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ZEITSCHRIFT DES VEREINS
FĂśR
THĂśRINGISCHE GESCHICHTE
ALTERTUMSKUNDE.
HERAUSGEGEBEN VON
PROFESSOR DR. OTTO DOBENECKER.
•IV
NEUE FOLGE. ZWANZIGSTER BAND.
DER GANZEN FOLGE ACHTUNDZWANZIGSTER BAND.
^
^
V
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1911.
Alle Rechte vorbehalten.
J^D
TiWn-
*7- o~^ S"7
Inhalt.
Abhandlungen. Seite
I. Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽ-
ringen und Pfalzgrafen von Sachsen (1190 — 1217). Von
Dr. Ernst Kirnise aus Ronneburg (SchluĂź) .... 1
IL Konrad, Landgraf von ThĂĽringen, Hochmeister des
deutschen Ordens (f 1240). Von Dr. E. Caemmerer
aus Arnstadt. (SchluĂź) 43
III. Die Generalvisitation Ernsts des Frommen im Herzogtum
Sachsen-Gotha 1641 — 1645. Von Fr. Waas , Pfarrer in
Waldmichelbach (Odenwald). (Fortsetzung) 81
IV. Aktenmäßige Relation über die Feldzüge des Sachsen-
Weimar- und Eisenachischen leichten Infanterie-Bataillons
in den Jahren 1806 — 1811. Von Archivdirektor Dr. Joh.
Trefftz 131
V. Briefe und Akten zur Reformationsgeschichte der Stadt
MĂĽhlhausen i. ThĂĽr. Herausgeg. von H. Nebel sieck,
Superintendent in Liebenwerda. (Fortsetzung) .... 181
Gustav Fischer. Von Eduard Rosenthal in Jena I
VI. Die Entwicklung der Zentralverwaltung in Sachsen- Weimar
bis 1743. Von Dr. Felix Pischel 237
YLI. Die General Visitation Ernsts des Frommen im Herzogtum
Sachsen-Gotha 1641—1645. Von Fr. Waas, Pfarrer in
Waldmichelbach (Odenwald). (Fortsetzung) .... 306
VIII. Wie ist der Zwiespalt zwischen den fränkischen und den
sächsischen Geschichtsquellen über den Untergang des
thüringischen Königreichs zu erklären? Ein Versuch von
R. Lieb mann, Generalmajor z. D 331
IX. Beiträge zur innern Geschichte der Stadt Meiningen. Von
Professor Ernst Koch in Meiningen 340
X. Briefe von Friedrich Myconius iu Gotha an Johann Lang
in Erfurt. Mitgeteilt vo*n OttoClemenin Zwickau i. S. 355
XI. Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. Von Archiv-
direktor Dr. Joh. Trefftz in Weimar 380
XII. Die Vertreter ThĂĽringens in der Frankfurter National-
versammlung. Von Regierungsrat Dr. Niebour in
Wilmersdorf 401
Miszellen.
1. Reise der von dem Deutschen Orden im Jahre 1451 aus-
gesandten Visitatoren. Von Dr. Herbert Koch. . . 198
II. Coburger Reformations- Akten stĂĽcke, zur ersten Visitation
im Jahre 1528 gehörig. Herausgeg. von Pfarrer Dr.
B erb ig in Neustadt b. Coburg 204
III. Zur Geschichte LiebengrĂĽns. Von v. Obernitz, Major
a. D 209
IV. Erklärung zu dem von Herrn Archivrat Schmidt im
27. Band dieser Zeitschrift veröffentlichten Aufsatz
,, Nochmals die Ausgrabung im Kloster Cronschwitz, eine
Verteidigung". Von Prof. Dr. W. C. Pfau in Rochlitz 219
IY Inhalt.
Seit»
V. Ein Brief Johann Stigels an Spalatin. Mitgeteilt von
Otto Clemen (Zwickau i. S.) 419
VI. Entgegnung und ZurĂĽckweisung. Von A. Mueller,
GroĂź. Landmesser a. D. in Weimar 420
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. Von Dr.
Gustav Eichhorn in Jena • 422
VII. Karl August in Brüssel. Von Dr. Rud. Maisch . • 441
Literatur.
I. Eichhorn, Dr. Gustav, Die paläolithischen Funde
von Taubach in den Museen zu Jena und Weimar. Jena,
G. Fischer, 1909. Von A. Möller 231
II. Die vor- und frĂĽhgeschichtlichen AltertĂĽmer ThĂĽringens.
Herausgegeben von Prof. Dr. A. Götze, Prof. Dr. P. Höfer,
San.-Ăźat Dr. P. Zschiesche. Mit 24 Lichtdrucktafeln und
einer archäologischen Karte. Würzburg, Curt Kabitzsch
CA. Stubers Verlag), 1909. Von Philipp Kr opp . . 232
III. Tafeln zur Vor- und FrĂĽhgeschichte ThĂĽringens. Mit
224 photographischen Aufnahmen vor- und frĂĽhgeschicht-
licher Altertümer. Nach Epochen geordnet und erläutert
von Gustav Eichhorn, Konservator am Germanischen
Museum der Universität Jena. Jena 1910. H. W.
Schmidts Verlagsbuchhandlung. Gustav Tauscher. Preis
8,— M. Von Philipp Kropp . . • 234
rV. Devrient, Ernst, ThĂĽringische Geschichte. Leipzig
1907. Sammlung Göschen No. 352. Von W. Stech ele 235
V. Aus Natur und Geisteswelt. Sammlung wissenschaftlich-
femeinverständlicher Darstellungen. Leipzig , . B. G.
eubner. Jedes Bdchn. geh. 1 M., geb. 1,25 M. Von
W. Stechele 235
VI. Kießkalt, E., Postsekretär in Nürnberg, Der „hohe
Schwärm" zu Saalfeld a. S. Sonderaberuck aus den
„Saalfischen, Sonntagsgabe des Saalfelder Kreisblattes".
1910, No. 20 und 21. Verlag von Adolf Nieses Nachf.
Adolf Auerbach, Saalfeld a. S., 1910, 38 SS. 8°. Mit
4 Abbildungen. 0,50 M. Von O. Engelhardt . . 442
VII. Johannes Falks Kriegsbüchlein. Beiträge zur Geschichte
Thüringens 1806—1813. Eine Jahrhundertausgabe für
das Volk, aufs neue herausgegeben von Rudolf Eckart.
Jena, Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle),
1910. 88 SS. 8°. Broschiert 1,10 M. Von Herbert
Koch 442
VIII. Sempert, J., Die Siedelungen in der Oberherrschaft
von Schwarzburg-Rudolstadt. Ein Beitrag zur Siedelungs-
geschichte Thüringens. Rudolstadt, Mänicke u. Jahn,
1910. 199 SS. 4M. Von Herbert Koch . ... 443
IX. Fort seh, W., Bilder aus Vergangenheit und Gegen-
wart der Stadt Ostheim vor der Rhön. Ostheim, Schuf fei,
1909. 180 SS. 1,50 M. Von Herbert Koch ... 444
X. Ăśbersicht ĂĽber die neuerdings erschienene Literatur zur
thĂĽringischen Geschichte und Altertumskunde. Von
O. Dobenecker und Herbert Koch 445
Gustav Fischer.
Durch das am 22. Juli 1910 erfolgte Ableben des
Geheimen Kommerzienrats Dr. med. et phil. Gustav
Fischer hat auch der Verein fĂĽr ThĂĽringische Geschichte
und Altertumskunde einen unersetzlichen Verlust erlitten.
Fast drei Dezennien hindurch gehörte er dem Vorstand
des Vereins an. Am 4. Juni 1881 ĂĽbernahm er nach
Eduard Frommanns Tod das Amt eines KassenfĂĽhrers, das
er mit der ihn auszeichnenden Pflichttreue bis an sein
Lebensende führte. Alle, denen es vergönnt war, mit dem
seltenen Manne an leitender Stelle zu wirken, wissen, welche
unschätzbare Förderung unseren Aufgaben in seiner uner-
mĂĽdlichen Mitarbeit zuteil geworden ist.
Nicht innerhalb des engen Rahmens einer gewöhnlichen
Kassenverwaltung bewegte sich die Tätigkeit des Ent-
schlafenen in unserem Vereine. Getragen von einem leb-
haften inneren Interesse fĂĽr die Ziele des Vereins, hat er
mit feinem Verständnis für unsere literarischen Unter-
nehmungen es verstanden, durch eine zweckmäßige Disposition
über die Geldmittel für die über lange Zeiträume sich hin-
ziehenden Publikationen des Vereins und der ThĂĽringischen
Historischen Kommission die notwendigen finanziellen
Grundlagen zu schaffen. So ward es ermöglicht, die von
den ThĂĽringischen Regierungen und Landtagen fĂĽr die Her-
ausgabe ThĂĽringischer Geschichtsquellen bewilligten Jahres-
zuschüsse ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung plan-
- II —
mäßig zuzuführen. Wie hoch in unseren Kreisen seine
sachkundige Meinung gewertet wurde, dafür möchte ich
ein Beispiel anfĂĽhren. Die letzte Vorstandssitzung fand
einige Wochen vor Fischers Tod statt, als er sich gerade
auf einer Geschäftsreise befand. Einstimmig setzten wir
die definitive Entscheidung zweier wichtiger Fragen aus,
bis wir seine Auffassung gehört hätten. Wir ahnten damals
nicht, daĂź der Mund, aus dem uns so mancher kluge Rat
gekommen, so bald auf ewig verstummen sollte.
Fragen wir nach den Ursachen der außergewöhnlichen
Erfolge, die Fischers Wirksamkeit krönten, nicht nur in
seinem beruflichen Lebenswerke, sondern in den mannig-
fachen Formen gemeinnĂĽtziger Wirksamkeit, zu der ihm
das Vertrauen seiner MitbĂĽrger Gelegenheit bot, so finden
wir den Schüssel zur Lösung in seiner Persönlichkeit.
Höchste Pflichterfüllung galt ihm als Lebensnotwendigkeit,
die Arbeit an und fĂĽr sich war ihm beseelendes Prinzip.
Gustav Fischer war am 23. Dezember 1845 in Altona
geboren. Schon frĂĽhe kam er nach ThĂĽringen. Hier ab-
solvierte er in dem angesehenen Hause eines der FĂĽhrer
des deutschen Buchhandels, bei dem Jenenser Friedrich
Frommann seine buchhändlerische Lehrzeit. Im Jahre 1877,
nachdem er in Breslau und MĂĽnchen seine Berufsausbildung
vollendet hatte und kurze Zeit Teilhaber einer Hamburger
Sortimentsbuchhandlung gewesen , kehrte er nach Jena
zurĂĽck, erwarb die in Konkurs geratene "Verlagsfirma
F. Mauke (Besitzer Hermann Dufft) und schuf aus diesen
kleinen Anfängen das großartige wissenschaftliche Verlags-
unternehmen, eines der ersten im Deutschen Reiche, dessen
Ansehen auch im Auslande befestigt war und das dem
— III —
Namen Jena nun auch auf einem neuen Gebiet menschlicher
Kultur Weltruf verschaffte. Bald erkannte der die Zeit-
strömungen richtig erfassende Kaufmann die Notwendigkeit
der Konzentration im Betriebe als eine Hauptbedingung des
geschäftlichen Erfolgs.
So kam es, daĂź die Geschichte nicht zu denjenigen
Wissensgebieten gehörte, denen seine Verlegertätigkeit haupt-
sächlich gewidmet ward. Außer den Publikationen des
Vereins fĂĽr ThĂĽringische Geschichte finden wir historische
Werke nur ausnahmsweise in seinem Verlage. Persönliche
Beziehungen mit dem Autor waren es, die ihn noch zur
Ăśbernahme einzelner geschichtlicher Werke veranlaĂźten. So
von Adolf Schmidt, „Das Perikleische Zeitalter" und
dessen „Handbuch der griechischen Chronologie" (herausge-
geben von PĂĽhl) und Ottokar Lorenz, Kaiser Wilhelm
und die Begründung des deutschen Reichs. Hauptsächlich
aber Werke von Dietrich Schäfer, seinem einstigen
Kollegen im Vorstande unseres Vereins, mit dem ihn freund-
schaftliche Beziehungen dauernd verbanden. Nicht nur
dessen Erstlingswerk, „DieHansastädte und KönigWaldemar"
und kleinere Schriften, sondern auch dessen zweibändige
„Deutsche Geschichte" nahm er noch im verflossenen Jahre
in seine verlegerische Hut. Noch wenige Wochen vor
seinem Tode traf ich ihn bei der LektĂĽre eines Druck-
bogens dieses Werkes, und mit stolzer Freude sprach er
mir von dem schönen Buche, das er mit lebhaftem Interesse
las. Denn der Vielbeschäftigte fand immer noch Zeit nicht
nur Neuerscheinungen der schönen Literatur, sondern auch
wissenschaftliche Werke zu verfolgen. Es war ihm ein
besonderer GenuĂź, wenn er an den freien Abenden und auf
— IV —
seinen Erholungsreisen seiner intelligenten und gebildeten
Frau, Minna geb. Des Arts, einer vornehmen Hamburgerin,
mit der er auch in inniger geistiger Gemeinschaft lebte,
anregende BĂĽcher vorlesen konnte. Die verschiedensten
Gebiete umfaĂźte diese LektĂĽre mit gleichem Interesse, und
er liebte es, mit seinen Freunden ĂĽber die empfangenen
EindrĂĽcke in lebhaften Meinungsaustausch zu treten.
Die Erkenntnis von der Notwendigkeit der Konzen-
tration veranlaĂźte Fischer, in den letzten Jahren auch
die Rechtswissenschaft im Kreise seiner Verlagsgeschäfte
immer mehr zurĂĽcktreten zu lassen, obwohl er die von
Jhering und Gerber begrĂĽndeten ..JahrbĂĽcher fĂĽr die
Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privat-
rechts" neben bahnbrechenden Werken, wie Jherings
„Jurisprudenz des täglichen Lebens" und Gerbers „System
des deutschen Privatrechts", schon aus dem Maukeschen
Verlag mitĂĽbernommen hatte, dessen 17. Auflage Co sack
bearbeitet hat. An seine Stelle trat dann Cosacks mehr-
bändiges „Lehrbuch des deutschen bürgerlichen Rechts".
Nationalökonomie , Naturwissenschaften und Medizin
wurden die drei Hauptgebiete, auf die Gustav Fischers Ver-
lag sich im wesentlichen beschränkte. Die von dem Führer
der historischen Nationalökonomie, Bruno Hildebrand,
1863 begrĂĽndeten und nach dessen Tode von Conrad
herausgegebenen „Jahrbücher für Nationalökonomie und
Statistik" bildeten den Ausgangspunkt jenes reichen, welt-
umspannenden volkswirtschaftlichen Verlags, der mit be-
sonderer Vorliebe die Literatur der Sozialpolitik und der
Bodenreform pflegte , der Fischer stets ein warmes per-
sönliches Interesse entgegenbrachte. Ein Standard Work,
— V
wie das Fischers eigener persönlicher Initiative ent-
sprungene Handwörterbuch der Staats Wissen-
schaften, herausgegeben von Conrad, Elster, Lexis
und E. Loening, dessen dritte Auflage ihrem AbschlĂĽsse
entgegengeht, scharte unter seinem Banner die bedeutend-
sten Nationalökonomen des In- und Auslandes, Gelehrte
und Beamte, Schriftsteller und Politiker der verschiedensten
Richtungen aus dem Deutschen Reiche und aus aller Herren
Ländern. Die einstimmige Anerkennung dieses Hauptwerks
und sein ungeahnter äußerer Erfolg sind ein glänzender
Beweis dafĂĽr, wie trefflich der tĂĽchtige Mann die Zeichen
der Zeit zu deuten verstand und wie scharfsichtig er die
BedĂĽrfnisse der Wissenschaft erkannte und durch sein
geniales Organisationstalent befriedigte. Auch das kleinere,
anders geartete von L. Elster herausgegebene „Wörter-
buch der Volkswirtschaft", dessen dritte Auflage im Er-
scheinen begriffen ist, erfreute sich eines groĂźen Erfolgs.
Es ist unmöglich, aus der Fülle der Monographien und
Sammlungen dieser volkswirtschaftlichen Abteilung des Ver-
lags Einzelnes hervorzuheben. Daß aber auch die „Gesell-
schaft fĂĽr soziale Reform" ebenso wie das I n t e r -
nationale Arbeitsamt ihre Schriften dem Fischer-
schen Verlage anvertrauten, darf nicht unerwähnt bleiben.
Über die vielseitige Verlegertätigkeit Fischers auf
den Gebieten der Naturwissenschaften und Medizin zu ur-
teilen, fĂĽhle ich mich nicht berufen. Bedenken wir, daĂź
40 Zeitschriften (Jahresberichte und andere periodische
Schriften) in diesen Disziplinen und auf dem Gebiete der
Nationalökonomie durch Gustav Fischer ihre Verbreitung
finden, so mag auch der Laie ermessen, welche reiche
— VI —
Förderung diese Wissenszweige ihm verdanken, denn manche
dieser Unternehmungen stellten starke Anforderungen an
seine nie versagende Opferwilligkeit. Nicht nur , daĂź
Fischer eine Reihe von Publikationen ĂĽbernahm, bei denen
Gewinn gar nicht erwartet werden konnte, er hat auch
groĂźe positive finanzielle Aufwendungen nicht gescheut, um
bestimmte Forschungsgebiete zu unterstĂĽtzen. Und manchem
Autor half er gern seine Forschungsergebnisse zu verbreiten.
Fischers Verdienste' um die Förderung der Wissen-
schaft fanden ihre Anerkennung von kompetenten Be-
urteilern zweier deutscher Universitäten. 1895 ernannte
ihn die philosophische Fakultät der Universität Jena und
1902 die medizinische Fakultät der Universität Freiburg zu
ihrem Ehrendoktor.
Daß auch amtliche Stellen den Wert geschäftlicher
Beziehungen mit Gustav Fischers Verlag zu schätzen
wuĂźten, beweist der Umstand, daĂź ihm das Reichsamt des
Innern die „Wissenschaftlichen Ergebnisse der
Deutschen Tief see-Expedition " und das preuĂźische
Kultusministerium das „Klinische Jahrbuch", eine
Lieblingsschöpfung Althoffs , anvertraut hat. Selbstver-
ständlich haben auch die Regierungen der Thüringischen
Staaten das groĂźe in ihrem Auftrage bearbeitete Werk
„Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens" durch
den Jenenser Verlag herausgeben lassen.
Werfen wir einen Blick auf die schier unĂĽbersehbare
Menge der Monographien und LehrbĂĽcher auf dem Ge-
biete der medizinischen Wissenschaften und der Natur-
wissenschaften, so fällt auf der richtige Blick für die Be-
deutung neuer zur Selbständigkeit sich durchringenden
— VII -
Forschungsgebiete und das viele Kräfte zu einheitlicher
Gemeinschaftsarbeit zusammenfassende Organisationstalent.
So hat Fischer eine Reihe kurzgefaĂźter medizinischer
Lehrbücher veranlaßt — für mehrbändige Handbücher, z. B.
das von Penzoldt-Stintzing fĂĽr die gesamte Therapie,
war diese Kooperationsmethode schon früher in Übung —
bei denen einzelne Forscher hauptsächlich die ihren Spezial-
forschungsgebieten entsprechenden Kapitel bearbeiteten.
Fischers hohe Intelligenz befähigte ihn, auch fremde
Gebiete zu wĂĽrdigen und sich unter kritischer BerĂĽck-
sichtigung der ihm von Fachgenossen erteilten Ratschläge
die leistungsfähigen Persönlichkeiten auszuwählen, die er
als Leiter und Mitarbeiter solcher Unternehmungen zu ge-
winnen wuĂźte. Denn eine neue Zeit hatte auch dem Ver-
lagsbuchhandel neue Aufgaben gestellt und forderte neue
Methoden im Betriebe. Es genĂĽgte nicht mehr, nur zu
warten, bis Angebote zum Abschlüsse von Verlagsverträgen
vom Autor gemacht wurden. DaĂź solche Angebote einer
renommierten Firma in überreicher Fülle zuströmten, ist
selbstverständlich. Aber der moderne Verleger mußte selbst
einen Blick haben fĂĽr die literarischen BedĂĽrfnisse seiner
Zeit, mußte die wissenschaftliche und kaufmännische Reali-
sierbarkeit abwägen und dann eine kraftvolle Initiative
entfalten, wollte er nicht ins Hintertreffen geraten. Und
dazu hatte unser verewigter Freund mit seinem kĂĽhn vor-
wärts drängenden Ehrgeiz keine Lust. An ihm konnten
wir die alte Erfahrung bestätigt finden, daß die Persönlich-
keit des Unternehmers schlechthin entscheidend ist fĂĽr die
aufsteigende Entwicklung des Betriebes. Alle groĂźen Er-
folge, die den Fischerschen Verlag zu einer Weltfirma
— VIII —
emporgehoben und deren Leiter in den weitesten Kreisen
das höchste Ansehen schufen, waren keineswegs in den
materiellen Mitteln, die ihm zur VerfĂĽgung standen, be-
grĂĽndet, sondern in Eigenschaften des Charakters, die hier
mit hervorragender Befähigung im Bunde waren. Mit der
ihm eigenen leidenschaftlichen Freude an der Arbeit ging
er mit unbezähmbarer, vor keiner Schwierigkeit zurück-
bebender Willenskraft, den Blick stets auf das (ranze ge-
richtet, seinem Ziele entgegen.
Basch faĂźte er seine EntschlĂĽsse und verfolgte sie mit
zäher Beharrlichkeit. Dabei fehlte ihm nicht jenes für den
Unternehmer unentbehrliche Element der Phantasie, das
künftige Entwicklungsmöglichkeiten vorausschauend wertet.
Mit einem kĂĽhnen Wagemut vereinigte er eine die Kon-
junktur und ihre Chancen richtig einschätzende kühle Beur-
teilung. Ein groĂźzĂĽgiger Kaufmann, der mit kluger Vor-
nehmheit auch die Interessen der anderen Kontrahenten zur
Geltung kommen lieĂź und es bewirkte, daĂź aus so vielen
Aiitoren der Firma Freunde des Inhabers derselben wurden.
Wie an sich selbst, so stellte er auch an seine dem
wohlwollenden und gerechten Chef mit treuer Verehrung
anhängenden Mitarbeiter die höchsten Anforderungen.
Noch in den letzten Jahren, als der Umfang seiner
Unternehmungen eine solche Ausdehnung erreicht hatte, daĂź
deren Leitung fast eines Menschen Kraft ĂĽberstieg, muĂźten
die Fäden des Betriebes in seiner Hand zusammenlaufen.
Und um den Ăśberblick nicht zu verlieren, steigerte sein
Eifer sich bis an die Grenze menschlicher Leistungsfähigkeit.
So haben wir in Gustav Fischer einen jener Kapi-
täne des Handels zu betrauern , die Deutschlands wirt-
— IX —
schaftliche Kraft vor den Augen des staunenden Auslands
so wunderbar steigerten, daĂź diese zu einem wesentlichen
Element unserer Macht und unserer hohen Kulturstellung
wurde. Er war aus jenem Holze geschnitzt, aus dem man
die führenden Männer in der Gemeinde, im Staate und im
Reiche wĂĽnscht.
Wie hoch die Berufsgenossen Fischers hervorragende
Kraft schätzten, ersieht man daraus, daß sie ihn an die
Spitze des deutschen "Verlegervereins beriefen, mit dem
dann unter seiner fĂĽhrenden Mitwirkung der Leipziger,
Berliner und Stuttgarter Verlegerverein verschmolzen wurde.
Die hohe Auffassung, die er von den Aufgaben des deut-
schen Buchhandels hatte, seine reiche Erfahrung und sein
mit LiebenswĂĽrdigkeit gepaarter Gerechtigkeitssinn lieĂźen
ihn auch vorzĂĽglich geeignet erscheinen zur FĂĽhrung des
deutschen Buchhandels in kämpf bewegten Tagen. Man
versteht es deshalb sehr wohl, daĂź man ihm zweimal den
Vorsitz im Börsenverein der deutschen Buchhändler an-
geboten hat. Er fĂĽhlte sich aber doch manchmal so an-
gegriffen, daĂź er nicht glaubte, die ihn lockende, ehrenvolle
Stellung ĂĽbernehmen zu dĂĽrfen.
Seine Tätigkeit in der Jury der Pariser Weltausstellung
brachte ihm vielerlei Anregung und vermittelte die Be-
kanntschaft mit interessanten Persönlichkeiten.
Denn wenn selbstverständlich auch der materielle
Erfolg als Ziel des geschäftlichen Mühens lockte , für
Fischer war das nicht allein das bestimmende Motiv
seines Handelns. Der Ehrgeiz des Kaufmannes, aus eigener
Kraft mit in die vorderste Reihe zu kommen, beseelte ihn.
Seine rastlose Arbeit ward durch einen idealen Zug ge-
— X -
adelt, der ihn nie vergessen lieĂź, was er als Glied der
Gemeinschaft, der er angehörte, schuldete.
Der mit geschäftlichen Arbeiten überlastete Mann blieb
sich seiner sozialen Pflichten stets bewuĂźt.
Daß er mit offener Hand wohltätige Anstalten und
gemeinnützige Einrichtungen förderte und manche Tränen
im Stillen trocknete, ist bei der Lauterkeit und GĂĽte seines
Wesens selbstverständlich. Wie vielen in Not Geratenen
hat er hilfreich die Hand zum Wiederaufstieg geboten.
Aber der mit Arbeit fĂĽr das eigene Unternehmen ĂĽber-
bürdete Mann versagte nie seine wertvolle Kraft, wo öffent-
liche Interessen seine Mitwirkung heischten. Nur selten
bildete sich in unserer aufstrebenden Stadt ein AusschuĂź
fĂĽr die DurchfĂĽhrung eines gemeinnĂĽtzigen Zweckes, ohne
daĂź man auf die Mitwirkung Fischers nicht ein besonderes
Gewicht gelegt hätte.
Wußte man doch, daß er nicht zu den Leuten gehörte,
die in selbstgefälliger Eitelkeit sich begnügten, mit ihrem
Namen zu glänzen , sondern daß er Wert darauf legte,
seine ganze Persönlichkeit in den Dienst der Sache zu
stellen.
Und ebenso wie Fischer hat auch seine ihm gleich-
gesinnte Lebensgefährtin sich nicht damit begnügt, durch
reiche Zuwendungen Wohltätigkeit zu üben, sondern mit
beispielloser Pflichttreue und Energie fĂĽr die DurchfĂĽhrung
sozialer Aufgaben ihre Persönlichkeit eingesetzt. Das wich-
tige Gebiet der Unterweisung der Schulmädchen in der
Haushaltkunde hat sie hier eingefĂĽhrt und den Unterricht,
bis Krankheit sie hinderte, selbst praktisch geleitet und
selbst eine Anleitung zum Erteilen des Unterrichts in der
— XI —
Haushaltkunde veröffentlicht. Auch die Kochschule des
Frauenvereins und der VolkskĂĽche hat sie eingerichtet und
sachkundig geleitet. Dabei bildete die ideale Frau den
Mittelpunkt einer angeregten Geselligkeit, und es fand sich
Gelegenheit , im gastlichen Fischerschen Hause mit be-
rĂĽhmten Gelehrten, mit Schriftstellern der verschiedensten
Richtungen, Autoren des Verlags auf ihrer Durchreise durch
Jena Zwiesprache zu halten.
Wie Gustav Fischer fĂĽr unseren Verein fĂĽr ThĂĽringische
Geschichte ohne UnterlaĂź eine rege Wirksamkeit entfaltete,
so zählten auch viele andere Vereine ihn zu ihren tat-
kräftigsten Vorstandsmitgliedern.
Mit besonderer Liebe widmete er sich von ihrer GrĂĽn-
dung an der Jenaer Baugenossenschaft, die er bis
zu seinem Lebensende als Vorsitzender des Aufsichtsrats
mit verständnisvoller Hingebung mitleitete, getragen von
dem unerschĂĽtterlichen Vertrauen aller, nicht am wenigsten
der Vertreter der Arbeiterschaft, die seine hervorragenden
geschäftlichen Talente, seine ruhig abwägende Objektivität
und seinen warmen sozialen Sinn in einmĂĽtiger Dankbar-
keit wĂĽrdigten. Gerade die Aufgaben dieses mĂĽhevollen
Amtes , das die Ăśberwindung mancher Schwierigkeiten
forderte, nahmen sein Sinnen stark in Anspruch. War
Fischer doch schon als einer der ersten Verleger auf
dem Gebiet der Sozialpolitik diesen ihn auch theoretisch
beschäftigenden Fragen nahe getreten. Ihm war es zum
BewuĂźtsein gekommen, daĂź das Hauptproblem unter allen
Bestrebungen zur Besserung der Lage unserer arbeitenden
Klassen die Lösung der Wohnungsfrage ist. Es war ihm
auch nicht entgangen, welch groĂźe die Kluft politischer und
XII
sozialer Gegensätze überbrückende Bedeutung der gemein-
samen Tätigkeit von Männern aus den verschiedenen
Klassen der Bevölkerung zukam. Durch solche Zusammen-
arbeit fĂĽr ein gemeinsames Ziel muĂźte, so hoffte er, trotz
aller Verschiedenartigkeit der Anschauungen jene gegen-
seitige Wertschätzung und Anerkennung herauswachsen,
die durch die Betonung rein menschlicher Beziehungen die
Schärfe der Klassengegensätze milderte.
Hier wie in so vielen anderen öffentlichen Betätigungen
konnte der Eingeweihte als die Ursache des Erfolges Fischers
den Umstand erkennen, daĂź er seine volle Kraft einsetzte,
als ob es sich um seine eigenste Angelegenheit handelte.
Das erklärt es, warum man sich so beruhigt, fast des Er-
folges sicher fĂĽhlte, wenn es gelungen war, den rĂĽhrigen
Mann als Mitarbeiter fĂĽr ein gemeinnĂĽtziges Unternehmen
zu gewinnen.
Viele Jahre gehörte Fischer auch als energisch mit-
arbeitendes Mitglied dem Gemeinde rat unserer Stadt an,
wo er im FinanzausschuĂź und in der Baukommission Ge-
legenheit fand, seine hervorragende menschliche und kauf-
männische Befähigung zu erweisen. Dem um Jena hoch-
verdienten Mann verliehen die städtischen Behörden aus
Anlaß seines 25-jährigen Geschäftsjubiläums die Würde
eines EhrenbĂĽrgers.
Die Handelskammer des GroĂźherzogtums Sachsen-
Weimar wählte ihr durch vielseitige Interessen und ge-
diegene Kenntnisse ausgezeichnetes Mitglied als ihren Ver-
treter in den Landtag. Die nur zu kurze Wirksamkeit,
die ihm hier vergönnt war, ließ auch die ihm fernstehenden
Kollegen erkennen, daĂź in dem mit eindringender Sach-
XIII —
kĂĽnde die Dinge prĂĽfenden Vertreter des Handelsstandes
ein Abgeordneter gewonnen war, von dem noch Leistungen
von unschätzbarem Werte für das Land erwartet werden
konnten, wäre seinem Wirken nicht ein so rasches Ziel
gesetzt worden.
Gustav Fischer , ein kernhafter Patriot , vertrat,
nicht durch parteipolitische Scheuklappen beengt, in allen
politischen Fragen eine freiheitliche Auffassung. Er, der
bescheidene Mann , war vom BewuĂźtsein seines Wertes
wohl durchdrungen. Sein stolzer BĂĽrgersinn beklagte es
oft, daß dem Bürgertum nicht überall die Schätzung zuteil
werde, die der Bedeutung seiner Arbeitserfolge fĂĽr das
wirtschaftliche Gedeihen des Staates und das Ansehen des
Reiches entspreche. Den Bestrebungen, das erwerbende
deutsche BĂĽrgertum mit stolzem Standes- und Selbst-
bewuĂźtsein zu erfĂĽllen, brachte er lebhafte Sympathie ent-
gegen.
Mit der freiheitlichen politischen Anschauung verband
Fischer einen tief religiösen Sinn, der ihm, dem treuen
Sohne der evangelischen Kirche, die Mitarbeit im Kirchen-
gemeindevorstand besonders lieb machte.
Eng verbunden war Gustav Fischer mit der Entwick-
lung unserer Hochschule, deren BlĂĽte er mit freudiger
Anteilnahme verfolgte. Zu vielen ihrer Lehrer stand er in
nahen Beziehungen. Ihn, dem durch die Aufgaben seines
ins Weite strebenden Berufs der Blick geschärft war für
die Eigenart wissenschaftlicher Forschung, zeichnete wie
wenige ein tiefes Verständnis für die ganz besondere
Bedeutung der Universität Jena für das Kulturleben Thü-
ringens aus. Die Interessen dieser Alma Mater in jeg-
— XIV —
licher Beziehung zu fördern, war ihm Herzensbedürfnis und
Herzensfreude. Mit seiner hochgesinnten Gemahlin hat er
durch einen Akt seltener Liberalität die Erbauung des
prächtigen neuen Heims der Universität mitermöglicht.
Ein reiches und schönes harmonisches Leben auszu-
leben, war dem Entschlafenen beschieden. Und an vielen
Stellen wird die LĂĽcke, die der Tod dieses vornehmen,
edlen und tatkräftigen Mannes gerissen, schmerzlich em-
pfunden.
Die treue Lebensgefährtin, die er mit rührender Zärt-
lichkeit umgab, ist im Tode wenige Monate vorausgegangen.
Daß sein Lebenswerk von seinem Adoptivsöhne in
seinem Geiste fortgefĂĽhrt wĂĽrde, war ihm, wie er mir nicht
lange vor seinem Ende sagte, ein beruhigender Gedanke.
Die dankbare Erinnerung an Gustav Fischer, mit
dem ich durch eine lange Reihe von Jahren in ungetrĂĽbter,
durch die Gemeinschaft vieler Interessen gestärkter Freund-
schaft leben durfte, wird nie in mir erlöschen.
Jena. Eduard Rosenthal.
I.
Die Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen
von ThĂĽringen und Pfalzgrafen von Sachsen,
(1190—1217).
Von
Dr. E. Kirmse aus Ronneburg in S.-A.
(Fortsetzung.)
Der jähe Tod Heinrichs VI. brachte über Deutschland
das äußerste Unheil, eine zwiespältige Königswahl. Es war
zwar 1196 schon der junge Friedrich in Frankfurt gewählt
worden, aber den FĂĽrsten jener Zeit bereitete es wenig
Skrupel, einen Eid nicht zu halten, den sie einst aus bloĂźer
Furcht geleistet hatten. Man bedurfte jetzt der vollen,
ungeteilten Kraft eines ganzen Mannes, so sah man von der
Erhebung des Kindes ab. Damit brach die Zeit an, von
der Walther von der Vogelweide klagt:
So we dir tiuschiu zunge,
wie stet din ordenunge !
daz nĂĽ diu mugge ir kĂĽnec hat,
und daz din ere also zergät ....
die cirkel sint ze here,
die armen kĂĽnege dringent dich *).
Nach mehrfachen Tagungen erkoren die staufisch ge-
sinnten Fürsten am 6. März 1198 in Ichtershausen Philipp
von Schwaben, den jugendlich anmutigen Bruder des ver-
storbenen Kaisers, zum König; der feierlichen Wahlakt
fand zwei Tage später in Mühlhausen statt 2). Die weifische,
1) Konrad Burdach, Walther v. d. Vogelweide, Teil I, Leipzig
1900, S. 171.
2) Dobenecker II, 1071 a.
XXVIJI. 1
2 Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
niederrheinisch-sächsische Partei *•) aber wählte unter der
Leitung des Erzbischofs Adolf2) am 9. Juli in Köln den
hochmĂĽtigen und eigenwilligen Grafen Otto von Poitou, einen
Sohn Heinrichs des Löwen und Neffen Richards von England.
Otto war sogleich bestrebt, Aachen, den alten Sitz des
Reiches, in seine Gewalt zu bringen, um dort die Krone
zu empfangen. Mit einem gewaltigen Heere — 130000
Mann sollen es gewesen sein 3) — rückte er vor die Stadt.
Nach dreiwöchigem tapferen Widerstand ergab sich die
staufische Besatzung gegen freien Abzug4). Am darauf-
folgenden Sonntag, dem 12. Juli, wurde der Weife von
Adolf von Köln gesalbt und gekrönt, also am rechtmäßigen
Orte und vom rechtmäßigen Erzbischof. Philipp von Schwa-
ben hingegen empfing erst am 8. September5), zwar mit
den rechtmäßigen Insignien — dem „Waisen" — , aber an
ungewöhnlichem Orte — zu Mainz — und nur durch den
Erzbischof von Tarantaise die königlichen Weihen.
Von neuem schuf so die alte Feindschaft der beiden
großen Geschlechter tiefe Spaltungen „in dem von allen
Winden gepeitschten Meere" 6).
Burchard von Ursperg gibt bei der Erörterung über
die spätere Parteinahme Landgraf Hermanns der Vermutung
Raum, er habe sich selbst Hoffnung auf die Krone gemacht 7),
1) Siehe die Namen der als Zeugen bei der Krönung Ottos in
Aachen anwesenden Fürsten bei Böhmer-Ficker, Regesta Imperii
abgek. Reg. Imp.), Innsbruck 1881—1882, V, 1, 198i.
2) Die Wahlintriguen dieses ehrgeizigen FĂĽrsten siehe aus-
führlich bei V. Röhrich, Adolf I., Erzbischof von Köln, 1. Teil:
Adolf als Reichsfürst, Königsb. Diss., Braunsberg 1886, S. 20—37.
3) Reinerus monachus B. IacobiLeodiensis: Annales 1066 — 1230
(abgek. Reiner. Leod.) in SS. XVI, 651—680, p. 654.
4) Chron. Ursp., p. 77.
5) Ăśber das Datum siehe die AusfĂĽhrungen Fickers Reg. Imp.
V, 1 No. 19 a.
6) Eigene Worte König Philipps, Philippi regis constitutiones in
Constitutiones et Acta publica Imperatorum et Regum ed. L. Weiland,
Hann. 18U6, Tom. II, p. 11.
7) Cron. Ursp., p. 77 : Sperans ad se posse devolvi ius imperii.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 3
und die continuatio Honorii Augustodunensis nennt ihn unter
den Wählern Philipps 1). Tatsächlich aber war Hermann,
wie wir schon hörten, zur Zeit der Wahlversammlungen
und FĂĽrstentage noch im heiligen Lande. Ende Juli erst
erfolgte seine Heimkehr 2). Nach der Reinhardsbrunner
Chronik, die hierin doch gewiĂź gut unterrichtet sein dĂĽrfte,
kam der Landgraf über Böhmen zurück3). Was bewog
ihn wohl dazu, den beschwerlichen Landweg zu nehmen?
FĂĽrchtete er Nachstellungen : in Apulien von Kaiser Heinrichs
Witwe, in Süddeutschland von den Anhängern Philipps4)?
Oder wollte er einer persönlichen Begegnung mit seinem
Vetter aus dem Wege gehen? Wir wissen es nicht. So
viel jedoch ist sicher , daĂź er schon mit zweifelhafter
Gesinnung zurückkehrte, sonst hätte er die bequemere Farht
zur See vorgezogen.
Nach seiner BĂĽckkehr bewarben sich beide Teile um
seine Stimme. Trotz groĂźer Anerbietungen Philipps5) ent-
schloß sich Hermann für Otto, der freilich — in Hoffnung
auf englische Unterstützung jedenfalls — kein Op'er scheute,
den Landgrafen auf seine Seite zu ziehen. Wenn wir dem
Reinhardsbrunner Chronisten, der ja allerdings, wenn es sich
um den Buhm oder Vorteil seines Herrn handelt, gern etwas
ĂĽbertreibt, dabei Glauben schenken wollen, so erkannte
Hermann fĂĽr ein Entgelt von 8000 Mark und gegen die
Abtretung der zum Beich gehörigen Städte Nordhausen
und Saalfeld den Weifen an 6). Die angebotene hohe Geld-
1) Chronicorum Hugonis et Honorii Continuationes Wein-
gartenses ed. L. Weiland, und zwar Continuatio Honorii Augustodu-
nensis - 1208. In M. G. öS. XXI, p. 480.
2) Cron. S. S. Mod. p. 199: „circa festum Sancti lacobi — ."
Siehe auch Dobenecker II, 1083 a.
3) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 560.
4) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 559.
5) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 560: Urbes, oppida,
civitates et castra iure feodi ei copiose optulit.
6) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 560. Dazu: Cron. S. P.
Mod., p. 200 : Reversus est eciam lantgravius Thuringie Hermannus
1*
4 Die Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
summe vor allem mag ihm verfĂĽhrerisch gewinkt haben,
da er höchst verschwenderisch lebte 1). Mit seinem Beitritt
sowie dem des rheinischen Pfalzgrafen Heinrich und des
Herzogs von Brabant, die auch erst vom Kreuzzug zurĂĽck-
kehrten, schloĂź sich der Kreis der FĂĽrsten, die sich
um Otto IV. als deutschen König geschart hatten 2). Die
Macht des Weifen gestaltete sich also , wenn wir einen
Überblick über die hauptsächlichen Lande seiner Anhänger
geben wollen, etwa folgendermaĂźen: Zwischen Elbe und
Weser lagen Ottos Erblande, in Mitteldeutschland die
Landgrafschaft ThĂĽringen, am Niederrhein Brabant und
Flandern , am Mittelrhein die Pfalzgrafschaft, am Ober-
rhein Straßburg und der größte Teil des Elsaß. Das waren
wohl an sich wichtige, aber doch vereinzelte Posten, rings
von feindlichem Gebiet umschlossen; denn dem Staufer
standen der ganze Osten, der ganze SĂĽden, sowie die zu-
sammenhängenden Gebiete von Lüttich, Trier und Lothringen
im Westen zur VerfĂĽgung. Wir sehen also, daĂź sich
Hermann keineswegs für die stärkere Partei entschieden
hatte. Andererseits freilich war Otto gerade als schwächerer
Teil in die Notwendigkeit versetzt, seine Hilfe am teuersten
erkaufen zu mĂĽssen.
qui se paucis transactis diebus Ottoni regi iuramento et hominio
constrinxit. Braunschweigische Reimchronik in Deutsche Städte-
chroniken II, §49, Vers 5021 u. ff:
Her gaph im wol achte dhusend marc,
daz her im svor hulde sicherliche
zo helfene truweliche.
Otto selbst gestand dem Papste (vgl. Innocentii III. Registrum super
negotio Romani lmperii: Baluze I, 687 — 764; Migne '216 (Opera 3),
995—1174, abgek. Reg. super neg. Rom. imp., No. 27): certam Uli
dedisse pecuniae quantitatem, und mit Unrecht (siehe auch Dobenecker
II, 1175) behauptet der Reinhardsbrunner Chronist (Cron. Reinhardsbr.
SS. XXX, 1, p. 562), Otto sei nachher nicht imstande gewesen, die
versprochene Summe zu zahlen.
1) Walther v. d. Vogelw. a. a. O. S. 68, 55 ff.
2) Die anderen wohl vollzählig bei Ottos Krönung in Aachen
versammelt, siehe oben S. 2, Anm. 1.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 5
Philipp war inzwischen, bevor sich noch Landgraf
Hermann gegen ihn erklärt hatte, gegen die Hauptstellung
des Gegners, das Erzbistum Köln, aufgebrochen. In der
ersten Hälfte des Oktober bereits warf er Otto IV. in die
Stadt Köln zurück. Dann aber stand er plötzlich von
weiterem Vordringen ab und trat auf demselben Wege,
auf dem er gekommen, den RĂĽckzug an. Welche GrĂĽnde
ihn hierzu bestimmt haben mögen? — Zunächst wohl die
definitive Erklärung des eben aus dem Morgenlande heim-
gekehrten Pfalzgrafen Heinrich fĂĽr seinen Bruder (Otto);
sodann aber werden ihm auch gerade jetzt schlimmere
Nachrichten aus ThĂĽringen zugegangen sein.
Dort war Hermann zunächst bestrebt, sich der ihm von
dem Weifen zugewiesenen Reichsstädte zu bemächtigen.
Dem landgräflichen Banner, einem rot-weißen Löwen im
blauen Feld1), folgte die stattliche Zahl von 1800 Rittern.
Am 1. November2) begann die Belagerung von Nordhausen.
Igel, Ebenhöhen und Katzen entfalteten ihre zerstörende
Tätigkeit. Bilden , Mangen und andere Wurfmaschinen
schleuderten gewaltige Steine gegen die Mauern und zer-
schmetterten die Zinnen der Belagerten. Aber wenig ge-
neigt, sich in Zukunft landesfĂĽrstlichem Joch zu beugen,
waren die BĂĽrger fest entschlossen, ihre Reichsfreiheit bis
aufs äußerste zu verteidigen. Alle diese Werkzeuge 3)
mittelalterlicher Kriegskunst vermochten nicht ihren tapferen
Widerstand zu brechen. Erst als durch Ableitung der Zorge
1) Vgl. A. L. J. Michelsen, Die ältesten Wappenschilde der
Landgrafen von ThĂĽringen, Programm von Jena 1857 ; desgl. von
demselben Verfasser: Ăśber die EhrenstĂĽcke und den Rautenkranz
als historische Probleme der Heraldik, Progr. von Jena, 1854.
2) Cron. S. P. Mod., p. 200. Siehe auch Dobenecker II, 1099.
3) ßraunschw. Reimchron. a. a. O. § 50, S. 523. Vgl. über
die daselbst genannten Werkzeuge auch die gleichzeitigen Dichter,
z. B. Wolfram v. Eschen bach im Parsifal (5. Ausgabe von Karl
Lachmann, Berlin 1891) 206, 1 ff. : ir ebenhöhe unde ir mangen, swaz uf
redern kom gegangen, igel, katzen . . . und ebendaselbst Willehalm 111,
9 ff. driboc und mangen, ebenhoeh uf siulen langen, igel, katzen, pfetraere.
6 Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
der größte Wassermangel in der Stadt herbeigeführt worden
war und nach dem unerwarteten Abzug Philipps vor Köln
König Otto mit neuen Scharen herbeieilte, ergab sich im
Dezember nach sechswöchiger Belagerung die Stadt unter
der Bedingung, daß den Einwohnern Leben und Vermögen
gesichert blieb. Nach dem Falle Nordhausens wandte sich
Hermann gegen das ebenfalls staufisch gesinnte Saalfeld.
Der an und fĂĽr sich nur schlecht befestigte Ort war schon
seit einiger Zeit von landgräflichen Truppen eng umschlossen
und wurde, noch ehe Hermann selbst ankam, von den durch
wiederholte heftige Sturmangriffe entmutigten BĂĽrgern kurz
vor Weihnachten auf Gnade und Ungnade ĂĽbergeben. Die
arme Stadt verfiel schonungsloser PlĂĽnderung, Feuer und
Schwert ergänzten sich in zerstörendem Wirken. Selbst
die heiligen Gefäße des Petersklosters und anderer Kirchen
entgingen nicht der Raublust roher Hände. Der Landgraf,
der bald nach der Einnahme in Saalfeld eintraf, lieĂź den
Frevel ungeahndet; ihn hinderte offenbar die Menge der
Täter an ihrer Bestrafung. Auf einer von den Prälaten
der Provinz zu Erfurt abgehaltenen Versammlung erhob
deshalb der Abt von St. Peter Klage gegen ihn ; es wurde
schließlich1) der Kirchenbann über ihn verhängt, von dem
ihn der Bischof von Havelberg, der Stellvertreter des
Erzbischofs von Mainz, erst später lossprach, als der Land-
graf zu König Philipp übergegangen war und den der
Kirche zugefĂĽgten Schaden zu ersetzen gelobt hatte.
Die Macht der staufischen Gegenpartei wuchs inzwischen
von Tag zu Tag. Am 28. Mai 1199 2) erfolgte jene groĂźartige
Erklärung von Speyer, durch welche 50 der mächtigsten
deutschen ReichsfĂĽrsten in energischem Tone alle Eingri fe
des Papstes in die Rechte des Reiches zurĂĽckwiesen und
ihn aufforterten, ihrem Herrn Philipp seine Gunst zuzuwenden
und ihn als römischen König zu bestätigen.
1) Näheres siehe Knochenhauer a. a. O. S. 243 f. und 246.
Cron. Eeinhardsbr. p. 561.
2) Dobenecker II, 1096.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 7
Dieser selbst rĂĽstete sich jetzt, die wenigen FĂĽrsten,
die noch zu dem Weifen hielten, mit Waffengewalt zu seiner
Anerkennung zu zwingen. Wie im vorigen Jahre richtete
er seinen ersten VorstoĂź gegen Ottos VerbĂĽndete am Ober-
rhein; am 10. Juli bereits stand er vor StraĂźburg 1). Doch
auch Otto blieb nicht mĂĽĂźig. Sein gut angelegter Plan
ging dahin, von Norden her vorzudringen und sich mit
seinen Anhängern in Thüringen und in der Pfalz zu einem
gemeinsamen entscheidenden Feldzuge zu vereinigen. Aber
vergeblich erwartete er in Boppard den Zuzug seiner Ver-
bĂĽndeten. Landgraf Hermann, der ihm von Hessen her die
Hand reichen sollte, wurde vom tapferen Kuno von MĂĽnzen-
berg 2) aufgehalten, und am Mittelrhein schlug sich der
kriegerische Bischof Lupoid von Worms mit den dort
ansässigen weifenfreundlichen Großen in heftigen Fehden
herum. Und eben noch bekam Philipp durch den Fall
StraĂźburgs freie Hand. Mit seiner gesamten Herresmacht
eilte er Lupoid zu Hilfe, und in kurzer Zeit schon befand
sich das ganze linke Rheinufer bis hinab zur Mosel in der
Gewalt des Staufers.
Jetzt sollte wohl der Landgraf von ThĂĽringen die
Macht des Siegers zu spĂĽren bekommen; da lenkte Hermann
rasch ein. Philipps siegreiches Vordringen zeigte ihm, auf
welcher Seite er seinen Vorteil zu suchen hatte. Von Otto
stand für ihn vorläufig ganz gewiß nichts zu erwarten, zumal
der Weife durch den Tod seines Oheims Richard Löwenherz
am 6. April 1199 soeben noch seiner finanziellen Unter-
stĂĽtzung beraubt worden war. Andererseits glaubte der
Landgraf wohl auch, seine Begehrlichkeit nach dem ĂĽbrigen
in ThĂĽringen gelegenen Reichsgut jetzt mit Philipps Unter-
stützung befriedigen zu können.
1) Annales Marbacences ed. Bloch, p. 74; Cron. Reinhardsbr.
SS. XXX, 1, p. 561 ; P. Wentzcke, Regesten der Bischöfe von Straß-
burg, veröffentlicht von der Kommission zur Herausgabe Elsässischer
Geschichtsquellen, StraĂźburg 1908, Bd. 1, nr. 705.
2) In der Wetterau, sĂĽdlich von GieĂźen.
8 Die Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
Bei Philipp wird sich nicht minder als Ottokar von
Böhmen, dessen Vermittlung der Reinhardsbrunner Chronist
hier besonders hervorhebt1), Dietrich von MeiĂźen fĂĽr
seinen Schwiegervater verwandt haben; hatte er es doch
lediglich Hermanns Hilfsbereitschaft zu danken, daĂź er nach
seiner RĂĽckkehr aus dem heiligen Lande sich mit Waffen-
gewalt wieder in den Besitz der Markgrafschaft setzen konnte.
So erfolgte am 15. August 1199 der Ăśbertritt des
Landgrafen. Der freigebige Staufer belehnte ihn, der
„reprobato suo rege Ottone" ihm gehuldigt hatte, mit den
königlichen Villen Nord hausen, Mühlhausen, Saalfeld „cum
finibus Orlan" und dem Schlosse Ranis 2). Am 29. September3)
erscheint Hermann zum erstenmal zu Mainz in des Königs
Umgebung.
Philipp beschloĂź dieses fĂĽr ihn so glĂĽckliche Kriegs-
jahr durch einen glänzenden Hoftag, den er zu Weihnachten
in Magdeburg hielt. Zahlreich fanden sich dort die alten
und jungen Freunde des Königs ein : Erzbischof Ludolf von
von Magdeburg, die Bischöfe Konrad von Würzburg und
Otto von Freising, Herzog Bernhard von Sachsen, Markgraf
Dietrich von MeiĂźen u. a. Auch Landgraf Hermann war
anwesend, wie denn ĂĽberhaupt vor allem die Sachsen und
ThĂĽringer sich an dem Feste beteiligten 4).
Noch im Januar des neuen Jahres (1200) weilte Hermann
bei Philipp, der sich längere Zeit in den angrenzenden
Gegenden aufhielt 5).
Otto IV. empfand den Verlust des Landgrafen schwer,
1) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 562.
2) Reg. imp. V, 29 a; Dobenecker II, 1099.
3) Reg. imp. V, 32; Dobenecker II, HOL
4) Walther v. d. Vogelweide a. a. O. 68, 35 f. :
„Die Düringe und die Sahsen
dienden also da,
daz ez den wisen muoste wol
gevallen.a
5) Dobenecker II, 1159.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 9
bitter beklagte er sieb ĂĽber seine Treulosigkeit bei Inno-
cenz III., wie dessen Brief an Erzbischof Konrad von Mainz
im Herbst 1200 *) zeigt. „Otto", so heißt es darin, „habe
sich ĂĽber den Landgrafen beschwert, weil er seinen Eid
nicht gehalten habe ; er (Konrad von Mainz) möge nun den
mit seiner Nichte verheirateten Landgrafen ermahnen, daĂź
er die König Otto gemachten Zusagen halten und das
Empfangene zurückerstatten möge, widrigenfalls würde er
ihn mit Exkommunikation und sein Land mit dem Inter-
dikt belegen 2).
Papst Innocenz III., Cölestins tatkräftiger Nachfolger,
hatte bisher noch immer nicht fĂĽr den Weifen, auf dessen
Seite er ja insgeheim von Anfang an stand, offene Partei
ergriffen. Am 1. März 1201 aber trat er frei mit seiner
Entscheidung hervor; er erkannte Otto als römischen König
an und befahl allen Deutschen, ihm allein hinfort unbe-
dingten Gehorsam zu zollen, Philipp dagegen erklärte er
als noch von frĂĽher her in Bann befindlich 3). Den FĂĽrsten
insgesamt legte er die GrĂĽnde seiner Handlungsweise in
einem ausfĂĽhrlichen Bericht dar4), besondere Schreiben er-
gingen zugleich auch noch an die einzelnen Bischöfe, Her-
zöge, Grafen und Barone 5). Diese Parteinahme des Papstes
zeigte sich sogleich bei der Erledigung des Mainzer Erz-
bistums. Die staufische Partei hatte an die Stelle des (wahr-
scheinlich) am 25. Oktober 1200 verstorbenen Konrad von
Mainz den Bischof Lupoid von Worms erhoben, bei Otto IV.
und seinen Anhängern aber war Siegfried von Eppstein
zur Anerkennung gelangt. Schon am 3. Juli hatte der
päpstliche Bevollmächtigte, Guido von Praeneste, im Dome
1) Das Datum steht nicht fest; siehe Dobenecker II, 1175.
2) Vgl. Dobenecker II, 1175.
3) Reg. super neg. Rom. imp., No. 32.
4) Reg. super neg. Rom. imp., No. 33.
5) Reg. super neg. Rom. imp., No. 35 — 45; vgl. auch Dobe-
necker II, 1194—1195; Wentzke, Reg. d. Bischöfe von Straßburg,
No. 717.
10 -Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
zu Köln Otto zum König der Deutschen ausgerufen und
alle seine Widersacher mit dem Banne belegt; mit der
gleichen Entschiedenheit griff er jetzt in den Streit um
die Wiederbesetzung des Mainzer Stuhles ein, indem er
ohne weiteres Lupoid verwarf und Siegfried die Weihe er-
teilte. Scharf verurteilt diese willkürliche Bestätigung der
Propst von Ursperg, indem er sagt, Innocenz habe in bezug
auf diese Wahl keinen Richterspruch gefällt, sondern ein
Unrecht getan 1).
Eine einmĂĽtige Stellungnahme seiner Partei gegenĂĽber
den Eingriffen des Papstes herbeizufĂĽhren, berief Philipp
auf Maria Geburt, den 8. September, einen Reichstag nach
Bamberg. Der Einladung hierzu folgte auch Landgraf Her-
mann, den wir bereits vorher einmal, am 28. Juli, in der
Umgebung des Staufers zu Gelnhausen finden 2).
Geistliche und weltliche FĂĽrsten waren in groĂźer An-
zahl erschienen. Die allgemeine Stimmung der glänzenden
Versammlung erwies sich infolge der beiden rasch auf-
einander folgenden Gewaltakte den AnsprĂĽchen des Papstes
durchaus feindlich. Einhellig beschloĂź man, Philipp den
Eid der Treue zu erneuern, ganz unbekĂĽmmert darum, daĂź
er vom apostolischen Stuhl exkommuniziert und Otto fĂĽr
das deutsche Königreich bestimmt worden sei3). Zugleich
wurden fĂĽr einen offenen Protest unter den anwesenden
FĂĽrsten Unterschriften gesammelt. Ein Gleiches geschah
bald danach zu Halle, wohl auch noch an anderen Orten,
und im Januar 1202 ging ein mit 29 Namen versehenes
Schreiben an Innocenz ab. In selbstbewußter und männ-
licher Sprache erhoben die Unterzeichneten darin Einspruch
gegen die unbefugte Einmischung des Legaten in das Wahl-
recht der deutschen FĂĽrsten und baten weiterhin, Philipp,
1) Chron. Ursp., p. 80 : super hac electione fecit non iudicium,
sed iniuriam.
2) Dobenecker II, 1197.
3) Cr. 8. P. mod. in M. E., p. 201.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). \\
ihren Gewählten, „wenn Zeit und Gelegenheit kommt", zu
salben 1).
Unter den Ausstellern der Protestation wird auch Land-
graf Hermann genannt. Doch mit Unrecht wĂĽrden wir hier-
aus auf eine staufisch-treue Gesinnung seinerseits schlieĂźen.
Hermann hat sich auf dem Reichstage zu Bamberg nur der
Mehrheit angeschlossen, in Halle ist er schon gar nicht
mehr erschienen 2). Wenige Wochen später bezeichnet ihn
der päpstliche Notar, Magister Philipp, dessen Nachrichten
jedoch sonst nicht immer unbedenklich sind 3), seinem Herrn
gegenüber als einen „widerwilligen Anhänger des Schwaben" ;
zu Ende des Jahres 1201 aber spricht Innocenz III. selbst
dem Landgrafen seine Freude darĂĽber aus , daĂź er den
zum Römischen Kaiser erwählten König Otto den Treu-
eid geleistet habe, und ermahnt ihn, treu bei dem Könige
auszuharren, ohne RĂĽcksicht auf den etwa frĂĽher dem Her-
zoge von Schwaben geleisteten Eid4).
Die Annahme liegt schon jetzt nahe, den ĂĽberraschen-
den Parteiwechsel Hermanns als ein Werk des Papstes zu
betrachten. Mag auch vielleicht, wie Winkelmann ver-
mutet 5) , die Bevorzugung staufischer Ministerialen am
königlichen Hofe den ehrgeizigen Sinn des Landgrafen
1) Dobenecker II, 1216. Ăśber die Beurteilung des Schreibens
siehe R. Schweiner, Innocenz III. und die Deutsche Kirche während
des Thronstreites von 1198—1208, Straßburg. Diss. 1882, S. 40 ff.
2) Siehe E. Winkelmann, Philipp von Schwaben und Otto IV.
von Brannschweig (Jahrb. d. Deutsch. Gesch., 2 Bde., Leipzig 1873/78,
abgek. Winkelmann I, S. 255 u. 266.
3) Vgl. z. B. seine Angabe ĂĽber die erneute Parteinahme des
Bischofs von Straßburg für Otto: Wentzcke, Regesten der Bischöfe
von StraĂźburg, No. 716 u. 719.
4) Dobenecker II, 1205. Vgl. dazu die ähnlich lautenden Briefe
u. a. an die Bischöfe von Basel und Straßburg, die Großen von
Dagsburg und Habsburg: Wentzcke, Reg. d. Bisch, v. StraĂźburg,
No. 717.
5) Winkelmann a. a. O. S. 266.
12 Die Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
gereizt haben, wirklich bestimmend fĂĽr seinen erneuten Treu-
bruch hat auf ihn zweifellos nur Innocenz III. eingewirkt.
Daß beide schon länger miteinander in Korrespondenz ge-
standen haben, zeigt der Brief des Papstes vom 11. April
1203 !). Er nimmt darin Hermann samt seinen GĂĽtern
auf dessen Bitte in seinen Schutz, begnadet ihn, daĂź
niemand ĂĽber ihn und sein Land Exkommunikation und
Interdikt ohne offenbare Ursache aussprechen dĂĽrfe, und er-
laubt ihm, jederzeit an den päpstlichen Stuhl zu appellieren.
Klar und deutlich liegt doch in dieser Bitte des Land-
grafen eine vorhergegangene Mitteilung von ihm an Inno-
cenz ausgesprochen.
Ein Brief Ottos IV. selbst bringt uns schlieĂźlich die
vollkräftigste Bestätigung für den entscheidenden Einfluß
des Papstes auf Hermanns Handlungsweise: Otto berichtet
im Dezember 1203 Innocenz über seine durch päpstliche
Hilfe sich täglich günstiger gestaltende Lage und dankt
ihm zugleich dafür, daß er den König von Böhmen, den
Landgrafen von Thüringen und den Markgrafen von Mähren
fĂĽr ihn gewonnen hat 2).
Zur Zeit des Reichstages von Bamberg bereits hatte
sich ein anderer FĂĽrst offen von Philipp abgewandt, Kon-
rad von Würzburg, des Königs Kanzler. Den Treulosen
zu zĂĽchtigen, rĂĽckte der Staufer vor WĂĽrzburg. Noch ehe
es aber zum Kampfe kam , erlag der Bischof schnödem
Meuchelmord3). Mit Konrad hatte seit dem Sommer 1201
Landgraf Hermann häufige Unterredungen gepflogen. Diese
ZusammenkĂĽnfte nun haben dem Reinhardsbrunner Chro-
nisten Veranlassung gegeben, das gewaltsame Ableben des
Bischofs als Grund von Hermanns Abfall zu bezeichnen;
1) Dobenecker II, 1240.
2) Dobenecker II, 1252.
3) Siehe darĂĽber Th. MĂĽnster, Conrad von Querfurt, Kaiser-
licher Hofkanzler, Bischof von Hildesheim und WĂĽrzburg, Leipz.
Diss., Wernigerode 1890, S. 59 f.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 13
der Landgraf habe sich infolge dieses Gewaltaktes genötigt
gesehen, an seine eigene Sicherheit zu denken *).
Hermann hat es allem Anschein nach vortrefflich ver-
standen, seine Absicht betreffs des Parteiwechsels zunächst
geheim zu halten. Erst seine Unterredungen mit dem un-
getreuen Kanzler nach dem Bamberger Tage muĂźten ihn
Philipp verdächtig erscheinen lassen , seine Bemühungen
für den weifischen Siegfried von Eppstein, den er päpst-
licher Mahnung zufolge sofort als Erzbischof von Mainz
anerkannte 2), des Staufers Argwohn steigern. Aber auch
jetzt hat er dem König den Gehorsam noch nicht offen
aufgekĂĽndigt, sondern ihn mit trĂĽgerischen Verhandlungen
bis in den FrĂĽhling des kommenden Jahres (1204) hin-
gehalten 3). Ob freilich Philipp das falsche Spiel des Land-
grafen nicht bereits nach dessen Erklärung für den anti-
staufischen Kandidaten durchschaute, ist eine andere Frage.
Ich möchte es als gewiß annehmen. Der König hätte eher
zu den Waffen gegriffen, wenn ihm zur Zeit nicht daran
gelegen sein muĂźte, die bevorstehende Heerfahrt nach Bur-
gund, dem Erbe seines jĂĽngst verstorbenen Bruders Otto,
auszufĂĽhren und seine Angelegenheiten in Trier zu beenden.
So aber drohte 4) er dem Landgrafen nur mit der ZurĂĽck-
nahme des ihm 1199 verliehenen Reichsgutes, die AusĂĽbung
weiterer Rache ĂĽberlieĂź er einstweilen dem Erzbischof Lu-
poid von Worms, der ja ohnehin gegen Hermann aufge-
bracht war wegen dessen Parteinahme fĂĽr Siegfried von
Eppstein.
In einer stürmischen Märznacht rückte der Erzbischof
mit dem Grafen Lambert von Gleichen vor die Mainzische
Stadt Erfurt, deren Einwohner Hermann kurz vorher zum
1) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 566; siehe dazu Winkel-
mann a. a. O. S. 267.
2) Chron. reg. Col., p. 201. Siehe auch Knochenhauer a. a. O.
S. 250 f.
3) Siehe Abel a. a. O. S. 164, Anm. 2.
4) Siehe auch Winkelmann a. a. O. S. 267.
14 Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
Gehorsam gegen Siegfried veranlaĂźt hatte. UnterstĂĽtzt
von einer drinnen ausgebrochenen Feuersbrunst, wurde er
schnell Meister der Feste. Am nächsten Morgen beschied
er Geistlichkeit und BĂĽrgerschaft vor sich und kĂĽndigte
ihnen an, wieviel Rosse, Wagen und Waffen die Stadt zu
stellen habe. An ihm allein schon solle der Landgraf die
Macht König Philipps erfahren.
Mitte Juni rĂĽckte dann dieser selbst von Ravensburg *)
her, wo er um Pfingsten den Heerbann seines Herzogtums
aufgeboten hatte, in ThĂĽringen ein. Erst am Tage vor
seinem Einmärsche in das landgräfliche Gebiet schickte,
wie der Reinhardsbrunner Chronist erzählt 2), der König
an Hermann den Absagebrief. Offenbar wollte er den
Landgrafen überrumpeln, ehe dessen Verbündete, der Böhme
und der Weife, herbeieilen konnten. Zunächst ging alles
glĂĽcklich von statten. Der Staufer, der in seinem Heere
2000 Ritter und eine groĂźe Zahl BogenschĂĽtzen mit sich
fĂĽhrte 3), traf nirgends bedeutenderen Widerstand an. Zu
ihm stieĂź bald sein Mainzer Erzbischof Lupoid, der bis
dahin Erfurt behauptet hatte, und nun begann eine furcht-
bare VerwĂĽstung der Landgrafschaft, wie sie im Wesen
der damaligen KriegfĂĽhrung lag. Allen zuvor tat es hierin
Lupoid selbst, den seine Gegner als einen äußerst rohen
Mann schildern 4). Nicht die Sarazenen, sagt der Rein-
hardsbrunnner Chronist5), hätten es ärger treiben können
als die Schwaben.
Landgraf Hermann hatte auf die Kunde von dem Ein-
bruch der feindlichen Heerhaufen eiligst an den Rhein und
nach Böhmen um Hilfe gesandt. Jetzt suchte er, um den
1) Nördlich vom Bodensee.
2) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 566.
3) Cron. Reinhardsbr. 1. c.
4) Caesarii Heisterbachensis monachi ordinis Cisterciensis Dia-
logus miraculorum, rec. los. Strange, Coloniae 1851, Index Con-
fluentiae 1857, II, 9.
5) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 566.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 15
Weitermarsch des Gegners zu verzögern, bei diesem um
Unterhandlungen nach, gleichsam als beabsichtige er, sich
zu unterwerfen. Philipp ließ sich täuschen und gewährte
auf die Vermittlung des Bayernherzogs hin dem Land-
grafen sogar einen achttägigen Waffenstillstand1). Dies
Zugeständnis wurde ihm verderblich; denn Hermanns Partei-
genossen war dadurch die Möglichkeit gegeben, rechtzeitig
auf dem Kriegsschauplatze zu erscheinen. Nicht lange
währte es, so rückte von Norden her der Pfalzgraf Hein-
rich mit 500 Rittern und 300 SchĂĽtzen heran, und von
Süden nahten der Böhmenkönig und sein Bruder, Markgraf
Heinrich von Mähren, mit 40000 Mann2).
Freilich nicht zum Segen für die arme Landbevölke-
rung kamen diese Scharen Ottokars dem Landgrafen zu
Hilfe. Ihr Zuzug hatte eine Verheerung im Gefolge, der
gegenĂĽber die bisherige nur ein leichtes Vorspiel bedeutete.
Die Böhmen, die nach altem Herkommen auf Kriegszügen
ungestraft rauben und plĂĽndern konnten, machten von dieser
Freiheit den ausgiebigsten Gebrauch. Noch schrecklicher
als sie aber hausten die wilden Söhne der ungarischen
Steppen, die König Emmerich seinem Schwager zu Hilfe
geschickt hatte 8). FĂĽr diese bestand zwischen Feindes-
und Freundesland kein Unterschied. 16 Klöster und 350
Pfarrkirchen fielen, wie der Abt Arnold von LĂĽbeck be-
richtet4), ihrer Zerstörungswut zum Opfer; die Priester-
1) Braunschw. Reimchron. § 53, Vers 5730 ff.
2) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 566. Vgl. auch W.
Eschenbach im Parzival, 379, Vers 5—8:
der reit dar zuo mit solher kraft,
waer Swarzwalt ieslich stude ein schaft,
man dorft da niht mer waldes sehn,
swer sine schar wolde spehn.
3) Braunschw. Reimchron. a a. 0. § 53, Vers 5744:
waz vremdher zunghen mit im quemen,
Ungheren, Valewen unte Behemen,
daz waz gar ane maze.
4) Arn. Chron. Slav. lib. VI, Kap. 5.
16 Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
gewänder wurden zu Hemden und Mänteln, die Altartücher
zu Pferdedecken verwandt, Nonnen und Jungfrauen zu Tode
geschändet oder an den Schwänzen der Pferde gefangen
mitfortgeschleift.
Nachdem Anfang Juli die "Vereinigung des Landgrafen
mit dem Böhmen und dem Pfalzgrafen erfolgt war, zog
sich Philipp vor der Ăśbermacht hinter die festen Mauern
Erfurts zurück. Hinter ihm her wälzten sich die Scharen
der VerbĂĽndeten und umlagerten in weitem Kreise die
Stadt. Mit rheinischen" und westfälischen Rittern traf zu
Beginn des folgenden Monats auch König Otto im Lager
ein. Aber bald nach seiner Ankunft hoben die FĂĽrsten
die Belagerung wieder auf; sie hatten während der ver-
flossenen 30 Tage *) nicht den geringsten Erfolg erzielt,
und ĂĽberdies war der Staufer, dessen Gefangenschaft man
ja wohl als besonderes Ziel ins Auge gefaĂźt haben mochte,
bei nächtlicher Weile aus der Feste entkommen 2). Er hatte
sich nach dem treuen Osterland (im weiteren Sinne) ge-
wandt, jedenfalls mit der Absicht, daselbst Truppen zum
Entsatz aufzubieten. Dies zu verhindern, folgte ein Teil
des weifischen Heeres dem flüchtigen König nach Meißen,
dort weit und breit alles mit Feuer und Schwert ver-
wĂĽstend, die ĂĽbrigen zogen, nicht minder verheerend, die
Saale abwärts, um in das Gebiet des staufischen Erzbischofs
von Magdeburg einzufallen.
Nach kurzem Widerstand öffnete Merseburg die Tore,
und hier wurde am Donnerstag vor Martini, dem 24. August
1203, ein groĂźer Hof tag gehalten, auf dem Landgraf Her-
mann dem König Otto die Huldigung erneuerte 3). Mit der
gesamten Heeresmacht ging es dann gegen Halle. Aber
1) Siehe F. Vogel, Erzbischof Ludolf von Magdeburg (1192
bis 1205), Leipz. Diss. 1885, S. 46, dessen Ansicht betreffs der Dauer
der Belagerung Erfurts 1203 auch ich beipflichte.
2) Cron. Reinhardsbr. So. XXX, 1, p. 56Ăś; Chron. reg. Col. III,
p. 201 ; Braun schweiger Reimchron. a. a. O. § 53, Vers 5750 ff.
3) Dobenecker 11, 1245 a.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 17
hier hatte beizeiten Erzbischof Ludolf den Markgrafen Otto
von Brandenburg, seinen Vasallen, mit 300 Rittern in die
Stadt geworfen; sie war nicht zunehmen. Das umgebende
Land freilich wurde um so furchtbarer heimgesucht. Es
verbreitete sich vor den plĂĽndernden Scharen ein solcher
Schrecken, daĂź selbst die Magdeburger ihre Habe samt
Weib und Kind auf das rechte Eibufer hinĂĽber flĂĽchteten.
Nach mehrwöchiger Verwüstung des erzbischöflichen
Gebiets trennten sich endlich die VerbĂĽndeten. Der Land-
graf kehlte nach ThĂĽringen, Ottokar durch das MeiĂźner
Land nach Böhmen zurück. König Otto aber begab sich,
nachdem er noch einen vergeblichen Versuch zur Eroberung
Goslars unternommen hatte, mit seinem Bruder Heinrich
wieder an den Niederrhein, wo er auf der Höhe seiner im
Thronstreit errungenen Macht in Soest einen glänzenden
Hoftag hielt. Die UnterstĂĽtzung des Papstes war dem
Weifen nach den Erfolgen dieses Jahres vollkommen sicher.
Landgraf Hermann mag von den Ergebnissen, die ihm
der erneute Wechsel in seiner Politik gebracht hatte, wenig
befriedigt gewesen sein. Seit seinem RĂĽcktritt zur wei-
fischen Partei wurde zwar selbstverständlich der Wieder-
erstattung jener Gelder, die er bei seiner ersten Huldigung
von Otto empfangen hatte, nicht mehr gedacht, im Gegen-
teil, der Weife hat ihm noch weitere Zugeständnisse ge-
macht, wie wir aus der päpstlichen Bestätigung derselben
vom 12. Dezember 1203 ersehen1); aber konnte ihm dies
einen Ersatz bieten fĂĽr die traurige Verarmung seines Lan-
des, die wohl ebenso sehr dem rĂĽcksichtslosen Schalten
und Walten seiner eigenen Parteigenossen wie der Raub-
lust der Feinde zuzuschreiben war? Noch zu guterletzt,
nach dem Abzug der Böhmen und Weifen, mußte der Land-
1) Reg. super neg. Rom. imp. No. 97: Cum Otto quasdam
conventiones tecum iniisse no*catur et literis propriis roborasse con-
ventiones ipsas confirmamus. Der Inhalt dieser conventiones ist leider
nicht bekannt; Dobenecker IL, 1251.
XXVill. 2
^3 Die Reichspolitik Hermanns I, Landgrafen von ThĂĽringen
graf es geschehen lassen, daß König Philipp, der im August
oder September aus dem Osten wieder nach Erfurt zurĂĽck-
gekehrt war, mitten durch ThĂĽringen seinen Weg nahm
und dabei Schmalkalden zerstörte *).
Bereits im März 1204 begannen die kriegerischen
Unternehmungen von neuem. Zunächst machte bald nach
Beginn der Fastenzeit Philipp einen unerwarteten VorstoĂź
nach Norden, um Goslar zu entsetzen. Es war zwar, wie
schon oben erwähnt, Otto auf seinem Zuge nach dem Rhein
nicht gelungen, die alte Reichsstadt selbst einzunehmen,
er hatte aber in ihrer Nähe eine Burg angelegt, deren Be-
satzung die Bürger hart bedrängte. Ehe noch der Weife
zum Schutze der Seinen herbeieilen konnte, hatte Philipp
seine Absicht durchgefĂĽhrt und befand sich bereits wieder
auf dem RĂĽckweg nach Schwaben 2).
Auch Landgraf Hermann, der mit 400 Rittern auf-
gebrochen war, die kĂĽhne Tat zu hindern, traf den Feind
nicht mehr an und kehrte um, in der Ăśberzeugung, daĂź
von dem Staufer vorläufig weitere Unternehmungen nicht
zu befĂĽrchten seien. Die Folgezeit zeigte bald, wie bitter
er sich in dieser Annahme getäuscht hatte. Gerade Her-
mann, durch den Philipps vorjähriger Kriegsplan gescheitert
war, sollte jetzt des Königs ganze Rache zu spüren be-
kommen, sein Land wiederum der Schauplatz unheilvoller
Kämpfe werden.
Die Menge der Feinde, die sich zu gleicher Zeitigegen
den Landgrafen erhoben, legen Zeugnis ab, mit welch um-
fassenden RĂĽstungen Philipp diesen Feldzug vorbereitet
hatte. Aus allen Teilen Oberdeutschlands, aus Schwaben,
Ostf'ranken, Bayern, ja selbst aus dem fernen Kärnten er-
hielt er Verstärkungen. Erzbischof Ludolf von Magdeburg
fĂĽhrte ihm allein 1000 Ritter und viele Tausende Gewappnete
1) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 567.
2) Cron. Reinhardsbr. 1. c. ; Chron. reg. Col. p. 216.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 19
zu x). Nicht minder regen Eifer entfalteten Markgraf Diet-
rich von MeiĂźen, Herzog Bernhard von Sachsen und die
ĂĽbrigen wettinischen und anhaltischen GroĂźen. Noch nie
hatten die FĂĽrsten der Osterlande ein so zahlreiches und
wohlausgerĂĽstetes Heer ins Feld gestellt 2). Aber auch in
ThĂĽringen selbst erwuchsen dem Staufer Bundesgenossen
Die Grafen von Gleichen , Beichlingen und Schwarzburg,
ergriffen begierig die Gelegenheit, sich des landesherrlichen
Joches zu entledigen, und ihrem Beispiele folgte ein groĂźer
Teil des Adels. So war der Feldzug schon beinahe ent-
schieden, als Philipp im Juli 3) vom Harz herunter in ThĂĽ-
ringen eindrang. Freiwillig öffnete ihm, der früheren Reichs-
freiheit eingedenk und ihre Wiederkehr erhoffend, Nordhausen
die Tore, während Sangerhausen von Albrecht, dem Sohne
des Herzogs Bernhard von Sachsen, zur Übergabe genötigt
wurde4). Ende Juli vereinigten sich die gesamten Heeres-
massen vor WeiĂźensee, dessen EinschlieĂźung Albrecht von
Sachsen schon frĂĽher begonnen hatte.
Sechs Wochen 5) dauerte die Belagerung, und Landgraf
Hermann schaute noch immer nach der erbetenen Hilfe
seiner Verbündeten aus. Endlich näherte sich Anfang Sep-
tember König Ottokar mit einem großen böhmischen Heere,
das auch diesmal durch ungarischen Zuzug verstärkt war6).
Vom Fichtelgebirge her zog er unter VerwĂĽstungen durch
1) Magdeburger Schöppenchronik in Chroniken der Deutschen
Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Vll, 1, herausgegeben durch
die Historische Kommission bei der Königl. Akademie der Wissen-
schaften, Leipzig, 1869, S. 125 f.
2) Cron. Eeinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 568.
3) Chron. reg. Col. p. 216: circa lulium mensem ; Cr. S. P.
mod. in M. E. p. 202 : tempore messis; Braunschw. Eeimchron. a. a. O.
§ 54, Vers 5890: an dhern sumere.
4) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 567 ; Braunschw. Reim-
chron. a. a. O. § 54, Vers 5905.
5) Siehe O. Holder-Egger im N. A. XXI, 528.
6) Albert von Stade, Annales Stadenses, ed. Io. M. Lappenberg,
1859, SS. XVI, p. 354 : regibius Boemiae et Ungariae profugatis.
2*
20 Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
das Gebiet der Villa regia Saalfeld und das Land Orla x)
und schlug sĂĽdlich von Arnstadt, zwischen Ilmenau (?) und
Lange wiesen ein Lager auf. Zu einer Schlacht kam es
indessen nicht. Kaum hatte der Böhme durch seine Kund-
schafter genauere Nachrichten über die Stärke der Feinde
erhalten, die ihm unter der bewährten Führung des Mar-
schalls Heinrich von Kalden, des Siegers von Catania,
von WeiĂźensee her entgegenzogen, so entsank ihm der Mut,
und er war auf eiligen RĂĽckzug bedacht. Hinter dem
täuschenden Schleier angezündeter Wachtfeuer trat er diesen
bei Beginn der Dunkelheit an und befand sich am Morgen
bereits auĂźer allem Bereich des Feindes.
Mit der schimpflichen Flucht Ottokars war das Schick-
sal Hermanns besiegelt. In jenem Kloster Ichtershausen,
unweit Erfurt, in welchem sieben Jahre frĂĽher die deut-
schen FĂĽrsten die Wahl Philipps beschlossen hatten, lag
am 17. September 2) der Landgraf tief gedemĂĽtigt zu FĂĽĂźen
des Staufers und unterwarf sich ihm auf Gnade und Un-
gnade. Zürnend blickte der König zu dem treulosen Manne
nieder, der jetzt zum vierten Male innerhalb der wenigen
Jahre die Partei zu wechseln sich anschickte. Mit scharfen
Worten hielt er ihm seine WortbrĂĽchigkeit, seine ganz
und gar nicht verwandtschaftliche Gesinnung, seine Torheit
vor; erst auf die FĂĽrsprache der dem Landgrafen befreun-
deten anwesenden FĂĽrsten hob er ihn vom Boden auf und
gab ihm dem FriedenskuĂź. Hermann wurde mit Verlust des
ihm im Jahre 1199 ĂĽbertragenen Reichsgutes bestraft, muĂźte
von neuem Treue schwören und zur Bekräftigung dieses
Eides GeiĂźeln stellen, darunter seinen eigenen Sohn.
Nach der Bezwingung des Landgrafen wandte sich
König Philipp gegen Ottokar von Böhmen, um auch ihn
1) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 203 ; siehe auch Dobenecker II,
1264 a.
2) Chron. reg. Col. p. 217: supplex ad eum venit; Dobenecker II
1264 a.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). . 21
fĂĽr seinen Abfall zu zĂĽchtigen. Otto vermochte nicht zu
widerstehen; er erneuerte dem Staufer die Huldigung, stellte
GeiĂźeln und zahlte 7000 Mark BuĂźe1).
Da bald nach dem thĂĽringischen Feldzuge 2) auch Ottos
Bruder, der Pfalzgraf Heinrich, zu Philipp ĂĽbertrat und zu
Ende des Jahres sich sogar der Erzbischof von Köln und
der Herzog von Brabant mit dem Staufer aussöhnten, konnte
sich dieser jetzt vollkommen als Sieger fĂĽhlen.
Der starke Unmut, den der König über Hermann em-
pfunden hatte, äußerte sich bald nach dem Ichtershausener
Tage noch einmal am 23. Mai 1205 in NĂĽrnberg. Philipp
bezeichnet den Landgrafen dort zwar als „seinen geliebten
Blutsverwandten", aber er entscheidet doch in allen StĂĽcken
gegen ihn in dem Friedensvertrage Hermanns mit dem Abt
von Hersfeld, wonach der Landgraf „alle dem Kloster und
den Hersfelder Ministerialen entzogenen Besitzungen und
GĂĽter zurĂĽckerstatten soll" 3).
Hermann scheint sich danach seinem Lande gewidmet
zu haben, die Wunden zu heilen, die der Krieg geschlagen.
Am 11. Juni hält er Landding ab in Obhausen4), und die
Urkunde, der zufolge er am 28. September bei „Kaiser
Philipp" gewesen sein soll, beruht auf Fälschung5).
Doch bald konnte sich der Landgraf tatkräftig als
staufischer Parteigänger bewähren. Im Juni 1206 gelang
1) Siehe Abel a. a. O. S. 181, Anm. 16.
2) Siehe L. v. Heinemann, Heinrich v. Ăźraunschweig, Pfalzgraf
bei Rhein. Ein Beitrag zur Geschichte des staufischen Zeitalters,
Gotha 1882, S. 108, Anm. 3; V. Röhrich, Adolf I., Erzbischof von
Köln, Königsberger Diss. 1886, S. 101 ff. Siehe auch E. Holder-
Egger in Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 567, Anm. 5. — Ver-
sehentlich fĂĽhrt ihn Dobenecker II, 1264 wieder unter den Zeugen
der am 24. August 1204 vor WeiĂźensee ausgestellten Urkunde anstatt
Heinrichs, des Sohnes Herzog Bernhards von Sachsen, an.
3) Dobenecker II, 1281. Siehe auch Knochenhauer, a. a. O.
S. 259 ff.
4) Dobenecker II, 1284.
5) Dobenecker II, 1292.
22 Die Reichspolitik: Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
es Ottos IV. TruchseĂź Gunzelin von WolfenbĂĽttel, Goslar
einzunehmen. Unterstützt von seines Königs Bruder, Wil-
helm von LĂĽneburg, belagerte der weifische Feldherr hier-
auf Lichtenberg 1). Um wenigstens diese Feste dem Staufer
zu erhalten, eilten am 25. Juli Erzbischof Albrecht von
Magdeburg, Landgraf Hermann von ThĂĽringen und Mark-
graf Dietrich von MeiĂźen zum Entsatz herbei. Sie trieben
die Belagerer zurĂĽck, verbrannten ihre Werkzeuge und
versorgten die Burg auf ein ganzes Jahr mit Lebens-
mitteln 2).
Landgraf Hermann nahm dann vermutlich auch an der
Belagerung Kölns durch König Philipp teil ; im Dezember 3)
weilt er zu Hagenau am staufischen Hofe. Das folgende
Jahr (1207) zeigt ihn uns oft in der Umgebung des Königs:
im Januar4) zu Frankfurt, im Februar5) zu Gelnhausen,
im Mai 6) wieder zu Frankfurt, im August 7) zu WĂĽrzburg
und Nordhausen. Nach Nordhausen hatte Philipp, dessen
Verhältnisse sich immer günstiger gestaltet hatten, einen
Hoftag angesagt s). Er verhandelte hier9) im Beisein der
päpstlichen Legaten mit Otto, doch ohne jedes Resultat.
Unter den versammelten FĂĽrsten wird auch der Landgraf
von ThĂĽringen genannt10).
Auch auf den nächsten Reichstagen ist Hermanns An-
wesenheit beglaubigt n), so daß wir ihn uns jetzt für längere
Zeit im Gefolge König Philipps zu denken haben.
1) Westlich von Goslar.
2) Magdeburg. Schöppenchronik a. a. O., S. 130 f.
3) Dobenecker II, 1318.
4) Dobenecker II, 1333.
5) Dobenecker II, 1334a.
6) Dobenecker II, 1341.
7) Dobenecker II, 1346.
8) Siehe auch Dobenecker II, 1343.
9) Dobenecker II, 1345 a.
10) Dobenecker II, 1346.
11) Winkelmann, a. a. O. I, S. 425, Anm. 3; Dobenecker II,
1347. 1351.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 23
Während die beiden königlichen Gegner, Philipp und
Otto, durch ihre Gesandten am römischen Stuhle unter-
handelten, rĂĽsteten sie sich in Deutschland zum letzten,
entscheidenden Streit. Otto setzte groĂźe Hoffnungen auf
dänische und englische Hilfe, aber auch unter den deut-
schen FĂĽrsten hatte er alte Beziehungen wieder angeknĂĽpft.
Er stand in geheimer Verbindung mit dem Markgrafen Diet-
rich von MeiĂźen und dessen Schwiegervater Hermann von
ThĂĽringen *).
Am staufischen Hofe blieb dies nicht unbemerkt, und
man beschloß, den Verrätern zuvorzukommen. Der Chronist
von Reinhardsbrunn, hierin unser alleiniger Berichterstatter,
erzählt, daß König Philipp im Juli 1208 in dem Kriegsrate
zu Bamberg, der seinem letzten Feldzug gegen Otto voran-
ging, deshalb die böhmischen Truppen nach Meißen und
Thüringen zu schicken beschlossen habe. „Er gedachte",
so heißt es in der Darstellung des Mönches, „die Fürsten
nicht zu schonen, welche, nur zum Schein Freunde, in Wahr-
heit aber Feinde, bereits, wie er gehört, in offenem Bünd-
nis waren, und deren Hilfe er nicht nach seinem Gut-
dĂĽnken in allen seinen Unternehmungen gebrauchen konnte,
den Landgrafen und den Markgrafen von MeiĂźen. Daher
beschloĂź er mit seinem Rat, den genannten FĂĽrsten durch
den Durchzug einer so starken Heeresmacht, gleichsam un-
freiwillig, so groĂźen Schaden anzutnn, als nur immer der
erklärte Krieg gegen einen Reichsfeind es zu tun ver-
möchte" 2).
Doch alle Pläne und Schwierigkeiten lösten sich durch
den Tod Philipps, der am 21. Juni 1208 von Otto von
Witteisbach in Bamberg ermordet wurde. Wohl hat man
auch Hermann seiner unverkennbar antistaufischen Politik
wegen der Mitschuld an der furchtbaren Freveltat geziehen,
1) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 574.
2) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 574; nach der Ăśber-
setzung Knochenhauers a. a. O. S. 263.
24 Die Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
doch mit Recht wies schon Abel x) derartige Vermutungen
späterer Chronisten als irrig und unbegründet zurück. Wir
schlieĂźen uns seiner Meinung vollkommen an.
Von neuem war durch den plötzlichen Tod König Phi-
lipps der längst erhoffte Friede in weite Ferne gerückt
worden. Siegreich, doch ohne Haupt stand die staufische
Partei da, tief gedemĂĽtigt, aber festen Willens, seinen An-
spruch auf die Krone auch weiterhin zu behaupten, ihr
gegenĂĽber Otto IV. Als einziger Stammhalter des stau-
fischen Geschlechts hatte das meiste Anrecht auf den Thron
„das Kind von Apulien" 2). Auch lebten noch manche von
den FĂĽrsten, die auf die Nachricht von Heinrichs VI. Tode
im heiligen Lande den bereits 1196 dem jungen Friedrich
geleisteten Eid erneuert hatten, unter ihnen besonders Land-
graf Hermann von ThĂĽringen ; aber gerade an dessen Abfall
von der staufischen Sache konnte ja schon bei Lebzeiten Phi-
lipps kaum mehr gezweifelt werden. Und Friedrich selbst,
das MĂĽndel Innocenz' III., war weit entfernt, getrennt durch
feindliches, zum mindesten zweifelhaftes Gebiet. Wenig
Tröstliches bot auch ein Blick auf die deutschen Grenzen.
Der Däne Waldemar hatte an der unteren Elbe festen Fuß
gefaĂźt, seine Truppen standen bis hinein nach Braunschweig.
König Johann von England war als Oberlehensherr eines
deutschen ReichsfĂĽrsten jederzeit berechtigt, sich in den
deutschen Erbfolgestreit zu mischen. Und gar erst Frank-
reich! — Konnte nicht aus dem mächtigen Verbündeten
des ermordeten Königs sein Nachfoiger werden ?
So war es kein Wunder, daĂź inmitten der allgemeinen
Verwirrung der Weife mit dem Königstitel zu größter Be-
deutung gelangte. Als erster hatte gleich nach Philipps
Ermordung sein Bruder Heinrich sich wieder mit ihm ver-
1) Abel a. a. O., S. 228, Anm. 9. Siehe auch Knochenhauer,
a. a. O., S. 2b4.
2) Richeri monachi Gesta ecclesiae Senoniensis bis 1264 SS. XXV
(249—345) über III, cap. 19: infans Apulie; Reineri Annales S. Iacobi
Leodiensis 1066—1230 SS. XVI (651— 680) p. 665: puer Apulie.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 2£>
söhnt und bot seinen ganzen Einfluß für ihn auf. Nicht
lange danach gelang es dem König, den kriegsinächtigsten
FĂĽrsten im Nordosten des Reiches, den bisher staufisch
gesinnten Erzbischof Albrecht von Magdeburg, auf seine
Seite zu ziehen. Energisch trat dieser sofort fĂĽr den Weifen
ein. Unmittelbar, nachdem er mit Otto einig geworden,
forderte er die sächsischen und thüringischen Prälaten und
FĂĽrsten zu einer Vorwahl nach Halberstadt auf. Am
25. Juli 12081) tagte im dortigen Dom die Versammlung,
auf der Albrecht beantragte, Otto allein auf die kĂĽnftige
Wahl zu bringen.
Die osterländischen Fürsten waren schon einmal in
Altenburg zusammengekommen , um ĂĽber den Stand des
Reiches zu beraten 2). Dort scheint Landgraf Hermann
sich endgĂĽltig fĂĽr Otto entschlossen zu haben; in Halber-
stadt unterstĂĽtzt er eifrig jenen Antrag Erzbischof Albrechts.
Auch der Papst trat wieder fĂĽr Otto in die Schranken.
Ende Juli schrieb er an den Landgrafen Hermann und er-
mahnte ihn, da er nach frĂĽheren Mitteilungen 3) nur ge-
zwungen von König Otto abgefallen sei, demselben hinfort,
„da der Zwang nach göttlichem Urteil beseitigt sei" 4)
offen und kräftig beizustehen. Gleichlautende Schreiben
ergingen an alle , die dem genannten Könige einst an-
hingen 5).
So erschienen denn am 22. September 1208 die geist-
lichen und weltlichen FĂĽrsten Sachsens und ThĂĽringens in
groĂźer Anzahl in Arnstadt 6), um ihren frĂĽheren BeschluĂź
1) Dobenecker II, 1365 b.
2) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 205: Post festum apostolorum
Petri et Pauli generale concilium orientalium principum de statu
regni habitum est in Aldenburch; siehe auch Dobenecker II, 1365 a.
3) Siehe Eeg. super neg. Rom imp. No. 122 ; Dobenecker II, 1279.
4) „cum necessitas divino judicio sit sublata"; siehe
Anm. 5.
5) Eeg. super neg. Rom. imp. No. 156; Dobenecker II, 1368.
6) Siehe dazu Dobenecker II. 1370 a.
26 Die Reichspolitik: Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
betreffs der Wahl Ottos zu wiederholen und zu bekräftigen.
Die FĂĽrsten Frankens, Schwabens und Bayerns folgten Mitte
November auf einem Hoftage zu Frankfurt ihrem Beispiele x).
Den deutschen Landen endlich ein ruhiges, glĂĽckliches Zeit-
alter zu geben , beschworen die hier Anwesenden, unter
ihnen Landgraf Hermann, einen allgemeinen Landfrieden.
Eine nochmalige Erneuerung dieses Schwures fand zu Ostern,
am 2. Mai 1209, in Altenburg2) statt, wohin Otto die säch-
sischen und thĂĽringischen FĂĽrsten beschieden hatte. Zahl-
reich waren diese hier >um ihn versammelt : Landgraf Her-
mann, Dietrich von MeiĂźen, Bernhard von Sachsen, Albrecht
von Magdeburg u. a. Zar Feier des Pfingstfestes finden
wir dieselben Fürsten, „seine vertrauten Freunde", wie
Arnold von LĂĽbeck sagt3), am 19. Mai in Braunschweig
am Hofe des Weifen wieder4). Von den Geschäften des
Reiches war dort wenig die Rede; nur Bernhard von Sach-
sen konnte es nicht über sich gewinnen, den König zu einem
Kriegszug gegen Dänemark aufzufordern5); denn durch Ottos
Schuld, durch sein fĂĽr ihn selbst demĂĽtigendes BĂĽndnis
mit Waldemar war ganz Holstein samt LĂĽbeck und Ham-
burg dänisch geworden, und auch das Land südlich der
Elbe stand dem Dänenkönig offen. Der Mahnung des
Sachsenherzogs mögen noch mehrere Fürsten sich ange-
schlossen haben, vor allem natĂĽrlich die vertriebenen, wie
Adolf von Schaumburg; aber es waren auch andere an-
wesend, deren Sonderinteressen dänische^ Gegnerschaft nicht
huldigen konnten, unter ihnen wohl als erster Landgraf Her-
mann, dessen Schwiegersohn Albrecht von OrlamĂĽnde 6) von
1) Ăśber den Frankfurter Tag siehe O. Abel, Kaiser Otto IV.
und König Friedrich II. (1208-1212), Berlin 1856, S. 15 ff. Vgl.
auch Dobenecker II, 1373.
2) Dobenecker II, 1404.
3) Arn. Chron. Slav. lib. VII, cap. 16.
4) Vgl. auch Dobenecker II, 1406.
5) Vgl. Winkelmann, a. a. O. II, 150.
6) Er war der Gemahl der schon früher erwähnten Hedwig.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 27
Waldemar erst zum Grafen von Holstein eingesetzt wor-
den war.
König Otto ist nicht auf einen Feldzug gegen den
einstigen Bundesgenossen eingegangen ; ihn zog es nach
Italien. Dort glaubte er eine wichtigere und stolzere Auf-
gabe verfolgen zu mĂĽssen. Ăśber die Bedingungen, unter
denen er die Kaiserkrone erlangen sollte, war er schon
vorher mit Innocenz III. einig geworden. Mitte Juli brach
er mit einem gewaltigen Heere auf und wurde am 4. Ok-
tober in Born gekrönt.
Zu seinem Zuge ĂĽber die Alpen hatte der Weife ge-
rade die ihm ergebensten Anhänger entboten. Vergebens
aber suchen wir unter den Fürsten, die ihrem König nach
Italien folgen, den Landgrafen Hermann ; in keiner der Ur-
kunden Ottos, die jenseits der Alpen ausgestellt wurden,
tritt er uns als Zeuge entgegen. Bald nach Pfingsten muĂź
in seiner Gesinnung Otto gegenĂĽber ein Wandel eingetreten
sein ; von Arnold von LĂĽbek, hierin unserem genauesten
Berichterstatter, wird er schon unter den Teilnehmern an
den beiden letzten FĂĽrstentagen, die Otto auf deutschem
Boden abhielt, nicht mehr namentlich genannt.
Der Grund zu dieser Entfremdung zwischen dem Land-
grafen und Otto ist unschwer zu finden. Als Hermann
nach dem Tode Philipps von Schwaben als einer der ersten
Fürsten sich für Otto erklärte, hatte er vor allem — und
gewiß nicht ohne Berechtigung — die Herstellung seines
früheren Besitzstandes, nämlich die Landesherrlichkeit über
die drei ihm einst geschenkten Reichsstädte erwartet. Aber
weder Nordhausen noch Mühlhausen übertrug ein könig-
licher Spruch dem Landgrafen , und Saalfeld , das nach
Winkelmanns jedenfalls zutreffender Vermutung bei Her-
manns Unterwerfung 1204 von Philipp wieder fĂĽr das
Reich eingezogen worden war *), wurde von Otto an die
Grafen Günther und Heinrich von Käfernburg, die Brüder
1) Winkelmann a. a. O., I, 325, und II, 104, Anm. 2.
28 Die Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
Albrechts von Magdeburg , verliehen *â– ). Sich in seiner
größten Hoffnung so schmählich getäuscht zu sehen, mußte
den Landgrafen naturgemäß gegen den Weifen erbittern.
Hermann hat nicht lange gezögert, sich mit den üb-
rigen Gegnern Ottos ins Einvernehmen zu setzen. Etwa
im August schon des Jahres 1210 verschwor er sich mit
Ottokar von Böhmen sowie den Erzbischöfen Siegfried von
Mainz und Albrecht von Magdeburg in einer Stadt der
östlichen Provinz gegen den Kaiser 2). Ihre Absicht, dem
Weifen den Gehorsam aufzukĂĽndigen, mĂĽssen die genannten
FĂĽrsten bald darauf Innocenz III. mitgeteilt haben3); in
einem Antwortschreiben vom 30. Oktober des Jahres gibt
ihnen dieser seine Freude darĂĽber kund und versichert sie
der päpstlichen Unterstützung4).
Um dieselbe Zeit war Philipp IL August von Frank-
reich, der alte Feind der Weifen, bemĂĽht, die Wahl des
jungen Staufers Friedrich anzuregen. Persönlich wandte
er sich an den unter ihnen, der ihm am einfluĂźreichsten
erschien und wohl auch allgemein fĂĽr das Haupt der Ver-
schwörung erklärt wurde 5) , an Landgraf Hermann. Er
gewann ihn durch das Versprechen, eine Tochter von ihm
zur Königin von Frankreich zu machen oder ihn durch
1) Dobenecker II, 1366.
2) Cron. Eeinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 578 zu 1211; Cr. S. P.
Mod. in M. E. p. 209 ; weitere Literatur siehe Dobenecker II, 1464 a.
3) Dobenecker II, 1465.
4) Dobenecker II, 1468.
5) Einstimmig wird er in den hauptsächlichsten Quellen unter
den Teilnehmern aller gegen Otto abgehaltenen FĂĽrstentage genannt,
so: Chron. reg. Col. p. 232 f., Chron. ĂĽrsp. p. 92, Cr. S. P. Mod.
in M. E. p. 209, von Wilhelm Brito, dem Biographen des französ.
Königs, sogar an der Spitze der Gegner Ottos; siehe H. F. Dela-
borde, Oeuvres de Rigord et de Guillaume le Breton, publikes pour
la Societe de l'Histoire de France, Paris, T. I (Chroniques de Rigord
et de Guillaume le Breton) 1882, abgek. Wilhelm Brito I, 157, p. 238 :
recesserunt ab eo landegravius Thuringie, et Moguntinus archiepisco-
pus, et ... .
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217;. 29
eine Geldsumme abzufinden, falls jene so häßlich wäre, daß
sie ihm miĂźfiele 1). Allerdings solle Hermann noch den ihm
freundlich gesinnten Papst zu bestimmen suchen, daĂź er
dem König endlich die Scheidung von der dänischen Inge-
borg gewähre 2).
Über die Thronentsetzung Ottos IV. wurde in größerem
Kreise von den Verschworenen zum erstenmal in Bamberg
verhandelt, wo wir etwa im Juni 1211 3) Landgraf Her-
mann, Erzbischof Siegfried, König Ottokar und mehrere
FĂĽrsten und Edle des Landes versammelt finden. Dem
Rate des französischen Königs folgend, schlug man vor, an
Stelle des Weifen König Friedrich von Sizilien zu wählen.
Dieser Gedanke fand aber nicht den Beifall der Mehrheit,
und so ging man unverrichteter Sache auseinander4).
Von Landgraf Hermann wird uns hierbei berichtet,
daß er — wir dürfen vielleicht hinzusetzen: wohl nur im
Interesse des französischen Königs — sich ganz besonders
fĂĽr die Erhebung des staufischen Friedrich bemĂĽhte 5).
Eine einmĂĽtige Entscheidung der wichtigen Frage
brachte den Verschworenen erst ein weiterer FĂĽrstentag,
der im September zu NĂĽrnberg stattfand. Alle hier an-
wesenden Glieder der Opposition, Landgraf Hermann, König
Ottokar, die Herzöge von Österreich und andere, erklärten
öffentlich den Kaiser Otto IV. für einen Häretiker und an
seiner Statt — und zwar, wie es scheint, mit ausdrücklicher
1) Dobenecker II, 1469.
2) Wilhelm Brito, a. a. O. I, 157, p. 238, Anm. 1. P. Scheffer-
Boichorst in Forsch, z. Deutsch. Gesch. VIII, 533 = Gesammelte
Schriften II, 89; vgl. darĂĽber auch R. Davidsohn, Philipp IL August
von Frankreich und Ingeborg, Heidelberger Diss., Stuttgart 1888,
S. 240 f.
3) Dobenecker II, 1486 a.
A) Chron. reg. Col.p. 232.
5) Annales Wormatienses breves 1165 — 1296 in SS. XVI,
74 — 79, p. 75 : Fridericus . . ., admodum puer, ab Hermanno lant-
gravio Thuringie ad regnum instituitur.
30 X>ie Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
Berufung auf den ihm schon früher geleisteten Eid x) —
Friedrich, den Sohn Heinrichs VI., fĂĽr das kĂĽnftige Reichs-
oberhaupt 2).
Rasch ging die Kunde von diesen Vorgängen durch
die Lande und erregte bei den Anhängern Ottos nicht ge-
ringe Erbitterung. Pfalzgraf Heinrich vereinigte sich unver-
zĂĽglich mit dem Herzog von Brabant und anderen weifen-
freundlichen FĂĽrsten zu einem Zuge gegen Mainz; bereits
um Michaelis muĂźte der Erzbischof bei Landgraf Hermann
von ThĂĽringen Zuflucht suchen.
Aber auch der war schon in arge Bedrängnis geraten.
Auf die erste Nachricht von den hochverräterischen Um-
trieben unter den FĂĽrsten hatte der sorgliche Feldherr
Ottos, Gunzelin von Wolfen büttel, die Reichsstädte Nord-
hausen und MĂĽhlhausen besetzt. Von diesen festen StĂĽtz-
punkten, besonders von MĂĽhlhausen aus machte er dann
von Zeit zu Zeit verheerende Einfälle in das Gebiet Her-
manns. Noch gefährlicher wurde der Truchseß dem Land-
grafen dadurch, daĂź er die thĂĽringischen Grafen und Herren
mit klingender MĂĽnze auf seine Seite brachte; zahlreich
gingen sie unter Vortritt des Grafen Friedrich von Beich-
lingen 3) zu ihm ĂĽber. Von neuem wurde jetzt ThĂĽringen
ein Opfer wilder Verheerung4), muĂźte die wehrlose Land-
bevölkerung für die Schuld ihres Fürsten büßen. Gunze-
lins Anstalten zu einer Belagerung WeiĂźensees blieben zwar
1) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 209: Fridericum, Heinrici im-
peratoris filium, antea ab universitate electum, futurum imperatorem
declarant; ibidem p. 212: aserentes Fridericum regem, qui electione
principum iam dudum vivente adhuc patre declaratus fuerit, iure
praevalere.
2) ĂĽobenecker II, 1488 a.
3) „huius maligne discessionis a principe .... auctor et in-
centor", Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 579 und ebenda p. 581:
tocius mali incentor.
4) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 579; Cron. S. P. Mod.
in M. E. p. 209 f.; Sächsische Weltchronik a. a. O. cap. 348; ßraun-
schw. Reimchronik a. a. O. § 60, Vers 6901 ff.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 31
ohne den gewĂĽnschten Erfolg, ja bei einem glĂĽcklichen
Ăśberfall (6. Dezember) brachte Hermann gar das Haupt
der aufrĂĽhrerischen Barone, Friedrich von Beichlingen,
nebst dem Grafen von Stolberg in seine Gewalt; aber im
ĂĽbrigen war dem Landgrafen das KriegsglĂĽck nicht gĂĽnstig,
er sah sich bald auf die Verteidigung seiner festen Plätze
beschränkt und zog es vor, selbst sichere Zuflucht auf der
Wartburg zu suchen.
In Italien hatte sich inzwischen Otto IV. wahrhaft
kaiserliche Macht angemaĂźt: er hatte auf, SĂĽditalien ĂĽber-
gegriffen und dadurch die höchste Erbitterung des Papstes
hervorgerufen, der als Lehnsherr und Vormund des jungen
Friedrich dessen Unabhängigkeit zu wahren hatte. Dem
Bannstrahl folgte sofort die Aufforderung an die deutschen
FĂĽrsten, vom Kaiser abzufallen. Auf die Kunde, daĂź dem
päpstlichen Geheiß auch von vielen Seiten bereitwillig ent-
sprochen wurde, brach Otto seinen Siegeszug in Apulien
rasch ab und kehrte nach Deutschland zurück. Im März
1212 war er bereits in Frankfurt1). Den Kampf gegen
seinen Hauptgegner, den Landgrafen Hermann, faĂźte er
sofort als erstes Ziel ins Auge. Ein Feldzug kam jedoch
vorläufig nicht zustande, da es sich Otto zunächst angelegen
sein lieĂź, die ihm treu gebliebenen FĂĽrsten mehr an sich
zu fesseln, einzelne unentschiedenene durch Versprechungen
und Verträge vollends für sich zu gewinnen. Erst im Juli 2)
erschien der Kaiser von seinen Erblanden her auf dem thĂĽ-
ringischen Kriegsschauplatze. Zahlreiche Bischöfe, Grafen
und Edle befanden sich in seinem Heere, und während von
Norden und Osten die Markgrafen Albrecht von Branden-
burg und Dietrich von MeiĂźen dem Weifen auf Grund be-
sonderer Verträge3) Zuzug leisteten, rückten zugleich von
SĂĽden Schwaben und Bayern gegen den rebellischen Land-
grafen heran.
1) Dobenecker II, 1500. 1501.
2) Ann. Marbac. p. 81.
3) Siehe Dobenecker II, 1512 und 1500.
32 Die Reichspolitik: Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
Bereits im Frühling hatte Hermann gehört, daß der
Kaiser in den Rheingegenden ein gewaltiges Heer sammle,
um es gegen ThĂĽringen zu fĂĽhren 1). Er war deshalb eifrig
bestrebt, seine Städte und Burgen soviel als möglich zu-
befestigen, ihre Besatzungen zu verstärken. Die Verzöge-
rung, die der Feldzug durch die Unterhandlungen Ottos
mit den FĂĽrsten erfuhr, kam ihm hierbei noch sehr zu
statten. Aber seine Lage war trotzdem hoffnungslos. Als
die Feinde im Sommer heranzogen, sah er sich nur auf
seine eigene Kraft angewiesen, von den verbĂĽndeten FĂĽrsten
stand für ihn Hilfe nicht zu erwarten : König Ottokar hatte
MĂĽhe, sich im eigenen Lande zu behaupten, und Erzbischof
Albrecht von Magdeburg wurde selbst beständig von An-
griffen der Kaiserlichen, besonders der Braunschweiger Be-
satzung, heimgesucht. Allein aber konnte der Landgraf
nicht wagen, dem übermächtigen Gegner im offenen Felde
die Spitze zu bieten, er muĂźte sich auf die Verteidigung
und den kleinen Krieg beschränken.
Mit einer bis dahin in Deutschland noch nicht be-
kannten Belagerungsmaschine, die man Dreibock nannte 2),
warf Otto die Mauern der landgräflichen Burgen nieder.
Nach der Einnahme von Rotenburg (an der Fulda) und
Langensalza zog sich die Hauptmacht der Kaiserlichen vor
der Feste WeiĂźensee zusammen, an deren Mauern schon
so mancher wuchtige Ansturm fruchtlos zerschellt war.
Mit Hilfe des „teuflischen Instrumentes" 3), welches Steine
von ganz gewaltiger Größe zu schleudern vermochte, ge-
dachte Otto aber auch dieses Platzes bald Meister zu wer-
1) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 210; Cron. Reinhardsbr. SS. XXX,
1, p. 579.
2) Magdeburger Schöppenchronik a. a. O. S. 136: da wart erst
bekant den Dudeschen dat werk Hat driboc heitet; Cron. Reinhardsbr.
SS. XXX, 1, p. 580: tribracho ĂĽlo, cognomento tribock, muris im-
minet.
3) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 211: instaurato illo „instru-
menta diabolico" inestimande magnitudinis saxa conicit.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 33
den. Den Landgrafen, diesen Verräter 1), meinte er in seiner
leidenschaftlichen Weise, solle sein Unternehmen gereuen;
der und seine Helfer wĂĽrden in Zukunft dergleichen Machi-
nationen nicht so leicht wieder wagen 2).
Doch anders sollte es kommen, als der Weife dachte.
Im Lager vor WeiĂźensee traf ihn ĂĽberraschend die Kunde,
daĂź der von den Unzufriedenen im verflossenen Jahre er-
korene junge König von Sizilien wirklich nach Deutsch-
land unterwegs und schon bis Grenua gelangt sei. Und
spöttelte auch Otto erst darüber: „Höret die neue Märe,
der Pfaffenkaiser kommt und will uns vertreiben" 3), die
nahende Gefahr entging seinem Blicke nicht. Ihr vorzu-
beugen, heiratete er, dem klugen Rate Wolfgers von Aqui-
leja folgend4), mitten im wilden Kriegslärm am 22. Juli
zu Nordhausen 5) Beatrix von Schwaben, die jugendliche
Tochter König Philipps. Aber der Stern des Weifen war
bereits im Sinken begriffen. Vorderhand freilich schien
•es noch6), als sollte jetzt durch den bevorstehenden Fall
WeiĂźensees der thĂĽringische Peldzug ein baldiges gĂĽnstiges
Ende fĂĽr ihn finden. Unter Vermittlung des Markgrafen
Dietrich schloß zu Anfang August 7) die landgräfliche Be-
1) landgravium proditorem nostrutn, siehe Brief an Wolfger,
Codex diplomaticus Saxoniae regiae ed. 0. Posse I, 3, 167; Doben-
ecker II, 1511.
2) non tarn eum quam alios ita sue machinationis fecimus et
facieinus penitere. Codex diplomaticus Saxoniae regiae 1. c.
3) Magdeburger Schöppenchronik a. a. 0. S. 137 : höret wat
nier mere, der papenkaiser komet und will uns vordriven.
4) „Tue (Wolfgeri) voluntati et consilio satisfacientes" schreibt
Otto in dem schon erwähnten Briefe an den Patriarchen.
5) Dobenecker II, 1511.
6) Noch am 30. Juli, als er Wolfger ĂĽber seine bisherigen Er-
folge Nachricht igab, hegte Otto die feste Hoffnung, Burg und
Stadt Weißensee in Kürze einnehmen zu können. Siehe Doben-
ecker II, 1511.
7) Dobenecker II, 1513.
XXVIII. 3
34 Die Reichspolitik Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
satzuĂĽg mit Otto einen Vertrag, nach welchem sie die
Stadt, zu deren Verteidigung ihre Kräfte ohnehin nicht
mehr ausreichten, freiwillig räumen und sich in die innere
Burg zurĂĽckziehen sollte; die Entscheidung ĂĽber diese blieb
dem (wahrscheinlich noch) x) auf der Wartburg weilenden
Landgrafen vorbehalten. Hei mann aber befahl den tapferen
Kämpfein auszuharren ; er mag wohl auch schon von Fried-
richs Kommen gehört und deshalb auf einen baldigen Ab-
zug gerechnet haben. Die BestĂĽrmung der Feste wurde
mit verdoppeltem Eifer wieder aufgenommen, ihre Ăśber-
gabe schien unzweifelhaft, da trat ein Ereignis ein, das fĂĽr
die Machtstellung des Kaisers von den nachteiligsten Folgen
war: am 11. August starb ganz plötzlich die junge Kaiserin.
Kaum wurde die Trauerbotschaft im Lager bekannt, sc
verlieĂźen die Schwaben heimlich des Nachts mit Preisgabe
ihres Gepäcks das Heer des wenig beliebten 2) Sachsen und
wandten sich der Heimat und damit dem Sprößling der
alten, gewohnten Herrschelfamilie zu. Ihrem Beispiel
folgten die Bayern 3) und viele andere, die während des
Feldzuges an Kleidern, Waffen und Rossen Verlust er-
litten und von Otto keinen Ersatz dafĂĽr bekommen hatten4).
Bald sah sich der Kaiser infolge der Verminderung seiner
Truppen gezwungen, die Belagerung von WeiĂźensee auf-
zugeben. In Eilmärschen strebte er jetzt dem Süden zu,
um zu verhindern, daß der neue Gegenkönig im Hei-
matlande seines Geschlechtes festen FuĂź faĂźte. Bereits
stand ja der blonde StaufenjĂĽngling an den deutschen Grenz-
marken, das Erbe seines Vaters und eine Krone sich zu
erobern.
1) Cron. Eeinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 579.
1) Vgl. G. Langerfeldt, Kaiser Otto IV. der Weife, Hannover
1872, S. 301, Aura. 236.
3) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 211 nennt die Schwaben und
Bayern als die zuerst Heimziehenden.
4) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 211.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 35
Bereitwillig der Einladung jener glänzenden Fürsten-
versammlung von NĂĽrnberg (Ende Oktober 1211) ent-
sprechend, war der junge Friedrich in der zweiten März-
woche des Jahres 1212 von Messina aufgebrochen. Eben
jetzt, Anfang September, als Kaiser Otto ĂĽber Erfurt1)
und Würzburg 2) sich dem Bodensee näherte, stieg er von
den Alpen zum Rhein hernieder. Fast gleichzeitig langten
die beiden Gegner bei Konstanz an; aber der Staufer kam
den Weifen zuvor und zog in die Stadt ein. Wenige Tage
später öffnete ihm auch Basel die Tore, und am 26. Sep-
tember bereits hielt hier der junge Prätendent als „Ro-
manorum imperator electus" den ersten Hoftag auf deut-
schem Boden 3). Ihm die reichen Hilfsmittel der ober-
rheinischen Tiefebene abzuschneiden, hatte sich Otto in-
dessen in das feste Breisach geworfen. Allein die Zucht-
losigkeit seiner Söldner brachte die Bürger, die ohnehin
lieber den Staufer in ihren Mauern gesehen hätten, bald
zu offenem Aufruhr, dem Otto selbst nur mit MĂĽhe ent-
kam4). Unter dem Geleit des Markgrafen Hermann von
Baden zog sich der Weife nordwärts nach dem immer ge-
treuen Köln zurück. „Das war", wie sein Zeitgenosse
Richer, der Mönch von Sens, schreibt5), „der Anfang seiner
Schmerzen ; denn nun ging ihm kein Tag mehr hin ohne
TrĂĽbsal und Kummer, ohne Gefahr fĂĽr Leib und Seele."
Friedrich aber konnte jetzt ungehindert seinen Weg ins
Reich fortsetzen, und während Otto in unbegreiflicher Un-
1) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 211.
2) Dobenecker II, 1516. 1517.
3) Dobenecker II, 1518.
4) Magdeburger Schöppenchronik a. a. O. S. 137.
5) Riehen monachi Gesta ecclesiae Senoniensis bis 1264, SS.
XXV, 249 — 345, p. 293: haec fuerunt initia dolorum suorum, quia
quamdiu vixit nunquam una die sine dolore et erumpna et periculo
corporis et anime permansit. Siehe auch F. Schirrmaeher, Kaiser
Friedrich IL und die letzten Hohenstaufen, I. Teil, Berlin 1874,
S. 17, und F. Zurbonsen, Friedrich IL Einzug ins Keich 1212, Pro-
gramm, Arnsberg 1886, S. X.
3*
36 Die Reichspolitik: Hermanns I., Landgrafen von ThĂĽringen
tätigkeit die Dinge ihren Lauf nehmen ließ, mehrte sich
des Staufers Anhang von Tag zu Tag.
Am 30. November finden wir auf einem Hoftage zu
Mainz x) zahlreich die GroĂźen des Reiches um Friedrich
versammelt. Auch Landgraf Hermann wird unter den dort
Anwesenden genannt und sicher berechtigt; ist er doch
anfangs Dezember in der Umgebung des Staufers zu Speyer
urkundlich nachweisbar 2). Für den 5. Dezember war näm-
lich ein allgemeiner Wahltag der staufischen Partei in
Frankfurt vereinbart worden, da durfte Hermann, die Seele
der Opposition, nicht fehlen. Wie wir hören, wurde denn
auch er gerade, den im Sommer Ottos Ăśbermacht noch
beinahe erdrückt hätte, mit besonderen Ehren in die Stadt
eingeholt3). In Gegenwart der päpstlichen und französi-
schen Gesandten wählten die Fürsten Friedrich zum römi-
schen König, indem sie sich zugleich verpflichteten, nie-
mals Otto wieder anzuerkennen, selbst wenn Friedrich vor
ihm ins Grab sinke ; die feierliche Krönung fand, wie einst
vor 14 Jahren bei seinem Oheim Philipp, am folgenden
Sonntag, dem 9. Dezember, in Mainz statt, da Aachen, die
alte Krönungsstadt, noch von Ottos Truppen besetzt war.
Wie schon auf den frĂĽheren Hoftagen, so verteilte Fried-
rich in Frankfurt wieder in freigebigster Weise die von
Frankreich erhaltenen beträchtlichen Unterstützungsgelder
unter die FĂĽrsten4). Ob Landgraf Hermann damals von
Friedrich in Anerkennung der ihm geleisteten Dienste auĂźer-
dem noch anderweitig bedacht worden ist, wissen wir nicht 5).
1) Siehe darĂĽber Zurbonsen a. a. 0. S. XVI.
2) Dobenecker II, 1521. 1522.
3) Cron. Ăźeinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 581 : a rege cum 500 ferme
militibus gratissimo occursu gloriose receptus est ; Cr. S. P. Mod.
in M. E. p. 212: landgravius gralanter receptus est.
4) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 591.
5) Den Irrtum Knochenhauers a. a. O. S. 280 betreffs Nord-
hausen hat schon Winkelmann a. a. O. S. 333 Anm. 2 berichtigt.
Vgl. auch Winkelmann, a. a. O. II, 444.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 37
Wiederholt finden wir den Landgrafen in den folgenden
Jahren in der Umgebung des Königs *). Er gehört auch
zu den ReichsfĂĽrsten, mit deren Zustimmung Friedrich II.
am 12. Juli dem Papste durch die goldene Bulle von Eger
alle früheren Zugeständnisse bestätigte. Auf den Herbst
sollte dann ein Hoftag in Merseburg stattfinden. Wahr-
scheinlich war dabei auch zugleich Reichsheerfahrt anbe-
raumt worden; denn dort lagen ja gerade die Gebiete, die
zur Zeit von der Hand Ottos IV. schwer zu leiden hatten.
Nach furchtbaren Verheerungen der Diözese Magdeburg
griff dieser in der Mitte des August Halle an. Als er
hier abgeschlagen wurde, verwĂĽstete er das flache Land
um die bischöflichen Residenzen Zeitz und Naumburg her-
um und wandte sich dann weiter nach dem angrenzenden
ThĂĽringen, das er gleichfalls sengend und brennend heim-
suchte 2).
Endlich, im Oktober, erschien auch Friedrich im Felde,
und es schien nun hier die Entscheidung zwischen den
beiden Kämpfern um die deutsche Krone unmittelbar be-
vorzustehen. Im dem königlichen Heere, dessen Stärke
sich auf 60000 Mann belaufen haben soll3), befanden sich
Landgraf Hermann von ThĂĽringen, Herzog Ottokar von
Böhmen, Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Bischof
Engelhard von Naumburg. Dieser Ăśbermacht vermochte
der Weife nicht die Spitze zu bieten; ohne sich in ein
Treffen einzulassen, zog er sich in seine feste Hauptstadt
Braunschweig zurĂĽck. Ihm nach drang das staufische Heer
weiter nach Sachsen vor und suchte Quedlinburg einzu-
nehmen. Die Jahreszeit und der Mangel an Zufuhr zwangen
jedoch die FĂĽrsten bald zur Aufhebung der Belagerung,
1) So in Eegensburg, Dobenecker II, 1536—1539; in Nürn-
berg, Dobenecker II, 1540; in Eger, Dobenecker II, 1556. 1557.
2) Magdeburger Schöppenchronik a. a. O. S. 140 (irrig zu 1214):
dar na brande he vor Citz vor Nuwenborch und toch to Doringen.
3) Siehe Winkelmann, a. a. O. II, 347.
38 Die Reichspolitik Hermanus I., Landgrafen von ThĂĽringen
und so blieb dieser Herbstfeldzug eigentlich ohne jedes Er-
gebnis. Ein Erfolg bestand nur darin, daĂź jetzt Markgraf
Dietrich von MeiĂźen, eingeschĂĽchtert durch die gewaltige
staufisch-böhmische Heeresmacht, wohl auch beeinflußt durch
seinen Schwiegervater Hermann, die Partei des Kaisers ver-
ließ und zum G-egenkönige übertrat 1).
Die Entscheidung des deutschen Thronstreites fiel auĂźer-
halb des Reiches. Während Friedrich in raschem Sieges-
lauf die niederrheinischen FĂĽrsten zu seiner Anerkennung
zwang, zersprengte am 27. Juli 1214 der französische König
Philipp II. August durch die Schlacht bei Bouvines das
englisch-welfische BĂĽndnis unter FĂĽhrung Kaiser Ottos und
warf diesen selbst damit zu vollständiger Ohnmacht darnieder.
Landgraf Hermann hat sich inzwischen eifrig den An-
gelegenheiten seines Landes gewidmet. In den Zeugen-
listen der Urkunden des Staufers fehlt er seit Juni 1214;
denn territoriale Fehden hielten ihn in ThĂĽringen zurĂĽck.
Graf Hermann von OrlamĂĽnde war ganz unerwartet in
seines abwesenden Bruders Albrecht Besitzungen eingefallen
jedenfalls in der Absicht, das brĂĽderliche Erbe an sich zu
reiĂźen. Das Eigentum seines Schwiegersohnes zu schĂĽtzen,
sammelte Landgraf Hermann ein Heer und belagerte Wei-
mar. Bei einem Ausfall der Belagerten gelang es ihm, den
Urheber, Graf Hermann von OrlamĂĽnde, samt dem Burg-
grafen von Kirchberg gefangen zu nehmen. Schon nach
kurzer Zeit entfloh jedoch der Graf wieder aus seiner Haft 2).
Als die Kunde von diesem Streit an den Rhein gelangte,
eilte Friedrich IL, der anfangs Januar ein BĂĽndnis mit dem
König von Dänemark geschlossen hatte, so schnell wie mög-
lich nach ThĂĽringen. Die dortige Fehde erschien ihm der
mit Waldemar, dem Lehnsherrn Albrechts von OrlamĂĽnde,
1) Magdeburger Schöppenchronik a. a. O. S. 140: He schaffede
do nicht mer, wente de markgreve van Missen om hulde swor und
entsede Otten.
2) Cron. Eeinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 587.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 39
getroffenen Vereinbarungen halber wichtig genug, sich selbst
an Ort und Stelle zu begeben. Landgraf Hermann kam
ihm nach Gelnhausen entgegen1). Ăśber Erfurt2) begaben
sie sich dann zusammen nach Naumburg3), wo wir auch
Hermann von Orlamiinde anwesend finden. Hier wurden
wohl unter Vermittlang des Königs die Streitigkeiten der
beiden FĂĽrsten gĂĽtlich beigelegt. Mehrere Wochen ver-
weilte Friedrich II. in ThĂĽringen und Sachsen, und wieder-
holt treffen wir Landgraf Hermann bei ihm4). Anfangs
März erst zog der König über Eger, wohin ihn Hermann
begleitete 5), nach NĂĽrnberg6) und von da weiter dem Rheine
zu. Bald darauf wurden hier die letzten Anhänger der wei-
fischen Partei niedergezwungen , und am 25. Juli 1215
konnte sich der Staufer in Aachen krönen lassen.
Im Januar und Oktober 1216 finden wir Landgraf Her-
mann wieder unter den Zeugen einiger Urkunden Friedrichs II.
in Gelnhausen und Altenburg7). Was ihn zu Hofe gefĂĽhrt
hat, wissen wir nicht. Jedenfalls haben territoriale Streitig-
keiten ihn bis kurz vor seinem Tode in ThĂĽringen festge-
halten. Wegen seiner Eingriffe in Mainz traf ihn der Bann s).
Über Hermanns letzten politischen Plänen liegt tiefes
Dunkel. Wohl hören wir von Versuchen, die der gedemütigte
Weife machte, seine alten Anhänger 9), auch Landgraf Her-
mann, auf seine Seite zu ziehen. Die Chronik von St. Peter
1) Dobenecker II, 1607.
2) Dobenecker II, 1608.
3) Dobenecker II, 1610.
4) Dobenecker II, 1612. 1613—1615.
5) Dobenecker II, 1616.
6) Dobenecker II, 1618.
7) Dobenecker II, 1666. 1695. 1696.
8) Cron. Reinhardsbr. SS. XXX, 1, p. 591.
9) Hermann wird nicht der einzige FĂĽrst gewesen sein, dem
der Kaiser Anerbietungen gemacht hat.;; Es ist wenigstens immerhiu
ein eigentĂĽmliches Zusammentreffen, wenn uns Rein. Leod. p. 675
berichtet wird, daĂź gegen Ende 1216 Zwistigkeiten des Herzogs von
Bavern und des Markgrafen v. Meißen mit dem Könige ausgebrochen
40 Die Reichspolitik Hermanns L, Landgrafen von ThĂĽringen
in Erfurt spricht geradezu von einem beabsichtigten Partei-
wechsel des Landgrafen *), aber wir besitzen nicht die Mittel,
die Richtigkeit dieser Angabe zu prĂĽfen, welche den von un-
heilbarer GemĂĽtskrankheit heimgesuchten FĂĽrsten fast im
Angesichte des Todes noch auf Verrat sinnen läßt und auf
Verrat an dem Könige, dem er selbst größere Opfer ge-
bracht hatte als irgend ein anderer. Freilich, waren ihm
diese von Friedrich IL entsprechend belohnt worden? Den
heiß ersehnten Besitz der Reichsstädte hat er jedenfalls
nicht erlangt. Mit Hermanns Charakter wäre es wohl ver-
einbar, daĂź er nun wieder seinen Vorteil auf der anderen
Seite gesucht hätte, nicht jedoch mit seiner staatsmänniscben
Klugheit. Wir können nur vermuten, daß er durch ein
scheinbares Eingehen auf Ottos Pläne seine Geltung bei
König Friedrich neu hat befestigen wollen. Sein Tod
machte die Hoffnungen zu nichte, die der Weife auf seine
Begehrlichkeit gesetzt haben mochte. Hermann starb am
25. April 1217 2) zu Gotha umnachteten Geistes3).
Wechselvoll wie seine letzten Pläne gestaltet sich dem
rĂĽckblickenden Auge die ganze Reichspolitik Landgraf Her-
manns. Den SchlĂĽssel zu ihrer WĂĽrdigung bietet uns seine
Stellung als LandesfĂĽrst inmitten eines an Leidenschaften
reichen Zeitalters, in einer Zeit, da wir allenthalben in
Deutschland, begünstigt durch die Wirren und Kämpfe um
seien ; denn Herzog Ludwig war der Schwager, Markgraf Dietrich
der Schwiegersohn Hermanns.
1) Cr. S. P. Mod. in M. E. p. 214; vgl. auch Cron. Keinhardsbr.
SS. XXX, 1, p. 587.
2) Dobenecker II, 1672. Vgl. auch E. Wagner, Die Reichs-
politik Ludwig. IV., Diss. Jena 1908, Teil I, S. 16, Anm. 1.
3) Dobenecker II, 1672: Offenbar ist Hermann zuletzt regie-
rungsunfähig gewesen. Siehe auch K. Wenck, Die heilige Elisabeth
und Papst Gregor IX., Separatabdruck aus Jahrg. 5, November-
heft 1907 von Hochland, Monatsschrift fĂĽr alle Gebiete des Wissens,
der Literatur und Kunst, hrsg. von Karl Muth, S. 9.
und Pfalzgrafen von Sachsen (1190—1217). 41
den Thron , die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der
territorialen Gewalten sich ausgestalten sehen.
Als alleiniger Erbe seines Bruders Ludwig III. vereinigte
Landgraf Hermann ein Gebiet in seiner Hand, mit dessen Größe
und Reichtum sich im römischen Reiche deutscher Nation
nur wenige FĂĽrstentĂĽmer vergleichen konnten. Der poli-
tische EinfluĂź, den ihm die Rechte des Landgrafentums wie
die hohe Gerichtsbarkeit und der Königsbann *) sicherten,
wurde nicht wenig erhöht durch sein schon früher erlangtes
pfalzgräfliches Amt über Sachsen, das ihm neben der Ver-
waltung der hier gelegenen ReichsgĂĽter auch verschiedene
richterliche Befugnisse in die Hand gab.
Diese hohe territoriale Machtstellung noch zu erweitern,
war Hermanns Augenmerk auf die Erwerbung der drei in
Thüringen gelegenen Reichsstädte Nordhausen, Mühlhausen
und Saalfeld, gerichtet. Wiederholt wurde ihm auch deren
Besitz sowohl von Otto als auch von Philipp zugesprochen ;
aber der jähe Wechsel der reichsgeschichtlichen Entwicke-
lung, der während des langen Thronstreites bald dem
Staufer, bald dem Weifen den Sieg gewährte, sein eigener
treuloser Charakter und nicht zum mindesten sein starkes
Streben, sich eine selbständige Stellung zwischen den beiden
groĂźen Dynastien im Reiche zu erringen, haben ihm das
schon Gewonnene wieder entrissen. Immer ist ja Hermann
vor allem auf das Gleichgewicht der beiden um den Vor-
rang streitenden Reichsgewalten bedacht gewesen. Nur
hierin haben wir den Grund zu suchen, wenn er, scheinbar
aller politischen Berechnung Hohn sprechend, kurz vor dem
Tode Philipps von Schwaben noch einmal beabsichtigt, zu
dem fast niedergeworfenen Otto ĂĽberzugehen.
Alle diese Bestrebungen suchte Landgraf Hermann zu
1) O. Dobenecker, Ăśber Ursprung und Bedeutung der ThĂĽ-
ringischen Landgraf sehaft , Vortrag, gehalten auf der Generalver-
sammlung des Vereins fĂĽr ThĂĽringische Geschichte und Altertums-
kunde am 15. Juni 1890 zu Arnstadt. Zeitschr. f. ThĂĽr. Gesch. u.
Altertumsk. XV, N. F. (1891) VU, S. 325.
42 Die Reichspolitik: Hermanas I. etc.
fördern durch gute Stellung mit dem Papst, ohne daß aber
von tieferer Religiosität an ihm etwas zu merken wäre1);
im Gegenteil, skrupellos achtet er keines Treueides, nur
seine eigene Machtstellung ist ihm Antrieb zu seinem Wir-
ken, wie denn der Dichter des Liedes vom Wartburgkrieg
so charakteristisch ihn schildert ~2) :
Ist danne der kunic zue kurz ze lanc
das er dem riche und ouch der vverlte niht schaffet
froeiden vil
Der Duringe herre nimt es im sunder danc
Und sezet svven er will.
Ihm deshalb einen Vorwurf zu machen , hieĂźe den
Geist der Zeit verkennen, die Moral in die politische WĂĽr-
digung hineintragen. Seine Bedeutung in der Geschichte des
Reiches liegt eben darin, daĂź er in bewuĂźtem Streben ver-
suchte, die landesfürstliche Gewalt in Unabhängigkeit von der
Reichsoberhoheit zu behaupten, wie es seit der Wende des
12. und 13. Jahrhunderts Reichs- und Landesgeschichte
kennzeichnet.
Leider lieĂź den Landgrafen bei der Verfolgung dieses
Hauptzieles sein ehrgeiziger Charakter nur allzuwenig an
sein Volk denken. Wiederholt wurde es durch die Schuld
seines Fürsten stark geschwächt. Wird man dies berück-
sichtigen, so dürfte auf die Frage: Was hat Hermann wäh-
rend seiner Regierungszeit von 1190 — 1217 eigentlich er-
reicht? — die Antwort wenig befriedigend lauten. Dann
können wir seine Handlungsweise wohl verstehen, aber nicht
billigen, vielleicht entschuldigen, niemals rechtfertigen.
1) Siehe darĂĽber K. Weuck, Die heilige Elisabeth, Sonder-
abrlruck aus: Die Wartburg, « ein Denkmal Deutscher Geschichte
und Kunst, dem Deutscheu Volke gewidmet von GroĂźherzog Carl
Alexander von Sachsen, Berlin 1907, S. 185 ff.
2) R. Manesse, Sammlung von Minnesingern, II. Teil (Klingesor
von Ungerlant), ZĂĽrich 1759, S. 2.
II.
Konrad, Landgraf von ThĂĽringen, Hochmeister des
deutschen Ordens (f 1240).
Von
Dr. E. Caemmerer aus Arnstadt
(SchluĂź.)
Konrads Eintritt in den deutschen Orden *) bedeutet
zugleich eine weitere Stufe auf dem Wege zur Vollendung
der Heiligsprechung Elisabeths. Der Orden nahm sich
jetzt dieser Aufgabe mit vollem Eifer an und löste sie
glänzend unter Konrads Leitung, der sich seit seiner Ein-
kleidung erst recht an ihre AusfĂĽhrung gebunden erachten
mochte.
Schon am 11. Oktober 1234 erteilte Papst Gregor dem
Bischof Konrad von Hildesheim und zwei Ă„bten der Mainzer
Diözese den Auftrag zur Einsendung der Berichte über die
von Erzbischof Sigfrid und Magister Konrad Anfang 1233
angestellte Wunderuntersuchung 2). Zu diesem Zwecke hatte
er schon vorher die durch Konrad von Marburg ihm im
FrĂĽhjahr 1233 ĂĽbersandte Abschrift der Protokolle der
1) Ergänzend zu Z. Thür. G. N. F. XIX, 393 f. verweise ich
fĂĽr die BegrĂĽndung desselben noch auf eine Stelle im Sermo de
translacione beate Elyzabeth, neu hrg. v. A. Huyskens in: Des
Cäsarius v. Heisterbach Schriften über d. heil. Elis. v. Thüringen,
in: Annalen d. histor. Vereins f. d.. Niederrhein, Heft 86, Köln 1908,
S. 54. Abgesehen von dem damals so erregten asketisch-religiösen
Zeitgeist im allgemeinen wird allerdings, soweit es den EinfluĂź reli-
giöser Vorbilder angeht, tatsächlich nur von dem Konrads v. Mar-
burg und dem hier wieder bestätigten Elisabeths die Rede sein
können; der Anteil der Brüder Konrads, bes. Ludwigs, an diesem
Schritte dürfte von Cäsarius mindestens weit überschätzt sein.
2) Dobenecker 458 mit vollständiger Quellenangabe.
44 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
Wunderuntersuchung samt dem Briefe Konrads ĂĽber Elisa-
beths Leben und Hinscheiden durch Hermann von Salza
zurĂĽcksenden lassen 1). Letzterer hatte ihm wohl, da es
fĂĽr die Vornahme der Heiligsprechung, wie wir erfahren,
besonders auf das Leben, weniger auf die Wunder an-
kam 2), nicht genĂĽgt. Denn auch der Auftrag, die Zeugen
über Elisabeths Leben ausführlich zu verhören, muß damals
zur gleichen Zeit ergangen sein 3). Da die frĂĽheren Akten
unzureichend erschienen, wurden die Zeugen der Wunder
Elisabeths und ihre Hofdamen und Dienerinnen als Zeugen
fĂĽr ihren Lebenswandel im Januar 1235 von der damit
beauftragten Kommission zu Marburg verhört4).
An der Spitze der feierlichen Gesandtschaft, welche
die fertiggestellten Protokolle darauf nach Perugia ĂĽber-
brachte, stand neben dem Abt von Buch und dem WĂĽrz-
burger Kanonikus, Magister Salomon : Bruder Konrad von
Thüringen. Der Papst hielt die Berichte nach sorgfältiger
PrĂĽfung fĂĽr ausreichend zur Vornahme der Heiligsprechung.
Am 27. Mai 1235 fand die feierliche Handlung statt, bei
der Konrad wieder in hervorragender Weise beteiligt ist5).
Er, der sich durch den Eifer und die Begeisterung, mit
1) Dies geht aus dem Wunderberichte vom Januar 1235 her-
vor; Huyskens, Quellenstudien, S. 263.
2) Vgl. den Processus et ordo canonizationis beate Elyzabet
bei Huyskens S. 140 ff., dazu 20 ff. 75 ff. Die betreffende Stelle bei
Huyskens S. 146, Anm. 16. Der Processus et ordo ist auch fĂĽr
die folgende Darstellung die Hauptquelle. Er rĂĽhrt ohne Zweifel
von einem Augenzeugen her. Vgl. Börner, Quellenkritik, Neues
Archiv XIII, 446, u. Huyskens S.29f. 77.
3) Vgl. Huyskens S. 45 f., 88. Übrigens weist auch Cäsarius
auf einen solchen Auftrag hin; Börner, Neues Archiv XIII, 5051
4) Vgl. den neu aufgefundenen Bericht ĂĽber Elisabeths Leben
u. Tod bei Huyskens S. 110 ff., dazu 17 ff. 41 ff. und den ebenfalls
neu aufgefundenen Wunderberieht vom Januar 1235, ebenda S. 242 ff.
5) Vgl. ĂĽber die Kanonisation neben dem Processus et ordo
auch Sigfrid von Ballhausen: M. G. SS. XXV, 702, Theod. v. Apolda,
Bch. 8, Kp. 9, Dobenecker 524; ĂĽber den Wert von Dietrichs Vita
Hochmeister des deutschen Ordens. 45
der er sich dieser kirchlichen Feier hingab, aller Zuneigung
erworben, sucht mit den reichen Mitteln seines Ordens zu
einer möglichst glänzenden Gestaltung des Festes beizu-
tragen. Mit einer groĂźen Anzahl der angesehensten Kirchen-
fürsten, Bischöfen, Äbten, Ordensbrüdern — besonders der
deutsche Orden wird stark beteiligt gewesen sein — unter
dem Beifall einer unermeĂźlichen Volksmenge fĂĽhrt Papst
Gregor die Prozession nach der Kirche des Dominikaner-
klosters. Bruder Konrad reicht ihm und den andern Geist-
lichen groĂźe Leuchter, an das Volk verteilt er Wachskerzen.
Nachdem der andächtig lauschenden Menge von einem Kar-
dinaldiakon ĂĽber Elisabeths Leben und Wunderkraft be-
richtet war, wird sie in die Zahl der Heiligen aufgenommen.
Auch durch auĂźerordentliche Freigebigkeit, durch Verteilung
reicher Nahrungsmittel, sorgte Konrad von ThĂĽringen da-
fĂĽr, diesen 27. Mai zu einem Freudentage auch fĂĽr die
Armen zu gestalten. Er lud selbst an 300 fromme Männer
zu Tische und speiste sie.
Bedeutsamer als diese ausfĂĽhrlichen Schilderungen des
so prunkvoll gefeierten Tages erscheint uns das ĂĽberaus
freundschaftliche Verhältnis, in das Konrad durch solche
Beweise kirchlicher Frömmigkeit jetzt zu Gregor trat. Deut-
liche Zeugnisse sprechen für die Innigkeit dieses Verhält-
nisses. Der heilige Vater lud ihn, um ihn besonders aus-
zuzeichnen, als Gast an seinen Tisch, gewährte ihm Woh-
nung am päpstlichen Hofe und erfüllte bereitwillig die von
Konrad ihm vorgetragenen Bitten der in päpstlichem Dienste
stehenden Armen. Damals sah Gregor, mit welcher Be-
geisterung die neuen in Elisabeth verkörperten Ideen von
freiwilliger Entsagung den jungen Ordensritter erfĂĽllten. Denn
besonders Börner S. 472 ff. u. Huyskeus S. 7 ff. Über Konrads Be-
tätigung vgl. auch Variae lectiones et supplementa zu Theod. v. Apolda
bei Mencken , Script, rer. German. II , 2005 A. — Die Hist.
Pistoriana Kp. 45, S. 1325, die Hist. Eccardiana S. 423 f. u. a. machen
zwischen Konrads Reisen von 1234 und 1235 keine strenge Scheidung.
Dies tut auch Posse, Thür. Sagen, Hist. Z. XXXI, öl nicht.
46 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
nichts läßt uns einen deutlicheren Einblick in Konrads Ge-
sinnung tun als jener ausfĂĽhrliche Bericht des Augenzeugen.
Auch an den der Heiligsprechung folgenden Tagen wid-
mete sich Gregor den Angelegenheiten des deutschen Ordens
und des ludowingischen Hauses. Am 1. und 4. Juni erlieĂź
er die Elisabeths Kanonisation verkündende Bulle „Glori-
osus in majestate" und erteilte den Besuchern des Mar-
burger Grabes einen abermaligen reichen AblaĂź 1). Sicher
auf Konrads Ersuchen hin erteilte er zu gleicher Zeit, am
4. Juni, der groĂźen Schenkung der Landgrafen an den
deutschen Orden seine päpstliche Bestätigung2). So er-
reichten die Beziehungen Gregors zum Ordensritter Konrad
von Thüringen in jenen Tagen einen Höhepunkt, der jeg-
lichen Umschwung auszuschlieĂźen schien.
Die Verherrlichung Elisabeths und ihres Werkes ist
auch nach Konrads Rückkehr von Perugia zunächst noch
sein vornehmstes Ziel gewesen. Am 14. August 1235 fand
in Marburg die Grundsteinlegung zur Elisabethkirche statt,
als deren GrĂĽnder Konrad allgemein angesehen wird 3).
Er hat sie ohne Zweifel geleitet, wenn auch erst spätere
Chronisten ausdrĂĽcklich seine Teilnahme bezeugen4).
1) Dobenecker 532. 533; Processus et ordo bei Huyskens S. 146;
vgl. den AblaĂź vom 30. Mai, Dobenecker 526.
2) Dobenecker 534.
3) Ann. breves domus ordinis Theuton. Marburg.: M. G. SS.
XXX, 5. Diese Nachricht braucht mit Gregors Bulle vom 30. Mai
1235 (Dobenecker 526), die bereits den Anfang des Kirchbaues be-
richtet, nicht, wie es scheinen könnte, im Widerspruche zu stehen.
— Daß Konrad als Gründer der Kirche gilt, beweist auch die In-
schrift an dem Elisabeths Auferweckung darstellenden Relief an der
Tumba Elisabeths; vgl. F. Küch, Die Landgrafendenkmäler in der
Elisabethkirche zu Marburg, in Z. Hess. G. N. F. XXVI, 163;
W. Kolbe, Die Kirche der heil. Elisabeth zu Marburg, Marburg 1882-,
S. 38 ff., bes. 42. Vgl. auch den Nekrolog der Deutschordensballei
Hessen bei Dobenecker 906 a Anm. Ăśber die Bedeutung von ceno-
bium siehe Du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis, IL 415.
4) Gerstenberg, ThĂĽr.-hess. Chronik S. 38ti; desselben Franken-
bergische Chronik bei Kuchenbecker, Anal. Hassiaca, Coli. 5 (1731),
Hochmeister des deutschen Ordens. 47
Gleich danach begab sich Konrad zu dem glänzenden
Mainzer Reichstag, wo er mit seinem Bruder, Landgraf
Heinrich, Zeuge der damals auĂźerordentlich angesehenen
kaiserlichen Machtstellung wurde. Sind wir ĂĽber seine
Beteiligung an den wichtigen Fragen der Mainzer Tage
nicht näher unterrichtet, so hat er wahrscheinlich damals
mit seinem Meister, Hermann von Salza, dem Kaiser die
Bitte vorgetragen, die in Aussicht genommene neue Ehrung
der heiligen Elisabeth, die Translation, durch seine Teil-
nahme zu einem glänzenden Feste zu gestalten *■). Die
päpstliche Einwilligung hatte Konrad wohl schon in Peru-
gia eingeholt, und Gregor bewies durch die Ernennung der
Erzbischöfe von Mainz, von Trier und des Bischofs Konrad
von Hildesheim zu seinen Bevollmächtigten bei der geplanten
Feier deutlich seinen lebhaften Anteil 2).
Von neuem ward an jenem berĂĽhmten Tage der Er-
hebung der Gebeine der Heiligen zu Marburg, dem 1. Mai
1236, dem Namen Elisabeths eine unei hörte Bewunderung
und Verehrung. Von dem gewaltigen Eindruck, den diese
Translation in allen Teilen des Reiches hervorrief, geben
uns die äußerst zahlreichen Berichte der Zeitgenossen, die
diesem kirchlich bedeutungsvollen Ereignisse eine weit
größere Aufmerksamkeit schenken als den gleichzeitigen
politischen Ereignissen, ein getreues Bild 3). Auch um diese
168; Heldmann, Z. Hess. G. N. F. XX, 25 nimmt auch Hermanns
von Salza Anwesenheit an.
1) Konrad und Hermann von Salza sind Zeugen in einer Ur-
kunde Landgraf Heinrichs fĂĽr Sigfrid III. vom 24. August 1235;
Dobenecker 552.
2) Chron. regia Colon. S. 268. Die sächsische Weltchronik, Mon.
Germ. Deutsche Chroniken II, 251 erwähnt sogar einen ausdrück-
lichen Befehl Gregors zur Translation.
3) Siehe die Hauptquellen für die Translation bei Böhmer- Will,
Regesten der Mainzer Erzb., Bd. 2, No. 216, S. 242 f. ; Böhmer-Ficker
2152a; Dobenecker 60Sa. — Von neueren Darstellungen vgl. Winkel-
mann, Friedrich IL, Bd. 2, 23 ff. und Wenck, Wartburgb. 216. 207.
48 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
glänzende Veranstaltung haben sich die Deutschritter, und
zwar in erster Linie Konrad *), das Hauptverdienst erworben.
Ergibt sich doch fĂĽr ihn, der allein zum Landgrafenhause,
dem Elisabeth angehörte, und dem deutschen Orden, der
der Erbe der heiligen Stätten geworden war, in so engen
Beziehungen stand, die hervorragende Stellung leicht, die
er bei der Feier einnimmt. Die Mehrzahl der deutschen
Erzbischöfe, zahlreiche Bischöfe und weltliche Fürsten, die
landgräfliche Familie war in Marburg zugegen, eine un-
geheure Menge Volks, von einem Chronisten unendlich ĂĽber-
treibend auf zwölfmal hunderttausend Menschen geschätzt"2),
war in der Stadt der Wunder zusammengeströmt 3). Kaiser
Friedrich, der im Mittelpunkte der Feierlichkeit steht, gab
dem Landgrafenhause wie dem hochgeschätzten deutschen
Orden durch seine Teilnahme ein deutliches Zeugnis seiner
kaiserlichen Gunst.
Mit der Heiligsprechung und Translation Elisabeths,
Ehrungen, deren Träger unser Konrad geworden ist, haben
seine , wie des ludowingischen Hauses Beziehungen zur
Heiligen einen glänzenden Abschluß erreicht.
Konrad hat nach seiner Einkleidung der bald in Mar-
burg gegründeten Deutschordens-Kommende angehört und
bei seiner angesehenen Stellung und den Verdiensten, die
er sich um seinen Orden bereits erworben, ohne Zweifel
eine bedeutendere Rolle gespielt. Deshalb ist es auffallend,
daß er, soweit es sich erkennen läßt, mit keinem Ordens-
amte bekleidet war. Das Amt des Marburger Komturs
verwaltete schon im Februar 1236 ein gewisser Win-
1) Vgl. Cron. Reinh. M. G. SS. XXX, 616.
2) Chron. regia Colon. S. 268.
3) Die an sich sehr wahrscheinliche Anwesenheit der landgräf-
lichen Familie erwähnen ausdrücklich Theod. v. Apolda, Bch. 3,
Kp. 12, die Hist. Pistoriana Kp. 47, S. 1326, u. die Hist. Eccardi-
ana S. 424. Vgl. über Heinrichs Anwesenheit auch Böhmer-Ficker
4860 g u. Holder- Egger im Neuen Archiv XXV, 92.
Hochmeister des deutschen Ordens. 49
rieh, der es wahrscheinlich bis 1240 gefĂĽhrt hat1). Da-
gegen sollte es sich noch als wichtig erweisen, daĂź Kon-
rad, der sich vorzugsweise in Marburg aufgehalten haben
wird, mit seinem regierenden Bruder und seinem Neffen
auch weiterhin in enger FĂĽhlung blieb. Letzterer hatte
nach Konrads Eintritt in den Orden als dessen Nachfolger
eine vielleicht zuerst noch durch seinen Oheim Hinrich be-
aufsichtigte Verwaltung Hessens angetreten. Als selbstän-
diger Regent erscheint er erst seit dem Jahre 1238 2).
Bald nach der Translation Elisabeths hat Konrad auch
an einer fĂĽr die gesamte Ordensgeschichte wichtigen An-
gelegenheit, die sich ĂĽber mehrere Jahre erstreckte, teil-
genommen: der Vereinigung des 1202 von Bischof Albert
von Riga gegründeten livländischen Schwertbrüderordens
mit dem der Deutschritter3). Jener hatte in Livland mit
weit ungünstigeren Bedingungen zu kämpfen gehabt als
der in Preußen mächtig erstarkende deutsche Orden. Mit
Zustimmung seines Konventes hatte Volkwin, der Meister
der Schwertritter, längst die Aufnahme seines Ordens in
den deutschen nachgesucht, die aus gewichtigen GrĂĽnden
1) Vgl. WyĂź, Hess. Urkundenbuch I, No. 56 u. 67, Ander-
sonn, Der deutsche Orden in Hessen, S. 39. Heldmann, Z. Hess. G.
N. F. XX, 29 vermutet, daĂź Konrad die Stellung eines Hauskomturs
verwaltete.
2) Konrad stellt natĂĽrlich seit dem 18. November 1234 keine
Urkunden mehr in hessischen Angelegenheiten aus. Das Aktum der
Urkunde fĂĽr Kloster SpieĂźkappel (Dobenecker 578) ist mit Doben-
ecker (Dobenecker 473. 578 Anra. 1) vor den Eintritt in den Orden,
nur die Beurkundung in das Jahr 1235 zu verlegen. — Über Land-
graf Hermanns Stellung vgl. Dobenecker 737 (aber zur Volljährig-
keit auch Z. ThĂĽr. G. N. F. XIX, 361 f. Anm. 5) 758. 801; auch
Ilgen u. Vogel, Z. Hess. G. N. F. X, 220 ff.
3) Die Hauptquellen hierfĂĽr sind : Ă„ltere Chronik v. Oliva, ed.
Th. Hirsch in Script, rer. Pruss. I, 681 ; Peter v. Dusburg, ebenda S. 65 f. ;
Livländische Reimchronik in Script, rer. Livonic. 1, 554 ff., Vers 1847 ff.;
in erster Linie der Bericht Heldrungens in Script, rer. Pruss. V, 168 ff.
An ihn hält sich besonders die folgende Darstellung. Über seinen
Wert vgl. Hirsch, ebenda S. 168 f.; C. Schirren in Mitteil, aus livl.
XXVIII. 4
50 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
noch vertagt worden war. Auf Volkwins erneute Bitten
hin hatte Hermann von Salza im Sommer 1235 zwei an-
gesehene Ordensritter zur Erkundung der Verhältnisse der
SchwertbrĂĽder nach Livland entsandt. Als ihre RĂĽckkehr
sich bis zum Sommer des folgenden Jahres verzögerte,
konnten sie von Hermann, der im November 1236 Deutsch-
land im Dienste des Kaisers verlassen hatte, nicht mehr
angehört werden, sondern von dem von Hermann für diesen
Fall damit beauftragten Ritter Ludwig von Ă–ttingen1).
Unter seinem Vorsitz wurde wahrscheinlich erst im Herbst
1236 zu Marburg ein Ordenskonvent wegen der Aufnahme
des neuen Ordens abgehalten, an dem ĂĽber 70 Ritter teil-
nahmen. Zu ihnen gehörte auch Konrad von Thüringen 2),
ohne daß wir näher über seine Teilnahme an den Verhand-
lungen unterrichtet sind. Auf die AusfĂĽhrungen des einen
der nach Livland entsandten Ritter hin war wenig Neigung
zur Aufnahme der SchwertbrĂĽder vorhanden. Man beschloĂź
indes , die wichtige Angelegenheit der Entscheidung des
Meisters selbst anheimzustellen.
Dieser hatte sich indessen am lombardischen Feldzuge
seines kaiserlichen Herrn beteiligt, bis sich dieser durch
Gesch. XI, 260 ff.; dagegen Strehlke, ebenda S. 76 ff.; A. L. Ewald,
Die Eroberung PreuĂźens durch die Deutschen (Bd. 1 [1872] u. Bd. 2
[1875]), Bd. 1, 229 f. Anm. ; W. Fuchs, Peter v. Dusburg u. d. Chro-
nicon Olivense, in altpreuß. Monatsschrift XXI, 440 Anm. 113. —
An Darstellungen vgl. A. BĂĽttner, D. Vereinigung d. livl. Schwert-
brĂĽderordens mit d. deutschen Orden, in Mitt. aus livl. Gesch. XI,
3 ff.; F. G. v. Bunge, D. Orden der SchwertbrĂĽder, in: Baltische
Geschichtsstudien, von dems. herausg., Leipzig 1875, bes. S. 82 f.;
Ewald Bd. 1, 200 ff. ; A. Koch, Hermann von Salza, Leipzig 1884,
S. 99 f. 112 ff.; K. Lohmeyer, Gesch. v. Ost- u. WestpreuĂźen, S. 72ff.;
Heldmann S. 26 ff.
1) Ă–ttingen im Eies, bayr. Schwaben; vgl. ĂĽber ihn Strehlke
in Mitteil, aus livl. Gesch. XI, 93 Anm. 8.
2) Seine Beteiligung folgt daraus, daß er später als Begleiter
des in Marburg anwesenden Hartmann von Heldrungen sich nach
Wien begab ; Heldrungens Bericht in Script, rer. Pruss. V, 170.
Hochmeister des deutschen Ordens. 51
den Aufstand des österreichischen Herzogs, Friedrichs II.,
Ende November zum Verlassen der Lombardei genötigt sah.
Den deutschen Fürsten, die gegen den bereits Geächteten
die Reichsexekution ausfĂĽhrten, von SĂĽden zu Hilfe kommend,
vollendete der Kaiser im Dezember 1236 die Unterwerfung
des Herzogtums Steier und strebte Wien, der vom Herzog
längst aufgegebenen österreichischen Hauptstadt, zu.
Zur gleichen Zeit begab sich eine aus angesehenen
Deutschherren bestehende Gesandtschaft von Marburg nach
Wien, dem aus Italien zurĂĽckgekehrten Meister entgegen.
Zu ihnen gehörten neben Ludwig von Ottingen, dem Stell-
vertreter Hermanns von Salza, und dem Schwertritter Johann
von Magdeburg die Ordensritter Konrad von ThĂĽringen,
Hartmann von Heldrungen , Ulrich von Durne und der
WĂĽrzburger Komtur Wachmann 1). Sie haben schon um
die Wende des Jahres 1236/37 Wien erreicht, da wir
Konrad schon am 1. Januar 1237 als Zeugen in einer Ur-
kunde Hermanns von Salza finden. Letzterer ist demnach
mit einer Anzahl von OrdensbrĂĽdern seinem am Anfang des
Januar noch in Graz weilenden Herrn vorausgeeilt, um in
Wien die Marburger Gesandtschaft zu empfangen 2).
1) Siehe Heldruns;ens Bericht in Script, rer. Pruss. V, 170 f.
Durne (nach K. Weller, Hohen lohisches Urkundenbuch , Bd. 1,
Stuttgart 1899, S. 572) gleich WalldĂĽrn im badischen B.A. Buchen.
Ulrich bezeugte schon als Ordensbruder die Schenkung der drei Land-
grafen (Dobenecker 464). Vgl. ĂĽber ihn Heldmann, Z. Hess. G. N. F.
XX, 29 Anm. 1. — Über Wichmann vgl. Strehlke in Mitteil, aus
livländ. Gesch. XI, 97 f. Anm. 18.
2) Vgl. Dobenecker 647. Die Urkunde ist ohne Ausstellungs-
ort. Als solcher wĂĽrde demnach Wien am wahrscheinlichsten sein.
A. Lorck, Hermann von Salza, Kieler Diss., Kiel 1880, S. 100 hielt
in RĂĽcksicht auf Friedrichs II. Aufenthalt in Graz noch am 3. Januar
1237 (Böhmer-Ficker 2208) Graz dafür. Konrad kann aber als Mit-
glied der Marburger Gesandtschaft, wenn auch die anderen die Ur-
kunde mitunterzeichnenden OrdensbrĂĽder (vgl. Weller, Hohenlohisches
Urkundenbuch, Bd. 1, No. 22, S. 141) Begleiter Hermanns gewesen zu
sein scheinen, nicht nach Graz gekommen sein.
4*
52 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
Bald danach verlegte der Kaiser sein Hoflager von
Graz nach Wien, wo sich eine groĂźe Anzahl weltlicher und
geistlicher deutscher FĂĽrsten versammelte. Auch Landgraf
Heinrich hat dort an Friedrichs Regierungshandlungen regen
Anteil genommen. Er gehört — bezeichnend für seine da-
malige politische Stellung — zu den Fürsten, die Friedrichs
neunjährigen Sohn Konrad zum deutschen Könige erhoben
sehen wollten. Diese feierliche Wahl fand dann zu Wien
im Februar statt *).
Konrad von ThĂĽringen wird sich besonders den An-
gelegenheiten seines Ordens gewidmet haben, die hier ihre
Erledigung fanden. Der Kaiser selbst gab damals dem
Orden durch den den Ordenshäusern der österreichischen
Länder gewährten Schutz einen neuen Beweis seiner Gunst 2).
Sodann wurden, wie in Marburg beschlossen, die Verhand-
lungen ĂĽber die Aufnahme der SchwertbrĂĽder auf einem
Konvente der zahlreich versammelten OrdensbrĂĽder unter
Hermanns von Salza Vorsitz weitergefĂĽhrt. Auch der
Deutschmeister Heinrich von Hohenlohe nahm daran teil 3).
Man entschied sich für Einverleibung des livländischen
Ordens in den deutschen, machte aber die endgĂĽltige Ent-
scheidung noch von Papst Gregor abhängig. Zu ihm nach
Viterbo begaben sich Anfang April 1237 Hermann von
Salza, Johann von Magdeburg vom SchwertbrĂĽderorden und
Hartmann von Heldrungen. Als der Papst jetzt seinerseits
Bedenken gegen die Aufnahme zu haben schien, trat die
Angelegenheit in ein neues Stadium durch die Botschaft
eines aus Livland entsandten Schwertbruders, Gerlachs des
Rothen. Sein Orden hatte bei Bauske am 22. September 1236
gegen die Heiden eine schwere Niederlage erlitten ; Meister
1) Dobenecker 662. Über die Datierung : Böhmer- Ficker 4385 b ;
vgl. Winkelmann, Friedrich IL II, 52 f. 139 ff. ; F. Speier, König
Konrad IV. (1228—1254), Berliner Diss., Berlin 1898, S. 21 ff.
2) Dobenecker 657.
3) Er ist am 1. Januar 1237 im Gefolge Hermanns von Salza,
Konrads von ThĂĽringen u. a. Bitter bezeugt; Dobenecker 647.
Hochmeister des deutsehen Ordens. 53
Volkwin selbst war mit zahlreichem Kriegsvolk tapfer
kämpfend gefallen1). Die höchstbedrängte Lage, in die
der Rest des Bruderordens jetzt versetzt war, muĂźte die
Verschmelzung doch ratsam oder als Pflicht erscheinen
lassen. Anfang Mai 1237 ward sie in Viterbo vollzogen2).
Zur tatkräftigen Unterstützung der gefährdeten Brüder
hatte Hermann von Salza durch Hartmann und Gerlach
seinem Statthalter Ludwig von Ă–ttingen in Marburg Auf-
trag zukommen lassen. Diesen später nachfolgend, begab
er sich selbst nach Marburg, wo in der ersten Hälfte des
Juni ein groĂźes von etwa hundert der einfluĂźreichsten Deutsch-
herren besuchtes Kapitel abgehalten wurde, das in erster
Linie der Neuordnung der livländischen Verhältnisse galt 3).
Konrad, der nach Deutschland zurĂĽckgekehrt war, hat
dem groĂźen Marburger Kapitel ohne Zweifel beigewohnt,
wenn wir auch seinen Namen ebensowenig wie den der
anderen in Marburg anwesenden BrĂĽder genannt finden.
Hier wurde Hermann Balk, der seine Umsicht und Kriegs-
tĂĽchtigkeit oft bewiesen, neben seinem bisherigen Amte als
Landmeister von Preußen auch das eines livländischen über-
1) Zu den genannten Quellen vgl. noch: Ann. Stadenses: M.
G. SS. XVI, 363; Chronicon Livoniae, ed. E. Strehlke in Script,
rer. Pruss. II, 33 f.; vgl. Ewald, Eroberung PreuĂźens I, 219 ff.
2) Vgl. Gregors IX. Schreiben vom 12. Mai 1237 bei Böhmer-
Ficker 7166; die bezüglichen Schreiben sind jetzt am vollständigsten
bei L. Auvray: Les registres de Gregoire IX. , in: Bibliotheque
des ecoles francaises d'Athenes et de Rome, Tome 2, Paris 1907,
No. 3649—3653.
3) Hermanns Rückreise von Viterbo fällt spätestens in die
zweite Hälfte des Mai (Ryccardi de s. Germano notarii chronica, ed.
G. H. Pertz, Hannover 1864 [Script, rer. Germ, in us. schol.] S. 131).
Am 21. Juni ist er schon nach SĂĽden zurĂĽckkehrend in WĂĽrzburg;
Dobenecker 685. Daraus ergibt sich die Datierung fĂĽr das Kapitel.
— Über dieses vgl. Heldrungens Bericht S. 171; den Brief Hermanns
an die Kardinalbischöfe von Ostia u. s. Sabina in den Ann. Piacen-
tini Gibellini, M. G. SS. XVIII, 475 f.; Livländ. Reimchronik, Script.
rer. Livonic. I, 556 f., Vers 1967 ff. u. Anm. dazu S. 743; vgl. Ewald,
Eroberung PreuĂźens I, 227 ff. ; Winkelmann, Friedrich IL II, 65.
54 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
tragen1). Sein Begleiter wurde Dietrich von GrĂĽningen,
der 1234 mit Konrad das Ordensgewand angelegt hatte.
Zur Vermittlerrolle Hermanns von Salza in der lombar-
dischen Angelegenheit, die ebenfalls in Marburg zur Sprache
kam, nahmen die versammelten BrĂĽder bekanntlich eine
ablehnende Haltung ein.
Landgraf Heinrich hatte sich am kaiserlichen Hofe zu
Wien noch bis Anfang April aufgehalten, um dann eben-
falls nach ThĂĽringen zurĂĽckzukehren, wo ihn schon gegen
Ende des Monats die Angelegenheiten seines Landes in
Anspruch nahmen 2). Konrads spätere Stellungnahme zur
Politik der Landgrafen in dieser Zeit rechtfertigt ein kurzes
Eingehen auf diese.
Damals bereitete sich nämlich der erste große Um-
schwung der politischen Beziehungen Landgraf Heinrichs
vor, über dessen Ursachen wir nicht näher unterrichtet sind.
Daß aber seine Vermählung mit Gertrud, der Schwester
des Herzogs von Ă–sterreich, im Februar 1238 zu Wiener-
Neustadt ein Abwenden von Heinrichs bisheriger, ununter-
brochen kaiserlicher Politik in sich schlieĂźt, unterliegt
keinem Zweifel3). Aber auch sein Versäumen des vom
Reichsverweser Sigfrid III. im März nach Erfurt berufenen
FĂĽrstentages ist in Anbetracht der Wahl des Versamm-
lungsortes ein neuer Beweis seiner veränderten Gesinnung 4).
1) Hermann Balk urkundet Januar 1238 (J. H. Hennes, Codex
dipl. ordinis s. Mariae Theutonicorum [2 Bde., Mainz 1845 u. 1861] II,
No. 49) und Juni 1238 (Dobenecker 733) als Präzeptor des deutschen
Ordens in Livland u. Preußen. Im Februar 1239 (Böhmer-Ficker
4396) ist er Zeuge unter gleichem Titel.
2) Vgl. über Heinrichs Eückkehr Dobenecker 675 Anm. —
Dobenecker 677.
3) Ann. Erphord. fr. Praed. in Mon. Erph. B. 93; Dobenecker
717 a. Vgl. A. Huber, Gesch. Ă–sterreichs (Gesch. d. europ. Staaten,
von Heeren u. a.) Bd. 1, Gotha 1885, S. 415 f.; G. Juritsch, Gesch. d.
Baben berger (976-1246), Innsbruck 1894, S. 574 f.
4) Ann. Erphord. fr. Praed. S. 94; Dobenecker 717 b. — Vgl.
Böhmer-Ficker 4860k. 11216a; Wenck im Wartburgb. S. 216.
Hochmeister des deutschen Ordens. 55
Zur gleichen Zeit bahnte sich auch eine Verbindung an,
die allerdings nicht annähernd den ausgeprägten politischen
Charakter wie jene trägt, die des thüringischen Hauses mit
dem weifischen. Um die alten, schweren und noch unaus-
geglichenen Gegensätze zwischen beiden Häusern *) zu tilgen,
wollen die FĂĽrsten Otto von Braunschweig und Heinrich
von ThĂĽringen den neuen Bund durch die Verlobung Her-
manns mit Ottos Tochter Helene besiegeln. Im März 1238
erteilte Papst Gregor für diese Vermählung, die wegen ent-
fernter Verwandtschaft kirchlich anfechtbar war, seinen Dis-
pens 2).
Wie mag sich Konrad zu diesem Abfall seines Bruders
Heinrich von der Sache des Kaisers gestellt haben? Er
ist im Juni des Jahres 1238 in Hessen bezeugt und muĂź
von der politischen Schwenkung seiner Verwandten unter-
richtet gewesen sein. Wir dĂĽrfen annehmen, daĂź er diesen
Abfall nicht gebilligt hat. Dies lehrt fĂĽr die letzte Zeit
schon seine Teilnahme am Wiener Hoftage, sowie an den
wichtigen Angelegenheiten seines Ordens, dessen politische
Anschauung, wie es seine Haltung im folgenden Jahre noch
deutlicher erweisen wird, er sich zweifellos zu eigen ge-
macht hatte. Bestimmteres vermögen wir über seine da-
malige Haltung nicht zu sagen.
Denn jene BuĂźe vom Juni 1238, die auf die Beteiligten,
wie auf unseren Chronisten so groĂźen Eindruck gemacht hat,
ist das einzige Zeugnis, das wir aus jener Zeit von ihm
haben. Aus welchem besonderen AnlaĂź sie hervorgegangen,
1) Diese Beziehung ist schwer verständlich. Vermutlich handelt
es sich um eine Anspielung auf Landgraf Hermanns I. treulose Hal-
tung gegen Otto IV., vorwiegend seit dessen Exkommunikation durch
Innocenz III. im November 1210.
2) Vgl. die bezĂĽglichen Schreiben bei Dobenecker 720. 721. 722.
Den den Verwandtschaftsgrad zwischen Landgraf Hermann IL und
Helene von Braunschweig erläuternden Stammbaum vgl. bei A. Michels,
Leben Ottos des Kindes, ersten Herzogs v. Braunschweig u. LĂĽne-
burg, Göttinger Diss., Einbeck 1891, S. 51 Anm. 4.
56 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
ist nicht bekannt. Jedenfalls hat Papst Gregor IX., wie
spätere Chronisten annehmen, nichts mit ihr zu tun *). Da-
fĂĽr spricht schon der Umstand, daĂź Gregor eine solche
Buße spätestens bei Konrads Anwesenheit in Eieti (1234)
diesem aufgelegt haben wĂĽrde; so waren ja seit der Zer-
störung Fritzlars bereits sechs Jahre verflossen ! Konrad
mochte, als er, begleitet von zwei BrĂĽdern seines Ordens,
gerade Fritzlar berĂĽhrte, das noch die Spuren der frĂĽheren
Heimsuchung trug, sich des Vorgefallenen wieder erinnern
und wollte auch äußerlich, zumal in seiner Stellung als
geistlicher Bruder, den Fritzlarern einen offenkundigen Be-
weis seiner Reue und Zerknirschung geben 2). Am Peter-
Paulstage (29. Juni) 1238 schritt er vor einer zahlreich
versammelten Menschenmenge mit den erwähnten zwei
Deutschordensbrüdern entblößten Oberkörpers durch Fritz-
lar, gefolgt von drei Priestern, die sie mit Puten geiĂźelten,
und ließ alle 1232 geschädigten Bürger von Fritzlar durch
einen der Priester um Vergebung bitten. Mit dieser BuĂźe
war auch die Schenkung des Zehnten, den er in Hessen
besaĂź, an die Kanoniker Fritzlars durch Konrad verbunden,
1) Daß Konrad die Versöhnung mit den Fritzlarern als Buße
von Gregor aufgelegt sei, erzählen Gerstenberg, Thür.-hess. Chronik,
S. 379; Excerpta Chronici Eiedeseliani in J. Ph. Kuchenbeckers Anal.
Hassiaca, Coli. 3, 5; Joh. Rothe, Bd. 3 der ThĂĽr. Geschichts-
quellen, Kp. 476; Ursinus bei Mencken, Script, rer. Germ. III, 1289
u. a. Bezweifelt wurde es schon von F. Wächter, Thüring. u. ober-
sächs. Gesch., Bd. 2, Leipzig 1826, S. 339, u. von Häutle, Z. Thür.
G. V, 190. Die ältesten Quellen erwähnen nichts davon. In den
Ann. Erphord. fr. Praed. S. 94 f. sind die Worte: Cunradus . . .
reminiscens malorum que in oppido Fritzlariensi perpetrata sunt,
zu beachten. Sie deuten unmittelbar auf die Vorgänge in Fritzlar
selbst (1232) zurück und widerlegen den Gedanken an eine äußere
Beeinflussung.
2) Im Juni 1235 war noch nicht einmal die beschädigte Peters-
kirche völlig wiederhergestellt ; Dobenecker 535. — Die Hauptquelle
fĂĽr diese BuĂźe sind die Ann. Erphord. fr. Praed. S. 94 f.; vgl. Crom
Reinh. : M. G. SS. XXX, 614 ; Sigfrid v. Ballhausen : M. G. SS. XXV,
703; Peter v. Dusburg in Script, rer. Pruss. I, 198.
Hochmeister des deutschen Ordens. 57
sicherlich seine erste aus dem GefĂĽhl der Reue hervor-
gegangene Schenkung an die Stadt. Eine HerabwĂĽrdigung
Konrads und seiner MitbrĂĽder dĂĽrfen wir in diesen Vor-
gängen in Anbetracht der damaligen religiösen Anschauung
nicht erblicken 1). Diese BuĂźe hat auch nicht etwa eine
besonders harte Behandlung der Stadt zur Voraussetzung,
sondern ist nur wieder ein deutliches Zeugnis fĂĽr Konrads
religiöses Empfinden. Es liegt in dieser Selbsterniedrigung,
diesem Verzicht auf äußeres Ansehen und irdische Ehre ein
asketischer Zug, der uns an die freiwilligen ZĂĽchtigungen
und Entbehrungen erinnert, die die heilige Elisabeth, Kon-
rads religiöses Vorbild, über sich hatte ergehen lassen.
DaĂź Konrad die Politik seines Bruders nicht billigte,
sollte die nächste Zeit beweisen. Vorher aber griff Kaiser
Eriedrich , der längst von Landgraf Heinrichs unsicherer
Haltung unterrichtet sein konnte, in die Lage ein. Selbst
mit der Belagerung Brescias beschäftigt, ließ er, die ge-
plante Verlobung Hermanns IL mit der Braunschweigerin
durchkreuzend, durch den Reichsprokurator Sigfrid im Spät-
herbst des Jahres 1238 die Verlobung seiner zweijährigen
Tochter Margarethe mit Landgraf Hermann in Aschaffen-
burg vermitteln2). Diese offenbare Auszeichnung seines
Neffen durch den Kaiser stellte Heinrich vor eine schwere
Entscheidung. Sie muĂźte ihn auf dessen Seite zurĂĽckfĂĽhren
oder auf dem eingeschlagenen Wege bestärken und zu
1) Dies tut Häutle S. 190 f.
2) Sigfrid kehrte nach Aufhebung der Belagerung Brescias
(9. Oktober) nach Deutschland zurück; Böhmer-Ficker 4392 e. —
Ăśber die Verlobung vgl. Ann. Erphord. fr. Praed. S. 94; Chron.
reg. Colon. S. 281 ; das Schreiben Papst Innocenz' IV. an den Legaten
Petrus vom 7. Mai 1247 bei Böhmer-Ficker 7790. Vgl. auch Doben-
ecker 1453. Die dreifache Bezeugung einer Verlobung Hermanns II.
mit der Kaisertochter widerspricht Dobeneckers (754 a An m.) Zweifel
an der Bichtigkeit der Kachricht. Vgl. Böhmer-Ficker 4860 k.
11222 a; Wegele, Friedrich d. Freidige, Beilage 1, S. 345 ff. ; Wenck
im Wartburgb. S. 217 f. auch fĂĽr die weitere Stellung der beiden Land-
grafen.
58 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
anderen Verbindungen — mit der päpstlichen Partei nötigen.
Das letztere war die Folge. Denn als der Landgraf sich
schon nach einem halben Jahre der kaiserlichen Partei
zuwandte, sahen sich die Päpstlichen, eben weil sie dies
offenbar nicht erwartet hatten, bitter enttäuscht 1). Auch
die Nachricht des Erfurter Chronisten, daĂź 1239 FĂĽrsten,
die im Vorjahre sich gegen den Kaiser verschworen, sich
mit ihm ausgesöhnt hätten 2), ist ohne Zweifel in erster Linie
auf Landgraf Heinrich zu beziehen.
Denn schon bedeutete nach den Jahren einer wenigstens
äußeren Freundschaft zwischen den höchsten Gewalten der
Christenheit der Abfall vom Kaiser zugleich eine Annähe-
rung an den apostolischen Stuhl. Seit 1235 war die Schein-
freundschaft einem steigenden gegenseitigen MiĂźtrauen ge-
wichen 3). Der innerste Kern des erneuten Gegensatzes
liegt in der lombardischen Frage. Friedrichs Wunsch, die
lombardischen Städte seinem Szepter zu unterwerfen, wider-
sprach Gregors Weltpolitik. Ihre Niederwerfung zu Corte-
nuova drängte seine feindlichen Absichten noch zurück, ihr
Erfolg durch Brescias siegreichen Widerstand spornte ihn
zu bestimmterem Vorgehen gegen Friedrich an. Damals
fehlte der Mann, der bisher mit seinem ganzen EinfluĂź und
selbstloser Hingabe sich dem Friedenswerke gewidmet hatte :
Hermann von Salza. Wahrscheinlich hätte selbst er bei
Gregors Entschlossenheit keinen Erfolg mehr als Vermittler
gehabt. Schon im August 1238 hatte er sich krank nach
Salerno begeben. Der 20. März des folgenden Jahres, jener
1) Albert von Behaim, ed. C. Höfler in Bibliothek des Lite-
rarischen Vereins in Stuttgart Bd. 16, Stuttgart 1847, Teil 2, S. 5 f. ;
vgl. Böhmer-Ficker 48601.
2) Ann. Erphord. fr. Praed. S. 96.
3) Über Friedrichs Verhältnis zu Gregor seit 1234 u. d. Gesch.
der folgenden Zeit ĂĽberhaupt vgl. Winkelmann, Friedrich II., Bd. 2
(bis 1239 reichend); W. Schirrmacher, Kaiser Friedr. IL, Bd. 2 (1861),
327 ff. u. Bd. 3 (1864); A. Hauck, Kirchengesch. Deutschlands, Bd. 4,
Leipzig 1903, S. 780 ff.
Hochmeister des deutschen Ordens. 59
unselige Palmsonntag, an dem der heiligste Vater, der be-
reits die Wege zum Widerstände geschickt geebnet, von
neuem den Bann auf Kaiser Friedrichs IL Haupt schleuderte,
war sein Todestag 1).
Nicht weniger für die äußerat erregte politische Lage
als fĂĽr den deutschen Orden bedeutete sein Heimgang einen
schweren Verlust. Schon einen Monat zuvor, im Februar,
finden wir die angesehensten BrĂĽder des deutschen Hauses,
den Deutschmeister Heinrich von Hohenlohe, Konrad von
ThĂĽringen, Hermann Balk, Ludwig von Ottingen, den WĂĽrz-
burger Komtur Wichmann, Otto von Botenlauben, Andreas
von Hohenlohe, meist Männer, die sich um den Orden große
Verdienste erworben, mit anderen BrĂĽdern in WĂĽrzburg
versammelt 2). Es ist wahrscheinlich, daĂź von der dortigen
Versammlung Beratungen ĂĽber die jetzt vom Orden zu be-
obachtende Haltung gepflogen wurden, der sich nicht mehr
unter Hermanns erprobter Leitung sah. Da zur gleichen
Zeit der erste Berater König Konrads, Gottfried von Hohen-
lohe, und andere Räte des Königs, vielleicht dieser selbst,
in WĂĽrzburg weilten 3), so kann das Resultat dieser Tage
nur ein weiteres Verfolgen der bisherigen Ordenspolitik be-
deuten.
Die Kurie durfte anfangs bei ihrem Vorgehen gegen
Friedrich auf Erfolg hoffen. Schon 1237, erfolgreicher seit
1238 predigte der fanatische päpstliche Agent Albert von
1) Vgl. Eyccardi de S. Germano chronica, 8. 135 ; Lorck. Her-
mann v. Salza, S. 107 f.; Koch, Hermann v. Salza, S. 122 f.
2) Vgl. die Zeugen der WĂĽrzburger (in domo fratrum Theutoni-
corum) Urkunde ĂĽber einen Kaufvertrag Gottfrieds von Hohenlohe
u. Konrads von Krautheim vom 13. Februar 1239 bei Böhmer-Ficker
4396; Dobenecker 785.
3) Anwesenheit des Königs nahm J. Ficker, Böhmer-Ficker
4396 an, auch Wenck im Wartburgb. S. 217 ; vgl. dagegen Doben-
ecker 785 Anm. — Über die hohenlohischen Brüder u. ihre poli-
tische Stellung vgl. J. Ficker, Erörterungen zur Beichsgeschichte des
13. Jahrh., in : Mitteil. d. Instituts f. Ă–sterreich. Geschichtsforschung,
Bd. 3 (1882), S. 339 f.
60 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
Behaim in Bayern Abfall vom Kaiser. Durch seine rĂĽck-
sichtslose Tätigkeit rief er die verhängnisvollste Spal-
tung in den deutschen Landen hervor, zu der schon die Be-
kämpfung Herzog Friedrichs IL von Österreich durch den
Kaiser AnlaĂź gegeben hatte. Albert gelang die Verein-
barung eines Bündnisses des Österreichers mit dem Böhmen-
könige Wenzel I. und dem Bayernherzoge Otto II 1). Nach
dieser Seite neigte auch, wie wir gesehen, Landgraf Hein-
rich Raspe.
Und doch war die Stellung des Kaisers in Deutsch-
land, wenn auch der Erfolg seiner kriegerischen Operationen
in Italien damals zu wĂĽnschen ĂĽbrig lieĂź, keine ungĂĽnstige.
Er hatte die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgleich mit
dem apostolischen Stuhle noch nicht aufgegeben und be-
rief deshalb auf den 1. Juni 1239 einen Hof tag nach Eger,
um gegenüber der von Gregor über ihn verhängten Bannung
von seinen Vertrauten seine Sache fĂĽhren zu lassen2). Da-
durch wurden die deutschen FĂĽrsten zur Stellungnahme fĂĽr
oder wider ihn genötigt.
Um ihre Werbung zu diesem Friedenswerke hat sich
auch Konrad von ThĂĽringen bemĂĽht. Er zeigt seine poli-
tische Stellung jetzt deutlicher. Im April 1239 finden wir
ihn in Pirna bei seinem Neffen, dem jungen Markgrafen
von MeiĂźen3), dessen Haltung in Eger zeigen sollte, daĂź
er an keinen Abfall vom Kaiser dachte. Er wird mit
Landgraf Heinrich auf die gleiche Stufe gestellt. Beide
sind nach den bezeichnenden Worten des der Kurie eifrig
ergebenen Lübecker Propstes „die einzigen Toren, die nicht
1) Ăśber die Haltung Wenzels vgl. A. Bachmann, Geschichte
Böhmens (Gesch. d. europ. Staaten von Heeren u. a.), Bd. 1, Gotha
1899, S. 496 ff., bes. 509ff., ĂĽber die Ottos: S. Eiezler, Gesch. Baierns,
ebenda Bd. 2, Gotha 1880, S. 62 ff., bes. 67 ff. u. dens. in Allg.
deutscher Biogr. XXIV, 648 f.
2) Ann. Erphord. fr. Praed. S. 96.
3) Konrad ist Zeuge in der Urkunde des Markgrafen Heinrich
fĂĽr Kloster Altzelle vom 19. April 1239; Dobenecker 787.
Hochmeister des deutschen Ordens. 61
auf päpstlicher Seite stehen" *). Liegt es da nicht nahe,
daĂź Oheim und Neffe sich damals ĂĽber die einzuschlagende
Richtung geeinigt haben? Da aber Konrad im Mai wieder
in ThĂĽringen nachweisbar ist, das sein Bruder nicht ver-
lassen hatte 2), so ist es sicher, daĂź er an dem politischen
Zusammengehen der FĂĽrsten von ThĂĽringen und MeiĂźen
beteiligt war. DaĂź diese Haltung Konrads und seiner
beiden Verwandten den vollen Haß der Päpstlichen zur
Folge hatte, ist leicht zu verstehen. Denn ihnen, die von
Vermittlung nichts wissen wollten, war der Wunsch einer
solchen gleichbedeutend mit völligem Abfall vom römischen
Stuhle. Herzog Otto von Bayern bat um Exkommunikation
Landgraf Heinrichs und des Ordensritters Konrad 3) — der
deutlichste Beweis fĂĽr ihr vereinigtes Handeln. Hein-
richs kaiserliche, oder besser vermittelnde Haltung, die in
der folgenden Zeit ein noch entschiedeneres Aussehen ge-
winnt, zeigt sich schon damals auch Gregor gegenĂĽber.
Wie frĂĽher wendet er sich auch in dieser Zeit an ihn als
das oberste Haupt seiner Kirche, als deren ergebener Sohn,
ja, hingerissen von den kirchlich-asketischen Ideen seines
Zeitalters, er uns damals entgegentritt. Heinrich bittet den
Papst um Sendung eines Beichtvaters, und Gregor unter-
stützt den Landgrafen in der Betätigung seiner bußfertigen
Gesinnung4). Aber trotz dieses Verkehrs zwischen ihnen
1) Albert v. Behaim in d. Bibliothek d. Literar. Vereins in Stutt-
gart, Bd. 16, Teil 2, S. 6; Dobenecker 796.
2) Landgraf Heinrich ist am 4. Mai in Eisenach bezeugt;
Dobenecker 788, Konrad am 19. Mai in Erfurt ; Dobenecker 790.
3) Albert v. Behaim in Bibliothek d. Liter. V. in Stuttgart,
Bd. 16, Teil 2, S. 6; Dobenecker 796. — Zur Bannung Landgraf
Heinrichs u. Konrads kam es damals nicht. Die Bannung Konrads
als Deutschordensritters konnte ĂĽberhaupt seit Honorius' III. Privi-
legien (Strehlke, Tabulae No. 305; Potthast, Regesta Pontif. Bd. 1,
No. 6371, vgl. 7595; Strehlke, Tabulae No. 405) nur vom Papste
selbst oder auf seinen ausdrücklichen Befehl verhängt werden.
4) Vgl. Gregors Schreiben an Johann, den Minister der Mino-
riten in Sachsen, vom 28. Juli 1239 bei Dobenecker 808 und das-
62 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
auf kirchlichem Gebiete stehen jetzt Landgraf Heinrichs
politische MaĂźnahmen in vollem Widerspruch zu Gregors
Wünschen. Da aber der Landgraf noch unlängst zur kaiser-
feindlichen Partei neigte, wird in Anbetracht der Lage der
Umstände eine Beeinflussung durch seinen Bruder Konrad
unabweisbar.
Letzterer traf selbst gegen Ende des Mai mit dem
Reichsverweser Sigfrid von Mainz, der sich vielleicht auch
um die Gewinnung Landgraf Heinrichs bemĂĽht hat, in Er-
furt zusammen 1). Sigfrid verweilte dort bis zum 27. Mai,
um dann vereinigt mit dem Könige und einem stattlichen
Gefolge von 1000 Rittern schon am 1. Juni in Eger ein-
zutreffen 2). Die Vereinigung beider wird schon in Erfurt
erfolgt sein, und es kann bei der Lage der Dinge keinem
Zweifel unterliegen, daĂź Konrad von ThĂĽringen sich ihnen
angeschlossen hat. Sein Bruder Heinrich, der Markgraf
Heinrich von MeiĂźen, die Markgrafen Johann I. und Otto III.
von Brandenburg verpflichteten sich eidlich zum Vermitt-
lungsversuch zwischen Friedrich und Gregor und nahmen
sicher schon in Eger Konrad als Unterhändler in Aussicht.
Herzog Otto von Bayern und König Wenzel von Böhmen,
die ihrerseits auf die FĂĽrsten von ThĂĽringen und MeiĂźen
bis zuletzt gehofft, kündigten, enttäuscht über diesen Aus-
gang des Egerer Tages, König Konrad den Waffenstill-
stand 3).
jenige an die Bischöfe von Hildesheim u. Merseburg u. den Abt
von Pforte vom 26. JuU 1239 bei Dobenecker 807. — Siehe auch
Dobenecker 788.
1) Konrad ist Zeuge in einer Urkunde Sigfrids vom 19. Mai
1239; Dobenecker 790. — Eine Beeinflussung Landgraf Heinrichs
durch Herzog Friedrich II. von Ă–sterreich, wie sie BĂĽbesamen,
Heinrich Baspe S. 22 annimmt, ist nicht möglich, da Friedrich da-
mals noch auf päpstlicher Seite stand.
2) Sigfrid urkundet noch am 27. Mai in Erfurt; Dobenecker
791. 792. — Albert v. Behaim S. 5.
3) Vgl. ĂĽber den Egerer Hoftag: Ann. Erphord. fr. Praed.
S. 96; Albert v. Behaim S. 5 f.; Dobenecker 796; Böhmer-Ficker
Hochmeister des deutschen Ordens. Ăź3
Mit Konrads Erwählung zum Vermittler im Streite
zwischen Kaiser und Papst ist sein Aufsteigen zum Hoch-
meister des deutschen Ritterordens aufs engste verbunden.
Aus den verschiedensten GrĂĽnden muĂźte gerade seine Wahl
zum Leiter des Ordens wĂĽnschenswert erscheinen. Seiner
frĂĽheren Verdienste um den Orden, besonders die Mar-
burger Kommende durch Verherrlichung der Ordensheiligen
Elisabeth, gedachten wir.
Bei Konrads Wahl zum Hochmeister ist die politische
Stellung, die er einnahm, vorwiegend maĂźgebend gewesen.
Sie geschah im Hinblick auf die zu unternehmende schwere
Mission an Gregor und zugleich im vollsten Einverständnis
mit der Reichsregierung. Denn seit den Zeiten Hermanns
von Salza mochte man, wenn es sich um politische Auf-
träge handelte, dem Meister des von Kaiser und Papst
hochgeachteten, gleichsam neutralen Ordens von vornherein
Vertrauen entgegenbringen. Konrad hatte aber auch per-
sönlich schon als Landgraf in den engsten Beziehungen zu
Gregor IX. und Friedrich IL gestanden. Zudem war er
der Bruder eines der angesehensten ReichsfĂĽrsten, der seiner-
seits auf dem bereits eingeschlagenen politischen Wege durch
die Erhebung seines Bruders bestärkt werden mußte. Denn
auch von diesem vermittelnden Standpunkte aus können
seine OrdensbrĂĽder, denen natĂĽrlich in erster Linie die
Wahl des neuen Meisters oblag, diese nur gebilligt haben.
4401a. 11228. Ăśber die Beteiligung der Markgrafen von Branden-
burg vgl. A. Bauch, Die Markgrafen Johann I. und Otto III. von
Brandenburg, Breslauer Diss., Breslau 1885, S. 36f. Anm. 1. — Daß
Konrad schon in Eger zum Vermittler gewählt wurde, geht aus der
Stelle: de communi consilio principum, baronum et nobilium, qui
aderant, fratrem nostrum C eligentes in Landgraf Heinrichs
Schreiben vom 11. Mai 1240 (Monum. Germ. Legum Sectio IV, Con-
stitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 2, ed. L. Weiland,
Hannover 1896, No. 226 [= M. G. Const.] ; Dobenecker 888) hervor.
Sie kann nur auf die Egerer Versammlung zu beziehen sein. Vgl.
auch F. Schirrmacher, Albert von PossemĂĽnster, Weimar 1871, S. 37
Anm. 1; Feiten, Gregor IX., S. 338 Anm. 2.
64 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
In Eger ist in jenen ersten Tagen des Juni der Grund
zu seiner Erhebung gelegt worden. Wann und wo sie
stattfand, wissen wir nicht. Konrad ist aber sicher nach
dem 19. Mai 1239 und vor dem 2. April 1240, wahrschein-
lich auf einem im Sommer 1239 in Marburg abgehaltenen
Kapitel, gewählt worden1).
Wie Konrads Wahl zum Meister der Deutschritter,
so ist sein Hochmeistertum selbst eng mit der verderblichen
Zwietracht zwischen Kaiser und Kurie verknĂĽpft. Sie ge-
stattete Konrad auch nicht, den besonderen Angelegenheiten
des Ordenslandes Preußen sich persönlich zu widmen. Er
hat PreuĂźen nicht gesehen, aber die Bekehrung der Heiden
im Nordosten nahm unabhängig von jenem gewaltigen Ringen
im SĂĽden ihren Fortgang. In Konrads Hochmeisterzeit
fällt die glänzende Kreuzfahrt Herzog Ottos von Braun-
1) In der Urkunde Sigfrids III. vom 19. Mai 1239 zeugt
Konrad zum letzten Male als „Bruder Konrad, quondam lantgravius";
Dobenecker 790. Mitte Juni 1239 teilt Albert Behaim u. a. dem
Papste Herzog Ottos Wunsch, Landgraf Heinrich und seinen Bruder,
„den Konversen ", zu exkommunizieren, mit; Dobenecker 796. Wäre
Konrad schon in Eger zum Hochmeister gewählt worden , würde
Albert dieses wichtige Ereignis in seinem Schreiben erwähnt haben.
Konrad wird zuerst als Hochmeister bezeichnet in dem Schreiben
der lothringischen GroĂźen vom 2. April 1240 ; Dobenecker 867. De
Wal, Histoire de 1' Ordre Teutonique, Tome 1, Paris 1784, S. 313
(nach ihm K. J. Bachern, Chronologie der Hochmeister des teutschen
Ordens, MĂĽnster 1802, S. 18; F. Salles, Annales de 1' Ordre Teu-
tonique, Paris et Vienne 1887, S. 32) vermutete, indem er (S. 301 f.)
den Tod Hermanns von Salza nach Peter von Dusburg fälschlich
auf den 24. Juli 1239 — es liegt wohl eine Verwechslung mit Kon-
rads Todestag vor — verlegte, Konrad sei etwa im November 1239
erhoben worden. Vgl. auch Häutle, Z. Thür. G. V, 194 f. — Daß
das Wahlkapitel in Marburg abgehalten wurde, nahmen schon J. Voigt,
Geschichte Preußens, Bd. 2, Königsberg 1827, S. 375 u. 381 Anm. 2,
und Ewald, Eroberung PreuĂźens, Bd. 2, S. 10 Anm. 4 an. Ilgen,
Allgem. deutsche Biogr. XVI, 626, und Wenck, Wartburgb. S. 217
nahmen an, Konrad sei schon in Eger (1. Juni 1239) gewählt worden-
Hochmeister des deutschen Ordens. 65
schweig, die er kurz zuvor dem Papste Gregor gelobt hatte x).
Schon seit 1231 waren zur Sicherung des Schritt fĂĽr Schritt
unterworfenen Gebietes vom Orden feste Burgen, besonders
Thorn, Kulm, Marienwerder, 1237 noch Elbing angelegt
worden. Anfang 1240 schuf Herzog Otto aus dem nur
mĂĽhsam vom Orden behaupteten Balga am Frischen Haff
einen neuen festen StĂĽtzpunkt zum Kampfe gegen die heid-
nischen PreuĂźen2).
In den Streit zwischen Friedrich und dem apostolischen
Stuhle wurden zunächst die Deutschritter in bezug auf ihre
politische Stellung hineingezogen. Sie hatten schon frĂĽher
in eben diesem Gegensatze das MiĂźfallen der Kurie wegen
ihrer kaisertreuen Gesinnung erregt 3). Als solche muĂźte
den Päpstlichen auch ihre eine Vermittlung anstrebende
Stellung gelten. Auch jetzt blieb die Reaktion nicht aus.
Im Juni 1239 hielt Gregor dem Orden und seinen FĂĽhrern
— Konrad war damals wahrscheinlich noch nicht Hoch-
meister — in überaus heftigen AVorten seine Undankbarkeit
gegen die Kurie vor und drohte mit Entziehung aller von
ihm verliehenen Vorrechte, falls er im Gehorsam gegen den
„Tyrannen" Friedrich verharren würde4). Sein rühriger
Geschäftsträger Albert Behaim geht noch weiter. Er achtet
in seinem Hasse nicht der seinem Herrn in erster Linie
obliegenden Sorge um die Verbreitung des christlichen
Glaubens, indem er die UnterstĂĽtzung des Ordens in der
1) Böhmer-Ficker 7196.
2) Chronik v. Oliva in Script, rer. Pruss. I, 6791; Peter v. Dus-
burg, ebenda S. 61 ff. — An Darstellungen vgl. Ewald II, 31 ff.,
bes. 39 ff. und Michels, Otto v. Braunschweig, S. 52 ff.; ebenda
Begest No. 87 (S. 84) und S. 55 Anm. 2 über die Datierung. —
Voigt, Geschichte PreuĂźens II, 394 f., und Ewald II, 42 vermuten,
daß Konrad von Thüringen die Ausführung der Kreuzfahrt gefördert
hat. Beweisen läßt es sich nicht.
3) So im Jahre 1229. Vgl. Perlbach, Statuten, Einleitung
S. XLV, und Prutz, Ritterorden, S. 65.
4) Siehe Gregors Schreiben vom 11. Juni 1239 in M. G. Epistolae
saec.XIIIl,No.749;Raynaldus,Ann.ecclesiast.ada.l239,Kp.36,S.482.
XXVIII. 5
QQ Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
Bekämpfung der heidnischen Preußen bei Strafe des Bannes
verbietet 1). Höhnisch schreibt er seinem Herrn, das Reich
werde jetzt von den Deutschrittern regiert 2). Auch die
Stellung des Ordens in PreuĂźen zu Bischof Christian von
PreuĂźen muĂźte Gregor IX. eine Handhabe gegen die BrĂĽder
vom deutschen Hause bieten. Gerade damals griff Gregor
in das seit langem gespannte Verhältnis zwischen beiden
ohne Zweifel in Rücksicht auf seine veränderte Stellung
zum Orden ein. Deutlich nahm er fĂĽr Christian Partei,
indem er das Vorgehen der Ritter gegen diesen heftig
tadelte 3). Noch bezeichnender für das Verhältnis zwischen
Papst und Orden ist Gregors Schreiben vom Januar 1240.
Er befiehlt darin die BrĂĽder des Ordens bis zum Michaelis-
feste des Jahres zu sich nach Rom zur Verantwortung
wegen der Loslösung von dem Abhängigkeitsverhältnis, in
dem die Deutschritter zu den Johannitern ständen4). Von
einem solchen Verhältnis der beiden Orden konnte tat-
1) Albert v. Behaim S. 10.
2) Albert v. Behaim SS. 14; Dobenecker 910. Die Bemerkung
bezieht sich besonders auf die Hohenlohischen BrĂĽder.
3) Siehe Gregors Schreiben an den Bischof von MeiĂźen und
zwei andere meißnische Prälaten vom 10. April 1240 bei J. M. Watte-
rich, GrĂĽndung des deutschen Ordensstaates in PreuĂźen, Leipzig 1857,
No. 27 (S. 255 ff.). Ăśber die Beziehungen des Ordens zu Bischof
Christian vgl. A. Lentz in AltpreuĂźischer Monatsschrift Bd. 29, 364 ff.,
der durchaus gegen den Orden des Bischofs Partei vertritt ; Watterich
S. 125 ff.; dagegen P. Reh in AltpreuĂź. Monatsschrift Bd. 31, 343 ff.
und besonders desselben : Verhältnis des deutschen Ordens zu den
preußischen Bischöfen im 13. Jahrh. in Zeitschr. des westpreuß. Ge-
schichtsvereins, Heft 35, 50 ff. 140 ff. ; auch Lohmeyer, Gesch. von
Ost- u. WestpreuĂźen, S. 75 f.
4) Siehe Gregors Schreiben vom 12. Januar 1240 bei Strehlke,
Tabulae No. 468, und bei Potthast, Regesta Pontif., Bd. 1, No. 10839.
Strehlke, Hennes im Codex dipl., Bd. 1, Präfatio 4 f., auch Salles,
Annales de l'Ordre Teuton., S. 527 glaubten, das Schreiben nicht
unbedingt als echt ansehen zu dĂĽrfen. Da aber bei dem Zweck, den
es verfolgt, der rechtliche Standpunkt, an dem z. B. Hennes An-
stoĂź nahm, gleichgĂĽltig ist, wird auch die Bewertung eine andere.
Hochmeister des deutschen Ordens. 67
sächlich nicht die Rede sein 1). Auch diese Maßregel kann
nur als Beweis dafĂĽr gelten, daĂź Gregor, in dem Wunsche,
einen Druck auf den Orden zu ĂĽben, kein Mittel unver-
sucht ließ. Bedenken wir diese ungnädige Gesinnung Gre-
gors gegen den deutschen Orden, so sehen wir, daĂź Kon-
rads von ThĂĽringen Sendung keine leichte sein konnte.
Indessen besserte sich aber auch die Lage in Deutsch-
land noch mehr zu Friedrichs Gunsten. War zu Eger die
Mehrzahl der weltlichen deutschen FĂĽrsten auf seinen
Wunsch eingegangen, so wollte auch der bei weitem größte
Teil des deutschen Klerus von der Unnachgiebigkeit der
Kurie nichts wissen. Hiervon gibt uns ein Schreiben deut-
scher Bischöfe an Gregor ein deutliches Bild2). Anfang
Juli 1239 tagte zu Mainz ein von zahlreichen geistlichen
Würdenträgern besuchtes Konzil, an dem auch König Kon-
rad teilnahm 3). Hier wurde ohne Zweifel ebenfalls zur
politischen Lage Stellung genommen. Verwandte sich doch
ein großer Teil der in Mainz anwesenden Bischöfe, nämlich
die von Würzburg, Straßburg, Eichstätt, Worms, Speier4),
bald danach bei Gregor fĂĽr die Wiederherstellung des
Friedens. Auch mit Herzog Otto von Braunschweig war
der Reichsverweser eine Einigung eingegangen 5), die den
Herzog wenigstens in seiner neutralen Haltung bestärken
mußte. Der österreichische Herzog, des Kaisers lang-
jähriger Gegner, war schon im Herbst des Jahres 1239 in
Ich folge Perlbach, Statuten, Einleitung S. XLVI, und Prutz, Kitter-
orden, S. 124, die das Schreiben akzeptieren. Vgl. auch Prutz S. 66.
— 1258 tauchte eine ähnliche Prätension der Johanniter auf ; Ewald,
Eroberung PreuĂźens, Bd. 2, 55 f.
1) Vgl. Perlbach, Statuten, Einl. S. XLIIff. u. Prutz S. 65.
2) Döberl, Monum. Germ. sei. V, 127 ff.; Böhmer-Ficker 2433.
3) Ann. Erphord. fr. Praed. S. 97; Böhmer-Ficker 4403 a;
J. Ficker in Mitt. d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung III, 347 ff.
4) Vgl. ihre Namen bei Böhmer-Ficker 4404. — Ersterer wird
besonders durch König Konrad selbst in Würzburg Anfang Mai 1240
gewonnen worden sein. Vgl. später.
5) Dobenecker 797. 798; Böhmer-Ficker 11229.
(33 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
Verhandlungen mit diesem getreten. Bald danach war er
der Kurie verloren 1).
Im Landgrafenhause scheint damals Zwietracht zwischen
Heinrich und Hermann entstanden zu sein. Letzterer nahm
nach Auflösung seiner Verlobung mit der Kaisertochter den
früheren Plan der Vermählung mit Helene von Braunschweig
wieder auf. Im Oktober 1239 fand die Verlobung statt2).
Damit entzog sich Hermann der kaiserlichen Partei, während
Landgraf Heinrich für die nächsten Jahre treu blieb. Aber
auch der Umstand, daß die Päpstlichen später auch Hermann
als Gegenkönig in Aussicht nahmen, sowie seine Verfeindung
mit dem mit seinem Oheim politisch gleichgesinnten Mark-
grafen von Meißen spricht für eine Annäherung Hermanns
an die Kurie im Gegensatz zu Landgraf Heinrich 3). In-
dessen konnte Kaiser Friedrich, der den letzteren jetzt auf
seine WĂĽnsche eingehen sah, um die Haltung des jĂĽngeren,
weniger einfluĂźreichen Neffen unbekĂĽmmert sein.
Unter diesen Umständen rüsteten sich die Kaiserlichen
im FrĂĽhjahr 1240 zu der in Eger beschlossenen Vermitt-
lung 4). Da ihnen hierbei an einem geeinten Vorgehen lag,
so suchte König Konrad persönlich zahlreiche weltliche und
geistliche FĂĽrsten zu dem anzubahnenden Vergleiche zu ge-
1) Vgl. A. Ficker, Herzog Friedrich II., Innsbruck 1884, S. 84 ff.;
Hauck, Kirchengesch. IV, 795 Anm. 4; Huber, Gesch. Ă–sterreichs I,
420 f. ; Juritsch, Babenberger, S. 579 ff.
2) Vgl. früher S. 55 u. 57. Vgl. Chron. reg. Colon. S. 281 ; Böhmer-
Ficker 7790. — Die Vermählung mit Helene berichten die Ann.
Stadenses: M. G. SS. XVI, 365; vgl. Dobenecker 1164 Anm., der
annimmt, daĂź es sich nur um die Verlobung handelte.
3) Vgl. Albert Behaims Schreiben vom 5. September 1240 in
Bibliothek d. Liter. Vereins in Stuttgart, Bd. 16, S. 221; Doben-
ecker 914; ßübesamen S. 29 f.
4) Ăśber diesen Vermittlungsversuch vgl. bes. W. Schirrmacher,
Friedrich II. III, 126 ff. 156 ff. 171 f.; Hauck, Kirchengesch. IV, 797 f.;
J. Ficker , in Mitteil. d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung III,
337 ff. ; vgl. auch Knochenhauer, Gesch. ThĂĽringens, S. 352 ff. ; Feiten,
Gregor IX., S. 337 ff. vom päpstlichen Standpunkte aus.
Hochmeister des deutschen Ordens. 69
winnen. Am 2. April stellten in LĂĽttich auf seine Veranlassung
die lothringischen Großen, die Herzöge von Brabant und
Lothringen, sowie zahlreiche andere Grafen und weltliche
Herren das erste der zahlreich erlassenen Schreiben aus,
die der neue Deutschordensmeister Konrad dem Papste
überbringen sollte *•). In diesem Schriftstücke wird am ent-
schiedensten der kaiserliche Standpunkt gewahrt. Von
Lüttich zog König Konrad nach Köln, wo er am 8. April 2)
mit einer Anzahl der einfluĂźreichsten geistlichen FĂĽrsten
zusammentraf. Auch Konrad von ThĂĽringen selbst ist
höchstwahrscheinlich in Köln zugegen gewesen, um seinen
König bei der Gewinnung der Bischöfe zu unterstützen
Er ist zur gleichen Zeit, im April, mit Graf Heinrich von
Sayn, einem der an dem Vergleiche zu LĂĽttich beteiligten
Großen, unweit Köln zu Herchen an der Sieg bezeugt 3).
Die in Köln anwesenden geistlichen Fürsten, der Erzbischof
Konrad von Köln, die Bischöfe von Worms, Münster und
OsnabrĂĽck, die auch in dieser Angelegenheit sich schon an
Kaiser Friedrich gewandt hatten, betonten in ihrem Schreiben
an Papst Gregor in erster Linie die Pflicht gegen diesen.
Der von den weltlichen FĂĽrsten in LĂĽttich vertretene
Standpunkt war nicht in gleichem Maße der ihrige — ein
schlimmes Anzeichen der Trennung unter den deutschen
FĂĽrsten im Falle des MiĂźlingens der Wiederherstellung des
Friedens. Als getreue Söhne der Kirche wollen sie sich,
falls keine Aussöhnung zustande käme, auf die Seite Gregors
steilen 4). Ihnen schlössen sich in gleichlautenden Schreiben
1) Siehe das Schreiben in M. G. Const. II, No. 227; Doben-
ecker 867; Böhmer-Ficker 11250. 4412 a. Vgl. später.
2) Chron. reg. Colon. S. 277.
3) Dobenecker 876. Schon Dobenecker (877 Ă„nm. 1) nahm
Konrads Anwesenheit in Köln im April an. Sie wird dadurch noch
wahrscheinlicher, daĂź die Zusammenkunft mit dem Grafen von
Sayn in Herchen gerade in die Zeit der Kölner Tage (8. April 1240)
fallen wird, da der Graf noch am 2. April in LĂĽttich weilt.
4) Siehe ihr Schreiben in M. G. Const. II, No. 225; Doben-
ecker 868; Böhmer-Ficker 11251.
70 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
der Erzbischof Dietrich von Trier, die Bischöfe von Speyer,
Straßburg, Freising, Eichstätt und Brixen an1). Dagegen
stellte Erzbischof Sigfrid von Mainz am 20. April von Kastei
aus ein selbständiges Schreiben an den geistlichen Vater
aus, das einen bestimmten, unparteiischen Charakter trägt.
Er erbietet sich sogar, selbst nach Rom zu kommen, wenn
die Wohlfahrt des Reiches es erheische2). Auch Bischof
Siboto von Augsburg erlieĂź ein eigenes Schreiben 3), nachdem
er sich auch an Friedrich IL gewandt hatte. Die weltlichen
Fürsten, zunächst die in Eger verpflichteten Markgrafen von
Brandenburg, sodann Herzog Albert von Sachsen schlössen
sich der Bewegung in bestimmten, klaren Worten an, aber
ohne sich nach dieser oder jener Seite irgendwie zu binden 4).
Gleichmäßig klingt durch alle Schreiben der innige
Wunsch nach Frieden. Die meisten lassen in die unheil-
vollen Folgen, die die erneute Spaltung in Deutschland her-
vorrief, einen Einblick tun. Unsicherheit und Zwietracht, Kampf
und Mord ist im Zunehmen. Die Sache des heiligen Landes
wie des Kreuzes ĂĽberhaupt liegt darnieder. In diesem drin-
genden Wunsche nach Frieden sind geistliche wie weltliche
FĂĽrsten einig, da das Heil des Reiches wie der Kirche nur
durch Eintracht zwischen den beiden höchsten Gewalten
gedeihen kann. Kaum von PreuĂźen zurĂĽckgekehrt, wo er
den Mut der dort kämpfenden Deutschritter neu entflammt
hatte, verwandte sich auch Herzog Otto von Braunschweig
fĂĽr die Herstellung des Friedens5). Ob der Hochmeister,
1) Dobeuecker 869—872.
2) Siehe sein Schreiben in M. G. Const. II, No. 228; Doben-
ecker 873; Böhiner-Ficker 11257.
3) M. G. Const. II, No. 229 ; Dobenecker 892 ; Böhmer-Ficker 1 1 264.
4) Das Schreiben der Markgrafen in M. G. Const. 11, No. 232 ;
Dobenecker 895; Böhmer-Ficker 11267; vgl. Bauch, Johann I. und
Otto III. von Brandenburg, S. 37 ff. — Herzog Alberts Schreiben
in M. G. Const. II, No. 231; Dobenecker 894 ; Böhiner-Ficker 11266
vgl. H. Steudener, Albrecht L, Herzog von Sachsen, in der Zeit-
schrift des Harzvereins, Bd. 28, 69 ff.
5) Siehe sein Schreiben in M. G. Const. II, No. 230; Doben-
ecker 893; Böhmer-Ficker 11265.
Hochmeister des deutschen Ordens. 71
sein Verwandter, oder der Reichsverweser Sigfrid auf ihn
in dieser Richtung eingewirkt haben, steht nicht fest.
Sein Schreiben, sowie das der Brandenburger Mark-
grafen ist von besonderer Wichtigkeit für uns. Es gewährt
uns einen näheren Einblick in die Gründe, die Konrads
von ThĂĽringen Wahl zum Vermittler so wĂĽnschenswert
hatten erscheinen lassen. Die Wege nach Italien zum Papst
oder Kaiser sind von allen FĂĽrsten nur fĂĽr Konrad als
Deutschordensmeister gefahrlos, da der deutsche Orden die
neutrale, ausgleichende Macht im Kampfe zwischen Kaiser
und Kurie bildet. Das gegenseitige, durch Ränke geschürte
Mißtrauen war damals so stark, daß man höchstens noch
den Meister der Deutschritter fĂĽr unparteiisch im Kampfe
hielt. Die Vermittlung jedes anderen FĂĽrsten, falls er un-
gehindert zu Friedrich oder Gregor vorgedrungen wäre,
wĂĽrde wegen des Verdachtes der Parteinahme aussichtslos
erschienen sein. Auch Konrads persönliche Eigenschaften
schienen den Erfolg der zu fĂĽhrenden Verhandlungen zu
bedingen. EinmĂĽtig rĂĽhmen ihn die FĂĽrsten als einen kirch-
lich-frommen, edlen und friedliebenden Mann. Nach dem
Urteile der angesehensten deutschen FĂĽrsten, von denen
zahlreiche Konrad persönlich kannten, konnte kein geeig-
neterer als der neue Meister der Deutschritter zum Ver-
mittler des Friedenswerkes erkoren werden. Mehrfach wird
der besonders freundlichen Beziehungen Konrads zu Gregor
Ausdruck gegeben x). Diese scheint der bejahrte, aber nichts-
destoweniger energische und zielsichere Pontifex damals
allerdings nichts mehr geachtet zu haben. Dies dĂĽrfen wir
aus seinem bezeichnenden Stillschweigen, das bei Konrads
Stellung als Hochmeister und Vermittler besonders damals
höchst befremdlich ist, noch deutlicher aus dem gehässigen
Verhalten gegen den Orden schlieĂźen, den Konrad leitete 2).
1) So in dem Schreiben der geistlichen FĂĽrsten und in dem noch
zu erwähnenden Landgraf Heinrichs in M. G. Const. II, No. 226.
2) Seit 1235 haben wir kein an Konrad gerichtetes päpstliches
Schreiben mehr.
72 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
Nur zwei angesehene deutsche FĂĽrsten unterschieden
sich in ihrer Stellungnahme von allen anderen: die dem
Papste ergebenen Wenzel von Böhmen und Otto von Bayern.
Sie schlössen sich von dem Unternehmen der anderen Fürsten
nicht aus; auch sie ersuchten Gregor um Frieden. Doch
Herzog Otto fügte selbst hinzu, der heilige Vater möge
den in dem Schreiben ausgesprochenen Wunsch nicht er-
hören1). Und diese Ansicht teilte die Kurie.
Von Köln hat sich Konrad wohl zunächst nach Mar-
burg zurĂĽckbegeben 2). Danach zog er nach SĂĽden. In
Würzburg traf er wieder mit König Konrad, aber auch mit
seinem Bruder Heinrich zusammen. Dort schloĂź sich sicherlich
auf König Konrads Zureden der Würzburger Bischof Her-
mann I., der frĂĽhere Gegner Kaiser Friedrichs, der Vermittlung
an, indem er ein den Schreiben der Mehrzahl der Bischöfe
gleichlautendes Schreiben ausstellte 3). Auch Landgraf Hein-
rich, der zuvor auch den Kaiser zum Ausgleich mit Gregor
aufgefordert hatte, wandte sich jetzt an den heiligen Vater.
Sein Schreiben ist gleich dem der lothringischen GroĂźen
vom 2. April4). In ihm verleugnet sich nicht, daĂź er die
Partei des Kaisers jetzt entschlossener als früher gewählt
hat. Nur wenn die in den deutschen Landen herrschenden
Leiden sich tatsächlich durch Friedrichs Unnachgiebigkeit
steigerten, das heiĂźt, des Kaisers Unrecht klar zutage liege,
will er die Sache der Kurie vertreten, ohne selbst dann
dem Kaiser, soweit dessen Forderungen an ihn berechtigt
seien, sich zu entziehen. Er hält dem Papste des Kaisers
1) Vgl. sein Schreiben bei Albert v. Behaim S. 26 f.; Böhmer-
Ficker 11312; Hauck, Kirchengesch. IV, 797 f. Anm. 3, der spätere
Abfassung des Schreibens annimmt.
2) Konrad ist im April in Marburg bezeugt; Dobenecker 875.
In BĂĽcksicht auf die Herchener Urkunde (vgl. frĂĽher) wird der Auf-
enthalt in Marburg nach dem in Köln bezw. Herchen anzusetzen sein.
3) Vgl. Dobenecker 878; Böhmer-Ficker 11259. 4415.
4) Siehe das Schreiben in M. G. Const. II, No. 226; Doben-
ecker 888. 887; Böhmer-Ficker 11262; Hauck S. 797 Anm. 2.
Hochmeister des deutschen Ordens. 73
edle WĂĽrde, sein Ansehen und seine Machtstellung vor
Augen, der gegenĂĽber eine ungerechte Behandlung desselben
nicht leicht zu nehmen sei. Es scheint ein versteckter Vor-
wurf gegen Gregors Unversöhnlichkeit in diesen Worten
zu liegen.
In WĂĽrzburg wurde damals Hochmeister Konrad auch
Schiedsrichter in dem Streite Bischof Hermanns von WĂĽrz-
burg mit seinem Bruder Poppo VII. und dessen Söhnen Hein-
rich und Hermann aus dem hennebergischen Hause. Zwischen
diesem mächtigsten ostfränkischen Adelsgeschlechte und dem
Hochstifte hatten seit zwei Jahrzehnten dauernd gespannte
Beziehungen bestanden, die vorwiegend ihren Grund haben
in der Auflösung des alten Verhältnisses der Henneberger
als Burggrafen von Würzburg zu den Bischöfen des Hoch-
stiftes, begleitet von einem sich steigernden Streben der
Grafen nach einer unabhängigen Entwicklung der henne-
bergischen Machtstellung und regerer Teilnahme an den
Fragen der äußeren Politik 1). Die daraus erwachsenden, un-
vermeidlichen territorialen Gegensätze zwischen den Grafen
und dem Hochstift hatten schon 1228 zu einem ernst-
lichen Waffengange gefĂĽhrt. Damals machte eine neue
verwickelte Eehde das Eingreifen der Regierung nötig.
König Konrad bevollmächtigte neben dem Hochmeister
dessen Bruder, Landgraf Heinrich, die nahen Verwandten
der Henneberger, ferner den Deutschmeister Heinrich von
Hohenlohe mit seinem Bruder Gottfried zur Beilegung des
Streites. Am 8. Mai fällten sie ihren Schiedsspruch, der
die Sache der Streitenden auf einige Zeit ausglich2). Die
lj Vgl. W. FĂĽĂźlein, Hermann I., Graf von Henneberg (1224
— 1290) u. der Aufschwung der hennebergischen Politik, in Z.
ThĂĽr. G. N. F. XI, bes. 56 ff. 81 ff. 151 ff.; Th. Henner, Bischof
Hermann I. von Lobdeburg, Würzburg 1875, S. 26 ff. — Siehe bei
FĂĽĂźlein S. 80 die Kritik der bezĂĽgl. Eesultate Henners.
2) Dobenecker 879. 880; Füßlein S. 164 ff.; Henner S. 32 f. —
Die endgültige Beilegung der Kämpfe erfolgte im Januar 1250 ; Füß-
lein S. 169.
74 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
friedliche Beilegung wurde noch dadurch befestigt, daĂź
Gottfried von Hohenlohe sich zum Schutze des Bischofs
und dessen Kirche, sowie zum Ausgleich bei wieder aus-
brechenden Streitigkeiten zwischen diesem und den Henne-
bergern verpflichtete. Auch am AbschluĂź dieses Vertrages
nahm Konrad von ThĂĽringen mit Heinrich von Hohenlohe
teil 1).
Von WĂĽrzburg brach Konrad, um in jenem ungleich
größeren Gegensatze zu vermitteln, nach Rom auf. Seine
Abreise von Deutschland wird gleich nach dem 11. Mai,
dem Tage der Ausfertigung von Landgraf Heinrichs Schreiben
an Papst Gregor, anzusetzen sein.
Gregor und sein Geschäftsträger in Deutschland hatten
deutlich genug ihre Abneigung gegen friedliche Verein-
barungen zu erkennen gegeben. UnbekĂĽmmert um die sich
jetzt anbahnende Vermittlung fuhr Albert in seinem Vor-
gehen gegen alle Kaiserlichen fort. Noch am 9. Mai hatte
er an Landgraf Heinrich und den gleichgesinnten Mark-
grafen von MeiĂźen die Aufforderung gerichtet, sich den
Getreuen der Kirche anzuschließen, und ihnen — bezeich-
nenderweise auf des Papstes Wunsch, der Heinrich von
Thüringen nicht aufgeben wollte — Bedenkzeit verstattet,
gleichsam ihre Stellung zu wählen 2). Bald danach muß
ihre Entscheidung ganz zu Ungunsten des römischen Stuhles
gefallen sein. Denn schon Anfang Juni hören wir, ohne
daß die ihnen gestellte Frist eingehalten wäre, von der
Bannung beider Fürsten. Sie eröffnen mit Kaiser Fried-
rich an der Spitze die lange Reihe der Gebannten, zu denen
auch der Herzog von Ă–sterreich und angesehene geistliche
1) Beide gehören zu den Zeugen des auch von König Konrad
besiegelten Vertrages; Dobenecker 901. Nur die Beurkundung ge-
hört zum Juni, die Handlung ist in die erste Hälfte des Mai nach
Würzburg zu verlegen. Vgl. Böhmer- Ficker 4422 ; Dobenecker, Anm.
zu 901.
2) Dobenecker 883 ; Albert v. Behaim S. 10 f.; Dobenecker 882;
vgl. RĂĽbesamen S. 23.
Hochmeister des deutschen Ordens. 75
FĂĽrsten, der Reichs verweser Sigfrid selbst und das Mainzer
Kapitel, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von
Regensburg, Passau und Freising gehören *). Auch Gregors
Standpunkt dĂĽrfte vor dem Beginn der Friedensverhand-
lungen, auf die er seit langem vorbereitet war, schon fest-
gestanden haben. Ein Nachgeben, ein ZurĂĽckweichen von
seinem Standpunkte gab es fĂĽr ihn nicht 2).
Indessen hatte auch Friedrich noch ohne RĂĽcksicht
auf Verhandlungen sich noch im Juni zu neuem kriege-
rischen Vorgehen gerĂĽstet, um den Papst durch einen Ein-
fall in das tuskische Patrimonium zum Nachgeben zu
bringen. Hiervon stand er jedoch ab und zog in die Mark
Ancona, sicher in RĂĽcksicht auf die jetzt ernstlich gefĂĽhrten
Verhandlungen.
Denn damals hatte sich Konrad von ThĂĽringen in Rom
mit den einflußreichen Kardinälen Raynald von Ostia und
Johann von Colonna dahin verständigt, daß die eigentlichen
Verhandlungen ĂĽber die Streitfragen auf ein Ostern 1241
zu Rom abzuhaltendes Konzil zu vertagen seien. Ein
Waffenstillstand sollte den Anfang des Vergleiches machen 3).
Dieser anfängliche Erfolg muß in Friedrich große Zuver-
sicht erweckt haben. Er hatte wohl von vornherein der
Tätigkeit der Gesandtschaft großes Vertrauen entgegen-
1) Albert v. Behaim S. 11 ; Dobenecker 896. Die den FĂĽrsten
von ThĂĽringen und MeiĂźen gestellte Frist lief erst am 6. Juli ab
(Dobenecker 882). Am 5. September teilt Albert dem Papste mit,
daĂź er beide nach Ostern (15. April) exkommuniziert habe; Albert
v. Behaim S. 19; Dobenecker 914. Ihre Bannung wird demnach
kurz vor den 1. Juni fallen.
2) Gregor deutet zuerst in einem Schreiben vom 23. April
(Böhmer-Ficker 7293) und in einem vom 9. Juni (Böhmer-Ficker
7298) auf einen etwaigen Frieden hin. — Bezeichnend ist das Schreiben
an den Grafen von Provence vom 20. Juni 1240 (Böhmer-Ficker
7301), in dem Frieden von Verhandlungen im allgemeinen zu unter-
scheiden ist.
3) Vgl. über die Verhandlungen Böhmer-Ficker 3124 c mit
Quellenangabe. — Kardinal Raynald wird auch in Friedrichs Schreiben
vom Juni (Böhmer-Ficker 3125) erwähnt.
76 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
gebracht. Schon hoffte er, nach glĂĽcklicher Beilegung des
Streites mit Gregor sich wieder der lombardischen Frage
widmen zu können 1). Aber eben an ihr sollte der Erfolg
der Verhandlungen gleich am Anfang scheitern, wie sie
schon den AnlaĂź zum unseligen Streite gebildet hatte.
Gregor, weit entfernt, seine natĂĽrlichen Bundesgenossen
preiszugeben, wollte den Waffenstillstand auf die lombar-
dischen Städte ausgedehnt wissen. Auf dieses Zugeständnis
konnte sich natĂĽrlich Friedrich, wie Gregor voraussehen
muĂźte, nicht einlassen 2). Der Kampf dauerte fort. Schon
im Juli begann Friedrich II. seine kriegerischen Operationen
fortzusetzen 3). In dieser ernsten Zeit des mit erneuter
Heftigkeit ausbrechenden Kampfes starb Konrad von ThĂĽ-
ringen am 24. Juli 1240 4) im kräftigsten Mannesalter von
etwa 33 Jahren.
Sein Tod kann, da mit ihm der Mann entrissen wurde,
auf den aller deutschen FĂĽrsten Hoffnung auf Ausgleich
in diesem Kampfe gerichtet war, das völlige Scheitern der
Verhandlungen nur beschleunigt haben ; ausschlaggebend ist
1) Vgl. Friedrichs Schreiben an einen Getreuen bei J. L. A.
Huillard-Breliolles, Historia diploraatica Friderici IL, Tome 5, Paris
1857, S. 10041; Böhmer-Ficker 3125. Siehe auch sein Schreiben
an König Konrad bei Huillard-Br^holles V, S. 1003 f.; Böhmer-
Ficker 3124, und an Herzog Friedrich IL von Ă–sterreich bei Huillard-
ßreholles V, S. 1005 ff.; Böhmer-Ficker 3126.
2) Vgl. Friedrichs Schreiben vom 18. Juli 1240 bei Huillard-
Breholles V, S. 1014 ff.; Böhmer-Ficker 3129. — Siehe auch Fried-
richs Schreiben vom Dezember 1240 bei Huillard-Bröholles V,
S. 1058ff.; Böhmer-Ficker 3165.
3) Böhmer-Ficker 3127 c.
4) Diesen Todestag haben der Nekrolog der Deutschordensballei
Hessen bei Dobenecker 906 a Anm., das Kalendarium Necrologicurn
Thuringicum, ed. A. Huber, in Böhmer, Fontes rer. German. IV,
457, Peter v. Dusburg in Script, rer. Pruss. I, 198 und die Deutsch-
ordens-Nekrologe, ed. M. Perlbach in den Forschungen zur deutschen
Gesch. XVII, 358 ff. (Gruppe 1. 2. 5. 8. 9). - Vgl. Ann. Erphord.
fr. Praed. in Mon. Erph. S. 98, Cronica s. Petri Erphord. moderna
ebenda S. 236 (beide mit falschem Datum). Im ĂĽbrigen vgl. Doben-
ecker 906 a.
Hochmeister des deutschen Ordens. 77
er nicht gewesen. Gregors MaĂźnahmen deuten darauf hin,
daĂź er ernstlich von Frieden nichts wissen wollte. Es war
eitle Täuschung, wenn man Anfang August in Süddeutsch-
land glaubte, der Friede sei hergestellt 1). Die folgende Zeit
sah eine unheilbare Verschärfung der Gegensätze zwischen
Kaiser und Kurie.
Konrads Leiche wurde nach Deutschland ĂĽbergefĂĽhrt
und in der Elisabethkirche zu Marburg beigesetzt2).
Bei einer Beurteilung Konrads von ThĂĽringen mĂĽssen
wir, wie ĂĽberhaupt bei der WĂĽrdigung mittelalterlicher
Persönlichkeiten von unserem heutigen Standpunkte aus, zu-
nächst dem Geiste, der Anschauung seines Zeitalters uns
anzupassen suchen.
In der Zeit, in der Konrad lebte, reiften die geist-
lichen Ritterorden, die Kampf gegen die Ungläubigen mit
Pflege der Armen und Predigt verbanden, einer hohen
BlĂĽte entgegen. Die Ideen der Bettelorden, besonders der
Franziskaner: freiwillige Armut und Entsagung, hatten auch
im thĂĽringischen Landgrafenhause Eingang gefunden. Die
kirchlichen Ideale spielen auch hier, von der Landgräfin-
Mutter Sophia und der von den franziskanischen Idealen
mächtig ergriffenen Elisabeth vertreten, eine ungleich größere
Rolle als zuvor. Ein Wandel der Lebensanschauungen,
ein Zunehmen des kirchlichen Elements hat sich heraus-
gebildet. Hatte zu Hermanns I. Zeiten der landgräfliche
Hof die angesehensten ritterlichen Sänger vereint: unter
Ludwig IV. fand die geistliche Dichtung in Eisenach rege
Pflege3). Denn schon er steht unter dem EinflĂĽsse jener
neuen Ideen, deutlicher seine BrĂĽder Heinrich und Konrad.
1) Albert v. Behaim S. 17.
2) Vgl. den Nekrolog der Deutschordensballei Hessen bei Doben-
ecker 906a Anm., Sigfrid v. Ballhausen: M. G. SS. XXV, 703,
Peter v. Dusburg S. 198. — Eine Beschreibung seines Grabdenkmals
hat zuletzt Küch, Landgrafendenkmäler, Z. Hess. G. N. F. XXVI,
162 ff. gegeben.
3) Vgl. Cäsarius von Heisterbach bei Börner, Neues Arch. XIII,
78 Konrad, Landgraf von ThĂĽringen,
In hohem MaĂźe hat sich die Legende der Gestalt Kon-
rads von Thüringen bemächtigt, nicht zum wenigsten auf
kirchlichem Gebiete. Sein Leben ist gleichsam mit in den
reichen Sagenkranz hineinverwoben worden, der sich um
Elisabeths Leben schlieĂźt. Bei mancher Ăśbertreibung1)
liegt aber in dieser letzteren VerknĂĽpfung viel Wahres, ja,
der Kern für das Verständnis Konrads. Denn auch er ist
von den kirchlich-asketischen Ideen seines Zeitalters stark
erfĂĽllt gewesen. Sie werden besonders durch sein vor-
nehmstes Ziel bezeugt : Verherrlichung, Erhöhung Elisabeths
zu den höchsten kirchlichen Ehren. Denn in ihr erschienen
die religiösen Ideale, wie sie jene Dezennien des 13. Jahr-
hunderts forderten, aufs glänzendste vereint. Dieses Ziel
zu erreichen, hat Konrad, wenn auch anfangs beeinfluĂźt
durch Magister Konrad von Marburg, mit UnterstĂĽtzung
seines Bruders Heinrich weitaus das Meiste getan. Durch
6 Jahre seines Lebens zieht sich seine so lebhaft be-
kundete und durch Erwählung des geistlichen Gewandes
gekrönte Hingabe an Elisabeths Werk und Größe hindurch.
Demselben asketisch-religiösen Empfinden ist Konrads Be-
mĂĽhung um Ausrottung der Ketzerei in Hessen erwachsen.
Bekämpfung und Vertilgung der Ungläubigen mit Feuer
und Schwert oder Bekehrung durch Hinweis auf das kirch-
liche Idealbild der heiligen Elisabeth gehen Hand in Hand.
Den gleichen Stempel trägt auch Konrads Buße in Fritzlar.
Gleich in den Anfang der Jahre, in denen wir bei
Konrad schon sichere Zeichen der Teilnahme fĂĽr Elisabeths
Werk fanden, fällt jene Fehde mit dem Erzstift Mainz, der
die spätere Geschichtsschreibung und danach die neuere
470 ; ĂĽber die Pflege der Dichtung an Hermanns I. Hofe E. Martin,
Der Minnesang in Thüringen und der Sängerkrieg auf der Wartburg,
im Wartburgb. S. 169 ff.
1) Die spätere Tradition legt auch Konrad übernatürliche Gaben,
Visionen und die Gabe der Prophetie bei. Vgl. Peter v. Dusburg
S. 199 f. ; Variae lectiones et supplementa zu Theod. v. Apolda bei
Mencken, Script, rer. Germ. II, 20031; siehe Posse, ThĂĽr. Sagen,
Hist. Z. XXXI, 60 f.
Hochmeister des deutschen Ordens. 79
Darstellung so gewichtige Polgen fĂĽr Konrad beigelegt hat.
Seine spätere Lebensrichtung ist von ihr abhängig gemacht
worden. Konrad ist einzig auf Grund der Zerstörung Fritz-
lars zu einem wilden, kampflustigen1), ja, gewalttätigen
und rohen FĂĽrsten gestempelt worden. Um dann seinen
Eintritt in den Orden der Deutschritter zu rechtfertigen,
hat die Tradition den plötzlichen Umschwung dieser wilden
und ungestĂĽmen Sinnesart zu einer kirchlich-frommen her-
ausgebildet, oder diesen fĂĽr die Sagenbildung besonders
anziehenden Schritt legendarisch ausgeschmĂĽckt.
Solche ZĂĽge entstellen das Bild, das wir auf Grund
unserer ältesten Quellen uns von Konrad zu machen haben.
Tilgen wir die besonders die Ereignisse von 1232 auf-
bauschenden Zutaten späterer Chronisten2), so werden wir
diesem rasch beigelegten Kampfe nur die Bedeutung einer
Episode beimessen dürfen 3). Mit seiner späteren Einkleidung
hat der Kampf von 1232 nichts zu tun. Aber auch aus
der teilweisen Verbrennung Fritzlars selbst kann kein
schwerer Vorwurf gegen Konrad erhoben werden. Sie
darf nur als eine aus der damaligen KriegfĂĽhrung sich er-
gebende Notwendigkeit beurteilt werden. Damit fällt jene
Sinnesänderung Konrads seit der Verwüstung Fritzlars,
deren Grausamkeit ihn zur Umkehr gebracht haben soll,
weg, und wir haben keinen Grund, einen derartigen Um-
schwung, seine Bekehrung von einem Saulus zu einem Pau-
lus4), ĂĽberhaupt etwas Unharmonisches in Konrads Cha-
rakter anzunehmen.
1) Interessant ist es, daß nach Analogie der Zerstörung Fritz-
lars spätere Chronisten (so Joh. Kothe Kp. 473, Monachus Pirnensis
in Mencken, Script, rer. Germ. II, 1458) die Zerstörung der Eiters-
burg (vgl. Cron. s. Petri Erphord. moderna in Mon. Erph. S. 227)
auf Konrad, anstatt auf Landgraf Heinrich zurĂĽckfĂĽhren.
2) Cron. Reinh.: M. G. SS. XXX, 613 f. Dieselben Erzählungen
finden sich in fast allen späteren Chroniken.
3) Vgl. auch frĂĽher Z. ThĂĽr. G. N. F. XIX, 369 ff. 382. bes. 391 f.
4) Kolbe, Erbauung der Elisabethkirche, S. 12 f. (nach ihm
Mielke, Elisabeth, S. 17) begrĂĽndet diesen inneren Umschwung auch
u. a. mit den Worten auf Konrads Siegel: Säule, quid me per-
80 Konrad, Landgraf v. ThĂĽringen, Hochmeister d. d. Ordens.
Für seine kirchlich-religiöse Gesinnung sind auch die
zahlreichen BegĂĽnstigungen und Beschenkungen hessischer
Klöster und Kirchen, des Familienklosters zu Reinhards-
brunn und besonders des deutschen Ordens ein sprechender
Beweis x). Und doch werden wir solchen Wohltaten, durch
die in erster Linie die Beziehungen der FĂĽrsten zu den
geistlichen Anstalten ihres Landes sich äußern mußten,
nicht die Bedeutung beilegen, wie der fĂĽr Konrads Ge-
sinnung so charakteristischen Erhöhung Elisabaths und
dem eng damit verknĂĽpften Eintritt in den Deutschorden.
Dabei verstand Konrad, als die Jahre erneuter Zwie-
tracht zwischen Friedrich und Gregor auch ihn nötigten,
in diesem Gegensatze Stellung zu nehmen, sich einen klaren
Blick in der politischen Lage zu wahren. Damals hat seine
kirchlich-fromme Gesinnung, die ihn frĂĽher in so nahe Be-
ziehungen zu Gregor gefĂĽhrt hatte, ihn politisch nicht zum
ergebenen Anhänger des Papstes werden lassen. Schon
seine Stellung als Deutschherr wies ihn auf einen fried-
lichen, dem Kaiser gĂĽnstigen Ausgleich hin, fĂĽr den er
auch seinen Bruder zu gewinnen wuĂźte. Zum Meister
seines Ordens emporgestiegen, schien der Nachfolger Her-
mannns von Salza als unparteiischer Vermittler so geeignet
wie kein anderer. Daher findet das Scheitern seines Ver-
mittlungsversuches — unabhängig vom Vermittler — seine
Erklärung nur in der gesteigerten Heftigkeit der Gegensätze
zwischen weltbeherrschendem Kaisertum und weltbeherr-
schendem Papsttum.
sequeris. Dies wird schon dadurch hinfällig, daß Konrad dieses Siegel
höchstwahrscheinlich schon vor dem Kampfe mit Mainz führte ; vgl.
WyĂź, Hess. Urkundenbuch I, No. 27 Anm.
1) Mit der GrĂĽndung der Eisenacher Dominikanerkirche (vgl.
Histor. Pistoriana Kp. 48, S. 1326; Histor. Eccardiana S. 424 f.;
Legendarium in Z. ThĂĽr. G. IV, 372 f.; Gerstenberg, ThĂĽr.-hess.
Chronik S. 379; Joh. Rothe Kp. 477) hat Konrad nichts zu tun.
Vgl. darĂĽber Holder-Egger im Neuen Archiv XXV, 89 ff. ; Doben-
ecker 904; Wenck im Wartburgb. 8. 208, auch 218.
III.
Die Generalvisitation Ernsts des Frommen im
Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645.
Von
Lic. Fr. Waas, Pfarrer in Waldmichelbach (Odenwald)
(Fortsetzung.)
4. Die „Bedenken" Kromayers und der Professoren
in Jena.
Aber noch von anderer Seite erhoben sich Bedenken
gegen die Visitation, die viel weitgehender und viel ernster
zu nehmen waren als die der drei Diaconi. Wieder war
es Kromayer, der alte Widersacher des Herzogs, der
auch jetzt seine Stimme erhob ; mit ihm vereinigten sich
die Professoren Johann Major und Johann Michael Dilherr
zu Jena. Schon gleich nach dem Erscheinen des Aus-
schreibens regte sich auch in Weimar die Kritik. Am
19. Januar 1641 hatten Albrecht und Ernst ihrem Bruder
Wilhelm Mitteilung von den erfolgten MaĂźregeln gemacht,
und schon am 27. Januar erklärte dieser in seinem Ant-
wortschreiben die Visitation unter den gegenwärtigen Ver-
hältnissen für unzweckmäßig1). Gleichzeitig wurden auch
in verschiedenen Predigten abfällige Äußerungen über das
Gothaer und Eisenacher Visitationswerk, vor allem ĂĽber
das Ausschreiben der beiden Herzöge laut. Es waren im
wesentlichen die alten VorwĂĽrfe, die man auch hier wieder-
holte : man beanstandete die Beurteilung der bestehenden
1) Zeitschr. d. Ver. f. ThĂĽr. Gesch., N. F. X, S. 427.
XXVIII. 6
82 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Verhältnisse, den Ruf zur Buße und die Forderung eines
„engelreinen" Lebens. Solche Vorwürfe konnten natürlich
nicht unbeachtet bleiben, sie kamen zu den Ohren der
beiden Herzöge, und Albrecht ergriff sofort die Initiative,
um ihnen entgegenzutreten. Am 4. Februar schrieb er seinem
Bruder Ernst, er halte es fĂĽr seine Pflicht, nicht nur die
Widerwärtigkeiten im eigenen Lande zu dämpfen, sondern
auch „das Feuer, so von außen angelegt werden will, ehe
es in die Lohe und Flamme ausbricht, zu löschen und böse
Mäuler zu stopfen" 1). Beide forderten darauf ihren Bruder
Wilhelm auf, er solle die betreffenden Prediger zu sich be-
scheiden und von ihnen entweder eine öffentliche Erklärung
verlangen, daĂź sie sich in Zukunft aller AnzĂĽglichkeiten
enthalten wollen, oder sie wenigstens veranlassen, ihre Be-
denken und GrĂĽnde wider die Visitation bescheidentlich
schriftlich aufzuzeichnen, damit das Gothaer und Eisenacher
Konsistorium sich verantworten und die Entscheidung theo-
logischer Fakultäten und anderer unparteiischer Konsistorien
anrufen könne 2). Der letztere Weg wurde beschritten.
Kromayer — denn er war wohl der Hauptkritiker oder
trat jedenfalls an die Stelle der „mehreren", von denen
zuerst die Rede war — zeichnete seine Bedenken auf, ja
er veranlaĂźte auch Major und Dilherr dazu, solche einzu-
reichen. Beide waren von Herzog Wilhelm Ende Februar
nach Weimar berufen worden, um — ebenso wie Kromayer
— ein Gutachten über die weimarische Visitation abzu-
geben. Diese Gelegenheit benutzte nun der Herzog auf
Anraten seines Generalsuperintendenten, um von ihnen auch
ein Bedenken ĂĽber die gothaische und Eisenacher Visitation
zu verlangen. Sie leisteten dieser Aufforderung auch Folge,
aber, wie sie später versicherten, nicht, um das Visitations-
1) Kons.-Archiv zu Gotha, Loc. 18, No. 2. Schreiben Albrechts
an Ernst. Dat. Eisenach, den 4. Febr. 1641. (Konzept.)
2) Ebenda, Schreiben beider an Wilhelm vom 7. Febr. (Kon-
zept, von Simon Malsius aufgesetzt.)
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 83
werk irgendwie öffentlich zu verunglimpfen, sondern nur,
um ihre ganz unmaĂźgebliche Privatmeinung darĂĽber kund-
zutun. Das Original der beiderseitigen Bedenken ist leider,
soviel ich in Erfahrung bringen konnte, nicht mehr vor-
handen 1). Wir mĂĽssen uns deshalb damit begnĂĽgen, aus
den Gegenschriften und den Protokollen der Verhandlungen
so viel zu rekonstruieren, als eben möglich ist. Den deut-
lichsten Begriff von den Bedenken gibt ans ein bei den
Akten befindlicher „Extract"' daraus , der von Simon
Malsius verfaĂźt ist 2). Wenn wir ihn mit den ĂĽbrigen uns
erhaltenen AktenstĂĽcken vergleichen, so bekommen wir ein
leidlich deutliches Bild davon, worauf es Kromayer und den
Professoren bei ihren „Bedenken" ankam.
Wir gehen dabei wohl nicht fehl, wenn wir Kromayer
als den eigentlichen Widersacher des Herzogs und Urheber
der Bedenken ansehen. Major und Dilherr hätten wohl
ohne ihn ihre Meinung nicht in dieser Form laut werden
lassen. Er war verstimmt darĂĽber, daĂź ihm durch die Erb-
teilung ein gut Teil des Einflusses auf Albrecht und Ernst
genommen war. Es war ihm jetzt nicht mehr möglich, die
Reformpläne des Herzogs Ernst völlig zu vereiteln. Ernst
hatte das Visitations- Ausschreiben erlassen, ohne ihn zu Rate
zu ziehen, er hatte Brunchorst und andere ihm gleich-
gesinnte Männer zu seinen Ratgebern erwählt, ohne daß
1) In dem Band des Kons.-Archivs zu Gotha, Loc. 19, No. 19
befindet sich eine Abteilung mit der Überschrift „Weimarische Acta"
1641. Hier finden sich nun zwar im Repertorium folgende Angaben:
„G. Mein des Superint. Privat bedencken wegen des Eisenachischen
vnd Gothaischen Patents vnd Artickel. — H. Der H. Jenischen
privat Bedencken auch darvon." Aber in den Akten selbst fehlt
beides. Wir haben hier nur das Bedenken Kromayers ĂĽber die
weimarische Visitation (D), während das im Repertorium an-
gegebene Gutachten der Jenenser hierĂĽber (E) ebenfalls fehlt. (Das
Datum aller 4 Schriften war jedenfalls der 3. März 1641.) — Auch
eine Anfrage in Weimar wegen der „Bedenken" war ohne Erfolg.
2) Er befindet sich in dem Band des Kons.-Archivs, der die
meisten Akten über die „Bedenken" enthält: Loc. 18, No. 2.
6*
g4 Die Generalvisitation Erusts des Frommen
Kromayer es hatte verhindern können. Da galt es jetzt,
so viel von dem verlorenen EinfluĂź zurĂĽckzugewinnen wie
nur möglich! Kromayer trat deshalb mit der Behauptung
auf, die Konsistorien zu Gotha und Eisenach seien von
dem zu Weimar abhängig. Daher hätte „bei dem Patent
und Ausschreiben nicht ohne Zuziehung und Einstimmung
Herzog Wilhelms und des Oberkonsistoriums zu Weimar
verfahren, sondern mit fernerer Urgier- und Exequierung
bis auf genĂĽgsame Deliberation und erholeten Weimarischen
Consens inne gehalten werden mĂĽssen". Diese seine An-
sprĂĽche begrĂĽndete Kromayer mit dem Hinweis auf den
Erbvertrag, in dessen viertem Artikel die FĂĽrsten sich
zur „Einführung einerlei geistlicher und weltlicher Ord-
nungen in Consistorial-, Kirchen-, Schul-, Polizei- und Justiz-
sachen" verpflichtet hatten. Auf Grund dieses Artikels sah
er in dem Vorgehen von Albrecht und Ernst eine Ver-
letzung der Bestimmung, daĂź in Kirchenangelegenheiten ein-
heitliche Ordnungen durchgefĂĽhrt werden sollten; und da
in allen gemeinsamen Angelegenheiten der Vorsitz dem je-
weils ältesten Fürsten, in diesem Falle also Herzog Wil-
helm, zukam, so beanspruchte er auch bei der Visitation
diesen Vorrang fĂĽr Wilhelm und fĂĽr sich. Ernst und Al-
brecht dagegen betrachteten die Visitation als eine innere
Angelegenheit ihrer Landesteile, auf die der Erbvertrag
keine Anwendung finde, und in die deshalb ein AuĂźen-
stehender wie Kromayer nichts hineinzureden habe.
Der Wunsch, die Oberleitung der Visitation selbst in
die Hand zu bekommen und dadurch einen maĂźgebenden
EinfluĂź auf ihre DurchfĂĽhrung zu gewinnen, war indessen
nicht der einzige Grund der Bedenken Kromayers. Denn
es wäre sonst nicht zu verstehen, wieso die Jenenser Pro-
fessoren sich ihm so unbedingt anschlieĂźen konnten. Sie
hatten doch wahrlich keinen Grund, sich fĂĽr ihn ins Zeug
zu werfen und seine AnsprĂĽche zu unterstĂĽtzen; ist doch
auch in ihrem Schreiben davon, daĂź die Oberleitung der
Visitation nach Weimar gehöre, überhaupt nicht die Rede.
im Herzogtum Saehsen-Gotha 1641 — 1645. 85
Es waren vielmehr ganz die alten Gegensätze, die sich schon
1636 geltend gemacht hatten und die auch hier ihre Fort-
setzung fanden. Die Stimmung ist ganz dieselbe wie da-
mals, die VorwĂĽrfe stimmen oft bis in die einzelnen Aus-
drĂĽcke hinein mit den damaligen ĂĽberein, nur durch die
RĂĽcksicht auf die besondere Art des Ausschreibens und
der Fragen erhalten sie einen etwas spezielleren Charakter.
So heiĂźt es auch hier, man dĂĽrfe von den einzelnen Christen
nicht so viel Wissenschaft der göttlichen Lehre
verlangen und der Jugend keine allzu schweren BĂĽrden auf-
legen mit langen Erklärungen des Katechismus und vielem
auswendig zu lernenden Stoff. Auch hier wird der Vor-
wurf erhoben, daĂź man nicht wisse, was wahre BuĂźe sei.
Man glaube, man könne diese durch das äußerliche Visi-
tationswerk und durch äußerliche Reformation herbeiführen,
ohne daran zu denken, daĂź man dadurch nur der Heuchelei
Vorschub leiste. Man räume dem freien Willen und den
natürlichen Kräften des Menschen allzuviel ein, man predige
nur das Gesetz und bringe durch unablässige Gesetzes-
predigten die Leute dahin, daĂź sie ihr Vertrauen auf Gott
aus KleinmĂĽtigkeit ganz wegwerfen oder aus Desperation
ganz davonlaufen ; man versäume es, sie mit evangelischem
Trost zu erquicken. Man stelle es so hin, als ob kein
Mensch zu Weimar *) wahre Buße täte. Die Beurteilung
der Zeitlage empfand man hier wie dort als zu pessi-
mistisch, die Parallele mit den Zeiten der Propheten, die
das Ausschreiben zog, wurde abgelehnt: die Zeiten seien
jetzt nicht so abgöttisch und tyrannisch wie damals in
Israel; und wie 1636, so liefen auch jetzt die Beschuldi-
gungen auf den Vorwurf Weigelianischer, Schwenkfeldischer
und wiedertäuferischer Ketzerei hinaus. Neu hinzu kam
1) Vgl. die auffallende Ăśbereinstimmung mit den VorwĂĽrfen
gegen die „Mängel und Ursachen" von 1636. Das Schreiben vom
20. Juni 1641 (Loc. 18, No. 2), dem obige Stelle entnommen ist,
hat hier noch in Parenthese: „denn also setzet der Autor bei uns.'
Vgl. oben Bd. XXVII, S. 102.
36 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
noch der Vorwurf, daĂź die weltliche Obrigkeit sich hier
Ăśbergriffe in das Gebiet der geistlichen erlaubt
habe. Schon an der Form des Ausschreibens hatte man
auszusetzen, daĂź es zu viel BibelsprĂĽche enthalte, daĂź es
mehr theologisch als politisch, mehr einer Predigt als einem
fürstlichen Ausschreiben gemäß sei. Dem Fürsten aber
komme das Predigen nicht zu, fĂĽrstliche Ausschreiben und
Predigten wären nicht ein Ding, geistliche und weltliche
Stände wären zu unterscheiden und nicht ineinander zu
mengen. Umgekehrt sei es ein Ăśbergriff der geistlichen
Obrigkeit in das Gebiet der weltlichen, wenn „man solche
Artikel in die Kirchenvisitation bringe, die nicht dahin,
sondern zur Polizeiordnung und Ökonomie gehören". Dazu
empfand man die Art des Vorgehens bei der Visitation
als inquisitorisch. Das System, die Pfarrer ĂĽber die Ge-
richtsherren und die Gerichtsherren ĂĽber die Pfarrer zu
befragen, wurde als Spioniersystem angesehen, die Frage:
„Ob sie wissen, daß sich die Zuhörer zu Hause mit den
Ihrigen etwas auf die Beichte bereiten?" wurde so aus-
gelegt, als sei dadurch von den Pfarrern verlangt, sie sollten
in die Häuser gehen und sehen, wie man dort lebe. Die
Folgen solchen „inquisitorischen" Vorgehens wurden in den
schwärzesten Farben ausgemalt. Man sagte, Geistliche und
Weltliche wĂĽrden aufeinander gehetzt, weil sie sich gegen-
seitig kontrollieren mĂĽssen. Die Visitation gereiche zur
Verachtung des geistlichen Ministerii und der weltlichen
Obrigkeit. Anstatt die Ehre der Geistlichen und der Obrig-
keit in acht zu nehmen, habe man auf sie gescholten und
dadurch die Gefahr hervorgerufen, daĂź die Untertanen solche
VorwĂĽrfe aufgreifen und gegen ihre geistlichen und welt-
lichen Vorgesetzten benutzen.
Die „Bedenken" waren von Kromayer und den Pro-
fessoren bereits im März 1641 aufgesetzt worden. Doch
wurden sie den beiden FĂĽrsten erst im Mai oder Juni des-
selben Jahres ĂĽbermittelt. Auf einer Zusammenkunft von
Abgesandten der drei BrĂĽder in Erfurt wurden sie im Auf-
ini Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 87
trag von Herzog Wilhelm den Gothaer und Eisenacher De-
putierten überreicht. Es ist selbstverständlich, daß Albrecht
und Ernst die in den Bedenken enthaltenen VorwĂĽrfe nicht
unbeantwortet ließen. Sie verständigten sich über das Vor-
gehen und ließen zunächst verschiedene Widerlegungs-
schriften aufsetzen. Die Bedenken Kromayers und die der
Professoren wurden hier getrennt behandelt und eingehend
besprochen. Besonders ausfĂĽhrlich unter diesen verschiedenen
EntwĂĽrfen ist ein in Eisenach aufgesetztes, vielleicht von
Simon Malsius verfaĂźtes Schreiben gegen die Bedenken
Kromayers. Es umfaĂźt nicht weniger als 23 Folioseiten,
zählt im ganzen 54 „Injurien, Imputationes und Diffama-
tiones" auf, die alle in Kromayers Bedenken enthalten seien,
und widerlegt diese dann im einzelnen 1). Dieses Schreiben
wurde von Eisenach nach Gotha geschickt und dem dortigen
Konsistorium zur Begutachtung vorgelegt; es diente, zu-
sammen mit noch anderen EntwĂĽrfen und Vorarbeiten, zur
Grundlage für die weiteren Verhandlungen. — Am 5. und
6. Juli fanden zunächst in Gotha Sitzungen des Kon-
sistoriums statt, an denen auĂźer GlaĂź, Brunchorst, StrauĂź,
Christoph von Hagen und Franzke, der inzwischen an Stelle
von Simon Malsius Kanzler in Gotha geworden war 2), auch
der Herzog selbst teilnahm.
Ein endgĂĽltiger BeschluĂź konnte hier noch nicht ge-
faĂźt werden, da die Sache erst noch mit den eisenachischen
geistlichen und weltlichen Räten verhandelt werden mußte,
doch war man sich darin einig, daß aufs schärfste gegen
die „Censuren" vorzugehen sei. Wenige Tage später, am
9. Juli, fand sodann eine Konferenz in E i s e n a c h statt,
an der als gothaische Deputierte Joh. Michael StrauĂź und
1) Siehe Schreiben vom 20. Juni 1641 in Loc. 18, No. 2.
2) Nach Gelbke, Ernst d. Fr., II, S. 226 trat Franzke erst am
2. Sept. 1641 in Ernsts Dienste. Das kann aber nicht richtig sein,
denn schon am 5. und 6. Juli nimmt er an den Sitzungen des Kon-
sistoriums teil und wird in verschiedenen Schreiben vom 10. Juli an
als „Kanzler" bezeichnet.
88 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Salomon GlaĂź teilnahmen. Hier wurden nun folgende Be-
schlĂĽsse gefaĂźt : Der gothaische Kanzler Franzke solle sich
nach Weimar begeben und dort — nicht in Form einer
sollennischen Gesandtschaft, sondern incidenter und occa-
sionaliter — bei Herzog Wilhelm vorsprechen. Diesem
solle er zunächst die ganze Sache vortragen, ihm die ver-
schiedenen AktenstĂĽcke vorlegen und dann zuerst mit den
Jenenser Professoren verhandeln, um ihnen ihren „Exceß und
Unfug theologice et politice zu remonstrieren" und von ihnen
eine zufriedenstellende Erklärung zu verlangen. Erst nach-
dem diese Sache erledigt sei, solle man sich an Kromayer
wenden, ihm die Refutation seines Bedenkens vorlegen und
ihn dahin zu bringen suchen, daß er „seine böse Opinion
von dem guten Werk der christlichen Visitation abtue und
dieselbe vielmehr befördere". Sollte Kromayer auf seiner
irrigen Meinung verharren oder Herzog Wilhelm dem
Handel nicht beipflichten, so bleibt weitere Beratung und
erneutes Vorgehen vorbehalten.
Wir sehen, wie diese BeschlĂĽsse durchaus von der
Meinung getragen waren, daß Kromayer der gefährlichere
Gegner sei. Mit den Professoren hoffte man leichter fertig
zu werden, deshalb wollte man sich zuerst ihrer Zustimmung
versichern, um dann dem Generalsuperintendenten gegen-
über auf ihre Willfährigkeit verweisen zu können. Diesen
Erwägungen entsprach denn auch der Erfolg. Mit einer
groĂźen Menge von AktenstĂĽcken ausgerĂĽstet, darunter einer
eingehenden Instruktion, die ihm sein Vorgehen genati vor-
schrieb, einem „Extract aller injuriorischen Imputationen und
Bezichtigungen", sowie verschiedenen Widerlegungsschriften,
unter denen sich jedenfalls auch eine Bearbeitung des oben
erwähnten ausführlichen eisenachischen Schreibens (vom
20. Juni) befand, begab sich Franzke nach Weimar 1). Er
suchte zuerst Herzog Wilhelm auf und verhandelte dann
1) Verzeichnis der AktenstĂĽcke, die Franzke nach Weimar
mitnehmen soll (siehe Loc. 18, No. 2):
1. Creditiv an Herzog Wilhelm zur Legitimation (vorhanden).
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 89
mit Major und Dilherr in Jena. In der Tat gelang es ihm,
die beiden zu einer Erklärung zu veranlassen, die Albrecht
und Ernst zufriedenstellen muĂźte. In einem Schreiben an
die beiden Fürsten erklärten sie, sie hätten durchaus nicht
beabsichtigt, eine „Censur" über das Visitationswerk anzu-
stellen und die gute Absicht der beiden Herzöge in Zweifel
zu ziehen. Sie hätten nur auf Bitten von Herzog Wilhelm
in der Stille und ganz im geheimen einige Punkte auf-
gesetzt, ĂĽber die dieser gelegentlich mit seinem Bruder Ernst
konferieren könne. Sie hätten aber trotz ihrer Ausstellungen
von Anfang an das Eisenacher und Gothaer Visitations-
werk „für ein notwendiges und nützliches Werk und
dessen Intention für fürstlich-löblich und christlich" ge-
halten, und hätten als Zweck der Visitation nichts anderes
angesehen, „als neben Erhaltung des reinen Wortes Gottes
und der ungeänderten Augsburgischen Confession die wahre
Gottesfurcht erbaulich fortzupflanzen" ; das sei auch jetzt
noch ihre Meinung *). Auf diese Versicherungen hin konnten
sich Albrecht und Ernst zufrieden geben, und so war mit
den Professoren wenigstens eine Einigung erzielt. Ob man
auch bezüglich Kromayers zu einem ähnlichen Resultat kam,
geht aus unseren Akten nicht hervor, doch scheinen auch
hier die Verhandlungen von Erfolg begleitet gewesen zu
2. Instruction, was er bei Herzog Wilhelm anzubringen (von
Malsius verfaĂźt, nicht vorhanden).
3. Extract aus den Beschuldigungen (siehe oben S. 83).
4. Zwei Refutationes auf der Jenensium Bedenken, von den
Goth. Deputierten revidiert (nicht vorhanden).
5. FĂĽrstl. Schreiben an die Herrn Jenenses, samt den Postu-
latis, von Malsius verfaĂźt. (Jedenfalls das Schreiben vom 12. Juli
1641, das die Handschrift von Malsius zeigt.)
6. Die Antwort auf Kromayers Bedenken, von den Goth. Depu-
tierten revidiert. (Vermutlich eine Bearbeitung des Schreibens vom
20. Juni.)
7. Abschriften der Zensuren.
1) Vgl. das Originalschreiben vom 5. August 1641 in Loc. 19,
No. 19. In demselben Band befinden sich auch noch einige andere
Schreiben ĂĽber die gleiche Angelegenheit.
90 Die General Visitation Ernsts des Frommen
sein. Wir hören wenigstens jetzt nichts mehr von er-
neuten Verhandlungen und auch nichts mehr von neuen
Angriffen und AnsprĂĽchen Kromayers.
Der weimarische Generalsuperintendent hatte seine Ab-
sicht nicht erreicht. Es war ihm nicht gelungen, „das
Directorium der Visitation nach Weimar zu ziehen", den
Einfluß Ernsts zu schwächen und seinen Einfluß zu stärken.
Doch hatte er zweierlei fertig gebracht: er hatte die Durch-
führung der Visitation verzögert und hatte in den Kreisen
der Pfarrer und Beamten, zu denen seine Ausstellungen doch
sicher gedrungen waren, MiĂźtrauen gegenĂĽber den Reform-
bestrebungen der beiden Herzöge gesät. Ebenso wie 1636
so wurde auch jetzt das Visitationswerk ins Stocken gebracht
und bei den Untertanen verhaĂźt gemacht.
Mit der Abweisung der von Weimar aus erhobenen
Beschuldigungen war allem gemeinsamen Vorgehen der ver-
schiedenen Gebiete ein Ende gemacht. Weimar ging jetzt
unter der Führung Kromayers seine eigenen Wege, während
Ernst und Albrecht nicht mehr durch Kritik von dorther be-
lästigt wurden. Schon bald, nachdem die Professoren ihre
Gutachten ĂĽber die bevorstehende weimarische Visitation ab-
gegeben hatten 1), arbeitete Kromayer die Visitationsfragen
aus und überreichte sie am 27. März dem Konsistorium. Der
Fragebogen, der den Pfarrern zur schriftlichen Beantwor-
tung übersandt werden sollte, enthält 194 Fragen, die in
13 Kapitel eingeteilt sind. AuĂźerdem war noch ein Frage-
bogen fĂĽr die Beamten vorgesehen, der aber nur 7 Fragen um-
faĂźte : nach Beantwortung dieser Fragen sollten Pfarrer und
Schulmeister vor das Konsistorium gefordert und ĂĽber
10 Punkte befragt, sowie „etliche aus der Gemeinde" im
Katechismus examiniert werden. Dieser Entwurf Kromayers
wurde indessen, wie es scheint, nicht in dieser Form zur Aus-
führung gebracht. Man übersandte ihn zunächst zur Begut-
achtung nach Jena, dort wurden die 194 Fragen an die Pfarrer
auf 107 reduziert, und in dieser reduzierten Form scheint die
1) Vgl. oben S. 22.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 91
Visitation tatsächlich durchgeführt worden zu sein x). Aller-
dings zog sich die AusfĂĽhrung immer noch hinaus. Erst am
22. März 1643 wurde durch ein gedrucktes Ausschreiben
der Beginn des Visitationswerks in Kirchen und Schulen
angeordnet; und erst nach Kromayers Tod (13. Juli 1643)
kam dieses unter der Leitung von Zapf in rascheren FluĂź 2).
Der Hauptunterschied zwischen der Visitation in Weimar und
Gotha bestand darin, daĂź diese dort mit der Beantwortung
der schriftlichen Berichte im wesentlichen fertig war, wäh-
rend hier die Hauptsache erst nachher anfing. Eine groĂźe
..sollennische Visitation" hielt Kromayer für unnötig, da
die Lehre ja nicht verfälscht sei, man begnügte sich des-
halb mit einer weniger eingehenden Untersuchung der Ver-
hältnisse. Das Interesse am Katechismus und die Be-
mühungen, den Leuten den „Verstand" des Katechismus
beizubringen, um sie dadurch zum rechten Glauben, zum
rechten Leben und schlieĂźlich zur Seligkeit zu fĂĽhren, treten
in Weimar mehr in den Hintergrund. Eine genauere Er-
forschung der sittlichen Verhältnisse war bei der einge-
schlagenen Art des Vorgehens nicht so leicht möglich, zu-
mal da man ängstlich darauf bedacht war, in dieser Hin-
sicht solche Fragen zu vermeiden, die in eine Polizei- oder
Landesordnung gehören (vgl. den Bericht Kromayers vom
27. März 1641). Dagegen verlangte man auch in Weimar
von den Pfarrern die Einsendung eines Verzeichnisses ihrer
1) Genaueres ĂĽber die weimarische Visitation vermag ich nicht
anzugeben, da ich nur die im Gothaer Konsistorialarchiv befind-
lichen Akten zur VerfĂĽgung hatte. Diese befinden sich in der be-
kannten Abteilung „Weimarische Acta". Für uns kommen folgende
in Betracht : D. Kromayers Bedenken ĂĽber die weimarische Visitation.
3. März. J. Kr.s „fernerer Bericht wegen der ganzen Zusammen-
fassung aller Visitationsartikel, übergeben den 27. März 1641". K.
Die 194 Artikel an die Pfarrer. L. 7 Artikel an die Beamten. M.
10 Artikel, betr. das mündliche Verhör der Pfarrer und Lehrer,
sowie das Katechismusexamen der Gemeinde. O. Auszug aus Kr.s
Visitationsverfassung. Jena, 24. April 1641.
2) Zeitschr. des Vereins f. ThĂĽr. Gesch. N. F. X, S. 451.
92 Die General Visitation Ernsts des Frommen
Pfarrkinder und war auch hier ebenso wie in Gotha und
Eisenach eifrig bemĂĽht, fĂĽr Sicherung und Aufbesserung
des Gehalts der Pfarrer und Lehrer zu sorgen.
5. Die Einsendung der Berichte auf das fĂĽrstliche
Ausschreiben.
Während die Verhandlungen mit Weimar in vollem
Gange waren, waren inzwischen schon von Pfarrern und
Gerichtsherren eine ganze Reihe von Berichten auf das Aus-
schreiben vom 5. Januar eingegangen. Einige dieser Be-
richte liefen schon im Januar ein, doch hielten sich die
meisten Pfarrer nicht genau an die Frist von vier Wochen,
sondern ließen bis Februar und März, ja auch bis April
auf sich warten. Indessen waren bis zum Mai weitaus die
meisten Antworten der Pfarrer eingelaufen. So blieb von
den Dörfern des Amts Gotha nur ein einziges (Eberstädt) rück-
ständig, und auch von den Berichten aus den adligen Ort-
schaften datieren nur sehr wenige aus späteren Monaten.
Anders stand es dagegen mit den Gerichtsherren. Von ihnen
antworteten nur die wenigsten sofort; und wenn sie es
taten, so waren ihre Berichte so kurz und nichtssagend,
daĂź man daraus nicht das geringste entnehmen konnte.
So umfaĂźt z. B. die Antwort der Herren von Wangenheini,
die über ungefähr 17 Dörfer zu berichten hatten, ganze
drei Seiten, andere sind noch kĂĽrzer, wie die der Herren
von Teutleben und von Seebach, nur die Herren von Erfa
und von Witzleben zur Burg antworteten genauer und
gingen auch auf Einzelheiten ein. Die anderen Adligen
aber und die Räte der Städte blieben mit ihren Berichten
zunächst überhaupt im Rückstand und wurden erst durch
eine nochmalige energische Aufforderung (vom 20. Mai)
dazu veranlaĂźt, sich zur Antwort herbeizulassen. So datiert
der Bericht des Rates von Gotha, der sich, nebenbei gesagt,
um genaue Beantwortung mit groĂźer Geschicklichkeit her-
umdrĂĽckt, erst vom 24. August.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 93
Die Antworten der Pfarrer auf das fĂĽrstliche Aus-
schreiben sind von sehr verschiedenem Umfang und von
sehr verschiedenem Wert. Viele machten sich die Sache
leicht; sie antworteten nicht auf die einzelnen Fragen,
sondern berichteten nur summarisch ĂĽber die verschiedenen
in den Kapitelüberschriften genannten Gegenstände. Nament-
lich die Kapitel von öffentlichen Sünden und Ärgernissen,
von der Kirchendisziplin, vom Adel, von Eltern und Haus-
herren, von der Obrigkeit und Gerichtspersonen, von be-
nachbarten Pfarrern und Kollegen gaben zu solcher ober-
flächlichen Behandlung Anlaß. So schreibt z. B. der Gothaer
Diakonus Thilo als Antwort auf die 53 Fragen der Ka-
pitel 20 — 22 nichts weiter als folgende Worte: „Von Adel,
Gerichts- und obrigkeitlichen Amtspersonen, wie auch von
Eltern und Hausherrn, ist mir nichts anderes wissend als
daĂź sie ein exemplarisches Leben fĂĽhren und gute Disciplin
und Hauszucht halten. Mit der Herrn Politicorum Con-
versation bin ich wohl zufrieden, wie ingleichen ich mich
wieder versehe, daĂź keiner werde ĂĽber mich zu klagen
haben." — „Von öffentlichen Sünden, so notorisch", heißt
es ferner bei Kap. 15, „ist mir anitzo nichts kundig, wie
ingleichen auch von denen, so fremder oder irriger Lehre
zugetan. Sobald man hiervon ex rumore publico was höret,
wird solches nicht zugelassen." Der Artikel „von Schulen'.'
mit seinen 40 Fragen wird durch folgende Antwort er-
ledigt: „Was die Schul anlanget, weiß ich nicht anders,
daĂź gute Disciplin von den Collegen, von welchen mir nicht
wissend, daß sie Differenzen und Simulräten unter einander
haben sollten, gehalten werde. Das Ăśbrige werden die
dazu deputierten Herrn Inspectores beantworten." Nun
mag es ja auf einem Dorf manchmal am Platz sein, ĂĽber
manche Gegenstände so kurz und summarisch zu antworten,
aber wenn in einem Bericht ĂĽber die Stadt Gotha nichts
weiter geschrieben wird als die obigen nichtssagenden
Redensarten, so ist es klar, daĂź der Berichterstatter solche
Fragen, die ihm unbequem sind, einfach nicht beantworten
94 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
will1). Wie wenig es Thilo um genaue Berichterstattung
zu tun war, zeigt auch seine Antwort auf die Frage nach den
Autoren, die er zu seinem Studium benutze. Er schreibt
hier nämlich: „Autoren werden keine anderen gelesen, als
so der Augsburgischen Konfession zugetan." Noch naiver
wird diese Frage allerdings von dem Pfarrer Elias Kilius
in TĂĽttleben durch die klassischen Worte beantwortet:
„Habe unterschiedliche Autores." Den Hinweis auf andere
Leute, die die gestellten Fragen besser beantworten könnten,
finden wir wiederholt in den Berichten. So schreibt der
Pfarrer Joh. Madelung von W a r z a , ein im ĂĽbrigen
eifriger und namentlich wissenschaftlich tĂĽchtiger Mann,
auf die Fragen „von Obrigkeit und Gerichtspersonen" :
„Berichten die Gerichtsschöppen, daß sie selbst einen ge-
wissenhaften, eidespflichtigen Bericht auf solche Fragen
getan. Ich auch als ein neuer Pfarrer dessen Gelegenheit
nicht erfahren." Vielfach suchte man auch die Verhält-
nisse idealer darzustellen, als sie wirklich waren, sei es
daĂź man Unangenehmes verschwieg oder daĂź man direkt
1) Der Bericht Thilos (Kons.-Archiv Loc. 19, No. 22) umfaĂźt
9% Seiten in folio, die aber alle sehr weitläufig geschrieben sind
und von denen die erste fast ganz von einer sehr allgemeinen Ein-
leitung eingenommen wird. Auffallend ist, daĂź Thilo, dessen Stellung
zur Visitation uns doch bekannt ist, hier schreibt: „ ... als haben
alle Lehrer sowohl als auch die Zuhörer höchlich Gott dem Herrn
zu danken, daĂź I. F. Gn. bei dero angetretenen Landesregierung
gnädig gesonnen, das Schul- und Kirchenwesen in besseres Auf-
nehmen zu bringen, und das, was an öffentlicher Disciplin und Zucht,
sonderlich bei dem rohen wilden Volk mochte gefallen sein, zu repa-
rieren, aus welchem löblichen Werk zweifelsohne in kurzem viel
Nutz und Frommen zu gewarten." War das wirklich Thilos innerste
Überzeugung? Glaß konnte sicherlich ein Lächeln nicht unter-
drücken, als er das las. — Ausführlicher als der Bericht Thilos sind
die von GnĂĽge und Strobel. Der Bericht Strobels umfaĂźt 3272 Seiten
und antwortet auf jede einzelne Frage, nur die Berichterstattung
über „Schulen" sowie „Eltern u. Hausherrn" ist mangelhaft. — Noch
nichtssagender als der Bericht Thilos ist der von Nicolaus Probandt
ĂĽber BrĂĽheim.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 95
ungenaue oder falsche Angaben machte. Den besten Be-
weis für solche Schönfärberei gibt uns der Bericht des
Pfarrers M. Joh. B ergmann in Siebleben. Bergmann,
ein Mann von 67 Jahren, der schon seit 1612 in der Gemeinde
Siebleben tätig war und dort in den Schrecken des Krieges
und der Pest x) treu ausgehalten hatte, schreibt in dem
Artikel „vom Catechismo" : „Es können fast alle, jung und
alt, den Catechismum Lutheri rezitieren ; es ist niemand
da, dem es an solcher Wissenschaft fast mangele ; sie haben
auch mehrenteils von den notwendigsten StĂĽcken der Selig-
keit Verstand. Der Katechismus wird fleiĂźig getrieben,
mit Kindern, Knechten und Mägden, wie auch mit den
Alten. Sie rezitieren den Katechismus nicht bloĂź, sondern
es wird ihnen auch zum Verstand geholfen." Als aber die
Gemeinde Siebleben später, am 6. Dezember desselben
Jahres, in Gotha im Katechismusexamen erschien, da zeigte
sich, daĂź der Bericht des Pfarrers die Sache doch in allzu
rosigem Licht dargestellt hatte. HeiĂźt es doch in dem
Urteil über den Ausfall dieses Examens, es sei „befunden
worden, daĂź ihrer viel unter den Sieblebern auch nur die
bloßen Worte nicht im Gedächtnis gehabt; noch weniger
aber sind sie im Verstand beschlagen gewesen, denn fast
gar nicht auf eine einzige Frage richtige Antwort erfolget,
ausgenommen von etlichen wenigen .... Ist also diese
Gemeinde der schlechtesten eine gewesen, danneuhero denn
eine ernste Ermahnung an sie geschehen, wonach bei kĂĽnf-
tiger Visitation, geliebts Gott ĂĽbers Jahr, eigentlich wĂĽrde
geforscht werden." Das klingt allerdings etwas anders als
der Bericht des Pfarrers! Es stellte sich auĂźerdem heraus,
daĂź dieser erst seit dem fĂĽrstlichen Ausschreiben angefangen
hatte, auch den „Verstand" des Katechismus zu treiben
und auĂźer den Jungen auch die Alten zu examinieren,
während er im Bericht so getan hatte, als sei dies schon
von jeher so geschehen.
1) In Siebleben waren 1635 und 1636 400 Personen an der Pest
gestorben. Beck I, S. 145.
96
Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Aber neben solchen Berichten, die sich bemĂĽhen, un-
angenehmen Fragen aus dem Wege zu gehen , und die
den Tatbestand wissentlich oder unwissentlich verschleiern,
stehen doch wieder andere, die mit groĂźer Sorgfalt und
Genauigkeit gearbeitet sind. Schon ein Blick auf den Um-
fang der Antworten zeigt uns ihre groĂźe Verschiedenheit.
Neben solchen Berichten, die einschlieĂźlich Seelenregister
nur 8 — 10 Seiten lang sind *■), stehen andere, deren Um-
fang sich auf 30 — 40, ja bis zu 90 Seiten erstreckt2).
Namentlich auf das Seelenregister haben die meisten
Pfarrer eine groĂźe Sorgfalt verwandt. Um einen Begriff
davon zu geben, wie diese Register angelegt sind und was
sie enthalten, will ich hier einige Beispiele folgen lassen.
So hat Michael Bitter in Friemar eine Tabelle auf-
gestellt, deren erste Zeilen folgendermaĂźen lauten :
Register der Zuhörer und
Einwohner
Lesen und
Schreiben
Beten
Predigt
—
unfleiĂźig
böslich
böslich
unfleiĂźig
fleiĂźig
unfleiĂźig
—
—
Bet-
stunde
1. Christianus Wagner
Marta uxor eius
Caspar us filius
2. Heinich Liebermeister
Catharina uxor
3. Thomas Kölstedt
Anna uxor
Paulus filius
Eva Kölstedts.
Ackermann
SchĂĽler
Taglöhner
Taglöhner
SchĂĽler
nicht
nicht
nicht
wenig
nicht
nicht
selten i
selten
fleiĂźig|
nicht
In dieser Weise geht es weiter 19 Seiten lang durch
101 Häuser und 382 Einwohner hindurch. Auch die
Familien des Pfarrers und der beiden Lehrer fehlen nicht.
1) Z. B. Warza: 3 Folioseiten Seelenregister, 5 Folioseiten
Antworten; Balls tädt: 3'/2 bezw. 9 Quartseiten; Brüheim: 9 bezw.
7% Seiten.
2) Der umfangreichste Bericht ist der von TĂĽttlebeu:
40'/2 Seiten Seelenregister, nahezu 51 Seiten Antworten. — Über
Gotha siehe Anm. zu S. 94.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645.
97
Jeder Einwohner erhält seine Note im Lesen und Schreiben,
im „Beten", d. h. im Hersagen von Gebeten und Kat-
echismus-Antworten, im Besuch des Gottesdienstes und der
Betstunde 1).
Von besonderem Interesse fĂĽr uns ist jedoch das
Register von TĂĽttleben. Der dortige Pfarrer Elias
Kilius, ein Mann von 47 Jahren, dessen wissenschaftliche
TĂĽchtigkeit zwar, ebenso wie die des Pfarrers von Frie-
mar, manches zu wĂĽnschen ĂĽbrig lieĂź, der es aber treu
und ehrlich mit seiner Gemeinde meinte, hat uns den um-
fangreichsten und auch einen der inhaltreichsten Berichte
geliefert. Bei dem Seelenregister begnĂĽgte er sich nicht
damit, auĂźer den Personalien seiner Gemeindeglieder einige
allgemeine Urteile ĂĽber ihre Kirchlichkeit und ihre Kat-
echismus-Kenntnisse anzufĂĽhren ; er teilt uns vielmehr genau
den Verlauf und das Resultat eines Examens mit, das er
der Reihe nach in allen Häusern abgehalten hat. Er hat
sich die Mähe nicht verdrießen lassen und ist von Haus
zu Haus gegangen, um die Leute nach den „Worten" und
dem „Verstand" des Katechismus zu fragen.
Es wird auch hier den besten Begriff geben, wenn
wir einfach den Bericht ĂĽber das erste Haus, das Kilius be-
sucht hat, wörtlich anführen.
1) Ahnlich angelegt sind auch die Seelenregister, die Bernhard
Gottschalk, Pfarrer von Großfahnerund Gierstädt, ausgearbeitet
hat, wie folgendes Beispiel zeigt:
Namen
Alter
Cat. -Wissenschaft
Sind in examine
bestanden :
Gemeiner
Lebenslauf:
1. Hans Zissig
Barbara, sein Weib
Hans Schmalz, sein
Stiefsohn
51
56
20
bene
utcunque
kann schreiben
und lesen.
Ist ein Fleisch-
hauer
ist im Kriegs-
wesen
XXVIII.
98 Die Generalvisitation Ernsts des Froramen
„Register uDer alle anvertraute Zuhörer Eliae Kilii, pastoris zu
TĂĽttleben.
Wie sie nach der Reihe vom Pfarrherrn seien ihres Alters halben
befragt und im Catechismo examinieret worden den 19. Januarii.
1. Haus.
Gotthard Buchner, Gemeindes-Diener, ist 33 Jahr alt.
Elisabeth Buchnerin, sein Eheweib, ist 37 Jahr alt.
Susanna Buchnerin, Töchterlein, ist 5 Jahr alt.
Dieser hat zwar seinen Catechismum in der Jugend gelernet
und kann denselben noch zur GenĂĽge neben seinem Weibe recitieren
und hersagen, und ist vom Pfarrherrn befragt und examiniert worden
auf folgende Fragen :
1) Wieviel Gebote im Gesetz Gottes? antwortet nur fĂĽnfe.
2) Wer die zehn Gebote gegeben? WeiĂź nicht.
3) Durch wen solche gegeben? WeiĂź nicht.
4) Wozu die zehn Gebote gegeben? WeiĂź nicht.
Kann sonsten ziemlichen lesen und schreiben, gehet auch fleiĂźig
zur Kirche, gebraucht das hochwĂĽrdige Abendmahl zu rechter Zeit.
Über dieses führet er gar eine böse Ehe und lebet mit dem
Weibe immer in Uneinigkeit, deswegen der Mann sie des Ungehor-
sams beschuldigt."
In derselben Weise wird ĂĽber jede einzelne Familie
berichtet. Alle 201 Gemeindeglieder wurden so examiniert,
der Bericht davon umfaĂźt nicht weniger als 40% Seiten.
Bisweilen wurden mehrere Familien zusammengenommen,
dann war die Zahl der Fragen, die man ihnen vorlegte,
entsprechend größer. 4 Fragen waren es überhaupt nur
im ersten Haus, in allen anderen wurden mindestens 6,
manchmal bis zu 26 Fragen gestellt ; meist waren es 10 bis
12. Das Examen war ganz dogmatisch gehalten und be-
traf bald dieses, bald jenes HauptstĂĽck des Katechismus.
Bestimmte Fragen kehrten immer wieder, so die nach
der Zahl der HauptstĂĽcke und der Gebote, sowie dem
Gesetzgeber (s. oben). Außerdem spielte die Trinität und
Christologie, sowie die Sakramentslehre eine groĂźe Rolle.
Immer wieder hören wir: „Wieviel sind Götter? Wieviel
Personen sind in der Gottheit? Wer hat uns erschaffen?
erlöst? geheiligt? Wer ist der Herr Christus? Wieviel
Naturen hat er ? Wovon hat er uns erlöst ? Womit
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 99
hat er uns erlöst? Wieviel Bitten hat das Vaterunser?
Wer hat uns beten lehren? Wieviel Sakramente haben
wir? Womit werden die Kinder getauft? Mit welchen
Worten werden sie getauft? Wer hat die hl. Taufe ein-
gesetzt?" usw. usw. Alle Fragen haben diesen allgemeinen
Charakter, nur ganz selten wird einmal auf einzelne Gebote
oder einzelne Bitten des Vaterunsers eingegangen.
Die Antworten auf diese Fragen zeigen nun oft eine
ganz unglaubliche Unkenntnis und nicht die geringste Spur
eines Verständnisses für die Lehren, die dem Volk als „not-
wendig zur Seligkeit" vorgetragen wurden. Die Antwort
im ersten Haus, daĂź es fĂĽnf Gebote Gottes gebe, zeigt das
ja schon zur GenĂĽge. Aber sie steht durchaus nicht allein,
vielmehr kehren ähnliche Antworten immer wieder. So
wird im vierten Haus gefragt: „Wer ist der Herr Christus?"
Darauf antwortet „das Weib": „Gott der Vater", die Magd:
„Gott der hl. Geist". Im neunten Haus wird die Frage:
„Wer hat dich erlöst?" von der Tochter mit „Gott der Vater"
und von der Mutter mit „Gott der hl. Geist" beantwortet,
und erst nachdem alles andere geraten ist, sagt der Vater
schließlich: „Gott der Sohn". Auf die Frage: „Wieviel
Naturen hat der Herr Christus?" hören wir im sechsten
wie im neunten Haus die Antwort: „drei", im 19. Haus
aber werden uns auf dieselbe Frage gleich drei verschiedene
Antworten gegeben, unter denen wir uns die richtige her-
aussuchen können: „drei, sieben und fünf". Daß wir drei
Götter haben, bekommen wir auch zweimal zu hören, im
11. und im 21. — 24. Haus. Ähnliche Beispiele ließen sich
noch in Menge anführen, doch mögen diese genügen. Wir
wollen gern zugeben, daĂź die Leute durch das Erscheinen
des Pfarrers in ihren Häusern, der seine Vorbereitungen
zum Examen jedenfalls mit großer Umständlichkeit traf,
verblĂĽfft und eingeschĂĽchtert waren ; die Ungeschicklichkeit
des Pfarrers mag vielleicht auch ihre GemĂĽter verwirrt
haben, so viel ist doch sicher, daĂź ihnen der Ausfall des
Examens nicht zum Ruhm gereicht. Trotzdem aber be-
7*
100 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
richtete Kilius jede Frage und jede Antwort getreulich
nach Gotha; und wir sind ihm noch heute zu Dank ver-
pflichtet, daĂź er uns durch seine Berichte einen so genauen
Einblick in die Verhältnisse seines Dorfes tun läßt.
Wieder anders als Kilius verfuhr der Pfarrer Samuel
Dietterich in Wolfsbe ringen. Er teilt in seinem
Seelenregister nicht das Resultat eines doch immerhin auf
mancherlei Zufälligkeiten beruhenden Examens mit, sondern
gibt positiv an, was die einzelnen Leute wissen. So heiĂźt
es z. B. bei Haus 8 :
„Hans Eeitz, ein Taglöhner, seines Alters 32 Jahre, kann
den Catechismus sehr schlecht, an Psalmen den 1. 2. 6. 7. 8. 13. 15.
16. 90., an SprĂĽchen 1. Joh. 1 das Blut, Joh. 3 Also hat, Syr. 50
Nun danket; kann notwendig schreiben und lesen.
Sein Weib Anna, ihres Alters 34 Jahr, kann ihren Catechis-
mum, an Psalmen den 1. 2. 3. 4. 6. 7. 8. 13. 22. 23. 24. 117., an
SprĂĽchen 1. Joh. 1 das Blut, Joh. 3 Also hat, Syr. 50 Nun danket,
an Gesängen die 10 Gebote, den Glauben, Vater unser, Christ unser
Herr, Wenn wir in höchsten, In dich hab ich; brauchen das hochw.
Abendmahl des Jahres zweimal.
Haben zwei Kinder durch Gottes Segen mit einander erzeugt:
Ein Knäblein von 5 Jahren, kann Morgen- und Abend- und Tisch-
gebet beneben den 10 Geboten. Item.
Ein Mägdlein von 7 Jahren, kann Morgen-, Abend- und Tisch-
gebet beneben den 10 Geboten; Erhalt uns Herr, 1. Joh. 1 Das
Blut, Joh. 3 Also hat Gott die Welt geliebet."
In gleicher Weise berichtet er ĂĽber das ganze Dorf,
36 Häuser mit 120 Einwohnern. Sein Seelenregister um-
faĂźt infolgedessen nicht weniger als 35 Folioseiten. Bei
manchen Häusern ist der Bericht sehr umfangreich, nämlich
immer, wenn es galt, eine größere Anzahl von Liedern und
Sprüchen aufzuzählen 1).
Noch eines Seelenregisters sei zum SchluĂź gedacht,
es ist das des Jakob Kuhnreich ĂĽber Neuroda und
1) Ebenso abgefaĂźt wie das vorliegende sind auch die Register
von Joh. Nehring ĂĽber Haina und Erfa (= Friedrichswerth) ;
nur tritt hier bisweilen an die Stelle der Angaben der einzelnen
Lieder, SprĂĽche und Psalmen der Vermerk, wieviel Psalmen,
SprĂĽche und Lieder dem Betreffenden bekannt sind.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 101
TraĂźdorf. Er gibt bei jedem einzelnen nicbt nur an,
wie oft, sondern auch wann er im letzten Jahr zur
Beichte und zum Abendmahl gegangen ist. Z. B. :
(Haus 3) „Haben confitieret
1. in vigil. Nativ. 1639.
2. Dom. 8. p. Trin. 1640."
(Haus 4) „Haben communicieret Ao. 1640
1. Dom. Reminiscere
2. Dom. 6. p. Trin.
3. Dom. 23. p. Trin."
Die Betrachtung der Seelenregister zeigt uns eine groĂźe
Mannigfaltigkeit in der Anlage und in der Auswahl der
aufgenommenen Notizen, aber mit wenig Ausnahmen finden
wir ĂĽberall eine groĂźe Sorgfalt in der Ausarbeitung. Ihr
Wert für uns ist nicht leicht zu hoch zu schätzen. Sie
geben uns nicht nur AufschluĂź ĂĽber die kirchlichen Ver-
hältnisse, über Gottesdienstbesucb, Teilnahme an Beichte
und Abendmahl und Katecbismus-Kenntnisse, sondern sie
sind vor allem wichtig in kultureller und wirtschaftlicher
Beziehung. Wir erfahren die genaue Einwohner- und
Häuserzahl eines jeden Ortes, wir erhalten einen Einblick
in das Zusammenleben der Familien, wir erfahren den Be-
ruf jedes Hausvaters, wir hören, wieviel Glieder der Ge-
meinde sich „im Kriegswesen" befinden und können aus
der groĂźen Zahl der Witwen und Waisen, wie aus dem
RĂĽckgang der Einwohnerzahl SchlĂĽsse ziehen auf die Ver-
wüstungen, die der Krieg angerichtet hat. Wir hören, wer
lesen und schreiben kann; wir können berechnen, wieviel
Prozent der Einwohner Analphabeten sind, und können dar-
aus schlieĂźen auf die Schulbildung bei Jungen und Alten,
beim männlichen und beim weiblichen Geschlecht.
Neben der Anfertigung der Seelenregister lag den
Pfarrern auch die Beantwortung der in dem Ausschreiben
gestellten Fragen ob. Auch diese wurde von vielen Pfarrern
mit groĂźer GrĂĽndlichkeit vorgenommen. Nicht alle machten
sich die Sache so leicht, daĂź sie nur summarisch ĂĽber die ver-
schiedenen Punkte berichteten, sondern sie antworteten auf
102 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
jede einzelne Frage. Kilius in TĂĽttleben und Schiott-
hauber in Mechterstädt setzten sogar fast jedesmal
vor ihre Antwort die betreffende Frage, so daĂź sich aus
ihren Berichten der Fragebogen beinahe lĂĽckenlos rekonstru-
ieren lieĂźe. Bemerkenswert ist auch der Bericht von
Warza, da uns der Pfarrer in ihm nicht nur Urteile ĂĽber
die Katechismus-Kenntnisse seiner Gemeindeglieder mitteilt,
sondern auch genauere Auskunft darĂĽber gibt, auf welche
Weise er den Katechismus betreibt und welche Fragen er
dabei stellt. Keinen ĂĽblen Eindruck machen auĂźerdem die
Berichte von Hausen und Ballstädt, Molschleben, Bufleben,
Goldbach und Remstädt, während der des Pfarrers von
Gamstädt in uns den Verdacht erweckt, daß sein Verfasser
alkoholischen Getränken nicht ganz abgeneigt gewesen sei.
Ein oder mehrere Konzepte von Predigten finden
wir nicht bei allen Berichten, obwohl deren Einsendung
in der fĂĽnften Frage des dritten Kapitels verlangt war.
Die Diaconi in Gotha unterlieĂźen die Ăśbersendung mit der
BegrĂĽndung, daĂź ihre Predigtweise ohnedies dem Super-
intendenten bekannt sei. Von den 30 anderen Pfarrern,
deren Berichte uns erhalten sind, haben nur 20 Predigt-
konzepte beigelegt, fĂĽnf von ihnen schickten zwei, die ĂĽb-
rigen je eins. Ritter in Friemar gibt bei dieser Gelegen-
heit gleich die Quelle an, aus der seine Predigt entnommen
ist, indem er als Überschrift darübersetzt: „Hom. 3. Heer-
manni". Am SchluĂź der Predigt gibt er noch die Dis-
position, die wörtlich aus Heermann stammt, sowie noch
einige andere Predigtdispositionen , die ebenfalls dorther
entlehnt sind. Seine ganze Arbeit bei der Predigt selbst
bestand darin, das Lateinische des Heermann ins Deutsche
zu übersetzen und noch etwas weiter auszuführen. — Noch
bequemer wie er machten es sich die Pfarrer von GroĂź-
F a h n e r und N a z z a. Sie schickten einfach die lateinische
ausgefĂĽhrte Disposition, die sie in irgend einer Postille ge-
funden hatten, nach Gotha ein. Ihre Predigtdispositionen
zeigen ein besonders kleines, zum „Spicken" geeignetes
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 103
Format und sind wohl jedenfalls von ihnen auf der Kanzel
benutzt worden. Ebenfalls in „Spickformat", aber in deut-
scher Sprache, liegen die zwei Predigten des Pfarrers von
Geschwenda und Gräfenroda vor, während Johannes Al-
brecht zu Gera seine Predigt zu neun Zehnteln in lateinischer
Sprache abfaßt. Wie weit diese Predigten auf selbständiger
Arbeit beruhen und wie weit sie aus Postillen entnommen sind,
kann ich hier nicht untersuchen, ebensowenig kann ich eine
Beurteilung der Predigten geben. Es wäre aber eine lohnende
Aufgabe, die etwa 25 Predigten, die uns hier vorliegen, ein-
mal einer genaueren Betrachtung zu unterwerfen. Man wĂĽrde
dadurch einen vorzĂĽglichen Einblick in die Predigtweise der
thĂĽringischen Landpfarrer des 17. Jahrhunderts bekommen.
Weniger eifrig und sorgfältig in der Beantwortung der
Fragen als die Pfarrer waren die Gerichtsherren und
Beamten. Von den Berichten der Räte der Städte
ist uns nur einer erhalten, nämlich der von Gotha. Er
leistet das Menschenmögliche in Umgehung der Fragepunkte
mit allgemeinen Redensarten. So lesen wir hier gleich
zu Anfang: „Was den 1. 2. 3. 4. und 5. Punkt anlangt,
kann der Rat hiervon keinen eigentlichen Bericht ein-
schicken, alldieweilen solch Werk nicht allein die Herrn
des Ministerii angehet, sondern auch mehrenteils in die
Obergerichte und also in das fĂĽrstliche Amt laufen tut.
Dahero nicht zu zweifeln, es werden sowohl die Herrn
Geistlichen als auch das fĂĽrstliche Amt allhier genĂĽgsamen
Bericht einschicken. Uns aber, dem Rat, ist von dergleichen
Lastern nichts grĂĽndlich bewuĂźt." Als Antwort auf die
11. — 20. Frage, „so mehrenteils auf die H. Geistlichen und
Schulen gerichtet", lesen wir, daß man „hierbei nichts zu
erinnern" habe, „sintemal bekannt und männiglich wissend,
daĂź sie sich in einem und dem andern dem Herkommen,
insonderheit aber der Coburgischen Kirchenordnung nach
gemäß bezeigen". Aus ähnlichen Redensarten besteht fast
der ganze 6y2 Seiten lange Bericht, nur auf die wenigsten
Fragen wird eine wirkliche Antwort gegeben.
104
Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Besser als mit dem Bericht des gothaischen Rates steht
es mit dem des Amtsverwalters Joh. Breithaupt zu
Gotha. Auch er ist der einzige seiner Art, da die Berichte
der übrigen Amtsschösser nicht mehr vorhanden sind. Breit-
haupt hatte sich von den Heimbürgen und Gerichtsschöppen
eines jeden Ortes im Amt Gotha ĂĽber die 55 Punkte be-
richten lassen und aus diesen mehr oder weniger ausfĂĽhr-
lichen Berichten *) eine Tabelle zusammengestellt , deren
Einrichtung aus dem folgenden Beispiel klar wird:
Artikel
Beantwortung
Dorfschaften
Ob die Unter-
tanen auch
gehorsam
sein?
WĂĽrde von einem immer eher als vom
andern der Gehorsam verspĂĽrt
Hans Wettel wäre der Obrigkeit un-
gehorsam
Balthasar Stein, sonsten keiner
Wäre der Ungehorsam bei niemand
als den Unvermögenden zu spüren
Friemar
Ballstädt
Hausen
Eschenbergen
Die Tabelle umfaĂźt 55 Seiten, auf jeder Seite steht
die Beantwortung einer Frage in bezug auf die 17 Ort-
schaften des Amtes Gotha. Sie gibt uns namentlich ĂĽber
die AmtsfĂĽhrung der Geistlichen und Schulmeister, ĂĽber
ihre Gehaltsverhältnisse, sowie über die Waisenpflege leid-
lich gute Auskunft.
Ă„hnlich wie Breithaupt verfuhren auch die adligen
Gerichtsherren. Die meisten von ihnen versuchten
zwar zunächst den Herzog durch einen kurzen summarischen
Bericht zufriedenzustellen ; als aber dieser Versuch keine
Anerkennung fand, antworteten sie dann nochmals aus-
fĂĽhrlicher. So hatten auch die Herren von Wangenheim
versucht, die Fragen durch einen drei Seiter. langen Be-
richt (vom 27. Januar) zu erledigen, und erst auf noch-
malige Aufforderung hin gingen sie daran, genauer zu be-
richten. Sie beschieden im Juni 1641 (am 10., 12., 16.
1) Eberstädt und Brüheini scheinen sich dabei die Sache be-
sonders leicht gemacht und entweder ĂĽberhaupt nicht oder nur auf die
ersten Fragen (und zwar jedesmal mit Nein) geantwortet zu haben.
im Herzogtum Sachsen- Gotha 1641 — 1645. 105
und 28.) nacheinander die „ältesten und mit Pflicht be-
legten Personen" jedes der 17 ihnen untergebenen Orte zu
sich, um sie ĂĽber die 55 Punkte zu befragen. Die Ant-
worten wurden genau protokolliert und das ganze Protokoll
nach Gotha geschickt. Es ist ziemlich ausfĂĽhrlich und um-
faßt etwa 35 Seiten. Ganz ähnlich verfuhren auch die
anderen adligen Gerichtsherren, z. B. die von Hopfgarten,
die ĂĽber Ebenheim und Nazza zu berichten hatten.
6. Das zweite fĂĽrstliche Ausschreiben (vom 20. Mai 1641)
und seine Folgen.
Bis zum Mai 1641 waren die meisten Antworten der
Pfarrer eingelaufen, während die Berichte der Gerichts-
herren entweder gar nicht oder in sehr ungenĂĽgender Ver-
fassung eintrafen. Da indessen auch einige Plarrer noch
im RĂĽckstand waren und andere mit ihren Berichten den
Anforderungen des Herzogs nicht entsprachen, wurde am
20. Mai 1641 ein zweites Ausschreiben erlassen, das
die Säumigen zu schleuniger Einsendung ihres Berichts und
die Oberflächlichen zu genauerer Berichterstattung auf-
forderte. Ihr Bericht soll sich hauptsächlich auf dieselben
drei Punkte erstrecken, die uns auch in dem ersten Aus-
schreiben entgegengetreten waren:
1) die grobe Unwissenheit im Verstände der göttlichen
Lehre des Catechismi,
2) die Fehler und Mängel in schuldiger Amtsgebühr,
3) die sonderbaren strafbaren Laster 1).
Neu kummt hier noch die Aufforderung hinzu, sich
darüber zu äußern, wie sie denken, „daß dem geklagten
groĂźen Abgang an den Pfarr- und Schulbesoldungen durch
Pferd- und Handfrohnen zum Ackerbau und dergleichen
Dienstleistungen . . . abzuhelfen sein möge". Das Schreiben
1) Siehe oben Bd. XXVII, S. 407.
106 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
wurde in zwei verschiedenen Formen , eine fĂĽr die Ge-
richtsherren , die andere fĂĽr die Pfarrer bestimmt, aus-
gefertigt und durch den Druck veröffentlicht. Die beiden
Formen stimmen in der Hauptsache wörtlich überein, nur
am Anfang und gegen SchluĂź finden sich einige gering-
fĂĽgige Abweichungen, die durch die Verschiedenheit der
Adresse bedingt sind 1).
Auf das zweite Ausschreiben reagierten vor allem die
Gerichtsherren. Sie sahen, daß es mit oberflächlicher
Berichterstattung nicht getan war, und so bequemten sie
sich wohl oder ĂĽbel dazu, genauere Antworten einzusenden.
So kamen jetzt ausfĂĽhrliche Berichte von Wangenheim,
Witzleben zu Liebenstein, Erfa, Teutleben, Seebach und
Hopfgarten. Die Pfarrer hatten zum größten Teil schon
geantwortet, einige verspätete Berichte liefen jetzt noch
ein, wie z. B. der von Nazza, der vom 4. Juni datiert.
Die meisten aber ließen das Ausschreiben völlig unberück-
sichtigt, da sie der Ansicht waren, daĂź die drei oder
vier Punkte desselben schon in der umfänglichen Antwort
auf die Fragen ihre Erledigung gefunden hätten. Wir
haben in den uns erhaltenen Akten nur neun Berichte
von Pfarrern auf das zweite Ausschreiben , die aus den
Monaten Juni bis Oktober datieren und meistens wenig um-
fangreich sind.
Damit war der weitaus größte Teil des vorbereitenden
Materials eingegangen. Einige Berichte kamen erst 1642
(z. B. Mechterstädt), andere blieben ganz im Rückstand.
In den Akten des Konsistorialarchivs zu Gotha fehlen die
Berichte der Pfarrer von Eberstädt, Liebenstein-Rippers-
roda, Kettmannshausen und Laucha. Aus einem „Ver-
1) Das Schreiben an die Pfarrer siehe Kons.-Archiv Loc. 19,
No. 23, das an die Gerichtsherren Staatsarchiv KK 7, Bd. 1, No. 4.
Außer den erwähnten Drucken besitzen wir noch zwei handschrift-
liche EntwĂĽrfe zu dem Schreiben an die Gerichtsherren (dat. 13.
und 15. Mai) und einen zu dem Schreiben an die Pfarrer (dat. 1 5. Mai),
alles in Loc. 18, No. 2.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 107
zeichniss, was an Visitations Acten manglet" aus dem Jahr
1644 l) geht auĂźerdem hervor, daĂź auch die Berichte der
Pfarrer von Tambach, Haarhausen und Nottleben, sowie
der Obrigkeit von Herbsleben und des Amtmanns von
Königsberg in Franken nicht eingelaufen sind 2). Dabei
wird das Fehlen der Berichte von Nottleben und Laucha
damit entschuldigt, daß die Pfarrer erst längere Zeit nach
ErlaĂź des Ausschreibens dorthin gekommen seien. Von
Kettmannshausen aber ist „kein Bericht vorhanden, weil
der Pfarrer das fĂĽrstliche Ausschreiben nicht bekommen".
Es ergibt sich somit, daß von den 110 — 120 Pfarrern des
Landes nur etwa 7 dauernd mit dem Bericht im RĂĽckstand
blieben.
Die Berichte wurden an das Konsistorium in Gotha
eingesandt; bald nach Eingang begann man hier sie durch-
zusehen und alle Punkte aufzuzeichnen, die einer Ă„nderung
bedürftig schienen. Dieser „Extract" aus den schriftlichen
Berichten wurde dann später mit dem Protokoll verglichen
und bildete mit diesem zusammen die Grundlage fĂĽr das
weitere Vorgehen der Visitatoren in den Gemeinden. Die
Berichte selbst wurden in 5 Aktenbänden gesammelt, von
denen im Konsistorialarchiv zu Gotha aber nur Bd. I und V
enthalten ist3). Ob die übrigen Bände vielleicht sonstwo
1) Kons.-Archiv Loc. 19, No. 12.
2) In dem „Verzeichniss, was . . . manglet" werden außerdem
4 Berichte von Pfarrern aus dem Amt Königsberg in Franken, näm-
lich von Königsberg, Unfinden, Holzhausen und Rügheim, als fehlend
bezeichnet. Doch läßt sich von dreien dieser Berichte nachweisen,
daß sie tatsächlich eingelaufen sind, und es ist auch nicht wahr-
scheinlich, daĂź der vierte (RĂĽgheim) ausblieb. Der Bericht von
Königsberg ist bei den Akten vorhanden (Loc. 19, No. 19), von Holz-
hausen haben wir wenigstens das Begleitschreiben des Substituten
Joh. David Fiedler (vom 3. Febr. 1641, in Loc. 18, No. 2), und bei
der „Durchsehung der extrahierten Mängel" wird außer Königsberg
auch Unfinden erwähnt. Vielleicht waren die Berichte bei Abfassung
des Verzeichnisses nur verlegt!
3) Bd. I (Stadt und Amt Gotha): Loc. 19, No. 23. Bd. V
(adlige Ortschaften): Loc. 19, No. 22. Die fehlenden Bände II bis
108 ÂŁ*ie Generalvisitation Ernsts des Frommen
noch vorhanden sind und wo sie sich befinden, vermag ich
nicht anzugeben. Vielleicht, daĂź ein glĂĽcklicher Zufall sie
eines Tages einmal ans Licht befördert! Außer den in
Bd. I und V enthaltenen Berichten liegen uns, in anderen
Akten zerstreut, noch einige Seelenregister und Präparations-
berichte vor x) ; auch die Berichte aus den eisenachischen
Gebieten, die 1645 nach dem Tode Albrechts an Ernst
fielen, sind zum groĂźen Teil noch vorhanden2).
III. Die Schulyisitation.
1. Die Visitation des Gymnasiums zu Gotha.
Fast gleichzeitig mit der Absendung des ersten Aus-
schreibens begann Ernst auch damit, eine Visitation des
Gymnasiums zu Gotha vorzunehmen 3). Diese Schule, die
einst nnter dem Rektorat Wilkes eine BlĂĽtezeit erlebt
hatte (1592 — 1629), ging jetzt unter dem Rektor Joh. Weitz
mehr und mehr dem Verfall entgegen. Die Disziplin sank
dahin, Lehrer und SchĂĽler standen einander fremd und
gleichgĂĽltig gegenĂĽber. Weitz, ein altersschwacher Mann,
hatte nicht die Kraft, der einreiĂźenden Zuchtlosigkeit zu
wehren und war ohne Anregung in seinem einförmigen
Unterricht. Um diesen Zuständen ein Ende zu machen,
berief Ernst in der Person des Andreas Reyher einen
IV enthielten die Amter Reinhardsbrunn, Georgenthal, Schwarzwald,
Ichtershausen, Tonndorf, Mühlberg und Königsberg, die Sequestratur
Herbsleben und die erfurtischen Dörfer.
1) Siehe den Präp.-Bericht von Königsberg in Loc. 19, No. 19,
den von Ruhla in Loc. 19, No. 28.
2) Loc. 19, No. 31: 4. Amt u. Stadt Heldburg u. Ummerstadt.
Loc. 19, No. 12: 5. Amt Volkenroda. 6. Schwarzhausen, Sättelstädt
u. Schönau mit Filialen. Loc. 1 9, No. 29: Amt u. Stadt Salzungen,
Amt Kreienberg, Gericht Altenstein.
3) Näheres über das Gymnasium zu Gotha, die Berufung von
Reyher und die Visitation siehe Bohne, a. a. O. S. 190 ff. — Vgl.
auch MĂĽller, Herzog Ernsts Spezialbericht, S. 128 f.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 109
neuen Rektor an das Gymnasium zu Gotha. Weitz wurde
mit vollem Gehalt und der Verleihung des Direktortitels pen-
sioniert. In einem Schreiben vom 9. Januar 1641 sagt Ernst,
er habe Reyher zum Rektor berufen, während „der auch
wohlgelahrte, unser lieber getreuer M. Johann Weitz, einen
Weg als den andern noch bei besagter unserer Schule ver-
bleiben und als Director geachtet werden soll". Reyher
kam Ende 1640 von Schleusingen, wo er vorher als Rektor
des dortigen Gymnasiums gewirkt hatte, nach Gotha und
wurde am 11. Januar feierlich in sein Amt eingefĂĽhrt1).
Aber schon lange vorher, am 16. November 1640, hatte
er von Schleusingen aus einen „Unvorgreiflichen Entwurf
ĂĽber die Einrichtung des Gothaischen Gymnasii" ausge-
arbeitet, in dem er seine Pläne bezüglich der Umgestaltung
des Gymnasiums entwickelte. Sofort nach seiner Ankunft
in Gotha, noch vor der EinfĂĽhrung in sein Amt forderte
ihn Ernst sodann auf, ein Gutachten ĂĽber den Zustand
des Gymnasialgebäudes, das er ja inzwischen hatte in
Augenschein nehmen können , abzugeben. Reyher kam
dieser Aufforderung am 4. Januar 1641 nach und hob in
seinem Gutachten nicht weniger als 18 Gebrechen hervor,
aus denen man schließen kann, daß das Gebäude sich da-
mals in fast unbrauchbarem Zustand befand. In einem
dritten Gutachten vom 12. Januar ging Reyher nochmals
auf dieselben Mängel ein und machte zugleich Vorschläge
zur Ausbesserung ; auch brachte er hier neue Pläne über
die Ausgestaltung des Unterrichts 2).
Alle diese Gutachten waren jedoch nur die Vorbereitung
zu der genaueren Visitation des Gymnasiums. Diese wurde
bereits am 13. Januar angeordnet und zu Visitations-
kommissären die Herren Simon Malsius, Glaß, Brunchorst,
Christoph von Hagen, der Amtsverwalter Johann Breit-
1) Originalschr. des Herzogs vom 9. Januar 1641 , Loc. 19,
No. 19.
2) Bohne, S. 193—197. Müller, S. 128 f.
HO Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
haupt und die BĂĽrgermeister Emmerich Pfefferkorn und
Johann WeidemĂĽller zu Gotha bestellt x) .
Bereits am folgenden Tag berief Malsius die Präzep-
toren des Gymnasiums zusammen, unter seinem Vorsitz fand
darauf im Beisein der ĂĽbrigen Visitatoren die Befragung
der Lehrer statt. Das von Chr. von Hagen gefĂĽhrte Proto-
koll ist uns noch erhalten. Besonders interessant sind hier
die Aussagen des Konrektors HeĂź, der mit vollem Frei-
mut die Schäden am Gymnasium aufdeckte, während die
1) Das Ausschreiben der Visitation des Gymnasiums hat fol-
genden Wortlaut :
„Von Gottes gnaden Ernst Hertzogk
zu Sachsen, JĂĽlich, Cleve vnd Bergen etc.
Würdige, Vester, Hochgelahrte, Andächtige vnd Lieben getreue.
Dieweill die Schulen in einem wohlbestelten .Regiment nechst GĂĽt-
lichem wortt das höchste Kleynod, vnd gleichsam schöne Gärten
sein, darinnen allerhand fruchtbare bäume erzogen werden, welche
mann hernachmahl mit grosem nutz in Kirchen vnd Regimenter
versetzen thut, So will vmb soviell desto mehr von nöten sein, dass
mann mit fleis derselben wahr nehme, vnd sie bey gutem flor con-
tinuirlich erhalte. Dieses nun bey uns erwegende, haben wier nicht
weniger vnsers hohen Ambts zu sein erachtet, vf die alhier zu Gotha
sich befindende Landschuel nachfrag zuhalten, vmb zuerfahren, wie
es mit derselben beschaffen, Damit sodann nach befindung entweder
sie in Ihrem esse conserviret, oder dofern irgend eintziger mangell
eingerissen, vnd dadurch verwildert wehre, selbige vorbessert, vnd
also zu gutem Wohlstand wieder gebracht werden möge, Dahero wier
auch Euch hiermit Commission auftragen wollen, gnädig dabey be-
gehrende, Ihr wollet Euch mit einander förderlich einer gewissen
Zeit vergleichen, inss Augustiner Kloster verfĂĽgen, vnd vermittelst
erfolgender Puncten fleissige inquisition anstellen,
1. Wass ieder Collega vor mängell in der Schuell vnd not-
wendige verbesserungs Puncten nach bestem gewissen anzuzeigen
wisse ?
2. Was bissher die verordnete praeceptores der Schuelen fĂĽr
Lectiones gehalten, vnd was die Discipuli dabey proficirt in allen
Classibus ?
3. Was fĂĽr disciplin in gemein bey der Schull gehalten, vnd
absonderlich bey den Alumnis im Closter?
4. Wie die Alumni bisher verpfleget worden, vnd wie solche
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. Hl
ĂĽbrigen Lehrer und vor allem der Direktor Weitz diese
mehr zu verhüllen suchten. Gleich zu Beginn des Verhörs
wurden die Lehrer aufgefordert, das, was sie jetzt mĂĽnd-
lich eicht vorbringen könnten, schriftlich aufzusetzen und
den Visitatoren einzureichen. Das geschah denn auch gleich
am folgenden Tage. Wir haben die Berichte des Direktors
Weitz, des Konrektors HeĂź und der vier ĂĽbrigen Lehrer
des Gymnasiums. Sie tragen denselben Charakter wie die
mĂĽndlichen Aussagen; auch hier ist der Bericht des Kon-
rektors Heß der ausführlichste, während der von Weitz
den geringsten Umfang hat x). Das Protokoll der mĂĽnd-
lichen Verhandlung und die schriftlichen Berichte bildeten
im Verein mit den Gutachten Reyhers die Unterlage fĂĽr
die Reformen im Gymnasialwesen, die unter Reyhers Lei-
tung in den folgenden Jahren vorgenommen wurden. Be-
reits der im Februar 1641 stattfindende Landtag beschäftigte
sich mit der „Reformation und Verbesserung des Gymnasii",
indem er die dazu nötigen Gelder bereitstellte ; die Arbeit
der folgenden Zeit war zunächst der Beseitigung der äußeren
Mängel und sodann der Verbesserung der Lehrweise ge-
widmet2).
stipendia angewandt, Ob auch solche an dergleichen angeleget, darbey
man gutes profects vnd fortkunfft in studijs zugewarten?
5. Wie die gebäude zum Closter vndt Schuell gehörig in acht
genommen werden ?
6. Was vor Ordnung in den Lectionibus, die Autores, horas
vnd praeeeptores betreffend, anzustellen?
Vnd von diesem allen, wie sie es befunden, vnd was sie dabey
zuthun erachten, Vns schrifftliche Relation thun, An deme geschieht
vnsere gefällige meinung, vnd wier seindt Euch mit gnaden gewogen.
Datum Gotha, den 13. Januarij Ao. 1641.
Ernst H. z. Sachsen."
Original in Loc. 19, No. 19. Adressaten sind die oben genannten
Herren mit Ausnahme Breithaupts, der durch Reyher ersetzt ist.
Die Spuren der Ă„nderung sind auf dem Originalschr. noch zu erkennen.
1) Siehe Loc. 19, No. 19. Vgl. auch Bohne, S. 197 ff.
2) Vgl. § 3 des Landtagsabschieds vom 24. Febr. 1641. Ru-
dolphi, Goth. dipl. IV, S. 2.
112 Die Generalvisitation Ernste des Frommen
2. Die Visitation der ĂĽbrigen Schulen des Landes.
Die Instruktion und die Visitationsfragen.
FĂĽr uns kommt die Visitation des Gymnasiums zu
Gotha nur in Betracht als Vorspiel der Visitation der
Schulen des ganzen Landes. Wir sahen, daß die Prä-
parationsfragen auch eine ganze Reihe von Fragen ĂĽber
die Schule enthielten; sie sollten eine Vorbereitung fĂĽr
die Kirchen- und Schul Visitation bilden. UrsprĂĽnglich
war in Aussicht genommen worden, die Visitation sofort
auf die Einsendung der Berichte folgen zu lassen, aber
infolge des „besorglichen Zustandes des Landes", mehr noch
infolge der „Bedenken" Kromayers war der Beginn der
eigentlichen Visitation immer mehr hinausgeschoben worden.
Gerade der Sommer 1641 war fĂĽr die DurchfĂĽhrung einer
Visitation ja auch sehr wenig geeignet. Wurde doch ge-
rade in diesem Sommer das Land wiederholt von Kriegs-
unruhen , TruppendurchzĂĽgen und PlĂĽnderungen heimge-
sucht. Die Unsicherheit auf dem Lande erreichte ihren
Höhepunkt im Herbst des Jahres. Damals flüchteten die
Bewohner der Dörfer samt ihren Pfarrern und Lehrern viel-
fach in die befestigten Städte *), weil die fremden Truppen
den Aufenthalt auf dem Lande höchst gefährlich machten.
Das alles erschwerte die DurchfĂĽhrung einer Visitation;
trotzdem aber gab Ernst den Gedanken nicht auf, sondern
beschloß, zunächst einmal mit der Schulvisitation den Anfang
zu machen und dabei gerade die Gelegenheit zu benutzen,
daß „wegen der jetzigen Kriegsunruhen sich die meisten
geistlichen und weltlichen Landeseinwohner samt allen den
Ihrigen" in die Stadt Gotha oder in andere befestigte Städte
begeben hatten. Durch ein Ausschreiben vom 23. Oktober
1641 befahl er den Superintendenten und Adjunkten, zu-
sammen mit den weltlichen Behörden ihrer Bezirke die
1) Galletti, Gesch. u. Beschreibung des Herzogtums Gotha, II,
S. 118.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 113
ihnen unterstellten Schulen zu visitieren t). Gleichzeitig
wurde eine Instruktion ausgearbeitet und eine Anzahl von
Fragepunkten aufgesetzt, die die Pfarrer, die Schulmeister
und die Dorfältesten zu beantworten hatten. Beides wurde
alsbald den Visitations-Kommissionen der einzelnen Bezirke
zugestellt. Diese Kommissionen bestanden meistens aus
dem Superintendenten oder Adjunkten und einem oder zwei
Vertretern der weltlichen Obrigkeit. Nur fĂĽr das Amt
Gotha wurden mehr als drei Visitatoren bestellt2).
1) In Loc. 19, No. 19 haben wir 2 Originalexemplare, das eine
fĂĽr das Amt Gotha, das andere fĂĽr die Amter Georgenthal und Rein-
hardsbrunn, in Loc. 18, No. 2 sind auĂźerdem noch 2 Konzepte vor-
handen. Alle SchriftstĂĽcke tragen das Datum: 23. Oktober 1641.
Wenn Gelbke I, B. 10, Beck I, S. 520, Bohne S. 115, Heppe, Volks-
schulwesen II, S. 211, Weniger, Zeitschr. f. ThĂĽr. Gesch. N. F. X,
S. 428, und MĂĽller S. 130 ĂĽbereinstimmend den 13. Oktober als
Datum angeben, so ist das entweder ein Irrtum, oder sie beziehen
sich auf ein anderes, mir unbekannt gebliebenes Schreiben. DaĂź der
Unterschied des julianischen und gregorianischen Kalenders hier in
Betracht käme, glaube ich nicht, da sonst alle Daten nach dem
julianischen Kalender angegeben werden (vgl. MĂĽller, S. 79).
2) Die Visitatoren der einzelnen Bezirke sind, soweit wir sie
noch feststellen können, folgende :
Superintenden tur Gotha: GlaĂź , Brunchorst, Thilo,
GnĂĽge, Breithaupt, Beyher und Nicolaus Tressel, Amtsschreiber zu
Gotha. (Vgl. das Originalschreiben vom 23. Oktober, sowie den
Bericht der Visitatoren vom 5. November [Loc. 19, No. 19]. Reyher
ist erst später hinzugekommen. Sein Name fehlt in dem Konzept
des Schreibens, und auch im Original ist er erst durch nachträg-
liche Korrektur eingefĂĽgt. Doch ist der Bericht ĂĽber die gehaltene
Visitation von ihm mitunterschrieben.)
Adjunktur Waltershausen: M. Johann Schmidt, Ad-
junkt zu Waltershausen, und Andreas Wex, Schösser zu Tenneberg.
Adjunktur Schönau: Martin Wandersieben, Pfarrer und
Adjunkt zu Schönau. Dazu kam :
fĂĽr das Amt Georgenthal Boppo SilchmĂĽller,
für das Amt Reinhardsbrunn Johann Melling, die Schösser der
betreffenden Amter.
Adjunktur MĂĽhlberg: Johann Christian Gotter, Adjunkt
zu Mühlberg (später, nach Glaß' Tod 1658, Generalsuperintendent
zu Gotha). Dazu kamen als weltliche Mitglieder:
XXVIII. 8
114 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Die Schulvisitation ist somit in der Art ihrer Durch-
führung von der Kirchenvisitation verschieden. Wir können
sie nicht als eine General-, sondern mĂĽssen sie als Spezial-
visitation bezeichnen. Denn einmal bezog sie sich nur auf
einen speziellen Punkt, nämlich die Schulen, sodann aber
wurde sie nicht von der Zentralstelle aus, sondern von
den Kommissionen der einzelnen Bezirke durchgefĂĽhrt, die
dann ihrerseits an das Konsistorium nach Gotha zu be-
richten hatten 1). Dieser Mangel an Zentralisation hatte aller-
dings den Vorteil, daĂź die Visitation in viel kĂĽrzerer Zeit
erledigt werden konnte als es sonst der Fall gewesen wäre ;
aber es war die Gefahr vorhanden, daĂź man die Sache weniger
grĂĽndlich betrieb, da der FĂĽrst ihre DurchfĂĽhrung lange
nicht in dem MaĂź in der Hand hatte, als wenn eine unter
seiner direkten Aufsicht stehende Kommission die Visitation
vorgenommen hätte. Trotzdem läßt sich hier nicht leugnen,
daĂź jedenfalls die Absicht bestand, bei der Untersuchung
der Schulen mit der größten Gründlichkeit vorzugehen ; das
beweist uns aufs deutlichste die Instruktion an die Visi-
tatoren und die dazu gehörigen Fragen.
fĂĽr die Amter Tonndorf, Ichtershausen (und Wachsenburg) :
Wolfgang Walther, Schösser zu Ichtershausen,
fĂĽr die Witzleben-Elgersburgischen Ortschaften: Kersten Rudolf
und Hans Melchior von Witzleben,
für die Witzleben-Liebensteinischen Dörfer: Ernst Friedrich
und Christian Rudolf von Witzleben,
für Gräfenroda (Schwarzburgisch) : Paulus Leicht, Schösser
zu MĂĽhlberg,
für Mühlberg, Wölfis und Crawinkel : Georg Starkloff zu Ohrdruf.
Un tergraf schaft Gleichen (Schwarzburgisch): M. Nico-
demus Lappe, Superintendent zu Arnstadt und Paulus Leicht, Schösser
zu MĂĽhlberg.
Superin tendentur Königsberg: M. Christoph Lau-
rentius, Superintendent, und Wilhelm Schröter, Dr. jur. und Amt-
mann zu Königsberg.
Superintendentur Wangenheim : M.Joachim Himmel,
Superintendent, und Johann Preger zu Wangenheim.
1) Vgl. Sehling, Kirchenordnungen, I, 1, S. 70.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 115
Die Instruktion1) enthält zunächst Anweisungen
fĂĽr die DurchfĂĽhrung der Schul Visitation. Die Lehrer sollen
ein Verzeichnis der SchulbĂĽcher, der Lektionen und der
Schulkinder aufstellen, darauf werden aus jeder Gemeinde
der Pfarrer, der Schulmeister und die Ă„ltesten ĂĽber be-
stimmte Punkte befragt, sodann findet das Examen des
Lehrers über seine „Erudition" und sein „donum institu-
endi" und zuletzt das Examen der Schulkinder statt. Die
letzteren sollen, nach einzelnen Klassen oder Abteilungen
getrennt, vorgenommen werden, damit man genau erkennen
könne, „was sie im Catechismo, von Sprüchen, Psalmen, Ge-
beten, item im Lesen, Schreiben und Eechnen gelernt und ob
sie die Buchstaben auch fein richtig aussprechen können". Die
anderen Kinder aber, die aus irgendwelchen GrĂĽnden seither
noch nicht zur Schule gehalten wurden, sind beweglich zu
ermahnen, sich doch jetzt in die Schule zu finden. AuĂźer
diesen Anweisungen für die Visitation selbst enthält die In-
struktion sodann noch genaue Angaben, wie den bei dieser Ge-
legenheit sich ergebenden „Mängeln" abgeholfen werden soll.
Die Fragepunkte, die von dem Pfarrer, dem Schul-
meister und den Ă„ltesten der Gemeinde zu beantworten
sind 2) , beziehen sich sowohl auf die Person des Schul-
meisters, seinen Lebenswandel, seine TĂĽchtigkeit zum Amt
und seine AmtsfĂĽhrung, wie auch besonders auf die Ver-
hältnisse der Schule und den Unterricht. Da wird nach
der Zahl der SchĂĽler, nach ihrer TĂĽchtigkeit und ihren
Fortschritten , nach der Stellung der Eltern zum Schul-
unterricht der Kinder, nach der Dauer des Schulbesuchs,
1) Das Original der Instruktion fĂĽr den Gothaer Bezirk be-
findet sich in Loc. 19, No. 19. Dat. 24. Okt. 1641. Die Instruktionen
fĂĽr die anderen Bezirke unterscheiden sich von der vorliegenden nur
durch die entsprechend geänderten Orts- und Personennamen. (Vgl.
die Konzepte dazu in Loc. 18, No. 2.)
2) Zweimal in dem Aktenband Loc. 19, No. 19 vorhanden.
Beide Exemplare stimmen fast wörtlich überein, nur hat B eine Frage
mehr als A. — Die Fragen sind abgedruckt Gelbke, Ernst d. Fr.,
III, S. 41 (im wesentlichen in der Fassung von A).
116 Die General Visitation Ernsts des Frommen
nach den Kenntnissen der SchĂĽler beim Abgang aus der
Schule, nach der Schulbildung der Knaben wie auch der
Mädchen gefragt. Ferner bildet der Unterricht in den
einzelnen Fächern, im Lesen, Rechnen, Schreiben und
Singen, die Methode des Lehrers und seine Disziplin, die
Examina und die Versetzung der SchĂĽler von einer Klasse
oder Abteilung zur anderen einen Gegenstand der Visitation.
Auch Wohnung und Besoldung des Lehrers bleibt nicht
unberücksichtigt, ebenso wird nach dem Verhältnis zwischen
Pfarrer und Schulmeister und nach der Aufsicht der Ge-
richtsherren ĂĽber die Schule gefragt. Von dem Pfarrer sind
dabei 50, von dem Schulmeister 30 und von den Altesten
12 Fragen zu beantworten1).
Wie verhält sich nun diese Instruktion mit ihren
Fragen zu frĂĽheren Bestimmungen ĂĽber die Schule, in-
sonderheit zu der Kasimirianischen Kirchenordnung? Be-
trachten wir zunächst diese Ordnung, die für uns von
größtem Interesse ist, da sie die damals im Gothaischen
eingefĂĽhrte Ordnung darstellt, so finden wir hier nur sehr
wenige Bestimmungen ĂĽber die Schule. Ein eigener Ab-
schnitt „von Schulen" fehlt; Kap. 7 und 8 beschäftigen
sich mit dem Katechismus und dem Fastenexamen, doch
wird hier mehr auf die Unterweisung der Erwachsenen
im Katechismus als auf den Unterricht der Kinder Wert
gelegt. Von diesem heißt es nur, man solle die Hausväter
ermahnen, „daß sie ihre Kinder, Knaben und Mägdlein (da
Mägdlein-Schulen gehalten werden) fleißig zur Schule halten,
darinnen sie unter anderm auch den Catechismum fĂĽr sich
auswendig lernen und andern vorlesen können" 2). Aus-
führlicher geht das Kapitel „von den Dorfküstern" auf den
Schulunterricht ein. Es werden hier nicht nur Bestimmungen
1) Außer diesen Fragen haben wir noch 14 „absonderliche
Fragen nach dem Coburgischen Methodo". Diese stehen in A und
B, fehlen aber bei Gelbke. Antworten auf diese Fragen finden wir
nur in einigen Protokollen des Amtes Eeinhardsbrunn.
2) Cob. K.-O. von 1626, S. 166.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 117
ĂĽber die kirchlichen Katechisationeu gegeben, sondern auch
der eigentliche Schulunterricht berĂĽcksichtigt. Es heiĂźt
hier, die Dorfküster sollen verpflichtet sein, „alle Sonntag
Nachmittag und in der Woche auf einen gewissen Tag die
Kinder den Catechismum und christliche deutsche Gesänge
D. Luthers mit FleiĂź und deutlich zu lehren und nach-
mals in den vorgesprochenen oder vorgelesenen Artikeln
wiederum zu verhören und zu examinieren". Außerdem
aber sollen sie auch „Schule halten und derselben täglich
mit allem FleiĂź . . . abwarten, darinnen die Knaben lesen,
schreiben und christliche Gesänge, so in der
Kirche gebraucht werden sollen, lehren, darauf der Pfarrer
fleiĂźiges Aufsehen haben und das Volk dazu vermahnen
soll . . . Weil auch in Visitationibus befunden worden,
daß auf etlichen Dörfern keine Mägdlein-Schulen
gehalten, als sollen die Kirchner und ihre Weiber ange-
halten werden, solche Mägdlein-Schulen anzustellen . . .'ll).
Unter den Fragen, die bei der jährlichen Visitation an den
AusschuĂź der Gemeinde gerichtet werden sollen, finden wir
auĂźerdem die folgende, die sich auf die Schule bezieht 2) :
„Ob der Küster vermöge der Kirchenordnung die Schule
angestellet und alle Tage aufs wenigste 4 Stunden
Schul' halte, besonders aber die Kinder in den Schulen
den Catechismum mit FleiĂź lehre und mit ihnen D. Luthers
geistliche Gesänge und Psalmen treibe?" Daneben er-
kundigt man sich nach der Aufsicht des Pfarrers ĂĽber die
Schule, nach der „Geschicklichkeit" des Schulmeisters und
nach Knaben mit „guten ingeniis", die auf Grund ihrer Be-
fähigung nach Absolvierung der Dorfschule in höhere Schulen
aufgenommen werden könnten. Den weitaus größten Raum
aber unter den Fragen „von Schulen, von Küstern und
vom Catechismo" nehmen neben dem Amt, der Amts-
fĂĽhrung und dem Lebenswandel des KĂĽsters die kirch-
lichen Katechisationen ein , während die Bestim-
1) Vgl. Cob. K.-O., S. 317—320.
2) a. a. O. S. 252.
Hg Die General Visitation Ernsts des Frommen
mungen ĂĽber den eigentlichen Schulunterricht demgegenĂĽber
durchaus zurĂĽcktreten.
Viel ausfĂĽhrlicher als die Casimiriana geht die Kirchen-
ordnung des KurfĂĽrsten August von Sachsen von 1580 (in
zweiter Auflage erschienen 1618) auf die Schulen ein. Wir
haben hier eine ausfĂĽhrliche Schulordnung, die sich aller-
dings zum weitaus größten Teil mit den höheren Schulen
beschäftigt, doch auch die „deutschen Schulen in Dörfern
und offenen Flecken" nicht unberücksichtigt läßt. Sie gibt
mancherlei Bestimmungen ĂĽber die Einteilung der SchĂĽler
in verschiedene „Häuflein", über den Unterricht im Lesen
und im Schreiben, ĂĽber SchulbĂĽcher, Disziplin usw., die
unserer Instruktion ziemlich nahestehen, die aber in der
Casimiriana völlig fehlen. Nur die Visitationsfragen der Kur-
fĂĽrstlichen Kirchenordnung ĂĽber die Schule und den Schul-
meister-KĂĽster decken sich mit denen der Casimiriana 1). Die
größere Ausführlichkeit der Kurfürstl. Kirchenordnung ist
wohl dadurch bedingt, daĂź sie aus einer Zeit stammt, in der
die Schulen noch nicht so allgemein verbreitet waren als zu
Anfang des 17. Jahrhunderts. Sie rechnet damit, daĂź an vielen
Orten die DorfkĂĽster noch keine Schulen halten, und bestimmt
deshalb, daĂź ĂĽberall die KĂĽsterei nur solchen Personen
ĂĽbertragen werde, die lesen und schreiben und, wenn nicht
das ganze Jahr, so doch im Winter Schule halten können 2),
während die Casimiriana die Bestimmungen über die Schule
als im wesentlichen durchgefĂĽhrt ansieht und deshalb des leb-
haften Interesses fĂĽr den Schulunterricht der Kinder entbehrt.
Dieses Interesse tritt jedoch deutlich wieder hervor
in dem „Verzeichnis etzlicher Articul" vom Januar 1641 3),
sowie in der Instruktion und den Schulvisitationsfragen vom
Oktober desselben Jahres. Wenn wir diese VerfĂĽgungen
1) Kurf. K.-O, Ausg. von 1618, S. 195—201. 241—243. Unserer
Instruktion noch näher steht die bekannte Weimarische Schulord-
nung von 1619.
2) a. a. O. S. 121.
3) Vgl. oben Bd. XXVII, S. 404. 415.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 119
betrachten, so können wir in ihnen deutlich einen Fort-
schritt gegen frĂĽher wahrnehmen, wir dĂĽrfen diesen Fort-
schritt nur nicht in irgend einer bahnbrechenden neuen Idee
sehen, sondern vielmehr zunächst nur in der Bemühung,
mit den bestehenden Bestimmungen einmal wirklich Ernst
zu machen und sie durchzufĂĽhren, um auf dieser Grund-
lage dann weiterbauen zu können. Der Visitationsbefund
zeigt uns, daĂź es an einer DurchfĂĽhrung der VerfĂĽgungen
ĂĽber die Schule noch vielfach gefehlt hat. Zwar ist die
Schilderung Böhnes von dem traurigen Zustand der Schulen
bei Beginn der Regierung Ernsts 1), wie aus den Akten
hervorgeht, stark ĂĽbertrieben. Indessen bereitete sich doch
allmählich infolge des Krieges ein Verfall vor. Es bestanden
wohl ĂĽberall Schulen, aber einige Lehrerstellen waren unbe-
setzt, an manchen Orten waren die Lehrer infolge der ein-
getretenen Armut genötigt, die Schule zu vernachlässigen und
anderen Beschäftigungen nachzugehen 2), die Eltern brauchten
ihre Kinder oft selbst zur Arbeit und schickten sie deshalb
nicht zur Schule, vor allem nahmen sie sie vielfach wieder
aus der Schule, ehe sie etwas Rechtes gelernt hatten, kurz der
Unterricht litt an vielen Unterbrechungen und Unregelmäßig-
keiten. Hier griff nun Ernst ein mit seinen Schulreformen,
zunächst mit der Schulvisitation. Wenn wir die Instruktion
mit ihren Fragen unter diesem Gesichtspunkt betrachten, so
können wir als charakteristisch folgende Punkte herausheben :
1) Stärkere Betonung der Pflicht der Pfarrer (und
der Gerichtsherren), sich um die Schule zu kĂĽmmern.
2) Stärkere Betonung der Pflicht der Eltern, die
Kinder zur Schule zu schicken: der Schulzwang nicht nur
für Knaben, sondern auch für Mädchen wird durchgeführt.
3) Stärkere Betonung der Pflicht des Lehrers, ge-
wissenhaft Schule zu halten , seine Obliegenheiten nicht
über anderen Beschäftigungen zu versäumen und die Kinder
1) Die päd. Bestrebungen, S. 105 f.
2) Der Angabe Böhnes, daß die Lehrer „fast ausnahmslos zu-
gleich ein Handwerk betrieben", widerspricht der Visitationsbefund.
120 Die General Visitation Ernsts des Frommen
nicht zu seinen Privatgeschäften zu benutzen. Vor allen
Dingen aber :
4) Genaueres Eingehen auf die Einzelheiten des
Schulunterrichts. Während bei den früheren Visitationen
sich die Fragen mehr auf das Formelle der Schuleinrich-
tungen, sowie auf die persönlichen Verhältnisse des Lehrers
als auf den Inhalt des Unterrichts und Erziehungsplanes
bezogen *), wird hier der Unterricht in den einzelnen Fächern
nach Inhalt und Methode zum Gegenstand eingehender
Untersuchung gemacht. Namentlich die Instruktion gibt
in dem Abschnitt, der von den „abzustellenden Mängeln"
handelt, genaue Anweisungen ĂĽber Inhalt und Methode
des Unterrichts im Katechismus, im Lesen, Schreiben und
Singen. Vor allem die Methode des Buchstabier-, Syllabier-
und Leseunterrichts wird eingehend behandelt, es wird so-
gar von den Lehrern verlangt, daĂź sie nach der Visitation
noch einen halben oder ganzen Tag zur Stelle bleiben,
damit sie von den Visitatoren mit Zuziehung des Rektors
Reyher richtige Information ĂĽber diesen Unterricht empfangen.
Viele dieser Bestimmungen kehren im I. Spezialbericht von
1642 2) ähnlich, oft nahezu wörtlich wieder, wie denn über-
haupt unsere Instruktion als eine Vorstufe zu diesem zu
betrachten ist, und wir gehen daher gewiĂź nicht fehl, wenn
wir dem Rektor Reyher einen maĂźgebenden EinfluĂź bei
ihrer Ausarbeitung zuschreiben. Sein Name wird in der
Instruktion selbst erwähnt, er war die rechte Hand des
Herzogs bei allen seinen Schulreformen, und es ist nicht ein-
zusehen, warum er nicht auch hier beteiligt gewesen sein soll.
Wir mĂĽssen die Schulinstruktion des Herzogs be-
trachten als das Glied einer Entwicklung, die später durch
den I. Spezialbericht weitergefĂĽhrt wurde. Wir sehen, wie
sich die Anschauungen über die Volksschule allmählich
wandeln, wie der Schwerpunkt von der kirchlichen mehr und
mehr auf die weltliche Seite gelegt wird, wie die Schule
1) Berbig, Joh. Gerhards Visitationswerk (1613), S. 97.
2) Der ersten Auflage der unter dem Namen „Schulmethodus"
bekannten Schulordnung des Herzogs.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 121
langsam und leise beginnt, sich von der Kirche zu lösen
und eine selbständige Bedeutung zu gewinnen. Wir können
diese Entwicklung in folgenden Punkten beobachten :
1) Die Schule war seither in erster Linie Latein-
schule, Vorbereitungsanstalt fĂĽr Gelehrte und Geistliche.
Die Kursächsische Kirchenordnung begründet die Not-
wendigkeit von Schulen damit, daĂź man weise, gelehrte,
verständige Männer haben müsse, die „der Kirche Gottes
nĂĽtzlich dienen und zu den Regimenten gebraucht werden
mögen" i), und noch das Ausschreiben betr. die Visitation
des gothaischen Gymnasiums (13. Jan. 1641) vergleicht
die Schulen mit Gärten, „darinnen allerhand fruchtbare
Bäume erzogen werden, welche man hernachmal mit gro-
Ăźem Nutz in Kirchen und Regimenter versetzen tut" 2).
Dementsprechend nahmen in der Kursächsischen Kirchen-
ordnung die Bestimmungen über die höheren Schulen
einen weitaus größeren Raum ein als die über die Dorf-
schulen (73]/2 gegen 5 72 Seiten). Die deutschen Schulen
auf dem Land kamen gegenĂĽber den Stadtschulen erst sehr
in zweiter Linie in Betracht, und zwar teils als Vorbe-
reitungsanstalten fĂĽr die Lateinschulen, teils als Einrich-
tungen, um den Kindern den Katechismus beizubringen.
Auch bei Ernst dem Frommen wirkt diese Betrach-
tungsweise noch nach, wie die oben angefĂĽhrte Stelle (bei
der man allerdings beachten möge, daß sie aus einem auf
das Gymnasium bezĂĽglichen Schreiben stammt) deutlich
beweist; ja selbst der I. Spezialbericht kann es nicht ganz
verleugnen, daĂź er aus einer Ordnung fĂĽr die unteren
Klassen der Gymnasien herausgewachsen ist. Doch be-
weist demgegenĂĽber schon allein die Tatsache einer so
eingehenden Visitation der Dorfschulen und die Herausgabe
einer so ausfĂĽhrlichen Schulordnung fĂĽr diese, daĂź den
deutschen Schulen auf den Dörfern doch auch eine selb-
ständige Bedeutung zuerkannt wird.
1) Kurf. K.-O., Ausg. von 1618, S. 118.
2) Vgl. oben S. 110, Anmerk.
122 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
2) Die Dorfschule hatte ursprĂĽnglich vor allem den
Zweck, den Kindern den Katechismus beizubringen ; Lesen
und Schreiben kam, wenn ĂĽberhaupt, erst an zweiter Stelle,
Rechnen fehlte meist ganz. Auch bei Ernst steht der Kat-
echismus-Unterricht noch unbedingt an erster Stelle, aber
daneben wird doch viel mehr Wert als bisher auf Lesen und
Schreiben gelegt. Ăśber den Rechenunterricht fehlen aller-
dings genauere Bestimmungen in der Instruktion ; er wird
aber, wenn auch kurz, sowohl hier wie in den Fragen er-
wähnt , dagegen werden ausführliche Anweisungen über
den Lese- und Schreib Unterricht gegeben. Noch viel ge-
nauer geht dann der I. Spezialbericht auf den Unterricht
im Lesen (Buchstabieren und Syllabieren), Schreiben, Rech-
nen und Singen ein.
3) Das Hauptamt des Lehrers war frĂĽher das KĂĽster-
amt, nur nebenher hatte er die Kinder im Katechismus
und auch etwas im Lesen und Schreiben zu unterrichten 1).
Auch jetzt findet noch keine Loslösung des Schulamts vom
KĂĽsterberuf statt, aber dieses tritt doch gegenĂĽber dem
ersteren mehr und mehr in den Hintergrund. Der Zu-
sammenhang zwischen Kirche und Schule bleibt dabei
völlig bestehen, auch als Schulmeister bleibt der Küster
Untergebener des Pfarrers, ja das Aufsichtsrecht und die
Aufsichtspflicht des Pfarrers wird sehr stark betont.
3. Die DurchfĂĽhrung der Visitation in den einzelnen
Bezirken.
Die Instruktion mit den Fragen wurde den Visitations-
kommissionen der einzelnen Bezirke zugestellt. Die Ad-
junkten, Superintendenten und weltlichen Behörden hatten
1) DaĂź es in anderen Gebieten, z. B. in der Obergrafschaft Catzen-
elnbogen, anders war, beweist Diehl, SchulgrĂĽndungen, S. 3ff. 125 ff.
Dort finden wir in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine große
Anzahl Lehrer mit theologischer Vorbildung, denen der Lehrerberuf
die Durchgaugsstufe zum Pfarramt war, während in Thüringen theo-
logisch gebildete Lehrer nur ganz vereinzelt vorkommen.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 123
den Empfang zu bestätigen x) und unverzüglich die Visi-
tation iDS Werk zu setzen. In Gotha war ursprĂĽnglich
vorgesehen, schon am Tag nach dem Erscheinen der In-
struktion, Montag, den 25. Oktober, mit der Visitation zu
beginnen; doch wurde tatsächlich erst am folgenden Tag
der Anfang gemacht. Jeden Tag wurden Pfarrer und Ge-
meindeglieder von 3 — 4 Dörfern befragt, so daß bereits
bis zum Freitag derselben Woche die meisten Dörfer des
Amtes Gotha erledigt waren 2). Dienstag, den 2. November,
wurden sodann die Pfarrer, Lehrer und Schulkinder aller
Gemeinden nochmals vorbeschieden und die PrĂĽfung der
Schulkinder vorgenommen. Nach SchluĂź des Examens hielt
GlaĂź den Kindern eine Ansprache, in der er sie unter Hin-
weis auf den göttlichen Lohn und die göttliche Strafe zu
stetem PleiĂź und Gehorsam ermahnte. Dann wurden die
Kinder entlassen, nur die „feinen Knaben mit guten in-
geniis" behielt man noch zurĂĽck und fragte sie, wie alt sie
seien, ob sie singen könnten, wie viel Psalmen sie singen
könnten, wieviel Psalmen sie gelernt, was sie für einen
Anfang im Latein hätten. Den Schulmeistern aber wurden
die Anweisungen der Instruktion ĂĽber die Methode ihres
Unterrichts vorgelesen und zugleich befohlen, sie sollten
am nächsten Tag wieder erscheinen und „in das Audi-
torium sextae classis durch den Rector gefĂĽhrt werden".
Hier erhielten sie jedenfalls die in der Instruktion vor-
1) Wir haben in Loa 18, No. 2 Empfangsbescheinigungen von
Joh. Himmel, Superintendent zu Wangenheim, und von dem fĂĽrst-
lichen Amt Reinhardsbrunn.
2) 26. Okt.: Remstädt, Siebleben; nachm. Warza, Goldbach.
27. Okt.: Friemar, Tüttleben ; nachm. Gamstädt, Molschieben.
28. Okt. nachm.: Grabsieben (Cobstädt), Eschenbergen. 29. Okt.:
Hausen, Ballstädt, Buffleben ; nachm. Groß-Fahner (gehört nicht
zum Amt Gotha). Unerledigt blieben vom Amt Gotha nur Eber-
städt (gehört zu Sonneborn), Brüheim (zu Nordhofen und Mete-
bach), Wiegleben (zu Tüngeda) und Groß-Rettbach (zu Cobstädt), von
den anderen in der Instruktion genannten, aber nicht zum Amt Gotha
gehörigen Orten Herbsleben, Klein-Fahner, Gierstädt und Dachwig.
124 Die General Visitation Ernsts des Frommen
gesehenen genaueren Belehrungen ĂĽber den Buchstabier-,
Syllabier- und Leseunterricht. Somit war die ganze Schul-
visitation des Amtes Gotha in wenig mehr als acht Tagen
erledigt. Bereits am 5. November sandten die Visitatoren
die sämtlichen Protokolle, Verzeichnisse und anderen Akten
(zusammen 113 Blätter) an den Herzog ein. Diese Visi-
tationsakten gewähren uns nun nicht nur einen genauen
Einblick in den Verlauf der Schulvisitation, sondern sie
sind auch eine Fundgrube fĂĽr die Beantwortung der Frage :
Wie waren die Schulverhältnisse des Amtes Gotha im Jahr
1641 beschaffen? Wir haben hier zunächst die von den
Lehrern aufgestellten Verzeichnisse der SchĂĽler, der Lek-
tionen und der SchulbĂĽcher von den 14 visitierten Orten,
sowie von BrĂĽheim, dann folgen zwei Protokolle ĂĽber die
eigentliche Visitation *), die nicht nur die Antworten auf
die einzelnen Fragen, sondern auch genaue Angaben ĂĽber
die Vorbildung des Schulmeisters und seine Kenntnisse
enthalten. Es mag zur Charakterisierung des Protokolls
dienen, wenn ich einige dieser Angaben hier folgen lasse.
So heiĂźt es z. B. von dem Schulmeister Georg Luther2)
zu Siebleben: „Ist in keine Stadtschul kommen, hat in
dem Dorf, die Buhl genannt, frequentiert, kann declinieren,
conjugieren, Adjectivum und Substantivum zusammensetzen,
hat's aber lang nicht getrieben, hat auch der lateinischen
Sprache bisher nicht gepflogen, bringt die Knaben nicht
weiter als Lesen, Schreiben und daĂź sie den Catechismum
lernen." — Über den Katechismus befragt, antwortet er:
„Der Katechismus sei in zwei Hauptstück zu teilen, das
Gesetz und das Evangelium, das Gesetz aber in zwei Tafeln :
die erste handelt von der Liebe Gottes, die andere von
der Liebe des Nächsten. Moses hätte es also disponiert."
1) Das eine Protokoll ist von A. GnĂĽge, das andere von N. Tressel
gefĂĽhrt.
2) Das Protokoll der Kirchenvisitation (Loc. 19, No. 24) sagt
von ihm : „Sein Großvater ist von Möhr bei Salzungen her, wo Herrn
D. M. Lutheri Vater erstlich gewohnt und BrĂĽder hinterlassen hat".
im Herzogtum Sachsen -Gotha 1641 — 1645. 125
— Außerdem wird noch von ihm gesagt, er habe zwar
eine Bibel, könne sie aber wegen der Unsicherheit nicht
bei sich haben oder lesen : „Im übrigen hat er sein Specimen
getan, daĂź der Herr Superintendens damit zufrieden sein
können." Ebenfalls keine höhere Schule hat besucht der
Lehrer in Molschleben, Johann Kallenberg. Er ist
„von seinem Vater als Schulmeister zu Rottbach privatim
informiert worden". Trotzdem aber kann von ihm gesagt
werden: „Ist in examine sehr wohl bestanden, hat sehr gut
Zeugnis von Pfarrer und Gemeinde." Wir sehen hieraus,
daß durchaus nicht alle Schullehrer auf höheren Schulen
fĂĽr ihren Beruf vorbereitet worden sind, es sind oft nicht
die Schlechtesten, die nur auf Dorfschulen oder durch Privat-
unterricht ihre Ausbildung erlangt haben. Doch haben es
die meisten weiter gebracht wie bis zur Dorfschule. Auf
einer Universität ist allerdings von den 15 Schulmeistern
des Amtes Gotha keiner gewesen, und auch im ĂĽbrigen Her-
zogtum kommen Lehrer mit akademischer Bildung nur ganz
vereinzelt vor; doch haben 11 von ihnen ein Gymnasium
besucht, wenn sie es auch nicht alle durchgemacht haben,
sondern vielfach nur bis zur Sekunda gekommen sind. DaĂź
indessen auch die Kenntnisse der auf dem Gymnasium aus-
gebildeten Lehrer oft recht viel zu wĂĽnschen ĂĽbrig lieĂźen,
beweist das Urteil ĂĽber den Schulmeister von Hausen.
Von ihm lesen wir im Protokoll: „Lorenz Perles zu Hausen
discipulus fuit 1. cl. in hoc gymnasio nur auf ein Halbjahr.
Hat gar ĂĽbel respondiert, ist ganz untĂĽchtig erkannt worden,
sich auch ziemlich trotzig erzeigt. Auf die Frage, was wir
mit unseren SĂĽnden verdienen, respondit, den ewigen Tod
und die ewige Seligkeit."
Neben diesen Angaben ĂĽber die Schulmeister bringt das
Protokoll noch Urteile ĂĽber den Ausfall des Schulexamens
im Buchstabieren, im Lesen im Schreiben, im Catechismo, in
SprĂĽchen und Psalmen, in FragestĂĽcken D. Lutheri, in der
Haustafel. Den SchluĂź der Akten bildet ein Verzeichnis der
Knaben mit „guten ingeniis".
126 Die General Visitation Ernsts des Frommen
Nicht alle Visitationskommissionen arbeiteten mit der-
selben Schnelligkeit wie die von Gotha. Am eifrigsten
zeigte sich von den Visitatoren der einzelnen Bezirke auĂźer-
halb Gothas der Adjunkt Martin Wandersieben von
Schönau, der in Gemeinschaft mit den Schössern Joh.
Melling von Reinhardsbrunn und Boppo SilchmĂĽller von
Georgenthal die Visitation dieser beiden Ă„mter vorzunehmen
hatte. Trotz groĂźer Schwierigkeiten, die durch die un-
gĂĽnstige Jahreszeit und durch die Kriegslage veranlaĂźt
waren, gelang es ihm, in der Zeit vom 2. bis zum 10. No-
vember die Schulvisitation im wesentlichen zu Ende zu
fĂĽhren 1). Der Bericht der Visitatoren zeigt deutlich, mit
welchen Hindernissen die Visitation hier zu kämpfen hatte.
In Gotha war die DurchfĂĽhrung leicht gewesen, weil die
Bewohner der meisten Dörfer sich des Krieges wegen in
der Stadt befanden; hier stand es anders: die Leute hatten
im rauhen Winterwetter über die Höhen des Thüringer
Waldes nach Georgenthal oder Friedrichroda zu gehen
und waren dabei bei der groĂźen Unsicherheit aller Wege
ständigen Gefahren ausgesetzt. Die Kinder kamen infolge-
dessen auch meist nur in geringer Anzahl. Von Catterfeld
wird gesagt: „Schulkinder daselbst hat man wegen der
großen Unruhe nicht zusammenbringen können." Von
Hohenkirchen und Herrnhof heiĂźt es, es seien nur wenige
Schulkinder erschienen, „soviel wegen des großen Schnees
und Unsicherheit mit fortgebracht werden konnten". „Die
1) 2. Nov.: Friedrichroda, 3. Nov.: Altenbergen, Engelsbach und
Finsterbergen, 4.: Ernstroda. — 6.: Georgenthal, Gräfenhain und
Nauendorf, 7. (Sonntag nachmittags!): Catterfeld, 8.: Tambach und
Dietharz, 9. : Schönau, 10. : Hohenkirchen und Herrnhof. — Der
Bericht ĂĽber das Amt Reinhardsbrunn datiert vom 5., der ĂĽber Geor-
genthal vom 10. November. Leider sind die Protokolle der beiden
Ämter nicht vollständig erhalten ; von Reinhardsbrunn fehlt der Be-
richt ĂĽber das Examen der Kinder, von Georgenthal aber ist nur
der Bericht der Visitatoren ĂĽber den Verlauf der Visitation vor-
handen, während die eigentlichen Protokolle sämtlich fehlen. Alle
vorhandenen Akten siehe in Loc. 19, No. 19.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 127
Zeller und Mehliser", so lesen wir ferner, „haben sich
durch ein Schreiben entschuldigt, es sei ihnen unmöglich
zu erscheinen , weil wegen der stĂĽndlichen Gefahr der
PlĂĽnderung und groĂźen Unsicherheit halben sich niemand
auf den Weg trauen wolle ; sie seien aber bereit, wann
Gott die Unruhe ein wenig gestillet, sich gehorsamlich ein-
zufinden, wo man sie hinbescheiden wĂĽrde". Von dem
Examen der Schulkinder sagt der Bericht des Amtes Geor-
genthal : „Weil aber die Tage sehr kurz und finster, auch
mit den Kindern ĂĽber und durch den Wald deswegen zu
reisen sehr unfĂĽglich gewesen, als haben wir auf einen
Tag nicht mehr als eine Schule vornehmen und examinieren
können, damit sie bei Zeit wieder herein kommen möchten,
wiewohl nichtsdestoweniger die Tambacher und Dietharzer
bei sinkender Nacht in unflätigem Wetter haben von hier
wieder wegreisen, auch wegen Hungers jedes ein StĂĽcklein
Brot aus dem fürstlichen Amt mit sich nehmen müssen. —
Ob auch wohl alle Kinder, und zwar auch diejenigen, so
nicht zur Schule gehen, hätten erscheinen und ins künftige
sich in die Schule zu finden hätten erinnert werden sollen,
so ist's doch unmöglich gewesen, bei jetzigem Zustand, da
viele der Untertanen allbereit verlaufen und sonderlich
arme Kinder Hungers halben nicht länger bleiben können,
alle Kinder zur Stelle zu bringen."
Mit ähnlichen Schwierigkeiten hatte auch die Visitation
der Adjunktur Waltershausen zu kämpfen. Denn die
Gemeinden des Amtes Tenneberg befanden sich nicht alle
in Waltershausen, sondern teilweise auch in Gotha, und
diese letzteren wagten es nicht, bei der allgemeinen Un-
sicherheit die Reise von Gotha nach Waltershausen zu
unternehmen. Die Visitation zog sich hier durch den ganzen
Monat November hin; erst am 3. Dezember war sie be-
endigt, so daĂź an diesem Tage der Bericht nach Gotha
eingesandt werden konnte 1).
1) Leider sind die Akten der Adjunktur Waltershausen nicht
vollständig erhalten. Wir haben nur den Bericht der Visitatoren
128 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Einen ausgedehnton Bezirk zu visitieren hatte der
Adjunkt Joh. Christian Gotter zu MĂĽhlberg. Seine
Aufgabe wurde besonders dadurch erschwert, daĂź er mit
verschiedenen weltlichen Obrigkeiten , auch mit adligen
Herrschaften, deren Interesse fĂĽr die Bestrebungen Ernsts
nie sehr groĂź gewesen war, zusammen zu arbeiten und die
Visitation an verschiedenen Orten vorzunehmen hatte. Er
begann zusammen mit dem Schösser Georg Starkloff zu
Ohrdruf am 23. — 26. November mit der Visitation der Ge-
meinden Mühlberg, Wölfis und Crawinkel 1). Die Ältesten
und die Schulmeister wurden befragt, das Schulexamen
wurde abgehalten; auch mußten die Lehrer eine „Probe
des vorgeschriebenen Methodi" ablegen und erhielten die
nötige Instruktion für ihren Unterricht. Nur die Befragung
der Pfarrer unterblieb, da die Pfarstelle zu Wölfis infolge
des Todes des seitherigen Pfarrers unbesetzt war, und da der
Pfarrer von Crawinkel, der sich gerade zu Zella befand, trotz
an ihn ergangener Zitation „sonder Zweifel wegen bekannter
Unsicherheit und Gefahr" nicht erschien; da Gotter auĂźer-
dem als Visitator selbst zugleich Pfarrer von MĂĽhlberg
war, glaubte auch er auf die Beantwortung der Fragen ver-
zichten zu können. In Gotha gab man sich indessen damit
nicht zufrieden. Da das Protokoll ĂĽber die drei Gemeinden
zunächst das einzige blieb, das von Gotter eingesandt wurde,
forderte man diesen auf, doch auch die rückständigen Be-
richte baldigst einzuliefern 2). Am 7. Januar wurde daher der
Pfarrer M. Zacharias GĂĽnther von Crawinkel, der inzwischen
in seine Gemeinde zurückgekehrt war, noch nachträglich wegen
vom 3. Dezember (in Loc. 18, No. 2), ein Verzeichnis der „Mängel"
und zwei Schreiben von Pfarrern, die sich wegen ihres Nichter-
scheinens entschuldigen.
1) Das Ausschreiben der Schulvisitatoren war dem Adjunkten
Gotter erst unter dem 12. Nov., also gleichzeitig mit dem Ausschreiben
der Kirchenvisitation, zugestellt worden. — Der erste Bericht über
die drei Gemeinden datiert vom 27. Nov. 1641, der zweite (s. unten)
vom 7. Januar 1642.
2) Siehe das Schreiben vom 28. Dez. 1641 in Loc. 18, No. 2.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 129
d er Dörfer Crawinkel und Frankenhain befragt, ebenso erstattete
Gotter Bericht über seine Gemeinden Mühlberg und Röhrensee.
Inzwischen hatte jedoch die Visitation der Ă„mter
Wachsenburg und Ichtershausen1) bereits be-
gonnen. Da die meisten Gemeinden dieser beiden Ă„mter
sich in Arnstadt aufhielten, machte man am 14. bis
16. Dezember mit der Visitation von Holzhausen und
Bittstedt, Thörey und Rehstädt, Haarhausen, Eischleben,
Gössel, Ichtershausen, Apfelstädt und Dietendorf den An-
fang. Die Gemeinden Bischleben, Rhoda, Stedten und Möbis-
burg, die sich nicht in Arnstadt, sondern in Erfurt aufhielten,
konnten nicht gleich mitvisitiert werden ; sie wurden deshalb
auf den 11. Februar 1642 nach Bischleben beschieden und
dort in der ĂĽblichen Weise vorgenommen. Gleich im AnschluĂź
daran kamen auch die Gemeinden des Amtes Tonndorf
an die Reihe (am 14. und 15. Februar); wo die Visitation
stattfand, läßt sich nicht sagen, da das Protokoll fehlt,
vielleicht in SchloĂź Tonndorf selbst2).
Von adligen Ortschaften gehörten zu dem Bezirk des
Adjunkten Gotter die Dörfer der Herren von Witzleben-
Liebenstein und Witzleben zur Burg, sowie Gräfenroda
(Schwarzburgisch). Auch sie wurden in der herkömmlichen
Weise visitiert, die Liebensteinischen am 27. — 29. Januar
in Liebenstein, die Elgersburgischen an den drei folgenden
Tagen in Gera 3), Gräfenroda am 24. Februar am Orte selbst 4).
1) Die Ämter Wachsenburg und Ichtershausen werden häufig
auch zu einem Amt, das dann den Namen Ichtershausen trägt, zu-
sammengefaĂźt.
2) Der Bericht der Visitatoren Gotter und Wolfgang Walther,
Schösser zu Ichtershausen, über die 3 Amter datiert vom 24. Febr. 1642.
3) Zu Liebenstein gehören Li eben st ein, Rippersroda und
Frankenhain, zur Burg: Gera, Burg, Manebach, Neuroda und
TraĂźdorf. (Die gesperrt gedruckten Orte sind Pfarrorte.) Der Bericht
ĂĽber die Liebensteinischen Ortschaften datiert vom 29. Jan., der
ĂĽber die Elgersburgischen vom 13. Febr.
4) Die Visitation von Gräfenroda sollte ursprünglich in Lieben-
stein stattfinden, aber der Pfarrer und die Bewohner von Gräfen-
XXVIII. 9
130 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen etc.
Damit ist alles Wesentliche gesagt, was wir aus den
Akten über den Verlauf der Schulvisitation entnehmen können.
Ăśber die Visitation der ĂĽbrigen Bezirke, vor allem der Super-
intendenturen Königsberg und Wangenheim, sowie über die
sonstigen adligen Orte fehlt uns jede Nachricht. Doch können
wir wohl annehmen, daß bis Anfang März 1642 die Schul-
visitation im ganzen Herzogtum in der Hauptsache beendet war.
Die Schulvisitation von Ende 1641 und Anfang 1642
können wir nur als eine Spezialvisitation bezeichnen. Sie
wurde nicht von der Zentralstelle, sondern von den unter-
geordneten Organen der einzelnen Bezirke vorgenommen,
sie war nicht eine einmalige Erforschung der Verhältnisse,
sondern wurde in ähnlicher Weise jedes Jahr wiederholt.
Trotzdem ist diese erste Schulvisitation von groĂźer Be-
deutung für die Reformtätigkeit Ernsts geworden, denn sie
bildet die Grundlage fĂĽr seine verschiedenen VerfĂĽgungen
ĂĽber das Schulwesen, die bereits im Jahr 1642 begannen
und von denen der I. Spezialbericht (gewöhnlich Schul-
methodus genannt) die bekannteste ist. Es kann uns nun
hier nicht darauf ankommen, die Protokolle und Berichte der
Schulvisitation zu verwerten, um daraus ein Bild der Zu-
stände in den Schulen des Herzogtums Gotha zu entwerfen.
So interesant dies ist, so fällt es doch aus dem Rahmen
unserer Aufgabe hinaus. Ebenso wird es sich empfehlen,
auch die MaĂźnahmen, die Ernst infolge der Schulvisi-
tation getroffen hat, jetzt noch nicht, sondern erst im Zu-
sammenhang mit den infolge der K i r c h e n Visitation ge-
troffenen MaĂźregeln und VerfĂĽgungen zu besprechen.
roda erhoben dagegen Einspruch „wegen des parteiischen Ortes", da
„hiebevor zwischen den Grafen u. Herrn zu Schwarzburg und denen
zu Witzleben ein Streit wegen des Kirchenrechts entstanden sei". Sie
bitten deshalb, die Vis. möge in loco stattfinden, eine Bitte, die
auch genehmigt wurde. Vgl. das Sehr. Gotters an Brunchorst vom
4. Febr. 1642 in Loc. 19, No. 26. — Der Bericht über Gr. datiert
vom 7. März.
(Fortsetzung folgt.)
IV.
Aktenmäßige Relation über die Feldzüge des
Sachsen-Weimar- und Eisenachischen leichten
Infanterie-Bataillons in den Jahren 1806—1811.
Von
Archivdirektor Dr. Joli. Trefftz.
Die Literatur ĂĽber die Anteilnahme des Regiments
Herzöge zu Sachsen und seines weimarischen Bestandteiles
an den Kriegen zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist größer,
als man fĂĽr solch kleines Spezialgebiet der Kriegsgeschichte
von vornherein erwarten sollte. Wenn wir von den Schriften
ĂĽber einzelne FeldzĂĽge hier ganz absehen, so fehlt es nicht
an umfassenderen Arbeiten, die mehrere FeldzĂĽge zugleich
behandeln , genannt seien das seltene Werk von MĂĽller
(1825), ferner die BĂĽcher von Jacobs (1835), von v. See-
bach (1838) und von v. Heyne (1869), alle mehr oder
weniger auf reichem archivalischen Materiale beruhend,
zum Teil auch auf persönlichen Erinnerungen der Feld-
zugsteilnehmer. Zu diesen Vorgängern gesellt sich nun
die im folgenden veröffentlichte „Aktenmäßige Relation".
Sie ist die zeitlich frĂĽheste Darstellung, die wir ĂĽber jene
kriegerischen Ereignisse besitzen ; denn, wie die Unterschrift
lehrt, ist sie von ihrem Verfasser am 11. Oktober des
Jahres 1811 beendet worden, d. h. wenige Monate, nach-
dem das weimarische Kontingent, aufs furchtbarste mit-
genommen, aus dem spanischen Feldzuge wieder in die
Heimat zurĂĽckgekehrt war. Ăśber ihren Verfasser, Karl
Emil Heibig, — die Staatshandbücher jener Jahre schwanken
in der Wiedergabe des Vornamens des Mannes — ist zu
9*
132 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie- Bataillons
bemerken, daß er seit 1810 Kammersekretär in Weimar
war; wenn er daneben auch noch den Namen Kriegssekretär
führte, so deutet dies auf seine frühere Zugehörigkeit zur
weimarischen Kriegskanzlei hin, der er von 1805 ab an-
gehört hat. Heibig machte später Karriere, er wurde im
2. Departement (Kammer- und Domänensachen usw.) unter
dem Staatsminister von Gersdorff Geh. Referendar und
wirklicher Rat, trat weiter als wirklicher Geh. Hofrat ins
Hofmarschallamt ĂĽber, dem er, in einfluĂźreicher Stellung,
dann noch bis in die 50 er Jahre des 19. Jahrhunderts
hinein seine Dienste gewidmet hat, der Typus eines alt-
gedienten weimarischen Beamten.
DarĂĽber kann kein Zweifel bestehen, daĂź Heibig seine
Arbeit im amtlichen Auftrage verfaĂźt hat, vielleicht darf
daran erinnert werden, wieviel Interesse der Herzog Karl
August dem Militärwesen und kriegerischen Vorgängen ent-
gegengebracht hat. Schon aus der Fassung, die Heibig
der Ăśberschrift seiner Arbeit gegeben hat, ergibt sich, daĂź
er die Akten der damaligen weimarischen Kriegskanzlei be-
nutzt hat, dafĂĽr sprechen auch gelegentliche Hinweise auf
dergleichen Materialien in der Relation selbst. Inwieweit
sich Heibig weitere Quellen, man kann dabei an mĂĽndliche
Mitteilungen der Feldzugsteilnehmer denken, in erster Linie
der Offiziere, nutzbar gemacht hat, — an Gelegenheit dazu
hätte es ja nicht gefehlt — entzieht sich unserer Kenntnis,
aus der Arbeit selbst ergibt sich kein Anhaltspunkt dafĂĽr,
doch ist es wahrscheinlich. FĂĽr uns heutzutage besitzt
die Relation einen doppelten Charakter, sie ist einmal
Quelle, insofern darin Rapporte benutzt sind, die jetzt als
verloren angesehen werden mĂĽssen, andererseits Darstellung,
und zwar, wie schon bemerkt, die frĂĽheste, die wir bis jetzt
besitzen. Ganz unbekannt ist Helbigs Arbeit späteren Dar-
stellungen auf diesem Gebiete nicht geblieben. Soviel man
bemerken kann, hat sie von Seebach vorgelegen, der sich
aber anscheinend gegen ihre Angaben meist ablehnend ver-
hält, namentlich hinsichtlich zeitlicher Ansetzungen, wäh-
von 1806—1811. 133
rend er anderes einfach ĂĽbernommen hat. Die Frage nach
dem Quellenwert der Relation wĂĽrde hier zu weit fĂĽhren,
eine Untersuchung darüber könnte nur unter Heranziehung
des gesamten, nicht nur des in Weimar befindlichen Akten-
materials ĂĽber die Zeit, sowie der vorhandenen Literatur
bewerkstelligt werden. Ohne zu weit zu gehen, wird man
aber doch wohl sagen dĂĽrfen, daĂź Heibig eine im wesent-
lichen zutreffende, hier und da freilich etwas dĂĽrftige Dar-
stellung der Ereignisse jener denkwĂĽrdigen Jahre gegeben
hat, wie sie sich eben im Urteile eines gebildeten Zeit-
genossen darstellten. So knapp die Relation auch ist, so
zeigt sie in großen Zügen doch deutlich, welch unsäglich
schwere Kämpfe und Leiden — in einem Feldzuge mehr,
im anderen weniger — das Regiment Herzöge zu Sachsen
und sein weimarisches Kontingent unter den Fahnen Na-
poleons zu bestehen gehabt hat. Es gereicht der Truppe
zum höchsten Ruhm, mit welcher Hingabe sie ihren mili-
tärischen Pflichten jederzeit nachgekommen ist, teilweise
bis fast zur völligen Vernichtung!
Die Handschrift, in welcher wir wohl das Original zu
erblicken haben, ist im Jahre 1875 durch eine Schenkung
des Obristleutnants von Motz an das Archiv gelangt. Kleine
IrrtĂĽmer, die dem Verfasser untergelaufen sind, sowie
falsche Schreibungen, namentlich von Ortsnamen, sind still-
schweigend verbessert worden ; hie und da wurde eine Note
beigefĂĽgt nach Bedarf.
Das Herzogl. Sächsische Scharfschützen-Bataillon stand
seit dem Reichskriege gegen Frankreich, wo es die Kam-
pagne von 1796 am Rhein und in Schwaben mitmachte,
geteilt, halb zu Weimar, halb zu Eisenach, in Garnison.
In Weimar lag der Stab bis nach dem Tode des Obristen
von Germar, wo der Obrist-Leutnant von Hoenning zu Eise-
nach Bataillons-Chef wurde und vom Dezember 1805 bis
zum Sommer 1806 bei der eisenachischen Garnison blieb.
134 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Die hier garnisonierenden Kompagnien standen unter dem
Major von Egloffstein.
Die politische Krisis am Ende des Jahres 1805 war
eine Ursache, daß auf Serenissimi höchsten Befehl im De-
zember "1805 das Bataillon mobil gemacht wurde, jedoch
kam es nicht zum wirklichen Ausmarsch. Das Bataillon
war ĂĽberkomplett, hatte seine Knechte, die erforderlichen
Wagen und hinlängliche Munition. Der Friede von Preß-
burg und seine Folgen führten zwar die alten Verhältnisse
zurĂĽck, aber schon in der Mitte des Septembers 1806 gab
Serenissimus neuen Befehl zur Mobilmachung seines Ba-
taillons, und am 22. desselben Monats rĂĽckten die Eise-
nacher Kompagnien hier ein, deren effektiver Bestand vom
Stabsoffizier abwärts bis zum Knecht 358 Mann war. Die
erforderlichen Zug- und Packpferde wurden schleunig in
den Ă„mtern ausgehoben, und fĂĽr jedes StĂĽck aus der Feld-
kriegskasse 12 StĂĽck Friedrichsd'or bonifiziert.
Unterm 4. Oktober 1806 wurde eine Konvention zwischen
Sr. Majestät dem König von Preußen und Sr. Durchlaucht
unserm gnädigsten Herzog, und zwar Kgl. Preußischer Seits
von dem Obristen und General-Intendanten von Ghiionneau
und Herzogl. Weimarischer Seits von dem Kammerherrn
und Major von Pappenheim und Legationsrat Weyland, ab-
geschlossen, kraft welcher das Bataillon und 33 Husaren
inkl 3 Unteroffizieren in Kgl. PreuĂźische Dienste auf 12 auf-
einander folgende Monate gegeben wurde.
Am 8. Oktober 1806 marschierte der höchsten Ordre
zufolge das Bataillon aus, und war der Bestand:
Stab : 1 Obrist-Leutnant und Kommandeur, von Hönning,
1 Major, von Egloffstein, 1 Adjutant, von MĂĽller d'Euchacq,
1 Bataillonsquartiermeister, 1 Bataillons-Chirurgus, 1 Stabs-
hornist, 2 BĂĽchsenmacher, 1 Profos, 10 Knechte, 19 Reit-
und Packpferde, 16 Zugpferde an die Stabs-, als Brot-,
Munitions-, Reserve- und Medizinwagen.
Jede Kompagnie, deren 4 waren, hatte : 1 Kapitän,
1 Premierleiitnant, 3 Secondeleutnants, 1 Feldwebel, 1 Ober-
von 1806—1811. 135
jäger, 1 Fourier, 1 Feldscheer, 10 Korporals, 7 Jäger,
2 Hautboisten, 2 Spielleute, 150 SchĂĽtzen inkl. 1 Zimmer-
mann, 9 Knechte. Summa: 189 Köpfe. 1 Kapitän 6 Pferde,
1 Leutnant iy2 Pferd, mithin 12 Reit- und Packpferde.
1 Brotwagen 4 Pferde, 1 Patronenkarren 2 Pferde. Summa
18 Pferde.
1. Feldzug gegen Frankreich.
Der komplette Bestand des Bataillons war daher
775 Köpfe und 107 Pferde. Der Marsch ging am 8. Ok-
tober bis Erfurt. S. Durchlaucht unser gnädigster Herzog,
der die Avantgarde der groĂźen preuĂźischen Armee komman-
dierte, und zu dessen Armeekorps die hiesigen Truppen
bestimmt waren, befand sich schon vorwärts im Thüringer
Waldgebirge. Das Bataillon blieb daher, der sich indessen
durch die herannahende französische Armee veränderten
Zeitumstände wegen, bei der Hauptarmee und stieß zur
FĂĽsilier-Brigade Oswald. Die mitmarschierten 33 Mann
Husaren wurden meistens bei den Kapitaines des guides
gebraucht und waren zum Teil bei der Hauptarmee, zum
Teil bei dem Armeekorps des Herzogs von Weimar ver-
teilt. Nach einem Ruhetag marschierte am 10. Oktober
das Bataillon nach Stadt-Ilm, zog sich jedoch nach der am
nämlichen Tage bei Saalfeld vorgefallenen unglücklichen
Af faire nachts gegen 12 Uhr bis Kranichfeld zurĂĽck, wo
es mit der Brigade Oswald die dortigen Anhöhen bis am
11. Mittag besetzt hielt.
Von da zog sich das Bataillon auf Weimar zurĂĽck,
marschierte nach Ottern, kehrte von da am 13. in die
Gegend von Mellingen zurĂĽck, blieb bis zu einbrechender
Nacht dort, kam von da in die Gegend von OberroĂźla und
stand am 14. Oktober früh nach 2 Uhr bei Auerstädt im
Lager; morgens nach 4 Uhr gleich nach dem ersten En-
gagement des Feindes, muĂźte das Bataillon das sogenannte
Lohhölzchen zwischen Auerstädt und Suiza besetzen. Die
136 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Schlacht wurde bei Hassenhausen allgemein, dies Dorf wurde
genommen und verloren. Marschall Davoust suchte die
preuĂźische Armee bei Eckartsberga zu ĂĽberflĂĽgeln. Da
das Bataillon im zweiten Treffen stand, so kam es erst
gegen 11 Uhr mittags ins Feuer, wo es sich mit den bei ihm
stehenden preuĂźischen Truppen bis gegen 4 Uhr nachmittags
gegen die stets wachsende feindliche Truppenzahl tapfer
verteidigte. Als Folge der verlorenen Schlacht zog sich
das Bataillon mit den ĂĽbrigen Truppen zurĂĽck, um Nacht-
quartier in Ober- und NiederroĂźla zu nehmen. Da es aber
diese beiden Orte schon vom Feinde besetzt fand, so kehrte
es nach Mattstedt zurück, wo es während der Nacht auf
den Anhöhen bivouaquierte. In dieser Nacht war es, wo das
Bataillon durch starke Patrouillen eine Menge Leute ver-
lor, die in feindliche Gefangenschaft gerieten. Der Verlust
des Bataillons in der Schlacht selbst war seiner guten ge-
sicherten Stellung wegen, in der es mehr Schaden tun als
leiden konnte, nicht beträchtlich und bestand in 6 Toten,
auĂźerdem war 1 Leutnant, von Beulwitz, und 19 Gemeine
blessiert.
Am 15. früh trat das Bataillon, beständig von der
feindlichen leichten Kavallerie verfolgt, den RĂĽckmarsch
über Cölleda an, um sich nach Erfurt zu werfen. Auf dem
Marsche dahin wurde aber bekannt, daĂź Erfurt schon von
den Franzosen eingeschlossen sei. Das Bataillon näherte
sich wieder Cölleda, erfuhr, daß feindliche leichte Truppen
eingerückt wären, und dirigierte seinen Marsch auf Weißen-
see, wo es Nachtquartier nahm. Am 16. stieĂź es bei
GreuĂźen zum RĂĽcheischen Korps, das sich bereits mit den
Sachsen vereinigt hatte. In einer kleinen Affaire, die un-
weit GreuĂźen mit den Franzosen stattgefunden hatte, kamen
wieder viele Leute vom Bataillon ab, die meistens ge-
fangen wurden.
Die Retirade ging nun ununterbrochen auf Nordhausen,
vor welcher Stadt das RĂĽcheische Armeekorps nachts 1 Uhr
ankam. Um 2 Uhr morgens schon zeigte sich französische
von 1806—1811. 137
Reiterei. Es kam zu einem ziemlich lebhaften Gefechte,
an dem das hiesige Bataillon Teil nahm. In Karres formiert
zogen sich die preuĂźischen Truppen mit Anbruch des Tages
mit den unsrigen durch die Stadt und auf die jenseitigen
Anhöhen zurück. Durch diese nächtliche Affaire, die für
die Stadt Nordhausen die gute Folge mit sich fĂĽhrte, daĂź
der Feind nicht eher, als bis es Tag war, in die Stadt
eindringen konnte, war das Bataillon abermals durch ab-
gekommene Leute sehr geschwächt worden. Die feindlichen
leichten Truppen verfolgten die preuĂźischen Truppen und
das hiesige Bataillon unaufhörlich. Das preußische Korps,
wozu das Bataillon gehörte, kam endlich in Magdeburg an
und genoĂź 2 Tage der lang entbehrten Ruhe. Hier wurde
es unter die Befehle des Generalleutnants von BlĂĽcher ge-
geben. Der Kommandeur des Bataillons, Obristleutnant
von Hoenning, und der Adjutant von MĂĽller blieben krank
zurück und der erstere starb während der Belagerung.
Der Major von Egloffstein, der bei Vierzehnheiligen blessiert
worden war, blieb ebenfalls in Magdeburg. Der Ăśberrest
des Bataillons unter den Befehlen des Majors von Germar
setzte die Retirade weiter nach Lychen fort, kam nach
Boitzenburg in der Absicht, sich nach Stettin zu werfen,
ging aber auf die Nachricht von der Ăśbergabe dieser
Festung in das Mecklenburgische, wo es am 1. November
zur Affaire bei Waren kam, in welcher das hiesige Bataillon
1 Toten hatte. In der Gegend von Dobbertin trennte
sich das Bataillon auf Serenissimi höchsten Befehl am 2. No-
vember von dem BlĂĽcherschen Armeekorps. Am 3. stieĂź
es auf die französische Avantgarde vom Korps des Mar-
schalls Soult. machte sein Vorhaben, ins Vaterland zurĂĽck-
zukehren , bekannt , wurde sehr ehrenvoll behandelt und
ihm das Städtchen Parchim zur Kantonierung angewiesen,
wo das Bataillon einen Ruhetag hatte. Ungehindert und
ohne weiter auf französische Truppen zu stoßen, kam das-
selbe von da über Flechtingen unweit Calvörde nach All-
stedt und von da am 19. November in dem Zustand, wie
138 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie- Bataillons
die anliegende Bestands-Tabelle sagt *), 132 Köpfe stark, in
die Garnison zurĂĽck, wo sich die in verschiedenen Affairen
Versprengten und die aus der Gefangenschaft ranzionierten
Leute meistens schon eingefunden hatten. So groĂź der
Verlust des Bataillons an Equipage und Waffen in diesem
Feldzug war, so wurde doch die Feld-Kriegs-Kasse gerettet.
Der Stabsfourier Erfurth schiffte sich damit zu Anklam ein,
um nach Königsberg zu gehen ; des sich annähernden Kriegs-
schauplatzes wegen ging er nach Memel und endlich nach
Riga, blieb dort während der Dauer des Krieges und kam
erst nach dem Frieden von Tilsit zurĂĽck.
Nach dem Einmarsch der französischen Truppen war
das sämtliche Herzogliche Militär als aufgelöst anzusehen;
da aber das 14. französische Linienregiment, welches die
Garnison hiesiger Residenzstadt ausmachte, von hier weg-
ging, so wurde schon in den ersten Tagen des Novembers
aus hiesigen Militärs ein Korps errichtet, welches die Sicher-
heitswache genannt wurde. In diesem prekären Zustand
blieb das Militär bis nach dem Beitritt des hiesigen und
der sämtlichen Herzoglichen Häuser zum Rheinbund. Es
fand bald darauf unter den sämtlichen Herzoglichen Häusern
eine Konvention statt, wie dies die desfallsigen Akten um-
ständlich ausweisen. Das diesseitige Kontingent war beim
FriedensschluĂź auf 800 Mann festgesetzt worden und hatte
bald darauf Ordre, zur großen französischen Armee gegen
PreuĂźen und RuĂźland zu marschieren. Der Herzog befahl,
das Bataillon am 1. März 1807 komplett und in marsch-
fertigem Stand zu haben. Die Kasquets wurden abgeschafft
und dafĂĽr zweikrempige HĂĽte vorn mit einem FlĂĽgelhorn
von Messing gegeben. Der seitherige Major Freiherr von Eg-
lofistein wurde zum Obrist-Brigadier und Kommandeur des
Regiments Herzöge von Sachsen ernannt. Den 23. Februar
trafen die eisenachischen Kompagnien hier ein. Die jena-
ische Musketier-Kompagnie wurde aufgelöst, die Mannschaft
1) Diese ist heutzutage nicht mehr vorhanden.
von 1806—1811. 139
davon und einige ausgehobene Rekruten machten das Kon-
tingent komplett.
2. Peldzug gegen PreuĂźen und BuĂźland.
Am 5. März rückte das Kontingent, welches nach der
französischen Einrichtung nur 2 Wagen mit 8 Pferden, die
im Allstedtischen ausgehoben wurden, bei sich hatte, von
hier aus. Das erste Nachtquartier war Kölleda, das zweite
Allstedt, wo der erste Ruhetag war. Die Mannschaft war
auf diesem kurzen Marsche sowie späterhin überall ihrer
Schönheit und guten Haltung wegen bewundert. Es war
kein Mann dabei, der unter 5 FuĂź 5 Zoll preuĂźisches MaĂź
hatte. Leider riß die Desertion bei diesem schönen Bataillon
stark ein. Der Marsch wurde ĂĽber Eisleben nach Magde-
burg fortgesetzt, wo das Kontingent Ordre bekam, nach
Spandau zu marschieren, um dort seine weitere Direktion
nach Warschau oder Stettin zu bekommen.
In Spandau bekam das Bataillon Ordre nach Stettin,
vorher wurde es von dem General-Gouverneur Clarke in Char-
lottenburg gemustert. Der General war sehr zufrieden, lieĂź
jedem Mann ein Paar Schuhe und dem Bataillon ganz neue
preuĂźische Gewehre abgeben. Das Offizierkorps erhielt im
Schlosse zu Charlottenburg ein splendides Dejeuner.
Am 24. März rückte das Kontingent in Stettin ein und
verlor allein auf diesem Marsche 104 Mann durch Desertion.
Der dortige französische Gouverneur, General Mouvenot J),
ließ, um die Desertion möglichst zu verhindern, 3 Kom-
pagnien in das Fort PreuĂźen legen, eine Kompagnie und der
Stab wurden in die Stadt quartiert. Der Dienst war ziemlich
beschwerlich ; denn das Bataillon gab täglich 1 Kapitän,
2 Leutnants und 144 FĂĽsiliere zur Wache. AuĂźer dem
hiesigen Kontingent befand sich noch ein Bataillon Fran-
zosen und das Regiment WĂĽrzburg in Garnison zu Stettin.
1) So das Manuskript, der richtige Name lautet: Thouvenot.
140 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Am 2. April brach das Bataillon nach Landsberg
a. Warthe auf, wo es vom 6. bis 12. April kantonierte und
die Ordre erhielt ĂĽber Filehne, SchneidemĂĽhl nach Konitz
zu marschieren, dort am 19. einzutreffen, sich da zu postieren
und die weiteren Befehle zum Aufbruch nach Marienwerder
zu erwarten. Schon bis Landsberg betrug die Desertion
des hiesigen Kontingents — bei den übrigen Herzogl.
Sächsischen Kontingenten war sie noch stärker — 150 Ge-
meine. Die Ordre zum Einmärsche nach Polen, fürchter-
liche, oft ĂĽbertriebene Schilderungen vom dem Mangel, der
dort herrschte, vermehrten die Desertion, so daĂź in Lands-
berg in einer Nacht 142 Mann fortgingen und von da bis
Schloppe wieder 24. In Schönlanke erhielt das vereinigte
Regiment Herzöge zu Sachsen Befehl über Friedland, Bei-
gard zum Belagerungskorps vor Kolberg unter General
Loison zu stoĂźen, wo es am 23. April anlangte. Die Total-
summe, vom Tage des Ausmarsches an bis hierher, betrug
437 Mann. Dieser auĂźerordentlichen Desertion zu begegnen
wurden die strengsten und zweckdienlichsten Vorkehrungen
getroffen; die häufig zurückkehrenden Deserteure wurden
gesammelt und auĂźerdem eine Werbung errichtet, die guten
Fortgang hatte.
Weil es in der Garnison an Offizieren fehlte, so wurden
vom Kontingent aus dem Lager vor Kolberg der Major
von Arnswald, die Kapitäns von Hoenning und von Linker,
die Secondeleutnants von Staff und von Schauroth und
8 Korporale anher gesendet, um 2 neue Kompagnien zu
organisieren und zur Armee zu fĂĽhren. In Pyritz wurde
diese Mannschaft, wobei sich auch gothaische und meinin-
gische Offiziere befanden, von einem preuĂźischen Streifkorps
ĂĽberfallen, zu Gefangenen gemacht, sogleich aber auf Ehren-
wort wieder entlassen.
Im Lager vor Kolberg legte sich nun zwar die starke
Desertion, doch gingen in der Nacht vom 27. auf den
28. April wieder 9 Mann, worunter 5 Gothaner, von den
Vorposten zu den PreuĂźen ĂĽber, welcher Vorfall dem kom-
von 1806—1811. 141
mandierenden Offiziere viele Unannehmlichkeiten machte,
auch ließ General Loison das sämtliche Regiment von den
Vorposten ablösen und dieselben durch Italiener besetzen.
Die Kanonade aus der Festung und hinein wurde wenig
unterbrochen, die Kugeln trafen fast gar nicht, wenigstens
hatte bis zum 30. April das hiesige Kontingent noch keinen
Mann verloren. An Lebensmitteln war gerade kein Mangel,
der Soldat erhielt täglich Brot, Fleisch, Erbsen, Brannt-
wein, Essig und Salz. Die Nähe der See verursachte, daß
die Nächte rauh und kalt waren.
Am 5. Juni ging unter dem Kommando des Kapitäns
von Linker ein Ersatz-Detachement von 168 Mann ĂĽber
Halle, Dessau nach Potsdam ab. Es hatte Anweisung, die
in mehreren preußischen Städten deponierten Armaturstücke
der Deserteure zu sammeln und mit ins Lager vor Kol-
berg zu bringen.
Bei dem Kontingent war indessen nichts von groĂźer
Wichtigkeit vorgefallen. In der Nacht vom 17. auf den
18. Mai muĂźte ein 1600 Mann starkes Korps von der Be-
lagerungsarmee eine Redoute, welche die PreuĂźen nahe am
Meer erbaut hatten, stĂĽrmen. In weniger als 10 Minuten
war sie genommen, doch griff sogleich eine neue, aus der
Festung gekommene preuĂźische Infanterie-Kolonne die eben
verlorene Schanze heftig an und nahm sie wieder. Vom säch-
sischen Regiment waren bei dieser Affaire nur 50 SchĂĽtzen,
der übrige Teil des Regiments hatte rückwärts 3 Redouten
besetzt und sollte als Reserve dienen. Der Verlust der
SchĂĽtzen bestand in 2 Mann.
Am folgenden Morgen fingen die Franzosen an, eine
Redoute der preuĂźischen gegenĂĽber zu etablieren ; trotz
des feindlichen heftigen Feuers aus der Festung wurde
sie beendigt. Das Regiment hatte bei dieser Gelegenheit
1 Toten und 1 schwer Verwundeten. Am nämlichen Tage
sah man auf der Rhede vor Kolberg 9 Schiffe, die bald
darauf im Hafen einliefen. Eine Fregatte stationierte sich
dicht hinter der vorhin erwähnten preußischen Redoute und
142 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
schien die KĂĽsten zu bewachen. Der Mangel an Lebens-
mitteln wurde fĂĽhlbarer, Branntwein und Wein war kaum
zu erhalten und äußerst teuer.
Das Belagerungskorps bestand in 2 Brigaden auf das
rechte und linke Ufer der Persante verteilt. Am rechten
Ufer unter Brigade- General Ruby standen die hiesigen
Truppen
Die PreuĂźen hatten die wiedergenommene Redoute,
den Wolfsberg, so befestigt, daĂź man sie als ein kleines
Port betrachten konnte. Französischerseits sah man die
Wichtigkeit dieses Postens ein und beschloĂź, einen noch-
maligen Angriff darauf zu machen. Um Menschen zu
schonen wurden in der Nacht vom 5. zum 6. Juni die
Laufgräben gegen den Wolfsberg angelegt. Preußischer-
seits schien man auf ein solches Unternehmen vorbereitet
zu sein, man hatte die Feldwache sehr verstärkt und empfing
die vorrückenden französischen und Rheinbunds -Truppen mit
einem solchen heftigen Feuer, daĂź sie sich zurĂĽck- und
neue Verstärkung an sich ziehen mußten. Mit dieser wurde
von neuem angegriffen. Das Gefecht engagierte sich auf
der ganzen Linie um so heftiger, da die PreuĂźen immer
neue, aus der Festung kommende Truppen ins Gefecht
fĂĽhrten. So unentschieden blieb bis l1^ Uhr frĂĽh jeder
Vorteil, jetzt aber wurden die PreuĂźen ĂĽberall geworfen
und wurden bis auf 150 Schritte von der Festung verfolgt.
Die Franzosen zogen sogleich die Vorpostenkette und be-
haupteten sich daselbst. Der beabsichtigte Zweck wurde
durch dieses Gefecht vollkommen erreicht; nur war die Er-
öffnung der Laufgräben gegen den Wolfsberg mit manchen
Unannehmlichkeiten verknĂĽpft, da man selbige erst mit
Anbruch des Tages beginnen konnte. Der Verlust, den
das Detachement vom sächsischen Regiment, welches sich
bei diesem Gefecht befand, erlitt, war sehr unbedeutend
und betrug im ganzen Gotha 1 Toten , 1 Blessierten,
Weimar 1 Blessierten, Hildburghausen 1 Blessierten. Der
Obrist-Brigadier Freiherr von Egloffstein war bei dem
von 1806-1811. 143
ganzen Gefecht als Colonel du jour gegenwärtig und be-
fehligte 5 italienische Grenadier- und 2 Voltigeurkompag-
nien. In der Nacht vom 11. Juni wurde endlich der Wolfs-
berg nach einem 11-stĂĽndigen Bombardement genommen
und Fort Loison genannt.
In der Nacht vom 16. auf den 17. Juni machten die
PreuĂźen aus der Festung einen allgemeinen Angriff. Eine
Redoute wurde von ihnen genommen und alles, was dar-
innen war, gefangen und niedergemacht. In dieser Re-
doute befanden sich 6 FĂĽseliers von der von Hoenningschen
Kompagnie, die als Kanoniers gebraucht wurden. Drei von
ihnen, Eckstein, Feucht und Leidpole, fand man schwer
blessiert und bis aufs Hemde ausgezogen. Die ĂĽbrigen
3 waren gefangen oder tot, etwas Bestimmtes konnte man
über ihr Schicksal nicht erfahren, doch kam später einer
von ihnen, namens Bratsch aus Martinroda, zurĂĽck.
Am 19. Juni fand abermals ein hitziges Gefecht statt.
700 preuĂźische Grenadiers griffen gegen Abend das Fort
Loison an und wollten es mit Sturm nehmen. Sie rĂĽckten
so schnell an, daĂź die Besatzung nur einigemal die Ge-
wehre abfeuern konnte, auf der Brustwehr aber wurden sie
mit dem Bajonett empfangen und in den Graben zurĂĽck-
geworfen. 150 Soldaten vom Regiment Herzöge von Sachsen
nahmen Teil an diesem Gefecht, das 2 Tote und 3 Blessierte
kostete; auĂźerdem war der gothaische Leutnant von Hoen-
ning tödlich durch eine Kanonenkugel blessiert und starb
bald darauf.
Am 14. Juli brach abermals unter Kommando des
Majors von Arnswald ein Ersatz-Kommando von 167 Mann
von hier auf, wurde am 25. Juli vom General-Gouverneur
Clarke gemustert, als ein Beweis der Zufriedenheit wurde
pro Mann eine Ration Branntwein verabreicht. Neues fiel
bei dem Kontingent nichts vor, da seit dem 1. Juli der
Waffenstillstand eingetreten war. Der Obrist-Brigadier von
Egloffstein war krank und der Herzogl. Gothaische Major
Förster hatte das Kommando über das Regiment.
144 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Da die Aufhebung der Belagerung von Kolberg eine
notwendige Folge des eingetretenen Waffenstillstandes und
bald darauf zu Tilsit abgeschlossenen Friedens war, so
erhielt das gothaische Kontingent Befehl, nach der Insel
Wollin zu marschieren, das weimarische bekam seine Kanto-
nierungsquartiere in und bei Tramm, wo ein am 7. August
in dem Lager der italienischen Truppen ausgebrochenes
heftiges Feuer einen bedeutenden Verlust am Armatur- und
MontierungsstĂĽcken verursachte. Obrist-Brigadier Freiherr
von Egloffstein verlor auĂźer mehreren Effekten seine Pferde,
es verbrannte das Stabshornisten-Pferd, auch war der Ver-
lust des Regimentsquartiermeisters Schmidt und des Ba-
taillonschirurgus Börner bedentend.
Nach einem unterm 21. August eingegangenen Rapport
war das diesseitige Kontingent zur Besetzung der Insel
Usedom bestimmt und hatte seine Quartiere in Swine-
mĂĽnde. Das gothaische Kontingent befand sich, wie schon
erwähnt, auf der Insel Wollin, die gemeinschaftliche Be-
stimmung dieser beiden Kontingente war die Verteidigung
dieser zwei Inseln, falls die Engländer oder Schweden eine
Landung unternehmen sollten.
Krankheiten aller Art wĂĽteten fĂĽrchterlich unter den
Truppen, wahrscheinlich eine Folge der kühlen Nächte und
unerträglichen Hitze des Tages, wozu ein ungewohnter
Dienst auf den Schiffen kam. Die Herzogl. Kriegs-Kom-
mission erließ auf Serenissimi Höchsten Befehl an den Ba-
taillonschirurgus die Anweisung, weder MĂĽhe noch Kosten
zu scheuen, um das Schicksal der Kranken zu mildern.
Am 25. Oktober 1807 ging ein Kommando von 1 Kapitän,
2 Leutnants, 1 Oberjäger, 2 Korporale und 17 Füseliere
mit einem Transport MontierungsstĂĽcken zum Kontingent
ab , durch welche Gelegenheit fast alle Gemeinden des
Landes Geld oder sonstige UnterstĂĽtzungen an ihre An-
gehörigen gelangen ließen. Um diese Zeit hatte allein das
diesseitige Kontingent 158 Kranke, und die Mortalität war
ziemlich bedeutend. Zu Kaseburg befand sich das weima-
von 1806—1811. 145
rische Lazarett, erst in der Kirche und später in den
Bauernhäusern, 1 Feldscher, 2 Korporale und 12 Gemeine
waren gestorben.
Am 13. November meldete der Obrist-Brigadier Frei-
herr von Egloff stein, daĂź er in der abgewichenen Nacht
Ordre erhalten habe, mit dem Regiment nach Bayreuth
aufzubrechen, und daĂź er sich in Anklam mit den weima-
rischen Truppen vereinigen werde. Die Marschroute war :
14. November Anklam, 15. Friedland, 16. Strasburg, 17.
Prenzlau, 18. Templin, 19. Zehdenik, 20. Oranienburg, 21.
Berlin, 22. Ruhetag, 23. Potsdam, 24. Treuenbrietzen, 25.
Wittenberg, 26. DĂĽben, 27. Leipzig, 28. Ruhetag, 29. Alten-
burg, 30. Ronneburg, 1. Dezember Weida, 2. MĂĽhldruf,
3. Hof, 4. MĂĽnchberg, 5. Bayreuth. Von Gera aus sendete
das Kontingent seine sämtlichen Kranken in das zu Jena
etablierte Spital; dagegen wurden demselben aufs neue
80 Mann Ersatz zugesendet. In Hof erhielt das Regiment
vom General-Gouverneur von Bayreuth, Legrand, Ordre,
in die Friedensgarnisonen zurĂĽckzukehren, das hiesige Ba-
taillon rĂĽckte am 8. Dezember wieder in Weimar ein. Die
Krankheiten waren noch nicht verschwunden, Krätze und
Wechselfieber waren epidemisch geworden, und noch im
FrĂĽhjahr 1808 hatte das Bataillon ĂĽber 400 Kranke, von
denen jedoch nur sehr wenige starben, weil auf Serenissimi
gnädigsten Befehl die Anordnung getroffen war, daß alle
Kranken kräftige Suppen, Fleisch, Wein, Bier und Tabak
erhielten.
Im April 1808 erging, sowie an alle Rheinbunds-
Staaten, auch an Weimar das Ansuchen, Trainsoldaten zur
französischen Armee, und zwar in das Lager bei Berlin,
zu stellen. Die auf das hiesige Herzogtum kommenden
10 Mann wurden schnell geworben, erhielten 30 $$ Hand-
geld, jedoch davon nur 5 $$ in die Hand und wurden
schon am 8. Mai durch ein Kommando an die französische
Armee ĂĽbergeben ; da diesen Leuten das Versprechen er-
teilt worden war, daĂź sie nur 2 Jahre und nicht auĂźer
XXVIII. 10
146 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie- Bataillons
Deutschland dienen sollten, gleich darauf aber PreuĂźen ge-
räumt wurde, und die französische Armee über den Rhein
ging, so waren die hiesigen Trainsoldaten bis auf 2 Mann,
die wahrscheinlich in französischen Diensten geblieben sind,
sowie die meisten ĂĽbrigen Trainsoldaten diesseits des Rheins
zurückgeblieben. Sie wurden französischerseits nicht rekla-
miert ; weil sie aber doch auf eine zweijährige Dienstzeit
geworben waren, so befahl Serenissimus gnädigst, daß ihnen
das residuum des Handgeldes nicht eher als nach Ablauf
der 2 Jahre ausgezahlt werden sollte.
Das Bataillon erhielt im Sommer 1808 neue, sehr vor-
zĂĽgliche Gewehre, doch blieben bei jeder Kompagnie 50 Mann
BĂĽchsenschĂĽtzen. Bei jeder Kompagnie wurden 6 Gefreite
angestellt und dazu nur solche Leute genommen, die die
Kampagnen 1806 und 1807 bis zum Ende, und ohne deser-
tiert gewesen zu sein, mitgemacht hatten ; sie erhielten 1 fl.
mehr Löhnung als die Gemeinen.
Im Februar 1809 erhielt das Bataillon wieder Ordre
zum Marsch, wurde schleunig und in eben dem MaĂźe,
wie im Jahre 1807, mobil gemacht und marschierte bereits
am 14. März aus. Seine erste Bestimmung war Würzburg.
In Meiningen stieĂźen die gothaischen und nachher die
übrigen Herzogl. sächsischen Truppen dazu. Nach einer
zwischen den Höfen von Weimar und Gotha getroffenen
Ăśbereinkunft hatte fĂĽr diesen Feldzug Gotha das Kom-
mando.
3. Feldzag gegen Ă–sterreich.
Am 21. März rückte das hiesige Bataillon in der
Gegend von WĂĽrzburg in Kantonierungs-Quartiere , der
Stab und die von Schierbrandsche Kompagnie lagen in
dem Städtchen Arnstein, der Obrist-Brigadier Freiherr von
Egloff stein aber und 2 gothaische Grenadier-Kompagnien
in WĂĽrzburg selbst. Das ganze Regiment hatte nicht
weniger als 32 Kantonements-Ă–rter. Die Quartiere waren
vortrefflich und der Mut und die Stimmung des ganzen
von 1806—1811. 147
Regiments ĂĽbertraf alle Erwartung. Das hiesige Kontingent
hatte nicht einen einzigen Deserteur.
Durch einen Adjutanten des Marschalls Massena wurde
der Obrist von Egloffstein benachrichtigt, daĂź die Be-
stimmung des Regiments sowie die mehrerer deutscher
Truppen sei, in der Gegend von StraĂźburg unter den Be-
fehlen des Marschalls Massena ein Observations-Korps zu
bilden.
Am 30. März wurde das ganze Regiment von dem
Divisions-General Rouyer gemustert. Das hiesige Bataillon
gefiel sehr, und die WĂĽrzburger Zeitung Nr. 52 vom 1. April
1809 legt dem weimarischen Bataillon seiner guten Manns-
zucht und Haltung wegen groĂźes Lob bei. Durch den
Divisions-General Rouyer wurde die Formation des Regi.
mentes umgeändert; es bestand aus 2 Linien- und 1 leichten
Bataillon. Das leichte Bataillon von Weimar erlitt nur
insofern eine Veränderung, als aus den zeitherigen 4 Kom-
pagnien 5 formiert wurden. Die 6. Kompagnie erhielt das-
selbe von Hildburghausen. Ăśbrigens erhielt das Regiment
die 4. Nummer in der 3. Division der Rheinbundstruppen,
welche vom Divisions-General Rouyer kommandiert wurde,
Man erwartete am 10. April den Marschall Davoust, Her-
zog von Auerstedt, zur Musterung der sämtlichen Rhein-
bundskontingente. Inmittelst wurde auf französische Ver-
anlassung von den Herzogl. sächsischen Höfen eine Kom-
pagnie mobilgemacht, die als Sapeurs gebraucht werden
sollte. Sie rĂĽckte schon am 10. April aus, der hiesige An-
teil daran bestand in 1 Offizier, Leutnant von Altrock,
1 Fourier, 1 Chirurg, 3 Korporals, 1 Tambour und 33 Ge-
meine ; ihre Bestimmung war ebenfalls WĂĽrzburg.
Der Krieg mit Osterreich war indessen am 9. April
wirklich zum Ausbruch gekommen. Am 11. erhielt der
Obrist-Brigadier Freiherr von Egloffstein Ordre, mit dem
Regiment aufzubrechen. Die ganze Division Rouyer, 9000
Mann stark, lauter deutsche Truppen, sollte ĂĽber Uffenheim,
Ansbach, Pleinfeld, Eichstätt nach Regensburg marschieren.
10*
148 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Am 14. traf das Regiment in Ansbach ein. Ein falsches
Gerücht, daß die Österreicher schon in Nürnberg wären,
verursachte, daĂź das ganze Regiment in die Stadt kam, wo
ĂĽbrigens auch noch alle Kontingente von der Division Rouyer
versammelt waren. Aus Vorsicht muĂźte ein ganzes Bataillon
auf Feldwache ziehen. In der Nacht vom 14. zum 15. April
kam Ordre zum Aufbruch. Das Regiment Herzöge von
Sachsen und noch einige deutsche Kontingente, zusammen
etwa 4000 Mann, rĂĽckten aus und kamen den 17. ĂĽber
Öttingen nach Nördlingen, wo der Kaiser und König eben
abgereist war. Das Regiment wurde auf die Dorfschaften
verlegt, man hoffte, die Division hier wieder zu vereinigen,
allein schon um 7 Uhr abends kam Befehl zum Aufbruch
nach Donauwörth, weil der Kaiser die Division dort mustern
wolle. Das Regiment marschierte die ganze Nacht und kam
gegen Morgen in Donauwörth an, wo zwar der Kaiser noch
gegenwärtig war, die erwartete Musterung aber nicht statt-
fand. Das hiesige Bataillon erhielt die Bestimmung, den
BrĂĽckenkopf an der Donau zu besetzen, die anderen Bataillone
hingegen wurden teils detachiert, teils in der Stadt ein-
quartiert. Um 2 Uhr nachmittags, 18. April, reiste der
Kaiser ab. Er muĂźte auf seiner Route nach Ingolstadt den
BrĂĽckenkopf passieren, und da das hiesige Bataillon da-
selbst aufmaschiert war, so stieg er aus dem Wagen und
nahm es in Augenschein, wobei er sich mit mehreren Offi-
zieren auf das gnädigste unterhielt. Das Regiment mußte
noch in der Nacht folgen und langte am 19. frĂĽh in Ingol-
stadt an, wo es bis zum 25. April blieb. Hier erhielt der
Divisions-General Rouyer die Nachricht von 2 ĂĽber die
Ă–sterreicher bei Regensburg und Abensberg erfochtenen
Siegen. Viele 1000 Gefangene wurden nach Ingolstadt ge-
bracht, wo sie in den Kirchen eingesperrt wurden. Die
unglaubliche Menschenmasse, die sich der Nähe des Kriegs-
schauplatzes wegen hier zusammendrängte, verursachte an
den notwendigsten BedĂĽrfnissen groĂźen Mangel.
Am 26. April marschierte das Regiment von Ingolstadt
von 1806-1811. 149
ab, kam über das noch mit Toten besäete Schlachtfeld bei
Regensburg und hielt am 27. ĂĽber die noch rauchenden
Schatthaufen der Vorstädte seinen Einzug in Regensburg.
Das hiesige Bataillon muĂźte auf dem Osterberge biwakieren.
Die Stadt, und mit ihr die einquartierten Trappen, schmachtete
im Elend, 3 — 400 Häuser lagen in Asche, noch mehr waren
durch das Kanonenfeuer beschädigt. Die Sapeur-Kompagnie
war am 25. April zu Ingolstadt angekommen, erhielt aber
schon am folgenden Tag Ordre zum Weitermarsch zur
groĂźen Armee.
Am 1. Mai empfing das Regiment die Ordre, nach
Straubing aufzubrechen und am 2. Mai frĂĽh 5 Uhr dort
einzutreffen. Sogleich nach dem Einmarsch des Regiments
wurde von selbigem die Stadt und der vorhandene BrĂĽcken-
kopf besetzt, es erhielt aber schon am nämlichen Tage den
Befehl, am 3. Mai frĂĽh 3 Uhr nach Passau aufzubrechen,
wo sich die ganze Division Rouyer vereinigen sollte. Am
4. Mai abends 7 Uhr langte das Regiment bei Passau an ;
es muĂźte auf dem am linken Ufer der Donau liegenden
sogenannten Riesenberge vorwärts der Stadt Passau bi-
wakieren und in Gemeinschaft mit dem 5. leichten fran-
zösischen Infanterie-Regiment den Dienst verrichten. Das
leichte Bataillon behielt diese Position auch bei, als später-
hin die 2 Linien-Bataillone das rechte Innufer besetzen
muĂźten.
Am 13. Mai kam der französische Marschall Prinz von
Pontecorvo an, dessen Armee-Korps, bestehend in 15 000
Sachsen, nach Linz marschierte. Der Prinz besah alle im
Lager bei Passau stehenden Truppen und lieĂź als einen
Beweis seiner Zufriedenheit jedem Soldaten eine doppelte
Ration Branntwein verabreichen. Das Regiment hatte am
15. die Ordre erhalten, von Passau ab nach Linz zu mar-
schieren, wahrscheinlich mochte aber der Operationsplan
nach der Schlacht von Aspern abgeändert worden sein;
denn nicht nur die ganze Division Rouyer, sondern auch
das weiter vorwärts bei Linz stehende Kgl. sächsische
150 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Armee -Korps unter Prinz Pontecorvo erhielt Kontre-
ordre.
Die Position des Regiments hatte sich inzwischen nur
insofern verändert, daß es von dem rechten Ufer des Inn-
flusses und dem MariahĂĽlfsberg wieder herab ĂĽber die
Inn- und Donau-BrĂĽcke marschieren und auf dem frĂĽher
erwähnten Riesenberge das vom 19. und 5. französischen
Regiment verlassene Lager beziehen muĂźte. Der Kaiser
hatte befohlen, den Platz Passau als einen der wichtigsten
vor allen anderen gut besetzt zu erhalten und in den best-
möglichsten Verteidigungszustand zu setzen, daher mußten
täglich viele 1000 Soldaten und Bauern schanzen ; die Peri-
pherie der Verschanzungen betrug am 26. Mai schon einige
Stunden Wegs.
Am 12. Juni sendete der Obrist von Egloff stein die Ab-
schrift einer französischen Ordre, nach welcher vom Kaiser
von Frankreich jedem Regiment 100000 frs. in Papier als
Geschenk zugesichert wurden. Dieses Geschenk wurde
späterhin auch an das Regiment Herzöge von Sachsen ge-
zahlt und nach dem Verhältnis der 28 Teile an die einzelnen
Kontingente verteilt.
Das Regiment stand fortdauernd im Lager bei Passau
und war mit allem reichlich versehen. Der Kapitän von
Schierbrand vom hiesigen Kontingent war seit Anfang des
Monats Juni nach dem Städtchen Zwiesel an der böhmischen
Grenze detachiert, wo er am 19. frĂĽh 3 Uhr von 300 Mann
böhmischer Landwehr angegriffen wurde. Mit 100 Mann
Bayern, die dem Kapitän beigegeben waren, schlug der-
selbe den Feind tapfer zurĂĽck; auĂźer 16 bis 18 Toten, die
der Feind auf dem Platze ließ, nahm er ihm 1 Kapitän und
8 Mann als Gefangene ab. Die Affaire dauerte 1 Stunde,
und es wurde bloĂź ein einziger Mann des leichten Bataillons
blessiert.
Am 20. Juni hielt der französische Divisions-General
und Kommandant-en-chef von Passau, Bourcier, Revue ĂĽber
das Regiment ab. Das 1. Linien-Bataillon und das leichte
von 1806—1811. 151
Infanterie-Bataillon von Weimar bekamen ihrer guten Hal-
tung wegen viele Lobeserhebungen, mit dem 2. Linien-
Bataillon war jedoch der General höchst unzufrieden. In
diesem Monat desertierte der FĂĽselier Friedrich Meyer aus
Weimar, er war der erste Deserteur, den das Bataillon in
dieser Kampagne hatte. Am 30. Juni wurden unter dem
Kommando des Aide de camp des Divisions-Generals Bourcier
3 Kompagnien zu einer Expedition innerhalb der bayrischen
Grenzen detachiert. 5 bis 6 Stunden von Passau trafen sie
5000 österreichische Truppen in Verschanzungen an. Wegen
Ăśberlegenheit des Feindes zog sich das Detachement nach
einigen kleinen Plänkeleien nach Passau zurück.
Die 6. Kompagnie des leichten Bataillons unter dem
hildburghäusischen Kapitän von Münch wurde am 2. Juli
abends 10 Uhr in dem Dorfe Salzweg, wohin sie detachiert
war, vom Feinde angegriffen. Nach einem kurzen, aber
ernsthaften Widerstand zog sich der Feind zurĂĽck, ohne
weiter etwas gegen die Kompagnie zu versuchen.
Die Befestigungs werke waren nun nach einer ununter-
brochenen Arbeit von einigen Monaten zu ziemlicher Voll-
kommenheit gediehen. Dem Regiment wurden mehrere
Schanzen zur Verteidigung angewiesen, und am 3. Juli fĂĽr
dasselbe der Platz zu einem neuen Lager abgesteckt. Vom
3. bis 8. Juli wurden mehrmals des Nachts die Vorposten
des Regiments alarmiert, ohne daĂź es jedoch zu ernstlichen
Auftritten gekommen wäre. Wahrscheinlicherweise hatte
man österreichischerseits nur die Absicht, einige Gefangene
zu machen, um ĂĽber die Verschanzungen bei Passau Er-
kundigung einziehen zu können.
Der Marschall Herzog von Danzig war von Linz in
Passau angekommen, wo von ihm die sämtlichen Befestigungs-
werke in Augenschein genommen, und die Division Rouyer
gemustert wurde. Der Marschall wiederholte mehrere Male
seine vollkommene Zufriedenheit mit der guten Haltung des
Regiments und lieĂź abends an jeden Mann eine Bouteille
Branntwein austeilen. Dem Hauptmann von Schierbrand
152 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
sicherte der Marschall fĂĽr sein braves Benehmen auf seinem
Kommando zu Zwiesel das Kreuz der Ehrenlegion zu.
Am 23. Juli nachts 1 Uhr erhielt das Regiment und
die ganze Division Rouyer Ordre, nach Salzburg aufzu-
brechen. Das Regiment war den 23. in Obernberg, 24. in
Mattigshofen, 25. in Neumarkt und stand am 26. eine halbe
Stunde von Salzburg im Biwak. Mit der Division Rouyer
sollte sich die 1. Division der Kgl. bayrischen Armee ver-
einigen , um die Tiroler Insurgenten zum Gehorsam zu
bringen. Die Märsche waren wegen der großen Hitze und
wegen der vielen, in oft sehr entlegene Ortschaften abge-
schickten Detachements ziemlich beschwerlich, weshalb das
Regiment eine ziemliche Anzahl Traineurs hatte.
Am 27. brach die Division Rouyer und die erste
bayrische Armee-Division, 6 Regimenter Infanterie, 3 Re-
gimenter Kavallerie nebst 50 Kanonen, von Salzburg auf
und drang in Tirol ein. Die ganze mehrere Stunden lange
Kolonne marschierte den ersten Tag 12 Stunden weit bis
nach dem Dorfe Lofer. Die Division Rouyer und von dieser
wieder das Regiment Herzöge von Sachsen und von diesem
wieder das leichte Bataillon Sachsen-Weimar machte auf
Befehl des Marschalls Herzogs von Danzig die Avantgarde
aus. Hinter dem Orte Lofer fand man den wichtigen Lofer-
paĂź von 300 Mann bewaffneter Tiroler besetzt und ver-
sperrt. Nachdem die Insurgenten zur Ăśbergabe des Passes
und Ablieferung der Waffen aufgefordert worden waren, und
der Marschall 1/i Stunde vergebens gewartet hatte, befahl
er, den PaĂź zu stĂĽrmen. In dem Augenblicke aber, wo das
Regiment im Sturmmarsch aufmarschierte und die Tiroler
berannte, fand es zu seiner nicht geringen Verwunderung,
daĂź die Insurgenten den PaĂź mit groĂźer Eile verlassen
hatten.
Den 28. Juli marschierte das Regiment bis Soll, den
29. bis ll/2 Stunde ĂĽber Rattenberg hinaus. Bei letzterem
Orte hatten die Insurgenten vereint mit 2 Kompagnien
österreichischer Truppen den Paß besetzt, weshalb der Mar-
von 1806—1811. 153
schall die Artillerie vorausschickte und die Division Rouyer
sogleich en ordre de bataille aufmarschieren lieĂź. Nach un-
gefähr 20 Kanonenschüssen wurde der Feind in die Flucht
gejagt und ihm mehrere Gefangene abgenommen ; die Division
hatte nicht einen Mann verloren. Am 30. Juli marschierte
das Regiment vom Lager hinter Rattenberg durch das
fruchtbare Inntal bis 1/2 Stunde hinter Innsbruck, bezog
hier ein Lager und hielt am 31. Juli Rasttag. Hier muĂźte
eine erhebliche Menge Kranker und Maroder zurĂĽckgelassen
werden.
Am 2. August brach die Division Rouyer nebst etwas
bayrischer Kavallerie aus dem Lager bei Innsbruck auf,
der Marschall Herzog von Danzig und die bayrische
Division blieb aber zurĂĽck. Das Regiment traf denselben
Tag in Steinach ein und wurde recht gut empfangen. Den
folgenden Tag passierte es den Brenner, wo es zwar eine
sehr starke Position fand, welche aber verlassen war. Spät
am Abend rĂĽckte die ganze Division in Sterzing ein und
hatte am 3. August Ruhetag.
Den 4. brach die Division frĂĽh auf, um nach Brixen
vorzudriDgen, das leichte Bataillon hatte noch immer die
Avantgarde. Nach einem Marsch von ungefähr 3 Stunden
stieĂź die Division bei Mittewald auf die Avantgarde der
Tiroler Insurgenten, welche ein heftiges Feuer auf das
leichte Bataillon machten. Das Bataillon allein war hin-
reichend, das Dorf Mittewald einzunehmen und mit geringem
Verlust den Feind daraus zu verjagen. Die Hauptmacht
der Insurgenten, auf Bergen und hinter schroffen Felsen
postiert, war fast unangreifbar. Mit unbeschreiblicher An-
strengung wurden aber alle Schwierigkeiten besiegt und die
feindlichen Verhaue aus dem Wege geschafft, man drang
in das kleine Dorf Oberau unaufhaltsam vor. Hier hatte
sich unterdessen die ganze Masse der Insurgenten aufgestellt
und sich auf die Berge rechts und links sehr geschickt
und vorteilhaft postiert. Der Divisions-General Rouyer gab
Befehl zum augenblicklichen Angriff, er begann auf die
154 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
mutvollste und schrecklichste Weise. Das leichte Bataillon
Sachsen-Weimar warf alles, was sich ihm entgegenstellte,
nieder und trieb den Feind von einem Berg zum andern
vor sich her, bis er sich in größter Eile hinter seine Ver-
haue flüchtete, durch welches mächtige Hindernis aber auch
das Bataillon in seinem weiteren Vordringen aufgehalten
wurde. Während dessen erhielt das 1. und 2. Bataillon
des Regiments ebenfalls Befehl zum VorrĂĽcken. Das nun
vereinigte ganze Regiment rĂĽckte im Sturmschritt an, er-
stieg die feindlichen Verhaue, deren es 2 waren, und trieb
den Feind ganz aus seiner festen Position.
Nur noch l1^ Stunde war Brixen entfernt, die größten
Hindernisse waren besiegt, und das Regiment war eben im
Begriff, die Eisack zu passieren, als es wahrnehmen muĂźte,
daĂź die BrĂĽcke abgebrannt war. Die Fortschritte des Re-
giments nach einem blutigen, aber siegreichen Tag waren
dadurch gehemmt, und das Treffen, welches vom Mittag
bis zum Abend gedauert hatte, war beendigt. Der Verlust
des leichten Bataillons war bedeutend. Die Kapitäns von
Schierbrand, und von Hoenning, ein paar wackere, hoffnungs-
volle junge Männer, die Leutnants von Hoenning und von
Schierbrand waren tot; der Leutnant von Breun schwer
verwundet, der Verlust an Unteroffizieren und Gemeinen
betrug 100 Mann und darĂĽber, wovon jedoch viele nur
leicht blessiert waren. Da die BrĂĽcke ĂĽber die Eisack so
ruiniert war, daĂź sie unter einigen Tagen nicht hergestellt
werden konnte, der FluĂź aber auf keine andere Weise zu
passieren war, wozu noch kam, daĂź die Soldaten in 24 Stunden
keinen Bissen gegessen und ĂĽberhaupt, solange sie sich in
Tirol befanden, die größte Not gelitten hatten, so war es
schwer, die eingenommene feindliche Position zu behaupten.
Die Unmöglichkeit, vorwärts zu gehen, war ebenso klar, als
es ausgemacht gewiĂź war, daĂź man in der Gegend, wo man
sich befand, und bei einem gänzlichen Mangel an Lebens-
mitteln, die Ankunft der Pontons und das Armee- Korps,
was noch in Innsbruck war, unmöglich abwarten konnte.
von 1806-1811. 155
In dieser kritischen Lage beschloĂź der Divisions-General,
mit der ganzen Division nach Sterzing zurĂĽckzugehen und
dem Regiment der Herzöge zu Sachsen die Behauptung
der genommenen Position anzuvertrauen, um womöglich die
so teuer erkauften Vorteile zu konservieren und die Bles-
sierten, die in Unterau lagen, in Sicherheit bringen zu lassen.
Am folgenden Morgen fĂĽhrte der General seinen EntschluĂź
aus, marschierte frĂĽh 3 Uhr mit den ĂĽbrigen Regimentern,
wovon keins einen SchuĂź getan hatte, ab und lieĂź nur das
Regiment, das schon so viele Schlachtopfer zählte, nebst
2 Kanonen zurĂĽck. So ganz isoliert, vier Stunden von der
Division entfernt und von aller Kommunikation mit dieser
abgeschnitten, rĂĽckten die Insurgenten aus dem Pustertale
und auf dem rechten FlĂĽgel der Eisack mit Anbruch des
Tages ĂĽber 6000 Mann stark von allen Seiten auf das
Regiment los.
Der Obrist-Brigadier von Egloffstein hatte seine Dis-
position in der Art gemacht, daĂź das leichte, 1. und ein
Teil des 2. Bataillons das aus wenigen Häusern bestehende
Dorf Oberau besetzen, der Rest des 2. Bataillons hingegen
die 2 Kanonen, die dicht hinter dem Dorfe im Walde auf-
gefahren waren, decken sollte; einige Kompagnien maĂźten
im nahen Walde tiraillieren. Der Angriff begann auf das
lebhafteste, die Insurgenten, die es mehrmals versuchten,
in das Dorf zu dringen, wurden jedesmal zurĂĽckgetrieben.
Schon war es 1 Uhr mittags und noch immer dauerte das
Feuer ununterbrochen fort, aber jetzt muĂźte das GeschĂĽtz
aus Mangel an Munition schweigen. Dieser Umstand sowohl
als auch der, daĂź Divisions-General Rouyer die versprochene
Verstärkung mit den nötigen Wagen zur Fortschaffung der
Blessierten, welches alles schon frĂĽh 8 Uhr eintreffen sollte,
nicht schickte, und endlich, daĂź der Obrist-Brigadier die
Unmöglichkeit einsah, weder diese zu retten, noch seinen
Posten, ohne alles aufs Spiel zu setzen, länger zu behaupten,
determinierte ihn, den RĂĽckzug anzutreten. Der Komman-
deur des leichten Bataillons, Major von Germar, verteidigte
156 FeldzĂĽge des S.-W. -Eisenach. Infanterie- Bataillons
sich mit einem Teile des Bataillons fortwährend in Oberau,
wurde aber, nachdem am Abend alle Munition verschossen
war, mit den Seinigen nach einer 14-stĂĽndigen Gegenwehr
zu Gefangenen gemacht. Der RĂĽckzug des Obrists von
Egloffstein erfolgte mit vieler Beschwerlichkeit und groĂźem
Verlust, indem die Truppen von den Bergen herab be-
schossen und mit Steinen beworfen wurden.
So endigten sich diese beiden Tage. Das 1. Bataillon
von Gotha war fast ganz gefangen , und nur diejenigen
Kompagnien des leichten und die des 2. Bataillons, welche
zur Deckung der Artillerie und zum Tiraillieren in die
Hölzer detachiert waren, konnten den Rückzug antreten.
Alles, was in Oberau stand, war tot, gefangen oder blessiert,
die Fahnen der beiden Linienbataillone verloren. Der
Total-Verlust des leichten Bataillons bestand in a) Toten,
auf dem Schlachtfelde : Kapitän von Schierbrand, Kapitän
von Hoenning, Leutnant von Hoenning. Leutnant von
Schierbrand, von der 6. Kompagnie Hildburghausen, 6 Kor-
porals, 1 Tambour 26 Gemeine, b) Blessierten: Major von
Arnswald, leicht, Leutnant von Buchwald, 18 Unteroffizieren
und Soldaten, c) Blessierten und Gefangenen: Major und
Kommandeur von Germar, Leutnant von Breun, starb an
den Wunden, Feldwebel Knabe, desgl., 43 Unteroffiziere
und Soldaten, wovon noch viele an den Wunden gestorben
sind, d) Gefangenen : Kapitän von Linker, Adjutant von
Beulwitz , Leutnant von Einsiedel, Leutnant von Poseck,
Auditeur MĂĽller, Bataillons-Chirurg Boerner, starb in der
Gefangenschaft, und zwar in Hall, Feldwebel Fritsch, 175
Unteroffiziere, Hautboisten, Gefreite und Gemeine.
Als der Rest des Regiments, der vom Stabsoffizier ab-
wärts nur noch in 1105 Mann bestand, — das hiesige Ba-
taillon war vom Kommandeur abwärts nur noch 330 Mann
stark — in Sterzing ankam, war der Marschall Herzog von
Danzig schon mit einem Teil seines Korps da angekommen.
Der Marschall empfing den Obrist von Egloffstein mit
offenen Armen und sagte: daĂź er das Regiment bereits
von 1806-1811. 157
fĂĽr verloren gehalten, daĂź dasselbe die gute Meinung, die
er davon gehabt, vollkommen gerechtfertigt habe, und daĂź
er das brave Benehmen des Regiments unverzĂĽglich dem
Kaiser und König melden wolle. Der Zustand des Regi-
ments war, wie sich denken läßt, der traurigste, 37 Offi-
ziere tot oder gefangen, das Kontingent Gotha hatte nur
noch einen einzigen Offizier, welcher im Lazarett lag, größten-
teils ohne Schuhe, abgerissen im höchsten Grade, ohne alle
Lebensmittel bot es einen jammervollen Anblick dar. Um
sich in etwas zu erholen, wurde das Regiment nach dem
Brenner detachiert, wo es gelagert an unfruchtbaren Bergen
freilich die erwartete Erholung und Ruhe nicht finden
konnte.
Der Marschall von Danzig, nachdem er mehrere An-
griffe auf die Positionen der Tiroler Insurgenten vorwärts
Sterzing durch die bayrischen Truppen hatte unternehmen
lassen, trat am 11. August in der Nacht seinen RĂĽckzug
nach Innsbruck an. Die Division Rouyer und das am
Brenner postiert gewesene Herzogl. sächsische Regiment
brachen in derselben Nacht auf und machten bis Matrey
von dem Armee-Korps des Marschalls die Arrieregarde.
An gedachtem Orte trennte sich aber die Division Rouyer
von der bayrischen ; jene marschierte auf Hall, wodurch
die rechte Flanke der Armee gedeckt wurde, diese auf
Innsbruck. Ohne groĂźen Verlust kam die Division in Hall
an und blieb den 12., 13. und 14. August daselbst ganz
ruhig, doch sah man auf allen umliegenden Bergen die
Tiroler um ihre Wachtfeuer gelagert. Der Marschall aber
wurde auf seinem Marsch von Matrey nach Innsbruck un-
aufhörlich angegriffen und hatte über 1000 Tote, Blessierte
und Gefangene verloren, sowie auch einige Bagage- und
Munitions wagen. Bei Innsbruck wurde das Armee-Korps
noch einmal auf das heftigste von den Insurgenten angegriffen.
In der Nacht vom 14. zum 15. August schloĂź sich die
Division an das von Innsbruck abmarschierte Armeekorps
wieder an. Der Marsch erfolgte in aller Stille, und die
158 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Wachtfeuer mußten sorgfältig unterhalten werden. Die
Division Rouyer machte das Zentrum der Armee und diente
zur Bedeckung der Wagenburg. Kaum hatte die 3. Di-
vision Bayern als Arrieregarde die Stadt Hall im RĂĽcken,
als von allen Seiten und selbst aus den Penstern der Stadt
auf sie gefeuert wurde. Beständig von den Insurgenten
verfolgt, kam die Armee in Schwaz an und blieb den 15.
und 16 allda. Den 17. setzte die Armee ihren RĂĽckzug
nach Wörgl fort, woselbst sich die bayrische Division
Deroy von der Armee trennte und den Weg nach Kufstein
nahm. Der Rest der Armee unter AnfĂĽhrung des Mar-
schalls nahm seinen Marsch ĂĽber Lofer, Reichenhall nach
Salzburg, allwo er am 20. August eintraf, ohne weiter vom
Feinde beunruhigt zu werden. Das leichte Bataillon wurde
schon am andern Tag auf die Dörfer um Salzburg, Max-
lohe usw. gelegt, wo die Soldaten kaum ein StĂĽckchen Brot
bekommen konnten, weil die Gegend schon einige Male
ausgeplĂĽndert worden war. Von der sogenannten Sapeur-
kompagnie hatte man indessen vernommen , daĂź sie am
1. Juni in dem Dorfe Simmering bei Wien stand, wo sie
zum 3. Artillerie-Park der Reserve, vom Artillerie-Obristen
Jouffray kommandiert, gehörte.
Am 5. September befand sich das diesseitige leichte
Bataillon zu Kronsdorf unweit Enns, und am 9. rĂĽckte die
ganze Division in St. Polten und Gegend ein, um da bis
auf weiteren Befehl zu kantonieren, das diesseitige Bataillon
lag in den Dörfern Stuttersdorf, Brunn, Ögelsee usw., dicht
bei St. Polten. Das Regiment hatte seit seinem Kantone-
ment bei Hall in Tirol beträchtliche Desertion gehabt, doch
war vom leichten Bataillon nur 1 Mann desertiert. Der
Kaiser hatte zur Peier des 15. Augusts jedem Regiment
ein Geschenk auszahlen lassen, während des Kantonements
in und bei St. Polten erhielt jeder Unteroffizier und Ge-
meine davon 50 Sous. Nach langem Hoffen waren nun
auch endlich Nachrichten von den Gefangenen in Tirol ein-
gegangen, wodurch man erfuhr, daĂź die meisten Blessierten
von 1806-1811. 159
in Brixen lägen, die nicht blessierten Gefangenen und die
Offiziere waren in Bozen, Meran, Klausen usw. zerstreut;
im ganzen waren die Nachrichten ziemlich beruhigend.
Das Regiment war den 21. September in Wien eingetroffen,
hatte am 22. vor dem General Dumas und am 23. die Re-
vue vor dem Kaiser passiert. Dieser schien mit der Hal-
tung des Regiments nicht unzufrieden und bezeigte viel
Teilnahme an dem Verlust, den das Regiment in Tirol er-
litten hatte. Er lieĂź nach der Revue jedem Soldaten des
Regiments ein paar Schuhe als Geschenk abgeben. Diese
Revue vor dem Kaiser hatte in Schönbrunn statt. Am
24. September erhielt das Regiment abermals plötzlichen
Befehl, sich in Schönbrunn einzufinden. Daselbst ange-
langt muĂźte es sich aufstellen, wurde vom Generalstabs-
chef des Kaisers auf das genaueste gemustert, und Alles,
auch der Verlust desselben in Tirol, auf das sorgfältigste
notiert. Das ganze Regiment lag während seines Kan-
tonements zu Wien in dem fĂĽrstl. Lichtensteinschen Palais
in der Vorstadt Rossau, und nur die Offiziere desselben
waren bei den BĂĽrgern einquartiert. Am 27. September
berichtete der Obrist von Egloffstein, daĂź der Kaiser dem
Regiment der Herzöge von Sachsen , um demselben vor
allen anderen eine Auszeichnung zu geben, 2 vollkommen
bespannte und von französischen Artilleristen bediente
Kanonen geben wollte, ferner daĂź der Prinz von Neuchatel
die Kompletierung des Regiments sehr angelegentlich ge-
wünscht habe. Auf französische Veranlassung hatte der
Obrist von Egloffstein fĂĽr mehrere Offiziere, Unteroffiziere
und Soldaten des Regiments den Orden der Ehrenlegion
erbeten. Unter diese gehörten vom diesseitigen leichten
Bataillon: Adjutant von Beulwitz, Leutnant von Poseck,
die Unteroffiziere Preller und Ruppert und die FĂĽsiliere
Heerdegen und Bechmann.
Den 12. Oktober ging unter dem Kommando des Se-
condeleutnants von Staff ein Ersatz-Kommando \>on 50 Mann
zum Bataillon ab und nahm einen Transport Montierungs-
160 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
mit. Am selben Tage meldete der Obrist von Egloff-
stein, daĂź das Regiment am 4. Oktober von Wien ab ĂĽber
Stockerau nach Krems marschiert sei und am 5. und 6. Kan-
tonierungs-Quartiere um Krems herum bezogen, auch daĂź
der Kaiser ihn, den Obristen, zum Mitglied der Ehren-
legion ernannt habe. In Krems erhielt das Regiment Ordre,
ĂĽber Linz nach Passau zu gehen und dort weitere Befehle
zu erwarten. Am 10. kam es in Linz an. Als es am 11.
frĂĽh im Begriff war, seinen Marsch nach Passau fortzu-
setzen, erhielt die ganze Division Ordre, bis auf weiteren
Befehl Halt zu machen. Man fĂĽrchtete einen abermaligen
Marsch nach Tirol, der jedoch des bald darauf eingetretenen
Friedens wegen nicht stattfand ; das Regiment blieb in Linz.
Am 16. Oktober frĂĽh 9 Uhr verkĂĽndigte der Donner der
Kanonen den in Schönbrunn abgeschlossenen Frieden, und
am 17. d. M. kĂĽndigten die donnernden Kanonen den Kaiser
an, bei welcher Gelegenheit das Regiment in Parade auf-
marschiert war. Um den durchmarschierenden 16 000 Mann
Kaiserl. französischer Garden Platz zu machen, wurde das
Regiment nach Ottensheim und Gramastetten, zwei Stunden
von Linz, verlegt, doch blieb 1 Grenadier-Kompagnie und
der Stab in Linz stehen.
Das Regiment muĂźte bis zum 24. November von einem
Dorfe zum andern marschieren, um den immer nachrĂĽcken-
den Franzosen, welche Österreich räumten, Platz zu machen,
das hiesige Bataillon befand sich am 24. November in
MĂĽhldorf. An diesem Tage abends traf die Sapeur-Kom-
pagnie in Ottensheim beim Regiment ein, um demselben
einverleibt zu werden.
Hier wird der rechte Ort sein, die ferneren Schicksale
dieser Kompagnie kürzlich zu erzählen. Die letzten Nach-
richten von derselben hatte man aus dem Dorfe Simmering
in der Nähe von Wien. Am 26. Juni erhielt der die Kom-
pagnie kommandierende Offizier, Leutnant von Schauroth,
Ordre, die Kompagnie in Bereitschaft zu halten, um jeden
Augenblick aufbrechen zu können. Dieser Befehl kam in
von 1806—1811. 161
der Nacht vom 4. zum 5. Juli an. Die Arriere- Garde
eines Artillerieparks, dem sie attachiert war, deckend, kam
sie am 5. frĂĽh 6 Uhr auf den nahe bei Ebersdorf liegen-
den Donauinseln an, wo den Abend zuvor einige Bataillone
Franzosen ĂĽber die Donau gegangen waren und Veran-
lassung zu einem heftigen Kanonenfeuer gegeben hatten.
Der Artilleriepark und mit ihm die Sapeur-Kompagnie
blieben ruhig stehen. Mittags begann der Angriff auf die
österreichischen Linien von neuem, und zwar von der ganzen
Armee. Ein großer Teil der französischen Armee und das
sächsische Armeekorps marschierten an dem Artilleriepark
vorĂĽber. Die Ă–sterreicher waren einige Stunden zurĂĽck-
gedrängt worden, und der Park, der bisher immer in Re-
serve gestanden hatte, muĂźte abends 7 Uhr der Armee
nachfolgen. Den 6. Juli frĂĽh 3 Uhr engagierte sich die
Schlacht allgemein. Das Kanonenfeuer war fast beispiellos
heftig, der Sieg schwankte auf beiden Seiten, bis Mittags
1 Uhr, wo die Ă–sterreicher ihre letzten Positionen verloren
und sich bei einem lebhaft unterhaltenen Feuer zurĂĽck-
zogen. Die französische Armee und das Kgl. sächsische
Armeekorps avancierten so schnell, daĂź der Artilleriepark
und mit ihm die Sapeur-Kompagnie groĂźe MĂĽhe hatten
nachzukommen. Abends 6 Uhr setzte sich der Park, die
Sapeur-Kompagnie lagerte sich an einem brennenden Dorfe ;
nach einer Stunde kam die Nachricht, daĂź von der Seite
des brennenden Dorfes her ungarische Husaren anrĂĽckten.
Der Artilleriepark setzte sich schleunig wieder in Bewegung
und, da die Bedeckung bei demselben sehr schwach war,
ging die Retirade so eilig, daĂź mehrere Leute von der Be-
deckung und auch 9 Mann von der Sapeur-Kompagnie ihre
Gewehre einbĂĽĂźten. Nach einer halben Stunde schon fand
man einen vorteilhaften Platz, sich wieder zu setzen. Die
Kanonen wurden postiert und die ganze Bedeckung blieb
des Nachts ĂĽber unterm Gewehr. Am 7. blieb der Park
und die Sapeur-Kompagnie ruhig stehen, man benutzte die
Zeit, um die Toten begraben zu helfen. In der Nacht vom
XXVIII. 11
] 62 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
7. zum 8. Juli brach der Park wieder auf, nach einem
höchst beschwerlichen, langen Marsche traf man die Armee
bei Znaim an, wo sich eben ein hitziges Treffen mit den
Ă–sterreichern geendigt hatte. Am 11. Juli wurde, nach-
dem der Kaiser bei Znaim die ganze Armee gemustert
hatte, der Artilleriepark, von dessen Bedeckung die Sapeur-
Kotnpagnie einen Teil ausmachte, nach Brunn und die um-
liegenden Orte verlegt. Der ganze Verlust der Kompagnie
seit dem 6. Juli bestand in 5 VermiĂźten, worunter sich
nur 1 Mann von Weimar befand. Am 9. September kam
die Ordre an die Kompagnie, aufzubrechen und nach PreĂź-
burg zu marschieren; vom 16. September ab stand dieselbe
in Theber, l1/2 Stunde von PreĂźburg und 11 Stunden von
Wien, und gehörte zum Corps imperial du genie unter den
Befehlen des Generals Bertrand. Der Dienst der Kom-
pagnie bestand in Schanzarbeit, weil ein zwischen der
Donau und Marchegg gelegenes altes SchloĂź geschleift und
neu verschanzt werden sollte. Bei dieser Arbeit war es,
als die Kompagnie die Ordre bekam, sich mit dem Regi-
mente zu vereinigen. Kurz vor der Vereinigung beider
war auch das Ersatz-Kommando unter Leutnant von Staff
zu Ottensheim angekommen. Die Kompletierung des Regi-
ments war wieder bei der Durchreise des Prinzen von Neu-
chatel in Anregung gebracht worden, wodurch die Ver-
mutung, daĂź das Regiment nach Spanien bestimmt sei, mehr
Konsistenz erhielt.
Am 25. Dezember erhielt die Division Rouyer, welche
zeither dazu gedient hatte, den Dienst in Oberösterreich zu
verrichten, den Befehl, auf dem linken Ufer der Donau ein
konzentriertes Kantonement zu beziehen. Der gothaische
Major von BĂĽnau zeigte an, daĂź er nebst dem ganzen am
5. August in die Gefangenschaft der Tiroler geratenen Offi-
zierskorps durch den am 5. November erfolgten Einzug des
unter dem Kommando des französischen Generals Baraguay
d'Hilliers stehenden Armeekorps in die Stadt Ăźruneck be-
freit worden sei, daĂź er sich mit der bei ihm befindlichen
von 1806—1811. 163
Mannschaft schon zu Villach in Kärnten befinde und in
kurzer Zeit in die Garnison zurĂĽckzukehren gedenke.
Gleiche Nachricht gab der Major von Germar. Die an ver-
schiedenen Orten Tirols nach und nach befreite Mannschaft
sammelte sich in Salzburg, erhielt dort eine Marschroute
und traf am 14. Dezember in Weimar ein. Am 19. Dezember
abends 10 Uhr erhielt das Regiment zu Linz den Befehl,
den folgenden Morgen nach Passau aufzubrechen, wohin
schon seit einigen Tagen der ĂĽbrige Teil der Division vor-
ausgegangen war.
In Passau erhielt dasselbe Ordre, den 25. von da auf-
zubrechen und den 15. Januar 1810 in Mannheim einzu-
treffen. Nun war es nicht mehr zu bezweifeln, daĂź das
Regiment und die ganze Division Rouyer nach Spanien be-
stimmt sei. Die Marschquartiere bis Mannheim waren: Neu-
burg, Vilshofen, Osterhofen, Plattling, Straubing, Schönach,
Regensburg, Abensberg, Neustadt, Vohburg, Ingolstadt,
Neuburg, Mohnheim, Ă–ttingen, DinkelsbĂĽhl, Krailsheim,
Schwäbisch-Hall, Öhringen, Neustadt, Heilbronn, Sinsheim,
Wiesloch, Schwetzingen, Mannheim und Gegend. Das
Regiment hatte auf diesem langen Marsch größtenteils vor-
treffliche Quartiere. Die Bewohner aller Städte und Dörfer,
durch welche das Regiment kam, bezeigten die lebhafteste
Teilnahme und Besorgnis fĂĽr so brave und gebildete
Krieger, die nun bestimmt waren, jenseits der Pyrenäen
Teil an einem blutigen und verheerenden Kriege zu nehmen.
Zwei Beispiele mögen zum schönsten Beleg des eben Ge-
sagten dienen.
Als ein FĂĽselier vom hiesigen Bataillon von seinem
Quartierwirt in Regensburg und dessen Familie Abschied
nahm, gab ihm ein Kind des Wirtes das Bildnis des heiligen
Nepomuk, ihn bittend, seinen Namen darunter zu schreiben.
Der Soldat tats, und auf seine Frage, was es nun mit
diesem Heiligenbild, worauf sein Name stehe, machen wollte,
erwiderte es : ich stelle das Bild auf den Altar unserer
Kirche und bitte täglich für Sie, guter Mann, daß Gott Sie
11*
X64 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
bald und gesund aus Spanien wieder in Ihr Vaterland
bringt, und glauben Sie mir, mein Heiliger wird bei Gott
für Sie bitten! Der Soldat war bis zu Tränen gerührt und
versprach, wenn er einst sein Vaterland wiedersehen sollte,
nach Regensburg zu schreiben. Er hat sein Vaterland ge-
sund wiedergesehen und sein gegebenes Wort gehalten.
In Wiesloch hielt ein Pfarrer, namens Saeltzer, wegen
des dort eingerĂĽckten hiesigen Bataillons eine Predigt ĂĽber
die Standhaftigkeit des wahren Christen in allen Gefahren,
und wie jeder Mensch in allen Verhältnissen seines Lebens
den besten Trost aus Gottes Wort erhalte. Diese Predigt
gewährte einem großen Teile des hiesigen Bataillons, der
sie mitanhörte, eine solche Beruhigung, daß mehrere Sol-
daten in des Pfarrers Haus gingen, ihm fĂĽr seine Predigt
und gutgemeinten Lehren dankten. Der Pfarrer war ge-
rĂĽhrt, und als einer der Soldaten das Konzept der Predigt
zum Andenken forderte, antwortete der brave Mann : ich
habe kein Konzept zu meiner Predigt, man sagte mir, es
komme heute ein Regiment Sachsen in unsere Stadt, diesen
zu Liebe habe ich gepredigt.
Am 15. und 16. blieb das Regiment in und bei Mann-
heim stehen. Das diesseitige Bataillon hatte 86 Mann
Desertion, die sich jedoch größtenteils bis auf wenige wieder
in Weimar sistierten. Der Hauptgrund dieser starken De-
sertion, welche beim ganzen Regiment 147 Mann betrug,
lag darin, daĂź man irrigermaĂźen allgemein glaubte, das Re-
giment sei in französischen Sold übergegangen, aus welcher
Ursache auch das Offizierskorps um seine Entlassung gebeten
hatte.
4. Feldzug gegen Spanien.
Am 17. December erfolgte der Ăśbergang ĂĽber den
Rhein und machte aller weiteren Desertion ein Ende. Die
dem Regiment vorgeschriebene Marschroute fĂĽr die Zeit
vom 17. Januar bis 8. Februar lautete mit eingeschobenen
von 1806—1811. 165
Ruhetagen: Oggersheim, Speyer, Landau, WeiĂźenburg,
Hagenau, StraĂźburg, Erstein, Schlettstadt, Colmar, Sernay,
Beifort, L'Isle, Baume, Besencon, Vitreux, Auxonne, Seurre,
Verdun, Chalon-sur-Saone. Das leichte Bataillon Weimar
war 375 Köpfe stark über den Rhein gegangen, und mit
diesem Übergänge hörte alle Natural- Verpflegung auf. An-
fangs wollte man französischerseits den resp. sächsischen
Kontingenten die Zahlung der Verpflegungsgelder aus den
Kontingentskassen aufbĂĽrden , allein eine Vorstellung an
den französischen Kriegsminister, Herzog von Feltre, gab
der Sache eine andere Gestalt und die Indemnite des vivres
nach der bekannten Gradation von 25 bis 250 Centimes par
etappe wurde von den französischen Behörden geleistet.
Bei der immer weiteren Entfernung des Regiments
von seiner Heimat und der schwierigen Kommunikation mit
derselben, zumal wenn erst die Pyrenäen überstiegen wären,
wurde a) hinsichtlich der den resp. Kontingenten zu ĂĽber-
sendenden Gelder es durch den hiesigen Ministre resident
zu Paris bei dem tresor public dahin eingeleitet, daĂź der
payeur general der französischen Armee in Spanien die
monatlichen Zahlungen leisten sollte, die darĂĽber ausge-
stellten Quittungen sollten bei dem tresor public zu Paris
mit barem Gelde ausgelöst werden; b) wegen der Briefe
die Einrichtung getroffen, daß sie sämtlich an den hiesigen
Ministre resident *) zu Paris, Treitlinger, gesendet und durch
diesen dem Regiment ohne weiteren Kostenaufwand Ăśber-
macht werden sollten.
Nach der Ankunft des Regiments in Chalon-sur-Saone
erhielt dasselbe die Ordre, am 11. Februar nach Tournus,
am 12. nach Mäcon, 13. Villefranche und am 14. nach
Lyon zu marschieren. Anfänglich sollte das Regiment in
Lyon Rasttag halten, da aber die Rhone wieder schiffbar
geworden sein sollte, so erhielt es Befehl, sich am 15. Fe-
bruar Mittags 1 Uhr einzuschiffen. Es kam aber weder
1) richtiger: Charge1 d'af faires.
166 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
am 15. noch 16. dazu, weil der Eisgang auf der Rhone
sehr stark war, und die Schiffer die Unmöglichkeit einer
Wasserfahrt deklarierten. Von dem zu Lyon komman-
dierenden General Cornet erhielt daher das Regiment die
Ordre, seinen Marsch zu Land fortzusetzen. Die weitere
Marschroute vom 15. Februar bis 9. März war, wieder mit
eingeschobenen Ruhetagen : Vienne, Peage, St. Vallier, Va-
lence, Livron und Loriot, Montelimar, Pont St. Esprit, Uzes,
Nimes, Lunel, Montpellier, Meze, Berenas, Beziers, Sijean,
Rivesaltes, Perpignan.
Unterdessen hatte man in hiesiger Garnison die aus
Tirol zurĂĽckgekommene Mannschaft, sowie die sich sistierten
Deserteure wieder organisiert, und am 25. Februar ging
unter dem Befehl des Majors von Gerinar ein Ersatz-Kom-
mando von 300 Mann oder 2 Kompagnien ab, wobei sich
die Kapitäns von Koenneritz und von Linker befanden.
Dieses Ersatz-Kommando ging ĂĽber Gotha, Eisenach, Fulda
dann ĂĽber Frankfurt a/Main und bekam daselbst dieselbe
Marschroute vorgeschrieben, wie sie das ganze Regiment
durch Frankreich gehabt hatte. Major von Germar war
so glĂĽcklich, auf dem ganzen Marsch nicht mehr als 8 Mann
durch Desertion zu verlieren.
In Montpellier erfuhr das Regiment seine nähere Be-
stimmung, nämlich daß es nebst der ganzen Division Rouyer
zur Eroberung Kataloniens bestimmt sei. Sogleich beim
Einmarsch in Perpignan passierte das Regiment vor dem
dortigen französischen Gouverneur general die Revue. Der-
selbe war mit dem Aussehen und der Haltung der Truppen
sehr wohl zufrieden und kĂĽndigte auf Befehl des Marschalls
Augereau die alsbaldige Fortsetzung des Marsches nach
Spanien an. Die bisher aus den französischen Kassen be-
zogenen Renseignements-Gelder nahmen hier ein Ende, und
an ihre Stelle trat wieder die im Felde gewöhnliche Na-
tural-Verpflegung. Das Regiment wurde ĂĽbrigens aus den
französischen Magazinen zu Perpignan mit neuen Schuhen
und den nötigen Flintensteinen und Patronen versehen, und
von 1806—1811. 167
da eine Menge von Gewehren auf dem langen Marsche
defekt geworden war, auch verschiedene Kaliber gefunden
wurden, so wurden sämtliche Gewehre des Regiments gegen
ganz gut konditionierte französische Gewehre von einem
und demselben Kaliber umgetauscht. Auf diese Art muĂźte
auch das leichte Bataillon die BĂĽchsen, deren bei jeder
Kompagnie 50 waren, gegen Gewehre vertauschen. In-
dessen wurde französischerseits sowohl über den Empfang
der Musketen als BĂĽchsen Bescheinigung ausgestellt, wo-
durch die Zurückgabe der sämtlichen Gewehre zugesichert
wurde.
Am 10. März passierte das Regiment die spanische
Grenze. Am 12. schon traf es in Gerona ein, wo es in
dem ihm vor der Stadt angewiesenen Lager zu den 3 ĂĽbrigen
zur Division Rouyer gehörigen Regimentern stieß. Marschall
Augereau gestattete dem Regiment einen Ruhetag. Am
14. März brach es aus dem Lager vor Gerona auf, um
nach Barcelona vorzudringen, zu dem Ende erhielt jedes
Regiment der Division auĂźer den erforderlichen Patronen
und Flintensteinen auf 5 Tage Fleisch, Brod und Zwieback.
Man kam am 14. bis in die Nähe von Hostairich, am 15.
bis Limares und am 16. bis nach dem Städtchen Zoria,
eine Stunde von Barcelona. Da der Marschall Augereau
fĂĽr gut ansah , die Festung Hostairich zu umgehen , so
muĂźte die ganze Kolonne am ersten und zweiten Tage des
Marsches die schrecklichen "Wege ĂĽber die Gebirge passieren,
daher es geschah, daĂź eine Menge Wagen zerbrachen und
stehen gelassen werden muĂźten. Aus der Festung Hostal-
rich wurde die ganze Truppen-Kolonne mit Kanonen- und
BombenschĂĽssen begrĂĽĂźt, die aber, weil die Kolonne auĂźer-
halb der SchuĂźweite ein Biwak bezogen hatte, keinen
Schaden taten. Der Marsch am 15. war ebenfalls ziem-
lich beschwerlich; denn kaum war die Kolonne aus dem
Gebirge auf die LandstraĂźe gekommen, so wurde dieselbe,
vorzĂĽglich aber die Equipage und der dabei befindliche
Konvoy Lebensmittel bei dem Dorfe Battalaria und dem
168 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Städtchen Sanselone von zahlreichen Insurgentenhaufen an-
gegriffen. Ob nun gleich die Insurgenten nirgends ernst-
haften Widerstand entgegensetzten , so nahm doch den
ganzen Tag das Tirailleurfeuer kein Ende, was fĂĽr die
Truppen bei der groĂźen Hitze des Tages und bei dem
Mangel an Lebensmitteln sehr angreifend war. Das Re-
giment zählte an diesem Tage nur 1 Toten und 8 Ver-
wundete. Nachdem sich die Division Rouyer zwei Tage
in und bei dem Städtchen Zoria aufgehalten hatte, erhielt
sie die Ordre, nach Barcelona zu marschieren. Hier blieben
zur Besatzung der Obrist-Brigadier Freiherr von Egloffstein
mit den zwei gothaischen Grenadier-Kompagnien, auĂźerdem
noch das 5. und 6. Regiment von der Division Rouyer.
Das 1. Regiment Nassau und der Major Knauth mit
600 Mann vom Regiment Herzöge zu Sachsen wurden
unter dem Kommando des französischen Brigade-Generals
Schwarz nach der Richtung von Tarragona vorwärts de-
tachiert. Der Mangel an Lebensmitteln und Fourage war
groß. Der Soldat erhielt nichts als täglich ein halbes
Kommißbrot, äußerst selten etwas Reis, die Pferde erhielten
nur eine sehr geringe Quantität Stroh und, um sie nur
nicht verhungern zu lassen, muĂźte etwas Hafer und Gerste
auf Kosten der betreffenden Kriegskassen zu den enormsten
Preisen gekauft werden.
Der Brigade-General Schwarz hatte sich mit seinen
Truppen ins Gebirge nach der Stadt Manresa gezogen.
Ein von Manresa nach Barcelona zurĂĽckkommendes Kom-
mando , welches einen Konvoy von Lebensmitteln dahin
eskortiert hatte, brachte die Nachricht mit, daĂź mit den
zu Manresa stehenden Truppen jede Kommunikation ab-
geschnitten sei. Dasselbe Kommando brachte vom Major
Knauth einen Rapport vom 26. März an den Obristen von
Egloffstein mit , worin ersterer meldete , daĂź das ganze,
unter dem Brigade-General Schwarz stehende Kommando
von 2000 Mann am 20. März bis Esparaguera und am
21. bis Manresa marschiert sei, daĂź sich aber dem Marsche
von 1806—1811. 169
überall Hindernisse in den Weg gestellt hätten, indem die
Insurgenten alle auf dem Wege nach Manresa befindlichen
Anhöhen besetzt gehabt und beständig auf die Kolonne
gefeuert hätten, dergestalt, daß sie von Berg zu Berg von
den Tirailleuren hätten vertrieben werden müssen. Der
Rapport des Major Knauth enthielt ferner, daĂź das Kom-
mando des Generals Schwarz am 21. März den engen Paß
von Monserrat passiert habe, der, wenn er nur einigermaĂźen
besetzt und verteidigt werde, ganz unzugänglich sei. Kaum
in und um Manresa angelangt, sei von den Insurgenten auf
allen benachbarten Dörfern die Sturmglocke geläutet worden,
wodurch sich die ohnehin schon groĂźe Anzahl der bewaff-
neten Bauern beträchtlich vermehrt habe. Unter solchen
Umständen hätten am 22. März früh die sämtlichen, um
die ganz menschenleere Stadt sich gelagerten Detachements
den Befehl erhalten, sich nach und nach bis in die Vor-
städte zurückzuziehen und Positionen in und um die Häuser
zu nehmen, auch einen bei der Stadt gelegenen Berg mit
der darauf befindlichen Kapelle zu besetzen. In diesem
Zustand wären alle Posten des heftigen Feuers und An-
drogens der Feinde ungeachtet bis zum 26. März stand-
haft behauptet worden. Major Knauth meldete in seinem
Rapport zugleich, daĂź sich der Verlust des Detachements vom
Regiment Herzöge zu Sachsen auf 6 Tote und 28 Blessierte
belaufe, worunter sich 3 Tote und 13 Blessierte vom
leichten Bataillon befänden.
Zur UnterstĂĽtzung des in Manresa befindlichen Korps
wurde am 2. April auf Befehl des Marschalls Augereau
1 Bataillon des 67. französischen Linienregiments, 240 Mann
vom 5. Regiment (Anhalt-Lippe) der Division Rouyer und
60 Mann von den in Barcelona zurĂĽckgebliebenen gotha-
ischen und meiningischen Kompagnien, letztere unter dem
Kommando des Leutnants von Blänkner, abgesendet. Dieses
Succurs-Detachement , etwa zusammen 1000 Mann stark,
konnte aber zwischen dem Städtchen Martorell und dem
Berge Monserrat seinen Marsch nicht weiter fortsetzen;
170 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
denn eine in die Gegend von Manresa vorgerĂĽckte Kolonne
feindlicher Kavallerie und Infanterie, verbunden mit einer
groĂźen Menge Bauern, umzingelte jenes Detachement so,
daĂź sieb, dasselbe endlich, nachdem es sich verschiedene
Male mit der ĂĽberlegenen Macht des Feindes engagiert
hatte, in großer Eile so gut als möglich zurückziehen mußte.
Am 4. April kam daher dieses zum Succurs bestimmt ge-
wesene Detachement , freilich nicht im besten Zustand,
wieder zurĂĽck; denn statt der abgegangenen 240 Mann
vom 5. Regiment Anhalt-Lippe kamen nur 100 und statt
der abgegangenen 60 Mann Gothaer und Meininger nur
2 Korporale und 17 Gemeine zurĂĽck. Alle ĂĽbrige Mann-
schaft war teils blessiert, teils gefangen, teils auch von
den Insurgenten auf eine elende Art getötet worden. Den
erlittenen, sehr bedeutenden Verlust des 1. Bataillons vom
67. französischen Linien-Infanterie-Regiment konnte man
nicht angeben.
Schon gab man das Kommando unter dem Brigade-
General Schwarz verloren, als es am 6. April ganz unver-
mutet wieder in Barcelona eintraf. Die 600 Mann vom
Regiment Herzöge zu Sachsen und das Regiment Nassau
hatte sich die ganze Zeit hindurch in Manresa gehalten
und dem heftigen Andringen der Feinde den kräftigsten
Widerstand entgegengesetzt. Als das von Barcelona nach
Manresa mit einem Konvoy von Munition abgeschickte
Kommando, dessen weiter oben gedacht wurde, und durch
welches der Major Knauth seinen Rapport vom 26. März
an den Obrist-Brigadier von Egloffstein erstattete, in der
Nacht vom 26. auf den 27. März nach Barcelona zurück-
kehrte, befahl Brigade-General Schwarz dem Major Knauth,
dieses Kommando mit seiner Mannschaft bis ĂĽber den PaĂź
am Monserrat hinaus auf ungefähr 4 — 5 Stunden Weges
zu begleiten. Ungeachtet der dunkeln Nacht zeigten sich
bei diesem Marsch ĂĽberall eine Menge Hindernisse. Die
Insurgenten beschossen die Kolonne fast auf jedem Schritt;
doch wurde die Absicht völlig erreicht, und Major Knauth
von 1806—1811. 171
kam am 27. Nachmittags 3 Uhr bei und Abends 8 Uhr
in Manresa wieder an. Sein Verlust betrug 4 Tote und
17 Blessierte, unter welch letzteren sich der koburgische
Leutnant von Schauroth befand. Vom 27. März bis 4. April
stand das Korps des Generals Schwarz unverrĂĽckbar in
Manresa, hatte Vorposten nahe um die Stadt ausgestellt,
sich stark verschanzt und behauptete seine einmal ge-
nommene Position mit Nachdruck und Festigkeit, ob es
gleich von Seiten der zahlreichen Insurgenten 6- bis 8mal
zur Kapitulation aufgefordert worden war.
Am 4. April frĂĽh sah man ein feindliches Korps von
3 — 4000 Mann reguläres Militär sich der Stadt nähern und
mit Fahnen und klingendem Spiel aufmarschieren. Bald dar-
auf erschien ein Parlamentär mit einem schriftlichen Aufruf
zur Ăśbergabe, den der General Schwarz eine geraume Zeit auf-
hielt und, nachdem er seine MaĂźregeln genommen, mit einer
abschlägigen Antwort zurückgehen ließ. Kaum war dieser
Parlamentär im feindlichen Lager angekommen , als das
feindliche Korps Nachmittags 5 Uhr auf die Vorposten-
verschanzungen Sturm zu laufen anfing, welcher Sturm aber
tapfer abgeschlagen wurde. Mit einbrechender Nacht zogen
sich auf Befehl des Generals Schwarz alle Vorposten lang-
sam und allmählich in die Stadt zurück. Die Tore wurden
verrammelt, sämtliche Blessierte wurden in das während
des Aufenthaltes in Manresa etablierte Lazarett gebracht,
und in der Nacht 11 Uhr schlich sich das ganze Korps
in größter Stille zu dem entgegengesetzten Tore hinaus
und trat die Retirade an. Es hatte aber leider mit un-
beschreiblichen Hindernissen und Gefahren zu kämpfen:
denn überall stieß es auf feindliches Militär und bewaffnete
Bauern. Das Feuer dauerte mitten in der Nacht unaus-
gesetzt fort. Mehrmals wurde die Kolonne ganz getrennt,
abgeschnitten und muĂźte sich den ĂĽber die steilsten Berge
und schmalen Felswände laufenden Weg durch die Feinde
bahnen; sämtliche Wagen und die Kasse des Regiments
Nassau muĂźten abgespannt, mehrere erbeutete Maultiere
172 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie- Bataillons
im Stich gelassen werden. GlĂĽcklicherweise hatte der
Obrist-Brigadier von Egloffstein die zum Regiment Her-
zöge von Sachsen gehörigen Wagen zurückbehalten. In
dieser äußerst mißlichen Lage ging der Zug über den fast
unzugänglichen Col de David nach Sabadell und Sandandres,
wo das Korps in der Nacht zum 5. April anlangte.
Das Detachement des Majors Knauth vermiĂźte hier
353 Köpfe, warunter sich der Kapitän von Boyneburg, die
Leutnants von Boyneburg, von Seebach, von Crayen, von
Koppenfels, von Steuben und von Schauroth, sämtlich vom
leichten Bataillon, befanden. Da der Feind stets auf dem
FuĂźe folgte, so lieĂź sich ĂĽber den Verlust an Toten und
Blessierten nichts ganz Bestimmtes angeben. Major Knauth
brachte von den 600 Mann im ganzen 210 Unteroffiziere
und Gemeine und 37 Blessierte mit nach Barcelona zurĂĽck,
unter welch letzteren sich 4 verwundete gothaische Offi-
ziere befanden. Von der ganzen 3. Kompagnie des leichten
Bataillons war nur noch 1 Gefreiter ĂĽbrig. 50 Blessierte
und der koburgische Leutnant von Schauroth muĂźten in
Manresa im Spital zurĂĽckgelassen werden und fielen dem
Feinde in die Hände. Der Total- Verlust des leichten In-
fanterie-Bataillons, welches bei dem unglĂĽcklichen RĂĽckzug
die Arriere-Garde machte, bestand, auĂźer den schon ge-
nannten Offizieren — wovon der Leutnant von Koppen-
fels zum hildburghäusischen Kontingent gehörte — , in
161 Mann vom Feldwebel abwärts, die während des Auf-
enthaltes in Manresa Gebliebenen und Blessierten unge-
rechnet.
In einem Tagesbefehl vom 6. April trug der Reichs-
marschall Augereau dem Divisions-General Rouyer auf, der
nach Manresa detachiert gewesenen deutschen Brigade seine
Zufriedenheit mit ihrem Benehmen zu erkennen zu geben
— toute sa satisfaction particuliere pour la brillante con-
duite, que ces troupes ont tenue dans les diverses combats,
qu'elles ont eu ä soutenir contre des forces superieures.
Vom leichten Bataillon Weimar wurde der Leutnant von
von 1806—1811. 173
Goldacker, der Feldwebel Preller, der Unteroffizier Rein-
hardt und der Gemeine Stief als ganz vorzĂĽglich brav zur
Auszeichnung vorgeschlagen. Der Brigade-General Schwarz,
der nicht genug RĂĽhmliches und Lobenswertes von dem
tapfern und tadellosen Benehmen seines ganzen Detache-
ments und namentlich dem des Majors Knauth sagen konnte,
hatte sich bereits vom Marschall die beiden Regimenter
Sachsen und Nassau zu einer Brigade zum fortwährenden
Kommando ausgebeten und erhalten.
Nach einem 3-wöchentlichen Aufenthalte in Barcelona,
und nachdem von da aus verschiedene Demonstrationen
nach Taragona und Manresa gemacht worden waren, ent-
schloĂź sich der Marschall wegen des groĂźen Mangels an
Lebensmitteln, mit dem größten Teile seiner Armee in die
Gegend von Gerona zurĂĽckzukehren. Dieser EntschlieĂźung
zufolge erhielt auch das Regiment Sachsen den Befehl, am
11. von Barcelona ab und bis nach dem Städtchen San-
dandres zu marschieren, wo sich das Armeekorps sammelte,
und sodann am 12. in Kolonne bis Granollers, den 13. bis
vor Hostairich und den 14. bis in die Gegend von Gerona
zu marschieren. Auf dem ganzen Marsch fand die Armee,
wider alle Vermutung, so wenig Widerstand, daĂź das Regi-
ment nicht einen einzigen Toten oder Blessierten hatte.
Die Division Rouyer, von welcher das Regiment Nassau
als Garnison in Barcelona zurĂĽckgeblieben war, lagerte
am 14. bis 18. April eine Stunde von Gerona auf der
StraĂźe nach Hostairich. Am 18. frĂĽh wurde dieses Lager
verlassen, und das Regiment marschierte durch Gerona
durch nach dem eine halbe Stunde davon liegenden Dorfe
Ponte Major an der StraĂźe nach Perpignan.
Am 29. April traf bei dem Regiment ein gothaisches
und meiningisches Ersatz-Kommando unter den Majors von
Bünau und von Böse ein, welches in Summa in 380 Köpfen
bestand, und wenige Tage darauf, am 4. Mai, kam auch
das weimarische Ersatz-Kommando unter Major von Ger-
mar an. Dieser beträchtlichen Verstärkung ungeachtet
174 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-BatailloDs
konnte des bei Manresa erlittenen Verlustes wegen das
Regiment nur in 2 Bataillone formiert werden. Das 1. oder
Linien-Bataillon , aus den gothaischen und meiningischen
Kontingenten zusammengesetzt, war einschlieĂźlich des Regi-
mentsstabes 819 Mann stark und bestand aus 5 gothaischen
und 2 meiningischen Kompagnien. Das 2. oder leichte
Bataillon bestand aus den weimarischen, koburgischen und
hildburghäusischen Kontingenten, 773 Mann stark und be-
saß 3 weimarische, 2 koburgische und 1 hildburghäusische
Kompagnie. Major von Arnswald, der Regimentsquartier-
meister Schmidt, Leutnant von Staff, später auch Kapitän
von Könneritz 'und mehrere Unteroffiziere und Gerneine
kehrten mit Serenissimi Vorwissen als invalide in die Gar-
nison zurĂĽck.
Ende Mai gab der Marschall Augereau das Oberkom-
mando in Katalonien ab, der Marschall Macdonald ĂĽber-
nahm dasselbe. Am 29. Mai passierte das Regiment vor
diesem die Revue und erhielt den Befehl, die indes ĂĽber-
gegangene Festung Hostairich zu besetzen und das dort
befindliche 6. italienische Linien-Regiment abzulösen. Die
Krankheiten hatten der eingetretenen heiĂźen Jahreszeit
wegen schon so ĂĽberhand genommen, daĂź unter der Auf-
sicht des weimarischen Bataillonsarztes Mirus mehrere Offi-
ziere und ĂĽber 100 Mann zurĂĽckgelassen werden muĂźten,
auch der Obrist-Brigadier von Egloffstein befand sich krank
zu Gerona und hatte das Kommando ĂĽber das Regiment
dem Major von Germar ĂĽbertragen. Um diese Zeit war
es, daĂź mehrere Soldaten vom Regiment, besonders vom
koburgischen Kontingent, desertierten und zum Feinde
ĂĽbergingen ; auch erhielt man von einem spanischen Deser-
teur die Nachricht, daĂź sich mehrere der bei Manresa ge-
fangenen Offiziere zu Taragona befänden.
Im Monat Juli vermehrten sich die Krankheiten, das
hiesige Kontingent hatte schon 17 Mann durch den Tod
verloren, auch waren 14 Mann desertiert; der Leutnant
von Steuben war, nachdem er von seinen Wunden her-
von 1806—1811. 175
gestellt worden war, die er bei Manresa erhalten hatte,
aus der spanischen Gefangenschaft zurĂĽckgekehrt, auch
mehrere blessiert gewesene und im Hospital zu Manresa
gefangene Soldaten hatten sich zufolge einer zwischen den
beiden Armeen bestehenden Konvention ebenfalls wieder
eingefunden. Der Leutnant von Steuben sagte aus, daĂź
die gefangenen Offiziere aller Wahrscheinlichkeit nach noch
lebten, und daĂź selbst der totgeglaubte Leutnant von Crayen
nur schwer blessiert gewesen und wieder auf dem Wege
der Besserung sei; ferner erfuhr man, daĂź ein groĂźer Teil
der bei Manresa gefangenen Mannschaft in sicilianische,
spanische und englische Dienste zu gehen gezwungen
worden sei. Die schon genannten Militärs, welche nach
der Affaire von Manresa zur Auszeichnung empfohlen worden
waren, wurden dem Kriegsminister Herzog von Feltre zu
Mitgliedern der Ehrenlegion durch den Brigade-General
Schwarz und den Divisions-General Rouyer vorgeschlagen;
diese Angelegenheit wurde später wieder in Erinnerung
gebracht, blieb aber ohne Erfolg.
Am 16. Juli mußte sich das Regiment an ein beträcht-
liches Korps von der Armee anschlieĂźen, welches zum Trans-
port eines sehr bedeutenden Konvoys aller Art nach Barcelona
bestimmt war. Der Marsch ging am 17. von Hostairich nach
Laroka, am 18. von Laroka bis Carthatheo und am 19. bis
Barcelona. Zwischen Granollers und dem Städtchen Laroka
stieĂź das Korps auf 8000 Mann spanische Linieninfanterie
und 300 Mann Kavallerie, welche, unterstĂĽtzt von einer
groĂźen Anzahl bewaffneter Bauern, die Absicht zu haben
schienen, den Konvoy wegzunehmen. Der Eeind attackierte
in dieser Absicht die rechte Flanke und die Queue der
Kolonne, wurde aber vom Marschall Macdonald, der den
Konvoy und dessen Eskorte in eigner Person kommandierte,
so empfangen, daĂź er die Flucht zu ergreifen gezwungen
war. Das bei der Avantgarde befindlich gewesene 7. fran-
zösische Linien-Regiment hatte dabei einen bedeutenden
Verlust erlitten, aber das Regiment Herzöge zu Sachsen.
176 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
welches die Arrieregarde machte, verlor keinen Mann und
hatte nur einen leicht blessierten Offizier. Nachdem der
Konvoy glĂĽcklich in Barcelona angelangt war, stand das
Regiment 2 Tage bei dem Städtchen Sandes im Lager,
worauf es am 22. und 23. bis Hostairich und am 24. bis
Gerona zurĂĽckkehrte.
Auf Befehl des Marschalls wurde das Regiment durch
das 16. französische Linienregiment in Hostairich abgelöst.
Der starke und beschwerliche Dienst in Hostairich, der
dort herrschende groĂźe Mangel an allen BedĂĽrfnissen, die
schlechten Quartiere in fast ganz niedergeschossenen und
während der Belagerung abgebrannten Häusern, endlich
der letzte Marsch nach Barcelona bei einer so ungeheuren
Hitze, daß während desselben 4 Mann tot im Gliede nieder-
fielen, hatte die Leute so entkräftet, daß 68 Mann Kranke
in Barcelona zurĂĽckgelassen werden muĂźten. Auf dem
RĂĽckmarsch nach Gerona vermehrte sich die Zahl der
Kranken so sehr, daĂź von den 1000 Mann, die noch bei
der Expedition nach Barcelona waren, nur 640 dienstfähige
ĂĽbrig blieben. Das Regiment hatte allein 24 kranke Offi-
ziere, auch der Obrist-Brigadier wurde von einem Wechsel-
fieber befallen.
Im August wurden wieder einige Invaliden vom Regi-
ment in die Garnisonen zurĂĽckgesendet. Die Lage des
Regiments rĂĽcksichtlich seines Gesundheitszustandes wurde
im August immer trauriger, fast alle Offiziere waren krank,
vom leichten Bataillon lagen allein 245 Mann im Spital.
Das ganze Regiment hatte mit Offizieren nur noch 300 Mann
im Dienst, die meistens auch kränkelten. Vom leichten
Bataillon waren wieder 18 Mann gestorben, der Major und
Kommandeur von Germar befand sich gefährlich krank.
Die Insurgenten kamen der Festung Gerona anfangs Sep-
tember so nahe, daĂź Alles in der Stadt zu den Waffen
greifen muĂźte. Man konnte die feindlichen Wachtfeuer
deutlich sehen und ihre Trommeln hören. Leider wurde
auch der Brigade-General Schwarz bei Bisbai mit den Ăśber-
von 1806—1811. 177
resten des 5. und 6. Regiments der Division Rouyer durch
die Engländer gefangen genommen, wobei auch 1 Korporal
und 8 Mann vom leichten Bataillon Weimar mit in die
Gefangenschaft gerieten.
Im Oktober waren bereits zwei Drittel des Regiments
tot, und am 1. November war es dahin gekommen, daĂź
die diensttuende Mannschaft des 1. Bataillons aus gar
keinem, und die des leichten Bataillons aus 7 Gemeinen
bestand, worunter sich 3 Mann von Weimar befanden. Nur
allein in den Monaten September und Oktober waren
176 Mann vom leichten Bataillon gestorben, von den in
Hostairich, Barcelona, Figueras usw. befindlichen Kranken
hatte man keine bestimmten Nachrichten, doch war die
Sterblichkeit auch dort nicht geringer, die Totenscheine
kamen in ganzen Paketen an. Am 28. November kamen
mit einem von Barcelona zurĂĽckgekommenen Konvoy der
weimarische Leutnant von Crayen und der koburgische
Leutnant von Schauroth aus der spanischen Gefangenschaft
zurĂĽck. Sie wurden nach erfolgter Heilung ihrer Wunden zu-
folge einer mit den Spaniern bestehenden Konvention schon im
Juli nach Barcelona abgeliefert, wo sie sich seither befunden
hatten. Von den 68 Mann, die bei der letzten Expedition
nach Barcelona daselbst zurĂĽckgelassen werden muĂźten,
kamen nur 25 zurĂĽck, die ĂĽbrigen waren daselbst gestorben.
In den ersten Tagen des Dezember wurde die Division
Rouyer ganz aufgelöst, weil die 4 Regimenter, aus denen
sie bestand, ausschlieĂźlich des Regimentes Nassau, welches
aber in Barcelona garnisonierte, ganz destruiert waren, wo-
durch die längst genährte Hoffnung zur Rückkehr ins
Vaterland neue Nahrung erhielt. Die Sterblichkeit ver-
minderte sich nicht, seit kurzem waren auch wieder 5 Offi-
ziere vom Regiment gestorben, worunter sich jedoch keiner
von Weimar befand. Wegen der abwesenden Kranken,
deren Zahl sich auf mehrere Hundert belief, hatte der
Obrist-Brigadier von Egloffstein an alle französischen Militär-
Hospitäler geschrieben.
XXVIII. 12
178 FeldzĂĽge des S.-W.-Eisenach. Infanterie-Bataillons
Endlich, am 21. Januar 1811, kam die Ordre von Paris
zum Aufbruch nach Frankreich, in deren Gemäßheit das
Regiment Herzöge zu Sachsen am 23. Januar von Gerona
ab und nach Perpignan marschierte, wo es am 26. Januar
231 Köpfe stark eintraf. Von dem dort kommandierenden
französischen General Trabot erhielt es die Ordre, am 28.
bis Salces, am 29. bis Sijean, 30. bis Narbonne, 31. bis
Beziers und am 1. Februar bis Agde zu marschieren und
an letzterem Ort bis auf weitere Ordre stehen zu bleiben.
Weil der Abmarsch von Gerona sehr schnell erfolgte, so
hatte der Obrist-Brigadier von Egloffstein 1 Offizier und
20 Mann zurĂĽckgelassen, um die zurĂĽckgelassenen Gewehre
zu packen und dem Regiment nachzubringen. In Agde
wurden die Soldaten in der dortigen, wohl eingerichteten
Kaserne sehr gut und bequem untergebracht , bekamen
jedoch nur provisorisch Brot, Fleisch und Holz geliefert.
Die Offiziere wurden auf 3 Tage in der Stadt einquartiert,
muĂźten aber nach Ablauf derselben sich auf ihre Kosten
einmieten, die Pferde erhielten auf Kosten der Kommune
Fourage und Stallung. Mittlerweile waren an den Obristen
von vielen französischen Militär-Spitälern wegen der ab-
wesend Kranken Nachrichten eingelaufen, die jedoch so
wenig befriedigend ausfielen, daĂź es wie zeither ungewiĂź
blieb, ob und wo die fehlenden Leute vom Regiment ge-
storben , desertiert oder sonst verloren gegangen wären.
Der Obrist-Brigadier ließ daher die sämtliche fehlende
Mannschaft, an 232 Mann, in Abgang bringen.
In Montpellier arrangierte der Obrist-Brigadier das
Nötige wegen der Verpflegung des zu Agde stehenden
Regiments. Nach dem französischen Reglement erhielten:
1) jeder Soldat vom Feldwebel abwärts frei Quartier
in der Kaserne , die gewöhnliche Ration Brot , täglich
15 Centimes Fleisch- und 6 Centimes Holzgeld.
2) Die Offiziere weiter nichts als Quartiergeld, und
zwar der Obrist monatlich 50, der Bataillonschef 40, jeder
Kapitän 18 und jeder Leutnant 12 Francs.
von 1806—1811. 179
3) die 30 Regiments-Wagenpferde die gewöhnlichen
Rationen, 6 Kilogr. Heu, 4 Kilogr. Stroh und 8y2 Liter
Hafer.
In Ansehung der Offiziers-Reitpferde hat das Gou-
vernement nur 2 Pferde fĂĽr den Obrist und fĂĽr jeden
Major nur 1 Pferd gut und bezahlt für jede Ration täglich
1 Franc.
Die Geschäfte des zur Sammlung der Gewehre in
Gerona zurĂĽckgelassenen Offiziers waren eben nicht glĂĽck-
lich abgelaufen, denn obgleich zu Gerona, Figueras und
Perpignan wenigstens 900 Mann gestorben waren, so konnte
dieser Offizier doch nur 525 Gewehre zusammenbringen
die sich im allertraurigsten Zustande befanden. Die Säbel
und Patronentaschen waren nicht besser, die Tornister,
Mäntel und Montierungen gänzlich verloren. Bei dem gänz-
lichen Mangel einer Art, diese Gewehre u. s. w. zu trans-
portieren, und da vom Gouvernement in Perpignan hierzu
gar keine hilfreiche Hand geleistet wurde, muĂźten selbige
im Arsenal militaire zu Perpignan gegen einen Empfangs-
schein deponiert werden. Die in Perpignan beim Einmarsch
nach Spanien deponierten 168 StĂĽck weimarischen BĂĽchsen
waren jedoch noch ganz komplett und in gutem Stande vor-
handen. Während sich das Regiment in Agde befand, war
von den gefangenen 4 weimarischen Offizieren, dem Kapitän
von Boyneburg, Leutnants von Boyneburg, von Seebach
und von Schauroth ein Brief eingelaufen, aus welchem sich
ergab , daĂź sich diese Offiziere im November des abge-
wichenen Jahres zu Alicante befunden hatten. Sie baten
sehr, daß sie unterstützt werden möchten, weil sie sich von
allem entblößt befänden.
Von dem französischen Divisions-General Chabot zu
Montpellier ging die Ordre ein, daĂź die Reste des Regi-
ments Herzöge zu Sachsen den 13. April von Agde ab-
marschieren und ĂĽber Montpellier, Nimes, Lyon, Chalon-
sur-Saone, Dijon am 17. Mai in Metz eintreffen sollten.
Bei der Ankunft des Regiments in Metz fand sich noch
12*
180 Feldzüge des S.-W.-Eisen. Inf.-Bataillons von 1806—1811.
keine Ordre wegen der Fortsetzung des Marsches vor. Es
muĂźte deshalb erst nach Paris geschrieben werden, woher
am 1. Juni der Befehl einging, daĂź das Regiment am 5. Juni
in Metz aufbrechen und ĂĽber SaarbrĂĽcken, Kaiserslautern
nach Mainz marschieren sollte, wo es am 15. Juni wirklich
eintraf. Am 16. frĂĽh gegen 3 Uhr passierte das Regiment
unter lautem Jubel den Rhein und betrat wieder den vater-
ländischen Boden. In Frankfurt a/M. war am 17. Juni
Ruhetag und am 18. wurde der Marsch ĂĽber Fulda fort-
gesetzt.
Am 25. rĂĽckten die Reste des Regiments in Eisenach
ein, das Bürger-Militär war mit Musik entgegengezogen.
Der Empfang war feierlich und rĂĽhrend; denn nur wenige
waren es, die ihren tief bekĂĽmmerten Anverwandten die
Freude des Wiedersehens verschaffen konnten. Das Regi-
ment wurde zu einem Diner vom Stadtrat geladen, welches
auch in dem mit Blumen und Kränzen geschmückten Schieß-
haus statthatte, und dem ein fröhlicher Tanz folgte. Die
sämtlichen Offiziere waren zur Tafel nach Wilhelmsthal
gebeten, wo sich die Herzogin, ingleichen der Erbprinz
und die Erbprinzessin, eben aufhielten. An der gothaischen
Grenze wurde das Regiment ebenso freudig empfangen, in
Mechterstädt waren an den Seiten der Straße Tafeln auf-
gestellt, an denen die Soldaten frĂĽhstĂĽckten. Am 28. Juni
traf das hiesige Kontingent, vom Kommandeur desselben ab-
wärts in allem noch 101 Köpfe stark, unter Begleitung einer
zahllosen Menge der hiesigen Einwohner wieder in Wei-
mar ein. Am folgenden Tage gab die Stadt dem Offizier-
korps und der sämtlichen Mannschaft ein splendides Diner,
worauf ein bis zum nächsten Morgen dauernder Ball folgte.
Die Soldaten wurden bis zum 1. Juli bei den BĂĽrgern ein-
quartiert, mit dem gedachten Tage wurde Alles wieder auf
den FriedensfuĂź gesetzt.
Weimar, den 11. Oktober 1811.
Karl Emil Heibig.
V.
Briefe und Akten zur Reformationsgeschichte
der Stadt MĂĽhlhausen i. ThĂĽr.
Herausgeg. von
H. Nebelsieck, Superintendent in Liebenwerda.
(Fortsetzung ; vergl. Bd. XXV, 8. 417—451 und Bd. XXVI,
8. 339-362.)
Nachtrag x).
Bolstedt.
Nachdeme in der visitacion zwischen dem pfarherr und der
gemeine doselbst, wilcher gestalt sie das pfargueth innen haben und
dem pfarner dagegen jerlich ein pension reichen sollen, verhandelt,
soll es noch darpei pleiben.
Es sollen auch die leuthe, nachdeme die pfarkirche im velde
abgethan und ym dort angericht ist, dem pfarher ein gelegene be-
hausung bey der kirchen schaffen, vermuege der visitations ordenunge.
Und weil disser pfarner die leuth zu Germar mit dem pfarrechte
ein jar langk versorget, sollen sie im seine besoldung vermuege der
visitacion s verzeichnus entrichten.
Germar.
Wie wol diĂź dorf in der visitacion zcur pfarr Bolstedt ge-
schlagen, weil aber die leut dieĂźer zeit ein eigenen pfarner bekomen
und der zcu Bolstedt sich der muehe auch beschwert, ist nach-
gelassen, das sie iren eigenen pfarner behalten.
Nachdem der pfarner zcu Germar geclagt, das er kein wissen,
auch kein register hab von den XII malder detzmes, item das ime
auch von der vorordenten zculage der jerlichen X schock noch nichts
gegeben worden, ist den leuten bepholen, das sie die zcinĂźe uf ihre
uncosten und muehe ausfindig und gangkhaftig machen und die
X schock uf die vier quatember vermuege der visitacions ordenung
geben sollen, deĂźgleichen sollen sie die pfargebeude und zeune auch
machen und bessern.
1) Ohne Datum. Der Nachtrag ist jedenfalls durch eine noch-
malige Prüfung der kirchlichen Verhältnisse, die am Montag nach
Convers. Pauli (31. Januar) 1542 und an den folgenden Tagen statt-
fand, veranlaĂźt worden.
Die für die Dörfer festgesetzte Kirchenordnung nebst Nachtrag
ist gedruckt in: Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahr-
hunderts, herausgeg. von Sehling, Bd. 2.
182 Briefe und Akten zur Beformationsgeschichte
Velchte und Hungonde.
Die zwene hufen pfarlandts, so der pfarner zcu Hongede hat, sol
er zcu seinem besten nutz geprauchen, so lange er pfarner ist. Weil
er auch die leuthe zu Eychen mit den pfarrechten versorget, soll er
dargegen des gartens, so zcur selbigen kirchen gehört, auch zcu seinem
besten geprauchen.
Graba, GroĂź- und Klein-.
Als disser pfarner sich beclagt, das ym sein detzem seer ver-
tzoglich, dortzu an untĂĽchtig getreidych gegeben werde, ist mit den
mennern verschaffet, auch von inen bewilligt, das sie ime sein detzem
uf einen bestimpten tagk ungefehrlich umb Martini, wan ers inen
uf der cantzel zcuvor vorkundigt, an guden gedreidich geben und die
heimburger dorpei sein und zcusehen sollen. Dorgegen er denselbigen
eyne voreherunge mit eyner kandel bir ader zw(e)ne thun soll, und
wilche uf bestimpten tagk nicht zalen, die sollen nochmals dem pharher
den detzem in sein hauĂź pringen, wie vor alter auch geweĂźen.
Dye pfarbehausung zcu Klein Graba sollen die gemeine ver-
myethen und den zcins zcu Steuer nhemen, dormit sie die andere
pfarbehausunge in baulichem weßen erhalten mögen. Doch soll der
pfarrer die scheuren zcu seiner notturft zcugeprauchen haben. Mit
er Martin Krampffen soll der echosser schaffen, das er die schlussel
zur pfarbehausung in Klein Graba von sich gebe und sie den leuten
zcustellen.
Ammara und Beyssern.
Mit dem pfarher ist verschaffet, das er die leuth zcu Beyssern
allewege uf den dritten sontagk zcu rechter zeit fĂĽr mittage mit
predigten ?) und andern gotlichen amptern vorsehen soll. Weil auch
die leuth die pfarbehausung, so der pfarher aufgerichtet, noch nit
aufgebauet und gentzlich vorfertigt, ist ihnen ernstlich bepholen,
das sies vollent fertigen und nach noitturft anrichten sollen, wan
solchs gesehen, soll der pfarher vermuege der visitacions ordenung
das sein auch dapei thun.
Lengefelt und Horsmar.
Als disser pfarner angegeben, als das aus des hospitals zu
Gotha, guth Breittenbach genannt, (von dem auch Horsmar der pfar
zcu lehen ruret) ein zall hufe landes sampt einer wieĂźen zcur pfar
Horsmar gehört haben sollen, hat man dem rathe zcu Gotha der-
wegen geschriben, der hat darauf antwort gegeben, das er sulchs
ghar nicht gestendigk, erbeut sich aber zcu recht, whue der pfarher
oder die gemeine zcu Horsmar solchs erweyßen können.
Als sich der pfarher beclagt, das die leuth zcu Horsmar ime
XVI schneb. aus der kirchen, item VII schock zeulage sich waigern,
item das pfarholtz zeugebrauchen wheren sollen , ist verschaffet,
das sie die XVI schneb. aus der kyrehen und die VII schock aus
der gemein auch geben sollen, auch soll der pfarrer des holtzes zcur
noitturft geprauchen, doch das er kein hegstuck abhauen und wegk
fĂĽren lasse, das holtz zu verwĂĽsten.
DeĂźgleichen ist mit denen zcu Lengefelt verschafft, das sie die
XIIII Mulhausche schock, der pfarr zeustendigk inhalts der alten
der Stadt MĂĽhlhausen in ThĂĽr. 183
pfarregister, wilche der pfarher furgelegt, widderumb anlegen und so
lange sie die innen haben, vertzinĂźen sollen. Auch sollen sie der
pfar lenderey, so Valtin Muller und andere zcu sich getzogen,
widderumb zcur pfar pringen und restituiren.
Dachriden und Kaisershain.
Es ist dem pfarhern bepholen , das er beide dorfer uf die
sontage und festa(ge). wechselweiĂźe mit predigten und andern pfar-
rechten versorgen soll, eins frue, das ander hernach und widderumb.
Wyndenbergk und Salveldt.
Weil disser pfarner kein register hat, und nicht wais, worauf
er dienet, sol der schosser im zcu den registern, so vil ime möglich,
vorhelfen. Item bey dem schosser zcu forschen , wer die zcinĂźe
vom forst einnehme, denn ein baur us Germar berichtet, er soll solche
zcins uf schossers boden getragen haben.
Dornde, Holnbach, Eugeriden.
Es clagen die leuth, sonderlich zcu Eugeriden, das der pfarher
langsam zcu yne khome, uf die sontage, szo claget auch der pfarner
im schwer und schir unmöglich sein wolle, die dorfer alle sontage
und feste zuvorsorgen. Derwegen ist den leuten zcu Eugeriden nach-
gelassen, who sie einen pfarner bekomen mögen, der durch die visi-
tatores tüchtig erkant wirdt, das sie denselbigen annehmen mögen.
— Es folgen noch Bestimmungen über Reparaturen am Pfarrhause
und Bestellung des Pfarrackers.
Obern Dorla.
Lassen bey der visitacion ordenung pleiben.
Niddern Dorla.
Nachdeme disser pfarher Sebastian Dhile bey vielen leuten
etlicher irthum vordechtigk, derwegen er dan beredt und von
sacrament des abentmals, item von der erbsundt in yrthumb be-
funden, dortzu er sich bekant, kein underricht annemen, zcu dem
auch seiner opinion kein grundt noch ursach anzeigen können, noch
wollen hat, gleichwol die gemeyne gewonliche forma bey der taufe
mit dem exorcismo fallen lassen und sich uf die Hessischen visi-
tatores, von denen er dohin zcu pfarner verordent, berufen, szo ist
ime durch mich, Justum Menium, das pfarampt alĂź balt aufgesagt
und abgekundiget mit disser protestacion, was er fortan weiter sich
desselbigen unterstehen und handeln wurdt, das solchs ane mein
bephelich und willen, auch ane mein vorantwortung gegen Got und
meniglich gescheen soll und mögen diejenigen dofur antworten, so
in des orts behalten und vorthetingen.
L a n g u 1 a.
Hat die zeit kein pfarher gehapt, es haben aber die leuth ge-
beten, mhan wolt inen die XV schock zculage, so inen in der visi-
tacion ufgelegt, nachlassen. Dorauf ist disser bescheidt gegeben,
who von den zinĂźen zcu Denstadt der pfarr etwas zcugeordent sei,
so vil desselbigen sei, so vil soll den leuten an den XV schock ab-
gehen und sie die ubermaĂź alleine zugeben schuldig sein.
184 Briefe und Akten zur Reformationsgeschichte
König Ferdinand erklärt den zwischen der Stadt Mühlhausen
und den drei SchutzfĂĽrsten im Jahre 1525 geschlossenen Vertrag
fĂĽr aufgehoben ').
1542, August 14, NĂĽrnberg.
Original im MĂĽhlh. Stadtarchiv; beglaubigte Kopie im Staats-
archiv zu Dresden, 10 159.
Wir Ferdinand von Gottsgenaden Koemischer koenig etc. be-
kennen mit disem brive und thun kunth allermeniglich, als sich die
stende des hailigen Roemischen reichs von wegen unserer und des
reichs lieben getreuen N. burgermeister und rats der stadt Mulhausen
in Duringen etliche jhar her und zu viel gehalten reichstegen zum
höchsten beschwert und beclagt haben, wie wol dieselbe stadt one
alles mittel dem hay. Rom. reich underworfen, zugethan und vor-
wandt, auch ihre vorfaren und sie bis anhero jhe und alletzeith in
die reichstage erfordert und beschrieben und als ein mitgeliedt des
hay. Rom. reichs in allen amlagen, steuren und reisen mit gemeinen
reichsstenden gehorsams mitleiden getragen und noch gerne tragen
wolten, so weren sie doch in negst vorschienen funfundtzwanzigsten
jhar durch der hochgeborenen Johans Friderichen, des heiligen Rom.
reichs ertzmarschalchen, und Moritzen, herzogen zu Sachssen, landt-
graven in Duringen und marggraven zu Meissen vorfaren und
Philipsen, landtgraven zu Hessen, graven zu Catzenelnbogen, Ditz,
Ziegenhain und Nida, unsern lieben ohemen, churf. und fursten,
von solcher des reichs gehorsame abgetzogen und von denselben in
einen beschwerlichen Vortrag, gelubt und eidt gedrungen, auch inen
in andere mehr wege neben dem, das sie itz gedachten churf. und
fursten ewige ofnunge lassen sollen, beschwerliche und unleidliche
bürden ufgelegt wurden, alles dem heiligen Römischen reich zu
schmelerung und entziehung desselben eigenthumbs und inen den
von Mhulhausen zu merklicher beschwerung und vorterben.
Dann inen unmuglich were, neben solchen aufgelegten bĂĽrden
und dienstbarkeiten mit den stenden des hey. Roe. reichs ihr an-
schlege zu reichen oder zu leisten, sundern wurden sie dardurch,
wo inen hierinnen nit gebuerliche hulff und einsehung mitgeteilt, in
letztes vorterben und dahin geursacht, das sie ire anwesen, weib,
kinder, habe und gueter vorlassen mĂĽssen. Und wiewol die Rom.
kay. May. unser lieber bruder und herr, derhalben zweiten mahl an-
sehenliche commissari von chur- und fursten verordnet, mit dem
bevehlich, zwischen bevor bemelten chur- und fursten und denen
von Muhlhausen zu gutlieber hinlegung und vorgleichung der sachen
zu handeln, doch das in alle wege der stadt Mulhausen wiederumb
zu irer kay. May. und des heiligen reichs handen und gehorsame
gebracht wurde, so were doch durch dieselben verordneten commissarien
in den sachen, aus dem das die obbemelten chur- und fursten von
Sachssen und Hessen solcher gutlicher handelung nicht stadt geben,
nichts furtreglichs oder erschieĂźlichs (ersprieĂźlichs ?) gehandelt
wurden.
So hetten sich itzt gemelte chur- und fursten gesanten reth
und botschaften auf jungst gehaltem Speirischen reichs tag auf unser
1) Zeitschrift fĂĽr Kirchengeschichte der Provinz Sachsen, II, 82,
Sonder-Ausgabe 142.
der Stadt MĂĽhlhausen in ThĂĽr. 185
und der kay. Mayt. vorordenten commissarien genediges und gut-
lichs beschehen ansinnen in einiche gutliche handelunge auch nicht
einlassen wollen. Wann aber auf solchem Speierischem reichstage
von chur- und fursten und anderen stenden des heiligen Kömischen
reichs fĂĽr rechtmessig und billich geachtet wehr, auch von denselben
anstadt in namen hochgedachter kay. Mayt. angesucht und gebeten
wurden, das wir der gedachten von Mulhausen von obberurten iren
gethanen gelubten und eiden und anderen bĂĽrden und dinstbar-
keithen, so inen durch obberurten beschwerlichen Vortrag aufgelegt
wurden, aus Köm. kay. und kön. macht volkommenheit entledigen
und sie wiederumb zu der kay. May. und der kay. Römischen reichs
handen und gehorsame, auch in allen wurden, standt und ehre,
darinnen sie vor demselben Vortrag gewest sein, gentzlich und vol-
komlich restituiren wollte, und uns nun an Stadt und in abwesen
hochgedachter kay. Mayt. gebuert und zustehet, dem hey. Roe. reich
an seinen eigenthumb, rechten und gerechtigkeiten nichts entziehen
zu lassen, auch denjhenigen, so wider recht und billikeidt beschwerdt
ader bedrangt zu sein vormeinen, mit unser gnedigsten hulf und
einsehung zu erscheinen, so haben wir demnach mit guether vor-
betrachtung, rechten wissen und zeitigem rath gemeiner reichsstende
den obberurten Vortrag in allen und jeden seinen puncten, in-
haltungen und begreiffungen in namen der kay. May. und aus craft
dis brives vornichtiget, aufgesagt, cassiret und abgethan und er-
kennen und ercleren solchen Vortrag sampt allen derselben zeith auf-
gerichteten vorschreibungen, so dieser unser restitution in einigem
wege zuwider sein mochte, nichtig, kraftlos und von unwirden, und
das die gegen bemelten von Mulhausen und derselben dorfschaften
underthanen und leuthe unbundlich und unwirklich sein solleu.
Auch darauf die gedachten von Mulhausen als ein mitgeliedt des
heyligen Roemischen reichs sampt allen und jeden derselben erb-
zugehorigen dorfschaften, weilern, hofen, weidern, gehultzen inner-
halb und ausserhalb ires gerichtes und gezircks gelegen, dergleichen
ire warten, landtwehr und aller irer ein und zugehorungen zusampt
dero dorfschaft, die voigtey genandt, so die Stadt pfandtsweis von
dem stift Meintz an sich gebracht, auch allen deren leuthen nicht
ausgenommen, gentzlich und volkommenlich widerumb zu der kay.
May. unsejn und des heiligen reichs handen und gehorsame ge-
nummen und empfangen und sie von den gelubten und eiden sampt
der ofnen hulf und volge und allen andern bĂĽrden gegen obbemelten
chur- und fursten von öachssen und Hessen gentzlich entledigt und
sie aller ding in vorigen standt, ehr und wurde, inmassen sie vor
der zeidt des hier obbestimpten aufgerichteten Vortrags gewest sein,
restituirt und gesetzt, restituiren, setzen und ergentzen sie auch
hirmit aller ding in vorigen standt, ehre und wirde aus Roe. kay.
und koe. macht Vollkommenheit wissentlich in craft ditz brives und
meinen, setzen und wollen, das dieselben von Mulhausen bei allen
und jden iren regalien, Privilegien, begnadungen, freiheit, rechten
und gerechtikeit, so sie von unsern vorfarn Roe. kaisern und konigen
erworben und herbracht, auch von wem und wann ihnen die sunst
herkommen sein, nichts ausgesundert, gentzlich und volkommenlich
bleiben, und das sie nun furthin das regiment in der Stadt Mul-
hausen mith rathmeistern und personen des radts nach vormug ir
der von Mulhausen Privilegien, stadtrecht, gewonheit und gebrauch,
wie sie des hievor in ubung gewesen sein, widderumb bestellen, die
lyĂź Briefe und Akten zur Ăźeformationsgeschichte
pflicht von ihnen im nahmen der kay. Mayt. unsern und des hey.
reichs wegen annehmen und sich sunst in alle andern wege solcher
irer habenden Privilegien, freiheiten, rechten und gerechtikeiten ge-
brauchen, nutzen, niessen sollen und mugen, ane aller weniglichs
vorhinderung.
Und gebiethen darauf an stadt und in nahmen der kay. Mat
und vor uns selbst obbemelte chur- und fursten von Sachssen und
Hessen, das sie sich irer angemasten obrikeiten gegen den von
Mulhausen gentzlich entschlagen und begeben und sie die von Mul-
hausen sampt deren zugehörigen dorfschaften, wie oben vormeldet,
bey diser unser annehmunge, entledigung und restitution gentzlich
und ruiglich bleiben und sie derer gebrauchen und gemessen lassen
und sie darwider vor sich selbs oder durch jhemants andern mit der
thadt unervolgt rechtens nicht dringen, beschweren noch in einigen
wegk belestigen, das auch die vorordenten schuldtheisen und schosser,
so itzo von bemelter chur- und fursten wegen die ampter zu Mul-
hausen tragen, derselben ampter der kay. Mt., uns und dem heiligen
reich und berurter stadt Mulhausen unvorzogenlich abetreten und
die von Mulhausen an bestellunge und vorwaltunge derselben nicht
vorhindern. Und dan forder allen und iden bemelter stadt Mul-
hausen erbgehorigen und andern underthanen und leuthen innerhalb
und ausserhalb ires gerichts und getzircks gelegen, das sie sich
widerumb in huldunge der stadt Mulhausen gehorsamlich einlassen
und diser unser annehmunge, entledunge und restitucion geleben
und nachkommen, in massen sie vor aufrichtunge des hie ob an-
getzeigten Vortrags gethan haben, und sich hierin nicht ungehor-
samlich halten, alles bey vormeidung key. Mt. und unser und des
heiligen reichs schweren ungenadt und straf und dartzu einer peen,
nemlich hundert marck lottigk geldes, die ein jder, so oft er hiewider
handien wirdt, halb in unser und des reichs cammer und den andern
halben theil obgedachten von Mulhausen unableslich zubetzahlen
vorfallen sein soll.
Wo sich aber hierĂĽber die obgedachten chur- und fursten von
Sachssen und Hessen ader jemants anders von irent wegen mit
der thadt ausserhalb rechtens gegen denen von Mulhausen ichts
understehen und dieselben von Mulhausen bey dieser unser an-
nehmunge, entledigung und restitution und was dieser .unser brief
aufweist, nicht ruiglich bleiben lassen wurden, so geben wir dem
kay. cammerprocurator fiscal an dem kay. cammergericht hiemit
ernstlich und sundern bevehlich und gewalt fĂĽr sich selbst ader
neben denen von Mulhausen auf obbemelte peen widder gedachte
chur- und fursten sampt und sund, wie sich in solchen und der-
gleichen feilen und rechten gebuert, zu procedirn und zuvolfahren.
Gebieten auch darauf ferner von hochgedachter kay. Mt. wegen
andern churf., fursten, geistlichen und weltlichen, prelaten, graven,
freihenhern, ryttern, knechten, heuptleuten, landtvoigten, vitztumben,
voigten, pflegern, vorwesern, amptleuthen, schuldtheissen, schossern,
burgern, gemeinden und sunst allen andern unsern und des heiligen
reichs underthanen und getreuen gemeinlich, das sie obbemelte von Mul-
hausen, auch ire inwoner sampt allen iren zugehörigen dorfschaften,
underthanen, leuthen und guethern bey diser annehmunge, ab-
solution, entledunge und restitution gleicherweis beruiglich bleiben
und sie der gebrauchen und gemessen lassen und hinwieder nicht
thun, noch jemants anderm zuthun gestatten, in kein weis, als lieb
der Stadt MĂĽhlhausen iu ThĂĽr. 187
einem jden sey obgedachter kay. Mt., unser und des reichs schwere
ungenade und dartzu die peen, die oben eingeleibt, zuvormeiden.
Das meinen wir ernstlich, und nachdem den gedachten von
Mulhausen etwas beschwerlich und geferlich wehre, diesen unseren
brief in originali, so oft es die notturft erfordern, ĂĽber landt zu-
schicken oder zufuren, haben wir inen genediglich bewilligt und zu-
gelassen, das sie ein oder mehr vidymus von disem unserm brief
mit ordentlichen vorsiegelung und fertigunge aufrichten lassen mugen.
Und meinen, setzen und wollen, das demselben gefertigten vidimus
allenthalb in und ausserhalb rechtens gelaubt (geglaubt ?) und darauf
gericht, geurteilt und gehandelt werden solle, ane geferde, mit ur-
kunth dises brieves, besiegeldt mit unserm konig. anhangenden insigel,
der geben ist in unser und des heiligen reichs Stadt Nurmberg, den
viertzehenden tag des monats Augusti, nach Christi unsers lieben
hern gebuert funftzehenhundert und im zwey und vierzigsten,
unserer reich, des Eomischen im zwölften und der andern in secht-
zehenden jharen. Ferdinandus.
Protokoll, betr. die EinfĂĽhrung der Reformation in MĂĽhlhausen1).
1542. Original im Mühlhäuser Archiv K, Fach 3 a, b, c, No. 31/32.
Handlungen, szo sich zwischen der durchleuchtigsten, durch-
leuchtigen, hochgebornen chur und fursten SachĂźen und Hessen,
unserer gn. t. (günstigen ?) und gnädigen hern, wolloblichen ge-
sandten, rethen und hern visitatorn und dem erbarn radt und redten
der stadt MulhauĂźen in annehmung der religion und anderm zu-
getragen.
Dinstags nach Nativitatis Marie (ae) anno LXII seindt des
durchleuchtigsten hochgebornen fursten und hern, hern JohanĂźen
Friderichen, hertzogen zu SachĂźen, churfursten und burggraven zu
Magdeburg, unsers gn. t. hern, wollobliche verordente rethe und
hern visitatores, als nemlich der ernvheste und gestrenge er Friderich
von Wangenheim, amptmann zu Saltzingen, und der erwirdige her
Justus Menius, pfarher und superattendens zu Eysenach, dergleichen
des durchleuchtigen hochgebornen fursten und hern, hern PhiĂĽppĂźen,
landtgraven zu Hessen etc wollobliche redte und visitatores, der
erbar er Valtin Tholde, amptman zu Wanfrieden. und die wirdigen
und wolgelerten er Mgr. (Magister) Justus Winter zu Rotenburg und
er Johannes Leningus zu Meisingen, alhier zu Mulhaußen ankörnen
und sich alsbaldt durch den achtbarn ern Christian Schmidt, ge-
meynen schösser alhier, bey dem regyrenden burgermeyster ern
Sebastian Rodeman laĂźen angeben, mit beger, die erbarn radte und
redte uff volgende mitwochen des morgens zu 6 hören in vorsamlung
bringen zu lassen, dan sie von wegen irer gnt. und gn. hern hetten
etwas an sie zu tragen.
Mitwochs frue umb 6 hör seindt die erbarn redte in vorsam-
lung kommen, do ihn die chur und f. liehe (fĂĽrstliche) redte und
1) Z. K. S, 95 ff.; S.-A. 155. Die bei dieser Visitation fest-
gesetzte Kirchenordnung der Stadt M. ist gedruckt in: Die evan-
gelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, herausgegeben
von Sehling, Bd. IL
183 Briefe und Akten zur Reformationsgeschichte
hern visitatores durch den hern amptman ern Friderichen von
Wangenheim, ungeverlich uff dieĂźe meynung iren empfangen bevelch
angezeigt:
Erstlich, wie das beyderseits ire gn te und gne. hern chur und
f. g. zu SachĂźen und Hessen die erwirdigen visitatores, so jegen-
wertig, gnediglich abgefertiget, die kirchen und anders vermöge des
sühnebrieffs zu reformiren, die mißbreuch, kirchenspiel, abgötterey
und anders abzuthun und mit christlichen und erfarnen predicanten
zuvorsehen, der gnedigen zuvorsicht, es werd es eyn er. radt und
rethe alĂźo in underthenickeit annehmen und willigen, welches dan
iren chur- und f. g. zu sondren gnaden und gefallen gereichen wurde.
Und domit aber ein radt und redte wissen mochten, was solcher
bevelch weyter in sich hielte, szo hetten sie aldo etliche artickel
gestelt, welche sie den redten vorlesen und darauff iren bericht haben
wolten. Und sind darauff dieĂźe hernach vorzeichente artickel in
den redten in irem aller beysein vorlesen worden.
Folgen die artickel.
Von pfarren.
1. Wieviel pfarren in stadt MulhauĂźen, dergleichen in vor-
stedten sein.
2. Von wehme ein jede pfar zu lehen rure.
3. Wer der jeder dieĂźer zeit im besitz habe.
4. Wer der jede mit predigen, reichung der sacramente und
andern emptern dieĂźer zeit vorstehe.
5. Was der jede fĂĽr gueter an ligenden grĂĽnden und sonst
allerley benentem gewissen jerlichen einkommen habe.
6. Wer solche gueter und einkommen unter handen und in
vorwaltung habe, item wohin es gewandt und gebraucht werde.
7. Bey wehme und wo die briefliche Urkunde ĂĽber solche guther
und einkommen in vorwarung sein.
8. Was tegliche accidentalia ader jura parochialia gewesen,
an opffer, tauffgeldt, begrebnus und begengknussen sampt andern
dergleichen.
Von andern geistlichen lehen oder kirchungen (?) styfftungen.
1. Was und wieviel vicarien , commenden und andere lehen
oder styfftung in jeder pfar, deĂźgleichen in andern kirchen und
capellen gestyfft sein.
2. Von wehme eine jede styfftung zu lehen rĂĽhre.
3. Wer eynes jeden lehens besitzer sey.
4. Was es an zugehörenden guethern und jerlichen einkhommen
habe.
5. Uff wievil meĂźe ader auf was andere kirchendienste es sunst
gestyfft.
6. Wohin es dieĂźer zeit gebraucht werde.
7. Bey wehme und wuhe seyne jura und briefliche Urkunden
vorwart werden.
Von clöstern.
1. Wievil clöster alhier vorhanden sindt.
2. Wievil ein jedes personen habe.
3. Welche personen dieĂźes orts eingesegnete conventskinder und
der Stadt MĂĽhlhausen in ThĂĽr. 189
welche anderswo frömbde eingenommen seindt, item aus welchen
frömbden clöstern sie anher kommen.
4. Was eynes jeden closters zugehörige gueter und einkommen
seye.
5. Wer solche gueter und einkommen einzubringen und auf-
zuwenden in vorwaltung habe.
Anniversaria und bruderschaffte, kaländt, salve, tenebre(ae) und
dergleichen gemeine styfftunge.
1. Wievil derselbigen und wo ein jede gestifft.
2. Was zugehörige gueter und einkommen der jedes habe.
Von kirchen ader gottesheuĂźern.
1. Was zugehorende gueter und einkommens der jedes habe,
davon die gebau erhalten, item hechte und andere notturft in die
kirchen erzeuget werden.
Von hospitalien und siechenheuĂźern, spenden sampt andern eyn-
kommen fĂĽr die armen leut.
1. Wievil derselbigen seindt.
2. Was gutter und inkommen sye haben.
3. Durch wehn ader welcher gestalt dyeselbigen jerlichen ein-
bracht und auĂźgewandt werden.
4. Bey wehin und wuhe die brieflichen Urkunden darĂĽber
haltende in vorwarung seyen.
Von schulen.
1. Wievil schulen gehalten werden.
2. Wye ein jede schule vorsehen sey, wievil gesellen, und was
besoldung ein jeder schulmeyster, dergleichen ein jeder gesel habe.
Was uff dieĂźe ĂĽbergeben artickel fĂĽr schrifftliche und mundt-
liche antwort gefallen, ist durch eynen sondern bericht vorzeichendt
und zu endt dieĂźes buchs mit angehenckt worden.
Nachdeme nuhn, wie oben vermeldet, solche artickel in den
er.(baren) redten übergeben und in irer aller beysein öffentlich vorlesen
worden, hat darauf der her burger (meister) Rodeman gebeten, die-
weil derselbigen etwas vil und in der eyel alle zuvorantworten den er.
redten nit wol thunlich, das man ihn die schriftlich), en) zustellen
wolt, solt darauf notturftiger underricht, Ăźo erat es muglich, gefallen.
DiĂź haben alĂźo die gesandten rethe und hern visitatoren zugelassen
und die artickel den er. redten ĂĽbergeben.
Darauf sindt die er. redte in ihr wesen gangen und nach ge-
haltener underredung einhelliglich beschlossen, das man den chur
und f. liehen redten und den hern visitatoren uff diĂźmal mit kurtzer
antwort bejegen und darbeneben anzeigen solt, wie das man in an-
sehung der wichtikeit des handeis beneben den hern eldisten etliche
aus radt und redten fĂĽr eynen auĂźschus erwelen und verordnen
wolt, welche die ubergebne artickel fĂĽr die handt nehmen und darauf
underricht geben soften. Auch ist darbeneben zum beschlus fĂĽr
gut angesehen worden, umb fridtliche predicanten zu bitten, welche
das volck durchs wort Gottes zu frieden, eynickeit und liebe ver-
manen und fĂĽr uffrhur, zwitracht, unruhe und anderm verhĂĽten
solten.
1 90 Briefe und Akten zur Reforrnationsgeschichte
Nach dieĂźem sindt die gesandten chur und f. liehen rethe sampt
den hern visitatoren widerumb in die er. redte gefordert und ihnen
durch den ern burger(meister) Rodeman uDgeverlich uff volgende
meynung zur antwort geben worden. Erstlich ist angetzeigt, wie
das der Teutzsche orden der boley zu Dhoringen etwan alle pfarren
zuvorsorgen gehabt, dieweil sye aber in mitler zeit des unvormugens
worden, das sie dieselbigen nach notturft nit haben bestellen können,
hat sich ein radt und rethe mit den Teutzschen hern in eynen ver-
trag darĂĽber eingelassen und die pfarren uff XTI jar lang zuvor-
sorgen angenommen. Es sey aber der zweyer pfarheuĂźer ein-
khommen nit hochschetzig, so sey der kirehen einkommen gantz
gering und haben die gebau an tachung und andrem anher sollen
erhalten werden, haben fromme leut darzu ire reichung gethan.
Sovil aber die jura parochialia belanget, wolten sie sich das bey den
Vormunden dern pfarren und pfarhern erkunden, dergleichen bey
den kalandtshern und vicareien.
Dye clöster hetten ihr einkommen noch für sich, auch etliche
ihr einkommen anzuzeigen sich hiebevorn (als die prediger ordens)
höchlich gewidert und beschwerdt, solt derhalben bey iren gunsten
stehen, dieselbigen zu erforschen.
Der hospitall gelegenheit ist auch angetzeigt worden, wie das
S. Anthonii hospital sampt dem closter uff der brĂĽcken von dem
Fuldischen styfft zu lehen gehen, Szo sey S. Margaret(hen) hospitall
mit styfftung eyner meĂź auch vorsehen , dartzu dem Teutzschen
orden ein gewandt geldt gegeben inhalt brief und sigil. Dye spende
sey fĂĽr der beurischen emporung durch eyn radt auĂźgericht worden,
als mit hering und brodt. aber sider der zeit aus unvormugen under-
lassen und biĂźweilen durch etliche burger gegeben worden. Was
fernem underricht der Sachen allenthalben belanget, kunten die vor-
munder der kirchen und pfarren, spitals Vormunde und der closter,
deĂźgleichen die kalandtshern und vicarien wol geben, dye uff er-
fordern solten vorkommen. Szo wolten auch die er. redte durch die
hern eldisten und den ausschus der sachen ferner nachdencken lassen
und iren heilickeiten zum furderlichsten mit antwort begegen. Be-
schlieĂźlich ist auch gebeten worden, nachdeme ihr her neue predi-
canten aufzustellen bedacht, das dieselbigen (als sich die redte vor-
sehen wolten) fromme, gelerte und friedliche predicanten weren,
welche zu fried und einickeit geneigt, damit das volck in friedlichem
wesen erhalten werden mochte.
Darauff die gesandten redte nach gehalten(em) gesprech gesagt,
sovil den ersten punet des underrichts belangte, were sie des wol
zu fried, das radt und redte die ubergebnen artickel durch den aus-
schus zum besten beratschlagten und ihnen darnach mit antwort
darauff begegneten. Dieweil ihn auch der handel und die gelegen-
heit aller dieĂźer sachen fast unbekandt und ihnen eynes radts und
rethe mundtlicher underricht, wo der gescheen solt, entfallen möchte,
szo were ihr beger und bitt, ein radt und redte wolten ihnen des
ein schriftliche vorzeichnus uff die ubergebne schriftliche artickel
zukommen lassen und wo es muglich das solches noch desselbigen
tages in ansehung der groĂźen unkost, Ăźo sie alhier teglich thun
musten, ader je zum lengsten uff volgenden tag zu VII hör des
Vormittages bescheen mochte. Nachdeme auch die heubtsache dieĂźes
handeis furnemlich zu Gottes ehren und des negsten seien selickeit
furgenommen worden, daraus eynem radt, rethen und gemeyner
der Stadt MĂĽhlhausen in ThĂĽr. 191
burgerschaft keyn nachteil entstehen solt, auch ihr bevelch solchs
mit sich brechte, die kirchen zu visitirn und die ämpter darinnen
zu reformirn, auch abgötterey abzuthun, so wolte ihn geburen, dem
bevelich nach zu setzen, und weren derhalben bedacht, die personen,
so den pfarren und kirchen mit ämptern furstehen, nach essens uffs
radthaus fordern zu lassen, ihnen eynen bevelch furzuhalten, wurden
auch mit den pfarhern der wonung halber handelunge furnehmen
mĂĽssen, domit die neuen predicanten mit wonungen auch vorsehen
und mit anderer notturft mochten vorsorget werden, derwegen ihr
freundtlich beger, es wolte ein radt aus den dreyen redten auch
etzliche darzu verordnen, welche bey der Sachen zugleich mit sein
möchten. Soviel aber die gethane bit der friedlichen predicanten
halber belanget, lieĂźen sie ihn dieselbig wol gefallen und solts ein
radt und rethe gewiĂźlich darfur halten, das ihre gnte. und gne. hern
sye mit frommen , gelerten und friedlichen predicanten fursehen
wurden, solten sich auch deĂźhalben gar nit besorgen, den ire gnt.
und gne. herrn als die hochverstendigen fursten selbst wol erachten
könten, was und wievil eynem radt und gemeyner stadt daran ge-
legen, solten derhalben in warheit befinden, das sie mit denselbigen
zum besten versorget sein wurden. Begerten auch darauf, es wolte
ein radt und rethe die predicanten wie gesagt annehmen und er-
kennen und in gleichen fall sich jegen ihn auch friedlich halten
und auch der gemeinde untersagen laĂźen, das sie nuhn hinfurder
die reichung der sacrament, tau ff und anders bey niemandts, dan
bey den verordenten neuen predicanten suchen wolten, und muste
solches zum furderlichsten der gemeynde angesagt werden, darnach
sie sich zu richten.
Darauf der er burger(meister) kurtzlich zur antwort geben:
Erstlich, was die schriftliche vorzeichnus des underrichts belanget,
solt ihn dyeselbige zum furderlichsten zugestelt werden. Zum andern
solten die pfarhern sampt schulmeystern und kirchnern nach essens
auch gefordert werden und woltens mit der wonung zu ihren hern
gestält haben. Zum dritten wolt man die hern aus den dreyen
redten auch darzu erwelen und verordnen. Zum vierden, was die
gemeynde belanget, kunte solches am fuglichsten uff der cantzel
bescheen, do man ihn solches under der predig verkundigen und
anzeigen mochte. Das alles die gesandten rethe und hern visitatores
von wegen irer gnt. und gn. hern zu gnedigen gefallen und zu danck
angenommen und darauf begert, den pfarhern und andern zu dreyen
hören des nachmittages uffs radthaus für die cammerey vorzubescheiden,
aldo sye mit ihn handlung furnemen wolten.
Nach abschiedt der chur und f. liehen redte hat man aus den
er. dreyen redten zu den hern eldisten dieĂźe hern zum ausschus ver-
ordnet: Aus rr (ratsmeisters) Ruckerodts radt, er Johan PeuĂźel der
eider, er Blasius Bock. Aus rr Jodicken radt, die zinĂźmeystery.
Aus dem sitzenden radt, er Christoff Bonatt, er Hermann Kinde-
vater. Aber zu dreyen hören zu den chur und f. liehen rethen, ßo
mit in die drey clöster und pfarn gehen solten, sindt verordnet
worden : aus rr. Ruckerodts radt, er Johan Wida, er Härtung Wiß-
meler, aus rr. Jodicken radt, er Johan Rademan der ekler, er Johan
Volkenandt; ausm sitzenden radt, er Valtin Hunrodt, er Frantz
Hoiger. DieĂźen hern ist der secretarius Lucas Otho zugeben worden.
192 Briefe und Akten zur Reformationsgeschichte
Des nachmittags umb 3 hör sindt die pfarhern aus allen pfarren
sampt den schulmeystern und kirchnern fĂĽr die chur und fĂĽrstlichen
redte und die hern visitatores uff das radthaus in die cämmerey
gefordert worden, do ihnen in beysein der hern aus den dreyen redten
und dem secretario von den churf. amptman ungeverlich uff dieĂźe
meynung ist furgehalten worden.
Den pfarhern:
Das nachdeme ihre gnt. und gne. hern bedacht, das predigt-
ampt mit andern predicanten, dan biĂźher gebraucht, zuvorsehen,
welche dem volck Gottes wort verkundigen und die sacrament nach
auĂźatzung Christi reichen solten, szo were demnach itzthocherm elter
irer gnte und gn hern ernstliche bevelch, sich hinfurder aller solcher
ämpter gentzlich zuenthalten und andern iren anhengern solches nit
zugestadten, auch der pfarheuĂźer sich euĂźern, domit die neuen predi-
canten aldo mit wonung versorget und iren enthalt darinne haben
mochten, und solten sich der keynes wegern ader irer gnt. und gn.
hern ernstliche straf gewertig sein. Wo sie auch hinfurder alhier
zu bleiben und der religion gleichförmig sich zu halten bedacht
weren, solten sie alsbaldt ire concubin faren lassen ader die wie
christlich ehelichen und wie andere fromme Christen ire predig(ten)
und andere gottsämpter besuchen, do sie aber der keynes zuthun
gemeynet, solten sie iren stab furder setzen und anderswo, do sie
leidlich, ihr bestes schaffen, es wolten sich aber gleichwol die hern
redte und visitatores zu ihnen vorsehen, sie wurden sich eynes andern
bedencken und die religion, wye ihn furgehalten, willig annehmen,
wolt man ihn alsdan in allen Sachen furderlich sein.
Den schulmeystern
wardt dieser bevelch angezeigt, das sie ihr schulampt nach an-
weysung der neuen predicanten vorwesen solten, wo nit, das an-
zuzeigen, sich darnach zu richten. Wurden auch gefragt, ob sie die
schulen lenger zuvorwalten gesinnet, darauf der eyne zu, der andere
abgesagt.
Den kirchenern
ist furgehalten worden, das sye hinfurder keynen andern menschen
dan den neuen predicanten die kirchen zu irem ampt eröffnen und
die cyrat und clinodia derselbigen folgen solten laĂźen, auch auf nye-
mandts geheys ader gebot das geleute anschlagen laĂźen, dan aus
bevelch der neuen predicanten und zukunftigen pastorn, deĂźgleichen
solten sie auch mit der tauf, reichung der sacrament bey den kranken
und andern bey nyemandts ausuchung thun, dan bey den predicanten.
Wo sie auch etliche priester ader andere personen wĂĽsten, welche
kilch und andere clinodia zu der kirchen gehörig, bey sich heften,
das sie dieselbigen von ihn fordern und widerumb in die kirchen
den Vormunden zustellen sollen. Was andere notturft belanget,
solten sie zu gelegener zeit weyter vorstendiget werden. Auch wardt
ihn dozumal erleubet und zugelaĂźen, die glocken pro pace alle
morgen, des mittags und jegen abendt nach altem gebrauch dreymal
anzuschlagen und die bierglocke zu sieben hören von Crucis Exalta-
tionis an biĂź uff mitwochen nach Palmarum zu leuthen.
der Stadt MĂĽhlhausen in ThĂĽr. 193
Nach dieĂźem allem sindt sie beneben den zugeordenten hern
des radts und dem secretario in die clöster gangen und erstlich
desselben abendts das Barfuser closter, darnach auch das Prediger
closter besucht und den munchen allerseits ungeverlich uff dieĂźe
meynung f urgehalten, wye das sie aus bevelch der chur und fursten
Sachssen und Hessen, irer gn.t. und gn. hern, abgefertiget, ihnen
anzuzeigen: nachdeme das wort Gottes aus göttlicher vorleyhung
hinfurder alhier zu MulhauĂźen auch verkĂĽndiget und dem gemeynen
man furgepredigt solt werden, deine sie zu wider biĂźher gelebt und
geleret, auch andere darvon gehalten und eyn sondere weyĂź fĂĽr
andere zu leben gesucht, welche dem heiligen evangelio und Gottes
wort gar nit genieĂź, sonder vilmehr zu entjegen, so were demnach
irer gn.t. und gn. hern ernstlich bevelch, wo sie alhier zu Mul-
hauĂźen zu bleiben bedacht, das sie den angenommen orden und
kleydung fallen lassen und sich mit der religion und andern sachen
in der gemeyn wie andere vorhalten wolten, als sich dan ire gn.t.
und gn. hern zu ihn allen gnediglich vorsehen wolten. Was sie
auch an brieffen und andern bey sich hetten, das sie dasselbig uff
volgenden tag uffs radthaus bringen und bey eynem erbarn radt
hinderlegen wolten.
BeschlieĂźlich wardt auch under anderm ihn weyter furgehalten,
das sie sich hinfurder alles geleutts, predigens, beicht hören,
sacrament reichung, singens und anders dergleichen gentzlich ent-
halten solten, ader des in wegerung irer gntn. und gn. hern gewisse
straf ge wertig sein.
Volgendts Dornstags, welches war am tag Exaltationis Crucis,
sindt die chur- und f. liehen redte und die hern visitatores umb 8 hör
mit den zugeordenten hern des radts und dem secretario auch in
das Jungfraucloster uff der BrĂĽcken gangen und ihn fast gleich-
formige meynung furgehalten. Des die jungkfrauen, inmaĂźen auch
die munch des vorigen tages, zu fried gewesen und sich uff die
erbarn redte gemeyner Stadt berufen, was ihn dieselbigen raten und
weysen wurden als denen gleicher bevelch von iren gn.tn und gn.
hern auch bescheen, wolten sie sich in aller underthenickeit vor-
halten.
Nach dem allem sindt sie widerumb uffs radthaus gangen und
die vormunder der kirchen und hospitaln furf ordern lassen, von
denen sie schriftliche vorzeichnus der kirchen und hospitaln ein-
kommens gefordert, das die vormunder alĂźo nach essens zu thun
vorheiĂźen.
Des nachmittages umb 1 hör ist ihn durch die er radt und
redte uff ihre zuvorn ubergebne artickel ein schriftlicher und
darbeneben ein mundtlicher underricht sampt eynem receĂź und
etlichen registern, Ăźo zwischen dem stadthalter Teutzsches ordens
und einem er. radt zu MulhauĂźen aufgericht, in die cammery uber-
antwort und vorlesen worden, wie solches aus eynem besondern
schriftlichen vorzeichnus zu endt dieĂźer handlung zu befinden.
Nach dieĂźem sindt die vormunder der kirchen und hospitaln
furgenommen worden und haben von ihnen allen schriftliche vor-
zeichnus des einkommens und auĂźgebens empfangen. Es sindt auch
darauf die kalandtshern desselbigen abendts gefordert und uff
volgenden tag des morgens zu b' hören Vorbescheiden worden. Auch
ist desselbigen abendts den er. radt und redten durch die gesandten
redte und hern visitatorn weyter zu entbotten worden, das nach-
XXVIII. 13
194 Briefe und Akten zur Keformationsgeschichte
deme sie in erfarung kommen, wie die gemeynen weyber alhier
auĂźerhalb der Stadt ihr wonung haben, dergleichen auch sonst in
der stadt etliche geistliche vordechtige personen bey sich halten
solten, darzu das etliche under der burgerschaft sollen mit vor-
dechtigen personen zu haus sitzen, das man denselbigen allen zu
förderlichsten untersagen wolt lassen, das die gemeynen weyber iren
stab furder setzen und das haus abgeschafft wurde und die andern
vordechtigen personen auch aus der Stadt vorweyset wurden, wo nit
die geistlichen und andere burger, so sie bey sich hielten, dieselbigen
zu ehelichen bedacht.
DiĂź ist eynem er. radt alĂźo angezeigt worden, und sindt darauf
die er. redte uff volgenden tag zu fruer stunde in vorsamlung be-
ruf fen worden, do sie solches gewilliget und zum furderlichsten zu-
vorschaffen lassen zugesagt haben, wie dan solches im andern
handelbuch eynes er. radts weyter zubefinden.
Uff folgenden Freytag frue zu 6 hören seindt die kalandtshern
furgenommen und ihr jeder bericht angehört und aufgezeichent worden.
Des nachmittages seindt die chur- und f. liehen redte und die hern
visitatorn sampt den zugeordenten hern eynes er. radts und dem
secretano abermals in beyde munchsclöster gangen und erstlich den
Barfusern dieĂźe meynung furgehalten : nachdeme sie allesampt biĂź
uff eynen frembde einkömling und nit filii conventus weren, so solt
diĂź ihr ferner bescheidt sein, nemlich wo sie die neue religion und
das evangelium anzunemen bedacht und die cleydung ablegen wolteu,
solt ihn vergĂĽnstiget werden, in der stadt ire wonung zu haben, doch
das sie iren enthalt uff ire eigen kosten suchten, wo nit, solten sie
IUI wochen frist haben, sich in des anderĂźwo umb zu thun und ihr
bestes zu schaffen, dan auĂźgang solcher frist wĂĽste man sie der ge-
stalt alhier weyter nit zu dulden. Aber dem andern bruder, Ăźo filius
conventus war, Theodoricus Rupitzsch genandt, ist die underhaltung
im closter zugesagt worden, doch so fern er sich der neuen religion
gleichförmig halten wurde.
Gleicher gestalt ist den Prediger munchen mit namen ern
Martino Hamppe und ern Eduardo Ernferdt, alias Babst, von den
redten und visitatoribus auch angesagt worden, und haben darauf
ihnen allen beiderseits bevolen, alle ire brieff, clinodia und andere
zugehorunge uff volgenden Sonabendt des morgens frue uffs radt-
haus zu bringen und bey einem er. radt zu hinterlegen. DiĂź ist
alĂźo uff volgenden Sonabendt des Vormittages bescheen und sindt
die brieffe sampt den vorschreibungen der clöster, auch die kelch
und andere ornat bey einem er. radt hinderlegt worden, lauts eynes
schriftlichen vorzeichnus, Ăźo darĂĽber gemacht und darbeneben vor-
wardt ist worden.
Gleichfals ist des nachmittages mit andern kirchen clinodien
und ornaten auĂźerhalb der beyden pfarren Unser lieben Frauen und
8. Ăźlasii auch bescheen und bey eynem er. radt alles hinderlegt und
in vorwarung genommen worden, nach auĂźweysung itztgemelten
registers.
Dinstags nach Exaltation. Cruc. seindt die er. redte des morgens
frue zu 7 hören in vorsamlung kommen und aldo über etlichen
artickeln, Ăźo ihnen durch die chur- und f. liehen redte und die
hern visitatores des abendts zuvorn zugestelt worden, beratschlaget,
welche artickel alhier vorzeichendt volgen.
der Stadt MĂĽhlhausen in ThĂĽr. 195
Bedencken der hern redte und der visitatorn.
Dieweil man noch nit eigentlich weyĂź, wie weit man mit allen
pfarren, vicarien, kirchen und clöstern, guetern zu bestellunge der
notwendigen kirchen diener möge reichen, auch die christliche ge-
mein zu MulhauĂźen villeicht nit Ăźo gros als wol vermeint wirdt,
wir auch zu endtlichem beschlus und stadtlicher Verfertigung dieĂźes
christlichen Vorhabens noch zur zeit nicht mögen kommen, so ist
diĂź unĂźer bedencken und wolmeynunge:
Zum ersten, das es diĂźmals bey den vier predicanten, so
albereidt alhier vorhanden, bleybe, und sie sich selbst vergleichen,
wie und wo sie alternatim die kirchen ministeria fuglich exequirn
biĂź uf weytern bescheidt und vorbesserunge.
Zum andern, das zun Barfusern eyn schule mit dreyen tĂĽchtigen
dienern bestelt und von denselbigen beneben irem Schuldienst ein
jeder pfar mit eyner anzall der schulern zur zeit des kirchenampts
mit singen gedienet werde.
Zum dritten, das diĂźmals eynem jeden predicanten und schul-
diener uf jedes viertheil jars seine bestimpte besoldung geordent, ge-
nommenirt und uf gepurliche zeit unverzĂĽglich gereicht, auch jedem
bequeme wonunge ingethan werde.
Zum vierden, das zwene uffrichtige procuratores ader oeconomi
gesetzt werden, die alle einkommen (damit alle ministeria erhalten
sollen werden) einsamlen, den dienern guetlich reichen und zu be-
stimpter zeit berechen. Das auch diĂźmals dieselbigen beneben dem
stadtschreiber allerley geistlicher gueter inventaria, so in der gantzeu
stadt sein, in ein corpus und register bringen und alle brieffliche
Urkunde in ein geschickte Ordnung bringen, auch jedes lehens ader
styfftunge gerechtickeit in besonders bewarlich zu behalten, biĂź uf
weyter zukunft aller chur und fĂĽrstlicher rethe und visitatores.
Zum fĂĽnfften, der pfarhern, kirchener und schulmeyster
accidentalia zue moderirn, ordenirn und wer die sol ufheben und in-
samlen.
Zum sechsten, das die unnötigen cyrat und silbergeschir, ßo
noch in den haubtpfarkirchen, auch beim radt vorhanden, inventirt,
zusammenbracht, gewigen, gewirdiget, verkaufft und ufs förderlichste
zum besten uf widderkäuffliche zinße außgethan werden, domit man
darvon die kirchendiener beneben anderm inkommen besolden möge.
Zum siebenden, zu beratschlagen, ob sichs fugen wolle, das
die fĂĽnf personen, nemlich ein Barfuser, zween Prediger munch,
zween Teutztsche hern im Jungkfraucloster an der kost gehalten und
dem tĂĽchtigsten under ihnen die administration der probstey bevolen
werde.
Zum achten, das ein stadtlichs einsehen geschee, das hurerey,
gotslesterung, saufferey, juchtzgen uf der gassen, brandtwein sauften
under der predig, kirchhoff spacirn gestrafft und moglichs vleis ab-
geschafft werde.
Zum neunden, das die kirchen und excelsa (darinn kein gotts-
wort gepredigt) zugeschlossen und dye schlussel den kirchnern be-
nommen und keyn winckelmesse ader papistische tauff darin zu
halten gestattet werde.
Zum zehenden, dieweil ehesachen halben offt ansuchunge ge-
schieht, das beneben und mit zuthun der predicanten der stadt
syndicus mitsampt etlichen verstendigen radtshern uf eyne nam-
13*
196 Briefe und Akten zur Reformationsgeschichte
hafftige zeit solche sachen vurnemen und moglichs vleis verrichten,
was sie aber nit wĂĽsten zu schlichten, solches uf und an die visi-
tatores oder cantzley des dazumal regirenden fursten weysen.
Auf dieĂźe artickel (wie gesagt) haben die er. redte einhelliglich
beschlossen, das in ansehung der wichtickeit des handeis und uf
besehenes begern und bitten ir obgemelter chur- und f. licher redte
und der visitatorn die hern eldisten zum ausschus verordent und
sich zu dieĂźer handlung beneben den gesandten redten und hern
visitatorn uf ihr erfordern wolten gebrauchen lassen. DiĂź ist alĂźo
von den hern eldisten angenommen und haben noch alsbaldt des
vormittags sich dieses handeis halben ufm radthaus mit eynander
underredt, wie und welcher maĂźen und gestalt solches gemeyner
Stadt zum besten furzunehmen sein wolt.
Des nachmittages seindt die hern eldisten alsbaldt umb 1 hör
zusammen khommen und die artickel fĂĽr die handt genommen, die-
selbigen ĂĽbersehen und darauf ihr gutduncken beneben die artickel
auch Vorzeichen lassen. Mitwochs nach Exaltationis Crucis seindt
die er. redte zu 7 hör des morgens in Versandung kommen, do man
die ĂĽbergebnen artickel sampt dem gutduncken der hern eldisten
ihn f urgehalten und darauf in gemeyn bewilliget ist worden, die-
selbigen den chur und f. liehen redten und den visitatoren dermaĂźen
zu ĂĽbergeben.
Des nachmittages seindt die hern eldisten abermals in Ver-
sandung kommen und haben darauf ungeverlich umb drey hör ihr
bedencken den chur- und f. liehen redten und den hern visitatorn
mit fernerm mundtlichem underricht ĂĽbergeben. Auch seindt des-
selbigen tages eynem er. radt von den chur- und f. liehen redten
etliche supplicationen der vorfluchtigen zugestelt worden und ist
darbeneben auch von itztermelten gesandten rethen begert worden,
die clinodia und kirchen cyrat der beyden pfarkirchen B. Virginis
und S. Blasii und auch des Bruckenclosters zum furderlichsten ufs
radthaus vorschaffen zu lassen, domit dieselbigen wie anderer kirchen
clinodia, gewegen, gewirdiget und verkauf ft mochten werden. Darauf
seindt die er. redte Dornstags Matthei Apli des Vormittages umb
7 hör in vorsamlung kommen und sich über dießen artickel der
clinodia dergleichen ĂĽber der vorfluchtigen supplicationen eyner
antwort verglichen und entschlossen, wie volget.
Freytags frue zu 8 hören seindt die er. redte abermals in Ver-
sandung kommen und den chur- und f. liehen redten darauf in ihr
vorsamlung durch den hern burger(meister) Rodeman diĂź unge-
verlich volgender meynung zur antwort geben lassen : Erstlich, die
obbemelten clinodia belangende sey eines er. radts und redte gantz
dienstliche und freundtliche bit, ihr er. gn. und gn. tn. wolten sie
bei dem gunstiglich bleiben lassen, das die bemelten clinodia der
beyder pfarkirchen und des closters uf der BrĂĽcken zu gelegener
zeit durch eynen er. radt gewogen, ĂĽberschlagen und darauf inventirt
und alsdan bey einem er. radt um furfallender not willen hinderlegt
möchten werden. Sovil aber die supplicationen der vorfluchtigen
belanget, hetten die erbarn redte dieselbigen allenthalben inhalts
vorlesen angehört und wußten sich des gehaltenen tags zu Dreffurdt
anno XXVIII wol zuerinnern, do dan auch die zween receĂź durch
die chur- und f. liehen wolloblichen verordenten redte dozumal nach
angehörter vorhandlunge der vorfluchtigen burger aufgericht worden,
wie dan derselbigen aller handlunge ein er. radt aufs vleissigste vor-
der Stadt MĂĽhlhausen in ThĂĽr. 197
zeichen und ufs pappir het bringen laĂźen, mit bit, ihre ern. g. und
gunst. wolten dieselbigen zuvorlesen anzuhören unbeschwerdt sein
und darauf den vorfluchtigen ihrer bit nit stadt geben, das were ein
er. radt umb ihre ern. g. und gunst. sonderlich zuvordienen willig.
Darauf haben die chur- und f. liehen redte und hern visitatores
ein klein bedencken genommen und darauf volgents in den er. redten
diĂź zur antwort geben:
Erstlich lieĂźen sie's bey der bit eynes er. radts mit den clinodien
bleyben, doch das die gleichwol zum furderĂĽchsten gewogen und
dero verzeichnus ihn zugestelt mochte werden.
Zum andern, nachdeme sie sich wĂĽsten zuerinnern, das am ver-
gangen Mitwochen under anderm bericht des ausschus uf die uber-
gebnen X artickel eingefurt worden, wie dan oben in deĂźelbigen
artickels gegebenem underricht weyter zuvornehmen , darauf ihr
antwort, das solches nach zu laĂźen schwerlich und ihnen nit wol
muglich were. Derhalben solt es in dem punet wie in andern dem
receĂź nach, Ăźo sie in kurtz ĂĽbergeben wolten, gehalten werden, doch
wo etwas an den lehn zu underhaltung der kirchen ministerien
uberig, solt daĂźelbige den burgers kindern, Ăźo zum studirn geschickt,
und in der dreyer universiteten eyne, als nemlich jegen Leiptzigk,
Wittenperg und Marpurg in's Studium abgefertiget, zur Steuer kommen,
dardurch gelarte leut gemeyner stadt zu nutz und frommen aufer-
zogen und erhalten mochten werden, wie dan solches der receĂź ferner
mit sich bringet. Die vorfluchtigen belangende, achten sie ane not,
ire begangne mißhandlunge zuvorlesen anzuhören, dan nachdeme es
dieĂźe gestaldt hette, wolten sie radt und redte bey den beyden auf-
gerichten receĂźen bleiben laĂźen und ferner keyne handlunge der-
halben mit ihn furnehmen. Hetten aber die vorfluchtigen des keyn
gnuge, wolten sie dieselbigen an allerseits ire gn. tn. und gne. hern
weysen, do sie es weiter suchen mochten. Wurde sich alsdan ein radt
sunder zweiffei uf ferner gnediges ansuchen irer gn. und gn. hern
mit geburlicher antwort wol wiĂźen zuvornemen laĂźen.
Des nachmittages umb 1 hör haben itztermelte chur- und fürst-
liche redte und hern visitatores den hern vom ausschus den gestehen
receĂź, wie und welcher maĂźen es hinfurder in allen kyrehen Sachen
und anderm solt gehalten werden, zugestelt, und ist darauf volgendts
umb 3 hör der neue radt durch die Hessischen angenommen und
bestettiget worden.
Alßo sindt uf volgenden Sonabendt des Vormittages zu 11 hören
die er. redte nach altem gebrauch darauf in versamlung kommen und
in die ĂĽbergeben artickel gewilliget, wie im artickelbuch der er. redte
weyter zu befinden. — Uf volgenden Sontag seindt beyde die chur-
furstlicben und Hessischen redte sampt den hern visitatorn widerumb
aus stadt MulhauĂźen vorreyset.
(SchluĂź folgt.)
Miszeilen.
i.
Reise der von dem Deutschen Orden im Jahre 1451 ansgesandten
Visitatoren.
Von Dr. Herbert Koch.
Bei dem Mangel an Reisebeschreibungen aus dem 15. Jahr-
hundert dĂĽrfte es von einigem Interesse sein, daĂź das Staatsarchiv
in Königsberg ein ausführliches Reisetagebuch besitzt, das geführt
worden ist im Jahre 1451 über eine fast einjährige Reise, die im
Auftrag des Hochmeisters der Chorherr von Marienburg Jobst Kropp
unternahm, und zwar aus folgenden GrĂĽnden:
In der Mitte des 15. Jahrhunderts, im Jahre 1448, befand sich
die thĂĽringische Pflege in recht trostlosem Zustande. Die Schulden
beliefen sich auf 4014 fl. 16 gr., dazu kamen Verluste, die die Bailei
erlitten hatte durch Brand und VerwĂĽstungen. So hatte der Orden
frĂĽher eine Mehreinnahme von 100,46 Maldern Korn, 116 Maldern
Gerste, 45,82 fl. usw. Da die Bailei von allen Seiten gemahnt wurde,
sich aber ganz außerstande sah, die Außenstände auch nur an-
nähernd zu begleichen, so lag die Gefahr nahe, daß der Hochmeister
die Bezahlung aus der gemeinsamen Kasse bestreiten muĂźte, was
aber auch unmöglich war, da z. B. der Deutschmeister sich fort-
während mit Versprechungen begnügen mußte, daß er seine geborgten
9300 fl. erhielt. Unter diesen Umständen trug man sich mit dem
Gedanken, die thĂĽringische Bailei eingehen zu lassen, und um dies
zu verhĂĽten, forderte der Deutschmeister am 10. November 1448
den Hochmeister auf, alles aufzubieten, um die Bailei zu erhalten.
Auf diese Ermahnung hin scheint nicht viel geschehen zu sein.
8 Monate später finden wir eine Beschwerde des Erfurter Severus-
Kapitels beim Hochmeister, daĂź die thĂĽringische Komturei seit
2 Jahren es unterlassen habe, Zinsen fĂĽr geborgtes Geld zu be-
zahlen. Die Lage der Bailei wurde immer schlimmer, als im Jahre
1449 durch Deutschland ein ,, groĂźes Sterben" ging, zugleich aber
auch der sächsische Bruderkrieg sengend und brennend alles Brenn-
bare verbrannte und alles Zerstörbare zerstörte. Auch die Bailei
hatte sehr unter der Feindschaft der beiden feindlichen BrĂĽder zu
Miszellen. 199
leiden, obwohl sie neutral geblieben war. Wenn auch der Deutsch-
meister sich mit der Bitte um möglichste Schonung an die beiden
BrĂĽder gewandt hatte, konnte sein Gesuch doch nicht in dem Um-
fange Erfolg haben, wie er es gehofft hatte. Besonders hatte die
Pflege Altenburg zu leiden gehabt. Am 2. Januar 1451, also kurz
vor dem Ende des Bruderkrieges, schrieb der Deutschmeister an den
Hochmeister Konrad von Erlichshausen, „daß die Güter der Bailei
durch den Krieg ganz verheert und verderbt seien". Zugleich
schlug er eine Visitation vor, ein Plan, dem auch bald Folge ge-
geben wurde.
Aus der Vorschrift, die den Visitatoren mitgegeben wurde, er-
gibt sich, daß man diese Besichtigung nicht nur aus pekuniären
KĂĽcksichten fĂĽr angebracht hielt, daĂź es sich vielmehr auch im
Innern nicht so verhielt, wie es die Ordensvorschriften befahlen. So
ist der erste Punkt: daĂź man nicht den Gottesdienst verkĂĽrze, daĂź
man die Messe halten solle, daß die Brüder nur vorschriftsmäßige
Kleider tragen, „und nicht daß sie halb bloß gingen". Ferner
sollten die Visitatoren aufpassen, daß man in den Ordenshäusern
nichts spielte außer „schachzabel' , vor allen Dingen nicht um Geld
und nicht mit WĂĽrfeln. Auch scheinen die BrĂĽder sich nicht selten
einen Diener gehalten zu haben , auch das war streng verboten.
Kurz, es waren außer den Geldverhältnissen noch manche andere
Mängel, und deshalb wurde die Visitation sehr bald ausgeführt.
Als Untersuchungsbeamte wurden von Marienburg abgesandt
Georg von Egloff stein, Vogt in Leipa, und der Chorherr in Marien-
burg Jost Kropp. Kropp verlieĂź am 14. Februar 1451 Marienburg
und reiste ĂĽber Marienwerder nach Graudenz, von dort aber nach
Althausen und wieder zurĂĽck nach Schwetz. Ich nehme an, daĂź
die Ăśberfahrt ĂĽber die Weichsel bei Kulm leichter war als bei Alt-
hausen, denn auch auf der BĂĽckfahrt schlagen die Beisenden den-
selben Weg ein. Von Schwetz gings nach Tuchel und Konitz, von
hier aber nach Schlochau und dann wieder nach Landeck, weiter
ĂĽber Deutschkrone und Woldenberg nach Landsberg a. d. Warthe,
diese aber nicht bis KĂĽstrin hinunter, sondern vorher erst nach
Neudamm, wie denn ĂĽberhaupt nicht die geradesten Wege benutzt
wurden. Die Weiterreise ging oderaufwärts nach Lebus, Beeskow,
Luckau und Herzberg, bei Prettin wurde die Elbe ĂĽberschritten,
und in Dommitzsch begann man die Visitation. Bis hierher hatte
man 3 Wochen gebraucht, im ganzen hatte man 78 Meilen zurĂĽck-
gelegt. Es ergibt sich aus vergleichenden Nachmessungen, daĂź
1 Meile durchschnittlich 10 km gleichzusetzen ist, so daß ungefähr
800 km in den 3 Wochen geritten worden sind, das ist fĂĽr einen
Tag fast 40 km, eine sehr ansehnliche Leistung!
200 Miszellen.
Von Dommitzsch wendete man sich nach Wittenberg und
Aken, wo man den Hof wĂĽst fand. Die WĂĽstlegung des Hofes
wird wohl im Jahre 1450 geschehen sein, wo die benachbarten Kur-
fĂĽrsten von Brandenburg und Sachsen in eine blutige Fehde mit-
einander geraten waren. Einen weit blĂĽhenderen Eindruck machte
Zerbst, wo „1300 Bierbrauer" wohnten. Hier blieb man eine Nacht
und zog dann nach Magdeburg, wo man 2 Tage Rast machte und
Fastnacht feierte. Es war dies der 9. März.
Von Magdeburg reiste man ĂĽber Halberstadt nach Braun-
schweig, wo man am 14. März eintraf. Der Herzog lud die Reisenden
nach Wolfenbüttel zum Abend ein ; am nächsten Tag ging's über
Gandersheim nach Göttingen, und von dort wendete man sich nach
ThĂĽringen.
Zuerst ritt Kropp mit seinem Gefolge nach MĂĽhlhausen, wo
der deutsche Orden zwei Häuser hatte, eins in der Altstadt und
eins iĂĽ der Neustadt. Sie blieben hier 3 Tage und ritten weiter nach
Nägelstedt und Griefstedt, wo sie auch je 2 Tage blieben, dann nach
Weimar, „da Herzog Wilhelm von Sachsen ist wohnhafftig", der
sie indessen nicht zu sich gebeten hat. Dann ging es nach Lieb-
stedt, und endlich traf man in Zwätzen ein, „unsres Ordens gutes
Schloß, da wohnet der Landkomtur von Thüringen". In Zwätzen
blieben sie 4 Tage, wir wissen aber leider nicht, was sie hier so lange
getan haben.
Die gleichzeitigen Chronisten schweigen sich leider vollständig
aus über diese Reise der Visitatoren. Von Zwätzen nahmen sie den
Landkomtur Eberhard Hoitz mit, der ihnen natĂĽrlich wesentliche
Dienste leisten konnte, da er allein schließlich fähig war, Genaueres
ĂĽber den Stand der Bailei zu berichten, lieber Altenburg, Alt-
schillen ritten sie nach Meißen, der Residenz des sächsischen Kur-
fürsten, der ihnen auch eine Audienz gewährte. Er versprach ihnen,
sich gnädig gegen die Bailei zu erweisen, womit sie sich einstweilen
auch begnĂĽgen muĂźten. Als sie dann abends in ihrer Herberge
waren, kamen Georg von Haugwitz und Heinrich ReuĂź von Plauen
im Auftrage des KurfĂĽrsten mit der Meldung, daĂź KurfĂĽrst Friedrich
den Hochmeister um 50000 fl. bäte, doch sollte diese Bitte geheim
gehalten werden. DaĂź diese Bitte nicht erfĂĽllt werden konnte, er-
hellt aus obigem, sah aber auch gleich Kropp ein und empfahl
deshalb dem Hochmeister, er möchte den Kurfürsten mit einem
Geschenk freundlich erhalten. Ob der Meister diesem Vorschlag
gefolgt ist, wissen wir nicht.
Von MeiĂźen ritten die Visitierer wieder nach Altschillen, wo
wir sie am 2. April finden, dann aber bogen sie nach SĂĽden um
und begaben sich ĂĽber Zwickau nach Reichenbach, Plauen, Adorf
Miszellen. 201
nach Eger, wo sie am 11. April eintrafen. Von dort ritten sie nach
Hof, Schleiz und wieder nach Zwätzen, wo sie 2 Tage blieben. Am
Palmensonntag, den 18. April, ritten sie nach Weimar, wo sie nun
auch vom Herzog Wilhelm empfangen wurden und dieselbe Zusage
wie von dessen Bruder erhielten. Tags darauf erreichten sie Lieb-
stedt, von wo aus der Jost Kropp den ersten (erhaltenen) Brief an
seinen Meister schrieb. Er empfiehlt hierin auĂźer dem oben bereits
angefĂĽhrten Geschenke fĂĽr den KurfĂĽrsten auch ein solches fĂĽr den
Herzog, da dessen Länder am meisten daniederlägen. In diesem
Schreiben, das jetzt im Staatsarchive in Königsberg aufbewahrt wird,
gibt er auch eine Uebersicht ĂĽber die Schulden der Bailei, und es
mutet uns doch etwas merkwĂĽrdig an, wenn ei schreibt, die Lande
lägen nicht so im schlimmen, wie es in Marienburg erzählt worden
sei. Die Bailei als solche hatte Schulden im Betrage von 11216 fl.
Die Häuser hatten 3954 fl. Schulden, Altenburg allein hiervon
1440 fl., und bei dem hohen ZinsfuĂźe, meistens in diesen Zeiten
10 Proz., hatten sie jährlich 340 fl. Zinsen zu zahlen. Dazu kamen
702 fl. Zinsen auf die oben genannten 11 216 fl., und da noch
12 700 fl. in Trier geborgt waren, so belief sich die Höhe der jähr-
lich zu zahlenden Zinsen auf 1680 fl. Diese Zahl spricht doch am
deutlichsten fĂĽr die Not der Bailei!
Von Liebstedt ritten Kropp und seine Begleiter nach Erfurt
und Gotha, dann ĂĽber Kreuzburg nach Hessen. Am GrĂĽndonners-
tage, dem 24. April, ritten sie 13 Stunden, ohne einen Bissen zu
essen, 7 Meilen ĂĽber Waldkappel nach Spangenberg und Felsberg.
Am Charfreitag blieben sie in Treysa, am Sonnabend darauf und
auch die folgenden Tage in Marburg. Nach den Osterfeiertagen
ritten sie nach Gießen und über Butzbach, Friedberg, Wöllstadt
nach Frankfurt a/M., wo sie wieder 4 Tage blieben. Danach be-
suchten sie den Deutschmeister in Hornegg, nachdem sie vorher in
Heidelberg gewesen waren. Ueber Mergentheim fĂĽhrte der Weg sie
nach WĂĽrzburg, dann nach Eotenburg ob der Tauber, wohl damals
schon ein so entzĂĽckendes Fleckchen Erde wie heut. Leider ent-
hält sich das Reisetagebuch, nach welchem dieser Bericht gegeben
wird, jeden Urteils. Von hier ritten sie südlich nach Nördlingen,
dann wieder nördlich nach Nürnberg. Hier blieben sie 14 Tage auf
dem Ordenshofe und feierten das Pfingstfest.
Bis hierher sind es 300 Meilen. Weiter fĂĽhrte der Ritt nach
Regensburg, wo sie am 23. Juni ein Donauschiff bestiegen und nach
Straubing, Deggendorf, Passau, Mauthausen und endlich nach Wien
fuhren. Hier verlieĂźen sie die Schiffe und ritten wieder nach Gum-
poldskirchen, Wiener-Neustadt, wo der Kaiser und König Ladislaus
wohnten, und wo sie 2 Tage blieben, ohne aber einen der beiden
202 Miszellen.
FĂĽrsten zu sehen. Ihre Reise fĂĽhrte sie weiter nach Aspang und
Graz, dann nach Pettau an der Drau. „Da war die Brücke halb
weggetrieben, da schwemmte man unsre Rosse ĂĽber", und weiter
ging's nach Windisch-Peistritz, bis man am 14. Juli in Cilli eintraf.
Sie waren hier Gäste des Grafen, bei dem auch der Graf Bartolomeus
der Karpaten zu Besuch war. In den folgenden Tagen hatten sie mit
großen Schwierigkeiten zu kämpfen, besonders wegen der Pferde.
Denn die Menschen fuhren auf der Laibach nach Oberlaibach, die
Rosse dagegen mußten sie auf dem Lande gehen lassen „bösen Weg
als Steinklippen und viele tiefe Wasser". Am nächsten Tag ritten
sie nach Wippach, 7 Meilen in 15 Stunden, „ungefüttert, über Berg
und über Tal, lauter Steinklippen, allergefährlichsten Weg, bisweilen
auf glatten Steinen, als ob sie behauen wären, es war kein Steig da,
nur ein zu enger, so daĂź die Pferde manchmal einen FuĂź bei den
anderen nicht setzen konnten. Das dauerte von 3 Uhr morgens bis
9 Uhr abends. Da wir kamen in das Städtchen, da war keine
Herberge, kein Hafer, kein Heu; als wir lange hielten auf den
Pferden, half uns das Hausgesinde zum Lager, den einen hier, den
anderen dort, sie nahmen es aber teuer genug bezahlt. Sie schickten
auch Futter. Da lagen wir eine Nacht und erfuhren einen besseren
Weg." Sie ritten nach Görz, wo sie in der Stadt kein Unterkommen
fanden. In den nächsten Tagen ritten sie nach Venedig, und zwar
einen ziemlich geraden Weg: Brixen, Sacile, Treviso, Mestre, Venedig.
Während bis hierher der Bericht die Reise beschreibt, folgt
nun eine ziemlich ausfĂĽhrliche Schilderung der Balleien Italiens.
Wenn diese sich auch nur auf Erzählungen stützen konnte, die
ihnen in Venedig gemacht worden sind, haben wir doch guten Grund,
anzunehmen, daĂź der Orden in Italien recht bedeutende Besitzungen
hatte. So in „Thorm", wo der Komtur „große Massaria hält, das
ist eine groĂźe Stuterei an Pferden, da hat er ĂĽber 400 Koppeln,
80 groĂźe Zugochsen, 400 groĂźe KĂĽhe, 400 Schweine, 6000 Schafe".
Es ist sicher, daĂź hier dem Orden groĂźe Liegenschaften zur Ver-
fĂĽgung standen, es geht das auch aus allen anderen Zahlenangaben,
so sehr sie übertrieben sein mögen, hervor. Leider hat der (un-
genannte) Schreiber des Berichtes kein Italienisch gekonnt, und
so ist oft die Schreibweise der Namen eine mehr als rätselhafte.
Mit welchen Märchen man übrigens in diesen Zeiten aufzuwarten
wußte, zeigt folgender Eintrag: „Zu wissen, daß 12 welsche Meilen
von S. Leonardo, da ist der Berg Garganus, da S. Michael auf der
Mitte des Berges sich selbst eine Kirche geweiht hat, und sein Altar
schwebt zahm in den LĂĽften, von wonniglichen Marmorsteinen be-
reitet." Nachdem man es noch fĂĽr bemerkenswert gehalten hat, daĂź
der apulische Landkomtur eine jährliche Einnahme von 6000 Dukaten
Miszellen. 203
hat, berichtete man noch Unwesentliches ĂĽber Sizilien, gab auch
fĂĽr diese Insel dieselbe Zahl als Jahreseinnahme an, um dann die
anfängliche Art der Reisebeschreibung wieder aufzunehmen.
Folgen wir also dem Jost Kropp noch auf seiner RĂĽckreise 1
Am 3. August bestiegen sie in Venedig ein Schiff, auf dem sie bis
zur MĂĽndung der Brenta fuhren. Hier wechselten sie die Schiffe
und fuhren brentaaufwärts nach Padua und Bassano, wo man
das Brentatal verlieĂź und im Etsehtal nach Trient fuhr. Von hier
ritt man die BrennerstraĂźe : Salurn, Bozen, Brixen, Sterzing, Matrei,
Innsbruck, um sich westlich nach dem Bodensee zu wenden. Diesen
erreichte man ĂĽber Nassereith, FĂĽssen, Kempten, Memmingen, Ulm,
Biberach und Althausen bei der Insel Mainau, „unsers Ordens köst-
liches SchloĂź", wo sie 8 Tage Rast machten.
Eigentlich wollten sie nach der Schweiz ziehen. Indessen grassierte
auch hier wiefast im ganzen ĂĽbrigen Deutschland die Pest, deshalb lieĂźen
sie die Schweizer Komturen unvisitiert und zogen nach Radolfszell
weiter. Sie besuchten dann Waldshut, Groß Laufenburg, Säckingen
und Beuggen, mußten hier aber wieder ihren Plan ändern, indem
sie nicht nach Basel, StraĂźburg und WeiĂźenburg ziehen konnten,
sondern, da dort durch Unruhen der Weg gefährdet war, über
Schlingen, Krozingen nach Freiburg i. B. ritten, wo sie am 17. Sep-
tember eintrafen. Nachdem sie hier 2 Nächte gerastet hatten, ging
es in ziemlicher Eile rheinabwärts, allerdings meist auf dem Lande
über Rastatt, Speier, Mainz nach Coblenz, nur die Strecke Mainz —
Coblenz legten sie zu Schiff zurĂĽck. Bis hierher haben sie im ganzen
675 Meilen zurĂĽckgelegt!
Von Coblenz wendete man sich nach Belgien. Zunächst wurde
Trier besucht, dann „über 8 große Steinberge allerunsichersten Weg
gen PrĂĽm", wo sie scheinbar im Kloster auf dem Kalvarienberge
geblieben sind. Die Nacht verbrachten sie „mit Furcht". Denn
auch in diesen Gegenden tobten die blutigsten Fehden. Schon vor
Tagesanbruch wurden sie durch Sturmglocken aus dem Schlafe ge-
weckt, ritten noch eine Weile in „allergrößter Sorge", bis sie nach
Kaltenberg kamen. Aber auch am nächsten Tage war der Weg
noch nicht sicher, abgesehen davon, daĂź er auch nicht gut war,
aber sie kamen wohlbehalten nach Aachen. Von hier ritten sie
ins Brabantische, zuerst nach Maastrich, dann aber schon am 17.
ins Burgundische und zwar gleich in die Hauptstadt Mecheln.
Weiter ging's nach manchem Hin und Her nach Tiel, und waren
hier die Leute auch freundlich, so erlitten die Reisenden durch die
Natur erheblichen Schaden, indem nämlich der Diener des Kropp
und ein Maultier beim Durchfurten der Maas ertranken. Der Schreiber
wurde von der Strömung fortgerissen, aber an einer Sandbank an-
204 Miszellen.
geschwemmt, bis schließlich erst nach Einbruch der Dämmerung
Kähne beigebracht werden konnten, um ihn aus seiner ungemütlichen
Lage zu befreien. Ungehindert kamen sie nach Buren, Utrecht und
Leiden, machten dort aber kehrt und ritten nicht nach Friesland.
Am 31. Oktober erreichten sie den Rhein, ritten ĂĽber Dieren, Does-
burg, Doetinchen nach Emmerich, ĂĽberschritten am 6. November
den Rhein bei Rees und ritten am diesem Tage noch nach Xanten.
Sehr schnell ging es nun den Rhein aufwärts, über Coblenz, Bacha-
rach, Mainz, Frankfurt, Wertheim nach Mergentheim, wo ein Kapitel
abgehalten wurde. Hieran nahmen teil : die Komture von Sachsen,
Lothringen, Eibingen, Marburg, Westfalen u. a. Sie blieben hier
8 Tage. Am 29. November kamen sie nach Rotenburg, endlich
machten sie längere Rast in Nürnberg.
Nun ging es nach Norden, am 14. Dezember nach Hiltpolt-
stein, am folgenden Tage nach Pottenstein, „einem allerhöchsten
Schlosse ĂĽber einem allertiefsten Grunde", wo sie mit dem Haupt-
manne, einem Rabensteiner, aĂźen, aber nicht ĂĽbernachteten, sondern
nach Bayreuth weiterritten. Hier fanden sie eine erlauchte Gesell-
schaft versammelt: Ludwig v. Bayern, Otto v. Bayern, die branden-
burgischen Markgrafen Hans und Albrecht, Ulrich von Ottingen,
Ulrich v. Montfort u. a. An diesem Tage war der „heilige Mönch",
Nikolaus v. Cusa, gekommen, dem sie mit Prozession entgegen-
geritten und gegangen waren. Kropp nahm an zwei Mahlzeiten mit
ihnen teil. Am 18. traf er in Hof ein, bis zum 21. waren sie ĂĽber
Schleiz und Gera nach Zeitz gelangt, dann ritten sie ĂĽber Leipzig,
Eilenburg, JĂĽterbog, Trebbin nach Berlin, ĂĽberschritten bei Freien-
walde die Oder und kehrten auf fast demselben Wege, wie sie ge-
kommen waren, nach Marienburg zurĂĽck. Am 17. Januar 1452 kamen
sie hier an, nachdem sie 963 Meilen, also ca. 10 000 km zurĂĽck-
gelegt hatten. Dazu hatten sie „1 Jahr ohne 3 Wochen" gebraucht.
Für damalige Verhältnisse eine ansehnliche Leistung!
Ăśber das Ergebnis der Reise habe ich leider nichts Bestimmtes
erfahren können.
IL
Coburger Reformations- AktenstĂĽcke, zur ersten Visitation
im Jahre 1528 gehörig.
Herausgeg. von Pfarrer Dr. Berbig in Neustadt b. Coburg.
Im Coburger Haus- und Staatsarchiv befinden sich unter der
Signatur E. V. 2. b. 2. aa. No. 6 einige Aktenblätter, die für die
Geschichte der Reformation in Stadt und Land Coburg von Wert
sein dĂĽrften.
Miszellen.
205
Nicht nur die Zahl der geistlichen Stellen in der Stadt Coburg
ist daraus mit Sicherheit zu entnehmen, sondern auch die Besetzung
eben dieser Stellen und das ursprüngliche Lehensverhältnis werden
dadurch klar und deutlich. Die Zahl der Kirchgemeinden, der
Stiftungen, Vikareien, Gotteshäuser läßt sich deutlich bestimmen.
Allem Anscheine nach ist es der erste Originalentwurf zu den später
gesammelten Visitationsakten des Ostlandes zu Franken1).
Coburg.
Brobstey, pfarre, Vicareyen Auch kyrchen, capelln der Statt Coburg
vnnd Gerychtts Lautter
I Vier capplan
ist schuldig zu- ! Eynen Prediger
Pfarr vnd
Brobstey
zu Coburg
Salfel-
disch
lehen hat
keyn filial
Vicaryen
in Coburg
in der
pfarr-
kyrchen
sanct
Moritzen
verledigt
vnd
vnver-
ledigt
Styfftung etlich
Wochen tl.
Messen vf der
Brobstey ge-
wydembt
nein lieh
Vicarier Paulas
halten i pfarrer vfm schlos
V Schulmeyster
1. das lehen auf dem altar crucis
sampts ynem Ewigen lycht eyner
lampen
2. das lehen auf sant Jobst altar
3. das lehen vf sanct Niclas altar
4. dye frumess auf dem altar triĂĽ
reg.
pluming des Raths Lehen, (besetzt)
Bastian Lyntles „ „ „ ,,
Er Mathes Vischer ,, „ „ „
Er Cunrad hertdrich des Raths „ „
Er Joh. Spangen berger „ „ „ „
Er Joh. Kaufmann der Bachen „ „
Er Seufrydt Erweyn d. v. Rosenau „ ,,
Mg. Balth.Duringd. Brandenstein „ „
Jh. Volckmer, des Raths lehen „
Er Georg Organisten des Raths lehen erledigt
Er Hch Zeunern ,, „ ,, „
Mg. Georg Kastner der Bachen Lehen „
12 Vicarier
Coburg.
Die Pfarrk. z. H. Kreuz hat Ein Filial. Ist Raths-lehen. Der be-
lehner Mgr. Martin Burztzel, hat einen eigenen Ca plan gehabt, der
nun abgeschafft. Das Einkommen, jährl jjj fl. in den gemeinen
kästen geschlagen. Hatte ferner Erledigte & unerledigte Vikareien 5,
sämmtliche der Rathslehen sowie die Stiftung des Dr- Valentini zu
Koeln zum Studio mit £v gülden jährl. Zins.
Kirchen zu Coburg: Pfarrkirche St. Moritz
— zum H. Kreuz
Barfiisser Closter Kirche
Spital Kirche
Sychen Capelle.
1) Cf. Dr. Georg Berbig, Bilder aus Coburgs Vergangenheit, Bd. II,
Leipzig (M. Heinsius) 1908.
206 Miszellen.
Dazu Spitalhaus
Siechenhaus
Seelhaus
Bruderschaften zu Coburg samt andern Stiftungen:
1. Stae Annae
2. Sti Jacob i
3. Sti Sebastiani
4. GroĂźe Bruderschaft d. Apostel
5. Reicher SchĂĽssel Stiftung
6. Gerber & Schuster Stiftung
7. Hafner & Schmiede Zunft
8. Becken & Metzger Zunft
Pfarr vfm Schlos, so in der Brobstey zu Coburg mit
eynem pfarr bestalt wĂĽrdet hat dise filial:
Kurttendorf.
SeyttneĂźdorf
Lutzelbuch
Creydlitz
Ketzchendorf
VntterfĂĽlbach (was diser seyt wasserfluĂź gelegen)
GeytzenmĂĽlh
FynkenmĂĽlh
Eychhof
Kyrstengrundt
Brobsteyhof zu WĂĽstenahorn
Eyn hauĂź zum hĂĽnerberg unter dem hohensteyn
ferner 5 Vikareien,
Churf lehen
Kyrchen vfm Schlos Coburg:
1) pfarkyrrchen
2) Eyn Cappelln (!)
Ist ein Pfarrer ihnen nichts weiter verpflichtet, denn allein,
auf Erfordern, die Sakramente, es sei in oder auĂźer der K. zu reichen
u. wann ein pfarr aus befehl „der Überhandt" auf dem Schloß sein
muĂź, sollen die Capplan in der Probstei desselbigen an seiner statt
verrichten. Sie gehen auch alle zur Predigt & zu Kyrchen in die
pfarrkirchen gegen Coburg.
Ist hievor verschafft, daĂź ein jeder Mensch, so zum hochw.
Sakr. geht, die 4 Opfer geben soll & 9 #. zu Tauffen.
Soll bleiben; doch soll jeder SchultheiĂź dem Pfarrer solches
Opfergeld einbringen & in die Fasten bezahlen. —
Des Pfarrers Verdienst ist, daĂź er in der Probstei neben den
andern Caplanen, den Tisch hat, & keinen andern Gehalt, als die
Accidenzen. —
M e y d e r ,
pfarr zu M Churf lehen, von wegen des Closters Veylsdorf hat
diese filial:
Wysenfelt (hat eyn Kyrrchen)
Beyerssdorf
Kallnberg hat eyn Cappeln
Muhl ĂĽber Beverdorf
Miszelleu. 207
Kropfweyers
Weydach
Scheuerfeit
Neuses hat eyn kyrch
Zeygelhutt zu Coburg
Nyderndorfles
Obernndorfles
Hannberg
Vntterwolspach
EĂĽckmarsdorf
Hayn
Weynmarsdorf
BrĂĽx WalweĂźdorf
Oberwolspach
(außer IUI Häuser)
Oberlautter hat eyn Capelln
Mockenprun
Ăźeuerfelt hat eyn Kyrchle
Glenn
Berckelsdorf
Meschbach
Sultzdorf
KeĂźfurt
Neyda
Cleyn walbur
Ăźyrckenmor
Drossenhaussen
Eyntzelsberg
MyrĂźdorf
Drenersdorf
Neunkyrrchen hat yn Cappeln
Deinbach
1 Haus zum Formbach
Ev hertstadt zu Vntterlauter.
zwue Vicareyen zu Meyder
1 Vicarey zu Kallnberg
Untter Lautter.
pfarr ist Salf eidisch lehen.
hat diese filial:
2 Mann zu Ăźeuerfels
4 „ — Oberwolspech
7 „ — Dorf! es
Die StaudenmĂĽlh
1 \7icarey zu der Rosenau
1 „ zur Lautterburg
WeiĂźenbrunn, Pfarr
Churf. Lehn, wegen des Closters zu Sonnefeld, hat diese filial:
Almerswyndt
Eodt
Walchendorf
Schonstatt
208 Miszellen.
Gereuht
Myttelberg
3 Heuser zu Walspach
Truckendorf
Katzberg 3 Mener
Vischbach
Ahorn Pfarr
geht zu lehen von Joachim & Valtin von Bosenau zu Ahorn, laut
ihrer Kauf & lehenbriefe, hat kein filial, „wiewol inne Valtin vonn
Lychtensteyn solcher Lehenschaft nit gestehen wyl."
Watzendorf
pfarr geht zu lehen von eynem jede pfarrer zu Altenbanz hat
Filial : ( Neuses
< Gossenberg
{ Welssberg
Sumen
pfarr zu S. geht zu lehn von Lorentz Schenken daselbst zu Sumen,
hat kyn Filial.
Grub
pfarr geht zu lehen von Hans v. Schaumberg zu NiederfĂĽllbach, hat
kein Filial.
Dorf f er an der Itsch
Dorf f er an der Itzss jn
Churf. Obrijk. gelegen vnd gegen Altenbantz der pfarrlehen recht
halben gehoeren :
Scherneck j
EoTsYch haben Kirchen
Gleussen J
Steppach
Meschenbach
Zcyckelsdorf
Wolbach
Hart
Buchenrodt
Kyrch oder Gotzhauss zum heyligen Creutz.
Mag. Mart. Burtzel ist zum Pfarrer verordnet & vom Stadt-
rath belehnt worden.
Pfarrer & Caplan jährlich 80 Gulden v. Bath zu Cobg gehabt.
Nachdem aber der Caplan abgeschafft, sind ihm 30 Gulden, die in
den gemeinen Kasten geschlagen und verwiesen sind, abgebrochen
& werden ihm jährlich noch vom Bath gereicht: 50 Gulden. Hat
die Armen im Seelhaus geistlich zu verwahren, sonst kein Filial.
haben keine kyrchen
Das Einkommen an Zinsen, Barschaft und Schulden der Kirche
zum h. Kreuz ist in den gem. Kasten geschlagen laut der Register
& gemeinen AuszĂĽge.
Der BarfĂĽsser Kloster zu Coburg ist H. Veyte Haff Verwaltern
zu Mönchröden zu Befehl gethan u. sind die Klosterpersonen z. t.
mit Geld abgefertigt und die andern nach Mönchr. z. Unterhalten
geschafft.
Miszellen. 209
Im Closter sytzen mit Wissen & auf Befehl des Kurf. auch
der Oberhandt zu Coburg Hans Mor FuĂźknechthauptmann & Friedrich
der Amptschreiber.
Und seyn die Gepeu allenthalben gantz baufellig.
Nachdem der Eaht zu Coburg Doctor Adam Reutter von
rechts wegen fĂĽnf jar lang zu eynem Medico und anrychtung eyner
eygnen Appotecken angenommen, vnd ime jerlichen von den be-
stimpten verfallen lehen ÂŁÂŁj guld. versprochen und bereyt drey jar
daran bezcalt seyen Ist jnen der Abscheyd gegeben es dyĂźmals
dabei pleyben zu lassen, das dye vbrigen zwey jar bis zu volendung
der fĂĽnf jare, demselben Doctori jn ansehung das er dem Armut zu
gut dannacht aufgenomen, von solchem eynkomen der verfallen lehen
nochmals sollen vergnĂĽgt werden, doch dar nach aussgang dyser
zeyt der gemeyne Casten in deme unbeschwerdt pleyben sondern so
eyn Raht eynen doctorem lenger annemen wolten, solchs uf jren
Casten zu thun.
Der aufgerichteten neuen Uhr halben, die im ganzen 119 gĂĽlden
gestanden :
die 1/2 von verfallenen Lehen
„ 1/2 ,, Rath zu bezahlen.
III.
Zur Geschichte LiehengrĂĽns.
Von v. Obernitz, Major a. D.
Das preuĂźische Landratsamt ZiegenrĂĽck hatte 1865 eine Statistik
und Geschichte dieses Kreises bei Maurer in Ranis im Druck er-
scheinen lassen, dessen zweiter Teil, die Geschichte behandelnd, von
dem damaligen Kreisphysikus , Herrn Dr. Barnim Wilhelmi, be-
arbeitet worden ist. Auf S. 70 — 72, bei Besprechung des Markt-
fleckens Liebengrün, erwähnt er, daß Friedrich von Liebengrün,
Landkomtur von ThĂĽringen, in einer Urkunde im Schleizer Archiv
anno 1377 vorkomme. —
Diese Nachricht interessierte mich lebhaft, weil ich bei Be-
arbeitung der Familiengeschichte meines eigenen Geschlechts viel
mit dem, nahe bei Liebschütz — einem Stammorte eines Zweiges,
unserer Familie — hegenden Marktflecken zu tun hatte. Beide Orte,
nur 1 km entfernt, mit ihren Flurgrenzen zusammenstoĂźend, hatten
naturgemäß vielfache Berührungspunkte. Hierbei war mir niemals
eine adlige dort ansässige Familie oder gar gleichen Namens wie der
Ort vorgekommen ; dies veranlaĂźte mich, dieser Angelegenheit meine
Aufmerksamkeit zuzuwenden.
XXVIII. 14
210 Miszellen.
Leider fand ich alsbald bestätigt, was Wilhelmi schon beklagt,
daß Liebengrün keine Geschichte habe — wenigstens fließen die
Quellen spärlich und reichen nicht weit zurück; so viel schien aber
festzustehen, daĂź es von jeher ein immediater Ort gewesen und
direkt unter dem Amt ZiegenrĂĽck gestanden habe.
Nach einer Tradition sollen die alten Urkunden in einem
Brande vernichtet worden sein, und zwar zu Drognitz, wohin sie in
einer Lade in Kriegszeiten geflĂĽchtet wurden ! Bei Nachfragen HeĂź
sich in Drognitz ermitteln, daĂź dort etwa 1674 oder 1675 die Pfarr-
wohnung mit vielen Archivalien abbrannte; immerhin war das
Kirchenbuch, welches 1655 beginnt, gerettet worden! Auch im
LiebschĂĽtzer Gutsarchiv des Unterhofes fand ich die Notiz, daĂź
1675 ein groĂźer Brand in Drognitz viele Originallehnbriefe und
andere Papiere vernichtet habe; endlich traf ich in Weimar1) die
urkundliche Bestätigung dieser Behauptungen, es war 1676 durch
Protokoll konstatiert worden, daĂź 1674 der Brand wirklich statt-
fand und den Verlust der LiebengrĂĽner Urkunden herbeifĂĽhrte.
Wären aber damals die Papiere, unter denen die Privilegien eine
große Rolle spielen, auch gerettet worden ; sie wären später zugrunde
gegangen, da Liebengrün 1718, 27. VIII. bis auf ca. 6 Häuser
mit Kirche, Schule und Rathaus abbrannte; ja 1906, 13. X, wieder-
holte sich dies Brandunglück in ähnlicher Weise.
Schon frĂĽher aber mĂĽssen die ersten Privilegien in Verlust geraten
sein, denn die ältesten Andeutungen finden sich im Dresdner Staats-
archiv2) von anno 1483, 8. L, und enthält die Aussage des Balthasar
von Watzdorf auf Altenbeuthen, der auf Verlangen den LiebengrĂĽnern
bestätigt, daß sie die niedere Gerichtsbarkeit durch den Schultheiß
ausĂĽbten, auch einen Anteil an der Hasenjagd hatten; es fehlten
also schon damals die Urkunden hierzu. Sie fanden sich auch in
den Archiven nicht vor, man möchte glauben, daß der Ort schon
von den Grafen von OrlamĂĽnde seine Privilegien erhielt, aber die Orla-
mĂĽnder Archive dieser Gegend um ZiegenrĂĽck fehlen ; sie sind wahr-
scheinlich schon im Grafenkriege, bei dem Brande von Rudolstadt
vernichtet worden. Man kann dies auch daraus erkennen, daĂź 1499,
14. V. Kurfürst Friedrich der Weise sich genötigt sieht, die zwischen
Ziegenrück und Liebengrün wegen Bierbrauens und Mälzens sowie
Schenkens entstandenen Irrungen dahin zu vergleichen, daĂź dies
Liebengrün, wie von alters her geschehen, auch in den Dörfern Lieb-
schĂĽtz, Alt- und Neuen-Beuthen ausĂĽben dĂĽrfe, aber nicht faĂź- oder
1) Weim. Finanz-Arch. Sect. V, Loc. 352, Rep. 13.
2) Dresd. St. Arch., Privilegien d. Gem. LiebengrĂĽn, Loc. 10611,
1—2.
Miszellen. 211
tonnenweise, bei hoher Strafe1). Weitere Bestätigungen dieser Vor-
rechte erfolgten 1523, 12. IV. durch den Amtsverweser zu Ziegen-
rĂĽck Veit v. Obernitz2), ferner 1528, 24. V. durch den Amtshaupt-
mann Hans v. Obernitz3), wobei später zwei jährliche Jahrmärkte und
ein Viehmarkt ihnen zugestanden werden ; auch in den Jahren 1604,
1644, 1658, 1685 und 1734 geschehen hierzu Erneuerungen, ohne daĂź
jemals Originaldokumente produziert werden können!
1479, 22. III. war verfĂĽgt worden, daĂź der von LiebengrĂĽn
zu entrichtende Zins- oder Schutzhafer (es wurde dort nur schwarzer,
geringer Hafer angebaut) 154 Scheffel 3 Hetzen ZiegenrĂĽcker
(IB1^ Dresd. Metz. = 1 Ziegenr. Scheffel) MaĂź, dem jedesmaligen
Amtshauptmann zu Ziegenrück als persönliche Einnahme zustehe4).
Diese Abgabe wird auch 1671, 1676, 1679, 1685 und 1688 erwähnt 5).
Die Kriegsleistung bestand 1505 in der Stellung von Haken-
bĂĽchsen6), 1542 aber in einem bespannten, auf eigene Kosten aus-
gerĂĽsteten und begleiteten Heerwagen 7). AuĂźerdem war der Ort
auch zur TĂĽrkensteuer herangezogen worden und hatte 1531 schon
18 Ăźo 14 gr. und 1557 einschlieĂźlich der LiebschĂĽtzer, welche Besitz
in LiebengrĂĽner Flur erworben hatten, 25 Ăźo zahlen mĂĽssen8). Der
Ort stand überhaupt in ähnlichem Verhältnis wie der Marktflecken
Gössitz.
Wegen der Hasenjagd fanden häufig Streitigkeiten mit den
Besitzern der BittergĂĽter LiebschĂĽtz, Ober- und Unterhof statt,
welchen in ihren Lehnbriefen groĂźe Jagdgerechtigkeiten im ganzen
Kreise ZiegenrĂĽck verliehen worden waren. 1557 wird nun ent-
schieden, daĂź die von Obernitz als Besitzer von LiebschĂĽtz die
Hasenjagd mitgebrauchen dĂĽrfen ; den LiebengrĂĽnern steht das Becht
zu, an ihren Festtagen (Hochzeit, Kindtaufe) ebenfalls Hasen zu
„fangen" 9).
An den jährlich im Winter vom Amt aus geleiteten, sehr an-
strengenden und mehrere Tage anhaltenden Wolfsjagden, die sich
auch meist in entfernte Gegenden erstreckten, muĂźten auch die
1) Ebenda S. 3—4.
2) Dresd. St.-Arch., Loc. 10 611.
3) Weim. Landgericht, L. 4, Liebengr. 1793.
4) Weim. Ăźeg. X f. 197 b, JNo. 1790/91.
5) Weim. Finanz-Arch. Sect. V, Loc. 352, Bep. 13.
6) Weim. E.A. S. 410 a I M. G. 1-3.
7) Weim. E. Arch., B. p. 108, XXVI, 3. 14.
8) Ebenda FF. 320.
9) Ebenda PP. 364.
14'
212 Miszellen.
LiebengrĂĽner BĂĽrger sich beteiligen; auf dringende Bitten wurde
ihnen dies erst zwischen 1644 und 1650 erlassen.
Das Vermögen der Gemeinde an Liegenschaften war nicht un-
bedeutend; namentlich der Wald, in 7 größeren Parzellen und meist
an den großen Streitwald anstoßend, war in späterer Zeit eine gute
Einnahmequelle; so konnten schon 1573 60000 Schindeln zum Bau
des Amtshauses in Capellendorf geliefert werden, die per Achse an-
gefahren wurden und fĂĽr 60 Ăźo zu 10 Groschen bezahlt wurden1),
während 1694 schon 2000 Klaftern — sicher Brennholz — der Ke-
gierung verkauft wurden, die jedenfalls, wie ĂĽblich, auf der Saale
geflößt worden sind. — Eine große Wiese, 9 Teiche, teilweise wüst
liegend und als Hutweide benutzt, Ă„cker im Steuerwerte von 450
alten Schock werden 1557 nachgewiesen; die 16 ganzen und 37 halben
Höfe treten mit ihrem Privatbesitz hierzu. Im ganzen waren über-
haupt 57 Höfe und 15 kleine Häuser damals vorhanden ; auch be-
saßen, wie schon erwähnt, 15 Liebschützer Einwohner in der Lieben-
grĂĽner Flur Acker, Wiese und Wald, und zwar waren dies anno 1557
Christof, Nickel und Hans Purser, Hans und Thily Kuchenbecker,
Hans Leich, Hans Schreiber, Hans Penis, Hans Moller, Joachim
Eosenberger, Jakob Folart, Blasius Drumb, Michel Drechsel, Peter
Jauch und die Schlaitzerin 2).
Wahrscheinlich hatten auch die LiebengrĂĽner im Streitwalde
gewisse Nutzungsrechte erhalten, wie Hutung und dĂĽrres Holz lesen,
denn der Förster auf dem Streitwalde hatte im Ort einen Waldzins
einzufordern s).
LiebengrĂĽn hat eine Filialkirche von LiebschĂĽtz. Dieser Ort
ist unbedingt sehr alt, und seine Pfarrkirche wird schon im 12. Jahr-
hundert im Verzeichnis der zum Diakonat Pösneck gehörigen
Parochialkirchen als „Lobesitz" aufgeführt4), wird als Dorf sogar
schon 1120 (Ziegenr. Wochenbl. 1822) und 1258, 19. VI. in der
Urkunde der Grafen Herman, Otto und Albert OrlamĂĽnde, aus-
gestellt über die Floßgerechtigkeit auf der Saale, erwähnt5). Als
Lubeschicz kommt der Ort bei G. Hey, Die slavischen Siedelungen
im alten Vogtland, vor6). DaĂź sich eine adlige Familie nach Lieb-
schĂĽtz schrieb, ist sehr wahrscheinlich. 1209, 4. X., kommen Ger-
hard von Luschwitz und Lubschitz, 1264 Conrad von Lussewitz,
1) Ebenda S. p. 74, No. 2.
2) Ebenda PP. 320 und 364.
3) Schleiz HA.
4) Krokow, Gesch. d. Kr. ZiegenrĂĽck, S. 50.
5) Dipl. Portense, p. 46 a.
6) Unser Vogtl., III, S. 432.
Miszellen. 213
1325, 14. VIII. Dietrich v. Lubeschwitz, dieser in Remptendorf,
1364, 23. V. Reynold von Lobischitz, 1421, 16. XII. Gerhard v. Lobi-
schitz, 1430 Heinrich von Löbewitz, 1445, 28. XII. Gerhard von
Lobeschwitz in der Pflege Ronneburg urkundlich vor, und werden
Mitglieder dieses Geschlechts bis 1622 im Vogtlande angetroffen.
Die Einkünfte der Tochterkirche Liebengrün erfährt man
aus den Kirchenvisitationsprotokollen ; da wahrscheinlich, wie fast
ĂĽberall, so auch hier, die Stiftungen zu Seelenmessen mit dem Ăśber-
gang zum evangelischen Glauben durch die Nachkommen der Stifter
eingezogen worden waren, ergab sich die Fundierung des Pfarr-
einkommens als notwendig. So werden 1533 diese EinkĂĽnfte wieder-
hergestellt fĂĽr LiebengrĂĽn, und zwar ersieht man, daĂź die Kirche
kurfĂĽrstliches Lehen war, eine Hufe Land besaĂź, von der aber
4 Hofstätten ausgezogen sind, an Dezem standen ihr 211/, Scheffel
Korn und ebenso viel Hafer ZiegenrĂĽcker MaĂź zu; an Erbzins 2 Ăźo,
4 MichaelishĂĽhner und von jedem der 24 Hintersassen 2 alte Pfennige
jährlich ').
Aus alter Zeit waren auch noch Seelenmessen und Stiftungen
vorhanden, die 1550 ebenfalls erwähnt werden; es hatten nämlich
verordnet: Nicel Kober einen Acker in Knau, zu J/2 Vigilie mit
3 Messen ; Nicel Jauch eine Wiese, an dem Otterbach gelegen, zu
3 Messen; Nicel Gunzsch einen Acker und eine Wiese in der
Zniewitz , zu 3 Messen ; Cuntz Hedwig am Rat 3 Messen ; Hans
ZiĂĽlich einen Acker vor dem Walde, zu 3 Messen ; Hans Bauerfeint
einen Acker, zu einer Vigile und 3 Messen ; Sellingk zu LiebengrĂĽn
60 alte Ăźo auf seinen GĂĽtern, zu einer Messe alle Wochen ; hierzu
wird 1550 bemerkt, daĂź diese Stiftung dem Cunz Kachelt jetzt mit
30 Ăźo gelassen ist2). NatĂĽrlich waren diese EinkĂĽnfte dem Pfarrer
zu LiebschĂĽtz und der Schule zu LiebengrĂĽn ĂĽberwiesen worden,
als die Messen und Vigilien fortfielen. Es wurde bares Geld 1550,
1 Ăźo zugelegt3). Im Jahre 1537, bis 1544 sich hinziehend, fand ein
Streit statt zwischen dem Pfarrer im nahen schwarzburgischen Dorfe
VVeiĂźbach mit der Gemeinde LiebengrĂĽn, weil diese PfarrgĂĽter, ins-
besondere eine Wiese, an sich gezogen hatte, welche dem Pfarrer zu
WeiĂźbach zustand4). Der Sage nach, welche sich bis heute in
Liebengrün und Liebschütz erhalten hat, soll ein Fräulein v. Obernitz
vor der Reformation eine Schenkung an die Pfarre WeiĂźbach ge-
macht haben, bestehend aus einer Wiese am Otterbach, wofĂĽr alle
1) Weim. E.Arch. J. i, No. 5.
2) Ebenda No. 78, S. 159.
3) Ebenda No. 78, S. 155.
4) Ebenda No. 1794.
214 Miszellen.
Quartale eine Messe in LiebengrĂĽn durch den WeiĂźbacher Pfarrer
gehalten werden sollte; für die Benutzung der Dorfkirche aber hätte
sie der Gemeinde den Wald geschenkt, der, am kleinen Otterbach
hegend, von der BurkhardtsmĂĽhle sich bis zur ZschachenmĂĽhle
hinzieht und noch heute einen wesentlichen Bestandteil des Gemeinde-
vermögens darstellt. Auch ein silbernes Petschaft mit dem Orts-
siegel, frĂĽher an silberner Kette, fĂĽhrt man auf diese Geschenk-
geberin zurĂĽck. Unter der Ăśberschrift in gotischen Buchstaben
„Villa Liebengrün" steht die gekrönte Jungfrau Maria mit dem
Jesuskind auf dem Arm zwischen zwei Bäumen und auf einem Halb-
mond ; so sah sie 1861 noch B. Wilhelmi *) und fand damals in dem
Pfarrarchiv WeiĂźbach, von der Hand des Pfarrers aus 173(5 folgende
Notiz : „Zur Pfarrei gehört eine Wiese am Otterbach gelegen, ins-
gemein die SchleifhĂĽtte genannt, welche eine hochadlige Dame aus
dem Hause v. Obernitz, die in LiebengrĂĽn oder LiebschĂĽtz ihren
Sitz, vor der Reformation Lutheri, gehabt haben mag, aus ihren
GĂĽtern der dasigen Pfarrei zu WeiĂźbach vermacht hat; dergestalt
und also, daĂź der dasige Pfarrer alle Quartale eine Seelenmesse hat
lesen mĂĽssen. Jetzt aber ist diese Seelenmesse in eine Gastpredigt
verwandelt worden." Leider hat sich bis jetzt diese Notiz nicht
wiederfinden lassen; dagegen wurde im Pfarrarchiv zu WeiĂźbach
folgendes noch ältere Schriftstück ermittelt aus 1698. Es behandelt
die Einkünfte der Pfarrei und lautet: „. . . . Wieswachs; zur Pfarrei
gehören folgende Wiesen: ... 6) wird bei dem Pfarrgut zu Weiß-
bach auch eine Wiese an dem Otterbach liegend, insgemein die
SchleifhĂĽtte genannt, gebucht, von einer adligen Weibsperson ante
Eeformations-tempus Sophie, Elisabeth von Obernitz aus dem Lieben-
grĂĽner Flur dazu vermacht, wofĂĽr und zur Dankbarkeit, der WeiĂź-
bacher Pater, alle Quartal eine Messe lesen muß! Baut ungefähr
2 Fuder Heu, ein Fuder Grummet. Ebenfalls aus dem Jahre 1698
stammt des Schulmeisters und Organisten Besoldung zu WeiĂźbach."
Diese Schleifwiese ist ca. 8/4 Hektar groĂź und liegt an dem rechten
Ufer des groĂźen (?) Otterbaches, 700 m unterhalb der Burkhardts-
mĂĽhle 2j.
Vielleicht finden sich in dem erwähnten Pfarrarchiv noch
weitere ältere oder bestimmtere Nachrichten über die Zeit dieser
Schenkung, denn es scheint mir zweifelhaft, daĂź vor der Beformation
schon Doppelvornamen bei weiblichen Personen des niederen Adels
1) B. Wilhelmi, Gesch. d. Kr. ZiegenrĂĽck, II, 71 u. 85 Anm.
2) Pfarrarchiv WeiĂźbach, Brief des Pfarrers H. Herwagen d. d.
8. IX. 1909.
Miszellen. 215
vorkamen; die ersten männlichen Doppelnamen kamen wenig vor
1550 auf, die weiblichen meist 50 Jahre später!
Ein interessanter ProzeĂź entstand 1793 und zog sich bis 1798
hin ; er wirft auf die inneren Verhältnisse Liebengrüns eigentümliche
Streiflichter. Im Landgerichtsarchiv zu Weimar Hegen Kanzleiakten
unter dem Bubrum: „Gemeinde Liebengrün contra 13 Neumärker
Einwohner, wegen Vertheilung der CommunalgrundstĂĽcke, besonders
des Communalholzes auf der Gemeinde Berg" 1).
In diesem ProzeĂź verteidigen 78 vollberechtigte Einwohner sich
gegen die AnsprĂĽche von 13 Einwohnern, die auf dem Neumarkt
wohnen, arm sind, nur Traufrecht ihrer kleinen Häuschen haben,
weder brauen, mälzen, noch Anrechte auf die Gemeindegrundstücke
erheben dürfen. — Auch bei diesem Streit ist die Gemeinde nicht
in der Lage, alte Dokumente vorzulegen, beruft sich auf die Observanz
und dringt damit durch.
Dies Verhältnis der 13 enterbten Neumärker ist so eigenartig,
daĂź man unwillkĂĽrlich auf seltsame Vermutungen kommt. So be-
hauptet Börner, Liebengrün sei von Zigeunern gegründet worden !
Eine Behauptung, der so ziemlich alles Fundament fehlen dĂĽrfte.
Eher noch könnte man versucht sein, an Beste der Sorben zu denken.
Ludwig in „Einiges über Land und Leute um Greiz", S. 45, und
Klotz in seinen „Nachrichten über Stadt und Herrschaft Gera",
sowie Adler in „Opferstätten der Heiden im Orlagau", S. 320,
sprechen von dem slavischen Typus und den abweichenden Eigen-
tĂĽmlichkeiten der Einwohner LiebengrĂĽns. Bei einer Ortsbesichtigung
LiebengrĂĽns fiel mir auf, daĂź zwar keine Spur eines frĂĽheren Bund-
lings zu erkennen war, daĂź aber, ganz abweichend von der Dorfanlage
deutscher Orte, die Feldlage an slavische Art erinnert; denn um
das Dorf liegen nur Gärten, und nirgends kann der Eigentümer am
Hof oder am Garten den Pfiug einsetzen und bis zur Flurgrenze
ackern; nach deutscher Art; es liegen vielmehr die Acker in ge-
sonderten Komplexen weiter ab vom Dorfrain!
Vielleicht hatte sich der Vorgang bei der GrĂĽndung oder
Neubesiedelung des Ortes so abgespielt, daĂź neben dem, durch
Deutsche neu angelegten, frĂĽher slavischen Ort LiebschĂĽtz, unter-
worfene Sorben in dem höher, also ungünstiger liegenden Lieben-
grĂĽn angesiedelt wurden, welche Frondienste zu leisten hatten.
Dann aber mag durch ein allgemeines Sterben, wie z. B. des so-
genannten schwarzen Todes, der zwischen 1340—1350 grassierte, die
Bevölkerung stark reduziert worden sein, und man sah sich zur
Herbeiführung von Kolonisten aus weiterer Ferne genötigt. Waren
1) Weim. Landger. L. 4.
216 Miszellen.
diese Zuwanderer Franken, so gaben sie dem Ort den Namen mit
der Endung „grün", die sonst hier nicht gebräuchlich ist. Ihnen
muĂźten nun besondere Rechte und VergĂĽnstigungen zuteil werden,
wie eigene Gerichtsbarkeit, Brauen, Mälzen, Schenken und etwas
Jagd. Vermutlich waren auch Bergleute unter ihnen, denn Regel1)
behauptet, es seien in der Nähe von Liebengrün alte Bergwerke ge-
wesen, in denen silberhaltiger Bleiglanz und geringwertiger Schiefer
gewonnen wurde. — Die Dorfanlage wurde nun auf deutsche Art
geformt, aber die Feldlage ließ sich nicht mehr ändern.
Schulze, in seiner „Germanisierung und Kolonisierung des Vogt-
landes", spricht sich dahin aus, daĂź zwischen 1100 und 1122 die
mit Land belehnten deutschen Edlen andere Sippen heranzogen und
Einzelhöfe und Dörfer anlegten ; es ergaben sich so Orte mit Ober-
und Nieder-. Die Sorbenwenden wurden schon um 1209 gezwungen,
den Wald zu roden und sich dort, also auf den Höhen, die sie
bisher gemieden hatten, niederzulassen. Der Boden war dort zu-
nächst von geringerer Tragfähigkeit, auch fehlte es meist an Wasser»
das Klima wTar rauher, die Kindersterblichkeit größer ! Der sorbische
Häuptling oder Adel wurde nicht mehr anerkannt, das ganze Volk
als Hörige behandelt, wohnte abseits des Rittergutes und verrichtete
die Frondienste daselbst.
Wenn neuere Forscher annehmen, daß die slavische Bevölkerung
ausgerottet worden sei, so muĂź doch darauf hingewiesen werden, daĂź
von einer derartigen Vernichtung nach beendigtem Kampfe nichts
bekannt ist; daĂź ĂĽberall slavische Orts- und Flurnamen vorhanden
sind in groĂźer FĂĽlle, die sich ohne einen slavisch sprechenden Be-
völkerungsteil gar nicht überliefert denken läßt;; und endlich spricht,
neben vielen Sagen und mĂĽndlichen Ăśberlieferungen, auch noch das
Faktum, daĂź bis 1327 die sorbisch-wendische Sprache vor Gericht
geduldet wurde und erst dann ein Verbot erfolgte mit der Motivie-
rung: „daß man dieselbe gleichsam zum Eckel habe"2).
Aus allen Ermittelungen lieĂź sich nirgends ersehen, daĂź Lieben-
grĂĽn frĂĽher von einem Adelsgeschlecht gleichen Namens gegrĂĽndet
oder auch nur bewohnt worden sei; es lieĂź sich niemals eine An-
deutung finden, daß adlige Höfe im Ort sich befanden oder Frei-
höfe; ja es kommen adlige Personen überhaupt darin nicht vor;
einzig und allein scheint die Familie Ratzenberg, die frĂĽher dem Adel
1) Fritz Regel, ThĂĽringen, im geographischen Handbuch,
Jena (G. Fischer) 1895, II, S. 590, u, III, S. 115 u. 126.
2) Gerbst in: „Zwickau", S. 56, und Paul Quade, in: „Belzig",
S. 18.
Miszellen. 217
angehörte , verarmt im Bauernstand vorzukommen ; man traf sie
unter dem Adel der Gegend Gräfenthal an.
Zur Aufklärung nach Nürnberg an das Kreisarchiv gerichtete
Anfragen wiesen nach, daĂź Meyer in seinen Hohenzollernschen
Forschungen x) das Landbuch von Hof des Jahres 1502 abgedruckt
hat und darin den Ort Liebengrün erwähnte. Das Original sollte
im Kreisarchiv Bamberg liegen. Aus Bamberg kam nun die Nach-
richt, daĂź auĂźer dem Original noch 2 gleichalterige Kopien dort
verwahrt werden, aber in allen 3 Dokumenten stehe ganz deutlich
und übereinstimmend nicht „Liebengrün, sondern Tiebengrün"!
Danach muß Meyer wohl falsch gelesen haben ! Wörtlich lautet
der Text: „Tibengrün, ein Pauer Branser, ein Virtei Vogthafer dem
Untervogt des Hofer Amptshauptmanns zustehend" ; und „Tyben-
grĂśD; in dem Dorf haben die vom Perg 4 Mannschaft; Contz
von Zedwitz, 2 Mannschaft; Heinrich Gailsdorfer 4 Mannschaft;
ist das Gericht meins gnedigen Herrn (d. h. des Markgrafen
Friedrich); gehört gegen Hof, und ist das Lehen der von Geraw!"
DaĂź auch Limmer, in seinem Entwurf einer urkundlichen Ge-
schichte des Vogtlandes2) LiebengrĂĽn in einer anderen Urkunde,
oder im Regest derselben, im Schleizer fĂĽrstlichen Hausarchiv las,
ist merkwĂĽrdig. In dem heute nur noch erhaltenen Regest heiĂźt
es nun : „1377 Ludwig v. Spangenberg, Comtur zu Schleiz, belehnt,
mit Genehmigung des Landcompturs von ThĂĽringen , Friedrich
von LiebengrĂĽn, und in Mitwissenschaft des Nicolaus von Torgau,
Pfarrers zu Schleiz, und Hansens von Klettstadt, Pfarrers zu Tanna,
— der Kirche zu Tanna, einen jährlichen Zins von 12 Schillingen
Heller, von einer halben Hufe, welche zwei BrĂĽder Hammer zu
Seubtendorf und Tanna besaĂźen."
Um die Schreibweise des Namens dieses Landkomturs fest-
zustehen, lieĂź ich das Kopialbuch der Bailei ThĂĽringen des Deutchen
Ordens aus dem Kgl. preuĂź. Staatsarchiv Magdeburg3) mir zu-
senden, welches mit dem 1392 angelegten Original gleichzeitig be-
gonnen wurde ! Leider war auch dieser Versuch vergeblich gemacht,
denn Friedrich von LiebengrĂĽn oder TibengrĂĽn wird darin nicht er-
wähnt, was sich daraus erklärt, daß es sich in diesem Kopiar nur
um eine Anzahl von Urkunden handelt, die den Komturhof
Altenburg oder Plauen näher betreffen und anscheinend durchaus
nicht lĂĽckenlos sind.
So viel lieĂź sich aber feststellen, in Verbindung mit den An-
1) Bd. 3. S. 449 u. IV.
2) Bd. 2, S. 626.
3) Kop. 1945, Original Dresd. St.Arch., Abt. 14, Bd. 64.
218 Miszellen.
gaben von Longolius1), daĂź als Landkornture von ThĂĽringen in jener
Zeit urkundlich vorkommen : 1366, 22. II. ein Zollner von Rotenstein
und 1379, 10. VIII. Friedrieh Reussen; zwischen beiden kann die
Amtsperiode dieses Friedrich von TibengrĂĽn gelegen haben.
Das Dorf Tiefengrün — diese Schreibweise kommt gleichzeitig
vor — Hegt im Bezirksamt Hof, zur Pfarrei Berg gehörig, an der
StraĂźe von Berg nach Hirschberg, und wurde seinerzeit zu 4 Amts-
höfen gerechnet, welche ritterschaftlich waren. — Noch 1610 wohnte
dort eine adlige Familie. Die v. Dobeneck hatten dort noch 1656
ein Gut; ein Teil kam zu GottmannsgrĂĽn.
In TiefengrĂĽn besaĂźen die von Dobeneck lange Zeit Grund-
besitz ; man findet in deren Familiengeschichte 2) einige Regesten
abgedruckt ; es sind folgende :
1302. Heinrich, Vogt von Gera, verkauft dem Ulrich Sack das
SchloĂź Sparrenberg mit den FreigĂĽtern im Dorfe ; ferner den Zehnten
in Tifengrün und einen Wald, „die Heyde" genannt; endlich 3 Lehns-
männer in Langgrün. (Quelle: Chlodwig v. Reitzenstein, Fam.-
Gesch. der v. Reitzenstein, Bd. 1.)
1439, 9. X. Heinrich, Herr zu Gera und Lobenstein, belehnt
Else Sommer mit GĂĽtern zu HartmannsgrĂĽn, Schnarchenreuth, MoĂź,
Tybengrune, Modelreuth, Gebersreuth, Radenacker und Frössen,
welche ihr Nickel von Dobeneck fĂĽr 500 fl. auf Widerkauf ver-
kauft hatte. (Quelle: Schleiz F. H.-Arch. G. A. H. Invent. I, Tit. X,
No. 29, Orig. Pergam.)
1527 wird Wilhelm III. v. Dobeneck mit einem Gut zu Tiefen-
grĂĽn belehnt (Fam.-Gesch. v. Dobeneck, p. 53, 54).
1535, 4. IL Ursula von Dobeneck, Ă„btissin und Konont des
Clara-Ordens zu Hof, beschweren sich bei Heinrich dem Alteren, Herrn
zu Gera, Schleiz und Lobenstein, ĂĽber Simon Mang von Zedwitz zu
Isar, welcher zwei GĂĽter zu TibengrĂĽn, die das Kloster von den
von Berg erkauft hat, unter der Bedingung, daĂź nur der von Berg
sie ablösen dürfe, selber ablösen und zu sich nehmen will. Er ist
kein Erbe; sie bitten um einen Schutzbrief gegen ihn3).
1541 , 19. 1. wird Wilh. v. Dobeneck zu Brandstein und seine Vettern
belehnt mit einem Gut und einem Teich zu TiefengrĂĽn; desgleichen
1598, 1599, 1605, 1607, 1610, 1621, 1654 werden GĂĽter und dieser
1) Kopialbuch v. Plauen (verloren), in Longolius, Manuskript.
Archiv Bamberg, Hist. Katalog 441.
2) Fam.-Gesch. der v. Dobeneck, von Dr. Arnold Frhr.
v. Dobeneck, 1906, Schöneberg b. Berlin, Gebh. Jahn u. Landt,
S. 53. 54. 64. 65. 116. 135. 172. 173. 330. 392.
3) Schleiz. H.-A.
Miszellen. 219
Teich erwähnt und noch 1759, 11. I. empfängt der Vormund für
Christophs v. Dobeneck selig Söhne die reußischen Lehen über
TiefengrĂĽn *).
Es scheint hiernach hinreichend erwiesen, daĂź es schon 1302
einen Ort namens TifengrĂĽn gab, und daĂź sich adlige GĂĽter in
demselben befanden ; man kann daher wohl als sicher annehmen,
daĂź der urkundlich vorkommende Landkomtur v. ThĂĽringen auch
Friedrich von TifengrĂĽn hieĂź; seiner wird anscheinend nicht weiter
erwähnt, und sein Geschlecht scheint mit ihm oder bald nachher er-
loschen zu sein.
IV.
Erklärung zu dem von Herrn Archivrat Schmidt im 27. Band
dieser Zeitschrift veröffentlichten Aufsatz „Nochmals die Aus-
grabung im Kloster Cronschwitz, eine Verteidigung".
Von Prof. Dr. W. C. Pfau in Eochlitz.
Die Art der oben genannten Studie veranlaĂźt mich, leider noch-
mals auf die Cronschwitzer Angelegenheit und auf die Frage ĂĽber
die Grabsteine mit dem Kreuz zurückkommen zu müssen. Zunächst
wenden sich Schmidts AusfĂĽhrungen in dem Hauptteil der Arbeit
gegen meinen Aufsatz im 25. Band dieser Zeitschrift, sodann in einem
„Nachtrag" besonders gegen meine Darlegung in der Chronik über
das Kloster Zschillen, 5. Heft des Eochlitzer Geschichtsvereins2).
Zschillen galt als Juwel der deutschherrlichen Bailei ThĂĽringen.
Trotz der „Verteidigung" Schmidts , in welcher der geehrte
Herr Verfasser über meine in dieser Sache veröffentlichten Arbeiten
ziemlich scharf urteilt, sehe ich mich nicht in die Lage versetzt,
etwas von meiner Entgegnung im 25. Bd. d. Ztschr. zurĂĽcknehmen
zu mĂĽssen. Sachlich begrĂĽndete Bedenken lassen sich nur durch
stichhaltige Gegenbegründung entkräften. Die Cronschwitzer Aus-
grabung konnte doch in vieler Hinsicht, auch in bezug auf das Erb-
begräbnis der Landvogtsfamilie, meines Erachtens kein sicheres Er-
gebnis zeitigen, und in verschiedenen Punkten dieser Angelegenheit
darf wohl jeder seine eigene Ansicht haben. Von meiner Anschauung
betreffs der Cronschwitzer Frage, die ich in meinen frĂĽheren Ver-
1) v. Dobeneck, Fam.-Gesch., S. wie ad 1).
2) In vorliegender Arbeit abgekĂĽrzt: Z. Die anderen Ab-
kĂĽrzungen sind: V. = Voigt, Geschichte PreuĂźens etc., Voigt = Voigt,
Geschichte des deutschen Bitterordens etc., VoĂźberg *= VoĂźberg, Ge-
schichte der preuĂźischen MĂĽnzen und Siegel etc.
220 Miszellen.
öffentlichungen ausführlich erörtert und begründet habe, gibt Schmidts
„Verteidigung" nicht immer ein klares Bild; da ich meine Ansichten
hier nicht noch einmal eingehend darstellen kann, so bitte ich die-
jenigen geehrten Leser, welche ein besonderes Interesse an der Cron-
schwitzer Angelegenheit haben, bei der Lektüre von Schmidts „Ver-
teidigung" meine früheren einschlägigen Arbeiten zur Vergleichung
gĂĽtigst heranziehen zu wollen. Aus einer solchen Vergleichung
dĂĽrfte sich meines Erachtens von selbst ergeben, daĂź ich mich in
manchen Punkten, in welchen mich der Herr Archivrat zurĂĽck-
zuweisen sucht und auf welche ich hier nicht weiter eingehe, nicht
erst zu verteidigen brauche, schon deshalb nicht, weil ich mitunter
das gar nicht „behauptet" habe, was nach Schmidt als eine Be-
hauptung von mir erscheinen könnte. Wenn ich wiederholt in meinen
Aufsätzen Bedenken ausgesprochen und unter Angabe von Gründen
andere Möglichkeiten gegenüber Schmidts Auffassung geltend ge-
macht habe, so habe ich damit nicht Behauptungen von Tatsachen
aufgestellt. Mehrfach zitiert Schmidt ungenau Stellen aus meinen
Abhandlungen; auf S. 436 fĂĽhrt er einen Satz aus meiner frĂĽheren
Arbeit, der ihm „unverständlich" wäre, an und spricht sich über
denselben, der nach der Darstellung des Herrn Archivrats eine An-
sicht von mir ausdrĂĽcken mĂĽĂźte, weiter aus. Der Satz ist aber
einer Stelle entnommen, wo ich Schmidts eigene Anschauung auf
Grund seiner frĂĽheren Angaben (XXIV, S. 384 f.) wiedergegeben
habe, und enthält somit gar nicht meine Auffassung. Eine Reihe
von Einzelheiten, welche ich im 25. Bd. ds. Ztschr. nicht oder nicht
ausfĂĽhrlich behandelt habe, sind in meiner Zschillener Chronik im
letzten Kapitel miterörtert. Zur Ergänzung meiner früheren Aus-
lassungen und zur Richtigstellung möchte ich hier noch einige
wenige Angaben zu Schmidts „Verteidigung" beifügen; ich kann
leider nicht auf alle Einwände im einzelnen eingehen, da mir hier
in der Zeitschrift nicht der genĂĽgende Baum zur VerfĂĽgung steht.
Meine Ansicht, daĂź der in Cronschwitz aufgefundene Steinsarg
mit groĂźer Wahrscheinlichkeit die Leiche des Landmeisters um-
schlossen haben dürfte, begründete ich mit durch die Erörterung
ĂĽber die Lage dieses FundstĂĽckes in der Kirche; wenn Schmidt
neuerdings (S. 439) mitteilt, der Steinsarg hätte nördlicher als der
sogenannte Landmeisterstein gestanden, so stimmt diese Angabe
meines Erachtens durchaus nicht zu dem von Schmidt heraus-
gegebenen Situationsplan.
Die Ansicht, daĂź der von Schmidt als Erbgruft angesprochene
Baum als ein NebengelaĂź der Kirche, aber nicht als Apsis, angelegt
sein kann, halte ich aufrecht. Wenn Schmidt in dieser Angelegen-
heit eine neue Auffassung entwickelt und zu begrĂĽnden sucht, so
Miszellen. 221
dürften sich verschiedene einschlägige Ausführungen (z. B. die Kirche
ist auf dem Siegel von der Nordwestseite dargestellt, das Walmdach
bedingt doch einen romanischen oder gotischen ChorabschluĂź) schwer-
lich als richtig erweisen ; auch kann ich Schmidts BegrĂĽndung seiner
Ansicht über die Stärke der sogenannten Scheidewand aus archi-
tektonischen Erwägungen nicht beipflichten.
Meine Anschauung, daß in Cronschwitz auch in späterer Zeit
Deutschherren begraben sein können, habe ich in der Zschillener
Chronik (S. 429 f.) begrĂĽndet ; es lagen in Cronschwitz auch Ritter be-
erdigt, von denen gar nichts bekannt ist, daĂź sie Insassen des
Klosters waren. Schmidts Angabe, daĂź keine Deutschherren in
Cronschwitz urkundlich nachweisbar sind, dĂĽrfte wohl noch keinen
sicheren Beweis dafĂĽr erbringen, daĂź dort Deutschherren nicht weilen
durften; hat doch Schmidt meines Wissens fĂĽr Cronschwitz auch
noch keinen Weltgeistlichen ermittelt, trotzdem nach dem Vertrag
von 1500 den Weltgeistlichen, die im Kloster amtierten, auĂźerhalb
von dessen Mauern eine eigene Behausung geschaffen werden muĂźte
(Z, S. 430). Neuerdings gibt Schmidt (S. 438) an, daĂź das Wort
„domus" in der Legende des im 14. Jahrhundert noch vom Kloster
gebrauchten Siegels (CONVENTVS • DOMVS • SCE • MARIE) darauf
deuten könnte, daß die Stiftung ursprünglich als ein Deutschherren-
haus gedacht war. Wenn dies merkwürdige „domus" Deutschherren-
beziehungen angibt, so kann ich mir nicht recht denken, daĂź der
Konvent das Siegel so lange fortführte, falls er kein Verhältnis zum
Deutschherrenorden weiter unterhielt.
Die Polemik ĂĽber die Cronschwitzer Angelegenheit und die
Grabsteine mit dem Kreuz ist dadurch hervorgerufen worden, daĂź
zwei im Kloster aufgefundene Grabplatten mit dem Kreuz den
Konventsstiftern, Heinrich und Jutta, zugesehrieben wurden, wobei
Schmidt eine Ansicht von mir als „entschieden" irrtümlich hin-
stellte. In seinem letzten Aufsatz kommt der Herr Archivrat auf
diese Steine zurĂĽck. Nach seiner frĂĽheren Mitteilung war auf dem
sogenannten Juttastein die Wappenfigur in dem Schild (?) „sehr
undeutlich", und die von Schmidt veröffentlichte Photographie, die
im AnschluĂź an die Ausgrabung 1905 gemacht war, lieĂź meines Er-
achtens ein Wappenbild nicht erkennen. Schmidt sagte in seinem
damaligen Aufsatz (S. 373): „Mit Photographie und Lupe glaube
ich auf ihm einen rechts blickenden Adler zu entdecken." Nach
diesem Wortlaut muĂź man doch wohl annehmen, daĂź Schmidt selbst
nicht sicher war, ob das Bild vorlag, das schon damals sich mit
bloĂźem Auge auf dem Stein nicht erkennen lieĂź. In seiner neueren
Arbeit berichtet Schmidt, daĂź er und noch andere das Bild gesehen
haben (S. 443). Ich habe im Sommer 1906 keine Spur eines Wappen-
222 Miszellen.
bildes auf dem Stein bemerkt ; diesen Umstand erklärt Schmidt mit
der eingetretenen Verwitterung, die demnach sehr schnell vor sich
gegangen sein mĂĽĂźte. Weiter stellt Schmidt jetzt (S. 443) meine
Angabe, daĂź der untere Strich des Kreuzarmes durch das Schild
hindurchgehe, als „nicht richtig" hin, obgleich der Herr Archivrat
frĂĽher (S. 369) selbst mitgeteilt hat, daĂź der Strich durch das
Schildfeld geht, wie dies auch die Photographie ziemlich genau zeigt.
DaĂź der betreffende Querarm nicht durch das Schild verlaufe, habe
eine nochmalige, sorgfältige Untersuchung ergeben. Ich kann nicht
recht einsehen, daĂź der Stein bei seiner schnellen Verwitterung, die
das Wappenbild verschwinden lieĂź, gerade den fraglichen Strich
für eine spätere Nachprüfung unangetastet überliefert haben soll.
Auf Grund des verschwundenen Wappenbildes wird Heinrichs Ge-
mahlin Jutta als eine Vögtin von Straßberg angesprochen; meines
Erachtens hegt aber doch noch gar kein Grund vor, den Stein einer
„Jutta" zuzuschreiben, selbst wenn das Wappen das Straßbergische
war. Wenn Schmidt weiter, um meine Erörterungen über den
„Juttastein" zu entkräften, annimmt, derselbe wäre erst in nach-
katholischer Zeit als Treppenstufe in der Kirche versetzt, und dies
mit dem Hinweis begründet, der Stein müßte sonst „mehr abgelaufen
sein" (S. 442), so kann ich diesen Einwand nicht als stichhaltig an-
erkennen. Die Platte lag in einer VerbindungstĂĽr zwischen zwei
Nebenräumen (nach Schmidt herrschaftliche Meßkapelle und Erb-
begräbnis); über die Stufe ist demnach offenbar nur sehr wenig
Verkehr gegangen : dieselbe konnte also doch wohl viele Jahrzehnte
in klösterlicher Zeit an Ort und Stelle ruhen, ohne merklich ab-
genĂĽtzt zu werden. Schmidts Berechnung ĂĽber die ursprĂĽngliche
Breite der Platte (S. 443) dĂĽrfte nicht durchaus richtig sein, da er
dabei die Breite des Kreuzstammes nicht berĂĽcksichtigt.
In seinem „Nachtrag" wendet sich Schmidt gegen meine Aus-
fĂĽhrungen ĂĽber die Grabsteine mit dem Kreuzbild, welche ich in
der Zschillener Chronik im letzten Kapitel veröffentlicht habe. Auch
in dieser Abhandlung Schmidts finden sich mehrfach irrige Angaben,
und die Einwände dürften meines Erachtens öfters nicht zutreffend
sein. Ich kann auch hier leider nur einige Einzelheiten heraus-
greifen.
Schmidt wendet z. B. ein, daĂź im Ordensland PreuĂźen nur
wenige deutschherrliche Grabsteine bekannt seien (S. 450). Meines
Erachtens kann aber gerade das Ordensland PreuĂźen fĂĽr die ein-
schlägige Forschung wenig in Frage kommen, schon deshalb, weil
dort die deutschherrliche Kultur in den zahlreichen Kriegen des
Ordens mit Polen fast ganz vernichtet wurde, wie Voigt im 8. und
9. Band seiner preuĂźischen Geschichte eingehend schildert. Beim
Miszellen. 223
Abschluß des Thorner Vertrages, 1466, waren von 21 000 Dörfern,
welche das ürdensland vorher wohl zählte, nur noch 3013 da;
1019 Kirchen waren verwĂĽstet und die anderen ausgeraubt (V. 8,
S. 705). Die Feindseligkeiten dauerten trotzdem fort, und der Orden
war so verarmt, daĂź die BrĂĽder mitunter kaum ihr Leben zu fristen
vermochten. Dem Vorkämpfer des Ordens, B. v. Zinnenberg, konnte
1470 aus Armut „nicht einmal eine geziemende Bestattung her-
gerichtet" werden (V. 9, S. 29). Ăśberdies sind selbst in neuerer Zeit
in Preußen noch deutschherrliche Denkmäler verloren gegangen.
Ăśber das Aussehen der Grabsteine der Hochmeister und anderer
hervorragender Würdenträger wissen wir auf Grund der erhaltenen
Stücke , daß diese Denkmäler regelmäßig die Persönlichkeit eines
solchen Verstorbenen, sei es durch Nennung des Namens oder durch
Ăśberlieferung seines Wappens, durch bildliche Darstellung des Ver-
blichenen, kenntlich machten, wie dies auch die von Schmidt an-
gefĂĽhrten Steine (S. 452) ausweisen. Eeich ausgefĂĽhrte Deutschherren-
steine von Gebietigern kommen schon seit dem 13. Jahrhundert vor;
wenn daneben mitunter auch einfache Steine von hochgestellten Ordens-
leuten auftreten, so kann die ärmere Ausstattung dieser Platten
schwerlich ohne weiteres in allgemeinen Ordensgepflogenheiten ge-
sucht werden, vielmehr dürften in den einzelnen Fällen besondere
GrĂĽnde mitsprechen. Einen sehr einfachen Stein erhielt z. B. Hein-
rich v. Plauen, f 1429; dieser Herr war nur kurze Zeit, 1410—13.
Hochmeister, wurde seines Amtes entsetzt und verwaltete dann „das
dĂĽrftige Komthureiamt auf der Engelsburg" (V. 7, S. 221 f.). Zu
Heinrichs Zeit war der Orden in PreuĂźen schon bedeuklich in Verfall
geraten.
Der Stein in Cronschwitz, welcher als Denkmal auf den Land-
meister Heinrich von Weida, f 1249, angesprochen wird, weist nur
ein Kreuz, aber keinen Namen, kein Wappen auf; ich kann diese
dĂĽrftige Platte nach meinen frĂĽheren BegrĂĽndungen (z. B. Z, S. 431 f.)
nicht für das Denkmal eines höheren deutschherriichen Würden-
trägers ansehen. Schmidt wendet sich besonders gegen meine An-
sicht, daĂź auf Grabsteinen ritterlicher Deutschherren, zumal auf
Denkmälern vornehmer Gebietiger, Wappen zu erwarten wären;
seiner Meinung nach haben „ein persönliches Wappen in Preußen
bis in 16. Jahrhundert selbst die Hochmeister nicht gefĂĽhrt" (S. 452).
Diese Angabe dĂĽrfte aber schwerlich richtig sein ; vielmehr ist wohl
aus folgendem anzunehmen, daĂź die ritterlichen Deutschherren ihr
angestammtes Wappen auch im Orden gelegentlich zur Geltung
brachten. Die 1266 vom Markgrafen Otto von Brandenburg ge-
grĂĽndete und nach ihm benannte Komturei Brandenburg am Frischen
Haff fĂĽhrte, wie ein Siegel von 1440 ausweist, das Wappen des
224 Miszellen.
Stifters, den brandenburgischen Adler (VoĂźberg, S. 34, Tafel 14).
An dem Grabmal des 1241 verschiedenen Hochmeisters Conrad von
Thüringen ist neben dem Ordensschild das persönliche Wappen des
Verstorbenen angebracht. Schmidt meint betreffs dieses Grabsteines
(S. 451), ich hätte übersehen, daß letzterer wohl von einem italieni-
schen Meister stamme und es daher fraglich sei, ob das Denkmal
„den sonstigen Gepflogenheiten des deutschen Ordens" entsprochen
habe. Dieser Einwand ist schwerlich berechtigt. Der deutsche
Orden ist doch nicht fĂĽr Deutschland gegrĂĽndet ; die Ordensstatuten
und -gewohnheiten galten für viele Länder. Im 13. Jahrhundert
entwickelte sich Italien geradezu zum Hauptland der Bruderschaft,
denn seit 1291 galt Venedig als Haupthaus des Ordens, und schon
vorher waren die Hochmeister, von denen Hermann von Salza 1239
in Salerno, Konrad von ThĂĽringen in Rom 1241 starb, viel in Italien
beschäftigt. Wenn ein Meister aus einem Land, das damals so un-
gemein wichtig fĂĽr den Orden war, den betreffenden Grabstein wirk-
lich geschaffen hätte, was aber noch nicht bewiesen ist, so ließe
sich doch gar nicht einsehen, weshalb nun derselbe den Bruder-
schaftsgepflogenheiten nicht sollte entsprochen haben. Auf dem
Grabmal des Komturs K. v. Liebenstein (f um 1392) in Neumark
sind die Ahnenwappen angebracht, ebenso weist der Grabstein des
thüringischen Landkomturs N. v. Uttenrot (f 1458) in Nägelstädt
ein persönliches Wappen auf (Bau- und Kunstdenkmäler d. Prov.
Sachsen, H. 2, S. 62). Auf der dortigen Glocke kommt in der Um-
schrift zweimal nebeneinander das Kreuz in der Form vor, wie es
die Deutschherren auf der Kleidung trugen. DaĂź der Landmeister
H. v. Weida kein Wappen gehabt hätte, ist meines Erachtens nicht
bewiesen, und er konnte sehr wohl eins auf den Grabstein bekommen
(Z, S. 431 f.).
Schmidts Behauptung (S. 454), alle Komtureien hätten das
Kreuz als HeroldsstĂĽck im Wappen gefĂĽhrt, ist nicht richtig. Die
Wappen vieler Komtureien sind ĂĽberhaupt nicht bekannt. Nach
VoĂźberg haben viele nicht das Kreuz im Siegelbild, sondern andere
Figuren, denen mitunter, aber nicht immer, ein kleines schwebendes
Kreuz beigefĂĽgt ist.
Schmidt gibt weiter (S. 451) an, ich hätte seine Stifterstein-
theorie entstellt, da er seine Kreuze unter BerĂĽcksichtigung der
Form datiert habe, während ich behauptete, sie ließen sich in der
einfachen Form regelmäßig nicht der Zeit nach bestimmen. Ich
habe mich in dieser Angelegenheit keiner Entstellung schuldig ge-
macht und ich behaupte weiter, daĂź ein einfaches Kreuz, wenn es
keine charakteristische Verzierung wie Maßwerk u. ä. besitzt, also
nur eine Kreuzgrundform aufweist — und solcher Kreuze führt
Miszellen. 225
Schmidt eine ziemliche Reihe an — zeitlich nicht näher zu be-
stimmen ist. DaĂź das Kreuz auf dem sogenannten Landmeisterstein
zu Cronschwitz nicht spätromanisch zu sein braucht, habe ich
schon in meinem ersten Aufsatz ĂĽber Cronschwitz (S. 367) nach-
gewiesen.
Auf Grund verschiedener Erwägungen vertrete ich die Ansicht,
daĂź die Steine mit einer Kreuzgrundform nicht unbedingt der roma-
nischen Zeit zuzuschreiben sein dürften, sondern auch der späteren
mittelalterlichen Periode angehören können. Schmidt weist nun
(S. 455) darauf hin, ich hätte doch selbst angegeben, daß das Fuß-
kreuz auch auf preuĂźischen Ordensbrakteaten vorkomme. Letzterer
Umstand bestätigte gegen mich Schmidts Auffassung, wonach die
Kreuze ein höheres Alter besäßen ; denn nach Schmidt gehören diese
HohlmĂĽnzen dem 13. Jahrhundert an. Ich kann mich in dieser
Angelegenheit nur an die erste Autorität für mittelalterliche Deutsch-
herrenmĂĽnzen halten, an VoĂźberg. Dieser weist aus allerhand
GrĂĽnden (S. 84 ff.) nach, daĂź der Deutschorden in PreuĂźen vor der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts überhaupt nicht geprägt haben
kann, daĂź sich die Jahrhunderte, aus welchen die Ordensbrakteaten
stammen, meist nicht angeben lassen, daĂź jahrhundertelang, seit
ältester Zeit bis in das 16. Jahrhundert, die Hohlmünzen gleich
altertĂĽmlichen Typus aufweisen, daĂź verschiedene offenbar noch dem
letzteren Jahrhundert angehören (S. 87). Also sprechen doch diese
HohlmĂĽnzen eher fĂĽr meine Ansicht.
Weiter soll ich mich in meiner Ansicht, manche Grabsteine
könnten der nachromanischen Zeit angehören, selbst schlagen (S. 457),
weil ich gesagt habe, daĂź bei den Umbauereien von Kirchen der
Eochlitzer Pflege um den Ausgang des Mittelalters \iele alte
romanische WerkstĂĽcke und auch Grabsteine zu baulichen Zwecken
verwendet worden seien. Die betreffenden Umbauereien in der ge-
nannten Gegend fallen fast durchweg in die Zeit um 1475 — 1530.
DaĂź dabei WerkstĂĽcke des romanischen Baubestandes und auch
vorhandene alte Grabsteine verbraucht wurden, ist nachgewiesen;
die Grabplatten brauchten aber doch nicht unbedingt nur romanisch
zu sein.
Wenn Schmidt neuerdings (S. 458) die DĂĽrftigkeit der angeblichen
Platte auf Heinrich von Weida besonders damit begrĂĽnden will, daĂź
um die Todeszeit dieses Meisters (1249) „noch strenge Observanz
der Orden und besonders des Bettelordens, dem Cronschwitz ge-
hörte, welcher auf das Gelübde der Armut den größten Wert legte",
herrschte, so kann ich dieser AusfĂĽhrung schwerlich irgendwelche
Bedeutung beimessen. Es ist doch zunächst sehr fraglich, ob der
Bettelorden etwas mit dem Setzen des Denkmals auf den deutsch-
XXVIII. 15
226 Miszellen.
herrlichen Landmeister zu tun hatte. Weiter sind die eigenartigen
Cronschwitzer Klosterverhältnisse zu berücksichtigen, wie sie sich
aus den Konventsurkunden ergeben. Nach letzteren ist das Kloster,
dessen nachweisliche Nonnen fast ausschlieĂźlich dem adligen Stand
angehörten, nie ein wirkliches Bettelordenskloster gewesen, denn von
Anfang an und zu allen Zeiten hat es GrundstĂĽcke und Zinsen be-
sessen und erworben, und schon frĂĽhzeitig lassen sich sogar Leib-
renten einzelner Schwestern nachweisen. Die Vermögensverhältnisse
entsprechen demnach der Observanz der Bettelorden gar nicht, wie
auch Schmidt in Bd. 16 d. Zeitschr., S. 129, 131 hervorgehoben
hat. Am allerfreiesten muĂź aber die Observanz von Cronschwitz
zur Zeit des Landmeisters Heinrich (-j- 1249) und seiner Gemahlin
(f um 1270) gewesen sein, wie aus einem von Schmidt in seinem
Urkundenbuch abgedruckten Brief des Dominikanerprovinzials um
1275 hervorgeht, in welchem Schreiben die Cronschwitzer Schwestern
gelobt werden, daĂź sie zu einer strengeren Observanz ĂĽberge-
gangen seien.
Weiter wendet sich Schmidt (S. 456) gegen meine Ansicht, daĂź
es auch nicht-adlige Bitterbrüder gegeben hätte, und zwar mit dem
Hinweis auf die Ordensstatuten, wonach der aufzunehmende Bruder
aus einem adligen deutschen Geschlecht stammen muĂźte. Diese
Satzungen können in derartigen Angelegenheiten nicht allein be-
rücksichtigt werden. Es gab Deutschherren aus allen Ständen, auch
nichtdeutscher Herkunft (vgl. Voigt, I, S. 266 ff., 324; V. 8, S. 700;
Z, S. 337, 347 etc.). Wenn der Herr Archivrat neuerdings (S. 456) be-
hauptet, ich hätte seine Ansicht über den ßochlitzer Heldrungen-
stein nicht berĂĽcksichtigt und widerlegt, so kann ich nur sagen, daĂź
ich die Heldrungenangelegenheit denkbar ausfĂĽhrlich behandelt habe
(Z, S. 97, 417) und daĂź ich auf Grund der Vergleichung zweier Kreuz-
steine, von denen sich der eine nach der Umschrift datieren läßt,
Schmidts Meinung ĂĽber das Alter des Heldrungensteines ablehnen
mußte (Z, S. 428). Übrigens läßt Schmidt nunmehr seine Ansicht, daß
die betreffende Platte sich auf den Hochmeister von Heldrungen
beziehe, „glatt fallen", obschon er früher diese Anschauung mit zur
BegrĂĽndung seiner Stiftersteintheorie verwendet hatte.
S. 454 stellt Schmidt meine AusfĂĽhrung ĂĽber einen Egerer
Grabstein, auf welchem ein Kreuz ĂĽber einem Stern eingehauen ist,
als eine „bewußte Irreführung" hin, da ich Gradl, Geschichte des
Egerlandes, gekannt habe. Der Herr Archivrat gibt an : „Pfau ver-
wechselt nämlich hierbei zunächst die Kreuzherren und Deutsch-
ordensherren", wobei Schmidt unter Kreuzherren die „Kreuzherren
mit dem Stern" meint, denn Deutschherren werden auch ganz ge-
wöhnlich Kreuzherren genannt. Wenn ich in dieser Angelegenheit
Miszellen. 227
einen Fehler begangen habe, so bin ich hierbei von Gradl selbst
irregefĂĽhrt worden. Nach Gradls Geschichte gab es in Eger zur
Pflege des Hospitalwesens zwei geistliche Ritterorden : .Deutschherren
die 1258 zum erstenmal auftraten und seit diesem Jahr zu der
Bailei Thüringen gehörten (Voigt, I, S. 7), sowie Kreuzer mit dem
Stern. Nach dem Egerer Stadtbrand 1270 grĂĽndete der Rat neben
dem deutschherrlichen Hospital ein Siechenhaus, dessen geistliche
BrĂĽder dann mit Genehmigung der Deutschherren zu den Kreuzern
mit dem Stern ĂĽbertraten; das Siechenhaus scheint demnach an-
fangs mit in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Deutschherren
gestanden zu haben. Die Kreuzer mit dem Stern spielten anfangs
keine groĂźe Rolle in Eger, denn Gradl spricht in seiner Geschichte
nur wenig von ihnen; im Gegensatz zu den Deutschherren nennt
er sie hier fast durchweg nur „Kreuzer". In seinem Urkundenbuch
bezeichnet Gradl (S. 276) aber lediglich die Deutschherren als
„Kreuzer". Ich habe deshalb angenommen, daß die beiden Orden
schließlich zusammengeflossen sind. Über das spätere Verhältnis
der zwei Bruderschaften zueinander ergibt sich aus den angefĂĽhrten
Werken Gradls nichts, da letztere nicht bis zum Ausgang des
Mittelalters reichen. Verwandte Ritterorden gingen mitunter inein-
ander auf (VoĂźberg, S. 5), oder man wollte sie vereinigen (V., 8,
S. 586). Wahrscheinlich sind auch in PreuĂźen Kreuzer mit dem
Stern zum Deutschorden ĂĽbergetreten. Die deutschherrliche Komturei
Thorn führte auf dem ältesten Siegel zu beiden Seiten eines Tores
das schwebende Kreuz ĂĽber dem sechsstrahligen Stern (VoĂźberg,
Tafel 20). 1446 meldeten sich 6 „Kreuzbrüder" zur deutschherr-
lichen Bailei Westfalen (Voigt , I , S. 274). Das jĂĽngere Egerer
Komtureiwappen nach dem Siegel von N. Sachs hat nicht mehr das
Aussehen des älteren, denn ersteres zeigt klar ein schwebendes Kreuz.
Ob dieses aber ĂĽber einem Stern steht, ist mir bei einer NachprĂĽfung
im Hauptstaatsarchiv zu Dresden zweifelhaft geworden, da das be-
treffende Siegel im FuĂź etwas zerdrĂĽckt ist und das Gebilde, welches
ich frĂĽher als Stern auffaĂźte, auch eine faltige Verwerfung sein
kann. Ăśber das genauere Aussehen dieses Komturswappens dĂĽrfte
das Egerer Archiv AufschluĂź geben. FĂĽhrte Sachs nur ein schweben-
des Kreuz im Schild, so wĂĽrde dies Schmidts Annahme, daĂź das
deutschherrliche Ordenskreuz nie schwebend vorkommt, gerade so
widersprechen wie die Darstellung des letzteren z. B. auf verschiedenen
jĂĽngeren OrdensmĂĽnzen (Z, S. 432 f.) In bezug auf das Ordens-
kreuz herrschte im 16. Jahrhundert offenbar groĂźe WillkĂĽr (Voigt,
II, S. 278).
Den Cronschwitzer Grabstein mit schwebendem Kreuz im Schild
fasse ich als ein Deutschherrendenkmal der Verfallzeit des Ordens
15*
228 Miszellen.
auf (Z., S. 433). Das Kreuz ĂĽber dem Stern, welches Bild ein schrift-
loser Stein in Eger aufweist, ist meines Erachtens als ein Ordens -
zeichen zu betrachten ; demnach entspricht diese Platte meiner An-
sicht, wonach die Kreuzgrabsteine verschiedener Art im allgemeinen
sich auf kirchliche Personen und besonders auf gewisse Ordensleute
beziehen dĂĽrften. Ich stehe wohl mit meiner Deutung auch nicht
allein; denn in den Bau- und Kunstdenkmälern der Prov. Sachsen,
H. 3, S. 9, wird ein Kreuz auf einem Grabstein zu DroyĂźig und
auf einer Glocke daselbst als Johanni terzeichen angesprochen. Be-
stimmte Kreuze der Bochlitzer Pflege, wie sie in Zschillen und be-
nachbarten Kirchen vorkommen, halte ich, besonders mit auf Grund
ortsgeschichtlicher Erwägungen, für Deutschherrenkreuze. Wenn
Schmidt (S. 453) angibt, ich bewiese mit meinen „spärlichen Hin-
weisen auf ein paar Ordenspriester der Bochlitzer Gegend gar nichts
für die Kreuzsteine", so möchte ich doch hervorheben, daß es mir
sogar sehr wichtig erscheint, deutschherrliche Pfarrer in Kirchen,
wie Eochlitz, Breitenborn, die vertragsmäßig nur Weltgeistliche an-
stellen durften, nachzuweisen, da in diesen Kirchen die eigenartigen
Kreuzsteine auch auftreten. Breitenborn war ursprĂĽnglich, trotz
Schmidts Einwands (S. 456), Filiale von Rochlitz (Pfau, Topographische
Forschungen etc., S. 70), und die späteren Pfarrer gehörten dem
Deutschorden an (Z, S. 202. 323). Schmidts Angabe, dieser Orden
habe zu Ottendorf „nachweislich keine Beziehungen" (S. 448) ge-
habt, dĂĽrfte schwerlich berechtigt sein, denn meines Wissens ist
die mittelalterliche Geschichte der verschiedenen sächsischen Kirch-
dörfer Ottendorf ganz dunkel. Wenn Schmidt meine Ansichten über
Ottendorf einseitig darstellt , in dieser Angelegenheit aus meiner
Arbeit nur ein Zitat und auch noch ungenau angibt, sodann in
diesem Wortlaut einen „Scherz" und eine „Verschleierung" findet,
so verweise ich auf meine Erörterungen (Z, S. 188. 416). Reichen-
bach und Adorf als Deutschherrensitze, aber nicht Hauptsitze, habe
ich ebenfalls erwähnt (z. B. Z, S. 305), trotzdem mich Schmidt in
dieser Angelegenheit der Unkenntnis zeihen will (S. 455).
Es dürfte deshalb doch, um etwaigen Mißverständnissen vor-
zubeugen, nicht unangebracht sein, meine Zschillener Chronik im
Zusammenhang zu lesen ; wenn Schmidt andeuten möchte, daß das
Buch nur „harmlose Leser" (S. 450) hätte, so könnte er sich wohl
sehr irren ; ich habe darin Schmidts Einwände gegen meine Theorie
und seine eigene Ansicht, wonach das Kreuz auf dem Grabstein
einen Stifter für die Kirche bezeichnen soll , eingehend erörtert
(S. 407—433). Wenn der Herr Archivrat mitten aus meinen zahl-
reichen Erwägungen und Begründungen zwei nicht zusammen-
hängende Sätze (S. 456) herausgreift und dazu sagt: „ja so beweist
Miszellen. 229
Pfau", so dĂĽrfte ein solches Zitat schwerlich die Art meiner Aus-
führungen zu kennzeichnen vermögen.
Schmidt stellt weiter (S. 458) seine Theorie als besser begrĂĽndet
denn die meinige hin. Ich vermisse aber zunächst schon den Nach-
weis, daĂź ein Stifter jedes Standes, zumal ein weltlicher Herr, der
nicht Kreuzfahrer war, durch ein Kreuz als Stifter kenntlich ge-
macht wurde ; einen solchen Nachweis hat Schmidt weder auf Grund
einer Urkunde , noch einer bildlichen Darstellung usw. erbracht.
Geistliche und Ordensleute trugen aber ganz gewöhnlich ein Kreuz
in der Amtskleidung; die Deutschherren mußten statutengemäß im
Tode mit dem Ordenskreuztuch belegt werden, und das eigenartige
FuĂźkreuz, welches auf Grabsteinen der Zschillener Pflege vorkommt,
tritt auch auf MĂĽnzen des Ordenslandes auf. Ob alle schriftlosen
Grabsteine mit dem Kreuz je einwandfrei gedeutet werden können,
dĂĽrfte fraglich erscheinen; ich spreche durchaus nicht jeden Stein,
der irgendein Kreuz der sehr verschiedenen Arten ĂĽberliefert, fĂĽr
ein Deutschherrendenkmal an. Wenn Schmidt angibt (S. 460), daĂź
meine Theorie, das „Kartenhaus", „wo man es nur antippt, sofort
zusammenstĂĽrzt", so bin ich doch der Meinung, daĂź meine Theorie
trotz Schmidts versuchter Einwände, die so oft auf Irrtum beruhen
wohl kaum erschĂĽttert sein kann. Manche Angaben der grund-
legenden Inventarisationswerke werde ich auch fernerhin nicht ohne
weiteres als unanfechtbar hinnehmen, obgleich mich Schmidt des-
halb einer „Überhebung" zeihen will (S. 457).
Ob Schmidts Angabe, meine Kampfesweise sei nicht mehr
sachlich, wenig kommentmäßig (S. 450), Ausführungen von mir seien
unkritisch (448), berechtigt ist, überlasse ich ganz dem geschätzten
Urteil unparteiischer Forscher, welche meine Darlegungen mit einer
Nachprüfung beehren wollen ; ich glaube, in meinen Erörterungen
stets sachlich und kritisch verfahren zu sein. Obgleich mir der
Herr Archivrat Erregtheit zuschreibt (S. 435), habe ich doch der-
artige scharfe AusdrĂĽcke, wie er sie mir und meinen Arbeiten gegen-
ĂĽber gebraucht (forensische Leistung von Spitzfindigkeiten, ungerechte
Angriffe, S. 435, Unsinn, bewuĂźte IrrefĂĽhrung, S. 454, Verschleierung
S. 455, Überhebung, S. 457, und andere Bezeichnungen ähnlicher Art), in
meiner Debatte nie verwendet, werde mich auch kĂĽnftig solcher Rede-
wendungen nicht bedienen. Das Vorbringen begrĂĽndeter Bedenken und
das Aufwerfen sachlicher Fragen halte ich in wissenschaftlichen
Arbeiten für berechtigt und unerläßlich ; wenn ich in diesem Sinne ge-
schrieben habe, so wollte ich damit durchaus niemand „in leichtfertiger
und beleidigender Weise verdächtigen", welche Absicht mir Schmidt
hinsichtlich des Cronschwitzer Ausschusses zuschreibt (S. 449). Geht
doch aus Schmidts Berichten ĂĽber die Cronschwitzer Ausgrabung
230 Miszellen.
fĂĽr den der Sache Fernstehenden nicht einmal klar hervor, ob alle
in diesem Artikel niedergelegten Ansichten, z. B. ĂĽber die den Kon-
ventsstiftern zugeschriebenen Kreuzsteine, die Meinung des Gesamt-
ausschusses darstellen.
Auf eine weitere Debatte ĂĽber diese Cronschwitzer Angelegen-
heit werde ich nicht eingehen, zumal der Herr Archivrat nicht mehr
antworten will. Doch möchte ich zum Schluß noch auf das Werk
von Dr. ing. F. Scheerer „Kirchen und Klöster der Franziskaner
und Dominikaner in ThĂĽringen" hinweisen, welches kĂĽrzlich (Jena
1910) erschienen ist, nachdem ich vorliegenden Aufsatz längst ein-
gereicht hatte und Schmidts Verteidigung erschienen war. Scheerer
vertritt auch die Ansicht, daĂź in Cronschwitz das auĂźerhalb der
ursprĂĽnglichen Umfassungsmauer der Kirche liegende sogenannte
Erbbegräbnis in romanischer Zeit keine Apsis gewesen sein kann,
teilt also in dieser Beziehung doch wohl meine Ansicht, im Gegen-
satz zu Schmidt, welcher den Raum als romanische Apsis hinstellt
und vornehmlich aus dieser vermeintlichen Eigenheit des Bauteiles
die Begründung seiner Ansicht über das Erbbegräbnis der Vogts-
familie und der Stiftersteine ableitete.
Literatur.
Eichhorn, Dr. Gustav: Die paläolithischen Funde von Taubach in
den Museen zu Jena und Weimar. Jena, G. Fischer, 1909.
Die Taubacher Funde sind entschieden die ältesten sicheren
Beweise fĂĽr die Anwesenheit des Menschen in Deutschland. Alle
angeblich älteren nord- und süddeutschen Steinartefakte (?), von den
EoĂĽthen ganz zu schweigen, sind ihrer Chronologie nach noch um-
stritten. Ein hier und da gefundener echter Faustkeil des Chelleen
kann seines vereinzelten Vorkommens und seiner unklaren Fund-
umstände wegen nicht weiter in Betracht kommen. Mit den Tau-
bacher Artefakten und ihren osteologischen Begleitfunden wird vor-
läufig das erste Kapitel der Menschengeschichte Deutschlands be-
ginnen mĂĽssen.
Aber wenn die Urteile über die Zustellung der älteren Stein-
werkzeuge des Ilmtales oft noch so widersprechende sind, so ist
in erster Linie die mangelhafte „Kenntnis der zu beurteilenden
Objekte daran schuld. Diesem Ăśbel grĂĽndlich abzuhelfen, ist das
Hauptmotiv des Verfassers gewesen, wenn er dieses überaus prächtige
Tafelwerk jetzt in die Welt hinausgehen läßt. Der Beschauer soll
sich eben selbst ein Urteil bilden können. Deshalb bringt Herr
Dr. Eichhorn im wesentlichen nur die Objekte selbst, und nur bei
Veränderungen der Ränder der Feuersteine geht das Buch von seinem
Vorsatz etwas ab, weil ja erfahrungsgemäß selbst die besten Photo-
graphien und Zeichnungen die oft ganz minutiösen Absplitterungen
und Betouchen ohne ein erklärendes Wort selbst dem gewiegtesten
Fachmann nicht klar genug zeigen können. Aus gleichem Grunde
bedurften auch die auf 4 Tafeln gebrachten wenigen Knochen mit
angeblicher Bearbeitung einer kleinen Erläuterung. (Hier konnten
übrigens auch die beiden Epiphysen, die 2 Kieferhämmer [die nicht
von ursus spelaeus, sondern von ursus arctos stammen], sowie die
von Götze in den Berliner Verhandlungen 1892 und in Regeis
Thüringen abgebildeten Hacken und Schlägel, sowie die von Portis
als Trinkbecher angesprochenen Gelenkpfannen aus dem Museum
Weimar Aufnahme finden.)
Seiner Aufgabe — Ermöglichung des Studiums auch ohne die
Originale — wäre Verfasser aber nicht gerecht geworden , wenn
die photographische Abteilung der Firma C. Zeiss nicht die geradezu
klassischen Aufnahmen für die 33 prächtigen, wunderbaren Licht-
drucktafeln von Rommel- Stuttgart in bekannter LiebenswĂĽrdigkeit
hergestellt hätte. Wie plastisch sind z. B. die Skulptur an No. 106
bis 109, wie scharf die Betouchen bei No. 93, wie deutlich auch die
allgemeinen Elemente der Schlagwirkung, der SchlaghĂĽgel bei No. 63
und die Wellenlinien bei No. 93. DaĂź hier und da (No. 240) einmal
232 Literatur.
zu stark mit dem Pinsel nachgeholfen worden ist, kann nicht
wesentlich ins Gewicht fallen, wenn man ĂĽberhaupt die Ansicht ver
tritt, der nachhelfenden Tusche bei Reproduktionen von Silex nicht
entbehren zu können. Wie man am Original nicht alles gleich scharf
sehen kann bei unveränderter Stellung von Auge und Objekt, so
kann das auch nicht die photographische Platte. Aus ähnlicher
Ursache gehört bei Feuersteinen neben das Photo auch eine Zeich-
nung, eine von den Amerikanern wohl zuerst und noch heute dort
allgemein angewandte Methode. Eichhorn hat dieselben sehr sorgfältig
ausgeführt und hat sie, um unnötiges Blättern zu vermeiden, gleich
neben die Tafeln gesetzt. Zu den allermeisten dieser das Charakte-
ristische heraushebenden Federzeichnungen ist auch noch ein Quer-
schnitt des Steines gestellt, den ich am liebsten bei allen gesehen
hätte. Daß der Raum unter den Skizzen zu kurzen „objektiven"
Erläuterungen in nützlicher, aber durchaus sparsamer Weise aus-
genutzt worden ist, ist ein weiterer Vorzug des wirklich prächtigen
Buches, zu dem Verleger und Verfasser zu beglĂĽckwĂĽnschen sind.
Weimar. A. Möller.
IL
Die vor- und frĂĽhgeschichtlichen AltertĂĽmer ThĂĽringens. Heraus-
gegeben von Prof. Dr. A. Götze, Prof. Dr. P. Höfer, San. -Rat
Dr. P. Zschiesche. Mit 24 Lichtdrucktafeln und einer archäo-
logischen Karte. WĂĽrzburg, Curt Kabitzsch (A. Stubers Verlag),
1909.
In 14-jähriger, mühevoller Arbeit haben die drei Verfasser des
Buches versucht, die vorgeschichtlichen Funde ThĂĽringens in einem
Nachschlagewerk zu vereinigen und auf einer groĂźen Fundkarte zu
verzeichnen.
Nur zu loben ist die Anlage des Werkes, dem als Einleitung
eine anregend geschriebene „Übersicht über die Vor- und Frühge-
schichte Thüringens" aus der Feder von Prof. Dr. Götze vorangeht.
Die ĂĽbersichtliche Anordnung des Stoffes ist mustergĂĽltig ; sehr gut
ist auch die Auswahl des auf 24 sehr schön ausgeführten Lichtdruck-
tafeln vereinigten Abbildungsmateriales, das fast alle in ThĂĽringen
vorkommenden Typen vorgeschichtlicher Funde veranschaulicht.
ThĂĽringen ist nur ein geographischer Begriff; ĂĽber die Grenzen
dieser Landschaft werden die Ansichten stets auseinandergehen, aber
gegen die Begrenzung der neuen Fundkarte lassen sich doch wohl
berechtigte Bedenken erheben. Im allgemeinen rechnen wir heute das
Gebiet aller ern estinischen HerzogtĂĽmer, sowie der reuĂźischen und
schwarzburgischen FĂĽrstentĂĽmer zu ThĂĽringen, und ich finde es daher
etwas sehr willkĂĽrlich verfahren, wenn z. B. Meiningen mit in das
Werk aufgenommen wurde, Römhild dagegen nicht. Gerade die
Steinsburg auf dem kleinen Gleichberg ist fĂĽr die Vorgeschichte
unseres Landes von der größten Bedeutung. Ebenso fehlen auch
Coburg und Gera gänzlich, während andererseits wieder die Weidaer
Gegend aufgenommen wurde. Jedenfalls gehört Gera ebenso gut zu
ThĂĽringen wie Halle, das Aufnahme gefunden hat. Dagegen wĂĽrde
Literatur. 233
ich Göttingen, das mitbearbeitet wurde, auf einer Thüringer Fund-
karte ruhig missen können. Manche Orte, wie Meiningen und Halle,
stehen nur im Text, auf der Karte fehlen sie. HierfĂĽr waren
technische GrĂĽnde bestimmend.
Es ist selbstverständlich sehr schwer, sich einer derartig groß
angelegten Arbeit zu unterziehen, wie es hier geschehen ist, und es
ist leicht fĂĽr den Kritiker, der das eine oder das andere Gebiet gut
kennt, einzelnes tadelnd hervorzuheben. Ich habe nun mit der nach-
stehenden Berichtigung durchaus nicht die Absicht, zu tadeln, sondern
bin mir wohl bewuĂźt, daĂź mir, wenn ich an der Arbeit beteiligt
gewesen wäre, andere und vielleicht noch viel schlimmere Irrtümer
untergelaufen wären. Es ist das Schicksal eines Werkes, wie es das
vorliegende ist, daĂź erst die 2. Auflage zu einem wirklich zuver-
lässigen Nachschlagebuch werden kann. Ich hoffe, daß diese 2. Auf-
lage sich bald nötig macht, und daß es wieder den drei bewährten
Verfassern vergönnt sein möge, sie zu bearbeiten. Als Bausteine
fĂĽr diese neue Auflage sind die nachfolgenden Berichtigungen ge-
dacht :
GroĂźromstedt, S. 299. In den Urnen wurden zusammen
mit provinzialrömischen Fibeln etc. Mittel-La Ten e- Schwerter ge-
funden. Es ist dies ein sonderbarer Umstand, den ich bereits in
meiner Veröffentlichung über den Urnenfriedhof (Zeitschr. f. Thür.
Gesch. u. Altertumsk., Bd. 26, 1908, S. 394) ausfĂĽhrlich behandelte.
Das Gräberfeld, soweit es bis jetzt bekannt ist, darf keinesfalls in
die reine La Tene-Zeit gesetzt werden.
Dobian, S. 384. Die Funde sind nicht provinzialrömisch
sondern latenezeitlich. Die FundstĂĽcke und Scherben sind von
der gleichen Beschaffenheit wie die aus Ranis. Die GoldmĂĽnzen
sind nicht, wie Adler dies in seinem als unzuverlässig bekannten
Buche (Die Grabhügel, Ustrinen und Opferplätze der Heiden im
Orlagau und in den schaurigen Tälern des Sorbitzbaches, Saalfeld
1837, S. 31) annahm, augusteischer, sondern vielmehr attischer
Prägung.
Ranis, S. 3S6. Die Funde aus dem großen Gräberfeld, die
im Museum des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins in
Reichenfels bei Hohenleuben aufbewahrt werden, sind als bronze-
latenezeitlich bezeichnet. Es heißt: „Unter den Beigaben hall-
stättischen Charakters seien eine Paukenfibel und ein gedrehter Hals-
ring genannt." Dies beruht wieder auf einer Verwechslung, die, durch
die undeutliche Adlersche Publikation veranlaĂźt, in den Katalog der
Berliner Prähistorischen Ausstellung von 1880 (S. 493 — 497) Eingang
gefunden hatte. Beide Fundstücke gehören nach Wöhlsdorf
(S. 389), in die dort als bronzezeitlich angeführten Gräber. (Es ist
sehr richtig, daĂź die Verfasser eine eigentliche Hallstattperiode fĂĽr
Thüringen nicht angenommen haben.) Die Funde vom Gräberfeld
am Preisnitzberg bei Ranis gehören somit ausschließlich der frühen
La Tene-Zeit an. Auf den hier richtiggestellten Irrtum hatte ĂĽbrigens
schon Rob. Eisel bei Olshausen (Verhandl. d. Berlin. Gesellscn. f.
Anthropol., Ethnol. u. Urgesch., 1887, S. 184) aufmerksam gemacht.
Wernburg, S. 388. Auch hier ist ein durch die Publikation
Adlers und seiner Zeitgenossen verursachter Fehler untergelaufen.
Der von P. Mehlis 1829 ausgegrabene FuchshĂĽgel ist identisch mit
dem in der Variscia, II, S. 85—93 veröffentlichten Hügelgrab. Der
234 Literatur.
sich dort als Anonymus bezeichnende Verfasser war Pastor Mehlis.
Die Funde sind latenezeitlich und nicht provinzialrömisch.
Außer dem angeführten La Tene-Grabhügel „über der Alteburg"
(muß richtig heißen: „unter der Alteburg"), wurde dort noch ein
zweites gleichartiges Grab geöffnet, dem ein fragmentiertes Früh-
LaTene-Schwert und eine halbe hohle Bronzekugel entnommen wurden.
Auch diese FundstĂĽcke sind, ebenso wie die aus dem ersten HĂĽgel-
grab, im Museum zu Meiningen.
Jena. Philipp Kropp.
III.
Tafeln zur Vor- und FrĂĽhgeschichte ThĂĽringens. Mit 224 photo-
graphischen Aufnahmen vor- und frĂĽhgeschichtlicher AltertĂĽmer.
Nach Epochen geordnet und erläutert von Gustav Eichhorn, Kon-
servator am Germanischen Museum der Universität Jena. Jena
1910. H. W. Schmidts Verlagsbuchhandlung. Gustav Tauscher.
Preis 8— M.
Auf 6 durch die Lichtdruckanstalt von Alfred Eisenach in
BĂĽrgel meisterhaft hergestellten Tafeln gibt Eichhorn in 224 photo-
graphischen Aufnahmen eine vortreffliche Auswahl vorgeschichtlicher
Gegenstände, die in unserem Thüringer Land gefunden wurden. Jede
Tafel repräsentiert eine der anerkannten Hauptepochen der Prä-
historie. Den Tafeln sind kurze, allgemeine Erläuterungen beige-
geben, die in ihrer Art mustergĂĽltig sind. Der Verfasser hat es
verstanden, uns mit wenigen Worten das Wesentliche zu sagen.
Zu bedauern ist, daĂź Eichhorn nicht auch das eine oder andere
paläolithische Stück abgebildet hat. Unter den neuen Ehringsdorfer
Funden sind einige gute Solutreen und Magdalenientypen. — Der
scharfen Sonder ung der Hallstattzeit von der jĂĽngeren Bronzezeit
und dem La Tene, wie sie der Verfasser versucht, vermag wohl nicht
jedermann zu folgen; auch die von ihm ausgesuchten „Hallstatt-
typen" sind durchaus nicht überzeugend. — Auch mit seiner Diffe-
renzierung von La Tene und römischer Provinzialzeit geht Eichhorn
entschieden zu weit; vor allem ist der oft herangezogene GroĂź-
romstedter Friedhof kein Beweis fĂĽr seine Zusammenstellung1).
Tatsächlich kommen dort La Tene-Gef äße neben entschieden provinzial-
römischer Keramik vor, aber ganz unterschiedslos. Ebenso sind die
Beigaben nicht zu unterscheiden ; zusammen mit Mittel- La Tene-
Schwertern wurden provinzialrömische Fibeln gefunden. Groß-
romstedt gibt in dieser Beziehung den Forschern neue Rätsel auf.
Mir erscheint die Lösung am wahrscheinlichsten, daß sich hier alte
Formen generationenlang neben der allmählich eindringenden neuen
Kultur erhalten haben ; so hat z. B. auch in Bayern und Tirol das
Barock bis in die neueste Zeit fortgelebt. Ein direkter Irrtum des
Verfassers ist es aber, wenn er die geschwungene Lanze No. 160
(Taf. V) 2) als provinzialrömisch anspricht. Diese Waffe ist durch die
1) Vgl. Kropp, in Zeitschr. f. ThĂĽr. Gesch., N. F. XVIII,
S. 363 ff.
2) Vgl. Kropp, 1. c. S. 403.
Literatur. 235
von mir angefĂĽhrte Notiz bei Diodor ausdrĂĽcklich als keltischen,
d. h. latenezeitlichen Ursprungs belegt. Die Form kommt unter
anderen auch auf der rein latenezeitlichen Burg auf dem kleinen
Gleichberg bei Römhild vor.
Solche kleine Ausstände sollen uns aber nicht die Freude an
dem schönen Werk verderben. Es ist zu wünschen, daß die Tafeln
in allen Pfarrhäusern und Dorfschulen unseres Landes Eingang
finden mögen. Pfarrer und Lehrer sind ja vor allem dazu berufen,
unsere vorgeschichtlichen Denkmäler zu schützen; deshalb wäre
vielleicht auch eine kurze Anleitung, prähistorische Funde auszu-
graben, aufzunehmen und zu behandeln, eine willkommene Zugabe
des Werkes gewesen.
Jena. Philipp Kropp.
IV.
Dement, Ernst: ThĂĽringische Geschichte. Leipzig 1907. Samm-
lung Göschen No. 352.
Wenige Bände der ausgezeichnet geleiteten „Sammlung Göschen"
werden Devrients „Thüringischer Geschichte" den Ruhm streitig
machen, die erste zusammenfassende Darstellung ihres Wissens-
gebietes zu sein. Seit im Jahre 1886 O. Dobenecker den Stand der
thĂĽringischen Geschichtsschreibung festlegte, ist viel Gutes erschienen,
auf den thĂĽringischen Stalin warten wir jedoch noch immer. Bis
dahin ist Devrients BĂĽchlein ein guter Behelf. Er verfolgt die Ge-
schichte unseres Stammes von prähistorischen Zeiten bis auf unsere
Tage, in gedrängter Kürze natürlich. Die Lektüre ist nicht leicht, denn
die immer neuen Spaltungen und Erbteilungen des ernestinischen
Hauses machen ein stetes Überspringen von einem Ländchen zum
andern nötig. Die Übersichtlichkeit ist durch die regelmäßige An-
wendung von Abschnitten in Petitdruck gewahrt, und die aus-
gezeichneten Stammtafeln ermöglichen die Orientierung, wenn man
sich im Gedränge der Ernestiner verloren hat. Sehr erwünscht wäre
ein Stemma des alten Landgrafenhauses. Das ausfĂĽhrliche Register,
das den Band abschließt, ist nach Stichproben gut und zuverlässig.
Dem BĂĽchlein ist eine weite Verbreitung sicher, denn es ist
das einzige, was wir fĂĽr die Geschichte unseres engeren Vaterlandes
besitzen, und es ist gut. W. Stechele.
V.
Aus Natur und Geisteswelt. Sammlung wissenschaftlich-gemein-
verständlicher Darstellungen. Leipzig, B. G. Teubner. Jedes Bdchn.
geh. 1 M., geb. 1,25 M.
Es ist eine glĂĽckliche Zeit fĂĽr jeden, der ein paar Mark fĂĽr
Bücher übrig hat. Der Sammlung Göschen, der das oben besprochene
Buch von Devrient angehört, steht die Teubnersche „Aus Natur und
Geisteswelt" wĂĽrdig zur Seite. Ihre schmucken, braunen Leinen-
236 Literatur.
bändchen, von anerkannten Fachmännern in gemeinverständlicher
Darstellung geschrieben, sollen die Ergebnisse der Forschung in allen
Kreisen unseres Volkes heimisch machen, sollen auch uns solche
Werke geben, wie sie die Franzosen in ihren ausgezeichneten oeuvres
de vulgarisation besitzen. Leider verbietet es mir der Raummangel,
die einzelnen Schriften zu charakterisieren; nur ĂĽber die Gesamt-
erscheinung der unten aufgezählten kann ich mich äußern. Die ge-
fährlichste Klippe der Popularisationen — die Frage des Taktes :
die gewollte Volkstümlichkeit, der aufdringlich lehrhafte Ton — ist
glĂĽcklich umschifft; frisch und natĂĽrlich sind die meisten dieser
BĂĽcher geschrieben. NatĂĽrlich ist der Wert der einzelnen verschieden,
aber das Niveau ist hoch, und manche, wie Bruiniers Volkslied mit
seinem tiefen, poetischen Nachempfinden und Erbes Städtebilder,
der uns hoffentlich auch durch SĂĽddeutschland fĂĽhren wird, kann
man wieder und wieder mit VergnĂĽgen zur Hand nehmen. DaĂź einige
der Bände schon 2. und 3. Auflagen erlebt haben, zeigt, daß sie
freudige Aufnahme finden. Zahlreiche, gut gewählte und gut wieder-
gegebene Bilder schmĂĽcken die Seiten der vornehm und geschmack-
voll ausgestatteten BĂĽcher, deren Preis erstaunlich gering ist.
Hoffentlich mögen auch diese Zeilen beitragen, die weitere Verbreitung
der Sammlung zu fördern. Ich zähle die einzelnen mir vorliegenden
Bände auf und bedaure nur, nicht auf die einzelnen eingehen zu
können.
(7) J. W. Bruinier: Das deutsche Volkslied. 3. Aufl., 1908.
(16) O. Weise: Die deutschen Volksstämme und Landschaften.
3. verb. Aufl., 1907.
(48) B. Heil: Die deutschen Städte und Bürger im Mittel-
alter. 2. verb. Aufl., 1906.
(45) Eduard Otto: Deutsches Frauenleben im Wandel der
Jahrhunderte. 2. verb. Aufl., 1909.
(117) A. Erbe: Historische Städtebilder aus Holland und
Niederdeutschland. 1906.
(121) Chr. Ranck: Kulturgeschichte des deutschen Bauern-
hauses. 1907.
(214) Herrn. S. Rehm: Deutsche Volksfeste und Volkssitten.
1908.
(262) Otto Bö ekel: Die deutsche Volkssage. 1909.
W. Stechele.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 3G11
VI.
Die Entwicklung der Zentralverwaltung in Sachsen-
Weimar bis 1743 x).
Von
Felix Pischel.
Haupt Ordnungen der Verwaltung2).
Ob schon vor der 1485 erfolgten endgĂĽltigen Trennung
ThĂĽringens von MeiĂźen fĂĽr ThĂĽringen besondere zusammen-
fassende Ordnungen, die die herkömmlichen Übungen und
Gebräuche der Verwaltung kodifizierend festhielten oder
neue Bestimmungen fĂĽr die fernere FĂĽhrung der Landes-
regierung trafen, erlassen wurden, konnte ich nicht fest-
stellen.
Die älteste mir bekannte Hof-Rats- Ordnung für das
ernestinische ThĂĽringen wurde 1499 von Friedrich dem
Weisen und Johann dem Beständigen erlassen.
1) Ein Teil dieser Abhandlung erscheint gleichzeitig als Jenaer
Dissertation.
2) Benutzte Quellen:
Ordnung und Satzung zwischen KurfĂĽrst Friedrich II. und
Herzog Wilhelm — betr. die Regierung in des letzteren Ab-
wesenheit. Coburg, 29. Mai 1439. Gedruckt in: Neue Mitt.
a. d. Gebiet histor.-antiquar. Forschgn., III, 1, S. 73ff., Halle 1836.
Vertrag zwischen KurfĂĽrst Friedrich II. und Herzog Wilhelm ĂĽber
eine 3-jährige Landes- und Regierungsgemeinschaft. Weißenfels,
11. Juli 1444. Gedruckt ebenda.
Hof ratsordnung des KurfĂĽrsten Friedrich des Weisen und Her-
zogs Johann von 1499. Gedruckt: Zeitschr. d. Vereins f. ThĂĽring.
Gesch. u. A., II, ö. 99—106, Jena 1855.
Polizei- und Landesordnung Johann Friedrichs des Mittleren,
Johann Wilhelms und Johann Friedrichs des Jüngeren — von
1556. Gedruckt Jena 1580 und 1589.
Ausschreiben Johann Wilhelms an die Landschaft. 16. Januar
1568. Gedruckt Jena 1580.
Polizei- und Landesordnung Friedrich Wilhelms und Johanns
von 1589 März 7. (Meist übereinstimmend mit der von 1556.)
Gedruckt Jena 1589.
XXVIII. 16
238 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Im 16. Jahrhundert fand die Fortbildung der Rats-
verfassung ihren Niederschlag in den Rats- und Kanzlei-
Ordnungen Johann Friedrichs des GroĂźmĂĽtigen von 1539,
1542, 1546, 1549, 15521).
Ihnen folgte 1556 die Polizei- und Landes-Ordnung der
Söhne Johann Friedrichs des Großmütigen, die 1589 von
seinen Enkeln Friedrich Wilhelm und Johann, in einigen
Punkten erweitert, aufs neue (zu Jena) im Druck veröffent-
licht wurde. Sie bleibt bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
in Geltung.
Von 1592 datiert eine Instruktion der BrĂĽder Friedrich
Wilhelm und Johann fĂĽr Hauptmann und Kanzlei, von
1593 eine für Räte, Kammerrat und Kanzler.
1625 erläßt Albrecht, 2 Jahre nach Antritt seiner
zeitweiligen alleinigen Regierung, eine Ordnung fĂĽr Regie-
rung und Kanzlei.
Instruktion fĂĽr Hauptmann, Kanzler und Kanzlei verwandte.
Altenburg, 9. November 1592. B 25031*).
Instruktion für Räte, Kammerrat und Kanzler zu Weimar.
Torgau, 8. September 1593. B 25031.
Bestallungen von 1600 bis 1748. B 25031—34.
Regierungs- und Kanzlei-Ordnung von 1625. B 1087.
Kammerordnung von 1633. B 1594a.
Kanzlei-Ordnung von 16*2. Ăź 1091.
Hof.gerichts-Ordnung von 1653. Gedruckt bei: Schmidt, Joh.,
Altere und neuere Gesetze, Ordnungen und Zirkularbefehle fĂĽr
Weimar, Bd IV., Jena 1801.
Geheimde Eats-Ordnung von 1702. B 665.
Verordnungen betr. die Geschäftskreise der Behörden bis zur
Wiedererrichtung eines Geheimen Rates. 1710. B 666.
Bedenken Ernst Augusts dazu. B 666c.
Kammerordnung von 1734. Gedruckt bei Schmidt, II, S. 104 ff.
Geheimde Rats-Ordnung von 1743. B 1124, S. 15 ff.
AuĂźerdem eine Reihe Reskripte und andere AktenstĂĽcke aus dem
Weimarer Archiv, Abteilung B, folgende Nummern : B 667, 667 a,
667 g, 667 h, 770, 1090, 1104, 1107, 1122, 1123, 1124, 1129 c,
1129 f, 1129 g, 1138, 1566, 1569, 1569 a, 1570, 1574, 25001.
1) Mentz, Johann Friedrich der GroĂźmĂĽtige, III, Ă–. 127, Anm. 2.
*) Diese Instruktion und die meisten folgenden Quellen sind
Akten und Urkunden bezw. Abschriften, auch EntwĂĽrfe des GroĂź-
herzoglich Sächsischen Geheimen Haupt- und Staatsarchivs zu Weimar,
Abteilung B „Innere Einrichtungen des Landes". Sie sind hier mit
B und der zugehörigen Aktennummer zitiert.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 239
1633 erlassen die BrĂĽder Wilhelm, Albrecht, Ernst
und Bernhard eine Kammer-Ordnung.
1642 erneuert Wilhelm die Kanzlei- Ordnung von 1625
fast wörtlich und schärft einige ihrer Bestimmungen in den
„Puncta" von 1658 noch besonders ein.
Von 1702 datiert die älteste mir bekannte Geheimde
Rats-Ordnung Wilhelm Ernsts I. und Johann Ernsts III.
Bei der bald erfolgten Aufhehung des Geheimde Rats-
Kollegiums erläßt Wilhelm Ernst 1710 „Verordnungen be-
treffend die Geschäftskreise der Behörden".
1743 errichtet Ernst August wieder ein Geheimde
Rats-Kollegium und gibt ihm im Juli eine Ordnung. —
Besondere Ordnungen wurden fĂĽr einzelne Zweige und
Behörden der Verwaltung erlassen.
So erschienen Konsistorialordnungen 1561, 1569, 1574,
1607, 1612. Sie wurden ergänzt durch die Kirchen-
ordnung von 1664 und die Ordnung fĂĽr Superintendenten
von 1701.
Das landesfürstliche Gerichtswesen wurde zunächst
durch die Landesordnung von 1556 in einigen Punkten
geregelt. 1566 wurde das Hofgericht zu Jena eröffnet und
ihm 1653 seine Ordnung gegeben. 1667 wurde eine Tax-
Ordnung der GerichtsgebĂĽhren aufgestellt; 1672 folgte eine
Advokaten-Ordnung, die 1694 durch ein gedrucktes Patent
vom 6. August ergänzt wurde.
Der Kammer-Ordnung von 1633, der ein Entwurf von
1629 zugrunde lag, folgte 1695 eine Accis-Ordnung am
10. November, 1711 eine zweite am 11. März (1719 im
Druck veröffentlicht), 1734 wurde eine neue Kammer-
Ordnung erlassen.
16*
240 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
I. Organisation der Zentralverwaltung in ihrer
Entwicklung.
I. Der Rat.
a) Allmähliches Entstehen und erste Verfassung.
Im Mittelalter ruht die Landesverwaltung des dem
wettinischen Landgrafen unterworfenen ThĂĽringen1) auf den
Lokalbeamten der einzelnen Distrikte 2).
Ein Zusammenhalt dieser ist nur in der Person des
FĂĽrsten gegeben, der mit dem Hof das Land bereist, um
die ihm vorbehaltenen Regierungsgeschäfte zu erledigen, um
durch Augenschein und Kontrolle der Lokalbeamten sich
vom Zustand des Landes zu unterrichten, besonders aber,
um seine Gerichtshoheit persönlich auszuüben.
Als später der Landesherr die wachsenden Regierungs-
geschäi'te in dem größer werdenden Territorium nicht mehr
allein bewältigen kann, bieten sich ihm zwei Wege, eine
geordnete Verwaltung zu sichern : Teilung des Landes unter
die Mitglieder der fĂĽrstlichen Familie und Annahme von
Gehilfen. Beide werden in ThĂĽringen beschritten, beide
etwa gleichzeitig — in der zweiten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts.
Schon 1265 teilt Heinrich der Erlauchte die Ver-
waltung von Thüringen - Meißen mit seinen Söhnen. Seit
1382 führen solche Teilungen zur Ausbildung selbständiger
1) Nur von diesem soll im folgenden die Rede sein. Die Ver-
waltungsorganisation des alten Stammesgebietes, das Behördenwesen
der anderen thüringischen Dynasten darzustellen, wäre eine Aufgabe
für sich, soweit sie überhaupt zu lösen ist.
2) Meyer, Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner, S. 17 ff.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 241
Territorien 1). Förderlicher als diese fortschreitende Zer-
splitterung des Landes war fĂĽr die Machtentfaltung des
Landesherrn die Ausbildung einer in seinem Dienste stehen-
den zentralen Regierungsbehörde.
Einzelne Männer aus der familia, den ständigen Be-
gleitern des Fürsten — Inhaber der Hofämter, Notare,
Kapläne — gewinnen beratenden Einfluß bei ihrem Herrn,
werden seine Vertrauten. Allmählich scheiden sie aus dem
Familiaritätsverbande aus; seit 1278 werden sie als con-
siliarii, secretarii, heimlicher rat von der familia unter-
schieden.
Vor allem die Inhaber der Hausämter des Hofes wurden
seit Mitte des 13. Jahrhunderts mehr und mehr als Rat-
geber zu den Regierungsgeschäften zugezogen. Waren sie
doch vermöge ihres Amtes dem Interesse des Landesherrn
besonders eng verknĂĽpft und damals wohl auch im Besitz
der besten Sachkenntnis.
Mögen sie so die berufenen Berater gewesen sein, so
war ihre Annahme zu solchen fĂĽr den FĂĽrsten immerhin
ein Wagnis. In dem Jahrhundert seit ihrem Bestehen waren
die Hausämter am landgräflichen Hofe in bestimmten
Familien erblich, diese durch die dafĂĽr erhaltenen Lehen
reich geworden. Ihre nicht geringe Macht am Hofe muĂźte
sich steigern, je häufiger ihr Rat bei der Regierung begehrt
wurde; ja es war möglich, daß sie die Macht des Landes-
herrn eines Tages bedrohte.
Diese Gefahr wurde im Keime erstickt — doch viel-
leicht nicht von vornherein mit bewuĂźter Absicht. Da die
zunehmende Regierungstätigkeit der Hausbeamten immer
weniger erlaubte, sich ihren eigentlichen Haushaltspflichten
zu widmen, so ergab sich die Notwendigkeit, diese be-
sonderen Unterbeamten zu ĂĽbertragen. Indem aber auf sie
allmählich die gesamte engere Hofverwaltung überging,
1) Ăśber die Teilungsgeschichte vergl. die Einleitung der Disser-
tation.
242 -Die Entwicklung der Zentralverwaltung
wurden die Erbämter Titel, Symbol. Mitglieder der Fa-
milien, die sie ehemals innehatten, spielen im 14. Jahr-
hundert nur im Rat eine Rolle , und auch da nur zu-
weilen *).
Die neuen Hausbeamten wurden vom FĂĽrsten auf Zeit
ernannt. Zu Beurkundungen werden sie zwar als Zeugen
herangezogen, bleiben aber bloĂźe Hausbeamte.
Nur dem Marschall und dem Hofmeister, der seit Ende
des 13. Jahrhunderts auftritt, scheint ein vielleicht nicht
unbedeutender Einfluß auch in Staatsgeschäften eingeräumt
gewesen zu sein. Sie werden vom FĂĽrsten auf bestimmte
Zeit ernannt, meist aus der Zahl der Räte. Bedingung
ihrer Beamtung war vorhergehende Ratstätigkeit wohl
nicht, aber mit ihrem Amt war stets die Tätigkeit als Rat
verknĂĽpft, mit der Ăśbernahme des Amtes verpflichteten
sie sich wahrscheinlich auch zur Teilnahme an den Be-
ratungen.
Sie jedenfalls, die obersten Hofbeamten, scheinen die
einzigen ordentlichen Mitglieder des Rates gewesen zu sein.
AuĂźerdem nahmen an seinen Sitzungen, je nach Wunsch
des FĂĽrsten . manche ehemaligen Hof- und Staatsbeamte
oder Verwandte von ihnen teil, auch wurden die Amtleute
und Vögte aus dem gerade vom Landgrafen besuchten
Distrikt zugezogen. Beides kam dem Landesherrn zu gute :
er gewann die UnterstĂĽtzung alterfahrener Diener; die
Autorität der Bezirksbeamten und damit die Macht des
Fürsten im Lande wurde gestärkt. Auch Mitglieder des
dynastischen Adels wurden in wichtigen Fragen als Rat-
geber zu Hofe geladen, manche geleiteten den FĂĽrsten
ständig 2).
Eine wesentliche Unterscheidung von Rat und heim-
lichem Rat besteht in dieser Zeit noch nicht3).
Der Rat in seiner Gesamtheit stellt im 13. und 14.
Jahrhundert die eigentliche Regierungsbehörde dar ; seit
1) Meyer, S. 29 ff. 2) Meyer, S. 18 ff. 3) Meyer, S. 22 ff.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 243
dem 13. Jahrhundert teilt er die Verwaltungslast mit dem
Landesherrn und übernimmt allmählich die Führung der
Geschäfte, bis in der Mitte des 14. Jahrhunderts die ganze
Verwaltung in den Händen einzelner Räte liegt. —
Von vornherein gehören zu den Aufgaben der Räte
vor allem: Auskunfterteilung an den FĂĽrsten zur Erledigung
strittiger Fragen, Ăśbernahme von Gesandtschaften, FĂĽhrung
von Friedensverhandlungen, Entscheidung von Streitigkeiten
der Wettiner untereinander — d. h. also in der Haupt-
sache Geschäfte der auswärtigen Politik, daneben Bericht-
erstattung in Fällen , deren Entscheidung dem Fürsten
unterworfen ist , aber genaue Kenntnis der Sachlage er-
fordert.
Eine regelmäßige Tätigkeit in den laufenden Geschäften
haben die einzelnen Räte zunächst noch nicht, ebensowenig
besteht schon eine bestimmte Arbeitsteilung. Je nach
augenblicklichen Verhältnissen, nach Wunsch des Fürsten,
nach persönlichen Fähigkeiten der Räte führen bald einzelne,
bald ein Konsortium von ihnen die gesamte innere Ver-
waltung. —
Wie die Wahl der Räte, so ist auch ihre Befragung
ursprĂĽnglich dem freien Willen des Landesherrn anheim-
gegeben. Erst allmählich scheint sich aus der Beratungs-
pflicht ein Beratungsrecht entwickelt zu haben. Es war
dies möglich, da durch das dem 13. und 14. Jahrhundert
eigentĂĽmliche Finanzsystem der conquisitiones x) eine all-
mählich steigende Machtfülle in die Hände des Rates ge-
langte. —
Der erste Beamte im Rat ist der Marschall. In dieser
Rats-Stellung findet er seine Haupttätigkeit. Daneben hat
er als Rest des alten Marschallamtes noch die finanzielle
Verwaltung des Marstalls und die FĂĽhrung der fĂĽrstlichen
Kasse auf Reisen des Landesherrn, den er stets begleitet.
Die niederen Pflichten des Hausamtes sind seit Mitte des
1) Siehe u. S. 250.
244 Die Entwicklung der Zentral Verwaltung
14. Jahrhunderts besonderen Untermarschällen übertragen.
Auch die Feldherren wĂĽrde, die ihm im 13. Jahrhundert
zukam, ging im 14. auf die capitanei, Kriegsunternehmer
im Dienste des FĂĽrsten, ĂĽber 1).
Als mächtigster Mann am Hofe nächst dem Marschall
tritt seit Ende des 13. Jahrhunderts der Hofmeister, seit
Mitte des 14. mit dem Titel „Hofrichter", auf. Er ist
Verwalter des Hofes und oberster Finanzbeamter. Als Hof-
verwalter besetzt er die niederen Hofämter, während seine
minderen Aufgaben allmählich dem Küchenmeister zufallen.
Als Finanzbeamter empfängt er die Landeseinkünfte von
den Lokalbeamten und stellt Anweisungen auf staatliche
Einnahmen aus. AuĂźerdem hat er das Recht, ein Hof-
gerichtssiegel zu fĂĽhren und Prozesse zu leiten. Ăśber seine
weiteren richterlichen Befugnisse und einzelnen Verrich-
tungen sind wir nicht unterrichtet. Ein Notar steht ihm
zur Seite 2). —
Im Mittelpunkt der Regierung steht in jener Zeit die
Kanzlei. Sie ist die Behörde, die die laufenden Geschäfte
führt. Sie stand selbständig da, wurde nicht zu den Rat-
gebern gerechnet3). Sie ist Expedition, Registratur und
Oberrechnungsbehörde, hat also die Ausfertigung der Ur-
kunden und anderer amtlichen SchriftstĂĽcke, die Anlage,
FĂĽhrung und Verwahrung der Register, EinnahmeĂĽbersichten
und RechnungsbĂĽcher unter sich. Auch im Gerichtswesen
ist sie tätig, indem sie die auf Landding und Hofgericht4)
gefällten Urteile abfaßt.
Von Wichtigkeit wird die Kanzlei seit Ende des
13. Jahrhunderts, als mit dem Aufhören des Landdings
dessen Sachen vor den Hof gezogen werden, und als der
Brauch seltener wurde, daĂź die Urkunden von den Em-
pfängern ausgestellt wurden.
1) Meyer, S. 33 ff. 2) Meyer, S. 35 ff. 3) Posse, Lehre
von den Privaturkunden, S. 171. 4) Meyer, S. 25 ff.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 245
Seitdem vermehren sich die Geschäfte und das Personal
der Kanzlei.
Die verschiedene Bedeutung der einzelnen Kanzlei-
geschäfte muß schon früh zu einer gewissen Scheidung in
untere und obere Beamte gefĂĽhrt haben. Die unteren, die
„Schreiber", überwogen an Zahl die oberen, die „Notare",
schon unter Heinrich dem Erlauchten (1247— 1268) *).
Seit Beginn des 13. Jahrhunderts steht die Kanzlei
nachweislich unter einem Notar als Leiter. Spätestens
1218 trägt dieser den Titel „Protonotar". Seit Mitte des
14. Jahrhunderts nennt er sich ständig „Kanzler".
Im 13. und 14. Jahrhundert bekleiden dieses Amt
Geistliche als die lese- , schreib- und rechtskundigsten
Personen am Hofe. Seit Mitte des 14. finden sich weltliche
Kanzler, die ihre Vorbildung als Notare in der Kanzlei er-
halten 2).
Einer der bedeutendsten Kanzler, Konrad von Wall-
hausen, gibt um 1350 der Kanzlei eine straffere Organi-
sation.
Damals werden vier Sonderregister angelegt. Es tritt
also eine sachliche Differenzierung ein.
Auch die Anfänge personaler Arbeitsteilung sind im
14. Jahrhundert nachzuweisen: fĂĽr die Kammer und das
Hofrichteramt sind besondere Schreiber vorhanden 3).
Über den Geschäftsgang bei Beurkundungen sind wir
schon fĂĽr diese frĂĽhe Zeit gut unterrichtet.
Bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts stellt meist der
Empfänger des Privilegs etc. die Urkunde aus. Seit 1221
ist die Empfängerhand in den überlieferten Urkunden nach-
weisbar. Auf Grund von Akten oder aus dem Gedächtnis
fertigt der Empfänger über die stattgehabte Handlung ein
Konzept aus. Danach wird dieses in Peinschrift ĂĽber-
tragen. Konzipient und Reinschreiber sind meist zwei ver-
1) Posse, S. 176. 2) Meyer, S. 25 ff. 3) Lippert und
Beschorner, Das Lehnbuch Friedrichs des Strengen, S. CXL1II und
S. CXXXV f.
246 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
schiedene Personen, verantwortlich ist der Konzipient, er
revidiert die meist von einem unteren Beamten gefertigte
Reinschrift durch Kollation mit dem Konzept. Die Rein-
schrift wird dann, meist vom Schreiber selbst, dem Aus-
steller zur Rekognition zugestellt. Dieser vollzieht, nach-
dem er den Text genehmigt und in die dafĂĽr offen ge-
lassene LĂĽcke seinen Namen hat eintragen lassen, die Ur-
kunde durch Besiegelung.
Nach der Mitte des 13. Jahrhunderts ĂĽberwiegen die
Urkunden, die vom Aussteller hergestellt sind, in der wet-
tinischen Kanzlei nicht vor 1240.
Den AbschluĂź der Beurkundung bildet die Eintragung
ins Register. Das älteste Kanzleiregister der Wettiner
stammt von 1349/68.
Die Urkunde holt entweder der Empfänger selbst aus
der Kanzlei ab, oder fĂĽrstliche Boten besorgen sie an ihn.
Im 15. Jahrhundert verzeichnen die Haushaltsrechnungen
der FĂĽrsten nicht unbedeutende Summen fĂĽr den Kurier-
dienst.
Von besonderer Wichtigkeit war die Tätigkeit der
Kanzlei bei Belehnungen. Von alters her benannte bei der
Lehensuchung der Vasall die ihm rechtmäßig zustehenden
GĂĽter, nach diesen Angaben und der endgĂĽltigen Belehnung
notierte der Schreiber die Belehnungen auf Einzelblättern,
um sie später zu einem Lehnsbuch zusammenzustellen. Seit
die Rechtsverhältnisse mannigfaltiger und verwickelter
wurden, reichte der Vasall die Benennung schriftlich ein,
indem er der Kanzlei eine Liste der nach Bestand, Art,
Größe näher bezeichneten Lehnstücke übergab. Nun bilden
diese Lehnzettel die Grundlage der LehnbĂĽcher. Wenn
gegen die Benennung nicht ein besser Berechtigter Ein-
spruch erhebt, auch der Lehnsherr keine Bedenken oder
Widerspruch äußert, so erfolgt die Belehnung. Ist irgend
etwas zweifelhaft, so fĂĽgt die Kanzlei der Eintragung ins
Lehnregister eine zur Vorsicht mahnende oder einschränkende
in Sachsen-Weimar bis 1743. 247
Bemerkung bei. Die Eintragung ins Lehnregister genĂĽgt
aber, um die Belehnung rechtskräftig zu machen. Die Aus-
stellung eines Lehnbriefes ist Ausnahme, fĂĽr einen solchen
erhebt die Kanzlei eine besondere GebĂĽhr. Erst in der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nimmt die Zahl der
Lehnbriefe zu, so daĂź im 15. Jahrhundert die Lehnregister
zu förmlichen Lehnkopialen werden. Doch lassen sich zum
Schutz gegen Verjährungen die Vasallen oft vor Ausstellung
des Lehnbriefes vorläufige Lehnsscheine, „Mutzettel'*, geben.
Da sie später sich oft aus Sparsamkeit und Bequemlichkeit
mit diesen Zetteln begnĂĽgen, so werden vielfach von den
FĂĽrsten die Lehnbriefe obligatorisch gemacht 1).
Ăśber die Obliegenheiten der einzelnen Kanzleibeamten
wissen wir folgendes :
Die Hofnotare haben den Inhalt der Empfängerurkunden
zu prĂĽfen, bei Beurkundungen sind sie Zeugen, auch werden
sie als Gesandte in ausländischen Geschäften verwandt.
Ohne Vorwissen des FĂĽrsten erledigen sie nur die alier-
einfachsten Sachen. Erst nach Vortrag vor ihm verlesen
sie mit seiner Genehmigung die Urkunde vor dem Em-
pfänger und vollziehen sie durch Besiegelung. Sie sind in
ihrer Gesamtheit die HĂĽter des Kanzleisiegels, auch dann
noch, als schon ein Protonotar existiert.
Der Protonotar ist Oberhaupt der Kanzlei, er leitet und
verteilt die Arbeiten an die Notare, er siegelt die Ur-
kunden. Diese hat er auf persönliche Weisung und mit
Genehmigung des FĂĽrsten zu konzipieren, das Konzept durch
den Schreiber mundieren zu lassen, das Mundum mit dem
Konzept zu kollationieren, dann vor dem Empfänger zu
verlesen und zu besiegeln.
Sache der Schreiber ist auĂźer Herstellung der Urkunden
die Erledigung persönlicher Angelegenheiten des Fürsten,
1) Lippert und Beschorner, S. LIII. LXXI f. CXII— CXXX.
CL; Posse, S. 2. 45. 49. 84. 90. 93. 99. 101.
248 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Zustellung von Mandaten an die Beamten des Landes, Zu-
sammenstellung des Rechnungswerkes aus den auf Wachs-
tafeln geschriebenen Rechnungen 1). —
Die Kammer des 13. und 14. Jahrhunderts ist keine
staatliche Behörde. Sie hat nur die Verwaltung der dem
Landesherrn persönlich vorbehaltenen Einnahmen und die
Aufsicht ĂĽber seinen Schatz. Die Stelle des ehemaligen
Kämmerers nimmt der Kammermeister ein, dem ein Notar
zur Seite steht. An der Landesverwaltung nimmt der
Kammermeister nur als Mitglied der Abrechnungskommission
teil 2).
Die Verwaltung der staatlichen Finanzen ist in der
Hand des Hofmeisters zentralisiert. An ihn fĂĽhren die
Vögte, denen die Domänen-, Regalien- und Steuerverwaltung
anvertraut ist, die Bedeeinnehmer und die Geleitsleute die
ĂśberschĂĽsse ihrer Kassen ab ; er deckt alle Ausgaben durch
Anweisungen auf die Erträge der lokalen Verwaltungs-
behörden, soweit die ihm zufließenden Summen nicht hin-
reichen.
Da die laufenden Einnahmen den steigenden finanziellen
Anforderungen an die Regierung, zumal in dieser Zeit zu-
nehmender Geldwirtschaft, nicht mehr genĂĽgten, so lieĂźen
sich die Fürsten, um der nötigen Barmittel schnell habhaft
zu werden, von kapitalkräftigen Beamten oder Privaten
Darlehen oder Vorschuß — die sogenannte conquisitio —
reichen. Die Beamten deckten diese ihre Auslagen durch
die Einkünfte ihres Amtes ; langten die nicht zu, was häufig
vorkam, so leistete der Hofmeister ihnen Ersatz; Privat-
darleiher wurden durch Anweisungen auf die Ă„mter oder
durch Verpfändung staatlicher Einnahmen befriedigt.
Die Verwaltung dieser Finanzverhältnisse übertrug der
Fürst an Hofbeamte oder Räte, die sich verpflichten mußten,
„Gewinn zu tun", dafür die Verfügung über alle Einnahmen
und die Besetzung der lokalen Ă„mter erhielten. Besonders
1) Posse, S. 171—176. 2) Meyer, S. 77 f.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 249
häufig wurden diese Dinge dem Hofmeister zugewiesen, dessen
Stellung dadurch an Einfluß gewann. In seinen Händen
liegt um die Mitte des 14. Jahrhunderts der Schwerpunkt
der gesamten Finanzverwaltung des Landes *•). —
Bestallungsurkunden der Räte und des Kanzlers sind
bis mindestens 1379 nicht bekannt. Den Hofbeamten wurden
wohl gar keine ausgestellt. Nur die mit der Finanz-
verwaltung betrauten Beamten, also in erster Linie den
Hofmeister und Marschall, stellt ein landesherrlicher Brief
gegen etwaigen Schaden sicher.
Hofbeamte wurden nicht besonders zum Rat ernannt,
sondern ĂĽbernahmen ihre Ratspflichten zugleich mit dem
Amt, wenn sie sie nicht bereits vorher ausĂĽbten. Das Amt
wurde ihnen auf bestimmte Zeit ĂĽbertragen ; meist behielten
sie es, falls sie es nicht miĂźbrauchten, bis der FĂĽrst seine
Schulden an sie bezahlt hatte. Geschätzte Beamte blieben
häufig auch nach der Entlassung noch im Rat2).
Von besonderer Feier bei Annahme eines Rates, etwa
Eidesleistung, ist wenigstens bis 1379 nichts bekannt.
Der erste adlige Rat wird 1288 erwähnt.
Räte ihrer Vorgänger behielten die Fürsten gern bei,
so schon Friedrich I. (Anfang 14. Jahrhunderts).
Die Besoldung der Räte, des Kanzlers, der obersten
Hofbeamten besteht in der Hauptsache in LehengĂĽtern, die
mit Privilegien — Befreiung von der Bede, gerichtliche
Exemtion — ausgestattet werden. Daneben erhalten die Räte
freie Station fĂĽr die Zeit ihres Aufenthaltes bei Hofe, Ver-
pflegung und Geld bei Verschickungen in und auĂźer Landes ;
Spesen werden ihnen vergĂĽtet, verlorene Pferde ersetzt, oft
erhalten sie Pferde auch zum Geschenk. Der Kanzler erhält
bisweilen eine jährliche Rente. — Weitere Einnahmen der
Räte sind: Gebühren für Bürgschaftsübernahme bei Rech-
nungslegung der lokalen Beamten, Geschenke der Unter-
1) Meyer, S. 22 ff. 2) Siehe o. S. 243.
250 JDie Entwicklung der Zentralverwaltung
tanen. Der Kanzler erhält vielleicht einen Teil der Ge-
bühren für Ausstellung der Urkunden. — Endlich rechnen
zu den Einnahmen der Räte Vorteile bei Finanzgeschäften
mit den FĂĽrsten. Besonders reiche Gelegenheit, in der
finanziellen Tätigkeit für sich zu sorgen, haben die obersten
Hofbeamten. Das geschieht nicht immer auf dem redlichsten
Wege : da die Abrechnungen in zu großen Zwischenräumen
erfolgen, um genaue Kontrolle zu erlauben, so sind Rechen-
fehler zum Nachteil des FĂĽrsten keine Seltenheit.
Pensionen erhalten die Räte nur vereinzelt. Von
Kanzlerpensionen scheint nichts bekannt zu sein. Pensionen
fĂĽr Hofbeamte waren bei der Natur ihrer Bestallungen aus-
geschlossen.
b) Höchste Macht der Räte inmitten des 15. Jahrhunderts.
Wie mächtig, nicht zuletzt gerade vermöge jenes
Finanzsystems der conquisitiones, die Räte werden konnten,
ist den Ordnungen zu entnehmen , die 1439 und 1444
fĂĽr die Regierung von Osterland und MeiĂźen aufgerichtet
wurden.
Die Ordnung von 1439, die bestimmt, wie es
während der Abwesenheit Wilhelms *) gehalten werden
solle, ist von den Grafen, obersten Beamten und Räten
erlassen und besiegelt. Diese erklären darin , daß die
fürstlichen Brüder diese Ordnung und Satzung „äff uns
mechtiglichen gestellt" und gebeten haben, diese Ordnung
zwischen ihnen zu setzen, auch versprochen haben: „Wie
wir (die Räte) solche Ordenunge zwischen ihnen schaffen
wollen, daĂź sie (die fĂĽrstlichen BrĂĽder) die gentzlichen und
unverruckt halten und vollführen wollen." „Mit williger
Ratesfolgunge" soll Friedrich regieren.
1) Wilhelm war 1439 zu König Albrecht geladen wegen seiner
künftigen Vermählung mit dessen Tochter Anna.
in Sachsen -Weimar bis 1743. 251
Vier Räte *) haben die beiden Brüder verordnet, die
die oberste Aufsicht ĂĽber die Regierung, ja die Herrschaft
selbst ĂĽber den LandesfĂĽrsten fĂĽhren sollen :
Die Verfügung über Gefälle und heimfallende Güter
und Lehen, also die AusĂĽbung eines wesentlichen Rechtes
der Landeshoheit, ist an ihr Wissen und Willen gebunden.
Insbesondere ist ihnen die Verwaltung der Finanzen
übertragen: sie sollen jährlich in der Fasten alle Rech-
nungen der Amtleute, Vögte und Einnehmer abnehmen und
von den Überschüssen der Brüder „nötlichste" Schulden
bezahlen. Hierzu sollen sie Friedrichs besondere Räte zu-
ziehen.
Diesen ist ein Wort gegönnt bei Einrichtung des
Hofhaltes. HierfĂĽr soll ihr und der Vier Erkenntnis dem
Herzog maĂźgebend sein. DarĂĽber hinaus soll er keine Ver-
größerung vornehmen, „übermäßige koste und zehrunge zu
vermeiden".
In einer besonderen Erklärung verpflichten sich die
Brüder, diese Ordnung „an allen Stücken , Punkten und
inhaltungen getreulichen und vestiglichen zu halten und zu
volfĂĽhren, darwider nicht zu tun in keinerlei weis, ohne
alles gevehrde".
Vertrag 1444. Und auch als 1444 die BrĂĽder eine
dreijährige Landes- und Regierungsgemeinschaft über Thü-
ringen, Meißen und Osterland vereinbaren, erklären sie
wieder, daß sie ihren Räten in allen Sachen „gefolgig sein
. . . wollen und sollen".
In allem, was die Vier auf Grund der Ordnung von
1439 zum Landesbesten tun, sollen sie ungehindert sein.
Da Apel Vitztum unter ihnen war, so erregt diese Klausel
Verdacht. Mindestens bot sie seinem eigennĂĽtzigen Wirken
beliebig ausdehnbaren Schutz. Es ist fraglich, wie weit
1) Marschall Konrad v. Steyn, Apel Vitztumb, Heinrich
v. Schleynitz, Burkhard v. Kochberg. Es scheint das eine Kom-
mission von je zwei der brüderlichen ßäte zu sein.
252 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
dem die Bestimmung, daĂź die Vier Wilhelm bei seiner
RĂĽckkehr Rechenschaft ablegen sollten, entgegenwirkte.
DaĂź die Klausel private Spekulationen verdecken sollte,
wird wahrscheinlicher, wenn wir im Vertrag der BrĂĽder
von 1444 lesen, daß sich die Räte das Vorkaufsrecht an
erledigten Gütern ausbedingen. Wenn die Räte, was mög-
lich ist, schon vorher Gläubiger der Herzoge waren , so
gewänne die angeschlossene Verpflichtung der Brüder, den
Erlös solcher Verkäufe an ihre „Schulden und besten Nutzen
wenden und keren" zu lassen, ein anderes Gesicht als eine
nur zum Landeswohl getroffene Bestimmung.
In diesem Vertrag von 1444, den die Brüder „nach
unser beider Räte heimlicher und lieben Getreuen zeitigen
Rate" schlieĂźen, wiederholt sich die Verpflichtung, den
Hof halt „nach der Räte erkennen" zu ordnen.
Neu ist die Bestimmung, daß die Räte alle Ämter auf
Schlössern, in Städten, Märkten, an Geleit, Zoll und Forst
besetzen sollen. Es ist aus dem Wortlaut nicht zu ersehen,
ob das vielleicht ein Recht der Räte bedeutet, Leute ihrer
unbeschränkten Wahl zu Beamten des Landesherrn zu
machen. Da der Macht der Räte in diesen Jahren sehr
viel eingeräumt war, sprechen die Worte „also daß uns
dieselben unsere Amtleute hinfĂĽro getreulichen dienen, uns
(und unsern Räten!) gehorsam sind" nicht unbedingt da-
gegen. —
Mögen die beiden Ordnungen von 1439 und 1444 auch
dem Wunsch entsprungen sein, die Kräfte der beiden Länder
möglichst zusammenzuhalten und doch auch die landesherr-
lichen Rechte beider BrĂĽder gleicherweise gegeneinander
sicherzustellen, und mögen diese geglaubt haben, daß
solches nur durch Personen gewährleistet werden könne,
die als dritte zwischen ihnen ständen — es wurde den
Räten doch mit der völligen Unterordnung der Fürsten
unter ihr Gebot und durch die ihnen eingeräumten Vor-
rechte eine MachtfĂĽlle verliehen, die ihnen nie zuvor zu-
gesichert worden war.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 253
DaĂź das Gehorsamsversprechen der BrĂĽder keine leere
Formel war, zeigen die Ereignisse der folgenden Jahre zur
Genüge1). So vollständig hatte sich der 21 -jährige Herzog
Wilhelm seinen Räten verschrieben, daß er 1445 auf des
von ihnen wohl schon Unheil ahnenden Bruders Verlangen,
sie sofort von seinem Hofe zu entfernen, erklärte: „Eher
will ich mit diesen aus dem Lande gehen, als daĂź ich sie
entlasse." Noch 4 Jahre später versichern er und seine
Gemahlin dem König: „daß sie die großen Dienste und
Treuen, die der gestrenge Er Apel Vitztum . . . ihr lieber
Getreuer und Heimlicher, ihnen getan habe und noch in
Zukunft tun wĂĽrde, nimmer gegen ihn vergessen sollten
noch wollten". Erst 1451 erkannte Wilhelm, daĂź ihn die
Vitztums hintergangen hatten, und forderte sie zur Verant-
wortung fĂĽr den dem Lande verursachten Schaden, den er
auf 750000 Gulden berechnete.
c) Verfassung des Hofrates von 1499.
Die Gefahr, die einst in der Erblichkeit der alten Haus-
ämter und in der wachsenden Macht ihrer Inhaber für den
FĂĽrsten gelegen hatte, war beseitigt worden. Jetzt war
der durch übermächtige Räte drohende Schaden unheimlich
offenbar geworden. Wollten die FĂĽrsten ihre Macht sicher-
stellen, so muĂźten sie der Wiederholung solcher ĂĽblen Lagen
vorzubeugen suchen. Die Räte mußten wieder ganz der
Macht der FĂĽrsten unterstellt werden, der Kreis ihres Ein-
flusses auf die Geschicke des Landes durch bindende Ord-
nungen fest abgesteckt werden.
Die Haltung der Hofratsordming von 1499 ist
denn auch eine andere als die der Regierungsordnung von
1439. Der Rat fĂĽhrt danach die Regierung, aber im Namen
und Auftrag des Herzogs,' der Ordnung und Satzung ver-
1) Ăśber die Vitztums und den Bruderkrieg unterrichtet jetzt
eingehend Koch, Der sächsische Bruderkrieg, Jahrbücher der Erfurter
Akademie, N. F. Heft XXXV, Erfurt 1909.
XXVIII. 17
254 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
bindlich ĂĽber ihn setzt, und ohne Entscheidungsrecht in
wichtigen Dingen.
Damit ist die verwaltungsrechtliche Stellung der Räte
gegenüber dem Fürsten festgelegt. Spätere Ordnungen
ändern daran im wesentlichen nichts mehr, Instruktionen
und Bestallungen halten daran fest.
Ausschreiben 156 8. Von besonderem Gewicht war
der Wille des Rates in Zeiten, da der Fürst länger außer
Landes weilte. Aber auch dann war ihm nie wieder so
große Macht eingeräumt wie in der Mitte des 15. Jahr-
hunderts. Als Johann Wilhelm 1568 in französischen
Kriegsdienst zieht, ĂĽbergibt er die Regierung dem Grafen
Georg zu Gleichen als seinem Oberstatthalter und einer
„guten anzahl" seiner Räte und verpflichtet im Ausschreiben
an die Landschaft vom 16. Januar seine Untertanen zu
völligem Gehorsam ihnen gegenüber; aber sie selbst dürfen
keine Willkürherrschaft führen, sondern sind „in allem und
itzlichem" an besondere Instruktion und Befehle gebunden,
und zumal alle Angelegenheiten der Untertanen sind ihrem
Schutz nach Recht und Billigkeit empfohlen.
Und wenn die Instruktion von 1592 als oberste
Pflicht der Räte erklärt: Sie sollen „nechst Gott allein
dahin stehen, wie unser frommen gefördert, besonders die
brüderliche Einigkeit zwischen uns Brüdern möge erhalten
werden", so ist hier nicht mehr wie ehedem die Rede von
Unterordnung der FĂĽrsten unter die WĂĽnsche und Befehle
der Räte, sondern nur davon, daß diese „als unser beider-
seits verpflichte Diener bei beiden die notdurft zu erinnern
ermahnet sein".
Seit der Zeit der Vitztums ist strenge Unterordnung
der Räte unter den fürstlichen Willen Herkommen und
lebendiges Pflichtgefühl selbstverständliche Überlieferung
geworden. Die Bestallungen, spätestens um 1600, ver-
pflichten die Räte auf die geltenden Rats- und Kanzlei-
Ordnungen und erwarten von ihnen, daß sie „sich allent-
in Sachsen-Weimar bis 1743. 255
halben deromaĂźen erzeigen, wie einem getreuen Rat und
Diener wohl anstehet".
Hofratsordnung 1499. Wie Maximilian I. 1497/98
am Kaiserhof fĂĽrs Reich und seine Erblande, 1501 nach seinem
Beispiel Albrecht IV. durch die Landes- Ordnung fĂĽr Bayern x),
so errichten die BrĂĽder Friedrich der Weise und Johann
der Beständige 1499 einen Hofrat als oberste Behörde für
das endgĂĽltig von MeiĂźen getrennte ThĂĽringen. Wie in
jenen beiden Ländern, so ist er hier die älteste wenigstens
in äußeren Hauptpunkten fest geordnete Verwaltungsbehörde.
Sein Arbeitsgebiet ist noch nicht genau abgegrenzt,
noch nicht im einzelnen bezeichnet. Aber er tritt doch
schon als ständig tätige Behörde auf, die alle laufenden
Geschäfte der Verwaltung erledigt.
TĂĽr alle FĂĽrstentum, Land und Leute betreffenden
Sachen ist er zuständig. Nur daß in großen und schweren
Händeln die Entscheidung dem Fürsten vorbehalten ist, dem
er sie mit seinem Ratschlag zu unterbreiten hat (l)2).
Die Zahl der Räte ist nach oben hin nicht beschränkt.
Vier sollen es wenigstens immer sein (1).
Eine wichtige Neuerung ist die EinfĂĽhrung der Resi-
denzpflicht: die vier Räte sollen stets „an unserm wesent-
lichen Hof (oder einem gelegenen Ende unserer Lande)"
sein (1) — daher die Bezeichnung „Hofräte". Damit wurde
die oberste Behörde seßhaft, und hierin lag eine Grund-
bedingung fĂĽr ruhige und geordnete Verwaltung3).
FĂĽr ihren Dienst werden gewisse Stunden bestimmt:
Im Sommer (Ostern bis Michaelis) vormittags 6 — 9, im
Winter 7 — 9, nachmittags Sommers und Winters 12 — 4.
1) Rosenthal, Gesch. d. Gerichtswesens u. d. Verwaltungsorganis.
Bayerns, I, S. 262. — Vgl. den Exkurs am Schluß der Dissertation.
2) Die Ziffern bezeichnen die Artikel der Hofratsordnung.
3) Der Hofrat machte also fortan nicht mehr alle Reisen des
FĂĽrsten mit, aber mit dem Wechsel des Hoflagers verlegte auch er
seinen Sitz. So residierte er unter Johann Friedrich dem GroĂź-
mĂĽtigen abwechselnd in Weimar und Torgau. Mentz, III, S. 128.
17*
256 Ăźie Entwicklung der Zentralverwaltung
Solange die Last der Geschäfte gering war, scheint der
Dienst noch nicht regelmäßig gewesen zu sein. Nur „wenn
nötig", sollen die Hof rate zu diesen Zeiten im Rat sitzen (1).
Dann darf aber auch keiner fernbleiben, er habe denn vom
Fürsten oder den anderen Räten Erlaubnis oder sei durch
besondere fürstliche Aufträge oder durch Krankheit ver-
hindert (20).
Die Erledigung der Sachen geht nach der Reihenfolge
der Eingänge vor sich (9).
Die Tätigkeit des Hofrats dabei besteht im „Hören,
Beraten und Fertigen" (1).
Nur vor ihm sind alle „Handlungen" und Verhöre zu
fĂĽhren (7). Aber jedem ist erlaubt, hier seine Supplikation
anzubringen, und zwar mĂĽndlich, wenn er es nicht schrift-
lich machen kann oder will (2).
Erachtet es der Hofrat zur genaueren Kenntnis der
Angelegenheit für nötig, so werden die Leute zur Auskunft
vorbeschieden oder schriftliche Erkundigung eingezogen
(„Erkundung und Erfindung mit Fürbescheidung oder
Schrift") (10).
Ist der Hofrat von der Sachlage genĂĽgend unterrichtet,
so schreitet er zur Beratung. Dieselbe soll „einhellig"
geschehen, d. h. in friedlicher Weise. Es findet zweimalige
Umfrage statt, das erste Mal, um die verschiedenen Meinungen
zu erfahren und zu „begreifen", das zweite Mal, um die
Zahl der Stimmen für die verschiedenen Ratschläge fest-
zustellen. Der Ratschlag, dem die einfache Mehrheit zu-
fällt, wird zum Beschluß erhoben (2).
Auf Grund des Beschlusses werden die Briefe in der
Kanzlei ausgefertigt, danach in einer späteren Ratssitzung
verlesen und, wenn sie mit dem gefaĂźten BeschluĂź ĂĽberein-
stimmen, im Rat versiegelt (2).
Nur was von der Mehrheit beschlossen ist, darf die
Kanzlei ausfertigen oder ausgehen lassen (3). Nur die im
Rat beschlossenen und befohlenen Ausfertigungen dĂĽrfen
mit dem Siegel der Kanzlei versehen werden (8).
in Sachsen-Weimar bis 1743. 257
Sachen, die nicht ohne persönliche Erfahrung erledigt
werden können , gibt der Hofrat durch Zusendung der
Supplikation und Mitteilung seines Beschlusses zur Nach-
prüfung an die fürstlichen Beamten der gehörigen Reviere
oder Amter. MĂĽssen diese berichten, daĂź die Supplikation
die Dinge nicht richtig darstellt, so haben die Räte einen
neuen Beschluß zu fassen und „die Billigkeit zu verfügen"
(1 1). Anderenfalls haben die Beamten das dem BeschlĂĽsse
Entsprechende zu veranlassen.
Ăśber die ein Ratsmitglied betreffenden Angelegenheiten
soll nur in dessen Abwesenheit verhandelt werden, „daß
jeder frei ohne Scheu reden mag". Doch soll er selbst mit
seiner Antwort und Anliegen „nach Notdurft" gehört werden
und auf billige Entscheidung rechnen dĂĽrfen (5) 1).
Zu den Hauptpflichten der Räte gehört nächst der
Erledigung der laufenden Geschäfte die Übernahme von
Gesandtschaften und Vollziehung besonderer Aufträge. Die
Hofratsordnung von 1499 bestimmt, daĂź die dazu in Aus-
sicht genommenen Personen kĂĽnftig nur in Gegenwart des
Fürsten oder der bei Hofe anwesenden Räte abgefertigt
werden sollen. Es wird ihnen eine versiegelte Instruktion
mitgegeben, die der Rat in offener Sitzung nach Stimmen-
mehrheit beschlossen hat. Nach der RĂĽckkehr haben sie
im Rat Bericht zu erstatten (14). —
Als Erster im Rat erscheint jetzt der Hofmeister. Er
hat den Vorsitz bei den Beratungen, legt die Händel vor
und hält die Umfrage (2).
Des Kanzlers wesentliches Amt ist auch jetzt noch die
Aufsicht ĂĽber die Kanzlei. Diese ist jetzt, nachdem der
Rat die erste Stelle der Verwaltung eingenommen hat, nur
ausführende Behörde, steht nicht mehr wie im 13. und 14.
Jahrhundert im Mittelpunkt der Regierung. Deswegen hat
jetzt der Kanzler insbesondere darauf zu halten, daĂź die
Kanzlei nur ausfertigt, was im Rat beschlossen ist, daĂź
1) Ebenso die Kanzlei-Ordnung von 1625/42 B 1091 II 16.
258 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
künftig keine Handlung oder Verhör in der Kanzlei vor-
genommen wird und deswegen kein Unberufener in sie
geht oder geführt wird, „auf daß unsere Handlungen und
Sachen verschwiegen und im geheim bleiben mögen" (3).
Er fĂĽhrt einen SchlĂĽssel zu dem Kasten, in dem das
Kanzleisiegel verwahrt wird. Die anderen drei SchlĂĽssel
sind dem Hofmeister und zwei Katen anvertraut (8).
In seiner Eigenschaft als oberster Kanzleibeamter wird
er zu den Sitzungen des Hofrats zugezogen, Johann Elehinger,
der derzeitige Inhaber dieses Amtes, auch wohl auf Grund
persönlicher Vorzüge (2 und Anmerkung des Herausgebers).
Neben dem Kanzler hat stets einer der Kanzleischreiber
an den Beratungen teilzunehmen. Er verliest die ein-
gelaufenen Händel, zeichnet die mündlichen Anbringen und
die Ratschläge auf, verliest diese nach der ersten Um-
frage und verliest die in der Kanzlei danach gefertigten
Schreiben (2).
Neben den Schreibern, ĂĽber deren Zahl die Hofrats-
ordnung nichts sagt, ist ein besonderer Registrator ver-
ordnet und vereidet. Alle Schriften der Kanzlei — Lehn-
briefe, Konfirmationen, Rezesse, Schiede, Missiven u. a. —
sind von ihm zu registrieren, bevor sie ausgehen (6). —
Alle Räte, auch die künftig berufenen, sind auf diese
Ordnung verpflichtet, Ungnade und Strafe droht allen Ver-
stößen gegen sie.
Zugleich wird ihnen aber auch Gewalt und Macht
verliehen, die Ordnung gegen jedermann zu handhaben (21).
Als fĂĽr die Interessen des FĂĽrsten und des Dienstes
besonders notwendige Eigenschaften werden von den Räten
gefordert: Verschwiegenheit, Unparteilichkeit, Unbestech-
lichkeit.
Alles, was im Rat verhandelt wird, sollen sie bis in
ihren Tod verschweigen (19). Damit nichts Geheimes
offenbar werde, darf ohne ihre besondere Erlaubnis niemand
Briefe oder Abschriften der Kanzlei lesen (4).
in Sachsen-Weimar bis 1743. 259
Kein Rat soll einer Partei „zu Liebe, Leide oder Neid
raten, sondern was ihm des sein Gewissen lernen und er
gegen Gott verantworten will" (19).
Kein Rat darf von niemand und unter keiner Gestalt
Geld oder Geldeswert nehmen. Er ist nur dem Landesherrn
verpflichtet und darf von niemand Sold oder Dienstgeld
ohne dessen Wissen und Willen haben (19).
d) Weiterbildung der Hofrats Verfassung im 16. Jahrhundert
Die wesentlichen Neuerungen und Ergänzungen, die
unter Johann Friedrich dem GroĂźmĂĽtigen die Ratsverfassung
erfährt, sind folgende:
Nachdem die Ordnung von 1536 noch unbestimmt von
einer „stattlichen" Zahl der Räte sprach, setzt die von
1539 sie auf 6 bis 8 fest. Die Ordnung von 1546 erhöht
sie auf 11, nach der MĂĽhlberger Katastrophe aber genĂĽgen
8 Räte1).
Gewissenhafte Beratung des FĂĽrsten am Hof, Ăśber-
nahme von Gesandtschaften in und auĂźer Landes, Ver-
schwiegenheit „bis in die Grube" sind die Pflichten, die
ein wesentlicher Hofrat bei seiner Bestallung ĂĽbernimmt 2).
Außer der festen Zahl der wesentlichen Hofräte stehen
dem Fürsten die „Räte von Haus aus" zu Gebote. Sie
mĂĽssen stets zu seinem Dienst bei Hofe oder auf Reichs-,
Kreis-, Landtagen bereit sein 3).
Die bedeutendsten Stellen unter den Hofräten be-
kleiden: Hofmeister, Marschall, Kanzler und Vizekanzler.
Der Hofmeister hat die Aufsicht über die anderen Räte,
leitet die Verhandlungen, legt dem KurfĂĽrsten in Begleitung
eines Rates und des Kanzlers täglich zweimal die aus-
gefertigten Schreiben zur Unterschrift vor. In dieser Stellung
begegnet jedoch der Hofmeister nur bis 1534, dann ist
seine Stelle unbesetzt, die Ordnung von 1542 setzt an seine
Statt im Rat den Kanzler. Die späteren Hofmeister sind,
1) Mentz, III, S. 127. 2) Mentz, III, S. 144. 3) Ebenda.
260 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
sofern sie nicht im Rat sitzen, keine Staatsbeamten, sondern
haben den persönlichen Dienst beim Bruder oder den Söhnen
des FĂĽrsten oder im Frauenzimmer 1).
Ebensowenig wie der Hofmeister nach 1534, ist die
ganze Zeit Johann Friedrichs ĂĽber der Hofmarschall auĂźer
seiner Ratsstellung Staatsbeamter. Aber sein Amt als Leiter
des Hofstaates verlieh ihm im Rat eine gewisse Bedeutung 2).
Nachdem der Hofmeister aus dem Vorsitz im Rat ge-
schieden war, wurde dieser 1539 dem Herzog Johann Ernst,
1546 dem ältesten Sohne Johann Friedrichs zugedacht.
Schon frĂĽher hatte, falls der Hofmeister an der Teilnahme
verhindert war, im Rate der Kanzler die Umfrage gehalten.
Die Ordnung von 1542 weist diesem von vornherein diese
Aufgabe zu. Auch 1546 bleibt sie ihm in Vertretung der
fürstlichen Söhne — auf die niemals mit dem Beginn der
Verhandlungen gewartet werden soll. — Außer der Leitung
der Ratssitzungen ist Aufgabe des Kanzlers die Besorgung
der wichtigsten Kanzleigeschäfte und die Aufsicht über das
Kanzleipersonal. Er empfängt die Eingänge und legt sie
dem Rat bezw. dem FĂĽrsten vor, er ist an der Abfassung
der Ratsschreiben beteiligt, gibt sie zur Ausfertigung in
die Kanzlei, legt die ausgefertigten dem FĂĽrsten vor und
setzt seine Unterschrift dazu. Ohne diese darf kein Brief
ausgehen. Die Unterschrift des FĂĽrsten ist zudem un-
bedingt fĂĽr Lehn- und Leibgedingsbriefe, Konfirmationen
und Bestätigungen erforderlich 3). — Die Aufsicht des Kanz-
lers erstreckt sich über die laufenden Geschäfte der Kanzlei,
ihre äußere Ordnung, Führung der Register und das Personal
der Kanzlei, dessen Ein- und Absetzung ihm zusteht 4).
Die Zahl der Kanzleibeamten wechselt nach Bedarf
und Umfang der Geschäfte. 1536 fordert die Ordnung
7 Schreiber, 4 Kopisten; nach dem UnglĂĽcksjahr 1547 ver-
mindert die Ordnung von 1549 sie auf 4 bezw. 2; die von
1) Mentz, III, S. 127 f. u. 137. 2) Ebenda S. 137. 3) Ebenda,
III, S. 130. 4) Ebenda, III, S. 127—129, besonders S. 138, auch
S. 142.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 261
1552 erhöht ihre Zahl wegen Ausdehnung der Geschäfte
auf 6 bezw. 3. — Zur Führung der Register wird 1542
speziell ein Schreiber bestellt; zeitweise trat eine gewisse
Arbeitsteilung nach Sachgebieten ein. Bemerkenswert ist,
daĂź 1542 zwei Schreiber besonders mit den thĂĽringischen,
zwei mit den meißnischen und vogtländischen, einer mit
den sächsischen Sachen beauftragt wurde *•).
Bis 1542 bestand das Amt des Vizekanzlers, der den
Kanzler zu vertreten hatte. Seitdem ĂĽbernahm diese Auf-
gabe der älteste anwesende Rat. Über die gefaßten Be-
schlüsse sollte aber nachträglich dem Kanzler berichtet und
seine Meinung eingeholt werden 2). —
Die BeschlĂĽsse im Rat werden nach Stimmenmehrheit
gefaĂźt. Hat der Kanzler ein begrĂĽndetes Bedenken da-
gegen oder tritt Stimmengleichheit ein, so ist die Ent-
scheidung des KurfĂĽrsten einzuholen 3).
Ort der Beratungen ist eine besondere Ratstube, einzelne
Sachen konnten jedoch auf fĂĽrstlichen Befehl auch in einem
besonderen „Wesen" vorgenommen werden4).
Als Aufgaben der Räte werden genannt: die Vor-
bereitung der vom FĂĽrsten ausgehenden Briefe, Verhand-
lungen ĂĽber Erteilung von Lehen ; Schlichtung von Streitig-
keiten zwischen Ă„mtern und Untertanen und die Sorge,
daĂź dem fĂĽrstlichen Interesse nichts entzogen werde. Auch
in Polizei- und Wirtschaftspolitik sind die Räte zuständig 5).
Vor allem aber ist der Rat Gerichtsbehörde. Er ist
Vertreter der höchsten landesherrlichen Gerichtsbarkeit.
Die Rechtspflege ist ihm so völlig anvertraut, daß der Kur-
fĂĽrst ohne Wissen des Kanzlers darin keinen Befehl er-
teilen will. Er ist Schiedsrichter, er ist erste Instanz fĂĽr
die Schriftsassen, vielfach auch fĂĽr die Amtssassen. Appel-
lationen gehen an den Hofrat von den Gerichten niederer
Instanz, von Sprüchen auswärtiger Schöppenstühle, selbst
l)Mentz, III, S. 183/185. 2) Ebenda, III, S. 127/129. 3) Ebenda
S. 127/129. 4) Ebenda S. 128. 5) Ebenda, III, S. 129 f. 166. 181.
262 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
vom gemeinsamen sächsischen Oberhofgericht, in diesem
Falle jedoch unter Zuziehung albertinischer Räte. Seit
1547 ist der Hofrat nach Aufbebung der Oberhofgerichts-
Gemeinsamkeit höchste Instanz für Sachsen - Weimar. —
Um seiner Überlastung vorzubeugen, auch um unnötige
Kosten den Parteien zu ersparen, sollen diese kein ordent-
liches Gericht umgehen, sondern nur dann an den Hofrat
sich wenden, wenn die ordentliche Obrigkeit ihnen das
Recht weigert oder angeklagt werden soll. Den unteren
Richtern wiederum wird aus gleichen GrĂĽnden befohlen,
möglichst gütige Auseinandersetzung der Parteien zu er-
streben, jedenfalls möglichst die Notwendigkeit einer Be-
rufung an den Hof zu verhüten. — Für Erledigung der
Rechtssachen wird 1536 ein besonderer Schreiber bestellt
und ein Doctor juris unter die Räte aufgenommen, der
1542 noch einen Kollegen erhält. — In Geltung ist das ge-
meine sächsische Recht, subsidiär das kaiserliche x).
War der KurfĂĽrst auĂźer Landes, so lieĂź er die Regierung
von den Räten führen, denen er wohl einen seiner Söhne
oder einen seiner Vertrauten als Statthalter vorsetzte. Diese
aber waren an die Entscheidung bezw. Mitwirkung der
Räte gebunden, denen weitreichende Vollmachten für die
gesamte Verwaltung, zumal für Fälle der Gefahr, erteilt
wurden. Aber wichtige Briefe von FĂĽrsten, Grafen, Herren
und die zu eigener Hand gehenden sollten sie dem Kur-
fürsten uneröffnet zustellen, durften auch keine Lehen er-
teilen oder ohne sein Wissen Anleihen aufnehmen. Auch
muĂźten sie stets in schriftlichem Verkehr mit dem Landes-
herrn bleiben 2).
Schon in den letzten Zeiten Friedrichs des Weisen
gelegentlich teilnehmend „an den Händeln", schon vor
seinem Regierungsantritt in Verwaltungssachen leitend, an-
regend , begutachtend beschäftigt 3), zeigte sich Johann
1) Mentz, III, S. 129/131. 159/162. 164. 2) Ebenda, III,
S. 55. 129 f. 134 f. 3) Ebenda, 1, S. 53. 126.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 263
Friedrich der GroĂźmĂĽtige in der ganzen Zeit seiner Herr-
schaft stets mit Eifer persönlich in der Regierung tätig.
Alles muĂźte grĂĽndlich und aufs beste erledigt werden. Als
er in früheren Jahren seiner Regierung persönlich den Vor-
sitz im Rate führte, hielt er, wenn nötig, eine dritte Um-
frage, um zu einem möglichst einmütigen Schlüsse zu
kommen. Wichtige und schwierige Sachen waren ihm auch
später stets vorzutragen; in allen Sachen, in denen die
Stimmen auseinandergingen, war seine Entscheidung einzu-
holen, wenn nötig, auch in der Zeit seiner Gefangenschaft:
nämlich wenn seine beiden Söhne nicht übereinstimmten.
Vieles erledigte er selbst, kaum ging ein wichtiger Brief
aus, den er nicht selbst gehört, gelesen oder korrigiert
hätte !).
Ja bestimmte Sachen behielt der KurfĂĽrst seit 1539
grundsätzlich seiner Entscheidung vor, nämlich die Reli-
gionsangelegenheiten, die äußere Politik und die Rechnungs-
sachen. Dem Hofrat verblieben die Justizsachen, Lehen-
und Bestätigungssachen, Supplikationen zur Behandlung.
In der Zeit der Gefangenschaft werden freilich auch kirch-
liche Verwaltung und Hofhalt dem Rat ĂĽberwiesen. Dazu
kamen damals Jagd- und Forstangelegenheiten in seinen
Geschäftsbereich, seit der Jägermeister Ratsmitglied war 2).
Wir sehen also bereits unter Johann Friedrich dem
GroĂźmĂĽtigen den Beginn einer Arbeitsteilung im Rat nach
sachlichen Gebieten. Eine örtliche Teilung des Hofrates,
wie sie Johann Friedrich 1529 als Kurprinz vorschlug, kam
dagegen nicht zur AusfĂĽhrung 3).
Streng aber hielt der KurfĂĽrst darauf, daĂź dem Hofrat
nichts von den ihm zustehenden Sachen entzogen wurde :
1546 warnt er seine Söhne, Parteisachen oder gemeine Für-
bitten selbst anzunehmen. Sie sollen solches vielmehr stets
1) Mentz, III, 8. 113. 124. 127/130. 2) Ebenda, III, S. 130/133.
3) Danach sollten in Torgau und Weimar je 8 Räte die Geschäfte
führen, außer ihnen am Hoflager 4 Eäte ständig anwesend sein.
Mentz, I, S. 126 f.
264 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
an Rat und Kanzler als an die allein zuständige Stelle
weisen1). —
GegenĂĽber der Hofratsordnung von 1499 ergibt dem-
nach die Zeit Johann Friedrichs des GroĂźmĂĽtigen diese
Veränderungen im Rat :
Die Zahl der Räte wird bestimmt und zwar erhöht.
Der Hofrat ist nicht nur am Ort der Regierung seĂź-
haft, sondern fĂĽr seine Amtshandlungen auch an einen be-
stimmten Platz — die Ratstube — gebunden.
Der Hofmeister hat nur noch bis 1534 den Vorsitz im
Rat, seitdem ist sein Amt in der alten Bedeutung er-
loschen, von 1542 ab hat der Kanzler den Vorsitz im Rat.
Das Arbeitsgebiet des Hofrats ist näher bezeichnet,
es treten die einzelnen Bezirke seiner Tätigkeit hervor:
Rechtspflege und Landesverwaltung im engeren Sinne ge-
hören in der ganzen Zeit zu seinen Aufgaben, später treten
die kirchliche Verwaltung, die Sorge fĂĽr den Hofhalt und
fĂĽr das Jagdwesen hinzu.
Eine gewisse Arbeitsteilung macht sich geltend, indem
der KurfĂĽrst sich bis 1546 die kirchlichen Angelegenheiten
und die oberste unmittelbare Leitung des Finanzwesens
vorbehält. Vor allem gehört nicht zum Bereich des Hof-
rats die äußere Politik. —
In der Zeit nach Johann Friedrich dem GroĂźmĂĽtigen
geht die Arbeitsteilung weiter: Die Angelegenheiten der
kirchlichen Verwaltung werden einem besonderen Kollegium
ĂĽberwiesen, dem Konsistorium, das 1561 gegrĂĽndet wird.
Die gerichtliche Arbeitslast des Rates wird vermindert
durch die 1566 stattfindende Eröffnung des Hofgerichts
zu Jena.
Dagegen wird das Arbeitsgebiet des Hofrats erweitert,
indem ihm die Kammersachen zugewiesen werden. Eine
Instruktion von 1593 bestimmt die Pflichten in deren Ver-
waltung ausfĂĽhrlich.
1) Mentz, III, S. 133.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 265
Ferner tritt auch eine örtliche Abgrenzung der hof-
rätlichen Zuständigkeit ein: Da 1591 Friedrich Wilhelm die
vormundschaftliche Regierung Kursachsens ĂĽbernahm (die
er bis 1601 fĂĽhrte), mag wohl eine Erleichterung der
â– weimarischen Verwaltung erwĂĽnscht gewesen sein 1). Jeden-
falls besteht damals eine besondere Regierung zu Altenburg,
die unter Johann und zugleich im Namen Friedrich Wil-
helms die Geschäfte führt und zugleich den Beginn der
gesonderten Altenburger Verwaltung bedeutet: 1603 wurde
der Altenburger Landesteil für Friedrich Wilhelms Söhne
von Weimar abgetrennt. Sie besteht aus Hauptmann 2),
Kanzler und Kanzleiverwandten. Eine Instruktion der
herzoglichen BrĂĽder vom 9. November 1592 ist an sie ge-
richtet. Sie hat besonders die Wahrung der Ressortgrenzen
zwischen der Weimarer und Altenburger Regierung und
des Instanzenzuges im Auge:
Vor die Altenburger Räte gehören in allen bürgerlichen
und peinlichen Fällen nur die Untertanen der Amter Alten-
burg, Eisenberg, Ronneburg, und zwar von Annahme der
Sache an bis zur Vollstreckung des Urteils einschlieĂźlich.
In Sachen, die frĂĽher schon vor der Regierung (zu
Weimar) zur Entscheidung standen und aufs neue in Alten-
burg zur Verhandlung kommen, soll, damit jener Ent-
scheidung das neue Urteil nicht widerspreche, die Weimarer
Kanzlei um Bericht angegangen, nötigenfalls sollen ihr die
Akten abgefordert werden.
Dem Hofgericht zu Jena seinen stracken Lauf zu lassen
und die bei ihm zuständigen Sachen dorthin zu weisen,
werden die Räte besonders angehalten.
Für Appellationen ist Weimar zuständig.
Lehnssachen gehören vor die Weimarer Kanzlei, weil
die Homogial- und SalbĂĽcher dort liegen.
1) Instruktion 1592. 2) Vermutlich der Amtmann von Alten-
burg. Nach Mentz, III, S. 149 trugen die Amtleute bestimmter
Amter oder Städte den Titel Hauptmann, der eine bedeutendere,
vielleicht militärische Stellung bezeichnet.
26(3 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Ehesachen, die vor das weltliche und geistliche Gericht
zugleich gehören, sind von den Superintendenten in Gemein-
schaft mit Kanzler und Sekretär zu erledigen, wichtige
Fälle gehen vor das Konsistorium zu Weimar, an das auch
die Parteien appellieren dĂĽrfen.
Der Entscheidung des Herzogs sind alle Angelegen-
heiten vorbehalten, in denen FĂĽrsten, Grafen und Herren
sich an ihn wenden, d. h. also vor allem die auswärtige
Politik. Ihre Schreiben sind ihm unerbrochen zu ĂĽber-
reichen.
FĂĽr die ordentlichen Ratssitzungen an vorgeschriebenem
Ort sind die Stunden von 7, Winters von 8 bis 10 Uhr,
nachmittags von 1 bis 5 Uhr festgesetzt. Da sollen die
einkommenden Briefe erbrochen, öffentlich verlesen und,
nachdem „jeder sein Bedenken fein schied- und gütlich
angezeigt" hat, darĂĽber BeschluĂź gefaĂźt werden.
Zu diesen Sitzungen sind alle Räte verpflichtet. Ver-
hinderungen aus erheblichen Ursachen sind beim Herzog
oder den Kollegen anzuzeigen, ohne fĂĽrstliche Erlaubnis
darf kein Rat Urlaub nehmen oder ĂĽber Nacht verreisen.
Wie viele Räte außer Hauptmann und Kanzler in
Altenburg verordnet waren, konnte ich nicht feststellen.
Ăśber die im Rat gefaĂźten BeschlĂĽsse hat der Kanzler
oder ein Sekretär — früh nach 9, nachmittags nach 4 Uhr
— dem Herzog Vortrag zu halten und sie ihm zur Unter-
schrift vorzulegen.
Im ĂĽbrigen ist Hauptamt des Kanzlers die Aufsicht
über die Kanzlei. Er soll sorgen, daß Sekretäre und andere
Kanzleiverwandte ihre Pflichten pĂĽnktlich, schleunig und
fleiĂźig erfĂĽllen.
e) EndgĂĽltige Ordnung der Regierung im 17. Jahrhundert.
Seit 1633 eine besondere Kammerordnung das Kammer-
kollegium endgĂĽltig vom Ratskollegium trennt, bestehen
also nebeneinander (s. u.): fĂĽr die geistlichen Angelegenheiten
in Sachsen-Weimar bis 1743. 267
das Konsistorium, fĂĽr die Finanz- und Kommerzsachen die
Kammer, fĂĽr Gerichts- und Verwaltungssachen die Regie-
rung. Diese ist zugleich die Oberbehörde über die beiden
anderen Kollegien.
Auf dieser Grundlage regeln die Kanzlei- und
Regierungsordnung von 1625 und ihre Wieder-
holung von 16421) Einzelheiten der Geschäftsführung und
bestimmen genauer die Verrichtungen der verschiedenen
Regierungsbeamten. Der Rat, genauer Kanzler und Räte,
heißt jetzt „Regierung".
In den Einleitungsworten der Kanzleiordnung (s. u.)
mag man die drei Kollegien wiedererkennen: Die FĂĽrsten
fĂĽhlen sich unter der Obhut Gottes und ihm verantwort-
lich. Zu seinem Dienst und zur Erledigung der daraus
flieĂźenden Pflichten ist das Konsistorium berufen. Die
Fürsten wünschen sich und dem Lande Glück und Förderung
des gemeinen Nutzens, das Walten der Kammer hat dies
in der Hand. Sie sind auf gute Rechtspflege bedacht, und
sie fĂĽhlen sich ĂĽberhaupt durch ihr Amt als Landesherr
zu aller FĂĽrsorge verpflichtet. Darin unterstĂĽtzt und vertritt
sie die Regierung als Gerichts- und Verwaltungsbehörde.
Die DurchfĂĽhrung der Arbeitsteilung zeigt sich neben
der Absonderung je einer besonderen Kanzlei fĂĽr Kammer
und Konsistorium in der Einrichtung, daĂź fĂĽr bestimmte
Sachen bei Notwendigkeit besondere Kommissionen ernannt
werden.
a) Des Kollegiums Arbeitsfeld.
Das Arbeitsfeld der Regierung — im Gegensatz zu
den fĂĽr jene besonderen Zweige der Verwaltung verord-
neten Behörden zeitweilig als Gesamtregierung bezeichnet —
wird vollständig umschrieben in den Verordnungen vom
2. Dezember 1710 betr. die Geschäftskreise der Behörden.
1) B 1091 Kanzlei-Ordnung von 1642 (= B 1087 Kanzlei-
Ordnung von 1(325). Die benutzten Quellen des Weimarer Haupt-
und Staats-Archivs zitiere ich hier immer nur mit dem Abteilungs-
buchstaben B und der zugehörigen Ziffer.
268 Vie Entwicklung der Zentral Verwaltung
Danach ist sie, „wie vordem", d. h. bis 1702, verantwort-
lich fĂĽr die Vertretung der Landeshoheit des FĂĽrsten nach
innen und auĂźen, fĂĽr alle Angelegenheiten einer obersten
Landesbehörde und für das Gerichtswesen. Im einzelnen
erstreckt sich ihre Verantwortlichkeit auf folgende Dinge1):
„Status pnblicus insgemein und in allen Stücken",
Gesetzgebung,
Eeichs-, Kreis-, Landes-, Lehen-, Grenz-, Universitäts-,
Hofgerichts-, Polizei- „und andere dergl. zu sotanen statu
publico gehörige Sachen" ;
richtige Ordnung der Instanzen; Privilegien, Diplomata,
Bestallungen, Instruktionen aller Räte und hohen Offizianten
und aller Justiz-, Militär-, Polizei-Bedienten — ausgenommen
nur die Personen, die ein Amt in Kammer, Konsistorium
u. a. forum privilegiatum haben, aber nicht Räte sind;
Pfarr-Confirmationes ;
Administration der Justiz in Zivil- und Kriminal-Sachen,
moderationes der Strafen, abolitiones, dispensationes „und
was zur Justiz sonst gehörig".
Alles das soll die Regierung „eifrigst beobachten, be-
sorgen und expedieren".
Als Mitglieder der Regierung bestimmt die
Kanzlei-Ordnung von 1642 einen Kanzler und wenigstens
drei Rechtsgelehrte und nach Ermessen des FĂĽrsten eine oder
mehrere qualifizierte adlige Personen als Regierungsräte2).
Sitz und Stimme haben sie auf Grund und nach MaĂź-
gabe ihres Dienstalters:
„Soll ein Jeder seine Session in Unserer Ratsstuben und sonsten,
nachdem er lange in Unserer Regierung gesessen, haben und be-
halten."
„So soll einem Jeden der Vorzug im Sitzen und Stimmen nach
Alter seines Ratsstandes allewege gelassen werden."
Die Adligen haben den Vorrang vor den gelehrten
Räten, auch frühere Verdienste werden berücksichtigt und
bedingen einen Vorrang:
1) B 666; vgl. B 1091 IL 2) B 1091 I.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 269
„Falls aber ein neu bestellter Rat durch ansehnliche Geburt
und sonderliches Herkommen oder aber vorige hohe Ă„mter und ge-
tragene Befehle vor andern qualifiziert sein sollte, fĂĽr solchen Fall
wollen Wir den Vorsitz und Ehrerbietung demselben zueignen —
desgleichen, weil hiebevor allewege in Unserem Haus Sachsen zu-
gleich etliche adlige Räte neben dem Kanzler und Gelehrten in der
Regierung gesessen, wollen Wir ein oder mehr qualifizierte adlige
Personen hinfüro zu Regierungs-Räten bestellen und denselben die
Session, fĂĽr den Gelehrten, wie Herkommen, fĂĽrbehalten haben."
Dem Kanzler und Räten sind drei Sekretäre zuge-
ordnet als Kammer-, Lehen- und Gerichtssekretär. Dieser
ist zugleich Registrator. Ferner gehören zur Regierung
drei Kanzlisten, deren oberster gleichzeitig die Stelle eines
Botenmeisters zu vertreten hat.
In wichtigen Sachen sind auf Antrag von Kanzler und
Räten Mitglieder der Landschaft zur Beratung in die Re-
gierung zuzuziehen.
Die Regierung ist oberste Instanz; sie darf nicht
umgangen werden.
Sie ist die zuständige Stelle für alle Eingaben und
Angelegenheiten der Untertanen, die freilich erst dazu er-
zogen werden mĂĽssen, sich an die amtliche Stelle unmittel-
bar und nicht an Räte und sonstige Diener persönlich zu
wenden *):
„Kanzler und Räte sollen die in ihren Privathäusern sich
meldenden und öfters Zeit vergeblich verzehrenden Parteien, zu Ver-
hĂĽtung ihres selbsteigenen Verdachts, auf Kanzlei und schriftliche
Eingabe verweisen, damit man collegialiter votieren und den Sachen
ihre abhelfliche Maß geben könne."
„Sonst sollen zur Verhütung allerhand Confusion keine Briefe
in Justiziensachen (so uf gütliche Verhör oder rechtlichen Prozeß
oder Befehlich Ausfertigung beruhen) durch Unsere Diener und Hof-
gesinde von den Leuten angenommen, sondern von Uns an gehörige
Orter entweder zu gänzlicher Eotscheidung oder zu Bericht gewiesen,
auch diejenigen, so Uns Selbsten durch supplicationes anfallen, sich
bei Unserer Regierung gebĂĽhrlichen Bescheids zu erholen remittiert
werden."
1) B 1091 VII; vgl. B 1107.
XXVIII. 18
270 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Es scheinen noch lange Zeit von Seiten einzelner Mit-
glieder des Hofstaates Eingriffe in die Amtsbefugnisse der
Landesbehörden vorgekommen zu sein. Noch am 29. März
1714 verordnet ein Reskript Wilhelm Ernsts1) dagegen:
„Weiterhin werden alle Cavaliere und übrigen Hofbedienten
nachdrücklich angehalten, daß sie sich in die ad collegia gehörigen
Justiz-, Kameral- und ökonomischen Sachen nicht im geringsten zu
melieren haben, noch durch Vorstellungen, recommendationes oder
auf anderem Wege etwas angeben, unternehmen oder vollstrecken,
sondern alles von sich weg und an gehörige Orte weisen sollen."
Aber auch die Kollegien selbst werden noch besonders
angewiesen, stets den amtlichen Weg genau einzuhalten :
„Gelangt an Unsere Collegien etwas durch jemand extra collegia,
so als sei es befohlen, so mögen sie mit der Verordnung darauf
anstehen, bis sie durch einen ihres Mittels oder einen anderen Vor-
tragenden der gewissen Intention nochmals versichert sind" 2).
Wie der Machtbereich der Regierung durch die Kammer
eingeschränkt wird, wird unten dargelegt werden.
Die Kollegien haben in wichtigen Sachen, in herrschaft-
lichen Angelegenheiten und in Eällen , für die ein Kol-
legium vom anderen ein Gutachten einzuholen hat, sich
miteinander in Verbindung zu setzen. Sie dĂĽrfen aber
nicht eines dem anderen in den bestimmt umgrenzten Ge-
schäftsbereich eingreifen:
„Hingegen soll jedem collegio nachgelassen sein, in schweren
wichtigen Fällen mit Unserer Gesamtregierung oder auch den in ihr
nicht befindlichen Geheimen Räten vertraulich zu communizieren 3)".
„Wir können bei dieser Gelegenheit nicht umhin, Euch einen
deutlichen Begriff zu machen, in was vor Verhältnis Wir Unsere
Collegia gegen einander gesetzet wissen wollen , und geben Euch
dannenhero hiermit zu vernehmen, daĂź jedes derselben in seinem
Departement bleiben, die vorfallenden herrschaftlichen Angelegen-
heiten aber, oder wo eines andern collegii Gutachten erfordert wird,
mit einander communizieren und das wahre herrschaftliche Interesse
als Glieder von einem Haupte sich gemeinschaftlich bearbeiten soll,
da Wir hingegen als Chef und Direktor ĂĽber allen Departements
die Oberhand behalten"4). „Wir gestatten durchaus nicht, daß ein
1) B 1107. 2) B 1107. 3) B 666; B 1091 I 1 c. 4) B 1129 c.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 271
(collegium) dem andern irgend eingreife, sondern, wo sich Irrungen
ereignen , dieselben durch hinlängliche Communikation mit allem
Glimpff und ohn Verbitterung erzeugende modos abstellen"1).
Als oberste Behörde hat die Gesamtregierung Zwistig-
keiten innerhalb der einzelnen Kollegien sowie Streitig-
keiten über Zuständigkeit zwischen ihnen zu schlichten2).
Neben und aus den ständigen Kollegien der Regierung
werden zuweilen, etwa zur Beschleunigung und AbkĂĽrzung
eines Verfahrens oder in Fällen besonderer Wichtigkeit,
außergewöhnliche Kommissionen von der Regierung
oder dem FĂĽrsten ernannt 3). Auch von dem Kammer-
kollegium dĂĽrfen solche angeordnet werden 4).
So wird bestimmt, daĂź Prozesse in Kammersachen vor
der Regierung oder einer besonderen unparteiischen Kom-
mission durch den Kammerprokurator zu fĂĽhren sind 5).
Eine Verordnung vom 2. Dezember 1710 will, daĂź,
solange kein formales (förmliches, besonderes) Geheimes
Rats-Kollegium wieder errichtet ist, eine „Staats- oder auch
Uns in particulari concernierende importante Sache" je zu-
weilen nach GutdĂĽnken einem oder mehreren Unserer Ge-
heimen und anderen Räte „allein und extra collegium1' zur „Er-
forschung, Präparation, Expedierung" zu committieren sei6).
Hofrat Wagner läßt in seinem Bericht an Ernst August
vom 18. März 1744 dahingestellt sein, „ob wegen der
jetzigen Vielvermögenheit und allzu offenbar feindseligen
Absichten der Hofräte Schnetter und Pfau gegen mich
diese Sache durch eine Commission nach rechtlicher GebĂĽhr
traktiert werden möchte" 7).
1750 werden zwei „habilste" Hofräte als ständige
Polizeikommission neu eingesetzt8).
Franz Josias meldet am 10. Juni 1751 dem Geheimen
Ober-Vormundschaftlichen Kollegium , er habe „in ver-
schiedenen Vorkommenheiten zu Beschleunig- und Ab-
1) B 1167. 2) B 1570 XVIII 4; B 666. 3) B 1091 II 14.
4) Vgl. Kammerordnung von 1633 § 22. 5) B 1091 IX 4.
6) B 666. 7) B 1122. 8) B 666.
18*
272 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
kĂĽrzung der Sachen eigene Cominissiones niedergesetzt und
die gründliche Erörter- und Berichtigung derselben einzelnen,
auch nach Befund etlichen membris Unserer Ober-Vor-
mundschaftlichen Collegiorum zu übertragen für nötig be-
funden" l).
Allmählich werden die Kommissionen seltener. Schon
1756 am 9. April verordnete ein Reskript 2), daĂź in be-
sonders dringlichen Fällen nicht Kommissionen angeordnet,
sondern den Beamten Auftrag erteilt oder die Sache im
Kollegium ordnungsgemäß erledigt werden solle. Nur nach
Anfrage beim Herzog sollten Kommissionen in solchen Fällen
bestellt werden.
Später wurden die Kommissionen auf solche Sachen
beschränkt, die auswärtige Verrichtungen erforderten, wie
Zeugenvernehmung, Besichtigungen, auch Rechnungssachen.
Nach vollzogenem Auftrag hat der Kommissarius dem
Kollegium zu berichten und dieses in der betreffenden ge-
samten Angelegenheit wie vorher in pleno weiter zu ver-
handeln. Soll eine Angelegenheit im ganzen durch eine
Kommission behandelt werden, so hat sich das Kollegium
unter ausfĂĽhrlicher Berichterstattung erst an den Herzog zu
wenden und dessen Anweisung zu erwarten 3).
In die Kommissionen werden die Räte jeweils der
Reihe nach berufen, außer „Serenissimus bestimmt einen
andern". Es wird verfĂĽgt, daĂź auf Bitten einer Partei um
einen bestimmten Rat nicht zu sehen sei, es sei denn, daĂź
„ex legitimis causis" eine Partei den zur Zeit zuständigen
Rat „recusirte". Dann sei „der in ordine sequens zu sub-
stituieren" 4).
Aus dem Jahre 1714 datiert ein ErlaĂź des Herzogs
"Wilhelm Ernst an Vizekanzler und Räte, in dem er sich
das Recht vorbehält, die Mitglieder einer Kommission eigen-
mächtig zu bestimmen, zugleich aber sich verpflichtet, für
1) B 667 g. 2) Bei Schmidt, II, S. 265. 3) Reglement
vom 10. Nov. 1786, ebenda. 4) B 1138.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 273
die ordnungsgemäßen Geschäfte der Kollegien keine be-
sonderen Kommissionen zu berufen l).
Zu den Kommissionen ist stets der Registrator des
betreffenden sachlichen Departements hinzuzuziehen. Die
erforderlichen Besichtigungen oder Untersuchungen sind
dem betreffenden Sekretär aufzutragen 2).
Der Ort fĂĽr die Verhandlungen der Kommissionen
wird jederzeit besonders bestimmt.
Die verwaltungsrechtliche Stellung der Kollegien,
insbesondere der Regierung, zum FĂĽrsten zeigt sich in der
Tatsache, daĂź nicht fĂĽr alle Regierungsschriften die Unter-
zeichnung der Regierungsmitglieder genĂĽgt, sondern eine
ganze Reihe der Unterschrift des FĂĽrsten bedĂĽrfen, um Ge-
setzeskraft zu erlangen 3).
Eine Ăśbersicht dieser beiden Gruppen von Schriften
geben zwei Verzeichnisse von ca. 1725 4):
Vom regierenden FĂĽrsten sind zu unterschreiben:
Lehenbriefe, Innungsbriefe, Privilegien, Geleitsbriefe,
Rats- und Pfarr-Confirmationes, andere Bestallungen, Kon-
sense und Confirmationes in Lehensachen , Diplome der
ordentlichen Hofadvokaten. Die Schriften alle sind vom
Kanzler oder dem stellvertretenden Rat gegenzuzeichnen.
Ferner unterschreibt der FĂĽrst :
Reskripte ans Hofgericht zu Jena, an die Universität
Jena in Universitätssachen, ans Obergeleitsamt zu Erfurt,
1) B 1107. 2) B 1091. 3) Nach der Instruktion von 1592
scheint alles der herzoglichen Unterschrift bedurft zu haben. Die
Ordnung von 1625/42 (und die späteren Reskripte) bringt eine
Scheidung zwischen diesen Sachen, die sie tragen mĂĽssen, und denen,
die ihrer nicht bedĂĽrfen, sowie den unwichtigen, von denen der FĂĽrst
ĂĽberhaupt nicht behelligt sein will. Jetzt erscheint also der Macht-
bezirk der Regierung erweitert, ihrer Verantwortung mehr ĂĽberlassen.
Die Kanzlei-Ordnung spricht ĂĽbrigens nur von beiden Schriften-
gruppen im allgemeinen. Erst alimählich findet eine Auslese be-
stimmter Sachen statt, bis die unten stehenden Verzeichnisse von 1725
einen genauen Katalog aufstellen können. 4) B 1110; B 1112.
274 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Todesurteile, Reskripte ĂĽber Umwandlung und Milderung
von Leibes- und Lebensstrafen und Rezeption von Landes-
verwiesenen , Dispensationen in Lehensachen , Reskripte
an die Grafen von Arnstadt besonders in wichtigen An-
gelegenheiten, Restitutiones famae, alle Patente, Mandate
und Verordnungen, die durch die Ă„mter ins Land gehen.
Von der FĂĽrstlichen Regierung sind zu unterschreiben :
Reskripte an die Universität als Gerichtsherrn zu
Apolda, an die Grafen zu Arnstadt in Regierungs- und
Prozeßsachen, die Bestätigungsurkunden der Räte und Geist-
lichen, die Verhängung der Prügelstrafe und Landesver-
weisung, Reskripte an die Räte der Gesamtregierung bei
Kommissionen in Justizsachen, Diplome und Dekrete fĂĽr
die auĂźerordentlichen Hofadvokaten, Dispense in Innungs-
sachen, Almosenbriefe. —
Auch das „untertänigste Promemoria" der weima-
rischen Oberregierung vom 8. November 1742 betr. die
Akten , die dem FĂĽrsten auf Reisen nachzusenden sind,
verzeichnet die bis dahin zu „untertänigstem Berichte"
eingereichten Regierungsschriften, nämlich: Begnadigungen,
Todesurteile, Lehensbriefe fĂĽr Lehen zu gesamter Hand
oder Hauptlehen und wichtige, das Lehensverhältnis be-
rührende Schriftenwechsel in Schuldsachen, Veräußerung,
Verpfändung von Lehen und bei Lehensfehlern ; alle
Schriften in Militärangelegenheiten ; auf besonderes Ver-
langen die Akten in „civil- und allen andern Sachen" *). —
Ohne Anfrage beim Fürsten können die meisten Ge-
richtssachen entschieden, auch Steuererlasse bis zur Höhe
von 10 Gulden bewilligt werden.
Der Fürst allein beruft und entläßt die Staatsdiener.
Aus seiner höchsten Gewalt uud in seinem Namen
verrichten die Kollegien ihre Geschäfte , deswegen ver-
pflichtet er sich auch, die bei ihm persönlich einlaufenden
Schriften an die Regierung zu geben und sich in solchen
1) B 1129 f.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 275
Sachen zu keinen „extrajudicial-decretis" bewegen zu
lassen 1).
Ihre BeschlĂĽsse erkennt er auch fĂĽr sich als bindend
an : „Am wenigsten wollen "Wir gestatten, daß, was in
Unserer Regierung verordnet oder gar exequiriret worden,
durch Gegenverordnungen und conträrbefehle geändert, ge-
hindert oder gar aufgehoben werde, ehe sie darĂĽber ge-
nugsam gehöret werde."
Er will der Regierung rechtmäßige Beschlüsse und
billige Anordnungen mit fĂĽrstlichem Ernst auch gegenĂĽber
den Untertanen vertreten und ihnen „starken Schutz wider
die Ungehorsamen und Widersetzlichen leisten" 2).
Wie er hierdurch die Autorität der Kollegien stützt
und stärkt, so auch durch das insbesondere den Kanzlei-
verwandten gegebene Versprechen , Beamtenbeleidigungen
zu ahnden: Wir wollen sie „gegen grobe unbescheidene
Leute, die sie mit schimpflichen Worten ĂĽbel anlassen, als
unsere getreue verpflichtete Diener schĂĽtzen" 3).
Erkennt der Fürst so die Autorität seiner Behörden
an, so hat und behält er doch über alle Departements die
Oberhand und behält sich das Recht vor, die Kanzlei- und
Regierungsordnungen zu ändern und zu bessern 4). —
Des Fürsten eigene Verwaltungstätigkeit
erstreckt sich auf folgendes :
An wichtigen Vorbeschieden will der Fürst persönlich
teilnehmen: „Allen wichtigen in unserer Begierung ange-
setzten Vorbeschieden betr. Grafen, Herren, Vornehme von
Adel sind Wir in eigener Person, so oft Unsere obliegende
Geschäfte leiden wollen, vermittelst göttlicher Gnade bei-
zuwohnen entschlossen" 5J.
Ebenso nimmt er, soviel möglich, an den Sitzungen
des Geheimen Rates teil 6).
1) B 1091 II 17; B 1124; B 666. 2) B 1091 II 9; B 665.
3) B 1091 XIII 11. 4) B 1129 c ; B 1091 SchluĂź. 5) B 1091 V 3.
6) B 665.
276 Die Entwicklung der Zentral Verwaltung
Ferner sind „alle Briefe und andere Schreiben, worüber
Canzler und Räte sich eines gewissen Schlusses nicht ver-
gleichen können", dem Fürsten zur Entscheidung zu unter-
breiten 1).
Die Kontrolle ĂĽber die Verwaltung sichert sich der
Fürst durch Einforderung regelmäßiger Berichte1):
Ăśber Konferenzen und Kommissionen ist stets binnen
8 Tagen zu berichten.
Alle Sonnabende ist von allen amtlichen Vorfällen der
Woche Nachricht zu geben unter BeifĂĽgung unmaĂźgeblicher
Gutachten. Ebenso ist alle Sonnabende das Tagebuch der
Vorbeschiede fĂĽr die folgende "Woche vorzulegen2).
Alle Sonnabende soll die Regierang ein Verzeichnis
der die Woche über „hinterschriebenen supplicationes oder
mundierten Concepte" geben.
So oft die Regierungs- und Kanzlei-Ordnung gebrochen
wird, sollen Kanzler und Räte Bericht erstatten3).
Über die „gangbaren" Prozesse ist der Fürst auf dem
laufenden zu erhalten4).
Ăśber die Justizsachen sind Registranden in Weimar,
Eisenach und Jena zu fĂĽhren, monatlich TagebĂĽcher ĂĽber
den verflossenen Monat an die Regierung zu Weimar zu
senden und von ihr sofort an den FĂĽrsten zu geben. Am
Jahresschluß ist die Zahl der monatlichen Eingänge und
BeschlĂĽsse zu wiederholen und die Summe am Ende zu
bemerken 5).
Auf besonderes Verlangen soll jeder Kanzlist in den von
ihm geschriebenen Sachen „gründlichen Bericht tun" und
über seine Registrande jederzeit Bescheid geben können 6).
An bestimmten Tagen sollen Kanzler und Räte über
Briefe und Händel, die jeweils vor die Regierung kommen,
berichten oder das Verzeichnis des Sekretärs überreichen.
Ăśber wichtige Sachen sollen sie zu jeder Zeit dem Herzog
1) B 1091 IX 3. 2) B 1124. 3) B 1091 V 3. 4) B 1091
XVIII 8 ; B 1091 SchluĂź. 5) B 1124. 6) B 1124. 6) B 1091
XVIII 2 ; B 1091 XVIII 6.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 277
Vortrag halten dürfen, um seinen Beschluß oder die Bestäti-
gung ihres eigenen zu erwarten 1).
In herrschaftlichen Sachen will der Fürst stets gehört
sein; ohne sein Vorwissen dĂĽrfen hierfĂĽr keine Kommis-
sionen angeordnet werden 2).
Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Kollegien, die
nicht in Güte „auszumachen" sind, sollen zur Entscheidung
des FĂĽrsten gebracht werden 3).
Daß die verlangten Berichte stets „prompt" eingereicht
werden sollen, schärft ein Reskript Ernst Augusts an die
Regierungen zu "Weimar und Eisenach von 1741 ein4).
Der Fürst behält sich also in wichtigen Fällen stets
die letzte Entscheidung vor und läßt sich über die laufenden
Geschäfte Bericht erstatten 5) ; durch unwesentliche Dinge
will er aber nicht behelligt werden 6).
So verordnet am 8. Oktober 1737 Ernst August7):
„Um Uns in Unserem fürstlichen Gemüte mehr Ruhe als zeit-
her zu verschaffen , [wovon Wir] durch viel unnötige Suppliken
und übrige geringen Affären abgehalten werden. . . Außer Samstag
und Sonntag ist nichts bei Uns einzuliefern, das unnötige Suppli-
zieren ist gänzlich und mit aller Schärfe mittels gedruckten Patents
in Unserm Lande zu verbieten. Wir sind willens, Montags alle
eingelaufenen Sachen und Briefe zu expedieren, die ĂĽbrigen Tage
aber zu Unseren eigenen Angelegenheiten nach Gefallen anzuwenden.
Zu ändern ist, daß wie zeither von Unsern Collegüs nur die geringen
und odiösen Sachen bei Uns zur Resolution eingesandt werden, die
wichtigen Angelegenheiten zurĂĽckbleiben . . .*. [wie] Wir ĂĽberhaupt
mit allen unnützen Papieren, Suppliken und Schreibereien gänzlich
verschont werden mögen, maßen Wir vors künftige nicht mehr, als
zeithero geschehen, vor Unsere collegia arbeiten wollen."
1) B 1091 IX 1 u. 2. 2) B 1091 IX 4. 3) B 1107. 4) B 1124.
5) Geschieht dies einmal nicht, so kann Ernst August sehr ungehalten
werden: 1736 hatten die Räte in der Streitsache der Universität Jena
um ihren Besitz in Apolda eine Kommission ernannt, ohne den Herzog
vorher davon zu benachrichtigen. Darauf schrieb er ihnen, „er sei
kein JĂĽngling mehr, habe auch so viel gelernt, daĂź er allein regieren
könne, und wolle von allem Kenntnis haben". Für den Wieder-
holungsfall droht er den Räten mit 1000 Dukaten Strafe (Kronfeld,
S. 395). 6) B 1129. 7) B 1124.
278 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
1741 verbietet Ernst August ebenso den Regierungen
zu Weimar und Eisenach :
„Bei tausend Reichstaler Strafe sollt Ihr Uns mit unnützen
Schriften nicht weiter behelligen, denn Wir zur Expedition Unsere
Collegia und Diener haben." „Die Collegien sollen .... die Sachen
der Ihnen anvertrauten Gewalt nach bestem Wissen und Gewissen
bedenken, miteinander beraten und sofort resol vieren und expedieren."
„Zur schleunigen Beförderung der Justiz, und Sich in dero fürst-
lichem Gemüte desto mehrere Ruhe zu lassen", sind nur „besonders
bedenkliche und in statum publicum mit einschlagende Umstände
Serenissimo zu berichten" *).
Ăź) Stellung der einzelnen Beamten.
Auf folgende Weise teilen sich die einzelnen Beamten
der Regierung in die Geschäfte :
Die erste Stelle in der gesamten Landesverwaltung
nächst dem Herzog hat, wie schon seit 1542, der Kanzler
inne 2).
Er ist Vorsitzender bei den Verhandlungen und in den
Beratungen der Regierung. Er hält die Umfrage.
Im ĂĽbrigen liegen ihm die gleichen Pflichten wie den
Räten ob. Die meisten Bestimmungen reden von „Kanzler
und Räten".
AuĂźerdem ist er wie von jeher Leiter der Kanzlei.
Als solcher hat er die vom Herzog unterschriebenen
Sachen gegenzuzeichnen und alle anderen Regierungs-
schriften, sofern sie nicht zur Kammer gehören, selbst zu
unterschreiben 3).
Er hat das Kanzleisiegel zu bewahren, in seiner Ab-
wesenheit der stellvertretende Rat4).
Er hat Buch zu fĂĽhren ĂĽber die Kanzleikasse und ist im
Besitz ihres einen SchlĂĽssels (den anderen hat der Kammer-
1) B 1124. 2) Der Marschall erscheint jetzt nicht mehr
unter den Hofräten. Er hat nur noch die Leitung des gesamten
Hofwesens. S. Bestallung des Bernhard Pflug zu Posterstein vom
11. JuĂĽ 1683, B 25 033. 3) B 1091 XL 4) B 1091 XI 1.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 279
sekretär). In seiner Gegenwart ist vierteljährlich die Kanzlei-
kasse zu leeren und der Bestand zu verteilen *).
Wichtige von der Regierung ausgehende Schriften soll
der Kanzler auf Fehler hin durchlesen 2).
Sehr wichtige Händel, Ratschläge, Briefe, Abschiede
u. a. soll der Kanzler selbst „stellen und fornialisieren" 3).
Auch soll er (und die Räte) mit „stellen" helfen, wenn
Sekretäre und Kanzlisten mit Arbeiten in den herrschaft-
lichen Angelegenheiten überhäuft sind.
Öfters hat er zugleich das Präsidium des Konsistoriums
— so Krause von 1658 — 62 4). Volkmar Happe ist außer-
dem auch Direktor der Landschaftskasse und der Extra-
ordinärsteuern (1683/92) 5).
Das Amt der Räte im allgemeinen ist: Schutz der
Religion, Wahrung des fürstlichen Interesses, Förderung
von Wohlfahrt des Landes und der Leute6).
Schreiben ausländischer Fürsten, von Grafen und andere
wichtige Schreiben sollen die Räte dem Fürsten zustellen und.
ist er auf Reisen, unerbrochen nachsenden. Hat er bestimmte
Anweisung hinterlassen, so sollen sie sie geöffnet und mit
beigeschriebenem Gutachten an ihn geben, oder, wenn sie
es fĂĽr ratsam halten, soll ein Rat zu mĂĽndlichem Bericht
ihm nachreisen.
Die ĂĽbrigen an die Regierung gerichteten Schreiben
zu eröffnen, ist ausschließliches Recht der Räte.
Alle einzelnen Pflichten der Räte ergeben sich aus
der gesamten Regierungs- Ordnung. —
Alle Kanzleibeamten sind streng angewiesen sich,
in keine Händel zu mengen, darauf sie nicht beschieden sind.
1) B 1091 XXIV 1 u. 2. 2) B 1091 „Puncta" No. 16.
3) B 1091 II 6. 4) B 25033. 5) Diese letztere Tatsache bedeutet
einen bemerkenswerten Schritt zur Zentralisation der gesamteu
Finanz Verwaltung: Die Kasse der von der Landschaft bewilligten
Steuern unterstand weder 1593 noch nach der Kammer-Ordnung von
1633 dem Kammerkollegium, sondern einer besonderen Obereinnehmer-
Expedition. 6) B 1091 II; B 1091 XII.
280 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Daher dĂĽrfen sie keine Schriften ausfertigen, die nicht
vom Herzog oder auf Grund einhelligen Ratsbeschlusses
von der Regierung auszufertigen ihnen befohlen ist.
Daher auch dĂĽrfen sie nichts aus der Kanzlei ausgehen
lassen, was nicht unterschrieben ist1).
Die Sekretäre haben die Protokolle bei den Sitzungen
der Regierung zu fĂĽhren und wechseln darin jeden Tag
miteinander ab 2).
Das Protokoll verzeichnet den Tag der Verhandlung
und die dabei Anwesenden, bemerkt die Entschuldigungen
der Fehlenden und späteres Erscheinen oder früheren Weg-
gang eines Rates an der betreffenden Stelle mit „accedit" bzw.
„abit". Dann wird zu jeder in Beratung kommenden Sache,
die nach der Registrande numeriert wird, kurz der Inhalt
des „Exhibiti" (des Vorbringens) und der Name von Re-
und Korreferent angegeben, bei wichtigen Sachen die von
den Räten in die Feder diktierten „vota mit rationibus"
und das vom Referenten zu diktierende Conclusum oder die
Resolutio Collegii niedergeschrieben.
Jeder Sekretär hat die Beschlüsse der Sitzung auszu-
fertigen und zu expedieren, bei der er protokolliert hat.
Sofort nach der Expedition gibt er das Protokoll an den
Registrator.
Jeder Sekretär soll ferner täglich die Briefregistrande
des Registrators zur Quittung ĂĽber den Empfang der Briefe
unterschreiben 3).
Jeder Sektretär hat eine eigene Registrande über seine
Expeditionen zu fĂĽhren, desgleichen ein genaues Verzeichnis
der wöchentlichen Expeditionen alle Sonnabende in die
Ratsstube zu bringen4).
Seine Expeditionen soll er fleiĂźig kollationieren zur
Vermeidung von Fehlern. Wichtiges soll er dem Kanzler
zur Durchsicht vorlegen 5).
1) B 1091 XIII 1. 4. 5. 2) B 1124; B 1091 XIII. 3) B 1091
VII 6. 4) B 1091 „Puncta" No. 5 u. 6. 5) Ebenda 16.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 281
Ferner hat jeder Sekretär ein besonderes Verzeichnis
ĂĽber alle herrschaftlichen Sachen seines Departements zu
fĂĽhren x).
Versäumt ein Sekretär durch Führung der Protokolle
und Abfassung der Abschiede seine Konzepte, so soll er
bis zum nächsten Montag Frist dafür haben 2).
Alle Samstage sollen die Sekretäre abwechselnd dem
FĂĽrsten aus dem Tagebuch melden, welche Termine und
Verhöre für die kommende Woche angesetzt sind3).
Bei den Sachen seiner Expedition soll jeder Sekretär
dem Vortrag des Registrators beiwohnen, „damit er desto
besser einnehme, was . . . vor Bescheid erfolgt" 4).
Supplikationen darf der Geheimsekretär alle Samstage
bei der Regierung, aber nicht in seiner Wohnung, an-
nehmen.
Außerdem hat kein Sekretär ein Schreiben unter dem
Vorwand, die Sache liefe in sein Departement, anzunehmen.
„Dann Wir wollen absolument nicht, daß ein Sekretarius
sich unterstehen solle, einen Supplikat anzunehmen" 5). —
Der Kammer-Sekretär untersteht dem Kammerkollegium
und ist auf die fĂĽr dieses erlassenen Instruktionen und
Ordnungen verpflichtet. Danach hat er alle durch die
Kammergeschäfte veranlaßten schriftlichen Arbeiten zu be-
sorgen 6).
In Fällen, „so in die Justiz mitlaufen wollten", hat er
sich nach der Entscheidung der Regierung, bzw. in wichtigen
Dingen nach der des Herzogs zu richten. Insofern unter-
steht er dem Regierungskollegium.
AuĂźerdem auch durch die Expeditionen, die ihm neben
den Kammer-Geschäften anvertraut sind. Dies sind die
herzoglichen Angelegenheiten, die zwischen Weimar und
Grafen, Herren oder der Stadt Erfurt schweben; ferner die
Angelegenheiten der Universität, der Herrschaft Henneberg,
die Reichs- und Kreis-Sachen, die Landtagssachen 7). —
1) B 1091 VIII 8. 2) Ebenda 9. 3) Ebenda. 4) Ebenda 4.
5) B 1124. 6) B 1091 XIV. 7) Ebenda.
282 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Der Lehen-Sekretär x) (auch Geheimer Sekretär genannt)
hat alle schriftlichen Geschäfte zu besorgen, die einerseits
aus der Lehensabhängigkeit Sachsen-Weimars vom kaiser-
lichen Hofe, andererseits aus der Lehensherrlichkeit des
Herzogs ĂĽber seine Vasallen sich ergeben.
Der Gerichtssekretär ist zugleich Registrator. Seine
Pflichten als Gerichtsbeamter sind unten verzeichnet2).
Der Registratur soll „als ein Sekretär studia haben
und tĂĽchtig sein" 3).
Sofort nach Einhändigung der Schreiben soll er sie
numerieren, in die Registrande eintragen, die „anteacta"
aufsuchen und beilegen. Dann schickt er sie dem Referenten
ins Haus, mit der Notiz, ob ein Korreferent bestellt ist.
Das vom Sekretär zurückgelaugte Protokoll heftet er
den Akten bei und notiert in der Registrande, was und wann
darĂĽber beschlossen und ob die Sache erledigt ist. Ăśber
die Protokolle hat er einen ordentlichen Index zu fĂĽhren.
In den Sitzungen verliest er laut die Exhibita, registriert
dann den Inhalt und setzt das gefaĂźte Dekret zu ; stellt
dann jedem Sekretär zu, was in seine Expedition gehört4).
Alle Sonnabende soll er das Verzeichnis der in die
Häuser mitgenommenen Akten durchsehen und Rückständige
mahnen 5).
Täglich hat er in der Ratstube aufzuwarten und die
ein- und ausgehenden Briefe u. a. Schriften in seine
Registranden einzutragen. Es sind dies alle Lehen-, Be-
gnadigungs- , Leibgedings-Briefe, Konfirmationen, Dienst-
bestallungen, Verträge, Abschiede.
FĂĽr Heftung, Ordnung und Verwahrung dieser Volumina
hat er ständig Sorge zu tragen. Auch soll er Inventar und
Inhaltsverzeichnisse über sie aufstellen 6). —
Zu ihrer Unterstützung sind den Sekretären einige
Kanzlisten beigegeben. Sie haben insbesondere die ausge-
1) B 1091 XV. 2) B 1091 XVII. 3) B 1124. 4) B 1138.
5) B 1124. 6) B 1091 XX 1. 2. 3.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 283
fertigten Schriften ins Reine zu ĂĽbertragen, die Registranden
zu besorgen, auch bei FĂĽhrung der Protokolle auszuhelfen i).
Die Kanzlisten dĂĽrfen nichts in die Reinschrift bringen,
was nicht von mindestens einem Mitglied eines Kollegiums
unterzeichnet ist 2).
Stets soll von den Mundierern und Kopisten einer in
der Kanzlei während der Geschäftsstunden anwesend sein.
und zwar wöchentlich einander abwechselnd.
Dieser „Wöchner" hat allein die Konzeptkästen zu
öffnen, ihren Inhalt in sechs möglichst gleiche Teile zu
ordnen und zu verteilen. Den letzten davon behält er für
sich. Ăśber die verteilten Konzepte hat er Tagebuch und
ein besonderes Verzeichnis ĂĽber sein Pensum zu fĂĽhren.
Ihre Arbeiten sollen die Kanzlisten „unaufhaltlich.
reinlich und akkurate" fertigen und darĂĽber jeder be-
sonders Buch fĂĽhren.
Um einer ungebĂĽhrlichen AusnĂĽtzung der Kanzleitaxe
vorzubeugen, wird bestimmt, daĂź auf jeder Seite 18 Zeilen
und auf jeder Zeile mehr als ein Wort geschrieben werden
soll — „damit sich niemand (von den Kollegen) über in-
teressiertes Schreiben zu beschweren Ursach haben möge".
Von nicht verpflichteten Personen dĂĽrfen sie ohne Vor-
wissen der Sekretäre nichts abschreiben lassen.
Der Botenmeister ist dazu bestellt, die einlaufenden
Schreiben in Empfang zu nehmen und an die rechten
Stellen zu verteilen, die ausgehenden an die Post oder die
herzoglichen Boten zu ĂĽbergeben. Ăśber diese hat er Auf-
sicht zu fĂĽhren und ihnen ihren Lohn abzustatten 3). Auch
führt er die Aufsicht über den Rätediener, dem die ge-
samte äußere Ordnung der Regierungs- und Kanzleiräume
anvertraut ist, der besonders die Ratstube und Kanzlei zu
öffnen und zu schließen und die Schlüssel dazu zu ver-
wahren hat4).
1) Ăź 1091 XVIII 1. 3. 6. 2) B 1122; Ăź 1091 XVIII.
3) B 1091 XIX. 4) Ăź 1091 XXIII.
284 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Allgemeines. Als notwendige Eigenschaften werden
von allen Beamten Treue, FleiĂź und Verschwiegenheit ge-
fordert 1). — Sie sollen ihren Geschäften gewachsen sein. Um
dies zu erreichen, wird etwa ein Beamter angewiesen, sich
in ein bestimmtes Gebiet einzuarbeiten — wie der Kom-
missionsrat und Amtmann Dornfeld am 27. Mai 1739 an-
gewiesen wird, „daß er sich allmählich in Reichshofrats-
prozessen übe und habil mache" — oder es wird bei Be-
setzung einer Stelle auf langjährige Erfahrung in diesem
Amt gesehen. In einem „untertänigsten Promemoria" der
Oberregierung (über Mängel bei der Kanzlei) vom 19. Mai
1747 wird angeraten, das Lehensekretariat „ohnvorschreib-
lich durch den Registratur Buddeus, der solches bis daher
treu und fleiĂźig versehen und sich dazu sattsam qualifiziert,
zu besetzen" 2).
Im Reskript vom 20. Juni 1733 schärft Ernst August
allen Regierungsbeamten ein, daĂź sie auf stete Vervoll-
kommnung in ihren Amtsverrichtungen bedacht seien; sie
sollen „sich in Lesung der Akten und einer den Rechten
und Akten gemäßen Relation besser als bisher üben und
dadurch ihre studia und Geschick perfektionieren", anstatt
ihrem VergnĂĽgen nachzugehen 3).
Die Subalternen sollen sich stets gebĂĽhrenden Be-
nehmens gegen ihre Vorgesetzten befleiĂźigen , ihnen den
pflichtschuldigen Respekt nicht versagen.
Der Kanzleiordnung von 1642 ist eine feste Taxe fĂĽr
die an die Kanzleikasse zu zahlenden GebĂĽhren beigefĂĽgt.
UnfleiĂźigen Kanzlisten soll bis zur Richtigstellung ihrer
Registranden Besoldung und Anteil an den Kanzleigefällen
einbehalten werden.
Verdienst und gute Aufführung der Sekretäre und
Kanzlisten sollen „soviel tunlich durch Verbesserung an
Ehre und Gehalt" belohnt werden; doch sollen sie aus
dieser VerfĂĽgung kein Anrecht darauf fĂĽr sich konstruieren.
1) Ăź 665. 2) B 1124. 3) B 1122.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 285
Allgemeine Ferien sind fĂĽr die Regierung von Margaret
bis Laurentius (13. Juli bis 10. August) angesetzt1).
AuĂźerdem soll an Weihnachten, Ostern und Pfingsten
die Kanzlei drei Tage ruhen, „damit sich Unser Kanzler
und Räte, Sekretarien und andere Kanzleiverwandte desto
besser zu dem einstehenden hochfeierlichen Ferie vorbereiten
mögen".
Auch an allen anderen Fest- und Sonntagen ruhen die
Amtsgeschäfte, doch sollen in unverhofften und eiligen
Fällen Kanzler und Räte auch dann zusammenkommen,
wie auch sonst in dringenden Fällen zu außerordentlicher
Stunde. Für solche Fälle soll an geschäftsfreien Tagen
stets abwechselnd ein Rat, Sekretär und Kanzlist auf-
warten 2).
Ferner wird den einzelnen Beamten auf Antrag Urlaub
gewährt, wenn triftige Gründe vorliegen. Solche sind:
notwendige Reisen, Krankheit, besondere Aufträge des
Fürsten oder außerordentliche amtliche Geschäfte. Sie
mĂĽssen dem Direktor des betreffenden Kollegiums bei-
zeiten angezeigt, auch in ein besonderes Tagebuch ein-
getragen und im Protokoll vermerkt werden — damit die
anderen Räte, besonders in wichtigen Händeln, auf die
Abwesenden nicht zu warten brauchen. Abwesenden Räten
sollen die wichtigen Vorfälle nachträglich berichtet und
ihre Meinung eingeholt werden 3).
Ohne erhebliche Ursachen dagegen darf kein Beamter
die Dienststunden versäumen, geschweige denn aus Faulheit
oder Passion.
Ohne des Fürsten Vorwissen und gnädige Bewilligung
darf kein Rat „uf etzliche Tage über Land verreißen oder
sich sonsten der Ratsstube, da er nicht mit sonderbarer
Leibes-Beschwerung beladen wäre, vorsätzlich äußern" 4).
Ein Sekretär oder Kanzlist bedarf der besonderen Er-
laubnis des Regierungskollegiums, um der Kanzlei fern-
1) B 1091 V 1. 2) Ebenda 2. 3) B 1124; B 1091 II 20.
4) B 1091 IV 3.
XXVI II. 19
286 Die Entwicklung der Zentral Verwaltung
zubleiben, „widrigenfalls ein solcher Contravenient ohne
Ansehen der Person cassieret werden wird" 1).
Den Geistlichen erteilt das Oberkonsistorium Urlaub,
namentlich wenn sie in dringenden Privatangelegenheiten
nur nach nahen Orten verreisen mĂĽssen. Geht die Reise
aber über Tag und Nacht oder außer Landes, so ist höchsten
Orts Urlaub nachzusuchen 2).
Ein Sekretär wird vertreten nur durch einen Kollegen,
nicht durch Kanzlisten, auf Befehl des Direktors auch durch
den Registrator. Zum Vertreter fĂĽr diesen bestimmt der
Direktor den seinem Ermessen nach tĂĽchtigsten Kanzlisten.
Er soll auch dafĂĽr sorgen, daĂź keiner durch Vertretungs-
arbeiten ĂĽberlastet wird3).
Ist ein Sekretär krank, aber arbeitsfähig, so sollen ihm
seine Sachen zur Erledigung ins Haus gesandt werden,
worĂĽber er zu quittieren hat.
Ist ein Hofrat beurlaubt, so teilen sich die anderen
in seine Arbeit.
Den Direktor der Regierung vertritt der älteste an-
wesende Rat, der ihm dann zu Hause ĂĽber das Vorgefallene
und über den Stand der Geschäfte Bericht erstattet4).
Aus seinem Amte ausscheiden soll kein Kanzlist ohne
Vorwissen von Kanzler und Räten, auch seine Neuanstellung
ist von ihnen abhängig5).
Kein Rat soll ohne des Fürsten Vorwissen und „gnädige
Nachlassung bei Verlust und gänzlicher Entsetzung seines
Dienst- und Ehrenstandes andere Bestallung annehmen".
Denn jeder ist grundsätzlich dem Landesherrn ausschließ-
lich verpflichtet. „Gestatten Wir aber aus besonderer
Ursache in Gnade, daĂź sonsten in eines FĂĽrsten, Grafen,
Herrn von Adel oder andere Bestallung einer Unserer Räte
sich einlasse, so soll er, sooft derselben Sachen in Unsere
Regierung gelangen , sich Votirens und Stollens bei ob-
1) B 1123. 2) B 1124. 3) B 1124. 4) B 1124. 5) B 1091
XVIII 10.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 287
gesetzter Strafe durchaus enthalten, und wenn deswegen
etwas in der Ratstube vorläuft, bald ohne Erinnern einen
Abtritt nehmen" i).
y) Regierung als Gericht.
Die Gerichtspflege ist von der Verwaltung im engeren
Sinn zu jener Zeit noch nicht streng getrennt.
Die Zentralbehörde der Verwaltung, die Regierung,
dient zugleich noch als Gericht, und zwar im wesent-
lichen als Friedensgericht ; in Ausnahmefällen setzt sie auch
fĂĽr die eigentliche ProzeĂźfĂĽhrung aus ihrer Mitte Kom-
missionen ein.
FĂĽr die AusĂĽbung der richterlichen Befugnisse der
Regierung stellt die Kanzlei-Ordnung von 1642 Maßstäbe
und Ordnung auf:
Dem FĂĽrsten wie dem Volke soll das Gericht in gleicher
Weise dienen. Man soll das „fürstliche Interesse suchen
und denen Untertanen promte Justiz ohne eigennutz und
nebenabsicht administrieren". „Mit unermüdeter Sorgfalt"
trachtet Ernst August danach, „akkurate und prompte
Administration der Justiz" zu sichern2). Niemand soll „über
unerlaubte Protraktionen derer Klagesachen . . . mit Fug
sich zu beschweren Ursach haben" — Protraktionen, die
„mehrmals den Verfall eines Landes und den ruin derer
Untertanen auf den RĂĽcken gleichsam mit sich fĂĽhren".
Die Justizbeamten sollen daher ihre Expeditionen prompt
erledigen, ihre Bescheide und Resolutionen „attent und ge-
wissenhaft" machen 3). Die Advokaten sollen den Armen
wie den Reichen dienen. „Mit allem treuen Eifer" soll
der Gerichtssekretär der Rechtssachen warten 4). Desgleichen
sind alle Beamten und Gerichtshalter auf dem Lande scharf
zu beaufsichtigen; „wo sich einer interessiert, nachlässig
oder passioniert finden lassen wĂĽrde, soll er nachdrĂĽcklich
angesehen werden."
1) B 1091 II 12. 2) B 1124. 3) B 1091 XXII 5. 4) B 1091
XVII 2.
19*
288 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Die Regierung soll darauf bedacht sein, die Parteien in
Frieden zu einer Einigung zu bringen und Prozesse mög-
liebst zu vermeiden x). „Kanzler und Pate sollen allen Fleiß
anwenden, daĂź die Parteien, die in unserer Regierung zu
tun haben ... in ihren Gebrechen durch leidliche Mittel
gĂĽtlich auseinander gesetzt und entschieden oder zu engen
und eingezogenen Kompromissen veranlaĂźt, nicht leicht
ohne besondere erhebliche Ursachen ans Recht gewiesen
werden ; zumal wenn der Streit nicht so wichtig, oder bei
Injurien oder Irrungen zwischen Obrigkeit und Untertanen
oder nahen Anverwandten oder in Sachen, die pias causas,
oder Witwen, Waisen und andere dgl. miserabiles personas
betreffen. — In Injuriensachen soll die Regierung die Par-
teien, wenn nicht die Injurien ihrer eigenen Art [nach]
ehrenrührige Worte enthalten, sondern durch eine Erklärung
gemildert werden können, falls der beklagte Injuriant bald
anfangs bei gütlichem Verhör zu billiger Deklaration sich
anbietet, rechtlich vom ProzeĂź abhalten und durch Dekret
dem Kläger auferlegen, sich mit solcher Erklärung zu be-
gnügen". — Überhaupt soll sie dahin wirken, daß sie oder
die Gerichte ohne hinreichenden Grund mit Streitigkeiten
nicht behelligt werden. „Wie sie (Kanzler und Räte) denn
ebenmäßige Aufsicht auf Prälaten, Grafen, alle Gerichts-
herren , unsere Beamte und Räte in Städten haben und
nicht zugeben sollen, daß ohne merkliche und rätliche
Motiven eine Sache an Unsere Regierung, viel weniger zum
rechtlichen Prozeß veranlaßt werde" 2). — Noch 1778 be-
fiehlt ein Reskript der Regierung, sie solle alle Jahre dem
Herzog Bericht erstatten, welche Unterrichter und Advo-
katen sich durch Stiftung der meisten Vergleiche in ProzeĂź-
Angelegenheiten, zumal in wichtigen, am besten exhibieret
haben 3).
Die Justizbeamten sollen auf möglichste Abkürzung
der Prozesse bedacht sein). Binnen längstens Jahresfrist
1) B 1091 II 12. 2) Ebenda. 3) Schmidt I, S. 152/3.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 289
sollen sie stets gänzlich beendet sein. Einige nämlich hatten
18 — 20 Jahre gedauert, ohne erledigt worden zu sein. Sie
sollen nun nach der gleichen Verfügung „ohne Anstand"
„ausgemacht" werden. „Den Advokaten ist keine Ver-
schleifung . . . und unnötige Weitläufigkeit zu verstatten".
Wo einer unter ihnen sich solche zu schulden kommen
läßt, soll er erst um ein „proportionierliches Geldquantum"
gestraft, bei Wiederholungen Serenissimo angezeigt werden,
„dann bei dauernder Nachlässigkeit gänzliche Untersagung
der Praxis ohnfehlbar erfolgen soll" 1).
Oberster Gerichtsherr ist der FĂĽrst fĂĽr alle vor
die herzoglichen Gerichte gehörigen Sachen.
Die meisten bĂĽrgerlichen Streitigkeiten werden ohne
Anfrage bei ihm erledigt, auf sein Verlangen erhält er
Bericht. Er bestätigt oder ändert die Urteile 2).
Auch Strafsachen bedĂĽrfen nicht der Anfrage beim
Fürsten. Bluturteile dürfen aber ohne seine Bestätigung
nicht vollzogen werden, sie sind ihm daher stets vorzu-
tragen. Geleit in solchen Fällen erteilt er, ohne seinen
Willen darf es nicht verlängert werden 3).
Auch Militärsachen und Jagdfrevel sind ihm stets
vorzutragen 4).
Gnadensachen stehen zu seiner alleinigen EntschlieĂźung 5).
In welchem Geiste das Gerichtswesen gehalten werden
soll, erhellt besonders aus den Bestimmungen fĂĽr FĂĽhrung
der fürstlichen Privatprozesse am höchsten säch-
sischen Gericht. Die Materialia sind exaktest zu prĂĽfen
— oder die darin erstatteten Gutachten zur Richtschnur
zu nehmen6). „Wo Serenissimus Unrecht hätte, ist solches
noch und mehrmals ... zu repräsentieren und, daß er den
ProzeĂź als transactum supiren [wohl korrumpiert aus sufferrej
oder dem Gegenteil das Seinige lassen möchte, beweglichst
anzuzeigen und zu bitten, dem Rat der Regierung Gehör
zu geben."
1) B 1124. 2) B 1129 g. 3) B 1124; B 1091 IX 5 und 6;
Ebenda XVII 12. 4) B 1124. 5) Ebenda. 6) Entwurf B 1138 IX.
^90 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
„Wo aber Serenissimi Recht gegründet, hätte Regimen
allen Eifer, Kunst und Feuer anzuwenden, um ... zu ge-
deihlichem Ende zu bringen".
In diesen fürstlichen Prozessen haben Präsident und
Räte der Regierung gemeinschaftlich zu arbeiten: alles ist
in pleno consessu vorzunehmen, zu deliberieren, gemein-
schaftlich sind die Akten zu lesen, in praesentia omnium
wird konkludiert.
Sind Serenissimi nomine judicial- oder extrajudicial-
Schriften zu verfassen, so wird diese Arbeit einem Rat
aufgetragen. Von ihm geht der Entwurf an den Präsidenten,
dann cum actis bei allen Räten herum, die ihre Einwände
und Ergänzungen beibringen („um eventuell zu moniren und
zu supplieren"). Ist er an den Präsidenten zurückgelangt,
wird er in der nächsten Session wieder vorgelegt, die Ein-
wände besprochen („monita conciliirt") und nach Befund
und einstimmigem BeschluĂź der Aufsatz eingerichtet und
expediert.
Beamte des Gerichts sind außer den Räten bei
der Regierung: der Gerichtssekretär, der zugleich das Amt
eines Gerichtsregistrators versieht, und die fĂĽr die Gerichts-
geschäfte bestimmten Kanzlisten und Kanzleiboten. Auch
die Advokaten haben in wesentlichen Punkten die Stellung
von Beamten.
Von des Gerichtssekretärts „Ambt und Verrichtung"
handelt Artikel XVII der Kanzlei-Ordnung von 1642:
Zu seinem Geschäftskreis gehören alle Sachen, die
„aus den Städten und Ämtern Weimar (des Bezirks
Weimar) mit den Vogteien, und darinnen begriffenen von
Adel und ihren Untertanen, item aus dem Ambt Oberweimar
an Uns oder Unsere Regierung gelangen" 1).
Er hat die Urteilsfragen, alle inhibitiones und citationes
zum rechtlichen Versetzen und zur Publikation der Urteile
1) B 1091 XVII 1.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 291
„schleunigst" zu verfertigen, die citationes den Parteien
durch geschworene Kanzleiboten insinuieren zu lassen *â– ).
Alle Akten der bĂĽrgerlichen und peinlichen Rechts-
sachen soll er in guter Ordnung halten und foliieren lassen,
nebst Originalurkunden oder deren als glaubwĂĽrdig be-
scheinigten („vidimirten") Abschriften fleißig verwahren,
die Relationen der Parteien zu den Akten registrieren,
sowie Empfangsbestätigungen beilegen 2).
Die Akten zu Vor beschieden 3) soll er spätestens tags
vorher in die Ratsstube bringen4).
Die in der Regierung abgefaĂźten oder sonst ein-
kommenden Urteile darf er ohne besonderen Befehl des
Kanzlers und der Räte nicht öffnen, noch vor der Publi-
kation den Parteien Abschrift davon geben oder den In-
halt offenbaren 5).
Zeit, Ort und Teilnehmer der UrteilsverkĂĽndigung soll
er „gebührlich und eigentlich" registrieren 6).
Bald nach der Publikation soll er Abschriften der
Urteile unter des Fürsten Namen mit den „uf gehaltenen
Rat der Rechtsgelehrten" einverleibten Klauseln ausfertigen
und dem Kanzler zur Unterschrift vortragen 7).
Ohne des Kanzlers und der Räte Vorwissen darf er
auf Anhalten der Parteien zu den rechtlichen „Gesätzen"
„nichts Bedenkliches" registrieren8).
Es ist ihm nicht gestattet, die Akten nur dem Ad-
vokaten der einen Partei einzuhändigen, ohne solches Be-
gehren zuvor Kanzler und Räten anzuzeigen und auf ihren
Bescheid zu warten. Auch sonst ist er an sie, an seine
Bestallung und an die Hofgerichts-Ordnung gewiesen und
zu deren Observanz strikte verbunden 9).
Ohne Vorwissen des FĂĽrsten darf er in hochnotpein-
lichen Sachen kein sicheres Geleit ĂĽber die gesetzte Frist
verlängern 10).
1) B 1091 XVII 2. 2) Ebenda 3. 3) Siehe u. S. 296.
4) B 1091 XVII 4. 5) Ebenda 5. 6) Ebenda 6. 7) Ebenda 7.
8) Ebenda 9. 9) Ebenda 10. 10) Ebenda 12.
292 Die Entwicklung der Zentral Verwaltung
Beim Versetzen soll er darauf sehen, daß gemäß Hof-
und Kanzleibrauch verfahren („gebührt") und „dasselbe
nicht uf etliche Tage verschleift werde" x).
FĂĽr Zeugnisse in Rechtssachen soll er, was ihm zu-
steht, und fĂĽr alle, die er als Notar verfertigt, die Notariat-
gebühren für sich behalten, die anderen Gebühren „in
gemeine Teilung bringen und berechnen" 2).
Ueber die Kanzleitaxe hinaus soll er die Parteien
nicht mit Gerichtskosten beschweren 3).
Als Registratur soll er zur Aufrechterhaltung einer
regelmäßigen und ernsten Gerichtstätigkeit über die am
Hof, in Städten und Ämtern anhängigen Prozesse ein be-
sonderes Register fĂĽhren. Dazu haben die Gerichtsbeamten
und -rate in den Städten halbjährlich ein Verzeichnis der
Gerichtssachen nebst Bericht ĂĽber deren Stand in die
Regierung zu senden 4).
Die Kanzlisten führen beim „rechtlichen Versetzen"
das Protokoll („schreiben nach"), wobei sie Namen des
Advokaten und Zeit am Rande vermerken. An GebĂĽhren
zahlt der Einbringer eines Satzes fĂĽr je ein Blatt 1 Groschen,
wovon 4 Pf. auf den Nachschreiber fallen, 8 Pf. in ge-
meine Teilung der Kanzleigefälle kommen. Jeder Advokat,
der versetzt, soll sich (auĂźerdem?) einen (privaten?) Schreiber
zum unentgeltlichen Nachschreiben der Sätze halten („nieder-
setzen") dĂĽrfen5).
Um eine geordnete Pflege des Gerichtswesens zu
sichern, erschwert die Kanzleiordnung von 1642 die Zu-
lassung von Advokaten6).
Künftighin sollen als ordentliche Advokaten nur „hoch-
graduierte Personen oder doch an ihren Qualitäten also
beschaffen, daß sie den gradum doctoris annehmen können",
bestellt werden. Bis diese Bestimmung durchgefĂĽhrt werden
kann, sollen „allein die Advokaten und Prokuratoren, so
1) B 1091 XVII 10. 2) Ebenda 13. 3) Ebenda 8. 4) B 1091
XX 4. 5) B 1091 XVIII 3 u. 4. 6) B 1091 XXII.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 293
wenigstens ihre fundamenta juris verstehen, in praxi geĂĽbt
und ihrer Geschicklichkeit und sonst gut Lob haben, zu-
gelassen werden" l). Diese Bestimmungen werden getroffen
„propter maiestatem magistratus und weil Richtern und
Parteien an verständigen, gewissenhaften, aufrichtigen Ad-
vokaten sehr gelegen" und „weil erfahrungsgemäß, wo jeder
nach Gefallen advozieren kann, die Sachen merklich ufge-
zogen, dabei die Parteien in nicht geringe Ungelegenheit
gefĂĽhrt werden".
Nur die ordentlichen Advokaten sollen alle Sachen in
der Regierung vortragen dĂĽrfen und im rechtlichen ProzeĂź
„den Parteien bedient" sein. Doch scheinen Ausnahmen
zulässig gewesen zu sein : Unbekannte Advokaten, die die
Parteien aus der Fremde mitbringen, sollen zuvor nach
ihren Qualitäten erforscht werden.
Ernst Augusts Reglement vom Februar 1734 beschränkt
auch die Zahl der Hofadvokaten 2) ; er will kĂĽnftig nicht
mehr als 6 dulden und verlangt von ihnen, daß sie „tüchtig,
uninteressiert, gewissenhaft, guten Rufs, ohne Anhang mit
Ministern und Räten" seien; „die habilste und geschickteste
Subjekta" seien dazu zu nehmen. Die gleichen Qualitäten
sollen die Landadvokaten besitzen und durch ein „specimen
in pleno bei der Regierung" erweisen 3).
Nur die Hofadvokaten sollen bei den hohen Kollegien
und Untergerichten in Weimar praktizieren, und sind be-
1) Nicht zugelassen werden Advokaten, deren Eltern oder nahe
Anverwandte im Gericht als Kichter sitzen, oder die bei dem Ge-
richt, an dem sie advozieren wollen, mit Pflichten verwandt sind.
(Zirkular vom 18. Sept. 1748, bei Schmidt, I, S. 129.) Auch Aus-
wärtige sind ohne besondere Erlaubnis noch nach einem Zirkular
von 1776 nicht zuzulassen (ebd.). 2) B 1123 No. 6. 3) Nach
Eeskript vom 21. Sept. 1769 (Schmidt, 1, S. 139) durch specimen
aus den Akten und Prüfung. — Dort wird auch bestimmt, daß sie
sich, suchen sie später um Erteilung der Hofadvokatur nach, bei
der Regierung einem weiteren Examen mit Specimen zu unterwerfen
haben, „damit man sehen könne, ob sie sich durch Fleiß und
Applikation bei ihrer Praxi bei den Untergerichten mehr habilitiert".
294 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
rechtigt, alle Grerichtshaltereien im ganzen Lande zu ver-
sehen.
Die Landadvokaten dürfen nur in Ämtern, Städten
und Untergerichten auĂźer der Residenz praktizieren und
in einer Landstadt nicht mehr als zwei ansässig sein. In
einem Inserat vom 8. Okt. 1737 erklärt Ernst August:
„Wie Wir überhaupt in Ilmenau eine Änderung unter den
Advokaten, worunter viele nichtswĂĽrdige sind, und eine
numerum clausum machen wollen" 1).
Nur die unter den hier erwähnten Bedingungen an-
genommenen Advokaten haben das Recht, im FĂĽrstentum
Weimar zu praktizieren2): „Alle übrigen Schriftsteller
werden hiermit gänzlich abgeschafft, keiner darf an Uns
Unsere Collegia und andere Niedergerichte Schreiben
machen oder (gar!) weibliche Curatelen ĂĽber sich nehmen"
— bei 50 Tlr. Strafe, wovon 2/3 an den Fiskus, V3 an
die Advokaten fällt3).
Nur die von den zugelassenen Advokaten verfertigten
und mit ihrem Petschaft besiegelten Schriften, Memorialien,
Vorstellungen dürfen die Sekretäre aller Unter-Obrigkeiten
und Aktuarii annehmen — bei 100 Tlr. Strafe. Schon
nach der Kanzlei-Ordnung von 1642 sollen alle Supplicationes,
die nicht mit vollem (Ruf- und Zu-) Namen der Advokaten
unterschrieben sind, wieder aus der Ratstube gegeben
werden, „danach mögen sich künftig alle Brieftichter
achten" 4).
Die WĂĽrde der Hofadvokatur wird auf Lebenszeit
übertragen, und deswegen „ist billig, für diesen einträg-
1) B 1124. 2) Schon die Landesordnung von 1589 (c. 17)
bestimmt, daß Bürger, Bauern und Handwerker niemandem „ums
Geld zu reden, zu schreiben oder zu setzen" haben sollen, „sondern
sie sollen zu ihren Handwerken oder andern ehrlichen Hantierungen
angewiesen werden". — Insbesondere wird das Advozieren ver-
dorbener Advokaten, der Schulmeister und der Winkelschreiber ver-
boten, und zwar bei Zuchthausstrafe. (Verordnung von 1745, 27. Febr. ;
s. Schmidt I, S. 158.) 3) B 1123 No. 6. 4) Ebenda 7.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 295
liehen Dienst 2000 Btlr. zu erlegen". FĂĽr die Erlangung
der Landadvokatur sind 1000 Tlr. zu bezahlen 1).
Ein unbedingter Zwang fĂĽr die Parteien, ihre Sache
durch Advokaten vertreten zu lassen, besteht nicht: „Im
Verhör sollen die Parteien ihre Notdurft durch ihre Ad-
vokaten vorbringen lassen — es wären denn die Parteien
solcher Qualitäten, daß sie keines Advokatens bedürftig,
und könnten ihr Wort selber reden2)."
Alle anderen aber mĂĽssen einen Advokaten nehmen 3).
Daher sind diese gehalten, Armen ex officio wechselweise
zu dienen. Als Arme gelten hier die Leute, die den glaub-
würdigen Ausweis erbringen, daß ihr Vermögen nicht über
50 Gulden beträgt. Ihnen sollen Advokaten und Pro-
kuratoren umsonst dienen „umb Gottes und Beförderung
der Gerechtigkeit willen" ; dech soll diese Bestimmung
nicht ausgenutzt werden, vielmehr „sollen solche die Mühe-
waltung gebĂĽhrlich bezahlen, wenn sie in der GĂĽte und
zu Recht etwas erhalten, oder sonsten Gott ihnen etwas
mehrers beschert" 4).
Es wird von den Advokaten erwartet, daĂź sie ihren
Beruf von wĂĽrdigen Gesichtspunkten aus betrachten und
nur Prozesse fĂĽhren, die sie vor Gesetz und Gewissen
verantworten können. Auch sollen sie ihre verantwortungs-
volle Stellung nicht zur Bereicherung habgierig miĂź-
brauchen :
„Haben die nicht gute Sachen , die sich ihres
Dienstes brauchen wollen, und wollen doch aus Halsstarrig-
keit nicht ablassen, so sollen sie kraft Unserer Landes-
ordnung sie davon abhalten und ihnen weder in recht-
1) B 1123 No. 6. 2) B 1091 V 5. 3) Ebenda 6. 4) B 1091
XXII 5. — Nur auf Grund richterlichen Gutachtens dürfen die
Advokaten advozieren in Sachen zwischen Eheleuten , zwischen
Eltern und Kindern, zwischen Obrigkeit und Untertanen, zwischen
Seelsorgern und Beichtkindern. (So bestimmt wenigsten» die Jenaische
Advokatur-Ordnung von 1726, Schmidt I, S. 157.)
296 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
liehen Prozessen oder gütlichen Verhören weiter nicht
dienen" J).
Und sie „sollen nicht über alle Kleinigkeiten den
Leuten Suppliken machen", „was nur Geldschneidereien
sind . . . Advocati aber, die nur Tagediebe sind, haben
bei 24 Dukaten Strafe von unwichtigen Sachen keine Bitt-
schriften zu machen. Widrigenfalls diese Verbrecher mit
Zuchthaus bestraft werden sollen ohne pardon" — so läßt
sich Ernst August im Inserat vom 8. Okt. 1737 vernehmen2).
Ist ein Advokat durch Beschäftigung am Hofgericht
oder den Untergerichten verhindert zu einem bei der
Regierung angesetzten Verhör oder Vorbeschied zu er-
scheinen, so ist diese „carentia advocati" als triftige Ur-
sache fĂĽr Verschiebung des Termins anzusehen, wenn acht
Tage zuvor darum nachgesucht wurde; sie ist jedoch nur
einmal zu gestatten 3).
Ordnung des Gerichtsverfahrens. Zwei Arten
der gerichtlichen Verhandlungen werden unterschieden:
Vorbeschiede zu gütlichem Verhör und Prozesse in recht-
lichem Verfahren.
Jene finden vor der Regierung statt, und zwar zu
frĂĽher Stunde an zwei Tagen jeder Woche.
Die Termine dazu sollen, wenn irgend möglich, wenigstens
einen Monat vorher „anbestimmt" werden 4).
Nach Verlesung der Briefe sind die Parteien, die ihre
Sache durch Advokaten führen, zu hören, und, was sie
vorbringen, sehr gewissenhaft zu bedenken. Dann treten
sie ab, Kanzler und Räte beraten über beider Parteien
Meinung Absatz fĂĽr Absatz und stimmen ab. Sodann findet
mit jeder Partei einzeln eine Unterredung statt 5).
1) B. 1091 XXII 3. Noch weniger sollen die Advokaten, „wie
zu geschehen pflegt, um ihres Nutzens und Vorteils willen, die Leute
in einander hetzen, noch von sĂĽhnlicher Vergleichung abhalten".
1672 Advokaten-Ordnung. (Schmidt I, S. 152.). 2) B 1124.
3) B 1091 V 16. 4) Ebenda 4. 5) Ebenda 4 u. 5.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 297
„Was die Parteien hincinde fürbringen, soll fleißig
protokolliert, gutwillig gehört, ihre Sachen eigentlich ein-
genommen, ponderiert und erwogen, die Momenta rerum
aus den produzierten Dokumenten wolbedächtig gelesen,
darĂĽber nach beider Parteien befohlenem Abtritt abge-
setztermaĂźen ordentlich votirt und sodann ad partem ein
und dem andern Teil mit gebĂĽhrlichem Ernst und Be-
scheidenheit zugeredet werden'' 1).
Das Verhör kann auf drei Weisen beendet werden2):
1) Die Parteien vergleichen sich gĂĽtlich und schlieĂźen
einen Vertrag.
2) Kanzler und Räte erlassen Dekret und Abschied.
3) Die Parteien entschlieĂźen sich, ihre Sache in einem
gerichtlichen Prozeß fortzuführen (sie werden „mit ihrer
Beliebung rechtlich vereinlaĂźt") und stellen dafĂĽr einen
KompromiĂź auf.
Ist eine schnelle Beendigung „wegen unvollkommenen Berichts
oder anderer Übelstände" nicht möglich, so soll den Parteien sofort
ein zweiter Termin anberaumt werden, von dem aber „keinem Teil
vergebliche AbkĂĽndigung oder AusflĂĽchte ohne bescheinliche Ehe-
haft verstattet werden" darf3).
Andernfalls ist der Vertrag, Abschied oder KompromiĂź bald
abzufassen und bekannt zu geben; oder es wird, sind noch andere
Verhandlungen zu fĂĽhren, den Parteien der Inhalt aus dem Protokoll
mĂĽndlich angedeutet und die endgĂĽltige Formulierung an einem nahen
Termin ihnen bekannt gegeben und ausgehändigt („und sodann zu An-
hörung und Ausantwortung des formalisierten Begriffs sobalden einen
Termin zu benamen") 4).
Verlegung des Termins für ein gütliches Verhör ist gestattet»
muĂź aber beizeiten nachgesucht werden ; mehr als zweimal wird kein
Termin verlegt. Dem Klagenden wird ohne besondere erhebliche
Ursache keine Verlegung zugestanden5).
Wenigstens 3 Tage vor dem bestimmten Verhör ist Antrag
auf Verlegung des Termines zu stellen, damit die Gegenpartei es
zeitig genug erfahre „und vergebliches Reisen und Unkosten ver-
bleibe". Anderenfalls sollen dem „gehorsamen" Teil die Unkosten
nach richterlichem Ermessen (auf „richterliche moderation") „un-
1) B 1091 V 7. 2) Ebenda 8. 3) Ebenda 9. 4) Ebenda 8.
5) Ebenda 14.
298 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
weigerlich" vom Ausbleibenden erstattet werden — auch wenn „ex
postfacto erhebliche impedimenta zu beweisen" — erst recht, „wenn
die Auffahrt in ipso termino abgeschrieben wird" und sich die
Gegenpartei eingefunden hat1).
„Schreibt ein Teil zu spät ab, kommt imparatus oder bleibt ohne
Entschuldigung auĂźen, so wollen Wir ihn Unkosten halber auf vor-
herige moderation zum Abtrag weisen, wenn öfter . . ., nach Be-
finden bestrafen"2).
Die erste Verlegung des Termins wird, ist sie beizeiten be-
antragt, unbedenklich gewährt; die zweite nur, wenn der Supplikant
„gar erhebliche Ursache anführt und genügend bescheinet", daß
ihm weder persönlich zu erscheinen noch einen bevollmächtigten
Vertreter zu schicken möglich ist. Erscheint der Beklagte auch
zum dritten Termin nicht, so wird trotzdem verhandelt und er „in
die Unkosten verteilet". Die nun vierte Ladung ergeht an ihn sub
poena confessi et recogniti; bleibt er auch dann noch fort, so soll
unerachtet dessen ,,uf des gehorsamen Teils Ansuchen verfahren,
die Sache summarie cognosziert, in Schuldforderungen, Brief und
Siegel pro recognitis gehalten, bei vorhandenem klarem Beweis ex
actis oder glaubwĂĽrdigen instrumentis bald executoriales oder ein
gewisser Bescheid erteilt werden" 3).
Bleibt der Beklagte fort, ohne ĂĽberhaupt um Verlegung des
Termins eingekommen zu sein, so erfolgt die zweite Ladung „bei
Strafe Ungehorsams" ; erscheint er auch dann nicht, wird er des
Ungehorsams beschuldigt, zu den Unkosten verurteilt und zum
dritten Mal sub poena confessi bezw. recogniti geladen ; bei fernerem
Ausbleiben „ohne Einwendung rechtmäßiger Ehehaften" wird gegen
ihn verfahren wie oben4).
Bleibt aber der Kläger fort, der schon an den ersten Termin
gebunden ist, so soll der Beklagte auf Ansuchen absolviert und der
Kläger zu den Unkosten verurteilt und nicht weiter zugelassen
werden, er habe denn dem Beklagten die Gerichtskosten auf ge-
richtliche moderation abgestattet und caution de lite prosequenda
bestellt.
Ist der Advokat beim Hofgericht oder den Untergerichten be-
schäftigt und deswegen nicht zu erlangen, so gilt dies als erhebliche
Ursache für Vertagung des Termins — wenn diese 8 Tage zuvor
beantragt wird — , aber nur für einmal6).
1) B 1091 V 15. 2) Ebenda 11. 3) Ebenda 12 u. 13.
4) Ebenda 14. 5) Ebenda 16.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 299
Um einer Verlegung aus diesem Grunde vorzubeugen, haben
die Parteien stets Namen und Beschäftigungsort ihrer Advokaten
anzugeben: auch sollen zu den Terminen des Hofgerichts keine Vor-
beschiede angesetzt werden, „wann sonderlich man weiß, daß die
Hofgerichts-Advokaten den Parteien bedient seien".
Die Kanzleiordnung ist darauf bedacht, daĂź die Par-
teien bei den Vorbeschieden angemessenes Verhalten beob-
achten. Kanzler und Räte sollen dafür sorgen, daß „alles
mit gebührender Bescheidenheit vorbracht wird" — und
sollen „denen die mit unhöflichen und unbescheidenen
Worten in oder vor unserer Ratstube herausfahren oder
eine öffentliche ungegründete Sache haben und sich doch
nicht weisen lassen wollen, zur Erhaltung Unserer FĂĽrst-
lichen und Regierungs Reputation, mit Vorbehalt verwirkter
Strafe, ernstliche Verweisung tun, nötigenfalls uns an-
zeigen" 1).
In eiligen oder geheimen Sachen mĂĽssen auf Nach-
suchen Kanzler und Räte besondere Audienz erteilen 2).
„Wenn wegen eilender oder geheimer Sachen, die wir
an Kanzler und Räte weisen, bei ihnen Gehör gesucht wird,
sollen sie es unweigerlich gestatten, das FĂĽrbringen fleiĂźig
aufzeichnen, nach sattsamer Deliberation und der Sachen
Beschaffenheit bald glimpflichen Bescheid erteilen oder
Uns Relation tun und Unsere Resolution holen." —
„Wenn die Parteien in Vorbeschieden trotz Fleiß nicht
gütlich verglichen noch verabschiedet werden können, so
verfolgen sie ihre Sache im gerichtlichen ProzeĂź weiter;
die Regierung „weist sie zu recht"."
„Zu Abwendung vergeblicher Unkosten" stellt sie
ihnen dann noch vor der Abreise vom Vorbeschied die
citationes zu.
Der Termin des Prozesses darf „ohne sonderbare er-
hebliche Ehehaften durchaus nicht erstreckt werden" 3).
1) B 1091 V 17. 2) Ebenda 18. 3) B 1091 VI 1.
300 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
Die prozessuale Verhandlung erfolgt nach MaĂźgabe
der Landesordnung und des „bisher üblichen Hofbrauchs"
oder des im Vorbeschied aufgerichteten Kompromisses.
Hiergegen soll die Regierung „keine Neuerung einführen
lassen" 1).
Das Urteil fällt die Juristenfakultät oder der Schöppen-
stuhl der Universität Jena — wohin, wenn keine erheb-
lichen Ursachen, die Rechtsprechung zu verweigern, oder
andere Unordnung es hindert (damit die Sache schleunig
erörtert wird), die Akten verschickt werden sollen, „sobald
die Parteien nur zum Urteil beschlossen" 2).
Ist das Urteil gesprochen, so hat die Regierung die
Akten „unsäumlich" wieder abzuholen und die Parteien zu
seiner Bekanntgabe zu laden 3).
Der FĂĽrsten Augenmerk ist besonders darauf gerichtet,
daß das Gericht schnell arbeite, aber nicht unnötig belastet
werde. So soll durch eine neue ProzeĂź- und Gerichts-
ordnung, fĂĽr die dem Herzog einen Entwurf einzureichen
alle Mitglieder des Regierungskollegiums aufgefordet werden,
eine Abkürzung der Prozesse bewirkt und, „wer dennoch
zu prozessieren Lust haben sollte, mit allerhand Abgaben"
belegt werden4).
Hofgericht. Gerichtsstätte für alle im Fürstentum
Weimar ansässigen oder begüterten Lehensleute des Herzogs
von Sachsen- Weimar, wie für alle in- und ausländischen
Mitbelehnten ; für Städte (für Gemeinde und Räte in allen, für
einzelne BĂĽrger in Lehenssachen), fĂĽr Geistliche in Streit-
sachen um ihre privaten GĂĽter; fĂĽr Amtleute, fĂĽr die
FĂĽrstlichen Herrschaften in Kammersachen, endlich fĂĽr alle
kanzlei-sässigen Grafen, Freiherren, Ritter und Edelleute,
wie für alle Stadträte und Richter, die keinem Amt unter-
1) B 1091 VI 2. 2) Ebenda 3. 3) Ebenda 4. 4) Regle-
ment von Ernst August, 1734, Februar. B 1123 No. 8.
in Sachsen- Weimar bis 1743. 301
stehen — für alle diese ist das 1566 errichtete Hofgericht
zuständige Gerichtsstätte *■).
FĂĽr alle anderen Edelleute, BĂĽrger und Bauern ist es
erst zweite Instanz, an die sie in Fällen der Rechts-
verweigerung, wie gegen parteiische oder sonst beschwer-
liche Urteile ihrer erstinstanzlichen Gerichte binnen 10 Tagen
nach erfolgtem Spruch und in Sachen von mindestens 60 fl.
Wert zu appellieren berechtigt sind.
Ăśberhaupt sind am Hofgericht bĂĽrgerliche Streitsachen
nur von 60 fl. Wert an aufwärts zulässig, sofern sie nicht
„Obrigkeit, Gerechtigkeit, persönliche und Feld-Dienstbar-
keit, ewige unablösliche Güld, Zins und Nutzung u. a. dergl.
belangen" — diese Sachen gehören vor die Regierung und
sind nötigenfalls vom Hofgericht an diese zu weisen.
Die Stellung der Regierung gegenĂĽber den
Untergerichten wird gekennzeichnet durch die Bestimmung,
daĂź sie
1) in ihre Verhandlungen nicht eingreife,
2) für die ordnungsgemäße Führung der Verhandlungen
und
3) für die Vollstreckung der gefällten Urteile Sorge
trage :
1) „Den Untergerichten erster Instanz sollen sie (Kanzler
und Räte) ordentlichen Lauf lassen, die Sachen nicht in
die Regierung ziehen .... vielmehr die Parteien, die ĂĽber-
mĂĽtig oder mutwillig die ordentliche Obrigkeit ĂĽbergehen,
an dieselbe wieder weisen, im übrigen sie gar nicht hören
noch ihre Briefe annehmen" 2).
Doch kann sie in Ausnahmefällen besondere Gerichts-
kommissionen einsetzen, auch nach Bedarf Visitationen an-
ordnen. Solche Ausnahmefälle sind :
,,a) wenn denegata vel protracta justitia gebĂĽhrlich
bescheinet wĂĽrde,
1) Schmidt IV, S. 484 ff., Kap. XVII/XVIII. (Hofgerichts-
ordnung von 1653). 2) B 1091 II 13.
XXVIII. 20
302 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
b) wenn der Unterrichter zugleich Partei und Richter,
c) oder dem einen Part mit Blutfreundschaft oder sonst
anverwandt,
oder d) sich der Richter der Sachen teilhaftig und
dieselben gleichsam sein eigen macht,
e) seinen Affekten allzusehr nachhängt, übel verfährt,
empfangene Befehle und Warnungen nichts achtet,
f) zu hitzig und eilfertig, ohne genĂĽgende Erkundigung
und Erkenntnis der Sachen eine Partei ĂĽbereilt oder den
Prozeß ab executione anfängt,
g) eine Partei aus Haß und Neid geschmäht hat und in
solch oder anderen schweren bĂĽrgerlichen Sachen mit ihr
in ProzeĂź geraten ist, oder
h) sonst in Rechten gegrĂĽndeten Verdacht auf sich
geladen hat, wenn er
i) die Sache wegen ihrer besonderen Wichtigkeit nicht
entscheiden oder zu einem kostbaren ProzeĂź gedeihen lassen
möchte, oder
k) ganz keine Folge bei den Parteien hätte."
In allen diesen Fällen sollen jedoch „die Sachen nicht
ganz von ihm abgefordert und anderen aufgetragen werden,
sondern ihm eine oder mehr Personen, bestallten Sachen
nach, zugeordnet werden".
Ăśber Visitation der Untergerichte sagt II 13 SchluĂź:
„Und wollen Wir Uns jedesmal auf Bedarf, nach
Befindung, in den Untergerichten sonderbare Visitation
uf des ungerechten Teils Unkosten hiemit vorbehalten
haben."
2) Für ordnungsgemäße Führung der Verhandlung sorgt
a) die Festsetzung einer bestimmten Frist. „Verspüren sie
aber iustitiam et favorem causae, sollen sie ein monitorium
oder excitatorium erteilen dĂĽrfen: daĂź dem Unterrichter
eine gewisse Zeit nach Gelegenheit der Sache bestimmt
werde, binnen welcher er dieselbe erörtern, oder in Ver-
in Sachsen-Weimar bis 1743. 303
bleibung dessen, auf Supplikant ferneres Ansuchen der
Avokation gewärtig sein solle" *) — und
b) die Verordnung, daĂź in der Regel keine Kommis-
sionen eingerichtet werden sollen, „um Steckenbleiben zu
verhĂĽten" 2).
3) Die Regierung hat die Urteile der Untergerichte zu
revidieren, sie den Verurteilten gegenĂĽber zu vertreten, da-
durch die Autorität der Gerichte zu stärken und die Voll-
streckung der Urteile zu befördern. Sollte aber der Unter-
richter sich einen VerstoĂź gegen die ProzeĂźordnung zu
schulden kommen lassen oder die Strafen zu hoch be-
messen, so ist die Regierung angehalten einzugreifen und
vom Unterrichter Bericht einzufordern bezw. den Anträgen
auf Milderung der Urteile stattzugeben 3).
Die Jurisdiktion der Regierung darf nicht
umgangen werden. Die Verordnungen von 1710 sagen der
Regierung „nachdrücklich" Schutz zu: „daß niemand, wer
der auch sei, insoweit der Handel nicht vor die geist-
lichen oder andere Gerichte gehört, in Justizsachen Unserer
Regierung Jurisdiktion sich entziehen oder selbige eludieren
kann" 4).
Durch mancherlei Bestimmungen wird ihr die Herr-
schaft im Gericht gesichert.
Eine erste Entscheidung aller bürgerlichen Rechtsfälle
bedeutet schon die Bestimmung, daĂź nur in guten Sachen
die Advokaten den Parteien bedient sein sollen 5), da ja
nur die Hofadvokaten bei den weimarischen Gerichten zu-
gelassen sind, und da die Parteien in der Regel ihre Sache
durch Advokaten fĂĽhren.
Gegen die richterliche Entscheidung der Juristen-
fakultät Jena ist Protest zulässig und wird anerkannt.
Aber in solchem Falle hat die Regierung doch den Ausfall
1)B]091II13. 2) Ebenda 14. 3) Ebenda 15. 4)B666No. 1.
5) B 1091 XXII 3.
20»
304 Die Entwicklung der Zentralverwaltung
des letzten Urteils bis zu einem gewissen Grade in der
Hand, indem sie den unparteiischen Ort, an dem nunmehr
die Akten „versprochen" werden, ohne Wissen der Parteien
auszuwählen hat1).
Gegen Regierungsdekrete, die ein gütliches Verhör ab-
schlieĂźen, ist eine einmalige Klage gestattet, die den Zweck
hat, die streitige Sache noch ein zweites Mal zu verhandeln
— zu „leutern"2). Der Supplikant hat dann binnen 10 Tagen
die mit seinem und seines Advokaten vollen Namen unter-
schriebenen gravamina einzureichen. Die Regierung ent-
scheidet, ob wieder in mĂĽndlichem Vorbeschied oder durch
Schriftenwechsel der Parteien zu verhandeln ist. Danach
wird vom FĂĽrsten oder der Regierung das Erkenntnis ge-
fällt. Gegen diesen Ausspruch ist dann weiter kein Suspen-
sivmittel, Leuterung, Oberleuterung zulässig. — Bei Ein-
reichung der Beschwerden deponiert, wenn sie als zulässig
erachtet sind, der vermögende Supplikant 50 fl. oder eine
andere von der Regierung bestimmte Summe in casum succum-
bentiae. Erweist sich, daĂź er keine iustam causam Htigandi
hatte, so verfällt das Geld, dazu muß er die Unkosten
tragen; auch kann er neben dem Advokaten in weitere
willkürliche Geldbuße, bei Unvermögenheit in Gefängnis-
strafe „verteilet" werden. Diese Leuterung3) ist 1619 auf
Ansuchen der Landschaft gegen Hinterlegung von 50 fl.
„vergönnt" und durch die Kanzleiordnung von 1642 be-
stätigt worden.
Ein Suspen sivmittel gegen Regierungsabschiede da-
gegen ist im gesamten Hause Sachsen nie verstattet4).
Von der Regierung darf nicht an den FĂĽrsten Be-
rufung eingelegt werden, „quippe quod eius nomine iudi-
cat" 5). Nur „mittels remedii supplicationis vel revisionis"
darf — nach Reichsgesetzen — „ad Serenissimum rekur-
1) B 1091 VI 4. 2) B 1091 V 10. 3) B 1566. 4) B 1566.
b) B 1129 g.
in Sachsen-Weimar bis 1743. 305
rieren, wer sich durch die Regierung beschwert glaubt" 1).
Alsdann hat diese die Sache mit ausführlichem „stand-
haftem" Bericht und Einsendung der Akten ad Serenis-
simum zu referieren, „damit dieser sie in anderwärtige
tĂĽchtige Einsicht nehmen lassen oder aber ad extraneos
impartiales möge verschicken können".
Die Autorität der Regierung soll also gestärkt, einer
etwaigen WillkĂĽr ihrer Beamten aber durch die Aussicht
auf eine mögliche Revision gesteuert, auch durch den
Rechtsgang besondere Gnadenbezeigungen des FĂĽrsten nicht
ausgeschlossen werden.
Durch alle Stufen gerichtlichen Streites sind die FĂĽrsten
darauf bedacht, ihrer Untertanen friedliches Einvernehmen
zu erhalten: auch wenn „durch rechtmäßige Appellation
eine Sache an Unserm Hof anhängig gemacht ist", wenn
also zumindest die eine Partei ihre Sache mit großer Zähig-
keit verfolgt, auch dann noch „sollen Kanzler und Räte
die Parteien zu Güte und Recht zitieren und zuvörderst
sie in GĂĽte auseinanderzusetzen sich befleiĂźigen" 2).
1) B 1129 g und B 1124. 2) B 1091 VI 5.
(Fortsetzung folgt.)
VII.
Die Generalvisitation Ernsts des Frommen im
Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645.
Von
Lic. Fr. Waas, Pfarrer in Waldmichelbach (Odenwald)
(Fortsetzung.)
IV. Die Kirchenvisitation.
1. Der Beginn der Visitation. Die Instruktion.
Nachdem die Schulvisitation im Amt Gotha beendigt
und während sie in den meisten übrigen Bezirken des
Landes in vollem Gange war, begann Ernst nun auch mit
der DurchfĂĽhrung seines eigentlichen Vorhabens, der
Kirchenvisitation. Bei der Visitation der Schulen hatte
man die gĂĽnstige Gelegenheit wahrgenommen, wo sich die
meisten Bewohner der Gotha benachbarten Dörfer in der
Stadt aufhielten; jetzt glaubte man diese Gelegenheit, ehe
sie vorĂĽberging, auch zur Erforschung der kirchlichen Ver-
hältnisse benutzen zu müssen. Zunächst kam es darauf
an, die richtigen Männer zur Durchführung der Visitation
zu gewinnen. Ernst berief deshalb am 10. November 1641
die Mitglieder des Konsistoriums zusammen und legte
ihnen die Frage vor, „ob nicht bei jetziger Zeit die Visi-
tation der Kirchen, zumal in hiesiger Stadt, Amt Gotha
und benachbarten Ämtern ins Werk gesetzt werden könnte".
Zugleich schlug er als Visitatoren von geistlicher Seite
Glass und Brunchorst, von weltlicher Johann Michael
S trau ss vor. Die Vorschläge fanden allerseits begeisterte
Zustimmung, als vierten Visitator nannte man, „da man
Die Generalvisitation Ernsts des Frommen etc. 307
D. Brückners nicht mächtig sein könnte", D. Schrickel,
Hof- und Konsistorialrat zu Eisenach und den Kammer-
junker Hans Caspar von Miltitz auf Gutmannshausen1).
Ernst erwiderte darauf, Schrickel stehe in Herzog Albrechts
Diensten und könne jetzt wohl nicht abkommen, da „occupa-
tiones bellicae et politicae obhanden" ; auch möchte es in
Weimar unangenehme Gedanken erwecken, wenn man
niemand von dort begehre. Es wurde daher Miltitz ein-
stimmig zum Mitglied der Visitationskommission bestimmt.
Eine Instruktion fĂĽr die Visitatoren war schon vorher auf-
gesetzt worden; jetzt wurde sie vorgelesen und ohne viele
Anstände genehmigt, zugleich wurden auch noch weitere
BeschlĂĽsse ĂĽber Zeit, Ort und Art der DurchfĂĽhrung der
Visitation gefaĂźt 2).
Der Beginn der Visitation lieĂź denn auch nicht mehr
lange auf sich warten. Bereits zwei Tage später, am 12. No-
vember, erging ein gedrucktes Ausschreiben an den Adel,
die Obrigkeit und die Pfarrer, in dem der Herzog erklärt,
er sei entschlossen, nunmehr mit der Hauptvisitation in
seinen Landen einen Anfang zu machen, und seine Unter-
tanen auffordert, der an sie ergehenden Vorladung, sowie
allen sonstigen Anordnungen gehorsamst Folge zu leisten 3).
Am Tage darauf wurde sodann den Visitatoren die Instruk-
tion mit der Aufforderung zugesandt, unverzĂĽglich mit der
Visitation zu beginnen4).
1) S. oben Bd. XXVII, S. 400.
2) S. die Akten in Loc. 19, No. 12.
3) Das Ausschreiben vom 12. Nov. 1641 hat mir in 2 Exem-
plaren vorgelegen: eins im Goth. Haus- u. Staatsarchiv KK 7, No. 5,
das andere im Konsistorialarchiv Loc. 18, No. 2. Das erste Exemplar
hat die Adresse: an Andreas Wex, Schösser zu Tenneberg, das andere:
an den Pfarrer zu Geschwenda.
4) Die Instruktion hat mir ebenfalls in 2 Exemplaren vor-
gelegen, das eine aus dem Kons.-Arch. Loc. 18, No. 2a, das andere
aus dem Ephoralarehiv zu Waltershausen Loc. III a, No. 1.
Das letztere Exemplar (W) ist unvollständig, es bricht bei den
Fragen an die Gemeinde Kap. 12, Fr. 20 ab. AuĂźerdem fehlen in
308 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Diese Instruktion regelt aufs genaueste den ganzen
Hergang bei der Visitation. Sie umfaĂźt in dem Exemplar
des Konsistorialarchivs zu Gotha 52 Folioseiten und enthält :
1) Bestimmungen darĂĽber, was vor der Visitation zu
geschehen hat: 9 Punkte, betreffend den Ort der Visita-
tion, die Personen, die erscheinen sollen und die Schrift-
stĂĽcke, die sie mitzubringen haben.
2) Bestimmungen ĂĽber die Visitation selbst:
a) die Befragung des Pfarrers ĂĽber seine Personalien
und die mit ihm anzustellende Prüfung („Conferenz");
b) Artikel, worauf die Pfarrer, Diaconi und alle
Kirchendiener befragt werden sollen: 20 Kapitel mit zu-
sammen 93 Fragen ; auĂźerdem einige Anweisungen darĂĽber,
wie die Pfarrer ihr Studium einzurichten haben;
c) Artikel, worauf die Eingepfarrten zu befragen :
14 Kapitel mit zusammen 222 Fragen, auĂźerdem An-
weisungen fĂĽr das Katechismusexamen der Gemeinde.
3) Bestimmungen darĂĽber, was nach der Visitation
zu geschehen hat: 17 Punkte.
Sehen wir uns nun die Bestimmungen der Instruktion
etwas genauer an! Was zunächst den Ort der Visi-
tation betrifft, so fällt uns auf, daß diese nicht in den
einzelnen Dörfern, sondern in den Städten Gotha, Walters-
hausen, Königsberg und Ichtershausen gehalten werden
soll. Nun war es ja allerdings in der Reformationszeit der
allgemein ĂĽbliche Brauch, die zu visitierenden Pfarrer,
Schulmeister und Gemeindeglieder in die Städte zu zitieren
und dort zu befragen. Noch 1555 wurde in Kursachsen
die Visitation in dieser Weise vorgenommen *). Indessen
kam es doch im 17. Jahrhundert mehr und mehr auf, die
einzelnen Orte selbst zu besuchen und eine Besichtigung
W einige Fragen, auch finden sich Unterschiede in der Numerierung.
— Das Original des Begleitschr. zur Instruktion vom 13. Nov. 1641
findet sich in Loc. 18, No. 2, ein Konzept dazu in Loc. 19, No. 12.
1) Schmidt, Die Visitation des Kurkreises 1555, S. 10.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 309
der Kirchen, Pfarr- und Schulhäuser mit der Visitation zu
verbinden. Auch Johann Gerhard, dessen Visitation von
1613 die direkte Vorgängerin der unsrigen war und un-
gefähr dieselben Gebiete umfaßte wie sie, ist mit seinen
Visitatoren von Ort zu Ort gezogen *). Wenn man jetzt
trotzdem den neuen Brauch verlieĂź und wieder auf den
alten zurückgriff, so geschah dies nicht aus Trägheit oder
GleichgĂĽltigkeit, sondern nur aus RĂĽcksicht auf die gegen-
wärtige Kriegslage. Befanden sich doch die meisten Be-
wohner des Landes gerade in den Städten und war es
„bei solcher gleichsam von göttlicher Allmacht selbst ge-
schehenen Zusammenforderung" entschieden das Geratenste,
die Visitation jetzt in der Stadt vorzunehmen. DaĂź eine
Besichtigung der kirchlichen Gebäude gerade in der
jetzigen Zeit sehr notwendig war, blieb den Visitatoren
nicht verborgen; und als bald nach Beginn der Visitation
von Seiten einiger Pfarrer der Wunsch geäußert wurde,
diese möge doch auf dem Lande abgehalten werden, er-
widerten die Visitatoren, dies sei bei den jetzigen Kriegs-
unruhen leider unmöglich, sie stellten aber eine Besich-
tigung der Kirchen- und Schulgebäude für später in
Aussicht.
Ăśber den Hergang bei der Visitation trifft die In-
struktion sodann, in teilweisem AnschluĂź an die Kasimiria-
nische Kirchenordnung, folgende Bestimmungen. Zunächst
sollen die Pfarrer einen kurzen schriftlichen Bericht ĂĽber
vier Punkte abfassen und auĂźer diesem Bericht zur Visi-
tation auch ihre KirchenbĂĽcher, alle Verzeichnisse und Ur-
kunden über das Kirchenvermögen , die Konzepte der
Predigten, die sie im letzten halben Jahre gehalten haben,
sowie die Bescheinigungen ĂĽber ihre Vokation, Konfirma-
tion und Ordination mitbringen. Die eigentliche Visi-
tation beginnt sodann damit, daĂź der Pfarrer ĂĽber seine
1) Berbig, Job.. Gerhards Visitationswerk, S. 7 ff. — Auch die
hessische Visitation von 1628 befolgte den neueren Modus. Vgl.
Diehl, Gesch. des Gottesdienstes, S. 8 ff.
310 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Personalien, seinen Studiengang und seine seitherige Tätig-
keit im Pfarrdienst ausgefragt wird, dann folgt die „Con-
ferenz", das Examen. Dieses Examen soll sich, wie in der
Instruktion genau vorgeschrieben wird, auf die heilige Schrift,
die Loci theologici und die symbolischen BĂĽcher, die
griechische und hebräische Sprache, sowie auf die An-
wendung der Schrift „in praxi officii ecclesiastici" be-
ziehen. Im weiteren haben die Visitatoren den Pfarrer
ĂĽber bestimmte Punkte zu befragen, dann folgt das Kate-
chismusexamen der Gemeinde, fĂĽr das die Instruktion be-
stimmte Anweisungen gibt, zuletzt kommt das Verhör des
Ausschusses der Gemeinde. Den dargestellten Verlauf
nahm die Visitation fast ausnahmslos bei allen Orten, nur
daĂź die Reihenfolge der einzelnen Akte nicht immer die
gleiche war und daß die „Conferenz" einigen wenigen
Pfarrern erlassen wurde.
Die Instruktion ist ihrem Inhalt und ihrer Form nach
abhängig von der Kasimirianischen Kirchenordnung, diese
aber baut sich wiederum auf der Ordnung des KurfĂĽrsten
August von Sachsen von 1580 und der Visitationsinstruktion
Johann Gerhards von 1613 auf1). Namentlich die Fragen
zeigen eine weitgehende Verwandtschaft mit ihren Vor-
gängern, vor allem mit der Casimiriana. So sind die Fragen an
den AusschuĂź der Gemeinde nur als eine Erweiterung
der in der Coburgischen (Kasimirianischen) Kirchenordnung
befindlichen zu bezeichnen. Die 90 Fragen dieser Ordnung
kehren bis auf die 5 Fragen des Artikels „von Schulen", die
1) Vgl. Loc. 19, No. 13, sowie Ăźerbig, Das Vis.-Werk Johann
Gerhards. — Die Eisenachische Visitation von 1613, deren Be-
stimmungen denen der gleichzeitigen Coburg-Gothaischen sehr ver-
wandt sind, kann hier außer Betracht bleiben. — Zu beachten ist,
daĂź die beiden genannten Kirchenordnungen Anweisungen fĂĽr die
jährlich zu wiederholenden , durch die Superintendenten zu ver-
richtenden Spezial- Visitationen geben, während nur 1613 eine der
unserigen parallele, von der Zentralstelle ausgehende General-
Visitation vorliegt.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 311
infolge der Schulvisitation ĂĽberflĂĽssig geworden waren *â– ) und
3 andere vollständig in der Instruktion wieder ; nur enthält
diese noch auĂźerdem eine groĂźe Menge von Fragen, die
über die Casimiriania hinausgehen. Während in der Kirchen-
ordnung nur vorgesehen ist, daß der Pfarrer über „Leben
und Wandel seiner anvertrauten Zuhörer" befragt wird,
und während der Ausschuß der Gemeinde dort mit diesen
Dingen verschont bleibt, finden wir in der Instruktion nicht
weniger als 8 Fragen „von der Eingepfarrten eigenem
Hauswesen", 47 „von Leben und Wandel der Mitnachbarn"
und 26 „von Obrigkeit und Gerichtspersonen". Von diesen
Fragen stammen allerdings eine ganze Anzahl auch aus
der Kirchenordnung, sie werden dort nur dem Pfarrer vor-
gelegt, andere sind denen der Kirchenordnung inhaltlich
parallel oder weitere AusfĂĽhrungen des dort Gesagten :
eine große Anzahl aber stehen ihr völlig selbständig
gegenĂĽber; sie sind durch die Zeitlage, die Unsicherheit,
die ständigen Plünderungen, Einquartierungen und Kon-
tributionen, sowie die infolge des Krieges einreiĂźende
Sittenverderbnis veranlaßt. Viel unabhängiger von der
Casimiriana sind die Fragen an den Pfarrer, und das
ist auch leicht zu begreifen, da man hier auf die Fragen
der „Praeparation" Rücksicht nehmen mußte und Wieder-
holungen möglichst vermeiden wollte. Doch ist auch hier
die Verwandtschaft mit der Kirchenordnung viel größer als
bei den Präparationsfragen 2).
Diese Verwandschaft mit frĂĽheren Ordnungen schlieĂźt
indessen nicht aus, daĂź die Instruktion ihnen gegenĂĽber
1) In den Visitationsakten (Loc. 19, No. 24) findet sich bei
dem Verhör einiger Bürger der Stadt Gotha vom 27. März 1642 an
genau derselben Stelle wie in der Casimiriania ein Artikel „von
Schulen", der 12 Fragen (gegenüber 5 der K.-O.) enthält. Es ist auf-
fallend, daĂź dieser Artikel nur an dieser einen Stelle vorkommt,
während er bei den späteren Verhören Gothaischer Bürger (30. u.
31. März 1642), sowie in den Vis.- Akten vom Lande fehlt. Auch
in W ist er nicht vorhanden.
1) Vgl. oben Bd. XXVII, S. 409-412.
312 Die General Visitation Ernsts des Frommen
einen Fortschritt darstellt. Ein solcher ist vielmehr deut-
lich vorhanden, und wir können ihn in folgenden Punkten
feststellen :
1) Die Anforderungen an die wissenschaftliche
Ausbildung und das Studium der Pfarrer werden ge-
steigert. Die Kursächsische Kirchenordnung enthält
keine Frage, die sich auf die wissenschaftliche Arbeit des
Pfarrers bezieht. Aber schon die Visitations-Instruktion
von 1613 und die Casimiriana, die in den Fragen beide
völlig übereinstimmen, erkundigen sich nach der Lektüre
der Schrift, der symbolischen BĂĽcher und der Schriften
Luthers, nach dem Gebrauch von Kommentaren und Postillen,
sowie nach der Kenntnis der griechischen und hebräischen
Sprache, wobei allerdings nach der Kenntnis der Grund-
sprachen in erster Linie nur bei denen gefragt werden soll,
„welche inkünftig zu vornehmen Diensten aspirieren". Die
Instruktion von 1641 hebt nun nicht nur die letztere Be-
schränkung auf, sondern sie stellt auch noch weitergehende
Anforderungen namentlich an die Beschäftigung der Pfarrer
mit der Heiligen Schrift.
2) Um diese Anforderungen auch tatsächlich durch-
zufĂĽhren , gibt die Instruktion deshalb genaue An-
weisungen, wie die Pfarrer ihr Studium einzurichten
haben. Bereits die Kirchenordnungen betrachten ja die
wissenschaftliche Weiterbildung als Amtspflicht des
Pfarrers 1). Sie bestimmen deshalb, daĂź die Visitatoren bei
jeder Visitation den Pfarrern ein bestimmtes biblisches
Buch angeben sollen, das diese bis zur nächsten Visitation
fleiĂźig zu lesen haben und aus dem sie dann examiniert
werden. Ahnlich soll auch mit den Locis theologicis ver-
fahren werden2). Die Instruktion unterscheidet sich von
diesen Bestimmungen dadurch, daĂź sie fĂĽr die private Be-
schäftigung der Pfarrer mit theologischen Studien genaue
1) Vgl. Drews, Der evangelische Geistliche in der deutschen
Vergangenheit, S. 37.
2) Kurf. K.-O. 1618, S. 232 f. Cob. K.-O. 1626, S. 239.
im Herzogtum Sachsen- Gotha 1641 — 1645. 313
Einzelanweisungen gibt. Namentlich fĂĽr das Schrift-
studium wird genaue Anleitung gegeben : die Pfarrer sollen
sich den Inhalt jedes Buchs und jedes einzelnen Kapitels
genau merken , sie sollen alle denkwĂĽrdigen SprĂĽche in
ein „sonderbares Enchiridion" eintragen, sie sollen sich
alles merken, was zur Lehre, Trost, An- und Abmahnung
dient usw. 1). Es werden auĂźerdem eine ganze Reihe von
theologischen Schriftstellern genannt, deren Schriften
zum Studium gebraucht werden sollen ; auĂźer Luther werden
nicht weniger als 22 Autoren angefĂĽhrt, die fĂĽr das Stu-
dium im allgemeinen in Betracht kommen, 3 werden da-
neben noch als Interpreten und 7 als Postillanten em-
pfohlen. Auch die Anweisungen der Instruktion fĂĽr die
Predigt gehen weit ĂĽber das hinaus, was die Kirchen-
ordnungen enthalten.
3) Bei allen diesen Anweisungen aber tritt die Be-
ziehung auf die Praxis auf das deutlichste bevor. Die
Pfarrer sollen, so lesen wir in der Instruktion, in ihrem
Studium „alles dahin dirigieren, daß sie nicht allein in der
Wissenschaft der nötigen Glaubensartikel, sondern auch
vornehmlich in der Erkenntnis des Willens Gottes, nach
demselben die Erbauung in Trost, Ermahnung, Warnung
und in Summa das ganze christliche Leben anzustellen,
recht informiert werden mögen". Sie sollen dahin trachten,
daß, was sie selbst gefaßt, auch „bei ihren Zuhörern zu
notwendiger Pflanzung der Kenntnis unserer alleinselig-
machenden Religion und Ăśbung des Christentums ange-
wendet werden möge". Im Examen werden die Pfarrer
danach gefragt, „wie sie in praxi ofticii theologici be-
schlagen", wie sie die „halsstarrigen Sünder zu rechter Er-
kenntnis und Reue bringen, wie sie die erschrockenen Ge-
wissen aus Gottes Wort trösten, was für Unterricht, Rat
1) Vgl. Kap. I, Fr. 2 der Instruktion. Die Casimiriana und
die Visitationsfragen von 1613 haben an der betreffenden Stelle nur
die Worte: „Dazu den Unberichteten Anleitung zu geben". Die
Instruktion fĂĽgt dagegen eine ausfĂĽhrliche Anleitung hinzu.
314 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
und Trost sie denen geben, die sonderbare geistliche tenta-
tiones baben". Beim Studium derScbrift soll besonders
beachtet werden, „was zur Lehre, Trost, An- und Ab-
mahnung darin begriffen"; bei den Predigten wird vor
allem danach gefragt, ob sie sich auch „nach Beschaffen-
heit des Orts, der Zeit und der Zuhörer Bequemlichkeit"
richten, „ob auch nur solche Sachen vorgebracht werden,
die erbaulich und auf praxim vitae Christianae gehen, oder
ob zu viel in theoria et explicatione litterali immoriert
werde, item ob auch heterogenea, als viel weltliche Historien,
Fabeln, unnötige Controversen, Allegorien und viel Latein
und dergleichen immisciert werde". Auch die Gemeinde
muĂź darĂĽber Auskunft geben, ob die Predigten des Pfarrers
ihrem praktischen Zweck entsprechen, ob der Pfarrer keine
unnützen Dinge vorbringe, ob er „fein einfältig predige . .,
besonders aber ihnen öffentlichen Unterricht gebe von jetzigen
bösen Zeiten und wie sie sich dabei christlich zu verhalten".
Ă„hnliche Bestimmungen fehlen ja auch in den Kirchen-
ordnungen nicht völlig, aber sie treten doch bei weitem
nicht so in den Vordergrund wie in der Instruktion.
4) Mit dieser Betonung der Praxis hängt es zusammen,
daĂź ihr gegenĂĽber die reine Lehre mehr zurĂĽck-
tritt. Die Augustinische Kirchenordnung fragt gleich zu
Anfang den Pfarrer aufs genaueste nach seiner Lehre ; die
Instruktion Joh. Gerhards und die Casimiriana bringen die-
selbe Frage in verkĂĽrzter, aber sachlich nicht verschiedener
Form, während die Instruktion von 1641 die Frage nach
der Lehre zwar wörtlich der Casimiriana entnimmt, aber
gleich unter derselben Nummer noch hinzufügt: „item ob
sie solche BĂĽcher (die vorher genannten symbolischen
Schriften) auch haben und gelesen haben1)?" Wir sehen
1) Die Frage der Casimiriana lautet : „Ob sie der reinen Lehre,
wie dieselbe aus prophetischen und apostolischen Schritten in den
dreien Haupt- Symbolis, in der ungeänderten Augsburgischen Con-
fession, eiusdem Apologia, Catechismis Lutheri und den Schmal-
kaldischen Artikeln verfasset und im Concordienbuch wiederholet,
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 315
hier deutlich : die Gefahr ist nicht die, daĂź die Pfarrer
einer falschen Lehre zugetan sind — ihre Rechtgläubigkeit
wird vielmehr als etwas fast Selbstverständliches voraus-
gesetzt — sondern daß sie zu wenig von der Lehre wissen
und sie deshalb nicht recht anwenden können. Aller-
dings wird die reine Lehre nicht als etwas Nebensächliches
angesehen, die lutherische Religion wird vielmehr unzwei-
deutig als „allein seligmachende" bezeichnet und die Ge-
meindeglieder werden danach gefragt, ob der Pfarrer etwas
öffentlich gelehrt habe, was dem heiligen Katechismus
zuwider sei; trotzdem aber liegt das Hauptgewicht
nicht auf der Lehre. Das zeigt sich auch bei dem
Examen des Pfarrers. Dieses ist sowohl in der Instruk-
tion von 1613 wie in den beiden Kirchenordnungen in
erster Linie Lehrexamen. Die Instruktion Johann Gerhards
gibt, ĂĽbereinstimmend mit den Bestimmungen der Kurf.
K.-O. ĂĽber das examen ordinandorum *), 27 Punkte an,
die im Examen vorgenommen werden können und geht
dabei besonders ausfĂĽhrlich auf die strittigen Punkte, die
Lehre von der Person Christi, von den guten Werken, von
den Sakramenten und von der Prädestination, ein. Die
Aufgabe der Visitatoren bei dem Examen besteht nach
beiden Kirchenordnungen darin, daß sie „von einem jeden
Pfarrer und Seelsorger den Grund seines Glaubens und
Bekenntnisses eigentlich erkundigen und so lange anhalten,
bis sie seiner Lehre gewiĂź, daĂź sie rein sei und daĂź der
Kirchendiener sie in allen Artikeln mit genĂĽgsamen Zeug-
nissen und Gründen göttlicher Schrift bewähren und ver-
treten könne". Hier steht an erster Stelle die Frage nach
der Reinheit der Lehre und erst an zweiter folgt die, ob
von Herzen zugetan, auch mit Verleihung göttlicher Hilfe bei der-
selben standhaftig zu bleiben gedenken?" Die Form der Frage in
der Instruktion verändert ihren Sinn völlig, indem jetzt nicht mehr
auf das Bekenntnis zur lutherischen Lehre, sondern auf die Kenntnis
der symbolischen BrĂĽder der Hauptnachdruck gelegt wird.
1) Ausgabe von 1618, S. 91 ff.
316 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
der Pfarrer diese Lehre auch kenne und mit biblischen
GrĂĽnden zu verteidigen wisse. Die Instruktion dagegen
setzt die Zustimmung zur Lehre als ziemlich selbstver-
ständlich voraus und erkundigt sich statt dessen nach der
Kenntnis der Lehre und nach der Anwendung im
praktischen Amt.
5) Mit diesem Zurücktreten der reinen Lehre hängt
zusammen, daĂź die Schrift gegenĂĽber dem Bekenntnis
viel stärker betont wird. Für das Schrift Studium werden
die genauen Anweisungen gegeben, nicht fĂĽr das Studium
der Symbolischen BĂĽcher. Erst sollen die Pfarrer, so heiĂźt
es in der Instruktion, die Schrift lesen und dann erst sich
bei jedem wichtigen Spruch ĂĽberlegen, zu welchem Locus
theologicus er zu beziehen sei.
6) Endlich aber ist etwas Neues gegen frĂĽher das mit
der Visitation verbundene allgemeine Katechismus-
Examen der Gemeinde. Wohl erfahren wir auch frĂĽher
hie und da etwas davon, daĂź man bei den Visitationen
einzelne Leute im Katechismus examiniert habe. Wir hören,
daĂź man 1555 wenigstens die Vertreter der Gemeinde ge-
prüft hat1), auch 1613 werden hie und da an „besonders
schwache und zweifelnde Christen Fragen aus dem Kate-
chismus" gerichtet2). Doch finden wir weder in der Augusti-
nischen K.-O. noch in der Instruktion von 1613 ein all-
gemeines mit der Visitation verbundenes Katechismus-
Examen der Gemeinde erwähnt, und auch die Casimiriana
sagt nur in einer Anmerkung zu dem Artikel „vom Cate-
chismo" : „Wenn es die Zeit leidet, sollen die Visitatores
etliche von den Alten und Jungen, sonderlich auf den Dorf-
schaften, im Catechismo hören und erkunden, ob sie den
rechten Verstand haben von christlicher Lehre und Gott
recht anzurufen" 3). Die Instruktion Ernsts dagegen ordnet
ein Katechismus-Examen fĂĽr alle Gemeinden an, an dem
1) Schmidt, Die Visitation im sächsischen Kurkreis, S. 12.
2) Berbig, Joh. Gerhards Visitationswerk, S. 9.
3) Cob. K.-O. S. 248. Vgl. Bohne, Das Informationswerk S. 16.
im Herzogtum Sachsen -Gotha 1641 — 1645. 317
alle Gemeindeglieder teilzunehmen haben1), und das sich
nicht nur auf die Worte, sondern auch auf den „Verstand"
bezieht ; sie gibt bestimmte Fragen an, die den Visitatoren
zur Anleitung bei diesem Examen dienen sollen. Es sind
dies 19 Fragen im AnschluĂź an die HauptstĂĽcke des Kate-
chismus, die eine Dogmatik in nuce enthalten. Die Fragen
stehen dabei durchaus unter dem Gesichtspunkt der „Selig-
keit" ; es soll erforscht werden, ob die Gemeindeglieder das
rechte Verständnis der zur Seligkeit notwendigen Glaubens-
artikel haben. Deshalb steht die Lehre von der SĂĽnde
und der Erlösung, von der Person und dem Werk Christi
im Mittelpunkt der Fragen, da dies die fundamentalen
Artikel sind, deren genaue Kenntnis (cognitio explicita)
nach altprotestantischer Lehre notwendig ist, damit aus
dieser Kenntnis der wahre seligmachende Glaube erwachse.
Es tritt somit auch hier die Beziehung auf die Praxis
des christlichen Lebens deutlich hervor. Die Unterscheidung
zwischen fundamentalen und nicht-fundamentalen Artikeln
wird nicht verwischt, wie es sonst häufig in der Orthodoxie
zu Ungunsten der nicht-fundamentalen zu geschehen pflegte ;
es zeigt sich vielmehr ein deutliches BewuĂźtsein davon,
daĂź der Artikel von der Rechtfertigung des SĂĽnders vor
Gott der Hauptartikel des christlichen Glaubens ist, dem
gegenĂĽber alle anderen Artikel nur abgeleitete und darum
untergeordnete Bedeutung haben. —
Die Instruktion wurde den Visitatoren am 13. No-
vember zugestellt, und diese begannen sofort, die nötigen
Vorbereitungen zu treffen. Der Beginn der Visitation war
zuerst auf Dienstag, den 16. festgesetzt worden; dieser
Termin erwies sich indessen als zu kurz angerannt, und
man entschloĂź sich deshalb, erst am 18. zu beginnen 2).
Den Pfarrern des Amtes Gotha, den Einwohnern der ver-
1) Ein allgemeines Katechismus-Examen haben wir auch bei
der hessischen Visitation von 1628. Vgl. Diehl, Geschichte des
Gottesdienstes, S. 16.
2) Vergl. das Konzept zu dem Ladungsschreiben an die Pfarrer
in Loc. 18, No. 2 mit der späteren Form desselben in Loc. 19, No. 24.
XXVIII. 21
318 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
schiedenen Ortschaften und dem Amtsverwalter Joh. Breit-
haupt wurden fĂĽrstliche Schreiben zugestellt, die ihnen den
Beginn der Visitation ankĂĽndigten und sie auf bestimmte
Termine in das Augustinerkloster nach Gotha luden. Am
18. wurde denn auch tatsächlich begonnen. Die Gemeinde
Friemar machte den Anfang. Zunächst wurde der Pfarrer
Michael Ritter ĂĽber seine Personalien und einen Teil der
Visitationspunkte befragt, dann folgte die „Conferenz".
Am nächsten Tag führte man zunächst die Befragung des
Pfarrers zu Ende, auĂźerdem wurde die ganze Gemeinde,
„Mannes- und Weibespersonen, jung und alt ... in der
groĂźen fĂĽrstlichen Bibliothekstuben im Augustinerkloster
im Catechismo Lutheri beides nach den Worten und auch
notwendigstem Verstand der christlichen Lehre aus dem
Catechismo durch den Herrn Superintendenten examiniert".
Tags darauf wurden dann noch die Vertreter der Gemeinde
verhört, und nun kamen in rascher Folge Eschenbergen,
Hausen, Ballstädt, Molschleben, Bufleben und
die andern Dörfer der Umgegend an die Reihe x), so daß bis
Weihnachten die Visitation der meisten Dörfer des Amtes
Gotha und noch einer groĂźen Anzahl anderer Ortschaften
beendigt war. Man richtete sich dabei im wesentlichen
nach der Instruktion2); nur wartete man mit der Visi-
1) Konzepte zu den Ladungsschreiben 1) an die Pfarrer, 2) an
die Pfarrkinder, 3) an die Obrigkeit sind mehrfach in Loc. 19,
No. 24 und Loc. 18, No. 2 vorhanden. Das Originalschreiben an
Joh. Ăźreithaupt siehe Loc. 19, No. 19. Andere Originalschreiben
siehe Loc. 19, No. 20. 21. 25.
2) Das Exemplar der Instruktion, das der Visitation tatsäch-
lich zugrunde gelegen hat, ist keines der beiden, die mir zu Ge-
sicht gekommen sind. Denn in dem gothaischen Exemplar hat der
Artikel „von Leben und Wandel der Mitnachbarn" 47, der „von
der Obrigkeit" 26 und der „vom Gotteskasten" 18 Fragen, während
diese Artikel in den Protokollen nur 40, 21 und 16 Fragen ent-
halten. Das Waltershäuser Exemplar aber ist unvollständig; es
bricht bei Frage 20 des Artikels „von Leben und Wandel" ab. Doch
fehlen hier in dem genannten Artikel dieselben Fragen wie in den
Protokollen, so daß wir es als eine unvollständige Abschrift eines mit
den Protokollen übereinstimmenden Exemplares betrachten können.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 319
tation eines neuen Dorfes nicht immer, bis das vorhergehende
erledigt war, sondern nahm zunächst etwa das Katechismus-
examen mehrerer Gemeinden vor, befragte sodann die ver-
schiedenen Pfarrer über ihre Personalien, während das Ver-
hör der Pfarrer und der Gemeindevertreter an einem spä-
teren Termin stattfand und die „Conferenz" den Schluß
bildete. Ăśber alle Antworten wurde genau Protokoll ge-
fĂĽhrt und auch ein Urteil ĂĽber den Ausfall der Examina
in dieses aufgenommen. Als ProtokollfĂĽhrer fungierte da-
bei der Adjunkt Martin Wandersieben aus Schönau,
der uns bereits von der Schulvisitation her bekannt ist.
Er hatte die Visitation seiner Schulen am 10. November
beendigt und konnte nunmehr seine Kraft völlig in den
Dienst der Kirchenvisitation stellen. Seine Protokolle
zeichnen sich nicht nur durch deutliche Schrift, sondern
auch durch Genauigkeit aus; von besonderem Wert fĂĽr
uns aber ist das Tagebuch, das er ĂĽber den Verlauf
der ganzen Visitation gefĂĽhrt hat. Dieses ,Diarium visita-
torium" enthält auf nicht weniger als 51 Folioseiten einen
Bericht ĂĽber den Verlauf der ganzen Visitation vom 18. No-
vember 1641 bis zum 20. August 1642, bei dem leider nur
die Ämter Königsberg und Schwarzwald (visitiert im Juni
1642) fehlen. Es ist so ausfĂĽhrlich, daĂź wir (abgesehen
von den genannten Ă„mtern) schon auf Grund dieses Dia-
riums ganz genau feststellen können, was an jedem ein-
zelnen Tag vorgenommen ist1). Dabei gibt das Diarium
nicht nur trockene Daten ; es ist vielmehr fĂĽr uns be-
sonders deshalb interessant, weil wir aus ihm viele Nach-
richten ĂĽber Schwierigkeiten, die sich infolge des Krieges
erhoben, ĂĽber die Stellung der Obrigkeit, der Pfarrer und
der Gemeindeglieder zum Visitationswerk, ĂĽber Verhand-
lungen mit widerstrebenden Adligen, ĂĽber die gelegentlich
der Visitation hie und da vorgenommene Besichtigung der
kirchlichen Gebäude, über die Abstellung der bei ihr sich
ergebenden Mängel u. a. m. entnehmen können.
1) Das „Diarium"' befindet sich in dem Band Loc. 19, No. 19.
21*
320 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
2. Die Beschwerden der Pfarrer ĂĽber die Visitation,
besonders über die „Conferenz".
Indessen kaum hatte die Visitation begonnen, so er-
hob sich auch schon die Kritik. Zwar hören wir jetzt
nichts mehr von einer prinzipiellen Opposition Kromayers,
aber die Diaconi zu Gotha hielten auch jetzt nicht zurĂĽck
mit ihren BemĂĽhungen, dem Visitationswerk Hindernisse in
den Weg zu legen. Und zwar setzte die Kritik an einem
Punkt ein, der tatsächlich einer der charakteristischsten
des ganzen Visitationswerks war und der den Pfarrern
auch besonders unangenehm sein mußte, nämlich bei der
„Conferenz". Die beid en ersten der examinierten Pfarrer,
Michael Ritter zu Friemar und David Frank zu Eschen-
bergen, hatten nicht gerade glänzend bestanden. Das Proto-
koll weiĂź von dem ersteren zu berichten, daĂź er die
Bibel nicht fleißig gelesen habe, daß er im Hebräischen
nichts und im Griechischen wenig versteht, daĂź er in den
Symbolischen BĂĽchern schlecht bewandert ist und daĂź
seine Predigten „so gar viel bloße allegata" bringen, an-
statt alles „ad usum practicum et aedificatorium" zu be-
ziehen, und auch das Urteil ĂĽber den zweiten lautet nicht
viel anders. Kein Wunder, daĂź die beiden von dem Examen
nicht sonderlich erbaut waren. Sie gingen zu ihren Kol-
legen, die sich ja alle in der Stadt befanden, und erzählten
ihnen Wunderdinge ĂĽber die Schwierigkeit des Examens.
Sie machten ihrem Unmut und ihrer Unzufriedenheit ĂĽber
das ganze Visitationswerk in unverhohlener Weise Luft,
und die anderen Pfarrer, denen das Examen und die Visi-
tation noch als drohendes Schreckgespenst bevorstand,
stimmten natĂĽrlich mehr oder weniger begeistert ein 1).
Man beschloĂź, die Beschwerden durch die gothaischen
Diaconi an den Superintendenten gelangen zu lassen, und
die beiden ältesten der anwesenden Pfarrer, Tobias Bruno
1) Alle Akten ĂĽber die Beschwerden der Pfarrer siehe Loc. 18,
No. 2.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 321
von Ăślleben und M. Johann Bergmann von Siebleben,
begaben sich zunächst zu Gnüge, dem zweiten Diakonus,
um diesem die Sache vorzutragen. GnĂĽge wollte die Ver-
antwortung nicht allein auf sich nehmen und bat die beiden
deshalb, die anderen Pfarrer aufzufordern, sie sollten alle
zusammen am 23. November morgens frĂĽh in die Marga-
rethenkirche kommen, um dort mit ihnen, den Diaconis,
alles Nähere zu beraten. Er selbst setzte sich sofort mit
Thilo ins Benehmen, und dieser erklärte seine volle Zu-
stimmung zu den Plänen der Pfarrer. Am 23. November
erschienen diese tatsächlich zur festgesetzten Zeit in der
Kirche, und nach kurzer Beratung einigte man sich dahin,
die Diaconi sollten sich zu GlaĂź begeben, ihn mĂĽndlich
ansprechen und seinen Rat begehren 1). Noch am selben
Vormittag wurde dieses Vorhaben auch ausgefĂĽhrt, Thilo
brachte im Beisein seiner beiden Kollegen die Beschwerden
vor, und GlaĂź nahm ein Protokoll auf, das sie in folgende
Punkte zusammenfaĂźt :
1) Die jetzige Zeit sei zum Visitationswerk völlig
ungeeignet, einmal wegen des traurigen Zustandes im Lande,
vor allem aber deshalb, weil die Pfarrer die BĂĽcher, die
zur Vorbereitung der „Conferenz" erfordert würden, nicht
zur Hand haben und lesen könnten.
2) Der Ort sei ebenfalls ungeeignet. Es sei besser,
zu warten, bis man die Visitation auf dem Lande abhalten
und dabei zugleich die Kirchen- und Schulgebäude be-
sichtigen könne.
3) Es sei bedenklich, daĂź auĂźer dem Superintendenten
und dem Hofprediger auch „politische Personen" bei dem
Examen zugegen seien, die dann mitanhörten, wenn die
Pfarrer schlecht im Examen beständen.
4) Es sei in der „Conferenz" von dem Superinten-
denten gar zu rigorose und unfreundlich (inhumaniter) ver-
fahren worden ; auch habe dieselbe zu lange gewährt.
1) Thilo war bei der Beratung nicht zugegen, da er eine Taufe
zu verrichten hatte; doch hatte er GnĂĽge vorher schon seine volle
Zustimmung ausgesprochen.
322 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
5) Es sei bedenklich, daĂź ein unbekannter Pfarrer
zum Protokollführer gebraucht werde und alles mitanhöre.
Dieser könne leicht etwas ausplaudern.
Den Haupt-Beschwerdepunkt bildete somit das Examen,
aber man blieb bei diesem einen Punkt nicht stehen, son-
dern benutzte die Gelegenheit, seiner allgemeinen Un-
zufriedenheit mit dem ganzen Visitationswerk Luft zu
machen.
Die Verhandlungen ĂĽber die Beschwerden der Pfarrer
nahmen nunmehr denselben Verlauf, den solche Fälle ge-
wöhnlich nehmen : die Angelegenheit wurde zunächst ge-
nau untersucht, die Beteiligten verhört, schließlich wurde
den Beschwerdeführern ihre Unbotmäßigkeit vorgehalten
und ihre Beschwerden zurückgewiesen. Zunächst verlangte
man von den Pfarrern, sie sollten ihre Bedenken noch einmal
schriftlich aufsetzen und dem Superintendenten ĂĽbergeben.
Tobias Bruno verfaĂźte daraufhin im Auftrag der ĂĽbrigen
Pfarrer ein „Memorial" , das im wesentlichen dieselben
Punkte enthielt wie das Protokoll des Salomon GlaĂź, in dem
nur die stärksten Behauptungen etwas gemildert waren x).
Am 25. November wurden sodann die Visitatoren zum
Herzog beschieden, um mit ihm ĂĽber die Beschwerden zu
beraten. Man ging die einzelnen Punkte des „Memorials"
genau durch und kam schlieĂźlich zu dem EntschluĂź, zu-
nächst die beiden examinierten Pfarrer zu fragen,
1) ob sie sich ĂĽber den einen oder anderen Punkt
beschwert?
2) was es in specie wäre, worüber sie sich beschwert?
Noch an demselben Tag erschienen die beiden denn
auch vor dem Superintendenten, um diesem die gewĂĽnschte
Auskunft zu geben. Ihre Antworten sind so charakteristisch
und geben einen so deutlichen Einblick in den Gang des
Examens und die Anforderungen, die an die Pfarrer ge-
1) Das „Memorial" ist, wie die Handschrift deutlich beweist,
von dem Pfarrer Joh. Daniel Ludewig zu Dachwig geschrieben
(Loc. 18, No. 2).
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 323
stellt wurden, wie über deren tatsächliche Kenntnisse, daß
ich mir nicht versagen kann, das Protokoll hier wenigstens
auszugsweise mitzuteilen. Der Pfarrer von Friemar ant-
wortete auf die Frage, ob er sich ĂĽber den einen oder
anderen Punkt beschwert habe: Nach der „Conferenz"
hätten ihn die Pfarrer gefragt, wie es zugegangen sei.
Da habe er denn einiges erzählt, woraus sie geschlossen,
die vorkommenden Fragen seien so schwer, daß es „nicht
möglich sei, bei so gestalteten Zeiten darauf zu resol vieren".
Er mĂĽĂźte aber bekennen, daĂź im Examen gar nicht rigo-
rose, sondern zum allerfreundlichsten mit ihnen wäre ver-
fahren worden ; er sei auch erbötig, sich alle Woche vom
Superintendenten examinieren zu lassen, wenn man es fĂĽr
nötig halte ; nur solle man es ihm nicht als Faulheit aus-
legen, wenn er jetzt auf solche Fragen nicht antworten
könne. Über den Verlauf des Examens im einzelnen habe
er den Pfarrern berichtet, er sei durch die Bibel gefĂĽhrt
worden und habe angeben sollen , wieviel Kapitel jedes
Buch habe und was die Summa jedes Kapitels sei, welches
ihm aber zu jetziger Zeit zu berichten unmöglich. Her-
nach hätte er sollen ex locis theologicis befragt werden,
wäre aber die Zeit nicht da gewesen. Ex libris Sym-
bolicis hätte er sollen antworten, welche er nie gelesen!
In Hebraea lingua desgleichen. In Graeca sei ihm der
Spruch Joh. 173 vorgelegt worden, „welches er auch
berichtet". Frank von Eschenbergen antwortet, er könne
nicht anders sagen, als daß ein freundliches Gespräch mit
ihm vorgenommen worden sei, er habe sich darĂĽber nicht
zu beschweren und habe sich auch gegenĂĽber den anderen
nicht beschwert. Er habe nur erzählt, daß er zuerst nach
seinem „curriculum vitae", dann nach der „genealogia et
numero patriarcharum" gefragt worden sei. Darauf hätten
sie gesagt, sie wunderten sich darĂĽber, da sie es selbst
doch ex tempore nicht wĂĽĂźten. Auch sei er gefragt wor-
den, wie Adams Söhne geheißen. Die Pfarrer hätten sich
ferner erkundigt, ob auch Hebräisch und Griechisch vor-
324 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
gekommen sei, worauf er ihnen geantwortet, wie es in
Wahrheit zugegangen.
Mit dieser Erklärung gab sich indessen das Kon-
sistorium noch nicht zufrieden. Samstag, den 27. November,
fand eine nochmalige Beratung statt, und es wurde be-
schlossen, zunächst die drei Stadtgeistlichen vorzufordern,
um von ihnen zu erfahren, ob die Landpfarrer zu ihnen
gekommen wären oder ob sie diese zusammengerufen hätten,
zugleich aber auch um ihnen anzudeuten, daĂź man es diesmal
unter Umständen nicht bei einem bloßen Verweis bewenden
lassen, sondern sie „mit realer ernster Strafe ansehen" werde.
Der Kanzler Franzke setzte ein „Memorial, was mit den
Diaconis zu reden" auf, ĂĽber das am 29. im Beisein des
Herzogs beraten wurde. Am Nachmittag desselben Tages
erschienen sodann die drei Diaconi vor Franzke und GlaĂź
und wurden von diesen eingehend ĂĽber die Vorgeschichte
der Beschwerden befragt. Da sich bei dieser Gelegenheit
herausstellte, daĂź die Pfarrer von Ăślleben und Siebleben
es waren, die GnĂĽge zuerst in seiner Wohnung aufgesucht
hatten, beschloĂź man, auch diese zu vernehmen. Sie stellten
bei ihrer Vernehmung am folgenden Tag den Hergang im
wesentlichen ebenso dar wie die gothaischen Stadtpfarrer.
Sie erklärten, sie seien zu ihren Beschwerden hauptsächlich
durch die Klagen des Pfarrers von Friemar veranlaĂźt wor-
den. Dieser habe sich nämlich besonders über das Examen
beschwert (er sei sein Lebtag noch nicht so examiniert
worden; ob er allerdings die Worte „rigorose et inhu-
maniter" dabei gebraucht habe, können sie nicht sagen) ;
und auch die Pfarrkinder hätten erklärt, das Katechismus-
Examen sei viel zu schwer ; sie wĂĽrden Dinge gefragt, die
ihnen zu hoch wären und die sie niemals gelernt hätten.
Es sei schon in der Stadt bekannt, daĂź die Pfarrer so
schlecht im Examen bestanden wären, denn es gehe ein
Gerücht, „man putzt die Pfaffen itzt wacker" ; sie wüßten
aber nicht, wer das GerĂĽcht aufgebracht habe.
Nachdem man so im Konsistorium die Hauptsache
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641 — 1645. 325
ĂĽber die Entstehung der Beschwerden erfahren hatte, wur-
den am 1. Dezember die sämtlichen Pfarrer vorgefordert.
Um 2 Uhr hatten sie im Amthaus in der Konsistoriaistube
zu erscheinen, dort wurde ihnen durch den Kanzler in An-
wesenheit der ĂĽbrigen Mitglieder des Konsistoriums die
fürstliche Resolution eröffnet 1). Auf ihre Behauptung,
sie hätten keine Zeit und keine Bücher zum Studieren,
erwiderte man zwar, „daß ihre rationes nichts taugen",
machte indessen doch dabei das Zugeständnis, daß man
jedem, der „seine Perplexität anziehen und um Zeit bitten
wĂĽrde", etwa 14 Tage Zeit geben wolle. Die Berechtigung
von „politischen Personen" bei der Visitation wurde durch
den Hinweis auf Kursachsen erwiesen, wo dies auch schon
vorgekommen sei ; der Behauptung, GlaĂź sei beim Examen
zu streng gewesen, wurde das andersartige Zeugnis der
Pfarrer Bitter und Frank entgegengesetzt. Die Bitte, die
Visitation möge auf dem Land vorgenommen werden, wurde
mit dem Hinweis darauf abgelehnt, daĂź es wegen der
Kriegsunruhen unmöglich sei , und daß man die Pfarrer
gerade jetzt in Gotha beisammen habe ; doch wurde eine
Besichtigung der kirchlichen Gebäude für später in Aus-
sicht genommen. Die Beschwerden wegen des Protokoll-
fĂĽhrers endlich wurden durch die Behauptung abgetan, sie
hätten den Fürsten nicht vorzuschreiben, was für Leute
er bei der Visitation gebrauchen solle. Mit dieser Vor-
haltung an die Pfarrer war die Sache beigelegt. Thilo
erklärte noch, daß sie zum Superintendenten gekommen,
sei nicht als querela, sondern als consilium aufzufassen;
sie seien zu ihm gekommen, wie ein Kind zu seinem Vater
1) Die fĂĽrstliche Resolution selbst ist nicht vorhanden; doch
wird sie sich wohl im wesentlichen mit den BeschlĂĽssen vom 27. No-
vember decken, die ich im folgenden anführe. — Es waren an-
wesend, soweit wir dies feststellen können, die Diaconi zu Gotha,
außerdem die Pfarrer von Goldbach, Remstädt, Molschieben, Frie-
mar, Gamstädt, Tüttleben, Cobstedt-Grabsleben, Siebleben, Brüheim,
Hausen-Ballstädt , Eberstädt-Sonneborn , Fröttstädt, Sundhausen,
Ăślleben-Boilstedt, GroĂź- Fahner und Eschenbergen.
326 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
Zuflucht nimmt. Wegen des Examens bitten sie nochmals
darum, daß man nicht so scharf mit ihnen verfahren möge,
sowie daĂź es nur im Beisein des Hofpredigers verrichtet
werde. GlaĂź erwiderte darauf, das Examen sei gar nicht
so schwer, wie das Zeugnis der inzwischen examinierten
Pfarrer von Molschleben , Hausen und Bufleben deutlich
beweise, die alle drei öffentlich erklärt hätten, es sei leniter
mit ihnen umgegangen und auch leichte geringe Fragen vor-
gebracht worden. Von der Anwesenheit weltlicher Personen
beim Examen könne man aber nicht absehen, denn dieses sei
ein Teil der Visitation, und die Politici hätten als Visitations-
Kommissäre das Recht, auch der „Conferenz" beizuwohnen.
Die Beschwerden der Pfarrer hatten somit kaum einen
direkten Erfolg. Alle ihre Bitten wurden abgelehnt, ja sie
muĂźten sich wegen ihres Verhaltens eine entschiedene Zu-
rechtweisung gefallen lassen. Nur das kleine Zugeständnis
wurde ihnen gemacht, daĂź manchen Pfarrern auf ihre Bitte
hin eine Frist von 14 Tagen zur Vorbereitung auf das
Examen gewährt werden konnte, und wir sehen aus dem
„Diarium", daß eine ganze Anzahl Pfarrer von diesem Recht
Gebrauch gemacht haben. Indessen ist nicht zu verkennen,
daĂź im allgemeinen von jetzt an die Visitatoren bei dem
Examen der Pfarrer behutsamer vorgegangen sind. So
lautet das Urteil ĂĽber die an dritter bis sechster Stelle
examinierten Pfarrer ganz anders als ĂĽber die beiden ersten,
was wohl nicht nur der größeren wissenschaftlichen Tüchtig-
keit der Pfarrer, sondern auch den geringeren Anforde-
rungen des Examens und der größeren Freundlichkeit des
Examinators zuzuschreiben ist. Von dem Pfarrer Johann
Christoph Tielemann zu Hausen, der am 24. November,
also am Tage nach der Anwesenheit der Diaconi bei GlaĂź,
geprüft wurde, heißt es z. B. : Er „ist in der Conferenz
wohl bestanden, ist in scripturis sacris Vet. et Novi Testa-
menti wie auch in scriptis symbolicis fein belesen, hat in
loco de regeneratione congrue respondiert. In Graeca lingua
ist er erfahren, aber nicht in Hebraea, dazu er doch gute
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 327
Beliebung trägt, solche nachmals zu lernen. Hat auch
den Tag vorher eine wohlgefaĂźte erbauliche Predigt ex
Eph. 431, 32 gehalten. Ist deswegen guter Förderung wohl
wert." Fast ebenso gĂĽnstig lautet auch das Urteil ĂĽber
den Pfarrer M. Justinus Gatzer von Molschleben (examiniert
am 25. November nachmittags)1). Wir lesen von ihm: Er
„ist ex Protevangelio oraculo Gen. 315 und etlichen anderen
vaticiniis veteris testamenti de Christo, ut ex loco de iusti-
ficatione gefragt worden, hat sich mit seinen responsis ver-
halten, daß man damit zufrieden sein können. Libros Sym-
bolicos hat er nicht gelesen, aber solches hinfĂĽro zu tun
versprochen. Ist ihm freundliche Erinnerung ge-
tan, die er in acht zu nehmen versprochen. Scripta
Frantzii und etliche Meisneri hat und liest er, die ihm auch
weiter nebst anderen guten autoribus zu lesen recommendiert.
In Hebraea lingua verstehet er kaum die Buchstaben, in
Graeca hat er etwas gelesen, aber nicht wohl grammatice
explicieren können. Hat, nachdem er und seine Pfarrkinder
post examen catecheticum dimittiert, gerĂĽhmt und sich
höchlich bedankt, daß so freundlich mit ihm
und seinen Zuhörern conferiert und zuweilen die
Antwort auf die Frage mit an die Hand gegeben worden,
mit Erbieten, solches auch gegen andere Pastores zu rĂĽhmen,
als welche es ihnen anders als in Wahrheit wäre, einbildeten."
Ebenfalls nicht ungĂĽnstig lautet das Urteil ĂĽber M. Andreas
Werner zu Bufleben, der am 1. Dezember vormittags ge-
prĂĽft wurde, und das Urteil ĂĽber Johann Madelung in
Warza, dessen Examen am folgenden Tage stattfand, ist das
gĂĽnstigste von allen, die uns bisher entgegengetreten sind.
Die Beschwerden der Pfarrer hatten ihren Hauptgrund
in rein persönlichen Rücksichten: sie wollten in ihrer Be-
quemlichkeit nicht gestört sein, ihre geringen wissenschaft-
lichen Kenntnisse sollten nicht ans Tageslicht kommen, ihr
Ansehen sollte nicht verringert werden. Aber wir gehen
1) Vgl. das Protokoll des Examens unten in Abschnitt 4 : „Der
Hergang bei der Visitation der einzelnen Ortschaften."
328 Die Generalvisitation Ernsts des Frommen
wohl nicht fehl, wenn wir neben diesen persönlichen Gründen
auch noch sachliche Gegensätze annehmen, die die Pfarrer
zur Opposition trieben, und wenn wir diese in derselben
Richtung suchen wie bei den Bedenken Kromayers. Darauf
weist uns vor allem die Bemerkung Thilos, die er gelegent-
lich der Verhandlungen einmal fallen lieĂź: Sie wĂĽnschten,
„daß es nicht gehe wie zu der Maccabäer Zeit, daß, wenn
man des Gottesdiensts und Sabbats allzusehr pflege, unter-
des Ausländische kommen und uns um unsere christ-
liche Freiheit und Religion bringen könnten". Wir sehen
daraus, daĂź den Pfarrern die BemĂĽhungen des Herzogs
um Hebung der kirchlichen und sittlichen Verhältnisse ein-
seitig und ĂĽbertrieben vorkamen, und von da ist es nicht
mehr weit bis zum Vorwurf der Frömmelei, der einseitigen
Betonung der Werke, des übermäßigen Heiligkeitsstrebens,
der Schwenkfelderei und Wiedertäuferei. Aus all dem
immer wieder hervorbrechenden Widerstand geht mit voll-
kommener Deutlichkeit hervor, wie unbeliebt die Visitation
in den weitesten Kreisen war, und wie Ernst seine Pläne
nur in ständigem Kampf mit widerstrebenden Ansichten
durchsetzen konnte. Wir erfahren von keinem Pfarrer, der
sich von vornherein für die Visitation erklärt hätte, viel-
mehr beteiligten sich, wie es scheint, alle in Gotha an-
wesenden Geistlichen an dem doch immerhin gewagten und
auch von Anfang an aussichtslosen Schritt, sich beschwerde-
fĂĽhrend an den Superintendenten zu wenden. Und daĂź
Männer, wie die Diaconi zu Gotha, die infolge ihres wieder-
holten Widerstandes doch schon manches auf dem Kerbholz
hatten, sich trotzdem dazu hergaben, die Sprecher der unzu-
friedenen Pfarrer zu sein, beweist, wie tief der Widerwille in
ihnen gewurzelt gewesen sein muĂź. Hatten sie doch selbst
von der „Conferenz" nichts zu befürchten, da ihre wissen-
schaftlichen Kenntnisse doch sicherlich längst ausreichten,
um das Examen gut zu bestehen 1). Sie handelten jedenfalls
nicht in erster Linie pro domo, sondern fĂĽr die Sache, und
1) Thilo wurde später überhaupt von dem Examen dispensiert.
im Herzogtum Sachsen-Gotha 1641—1645. 329
ihre angesehene Stellung als Stadtgeistliche erlaubte es ihnen,
freier aufzutreten, als ein Landpfarrer es hätte wagen dürfen.
So hörte ihr Widerstand auch jetzt noch nicht auf,
sondern brach auch später während der Visitation von
neuem wieder hervor. Wie alle Pfarrer, so hatten auch
sie vor dem Beginn des mündlichen Verhörs einen kurzen
Bericht über vier Punkte , nämlich über die eingeführte
Kirchenordnung, den Katechismus, die Wochengebete und
die Gesangbücher, einzureichen. In diesem Bericht erklärten
sie nun, die Coburgische Kirchenordnung sei bei ihnen ein-
geführt, „wiewohl von einem des Ministerii desidieret, daß
vom Herrn General, der sie gestellet, nicht zuvor zwei von
den ältesten Pfarrherrn aus Thüringen dazu wären be-
schrieben worden" *). Die Visitatoren nahmen indessen den
Bericht nicht an. StrauĂź gab ihn wieder an GnĂĽge und
Strobel zurück (Thilo war — jedenfalls absichtlich — gerade
abwesend) mit dem Bemerken, sie hätten solche Antwort
„nicht ohne des Herrn Superintendenten als ihres Haupts
Direction" aufsetzen und sonderlich im ersten Punkt nicht
„so anzügliche Worte, welche dem löblichen Fürsten, Herrn
Johann Casimiren christseligen Andenkens zum Despect
gereichen", gebrauchen dĂĽrfen. Die beiden versuchten sich
zu rechtfertigen, „sie hätten nicht anders vermeint, als daß
sie solches allein aufsetzen und dem Herrn Superintendenten
als Mitvisitatoren zustellen sollten", und erklärten zugleich,
die Bemerkung zum ersten Punkt habe Thilo fĂĽr sich allein
ohne ihre Zustimmung hinzugefügt. — Wie war nun aber
Thilo zu dieser Bemerkung gekommen? Wir können das deut-
lich erkennen, wenn wir vergleichen, was die Diaconi noch
sonst in ihrem Bericht melden. Sie sagen da, sie gebrauchten
in ihrem Unterricht nur Luthers Katechismus und keine
NebenbĂĽchlein als Rosini, Kilii u. a. In der Klosterkirche
würden in den Wochengottesdiensten, „da die Coenobiten
1) Kopie des Berichts (von Wandersieben geschrieben) in Loa 19,
No. 12. Alle weiteren Nachrichten stammen aus dem „Diarium"
(Loa 19, No. 19).
330 Die Generalvisitation Ernats des Frommen etc.
singen", allein Luthers Lieder gesungen und keine anderen,
weil doch auch Luther ernstlich warne :
„Viel falscher Meister itzt Lieder dichten,
Sieh dich vor und lern sie richten,
Wo Gott hinbaut sein Kirch und sein Wort,
Da will der Teufel sein mit Trug und Mord."
Nur in der Margarethenkirche seien die Kontrapunkts-
lieder frĂĽher im Gebrauch gewesen, wiewohl der verstorbene
Superintendent B. Walther „oft heftig darüber geeifert
und sie fast als verdächtige Wechsellieder (so zuvor in
weltlichen Parodien gesungen worden) halten wollen".
Wir sehen hier deutlich : die Diaconi sind Vertreter des
Alten, Hergebrachten, bei ihnen heiĂźt es: quieta non
movere. Sie widersetzen sich der EinfĂĽhrung neuer Gesang-
bĂĽcher und neuer Katechismusauslegungen; und deshalb ist
ihnen auch die Coburgische Kirchenordnung, die sich in
ihren Tendenzen vielfach mit den Bestrebungen des Herzogs
deckt, verdächtig. Deshalb traten sie auch in Gegensatz
zu Ernst und seinen Visitatoren ; denn diese sind die Ver-
treter des Neuen, sie sind mit den bestehenden Verhält-
nissen, mit dem Ausruhen auf der Lehre nicht zufrieden,
sondern wollen mehr Verständnis der Katechismuswahr-
heiten und ein dem christlichen Glauben entsprechendes
Leben. Sie ergreifen deshalb alle ihnen zu Gebote stehen-
den Mittel, mögen sie althergebracht oder neu sein, um
dieses ihr Ziel zu erreichen. Es ist dieselbe Stimmung der
Opposition gegen das Neue, die die gothaischen Diaconi
beseelt, die auch später immer wieder hervortrat, und die
sich auch in einem Schreiben der Wittenberger Fakultät
von 1644 ausspricht, in dem diese sich mit Entschieden-
heit gegen die in gothaischen Landen versuchte „Ver-
tauschung des lutherischen Katechismus, eines symbolischen
Buchs, durch selbstgemachte Büchlein" erklärt x).
1) Tholuck, Lebenszeugen, S. 75.
(Fortsetzung folgt.)
VIII.
Wie ist der Zwiespalt zwischen den fränkischen
und den sächsischen Geschichtsquellen über den
Untergang des thüringischen Königreichs zu er-
klären?
Ein Versuch
von
E. Liebmanu. Generalmajor z. D.
Die neuesten Abhandlungen in dieser Zeitschrift ĂĽber
den Untergang des thüringischen Königreichs haben mich
in hohem MaĂźe gefesselt und gereizt, den Zwiespalt zwischen
den fränkischen und den sächsischen Geschichtsquellen auf-
zuklären. Ich bin auch schließlich zu einem teilweise
neuen Ergebnis gekommen.
Die fränkischen Nachrichten über den Verlauf des
Feldzugs vom Jahre 531 sind bekanntlich sehr karg und
unbestimmt. Aber bei unbefangener Beurteilung und Be-
rücksichtigung aller Verhältnisse muß man Professor Höfer
recht geben, daĂź der Vormarsch Theoderichs von Mainz
durch die Buchonia das Sachgemäßeste war und daher das
Wahrscheinlichste bleibt. Auf dem Allerweltskampfgefilde
von MĂĽhlhausen und Langensalza wurde Hermanfried ge-
schlagen, auf seinem RĂĽckzuge oder seiner Flucht natur-
gemäß da gegen die Unstrut gedrängt, wo sie ihren an-
fänglichen Lauf mit einem südöstlichen vertauscht.
Entweder handelte es sich bei der zweiten Niederlage
um das Zusammenhauen einer Nachhut, die Hermanfried
auf der hohen Schrecke zur Sicherung seines Ueberganges
ĂĽber den EluĂź zurĂĽckgelassen hatte, oder ĂĽberhaupt um
die Vernichtung des letzten regellosen Haufens vom ThĂĽ-
ringer Heer. Alles verlief in kurzer Zeit, in einigen Tagen.
332 Zwiespalt der fränkischen u. sächs. Geschichtsquellen
Ganz anders klingen die sächsischen Nachrichten.
Die erste Schlacht findet bei Runibergun statt. Wenn
„Theoderich" dem „Hermanfried" wirklich bei jenem
Ronnenberg bei Hannover begegnet wäre , so wäre das
ebenso sonderbar, als wenn 1870 die deutschen Heere den
französischen nach den Niederlanden oder nach der Schweiz
entgegengezogen wären und sie auch wirklich auf einem
dieser Wege getroffen hätten.
Die Ronneberge bei Nebra können auch nicht in Be-
tracht kommen, sie sind nicht nur eine strategische, son-
dern auch eine taktische Unmöglichkeit. Kein einiger-
maßen kriegerisches Volk fängt die Verteidigung seines
Landes damit an, daß es sich in den äußersten Winkel
verkriecht, kein Feldherr stellt sein Heer zur Verteidigungs-
schlacht mit dem RĂĽcken gegen einen FluĂź auf, es sei denn,
daß er durch die Ereignisse dazu gedrängt worden wäre.
Runibergun bleibt vorläufig ein Rätsel, aber es muß
doch irgendwo nördlich der Unstrut, auf der Grenze
zwischen dem ThĂĽringer- und Sachsenland gesucht werden,
sonst wäre die Sachsenhilfe nicht zu verstehen.
Nach den sächsischen Geschichtschreibern werden
Lager bezogen, Kriegsrat findet statt, die Sachsen werden
herbeigerufen, es wird eine Burg belagert und eingenommen.
Das deutet auf eine längere Dauer des Feldzugs, als nach
den fränkischen Quellen angenommen werden muß. Aber
auĂźer dieser gibt es noch so viele andere Verschiedenheiten
zwischen den fränkischen und sächsischen Nachrichten,
und sie sind so in die Augen springend und so unaus-
gleichbar, daĂź der Gedanke naheliegt: es muĂź sich um
zwei zwar zeitlich, aber nicht örtlich zusammenfallende Be-
gebenheiten gehandelt haben. Dann könnten natürlich
auch die auftretenden Personen in beiden Begebenheiten
nicht dieselben sein, obgleich es nach den alten Chronisten
so gewesen zu sein — scheint.
Den Anfang des Fadens zur Entwirrung des Knäuels
lieferte mir Radegunde. Sie fiel zusammen mit ihrem
über den Untergang des thüringischen Königsreichs. 333
Bruder in die Hände Chlotars. Dieser gab sie unter
keinen Umständen heraus, er behauptete sie sogar im
Kampf gegen Theoderich , wie im Leben der heiligen
Radegunde zu lesen ist, Theoderich plante schlieĂźlich einen
Mord, der durch die Wachsamkeit Chlotars vereitelt wurde.
Chlotar, der Nebenkönig, glaubte also ein unbedingtes und
ausschließliches Recht auf den Besitz der beiden Königs-
kinder zu haben. Nur eins ist zur Erklärung denkbar:
Chlotar hatte seine Beute in einem selbständigen, in einem
Sonderkampf erobert, an dem Theoderich nicht teilge-
nommen hatte.
Der Sonderkampf setzt aber einen Sondermarsch voraus.
Ist nun irgendwo in den alten Chroniken ausdrĂĽcklich
ausgesprochen, daĂź Theoderich und Chlotar zusammen in
einem einzigen geschlossenen Kriegszug nach ThĂĽringen
marschiert sind, ist irgendwo gesagt, daĂź sie auch nur
einmal zusammen gegen den Feind gekämpft haben?
Das letztere ist glatt zu verneinen, aber das will
nicht viel sagen. Wichtiger ist die Beantwortung der
ersten Frage.
Gregor von Tours schreibt : Postea Theudoricus non
immemor periurias Hermenfredi regis Thoringorum Chlo-
tarachium fratrem suum in solatio suo vocat et adversus
eum ire disponit, und an anderer Stelle: Theudoricus autem,
Chlotarachium fratrem et Theudobertum filium in solatium
suum adsumptos cum exercitu abiit.
Der Liber hist. Franc, schreibt : In illo tempore Theu-
doricus et Theudebertus filius ejus et Chlotarius rex cum
Francorum exercitu Renum transeuntes in Toringam diri-
gunt contra Ermenfredum . . .
Aimoin ĂĽberschreibt ein Kapitel: De Chlotarii in Tho-
ringos expeditione und beginnt es mit dem Satz : Inde
fratre Chlotario in societatem adscito, ipse cum filio
Theodeberto Thoringam petit. Praeerat Thoringis Rex
Hermenfredus
XXVJII. 22
334 Zwiespalt der fränkischen u. sächs. Geschichtsquellen
Weiter möchte ich aus dem Leben des heiligen Juni an
— bei Bouquet, Tome III — der zur Zeit, als die heilige
Radegunde nach Poitiers kam, dort lebte, folgendes an-
fĂĽhren :
Temporis jam praedicti Principis et gloriosissimi
Chlotarii Regis cum propter ejus praeclarissimae virtutis
triumphos, et animi prudentissimi dispositionem, regnum
ejus undique diffunderetur et plurimae nationes dominatui
illius colla subjicerent, inter ceteras famosissimas et fero-
cissimas nationes, Toringorum valde nobilissimam gentem
sui Imperii ditionibus fecit esse subjectam. Nam cum
contra eam arma corriperet et viriliter dimicaret, adeptus
est ex illa praeclarissimos triumphos: et cum in praedam
gentis illius populi caderent, haec sanctissima puella Regis
neptis, Britharii filia capta est.
Bouquet hat das Leben des heiligen Junian einem
Schriftsteller des 17. Jahrhunderts Chesnius, d. i. Duchesne,
entnommen ; er glaubt, ihn verbessern zu mĂĽssen, und schreibt :
Falsum est Chlotarium Toringorum gentem suae ditione
imperioque subjecisse ; cum a Theodorico Austrasiorum
Rege subacti illi sunt ac tributarii facti, Chlotario in prae-
mium lati fratri auxilii portione praeda contento, ut ob-
servavit V. C. Valesius
Nun zur Untersuchung dieser Nachrichten! Giesebrecht
übersetzt den zweiten Satz Gregors: „Theoderich aber nahm
seinen Bruder Chlotar und seinen Sohn Theodebert zu
Hilfe mit sich und rĂĽckte ins Feld." Wo steht bei
Gregor „mit sich" ? Ich kann nur herauslesen, daß Theo-
derich den Chlotar und Theodebert zu seiner Hilfe nahm,
das heiĂźt, daĂź sie Bundesgenossen gewesen sind. Wenn
Chlotar tatsächlich mit Theoderich marschiert wäre, so
schadete der Zusatz Giesebrechts natĂĽrlich nichts , aber
das ist ja eben die Frage! Selbst aus dem Liber hist.
Franc, folgt der gemeinsame Vormarsch nicht. BlĂĽcher
und Schwarzenberg ĂĽberschritten Ende 1813 und Anfang
1814 mit den deutschen Heeren den Rhein und rĂĽckten
über den Untergang des thüringischen Königsreichs. 335
in Frankreich ein. Dieser Satz ist zweifellos richtig, falsch
wäre aber zu folgern, daß sie an derselben Stelle in Frank-
reich eingebrochen wären. Beide fränkische Nachrichten
lassen also die Frage vollständig offen.
Aber aus Aimoins erstem Satz geht mit ziemlicher
Deutlichkeit hervor, daĂź Chlotar zwar Bundesgenosse des
Theoderich gewesen, jedoch nicht mit ihm zusammen mar-
schiert ist. Auch die Ăśberschrift scheint darauf hinzu-
deuten. Freilich erzählt uns Aimoin in dem Kapitel nur
noch die Kämpfe zwischen Theoderich und Hermanfried.
Wie das zu erklären ist, wage ich nicht zu entscheiden.
Vielleicht ist etwas von dem Kapitel verloren gegangen,
vielleicht gibt uns die obige Bemerkung Bouquets einen
Aufschluß, der die Nachricht für falsch hält, daß Chlotar
die ThĂĽringer unterworfen habe. Es scheint, daĂź alle
Schriftsteller wie Giesebrecht den Zusammenmarsch fĂĽr
selbstverständlich halten, ich möchte beinahe sagen, es
liegt eine gewisse Autosuggestion vor, der entgegenzutreten
ich die KĂĽhnheit habe. Ich halte es daher auch fĂĽr wahr-
scheinlich, daĂź alle Nachrichten, die von jener allgemeinen
Annahme abwichen, mehr oder minder vernachlässigt und
unterdrückt wurden. Bouquet erklärt sie einfach für falsch,
während man doch nur sagen kann, daß Chesnius ebenso
einseitig urteilt wie sein Gegner.
Keine der ältesten fränkischen Nachrichten wider-
spricht nach allem meiner Ansicht, daĂź Chlotar gesondert
von seinem Bruder nach ThĂĽringen zog, manche sprechen
für mich. Das Folgende enthält aber weitere Belege.
Auf welchem Wege ist Chlotar nach ThĂĽringen ge-
zogen ?
So wahrscheinlich ein Zug Theoderichs von Mainz, die
Kinzig aufwärts usw. ist, ebenso wahrscheinlich ist ein
solcher Chlotars vom Niederrhein gegen ThĂĽringen. Eine
Versammlung seines Heerbannes bei Mainz wäre umständlich
gewesen, worauf ja auch der verstorbene Prof. Größler hin-
gewiesen hat. Aus dem Gebiet des Chlotar fĂĽhrten alte
22*
336 Zwiespalt der fränkischen u. sächs. Geschichtsquellen
Römerstraßen an den Niederrhein, von hier an der Ruhr
und Lippe weiter nach Höxter, wo die Weser in alter
Zeit oft ĂĽberschritten wurde. So gelangte Chlotar in be-
quemerer Weise als über Mainz an die nördliche Ein-
gangspforte ThĂĽringens zwischen Weser und Harz. Er
hat sicher einige zwanzig Jahre später denselben Weg ge-
nommen.
Bedenken wir das wenig brüderliche Verhältnis zwischen
Theoderich und Chlotar, so werden wir es begreiflich finden,
daĂź letzterer zwar sich bereit finden lieĂź, als Bundesgenosse
seines Bruders an dem Unternehmen teilzunehmen , aber
unter einigen Bedingungen : erstens daĂź er seinen Heer-
bann selbständig, nicht unter dem Oberbefehl seines Bruders
fĂĽhren durfte, und zweitens daĂź ihm das Land des Berthar
zugesprochen wurde, „falls ihnen der Himmel den Sieg ver-
leihen wĂĽrde". Es war ja auch ein ganz vernĂĽnftiger
Kriegsplan, wenn Theoderich gegen Hermanfried und
Chlotar gegen Berthar vorging. Das Weitere muĂźte sich
in ThĂĽringen finden. Ich nehme dabei mit Gloel an, daĂź
Berthar und Hermanfried getrennte Königssitze hatten, daß
das Land Berthars nördlich der Unstrut lag und daß Berthar
bei Beginn des Feldzugs noch lebte.
Ich bitte nun zu berĂĽcksichtigen, daĂź jene alten Schrift-
steller von Gregor von Tours bis zum Verfasser der Origo
Suevorum ein sehr geringes militärisches Verständnis
zeigten. Man erfährt von ihnen nichts über Stärke, Zu-
sammensetzung, Bewaffnung, Versammlungsort, Marsch-
richtung der Heere, sehr selten etwas ĂĽber Zeit und Ort
eines Zusammentreffens mit dem Gegner. Es ist anerkannt,
daĂź es ihnen genĂĽgte, den Haupthelden eines Feldzugs und
das Endergebnis zu berichten mit Ăśbergehung aller Neben-
personen, mögen diese auch eine wichtige Rolle gespielt
haben. „Alle Taten werden auch in den Erzählungen allein
dem Theoderich zugeschrieben", sagt Gloel.
Der Hauptfeldzug war derjenige des Theoderich gegen
Hermanfried, der Nebenfeldzug derjenige des Chlotar gegen
über den Untergang des thüringischen Königsreichs. 337
Berthar. Beide flössen im Laufe der Zeit zusammen zu
einem, muĂźten aber nun bei den Berichterstattern groĂźe
Verschiedenheiten aufweisen.
Chotar traf naturgemäß auf seinem Vormarsch auf
jene Wallburgen am Nord Westrand der Hainleite, welche
Werneburg im ersten Band der neuen Folge dieser Zeit-
schrift beschreibt. Es sind dies die Jechaburg, die Webels-
burg, die Ruhnsburg, die Helbeburg, die Alte Burg usw.
Dr. Fritz Regel meint zwar, sie seien älter als das thürin-
gische Königreich; trotzdem könnten sie aber doch in dem
Feldzug des Chlotar von den ThĂĽringern verteidigt und
von den Franken in Gemeinschaft mit den Sachsen ange-
griffen und schlieĂźlich genommen worden sein. Es ist auch
möglich, daß Berthar sein Glück zunächst in offener Feld-
schlacht versuchte und erst nach mehrtägigen Kämpfen und
nicht völlig besiegt in die Burgen zurückging.
Chlotar hatte wahrscheinlich auch groĂźe Verluste er-
litten, und so lag der Gedanke für ihn nahe, sächsische
Söldner in seinen Dienst zu nehmen, um die Burgen anzu-
greifen und den Feldzug zu Ende zu fĂĽhren.
Wenn irgend ein heute noch bestehender Name An-
spruch erheben kann, das Runibergun des Widukind zu
sein, so ist es der Name der Ruhnsburg. Vielleicht ist
gerade sie den sächsischen Söldnern als Angriffsziel zuge-
wiesen worden, während die Franken gleichzeitig einige
der anderen Burgen angriffen. Widukind verschweigt
letzteres, so daĂź es bei ihm so aussieht, als ob die Franken
dem Kampf der Sachsen um die Burg zugesehen hätten,
was unglaubhaft wäre. Dem Widukind kam es nur darauf
an, den Sachsennamen zu verherrlichen.
Runibergun ist im Gedächtnis der sächsischen Sänger
haften geblieben. Sie besingen den Kampf um eine Burg.
Wie Widukind dazu kam, sie Burgscheidungen zu nennen,
hat Prof. Höfer auseinandergesetzt. Gerade Widukind fällt
durch die Unklarheit auf ĂĽber die Rolle, die die Unstrut
in einem Kampfe um Burgscheidungen nach der Erzählung
338 Zwiespalt der fränkischen u. sächs. Geschichtsquellen
hätte spielen müssen. Sie spielt bei ihm gar keine Rolle.
NatĂĽrlich ! Denn bei der Ruhnsburg flieĂźt nur die harmlose
Wipper.
Nachdem nun einmal Burgscheidungen und die Unstrut
an die Stelle der Ruhnsburg und der Wipper getreten waren,
ist es nicht weiter auffallend, daĂź in den beiden jĂĽngsten
sächsischen Geschichtsquellen Sagen von der Unstrut in
die Erzählungen verflochten wurden.
Nunmehr erklärt sich auch der anscheinend große
Sprung in der Erzählung Widukinds von Runibergun nach
Scithingi. Es ist gar kein Sprung, wenn man die Feld-
schlacht in der Nähe der Ruhnsburg annimmt und an-
schlieĂźend den Kampf um die Burgen. Man versteht auch,
wie der Diener des „Theoderich" gleich nach der Schlacht
sagen kann, daß „Hermanfried" sich wie ein schwaches
Tierlein verkrochen habe, wenn man diese Ă„uĂźerung ĂĽber-
haupt geschichtlich nehmen will.
Man versteht , daß nur die sächsischen Geschichts-
schreiber etwas von der Sachsenhilfe wissen, nur die
fränkischen von den Fallgruben der Thüringer berichten.
Man versteht ĂĽberhaupt so ziemlich alles, wenn man in
dem geschichtlichen Kern der sächsischen Nachrichten
Chlotar und Berthar an die Stelle von Theoderich und
Hermanfried setzt.
Berthar fiel in den Kämpfen gegen Chlotar, seine
Familie wurde getötet, seine beiden überlebenden Kinder
gefangen. Seine Residenz und sein Land wurden grĂĽnd-
lich ausgeplĂĽndert. So kam Chlotar mit reicher Beute zu
Theoderich. Dieser war zwar auch siegreich, aber die
Hauptstadt Hermanfrieds, wo jedenfalls auch dessen Familie
zurĂĽckgeblieben war, hatte er nicht erreicht. Er muĂźte
plötzlich in seinem Siegeslauf einhalten und kehrtmachen
wegen des Aufstandes in der Auvergne und wegen der
zweideutigen Haltung seines Bruders Childebert. Wahr-
scheinlich erst auf seinem RĂĽckmarsch ist er mit Chlotar
über den Untergang des thüringischen Königsreichs. 339
zusammengetroffen, denn Gregor erzählt den Mordversuch
am SchluĂź der kriegerischen Begebenheiten.
Das Land nördlich der Unstrut, das Land des Berthar,
ist den sächsischen Söldnern nicht geschenkt worden, aber
sie werden von Chlotar die Erlaubnis erhalten haben, sich
anzusiedeln. Dazu werden nach und nach andere Ansiedler ge-
kommen sein. Die Nachrichten aus dem nördlichen Thüringen
von dieser Zeit knĂĽpfen meist an Chlotar an. Die Ansiedler
mit den ĂĽbriggebliebenen ThĂĽringern zahlten den Kuhzins.
Sie empörten sich deshalb später gegen Chlotar. Gregor
läßt zwar „die Sachsen" zu Chlotar sagen, sie wollten nicht
leugnen, daĂź sie schon seinen BrĂĽdern und Neffen Tribut
gezahlt hätten, aber diese Nachricht kann doch ebenso wie
manche andere desselben Chronisten ĂĽber ThĂĽringen als
falsch oder mindestens ungenau nachgewiesen werden.
Nicht einmal dem Theoderich werden die ThĂĽringer Tribut
gezahlt haben, sondern erst seinem Sohne Theodebert nach
dem Tode Hermanfrieds. Ganz bestimmt berichten dagegen
Fredegar und Aimoin, der Tribut von 500 KĂĽhen sei von
Chlotar auferlegt worden. Zwischen 531 und 553, als „die
Sachsen" sich empörten, ist Chlotar nicht in Thüringen
gewesen. Also kann der Tribut nur als eine Folge des
Feldzugs des Chlotar vom Jahre 531 angesehen werden.
Ich bin zu Ende, und meine Leser werden besser
herausfinden als ich, was gegen meine Anschauung vor-
gebracht werden kann.
IX.
Beiträge zur innern Geschichte der Stadt Meiningen.
Von
Professor Ernst Koch in Meiningen.
1. Die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Bat und
BĂĽrgerschaft zu Meiningen im Jahre 1424.
Im Gemeinschaftlichen Hennebergischen Archiv L) zu
Meiningen befinden sich einige frĂĽher unbeachtet gebliebene
Abschriften einer sonst nicht bekannten Urkunde vom
14. September 1424, wonach Bischof Johannes zu WĂĽrz-
burg als Landesherr von Meiningen die MiĂźhelligkeiten
schlichtete, die wegen verschiedener städtischer Angelegen-
heiten zwischen Rat und BĂĽrgerschaft bestanden hatten.
Die Urkunde besitzt besondere Bedeutung dadurch, daĂź sie
einen Einblick in ehemalige Verhältnisse der Stadt Meiningen
gewährt, über die sonst nichts weiter überliefert ist. Nach
der ältesten, wahrscheinlich bald nach Ausfertigung der
Urkunde hergestellten Abschrift lautet sie, wie folgt.
„Wir Johanns, von gotis gnaden bischoff zu Wirczpurg, be-
kennen und thun kunt allirmenniglichen an disem brive: Als unsere
ĂĽben getruwen schulteĂź unde rat unser stat Meyningen an einem
unde die gemeinde doselbest an dem andirn teyle bruch, czweytrach
unde gebrechen gein einandir gehabt unde uns die von beiden teilen
in Schriften geantwort und geben haben; unde wann uns nĂĽ czu-
steht unde wol czympt die unsern, die dann in czweitracht unde un-
eynickeyt sint, in eynickeit zu seczen, unde auch von obgnanten
beiden parthyen angeruffen sin, sie umb solche spenn unde gebrechen
zu entscheiden, unde nach dem wir dann ir beider gebrechen unde
antwort in Schriften unde muntlich gehört unde vernumen haben, so
scheiden unde seczen wir zum ersten, daz nu fĂĽrbaĂź der gancz rate
zu Meyningen ydes jars under in kysen und welen sollen acht virtel-
meyster also, das in ydem virtel zwein sin; der sal einer uĂź den
1; Sectio VI G 17.
Beiträge zur innern Geschichte der Stadt Meiningen. 341
schöpfen unde einer sust uß dem rate sin. Unde welch also von
dem rate odir dem mererteyl geweit wurden, die solten sich des an-
nemen. Konten sie des abir im rate nicht eynig werden, so behalten
wir uns macht, die darczu zu nemen unde zu geben. Unde wann
ichfc groĂźer treffenlichen sache durch den rate zu handeln ist, so
sollen die egnanten echte1) virtelmeister uĂź der gemeinde zu dem
rate unde in verbotten *), die sie dann uff ir eyde dĂĽnken die ver-
standesten unde nuczsten zu sin, und die in solch sache auch laĂźen
raten. Unde was dann also besloĂźen wirdet, dobie sal es blyben. II
Auch sollen fĂĽrbaĂź der gancz ratte undir in zwen kysen, einen uĂź
den schöpfen unde einen uß dem rate. Die selben zwen mit dem
Schultheis der stat groĂźer insigel yunhaben3) sollen, darczu ir iglicher
einen besundern sloĂźel haben sal. Was dann der rat domit ver-
sigeln heiĂźet, das sollen die selben dry thun. Unde umb das andir
dein insigel, domit sie biĂźher sendebrive4) und andere geringe sache
versigelt haben, domit sal es hinfur auch bliben und gehalten werden,
als vorher, ongeverde. || Wann auch eyn iglich schulteiĂź zu Mey-
ningen unde die schöpfen doselbest gericht besiezen, so sal der
schulteiĂź ein glicher frager sein dem armen unde dem riehen5). Unde
geburt dem schulteiĂź auch urteil zu sprechen, so sal er doch nicht
ee sprechen, dann offs aUirleczte, als die schöpfen alle gesprachen
haben, angeverde. Und sal auch einer iglicher parthy, die vor ge-
richt zu schicken haben, wer des begert, versigelt Urkunde geben
mit der schöpfen wißen, die do zu recht gesprachen haben, in red-
licher') forme, als dann ander gericht allen enden gewonheit ist, on-
geverde. || Auch seezen wir, daz der stat amptlute7), als betmeister,
Baumeister, wynmeister odir wie die dann heiĂźen, wievil der ubir eyn
ampt gesetzt sein8), miteinander rechenung thun sollen, odir ir einer
mit des andirn ganezen kuntlichen macht9). || Wir scheiden auch,
wann ein ynwonner zu Meyningen buĂźfellig wurdt, darumb dann
die burger zu pfenden haben, daz solch bĂĽĂźe an gemeynen nuez der
stat gefallen sal 10). Doch mögen sie einem iglichen wol gnade unde
1) D. i. acht.
2) D. i. erfordern.
3) D. i. in Verwahrung und Aufsicht haben. Aus dem Folgen-
den ergibt sich, daß der (natürlich im Rathaus befindliche) Behälter
oder Aufbewahrungsraum dieses Stadtsiegels mit drei Schlössern ver-
schlossen war.
4) D. i. gewöhnliche Briefschaften.
5) D. i. so soll der SchultheiĂź die Untersuchung gegen den
Armen in gleicher Weise unparteiisch fĂĽhren wie gegen den Reichen.
6) D. i. geziemender.
7) D. i. die Inhaber städtischer Ämter. Die „Betmeister" hatten
die dem Landesherrn zukommende Jahressteuer („Bete") einzunehmen,
die „Baumeister" waren über das städtische Bauwesen gesetzt, die
„Weinmeister" besorgten die Verwaltung des für den Ratskeller und
sonstigen Bedarf bestimmten Weinlagers.
8) Wie sich aus der Bestimmung ĂĽber die Rechnungslegung
ergibt, waren es deren je zwei.
9) D. i. oder auch nur einer von ihnen, dann aber mit der wohl-
beglaubigten Vollmacht seines Amtsgenossen.
lĂĽ) D. i. wir bestimmen auch fĂĽr den Fall, wenn ein Einwohner
zu Meiningen etwas beginge, worauf eine GeldbuĂźe als Strafe gesetzt
342 Beiträge zur innern Geschichte
fruntschaft darynne bewiĂźen, nach dem und die sache unde geschieht
an ir selbs ist; ußgenomen, ab icht mit urteyl den schöpfen1) büß
erteylt wurde, das mögen sie halden nach iretn willen 2). Duchte abir
die herschaft odir amptlute3), das gnade darynne zu thun were, des
eolten sie sich nicht wiedern, sundern sich darynne nach rate4)
fruntlich erezeigen. || Auch seezen wir, das furbas die schöpfen nicht
umb geringe ungeverliche sache die lute fellig teylen 5) sollen, sundern
wer offin berlich unde frevelich das gerichte und urteyler straft6)
odir sust solich sache beginge, das7) nit gut odir nuez were, das
ungestraft zu lassen. Dorumb mochten sie auch bĂĽĂźe teylen, als
das alles von im selbs gotlich8) unde billich ist; unde seezen in das
auch also zu iren eiden 9), die sie dem gericht gethan haben. || Es
sollen auch der rate unde bĂĽrgere der egenanten stat keynen ver-
wisen an10) der herschaft odir der amptlute11) willen unde wort. ||
Was auch geböte zu Meyningen geschehen, daruff man dann büß
seezt, die selben bĂĽĂźe die amptlute11) unde der rate daselbest haben12)
unde nydern mögen, darnach sie dunkt das der sachen notdorft sy;
darynn dann die gemeinde nichts tragen 13) nach reden sal, angeverde.
Unde mitnamen sal man das fynnacht fleiĂź an eyner sundern stat14)
feyl haben, da sich yderman wiĂźe nach czu richten. || Auch als man
iglichem schöpfen off sand Mertins abend 1B) hat geben zwen bemisch 16)
ist, und die (von ihm geschädigten) Bürger ihn darum (auf frischer
Tat) pfänden dürfen, daß solche Buße dem Gemeinwohl der Stadt zu-
gute kommen (also nicht in die Tasche des Pfandinhabers flieĂźen) soll.
1) Es sollte wohl heißen : „der schöpfen".
2) D. i. in solchem Falle mögen sie dem Urteil seinen Lauf
lassen.
3) D. i. wĂĽrde aber die Landesherrschaft oder deren Beamte
(in erster Linie ist an den bischöflichen Amtmann in Meiningen ge-
dacht) bedĂĽnken.
4) D. i. nach dem ihnen (den BĂĽrgern) erteilten Rat.
5) D. i. verurteilen.
6) D. i. miĂźachtet.
7) D. i. daĂź es.
8) D. i. um solcher Dinge willen dĂĽrfen sie auch BuĂźe auf-
erlegen, wie das alles an und fĂĽr sich schicklich (der Ausdruck
„gotlich" steht hier, wie auch sonst bisweilen, offenbar für
„getelich").
9) D. i. und wir verpflichten sie, auch dies auf Grund der
Eide zu tun.
10) D. i. aus der Stadt verweisen ohne.
11) D. i. der landesherrlichen Beamten.
12) D. i. erhöhen. Das Wort „haben", das sich an dieser Stelle
auch in einer zweiten Abschrift der Urkunde von ungefähr gleichem
Alter vorfindet (die zwei ĂĽbrigen , aus der Zeit von etwa 1470
etammeuden Abschriften haben dafür: „hohen"), steht hier für
„heben".
13) D. i. einwenden.
14) D. i. und zum Beispiel soll man das finnige Fleisch an einer
besonderen Stätte.
15) D. i. am Tage vor Martini , also am 10. November. Zu
Martini war in Meiningen Ratswechsel.
16) Ein „Böhmisch" war so viel wie ein Groschen.
der Stadt Meiningen. 343
unde zwey firtel1) wins und dem statschriber 2) auch sovil, das sal
auch furbas also besteen und gehalten werden. Unde als man vor-
mals den echten, die von der gemeind wegen in den rate gangen
sein 3), off die selben czijt iglichem eyn virtel wins geben hat, seczen
wir, das man nu fürbaß den zwelfen im rate, die nit schöpfen sein,
iglichem eyn virtel wins off sand Mertins abend geben sal, unde den
Btatknechten sal man geben, als vorher komen ist4). || Als man dan
vormals iglichem im rate zu wyhnachten hat geben eiu crisbrot5)
und zehen groschen zu opphergelte6), der doczumal newer zwelf im
rate gewest7) unde nu virundczwenczig sein, darumb scheiden unde
seczen wir, das man nu fĂĽrbaĂź mer iglichem im rate zu wihnachten
ein crisbrot geben sal, das ubir vir groschen ungeverlich nicht wert
sie, unde dem schriber auch eins, und darczu iglichem schöpfen unde
dem schriber fĂĽnf groschen zu opfergelt. Unde den amptluten8)
sal man auch crisbrot geben, als obgeschriben stet, den fry boten
unde knechten 9), als vorher komen ist. || Auch wann die amptlute
der stat rechnen10), so sal man iglichem im rate, die doby gegen-
wertig sein, einen behemischen groĂźen11) unde dem schulteĂźen, den
amptluten, die alsdann die rechenung thun, und dem schriber zwen
behemisch geben. || Unde wann man das ungelt rechent unde
nympt12), so sal man den schöpfen und den im rate kein gelt
geben, sundern so vil wins, als sie bie der rechenung ungeverlich
trinken, davon13) beczalen. Den schribern und knechten sal abir
daran werden ir recht, als das herkomen ist. || Unde als man zu
ostern den schöpfen unde den im rate auch opfergelt geben hat, das
scheiden wir auch abe'4). Sundern mit dem schriber und knechten
sal man es domit halten, als vor gewonlich gewest ist, angeverde. ||
Unde als die zwelf schöpfen meinen, das iglicher vorher macht habe
gehabt, ein gancz gebreu birs zu thun ib), er habe behusung odir nicht 1B),
1) D. i. Viertelskanne, ViertelsmaĂź.
2) So haben übereinstimmend die beiden älteren und die eine
der beiden jüngeren Abschriften; die vierte hat: „schultheisen".
3) D. i. den achten, die als Vertreter der Gemeinde an den
Sitzungen des Rats (vormals) teilgenommen haben.
4) D. i. wie es von frĂĽher Herkommen ist.
5) D. i. Christbrot, Weihnachtsstollen.
6) Unter „Opfergeld" verstand man ein Geldgeschenk, das ein
Fürst oder Stadtrat an hohen kirchlichen Festen, hauptsächlich zu
Weihnachten, seinen Beamten und Dienern zu geben pflegte.
7) D. i. deren (abhängig von „iglichem im radt") es damals
nur zwölf im Rate gab.
8) D. i. den oben angeführten städtischen Beamten.
9) D. i. den Gerichts- und Stadtdienern.
10) D. i. ĂĽber die Verwaltung ihrer Amter Rechnung ablegen.
11) D. i. Groschen.
12) D. i. und wenn man die Abgabe vom Getränk, d. h. von
Bier und Wein, einnimmt und Rechnung darĂĽber legt.
13) D. i. von dem eingenommenen Ungeld.
14) D. i. das schaffen wir mit diesem Vergleich ebenfalls ab.
15) D. i. brauen.
16) Das Braurecht der Bürger ruhte auf ihren Häusern. Ea
iet auffällig, daß in Meiningen auch Bürger, die kein Haus besaßen,
den Schöffen und somit dem Rate angehören konnten.
344 Beiträge zur innern Geschichte
unde das sie auch nicht fuerstete1) geben haben , sprechen und
scheiden wir, das sie das nĂĽ im rate seczen und machen sollen,
das glich sy2) unde der stat allir unschedelichst, angeverde. I Wir
sprechen und scheiden auch umb alle andere zuspruche*), stucke
und artickel, die sie dann uns beschriben4) geben haben, die dann
die bĂĽrgere zu Meyningen besunder gein einandir anruren, unde
myt Damen 5) als Diczel Ăźapp von gewichtes wegen geclagt hat, das
er des zu schaden komen sy6), darynn er dann die schöpfen, die
doczumal des rates woren7), schuldigt8), das9) die selben alle, die
dann sollich spruch gein einandir anruren ungeverlichen, zu Mey-
ningen sein sollen uff den nehsten montag nach sand Symon und
Jude tag10) und, wes sie dann einandir an rede nicht gelaßen mögen,
alsdann einandir zusprechen11). Da fĂĽr12) in off den selben tag ein
erber13) redelich recht'4) beseczen wollen. Unde was dann die da
nach zusprachen und antwort15) mit recht erfunden und erkant
wirdet von den, die am recht14) siezen werden, odir dem mererteyl,
dabie solle es blybe und von in genczlichen gehalten unde volfurt
werden. Was auch dann frager und urteyler, die am rechten seĂźen,
unredeliche spruche dughte16), die sie gein einandir hetten, die sollen
1) D. i. die Abgabe, die von den Feuerstätten entrichtet werden
muĂźte.
2) D. i. daĂź es mit dem einen so gehalten werde wie mit dem
andern. Die unmittelbar folgenden Worte zeigen, daĂź die hier be-
rührten vermeintlichen Vorrechte der Schöffen beseitigt werden sollten.
3) D. i. Klagpunkte.
4) D. i. schriftlich.
5) D. i. zum Beispiel.
6) Entweder hatte er gegen einen MitbĂĽrger Klage gefĂĽhrt,
daĂź er von diesem mit unrichtigem Gewicht ĂĽbervorteilt worden sei,
oder man hatte ihn selbst eines solchen Vergehens bezichtigt.
7) D. i. dem Rate angehörten, Mitglieder des Rates waren.
8) Die Vorlage hat „schuldig", die drei andern Abschriften
haben zum Teil (zwei) „schuldigt", zum Teil (eine) „schuldiget".
9) Der hier beginnende Nebensatz hängt ab von den Worten
„Wir sprechen und scheiden auch". Im darauf folgenden Relativ-
satz ist „die" Objekt, „sollich spruch" Subjekt.
10) D. i. am 30. Oktober.
11) D. i. und daĂź sie das, worin sie ohne gerichtliche Verhand-
lung einander nicht (das „nicht" fehlt in der Vorlage, findet sich
aber in den übrigen drei Abschriften der Urkunde) nachgeben mögen,
alsdann vor Gericht gegeneinander vorbringen.
12) So hat die Vorlage und die ungefähr gleichalterige Abschrift.
Die beiden andern Abschriften haben : „da wir". Im Original stand
jedenfalls, wie oben, und zwar mit versehentlicher Weglassung des
„wir" nach „für".
13) Die Vorlage hat fehlerhaft „erbir".
14) D. i. Gericht.
15) D. i. nach Rede und Gegenrede (Klage und Verantwortung)
der Parteien.
16) D. i. alle diejenigen Beschwerden, die den Richtern, mögen
sie nun das Verhör anstellen („fragen") oder das Urteil fällen, als
unbillig erscheinen.
der Stadt Meiningen. 345
macht haben die abczuthun1), die alsdann auch ab sein und nicht
mer vorgeczogen werden sollen, angeverde. || Unde nemlich scheyden
unde seczen wir, das die gancz gemeine zu Meyningen dem rate
daselbest in redelichen billigen sachen gehorsam und gefallig sein
sollen, als in andern unsers stiftes steten, widderumb der rate der
gemeyne getrulichen zu dem besten vorstehe und sein2) sollen, als
sy in des phlichtig sein. || Und in allen disen obgeschriben stucken
und artickeln behalten wir uns und unsern nachkonien s) gancz volen-
macht4), zu mynnern, zu meren, zu verandern, davon und darczu
zu thun, nach dem uns dunkt, das es uns, unserm stift und der
egenanten stat allernuczlichst und bequemlich6) sie, angeverde. || Und
off disen unsern uĂźspruch sal aller unwille und zweytracht zwiĂźen
dem obgenanten rat und der gemeyne zu Meyningen gancz und
alierdinge abe unde hingeleyt6) sein und dhein 7) parthy sal das gein
der andern in arg nicht mer furnemen, anden nach efern8) in keyne-
wiĂźe, an alles geverde. Und wer das kuntlichen ubirfure9) und
ufilauft odir zweytrach zwischen uns, unserm gewalt10), dem rate
und der gemeyn mechte odir understunde zu machen , der solt
bruchig11) und ungehorsam gehalten werden; unde wir und unser
nachkomen wolten den odir die swerlichen 12) darumb straffen. || Zu
Urkunde ist unser insigel an disen briff gehangen, der gegeben ist
am dunerstag des heiligen cruczs tag exaltacionis nach unsers hern
Cristi geburt virczehunder jar und dar nach in dem virundczwen-
cigisten jar."
Es ist schade, daĂź die von der Gemeinde gegen den
Rat und umgekehrt damals vorgebrachten Klagen nicht
erhalten sind. Aber aus den Zeilen vorstehender Urkunde
kann man lesen, welcher Art sie waren, und daĂź sich die
Gemeinde gegen den Rat weit mehr zu beschweren hatte,
als der Rat gegen die Gemeinde. Somit ersetzt die Ur-
kunde die fehlenden zugehörigen Akten wenigstens zum
Teil. Sie bietet aber auch bis zu einem gewissen Grade
Ersatz für die sonst größtenteils fehlenden Nachrichten
ĂĽber die damalige Verfassung der Stadt Meiningen.
1) D. i. die sollen sie befugt sein für nichtig zu erklären.
2) Zu „sein" gehört auch das „vor" in „vorstehe".
3) D. i. Amtsnachfolgern.
4) Die Vorlage hat „volenmach".
5) D. i. tauglich.
6) D. i. aus dem Wege geräumt („ab- und hingelegt").
7) D. i. keine.
8) D. i. noch rächen.
9) D. i. nachweislich überträte.
10) D. i. Gewalthaber, Stellvertreter oder Bevollmächtigten.
11) D. i. fĂĽr wortbrĂĽchig.
12) D. i. mit aller Schwere.
346 Beiträge zur innern Geschichte
Von dieser Verfassung war schon bisher bekannt, daĂź
die oberste städtische Gewalt in den Händen des Schult-
heiĂźen lag, dem der Rat mitsamt den zwar in obiger Ur-
kunde nicht erwähnten, jedoch durch andere Urkunden
auch für die nämliche Zeit bezeugten Bürgermeistern unter-
geordnet war. Dagegen erfahren wir nur durch unsere
Urkunde, daĂź der gesamte Rat zu Meiningen bis zu einem
nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem Jahr 1424
aus zwölf, damals aber aus vierundzwanzig Ratsherren be-
stand, von denen die Hälfte die Gerichtsschöffen waren,
die unter dem Vorsitz des SchultheiĂźen das Stadtgericht
bildeten. Wahrscheinlich wechselten sie darin nach Ab-
lauf eines städtischen Verwaltungsjahres mit den andern
zwölf Ratsherren ab.
Ferner ersehen wir aus der Urkunde, daĂź bis zu der
von Bischof Johannes vollzogenen Schlichtung der Streitig-
keiten acht BĂĽrger aus der Gemeinde an den Ratssitzungen,
wenngleich wohl nicht an sämtlichen , als Vertreter der
Gemeinde teilgenommen hatten. (Ahnliches war auch in
andern Städten der Fall.) Zugleich erfahren wir, daß
diese gewiĂź althergebrachte Gepflogenheit damals vom
Bischof aufgehoben wurde mit der Bestimmung, daĂź in
Zukunft der Rat aus seiner Mitte acht Viertelsmeister
wähle, für jedes Stadtviertel zwei, von denen der eine den
Schöffen, der andere den übrigen Ratsherren angehören
sollte. Und diese acht Viertelsmeister sollten das Recht
haben, zu besonders wichtigen Sitzungen des Rates die-
jenigen BĂĽrger aus der Gemeinde, die nach ihrer Ăśber-
zeugung die erfahrensten und einsichtsvollsten waren, als
Mitberater zu erfordern. Die Wahl der acht Viertels-
meister erfolgte jedenfalls alljährlich unmittelbar nach dem
Ratswechsel1).
1) Im Jahre 1550 stellte der damalige Landesherr von Meiningen,
Graf Wilhelm zu Henneberg, vier ständige Viertelsmeister daselbst
an, während die übrigen (Johann Sebastian Güth spricht in seiner
der Stadt Meiningen. 347
Die in der Urkunde angeführten städtischen Beamten
(„Amtleute"), wie die Bet-, Bau- und Weinmeister, gehörten
vor dem Erlaß der Urkunde wohl nur zur Hälfte dem
Rat, zur andern Hälfte den Vertretern der Gemeinde an.
Wenigstens war solches anderwärts der Fall. Durch den
vom Bischof ausgesprochenen Schied aber wurde der Ge-
meinde das Recht einer ständigen Beteiligung an den
Rechtsgeschäften genommen. Denn weil „die acht aus der
Gemeinde" durch acht aus dem Rat gewählte Viertels-
meister ersetzt wurden, so fielen die städtischen Ämter aus-
schlieĂźlich Mitgliedern des Rates zu, und die Gemeinde war
von der städtischen Verwaltung so gut wie völlig aus-
geschlossen. Die gelegentliche Heranziehung von BĂĽrgern
aus der Gemeinde zu besonders wichtigen Ratssitzungen,
wie sie durch den Schied in Aussicht gestellt war, hing
ja doch nur von dem guten Willen der Viertelsmeister und
schlieĂźlich des Rates im allgemeinen ab.
Zeigt schon diese Beseitigung eines wichtigen Rechtes
der Gemeinde, daĂź der Bischof trotz allen Anscheins von
Unparteilichkeit im Grunde genommen fĂĽr den Rat der
Stadt Meiningen Partei ergriff und dessen Macht auf Kosten
der Gemeinde zu stärken beflissen war, so wird dies noch
durch einen andern Umstand bezeugt. In dem Schied ist
zwar davon die Rede, daĂź hĂĽben und drĂĽben aller Hader
beigelegt sein solle und keine Partei der andern noch
etwas vorwerfen dĂĽrfe. Aber die Urkunde verschweigt,
daĂź der Bischof einige BĂĽrger aus der Gemeinde, die ihm
als die Anstifter der gegen den Rat gerichteten Bewegung
bezeichnet worden waren, mit Verbannung aus der Stadt
bestraft hatte. DarĂĽber liegt folgende Urkunde vor1).
Poligraphia Meiningensis, S. 247, nur von dreien, „so vorhero ge-
meine Aempter tragen helffen") abgeschafft wurden.
1) Nach dem Wortlaut der Abschrift im Kopialbuch „Liber
primus diversarum formarum. Joh. de Brun". Blatt 151b. König-
liches Kreisarchiv zu WĂĽrzburg.
348 Beiträge zur innern Geschichte
„Wir Johanns etc1) tun kunt allermeniclichen: Als sich vor-
mals etliche unwille und zwitrecht zwischen dem rat und der ge-
mein unser stat zu Meyningen uferstanden und verloffen hat, dar-
umb wir uf etliche uĂź der gemein bewegt waren2), die derselben
unser stat zu verwisen B), die dann solcher zwitracht anheber und
ursach gewest solten sein, haben wir uns eigentlich erfaren4) und
sind des zu guter maĂź6) berichtet, das dieselben unser burger solchen
handel und Sachen umb dheinerley untat willen, uns oder unserm
etift zu schaden, nicht angefangen noch begangen haben, eundern in
grosser einfeltigheit und auch von etlicher sache wegen, die sie darzu
bracht hat, darzu komen sein und von der ganzen gemein wegen
das getan haben. Des haben wir bedacht solche ire einfeltigheit
und auch, uf das sie uns und unserm stift hinfur dester gehorsamer
und williger sein, und auch sunderliche bethe6), die von unsern reten,
auch der ganzen gemein zu Meiningen und andern luten zum
dickermal an uns kumen sein, und haben sie solchs verwisen»
genzlich derlassen und in das vergeben 7), also das sie furbas da-
selbst zu Meiningen sollen und mögen hußlich sitzen, wonen und
darinn bliben. Und wollen auch, das in solch vorgenant sache
hinfur von nyemands erglich u f gehaben 8) oder9) von yemands dar-
umb dester unredlicher gehalten werden sollen, ongeverde. Zu Ur-
kunde etc. Datum dominica post Viti anno etc. vicesimo quinto" 10).
Auch aus diesen Worten spricht scheinbar Gerechtig-
keitsgefĂĽhl und Wohlwollen. Bedenkt man aber, daĂź
zwischen der Schlichtung des BĂĽrgerzwistes und dem
Datum der eben mitgeteilten Urkunde ganze neun Monate
lagen, so erscheint der Gnadenakt in einem andern Licht.
Die vom Bischof aus der Stadt verbannten BĂĽrger waren
schwer genug dadurch bestraft, daĂź sie fĂĽr ihr freimĂĽtiges,
jedenfalls wohlbegrĂĽndetes Auftreten ĂĽberhaupt in die Ver-
bannung hatten gehen mĂĽssen. Aber noch schlimmer war es
fĂĽr sie, daĂź der Bischof den wiederholten Vorstellungen seiner
Räte und den wiederholten Bitten der Gemeinde zu Meiningen
erst so spät Gehör schenkte, obwohl er doch selbst zugab,
daß die von ihm gemaßregelten Männer „auch von etlicher
1) Zu ergänzen ist: von Gottes Gnaden Bischof zu Würzbarg.
2) D. i. erzĂĽrnt und dadurch bewogen waren.
3) Die Vorlage hat fehlerhaft: bewisen.
4) D. i. erkundigt.
5) D. i. genĂĽgend.
6) D. i. die besondere Bitte.
7) Die Vorlage hat fehlerhaft: dergeben.
8) D. i. böswillig vorgeworfen.
9) Hier ist zu ergänzen : daß sie (die jetzt Begnadigten).
10) D. i. am 17. Juni 1425.
der Stadt Meiningen. 349
sache wegen, die sie darzu bracht hat", also jedenfalls infolge
ungesetzlicher Handlungen des Rates, und zudem der ganzen
Gemeinde zugute sich gegen den Rat aufgelehnt hatten.
Der ganze Verlauf dieser Dinge beweist, daĂź Bischof Jo-
hannes auch in dieser Angelegenheit seine zu WillkĂĽr-
herrschaft und Ungerechtigkeit geneigte Natur nicht ver-
leugnete.
2. Die Peststellung einiger landesherrlichen und städti-
schen Rechte zu Meiningen im Jahre 1479.
Unmittelbar nach dem Brande, der in der Nacht des
27. Mai 1478 fast den ganzen bei der Feuersbrunst am
28. März 1475 verschonten Teil der Stadt Meiningen ver-
nichtete, hatte sich die dortige Gemeinde gegen ihren
Schultheißen und den Rat empört. Aber wenige Tage
darauf brachte Graf Wilhelm zu Henneberg als damaliger
Pfandherr von Meiningen und der von dem eigentlichen
Landesherrn der Stadt, Bischof Rudolf zu WĂĽrzburg, dazu
entbotene WĂĽrzburger Domherr Balthasar von der Kehre
die Bürgerschaft dahin, daß sie ihre seitherige städtische
Behörde wieder anerkannte und die Entscheidung über ihre
Beschwerden und Wünsche in die Hände des Bischofs
oder seiner Bevollmächtigten und in die des Grafen Wil-
helm legte 1). Ăśber den Verlauf dieser Sache wissen wir
nichts. Aber Nachklänge derselben sind wohl die nach-
stehend veröffentlichten Abmachungen vom 17. März 1479,
deren Konzept im Gemeinschaftlichen Hennebergischen
Archiv (Sectio VI C) enthalten ist.
„Item so ein ainptman von der hern wegen mit einem burger
umb begangen hendel zu thun gewönne2), denselben mocht der
amptman auf der Strassen odir in burgershusern, wo er den gehabin
1) Vergl. Johann Sebastian GĂĽth, Poligraphia Meiningensis,
S. 190, und meinen Aufsatz „Der Aufstand zu Meiningen im Jahre
1478" im Meininger Tageblatt vom 13. März 1910.
2) D. i. Wenn ein landesherrlicher Amtmann (zu Meiningen)
im Namen der Landesherren gegen einen BĂĽrger wegen eines von
ihm begangenen Vergehens einzuschreiten AnlaĂź hat.
XXVIII. 23
350 Beiträge zur innern Geschichte
mochr, zu heften nemen1). Ob abir derselbe zum rechten furstandt
gehabin mocht, der solt dabei bleiben2), in der gestalt, so der handel
sich am zentgericht auĂź zu tragen gebĂĽrt, das solt daselbst gescheen ;
desglichin, was abir vor dem radt mit recht geburt, dabey solt es
auch bliben. Dermassen sol es mit den auĂźwertigen umb frevel und
ubirfarunge auch gehalten werden.
Item so einer im radt mit tode verschide odir sunst auĂź alter
odir unvermoglichkeydt, odir in welchirgestalt das geschee, abgesaczt
wĂĽrde, alsdann sollen die andern des rats vir tuglich personn auf ir
eyde und gewissen , die sie nĂĽcze und bequeme deucht sein, be-
nennen und dieselbin fĂĽr die herschaft brengen 3), die alsdann
macht haben4), einen zu einem zweifer5) darauĂź zu nemen. Wo
abir die herschaft wolt bedunken, daĂź sie auĂź den benanten viren
nicht einen, der tuglich6) gehalten würde, finden mögen, aldann
sollen der gedacht radt andir vir auĂź irer stat in vor gemelter maĂź
benennen, aufzeichen und der herschaft fĂĽrhalten, die alsdann einen
auĂź den viren zu zweifer annemen sollen.
Item umb das instrument, darinn sie in selbert freyhung an
verwilligunge der hern zugezogen haben 7), sollich instrument sal uns
von in ubirgebin werden8), doch in der gestalt, das in ire freyheit
und alt herkomen, was sie der von billichkeit und rechtes wegen habin,
damit nicht benomen sein sollen.
Item das geleydt sol von der herschaft wegen9) durch einen
amptman odir schul theisen gebin werden. Doch welcher amptman
sollich geleidt von der herschaft wegen geben wurde, das sal derselbe
dem andern10) zu wissen thĂĽn.
1) D. i. verhaften.
2) D. i. wenn aber dieser fĂĽr seine Innehaltung des Rechts-
weges Bürgen stellen könnte, so soll ihm das zugute kommen.
3) D. i. alsdann sollen die ĂĽbrigen Ratsherren vier taugliche
Personen, von denen sie ĂĽberzeugt sind, daĂź sie dazu nĂĽtz und pas-
send seien, auf ihren Eid und Gewissen benennen und der Herrschaft
vorschlagen.
4) Gegenüber der Einzahl des Subjektes steht das Prädikat in
der Mehrzahl, weil „die Herrschaft" für „die Herren", d. i. die
Landesherren, steht. In ähnlicher Weise ist weiterhin „der Rat"
mit einem im Plural stehenden Prädikat verbunden.
5) „Zwölfer" hießen die 24 Ratsherren zu Meiningen, weil immer
nur zwölf von ihnen die laufenden Ratsgeschäfte besorgten.
6) D. i. fĂĽr tauglich.
7) D. i. Was die Urkunde betrifft, worin sich die Meininger
selber, ohne Genehmigung der Landesherren, Freiheiten zugesprochen
haben.
8) Mit der Aushändigung der Urkunde an die Landesherren
wurde ihre Ungiltigkeit zugestanden.
9) D. i. im Namen der Landesherren.
10) D. i. dem andern Amtmann. Daraus ergibt sich, daĂź zu
jener Zeit zwei Amtmänner, ein würzburgischer und ein henne-
bergischer, in Meiningen waren.
der Stadt Meiningen. 351
Item das der merteil des rats im rechten und ausserhalb des
rechten mitsampt dem zusacze in allen sachen beslisĂźlichen zu
handeln haben 1).
Item umb die burgers sone, so die sechzehin jar alt werden,
sollen sie pflicht thĂĽn2), den hern und der stadt getreuwe, gewere
und gehorsam zu sein, sundern sich an recht in derselben stat umb
begangen handel benĂĽgen zu lassen 8). Desglichin sollen die dinst-
knecht auch thun."
Das Blatt, auf dem sich diese Aufzeichnungen be-
finden, trägt noch den Vermerk :
„Meyningen uff mitwochen noch oculi gehandelt im lxxix jar."
3. Die Meininger Gerichtsordnung vom Jahre 1490.
Gleichfalls im Gemeinschaftlichen Hennebergischen
Archiv (Sectio VI C) hat sich die Abschrift einer kurz vor
dem 28. November 1490 zwischen dem damaligen Amtmann
zu Meiningen, Bernhard vom Berge, dem dortigen Schult-
heiĂź, Rat und den acht Viertelsmeistern vereinbarten Ge-
richtsordnung fĂĽr Meiningen erhalten, deren Wortlaut im
folgenden zum Abdruck gelangt.
„Mit wissen, gunst und auß rath unser genedigen hern 4) habin
wir, Bernhart vom Berge, amptman, schulteis, burgermeister, rath
und achte5) durch ansehunge Ursachen und beschwerunge, so vor-
mals auĂź zerunge der statgericht auf eine gemeine stat gangen ist6),
auch maniche leichtfertige sachen furgenomen 7), und sunderlich umb
bekentliche und kuntliche schulde, einer den andern in langer zeit
1) D. i. daĂź dem Rat das Recht zustehen soll, mit Stimmen-
mehrheit in allen gerichtlichen und auĂźergerichtlichen Angelegen-
heiten gemeinschaftlich mit dem Beisitzer BeschlĂĽsse zu fassen.
Der Beisitzer („Zusatz") wurde wohl von den Landesherren er-
nannt.
2) D. i. sich eidlich verpflichten.
3) D. i. insbesondere bei Vergehen sich den Entscheidungen
des Stadtgerichtes zu unterwerfen.
4) Mit den „gnädigen Herren" ist Bischof Rudolf von Würz-
burg und die damalige Regentin der Grafschaft Henneberg-Schleu-
singen, Gräfin Margareta zu Henneberg, gemeint.
5) Hier ist zu ergänzen: zu Meiningen. Hinsichtlich der „acht"
vergl. oben S. 340, 341 und 346.
6) D. i. in Anbetracht verschiedener Ursachen und namentlich
der Ausgaben, die seither infolge der Stadtgerichtskosten die BĂĽrger-
schaft bedrĂĽckten.
7) D. i. auch weil manche geringfĂĽgige Sachen von dem Stadt-
gericht verhandelt wurden.
23*
352 Beiträge zur innern Geschichte
nicht erfordern hat mögen1), dodurch wir haben erkent, das einer
gemeinen stadt und dem volke bey uns mergklicher schade kommen
ist, und uns bey andern steten der hilfe und irer gerichtshendel,
nemlich bey den vone Murstatt, Neuestat, Konichshoven und Meiler-
stadt, erfaren 2). Solliche obgemelte kosten , zerunge und scheden
vermyden wurden, habin wir aus iglicheni und auch unserm alt-
herkommen stucke genommen, das solliche unmogĂĽche kosten und
scheden gemeiner Stadt und unser burger einer den andern dester
eher ermanen möge, ein hilfe und gerichtssatzunge geordent8), wie
von stucke zu stucken hirnach folget.
Zum ersten sol es nun hinfurter umb kuntliche oder bekent-
liche schulde also gehalten und geholfen4) werden von der hern und
der stadt wegen5), das ein schulteis und ein burgermeister von den
schepfen des rathsi;) off des clegers furbringen macht haben sollen,
zu helfen ane alle gericht und notrecht7). Was aber der schulde
were unter einem halbin gĂĽlden, solte es mit der hilfe bestehen8),
wie von alter her kommen; das ist also, das der schulteis allein
darurab zu helfen hat.
Item es sal auch ein iglicher burger, der gerichtlich ein erste
clage zu einem andern nemen wil, und eher ime dieselbigen sein
erste clage vergönnet wirt9), sol vor10) in das gericht drei pfenning
zu claggelt geben. Der seibin pfenning einer sol dem schreiber11)
von der clage einzuschreiben, die andern zwene dem gerichte12).
1) D. i. und namentĂĽch in betreff zugestandener und nach-
gewiesener Schuld forderungen, derentwegen einer den andern lange
Zeit nicht vor Gericht fordern konnte.
2) D. i. und (abhängig von „dadurch wir haben") uns bei
andern Städten, nämlich bei dem Rat von Münnerstadt, Neustadt
(an der Saale), Königshofen (im Grabfelde) und Mellrichstadt wegen
Handhabung der (ohne GerichtsbeschluĂź vollstreckbaren) Hilfe und
ihrer Gerichtsverhandlungen erkundigt.
3) D. i. Damit solche Kosten, Aufwände und Schäden, von
denen oben die Rede war, vermieden wĂĽrden, haben wir aus dem
althergebrachten Recht der genannten Städte und auch aus dem der
Stadt Meiningen etliche Bestimmungen entnommen, auf daĂź solche
unerschwingliche Kosten und Schäden der Bürgerschaft im allge-
meinen (nach den Worten „gemeiner stat" ist offenbar aus Versehen
etwas ausgelassen) und unsere BĂĽrger einer den andern desto besser
darain erinnern können, eine „Hilfe" und Gerichtssatzung angeordnet.
4) D. i. unmittelbare Hilfe erteilt.
5) D. i. im Namen der Landesherren und der Stadt.
6) D. i. derjenige Bürgermeister, der den jeweiligen Schöffen
angehört; also nicht der Bürgermeister des sonstigen Stadtrates.
7) D. i. ohne gewöhnliche oder besonders anberaumte Ge-
richts verhandlun g.
8) D. i. beträgt aber die Schuldforderung weniger als einen
halben Gulden, so soll es mit der „Hilfe" so bleiben.
9) D. i. und bevor ihm vom Gericht gestattet wird, seine erste
Klage vorzubringen.
10) D. i. vorher.
11) D. i. dem Stadtschreiber, der zugleich Gerichtsschreiber war.
12) Zu ergänzen ist: gehören.
der Stadt Meiningen. 353
Auch dem freibotten1) ein X von der ersten clage zu ver-
kundigen und j X von dem furgebiethen 2) , wie von alter her-
kommen ist.
Item es sol und mag auch ein iglicher clager und antworter a)
im stule4) auĂź den schepfen einen f ursprechen 5) nemen, wellichen
er wil und ime ebent6). Auch so mag ein iglicher antworter auĂź
den schepfen einen nemen zu ime in sein gespreche7), desgleichen
auch der clager darnach, ob sie wollen, auch wie herkommen und
gewonheit gewest.
Item und ob es were, das ein radt haben wolte, das man clage
und antwort8) beschreibin 9) lisse, solte der clager dem Schreiber
I .X von der clage gebin einzuschreiben, und der antworter auch
j A, von der antwort einzuschreiben.
Item auch ein iglicher, der eins Urteils mant oder begert10), der
sol zuvor einen Wurtzpurger schillinger, oder so vil geldes11), in das
gericht legen. Wellicher teile alsdann des Urteils verlustig wirdet,
der sol dem, dem das urteil gestanden ist, die gerichtsscheden, wie
gemelt ist, ablegen 12).
Item wellicher aber der hern oder der stat hilfe, so er ĂĽber-
wunden 13) wurde , verachtet und nicht nachkeme , auch ver-
schreibunge 14) oder andere pfandunge weret15), derselbe solt von
stundt an, so ime vom amptman, schultesen oder rat in ein straffe
gebotten wurde 16), ane wegerunge darein gehen oder gesatzt werden
biĂź so lange, das er den clager vergenugt17) und bezalt hette.
Item so aber ein auĂźwertiger mit einem burger hie zu schicken
gewönne18) und ein gastgericht19) haben wolte, derselbig sol in den
gerichtshendeln, wie obin angezeigt ist, zwifechtig so vil gebin und
1) D. i. Gerichtsboten.
2) D. i. von der Vorladung.
3) D. i. Beklagter.
4) D. i. in der Gerichtssitzung.
5) D. i. Anwalt, Rechtsbeistand.
6) D. i. und der ihm paĂźt.
7) D. i. um sich mit ihm zu beraten. Dieser Berater war dem-
nach ein anderer, als der „Fürspreche".
8) D. i. Gegenrede, die Ă„uĂźerungen des Beklagten.
9) D. i. aufschreiben, und zwar in das Gerichtshandelsbuch.
10) D. h. der nicht auf einen Vergleich eingehen will, sondern
einen rechtmäßigen Austrag der Sache wünscht.
11) D. i. oder so viel anderes Geld, als ein WĂĽrzburger Schilling
wert ist.
12) D. i. welche Partei alsdann den ProzeĂź verliert, die soll der-
jenigen, zu deren Gunsten das Urteil ausfiel, die bewuĂźten Gerichts-
kosten vergĂĽten.
13) D. i. ĂĽberfĂĽhrt.
14) D. i. schriftliche Verpfändung eines Grundstückes.
15) D. i. verwehrt.
16) D. i. sobald ihm . . . geboten wĂĽrde, eine Strafe anzutreten.
17) D. i. befriedigt.
18) D. i. in Streit läge.
19) D. i. ein im Interesse auswärtiger, nicht zur Stadt gehöriger
Personen einberufenes auĂźerordentliches Gericht.
354 Beiträge zur innern Geschichte der Stadt Meiningen.
in das gericht legen, als ein burger. Zu einem geordenten1) gericht
sol ein gast2) nicht mer geben, danne ein burger.
Doch so ist hir innen unsern gnedigen hern, iren gnaden ampt-
luten und dem rathe vorbehalten, sollichs zu myndern und zu meren
nach erkentnis eines gemeinen nutzes 3).
Dise orden unge ist zu Meyningen verkĂĽndet4) an sontage nach
Katherine virginis5) anno etc lxxxx."
Auf der letzten Seite des Doppelblattes, auf dem vor-
stehendes verzeichnet ist, befindet sich die Aufschrift:
„Ordenunge zu Meyningen,
schulde und andirs betreffende."
1) D. i. ordentlichen, gewöhnlichen.
2) D. i. Fremder, Auswärtiger.
3) D. i. solches unter BerĂĽcksichtigung des allgemeinen Wohles
abzuändern.
4) Die Verkündung erfolgte höchstwahrscheinlich nach dem
Gottesdienst von der Kanzel herab durch den Pfarrer.
5) Dieser Sonntag fiel im Jahre 1490 auf den 28. November.
X.
Briefe von Friedrich Myconius in Gotha an
Johann Lang in Erfurt.
Mitgeteilt von Otto Clemen in Zwickau i. S.
Die Briefe des Friedrich Myconius in Gotha an Jo-
hann Lang in Erfurt aus den Jahren 1527 — 1546 , die
samt vielen anderen Briefen an Lang, von Siegfried Asterius
aus Hildesheim nach 1553 in Erfurt kopiert1), im Codex
Gothanus A 399 erhalten sind, sind schon ab und zu be-
nutzt worden. Enders hat ein paar Stellen in den Be-
merkungen zu seinem Lutherbriefwechsel zitiert , und
neuestens hat Scherffig einige fĂĽr die Lebensschicksale des
Myconius wichtige Steilen in seiner Myconiusbiographie 2)
in deutscher Übersetzung — nicht immer ganz richtig —
wiedergegeben. Damit sind die Briefe jedoch noch lange nicht
erschöpft. So ist bisher noch gar nicht darauf hingewiesen
worden, wie charakteristisch gerade diese Briefe an seinen
vertrauten Freund im nahen Erfurt fĂĽr den Gothaer
Superintendenten sind. Wie hebt ihn seine Gottergeben-
heit und seine heroische Pflichttreue ĂĽber alle MĂĽhsal,
besonders über die qualvollen Anfälle seiner Krankheit
hinweg! [Seit August 1540 rieb ihn die Schwindsucht
allmählich auf3)]. Dieselbe Pflichttreue und Pücksichts-
1) G. Orgel, in den Mitteilungen des Vereins fĂĽr die Ge-
schichte und Altertumskunde von Erfurt, 15. Heft (1892), S. 18 f.
2) Friedrich Mekum von Lichtenfels, Leipzig 1909.
3) No. 11 (9. Febr. 1541) : „Iam in septimanam 22 paulatim
pulrnonem in sanguinem et saniem versum expuo." Nc. 26 (16. Aug.
1545): ,.Ante annos quinque hoc anni tempore et tali aestu caeli
corripuit me primum meus morbus. . . ."
356 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
losigkeit gegen das eigene Ich, gegen GlĂĽck und Behagen,
glaubte er auch von anderen fordern zu dĂĽrfen. So er-
mahnte er die Erfurter Prediger wiederholt, trotz der An-
feindungen , die sie von den FĂĽhrern der katholischen
Partei erlitten, auf ihrem Posten auszuharren, und er war
ernstlich böse, als Ägidius Mechler sich um die Pfarrstelle
in Langensalza bewarb (No. 10). Alle Schmerzen und aller
MĂĽdigkeit zum Trotz bleibt Myconius bis zum SchluĂź inter-
essiert für alles mögliche, schreibt er frisch und packend,
ja er vermag zu scherzen. Wie lustig ist der Brief
No. 18 über das Mißverständnis, daß der Kurfürst von
Torgau zu Schiff — wohl im Luftschiff! — nach Pommern
gereist sein soll. Wie gemĂĽtlich der Brief No. 25, in dem
er verspricht, fĂĽr das leibliche und geistige Wohl von
Längs Sohn Martin, der die berühmte Gothaer Lateinschule
besuchen soll, zu sorgen ; auch die Kosmetik solle nicht
auĂźer acht gelassen werden, seine Frau und Tochter wĂĽrden
gelegentlich auf dem Kopfe des Jungen eine Razzia auf
gewisse kleine Tierchen abhalten. Weiter : wie lebt und
webt doch Myconius in der Bibel, besonders im alten
Testament! Wie drängen sich ihm immer wieder biblische
AusdrĂĽcke und Bilder auf! Kolde1) schildert einmal
die religiöse Sphäre, in der Oliver Cromwell aufwuchs, sehr
treffend folgendermaßen : „Das war jene eigentümliche
Periode des englischen Volkes, in der, trotzdem man schon
einen Shakespeare gehabt hatte, die Bibel nicht nur als
die Krone aller Literatur geschätzt wurde, sondern wirk-
lich ein groĂźer Teil des Volkes seine Moral, seine Poesie,
seine Sprechweise, ja seine ganze geistige Nahrung aus
ihr schöpfte. Die Gestalten der Bibel, besonders die
Heroen der alttestamentlichen Geschichte beleben sich im
Bewußtsein der Frommen als Beispiel göttlicher Gnaden-
führung wie göttlichen Strafgerichtes wie kaum je zuvor.
1) Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche8
(im folgenden abgekĂĽrzt: RE3) 4, 334.
an Johann Lang in Erfurt. 357
Man denkt in ihren Gedanken, man spricht in ihrer Sprache."
Das gilt mutatis mutandis auch von unserem Myconius.
Fast gar nicht ausgebeutet sind endlich die Briefe fĂĽr die
Gothaer und Erfurter und die allgemeine Reforinations-
geschichte. Wir erhalten Nachrichten vom Augsburger
Reichstag von 1530, von den Reichstagen der vierziger
Jahre, vom Kaiser und TĂĽrken, von Krieg und Kriegs-
geschrei, von der Pest und unheilkĂĽndenden Himmels-
erscheinungen, von Heinz von WolfenbĂĽttel und dem un-
seligen Ehehandel Philipps von Hessen (No. 12). Einen
Abdruck der 31 Briefe unter Weglassung der konventio-
nellen Dankes- und Freundschaftsbeteuerungen und einiger
anderen unwichtigen Stellen wird man daher wohl will-
kommen heiĂźen. In den Anmerkungen habe ich mich auf
das Nötigste beschränkt und meist nur durch Literatur-
angaben denen, die Einzelheiten nachgehen wollen, an-
gedeutet, wo und wie sie sich genauere Kunde verschaffen
können.
1. 27. Okt. 1527 (fol. 140b — 141a).
Pax tecum! Quod rarius ad tuam eruditionem scribo, Optime
Langi. multa in causa sunt. Primo, quod te meiioribus et purio-
ribus studijs occupatum vererer meis illiteratis et ineptis literis per-
turbare. Deinde, quod persaepe etiam argumentum deest. Demum :
si Menio nostro1) scribimus, quod necessum sit etiam alios fratres
Erphordiae nosse, non puto illum quicquam celare D. Langium no-
strum. Quoties ergo Menio scribo, tuae me puto scripsisse eruditioni.
Verum si quid me prius fuisse in hac re negligentiorem 2), arguito
et experieris me satis etiam molestum esse posse, si non literis,
certe lituris etiam occupatissimis fratribus. Doctor Wenceslaus
Noribergensis Episcopus3) iussit nuper, ut Langio (korr. aus Lan-
gium) Erphordianorum Apostolum (!) suis verbis salutem optarem
et perpetuo incolumem. Scripsit enim forte ante hoc octiduum
Vbique omnia moliri Satanam nullumque lapidem non mouere, quo
1) Justus Menius, seit dem Bauernaufruhr von 1525 Prediger
an St. Thomas in Erfurt: G. L. Schmidt, Justus Menius, Gotha
1867, I, 55; Kawerau, RE3 12, 578.
2) Ergänze: putas oder ähnl.
3) Link.
358 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
possit imponere paruulo Christo nuper orbi Dato ]). Sed Magistratur
Noribergensis ait rursus omni studio cauere, ne faciat, quod molitur,
hoc est, ne perturbet Ecclesiam ilĂĽc Christi, ĂĽsianclrum scribit
iam etiam scripto oppugnare Zuuinglianam haeresin 2). Det Dominus,
ut felix sit partus ille, quem vir ille enititur! Demum Petrum
hunc olim Draconis3) famulum, si potes, adiuta, ut sit illi pistor
aliquis, qui hunc rursus instituat in ea arte piusendorum paaum,
quam ohm, cum didicisset, Draconis suasu et causa deseruit. Cogit
illum egestas ad desertam artem redire4). Scio, libenter seruiet tua
charitas homini non male merito de Euangelio, quod semper amauit
et pro viribus confessus est. Gotthae 1527 Vigilia Simonis. Salu-
tetur vxor ex me et vxorcula.
2. Nach 7. März 1529 (fol. 141a — 142a).
.... Quamquam .... haud pauci inde ad nos currant et re-
currant nuncij, nobis tarnen adeo raro quisquam ad uos proficisci
dicitur, ut plerumque non prius quemquam ad uos isse cognoscamus,
quam cum fuerunt reuersi. Verum si quid eorum, quae hie geruntur,
nosse cupis, scribe mihi et iube, ut a me rursus exigant nuncij
literas. Non committam, ut te caelem quiequam. Ego quidem maneo
in meo ministerio, quamdiu volet Dominus, nisi quod caeteris cala-
mitatibus meis haec quoque mihi superaddita est, ut alijs Ecclesiarum
pastoribus me praeesse voluerint, qui questus fueram me vni Ec-
clesiae curandae nee parem esse nee satis sufficientem5).
Metuo, ne id irato Domino fiat, ut sie hodie sit Ecclesiarum
misera conditio, ut pro Ciprianis, Basilijs, Augustinis doctissimis et
summis viris me habeant et mei similes indoctos et prorsus rerum
omnium ignaros ac imprudentes. Nisi forte ideo nos stultos prae-
ficiat, ut palam fiat mundo se ideo haec ignobilia et mundi con-
temptibilia elegisse, ut stultam faciat mundi maiestatem, ne quis
gloriari possit humana prudentia inuectum orbi Euangelium et stul-
1) Link hat wohl auf die Schwärmer und Sektierer angespielt,
die sich neuerdings wieder in Nürnberg regten. Im März 1527
wurde der täuferisch gesinnte Nürnberger Pfarrer Vogel von Eiters-
dorf hingerichtet, der mit Hans Hut in Verbindung gestanden hatte
(vgl. zuletzt E. Heidrich, DĂĽrer und die Reformation, Leipzig
1909, S. 22).
2) Im Sept. gab Osiander Zwingiis Brief an ihn vom 6. Mai
mit einer Entgegnung heraus: Enders, Luthers Briefwechsel 6, 1654.
3) Joh. Draconites, damals Pfarrer in Waltershausen bei Gotha
(RE3 5, 13; Fr. Perthes, Zeitschr. d. Ver. f. ThĂĽr. Gesch. u.
Altertumskunde, N. F. XIII, 93).
4) Scherffig, S. 78 Anm. 1.
5) Scherffig, S. 74.
an Johann Lang in Erfurt. 359
ticiam praedicationis Christi1). Tu ora pro nie Dominum, ne mea
stulticia cuiquam sit offendiculo neue impedimento sit gloriae Euan-
gelij Christi. Id enim satis lucri duxero, si nemini obsum, quod,
ut vellem, prodesse omnibus nequeo. Menius2) adeo non anhelauit
ad Isenacensem Episcopatum , ut prorsus illum accepturus non
fuerit, nisi Priucipis et visitatorum potestas hunc coegisset. Neque
enim video, cum hie tranquilissima conditione fruatur, cur ad tantos
labores auhelaret. Neque etiam prineeps neque visitatorum auto-
ritas illum coegisset, nisi omnis Isennacensium Ecclesia et magistratus
vniuersus sibi hunc praefici pastorem postulassent.
Nihil mihi prorsus subolet, quid vel coquat vel captet consilij
adversarius tuusa). Tu namque effecisti, ut neque me neque alios
Ecclesiae ministros multum vel amet vel curet. Caeterum omnia
hie hactenus tranquilla sunt. Monasterium Augustinianorum per-
petuo conseruauit et obtulit prineeps in vsus ministrorum Ecclesiae
cum omnibus redditibus illis. Adiecit insuper alia quoque Ecclesiastica
beneficia4). Johannes Osuualdus5) noster primam in Senatu
autoritatem hoc anno habet. Johannes Hoffmann6) adhuc suo
f ungitur diaconatu. Sed cantoris officium Johannes Opecius7)
diligenter curat. Schola8) puerorum paulatim promittit nobis et
Ecclesiae Dei fruges multas, quae et ipsa nuper a Visitatoribus for-
mitatem aeeepit et robur. Basilius") nuper praesente Senatu et
frequente Ecclesia egit cum pueris Terentianorum Adelphorum fabu-
lam miro omnium applausu .... Kata est mihi filia ex vxore, de
cuius vita nunc gaudeo et salute10). M. Michaelem11) saluta et
fratres nostros omnes. Philippo et mihi placet, quod patienter
fertis uestrorum vel insolentiam uel infirmitatem. Noluimus enim
quenquam propter infamium horum importunitates ab officio deserere.
Gotthae 1529 post Laetare . . .
1) 1. Kor. 1, 26 ff.
2) Schmidt I, 130 f., RE3 12, 578.
3) Konrad Kling (Enders 6, 15 f.2)?
4) Scherffig, S. 77 f.
5) Enders 7, 1847, Scherffig, S. 55 f.
6) Mir unbekannt.
7) Scherffig, S. 135.
8) Das Stück Schola— applausu ist abgedruckt E n d e r s 7, 183 f.6.
9) Monner. Vgl. ĂĽber ihn Enders 7, 183 f.6 und M. Schnei-
der, Zeitschr. d. Ver. f. ThĂĽr. Gesch. u. Altertumskunde, N. F. XIII,
164.
10) Scherffig, S. 65.
11) Offenbar identisch mit dem in der Adresse von No. 6 und
bei Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas I, 146 u. 190 Er-
wähnten.
360 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
3. 21. Juli 1530 (fol. 142a— 143a).
. . . Scriberem ad te frequentius, si tuis literis quandoque
prouocarer. Ab Augusta non nescio te saepius literas accepisse. Sed
facile fero, quod nihil hactenus ad me miseris, cum mihi quoque non
semel Christianae causae statum abunde satis Philippus, Spala-
tinus, Jonas et alij aliquoties significarunt. Redijt pridie ab
Augusta Johannes Osuual du s noster, quem onustum suis literis
Brentius, Philippus et Spalatinus ad nos miserunt1). Spa-
latini exemplum literarum illius iussu misi Henricho Vrbano
Im Jörgenthaler hoff bey euch 2). Et scripsi illi, ut tibi quoque sche-
dam legendam committat. Si non fecit, mitte ad illum, et vide, quid
contineant hae literae. Verum ut nunquam non satisfiat tuis votis,
mitto etiam exemplar hterarun Philippi ad me. Sed rogo te,
ut ea non nisi nostris sit communis, ut sie excitentur, ut feruen-
tissime et anxie clament ad dominum, ne auertat faciem suam a
nobis et ne tradat bestijs animas confitentes sibi. Attulit quoque ad
nos exemplar confessionis fidei prineipum nostrorum, quae perpetuis
tribus horis leeta est in auribus omnium prineipum et Caesaris.
Sed prolixior est oratio, quam ut facile rescribi possit, et nos hoc
exemplari hie carere non possumus. verum impressam vel typis
excusam cito habebimus, ubi uidebis, quam intrepide sit Christus
locutus in hac domo Pilati et Caiphaey). Vale Gotthae 1530 Die
21. Iulij. Si habes commodum nuncium, mitte Philippi literarum
exemplar Wolf. Stein4) nostro . . .
4. 19. Sept. 1530 (fol. 138b — 139a)8).
Salutem. Rem mihi valde gratam fecisti . . . dum has
AugustaDas literas misisti. demerebo et ego te simili, dum potero,
officio. Oportet nos meminisse vocis illius Christi, dum nos in
vltima omnium rerum turbatione et confusione iubet leuare capita
et speetare, quemadmodum appropinquet redemptio nostra 6), imo iam
sit in ianuis. Da anndere lennder vnd völeker, so Gotts wort gehört
vnnd nit angenommen haben, hinkommen sind, will Teutschland
auch hinnach. wolan, angelus ille, qui virgini nunciauit de regis
nostri Christi imperio dicens : Regni eius non erit finis 7), nobis, qui
1) Enders 8, 971. Melanchthons u. Brenz' Briefe an Mykonius
vom 10. Juli, die Oswald mitbrachte, stehen CR II 179 sq.
2) Vgl. ĂĽber ihn zuletzt Ztschr. d. Ver. f. ThĂĽr. Gesch., N. F.
XIII, 13. 57 f.
3) Scherffig, S. 107.
4) Hofprediger in Weimar: Enders 4, 331.
5) Vgl. Scherffig, S. 107 f.
6) Luc. 21, 28.
7) Luc. 1, 33.
an Johann Lang in Erfurt. 361
credimus, non mentietur. Nos tabellarium nostrum nondum recepimus.
Dum redierit et aliquid, qualecunque etiam illud sit, attulerit, fide-
liter tecum conimunicabimus. Zuuinglij1) scriptum2) ad imperij
ciuitates de Caesaris vi repellenda non vidi, sed tantum per Phi-
lippum nostrum edoctus sumy) illum scripsisse. Lutheri et
Phiiippi consilia in ea quaestione4) transmitto ea lege, ne cuiuis
monstrentur. Non euim expedit Satanae cohortem nosse omnia
mysteria Christi, et infirmiores quidam sunt ex nostris, quam ut
hoc solido cibo vesci possint5). Rogo te, ut haec quamprimum
poteris remittas. Remitte simul schedam Augustanam tuam. Si
quid iterum acceperis rerum nouarum, nobis communica. Vale et
nos ama! Gotthae 1530 die 19. Septemb. . . .
5. 21. Mai 1533 (fol. 143a — 144a).
... In causa Caspari Ringlebensis olim ministri scripsi
illius loci praesidi, ut curet, ne sua debita mercede pro fideli labore
inique priuetur, Deinde ut denigrantiuni famam eius ora plena vani-
tatum compescat vel, si quid se putant contra eum iustae querelae
habituros, ad nos, postquam nos Ecclesiarum Ordinationen (quod
breui futurum est) receperimus, reijciat. Quod uero ad Caspari doc-
trinam et vitam attinet, iam anteo respondi. Quid uis idem audire
denuo? Dimissus vero est non aliam ob causam quam quod quere-
batur se hactenus non satis digna mercede pro tot laboribus a ve-
tulo pastore remuneratum. Et eam, quam tum ĂĽle promittebat,
forte expertus priorem hominis inconstantiam et perfidiam accipere
recusabat. Verum non nulla causa est, cur nos pro munere vetulum
hunc canem nolebamus deturbare. Medebitur tempus morbo, quem
nunc curaruni auxisse velle videri poteramus (!). De Caesaris ad-
uentu nos nihil audimus et primum haec ex te audio. !Si quid
certi accepero, faciam ne nescias. Sed Erphurdiani tui, oro te, quae
monstra parturiunt? Annon satis est antea admissum stulticiae, nisi
etiam impetrent a Caesare, ut aliquot principum equites contra
Petrum nostrum vel inuincibile subsidium mittant? An plus fidei,
pacis, praesidij, subsidij, refugij et auxilij estis a Brunsuuicensibus
deglubatoribus habituri quam a nostra petra et petro? . . . Oro te,
rescribe mihi, an vestri vere quaeraut exercitus equitum. De alij*
rebus alias. Saluta amicos et amicas! Gotthae 1533 Vigilia As-
sumptionis . . .
1) Das Stück Zuuinglij — vesci possint ist abgedruckt Enders
2) Vgl. CR II 21 unten.
3) Dieser Brief fehlt.
4) Enders 7, No. 1607 u. CR II No. 6bU
5) Scherffig, S. 107f.
362 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
6. 23. August 1536 (fol. 144a — 145b).
. . . D. Johanni Lango Sacrae Theologiae Doctori, Domino
Aegidio Mechlero, Wolfgango Kyswetter 1), M. Sigismundo2), Melchiori,
caeteris quoque Ecclesiae . . . pastoribus Erphurdiae . . .
Er könne Christo für seine Wohltaten nur danken
durch Treue im Amte. Ermahnt die Erfurter Prediger
zur Standhaftigkeit. Datum Gotthae Vigilia D. Ăźartolomei 1536.
7. 24. Dezember 1537 (fol. 145b — 145a).
. . . Ego de rumoribus, quos spargi de vobis audio et scribis,
aliunde resciscere nihil certi, quod possem credere, habeo. Vnum
scio, quod non solum Centaurorum 3), sed et magnorum regum et
principum consilia, etiamsi quid statuunt interdum, non semper suc-
cedunt, sed tantum eius, qui vocatur Dominus exercituum, si quid
decernet is, haud dubie fiet . . . Vale 1537 Vigilia Natalis prin-
cipis pacis et patris futuri saeculi . . .
8. [3. Juni 1538?] (fol. 147b — 148b).
. . . Accepi literas tuas . . . quibus lectis et relectis stupere
coepi a te tantam Tragoediam excitatam de re incerta, de qua neque
mihi neque tibi constanter quicquam constaret. Ego enim haec,
quae prioribus literis scripseram, neque a principe neque ex aula
neque ex vllis prioribus, sed ex vulgi fabulis non raro mendacissimis
habebam et putabam me sine periculo nugari posse apud te maxime.
Et quamquam amici quidam ad similem famam excitati literis idem
mihi significarunt, quod ego tibi, tarnen nee ij aliquid certi quam vulgi
rumores habent. Certum tarnen est vulgus ciuium nostrorum ad arma
vocatos istis diebus. An autem hoc factum est exercendi illos gratia
a praesidibus, ne torpore et ignauia diffluant, uel seriae quicquam rei
actitent, tarn ego nescire volo, quam illi me solent euneta coelare
Demum de obstrictis in diversorio nihil certi dicere possum , nisi
quod ex ciuium quorundam narratione audiui duos hie obstrictos
esse ex Moguntini Episcopi famulitio. Verum quid in causa
sit, aut an adhuc detineantur, nescio. Vnum tibi hoc adiungere
volebam , quod scis, quae in domo Scoti in ea fenestra, quae
spectat doinum Lorenbeccij, dixi, bene memineris. scis me dixisse
optare me urbein vestram pacatissimam fore perpetuo. Foret autem,
si non tarn studiose foverentur hostes Euangelij Et prineipi Electori
se ostenderet amicam ex animo. Caetera omnia nosti. . . . Inclusas
literas quaeso reddas Henrico Seltzero amico nostro. Habent
1) Vgl. ĂĽber ihn Archiv f. Reformationsgesch. 2, 186 u. Ztschr.
f. ThĂĽr. Gesch. u. Altertumsk., N. F. XIII, 83.
2) Kirchner. 3) Enders 12, 1256.
an Johann Lang in Erfurt. 363
aliquid nouarum rerum ex Gallia, quae mihi Basilius1) scripsit.
iussi eum tibi illa communicare. . . . Vale et saluta Georgium
Miluanum et amicos et fratres omnes. Gotthae 2da feria post
Assumptionis.
9. 12. Juli 1539 (fol. 139b — 140b).
. . . De valetudine mea2) . . . hoc primum habeas, Quod, cum
nuper a uobis huc essem reuersus, adeo me omnes vires corporis
destituebant, ut mihi etiam extrema pericula metuerem, et amicis
meis neque color uultus neque totius corporis constitutio ullatenus
placebat. Sed cum hactenus abstinerem a contionibus et vocis atque
adeo pulmonis agitatione et interim vterer iuxta Doctissimi et orna-
tissimi Medici nostri Sturciadae3) consiĂĽum Saccaro candi et
succi liquidi (!) et abstinerem a cibo ornnium (!) aromatibus condito,
a vino quoque et frigidiore potu, sensi nonnihil leuari morbi corpus-
culum et paulatim mihi redire vires. Sed sentio tarnen adhuc
reliquias quasdam morbi. Sed statui primum adhuc aliquot diebus
experiri, quid per se velit efficere natura et haec mea oboedien tia
erga optimi medici praescripta. Verum si sensero naturam morbo
inferiorem , cito ad uos veniarn consilium vestrum imploraturus.
Neque ullo modo committam , ut uos praeteream in transeundo
per Erfordiam. Nam statui ad minus noctem vnam manere vobiscum.
De vocatione alia accipienda iam puto habetis consilium meum,
scihcet Erfordiam non esse propter has cruces et malitiam ac
improbitatem paucorum deserendam a vobis, cuius multas causas
scio me vobis antea perscripsisse 4). Etsi unquam fuisset deserenda,
nunc modis Omnibus cunctis vobis manendum esse censeo, Cum
quia patria vobis est, tum quod illic Christus habet et frequentem
et oboedien tissim am ecclesiam, quae perderetur et lanianda exponeretur
lupis vobis abeuntibus. . . . De lectione vellem, si aliquid uel a
priuatis amicis uel publico magistratu constitueretur, ne id fieret cum
grauitate, sed etiam de hac re coram tecum. . . . Obsecro saluta
reueren ter Sturciadem et confratres omnes. Vale et saluta etiam
vxorem tuam, maxiine etiam Ă„ff inium Schaden6) veterem amicum
meum. Datum Gothae 1539 Sabatho post Kiliani. . . .
1) Monner. Vgl. Mentz, Joh. Friedr. der GroĂźmĂĽtige II (Jena
1908), 153ff., auch CR. III, 572.
2) Vgl. Scherffig, S. 122 f. 146 ff.
3) Ăśber den Erfurter Arzt Georg Sturtz vgl. zuletzt meinen
Aufsatz in den Beiträgen zur Gesch. der Stadt Buchholz 6, 1 ff.,
und Nik. MĂĽller, Philipp Melanchthons letzte Lebenstage, Heim-
gang u. Bestattung, Leipzig 1910, S. 117 f.
4) Vgl. No. 6.
5) Mir unbekannt.
364 Briefe von Friedrich Myconius ia Gotha
10. 7. April 1540 (fol. 146a — 147a).
. . . Reddidit mihi puer, quem misisti, literas tuas. Et quam-
quam satis dolorum iam habeam ego ex languore proprij corporis,
quod velut arbor, quae succo caret, paulatim marcescit et breui
absumetur, tarnen hoc accedit, quod vxor mea et liberi, deinde fulcra
illa Ecclesiae, Philippus, Menius, Sturciades, Langius et
quicquid est fortium arietum gregis domini, minantur recessum et
discessum ex hoc mundo. Sed gaudeo tarnen, quod tunc certe in-
cipiemus valere et viuere sine morbis, sine ulla podagra, sine tristicia
et dolore in pace et requie sempiterna. . . . Ab Menio heri accepi
litteras, qui rescribit, se vsum medicaininibus a Domino Petro1) et
vobis missis, sed se expectare adhuc, quid sint in corruptos humores
operaturi. Pro Sturciade nostro et vobis et nobis ipsis pugnamus
orationibus. Ex conuicijs (lies: comicijs) nihil audio nisi quod suinmo
dolo Papa versat et reversat omnia, ne res Christi et Ecclesiae
perueniant ad colloquium. pax data est hoc anno. Sed Caesar vellet
nostros privatim secum agere de causa nostra et pollicetur se multa
impetraturum a pontifice. Sed nobis non licet lumen hoc sub modio
ponere, sed super candelabrum2), ut luceat et Italis, Hispanis, Gallis
et vbicunque sunt tenebrae, quae eam (!) non recipient. Hoc agitur,
ut nos videremur Caesarea et pontificia benignitate uti quibusdam
privilegijs et noua specie indulgentijs. Summa : Christum vellent
apud nos religatum irinere, donec aliquando satis virium habeant
crucifigendi eum in noois. Et ne sit rex Iudeorum omnium siue in
Italia siue Constantinopoli. Heri ad me scripsit Philippus3)
venisse literas, quae significant Turcicam classem molestare oras et
portus Siciliae. Sed nostri heroes interim spectant in ludos in Belgico
et grauiter disputant,. an Monachus, qui heri fuit vir et masculus
creatus, induto caputio et raso capillo hodie factus est stipes, qui
neque cogitet, quid sit foemina. Et an possit Nonna fieri foemina
et mater. Adeo excaecat Satan mentes regum, uti neque, quis sexus
sit et cur ita distincta caro in duos sexus, agnoscant. Indigni ergo
sunt, qui Turcam vel forti oculo aspicere audeant. Deus seruet
reliquias IsraeĂĽs. Hodie resciui Aegidiu m4) vestrum esse Saltzae.
Verum, quid agat, nescio. Dolet mihi, quod nostri ita praestant
occasionem adversarijs nostris deridendi Euangelij, dum vident ante-
cessores nostros apostolos neque carceribus neque flagellis depelli
1) Ein Erfurter Arzt Petrus ist mir unbekannt.
2) Matth. 5, 15.
3) Dieser Brief fehlt.
4) Mechler, Prediger an der Bartholomäus-, dann der Fran-
ziskanerkirche, gest. am 18. Okt. 1547. Vgl. Flugschriften aus den
ersten Jahren der Reformation IV, Leipzig 1910, S. 221 ff.
an Johann Lang in Erfurt. 365
potuisse a grege Christi et nos vanissima spe lucri et parui commodi
tarn facile abstrahi nos patimur a tarn oboediente grege Domini
Christi. Eecte ergo quidarn pro lucris vera damna inveniunt. . . .
Scis, quantae mihi promissiones Lipsiae factae sint, sed cur desererem
hunc gregem, cui me praefecit dominus, et qui petijt, ne se desererem *) ?
. . . Plura respondi quam volebam. Vale. Saluta reuerenter D.
Doctorem Petrum et illius coniugem, uxorem etiam Sturciadae
nostri et omnes illorum liberos. Salutat te mea aegrota Martha.
Datum Gotthae 1540 Quarta feria post Quasimodogeniti. . . .
11. 9. Febr. 1541 (fol. 150a u. b).
. . . Cum quotidie habeas viuorum et in acie adhuc bellantium
et fortiter pugnantium literas et principis nostri pacis et patris futuri
seculi fortia facta et triumphi coram narrentur et referantur tibi,
miror, quid te delectet eorum, qui lassi et vulnerati ac cum ouibus
occisionis lacerati in castris, donec exhalent animas, desident2), eiu-
latus, tusses, excreationes sanguinis et saniei , audire. . . . Iam in
septimanam 22 paulatim pulmonem in sanguinem et saniem versum
expuo. Nullus adhuc dolor capitis, nulla per nares destillatio, sed
omnia primum in collum, deinde in pulmonem, rursus per tussim
ex pulmone in terram decidunt magno dolore. Anhelitus breuis
neque ad refrigerandum cor sufficiens. Inde etiam vigiĂĽa et sub-
dormitio, ex contentione cordis vehementi sudor. Hodie etiam ac-
cessit sub scrupula (!) dextra pressura, et ampĂĽus non possum iacens
tussire aut eijcere quicquam, sed vel stare vel sedere me oportet3). . . .
Lutherus mihi scripsit consolatorias literas, quas crederes in ipso caelo
scriptas4). Habes non tria verba, sed mille, quae omnia referas
Sturciadae nostro, cui etiam ex meis diuitijs leporem mitto, Quia
non delectat me iste cibus. Si quid potestis consulere, consulite.
Neque audeo neque possum me committere itineri. Valete, suauissimi
commilitones, et me defatigato fortiter pugnate. Nihil mihi ita dolet
quam quod iam non possum ut vellem ferire hostem. Gotthae 1541. Die
9. Februarij. Saluta D. Sturciadem et omnes fratres reuerenter.
12. 1. Sept. 1542 (fol. 149a — 150a).
. . . Quod Hoseam prophetam fratribus et eruditae iuuentuti
enarrare coepisti et instituisti, valde mihi placet . . . De poligamia
Macedonis nosti iam antea sententiam meam. Debebat certe
contegere pudenda sua, ne, velut propter turpem priapum et im-
1) Scherffig, S. 126.
2) In der Gothaer H. steht desident erst hinter saniei.
3) Scherffig, S. 147.
4) Vom 9. Januar: de Wette 5, 326 f.
XXVIII. 24
366 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
pudentem venerem tota religio gentilium erat ridiciĂĽa, Ita etiam
gloria Euangelij Filii Dei propter hunc impurum, nudum, inuere-
cundum Deum et impudentissimam Deam pessime audiat. Nos
certe, ut non ignoras, haec verenda tulimus, teximus, excusauimus,
negauimus et, quantum potuimus, stercore haec iuxta praeceptum
Domini, ne castra Israelis foetore corrumperentur, sepeliuimus. verum
hie Priapus non vult esse tectus, sed ostendit omnibus tentiginem
et rigorem suum, et venus haec rumpit et abijcit omnia vela . . .
Horreo, quoties cogito mecum de tanta audacia et impudentia Buce-
phali, non parrasij, sed parasiti, non Hulderichi Nebulonis1),
sed Zuchtsindi nebulonis. Mirarer, si inter tot fortes Israelis non
inueniretur, qui auderet Zamri hunc et impudentem Cosbi Midi-
anitidem aggredi2) . . . MenĂĽ dialogum3) legi et relegi et non
possum non probare et admirari lucem, perspieuitatem et claritatem
argumentorum singulorum, quibus tenebras absorbet, et est modestior,
quam turpitudo tanta merebatur. Certe Pinehas alio pugione contra
haec rigida et rigentia genitalia fuisset vsus*). Nihil contra personas
dicit, quas neque nominat etiam. Sed contiones in his priapi et
veneris sacris refellit et dicit eas non esse desumptas ex ore Spiritus
saneti, qui est spiritus castus et mundus, Sed vere sunt foetores et
graues odores hiatus immundi spiritus . . . Neque D. Mauri5) in-
stitutum possum reprehendere. Non enim coniecit seipsum in hanc
foetidam cloacam, Sed impuri illi has feces sicut in alios optimos
viros. sie etiam in se coniecerunt. Vix credis, quam cupide et anxie
[zu lesen: auide?] quorundam Lamechitarum 6) Dialogum exquirant
et has sacras priapi contiones et veneris cantilenas audire gestiant
magis quam uel Dauidis Cytharas aut virginis Manae psalmos.
Adeo haec irritamenta libidinum titillant et delectant carnem . . .
Mitto cum hoc tabellario Chronicam, quam certe aliquamdiu mecum
retinuissem, nisi credidissem te ea carere non posse. Antea nee
1) Ăśber den Dialogus des Joh. Lening von Melsungen vgl.
Köstlin-Kawerau, Martin Luther II, 530 f. u. Nik. Müller,
Archiv f. Reformationsgesch. 1, 365 ff.
2) 4. Mos. 25, 14 f.
3) Ăśber die von Menius verfaĂźte Gegenschrift gegen Lening
vgl. RE3 12, 579. 4) 4. Mos. 25, 7 f.
5) Joachim Mörlin in Arnstadt, RE:! 13, 238. In unserer Hs.
fol. 240a findet sich folgendes Briefchen von ihm an Myconius:
. . . Petijt a me consilium in causa suae filiae hie ciuis noster,
quam contra suam voluntatem est quidam abdueturus domum. Cum
autem ad te pertineat eius causae iudicium, iussi, ut tibi negocium
suum exponat et a tua humanitate expectet, quam teneat sententiam.
Spero enim te facturum Episcopi salutare et pium officium . . .
Tax.ioxa. Arnstadij Feria quarta Natiuitatis Domini 1542. T. Joachi-
mus Mörlin. 6) 1. Mos. 4, 19.
an Johann Lang in Erfurt. 367
audiui quicquam de eius aeditione, sed mire placet1) . . . Hoff-
mannus proxima 2da feria obtulit scriptum quaestori, ut habes
ex inclusa sclieda. Oro te, si quid nouarum rerum uel de Hansone
Wurst uel Caesarianis aut Turcicis rebus aut alijs acceperis, mihi
communices, quod ego vicissim faciam. Et rescribe ad me frequenter.
Non enim me perpetuo habebis in hac vita tarn misera . . . Vale
et saluta reuerenter D. Doctorem Sturciadem nostrum. Gotthae
1542 sexta feria prisci . . .
13. 23. November 1542 (fol. 150b— 151b).
. . . Eeddidit mihi Stephanus literas tuas , quibus lectis
valde refectus sum, dum audio tuam domum et ministros Christi
omnes seruari2), ne in hac visitatione iniquitatum nostrarum per
virgam paternam Domini vapularent . . . Neumburgi abripuit
pestis duos ex primarijs diaconis, sed Doctoris Medleri et alterius
superstitis diaconi Christiana et uere heroica contra Satanae terri-
culamenta fortitudo, constantia et pro grege Christi vigilantia effecit,
ut gestirent hinc migrare, quos ad se Christus accersijt, et mors se
iterum hie reeipiat 3J. . . . Verum forte minus hie quam vobiscum
agit carnifex. Si ĂĽbet tibi cum familia in meam nouam domum huc
commigrare, et lieebit tibi, et semper est aperta 4). Curabimus etiam,
dum Sturciades forte alibi mauult seruari5), ne in illa tibi desint
officia nostra. De Mezentio6) mirum est hie silentium, nisi quod
dicitur esse apud Bauaros. Nos nihil nobis ab hoc Barraba metui-
mus, quem vestri tantopere sibi optant dimitti et Christum in crucem
tolli ... D. Philippus misit mihi commentarium D. Martini
Lutheri in Micheam, quem oro legas et expendas 7). Pome-
ranus adhuc est Halberstadij. Ratisbonae scribit Philippus
emendari Ecclesiam et eo esse missos a Nurmberga, qui repurgent
1) Scherffig, S. 144.
2) Vgl. Melanchthon an Lang, 6. Dez. 1542 (CR. IV, 909).
3) M. Sixtus Braun, Naumburger Annalen vom Jahre 799 bis
1613, herausgeg. v. Köster, Naumburg a. S. 1892, S. 319 erwähnt
zwar die Pest von 1542, aber nicht den Tod zweier Geistlichen. Von
Diakonen aus jener Zeit sind nur Martin und Benedikt Schumann
bekannt.
4) Myconius bot damals auch Sturtz sein Haus als Zufluchts-
stätte an (vgl. Beiträge zur Gesch. v. Buchbolz 6, 4).
5) Sturtz schrieb am 7. u. 29. Nov. 1542 u. am 22. Jan. 1543
aus Marienberg (Beiträge zur Gesch. v. Buchh. 6, 5 ff.).
6) Herzog Heinrich von Braunschweig: Enders 12, 104f.16.
7) Commentarius in Micheam prophetam, collectus ex prae-
lectionibus D. Mar. Luth. nunc primum in lucem editus , per
M. Vitum Theodorum, Concionatorem Norimbergen. 1542 Witte-
bergae. Weimarer Lutherausg. 13, S. XXVI.
24*
368 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
et resarciant scissuras templi Domini1). Lipsiae crescit pulchre
schola2). Et M.Joachim us Camerarius edidit Senatoriam ora-
tionem de bello Turcico, quam si leges, admiraberis. Philippus
eam publicae (!) Scholae Wittenbergensi commendavit . . . Saluta
si potes per literas D. Doctorem Sturciadem nostrum et sanc-
tam illius domum . . . Datum Gotthae 1542 Quinta feria post
Elizabeth . . .
14. 20. Januar 1543 (fol. 152b — 153a).
. . . Forte votum habes ... te nihil ad me scripturum, nisi
prior ego scribam. Sic semper oportet languidiores, ut dici solet,
portare candelas. Absoluam et liberabo te ab hoc voto in nomine
patris et filii et Spiritus s., ut exinde possis sine ullo scrupulo con-
scientiae et ad me et ad reliquos amicos scribere. Hie adolescens, qui
tibi has reddit literas, pauperculi ciuis filius est, qui etiam non ha-
buit, unde vel hunc atro pane aleret. Nos effeeimus, ut alij amici
eum hactenus propter ingenium et indolera sustentarent. Nunc forte
obtinget ei vel tenuis conditio, unde et ad sua studia et forte etiam
ad comparandos ĂĽbros potest facere adiectionem. Sed necessum erit,
quo ei aliqua autoritas concilietur, ut peius deponat et alieuius in-
signis scholae membrum fiat. Oro te, ut adhibito aliquo vno aut
altero teste hunc assumas in eorum numerum, qui vocantur vestrae
Erphurdiensis scholae studentes ... D. Philippus Melanthon
scripsit ad me Venetos, Taruisinos et Vincentinos concionatores nuper
ad se et alios scripsisse et orare, ut nostri Status Senatui Veneto
scribant, ut mitigent saeuitiam, ad quam instigantur a Pontifice. Et
addit Euangelij sonum exire in omnem terram . . ,8) Oro rescribe,
an aliquis sit domi in domo Stjurci adae4), qui mihi possit parare
pillulas illas amaras . . . Datum Gotthae 1543 Fabiani et Seba-
stiani . . .
15. 2 3. März 1543 (fol. 154b— 155a).
. . . Literae tuae . . . nonnihil me perturbant, qui toties mihi
Zuuinglium, cuius ego nomen odi et doctrinam, obijcis et nescio
quid vocas adorationem et contra quid pugnes. Nam Christum esse
1) näml. Joh. Forster, vgl. Germann, D. Joh. F. (1894),
S 373 f
2) 'S c h e r f f i g , S. 129.
3) Ăśber diesen Brief der BrĂĽder aus Venedig, Vicenza und
Treviso vom 26. Nov. 1542 und Luthers Antwort vom 13. Juni 1543
vgl. K. Benrath, Gesch. der Reformation in Venedig, Halle 1886,
S. 21 ff.
4) Vgl. S. 367, Anm. 5.
an Johann Lang in Erfurt. 369
Deum benedictum in secula Et panem coenae eius corpus, potum
sanguinem, ipsum vere praesentem ego adeo non nego, ut, tu si
negares, auderem tibi bellum indicere. lllum adorandum esse habent
Euangelistae et prirnurn caput epistolae ad Ebraeos1): Adorent eum
angeli Dei. Sed quo ritu statuerit, ut se adoremus et quid ipse
adorationem vocet, oro mihi definias, ut sciam, ubi vel tu a me, vel
ego a te dissentiam. Si adorationem vocas flammulas caereorum et
fumulos thuribulorum, igniculos carbonum, crepitaculorum et cym-
balorum, campanarum et nolarum sonitus, geniculationes nonnarum
et monachorum, deuotiones et concentus suaues tuorum Canonicorum,
sparsiones florum in die corporis Christi, serta monstrantiis imposita,
reliquias conditas in altarijs, lotiones altarium 2), quae cras fient in
monte Mariauo et ad S. Seuerum, Et Filius et Pater tales adoratores
quaerunt 3), tunc vide, ut ultra nihil damnes in toto regno papae.
Si vero aliud est adoratio, Quid tandem est? cui exhibenda? vbi ?
Quomodo ? Quando ? quo ritu ? Qua caeremonia ? Responderem
tuis literis toto quaternione. Sed ne putares acerbiores esse literas,
nolid eas nunc mittere, missurus tarnen, si ad haec responderis,
vt sciam, quo iacula dirigas et vbi sit mihi scuto occurrendum et
vibrandus gladius spiritus . . . Datum celerrime Gotthae die parasceues
1543 . . .
16. 9. April 15 43 (fol. 153a— 153b).
. . . Scis . . . quod nuper quaterniones aliquot de polygamia
mutuo tradiderim 4). Sed tu pollicebaris intra dies paucos omnia
remissurum. Ego vero adhuc expecto, ut fidem tuam hie liberes.
Nam non nescio, quod haec sine periculo non possint diutius a nobis
abesse. Oro te, cura, ut haec omnia ad me fideliter et libere et
sine mora ad me redeant, ne perpetuo in hac re infelix sim, quod,
dum mutuo scripta mea amicis impertio, aut alia nunquam, aha
intempestiue et tardius ad me redeant .... Gratulor vobis ad
vos reditum clarissimi et optimi viri D. Doctoris Sturciadae
nostri 5) . , . Meus perpetuus morbus est mihi perpetuus carni-
fex . . . Vale et remitte quaterniones. Saluta d. doctorem Sturcia-
dem reuerenter. Datum Gotthae 1543 Secunda feria post misericordia
domin i . . .
1) v. 6.
2) Vgl. Thalhofer, Handbuch der katholischen Liturgik II
(Freiburg i. Br. 1890), 548.
3) Joh. 4, 23.
4) Vgl. No. 12,
5) Vgl. No. 13 u. 14.
370 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
17. 20. April 15 43 (fol. 151a — 152b).
. . . Nouarum rerum nihil habeo, nisi quod heri accepi literas Lu-
theri1), qui gratulatur mihi meliorem valetudinem et orat, ut per-
fecte restituar ; se dicit inutile pondus terrae et hoc anno saepe mortuum
fnisse et reuixisse inuitum et orat tandem : ,Ach veni, Domine Jesu,
cito, citius, citissime et libera nos a malo.' Das ist auch warlich
hohe Zeit. Kos incipimus hie rursus sperare pacem. Quando enim
viderunt hostes nosnos non nimium esse f ormidulosos , simulant
se placatiores. Secl Diabolus manet homieida vnd traw im ein an-
derer, ich nit. Sed heus, quando remittes meos qnaterniones ? . . .
Saluta amanter, reuerenter et religiöse Optimum Patronum et ami-
cum nostrum D. Doctorem Sturciadem. Scripsissem illi, sed
puto vobis esse omnia communia, etiam litteras meas. Vale. Da-
tum Gotthae 1543 Freytag nach Jubilate . . .
18. 15. Mai 1543 (fol. 153b — 154b).
. . . Neque ego possum me continere, quin rideam fabulam
illam de profectione Principis nostri Illustrissimi ad Pomeraniam, quae
si Plauti tempore aeeidisset, haud dubie inde Menechinos conscrip-
sisset. Secretarius Electoris Johannes Rudolphius2) nuper
hac festinans ad Hessum requiritur a quaestore nostro, utinam
inueniri possit prineeps. Is respondet abijsse nauigio in Gommerum,
quod est Monasterium non longe situra a Magdeburgo et pertiuet ad
Burggrauionatum. Is pro Gommerum audit Pommerum. Venio ego
eadera pene hora, offero literas et oro, vt primo tabellario eas mitteret
prineipi. Ille respondet prineipem domi non esse, sed iuisse naui
in Pomerum, expeetandum, donec redeat. Eadem die erat etiam vobis,
Deinde Justo Menio, amicis meis, scribendum. Et vt haberetis
occasionem cogitandi de solutione intricatae illius quaestionis: Ec-
quid nam hoc tempore ageret in Pomerania Elector? Et quomodo
eo nauigaret, cum Albis fluat a Torga in Occidentem, Pomerania
autem sit illi fere ad Orientem ? Sed ad hanc quaestionem responde-
bimus , quod forte nauigarit Im windtschiff , quod olim fabricabatur
Electori Johanni saneto prineipi ab impostore quodam. Habetis
totam nauigationem, res gestas feliciter, redituin celerem et in com-
pendio decennalera Vlyssis peregrinationem. Eadem , quae tibi
Wenceslaus8), mihi quoque scribit Vitus Theodorus et laudat
1) Vom 5. April: de Wette 5, 554 f.
2) Vgl. Mentz III (Jena 1908), Reg. s. v.
3) Link.
an Johann Lang in Erfurt. 371
virtutem Francisci l) nostri etChristophoriabVenningen2),
legati ducis Wirttembergensis , quoruni uterque fuit discipulus
D. Philippi. Hi enim soli persuaserunt Granu elo3) seni, vt indu-
ciae in Belgico et pax fieret aequissimis condicionibus. Te resti-
tutum esse ex morbo valde gaudeo . . . Puer tuus inferet tibi re-
sponsum ab Hof f man no4). Ego nunc non potui conuenire quae-
storem. Erat enim in arce cum praeside occupatus. Conueniam
autem illum statim vt potuero . . . Vauertien sem5) iterum ac-
cersam ad me et iubebo, vt ad te veniat. Neminem enim alium
habeo, qui sit ad haec munia tarn idoneus ... V i t u s putat non
rediturum Philipp um ante Autumnurn"), sed ego spero citius
rediturum. Vtinam hac transeat et veniat deinde ad nos! forte vel
aegrotus deducerem eum. Sic enim olim fratres et sancti Paulum.
Sturciadem ex me reuerenter et amanter saluta, qui si ad hoiam
vel momentum esset Deus, statim me restitueret et praeciperet me
currere ad metam longius positam a stadio . . . Vale. Datum
Gotthae 1543 tertia pentecostes.
19. 28. Juni 1543 (fol. 156a — 156b).
. . . Te conualuisse mihi gratum est valde, ego valebo etiam
in media morte, quae multo languidior me est, scilicet absorpta a
Christo in victoria 7). Caesarem venire in Germaniam certum est.
Vidi enim et audiui eius literas ad Electorem et Status nostros,
quibus clementer optima quaeque pollicetur. Et 3. Iulij suos consi-
liarios praemittere vult Spiram et iubet, suos quoque nostri eo mit-
tant, ut visitetur et reformetur iudicium Camerae. Iubet ut pare-
mus nos contra Turcam, quem ait certo venire in Germaniam cum
maximis copijs, ut Germaniam oppugnet8). De visione, quae in
caelo apparuit in Wisenthai , puto te audisse. Si non audisti,
rescribere poteris; curabo, ut legas, mirabilia sunt. Valde et certe
magnam mutationem rerum portendunt. Misissem ad te exemplar,
sed vnum tan tum habeo. Et tu non voles cito remittere, quae accipis.
Beschreibung der Himmelserscheinung. Stetit per tres
horas perpetuas. Spectatores fuerunt 4. Iunij post vesperas innumeri.
Vale. Datum Gotthae 1543 Quinta post Baptistae. . . .
1) Burkhard (Enders 10, 293 f.1.
2) Zeitschr. d. Histor. Ver. f. Niedersachsen, 1904, 469. SchieĂź,
Briefwechsel der BrĂĽder Ambrosius und Thomas Blaurer II (Frei-
burg i. Br. 1910), 426.
3) Nicolas Perrenot, Herr zu Gr., 1530—1550 Minister Karls V.
4) Vgl. No. 2.
5) Offenbar ein GeistĂĽcher in oder bei Gotha.
6) Melanchthon seit Anfang Mai 1543 in Bonn.
7) 1. Kor. 15, 54.
8) CR V 120. 121. 138.
372 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
20. [Juli] 1543 (fol. 155a — 156a)1).
. . . Colonienses triplici forma aediderunt suum librum2),
latine in magna et mediocri, tertio etiam germanice. Adeo placet
illis haec pandora sua ... Si non vidisti responsum Philippi3),
cura ut habeas, et uide, quid possit unus lapis Perae pastoris nostri
filij Dauidis adolescentis ruffi et venusti4) . . . Ego non habeo
exemplum, Quia quod legi, erat principis et cito fuit reddendum.
Vision em in valle pratorum 5) tibi omnem diligenter perscripsi
nee quiequam obmisi, nisi quod mea sint Germanica. Vellem, tu
mihi eam interpretareris . . . Vanerensem6) iussi aeeipere con-
ditionem ad annum, quo liberari possis ab improbitate improbi
turbatoris hachonis montani et syluestris. Legi eius ineptum
scriptum, quod tibi cogitat offerre uel forte iam obtulit, quo rationem
reddit, cur nolit ab alio quam a te petere Stipendium ... Si tibi
uidetur consultum esse, ego scribam ad totum Collegium ministrorum,
ut hunc inquietum hominem tanquam pestem . . . abominentur,
fugiant et hoc vetus fermentum a se et Ecclesia Erphurdiana ex-
purgent . . . Vale! datum Gotthae 1543. Tarnen si quid tu debes
Hachoni, quare non reddis? Quare tales ignes reddendo operario
mercedem non restinguis? . . .
21. 6. Februar 1544 (fol. 156b — 157b).
. . . D. Johanni Lango . . . Aegidio Mechlero, M. Sigismundo 7),
Nicoiao Rosero, fidelibus pastoribus Erfurdensis Ecclesiae . . .
. . . Fuerunt his diebus quidam ex ministris et fratribus huius
nostrae Gotthanae Ecclesiae Erphurdiae, qui huc redeuntes mira nobis
narrarunt, quanta audacia et crudelitate aper quidam immanis apud
vos agros et vineas Domini vastet et impuro suo rostro demoliatur et
1) Diese Datierung ergibt sich daraus, daĂź Mykonius Melan-
chthons Schrift gegen die Kölner gelesen hat, die Mitte Juni im Druck
erschien, und ferner daraus, daĂź Mykonius auf den Brief vom
28. Juni sich zurĂĽckbezieht.
2) Judicium Deputatorum Universitatis et secundaiĂĽ Cleri Colo-
niensis de doctrina et vocatione Martini Buceri (Urteil der Uni-
versität u. Clerisie zu Cölne von Martin Bucers Lernung und ruffuug
gen Bonn . . .), CR V 113. 115. 118.
3) Philippi Melanchthonis Responsio ad scriptum quorundam
delectorum a Clero Secundario Coloniae Agrippinae . . . Wittem-
bergae 1543. In deutscher Ăśbersetzung neu herausgegeben von W.
Rotscheidt (Warum eine Reformation im hilligen Cöln? Cöln
1904). CR V 118. 121. 122.
4) 1. Sam. 16, 12.
5) Vgl. No. 19.
6) = Vauertiensem No. 18?
7) Kirchner.
an Johann Lang in Erfurt. 373
laceret cuncta. Sunt autem, ut aiunt, haec pulcherrima oracula
grunnientis porci s) :
I. Nulla est Ecclesia Sancta catholica nisi ea sola, quae Ro-
manum papam agnoscit et adorat.
II. Neque alibi sunt ulla ministeria Ecclesiae, ulla Sacramen-
torum administratio, nisi sola in illa Romana Babylon e.
III. Cum ergo Christus Erphurdiae annunciatur caput corporis
Ecclesiae et agnus Dei, qui tollit peccata mundi,
IUI. Et ille praedicatur esse solus autor ministeriorum omnium
in domo sua, — Ipse enirn dat quosdam Apostolos, quosdam doctores,
aĂĽos Episcopos, alios Euangelistas, qui omnes Christum fatentur
patrem familias, non papam, —
V. Sequitur, quod omnes sunt extra Romanam Ecclesiam et
in principis huius mundi summo odio, excommunicatione et prorsus
praecisi et proscripti ab eius sacrosancta Romana Ecclesia.
VI. Ergo consequenter sequitur, quod Erfurdiae niĂĽli sunt
veri ministrrEcclesiae, nulla Sacramenta, nullae operationes spiritus,
quae omnia ad solam Romam et papam sunt alligata.
VII. Omnia ergo, quae per viginti annos sunt Erfurdiae acta,
sunt nihil: Praedicatio est nihil, etiam in nomine Christi facta. Ab-
solutio est nihil, Baptismus nihil, Sacramenta nihil, fides nihil, etiam
illud testimonium spiritus sancti, quod reddit cordibus et spiritui
credentium, quod vere sunt filij Dei, nihil est . . .
Dominus Jesus Christus conterat Satanam sub pedibus vestris
velociter. Amen. Gotthae 1544 Quarta post purificationis Mariae . . .
22. 24. Mai 1544 (fol. 160a — 161b).
... De libris, de quibus scribis, contra Mezentium Brun-
suuiciensem2) et clandestini coniugij defensores3) audiui quidem
ahquoties aedendos esse. Sed hie nullum adhuc vidimus. De rebus
in Comitijs gestis et an Ecclesiae prineipes euneti promiserint pacem,
nihil audivi, et si promittent, non potero eam non suspeetam habere.
. . . Princeps hac nondum redijt, dum has scriberem literas, sed
1) Vgl. schon Luthers Brief an die Erfurter Prediger vom
30. Sept. 1533: Enders 9 No. 2117.
2) Hiermit ist wohl die vom 5. April 1544 datierte Flugschrift :
Ein wunderlich, seltsam und neu Geburt des Babylonischen alten
und jetzund neuen Waldochsen, im Herzogtum Braunschweig geboren,
. . . (Koldewey, Heinz von Wolfen bĂĽttel, Halle 1883, S. 58 f.)
3) Die Herausgabe dieser Schrift Luthers unterblieb. (K ös tl l n -
Kawerau II, S. 571.)
374 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
hodie veniet, ad quem si accersitus fuero, veniam et hortabor eum,
ut ita per Christum confodiat proprio gladio monstrosum Goliath
gigantem maledicum blasphemum et ita praescindat eius caput, ut
tarnen non perturbet choros puellarum cantantium: Percussit Saul
mille, sed David decem millia, Imo accepta Cythara et indutus
Ephot linea saltet inter famulas Domini psallens1). Scis, quid vehm.
Numquam ex vllis comitijs minus litterarum accepi quam ex istis,
Quia in illis non fuit D. Philippus et, qui istic fuerunt, per-
scripserunt aliquoties omnes actiones vno verbo, sciĂĽcet: adhuc nihil
est actum, forte iuxta illud Johannis primo2): 'Sine ipso factum est
hoc nihil'. Ergo maneat nihil, donec per ipsum fiant omnia, quae
facta sunt. Nullo modo debetis deserere sponsam Christi cum suo
curru, puellis et liberis in lutoso itinere haerentem. . . . Vale et
saluta fratres, quibus has communicabis, maxime Aegidio, D. Nicoiao
ac D. Sigismundo s), et sanctos omnes. Datum Gotthae 1544 die
24. Maij. Iam obsignaturus eram literas, veniunt ad me quidam
aulici, qui significant nondum nobis pacem promissam, neque Camerae
iudicium reformatum, sed relictos consiliarios adhuc acturos de Con-
clusionibus istis, et nos non possumus nee voluimus indicare bellum
Christo4). Caetera alias . . .
23. 21. Oktober 1544 (fol. 159a — 160a).
. . . Remitto tibi, mi D. Doctor Langi, literas tuas, quas ex-
ercitatissimus medicus conscientiarum morbidarum, afflietarum et
mortuarum D. Martinus Lutherus Spalatino scripsit0).
Adiunxi illis antidotum ipsius, quo mihi imperiose per literas6) in
nomine Christi et voluntatis Dei patris praeeepit, ne se hie relicto
inter daemones perrumpam per morbos ad requiem et sauitatem
aeternam. et ne sine multo foenore ad te redeant tuae, addidi illis
etiam confortatiuum ex Diamargariten (!), quod imposuit cordi ex
nimio dolore iam mortuo D. Philippi Melanthonis Lutherus7).
Et certo credo nos vtrosque iamdudum sepultos computruisse, si non
omnipotens illa medela, potentia Euangelij ad salutem omni credenti 8),
Verbum, quod est deus, vita et lux hominum, sine quo nihil persistit,
et oratio sanetorum ex tot morbis restituisset. Ego valde libenter
1) 1. Sam. 18, 7; 2. Sam. 6, 14.
2) Joh. 1, 3.
3) Mechler, Roser, Kirchner.
4) Scherffig, S. 113 f.
5) Vom 21. August 1544: de Wette 5, 678 ff.
6) Dieser Brief Luthers fehlt.
7) Ende Juni 1540 in Weimar: Köstlin-Kawerau I, 526f.
8) Rom. 1, 16.
an Johann Lang in Erfurt. 375
sum vobiscum testis, quae sit vera causa efficiens vitae etiam phy-
sicae, scilicet, quod non in solo pane viuit homo, sed in omni verbo,
quod procedit ab ore Dei3) . . . Quando uero ego inspector et coad-
iutor fui velut famulus aliquis extremus in Myropolio totius curae
et restitutionis Philippi, cuius ego morbum, etiam priusquam aegro-
taret, et deinde restitutionem, antequam veniret medicus Lutherus,
in somnio vidi et narraui, priusquam fierent, ac postea in omni
practica adfui, cogitabam ad vos totam hanc historiam scilicet morbum,
morbi speciem, causam, qualitatem, quantitatem, incrementum, vim
et saeuitiam, Deinde Medicum, Medici diligentiam et labores, Item
totius curationis initium, progressum ac sanitatis augmentum, morbi
decrementum et vitae incrementum describere, colloquium languentis
et certamen Medici, Sed cum vos antea hec partim coram partim ex
alijs cognoueritis et similem curandi rationem ex literis iuxta positis
habeatis, nolui vos onerare mea loquacitate 2). Satis de hac prima
parte. Eeuspert euch, einmal ! sj Reliquas duas partes contionis huius,
scilicet pugnam medici Christi in Luthero et Batanae affligentis
conscientiam aegrotantis Philippi, Item de restitutione totius huius
vitae hominis in Sabbatho reseruaui in proximam contionem, cum
venero ad vos in Curiam augelorum hinder S. Michel oder bey allen
heiligen zu Erffurdt, Valete Datum Gotthae 21. Octobris 1544 . . .
24. 24. Oktober 1544 (fol. 157b — 159 bj.
Ein Mädchen, das gegen den Willen der Eltern
Christoffen Koch heiraten will, soll zum Gehorsam
gegen die Eltern gezwungen werden. Datae Gotthae 1544
sexta feria post Vrsulae . . .
25. 26. Juli 1545 (fol. lblb-161a).
. . . Martin um tuum accepimus et curabimus ut Christi, ut
amici, ut nostrum. Hac nocte mansit cum Hoffmanno, exinde
mecum manebit, donec ei de lectulo prospiciatur. Hospicium et
locum habebit apud Nicolaum nostrum et solus dormiet, adiungetur
mensae et sodahtio, quibus non licet nisi latine loqui certis horis et
locis . . . vestes lauabit et reliquam suppellectilem vxor Hoffmann.
Mea Martha et filiae interdum respicient caput et venabuntur feros
illos4), quos non potuerunt Magi Aegyptiaci ulla arte producere et
testabantur a digito Dei oriri5). Libros necessarios accipiemus apud
1) 5. Mos. 8, 3.
2) Vgl. Scherffig, S. 62 f.
3) Vgl. Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation
III (1909), S. 93 Anm. 20.
4) Läuse.
5) 5. Mos. 8, 14 f.
376 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
Philippum, vbi aliquid opus fuerit, ego exponani, Et de singulis
tibi reddemus rationem. singulis mensibus bis lauabit cum reĂĽquis
sodalibus . . . Nunc ei emam spondam, quam olim poterit rursus
vendere vel domum remittere. Rationale diligenter seruabimus et
maiore fide quam tota Ecclesia Romana suum rationale diuinorum *).
Caetera ex famulo tuo et literis Pancratij cognosces. . . . Saluta
Sturciadem. Gotthae 1545 Dominica post Jacobi . . .
26. 16. August [1545] (fol. 147a u. b).
... In quo statu sint res studiorum filij tui, ex Baccalaureo
tuo cognosces, et referent tibi literae D. Nicolai. Pro mensa so-
luimus debitum , et iam habet iterum mensem , quo potest suum
panem manducare usque ad Dominicam ante Crucis festum. Quos
libros acceperit a Philippo ad sua studia, intelliges et solues. Ego
adhuc vnum fl. debeo, quem poterit a me exposcere vbi volet et
quando. Assuefacimus illum paulatim ad Latinam linguam, scriptiones
et alia puerilia exercitia. Sed de his ex praeceptorum literis. Ego
prius aliquot menses inspector ero, donec et ego de eo possim certe
pronunciare. Interim optime spero. Nee video, quid desideremus,
maxime in his ioitijs. D. Aegidij filium admonui pro mei officij
dignitate, ne Christi et meae, imo Dei Ecclesiae maiestatem et
paternam voluntatem et Studium de caetero laedat. Dedit fidem se
exinde obtemperantem et morigerum futurum Et iussit me id suo
nomine polliceri parentibus, quod significabis Aegidio. Ante annos
quinque hoc anni tempore et tali aestu caeli corripuit me primum
meus morbus et nunc me satis exercet et diĂĽgenter prohibet, ne ad
vos veniam . . . Nihil nouarum rerum habeo, quod non audieris ex
Francisco2) et literis D. Wenceslai3). Vna quaestio adhuc restat
determinanda in concilio Tridentino : An Papa et Cardinales possint
consecrare, cum eorum plaerique sint et fuerint generis et sexus
ioeminini Et Christus in coena tantum viros Apostolos, nullam vero
foeminam adhibuit, ubi eis dedit potestatem consecrandi. Vale et
saluta ex me D. Doctorem Sturciadem reuerenter. Datum
Gotthae Dominica post Eusebij . . .
27. 25. Oktober 1545 (fol. 163b — 164a).
Medmannus retulit Sturciadae, quam nihil hie habeamus
de bello nostrorum cum Mezentio, spero te audisse. Nunc tarn
multum tibi scribo, quam multum habeo, nempe: Mezentius captus
est, captiuus est duetus Cassiliam. Caetera habes ex alijs. Nam
1) Vgl. über dieses einzelnen Bischöfen von den Päpsten als
besondere Auszeichnung verliehene Schultertuch RE3 10, 531.
2) Burkhard. 3) Link.
an Johann Lang in Erfurt. 377
diligenter cautum est, ne quid huc ad principem perferretur. Valde
nostris dolet, quod uos Erfurdiani tan tum hie estis in Thuringia
tales hospites, ut sunt muscae in magnatum domibus. Nam nulla
prorsus etiam pro oblato precio a vobis impetrare potuimus auxilia.
Nicht fĂĽr einen pfenningk brots, nicht ein einigen wagen umb gelt,
imo praeuenistis nos legatione, ne quid a vobis peteremus. Ratio:
nam nihil velletis praestare. Capitulum Maguntinum misit equites,
similiter et Herbipolenses, hostes nostri . . . Vale datum Gotthae
1545 Dominica post Seueri . . . Remitto tibi lodicem, in quo lec-
tulum misisti filio. Solui Oeconomo debitum, et habet eibum adhuc
ad 14 dies, addidi iij gr. de meo.
28. 1. November [1545] (fol. 139a u. b).
S. Castigans castigauit nos Dominus, sed in misericordia, non in
iudicio1). Verum morti non tradidit nos. Misericors autem est nee
laetatur in perditione hominum . . . Seimus vestros papistas laetari
et exultare, sed, si a domo Dei sie ineipit iuditium2), 0 qualis illos
manet aeternus ignis, quem iam non poterunt omnia maria extinguere.
Salui sunt nobis Christus, Euangelium, Domus Sacrae Scholae,
domus ministrorum Ecclesiae et Schola, Ciues omnes amici, omnium
animae et corpora. An hoc non magnum est ? Perierunt vero ligna,
lapides, ferrum, aes, argen tum, aurum, Domus, horrea, frumentum,
vestes, lecti et quiequid vocantur (!) Substantia huius mundi, et certe
multa idola, quae coluimus et adorauimus, pro quibus magis fuimus
quam pro diligendo deo et proximo solliciti, das gröste, Reichste,
beste, gebaweste thail der statt auff allen seitten. Dominus per me
et duos viros et uix tres guttas aquae in einer spritzen errettet die
kirche zu S. Margarethen, die oben im tach rödtlicht brandte.
Vicini nostri ex omnibus ditionibus adiuuerunt et adhuc adiuuant
nos strenue. Sed uestri neque vicini nostri sunt neque eorum res
agitur, ubi paries proximus ardet8) . . . Caetera ex Johanne.
Dominica post Simonis . . .
29. 19. November 1545 (fol. 163a u. b).
. . . Non nescis . . . quanto studio his annis contra immundum
spiritum, qui coniugio et puellarum atque totius illius sexus, unde
Christus nobis, semen beatissimum, prodijt,. insidiatur, vobiscum
pugnauerim. Et etiam tandem nonnullos tuorum ab illius impura
tyrannide, ut scis, eripui. Et toto pene biennio etiam in nomine
1) Ăśber die Feuersbrunst, die am 31. Okt. 1545 in Gotha aus-
brach, vgl. Scherffig, S. 154 f.
2) 1. Petr. 4, 17.
3) Hör. ep. 1, 18, 84. Vgl. No. 27.
378 Briefe von Friedrich Myconius in Gotha
domini Jesu Christi tutatus sum huius bonae foeminae ĂĽbe mĂĽs-
sen sis filiam Catharinam, quae etiam per diligentiam vestri senatus
declarata est libera ab impostore HansoneSchrotter impotente.
Et ei permissum est, ut illi publicis solemnitatibus coniungantur (!),
cni eam iam copulauit Dominus. Verum ut audio pastor harum
ouium et agnellorum adhuc nodum in scirpo quaerit, Et uos etiam
non satis fortiter adiuuatis simplicum puellarum et parentum ius et
causam Et rem in nouam disputationem vultis adducere . . . com-
mittite hoc munus alteri cuidam bono pastori aut coniungite ipsi,
quos coniunxit iam per corda, verba, voluntatem et consensum
parentum et sententiam optimorum virorum ex senatu vestro ipsemet
Dominus . . . Valete. Datum zu Gottha in die S. Elizabeth exem-
plaris fidei et charitatis Thuringiae Anno 1545 . . .
30. 30. November 1545 (fol. 162a — 163a).
. . . Gratulor tibi citra omnem adulationem et hypocrisin, a quibus
scis me natura abhorrere, quod inter reliqua dona, quae liberalissima
manus Domini in te effudit, etiam hoc addidit, quod dedit tibi
filium ad imaginem et simihtudinem tuam formatum, imo in Omnibus
donis Dei te pro hac aetate pulchriorem et elegantiorem. Nam hie
Martinus1) certe declarat se esse ingeniosum, pium et timentem
Dei . . . Conuenio eum frequenter et satis bene respondet ad omnia.
Video eius scriptiones interdum et admoneo, ut declaret se esse
D. Langii filium, et doceo, quod sola virtute id facere possit. Nihil
in eo desidero, quam ut ita currat ut coepit. In te vero desidero,
ut sie foeliciter currentem non eum hinc retrahas ex cursu, donec
videas eum attigisse metam, quam praestruxisti. Neque probarem,
ut vocares eum ad carnisprivium, ut aliquando cum matre et fra-
tribus et sororibus se oblectet. Scis, quam sint perniciosae hae ob-
lectationes huic aetati. Sed quid hie murmuror ? Iudicabis eius
ingenium et quem hie progressum fecerit ex libro eius epistolarum.
Scribit enim magnos libros epistolarum et vellet se posse Ciceronem
superare, si eius calamum et atramentum haberet. Bene etiam pingit.
Nam hie non probamus stulticiam eorum, qui volunt in literis Phi-
lip p i picturam sequi et ita pingunt, ut neque Philippus neque quisquam
legere possit. De Caesare nihil eorum audio, quae scribis. Et
miror, an vera sint. Nam pridie reeepi literas a Domino Fran-
cisco2), qui significauit illum esse Leodij, prorogasse ad aliquot dies
colloquium Regen bĂĽrgen se, Venturum illum, ut adsit Colloquio et
comitijs, sed quo animo, non poterit latere3) . . . Bellum contra
1) Vgl. No. 25 und 26.
2) Burkhard.
3) CR V 892. 893.
an Johann Lang in Erfurt. 379
Mezentium, ut est breuiter coeptum, ita subito debellatum. Nam
dum primum conscriberet exercitum et iam esset progressurus, istas
voces iactabant et prolata contra Dominum exercituum et rubicun-
dum iuuenem filium Dauidis cum baculo et funda contra se vnctum
et electum: vnd wenn der Saxe, der Hesse, die Lutherischen, so
viel trescher vnd bawern brechten als Mucken vnd Maden, so wolt er
sie doch hinweg wĂĽrgen vnd die Maden mit handt vol fressen . . .
De Maguntino1) hie nihil audiuimus, albus aut ater sit, noster
an aduersariorum, Sed non placet, dum vestris papistis placet, neque
metuimus illum dominum. Nobis uiuit ille, qui priorem multo
astutiorem, maiorem, perniciosiorem hostem Albertum 2) posuit sca-
bellum pedum suorum 3) . . . Oro te, ut publica contione agas gra-
tias Senatui et Ecclesiae ac omnibus, qui nostris pauperibus ouibus
in hac sua paupertate. calamitate et miseria post tarn horrendum
incendium subvenerunt. Relata est eorum beneficentia ad magnos
amicos. Et heri aeeepi literas a Viteberga, ut edoceam, quomodo
se erga nos vicina Erphordia ostenderit. Ego respondi, quod res
est satis liberaliter . . . Lipsenses miserunt sexaginta fl. solius Se-
natus nomine et plura pollicentur Ecclesiae causa, si eo mitta-
mus fideles nuncios4). Vale et saluta Sturciadem. Datum
Gotthae 1545 die Andreae. Oeconomo solui vsque ad Dominicam
proximam post Natalem Christi. Et sunt ressidui quinque gr., quos
exponam pro candelis et alijs necessitatibus pueri, et scribam omnia
in rationali . . .
31. Undatiert (foL 148b— 149a).
. . . Oro te . . . ut literas ad Franciscum Vinariensem 5),
quas nuper in causa Henningorum tuorum ad te per puerum
tuum aut ante mensem misi. aperias, in quibus inuenies alias literas
parvas ad eundem Franciscum diligenter obsignatas, quas obsecro
ut vel tecum retineas et nullo modo Francisco tradas uel ad me
remittas . . . vnnd schickt mir das klein briefflin wider vnd druckt
den andern widerumb zu. 2a post Briccij . . .
1) Erzbischof Joh. Albrecht (regierte seit dem 19. Okt. 1545).
2) Gest. am 24. Sept. 1545.
3) Ps. 110, 3.
4) Die Wittenberger Universität schickte 100 Gulden: CR V
897. Der Anschlag CR V No. 3315 steht auch, aber ohne Datum, in
Hs. XXXV, fol. 120a — 121a der Zwickauer Ratschulbibliothek.
5) Burkhard.
XI.
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
Von
Archivdirektor Dr. Joh. Trefftz in Weimar.
I. Die Vorgeschichte.
Am 9. Juli 1911 sind 200 Jahre verflossen, seitdem
die Stadt Arnstadt mitten im Frieden von sachsen-weimari-
schen Truppen unter FĂĽhrung des Obersten v. Rumroth
kriegerisch ĂĽberfallen und fĂĽr kurze Zeit besetzt wurde.
Mit Gewalt und dem Schwerte suchte sich Herzog Wilhelm
Ernst von Sachsen- Weimar einen Ausweg zu bahnen aus
einem Wirrsal endloser Streitigkeiten und gereizten Feder-
krieges; aber ohne Erfolg, der Streich miĂźlang, die weima-
rischen Truppen muĂźten sich wieder zurĂĽckziehen, seinen
Zweck erreichte der Herzog nicht. Dieser Ăśberfall der
friedlichen Stadt bedeutet freilich nur eine Episode, zu-
gleich aber auch einen gewissen Höhepunkt in den Kämpfen,
die sich Jahre, ja Jahrhunderte lang zwischen den Häusern
Sachsen, speziell Sachsen- Weimar, und Schwarzburg ab-
gespielt haben. Deshalb verlohnt es sich wohl, an der
Hand des darĂĽber im Geheimen Haupt- und Staatsarchiv
zu Weimar befindlichen reichen Materials auf diesen Vor-
fall etwas näher einzugehen, ohne den Anspruch zu er-
heben , die Sache erschöpfend behandeln zu wollen ; die
einschlägige gedruckte Literatur bietet darüber wenig oder
nichts.
Die Streitigkeiten zwischen dem Hause Sachsen kur-
fĂĽrstlicher und fĂĽrstlicher Linie und den Grafen, nach-
maligen FĂĽrsten von Schwarzburg gehen bis ins 16. Jahr-
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 381
hundert zurĂĽck, ihr Objekt waren die Land-, Trank- und
Reichssteuern. Am 22. April 1570 wurde zu Naumburg
von den sächsischerseits in dieser Sache niedergesetzten
Räten ein Endurteil erster Instanz gesprochen, von welchem
aber beide Teile alsbald an das Reichskammergericht ap-
pellierten. 1646 schwebte der Prozeß hier noch unerörtert,
eine Notiz in den Akten berichtet, daĂź zwischen dem
10. Dezember 1631 und dem 25. August 1658 nihil actum
reperitur, in 27 Jahren war also die Sache keinen Schritt
vorgerĂĽckt! Kennzeichnet schon das die ĂĽbergroĂźe Lang-
samkeit, die bei dem damaligen obersten Gerichtshofe des
heiligen römischen Reiches deutscher Nation herrschte,
einigermaĂźen, so wird es schlieĂźlich auch nicht allzusehr
ĂĽberraschen, wenn selbst 1699, also nach weit ĂĽber 100
Jahren seit Beginn des Handels, kein Fortschritt zu ver-
zeichnen war. Das ergibt sich aus dem kursächsisch-
schwarzburgischen Vertrage dieses Jahres, wo gesagt wird,
daĂź diese Irrungen am kaiserlichen Kammergerichte zu
Speier rechtshängig geworden seien, aber noch bis dato
in unerörterten terminis schwebten.
Im Jahre 1652 befaĂźte sich der bekannte fĂĽrstlich
sächsische Geheime Rat Veit Ludwig v. Seckendorf amt-
lich mit der Sache und erstattete einen interessanten Be-
richt über den Fall. Der gewiegte Staatsmann äußerte
sich, seine Ansicht zusammenfassend, treffend dahin, daĂź
der ganze gefĂĽhrte Krieg Rechtens auf zwei Generalpunkten
beruhe, deren erster die von dem kurfĂĽrstlichen und fĂĽrst-
lichen Hause Sachsen ĂĽber die Herrn Grafen von Schwarz-
burg gesuchte und von diesen angefochtene landesfĂĽrstliche
Hoheit und Territorialsuperiorität — in bezug auf Franken-
hausen und Arnstadt — beträfe, während den zweiten die
dannenhero flieĂźende Gerechtigkeit des Kollektierens oder
der Steuer ĂĽber die Untertanen bilde. Die Schwierigkeit
lag, wie Seckendorf richtig hervorhob, darin, daĂź die
Schwarzburger in einer Person zwei unterschiedliche Per-
sonen diverso respectu vertraten, d. h. sie waren in einer
XXVIII. 25
382 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
Person zugleich Reichs- wie Landstände. Nach Secken-
dorfs Ansicht waren die sächsischen Lehen der Grafen der
mehrere und beste Teil ihrer Graf- und Herrschaften und
den anderen vom Reiche oder sonstwoher habenden Lehen
weit vorzustellen, vornehmlich dieserhalb wären sie in
Konsideration zu ziehen und für sächsische Landstände J)
zu achten, — von schwarzburgischer Seite wurden solche
Behauptungen natürlich lebhaft bestritten. Während Sachsen
das Landsassiat der Grafen in den Vordergrund rĂĽckte,
behauptete Schwarzburg, sie seien darum nicht mere sub-
dili, sondern principaliter comites imperii, secundario domus
Saxonicae sive Thuringiae.
Während der Jahre 1671 bis 1674 wurde dann von
herzoglich sächsischer Seite der Versuch gemacht, die
Irrungen und Streitigkeiten in der GĂĽte beizulegen, es
fanden Verhandlungen ĂĽber einen Vergleich statt, die auf
beiden Seiten eintretenden Todesfälle ließen aber das Werk
ins Stocken geraten, so blieb also alles beim alten. Solange
in Weimar der friedlich gesinnte Jobann Ernst regierte,
hatte das nicht eben viel zu bedeuten, das Verhältnis beider
Parteien zueinander war erträglich, in Titulaturfragen zeigte
man sich gegenseitiges Entgegenkommen 2). Die Sachlage
1) Als Sachsen im Jahre 1622 den Versuch machte, der MĂĽnz-
unordnung zu steuern, suchte es auch die Schwarzburger Grafen
dazu heranzuziehen, die bei dieser Gelegenheit als des Hauses
Sachsen immediati subditi bezeichnet werden. Die Grafen ent-
zogen sich aber diesem sächsischen Vorgehen mit Erfolg. Das gleiche
war der Fall, als sie 1662 anläßlich des Todes Herzog Wilhelms für
ihre Gebiete zum Traueraktus herangezogen werden sollten, ebenso
1683 beim Tode Johann Einsts.
2) Am 2. Dezember 1680 kamen die Grafen von Schwarzburg
abermals bei Weimar um gnädigste Eesolution ein wegen der Titu-
latur (Hohnstein, Leutenberg, Lohra und Klettenberg) und wegen
des Prädikats (Hochgeboren). Weimar und Eisenach kommunizierten
darüber miteinander, Eisenach erklärte sich damit zufrieden. Am
27. Januar 1681 teilte Herzog Johann Ernst den Schwarzburgern
mit, daĂź an die Kanzleien die VerfĂĽgung ergangen sei, Titulatur
und Prädikat, wie sie gewünscht, zu verwenden, jedoch ohne Präjudiz.
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 383
änderte sich aber, als nach dem Tode dieses Herzogs
(15. Mai 1683) dessen andersgearteter Sohn Wilhelm Ernst
zur Regierung kam, die er fĂĽr sich und in Vormundschaft
seines jĂĽngeren Bruders Johann Ernst fĂĽhrte. Wilhelm
Ernst war Zeit seines Lebens ein eigenwilliger und streit-
barer Herr, in hohem Grade von HerrscherbewuĂźtsein er-
fĂĽllt und nicht gewillt, auch nur ein TĂĽpfelchen von den
Rechten preiszugeben, auf die er als Herzog von Weimar
Anspruch zu haben glaubte. Gerade über das Verhältnis
zu Schwarzburg hat er sich Kursachsen gegenüber später
einmal ĂĽberaus bezeichnend ausgelassen, er schrieb damals *),
bisher habe er sich äußerst bemüht, nach seinem besten
Vermögen die Hoheitsjura, insoweit solche ihm über den
Fürsten zu Schwarzburg zuständen, die er für das pretieu-
seste Kleinod des Hauses Sachsen ästimiere, aufrecht und
die Grafen von Schwarzburg in den Schranken gebĂĽhrender
Subjektion zu erhalten! DaĂź es bei solchen Anschauungen
mit Naturnotwendigkeit zu Reibungen kommen muĂźte, liegt
auf der Hand, die Zusammenstöße blieben denn auch nicht
lange aus.
Aus der Menge dieser Streitigkeiten seien nur einige
wenige beispielsweise herausgehoben. Im Jahre 1686 kam
es zu einem Konflikt wegen eines Koches Hans Christof
Kropf ; auf Kosten des Grafen Anton GĂĽnther von Arnstadt
ausgebildet, war dieser KĂĽnstler von dort entwichen, nach
Weimar gegangen und in die Dienste Herzog Johann Ernsts
getreten. Als er nun energisch von Arnstadt aus reklamiert
wurde, weigerte sich der Herzog, ihn herauszugeben, mit
der naiven BegrĂĽndung, mit der Handlungsweise des Mannes
trage er zwar ein MiĂźfallen, nachdem er aber bei Ein-
Dagegen muĂźten sich auch die Grafen der fĂĽr das ernestinische
Gesamthaus errungenen höheren Titulatur (Durchleuchtigßt und
Durchleuchtigkeit, wie auch sonst im Superlativ gnädigst und unter-
tänigst) künftighin bedienen. Bei der nächsten Erbhuldigung 1684
wurde das beobachtet.
1) 9. April 1714.
25*
384 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
richtung seines Hofwesens keines tĂĽchtigen Koches in der
Eile habe habhaftig werden können, möchte er desselben
fĂĽr jetzt nicht entraten. So unbedeutend dieser Vorfall an
sich auch war, bekam er doch einen besonderen Bei-
geschmack, als dabei in einem von Weimar ausgegangenen
Schreiben ganz allgemein gehalten der Ausdruck „Vasall"
in bezug auf den Grafen gebraucht worden war. Diese
Wendung brachte Anton GĂĽnther gewaltig in den Harnisch,
in einem Verwahrungsschreiben vom 10. März 1687 gegen
Johann Ernst, das aber an den älteren Bruder, Wilhelm
Ernst, gerichtet war, remonstrierte er scharf dagegen und
wies darauf hin, daĂź zwischen ihm als Grafen und anderen
gemeinen adligen Lehnsleuten ein ziemlicher Unterschied
bestände, wobei am Schluß sogar Rekurs an den Kaiser
in Aussicht gestellt wurde.
Beweist schon dies kleine Vorkommnis, daĂź eine ge-
wisse Gereiztheit auf beiden Seiten herrschte, so kam es
zu einem sachlich erheblich ernsteren ZusammenstoĂź, als
im Jahre 1692 die kurmainzische Regierung in Erfurt „zu
Konservation des Commercii, auch Vermeidung aller be-
sorgenden Konfusion" einen KongreĂź der benachbarten
Kreisstände angeregt und zu dessen Beschickung auch den
Grafen Anton GĂĽnther von Arnstadt aufgefordert hatte.
Auf Veranlassung der sächsischen Herzöge war Bischleben
als Ort, der 19. November als Tag der Zusammenkunft der
Räte bestimmt worden. Als aber nun der schwarzburgische
Abgesandte, Hofrat BĂĽttner, rechtzeitig sich einstellte und
an den Beratungen teilnehmen wollte, machte der weimarische
Vertreter Diffikultäten , den gräflichen Abgeordneten zu
solcher Unterredung zu admittieren. Man berief sich
sächsischerseits auf die bekannte Kammergerichts - Kontro-
verse und verweigerte auf Grund deren die Zulassung, wo-
gegen der Vertreter Schwarzburgs natĂĽrlich gebĂĽhrend
protestierte, aber unverrichteter Dinge wieder abziehen
muĂźte. Da die Schwarz burger Grafen, wohl nicht ohne
Grund, befĂĽrchteten, daĂź dieser ihr Protest nicht zu den
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 385
Akten gekommen sein möchte, „und solcher Actus ihren
Gerechtsamen ein Präjudiz schaffen dürfte", so richteten
die sämtlichen Grafen, Albrecht Anton, Christian Wilhelm
und Anton GĂĽnther, sofort noch am 19. November ein
feierliches Protestschreiben an den Herzog Wilhelm Ernst,
worin sie unter Darlegung ihres Standpunktes in der Sache
am SchluĂź baten, die weimarischen Abgeordneten bei kĂĽnf-
tigen dergleichen Fällen zur Admission der bevollmäch-
tigten schwarzburgischen Eäte sonder Maßgebung zu in-
struieren. In Weimar erklärte man diese Protestations-
schrift für ungewöhnlich und setzte sich, da man der
Meinung war, die Sache gereiche dem gesamten fĂĽrstlichen
Hause Sachsen zu nicht geringem Präjudiz, mit Sachsen-
Gotha und Sachsen - Eisenach in schriftliche Verbindung
darĂĽber zum Zwecke gemeinsamen Vorgehens. Bis in den
März 1693 hinein dauerte diese Korrespondenz. Dann aber
erlieĂźen, und zwar unter dem 20. dieses Monats, Sachsen-
Weimar und Sachsen-Eisen ach zusammen eine fulminante
Reprotestationsschrift *) an die sämtlichen Grafen zu Schwarz-
burg, die, was ihr an sachlich wirklich stichhaltigen GrĂĽnden
abging, durch Massivität der Sprache zu ersetzen suchte.
Verletzende AusdrĂĽcke waren darin nicht gespart, ge-
sprochen wurde von einer „vermeintlichen" Beschwerde,
von „Zudringlichkeit" des schwarzburgischen Abgeordneten,
von der „Anmaßung", diesen Protest schriftlich zu wieder-
holen, er wurde als ein „unerheblicher", die Protestation
als eine „zumal Vasallen gegen ihre Lehns- und Landes-
herrn unanständige, ganz vergebliche" bezeichnet. Drohend
wurde hinzugefĂĽgt, daĂź, wenn diese vermeintliche Pro-
testationsschrift auf einige ungegrĂĽndete AnmaĂźung gegen
die dem Gesamthause Sachsen zustehenden hohen Rechte
1) Das Konzept dazu von der Hand Johann Joachim MĂĽllers.
Als weimarischer Geheimsekretär und herzoglich sächsischer Gesamt-
archivar ist er mit seiner Feder in diesen Händeln vielfach tätig
gewesen, seine ausgebreiteten und grĂĽndlichen historischen Kennt-
nisse befähigten ihn dazu in hervorragendem Maße.
386 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
und gegen dessen Oberhoheit gemeint sei, den Grafen hierin
nicht das Geringste nachgesehen werden wĂĽrde, vielmehr
werde man solch unbefugten AnmaĂźungen zum allerfeier-
lichsten und kräftigsten entgegentreten. Selbstverständlich
lieĂźen die Schwarzburger diese grobe Abkanzlung nicht so
ohne weiteres auf sich sitzen. In einem gemeinsamen
Schreiben vom 1. August 1693 antworteten die drei oben-
genannten Grafen darauf, worin sie betonten, daĂź BĂĽttner
sich zu jener Konferenz nicht gedrungen hätte, wie man
sächsischerseits behauptet hatte; vielmehr habe Kurmainz
als der vornehmste Interessent bei der Sache den Grafen
Anton GĂĽnther zu dessen Absendung veranlaĂźt, als Beweis
wurde das kurmainzische Schreiben in Abschrift beigefĂĽgt.
Nochmals hoben sie hervor, „daß sie pro bono publico bei
fraglicher Konferenz nur bloĂźerdings zu Konservation derer
Commerciorum und VerhĂĽtung allerhand besorglicher Kon-
fusion in ihren Landen ihr darunter versierendes Interesse
hätten beobachten wollen", und hielten den früher erhobenen
Protest gegen das von sächsischer Seite beliebte Verfahren
durchaus aufrecht. Gewiß hat es zur Verschärfung des
Konfliktes nicht wenig beigetragen, daĂź gleichzeitig damit
eine von Schwarzburg vorgenommene Devalvierung fĂĽrst-
lich sächsischer Münzsorten ins Spiel kam. Sachsen bestritt
dem Gegner das Recht zu solchem Vorgehen aufs nach-
drĂĽcklichste, worauf dieser unter Berufung auf den kaiser-
lichen Lehnbrief vom 22. August 1668 und sonstige Privi-
legien natürlich ebenso kräftig reagierte.
Eine ständige Quelle der Irrungen zwischen beiden
Häusern bildete weiter, mit den Jahren in steigendem
MaĂźe, die Frage der Appellation von den schwarzburgischen
Gerichtsurteilen nach Weimar, das die obere Instanz dafĂĽr
war. Durch die ewigen Supplikationen nach dort wurden
die Prozesse verschleppt und hinausgezogen, 1696 klagen
die schwarzburgischen Räte lebhaft über den seit einiger
Zeit eingerissenen groĂźen MiĂźbrauch des sonst heilsamen
beneficii appellationis.
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 387
In diese Wirren hinein fiel nun ein Ereignis von
schwerwiegender Bedeutung, das geeignet war, die Animo-
sität und den Gegensatz zwischen beiden feindlichen Par-
teien nur noch mehr zu verschärfen und zu vertiefen. Am
3. September 1697 erhob nämlich Kaiser Leopold I. die
Grafen Christian Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen
und Anton GĂĽnther von Schwarzburg- Arnstadt in den Reichs-
fĂĽrstenstand. Beide erhielten fĂĽr sich und ihre eheliche
Deszendenz männlichen und weiblichen Geschlechts den
Fürstentitel, ihre jetzigen und „fürohin rechtmäßig über-
kommenden" Lande und Herrschaften wurden in ein Reichs-
fĂĽrstentum verwandelt. Unter den GrĂĽnden, die das kaiser-
liche Diplom für diese bemerkenswerte Standeserhöhung
auffĂĽhrte, war der an letzter Stelle genannte wohl der
hauptsächlichste und am meisten ins Gewicht fallende :
weil das Haus Schwarzburg bei jetzigen mĂĽhsamen Zeiten
und höchstgefährlichen Kriegsläuften das seinige so getreu
und eifrig, dem Gemeinwohl zum Besten, beständig bei-
getragen habe.
Verhältnismäßig spät erst erhielt das fürstliche Haus
Sachsen von dem wichtigen Ereignis Kenntnis, das kaiser-
liche Notifikationsschreiben an den Herzog Wilhelm Ernst
trägt den Präsentationsvermerk vom 31. März 1698, und
in Eisenach erfuhr Herzog Johann Georg IL den Vorgang
etwa gleichzeitig. Begreiflich, daß dieser beträchtliches
Aufsehen erregte, unter den sächsischen Höfen entspann
sich alsbald ĂĽber die Angelegenheit eine Korrespondenz,
aus der die etwas gemischten Empfindungen unschwer
herauszulesen sind, mit denen die Standeserhöhung der
Schwarzburger von den Herzögen aufgenommen wurde.
Nachdem man sich dann im Mai durch den weimarischen
Agenten am Wiener Hofe, Persius, eine Abschrift des
kaiserlichen Diploms verschafft hatte, tauchten alsbald Be-
denken wegen einiger in demselben enthaltener AusdrĂĽcke
auf, die den Rechten des Hauses Sachsen präjudizierlich
zu sein schienen, ebenso wurde die Frage, „was für Ku-
388 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
rialien und Zeremonien fĂĽrderhin gegen die exaltierten
Herren Grafen zu gebrauchen seien", aufs Tapet gebracht,
da man der Meinung war, daß hierin „eine gewisse Kon-
formität zu koncertieren sein möchte, um dem Gesamthause
Sachsen ratione titulaturae und sonsten kein Präjudiz zu-
ziehen zu lassen". Herzog Johann Georg II. von Eisenach-
Marksuhl faĂźte die Bedenken, die ihm bei Durchgehung
des kaiserlichen Diploms beigegangen waren, in Anmerkun-
gen zusammen, die er unter dem 8. August 1868 Herzog
Wilhelm Ernst „zu hocherleuchteter Überlegung" zu-
schickte, der sie dann an Herzog Albrecht nach Coburg
weitergab. Dieser sandte darauf den Entwurf eines ge-
meinsamen Schreibens an Kursachsen ein, in dem die Be-
denken der Herzöge gegen die schwarzburgische Standes-
erhöhung auf Grund der eisenachschen Anmerkungen gel-
tend gemacht wurden. Ob dies Schreiben dann wirklich
abgegangen ist, bezw. welchen Erfolg es gehabt hat, das
entzieht sich unserer Kenntnis.
Die Irrungen zwischen Kursachsen und den FĂĽrsten
von Schwarzburg wurden durch den RezeĂź vom 18. De-
zember 1699 beigelegt x), der durch einen NebenrezeĂź vom
12. Juli 1702 näher bestimmt und erläutert wurde. Später
trat aber Kursachsen, das sich ĂĽbervorteilt glaubte, mit
der Behauptung hervor, die beiden Rezesse seien von
gegnerischer Seite erschlichen worden, und so kam es am
8. Oktober 1719 zu einem neuen Abkommen, durch welches
die FĂĽrstenwĂĽrde des gesamten Hauses Schwarzburg erst
eigentlich vom Kurhause anerkannt wurde. Auf die Weiter-
entwickelung dieser kursächsisch - schwarzburgischen Ver-
hältnisse gehen wir hier nicht näher ein.
Sachsen -Weimar war jenem Vertrage von 1699 nicht
beigetreten, vielmehr erlieĂź Herzog Wilhelm Ernst eine
Verwahrungsschrift dagegen anläßlich dessen Abschlusses;
es war also vorauszusehen, daĂź es zu neuen Streitigkeiten
1) Die kaiserliche Bestätigung erfolgte unter dem 17. Sep-
tember 1700.
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 389
mit Schwarzburg- Arnstadt kommen werde, die dann auch
mit dem Jahre 1702 einsetzen. Es ist als kein Zufall zu
betrachten, daĂź der weimarische Herzog gerade damals eine
Persönlichkeit, die in Arnstadt selbst ansässig war, zu seinem
Kammeragenten ernannte, einen gewissen Johannes Dönicke.
Dieser Mann war gewissermaĂźen der Spion an Ort und
Stelle, der die Aufgabe hatte, alles, was in Arnstadt pas-
sierte, namentlich alle seitens der gräflichen bezw. fürst-
lichen Regierung angeordneten oder beabsichtigten MaĂź-
regeln, möglichst schnell nach Weimar zu berichten, um
eventuell ein Einschreiten dagegen von dort aus möglich zu
machen. Später war auch noch ein anderer Agent, der
Reservatamtmann, nachmalige Kommissionsrat Johann Ernst
Blumröder in Arnstadt, im gleichen Sinne und in der
gleichen Richtung tätig. Es ist nicht zu leugnen, daß beide
Männer, besonders Dönicke, sich ihrer immerhin etwas
zweifelhaften Aufgabe mit Eifer und Hingebung unterzogen
haben ; sie vermeinten dabei, ihr guter Glaube soll keines-
wegs bestritten werden, den Interessen des weimarischen
Oberlehnsherrn aufs beste zu dienen. Dönicke hat voll-
kommen recht, wenn er am 28. April 1714 schreibt, er
habe sein ihm aufgetragenes Kammeragentenamt nunmehr
12 Jahre her bei Tag und Nacht, in Hitze und Kälte, in
gutem und stürmischem Gewitter nach seinem Vermögen
treulichst ausgestanden, seine Bitte um eine gewisse Be-
soldung, die ihm bisher nicht zuteil geworden war, war
wohlberechtigt. Andererseits läßt sich doch aber auch
nicht verkennen, daß gerade diese Männer sehr wesentlich,
ja, man kann wohl sagen, die Hauptsache dazu beigetragen
haben, den Kampf ins Endlose zu verlängern und die Sache
auf die Spitze zu treiben. Indem sie in ihren Berichten
alles und jedes nach Weimar meldeten, ihre eigenen An-
gelegenheiten zum Teil mithineinmengten, alle MaĂźnahmen
der Arnstädter Regierung als unberechtigte Eingriffe in die
weimarische Oberhoheit dar- und entstellten, indem sie erst
mehr in spielender, dann in direkt aufhetzender Weise auf
390 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
ein militärisches Einschreiten hinwiesen, wie wir noch sehen
werden, haben sie den dann so wenig glĂĽcklich verlaufenen
Ăśberfall Arnstadts vorbereitet und provoziert. Dem wei-
marischen Herzog und seinen Räten kann der Vorwurf
nicht erspart werden, daĂź sie sich geradezu blindlings von
den Blumröder-Dönickeschen Berichten gefangen nehmen
ließen und diese für so zuverlässig hielten, daß sie ihre
MaĂźregeln und Reskripte darauf grĂĽndeten; an und fĂĽr
sich schon gereizt, haben sie sich durch diese Berichte
vollends in verbitterte und zornige Stimmung gegen den
FĂĽrsten zu Arnstadt und seine Regierung hineintreiben und
schlieĂźlich in ein Unternehmen hineinziehen lassen, dessen
ĂĽbler Ausgang bei geringerer Befangenheit sich unschwer
hätte voraussehen lassen.
In Arnstadt war man sich natĂĽrlich darĂĽber voll-
kommen klar, wo die eigentlichen Hetzer und SchĂĽrer zu
suchen seien. Anläßlich eines späteren Falles im Jahre 1714
haben die schwarzburgischen Räte sehr deutlich auf den
Anbringer dieser Sachen — Döuicke — hingewiesen, der
dabei keine christlichen, sondern böse Intentionen habe.
Mit dergleichen Legenden verursache er bei dem weima-
rischen und arnstädtischen Kollegium nur immer mehr
Arbeit, daneben suche er sie, die Räte, verhaßt zu machen,
die fĂĽrstliche Herrschaft und deren Befugnisse in Abgang
zu bringen, es wurde direkt von Verhetzereien gesprochen.
Aber auch diese ganz zutreffende Vorstellung blieb ohne
Erfolg, Herzog Wilhelm Ernst war nicht gewillt, Herrn
Dönicke fallen zu lassen.
Während Graf Christian Wilhelm von Schwarzburg-
Sondershausen die FĂĽrstenwĂĽrde alsbald nach der Erteilung
angenommen hatte, folgte sein Bruder Anton GĂĽnther in
Arnstadt erst wesentlich später diesem Beispiele, am
26. Mai 1709 erließ er die öffentliche Bekanntmachung
darüber 1). Es erregte in Weimar sofort argwöhnisches
1) Noch später erfolgte die Annahme der Fürstenwürde in
Rudolstadt, erst 1711. Die Ausfertigung des kaiserlichen Diploms
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 391
Aufsehen, als der neue ReichsfĂĽrst verschiedene Neuerungen
vornahm, Herzog Wilhelm Ernst könne, schrieb ein Ein-
geweihter am 12. Juni, dazu nicht stillesitzen. Die An-
erkennung der neuen FĂĽrstenwĂĽrde machte man von der
Ausstellung eines gewissen Reverses abhängig, den Anton
Günther unterzeichnen sollte. Alsbald häuften sich die
Eingriffe und EinsprĂĽche des Oberlehnsherrn, auf alle
Weise wurde der Lehnsmann in seinen Gerechtsamen be-
einträchtigt, noch dazu in einer ihn persönlich stark ver-
letzenden Form.
Das zeigte sich namentlich in einer Wechselklagsache,
die ein auswärtiger Jade gegen die Fürstin zu Arnstadt in
Weimar anhängig gemacht hatte. Anton Günther wendete
sich deshalb klagend an seinen Schwiegervater, den Herzog
Anton Ulrich von Braunschweig- WolfenbĂĽttel, der denn
auch nicht verfehlte, sofort sich ins Mittel zu legen ; am
25. September 1709 richtete er ein Schreiben an Herzog
Wilhelm Ernst, das an Deutlichkeit nichts zu wĂĽnschen
übrig ließ. Der Braunschweiger erklärte darin, sein
Schwiegersohn habe sich bei ihm beklagt, daĂź er, besonders
seit Annahme des FĂĽrstenstandes, von seiten des wei-
marischen Herzogs an seinen Gerechtsamen verschiedene
Beeinträchtigungen, auch sonst für seine Person und seine
Frau ein und anderes höchst nachteiliges Traktament er-
fahren mĂĽsse. Er warf dem Herzog vor, dieser suche,
während der Streitfall am Kammergericht noch schwebe,
den Gegner des einen oder anderen StĂĽckes seines bis-
herigen Besitzes de facto zu entsetzen, und richtete die
Frage an ihn : was ergäbe das für präjudizierliche Kon-
sequenzen, wenn dergestalt ein mächtiger Stand im Reich
wieder einen schwächeren sein Potestat abutiere und sich
bei Streitigkeiten selbst zum Richter auf werfen wolle?
Sein Wunsch ging dahin, daĂź das Haus Arnstadt mit fer-
neren Tätlichkeiten nicht beschwert werden möchte. Die
fĂĽr diese Linie des Hauses Schwarzburg war merkwĂĽrdigerweise in
Wien 1697 liegengeblieben.
392 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
oben erwähnte Forderung eines Reverses parierte Anton
Ulrich geschickt mit der Bemerkung, Wilhelm Ernst werde
doch wohl die kaiserlichen Gerechtsame hierin nicht in
Zweifel ziehen und dem Kaiser MaĂź und Ziel setzen wollen,
doch war er bereit, in diesem Punkte gĂĽtliche Verhand-
lungen anzubahnen. Besonders peinlich war der Wolfen-
bĂĽttler Herzog durch die Wechselsache in bezug auf die
FĂĽrstin berĂĽhrt worden, nicht ohne alle Empfindung habe
er vernommen, daĂź bei seiner Tochter mit der gleichen
Neuerung und verkleinerlichem Traktament der Anfang
gemacht worden sei. Er gab sich den Anschein, als nehme
er an, daĂź dies Vorgehen auf einer unziemlichen Passion
eines der weimarischen ministrorum beruhe, der Herzog
sei entschuldigt, er habe gewiß nichts davon gewußt! —
das war der äußeren Form nach höflich, aber doch recht
deutlich fĂĽr den, der zwischen den Zeilen zu lesen ver-
stand !
Im Laufe des Jahres 1710 und Anfang 1711 wuĂźten
Blumröder und Dönicke um die Wette von unzähligen
Attentaten, höchst strafbaren Beginnen, Eingriffen, un-
erhörten Neuerungen, großen Widersetzlichkeiten zu be-
richten, die sämtlich als schwere Vergehen der arnstädti-
schen Regierung gegen die weimarische Oberhoheit charak-
terisiert wurden. Unablässig hetzten sie zum Einschreiten
dagegen auf, so Blumröder, wenn er am 24. Oktober 1710
schrieb, allhier zu Arnstadt habe man nur die Intention,
sich gar independent zu machen und keinem weimarischen
Befehle mehr zu gehorsamen ; wofern dem nicht mit Nach-
druck widerstanden werde, werde gar eine böse Konsequenz
daraus folgen. Eine eigene Angelegenheit Blumröders
— er war aus seiner bisherigen Wohnung im Schwarzen-
felsschen Hause anläßlich dessen Verkaufes durch den
neuen Käufer, Hofrat Posner, allerdings etwas unsanft an
die Luft gesetzt worden — wurde gewaltig aufgebauscht:
durch dies widerrechtliche Beginnen werde der Respekt
gegen den weimarischen Herzog gröblich violiert, ihm als
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 393
seinem Diener groĂźer Tort und Schimpf angetan. Der
Wirt zur Goldenen Henne, wohin er sich retiriert hatte,
wolle ihn nicht mehr behalten, schwerlich werde er fĂĽr
sich und die Seinen eine andere Behausung in Arnstadt
bekommen. Die Bürger könnten sich nicht genug über die
Angelegenheit wundern, sie fĂĽhrten Reden darĂĽber und
ergingen sich in höhnischer Gegenüberstellung Weimars
und Scbwarzburgs hinsichtlich der Force und Kräfte. —
Der Ăśbermut der schwarzburgischen Beamten wurde als
ein stetig wachsender hingestellt, das Appellationsrecht
werde geschwächt, die Untertanen wagten davon keinen
Gebrauch zu machen, weil sie die Repressalien fĂĽrchteten,
die dann von schwarzburgischer Seite ihnen zugefĂĽgt wĂĽr-
den, infolgedessen seien sie in groĂźer Furcht vor Weimar
und den weimarischen Bedienten — eben Blumröder und
Dönicke — und mieden sie auf alle Weise und Wege.
Die weimarischen Patente und Mandate wĂĽrden unter die
Bank gesteckt, statt dessen eigene schwarzburgische ver-
öffentlicht. Wie alarmierend mußten solche Meldungen in
Weimar wirken, wo man schon schwer geladen und gereizt
war! Der Force, d. h. einer militärischen Exekution zur
Abstellung aller Schwierigkeiten, redet Blumröder im
Februar 1711 noch nicht das Wort, wenigstens tut er so,
aber er spielt gewissermaĂźen mit dem Gedanken daran und
legt ihn dadurch dem Herzog Wilhelm Ernst nahe und
näher.
Unter solchen Umständen bedurfte es schließlich nur
noch weniger Vorkommnisse, um den Stein ins Rollen zu
bringen, eine gewaltsame Lösung, oder wenigstens der
der Versuch zu einer solchen, lag sozusagen in der Luft.
Wir beschränken uns darauf, diese letzten Konflikte, welche
dem militärischen Überfall Arnstadts unmittelbar voran-
gingen, in aller KĂĽrze vorzufĂĽhren ; sie fallen in die Mo-
nate Mai und Juni 1711, und zwar sind es drei an Zahl:
die Notifikationsaffaire, wenn man so sagen darf, die SchloĂź-
wachen-Angelegenheit und die Reichs vikariatspatent- Sache.
394 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
Am 17. April 1711 war Kaiser Joseph I. gestorben,
in Arnstadt war man merkwĂĽrdig rasch, jedenfalls frĂĽher
als in Weimar, ĂĽber den Todesfall unterrichtet ; denn bereits
am 3. Mai, einem Sonntage, wurde er den Untertanen da-
durch notifiziert, daĂź ein gedrucktes fĂĽrstliches Patent von
den Kanzeln herab verlesen, also immediate publiziert
wurde. Gleichzeitig damit begann das offizielle Trauer-
geläute in den Städten und Ortschaften des Fürstentums.
Blumröder hatte natürlich wieder nichts Eiligeres zu tun,
als in seiner sattsam bekannten Manier den Fall nach
Weimar zu berichten. Nach ihm war das Vorgehen der
fĂĽrstlichen Regierung eine abermalige Neuerung und sonst
nie geschehen, das Patent habe viele ungewöhnliche Ex-
pressionen, so „Landesfürst und Herr", enthalten. Jedes-
mal seien die kaiserlichen Avokatorien und andere Sachen
von Weimar aus zur Publikation nach Arnstadt gehörig
abgeschickt und affigiert worden, jetzt sei das alles von
dort aus unmittelbar verrichtet worden. Er kam zu dem
SchlĂĽsse, daĂź Arnstadt in diesem StĂĽcke dem Lehn- und
Landesherrn habe zuvorkommen und dadurch einen actum
possessorium erzwingen wollen. Auch das Trauergeläute
zu beanstanden, brachte er fertig, indem er daran AnstoĂź
nahm, daĂź man, weil man frĂĽher damit begonnen, in Arn-
stadt eher damit fertig war als in Sachsen, wo die Trauer-
glocken noch läuteten. Vielleicht sei das aus keiner an-
deren Ursache geschehen, als daĂź man dort allezeit etwas
Besonderes haben, sich niemals nach Weimar, dessen Ver-
ordnungen und Mandaten richten und akkommodieren, son-
dern sich selbst fĂĽr den LandesfĂĽrsten allein aufspielen
wolle. Endlich meldete er noch weitere Ă„nderungen, nach
ihm Verstöße, im sonst gewöhnlichen Kirchengebete und
in der Litanei anläßlich dieses kaiserlichen Todesfalles —
alles wurde aufs abfälligste und schärfste glossiert und
GegenmaĂźregeln dagegen vorgeschlagen. Aber diesmal
hatte die schöne Denunziation keine sichtbare Wirkung,
wenigstens enthalten die Akten, soweit wir sehen können,
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 395
nichts, woraus sich auf ein Eingreifen Weimars schlieĂźen
lieĂźe.
Um so schärfer griff Herzog Wilhelm Ernst dann aber
in dem zweiten Falle zu, der SchloĂź wach enangelegenheit.
Die Bewachung des fĂĽrstlichen Residenzschlosses in Arn-
stadt, der Burg Heideck, war bisher durch die Bauern
aus den Dörfern der Herrschaft Arnstadt und des Amtes
Käfernburg besorgt worden. Vor Zeiten, im 17. Jahr-
hundert, hatten sie zwar protestiert und ihre Notdurft da-
gegen angegeben , aber schlieĂźlich hatten sie sich, wenn
auch widerwillig, gefĂĽgt und die Leistung ĂĽbernommen.
Doch hatten sich mit der Zeit wohl Unzuträglichkeiten her-
ausgestellt, die Sache war den Bauern unbequem und
störend, da sie dadurch vielfach in ihrer Hantierung ge-
hindert wurden, an Wachtbescbwerden hatte es nicht ge-
fehlt. Die Untertanen waren deshalb um Ă„nderung der
Leistung eingekommen, und die Regierung in Arnstadt war
auf den vernĂĽnftigen Gedanken verfallen, die Bewachung
kĂĽnftig statt der Bauern durch geworbene Soldaten ver-
richten zu lassen. Zu deren Besoldung und Unterhaltung
war nun aber freilich Geld notwendig, und so wurde den
auf die Kanzlei entbotenen Schulzen und Syndiken ge-
nannter Bezirke am 4. Mai der Vorschlag gemacht, sie
sollten jährlich ein gewisses Geldquantum, 7 — 800 Jffl, auf-
bringen zur Werbung von 40 — 50 Soldaten zu Bestellung
der künftigen Schloßwache. Blumröder erfuhr die Sache
noch am nämlichen Tage und berichtete flugs nach Wei-
mar. Er erblickte natĂĽrlich darin eine abermalige groĂźe
Neuerung und einen unpassierlichen , höchst präjudizier-
lichen Eingriff in die sächsische Landeshoheit, das gereiche
den armen Untertanen zu böser Konsequenz und sei eine weit
größere Bürde und Beschwerung für sie, als wenn sie, wie
bisher, die Schloßwache persönlich hätten verrichten müssen *).
1) Dieser Auffassung gegenĂĽber steht die amtliche Angabe der
schwarzburgischen Räte, die intendierte Erleichterung sei auf der
Untertanen eigenes Anhalten erfolgt.
396 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
Hatte er frĂĽher mit dem Gedanken an ein gewaltsames
Einschreiten nur gespielt, so sprach er ihn jetzt ganz
offen aus : seiner Einfalt nach sei es höchst nötig , daß
einmal die Schärfe wider die unzähligen Attentate vor-
gekehrt, und ein solches Exempel statuiert werde, damit
man sich kĂĽnftig danach achten und sotane Eingriffe
und höchst strafbare Beginnen unterlassen müsse. Und
listig wies er auf den fĂĽr solches Vorgehen gĂĽnstigen
Zeitpunkt hin: bekanntermaĂźen sei nach Absterben des
Kaisers der Reichshofrat zu Wien geschlossen, der Kur-
fĂĽrst von Sachsen verwalte die Reichsaffairen in Sachsen,
ob nicht bei solchem Interregnum in der hiesigen schwarz-
burgischen Sache fĂĽglich etwas zu tun und sonder MaĂź-
gebung fĂĽr sich zu verfahren sei? Lockend schrieb er,
die vielen ergangenen Pönalbefehle , die er auf etliche
1000 Jffl veranschlagte, könnten somit exequiert und
alles wieder in guten Stand gebracht und gesetzt werden.
Weiter schlug er unmaĂźgeblich vor, einstweilen an die
schwarzburgischen Kanzleiräte, den Amtmann zu Arnstadt
und die sämtlichen Schulzen und Syndiken der Gemeinden
fördersamst Pönalbefehle ergehen zu lassen, um so den
Eingang der Wachtgelder zu verhindern, BĂĽrger und
Untertanen sollten bei Strafe auch nicht das Geringste
dieserwegen abgeben dĂĽrfen.
Blumröders Vorschläge fielen in Weimar auf einen
nur allzu fruchtbaren Boden, so gut wie buchstäblich sind
sie zur AusfĂĽhrung gebracht worden, ja, man ging sogar
darĂĽber noch hinaus. Am 16. Mai wurde den Schulzen
und Syndiken der Herrschaft Arnstadt und des Amtes
Käfernburg die Erlegung der angesonnenen Kontributions-
gelder, wie man sie benannte, bei 300 Jffl Strafe unter-
sagt mit dem Bemerken, Herzog Wilhelm Ernst gedenke
solchen Neuerungen keineswegs nachzusehen. Dieser Passus
kam auch in dem ĂĽberaus scharfen Reskripte vor, das am
selben Tage an die „gräflichen" Räte zu Arnstadt abging.
Sie wurden bei Vermeidung einer Strafe von 1000 Jty
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 397
aufgefordert , nicht allein diese Kontribution einzustellen
und etwa bereits gezahlte Gelder den Untertanen zurĂĽck-
zugeben, sondern sie sollten das auch ihrem FĂĽrsten ge-
bĂĽhrend hinterbringen, daĂź dieser fĂĽr seine Person sich
gleichfalls bei Vermeidung derselben Strafe danach ge-
horsamst achten solle ! ! In dieser persönlichen Herein-
ziehung Anton GĂĽnthers in die Sache lag natĂĽrlich eine
schwere Beleidigung fĂĽr den FĂĽrsten.
Selbst angesichts solch groben Vorgehens bewahrte
man noch in Arnstadt ruhige KaltblĂĽtigkeit, das zeigte
sich in der Antwort der schwarzburgischen Räte vom
2. Juni, die in sachlicher und gemäßigter Form den dor-
tigen Standpunkt zum Ausdruck brachte. Der FĂĽrst sprach
seine groĂźe Verwunderung darĂĽber aus, daĂź die beabsich-
tigte Erleichterung der bisherigen Wachtbeschwerden bei
Wilhelm Ernst ebenso unwahr als boshaft fĂĽr eine Kon-
tributionsanlegung ausgegeben und vom Herzog sofort als
wahr angenommen worden sei. Im übrigen könne es ihm
gleichviel gelten, falls die Untertanen, wenn sie lieber
wollten, die SchloĂźwache, wie bisher, allein und in natura
verrichteten. Auf den schroffen persönlichen Angriff ein-
gehend, ließ Anton Günther den unter Fürsten ungewöhn-
lichen Stil des Reskriptes, der ihn mit Strafe bedrohe und
zu gehorsamster Nachachtung anweise, fĂĽrs kĂĽnftige depre-
zieren, damit er nicht dagegen höheren Orts sich zu be-
schweren Ursache haben möchte. Ausdrücklich behielt er
sich vor, gegen die abermalige Turbation in bezug auf die
ihm verliehene Gerichtsbarkeit und Gerichte, weiter gegen
die ergangene ImmediatverfĂĽgung an die Schulzen seiner-
zeit rechtliche Notdurft vorzukehren.
Mit dieser SchloĂźwachensache zeitlich aufs engste ver-
quickt war endlich der dritte Konfliktsgegenstand, die
Reichsvikariatspatent- Angelegenheit. An eben jenem 12. Mai
ĂĽberschickte Wilhelm Ernst das Patent des Reichsvikars,
des Kurfürsten von Sachsen , nach Arnstadt zur förder-
lichsten Publikation an den gewöhnlichen Orten und Stellen.
XXVIII. 26
398 Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
Wiederum konnte man in Weimar es sich nicht versagen,
auch in diesem Falle die Person des fĂĽrstlichen Gegners
in die Debatte zu ziehen; die schwarzburgischen Räte
wurden angewiesen, es dem FĂĽrsten zu hinterbringen, da-
mit dieser fĂĽr seine Person sich in allen Dingen demselben
gemäß bezeigen und verhalten solle. In Arnstadt war man
aber nicht gewillt, den von Weimar vorgeschriebenen Weg
so ohne weiteres einzuschlagen. FĂĽrst Anton GĂĽnther
lieĂź vielmehr in seinem eigenen Namen ein Patent ausgehen
und anschlagen, in welchem das kursächsische Vikariats-
patent lediglich ingrossiert war, und gab auf solche Weise
seinen Untertanen vom neuen Stande der Dinge im Reiche
Kenntnis. Natürlich erfuhr man das durch Blumröder
bald genug in Weimar. Unter dem 29. Mai protestierte
Wilhelm Ernst aufs schärfste gegen das schwarzburgische
Vorgehen und verlangte nicht mehr und nicht weniger, als
daĂź Anton GĂĽnther bei Vermeidung einer Strafe von
2000 Jffl sotane AnmaĂźung abstellen, das in seinem Namen
ergangene Patent abnehmen und dagegen das von Weimar
überschickte anschlagen lassen sollte. Wäre man in Arn-
stadt auf solches Ansinnen eingegangen, so wĂĽrde das
einem politischen Selbstmorde ungefähr gleichgekommen
sein, die fürstliche Regierung hätte sich vor ihren Unter-
tanen aufs gründlichste blamiert und sich einfach unmög-
lich gemacht, das konnte ihr nicht zugemutet werden. In
Anbetracht der Ăśberspanntheit der Forderung und der
wiederholten persönlichen Anzapfung des Fürsten wird man
es vom menschlichen Standpunkte aus ganz wohl begreifen,
wenn man in Arnstadt nun endlich auch einmal die Ge-
duld verlor und sich in kräftigerer Weise als bisher zur
Wehr setzte, die Antwort, die ebenfalls am 2. Juni nach
Weimar abging, schlug einen erheblich schärferen Ton
an. Die Verteidigung in bezug auf das angeschlagene
schwarzburgische Patent war geschickt und zutreffend.
Das Vikariatspatent sei von Kursachsen nicht hierher ge-
sandt worden, der Fürst vermeine nicht, etwas dem Könige
Der Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711. 399
von Polen Mißfälliges begangen zu haben, als er aus unter-
tänigstem Respekt gegen diesen seinen Untertanen davon
Mitteilung gemacht hätte. Das weimarische Vorgehen
wurde rechtlich bestritten : der Fürst könne nicht sehen,
inwiefern Wilhelm Ernst aus der Unterlassung solcher
Ăśberschickung seitens Kursachsens die Befugnis erlangt
hätte, die Publikation in seinem Namen in Arnstadt zu
tun. Falls bei solcher AnmaĂźung beharrt werden sollte,
wolle man dagegen feierlich protestiert und an die höhere
Instanz provoziert haben. Die Hauptkraft der Abwehr
trat aber in dem SchluĂźpassus der Antwort zutage. Am
allerwenigsten könne Anton Günther eingestehen, daß der
Herzog gar mit Strafgeboten gegen ihn verfahren wolle.
Er lieĂź ersuchen , ihn mit dergleichen seiner fĂĽrstlichen
Dignität unanständigem Traktament nicht allein hinkünftig
zu verschonen, sondern ihn auch in seinem wohlherge-
brachten Besitz unbeeinträchtigt zu lassen, seine Gerichts-
barkeit und sonstigen Besitzrechte nicht auf gewaltsamem
Wege zu turbieren.
Die beiden schwarzburgischen Schreiben liefen am
4. Juni in Weimar ein, man brauchte hier, scheint es, etwas
Zeit, um sich zu fassen und zu antworten, das geschah
durch die Reskripte vom 15. und 22. d. M. In der Vika-
riatspatentsache erhob Wilhelm Ernst den Vorwurf gegen
die Räte in Arnstadt, sie hätten den obwaltenden bekannten
Nexus zwischen dem fĂĽrstlichen Gesamthause Sachsen und
den von diesem unstrittig zu Lehn rĂĽhrenden schwarz-
burgischen Landen zu wenig vor Augen gehabt und un-
gegrĂĽndete Principia darwider an den Tag gegeben. Sich
mit ihnen in einen weitläufigen Schriftwechsel einzulassen,
erachtete er nicht für nötig, ein für allemal widersprach
er dem von der Gegenseite AngefĂĽhrten bestens. Unbe-
dingter Gehorsam gegen das frĂĽhere Reskript, ohne fernere
Widerrede, wurde gefordert, die Strafandrohung auf 4000 $$
erhöht mit Vorbehalt der verwirkten, vorher diktierten
2000. Die gehörige Ahndung gegen die Räte persönlich,
26*
400 Ăźer Ăśberfall Arnstadts im Jahre 1711.
die sich unterstanden hätten, den Rechten des Gesamt-
hauses Sachsen zu nahe zu treten, behielt sich der Herzog
vor. Und ganz ebenso war der Ton in dem Reskript
wegen der SchloĂźwachensache vom 22. Juni. Die ver-
meintlichen Einwendungen dagegen wurden kurzerhand ab-
gewiesen, Wilhelm Ernst lieĂź es bei dem vorigen Reskript
bewenden, es habe diesfalls beim Herkommen zu verbleiben.
Drohend wurde aber auch diesmal hinzugefĂĽgt, die Be-
strafung der ungebĂĽhrlichen und exorbitanten Schreibart
behalte man sich vor.
Was diese Drohungen bedeuten sollten, das sollten
die schwarzburgischen Räte , der Kanzler Georg Zang
und der Hofrat Friedemann Posner, in denen der weima-
rische Herzog seine Hauptgegner erblicken zu mĂĽssen
glaubte, bald genug innewerden. Die Saat, die Blum-
röder in seinen Berichten ausgestreut hatte, ging auf, An-
fang Juli gelangte Herzog Wilhelm Ernst zu dem Ent-
schlĂĽsse, die gĂĽnstige Situation, die das Interregnum und
das kursächsische Reichsvikariat zu bieten schienen, aus-
zunutzen und mit offner Gewalt auf die verhaĂźten Gegner
loszuschlagen.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)
XII.
Die Vertreter ThĂĽringens in der Frankfurter National-
versammlung.
Von
Regierurigsrat Dr. Niebour in Wilmersdorf.
Wie alle deutscheu Gaue entsandte auch ThĂĽringen
in „dem großen Erweckungsjahr", wie Karl Schurz das
Jahr 1848 genannt wissen will, seine besten Männer nach
Frankfurt und es ziemt sich wohl, das Andenken an diese
Männer zu erhalten.
Diesem Zwecke dienen die nachstehenden kurzen Lebens-
nachrichten, denen ich folgende allgemeinen Bemerkungen
voranstellen möchte.
Die meisten der ThĂĽringer Abgeordneten waren ge-
borene Thüringer und haben auch später hier gewirkt. Der
einzige eigentliche Ausländer unter den Gewählten war der
vom Hambacher Fest her bekannte Schriftsteller August
Wirth, der als politischer Märtyrer gewählt wurde. Er
hat nie in ThĂĽringen gelebt. Von den 23 Abgeordneten
war auĂźerdem nicht in ThĂĽringen geboren der aus Ham-
burg stammende Apotheker Hirschberg. Nach der Revo-
lution wirkten auĂźer Wirth nicht mehr in ThĂĽringen Wyden-
brugk, der nach Oberbayern ging und Scblutter und Fröbel
die im Auslande lebten.
Der älteste der Thüringer Abgeordneten war der 1776
geborene Oberstleutnant v. Blumröder; er, wie der Zweit-
älteste, der Minister v. Lindenau (geboren 1779) hatten
schon an den Freiheitskriegen teilgenommen. Vor 1800
waren auĂźerdem noch geboren Becker, SchĂĽler und Wirth
402 Die Vertreter ThĂĽringens
Das jĂĽngste ThĂĽringer Mitglied ist der Augenarzt und
Karrikaturenzeichner Schröder, der damals erst 30 Jahre
zählte.
Die Parteistellung ist bei 16 Abgeordneten bekannt.
Von ihnen gehörten 4 (Becker, Briegleb, Fischer, Fritzsche)
der Gagernschen Partei (dem Kasino), 6 (WeiĂźenborn, Wyden-
brugk, Johannes, MĂĽller, Hirschberg, Bonardy) dem linken
Zentrum (dem Württemberger Hof) an, während die übrigen
6 sich der entschiedenen Linken und zwar Schüler, Hön-
niger und Schröder dem Deutschen Hof, Enders, Schlutter
und Fröbel dem Donnersberg angeschlossen hatten. Diese
letztgenannten 6 Abgeordneten haben mit Ausnahme von
Enders, der verhindert war, auch am Stuttgarter Rumpf-
parlament teilgenommen.
Dem Berufe nach waren 9 der ThĂĽringer Vertreter
Juristen, und zwar die 3 Rechtsanwälte Briegleb. Fritzsche,
Bonardy, die Regierungsräte Liebmann, Hönniger, der Richter
SchĂĽler und die Minister v. Wydenbrugk, v. Lindenau,
Sonnenkalb. Im übrigen waren fast sämtliche Stände ver-
treten : 1 Theologe (Thieme), 2 Ärzte (Enders und Schröder),
1 Universitätsprofessor (Fischer), 1 Gymnasiallehrer (Weißen-
born), 1 BĂĽrgermeister (Hoffmann), 1 Offizier (v. Blum-
röder), 3 Schriftsteller (Schlutter, Fröbel, Wirth), 2 Fabri-
kanten (Johannes und Müller) und je 1 Buchhändler (Becker)
und Apotheker (Hirschberg).
GroĂźherzogtum Sachsen-Weimar.
Philipp August Friedrich Wilhelm Enders
war am 19. März 1808 geboren als Sohn eines hessischen
Offiziers, der in den Napoleonischen Kriegen fiel. Er wurde
erzogen in Stadtlengsfeld im Hause des Freiherrn v. MĂĽller,
bei dem seine Mutter Wirtschafterin war und den sie später
geheiratet hat. Er studierte Medizin in Jena, war Burschen-
schafter und nahm 1832 auch am Hambacher Fest teil.
Er beendete seine Studien in WĂĽrzburg und wurde dann
praktischer Arzt in Eisenach. Schon nach kurzer Zeit aber
in der Frankfurter Nationalversammlung. 403
ging er nach Tiefenort, gab die ärztliche Tätigkeit auf,
pachtete das Kammergut in Tiefenort und trieb daneben
juristische Studien. 1853 erwarb er nach langem Prozes-
sieren mit dem Fiskus das v. MĂĽllersche Rittergut in
Stadtlengsfeld und hat nun hier bis zum Tode gelebt. Er
starb 10. Mai 1878. Enders hat als Ersatzmann fĂĽr
WeiĂźenborn der Nationalversammlung nur von Mitte April
1849 ab angehört. Er trat der entschiedenen Linken bei
und wäre wohl mit nach Stuttgart gegangen, wenn er nicht
in jenen Tagen gerade zu Hause hätte sein müssen. Später
hat er jahrelang dem weimarischen Landtag angehört, in
dem er einen engen AnschluĂź an PreuĂźen erstrebte.
Gustav Fischer war 1803 in Buttstedt geboren,
er wirkte seit 1831 als Dozent, seit 1850 als ordentlicher
Professor in der philosophischen Fakultät in Jena und ist
hier 1868 gestorben. In der Nationalversammlung gehörte
er der Kasinopartei an, nahm auch an den Verhandlungen
des Nachparlaments in Gotha teil. In das Parlamentsalbum
schrieb er sich mit folgenden Worten ein: „Wer für die
BegrĂĽndung dauerhafter Volksfreiheit mitwirken will, der
beginne damit, sich selbst zur wahren Freiheit zu erheben."
Gottlieb Christian Schüler war am 27. März
1798 in Salzungen als Sohn eines Advokaten geboren. Er
studierte Jura in Jena und Heidelberg und war Mitglied
der Burschenschaft. 1826 lieĂź er sich als Rechtsanwalt in
Salzungen nieder, trat aber schon 1827 in den Staatsdienst.
1833 wurde er in den Landtag gewählt und blieb Mitglied,
bis ihm 1837 der weitere Urlaub verweigert wurde. 1834
bis 1835 war er im Ministerium beschäftigt gewesen, 1835
wurde er Mitglied des Oberlandesgerichts zu Hildburg-
hausen und 1838 Oberappellationsgerichtsrat in Jena, wo
er von 1842 ab auch Vorlesungen ĂĽber Kriminal recht hielt.
In die 48er Bewegung trat er mit Begeisterung ein; er
war schon Mitglied des Vorparlaments und sprach und
schrieb fĂĽr die GrĂĽndung eines deutschen Reiches mit
einem Präsidenten an der Spitze. Er hat im Frankfurter
404 Die Vertreter ThĂĽringens
VerfassungsausschuĂź und im GesetzgebungsausschuĂź fleiĂźig
mitgearbeitet und gehörte der entschiedenen Linken, dem
Deutschen Hof, an. Mit Raveaux und Simon von Trier
leitete er die Märzvereine, die über ganz Deutschland sich
ausdehnten. Er nahm am Stuttgarter Rumpfparlament teil,
ging dann nach Jena zurück, wo er zum Vizepräsidenten
des Landtages gewählt war. Auch hier war er in demo-
kratischem Sinne, vor allem aber auch als GroĂźdeutscher
tätig, wie er denn auch in der Nationalversammlung gegen
das preuĂźische Erbkaisertum gestimmt hatte. Herbst 1850
wurde ihm wiederum der Urlaub zur Teilnahme an den
Landtagsverhandlungen verweigert und später hat er eine
Wiederwahl nicht angenommen. Dagegen nahm er auch
weiterhin an den politischen Bewegungen regen Anteil, war
auch bei der BegrĂĽndung des Nationalvereins beteiligt ; vor
allem aber lag ihm die soziale Frage am Herzen. Im
Jenaer Gemeinderat war SchĂĽler lange Jahre als Mitglied
und Vorsitzender tätig. 1871 wurde er Ehrenbürger von
Jena ; 1874 konnte er noch die goldene Hochzeit feiern,
starb aber kurz darauf am 1. Juni 1874 und konnte so
der Aufforderung, an den Vorarbeiten zum bĂĽrgerlichen
Gesetzbuch teilzunehmen, nicht mehr nachkommen.
"Wilhelm WeiĂźenborn war am 23. November 1803
im Weimarischen geboren, studierte in Jena und war Mit-
glied der Burschenschaft. Er war zunächst Hauslehrer, lebte
dann ein Jahr lang in der Schweiz und wurde 1827 Lehrer
in Eisenach, wo er bis 1873 gewirkt hat. Eisenach sandte
ihn in die Nationalversammlung, wo er dem linken Zentrum
(Württemberger Hof) angehörte. Weißenborn wurde später
Ehrenbürger von Eisenach. Er schrieb verschiedene päda-
gogische LehrbĂĽcher und starb am 5. November 1878.
Oskar v. Wydenbrugk war am 7. Oktober 1815
in Aschenhausen in der Rhön geboren, studierte Jura in
Jena, Heidelberg, Berlin und wurde Amtsadvokat in Eise-
nach. Er war mit Itzstein befreundet und beteiligte sich
frĂĽhzeitig an den liberalen Bestrebungen. 1847 in den
in der Frankfurter Nationalversammlung. 4Q5
Weimarer Landtag gewählt, trat er als tüchtiger Redner
hervor, genoß großes Ansehen und wurde auf Drängen des
Volkes 1848 in das Ministerium berufen. In der National-
versammlung gehörte er dem linken Zentrum, dem Württem-
berger Hof, an, war an sich GroĂźdeutscher, lieĂź sich aber
nach längerem Bedenken überzeugen, daß ein deutsches
Reich mit Ă–sterreich nicht zu schaffen sei und stimmte fĂĽr
den preuĂźischen Erbkaiser. Am Gothaer Nachparlament
nahm er noch teil, dann war er wieder weimarischer Mi-
nister, bis er 1854 in der Reaktionsperiode seinen Ab-
schied nahm. Er lebte seitdem in Tegernsee und MĂĽnchen
und trat 1862 wieder politisch hervor, indem er gegen den
Nationalverein den „großdeutschen Reformverein" gründete,
der eine gemeinsame Bundesvertretung, gewählt aus den
Parlamenten der Einzelstaaten, erstrebte. Er wurde dann
Vertrauter des Herzogs von Augustenburg, für den er —
allerdings ohne Erfolg — in Wien tätig war. 1867 zog
er sich nach Oberbayern unweit Oberaudorf zurĂĽck, war
schriftstellerisch noch unausgesetzt tätig und starb am
9. Juni 1876.
Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha.
Friedrich Gottlieb Becker war am 9. November
1792 zu Gotha geboren, studierte in Göttingen, wurde aber
frĂĽhzeitig, infolge der Kriegsunruhen, in die Heimat ge-
rufen und übernahm den buchhändlerischen Verlag seines
als national -deutsch denkenden Schriftsteller bekannten
Vaters und auch die Herausgabe der Zeitung seines Vaters,
des „Allgemeinen Anzeigers der Deutschen", der bis 1850
erschien. Becker war in Gotha bald die Seele aller ge-
meinnützigen Tätigkeit. Als Senator, Stadtverordneter, Vor-
steher der Innungshalle, später auch als Mitglied der Direk-
tion der Lebensversicherungsbank war er lange Jahre un-
ermüdlich tätig. 1848 wurde er einstimmig nach Frank-
furt gewählt als der populärste Mann Gothas. Er war hier
Mitglied der Kasinopartei und war mit groĂźem Eifer ver-
406 Die Vertreter ThĂĽringens
mittelnd tätig; in das Parlamentsalbum hat er die Worte
eingetragen :
Können wir Freiheit des Volks, des Vaterlandes Ein-
heit erringen,
Sind wir selber nicht eins, frei in der eignen Brust ?
Lasset friedlich die Hand zum heiligen Werke uns
reichen :
Nur der Eintracht gelingt's, nur wenn wir selbst
uns besiegt.
Becker leitete die Einberufung des Gothaer Nach-
parlaments, später wirkte er noch als Mitglied des Land-
tages, war auch eine Zeitlang Präsident desselben; die
Enttäuschungen des Jahres 1848 hatten aber seine Kraft
gebrochen. Bald zog er sich ganz zurĂĽck und ist schlieĂź-
lich am 24. Juli 1865 in geistiger Umnachtung gestorben.
Moritz Briegleb war am 10. November 1809 als
Sohn eines Advokaten in Coburg geboren. Er studierte
Jura in Jena und Heidelberg, war einige Zeit Aktuar in
Königsberg im Herzogtum und wurde dann Anwalt in
Coburg. Eine seiner ersten Taten war die Verteidigung
von 4 Jugendfreunden, die wegen ihrer Beteiligung an der
Burschenschaft in Anklagezustand versetzt waren. Bald
war er wegen seiner strengen Rechtlichkeit, seines lauteren
Charakters und seiner tiefen Kenntnisse ein sehr geschätzter
Verteidiger. Von 1842 ab war er in Coburg Landtags-
abgeordneter und bald einer der FĂĽhrer der liberalen Op-
position gegen die WillkĂĽr der Regierung. 1843 wurde
er wegen seines Auftretens gegen die Regierung in Anklage-
zustand versetzt, aber freigesprochen. 1844 kam Ernst IL
zur Regierung und es schien jetzt Friede einzutreten, aber
erst 1847 wurde ernstlich in das konstitutionelle Fahr-
wasser eingelenkt. Briegleb wurde damals die Leitung
des Ministeriums angeboten, die er aber ablehnte ; dagegen
wirkte er unablässig weiter für den freiheitlichen Ausbau
der Verfassung. Seit 1846 war er auch Stadtverordneter
und gleich nachher Vorsteher der Stadtverordneten in Coburg
in der Frankfurter Nationalversammlung. 407
und hat auch hier verdienstvoll gewirkt. Im Vorparlament
war er einer der SchriftfĂĽhrer, auch wurde er Mitglied des
FĂĽnfziger-Ausschusses. In Frankfurt schloĂź er sich der
Kasinopartei an, er war eifriges Mitglied des Verfassungs-
ausschusses und gehörte auch zur Kaiserdeputation. An
den Verhandlungen des Nachparlaments nahm er noch teil
und blieh bis 1851 Landtagsmitglied, dann trat er auf
längere Jahre ganz vom öffentlichen Leben zurück. Er
ĂĽbernahm die Verwaltung der teilweise im Ausland ge-
legenen GĂĽter des Prinzen Albert und suchte auch fĂĽr die
Besitzungen des Königs von Belgien in Mähren und Ungarn
deutsche Verwaltungsgrundsätze einzuführen. Über 10 Jahre
lang war er fast ununterbrochen abwesend. Später kehrte
er zurĂĽck und trat 1865 in das Magistratskollegium in
Coburg ein, wo er sich wieder groĂźe Verdienste erwarb.
Die preuĂźisch-deutschen Einheitsbestrebungen waren sein
politisches Ideal und so begrĂĽĂźte er die Jahre 1866 und
1870 mit Freuden. Im FrĂĽhling 1870 trat er in den
Reichstag ein und schloĂź sich der nationalliberalen Partei
an; aber schon am 28. April 1872 ist er in Berlin an den
Folgen einer Operation gestorben. Sein Nachfolger im
Reichstag, Forkel, hat seine Biographie geschrieben.
Herzogtum Sachsen -Meiningen-Hildburghausen.
Julius Hoffmann war 1809 geboren und wurde
OberbĂĽrgermeister in Eisfeld. Er war 1847 Mitglied der
meiningenschen Ständeversammlung, in der Nationalversamm-
lung ist er nicht hervorgetreten, hat sich auch einer Partei
nicht angeschlossen und ist am 16. November 1848 aus-
getreten. 1859 war er MitbegrĂĽnder des Nationalvereins
und in den 70er Jahren war er nationalliberaler Vertreter
Meiningens im Reichstag. Er lebte in Eisfeld als Ritter-
guts- und Fabrikbesitzer, war auch Bergrat und ist 1882
in Eisfeld gestorben.
Werner Johannes war 1805 in Meiningen ge-
boren. Er wurde hier Kaufmann und grĂĽndete eine
408 Die Vertreter ThĂĽringens
mechanische Spinnerei, die er bis zum Tode betrieben hat.
In die Nationalversammlung trat er als Nachfolger Hoff-
manns ein, er schloĂź sich dem linken Zentrum (dem WĂĽrt-
temberger Hof) an, stimmte fĂĽr den preuĂźischen Erb-
kaiser und nahm auch am Gothaer Nachparlament teil.
Johannes ist 1871 in Meiningen gestorben.
Richard Ernst Liebmann war am 8. Februar
1811 zu Schmiedefeld bei Wallendorf geboren. Er wurde
als Regierungsrat in Meiningen in die Nationalversammlung
gewählt, trat aber schon im September 1848 aus und wurde
Staatsrat im Herzogtum. 1850 nahm er an den Verhand-
lungen des Erfurter Volkshauses teil; im gleichen Jahre
wurde er Dirigent des Kreisgerichts in Saalfeld. Liebmann
ist am 7. Oktober 1871 in Hildburghausen gestorben als
Präsident des dortigen Appellationsgerichtes.
Louis MĂĽller war der Sohn des BegrĂĽnders der
Papiermacheindustrie in Sonneberg. Er war hier am 30. März
1812 geboren, besuchte das Gymnasium zu Schleusingen
und ging dann nach Jena, um Jura zu studieren. Hier
begeisterte er sich fĂĽr freiheitliche Ideale, wurde deshalb
relegiert, muĂźte nach Sonneberg zurĂĽckkehren und wurde
hier unter Polizeiaufsicht gestellt. Er trat nunmehr in das
Geschäft seines Vaters ein und hat es zu einer hohen Blüte
gebracht. Die Bewegung von 1848 zog ihn mächtig an;
er war Kommandant der BĂĽrgerwehr und wurde als an-
gesehenster Bürger Sonnebergs nach Frankfurt gewählt als
Vertreter des frĂĽh ausscheidenden Regierungsrats Liebmann.
Er war Mitglied des linken Zentrums (des WĂĽrttemberger
Hofes). Später hat Müller dem Meininger Landtag noch
mehrfach angehört und in der Kommune war er unermüd-
lich tätig. In der Gemeindevertretung und in der Handels-
kammer wirkte er lange Jahre, in letzterer fĂĽhrte er lange Zeit
den Vorsitz. Bei BegrĂĽndung des National Vereins war auch
MĂĽller beteiligt; seinen liberalen Ansichten ist er stets treu
geblieben, freudig sah er das neue Reich erstehen. In Sonne-
berg genoĂź er bis zum Tode allgemeinstes groĂźes Ansehen,
in der Frankfurter Nationalversammlung. 409
1885 wurde er anläßlich seiner goldenen Hochzeit Ehren-
bĂĽrger von Sonneberg. Am 1. Mai 1889 ist er ge-
storben.
Herzogtum Sachsen-Altenburg.
Friedrich August Fritzsche war geboren am
23. April 1806 in Altenburg, studierte Jura in Jena und
wurde 1830 Advokat, 1834 auch Stadtschreiber in Roda.
1836 — 1850 vertrat er Roda im Landtage des Herzogtums.
In die Nationalversammlung trat er als Nachfolger Sonnen-
kalbs erst im Januar 1849 ein. Er stimmte fĂĽr den
preuĂźischen Erbkaiser und trat mit der Partei Gagerns
Mitte Mai aus. Von 1851 ab war er Amtssekretär am
Justizamt zu Roda; 1878 erhielt er den Ratstitel, lieĂź sich
aber im gleichen Jahre pensionieren. Politisch rechnete er
sich später zur nationalliberalen Partei; freudig begrüßte
er die Errichtung des neuen Reiches. Eritzsche ist in
Roda am 10. Mai 1887 gestorben. In das Parlaments-
album schrieb er die Worte :
„Wenn auch des Dankes bloß, bleibt des Volkes Glück
mein Streben, sein GlĂĽck meine Freude."
Bernhard August v. Lindenau war am 11. Juni
1779 in Altenburg geboren, studierte Jura in Leipzig und
wurde schon 1801 Rat beim Kammerkollegium. Bald aber
wechselte er seinen Beruf, trieb eifrig Astronomie und ging
nach Gotha, wo er seit 1809 Direktor der Sternwarte auf
dem Seeberge war; er schrieb hier verschiedene wertvolle
astronomische Arbeiten. 1814 nahm er an den Freiheits-
kriegen teil als Generaladjutant des Herzogs Karl August
von Weimar und wurde 1816 wieder in den Verwaltungsdienst
des altenburg-coburgischen Staates gezogen. Er ĂĽbernahm
das Ministerium und leitete bis 1826 die ganze Regierung
im wesentlichen allein. Dann trat er, nach Bildung des
neuen Staates Coburg-Gotha, in den königlich sächsischen
Staatsdienst, zunächst als Bundestagsgesandter, dann 1829
als Minister. Er leistete Bedeutendes in der Leitung der
410 Die Vertreter ThĂĽringens
Kunst- und der wissenschaftlichen Sammlungen und wurde
1830 Kabinettsminister. Als solcher wirkte er eifrig fĂĽr
EinfĂĽhrung einer Konstitution, die er 1831 wirklich ein-
fĂĽhrte, und schuf dann eine groĂźe Anzahl grundlegender
Gesetze. Sein Streben ging nach freisinniger Entwickelung
der Verfassung, seit Ende der 30er Jahre hatte er aber
mancherlei Kämpfe sowohl mit der Krone, der er zu weit
ging, als auch mit einem Teil der Kammer, die raschere
Fortschritte wollte. 1843 nahm er seinen Abschied und
ging nach Altenburg zurück, wo er Präsident der Stände-
versammlung wurde und allgemeines groĂźes Ansehen genoĂź.
In der Nationalversammlung war er zweiter Alterspräsident
(nach Lang) bei der Eröffnung ; er ist hier aber kaum mehr
hervorgetreten und legte im Januar sein Mandat nieder.
Nach der Rückkehr widmete er sich eifrig humanitären
Bestrebungen, tat viel Gutes für die Bevölkerung und
wirkte für Aufklärung. Er starb in Altenburg 1854 am
12. Mai.
Friedrich Schlutter, geboren 1812, war in den
30er Jahren mit Fritz Reuter zusammen Mitglied der
Burschenschaft, sollte dafĂĽr vor Gericht gestellt werden,
floh aber in die Schweiz und lebte hier als Privatgelehrter.
1848 kehrte er in die Heimat Poris in Altenburg zurĂĽck
und trat im Dezember als Nachfolger Lindenaus in die
Nationalversammlung ein. Er trat der äußersten Linken,
dem Donneisberge, bei, nahm auch am Stuttgarter Rumpf-
parlament teil und floh nach der Auflösung des Parlaments
nach England, wo er Professor an der Kriegsakademie zu
Woolwich wurde. 1870 kehrte er nach Deutschland zurĂĽck
und lebte in Dresden ganz zurĂĽckgezogen. Hier ist er
1888 gestorben.
Carl Victor Sonnenkalb war am 11. Januar 1814
in Ronneburg geboren. Er studierte Jura in Jena und trat
1835 in den altenburgischen Staatsdienst. Als alten-
burgischer Hofadvokat war er im Herzogtum bald eine sehr
populäre Persönlichkeit und wurde mit großer Majorität in
in der Frankfurter Nationalversammlung. 411
die Nationalversammlung gewählt. Das Wahlresultat war
damals Sonnenkalb 9572, v. Lindenau 8611, SchlĂĽtter 3731,
Kahle 1367 und Fritzsche 1367 Stimmen. Sonnenkalb hat
an den Verhandlungen in Frankfurt wenig teilgenommen,
er wurde im September als Minister mit der Leitung der
Regierung in Altenburg betraut und legte im Dezember sein
Mandat nieder. In Altenburg war er noch einige Jahre
tätig, dann begann er zu kränkeln und starb nach lang-
jährigem Leiden am 8. Januar 1869.
FĂĽrstentum Schwarzburg-Sondershausen.
Johann August Friedrich v. Blumröder war
am 3. August 1776 zu Gehren bei Ilmenau als Sohn des
dortigen Pfarrers Blumröder geboren. Nach Besuch des
Gymnasiums zu Arnstadt studierte er auf Wunsch des
Vaters Theologie zu Jena. Da ihm jedoch das Studium
der Theologie nicht zusagte, faĂźte er den EntschluĂź, Offizier
in der preuĂźischen Armee zu werden. Hierzu bewog ihn
die groĂźe Verehrung, die er fĂĽr Friedrich den GroĂźen
hegte. 1798 wurde er als Bombardier mit Aussicht auf
Beförderung in das 1. Artillerieregiment (Berlin) eingestellt.
Er vervollkommnete sich in Berlin weiter in der Mathematik
und wurde 1803 nach Kyritz abkommandiert, um den
Offizieren des dortigen KĂĽrassierregiments Unterricht in
der Mathematik zu erteilen. Noch im gleichen Jahre wurde
er Leutnant, stand erst in Magdeburg und wurde 1806 zur
Verteidigung der kleinen hannoverschen Festung Hameln
abkommandiert. Nachdem die Franzosen die Belagerung
von Hameln eingeleitet hatten, schlug er zweimal die An-
griffe derselben auf das mit seiner Artillerie besetzte Fort
zurĂĽck und wuĂźte seine Truppen in freudigster Kampf-
stimmung zu erhalten. Der feige Kommandant ĂĽbergab
trotzdem die Festung am 19. November 1806 und Blum-
röder wurde mit den anderen Offizieren auf Ehrenwort ent-
lassen. Da seine BemĂĽhungen, in der sehr verkleinerten
412 Die Vertreter ThĂĽringens
preuĂźischen Armee wieder ein Offizierspatent zu erhalten,
vergeblich waren, lebte er jetzt einige Jahre als Lehrer
und Erzieher, 1807 in der Salzmannschen Erziehungsanstalt
in Schnepfenthal, 1808 als Hauslehrer bei dem Geheimrat
v. Weise in Sondershausen. 1809 wurde er Kapitän bei
den Truppen in Sondershausen und nahm nun mit diesem
Kontingent an den Napoleonischen Kriegen teil. 1809
kämpfte er gegen die Tiroler, zog auch mit in Wien ein.
Dann kam er nach Spanien, wo das schwarzburg-sonders-
hausensche Kontingent in den Kämpfen und durch Krank-
heiten nahezu vollständig aufgerieben wurde. 1812 hatte
er mit seinen neu ergänzten Truppen die Nordseeküste
gegen England zu verteidigen, wurde im Herbst nach RuĂź-
land gesandt, kam aber nur bis Kowno und ging mit den
geschlagenen Eranzosen nach Deutschland zurĂĽck. Im
Januar 1813 hatte er in Danzig die Belagerung durch die
Russen durchzumachen und geriet bei einer Rekognoszierung
in russische Gefangenschaft, aus der er erst nach der Schlacht
bei Leipzig freikam. Im Februar 1814 wurde er Kom-
mandeur des schwarzburg-sondershausenschen Kontingentes
und Oberstleutnant und machte den Feldzug gegen Napo-
leon in Belgien mit.
Auch 1815 fĂĽhrte er seine Truppen wieder gegen
Napoleon und nahm an der Belagerung von Bouillon, an
der Belagerung und Einnahme von Mezieres und Monmedy
mit großer Auszeichnung teil. 1816 nahm Blumröder seinen
Abschied und war 1816 — 1820 als Gouverneur des Erb-
prinzen von Sondershausen tätig, 1816 war er geadelt
worden. 1832 wurde er Landrat in Sondershausen und
ist als solcher bis 1850 verdienstvoll tätig gewesen. Der
Nationalversammlung gehörte Blumröder nur bis zum Sep-
tember 1848 an, er ist hier nicht besonders hervorgetreten,
daĂź er den Arbeiten aber alles Interesse entgegenbrachte,
zeigt seine Eintragung in das Parlamentsalbum: „Es ist
ein UnglĂĽck, daĂź wir Deutschen uns so leicht mit halben
MaĂźregeln begnĂĽgen und uns oft mitten im Anlaufe zu
in der Frankfurter Nationalversammlung. 413
einem kühnen Fortschritt durch ängstliche Bedenken hemmen
lassen. So ist unsere Revolution, obgleich sie sich anfangs
ziemlich breit machte, und vielleicht weil sie sich zu breit
machte, nur eine halbe, unvollständige geblieben, denn die
vielen Ränkeschmieden der alten Diplomaten, Bürokraten
und Staatssophisten sind nicht zerstört worden. So wird,
fĂĽrchte ich, auch die deutsche Einheit, die man jetzt schaffen
will, nur eine halbe und schwache sein, weil man vor
allem Kräftigen und Starken erschrickt, und die deutsche
Diplomatie von jeher vor allen RĂĽcksichten, Bedenken und
EifersĂĽchteleien zu keinem Resultat gelangen konnte.
Möchten wir uns bei dieser Aussicht wenigstens mit dem
Spruche des alten Hesiodus trösten können, daß das Halbe
oft besser sei als das Ganze. Das ist freilich ein leidiger
Trost; aber was will man machen? Wenn ein Glied faul
und durchfressen ist, muĂź man es abschneiden, damit nicht
der ganze Körper angesteckt werde. So müssen wir auch
auf GroĂźdeutschland verzichten, wenn kein anderes zu haben
ist als ein von der Metternichschen Politik infiziertes. Es
wird doch endlich einmal die Zeit kommen, wo die deutsche
Eiche das Symbol der deutschen Freiheit ist." Blumröder
schrieb diese Worte im 73. Lebensjahr; gestorben ist er
1860 am 14. Juni in Sondershausen.
August Hirschberg war 1804 als Sohn eines
Kaufmanns in Hamburg geboren, besuchte dort das Jo-
hanneum und wurde dann Apotheker. 1839 — 1854 besaß er
in Sondershausen eine eigene Apotheke, dann verkaufte er
dieselbe, blieb aber in der PrĂĽfungskommission fĂĽr die
Apothekerlehrlinge und verwaltete nebenbei ein Agentur-
geschäft. Später erhielt er den Titel Kommissionsrat. Er
war auch schriftstellerisch tätig und arbeitete mit Pro-
fessor Merker-Halle zusammen. In die Nationalversammlung
trat Hirschberg als Nachfolger Blumröders im September
ein, er gehörte dem linken Zentrum (dem Württemberger
Hof) an und stimmte fĂĽr den preuĂźischen Erbkaiser.
Hirschberg ist 1885 in Sondershausen gestorben.
XXVIII. 27
414 Die Vertreter ThĂĽringens
FĂĽrstentum Schwarzburg-Rudolstadt.
Friedrich Carl Hönniger war am 19. November
1812 in Rudolstadt geboren, wo sein Vater Konsistorial-
Präsident und Kanzler war. Er studierte Jura in Jena
und Berlin, und sein reiches Talent und sein tiefes Wissen
verschafften ihm rasch Anerkennung. Er wurde in die
Regierung gezogen und war schon Mitte der vierziger Jahre
Regierungsrat. Die Bewegung von 1848 ergriff ihn
mächtig, er wurde der begeisterte Führer der Demokraten
und war 1848 auch Landtagspräsident. In der National-
versammlung gehörte er der entschiedenen Linken (dem
Deutschen Hof) an, er stimmte fĂĽr Heinrich v. Gagern als
Reichsverweser und sagte bei der Kaiserwahl: „Ich wähle
keinen Kaiser." Da er an den Verhandlungen des Stutt-
garter Rumpfparlaments teilgenommen hatte, wurde er nach
der RĂĽckkehr in Anklagezustand versetzt und hatte eine
Gefängnisstrafe von einem Jahr zu verbüßen. Zugleich
verlor er sein Amt, und es gelang ihm auch später nicht,
eine seinen Fähigkeiten entsprechende Stellung zu finden.
Vereinsamt und frĂĽhzeitig gebrochen lebte der hochbegabte
und allen, die ihn kannten, verehrte Mann und Idealist in
Rudolstadt und ist hier am 30. April 1874 gestorben.
Fürstentum Reuß ältere Linie.
Ludwig Bonardy war am 22. Juni 1805 in Greiz
als der Sohn des fĂĽrstlichen Mundkochs geboren. Er
studierte Jura in Leipzig, wurde Rechtsanwalt und als
solcher in die Nationalversammlung gewählt. Er gehörte
hier dem linken Zentrum an, war aber später, wie er 1878
an Biedermann schrieb, „mehr konservativ als sonst liberal
gesinnt". „Am Nachparlament" in Gotha nahm er teil. Er
stimmte fĂĽr den preuĂźischen Erbkaiser und trat im Mai 1849
aus. 1863 — 1871 war Bonardy Bürgermeister von Greiz,
dann ĂĽbte er wieder die Advokatur aus. Er starb in
Greiz am 2. Februar 1881.
in der Frankfurter Nationalversammlung. 415
Ferdinand Schröder war geboren am 8. April 1818
in Zeulenroda, lernte als Kaufmann, ging dann aber noch auf
das Gymnasium zu Gera und studierte später Medizin in
Jena und Halle. Zu Zeulenroda lieĂź er sich als Augenarzt
nieder; neben seiner ärztlichen Praxis beschäftigte er sich
aber viel mit dem Zeichnen von Karrikaturen und war bald
ein geschätzter Mitarbeiter des „Dorfbarbiers", der „Düssel-
dorfer Monatshefte" und der „Fliegenden Blätter". In die
Nationalversammlung trat er als Nachfolger Bonardys erst
Ende Mai ein. Er gehörte der Linken an, nahm auch am
Stuttgarter Rumpfparlament teil. 1848 war er in seiner
Heimat ein beliebter Volksredner und wurde auch in den
Landtag des Fürstentums gewählt. Bei einem Aufenthalt
in München erkrankte Schröder an Typhus und starb in
Zeulenroda am 24. Januar 1857.
FĂĽrstentum ReuĂź jĂĽngere Linie.
Julius Fröbel, ein Neffe des bekannten Pädagogen,
war 1805 in Griesheim bei Stadtilm geboren, wo sein
Vater Pfarrer war. Nach einer sehr sorgfältigen Erziehung
bei seinem Onkel in Keilhau wurde Fröbel Kartograph in
Stuttgart, studierte dann aber noch in MĂĽnchen, Jena und
Berlin namentlich Geographie und Naturwissenschaften und
erhielt 1833 einen Ruf nach ZĂĽrich, wo er als Lehrer und
Professor der Mineralogie an der Universität tätig war.
Zugleich trat er nun als radikaler Politiker und poli-
tischer Schriftsteller hervor, seine unter dem Namen Junius
geschriebene „Neue Politik" verschaffte ihm bald großes
Ansehen. 1840 begrĂĽndete er mit UnterstĂĽtzung Follens
und Ruges ein Verlagsgeschäft, das „Literarische Comp-
toir", in dem die Gedichte von Herwegh, Hoffmann,
RĂĽge, Prutz etc. und viele in Deutschland meist verbotenen
politischen BroschĂĽren erschienen. 1846 erreichte der
Bundesrat die Unterdrückung der Verlagsanstalt, Fröbel
lebte in Paris, später in Dresden. In die 48er Bewegung
trat Fröbel als Führer der Demokraten ein ; er präsidierte
27*
416 Die Vertreter ThĂĽringens
dem DemokratenkongreĂź und trat im August an Wirths
Stelle in die Nationalversammlung ein. Er schloĂź sich dem
Donnersberge, der äußersten Linken, an ; nachdem er aber
kaum eine Woche in Frankfurt gewesen war, wurde er von
der Linken mit Blum nach Wien geschickt, um den dor-
tigen, damals siegreichen Demokraten die Sympathie der
Linken zu ĂĽberbringen. Mit Blum verhaftet, scheint er
einem gleichen Schicksal wie dieser entgangen zu sein,
weil seine kurz vorher erschienene Broschüre „Wien,
Deutschland und Europa", in der er fĂĽr Erhaltung der
Machtstellung Ă–sterreichs sich aussprach, ihm die Sym-
pathie seiner Richter verschaffte. Er konnte nach Frank-
furt zurĂĽckkehren, nahm wieder an den Verhandlungen
teil, sprach sich in einer bedeutenden Rede fĂĽr die Wahl
des Oberhauptes durch allgemeine Volksabstimmung aus
und nahm auch am Stuttgarter Rumpfparlament noch teil.
Dann floh er ĂĽber die Schweiz nach Amerika und lebte in
New York und San Francisco, eine Zeitlang auch in Nica-
ragua, meistens als Redakteur, aber ohne groĂźen Erfolg.
1857 kehrte er zurück, war literarisch tätig, lebte
einige Jahre in Wien als GroĂźdeutscher und Vertreter der
damaligen österreichischen Politik, dann in Stuttgart und
endlich in München, wo er die „Süddeutsche Presse" redi-
gierte, später auch käuflich erwarb. Nach 1870 trat er in
den Dienst des neuen Deutschen Reiches, wurde 1873 Konsul
in Smyrna, später in Algier. Erst 1890 trat er in den
Ruhestand und ist 1893 in Zürich gestorben. Fröbel, eine
der interessantesten Persönlichkeiten des Parlaments, hat
sein bewegtes Leben beschrieben in dem 1891 erschienenen
Werk „Ein Lebenslauf, Aufzeichnungen, Erinnerungen und
Erkenntnisse von J. Fröbel".
August Thieme wurde als cand. theol. in Hirschberg
in die Nationalversammlung entsandt. Er gehörte der Ver-
sammlung nur bis Anfang Juli an.
Johann Georg August Wirth wurde am 26. No-
vember 1798 in Hof geboren, studierte Jura in Erlangen
in der Frankfurter Nationalversammlung. 417
(wo er sich auch der Burschenschaft anschloĂź) und war dann
zunächst als Rechtsanwalt in Schwarzenbach in Sachsen
und in Bayreuth tätig, trieb aber daneben noch eifrig
nationalökonomische Studien. 1831 übernahm er in München
mit Wilhelm SchĂĽtz (Abgeordneter der Nationalversamm-
lung) die Redaktion des „Inland", eines ministeriellen
Blattes, gab dann aber das liberale Blatt „Die Tribüne"
heraus. Hier trat er mit groĂźer Energie und unermĂĽdlich
fĂĽr freisinnige Ausgestaltung aller staatlichen Einrichtungen
ein und hatte fortgesetzt Verfolgungen aller Art zu erdulden.
Um diesen zu entgehen, siedelte er nach Homburg a. d.
Hardt über, weil in der Pfalz noch französisches Recht
galt. Aber auch hier erwuchsen ihm aus seinen idealen,
durchaus- nicht revolutionären Bestrebungen fortdauernd
Schwierigkeiten. 1831 wurde er verhaftet, aber vom Schwur-
gericht freigesprochen. Er grĂĽndete nun den Presseverein
zum Schutz der politisch Verfolgten und veranlaĂźte mit
Siebenpfeiffer und anderen Versammlungen der Liberalen
zuerst am 1. April 1832 in Weinhein und dann am 27. Mai
1832 unter gewaltiger Beteiligung in Hambach. Obgleich
auf diesem sogenannten Hambacher Fest nur geredet, nichts
beschlossen wurde, setzten nun neue Verfolgungen ein.
Wirth wurde wieder verhaftet und blieb in Haft bis 1835.
Dann durfte er unter polizeilicher Aufsicht in Hof wohnen,
entfloh aber nach Frankreich. Später redigierte er in der
Schweiz die „Deutsche Volkshalle", und nachdem er 1847
nach Deutschland zurĂĽckgekehrt war, in Karlsruhe das
konstitutionell-monarchische „Deutsche Nationalblatt". Hier
schrieb er auch ein großes Werk „Die Geschichte der
Deutschen". In die Nationalversammlung trat Wirth als
Nachfolger Thiemes Anfang Juli ein, starb aber schon in
Frankfurt am 26. Juli 1848, wenige Tage nachdem der Erz-
herzog Johann in Frankfurt seinen Einzug gehalten hatte.
„Er war einer der eifrigsten, der überzeugungstreusten und
charakterfestesten Patrioten in den Zeiten schmählichster
Reaktion, hat darum Kerkerqualen und Verbannung fĂĽr
418 Vertreter ThĂĽringens in d. Frankf. Nationalversammlung.
die Rechte des Volkes erlitten und verdient, wie der
Besten einer, daĂź ein dauerndes, dankbares Andenken fĂĽr
ihn im deutschen Volke fortlebt." (Woerle: „Miterlebtes
aus den Tagen der deutschen Revolution und deren Vor-
geschichte.) x)
1) Die vorstehenden Daten entstammen größtenteils aus Mit-
teilungen, die dem Verfasser von noch lebenden Angehörigen der
Abgeordneten gĂĽtigst gemacht worden sind. Nur bei den Ab-
geordneten: Fröbel, v. Lindenau, WeLßenborn, Wirth, v. Wyden-
brugk konnten Angaben der „Allgemeinen deutschen Biographie"
mitbenutzt werden.
Nachrichten ĂĽber den cand. theol. August Thieme (1848 in Hirsch-
berg wohnend) wären dem Verfasser sehr erwünscht. Ein August
Thieme war 1848 Pfarrer in Allstedt, sein SchĂĽler Alfred v. Wol-
zogen hat im August 1848 Gedichte von ihm veröffentlicht. Er
lebte als junger Geistlicher in Ilmenau, dann längere Jahre in
RuĂźland. Der Abgeordnete ist vielleicht ein Enkel dieses Pfarrers
Thieme?
Miszeilen.
v.
Ein Brief Johann Stigels an Spalatin.
Mitgeteilt von Otto C leinen (Zwickau i. S.).
In Cod. Chart. A 121 der Herzoglichen Bibliothek zu Gotha
befindet sich ein Brief Johann Stigels an Spalatin vom 27. Oktober
1538, der uns von einem nicht zur AusfĂĽhrung gelangten schrift-
stellerischen Plane Johann Stigels in Kenntnis setzt. Dieser hatte
einige Epigramme zum Buhme des KurfĂĽrsten Johann Friedrich
und der Vorfahren desselben verfaĂźt und beabsichtigte, diese Samm-
lung zu vermehren und herauszugeben. Zu diesem Zwecke erbat er
sich weiteres Material von Spalatin, der ja sowohl in den in Betracht
kommenden Autoren bewandert sei, als auch aus persönlicher Er-
fahrung von den Taten und Lebensumständen des Kurfürsten genaue
Kenntnis habe. Der Brief ist charakteristisch sowohl fĂĽr die rĂĽhrige
und betriebsame Art und den Patriotismus Stigels wie fĂĽr das An-
sehen, das Spalatin wegen seines vertrauten Verhältnisses zu den
drei KurfĂĽrsten und seiner LiebenswĂĽrdigkeit in der Humanisten-
welt genoĂź.
S. Petiturus colloquium tuum cum essem nuper Lipsiae, dili-
genter quidem de te percontatus accepi ab amicis te in aula hoc
tempore uersari, quare quam celerrime huc aduolaui. Posteaquam
uero me haec spes falsum habuit, fretus tua in me beneuolentia per
literas hec tibi significanda esse duxi, quae coram tecum agere
uoluissem libentius. Caussa autem haec est : Conscripsi Epigrammata
quaedam in hoc potissimum, vt monimento aliquo posteris, quoad
eius pro ingenij mei tenuitate fieri possit, commendarem memoriam
virtutum cum nobilissimi nostri Principis Maiorumque eius tum
uero uniuersae patriae. Quae cum augere et in publicum emittere
certis nimirum horum temporum rationibus adductus in animo
habeam intelligamque, quantum tua opera iuuare et prouehere hoc
institutum possit, peto a te pro mea erga te obseruantia proque tuo
erga patriam amore etiam atque etiam diligenter, vt operam tuam
et consilium hac in re mihi impartias, quod ita fiet, si ea, quorum
cum ex frequenti probatissimorum autorum lectione, tum uero fac-
torum gestorumque memoria cognitionem habes, haud grauatim mihi
communicaueris. Te enim si quem alium, cum ab ineunte adole-
scentia vsque ad ingrauescentem hanc tuam aetatem tribus florentiss[imis]
ac laudatiss[imis] Saxoniae Electoribus a secretiorib[us] literis et
consilijs summa cum laude fueris, et callere omnes piincipum nostro-
rum historias iudico et libenter illas impartire amorem suum in
patria testari cupientibus compertum habeo. Quod cum ita sit,
420 Miszellen.
gratissimurn optimo nostro principi feceris, si me hac in re, quae ad
eius dignitatem pertinet, iuueris, me uero perpetuo aniore tibi de-
uinxeris. Hac de re quid facturus sis, si tibi molestum non sit,
rescribas rogo. Bene vale. Torgae Sexto Cal. Nouembres Anno 38.
J. Stigelius
dignitatis tuae studiosissiinus.
Idem uolui a te petere hoc extemporario epigrammate, vt in-
telligeres me serio et non sine caussa petere. Deus te diu conseruet
incolumem !
Adresse: Clariss[imo] viro D. Georgio Spalatino Illustriss[imo]
Principi ac domino Jo. Frid. Electori etc. a consilijs et concionib[us],
patrono suo obseruando. Aldenburgi.
VI.
Entgegnung: und ZurĂĽckweisung.
Von A. Mueller, GroĂźh. Landmesser a. D. in Weimar.
Im Schlußwort zu seiner Doktor-Dissertation : „Der sächsische
Bruderkrieg" sagt der Verfasser Herbert Koch: „Noch jetzt ist es
ĂĽblich, den Bruderkrieg fĂĽr die oder jene , Burg-Ruine' (I)
verantwortlich zu machen, wenn man weiter keine Anhaltspunkte
hat", und erklärt in einer Anmerkung, daß von den von mir auf-
gefĂĽhrten wĂĽsten Ortschaften und Fluren (WĂĽstungen) nur fĂĽnf
durch den Bruderkrieg zu Wüstungen geworden seien, während in
allen übrigen als damals zerstört von mir angegebenen Dörfern Be-
lege und Wahrscheinlichkeit fehlten. „Schnell fertig ist die Jugend
mit dem Wort!" —
Um „Burgruinen" handelt es sich, nebenbei gesagt, überhaupt
nicht; Burgen (NiederroĂźla, Kapellendorf, Leuchtenburg usw.) sind
im Bruderkriege wohl eingenommen, wenige aber zerstört worden,
wie Gleisberg, Magdala und Isserstedt. DaĂź aber in dieser Fehde
eine sehr große Anzahl Ortschaften der völligen Zerstörung an-
heimfielen, muß auch Koch zugeben (S. 62 : „viele Dörfer gingen in
Flammen auf"; S. 73: „darauf gingen viele Dörfer in der Pflege
Rosla, Dornburg, WeiĂźenfels in Flammen auf"), und dies alles
erst bis 1447! Wie groß aber später noch, namentlich 1450, die
Zahl der verbrannten Orte war, zeigt die Tatsache, daĂź auf dem
Zuge des KurfĂĽrsten von Eckard tsberga nach Erfurt an einem
Tage 60 Dörfer der Zerstörung anheimfielen. „Alle Dörfer ver-
brannte er — der Kurfürst — reine", sagt Cammermeister. Von
diesen vielen Ortschaften werden aber nur wenige namentlich auf-
gefĂĽhrt, und da schlieĂźt Koch: die Orte, die nicht namentlich auf-
geführt sind, können auch nicht als im Bruderkriege zerstört an-
genommen werden !
Miszellen. 421
Wenn ein Ort unserer Gegend zu Ende des 14. und zu Anfang
des 15. Jahrhunderts noch urkundlich aufgefĂĽhrt wird, gegen Ende
aber verschwindet und als „desolata, deserta" bezeichnet wird, so läßt
sich fast mit Sicherheit annehmen, daĂź er durch kriegerische Er-
eignisse des Jahrhunderts, hier also durch den Bruderkrieg, seinen
Untergang gefunden. Werden nun größere Orte als damals in
Flammen aufgegangen aufgeführt, die in der Nähe einer jetzigen
Wüstung liegen, so ist die größte Wahrscheinlichkeit vorhanden,
daĂź der jetzt wĂĽste Ort damals zugrunde gegangen ist. Wenn z. B.,
wie Koch S. 64 erzählt, am 21. Okt. 1447 Suiza und gleich darauf
Wickerstedt in Brand gesteckt wurden, so wäre es wirklich als ein
Wunder zu betrachten, wenn das kleine, nur l1/, km von Wicker-
stedt entfernt gelegene Kalthausen — jetzt Wüstung — verschont
geblieben wäre ; oder Grüns tedt und Allstädt bei Suiza ; oder
sollte Fördern unberührt geblieben sein, während das daneben
liegende Tamfurt in Flammen aufging? Im Amte RoĂźla (Koch,
S. 73) lag Alchendorf, im Amte Dornburg Lichtendorf, bei
Rothenstein Eothensteinichen! Und die Zerstörung der Ort-
schaften im Bruderkriege war eine grĂĽndliche. Neumark und
Vogelsberg sind nachweislich damals verbrannt worden ; sollte das
zwischen ihnen hegende Stölborn damals der Verwüstung ent-
gangen sein? Hain rode bei Fördern, Tamfurt und Kiliansroda
besteht noch 1450, 1615 wird es Wüstung genannt, Fördern be-
steht noch 1432, 1587 ist der Ort verschwunden, nur die Flurge-
nossenschaft blieb bestehen. Weydehausen wird 1440 noch als
Dorf aufgeführt, später ist es verschwunden; in der Gegend von
Berka (Tiefengruben) haben 1450 die Horden Herzog Wilhelms ge-
haust! Escheroda zwischen Suiza und Flurstedt kommt 1443
noch als Dorf vor, 1525 war nur noch ein Gehöft (Vorwerk) vor-
handen1). — So lassen sich noch viele Ortschaften anführen, die vor
dem Bruderkriege noch bestanden, nach demselben aber nicht mehr
genannt werden. Koch sucht seinen Helden Wilhelm (der eher einen
anderen Namen als den des „Tapferen" verdiente) möglichst weiß-
zuwaschen, trotzdem diesem niemand die größere Schuld an den
grauenhaften Verwüstungen zuschreibt. Die größten Verwüstungs-
greuel fallen im Gegenteil den kurfĂĽrstlichen Raubscharen zur Last,
und zwar sind die VerwĂĽstungen im Norden und Osten lediglich
dem KurfĂĽrsten, die im SĂĽden dem Herzog zuzuschreiben. Beide
1) Zellendorf und Neuendorf zwischen Alperstedt-GroĂźrudestedt
(Sömmerda), wo 1450 die Scharen des Kurfürsten hausten, sind 1534
WĂĽstungen; 1410 wird Zellendorf noch als bestehend aufgefĂĽhrt;
ebenso 1449 XL 23. Urda (Vrde) und Vollradisroda (FulJersrode).
422 Miszellen. — Aus der Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte.
aber, der „tapfere" Wilhelm, wie der „sanftmütige" Friedrich sehen
ruhig den scheußlichen Greueln der Zerstörung zu.
Wenn K. nicht den Bruderkrieg fĂĽr das Vorkommen so vieler
VerwĂĽstungen verantwortlich gemacht wissen will, so wĂĽrde er sich
gewiĂź sehr verdient machen, wenn er selbst die Ursachen der Ent-
stehung näher angeben wollte. Die Hussiten sind weder bis Naum-
burg noch in unsere Gegend gekommen, wenn wir nicht die böh-
mischen Scharen beider feindlichen BrĂĽder als solche bezeichnen,
noch hat die Pest so entsetzĂĽch gewĂĽstet, daĂź Hunderte von Ort-
schaften gänzlich ausgestorben wären ; die Pest zerstörte die Menschen,
nicht die Wohnungen.
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
(Der Bericht ĂĽber die 3 ersten Semester der am 18. Februar 1901
gegrĂĽndeten Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte ist enthalten im XXI. Bd.
der Zeitschrift für Thür. Gesch. und Altertumskunde S. 404—408.)
Von
Dr. Grustar Eichhorn in Jena.
IV. Winterseinester 1902/03.
Die November-Sitzung' der Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte ge-
staltete sich zu einer Virchow-Feier zu Ehren des im September
verstorbenen groĂźen Anthropologen. Zu dieser Festsitzung waren
an die Mitglieder der Medizinisch-Naturwissenschaftlichen Gesell-
schaft und des Vereins fĂĽr ThĂĽringische Geschichte und Altertums-
kunde zu Jena Einladungen ergangen. Herr Prof. E. Schmidt
hielt die Festrede, in welcher er die bedeutenden Verdienste Virchows
um die Anthropologie und Prähistorie schilderte. Besonders wirkungs-
voll gestaltete sich der Vortrag dadurch, daĂź Prof. Schmidt die
meisten der gedruckten Werke Virchows, die diesen Studien ent-
sprossen waren, vorlegte — eine Büchersammlung, die allgemeines
berechtigtes Staunen erregte.
In der Dezember-Sitzung referierte Prof. Noack ĂĽber die
jĂĽngst erschienene Literatur, die Urgeschichte betreffend. Dr. Eich-
horn hatte die Nachbildungen vor- und frühgeschichtlicher Gefäße
ausgestellt, die unter seiner Aufsicht in der Fabrik von Franz Eber-
stein in BĂĽrgel nach der Tafel der vorgeschichtlichen AltertĂĽmer der
Provinz Sachsen hergestellt worden waren. An der Hand dieser
demonstrierte derselbe dann in der Januar-Sitzung die wichtigsten
Formen der einzelnen Epochen der vor- und frĂĽhgeschichtlichen
Keramik Mitteldeutschlands in zeitlicher Aufeinanderfolge.
In den beiden letzten Sitzungen des Wintersemesters hatte die
Jenaer Gesellschaft für Urgeschichte das Vergnügen, zwei auswärtige
Herren als Gäste und Vortragende zu begrüßen: Herrn Dr. Baglioni
(Göttingen) und Herrn Prof. Dr. Klaatsch (Heidelberg).
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 423
Dr. Baglioni sprach in der Februar-Sitzung. Er hatte auf
einer anthropologischen Forschungsreise in Italien im sĂĽdlichen
Picenum eine groĂźe Anzahl Funde gemacht, und zwar in einem
kleinen Dorfe Belmonte-Piceno. Hier ist ein hallstattzeitliches
Gräberfeld schon zu verschiedenen Zeiten ausgebeutet worden. Neben
gedrehten flalsringen, Arm- und Fingerringen, Fibeln hatte der Vor-
tragende eine große Anzahl mannigfaltiger Anhänger ausgelegt, die
sich besonders häufig gerade in diesen Gräbern gefunden hatten.
Die meisten sind aus Bronze, wenige von Eisen. Bernstein spielt
bei den Schmucksachen eine wichtige Bolle. Auffällig selten fanden
sich bei den Grabbeigaben Waffen.
In einer auĂźerordentlichen Sitzung am 26. Februar 1903 be-
richtete Prof. Kl aat seh ĂĽber die Ergebnisse seiner anthropologisch-
prähistorischen Studienreise durch Deutschland, Belgien und Frank-
reich. Xach einem kurzen Ăśberblick ĂĽber den Stand unserer
Kenntnisse von den Rassenvariationen des Skeletts demonstrierte der
Vortragende an der Hand einer groĂźen Eeihe photographischer
Bilder das von ihm in dieser Hinsicht untersuchte Material der von
ihm aufgesuchten groĂźen Museen. Im AnschluĂź hieran legte Prof.
Klaatsch eine Reihe von primitiven Feuerstein - Artefakten und
Knochen-SchmuckstĂĽcken vor aus den diluvialen Ablagerungen des
Somme-Tales vom Typus Chelles und St. Acheul, den jung-diluvialen
Fundstätten des Vez&re-Tales (Dordogue), aus den spät-tertiären
Schichten bei Aurillac (Cantal) ; ferner Belege für die Anfänge der
Kunst in der Mammut- und Renntierperiode als Knochenschnitzereien,
Zeichnungen der damals lebenden Tiere auf Elfenbein und Knochen.
V. Somniersemester 1903.
In der Mai- und Juni-Sitzung hielt Prof. Seh rader einen
Vortrag ĂĽber die neuesten Arbeiten auf dem Gebiete der indo-
germanischen Heimatsfrage. Er sprach zuerst über die letzte größere
Schrift, die fĂĽr Asien als Urheimat der Indogermanen eingetreten
ist : die Abhandlung J. Schmidts ĂĽber die Urheimat der Indogermanen
und das europäische Zahlsystem. Hierauf wendete er sich der um-
fangreichen Literatur zu, die in neuerer Zeit bestrebt ist, die Ur-
heimat der Indogermanen in Europa oder an den Grenzen Europa-
Asiens festzulegen. Er unterschied in derselben eine anthropologische,
eine urgeschichtliche und eine linguistisch-historische Richtung. In
den Mittelpunkt der ersteren stellte er die Arbeiten K. Penkas, der
zweiten M. Muchs Buch: Die Heimat der Indogermanen im Lichte
der urgeschichtlichen Forschung und G. Kossinnas Arbeit: Die indo-
germanische Frage archäologisch beantwortet. Was in linguistisch-
historischer Richtung ĂĽber die Frage gesagt werden kann, hat Prof.
Schrader in seinem Reallexikon der indogermanischen Altertums-
kunde niedergelegt.
Mit der Mai-Sitzung war eine Ausstellung verbunden von den
wertvollsten StĂĽcken der vorgeschichtlichen italienischen Sammlung
aus Montegiorgio im alten Picenum, welche Herr Dr. Otto Schott
(Jena) wenige Wochen vorher dem prähistorischen Museum der
Universität geschenkt hatte. Die Fundstücke: prächtige Colliers,
Arm-, Ohr-, Fingerringe, Fibeln aus Bronee, Anhänger aus Muscheln,
Bernstein, bronzene und eiserne Schwerter, Dolchklingen, Lanzen-
spitzen gaben Zeugnis von der reichen Ausstattung der bronze- und
hallstattzeitlichen Gräber in und um Montegiorgio.
424 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
FĂĽr den Juli 1903 hatte die Gesellschaft einen Ausflug nach
Taubach und Ehringsdorf geplant zum Besuch der paläo
lithischen Fundstellen. Prof. Walt her hielt zu diesem Zwecke
in einer Sitzung am 6. Juli einen vorbereitenden Vortrag, in dem
er besonders die geologischen Verhältnisse der genannten Fundplätze
schilderte, die Ablagerungszeiten der dort zutage tretenden Schichten,
die dort durch Funde vertretene Fauna, die Feuerstein gerate.
Am 11. Juli fand dann unter FĂĽhrung des Herrn Prof. Walther
der Ausflug der Gesellschaft statt. Nach der kurzen Eisenbahnfahrt
bis Mellingen begaben sich die Teilnehmer zu Fuß zunächst nach
Taubach in die abgebauten Gruben, deren AufschlĂĽsse Prof. Walther
demonstrierte, von da nach Ehringsdorf mit ebensolchen, nur viel
mächtigeren und instruktiveren Schichtenfolgen. Durch den Park
wanderte dann die Gesellschaft nach Weimar in das städtische
Museum, wo Herr Kustos Möller zunächst die aus Taubach und
Ehringsdorf aufgespeicherten FundstĂĽcke demonstrierte, dann aber
auch die ĂĽbrigen im Museum ausgestellten vor- und frĂĽhgeschicht-
lichen AltertĂĽmer.
Am 27. August 1903 trat die Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte
in den Gesamtverein der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine
als Mitglied ein.
VI. Wintersemester 1903/04.
Den ersten Vortrag im Wintersemester hielt Herr Prof. E.
Schmidt in der November-Sitzung über „Dolichocephalie
und Brachy cephalie und ihre Bedeutung in der Anthropologie",
den zweiten Herr Prof. Noack in der Dezember-Sitzung ĂĽber die
Ausgrabungen in Troja und ihre Bedeutung fĂĽr die Chronologie der
europäischen Prähistorie.
In der Februar-Sitzung 1904 demonstrierte Dr. Johannes
Behr, Geologe an der Kgl. Geol. Anstalt zu Berlin, neue Funde in
Masuren, die er bei der geologischen Aufnahme jener Gegend im
vergangenen Sommer gelegentlich gemacht hatte, und zwar nördlich
von Orteisburg bei dem Dorfe Mingfen an der WestkĂĽste des Stupek-
Sees. 25 Brandgräber aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. hatte der
Vortragende ausgegraben und einen Teil der Urnen mitgebracht,
sowie der Beigaben: bronzene Fibeln, Kinge, Perlen aus Bernstein,
Glas, Gewebespuren, eiserne Lanzenspitzen, Schildbuckel, Schwert-
klingen, Schnallen, Pinzetten. Hierauflegte Dr. G. Eichhorn eine
groĂźe Sammlung vor- und frĂĽhgeschichtlicher AltertĂĽmer vor, die
in den letzten Jahren in und um Naumburg im Unstrut-, Saale-
und Wethautal gefunden und vom prähistorischen Museum angekauft
worden sind. In der ĂĽberwiegenden Mehrzahl waren es Einzelfunde
aus Stein : Beilklingen, Ă„xte, Hacken, Flintmesser und -pfeilspitzen,
Reibkugeln, ferner aus Ton: Spinnwirtel, Webegewichte, aus Bronze:
Beilklingen. Von besonderem Wert sind die Funde, die 1902 in der
KanonierstraĂźe in Naumburg gemacht worden sind und einem Skelett-
gräberfriedhof entstammen aus Christi Zeit.
VII. Sommersemester 1904.
Mit Beginn des Sommersemesters trat ein Wechsel im Vorstand
unserer Gesellschaft ein. Prof. Noack folgte einem an ihn ergangenen
Ruf nach Kiel. Zu seiner Ehrung hatte sich die Gesellschaft am
20. April im kleinen Burgkellersaal zu einer Abschiedsfeier vereint.
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 425
Als erster Vorsitzender wurde nunmehr Prof. Dr. Emil
Schmidt gewählt, Prof. Dr. B. Graf als zweiter, Schriftführer
blieb der bisherige Dr. Eichhorn.
Statt einer Sitzung fand im Juni ein Ausflug der Gesell-
schaft nach Hainichen bei Dornburg statt zur Besichtigung der
umfangreichen Sammlung vor- und frĂĽhgeschichtlicher AltertĂĽmer
unseres Mitgliedes des Herrn Pfarrer Schröder. In überraschender
Menge waren hier ausgelegt wohlerhaltene Steinbeile, durchlochte
Steinäxte, Feuersteinklingen, Topfscherben, Bronzeschmuck und
Bronzebeile, Eisen waffen, meist FundstĂĽcke aus ThĂĽringen, besonders
der Dornburger Gegend, aber auch aus anderen Gegenden waren
dem eifrigen Sammler vorgeschichtliche Gegenstände zugegangen.
Eine treffliche Demonstration der Gegenstände durch den Besitzer
machte den Besuch der Sammlung hochinteressant und lehrreich.
Bis zur späten Nachmittagsstunde blieb die Gesellschaft im trau-
lichen Pfarrhaus zu Gaste.
In der Juli - Sitzung berichtete Prof. Giese ĂĽber einige
stammesgeschichtlich interessante Eigenschaften des Blutes, besonders
die gegenseitige zerstörende Einwirkung von Blut niedrigstehender
Affen auf die Blutkörperchen des Menschen und umgekehrt, im
Gegensatz zu der chemischen Ă„hnlichkeit des Blutes der hoch-
stehenden anthropomorphen Affen, z. B. Schimpanse und Orang-
Utang.
Hierauf sprach Prof. Schrader ĂĽber Totenhochzeit. Er
ging von der in Attika bezeugten Sitte aus, auf dem Grabe unver-
heiratet Gestorbener einen Wasserkrug (lutrophoros) aufzustellen,
in dem sonst das Wasser fĂĽr das Brautbad des jungen Paares herbei-
geholt wurde. Diese Sitte herrscht jetzt noch bei den slavischen
Völkern, der zufolge an den Gräbern von Jünglingen und Jung-
frauen eine förmliche Scheinhochzeit aufgeführt wurde, bei der für
den Toten geradezu eine Braut oder ein Bräutigam bestimmt wurde.
So berichten ferner Araber über die ältesten slavischen und russischen
Zustände, daß nicht nur dem verstorbenen Ehemann seine Frau mit
in den Tod gegeben wurde, sondern es wurde auch der Junggeselle
nach seinem Tode rite mit einem Mädchen verheiratet, das damit
selbst dem Tod verfallen war1).
VIII. Wintersemester 1904/05.
In der November-Sitzung hielt Prof. von Bardeleben Vor-
trag ĂĽber Unterkiefer und Sprache. Unter Vorlegung einer Anzahl
Röntgen-Photographien , die den feineren Knochenbau des Unter-
kiefers zeigen als Folgen eines Zug- und Drucks besonders auf die
Kinnpartie, bespricht v. Bardeleben an der Hand einer Anzahl
vorgelegter Unterkiefer die Faktoren, welche bei der Umgestaltung
des Unterkiefers tätig waren, besonders des Kinns, und führt die
Persistenz des Kinns auf die bisher unbekannten oder als seltene
Varietät beschriebenen kleinen, anfangs paarigen, später unpaaren
Skelettelemente zurĂĽck, die als Ossicula mentalia bezeichnet wurden.
Diese Knöchelchen verschwinden nicht, sondern v. Bardeleben hat
gezeigt, daĂź dieselben mit den seitlichen Teilen des Unterkiefers ver-
schmelzen und zwar so, daß man ihre Grenzen in Gestalt von Nähten
1) Der Vortrag ist in Buchform erschienen unter dem Titel:
Totenhochzeit von Otto Schrader. Jena 1904. Hermann Costenoble,
Verlagsbuchhandlung.
426 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
auch beim Erwachsenen sehen kann. „Die Form des menschlichen
Unterkiefers und das Vorhandensein des Kinns ist nicht eine Funktion
der Sprache, sondern das Kinn ist ein altes primitives Skelettelement,
das beim Menschen bei der Reduktion der Kauwerkzeuge wieder zum
Vorschein gekommen ist und unter anderem als Klammer fĂĽr die
beiden Hälften des Unterkiefers dienen dürfte."
Ăśber die Slaven in ThĂĽringen sprach in der Dezember-Sitzung
Prof. Mentz. Aus dem prähistorischen Museum der Universität
waren eine Reihe typischer slavischer Fundstücke ausgestellt (Schläfen-
ringe, Tonwaren mit Wellenornament), die in Thüringen östlich und
westlich der Saale gefunden sind. Die slavischen Funde beweisen,
daĂź die Saale nicht die westliche Grenze gewesen. Ebenso erweisen
die Ortsnamen, Familiennamen, einzelne Sprachreste in ThĂĽringer
Dialekten, Dorfanlagen, Schriftsteller und Urkunden, daĂź durch
ganz ThĂĽringen hin einst zahlreiche Slaven wohnten. Als Grund
ihres Vorkommens im westsaalischen ThĂĽringen ist nicht genĂĽgend
die Annahme, daĂź sie als Kriegsgefangene angesiedelt worden seien,
wohl aber, daĂź sie sich als Kolonisten von deutschen Herren ange-
siedelt haben, daĂź sie spontan hierher vorgedrungen seien. Ein
kriegerisches Vordringen sei um 630 anzunehmen (Sieg des Slaven -
königs Samo über den Frankenkönig Dagobert), von 640 bis in die
Zeit Pippins sei das Vordringen ein friedliches. Erst durch Pippin
und Karl den GroĂźen wird die Saale wenigstens politisch die Grenze,
während zahlreiche Slaven westlich der Saale zurückbleiben.
In der Januar - Sitzung 1905 legte Prof. E. Schmidt eine
größere Anzahl von Feuersteinsplittern vor, die auf dem roten Berg
südöstlich von Saalfeld zwischen Gleitsch und dem preußischen
Haus gefunden worden sind. Nach Ansicht des Vortragenden sind
es menschliche Artefakte, Abfälle aus den Steinwerkstätten einer
neolithischen Niederlassung.
Weiter bespricht Prof. E. Schmidt noch die Operation der
Durchlochung des Hirnschädels in prähistorischer Zeit, wie in der
Gegenwart bei Völkern niederer Kultur. Die letzteren führen mit
sehr einfachen Werkzeugen in roher Weise Trepanationen aus, um
Kopfverletzungen und sonstige Krankheiten zu heilen ; daĂź aber auch
in prähistorischer Zeit in Europa Trepanationen zur Gewinnung von
Knochenscheibchen gemacht worden seien, die als Amulette getragen
wurden, beweisen die besonders in Frankreich, in Böhmen, Sachsen,
Ungarn beobachteten kreisrund durchlochten Schädel und die Amulett-
funde dieser Art.
In der Februar-Sitzung sprach Prof. Graf ĂĽber die Entwicke-
lung der Ornamentik auf den Vasen der kretisch-mykenischen Kultur.
Die ältesten Tpngefäße im Gebiet des Mittelmeers zeigen in ihren
Verzierungen Übereinstimmungen mit den Motiven der europäischen
Bandkeramik. Als etwas Neues tritt auf den Inseln des Agäischen
Meeres in der primitiven Töpferei das Ornament auf, das Natur-
formen, namentlich Pflanzen, entnommen ist. Eine Synthese dieser
beiden Ornaraentarten bringt die eigentliche kretisch - mykenische
Töpferei. Daneben geht die Spirale, deren Rückführung auf Metall-
drahtformen Prof. Graf abweist ; sie sei den Bandformen zuzuordnen.
Im sogenannten zweiten und dritten „mykenischen Firnisstil" er-
reicht diese Entwickelung ihre volle Höhe. Im weiteren Verlauf
des dritten Stils wird das Ornament linear, es teilt die Flächen des
Gefäßes rhythmisch, im vierten ist fast das ganze Gefäß netzartig
mit Ornament überzogen. Vor dem Auftreten des „geometrischen"
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 427
Stils läßt sich ein allgemeiner Niedergang beobachten. Zahlreiche
Lichtbilder erläuterten den Vortrag.
Nach dem Vortrag fand die Neuwahl des Vorstandes der Ge-
sellschaft statt. Prof. Schmidt hatte gebeten, mit RĂĽcksicht auf seine
Gesundheit von einer Wiederwahl abzusehen. An seiner Stelle wurde
Prof. von Bardeleben zum ersten Vorsitzenden gewählt, zweiter Vor-
sitzender bĂĽeb Prof. Graf, SchriftfĂĽhrer Dr. G. Eichhorn.
IX. Sommerseniester 1905.
In der Sitzung am 8. Mai gab Prof. v. Bardeleben einen
Ăśberblick ĂĽber die anatomischen Unterschiede der verschiedenen
Menschenspecies.
Die minoisch-mykenische Kultur im Lichte der Ăśberlieferung
bei Herodot behandelte Ph. Kropp in der Juni-Sitzung. Fast als
gesichert sei anzusehen, daĂź die minoischen Bewohner Kretas dem
karisch-lykischen Volksstamm angehörten. Auch eine ethnographische
Verwandtschaft der Karer mit den Etruskern erscheine sehr wahr-
scheinlich. Ein Bericht Herodots , den er von den Praisiern hat,
den alten Eteokreten, deckt sich gut mit den Kulturschichten des
aufgedeckten Palastes von Knossos.
X. Wintersemester 1905/06.
Am 20. November hielt Prof. Bäntsch einen Vortrag über die
neuesten Ausgrabungen in Palästina, speziell in Teil Ta'annekh und
ĂĽber deren Bedeutung fĂĽr unsere Kenntnis der Geschichte des alten
Kanaan. Auf Grund des keramischen Materials lassen sich unter-
scheiden : eine altkanaanäische Schicht, eine spätkanaanäische Schicht,
eine israelitische Schicht, ferner eine griechisch-römische, eine spät-
römisch-byzantinische und endlich eine mittelalterlich - arabische
Schicht. Eine auf Grund dieser Funde rekonstruierte älteste Ge-
schichte Kanaans stimmt auf das schönste mit dem Bilde, das uns
die im alten Testament enthaltenen Urkunden bieten.
In der Dezember-Sitzung erfreute unser Ehrenmitglied Prof.
Verworn (Göttingen) die Gesellschaft durch einen Bericht über
seine Ausgrabungen in Frankreich. Die äußerst stark besuchte
Sitzung fand im alten SchloĂź statt. An der Hand einer groĂźen
Sammlung demonstrierte Verworn die Typen der ältesten Feuerstein-
werkzeuge und behandelte eingehend das Alter dieser Instrumente
im Vergleich zu den erdgeschichtlichen Epochen. Auf Grund der
in den miocänen Schichten gemachten Funde ist Verworn überzeugt,
daß bereits in der Tertiärzeit Menschen oder menschenähnliche Ge-
schöpfe gelebt haben müssen.
Die Januar-Sitzung 1906 fand auf eine Einladung des Prof.
Weber im städtischen Museum statt. Vorgelegt wurden eine Reihe
alter Gefäßscherben, auch ganze Gefäße wurden gezeigt, die beim
Abreißen alter Gebäude in Jena und bei Ausschachtungen gefunden
worden waren. Zeitlich entstammten diese Gefäße der jüngeren Zeit.
An ihnen konnten die unterscheidenden Merkmale prähistorischer
und neuerer Tonwaren gezeigt werden.
In der Februar -Sitzung sprach Pfarrer Schröder (Haini-
chen) ĂĽber neolithische Siedelungen in den Fluren Hainichen und
Hirschroda bei Dornburg. Eine groĂźe Anzahl von Nachgrabungen
haben dem Vortragenden ein reiches Material von steinzeitlichen
Werkzeugen und Tonscherben, das zum Teil ausgestellt war, ge-
428 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
liefert. Auf Grund dieses kommt er hinsichtlich der in SĂĽddeutsch-
land vielumstrittenen Frage, ob die beiden auch hier gefundenen
Typen der Keramik: Stich- und Linearverzierung, einem Zeitalter
angehören, für unsere Gegend zu dem Entscheid, daß — wie Kohl
(Worms) auch für Süd- und Westdeutschland annimmt — beide in
zwei verschiedenen Perioden entstanden sind. Und zwar vermutet
er, daĂź die wohl in der Schnurkeramik wurzelnden Stichverzierungen
hinter die Linearverzierungen an den SchluĂź der Steinzeit zu stellen
seien.
XI. Sommerseniester 1906.
In der Mai-Sitzung sprach Prof. v. Bardeleben ĂĽber Unter-
scheidungsmerkmale ausgegrabener Knochen und fĂĽhrte etwa folgen-
des aus: Knochen vom Mensch oder Tier zu unterscheiden, ist im
ganzen leicht. Bei kleineren BruchstĂĽcken zieht man das Knochen-
material der zoologischen Sammlungen heran. Ein wertvolles Hilfs-
mittel ist die Röntgenbestrahlung. Die Architektur der Spongiosa,
der innere Aufbau des Knochens ist beim Menschen unvergleichlich
feiner als beim Tier. Ob ein Knochen vorgeschichtlich oder neu, ist
nicht in allen Fällen festzustellen. Von Wichtigkeit ist die ein-
schlieĂźende Umgebung auf die Erhaltung des Knochens; es kommt
darauf an, ob er in Erdreich oder in Feuchtigkeit gebettet wurde ;
beinahe rezent sieht der in Java zutage geförderte Schädel aus. Im
allgemeinen nimmt in der Erde der Knochen an Porosität zu, er
wird immer anorganischer, leichter. Der EinfluĂź der Bodenarten
ist ein verschiedener. Ob der als ein menschlicher erkannte Knochen
einem männlichen, weiblichen, kindlichen Individuum angehört, ist
hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Erwachsenem und Kind
leicht, schwieriger zwischen Mann und Weib. Im allgemeinen ist
der männliche Knochen im Vergleich zu dem gleichen des Weibes
größer, stärker, hat stärkere Muskelansätze, stärkere Linien am
Schädel. Das Becken der Frau ist breiter als das des Mannes; der
Winkel, in welchem die beiden Beckenhälften in der Symphyse zu-
sammenstoĂźen, ist beim Mann spitz, bei der Frau stumpf. Der
Oberschenkelknochen ist beim Weibe im allgemeinen kleiner als
beim Manne. Die Halsachse am Oberschenkelknochen bildet beim
Weibe mit der Oberschenkelachse fast einen rechten, beim Manne
einen stumpfen Winkel. Besonders gĂĽnstige Erkennungszeichen fĂĽr
Geschlecht und Alter eines Skeletts bieten die Zähne. Zum Schluß
kam der Vortragende noch auf die Gesichts- und Schädelbildung zu
sprechen, auf Prognathie und Orthognathie.
In der Juni-Sitzung hatte die Gesellschaft die Freude, einen
Vortrag des Herrn Prof. Götz (Jena) anzuhören: Aus dem ältesten
Rom. Der Vortragende sprach zunächst über das Grab des Romulus.
Unter dem lapis niger befindet sich 1) das Sacellum, 2) eine archaische
Stele, 3) eine Inschrift. Der lapis niger bezeichnet die Stelle, wo
sich das Sacellum (das Grab des Romulus) befindet. Die Bedeckung
des Sacellum erfolgte vielleicht nach dem Einfall der Gallier 390.
Die Inschrift stammt aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. und ist die
älteste, die wir haben. Weiter berichtete Prof. Götz über den lacus
curtius. Er ist eine Opfergrube oder eine Brunneneinfassung.
Drittens behandelte er das Sepulcretum, eine Grabstätte, auf der
bisher 40 Gräber aufgedeckt worden sind, Brand- und Skelettgräber
mit hallstattzeitlichen Beigaben. Sie stammen aus dem 9. — 6. Jahr-
hundert.
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 429
XII. Wintersemester 1906/07.
Die Sitzung1 am 12. November wird eröffnet vom Vorsitzenden
Prof. v. Bardeleben mit einem warm empfundenen Nachruf auf
den frĂĽheren Vorsitzenden der Gesellschaft, Prof. Emil Schmidt,
der am 22. Oktober I906..in Jena verstorben war. Der Vorsitzende
gab zunächst eine kurze Übersicht über den Bildungsgang des Ver-
storbenen. Emil Schmidt war am 7. April 1837 in Obereichstädt in
Bayern geboren als Sohn des dortigen HĂĽttendirektors, besuchte
die Lateinschule in NĂĽrnberg, das Gymnasium in Nassau, studierte
in Jena, Leipzig, Berlin Naturwissenschaften und Medizin. Nach
absolvierten Examinibus und einer längeren Assistentenzeit ließ er
sich in Essen als Arzt nieder. Auf Veranlassung von Krupp gab
er nach 5-jähriger Tätigkeit die Stadtpraxis auf, um Arzt der Familie
Krupp zu werden. Eine groĂźe Anzahl weiter Eeisen machte er erst
mit dem Vater Friedrich .Krupp, dann mit dem Sohne Alfred. Eng-
land, Italien, BuĂźland, Ă„gypten, Amerika wurden von ihm auf-
gesucht. 1885 habilitierte er sich in Leipzig fĂĽr Anthropologie, fĂĽr
das Fach, dem er bis zu seinem Tode die umfassendsten Studien
widmete. Auf Grund der Beobachtungen, die er auf seinen groĂźen
Reisen an Lebenden gemacht hatte und durch Studien an dem groĂźen
Schädelmaterial, besonders aus Ägypten — er besaß über 1000 Schädel
der verschiedensten Epochen — war er zur Erkenntnis der Tatsache
von der temporären Konstanz der Schädelformen gekommen, der
Konstanz der Menschenrassen wenigstens seit der jĂĽngeren
Steinzeit. Es war ihm vergönnt, noch den Sieg und die all-
gemeine Anerkennung dieser seiner schon frĂĽhzeitig ausgesprochenen
aber viel umstrittenen Auffassung zu erleben.
Eine stattliche Anzahl von Aufsätzen im Archiv für Anthropo-
logie, im Globus und von besonderen Werken geben Zeugnis von
dem FleiĂź und dem Wissen des allgemein geachteten und beliebten
Anthropologen.
Hierauf hielt Dr. G. Eichhorn einen Vortrag ĂĽber die
Epochen der Vor- und FrĂĽhgeschichte. Die einzelnen Epochen mit
ihren Unterabteilungen wurden kurz besprochen, die charakteristi-
schen Waffen , Werkzeuge , Schmuckgegenstände an einer großen
Zahl von Bildern und Wandtafeln demonstriert, das Differentiell-
diagnostische besonders betont. Etwas eingehender behandelte der
Vortragende die Gliederung der älteren Steinzeit nach dem neuesten
Stand der wissenschaftlichen Forschung, die Gliederung der jĂĽngeren
Steinzeit nach den Erzeugnissen der Keramik. Bei der Betrachtung
der Bronzezeit wurde die Herkunft der Bronzekultur und ihre Ver-
breitung eingehender erörtert. Für alle Zeitabschnitte wurden Beleg-
stĂĽcke aus ThĂĽringens Vor- und FrĂĽhgeschichte angefĂĽhrt und
durch Bilder veranschaulicht.
In der Dezember-Sitzung machte Dr. Wein eck Mitteilungen
ĂĽber vorgeschichtliche Funde in der Niederlausitz. Unter Vorlegung
einer reichen Sammlung von Waffen, Werkzeugen und Schmuck-
gegenständen, die der Vortragende in der Niederlausitz, besonders
in der Umgebung von LĂĽbben, selbst gesammelt und ausgegraben
hatte — Einzelfunde und Gesamtfunde — entwickelte Dr. Weineck
die Kultur der Niederlausitz in den verschiedenen Epochen der Vor-
geschichte. Während die jüngere Steinzeit verhältnismäßig wenig
XXVIII. 28
430 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
durch Fundstücke vertreten war, bot die ältere Lausitzer Zeit, d. h.
die mittlere und jĂĽngere Bronzezeit, viel Material. Aus der la Tene-
Zeit wurde ein interessanter Grabfund gezeigt (eiserne GĂĽrtelschlieĂźen,
gerostete Nadeln). Eingehender gab der Vortragende an der Hand
von Bildern eine Schilderung der Lausitzer Keramik mit ihrem
Formenreichtum.
In der Januar-Sitzung 1907 demonstrierte Apotheker GrĂĽner
eine Reihe ostthĂĽringischer Funde aus seiner Privatsamm-
lung, und zwar aus dem Pennickenthal bei Wöllnitz, darunter eine
wohlerhaltene topfförmige Urne , ein tassenförmiges Gefäß , Tier-
knochen, eine Hornpfeilspitze (Wohngrubenfunde); aus einer Diluvial-
stelle bei Saalfeld und Unterwellenborn einen angeschliffenen Röhren-
knochen ; aus einer Grabstelle durchlochte, als Schmuck getragene
Muscheln und Gefäßscherben mit schnurkeramikähnlichen , Orna-
menten ; aus einer Höhle und deren Umgebung auf dem Opitzer
Berg bei Pößneck Gefäßscherben, Steingeräte, Tierknochen; aus Herd-
gruben bei Dorna (Gera) bandverzierte Gefäßscherben; sodann eine
Reihe von Einzelfunden.
Die Februar-Sitzung wurde in der neuen Universität im Hör-
saal des Archäologischen Instituts abgehalten. Herr Dr. H. Koch
aus Leipzig hielt einen Vortrag ĂĽber Funde aus einem oskischen
Heiligtum bei Capua. Das Heiligtum war ein Tempel einer Ge-
burtsgöttin. Eine aufgefundene Inschrift berechtigt zu der Annahme,
daß es die Göttin Damia war, die hauptsächlich in Epidaurus,
Aegina und Troizen verehrt wurde. Der Tempel war hochgelegen. Es
war ein rechteckiger Bau. Die längeren Seiten bildeten die Vorder-
und Hinterfront, die kürzeren die Seitenwände. Zum Eingang auf
der vorderen Breitseite fĂĽhrten Stufen hinauf. Das Heiligtum war
etwa im 3. Jahrhundert auf den Trümmern eines älteren aus
archaischer Zeit errichtet. Bei den Ausgrabungen kam eine größere
Zahl von weiblichen Statuen zutage, in ziemlicher roher AusfĂĽh-
rung aus Stein. Sie waren alle in Lebensgröße auf Sesseln sitzend
dargestellt. Bis auf eine alle mit Kindern auf den Armen. Man
vermutet, daĂź es sich um Votivstatuen handelt an die Geburts-
göttin.
XIII. Somiuersemester 1907.
In der Sitzung am 13. Mai sprach Prof. von Bardeleben
ĂĽber den diluvialen Menschen von Krapina an der Hand von dem
vor kurzem erschienenen Werk des Prof. Gorjanovic-Kramberger. Ob
der Krapina-Mensch mit dem von Taubach gleichzeitig war, wie
Gorjanovic will, erscheint v. Bardeleben zweifelhaft.
In der Sitzung am 10. Juni sprach Dr. Graf ĂĽber die
Steinsburg auf dem kleinen Gleichberg bei Römhild auf Grund
eigener Anschauung und eines Studiums der neuesten einschläglichen
Literatur. Eine zu diesem Vortrag besonders angefertigte Ver-
größerung des Ackermannschen Plans der Steinsburganlage, zahl-
reiche Photographien, eine Ausstellung der Nachbildungen der haupt-
sächlichsten Steinsburgfunde aus dem prähistorischen Museum zu
Jena erläuterten den Vortrag.
Weiter berichtete Prof. Dobe necker ĂĽber die Aufgrabung
des großen Galgenhügels bei Helmsdorf in der Nähe von Eisleben,
die unter sachverständiger Leitung des Prof. Größler in Eisleben
kĂĽrzlich zu Ende gefĂĽhrt wurde.
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 431
XIV. Wintersemester 1907/08.
In der November-Sitzung1 wurde ĂĽber die Steinwerkzeuge der
älteren Steinzeit verhandelt. An der Hand ausgesucht schöner Stücke
aus französischen Fundstellen, die Dr. Graf, Pfarrer Schröder-
(Hainichen) und das hiesige prähistorische Museum ausgestellt hatten,
gab Dr. Eichhorn eine orientierende Übersicht über die ältere
Steinzeit, aus der die Wichtigkeit und Seltenheit dieser Gerätschaften
hervorging. Im Anschluß hieran demonstrierte Pfarrer Schröder
Eolithen. Dr. Graf schilderte seine Wahrnehmungen im prähisto-
rischen Museum zu St. Germain bei Paris.
Die Dezember-Sitzung war eine öffentliche im kleinen Volks-
haussaal. Ph. Kropp berichtete ĂĽber die Ausgrabungen bei GroĂź-
romstedt, die er im Auftrag der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte
im Herbst 1907 vorgenommen hatte. Die wichtigsten Funde: eiserne
Schwerter, Schildbuckel, Messer, Scheren, Lanzenspitzen, bronzene und
eiserne Fibeln, Sporen, ZierstĂĽcke (die Beigaben in den ausgegrabenen
tönernen Brandurnen) waren ausgestellt und wurden zum Teil durch
das Epidiaskop demonstriert1).
Die Januar-Sitzung 1908 wurde im archäologischen Museum
der neuen Universität abgehalten. Prof. Graef besprach: die Neu-
erwerbungen des archäologischen Museums, besonders eingehend zwei
kleine Tonväschen, ein unteritalisch-geometrisches Gefäß aus dem
8. Jahrh. v. Chr. und ein sogenanntes Eulengefäß, wie sie in Athen
um die Wende des 6. zum 5. Jahrh. gemacht wurden.
Die Februar-Sitzung war in der Hauptsache einer Besprechung
der neu erschienenen Fachliteratur durch den Vorsitzenden gewidmet.
Dr. Graf wird als zweiter Schriftführer in den Vorstand gewählt.
XV. Sommersemester 1908.
Zur Mai-Sitzung war in den großen Burgkellersaal öffentlich
eingeladen worden. Exzellenz Haeckel sprach vor einer zahlreichen
Zuhörerschaft über den Australier- und Neandertalschädel und ihre
Stellung zueinander. Er gab zunächst eine Übersicht über die
Entwicklung der Schädellehre im allgemeinen, die mit Jena gerade
in enger Beziehung stehe, insofern hier Forscher wie Goethe, Oken,
Huschke, Gegenbaur gelebt haben. Hierauf kam der Primatenschädel
zur Sprache. Der Huxleysche Satz: die Unterschiede zwischen dem
Menschenschädel und dem des menschenähnlichen Affen sind geringer
als die zwischen dem menschenähnlichen Affen und dem der niederen
Affen wurde durch aufgehängte Bilder und ausgestellte Schädel
illustriert. Der rezente Uraustralier steht dem fossilen Homo primi-
genius der altdiluvialen Zeit (Neander, Spy, Crapina) ganz nahe.
Als Bindeglied zwischen Menschenaffen und Urmenschen wurde der
Pithecanthropus festgehalten trotz der neuerdings strittigen geologischen
Lagerung der Fundstelle. Weiterhin besprach Haeckel die wichtigsten
fossilen Menschenreste und erwies den vorliegenden Schädel eines
etwa 30-jährigen Australiers als einen Kückschlag in alte Formen als
eine neandertaloide Form.
Statt der Juni-Sitzung fand fĂĽr die Mitglieder der Gesellschaft
eine Führung durch die Sammlung des prähistorischen Museums der
1) Der Vortrag ist in der Z. f. ThĂĽr. G. u. A., Bd. XVIII,
Heft 2, 1908, im Druck erschienen.
28*
432 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
Universität statt. Dr. G. Eichhorn erörterte zunächst an der Typen-
sammlung die Entwicklung der einzelnen Waffen, Werkzeuge,
Schmuckgegenstände, Gefäße in chronologischer Aufeinanderfolge
der einzelnen Epochen, weiterhin wurde eine Reihe von interessanten
Gesamtfunden demonstriert, die in ThĂĽringen, besonders in Jenas
Umgegend gemacht worden waren.
In der Juli-Sitzung legte Prof. Philip pi eine Anzahl Obsidian-
Nuclei und Obsidian- Abschläge vor, die er auf einer Reise im Jahre
1906 in Mexiko gesammelt hatte. Als prähistorische Stücke im
eigentlichen Sinne können derartige Funde nicht gelten, da sie noch
nicht 1000 Jahre alt seien. Sie stammen aber aus einer Zeit, die fĂĽr
Mexiko als vorgeschichtlich gelten kann, d. h. aus der Zeit, wo es
mit der alten Welt noch nicht in BerĂĽhrung gekommen war. Ein
längerer Speer mit Obsidianspitze gab interessanten Aufschluß über
die Art der Befestigung mittels Lederriemen und harziger Masse.
Wie der Vortragende mitteilte, findet sich Obsidian in den Gebirgen
der Nachbarschaft Mexikos.
Weiterhin zeigte der Vortragende eine Reihe von Tonfiguren,
die an einer alten mexikanischen Kultusstätte gefunden worden waren.
Es sind kleine menschliche Köpfe und Rumpfstücke.
XYI. Wintersemester 1908/09.
In der November-Sitzung demonstrierte Dr. G. Eichhorn
zunächst eine größere Sammlung französischer Feuersteine, die der
bekannte Schweizer Forscher O. Hauser dem Jenaer prähistorischen
Museum zum Kauf angeboten hatte.
Die Kollektion umfaĂźte : 1) eine Serie aus la Micoque (auf
einer beiliegenden Skizze des Ausgrabers waren die einzelnen Schichten,
in denen die Stücke gefunden worden sind, bezeichnet), — 2) eine
Serie aus le Moustier Terrasse No. 43, — 3) eine Serie aus le
Moustier unterer abri No. 44 (der berĂĽhmten Fundstelle des Homo
Mousteriensis Hauseri), — 4) eine Serie aus Longueroche, einer sehr
interessanten Magdal^nien-Station, — 5) eine Serie aus Miremont
mit Magdalenien und den fĂĽr das Aurignacien sonst typischen
„grattoirs tartes", — 6) eine Serie aus la Roque, (Anfangs Magda-
lenien), — 7) eine Serie aus le Ruth (Aurignacien), — 8) eine Serie
aus Sergeac (Aurignacien).
Von dem GroĂźromstedter Urnenfriedhof zeigte und besprach
Ph. Kropp die wertvollsten StĂĽcke, die bei den weiteren Ausgrabungen
gefunden worden waren: in der Hauptsache Eisenwaffen (Lanzen-
spitzen, Schildbuckel, zusammengewickelte Schwerter) und eiserne
Messer, Scheren , daneben einige Schmucksachen aus Bronze und
Eisen (Fibeln).
Ein interessantes Referat erstatte Dr. Graf ĂĽber das Lazarett
im Kastell Novaesium im Rheinlande, das mitsamt einer stattlichen
Reihe von chirurgischen Instrumenten ausgegraben worden ist. Das
mit vielen Bildern ausgestattete Werk, das hierĂĽber berichtet, war vom
Verein der Altertumsfreunde im Rheinlande veröffentlicht worden.
In der Dezember-Sitzung legte der Vorsitzende, Prof. von
Bardeleben, zunächst die neue (9.) Auflage des bekannten Werkes
„Das Weib in der Natur und Völkerkunde" von H. Ploß und Max
Bartels vor, das nach dem Tode vom Sohne desselben, Paul Bartels,
neu bearbeitet und stark vermehrt herausgegeben wird.
Sodann berichtete derselbe ĂĽber die soeben erschienene Mono-
graphie von O. Schoetensack in Heidelberg: Der Unterkiefer des
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 433
homo Heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg.
Als präneanderthaloid und präanthropoid wurde er bezeichnet, also
zeitlich älter als der Schädel von Spy und Krapina.
Ph. Kropp referierte ĂĽber das im Verlag von C. H. Beck-
München 1909 erschienene Buch von Albert Mayr, „Die Insel Malta
im Altertum". Kropp. der Malta aus eigener Anschauung kennt,
behandelte besonders eingehend die vorgeschichtlichen AltertĂĽmer
jener Insel.
Prof. Schrader erwähnte kurz die Entdeckung von zwei
neuen indogermanischen Sprachen, die nach Europa hin gravitierten.
In der Januar- Sitzung 1909 sprach Prof. Schrader, auf
Grund der Ergebnisse der Ausgrabungen, der historischen Ăśber-
lieferung und der volkstümlichen Bräuche über Begraben und
Verbrennen im Lichte der Reiigions- und Kulturgeschichte bei
den indogermanischen Völkern Europas. Nach der Auffassung unserer
Vorfahren lebt der Tote im Grabe weiter, und die Befriedigung aller
LebensbedĂĽrfnisse des Toten durch die Lebenden ist der Kern des
Totendienstes. Dieser scheidet sich in Gebräuche bei der Bestattung
und solche nach der Bestattung. Aus der Zahl der ersteren behandelte
der Redner ausfĂĽhrlich die Sitte der Totenbeigaben, die ursprĂĽng-
lich die gesamte persönliche Habe des Verstorbenen darstellen. Die
nach der Bestattung üblichen Bräuche sind im wesentlichen auf die
Speisung des Toten gerichtet; der Belustigung des Toten dienen
Spiele, Wettkämpfe. Aus dem Gedanken, daß der Tote weiterlebt,
folgt, daß er eine Wohnung braucht. Zunächst bestattet man die
Leiche am Herde der menschlichen Behausung selbst, dann errichtet
man Grabanlagen, ursprĂĽnglich in Nachahmung menschlicher Woh-
nungen. Als Wohnung ist auch der Sarg gedacht, über dessen älteste
Geschichte ausführlieh verhandelt wurde. Innerhalb dieser Zustände
des Begrabens tritt plötzlich die Feuerbestattung hervor , die sich
von Kleinasien und dem Norden des Balkan ĂĽber Europa verbreitet
hat. Ihr Grundgedanke ist nicht der einer Opferung des Toten an
die Götter, und nicht der einer Räucherung zum Zweck der Er-
haltung der Leiche, sie bezweckt vielmehr eine Trennung des Körpers
von der Seele und die EinfĂĽhrung der letzteren in ein Totenreich.
Gleichzeitig glaubt man sich durch den Leichenbrand vor dem Toten
zu schĂĽtzen. Eine chronologische und geographische Darstellung der
Verbreitung der Leichenverbrennung in Europa ist zur Zeit noch
unmöglich. Teilweise Verbrennung ist beobachtet.
Nach dem Vortrag legte Dr. Graf eine Anzahl Steinbeile und
Steinhacken aus Thüringen vor, ferner slavische Gefäßscherben aus
Halle und die Beigaben eines bronzezeitlichen Begräbnisses: eine
flache Tonschale, einen ovalen Bronzering, eine Knochennadel mit
Öhr und einen Knochenpfriemen, Oberförster Weißker eine An-
zahl eiserner Fundgegenstände, die 1882 — 1890 im Revier Rodacher-
brunn bei Lobenstein bei Kulturarbeiten ausgegraben worden waren :
ein schweres einschneidiges Schwert mit Griff, eine Kandare, 3 Huf-
eisen, ein eisernes Messer. Die Fundstelle lag in der Nähe der
Wüstung Großhörne.
Zu seinem Vortrag ĂĽber Begraben und Verbrennen im Lichte
der Religions- und Kulturgeschichte fĂĽgte Prof. Schrader in der
Februar-Sitzung zunächst noch einige Ergänzungen an betreffend
1) die Beigabe eines Pferdes bei der Bestattung, eine Sitte, die im
Osten Europas herrschte bei Skythen und Russen; 2) Toten male auf
russischen Friedhöfen; 3) Holzbauten in den Grabhügeln (Analogien
434 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
in SĂĽdruĂźland) ; 4) Lage, in der sich die Toten befinden (die Hocker-
stellung wird als Ruhestellung erklärt; Orientierung der Leiche in
den Gräbern ursprünglich ohne erkennbaren bestimmten gleichen
Ritus , erst in der Merowingerzeit Gesicht nach Osten) ; 5) Ver-
brennen im Grabe.
Hierauf teilte Lehrer Seesemann eine Reihe noch jetzt ĂĽb-
licher Thüringer Volksbräuche bei der Beerdigung mit, deren Ent-
stehung zum Teil in vor- resp. frĂĽhgeschichtliche Zeit hinaufreicht.
XVII. Sonimersemester 1909.
In der Mai-Sitzung wurde von Dr. G. Eichhorn das neu-
erschienene Werk : Die vor- und frĂĽhgeschichtlichen AltertĂĽmer
Thüringens von Prof. Götze, Hof er, Zschiesche vorgelegt und kurz
besprochen, desgleichen G. Eichhorn, Die paläolithischen Funde von
Taubach in den Museen zu Jena und Weimar.
Sodann demonstrierte Prof. v. Bardeleben einen GipsabguĂź
des homo Heidelbergensis-Unterkiefers und betonte als besondere
Eigentümlichkeiten desselben: 1) die un verhältnismäßige Größe des
Kiefers; 2) die flache incisura semilunaris; 3) den walzenförmigen
condylus; 4) den plumpen und senkrecht aufsteigenden Ast. Die
Frage, ob der Unterkiefer einem Menschen angehörte oder einem
menschenähnlichen Affen, führte zu einer interessanten Auseinander-
setzung des Prof. Plate. Der Kiefer als solcher wurde nach seinem
ganzen Bau von ihm als affenähnlich bezeichnet, die Zähne aber als
menschliche Zähne. Ob der homo Heidelbergensis schon eine mensch-
liche Sprache gesprochen, sei fraglich.
Die Juni-Sitzung fand im archäologischen Museum der Uni-
versität statt. Prof. Graef hatte die Gesellschaft zu einer Führung
durch die Vasensammlung des archäologischen Museums eingeladen.
Von eigentlichen „prähistorischen" Gefäßscherben sind im
archäologischen Museum nur Tongefäßreste aus Troja vorhanden,
eine kleine Sammlung, die vor circa 6 Jahren aus den Schliemann-
schen Doubletten in Berlin nach Jena abgegeben worden ist. Die
übrigen Gefäße und Gefäßreste des Museums gehören Jahrhunderten
an, die für unsere mitteldeutsche Gegend noch prähistorisch sind,
in den klassischen Ländern bereits in die Frühgeschichte fallen.
Als älteste Gefäße der Sammlung wurden eine Amphora
und eine Schale gezeigt, auf der Drehscheibe gearbeitet, cyprische
Gefäße mit, matter Bemalung aus dem Anfang des 2. Jahrtausend ;
aus der Mitte des 2. Jahrtausend: 3 mykenische Gefäße, und zwar
eine Obertasse, eine BĂĽgelkanne, ein Kelch, mit einer glasurbildenden
Farbe ĂĽberzogen, der Grund dunkelgrau oder braun, die Ver-
zierungen weiĂź, rot, violett. Aus dem jetzt auftretenden Spiral-
ornament leitet sich die Bandkeramik ab, die in Deutschland be-
kanntlich neben der Schnurkeramik den zweiten Haupttyp der stein-
zeitlichen Keramik ausmacht.
Das griechische Mittelalter (von 1000 v. Chr., etwa 3 Jahr-
hunderte aufwärts) charakterisieren die griechisch-geometrischen
Vasen (Dipylonstil, vor dem Dipylon in Athen in Gräbern gefundene
Gefäße) mit reichen Ornamentsystemen. Die sich ab und wieder in
einer zweiten Scheibe aufrollende Spirale verarmt zum Mäander-
ornament, ein eckiges Spiralband; die Formen der Vasen werden
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 435
plumb und echter, aber sie zeigen eine unzerstörbare matte Glasur.
Das Bestreben, die Gefäße zu verzieren, artet gegen Ende dieser
Epoche aus in einer Überfüllung der Gefäßwände mit Ornamenten,
einem wirklichen horror vacui. Die Dekoration wird in Zonen ge-
teilt. Tierformen treten unter den Ornamenten auf. Die Keramik
ist im 8. und 9. Jahrhundert so weit erblĂĽht, daĂź beinahe jede
Stadt Griechenlands ihre eigenen wohlcharakterisierten Vasen an-
fertigt, so Athen, Theben, Argos, Korinth, Euböa, Böotien. — Den
griechisch - geometrischen Vasen gegenĂĽber charakterisieren sich
andererseits die italienisch-geometrischen Gefäße als selbständige Abart
dieser Gruppe. Besonders charakteristisch sind die hohen Henkel mit
den scheibenförmigen Verzierungen.
Weiterhin demonstrierte der Vortragende eine Reihe von Ăśber-
gangsvasen aus dem 7. Jahrhundert, der böotischen Gruppe
angehörend, mit ihren aus dem Osten stammenden Palmetten-
Mustern, ebenso korinthische mit der gleichfalls aus dem Osten
stammenden Tierfriesornamentik, alles in allem eine Serie von Ge-
fäßen, die ein hoher Grad von Formenreichtum auszeichnet.
Mit dem Beginn des 6. Jahrhunderts treten menschliche
Darstellungen auf den Vasen in den Vordergrund, die schwarz-
figurige Vasenmalerei, die in Attika zur höchsten Vollendung ge-
langte. Die Herstellung einer solchen Vase geschah in der Weise,
daß zunächst das rohe Gefäß auf der Drehscheibe gedreht wurde.
War der Ton lederhart, so wurde die menschliche Gestalt als
schwarze Silhouette aufgemalt. In die trockene schwarze Silhouette
wurde dann die Innenzeichnung eingeritzt, rot und weiĂź aufgelegt
und nun das Gefäß gebrannt. Hierdurch erlangte dann die Malerei
die tiefschwarze, vielbewunderte Glasur. Als Paradigmata dieser
Gruppe sind eine Reihe von Vasen im Museum aufgestellt, zwei-
henkelige attische Amphoren und dreihenkelige Hydria. Dieser
Geschmack währte bis in die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr.
In der Mitte des 6. Jahrhunderts schlägt der Geschmack um.
Es tritt die rotfigurige Vasenmalerei in die Erscheinung. Jetzt wird
das ganze Gefäß schwarz gemacht, die Figuren aber ausgespart.
Jetzt ist auch eine bessere Zeichnung der Bilder möglich. Mit einer
Borste werden die Linien gezogen, nicht mehr geritzt. Bis Ausgang
des 5. Jahrhunderts währte diese rotfigurige Vasenmalerei, dann
verkommt auch dieser Geschmack.
Mit einigen Bemerkungen wies dann der Vortragende noch auf
eine Reihe ganz schwarzer Vasen hin, die der Bucherokeramik an-
gehören, eine Keramik, die zur Hallstattzeit beginnt und haupt-
sächlich in Italien, besonders Etrurien, zur Blüte gelangte. Ge-
flĂĽgelte Menschen- und Tiergestalten in Flach- und Hochrelief
schmücken hier die Gefäße.
FĂĽr den 12. Juli nachmittags 4 Uhr waren die Mitglieder der
Gesellschaft von Dr. G. Eichhorn zu einer FĂĽhrung durch
die Sammlung des prähistorischen Museums der Uni-
versität Jena eingeladen worden. Nach einer Demonstration der
fĂĽr die einzelnen Epochen charakteristischen Waffen, Werkzeuge,
Gefäße, Schmucksachen wurden eingehender die Neuerwerbungen
des Museums besprochen , insbesondere die Funde vom GroĂź-
romstedter Urnenfriedhof, die in 3 Schränken Aufstellung gefunden
haben.
436 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte*
XVIII. Wintersemester 1909/10.
In der November-Sitzung sprach Dr. G. Eichhorn ĂĽber den
Übergang der Steinzeit zur Metallzeit. Zunächst wurde
auf die Schwierigkeit hingewiesen, die es gekostet hatte, das zuerst
von nordischen Forschern fĂĽr ihre heimatlichen Funde aufgestellte
Dreiperiodensystem (Stein-, Bronze-, Eisenalter) zu verallgemeinern,
und wie es lange gedauert hatte, bis die .Bronzekultur für älter als
die Eisenkultur anerkannt wurde. Den Ăśbergang von der Steinzeit
zur Metallzeit hat die Verwendung eines einfacher zu gewinnenden
und leichter zu bearbeitenden Metalls gebildet: die des Kupfers.
Schon gegen Ende der Steinzeit sind Kupfergegenstände neben rein-
steinzeitlichem Inventar in den Gräbern gefunden. Der Vortragende
ging dann näher ein auf die geographische Verbreitung der Kupfer-
funde. In Europa seien deren bekannt aus den Schweizer Pfahl-
bauten, Böhmen, Mähren, Italien, Portugal, Frankreich, England,
Belgien, Dänemark, Deutschland, besonders aus dem Rheingebiet,
sehr reichlich aus Ungarn, auĂźerhalb Europas seien die kupfer-
reichen Fundgebiete Cypern und Troja. Die Funde sind meist Beil-
klingen in der Form der undurchlochten Steinbeile, dreieckige Dolch-
klingen, seltener Lanzenspitzen, Pfeilspitzen, Messer, Pfriemen,
Nadeln, Angeln. Die kupfernen Doppeläxte mit engem Schaftloch
sind neuerdings als Kupferbarren vom Gewicht einer kretischen
Mine gedeutet worden.
In ebenso einfachen Formen ist aber in neolithischen Fund-
stellen auch Bronze bereits neben rein neolithischem Inventar ge-
funden worden. Daraus wird geschlossen, daĂź manche Gegenden
aus der Steinzeit direkt zur Bronzekultur ĂĽbergingen.
In eingehender Weise schilderte der Vortragende sodann die ver-
schiedenen Ansichten ĂĽber die Herkunft der Bronzekultur in Europa.
Nach der einen Meinung sei die EinfĂĽhrung der Bronzekultur auf
Handelsbeziehungen zurückzuführen aus außereuropäischen Ländern
(Import durch Phönizier), nach der anderen habe ein einwanderndes
Volk diese Kultur mitgebracht. Als Ursprungsgebiet seien haupt-
sächlich bezeichnet worden : der Kaukasus , Zentralasien , Meso-
potamien. Eine Erinnerung an die uralte Verbindung Europas
mit dem östlichen Ende des Schwarzen Meeres stecke in der Jason-
sage und dem Argonautenzug nach Colchis. Auf zwei Wegen sei
Europa zur Kunde des ersten Metalls gekommen: 1) Schwarzes
Meer — Donau — nördliche und zentrale Gebiete Europas ; 2) Mittel-
meer — Mittelmeer-Halbinseln. Ausläufer sind dann von Norden
nach SĂĽden und umgekehrt vorgedrungen. SchlieĂźlich wies der Vor-
tragende noch auf die verschiedene Stärke hin, in der die Bronze-
kultur in den verschiedenen Ländergebieten Europas aufgetreten ist.
Eine lang andauernde Bronzezeit hatten die Länder, die sehr ent-
legen waren (Skandinavien, GroĂźbritannien) oder die nach SĂĽden durch
vorgelagerte Gebirge abgeschnitten waren (Schweiz, Ungarn), eine
kurzdauernde die Länder, die vom Süden, vom Meere her leicht zu-
gänglich waren.
Der Ăśbergang der Steinzeit zur Metallzeit war in Europa ein
sehr allmählicher. Lange Zeit sind die Werkzeuge aus Stein noch
neben den ersten Metallgegenständen in Gebrauch gewesen, ebenso
wie später die Bronzewerkzeuge nur allmählich von den eisernen
verdrängt wurden.
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 437
In der Dezember - Sitzung hielt Geh. Justizrat Lommer
einen Vortrag ĂĽber den Hexengrund am FuĂźe des Schauen-
forstes bei OrlamĂĽnde und seine Beziehungen zur vor-
geschichtlichen Zeit. Nach einer einleitenden Erörterung der
Ortsbezeichnung Hexengrund, der Entstehung dieses Namens und
einer auf urkundliche Nachrichten aufgebauten ältesten Geschichte
jener Gegend schilderte der Vortragende besonders die Ausbreitung
des christlichen Glaubens, die auf der linken Saaleuferlandschaft
von Erfurt aus erfolgte, der treuen Tochterstadt des Bistums Mainz
mit OrlamĂĽnde als Mittelpunkt der Mission, auf dem rechten Ufer
der Saale und in dem Orlagau vom Bistum Köln aus mit dem Sitz
in Saalfeld. Bei der Betrachtung der heidnischen Vorzeit des Hexen-
grundes gedachte der Vortragende zweier Männer, die schon zu Be-
ginn des vorigen Jahrhunderts in richtiger Erkenntnis der Wichtig-
keit der Denkmale vorgeschichtlicher Zeit alles gesammelt, was ihnen
zu Ohren und zu Gesicht gekommen war: des Diakonus Börner,
welcher die Sagen aus dem Orlagau veröffentlicht hat, und des
Dr. Adler, der ein Werk 1837 veröffentlichte : Die Grabhügel, Ustrinen
und Opferplätze der Heiden im Orlagau und in den schaurigen
Tälern des Sorbitzbaches. Die hier beschriebenen Gräberfunde des
Hexengrundes erwähnte Lommer und fügte noch hinzu eine Be-
schreibung der 1870 bei Anlage eines Wirtschaftsweges bei Röb-
schütz gefundenen vorgeschichtlichen Skelettgräber, eines Rundwalles
in der Nähe des Schauenforstes, der bronzezeitlichen Brandgräber
in der Flur Dorndorf am Teufelsberg, der slavischen Skelettgräber
bei Engerda.
Die Januar-Sitzung 1910 war internen Angelegenheiten ge-
widmet. Es wurde beschlossen, die Sitzungen auf den zweiten
Dienstag im Monat zu verlegen.
In der Februar-Sitzung sprach Oberlehrer Wagner (Zwätzen)
ĂĽber das mittlere Saalegebiet im Eiszeitalter. Aus-
gehend von der irrigen Auffassung, daĂź das heutige Bild des
Saaltales von jeher dasselbe gewesen , schildert der Vortragende
zunächst die Entstehung des Tales und seiner Seitentäler und
betrachtet zu diesem Zwecke die Talaue, d. h. die gegenwärtige
Talsohle, den Aufbau, die Entstehung der einzelnen Saaleterrassen
durch das sich immer tiefer einfressende flieĂźende Wasser der Saale.
Dann werden die ältesten Flußablagerungen geschildert , die er-
weisen, daß sich die Saale im Verlauf sehr langer Zeiträume, die
wir in die Diluvialzeit und in das Ende der Tertiärzeit verlegen,
ihre gegenwärtige tiefe Talrinne selbst eingegraben hat. Wagner ist
es gelungen, nachzuweisen, bis zu welcher Tiefe das Saaltal bereits
vorgegraben war, als das Eis der ersten Vereisung unser Tal okku-
pierte. Auf Grund eigener Begehungen des Saalegebiets zwischen
Zeutsch und Kosen hat Wagner das Vordringen und Verhalten des
nordischen Eises in unser Gebiet untersucht. Er unterscheidet I. Die
präglacialen Ablagerungen der Saale mit einer oberen ältesten, meist
auĂźerhalb des heutigen Tales verlaufenden und einer unteren Terrasse,
die schon die Anlage zum gegenwärtigen Tale zeigt und den Fluß
schon innerhalb der heutigen Talwanne. II. Die Ablagerungen der
ersten (Haupt-)Vereisung, die bis in unsere Gegend (als äußerste süd-
liche Bandzone Ammerbach, Vollradisroda, Döbritscheu) gelangte und
diese mit einer Eisdecke von über 200 m Mächtigkeit bedeckte : III. Die
interglaziale Terrasse. IV. Die postglaziale Alagerung der Saale
438 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
(jĂĽngste Saaleschotter). Als eine derartige bezeichnete der Vortragende
die Kiesschicht in der Weberschen Ziegelei (4 — 5 m über der gegen-
wärtigen Saaleaue), die den einzigen bearbeiteten Knochen aus Jenas
Umgebung enthielt, der von Diluvialmenschen bearbeitet worden.
XIX. Soinmerseiuester 1910.
In der Mai-Sitzung hielt Geh. Justizrat Lommer einen Vor-
trag ĂĽber: Stempelschneidekuns t und Vorgeschichte.
Denare, Bracteaten und Hohlpfennige mit Vorlegung von MĂĽnzen
und FundstĂĽcken aus der Umgegend von Jena. Der Vortragende
schilderte zunächst die Wichtigkeit der ältesten Münzen als Kunst-
erzeugnisse einer Zeit, aus der uns nur spärliche Kunde fließt, es
lieĂźe sich z. B. allein aus der Stempelschneidekunst der Kelten nach-
weisen, wie stark das keltische Volk von der griechischen Kunst
beeinfluĂźt sei. Die BlĂĽte der mittelalterlichen MĂĽnzstempelschneide-
kunst bilden die Brakteaten Deutschlands. Der Name Brakteat leitet
sich ab von dem römischen brectea, d. i. dünne Metallplatte. In den
lateinischen Urkunden des Mittelalters werden die Brakteaten denarii,
in den deutschen Urkunden Pfennige genannt. Brakteaten sind ein-
seitig geprägte Denare. Die Denare entstammen dem römischen
MĂĽnzwesen, welches die Merowinger und ihre Nachfolger ĂĽbernahmen.
Unter den Karolingern ging man von der Goldwährung zur Silber-
währung über, an Stelle des Goldsolidus trat der Silbersolidus, eine
BechnungsmĂĽnze zu 12 Denaren. Nur Denare gelangten zur Aus-
prägung und zum Umlauf. Seit dem 11. Jahrhundert prägt man dünne
Schrötlinge, Vorder- und Kehrseite nacheinander, nicht gleichzeitig
wie früher, „Halbbrakteaten" nach dem Sprachgebrauch der neueren
Münzkunde benannt, seit der Staufenzeit dünne Schrötlinge nur
einseitig, die „Brakteaten". Ihr Wert war verschieden nach Zeit und
Ort. In der Staufenzeit fertigte man aus einem Pfund Silber
240 Denare. Von Haus aus war die Herstellung der MĂĽnzen Regal
des Königs und unterstand dem Münzmeister. Je nach dessen Kunst-
sinn und Bildungsgrad (schriftkundig) war die AusfĂĽhrung der Stempel
ein verschieden gute und bot der Entfaltung der Kleinkunst ein
groĂźes Feld. Mit Ăśberweisung des MĂĽnzrechts an geistliche WĂĽrden-
träger, Fürsten und Städte setzt ein Münzschwindel ein, die kunst-
volle Ausführung sinkt, der Nennwert steht in keinem Verhältnis zum
wirklichen Wert. Mit Ende des 14. Jahrhundert endet die Brakteaten-
zeit. Im AnschluĂź hieran gab Lommer eine Ăśbersicht der Brakteaten-
funde: Rothenstein, Schmorda bei Ranis, Naumburg, Altenberga,
Milda, und der auf den MĂĽnzen angebrachten Bilder.
Im Handelsverkehr löste das Brakteatenwesen die Prägung sog.
Händelsheller ab, zweiseitig geprägte kleine Silbermünzen, „Heller",
staatlicherseits die Groschenprägung (Grossus = dicker Pfennig). An
Stelle der Denare oder Pfennige prägten die Städte „Hohlpfennige",
so daß der neugeprägte Groschen = 12 Hohlpfennigen ist. Auch
die Hohlpfennige sind einseitig geprägt, aber kräftige Schrötlinge.
Unter den thüringischen Städten war Eisenach, Weißensee, Jena,
Gotha, Saalfeld das Recht der Pfennigprägung verliehen. Auch von
diesen Orten demonstrierte der Vortragende FundstĂĽcke aus seiner
reichen Sammlung.
Statt der Juni-Sitzung fand eine FĂĽhrung durch die Samm-
lung des prähistorischen Museums statt unter Dr. G. Eichhorn.
Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte. 439
In der Juli-Sitzung sprach Apotheker A d 1 u n g über römisch-
germanische Baureste im Rheinland, speziell in der
Ei fei. Nach einer Schilderung des keltischen Bergbaues in der
Eifel auf silberhaltige Bleierze und der römischen Grenzbefestigungen
durch den Limes berichtete der Vortragende ĂĽber Ausgrabungen,
die er im Urftbachtal bei Call in der Eifel 1880 vorgenommen hatte.
Es handelte sich um die Auffindung des Fundaments einer turm-
artigen Römerschanze auf der Stolzenburg, einer zungenförmig vor-
springenden Uferhöhe. Innerhalb dieses Mauervierecks wurden etwa
aus 1 m Tiefe zutage gefördert: der obere Stein einer Querne,
Scherben römischer Gefäße mit gitterförmigen Mustern an der
Schulter, ein vergoldetes Kupferband, eine Eisenschere in Schaf-
scherenform. Mit dieser Römerwarte brachte der Vortragende den
bekannten Aquädukt des Hadrian in Zusammenhang, der sich am
Fuße der Stolzenburg im Urftbachtale hinzieht. Skizzen dieses Aquä-
duktes und Pläne der vorgenommenen Ausgrabungen auf der Stolzen-
burg wurden vorgelegt, sowie die erwähnten Fundstücke aus der
Römerwarte.
Eine rege Diskussion knĂĽpfte sich an Prof. v. Bardelebens
Besprechung der Rechts- und Linkshändigkeit, besonders
ihrer Ursachen und der Schwierigkeit ihrer Konstatierung.
XX. Wintersemester 1910/11.
Die November - Sitzung fand im Hörsaal des archäologischen
Museums statt. Prof. v. Bardeleben sprach ĂĽber das Alter der
Menschheit. Nach einer eingehenden Behandlung der Vorfrage,
der körperlichen und geistigen Unterschiede zwischen den Affen
und den Menschen der Jetztzeit, erörterte der Vortragende die Frage
des Ăśbergangs des Affen zum Menschen. Die bisher bekannt ge-
wordenen Zwischenformen sind keine solchen, der Pithecanthropos
ist nach den genauen Feststellungen von Schwalbe ein Affe. Nach
den im letzten Jahrzehnt entdeckten Funden fossiler Menschen
müssen wir schon bei den ältesten zwei verschiedene Typen an-
nehmen, eine niedere und höhere. Anatomische, vor allem aber
zeitliche Gründe schließen aus, daß der niedere ein „Vorfahre" des
höheren ist. Nach Ansicht v. Bardelebens ist der höhere kultiviertere
Typus dem niederen unterlegen. Unmöglich stammt der Mensch von
den jetzigen Menschenaffen, mit denen er blutsverwandt ist. Zur-
zeit kennen wir ĂĽberhaupt die Vorfahren des Menschen nicht, wir
kennen nur Zweige des Stammbaumes, nicht seinen Stamm. Die
eigentliche Frage nach dem Alter der Menschheit knĂĽpft an die
ältesten Funde körperlicher Menschenreste aus der Periode Mafflien,
Mousterien, Aurignacien, also aus dem älteren Quartär. Annähernd
wird die Eiszeit von Geologen auf etwa 3/i Millionen Jahre berechnet.
Somit sind die körperlichen Reste des Menschen 300000—400000
Jahre alt. Wenn die Eolithen menschliche Werkzeuge waren, wĂĽrde
das Alter der Menschheit aber mindestens 3 — 5 Millionen Jahre be-
tragen.
In der Dezember - Sitzung wurden von Dr. Eichhorn die
hauptsächlichsten Neuerwerbungen des prähistorischen Museums vor-
gelegt, an Einzelfunden: Steinbeile, Steinhacken, Reibkolben, Axt-
hämmer, ein Rillenbeil; bronzene Celte verschiedener Typen gaben
Veranlassung zu einer Besprechung der Unterperioden der Bronze-
440 Aus der Jenaer Gesellschaft fĂĽr Urgeschichte.
zeit nach Kickebuschs Vortragsreferat im Mannus. An Gesamt-
funden wurden demonstriert: Herdgrubenfunde vom Spechsart, der
Henne bei Naumburg, von Großjena, Stößen, Wetbau und Grab-
funde aus Naumburg, Schkölen, Gröst, Streckau, Altranstädt, Groß-
jena. Von den Gefäßresten unterzog Dr. Eichhorn besonders die
steinzeitlichen einer näheren Betrachtung und referierte kurz die Ar-
beit C. Schuchardts in der Prähistorischen Zeitschrift über das tech-
nische Ornament in den Anfängen der Kunst. Nach einer Darlegung
der bisherigen Ansicht über die prähistorischen Wohnstätten, die sich
besonders auf die Herdgrubenfunde aufbaute, berichtete der Vor-
tragende weiter von Grundrissen germanischer Häuser, die neuer-
dings auf der Römerschanze bei Potsdam von Schuchardt und bei
Buch von Kickebusch aufgedeckt und zum Teil in der Präh. Zeit-
schrift publiziert worden sind.
Hierauf sprach Geh. Justizrat Lommer ĂĽber die abenteuer-
liche Deutung der diluvialen Knochenfunde im 15. und 16. Jahr-
hundert im allgemeinen und einen besonderen Fall aus der Gegend
von Kahla und OrlamĂĽnde.
Dr. Graf legte eine Reihe von Bildern vor vom paläolithischen
Menschen, wie sie neuerdings auf Grund der Skelettfunde entworfen
worden sind, und machte auf die alten Knochenzeichnungen auf-
merksam, auf denen sich die alten Paläolithiker selbst dargestellt
haben.
Im Januar 1911 fand ein Ausflug der Gesellschaft nach Wei-
mar statt zur Besichtigung des städtischen Museums. Kustos
Möller demonstrierte zunächst die aufgestellten Skelettreste der
diluvialen Vierfüßler, insbesondere die Schädel und Zähne der Rhi-
nozeros, Elephas antiquus und primigenius, weiterhin die reichhaltigen
Sammlungen französischer Feuersteine aus der älteren Steinzeit.
Ganz besonders lehrreich war mit anzusehen, wie Kustos Möller eine
Anzahl Feuersteingeräte nach altem Muster herstellte. Eingehend
besprochen wurde die Art der Verwendung der paläolithischen Flint-
und Knochengeräte. Aus der jüngeren Steinzeit erregten die Ge-
samtgräberfunde berechtigtes Interesse, ebenso wie die prächtig aus-
gestatteten, im Weimarer Stadtgebiet aufgefundenen Merowinger-
gräber.
Miszelle.
v.
Karl August iu BrĂĽssel.
Von Dr. Eud. Maisch.
Das 1909 in BrĂĽssel erschienene Buch von G. des Marez,
Le compagnonnage des chapeliers Bruxellois1), welches
in anschaulicher Weise die Entwicklung und Geschichte des Ge-
sellenverbandes der Brüsseler Hutmacher von 1576—1909 darstellt,
wird schwerlich den Blick des ThĂĽringischen Forschers auf sich
ziehen. Es enthält aber zur Charakteristik des trefflichen Karl
August, Herzogs von Sachsen-Weimar, dessen Biographie wir ja noch
immer schmerzlich vermissen 2), einen nicht uninteressanten Beitrag,
auf den an dieser Stelle hingewiesen zu werden verdient (1. c. S. 84 f.).
Nachdem im Februar des Jahres 1814 die Truppea der Großmächte
in BrĂĽssel eingezogen waren, lieĂź Karl August als erster von allen
zu Ehren der Unabhängigkeit von Belgien ein Tedeum feiern. Die
alten Syndici verlangten vom Herzog die vollständige Wieder-
herstellung des Brüsseler Magistrats, wie er vor der französischen
Eroberung gewesen sei. Karl August aber antwortete ihnen, daĂź
„les institutions humaines devaient se modifier d'apres les exigences
sociales de chaque epoque et qu'il etait difficile et dangereux de
retrograder, meme au nom du bon droit, vers un pass£, qui n'ätait
plus en harmonie avec le present." G. des Marez fĂĽgt die Be-
merkung hinzu, daß eine solche ausweichende Antwort bei älteren
Leuten, die alles geopfert hatten, um ihrer Ueberzeugung und ihren
SchwĂĽren treu zu bleiben, natĂĽrlich keinen Anklang finden konnte.
Die Betonung der „exigences sociales" und die Abneigung gegen
jegliches „retrograder" entspricht aber durchaus der fortschritts-
freundlichen Gesinnung Karl Augusts, der gemäß dem Versprechen
der Wiener Bundesakte sofort erklärt hatte, „die für Deutschland
aufgegangenen Hoffnungen seinem Lande zu verwirklichen".
1) G. des Marez, Archiviste de la ville de Bruxelles, Professeur
ä l'Universite libre. Le compagnonnage des chapeliers Bruxellois;
Extraits des Annales de la Societe d'Archeologie de Bruxelles,
T. XXIII, 1909, 1" et 2e livr., p. 137—244.
2) Frhr. v. Egloffstein bereitet fĂĽr den Ver. f. ThĂĽr. Gesch.
u. Altertumsk. eine größere Darstellung vor.
Literatur.
vi.
Kießkalt, E., Postsekretär in Nürnberg : Der „hohe Schwärm" zu
Saalfeld a. S. Sonderabdruck aus den „Saalfischen, Sonntagsgabe
des Saalfelder Kreisblattes", 1910, No. 20 und 21. Verlag von
Adolf Nieses Nachf. Adolf Auerbach, Saalfeld a. S., 1910, 38 SS.
8°. Mit 4 Abbildungen. 0,50 M.
Ein Grund, dieses an sich unbedeutende Schriftchen, das stellen-
weise in unnötig scharfe Polemik gegen Andersdenkende ausartet, an
dieser Stelle überhaupt zu erwähnen, läge nicht vor, wenn nicht die
Gefahr bestände, daß es das von der Wissenschaft endlich nach
vieler Mühe so ziemlich beseitigte Märchen von dem „tausendjährigen"
hohen Schwärm zu neuem Leben erweckte. Auf Grund „logischer
Erwägungen" und unter Ablehnung der seiner Hypothese entgegen-
stehenden historischen Zeugnisse kommt K. nämlich zu dem Schlüsse,
daß der hohe Schwärm „aus dem 9. oder — wie wahrscheinlicher —
aus dem 10. Jahrhundert" stamme. FĂĽr den Wert der Arbeit, die
sich verschiedentlich auf die veraltete 1. Auflage von Pipers „Burgen-
kunde" stĂĽtzt, ist es charakteristisch, daĂź die AusfĂĽhrungen des
verstorbenen Professors Lehfeldt als „mehr als dürftige Notizen"
abgetan werden, und daĂź der zurzeit bedeutendste Kenner thĂĽringischer
Burgen, Professor Weber in Jena, von K. nicht einmal erwähnt wird
— lediglich in dem „Vorwort des Verlegers", das eine brauchbare
LiteraturĂĽbersicht bietet und ĂĽberhaupt der wertvollste Teil des
Heftes ist, wird sein Aufsatz in den „Wartburgstimmen" von 1903
genannt. An der Tatsache, daĂź die Burg nach ihren durchaus ein-
heitlichen Bauformen im 13. oder 14. Jahrhundert, jedenfalls unter
der Herrschaft der Schwarzburger Grafen, die Saalfeld von 1209 bis
1389 besaĂźen, entstanden sein muĂź, wird das Schriftchen nicht viel
ändern ; eine genauere Feststellung der Bauzeit könnten nur die
Bauakten ermöglichen, die vielleicht — ganz oder zum Teil — noch
in einem Schwarzburgischen oder auch Kursächsischen Archive ver-
borgen liegen, nicht aber die „logischen Erwägungen" des Herrn
KieĂźkalt.
Saalfeld. O. Engelhardt.
VII.
Johannes Falks Kriegsbüchlein. Beiträge zur Geschichte Thüringens
1896—1813. Eine Jahrhundertgabe für das Volk, aufs neue heraus-
gegeben von Budolf Eckart. Jena, Frommannsche Buchdruckerei
(Hermann Pohle), 1910. 88 SS. 8°. Broschiert 1,10 M.
Die immer häufiger werdenden Jahrhundertgedenktage an
Deutschlands groĂźe Schmach und Erhebung veranlassen zu immer
Literatur. 443
mehr Neuausgaben wichtiger Quellenschriften. Sammlungen, wie
die von Rehtwisch herausgegebenen, „Aus vergilbten Pergamenten",
sind mit groĂźer Freude dankbar zu begrĂĽĂźen, nicht weniger aber
solche Einzelerscheinungen, wie sie in diesem BĂĽchlein vorliegen.
Falk, der als Legationsrat in Weimar starb und heute noch durch
seine pädagogischen Bestrebungen bekannt ist, hat in seinem „Kriegs-
bĂĽchlein" eine Reihe sehr interessanter Episoden zusammengestellt,
die es heute noch möglich machen, die Greuel mitzuempfinden, die
unser armes ThĂĽringen vor hundert Jahren auszukosten gehabt hat.
Es sei hier nicht mit ihm gerechtet, ob er nicht hier und da ein
wenig starke Farben aufgetragen hat: man wird sich doch nie dem
Eindruck verschließen können, daß er mit blutendem Herzen seine
Landsleute hat leiden sehen, und daĂź seine Aufzeichnungen aus-
nahmslos von einem aufrichtigen Mitleid diktiert sind ! Und gerade
die Lebhaftigkeit und Anschaulichkeit lassen das BĂĽchlein in hohem
MaĂźe geeignet erscheinen, daĂź es namentlich in ThĂĽringen weite
Verbreitung findet: denn wenn auch die groĂźen Ereignisse nur
lose gestreift werden , so wird doch der unmittelbare Eindruck
selbsterlebter und selbstgeschauter Greuel immer erhebend und be-
lehrend wirken.
Herbert Koch.
VIII.
Sempert, J., Die Siedelungen in der Oberherrschaft von Schwarz-
burg-RudoIstadt. Ein Beitrag zur Siedelungsgeschichte ThĂĽ-
ringens. Rudolstadt, Mänicke u. Jahn, 1910. 199 SS. 4 M.
FĂĽr ein kleines, aber in sich abgeschlossenes Gebiet, dessen Be-
grenzung Sempert im Anfange genau festlegt, macht er uns zuerst
vertraut mit der Bodenbeschaffenheit, um daran zu zeigen, welche
Besiedelungsmöglichkeiten das Land bietet. Darauf bespricht er die
Siedelungen der Gegenwart und berichtet ĂĽber die Haupterwerbs-
quellen, namentlich Bergbau, Olitätenhandel, Glas- und Porzellan-
fabrikation. Nach einem kurzen historischen Überblick erörtert er
eingehend das Sprachliche der Ortsnamen und zieht daraus wichtige
SchlĂĽsse auf ihr Alter. Dann geht er auf die WĂĽstungen ĂĽber und
bespricht dann die Flurnamen. Am Ende seiner Betrachtung kommt
er zu dem Ergebnis, daĂź hier in der schwarzburgischen Oberherr-
schaft sich keine slavischen Siedelungen finden, daĂź vielmehr, wo
slavische Namen vorkommen , nur ein beschränkter Einfluß sich
geltend gemacht hat. Sein Beweis muĂź als gelungen bezeichnet
werden !
Schon aus dieser kurzen Ăśbersicht ergibt sich, wie reich der
Inhalt des Buches ist und wie viel mehr es enthält, als sein Titel
verheiĂźt. Sempert hat in Rudolstadt die FĂĽrstlichen und das Rats-
archiv, das Katasteramt und die Ministerialakten ausgebeutet, sich
aber auch von den Einwohnern der besprochenen Orte vieles be-
richten lassen. Vor allem sei das Flurnamenverzeichnis erwähnt,
das aus diesen Erkundigungen zum guten Teile entstanden ist, und
um so größerer Anerkennung würdig ist, als gerade auf diese Namen
444 Literatur.
noch viel zu wenig Wert gelegt wird, sie aber immer schneller in
Vergessenheit geraten.
Sempert fĂĽgt S. 183 ein Schriftenverzeichnis bei. Leider ist
es in der von ihm gegebenen Form nicht vollständig: ich habe
22 BĂĽcher in Text und Anmerkungen zitiert gefunden, die in dem
Schriftenverzeichnis nicht wiederholt worden sind. Ein solches Ver-
zeichnis hat aber nur bei Vollständigkeit Wert. Ferner wird das
Lesen erschwert dadurch, daĂź die S. 189 zusammengestellten Ab-
kĂĽrzungen nicht einheitlich genug eingehalten worden sind. Als
inhaltlicher Fehler ist mir aufgefallen, daĂź Verf. S. 93 schreibt,
Tanndorf sei im schvvarzburgischen Hauskriege zerstört worden, kurz
vorher aber angibt, es sei zwischen 1466 und 1537 untergegangen,
oben S. 46 aber selbst mitteilt, daĂź der Hauskrieg 1451 sein Ende
gefunden habe.
Das sind aber natĂĽrlich nur Kleinigkeiten, die den Wert des
Buches nicht schmälern können. Man wird zu ihm oft greifen
mĂĽssen, sei es wegen der mustergĂĽltigen Anlage, um daran ein
Vorbild für ähnliche Arbeiten zu haben, sei es, daß man schnell
das Wichtigste aus der Lokalgeschichte finden will.
H. Koch.
IX.
Förtsch, W., Bilder aus Vergangenheit und Gegenwart der Stadt
Ostheim vor der Rhön. Ostheim, Schüffei, 1909. 180 SS.
1,50 M.
Wenn auch die meisten der in diesem BĂĽchlein enthaltenen
Aufzeichnungen rein ortsgeschichtliches Interesse haben, findet sich
natĂĽrlich auch eine ganze Reihe, die weitere Kreise interessieren
kann. Das ist vor allem der Fall bei der Beschreibung der Kirchen-
festung, die in ihrer Art ziemlich vereinzelt dastehen dĂĽrfte, dann
bei den Nachrichten über die älteren Stadtrechte und Verwaltungs-
vorschriften. Weiterhin sind sehr wertvoll die Nachrichten ĂĽber
das Kirchenwesen und die Pfarrer, das Schulwesen und die Lehrer.
Das Beste aber am ganzen Buche ist zweifellos die Zusammen-
stellung von Aberglauben und Volkssitten, die sich Verf. von seinen
Konfirmanden hat mitteilen lassen, und die hoffentlich zu ähnlichen
Arbeiten AnlaĂź gibt.
Förtsch vermeidet zu schreiben „Geschichte von Ostheim", er
stellt unzusammenhängende „Bilder" nebeneinander. Er hätte sich
deshalb nicht so oft zu entschuldigen brauchen. In einer Geschichte
hätte er manches weglassen müssen, was er in den Bildern bringen
kann, und eine Geschichte von Ostheim hätte vielleicht nicht so viel
Anspruch auf Interesse erheben dĂĽrfen, wie es die Bilder tun.
H. Koch.
Literatur. 445
Ăśbersicht
ĂĽber die neuerdings erschienene Literatur zur thĂĽringischen
Geschichte und Altertumskunde.
Von O. Dobenecker und Herbert Koch.
A.: Was die Jenaer Chronik ĂĽber Jenas Wein und Weinbau
berichtet. Jen. Ztg. 1909. No. 250.
Ackermann, Alfr. : Genealogie der Familie Ackermann aus
Gödern im Ostkreise des Herzogtums Sachsen-Altenburg. Geneal.
Handbuch bĂĽrgerl. Familien, XVI.
Ahlhorn, Walter: Jena. Burschenschaf tl. Blätter. Jahrg.
XXIII. Heft 3. S. 58.
Aktenniäßige Relation, wie es mit des gewesenen Müllers
zu Fockendorff Ihomä Langens Entleibung auch desselben gewesenen
Eheweibs Marien und des MĂĽhlknechts Martin MĂĽller erfolgten In-
quisition und nach ihren beiderseits Geständnis, daß sie ihn mit dem
Stricke im Bette erwĂĽrget, erlangten Urthels und Recht, wie auch,
was sonsten darbei vorkommen und rechtlich erörtert worden. Der
Wahrheit zu Steuer und männiglich zur guten Nachricht ausgefertigt.
Altenb. Ztg. 1911. Beilage 1—3.
Alafberg,F. : Goethe als Erzieher. Voss. Ztg. 1910. Sonntags-
beilage, No. 35 (28. Aug.).
Albert, H. : Schiller, ein Prophet des Idealismus. In: Christ-
liche Freiheit. XXVI, 2.
Album von Alt-Nordhausen. (12 Bl. in Leporelloform.) 10X14,5.
Nordhausen, 1910, G. Wimmer, br. 1 M.
Alte Verordnungen gegen Unfug auf den StraĂźen. Beilage
z. Altenb. Ztg. 1910. S. 247.
Altenburgische Hofbeamte in frĂĽherer Zeit. Beilage z.
Altenb. Ztg. 1910. S. 319.
A[nemĂĽller], H[ermann]: Zum 14. Januar 1909, betr.
Gräfin Katharina die Heldenmütige. Schwarzburgbote III. Spalte 50.
AnemĂĽller: Caspar Aquila. Ein Beitrag zur ThĂĽr. Re-
formationsgeschichte. Evang. Buudesbote f. ThĂĽringen. 1910. Bl. f.
Unterhaltung. No. 88. Beil. z. Jen. Ztg. 1910. Nov. 2.
Ankenbrand, L. : Friedr. Schiller als Tierfreund. Zu seinem
150. Geburtstage am 10. XI. 1909. FĂĽr Stadt u. Land. 1909. No. 80.
Beil. z. Altenb. Ztg.
Arnold, Ernst: Jenaische Erinnerungen im Briefwechsel
zwischen Eduard und Therese Devrient. Jen. Ztg. 1909. No. 254.
Auer, Karl: Goethes Religiosität. Tübingen, J. C. B. Mohr,
1910. 32 SS.
Auerbach, Alfred: Zur Geschichte des Schlosses Osterstein.
Geraisches Tagebl. 1909. No. 265.
Derselbe: Die Stiftungen der Familien von Kudorf und
von Waldheim in Gera. Heimat -Blätter, d. Geraer Ztg. 1909.
No. 3.
Auerbach, B. : Friedrich d. Gr. v. Schwaben. (Zu Schillers
150. Geburtstag.) KompaĂź. VI. Heft 1/5. Stuttgart, Kohlhammer.
XXVIII. 29
446 Literatur.
Die Aufzeichnungen des Schulmeisters Johann Ebertt zu
Neubrunn ĂĽber seine Erlebnisse in den Jahren 1630 und 1636 des
30-jähr. Krieges. Meininger Tagebl. 1911. No. 12 f.
Aus alter Zeit. Geschichtliches aus MĂĽhlhausen in ThĂĽringen.
(Sonderausgabe der Beiblätter zum Mühlhäuser Anzeiger.) Neue
Folge 5. Heft. (67 SS.) Lex. 8°. Mühlhausen i. Th., Danner, 1909.
1,60 M.
Aus dem Leben der KurfĂĽrstin Sibylla von Sachsen, Herzogin
von Cleve, JĂĽlich-Berg. Mit Benutzung ihres Briefwechsels. Sonntags-
blatt No. 46 d. Altenb. Ztg. 1909.
B., P. : Etudes tactiques sur la campagne de 1806. Revue d'hist.
red. ä l'Etat-Major de Tarmed 29, 31, 32, 34.
Bach, C. E. : Aus der nördlichen Vorrhön. „Im Tullifeld".
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat. 5. bis
10. Heft. Kaltennordheim, Verlag v. Fr. Naumann.
Bärwinkel: Aus meinem Leben. Ein Beitrag zur Kirchen-
geschichte Erfurts in den letzten 40 Jahren. (III, 146 SS.) 8°. Erfurt,
C. Villaret, 1909. 2 M.
Baldensperger, F.: Goethe et les 6migres frangais ä Weimar.
Revue germanique. VII (1911). S. 1—28.
Bamberg, Albert v.: Hundertjährige nationale Erinnerungen.
Gotha, Engelhard Reyher, 1909. (19 SS.) 4°. Progr. Gotha. Gym.
Ernestinum.
Derselbe: Fichte und Friedrich Jacobs. Progr. Gym. Erne-
stinum. Gotha 1909.
Bangert: Das FĂĽrstlich Schwarzburgische Geh. Archiv zu
Rudolstadt. Schwarzb.-Rudolst. Landesztg. 1908. Juni 28. Beilage.
Derselbe: Der Bau der Stadtkirche in Rudolstadt. Schwarzb.-
Rudolst. Landesztg. 1911. Juni 18. (No. 141.)
Derselbe: Ein Schwarzburger Jubiläum. (Erhebung der
Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt in den FĂĽrstenstand. 2. VI.
1710.) Schwarzb.-Rudolst. Landesztg. 1910. Mai 22. (No. 117.)
Derselbe: Bauernaufstand im Amte Schwarzburg im Jahre
1627. Beil. z. Schwarzb.-Rudolst. Landesztg. No. 213. 1910.
Sept. 11.
Derselbe: Die älteste Rudolstädter Zeitung. Beil. z. Schwarzb.-
Rudolst. Landesztg. 1910. Juni. 19. No. 141.
Derselbe: Der Bau der Stadtkirche in Rudolstadt. Schwarzb.-
Rudolst. Landesztg. 1911. Juni 18. No. 141.
Bardua, Wilh. : Karoline Bardua in Weimar. Stunden mit
Goethe. VII (1911). 2. S. 98—108.
Bärge, H. : Das Vorgehen der Kurie gegen Luther in den
Jahren 1518—1521. N. Jahrb. f. d. klass. Altertum. XIV. (1911)
S. 277—295.
Bartels, Adolf: Weimar, die klassische Literaturperiode in
ihrer nationalen Bedeutung. (108 SS. m. 11 Abb.) In: Als Deutsch-
land erwachte. Lebens- und Zeitbilder aus den Befreiungskriegen.
8°. Hamburg, G. Schloessmann, 1910. Heft 7. geb. 1 M.
Derselbe: Die ersten Weimarer Nationalfestspiele fĂĽr die
deutsche Jugend. Weimar, AI. Huschke, 1909. 126 SS. 1 M.
Barth el: Gorsieben im 30-jährigen Kriege. Kalender für die
Ortsgeschichte Eckard tsberga. 1909. S. 57 f.
Literatur. 447
Barthelmes, P.: Lose Blätter aus der Geschichte Grafen -
thals. XVI. Saalfische, Beil. z. Saalfelder Kreisbl. 1908. No. 21.
Derselbe: Alte Sagen aus der Umgegend Gräfenthals. In:
Saalfische, Beil. d. Saalfelder Kreisbl. 1910. No. 23.
Barzellotti, G.: Wolfgan go Goethe in Italia. Bivista di
letteratura tedesca. 1909. S. 196—201.
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Heft 34: G. Voss,
Hzgt. S. Meiningen, Kreis Meiningen, Amtsgerichtsbezirk Meiningen.
(Die Stadt Meiningen und die Landorte.) (X, 584 SS. m. 356 Abb.
u. 74 Taf.) 1909. 20 M.
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Bearb. von Prof. Dr.
P. Lehfeldt und Prof. Dr. G. Voss. gr. 8°. Jena, G. Fischer, 1909.
35. Heft. Hzgt. S.-Meiningen, Amtsgerichtsbezirk Salzungen. Von
G. Voss. VIII, 130 S. m. 73 Abb. u. 26 Taf. Geh. 6,60 M.
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. 36. Heft: G. Voss,
Hzgt. S. Meiningen, Kreis Meiningen, Amtsgerichtsbezirk Wasungen.
IX— XV. S. 131—272 u. V SS. m. 107 Abb. u. 4 Taf. Jena, G. Fischer,
1910. Lex. 8°.
Bauer, Karl: Schillers äußere Erscheinung. Veröffent-
lichungen des Schwäbischen Schiller-Vereins. III. (70 SS.) S. 163
—184.
Derselbe: Physiognomisches über Schiller. „Stunden mit
Goethe". VI, 1. Berlin, E. S. Mittler u. S.
Baumgärtel, Max: Die Wartburg. Ein Album mit 25, z. T.
färb., Abbildungen (auf 12 Taf.) u. 4 Wartburgdichtungen von E. v.
Wilden bruch u. A. FĂĽr die Wartburgbesucher herausggb. (24 SS. u.
8 SS.) 15X19Ä Berlin, Hist. Verlag Baumgärtel, 1910.
Derselbe: Der FĂĽhrer durch die Wartburg und Eisenach.
Mit 41 Tal, Ansichten, Abbildungen, Bildnisse, Karten, Pläne,
Grundrisse u. Panorama. (167 SS.) 16°. Berlin, Hist. Verlag Baum-
gärtel, 1910.
Derselbe: Die Wartburgsagen. Mit 1 Wartburgansicht und
Mor. v. Schwinds 7 Wandgemälden im Landgrafensaale der Wart-
burg. (110 SS.) 16°. Berlin, Hist. Verlag Baumgärtel, 1910.
Derselbe: Das Sankt - Elisabeth - BĂĽchlein der Wartburg.
Lebensgeschichte der hl. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen. Mit
18 Vollbildern, Mor. v. Schwinds Gemälden a. d. Leben der hl.
Elisabeth und anderen Abb. aus der Wartburg. (79 SS.) 16°. Berlin,
Hist. Verlag Baumgärtel, 1910.
Derselbe: Die Martin - Luther - Galerie. 24 Bilder auf
13 Tafeln, gemalt von Wilh. Weimar, aus Martin Luthers Leben
und Wirken. Mit den Lukas Cranachschen Wartburgbildnissen
Martin Luthers und seiner Eltern. FĂĽr die Wartburgbesucher her-
ausgegeben. (25 SS. m. 16 S. Text.) kl. 8°. Berlin, Hist. Verlag
Baumgärtel, 1910.
Beck, H.: Verzeichnis der Lehrer des Gymnasiums von der
Gründung an. Koburg 1907. Gymn. Casimirianum. Progr. S. 3—13.
B eh r , O. : Von alten Bauernhäusern in unserem Lande. Heimat-
Blätter. Vierteljahrsbeilage zur fürstl. Reuß. Geraer Zeitung. Mit-
herausgegeb. vom Bunde Heimatschutz, Ortsgruppe Gera. 1909. No. 3.
Derselbe: Georg Kresse, der Bauerngeneral [aus der Gegend
von Weida]. Aus dem 30- jähr. Kriege erzählt. Selbstverl. des Verf.
Rektor O. Behr, Gera-Debschwitz, 1909. 101 SS.
29 *
44g Literatur.
Beiträge zur Kunstgeschichte Thüringens. Namens des Ver.
f. thĂĽr. Gesch. u. Altertumskunde, hrsg. v. d. thĂĽring.-hist. Kom-
mission, gr. 8°. Jena, G. Fischer. 2. Bd. Fei. Scher er: Kirchen und
Klöster der Franziskaner und Dominikaner in Thüringen. Ein Bei-
trag zur Kenntnis der Ordensbauweise. (VIII, 14S SS. m. 4 Abb. im
Text u. auf 3 Taf.) 1910. 4 M.
Beiträge z. G. des sächsischen Gelehrtenschulwesens von
1760—1820. Beigegeben : Die Pförtner Schulordnung von 1808. Von
Ernst Schwabe. Leipzig, Teubner, 1909. VI, 283 SS. 8°.
Die Belehnung des Rats und Obersteuereinnehmers Georg
von Vippach zu Obernitz mit dem Scbwarmgute. Saalfische. Beil.
z. Saalfelder Kreisbl. 1909. No. 23.
Bemmann, R. : Zur Geschichte von Popperode. Mühlhäuser
Ztg. 1910. No. 163.
Derselbe: Rechnung ĂĽber eine Reise von MĂĽhlhausen i. Th.
nach Dresden 1653. In: Dresdner Geschichtsblätter. 1909. S. 86— 88.
Derselbe: Die Hanse- und die Reichsstadt MĂĽhlhausen i. Th.
1423—1432. Hansische Geschichtsblätter. 1910. 1. S. 285—292.
Derselbe: Die Artillerie der Reichsstadt MĂĽhlhausen i. Th.
Zeitschr. f. hist. Waffenkunde. V. 1909. Heft 4. S. 104.
Beobachtung von Kometen in Altenburg in frĂĽherer Zeit.
Beil. z. Altenburger Ztg. 1910. S. 166.
B er big, G. : Die Messen und deren Einkommen bei der
St. Moriz-Kirche zu Coburg. Ein kirchenrechtlicher Beitrag zum
Studium der Präbenden und Gottesdienstordnung ; Zur Sequestration
des Benediktinerklosters Mönchröden zu Coburg. In : Deutsche
Zeitschr. f. Kirchenrecht. XX, 1.
Derselbe: Spalatiniana aus dem auf Herzoglicher Hof-
bibliothek Friedenstein zu Gotha befindlichen Neudeckerschen Nach-
lasse. In: Neue kirchl. Zeitschr. XXI (1910). Heft 4. S. 156—168.
Derselbe: Bilder aus Coburgs Vergangenheit. 1. Bd. 2. Aufl.
Leipzig, M. Heinsius Nachf., 1910. VI, 120 SS. 2 M.
Derselbe: Kriegstaktik und Erfolg im Thüringisch-Frän-
kischen Volksaufstand 1525. Militärwochenbl. XCV. 2992/7. 3017/9.
Derselbe, M. : Alexander Ziegler, Großh. sächs. Hofrat, 1822
—1887. In: Allgem. deutsche Biographie LV (1910). S. 421—423.
Derselbe: Christian Wermuth, 1661—1739. Ebenda LV
(1910). S. 43—45.
Derselbe: Adolf Wandersieb, 1810—1884. Ebenda LV
(1910). S. 1.
Derselbe, Coburger ReformationsaktenstĂĽcke, zur ersten
Visitation im Jahre 1528 gehörig. Zeitschr. d. Ver. f. thür. Gesch.
u. Altertumsk. XXVIII. S. 203-208.
Berend, Eduard: Nikolais Besuch in Weimar im FrĂĽhjahr 1773.
Zeitschr. f. Bücherfreunde. II (1910). H. 1. April 1910. S. 21—28.
Berg, C: Joh. Wolfg. Goethe. Der reiferen Jugend dargestellt.
Gotha, F. A. Perthes. Geb. 4 M.
Bergemann-Könitzer, M.: Die Fresken an der Kirche
in Lichtenhain. Altes u. Neues a. d. Heimat. Beil. z. Jenaer Volks-
blatt. 1910. No. 10.
Berger, Arn. E. : Ein Schillerdenkmal. 3 Vorträge. Berlin,
E. Hofmann u. Co., 1909. 8°. IV, 100.
B e r g e r , K. : Wie meine Schillerbiographie geworden ist.
Eckart. IV. 1909/10. S. 98-112.
Literatur. 449
Bernhardt, Arno: Grundpreise der Stadt Gera (EeuĂź j. L.)
â– wahrend der letzten 50 Jahre. Borna- Leipzig, R. Noske, 1908. (112 SS.
1 Taf. 1 Plan.) 8°. Erlangen, Diss. ing. phil.
Bernhardt, E., u. F. Schwabe: Lebensbilder und Sagen
aus der Geschichte der Prov. Sachsen und der thĂĽring. Staaten.
(31 SS.) 8°. Leipzig, F. Hirt u. Co., 1910. 0,40 M.
Bertant, J., etA. S6ch6: Goethe. 43 portraits et documents.
kl. 8°. (192.) Paris, Michaud. 2,25 fr.
Bertram, Max Paul: Die historischen Beziehungen zwischen
dem Dorfe Alach und dem Erfurter Peterkloster. Ein Beitrag zur
Charakteristik mittelalterlich-mönchischer Kultur in Thüringen und
zugleich ein GrundriĂź der Geschichte des Dorfes Alach bei Erfurt.
Mit 3 Vollbildern und einem von Carl Mey gezeichneten Dorfplan.
(Aus Zeitschr. d. Ver. f. Kirchengesch. f. d. Prov. Sachsen.) 48 SS.
Magdeburg 1911, Evang. Buchh. 0,80 M.
Derselbe: Der Erfurter Dorfpfarrer im ausgehenden Mittel-
alter. Zeitschr. d. Ver. f. Kirchengesch. d. Prov. Sachsen. V, S. 159
—185.
Derselbe: Das Kirchen wesen Erfurts und seines Gebietes
gegen Ausgang des Mittelalters. Ein erster Entwurf auf Grund der
Quellen. Zeitschr. d. Ver. f. Kirchengesch. d. Prov. Sachsen. Magde-
burg 1910. VII, S. 1—25.
Bess : Elisabeth v. ThĂĽringen im Lichte der neuesten Forschung.
Jahresber. d. thür.-sächs. Verein. 1908/09.
Bessel, A. : Hussitenkriege in Böhmen und den Nachbar-
ländern. Mitt. d. Ver. f. Heimatkunde d. Bezirke Böhmisch-Aicha.
1. S. 3—43; 61—86; 117—138.
Bethmann, Sophie: Der FĂĽrstenkongreĂź zu Erfurt. Zeit-
geist. 1908. No. 39. Beibl. z. Berl. Tagebl.
Beyer, Carl j: Geschichte der Stadt Erfurt von der ältesten
bis auf die neueste Zeit, fortgesetzt von Johann Biereye. Mit einem
Anhang. Das vorgeschichtliche Erfurt und seine Umgebung von
Zschiesche. Mit ca. 100 Abb. und Plänen. Erfurt, Keysersche Buch-
handlung, 1911. Lieferung 17/18. S. 481—544. 0,80 M.
Beziehungen, Die verwandtschaftlichen, des Meininger Her-
zoghauses zu anderen fĂĽrstlichen Familien. Saalfische, Beil. z. Saalf.
Kreisbl. 1910. No. 1.
Bier b ach, A. : Geschichte der Hallischen Zeitung. Landes-
zeitung fĂĽr die Provinz Sachsen, fĂĽr Anhalt und ThĂĽringen. Denk-
schrift aus Anlaß des 200-jährigen Bestehens der Zeitune. Halle,
Thiele, 1908. 168 SS. 2 M.
Bierbaum, O. J. : Liliencron und Goethe. Goethe-Kalender.
1910. S. 139—145.
Blaschke, J. : Schillers musikalische Freunde. Erinnerungs-
blatt zum 150. Geburtstag des Dichters. Neue Musikztg. 1910. No. 4.
Blei seh, P. : Bilder aus Ilmenaus Vergangenheit. (VIII, 276
u. IX SS. m. Vollbüdern.) gr. 8. Ilmenau, A. Schröters Verlag, 1910.
geb. 4,50 M.
Bleisch, Paul, R. Heusinger, R. Riehm, C. Kahle:
Bad Ilmenau in Thüringen. Ein Handbuch für Kurgäste, Touristen
und Radfahrer. 2. Ausg. Neubearbeitet von Bleisch - Heusinger.
(H. Kahles Führer durch Ilmenau.) Mit 1 färb. Umgebungs- und
1 färb. Thüringerwald karte. (126 SS. m. Taf.) Eisenach, Hofbuch-
druckerei H. Kahle, 1910. 8°. 1,25 M.
450 Literatur.
Blum, Gg. Richard: Bruno von Querfurt. Geschichtliche
Skizze zur 900- Jahrfeier. Saalfische. Beil. z. Saalf. Kreisbl. 1909.
No. 5.
Bock, Gust.: Kriegserlebnisse zweier Schwarzburger 1870/71.
Schwarzb.-Rudolst. Landesztg. 1910. Sept. 18. Beil. Frankenhäuser
Zeitung. 1910.
Bock, Kurt: Bruder Studio einst und heut. Akad. Turnztg.
1909. S. 16.
B o d e , W i 1 h. : Damals in Weimar. Bilder von Ludw. Bartning,
Rob. Bauer, Valentin Blaufuss u. A. (88 SS.) 18,5 X 26 cm. Weimar,
G. Kiepenheuer, 1910. geb. 4 M.
Derselbe: Briefe der Frau von Stein an Knebel 1807 — 11.
Ăśber Goethe. Aus dem GroĂźh. Sachs. Hausarchiv mitgeteilt. Stunden
mit Goethe. VI, S. 153—159. VII. 2. Berlin, Mittler u. S.
Derselbe: Schillers und Goethes Wochenblättchen. Stunden
mit Goethe. VI, S. 101-113.
Derselbe: Martin Klauer, der Bilderhauer im klass. Weimar.
Deutschland (Weimarische Landesztg.) 1909. No. 227, 229, 232, 233.
Schwarzb.-Rudolst. Landesztg. 1910. No. 4, 7, 10.
Derselbe: Goethes Tonsetzer vor hundert Jahren. Stunden
mit Goethe. VII (1911). 2. S. 109—144.
Derselbe: Charlotte von Stein. Ihre erste Begegnung mit
Goethe. Deutschland. 1909. No. 316. Erfurter Allgem. Anz. 1909.
No. 319.
Derselbe: Schuhmacher Steube und die Vorsehung. Stunden
mit Goethe. VII. S. 217—226.
Derselbe: Passows Aufzeichnungen ĂĽber Goethe. Stunden
mit Goethe. VII. S. 193—216.
Derselbe: Charlotte v. Stein. Berlin, Mittler u. S., 1910.
XXVI, 628 SS. 7,50 M.
Bodin, C: Die Grafen und FĂĽrsten des Hauses Schwarzburg.
Schwarzb.-Rudolst. Landesztg. 1909. No. 195.
Böckel, Fritz: Aus der guten alten Zeit. Kulturgeschicht-
liche Mitteilungen. Altes u. Neues a. d. Heimat. Beil. z. Jen. Volksbl.
1908. Sept. 6. Nov. 8.
Derselbe: Jena. (Zum Gedenktage der Schlacht. 14. Oktober
1806.) In: Unterhaltungsbeilage z. Tägl. Rundschau. 14. X. 1909.
Böhme, Ernst: Wilhelm Treunert, der Rats Wachtmeister und
Dichter, f am 1. VII. 1860 zu Jena. In: Altes u. Neues a. d.
Heimat. Beil. z. Jen. Volksbl. 1910. No. 17, 18.
Böhme, Martin: Die Orts- und Flurnamen des Kreises
Querfurt, nebst einem Wüstungsverzeichnis. Querfurt, R. Jäckel, 1910.
72 S. 1 M.
Boehme, P. : Urkundenbuch des Klosters Pforte. IL T.
1 Halbbd. (1351—1500). [Geschichtsquellen d. Prov. Sachsen u. d.
angrenzenden Gebiete. XXXIV. Bd.] gr. 8°. XII, 368 SS. Halle,
Hendel. 9 M.
Derselbe: Der Name Pforte (Pforta). Naumb. Kreisbl. 1909.
No. 290, 291.
Derselbe: Die sprachliche Zugehörigkeit des Namens Pforta.
Erwiderung auf Grösslers Aufsatz. Neue Mitt. a. d. Gebiete hist.-
ant. Forschungen (Halle).
Derselbe: Ein letztes Wort über den Namen „Pforte". Beil.
49 u. 50 z. Naumb. Kreisbl. 1910.
Literatur. 451
Boehraer, H. : Urkunden zur Geschichte des Bauernkrieges
und der Wiedertäufer. In: Lietzmanns kleinen Texten 50/1. Bonn,
Marcus u. Weber, 1910. 35 BS.
Bönhoff, Leo: Bischof Thietmar von Merseburg. Eine
Skizze aus der heimatlichen Kirchengeschichte. Neue sächs. Kirchen-
blätter. XIV. Sp. 785—92, 801- 10, 817—24.
Derselbe: Chutizi orientalis. N. A. f. sächs. Gesch. XXXI,
S. 1—28.
Böttcher, Karl: Beiträge zur Geschichte der Landesschule
Pforta in den Jahren 1630—1672. Naumburg 1909. 34 SS. 4°. Progr.
Landesschule Pforta.
Bohlmann, R. : Eine Eisenacher HakenbĂĽchse. Zeitschr. f.
hist. Waffenkunde. 1910. (V.) 6.
Bon in, Daniel: Johann Georg Zimmermann und Johann
Gottfried Herder nach bisher ungedruckten Briefen. Worms, Kranz-
bühler, 1910. 32 SS. 8°. Worms, Großh. Oberrealschulprogr. Er-
schien auch als Buch bei Kräuter in Worms.
Bothär, Daniel: Aus einem alten Stammbuch. Zur Er-
innerung an Schillers akademische Antrittsrede. In : Neue Jahrb.
f. d. klass. Altertum, Geschichte u. deutsche Literatur u. f. Päda-
gogik. XII (25.-26. Bd.) Heft 2. Leipzig, Teubner, 1910.
Brandau, O. : Unsere Feststadt (Eisenach). Festschrift zur
15. Bundesversammlung des thĂĽring. Stenographenbundes Stolze-
Schrey. 1907.
Braun, P. : Der Beichtvater der h. Elisabeth und deutsche
Inquisitor Konrad von Marburg (f 1233). Beitr. z. hessischen Kirchen-
geschichte. IV, S. 248—300, V, S. 331—364.
Bressonet, P. : Etudes tactiques sur la campagne de 1806
(Saalfeld-Iena-Auerstedt). Paris, Chapelot, 1909. 402 SS. 12 fr. Publ.
de la Section hist. de PEtat-Major de l'armee.
Brenke, Max: Schillers Persönlichkeit im Verhältnis zu seinen
Zeitgenossen. Elbing, KĂĽhn, 1910. Kaiserin -Auguste -Viktoria-
Schule. Progr. S. 1—14. 4°.
Bretel: EtĂĽde sur la bataille de Iena. Paris, Chapelot, 1909.
31 SS. 0,60 fr.
Briefe des Freiherrn Adam von Gablenz ĂĽber eine Reise des
ErbgroĂźherzogs Carl Alexander von Sachsen nach Petersburg und
Moskau. Deutsche Revue. 1909. Juli.
Bucerius: Gemeindebetriebe: Remscheid. Schrift, d. Ver. f.
Sozialpolitik. Bd. 2. T. 6. 1909. 59 SS. 1,40 M.
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Gesellige, Graudenz No. 152. — Breslauer Ztg. No. 451. — Breslauer
Morgenztg. 30. Juni, 2. Juli. — Fraakfurter Ztg. No. 181, 182. —
Kölnische Volksztg. No. 562. — Freiburger Ztg. No. 151. — Frän-
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Ztg. No. 153. — Nordd. Allgem. Ztg., 2. Juli. — Deutsche Warte
No. 176. — Deutsche Tagesztg. No. 300. — Börsencourier No. 300.
— Nationalztg. No. 300, 301. — Vossische Ztg. No. 300, 306. —
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Derselbe: Beiträge zur Geschichte der Mädchenschule in
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Derselbe: Zur Geschichte der Stadt Mühlhausen i. Th. 8°.
MĂĽhlhausen i. Th., Dannersche Buchhandlung. 8. Heft: Michael
Koch. Ein Beitrag zur Geschichte der bĂĽrgerlichen Unruhen in MĂĽhl-
hausen i. Th. 1523-1525. 44 SS. 1910. 1,20 M.
Derselbe: Michael Koch. Ein Beitrag zur Geschichte der
bürgerlichen Unruhen in Mühlhausen i. Th. 1523—1525. 28 SS. 8°.
MĂĽhlhausen, Gym. Progr., 1910.
Derselbe: Zur Schlacht bei Frankenhausen. Jahresber. d.
thür.-sächs. Ver. f. Erforsch, d. vaterl. Altertümer. 1908/09. S. 16—24.
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Derselbe: Vor 100 Jahren. Aus alter Zeit. N. F. III. MĂĽhl-
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Derselbe: Ăśbergang MĂĽhlhausens an die Herrschaft PreuĂźens.
Aus alter Zeit. IL Aufl. 2. MĂĽhlhausen, Danner, 1908.
Derselbe: Die Familien beziehungen des Propstes Justus Jonas
zur Stadt MĂĽhlhausen. Zeitschr. f. Kirchengesch. d. Prov. Sachsen.
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Arnstadt. Arnstädter Nachrichts- u. Intelligenzblatt. 143. Jahrg. No.20
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Kai bei, Fr.: Tiefurt. Ăśber Land u. Meer. 1910. No. 29.
S. 711-713. Mit 7 Abb.
Kalb, Gust. : Heimatkunde von ThĂĽringen. Mit 2 Karten.
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Kalkschmidt, Eugen: Goethe im Bildnis. Die Grenzboten.
1911. LXX. No. 6. S. 292.
Kar che, P. C. G.: Coburgs Vergangenheit. JahrbĂĽcher d.
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K[eibel, Otto]: Eine KĂĽnstlerfamilie unseres Landes. [Orgel-
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Kemmerich, Max: Die deutschen Kaiser und Könige im
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Kern, Philipp Ernst Generalsuperintendent und Ober-
hofprediger in Hildburghausen, f 1779. Sachsen-Meining. Kirchenbl.
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Keyssner, Gustav: Das Gebäude der Universität in Jena.
Sonderdruck des Profanbau, Leipzig. 66 SS. gr. 4°. Mit 4 färb,
und 70 Textillustr. und 5 Kissen. Leipzig, J. J. Arnd. 4 M.
Kiefer, K. : Goethes Vornamen. Deutscher Herold. XL.
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Leipzig, M. Heinsius Nachf., 1911. geb. 9 M.
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Derselbe: Ein ErlaĂź der Hennebergischen Regierung zur
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Meininger Tagebl. 1908. No. 257.
Derselbe: Ein Brief Magister Sebastian Glasers aus dem Jahre
1545. Meininger Tagebl. 1908. No. 227.
Derselbe: Ein Brief der Gräfin Margarete zu Henneberg,
geb. Herzogin zu Braunschweig (1473 12. Febr. an Graf Johann zu
Wertheim). Meininger Tagebl. 1909. No. 49.
Derselbe: Ein für Herzog Heinrich zu Sachsen-Römhild aus-
gestellter Lehrbrief (BĂĽcbsenmeisterj. Meininger Tagebl. 1909. No. 183.
Derselbe: Ein jĂĽdischer Arzt im Dienste der Grafen zu
Henneberg. Meininger Tagebl. 1908. No. 221.
Derselbe: Ein StĂĽck Geschichte des Schlosses Henneberg
aus dem Jahre 1485. Meininger Tagebl. 1908. No. 280.
Derselbe: Ein ErlaĂź Graf Wilhelms IV. zu Henneberg gegen
übermäßigen Aufwand bei Hochzeiten und Kindtaufen (16. Nov.)
1538. Meininger Tagebl. 1908. No. 298.
Derselbe: Noch einiges ĂĽber die Flurnamen Anspann und
Aspe. Meininger Tagebl. 1909. No. 55, 67.
Derselbe: Die Einwohner der Stadt Meiningen im Jahre 1611.
Meininger Tagebl. 1909. No. 89, 95, 101.
Derselbe: Die Urfehde Eckart Sattlers zu Meiningen 1432.
Meininger Tagebl. 1910. No. 36.
Koch, Ernst: Die aus Hilders nach Kaltennordheim ent-
fĂĽhrte Glocke und die Grafen von Henneberg. Fuldaer Geschichts-
blätter. VII. No. 12. S. 177—183.
Derselbe: Die Teufelssage der Steinsburg. Beiwagen 2 zur
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K[och, Ernst]: Der Aufstand zu Meiningen im Jahre 1478.
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Derselbe: Dr. Erasmus Reinhold. Saalfelder Weihnachts-
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Derselbe: Beiträge zur inneren Geschichte der Stadt Meiningen.
Zeitschr. d. Ver. f. thĂĽr. Gesch. u. Altertumsk. XXVIII. S. 340-354.
Koch, Herb.: Der Sächsische Bruderkrieg 1446-1451. Gekrönte
Preisarbeit. Jahrb. d. Kgl. Akad. f. gemeinn. Wiss. 1910. 260 SS.
Derselbe: Geschichte der Stadt und Universität Jena. In:
Studentisches Taschenbuch, 1910. Hrsgg. vom AusschuĂź der Freien
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Beil. z. Jenaer Volksbl. 1911. No. 6—9.
Derselbe: Die Johann-Georgs-Kirche und der Johannis-
Friedhof in Jena. Mit 11 Tafeln und einer Karte. 8°. 68 SS. Jena,
B. Vopelius, 1911.
470 Literatur.
Koch, Herb.: Thüringische Glocken. Blätter f. Unterh. u.
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Derselbe: Hans Gronig, ein Jenaer KĂĽnstler. Altes u. Neues
a. d. Heimat. Beil. z. Jen. Volksb. 1909. Mai 2.
Derselbe: Ein Haushaltungsausgabebuch aus der alten guten
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März 18.
Derselbe: Beise der von dem Deutschen Orden im Jahre 1451
ausgesandten Visitatoren. Zeitschr. f. ThĂĽr. Gesch. u. Altertumsk.
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Derselbe: Maria Paulowna, GroĂźherzogin von Sachsen
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Derselbe: Andreas Ramdohr, Professor in Jena 1613 — 1656.
Jenaer Volksbl. 1910. Aug. 1.
Derselbe: Adrian Beiers Athenae Salanae. Arch. f. Stamm-
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Derselbe: Steinmetzzeichen an der Jenenser Michaeliskirche.
Altes u. Neues a. d. Heimat. Beil. z. Jen. Volksbl. 1910. No. 19.
Derselbe: Friedrich der GroĂźe in Jena. Altes u. Neues a.
d. Heimat. Beil. z. Jen Volksbl. 1911. No. 10.
Derselbe: Die KirchenbĂĽcher des Herzogtums Sachsen-
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Derselbe: Jena im 30jähr. Kriege. Altes u. Neues a. d.
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Derselbe: Kreuzsteine. Altes u. Neues a. d. Heimat. Beil.
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Derselbe: Herzog Wilhelms LandtagsbeschluĂź vom 9. Jan.
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Derselbe: MĂĽnzverordnungen Herzog Wilhelm III. von
Sachsen 1444—1482. Beil. z. Jen. Volksbl. 1909. Dez. 18.
Derselbe: Jenas evangelische Geistlichen (1524 — 1576). Beil.
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K[oegler], H. : Zur Geschichte des Fuchsturmes bei Jena.
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Weidaer Ztg. 1909. No. 264. Gothaisches Tagebl. 1909. No. 264.
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Koehne, Otto: Erinnerungen eines alten Burschenschafters.
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Könnecke, Max: Führer durch Stadt und Burg Querfurt
in Vergangenheit und Gegenwart. 46 SS. mit Abbildungen, 1 Taf.,
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Kohlstock, Karl: Kleine Heimat- und Landeskunde des
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schweig in das Eichsfeld und seine Folgen (1762). In: Heimatland.
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Petermann, L. : Sächsisch-deutsche Geschichte. Ein Buch
für Schule und Haus. 8°. Meißen, sächsische Schulbuchhandlung.
1. Teil: Geschichte der Mark MeiĂźen und ihrer Vorzeit. 1911,
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Petersen, Julius: Das Rittertum in der Darstellung des
Johannes Rothe. (Quellen und Forschungen zur Sprach- u. Kultur-
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S. 36 t Jena, G. Fischer, 1910.
Derselbe: Oberhof und Umgebung. Praktischer FĂĽhrer.
= Griebens ReisefĂĽhrer No. 143. 52 SS. mit 2 farbigen Karten und
1 Panorama. 4°. Berlin, A. Goldschmidt, 1910.
Derselbe: Wintersport und Winterreisen in ThĂĽringen. Be-
arbeitet unter gefl. Mitwirkung des ThĂĽringer Wintersportsverbandes
und der Zweigvereine des ThĂĽringerwaldvereines. 84 SS. mit 3 Karten.
Berlin, A. Goldschmidt, 1910. (Griebens ReisefĂĽhrer. Bd. 134.)
Geb. 1,20 M.
Pischel, F.: Die Entwickelung der Zentralverwaltung in
Sachsen -Weimar bis 1743. Zeitschr. d. Ver. f. ThĂĽr. Gesch. u.
Altertumsk. XXVIII. S. 237—305 (1. Teil, 62 SS. als Jenaer Diss.)
Planer: Aus der Geschichte des FĂĽrstentums Schwarzburg-
Sondershausen im 17. bis 19. Jahrh. 1. Teil. Progr. d. Gymn. in Arn-
stadt. 1909. 21 SS. 2. Teil. Ebenda. 1910. 32 SS.
Poseck, Wald.: Langwitz-Längwitz. Arch. f. Stamm- u.
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Priest: Zu Ebernand von Erfurt. Zeitschr. f. deutsches
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Reinhold, Carl Leonhard (1787—1794). Altes u. Neues
a. d. Heimat. Beil. z. Jen. Volksbl. 1911. No. 3.
Eine Reise von Leipzig nach NĂĽrnberg und Aufenthalt in
dieser Stadt vor etwa hundert Jahren. Saalfische. Beil. z. Saalfelder
Kreisbl. 1908. No. 25.
ReuĂźische Forschungen. Herrn Archivrat Dr. Berthold
Schmidt in Schleiz zu seinem 25-jährigen Jubiläum als reußischer
Geschichtsforscher in dankbarer Verehrung der Vogtländische Alter-
tumsforschende Verein zu Hohenleuben, der Geschichts- und Alter-
tumsforschende Verein zu Schleiz, der Verein fĂĽr Greizer Geschichte,
der Altertumsverein zu Plauen, der Verein fĂĽr ThĂĽringische Ge-
schichte und Altertumskunde zu Jena, der Ortsgeschichtliche Verein
zu Weida. Weida, Druck von H. Aderhold, 1911. 125 SS.
Inhalt: Die Münze zu Weida, von H. G. Francke. S. 1 — 22.
— Die kirchlichen Reformationsbestrebungen Graf Heinrichs IL
von Obergreiz (1715—1722), von K. CoUmann. S. 23—56. — Wo
lag Gnannendorf? Von A. Auerbach. S. 57—63. — Das reußische
Oberland im nordischen Kriege, von Böhme. S. 64 — 84. — Zur Ge-
schichte und Genealogie der Familie Oberländer in Schleiz, von
Max Weißker. S. 85—95. — Vom ortsgeschichtlichen Vereine Weida,
von A. Leberl, S. 96—107. — Nach langem Kriegselend. Streiflichter
Literatur. 433
auf das Leben des heimischen Adels in der 2. Hälfte des 17. Jahr-
hunderts, von 0. ßehr. S. 113—125.
Richard, August: Das Richard Wagner-Haus in Magdala.
Neue Musikztg. 1910. H. 17. S. 359—360.
Richter, Arthur: Die Messerschmiedeordnung Johann Wil-
helms von Sachsen. ThĂĽr. Warte. IV. S. 400 f., 491 f., 545 f.
Richter, Greg.: Die bĂĽrgerlichen Benediktiner der Abtei Fulda
von 1627 — 1802. Nebst den Statuten des Konvents ad s. Salvatorem
vom 25. IL 1762. In : Quellen und Abhandl. z. Gesch. d. Abtei u.
Diözese Fulda. Fulda, Aktiendruckerei, 1911. gr. 8°.
Richter, P.E.: Johann August Richters, des chursächsischen
Cammer-Conducteurs verschwundene und wiederaufgefundene An-
sichten kursächsischer Orte. Neues Arch. f. sächs. Gesch. XXXI.
S. 142—144.
R i e k e n , W. : Dem Andenken Karl Volkmar Stoys. Lehrerztg.
f. ThĂĽr. XXIII. No. 3.
Ripcke, Leopold: Schiller und Luther. Rede bei der Ge-
dächtnisfeier der großen Stadtschule am 10. Nov. 1909. Rostock,
Boldt, 1910. 13 SS. 4°. Gymnasial progr.
Ritschi, O. : Luthers seelische Kämpfe in seiner früheren
Mönchszeit. Internat. Wochenschr. V. H. 2.
Zum 600-jährigen Jubiläum der ältesten Urkunde der Stadt
Roda (13.— 15. März 1910). Beil. z. Altenb. Ztg. 1910. S. 94.
Rödiger, Karl: Von der Kleinstadt zur Großstadt. Eine
Unterhaltung ĂĽber Plauens vergangene Tage. Vogtl. Anzeiger. 1911.
No. 151 (Juli 2).
Roll, Louis: ThĂĽringen und seine Eisenbahnen in Wort u.
Bild. 2 Hefte. Erfurt, Bartholomäus. 0,50 M.
Rosen thal, Ed.: Gustav Fischer. Zeitschr. d. Ver. f. ThĂĽr.
Gesch. u. Altertumsk. XXVIII. S. I— XIV.
Derselbe: Ernst Abbe und seine Auffassung von Staat und
Kirche. Jena, G. Fischer, 1910. 32 SS.
Ross, H. : Aus den Anfängen des Rudolstädter Frauen Vereins.
Beil. z. Schwarzb.-Rudolst. Landesztg. 1910. Okt. 1.
Rost, Bernh. : Anton Ohorn und seine Beziehungen zu MĂĽhl-
hausen in ThĂĽr. MĂĽhlh. Anz. 1911. April.
Derselbe: Anton Ohorn. Lebensbild eines Dichters der
Gegenwart. XI, 142 SS. gr.8°. Meißen, 1911. (Chemnitz, B. Troitzschs
Nachf.) 2 M.
Roth von Otto, Elsa: Im Haeckelschen Hause in Jena.
Gespräche mit dem Meister. Zeitgeist. Beil. z. Berl. Tagebl. 1909.
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Dieselbe: Ein Gespräch mit E. Haeckel. Altes u. Neues
a. d. Heimat. Beil. z. Jen. Volksbl. 1908. Juni 6.
Roth, F. W. E. : Aus einer Handschrift der Schriften der
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logische Studie. XI, 190 SS. gr.8°. Leipzig, 1909; Asch, C.Schneider.
3,20 M.
Derselbe: Chronologisches zu Goethes Briefwechsel mit Hum-
boldt. Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen. LXIV. H. 12. Berlin 1910.
Saitschick, Rob. : Schillers Charakter. Hochland. VII.
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Salis, F.: War Marianne, die erste Gemahlin Herzog Bar-
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Sch[oeppe], K.: Der Naum burger FĂĽrstentag. Beil. z. Naumb .
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Schiff, J. : Alexander v. Humboldt in seinen Beziehungen
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Derselbe: Eine Begegnung zwischen Goethe und Berzelius.
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Schiff, M. : Una lettera inedita di Goethe al primo traduttore
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Schillers Tod und Begräbnis. In : Christliche Freiheit, evang.
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Derselbe: Aus Weimars nachklassischer Zeit. „Der Neu-
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Derselbe: Die Themata der von SchĂĽlern des Gymnasium
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Trink ler, H. : Aus Alt-Rudolstadt, Der Markt, Marktplatz,
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2,40 M. ^ n
Unbe scheid, Herrn.: Die Gemeinde Gierstedt bei GroĂź-
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Unger, Max: Robert und Clara Schumanns Beziehungen zu
Dr. Gust. Ad. Keierstein. (Mit 7 unveröffentlichten Briefen von
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Unrein, Otto: ThĂĽringen. Anhang zum deutschen Lesebuch
von Karl Hessel. IV, 154 SS. 8°. Bonn 1910, A. Marcus u.
E. Webers Verlag.
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während des Mittelalters. Bd. I m. 12 Exkursen. Hrsg. v. A. Wenzel.
Langensalza, Beyer, 1910. X, 321 SS. 10 M. Regesten, Urkunden,
sowie AuszĂĽge aus anderen mittelalterlichen Quellenschriften von der
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Veit, Rudolf: Das Finanzwesen der Stadt Altenburg.
Halle a. S., C. A. Caemmerer u. Co., 1908. 90 SS. 8°. (Erscheint
vollständig im gleichen Verlag. Halle, Diss. phil. ing. 1908.)
Velden, A. v. d. : Die sechzehn Ahnen der Durchlauchtigsten
Braut Sr. Kgl. Hoheit des GroĂźherzogs von Sachsen.- W.-E., Ihrer
Hoheit der Prinzessin Karola Feodora von Sachsen-Meiningen. Mit
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Reichsstadt MĂĽhlhausen i. Th. im 15. und 16. Jahrhundert. X,
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Seeliger, Wilcken. gr. 8°. Leipzig, Quelle u. Meyer, 1910. 3,20 M.
Vetter, P. : Ein ungedruckter Brief des Justus Jonas. Arch.
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Vogel, Jul. : Goethes Arbeitszimmer und Stielers Bildnis des
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Das Volksbad in Jena. Der Profanbau. 1910. No. 2
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Herzogt. S.-Gotha. 1641—1645. Zeitschr. d. Ver. f. thür. Gesch.
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Wachler, Ernst u. Max: Chronik der Familie Wachler
vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Nebst zahl-
reichen Abbildungen, Fksms., Briefen und Stammtafeln. Unter Mit-
wirkung von Wilh. Bernhardi, Wilh. Bock, Ludw. Glatzel, Alex.
Klein hrsg. Wappenzeichnung von Hans F. W. Fiek. Photogr.
Aufnahmen von Karl Wahl, Hugo Gewalt u. V. Bittner. XI, 227 SS.
8°. Jena, H. Costenoble, 1910. geb. 7,50 M.
Wächter, Albert: Dreihundert Jahre Rudolstädter Gym-
nasium. Beiträge zur Landesgeschichte des Fürstentums Schwarzb.-
Rudolstadt. Rudolstadt, Mänicke u. Jahn, 1910. 8°. 130 SS. 2 M.
Wäschke: Emser als Kritiker Luthers. Zeitschr. d. Ver. f.
d. Kirchengesch. in d. Prov. Sachsen. VI (1909). S. 81—90.
Wagner, Richard: Mein Leben. 2 Bde. Titel und Einbd.
gez. von Heinr. Wieynk. 886 SS. gr. 8°. München, F. Bruckmann,
1911. geb. 25 M.
Waldeck, O. : Die Publizistik des Schmalkaldischen Krieges.
Arch. f. Reform ationsgesch. VII. S. 1 — 55.
Das Wappen der Herzöee von Sachsen-Meiningen. Saalfische.
Beil. z. Saalfelder Kreisbl. 1911. No. 10.
Wappler, Paul: Die Stellung Kursachsens und des Land-
grafen Philipp von Hessen zur Täuferbewegung. Reformations-
geschichtliche Studien und Texte. H. 13 u. 14. MĂĽnster i. W.,
Aschendorff, 1910. gr. 8°. 254 SS. 6,80 M.
Warnecke, Fried r. : Goethe und Schiller. Weimar, Böhlau,
1909. 8°. 15 SS.
W a r t b ur g er , M. : Martin Luther. Berlin, Historischer Verlag
Baumgärtel, 1911. XXX. 171 SS. 1 M.
Wartburghefte fĂĽr den evangelischen Bund und deren
Freunde, kl. 8°. Halle, Verlag des Evang. Bundes, 1910. No. 49:
Er war unser. Zu Friedrich von Schillers Gedächtnis. 20 SS. m.
Abb. u. 1 Bildnis. 0,10 M.
Weber, Paul: Jahresbericht des städtischen Museums
1909/10. 12 SS.
Derselbe: Die Glocken der Jenaer Stadtkirche. Jen. Ztg.
1910. No. 177. (31. Juli.) 2. Blatt.
Weicker, Andr. : Die Damen von Weimar-. Mit 25 Abb.
von Louis Held. Velhagen u. Klasings Monatshefte. XXV. 1911.
H. 9. S. 73 ff.
W e i d n e r , F r i e d r. : Beiträge zur politischen Geschichte
Gothas 1815—1834. Inaug.-Diss. Jena 1907. 85 SS.
Derselbe: Gotha in der Bewegung von 1848. Nebst RĂĽck-
blicken auf die Zeit von 1815 an. Gotha, Perthes, 1908. 265 SS.
4,50 M.
Weimar. FĂĽhrer des deutschen Schillerbundes. Weimar,
Verlag des Bundes, 1909. 32 SS. 0,20 M.
Weimar. Goethe- und Schiller-Stätten. 10 Kupfergravüren.
In Leinwandmappe 20 M., einzelne GravĂĽren 2 M., einzelne Texte
0,25 M.
XXVIII. 32
494 Literatur.
Weiner, Franz: Kapellendorf, seine Burg und sein Kloster.
ThĂĽr. Monatsbl. XVII (1909). No. 4.
Weingart, H. : ThĂĽringen, Bilder aus Geschichte, Land und
Volk. Bremen, G. Winter, 1909. 80 SS. 8°. IM.
Wenck, Karl: Quellenuntersuchung und Texte zur Ge-
schichte der hl. Elisabeth. I. Ăśber die dicta quatuor ancillarum
sanctae Elisabethae. N. A. d. Gesellschaft f. ältere deutsche Ge-
schichtskunde. XXXIV. H. 2. S. 429—502. Hannover, Hahn's
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Derselbe: Der Jenaer Ausschuß. Akad. Turnbundsblätter.
XXII. 12.
Derselbe: Hermann Diemar. Nekrolog. Zeitschr. d. Ver. f.
hess. Gesch. u. Literaturk. N. F. XXXIV. S. 287—294.
Derselbe: Die Stellung des Erzstiftes Mainz im Gange der
deutschen Geschichte. Zeitschr. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Literaturk.
XLIII. S. 278-318.
Werner, Arno: Städtische und fürstliche Musikpflege in
WeiĂźenfels bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. VIII, 160 SS. m.
8 Taf. gr. 8°. Leipzig, Breitkopf u. Härtel, 1911. geb. 4 M.
Werthern, v. : Cölleda und Beichlingen, ein etymologischer
Versuch. Kalender f. d. Ortsgesch. v. Eckard tsberga. 1909. S. 33.
Wibel, H. : Zur Chronologie der ersten Ă„bte von Reinhards-
brunn. NA. f. ä. d. Gk. XXXVI. S. 728-739.
Wichdorff,Hess v. : Saalfelder BĂĽrgerleben vor 150 Jahren.
Saalfische. Beil. z. Saalf. Kreisbl. 1909. No. 13.
Widder, F.: Lessingreminiszenzen bei Schiller. Zeitschr. f.
d. d. Unterricht. XXIII. 1909. S. 678—681.
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30. März 1911. (Friedrich Rückert.) Blätter f. Unterhaltung. Beil.
z. Jen. Ztg. 1911. No. 33 (März 30). Auch S.-A.
Willmann, Franz E. : Zur Einweihung des neuen Hof-
theaters in Meiningen. In: Die schöne Literatur. XL 1910. S. 1.
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Witkowski, G. : Goethe-Schriften. Das literarische Echo.
XIII. H. 9. Berlin, Heischel u. Co., 1911.
Wolf, Gustav: Schloß Tinz. Heimat-Blätter (Geraer Ztg.).
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Ursachen und Veranlassungen. In : Deutsche Geschichtsblätter. XL
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Wolff, Karl: Die Terrassen des Saaletales und die Ursachen
ihrer Entstehung. Stuttgart, Engelhorn, 1909.
Wolle, H. : Zwei Taufnamen für neue Rudolstädter Straßen.
Zum 10. Nov. 1909. Beil. No. 264 z. Schwarzb.-Rudolst. Landes-
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Text von Ed. Scheidemantel. Weimar, Böhlau, 1907.
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ZeiĂź, H. : Bestanden in der alten Jenaischen Burschenschaft
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Zimmermann, Ernst: Neue ThĂĽringer Porzellane. Mit
12 Abb. Deutsche Kunst u. Dekoration. XIII (1910). H. 4. (Jan.).
S. 283 ff.
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der Zeit 1806/14. In: Das Bayerland. Illustr. Wochenschr. XXII.
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Z i n c k , P. : Eockenlieder. Gesammelt in Schellerhau bei
Altenburg. Mitt. d. Ver. f. sächs. Volkskunde. IV. S. 227 f.
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von Erfurt und Umgebung. In : Mitt. d. Ver. f. Gesch. von Erfurt.
H. 30/31. S. 7—15.
Zschimmer, E. : Die Glasindustrie in Jena. Ein Werk von
Schott und Abbe. Jena, Diederichs, 1909. gr. 4°. 160 SS. 6 M.
Beiträge, Neue, zur Geschichte deutschen Altertums. Hrsg.
vom Hennebergischen Altertumsforschenden Vereine zu Meiningen.
Meiningen, Brückner u. Benner, 1909. 8°. — Lieferung 22. Inh. :
Die Botenlaubischen Grabdenkmäler in der Klosterkirche zu Frauen-
rode. Von K. Zürcher. S. 3 — 38. — Die ehemalige sächsische Land-
wehr im Kreis Hildburghausen. Von E. Schaubach. S. 38 — 121. —
Lieferung 23. 1910. Inh. : Die herzogliche Hof kapelle in Meiningen.
Biographisches und Statistisches. Von Chr. Mühlfeid. S. 3—96.
Bunte Bilder aus der Vergangenheit des Vogtlandes und seiner
Kreisstadt Plauen. Von Mitgliedern und Freunden des Altertums-
vereins zu Plauen dessen erstem Vorsitzenden Herrn Alwin Neupert
gewidmet zum 70. Geburtstage, 19. März 1911. Plauen i. V., Verlag
von Rudolf Neupert jr. Aus dem Inhalt : Der Vogtstitel der Herren
von Weida, Gera und Plauen. Von Berthold Schmidt. S. 1—17.
— Vogtländische Schüler von Schlüpf orta von 1564—1648. Von
Dr. Angermann. S. 33—36. — Vogtländische Kriegsereignisse bis
zum. Ende des siebenjährigen Krieges. Von W. Dorsch. S. 37 — 56.
— Über sächsische und insbesondere Plauener Postverhältnisse in
den Jahren 1772—1823. Von E. Voigt. S. 108—113. — Die Juden
Plauens und des Vogtlandes im Mittelalter. Von W. Warg. S. 114
— 117.
Unser Ei chsf eld. Zeitschr. d. Ver. f. Eichsfeidische Heimats-
kunde. Bd. V. Heiligenstadt, F. W. Cordier, 1910. 8°. 228 SS.
Inh.: Der 30- jährige Krieg und das Eichsfeld. Von Ph. Knieb.
S. 1—21. 77—98, 138—161, 199—222. — Bilder aus dem heimat-
lichen Tierleben. Von Fr. Neureuter. S. 22—24, 177—180. — Die
Stadt Mühlhausen und die Verwüstung der Schlösser und Klöster
des Eichsfeldes im Jahre 1525. Von R. Jordan. (SchluĂź.) S. 25
— 47. — Das ehemalige Bischöfliche Progymnasium in Duderstadt.
Von K. Wüstefeld. S. 48—56. — Das Museum von Heiligenstadt,
Von A. Heil. S. 57—58. — Ein Wahrzeichen des Dorfes Bicken-
riede. Von L. Goldmann. S. 59—74. — Das Zwergloch in Heuthen.
Von K. Löffelholz. S. 75—76. — Die Verfassung und Verwaltung
der Stadt Duderstadt. (Fortsetzung.) S. 99—105, 119-137, 181-182.
— Volksglaube auf dem Eichsfelde. Von H. Herbst. S. 106-112,
32*
496 Literatur.
196 — 198. — Der Tabaksbau auf dem Untereichsfeld. Von X. S. 113
—118, 183—190. — Andreas Rabe, des Eichsfeldes Wunderkind.
Von Florentin Müller. S. 162—176, 191—195. — Kleine Mitteilungen.
S. 61—63, 110, 112, 175—176, 222—224. — Bd. VI (1911). Heft 1.
Inh. : Die ältesten Karten des Eichsfelds. Von J. Müller. S. 1 — 19.
— Inschriften aus dem Werke über Bau- und Kunstdenkmäler des
Kreises Heiligenstadt. Von W. Eassow. S. 20 — 25. — Der 30-jährige
Krieg und das Eichsfeld. Von Ph. Knieb. S. 26—50. — Aus dem
obereichsfeldischen Sagengebiete. Von L. Goldmann. S. 58 — 64-
' Geschichtsblätter, Mühlhäuser. Zeitschr. d. Altertums-
vereines f. MĂĽhlhausen i. Th. und Umgegend. Hrsg. v. Dr. Rudolf
Bemmann. Mühlhausen, Carl Albrecht. — Jahrg. X. 1909/10. Inh. :
Der RezeĂź zwischen Rat und BĂĽrgerschaft 1523. Von Jordan.
8. 1 — 13. — Der Mühlhäuser Landgraben mit einem Plan. Von
Rud. Bemmann. S. 14 — 36. — Beitrag zur Predigtgeschichte der
Dominikaner und Barfüßer in Mühlhausen i. Th. während des
14. Jahrhunderts. Von P. Michael Bihl OFM. S. 37—46. — Das
Testament des BĂĽrgermeisters Sebastian Birckener zu MĂĽhlhausen
1602 und seine Folgen. Von G. Liebe. S. 47—54. — Das Leben
des Pfarrers Magister Justus Mertz. Aus dem Kirchenbuch St. Nicolai
mitgeteilt von Ehrhardt. S. 55 — 58. — Das peinliche Gerichtsver-
fahren gegen den Dieb Wilhelm Kriesing zu Treffurt im Jahre 1755.
Von Dr. K. v. Kauffungen. S. 59 — 70. — Zum Leben des Wilhelm
Gottlieb Tilesius (1769—1857). S. 71—74. — Zur Geschichte des
Mühlhäuser Handels und Gewerbes. Von R. Bemmann. S. 75—94.
— Ein Skelettgrab aus der älteren Bronzezeit. Von Karl Seilmann.
S. 95—97. — Aus dem Jahre 1525. Von Jordan. S. 98—103. —
Ein Pfarrerjubiläum in alter Zeit. Von G. Thiele. S. 104—108. —
Herzog Wilhelm von Weimar, die Stadt MĂĽhlhausen und das Eichs-
feld. III. Teil. Von Jordan. S. 109—127. — Vom Rieseninger
Berge. Von Karl Sellmann. S. 128. — Ein Stück Mühlhäuser
Diplomatie. Von Jordan. S. 129 — 130. — Aus dem Edictbuche des
Rates. Von Bemmann. S. 131 — 132. — Eine vergessene Schrift über
Thomas Münzer. Von Jordan. S. 133. — Die Kupferplatte Merians.
Von Jordan. S. 134. — Das Streifkorps des Majors von Hellwig in
Mühlhausen. Von Jordan. S. 135. — Aus dem Jahre 1849. Von
Jordan. S. 135. — Bücherschau. S. 137 — 141. — Vereinsnachrichten.
S. 142. — Jahrg. XL 1910/11. Inh.: Aus den Jahren 1524—1525.
Von Jordan. S. 1—14. — Die Kirchenbücher im Gebiete der ehe-
mabgen freien Reichsstadt MĂĽhlhausen. Von Georg Thiele. S. 15
— 22. — Briefe des Syndicus M. Lucas Otto vom Augsburger Reichs-
tage 1547/8. Von Rud. Bemmann. S. 23—29. — Aus Martin Rinck-
hardts Buch „Monetarius seditiosus". Von Jordan. S. 30—38. —
Burg Scharfenstein. Von W. C. v. Wintzingerode. S. 39—48. —
Altkumistica. Ein Mühlhäuser Druck vom Jahre 1614. Von Heineck.
S. 49—55. — Mühlhausen am Anfang des 18. Jahrhunderts. Von
Bemmann. S. 50—60. — Zur Geschichte der Kornmarktskirche.
Von Jordan. S. 61—66. — Die Kaiserwahl Philipps von Schwaben
in Mühlhausen i. Th. Von E. Brinckmann. S. 88—93. — Herzog
Wilhelm von Weimar, die Stadt MĂĽhlhausen und das Eichsfeld.
IV. Teil. Von Jordan. S. 67—87. — Ein Nachtrag zu dem Bericht
ĂĽber die geplante Verlegung des Reichskammergerichts in die Stadt
Literatur. 497
-Mühlhausen i. Th. Von Jordan. S. 99 — 100. — Verzeichnis von
älteren geschichtlichen Arbeiten im Mühlhäuser Anzeiger. Zusammen-
gestellt von Prot. Jordan. S. 94—98. — Weiteres zur Geschichte
der Unruhen 1523/25. Von Jordan. S. 101—105. — Der „Lust-
garten" der Stadt Mühlhausen i. Th. Von Jordan. S. 106—109. —
Der Waidhandel der Stadt MĂĽhlhausen i. Th., besonders im 14. und
15. Jahrhundert. Von R. Bemmann. S. 109 — 119. — Zur Geschichte
der Mühlhäuser Juden z. Z. Königs Wenzels. Von A. Süßmann.
S. 120. — Johannes Capistrano und Mühlhausen. Von R. Bemmann.
S. 120. — Die Sturmglocke zu St. Jakob. Von Jordan. S. 121
— 122. — Aus einer Muhlhäuser Chronik. Von R. Bemmann. S. 123
— 125. — Die letzte Enthauptung in Mühlhausen 1787. Von Jordan.
S. 126-127. — Ein Brief des" Wilhelm Gottlieb Tilesius. Von
R. Bemmann. S. 128 — 129. — Das Görmarsche Kreuz. Von Jordan.
S. 130. — Die Stadtmauer zwischen Burgtor und Frauentor. Von
R. Bemmann. S. 131. — Der Schwerttanz. Von Jordan. S. 132.
— Französische und andere Emigranten in Mühlhausen 1794. Von
E. Brinckmann. S. 134 — 135. — Eine Ratsverordnung über die
Anfertigung des Backwerkes. Von R. Bemmann. S. 136. — Ver-
ordnung ĂĽber den Fleischverkauf des 16. Jahrhunderts. Von R.
Bemmann. S. 137. — Bücherschau. S. 139 — 142. — Vereinsnach-
richten. S 143.
Heimatblätter. Aus den coburg-gothaischen Landen. Hrsg.
v. R. Ehwald. Heft 7. Gotha, F. A. Perthes, 1910. Inh.: Geheimer
Hofrat Professor Dr. Friedrich Jakobs. Von R. Ehwald. S. 1—11.
— Stadt und Land Coburg im 7-jährigen Kriege. Von Tob. Quarck.
S. 12 — 22. — Geologischer Aufbau und geologische Geschichte des
Wachsenburgberges. Von R. Amthor. S. 23—32. — Die Alte Tanne
bei Friedrichsanfang. Von F. Thomas. S. 33—35. -- Beitrag zur
Geschichte von Stadt und Land Coburg. Von C. GrĂĽner. S. 36
— 46. — August Petermann und die Gothaer Kartographie. Von
H. Haack. S. 47—57. — Herzog Franz von Sachsen-Coburg-Saal-
feld (1750—1806) als Förderer der schönen Künste. Von M. Loß-
nitzer. S. 58—67. — Die Liebensteiner Burgen an der wilden Gera.
Von A. Boie. S. 68—75. — Unser Bergwald. Von A. Stier. S. 76
— 82. — Über die Anfänge des coburgischen Theaterwesens. II. Von
K. Höfer. S. 83—91. — Aus der Jugendzeit der Thüringer Tier-
welt. Von Luise Gerbing. S. 94—97. — Gothaer Ansichten auf
Münzen und Medaillen. Von B. Pick. S. 98—103.
JahrbĂĽcher der Kgl. Akad. gemeinnĂĽtziger Wissenschaften
zu Erfurt. N. F. Heft 35. Erfurt, C. Vilaret u. Co., 1910. Inh.:
Der sächsische Bruderkrieg. Gekrönte Preisarbeit. Von Herb. Koch.
S. 1-260. Geschäftliche Mitteilungen. — Heft 36. 1910. Inh.:
Wieland als Freimaurer. Von G. Deile. — Aufzählung der in der
Umgebung von Erfurt beobachteten Mikromyceten. — Die orohydro-
graphischen Verhältnisse des Stadt- und Landkreises Erfurt. Von
A. Reichardt. — Jahresbericht von E. Stange. — Nekrolog des
Dr. R. Loth.
78., 79. und 80. Jahresbericht des Vogtländischen altcr-
tumsforschenden Vereins zu Hohenleuben. Hrsg. von A. Weber,
Hohenleuben, 1910. — Inh.: Das Reichsgebiet Regnitzland bis zu Beiner
498 Literatur.
endgĂĽltigen Erwerbung durch die Burggrafen von Hohenzollern. Von
W. Warg. S. 1 — 88. — Urkundliche Geschichte der Gera-Greizer
Wollwarenindustrie von 1572 bis zur Neuzeit. Von K. Finkenwirth.
S. 89—226. — Geschäftliche Mitteilungen.
Mitteilungen der Geschichts- und Altertumsforschenden Ge-
sellschaft des Osterlandes. Bd. XII. Heft 1. Altenburg, O. Ăźonde,
1909. Inh. : Etwas von Altenburgern im Auslande. Von M. Meissner.
S. 1—41. — Der Altenburger September- Aufruhr 1830. Von dem-
selben. S. 42 — 66. — Eine steinzeitliche Grabstätte bei Zipsendorf.
Von E. Amende. S. 67 — 75. — Ein Urnenfriedhof bei Meuselwitz.
Von demselben. S. 76—84. — Ein bronzezeitlicher Depotfund bei
Kriepitzsch. Von demselben. S. 85 — 90.
Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsforsch. Vereines
zu Eisenberg. Eisenberg, Selbstverl. d. Ver., 1910. Heft 26 u. 27.
Inh.: Das SchloĂź zu Eisenberg um die Mitte des 16. Jahrhunderts.
Von H. Lobe. S. 3—26. — Leben und Wirken des Kupferstechers
Ed. Büchel. Von H. Sachse. S. 27—50. — Der Ostkreis und der
Westkreis. Von O. Weise. S. 51—56. — Die Besiedelung Thüringens
auf Grund der Ortsnamen. Von O. Weise. S. 57—66. — Die hand-
schriftlichen Bestände in der Sammlung unserer Gesellschaft. Von
Geyer. S. 67 — 84. — Bücherbestand der Vereinsbibliothek von dem-
selben. S. 85—112. — Nachtrag zu der Arbeit über Flurnamen im
24. Hefte. S. 113. — Geschäftliche Mitteilungen. S. 114—119.
Mitteilungen des Vereins fĂĽr die Geschichte und Altertums-
kunde von Erfurt. Heft 30/31. Erfurt, H. Güther, 1909/10. 8°.
228 SS. Inh.: Bericht über die Tätigkeit des Vereines im Jahre
1909. S. V— XVI. — Zwei neolithische Gräber mit Schnurkeramik
von Erfurt. Von Zschiesche. S. 3—6. — Weitere Funde aus der
merowingischen Zeit von Erfurt und Umgegend. Von demselben.
S. 7 — 16." — Über das bischöfliche geistliche Gericht zu Erfurt. Von
J. Feldkamm. S. 17—44. — Das Benefizial- oder Vikarienbuch
Erfurts. Von demselben. S. 45—226. — Mit 2 Taf., 3 Abb., 5 Stamm-
tafeln.
Mitteilungen des Vereines fĂĽr Gothaische Geschichte und
Altertumsforschung. Jahrgang 1908/09. Gotha 1909. 108 SS. Inh. :
Aus der Geschichte des Dorfes Rödichen. Von L. Gerbing. S. 1
— 32. — Neue Studien zur älteren Geschichte des Gymnasiums zu
Gotha. Von M. Schneider. S. 33—64. — Die Druckerei auf dem
Grimmenstein und der Drucker Johann Friedrichs d. M. Von
R. Ehwald. S. 65—87. — De monte Sebergo in Thuringia sito.
Von G. Florschütz. S. 88—92. — Der Gothaer Goldmünzenfund.
Von B. Pick. S. 93—96. — Der Mönchshof bei Manebach und
seine Beziehungen zum tugendhaften Schreiber. Von H. Helb.
S. 97—101.
Mitteilungen des Ver. f. Geschichte u. Altertumskunde zu
Kahla und Roda. Bd. VII. Heft 1. Kahla, J. Beck, 1909. Inh.: Die
Stadtbefestigung von Kahla. Von Fr. Lehmann. S. 1—28. — Das
Urkundenbuch der Stadt Kahla. Von V. Lommer. S. 29—86. — Der
Drachenglaube im Altenburger Westkreise. Von P. Ammer. S. 87
Literatur. 499
—107. — Nachrichten über Adlige aus den Kirchenbüchern der
Ephorie Kahla. X. Parochie Heilingen. Von E. Huhn. S. 108—112.
Mitteilungen des Vereins f. Geschichte u. Naturwissenschaft
in Sangerhausen. Sangerhausen, L. Arendt, 1910. 8°. (18Taf.)
Inh. : Die St. Katharinenkirche im Helmsthale bei Sangerhausen.
Von F. Schmidt. S. 5 — 32. — Zur Geschichte von Beyernaumburg.
Von M. Trippenbach. S. 33-37. — Die Örtlichkeit' von Goethes
Hermann und Dorothea. S. 38—39. — Friedrich Wilhelm Graf
von Eeden. S. 39 — 4L — Der Geograph Karl Ritter in Sanger-
hausen. S. 41 — 42. — Baugeschichtliches zum Kloster Kaltenborn.
S. 42 — 46. — Die Glocken von St. Jakobi in Sangerhausen. S. 46
— 47. — Vorgeschichtliche Funde. Von Krieg. S. 48—52.
Schriften des Vereins fĂĽr Sachsen -meiningische Ge-
schichte u. Landeskunde. Hildburghausen 1910. Heft 60. VIII, 167 S.
Inh. : Die Grafschaft Cam bürg. Von E. Eichhorn. 3 M. — Heft 61.
Inh. : Neue Landeskunde des Herzogtums Sachsen-Meiningen. H. 7 (3).
Die Fauna. Von A. Weiss. V. Abteilung. Arthropoda (Glieder-
füßlerj. S. 871—1018. — Heft 62. Inh. : Der Bock bei Wallendorf,
S.-M. 1910. 144 SS. 2 M.
Abgeschlossen am 1. Juli 1911.
Berichtigung.
In dem Vorworte zu den Thür. Geschichtsqu. N. F. VI : „Die
Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waitershausen" ist die An-
gabe, daĂź Herr Dr. Devrient den SchluĂź des 4. und 6. Kapitels
der Einleitung bearbeitet habe, nicht ganz richtig. Es muĂź heiĂźen :
den SchluĂź des 5. und 6. Kapitels.
Die Redaktion.
Krommannsche Buchdruckerei Hermann Pöble) in Jena. — 3899
DD Verein fĂĽr ThĂĽringische
801 Geschichte und Altertumskunde,
T4.V4 Jena
n.F. Zeitschrift.
Bd. 20 n.F., Bd.20
PLEASE DO NOT REMOVE
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UN1VERSITY OF TORONTO LIBRARY
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