxta,  prope)  Gotha;  nur 
selten  findet  sich  der  weniger  bestimmte  Ausdruck  i  n ; 
später  heißt  es  öfter  extra  muros,  auch  adiacens  nostro 
muro.  Im  übrigen  interessieren  uns  die  späteren  Urkunden 
hier  nicht. 

Das  Ergebnis  unserer  Zusammenstellung  bezüglich  der 
Ortsfrage  ist:  Das  Nonnenkloster  ist  zuerst  in  der  Stadt 
erbaut,  später  vor  das  Brühler  Tor  verlegt  worden.  Den 
Ort  der  ersten  Anlage  erfahren  wir  genauer  aus  Urkunde  8 ; 
es  lag  an  der  Stelle  des  späteren  Augustinerklosters  und 
besaß  schon  eine  Kirche,  die  von  den  Augustinern  über- 
nommen wurde.  Die  Grundstücke  vor  der  Mauer  lagen 
also  nahe  beim  Kloster.  (Siehe  den  Stadtplan  auf  S.  430, 
wo  das  Augustinerkloster  mit  J",  das  Kreuzkloster  mit  K 
bezeichnet  ist.) 

Für  die  Zeit  der  ersten  Gründung  kann  die  Zahl  1251 
beibehalten  werden ;  denn  der  Wortlaut  der  ersten  Urkunde 
deutet  an,  daß  die  Niederlassung  der  Nonnen  in  Gotha 
noch  ganz  jung  war:  conversantium  nunc^).  Die  am 
22.    Februar    1255    genehmigte    Verlegung   scheint   im  Mai 


1)  Nachzutragen  ist  hier  ein  Ablaßbrief,  den  Bf.  Heinrich  von 
Hildesheim  für  den  Konvent  sanctimonialium  in  Gotha  Cisterciensis 
ordinis  als  eine  novella  plantacio  fidelium  ausstellt;   datum 

0  o  o 

Gote,  in  die  beati  Bartolomei,  anno  domini  M .  CC  .  LI,  pontificatus 
nostri  anno  quinto  (1251  Aug.  24.  Gotha,  HuStA.,  QQ  I  c,  12  [16,1]). 
XXVII.  28 


430    Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha. 

noch  nicht  ausgeführt  worden  zu  sein;   jedenfalls    fällt  die    ' 
Erwerbung    der   Kreuzkirche    und    die    Benennung    danach 
erst    nach    den    24.  Mai  1255.     Daß    bereits  4  Jahre    nach 
der  Gründung  eine  Kirche  beim  Kloster  bestand,  ist  aller- 


Stadtplan  von  Gotha. 


dings  merkwürdig ;  denn  die  Zisterziener  haben  damals  ihre 
Gebetshäuser  nicht  mehr  so  einfach  eingerichtet  wie  früher. 
Doch  mögen  die  Nonnen  wenig  Mittel  gehabt  oder  eine 
schon  vorhandene  Kapelle  übernommen  haben. 


Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha,    431 

Der  Ruhm  der  Gründung  gebührt,  wie  wir  gesehen 
haben,  wahrscheinlich,  wenigstens  teilweise,  dem  Kloster 
Georgenthal.  Ob  Heinrich  Setzepfand  und  Burkard  v.  Leina 
schon  an  der  ersten  Gründung  beteiligt  waren  oder  erst  für 
die  Anlage  vor  dem  ßrühler  Tor  (Plan  E)  ihr  Geld  boten, 
bleibt  unbestimmt.  Über  die  Herkunft  der  Nonnen  aber 
schöpfe  ich  ebenfalls  aus  Urkunde  1  eine  Vermutung.  Möller 
und  Beck,  die  trotz  der  ihnen  bekannten  Urkunde  8  die 
Verlegung  des  Klosters  nicht  erkannt  haben,  behaupten,  die 
spätere  Kreuzkirche  habe  früher  Katharinenkapelle  geheißen. 
Grund  zu  dieser,  mehrmals  mit  Sicherheit  wiederholten  und 
in  die  allgemeine  Literatur  ^)  übergegangenen  Behauptung 
kann  ihnen  nur  unsere  Urkunde  1  gegeben  haben,  da  St. 
Katharina  in  keiner  anderen  Klosterurkunde  des  13.  Jahr- 
hunderts erwähnt  wird.  Von  einer  Kapelle  ist  aber  in  dieser 
Urkunde  gar  nicht  die  Rede,  sondern  nur  von  Nonnen  des 
Ordens  St,  Katharinen,  die  sich  jetzt  in  Gotha  aufhalten.  Der 
Ausdruck  scheint  vielmehr  anzudeuten,  daß  die  Nonnen  noch 
keine  geordnete  Niederlassung  in  Gotha  haben.  Ein  Zister- 
zienserinnenkloster zu  St.  Katharinen  bestand  seit  1208  in 
der  Vorstadt  von  Eisen  ach  2).  Bei  den  vielfachen  Be- 
ziehungen zwischen  Eisenach  und  Gotha  liegt  also  keine 
Annahme  näher,  als  daß  die  Gothaer  Nonnen  dieses  Ordens 
von  Eisenach  gekommen  sind. 

Schief  sind  überhaupt  die  durch  Möller  und  Beck  ver- 
breiteten Vorstellungen  von  den  Kirchen  zu  Gotha,  mit 
denen  das  Nonnenkloster  in  Verbindung  stand.  Beide  nehmen, 
wie  es  schon  Sagittarius,  Hist.  Goth.,  S.  219  tat,  von  vorn- 
herein an,  daß  mit  der  Pfarrkirche  in  unserer  Urkunde  3 
von  1254  die  Margaretenkirche  gemeint  sein  müsse.  Möller 
ließ    sich   von    dieser  Annahme    dazu   verleiten,    in    seinem 


1)  Winter,  Die  Zisterzienser  des  nordöstlichen  Deutschland,  II, 
42 ;  Holtmeyer,  Zisterzienserkirchen  Thüringens,  S.  145. 

2)  Dobenecker,  Keg.  II  1361.  1596 ;  III  492,  wonach  Hermann 
in  dieser  Zeitsch.,  VIII,  S.  20,  und  Cremer,  Beitr.  zur  Geschichte  der 
klösterlichen  Niederlassungen  Eisenachs,   S.  17  zu  berichtigen  sind. 

28* 


432     I^iß  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha. 

Regest  die  Pfarrkirche  St.  Margareten  zu  nennen,  obgleich 
in  der  Urkunde  kein  Name  steht.  Beck  ist  ihm  darin 
blindlings  gefolgt,  und  Holtmeyer  wird  gewiß  geglaubt  haben, 
sich  auf  diese  Angaben  von  Grothaer  Archivaren  verlassen 
zu  können. 

In  Wirklichkeit  war  nicht  die  Margaretenkirche  die  alte 
Pfarrkirche  von  Gotha,  sondern  die  zu  St.  Marien  (Plan  Cr,) 
welche  auf  der  Höhe  neben  dem  Grimmenstein  (A)  lag.  Die 
Stadt  Gotha,  wie  sie  in  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts 
gegründet  worden  ist,  umfaßte  den  Neumarkt  (Plan  20)  noch 
nicht,  sondern  nur  den  von  der  Burg  sich  nordwärts  hinab- 
ziehenden Markt  mit  seinen  Zufuhrstraßen  und  deren  nächsten 
Verbindungsgäßchen  ^).  Die  Marienkirche  wird  allerdings 
urkundlich  zuerst  1281  erwähnt,  indem  Landgraf  Albrecht 
das  Patronat  darüber  dem  Kreuzkloster  überträgt  '^).  Man 
darf  aber  schon  aus  der  merkwürdigen  Lage  der  Kirche 
schließen,  daß  sie  von  Anfang  an  vorhanden  war.  In  der  Be- 
stätigung jener  Übertragung  durch  Albrechts  Sohn  Dietrich 
1302  wird  die  Marienkirche  als  Pfarrkirche  bezeichnet  3). 
Als  im  Jahre  1344  das  Domstift  von  Ohrdruf  nach  Gotha 
übersiedelte,  wurde  ihm  ein  Platz  bei  der  Pfarrkirche 
St.  Marien  angewiesen,  diese  selbst  zu  einer  Kollegiatkirche 
erhoben^).  Sie  blieb  aber  zugleich  noch  Pfarrkirche;  die 
Plebane  werden  noch  mehrfach  erwähnt.  Das  Patronat- 
recht  ist  1356  von  den  Nonnen  an  das  Stift  vertauscht 
worden.  Der  Tausch  scheint  aber  zunächst  nicht  genehmigt 
worden  zu  sein;  jedenfalls  blieb  die  Pfarrkirche  als  solche 
ein  eigener  kirchlicher  Verwaltungskörper,  wie  aus  mehreren 
Urkunden  von  1372 — 73  deutlich  hervorgeht  5),  Möller  hat 
den    Inhalt    dieser    Urkunden    (Zeitschr.,    V,    39)    ungenau 


1)  Den  Nachweis  findet  man  in  dem  I.  Bande  der  thür.  Stadt- 
rechte,  S.  10*  f. 

2)  Sagittarius,  Hist.  Goth.,  S.  86 f.;   vgl.  Möller  in  Zeitschr., 
IV,  59. 

3)  Sagittarius,  a.  a.  O.  S.  107. 

4)  Sagittarius,  Hist.  Goth.,  S.  41. 

5)  Tentzel,  Suppl.  hist.  Goth.,  II,  146  ff.  186  f. 


Die  Anfänge  des  Kxeuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha.    433 

wiedergegeben.  Die  beiden  urkundenden  Altarleute  ge- 
hören nicht,  wie  Möller  vermutet,  der  Margaretenkirche  an, 
sondern,  wie  die  dritte  Urkunde  sagt,  der  Pfarre  zu 
Gotha  auf  dem  Berge  zu  unser  Frauen;  und 
Friedrich  von  Sondershausen  wird  in  der  ersten  Urkunde 
ebenfalls  als  Pfarrer  zu  Gotha  unser  Frauen  be- 
zeichnet. DaU  die  Altarleute  schlechtweg  von  der  Pfarre 
zu  Gotha  sprechen,  läßt  aber  gerade  darauf  schließen,  daß 
die  Marienkirche  als  die  eigentliche  Stadtkirche  galt. 

Neben  ihr  erscheint  die  Margaretenkirche  (Plan  T)  seit 
1290.  In  diesem  Jahre  vertauschte  Landgraf  Albrecht  das  Pa- 
tronatrecht  an  ihr  dem  Deutschen  Orden  gegen  das  an  der 
Marienkirche  zu  Eisenach  (Beck,  233).  Sie  war  jedenfalls 
auch  Pfarrkirche;  ihre  Plebane  sind  von  1291  ab  mehrfach 
bezeugt.  Aber  sie  war  eben  nicht  die  Pfarrkirche  von 
Gotha;  ihr  Bezirk  ist  wohl  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts  der  Stadt  einverleibt  worden.  Zwar  führen 
Möller  und  Beck  S.  231  zwei  angebliche  Urkunden  aus  den 
Jahren  1064  und  1093  an;  allein  sie  legen  selbst  keinen 
großen  Wert  darauf.  Die  von  1064  wird  angeführt  auf 
einem  Blatt  mit  Berichtigungen  und  Zusätzen  zu  Sagittars 
BQstoria  Gothana,  das  in  dessen  Sammlung  (Gotha,  ßibl. 
Cod.  chart.  456,  Bl.  198)  eingebunden  ist  und  vermutlich 
von  Rudolphi  herrührt.  Zweifellos  ist  das  Datum  falsch. 
Kaspar  v.  Honde  (vielleicht  v.  Herda  oder  v.  Houm?)  und 
die  Gebrüder  v.  Huttern  oder  Uetterod  können  wir  nach 
vorhandenen  Urkunden  kaum  vor  die  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts ansetzen.  Zur  Zeit  Heinrichs  IV.  sind  diese 
Namen  unmöglich;  und  von  der  „Stadt  Gotha"  kann  natür- 
lich keine  Rede  sein.  Die  Nachricht  von  1093  ist  zu  un- 
bestimmt, um  verwendet  werden  zu  können ;  die  von  Möller 
angegebene,  von  Beck  übernommene  Belegstelle  aus  einem 
Archivverzeichnis  läßt  sich  danach  nicht  auffinden.  Aber 
jedenfalls  ist  die  darin  angewendete  Guldenrechnung  vor 
der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  unmöglich.  Beide 
Urkunden  scheiden  demnach  aus  der  Betrachtung  aus. 


434     I^ie  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die  Pfarrkirchen  zu  Gotha. 

Wahrscheinlich  ist  es  freilich,  daß  die  Margareten- 
kirche schon  vor  der  Einverleibung  jener  Gegend  vorhanden 
war.  Denn  nordöstlich  der  Stadt  Gotha  lag  die  Dorfschaft 
Ostheim,  die  eben  um  diese  Zeit  in  der  Stadt  aufgegangen 
sein  muß  ^).  Nichts  liegt  also  näher  als  die  Annahme,  daß 
die  Erweiterung  des  Mauerringes  erfolgte  mit  der  Ein- 
verleibung von  Ostheim,  und  daß  die  Margaretenkirche 
nichts  anderes  ist  als  die  alte  Dorfkirche.  Ihre  Pfarrei 
blieb  erhalten,  wie  auch  wirtschaftlich  die  Neumarktsgemeinde 
eine  gewisse  Selbständigkeit  noch  im  16.  Jahrhundert  be- 
halten hat  2). 

Aus  diesen  Betrachtungen  geht  hervor,  daß  es  die 
Marienkirche  war,  von  deren  Pfarrechten  das  Nonnen- 
kloster zu  Gotha  im  Jahre  1254  befreit  wurde.  Das  Pa- 
tronatrecht  derselben  Kirche  ist  dann  im  Jahre  1281  dem 
Kloster  übertragen  worden,  so  daß  der  Konvent  zum  hei- 
ligen Kreuz  von  da  an  den  Pfarrer  ernannte,  bis  die  Nonnen 
dieses  Recht  mit  allen  daraus  fließenden  Einkünften  1384 
dem  Landgrafen  zurückgaben,  der  es  dem  Stift  übertrug, 
das  Nonnenkloster  aber  mit  dem  Patronatrecht  der  Marga- 
retenkirche entschädigte. 

Eine  Katharinenkirche  hat  es  in  Gotha  während 
des  Mittelalters  nicht  gegeben.  Nur  einen  Altar  hatten 
die  Nonnen  in  ihrer  Kirche  zum  heiligen  Kreuz  nach  der 
Patronin  ihres  Mutterklosters  benannt  ^).  Erst  als  auf  dem 
Platze  des  im  Bauernkriege  zerstörten  Klosters  eine  Gottes- 
ackerkirche gebaut  wurde  (1656),  erhielt  diese  den  Namen 
jener  Heiligen*). 


1)  Siehe  Stadtrechte,  I,  S.  39*. 

2)  Im  Jahre  1510  treten  urkundend  auf  die  2  Viehmeister  in 
der  Nuwemartehutt  Gotha.    HuStA.,  Stadt  G.  No.  222.  223. 

3)  Sagittarius,  Hist.  Goth.,  S.  144;  auch  Tentzel,  II,  187,  wird 
ein  Katharinenaltar  erwähnt,  aber,  wie  es  scheint,  in  der  Marien- 
kirche. 

4)  Beck,  S.  267. 


XII. 

Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

Eine  Verteidigung 

von 

Archivrat  Dr.  Berthold  Schmidt  in  Schleiz. 

(Mit  2  Siegelabbildungen  im  Texte). 


In  dem  Berichte,  welchen  ich  zusammen  mit  den  Herren  Rektor 
A.  Auerbach  und  Architekt  E.  Trübcher,  beide  in  Gera,  im  16.  (24.) 
Bande  dieser  Zeitschrift  S.  348—400  über  die  Cronschwitzer  Aus- 
grabung erstattet  habe,  schrieb  ich  (S.  36ö)  in  bezug  auf  den  Grab- 
stein des  Landmeisters:  „Pfau  a.  a.  O.  S.  41  irrt  daher  ganz  ent- 
schieden, wenn  er  diejenigen  Steine  aus  romanischer  oder  frühgotischer 
Zeit,  welche  nur  das  Kreuz  mit  dem  Nimbus,  doch  ohne  Wappen 
zeigen,  nicht  den  Eitterbrüdern,  sondern  allein  den  Priesterbrüdern 
zuschreibt."  Diese  durchaus  sachliche  Bemerkung  hat  Herrn  Pro- 
fessor Pfau  in  Eochlitz  i.  Sachs,  so  erregt,  daß  er  im  nächsten  17. 
(25.)  Bande  dieser  Zeitschr.  S.  353—382  unter  der  Überschrift :  „Die 
Nachgrabungen  im  Kloster  Cronschwitz  und  die  dabei  entdeckten 
,Deutschherrensteine'  etc."  eine  überaus  scharfe  Kritik  an  unserem 
Bericht  geübt  hat.  Außerdem  hat  Pfau  auch  auf  meine  kurze  Be- 
sprechung der  Ausgrabung  im  Neuen  Archiv  für  Sächsische  Geschichte 
und  Altertumskunde  (Bd.  27,  S.  410  f.)  im  folgenden  Bande  der 
zuletzt  genannten  Zeitschrift  (S.  137  f.)  eine  zweite  Erwiderung  ge- 
bracht, worin  er  seine  Behauptung  über  jene  benimbten  Kreuzsteine 
durch  neue  Argumente  zu  beweisen  sucht.  Die  zuerst  angezogene 
Kritik  ist  geradezu  eine  forensische  Leistung  in  Spitzfindigkeiten 
und  Unterstellungen.  Sie  enthält  überdies  so  schwere  und  ungerechte 
Angriffe  gegen  mich  und  meine  treuen  Mitarbeiter,  daß  ich,  wie  ich 
auch  bereits  in  meiner  zu  der  Pfauschen  Kritik  in  der  Thüringischen 
Zeitschrift  (Bd.  17  [25J,  S.  494)  abgegebenen  Erklärung  augekündigt 
habe,  nochmals  in  dieser  Streitfrage  das  Wort  ergreifen  muß. 

Pfau  wirft  mir  in  seiner  Kritik  (S.  355)  zunächst  vor,  „ohne 
weiteren  Nachweis"  angenommen  zu  haben,  „daß  derartige  Steine 
wirklich  Deutschherrendenkmäler  sind".  Das  ist  verblüffend.  Der 
Grund  meiner  Annahme  lag  doch  einmal  darin,  daß,  wie  aus  meiner 


436        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

Fußnote  2  hervorgeht,  ähnliche  Steine  in  Sachsen  bereits  von  Pfau 
als  Deutschherrensteine  angesprochen  wurden,  und  zweitens  in  der 
Tatsache,  daß  das  Kloster  Cronschwitz  in  den  ersten  Jahren  nach 
seiner  Gründung  zum  deutschen  Orden  in  naher  Beziehung  gestanden 
hat.  Pfau  folgert  denn  auch  selbst  ohne  weiteren  Nachweis  hieraus 
(S.  355),  „so  wird  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  derartige  Denkmäler 
wirklich  Deutschherrensteine  sind,  wohl  zur  Gewißheit".  Nachdem 
also  Pfau  meine  Ansicht  über  den  Charakter  der  Cronschwitzer 
Steine  genehmigt  hat,  darf  sie  gelten.  Pfau  bestreitet  ferner  (S.  356  f.), 
daß  die  Vögte  von  Gera  von  Anfang  an  eine  gleichmäßig  benutzte 
Gruft,  also  eine  „Erbgruft"  im  Kloster  hatten.  Er  gibt  höchstens 
zu,  daß  das  „Begräbnis"  der  Vögte,  welches  im  15.  Jahrhundert 
urkundlich  genannt  wird,  damals  in  einer  einheitlichen  Gruft  bestand. 
Er  schreibt  dann  (S.  357),  nachdem  er  vorher  erwähnt  hat,  daß  ich 
den  in  der  Apsis  gefundenen  Grabstein  als  das  „sichere  Denkmal" 
des  Landmeisters,  sagen  wir  in  Pfaus  Sinne  willkürlich,  hingestellt 
hätte,  den  mir  unverständlichen  Satz:  „Ein  Grabstein,  mag  er  sich 
augenscheinlich  auch  auf  eine  sehr  hervorragende  Person  beziehen, 
kann  nicht  die  Gebeine  eines  Güedes  der  Stifterfamiüe  bedeckt  haben, 
wenn  das  Denkmal  sich  nicht  in  der  Apsis  befand."  Aber  der  Stein 
des  Landmeisters,  wenn  er  ihm  wirklich  zugeschrieben  werden  kann,  lag 
doch  in  der  Apsis.  Außerdem  wird  in  Cronschwitz  die  alte  Erbgruft 
der  Vögte  schon  ziemlich  früh  erwähnt.  1328  verpflichtet  Heinrich 
der  Altere,  Vogt  von  Gera,  der  Urenkel  des  Landmeisters,  die  Cron- 
schwitzer Nonnen,  eine  Messe  „ob  unszerm  grabe  oder  wo  wyr  be- 
grabenn  werden",  zu  halten.  „Unser  Grab",  also  eine  bestimmte  Örtlich- 
keit, wird  hier  in  Gegensatz  zu  einem  anderen,  noch  unbestimmten  Orte, 
natürhch  beide  in  der  Klosterkirche,  gesetzt.  Die  Möglichkeit  einer 
anderen  Grabstätte  konnte  damals,  weil  vielleicht  die  Familiengruft 
schon  ziemlich  besetzt  war,  bereits  ernstlich  erwogen  worden  sein.  Pfau 
behauptet  weiter  (S.  358),  um  die  ihm  für  seine  Priestergräbertheorie 
höchst  imbequeme  Erbgruft  in  der  Apsis  fortzuschaffen,  der  fragliche 
Raum  wäre  gar  keine  eigentUche  Apsis,  oder  wenigstens  nicht  in 
ältester  Zeit  gewesen.  Dagegen  soll  nach  ihm  besonders  die  zwischen 
Chor  und  Apsis  eingezogene  starke  Wand  sprechen,  deren  Verband 
nach  Pfaus  eigener  Ansicht  „nicht  mehr  vollständig  klar"  über- 
liefert ist.  Diese  Wand  hält  er  für  den  ältesten  Ostabschluß  der 
Kirche,  den  hinter  ihr  liegenden  Eaum  aber  für  einen  „äußeren 
Nebenraum" ,  dessen  ursprünglicher  Zweck  ebenso ,  wie  derjenige 
der  nordöstlich  angebauten  Gelasse,  unaufgeklärt  sei.  Daß  der 
fragliche  Raum  keine  Apsis  war,  will  er  (S.  359)  auch  mit  dem 
Kirchenbilde  beweisen,  das  seit  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  auf 
dem  Cronschwitzer  Klostersiegel  vorkommt.  Pfau  hat  hierbei  den 
Holzschnitt    bei   Walther,  Das    alte   Weida,   S.  22  benutzt,  doch 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        437 


scheint  mir  das ,  wenn  man  wirklich  etwas  damit  beweisen  will, 
recht  bedenklich.  Ich  gebe  daher  hier  die  photographischen  Auf- 
nahmen der  beiden  bekannten  Stempel  des  Klostersiegels.  Der 
erste  (Fig.  1)  hängt  an  Urkunden  von  1302  und  1323^).  Es  ist 
spitzoval  und  wird  durch  einen  Querstreifen  in  zwei  Felder  geteilt. 
Im  oberen  befindet  sich  die  Mutter  Gottes  mit  dem  Kinde.  Auf 
dem  Streifen  steht  AVE  MARIA.  Im  unteren  Felde  ist  eine  Kirche 
dargestellt.    Sie  scheint  auf  der   Westseite  einen  hohen,  über  das 


Fie.  1. 


Fig.  2. 


Dach  hinausragenden  Giebel  zu  haben,  der  mit  einem  Kreuz  ver- 
ziert ist,  sodaß  er  einen  turmartigen  Eindruck  macht.  In  dem 
Giebel  ist  eine  große  Tür  (Portal)  und  ein  dreieckiges  Fenster  zu 
sehen.  Letzteres  ist  aber  wohl  nur  die  plumpe  Darstellung  von 
drei  Giebelfenstern,  von  denen  das  Mittelfenster  höher  und  breiter 
als  die  beiden  anderen  ist.  Einen  solchen  Giebel  nehme  ich  haupt- 
sächlich darum  an,  weil  die  Grundmauern  das  Vorhandensein  eines 
stärkeren  Turmes  nicht  ergeben  haben.  Die  Tür  ist,  wie  ebenfalls 
die  Grundmauern  zeigen,  später  und  wohl  beim  Umbau  des  15.  Jahr- 

1)  Urkundenbuch  der  Vögte,  I,  No.  349  und  543 ;  vgl.  Zeitschr. 
f.  Thüring.  Gesch.,  XVI,  S.  130.  —  Die  Abbildung  ist  nach  der 
Urkunde  von  1323  angefertigt. 


438        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

hunderts  zugesetzt  und  der  Haupteingang  nach  Norden  verlegt 
worden.  Das  Schiff  der  Kirche  hat  drei  Fenster.  Nach  Osten,  der 
Chorseite  zu,  hat  der  Bau  ein  Walmdach  und  auf  dessen  First  einen 
Knopf  mit  großem  Kreuz.  Die  Darstellung  des  Westgiebels  mit  der 
Tür  beweist,  daß  die  ganze  Kirche  von  der  Nordwestseite  dargestellt 
ist,  so  daß  man  also  eine  kleinere  Apsis  auf  der  Ostseite  nicht 
sehen  kann.  Letztere  braucht  indessen  überhaupt  nicht  angenommen 
zu  werden,  aber  das  Walmdach  bedingt  doch  einen  romanischen 
oder  gotischen  Chorabschluß.  Die  Legende  des  Siegels  lautet: 
+  CONVENTVS  .  DOM VS .  SCE .  MARIE.  Das  domus  ist  merk- 
würdig und  könnte  darauf  deuten,  daß  die  ganze  Stiftung  der  Jutta 
ursprünglich  als  ein  Deutschordenshaus  gedacht  war.  Ein  offenbar 
jüngeres,  aber  sonst  ganz  ähnliches  Siegel  (Fig.  2)  hängt  zuerst  an  einer 
Urkunde  von  1328  und  kommt  noch  1440  vor^).  Es  zeigt  sonst  die 
gleiche  Kirche  mit  dem  Giebel  und  den  drei  Fenstern  im  Schiff, 
aber  statt  des  Knopfes  mit  Kreuz  findet  man  hier  ein  spitzes  Türmchen 
mit  Kreuz,  das  dem  der  nahen  Kirche  zu  Veitsberg  sehr  gleicht 
und  zwischen  diesem  Türmchen  und  dem  Giebel  steht  noch  ein 
Dachreiter,  der  bedeutend  höher  ist,  als  beide,  so  daß  sein  Kreuz  bis 
in  den  Querstreifen  des  Siegels  hineinragt.  Dieser  Dachreiter  wird 
also  ein  späterer  Bau  sein  und;  fordert,  meine  ich,  daß  man  auf 
der  Westseite  keinen  Turm,  sondern  nur  einen  hohen  Giebel  anzu- 
nehmen hat.  Die  Umschrift  lautet:  +  S  .  CONVETVS  .  SOßOE'  . 
ORDIS  .  fDICATOR'  .  IN  CRONSWIZ.  Die  drei  Fenster  des 
Schiffes,  welche,  wie  gesagt,  auf  beiden  Stempeln  vorkommen,  sollen 
wohl  weniger  die  wirkliche  Anzahl  derselben,  als  die  Dreiteilung 
der  Kirche  in  Chor-,  Nonnen-  und  Laienkirche  andeuten.  Zu  be- 
achten ist,  daß  beide  Stempel  vor  den  gotischen  Umbau  des  15. 
Jahrhunderts  fallen.  Pfau  (S.  359  und  364)  hält  nun  die  Apsis 
nicht  für  eine  im  kirchlichen  Sinne  so  hervorragende  Stelle,  daß 
in  ihr  der  Cronschwitzer  Stifter  hätte  beigesetzt  werden  können. 
Er  meint  (S.  360),  es  sei  eher  wahrscheinlich,  daß  sie  oder  nach 
Pfau  „der  östliche  Anbau"  überhaupt  erst  im  15.  Jahrhundert 
entstand.  Wo  war  nun  das  Stiftergrab  und  die  Erbgruft  der  Vögte, 
die  doch  auch  nach  Pfau  (S.  356)  wenigstens  im  15.  Jahrhundert 
bestanden  haben  kann  ?  Pfau  weiß  sich  zu  helfen.  Für  das  Stifter- 
grab erklärt  er,  kaum  mit  dem  sonst  von  ihm  geübten  Vorbehalt, 
den  gefundenen  Steinsarg  in  der  Laienkirche.  Der  Stifter  soll  hier 
„an  hervorragender  Stelle  (S.  365)  und  zwar  so  ruhen ,  daß  das 
Kopfende  des  Begrabenen  fast  ganz  genau  in  der  Mitte  der  Längs- 

1)  Urkunden  buch  der  Vögte,  I,  No.  650;  No.  421  und  659; 
GHuStA.  Weimar,  Urkd.  von  1420  Juli  12.  und  1440  Juli  18.  —  Die 
Abbildung  ist  nach  der  Urkunde  von  1420  angefertigt. 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        439 

linie  des  Raumes",  also  in  der  Mitte  der  Laienkirche  sich  befand. 
Ja,  so  ziemlich  in  der  Mitte  der  Längslinie  der  letzteren  lag  der 
Steinsarg  wohl,  aber  durchaus  nicht  in  der  Mittelachse  der  ganzen 
Kirche,  wie  man  sonst  meistens  bei  Stiftergräbern  findet*),  sondern 
er  lag  seitwärts  und  noch  nördlicher,  als  der  Stein  des  Landmeisters. 
Um  dann  auch  die  Erbgruft  der  späteren  Zeit  festzustellen,  erklärt 
Pfau  jene  gemauerte  Gruft  an  der  Nordwand,  in  der  die  Reste  von 
etwa  12  Leichen  lagen,  für  die  Reste  der  einstigen  Erbgruft.  In 
diesem  Grabe,  das  nicht  größer  als  zwei  Einzelgräber  ist,  sollen  die 
Vögte  von  Gera,  die  Landesherren  und  die  Wohltäter  des  Klosters, 
begraben  sein,  und  zwar  so,  daß  man  eine  Leiche  auf  die  andere 
häufte?  Das  ist  doch  ganz  unglaublich!  Auch  ist  dieser  Platz 
mitten  zwischen  den  adligen  und  unadligen  Leichen  für  das  Erb- 
begräbnis der  Vögte  sicherlich  nicht  würdig  genug.  Pfau  meint 
ferner  (S.  366),  um  das  Erbbegräbnis  in  der  Apsis  zweifelhaft  zu 
machen,  man  hätte  hier  doch  irgendwelche  Funde  machen  müssen, 
aber  man  hat  doch  auch  sonst  nirgends  Funde  gemacht,  die  auf 
die  spätere  Erbgruft  der  Vögte  hätten  schließen  lassen.  Ferner 
erklärt  Pfau  die  Apsis  zwar  für  ein  Begräbnisgelaß  (S.  361),  aber 
für  ein  jüngeres,  das,  wie  schon  oben  bemerkt,  erst  nach  dem 
gotischen  Umbau  des  15.  Jahrhunderts  entstand.  Hier  lag  also  ein 
benimbter  Kreuzstein,  den  Pfau  ohne  Beweis  einem  Priester  des 
deutschen  Ordens  zuschreibt.  Letzterer  soll  nach  Pfau  hier  be- 
graben sein,  „weil  die  Grüfte  der  Laienkirche  auch  voll  waren."  Ja, 
woher  weiß  denn  Pfau  solches?  Wir  haben  die  Laienkirche  gar 
nicht  so  überfüllt  gefunden.  Wie  kommt  es  ferner,  daß  ein  oder 
zwei  Priesterbrüder  (wenn  wir  den  Juttastein  gelten  lassen)  hinter 
dem  Altar  und  hinter  der  Scheidewand  in  der  Apsis  begraben  wurden, 
während  zwei  andere  angebliche  Deutschherrensteine,  die  eher  jünger 
als  älter ,  wie  der  Stein  des  Landmeisters  sein  dürften ,  in  der 
Laienkirche  lagen?  Wie  kommt  der  priesterliche  benimbte  Kreuz- 
stein in  diese  Laienkirche,  das  Grabdenkmal  eines  unadligen  Geist- 
lichen von  so  einfacher  Form  neben  den  Stein  mit  dem  Kreuz  im 
Schilde?  Ganz  Kostbares  liefert  Pfau  endlich,  wenn  er  bezüglich 
des  Juttasteines  schreibt:  „Sollte  der  Schild  wirklich  als  Wappen 
zum  Kreuze  gehören,  so  wäre  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß 
der  betreffende  Priesterbruder  ritterlicher  Herkunft  war,  was  ja  bei 
den  Deutschherren  sicher  oft  genug  vorkam."  Dann  könnte  ein  solcher 
Stein  aber  doch  auch  einer  adligen  geistlichen  Frau  des  Ordens  ebenso 
gut  zukommen.  Auf  letzteren  Punkt  komme  ich  später  noch  zurück. 
Man  bedenke  ferner,  die  roh  gearbeiteten  Steine  des  Landmeisters, 

1)  Vergl.  Georgenthal  in  Lehfeldt,  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
Thüringens,  Heft  .26. 


440        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

der  Jutta  und  die  beiden  anderen  Kreuzgrabsteine  ohne  Namen  und! 
Wappen  sollen  alle,  wie  man  nach  Pfau  doch  annehmen  muß, 
nicht  lange  vor  der  Zeit  entstanden  sein,  in  der  die  schönen  Monu- 
mente des  von  Wolframsdorf  von  1479^)  und  des  Unbekannten  aus 
oder  von  Rochlitz  aus  ungefähr  derselben  Zeit  in  der  gotisch  restau- 
rirten  Laienkirche  aufgestellt  wurden.  Das  ist  wieder  ganz  un- 
glaublich. 

Die  Kritik  Pfaus  hat,  und  dafür  bin  ich  ihm  aufrichtig  dankbar, 
aber  doch  das  Gute  gehabt,  mich  bezüglich  des  Erbbegräbnisses  der 
Vögte  auf  eine  ganz  neue  Idee  zu  bringen.  Wie  wir  schon  bemerkten, 
ist  nach  den  Kirchenbildern  des  ältesten  Klostersiegels  wahrscheinlich, 
daß  zu  dem  Walmdach  ein  Chorabschluß  gehört  hat.  Vielleicht  ist 
also  das,  was  wir  als  Apsis  angesprochen  haben,  der  ältere,  natürlich 
später  umgebaute  Chor.  Es  ist,  wenn  man  die  Ostkante  des  land- 
meisterhchen  Steines,  nach  Norden  und  Süden  hin  verlängert  gedacht, 
als  die  Grenzlinie  der  ersten  Gräberreihe  nach  Osten  zu  ansieht  und 
einen  runden  Chorabschluß,  wogegen  nichts  spricht,  annimmt,  in  dem 
freien  Raum  noch  genügend  Platz  für  einen  größeren  Altar,  den  einstigen 
Hauptaltar,  vorhanden.  Vor  letzterem  lagen  der  Stifter,  die  Stifterin 
und  ihre  Nachkommen,  also  an  dem  im  kirchlichen  Sinne  vornehmsten 
Platz  der  ganzen  Kirche.  Auch  Paulina,  die  Stifterin  des  prächtigen 
Benediktinerklosters  Paulinenzelle,  ist  im  hohen  Chor  vor  dem  älteren 
Hauptaltar  S.  ßenedicti  beigesetzt  worden,  und  letzterer  stand  in 
der  mittleren  Apsis  -).  Als  in  Cronschwitz  zu  Anfang  des  15.  Jahr- 
hunderts der  gotische  Umbau  erfolgte,  richtete  man  den  alten 
Chor,  indem  man  diesen  Raum  zugleich  erweiterte,  ausschließlich  zur 
herrschaftlichen  Grabkapelle  ein.  Um  Platz  für  weitere  Gräber  zu 
schaffen,  exhumierte  man,  natürlich  abgesehen  vom  Stifter  und  von  der 
Stifterin,  deren  Gräber  dem  Kloster  heilig  waren,  die  älteren  Leicheu 
und  brachte  ihre  Knochen  in  die  Beinstätte  (ossorium),  die  man  in 
die  Scheidewand  zwischen  Chor  und  Apsis  einfügte.  So  waren  die 
Gebeine  noch  immer  im  alten  Erbbegräbnisse,  und  jene  Beinstätte 
war  für  die  Ahnen  des  Landesherrn  viel  würdiger,  als  irgendein 
Massengrab   an  der  Kirchwand  (s.  oben).    Die  Scheidewand  wurde 

1)  Übrigens  fand  ich  vor  kurzem  eine  handschriftliche  Notiz 
Heinrichs  XXVI.  (Schleizer  Hausarchiv,  Hdschr.  G  b.  6),  daß  der 
Stein  schon  1657  in  der  Kirche  zu  Cronschwitz  aufgefunden  wurde.  Er 
soll  dem  Luppold  von  Wolframsdorf  gehört  und  die  Jahreszahl  1479 
getragen  haben.  Die  Ansicht  Pfaus  (vergl.  Nachtrag)  über  die  Lesung 
des  Jahreszahl  (1479  statt  1419)  ist  also  richtig  und  dann  dürfte  auch 
der  Stein  des  Unbekannten  erst  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahr- 
hunderts zugeschrieben  werden. 

2)  Zeitschr.  f.  Thüring,  Gesch.  etc.,  XXVIII,.  S.  93  u.  113. 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        441 

nötig,  um  einen  Stützpunkt  für  das  Gewölbe  der  Grabkapelle 
(s.  unseren  Bericht  S.  361)  und  zugleich  für  das  Gewölbe  der  Chor- 
oder Nonnenkirche  zu  erhalten.  Darum  mu<Jte  diese  Scheidewand 
auch  besonders  breit  sein.  Chor-  und  Laienkirche  werden,  nach 
den  Fundstücken  zu  urteilen,  damals  umgebaut  sein.  Wegen  der 
eingezogenen  Wand  aber  mußte  die  herrschaftUche  Kapelle  einen 
besonderen  kleineren  Altar,  für  den  noch  reichlich  Platz  in  dem 
freien  Eaum  des  Chorabschlusses  war,  sowie  einen  besonderen  Zugang 
erhalten,  der  durch  die  nördüche  vorgebaute  Kapelle  erfolgte.  Den 
Hauptaltar  versetzte  man  sodann  in  die  Chorkirche  vor  jene  Wand 
und  verlängerte  auch,  wie  es  scheint,  die  Chorkirche  auf  Kosten  der 
Laienkirche;  denn  letztere  ist  im  Vergleich  zur  Chorkirche  doch 
auffällig  kurz.  Nach  der  Fertigstellung  der  Grabkapelle  wurden 
die  späteren  Leichen  der  Familie  hier  beigesetzt,  wobei  man  die 
Jüngern  nach  vorn  brachte,  was  wegen  der  Erweiterung  der  Kapelle 
durchaus  mögUch  war.  So  erklärt  es  sich  auch,  daß  die  am  weitesten 
nach  Osten  liegende  Leiche  so  nahe  an  die  vierte  Leiche  herangerückt 
war.  Bei  Annahme  der  obigen  neuen  Erklärung  fällt  mein  aller- 
dings etwas  künstlicher  Versuch,  die  12  Skelette  —  abgesehen  vom 
Landmeister  und  der  Jutta  —  bestimmten  Personen  zuzuschreiben 
(s.  unseren  Bericht  S.  381)  von  selbst  fort.  Man  hat  also  jedenfalls 
auch  nach  dem  Umbau  der  Kapelle  in  ihr  noch  eine  Anzahl  GHeder 
■des  Hauses  Gera^)  beigesetzt,  und  zwar  außer  den  Ehegatten  die 
Söhne  und  Töchter,  unter  letzteren  wohl  auch  die  Nonnen.  So 
erklären  sich  endlich  die  Kinderknochen  und  das  mutmaßliche  Spiel- 
zeug (s.  unseren  Bericht  S.  367).  Jedenfalls  muß  ich  nach  Obigem 
an  meiner  Ansicht,  daß  wir  im  Ostraum  oder  in  der  Apsis,  um  diesen 
Namen  beizubehalten,  die  alte  Erbgruft  der  Vögte  von  Gera  wieder- 
gefunden haben,  trotz  aller  Einwendungen  Pfaus  bis  auf  besseren 
Gegenbeweis  festhalten.  Damit  ist  denn  auch  gegeben,  daß  der 
Kreuzgrabstein  mit  dem  Nimbus  der  Stein  des  Landmeisters  sein 
kann,  ja  allen  Umständen  nach  sein  muß.  Sein  Begräbnis  in  der 
Kirche  läßt  sich  quellenmäßig  nachweisen.  Der  Platz  seines  Be- 
gräbnisses ist  nach  meiner  obigen  Erklärung  des  Erbbegräbnisses 
sicherlich  der  würdigste  in  der  ganzen  Kirche.  Die  Darstellung 
des  Kreuzes  auf  dem  Stein  ist  spätromanisch,  kann  also  recht 
gut  der  Zeit  angehören,  in  welcher  der  Landmeister  starb.  Hat  denn 
Pfau  bisher  einen  Fall  nachgewiesen,  wonach  man  solche  Steine 
für  jünger,  ja  erst  aus  dem  15.  Jahrhundert,  was  Pfau  doch  bei 
seiner  Ansicht  über  die  Apsis  (S.  362j  annimmt,  halten  muß?  Woher 
weiß  Pfau,    daß    der   benimbte  Stein   „scheinbar  hochromanischen 

1)  Man  vergl.  die  Seelgeräte  von  1328 — 1411  in  Urkundenbuch 
der  Vögte,  I,  No.  650.  651;  II,  No.  227.  527.  529  u.  531. 


442        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

Gepräges"  in  der  Göhrener  Kirche  (S.  355)  just  einem  Priester- 
bruder des  Ordens  um  1300  herum  zuzuschreiben  ist?  Könnte  nicht 
auch  ein  Adliger,  dessen  Familie  in  Göhren  ein  Erbbegräbnis  hatte, 
hier  und  viel  früher  begraben  sein?  Übrigens  fragt  sich  noch  sehr, 
ob  die  Göhrener  Kirche  jemals  einen  Deutschherrn  zum  Pfarrer 
hatte.  1290  bestätigte  Bischof  Heinrich  von  Merseburg  die  Dotierung 
der  Pfarre  in  Göhren,  welche  zwei  Jahre  früher  durch  zwei  Adlige 
erfolgt  war,  und  bestimmte,  daß  die  Kirche  ganz  unabhängig  von 
der  Mutterkirche  oder  dem  Kloster  Zschillen  sein  sollte.  Zschillen 
war  aber  erst  1280  in  eine  Deutschordenskomturei  umgewandelt 
worden^).  Pfau  bemängelt  ferner  (S.  366  u.  368)  meine  Vermutung, 
daß  die  Frauenleiche,  deren  Beisetzung  scheinbar  ohne  alle  Rücksicht 
auf  das  Grab  des  Landmeisters  erfolgte,  so  daß  man  sogar  in  letzteres 
hineingeriet,  die  letzte  Priorin  Anna  von  Gera  gewesen  sein  könnte. 
Er  meint,  in  katholischer  Zeit  hätte  man  doch  die  Grabstätte  des 
Stifters,  die  den  Klosterinsassen  unantastbar  sein  mußte,  kennen 
müssen.  Ja,  aber  die  Priorin  Anna  starb  im  September  1555,  also 
in  vorgeschrittener  reformatorischer  Zeit.  Das  Kloster  stand  damals 
bereits  über  100  Jahre  unter  einer  anderen  Landesherrschaft,  daher 
die  scheinbare  Rücksichtslosigkeit,  und  Anna  war  die  letzte  ihres 
ganzen  Hauses,  Vielleicht  lag  sogar  eine  wohlmeinende  Absicht  darin, 
daß  man  ihr  noch  einen  Anteil  an  dem  Steine  ihres  Ahnherru  gönnte. 
Und  nun  der  Juttastein.  Ihn  darf  natürlich  Pfau,  seiner  Theorie 
zuliebe,  auch  nicht  als  Stein  der  Stifterin  gelten  lassen  und  er 
verfährt  danach.  Er  meint  (S.  372),  der  Stein  wäre  nicht,  wie  ich 
(s.  unseren  Bericht  S.  369)  angegeben  hätte,  „stark  abgetreten".  Ich 
gebe  solches  einfach  zu,  aber  ich  bestreite  den  weiteren  Pf  auschen 
Einwand,  daß  dieser  Cronschwitzer  Juttastein  noch  in  katholischer 
Zeit  als  Treppenstufe  versetzt  sein  könnte.  Dann  müßte  er  doch 
noch  mehr  abgelaufen  sein.  Weiter  kann  Pfau  nicht  einsehen  (S.  375), 
warum  man  in  der  Erbgruft  zu  protestantischer  Zeit  noch  Bauarbeiten 
hätte  ausführen  soUen.  In  der  Kirche  wurde  aber  (s.  unseren  Bericht 
S.  349)  nach  1574  für  die  letzten  Klosterpersonen  gepredigt.  Konnte 
nicht  das  alte  Erbbegräbnis  für  diesen  Zweck  notdürftig  hergerichtet 
sein?  Alle  übrigen  Räume  waren  vielleicht  schon  zu  baufällig,  und 
der  kleine  Raum  der  Erbgruft  Heß  sich  am  besten  dafür  herrichten. 
Vielleicht  diente  dieselbe  auch  in  jener  Zeit  als  Sakristei.  Bei  dem 
Juttastein  kommt  es  meines  Erachtens  zunächst  auf  die  Frage  an : 
Ist  das  eingehauene  Wappen  gleichzeitig  mit  dem  benimbten  Kreuz 
entstanden  oder  nicht?  Das  Gegenteil  hat  Pfau  bisher  nicht  er- 
wiesen, und  seine  Behauptung,  daß  der  untere  Strich  des  Kreuzarmes 

1)  Sachsens  Kirchengalerie,  X,  S.  14.  154,  und  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler d.  K.  Sachs.,  Heft  13  u.  14,    S.  97. 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        443 

durch  das  Wappen  hindurchgehe,  ist  nicht  richtig.  Dieser  Strich 
ist  vom  äußeren  Rande  des  Wappens  an  ganz  schief  (s.  Abbildung 
in  unseren  Bericht  S.  368)  gezogen,  wird  also  erst  bei  der  Bearbeitung 
des  Stückes  zur  Treppenstufe  entstanden  sein.  Von  einer  Wappen- 
figur, die  ich  und  andere  noch  gesehen  haben,  ist  jetzt  allerdings, 
wie  Pfau  (S.  372)  richtig  bemerkt,  keine  Spur  mehr  zu  sehen,  da 
die  Oberfläche  des  Steines  inzwischen  sehr  verwittert  und  abgebröckelt 
ist.  Bezüglich  der  Lage  des  Wappens  hält  Pfau  (S.  376)  solche  im 
Nimbus  auf  dem  Kreuzesarm  für  auffällig,  weil  er  nur  solche  auf  dem 
unteren  Kreuzesstamm,  ,,wo  es  am  edelsten  und  ungezwungen  wirkt", 
gelten  läßt.  Eine  sehr  merkwürdige  Begründung!  Pfau  restauriert 
endlich,  um,  wie  er  meint,  die  richtige  Breite  für  den  Grabstein 
herauszubringen,  das  Bruchstücke  so,  daß  das  Wappen  im  unteren 
Teil  des  Nimbus  geradezu  wagrecht  l")  liegt.  Das  ist  doch  ganz 
willkürlich !  Wirkt  das  Wappen  etwa  nun  edler  und  ungezwungener  ? 
Wie  eine  nochmalige  sorgfältige  Untersuchung  durch  Auerbach  er- 
geben hat,  geht  aber  der  Querarm  überhaupt  nicht  durch  das  Wappen, 
sondern  beginnt  erst  bei  der  Innern  Kreislinie  des  Nimbus.  Die 
schiefe  Linie,  welche  scheinbar  die  untere  Linie  des  Armes  andeutet, 
ist  sicher  spätere  Nachkratzung.  Wenn  man  nun,  wie  bisher  geschehen, 
den  Nimbus  auf  den  Juttastein  nach  der  nicht  erhaltenen  Seite  hin 
vervollständigt,  so  wird  der  Stein,  wie  Pfau  (S.  376)  einwirft,  zu  breit. 
Das  Bruchstück  hat  eine  Länge  von  96  cm  und  an  der  breitesten  Stelle 
eine  Breite  von  55  cm.  Folglich  könnte  der  Stein  etwa  2  m  lang  und 
1,10  m  breit  gewesen  sein,  und  warum  sollte  er  das  nicht?  Der  Land- 
meisterstein ist  2,04  m  lang  und  0,95  m  breit.  Also  könnte  der  Stein 
der  Hauptstifterin  immer  noch  etwas  breiter  gewesen  sein.  Pfau  selbst 
führt  ja  in  „Unsere  Heimat" ,  1905,  Beilage  nach  S.  88  eine  Wechselburger 
Platte  (Fig.  5)  an,  die,  wenn  er  auch  auf  sie  seinen  auf  der  folgenden 
Seite  mitgeteilten  Maßstab  angewandt  hat,  ebenfalls  etwa  2,05  m  lang 
und  1,07  m  breit  gewesen  sein  müßte.  Eine  Kreuzgrabplatte  in  Eger, 
die  allerdings  erst  aus  dem  15.  Jahrhundert  stammt,  ist  2,70  m  lang 
und  1,44  breit  ^).  Es  ist  also  mindestens  gewagt,  die  Größenver- 
hältnisse als  Beweisgründe  zu  benutzen. 

Lassen  wir  endlich  einmal  bei  der  ganzen  Frage  nach  dem 
Alter  und  der  Bedeutung  der  benimbten  Kreuzsteine  die  Urkunden 
sprechen.  Sind  überhaupt  und  wie  lange  Ritter-  oder  Priesterbrüder 
des  deutschen  Ordens  in  Cronschwitzer  Urkunden  nachzuweisen? 
Als  um  1238  das  Kloster  Cronschwitz  gegründet  wurde  und  die  Jutta 
vom  Kloster  Mildenfurth  den  Grundbesitz  für  ihre  neue  Stiftung 
erwarb,  waren  Zeugen  dieses  Aktes  Bruder  Heinrich,  vormals  Vogt 
von  Gera  und  Gemahl  Juttas,  also  der  spätere  Landmeister  Heinrich 

1)  Vergl.  Neues  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.,  XXIX,  S.  347,  No.  38 


444       Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

von  Weida,  ferner  ein  Bruder  Ditmar,  Bruder  Hartmann  von  Held- 
rungen, Bruder  Konrad  Börner  (Burnerus,  wohl  von  Borna)  und  ein 
Bruder  Thomas.  Von  diesen  waren  Heinrich  von  Gera,  bez.  Weida, 
und  Hartmann  von  Heldrungen  sicher  Ritterbrüder.  Letzterer 
war  ein  Verwandten  der  Söhne  Juttas  und  zwar  von  väterlicher 
Seite  (patruus).  Von  1274  bis  1283  war  Hartmann  Hochmeister 
des  Ordens  ^).  Der  Bruder  Konrad  Börner  kommt  nach  1243  in 
einer  von  den  Vögten  von  Weida  der  Peterskirche  in  Zeitz  erteilten 
Urkunde,  doch  in  keiner  Beziehung  zum  Orden  und  zu  Cronschwitz 
vor'-).  Ob  er,  sowie  die  Brüder  Ditmar  und  Thomas  Ritter-  oder 
Priesterbrüder  des  Ordens  waren,  wissen  wir  nicht.  Schon  bald 
nach  der  Gründung  des  Klosters  brach  dann  ein  Streit  zwischen  den 
Deutschherren  und  den  Dominikanern  oder  Predigerbrüdern  über  den 
Einfluß  ihrer  Orden  auf  dasselbe  aus.  Dieser  Streit  wurde  vom 
Bischof  Engelhard  von  Naumburg  dahin  entschieden,  daß  das  Kloster 
Cronschwitz  in  geistlicher  Beziehung,  wozu  namentlich  die  Aufsicht 
über  das  klösterliche  Leben  der  Nonnen  und  ihre  Seelsorge  ge- 
hörten, dem  Proviuzialprior  des  Predigerordens,  in  weltlicher  Be- 
ziehung aber,  soweit  äußere  Vertretung,  Verwaltung  und  wirtschaft- 
liche Fragen  in  Betracht  kamen,  dem  Deutschmeister  und  seinen 
Brüdern,  also  dem  deutschen  Orden  unterstehen  sollten.  Auch  sollte 
das  neue  Kloster  alle  Privilegien  genießen,  welche  den  beiden  ge- 
dachten Orden  erteilt  worden  waren '').  Diese  doppelte  Unterstellung 
war  nötig,  um  dem  Kloster  die  Gütererwerbung  und  die  Kolonisation 
zu  ermöglichen ;  denn  den  Dominikanern  war  auf  Grund  ihrer 
strengeren  Regel  beides  verboten.  Erst  1425  erlangten  sie  das  Recht 
der  Besitzerwerbung.  Nur  noch  einmal,  am  27.  Aug.  1248,  war  Bruder 
Hartmann  von  Heldrungen  Zeuge  in  einer  Urkunde,  worin  der  Vogt 
Heinrich  von  Gera,  Juttas  Sohn,  dem  Kloster  Cronschwitz  eine 
Schenkung  seines  Bruders,  des  Magdeburger  Kanonikers  Heinrich 
von  Weida  bestätigt*).  Neben  dem  von  Heldrungen  sind  Zeugen 
dieser  Bestätigung  der  Vogt  Heinrich  von  Plauen,  ebenfalls  ein  Bruder 
des  Geraers,  ein  Ritter  Heinrich  von  Aga,  der  bis  1262  wiederholt, 
aber  nie  als  Deutschordensbruder  vorkommt''),  dann  der  genannte 
Bruder  Hartmann  von  Heldrungen,  der,  wie  oben  gezeigt,  ein  naher 
Verwandter  des  Vogtes  war  und  wohl   nur  in   dieser  Eigenschaft 


1)  Urkundenbuch  der  Vögte,  I,  No.  70.  96,  wo  sicherlich  auch 
Hartmanns  für  Hermanns  zu  lesen  sein  wird.    No.  177.  196.  201.  213. 

2)  Urkundenbuch  der  Vögte,  I,  No.  80. 

3)  Ebenda  I,  No.  71, 

4)  Ebenda  I,  No.  93. 

.5)  Ebenda  I,  No.  94.  100.  102.  123.  329. 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        445 

als  Zeuge  der  Urkunde  auftrat,  und  der  jüngste  Bruder  des  Vogtes 
der  Erfurter  Predigermönch  Heinrich  von  Weida.  Inzwischen 
scheinen  nämlich  die  deutschen  Herren  ganz  aus  dem  Kloster  her- 
ausgedrängt worden  zu  sein;  denn  als  am  9.  November  1256  Papst 
Innozenz  IV.  Cronschwitz  dem  Predigerorden  inkorporierte,  über- 
trug er  nicht  nur  die  geistliche  Fürsorge,  sondern  auch  die  welt- 
Uche  Verwaltung  den  Dominikanern. 

Die  entscheidende  Stelle  in  dieser  Urkunde  lautet:  Et  ne  pro 
eo,  quod  in  monasterio  vestro  ipsius  ordinis  fratres  residere 
continue  non  tenentur,  pro  defectu  sacerdotis  possit 
periculum  imminere,  predicti  magister  et  prior  ^)  ad  confessiones  in 
necessitatis  articulo  audiendas  et  ministranda  sacramenta  predicta 
deputent  vobis  aliquos  viros  discretos  et  providos  cappellanos. 
Ad  hoc  liceat  vobis  redditus  et  possessiones  recipere 
ac  ea  libere  retinere  non  obstantibus  contraria  consuetudine 
seu  statuto  ipsius  ordinis,  confirmatione  sedis  apostolice  aut  quacum- 
que  firmitate  alia  roboratis,  quorum  ammiu  istracioni  prefati 
magister  et  prior  preficiant  aliquos  viros  idoneos 
ipsosque  inde  removeant  et  substituant  alios,  prout  viderintexpedire^). 
Von  dem  deutschen  Orden  ist  in  der  Urkunde  überall  nicht  mehr 
die  Rede,  und  es  ist,  abgesehen  von  oben  gedachtem  Hartmann  von 
Heldrungen,  also  seit  1248  weder  ein  Ritter,  noch  ein  Priesterbruder 
des  deutschen  Ordens  in  Cronschwitzer  Urkunden  nachzuweisen. 
Damit  fällt  Pfaus  Behauptung  (im  Neuen  Archiv  a.  a.  O.  S.  143), 
daß  Priesterbrüder  der  Deutschherren  recht  gut  friedlich  neben 
anderen  Mönchen  im  Kloster  leben  konnten  und  daß  von  solchen 
Priesterbrüdern  die  Schreiberei  und  Rechnerei  der  Verwaltung  aus- 
geübt worden  sei.  In  Cronschwitz  gab  es  nun  einmal  Beichtiger 
oder  Kapellane.  Von  ihnen  findet  sich  zuerst  ein  Schreiber  (scri- 
ptor)  Bruder  Heinrich  1315,  der  in  der  Zeugenreihe  nach  Heinrich 
von  Gera,  Prior  in  Plauen,  und  Hermann  Höfer  (wohl  aus  Eger) 
steht.  In  Plauen  und  Eger  gab  es  Dominikanerklöster,  und  der  ge- 
nannte von  Gera  war  sicher  Predigermönch").  1328  erscheinen  dann 
in  Cronschwitzer  Urkunden  gleich  nach  der  Priorin,  Unterpriorin 
und  einigen  Nonnen,  aber  vor  dem  Mildenfurther  Propste,  den 
Pfarrern  von  Teichwitz,  Dorna  und  Lobenstein  und  mehreren  Adligen 
die  Brüder  Konrad  Große,  Dietrich  von  Eichicht,  Bertram  imd  Konrad 


1)  Vorher  genannt:  magister  et  prior  provincialis  Theutonie 
also  der  Generalmeister  des  Dominikanerordens  und  der  Provinzial- 
prior  desselben  für  Deutschland. 

2)  Urkundenbuch  der  Vögte,  I,  No.  87. 

3)  Ebenda  I,  No.  463;  vergl.  No.  411.  486  und  Nachtr.  5. 
XXVII.  29 


446        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

Weber  ^),  die,  wenn  sie  zum  Teil  Dominikaner  und  zum  Teil  Priester- 
brüder des  deutschen  Ordens  gewesen  wären,  doch  jedenfalls  auch 
genauer  unterschieden  worden  wären.  Waren  sie  aber  alle  Domini- 
kaner, wie  es  die  Cronschwitzer  Nonnen  waren,  bedurfte  es  keiner 
solchen  Unterscheidung. 

Weiter  folgen  die  Cronschwitzer  Beichtiger  und  Kapläne:  Rüdiger 
Hübner  von  Eger  (1353 — 1355),  Johannes  von  Weißenfels  (1353), 
Johannes  von  Meerane  (1353),  Nikolaus  (1353—1367),  Albert  (1355), 
Hermann  von  Hagenest  (1359),  Siegfried  (1367),  Johannes  Geier 
(1402—1406),  Nikolaus  Natirs  (1402),  Johannes  von  Meißen  (1402), 
Friedrich  Böser  (1402—1406),  Konrad  Dölen  (1402—1432),  Nikolaus 
Schreiber,  Vogt  des  Klosters  (1406),  und  Franz  Seeberger  (1411)'^). 
Sie  aUe  waren,  wie  die  Urkimden  ergeben,  unzweifelhaft  Prediger- 
mönche. Außer  ihnen  gab  es  in  Cronschwitz  aber  noch  Hofmeister 
und  Verwalter  (provisores),  und  sie  müßten  doch,  wenn  der  deutsche 
Orden  noch  irgendwelchen  Einfluß  auf  das  Kloster  gehabt  hätte, 
Ritter-  oder  Priesterbrüder  desselben  gewesen  sein.  Zweifelhaft  könnte 
solches  zunächst  noch  von  Heinrich  von  Sparnberg  sein,  der  1333 
als  Hofmeister  erscheint^).  Da  aber  die  betreffende  Urkunde  zu 
Gera  uf  „sente  Nycolaus  berge  in  der  bruder  stuben  von  Plauen", 
d.  h.  in  der  dortigen  Termine!  der  Plauener  Dominikaner  ausgestellt 
ist,  dürfte  auch  er  Predigermönch  gewesen  sein.  Vielleicht  war  er 
sogar  identisch  mit  dem  zu  1315  erwähnten  Schreiber  Heinrich. 
Der  zweite  urkundUch  belegte  Hofmeister  Bruder  Bertram  war 
zweifellos  Predigermönch  (frater  Berthramus  ordinis  fratrum  pre- 
dicatorum  et  provisor  curie  sanctarum  virginum  beati  Augustini  in 
Cronswitz*).  Er  war  vielleicht  identisch  mit  dem  1328  erscheinenden 
(s.  oben)  Bruder  Bertram.  Ebenso  möchte  ich  im  Hofmeister  Jo- 
hannes von  1354*)  den  ein  Jahr  vorher  erwähnten  Johannes  von 
Weißenfels  suchen.  1367  war  ein  Bruder  Nikolaus  von  Rediz  Hof- 
meister, der,  wenn  er  ein  Priester  bruder  des  deutschen  Ordens  war, 
sicherlich  als  solcher  von  den  folgenden  Predigermönchen  unter- 
schieden wäre.  Hierauf  folgen  als  Hofmeister  die  Priester  (er) 
Gottfried  Röder  (1369)  und  Johann  Räuber  (1369).  Letzterer  kommt 
1389  als  Provisor  des  Dominikanernonnenklosters  in  Weida  vor,  war 
also  auch  ein  Predigermönch*).  1389  war  Konrad  Röder  auf  Wolfers- 
dorf,  also  eia  adliger  Laie,  Hofmeister  in  Cronschwitz.    Ihm  folgte 

1)  Urkundenbuch  der  Vögte,  I,  No.  650  u.  651. 

2)  Ebenda  I,  No.  936.  953;   II,  No.  47.  160.  421.  462  u.  527. 

3)  Ebenda  I,  No.  728. 

4)  Ebenda  I,  No.  878. 

5)  Ebenda  I,  No.  952. 

6)  Ebenda  II,  Nr.  180.  264.  329. 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        447 

wieder  als  solcher  ein  Priester  (dominus)  Berthold  und  1409  aber- 
mals ein  Laie,  der  Knappe  Johannes  Eöder  (vaHdus  armiger  Johannes 
Röder  administrator  in  temporalibus),  dann  Hans  Blangenberger 
(1440—1453),  Hans  v.  Gurpis  (1456),  und  Adam  v.  Schelditz  (1505) '). 
Von  Rittern  und  Priestern  des  deutschen  Ordens  ist  seit  1248  überall 
nicht  mehr  in  Cronschwitz  die  Rede,  weil  eben  seit  1246  die  Prediger- 
mönche auch  die  weltliche  Verwaltung  des  Klosters  innehatten. 
Ihre  Mönche  wohnten  wahrscheinlich  auch  nicht  im  Kloster,  sondern 
in  einem  ziemlich  weitab  liegenden  Nebengebäude,  dem  jetzigen 
Pfarrhause. 

Wie  steht  es  nun  mit  den  benimbten  Kreuzsteinen  in  Cron- 
schwitz? Sie  müßten,  wenn  sie  Deutschherrensteine  sein  sollten, 
vor  die  Zeit  fallen,  wo  Cronschwitz  völlig  den  Dominikanern  unter- 
stellt wurde,  also  vor  1247.  Zunächst  fällt  aber  der  Stein  mit  dem 
Kreuz  in  dem  gotischen  Kampfschild  seiner  Form  nach  in  eine  spätere 
Zeit.  Auch  halte  ich  ihn  überhaupt  nicht  mehr  für  den  Grabstein 
eines  Deutschordensritters ;  denn  das  Kreuz  dieses  Ordens  pflegt  sonst 
immer  durch  den  ganzen  Schild  zu  gehen.  Weiter  sind  auch  die 
Steine  mit  dem  benimbten  Kreuze  nicht  allein  diesem  Orden  zuzu- 
schreiben. Nachdem  ich  nämUch  im  Verein  mit  Herrn  Postsekretär 
E.  Kießkalt  in  Nürnberg,  der  eine  große  Menge  mittelalterlicher 
Grabsteine  kennt,  aus  den  bisher  erschienenen  Bau-  und  Kunst- 
denkmälern deutscher  Länder  imd  aus  den  Notizen  Kießkalts  etwa 
70  Kreuzgrabsteine  festgestellt  hatte,  ergab  sich  aus  diesem  Material 
folgendes  ^) :  Grabsteine  mit  dem  Kreuze,  und  zwar  mit  dem  Nimbus, 
wie  ohne  denselben,  finden  sich  im  südUchen  und  mittleren  Deutchland 
und  zwar  um  den  unteren  Neckar  herum,  in  Mittel-  und  Oberfranken, 
in  der  Oberpfalz,  in  Thüringen  und  Provinz  Sachsen,  besonders  im 
Saalegebiet,  und  im  Königreich  Sachsen.  Kreuzgrabsteine  mit  dem 
Nimbus  gibt  es  außer  um  Rochlitz,  bei  Pirna  und  in  Cronschwitz, 
noch  einen  in  Rothenburg  0.  T.  und  eine  ganze  Anzahl  in  Chammünster 
bei  Cham  in  der  Oberpfalz.  Letztere  sind  teils  mit,  teils  ohne  Wappen, 
ebenso  teils  mit  und  teüs  ohne  Inschrift  und  gehören  dem  13.  und 
14.  Jahrhundert  an.  In  Chammünster  hat  es  nie  Deutschordens- 
ritter gegeben.  In  Rothenburg  0.  T.  gab  es  zwar  eine  Komturei 
des  Ordens,  aber  der  Grabstein  liegt  in  der  Hospitalkirche,  mit 
welcher  der  Orden  nichts  zu  tun  hatte.    Auch  die  Rochlitzer  Kreuz- 


1)  Urkundenbuch  der  Vögte,  II,  No.  270.  329.  501,  u.  Zeitschr. 
f.  Thüring.  Gesch.  etc.,  XVI,  S.  170. 

2)  Vgl.  meinen  Aufsatz:  „Die  Grabsteine  mit  dem  Kreuze. 
Eine  Studie  und  Entgegnung"  im  Neuen  Archiv  f.  Sachs.  Gesch., 
XXIX,  S.  342-351. 

29* 


448        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

grabsteine  mit  dem  benimbten  Kreuze  können  schwerlich  dem  Orden 
zugewiesen  werden,  da  dieser  erst  1280  in  Zschillen  (Wechselburg) 
ansässig  wurde  und  die  benimbten  Kreuzgrabsteine  ohne  Schrift  und 
Wappen  sehr  wahrscheinlich  alle  älter  sind.  Wie  schon  früher 
bemerkt  (S.  442),  ist  es  außerdem  noch  sehr  die  Frage,  ob  Göhreu 
später  Deutschordensbesitz  war.  Auch  zu  Ottendorf  bei  Pirna 
hat  der  Orden  nachweislich  keine  Beziehungen  gehabt  und  Pfaus 
Aushilfe  (in  „Unsere  Heimat"  1905,  S.  91),  daß  durch  irgendeinen 
Zufall  ein  Deutschordenspriester  „in  eine  fremde  Pfarre,  wo  er 
schließlich  starb,  gerufen  werden"  konnte,  ist  doch  recht  dürftig. 
Aus  der  Zusammenstellung  der  Kreuzgrabsteine  hat  sich  vielmehr 
ergeben,  daß  das  Kreuz  wahrscheinüch  nur  den  Stiftern  und  Wohl- 
tätern von  Kirchen  und  Klöstern  auf  den  Grabstein  gegeben  wurde. 
Der  Nimbus  ist  die  eigentliche  romanische  Ausschmückung  des 
Kreuzes.  Er  erscheint  zuerst  im  13.  Jahrhundert  und  verschwindet 
Ende  des  14.,  als  das  Kreuz  sich  in  hochgotischer  Form  heraus- 
gebildet hatte,  vollständig.  Anfangs  sind  diese  Steine  noch  ohne 
Schrift  und  Wappenschild.  Beide  beginnen  erst  bei  diesen  Steinen 
in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts. 

So  werden  denn  auch  in  Cronschwitz  die  Kreuzgrabsteine  in 
der  Laienkirche  solchen  Personen  angehört  haben,  welche  dem  Kloster 
eine  reiche  Schenkung  gemacht  hatten  und  dafiu-  Anspruch  auf  ein 
Jahrgedächtnis  hatten.  Der  mit  dem  Nimbus  ist  der  ältere  und 
noch  dem  13.  Jahrhundert  zuzuweisen.  Ebenso  dürften  der  benimbte 
Kreuzstein  in  der  Erbgruft  der  Vögte,  sowie  der  sogenannte  Jutta- 
stein, da  sie  ihrer  Form  nach  ins  13.  Jahrhundert  gehören,  einfach 
Stiftersteine  gewesen  sein,  also  den  Landmeister  und  die  Jutta  be- 
deckt haben.  Daß  die  Jutta  ein  Wappen  erhielt  und  der  Landmeister 
noch  nicht,  hegt  offenbar  daran,  daß  der  Landmeister  Heinrich  von 
Weida  wohl  nie  ein  Wappensiegel  geführt  hat.  Als  Laie  siegelte 
er  noch  mit  einer  antiken  Gemme,  und  als  Ordensbruder  scheint  er 
überhaupt  kein  eigenes  Siegel  gebraucht  zu  haben  ^).  Von  den 
Vögten  von  Straßberg  aber,  aus  deren  Geschlecht  die  Jutta  höchst 
wahrscheinlich  stammt,  wurde  schon  1249  ein  Wappensiegel  geführt  *). 

Von  allen  anderen  kritischen  und  unkritischen  Aussetzungen 
Pfaus  an  unserem  Ausgrabungsbericht  wiU  ich  hier  absehen.  Zu 
ihnen  Stellung  nehmen,  würde  zu  weit  führen.  Bemerken  will  ich 
nur  noch,  daß  Pfau  (S.  382)  unsere  Auffassung  über  die  an  den 
Stoßfugen  verschiedener  Werkstücke  angebrachten  „Steinmetzzeichen " 
(s.  Bericht  S.  362)  offenbar  nicht  richtig  verstanden  hat.  Es  sind 
also  Zeichen  gemeint,    welche   sich   die  Steinmetzen   zur   richtigen 

1)  Urkundenbuch  der  Vögte,  I,  No.  50.  64.  76  u.  79. 

2)  Mitteil,  des  Altertumsver.  zu  Plauen,  I,  S.  XVI. 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        449 

Aneinanderfügung  der  zusammengehörigen  Stücke  gemacht  haben. 
Daher  finden  sich  solche  (Kreuze)  auf  den  Stoßfugen  und  an  Figur  9 
(s.  unseren  Bericht  S.  364)  einmal  nach  außen  eine  Pfeilspitze,  um 
die  Eichtung  anzugeben. 

Schließlich  weise  ich  noch  den  uns  von  Pfau  ziemlich  un- 
verhüUt  gemachten  Vorwurf,  als  sollten  wir,  weil  nur  sehr  wenige 
und  „meist  wertlose"  Funde  bei  der  Ausgrabung  gemacht  worden 
sind,  diese  nicht  in  hinlänglich  sorgsamer  Weise  ausgeführt  haben, 
als  ganz  unbillig  zurück.  Hätte  der  „archäologisch  geschulte 
wissenschaftliche  Herr",  den  Pfau  (S.  379)  zart  andeutet,  sich  11 V2 
Wochen  in  Cronschwitz  hinsetzen  können,  um  auf  jeden  Spatenstich 
zu  achten?  Wir  hatten  einen  gewissenhaften  und  gut  eingerichteten 
Vorarbeiter.  Die  Arbeiter  hatten  genaue,  schriftlich  aushängende 
Vorschriften,  wie  sie  sich  bei  etwaigen  Funden  verhalten  sollten. 
Sie  bekamen  Belohnungen,  wenn  Wichtiges  gefunden  wurde,  und  wir 
haben  nie  bemerkt,  daß  etwas  von  unseren  Arbeitern  aus  Unverstand 
oder  anderen  Gründen  vernichtet  wurde.  Sie  wurden  endlich  auch 
fast  täglich  von  einem  oder  mehreren  Mitgliedern  des  Ausschusses 
beaufsichtigt.  Architekt  Trübcher  weilte  halbe  Tage  an  der  Aus- 
grabungsstelle, und  der  Ortsgeistliche,  Pastor  Gräfe,  hat  hier  eben- 
falls häufig  nachgeschaut.  Ganz  besonders  ist  endlich  die  Aus- 
hebung und  Untersuchung  der  Grabstätten  stets  unter  unserer  per- 
sönlichen Leitung  erfolgt,  und  Auerbach  hat  sie  in  meinem  Beisein 
mit  größter  Sorgfalt  und  Sachkenntnis  ausgeführt.  Pfau  hätte  sich 
daher  wohl  besser  erkundigen  müssen,  ehe  er  den  Ausschuß  in  so 
leichtfertiger  und  beleidigender  Weise  verdächtigte.  Daß  nicht  viele 
und  kostbare  Sachen  gefunden  wurden,  lag  jedenfalls  an  dem  Cha- 
rakter des  Klosters  als  Tochter  eines  Bettlerordens  mit  strengster 
Observanz,  dessen  Hauptgelübde  Armut  und  Keuschheit  waren.  Wer 
von  Laien  als  Mitbruder  oder  Mitschwester  in  Cronschwitz  begraben 
wurde,  mag  wenigstens  im  Tode  nach  jenem  Grimdsatz  der  Armut 
behandelt  worden  sein.  Und  was  ist  schließlich  in  dem  viel  reicheren 
Kloster  Georgen thal  bei  Ohrdruf  an  Grabsteinen  und  Wertsachen 
gefunden  worden  ?  Nach  Mitteilung  des  Herrn  Pastor  Bäthcke  daselbst 
nicht  mehr  als  in  Cronschwitz. 

Nachtrag. 

Vorstehende  Arbeit  sollte  bereits  im  26.  Bande  dieser  Zeitschrift 
gedruckt  werden  und  war  dazu  rechtzeitig  im  Manuskripte  fertig- 
gestellt worden.  Da  aber  die  Redaktion  derselben  noch  einige  ältere 
Aufsätze  zu  berücksichtigen  hatte,  wurde  der  meinige  mit  meinem 
vollen  Einverständnisse  für  den  zweiten  Halbband  des  nächsten 
Jahres  zurückgestellt. 


450        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

Inzwischen  hat  Herr  Professor  Dr.  C.  Pfau  in  Rochlitz  in 
seinem  „Grundriß  der  Chronik  über  das  EZloster  Zschillen-Rochlitz" 
(1909)  und  zwar  in  einem  Abschnitte  (S.  407—433),  welcher  die  Über- 
schrift trägt:  „Grabdenkmäler  von  Deutschherren  in  Zschillen  und 
Umgegend",  einen  neuen  Angriff  auf  mich  eröffnet.  Pfaus  Aus- 
führung wendet  sich  sowohl  im  allgemeinen  gegen  meine  Erklärung 
der  Cronschwitzer  Grabplatten  (s.  diese  Zeitschr.,  XXIV,  S.  147  ff.), 
wie  im  besonderen  noch  gegen  die  von  mir  im  Neuen  Archiv  f.  Sachs. 
Geschichte  (XXIX,  S.  342  ff.)  gebrachte  allgemeinere  Studie  über 
die  „Grabsteine  mit  dem  Kreuz  etc.",  die  er  für  „ganz  verfehlt" 
ansieht.  Auch  beliebt  es  Pfau,  darin  mir  wiederholt  Ungenauigkeiten 
und  anderes  vorzuwerfen.  Er  erklärt  z.  B.,  daß  die  von  mir  zur 
Begründung  meiner  Ansichten  gemachten  Angaben  zum  Teil  auf 
Irrtum  beruhten,  zum  Teil  ohne  irgendwelche  Beweiskraft  wären. 
Mit  solchem  groben  Kaliber  scheint  er  auf  harmlose  Leser  seines 
Aufsatzes,  für  den  er  in  einem  von  ihm  selbst  herausgegebenen  Buche 
den  breitesten  Raum  hatte,  in  dem  Sinne  einwirken  zu  wollen,  als 
ob  er  mich  nun  glänzend  abgeführt  hätte.  Die  Beurteilung  darüber 
überlasse  ich  ganz  ruhig  den  Fachgenossen,  doch  zwingt  mich  die 
nicht  mehr  sachliche  Kampfesweise  des  Gegners,  wenigstens  kurz 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  wie  wenig  kommentmäßig  er  seine 
Hiebe  austeilt.  Leider  kann  ich  des  sehr  beschränkten  Raumes 
wegen  nur  Einzelheiten  anführen,  wobei  ich  mich  zum  Teil  kurz  auf 
die  Seitenzahl  von  Pfaus  Arbeit  beziehe. 

Pfau  beginnt  (S.  407)  mit  dem  Hinweise,  daß  der  deutsche 
Orden  über  250  Jahre  lang  die  Zschillener  Propstei  innehatte,  man 
also  wohl  erwarten  könnte,  in  den  zahlreichen  Kirchen  der  Gegend 
deutschherrliche  Grabsteine  anzutreffen.  Diese  Erwartung  könnte 
man  aber  doch  bei  allen  Komtureien  des  Ordens  in  ganz  Deutsch- 
land haben,  und  trotzdem  findet  sich  bei  den  meisten  derselben  kein 
einziges  Stück,  ja  selbst  aus  dem  Ordenslande  Preußen  sind  nur 
wenige  bekannt.  Auch  in  der  Zschillen-Rochlitzer  Gegend  ist  sicher 
nur  ein  deutschherrlicher  Grabstein,  und  zwar  ein  Wechselburger, 
nachzuweisen,  welcher  den  Schild  des  deutschen  Ordens  mit  dem 
charakteristischen  ganz  durch  denselben  gehenden  Balkenkreuz  zeigt. 
Dieser  Stein  hat  nach  Pfau  (S.  408)  daneben  noch  ein  Wappenschild, 
worauf  ein  Meerweibchen  zu  sehen  ist.  Ein  solches  soll  nach  Pfau 
auch  in  einem  Schlußsteine  der  Rochlitzer  Kunigundenkirche  und 
der  Brüderkirche  zu  Altenburg  vorkommen,  und  Pfau  fragt  nun 
rhetorisch  (eine  beliebte  Form  seiner  Beweisführungen):  „Könnte 
dieses  Meerweibchen  nicht  Deutschherrenbeziehungen  zwi- 
schen den  drei  erwähnten  Ortschaften  ausdrücken?"  Demnach  muß 
doch  jeder  annehmen,  daß  die  Brüderkirche  in  Altenburg  dem  deutschen 
Orden  gehörte.    Das  ist  aber   nicht   der  Fall.    Die  Brüderkirche 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        45I 

stand  dem  Franziskanerorden  zu,  während  die  Altenburger  Deutsch- 
herren das  Marienhospital  mit  der  Johanniskirche  und  später  die 
Lorenzkirche  besaßen  (s.  Lehfeldt,  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thü- 
ringens, S.-Altenburg,  S.  23  u.  38).  Ist  das  vielleicht  Genauigkeit? 
Außerdem  kann  man  Pfaus  obige  Frage  ruhig  verneinen.  Das  Meer- 
weibchen beweist  doch  nur,  daß  ein  adliges  Geschlecht,  welches 
solches  Wappen  führte,  zu  aUen  drei  Orten  Beziehungen  hatte. 

S.  410,  Z.  14  von  unten  schreibt  Pfau:  „Auffälligerweise  hat 
Schmidt  alle  seine  besprochenen  Denkmäler,  obschon  sie  sich  zeit- 
lich regelmäßig  (!)  gar  nicht  sicher  bestimmen  lassen,  nach  ihrer 
angeblichen  Entstehungszeit  zusammengestellt,  nicht  aber  nach 
ihrer  Form  etc."  Das  ist  eine  offenbare  Entstellung;  denn  gerade 
die  Form  und  Ausschmückung  des  Kreuzes  gab  mir  den  Anhalt 
für  meine  zeitliche  Bestimmung  und  muß  ihn  geben,  wo  andere  An- 
haltspunkte fehlen.  Übrigens  urteilt  Pfau,  wo  es  ihm  paßt,  selbst 
nach  der  Form,  so  S.  417  beim  Steine  mit  dem  Heldrun  gen  sehen 
Wappen  und  S.  418  bei  dem  Grabsteine  aus  Breitenborn. 

S.  410,  Abs.  2  führt  Pfau  den  Grabstein  des  Hochmeisters 
Konrad  von  Thüringen  (f  1241)  als  Beispiel  des  ältesten  Deutsch- 
ordenssteines an.  Dieses  schöne  Denkmal  steht  in  bezug  auf  seine 
künstlerische  Ausstattung  einzig  da.  Es  wird,  wenn  es  auch  nicht 
ganz  gleichzeitig  sein  dürfte,  doch  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts angehören.  Zu  beachten  ist  aber,  was  Pfau  übersehen  hat, 
daß  es  wahrscheinlich  von  einem  italienischen  Meister  stammt,  und 
es  also  noch  fraglich  ist,  ob  das  Denkmal  den  sonstigen  Gepflogen- 
heiten des  deutschen  Ordens  entsprochen  hat.  Der  Stein  ist  in  der 
Elisabethkirche  zu  Marburg  befindlich  und  zeigt  außer  der  Figur 
des  Hochmeisters  zwei  Wappenschüde,  den  einen  mit  dem  thüringisch- 
hessischen Löwen,  den  anderen  mit  dem  schwarzen  Balkenkreuz, 
welches  ganz  durch  den  weißen  Schild  geht.  Das  ganze  Denkmal 
hat  noch  ziemlich  vollständig  seine  lu-sprüngliche  Bemalung  (v.  Hefner- 
Alteneck,  Trachten  des  christlichen  Mittelalters  etc.,  I,  S.  99  und 
Tafel  79).  In  derselben  Kirche  befindet  sich  auch  noch  ein  bemalter 
Originalschild  aus  dem  13.  Jahrhundert.  Er  zeigt  gleichfalls  den 
thüringisch-hessischen  Löwen  und  über  dessen  rechtem  Fuß  das 
kleine  Schildchen  des  deutschen  Ordens,  worin  wieder  das  Balken- 
kreuz ganz  durch  den  Schild  geht.  Nach  der  Form  des  Schildchens 
und  nach  der  Ansicht  von  v.  Hefner-Alteneck  wird  es  wohl  erst 
gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  auf  den  Löwenschild  gemalt  sein. 
Man  nimmt  an,  daß  Konrad  diesen  Schild  einst  getragen  habe,  dann 
aber  wohl  schwerlich  als  Deutschordensritter,  sondern  vor  der  Zeit, 
wo  er  in  den  Orden  trat,  also  vor  1234  (v.  Hefner-Alteneck,  a.  a.  O. 
S.  100,  Tafel  80).  Übrigens  könnte  der  Schild  seiner  Form  nach  auch 
einige  Jahrzehnte  jünger  sein  und  durch  die  Aufmalung  des  deutsch- 


452        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

herrlichen  Schildchens  eine  nachträgliche  Beziehung  auf  Konrad  er- 
halten haben.    An  dieser  Stelle  will  ich  gleich  einige  Grabsteine  von 
Deutschherren  anführen,  welche  aus  dem  Ordenslande  Preußen  selbst 
stammen.     Von  ihnen  weiß   ich  durch  Herrn   Geh.  Baurat  Stein- 
brecht, den  Leiter  der  Wiedererbauimg  der  Marienburg.    Er  schrieb 
mir  bereits  am  15.  Juni  1906  darüber :  „Von  Grabsteinen  der  Deutsch- 
herren ist  hier  zu  Lande  nicht  viel  erhalten.  —  Die  ältesten  Grab- 
steine sind  nur  in  Resten   der  Umschrift  nach  entdeckt,  z.  B.  der 
vom  Landmeister  Konrad  Sack  (f  nach  1306)  in  Culmsee  —  jetzt 
nicht  mehr  vorhanden,     v.  Quast  erwähnt  nur  die  Bruchstücke  der 
Eandinschrift.    So  ist's  auch  mit  dem  Grabstein  Herzogs  Luther  von 
Braunschweig,  Hochmeisters,  im  Dom  zu  Königsberg  (f  1335).  Auch 
der  große  Grabstein  des  Hochmeisters  Dietrich  von  Altenburg  hier 
in  Marienburg  hat  nur  Umschrift.    Das  Feld  ist  leer.    Des  Hoch- 
meisters Dusemer  Stein  hier  (t  1352)  hat  Umriß  in  ganzer  Figur. 
Die  Tartsche  zu  seinen  Füßen   hat  das   schlichte  Balkenkreuz  (das 
nach  der  beigefügten  Zeichnung  durch  den  ganzen   Schild  geht). 
Der  Stein  des  Hochmeisters  Heinrich  von  Plauen  (f  1429)  hat  auch 
nur   leeres  Feld   zwischen  der  Umschrift.     Der  Stein  des  Komturs 
Günther  v.  Hohenstein  (f  ca.  1380)  in  Brandenburg  a.  Haff  ist  seiner 
Bronzeeinlage  beraubt  und  war   eine  Ganzfigur  im  Ordensmantel. 
Am  reichsten  ist  die  Bronzeplatte  des  Komturs  Kuno  v.  Liebenstein 
in  Neumark  (f  ca.  1.392).    Es  umgeben  den  in  voller  Eüstung  dar- 
gestellten  Komtur   die  Wappen   seiner   Ahnen,    er    selbst   hat   die 
Tartsche  mit  dem  schlichten  Ordenskreuz  (das  in   der  beigefügten 
Zeichnung  durch  den    ganzen   Schild  geht).    Die  Begräbnisstätten 
der  schlichten  Ritter  sind  hier  in  Marienburg  nicht  durch  Steine 
ausgezeichnet  gewesen.    Sie  ruhten  hier  bei  der  St.  Annenkapelle 
auf  dem  Kirchhof.    Wahrscheinlich  bezeichnete  nur  ein  Holzkreuz 
die  Gräber.    Von  Steinen  müßte  doch  irgend  ein  Rest  verblieben  sein. 
Das  ist  so  ziemlich  alles.    Mehr  ist  von  Malereien  vorhanden.    Stets 
ist  das  Kreuz    schlicht   ohne    Endverzierungen. "     So  weit 
Steinbrecht.    Man  beachte  den  Ordensschild,   der  bis  ins  16.  Jahr- 
hundert stets  derselbe  geblieben  ist.    Ein  persönliches  Wappen  haben 
in  Preußen  bis  ins  16.  Jahrhundert   selbst   die  Hochmeister   nicht 
geführt.    Heinrich  von  Plauen  ließ  zwar  auf  den  Goldgülden  des 
Ordens  sein  Famiüenwappen  anbringen,  aber  das  wurde  ihm  vom 
Orden  sehr  verdacht.    Dudik,  der  beste  Kenner  der  Ordensmünzen 
(S.  106),  bemerkt,   daß   die   Anwendung   des   FamiUennamens   und 
Wappens  auf  den  Goldgülden  Heinrichs  von  Plauen  eine  Neuerung 
gewesen  sei,  welche  mit  seiner  Absetzung  aufgehört  habe  und  erst 
unter  den  letzten  drei  Hochmeistern  wieder  aufgetaucht   sei.    Und 
wie  in  Preußen,  dürfte  es  in  älterer  Zeit  auch  in   den  Komtureien 
des  übrigen  Deutschlands  gehalten  worden  sein.    Die  Wappen  der 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        453 

Ordensritter  werden  auch  hier  erst  im  späten  Mittelalter  auf  den 
Grabsteinen  erscheinen,  wie  in  Wechselburg  auf  dem  des  Land- 
komturs V.  Beilersheim  (f  1500)  und  auf  dem  wenig  älteren  Stein 
mit  dem  Meerweibchen  im  Schilde,  dessen  Form  dem  Ende  des  15. 
oder  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  entspricht. 

S.  412  Abs.  1  erzählt  Pfau,  daß  die  hier  in  Frage  kommenden 
Kreuzsteiue  der  weiteren  (I)  Rochlitz-Zschillener  Gegend  ein  Kreuz 
zeigen,  „das  sicher  nicht  als  ein  bloß  allgemein  christliches  Symbol 
aufzufassen  ist;  als  solches  würde  es  nur  andeuten,  daß  unter  dem 
Stein  ein  Christ  bestattet  wäre,  zu  einer  Zeit,  in  welcher  es  keine 
Heiden  mehr  im  Lande  gab;  Juden  erhielten  bei  uns  jedenfalls 
keine  besonderen  Grabsteine  im  Mittelalter,  wenigstens  habe  ich  nie 
ein  derartiges  Denkmal  erwähnt  gefunden."  Welcher  Schluß !  Mit 
demselben  und  besserem  Rechte  könnte  man  behaupten,  es  sollte  mit 
dem  Kreuze  als  dem  eigentlichen  Symbol  des  Christentums  ange- 
deutet werden,  daß  sich  der  unter  dem  Kreuze  Begrabene  besondere 
Verdienste  um  die  Kirche  erworben  habe.  Jüdische  Grabsteine  finden 
sich  ferner  noch  ziemlich  zahlreich,  so  in  Rothenburg  0.  T.  aus  der 
Zeit  von  1345—1387  (s.  Kießkalt,  Die  altertümlichen  Grabdenkmäler 
der  Stadt  Rothenburg  o.  T.,  Coburg  1908,  S.  61),  noch  ältere,  wenn 
ich  nicht  irre,  in  Worms  und  Nürnberg,  und  sehr  bekannt  sind  die 
ins  12.  Jahrhundert  zurückreichenden  Denkmäler  auf  dem  Juden- 
kirchhof in  Prag. 

S.  413  stellt  Pfau  zur  Bestimmung  der  Kreuzsteine  die  Forderung 
auf,  sehr  sorgfältige  Erhebungen  durch  eine  kritische  Ortsforschung 
anzustellen,  welche  sich  besonders  mit  der  Feststellung  von  Geistlichen 
und  anderen  in  der  Kirche  Begrabenen  etc.  zu  befassen  hätte.  Nun 
für  Cronschwitz  habe  ich  in  meiner  vorstehenden  Arbeit  solche  Er- 
hebungen gemacht  und  gefunden,  daß  Deutschritter  im  späteren 
Mittelalter  kaum  noch  in  Cronschwitz  begraben  sein  können.  Für 
seine  eigene  Arbeit  stellt  Pfau  selbst  aber  keine  solche  Personen- 
forschung an,  wodurch  die  Streitfrage  gefördert  werden  könnte.  Mit 
seinen  spärlichen  Hinweisen  auf  ein  paar  Ordenspriester  der  Rochlitzer 
Gegend  (S.  415.  421  und  öfters)  beweist  er  gar  nichts  für  die 
Kreuzsteine. 

S.  414  bringt  Pfau  in  seiner  Beweisführung  folgendes:  „Ein 
Grabstein  in  der  Kreuzherren kirche  zu  Eger  weist  ein  Kreuz  über 
einem  Stern  d.  h.  das  spätere  Wappenbild  der  dortigen  deutschhen-- 
lichen  Komturei,  auf,  die  ein  schwebendes  Kreuz  über  dem  sechs- 
strahligen  Stern  im  Schilde  führte;  nach  diesem  Wappen  hießen  die 
Egerer  Deutschherren  auch  Kreuzer  (Kreuzherren)  mit  dem  Stern. 
Aus  dieser  Grabplatte  geht  ohne  weiteres  hervor,  daß  sich  Deutsch 
herren  gelegentlich  durch  ein  Ordens-  oder  Komturzeichen  auf  dem 
Denkstein  zu  erkennen  gaben.    Das  Egerer  Komtureiwappen  wurde 


454       Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

mitunter  als  ein  persönliches  angenommen;  beispielsweise  führt  der 
Egerer  Komtur  Nicolaus  Sachs  dieses  Wappen,  darüber  die  Buch- 
staben N.  S.  in  seinem  Siegel  etc."  Den  gleichen  Unsinn  bringt 
Pfau  noch  wiederholt  vor  (S.  417  u.  432).  Pfau  verwechselt  nämHch 
hierbei  zunächst  die  Kreuzherren  und  Deutschordensherren.  Der 
Orden  der  Kreuzherren  in  Eger  und  anderswo  war  keineswegs 
identisch  mit  dem  deutschen  Orden.  Er  war  ein  speziell  böhmischer, 
bez.  schlesischer  Orden  und  lebte  nach  der  Augustinerregel.  Er  hatte 
auf  dem  schwarzen  Mantel  ein  rotes  Kreuz  mit  rotem  Stern  (vergl. 
hierzu  Gradl,  Gesch.  des  Egerlandes,  S.  101.  121.  138.  165.  216.  218. 
220.  248.  254.  261  und  351,  und  P.  Hippolyt  Helyorts  AusführUche 
Gesch.  aller  geistlichen  und  weltlichen  Kloster-  und  Ritterorden  etc. 
Bd.  II,  [Leipzig  1753]  S.  274  ff.).  Auch  kann  das  Siegel,  welches 
nach  Pfau  Nikolaus  Sachs  führt,  nicht  mit  dem  Komturwappen  des 
deutschen  Hauses  in  Eger,  sondern  nur  mit  dem  der  Kreuzherren 
in  Beziehung  gebracht  werden.  Sachs,  was  Pfau  allerdings  sorgsam 
verschweigt,  war  erst  von  1556—1559,  also  in  nachreformatorischer  Zeit 
Komtur  des  Egerer  Hauses,  und  zu  derselben  Zeit  gab  es  auch  noch 
einen  Kommendator  oder  Spitalmeister  der  Kreuzherren  in  Eger 
(s.  Siegl,  Die  Kataloge  des  Egerer  Stadtarchivs,  Eger  1900,  S.  209 
u.  210).  Vielleicht  war  jener  Sachs  ursprüngUch  einmal  Bruder 
der  Kreuzherren  gewesen  und  später  Deutschordensbruder  oder  gar 
evangelisch  geworden.  S.  432  Z.  1  v.  unten  gibt  auch  Pfau  das 
Siegel  des  deutschen  Hauses  zu  Eger  richtig  und  so  an,  wie  es 
stets  und  bei  allen  Komtureien  des  Ordens  geführt  wurde,  nämlich 
das  schlichte  Balkenkreuz,  welches  durch  den  ganzen  Schild  geht. 
Da  Pfau  übrigens  Gradls  Geschichte  des  Egerlandes  benutzt  hat 
(vergl.  S.  414  Anm.)  und  mir  wiederholt  Ungenauigkeiten  vorwirft, 
so  kann  ich  hier  kaum  mehr  eine  solche  auf  seiner  Seite,  sondern 
nur  eine  bewußte  Irreführung  annehmen. 

S.  415  Z.  19  V.  oben  schreibt  Pfau,  diese  ritterlichen  Patro- 
natsherren  durften  hier  (in  Göhren)  doch  offenbar  Weltgeistliche 
oder  Ordensleute  nach  Belieben  (?)  anstellen;  denn  die  Vorschrift 
Heinrichs  von  Mersebung  von  1288,  wonach  die  auf  der  linken 
Muldenseite  gelegenen  Patronatskirchen  Zschillens,  also  auch  Göhren, 
vom  Kloster  nicht  mit  Deutschherren  besetzt  werden  sollten,  mußte 
für  Göhren  durch  den  Patronatswechsel  von  1290  hinfällig  werden. 
Mir  scheint  aber  eher  auch  dieser  Patronatswechsel  —  früher  hatte 
der  Orden  das  Patronat,  seit  1290  die  Herren  von  Königsfeld  — 
damit  zusammenzuhängen,  daß  kein  Deutschordenspriester  mehr  in 
Göhren  amtieren  soUte.  Vergl.  übrigens  Pfau  S.  423  Z.  7  v.  oben, 
wo  Pfau  etwas  ganz  Entgegengesetztes  aus  der  Vorschrift  von 
1288  folgert. 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschvvitz.        455 

S.  415  Z.  7  V.  unten  führt  Pfau  „seines  Wissens"  (m.  W.)  nur 
drei  Hauptsitze  der  Deutschherren  innerhalb  des  Königreichs  Sachsen 
an,  die  Königsteiner  Burggrafschaft,  die  Propstei  Zschillen  und  die 
Komturei  Plauen.  Daß  es  auch  in  Eeichenbach  und  Adorf  Komtureien 
gab,  scheint  Pfau  nicht  zu  wissen.  Es  ist  auch  durchaus  unrichtig, 
sich  für  derartige  Untersuchungen  nur  auf  Sachsen  zu  beschränken. 
Wenigstens  mußten  die  benachbarten  Deutschordenshäuser  Schleiz 
und  Altenburg  mit  zum  Vergleiche  herangezogen  werden.  Nach 
Pfau  finden  sich  denn  in  Sachsen  nur  in  der  Eochlitz-Zschillener 
Gegend  die  benimbten  Kreuzsteine,  nein !  doch  noch  einer  in  Ottendorf 
bei  Pirna,  das  sich  nach  Pfau  wenigstens  in  der  Gegend  (?)  der 
Königsteiner  Burggrafschaft  nachweisen  läßt. 

S.  416  Z.  6  V.  oben  leistet  sich  dann  Pfau  folgenden  Scherz. 
Er  schreibt:  da  nach  der  päpstlichen  Bulle  von  1362  augenscheinlich 
eine  Kirche  Ottendorf  unter  Zschillener  Patronat  stand,  so  ist  die 
Möglichkeit  vorhanden,  daß  unter  diesem  Ottendorf  das  bei  Pirna 
zu  verstehen  ist;  denn  der  Umstand,  daß  in  dem  päpstlichen  Briefe 
zusammengenannt  werden :  Mitteweide ,  Ottindorf ,  Ebirhardisdorf, 
Wedera,  Clusnitz,  Urswalde  etc.,  bietet  noch  keinen  ausreichenden 
Grund,  dieses  Ottendorf  unbedingt  bei  Mittweida  suchen  zu 
müssen.  Pfau  weiß  doch  wohl  selbst  recht  gut,  daß  die  übrigen 
hier  genannten  Orte  Ebersdorf,  Wiederau,  Klausnitz  und  Auerswalde 
sämtlich  zwischen  Eochlitz  und  Mittweida  liegen.  Demnach  kann 
doch  nur  das  Ottendorf  bei  Mittweida  und  nicht  der  gleichnamige 
Ort  bei  Pirna  hier  gemeint  sein.    Wozu  also  diese  Verschleierung? 

S.  416  beschreibt  Pfau  die  älter  benimbten  Kreuzsteine,  konstruiert 
aus  ihnen  eine  Kreuzgrundform  und  meint,  diese  Form  könne 
keine  zufällige  sein,  sondern  durch  dieses  Zeichen  würde  die  Zu- 
sammengehörigkeit der  Begrabenen  zu  einer  Körperschaft  ausgedrückt. 
Die  Kreuzgrundform  ist  zunächst  eine  bloße  Phantasie  von  Pfau.  Das 
Kreuz  mit  Nimbus  und  Fußbogen  ist  vielmehr,  wie  ich  bereits  im 
Neuen  Sachs.  Archiv  a.  a.  O.  nachgewiesen  habe,  die  romanische 
und  bis  in  die  frühere  gotische  Zeit  hinaufreichende  Darstellung 
des  Kreuzes  auf  Grabsteinen  in  den  verschiedensten  Gegenden 
Deutschlands. 

S.  416  Z.  7  V.  unten  vergleicht  dann  Pfau  den  „besonderen  (!) 
Fuß"  der  Kreuze  in  der  Zschillener  Pflege  und  des  Ottendorfer 
Steins  mit  den  halbkreis-  oder  giebelförmigen  Kreuzfüßen  auf  den 
Brakteaten  des  deutschen  Ordens.  Da  nun  aber  diese  Hohlmünzen 
dem  13.  Jahrhundert  angehören,  bestätigen  sie  gegen  Pfau  meine  und 
anderer  Forscher  Ansicht  über  das  höhere  Alter  der  benimbten  Kreuz- 
grabsteine. 

S.  417  beschreibt  Pfau  nochmals  die  Steine  der  Eochlitzer  Pflege. 
Wieder  verweist  er  (unter  No.  4  Z.  9  v.  oben)   den  Stein  mit  dem 


456        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz. 

Heldrungenschen  Wappen  wegen  der  Bildung  „des  Fußkreuzes"  (! 
wohl  Kreuzfußes)  in  die  Spätzeit  des  13.  Jahrhunderts,  ohne  meine 
im  Neuen  Archiv  für  Sachs.  Gesch.  XXIX,  S.  347  geäußerte  Ansicht 
zu  beachten  und  zu  widerlegen.  Ich  hatte  dort  den  Stein  erst  der 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  zugewiesen,  wozu  mich  die  Formen  des 
Kreuzes  und  seiner  Fußverzierungen  bestimmten.  Dieses  Kreuz  mit 
den  Kleeblattenden  entspricht  übrigens  so  wenig  dem  sonst  be- 
kannten schlichten  Balkenkreuz  des  deutschen  Ordens,  daß  ich  jetzt 
nicht  mehr  anstehe,  diesen  Grabstein  dem  Orden  überhaupt  abzu- 
sprechen. Meine  a.  a.  O.  geäußerte  Ansicht,  daß  man  es  hier 
vielleicht  mit  einem  Gedächtnisstein  für  den  Hochmeister  Hartmann 
von  Heldrungen  zu  tun  hätte,  lasse  ich  glatt  fallen. 

S.  419  behauptet  Pfau,  daß  die  schriftlosen  benimbten  Grabsteine 
der  weiteren  (?)  Pflege  von  Zschillen  nur  in  Ortschaften  auftreten, 
welche  zur  Verwaltung  der  Propstei  in  engster  Beziehung  standen. 
Zschillen  kam ,  was  ich  hier  nochmals  betone,  erst  1280  an  den 
Orden,  Seelitz  und  Göhren  ebenso.  Letzteres  wurde  bereits  1290  vom 
Orden  wieder  abgetrennt.  Daß  Breiten born,  bevor  es  selbständige 
Pfarrkirche  wurde,  einmal  Filiale  der  Rochlitzer  Petrikirche  gewesen 
sei,  wie  Pfau  uns  einreden  wiU,  ist  vöUig  unerwiesen,  und 
Ottendorf  bei  Pirna  verschweigt  Pfau  hier  vorsichtigerweise  ganz. 

S.  420  Abs.  2  erklärt  Pfau,  daß  auf  Grund  seiner  Er- 
hebungen die  von  ihm  geschilderten  Kreuzgrabsteine  der  weiteren 
(?  ich  mache  hier  wieder  ein  Fragezeichen,  weil  durch  diesen  Ausdruck 
der  Umfang  der  Pflege  verschleiert  wird)  Zschillener  Pflege  sämtlich 
Deutschherren  zuzusprechen  wären.  Ich  habe  von  Erhebungen,  welche 
das  auch  nur  wahrscheinlich  machen ,  nichts  in  seinem  Aufsatze 
finden  können.  Nur  der  Wechselburger  Stein  mit  dem  schlichten 
Deutschordenskreuz  ist  das  einzige  sichere  Beweisstück. 

S.  420  Abs.  3  heißt  es  ferner  bei  Pfau:  „da  der  Nimbus  ein 
kirchliches  Symbol  ist,  so  könnte  derselbe,  dem  Ordenskreuz  bei- 
gefügt, eine  priesterliche  Person  bedeuten",  und  in  Absatz  4  heißt 
es  dann  verblüffend  bei  ihm :  „Auf  Grund  der  oben  angestellten  Er- 
örterungen schreibe  ich  die  benimbten  Zschillener  Kreuze  Priester- 
brüdern zu,  die  unbenimbten  (mit  dem  Wappen)  Eitterbrüdern."  Ja 
so  beweist  Pfau! 

S.  422  führt  er  an,  daß  viele  Eitterbrüder  der  Marianer 
(Deutschherren)  nicht  adlig  waren  und  deshalb  wohl  regelmäßig (!?) 
über  kein  Familienwappen  verfügten.  Solche  Wappen  kommen 
aber  vereinzelt  auch  bei  Bürgern  und  Bauern  vor.  Sodann  mußte 
nach  den  Satzungen  des  deutschen  Ordens  der  Aufzunehmende 
schwören,  daß  er  ein  Deutscher  von  Geburt,  aus  einem  adligen 
und  unbescholtenen  Geschlecht  wäre  etc.  etc.  (s.  P.  Hippolyt  Hely- 
orts   Ausführl.   Beschreibung  aller  geistl.    und   weltl.   Klöster    und 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        457 

Ritterorden,  III,  S.  169,  und  Voigt,  Geschichte  Preußens,  VI,  S  410 
u.  487). 

S.  422  Z.  15  V.  oben  bringt  Pfau  wieder  die  ominöse  Kreuz - 
grundform  und  behauptet,  nur  der  Heldrungenstein  (No.  4)  und 
der  eine  ßreitenborner  (No.  7)  ließen  sich  zeitUch  näher  bestimmen. 
Er  setzt  den  ersten  ins  Ende  des  13.  und  den  anderen  ins  16.  (!) 
Jahrhundert,  was  ich  auf  Grund  meiner  Studie  im  Neuen  Sachs. 
Archiv  nochmals  energisch  bestreite. 

S.  422  Abs.  2  Z.  3  schließt  Pfau  dann :  „Da  die  anderen  (Kreuz- 
steine) das  auf  einem  Kreisbogen  stehende  Kreuz  ohne  jede  stilistisch 
charakteristische  Verzierung  wiedergeben,  eine  derartige  Kreuz- 
grundform  (!)  aber  allen  Stilarten  gleicherweise  zukommt,  so 
können  diese  nicht  näher  zu  bestimmenden  Platten  ganz  ver- 
schiedenen Jahrhunderten  angehören.  Wenn  diese  Steine  auch  zu- 
nächst romanisch  anmuten,  so  wird  man  doch  gut  tun,  sie  eher 
dem  Ausgang  des  Mittelalters,  als  früherer  Zeit  zuzuschreiben, 
schon  aus  der  Erwägung,  daß  alle  diese  Kirchen,  worin  oder  wobei 
sich  diese  Denkmäler  befanden,  in  der  spätesten  mittelalterlichen  (!  ja 
noch  in  nachreformatorischer)  Zeit  sehr  umfassende  Umbauten 
durchgemacht  haben;  bei  derartigen  Gelegenheiten  wurden  aber 
regelmäßig  alte  romanische  Bauteile  —  und  auch  Grabsteine 
—  als  Bausteine  verwendet."  Schön!  Dabei  werden  also  wohl  jene 
alten  Grabplatten,  welche  ihrem  Stile  nach  romanisch  sind,  mit- 
verwendet worden  sein.  Die  meisten  der  von  Pfau  S.  417 — 419  an- 
geführten Stücke  und  der  Cronschwitzer  Juttastein  waren  ja  später 
Trittplatten,  Pflastersteine  und  sonstige  Bauteile.  So  schlägt  Pfau 
sich  selbst.  Auch  daß  mehrere  Kirchen,  wie  Pfau  S.  423  Z.  1  v. 
oben  bemerkt,  zur  Zeit  über  keinen  sichtbaren  romanischen  Bau- 
befund mehr  verfügen,  kann  gar  nichts  für  das  geringere  Alter  der 
Grabsteine  beweisen. 

S.  423  Z.  7  V.  oben  behauptet  Pfau,  nachdem  er  S.  415  uns 
erzählt  hat,  daß  die  bischöfliche  Verordnung  von  1288,  wonach  die 
auf  der  linken  Muldenseite  gelegenen  Kirchen,  also  auch  Göhren, 
vom  Kloster  ZschUlen  nicht  mit  Deutschordenspriestern  besetzt 
werden  sollten,  für  Göhren  durch  den  Patronatswechsel  hinfällig 
geworden  wäre,  jetzt  auf  einmal  von  derselben  bischöflichen  Ver- 
ordnung, daß  sie  jedenfalls  in  alter  Zeit  eingehalten  und 
erst  spät,  schwerUch  vor  dem  15.  Jahrhundert  durchbrochen  wurde. 
So  kann  Pfau  eben  alles  beweisen. 

Weiter  leistet  er  sich  S.  423,  Abs.  1  folgende  Überhebung :  „In 
den  Inventarisationswerken  über  die  Altertümer  der  einzelnen  Länder 
werden  derartige  KJreuzsteine  oft  dem  12.— 14.  Jahrhundert  zuge- 
schrieben, aber  ohne  jeden  Beweis,  ohne  jede  ortsgeschichtliche  Unter- 
suchung und  deshalb  können   solche  Angaben  schwerlich  Anspruch 


458        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Eüoster  Cronschwitz. 

auf  einwandfreie  Annahme  seitens  einer  wissenschaftlichen  Sonder- 
forschung erheben."  Der  einzige  Vertreter  der  letzteren  scheint 
danach  Pfau  zu  sein,  obwohl  die  Bearbeiter  der  In ventarisations werke 
meiner  unmaßgebhchen  Meinung  nach  doch  auch  wissenschaftüch 
einigermaßen  ernst  zu  nehmen  sind.  Außerdem  haben  sie  den  Vor- 
zug, nicht  wie  Pfau  und  —  ich  befangen  zu  sein. 

S.  423,  Abs.  2  z.  Schi,  beruft  sich  Pfau,  um  zu  beweisen, 
daß  der  als  einfacher  Kreisbogen  gebildete  Fuß  der  Grabkreuze 
nicht  eine  ausschließlich  romanische  Verzierung  ist,  auf  den  Zeitzer 
Grabstein  von  1342.  Er  verschweigt,  daß  er  selbst  (in  Unsere 
Heimat,  1905,  No.  4,  S.  91)  die  Richtigkeit  dieser  Jahreszahl  an- 
gezweifelt hat,  und  ich  (im  Neuen  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.,  XXIX, 
S.  347,  No.  36)  die  gleiche  Ansicht  geäußert  habe. 

Im  weiteren  wendet  sich  Pfau  gegen  meine  Auffassung,  daß 
die  Kreuze  auf  den  Grabsteinen  Stifterkreuze  gewesen  sein  könnten. 
Ich  will  mich  mit  Pfau,  um  kurz  zu  sein,  darum  nicht  streiten.  Es 
ist  eine  Theorie  mehr  zur  Erklärimg  der  Kreuzsteine  und  besser 
begründet  als  die  Pfaus.    Nur  weniges  will  ich  noch  bemerken. 

Zunächst  möchte  ich  zu  Pfau,  S.  425  Abs.  einwenden,  daß  es 
noch  gar  nicht  ausgemacht  ist,  ob  die  alten,  jetzt  schriftlosen  Grab- 
steine auch  wirkUch  schriftlos  waren.  Ein  Kreuz  und  die  Konturen 
eines  Schildes  Ueßen  sich  leicht  in  den  Stein  hauen,  Schriftzüge 
machten  bei  manchem  Material  schon  größere  Schwierigkeiten.  Es 
ist  doch  ziemUch  spät  entdeckt  worden,  daß  antike  Statuen  Be- 
malung hatten.  Der  Marburger  Deutschordensstein  des  Hochmeisters 
Konrad  von  Thüringen  zeigt  ebenfalls  alte  Bemalung.  Warum  sollen 
manche  Steine  nicht  auch  Schriftbemalung  gehabt  haben?  Auch  ist 
nicht  ausgeschlossen,  wie  v.  Hefner-Alteneck  a,  a.  S.  103  berichtet, 
daß  im  frühen  Mittelalter  manche  roh  bearbeiteten  Grabplatten  in 
den  Boden  eingelassen  waren,  um  die  Grabstelle  einer  Person  genau 
zu  bezeichnen,  während  an  der  Wand  ein  zweites  erhaben  ge- 
arbeitetes Denkmal  weitere  Nachrichten  gab.  Könnte  nicht  auch  in 
Cronschwitz  imd  anderswo  etwas  Ahnliches  gewesen  sein?  Wenn 
ferner  Pfau  S.  425,  Z.  19  v.  oben  die  „armseligen"  Cronschwitzer 
Grabplatten  nicht  als  Gedächtnissteine  für  hochgestellte  Stifter,  wie 
der  Landmeister  Heinrich  von  Weida  und  seine  Gemahlin  Jutta  ge- 
wesen wären,  gelten  lassen  wiU,  so  vergißt  er  ganz  die  damals  noch 
strenge  Observanz  der  Orden  und  besonders  des  Bettlerordens,  dem 
Cronschwitz  gehörte,  welcher  auf  das  Gelübde  der  Armut  den  größten 
Wert  legte.  Als  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  die  Observanz  in 
Cronschwitz  lax  wurde,  kamen  die  schönen  Grabmonumente  des 
V.  Wolframsdorf  und  des  Unbekannten  aus  EochUtz  auf.  Die  ganz 
schmucklosen  benimbten  Kreuzsteine  aber  passen  gar  nicht  in  diese 
Zeit.     Wie  einfach  und  armselig  ist  in  künstlerischer  Beziehung  doch 


Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Cronschwitz.        459 

der  Rodaer  Grabstein  des  Hartmann  v.  Arnshaugk  aus  dem  Jahre 
1289,  und  er  ist  sicherlich  jünger  als  die  Grabplatten  des  Land- 
meisters und  der  Jutta.  Und  weiter  bedenke  man  die  schon  er- 
wähnten einfachen  Grabsteine  der  Hochmeister  des  Ordens  in  Preußen, 
dem  eigenthchen  Ordenslande,  also  Grabsteine  des  höchsten  Würden- 
trägers in  der  Annenkapelle  der  Marienburg,  am  Ehrenplatze  des 
Ordens.  Sie  haben  zum  Teil  nur  Umschrift  bei  leerer  (wenn  nicht 
früher  bemalter)  Platte  und  führen  alle  kein  persönliches  Wappen, 
sondern  höchstens  und  selbst  in  späterer  Zeit  noch  den  Ordensschild 
mit  dem  schlichten  Balkenkreuz,  das  durch  den  ganzen  Schild 
geht,  nie  schwebend  war.  Der  Grabstein  des  Hochmeisters  Heinrich 
von  Plauen,  Retters  der  Marienburg  und  eines  Nachkommen  des 
Landmeisters,  hat  weder  Bild  noch  Schild,  sondern  nur  die  einfachen 
Worte :  „In  der  Jarzcal  Christi  MCCCCXXIX,  do  starp  der  erwirdige 
brvder  heinrich  von  Plawen"  (s.  Beschreibung  des  Schlosses  Marien- 
burg: Zur  Säkularfeier  in  Marienburg,  1872,  S.  46). 

S.  425,  Abs.  2  sagt  Pfau :  „Grabdenkmäler  von  Stiftern  —  ver- 
wandte man  in  vorreformatorischen  Tagen  schwerlich  als  Bau- 
steine. Ein  Kreuzstein  in  Seehtz  hat  aber  nachweislich  in  katho- 
lischer Zeit  dieses  Schicksal  gehabt  und  wahrscheinUch  auch  der 
sogenannte  Juttastein  in  Cronschwitz  etc.''  Pfau  übersieht  ganz, 
daß  letzterer  viel  wahrscheinlicher  in  nachreformatorischer  Zeit  als 
Treppenstufe  verbaut  sein  wird  (vgl.  S.  442)  und  vom  Seelitzer  Stein 
berichtet  er  S.  418,  Abs.  2,  Z.  6  v.  unten  selbst,  daß  er  erst  1528, 
also  in  reformatorischer  Zeit,  als  Baustein  verwandt  wurde.  Und 
wenn  auch  SeeUtz  noch  kathoUsch  gewesen  wäre,  so  könnte  der 
schriftlose  alte  Stein  doch  nicht  mehr  verstanden  und  deshalb  bei 
einem  Neubau  ausgemerzt  worden  sein.  Restaurationen  haben  bekannt- 
lich mehr  Altertümer  zerstört  als  Feuer  und  andere  Naturgewalten. 

Die  alten  Chammünsterer  Steine  mit  dem  benimbten  Kreuze 
stören  Pfau  sehr.  Er  ist  also  glückUch,  nachweisen  zu  können,  daß 
1210  Herzog  Ludwig  der  KeLheimer  der  Deutschherrenkirche  in 
Regensburg  die  Kirche  in  Cham,  welche  später  Filial  zu  Cham- 
münster  war,  überlassen  habe.  Diese  Notiz  war  mir  bekannt,  er- 
schien mir  aber  deshalb  unwesentlich,  weil  jene  Schenkung  über- 
haupt nicht  praktisch  geworden  zu  sein  scheint;  denn  schon  1260 
überließ  Bischof  Albert  II.  von  Regensburg  die  Pfarrei  Cham  mit 
der  Pfarrkirche  Chammünster  seinem  Domkapitel  und  dieses  blieb 
bis  zur  Säkularisation  im  Besitz  der  Kirche  (s.  Kunstdenkmäler  von 
Oberpfalz  und  Regensburg,  Heft  VI,  S.  49).  Eine  Beziehung  des 
deutschen  Ordens  zu  der  ganzen  Cham  er  Gegend  ist  seitdem  nicht 
mehr  nachzuweisen.  Also  können  die  Chammünsterer  Steine  auch 
nicht,  wie  uns  Pfau  mit  einem  „möglicherweise"  einreden  will,  Nach- 
bildungen deutschherrlicher  Steine  gewesen  sein. 


460        Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster  Crouschwitz. 

S.  429,  Z.  1  von  oben  widmet  Pfau  dem  verstorbenen  Steche 
in  Dresden  einen  Nachruf,  indem  er  kurzweg  behauptet,  die  frühe 
Datierung  der  Steine  in  Ottendorf  und  Göhren,  die  Steche  gibt, 
beruhe  nur  auf  persönlicher  Willkür.  Ich  will  auch  nicht 
alles  unterschreiben,  was  Steche  gebracht  hat,  aber  jedenfalls  be- 
urteilte er  jene  Grabplatten  nach  der  Stilform  und  Zeichnung  und 
nicht,  wie  Pfau,  nach  einer  von  ihm  selbst  zugunsten  seiner  Theorie 
von  den  Kreuzgrabsteinen  erst  erfundenen  Schablone. 

Im  weiteren,  S.  430,  will  Pfau  nochmals  dartun,  daß  der  deutsche 
Orden  auch  nach  1247  noch  Einfluß  in  Cronschwitz  gehabt  habe. 
Meine  vorstehende  Untersuchung  erübrigt  jede  Widerlegung.  Pfau 
muß,  ehe  ich  die  Waffen  vor  ihm  strecke,  mich  von  der  Richtigkeit 
seiner  Ansicht  überzeugen.  Dann  gebe  ich  gern  nach,  wie  ich  z.  B. 
seine  Korrektur  über  den  Wolframsdorfer  Grabstein  (S.  433),  daß 
auf  ihm  1479  statt  1419  zu  lesen  sei,  sofort  annehme  und  ebenso 
seiner  Ansicht  bin,  daß  die  Jahreszahl  1385  auf  dem  Stein  des  Un- 
bekannten aus  Rochlitz  noch  zweifelhaft  ist.  Auf  die  richtige  Da- 
tierung des  Wolframsdorfer  Steines  war  ich  übrigens  schon  durch 
eine  Notiz  Heinrichs  XXVI.  gebracht  worden  (s.  S.  440). 

Pfau  hat  endüch  trotz  vieler  Worte  nicht  nachgewiesen,  daß 
die  schriftlosen  benimbten  Kreuzgrabsteine  einer  viel  späteren  Zeit 
angehören,  als  viele  Bearbeiter  der  Inventarisationswerke  und  ich 
nach  der  Form  des  Kreuzes  und  seines  Beiwerkes  (Nimbus  und  Fuß) 
annehmen.  Er  hat  nicht  einmal  wahrscheinlich  gemacht,  daß  jene 
Kreuzgrabsteine  der  Rochlitzer  -  Zschillener  Pflege  dem  deutschen 
Orden  zuzuschreiben  sind,  und  daß  der  Nimbus  nur  allein  den 
Priesterbrüdern  des  Ordens  zukam. 

Ich  habe  diesen  Nachtrag,  da  die  Zeit  zur  Drucklegung  drängte, 
in  wenigen  Stunden  machen  müssen.  Sonst  hätte  ich  bequem  noch 
besser  zeigen  können,  daß  das  Kartenhaus  Pfaus,  wo  man  es  nur 
antippt,  sofort  zusammenstürzt.  Ich  weiß,  Pfau  wird  auch  auf  diese 
Arbeit  wieder  antworten.  Hat  er  doch,  wie  ich  hörte,  schon  eine 
Erwiderung  angemeldet,  ehe  ich  ein  Wort  von  dem  vorstehenden 
Aufsatze  niedergeschrieben  hatte.  Mag  er  solches  tun.  Ich  werde 
ihm  nicht  mehr  antworten,  da  ich  keinem  zumuten  möchte,  noch- 
mals von  unserem  persönlichen  Streite  Notiz  nehmen  zu  müssen. 
Was  die  wissenschaftliche  Frage  nach  den  Kreuzsteinen,  meiner 
Stiftertheorie  und  den  Grabplatten  des  Landmeisters  und  der  Jutta 
betrifft,  so  überlasse  ich  die  Entscheidung  über  ihre  Haltbarkeit 
getrost  der  Beurteilung  eines  wirklichen  Fachmannes. 

Schleiz,  im  März  1909.  Dr.  Schmidt. 


XIII. 

Zum  „Schwedenschreck"  jm  Jahre  1706. 

Von 

Prof,  Dr.  Jordan  in  Mühlhausen  in  Thür. 


Die  beiden  ersten  Jahrzehnte  des  18.  Jahrhunderts  waren 
bekanntlich  mit  großen  Kriegen  angefüllt.  Der  Westen 
und  Süden  Europas,  wie  der  Norden  und  Osten  standen 
unter  Waffen  in  Kämpfen,  in  denen  die  alten  Bundesgenossen 
Frankreich  und  Schweden  schließlich  von  der  Höhe  der 
Macht  herabgestürzt  wurden.  Am  interessantesten  ge- 
staltete sich  die  Lage  im  Jahre  1706.  In  zwei  großen 
Schlachten  wurde  Frankreich  besiegt,  zugleich  aber  erschien 
nach  glänzender  Siegeslaufbahn  Karl  XII.  in  Sachsen,  und 
schon  drohte  die  Gefahr,  daß  er  von  dort  aus,  wie  einst 
Gustav  Adolf,  sich  zum  Rhein  wenden  könnte.  Er  hat  das 
nicht  getan,  aber  groß  war  doch  der  Eindruck  seines  Er- 
scheinens, wie  sich  das  selbst  im  Kreise  der  kleinen,  längst 
ohnmächtigen  Reichsstadt  Mühlhausen  (Thür.)  geltend  machte. 
Aus  den  Akten  ^)  der  Zeit  soll  das  hier  näher  dargelegt 
werden. 

Die  Stadt  selbst  hatte  zunächst  keinen  Grund  zur 
Besorgnis,  da  der  schwedische  König  seinen  Angriff  ja  nur 
auf  Kursachsen  richtete,  dessen  Kurfürst  zum  Schaden 
seines    Landes    die    polnische  Krone    erworben  hatte.     Das 

1)  Städtisches  Archiv,  Akten  L,  5b  No.  7,  die  schwedische 
Einrückung  in  die  chur&ächsischen  Lande  betreffend. 
XXV  IL  30 


462  Zum  „  Schwedenschreck "  im  Jahre  1706. 

sächsische  Amt  Langensalza  grenzte  aber  an  das  Mühl- 
häusische  Grebiet,  und  von  dort  aus  wurde  die  Stadt  in  den 
Kreis  der  Sorge  gezogen.  Die  eigene  Kraft  war  längst 
dahin ,  hier  wie  in  anderen  Reichsstädten ,  es  galt  also, 
Schutz  zu  suchen  bei  benachbarten  oder  ferner  wohnenden 
Fürsten,  und  die  Schreiben  des  Rates  ergingen  nach  ver- 
schiedenen Seiten.  Zunächst  wandte  er  sich  an  das  aus- 
schreibende Amt  des  niedersächsischen  Kreises,  dem  die 
Stadt  als  das  am  weitesten  gegen  Süden  gelegene  Mitglied 
angehörte.  Man  hat  wohl  mit  Recht  darauf  hingewiesen, 
daß  sie  absichtlich  dem  obersächsischen  Kreise  fernblieb, 
in  welchem  Kursachsen  vorwaltete,  dessen  Nachbarschaft 
schon  früh  Besorgnis  erregt  hatte;  hat  doch  schon 
Friedrich  der  Weise  die  Hand  nach  ihrem  Besitze  aus- 
gestreckt. Der  Rat  erließ  am  3.  September  folgendes 
Schreiben  i) : 

An  des  H.  Herzogs  zu  Wolfenbüttel  hoch  fürstliche  Durchlaucht. 
Daß  wir  eines  höchst  rühmliches  Nieder  Sächsischen  Creis  Directorio 
mit  der  einlage  beschwerlich  fallen  und  dessen  höchst  vermögenden 
beyraht  aus  bitten  müssen,  solches  verursacht  die  unbeschreibliche  con- 
sternation,  in  welche  das  Churfürstenthum  Sachsen  und  mit  demselben 
auch  hiesige  Nachbahrschafft  durch  den  erschollenen  Einfall  gewißer 
polnischer^)  Trouppen  in  der  Lausnitz  gesetzet  worden.  Weil  wir 
nun  nicht  unzeitig  besorgen,  es  werde  die  sonst  vorhergengige  com- 
munication  zu  erwarten  sein  (und)  antwort  von  Stade  uns  zu  späte 
fallen,  als  ersuchen  Euer  hochfürstliche  Durchlaucht,  doch  ohn 
vorgeben,  unterthenigst,  ob  das  inliegende  an  Ein  höchst  löbliches 
Nieder  Sächsischen  Creis  Directorium  haltende  Schreiben  Sie  zu 
eröffnen  geruhen,  auff  allen  jedoch  und  in  etwa  bedenklichen  Fall 
auff  eingeschlossene  Abschrifft  uns  Dero  gnedigste  Meinung  wissen 
zu  lassen  belieben  wollen.  Wir  getrösten  uns  dessen  und  verdienen 
es  mit   unterthenigstem  Dank.  —  MühUiausen,  8.  September  1706. 


1)  Die  Konzepte  der  Schreiben  sind  von  einer  sehr  flüchtigen 
Hand  geschrieben,  so  daß  Versehen  im  Lesen  leicht  mögUch  sind, 
die  aber  kaum  den  Sinn  und  Inhalt  betreffen. 

2)  Karl  war  von  dem  von  ihm  erhobenen  Könige  Stanislaus 
von  Polen  begleitet,  der  polnische  Truppen  bei  sich  gehabt  haben  wird.. 


Zum  „  Schwedenschreck "  im  Jahre  1706.  463 

Die  Einlage  lautet: 

„An  des  Nieder  Sächsischen  Greises  ausschreibendes  Amt.  Ewer 
Könighche  Majestät  und  hochfürstliche  Durchlaucht  wird  vermut- 
lich für  Ankunft  dieses  vorkommen  seyn,  in  was  uns  vor  Conster- 
nation  ein  erschollener  Einfall  gewisser  polnischer  Trouppen  in  der 
Lausnitz  die  gesamte  Chur  Sächsische  Lande  gesetzet,  sogar  daß  auch 
in  unserer  nächster  Nachbahrschaft  nicht  nur  uf  die  Salvirung  der 
effecten  und  pretiosen  mobilien  von  privatis  gedacht  und  dieselbe 
bewerkstelliget,  sondern  sogar  die  Churfürstliche  in  Langensaltza  sich 
befindende  Steuer  Acta  und  Documenta  des  thüringischen  Gerichts 
auf  hohen  Befehl  außer  Landes  in  Sicherheit  gebracht  werden  wollen. 
Ob  wir  nun  wol  nicht  vermuthen  noch  hoffen  wollen,  daß  diese 
procedure  über  den  gantzen  Ober  Sächsischen  Creyß  bis  an  die 
Gräntze  des  hochlöblichen  Nieder  Sächsischen  Greises  sich  ausbreiten 
werde,  dieweil  aber  jedennoch  wir  nicht  zu  verdenken  seyn  werden, 
daß  bey  hochgedachten  Greises  höchstansehnlichem  itzigem  Directo- 
rio  wir  uns  in  Zeit  unterthänigst  melden  und  bey  etwan  fernerem 
oder  fortsetzendem  Einbruch  dessen  wolgeneigten  beyrath  zu  unserer 
Observation  gebührend  ausbitten,  als  wir  solches  hiermit  verrichten 
wollten,  und  solches  um  so  mehr,  weil  wir  eines  Theilß  nicht  ba- 
stand  sind,  einen  gewaltsahmen  Einbruch  abzuhalten,  ander  Theilß 
gar  leichte  in  den  Stand  gesetzet  werden  mügen,  in  welchem  wir 
unseres  am  Ober  Rhein  stehendes  Reichscontingent ')  nicht  länger 
würden  unterhalten  können.  Wir  wollen  dannenhero  gnedigster 
erhörung  uns  versehen.  Ewer  Königlichen  Majestät  und  hochfürstliche 
Durchlaucht  Göttlicher  Gnade  Schutzes,  uns  aber  der  beharrlichen 
Königlichen  und  hochfürstlichen  hulde  unterthenigst  empfehlende  . .  . 
Mühlhausen  den  9.  September  1706." 

An  dritter  Stelle  wandte  sich  der  Rat  an  den  Kur- 
fürsten von  Hannover,  indem  er  so  Beziehungen  anknüpfte 
oder  fortführte,  die  nach  wenigen  Jahren  (1710)  die  Stadt 
in  den  Schutz  Hannovers  treten  ließen,  in  welchem  sie  bis 
zum  Ende  ihrer  Selbständigkeit  verblieb  2).  Das  Schreiben 
lautet : 

„Ewer  GhurfürstUchen  Durchlaucht  —  (ut  in  litteris  an  das  Greis 
Directorium)  —  nicht  zu  vordenken  seyn  werde,  daß  bey  dem  hoch- 
löbUchen   Directorio    und    anderen  mächtigen  Ständen  des  Nieder 


1)  Die  Mühlhäuser  Kompanie  unter  dem  Hauptmann  Friedrich 
V.  Bendeleben  war  etwa  100  Mann  stark. 

2)  Chronik  der  Stadt  Mühlhausen  (Thür.)  I,  34. 

30* 


464  Zum  „  Schwedenschreck "  im  Jahre  1706. 

Sächsischen  Greises  in  ermangelung  eines  Creisobristen  wir  uns 
unterthänigst  melden  und  bey  etwan  observirender  invasion  dero 
gnädigsten  beyraht,  was  wir  in  dieser  unvermutheten  frangenti  möchten 
zu  thun  haben,  geziemendt  ausbitten,  als  haben  zu  E.  Churf.  Durch- 
laucht als  zu  einem  der  vornehmsten  Mitglider  des  Nieder  Sächsischen 
Greises  wir  uns  in  Unterthenigkeit  wenden  und  auch  um  Dero 
gnädigste  meinung  ansuchen  wollen  und  dieses  um  so  mehr,  damit 
wir  bey  noch  fürwehrendem  Reichs  Kriege  dem  H.  Römischen 
Reiche  und  Nieder  Sächsischem  Greise  bey behülf lieh  bleiben  und 
zu  fernerer  Stellung  undt  Unterhaltung  unsers  Gontingents  nicht 
untüchtig  gemacht,  in  Summa  wieder  die  Executions-  und  andere 
Reichsverordnungen  nicht  beschwehret  werden  mögen.  Wir  wollen 
gnädigster  Antwort  uns  gewiß  versehn."  (Miihlhausen  den  8.  Sep- 
tember.) 

Schließlich  schrieb  der  Rat  auch : 

„An  des  Herrn  Herzogs  zu  Sachsen  Hochfürstliche  Durchlaucht: 
Daß  Ewer  Hochfürstliche  Durchlaucht  von  dem  erschollenen  Schwedi- 
schen Einfal  in  die  Ghur  Sächsischen  Lande  genaue  Kuntschaft 
werde  eingezogen  haben,  daran  tragen  wir  keinen  Zweifel.  Es  hat 
dieses  gerüchte  eine  solche  consternation  verursacht,  daß  Leipziger 
Einwohner  auf  22  und  mehr  Meilen  weges,  mit  allem,  was  sie  fort- 
bringen können,  geflüchtet  sind.  Ob  wir  nun  wol  nicht  hoffen  wollen, 
dieses  Kriegesfeuer,  wenn  es  änderst  mit  dem  Einfal  ausgestreueter 
masz  sich  verhalten  solte,  soweit  komen  und  in  diese  gegend  aus- 
breiten solte,  weil  aber  dennoch  auf  einen  von  Dresden  eingegangenen 
Befehl  die  Thüringischen  Steuer  Acte  und  Documente  von  Langen 
Salz  salvirt  sein  sollen,  als  werden  auch  wir  wol  nicht  zu  verdenken 
seyn,  wenn  wir  in  etwas  auch  auf  unserer  Huht  stehen,  zuförderst 
aber  bey  Ewer  Hochfürstlichen  Durchlaucht  uns  unterthenig  er- 
kundigen, ob  die  benachbahrten  Ghur  Sächsisch  Thüringische  Lande 
einiges  des  falls  zu  besorgen  haben  und  die  Nachbahrschaft  mit 
eingeflochten  werden  möchte.  Es  würden  auf  solchen  Fall  Ewer 
Hochfürstliche  Durchlaucht  L^nterthanen  des  Amtes  Vilterode(?)  *)  bey 
uns  ihre  Sicherheit  mit  suchen  müßeu,  weswegen  wir  um  des  weniger 
zweiffein,  E.  H.  Durchlaucht  werde  nicht  allein  gnedigst  befehlen,  daß 
die  etwan  habende  sichere  Nachricht  von  diesem  erschollenen  einfall 
uns  communiciret  werden  möge,  sondern  auch  mit  Dero  höchst- 
geschetztem  beyrath,  was  in  hoc  frangenti  zu  unserer  und  der  Nach- 
bahrschaft mehrerer  Sicherheit  vorzunehmen  seyn  möchte,  in  gnaden 
an  handt  gehen.    Wir  werden  es  in  aller  unterthenigkeit  zu  verdienen 

1)  Der  Name  wird  verschrieben  sein  (Volkesroda  ?). 


Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706.  465 

befließen  seyn.  Ewer  Hochf.  D.  —  göttlicher  obhut,  uns  aber  Dero 
beharrlichen  hulde  fleißigst  und  unterthenig  empfehlende  etc. 
Mühlhausen  den  11,  September  1706. 

Die  vorstehenden  Schreiben  lassen  durch  Zahl  und 
Inhalt  die  „consternation"  des  Rates  erkennen,  die  in  seinen 
eigenen  Verhandlungen  noch  deutlicher  hervortritt  i) : 

„Actum  in  Senatu  triplici  21.  September  1706.  Proponebatur, 
es  würde  leider  mehr  als  zu  viel  bekandt  seyn,  was  der  Schwedische 
Einfall  in  das  Churfürstenthumb  Sachsen  vor  eine  Consternation 
und  Confusion  verursachet,  wie  hohe  und  niedere  sich  salvirten  und 
das  ihrige  flüchteten ,  daß  auch  hiesiger  orth  von  Personen  und 
geflüchteten  Gütern  angefüllet  werde,  es  retirirten  sich  sogar  die 
Chur  Sächsischen  trouppes  in  hiesige  Nachbahrschaft  vor  denen 
streifenden  Partheyen,  und  were  dahero  zu  besorgen,  man  möchte 
auch  alhier  wegen  dieses  Chur  Sächsischen  Lande  betreffenden 
Unheils  einige  gefahr  lauffen,  man  hat  nicht  ermangelt  dieserwegen 
sowohl  bey  dem  Nieder  Sächsischen  Creiß  directorio  insgemein,  als 
auch  insonderheit  bey  des  H.  Con  Directoris  hochf.  Dicht,  wie  auch 
des  H.  Churfürstens  zu  Hannover  und  H.  Hertzogs  zu  Sachsen 
Gotha  Drl.  Drl.  sich  zu  melden  und  dero  beyraht  zu  erbitten.  Was 
nun  vor  Antwort  angelanget,   solche  sollen  anitzo  verlesen  werden." 

Zunächst  lag  vor  die  Autwort  des  Herzogs  zu  Sachsen : 
„Unseren  gnädigsten  Gruß  zuvor,  Ehrsame  und  Weise,  Liebe 
besondere !  Aus  Eurem  gestrigen  durch  hier  mit  zurückkommenden 
expressen  haben  Wir  ersehen,  was  Ihr  wegen  der  besorgten  Schwedi- 
schen Einrückung  in  die  Chur  Sächsischen  Lande  an  Uns  gelangen 
laßen,  und  wie  Ihr  hierüber  etwas  genauere  Nachricht  von  Uns 
einholen,  benebenst  aber  auch,  was  bei  diesem  frangenti  etwa  zu 
dieser  Gegend  mehreren  Sicherheit  vorzunehmen  seyn  möchte,  Uns 
xunb  unsern  beyrath  ersuchen  wollen.  Gleichwie  mm  die  ob 
solchen  Schwedischen  Anmarsch  entstandene  Besorgniß  nicht  ohne 
consideration  und  sich  bey  dessen  mehrern  Annäherung  nach  und 
nach  vergrößert;  also  haben  Wir  vor  Unserer  vor  wenig  Tagen 
aus  dem  Fürstenthumb  Altenburg  uf  anhero  genommenen  rückreise 
aus  Sorgfalt  vor  Unsere  und  angrentzende  Lande  nicht  allein 
eine  Schickung  an  Ihre  Majestät  den  König  von  Schweden  von 
dar  aus  zu  dem  ende  gethan,  umb  das  hierunter  führende  Absehen 
in  etwas  näher  zu  penetriren,  sondern  auch  in  Unserm  gesambten 
FürstUchen  Hause  Sachsen  nechster  tagen  in  Erffurth  eine  Conferenz 


1)  Protocollum  Senatus  triplicis  de  anno  1706  Bl.  IIb  u.  f. 


466  Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706. 

veranlaßet,  umb  in  dieser  Angelegenheit  die  Nothdurfft  zu  verab- 
reden, und  werden,  was  sowohl  hierbey  etwa  zum  Schluß  kommen 
möchte,  als  auch  von  Unseres  an  Ihre  Majestät  Abgeordneten  Ver- 
richtung und  relation  einkommet,  in  nachtbarlichen  Vertrauen  part 
geben,  nicht  weniger  auch,  was  zu  Euren  und  Eurer  gemeinen  Stadt 
besten  und  Consolation  gereichen  kann,  gerne  mit  beytragen,  und 
verbleiben  Euch  indeßen  wie  allezeit  mit  Gnaden  gewogen.  Datum 
Friedenstein  den  12.  September  1706. 

Friedrich  H.  z.  Sachsen  mp." 

Der  Herzog  von  ßraunschweig  antwortete: 

„Von  Gottes  Gnaden  Anthon  Ulrich  Hertzog  zu  Braunschweig 
und  Lüneburg.  Unsern  gönstigen  und  geneigten  Willen  zuvor, 
Ehrbare  und  Weise,  Liebe  Besondere.  Es  ist  Uns  woU  geUefert 
worden,  was  Ihr  bey  denen  in  den  Chur  Sächsischen  Landen  sich 
ohnlängst  geäußerten  Krieges-troublen  und  daher  geschöpfften 
Beysorge,  daß  der  Nachbahrschafft  halber  auch  etwa  Eure  Stadt 
einiger  Gefahr  exponiret  seyn  mögte,  sowoll  an  das  Crays-Ausschreib. 
Ambt  in  diesem  Nieder  Sächsischen  Crayse  alß  auch  an  Uns  be- 
sonders gelangen  laßen.  Wir  werden  nun  nicht  unterlaßen,  mit 
der  Königlich  Schwedischen  Eegierung  zu  Stade  darüber  ohnge- 
seümbt  zu  communiciren  und  es  an  nichts  ermangeln  laßen,  damit 
Ihr  mit  der  verlangten  resolution  fordersamst  versehen  werden  müget. 
Gleichwie  wir  aber  sonst  nicht  vermuthen,  daß  Ihr  Königl.  Mayt. 
von  Schweden  mit  dero  Waffen  weiter  alß  in  die  besagte  Chur 
Sächsische  Lande  gehen,  und  also  auch  die  übrige  in  dem  Ober- 
Sächsischen  Crayse  belegene  Lande,  noch  weniger  aber  diejenige,  so 
zu  diesem  Crayse  gehörig,  bey  solcher  Unruhe  etwas  zu  befahren 
haben  dürffen.  Also  zweifeln  Wir  nicht,  Ihre  werdet  auch  für  Euch 
die  Behuetsamkeit  gebrauchen,  damit  Ihr  keine  Veranlaßung  gebet, 
wodurch  Euch  und  gemeiner  Stadt  einige  unangenehme  Begegniße 
zugezogen  werden  mügten,  Welches  Wir  Euch  dann  vorgängig  hiemit 
ohnverhalten  woUen,  und  sind  Euch  mit  gönstigen  und  geneigten 
Willen  jederzeit  woll  beygethan.  Geben  in  Unser  Vestung  Wolffen- 
büttel  den  13.  Septembris  1706. 

August  Wilhelm" '). 

Drittens  lief  vom  Kurfürsten  von  Hannover  folgendes 
Schreiben  ein: 

„Von  Gottes  gnaden  Georg  Ludewig  Herzog  zu  ßraunschweig 
und  Lüneburg,  des  Heyl.  Köm.  Reichs  Churfürst,  Unseren  gnädigsten 


1)  Er  unterzeichnete  im  Namen   seines   Vaters  Anton  Ulrich. 


Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706.  407 

willen  zuvor,  Ehrbare,  Fürsichtige  und  weise,  Liebe  Besondere  und 
Getreue.  Wir  haben  auß  ewrem  Schreiben  vom  9.  dieses  ersehen, 
welcher  gestalt  ihr  bey  dem  Königlich -Schwedischen  Anmarch 
nach  Sachsen  betreten  seyd  und  Unsern  guten  Rhat  und  officia  des- 
falß  verlanget.  Nun  ist  uns  das  Vertrawen,  welches  ihr  darunter 
Uns  bezeiget,  sonderlich  lieb.  Wir  sehen  aber  keine  apparenz,  daß 
Ihre  Königl.  Mayt.  von  Schweden  vorhaben  selten,  dero  Krieges- 
Macht  ausserhalb  des  Chur  Fürsten  thumbs  Sachsen  zur  Beschwerde 
der  Nachbahren  auszubreiten  und  noch  weniger  selbe  bis  in  diesen 
Nieder  Sächsischen  Kreys  zuerstrecken.  Wir  unterlaßen  auch  nicht 
zum  besten  der  Sache  und  daß  die  Chur  Sächsischen  Lande  selbst 
leydlich  tractiret  werden  mögen,  alles  dienliche  vorkehren  zuhelffen 
und  haben  zu  dem  ende  eine  expresse  abschickung  an  Ihre  König- 
liche Mayt.  von  Schweden  gethan.  Ihr  könnet  also  Unseres  er- 
meßens  in  ruhe  seyn  und  euch  der  sorge,  daß  euch  von  Königlich 
Schwedischer  seitten  etwas  wiedriges  solte  zugemuhtet  werden  wollen, 
entschlagen.  Wir  verbleiben  euch  und  gemeiner  Stadt  mit  gnaden 
und  allem  guten  bey  gethan. 

Hannover  den  10.  Septembris  1706. 

Georg  Ludwig 
Churfürst." 

Nach  Verlesung  der  Schreiben  ging  die  Verhandlung 
des  Rates  weiter: 

„Worauf  dann  ferner  zu  resolviren:  1)  Was  bey  dieser  Be- 
wandniß  zu  hiesiger  Sicherheit  a)  mit  Verwahrung  der  Thore,  b)  zur 
Securität  der  Vorstädte  und  Dorfschaften  vorzunehmen  und  zu  be- 
werkstelligen. 2)  Wie  man  sich  wegen  der  eingeflüchteten  Personen  und 
Güther  zu  bezeigen,  dabey  denn  wohl  zu  consideriren,  daß  sie  theilß 
uninteressirte  alß  Gothaisch-,  Eißfeldisch-  und  Schwarzburgische, 
theilß  aber  Sachsen  Weißenfeiß  und  immediat  Chur-Fürstliche 
Unterthanen  wären  und  diese  zum  theil  von  Consideration,  zum  theil 
aber  geringer  und  welche  keinen  großen  bruit  machen.  Wegen 
dieser  verschiedentlichen  Consideration  würde  auch  wohl  bey  dieser 
dehcaten  affaire  verschiedentliche  Resolution  zu  faßen  und  eines 
theilß  dahin  zu  sehen  seyn,  daß  man  mit  gäntzlicher  und  durch- 
gängiger denegirung  der  Aufnahme  sich  nicht  einen  unvergeßlichen 
Haß  und  Vorwurf  der  inhospitalität  verursachete,  andern  theilß  aber 
auch  kein  Unheil  auf  den  Halß  zöge.  3)  Wäre  gleichitzo  gemeldet 
worden,  daß  etliche  Chur  Sächsische  Bagage  Wagen  vor  der  neuen 
Pforte  hielten  und  herein  verlangten.    Conclusum  in  Reg.  ^):  ad  1) 


1)  im  regierenden  Rate. 


468  Znra  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706. 

es  wären  3  Thore  zu  schließen,  die  übrigen  wohl  — ,  auch  die  aus- 
wendigen^) mit  Vorstädtern  zu  besetzen  und  alle  gute  Obsicht  zu 
haben  dem  Kriegs  Amte  aufzugeben ;  auf  den  Dorfschaften  wären  die 
Schläge  zu  repariren  und  denen  Unterthanen  auf  der  Hut  zu  seyn 
anzudeuten,  ad  2  hätte  man  durch  einen  Abgeordneten,  wie  man 
sich  und  wie  sich  die  benachbarten  wegen  aufnähme  der  geflüchteten 
zu  verhalten,  zu  erkündigen,  inzwischen  aber  hätte  ein  jeder  Bürger 
denjenigen,  so  bey  ihm  eingeflüchtet,  bescheid entlich  zu  hinterbringen, 
daß  er  ihme  vor  sein  eingebrachtes  Guth  weder  stehen  noch  gut 
seyn  könnte.  —  ad  3.  Dem  Chur  Sächsischen  Officier  mit  bey  sich 
habender  montur  wäre  zu  hinterbringen,  daß  er  beßer  thäte  andrer 
orthe  seine  Sicherheit  zu  suchen,  deßgleichen  wäre  dem  hier  sich 
noch  aufhaltenden  Chur  Sächsischen  Major  anzudeuten,  damit  er 
sich  nicht  selbst,  auch  der  Stadt  Ungelegenheit  zuzöge,  im  Fall  er 
aber  auf  der  Einlaßung  bestehen  würde,  hätte  man  diese  ihme  pure 
abzuschlagen.'' 

Noch  ängstlicher  lautet  der  Beschluß  des  zweiten  Rates  : 
„1)  Drey  Thore  seyen  gänzlich  zuzuschließen  und  die  übrigen 
desto  besser  durch  die  Soldaten  und  Bürgerwachten  conjunctim  zu 
verwahren,  dabey  denen  Unteroff icirern  der  Bürgerschafft  als  Fou- 
rieren  das  Commando  anzuvertrauen,  alle  Excesse,  als  vollsaufen  und 
dergleichen,  abzustellen  und  des  Nachts  fleißig  zu  patrouilliren,  auch 
hätte  wohllöbliches  Semner-  und  Bau-Amt  gute  Aufsicht  auf  die 
Feuer-Rüstung  zu  haben,  daß  alles  im  guten  Stande  und  parat  sein 
möge.  2)  Wären  die  Thore  in  denen  Vorstädten  gleichfalls  durch  deren 
Einwohner  so  tags  als  Nachts  zuverwahren,  die  Gräben  aufzuwerffen 
und  die  Mauren  zurepariren ;  auff  denen  Dorffschafften  seyen  die 
Schlagbäume  und  graben  zuergänzen ,  wacht  zuhalten  und  vor 
dieselben  Säulen  mit  dem  duppelten  Adler  zusezzen." 

Dem  sächsischen  Offizier  schlug  auch  dieser  Rat  den 
Aufenthalt  in  der  Stadt  ab  und  beantragte: 

„daß  dem  Collegio  Dominorum  Seniorum  zur  Deliberation 
anheim  zugeben  wäre,  ob  nicht  dienlich  wäre  einige  Deputation  an 
den  Nieder  Sächsischen  Crais  und  benachbarte  örter  abzuordnen, 
um  Erkundigung  einzuziehen,  wie  es  in   diesem  Puncte  zuhalten." 

Die  fortdauernde  Sorge  des  Rates  veranlaßte  ihn  dann 
zu  neuen  Schreiben  an  die  Fürsten,  erstens : 

„An  Churfürstliche  Durchlaucht  zu  Hannover,  Vor  die  von 
Ewer  Churfürstliche  Durchlaucht  wegen  der  im  Churfürstenthumb 


1)  Die  Tore  in  der  die  Vorstädte  umgebenden  äußeren  Mauer. 


Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  170G.  469 

Sachsen  sich  ereigneten  Königlichen  Schwedischen  motuum  erhaltene 
gnädigste  Nachricht  und  vertröstete  Sorge  vor  unser  armes  Stadt- 
wesen erstatten  wir  unterthänigst  Dank.  Wir  müßen  aber  gehor- 
samst bitten,  uns  in  Gnaden  zu  halten,  daß  wir  anderweit  berichten, 
wie  bey  anfang  dieser  woche  durch  einen  von  den  Schwedischen 
so  genannten  Wallachen  bis  in  Thüringen  unternommenen  streif 
und  Zerstreuung  der  wenigen  im  lande  annoch  gestandenen  Chur 
Sächsischen  Trouppen  ein  solches  flüchten  verursachet  sey,  daß  unsere 
Stadt  nicht  allein  mit  vielen  gütern  angefüllet  worden,  sondern  es 
haben  sich  auch  viele  vornehme  Chur  und  fürstlich  Sächsisch  Weißen- 
feldische Vasallen  und  Officianten  mit  ihren  Familien  nach  hierher 
retiriret,  andere  aber  bey  anscheinender  weiterer  Gefahr  auf  dießen 
Fall  zur  gleichmäßigen  retirade  Wohnung  bestellet.  Wir  sind  dieser 
wegen  in  etwas  betreten,  indem  uns  unchristlich  zu  seyn  scheinet, 
diesen  geflüchteten  persohnen  die  jura  hospitalitatis  zu  versagen, 
absonderlich  da  dergleichen  Versagung  uns  einen  unauslöschlichen 
Haß  bey  der  Nachbahrschafft,  der  wir  doch  nicht  en trabten  können, 
in  Zukunft  werde  auf  den  hals  ziehen,  hingegen  aber  auch  in  der 
Sorge  stehen,  es  möchte  diese  maßnähme  bey  sich  weiter  etwan  aus- 
breitender Kriegesmacht  Schwedischer  selten  übel  gedeutet  und  dahero 
zu  unserer  beunruhigung  einige  Veranlassung  genommen  werden, 
weswegen  auch  in  dieser  besorglichen  und  delicaten  affaire  Ewer 
Churfürstlichen  Durchlaucht  gnädigsten  beyraht  wir  hiermit  in  Unter- 
thänigkeit  erbitten.    Ewer  etc.  Mühlhausen  den  22.  September  1706." 

Ein  zweites  Schreiben  sandte  der  Rat 

„An  des  Herrn  Greis  Condirectoris  Hochfürstliche  Durchlaucht. 
Daß  Ewer  H.  D.  uns  so  gnädig  erschienen  und  unß  unßer  unter- 
thenigstes  Zuschreiben  wegen  der  im  Churfürstenthum  Sachsen  ent- 
standenen Königlich  Schwedischen  motuum  uns  in  einer  Greis 
Directoriali sehen  Resolution  beförderlich  zu  seyn  sich  anerklären, 
anbey  aber  auch  mit  Dero  gnädigstem  beyraht  an  band  gehen  wollen, 
solches  alles  erkennen  wir  mit  unterthänigstem  dank,  wie  uns  aber 
(ut  in  litteris  ad  Electorem  Brunsvico  Hannoveranum  mutata  curiali 
Churfürstlich — hochfürstlich)." 

Am  gleichen  Tage  erging  dann  noch  ein  drittes 
Schreiben 

„An  des  Herrn  Herzogs  zu  Sachsen  Gotha  hochfürstliche 
Durchlaucht.  Daß  E.  H.  D.  sich  dahin  gnädigst  erbieten  wollen 
uns  wegen  der  itzigen  Königlich  Schwedischen  motuum  nicht  allein 
von  demjenigen  part  geben  zu  laßen,  was  bey  der  in  dem  hoch- 
fürstlichen Sachsen  Ernestinischen  Hause  gehaltenen  Zusammenkunft 


470  Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706. 

zu  Schluß  kommen  undfc  Deroselben  au  ihre  Königl.  Majestät  von 
Schweden  abgeschickter  Abgeordneter  verrichten  möchte,  sondern 
auch  im  übrigen  mit  beyzutragen,  was  zu  unserer  gemeinen  Stadt 
trost  und  consolation  gereichen  könnte,  solches  alles  erkennen  wir 
mit  unterthänigstem  Danck.  Weil  wir  nun  nicht  zweifeln,  es  werde 
bishero  ein  undt  das  andere  in  diesem  impertinenten  negotio  ein- 
gelaufen seyn,  so  haben  wir  um  die  gnädigst  vertröstete  Nachricht 
hiermit  unterthänigst  bitten,  anbey  aber  auch  nicht  verhalten  wollen, 
wie  unsere  Stadt  mit  geflüchteten  gütern  angefüUet  undt  viel  Häuser 
mit  fremden  persohnen  oder  doch  dero  Familien  (worunter  ver- 
schiedene vornehme  Weißen  feldische  bediente  sich  befinden)  besetzet, 
viele  Wohnungen  aber  auch  besprochen  sind.  Wenn  dann  auch 
dergleichen  ihrer  H.  D.  Residentz  und  anderen  Städten  vermuthlich 
geschehen  seyn  wirdt,  als  haben  wir  dero  gnedigst  beyrath,  wie  sich 
etwa  in  diesem  Fall  zuverhalten,  undt  ob  bey  denjenigen  Persohnen 
undt  dero  gütern,  welche  Königlicher  Majestät  m  Fohlen  und  des 
Herrn  Hertzogs  zu  Sachßen  Weißenfels  Durchlaucht  mit  Unter- 
thanen  oder  dienstpflichtig  vorwandt,  etwas  wiedriges  zubesorgen 
haben  möchten.  W^ir  leben  des  guten  Vertrauens,  es  werde  diese 
unterthänigste  Anfrage  uns  zu  gutem  gehalten  undt  einer  baldigen 
gnädigsten  Antwort,  umb  außer  aller  Unser  Besorgniß  zuleben,  an- 
gedeyen." 

Eine  Beruhigung  brachte  zunächst  folgendes,  am  2.  Ok- 
tober präsentierte  Schreiben  : 

„Ihrer  Königlichen  Majestät  zu  Schweden  in  dero  Herzogthümer 
Bremen  und  Vehrden  verordnete  General-Gouverneur  und  Regierung. 
Edle,  Ehrenveste,  Hoch-  und  Wolgelahrte  auch  Wolweise,  Ins- 
besonders  geehrte  Herren  und  Freunde,  Was  die  Herren  unterm 
9.  dieses  wegen  der  in  denen  Chur-Sächsischen  Landen  sich  itzo 
aufgebenden  Krieges  Unruhe  und  desfalls  bey  Ihnen  entstandenen 
apprehension ,  alß  ob  auch  dero  gemeinen  Stadt  Wesen  daher 
einige  ungelegenheit  möchte  zuwachsen  können,  an  Ihr.  Königl.  Maje- 
stät, unsern  allergnädigsten  König,  und  des  Herrn  Hertzogen  zu 
Braunschweig  Lüneburg  Wolffenbüttel  Fürstl.  Durchlaucht  alß  auß- 
schreibende  Fürsten  des  Löbl.  Nieder- Sächsischen  Greises  gelangen 
zu  laßen  der  Nothturfft  zu  seyn  erachtet,  solches  haben  wir  ob  dem 
voritzt  hochgedachter  Ihrer  Churf.  Durchlaucht  uns  in  origine  (!) 
zugefertigtem  Schreiben  in  mehrerem  wohl  ersehen.  Gleichwie  wir 
mm  keines  weges  zweifeln,  es  werden  sowohl  die  Herren  alß  sonst 
Jedermann iglich  von  Ihrer  Königlichen  Majestät  unsers  aller- 
gnädigsten Königs  Recht  und  bilügkeit  liebenden  Gemüthe  zu  vorhin 
völlig  persuadiret  seyn,   wie   Ihre  Königliche  Majestät   bey  solchen 


Zum  „Schwedenschreck"  im  Jalire  1706.  47  ^ 

Ihr  abgenöthigten  und  daher  allerdinges  wohl  befugten  Demarchen 
sich  nichts  anders  vor  äugen  gesetzet,  alß  denen  jenigen,  so  dero 
zudringliche  feinde  seyn  wollen,  mit  gehörigem  Ernst  und  Nachdruck 
zu  begegnen  und  selbige  an  dem  jeuigen  ehrte  anzugreiffen,  woher 
alle  mittel  und  Kräffte  Ihre  Königliche  Majestät  zu  bekrigen  und 
zu  inquietiren  bisher  gefioßen;  also  können  die  Herren  auch  wohl 
versichert  seyn,  es  werden  Allerhöchstgenannter  Ihr  Königliche  Maje- 
stät bey  dero  gegenwärtigem  Einbruch  in  Saxen  dero  hohe  Sorgfalt 
vornehmlich  dahin  gerichtet  seyn  laßen,  daß  dero  vorgesetzter  Zweck 
ohne  nachtheil  und  beunruhigung  anderer  mit  der  sache  unver- 
worrener (!)  stände  errichet  (!)  und  also  so  wenig  der  Stadt  Mühl- 
hausen als  anderen  benachbarten  Ständen  des  Ober-  oder  Nieder 
Sächsischen  Greises  einige  ungelegenheit  daher  zugezogen  werden 
möge,  zumahln  wann  dieselbe  sich  aller  Parteilichkeit  enthalten  und 
auf  ein  oder  andere  Weise  durch  etwauige  theilnehmung  sich  nicht 
Selbsten  mit  impliciren  werden,  allermaßen  auch  von  des  Herrn 
Hertzogen  zu  Braunschweig  Wolffenbüttel  Fürstl.  Durchlaucht  als 
itzigem  Condirectorio  (!)  den  Herren  solches  bereits  vorhin  gar  wohl 
bedeutet  worden.  Welchem  nach  wir  denn  auch  zu  denselben  des 
gäntzlichen  Vertrauens  leben,  es  werden  dieselbe  des  fals  alle  ge- 
hörige behutsamkeit  Ihres  ohrtes  gebrauchen  und  also  selbsten  die 
gelegenheit  zu  vermeiden  sich  angelegen  seyn  laßen ,  welche  zu 
einigen  wiedrigen  begegnißen  die  veranlaßung  möchte  geben  können. 
Womit  wir  dieselben  Göttlicher  obhut  empfehlen.  Geben  Stade 
unterm  Königl.  ßegierungs-Insiegel  den  22.  Septembris  1706. 
N.  Gylden Stern.  ( — ? — )  J.  Heldberg  SGrissenhain  ^) 
Dr.  Engeibrechten.  Dr.  Stade." 

Weitere  Beruhigung  brachte  folgendes  Schreiben: 
„Von  Gottes  Gnaden  Georg  Ludwig  etc.  etc.  Wir  haben  aus 
ewrem  ander  weitem  Schreiben  vom  22.  September  ersehen,  waß 
gestalt  durch  einen  von  denen  Schwedischen  Wallachen  bis  in  Thü- 
ringen unternommenen  streiff-  und  Zerstreuung  der  im  Lande  annoch 
gestandenen  Chur  Sächsischen  Trouppen  ein  solches  flüchten  ver- 
ursachet sey,  daß  eure  Stadt  mit  vielen  Gütern  und  personen  aus 
dem  Chur  Sächsischen  und  Sachsen  Weißen felßischen  augefüilet 
worden  und  bey  weiterer  Gefahr  noch  mehr  werde  angefüllet  werden, 
dahero  ihr  auß  Beysorge,  daß  etwa  die  aufnehmung  solcher  guter 
und  personen  Königl.  Schwedischer  seithen  euch  misdeutet  und  gegem 
euch  geahndet  werden  mögte,   Unsem  einrhat  (!)  wegen   eures  ver- 


1)  Die  Unterschriften   sind,  wie  so  oft,   nicht  sicher  zu   ent- 
ziffern. 


472  Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706. 

haltens  in  der  sache  verlanget.  Gleich  wie  wir  nun  nicht  ver- 
nommen, daß  Ihre  Königl.  Majestät  in  Schweden  andern  benach- 
bahrten  ohrten,  wohin  auß  dem  Chur  Sächsischen  geflüchtet  worden, 
deswegen  etwas  wiedriges  zugemuthet  oder  zuzumuthen  gemeinet  seyn 
solten,  alß  glauben  wir  auch  noch  nicht,  daß  ihr  euch  dergleichen 
zubefahren  habet;  wir  unterlassen  jedoch  nicht,  Unserem  bey  Ihrer 
Königlichen  Majestät  von  Schweden  itzo  subsistirendem  Ministro, 
dem  Geheimten  Ehat  von  Oberg,  zubedeuten,  daß  er  auf  allen  ohn- 
vermuhtenden  fall  solches  abzuwenden  muglichst  bemühet  zu  seyn. 
Ob  aber  diejenige  Leute  auß  dem  Chur  Sächsischen  und  zugehohrigen 
Landen,  welche  sich  mit  ihren  mobilien  von  Hauß  und  Hoff  wegk 
in  fremde  Lande  begeben,  für  sich  und  die  Ihrige  woU  daran  thun, 
daran  zweiffein  wir  sehr,  weil  Ihre  Königl.  Majestät  von  Schweden 
mittelst  des  in  copia  hiebey  gehenden  Patents  vom  2.  dieses  declariret, 
daß  diejenige,  welche  Ihre  Häuser  und  Wohnungen  verlassen  und  Ihre 
Sachen  und  Baarschafften  aus  dem  wege  schaffen,  als  Feinde  mit 
Feuer  und  Schwerd  verfolget,  hingegen  diejenige,  die  in  ihren  Häusern 
und  Wohnungen  bleiben,  ihre  Sachen  nicht  anderwerts  hin  verführen, 
sondern  gutwillig  dasjenige,  was  zu  der  Königlich  Schwedischen 
trouppen  Unterhaltung  ihnen  auferleget  würde,  entrichten,  nicht  allein 
in  Königlich  Schwedischen  Schutz  und  schirm  genommen,  sondern 
auch  sowoU  ihrer  personen  als  Zugehörigen  Güter  und  Eigenthumbs, 
auch  Handlung  und  Handthirung  wegen  vollkommene  Sicherheit  der- 
gestalt zugeniessen  haben,  daß  denenselben  von  keinem  der  Königlich 
Schwedischen  Kriegs-Bedienten  ;eigenwilliger  weise  einiger  schaden, 
gewalt  oder  eintrag  solle  zugefüget  werden.  Es  wird  also  Unseres 
ermessens  gut  und  nöthig  seyn,  daß  solches  vorgedachten  zu  euch 
zu  flüchten  gewilleten  Leuten  eurerseits  repraesentiret  und  gerhaten 
werde,  das  flüchten  einzustellen  und  sich  ohn  allen  Verzug  wiederumb 
zurück  zu  den  Ihrigen  zubegeben,  inraassen  sie  sodann  unter  obiger 
Königlich  Schwedischen  protection  sicher  zu  seyn  hoffen,  hingegen 
aber  auch  leicht  ermessen  können,  daß,  wan  sie  sich  nicht  bald 
wieder  einfinden ,  obangezogene  publicirete  Könighch  Schwedische 
bedrohungen  sie  und  das  ihrige  treffen  werden.  Die  Ursache  des 
flüchtens  cessiret  auch  umb  so  mehr,  weil  die  Zerstreuung  der  in 
Thüringen  gestandenen  Chur  Sächsischen  trouppen  nunmehr  schon 
wird  geschehen  und  also  dergleichen  streiffereyen,  wie  obgedacht, 
nicht  leicht  wieder  zu  besorgen  seyn.  Wir  verbleiben  euch  und  ge- 
meiner Stadt  mit  gnaden  und  allem  guten  beygethaUv 
Hannover  den  28  Septembris  1706. 

Georg  Ludwig 
Churfürst. 


Zum  „ Schwedenschreck "  im  Jahre  1706.  473 

P.S.  Auch  Liebe  besondere  und  Getreue!  Erhalten  wir  gleich 
itzo  die  Nachricht,  daß  Ihre  Königl.  Majestät  von  Schweden  ein 
zehenwöchiges  armistitium  in  Sachsen  dergestalt  beliebet,  wie  der 
Copeyliche  Anschluß  besaget,  wodurch  alle  besorgnis  einer  ungelegen- 
heit  sowoll  für  euch  alß  die  zu  euch  aus  dem  Chur  Sächsischem 
geflüchtete  Leute  vollends  hinfällt  und  dieselbe  gar  kein  weiteres 
bedenken  haben  können,  sich  wiederumb  zu  dem  ihrigen  zubegeben, 
welches  ihr  woU  tun  werdet,  ihnen  anzuzeigen." 

Die  Kopie  des  Patentes  lautete  also : 

„Carl  der  Schweden  etc.  Thun  kund  und  zu  wißen  hiemit,  daß 
weil  wir  mit  Unserer  Kriegsmacht  an  die  Chur-Sächsische  Länder 
zu  rücken  und  daselbst  den  ganz  ohnrechtmeßigen  Krieg,  dem  die- 
selbe den  anfang  so  woU  alß  wachsthum  gegeben,  gäntzlich  dämpffen 
zu  suchen,  seynd  veranlaßet  worden,  So  hatten  wir  zwar  große  Uhr- 
sache, mit  selbigen  auf  gleiche  Art  zuverfahren,  wie  sich  Ihr  Chur 
Fürstl.  Durchlaucht  der  König  Augustus  von  Anfang  dieses  Krieges 
gegen  Unsere  Provinzien  und  Grenzen  erwiesen  und  annoch  er- 
weiseten.  Nichts  desto  weniger  aber  haben  wir  gewißer  Uhrsachen 
halber  Unsere  rechtmeßige  ahndung  in  so  weit  auf  die  eeite  setzen 
und  hiermit  Krafft  Unseres  offenen  Brieffes  allen  in  denen  Chur 
Sächsischen  Landen  seyenden  Ständen  und  Einwohnern,  so  Hohen 
als  Niedrigen  in  Gnaden  andeuten  wollen,  daß  alle  und  jede,  die  da 
in  ihren  Häusern  und  Wohnungen  verbleiben,  davon  Ihr  Eigenthumb 
nicht  anderwerts  verführen,  sondern  gutwillig  und  ohne  Wiederrede 
daßjenige,  was  zu  Unserer  trouppen  Nohturfft  und  Unterhaltung 
nöhtig  ihnen  auferleget  worden,  bezahlen  und  erlegen,  sollen  nicht 
allein  in  Unsern  Schutz  und  Schirm  genommen,  sondern  auch  so 
woU  Ihre  Persohnen  alß  Zzugehörigen  Gesindes  Güter,  Häuser  und 
Eigenthumb,  auch  Handlung  und  Hanthierung  wegen  vollen  (!) 
kommene  Sicherheit  dergestalt  zugewiesen  haben,  daß  Keiner  von 
Unsern  Kriegs  Bedienten  weder  ihnen,  noch  was  Ihnen  zugehöret 
eigenwilliger  weise  einigen  Schaden  und  Gewalt  oder  Eintrag  auf 
keinerley  art  und  weise  thun  oder  zufügen  sollen.  Dagegen  aber 
diejenigen,  die  sich  zur  Gegenwehr  setzen,  ihre  Häuser  und  Wohnun- 
gen verlaßen,  verlauffen,  ihre  Sachen  und  ßaarschafften  auß  dem 
Wege  schaffen,  selbige  verbringen  und  vergraben,  desgleichen  auch 
sich  träge  und  wiederspenstig  erweisen,  dasjenige  abzuführen,  was 
ihnen  von  Unsern  Befehlhabern  und  Coramissariis  auferlegt  wird, 
oder  sonsten  demjenigen  nicht  nachkommen,  was  ihnen  mögte  be- 
fohlen und  geheissen  werden,  sollen  alle,  was  Standes  und  Würden 
sie  auch  seyn  mögen,  dieser  Unserer  Gnaden  und  Versprechens  nicht 
allein  verlustig  geschaßet  (!  gehen)  sondern  auch  gleich  Feinde  aufs 


474  ^um  „Schwedenschreck"  im  J^ahre  1706. 

schärfste  ohne  einige  Gnade  und  Verschonung,  an  was  Ohrt  oder 
Stelle  man  sie  entweder  selber  oder  Ihre  Häuser  und  Eigenthum 
finden  und  antreffen  mögte,  mit  Feuer  und  Schwerd  verfolget  und 
heimgesuchet  werden.  Uhrkundlich  haben  Wir  eigenhändig  dieses 
manifest  unterschrieben  und  mit  Unserm  Königl.  Insiegel  bekräfftigen 
laßen.  Gegeben  in  dem  Haubtquartier  bey  Brimmelsee^)  den  2')  Sep- 
tember Anno  1706." 

Die  der  Nachschrift  beigefügte  Ankündigung  des 
Waffenstillstandes  lautete : 

„Wir  Carl  etc.  Nachdem  Wir  vor  gut  befunden  alle  Feind- 
seligkeit in  Churfürstenthumb  Sachßen  und  darunter  gehörigen 
Landen  aufzugeben  und  in  der  stelle  einen  Stillstand  auf  zehen 
Wochen  zutreffen  und  zubewilligen,  alß  ergehet  hiermit  Unser  gnä- 
diger und  ernster  Befehl  an  alle  und  jede  von  Unserer  Krieges  Macht 
und  milice,  sowoU  höheren  alß  geringeren  Befehlshabern  und  die 
unter  commando  stehen,  nicht  weniger  auch  an  alle  übrige  Unsere 
Unterthanen,  daß  sie  wehrender  vorberührter  Zeit  von  allen  hostili- 
täten  gegen  die  Chur  Sächsischen  Länder,  Kriegesvölker  und  Unter- 
thanen sich  enthalten  und  ihnen  auf  keinerley  Ahrt  und  weise  einiges 
Leid  und  Schaden  zufügen,  besondern  bey  allen  Vorfallenheiten  ihnen 
in  der  Güte  und  Höfflichkeit  zubegegnen,  dabey  aber  dennoch  alle 
Gemeinschafft  und  Zusammenkunfft  mit  denen  Sächßischen  trouppen 
und  milice  suchen  zumeiden,  woll  wißende,  daß  welcher  auf  was 
Ahrt  und  weise  es  auch  immer  seyn  mag,  diesem  Unseren  gnädigen 
Befehl  zu  wieder  handeln  wird,  alß  ein  Verächter  Unsers  Gebohts 
und  befehle  mit  gebührender  ohnverzüglicher  Straffe  angesehen 
werden  solle.  Wornach  sich  alle  und  jede  gehorsamst  zurichten. 
Uhrkundlich  etc.  Gegeben  in  Unserm  Haubt  Quartier  zu  Alt 
Rannstadt  den  15/25  September  1706." 

Ferner  lief  vom  Herzog  zu  Sachsen  folgende  Ant- 
wort ein : 

„ —  Wir  haben  aus  Eurem  fernerweitem  Schreiben  vom  gestrigen 
dato  vortragen  laßen,  wasmaßen  Ihr  umb  die  vertröstete  Nachricht 
und  wegen  gegenwärtiger  Schwedischen  motuum  bey  der  ohnlängst 
in  Unserm  gesambten  Fürstlichen  Haus  gehaltenen  Conferenz  zum 
Schluß  kommen  und  Unser  an  Ihre  Majestät  den  König  in  Schweden 
abgeordneter  vor  expedition  erhalten,  nicht  allein  Erinnerung  gethan, 
sondern  auch  wegen  der  aus  dem  Chur  Fürstenthumb  Sachßen  und 
dem  Weißenfeldischen  in  die  Stadt  Mühlhausen  geflüchteten  Personen 


1)  Krummöls  in  Schlesien. 

2)  5? 


Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706.  475 

und  Güther,  und  wie  mann  sich  darmit  zuverhalten,  auch  ob  daher 
etwas  zubesorgen,  außgebethen.  So  viel  nun  das  erstere  anlanget, 
laßen  Wir  hiermit  in  Antwort  wißen,  daß  mann  in  dem  gesambten 
Fürstlichen  Hauße  bey  diesen  troublen  der  Nothdurfft  ermeßen,  die 
Anstalt  zumachen,  damit  die  Unterthanen  vor  Streiffereyen  und 
Merodirern  sicher  seyn  mögen,  und  zu  dem  ende  die  Dörfler  mit 
Auf  werf  fung  der  Graben,  reparirung  und  Anschaffung  der  Schläge 
in  nöthige  Verwahrung  zusetzen,  wie  nicht  weniger  auf  denen  Grenzen 
und  denen  zu  denen  Sächßischen  Fürsten thümern  gehörigen  Orthen, 
weilen  solche  mit  denen  Chur  Sächßischen  hier  und  da  vermenget, 
zur  distinction,  wie  von  anderen  benachbarten  ebenfalls  geschehen, 
gewiße  Merckmahle  aufzurichten  und  im  übrigen  die  geworbene  und 
Land-Militz  zu  Abhaltung  dergleichen  Streiffereyen  an  die  Grenzen 
zuverlegen,  auch  überal  wegen  Einziehung  nöthiger  Kundschafft,  in- 
gleichen mit  Wachten  in  Städten  und  Dörffern  zu  tag  und  Nacht 
nöthige  Anstalt  gemacht ;  Von  Ihrer  Königl.  Majestät  ist  durch  die 
Abgeordneten  die  Versicherung  geschehen,  daß  denen  hiesigen  Landen 
und  Unterthanen  durch  dero  Mihtz  keine  Ungelegenheit  zugefüget 
werden  solle,  und  haben  Wir  jemanden  der  Unserigen  fernerweit 
nach  solcher  Armde  abgeschicket,  umb  bey  Vorfallenheiten  die  Noth- 
durfft vorzustellen ;  Und  gleichwie  im  übrigen  Wir  nicht  weniger 
bey  Unserer  letztern  Anwesenheit  in  Altenburg  von  einigen  Ministris 
und  andern  aus  dem  Chur-Fürstenthumb  Sachßen  umb  die  Auf- 
nahme ihrer  Personen  und  mobilien  allda  und  sonsten  nach  der  Zeit 
angelanget  worden ;  Also  haben  Wir  aus  Nachbarschafft  und  Christ- 
licher Liebe  Ihnen  die  reception  nicht  zu  versagen  gewust,  des  Ver- 
trauens, weilen  Ihre  Majestät  an  denenselben  Unsers  wißens  keinen 
Anspruch  machen,  daß  dannenhero  nichts  wiedriges  zubesorgen  seyn 
werde;  Verbleiben  auch  nochmals  des  Erbiethens,  was  bey  diesem 
frangenti  und  sonsten  Euch  und  gemeiner  Stadt  zur  consolation  und 
Gnade  ferner  geschehen  kan,  weiter  beyzutragen,  und  verbleiben 
Euch  mit  Gnaden  gewogen. 

Datum  Friedenstein  den  23ten  Septembris  1706. 

Friedrich  H.  z.  Sachsen  mp." 

Weiter  findet  sich  in  den  Akten  folgendes  private 
Schreiben : 

„A  Monsieur,  Monsieur  de  Meckbach  Docteur  en  droit  et 
Bourgemaitre  de  la  ville  Imperiale  de  Mühlhausen.  Hoch  Edler 
Vester  und  Hochgelehrter,  Hochgeehrter  Herr  Burgemeister.  Deßen 
vom  12ten  noch  laufenden  Monats  anprachtes  habe  wol  erhalten, 
und  was  darinnen  von  etwaniger  BeySorge  wegen  der  im  Chur- 
Sachsischen  entstandenen  troublen  enthalten,  samt  dem,  was  auf 
benöthigten    Fall   wegen    einer    sauuegarde   verlanget   worden,    mit 


476  Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706. 

mehrerm  daraus  ersehen;  Nuhn  versichere  zufoderst  MH.  Burg- 
meister, daß  derselbe  von  meiner  auffrichtigen  Freundschafft  und 
Dienstfertigkeit  vollkomlich  persuadiret  seyn  kan,  und  daß  mihr 
nichts  lieber  seyn  soll,  alß  wenn  ich  Gelegenheit  und  Vermögen 
haben  möchte,  deßfals  einige  würkliche  Proben  zu  Tage  lägen  zu 
können;  üo  viel  aber  die  affaire  an  sich  betrifft,  so  haben  Sie  derent- 
wegen Ihres  Ohrts  meines  Bedünkens  Ihnen  nicht  die  allergeringste 
Sorge  zu  machen,  Ihrer  Königl.  Majestät,  Meinem  allergnädigsten 
Könige,  ist  dieser  march  in  ChurSachsen  wegen  des  continuirlichen 
Zuflusses,  so  darauß  von  dem  Churfürsten  in  seinem  ungerechten 
Ivriege  in  Polen  wider  Sie  gebrauchet  worden,  abgenöthiget;  Wie  Sie 
aber  auch  in  dem  Lande  selbsten  nach  des  Feindes  eigenem  Ge- 
stendniße  mit  guter  ordre  verfahren,  wenn  nuhr  dasjenige,  was  zuhm 
Unterhalt  Dero  Armöe  nöthig,  gereichet  wird,  so  werden  Sie  gewiß 
nach  Dero  wolbekanter  Gerechtigkeit  Niemanden  auff  einigerley  weise 
incomodiren ,  der  nicht  wider  Sie  an  Dero  Feinden  ungerechtem 
Handeln  Teil  nimt,  wie  solches  auß  dem  mit  heutiger  Post  auf  hie- 
siger Königlicher  Regierung  an  dohrtige  Bürgermeister  und  ßaht 
abgehende  antwort  Schreiben  mit  mehrerm  zu  ersehen ;  womit  nechst 
Göttl.  Empfälung  stets  verharre 

Meines  Hochgeehrten  Herrn  Burgemeisters 
Stade  den  22.  September  1706.  Dienstwilligster  Diener 

(?)r- 

In  den  Akten  folgt  sodann  ein  Verzeichnis  der  vor- 
nehmen Personen,    die  nach  Mtthlhausen   geflüchtet  waren : 

„1)  Herr  Wolff  Gottlob  von  Ende  auf  Roßbach  undt  Nöda, 
S.  Hochfürstl.  Durchlaucht  zu  Sachsen  Querfurth  undt  Weißenfels 
hochbestalter  Ober  Amts  Hauptmann  und  Stallmeister.  Hier  an- 
gekommen den  18.  Sept.  abgereist  den  3.  Nov.  1706.  —  2)  H.  Carl 
von  Rex,  S.  Hochf.  Durchlaucht  zu  Sachsen  Querfurth  und  Weißen- 
fels Hochbetrauter  würkl.  geheimer  Rath  undt  des  Chur  undt  Fürstl. 
Oberhoffgerichts  hochbestalter  Assessor  auch  bey  der  Ritterschafft 
im  Stifft  Merseburg  hochverordneter  Director.  Ejus  Familia  hier 
angelangt  den  22.  September  1706,  abgereiset  den  28.  Octobr.  — 
3)  Herr  Abraham  von  Schönberg,  Königl.  Majestät  in  Pohlen  und 
Churfürstl.  Durchlaucht  zu  Sachßen  Geheimder  Rath,  Ober  Berg- 
und  Creyßhauptmann  des  Ertzgebirges,  kam  an  den  22.  Sept.  1706, 
reysete  ab  den  28.  October.  —  4)  H.  Heinrich  von  Bünau  uf  Pretsch, 
S.  Hochfürstl.  Durchlaucht  zu  Sachßen  Querfurth  und  Weißenfels 
hochbetrauter  geheimbder  Ralh   und  Cantzler.     Deßen   familie  hier 


1)  Dieselbe  unlesbare  Unterschrift  wie  oben  S.  471. 


Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706.  477 

ankörnen  den  18.  Sept.  abgereiset  den  31.  Octobr.  1706.  —  5)  Der 
Herr  Oberforstmeister  von  Geißmar  in  Herrn  Job.  Wilhelm  VoUands 
Pastor  Horsmar.  am  Obermarkte  befindlichen  Behausung." 

Während  so  die  Sorge  vor  den  Schweden  rasch 
schwand,  ergab  sich  für  die  Stadt  ein  Nachspiel,  das  den 
Rat  veranlaßte,  nochmals  den  Schutz  der  Fürsten  anzurufen, 
erschienen  doch  überraschenderweise  kursächsische  Truppen 
in  ihrem  kleinen  Gebiete,  indem  am  4.  November  durch 
die  „Delogirung  vor  das  bayreythische  Regiment"  der  Stab 
und  eine  Kompanie  nach  Ammern ,  eine  Kompanie  „uf 
Krähe",  was  doch  wohl  das  mühlhäusische  Dorf  Grabe  sein 
soll,  eine  Kompanie  nach  Bollstedt,  eine  nach  Görmar,  eben- 
falls mühlhäusische  Dörfer,  verlegt  wurde.  Am  Tage  darauf 
lief  bei  dem  Rate  folgendes  Schreiben  ein : 

„Ich  vernehme  mit  Verwnndenmg  von  dem  Herrn  Obristen  von 
Hau,  daß  dieselbe  über  Zurückbleibung  derer  bey  Durch  Märchen 
sonst  gewöhnlichen  Requisitorialien  beschwehrung  führen,  da  doch 
bey  allen  benachbahrten  Herrn  Ständen  die  dißfalls  an  Sie  erlaßene Re- 
quisition es  richtig  eingelauffen,  und  dahero  ist  nicht  gez  weif  feit,  daß 
auch  diejenige,  so  vorgestern  an  meine  hoch-  und  vielgeehrte  Herren 
von  mir  geschicket  worden,  zu  deroselben  Händen  werde  gekommen 
seyn.  Ich  werde  nicht  ermangeln  scharf fe  nachfrage  halten  zu  laßen 
durch  weßen  Verschuldung  diese  Requisition  unüberantwortet  ge- 
bUeben,  kan  auch  meines  orts  versichern,  daß  den  wohlhergebrachten 
Requisitions  Observanzen  keineswegs  hierunter  etwas  praejudiciret 
seyn  und  übrigens  in  den  quartiren  sowohl  alß  in  anderen  benach- 
bahrten ,  welche  bey  dermahligen  ungemeinen  Conjuncturen  diese 
inevitable  Einquartirung  willfährig  mittrageu  helffen,  punctuelle  ordre 
gehalten  und  der  geringste  Excess  nicht  toleriret  werden  soll,  worbey 
hingegen  der  zuverlässigen  Hoffnung  lebe,  es  werden  auch  dieselbe 
aus  nachtbahrlicher  Ergebenheit  gegen  Sr  Königlichen  Majestät  in 
Pohlen  imd  Chur  Fürstliche  Durchlaucht  in  Sachsen  diese  Einquar- 
tirung willigst  mit  zu  übertragen  Sich  gefallen  laßen  und  versichert 
zu  seyn,  daß  mein  allergnädigster  König  und  Chur  Fürst  solches 
bey  allen  vorfallenheiten  zu  erwidern  trachten  werden,  ich  verharre 
vor  mein  particulier 

Meiner  Hoch-  und  Vielgeehrten  Herren 
Großvargul  den  5.  Nov.  1706.  dienstschuldigster  Diener 

Obgedachte  Einquartierung  ist  LGV  Dünnewald, 

auch  nur  auf  ein   Paar  Tage 
angesehen." 

XXVII.  31 


478  Zum  „  Schwedenschreck "  im  Jahre  1706. 

Die  „nachbarliche  Ergebenheit"  des  Rates  war  nun, 
aber  nicht  groß  genug,  um  sich  eine  Einquartierung  gefallen 
zu  lassen,  die  wie  eine  Parteinahme  gegen  den  gefürchtetea 
König  von  Schweden  aussehen  konnte.  Auch  mochte  er 
gerade  bei  dieser  Gelegenheit  erkannt  haben,  wie  wenig 
der  Schutz  Sachsens  noch  zu  bedeuten  hatte,  seitdem  die 
verhängnisvolle  Staatskunst  seines  Kurfürsten  es  an  das 
unglückliche  Polen  gefesselt  hatte.  Wenige  Jahre  darauf 
(1710)  erbat  die  Stadt  den  Schutz  Hannovers.  Zunächst 
aber  galt  es,  gegen  die  unerwartete  und  unwillkommene 
Einquartierung  Einspruch  zu  erheben,  wie  das  der  Rat 
noch  an  demselben  Tage  tat.  Er  betonte,  von  den  Fürsten 
angewiesen  zu  sein,  sich  so  zu  halten,  „daß  wir  Königlicher 
Majestät  in  Schweden  keine  Verahnlassung  zu  einiger  un- 
angenehmer besorgung  geben  möchten"  ;  er  müsse  deshalb 
verlangen,  „ohnverzüglich  ordre  zu  stellen,  daß  unsere  durch 
die  erhaltung  unsers  Reichscontingents  schon  ziemlich  mit- 
genommene Unterthanen  von  der  einlogirung  sofort  befreyet 
werden".  Beigefügt  wurde  Abschrift  des  Schreibens  aus 
Wolfenbüttel  vom  13.  September  und  aus  Stade  vom  22.  Sep- 
tember. 

Außerdem  ergingen  noch  am  gleichen  Tage  weitere 
Schreiben  an  die  Fürsten.  Zunächst  sagte  der  Rat  dem 
Kurfürsten  von  Hannover  Dank  für  den  erteilten  „Beirat" 
und  meldete : 

„daß  die  nach  hierher  geflüchtet  gewesenen  resp.  Chur-  und 
Sachßen  Weißenfeldschen  Officianten  sich  mit  deroselben  familien 
theils  zu  den  ihrigen  wieder  begeben  theils  aber  anderweit  sich 
retiriret  haben.  Es  ereignete  sich  aber  ein  viel  gefährlicheres  incidens 
indem  die  von  den  Königlich  Schwedischen  trouppen  auseinander- 
getriebene milice  zu  Pferde  ( :  welche  außer  Landes  sich  in  etwas 
wieder  versamlet : )  gestern  Mittag  und  Abend  ohn  einige  vorher- 
gegangene auch  nur  mündliche  anmeldung  in  hiesiges  gebiet  ein- 
gerückt undt  sich  mit  der  größten  confusion  undt  disordre  in  etliche 
von  unseren  Dorfschafften  eigenmächtig  einquartirt  haben.  Was 
ihre  eigentliche  intention  sey,  ist  dato  uns  verborgen,  möchte  sich  aber 
wohl  bald  eußem,  unterdeß  werden  die  armen  Unterthanen  durch 
diese  undisciplinirte  undt   gleichsahm   desperate  Leute  sehr  ruinirt, 


Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706.  479 

mithin  untüchtig  gemacht,  zur  Erhaltung  des  Eeichscontingents  das 
ilirige  beyzutragen." 

Gegen  diese  so  lebhaft  geschilderte  Bedrückung  ersuchte 
der  Rat  um  des  Kurfürsten  Beirat.  Die  gleiche  Klage  und 
Bitte  erging  auch  an  die  ausschreibenden  Fürsten  des  nieder- 
sächsischen Kreises,  doch  liegt  von  keiner  Seite  eine  Ant- 
wort vor,  die  ja  durch  den  am  24.  September  geschlossenen 
Frieden  von  Alt-Ranstädt  überflüssig  geworden  war. 
^'  Man  lächelt  heute  vielleicht  über  diesen  „Schweden- 
schreck", doch  darf  man  nicht  vergessen,  welchen  Klang 
der  Name  der  Schweden  damals  noch  in  Deutschland  hatte, 
wo  die  Erinnerung  an  den  Tag  von  Fehrbellin  durch  die 
glänzenden  Erfolge  Karls  XII.  rasch  wieder  verdrängt  war. 
In  Mühlhausen  aber  gab  es  noch  Männer  genug,  die  vom 
Vater  oder  Großvater  her  die  Zeiten  kannten,  wo  im  dreißig- 
jährigen Kriege  der  schwedische  Resident  in  Erfurt  auch 
in  der  kleinen  Reichsstadt  zu  befehlen  hatte;  16  Jahre 
lang  hatte  sie  außer  all  der  übrigen  Not  Lebensmittel 
dorthin  liefern  müssen,  noch  1649  trotz  des  Friedens  1000 
Malter  Früchte  (Chronik  III,  101).  Im  Juli  desselben  Jahres 
war  der  Großvater  Karls  XII.  mit  seinem  Heere  durch  das 
Gebiet  der  Stadt  gezogen,  die  ihm  im  Popperoder  Brunnen- 
hause ein  Mittagsmahl  bot;  man  mag  es  dem  Rate  der 
ohnmächtigen  Stadt  nicht  verübeln,  wenn  er  mit  Schrecken 
der  alten  Zeit  gedachte.  Rasch  genug  freilich  wich  die 
Angst,  und  von  Schweden  hat  man  in  Mühlhausen  nichts 
wieder  gehört,  bis  am  Abend  des  26.  Oktober  1813  Bernadotte 
als  schwedischer  Kronprinz  mit  15  000  Mann  schwedischer 
und  russischer  Truppen  in  ihr  einzog.  Mit  hellem  Jubel 
begrüßte  man  die  Fremden,  brachten  sie  doch  endlich  Be- 
freiung von  der  Herrschaft  des  fremden,  unwürdigen  Königs 
von  Westfalen. 


31' 


Miszeilen. 

I. 

Die  Grabsteine  in  der  Kirche  zu  (Jräfenthal  (Saclis.-Mein.). 

Von  Ernst  Kießkalt,  Postsekretär  in  Nürnberg. 
(Mit  4  Figuren  im  Text.) 

Die  Grabdenkmäler  dieser  Kirche,  deren  nur  noch  4  Stück 
vorhanden  sind,  wurden  von  Prof.  Dr.  P.  Lehfeldt  bereits  beschrieben 
in  den  „Bau-  und  Kunstdenkmälern  Thüringens,  Heft  XV,  Herzog- 
tum Sachsen-Meiningen,  Amtsgerichtsbezirk  Gräfenthal".  Wenn  ich 
es  trotzdem  unternehme,  diese  4  Denkmäler  noch  einmal  zu  behandeln, 
so  geschieht  es  nur,  weil  die  Angaben  Lehfeldts  nicht  korrekt  genug 
sind,  bezw.  vervollständigt  werden  können.  Dazu  kommt  ferner 
noch  der  wichtige  Umstand,  daß  sich  bei  Entwickelung  der  Ahnen- 
tafeln aus  den  an  den  Denkmälern  angebrachten  Ahnenwappen  ergab, 
daß  diese  Wappen  zum  Teil  entweder  ursprünglich  schon  in  falscher 
Reihenfolge  angebracht  oder,  wahrscheinlicher,  späterhin  abgefallen 
und  dann  irrtümlich  an  unpassende  Plätze  gesetzt  wurden.  Da  die 
Grabdenkmäler  als  wichtige  Quellen  für  die  Geschichtswissenschaft 
dienen  können  —  sie  werden  leider  noch  immer  zu  wenig  hierzu 
benützt  —  ist  es  gewiß  angebracht,  eine  erweiterte  Beschreibung  zu 
geben  und  an  einem  praktischen  Beispiele  zu  zeigen,  welche  Aufschlüsse 
diese  steinernen  Urkunden  in  genealogischer  Beziehung  bieten. 


Sämtliche  4  Grabsteine  sind  bemalt,  einschheßUch  der  Wappen ; 
die  Inschriften  sind  größtenteils  durch  schwarze  Farbe  leserlicher  ge- 
macht worden,  doch  wäre  zu  wünschen,  daß  dies  sorgfältiger  geschehen 
sei,  da  einige  Worte  hierbei  Veränderungen  erfuhren.  Die  Wappen 
sind  mit  guten  Farben,  jedoch  teilweise  unrichtig  bemalt. 

Die  Denksteine  sind  im  Renaissancestil  ausgeführt,  übrigens 
weder  besser  noch  schlechter  bezüglich  ihrer  Darstellung,  als  in  den 
meisten  anderen  Orten  des  südlichen  Thüringens  aus  dieser  Zeit.  So 
sehr  ungeschickt,  wie  Lehfeldt  angibt,  sind  die  Figiuren  der  Ver- 
storbenen nicht  dargestellt,  insbesondere  findet  Lehfeldt  die  Haltxing 
und  Gewandung  der  Frau  bei  Grabstein  No.  4  sehr  steif,  und  doch 
wäre  es  nicht  möglich  gewesen,  diese  anders  darzustellen,  da  die 
Witwentracht  dieser  Zeit  eben  eine  solche  steife  Haltung  bedingte 
(s.  Abbildung  S.  484). 


Miszellen. 


481 


Es  erübrigt,  die  Denkmäler  selbst  noch  näher  zu  beschreiben, 
da  die  weiteren  Angaben  Lehfeldts  genügen,  auch  a.  a.  0.  2  Ab- 
bildungen zu  finden  sind;  es  folgen  daher  die  an  den  Steinen  an- 
gebrachten Inschriften  und  Wappen,  bezüghch  welch  letzterer  ich 
Terweise  auf  „Siebmachers  Allgemeines  Wappenbuch". 

I.  Grabstein,  183  cm  hoch,  89  cm  breit  (Abbild,  s.  Lehfeldt  S.  214). 
Die  Umschrift  lautet: 

„Anno  domi.  1563  den  12  augusti  starb  der  edle  Herr  Eowaldt^) 
zu  Bappenheim  des  heiigen  a:  Ro:  Reichs  Erbmarschalch  Im  . .  .^ 
seines  alters  dem  gott  gnedtig  sein  wolle.    Amen." 

An  jeder  der  4  Ecken  des  Denkmals  ist  ein  Ahnen wappen  an- 
gebracht und  zwar 

hnks  oben:  v.  Pappenheim  Bd.  II,  A.  1,  S.  17,  T.  11  (altes); 
rechts  oben:  v.  Brandenstein  Bd.  II,  A.  3  S.  u.  T.  22; 
links  unten  ein  Wappen  durch  die  Kanzeltreppe  verdeckt,  doch 
ist  es,  wie  sich  beim  Vergleich  mit  Denkmal  IV  ergibt,  das  v. 
Wallenrode  (s.  dasselbe  in  der  im  Verlag  Weller- Papiermühle 
S.A.  erschienenen  Wappensammlung); 
rechts  unten:  v.  Kochberg. 

II.  Grabstein,  338  cm  hoch,  126  cm  breit  (Abb.  s.  Lehfeldt 
a.  a.  O.  S.  215). 

Der  Text  für  die  beiden  Gatten  lautet: 

„Anno  doöii  1575  dem  ander  Sontag  nach  dem  Obersten  starb 
der  Edle  Herr  Joachim  zu  Bappenhaim  des  H:  Ro:  Reich  Erb- 
marschalck  Im  26  Jar  seines  alter  der  seilen  gott  gnade.    Amen. 

Anno  domi  15 ^)   starb  die  Edle  vndt   tugsam    fraw 

ammeley^)  von  bappenhain  gebor  v.  lendhain  der  seien  got  gnad. 
Amen." 

Der  Todestag  für  den  Gatten  ist  der  16.  Januar  1575;  jener  der 
Gattin  war  nie  eingesetzt,  da  dieselbe  das  Denkmal  schon  bei  ihren 
Lebzeiten  errichten  Ließ,  wie  es  sehr  häufig  geschah  und  auch  hier 
bei  Grabstein  IV  der  Fall  ist. 

Das  Denkmal  trägt  12  Wappen,  welche  Zahl  eine  Ahnentafel 
aufzustellen  nicht  gestattet,  denn  jede  Ahnenzahl  ist  —  mathematisch 
gesprochen  —  stets  eine  Potenz  der  Zahl  zwei,  weshalb  es  entweder 
8  oder,  darüber  hinaus,  16  Ahnenwappen  sein  müßten.  Ferner  sind 
die  12  Ahnenwappen  sehr  eigenartig  angeordnet;  ein  Schema  soll 
deshalb  die  Stellung  der  Wappen  zueinander  veranschaulichen.  Es 
ist  zu  vermuten,  daß  früher  tatsächlich  16  Wappen  vorhanden  waren 
und  4  davon  im  Laufe  der  Zeit  verloren  gingen. 

Die  Ahnenwappen  I  und  II  sind  größer  ausgeführt  als  die 
übrigen  und  zudem  mit  Helmen  (ohne  Kleinode,  die  wahrscheinlich 
verloren  gingen)  versehen,  welche  Bevorzugung  ihre  Erklärung  darin 


1)  restauriert  ist:  „Towaler". 

2)  leer  gelassene  Stelle. 
2)  leer  gelassene  Stelle. 

8)  restauriert  ist:  „ammelein".  Lehfeldt  schreibt:  „amalia 
muß  es  heißen",  obgleich  „Ammelei"  eine  altertümliche  Form  dieses 
Namens  ist. 


482 


Miszellen. 


findet,  daß  diese  beiden  Ahnen wappen  zugleich  der  beiden  Verstor- 
benen eigene  Wappen  waren. 

Wappen  I  =  v.  Pappenheim  (wie  vorhin). 

Wappen  II  =  v.  Lentersheim,  Bd.  VI,  1.  A  II,  S.  115,  T.  72 ; 

a)  V.  Brandenstein  (w.  v.); 

b)  V.  Wallenrode  (s.  Grabstein  I); 

c)  V.  Hollbach,  Bd  VI,  A.  1,  S.  75,  T.  75; 

d)  V.  Pflug,  Bd.  II,  Abt.  3,  S.  41,  T.  47; 

e)  V.  Stein  zum  Altenstein  (s.  Wellers  Wappensammlung); 

f)  anscheinend  v.  Schlotheim,  Bd.  II,  A.  3,  S.  15,  T.  14  An- 
merkung, welche  die  Heroldsfigur  als  „gestürzten  ausgeschnittenen 
Schild"  bezeichnet; 

g)  V.  Rosenberg,  Bd.  VI,  A.  1,  S.  54,  T.  53 ; 
n)  V.  WaUenrode  (w.  v.); 

i)  anscheinend  v.  Künßljerg; 
k)  unkenntliches  Wappen. 

I  II 


Fig.  1.   Schema  der  am  Grabstein  IJo.  II 
angebrachten  Wappen. 

Die  Wappen  f,  i  und  k  sind  zum  Teil  durch  die  Kanzeltreppe 
verdeckt  und  deshalb  unbemalt  geblieben.  Nur  6  von  diesen  12 
Wappen  waren  Lehfeldt   bekannt;  von  den  unbekannten  waren  2 


Miszellen.  483 

gar  nicht  und  3  falsch  beschrieben 
bezw.  blasoniert,  denn  die  2  als  „weiß 
und  rot  schräg  geschacht"  bezeich- 
neten Schilde  sind  die  der  v.  Wal- 
lenrode,  welche  auf  der  Abbildung 
bei  Lehieldt  S.  215  sogar  sehr  deut- 
lich sichtbar  und  kenntlich  sind. 

Der  Wappenschild  f  mit  leerem 
Feld  von  der  Form  der  Fig.  2  (nach 
Lehfeldt),  zeigt  sich  in  Wirklichkeit 
wie  bei  Fig.  3  und  ist  der  v.  Schlot- 
Jieimsche. 

111.  Grabstein,  270  cm  hoch,  112  breit. 

Das  darauf  dargestellte  Ehepaar  kniet  betend  vor  einem  Kruzifix, 
links  und  rechts  desselben  zwei  ßibelstellen :  Hiob  XIX  Cap.  V.  25. 
Ich  weis  das  mein  Erlöser  lebet .  .  .  etc.  und  Paulus  Rom.  14.  Cap.  V.  7. 
In  dem  oben  befindlichen  Rundbogengiebel  folgender  Text: 
IM  JAR  NACH  CHRISTI  VNSERS  ERLÖSERS  VND 
SELIGMACHERS  GEBVRT  1561  SONNABENTS  NACH  ESTO- 
MIHI  DEN  22  FEBRUARII  ZWISCHEN  6  UND  7  HORA 
NACHMITTAGE  IST  IN  GOT  SELIGEN  ENTSCHLAFEN  DER 
EDLE  GESTRENGE  UND  ERNVHESTE  ACHATZ  ZU  PAPPEN- 
HAIM  DES  HEILIGEN  ROMISCHEN  REICHS  ERBMAR- 
SCH ALH  WELCHES  SELEN  GOT  GNEDIG  VND  BARM- 
HERZIG SEI  VND  EIN  FRÖHLICHE  AVFFERSTEHVNG 
VERLEI  ZVM  EWIGEN  LEBEN.  AMEN.  ANNO  DOMINI 
1583  EVSB.  IST  VERSCHIEDEN  DIE  EDELE  TVGENTSAME 
FRAV  ELISABETH  MARCHALCHIN  ZV  PAPPEN HAIM  GE- 
BORNE VON  BRANDENSTEIN  VON  RAHNIS  HERR 
ACHATZ  ZV  PAPPENHAINS  SELIGEN  EHELICH  GEMAHL. 
IRES  ALTERS  IM  60.  JAR  DER  GOT  GNAD." 

(Todestag    des   Mannes  =  22.  Febr.    alten  Stils,   der  Gattin 
[EusebiiJ  =  14.  August  1.583.) 

16    Ahnen  Wappen    in    folgender   Anordnung    schmücken    das 
Denkmal: 
3     12    4  a)  Väterliche  Ahnen: 

1  =  V.  Pappenheim  (wie  bei  I); 
5  6    3  :=  V.  Wallenrode  (wie  bei  II); 

5  =  V.  Pflug,  Bd.  II,  A.  3,  S.  41,  T.  47; 
7  8    7  =  V.  Stein  zum  Altenstein,  s.  Grabstein  II; 

9  =  V.  Rechberg,  Bd.  II,  A.  5,  S.  3,  T.  3; 
9  10  11  =  V.  Rotenhan,  Bd.  II,  A.  1,  S.  54,  T.  56; 

13  =  V.  Maßbach,  Bd.  VI,  A.  2,  S.  132,  T.  83; 
11                   12  15  =  V.  Laber,  Bd.  VI,  1.  A  II,  S.  108,  T.  68. 

b)  Mütterliche  Ahnen: 
18  14    2  =  V.  Brandenstein,  Bd.  II,  A.  3,  S.  u.  T.  22; 

4  =  V.  Kochberg  (s.  No.  I); 
15  16    6  =  V.  Schieinitz,  Bd.  II,  A.  3,  S.  46,  T.  53; 

8  =  V.  ßeulwitz,  Bd.  11,  A.  3,  S.  21,  T.  21; 
10  =  V.  Pappenheim  (s.  No.  I); 
12  =  V.  Schönberg,  Bd.  II,  A.  3,  S.  46,  T.  53; 

14  ==  V.  Herda?  Bd.  II,  A.  3,  S.  32,  T.  35. 
16=  ?     zweimal  geteilter  Schild,  wciß-rot-weiß, 

(oder  weißer  Schild  mit  rotem  Querbalken  ?). 


484 


Miszellen. 


IV.  Grabstein,  279  cm  hoch,  268  breit,  45  tief,  mit  folgen- 
dem Text: 

„Anno  Domi.  MDIC  Den  XI.  Xbris  ist  der  Wolgeborne  vnd 
Edle  Herr  Christofe  Virich  des  heil.  Rom.  Reichs  Erbmarschalcb 
Herr  zv  Bappenheim  avf  der  Herschaft  Greven tal  selig  in  Herren 
entschlafen  seines  alters  im  LIIII  Jar  von  der  Greventhalischen- 
Linie  der  Lezte. 

Anno  Domini  16 ^)  ist  die  Wolgeborne  vnd  Edle  Fraw 

Magdalena  Marschalchin  zv  Bappenhaim  geborne  Marschalchin  Fraw 
zu  bappenhaim  vnd  Greventhal  in  Christo  seligen  eingeschlafen  vnd 
ZV  den  Vetern  versamlet  worden." 


Epitaphium  derleUi'en  der  P^ippenheimer 
(öräfenthaler  Linie)  in  der  Kirche 
zu  öräfenthal  (Thcir.Wald). 


Fig.  4. 

16  Ahnenwappen,  in  zwei  Reihen  zu  je  8  ötück  untereinander,, 
zieren  das  Denkmal ;  alle  waren  mit  Namen  versehen ;  diese  fehlen 
jetzt  bei  No.  15  und  16. 

a)  Väterliche  Ahnen : 
1)  Pappenheim ; 

3)  Branstein  (Brandenstein)  wie  bei  I; 
5)  Pflug  wie  bei  II  d; 
7)  Sileunit  (Schleinitz)  wie  bei  III,  6; 
9)  Rechberg,  wie  bei  III,  9; 


1)  leer  gelassene  Stelle. 


Miszellen.  435 

11)  Schonberg,  wie  bei  III,  12 ; 
13j  Labor,  wie  bei  III,  15; 

15)  [Kochberg]  wie  bei  I. 

b)  Mütterliche  Ahnen: 

2)  Bappenheim; 

4)  Bevusch,  gevierter  Schild;  in  1  und  4  drei  silberne  Lilien 
in  grün,  2  und  3  ein  goldner,  rechtsgekehrter  Löwe  in 
rot.  Zwei  Helme:  Helm  I  mit  silberner  Lilie,  Helm  II 
mit  dem  Löwen,  der  einen  silbernen  Fisch  in  den  Vorder- 
pranken hält; 

6)  Gotzman  (Gottsmann)  Bd.  VI,  A.  1,  S.  39,  T.  39; 

8)  Schaumburg,  Bd.  II,  A.  1,  S.  55,  T.  58  (Stammw.) ; 
10)  Zevyern  (s.  Wellersche  Wappensammlung); 

12)  Kechberg  (wie  unter  9); 

14)  Stiber  (Stiebar  v.  Buttenheim),  im  geteilten  Schilde  das 
Blatt  einer  Saufeder,  auf  der  Teilungslinie  aufrechtstehend ; 

16)  ?  gevierter  Schild ;  1  und  4  je  wieder  geviertet,  und 
zwar  1  und  4  weiß ,  2  rot ,  3  schwarz ;  in  2  und  3  ein 
rechtsgekehrter,  roter,  springender  Löwe  in  Gold.  2  Helme : 
Helm  I  mit  einem  rotgekleideten  Rumpf,  Helm  II  mit 
2  weiß -rot,  bezw,  rot-schwarz  geteilten  Büffelhörnern. 


Die  Wichtigkeit  der  Ahnenwappen  für  die  genealogische  For- 
schung ergibt  sich  daraus,  daß  bekanntlich  die  Anordnung,  bezw. 
die  Stellung  jedes  Ahnenwappens  je  einem  bestimmten  Verwandt- 
schaftsgrade entspricht.  Dadurch  wird  ermöglicht,  daß  man  aus 
diesen  Ahnenwappen  sofort  eine  Ahnentafel  aufstellen  kann ;  richtiger 
gesagt:  diese  Ahnenwappen  bilden  bereits  eine  Ahnentafel,  jedoch 
in  gedrängtester  Form,  so  daß  es,  bei  vielen  Wappen,  notwendig 
ist,  diese  Tafel  vollständig  zu  entwickeln,  was  an  der  Hand  eines 
Schemas  sehr  rasch  geschehen  kann.  Nachstehende  Skizzen  sollen 
zeigen,  welcher  Verwandtschaftsgrad  jedem  einzelnen  Wappen  ent- 
spricht. 

I.  Bei  Grabsteinen  mit  zwei  Wappen :      W.  1  W.  2 

bedeutet  1  das  Geschlechts wappen  des  Vaters,  2  das  der  Mutter  des 
Verstorbenen;  ist  der  Grabstein  für  ein  Ehepaar  bestimmt,  so  ist 
1  das  Wappen  des  Gatten  (und  zugleich  dessen  Vaters),  2  das  der 
Gattin  (bezw.  deren  Vaters). 

IL  Bei  Grabsteinen  mit  4  Wappen,  deren  dann  gewöhnlich  je 
eines  in  den  4  Ecken  des  Denkmals  angebracht  ist:  1        2 

3        4 
ist 

1  das  Wappen  des  Vaters 

2  „  „der  Mutter 

3  „  „        der  Großmutter  väterlicherseits 

4  „  „        der  Großmutter  mütterlicherseits 

des  Verstorbenen.   Bei  einem  Ehepaar  sind  1  und  3  die  Wappen  der 
Eltern  des  Mannes,  2  und  4  die  Wappen  der  Eltern  der  Gattin. 
III.  Bei  einem  Grabstein  mit  8  Ahnenwappen  ist 

1  2 

3  4 

5  6 

7  8 


486  Miszellen. 

1  =  Wappen  des  Vaters, 

5  =         „        der  Großmutter  väterlicherseits, 

3  ^         „  „    Mutter  des  Großvaters  väterlicherseits, 

7  =         „  „         „        der  Großmutter  väterlicherseits, 

"  =         11  11         11 

6  =         „  ,,    Großmutter  mütterlicherseits, 

4  =         „  „    Mutter  des  Großvaters  mütterlicherseits, 

8  =         „  r,         „       der  Großmutter  mütterlicherseits. 
Gehören  die  8,  bezw.  16  oder  32  Wappen  jedoch  für  ein  Ehepaar, 

so  ist  zu  merken,  daß  die  Wappen  links  vom  Beschauer  stets  für  den 
Gatten,  diejenigen  rechts  aber  für  die  Gattin  Geltung  haben,  so  daß 
in  diesem  Falle  zwei  Ahnentafeln  auf  einem  Steine  sich  befinden. 
Z.  B.  wären  8  Ahnenwappen  für  ein  Ehepaar  dann  so  zu  beziffern : 
11  1  =  Vater, 

3  3  2  =  Mutter, 

2  2  3  =  Großmutter  väterlicherseits, 

4  4  4  =  Großmutter  mütterlicherseits. 

Diese  Sache  ist  also  ein  einfaches  rechnerisches  Problem  und  kann 
deshalb  sehr  leicht  nach  Bedarf  erweitert  werden. 

Voraussetzung  für  so  aufzustellende  Ahnentafeln  ist  allerdings, 
daß  diese  Ahnenwappen  nicht  etwa  im  Laufe  der  Zeit  abgefallen 
und  später  an  unrichtigen  Stellen  wieder  befestigt  worden  sind. 
Eine  sichere  Gewähr  hat  man  deshalb  nur,  wenn  die  Wappen  mit 
dem  Denkmal  aus  einem  Stück  gearbeitet  oder,  wie  bei  Gedächtnis - 
tafeln,  aufgemalt  sind. 

Bei  meinen  Bemühungen,  die  Ahnenwappen  der  4  bezeichneten 
Grabsteine  in  Einklang  zu  bringen,  merkte  ich  bald,  daß  diese 
Wappen  zum  großen  Teil  an  der  unrichtigen  Stelle  angebracht 
waren.  Eine  mir  gütigst  zur  Verfügung  gestellte  Notiz  des  Gräfüch 
Pappenheimschen  Archivs  über  die  Anordnung  der  16  Ahnenwappen 
auf  einer  in  der  Klosterkirche  zu  Pappenheim  befindlichen  hölzernen 
gemalten  Gedächtnistafel  des  Grafen  Christoph  Ulrich  v.  Pappenheim, 
dessen  Grabstein  als  No.  IV  beschrieben  wurde,  ermöglichte  jedoch 
sofort  die  Aufstellung  einer  Ahnentafel,  in  welche  sich  die  Ahnen- 
wappen der  Grabsteine  No.  I  genau,  die  der  Denkmäler  II  und  III 
zum  größten  Teil  und  hier  in  so  bestimmter  Anordnung  einfügen, 
daß  über  die  Eichtigkeit  dieses  Resultates  nicht  der  geringste  Zweifel 
obwaltet.  Nachfolgend  soll  zuerst  die  Anordnung  der  16  Ahnen- 
wappen der  Gedächtnistafel  zu  Pappenheim  Platz  finden,  sodann 
die  hieraus  entwickelte  Ahnentafel  wiedergegeben  und  zuletzt  die  sich 
hieraus  ergebenden  Schlußfolgerungen  für  die  abgehandelten  4  Grab- 
denkmäler zu  Gräfenthal  besprochen  werden. 

Die  Gedächtnistafel  zu  Pappenheim  zeigt  folgende  16  Ahnen- 
wappen, die  mit  Ausnahmen  von  nur  3 — 4  Stück  die  gleichen,  aber 
in  abweichender  Anordnung,  sind  wie  jene  16  unter  No.  IV  (s.  S. 
484  u.  485). 

1  Pappenheim  2  Pappenheim 

3  Brandenstein  4  Gotsman 

5  Wallenrode  6  Betischer 

7  Kochberg  8  Zeurn 

9  Pflug  10  Schaumberg 

11  Schönberg  12  Stibar 

13  Altenstein  14  Zinzendorff 

15  Schleinitz  16  Selbitz. 


Miszellen. 


487 


Sechzehn -Ahnen-Tafel  (abgekürzte  Bezeichnung  für  eigentlich 
zwei  Ahnentafeln  zu  je  8  Ahnen  der  beiden  Ehegatten]. 


ßeihe  I. 


Christoph 

Uhrichi)  v. 

Pappen  heim 

t  11.  XII.  1599 


Eeihe  II. 


Achatius  v. 
t  1561 


Reihe  III. 

r  Sebastian  v.  I 
p  I         t  1536 


Reihe  IV. 


[Georg 


_    V.    P. 

I  Praxedes    Pflug 
V.  Rabenstein 


Ursula  V.  Wallen-/ Wallenrode 


Elisabeth  v. 

Brandenstein - 

Ranis 


rode 
(Brandenstein 


Kochberg 


Magdalena    geb 

V.    Pappenheim^ 

Stühlingsche 

Linie,  f  1602 


r  Pappenheim 
Christophorus  J 
V.  P.         I 


Gotsman 


Betischer 

{Gotsman 
Zeurn 


\Alttenstein 

f  Brandenstein 
\Schönberg 

/Kochberg 
(Schleinitz 


/Pappenheim 
\Schaumberg 

/Betischer 
\Zinzendorff 

I  Gotsman 
\Stibar 

f  Zeurn 
\Selbitz 


Wie  bereits  gesagt,  sind  die  4  Ahnen  Eobalds  v.  P.  nach  Grab- 
stein I  in  vorstehender  Ahnentafel  —  auch  hinsichtlich  ihrer  An- 
ordnung —  genau  enthalten. 

Bei  Grabstein  II  liegen  die  Verhältnisse  am  ungünstigsten,  da 
hier  im  ganzen  nur  12  statt  16  Ahnen  vorhanden  sind ;  die  7  Wappen 
links  vom  Beschauer  sind  die  Ahnen  des  Verstorbenen,  Joachims 
V.  P.,  die  5  Wappen  rechts  jene  seiner  Gattin  Amalie  v.  Lentersheim. 
Joachims  Vater  V itus,  f  1556,  war  aber  ein  Bruder  des  Achatius, 
und  es  müssen  deshalb  dieser  Brüder  Ahnen  väterlicherseits 
dieselben  sein  (dies  gilt  auch  für  Joachim  v.  P.  selbst,  für  welchen 
natürlich  noch  dessen  eigener  Vater  Vitus  v.  P.  als  weiterer  Ahne 
hinzukommt).  Des  Vitus  4  Ahnen  väterlicherseits  sind  denn 
auch  in  den  7  Ahnenwappen  links  vorhanden;  sie  erscheinen  in  der 
Sechzehnahnentafel  als  die  4  obersten  in  Reihe  IV.  Nimmt  man  an, 
daß  zwischen  den  Wappen  d  und  c  noch  ein  (achtes)  Wappen  vor- 
handen war,  so  ist  auch  die  Anordnung  der  4  Ahnenwappen  väter- 
licherseits richtig.  Diese  Annahme  wird  durch  den  weiteren  Umstand 
fast  zur  Gewißheit,  daß  das  Wappen  a  (v.  Brandenstein-Oppurg) 
genau  an  der  entsprechenden  Stelle  des  Denkmals  steht ;  es  wechselte 
somit  immer  ein  Ahnenwappen  väterlicher-  mit  einem  solchen  mütter- 
licherseits, was  weiter  dafür  spricht,  daß  links  ursprünglich  8  Wappen 
vorhanden  waren. 


1)  Eobald  v.  P.  war  ein  Bruder  Christoph  Ulrichs,  und  deshalb 
sind  deren  Ahnen  die  gleichen. 


488  Miszelien. 

Die  5  Wappen  rechts,  für  Amalie  v.  Lentersheim  gehörig,  sind 
die  noch  erhaltenen  von  ebenfalls  8  Ahnenwappen.  Der  Verstorbenen 
Mutter  war  Ursula  v.  Rosenberg  und  tatsächlich  ist  das  Wappen 
g  dasjenige  dieses  Geschlechts.  Dieser  Ursula  Mutter  war  eine 
geborene  v.  Auerbach  (Urbach),  welches  Wappen  unter  den  sonst 
noch  vorhandenen  drei  allerdings  nicht  vorkommt,  aber  wahrscheinüch 
eines  der  3  noch  fehlenden  gewesen  ist.  Das  Wappen  k  ist  über- 
dies unkenntlich,  käme  hier  aber  kaum  in  Betracht. 

Dieser  Schluß  enthält  absolut  nichts  Gekünsteltes  oder  Un- 
wahrscheinliches ,  sondern  ist  sehr  einfach  und  deshalb  wohl  als 
völlig  berechtigt  und  ausreichend  anzuerkennen. 

Bei  Grabstein  III  sind  die  Wappen  1,  3,  5,  7  (Achatius'  Ahnen) 
sowie  2,  4,  6  und  12  (Ahnen  Elisabeths  v.  Brandenstein)  in  Reihe  Iv 
der  Sechzehnahnentafel  richtig  enthalten ,  die  Wappen  12  und  6 
gehören  allerdings  an  die  Stelle  der  Wappen  6  und  8,  was  aber  nur 
einer,  entweder  ursprünghchen  oder  wahrscheinlich  späteren,  Wieder- 
befestigung zuzuschreiben  ist.  Damit  wäre  die  Sachlage  bezüglich 
der  oberen  8  der  am  Denkmale  angebrachten  16  Wappen  völlig 
geklärt,  nicht  aber  bezüglich  der  unteren  8  Wappen.  Hier  wurde 
das  sonst  innegehaltene  Prinzip,  daß  die  Stelle  des  Wappens  einem 
bestimmten  Verwandtschaftsgrade  entspreche,  verlassen.  Nach  einer 
mir  vorliegenden  Stammtafel  des  Achatius  v.  P.  war  dessen  Urgroß- 
vater Conrad,  f  1482  —  der  Stifter  der  Pappenheim-Gräfenthalschen 
Linie  —  vermählt  mit  Dorothea  v.  Laber,  dessen  Mutter  aber,  die 
Gemahlin  Haupts  v.  P.,  Barbara  v.  Rechberg.  Die  Wappen  v.  Laber 
und  V.  Rechberg  kommen  allerdings  bei  Grabstein  III  als  No.  9 
und  15  vor;  es  kann  aber  weder  angenommen  werden,  daß  die 
Wappen  9,  11,  13  und  15  jene  der  Gemahlinnen  der  direkten  Stamm- 
väter des  Achatius'  Großvaters  gewesen  wären,  da  sonst  die  Wappen 
II  und  13  jene  v.  Weinsberg  und  Eilerbach  und  nicht  die  v.  Rotenhan 
und  V.  Maßbach  sein  müßten,  —  noch  daß  sie  die  Wappen  der 
Mütter  von  des  Achatius  4  Großeltern  gewesen  wären,  da  das  Wappen 
V.  Rechberg  in  dieser  Generation  noch  gar  nicht  erscheinen  dürfte 
(einen  eventuellen  Ahnenverlust  ausgenommen).  Es  bleibt  allerdings 
noch  eine  dritte  (und  letzte)  Annahme  übrig,  daß  die  Wappen  v.  Roten- 
han und  Maßbach  jene  der  Mütter  der  Genannten,  Dorothea  v.  Laber 
und  bezw.  Barbara  v.  Rechberg,  gewesen  seien.  Das  bleibt  aber  eine 
bloße  Annahme,  die  ich  aus  Mangel  an  Zeit  und  Gelegenheit  nicht 
unterstützen  oder  auf  ihre  Richtigkeit  untersuchen  kann.  Jedenfalls 
aber  wird  das  für  die  Wappen  9,  11,  13  und  15  augewendete  Prinzip 
auch  für  die  entsprechenden  No.  10,  12,  14  und  16  maßgebend  ge- 
wesen sein. 

Zu  den  16  Ahnenwappen  des  Grabsteins  No.  IV  ist  zu  be- 
merken, daß  mir  die  Ermittelung  des  Wappens  No.  16  nicht  gelang; 
es  wäre  aber  nicht  ausgeschlossen,  daß  es  das  Wappen  der  v.  Zinzen- 
dorff  (Sinzendorff)  oder  v.  Selbitz  ist  (welche  auf  der  Gedächtnis- 
tafel zu  Pappenheim  erwähnt  werden),  in  diesem  Falle  wären  13 
von  den  16  Ahnenwappen  des  Grabsteins  übereinstimmend  mit  denen 
der  mehrfach  erwähnten  Gedächtnistafel  zu  Pappenheim.  Nachdem 
jedoch  diese  Gedächtnistafel  sich  für  die  Aufstellung  der  Ahnentafeln 
als  geeigneter  erwies,  als  die  Wappen  des  Grabsteines,  ist  ihr  auch 
in  dieser  Beziehung  mehr  Glauben  entgegenzubringen,  und  es  ist 
anzunehmen,  daß  sie  vollständig  richtig  ist. 


Miszelleu.  439 

Die  vorstehende  Abhandlung  mag  einen  Beweis  dafür  geben, 
-welche  wichtige  Aufschlüsse  die  Grabsteine  auch  in  genealogischer 
Beziehung  geben  können,  aber  auch,  wie  notwendig  es  ist,  diese 
Ergebnisse  zu  kontrollieren.  Sind  mehrere  Grabsteine  von  Personen 
eines  Geschlechtes  vorhanden  oder  bekannt,  die  in  direkten  Ab- 
stammungsverhältnisse standen,  so  ist  die  Kontrolle  sehr  leicht. 

Im  allgemeinen  sind  Grabsteine  vor  1500  in  genealogischer 
Hinsicht  viel  zuverlässiger,  als  nach  dieser  Zeit,  wie  denn  auf  ihre 
Herstellung  überhaupt  mehr  Sorgfalt  verwendet  wurde.  Allerdings 
wird  nicht  nur  der  Grabsteintext,  sondern  auch  der  heraldische 
Schmuck  bezügüch  der  Ausführlichkeit  immer  geringer ,  je  älter 
die  Grabdenkmäler  werden ;  dafür  steigt  aber  in  gleichem  Maße 
der  Wert  der  vorhandenen  Texte  und  die  Schönheit  der  heraldischen 
Darstellungen. 


II. 

Thüringische  Tranksteuerregister  der  Ämter  Kamburg  uud  Dorn- 
burg 1632—1637. 

Von  Prof.  Dr.  F.  Tetzner  in  Leipzig. 

Eine  der  wichtigsten  Erwerbsquellen  der  Thüringer  Bevölkerung 
im  Saaletal  war  der  Verkauf  des  selbstgebrauten  Biers  und  selbstge- 
kelterten Weines.  Die  Stürme  des  30-jährigen  Krieges  haben  einen 
Aktenband  verschont,  der  nähere  Angaben  über  jenes  Gewerbe  macht. 
Da  er  sich  in  Privathand  befindet  und  möglicherweise  unausgeschöpft 
verschwinden  wird,  will  ich  einige  Angaben  daraus  zusammenstellen. 
Der  Zeit  nach  fallen  die  Angaben  in  den  schwedischen  Krieg  vor 
der  Schlacht  bei  Lützen  bis  zur  Wiedereinnahme  Thüringens  durch 
Bauer  1638,  und  wir  beobachten,  wie  in  bunter  Reihe  Schweden, 
Kaiserliche  und  Kurfürstliche  unausgesetzt  das  Land  in  den  Händen 

.haben  und  Wein  und  Bier,  soweit  sie  es  erlangen  können,  für  sich 
in  Beschlag  nehmen.  Bald  sind  es  die  schwedischen  Völker  Bauers, 
Stolhanschs  und  Wirttembergers,  bald  die  kaiserlichen  von  Götz, 
Gallas,  Gelen,  Kleine,  bald  die  kurfürstlichen  unter  Dehnen,  Eoms- 
dorf,  Streinz,  ganz  abgesehen  von  den  Gesandtschaften,  Polizeitruppen 
und  Kommissionen,  denen  man  gern  gab,  wenn  man  nur  einiges 
retten  konnte. 

Die  meisten  Dörfer  in  den  Bezirken  Kamburg  und  Dornburg 
besaßen  eine  Braupfanne,  und  die  Brauberechtigteu  konnten  sie 
dreimal  des  Jahres  in  Anspruch  nehmen,  zu  dreien  Malen  erfolgte  dann 
auch  die  Aufzeichnung  der  beiden  Steuermeister  jedes  Dorfes:  zu 
Kreuzerhöhung,  Lucia  und  Quasimodogeniti.  Jene  Zehentmeister 
schrieben  auf,  mit  wieviel  Eimer  jeder  Brauberechtigte  an  jedem 
Gebräu  beteiligt  war,  wieviel  davon  als  unversteuerbares  Freibier 
zu  gelten  hatte  und  wieviel  dann  zu  versteuern  übrig  blieb.  Als 
Lohn  für  seine  Mühe  erhielt  er  den  Zehnten,  der  Schösser  oder  Ober- 

„  Steuermeister  stellte  dann  alle  Steuerregister  des  Bezirks  zusammen 
und  bezog  wiederum  den  Zehnten.  Eine  ßraupfanne  umfaßte  12— '24 
Eimer,  meist  18  zu  je  72  Kannen.  Zu  jedem  Gebräu  gehörte 
mindestens  1  Erfurter  Malter  Gersteumalz  zu  12  Scheffel,  der  12 
Eimer  Bier  gab  und  mit  6  Groschen,  wie  der  Wein,  zu  versteuern  war. 


490  Miszellen. 

Befreit  von  dieser  Steuer  war  der  Tischtrank  des  Adels,  der 
Universität  Jena,  der  Hofbeamten,  Pastoren,  Lehrer,  der  Sulzaer 
Salzbergschenke  und  der  Beamtenwitwen.  Was  sie  selbst  tranken, 
mußten  die  Bauern  auch  versteuern ,  doch  begnügten  sich  diese 
meist  mit  dem  steuerfreien  Kofent. 

Für  alle  steuerfreien  Biere  aber  mußten  die  Käufer  Quittungen 
ausstellen,  und  füi  die  in  Kriegszeiten  geraubten  oder  gelieferten 
Getränke  stellte  die  ganze  Gemeinde  unterschriftlich,  oder  in  deren 
Vertretung  der  Schulze,  die  beiden  Heimbürgen  oder  Gemeindeältesten 
oder  sonstige  angesehene  Personen  Zeugnis  aus.  D.  h.  man  bat  in 
demütigen  beweglichen  Worten  um  Steuererlaß  für  Getränke,  die 
man  ohne  jede  Entschädigung  hingeben  mußte.  Unter  die  Berichte 
und  die  Berechnung  der  Steuern  und  des  Spundgeldes  setzte  der 
Beamte  auch  sein  „gewöhnliches",  der  Adelige  sein  „angebornes" 
Petschaft.  Einigemal  kam  es  vor,  daß  die  Soldateska  nicht  bloß 
die  Getränke  geraubt  und  die  Saaten  niedergeritten,  sondern  auch 
die  Braugefäße  („Kessel",  „Bottiche",  „Gefäße",  „Pfannen-')  vernichtet 
hatte;  da  behalf  sich  der  Bauer  mit  seinen  neun  Eimer  haltenden 
Deisen.  Kühldeisen  verwendete  man  ehemals  in  Ermangelung  von 
Kühlschiffen  oder  Kühlstöcken.  Die  Deise  ist  übrigens  noch  heutiges- 
tags  den  Thüringern  nichts  Fremdes. 

Die  erhaltenen  Register  lauten : 

Ambts  Camburgk  Trangk  Steuer  Register,  über  die 
Frist  Quasimodogeniti  Ao.  1 6 3 3  (praesentirt  den  29.  üctobris 
Ao.  1639  vberlegt).  (No.  3  vol.  5  Ambt  Camburgk  101  fl.  4  g.  4  ^. 
Trancksteuer  Quasimodogeniti  Ao.  1633.) 

Einnahme  Wein,  So  verwichene  Frist  Luciae  1632  im  rest  verbUeben, 
21  Eymer  zue  Wiegmar. 
„  „      Hierüber    ist   aber   Wein  erkaufft  vnd  eingeleget 

worden,  vacat. 

Summa  Einnahme  Wein,  21  Eymer. 

Außgabe  Wein,  Davon  werden  dießen  Termin  mitt  Frey  Zetteln  be- 
rechnet, vacat. 

Ferner  ist  verkaufft  ahn  frembde  örther  dießes  Fürstenthumbs 
doselbsten  solcher  nach  dem  Maas  verzäpffet  vndt  vorsteuert  wirdt, 
vacat. 

Außgabe  Wein,  So    von    den  Soldaten    verwüstet   worden   vndt   vf 
dieselben  gangen,  21  Eymer  Wiegmar. 
„  „      So  mit  geld  vorsteuert  wirdt.  vacat, 

„  „      Summa  deß  vfn  freyen  Tischtrangk  verschriebenen 

ahn  andere  örfher  verkaufften  undt  mitt  gelde  vorsteuerten  Weins 
21  Eymer  Wein. 

Bleibet  nichts  im  Vorrath 

Einnahme  Bier,  So  verwichene  Frist  Luciae  1632  im  rest  bUeben 
86  Eymer  Wiegmar. 

Ferner  ist  gebrauen  worden  1090s/^  Eymer  in  folgenden  Dorff- 
schafften,  alß 

324  E.  Camburgk,  192  Schmiedehausen,  90  Goßerstedt,  154 
Wiegmar,  54  Vierzehnheyligen,  141 3/4  Eckelstedt,  81  SiegUzs, 
54  Kleinen  Gesewizs,  Leußla  ist  nicht  gebrauet  worden. 


Miszellen.  49J 

Einnahme  Bier.     Summa  deß  in  der  Frist  Luciae  1632  im  rest  ver- 
bliebenen vndt  dießes  Termins  neu  erbrausten  Bier  1176  Eymer  Biers. 
Davon  werden  mit  Freyzetteln  verrechnet,  inhalts  der  Register 

178  Eymer  wie  folgt,  alß 
35.  E  Camburgk,  54  Schmiedehau ßen,  55  Goßerstedt,  3  Vier- 
zehenhey ligen,  3  Eckelstedt,  24  Sieglizs,  4  Kleinen  Geßewizs. 
Bier  uf  die   Soldaten,   So  dieselben  außgeträngket  vndt  verwüstet 
455V,  Eymer,  alß 

77  E.  Camburgk,  144  E.  Schmiedehaußen,  9  Goßerstedt,  109'/, 
Wiegmar,  35   Vierzehenheyligen,  75  Eckelstedt,  36  Sieghzsl 
Bier,  Hierüber  werden   mitt  gelde  versteuert  inhalts  der  Redster 
407^/^  Eymer  wie  folget.     Die   tragen   nemblich  116  fl.  10g.  6  <^. 
194  E.  Camburgk,  24  Schmiedehaußen,  26  Goßerstedt,  15  Wieg- 
mar, 16  Vierzehenheyligen,   63^/^  Eckelstedt,  21  Sieglizs,  48 
Kleinen  Geßewizs. 
Summa  deß  zum  Freyen  Tischtrangk  verfreiten  (?)  in  die  Commiß 
gegebenen   von   den  Soldaten  in  den  Quartieren  verwüsteten  vndt 
mit  geldt  versteuerten  Biers,  thut  1041 '/i  Eymer. 

Solche  von   der  Einnahme  gezogen   so   bleiben   in  Rest  13572 
Eymer  alß  18  E.  Camburgk,  U1\U_  Wiegmar. 
Einnahme  Geldt.    Summa   waß  dießen  Termin  die  Wein  vndt  Bier 
Steuer  getragen,  thut  116  fl.  10  g.  6  ^. 

Davon  werden  abgezogen,  So  vermöge  Fürstl.  nachlaßung  vndt 
zu  ein  bringung  dießer  Steuer  verwendtet,  thut  15  f  1.  6  g.  —  c^., 
alß  folget 
2  fl.  13  g.  Camburgk  Pfundtgeldt,  6  g.  10  4  Schmiedehaußen, 
7  g.  5  1^.  Goßerstedt,  4  g.  3  c).  Wiegmar,  6  g.  Vierzehnheyügen, 
14g.  —  c).  Eckelstedt,   6  g  —  ^.  Sieglizs  Pfundgeld. 
Mehr  Außgabe  13  g.  6  ^  Kleinen  Geßewizs  Pfundtgeld,  8  fl. 
Zehrung  vndt  Verlust  vber  dießer  Einnahme,  sowohl  abgangk 
ahn  der  Münze,   10  g.  von  Steuer  Register,   vndt  von  viel- 
feltigen  Mahnzetteln,  10  g.  dem   Landtknechte ,   12  g.   vor 
Pappier  zue  Registern  undt  Mahnzetteln. 
Summa  von   Summa  gezogen    so  bleiben  zur  Ober  Einnahme  zue 
vberüefern  101  fl.  4  g.  4  ^. 

Uhrkundtlich ,  habe  ich  itziger  Schößer  zue  Camburgk  diß 
Register  mit  meinem  Pätzschaft  besiegelt  vndt  eigner  Handt  vnter 
schrieben  actum  die  frist  Quasimodogeniti  Ao.  1633  (S)  Georg  Keyßer 
m.  priä. 

Ambts    Dornburgk    Steuer    Register^)    über    die    Frist 
Luciae  Anno  1636 

Quasimodogeniti  Ao.  1637  (Praesentirt  den  29.  Octobris  Anno  1639 
Crucis  Anno  1637  vberlegt) 

Ambt  Dornburgk 
98  fl.  9  g.  6  (^.    Trancksteüer  zur  Frist  Luciae  Anno  1636 
82  fl.  13  g.  7   ^.   Trancksteüer  zur  Frist  Quasimodogeniti 

Anno  1637  No.  3  Vol.  2 
129  fl.  11g.  8V2  ^.  Trancksteüer  zur  Frist  Crucis  Anno  1637. 

1)  Am  Schluß:  Uhrkundtlich  habe  ich  itziger  Schößer  zue  Dom- 
burg  diß  Register  mit  meinem  Pötzschafft  betrugkt  vndt  eigener 
Handt  vnterschrieben.  Actum  die  Frist  (Luciae  Anno  1636,  Quas. 
Anno  1637)  Crucis  Ao.  1637  (S)  Georg  Keyßer  m.  priä. 


492  Miszellen. 

Einnahme  Wein  so  verwichen  Termin 

Crucis   Ao.  1636  im  rest   verbliben,  thut   181  Eymer  Dorndorff 

(kömpt  mit  vorigem  Register  überein) 
Luciae  Ao.  1636  im  rest  verbliben,  thut  331 '/4  Eymer,   alß  SM'/a 

E.  Dornd.,  1 '/^  E.  Naschhausen,  IS'/^  E.  Dornb.,  967,  E.  Zimmern 
Quasim.  Ao.  1637  im  rest  verbliben,  thut  271 V4  Eymer  alß  2WI 

E.  Dornd.,  ISV^  E.  Dornb.,  38V4  E.  Zimmern 

Einnahme  Wein  so  im  Herbst  Ao  1636   durch  Gottes   Seegen    er- 
wachsen 44474  Eymer  an  folgenden  orthen 
33  Va  Eymer  Dorndorff,  —  Vtenbach,  IVg  Eymer  Naschhaußen, 
IS'/a  Eymer  Dornburgk,  9674  Eymer  Zimmern,  294  Cunitz. 

Einnahme  Wein  Hierüber    ist  aber  Wein   erkaufft  vndt  eingelegt 

worden  vacat.    Summa  Einnahme  Wein  625 V4  Eymer  Wem 
vacat                                               ^3174       „  „ 

vacat  27174       „  „ 

Außgabe  Wein,   Davon  werden  diesen  Termin   mit  Freyzetteln   be- 
rechnet 24  Eymer  60  Kannen  Cunitz 
vacat 
6  Eymer,  alß  3  E.  Dornburgk,  3  E.  Zimmern 

Uff    die  Soldaten  vndt  waß   durch  dieselbe  ausgeträncket    worden 
269  Eymer  12  Kannen  Cunitz 
vacat 
7  Eymer  Zimmern. 

Ferner   ist   verkaufft,    ahn    frembde  örther   dieses   Fürstenthumbs, 
doselbsten  solcher  nach  dem  Maas  verzäpfft  u.  versteuert  wirdt, 
vacat 
vacat 
vacat 

Außgabe  Wein,  So  mit  geldt  versteuert  wirdt,  vacat 

60  E.  tragen  zue  gelde  14  fl.  9  g.,  alß  38  E.  Zimmern  zue  6  g., 
2072  E.  Newginna,  so  auch  in  Zimm.  Flur  erwachsen,  u. 
weilen  derselbe  meist  v.  d.  Soldaten  ausgesoffen,  der  E.  mit  3  g. 
verechnet  worden.  172  E.  Naschh.  zue  6  g. 
4474  E.  tragen  zue  gelde  11  fl.  14  g.  77,  ^.  nembl  28V4_  E. 
Zimmern  theils  zue  5,  theils  zue  6  g  Inhalts  des  Regist.  1572» 
Dornburgk  zue  6  g. 

Außgabe  Wein,  Summa  deß  vfn  freyen  Tischtranck  verschriebenen, 
ahn   andere  örther  verkauf ften,  durch  die  Soldaten  verwüsteten 
u.  mit  gelde  versteuerten  Weins:  294    Eymer 

60 

5674       ,. 
Verbleiben  demnach  vf  künfftigen  Termin 

Quasimodogeniti  1637  zue  verrechnen  im  rest  331 V4  Eymer,  alß 
Crucis  „  2717,       „ 

Luciae  „  21472       „     Domdorf 

2147^  E.  Dorndorff,  I72  E.  Naschhaußen,  187.  E.  Dornburgk, 

9674  E.  Zimmern 
2147,  E.  Dorndorff,  187,  E.  Dornburgk,  3874  E.  Zimmern 
214V2  E.  Dorndorff 


Miszellen.  493 

Einnahme  Bier  so  verwichen  Termin 

Crucis  1636  im  rest  bheben  282V2 .  Vg  Eymer  Dornburgk  (befindet 

sich  im  vorhergeh.  Reg.  alßo) 
Luciae  1636  SSSy^ .  V3  Eymer  Dornburgk  (gleichet 

mit  vorhergeh.  Register) 
Quasi.  1637  52372    —  Eymer  Dornburgk  (vorherg. 

Register  besagts  alßo) 

Einnahme  Bier,  so  sieder  der  jüngsten  Frist 

Crucis  Ao  1636  erbrauet  worden  llSl'/a  Eymer  mer  an  folgenden 

orthen  alß 
Luciae    „    1636  1012  7^ .  %  Eymer  mer  an  folgen- 

den orthen  alß 
Quas.      „    1637  92674  Eymer  mer  an  folgenden 

orthen  alß 

228  Dornd.,  —  Vtenbach.  96  Dornb.,  84  Crippend.,  198  Obernd., 
32  Fluerstedt,  90  Sultzsbach,  63  Großen  Rombstedt,  108  Klein  R., 
63  Wormbst,,  9372  Obern tröbra,  96  Cunitz,  Groitschen  — 

248  Dornd.,  —  Vtenbach,  1947^  Dornb.,  63  Crippend.,  198  Obernd., 
32  Fluerstedt,  36  Sultzsbach,  —  Großen  Rombstedt,  144  Klein  R., 
9Wormbst.,  9372  Oberntröbra,  —  Cunitz,  Groitschen  — 

219  Dornd.,  38V4  Vtenbach,  80  Dornb.,  147  Crippend.,  180  Obernd., 
16  Fluerstedt,  36  Sultzsbach,  —  Großen  Rombstedt,  72  Klein  R., 
36  Wormbst.,  102  Oberntröbra,  —  Cunitz,  Groitschen  — 

Einnahme  Bier,    Summa  deß   im    rest    gelaßenen  new  eingelegten 
frembden  u.  ufs  neue  erbraweten  Birs  13847«  E. 

1342       „ 
14497^  „ 

Davon  werden  mit  Freizetteln  belegt  Inhalts  der  Register 

8IV2  Eymer  an  folgenden  Orthen,  alß  33  Dornd.,  17  Crippend., 
3  Fluerst.,  3  Suitsbach,  4  Großen  Rombstedt,  I872  Klein  R., 
3  Oberntröbra 
52  Eymer  an  folgenden  Ortheu,  alß  23  Dornd.,  14  Crippend., 
3  Fluerst.,  3  Sultzsbach,  —  Großen  Rombstedt,  3  Klein  R., 
3  Oberntröbra,  4  Wormbstedt 
3O67, .  73  Eymer  an  folgenden  Orthen,  alß  114  Dornd.,  47,  Crip- 
pend., —  Fluerst.,  3  Sultzsbach,  —  Großen  Rombstedt, 
18  Klein  R.,  —  Oberntröbra,    12  Wormbstedt,    15573  i^ornb. 

Außgabe  Bier.  Ferner  haben  die  de  facto  eingefallene  u.  einquartirte 
Soldaten  ausgeträncket  5727,  E.,  alß 
47272    „ 
54372    „ 

205 

33  Dorndorff,   198  Oberndorff  i),    45    Sultzzbach.    18   Flurstedt, 

30  88 

70    Klein    Rombstedt,    247^    Wormbstedt,    88    Oberntröbra, 

15  Gripp. 

96  Cunitz,   —   Dornb.   —    „ 
3972    Dorndorff,    198    Oberndorff,    —  Sultzsbach,   25  Flurstedt, 
122  Klein  Rombstedt,  —  Wormbst.,  88  Oberntröbra,  —  Cunitz, 
—  Dornb.,  —  Crippend. 


1)  Die  übergesetzten  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  Frist  Quasim. 
1636. 

XXVII.  32 


494  Miszellen. 

8  Domdorff,  180  Oberndorff,  —  Sultzsbach,  16  Flurstedt, 
15  Klein  Rombstedt,  A^/^  Wormbst.,  96  Oberntröbra,  —  Cunitz, 
169  Dornb.,  55  Crippend. 

Darüber  werden  mit  gelde  versteuert 

401^/2       Eymer  alß  folget,  die  tragen  an  geld  114  fl.  15  g.  —  c).,  alß 
293  „  83  fl.  15  g. 

474V,.  V3     »  135 fl.  14g.    6^. 

162  Dornd.,  67  Crippend.,  11  Fluerst.,  42  Sultzsbach,  59  Großen 

Rombst.,  I9V2  Klein  E. ,  38V2  Wormst.,  2"-/^  Oberntröbra 
I8OV2  Dornd,,  49  Crippend.,  4  Fluerst.,  33  Sultzsbach,  —  Großen 

Rombst.,  19  Klein  R.,  5  Wormbst.  272  Oberntröbra 
97  Dornd.,  87V2  Crippend.,  —  Fluerst.,  33  Sultzsbach,  —  Großen 

Rombst.,   191,'     Klein    R.,  39   Wormbst.,  6  Oberntröbra,  387^ 

Vtenbach,  IsIVg  Dornb. 

Summa  des  zum   freyen  Tischtranck  verf.,    in  die  Commiß  gegeb. 
V.  d.  Soldaten  in  d.  Quartieren  u.  sonsten  verwüsteten  u.  m.  gelde 
versteuerten  Biers  thut  1055  V^  E. 
818V,  „ 
1325V,  „ 

Solche  von  der  Einnahme  abgezogen,  so  bleiben  im  rest 
328 V2 .  Vb  E.  Dornburgk 
523  /„         „  „ 

124\4 

Einnahme  Geldt.  Summa  waß  diesen  Termin  die  Wein  u.  Bier  Steuer 
tragen,  thuet  114  fl.  15  g.   —    ^. 

98   „      3  ,,     —     ,^ 
147  8       IV 

Davon  werden  abgezogen  so  vermöge  fürstl.  nachlaßung  u.  zur  ein- 
bringung  dieser  Steuer  verwendet,  thuet  16  fl.    5  g.  6  c).  alß  folget 

15  „  10  „  6  „     „       „ 

-'^'     5J    1'      »     5   ,,       ,,  ,, 

2  fl.  4  g.  Dornd.  Trangkg.,  19  g.  Crippend.  Tr.,  3  g.  Fluerst.  Tr., 
12  g.  Sultzsbach  Pfundtgeldt,  16  g.  Gr.  R.  Tr.,  5  g.  6  <^.  Kl. 
R.  Tr.,  11  g.  Wormst.  Tr.,  2  g.  Oberntröbra  Tr. 

2  fl.  9  g.  Dornd.  Tr.,   14  g.  Crippend.  Tr.,   1  g.  Fluerst.  Tr.,  9  g. 

6  c}.  Sultzsbach  Pfundtgeld,  —  Gr.  R.  Tr.,  5  g.  6  ^   Kl.  R.  Tr., 

I  g.  6  (^.  Wormbst.  Tr.,  2  g.  Oberntröbra  Tr.,  14  g.  Zimmern  Tr. 
1  fl.  6  g.  6  ^.  Dornd.  Tr.,  1  fl.  4  g.  Crippend.  Tr.,  10  g.  4  c).  Vtenb. 

Tr.,  9  g.  6  <^.  Sultzsbach  Pfundtgeldt,  2  fl.  6  g.  6  |.  Dornb.  Tr., 

II  g.  Kl.  R.  Tr.,  6  g.  7   c).  Wormbst.  Tr.,  2  g.  Oberntröbra  Tr., 

7  g.  Zimmern  Tr. 

Geldt  8  fl.  vor  Mühe  u.  Arbeit  desgl.  Zehrung  über  Einbringung 


u.  zue  auswechselung  bösen  geldes,  1  fl.  18  g.  vnterschiedtl.  Boten- 

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lohn,  8  g.  vor  Pappier  u.  Leinw.  12  g.  vor  Verfertigung  d.  Re- 
gister 

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Miszellen.  495 

Summa  von  Summa  gezogen,  So  bleibet  der  Obereinnahme  zue  über- 
liefern: 98  fl.    9  g.  6       4 
82  „    13  „   6       „ 
129  „    11  „   8V3    „ 


Das  Steuerregister  zweier  Dörfer  möge  erzählen,  welches  Geschick 
die  gewonnenen  Getränke  hatten,  wenn  die  Gegend  vom  Krieg  ver- 
schont blieb. 

Eegister  der  Trancksteuer  zu  Cunitz  auff  den  Termin  Lucie 
Anno  1631. 

An  Weine  ist  diesen  Herbst  erwachsen :  294  Eymer. 

7  Alt  Hanns  Tondorff ,  12  Hans  Zimmerman ,  20  Philipp 
Tondorff,  5  Marta  Hertens,  3  Nicol  Geilmg,  2  Jacob  Biderman, 
4  Alt  Hans  Herten,  30  Peter  Zimmermann,  0  Gorg  Eeseler,  12  Al- 
bert Beyer,  15  Gorg  Tondorff,  15  Urban  u.  Peter  Greffe,  12  Bartel 
Beyer,   147  E. 

2  Hanns  Seuffert,  6  Hichel  Zolp,  6  Fritz  Tondorff,  4  Casper 
Baum,  5  Anna  Tondorff,  20  Peter  Beyer,  1  Christoph  Hertzer, 
11  Ursula  Sibern,  4  Paul  Hüttich,  10  Gorg  Herten,  30  Simon 
Heentzel  Richter,  6  Barbar  Eosten,  3  Simon  Hartman,  15  Hans 
Tondorff,  6  Hagreta  Hofmans,  7  Anna  Tondorff,  6  Zachris  Herten, 
6  Hans  Herolt,  4  Nicol  Techand,  157  E. 

An  Wein  ist  von  den  Ehrfesten  Hohe  Achtbam  u.  Fürstl. 
Sachs.  Ambt  Schößern  zue  Eisenbergk  erkauft  worden  24  E.  60  Kannen. 

1)  6  Eymer  minus  8  Kannen  bey  Georg  Hartin 

2)  4^/2  Eymer  Weißen  dan  7  Virtel  Eymer  Eoten  Wein  bey 
P.  Beyer 

3)  6  Eymer  54  Kannen  bey  Albert  Beyern 

4)  6  Eymer  minus  17  Kannen  bey  Peter  Sibitz. 

1)  Zu  des  Wohl  Edlen  Gestrengen  u.  Vesten  Herrn  Anton  von 
Schönbergks  auf  Hittel  Frohn  Fürstl.  Sachs.  Hochverordneten 
Cammer  u.  Hof  Eaths  zu  Altenburgk  meinen  endesgemelten  groß- 
günstig gebietenden  Herrn  u.  Förderers  Tisch  trän  ck  seind  bei  Georg 
Hartin  zu  Cunitz  6  Eimer  weniger  8  Kannen  Host  steuerfrey  er- 
kaufft  u.  Seiner  Wohl  Edlen  zubracht,  auch  umb  mehrer  Beglaubi- 
gung willen  dieses  mein  eigenhändiger  Schein  &  vorgedruckt  (ge- 
wölmlich  Petschaft  beigefügt.     Peter  Freisleben). 

2)  Zu  Fürstlichen  and  andren  furgefallenen  Auslößungen  habe 
ich  endesgemelter  Schößer  fünfthalben  Eimer  Weißen  Wein  und 
dann  auch  vor  den  Fürstlichen  Sachs.  Hochverordneten  Hoff-  & 
Kriegs  Eath  auch  Präsidenten  des  Löbl.  Consistorii  zu  Altenburgk 
Herrn  Doctor  Hartin  Hendium  Sieben  Virtel  Eimer  Eoten  Wein 
bey  Peter  Beyern  zu  Cuniz  erkaufft,  derowegen  die  fürstl.  Sachs. 
Hoch  verordneten  Herren  Trancksteuer  (obereinnehmer  um  Be- 
freiung gebeten  werden.    P.  Freisleben). 

3)  6  Eimer  54  Kannen  Host  habe  ich  endesgemelter  Schößer 
zu  furfallenden  Fiü-stl.  u.  anderen  Außrichtungen  bey  Albrecht 
Beyern  zu  Cunitz  Steuerfrey  erkaufft  und  gelebe  darneben  der 
Hoffnung,  die  Fürstl.  Sachs.  Herren  Trancksteuer  Ober  Einnehmers 
zu  Altenburgk  Ihne  der  gewöhnlichen  Tranksteuer  darum  gegen 
dieser  meiner  eigenen  Hand  u.  vorgedruckten  gewöhnlichen  Petschaft 
zu  entnehmen  (P.  Freisleben  6  Nov.). 

4)  Zu  Fürstlichen  und  anderen  Außlößungen  habe  ich  Endes- 
gemelter Schößer    bey  Peter  Siebern    zu  Cuniz  6   Eimer    weniger 


496  Miszellen. 

12  Kannen  Most  Steuerfrey  erkaufft  u.  gelebe  der  Hofnung,  die 
Fürstl.  Sachs.  Herrn  Steuer  Ober  Einnehmer  werden  Ihn  gegen  diesen 
meinen  eigenhändigen  Schein  u.  vorgedruckt  gewöhnlich.  Petschafft 
der  gewöhnlichen  Trancksteuer  darvon  entnehmen.  Signat.  Eissenbergk 
den  6.  Novembris  1636  Peter  Freisleben. 

Einnahme-  Trancksteuer  Bernhardts  von  Wangenheimbs  Unter- 

thanen   zu  Greütz sehen,   von   seinen  Verordtneten  Zehnmeistern 

Moritz  Drabern  undt  Simon  Heßlern  den  Termin  Crucis  den  12.  Septbr. 

Ao.  1636  eingenommen  worden. 

Folget  erstlichen  der  Wein,  so  am  Termin  Quasimodogeniti  ist 

im  Kest  verblieben,  alß  4  Eymer 

2  Groschen  6  Pfennig  Peter  Wagner  von  *4  Eymer  Wein  gesteürett, 
welchen  es  Andreas  Weydenem  vorkaufft  zur  Kindtauffte. 

5  Groschen  Doffel  Rothe  Von  1  Eymer  Wein  gesteüret,  welchen  er 
nach  Großen  verkauft,  Schubkerner. 

l'/a  Eymer  Wein    Andreas  Draber    dem  Herrn  Schösser  zu  Eissen- 
bergk verkaufft,     laut  deß  Zeddels  mit  A  sign. 

1    Eymer  Wein    Heinrich  Fischer,    dem   Herrn   Ambtsschösser    zu 
Eyssenbergk  verkauft,  laut  des  Zeddels  mit  B  sign. 

Lat.  4  Evmer  Wein  ut  sup.  bleibt  nichts,  tregt  an  Gelde  4  Groschen 
6  Pf.  im  Eest. 


A.  Anderthalben  Eimer  Most  ist  Herrn  Martino  Mentio  zu  der 
Mostzeit  Anno  1635  erkaufft  und  weil  seine  Excellenz  der  Trancksteuer 
frey,  So  werden  die  Herren  Einnehmer  deroselben  dem  Verkeuffer 
Andreas  Trabern  solcher  Trancksteuer  entnehmen,  und  mit  diesen 
Ambtszettel  berechnen ,  Signatum  den  6.  Novembris  Anno  1635. 
Peter  Freisleben,  manu  propria. 

B.  Ein(en)  Eimer  Landtwein  ist  in  der  Most  Zeitt  Anno  1U35 
vor  den  Fürstlich  Sachs.  Hochverordneten  Hof-  und  Kriegs  Rath 
zu  Altenburgk  Herrn  Doctor  Martin  Mendium  zu  Altenburg  bei 
Heinrich  Fischern  zu  Greutzschen  steuerfrey  erkaufft  und  dieser 
mein  eigenhendiger  Schein  darüber  ausgefertigt  worden.  Signatum 
Eisenberg  den  16.  Fbrii  1636.    Peter  Freisleben,  manu  propria. 

In  Utenbach  berichtet  dagegen  der  Steuermeister,  daß  im  Herbst 
1636  kein  Wein  erwachsen ,  sondern  alles  durch  den  Banerschen 
und  Kaiserlichen  Marsch  verderbt  worden  sei,  das  Brau  Gefeß  aber 
sei  von  des  Gen.  Stalhans  Völkern  verbrannt  worden  und  deshalb  habe 
man  in  Deisen  (Teißen)  gebraut. 

Ganz  ähnlich  lauten  die  Angaben  über  den  Verlust  des  Bieres 
an  andern  Orten : 

Vorzeugnis  der  verbrauchten  Bier  den  Termin  Luciae  so  auff 
jedes  gebrau  18  Eymer  gerechnet  u.  m.  5  fl.  3  gr.  versteüret  worden :  — 

Summa  63  Eymer.  Hiervon  werden  mit  gelde  versteüret  39 
Eymer,  tragen  am  Gelde  11  fl.  Ferner  werden  mit  Zetteln  belegt 
25  Eymer  vermöge  der  gemeine  ihren  Zettel  und  Insiegels  welches 
die  Soldaten  hier  ausgetruncken  u.  weggeführet. 

Vorzeügnis  was  auff  die  Keyserlichen  Churfürstl.  und  hier  zu 
Wormbstedt  logirten  Völcker  vor  Bier  ausgetrencket  u.  mitge- 
nommen den  Termin  Luciae  1636. 

2  Eymer:  VeitKeüler,  3  Urban  Weißmandel,  3'/2  Barthel  Keüler, 
lYg  Claus  Wünscher,  2  Hans  Zeche,  2  Barthel  Wünscher,  2  Hans 


Miszellen.  497 

von  der  Gönna,  IVo  Gratius  Putsche,  P/j  Adam  Richter,  1  Hans 
Hesiger,  P/^  Conrad  "Starcke,  IV2  Hans  Kräfimer,  l^j  Barbar.  Richters, 
lat.  241/,  E. 

Weil  das  gemeine  Siegel  verlohren  als  haben  zu  mehrer  be- 
glaubigung  solches  der  Ambtsschulzs  u.  Richter  eygenhendig  sub- 
scribiret  u.  unterschrieben.  BarthÖl  Wüntscher  m.  ppa.,  Richter. 
Nicolaus  Wünscher  m.  pra. 

Crucis  1636 :  Von  36  Eymern  „47,  Eymer  welches  die  Soldaten 
hier  ausgetruneken." 

Vorzeugnis,  was  das  Keyserliche  Span.  Reiterische  u.  Galenische 
Kriegsvolck  vor  Bier  zu  Wormbstedt  ausgetruneken  uff  n  Termin  Crucis 
1637 :  47g  E.  Weil  das  gemeine  Insiegel  verlohren  als  haben  der 
Ambtschultzs  &  Richter  solches  eigenhendig  unterschrieben.  Barthöl 
Wüntscher  m.  pra.  Richter.    Nicolaus  Wünscher  m.  p. 

Ein  wahrhafter  Lichtblick  bleibt  es,  wenn  man  in  diesen  Akten 
aber  immer  wieder  liest,  wie  der  Bauer,  trotz  aller  Enttäuschung 
und  allen  entgangenen  Gewinns,  immer  aufs  neue  säte  und  erntete 
und  in  seiner  stillen  Hoffnung  nicht  getäuscht  ward,  daß  auch  der 
längste  Krieg  und  der  nachhaltigste  Krieger  schließlich  von  dem 
Bauer  und  seinem  Fleiß  überwunden  wird. 


III. 
Eine  Propsteirechnuug  fiii*  Cobm-g  vom  Jahre  1535. 

Von  Pfarrer  Dr.  Berbig,  Neustadt-Coburg. 

Die  alte  Coburger  Propstei  stand  mit  ihren  Haupt-  und 
Nebengebäuden,  mit  denen  auch  ein  größerer  landwirtschaftlicher 
Betrieb  verbunden  war,  etwa  da,  wo  heutzutage  die  sog.  General- 
superintendentur  in  der  Stadt  Coburg,  in  unmittelbarer  Nähe  der 
St.  Moritzkirche,  steht.  Diese  Stiftung  ist  vielleicht  sogar  aus  vor- 
christlichem Kiüturbesitz,  wie  ja  auch  anderwärts  vielfach  der  Kirchen- 
besitz, hervorgegangen,  wenigstens  soweit  es  Liegenschaften,  Felder 
und  Wiesen  betraf.  Schon  im  12.  Jahrhundert  stand  die  Propstei 
in  kirchlicher  Abhängigkeit  zu  Saalfeld  7,  insbesondere  zum  dortigen 
Benediktinerkloster,  au's  welchem  sie  ihre  Vorsteher  (Pröpste)  bezog. 
Diesem,  als  dem  obersten  Geistlichen,  dem  die  Seelsorge  der  Stadt 
Coburg  anvertraut  war,  lag  auch  die  Verwaltung  des  ansehnUchen 
Propsteivermögens  ob,  dessen  Höhe  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
natürlich  fortwährend  „stieg.  Liegenschaften  und  Grundstücke  an 
Wiesen,  Feldern  und  Äckern  bildeten  den  Grundstock  dazu.  Aber 
auch  Waldungen,  Fischereien  und  Schafzucht  lieferten  nicht  unbe- 
deutende Einkünfte.  Dazu  kamen  die  in  den  um  Coburg  herum 
liegenden  Ortschaften  alljährlich  fäUigen  Geldeinnahmen  an  Erb- 
zinsen und  die  aus  dem  landwirtschaftlichen  Betrieb  der  Propstei 
gewonnenen  Erträge  an  Naturprodukten  und  Ernten. 


1)  Cfr.  Dr.  G.  Berbig,    Bilder  aus  Coburgs  Vergangenheit,  II, 
Leipzig,  M.  Heinsius  Nachfolger,  1908. 


498  Miszellen. 

Nachstehender  Rechnungsauszug  ist  mehr  als  in  einer  Hin- 
sicht interessant.  Kulturgeschichtlich  liefert  er  manchen  Beleg.  Preise 
von  Nahrungsmitteln,  Höhe  von  Arbeitslöhnen  aus  den  Jahren 
1531/32  sind  daraus  zahlenmäßig  zu  entnehmen.  Auch  in  landwirt- 
schaftlicher Hinsicht  findet  sich  manch  interessanter  Beleg. 

Probstei-Bechnung  1531/32. 

1531. 

Eechnung  paulsen  plumings  Verwaltern  der  Brobstey  zu  Coburg 

seynes  Eynnemens  vnd   ausgebens   halb   von  Sonntag   nach  Georgy 

des  XXXI  an  bys  auff  Sontag  nach  Georgy  des  zweyunddreissigsten 

Jars  beschlossenn, 

Berechnet  in  gehaltner  Visitacion 
zu  Coburg  am  Sampstag  nach  Ascensionis 
domini  Anno  eiusd.  1535. 
Anwesend : 
Hans  Schott  z.  Hellingen,  Ritter, 
Sylvester  v.  Rosenau,  Schosser, 
Paulus  Bader,  Castner, 
M.  Joh.  Langer,  Pfarrer, 
M.  Joh.  Birnstiel,  Prediger, 
Wolf  Weydner,  Bürgermeyster  z.  Coburg. 
Einnahme  an  Geld : 
24  Gulden  6  Gr.  1  h.  Erbzinsen,  fällig  Walp.  u.  Mich., 
auf  dem  Lande: 
Dörfer:  Kreidlitz  Wolsbach  Neuses 

Ketschendorf  Bauerfeldt  Eothann 

Schottenstein  Mockeuprunn         Groß-,  Klein-Garnstatt 

Naundörfles  Weissenprunn         Zederdorf 

Kurttendorf  Meyder  Niederwasung 

Oberlauter  Drosenhausen         Biberbach. 

Grube  Grossenwalbur 

Wustenahorn  Alstatt 

Ferner  u.  a: 
9  fl.  1  gr.  3   r).  1  h.  Erb  Zinsen  von  den  Weinbergen  im  Brobst- 
grund. 
Ferner : 

Wiesen  Zins  zu  Oberlauter  und  Kortendorf  für  Verkauftes  Heu 
und  Grummet  von  der  Probstei  Wiese. 
26  fl.  für  verkaufte  Wiesen:    „eyne  die  ßrobstin,  dye   ander  die 
eybenin  (Eiba?),  und  dye  drit  dye  Schulthesin  gnant,    haben 
etliche  zu  Grub  gekaufft" 
15  fl.  1  1b  für  dye  Wyesen  dye  Amoraw  gnant 
2  fl.  für  dye  Wyesen,  dye  peunt  gnant 
32  fl.  aus  verkauftem  Vieh  gelöst  (u.  a.  1  fl.  für  ein  Schweinle). 

7  gr.  6  4    für  4  Saugschweinle,  je  eins  um  ein   Pfund  6  §). 
verkaufft. 

Verkaufte  Häute  und  Felle: 
1  fl.  3  gr.  18  ^.  für  2  Kuhhäute 
4  gr.  12  c|>.  für  4  Kalbfelle. 
20  fl.  2  gr.  15  k  für  2  Ctr.  74  %  Wolle,  je  ein  Ctr.  für  8  fl.  ver- 
kauft. 
1  fl.  6  gr.  6  d).  für  16  Maß  Butter. 


Miszellen.  499 

6  gr.  9  ^.  für  21  Vasnachtshennen,  je  eine  für  9  4  gerechnet. 
1  Herbsthuhn  3 — 5   ^ 
1  Gans  20  c). 

1  Schnitkäs  3  heller. 
Ferner  verkauft: 

Mohn  und  Zwiebeln. 
Frohntage  wurden  mit  Geld  abgefunden. 

,,  mit  dem  Pflug,  je  ein  Tag  berechnet  mit  1  gr.  6  ^. 

—  1  gr. 
„  mit  dem  Eechen  und   der   Sichel   je  ein  Tag  8  ^ 

bezw.  7   ^. 
Frohnfuhren,  ebenfalls  abgelöst: 

1  gr.  6  ^.  ein  Fuder  Holz  zu  führen. 

2  gr.  12  ().  ethche  Fuder  Mist  auszufahren. 
Getreide  (körn)  wurde  verkauft  für 

145  fl.  21   c).,  je  3—6  Simm.  für  1  fl. 
Weitzen  (wevss)  für  46  fl.  (je  74  u.  1  Maß  für  ein  gülden). 
16  fl.  25  Hafer 
2  fl.  Gerste. 
Summa  Sm.  aller  Einnam  an  gelt: 

483  fl.  8  gr.  11   4  1  h. 

Ausgabe. 
90  fl.  Magister  Johann  fessel,  predigern 
110  fl.  den  vier  Cappellanen 
12  fl.  der  Probstei- Verwalter  Plüming 

5  fl.  seine  Hausfrau, 

laut  Bescheids. 
Das  andere  Hausgesinde  erhielt: 

2  gr.  5   ().  Dinstgeld  dem  Hausgesinde  allen 
7  fl.  Hans  Unbreit,  der  Kellner 

7  fl.  Peter  Weidenhöfer,  der  Bauknecht 

3  fl.  5  gr.  6  c).  der  Unterknecht 

2  fl.  der  Hausknecht 

4  fl.  die  Köchin 

3  fl.  4  gr.  6   c).  die  Viehmagd 

1  gr.  der  Kuhhirte  (der  zimi  halben  Teil  hütete) 

6  gr.  24  c).  von  34  Schweinlein  zum  halben  Teil  zu  hüten,  je 

von  einem  Schweinlein  6  c).,  8  ^  von  acht  Schweinlein   zu 

gewöhnen. 
Fernere  Ausgaben: 
Dem  Schmied  (1  fl.  von  einem  ganz  neuen  Wagen  zu  beschlagen), 

4  gr.  6  ^.  für  2  Pflugschare, 

Eisen  4  <?).  das  ®,  am  nächsten  Ostermark. 
Dem  Wagner:  1  fl.  1  gr.  18  ^.  für  einen  neuen  Wagen,  4  gr. 

6  c).  für  2  neue  Wagenräder. 

Dem  Sattler  in  der  Spitalgaß  und  dem  SaUer  vor  dem  Spital- 
thor für  allerlei  Arbeit  dies  Jahr  je  4  fl.  etc. 

Ferner  lieferten : 
Schlosser, 

Blattner  oder  Kesler  (Wasserkessel), 
Haffner, 
Bütner. 


500  Miszellen. 

Leyneweber, 

Glaser, 

Siber, 

Tyscher, 

Zlgler, 

Zymmerleute, 

Mauerer, 

Strohschneider, 

Braumeister, 

Schlatfeger  (1  gr.  24  c).  pro  Jahr), 

Geschworener  Bote  1  fl.  2  gr.,  Hans  Bauer,  aus  bevelch  des 
Behossers  zu  Coburgk. 

Meczler. 
2  gr.   7    ^.    Wolf  Weiß   von    zweyen   Kühen,    dreyen   Mast- 
schweinen und  4  Kalben  zuschlachten  und  etzlichen  schweinen 

zu  beschauen. 
An  sonstigem  Taglohn : 

1  gr.  6  (^.  drei  Taglohn  den  Tham  bei  der  Wiesen,  „die  peunt" 
genannt  zu  machen,  welchen  das  Gewässer  zerrissen  hat. 

2  gr.  dem  Fischer,  den  See  in  Wüsten  Ahorn  zu  fischen  etc. 
Ausgabe  für  den  Hopfenbau  im  Hainbach : 

2  fl.  1  gr.  14   1^.  u.  a.  den  Hopfenpflockern  je  ein  Tag  4  ^. 
Den  Taglöhnern  beim  Heumähen,  je  ein  Tag  8   <?)., 

—  Schnitternte  12   ^  pro  Tag, 

—  Dreschen  12   c). 

Für   Brennholz   vom   Forstmeister   in    Neustadt   für  2  Acker 
Brennholz  4  fl.  11  gr.  3  c). 

3  fl.  Scheidlohn,  von  63  Klafter  zu  machen,  je  von  ein  Klafter 
12   4 

Ausgabe  an  Geld  für  die  Küche: 
Für  41  Gulden  6  gr.  15  4  1  h.  für  29  Ct.  60  ®  allerlei  Fleischs 
dis  Jahr  über  unter  den  Fleischbäncken   erkauft  und   ver- 
speist.   Nämlich 
24  fl.  3  Gr.  28  ^.  Eind  und  Hammel,  d.  ®  4  ^ 
2  fl.  7     „    28  |.  desgl. 
14  fl.  4     „      1   o).  1  h.  Kalbfleisch,  3   cl  das  Pf. 

3  Gulden  4  Gr.  25  ^  Fische  (grün) 
3        „       2     „     18   „   für  Stock-  und  Halbfische 
3        „       2     „      3  „   für    eine    halbe    Tonne    Häringe    (bei 
Paulsen  Rynndermann  genommen) 

1  „       4     „    20    „    für  Wein  zu  Tisch  und  Essig  zum  Fisch 

siden,  auch  für  das  Hopfengesinde  am 
Ostertag 

2  „       5    „    28   „   für  66  Metzen  Saltz 
2         „       2     „      6    „      „    junge  Hühner,  Taube  und  Gans 
1        „       6    „      9    „     „    Zwiebel,  Grünkraut  und  Weißrüben 
1        »       1     „      2    „     „    Eier 

,,    Hirse  und  Reis 

„    Allerlei  Würtz 

„    Licht,  je  ein  ®  9  t^. 

Sa.  aller  Ausgaben  382  fl.  3  Gr.  24  d  1  h. 

Gewähr  1  fl.  4  Gr.  8  c). 


5 

28 

2 

6 

6 

9 

1 

2 

2 

7 

14 

4 

2 

Miszellen. 

Vorrath  am  Ende  der  Eechniing: 
Bargeld  s.  o.  : 

215  Tomere  2  Metzen  Korn 
4        „       1  Virtel     1  M.  Weiß] 

2  „        1       „      —  Haber      !  ,       , 
1        ;,       2      „      -  Gersten    f  ^"  g^^reyde 

7  „       1       „  Dinckel   J 
90        „        Malz 

31        „       Hopfen 
54  Eimer  Bier 

8  „      Covent 
26  Maß  Butter 
76  Weysset  keß 

9  Schock  Eier 
1  ganzer  Bach 

10  Viertel  Speck 
16  spieß  dürr  flachs 
4  Wagpferd 

3  Kühe 

13  Mastschweine 
127  Melkschafe 

44  Hammel 

83  Jährling 
126  Lämmer 
249  Ctr.  WoUe 

93  Klafter  Brennholz. 


501 


IV. 

lüTentar,  Kleinodien  etc.  der  Kirchen  St.  Moritz  und  St.  Niliolaus 
zu  Coburg:  im  Jahre  1528. 

Von  Pfarrer  Dr.  Berbig,  Neustadt-Coburg. 

Das  altehrwürdige  Baudenkmal  der  Stadt  Coburg,  die  St.  Moritz- 
Kirche,  war,  wenn  auch  nicht  in  heutiger  Gestalt,  schon  während 
des  ganzen  Mittelalters  im  eigentlichen  Sinne  die  Pfarrkirche  der 
Stadt.  Um  diese  herum  gruppierten  sich  die  übrigen  kirchlichen 
Stiftungen.  Naturgemäß  war  zu  St.  Moritz  von  jeher  auch  der 
Mittelpunkt  des  ganzen  Kultus.  Hier  standen  bis  in  die  Reforma- 
tionszeit hinein  die  Altäre  der  verschiedenen  Vikareien,  —  gerade  un- 
mittelbar vor  dem  Reformationsjahrhundert  und  im  Anfange  des- 
selben hatte  sich  der  Eifer  kirchlicher  Schenkungen  und  Stiftungen 
ganz  besonders  geregt^).  In  gleichem  Maße  waren  die  damit  ver- 
bundenen Verehrungen  an  die  Kirche,  an  Silberschätzen  und  Klein- 
odien gewachsen.  Nachweislich  hat  sich  auch  der  Rat  der  Stadt 
an  diesen  Stiftungen  hervorragend  beteiligt.     Hönn  berichtet  wenig- 


1)  Cfr.  Dr.  G.  Berbig,  Bilder  aus  Coburgs  Vergangenheit,  I  u.  II, 
Leipzig,  M.  Heinsius  Nachf.,  1905  u.  1908. 


502  Miszellen. 

stens  in  seinen  Jahrbüchern  der  Stadt  Coburg,  daß  „mit  dem  heran- 
nahenden Jubel jahr's  1500  der  Stadtrat  beschloß,  des  Schutz- Patrons 
Mauritius  Brustbild  in  Silber  verfertigen  zu  lassen,  und  schickte  zu 
dem  Ende  im  Jahre  1501  an  lauter  Etscher  Groschen,  so  zusammen 
20  Mark  und  1  Loth  gewogen,  200  Gulden  durch  Michael  Feierabend 
nach  Würzburg.  1502  wurden  durch  eben  diesen  Feierabend  8  Mark 
Silber  dahin  nachgeschickt,  ferner  249  Gulden  11  Pfund  7  Pfennig 
für  den  Goldschmied,  1  Gulden  18  Pfennig  Trinkgeld,  und  2  Gulden 
6  Pfennig,  die  bei  der  Eechnung  mit  dem  Goldschmied  verzehrt 
wurden.  Diese  Zierde  der  Stadt  und  der  Kirche  wui'de  1505  auf 
einem  Tuch,  so  mit  besondern  Schilden  für  3  Orth  ausgemalet  ge- 
wesen, unter  Begleitung  gewisser  Trabanten  hieher  gebracht". 

Aber  schon  im  Jahre  1529,  also  kaum  25  Jahre  später,  wurde 
dieses  silberne  Bruststück  wieder  verkauft  für  1800  Taler,  und  zwar 
nach  Nürnberg.  Und  ebenso  wurden  dorthin  zur  selben  Zeit  die 
Kirchenornate,  Monstranzen,  Kelche,  Marienbilder  und  andere  Klein- 
odien, bestehend  in  61  Mark  2  Lot  Silber,  um  511  Gulden  12  Schilling 
veräußert.  So  schnell  war  das  Interesse  an  diesen  Schätzen  beim 
Anbruch  der  Kirchenreformation  verloren  gegangen ! 

Im  nachstehenden  findet  sich  nun  ein  Inventar  oder  Verzeichnis 
des  außerdem  noch  vorhandenen  SUberwerks  usw.,  das  bei  Gelegen- 
heit der  ersten  Visitation  in  Coburg,  Frühjahr  1529,  aufgenommen 
wurde.  Auch  die  Ornate,  Altardecken  u.  s.  f.  kommen  hier  in  Betracht 
neben  den  anderen  „Cleinodia".  Das  Verzeichnis  ist  recht  interes- 
sant und  beweist,  daß  schon  die  alte  Coburger  Einwohnerschaft  eine 
gebefreudige,  opferwillige  war,  soweit  es  die  Kirche  betraf.  So  war 
die  St.  Moritz-Kirche  gewißlich  gut  ausgestattet  und  konnte  sich  in 
ihrem  Sonn-  und  Festtagsschmuck  wohl  sehen  lassen. 

Die  vor  dem  Südtor  an  der  alten  Landstraße  liegende  St. 
Nikolaus-Kapelle  war  dagegen  klein  und  im  Verhältnis  zur  Pfarr- 
kirche arm  zu  nennen.  Diente  sie  doch  auch  in  erster  Linie  dem 
Gottesdienste  der  Armen  und  Siechen,  die  in  dem  unmittelbar  neben 
der  Kapelle  bestehenden  Siechenhaus  verpflegt  wurden.  Immerhin 
ist  auch  diese  Aufzeichnung  wertvoll  für  die  Coburger  Geschichte, 
als  daraus  neben  den  Zahlen  auch  die  Namen  alter  Bürgerfamilien 
der  Stadt  gewonnen  werden  können. 

I. 

Inventarium    vnd    verzaignus    des    sylberwergks, 

Ornaten   vnd    ander   clinodien    der   pfarkirchen    Sancti 

Mauricij  zu  Coburgk. 

Silberwergk 

4  gemeine  kelch 

2  deiner  kelchlein  domit  man  zu  denn  krancken  geht 
1  schwartzer  samtter  gürttell  mit  silber  beschlagenn 
1  kupffere  monstrantzen  vergult 

1  kupffer  püchsen  vergult  mit  einem  silbren  püchslein  vnd 
schellein  dorynnen  domit  man  hieuor  das  sacrament  zu  denn 
krancken  getragenn  hatt 

2  kupffere  püchsen  zum  kreysam  jm  ciburio 

1  rotth  sambten  fürhenglein  dafür 

2  zenndle  vergulte  plann 

2  arrase  phan  rotth  gemalt 

1  vergult  truhelein  jm  ziburio  dareyn  man  corporall  legt. 


Miszellen.  5Q3 

Inventarium   jn  der  sacristen  jn  einem  schanck. 
7  eewürckt  deck        \ 

2  Dose  gemalte  deck  ^  in  festivitatibus   im  chor  aufzuhencken 

4  deiner  decklein      / 

1  gewurkte  deck  zum  predigstull 

1  roten  samtten  rock  vnd  ein bildt  vnser  lieben  frawen  auf 

dem  altar  Mauricij  zugehörig 

6  korrock  gut  vnnd  bosse 

1  schachtteil  mit  besen  lautter  tüchlen 
12  corporall 
23  corporal  taschenn 

5  sammte  sacrament  deckenn 

1  groser  hymell  auf  den  hoen  altar  zusetzen 

1  dein  hymelein   so  man    quintis   feriis    genutzt   hat  ad    cir- 

cumitum  ; 

1  grosen  himell  jn  festivitatibus  ob  den  sacrament  in  circumitu 

getragen  hat 
1  grosse  schachte!!  mit  briven  de  indulgentijs  erlassen  vnd  die 

bullen  der  milchspeise 
1  kupffere  vergulte  leisten  ad  altare  mauricij  gehörig 
1  geffass  kupfere  in  der  sacristey 
1  glocken  ad  communionem. 

Ornata  ader  messgewant. 
1  grün  gülden  ornat  mit  2  buiten  rocken  vnd  aller  zugehorung 
1  weiß  gülden  messgewant  ad  requisiten  der  bruderschaft  aplore 

gewesen 
1  alten  roten  gülden  kormanttell 
1  alt  rotth  guld  ornat  ad  requisiten. 

S  a  m  i  t. 
1  blaer  samiter  kormanttell  mit  2  diacon   rocken  haben   ein 
gelben  maserirten  boden  mit  aller  zugehorung 

1  blae  samiten  casell  mit  einem  erhobenn  kreutz  cum  requisitis 

3  samitte  rotth  casell  cum  requisitis 

2  rotth  samitt  diacon  rock  habenn  keyn  zugehorung 
2  ornata  grün  samit  cu  requisiten 

2  grün  diacon  rock  habe  kein  zugehorung 

3  schwartze  sammit  cü  requisitis 

1  leberfarben  samit  cum  requisitis 

1  roter  sammitter  kormanttell. 

Ornata  Damastt. 

2  weiß  casell  zu      ^ 
2  leviten  rock  sine  I 

2  rother  \  \  requisitis 

1  blaen    >  cum         1 

1  grün    ;  J 

Schamlotth. 

2  schwartz  kormentell 

1  roth  "\ 

3  schwartz  \  schamlot  cü  requisit. 

2  leberfarb  ; 
1  ascherfarb 
1  weißenn 


504 


1  rottenn  \         rpniiisit 
1  weißen  (  ^"  req^sit. 


Miszellen. 
A 1 1 1  a  s. 


I 


i 

Wullen. 

2  rotther 

3  schwartzer 

1  leberfarb  J  ornat  cü  requisit. 

1  weiß  bawmwoUesI 

1  weiß  leynwates     j 

Ornata  Seyden. 
1  rotth 
1  grün 


1  schwartzzendell 

2  braun,  das  ein  schiller 

1  bla  furstat 

2  gespigelter 

2  rott  gespigeltter 

2  gehalbirte 

1  gra  alt  gld  stück 


>  cu  requis. 


>  casell 


Diese  haben  keyn  zugehorung. 
schwartzer  wuller  diacon  rock 
schwartz  casell 
roter  wullener 
grün  gestraift  spitzen  casell 
alt  gestraift  samit 
weyser  leynwatther 
schwartz  furstat 
6  grosser  altartucher 
40  zillicher  vnd  cleyner  altartucher. 

Die  andern   sindt  Johan  kaufman  als  P  curatorn 
meynen  casten  behendigt,  armen  leuten  zugeben. 


des  ge- 


Andre  clionodia. 
1  positiff 
15  bar  leuchtter,  10  messen,  die  andren  zine 

1  gedruck  missall  in  pergameno 

Item  ettlich  alt  geschrieben  messpucher  in  pergameno 

2  groser  furhenng 

14  furheng  den  andern  altarn  zugeherig 
4  leichtücher 

Item  ettlich  alt  furheng  quasinuUius  utüitatis 
1  messe  leuchtlein  uf  der  steynen  porlauben 
1  messe  leucht  so  Sebastianus  gehangt 
Item    das    heilig    grap    mit    seiner    zugehorung    hat    wolff 

ketzschenbach  in  verwarung 
Item  ettlich  bücher  in  dy  libery  gehörig 

1  missall  gesanck  puch  in  pergameno 

2  psaltter  in  pergameno 
2  petthpücher  jn  papiro. 

Hirnach  genante  vicary  habenn  kelch,  pucher  vnd  ornata  nach- 
mals bey  jrenn  handenn 


Miszellen.  5Q5 


Dns  rugr.  Balthasar  Dhuring  predicator 
Dös  Seyfridus  erweyn 
Dns  vicary  aplorum 
Dns  vicary  vrbanj. 


Sumarum  der    ierlichenn    eynkomens    an    gelt    zinsen    (an 
Häuser,  Weinbergen  und   in  der  Nähe  der  Stadtj,   so  ablosig  sindt 
55  fl.  7  ®  3   4   1  h. 

Solche  hiuorgeschribae  ablosige  geltzinss  sindt  zum  teyll  von 
dem  gelde,  so  für  jartag  vnd  andre  stifftung  zum  gotshauss  ge- 
geben, erkauft  wordea. 

Auch  hatt  man  von  demselbigenn  gelde  der  stifftung  die  Bullen 
der  MilchsiJeis  oder  das  jndult  vonn  Rhom  jn  newligkait  erkauft  bey 
400  fl.  ongeuerlich  betreffend!. 

Dartzu  zwue  newer  glocken  gezeuget,  Aveliche  mit  dem  newen 
glockenstul  nit  wenig  vnter  tausent  gülden. 

Die  vbermass  ist  verpaut  am  newen  bau  der  1  kirchenn. 

Summa  Summaru  alles  ierlichen  eynkomens  der  pfarkirchen 
an  Erb  vnd  geltzinsen  auch  huner  kess  vnnd  ayernn  facit 

72  fl.  8  k 

Davon  werden  nachmals  ierlichenn  ausgericht  vnd  gegeben 
zwue  Spennt  armen  leutthenn,  darzu  ein  Bart  bestellt,  bir  vnd  brot 
zur  spent  gegeben,  gesteet  ierlichenn  bey  den  15  fl. 

Mehr  gibt  man  jerlichen  davon  dem  steynmetzen 

4  fl.  sein  jarsolt 

1  fl.  dem  kirchner  für  messweyn  zum  ampt  das  jarlang,  ange- 
schlossen die  hohen  fest,  gibt  in  Er  Seiffridt,  wie  es  dann  zu 
seinem  lehen  gestifft  ist 

4  ®  den  Schwestern  ins  vnttere  convent 

5  ®  dem  spittallmeister 
Machen  die  funff  post 

20  fl.  6  ® 
ßestat  dem  gotshaus  an  allen  eynkommenn 
40  fl.  2  ®  20  r%. 


1251  gülden  2  ®  24  c).  auss  sylberwerck  vnd  geschmeydt  gelost 
von  der  pfarkyrchen  Sanct  Moritzen,  heyligen  Creutz  vnd 
der  Spitalkyrchen  komen.  Ist  nach  laut  der  verzeychnus  zv 
Nurmberg  darüber  gegeben,  gelöst. 

II. 
Jerlichs    Eynkumens    Sandt   Niclaus    Cappellen   pey 
dem  Sichhaws. 
Eynam  EwygZins  (Namen  u.  a.  Hans  Luger,  Schlosser,  Heyncz 
buchelberger,  Jacob  burgkreis,  Hans  schonner,  Wolff  reinhart,  Michel 
schungu,  bastyan  storcher,  hans  scherzer,  kilyan  schonner  (von  eyn 
weynberg  am  Juden  berg  geleygen),  Wolff  orlemacher,  jacob  bumerle, 
michel  hassler,  Cuncz  haszler,  Clavs  eybau,  Jörg  bavmgertner,  barthel 
krugk,   Cuncz  fyscher,  Claws  model,  hans  newckel,   Cuncz  herczog, 
heyncz  trüngckle,  Caspar  pfal  (viele  Weinbergszinsen !). 
Summa  der  hinterstelligen  schuldt 

25  fl.  7  gr.  16  ^. 


506  Miszellen. 

An  kleynnodya 
eyn  kelch  wigt  pey  30  lot  ungeferlich 
eyn  weisz  buch 
Etlich  bachamendt  weis  es  nicht  anzwschlahen 

(Ich  habs  auch  nicht  gemerdt  ader  gewengerdt,  bemerkt  der 

Schreiber  treuherzig) 
zwen  bleyer  levchler  auff  althar 
eyn  kleins  mess  kendelich 

Eyn  bravns  lundisch  mess  gewandt  sampt  Seyner  zw  gehoerung 
zwey  alther  tücher 
trey  vorhen  vor  dem  althar  der 
eyn  ist  von  vier  färben  ^ 

der  ander  schwarcz  leyne 
Der  drit  eyn  dewigt. 
Das  nachfolgendt  nemen  dy  Sieben  Selbst  eyn  vor  sich 

2  ®  eyn  schogck  eyer  etc. 
Suma  der  sieben  Kinder  jerHch  einkomens 

2  fi.  7  gr.  28  ^. 
Summa  alles  Einkomens  jerlich  an  gelt: 
12  fl.  2  ®  4   c\  1  heUer. 


V. 

Zur  Geschichte  der  Grafen  Heinrich  XXIV.  (f  14M)  und  Heinrich 
XXVI.  (f  1488)  von  Schwarzbui'g-Sondershausen. 

Von  Dr.  Gustav  Sommerfeldt  in  Königsberg. 

In  den  „ Brief büchern"  S.  VI  Vi,  No.  16  und  17  des  Kgl.  Kreis- 
archivs zu  Nürnberg  erschienen  mir  bei  Gelegenheit  anderweitiger  Nach- 
forschung folgende  3  Briefe,  die  die  2  letzten  Lebensjahre  des  Grafen 
Heinrich  XXIV.,  des  Streitbaren,  von  Schwarzburg  (f  4.  Oktober 
1444  zu  Arnstadt)  betreffen,  wichtig  genug,  um  sie  einer  genaueren 
Prüfung  auf  ihren  Inhalt  zu  unterziehen.  Einiges  über  Hein- 
rich XXVI.  sei  angeschlossen. 

1)  No.  16,  Blatt  180—181,  Nürnberg,  17.  Dezember  1443  (Graf 
Heinrich  XXIV.  wider  Kaiser  Friedrich  III.;  Eechtshandel  bisher 
nicht  näher  festgestellten  Inhalts): 

„Heinrichen  graven  zu  Swartzpurg,  herren  zu  Arnstetten  und 
zu  Sundershusen.  Gnediger  herre  I  Als  uns  nechstmals  ewer  gnade 
geschriben  hat  von  wegen  sollicher  geprechen  ^) ,  euch  gen  dem 
aUerdurchluchtigsten  fursten,  unserm  gnedigisten  herren,  dem  Ko- 
mischen kunig  antreffende  etc.,  betten  wir  alsdann  ewerm  potten-) 
gerne  ein  antwurt  geben.    Do  gab  er  uns  zu  erkennen,  wie  er  ken 


1)  Gebrechen  =  Beschwerdepunkte. 

2)  Dem  Überbringer  des  Briefes. 


Miszellen.  507 

ewer  gnaden  bevellnuß  wegen  verrer  •)  lauffen  muste.  Denn  diese 
ewer  gnade  mag  uns  wol  getrawen,  das  uns  soUichs  nicht  liep  ist, 
und  auch,  dabey  wol  versten:  nachdem  und  wir  arm  lute  sein,  das 
wir  dartzu  nicht  getun  künden.  Sunder  womit  wir  ewern  gnaden  sust 
dienst  und  wolgevallen  beweisen  und  ertzaigen  mochten,  des  weren 
wir  wilhg  und  berait.  Datum  feria  3.  post  Lucie  [1443]."  —  Das 
Inhaltsverzeichnis  zu  Anfang  des  Kodes  bemerkt:  „Heinrichen  graven 
zu  Swartzpurg,  ein  antwort  von  der  clag  wegen  über  unsern  hern 
künig  etc." 

2)  No.  17,  Blatt  72—73,  Nürnberg,  16.  Juli  1444  (betrifft  den 
Vasallen  Heinrichs  XXIV.,  Werner  von  Harras,  und  die  Walden- 
felser  Fehde,  an  der  dieser  mitbeteiligt  ist) : 

„Hern  Heinrich,  graven  van  Swartzpurg,  herren  zu  Arnstetten 
und  Sundershawsen.  —  Gnediger  herr!  Als  uns  ewer  gnade  nechst- 
mals  von  wegen  Wernhers  von  Harras  -)  geschriben  und  abschrift 
seines  clagbriefs  eingeslossen  mitgesandt  hat ,  hetten  wir  alsdann 
ewern  gnaden  zu  den  sachen  nach  ir  gelegenheit  gerne  geantwurt. 
Wann  aber  derselbe  ewer  pott  solhcher  ewer  antwort  nicht  harren 
wollt,  und  wir  ewern  gnaden  desmals  geschriben  haben,  denselben 
ewern  gnaden  bey  unser  eigen  potschaft  voUiclicher  zu  den  dingen 
zu  antworten;  und  uf  das  wöll^)  ewer  gnade  gutlich  vernemen: 
Nachdem  uns  und  die  unsern,  er  Hanns  und  Fritz  von  Waidenfels 
gebrudere  wider  got,  er*)  und  recht  mit  rawb,  mord  und  prannde^) 
unbesorgter  ding  übergriffen  und  beschedigt  hatt''),  damit  wir  nu, 
alls  durch  redlich  ursach,  bewegt  und  gedrungen  worden  sein,  die 
unsern  wider  dieselben  Waldenfelser  zu  schicken,  sie  widerumb  als  des 
heiligen  reichs  und  unser  offenbar  straßenrauber,  mortprenner  und 
übeltetter  zu  beschedigen;  alsdann  die  unsern  auch  anders  nicht 
gewußt  haben,  und  auch  wir  nachmals  anders  nicht  wissen,  denn  das 
solliche  erb  und  guter,  zu  den  die  unsern  griffen  und  sie  beschedigt 
haben,  den  genant  Waldenfelsern  zugestanden  sein.  AVann  hot  der 
genant  Harras  eincherley  gerechtikeit  zu  der  guter  einem  oder  mer 
gehabt,  und  uns  das  zeitlich  zu  erkennen  geben.  Nachdem  nu  im 
sollich  unrecht,  an  uns  und  den  unseren,  so  vorberurt  ist,  begangen, 
vor  der  Tat,  alls  wir  nicht  zweifeln,  unverborgen,  sunder  offenbar 
gewesen  ist,  wir  wolten  uns  darinne  gehalten  haben,  das  wir  mit 
gelimpf  getrawt  hetten  zu  verantwurten.  Und  wiewol  wir  nu  bißher 
nicht  anders  erfarn  haben,  denn  das  solliche  erb  und  guter,  zu  den 
die  unsern  also  griffen  haben,  den  vorgenanten  Waldenfelsern  zu- 
gestanden, und   auch  nachmals   zu  iren  slossen   vogtber')   zinsper. 


1)  d.  i.  in  weiteren  Aufträgen  des  Grafen. 

2)  Sein  Verwandter  Hermann  von  Harras  war  Mitbesitzer  von 
Schloß  und  Stadt  Wiche,  die  1446  in  schwarzburgischen  Besitz  über- 
gingen. 

3)  wolle. 

4)  Ehre. 

5)  Brand. 

6)  Über  diese,  damals  großes  Aufsehen  erregende  Fehde  vgl. 
„Chroniken  der  deutschen  Städte":  Nürnberg,  Bd.  2,  Leipzig  1864, 
S.  83  und  öfter. 

7)  Den  zu   den  Schlössern   gehörigen  Vogteien  untergeordnet. 


508  Miszellen. 

gewertig  und  zinsper  sein,  und  auch  nach  gelegenheit  der  .«achen 
Spruch  und  anvordrung,  als  uns  bedunkt,  von  im  müglich  vertragen 
weren,  und  nu  ewer  gnade  gesynnet  gütliche  tege  an  gelegen  stetten 
mit  im  zu  warten  nicht  auszugen.  Das  dann  ewer  gnacle  und  menic- 
lich  prüfen  und  versten  mugen,  das  wir  uns  in  den  und  iglichen 
andern  sachen  pillicher  und  zimlicher  ding  fleißen  wollen.  So  etc. 
per  totum,  ut  duci  Wilhelmo^),  paragrapho  tali.  Datum  ut  supra" 
[d.  i.  feria  3.  post  Margarete  1444J.  —  Im  Inhaltsverzeichnis :  „Heinrich 
graven  von  Öwartzpurg,  Herrn  zu  Sundershausen,  ein  antwort  von 
Wernher  Harras  wegen." 

3)  No.  17,  Blatt  100—101,  Nürnberg,  1.  September  1444  (Vor- 
schlag eines  Ausgleichs  mit  Werner  von  Harras  vor  dem  Grafen 
oder  por  Kaiser  Friedrich  III.): 

,,Hern  Heinrichen  graven  von  Swartzpurg,  Herren  zu  Arnstet 
und  Sundershawsen.  Gnediger  herre!  Alls  uns  ewer  gnade  ge- 
schriben  und  Wernhers  von  Harras  brieve,  an  dieselben  ewer  gnade 
lautende,  verslossen  mitgesandt  hat,  dieselben  brieve  bede  wir  mit 
irer  innhalt  wol  vernomen  haben,  und  sein  an  zweifei,  ewer  gnade 
hab  auß  unsern  vordem  Schriften  wol  vermerkt  gelegenheit  und 
herkomen  der  sachen,  uns  gen  dem  genant  Wernher  antreffende. 
Darumb  nicht  not  ist,  als  uns  bedunckt,  die  von  newem  mit  iren 
umbstenden  zu  beruren.  Denn  nachdem  und  wir  denselben  ewern 
gnaden,  und  er  ewern  gnaden,  an  gelegen  stet  ein  gutlichen  tag  zu 
suchen  zuschreibt,  und  auch  demselben  Wernhern  davor  voUiclich 
zugeschriben  haben,  mit  im  von  unser  gebrechen  wegen  nach  ewer 
begerung  zu  einer  gutlichen  verhorung  an  gelegen  stet  unverdingt 
und  unverpuntlich  zu  schicken,  und  unser  beder  partien  gelimpf, 
rede  und  Widerrede  verlauten  lassen,  und  ab  wir  uf  demselben  tage 
in  einer  gutlicheit  nicht  vertragen  und  vereynigt  werden  mochten, 
das  wir  im  darnach  umb  sein  spruch  und  vordrung  rechtens  und 
pillichs  außtrags  sein  und  pflegen  wolten  vor  dem  allerdurchluchtigsten 
fursten,  unserm  gnedigisten  herrn,  dem  Komischen  kuuig,  alls  unserm 
rechten  herren  und  ordenlichen  richter,  wie  das  dann  unser  brieve, 
ewern  gnaden  und  auch  im  zugesandt,  clerlicher  innhalten.  Also 
sein  wir  unsere  teyls  denselben  dingen  nach  lauft  derselben  unser 
brieve  willig  nachzukommen  '^) ,  und  pitten  ewer  gnade  mit  allem 
fleiße,  ir  wollet  den  wegen  ewern  dien  er  gütlich  daran  weisen  und 
vermügen,  das  er  sich  sollichs  redlichen  außtrags,  so  wir  uns  also 
im  zu  pflegen  vor  dem  genant  unserm  gnedigisten  herrn ,  dem 
Römischen  kunig,  ob  wir  anders  in  der  gutlicheit  nicht  vertragen 
wurden,  erpotten  haben,  von  uns  genügen  lasse,  billicheit  der  sachen 
daxinne  angesehen.  Wann  vermeynten  wir  eyncherley  sprüch  in  im 
zu  setzen,  so  sollt  uns  an  recht  von  im  vor  ewern  gnaden,  alls  seinen 
rechten  herren,  auch  wol  benügen  ^).    Und  als  er  fürbaß  berürt  von 

1)  An  Herzog  Wilhelm  III.  von  Sachsen  war,  wie  diese  Be- 
merkung ergibt,  durch  die  Nürnberger  in  gleicher  Weise  über  den 
Gegenstand  geschrieben  worden. 

2)  Am  Rande  hier  von  derselben  Hand  nachgetragen ,  aber 
wieder  durchstrichen:  „und  gen  Bamberg,  als  ein  gelegen  stat,  uns 
beiden  teylen  ze  schicken." 

3)  Ein  im  Text  sich  anschließender,  wiederum  durchstrichen  er 
Passus  spricht,  ohne  Bamberg  zu  erwähnen,  von  den  Garantien  der 


Miszellen.  5Qg 

Sicherheit  wegen,  im  iind  den  sein  zu  soUichem  tage  zu  geben,  wissen 
wir  nicht  unfruntlichs  mit  im  zu  handeln,  sunder  er  sol  ungeverUch 
keiner  far^)  vor  uns  wartend  sein.  Desgleichen  wir  uns  zu  und  gen 
im  auch  halten  und  gentzlich  versehen.  Datum  ut  supra"  [d.  i.  die 
ßancti„Egidii  confessoris  1444]. 

Übergriffe  eines  anderen  auf  dem  Schwarzburg-Sondershäuser 
Gebiete  ansässigen  Vasallen,  des  Adligen  Georg  v.  Hopfgarten,  be- 
treffen zwei  Briefe  der  Nürnberger  vom  Oktober  1446  an  des  Ge- 
nannten einzigen  Sohn,  den  am  28.  Oktober  1418  geborenen  Grafen 
Heinrich  XXVI.  von  Schwarzburg  (Briefbücher  des  Kreisarchivs  zu 
Nürnberg  S  VI  1/1  No.  18). 

4)  No.  18,  Blatt  81.  Nürnberg,  15.  Oktober  1446  (wegen  durch 
Hopfgarten  gefangen  genommener  Nürnberger  Bürger): 

„Graf  Heinrichen  von  Swartzpurg,  hern  zu  Sunderhausen  und 
Arnstett.  —  Wann  der  erber  her  Jörg  Hopffgart  rittere  mit  etlichen 
sein  helffern  und  beylegern-),  als  wir  vernemen.  Petern  Henniken, 
Jörgen  Lenngfelder ,  Cyriacus  Hof  man ,  Heinrich  ßepusch  und 
Heintzen  Wagner,  unser  bürgere,  gefangen,  in  ire  pferd  und  anders, 
so  sie  bey  in  gehabt,  hant  genomen,  für  dieses  die  unsern  im  etliche 
erbere  kauflut  von  Erffurte  uf  widerstellen  umb  ein  nemüch  sum 
gelts ")  gesprochen  haben ;  und  so  wir  nu  mit  dem  genant  hern 
Jörgen  alsdan  nicht  unfruntlichs  zu  schicken  gehabt,  sunder  uns 
mitsampt  den  unsern  furdrung  und  alles  guten  zu  im  versehen  haben, 
bitten  wir  ewer  gnade  mit  dienstlichem  fleiß,  dieses  ewer  gnade 
woU  den  genant  unsern  burgern  gen  dem  vorgenanten  hern  Jörgen 
und  iglichen  andern  enden,  da  ewer  gnade  den  unsern  zugut  das 
fruchtper  und  nutz  beduncken  will,  gutlich  erscheynen  und  euch 
umb  unser  dienste  willen  so  gnediclich  beweisen  und  ertzaigen.  Als 
etc.,  datum  ut  supra"  [d.  i.  Sabbato  ante  Galh  1446]. 

5)  No.  18,  Blatt  87.  Nürnberg,  22.  Oktober  1446  (die  Sache, 
wie  oben): 

„Grafen  Heinrich  von  Swartzpurg,  herrn  zu  Sundershusen  und 
in  Arnstett.  —  Gnediger  herre !  Wann  der  erbere  her  Jörg  von  Hopff- 
gart rittere  mit  etlichen  sein  helffern  und  beylegern,  alls  wir  ver- 
nemen, Peter  Hennykein,  Jörgen  Lenngfelder,  Cyriacus  Hofman, 
Heinrich  Eepusch  und  Heintzen  Wagner,  unser  burger,  gefangen,  in 
ir  pferde  und  anders,  so  sie  bey  in  gehabt  hant,  genomen  hat, 
schicken  wir  zu  ewern  fursthchen  durchluchtigkeyt  Petern  Weinengel, 
disen  gegenwertigeu  unsern  diener,  dersellen  ewer  durchluchtigkeyt 
gelegenheit  derselben  Sachen  f urtzupringen ;  mit  dienstlichem  fleiß 
pittende,   was   derselbe  unser  diener  in  den  obgerurten   Sachen   an 


Sicherheit  des  festzusetzenden  Tages.     Auch  möge  nach  Nürnberg 
das  spezielle  Datum  des  Tages  mitgeteilt  werden. 

1)  Gefahr. 

2)  Begleitern. 

3)  Für  eine  namhafte  Summe  Geldes.  —  Anweisung  an  die 
Kaufleute  zu  Erfurt  ist  erfolgt.  Allerdings  bemerkt  K.  B  e  v  e  r , 
Geschichte  der  Stadt  Erfurt,  Bd.  1,  Erfurt  1900,  S.  183,  daß  Graf 
Heinrich  XXVI.  um  jene  Zeit  bereits  Erfurts  heimlicher  Feind  ge- 
wesen sei. 

XXVII.  33 


510  Miszellen. 

ewer  fürstliche  gnade  von  unsern  wegen  zu  disemmale  werbend  sey^ 
dis  in  dieselbe  ewer  gnade  darinne  gutlich  verhörn,  im  gentzlich 
gelauben  und  sich  darinne  so  gnediclich  geruch  zu  beweisen.  Als 
etc.,  datum  Sabbato  post  undecim  milium  virginum."  —  Im  Inhalts- 
verzeichnis des  Volumens:  „Heinrich  graven  zu  Swartzpurg  ein 
Credentz  uf  Peter  Weinengel,  von  Peter  Hennykeins  und  der  andern 
unser  burger  wegen,  mit  im  gefangen."  —  Blatt  87  ist  zugleich  an- 
gemerkt, daß  der  Nürnberger  Rat  in  gleicher  Weise  wie  an  den 
Grafen  von  Schwarzburg  auch  an  die  Biüder  Wilhelm  und  Friedrich,. 
Herzöge  von  Sachsen,  wegen  v.  Hopfgartens  geschrieben  habe. 

An  Graf  Heinrich  XXVI.  sind  sodann  vier  Schreiben  vom 
Januar  bis  April  1448  gerichtet  in  bezug  auf  eine  -Schuldforderung 
des  Sondershäuser  Untertanen  Dietrich  Pardis,  der  zurzeit  in  Erfurt 
sich  aufhält: 

6)  No.  18,  Blatt  420—421.  Nürnberg,  2.  Januar  1448: 
„Herrn  Heinrich  grafen  von  Swartzburg,  herren  zu  Arnstette 
und  Sondershawseu.  —  Gnediger  herre!  Als  uns  ewer  gnade  nehst 
verschriben  hat,  wie  Dietrich  Pardis,  ewer  mann,  ewern  gnaden  für- 
bracht hab,  wie  im  Hanns  Reyff,  unser  burger,  etwievil  gelts  schuldig 
und  pflichtig  seyn  suU,  für  wayt  des  er  besigelt  brief  habe.  Und 
wie  derselbe  Reyff  in  gegenwertikeit  zwayr  unser  ratsfrunde  söUichs 
briefä  und  geldes  bekannt  haben  suli,  des  er  nu  dem  ewern 
empfallen  well,  das  haben  wir  wol  vernomen  und  haben  sollichen 
zwen  unserer  ratsfrunde,  die  wir  in  gut  dartzu  besthanden  betten, 
aigenlich  darumb  verhöret.  Die  haben  uns  gesagt,  sie  haben  nicht 
gehört,  daz  Hanns  Reyff  sollicher  Sachen  vor  in  bekannt  habe. 
Aber  nach  mangerley  ergangenen  reden  und  Widerreden,  und  nach 
vil  fleiß  und  arbeyten,  denn  dieselben  unsere  ratsfreunde  darunter 
heften,  seyn  in  wissenlich,  daz  sie  diese  sache  zwischen  Johannsen 
Krawshar,  der  von  Erffurt  und  des  vorgenanten  Pardis  und  der 
andern,  die  es  berurt,  dienen  und  dem  Reyffen,  unserm  burger,  auf 
vier  Manne  etc.,  Amplius,  ut  Ulis  de  Erffurt  mutatis  mutandis."  — 
Der  au  Erfurt  gerichtete  Brief  der  Stadt  Nürnberg  geht  unmittelbar 
voraus,  Blatt  420,  und  hat  die  auf  unseren  Brief  zugleich  mitbezüg- 
liche Datierung :  feria  3.  post  Circumcisionis  domini.  —  Im  Inhalts- 
verzeichnis: „Heinrich  grafen  zu  Swartzburg,  herren  zu  Arnstetten 
und  Sundershawsen  ein  antwort  von  seins  manns  Dietrich  Pardis 
sache  gelegenheit,  die  Johannes  Krawshar,  sein  diener,  handelt  gen 
Hannsen  Reyffen,  unsern  burger." 

7—8)  No.  18,  Blatt  437—438  und  463—464.  Nürnberg  feria  4. 
ante  conversionis  sancti  Pauli  und  feria  2.  post  dominicam  Remini- 
scere  1448  sind  betitelt:  „Heinrich  grafen  von  Swartzburg,  herren 
zu  Arnstett  und  Sundershawsen,  item  von  Dietrich  Pardis  zu  Erffurt 
und  unsers  burgers  Hannsen  Reyffen  sach  wegen." 

9)  No.  18,  Blatt  481.  Nürnberg,  6.  März  1448  (fernere  Ge- 
staltung der  Pardisschen  Angelegenheit): 

„Hern  Heinrich  grafen  von  Swartzburg,  herren  zu  Arnstett 
und  Sundershawsen.  —  Gnediger  herre!  Als  uns  ewer  gnade  in 
ewern  brief,  des  datum  steet  am  montag  nach  dem  sunntag  Oculi 
nehstvergangen,  verschriben  und  geantwort  hat,  daz  ewer  gnade  mit 


Miszellen.  gj]^ 

Dietrichen  Pardis,  ewerm  mann,  sovil  geredt  hab,  daz  er  die  seinen 
bey  uns  schicken  will,  zu  versuchen  lassen,  ob  er  der  sache  mit 
Haunsen  Reyffen,  uuserm  burger,  frewntlich  geschaiden  mag  werden. 
Ob  man  aber  das  in  der  frewntschaft  nicht  treffen  könd,  so  suU  der 
wirdige  herr  Henrich  Lewbing,  pfarer  zu  Sand  Sebold '),  bey  uns  zu 
Nuremberg  sein  mechtig  seyn  zu  recht  nach  verlauffenen  sache,  das 
haben  wir  zu  sundern  gnaden  also  vernomen,  des  fleißig  danckend. 
Und  also  haben  wir  den  genanten  Eeyffen  sollichen  ewer  gnaden 
brief  auch  hören  und  mit  im  davon  reden  lassen.  Der  hat  uns  ge- 
antwort  und  auch  zugesagt,  daz  er  bey  uns  ungeverlich  des  genanten 
Dietrichs  botschaft  gewarten  und  reden  hören,  und  haben  well,  ob  sie 
ire  sach  frewntlich  entschaiden  mugen  werden.  Ob  aber  des  nicht 
geseyn  möcht,  so  well  er  derselben  sache  vor  dem  obgenanten  unserm 
herren  dem  pfarrer  nach  verlawffen  sachen  auch  gern  nachkomen. 
Dabey  tun  wir  ewern  gnaden  in  gut  zu  wissen,  daz  derselbe  unser 
herre  der  pfarrer  bey  etlichen  tagen  awßgeritten,  und  yetzunt  nicht 
anheym  bey  uns  ist.  Wir  hoffen  aber,  er  sull  schier'  widerkomen. 
Denn  wo  wir  ewern  gnaden  lieb  oder  etc.,  datum  feria  4.  post  do- 
minicam  Letare  1448."  —  Vorn  im  Inhaltsverzeichnis:  „Heinrich 
Grafen  von  Swartzburg,  Herreu  zu  Arnstet  etc.,  ein  antwort  und 
zugeschriben ,  daz  Hanns  Eeyff,  unser  burger,  den  dingen  mit 
Dietrich  Pardis  botschaft  bey  uns  nachgeen  wölt,  und  daz  pfarrer 
Sebalden  yetzund  nicht  anheym  were." 

Auf  die  Beziehimgen  der  Schwarzburger  Grafen  zu  den  Grafen 
von  Hohenstein  (vergl.  darüber  unter  anderem  das  Erbabkommen 
beider  Familien  vom  Jahre  1433,  gedruckt  hei  A.  Junghans,  Ge- 
schichte der  Schwarzburgischen  Regenten,  Leipzig  1821,  S.  125 — 
142),  wirft  das  nachstehende  Schreiben  des  Nürnberger  Rates  an  den 
Grafen  Günther  XXXII.  von  Schwarzburg-Eudolstadt  vom  22.  Ok- 
tober 1446  ein  bezeichnendes  Licht  (Briefbücher  des  Kreisarchivs  zu 
Nürnberg  S  VI  1/1  No.  18,  Blatt  87) : 

„Graf  Günthern  von  Swartzpurg.  Gnediger  herr  I  Wann  der 
edel  her  Heinrich,  graf  von  Honstein,  herr  zu  Lare^)  und  Clettin- 
burg,  unser  veinde  worden  ist,  von  wegen  Lutzen  von  Grewssings, 
wiewol  wir  mit  demselben  Lutzen  nicht  unfruntlichs  zu  schicken 
haben,  unser  entsagter  veynde  nicht  ist,  auch  eyncherley  vordrung 
noch  ansprach,  ob  er  anders  eynche  zu  uns  vermeynt  zu  han,  ny 
vernomen  haben,  schicken  wir  zu  ewer  fürstlichen  durchluchtigkeit 
Petern  WeinengeP),  disen  gegenwertigen  unsern  diener,  gelegenheit 
derselben  sachen  an  dieselbe  ewer  durchluchtigkeit  zu  pringen  eigent- 
licher underrichtet,  mit  dienstlichem  fleiß  pittende,  was  derselbe 
unser  diener  in  obgenanter  sache  an  ewer  fürstliche  gnade  zu  disem- 
male  von  unsern  wegen  werbende  sey  etc.,  ut  in  forma  credentiae. 
Datum  ut  supra"  [d.  i.  feria  sexta  11000  virginum  1446]. 


1)  Heinrich  Leubing,  Pfarrer  der  Sebalduskirche  zu  Nürnberg. 

2)  Lohra. 

3)  Der  oben  unter  dem  nämlichen  Datum  an  Graf  Heinrieh  XXVI. 
nach  Arnstadt  Abgeschickte.  —  Günther  XXXII.  starb  im  Februar 
1450.  Über  den  noch  bei  seinen  Lebzeiten  um  die  Eudolstädter 
Erbschaft  ausbrechenden  „Schwarzburgischen  Hauskrieg"  siehe  zu- 
letzt Beyer,  a.  a.  O.  I,  S.  182—183. 

33* 


512  Miszellen. 

Im  Inhaltsverzeichnis:  „Günthern  graven  zu  Swartzpurg*)  ein 
Credentz  uf  Petern  Weinengel  von  des  von  Honsteins  vehde  wegen." 

1)  Nach  Junghans,  !5.  66,  vpäre  der  Graf  Albrecht  V.  von 
Schwarzburg  (aus  dem  Hause  Leutenberg),  der  als  Komtur  des 
Deutschritterordens  in  Preußen  wirkte,  im  Jahre  1421  gestorben. 
Er  war  in  der  Tat  1389 — 1392  Komtur  zu  Schönsee  in  Westpreußen, 
1392—1396  zu  Schweiz,  1396-1407  zu  Danzig,  1407—1410  zu  Thorn, 
einige  Monate  letztgenannten  Jahres  Obertrapier  des  Ordens,  und 
fiel  als  solcher  am  15.  Juli  1410  in  der  Schlacht  bei  Taunenberg. 
Siehe  F.  Thunert,  Der  große  Krieg  zwischen  Polen  und  dem 
deutschen  Orden,  1410—1411,  Danzig  1886,  S.  23  (hier  indessen  un- 
zutreffend Schwarzenberg  genannt).  Der  chronologische  Irrtum 
Junghans'  geht  auf  eine  ungenaue  Vermutung  in  P.  Jovius,  Chro- 
nicon  Schwarzburgicum  (Altenburg  1753)  zurück.  —  Der  um  1421 
lebende  Graf  Albrecht  von  Schwarzburg  hat  wahrscheinlich  keinerlei 
Beziehungen  zum  Deutschritterorden  gehabt. 


Literatur. 


Zwei    Schriften   zur    300 -jährigen   Jubelfeier 
des  Gymnasiums  zu  Grera. 

1. 
Büttner,  K.:  Giesehichte  des  Fürstlichen  Gymnasiums  Rutheneum 
zu   Gera.     Festschrift  zur  Feier   des   300-jährigen   Bestehens   des 
Gymnasiums.    Gera  1908.    IV  u.  234  SS.  Gr.  8".    Mit  einer  Tafel 
und  24  Abbildungen  im  Text. 

Als  1858  das  Geraer  Gymnasium  seine  250-jährige  Jubelfeier 
beging ,  war  es  versäumt  worden ,  eine  quellenmäßige  Geschichte 
dieser  einst  hochangesehenen  Schule  zu  schaffen.  Solchem  Mangel 
hat  nun  der  Verfasser  des  oben  angezeigten  Buches  in  bestem  Sinne 
abgeholfen.  Das  Gymnasium  zu  Gera  hatte  als  Vorgängerin  die  alte 
Eatsschule,  eine  Trivialschule,  die  nach  Büttner  von  den  GeistHchen  der 
Johanniskirche  gehalten  wurde  (S.  4).  Ich  muß  das  bezweifeln.  Wenn 
bei  der  Kirchenvisitation  von  1533  der  Geraer  Pfarrer  abgesetzt  und 
seine  beiden  Vikare  „an  der  Lehr  ungeschickt"  befunden  wurden,  so 
ist  das  doch  nicht  auf  die  Schule,  wie  Büttner  zu  meinen  scheint, 
sondern  auf  ihr  geistliches  Amt  zu  beziehen.  Auch  Gera  dürfte  wie 
Schleiz  (s.  Böhme,  Geschichte  des  Fürstl.  Gymnasiums  z.  Schleiz, 
S.  8  ff.)  für  seine  Stadtschule  besondere  Lehrer  (Geistliche  oder  Laien) 
bestellt  haben,  wenn  hier  auch  für  die  vor  reformatorische  Zeit  der  Nach- 
weis noch  aussteht.  Hierauf  behandelt  Büttner  eingehend  die  Stiftung 
und  Einrichtung  der  reußischen  Landesschule,  wie  das  Gymnasium 
bis  ins  19.  Jahrhundert  hieß.  Sie  wurde  1608  durch  Heinrich  Reuß 
Posthumus,  Herrn  zu  Gera,  gestiftet.  Dieser  praktische  und  bis  ins 
Herz  evangehsche  Fürst  wollte  mit  der  Schule  „zum  Ruhme  Gottes 
und  zum  Wohle  des  Vaterlandes"  eine  neue  Festung  für  die  pro- 
testantische Lehre  schaffen  (S.  3)  und  bezeichnete  seine  Stiftung  als 
„unsere  größte  Freude  in  dieser  Welt"  (S.  9).  Es  wurde  ein  für 
damalige  Verhältnisse  großartiger  Schulbau  aufgeführt  und  nicht 
allein  vom  Landesherrn  reichliche  Mittel  zur  Besoldung  der  Lehrer 
gespendet,  sondern  auch  Beiträge  von  der  Ritterschaft  und  den  Städten 
des  Landes  zugesagt  (S.  7.)  So  wurde  denn  in  Gera  eine  „Gelehrten- 
schule" geschaffen,  die  weit  über  dem  Durchschnitt  der  damaligen 
für  die  Universität  vorbereitenden  Anstalten  stand.  Gab  es  hier  doch 
zeitweise  sogar  akademische  Vorlesungen  über  Jurisprudenz,  Theologie 
und  Physik  (S.  19  u.  33).  Der  Ruhm  der  neuen  Schule  verbreitete 
sich  in  kurzer  Zeit  weithin,  und  sie  bekam  großen  Zulauf,  selbst  aus 
den  fernsten  Gegenden  Deutschlands.  Schon  1609  hatte  sie  364  Schüler, 
darunter  80  vom  Adel.  Letztere  heranzuziehen,  war  das  besondere  Be- 
streben des  Stifters.  Im  Rahmen  der  Lehrtätigkeit  der  Rektoren  und 
Lehrer  schildert  Büttner  die  weiteren  Schicksale  der  Schule.  Durch 
den  dreißigjährigen  Krieg  wurde  das  neue  Gymnasium  fast  völlig 
zerrüttet,   und   die   große  Verrohung  der  Sitten,  welche  der  lange 


514  Literatur. 

Krieg  erzeugt  hatte,  wirkte  bedenklich  auf  die  Schulzucht  ein. 
Auch  die  Zahl  der  Schüler  war  bedeutend  zurückgegangen.  Hierauf 
folgte  aber  die  Mitternacht-Köbersche  Glanzperiode  von  lü46 — 1696. 
Der  vielseitige  und  tüchtige  Rektor  Mitternacht  und  sein  würdiger 
Schüler  und  Nachfolger  Köber  brachten  mit  großer  Energie  die 
Schule  bald  wieder  zu  großer  Blüte.  Neben  Rhetorik  und  Logik 
wurden  die  Schüler  auch  in  die  Jurisprudenz  und  Geschichte 
eingeführt  und  neben  den  alten  Sprachen  auch  Hebräisch  und 
andere  semitische  Idiome  getrieben.  Auch  die  Landesherren  suchten 
durch  persönliche  Teilnahme  an  den  Schulfesten  und  stetige  Für- 
sorge die  Stiftung  ihres  Ahnherrn  auf  der  erreichten  Höhe  zu 
halten.  Durch  den  großen  Brand  der  Stadt  Gera  ini  Jahre  lü86  wurde 
aber  die  Schule  wieder  arg  geschädigt  und  erlebte  einen  neuen  zeit- 
weiligen Niedergang.  Zu  letzterem  führte  auch  das  Eindringen  des  fran- 
zösischen Einflusses  in  die  besseren  Kreise.  Die  klassischen  Sprachen 
traten  mehr  zurück.  Neben  den  früheren  Lehrkräften  erschienen  jetzt 
der  französische  Sprachlehrer,  sowie  der  Fecht-  und  Tanzmeister.  Im 
18.  Jahrhundert  sank  die  Anstalt  immer  mehr  von  ihrer  früheren 
Höhe  herab.  Das  Aufkommen  anderer  Gymnasien,  der  Rückgang 
der  bisher  in  Gera  blühenden  Wollindustrie,  unfähige  Lehrer  und 
andere  Umstände  bewirkten  einen  weiteren  fühlbaren  Niedergang  der 
Schule.  Auch  die  Schulzucht  war  schlecht.  Man  führte  für  Nach- 
lässigkeiten Geldstrafen  ein,  luid  im  Lehrerkollegium  herrschte  große 
Uneinigkeit.  Der  siebenjährige  Krieg,  unter  dem  Gera  stark  litt,  und 
der  abermalige  Brand  der  Stadt  im  Jahre  1780  ließen  sich  die  Anstalt 
auch  in  diesem  Jahrhundert  nicht  wieder  erholen.  In  letzterem  er- 
folgten noch  die  Beschränkung  der  ,, vielen  Programmschreiberei"  und 
die  Abschaffung  der  alten  Schulmäntel  (S.  89).  Unter  dem  tüchtigen 
Professor  der  Beredsamkeit  und  späteren  Rektor  Rein  erlebte  endlich 
das  Gymnasium  einen  neuen  Aufschwung.  Die  humanistischen  Lehr- 
fächer wurden  wieder  eifriger  und  mit  mehr  pädagogischem  Verständ- 
nisse betrieben.  Da  sich  inzwischen  das  Bedürfnis  nach  allgemeiner 
Volksbildung  und  die  Bevorzugung  der  Realien  immer  mehr  geltend 
machte,  wurde  zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  neben  dem  eigent- 
lichen Gymnasium  noch  eine  Real-  oder  Bürgerschulabteilung  errichtet, 
die  sich  nach  und  nach  immer  weiter  entwickelte  und  1864  als  Ge- 
samtstadtschule vom  Gymnasium  gänzlich  losgetrennt  wuide.  1828 
wurde  von  letzterem  auch  noch  ein  selbständiges  Lehrerseminar  abge- 
zweigt. Im  weiteren  behandelt  Büttner  die  späteren  Erscheinungen 
des  Schullebens,  die  öftere  Umgestaltung  der  Lehrpläne  und  die  päda- 
gogischen Forderungen  der  modernen  Zeit  immer  in  Verbindung  mit 
der  äußeren  Geschichte  des  Gymnasiums,  worauf  nicht  weiter  ein- 
gegangen werden  mag.  Auch  ist  es  nicht  nsöglich,  hier  auf  alles 
Interessante  des  Buches  aufmerksam  zu  machen.  Ich  erwähne  davon 
nur  die  Mitteilungen  aus  dem  Leben  und  der  wissenschaftlichen 
Tätigkeit  der  Lehrer,  ihre  Besoldungsverhältnisse  und  anderes,  ferner 
über  disziplinarische  Verhältnisse  und  Fälle  (Schülerstreik,  Schreib- 
prämien etc.,  S.  50,  73,  79,  81,  103).  Hervorheben  möchte  ich  nur 
noch  die  Schulkomödien,  kostümierte  Christmetten  und  sonstige 
szenischen  Aufführungen,  welche  die  Geraer  Schule  lange  Zeit  pflegte. 
Hatte  sie  doch  sogar  ein  eigenes  Komödienhaus  (S.  52).  Auch  eine 
allgemeinere  Schul-  und  Kulturgeschichte  findet  im  Büttnerschen 
Buche  beachtungs werten  Stoff.  Einige  auf  landesgeschichtlichem  Ge- 
biete liegende  kleinere  Versehen  bedürfen  noch  der  Berichtigung.    So 


Literatur.  5]^  5 

nennt  Büttner  den  Heinrich  Posthumus  wiederholt  Graf  (S.  1,  15, 
29),  während  der  Reichsgrafentitel  erst  1673  von  seinen  Nachkommen 
erworben  wurde.  Auf  Ö.  9  u.  10  Anraerk.  waren  die  adeligen  Namen 
V.  Endte,  Poße,  Boßeck  und  Kaufung  richtig  v.  Ende.  Bose,  Poseck 
und  Kauffungen  zu  schreiben.  S.  66  ist  ferner  von  einer  glänzenden 
Geburtstagsfeier  für  Graf  Heinrich  XVIII.  und  zwar  am  17.  April  1721 
die  Eede.  Da  aber  der  Graf  am  21.  März  geboren  wurde,  so  könnte 
es  sich  wohl  nur  um  eine  Nachfeier  oder  etwas  anderes  handeln,  ö.  48 
Anmerk.  1  konnte  der  Hofböttiger  im  „Trysor"  erklärt  werden.  Das 
Wort  ist  aus  fr.  dressoir  (lat.  dressorium"),  Schenktisch,  abzuleiten 
(Müller  und  Mothes,  Archäolog.  Wörterbuch,  S.  344). 

Diese  kleinen  Aussetzungen  beeinträchtigen  natürlich  den  Wert 
des  ebenso  fleißigen,  wie  gründlichen  Buches  durchaus  nicht.  Das 
Geraei  Gymnasium  kann  stolz  darauf  sein,  daß  einer  seiner  Lehrer 
die  Aufgabe,  die  Geschichte  der  Schule  wissenschaftlich  darzustellen, 
so  prächtig  gelöst  hat.  Auch  die  Ausstattung  des  Buches  ist  eine  durch- 
aus würdige,  und  die  interessanten  bildlichen  Beigaben  dankeswert. 


VoIIert,  Wilhelm,  Heinrich  Posthumus  als  lutherischer  Christ  und 
seine  Bedeutung  für  die  Thüringische  Kirchengeschichte.    Gera 

1909.    63  S.    Mit  5  Tafeln. 

Ein  ganz  anderes  Gesicht  zeigt  das  zweite  zur  Jubelfeier  des 
Geraer  Gymnasiums  erschienene  Buch  unter  obigem  Titel.  Letzterer 
verheißt  die  Lösung  einer  willkommeneu  und  dankbaren  Aufgabe, 
weil  die  Quellen  dazu  noch  größtenteils  unbenutzt  sind.  Sie  befinden 
sich  hauptsächlich  im  Regierungsarchiv  zu  Gera,  und  da  der  Ver- 
fasser des  Buches  in  Gera  wohnt,  konnte  er  sie  bequem  benutzen. 
Solches  hat  er  aber  nicht  getan,  sondern  um  ein  Manuskript,  welches 
er  in  der  Gymnasialbibliothek  zu  Gera  fand,  ein  Buch  herumge- 
schrieben und  was  für  ein  Machwerk !  Zunächst  gibt  er  im  Text 
oder  in  den  Anmerkungen  nur  ältere  Literatur,  wie  Zopf,  Felbrig, 
Saalburger  Chronik  u.  a.,  als  seine  Quellen  an,  neuere  Bücher,  die 
er  stark  benutzt  hat.  erhalten  ihren  Platz  in  einem  unscheinbaren 
Anhang  (S.  61).  So  wird  es  dem  Fachmann  schwer  und  dem  Laien 
fast  unmöglich,  ihm  nachzuarbeiten.  Die  Genealogie  der  Reußen 
von  mir  (1903)  kennt  er  entweder  nicht  oder  will  sie  nicht  kennen. 
Sonst  brauchte  er  sich  nicht  (S.  9)  auf  den  1684-  erschienenen  Beckler 
zu  berufen  oder  (S.  13)  Liminers  freierfundene  Beinamen  für  die 
Herren  Reuß  wieder  aufzuwärmen.  S.  14  will  er  uns  die  kirchlichen 
Zustände  der  reußischen  Gebietsteile  auf  Grund  der  Quellen  vor 
die  Augen  führen.  Damit  meint  er  zunächst  freilich  einen  Auszug 
aus  Meusels  Arbeit,  die  Reußische  oder  Reußisch-Schönburgische 
Konfession  von  1567  in  Dibelius  und  Brieger,  Beitr.  z.  sächs.  Kirchen- 
geschichte, Heft  14  (1899).  Was  diese  Geschichte  der  Konfession 
aber  mit  dem  Thema  Vollerts  „Heinrich  Posthumus  als  lutherischer 
Christ  etc."  zu  tun  hat,  ist  nicht  recht  klar.  Ferner  gehören  die 
Biographien  und  Stammbäume  derjenigen  Geistlichen,  welche  die 
Konfession  unterschrieben  haben  (S.  16 — 23),  ebenfalls  nicht  zu  diesem 
Thema.  S.  24  führt  er  für  die  Wiederauflage  der  reußischen  Kon- 
fession vom  Jahre  1599  die  1692  erschienene  Gerauische  Stadt-  und 
Landchronik  von  Zopf  als  Quelle  an  und  druckt  aus  ihr  12  Seiten 
(S.  196—207)  einfach  nach  (S.  24—27).  Für  die  Kirchen  Visitation  von 
1600ff.  giebt  Vollert  eine  Saalburger  „Chronik"  als  seine  Quelle  an. 


516  Literatur. 

Es  soll  wohl  dieselbe  sein,  die  im  Anhang  (S.  61)  unter  „Nachricht 
von  den  Herrschaften  Greitz,  Lobenstein  und  Saalburgk,  Manuskript 
vom  Jahre  1762,  Nachträge  bis  1773"  erscheint.  Über  den  Wert 
dieses  Manuskriptes  hätte  Vollert  aber  doch  Aufklärung  geben  oder 
sich  nach  ihrem  Verfasser  umsehen  müssen.  Da  er  es  versäumt  hat, 
mag  hier  darüber  berichtet  werden.  Es  sind  dies,  wenn  ich  nicht 
irre,  drei  Bände,  die  Vollert,  wie  ich  schon  erwähnte,  in  der  Geraer 
Gymnasialbibliothek  fand.  Diese  Manuskripte  haben  zum  Verfasser 
Johann  Christoph  Klotz,  der  1766  zu  Saalburg  als  Sohn  des  dortigen 
geistÜchen  Inspektors  Joh.  Christ.  Klotz  geboren  wurde,  nach  voll- 
endeten akademischen  Jahren  bis  1798  seinen  Vater  im  Amte  unter- 
stützte und  von  1801 — 1819,  wo  er  starb,  Prediger  an  der  Salvator- 
kirche  in  Gera  war  (s.  Lobenstein.  Intelligenzblatt  v.  1798,  S.  184, 
und  Reußische  Kirchengallerie,  I,  S.  47).  Dieser  Klotz  hat  viel  zur 
reußischen  Geschichte  geschrieben,  wovon  aber  nur  seine  Beschreibung 
der  Herrschaft  und  Stadt  Gera,  Schleiz  1816,  und  die  Kurze  Über- 
sicht einer  reußischen  Religions-  und  Reformatiousgeschichte,  Ronne- 
burg  1818,  im  Druck  erschienen  sind.  Außerdem  befinden  sich  im 
Fürstlichen  Hausarchiv  Schleiz  (früher  auf  der  Schloßbibliothek  des 
Ostersteins  b.  Gera)  noch  eine  ganze  Anzahl  Manuskripte  von  Klotz 
(s.  Auerbach,  Bibliotheca  Euthenea  No.  69.  591.  893—898.  1010  u. 
1026).  Unter  ihnen  ist  eine  ausführliche  reußische  Reformations- 
geschichte (No.  591),  wovon  oben  genannte  Kurze  Übersicht  etc.  ein 
Auszug  ist.  Endlich  befinden  sich  in  der  Gymnasialbibliothek  zu 
Gera  noch  vier  Manuskripte  desselben  Verfassers,  nämlich  Nach- 
richten, die  Verfassung  von  Gera  betreff.  (Bibl.  Ruth.  No.  655)  und 
die  erwähnten,  von  Vollert  wiederaufgefundenen  Nachrichten  von 
Greiz,  Lobenstein  und  Saalburg.  Von  letzteren  sind  wieder  die  Nach- 
richten von  der  Herrschaft  Saalburg  ein  zweites  Exemplar  von  dem 
gleichen  Manuskripte  im  Hausarchiv  Schleiz  (Bibl.  Ruth.  No.  65). 
Das  ist  also  Vollerts  Saalburger  „Chronik",  die  er  vielfach,  so  auf 
S.  28 — 37,  ausschlachtet,  wie  er  ebenso  mit  dem  Klotzschen  Manu- 
skripte über  Lobenstein  verfährt. 

Klotz  hatte  die  Visitationsakten  von  1601,  die  ihm  im  Hause  seines 
Vaters  zu  Gebote  standen,  eingehend  benutzt.  Diese  Akten  liegen 
jetzt  im  sogen.  Konsistorial-Archiv  des  Regierungsarchivs  Gera  und 
mußten  von  Vollert  eingesehen  und  Klotz  nachgeprüft  werden.  Er 
hätte  darin  jedenfalls  noch  viel  für  seinen  Zweck  gefunden.  S.  40 
springt  Vollert  ziemlich  unvermittelt,  um  seine  Festschrift  zu  moti- 
vieren, auf  die  Stiftung  des  Geraer  Gymnasiums  über,  bringt  auch 
hier  überall  Auszüge  aus  Zopf,  Felbrig  und  anderen  älteren  Druck- 
sachen bezw.  Manuskripten  ohne  Ordnung  und  rechten  Zusammen- 
hang. Was  hat  z.  B.  der  Stammbaum  des  Pastors  Amelung  (S.  41) 
oder  der  Auszug  aus  des  Rektors  Köber  Leben  (S.  43)  mit  dem  Titel 
des  Buches  „Heinrich  Posth.  als  Christ  etc."  zu  tun?  S.  52  be- 
schreibt VoUert  eine  Münze  des  Posthumus  nach  dem  Büchnerschen 
Verzeichnis  von  1742.  Die  neue  Münzgeschichte  von  Knab  und  mir 
(1907)  ist  ihm  unbekannt.  S.  54  und  55  folgen  abermals  lange  Aus- 
züge aus  Felbrig  usw.     Doch  genug  von  diesem  Sammelsurium. 

Die  Arbeit  VoUerts  ist  mit  einem  Wort  unwissenschaftlich, 
weil  ihr  jedes  Quellenstudium  fehlt  und  Vollert  die  einschlägige  Lite- 
ratur zum  Teil  nicht  kennt  und  zum  Teil  nicht  kritisch  verarbeitet  hat. 
Daß  Heinrich  Posthumus  ein  frommer  Christ  war,  wußte  man  vor 
Vollert.    Auch  hat  letzterer  dafür  nichts  Neues  erbracht.    Posthumus 


Literatur.  5]^  7 

hat  ferner  unzweifelhaft  für  die  lutherische  Kirche  seines  Landes 
viel  getan,  aber  seine  Bedeutung  für  die  thüringische  Kirchen- 
geschichte, welche  der  Titel  des  Vollertschen  Buches  behauptet,  ist 
daraus  nicht  zu  ersehen  und  auch  nie  vorhanden  gewesen.  Dagegen 
war  er  ein  ausgezeichneter  Organisator  und  Landesherr,  und  diese 
seine  Eigenschaft  tritt  auch  in  VoUerts  Arbeit  mehr  hervor,  als  sein 
Christentum,  obwohl  hier  nicht  darauf  aufmerksam  gemacht  wird. 
Die  Ausstattung  des  Buches  ist  ganz  hübsch. 

Schleiz,  im  April  1909.  ßerthold  Schmidt. 


II. 

Bemmann,  Rudolf:  Zur  Geschichte  des  Reichstages  im  XY.  Jalir- 
hundert.  Leipzig,  Quelle  und  Meyer,  1907.  95  SS.  8^  =  Leipziger 
Historische  Abhandlungen.     Heft  VII. 

Die  deutschen  Reichstagsakten  liegen  erst  bis  zum  Tode  Kaiser 
Sigmunds  vor,  und  eine  Geschichte  des  Reichstags  wird  erst  nach 
ihrer  vollständigen  Herausgabe  geschrieben  werden  können.  Es  ist 
aber  mit  Freuden  zu  begrüßen,  daß  Bemmann  mit  seinem  Beitrag 
dazu  nicht  auf  dies  in  cler  Ferne  liegende  Ereignis  gewartet  hat. 
Leider  konnte  ihm  die  historische  Kommission  der  Müncheuer  Aka- 
demie keinen  Einblick  in  das  von  ihr  gesammelte  Material  gewähren, 
aber  die  Fülle  archivalischer  Quellen,  die  der  Verfasser  zu  der  ge- 
druckten Literatur  hinzugezogen  hat,  läßt  dies  weniger  schwer  emp- 
finden. Bemmann  teilt  seine  Arbeit  in  4  Abschnitte,  deren  erster,  um- 
fangreichster und  interessantester  den  Titel  „Die  drei  Kurien"  trägt. 
Der  Verfasser  untersucht  das  Verhältnis  der  drei  Stände  auf  den  Reichs- 
tagen von  1431 — 1497  und  kommt  zu  wesenthch  anderen  Ergebnissen, 
als  die  Forschung  bis  jetzt  angenommen  hatte.  Die  herrschende 
Ansicht  Rankes,  daß  erst  im  Jahre  1489  durch  die  Spaltung  von 
Kurfürsten-  und  Fürstenkollegium  der  Dreikurientag  entstanden  sei, 
ist  nach  Bemmanns  Forschungen  nicht  mehr  haltbar.  Das  Ereignis 
muß  um  20  Jahre  zurückdatiert  werden.  Seit  1470  sind  die  ge- 
meinen Fürsten  zu  einem  besonderen  Kollegium  vereinigt,  von  dem 
sich  Spuren  noch  weiter  zurückverfolgen  lassen,  und  1480  wird  die 
Dreiteilung  als  „gewonhait  des  reichs"  erklärt.  Auch  in  einer 
anderen  Hinsicht  muß  das  Jahr  1489  seine  hervorragende  Stellung 
in  der  deutschen  Verfassungsgeschichte  aufgeben.  R.  Schröder  be- 
hauptete, daß  damals  die  Städte  sich  zu  einem  Kollegium  zusammen- 
schlössen. Bemmann  weist  das  Gegenteil  davon  nach.  Gegen  Ende 
der  achziger  Jahre  wird  der  Zusammenhalt  der  Städte  schwächer, 
ihre  politische  Bedeutung  schwindet,  und  erst  als  der  Reichstag  für 
das  Leben  der  Nation  fast  bedeutungslos  wird,  finden  sie  wieder 
Gleichberechtigung.  Die  drei  übrigen  Abschnitte  handeln  von  „Pro- 
position und  Abschied",  dem  päpstlichen  Legaten  und  den  Fremden  auf 
dem  Reichstage  und  der  Festsetzung  des  Reichstags  und  den  Teil- 
nehmern. Die  kurze  Schrift  ist  ein  äußerst  wertvoller  Beitrag  zur 
deutschen  Verfassungsgeschichte  des  von  der  Historie  so  stief- 
mütterlich behandelten  15.  Jahrhunderts.  W.  Stechele. 


518  Literatur. 


IIJ. 


Fehr,  Hans:  Der  Zweikampf.    Antrittsrede.    Berlin,  Karl  Curtius, 

1908.    64  SS.   8°. 

Die  oft  aufgeworfene  Frage  nach  der  Entstehung  unseres 
heutigen  Zweikampfes  hat  selten  eine  vorurteilsfreie  Beantwortung 
gefunden.  Als  „welschem"  Import  aus  dem  16.  Jahrhundert  be- 
zeichnet ihn  die  Agitatation  der  Antiduell-Liga.  Daß  diese  Ansicht 
gänzlich  falsch  ist,  beweist  Fehr  in  seiner  Antrittsrede.  Er  geht  den 
fein  verästelten  Wurzeln  des  Duells  nach  und  zeigt,  daß  der  Zwei- 
kampf stets  bei  uns  heimisch  gewesen,  Staat  und  Kirche  nahmen 
ihn  als  Beweismittel  in  ihr  Gerichtsverfahren  auf,  mit  Formalitäten, 
die  den  heute  gebräuchlichen  ähneln.  Auch  vor  dem  Richter  kämpft 
man  für  seine  Ehre,  und  nach  dem  Verschwinden  des  Ordals  wird 
sie  der  einzige  Gegenstand  des  Kampfes.  Neben  dieser  autorisierten 
Form  besteht  schon  lange  in  allen  Kreisen  das  geheime  Duell.  Aus 
diesen  beiden  Wurzeln  und  aus  dem  Turnier  erwächst  unser  heutiger 
Zweikampf,  der  im  16.  Jahrhundert  unabhängig  voneinander  bei 
Romanen  und  Deutschen  erscheint,  bei  diesen  natürlich  bald  im 
französischen  Kleide  und  nach  französischem  Vorbilde  in  furchtbarer 
Ausartung.  Die  Duellsitte  ist  deutsch,  so  schließt  der  Verfasser, 
nicht  sie,  sondern  die  Duellunsitte  haben  wir  von  den  romanischen 
Nationen  entlehnt. 

Einige  Abbildungen  aus  der  Dresdener  Hs.  des  Sachsenspiegels 
und  aus  dem  Sutorschen  Fechtbüchlein  schmücken  die  hübsche 
Schrift.  W.  Stechele. 


IV. 

Heldmann,  Karl:  Mittelalterliche  Volksspiele  in  den  thüringisch- 
sächsischen  Landen.  Halle  a.  S.,  0.  Hendel,  1908.  57  SS.  8". 
=  Neujahrsblätter,  hrsg.  v.  d.  Hist.  Kommission  f.  d.  Prov. 
Sachsen  u.  d.  Herzogtum  Anhalt.     XXXII. 

Leider  konnte  der  Verfasser  den  Vortrag,  der  seiner  Arbeit  zu- 
grunde liegt,  aus  Maugel  an  Zeit  nicht  mehr  vollständig  ausarbeiten, 
und  so  mußten  Natur-  und  Jahreszeiteuspiele,  Tänze  und  manche 
andere  Volksbelustigungen  unbehandelt  bleiben.  Auch  die  Ballspiele 
sind  nicht  erwähnt.  Raum  dazu  hätte  Heldmann  auch  in  dem  engen 
Rahmen  des  „Neujahrsblattes"  finden  können,  wenn  er  die  meines  Er- 
achtens  zu  lange  JEinleitung  verkürzt  hätte,  in  der  er  über  die  Spiele 
der  Germauen  spricht.  Doch  wird  dieser  Mangel  wettgemacht  durch 
die  hübsche  Schilderung  der  bürgerlichen  Reiterspiele  im  3.  Abschnitt, 
die  sich  in  den  Formen  der  höfischen  Epenkreise  von  Magdeburg 
aus  in  den  sächsischen  Städten  verbreiteten.  Den  Schwerttanz,  der 
um  die  Wende  des  Mittelalters  in  Deutschland  aus  1000-jähriger 
Vergessenheit  wieder  auftaucht,  führt  Heldmann  im  Gegensatz  zu 
der  bisherigen  Ansicht,  die  in  ihm  die  direkte  Folge  des  altger- 
manischen Schwertieichs  annahm,  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  auf 
klassische  Reminiszenzen  zurück.  Den  Beschluß  machen  die  Glücks- 
spiele: Würfel,  Karten,  Brettspiel,  Lotterie  usw.  Von  Interesse  für 
Thüringen   ist  besonders  der  große  Glückstopf  vom  Jahre  1477  zu 


Literatur.  5I9 

Erfurt,  den  Heldmann  eingehend  schildert.  Die  Spielleidenschaft 
in  unseren  Landen  war  so  groß,  daß  im  Jahre  1560  die  erzürnten 
Brettleber  Hausfrauen  das  Billard  aus  dem  Wirtshaus  holten  und 
ins  Wasser  warfen,  weil  es  „grosse  ursach  zu  vielem  sauffen"  gab. 
Hoffentlich  wirkt  das  Büchlein  anregend  auf  das  leider  vernach- 
lässigte Studium  unserer  heimischen  Spiele.  W.  Stechele. 


V. 

Übersieht 

über    die    neuerdings    erschienene    Literatur    zur    thüriugisclieu 

Geschichte  und  Altertumskunde^). 

Von  W.  Stechele  und  O.  Dobenecker, 

Albert,  F.  K. :  Der  Briefwechsel  Heinrichs  v.  Einsiedel  mit 
Luther,  Melanchthon,  Spalatin  u.  a.  Aus  Handschriften  dargestellt. 
Leipzig,  Heinsius  Nachf.,  1908.  VI,  124  SS.  8".  =  Quellen  und 
Darstellungen  aus  der  Gesch.  des  Ref.  -  Jahrhunderts ,  hrsg.  von 
Geo.  Berbig.  Bd.  7. 

Ar  11  stein,  Oskar:  Bibliographie  der  Schiller-Literatur  1904 
(richtig:  1905).  [Aus:  ,,  Jahr  es  berichte  f.  neuere  deutsche  Literatur- 
gesch."]     Berlin,  Behr,  1908.    46  SS.    8".    2  M. 

Arnswaldt,  W.  C.  v. :  256  Ahnen.  Vierteljahrsschrift  für 
Wappen-,  Siegel-  und  FamiUenkunde.  36.  Jahrg.  (1908).  Berlin, 
Heymann,  1908.     S.  30-61. 

A  [nemüller] ,  H. :  Katharina  die  Heldenmütige  von  Schwarz- 
burg. Ein  Gedenkblatt  zu  ihrem  400.  Geburtstage.  Beilage  zur 
Schwarzburg-Rudolstädtischen  Landesztg.  (1909).  141.  Jahrg.  No.  11. 

Bach,  C.  E. :  Aus  der  nördlichen  Vorrhön.  „Im  TuUifeld". 
Eine  historisch-landschaftliche  Umschau  in  engerer  Heimat.  Heft.  4. 
Kaltennordheim,  Naumann,  0.  J.     120  SS.     8".     1,50  M. 

Baesecke,  Georg:  Herbort  von  Fritzlar,  Albrecht  von  Halber- 
stadt und  Heinrich  von  Veldecke.  I.  Zeitschrift  für  deutsches  Alter- 
tum, hrsg.  von  Edward  Schroeder  u.  Gustav  Roethe.  Bd.  L.  N.  F. 
Bd.  XXXVIII.  H.  4.  (15.  Jan.  1909).  S.  366—382.  Berlin,  Weid- 
mann, 1908. 

Bäumer,  Gertrud:  Goethes  Freundinnen.  Briefe  zu  ihrer 
Charakteristik  ausgewählt  und  eingeleitet.  Mit  12  Bildnissen.  Leipzig, 
Teubner,  1909.  IV,  320  SS.  8°.  3  M.  =  Deutsche  Charakterköpfe, 
hrsg.  von  Wilhelm  Capelle.     V  u.  VI. 

Barcza,  E. :  Die  Literatur  über  die  heilige  Elisabeth.  Biblio- 
graphie.    Budapest,  Pallas,  1907.     14  SS.    8«. 

Bartels,  Adolf:  Chronik  des  Wei marer  Hof theaters.  Fest- 
schrift.   Weimar,  Böhlau,  1908.    XXXVI,  375  SS.    8«.    4  M. 


1)  Vgl.  V.  Hantzsch  im  NA.  f.  Sächsische  Gesch.  u.  Alter- 
tumsk.  XXIX  (1908).  S.  377—390  u.  XXX  (1909).  S.  177—195  und 
Zeitschrift  des  Vereins  f.  hessische  Geschichte  und  Landeskunde. 
XLII.  N.  F.  XXXIL  S.  140—187. 


520  Literatur. 

Bauer,  K. :  Goethes  Kopf  und  Gestalt.  Berlin,  Mittler  u.  Sohn, 
1908.    XI,  92  SS.    8".    2,40  M.    [Stunden  mit  Goethe.    Sonderheft.] 

Bauermeister,  J. :  Alte  Rudelschtädter.  Vortrag,  gehalten 
beim  „Zwackassen"  1908.  Beilage  zur  Schwarzburg- Rudolstädtischen 
Landeszeitung  (1908).  140.  Jahrg.  No.  261. 

Bechstein,  Ludwig:  Die  Sagen  von  Eisenach  und  der 
Wartburg,  dem  Hörselberg  und  Eeinhardtsbrunn,  gesammelt  und 
hrsg.     Eisenach,  Eifert  u.  Scheibe,  1908.     127  SS.    8".     1  M. 

Beiträge  zur  Geschichte  der  sächsischen  Franziskaner-Ordens- 
Provinz.  Sep.-Ausg.  des  Jahrbuches  1907.  Hrsg.  vom  Provinzialat 
zu  Düsseldorf.    Düsseldorf  (Bierbaum),  1908.    III,  150  SS.    8".    4  M. 

Berbig,  Georg:  Spalatiniana.  Leipzig,  Heinsius  Nachf . ,  1 908. 
123  SS.  8".  4  M.  =  Quellen  und  Darstellungen  a.  d.  Geschichte  des 
Reformations-Jahrhunderts,  hrsg.  von  G.  Berbig. 

Derselbe:  Eine  Propsteir echnung  für  Coburg  vom  Jahre  1535. 
Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür.  Gesch.  u.  Altertumsk.  (1909).  XIX.  (G.  F. 
XXVII.)  S.  497—501. 

Derselbe:  Inventar,  Kleinodien  etc.  der  Kirchen  St.  Moritz 
und  St.  Nikolaus  zu  Coburg  im  Jahre  1528.    Ebenda.    S.  501—506. 

Derselbe:  Von  den  Kirchengütern.  Das  Schmalkaldener 
Gutachten  v.  März  1540  nach  dem  Original  mitgeteilt.  Ztschr.  f. 
wiss.  Theol.  L.  (1908.)  S.  374—383. 

Derselbe:  Kurfürst  Johann  Friedrich  der  Großmütige,  25  Briefe 
von  1545 — 1557.    Ebenda.    S.  505 — 565. 

Derselbe:  Anfang  des  Apotheken-  und  Medizinalwesens  in 
Coburg  im  Zeitalter  der  Reformation.  Deutsche  Apothekerzeitung. 
1908.    S.  87  ff. 

Derselbe:  Die  erste  kursächsische  Visitation  im  Ortsland 
Franken.    III.    Arch.  f.  Ref.-Gesch.  V.  S.  398—435. 

Derselbe:  Der  „gemeyne  Gasten"  im  Visitationsjahr  1529. 
Deutsche  Ztschr.  f.  Kirchenrecht.  G.  F.  XVIII.  S.  394—419. 

Derselbe:  Ein  adeliges  Testament  aus  dem  J.  1520  und  ein 
Streitfall  zwischen  dem  Stadtrat  zu  Coburg  und  dem  kaiserl.  Haupt- 
mann Ernst  V.  Brandenstein  wegen  einer  geistl.  Stiftung  vom  J.  1528. 
Ebenda.  XIX.  H.  1. 

Berbig,  M. :  Richard  Camillo  v.  Seebach.  Allgem.  Deutsche 
Biographie.  LIV  (1908).  S.  295-297. 

Derselbe:  Sophie  Wilhelmine  Marie  Louise,  Großherzogin 
von  Sachsen-Weimar-Eisenach.    Ebenda.  S.  396 — 399. 

Derselbe:  Gotthilf  Albert  Sterzing.    Ebenda.  S.  504—505. 

Berendt,  F.:  Die  Beziehungen  Anhalts  zu  Kur-Sachsen  von 
1212  bis  1485.     Diss.  Halle  1908.    70  SS.  8°. 

Berentelg,  H. :  Der  schmalkaldische  Krieg  in  Nord  West- 
deutschland. Müust.  Diss.  Rostock,  Hinstorff,  1908.  VIII,  92  SS.  8». 

Berger,  Karl:  Schiller.  Sein  Leben  und  seine  Werke.  2  Bde. 
München,  Beck,  1908.     VII,  632,  und  VII,  812  SS.    8".     12  M. 

Derselbe:  Aus  dem  Tagebuche  eines  Jenaer  Studenten  (v. 
Ziegesar?).     Deutsche  Welt.  IX,  13.  14. 

B  e  t  h  ,  J. :  Zu  Cranachs  Missahen  -  Holzschnitten.  Eep.  d. 
Kunstw.  XXX.  S.  501—513. 

Biese,  Alfred:  Goethe  und  seine  Mutter.  Jahrb.  d.  Freien 
deutschen  Hochstifts  zu  Frankfurt.  1908.  S.  106—137. 

Bismarcks  Vermächtnis  an  die  Jenaische  Studentenschaft. 
Burschenschaftliche  Blätter.  XXII.  S.  176—179. 


Literatur.  521 

Bock,  Otto:  Die  Reform  der  Erfurter  Universität  während 
des  dreißigjälirigen  Krieges.  Halle  a.  S.,  Niemeyer,  1908.  105  SS. 
8°.    2,80  M.     Hallesche  Abhandlungen  zur  neueren  Geschichte. 

Bode,  Friedrich:  Einige  Bemerkungen  zu  dem  im  Jahre 
1834  aufgestellten  Verzeichnis  der  wüsten  Marken  des  Regierungs- 
bezirks Merseburg.  N.  Mitt.  a.  d.  Geb.  hist.-ant.  Forsch.  XXIII. 
3.  S  331—341. 

Bode,  Wilhelm:  Goethes  Leben  im  Garten  am  Stern.  Berün, 
Mittler  u.  S.,  1909.    XVI,  394  SS.    5  M. 

Derselbe:  Amalie,  Herzogin  von  Weimar.  2.  Aufl.  4. — 5. 
Taus.  3  Bde.  Berlin,  Mittler  u.  S  ,  1909.  8°.  1)  Das  vorgoethische 
Weimar.  Mit  23  Abbildgn.  VIII,  194  SS.  Mit  1  Stammtaf.  2)  Der 
Musenhof  der  Herzogin  Amalie.  Mit  34  Abbildgn.  VII,  205  SS. 
3)  Ein  Lebensabend  im  Künstlerkreise.  Mit  21  Abbildgn.  VII, 
228  SS. 

Derselbe:  Herzogin  Amalia  als  Landesregen tin.  Stunden 
mit  Goethe.    III.  S.  176-212. 

Derselbe:  Goethe  im  deutschen  Zusammenbruch  1806.  Ebenda. 
S.  13—46. 

Derselbe:  In  Goethes  Gartenhaus.  Beilage  z.  Jen.  Ztg.  1908. 
Dez.  9. 

Boerkel,  Alfred:  Hessens  Fürstenfrauen  von  der  hl.  Eli- 
sabeth bis  zur  Gegenwart,  in  ihrem  Leben  und  Wirken  dargestellt. 
2.  bis  1908  ergänzte  Auflage.  Gießen,  Roth,  1908.  VII,  154  SS.  8". 
3  M. 

Borkowsky,  Ernst:  Das  alte  Jena  und  seine  Universität. 
Eine  Jubiläumsgabe  zur  Universitätsfeier.  Jena,  Diederichs,  1908. 
287  SS.    8".    Mit  Abb.    4  M. 

Bornhak,  F.:  Aus  Alt- Weimar.  Die  Großherzoginnen  Luise 
und  Maria  Paulowna.     Breslau,  Langewort,  1908.     112  SS.  8».   3  M. 

Böse,  E.  V.:  Gehören  die  in  Mansfelder,  Zerbster  und  Merse- 
burger Urkunden  von  1230  an  vorkommenden  Ritter  Buze  und  Boz 
zu  dem  jetzigen  Boseschen  Geschlecht?  Deutscher  Herold.  1908. 
No.  10. 

Both,  Rudolphine  v. :  Unser  Besuch  bei  Knebels.  Stunden 
mit  Goethe.  III.  S.  262—278. 

Braasch:  Thüringens  Kirche  und  Hochschule.  Protestanten- 
blatt. 1908.  No.  31. 

Brackmann,  A. :  Wilhelm  Schum.  AUg.  Deutsche  Bio- 
graphie. LIV  (1908j.  S.  260-262. 

Braun,  Lily:  Im  Schatten  der  Titanen.  Ein  Erinnerungs- 
buch an  Baronin  Jenny  v.  Gustedt.  Braunschweig,  Westermann, 
1908.    412  SS.    8°.    6,50  M. 

Braun,  Otto:  Rudolf  Euckens  Philosophie  und  das  Bildungs- 
problem.   2  Vorträge.     Leipzig,  Eckardt,  1909.     54  SS.    8".     60  Pf. 

Bretschneider,  O.:  O  du  mein  Jena!  Illustrierte  Festschrift 
zum  350-iähr.  Jubiläum  der  Universität  Jena.  Mit  einem  Anhang, 
Schillers  Antrittsvorlesung  in  Jena:  „Was  heißt  und  zu  welchem 
Ende  studiert  man  Universalgeschichte?"  Berün,  Vobach,  1908. 
57  SS.    8«.    40  Pf. 

Brieger,  Th.:  Luther  und  die  Nebenehe  des  Landgrafen 
Philipp.  Untersuchungen.  I:  Die  angebliche  Entstehung  des  Wit- 
tenberger Ratschlags  in  Hessen.  Der  älteste  Entwurf  desselben. 
Ztschr.  f.  Kh-chengesch.  XIX.  S.  174-196. 


522  Literatur. 

Brieger,  Th. :  Kurfürst  Friedrich  der  Weise  und  die  Re- 
formation.    Deutsche  Gedenkhalle,  hrsg.  von  J.  v.  Pflugk-Harttung, 

Brock,  C. :  Die  große  Kaiserjagd  bei  Weimar  im  Oktober 
1808.     Thüringer  Monatsblätter.  Jahrg.  16.  No.  7. 

Buchenau,H. :  Nachrichten  über  Coburger  Münze  und  Heller- 
münze unter  Markgraf  Friedrich  III.  von  Meißen.  Blätter  f.  Münz- 
freunde. XLIII.  S.  396  ff. 

Buchwald,  Georg:  Die  evangelische  KJrche  im  Jahrhundert 
der  Reformation.  Dargestellt  u.  hrsg.  i.  A.  des  ev.-luth.  Landes - 
konsistoriums  des  Königreichs  Sachsen.  11.  Aufl.  Leipzig,  ß.  Lie- 
bisch, 1909.    VIIL  126  SS.    Mit  Abb.    8«.  _ 

Derselbe:  Dr.  Martin  Luthers  Predigten,  im  Juli  1534  zu 
Dessau  gehalten.  Aus  Georg  Rörers  Nachschriften  zum  ersten  Mal 
herausgegeben.    Leipzig,  Haessel,  1909.     18  SS.     8°. 

Büttner,  E. :  Der  Krieg  des  Markgrafen  Albrecht  Alcibiades 
in  Franken  1552 — 1555.  Archiv  f.  Gesch.  u.  Altertumsk.  von  Über- 
franken. XXIII.  H.  3.  (Bayreuth  1908.)  S.  1—164. 

Büttner,  R. :  Geschichte  des  Fürstlichen  Gymnasiums  Ru- 
theneum  zu  Gera.  Festschrift  zur  Feier  des  300-jährigen  Bestehens 
des  Gymnasiums.    Gera  1908.    8". 

Buzzi ,  A. :  Federico  Fröbel  e  il  suo  giardino  d'infanzia.  Torino, 
Sartori,  1908.    24  SS.    8». 

Caemmerer,  E.:  Konrad,  Landgraf  von  Thüringen,  Hoch- 
meister des  deutschen  Ordens  (f  1240).  Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür. 
Gesch.  u.  Altertumsk.  (1909).  XIX.  (G.  F.  XXVII.)  S.  349—394. 
I.  Teil  auch  als  Jen.  Diss.    Jena,  Fischer,  1909.    47  SS.    8°. 

Caemmerer,  R.  v. :  Doppelschlacht  von  Jena  mid  Auerstädt. 
Deutsche  Gedenkhalle,  hrsg.  von  J.  v.  Pflugk-Hartiung. 

Caesarius  von  Heisterbach:  Des  C.  v.  H.  Schriften  über 
die  hl.  Elisabeth  von  Thüringen.  (S.  1 — 59  von  Annalen  des  Hist. 
Vereins  f.  d.  Niederrhein.  Heft  86.)  Köln,  Boisseree,  1908.  III, 
174  SS.    4,40  M. 

Chlapowski,  D. :  M^moires  sur  les  guerres  de  Napoleon, 
1806—1813.  Publ.  par  ses  fils.  Traduits  par  J.  V.  Chelminsky  et 
A.  MaUbran.     Paris,  Plön,  1908.    XI,  359  SS.    16". 

Chronica  fratris  Jordani,  edidit,  notis  et  commentario  illu- 
stravit  H.  Boehmer.  Paris,  Fischbacher,  1908.  LXXXII,  95  SS. 
8".  7  Fr.  In :  „Collection  d'etudes  et  de  documents  sur  l'histoire 
religieuse  et  litteraire  du  moyen-äge".    Tome  VI. 

Giemen,  O. :  Alexius  Chrosner,  Herzog  Georg  von  Sachsens 
evangelischer  Hofprediger  (f  1535  in  Altenburg).  Leipzig,  M.  Hein- 
sius  Nachf.,  1908.    III,  70  SS.    8». 

(Comp t er:)  Erinnerungsblätter  zur  Feier  des  50-jährigen  Be- 
stehens der  Großherzogl.  W.  und  L.  Zimmermanns  Realschule  mit 
Gymnasialabteilung  zu  Apolda  am  1,  Mai  1909.  Apolda  (H.  Blume), 
1909.    68  SS.    8". 

Cosack,  Paul:  Die  Jenaer  Straßennamen  und  ihre  Er- 
klärung.    Beilage  zur  Jen.  Ztg.  1908.  April  8. 

Costabell,  O.:  Die  Entwicklung  der  Finanzen  im  Herzogtum 
Sachsen-Meiningen  von  1831  bis  zur  Gegenwart.  Abhandl.  d.  staats- 
wissenschaftl.  Sem.  zu  Jena.  VI,  2.  Jena,  Fischer,  1908.  IX,  153  SS. 
8".    3  M. 

Denifle,  Heinrich,  u.  Weiß,  Albert  Maria:  Luther  und 
das  Luthertum  in  der  ersten  Entwicklung.     Quellenmäßig  dargestellt. 


Literatur.  523 

2  Bde.  Bearb.  von  Albert  M.  Weiß.  Maiuz,  Kirchheim  u.  Co.,  1909. 
XVI,  514  SS.    8».    7  M. 

Devrient,  Ernst:  Die  Anfänge  des  Kreuzklosters  und  die 
Pfarrkirchen  zu  Gotha.  (Mit  1  Stadtplan  von  Gotha.)  Ztschr.  d. 
Ver.  f.  Thür.  Gesch.  u.  Altertumsk.  (1909).  XIX.  (G.  F.  XXVII ) 
S.  423-434. 

Derselbe:  Das  alte  Stadtrecht.  Beil.  z.  Jen.  Volksbl.  1909. 
März  14. 

Dodgson,  C. :  Cranachs  Kanonbild.  Eepertorium  d.  Kunst- 
wissenschaft. XXXI.  H.  6.  S.  247  ff. 

Doebber,  A. :  Lauchstädt  und  Weimar.  Eine  theaterbau- 
geschichtliche  Studie.  Berlin,  Mittler  u.  S.,  1908.  XXIX,  193  SS. 
«0.  5  M. 

Doepel,Waldemar:  Die  Geschichte  von  Marksuhl.  Eisenach, 
Kahle,  1909.     101  SS.  mit  4  Taf.    8«.    1,25  M. 

Doering,  O. :  Die  Veste  Coburg.  Neudeutsche  Bauzeitung. 
1908.    S.  409. 

Dithmar,  Karl:  Elisabeth,  Landgräfin  von  Thüringen  und 
Hessen,  „Heilige".     Eschwege,  Himmelreich,  1908.    8°. 

Dressel,  H.:  Die  Entwicklimg  von  Handel  und  Industrie  in 
Sonneberg.     Gotha,  Perthes,  1908.    137  SS.    8«.    3  M. 

E.,  K. :  Was  bedeutet  das  Bugelraannerfest?  Schwarzburg- 
Rudolstädt.  Landeszeitung.  1908.  No.  "l33.  Juni  7. 

Ebstein,  W. :  Dr.  Martin  Luthers  Krankheiten  und  deren 
Einfluß  auf  seinen  körperlichen  und  geistigen  Zustand.  Stuttgart, 
Enke,  1908.    64  SS.    8".    2  M. 

Eckardt,  J.  H. :  Zur  Geschichte  des  Buchdrucks  und  Buch- 
handels in  Jena  zur  Klassikerzeit.  Börsenblatt  f.  d.  deutschen  Buch- 
handel. 1908.  Jan.  9,  Sept.  14  u.  17. 

Eckermann,  Joh.  Peter:  Gespräche  mit  Goethe  in  den 
letzten  Jahren  seines  Lebens.  Nach  dem  1.  Druck  und  dem  Orig.- 
Manuskript  des  3.  Teils  mit  einem  Nachwort  und  Register  neu 
hrsg.  von  H.  H.  Houben.  Leipzig,  Brockhaus,  1909.  806  SS.  8». 
8  M. 

Eggers,  Adolf:  Der  königliche  Grundbesitz  im  10.  und  be- 
ginnenden 11.  Jahrhundert.  Weimar  1909.  8''.  Quellen  und  Stu- 
dien zur  Verfassungsgeschichte  des  Deutschen  Reiches  im  Mittel- 
alter und  Neuzeit,  hrsg.  von  Karl  Zeumer.  Bd.  3.  Heft  2.  (S.  34  ff. : 
Das  Reichsgut  in  Sachsen  und  Thüringen.) 

Egloff stein,  H.  Frhr.  v.:  Karl  Augusts  Reise  nach  Paris 
und  England.  Deutsche  Rundschau.  1908.  Aug.  199 — 221,  Sept. 
406—418. 

Eichhorn,  Gustav:  Die  paläolithivschen  Funde  von  Taubach 
in  den  Museen  zu  Jena  und  Weimar,  Festschrift  zum  350-jährigen 
Jubiläum  der  Universität  Jena,  mit  39  Tafeln  und  301  Abbildungen. 
Jena,  Fischer,  1909.     8°. 

Derselbe:  Depotfund  im  Münchenrodaer  Grund  bei  Jena. 
Ztschr.  f.  Ethnologie.  XL  (1908).  S.  194-200. 

Derselbe:  Die  Ausgrabung  des  Nienstedter  Grabhügels  durch 
Prof.  Klopfleisch.  Mit  4  Tafeln.  Jahresschrift  f.  d.  Vorgesch.  der 
sächs.-thüring.  Länder,  hrsg.  von  d.  Provinzialmuseum  der  Prov. 
Sachsen  in  Halle  a.  S.  VII  (1908).  S.  85-94. 

Elster, Ernst:  Tannhäuser  in  Geschichte,  Sage  und  Dichtung. 
Ein    Vortrag.     Bromberg,   Mittler,   1908.    VI,  25  SS.    8».    60  Pf. 


524  Literatur. 

=  Veröffentlichungen  der  Abteilung  f.  Literatur  der  Deutschen  Ge- 
sellschaft für  Kunst  und  Wissenschaft  zu  ßromberg.     3. 

Engel,  E. :  Christiane  Goethe.  Sonntagsbeil.  No.  10/11  zur 
Voss.  Zeitung  1909.  No.  111,  123. 

Erinnerungen  einer  Großmutter  aus  der  Goethezeit.  Deutsche 
Ztg.  (1909).  XIV.  No.  81,  82. 

Ermatinger,  Emil:  Das  Romantische  bei  Wieland.  IIl.  Neue 
Jbb.  f.  d.  klassische  Altertum.  11.  Jahrg.  (1908).  XXI.  S.  264-288. 

Falkenegg,  v. :  Die  Koburger.  Historische  Betrachtung. 
BerUu,  BoU  u.  Pickardt,  1908.     121  öS.    8°.     IM. 

Fester,  Richard:  Schiller  als  historischer  Materialien- 
sammler. Nachträge  zu  Euphorion  XII,  78  ff.  Euphorion,  Ztschr. 
f.  Literaturg.,  hrsg.  von  A.  Sauer.     XV.  _H.  3  (1908).    _S.  456—474. 

Festgottesdienst  zum  Universitätsjubiläum  in  Jena  am 
31.  VII.  1908  in  der  Stadtkirche,  geleitet  von  Thümmel.  Jena 
(Neuenhahn)  1908.     15  SS.    8°.    30  Pf. 

Festschrift  zur  Einweihung  des  Goethetheaters  in  Bad 
Lauchstedt  am  13./14.  VI.  a.  d.  1908.  Hrsg.  Carl  Lehmann  u.  Hanns 
Hannsen.  Bad  Lauchstedt,  Hellig,  1908.  32  X  25,5  cm.  12  SS. 
Nur  direkt.    20  Pf. 

Festzeitung,  offizielle,  zur  350-iährigen  Jubelfeier  der  Uni- 
versität Jena,  hrsg.  vom  Festausschuß,  red.  von  Alex.  Elster.  3  Nrn. 
Jena,  Neuenhahn,  1908.     33,5  X  24  cm.     Je  30  Pf. 

F  e  y  :  Geschichte  der  Burg  Hanstein.     Kassel,  Scheel,  1908.    8°. 

Flemming,  P. :  Zur  Pfarrergeschichte  von  Windsheim.  Bei- 
träge z.  bayerischen  Kirchengeschichte,  hrsg.  von  Th.  Kolde.  XV. 
(Erlangen  1909.)  S.  123—131. 

Foertsch,  W. :  Bilder  aus  Vergangenheit  und  Gegenwart  der 
Stadt  Ostheim  v.  d.  Rhön.  Ostheim,  Selbstverlag,  19()9.  180  SS. 
8".    Mit  Bildern. 

Francke,  H.  G.:  Berichte  und  Bilder  aus  Weidas  Vergangen- 
heit. 1.  Bdchn. :  Die  Flur  Weida.  Das  Unterkunftswesen  in  Weida. 
Wein-  und  Bierschank  im  Ratskeller.  Weida  (Thomas  u.  Hubert), 
1908.    95  SS.    8°.    Mit  Bildern. 

Friedensburg,  W. :  Aktenstücke  zur  Frage  der  Bestrafung 
des  gefangenen  Kurfürsten  Johann  Friedrich  von  Sachsen.  Archiv 
f.  Reformations-Gesch.  V.  S.  213—215. 

Frisa,  Heinrich:  Deutsche  Kulturverhältnisse  in  der  Auf- 
fassung W.  M.  Thackerays.  Wien,  Braumüller,  1908.  X,  78  SS. 
8".  2  M.  :=  Beiträge,  Wiener,  zur  englischen  Philologie,  .  .  .  hrsg. 
von  J.  Schipper.  Bd.  XXVII.    (Thackeray  in  Weimar,  S.  2  ff.) 

Fritz,  Wilhelm:  Aus  Alt  -  Thüringen.  Thüringer  Monats- 
blätter. 16.  Jahrg.  No.  8. 

Frommann,  Max:  Landgraf  Ludwig  III.  der  Fromme  von 
Thüringen  (1152—1190).  Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür.  Gesch.  u.  Alter- 
tumsk.  XVIII.  (G.  F.  XXVI.)  (1908).  S.  175—248. 

Fuß  lein,  W. :  Die  Vormünder  des  Markgrafen  Ludwig  des 
Alteren  von  Brandenburg.  1323—1333.  Forschungen  zur  branden- 
burg-  u.  preußischen  Geschichte.  XXL  I.  Hälfte  (1908).  S.  1—38. 

G.,  W.:  Der  Hellwigstein  bei  Eisenach.  Thüringer  Monats- 
blätter. 16.  Jahrg.  No.  2. 

Geiger,  Ludwig:  Goethe  und  die  Seinen.  Quellenmäßige 
Darstellungen  über  Goethes  Haus.  Leipzig,  Voigtländer,  1908. 
III,  388  SS.    8°.    6  M. 


Literatur.  525 

Geiger,  Ludwig:  Wieland  an  die  Karschin.  Goethe-Jahr- 
buch. XXIX.  S.  26-28. 

Derselbe:   F.  L.  Stolberg  an  Müller.    Ebenda  S.  28—30. 

Derselbe:  Aus  der  Sammlung  des  Eätischen  Museums  in 
Chur.     Ebenda  S.  30—33. 

Derselb  e  :  Aus  Briefen  von  Gerstenbergks.  Ebenda  S.  34 — 36. 

Gemeinde-Ordnung,  die  burgauische,  vom  Jahre  1669. 
Veröffentl.  v.  E.  ßeclam.    Beil.  z.  Jen.  Volksbl.  1909.  März  21. 

Gensei,  Julius:  Friedrich  Prelier  als  Schützling  Goethes 
und  Karl  Augusts.     Stunden  mit  Goethe.  III.  S.  98—122. 

Gerbet,  Emil:  Grammatik  der  Mundart  des  Vogtlands.  Laut- 
lehre. Mit  1  Karte.  (Sammlung  kurzer  Grammatiken  deutscher 
Mundarten ,  hrsg.  v.  Otto  Bremer.  VIII.)  Leipzig ,  Breitkopf  u. 
Härtel,  1908.  XXII,  455  SS.    8". 

Gerbing,  Louise:  Die  Thüringer  Volkstrachten.  Zs.  des 
Ver.  f.  Volkskunde  in  Berlin.  H.  4  (1908).  S.  412-425. 

Gerdtell,  Ludwig  v.:  Rudolf  Euckens  Christentum.  Für 
Gebildete  aller  Stände  kritisch  dargestellt.  Eilenburg,  Becker,  1909. 
8».    V,  55  SS.     1  M. 

Gerwig,  K. :  Zur  Geschichte  der  Propstei  Bürgein.  (Schluß.) 
Schau-ins-Land.  XXXIV  (1908).  S.  69—87. 

Geschichte  des  Post-  und  Telegraphen wesens  in  dem  Groß- 
herzogtum Sachsen.    O.  J.,  O.  u.  Verf.     Illustriert.    4". 

Gigalski,  B. :  Die  wichtigsten  Schlachten  des  Krieges 
zwischen  Preußen  und  Frankreich  1806/7  im  Zusammenhang  mit 
den  vorhergehenden  und  den  nachfolgenden  Ereignissen,  nebst  einem 
Anhang,  den  Gefechten  bei  Braunsberg  u.  Heilsberg  im  Febr.  1807. 
Braunsberg,  Grimme,  1908.  72  SS.     8».     1  M. 

Gleichen -Russ  wurm,  A.  v. :  Weimar,  Bayreuth,  München, 
^drei  deutsche  Kunststätten".  Leipzig,  Verl.  Deut.  Zukunft,  1909. 
8".    40  Pf. 

Glockenguß,  der —  zu  Weida.  Beil.  z.  Jen.  Volksbl.  1909. 
Jan.  3. 

Gör  res,  S. :  Zur  Geschichte  der  Reliquien  der  hl.  Elisabeth. 
Histor.-politische  Blätter  für  das  katholische  Deutschland.  CXLII. 
S.  753—761  u.  794—802. 

Goethe,  Frau  Rath:  Briefe.  Gesammelt  u.  hrsg.  v.  Alb. 
Köster.  2  Bde.  Leipzig,  Insel- Verl.,  1908.  XIX,  291  u.  280  SS. 
8".     10  M. 

Goethe:  Aus  Goethes  Tagebüchern.  Ausgewählt  und  ein- 
geleitet V.  Hans  Gerh.  Graf.  Leipzig,  Insel- Verl.,  1908.  XVIII, 
270  SS.    8".    2  M. 

Goethes  autobiographische  Schriften.  (Großherzog  Wilhelm 
Ernst-Ausgabe.)  1.  Bd.  Aus  meinem  Leben.  Dichtung  und  Wahr- 
heit. Hrsg.  im  Auftrag  von  Alfred  Walter  Hevmel.  Leipzig,  Insel- 
Verl.,  1908.  831  SS.    8°.    6  M. 

Goethes  Briefe.  Ausgewählt  und  in  chronologischer  Folge 
mit  Anmerkungen  herausgegeben  von  Eduard  v.  d.  Hellen.  5.  Bd. 
(1807—1818).     Stuttgart,  Cotta,  1908.  312  SS.    8».     1  M. 

Goethe  und  Großherzog  Karl  Alexander.  Berlin.  Tageblatt. 
No.  182.  11.  April  1908.  Abd.-Ausg. 

Goethes  Briefwechsel  mit  Marianne  v.  Willemer.  Hrsg.  v. 
Ph.  Stein.    Leipzig,  Insel- Verl.,  1908.    8°. 

XXVIl.  34 


526  Literatur. 

Goethes  Briefwechsel  mit  Wilhelm  und  Alexander  von  Hum- 
boldt. Hrsg.  V.  Ludwig  Geiger.  Mit  1  Gravüre.  Berlin,  Bondy,  1909. 
XXXI,  360  SS.    8».     7,50  M. 

Goethes  Briefe  an  Charlotte  v.  Stein.  Hrsg.  v.  Jonas  Fränkel. 
Kritische  Gesamtausgabe.  (Mit  1  Portr. ,  2  Faksim. ,  26  Hand- 
zeichnungen V.  Goethe  u.  2  Bildern  v.  Tischbein.)  3  Bde.  Jena, 
Diederichs,  1908.  XXI,  445;  411  u.  480  SS.    8".    9  M. 

Götze,  Höfer  u.  Zschiesche:  Die  vor-  und  frühgeschicht- 
lichen Altertümer  Thüringens.  Mit  24  Lichtdrucktafeln  u.  1  archäo- 
logischen Karte.     Würzburg,  Kabitzsch,    1909.  XLI  u.  466  SS.     4«. 

Goldstein,  Julius:  Schillers  Lebensproblem.  Jb.  d.  Freien 
deutschen  Hochstifts  z.  Frankfurt.  1908.  S.  99—105. 

Grau,  K. :  Kleine  Chronik  der  Stadt  Remda.  Beilage  zur 
Schwarzburg-Rudolstädtischen  Landesztg.  (1908).  141.  Jg.  No.  8,  11, 
14,  17,  20. 

Grössler,  Hermann:  Die  sprachliche  Zugehörigkeit  des 
Namens  Pforta.  N.  Mitt.  a.  d.  Geb.  hist.-ant.  Forsch.  XVIIL  3. 
S.  342—356. 

Derselbe:  Zur  Geschichte  der  Sachsenburgen  an  der  Unstrut 
im  Kreise  Eckartsberga.  S.-A.  a.  d.  „Montagsblatt"  No.  28—30.  1908. 
(Wissenschaftl.  Wochenbeilage  der  „Magdeburgischen  Zeitung".) 
20  SS. 

Derselbe:  Vorgeschichtliche  Funde  aus  der  jüngeren  Stein- 
zeit vom  Huttenberg  bei  der  Gottesbelohnungshütte  unweit  von 
Groß-Örner  (Mansfelder  Gebirgskreis).  Mit  4  Tafeln.  Jahresschrift 
f.  d.  Vorgeschichte  der  sächs.-thüring.  Länder.  VII  (Halle,  O.  Händel, 
1908).  S.  95—134. 

Grotefend,  Otto:  Eegesten  der  Landgrafen  v.  Hessen. 
1.  Lfg.  (1247 — 1308).  Veröffentlichungen  der  historischen  Kommission 
für  Hessen  und  Waldeck.     Marburg,  Elwert,  1909.  180  SS.     8». 

Gruenwald,  Eugen:  Weimar  und  Goethe  Anno  1828.  Aus 
dem  Reisewerke  eines  enghschen  Touristen.  Goethe-Jahrb.  XXIX. 
36—43. 

Güssefeld,  F.  L. :  Plan  von  der  fürstl.  sächsischen  Residenz- 
Stadt  Weimar,  aufgenommen  1784.  Hrsg.  v.  K.  Treutermann.  2  Bl. 
je  80X^9  cm.  Farbdruck.  Weimar  (Dietsch  u.  Brückner),  1908. 
Nur  direkt.    4,50  M. 

Gutbier,  Hermann:  Beiträge  zur  Häuser-Chronik  der  Stadt 
Langensalza.     H.  2.  Langensalza,  Schütz,  o.  J.   114  SS.  8".     75  Pf. 

Derselbe:  Zur  Geschichte  des  Langensalzaer  Kreisblattes 
1759—1909.  Langensalza,  Wendt  u.  Klauwell,  1909.  Festschrift 
zum  150  jähr.  Jubiläum  des  Langensalzaer  Kreisblattes  am  19.  Mai 
1909.    64  SS.    8". 

Habbicht,  Heinrich:  Die  ersten  lutherischen  Pfarrwoh- 
nungen in  Eisenach.    Thüringer  Monatsblätter.   16.  Jahrg.  No.  9. 

Haese,  Fei.:  Auszug  aus  der  Geschichte  der  Stadt  Nord- 
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Hahn,  Karl:  Herzog  Johann  Wilhelm  von  Weimar  und  seine 
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tumsk.  XVIIL  (G.  F.  XXVL  Bd.)  (1908.)  S.  1—174. 

Hahne,  H. :  Neue  Funde  aus  dem  diluvialen  Kalktuff  des 
Ibntales.    Zs.  f.  Ethnologie.  40.  Jg.  S.  831  ff. 

Hallbauer, Ernst:  Die  weimarischen  Theaterhäuser.  Stunden 
mit  Goethe.  III,  S.  213—220. 


Literatur. 


527 


Hansmann,  Paul:  Kleists  „Zerbrochener  Krug".  Zum  Ge- 
dächnis  der  Erstaufführung  in  Weimar  am  12.  März  1908.  Beilage 
z.  Jenaischen  Ztg.  1908.  März  4. 

Hantzsch,  Viktor:  Karl  Vogel.  Allgem.  Deutsche  Bio- 
graphie. LIV  (1908).  S.  746—749. 

Hart,  Julius:  Ernst  v.  Wildenbruch.  VeUiagen  u.  Klasings 
Monatshefe.  23.  Jahrg.  H  7. 

Hashagen,  Fr.:  Johann  Sebastian  Bach  als  Sänger  und 
Musiker  des  Evangeliums  und  der  lutherischen  Eeformation.  Wismar 
Bartholdi,  1909.    8«. 

Hatfield,  James  T.:  Berichtigung  des  Datums  und  Inhalts 
eines  Goetheschen  Gespräches  mit  Kanzler  Friedrich  von  Müller. 
Goethe-Jahrb.  XXIX.  S.  184—190. 

Hasenclever,  A. :  Besuch  der  Gebrüder  Hasenclever  bei 
Goethe.  Zs.  d.  Berg.  Gesch.- Ver.  XXXVIII.  N.  F.  XXVIII  (1905). 
S.  25  f. 

Hausleiter, Johannes:  Luthers  und  Bugenhagens  Bedenken 
zum  Kegensburger  Buch  vom  29.  Juni  1541 .  Theolog.  Literatiu-blatt. 
30.  Jahrg.  H.  17. 

Hausmann:  Die  thüringischen  Universitätsstudenten.  Beilage 
z.  Jen.  Ztg.  1909.  No.  17. 

Heine,  H. :  Heimatsbuch  für  Nordhausen  und  die  Graf- 
schaft Hohenstein.  Hrssr.  unter  Mitwirkung  heimatlicher  Schrift- 
steller.   Nordhausen,  Wimmer,  1908.  VIII,  243  SS.    8°.    1,50  M. 

Heinse, Wilhelm:  Sämtliche  Werke.  Hrsg.  v.  Carl  Schüdde- 
kopf.  7.  Bd.  Tagebücher  von  1780—1800.  Leipzig,  Insel- Verl.,  1909. 
360  SS.    8°.    6  M. 

Heling,  E. :  Pommerns  Verhältnis  ziun  Schmalkaldischen 
Bunde.    (Schluß.)    Balt.  Stud.  N.  F.  XL  S.  23—67. 

Hellmann,  Siegmund:  Die  Entstehung  und  Überliefenmg 
der  Annales  Fuldenses.  IL  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere 
deutsche  Geschichtskunde.   XXXIV.  H.  1.   (Hannover  1908).    8". 

Helmbold,  Hermann:  Straßennamen  und  andere  Orts- 
bezeichnungen Eisenachs.  Mit  2  Stadtplänen.  Eisenach ,  Kahle, 
1909.  VIII,  88  SS.  8".  Beiträge  zur  Geschichte  Eisenachs.  XIX. 
1,50  M. 

Derselbe:  Eine  geschichtlich  interessante  Stätte  Eisenachs. 
(Das  ehemalige  Leihhaus.)  Sonntags-Blatt  d.  Eisenacher  Ztg.  1908. 
No.  29.  (Juli  5). 

Helmrich,  C. :  Die  Lobedaburg  bei  Jena.  Thüringer  Monats- 
blätter. 16.  Jahrg.  No.  1. 

Derselbe:   Die  Ruine  Lobedaburg.    Ebenda.  No.  2. 
Derselbe:     Die    schwedische    Gräfin    auf    der    Kunitzburg. 
Beil.  z.  Jen.  Volksbl.  1909.  März  28. 

Hennings,  L.:  Grundsteine  zu  einer  Stammtafel  der  hessisch- 
thüringischen  Famihe  Limpert.    Kopenhagen  1907.  59  SS.    8°. 

Hertel,  O. :  Ein  Gerberstreik  in  Eudolstadt  Anno  1588. 
Eudolstädter  Ztg.  1908.  Juni  7.  No.  133. 

Heyck,  Eduard:  Lukas  Cranach.  Mit  103  Abbildungen, 
Bielefeld,  Velhagen  u.  Klasing,  1908.  124  SS.  8".  Künstler-Mono- 
graphien, hrsg.  V.  H.  Knackfuß.  No.  95. 

Heymann,  E. :  Zum  Ehegüterrecht  der  heüigen  Elisabeth. 
Zs.  d.  Ver.  f.  thür.  Gesch.  u.  Altertumsk.  XIX.  (G.  F.  XXVII.) 
(1909.)  S.  1—22. 

34* 


528  Literatur. 

Hilgenfeld,  H. :  Der  Fall  Hilgenfeld  in  Osterburg  1856. 
Mit  Nachwort  von  F.  Nippold.  Zs.  f.  wiss.  Theologie.  L.  S.  297 
—323. 

Hirschberg,  Leopold:  Ein  Gedenkblatt  für  den  Kudels- 
burg-Dichter.  Zum  100.  Geburts-  und  50.  Todestage  Franz  Kuglers. 
Zs.  f.  Bücherfreunde.  Jl.  Jahrg.  (1907  u.  1908).  Bd.  IL  S.  471— 488. 

Höfer,  Paul;  Wider  alte  und  neue  Legenden.  Zs.  d.  Ver. 
f.  thür.  Gesch.  u.  Altertumsk.  XIX.  (G.  F.  XXVII.)  (1909.) 
S.  275-316. 

Höffner,  J. :  Frau  Rat.  Elisabeth  Goethe,  geb.  Textor, 
Bielefeld,  Velhagen  u.  Klasing,  1908.  V,  186  SS.  S".  4  M.  Frauen- 
leben. XII. 

Hollstein,  E.:  Geschichte  der  Stadt  Wanfried,  1608—1908. 
Wanfried,  Israel,  1908.  115  SS.    8".     1,50  M. 

Huth,  Robert:  Die  Cyriaksburg  bei  Erfurt.  Geschichtl. 
Darstellung  und  Beschreibung.  Erfurt,  Keil,  1907.  100  SS.  8». 
50  Pf. 

Derselbe:  Warttürme  und  Dorf befestigungen  der  Umgegend 
von  Erfurt.    Thüringer  Monatsblätter.    16.  Jahrg.  No.  3,  4,  5,  7. 

lUgner:  Vacha  1806.  Aus  den  hinterlassenen  Papieren  des 
Landrats  Hartert  zu  Hersfeld.  Zs.  d.  Ver.  f.  hess.  Gesch.  XLIl.  N.  F. 
XXXII.  S.  53-71. 

Imhof,  Oskar  Wilhelm:  ürtsgeschichte  von  Nieder- 
zimmern, mit  einem  Vorwort  von  MoUberg.  Mit  Abbildungen  (8  Taf.) 
und  einer  Flurkarte.    I.  Tl.:  Urzeit  bis  1600.  52  SS.    8".     Weimar 

1908.  Niederzimmern  (S.-Weimar)  Selbstverl.     1,50  M. 
Jacobs,  Ed.:    Karl  Gustav  Schmidt.     Allgemeine   Deutsche 

Biographie  LIV.  (1908).  S.  100—102. 

Derselbe:  Anton  Heinrich   Walbaum.    Ebenda  S.  784—788. 

J  a  h  n  ,  K. :  Goethes  Dichtung  und  Wahrheit.  Vorgeschichte  — 
Entstehung  —  Kritik  —  Analyse.  Halle,  Niemeyer,  1908.  VII, 
382  SS.    8".    7  M. 

Jena  als  Universität  und  Stadt  im  Sommer  1909.  Hrsg.  vom 
Verein  z.   Ford.  d.   Fremdenverkehrs.     Jena,   Verlag  des   Vereins, 

1909.  8». 

Jordan,  R. :  Zur  Geschichte  der  Stadt  Mühlhausen  i.  Th. 
Heft  1—7  in  2.  Auflage.  Mühlhausen  i.  Th.,  Danner,  1908.  Meist 
1,20  M. 

Derselbe:  Zum  „Schwedenschreck"  im  Jahre  1706.  Zs.  d. 
Ver.  f.  thür.  Gesch.  u.  Altertumsk.  (1909).  XIX.  (G.  F.  XXVII.) 
S.  461—479. 

Derselbe:  Der  Schoßmeier.  Thüringer  Monatsblätter. 
16.  Jahrg.  No.  12. 

Jordan,  R.,  u.  Bemmann,  R. :  Vom  Weißen  Haus  und 
Popperode.    Mühlhäuser  Anzeiger.  1908.  No.  136  ff. 

Joret,  C. :  Correspondance  inedite  de  l'hell^niste  d'Ansse  de 
Villoison  avec  la  duchesse  douairifere  Anne-Amelie  de  Saxe- Weimar. 
Revue  Germanique.     5°  Ann^e.  No.  2.    Paris,  Alcan. 

Jorgensen,  G.:  Luther  og  hans  tid,  1525 — 46.  Kjobenhavn 
1908.  348  SS.    8».    3  M. 

Jubiläum,  350jähriges,  der  Universität  zu  Jena,  31.  Juli  und 
1.  August  1908.    Jena,  G.  Neuenhahn  (1908).  39  SS.     4«.     1  M. 

Jubiläums-Festnu  mmer  der  Jenaischen  Zeitung  (1908. 
No.   178.  Juli  31).    Inh.:   Dreihundertfünfzig  Jahre.   —  Amicis  et 


Literatur.  529 

commilitonibus  pristinis  s.  d.  Wilh.  Frenkel  (1862 — 1865).  —  Aus 
der  Geschichte  der  Universität  Jena :  I.  Die  Anfänge  der  Universität. 
II.  Die  Gefangennahme  des  Prof.  Strigel  und  des  Superintendenten 
Hügel  in  der  flacht  vom  26.  zum  27.  März  1559.  III.  Der  Auszug 
der  Jenaer  Studenten  nach  Nohra  i.  J.  1792.  IV.  Die  Universitäts- 
Bibliothek:  in  Jena  1858—1908.     V.  Ein  Hamburger  über  Jena. 

Juncker,  Christian:  Bilder  aus  dem  alten  Salzungen. 
Auszüge  aus  J.s  „Ehre  der  geforsteten  Grafschaft  Henneberg".  1704. 
Salzungen  (Scheermesser)  1908.  28  SS.     8».     40  Pf. 

Kalkoff,  Paul:  Aleander  gegen  Luther.  Studien  zu  unge- 
druckten Aktenstücken  aus  Aleanders  Nachlaß.  Leipzig,  R.  Haupt, 
1908.    VI,  162  SS.    8°.    5  M. 

Keil,  Bruno:  Rudolf  Scholl.  Allgemeine  Deutsche  Biographie. 
LIV  (19Ü8).  S.  140—148. 

Kekule  v.  Stradonitz,  Stephan:  Über  die  neuere,  Goethe 
und  Schiller  betreffende  genealogisch-heraldische  Literatur.  Goethe- 
Jahrb.  XXIX.  S.  196-205. 

Keller,  Ludwig:  Die  Universität  Jena  in  ihrer  Bedeutung 
für  die  Geistesgeschichte.  Monatshefte  der  Comeniusgesellschaft. 
17.  Jahrg.  (1908).  S.  237—244. 

Kellermann,  Carl  A. :  Was  Lauchstedt  aus  alten  Tagen 
mir  zu  erzählen  gewußt.  Hamburg  u.  Leipzig  1908.  14  SS.  8". 
25  Pf. 

Derselbe:  Im  Goethehause  zu  Gast.  Nach  eines  Engländers 
Tagebuchnotizen  aus  Ilmathens  klassischen  Tagen.  Mit  Buchschmuck. 
Oldenburg,  Hintzen,  1908.     24  SS.     16».     75  Pf. 

Kelter,  Edmund:  Ein  Jenaer  Student  um  1630  (Eberhard 
V.  Todenwarth).    Jena,  Diederichs,  1908.    83  SS.    8».    2  M.  50. 

Derselbe:  Jenaer  Studentenleben  zur  Zeit  des  Renommisten 
von  Zachariae,  nach  Stammbüchern  aus  dem  Besitze  des  Hamburger 
Museums  für  Kunst-  und  Gewerbegeschichte.  75  SS.  4°.  Mit  27 
Abb.  Jahrbuch  der  Hamburger  wissenschaftlichen  Anstalten.  XXV 
(1907).  Hamburg  1908. 

Kießkalt,  Ernst:  Die  Grabsteine  in  der  Kirche  zu  Gräfen- 
thal  (Sachs.-Mein.).  Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür.  Gesch.  u.  Altertumsk. 
(1909).  XIX.  (G.  F.  XXVII.)  S.  480—489. 

Kirmse,  Ernst:  Die  Reichspohtik  Hermanns  L,  Landgrafen 
von  Thüringen  und  Pfalzgrafen  von  Sachsen  (1190—1217).  Ztschr. 
d.  Ver.  f.  Thür.  Gesch.  u.  Altertumsk.  (1909).  XIX.  (G.  F.  XXVII.) 
S.  317—348.  I.  Teil  auch  als  Jen.  Diss.  Jena,  Fischer,  1909. 
33  SS.    8°. 

Klein,  Otto:  Goethes  Euphrosyne,  Christiane  Neumann- 
Becker.    Leipzig-Gohlis,  Volger,  1909.    8«. 

Knetsch,  A. :  Das  Staats-  und  Verwaltungsrecht  des  Groß- 
herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach.  In  Bibl.  des  öffentl.  Rechts. 
XIV.    Hannover,  M.  Jänecke,  1909.    5,60  brosch.,  geb.  6  M. 

Knetsch,  Carl:  Goethes  Ahnen.  Leipzig,  Klinkhardt  u. 
Biermann,  1908.     94  SS.     Mit  30  Stammtaf.    8".    4,50  M. 

Knetzschke-Schönau  ,  M.:  Auf  den  Spuren  der  weißen 
Frau.  (Zur  Erinnerung  an  Burg  Lauenstein  in  Oberfranken.)  Berlin, 
Vobach  u.  Co.,  1909.    53  SS.    8«.    50  Pf. 

Koch,  Ernst:  Magister  Erasmus  Reinhold  aus  Saalfeld. 
Saalfelder  Weihnachtsbüchlein.  55.  Jahrg.  Saalfeld  (Wiedemann) 
1908.    16  SS.    8".    50  Pf. 


530  Literatur. 

Koch,  Her bert:  Der  sächsische  Bruderkrieg  (1445 — 1451). 
I.  Teil:  Bis  zum  Erfurter  Frieden.  1445  bis  25.  IX.  1447.  Diss.  Jen. 
Halle  a.  S.  (Kaemmerer)  1909.     111  SS.    8«. 

Derselbe:  Glockennamen  in  Thüringen.  Beilage  z.  Jen.  Ztg. 
1909.    No.  26. 

Koch,  Konrad:  Das  Eisenacher  Spiel  von  den  zehn  Jung- 
frauen und  seine  Wirkung.  Thüringer  Monatsblätter.  16.  Jahrg. 
No.  10. 

Koepert,  Otto:  Moritz,  Prinz  von  Sachsen-Altenburg,  Herzog 
zu  Sachsen.  Ein  Lebensbild.  Altenburg,  Bonde,  1908.  60  SS.  8^. 
1  M. 

K  ö  s  t  e  r :  Die  Stadt  Naumburg  a.  S.  im  siebenjährigen  Kriege. 
Aufzeichnungen  des  damaligen  Oberkämmerers  Weinich,  aus  dem 
städtischen  Archive  veröffentlicht.  (Schluß.)  N.  Mitt.  a.  d.  Geb.  hist.- 
ant.  Forsch.  XXIII.  3.  S.  273—330. 

Koester,  Albert:  Vom  Weimarer  Hof theater  unter  Goethes 
Leitung.  Mit  zwei  Briefen  von  Goethe  und  einem  von  Heinrich 
Becker.    Goethe-Jahrb.  XXIX.  S.  22—26. 

Kohlmann,  Philipp  Wilh. :  Adam  v.  Bremen.  Ein  Bei- 
trag zur  mittelalterlichen  Textkritik  und  Kosmographie.  Leipzig, 
Quelle  u.  Meyer,  1908.  VIII,  135  SS.  8".  Leipziger  historische 
Abhandlungen.  Heft  X.    4,40  M. 

Kolde,  Th.:  Veit  Dietrich  und  Luther  auf  der  Veste  Koburg. 
Beitr.  z.  bayer.  Kirch.-Gesch.  XIV.  S.  137—142. 

Komlössy,  Fr.:  Das  Leben  unserer  1.  heil.  Elisabeth.  Preß- 
burg, Angermayer,  1906.    51  SS.    8". 

Krebs,  K. :  Sächsische  Kriegsnot  1805 — 1813.  Leipzig,  Teu- 
tonia,  1908.    8».    3  M. 

Kreß,  Frhr.  v. :  Sage  von  dem  orlamündischen  Kindermord 
und  der  Stiftung  des  Frauenklosters  Himmelsthron  im  neuen  Spital  zu 
Nürnberg.    Jahresber.  d.  Ver.  f.  G.  d.  St.  Nürnberg.  1907.  S.  24—27. 

Krippendorf,  Johann  Adam:  Schilderung  der  merk- 
vpürdigsten  Kriegsbegebenheiten  bei  Auerstedt.  Von  einem  Augen- 
zeugen u.  Führer  des  Herzogs  von  Braunschweig,  J.  A.  K.,  Bauer  in 
Auerstedt.  (Nebst  einem  Anh. :  Enthüllungsfeier  des  neurestaurierten 
Denkmals  für  den  in  der  Schlacht  bei  Auerstedt  1806  tötlich  ver- 
vnindeten  Herzog  Carl  von  Braunschweig  bei  Hassenhausen  am 
9.  IX.  1888).  4.  Aufl.  Bad  Suiza,  Rost,  1908.  76  u.  22  SS.  16°. 
25  Pf. 

Kroker,  E.:  Roerers  Handschriftenbände  und  Luthers  Tisch- 
reden.   Archiv  f.  Ref.-Gesch.  (Leipzig  1908).  V.   S.  337—374. 

Küch,  F.:  Zur  Entstehungsgeschichte  des  Wittenberger  Rat- 
schlags vom  10.  Dez.  1539.  Ztschr.  f.  Kirchengesch.  (1908).  XXIX. 
S.  403—407. 

Kühn,  Magdalene:  Ein  Blick  rückwärts.  Erinnerungen 
aus  der  Kinderzeit  einer  Thüringer  Pfarrerstochter.  Altenburg,  Geibel, 
1908.     142  SS.    8«.     1,50  M. 

Kühn,  P. :  Weimar.  =  Stätten  der  Kultur.  Eine  Sammlung 
künstlerisch  ausgestatteter  Städte-Monographien.  Hrsg.  von  G.  Bier- 
naann.    Bd.  XIII. 

Kullmer,  Charles  Julius:  Poessneck,  the  Scene  of 
Hermann  and  Dorothea.  Paper  presented  at  the  24.  annual  meeting 
of  the  Modern  Language  Association  of  America,  New  Haven,  Conn. 
Dec.  27—29.  1906. 


Literatur.  53J^ 

Kunitz.     Beil.  z.  Jen.  Volksbl.  1909.  Febr.  7. 

Lämmerhirt,  G. :  Christian  Gottlob  v.  Voigt.  Alle.  Deutsche 
Biographie.  LIV  (1908).  S.  752—755. 

Lamprecht,  Karl:  Weimar  und  Jena.  (Zu  Goethes  und 
Schillers  Zeit.)     Der  Kunstwart.  München.  XX.  3. 

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Luther,  M.,  als  deutscher  Klassiker.  Auswahl  aus  seinen 
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von   Sachsen.     Briefwechsel   1747  —  1772.     Mit   einem   Anhang   er- 


532  Literatur. 

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und  Wirkens.    München  1908.    8". 

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1908.    VII,  83  SS.    1  M. 

Mentz,  G.:  Johann  Friedrich  der  Großmütige  1503 — 1554. 
2.  Teil:  Vom  Kegierungsan tritt  bis  zum  Beginn  des  schmalkaldischen 
Krieges.  3.  (Schluß-)Teil :  Vom  Beginn  des  schmalkaldischen  Krieges 
bis  zum  Tode  des  Kurfürsten.  Der  Landesherr.  Aktenstücke.  Jena, 
Fischer,  1908.  XXVI,  562,  u.  X,  602  SS.  8".  30  M.  [Beiträge  zur 
neueren  Geschichte  Thüringens.  Bd.  I.   2.  u.  3.  Teil.] 

Merlen,  Melchior:  Reimchronik  von  Eisenach  und  der 
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Meusel,  F.:  Nachträge  zu  Marwitz'  Berichten  an  die  Im- 
mediatkommission  über  die  Schlacht  von  Jena  und  die  Kapitulation 
von  Prenzlau.  Forschungen  z.  Brandenb.  u.  Preuß.  Gesch.  (1907). 
XX,  1.  S.  195—208. 

Meyenberg,  A. :  Wartburgfahrten.  Wanderbücher  aus  Innen- 
und  Außenwelt.  Luzern,  Näter  u.  Co.,  1908.  454  SS.  8«.  5,70  M. 
Meyer,  Franz:  Friedrich  v.  Nerly.  Eine  biographisch-kunst- 
historische Studie.  Mit  14  Abbildungen.  Sonderabdruck  aus  den 
Mitteilungen  des  Vereins  f.  Gesch.  u.  Altertumsk.  von  Erfurt.  H.  28. 
Erfurt,  ViUaret,  1908.    8». 

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Stolberg  mit  der  Stadt  Nordhausen  über  Holzflößerei  auf  dem  Feld- 
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Mitteilungen  des  statistischen  Bureaus  des  Herzogl.  Staats- 
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Derselbe:  Karl  Friedrich  Seyferth.  Allg.  Deutsche  Bio- 
graphie. LIV  (1908).  S.  335—336. 


Literatur.  533 

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Derselbe:  Theodor  Thon.    Ebenda  S.  700—702. 

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Derselbe:  Heimatkundliches  Vademekum  für  die  Lehrer  der 
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hrsg.    2.  Heft.    Eckartsberga  1908.    112  SS.    8°.    1,70  M. 

Naumann,  E. :  Fossilfunde  im  mittleren  Muschelkalk  bei 
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1  M. 

Nicolai,  Wilhelm:  Luther  legenden.  Thüringer  Monats- 
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Noailles  ,  Vicomte  de:  Bernard  de  Saxe- Weimar  (1604—1639) 
et  la  reunion  de  l'Alsace  ä  la  France.  Paris,  Perrin  et  Cie.,  1908. 
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3.  Lfg.  30,5  X  23,5  cm.  2.  Lfg.  Bd.  II.  1354-1396.  Bearb.  von 
Fritz  Vigener  (S.  1—80).  3.  Lfg.  Bd.  I.  1289—1353.  Bearb.  von  Ernst 
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Mit  6  Tafeln.  Depotfund  von  Bronzeschwertern  etc.  von  Keferstedt 
und  Bleicherode  (Kreis  Grafschaft  Hohenstein).  Jahresschrift  f.  d. 
Vorgeschichte  der  sächsisch-thüring.  Länder.  Hrsg.  v.  d.  Provinzial- 
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Runge,  Otto:  Die  Metamorphosen -Verdeutschung  Albrechts 
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S. :  Dornburg.  (Aus  alten  Statuten.)  Beil.  z;um  Jen.  Volksbl. 
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Sauerteig,  Alfred :  Coburger  Bürgerbuch.  Sammlung  der 
Ortsstatute,  Polizeiverordnungen  und  sonstigen  behördl.  Vorschriften 
und  Bekanntmachungen  f.  d.  herzogl.  Residenzstadt  Coburg.  Bearb., 
sowie  mit  Erläuterungen  u.  Hinweisen  versehen.  Coburg  ]908.  III, 
VIII  u.  3-460  SS.    24,5  X  20  cm.    5  M. 

Sauzey:  Les  Allemands  sous  les  aigles  frangaises,  essai  sur  les 
troupes  de  la  confMeration  du  Rhin  (1806—1813).  IV. :  Le  Regiment 
des  duches  de  Saxe.    Paris,  Chapelot,  1908.    204  SS.    8°. 

Scher g,  J.:  Das  Grafeugeschlecht  der  Mattonen  und  seine 
rehgiösen  Stiftungen  in  Franken.  Studien  u.  Mitteilungen  aus  dem 
Benediktiner-  u.  dem  Cisterzienserorden.  XXIX  (1908).  S.  506—516. 


536  Literatur. 

Schiller,  Charlotte  v.:  Ch.  v.  S.  und  ihre  Freunde.  Aus- 
wahl aus  ihrer  Korrespondenz,  hrsg.  von  Ludwig  Geiger.  BerUn, 
Bondy,  1908.    8«. 

Schiller  und  Lotte.  Ein  Briefwechsel.  Hrsg.  von  Alex. 
V.  Gleichen-Eußwurm.  2  Bde.  Jena,  Diederichs,  1908.  XVI,  657  SS. 
8».    5  M. 

Schmeizel.  Martin:  Jenaische  Stadt-  und  Universitäts- 
Chronik.  Hrsg.  von  Ernst  Devrient.  Mit  einem  Stadtplan  vom  Jahre 
1758.    Jena,  Vopelius,  1908.    VIII,  213  SS.    8°.    4  M. 

Schmidt,  Berthold:  Nochmals  die  Ausgrabung  im  Kloster 
Cronschwitz.  (Mit  2  Siegelabb.  im  Texte.)  Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür. 
Gesch.  u.  Altertumsk.  (1909).  XIX.  (G.  F.  XXVII.)  S.  435—460. 

Schmidt,  B.,  u.  Knab,  C. :  Reußische  Münzgeschichte. 
Nachtrag.  Dresden,  Verl.  d.  numism.  V.  zu  Dresden,  1909.  17  SS. 
8«  u.  2  Tai 

Schmidt,  Erich:  Ein  Skizzenbuch  Otto  Ludwigs.  Sitzungs- 
berichte der  Preuß.  Akademie  d.  Wissenschaften.  (Berlin,  Reimer.) 
1909.  S.  223—244.    8». 

Schmidt,  G.:  Das  Geschlecht  von  der  Schulenburg.  I.Teil: 
Ursprung,  Wappen,  Lehnswesen  usw.  Beetzendorf  (Berlin,  Mittler 
u.  Sohn)  1908.    VI,  771  SS.    8«.     16  M. 

Sehn  ei  deck,  G.  H. :  Aus  Alt-Jena.  Über  Land  und  Meer. 
1908.    No.  42. 

Derselbe:  Jena.    Gartenlaube.  1908.  No.  27. 

Schneider,  Max:  Die  Abiturienten  des  Gymnasiums  Erne- 
stinum  zu  Gotha  und  Joachim  Marquardts  Direktorat  1859 — 1882. 
Progr.  d.  Gymn.  Gotha.    14  SS.     4°. 

Derselbe:  Themata  der  öffentlichen  Schülerdisputationen  am 
Gymnasium  illustre  zu  Gotha.  Forts.:  1693—1727.  Mitt.  d.  Ges. 
f.  dt.  Erziehungs-  u.  Schul-G.  XVIII.  S.  44—56. 

Derselbe:  Schwerttänze  in  Friedrichroda.  Thüringer  Monats- 
blätter. 16.  Jahrg.  No.  2. 

Schoen,  Th. :  Frau  Anna  Barbara  von  Schönburg,  geb.  Eeuß 
von  Plauen.  Schönburgischer  Hauskalender  auf  das  Jahr  1909. 
S.  27—30. 

Schoenermark,  G. :  Ein  bisher  unbekanntes  Flachbild  des 
älteren  Cranach.    Die  Denkmalpflege  (1908).  S.  74  ff. 

S  c  h  ö  p  p  e :  Erinnerungen  eines  alten  Klosterlausnitzers,  Eisen- 
berg, P.  Bauer,  1909.    40  SS.    8".    60  Pf. 

Schroeder,  Edward:  Der  Prolog  der  „Metamorphosen- 
Bearbeitung  des  Albrecht  von  Halberstadt.  Zur  Überlieferung  des 
Herbort  von  Fritzlar.  Nachrichten  der  K.  Ges.  der  Wissenschaften 
zu  Göttingen.  Phil.-historische  Klasse.  1909.  S.  63 — 102. 

Schubert,  H.  v. :  Beiträge  zur  Geschichte  der  evangelischen 
Bekenntnis-  und  Bündnisbildung  1529/30.  I.  II.  Ztschr.  f.  Kircheng. 
(1908).  XXIX.  S.  323-385. 

Derselbe:  Bündnis  und  Bekenntnis  1529/1530.  Vortrag,  ge- 
halten im  Melanchthonhaus.  Schriften  des  Vereins  f.  Ref.-Geschichte. 
26.  Jahrg.  No.  98.  1.  Stück.    Leipzig,  Haupt,  1908.     35  SS.    8«. 

Schulte,  V.:  Erinnerungen  an  und  Gespräche  mit  Heinrich 
Geizer.    Deutsche  Revue.  XXXIII.  2.  S.  286-291. 

Schultz,  Franz:  Briefe  von  und  an  Goethe.  Goethe  und 
Waiblinger.     Goethe-Jahrb.  XXIX.  S.  10-21. 

Schuster,  Geo. :  Verwandtschaft  der  Häuser  HohenzoUern 
und  Wettin.    Hohenzollern-Jahrb.  XL  S.  109—154. 


Literatur.  537 

Schweizer,  Paul :  Der  Donaufeldzug  von  1546.  Mitteilungen 
des  Instituts  für  Österreichische  Geschichtsforschung.  XXIX  (1908). 
S.  88—152.    Mit  1  Karte. 

Schwenckfeld  of  Ossig,  Caspar:  The  correspondence 
of  C.  S.  o.  O.  and  the  Landgrave  Philip  of  Hesse  1535—1561.  Edited 
from  the  sourcps  with  historical  and  biographical  notes  by  James 
Leslie  French.  Leipzig,  ßreitkopf  u.  Härtel,  1908.  V,  107  BS.  8".  4  M. 

Segnitz,  Eugen:  Goethe  und  die  Oper  in  Weimar.  Langen- 
salza, Beyer,  1908.  24  SS.  8".  80  Pf.  Aus:  „Magazin,  musika- 
lisches .  .  .",  hrsg.  von  Ernst  Rabich. 

Derselbe:  Goethe  und  die  Leitung  der  Oper  in  Weimar. 
Allg.  Musik-Ztg.  Charlottenburg.  XXXVI.  S.  36  ff. 

Seidel,  Hugo:  Spuren  des  Slaventums  zwischen  Mulde  und 
Saale,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Kreise  Delitzsch  und 
Bitterfeld.  Jb.  d.  Oberrealschule  in  Entw.  zu  DeUtzsch  über  das 
Schuljahr  1906/07.  S.  3—18. 

Seilmann,  Karl:  Heimatkunde  von  Mühlhausen  i.  Th.  und 
Umgegend.    Mühlhausen,  Hey,  1908.    VIII,  168  SS.    8».    2  M. 

Derselbe:  Die  Besiedelung  des  Stadtgebietes  (sc.  Mühlhausen) 
während  der  La  Tfene-Zeit.     Mühlhäuser  Anzeiger.  1908.  No.  2. 

Senf,  M. :  Geschlechtsfolge  der  Familie  Cranach.  Viertel- 
jahrsschr.  f.  Wappenkunde  etc.  XXXVI.  S.  214—223. 

Seuffert,  Bernhard:  Prolegomena  zu  einer  Wieland-Ausgabe. 
V.  VI.  Im  Auftrage  der  deutschen  Kommission  entworfen.  Aus 
dem  Anhang  zu  den  Abhandlungen  der  K.  Preuß.  Akademie  der 
Wissenschaften  vom  Jahre  1909.     Berhn  1909.    97  u.  110  SS.    4». 

Silhouetten  aus  der  Goethezeit.  Aus  dem  Nachlaß  Johann 
Heinrich  Mercks  hrsg.  und  eingeleitet  von  Leo  Grünstein.  Wien, 
Löwy,  1909.    VII,  49  SS.  u.  100  Taf.    8°.    12,30  M. 

Siebert,  Karl:  Wer  ist  das  Gothaer  Liebespaar?  Repertorium 
für  Kunstwissenschaft.  XXX.  S.  441—445. 

Siebm achers,  J.,  großes  und  allgemeines  Wappenbuch,  neu 
herausg.  Bd.  VI.  13.  Abt.  v.  Mülverstedt,  G.  A. :  Ausgestorbener 
Adel  der  Fürstentümer  Schwarzburg,  zugleich  Entwurf  eines  Lexi- 
kons des  früheren  Schwarzburgischen  Adels.  Nürnberg,  Bauer  u. 
Raspe,  1908.    IV,  52  SS.    28  Taf.    4».     15  M. 

Siegen:  Weimars  Fürstenhaus.  Leipzig,  Dt.  Zukunft,  1909.  8". 

Siegfried,  C:  Johann  Gustav  Stickel.  Allg.  Deutsche  Bio- 
graphie. LIV  (1908).  S.  519-522. 

Sigismund,  Friedrich:  Das  tolle  Jahr  1848  in  Schwarz- 
burg-Rudolstadt.  Jahresbericht  über  das  Wilhelm  Ernstische-Gym- 
nasium in  Weimar.     Weimar,  Hofbuchdruck.,  1909.    S.  1—8.    4**. 

Simon,  Johannes:  Stand  und  Herkunft  der  Bischöfe  der 
Mainzer  Kirchenprovinz  im  Mittelalter.  Weimar,  Böhlau,  1908.  VI, 
108  SS.    8°.    3  M. 

Simon,  Philipp:  Die  Huldigung  der  Künste.  Neue  Jahrbb. 
f.  d.  klassische  Altertum.  11.  Jahrg.  (1908).  XXI.  S.  714-721. 

Derselbe:  Schillers  Nänie.    Ebenda  S.  351—357. 

Sommerfeldt,  Gustav:  Zur  Geschichte  der  Grafen  Hein- 
rich XXIV.  (t  1444)  und  Heinrich  XXVI.  (f  1448)  von  Schwarz- 
burg-Sondershausen. Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür.  Gesch.  u.  Altertumsk. 
(1909).  XIX.  (G.  F.  XXVII.)  S.  506—512. 

Spam  er,  Eugen:  Voilä  un  homme.  Zur  Begegnung  Goethes 
mit  Napoleon  (2.  Okt.  1808).    Beilage  zur  Jen.  Ztg.  1908.  Okt.  4. 


538  Literatur. 

Stanberger,  Balthasar:  Dialogus  zwischen  Petro  und 
einem  Bauern  (1523).  Hrsg.  von  Otto  Giemen.  Flugschriften  aus  den 
ersten  Jahren  der  Eeformation.  III,  5.  S.  185—218.  Leipzig,  Haupt, 
1908.    8".    1,20  M. 

Spangenberg:  urkundliches  zur  ältesten  Geschichte  der 
Xlosterschule.    Progr.  ßoßleben.    1908.    4". 

Steffens,  Henrik:  Lebenserinnerungen  aus  dem  Kreis  der 
Romantik.  In  Auswahl  hrsg.  von  Friedrich  Gundelfinger.  Jena, 
Diederichs,  1908.    XXXII„  4^2  So.    8«.    6  M. 

Steinhäuser,  Wilhelm:  Aus  dem  Leben  von  Karl  Stein- 
häuser, weiland  Hauptlehrer,  Organist  und  königl.  Musikdirektor  in 
Mühlhausen  in  Thür.  Beitrag  zu  einem  Zeitbilde  des  musikaUschen 
Lebens  von  Thüringen,  insbesondere  von  Mühlhausen  in  Thür.  1823 
—1903.    Mühlhausen  i.  Th.  (Hey)  1908.    215,  V  SS.    8°.    3  M. 

Stephan,  Georg:  Über  den  Einfluß  der  orographischen  Lage 
auf  die  interdiurne  Temperaturveränderlichkeit  im  Thüringer  Wald. 
Diss.   Jena   und    „Mitteilungen    der    Geogr.  Gesellschaft   zu   Jena". 

XXVI.  Jena  (Frommann)  1908.    54  SS.    8«. 

Sterzing,  H. :  Die  Trüffel  und  ihr  Vorkommen  in  den  beiden 
Fürstentümern  Schwarzburg.  Beilage  zur  Schwarzburg-Rudolstädti- 
schen  Landesztg.  (1908).  140.  Jahrg.  No.  27S.  280.  282.  Siehe  dazu: 
Zur  Trüffeljagd.    Ebenda  No.  302. 

Derselbe:  Die  Hochzeit  auf  Kyffhausen.  Eine  Sage  der  Vor- 
zeit.   Ebenda  No.  286. 

Stieda,  Wilhelm:  Eine  Glashütte  in  Ilmenau  im  18.  Jahr- 
hundert.   Ztschr.   d.    Ver.   f.   Thür.    Gesch.    u.    Altertumsk.   (1909.) 

XXVII.  (N.  F.  XIX.)  S.  153—198. 

Derselbe:  Das  Jagdschloß  des  Herzogs  Ernst  August  von 
Weimar  in  Stützerbach.    Ebenda  S.  129 — 152. 

Stier,  Adolf:  Jena.  Berlin,  Dr.  Wedekind  u.  Co.,  1908.  4«. 
Die  deutschen  Hochschulen,  hrsg.  von  Th.  Kappstein.    Bd.  II.    4  M. 

Strauß,  K. :  Chronik  der  Stadt  Wanfried.  Wanfried,  Braun, 
1908.    220  SS.    8°.    2,25  M. 

Strohmayer,  Wilhelm:  Die  Psychiatrie  in  Jena  am  An- 
fange des  19.  Jahrhunderts.  Korrespondenzblätter  d.  Allg.  ärztlichen 
Ver.  von  Thüringen.  XXXVII.  1908.  S.  41—52. 

Suhle:  Beiträge  zur  Genealogie  der  Grafen  von  Stolberg.  (Mit 
1  Tabelle  zu  den  verwandschaftlichen  Beziehungen  der  Grafen  von 
Stolberg,  Hohnstein  und  Beichlingen.)  Ztschr.  d.  Harz-V.  f.  G.  u. 
A.  (1908.)  XLI.  S.  27—68. 

T.:  Der  Taubacher  Münzfund.  Beilage  zur  Jen.  Ztg.  1909. 
No.  18. 

Tetzner,  F.:  Thüringische  Tranksteuerregister  der  Amter 
Kamburg  und  Dornburg  1632—1637.  Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür.  Gesch. 
u.  Altertumsk.  (1909.)  XIX.  (G.  F.  XXVII.)  S.  489—497. 

Derselbe:  III.  Tarquinius  Schnellen bergs  Werke.  Beiträge 
zur  Geschichte  Dortmunds.  XVII.  S.  91—116. 

Thauß,  G.:  Langensalza.  Ein  Erinnerungsblatt  an  den  27.  Juni 
1866.    Thüringer  Monatsblätter.  16.  Jahrg.  No.  3. 

Theobald,  L. :  Leben  und  Wirken  des  Tendenzdramatikers 
Thomas  Naogeorgus  seit  seiner  Flucht  aus  Sachsen.  1908.  116  SS. 
8^.  3,50  M.  Quellen  u.  Darst.  a.  d.  Geb.  des  Reformation s- Jahr- 
hunderts, hrsg.  von  G.  Berbig. 


Literatur, 


539 


Thielisch:  Tilisch,  Tillisch,  Thielisch,  Tilesius  (wichtig  für 
Mühlhausen).    Archiv  f.  Stamm-  u.  Wappenkunde.    8.  Jahrg.  No.  4. 

Timpel,  M. :  Erfurter  Hausinschriften.  Thüringer  Monats- 
blätter. 16.  Jahrg.  No.  8. 

Trapp,  des  Joh.  Wilh..  Chronik.  Eisenach  in  den  Jahren 
1739  bis  1805.  2.  Aufl.  Eisenach,  Kahle,  1908.  39  SS.  8".  65  Pf. 
Beiträge  zur  Geschichte  Eisenachs.  XVIII. 

Troege,  Walther:  Die  Heinrichsburg  und  die  Herren  von 
Meldingen.  Ein  Beitrag  im  Dienste  der  Heimatskunst.  Beilage  zur 
Jen.  Ztg.  1908.  Nov.  29. 

Trüper,  J. :  Das  Erziehungsheim  und  Jugendsanatorium  der 
Sophienhöhe  bei  Jena.  8.  erweiterte  und  mit  30  Abb.  versehene 
Auflage.    Langensalza,  H.  Beyer  u.  Söhne,  1909.    64  SS.    8". 

u.,  1.:  Ludwig  Starck,  Dichter.  AUg.  Deutsche  Biographie. 
LIV  (1908).    S.  447-448. 

Unbescheid,  Wilhelm  Hermann:  Chronik  der  Familie 
Unbescheid.  4.  Heft.  Beilagen  :  1)  Die  Gemeinde  Gierstädt  bei  Groß- 
fahne in  Gotha.  2)  Extrablatt  zur  Chronik  der  Familie  U.  Hoch- 
zeitsztg.  Dresden,  Kauchhaus,  1908.  S.  137—160,  7  und  8  SS.  Mit 
Abb.    8". 

Valentin,  Franz:  Karl  August  Schwerdtgeburth.  Allg. 
Deutsche  Biographie.  LIV  (1908).  S.  286.  —  Otto  Schwerdtgeburth. 
Ebenda  S.  286—287. 

Vetter,  Paul:  Lutherana.  3.  Luthers  Stellung  im  Streite 
Jacob  Schencks  mit  Melanchthon  und  Jonas  1537.  Neues  Archiv  f. 
Sachs.  Gesch.  (1909).  XXX.  S.  76  ff. 

Derselbe:  Zur  Geschichte  Alexius  Kroßners.  Ebenda  S.  140 
—144. 

Versmann,  Johannes:  Jenaer  Studentenbriefe.  Mitgeteilt 
von  Adolf  Wohlwill.  [Aus:  „Ztschr.  d.  Ver.  f.  hamb.  Gesch."] 
Hamburg,  Gräfe  u.  Sillem,  1908.    34  SS.    8«.    1,50  M. 

Virck,  H. :  Die  Ernestiner  und  Herzog  Georg  von  1500  bis 
1508.  Neues  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.  (1909.)  XXX.  H.  1  u.  2. 
S.  1—75. 

Vita  S.  Elisabeth,  landgraviae  Thuringiae,  auctore  Anonymo, 
nunc  primum  in  lucem  edita.  V.  Diodorus  Henniger  O.  F.  M.  Ex- 
tractum  ex  Periodico  „Archivum  Franciscanum  Historicum".  An. 
II— Fase.  IL    Ad  Claras  Aquas  prope  Florentiam.  1909.   29  SS.   8». 

Voigt,  H.  G. :  Brun  von  Querfurt  und  seine  Zeit.  Halle  a.  S., 
Hendel,  1909.  42  SS.  8".  Neujahrsblätter,  hrsg.  v.  d.  Hist.  Kom- 
mission f.  d.  Provinz  Sachsen   u.  d.  Herzogtum  Anhalt.    XXXIII. 

Derselbe:  Brun  von  Querfurt  als  Missionar  des  römischen 
Ostens.  [Aus :  „Sitzungsber.  d.  Böhm.  Gesellsch.  d.  Wiss."]  Prag, 
Eivnac,  1908.    39  SS.    Mit  1  Karte.    8«.    80  Pf. 

Vollert,  Wilh. :  Heinrich  Posthumus  als  lutherischer  Christ 
und  seine  Bedeutung  für  die  thüringische  Kirchen geschichte.  Gera, 
(Buhr  u.  Draeger),  1908.    63  SS.    8». 

Voretzsch,  Max:  Aus  der  Vergangenheit  der  Mühle  in 
Kotteritz.    Altenburg,  Selbstverl.,  1908.    32  SS.    8".    60  Pf. 

Wächtler,  A.:  Heinrich  Eduard  Schmieder.  Allg.  Deutsche 
Biographie.  LIV  (1908).  S.  115—124. 

Wagner,  Eichard:  Die  äußere  Politik  Ludwigs  IV.,  Land- 
grafen von  Thüringen.  Ztschr.  d.  Ver.  f.  Thür.  Gesch.  u.  Altertumsk. 
(1909.)  XXVII.  (N.  F.  XIX.)  S.  23-82. 


540  Literatur. 

Wappler,  Paul:  Thomas  Münzer  in  Zwickau  und  die 
„Zwickauer  Propheten^  O.-Pr.  E.-G.  Zwickau.  Zwickau  1908.  44  SS.  4». 

Derselbe:  Inquisition  und  Ketzerprozesse  in  Zwickau  zur 
Reformationszeit.  Dargestellt  im  Zusammenhang  mit  der  Entwick- 
lung der  Ansichten  Luthers  und  Melanchthons  über  Glaubens-  und 
Gewissensfreiheit.    Leipzig,  Heinsius,  1908.    IV,  220  SS.   S".   5,60  M. 

Weber,  Paul:  Denkmalpflege  und  Heimatschutz  in  der  Ge- 
setzgebung der  Gegenwart.  Vortrag,  gehalten  in  der  Staatswissen- 
schaftl.  Gesellschaft  zu  Jena.  S.-D.  aus:  Blätter  für  Rechtspflege 
in  Thüringen  und  Anhalt.  N.  F.  XXXV.  H.  3.  S.  161—181.  Jena, 
Frommann,  1908.    21  SS.    8». 

Derselbe:  Jahresbericht  des  städtischen  Museums  1908.  Jena. 

Weise,  E. :  Neues  Verzeichnis  der  Kirchenbibliothek  in  Arn- 
stadt i.  Th.    Arnstadt,  Frotscher,  1908.    IV,  183  SS.    8».    2  M. 

Wendel,  Carl:  Die  Lutherbibel  von  1541  in  der  Marien- 
bibliothek zu  Halle  a.  S.  N.  Mitt.  a.  d.  Geb.  hist.-ant.  Forsch. 
XXIII.  3.  S.  387—392. 

Werner,  Arno:  Ein  Brief  von  Joachim  ä  Burck.  Sammel- 
bände der  internat.  Musikgesellschaft.  1907/08.    IL    S.  309  f. 

Wiegand,  Arthur:  Die  Thüringer  im  Kriege  1870/71.  Bd.  I. 
Jena,  Schmidt,  1908.    8°.    2  M. 

Witte,  Karl:  Die  Fürsten  Versammlung  in  Erfurt.  27.  Sept. 
bis  14.  Okt.  1808.  Beilage  zur  Schwarzburg-Rudolstädt.  Landesztg. 
(1908.)  140.  Jahrg.  No.  228. 

Derselbe:  Die  Fürstenversammlung  in  Erfurt  (27.  Sept.  bis 
14.  Okt.  1808).    Beilage  zur  Jen.  Ztg.  1908.  Sept.  30. 

Wörnle,  R.,  und  Schwerdtf eger,  K.:  Buttstedt.  Eine 
städtebauliche  Studie.  Der  Städtebau.  Begr.  von  Th.  Goecke  und 
C.  Sitte.    5.  Jahrg.    Heft  12.    Berlin. 

Wolff:  Herzogin  Johann  Albrecht  zu  Mecklenburg,  Elisabeth, 
Prinzessin  von  Sachsen-Weimar-Eisenach,  Prinzessin  zu  Sachsen. 
Gedächtnispredigt.    Schwerin,  Bahn,  1908.    16  SS.    8".    30  Pf. 

Wolff,  Gustav:  Das  Goethe-Theater  in  Lauchstädt.  Seine 
Geschichte  und  seine  Wiederherstellung  im  Jahre  1908.  Mit  zahl- 
reichen Abbildgn.  Halle,  Gebauer  u.  Schwetschke,  1908.  X,  80  SS. 
u.  1  Taf.    8».    1,50  M. 

Wolff,  K. :  Die  alte  Mündung  der  Um  in  die  Saale.  Globus. 
1908.  Bd.  XCIV.  S.  91. 

Wolfram:  Joh.  Seb.  Bach.  („Die  Musik",  hrsg.  von  R.  Strauß.) 
Berlin,  Marquardt  u.  Co.,  o.  J.    8". 

Wolzogen,  Karoline  v. :  Aus  Briefen  von  K.  v.  W.  an 
Karoline  v.  Humboldt.  Mitgeteilt  von  Albert  Leitzmann.  Euphorien. 
(1908.)  III.  S.  482—488. 

Woringer,  A.:  Das  Hänseln  zu  Sontra.  Ztschr.  des  Ver.  f. 
hess.  Gesch.  XLII.  N.  F.  XXXII.  S.  1—11. 

Zahn  ,  G. :  Geologische  Profile  des  Thüringer  Waldes  im  Semi- 
nargarten zu  Gotha.    Aus  der  Natur.  H  6.  S.  316  f. 

Zimmermann,  P. :  Anna  Amalia  von  Sachsen- Weimar.  Ma- 
gazin, Braunschweigisches,  1907.    XIII.  S.  37  ff. 


Aus  alter  Zeit.  Geschichtliches  aus  Mühlhausen  in  Thür. 
(Sonder- Ausg.  der  Beiblätter  zum  Mühlhäuser  Anzeiger.)  Hrsg.  von 
R.  Jordan.  3  Hefte.   Je  1,60  M.  Mühlhausen  i.  Th.,  Danner,  1908.  8". 


Literatur.  54.J 

1)  Altenburg,  Ernst  Glieb:  Geschichte  des  Streites  zwi- 
schen Rat  und  Bürgerschaft  der  freien  Reichsstadt  Mühlhausen  und  der 
daraus  entstandenen  Unruhen  in  den  Jahren  1725 — 1735,  aus  Akten, 

Handschriften  und  Büchern  zusammengetragen.    2.  Aufl.  52  SS.  

2)  J  0  r  d  a  n  ,  R. :  Der  Übergang  MühJhausens  an  die  Herrschaft 
Preußens.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Mädchenschiüe  in  Mühlhausen. 
2.  Aufl.  51  SS.  —  3)  Bader,  W. :  Inscriptiones  Mulhusinae.  Die 
öffentlichen  Inschriften  der  Stadt  Mühlhausen  i.  Th.  Neu  hrsg.  von 
R.  Jordan.  2.  Aufl.  38  SS. 

Dasselbe.    Neue  Folge.    8".    Ebenda  1908. 

1)  Jordan,  R.:  Aus  der  Franzosenzeit  (1806—1807).  51  SS. 
1,60  M.  —  2)  Derselbe:  Aus  der  Zeit  des  7-jährigen  Krieges.  — 
Herzog  Wilhelm  von  Weimar,  die  Stadt  Mühlhausen  und  das  Eichs- 
feld 1632.  I.  TeU.  60  SS.  1,60  M.  —  3)  Derselbe:  Vor  100  Jahren. 
Zur  Erinnerung  an  den  14.  Okt.  1806.  —  Die  Freiwilligen  der  Stadt 
Mühlhausen  in  den  Jahren  1813—15.    53  SS.    Mit  4  Taf.    2  M. 

Geschichtsblätter,  MühUiäuser.  Ztschr.  des  Altertums- 
vereins für  Mühlhausen  i.  Thür.  u.  Umgegend.  Herausg.  von  Rudolf 
Bemmann.  Mühlhausen  i.  Thür.,  Albrecht,  1908.  8».  9.  Jahrg. 
1908/1909.    IV,  142  SS. 

Inh. :  Zu  Altenburgs  Beschreibung  der  Stadt  MüMhausen.  Von 
Jordan.  S.  1 — 13.  —  Die  Statuten  der  Reichsstadt  Mühlhausen 
i.  Th.  vom  Jahre  1401.  Ein  Nachtrag  zu  Lambert:  Die  Ratgesetz- 
gebung der  freien  Reichsstadt  Mühlhausen  i.  Th.  im  14.  Jahrhundert. 
Von  Rudolf  Bemmann.  S.  14 — 34.  —  Eine  Mühlhäuser  Ge- 
sandtschaft in  Wien  in  den  Jahren  1482  und  1483.  Von  Erich 
Kleeberg.  S.  35—41.  —  Briefwechsel  der  FamiUe  v.  Hopffgarten 
auf  Mülverstedt,  Haineck  und  Schlotheim  mit  dem  Rate  der  kaiser- 
lich freien  Reichsstadt  Mühlhausen  i.  Th.  (1554—1595).  Hrsg.  von 
A.  M.  Gramer  und  K.  v.  Kauffungen.  S.  42—58.  —  Die  Be- 
teiligung der  Reichsstadt  Mühlhausen  i.  Th.  an  den  Hussitenkämpfen 
1420—1431.  Von  Rudolf  Bemmann.  S.  59—71.  —  Herzog 
Wilhelm  von  Weimar,  die  Stadt  Mühlhausen  und  das  Eichsfeld. 
II.  Teil.  Von  Jordan.  S.  72 — 115.  —  Mühlhausen  als  französische 
Festung  1761  und  1762.  Von  E.  Kettner.  (Mit  1  Plan.)  S.  116 
— 123.  —  Der  hl.  Hermann  von  Mühlhausen.    Von  Jordan.    S.  124. 

—  Die  ersten  Nachrichten  über  die  Zigeuner  aus  dem  Mühlhäuser 
Archiv.  Von  Bemmann.  S.  125—126.  —  Anwerbung  Mühlhäuser 
Bürger  zu  englischen   Kolonisten.    Von  Bemmann.     S.  126 — 127. 

—  Verhandlung  über  die  Einschränkung  des  Kaffeetrinkens  1781. 
Von  Bemmann.  S.  127—128.  —  Zu  Joachim  a  Burcks  Leben. 
Von  E.  Kleeberg.  S.  129—131.  —  Die  Kosten  des  dreißigjährigen 
Krieges  für  die  Stadt  Mühlhausen  i.  Th.  Von  Bemmann.  S.  131 
—135. 

Heimatblätter.  Aus  den  coburg-gothaischen  Landen. 
Herausg.  von  R.  Ehwald.    Gotha,  Perthes,  1908.    Heft  6.    8". 

Inh. :  Beitrag  zur  Geschichte  von  Stadt  und  Land  Coburg.  U. 
Von  Carl  Grüner.  S.  1— 8.  —  Bilder  aus  dem  Inscktenleben  der 
Fahnerschen  Höhe.  Von  Wilhelm  Hubenthai  u.  Max  An- 
ding.  S.  9 — 20.  —  Von  und  aus  der  Vorgeschichte  des  Gothaer 
Landes.  Von  Florschütz.  S.  21— 31.  —  Dierenger  Heimotkläng'. 
Von  Ehwald.    S.  32—34.   —  über  die  Anfänge  des  Coburgischen 

XXVIL  35 


542  Literatur. 

Theaterwesens.  Von  Konrad  Höfer.  S.  35 — 57.  —  Die  Tam- 
bacher  Zypressenficlite.  Von  Fr.  Thomas.  S.  57— 60.  Mit  1  Taf. 
—  Von  Gothaer  alten  Häusern.  Von  Christian  Rauch.  S.  61 — 
66.  —  De  Eühler  Kirmeß.  D'r  Geseallschaoftsstriet.  2  Gedichte 
in  Euhlaer  Mundart  von  J.  K.  Burckhardt.  In  Druck  gegeben 
von  August  Kugel.  S.  67 — 74.  —  Die  Imkerei  im  Herzogtum  Gotha. 
Von  August  Ludwig.  S.  75 — 85.  —  Die  Kirche  zu  Gauerstadt. 
Von  Albert  Grein  er.     S.  86—94. 

Jahrbücher  der  Kgl.  Akademie  gemeinnütziger  Wissen- 
schaften zu  Erfurt.  N.  F.  Heft  34.  Erfurt,  C.  Villaret,  1908. 
329  SS.    8». 

Inh. :  Die  Erfurter  Loge  unter  Dalberg  und  Dominikus  und 
ihre  Beziehungen  zur  Erfurter  Akademie.  Von  Gotthold  Deile. 
S.  71 — 98.  —  Erfurter  Studenten  des  Mittelalters  aus  Salza  und 
Umgegend.  Von  Hermann  Gutbier.  S.  101 — 140.  —  Drei  un- 
gedruckte Bruchstücke  der  Legenden  des  Hlg.  Heinrich  und  der 
Hlg.  Kunigunde.  Von  Geo.  M.  Priest.  S.  198— 214.  —  Familien- 
geschichte und  Heraldik.  Von  Eduard  Heydenreich.  S.  217 
— 234.  —  Was  erinnert  uns  noch  heute  in  Erfurt  an  den  Fürsten- 
kongreß von  1808?     Von  J.  Bier  eye.     S.  237  ff. 

Mitteilungen  des  Geschichts-  u.  Altertumsforschenden  Ver- 
eins zu  Eisenberg  im  Herzogt.  Sachsen- Alten  bürg.  Heft  24  u.  25. 
(Bd.  IV,  H.  4  u.  5.)  Eisenberg,  im  Selbstverl,  d.  Vereins,  1909. 
S.  215—352. 

Inh.:  Flurnamen  im  Amtsbezirk  Eisenberg,  S.-A.  Von  Martin 
Schneider.  S.  217 — 274.  —  Einige  Mitteilungen  über  Prinz  Jo- 
hann Adolf  von  Sachsen-Gotha-Altenburg.  Von  O.Weise.  S.  275 
— 286.  —  Mitteilungen  über  Herzog  Christian  zu  Eisenberg.  Von 
O.  Weise.  S.  287 — 294.  —  Zwei  Briefe  Herzog  Christians  von 
Sachsen-Eisenberg  an  seinen  Bruder,  den  Herzog  Bernhard  I.  von 
Sachsen-Meiningen.  Veröffentlicht  von  Fischer.  S.  295 — 298.  — 
Vier  Briefe  Herzog  Christians  von  Sachsen  -  Eisenberg  an  seinen 
Neffen,  den  Herzog  Ernst  Ludwig  I.  von  Sachsen-Meiningen.  Ver- 
öffentlicht von  Fischer.  S.  299—308.  —  Peinliche  Eechtssache 
des  Eisenberger  Bürgers  Hans  Petzolt  (1595—1598).  Von  Schirm  er. 
S.  809—340. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  die  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde von  Erfurt.  Heft  29.  Erfurt,  Selbstverlag,  1908.  105  SS.  8". 

Inh. :  Zu  Friedrich  von  Nerly.  Aus  unveröffentlichten  Briefen 
mitgeteilt  von  EosaSchapire.  S.  1—9.  —  Die  Zitadelle  Peters- 
berg zu  Erfurt.  Von  Eobert  Huth.  S.  11—54.  Mit  mehreren 
Abbildungen  und  2  Plänen.  —  Aus  dem  Tagebuche  von  Kaspar 
Friedrich  Lossius.  Mitgeteilt  von  Johannes  Biereye.    S.  55 — 105. 

Schriften  des  Vereins  für  Sachsen-Meiningische  Geschichte 
u.  Landeskunde.    Hildburghausen,  Gadow  u.  S.,  1908.    8". 

Inh.  Heft  57:  Die  Fauna  (Tierwelt).  Von  Artur  Weiß. 
S.  619—710.  —  Heft  59 :  Chronik  der  Stadt  Hildburghausen.  Neu- 
bearbeitet von  Armin  Human.     1908.    224  SS. 


Frommannschu  Buchdruckerei  (Hermann  Fohle)  in  Jean  —  3538 


DD  Verein  für  Thüringische 

801  Geschichte  und  Altertumskunde, 

T4V4  Jena 

n.F,      Zeitschrift, 

Bd.l9      n.F.,  Bd. 19 


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