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iv*o <
Zeitsclirift
des
Vereins für hessische Geschichte
und Landeskunde.
-Ö^^Hs'-«-
Neue Folge. Sechszehnler Band.
(Per gnnzeii Folge XXVI. Dand.)
Kassel.
Im l'ommissiousvoiiano von A. Fn-ysi-liinUl,
IIuf-RncliliandhiuK.
'*..i.*
-H 6 ^ '-^ aBINHM|^UMMMITT'
Piuck von L. Doli in Kassel.
Inhalt.
Seite
I. Die Heirath Jolanta's von Lothringen mit Wilhelm.
Landgrafen von Hessen. Von Carl v. Stamford. 1
II. Inventarium der Artillerie Landgraf Philipps des
GrossmUthigen. Von Joseph Seh wank. . 22
111. Die Jerusalemfahrten der Grafen Philipp, Ludwig
(1484) und Reinhard von Hanau (1550). Von K e i n-
hold Köhiicht 85
IV. Die Antithesis Christi et Papae in der Schlosskirche
zu Schmalkalden. Von Otto Gerland. . . 189
V. Beiträge zur Geschichte der Schiffiahrt in Hessen,
besonders auf der Fulda. Von Hugo Brunner. . 202
VI. Aus den letzten Tagen des Königreichs Westphalen.
Von Arthur Kloinschmidt 244
VIT. Ein Process vor dem peinlichen Halsgerichte (1636
— 1641). Von Carl V. Stamford 285
VIII. Die Theilnahme des KurfUrsten Wilhelm I. von
Hessen am Oesterrcichischen Krieg 1809. Von Willi
Varges 316
IX Aus alten Geschossregistern. Von Gustav Siegel. 344
- l-'t.-t'S-r-i:'--i
Die Heirath Jolanta's von Lothringen
mit Wilhelm, Landgrafen von Hessen.
Aus dem Franzüsisc-ließ übcitrAguii
von
Carl von Statnford.
Vorbemerkung.
|-;jie riiivcrtiitäts- luid Ljuuh'fsbibliotlu'k za Strassbnrg
4fntliiilt die von der ultin-thuuisforscht^ndeu Gewell-
solmft zu Niincy luTausgegebene Zeitschrift Recueil de
f(vfui/u'ith ftur Fhistoire de Loitiu'nc. vim wrichftr nur
120 l'^Xfinplan* abgt^zo^e» wiTflcii ; in dein Jnhrgangp
von IHöö bii(|i-f si<-h ; Dift-oiira di'a reretnonJt'S et unirea
rftofics qiii tie pas^sh-vitl a In conduidf de Mndaute Yohiud
de LorratHC rf an festin dvs nojKrs d'rlle et de Gut'l-
Itinuif, liiiidtfrni'e d( IküHfiK *it /'an MCCCCXCV/I.
Htnaasgfbi'r dt'V Scbiift int Hvrr Henri L<>page, WRlcher
sjit« in ciniM' alten Sainuduiig ..Libtjr »nnninin" entJeekte.
Der Verfu68<T dns Dist<iur.s ist uubi-kaunt. L(;page
K K. XVI. »J 1
stellt die Vermutung hin, es könne ein Secretär Her-
zog Rene''s 11. von Lothringen gewesen st-in, welchen
der Herzog in der Begleitung seiner Schwi'Siter mit-
pandte, um diiR hei der Reise und den Festlichkeiten
Vorgefallene iiufzuzi'iclmen. Lt*page hemerkt weiter,
Jpan Lud, wt'lcher noch im Jjilire 150() jenes Amt he-
gleitet hahe, möge der Berichterstatter gewesen sein.
Die l'rinzessin .lolanta war Tochter von Kerry 11.
Grafen von Vaudemont und Jolanta von Anjou. Tochter
Rcne's I. von Lothringen: ihr älterer Brndi-r war Rene 11.,
Herzog von Lothringen, welcher die .Xnsprüche des
Hause.s Anjou auf das Königreich Neapel fortsetzte,
nachdem selbst König Karl Vlll. von Frankreich mit
seinem Eroberungszuge nach Neapel gescheitert w-ar.
Da das offenbar von einem Augenzeugen abgefasste
Schriftstück einen Beitrag zur hessischen (ieschichte
und ein Bild der Zeit gewährt, erscheint es nicht ohne
Interesse. Eine angenehme Pflicht ist es für mich, der
Freundlichkeit zu gedenken, mit welcher die Beamten
der Universitätjä- und Landesbibliothek zu Stra.ssburg
mir, einem Fremden, entgegen kamen, wobei ich ins-
besondere mich Herrn Dr. Schmidt verpflichtet fühle.
Der Gefälligkeit des Herrn Professors Dr Gröber der
Universität verdanke ich die Erklärung mehrerer alt-
französischer, aus der Sprache verschwundener .Vusdrücke.
Der Bericht lautet in möglich getreuer l'eber-
setzung wie folgt.
L
Im Jahre der Gnade 1497. am Dienstage dem
17. Tage des Monats October. als der Kr»nig und die
Königin*) mit Madamoyselle sich zu Pont-a-Mousson
♦i Der Herzog und die Herzogin von Lothringen, welche
noch den Köriigüttitel von Neapel führten. (Anm. des Herausgeber».;
befanden, reisten sie von dort ab iim nach .Sierck zu
ziehen, nämlit-h der Könjir und die Königin mit einem
Th(^jle des Adels auf dem Wege von Gorxe. von da nach
Moyenvre. dann nach Sierck und Madamoyselle, mit
mehreren des Landes und einer grossen Zahl vom Adel,
bestiegen die Sdiiffe, widche auf dem Flusse Mezelle
vorbereitet warten, und zogen vom genannten Pont nach
Metz. Das Ah»Midessen wurde in dem Gasthause Messire
l'ierre üaudoche"». genannt Passeternps, eingenommen,
danaili logirte sie bei Messire Phelij>^>e von Rugecourt
in Reinem Hanse, genannt Wuyde houtailie, sich ein;
und vor dem bezeichneten Ahende.ssen hoten die Oberen
der genannten Stadt Miidamovselle einen silbernen ver-
goldeten Becher dar, für welchen ihnen gedankt wurde.
Am Mittun eben den 18. Tag «les genannten
Mimats. hörte Madanioy.selle die Slesse in der Abtei St,
Vincent, nach welcher die Herren von der grossen Kirche
ihr einen sehr .schauen Hecber von Crlstal verehrten,
dtT zierlich mit vergoldetem Silber gefasst war. wofür
ihnen gedankt wurde; hierauf wurde in dem genannten
Klosb-r das Mittagsmahl gehalten, nach welchem sie in
di»' bereitgi'haltenen Schiffe sicli begaJ>en, vom Adel
begleitet, und nach Thionville fuhren, wo Madanioyselle
mehn^re Get'ilsse mit Wtiii von den Oberen und Bürgern
der Stadt dargehraelit wurden,
Donnerstag den If). Tag reisten sie von Thion-
ville ab und kamen nach Sierck ; an diesem Tage langten
auch der König und die Königin daselbst au und der
Aufenthalt dauerte Freitag, Samstag, Sonntag und Mon-
tag, sowohl um die Grafen und vornehmen Herren zu
erwarten, welche aus Dent^ichlaiHi nach genanntem Orte
kamen, als auch um di»^ noch notwendigeji Vorberei-
tungen zu treffen.
Dienstag den 24. Tag des Octobers, nachdem
allet« wie gesagt ist ausgefülirt war, führten der Kijnig und
die Königin Madamoysellf zu d^n .Schiffen und als der
Abschied mit viel Thränen und Schluchzen genommen
war. bestieg Madamoyselle ihr Schiff mit dmi Htjrren
Grafen von Salm. Hitsch. Saarwerden, Kheingraf und
von Thierstein, den Herren Bastarden von Calabre. von
Yandemont, von Anjou und von Geldern und mehreren
andern Edelleuten nebst einer grossen Zahl von Damen
und Damoysellen, welche zur Begleitung bis Coblenz
abgeordnet waren, im Ganzen etwa 400 Personen,
welche sich auf mehreren Schiffen befanden. Die Küche
und die Dienerschaft hatten das ihrige, die Kanoniere
und die Geschütze (artilliez) in einem anderen begrüsstt^n
die Städte und Festungen, aus denen beim gewohnten
Schalle ihrer Orgeln, Trompeten und Tambourins her-
auskamen. Und zogen bis Pont Cabello*), wo sie das
gros.se Schiff fanden, welches mein Herr Erzbischof von
Trier vorausgesandt hatte um der Gesellschaft zu dienen:
auf welches Madamoyselle mit den Damen und dem
Adel sich bt>gab und wo sie schöne Kämmerlein und
Galerien darüber fanden.
Am genatmten Tage etwa um 4 Uhr Nachmittags
kam Madamoyselle zu Trier an und beim Landen des
Schiffes begrüssten sie der Herr Dechant di-r Kirche
von Trier und Wiry de la I'icore, begleitet von anderen
Edelleuten, welche ihr im Najnen meines Herrn von
Trier seine Stadt und seine Güt^^r anboten, indem sie
erklärten, sie hätten ausdrücklichen Befehl, ihr zu ge-
horchen und sie zu behandeln wie die eig«'ne J'erson
ihres Gebieters: wofür sie dankte.
*) Änmcrkicuy des Vebersttxa-a. Es ist mir nicht golungcii.
den deutschen Nanicn zu crinittoln, welcheu der fiaazösischc
Berichterstatter hier gehört hatte. Da ein .gi-ossos Sohiff* bis
hierher gelangte, darf man wohl an die Stelle denken, wo die
Mosel diu Saar aufnimmt; Conzer Brücke liegt daselbst und ist
viellciciit gemeint.
Hierniif bestieg sie ihn- 8änfti', vor wclchr sich
dir Herren Grafen und «Icr Adul, zu Zwi-it'n, dann die.
Gräfinnen, ÜHmt^n und Dumoysidlen st't/.t«'n : an dem
Thore d<*r Stadt angelangt fanrlen sie die Ohiigkuit
derselben in schönem Aufzuge mit einer An/alil Be-
wafFnttter zu Fuss, welche die Tlinre bewachen ; jene
Juiten ihr die Stadt und iiire Güter an nnd begrüssten
sie auf heitere Weise. In derselben Ordnung wie zu-
vor zog Sladamoyaell'? in die Stadt ein, niaelite einen
grofesen Umzog durcb diu Strassen, welche wie mit
Menschen besäet erschienen, was schön anzusehen war
und stieg im Paläste meines Herrn vun Trier ab. wohin
wiederum die Oberen der Stadt kamen und mit gutem
•Viistande einen t>ehr tji;liijin;ri silherteMi mit einem Ehren-
trunke gefüllten Topf darbiaehten, welches ihnen ver-
dankt wurde. Alte spei.^ten in dem bezeichneten Pa-
laste zu Abend und wurden auf Kosten meine« Herrn
von Trier wohl gehaltt-n. Und diesen .selbigen Abend
langtn in der genannten Stadt mein Herr von Baden
an, welcher unseren Leuten nn'!den lies«, da."« er nacli
Coblenz zöge, um mit nn-ineni Herrn von Trier Mada-
moyselle zu empfangen.
Mittwochen den iJö. Tag des Octobers reiste
Madamoyselle von Trier ab und blieb zu Natdit in
Herncaatel, einer kleinen guten Stadt meines Herrn von
Trier und logirte sich in dem Hospital des Ciirdinaln
F)mza ein, gegenüber der erwähnten Stadt auf der anderen
SeitA! lies Flusses *).
Donnerstag kam sie zu Zell**» an uml \vur<le
•) Anmerkuity di» rebetselxers. Eb kaim hier mir dur Car-
«Haal Nicolaus von Cusa gemouit Hein, svolelier nu?s dorn nog<<mibei'
von Berucabti'l am hnken Tfor iler Mosel liegomleu Dorfc i'ue»
Ktarnmte.
**) Anuinhtmj des L'eiM>rKi'l\r.ni, Im IVaiiÄOsisuhi-n Tcxtu lieisst
w: 2«llo un Maiu, der Hori'.-Ltoi'stattci hat(e wohl ilnvoa gehört.
6
in einem Hause aufgenommen, welches mein Herr von
Trier daselbst hatte bauen lassen.
Freitag kam sie nach Kochern; in diesen Orten
und auf dem ganzen Wege von Trier bis Coblenz ein-
schliesslich, sowol zu Wasser als für diejenigen welche
zu Lande die Pferde auf dem geraden Wege führten,
hatte mein Herr von Trier eigene Lente abgeordnet,
welche alle Lehensmittel frei lieferten und für Woh-
nungen von Ort zu Ort sorgten.
Samstag den 28. Tag des Octobers kam Mada-
moyselle nach der Abreise von Kochem im Hafen von
Coblenz ungefähr um die Vesperstunde an. Mein Herr
von Trier, angethan mit einem Kleide von Goldstoff,
nebst meinem Herrn Markgrafen von Baden, seinen drei
Söhnen, hegleitet von einer grossen Anzahl des Adels
und einer Menge Volks, Trompetern und Spielleuten,
welche sehr gut aufspielten, empfingen sie: und wurde
Madamoyselle zwischen und durch unsere Herrn Grafen
von Seite des Königs ihres Bruders in die Hände der
genannten Herrn von Trier und Herrn Markgrafen von
Baden als ihrer nahen Verwandten überliefert, welche
sie empfingen, sie küssten und den einen zur rechten,
den anderen zur linken, von ihnen zum Palaste meines
Herrn von Trier geführt, nahe der Kirche St. Florent
gelegen, wo Madamoyselle und ihre Leute zu Nacht
speisten und die genannten Herren von Trier und Mark-
graf von Baden mit ihrem Gefolge sich zurückzogen
und in dem Schlosse zu Nacht speisten, welches in ge-
nanntem Coblenz nahe der steinernen Brücke liegt,
worin mein Herr von Trier seinen Hofstaat hatte.
Nach dem Abendessen erschien mein Herr Mark-
graf und führte Madamoyselle zu drei oder vier deutschen
daiiR das Städtlein .Zoll im HaTnin" ^luuiot werde. Diese Bezoicb-
Dimg ist noch heote im Oebmache.
Tönzfii auf. mul ni>iii Herr \ou IiU'T sandN- Eiiiigp,
welche Madamoysclle uinl ili'ii Adr! am frtlgHiifjHii Ta<ji"
zum Mittagf'ssen in .si'iiiem nln?ii hezeiühneten Schloasi*
{.'eleiti-n sollbtii.
An diesem Abemli' uiinl«^ iMa(lamoyst.^]lt! gemeldi-t.
»iass die Leute meines Herrn Ijjiiulgrafeii aiigelanyt
s^ieii, iiäiDlicii Otto ünif vorj Sulins, [leinrirli Cuaf von
Hoiistein, dtr Herr von T.ijijic und ändert', in der Zahl
von etwa 60 Pfenleu, welclif jMailanioysieliL' oniplunguii
sollten, um itie nach Hets.sen zu führen, und von anderer
Seite waren einige angekommen. Herr Conrad von
Waidenstein und ein Doctor, Kanzler von Töln, mit
anderen Abgesandten von Seite de« Herrn Erzhi.schof.s
von Cöln.
Sonntag, nachd^-m Äladanutyselle angekleidet war.
kamen die erwähnten Abjjiesandten zum Palaste, be-
grüssten Muiäanioyselle und übergaben ihr ihre Credenz-
briefe, in welelien ausgesprocben war, dass sie von tli^m
Herrn Latidgrafen gesandt würden, um sie nach Hi',s.sen
zu führen und zu geleiten und um ihr aU ihrer Dame
zn gehorchen. Gleicherweise legten diejenigen meines
gt^nannten Herrn von Cülu ihre Beglaubigung voi".
Welche hie anwies, ihr alle Üiell^te bei dieser Rei.se zu
leisten, welche sie vermöchten; und weil mein Herr von
Trier wie nn'iri H»>rr Markgraf gerade abwesend waren,
wurde die Antwort aufgesichoben, mit dem Hinwei-^e
darauf, dass, weil die bezeichneten Fürsten die nächsten
Verwandten von Madninoyselle seien und der König ihnen
»eine Schwester zugesandt habe, es recht und biUig
seie, zn warten und dass mit ihnen die Antwort er-
tlieilt, sowie der Zweck und Auftrag i'rklärt würden,
welche ihnen von dem Könige ertheilt .seien. Hiernach
und als in der Kirche St. Florent die Messe geliört
war, begab MadamoyseJlo .■sich mit dein Adel zum Mittag-
essen in dem genannten Schlos.se, bei welchem Mahle
8
sie infolge der Reichhaltigkeit der Gerichte, welche mein
Herr von Trier hatte zubereiten lassen, melir als drei
Stunden an der Tafel zubrachten ; während dieses Ban-
ketts zogen sich, weil den folgenden Morgen die Reise
angetreten werden sollte, der Herr Prevost von St.
George, Jehan d'Amance, von der Schatzkummer des
Königs, Herr Christofle, Secretär und Adam, geschwo-
rener Schreiber von Sierck, in ein besonderes Gemach
zurück, wo die Leute von der Münze und etwelche
Räthe meines Herrn von Trier mit aruleren Leuten
von den Finanzen des Herrn Landgrafen versammelt
waren. Diesen wurden von den erwähnten Leuten
des Königs die 82000 rheinischen Goldgülden vorge-
zählt und überliefert, welche der König seiner Schwester
als Heiratsgut mitgibt; und diese Goldgülden alle
Glanz ausstrahlend, stachen mehreren der Anwesenden,
welche deren wenig besassen und niemals so viele
auf einem Haufen gesehen hatten, sehr in die Augen,
wesshalb sie in grosse Bewunderung ausbrachen. Die
bezeichneten Gulden wurden von den Verordneten
meines genannten Herrn von Trier empfangen, wobei
die gegenwärtigen erwähnten von Hessen keine zurück-
wiesen, und blieben in Verwahrsam und in Händen
meines genannten Herrn von Trier, bis mein Herr von
Hessen die Ehe vollzogen und die Briefe über die
Feststellung der Morgengabe ausgefertigt habe, nebst
anderen Dingen, wie es in den vorher gegangenen
Tagen durch die Abgesandten beider Theile festgesetzt
worden war.
Ungefähr um die Vesperzeit, als Madamoyselle in
Gesellschaft meines Herrn von Trier, meines Herrn
Markgrafen, seiner drei Kinder und des ganzen Adels
sich befand, erschienen die Herren .Vbgesandten von
Hessen, und nachdem sie ihren Auftrag vom Morgen
wiederholt hatten, wurde ihnen durch meinen genannten
9
Hvrrn von Trier, meinten Herrn Markgrafen uiul nifinft
Herrun Gesandten des Königs mit Krklimaug ihrer Be-
voMraäclitigung Madamuysellii ilbergctu-n.
Tnd von dem Saale, wo di(i gen.uiuti- Keierliclikeit
btatt^ftfuruleu hatfe. fülirteii die gt'tianiiten Gi'afeii von
Solms lind von Honstein Madamnyselle, indem sie ehr-
fnnditsvoll sie unter die Arme nahmen, in ihre Kammer,
Worauf sie von ihr für dieKcn Tag Ahsehied nahmen.
Des Abends fand wieder das Abendessen für
Madanioyselle nnd ihm Leute in dem bezeichneten
Faltete Btatt und es wurde die Vorbereitung für die
Abreise am nächsten Morgen geinaclit ; und zum iSchluäse
gewährte mein Herr von Trier alles auf so gute und
freundliche Weise, dass er wohl in der That bewies.
dass Madamoyselle seine Verwandte und er aus dem
Hanse Lothringen entstammt sei*).
Nachdem Madamoyselle und ihre Leute am folgenden
Morgen, welche.s Montag der 30. Oetober war, io
dem genannten Palaste die Suppe verzehrt hatten, nahmen
meine Herren von Trier und der Markgraf Madauioyselh«
and begaben sich mit dem ganzen Adel, den Herren
nnd den Damen, keine ausgenommen, in da» grosse
ScliifF, welches mein Herr von Trier auf deju Rheine
hat und fuhren über den Khein, vvn die Wagen und
die Pferde derjenigen bereit gehalten waren, wekhe.
mit dir nach He.s.sen ziehen sidlteji, Und .selbige
Madamoy^«dle nahn> AlKsehied von ineiru'ti genannten
Herren, Hodanji von den Damen und l);imoyHeIlen,
welches nicht ohne Si-ufzen abging, darauf stieg sie in
dn*en Wagen und lu;gab .-^ieh mit ihren Li-uttMi und der
djwu verordneten Mande auf (\*m Weg, dii- iihrig«'U vi»ui
Adel kehrten natdi Lothringen zurück.
•) Aiiineikumi i/cs llrrfinf<yt:hrrx. IXt KrilnÄcliiif war AAm
von Jaooli, MarL^Ttit von Hmlcn urul iLUtliariiiH. 'tcr zweiten T<>fhti«r
Knrl» II, Horzogs von Ix>thriiigöri.
10
An dem bezeichneten Tage kam ^ladamovselle zn
Montabaur an, einer guten St^idt meines Herrn von
Trier, welche neu hergestellt war, da sie vier .lahrc
zuvor durch eine Feuersbrunst verbrannt wurde; hier
bestimmten die Leute meines Herrn von Hessen die
Wohnungen und wiesen den Leuten des Königs die
ihrige besonders und von der eigenen getrennt an
sowol was Küche als Stall und anderes anlangte und
machten nur Lieferung den Ihrigen und denen, welche
zum Staate meiner genannten Damoyselle verordnet
waren, ohne den Abgesandten des Königs, welche nach
Hessen zogen, um das Witthum zu prüfen und wegen
anderer diesen Ehebund betreifender ihnen aufgetragener
Dinge, irgend etwas zukommen zu lassen, wie es auch
femer geschah An diesem Orte Montabaur, verab-
reichten die Leute meines Herrn von Trier, sowol den
Leuten des Königs wie den Hessen einigen Wein und
Hafer, jedem Theile besonders und dem einen soviel
wie dem andern.
Dienstag den 81. Tag des genannten Monat
October, dem Vorabende von Allerheiligen, gelangte die
Gesellschaft zu Liropurg an, welches eine gute Stadt
meines Herrn von Trier und meines Herrn Landgrafen
von Margburg ist, wo eine jede Bande ihre. Ein-
richtungen besonders machte und jene Hessen Madamoy-
selle so schlecht logirten, dass nach ihrer Rückkehr
von der Kirche der Brüder Min(»riten, w(» sie noch spät
die Messe gehört hatte, sie sich genötigt sah, sich in
die Wohnung zurückzuziehen, welche dem Grafen von
Salm zugewiesen war. In dieser selben Stadt verlor
Johann von Lyon, der Koch von Madamoyselle, sein
Pferd und als dies den Hessen mitgetheilt wurde,
erwiderten sie nvenn Madamoyselle einen solchen Koch
für sich haben wolle, so müsse sie ihn mit einem Pferde
versehen, denn sie hätten kein Geld, am ihm eines zu
11
kanfcn«. worfiber MadamoTselli* einif«'nna99en rt>r-
wandert wurde, ebenso wie alle L«ate de« Königs,
nicht flovol ««41 s^ie nicht hinlänglich Geld zum Ankaofe
mehrerer Pferde gehabt hätten, als lediglich wegen der
Art and Weise der genannten llesseu.
Mittwochen den Tag Allerheiligen, reiste
man von genanntem Liinparg bei gater Zeit ab ond
langte zirmlich s^fiit in Wetz Willer (%Vetalar) an. einer
kai»erliciM!D Beicbtsstadt, wo die Bürger der Stadt Ge-
«chrakevon daigera Wein darbrachten nnd ungefähr zwei
Wi^giäUMleii von da erschien der junge Graf von Sohns
vor Madamofaellc ; in ein«m ihm zugehörigen Dorfe
nmiinrii Liea, wo dif Gräfin, seine Gemahlin, schön
sad mch in Goidtuch gekleidet, mit einem Schwärm
h&bwlwr Mädchen sich befand, bereitete er den Fiscb-
Cnig •) vor nnd von hier an begleitete der genannte junge
Graf Madamoyselle bits nach Ca«»el.
Donnerstag den 2ten Tag des Novembers,
nachdem man genannte» Wetz Willer verlassen hatte,
«•ifbllgtd die Ankauft zn ^largpurg and es erschien vor
Madamoyaelle mein Herr Landgraf des besagten Marg-
paig, welcher ein Vetter meines Herrn Landgrafen zu
Kassel i«>t, sehr trefflich begleitet von ungefähr 200
Pferden, und führte den Empfang zvi Fasse mit ent-
bluartem Haupte auts wobei die Anrede von seinem
Marschall gehalttm wurde, es wurdi* darauf für gut
befunden, da»* die Hessen die Antwort ertheilten, in
Anbetracht dessen dass Madamoyselle bereits überliefert
worden war. Diese Antwort gab d.T Graf von Solms,
KOof geleitete siie der genannte Herr nebst -tvinem
Schwager, dem Grafen von Nassau, Herrn von Thilmart,
Ina in sein Schlons. weiches am Ende der Stadt auf
'•««nem hohen Berge gelegen ist, wo besrngte meine
") Anmtfktttfj »/<>* I'fiertttxers. Die Speise für den hohen
KjKMttüg aolite gerroonen verdeu,
12
Damoysi'llft wohnte und bewirthete sie mit der Randü
des Königs festlich beim Abendessen. Nach dem Abend-
essen führt-e der genannte Herr sie beim Schalle von
8 Trompeten, welche sich da befanden, zu drei oder
vier Tänzen auf und der genannte H(mt Hess die Quartiere
der beiden Banden alle auf seine Kosten stellen.
Am folgenden Morgen, nachdem die hohe Mnsse
mit Orgel und Musik in einer schönen Capelle seines
Schlosses gesungen war, Hess er Jedermann die Suppe
und weissen Hyppocras in Fülle reichen. ^Nachdem dies
geschehen, stieg Alles zu Pferde und sie führten Mada-
moyselle an das andere Ende der Stadt im Thale, in die
Kirche zu St. Elisabeth, wo ihr der Körper dieser
Heiligen gezeigt wurde, von welcher die Herrn von Hessen
abstammen, hierbei der Mantel der genannten Heiligen,
welchen die dortigen Mönche mit dorn genannten Herrn
von Margpurg Madamoyselle in schönem Aufzuge zur
Anschauung brachten. Sodann bestiegen Alle die Rosse,
nämlich der genannte Herr von Margpurg, begleitet
von 300 Gewappneten zu Ross, und unsre gesammte
Gesellschaft zogen gemeinsam in schönem Aufzuge bis
auf eine Viertellieue, wo dann der Abschied von Mada-
moyselle in aller Ehrerbietung stattfand und der genannt«
Herr von Margpurg, nachdem er alle Ehre erwiesen
hatte, sich mit seiner Bande auf einem andern Wege
gegen Cassel zog als dem unsrigen, um die Quartiere
nicht zu verengen.
Freitag den 8*®" Tag des Novembers, war die
Bande des Königs zu Guenuinde (Gemünden an der
Wohra) eingeritten, einer kleinen, ziemlich schmutzigen
Stadt mit schlechten Wohnungen ; weil nicht alle da
wohnen konnten, zog Madamoyselle mit ihrer Band»
eine halbe Lieue weiter nach der Abtei vom Orden der
Cistercienser, des Namens Huue (Haina). Die Mönch«i
derselben wollten die Damen weder einziehen noch da-
13
■nhiif kfleea, iBden das, wie sie sagten, g«gvii
ibrp OrdnBnrgcl sei; weshalb Madamoy^ellc genöthigt
war. iu Grdald die Wobnang cinns der HinttirMas9(>ii
imd AiWtt<>r bpcagten Kloi^tirs anzonehm«'!!, rtn**
Kamairr, di*' wi gut tapf^iert war. da** «ije vi»-r W'iiid*«
darin bliesen.
Samstag den 4^ Tag des Novembers, erfolgte
die Anknnft zn Virczier (Fritzlar) «Miter guten Stadt
meine« Herrn von Alainz, anter der Obhnt meine« Herrn
Landgrafen von Cassel. nnd nngefTihr Ptoe Liene von
da erschien vor Madamoyselie die Gräfin von Xassaa,
Schwester des genannten Herrn von J!:irgpurg und eine
Dame, Äbtissin von ßafTung (Kaafungen). Schwester
des Fönten von Anhalt, mit mehreren schön gemalten
und stark vergoldeten Kutschen, und es befanden sich
dabei der Abt von Feld (Fulda), der junge Graf von
Nassau und Salbruche (Saarbrücken) um! der Graf von
Hennenberg mit ungefähr 15«) gewappneten Pferden;
sie bereiteten Madamoyselie einen grosf^n iCropfang,
wobei ftie au.<«»ipiachen, dass sie von Seiten meines
Herrn Landgrafen zu Cassel^ ihres Verlobteu. abgesandt
seien nm ihr dii-s Geleite zu geben. In diesem Ort
Wirczler liielten die Leute meines Herrn von Cai^sel die
ganze GefeelUchaft frei.
Sonntag den 5*p" Tag des genannten Monats
reisten sie nach eingenommenrr Suppe von besagtem
Wirczler ab und etwa auf halbem Wege naeh Cassel sah
man »eitwärt« meinen Herrn Landgrafen von Margpurg
g^gen die Schar von MadainoyKelle heranziehen, alle diese
Leute waren zu Dreien nnd Dreien, wol beritten und
bewaffnet nach deutscher Art, es waren nunmehr etwa
400 Pferde, unt] in dieser Ordnung zogen sie Alle
zur Seitn von Madamoyselie in j^cliünem Aufzuge in
ttinem Gew-hwader. Als man soweit vorgerßckt war,
dsM» man die Stadt Ca^i^el selten konnte, sah man aus
.
14
derselben meinen Herrn Landgrafen von Cassel hervor-
kommen und gegen uns h(;ranziehen. l>egleitet von
meinem Herrn ErzbiKchofe von Cöln, seinem Oheim,
meinem Herrn Markgrafen von Brandenburg, Friedrich
und seinem Sohne, dem jungen Herzoge von Meklenburg.
dem Landgrafen von Lnchtenberg Jjeuchtenberg ) nebst
mehreren Abgesandten von Fürsten und anderen Grafen.
Freiherren, Rittern, KdelleutHu und Andern, alle in der
Liberfi des Verlobten und es mochten sowol von den
Ersteren, wie von den aus der Stadt Ausgerittenen 2000
Pferde und mehr im Felde sein. Mein Herr von Cassel
und mein Herr von Cöln näherten sich dem Wagen, in
welchem Madamoyselle sich befand und begrttssten sie,
indem sie vom Pferde herab sie umarmten, ohne lange
Umstände oder Reden.
Hierauf wendete die ganze Schar sich um die
Wagen und uns herum in guter Ordnung zu Dreien
und Dreien, und die Ebene ist derartig, dass nichts
darauf verborgen bleibt; als alles vorbeigezogen war,
mit Ausnahme der Wagen, kamen Andere an, wie Aebte,
Collegien und Kirchen und brachten Madamoyselle ihre
Geschenke dar, die Einen Lateinisch redend, die Anderen
Deutsch, Ihnen wurde der Dank durch die Leute des
Königs im Namen von Madame ausgesprochen. Die
Fürsten gaben jeder eine mit Edel^^teinen besetzt*
Spange, in der Zahl sechs. Das Land gab vier Becher,
zwei Flacons, zwei grosse und zwei kleine Töpfe, Alles
vergoldet; andere widmeten Becher und Töpfe mit
Münze; das Silbergeschirr war von gutem Muster und
leichter Arbeit. Und andere gaben Gulden, was sich
auf 190000 Goldgulden belief*).
•) Anmerkung des i'ebensehers. Dor angogobone Ik'trag
der Geldgeschenke miiss befremdeu, in joner gcldaruion Zeit waieii
190000 Goidgiüdcn eine ungeheueic Summe, dazu dor ßfacho Betrag
d«s von dem woihabeoden Lothringen aufgebrachten Hciratbsgutes
15
Von da bestieg Madamo, begleitet vfin cIhu anderen
Damen ilie Wagen und «<ii! wurden in ein bekanntes
Haus der Stadt ffefülirt. wekJu'S »n Himni grossen
Platze liegt, der von der Tiirnierbahn geschlossen nnd mit
Strnh bedeckt war. ringsSnTnui von 2(W) Fnssknechton,
gleirli fi»-nen an dem Tlinre de? Sibloxsr.s umstellt; und
nachdt>m etliche mit abges.tnmpfter Lanze mii Eisen-
spitzen et\va.s gerannt baften, crscbien njein fb-rr Ver-
lobter zu Koks und gevvlll^pnet, von z.nö|f l'agcn zu
FuHs in Hafkleidern und den vier Farben des genannten
Herrn, wek-lies Celli, Wei«.«;, Kntb «nd Lobfarbig {tanne)
sind, umgt ben und zwar drei Tagen in jeder Farbe
und nach mehreren Hin- und Herziigen in der Länge
des Parks, als er seinen Federscbnuick und andere
Kleider abgelegt hatte, rannten er und ein anderer »»benao
Gewappneter mit abgcstniiipften Kisen nnd mein Herr
Verlobter warf seinen Mann zur Erde, aber er selbst
wankte so stark, dass wenig fehlte, dass er zur anderen
Seite gefallen wäre; hierauf endigten die I^anzenbrechen
bis zum folgenden Tage und jeder speiste in seiner
Behausung zu Nacht, ntit An-snahmo der Damen, welche
stets am Hofe speisten.
Dienstag den 7tj^i Tag des genannten Monats,
erftchienen naeb dem Mittagsessen zwanzig Gewappnete
an den .Schranken des bewussten Platzes, welche auf
ein Zeichen nach deutscher Weise tjostirten, wobei sie
Jolaata's. Eis ist wahrsohoinlicli ein Fehler in den iiis]jrLuitjlichen
Text eingesclilichen.
Zu bemcikon ist. dass 4oi Horichtt^rslatter schou hior Jolanta
ftl« Madame tiezeidint-t. iiailuJt^m L. Wilhelm und seine Olste sie
vor Kassel en»|ifnnj;iii liaLen. I)ii; llin.li/.cit. über welche der
F^/ithringer schweigt, fand inn 12. November ei-st staUt (Rominol);
dieso Angabe wml durch di^< Angulie deft T^erichtcft untorKtützt, dass
die I.öihrinj(i^chou lloniii nni 13. Novcmhcr von Kassel nligei ittoii
seien,
16
sich in Schwärmen anfielen und oft Pferd und Alles,
und jedesmal fünf oder sechs auf einmal zu Boden
stürzten, worauf sut sich wieder zu Pferde setzten und
aufs Schönste von neu<!m begannen. iJer Markgraf von
Brandenburg gewann den ersten Preis, der Ritter des
Pfalzgrafen, welcher drei gute Kämpen von den besten,
welche der Pfalzgraf besass, mit sich geführt hatte,
gewann den zweiten Preis und ein Ritter, Marschall
des genannten Markgrafen von Brandenburg, den dritten
Preis.
Die Namen und Zunamen der Kämpfer, die ge-
wonnenen Stösse, sowie die Fälle sind liiernach auf-
geschrieben.
Mittwoch den 8teu des genannten Monats, reisten
die Fürsten morgens von genanntem Cassel ab*) und
nach dem Mittagessen veranstaltete mein Herr Verlobter
denen seines Hauses ein Lanzenrennen. Während dieses
und der folgenden Tage trugen die genannten Gesandten
des Königs Sorge für das hinsichtlich der Flhe noch
Erforderliche, nahmen den Eid der Unterthanen in den
zum Witthum von Madame bezeichneten Orten ab,
Hessen auch die Yerzichtleistungsbriefe und Quittungen
beschwören und unterzeichnen u. A.**).
Und am Montag dem 13. Tage des genannten
Monats November nahmen die genannten Gesandten
Abschied von dem Hofe, rei.steji von Cassel ab und
*) Anmcrk'ung de« Uebcrsetxerg. Dieser Umstand ist nicht
crklürlicli, domi dass die vornohmsten (Jäste si<'h entfernt hiltten.
ehe die chclieho Verbindung stattgefunden iiatto. kann doch nur
mißsvci'stäudliclicr Weise gesagt wrtrdon sein.
**) Anmcrhmg den Veberseixers. Die zum W'itthume Jolanta»
bestimmten Orto waren die Städte Folsberg und Rotenburg, welche
bis zum Jahre 1510, in welchem die .Mitgift der verstorljenen
Ijandgraßn zurückgezahlt wurde, lothringisch Itlicbcn. Die Yerzicht-
leistungsbriefe bezogen sich auf die lothringische Erbschaft, welcher
Jolanta wie der Landgraf entsagten.
17
lcelirt«?n auf dem Wege, w^lchfin si*» bei dpr Abreise
genommen hatten, nach Lothringen zurück: und kamt-n
zu Pont a MouHSon am P^rt-ttag dun 1. Tag des Dp-
cerobers an, wo sie den Kimig und diw Königin trafen,
welche ausführlich libnr dit^se Reise und Alles, was
besorgt worden war, unterrichtet wurden. — -
Die Namen der Fürsten und Herren, welche bei
'der Hochzeit in erwähntem Ca.ssel gewesen sind.
Mein Herr Hermann, Erzbischof von Ciilu,
Und mit ihm ein junger Herzog von Brnunschweig,
Drei Grafen von Reichen.stein,
Der Graf von Nontrenaire (?),
Ein junger Graf von Nas.sau,
Bernhard Giaf von SoIm^^, Dompropst zu Trier.
Johann, Graf von Witgenstein.
Salentin (Valentin?) Graf von Ysenburg.
Mit mehreren anderen Edelleuten, auf (JU(j i'ffrde ge-
schützt.
AndcJ-e Uaiitlo.
Friedrich, Markgraf von Brandenburg,
Und mit ihm sein Sohn *),
Heinrich, Herzog von Mekleuhurg,
Der Landgraf von Leuchtenberg,
Joachim, Graf von Oettingen,
Georg, Graf von Castetl,
Ein Freiherr vcni Erbatb,
Der Herr von Pappenheim, Marschall des Reiches,
Mit Anderen, auf 4ü() Pferde geschätzt.
Aiiilcrn liando.
Der Abt von Fulda. Hru<ler meinen Herrn von Mainz,
Und mit ihm der Graf von Rittberg,
Und andere Edle, zu <UH Pferden geschätzt.
*) AiiHicrhiup tir.s Urlteritftxtrs. Dieser junge MfiikKrarbies.H
Ocorg und halto den ITjülirigea Götz vod HeiliohiDgeD als «Juugea''
im Pieaste.
N. F. XVI. Bd. 2
18
Andere Bande.
Mein Herr Landgraf zu Margpurg, Vetter de^ Verlobten.
Und mit ihm Gerhard, Graf von Sayn,
Philipp, Graf von Waldeck,
Heinrich, Graf von Waldeck,
Johann, Graf von Nassau und Dillenburg,
Eberhard, Graf von Romgstein (wohl Königstein?),
Der Graf von Wied,
Sigelbert, Graf von Lynenges (wohl Leiningen?),
Der Graf von Nassau-Abilstein (Beilstein),
Und mit ihnen drei vom Staate meines Herrn Pfalz-
grafen nämlich:
Messire Georg von Eblingen, Ritter,
Burkhard Sturmfeder,
Und Philipp von Kronenberg,
Mit mehreren Anderen, auf 658 Pferde geschätzt.
Dio Bande dos Verlobton.
Mein Herr Landgraf von Cassel,
Wilhelm, Graf von Henneberg,
Hermann, Graf von Henneberg,
Johann Ludwig, Graf von Nassau und Saarbrücken,
Otto, Graf von Solms,
Bernhard, Graf von Solms, sein Sohn,
Renö (Reinhard), Graf von Hanau,
Heinrich, Graf von Honstein,
Drei Grafen von der Lippe, zwei Bernhard und der
andere Simon genannt,
Dietrich, Herr von Plesse,
Guiter (Günther), Graf von Schwarzburg,
Heinrich, Graf von Stalburg (Stolberg?),
Mit vielen Anderen, zu 1000 Pferden geschätzt.
Abgesandte von Fürston.
Zwei Grafen, einer von Repin (Ruppin?), von Seite
meines Herr Markgrafen von Brandenburg, Kur-
fürsten, gesandt; 36 Pferde.
Der Graf Heinrich von Stolberg und Mfissire Johanil
von Wetor, Ritter, von dt^m Herzoge Georg von
Saclisen gesandt, begleitet von etwa 40 Pferden.
In Summa 2870 Pferde.
Ohne diejenigen der Abgesandten dos Königs von
Sicilien *),
Und ohne die der Aebte, Prälaten und Geistlichen,
Sowie die der Damen und ihrer Kutschen.
Dio Äebte uud Collegica.
Der Abt von Lorfeyen (CorveyJ,
Der Abt von Hirschfeld (Hersfeld),
Der Abt von Hasungen,
Der Abt von Bredenawe (Breitenau),
Der Abt von Kappe! (Spiesskappel),
Der Abt von Hirdenhusen (Hardehausen im Padnr-
bornischen).
Der Abt von Wirszler (Fritzlar),
Die Kanonici von Cassel,
Die Kanimici von Rottemberg (Rotenburg),
Die Kanunici von Brüssel (vielleicht Butzbach, wo
sich ein Kanonikatstift befand).
Der Damen waren es gnt Dreihundert, unter
welchen die Erste die Gräfin von Nassau war, Schwester
meiiHfS Herrn Landgrafen von Margpurg, die Aebtis.sin
von RaufFung (Kaufmigt-n), die Griifin von Saulrae (Salm)»
'} Anmerkting des Ueberseixera. Dies war die Oesandtscliaft,
wek'ho Jolanta geloitet hatte. AuffUllig ist dio Aiiga>)C iibor dio
Zald der l'fordc. Bei den FestJic.hkciton dor Vcrmiihlung Philipps
des GrosKuiütliigen, Jaiiuoi' Ui'2i, sind nach Angabo liuniMelit die
X'^ji) Pferdo dor OäMto in 145 üäuscra Kas.sels uiitcrti; ebracht g^-
wcscn. Diones läsät auf oiae grosso Zahl von .Staiiur)g;uti sdiliivsseu,
wie die Zeit wo erfordort«, in wolchcr noch Allo au Pfuido reistvii,
dio die eiiifaiho BofiJideiung zu Fu.sse vcist-huiiilitoii. BedfMiken
ul>pr die rnleibjiugiiiig einer Zalil von etwa 3UUÜ Plüi-dfu tn dor
kleinen Stadt [ürscu 'A\\v\M ati der Hichtigkeit dor von dem
Lothiing«!' gegcbeoeu Zahlen aurkornmen.
2*
20
die Gräfin von Sayn und mehrere andere Gräfinnen,
Damen and Damoysellen, welche aufzuführen zo lang
sein würde.
Die Zahl der Trompeten.
Mein Herr von Cöln hatte deren .... 8
Drei leucs *) und fünf Sänger für weltliche
Musik.
Mein Herr Landgraf von Cassel .... 9
ein Paar von Hoch-Spielleuten (une coupple
de haut menestriers) und die 12 Sänger
5teiner Kapelle.
Der Herzog von Braunschweig 4
Der Markgraf Friedrich von Brandenburg . 11
Mein Herr Landgraf von Margpurg ... 9
Der Dame von Sayn 1
Des Grafen von Ysenburg 3
Des Grafen von Henneberg 3
Den Grafen von Oettingen 2
In Summa 50 Trompeten, jede bei dem Banner
ihres Herrn.
Es folgen die Namen der Tjostirenden nnd die
gewonnenen und verlorenen Stusse.
Erstens.
Der Markgraf von Brandenburg warf einen Mann
und wurde einmal niedergeworfen. Der Herzog von
Meklenburg warf Einen und fiel 2 mal. Der Graf von
Hanau warf Einen und wurde 4 mal gefallt. Georg
von Schon werberg \?) warf Dreie und wurde 8 mal ge-
worfen. Wolf von Gultingen warf Zweie und wurde
2 mal geworfen. Wilhelm de la Grime ^?) warf Sieben,
wurde 11 mal geworfen. Georg von Ebeleben, des
*) Änmerktmg <ks Uebersetxtr». Die Bedeutung von Imc
habe ich nicht zu ermitteln vermocht; es scheint einen S&oger
geistlicher Musik zu bezeichnen, welcher <«onst rhaatre geaannt
wurde.
21
Pfalzgrafen, warf 25, fiel 10 mal. Diepolt Specht, Ritter,
warf Sechszehn, wurde 7 mal geworfen. Leonhard
Thanner warf Vier, wurde 3 mal geworfen. Melchior
Sitzel (?), Ritter, warf Einen, wurde 3 mal geworfen.
Sigmund von Hespurg (Hessberg) warf Vier, fiel 5 mal.
Heinrich von Baumbach warf Dreie, wurde 4mal geworfen.
Caspar Schenk warf Einen und wnrde nicht geworfen.
Philipp von Meisemberg (Meysenbug) warf Keinen und
wurde 3 mal geworfen. Ren^ von Boamburg (Reinhard
von Boyneburg) warf Dreie und wurde 6 mal geworfen.
Der Graf G. von Castell warf Zweie und wurde nicht
geworfen. Philipp von Kronenberg warf Acht und wurde
13 mal geworfen, Jobst von Eschwege warf Fünfe und
wurde 10 mal geworfen. Burkhard Bram (?) warf
Sieben und wurde 6 mal geworfen, Caspar von Wallen-
felt, Ritter, warf Sechse und wurde 13 mal geworfen.
Wamier (Werner) Holtzsattel warf Achte, wurde 4 mal
geworfen. Burkhard Sturmfeder warf Siebzehn, wurde
11 mal geworfen. Erlebeck warf Einen, wurde 4 mal
geworfen.
T-Vwäl^-^rT
22
IL
InTentorinm der Artillerie Landgraf
Philipps des Grossmtthigen.
HennsgegebeQ
Toa
Joseph Schwank.
Bas nachstehend abgedruckte Artillerie - Inventar
Landgraf Philipps von Hessen wurde Ton
mir mit andern zahlreichen Archivalien L J. 1881 von
einem Antiquar in Frankfurt a. M. erworben. Besagte
Archivalien, lauter Hassiaca. habe ich später teils der
Ständischen Landesbibliothek zu Rassel, teils der zu
Fulda zum Geschenk gemacht : letztere erhielt auch das
Artillerie - Inventar. Da dasselbe, wie die Eingangs-
bemerknng sagt^ nur in zwei Exemplaren ausgefertigt
wurde, so wäre es erwünscht zu wissen, wo sich das
xweite Exemplar und ob sich dasselbe überhaupt noch
Torfindet.
Der Grund zur Aufstellung des Inventars L J. 1544
liegt wohl in den damaligen Zeitverhältnissen, nament-
lich in den gespannten Beziehungen des Landgrafen zu
Herzog Heinrich von Braunschweig. .\uch der
Kaiser hatte in dem Jahre den Frieden mit Frankreich
namentüch ans dem Grunde gesucht und abgeschlossen.
23
run gegen die EvaTigelisehen freie Hand zu bekommen.
(Vergl. liommcl, H. G. Bd. IV. 8. 266 ff.) Vidlpiuht
war die Aufstfllung öolcher Invcntaricn auoli cxw Gebot
von Seiten de« Sclimulkalder Bundes (s. das, S. 174 ff.
d. A.).
J. S.
Inventariuni und verzeichnus unsers gnedigen fursten
und herm /u Hessen geschutz und anders zur arta-
larei gehörig in S, F. G. zeugheusern zu Cassel,
Zigenhain, Spangcnbcrgk und Darmstat, angefangen
und geendet im jar
1.5.44.
Dissem inventary gliehlutent halt mein gnrd/tfer
her, als Sein F. G. sie hwie geliert sein, eins mit
meiner hant gusehriübtsn bei sich buhaltyn und di|i
mir gelassen dem regi.'straturi zu überantworten zu hin-
derlegen. Job. Gerhart.
Aufs bevelch des diirchleuchtigen huuhgebornen
forsten und hern, ht'rn FhiIip^^i':n landgraven zu HeKsf^n,
graven zu Catxenehipogen, zu Dietz, Zigutihiiin und Niddii,
mcins gnedigen herii, ist aUe S. F. G. gesuhutz, gros
und klein, sampt der inunition, wes zur artalarei ge-
höret, in kugeln, pulver und auderm, a!» zu (.'««hwII
bi'funden, inventirt und verzficlinet, in gf^genwirtigkeit
des gestrengen und 4'rnvesten Rucltdff Sclieiickeu zu
8chweinsbergk Statthalters, angefangen und dureh Jo-
hun Hosenzweigk zeugmei-stern alles namhaft gemacht
und angezeuget, in betseiu Jolian ISomnu'b zi-ugwarts.
und ist durch mich Johann Scheldt gnaut Gerhart
aufgeschriben worden auf mittwoch nach C'atliarine
anno ii. virzig viere, wie hiernach verzeichnet, ein»
iglichen orts da es gestanden und funden. und i»t
also der inventari zwei eins gleichen Inhalts verfertigt,
das eine meinem gnedigen herren auf die cammer
24
S. F. G. s<-1bst zahanden go^talt. and das ander in die
r*-j.'0«-itur hind»-r!«-j2t >if S. F. G. Wv^kh ins pfw^^lb".
Auch i-t h:rin v^-rz-ithn-t alle-«», we,- za Zigvnhain
Ton g*--<.!iutz lind aii<l»-r arta!arr-i vorhanden, dt-s-
glfrich*-n wes zu Dann&tat fund^n. aach zu Sj^tangenberg.
furd*-r zu
CasselL
Geschütz so in den ijittcm im schl'>» leigt.
Zwo scharfm«-z di-r t^uffl und fe*»in g«^sell. si-hissen ein
kag^I von handert S. mit san)]tt iren bveden gefessen. *)
nnd werden anf Scheiben geachit^sen.
Zwo carthannen die weis's'.'n ro<en gnant. and scheust
eine s*x.-hzig u. mit hampt iren beeden gffessen.
Zwo i-arthatinen. !>o Franz der Wahel gegossen bat, und
werd*-n die rotten roi>en gnant und scheu&t eine
fonfzig vier S ungeverlich. mit sampt iren beeden
gefesben.
Eine lange notsc-hlange. so bei der innersten pforten im
gegitter leigt, scheust 20 oder 21 fi ungeverlich, mit
sampt irem gefesse.
Ein grosser morser daselbst vor dem gitter. wirft drei
Zentner stein wenger 4' t 8.
Ein kleiner morser, ligt auch daselbst bei dem grossen
morser und wirft zwen zentner ungeverlich. mit sampt
iren beeden gefessen und scheuben, daruff sie ge-
worfen werden.
Ein gros fear buchs. so meister Martin gegossen hatt,
und ligt im Breul**) im hofe im zeughause.
Ein kleiner morser doselbst ist herzog Heinrichs ge-
wesen.
Ein sengerin, ligt auch im Breul doselbest nnd ist her-
zogen Heinrichs gewesen.
*/ Pas gegenwärtig LafTete genannte iM.-hiessg<eräst. auf
wek-bem dns Rohr liegt.
•♦) Ueber die Lage des Breuls siehe Sckmineie, Beschrei-
bung der Stadt Cassel, S. 94. DesgL ßtgetkard, Erdbeschreibimg
der beüsischen Lande. L. S. 80.
25
Di(< geschutz sthett im zeug-hausf aufm wahel im
schloFs hinder moins j^ncdig-on hcm jLi^emach.
Zwo sengerin, als Frantz diT Walinl g«'gosscn Imtt,
schiesspii dnihMg j»f(int fiiif, mttt sanifit ii«Mi lii-etlcn
gefesspn, tniger», zwimhh riiigi-n, zwi-ipri ladt^iuliuffelii,
zweien bfzkn'lbHn, zweien Wischern, zweien eisern
settpl daruff man sie füret, noch
Ein sengerin so meister Martin gegossen hatt, mitt
sampt iren gefessen, scheuHt aiicli (ireissig ß und ist
nichts darbei.
Ein karthnn. als fuldtsch gewesen, .seheust zwanzig fünf
0 ungeverlich, sanipt irem gefess.
Zwo schlangen bo eine sechzehen Cl schipssen, mit sampt
iren beeden gefessen, zweien trugen, zweien ringen,
zweien eissern setteln.
Ein schlänge so secliz^hen S scheust, niitt sampt irem
gefess, iren prozen ader forderwagen, nagel, stell-
ketten, ein trüge darinnen drei kugel, ein rink,
latschuffel, sezkolbe, wischer, zwei worfseil und ein
eisern sattel danrff sie ligt, und .stehet im kauf-
hause*) auf der Freiheit, noch dosielbyt
Zwo schlangen, der eine aechzehen ff scheust, mit «ampt
irem gefess, prozen ader forderwagen, stelnagel und
ketten sampt einer trugen und dreien kugeln, darin
ein rink, latschuffel, sezkulhen, wischer, ein sattel
daruff sie ligt, und zwei worfseil darbei,
Vier newer falkaun, der ide acht ß. scheust, mitt sampt
iren gefessen, iren prozen ader forderwagen, in ig-
lichem gefes der trugen ein rink, und an einer iden
ire latschuffel, setzkolb und wi-sclier, und stehen auch
im kaufliaus. noch dosulbst
Vier alt falkaun mitt sampt iren vier gefessen, vier
prozen ader furderwagen, trugen und darinnen virzig
vier kugeln, vier ringe, vier latscliuffel, vier sezkulbcn
und vier wischer. noch do.selbst im kanfhanse
Ein burgundiscL 4uartirschlange mitt sampt iren ge-
fessen.
*) Dieses stand auf dem St. Martinsplatze.
26
Zwo steinbuch.«en mit sampt iren beeden gefessen, zwo
latschuffel, zwei ät'zkolbfn. zwen wischer.
Fünf kleiner morser ader steinbuchsen mitt sampt
iren gefessen, and stehen im zeughause forn im
schloa.
Ein feurbachs sampt dem gefes, ein trage, ein rink
darzu gehörig.
Yirzig vier kleiner kurzer newer starmbachsen, eisern
und seint etzlich darunter one zapfen, und ligen im
Zeughaus forn im schlos.
Zehen apostel, Schlesien eine kugel von gewicht zwei
0, sampt iren gefessen, und hat ein idere ire eigen
casten mit sampt zugehorenden latzeugen, und seint
dabei zweihundert sechzig zwo kugeln in gemelten
trugen.
Vier falknet mit sampt iren gefessen und trugen, sez-
kolben, wischer, latscbufFel. und seint darbei in ge-
melten trugen einhundert eilf kugel.
Ein kurzer morser sampt seinem gefess.
Fünf falknet mit iren gefessen, und steen im zeug-
hause forn im schlos.
Zehen scherpentin so newe gefast und auf redem ligen,
stehen mit sampt dem nachgemelten der stette ge-
schutz im Breul im zeughause.
Drei eisen kammerbuchsen so Hans Kessler gegossen
hat, gehören unserm gnedigen hern.
Zwanzig fanf cammer so zu den dreien cammerbuchsen
und der stette cammerbuchsen gehören.
Drei eisern gegossen fatknet so nngefast gewest und
izt newe gefast und der von Witzenhausen sein.
Zwei falknet gegossen, so nngefast gewesen und izt
new gefast sein, den von Geismar zustendig mit iren
wapen.
Zwo eisern gegossen cammerbuchsen. ungemst gewesen
und izt new gefast durch u. 6. H., gehört den von
Geismar und hat eine idere ein cammern.
Drei cammerbuchsen, seint auch nngefast gewesen und
izt newe gefast, wissen nicht wem sie gehört.
I
I
I
27
eisern cammerbuchsen anderthalb ein laug sampt
der cammern, uiigefast gewesen, ist der von CuMsmar
und izt durch u. g. h«rn newe gffa-st.
Ein gegossen steinbuchs, ungefa.st gewesen und izt newe
gefast, auch der von Geismar.
Ein gegossen cammerbtichscn mit zweien gegossen
camnieni, gehört den von Geismar und stehest das
menizbch wapen daruf, ist ungerust gewesen und izt
von newem gefaxt.
Ein kurz gegossen steinbuchs, ist der von Witzenhausen
und ungerust gewesen, und izt new gefast.
Vier eisen falknet, der eine im sehiessen »erbrochen
ist, seint ungefast gewesen und izt newe gefast
wurden, und gehören den von Grebenötein.
Ein klein Fatknet gegossen, so ungefast gewesen und
izt newe gefast, den von Wolffliagen zugehörig und
stehet ir wappen daruf.
Ein scherpentin gegossen, so der von Wolffhagen ist
und ungefast gewesen und izt new gefast wurden,
und stehet der von VVolfFbagen wapjien doran.
Zwo cammerbuchsen eisern, «eint auch der von Wolff-
hagen inid ungefast gewest und izt new gefast, haben
vier cammern.
Ein klein gegossen falknet, ist von Guttensperg kom-
men und izt newe gefast und vor ungefast gewesen.
Ein kurz cannnerbuchs, ist auch \tm Gutten.spergk
kommen und ungerust gewest und izt newe gefast,
hat zwo cammern.
Ein eisen scherpetiner, ist der von CasHuI und unge-
rust gewest, und izt ntwe gefast wurden.
Siben cammerbuchsen, seint der von Cassel und un-
gerust gewesen und one cammejn.
Ein lange eisen cammerbnchs, als von Vrberg kommen ist.
Ein klein gegossen messingen buclis, scheust ein .seher-
penteinkugel, gehört den von Witzenhanseii.
Ein klein buchs bei einer halben ein, ungerust, gehört
den von Immeuhausen.
Ein klein steinbuchs ungefast gehört den von Milsuugen
mit zweien eisern ringen.
28
Ein eisen vogler mit einem eigenen siel und hacken,
gehört auch den von Immenhausen.
Ein gegossen alt steinhuchsen der vom Zirnberge, nn*
gernst und izt new gefast, ungeverlich zweier elen huig.
Ein alt messingen hacken, als von Velsj)ergk kommen ist.
Zwo klein messingen buchsen, bei einer halben elen
lang, gehören den vom Zirnbergk.
Vier alt kurz buchsen der von Immenhaosen, nicht
ganz einer spannen lank, unbruchlich.
Ein eisen buchs bei einer halben ein, ist unbruchlich.
Ein buchs mit einem eisenen stel, auch nicht nutz.
Acht scherpentin, so man auf bocken scheust, seint aufm
wahell im pulverhause und werden auch auf reder
zugericht.
Ein eisern buchs drei vertel einer eleu lank mit einem
eisern steel, wirt gnant ein vogler und stet im pulver-
hause ufm wahel im schlos.
Zu Spangenbergk.
Ein klein falkun mit seinem gefess, ladzeugen und
Zubehör und scheust ein kugel ungeverlich von
vier U.
Drei lange falknet gleich von gross, die aposteln sein,
und mit sampt iren gefessen und ladungen.
Zwo eisern steinbuchsen mit iren alten gefessen und
zweien cammern.
Ein steinbuchs ungefast und ist die cammern zer-
brochen.
Zwen prozen ader forderwagen zu obgedachten falk-
neten, und ist der einer die axen doran zerbrochen.
C a s s e 1 1.
Ganz und halbe hacken.
Neun ganz hacken mit irer rustunge, doch one formen,
aufs borggraven gemach bei der trapfen*).
Drei eisen hacken one schefte und haben zwo kleine
pfannen, ligen auf dem nndersten scherboden. noch
doselbst
*) Treppe.
Zwanzig fanf eisen toppelhacken mit bosftn Rchlnssen
und alten scheften, darunter sein zwo roth fingfv
strichen.
Dreissig newer eisen hacken mit. feiirschlusaen, wie
Reichart eine geschossen liat, mitt ir*:^ii riistungen, und
seint von Schninlkald*>n kommnu. lange hacken, und
seint im forder zeughaas im .sclilos.
Einhuiidertdreissig ein halbe hacken mit alle irer rus-
tunge, und seint in der kleinen stubeu aufm hnl-
werk obing der battstuben. noch do.selhst
Vier halbe hacken, haben feurschlop.
Virzig halbe hacken mit alle iier rutstting, ligen ohing
der battstaben im hnlwerk rla man ersten heiicin
gehet.
Ein halbe messingen hacken, als im Zeughaus im Brol
im forder wonhaus in der stuben gewesen und nnn
Hanns Rhommel dem zeug wart zu he waren zuge-
Btelt ist.
Ein doppel hacken, hat drei rhoren und ist kopfern.
Einhundert sechs doppel hacken kopfern, unter denen
seint zwanzig eine, haben keine schlns ninl ligen im
klein zeughaus hinder dem grcssen im schlos gegen
der rho.s moln *).
Vierhundert achzig drei halbe hacken mit irer rußtunge,
darunter seint achte und haben keine laden, nnd
seint berurt hacken in der grossen stuben obing d^r
batt.stuben ufm bolwerk.
Zwo alt gegos.sen stei hacken vom schlos Cuittensbergk
kommen sein.
Zu Spangenbcrgk.
Zwanzig drei messingen doppel hacken mit irou zubehor
und rnstnngen. noch
Drei do]ipel hacken eisern mit eisern steleti und irer
rustunge.
Zehen nedderlendüsch eisern Jopjiel hacken mit «wam-
menHchloflsen und irer mstungn.
*} itosumdble.
30
CasselL
Scheiben und hant riior.
Zwanzig siben lange scheibenrhor mit feurschlossen
und ist dcrselbigun eine ufs burgraven gemach, and
seint unter denselbigen rhorn zwo newe und ligen
alle in der kleinen stuben obing der battstuben aufm
bolwerk. noch doselbst
Virzig neun grosser langer scheibenrhor mit schwam-
menschlossen samt irer rustuug und ist eine dar-
unter one laden.
Dreihundert drei und fünfzig scheibenrhor mit sampt
irer rnstunge, ligen in der grossen stuben aufm bol-
werk obing der baistuben.
Dreissig vier messingen hantbnchsen one schlos, ligen
im kleinen zeughause im schlos im hove gegen der
rhosmoln. noch doselbst
Zwo messingen stelbuchsen.
Zweihundert hantrhor mit alle irer rnstunge und
schwammen schlos und sten im zeughaus forn im
schlos, und berichtet der zeugwart^ sie sollen gein
Giessen geschickt werden.
Fünf messingen kleiner stelbuchsen, ligen ufm nnder^
sten scherbodun.
Sechs .scheibenrhor mit irer rustung ganz new von Hans
Meren von Nurmbergk gekauft, und seint im schlos
im Zeughaus inventirt *).
Zu Spangenbergk.
Zwölf hantrhor mit schwammenschlossen und irer rustung.
C a s s e 11.
Schwammen schlos.
Dreissig vier schwammen schlos zu halben hacken, noch
Zwölf schlos zu doppel hacken, und ligen in der grossen
stuben ohing der battstuben ufm bolwerk.
Dreissig neun schwammenschlos zu den hantbuchsen
gehörig, und seint ufTm andern hoden im kleinen Zeug-
haus gegen der rhosmoln.
*) Her letzte Absatz mit anderer Tinte nachgetragen.
31
Doppel ledern seck und ladungen zu den doppel
hacken und anders so zum pulfer gebraucht.
Fünfzig acht doppeln letiderii seckel darin man pulver
zu den doppel hacken tliut, und seint im kluin Zeug-
haus im hove gegfen der rhos niülön. noch daselbst
Sechzig drei gedreet ladunge zu dpii dopj)el hacken.
Acht holzern pulverkasten zu den doppelhacken.
Sechs alt zerrissen pulverseck uf dem understen scher-
boden.
Sechzig neun gros leddern pulver.seck.
Fünf holzer inas damit man pulver mist.
Dreizehen kopfem mas gros und klein damit man das
pulver mist.
Virzig zwen leinen pulversecke aufm geschirboden.
Einhundert virzig drei weis biethne ladunge zu den
doppelhacken ufm scherbndßn.
Virzig neun grosser wetzscher *), dar in man pulver-
flaschen, krezer und formen tregt.
Dreissig fünf holzer flascheii, so in obgemelt wetzacher
gehörig, da man pulver inthiit, und seint unuberzügen.
Vierliundert sibenzig pulverHascheji gros, soint alle mit
leder überzogen und aufm bohverk. noch dos«lb.st
Vierhundert sibenzig ein kleiner zuntfla.sclien mit ledder
überzogen.
Vier pulver horner.
Zwanzig fünf gedreter holzer buchslein zu den hacken
und seint uff dem undernten schirboden.
Acht kleiner pulferkastfn zun backen, zwo haben darunter
keine lede **), und .stehen auf dem understen ge-
schirboden.
Fünf grosser pulverkasten zu doppelhacken und stehen
doscibst.
Ein kopfern pulver mas, fctehet im Breul im forder
Wanhaus auf dem kleinen stubichen.
*) S. V. a. taschc, mantcLsnck oder toriiiütcr. s. /•jtf-,
Mittcliiochd. Wb. unter wotstger, Dan. Samb-rs, Wb. li. deutschen
S|ir. uuier wctschger, Ergz. Wb. untor wetscher.
••) Led odor lid s. v. a. Peckt-l.
32
Sechs doppel hacken kestgen, da man palver und kngel
ihniien thiit. und seint derselbigen viere die kest-
It'in mit ]iulver und stehen ufm ^'ahel Im polvei^
ha«t^.*) noch doselbst
Drei holzern ladnnge zu doppelhackeir.
IVick zu den doppclhacken.
Neunzig drei bock zu den do))])i'I hacken und ligen uff
dem «ibersten geschirboden.
Sibenzig .sib(ni bock zu doppel hacken und seint im
zi'ughause ufm wahel im schlos hinter m. g. hem
gt'inaeh.
Pulver so ufm wahel im pulverhause liget.
Kin thon gutt imlver, so vertrewiich m. g. h. zu Mar-
jiurgk gemacht ist. noch
»Sechs Si. ungeverlich des beraelten pulvers in einer led-
digen thonn und stehet im viereckten thom hinder
d«T kni-hen zu (Jassell.
Dreihundert sechszig zwo thonnon mit pulfer, haben mit
sanipt dem holz gewigen dreihundert neunzig sechs
centner und ein und virzig jF, und seint die thonnen
fast unglfMch, einstheils heringsthon, auch eichen und
thennen, klein und gros, gut und böse, halten im
gewicht sehr ungleich, un«l ligt zuntpulver, werk-
])ulver und hanthror pulver durch einander, und ste-
het im schlos utTm wah(>l im pulverliaus. noch do-
selbst
Viuif nurmb<'rger thennen fas mit pulver, weigen mit
sam])t dem holz zwanzig vier Zentner und dreissig S,
und s(>int dr<>i nurmberger lediger vafR, dar in pulver
gewesen ist, bei gestanden.
Zu (iuttensbcrgk ufm schlos.se.
Anderhalbhundert thonnen pulver, und haben mit sampt
d(?m holz gewigen einhundert auhzig und ein centner
und zwanzik pfunt.
Zu llombcrgk in Hessen ufm schlos.
Dretlialblinndert fünf thonnen pulver, haben mit .sampt
di'm holz gewigen zweihundert neunzig und ein cent-
ner dreissig und acht A.
*) Von anderer Hand verbessert statt pforthaos.
noch ist ein herringsthonn bei gerofltfim pulver und
nicht zugeschlagen gr-wesen und darinnen noch ettwas
pnlvers, welchs mit dem holz achtzig fünf ^ gewigen.
Zu Romrath uffm schlos.
Fünfzig zwo thonnen pulver, und haben mit sampt dem
holz gewigen sechzig ein cnntner dreissig sechs S.
Zu Velspergk aufm schlos.
Zwihuiidert neunzig siben tlionneu pulver, haben mit
sampt dem holz gewigen dreihundert zwanzig siben
centner und zehen *I.
Item es stehet auch daselbst ein thonnen, darinnen un-
geverlich bei 15 & zuntpulver ist und hat mit sampt
dem holz gewigen virzig ein 5.
Zigenhain wes da von puh'er ist himach verzeichnet
zu der arthalarci sampt dem geschutz.
Nemblich
Siebenzehen thonnen pulver und haben mit sampt dem
holz gewigeu zwanzig und ein centner zwanzwig [so !J
zwei E.
Zu Spangcnbergk.
Einhundert virzig und ein thonnen mit pulver, ligen im
»chlos und haben mit sampt dem holz gewigen ein-
hundert sibenzig siben centner fünfzig sechs S.
Item ein thonn, ist nicht viel pnlver innen gewesen,
nnzugeschlagen, und liat mit sampt dem holz gewigen
fünfzig vier S.
C a s s c l.
Volgent kugel seint gezalt und verzeichncth im hove
hinderm zeughause im schlos, und seint eisern.
Fünfzig neun scLiarfniezkugel, als herzog Heinrichs ge-
wesen, und seint ein wenig zu gross zu u. g. h.
:harfmez und derlialben nit zu gebrauchen. Dan
luf die hutten urnbzugissen.
Zwanzig sibi-n kugel, seint zu gros zu den zweien weissen
rosen und nicht zu gebrauchen, dan auch umb zegiessen.
Einhundert zwo hole kugel gros und klein, seint herzog
Heinrichs gewfsen.
Eintausent zweihundert achtun ddreissig scharfmezkugel
zu den zweien stucken, dem teuf*>l und seinem ge-
seilen, und weiget tin kugel hundert iF.
V. V. XVI. Bd. 3
34
Eintansent acht nnd achtzie kng^-L so zn der weissen
ro»en gc-horen. und weig^t eine kngel 60 ff.
Zweitans-nt virthalb hTir.drr: und achtzvhen rot rosen
kag^I. •-in«' von Ö4 S.
EintaoM-nt dti-ihandrit einonddrtriäsig kagel zn den sin-
gt^rin. und weig-et eine 3".» fi.
Zwihnnd-rt neunzig scharfmtrzkagel. so von Wolffen-
bott-1 klammen und zu dem stuck gehören, so der
mutz jT'-nan: wird«^t. und wriget ein kugel 80 fi.
Sethstaus»^nt s^ohtthaibhund»-rt zwanzig drei schlangen
kugfl. d-r ein»* lt> & wriget.
Eintau.sent achthundert \'irzig ein kugel. so zu den newen
carthannen gehören, der acht, und weiget igiich
kug-1 411 e.
Sibt-nhundert neun kugel zu dm zwei^-n schwarzen cai^
thnnen. dtr eine 5l» & sch^us-t,
Eintausent ein kugel. der eine 20 & scheust nnd ca
der fuldischen earthaunen gehörig sein.
Dreitausent sech>hundert achtzig zwo kugel zu den newen
falkun. der eine 8 S scheust.
Dreitaux'nt dreihundert neunzig fünf kugel. der eine
.')' « 0 scheust, und gehören zu dt-n vier alten falknn.
Eintausent einhundert sechzig Ufun notschlangen kugel,
der eine 20 B schfust. und gehören zn der langen
not.*chIangen im gegitter.
ZweihundiTt neunzig siben kugel. so ungebräuchlich sein
sollen und zu keinem m. g. hern geschutz dinlich
noch gerecht, und seint vor ezlichen jaren. als der
zeugnieister bericht. von Giessen kommen.
Einhundert sibenzig sechs kugel. sollen zu gros sein zn
den newen und alten falkun nnd gehören zn einer
newen schlangen, als zu Kusseisheim sein soll.
Dreihundert zwölf kngel zu den falkun gehörig, so zun
Gie.ssen sein, und soheu>t eine 8 &.
Siebentausend neunzig fünf kugel. so zu den falknet
gehören.
Bloienkujjeln.
Neunzehenhundert virzig zwo bleien falknet kugel.
Viertauseut neunhundert Virzig klein bleien scherpentin
kugel.
I
I
I
Viprhnndert fünfzig grosser schorpentin kngpl bleien.
Viertausent eiuhuadprt acht und fünfzig bleien doppel-
hacken kugel.
Einhundert, achzig viwr bk^ien Jiacken kugel zu den
messingen hacken.
Zweihnndert sibenzig neun kngt<! zu den hantrhoren.
i und seint im kleinen zeug-
Ein bleien schlangen kagel \ hause im hove hinder dem
Ein bleien falkun kug^-l 1 grosen zenghaus im schlos
gegt'u der rosmohi.
Item es seint auch noLJi zweihundert siibenzig zwo kugel
zu den apnstelii gehörig und dem geschuz zugesehriben,
dieweil sie in den trugen sein und dabei gefunden.
Desgleichen auch sechs .schlangenkugel, seLut auch bei
das geschuz gefschriben, da sie gefunden und nocli sein.
Noch virzig drei kug»*!, seint zu den falkuneu bei das
geRchuz geschriben, du sie auch funden und noch sein,
im kaufhause.
Iti-m es seint auch zwnlfthalb centner bleikugel zu den
halben hacken und Scheiben rhoren auf dem bolwerk
«»hing der battstuben in der grussen stuben in mulden.
Drei klein feslein mit hagel geschns auf dem understen
geschirbod»n.
Zwo kugel mit ingegossen hacken, seint im hovft gegen
der rnsmdln bei den holen kugeln auf der mauren.
Einhundert dreissig uthI acht bieten scherpentiu kugel,
so ufm wahel im schlos im pulverhause in kestgen
stehen, noch dosu-lbst:
Achtzig und ein doppelhacken kugel.
Zu Spangenbergk.
\irzehen bleien kugel, zu der klt-inen falkun gehörig,
so zu Spangenbergk stehet, noch daselbst
Sechzig und neun bleien falcknnt kugel, noch daselbst
Achthundert iiackeu kugel zu den backen daselbst.
Cassel.
ImWeis.seTihofcsoint nachgemelte steinen
kugel, als der zeugwart der verzeichnus
übergeben hat und gezalt sein, desglichcn
3*
36
auch steinen kugel, so im schlosgrabeft
ligen :c.
Vier and virzig kugeln zu dem groaen puller.
Zweihundert virzig kugel zu dem kleinen puller.
Dreihundert fünfzig ein kugel zu den steinbuchsen.
Virzig ein kngel steinen, gehören auch zu dem grossen
polier und seint von Marpnrgk kommen.
Einhundert achtzig fünf kugel zu dem kleinen pullerer.
Funfliundert zwo kugeln zu den steinbuchsen.
Zweihundert neunzig kugeln zu den sechs kleinen pullem.
Einhundert sechzig kugeln zu dem kleinen puller im
schlosgriiben.
Sechshundert fünfzig zwo kugeln zu der steinbuchsen.
Zheen kugel zu dem grossen puller im schlosgraben.
Dreizehen kugel, seint zu gros zu dem grossen puUer.
Dreissig siben kugel, seint zu klein umb virthalben zoll
zu dem grossen bollern.
Virzig fünf steinen kugel, und haben klein stuck, darin
sie gerecht sein.
Nach verzeichnete model ader formen seint im zeug»
haus binden im hove gegen der rossmoln.
Fünf falknet raodel gegossen mit zangen.
Vier gegossen newe falkun model mit zangen zu den
vier alten falkunen, so vier S schieasen.
Vier gegossen newer schlangen model mit zangen zu
den schlangen, als 16 E schiessen.
Vier gegossen newer sclierpentin model mit zangen.
Ein eisener madel mit zangen, so zu den grossen scher-
pentin gehöret.
Acht gegosner model mit zangen, so zu den doppel-
hacken gehören, noch
Zwei eisen model auch mit zangen zu den doppelhacken.
Ein gegos.sen modell mit zangen, so zu dem doppelhacken
gehöret mit den dreien rhorn.
Ein eisen model, darin man auf einmal drei kugel geust,
zu den apo.steln etc.
Ein gegossen formen, darin man das blei geust, so man
I
I
I
I
I
I
I
I
37
nnter die laixt-sknecht iheilet, mit sampt iren zangen.
noch
Vier eisen model, darin man da» blei gcust, als man
den lantsknpchten gibt, auch mit zangen,
Ein eisen m<idel mit einer zangen, wissen nit wozu es
gehört.
Ein newe gegossen falkiin model, ist im Breul in meister
Reinzen Schmitten.
Fin gegossen mcKJel zu der von Witzenhausen falknet,
auch in meister fleinzpn sdi mitten.
Ein model newe eisen, zu der von Wolffhagen scher-
pentin gehörig, ist auch in meister Heiuzen Schmitten.
Ein newe eisen model zu der von Cassel scherpentin
gehörig, ist aueh in meister Heinzen Schmitten,
Ein newer giestoffel in der cammer ufm wahel ins
zeugwarts gemach.
Acht kopfern schuch, so in pnlver mulen gehören, noch
Drei pfannen darzu gehörig in pulverstock.
Neun bech pfannen sampt den stangen und haben
schuch, ligen im zenghaus im schlos.
Zwei gegossen kopfprn schlangen model in dein giess-
haase meister Älertins, seint noch nit ausgemacht.
noch doselbst
Vier falkan model gegossen kopfern gros und klein.
noch daselbst:
Zwei gegossen falknet model kopfern.
Zu Spangenbergk.
Zwei eisern falknet model mit iren zangen.
Ein gegossen model zu der kleinen falkun. daselbst zu
Spangenbergk *).
Cassel.
Mosterringe **) zu den kugeln allerlei gattunge und
seint im zeughaus gegen der rosmolcn uncl auch
auf andern enden enthaken.
Dreitisik zwen moster ringe zu uUeilei stucken.
•) Hior scheint etwas zu fehlen.
•♦) Aus Morserringe verbos-sert. auch das im Text gogcbone
rWort nochmals von andoier üaad auf de» Baud geachnoboa.
38
Fünfzig drei alt«r ringe, die keine bochwn haben, in
mt-ister Heinzin >ihmitt»^ii. man kan «e aber bmcb-
lich maihfn. wit? ♦'f btriilit. mvh diisfibfrt
Fuiifzeht-n mo^t»■r ringe uf all«.-rl«'i gattange des geschos
klein nnd gro>. >o stft> in dt^r Schmitten im zeog-
han» im Br^-ni blcibi-n mäs>en.
Virzig drei ringe klein nnd gms zn alleriei stncken, so
der zt-ngwart meister Wilhelm nf seiner cammem da
sein, gehabt hat und miih »ein. ncK;h doselbsit
Zwen ringe zu dem gn.i»>en morser.
Zwen ringe do>elb>t zn d«-m klvin«'n morser.
Hin rink da-^-lbst zu der alten feurbnchs gehorik.
Ein rink zu der feurbuch>eu gehörig, ist in dem gies-
hans bei meister Martin.
Zwelf mosterringe zu cirthun nnd schlangen gehörig,
hat am-h mt-ister Martin im giessjhanse.
"Sitiatur. der zeugmeister hat auch ezlich mosterringe bei
sich, wie er selbst bericht, zu m. g. hern be&ten.
I-aischufFel und *o/k.^lben. wisoher. soint im bolwerg
obincr der battstubon.
Fünf lattsiliuffel. zwen wiM-hvr. zwo sezkolben, ge-
hören zu den zwfit-n scharfmezen.
Vier Ut»ohufTel. vier sezkolben. drei wischer zn den
zweien weissen rosen.
Srxhs latsvhufFel zu Frautzen oarthun. die rote rosea
gnant. und sivhs sezki^lb.n und zweien wisihern.
Fünf latsthutTel zu den vir.:igj»fvindigen carthaun. zweien
Wischern und zweien se;:kolben.
Fünf latsi-lniffel zu den dreien sengerin. drei sezkolben.
zwen Wischer.
Zwo latsol.uffel. fünf sezkolb.-n. ein wis*^^her zu den
zweien steinburhsen.
Zwen sezkolben. zwen wis<.'her nnd zwo latschuffel zn
dvr l.uigeu notsv'hlangen.
.\chT l.iTs<huffel. st\hs so.'kollvn. vier wis^-her zn den
r.ewen s*.hbng«Mi. als til^ fi svhio.<svn.
Vier l.uisv liuffil zu den nowon f;ilkun. vier sezkolben,
ein wisvher.
Zwo lat«cbufTel zu den alten falkan, so 6 ff scbiessen.
Sechs latschnffel und secbä Wischer zu den kliiia-n
puller ader inorser.
Neunzehi'n latBchuffi'l zu tlcti falknetliMii, uivd Beint di«
sezkolben daran und neun wiscbt-r darbfi.
Acht kopfern blech zu latüchuffeln.
Sechs 1at*chufFi'l zum scherpentin. noch
Zwei hose latschufFehi zum .suherpentin.
Fünf newe Wischer stan.nen zu den ncwt-n falkiin.
Drei sezkolben zu den sengerin und drvi alt vvisrher.
Ein latschuffid zu der schUinjJsen, ist alt.
Ein alt latschuffel. zwen alt wischer und ein h(imp;c.
Drei latsebuffel zu den steinbitclisen, vier sezkolben ntid
noch ein alt latschuffel.
Zwo newe latschuffel zun falknet ane stangen.
Eine newe latschuffel zun schurpentin ane »tang^n.
Iteni es seint sechzeben langer eisten hack»-« mit ringen,
du man die stangen durch thut und die lat-sclmflel
auf legt, und geboren acbtzeben schrauben darzu.
Sechs sezknlbeji zu earthaunen ,
Sibttn sezkulben zun schlangen /
Zwo sezkolben zu falkunen ■ alle ane stangen.
Zwo sezkolben zu talknet \
Acht alt sezkolben
Zweihundert ac-hzig ein stank zu lattj^chnfFel, svzkolben
and Wischern, klein und gross, kortz und lang, so im
zeughause im Breul auf der eiisen cammer im vurratb
behalten weiden.
Zehen latstecken zu den «cberpentin. noch
Drei Ktangen zun Wischern und
Fünf kolben zu .sezkolben, seint bei den latschuffeln
aufm bolwfrk.
Ein und zwanzig ütenglein, die man zu zuntln-udon
gebraucht.
Drei latsteck zu scherju'ntin, seirith im zi-ughans im
Breul funden.
Acht Stangen zu wischer und latschuttVl zu gebrauchen,
und seint in der stuben ufm waliel neben dem ge-
scberboden.
!i
40
Zwen latschnffel mit iren kolben za falknet. seint im
kleinen stobgen im forder wonhaos im BroeL
Allerlei sti>rm feurwerk und feurku}2fel ufm boUwerk
und ander orthen enthalten.
Einhandert achtz^hen kleiner feorkugeL so Alexander
\Vei>Togel gr^-macht zu den kl-inen fearbachsen. and
seint in dem riereckten thom hinder der kochen
Zwanzig ein grosser feorkogel auch Alexander g^emacht,
zu dem grossen mors>»r.
Einhandert zehen feorkngel . so za m. g. h. kleinen
morser gehören and Alexander gemacht hat.
Achtzig Tier fearkaget klein and gros, so im zeoghaoM
anfin wahrl gegen m. g. h. gemach ligen.
Zwanzig groeser ftrorkngel za dem groä.-ien morser. so
Hans Bommel der zeagwait gemacht.
Einhandert neanzehen feorkagel. ich Hans Bommel
gemacht, and gehören za m. g. b. kleinen morser.
Seon springen! ader verlohren fearkageL als zum stonn
in trackene graben zu werfen gebraucht werden.
Drei springent kugel mit lerne isen * .
Ein springent stormkagel ins wa&ser.
Fonfzig nenn feurkogeL so von Wolfellbuttel [!' kommen
sein und ufin gescherboden ligen. noch
Siben fearkageU seint lang and auch von Wolffenbattel
biacliL
Eüf stormbssi. so ins was«er g«rhoren and oben im boden
zapfen haben.
Zwanzig ein stormfas. so in trockene graben gebraucht
werden.
Eilf springent storm stock.
Fünf brede storm delen mit eisen zacken und zu beden
Seiten schössen **\ bracht man im storm ubem wähl.
Tier schmal storm dein mit eisen zacken, und haben zn
einer Seiten schos.
Einhandert und zwen gemachter storm krenz mit lem-
eisen und eisen schlegen.
*i Lemtitem = pedicnlos. StieL
"r 5nkw. od-l 5«:hot ^ t. a. Hoirvaad: s. S<:huler a. Läbbeo.
Xbü. Wo. onfier tehot.
I
Zwo gemachte stonn kolben mit eisern zacken und iren
verborgnen schlegen.
Ein storm sclieuben *) mit verborgnen scblegen (uirl
stacheln.
Ein werfent stcirm kidbe mit stacheln.
Ein grosser storm rf'if von hoheJspen und altrii seilen
gemacht und verborgnen schlegen.
Vier arusugerichter storm kolben eisern.
Dreizehen ungefüllter und unzugerichter holzern storm
kuiben.
Sibenzig and ein schlege zu den eisern kolben gehörig.
Einhundert storm kruse mit fuseisen und ander materi
zugericbt.
Seclizig drei .schlege, so in die holzern ötorm kolben
zugericht werden «ollen.
Einhundert und neun spiziger eisen schlege, so in feur
kugel gehörig.
Neun lange eisen spizen mit feddern, so an bolzern
unzugericht storm kolben gehörig sein.
Item e.s seint aucli ezlich seil uberbliben von den storm
krenzen und noch vorhanden.
Ein unzugericht springent storm kugel.
Item es seint noch in vier mulden scbvvebel, salpeter
und ander gestosner gemischter gezeug uberpüben,
als das feurwerk gemacht ist, will der zeugwart noch
zurichten von gemelter materi.
Item es ligen im zenghause neben dem grossen zeng-
hause gegen der rosmolu ezUcb alt |>lock und storm
stock unzugericht bei 50 ader 60.
*) iSchet^ ist violloicht = Sehaube, das Vilmar {Idiot.
8. 343) als NotbrÜL'ke wler Steg bczoiclitiet. Dor Umlaut au zu ett
(richtiger öi) findet kh:Ii in linr ükuiorhossisiiifn Muiuiiirt /.. B. in
löifen, Höifen, Ijiütfi = laufen, Haufen, I^ulvo etr, Vgl. dazu
W pinhold, Mittclhochd. Grainmat. 2. AuH. §. 128. — WalirwcheiD-
licher abor steht c« für ei (WeitiJiold §. 1*J4), so dasa Stutuischoibe
etwa soviel bcdeutot als Stunn^chiUl^ Seliild der Belagortoti (Br i u ok-
meier, Gloss. dipl.). Darauf deutet auch das u. S. 65 vor kom-
mende Lochscheubc, eine Seheibe zum Ausloclien von Metall (Frisch,
T,-L Wb.). Vgl. die Schetthcfirhore = Seheibeurfiore.
42
Zwo palver tfaonnen, stehen doselbst and ist ein idere
halb fnll mit f«^nr kngel gezenk.
Achtzig eninen !>teinkrage ungefulth, noch
Ai-hthundt-rt kleiner ungffnlttT storm krage auf dem
sc-hirbiKif n, aU der Zfagm«.'ister dahin bettelt hat.
Nt'un 6 alt gezeng verlegten von einer alten fenrkngd,
auch ufni scherrboden.
Drei f»"«lein \vag«*n»i-hmfr. i>t alt worden und za schme-
ivn nnnuz. und i>t im zenghanse im Broel aaf der
fis»'ii camm^rn.
Drt'ihnnd»>rt und zwölf kleiner b^chkrenz. so man bei
natht in pfanneu bn-nt, uf dem under^tenscherboden^.
F.in haUvr contner und drei und zwanzig S alt xet-
legen zeug, so von feurkugeln kommen, ufim scherboden.
F.in alter storm kolb, auch ufm scherrboden.
Zwanzig :«iben stormholzer mit schlegen, seint vor der
>tuben ufm gestcherrboden. noch daselbst
Ein alt storm block.
Zwo thonnen mit sihwartzem wagentzeer**X seint beede
nicht füll und stehen im zenghaose im schlos.
Hin butte, dar innen no«.-h bei einem eimer fall kinraach,
is-t ufm gesk'hirboden.
Stvhsthalb hundert i^ppireu kartetsch.
Sechs feurhackcn. noch
Fin fenrhack.
F.intausend guttcr eisern sv'hlege. und ligeu tn einem
fesslein in der cammern im forder wonhaos im Broel
neben der kleinen stnben.
Sollpetor.
PtvirehenthalK^n j«ntner und eilf Ä" laoter salpetter
one das hob. und so der verarbeit werden solL mus
er mvh eins geläutert werden, and steet au&n ge-
s^-herrKnien.
Vier rentner \ irrig fünf S mner und gutter geläuterter
saljvtter, und d^s holr is: nicht mit gewigen, sondern
*■ r.^- lV.lto 4uf Ar.* f «TC. w>? cj Äbeis:. twj anderer
••' Uvätfi$che F<«» ftu Ibeer.
43
abgezogen wie mit df-ni vorigen auch gescheeii und
stehet auch aufm yt^srhirbudiMi.
Eilf C gi'suhiriHlztf'r saliu-t^'i'.
^oMto' diT sa|jict*»r, .so zu /i;;inhaiii «oU^gtui, such
hirnach im inveniario Zigeidiaiii zu i'ndf.
'^otaiur salpt'tnr, als zii Dururstat ^tidu-t, i;*! iiivnutiret
nnd verzt'iclini't hirnach. siu-ii Dnrmstat.
Schmer.
Zwanzig andfrt halben centtit-r sclinier laut<>r oii«' fa^s
gewigen, und stctt im zcughaus im suhhis.
Schwebe].
Einhnndi'rt achtzig vier ceiitruT und zwciizip acht fl
Bthwcbel, lauter oin> die fas guwigeji, auch im zniig-
hiinse, und stehet in virzig vier thoritieu zugeschlagen.
Neunzig und zwei ü lauter schweWI nne das holz, stehet
in einem fesstdeiu ufin wähl itii pulverlmuse.
No/o/wr der Schwebel zu Zigenhain ist hirnach gemelt
in das inveutariuin Zigeuhatu.
Bcch.
Zwanzig ein zentner dreifsig achthulb ii. hmter bech,
so in fünf fassen gewesen.
Ite-m CS ligt ezlit'h bech und i.st zergangen im thorii
in» wähl neben dein grabm im zeugliause, und als
der zeugwart bericht, bei knie tief auf einen leimen
b<tden*j geschodt.
Alaun.
Virzig anderhalb u alauri, und stehet auf dem understen
gc^cherhoden.
Wachs.
Kin centner wachrs in eiuer tboiinen, und stet im Zeug-
haus forn im schlos.
Zwei und virzig fackeln, und ligcii ufui scherboden.
Zinn.
Sechs centner zinnen, stehet im zrugbau.si! in einem krom
fas8**), und ist one das vus.s gewigen, lin si^ldo.s***).
•) Lchmbodoo.
••) Krinnfass = Kramfass, Fass mit oder zn Kaufmaunswaareii.
***) Die lieJden letzten Worto sind mit anderer Tinte später
hiüzugerügt.
44
Glockenspeise und kopfer.
Dreifsig zwen und ein halber centner glockenspeis, als
aus dem lant zu Braunschweig kommen ist, und
stehet im zcughaus im schlos. noch darzn
Zwanzig vier ß zu demselbigen zeuge gehorik.
Ein gros kopfern gegossen runder käste;«, darin born-
wasser gesprongen hat und zu Heine gestanden ist,
mit sampt zweien stucken, daruf gemelter cast ge-
standen ist, auch gegossen kopfern, alles ungewigen
pliben grosse halben, und stehet zu u. g. hern, wies
darmit gehalten soll werden, es ist ungebreuchlich.
Achtzehen zentner klar ruwe.*) kopfer, ist in dem giess-
haus meister Martin inventirt und gewigen, noch doselbst
Breissig und fünf zentner glockenspeis and ein virtel
eins cenlncrs. noch daselbst
Virzehen centner und ein vertel gemengter gezeuk kopfer.
noch daselbst
Eilf schellen, so in den kirchen gewesen, klein und gros.
Blei.
Zwei und zwanzig tausent achthalbhundert halb pfundige
blei, so man unter die lantsknech theilet, seint gezalt
und thun im gewicht« einhundert fünf centner dreissig
fünf », je 216 stuck uff ein centner.
Ein centner blei, und ist nicht umbgossen, stehet fem
im Zeughaus im schlos.
Vier grosser vireckicht blei, damit man die buchsen,
wen sie gegossen sein, wyget, und ligen im hove vor
dem gieshause im ßroel im Zeughaus, eins ungeverlich
von zehen ader zwölf centner schwer, wie sie berichten.
Virzig und virthalb fi; bleien laubwerk und wapen,
so man zum giessen der buchsen gebraucht, auch
im Zeughaus inventirt, im gieshaus bei meister Martin.
üofatur es ist auch ezlich blei zu Zigenhain and hir-
nach des Inventar] Zigenhain vermeldet.
Hanf.
Vier centner und ein halber weisser und schwarzer
hanf, und ist ufm geschirboden, noch
Zehen pfunt hanf.
*) Rum = rö, rou, nhd. roh, unverarbeitet So sagt man
jetzt noch Ro/ieisen.
Zuntstrick.
Zwen centner und drei virteil eins centners gemachter
zantstrick in seligen nieister Wilhelm des znugwarten
Stuben aufm wähl im schloä.
Zwei alt vviltgarn, ao Bastian Jeger ins zcughaus ge-
liffert hatt zuntstrick daraus zu macheji, und ist
aufm geschirboden.
Ein halbe thon mit zun der schwemmen in der zeug-
warts stoben uffm wähl.
Uff dem obersten geschirboden ufm wahel im schlos
seint nachbemelt anspan streng und andere seile.
Einhundert zwanzig siben pai newer anspan seilß mitt
scheiden, ruekrimeri, bauchseihi, kntibfhi und aller
rustunge.
Dreizehen par alt gutte anspanseile mit scheiden, rack-
rimen, bancliseiln und knebeln.
Dreissig und ein par anspan seile, alt, mit bauchseiln,
knebel und haben keine seheidno.
Vier newer par anspan seile mit scheiden, ruckrimen,
bauchseiln und knebein.
Zwanzig vier par mittel anspan seile, newe, mit sampt
scheiden, ruckrimen, bancliseiln und knebeln.
Zwanzig zwei par alt gutti^r auf^pau seile mit scheiden,
ruckrimen, bauchseiln und knebeln.
Zwanzig nj^un par alter anspan seile mit scheiden, ruck-
rimen, bauchseiln und knebeln.
Ein par grosser anspan seile mit scheiden und ruckrimi-n.
Siben par alter anspan seile mit scheiden, darunter st^in
zwei par mit ruckrimen.
Vier par alter anspan seile one scheiden, darunter ist
ein par mit scheiden und ruckrimen.
Ein anspan seil unzugericht.
Einhundert siben par gros.ser newer an.span seile mit
scheiden, ruckrimen, bauchseiln und knebeln.
Sechzig vier jvar grosser newer anspan stj'ile, ungerust,
haben nichts.
Zwanzig fünf strenge zum anspan, one .scheiden, alt.
Dreiztdien seile, darunter sein vire mit scln-iden und
knebeln.
46
Sechs zerrissene untuglich anspan seile mit scheiden.
Virzehen zerrisner alter seile zum anspan, haben scheiden,
und seint fünf darunter mit ruckrimen.
Acht zerrissen alt anspan seile.
Zweihundert neunzig und ein alter zerrisen anspan seil.
Bauchseile.
Virzig bauchseile.
Dreissig neun ruckrimen.
Sechs par scheiden mit ruckrimen.
Hantseile ufm gescherboden.
Drei alt zerrissen hantseile.
Drei lange hantseile, noch
Drei gutte lange hantseile.
Ein alt zerrissen untuglich hantseil.
Zehen newer langer hantseil, so zu Franckfurt gemacht
sein, noch
Drei langer newer haniseil, so von Wolifenbuttel kom-
men sein.
Fünf grosser newer hantseil, als zu Franckfurt gekauft sein.
Zwölf lange hantseil, stark und und new.
Hebseile ufm gescherboden.
Ein lang hebseil, so meist«r Martin im zöge gehabt
hat, im gieshaus.
Ein lang hebseil in meister Martin gieshaus gehörig.
Drei hebseile zum hebzeug gehörig.
Fünf hebseil new in die gezeuge. noch
Zwei newe hebseile.
Hemseile.
Vier alt hemmseile, als gebraucht und schadhaft worden
seint.
Sechzehen grosser gutter hemmseile mit knebeln, noch
Nenn grosser newer hemmseile.
Fünf alter hemseile zu den falkun mit knebeln.
Dreissig und eins kleiner hemseile.
Bintseile aufm scherboden.
Zweihundertzwanzig vier kleiner henfen bint«eile.
47
Virephen grosser bintseüp, damit man die buchsen auf
die wagen bint.
Einhundert zwanzig drei langer, drei und zwei klüftiger
newer bint seile.
Ein alt gros zerrissen bintseil.
Henfen seile, so von den feurkugRln uberbliben sein,
ufm gDschirboden.
Virzig zwo klofter ein seil, ist Alexander Weisvogel
uberbliben, als er die feurkugel gemacht hat.
Neunzplien klofter noch ein seil, isl auch Alexander
uberbliben.
Zwfti seile, ein ides von vier klaftern.
Ein schmal seil v(m zwanzig und einer klafter.
Seclizeheri klafter bint strick von der fenrkugeln ze-
machen uberpliben.
Ein stark bank, daruf man die feurkugel gebundi-n hat.
Hebkopf.
Ein par hebkojjf mit seinen newen seiln, und hat neun
scheuhen und ist auf dum übiTstt-u geseliirboden.
Ein par hebko|Kf mit newen scht;uben und ireri seilen
im zeughanse vor im schlos. noch daselbst
Ein par hebkopf mit newen scheubcn und iren .seilen.
da.'^ülbst noch
Ei« par grosser hebkopf mit newen schenben und iren
seilen, noch daselbst
Ein par hebkopf gross mit newen scbcuben one seile,
als melster Rlartin im gieshause gebrucht.
Hcbzcuk zum gescbuz.
Vier gutter hebzeuge mit irer zugehorunge, und seint
im Zeughaus im Uroil. noch doselb.'it
Ein hi'bzeug, so man auf einem wagen aufriebt und Jörg
Molmeister gemacht hat, sampt seiner zubohor, ein
kopfern köpf, der anf der eisern cammern stehet, und
dan vier stark beschlagen redder, auch darzu gehörig
Zwo stelzen mit einem eisern nagel, so Jorge Zindei-
weber gemacht hat zum liebzeuge, .sollen aber un-
tuglieh UFid zu kurz sein, al.s der zeugmeist(»r Rosen-
zweig bericht.
48
Em befazeog mit einer eisen ^tan^en und xnüeii bobea
fusfen, stehet auch im Brenl auf drr eisen eanuaer.
Zwo ei«-D Ecluaiiben mit »ampt iren manein und zwöen
langen «tcbmsöehi und zweirn sthcch. als hetxogra
Heinrich-s gewesen ist. ncd stehet anf dem onderstoi
geischirrboden.
Dnri eifern Stangen mit dreien missingen nbenogen
Mrbaaben. ak herzogen Heinrichs gewesen sein, so er
die böchsen zerrichten genozt hatt. nnd steet im
Breol im z<Highans aof der einen eisern cammer. da
da« ah gexeog innen ligt.
Zwei gro« hebzeog sampt iren s^heaben im zenghans
im schloä.
Fonf kopfem schenben. so in ein hebzeng gehont,
im zeoghaos meister Martins, noch daselbst
Ein kopfem schenbe. und derselbigen sein drei klein.
Wagenwinden, so im zeugfaause ufin geschirboden
steen.
Drei wagen winden.
Ein wagen winde, so oben die stange zerbrochen ist.
Eine bockwinde, ist ans dem heizogtfaom Wirtennbergk
kommen.
Ein lange hebwinde mit einem doppel geisfos onden.
Ein winde mit einem ganzen eisenen gehuaese, stangen
nnd fns.
Zwo winden mit eisenen gehanese, eisen stangen nnd
hölzern fns.
Zwo winden in hölzern kästen, nnd haben m. g. h. wapen.
Hebbock.
Vier hebbock mit eisern nagel, stehen im zenghanse
anfm wähl im schlos gegen m. g. hem gemach, noch
Vier hebbock mit irer mstunge, und stehen im Brenl
im zeughaos auf der eisen cammem bei dem alten
eisenwerk.
Schmerbock-
Yier schmerbock, und stehen anf der eisen cammem im
Breul, da das alt eisenwerk ligt.
Drei schmerbock, und stehen aufm wähl im zenghaose.
I
I
Kug^elkasten und ander beschlagen kistgen.
Fuofzelien kugelkasten ufm wähl im zeughause gegen
meins gnädigen herrn gemach.
Ein trage zun kugehi, und stehet im Weissenhove in
der kirchi-n.
Fünf newer beschlagener kugelkasten, stehen im Zeug-
haus im Breul.
Vier alt beschlagen kugelkasten, im Breul im zeughaus.
Zwo newe kugfl trugen, seint lang und beschlagen,
stehen im zeuglians forn im schlos. noch
Fiin alt«'r langer kugnjkast im zeughaus doselbst. noch
Ein lange eichne kugel tragen, stehet auf dem understen
scherrbnden.
Zwanzig vier alter kugel trugen, sollen untnglich sein,
als der ZfUgmeister bericht, nicht dan 7U verbrennen,
und stehen im Breul im zeughaus, da die zimmer-
lent arbeiten.
Neun kistlein mit schlössen und beschlagen, darin man
das lantsknecht blei zu f»^lde furet.
Zwo thonnen mit eifin»*n reifen beschlagen, im forder
Zeughaus im schlos.
Sechs beschlagene und schloshaft. eichne fefälein, darin
man das schmer zu felde fiiret, und aeint mit eisern
reifen.
Drei falknet kestlein, zwei mit schlössen und ein one
schlos.
Ein klein beschlagen laden, gebort zu der feurbuchsen
gefess und ist im Brnul im forder wonhaus funden
und beschriben worden.
Vier kugel trugen gut und boss, so in der eisen cammer
im Breul stehen.
Eisen hemschuch,
Drei eisen hemschuch im zeughivus uffm wähl.
Ein alier hemschuch im Breul im zeughaus.
Leuchten.
Sechzig drei klein und gros leuchteu, »eint ufm bol-
werk obing der badtstuben. ikoch
M. W. XTX Bd. 4
so
Ein grc» riereckte lenchten mit gU&, und henkt im
zienghans gegen der rossmoln.
Besdilagene reder. truDwagen, gefess und ander be-
reit&cfaaft zum ge^rliutz.
Siben grosser thmlwagen. damf man das gros geschoti
fnret. nnd sf'hen im AVeissenhove in der kircfa«!.
Sechs grosser prozen adv-r forderwagen.
Zehen forder gestelle. damf man die apostel nnd £dknet
füret
Sechs gestelle zu den sechs kleinen morser.
Drei par scheaben mit iren zngehorenden axen.
Zwen gross prozen ader forderwagen, als zn der weis-
sen rosen. den zweien stocken gebraacht werden.
Ein rastwagen mit korben, gebraacht der zeogmeister,
wan er m. g. hem za felde zeucht, und ist beschlagen
mit sampt zweien hinder nnd forderwagen, und hatt
ein wog ketten.
Drei par brillen.
Drei newe wende, noch
Zwo newe wende.
Drei alt übrig gefess mit sampt iren redem. darin seint
Frantzen zwo sengerin nnd die nachtigall gelegen.
Ein newe nbrig gefess. doran ein wandt schadthafi, zu
den newen carthunen. so zn Zigenhain sein.
Zehen grobe beschlagene redder. seint u. g. h. zu seinem
geschntz nit zu gebranchen dan das eisen, nnd seint
Herzogen Heinrichs gewesen.
Virzehen grober beschlagen carthun redder, stehen im
Breul und seint new.
Acht grobe" falknn redder bf^^chlagen. auch daselbst
nnd seint newe.
Zwanzig falknett und prozen redder beschlagen, newe.
Ein alt beschlagen proz radt
Eün new beschlagen proz radt nnd stehet anhu wähl
im Zeughaus im schlos.
Zwei newe unbeschlagen kam redder.
Zwanzig gestell beuem zun falkneten. ligeu im Zeug-
haus im Breul im forder wonhause.
Einliundpirt und zehen keil, damit man die stuck mider-
legt.
Ein eisner sattel zu einem grossen stuck gehörig, ist
im Zeughaus im st:hlo9.
Sechs schieden sampt iren wellen und zugehorungen,
seint im zeughaus im Dreul.
Ein grossen holzftrn wagbalken mit sampt zweien
grossen holzern scholen, beschlagen, und iren kettern
und zugehor, daruff man die groben stuek weiget.
Schruben.
Vier schrauben, damit man die gefess zusam zuschraubt,
won man (he. stuck bi-schiecht, und »eint in meister
Heintzen Schmitten im Breu! im zeughavise.
Eziich stuck holzer zum rost, daruf man die morser
wirft, im Breul im zeughaus in der cammern, dar*)
das alt eisen werk Ugt.
Auf mittwochen nach dem sontage Letare anno
etc. 45 haben Johaii RosentÄweigk zeugraeister und ich
Johan Gerhart aus bevelch u. g. f. und hern das
ilmenliolz, so im Aniienberge an zweien orten ein
gutte unzal zum forrath, ungeverlieh an die drei-
hundert stuck gcficbuitten und grob, einstheila aueli
ungeschnjttfn, zu buchsen gefessen alle dienlich a.
f. g. zur notturft aus dem stift Colin und aus
andern oitpn zusamen gefurth, besichtiget und
inventiren und z*'l*>i) wollen, diewei! es aber den
rhaum hei zu legen nicht gehabt und zu vil gewesen
und grob stucke, auch nicht woll hinweg zu bringen,
ist es deshalticii nach pliben und so bemelt holz;
wie es bis doher gelegen, fiirter im treugen gewartet,
Wirts ein lange zeit über fünfzig jaren u. g. h. zun
gefessen genugsam versorget sein etc.
Legeei.sen.
Nenn lege«isen, als Herzog Heinrichs gewesen sein, noch
Ein halbs, und ßtehen im Bn^ul im zeughause, noch
daselbst
Neun grosser gutter legeisen, noch daselbst
Ein gutt legeisen, doselbst
*) im Orig. das.
4»
62
Siben grosser legeisen, sollen wie der zeagmeister be-
richt ettwas brochig sein, noch
Drei iegeisen in der hinder Schmitten im Brenl.
Nenn legeisen klein und gros,' so auf dem boden über
der Schmitten ligen im Breui.
Ein alt legeisen in der cammer im Brenl, da das alt
eisen werk ligt.
Acht ringe, da man die legeisen mit anzeucht in die
achsen, und seint in der hinder Schmitten im Brenl.
Vier hacken, da man die legeisen mit in und aus hebt
in der hinder Schmitten im Breul im zeughans.
Hebeisen.
Zwanzig fhnf gutter starker hebeisen, und stehen im
Zeughaus gegen der rhosmolen im schlos, noch
Ein hebeisen, hat der pulvermacher in der moln und
ist im zngeschriben im inventario.
Zwei hebeisen, seint im gieshause bei meister Martin
inventirt und seint im auch zngeschriben.
Forder und hinder wagen zum geschutz, und ist auf
dem geschirboden ufhfi schlos.
Zwanzig ein hinderwagen mitt ketten, noch
Drei forderwagen ane ketten, zwo seint alt.
Dreissig siben gutter forderwagen, darunter seint
zwen alt.
Zwanzig bletter an hinterwagen, seint in der hinder
Schmitten im Brenl verzeichnet.
Kommet ader hamen, halskoppel, lichten, aftersei,
gorten und anders, als zum geschutz und anspannen
gehöret, und volgt himach.
Einhundert sibenzig newer kommet ader harnen, dar-
unter seint ezlich sehr klein, und seint darunter
dreissig fünf hamen die mit sbripfen sein.
Zwölf newer settel zu den falknetten mit iren gorten.
Seclizehen newe hnlf ader lichten zu den falknetten.
Einhundert dreissig und ein par newer strippen, so an
die hamen gehören.
I
\
Zwanzig drei aftpr spiI mit ketten and was darzu ge-
höret za den falknetlein, und d«r sßint drei alt
Zehen alter sein mit ringen und hacken.
Funfzehtin nnwer lialKkopfnl bletter.
Funfzehfin gorten newe zu den falknet gehorik.
Zehenthalben ganzer .Strasbiirp;er gort scheuben. und
ligen in Wilhelms seligen des zeugwarts eammern.
noch daselbst
Zwo klein Nurni berger gortücheuben.
Sechzig und ein aftehr sei newe mit ringen und hacken
und was darzu gehöret.
Neunzig und fünf par eisen stripf hacken.
Sibenzig und acht par notrlngo ader hacken.
Acht ringe zum after sein.
Zwanzig sechs par eisne hacken one ringe zu den
after sein.
Dreis^sig drei par hacken mit ringen zun aftersoln,
Dreizehen par hacken in die stripfen.
Drei rinken in die after sein.
Acht alter falknet settel, so gebraucht sein.
Fünfzig fünf newer aufgemachter kommet holzer. nnch
Drei par nnM.sgt'maclit<!r kommetliolz^tr zum forrath.
Zwölf zngehawene köpf zu fiilktu'tlein zu gebr;iuehen.
Zwölf bretter auch zun sattel zugehawen und zu den
vorgemelten köpfen gehorik.
Zehen weis halbe gar Jieude. noch
Zwo halbe weis gar hende.
Dreissik fünf weis garer rim«n, die kommet ader harnen
damit zu binden.
Drei after sei bletti-r.
Einhundert ringe zun ruckrimen gHlinrig.
Virzig zwei gutter halskoppel nfm geschirboden.
Sechzehenhalbe unbereite ochsenheude.
Dreizehen grosser knöbel.
Neunzig fünf gortringe, ufm wähl in des schirmeisters
cammer.
k
54
Siben bletter an halskoppel eisen klein und gros in
d«^r hind^r bchmitten im Breul verzeichnet und
fiinden.
Stcl negel und kctton zum peschutz.
Zwt'lf ](iir ketten zu den falknettengeytellen ufm ge-
Nrlit'rbodf>n.
Zwi<nzig swclis hingor kcttt^n sampt irsn stt^lnegel.
Sibini langer ketten on«< steinige! im ZBUghaus im
Zwiinzig sechs kkiner »telnegel, und Laben keine
ketten.
Zwpn grosser ttel ncgpl, und haben kcinfj ketten.
Vi»'r kurzer nagt-l, damit man die morser aufltebt.
Virxig drei ketten zu den hinderwagen im Breul in der
hinder scbraitten.
Zwei |»ar alter ketten klein, auch zu hinderwagen noch
Drei alte einzeln ketten nicht gleich lang dafielbsi
Zwei par halsktvppel ketten, sent nicht ganz usgemacbt.
K.in lange wagen ketten stark, vor der hindersten
essen, in der Schmitten im Breul verzeichnet, darin
sie die schweren eisen hangen, wan »ie schmiden.
Ein prozenketten in meister Heintzen Schmitten im
Breul.
Ein grosser stelnagel mit einem ringe, und ist gescliriben
worden und fnnden in meister Heintzen Schmitten im
zenghaus im Breul 1. nucli düselbst
Zwanzig nagel lang in die gefess gehörig, noch
Neun nagel initt flachen kopfert, auch in die gefes.
Zwanzig fünf nagel zun deckeln, haben oben an köpfen
locher, geboren aucli zu den gefesseii und seint im
zeughause |in] meister Heintzen Schmitten verzeichnet.
Zwo prozen ketten in der eisen cammern im Breul.
Stormleitem und beum, so darzu zu gebrauchen sein.
Zehen thennen beum, als man zu stormleitern gebrauchen
will, noch
Virzig acht thennen beum zu stormleitern im Zeug-
haus im Breul.
Zwo toppel stormleitern daselbst.
Funfzehen alter stormlt^itern.
Virzig neun newer guttt^r stormleitern.
Vier eisene gabeln, damit man die stonnleitoni aufriebt.
Zwo stonn adt^r btigleitern mit eistn sprosstm, als von
Marpurgk kommen suin und auf dem überaten ge-
Bcbt'rboden ligen.
Ein stange zu gemelten Steigleitern.
Dreissig vier stuck zur steigäpitern, als geslift sein,
siinipt Lrer rastuiigt! und sprussun, nocb
Sechs stuck «iBen gestift, als auch darzu geboren, und
Ugt in einer newen kisten, als von Marpurgk kommen
ist, vor der s-tuben aufm scherboden nfm wähl.
Vier tbennen bolzer, so zu Htonnleitern bestelt und
nichts nuz »ollen sein, im ford«r wonhaas im zeug-
baus \m BreuU.
Ein alt storraleitern doselbst. noch
Ein alt stormleitern im Weissenbove in der ktrcben
funden und inventirt
Gross und klein thcnnen beum auch thenncn und
eichen boln, beschlagen und unbcschlagen delen, so
man zu Schiffbrücken gebrauchen will.
Virzig und ein grosser langer balken thennen, als von
Sclmialkiilden kommen, und sein im zeughau.s im
Breul.
Zehen thennen beum kurz und lang, so man vor Wolffen-
buttel mit geliadt hat.
Achtzig und eine starke eichen holen im zeughaus
im Breul.
Fünfhundert achtzig sechs langer starker thennen dein,
fiine idere von zwanzig fntif fus lang, zu schifF-
bruckfn ge.sclrnitton, und ligen im Breul im Zeug-
haus, noch dustrlbst
Einhundert und nenn kurzer dein thennen. noch
Funfzelien eichen dein doselbst.
Siben kleiner und runder thennen beum ungeverlich
von 15 oder 16 fussen, ligen im forder wonhaua im
Breul im zeughaus, daselbst
5fi
EzB «k4km de^HL duvf £ whieiB«! gtmbgit
Eis tb»»«a)>fl dela ds9«lb«t.
Dni b>«ch!ae»B bofen. Boch
Fufziir (iBf boka «abo^chbf*«. Bocb
FvBf Vrrwfe^r bot^ zwo seiot bndiiaf« «ad svo «■-
bwchbgga. ifli zeosfauB tifin «ab»l m scUos gegen
K. f. btn g««ucli.
Zwo lio^ii. «o maa aach auf bnick^B gcbnockt. «ad
««st iBi kaofhan» auf d«r FrHheit b^i dm geaelmi
hir4LLnNrn VBd fomk-n.
Stb«a w«M bcoBL darabier maii di bossea foniii,
M> Baa ?»r etsai^B wüL
In d^m zeughaaS' binden im höre geg-en der
r-c-smolen im schlos im andern boden ver-
zeichnet, als nachrolgt.
Ejak-VBirTt »ibettzig rkr ext mit stvlra.
I^kel ader n?diacken.
Zv^ihioMkrt dr?e&^ zwo scharpf pkkel ader rottlia^cai
■US stein.
Hawen ader rotfaacken.
SfOBZze Ti•l^r bc^it/e haw«n ader rothackea mit stehi.
Spiz pkrkeÜL
Zw«ihmKk<t {aikbäf drei spizpkkel mit stein.
Spaden.
ü&nnzi^ zw-^a »cwden.
SKhz«hec alt z^rbrocbMi ^»padea anf dem gescherboden,
•KBätiifril-s «tel^^n zu g^braocben. diHi allein die haat-
gxiS «-Ktxw**! sein.
Tiniff fonf i^poden noch doselbst. so aoch gebraaeht sein.
Ficseisen.
Dr»icasi*rnt and ä^^ckshondezt fiisetsen and ein fwlein«
darin ä« !iz»n of dem andersten fvsckirbodea.
k«m »in roet im KOghaos daselbst.
Hawen ader hacken.
Torzif zwo hawoi ader backen mit zweien «cbaeideB
mni ballen stele.
Schupfen.
Eintausent zwanzig drei schupffen mit stein.
Fünf alt «ntuglicher holzer sciuipfen als forn mit eisen
beschlagen seint aufm gfischerboden.
Eisern mistgabeln.
Einhundert neunzig zwo eisern mistgabeln sampt den stein,
Steinpicken.
Dreissig acht steinpicken mit zweien spizt'n und auch
Stelen.
Schplhemer.
Nennzehen schelhemer mit stelen,
Schelhemer mit spizen.
Zwanzig schelhemer, die haben spizen und auch stele.
Mulden.
Neunhundert mulden, ligen auf dem obersten gescher-
boden, noch
Zwanzig zwo mulden ufm hol werk.
Worfschuffel.
Zwanzig ein worfschuflFel mit langen stein auf dem
obersten gescherboden,
Lantknechtisch spis und spiseisen.
Dreihundert neun lantknechtisch spies mit iren eisen,
auf dem obersten gefschirboden.
Zweitausend einhundert achtzig drei knechtisch spies-
ei.sen, auf dem understen geschirboden, noch doselbst
Eintau.send achthundert siben und neunzig knechtisch
spieseiäen. noch do-sulbst
Eintausend einhundert sechzig fünf knechtisch spieseisen
mit langen .scheren, noch daselbst
Eintausend zwanzig drei knechtisch spieseisen.
Rcitspisoison.
Dreihundert neunzig fünf reit spies eisen und daselbst auf
dem andersten geschirboden.
Negel.
Zehentausent und vierhundert nagel, da man die knech-
■ tisch spieseisen mit annegelt, in des zeugwartes
I cammern afm wahel.
I
I
58
Fünftausend achthundert baib schlos negel, blech und
leddf*r damit aufzunfgehi.
E'\]{ tausend nminhundcrt klein sattler nagel, auf dem
understen geschirbodt^n.
Ein klein fe^lein mit brettt-r nagel, so der zengmeister
zu Franikfuft gekauft liat zu behuf in. g. h. und
«teht't im BriHil in dvt eisen canimern über meister
Uelntzeu Schmitten.
Reisekaüten.
Sibenzehen beschlagen und si-hlosliaft reisekasten, noch
Zwen reisekasten, die hat der zeugmeist^jr, wie er selbst
beritht, in meiner bewarung in seiner herberk.
Ein alter langer reisekaste bi'schlagen, stehet auch
vor der stuben aufm gescherhause.
Zwen reise kiiste« besehlagen und schloshaft, als im
Zeughaus im Dreul uf der caramern stehen, da das
alt eisen ligt.
Kin besihlagner reisekast, sehlosshaft und schwtirz
angestrichen, stehet vor den taminern im Breul vorn
im wonhaus im zenhaus*).
Drei reiaekasten beychhigen und .sihloshaft, so im forder
wonhaus auf dem kleinen stublein stehen im Breul
im Zeughaus.
Borkpfeile.
Siben krora fas mit borgpfeilen, auf dem ubersten ge-
scherboden, noch
Drei thonnen auch mit borgivfeilen daselbst, darzu noch
in zweien häufen in ezlich tausent pfeil ungezalt, noch
Ein thon mit borgph'iln alle auf dem obersten und
understen geschirbuden enthalten, und seint von Mar-
purg kommen.
Ein thon mit b(>rk[)feiln im liieul im Zeughaus und
stehet auf dem boden zwischen den beeden eisern
cammern. noch
Ein fas mit borkpfeiln, so von Murpurgk kommen,
und stehet in der caramern im zeugimus im Breul,
da das alt eisen innen ligt.
') Znufhaui'i
Alt Biossbeige,
Zwen auf dem oberstfin gescherbotien, noch
Zwen blosbelge auf dt^m underssten geschorboden, nach
Zwen blosbelge, stehen im Bruul vor d«!r hindtir Schmitten
im Zeughaus.
Kohlrumpf.
Ein beschlagen kohlrimipf, stellet im zeughaus im Breul,
dar man kofln mit mist.
Item ein klein glouken, damit man den knechten von
irer arbeit zu tisch und an die arbeit lentet, und
henck [so Ij foran obing der thur im wonhaus an der
hofthrtr.
Feltschmitten.
Zwo feltschmitten, und ist eine alt. ligen beede im
Zeughaus im Breul.
SchleifFein *).
Drei Schleifstein, einer gutt mit weti und korbe,
Wagbalken.
Drei wagbalken gross und klein mit sampt vier knpfcrn
«cholen und zweien grosuri holzern, beschlagen scho-
len und acht ketten, noch
Ein kölnisch wagen mit scholun missingen, und seint
im Zeughaus im acldos.
Ein waghalk im Breul im zeughause, ist stark mit
hulzern scholen une ketten.
Gewichte im zeughaus im sohle s.
Ein centner gegossen kapfern Casselisoh gewicht.
Ein centner messing gegossen Normbergnr g^-wicht.
Ein halber kopfern gegossen centner Cosselisch gewicht.
Ein virtel eins Zentners kopfern gegossen Cesselisli
gewicht.
Achthalb S kopfem gegossen Casselisch gewicht.
Vier fli kopfern gegossen Casselisch gewicht.
Zwei 6 gegossen Casselisch gewicht.
Seclizehen ingesezt pfunt Narmbberger gewichte.
•) So statt »chleiffateiu.
eo
Gevincht im zeughaus im Breul in den Schmitten.
Ein centner gegossen kopfern, noch ein halben centaer.
Ein virteil eins centners auch gegossen und kopfenif
noch
Vier 8), zwei S, achthalb ff and ein 8 kopfem.
Fass, so man zum impacken gebraucht, auch pidver-
thonnen seint himach verzeichnet
Eilf fas ader stubich, stehen im zenghaos afm waheL
Sibenzehen kramfas auch daselbst.
Zehen eichen fas daselbst
Drei eichen zober daselbst und gehören in die pnlver-
molen.
Zwo newe pulverthonnen daselbst
Eilf stubich oder cramfas im zeughaus gegen der loe-
moln, und stehen die falknet kugel darinnen.
Eilf pnlrerthonen doselbst, noch
Eilf pulverthonnen, so im zeughaus fom im schlos
stehen, und ein halb eichen fass, dar in das blei ge-
standen.
Ein kram fesslein auf dem obersten geschirboden.
Ein pulverthon daselbst mit einem boden.
Ein alte kisten auf dem understen geschirboden.
Drei kramfas thennen eine ider mit einem boden.
Drei eichen fas, so von WolJBTenbuttel bracht sein, und
ist salpetter darin gewesen, vor der stoben ufin ge-
scherboden.
Ein eichen fas da man inpacki daselbst.
Ein thennen kramfas auch daselbst.
Siben halb fass, darin man wasser thut, steen im wogen^r-
haus und daselbst im zeughaus.
Vier pulver thonnen im zeughaus im BreuL
Drei kramfas auf dem boden vor den beeden eisern
cammem.
Ein kramfas, steet im Breul in der cammem, da das alt
eisen innen ligt
Zwei alt pulver feslein, da man nagel in thut, stehen
im Breul in der cammem, da das eisen innen ligt
"Beth, betspan. tisch und bcnke, wie nachverzeichneth,
auch kisten.
Ein thennen kisten, so man insezt auf beine nfm wahfil
im zf>ughaus, so Meistm- Wilhnlm sfligir imigehabt,
and haben die gort«n scIi^Mibeii darin gnleg^n.
ßn kisten thenntin dastilbst. auf beinen on« gphcng
und unbescblagen.
Drei viereckt tisch mit creutzen daselbst.
)rpi b^-ttspondf daselbst.
Swei feddt'rbet auch daselbst.
Zwen pulbfii auch da.sflbst
Zwei leilachea und
Zwo decken.
Fünf benke.
Ein schenkgen *) mit einem schlos und bcschlag in
kder stoben, schwarz angestjichen, das niiiii (uil'i'im-n
bank sezt.
wen bettspont dennun im zenghaua im Breul auf der
eisen cammern.
Vier betspont in d(^n cammf>ni im furder wouhaus im
Bri'ul im z«'Ughau.s da.s('lb.st.
^^Ein eichen bank vor das bftli, nuch
^■■ier pelzfern decken, gut und b<*se.
^■Zwo leinen decken gut und bo|5.
Zwei alt klein feddcrbpt, noch
H^wen alt piilben.
^|Bin heubt küssen.
Fünf viereckter tiscli mit creuzen im zeugliaus im Breul
im forder wonhaus in den dreien stuben-
Zehen benk gros und klein und eins theils stark in
der selbigen stuben.
Fünf beth im fitrdcr wonhaua im Breul in dem kleinen
stubgen, darunter sein zwei mit untuglichen ziehen.
)rei pule und ein küssen oiie ziehen dnselbst.
Jechs schwarz pelzen diaktiicber gut und böse, noch
daselbst
^Vier zerrissene alt gewerkt decktiicher.
i\n alt thennen bettladen neiden in der cammern neben
der stuben.
•; d. i. Öchrttnkcben.
Fünf newer tischtücher im zenghaus im Breal.
Vier hantzweln daselbst
Sechs par leilachen.
Werkzeuk, so ufm wähl obing der batstuben der
zeugwart Rommell under banden hatt.
Ein schrauben stecken,
Ein bank anbos.
Ein geschraubeten feilkloben.
Ein Ess.
Neun feilen klein and gros.
Ein fohrhamer.
Zwo schmitzangen.
Zwen eisen schlegel.
Zwen schrotmeisel.
Ein feilhamer.
Zwen sezmeisel.
Vier hemer.
Sechzehen allerlei bankmeisel.
Ein bank secken.
Pulversebbe.
Vier pulver sebbe, so ufm wall im zeughaus sein und
ettwan der zeugwart Meister Wilhelm gebraucht hat,
und nun izt der zengwart Rommel underhanden.
Nachgemelts ist in der pulvermolen in-
V e n t i r t.
Erstlich in der alten molen.
Ein stampflock mit zehen pfannen, mit zehen stempfen
und zehen sehnen.
Damach im wonhause, dar in der pulvermacher
Meister Hans Studell sizt.
Ein grosser kessel mit vier oren.
Ein kleiner kessel und ist ingekleibt.
Ein gros kopfem Laaterbecken mit dreien hantgriffen.
Ein kopfern kellen, da man wasser mit schepft.
Zwo ext
Ein gros eisen schlaghamer.
Ein sezmeisel.
Ein gntt new hebeisen.
Fünf grosser holmeisel.
Vier spaden.
Acht schupfen mit stein.
Ein spiz pickein.
Ein breit pickfiln.
Ein messingen hauen.
New thennpn fas ilar innen nuin kotfn behflt.
Sechs halb eichnf fas darin man wasst?r tliut.
Ein boror, damit man die sclniffi^l uffmacht.
Zwelf muldeii klein und gros.
Ein wagbalken mit zweien grossen kopfeni acholen,
damit er pnlver und anders weigt.
Ein gewicht von funfthalb fli
allfts von blei gegossen
gewichte.
Ein von 3'/a ß
Ein von zweien g
Eins von einem S
Eins von einem halbe« S.
Ein.s von einem virteil eins ßl
Ein alter schank.
In der ander pulvermolen, die helle mnln gnant, ist
verzeichnet wie volget.
Ein .stampfplock mit zehen pfannen, zehen st.empffH
und zehen sclinen.
Ein lange leitern mit zweyen schenben, oben und
uuden ei.sen scbucli, als aus dem lant zu Wnrtem-
hergk kommen ist.
Fiinf newer Stempel holzer.
Zwei newe heren sebbe, noch
Zwei alte hern sebbe.
Vier körn .sebbe, ein new uiul drei alte.
Vier schauhkarn.
Zwanzig sechs taffel zum pulver zetrnckeu.
Im zeughause im Breul ist erstlich verzeichnet der
zimmerleuth und wajtrner werkgezeug unserm gnedigen
hern zustendig.
Drei grosser Schrotsägen.
Zwo grosser spalsagen.
Ein wendehacken.
Zwen te.ster*) ader zirkel, und ist einer uberzint, und
denselbigeu soll Rommel der zeugwart bei sich haben.
Zwen meisel, ein breit und einer schmal, noch
I Zwen hoelmoisel gross und klein.
*) Tftätei' = gebo({CDer Ziilel,
64
Siben grosser nebiger*), noch
Ein kleiner nebiger.
Vier eisern klammen.
Wagnergezeug.
Fnnf grosser naben bor, damit man die nahen xa den
carthanredder bort.
Ein klein naben bor.
Ein eisen schlag hamer.
In der hinder Schmitten Peters im zeughause im Breul
ist verzeichnet nach gemelter werki^ug zum schmitt-
werk u. g. h. zuständig.
Zwen toppel blosbelke.
Ein eseisen, und gehört znr feit Schmitten.
Drei gutter ambos, nnd ist der best zu Darmstat gekauft.
Zwen bom ambos ader sperhacken.
Drei nagel eisen.
Zwen kolhacken und funfzehen klammen nnd zwo
kloüten.
Zwen leschwiBch, zwen leschspies, sechs notringe.
Drei eisen schlagen.
Drei forhamer.
Fünf neben schlagen hämer.
Fünf hanthämer.
Zwen nagelhämer.
Zwenn blechhämer.
Zwen sezmeisel.
Ein runden sezmeisel.
Ein zeichenhamer.
Ein feilhamer.
Siben runde stempfhamer.
Siben flach stempfen.
Ein blechstempfen.
Neun schrotmeisel, gut und bos.
Drei rathborhamer, ein korner, drei haut durch schlege.
Zwen abbrech meisel. zwo böge laden **) eisen.
Drei lochscheuben.
Zwanzig vier schmetzangen gros und klein, krom und
strack.
*) Nebiger, älter nabe-gir, bei. eine Art Bohrer (eigentlidi
Nabe'spiess )
**) Lade bez. aach Dan. Sanders (Wb. d. dtsch Spr.)ebeD
Schraabetook. B<^fdaden veiss ich nicht zu eriüliren.
I
I
I
I
Ruf blechzangen, da man redder mit aufbrent. *)
Ein haiitbeil, da man hjimerstt»! mit macht.
Fünf meisel, die redder mit jebuchsen. **)
Zwen holzmeisel, ein knecht so forn in der essen steht.
Vier feilen.
Item allerlei mas und muster von eisen, ao sie zum
schmitwerk gebrauchen, seint nit gezalt.
Volgent eisen ist in berurter Schmitten gewesen und
gewigen one die schmerscheuben, seint getzalt
Acht schmerscheuben.
Anderfhalben zentner rotschenen.
Anderthalben Zentner virzig anderthalb ß stabeisen.
Zwolfthalben zentner und zwei U alt eisen.
Virzig fünf i? abschroiei.sen, so sicli der zeugmeister
ztigeeignet ime geborlich und doch .solt es m. g. her«
pleiben, wie es .t. f. g. auch bis dolier gelas.sen were.
In der ander meister Heintzen des Schlossers Schmitten
im Breul ist der werk^ezeug und anders m. g. h.
zu.stendig verzeichnet und aufgeschriben, wie hirnach
volget.
Ein doppel blashalk.
Zwen einfach blasbelk^.
Zwen anbos, zwen sperhacken ader hornanbos.
Ein stempf ader nageleisen. Ein böige laden.
Zwen eisern schlegehamer.
Vier vorharaer, drei nebenschlege, drei hautharaer.
Drei nagelhamer. Fünf lioh-: sezmeise) hamer.
Fünf nagel stempf*'), gut und böse.
Drei vierecket sezmei^el, ein zeichen hamer.
Sibenzehen schrotmei.selhamer gut und bos.
Virzehen flach stcnipfel klein und gross.
Acht runde stempfel klein und gross.
Zwen rotli horhamer,
Dreissig .siben zangen, krom und strack, klein und gross,
aller gattunge.
Zwo abbruch zangen.
Ein schneitmesser \
Ein hantbeil /
liamer stel mit zu machen.
•J Vielleicht vorscliriebon für atabrent ?
••) VcrsL'hrieben für xtbuchsen,
V r. XVI. Bd.
66
S^bft BÄgf-lbieen, grosB and kkin.
Ziren abbrach meiseL
Vkr dmcbschl^gmeisel. wchs kjcfascheaben Umd und
Zwanzig zwen sperringe ader spanringe.
Zir«;n alt bleilöffeL ein knecbt in der esaen.
Zwen lo«ch weddeL, zwen loscb spies, zwo kolhacken.
Drei fechreabe stock.
Drei bank anboe.
Drei bolzmeiael.
Ein flecken,*) ein feilkloben, zwen hobneiseL
Ein boer und ein aosziber za hantrhom.
Sech« breneisen damit man fas zeicbnet
Zwei locber mass.
Zwanzig fdnf maln scblos.
Drei schrenbe stock.
Drei bankanbos.
Drei feil kloben.
Acht bankhamer. **)
Drei gerbestel.
Zwei boer, ein trester.
Yirzig zwo feilen gross und klein, rant nnd flacb.
Ein raspen feil ein stossage, ner feilbamer.
Fanf boer mnt nnd vireckt, da man die eisen locher
mit weiter macht.
Vier »ecke, vier flösse! dorn, ein rhnm boer dreieckicbi
Drei iochscheuben. virzig siben meisel and dorch-
Hchlege.
Zwei bankblei, da man feiln auf hewet.
Ein blechscheren.
Ein rieht dorn, da man malschlos nberricht.
Sechs schraube boer klein nnd gross.
Ein ren spindel.
Ein winkeleisen.
*) Hammer zam Secken, bei Klempnern und Capferschmieden
im Gebrauch.
**) Hammer auf der Feilbank gebnncht.
67
Item allerlei mas und moster von isen, so sie gebrauchen,
Bcint vorbandun und nicht gnzalt.
Zu dem ist auch in bcrurtcr Schmitten verzeichnet
und funden nachgemcli eisen abschrodt, stal und
anders wie volgt.
Foof alte schlos vor die buchsen locher, and seint
herzogen Heinrichs gewesen.
Sechs schlos, als vor die sengerin und ander meins
gnedigen hem buchsen gehören.
Vier beschlagen kestgeii.
Virzig zwo pockeln, so man auf die buchsengefess
anschlecht.
Sechzig zwen gelotter Schlüsse!, noch
Einhundert und funfzehen gelotter schlossel.
Einhundert zwatitzig sechs newer unbederbter feilen gros
und klein aller gattunge, so der zeugmcistf-r zu
Franckfurth gekauft hat.
Zwo kisten beschlagen und schloshaft, in der einen
seint die feilen iztgemelt, und in der andern hat
mei.ster Heinta sclilussel zun buchsen gehörig und
anders wes itne tiotturft zu hinderlegen in bewaninge
aus der hant, noch
Ein kisten mit zweien gefachen underscheiden, schlos-
hafft und beschlagen, andfrthalb elen und ein halb
virtpl inwendig in die l^ngede geniesfien, und ein
halbe flen breit inwendig und ist einer halben eleu
tiff, berurt kiste steet mit uberzinten nagel allerlei
gattunge.
Stael.
Zwanzig ein halb Ä stael, auch in der Schmitten.
So ist auch in dpr jifannen zin und nicht gfivvig<'n, die-
weil mans nicht konth ausbringen, mag man zu be-
buf u. g. hem. vertruglich verarbeiten und dau in
schreiben.
Storzblech.
Acbtzeheu G storzblech.
Stabeisen newe.
Siben zentner und acbf^zehen Bf.
Siben zentner alt eisen, noch
6*
68
Ein halbf^r zentner und vier K abschrnt als auch der
zeugmiil.stHr sich zueigen wolt und doch bisher u. g.
her« gelassen.
Nachgemelt eisenwcrk und anders u. g. h. zustän-
dig ist im zeughause im lireul auf der cannmcr obing
meister Heintzen Schmitten verzeichnet und befunden
wie hernach gemelt.
Einhundert und virzehen grosser falkunen rathschenen,
wie sie von der waltschmitten kommen sein.
Zwanzig sechs kleiner falknet. rashsehenen, auch wie
die von der waltschmitten kommcm sein.
Zwanzig und ein eisern stos klein und gros, wie sie
vfvm walthamer kommen sein.
Dreissig sechs achsbande klein und gros, wie sie vom
walthamer kommen sein,
öibeiizehen deckel klein und gros, als sie vom walt-
hamer kämmen sein.
Fünfzig fünf ganzer .storzblech und noch ein halbs, wie
sie vom walthamer kommen sein.
Sechzig drei einfach halb storzblech, vom walthamer
kommen.
Virzig und ein doppel nagel gros, so man in die gefes
braucht, und seint wie sie vom walthamer kommen,
Drui lialb nagel auch in die gefes und regel gehörig,
wie sie vom walthamer sein kommen.
Zlieen blech zun stosregel als sie vom walthamer
kommen sein.
Sechzig drei stehe, wie .sie vom walthamer kommen sein.
Siben langer blech, so mit gewenden oben sein.
Ein gros stein zangen.
Zwölf gefenknus eisen, khnn und gros.
Zwanzig siben langer blech, als sie vom walthamer
kommen sein.
Zwei eisen mit sicheln viern zu allen ecken, als man
im storm gebraucht ins wasser, und seint roth an-
gestrichen.
Zwanzig sechs ringe klein droteisen.
Vier ringe grob drot eisen.
I
Stael
^ier Zentner stock und noch dreissig ein Ä zu Nurm-
bergk kauft.
[Dreihundert sechzig acht rath nagel allerlei gattunge.
Eilfthalb Q allerlei gattunge» blnclmagel.
Dreihundert virzig leist nagel.
Eilfhundert virzig schlangen ratUnagel.
[Anderthalb hundert sechs ratnagel zn falknetten.
In der andern cammcm gegen der eisen cammcrn, so
vor gcmolt, ist dis himach verzeichnet befunden.
Fünfhundert klein und gros rot bände, der eintheils
zu lang und zu m. g. hent wagen redern nit zu ge-
brauchen, anders dan widderumb zu sühmydeii, und
haben herzog Ht^inrich gehört
Zweihundert sibenzig vier klein und gros linsen.
£intausent üibenzig zvven rntij baut nagel.
Dreihundert sechzehen rothnagel, noch
Zweihundert rotnagel, so ausgeworfen sein.
Virzig drei fulblech gut und bo.s.
wei gros newe wag bletter mit ringen.
Vier par hacken an die forderwagon.
Dreizehen alter ext.
Zehen alter »piz pickel.
Zehen alter hacken.
Ftinfzig neun sthm^'r scheuben mit hacken gros und
klein vor die .stuck gro-s buchsen.
Sechzig vier schuier scheuben fnrn und binden, klein
und gro.s zum geschuz.
Ein glücken knoppRK will sich der zengmeister zueigen.
Zwen groh alt gieslöffel mit langen stelen, und seint
eisen und nicht .sonderlich mehr nuz.
Anderthalbun Zentner alter rathnagel, noch
Kin Zentner rathnagel, sollen nicht tugüuh zu verschlagen
sein, wollen sie zu hagelgeschus brauchen.
Dreizehen zentner und ein virdentlieü eins Zentners ab-
schrodt und abüchniz, so sich auch der zeugmeisier
70
hat wrrll»n ^*■'tn»■T gfT<rcfatijekeit zo^ig»B und docb nit
l>r»L«Aig •ib^Q KQtn^rr ah ets^n. alW-rl^L
KtnkaiMknfeib^nzig nnd zwo groeser mid klenwr aHar
nütnf:\x*:nhn. ah herzog Heinrichs gewesen and nicbt
zaTerüchmedden %ein. ^/ndem das sie auf die waH-
Hrhmit geacbickt werden and gebreachlich eisen
danuu zn iK-hmeden.
Anderhalb zentner ah eis«n von zerbrochen eisen
hacken and ofen steaen aach auf die waltschmit n
schicken.
Kin M:hraabebank, so der zeogschloeser im felde ge-
braocht
Kin hölzern bettchlagen stock.
Kin kleiner »tock zam i»perranbos.
Im fordcr wonhaus im Breul im zeugfaaus.
F>intaa8«nd einhundert achtzig drei klein speichel la
falkanreddern za gebrauchen.
Sibenhundert neunzig fanf grosser speicheln za carthaa
retlder za gebrauchen.
SetrhHhundert funfzehen grosser feigen zu carthun red-
dem, und ligen solch wagengezeng einstheils hinder
im hove im wagenhause und auch in der eisen cam-
mern zum forrath.
.Achtzig fünf grosser und kleiner achsen zu carthunen
und falkun, zu dem noch bei sechs ader siben achsen
hinder im hove unverzeichnet pliben, die sie teglich
zu verarbeiten, wie der zeugmeister bericht, ander
die hant nemen solten.
Item (58 scint auch bei fünf ader sechshundert heim
stchl zu hacken und picken ungeverlich und unge-
zalt auf der eisen cammern im forrath.
Item so seint auch im forrath im zeughaus im sehlos
gegen der rossmoln fünfzig scbupfenstel, darzu noch
zweihundert gutter ext helmstel, noch daselbst
Zwanzig starker hebbanm, noch drei hebbaum im zeag-
liaus ufm wahel.
It(;m auf dem andersten scherrboden seint zum forrath
sechzig fünf par schuffein stel.
71
I
Item anderthalb hundert, hölzern schefFte, so zu den
scherpentin und hacken gehawen sein zum forrath,
und Ügen bei den eichen delen.
In der kuchen im fordor wonhaus.
Zwo mesfsingen spniaen, Ugen in der stuben.
Ein stark eisern blech, steet vor dem kachelofen vor
der understnben. noch
Ein stark eisern blech, ist vor das ofen liol ge^ezt
auf dem kleinen stiibichen.
Ein lange brantreide.
Ein dreifas.
Elin rost.
Ein lenge hoel.
Ein kessel.
Ein anrichttisch,
Ein schank.
Ein hantbeil.
Zwen hawstock.
Acht holzern schussel.
Item zu gedenken, es ligt ein register in dem kleinen
stubichen im ford«'r wonhaiis im Breul im Zeughaus
in eini'm rpi.sekast«!n, und bericht dpr zeugmeister,
das sollichs Reichart zu berechen habe, wos er seiner
Verwaltung im zeughauae gehabt und verarbeiten
hab lassen, und man seit es daäelbst lusseu bis zu
Reicharts ankauft.
Ein lange leitern auf der leuben.
Im Keller.
Der ligt halber vnl »chmittkolen zum forrath.
Zwei feslein, in dem einen ist ein wenig bäum e^ley, im
andern ein wenig Icinolei. auch daselbst im keller
Unschlet.
Ein botterfas darinnen ist anderthalber Zentner und
acht 0 lauter unsclilft, und ist das fas abgezogen.
Im gisshaus meistcr Mcrtins im Breiü im zeughause.
Eilf eisern cammern gros und klein, als zu stein-
buchsen gebort haben, und darzu noch am grobtj
72
steinbachs aach eisen, und em zerbrodien «iaeni
fialknet. al» den von Grebenstein gewesen, ligen vor
dem gieshaas and seint nngebreochlich, dim das
man solchs aof die waltschmit mag sducken and
gebrenchlich eisen daraas sc-hmedden.
Virthalben centner and ein vertel eins xentnets alt
eisen allerley.
Sechs aasbereiter kopfem schae, so in palver malen
gehörig.
Ein aasbereit kopfem pfannen and
Ein aasbereit kopfem decke!, and dan anasbereit
Fünf kopfern scheaben, die haben zasamen im gewicht
zvien centner und ein virtel eines centners.
Drei kopfern boerkopfe zu carthunen gehörig.
Drei boerkopfe zu schlangen und falkunen, auch kopfem.
Ein gros hölzern boerkopf mit eisen reifen.
Ein kopfern deckel auf ein zandeloch.
Zwen kopfem deckel klein, auf falknet.
Im gieshaus werkgetzeug und anders.
Ein messii^n leuchter mit zweien eisern rom.
Ein kessel.
Ein zerbrochen ambos.
Ein sperrhacken ader han ambos.
Ein bank und ein schrauben stecken daran.
Ein doppel blasbalk.
Achtzehn feilen klein und gros.
Ein raspe.
Zwei stuck feilen.
Vier feilen hemer.
Drei picken.
Drei schrotmeisel.
Drei dnrchschlege.
Vier plazhamer.
Ein gros forhamer.
Siben hanthamer.
Ein holzsagen.
Ein sagen blaih, noch
Drei sagenbletter, damit man die buchsen form ab-
schneit, noch
Ein sage mit einem blade.
Ein drefus,
Fünfzig und ein meisol und stempul, klein und gros,
gilt und böse, noch
Ein langer meisel.
Zwen holzmeisel.
Ein beer, da man scheaben mit borth.
Zwei leuman eisen.
Zwo feurkloft klein und gros.
Siben schmedt zangen.
Zwen eschwedel.
Ein kopff^m dampf kolben.
W Ein nagel zangen.
Ein stabeisen.
^Ein lange zangen, damit das gezeng insezt.
Drei schupfen, noch ein schupfen daselbst.
Zwen spaden.
Vir hacken.
Ein axt.
Ein hamer, damit man schlacken schlecht.
Ein hacken in die ess.
Vier krampfen, so an Frantzen bort zeuge gewesen sein.
Ein eisen, hatt mittlen ein loch und an beeden seiden
»hacken und soll auch Frantzen bort zeuge gewesen
sein, haben dem keinen namen geben.
Ein eisern kruk, auch zu demselbigen bort zeuge.
Ein knig an einem sclileifstein gehörig, ist eisen.
Ein schupf in den wintofen gehörig.
Ein eisen, damit man die formen aussticlit.
Ein Wischer in ein form, noch ein wischer.
Ein krug in ein form,
Zwei stuck von einer ketten.
Zehen grabe stucke.
Vier schabe krucken.
74
Ein ei^ien). damit man die wappen renanbeit.
Ein mt-iä«*! in ein form
Ein eij^n kolp zur falkon.
Zvrn £BU«tbrbrL
EÜn «»rZitrmpW.
Zvt-D aaeii^L
Ein »ihr^t mri>rl in eim »«.hmetstoek.
Ein nnk Urin«« risem drot&
Ein Lju..krn. damit man dk- $prrse mre-t-
Ein ris^n aoi t-in cremt.
Ein gTO> knmpf an ein behaeok.
Ein nagt-l in einen hebbocL
Em eisien zu dfr fonneiL
EÜE kJrin K^peiensrlein.
Zwo «ichneiden. damit man die fearbodumi gebort bat
In kj^eshause-
Tk? xapien in ein «mtoffen.
Tirr kraiktn. damit man ijv »;«rj*e i^aret.
Zm*-!: ia> zapfen.
Z-K-T. r\t>i \or den r^ft-n.
Z*t: sni^k T»ril, btr.tVn.
E^ lazu^- ktttrn umb den Ä^hl^f■a'^fea.
E:n ejjx-m kloHen mit dreitn i^F-fceiMS sciwcbenf an
Em t-üifTr s«.hmvl2kflkn jcr»».
I»?!-: >:5<k krU^n.
Eix ah camrot-rbiKlij«. i^e'h^ln<;ht meissm llartÜL
T.ZL fi<<eiL tiamn cr.ar. formen aassti^kv
Ejl ikix^e vijiirn huk>f, damit man d«& ken aasstklit.
E::r b>-r rzia falknet.
2»-: S.-.r «caiiCf-n.
F^T. s.bv'.':i.. iAr.-.i: raai: »-.Jt- kem aasx^ineit.
A.:r: kvrc Ti^j^'T! m oanhr.r.. $v.hjuu?ezi «ni falkna.
Ejl ktirr kt'J7K-3»en ra fxw-x h^awhttCÄ.
£iE faw3t kxaapi<m. «"an der kern asac!Mi>pes wird.
Ein hacken aach darzu gehörig.
Zwen zapfen eiseni, an einr-n kern gehörig.
Zwei stucke von einem kern eisen,
Zwanzig neun langer schenen in die formen geborig,
eisen, noch
.Achtzehen kurzer schenen, noch
Aclitzehen stuck schenen zu den falknetten.
Rlin korneisen zu den falkuetten. noch
Ein stuck kern eisen.
Einhundert virzig und acht eieem bände gut und böse,
klein und gros, damit man die formnu hint.
Siben eisen über die heb ore an den formten.
Ein boel stange mit uiuem kronhn, daraitt man Jen
kern aushort.
Ein eisen durch den kern.
Vier carthunkugel i
Drei falkunkugel j eisern.
Ein Schlangenkugel \
Fünf eisern bant ringe zu einer walzen gehörig.
Ein schieden mit zweien walzen und be.schl;ig('n köpfen.
Eiji beschlagen trock, darin man die sagen hertet.
Gewichte.
Ein centner
Ein halb centner
Ein virteil eins centners
Zehen ü
Sechs Q
Vier S
Zwei S
allns ko[)fern gewicht in
dem Zeughaus da meister
Mertin geust.
Zigenhain.
Dies nachgemelt geHchutz und wes zur ar-
thalarei gehöret sampt ander munition ist
zu Zigenhain im zeughause auf Suntag
den 15, februarij anno ?C. 45 durch mich
Johan Gerharten beiwesens Johan Rum-
76
mels zengwarts auf berelch n. g. h. afge-
«chriben and ioTentirt. witr Michel Weissen-
bergk der zcagwart daselbst gegenwirtig
alles namhaft angezeigt and inseinerver-
waltnng hatt erstlich
Zwo Mrhwarz carthanen. sampt iren beeden gefeaseUf
ladangen and aller zabehor. and scheust ein ide 50 S.
Acht newe carthanen sampt iren gefessen. latschnffeln
und zugehorungen. und scheust eine ide 40 8 eisen.
Ein carthnn. so der Muz gnant wirde und ^enog
Heinrichs Ton Braunschweigs gewesen ist, mit einem
alten gefes, alten latschnffeln. onzugericht und scheost
achtzig S.
Ein carthnn. so aach herzog Heinrichs gewesen ist,
mit irem alten gefes, anzngeriuhten latschoffeln, und
anderm. und scheust 60 8.
Zwo sengerin, seint auch herzog Heinrichs gewesen,
one aller rustung, und scheust ein ide 30 S.
Fünf newe schlangen mit iren gefessen. latschnffeln und
aller rustung, und scheust ein ide 16 (T.
Sechs newe falkunen mit iren gefessen, latschnffeln
und aller rustung, und scheust ein ide 8 fl^, und
mangeln zwo kugelkasten daran.
Zwen apostel beeden mit iren gefessen, latschnffeln and
aller nistung, und scheust ein ide 2 fi.
Zwei falknet mit iren gefessen. ladangen und aller rus-
tung. und scheust ein ide 1' s ff. noch
Zwei falknet mit iren beeden gefessen, ladungen und
aller rustung, und scheust ein ide ein G ungeverlich,
und gehören den von Hombergk in Hessen.
Sechs und neunzig korz eisern steinbuchsen mit iren
zapfen.
Achtzehen newe kopfem stormbuchsen, so der haupt-
mann Heintz Leutter hat gissen lassen, und seint
ungefast
Zwo korz messingen sturmbuchsen, seint in beeden
pforthausem.
Ein eisern steinbuchs sonder cammem, als vor dem
schlos der pforten liget
Zwo eisern buchsen, am rhor ungevcrlich f len lang, die
«ine ist klein, und hüben lange eiswn stel, werden
Vogler gnant
Ein eisern steinbuchs nait zweien cammern, und ist.
UDzugericht.
Vier kopfern stel bnchseii.
Ganz doppclhackcn.
Zwo doppelhacken mit schwanimensclijos, seint. kopfern
und hat d«r gartner.
Zwo doppelhacken mit schwammenschlos und aller
rustunge im waclithans Ludwig Guttwasacrs.
Zwo doppelhacken, seint messingen, mit irer rustung
im andern wachthauae.
Siben alt eisern doppelbacken nidderlendisch, mit
schwammen schlos, ligen im zwinger.
Zwo doppelhacken mit schwammen achlos missingen,
im dritten wachthaus.
Zwo mt'ssing<ni doppelliacken mit schwammenschlo-s
im vierten wachthaus.
Acht ganz backen eLsern, mit schwamen ^ohlo^, im
zeughau8.
Vier doppel hacken kopfern mit stelen.
Acht doppel hacken kopfern, in laden.
Fanfzelien doppel hacken, kopfi^rn mit stelen.
Summa 02 duppel ganze liacken.
Halbe hacken.
Vier halbe hacken mit schwammen scbloss, seint beim
gartner.
Vier halbe hacken im wachthaus Ludwigs, mitschwammen-
ftchlosaen und aller ru.stting.
Ein kurz eisern bock bucbs im andern wachthaus.
Sechs halbe hacken mit schwammen.schlosseu auf des
Hausmanns thorn, und irer rustung.
Zwo halbf* hacken mit schwammen schlössen bei Lorentz
dem pfdrtnrr, und irer ru.'stuiig.
Ein liatbe hacken mit schwammen schlos und irer
rustung bei Hansen dem pfortner.
78
Zwo halbe hacken mit schwammenschlossen und im
rustung im dritten wachthans.
Sechs eisern halbe hacken und irer mstang mit schwammen
schlössen im vierten wachthns.
Einhundert sechzehen halbe hacken eisern mit irer
rustunge nfm zeughans.
Achtzehen halbe hacken daselbst kopfem mit stelen.
Summa 144.
Scheuben und hantror.
Ein kurz hantrohr mit einem feurschlos im ersten
wachthaus mit aller rustunge.
Ein kurz hantror auch mit einem feurschlos und aller
rustunge im andern wachthaus.
Ein hantror mit einem feurschlos und aller rustunge im
virten wachtliaus.
Zwei hantxhor mit feurschlossen, hat ider pfortner eine
mit aller rustung.
Zweihundert hantror mit irer rustung und haben
shwammen schlos, ligen im zeughaus.
Fünfzig lange scheubenror mit feurschlossen und aller
rustung, auch im zeughaus.
Summa 255.
Eisern gegossen kugeL
Zweihundert sibenzig ein kugel zu der carthun, so der
Muz gnant wirdet^ und weiget eine 80 &.
Dreihundert kugel zu der langen carthun, so herzog
Heinrichs gewesen ist, und weiget eine 60 S.
Sechshundert kugel zu den zweien schwarzen carthunen,
und weiget eine 50 S.
Zweitausend vierhundert wenger einer kugel und weiget
eine 40 ff, zu den acht newen carthunen.
Sechshundert kugel zu den zweien sengerin, so auch
herzog Heinrichs gewesen sein, und weiget eine 30 S.
Ein tausend fünfhundert wenger drei zu den fünf
schlangen, und weiget eine 16 ff.
Eintausent sibenlrandert neunzig zwo kugel su den
■echs newen falkonen, und weiget eine 8 8.
79
Eintausend neunzig zwo kugel zu den zweien apo-steln
und falkneten.
Hagel geschup.
^Kwei klein feslein mit liagel geschus, noch
Hfein thonnen mit hagel geschus.
y Mosterringe.
Siben zu ider gattange der kugeln.
Trolwagcn und prozen.
Acht trollwagen daruf man die vorgemelten carthunen füret.
Sibenzehen prozen ader forder wagen.
Ein proz ader forderwagen zu den aposteln.
IZwei par scheu ben, so man zu den schlangen auf den
[ wähl gebrauchen mak.
' Hebzeuk.
Ein hebzeug mit .seinem hebkopf und neun scheuben,
seil und zubehor.
tm Schmerbock und hebbock.
Zwen Schmer bock.
^Ein hebbock mit seinem eisern nagel.
^^*'order und Kinder wagen, da die pferde vor dem
geschuz anzihcn.
Dreissig ein forder wogen mit iren hacken und ringen.
I ^ Zwanzig neun hinderwogen mit iren ketti^n.
^p Halskopfel mit iren ketten und zubehor.
Zwanzig neun halskopfel. *
After seilen.
Virzig mit iren ringen und hacken und wes daran gehöret.
Stellnegel.
Sibenzehen stHllnegel mit iren ketten.
£iii stellnagel zu eumm falknet gehörig.
Anspanseite.
Virzig par newer an.spanseile mit scheiden, bauchseiln,
ruckrimen, knebel und aller ruatunge.
Zweihundort par alter an.spanseile mit scheiden, bauch-
seün und ruckrimen.
Anderthalb hundert siben par alter anspan seile one
scheiden, haben ruckrimen und baachseUe.
Hemseile.
Zwanzig fanf hemseile klein and gros, nnd ist daronter
ein kleins zerbrochen.
Zwei seile, gehören in die bebzenge.
Hantseile.
Zwei lange haniseile, noch
Acht hantseile, zehen kloffter lank.
Dreizehen korz hantseile, ein iglichs von sechs klofftem.
Bintscilc.
Zwanzig korz bintseile, damit man die bochsen auf die
wagen bint.
Pulfer.
Sibenzehen thonnen mit pnlver, haben mit dem holz
zwanzig ein centner gewigen und zwanzig zwei S.
Salpeter.
Fünfzig thonnen, haben mit sampt dem holz fünfzig
vier centner und 40 6 gewigen, und stehet in newen
thonnen.
Schwebel.
Sechzehen thonnen, haben mit sampt dem holz fiin&ig
ein centner dreissig sechs S gewigen, und seint die
thonnen gleich wie botterfas.
Knechtisch spies.
Dreissig zwen knechtisch spies mit eisen.
Viertausend zweihundert neunzig drei knechtisch spies,
und haben keine eisen.
Eisen zu den knechtischen spiessen mit langen federn.
Eintausend neunhundert und fünfzig.
Heibarten.
Fünfzig helbarten.
Borgpfeil.
Ein fas mit borkpfeiln.
Luchten.
Zwausig leuchten, gros und klein.
Bechpfannen.
bechpfannen oiit iren stangmi, noch
Ein gros bechpfannen, als der heuptmann hat mac-heti
lassen.
Spaden.
Dreihundert spaden, und haben kein eisen.
Rodehacken.
Drei rodehacken.
Ein wiltgarn, darus man zünde strick machen soll.
Blei.
Itera es ist auch ezlicli bley, bei hundert ader mehr centner
ungeverlich an rhoren, als xu Cappeln im closter am
born gewesen ist, wi« der heu[>tnnann btrricht, das
will er lassen aufs trewliehst u. g. h. zu nuz und
leidnnge eins bonis verbrauchen und das übrig dan
im \orrath bebalten, darumb i.st es uninventirt, auch
ungewigen bliben.
Darmstat.
Uff montag nach palmavum anno k45 haben Johan
Rosennzweig und ich Jnhann Gerhart aus bevelich
u. g. f. und hern invpntiret zu Darmstat wie volgt.
Erstlich im salzhause befunden;
Fünf falknet uf redprn mit laden, kugel kastln sampt
iren latschuffeln, sezkolben und Wischern.
Hacken.
Zwölf kopfiTU hacken mit iren schwammenschlossen
.sampt Jren laistecken und modeln, sehiesen eiii lodt.
Ein meH.siiigen hacken ungerust.
Zwo eisern hacki*n ungerust.
Ein alt piaen stelhuchsen ungerust.
Vier pulver kesftlein, darin pidwr ist, darzu seint noch
in sj'lbigen kistlein unterscheidem zweihundfrt zwenzig
BJben bh^ieii kugt'l, als zu obgemelteii hacken ge-
hörig sein.
Zwei stuck zuntstrick, und seint auch darbei drei blechen
ladungen und rhumnattel. *)
*) Rautnuailel, Nadol zum Aiifmumea des Zündlochea.
M. r. XVL Bd. 6
82
Item im bofe. so etwan Franckensteins g<»w««eo daaeOwt
zu Itainnätat ist inventirt and befanden worden.
Ein ebeni wagbalken mit zwMen bolieni scholen nnd
benfen stricken.
Gewidite.
And^-itbalben Zentner bleven gewicfate.
Sibenz^^hen fi an einem stein mitt einem ringe darin
gegoftsen.
Salpeter.
Tirxtben thonnen and seint gewigen.
Die ent tbon weiget andertbalben centner and zwanz^ t
sampt dem gebolz.
Die ander andertbalben centner secbs fi mit dem gebob
Die drit andertbalben centner nenn fi mit dem gebolz.
Die viert andertbalben Zentner zwenzig drei fi sampt
dem gebolz.
Die fanft andertbalben centner dreissig fi mit dem gebolz.
Die secb.«t andertbalben centner wenger eins fi mit den
gebolz.
Die sibent andertbalben centner zwanzig siben 8 samt
dem bolz.
Die acht andertbalben centner drei fi sampt dem bolx.
Die nennt andertbalben centner drei fi mit dem bolz.
Dk zeh«^nt andertbalben centner zwanzig secbs 5 sampt
dem bolz.
Die eitjft andertbalben Zentner zwanzig nenn fi.
Die zwolft andertbalben zentner zwanzig nean fi samt
dem bolz.
Die dreizelH^nt einen Zentner wenger eins fi sampt
dem bolz.
Die virzebent tbonn weiget nennzig ein 8 sampt dem
bolz.
Bei disem inventiren ist es bieben and des ortbs
ancb nicbt mebr gewesen, and baben aofs scblos fartber
za inrentiren geben wollen, so ist aus ein scbrift zu-
kommen von anserm gnedigen försten and bem an-
shint nach s. f. g. anheim goin Ca^^spl zftreiden, mit
bovelch mit (iem invcntiren zu berliueii, wie geschehen,
und ist also noch daseibat weiter zu inventiren K. und
ouch der andern hanPeii. der Ober und Niddrr grafschaft
desglichen zun Gyssen Jiabeii wir auch zur« zyheen bevel
gehabt zu inventiren, als wir auch weUens gewetVen, wo
uns wi ehe gemelt der bevelich iiit wer worden anheimsch
zekommen ic. *)
Inventarium über meins gnedigen hem harnasch im
marstall. anno ic. 46. *'*')
Uff dinstag nach pasco anno K. 46 ist aus bevelich
meins gn. herrn aller harnasch blank und swarz
sampt dem rinkliarnas(;h als in seiner f. g. marstAl in
des knechts Christoft'ers belialtunge gewesen und durch
die knechte gefhurt ist, uffgezeichnet und Gylgen Ruste-
meister zu bewaren bevullien und ist in seiner selbst
gegenwertigkf'it ouch Hentzen Schulteissen durch mich
Johan Gerharten inveutirt wie hiirnoch volget :
Neun swarz ruck krebs ***), kragen, hentschen und pickel-
huben ufF neun man.
Acht phar paiizer schorz und ermel.
Fünf phar Hauken.
Ein swarz ruck und krebs, hait Gilge Rustmeister geflmrt.
Nachgemelt rustonge un«! blankw gezeug und harnasch
ist aufli daselbst.
Sex blank harnasch gereift, ruck, krebs, kragen,
henischen, heubtharnasch, armzeuge, ackseln und
knykopf uff sex man, noch
•) r>a8 Ms. geht eigcjitliuh nur bis mm vorletzten K. Dor
Schbiss ist von doreelboii llnnd, wio os scheint, spfttor flüchtig
nachgetragen. Was nun noch folgt, befindet sidi nnf einem ur-
'jBrünglich scll)Kts<iindigon Bogen, der don nickKcitigen Vermerk
^^Ngt. wek-hon wir ohon als Uel>oi"si'hrirt eingesetzt hahcti. Dio
Hand \^i dieselbe, nur lUichtig.
♦♦) IJober die hier vorkommoniJon technisehon Ausdrücke
h. Wondelin Bochcioi, risndlinfb dnr Waffoukundo,
•'*) BruHtharnisuL in Plattuüform,
6*
84
Brei blank gereift ruck und krebs mit zweien kragen.
Zwei phar blank spanerol.
Drei stelen gelyder mit roßsternen, brüsten und irer
zabehore, alles blank darzn.
Drei panzer roß kapfen.
Eilf stelen blank zenge sampt dreizbeen stelen zengel
mit iren znbehomngen, henbstodel und andlin.
Drei blank storm haben.
Neun blank halb roß sternen.
Ein pickelhnbe mit einem grünen hnit und einer gülden
scbnuer uberzoegen, als mein gnediger her fhnrt^ und
ist sunst kein schmuck daruff.
Acht armbrost hörnen, und haben ein wende und einen
kocher.
Drei rapyr, seint die scheiden über die helft mit
langen silbern ortbanden beschlagen, als die jangen
unserm gnedigen hern noch ftiuren.
Vier faust hamer.
e«
==5*1]
Die Jernsalemfahrten der Grafen Philipp,
Ludwig (1484) und Reinhard tob Hanau
(1550).
HerauBgegobon
Reinhold RHb rieht.
^^ftchdoiTi die GesflLschaft zur Erfoi"«thijng deutscher
«■Geschichtsdenknmler und die historischt.'i Com-
mission hfü der Münt^hciun- AkatlHmie (Irr Wii>senschaften
durch muütt^rhaftf^ Aiisgiibeii iUturer deiit.Hchfr Ueschichts-
qucllen die Erkt^nntniss der Vi-rgangt-nheit unseres
Volkes in grossartigster Weise gefördert haben, mass
ea auffallend i'rstli«inen, da.ss die Aufgahi-, auch ältere
deutsciu* Reiauwttrke vollstüiidig zu sainrnivlii und würdig
berauszug«b<>n, noch iiieineits ausgesprochen und in An-
griff genommen worden ist, trotzdem di*^ Engländer uns
schon vor zwei Jahrhundf^rten ein Beispiel gegeben,
Holländer, Italiener, Spanier, Portugiesen und Fraii-
zoüen ihm nachgeahmt haben. Wollen wir Deutschu
etwa hier zurückbleiben, nachdem wir dort allen
Völkern vorangegangen, ja Lehrmeister geworden sind?
Odw sind wir etwa so arm an Material, an geeigneten
Kräften, oder gelten lieisewerke nicht auch als Quellen
86
geschichtlicher Vergangenheit, aus denen der Geist eines
ungewöhnlichen Mannes, einer ganzen Zeit, ja die ver-
schiedensU'n Seiten des Culturlebens zu uns sprechen?
Jedenfalls müssen jetzt, da kein Sammelpunkt vorhanden
ist, Reiseberichte sich zerstreuen, ja ein glücklicher
Entdecker oder ein Herausgeber begegnet vielfachen
Schwierigkeiten, wenn er eine Veröffentlichung plant
Allerdings betrifft die ältere Reiselitteratur, wie
auch bei den übrigen Völkern des Abendlandes, vor-
wiegend Palästina und nur zum Theil Syrien und Ae-
gypten, ist vorwiegend religiös und vielfach monoton,
aber dass auch aus diesen Berichten — von den nicht
palästinensischen ganz zu schweigen — die Geschichte
viel gewinnen kann, ist wohl aus den Versuchen, welche
der Herausgeber gemacht hat*), deutlich zu erkennen
und auch den nachfolgenden Texten zu entnehmen,
welchen eine gastfreundliche Aufnahme in dieser Zeit-
schrift gegönnt worden ist.
Wir wissen, dass Landgraf Ludwig der Friedsame
1429**) und Wilhehn der ältere von Hessen 1491 ***)
*) Röhricht und Meisner, Doutscho Pilgorreisen nach dem
heiligen I^andc, Berlin 1880, 712 8. 8« {RM), daraus unter dem-
Holbcn Titel eine theils vorkürzte, thcila crw'oiterte neue Bev-
iKjitung, Gotha 1H80, 3ö2 8. 8« von Rolu-icht allein (R.\, welcher
nuuh: iübliotlicca gcogra|>hica Palacütiuao, Berlin 1890, 774 S. 8*
(Bibl.) herausgab.
♦•) RM. 472; R. 121.
♦♦•) RM. 162—245 (wo der Text der Keisobeschreibung voU-
Htändig vcrüffentliuht und erläutert ist) ; vgl. /j: 18ö— 186; v. Staut'
ftmly IIPSKoniand 1887, Nr. 12 ff.; Biblioth. 142—143, Nr. 433,
wo alle Döthigcn Littoruturnauhwoiso gosammolt sind. Bei RommeL,
Otwchiulito von Hessen, IV. 849 ist auch oino Urkunde vom 17.
Kobr. 1517 ausgezogen, durch wolclie der Doge Leonardo Laure-
dano dio von dem Guardian Zenobius ^loeorum Terrae Saoctae
conmÜHHarius'^ ubgosuhickton Empfauger der von der Landgrftfin
Anna Wittwo und Jj. Philippus ,oomes Asiao* bei dem Stadtrath
VU Jfrankruii a. M. niedergelegten 2000 Gulden bevollmächtigt, die
\
nach Palästina gezogpn sind, dass Ludwig V. 1618 — 1619
eine solche Reise pliuitp» aher von der Ausführung der-
selben abgüliiiltt'ii wurd«*), ausserdem werden uns Ad-
lige aus dem H«i»swilunde als JeruRalempilger genannt**),
aber über die Fahrt der Grate.n Thilijip und l^udwig
von Hanau (1484), sowi« de« Grafen Reinhard i\ü:A)}
waren wir bisher nur wenig unterriilitet durch die
Nachweise, wekdn; Mätvkcr**'*) und drr Ih.rausgeher |)
mitgetheilt hatten, so dass also durch dio vüUstiindige
Wiedergabe der Texte eine Lücke in der Geschichte
Heasenaff) ausgefüllt wird.
Wilhelm II. vun Hcsscei den üinuriten im heiligen Laiido ver-
macht hatte.
•) U. 82, 299—300.
**) Es braucht hier nur aUgetneio auf di«? Rf gistor von NM.,
beboaders al>er ^ou li, Iriiitjewioscn zu worden, wo libor 1500
adlige Namen im ganzen Aufgerührt siü^.
***) Anzeiger des giMoiaa. Musuunis 1862, 79— 8Ä. Die dort
citirte Reiseinstruction, woltho BorriharU v. Hroitonbaeh für uoscrn
OraTon 1483 niedorsehrieb, ward zuGr.st aiLszupswoiso durch Bauer
in der Darnistädter Zeitung Wlb, Nr. 112—114, dann voUsliindig
mit Ertilutorungeii in RM. I'JO— 145 mitgetheilt.
t) RM. 504-505; li. 181.
■)")•) Von Graf rhüipfi 11. von Ilanau-f.iditeiilierg, unserem
Pilger, wissen wir nur, dass er am ^1. Mai 1462 geboren, vor An-
tritt seiner Heise dem Abt von Fulda Johnriiieü 11. und dem <iraf(*a
von Nassau die Regiorung des I>aiidos übertrug (Carl Ärnf{^ Uesch,
von Danau lt:ir>8, :f4r>~21U) und 21'. Aug. 1604 Ktarb (Archiv für
Hess. Goöch. 1861, IX, 24; /.cfimanti, Gesdi. d. Gnifpn v. Jlanau-
lichtenberg 1862. II. t?lanHii(aFtI 4). Sein jüngerer lirudcr Ludwig,
dessen ÄUHgaberegibtor wir geben, war am L':l Au^ni^it 14lj4 geboren
(Lehtnann 1. u,) und ünhlto mit Philip]) II. 1479 bei der Vciliei-
nitbung ihrer t^chwestcr Margnrotho mit dorn Gmfen Adolf 111.
von Nwflsau an diesen WXKl Mark {Menicl., Gesell, v. Nassau V,
445 — 446). Da«a <ler (N. IWi) im .lahre 14111 in Venedig weilende
Fliili|i|) von Hanau der uohcrige ij<L, darf woii! jiicht bezweifelt
werden ; übtigons war aueh da;i Hanauer AVapiien, freiüvli ohne
Jahreszahl, in Kamla zu sehen {li. "Jö^J). Uobor den Girafeu Kciti-
hard vennögon wir ujchts von Bedeutung beizubiißgou.
88
Der Yprlaaf der in nnseren Texten geschildwfcea
Reihen ist im Allgemeinen derselbe : die Beisenden fahroi
von Venedig auf der gebränchlichen Roate nach Pnlistnia,
besuchen die heiligen Stätten und kehren Aber Vened^
wieder zurück. Die Beschreibung dessen, was sie unter-
wegs gesehen und erlebt hab»'n, giebt keine Veranlas-
sung zu weiteren Erläuterungen, da diese anderweitig
reichlich zu finden sind*). Hingegen sind unsere Be-
richte ausserordentlich werthvoll durch die Au^abe-
register. welche nicht nur die Nachrichten der Reise-
beschreibung an vielen Punkten ergänzen und umge-
kehrt durch die letzteren wiedtrr ergänzt werden, sondern
auch eine Fülle von Mittheilungen über das Leben der
ganzen Zeit, so über Preise der verschiedensten Aus-
rnstungsgegenstände, Luxusartikel, Lebensmittel, äbw
Geldverhältnisse usw. enthalten. Besonders wichi% ist
das Register von 1484. da es das Zweitälteste ist,
welches wir in deutschen Pilgerschriften finden**),
während das von 1050 wieder durch Angaben über das
Post- und Verkehrswesen an Bedeutung gewinnt***);
•) ÄJI. 1-42; R. 1-85
**) Das amfangreichste bt dan Rechnangslmcb, welches
Hans Hundt fiber die JcriLsalemfahrt des Kurfünsteo Friedridi t.
Sachsen (1493) geführt, und Rökrickt und ^kifner im Neuen Ar-
chiv für sic-hs. Ges^^^hivhte 1883. 37—100 (vgl. 343-316) mit
vielen Erläuterungen herausgcgebon haben. Das älteste Register
(1461 > ist ans erhalten in dorn Toxte der Rcisebeschräbung des
Landgrafen Wilhelm von Sachiscn und Thüringen, welchen KoU
1868 veröffentlichte (vgl. ÄJ#. 481—483; R. 42-43, 143—147).
•••) Es zerfallt in 2 Thcilo. deren erster von Willherich
Wallcndorfor. der «ndero von Johannes Wottlaufer stammt; beide
enthalten \ielfach dieselben Fitsten, ergünzen sieh aber sonst. Wir
erfahren aus ihnen notrh einige Nainon von Reisebegleitern, die
uns der Reis^ebericht nicht nennt die wir aber auch nicht genwier
bestimmen können, z. B. Meister Johannes, Dolmetscher Hermann,
EissvogeL, Sigmund, Pallandt und Ambricht.
I
beide sind daher für die Culturgeschichte des deut«ich»^n
Mittelalters höchst werthvolle Bt^iträge.
Der Reisebericht di's CSnifen I'liilij>p ist uns er-
halten im Königl. Stautsurchiv zu Marburg, iSectio
Hanau, Lit. A. Nr. 43, foL 1—12 in 2 Haudscliriftuii,
von denen die erste 12 BIl. 8" (die letztvn 5 Hll. sind
unbeschriebenX fol. 1—7, die zweite 8 Hll. 12" hsit (die
letzten dr^^i sind unbeschrit'bc^n), fol. 8 - 12. Kbfiidri
(Sectio Hanau Lit. A. Nr. 47 h), findet s'wh die Hctse-
beschreibung Reinhards in einer Handschrift von 18 BIl.
(Papier fol.), von denen 4 beschrieben, die übrigen leer
sind. Auf dt-m zugehörigen Umschlage steht vorn in
einer Chifferschrift, deren Schlüs.sel unten mitgutfieilt
ist: »Anno Domini 1550 aeint mir von Venedige den
18. junii nach Jerusalem gezogen vnt ist vn« zusehen
wegen gangen wie hienach gesch(ri)ben stehet.« Ein
zweiter Bericht über dieselbe Reise ist uns ebenda er-
halten (Sectio Hanau Lit. A. Nr. 43, fol. 23—36, 4").
Da dieser letztere vielfach mit denselben Worten er-
zählt, aber aus.serordentlich reichhaltiger ist, so haben
wir ihn als den leitenden gegeben und den ersteren
darunter gesetzt; die in eckige Klammern eingeschlos-
senen Zusätze, welche wohl von einer zweifen Hand,
vielleicht des Abschreibers, herrühren, stehen in der
Handschrift am llande; auf sie wird zum Thril durch
Verweisungszeichen dort hingvdciitet. Das ;\uMgabe-
register ist ebenda Sectio Hanau Lit. A. Nr. 47, fol.
182—197 in einer Handsciirift von Panier zu finden
(16 BIl. fol.). Eine i^orgfältige .Abschrift dies'T Arcliivalien
besass Herr Graf Paul Rknt(, der unverge.sslic.he Freund
d*"» Herausgebers, und hIn jener am 7. Dezember 1888
durch den Tod der Wissenschaft und seiner Familie
jäh entrissen wurde, überiiess die Wittwe in dankens-
werther Liberalität dem Unterzeichneten sie zva Ver-
öffentlichung.
so
I«».-=i<Ah- ->Äs«: 1»:.-^-. >r. Kr-T Lt. Fx«ihexr Sdkatk
rrjft h^'^'^imtTMr'S. iv: Becztzcg on- Handschrift auf
örT K-'i:^L BiK;-:'ii*k r= Beriic ^c»^ emögüclile.
H*rr Ir A'-iW K)i^kT 0:7:-« jitt eilt |C3>»E«r Soigfidt,
KP ihTK i-r Hi:r&:i7-s<rS>rr '.ha vi-e «^mi penaantea In-
4?rLTÄ-r; r^3 "»innvtT!: £*ac.ke T-rr-Äkihtet ist*L Die
VLäzÄfsiuT^^ l^^tK^h: ass r^^^c ^etsdii. k«» Biäitem
BCri CotTvj^tra. drreo In'rait d:2««:t od« indirect sa
d'r Gr^Lx-Lte^ der R>ris# in BrÄeh-sBc ««^t : wir tfaeilen
asft dri gr>:tierrn llrDge TOD MaXK-rüIiett nar das Weaeat»
licL^ Toll'Xärdis süt oad b>e^hrick«« uns bei de»
aLiXrirr Wkhtigen auf £.aiciiuin9«.-he Wiedn^abe des
IcLaiir^« : jrid-rr war &cLr \ irl«:« ^kOSövrordenüich flAchtig
g'i*clirv-beru dabtrr onlvs^rlkb. —
L Die Bdse des Grafen Philipp de* jöngeren
Bmnsa-Xöiaenberg nach dem heüigoa LandeL
(1484).
Itf^m rff d<[inn»Trtagk n^ch dt-m h^yligen pfings-
tag 10. Juni' e»*gen dt-m aWnt sryn mir pilgenrm yn
dr galfr^D g»-fareii vnd kernen veff suntagk vor sandt
Slaria MagtaWoa tagk -IS. Jalii gvn Jaffa vnd sangen
• El<c.-<' deo Herrn IVf Ft. II. /^rfww ia Beilin nnd
M- /fcy»rf :e •v<titepn, «eiche mehnfre Mrbvioris« Aosdräcke «r-
klu-^r. La2fef>. iicd Herrn Pr<.->t Pr. n-n Sa/i^f. Dineitor dos Kimi^.
M-^iL&.ü'.r^'is. i/.'vie Herrn Laa-icbjin>nchT>nih AiNnrn/wy in Berlin,
««l'.h« ^t<^r GeMs'jiteo des ]lit:oUlten> ^ati^te Aaskonft eitheilten.
\fiat XFAz &c>!cher bevähner Hülfe es nicht gelang, alles za er-
kUrm. — i£t ein Beveis dafür, dass unsere Texte eben manclMtlei
2Ccaes and üobekaontes enthalten.
I
91
te denm laudamus vnd ander lobegesanck nach aH-cr
gewonhayt vnd scliickten alspakU nach dem gclayt, vnd
vefF montagk nach sandt Jacobs tagk (26. JiUi) kom
das gelayt, vml wurden dy pilgeryin veff jnuntagk vtid
dynstagk auP der galuan gen Jaffa an tlns landt ge-
feiert, vnd da dy pilgtryna vuff das hmdt drutten, so
ist vtrgelmng von jjyn vnd von scliolden. Vnd Jaft'a
ist dy stat, daselbest Jonas der prophet yn eyn Bcheff
gedretten ist zw t;ntwi>ytdHMi gotte8 ang^'sicht, vnd da-
selbest yn dur fisch verschlant vnd wydiir i\s das htitdt
füert, vnd an dum endt Jaffa hat sand Peter seyn uad
der andern apostelen dyneryn Tabita von dem todt
erbeckt. Vnder Jaffa ist eyn steyn, darvff Christus
gestanden hat vnd sandt Peter geriifft hat, ah er ge-
fischt hat, daselbi'st ist ajdas syben jar vnd syhen qua-
dragena *). Vnd des dynstag nach Jucoby (27. Juli)
gegen dem abent sassen wir veff dy esel vnd rytten
nach Ramat**) eyn gntt tfltz myl, da belybeii mir
veber nacht yn dem feldt, den mitwoch fnve (28. Juli)
oassen mir vff vnd rytten gen Ramath, ist ach eyn
gutt tützche myl, vnd koraen des morgen p vrab die
VIII vren, vnd für dem flecken sassen mir abe vnd
gengen zw dem hüß, da.s man nent spital und hertzog
Philyppu.s von Borgonny***) den ptlgerym gekaufft vnd
gppauet hat vnd den priideni vüti jL'ruHnh-m b^falhen
hat. Darnach nach inif.temtag gyngcn mir wyder vess
der stat zu eyner haydennyscher kerchen, das sas.sun
mir wyder veff dy esel vnd rytten dun tagk vnd wol
•) Quadrogcna, Kaiouo d. i. Erlasa; 7 <Juat]iH({cn«n ^alieti
fio vie! Eila-ss zoitlii-hor S(iti<äerts(raPBn, als sonst oina Bukso und
ein F'aslon von H) TiiReu gmvuhrtu {Omraittj 72 — 73).
**) Kiunlah (soiLst auch Raniath |reuaunt, aber dorn folgcndon
nicht idcatiäch).
*) Burglind; vgl. Ornrndy, Vior rhoiu. Palilstina-Pütjer-
äcbriften 21; Tubler, Topogi-apliie vou .Toniyalem II, 816.
tnro «tnzMh jn ij tt^hz r«^? m tatxelt m%\ wecks n»
Vitmaxb rc-i behben ij nacirt tu d«s Mdt ligoi, Tid
4m fSoAKTitagk nach Jaoi-bj ^. Juli»
T<rff iv re^Lt bau>dt kc-Ors, wir zw «vb«b igtalöttM
caiKr!! g^rcact Eaaa<". daä<rIbiE«$ dj cxwen jfingan
priLL -ir* prc-Te* rrkacr. ■ii^^Ibest des CkofJliafi gnb
j>t: •ia?^Ib>^': T»t ablat ^yb^^n ;ar md sybea qnadiar
^na: 'ia^r i«; dj sta: llachabeoram**). Um
luLet dapieT reff ^in<-m hobrn p^rzk ist das gcabe dn
pr<:>ph'<:T7irn SaiaarL an drci «cdt rst ^rfas sjbea iir
Tz.d «ybrii qiiadng«riia. Fortrzt t^ dj recht laiidt dapey
zvceyst LirTt ejn dor^ Rasiata*** genant, ron dem-
mHkc ds propbet Samael tihI Joeeph von Anmaihia
g^borec worden. Fort<er kom?n wir xw erner {Ȋckea,
darrff der propbet Davidt Jolcysi-ri d«n men mit der
schknck»!! zw todt warS. I>rn9iell!«n tagk amb die X
TTC koBien wir g«n J<e^ra»alra veff d«n bnck pey
d*$ brrr^n Ton J-rrasAl^m häf*. I'^a «assen mir ab nid
fKns^n forC'^r g«D J-rvX«aIra rc-i ^v^ngyn für den tonpel,
Tnd 'iaä^Ibcitt ist ap'.a£ ron ^jr. md Ton sckoH: vnd
darnach gingen c-tlivh prüd^irr z:i monte Stob yn das
klr«tr-r Tnd etlkh yn da« $pit.il ^ . Vnd darnach an
d^-in fp»ytag 'dO. Ja'ii g^Ui^>n mir mit den parfossem
für d-n b>-mpel. vnd darnach k'.^m^n mir xa dem hAß,
daryn tandt Veronyca $tn«?ndt. vnd Je!»a< yrvn schlajer
•• Eoraia'te. iber i««!: La^ •.•.^^ach rcs.«A<rii«tt heirscht
' Tiiinr. T'i^cicr. LI. TyS — 753 .
" Mcis. Jkc-: Ssdba.
"'. Xr.TTXih-A. über d->j«a Laxe pici H.ävaexk'ea'ie Angaben
•j.-riren TMer. Tcfrgr. IL TöJ-7äl >« i.
T> r«t!er d^a CtTt. «■:• David t.V--l-.ik± rirjchlo^ äeiie du
T«rKc.«4etMe Aiteifceo l«: TMer II. 7:^4— TS>.
t«-- r«ber die Heim^ea der PiLcer is J«TsaIem xtr^ S.
I
93
tiam vnd an seyn angesicht truckt, dasdlbest ist aplas
syben iar vnd syben quadragena. Darnach komen mir
zu dem liüp des reychen niatip, davor des tür Lazarus
lagk vnd ym dy prosem von seym tisch versagt. Dar-
nach komen mir an t-yn wegkscheydt *) ; an demselben
endt atuenden vil andächtiger frawen, dy Jf^sum das
kratz sahen tragen vnd mitleyden mit ym betten vnd
weyntten, vnd Jesus zu yn sprach : i r t ö c h t e r von
Jerusalem wf^yntnitv eher mich, sarder wey-
netfiber euch vnd vpber ew er kynd (Luc. XXIII,
28)! Da yst apiap sybi-n jar vnd syben qiiadragena.
Forter zaygt man vnf* dy stat, da Chi^.stus vndt;r dt«ni
kratz vor ammecht**) nyder vyel, vnd dy Juden Symonem
Zyreneum tzwungen Jfsns das krütz lielffpu zu tragen,
an demselben endt ist aplafv syben iar vnd syben qua-
dragena. Darnach forter zaygt. man vns dy stat, da
dy mutt^r gotte.% gestanden hat vnd Jesus das krütz
vor ir hjTitrueg vnd so ser erscbrack, das sie von
grossem mytleyden yn ammechtigkeit vyel, dahyn hat
sandt Helena eyn kirch lassen pawen, yst yetzt gantz
zwerstort; da ist aplajj syben iar vnd syben quadra-
geua. Darnach zaygt man vns eyn schwypogeu ***)
veber dy gassen, daHelbest syndt tzwen weyJJ morbel-
steyn yngemauert, veff dem ayn Jesus vnd veff dem
ander Pylatus gestanden syndt, das F'ilatus das vrteyl
gesprochen hat veber Je.9us, daselbest ist aplaß syben
iar vnd syben quadragena. Forter zaygt man vns dy
schul, daryn Maria yn ieren kyndlichen tagen gelernt
hat, da ist aplas syben iar vnd syben quadragena.
Darrnach forter fnert man vns zu dem hiU* Pylatus,
darjTi Jesus gepunden, gegayselt, gekronet vnd zu dem
todt vervrtaylt wardt ; daryn oder davor ist aplas von
•) Pas bjviuni tD der Yia dolorosa.
) Olimiiai'bt, — •**) (lur sso t>tnaDDte PilatusbogoD,
u
prn md MboH. Dapej rff dv Imeken handt ist das
jbül* Htrod«^. duyn Jess» xath gefneit ist vocdm Tid
«TU w«-räe«9 kjaydt ang<eraii kt votden vad Tenpot
ifrt worden, da isx aplaa sybe-n iar vDd syben qnadxft-
gena. vnd rn dT$<rn tzvaren hrrsem woam dy heydeo,
danimb man nh dauvyii mcc-faten. Vnd an des Pfla-
ta£> haß z^Jg^ ™^^ ^^"^i^ ^'^ *^^*i'< dadoreh got der heir
mit dem krötz Tf> gefaert ist worden, md jat myt
staynen zwegemacfat. Damach zayt man ms Salamonß
tempeL jst yetz eyn heyd*>-imi9che kyrchen. vnd ao man
den tempel rmb genadt rnd aplaC^ wyllen ansieht, so
yst vergeben von pyn vnd von sc-holden; md mag nyt
daryn. wenn dy heyden lassen nyemant dare3fn. Dar-
nach zaygt man ms eyn groß grab, danrn man vor
zytten alle getier gewaschen hat. «o manß yn den
tempel opfern wolt. Damach gengen mir xa dem der
Teß der stat. da man sandt Strffen veas hat gefftert
Ako darnach komen mir za der stat, da sandt Paolos
stoendt vnd dy kleyder hylt den, dye sandt Steflhn ver-
staynteu. dabey i$t dy stat, da man sandt Steffen ver-
staynt hat, da yst aplaß syben iar vnd syben qoadra-
gena. Damach den bergk hynab yn dem tal Josophat,
das man nent za dem pach Zedron. yst yezondt eyn
steynen pnick darveber, vnd da yst der grols paom
dar\-eber gelegen, daruss man das heylig krotz gemacht
hat, vnd Sibilla dy kanigyn nyt darveber gen wolt,
sonder yn den geyst erkant*), das der almechtig got
an dem holtz leyden solt den todt, vnd fleosst järlich
tzwischen weynachten vnd ostern daj» wasser dardnrch,
da yst aplaß syben iar vnd syben qoadragena.
Damoch gengen mir nach dem tal Josophat
vnd komen za eyner kirchen wol XXXIIII staffeln
•) Zur Si«e veiipl. TuNer. To|«grt)»hio IL 36—37; Otm-
rt^y 124.
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lyefF*). daselbf!st vnspr fraw yn pynfini kleyn Icapel-
lelen begraben ist worden, das hat tzwo tür vnd gen
dy belgerym dardurch, daselbest ist aplas von pyn vnd
von scheiden. Vnd so man dye staffeln wyder hervfF get
in der mür, st^t her Jochernfz **) grab voff dy lencken
haudt, dargegen veber ist das grab sandt Anna. Da
mir wyder vs der kirchen gengen eyu wenyg vefF
die lenck handt gen der stat, zaygt man vns dy port
aarea, dy man nent dy gülden pfort, da Jesus an dem
heyligen palmtagk durch reytt vnd nach ym eyn herr
Ackecea***) genant mit grosser macht vnd herlichkeyt
dardurch ach wolt reytten, das raocht ar nyt getayn,
also stui'ndt er ab vnd gyeng dyoiimüetigklich dardurch,
darnach gyeng die pfort wyder zu, vnd man sagt, dy
Öffnung stee zu dem almeclitigen got, d.iselbest ist
apiaß von pyn vnd scholt. Vnd dornach gengen mir
zu dfr stiidt, dasolbf^st Jesus seyner lyben mueter vnd
mit seyen jüngeren redt von seyner martor vnd den
dy aucli verkündt, daselbpat ist aplaj.^ syben iar vnd
sybeji quadragena. Darnach eyn wenig vefF werter|>
an dem olperck got man vndcr ay« feltS daselbest
Jesus seyn gcpet gesprochen liat zu seynem hyme-
lischen vater für sejn ninrter vnd hat [duetigen scliweyß
geschwitzet, man siecht auch noch den steyn, da der
engel vff gestanden hat, dar got dem herren erscheyn
iat, da yst aplas von peyn vnd von scholt. Darnach
gengi^n mir an dy stat, da gnt der herr gefangen wardt
vnd durch Judas vcrratten wardt, daselbest ist aplas
syben iar vnd syben quadragena. Nyt verr davon ist
dy »tat, da sandt Peter dem Malcftus das ör abschlupg,
*) Audero ZaJden dcrTroppoiiHtufou siehe l>ci TMer^ Süoali-
qnelle 149—150.
*•) Joachims.
•••) Oeineint ist der Koi^er Hcraclius. {Tubler, Golgatha
445, 448).
96
daselbest ist aplas syben iar vnd syben quadragena.
Darnach eyn wenigk veifwerters am berck weyst man
VD8 dy stat, daselbest vnser frau zu hymel gefaren ist
vnd dy apostelen .... sandt Thomanl^, der was nit
da, vnd nach yerer vfFfart kom sandt Thomas, pat
vnser lieben frawen, das sy ym eyn zaychen lyeß, da
sant sy ym yeren gürtel zw bekentnuß, daselbest ist
aplas syben iar vnd syben quadragena. Darnach veff-
werters am ölpergk komen wir zu eyner stat, da Jesus
hat geweynt veber Jerusalem, daselbest ist aplas syben
iar vnd syben quadragena. Darnach veffwerters am
ölpergk schier vff der hoch ist dy stat, dy da hayst
Galylea*), da der herr seynen jüngeren am ostertagk
erschayn, da ist aplaß syben iar vnd syben quadragena.
Darnach gyngen mir zu eyner andern stat, daselbest
der engel vnser frawen eyn palmrey|5 pracht vnd ver-
kundt ir ieren todt vnd hymelfart, vnd das dy tzwel-
poten dapey solt^n seyn, da ist aplas syben iar vnd
syben quadragena. Darnach oben veff dem pecgk yst
eyn zuprochen kyrch, daryn eyn kleyn kapelleleyn, da-
selbest mitten yn dem kapelleleyn yst eyn weysser
steyn**), daryn siecht man den rechten füß vnsers
herren, vnd ist der steyn, da got der her veff ist ge-
standen, da er zu hymel ist geforen, daselbest ist aplas
von pyn vnd scholt. Darnach gyengen mir den pergk
wyder herab zw der stat, da Jesus dy zwelfpoten dy
acht säligkeyt gelernt hat, da ist aplaß syben iar vnd
syben quadragena. Darnach dapey leyt eyn zwprocken
kirch, ist dy stat, da dye tzwelff poten den glauben
gemacht haben, daselbest ist abla(> syben iar vnd syben
quadragena. Darnach zw der stat, da Jesus dy tzwelff
♦) üeber diesen Ort Galilaea vgl. Tobler, Siloahquelle 72 ff.;
Conrady, 126.
**) Zur Geschichte der Legende von dieser Fossspor vei^.
fixier, Siloahquelle 105—114.
I
I
97
potten das paternoster gelernt hat, da ist ablaP syben
iar vnd syben qiiadragena. Darnach gyngen mir zu der
stat, da vnser fraw geruet hat, wann sy den ülpeigk
veffgieng vnd dy heyligen stet zw besuechen, daselbest
ist aplap syben quadragena. Darnach zw d^m loch,
da der mynder sandt Jacob yii vorpnrgen hat vnd nyt
pssen wolt, es war dann got der herr Ptstanden, vnd
ist eyn zwprociien kapidlen, da yst apkis syben iar
vnd syben quadragena. Darnach gyngen mii- den perck
wyder hynvff, da weyst man vns der heyden tempel,
vnd ist vor zeytten der tempftl gewftst, daryn vnser
lyebe fraw geopfert wardt vnd so hingk daryn jiplaybdt,
byfz Ry JoRppli verdrant waidt, da ist aplas von peyn
vnd scholt, vnd dy hr-yden lassen nyemant dareyn.
Darnach forters konn-n mir zu eynem steyn, leyt an
der Strassen, da sandt Peter vnder gesessen hat nach
der verloeknufz Christo vnd seyn siindt da beveynt liat»
da ist aplap sybpn iar vnd syben quadragena. Darnach
aber vff wfrtprfz als der wegk vss der stat Jerusalem
get, gegen dysem weg ist dy stat, da dy Juden vnser
lyeben frawen leychnam wolten nemen, als dy tzw^elf
poten den zw dem grab tragen vvoltftn, vnd welche dy
par angryfFen, dy wiirdtni lam, vnd wann ay sich be-
kanttm vnd dy par widpr angryffHU, so worden sy ge-
sunt, da ist aplas syben iar vnd syben quadragena.
Darnach gyngen mir eyn wenigk furpaa, weyst man vns
eyn zwprochen hüfz, da Salomon ynn gfwont hat, dar-
nach weyst man vns vbber eyn grünt veff eyn pergk
vnd weyst vns eyn zwprochen hüfz, daryn dy Juden
ratt gehalten haben, wye sy Christus töten wolten, vnd
nent man da.s hüfz dun hüfz des ])ö.spn rates, Darnach
Weyst man vns veff eynen anderen perck, da zaigt man
vns da.s hnfz, da Salomon dy weyber hat gehat. Dar-
nach gyeng eyn yeder essen vnd ruen, wann es was
Qiittagk.
N. F. XTL Bd. 7
t)arnach am sambtztag (31. Jtili) gengen mir
wyder dy licyligon st«t zw besuechen. Zu dem ersten
weyst man vns dy stÄt, da Jesus den dreyen Marigen
^ftin osteriigk orschayn, da ist apIas syben iar vnd
lybeii quadragena. Dartvacli zayget man vns eyn
kyrchen zu sandt Jacob genant, darynn ist eyn piscbolff
vnd handt dy Armengen*) yan, dasnlbest ist sandt Jacob
der grüs.ser seyn haup abgeschlagen worden, daselbest
ist apla0 von jteyn vnd von scholt. Darnach gengen
wir yn eyn kirchen, ist gewesen Annas hau|\ vnd hau
dy Armengen ynn, vnd in demselben hauß ist vnser
herr hart geschlagen worden, daselbest ist aplas syben
iar vnd syben qnadragena. Darnach gengen mir yn
den tal Syloe zu eynem loch fast tyeff vnder erden,
stet ejTi prunn, darv.ss Maria Jesus seyn wyndelen zw
dicker mal gewesdien liat, wann sy Jesus yn den tempel
opfern wolt, daselbest ist aplas syben iar vnd syben
qnadragena. Darnach veif dy recht handt siecht man
den rii3, der gerissen ist, da got der herr storb. Dar-
nach zw dem wasser, das man nent das Natatorium,
da got der herr den plynden veber schickt dy äugen
daraufz zu waschen, da er yn gesechen het gemacht,
da.selbe.st ist apIas syben iar vnd syben quadragena.
Darnach gengen mir zw der stat, da stet eyn pawm**),
daselbest Ysayas der prophet mit eyner holtzen sag
zwschnytten haben (sie), da ist aplas syben iar vnd
syben quadragena. Darnach gengen mir zw dem loch***),
da dy echt apostein vnd etlich der heymlichen gongeren
yn verporgen lagen yn der zeyt der marter Christi,
daselbest ist aplas syben iar vnd syben quadragena.
*) Armenier.
♦*) GewöhnlicJi ala Maulbeerbaam beueichoot (TbWer, Topogr.
H, 200); sonst vgl. zur Sago (hnrody, 157— 1 öS.
*••) Die siicluncae apostoloruin, dereu Zahl unbestimmt ga-]
lasüeD, bald wie liier auf 8, bald auf 6 aagegebea wird (ibid.216|.
I
I
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Damach gengen mir den beick hynvfF, da lag der gotz
acker *), der vmb dy dreyssip (ifpniiig j^ekauft ist worden,
da got der lierr vmb verkauft wardt, vnd ist viereckig
vnd oben geweiht, vnd gen zeben **) locher dareyn,
vnd lygen dy Armt-ngt'n ***) yn ln^graboii, dasclbest ist
^la8 syben iar vnd sybeu quadragena. Darnjvcli geitgen
mir fiirter den berck hynvetF gen Monte 8yon, vnd als
mau den hmtk hynveff kuinbl-, veff dy recht bandt da
stet Kayphas batip, ist eyn kirch, handt dy Annengwif)
ynn, an&werck der maur veff dy recht haiKtt bat sandt
Peter des ersten mal verlugeiit. Darnach gengen wir yn
dy kyrchen, weyst man vns den steyn, der vor dem
beybgen grab gelegen, vnd ist der hüchaltar, vnd ist
aplas syben iar vnd syben quadragena. Neben dem
altar vff dy rechte handt stet der kercher, ist fast eng
vnd fynster, daryn got der lierr gefangen ist gelegen,
dyweyl dy Juden zw ratt gengen, daaelbest ist aplas
von peyn vnd «cholt. Darnach vor der kirchcii ist eyn
steyn gt'nianrt yn dy manr, darvff got der her gestanden
hat, da «eyn sandt i'eter verlogent, vnd mytten yn dem
hoff ist dy stat gezaichen mit eynem steyn, da sandt
Peter tzwir verlogent hat, \'7id wann man wyder her-
vssget an dem eck vff dy recht handt desselben büß,
da stuendt vnser liebe frau vnd Maria Magdalena vnd
Sachen vnsern berren bervss fuern gepunden vnd ge-
fangen, da wardt vnser fraw anmechtig, da ist aplas
syben iar vnd syben quadragena. Und nyt weyt davon
vff dy recht handt zaicht man vns dy stat, das sandt
Johanefz vnser lyeben frawen meß bat getan, daselbest
*) Akeldania oder Bliitacker.
••) Andere ZaUlen sieho bei TbA/w, Topogr. II, 263—264;
iibcr dio Kuinc ibid. 272.
♦♦*) Annenior.
f) Dies bcstütigt aucli TuWw, TojJügi; 11, 16!); C»nra*ijft
214-216.
m
100
ist aplas syben iar vnd syben qoadragena. Vnd ist
ach dy stat, da vnser lyebe frau nach Chrystvs hymmel-
fart Xin iar gewont hat vnd ist anff der stat gestorben,
vnd ist aplas von peyn vnd von scholden. Damach
weyst man vns dy stat nahen darbey, da sandt Mathias
za eyn apostelen gekörnt wardt an Jndas stat, da-
selbest ist aplas syben iar und syben qnadragena. Dar*
pey vif dy lenck handt pey Kayphas haul^ ist dy stat,
da sy dy apostelen getaylt haben yn dy weit den kristen-
geloben zw predigen, da ist aplas syben iar vnd syben
qnadragena. Nyt weyt davon vff dy lenck handt ist
dy stat, da sandt Steffan zw dem andern mal begraben
ist worden, da ist aplas syben iar vnd syben qnadra-
gena. Darnach hynder der kirchen ist dy stat, da man
das osterlamp gepratten hat, daselbest ist aplas syeben
iar vnd syben qnadragena. Hervmb eyn wenigk vff dy
lenck handt ist Davidt vnd Salomonlz vnd der andern
knnig begraben, dar)!! last man kaiyn chrysten, dann
es ist eyn heydennisch kyrchen*), davor sten tzwo stet
gezaichent mit steyn : vff der ayn hat vnser herr ge-
standen vnd geprediget hat vnd vff der andern stat hat
vnser liebe fraw vnd dy apostelen gesessen, daselbest
ist aplas syben iar vnd syben qnadragena. Vor der
kerchen Monte Syon vff dy lenck handt ist dy stat,
da vnser liebe fraw pflag zw petten nach Christvs
hymelfart, da ist apla0 syben iar vnd syben qna-
dragena.
Darnach gyeng yederman essen, dann es was mit-
tagk, vnd beschyed vns darnach zw schicken den abent
in den tempel zw genn; vnd was vff den abent Vyn-
culy Petry (31. Juli) vnd komen yn den tempel mit
vnttergangk der snnen mit den prüedern barfosser
Ordens, vnd so paldt eyn ycklicher belgerym yn den
*) Ihre Bescbreibang aus damaliger Zeit bei ToNer, Topogr.
U, 162-153.
tempel drytt, so hat er apIas von pyn vnd von scholden.
und wurden des erst gefnert yn vnser lieben frawen
kapeilen, vnd da ridjten sy dy liHrren zu iler procep,
vnd worden eyn her! ich löblich prou^fz gcmaclit, vnd
■ hat fyn yecklichcT pryt.ter vnd pylgeryni fyii preiinende
kertz yn st-ynfr liandt dy hoyligen stet zu besuechen.
Und gjTigen zw dt-m trsten vaih das hcyljg grab, dar-
InRch wyder yn dy kap<*]lfn, da verkündt man vns ditn
aplap, vnd yn derselben kaitellen , do der h<iclmltar
stat, ist Jesus vnser lyel>eu fritwen erschynn, da ist
apiaß Byben iar vnd syben quadragena. Darnach veff
dy lenck liarult yn tli-r maui* ist eyn gross stück von
»den beyligfn krütz gelegen, vnd ist noch eyn stuck
von dem heyligen krutz da, vud da ist apla|5 syben
iar vnd syben ciuadragena. Darnach vff dy recht handt
_ yn der niaur stet eyn grosses stück von der süll, da
I vnser hergot an gegayselt ist worden, da«elbest ist
aplas von peyn vnd scholt. Mitten yn der ka|>ellen
yst dy btat, da das heylig krntz bebert*) ist worden,
da ist eyn toder leycLnam darveff gelogt worden, vnd
% ist wyder lebentig wurden, vnd dy stat ist gezayehet
■ mit eynem rvenden steyn, vnd ist apla|\ syben iar vnd
syben quawiragena, vnd yn der kapeilen han wonung
■ dy barfosser. Vnd als man mit der proceP wyder aufz
der ka pellen gyengk, weyst man vns dy stat, da vnser
hergot vff gestanden liat vff den ostertagk vnd dy ander
stat, da Maria Magdalena vff gesi'inden hat, da ir got
der herr erscbayri veff den ostertagk yn eins gertner
weys, vnd synd dy tzwo stet gezaychent mit tzwayen
rvenden steyn, vnd vff yecklicher stat ist aplas syben
iar vnd «yben rjnüdragena. Darnach gengen mir mit
der procefz veff dy lyncken handt yn eyn kleyn kritft,
da stet eyn altar, da got der herr yn gefangen ist ge-
sessen, bis das man das loch, da das krutz soU sten,
•) bewährt.
gtfflftcht bat^ da ist aplas syben iar vnd syben qnadra-
gena. Darnach gengen mir (otU't mit diT process für
eyn alt^ir, da ist dy stat, da dy Juden vmb Chrystvs
kicyder gespilt haben, da ist aplas syben iar vnd sybcn
qiiadragena. Forter vff dy lenck liandt wol vmb XXX
utaffeln*) ilyfff, da ist saridt Hidi-iia kapi'lltin, da ist aplas
von pfyn vnd von scholt, darnach von derselben ka-
pollen wol forter hynab Xll st^iffehi dieff**) da ist dy
stat, da das litiylig krntz vnd dy krön vnd das sper
vnd dy n«gel fundfn syud worden, an dfin end ist
ii[iliiK von pt'yn vnd vnn «fholdt. Vnd so man wyder
lieruss get vff dy leiiek haiidt da stet aya altar, vnder
dem altar stet eyn sturk von der sullen, da got der
herr wyder gfpundun wardt, da vt gt'krnnet wardt vnd
verspot hat yn Pyhitvs huP ; daselbest ist aplas syben
iar vnd syben quadrageiia. Darnauh gengen mir aber
fürbafz veff dy lenck handt pey XVIII staffeln hoch***),
da ist der piTck Calvarie vnd das loch, da das heylig
krntz yn gestanden hat, da got der herr an gestorben
ist, da i»t aplas von peyn vnd scholt. Man syecht ach
eyn grossen rijj yn den felI5, der gerissen i»t, da got
der herr gestorben ist, vnd dy stadt ist eyn schone
kapeilen vnd eyn altar vff dy recht handt, vnd dy
Gorssenf) han das loch hal[> yn vnd dy barfosser das
ander balp tayl, vnd an dem bergk ist eyn kapeilen,
han dy Gorssen yn, vnd da sieht man den ryli (der)
herab her get. Darnaeh gengen mirfl) fnrter yn der
stat, da got der herr gesalbt yst worden, da man yn
begraben wolt, vnd ist dy stat gezaychent mit steyn
eyns manfz leng, da ist aplaP von peyn vnd von
*) Andere Zahlen der Tro|)|«3nstufeD bei lobier, Golgatha 300.
••) Äudere ZnWen ibid. 302.
♦♦*} Andere Zahlen ibid. 258.
t) Georgier oder Grusinen, seit 1479 {lobler, Golgatha 292).
tt) Fehlt in der HaudBchrifl.
^^cholden. Darriitch gengen mir mit der proceP zw dem
^Bieyligen grab, da got der Herr yn gelegen hat, vnd ist
^Hi{)]aß von peyn vnd schult, vnd vor dem heyligen
^^rab stet di<r sfpyn, darvfF der engel gestanden hat,
^^er den dreyen Marigen am ostert'igk verkutidt, das
Christus vff Rrstanderi war, vnd dyfz proeel3 wardt ge-
^^angen mit vil lobgsangk, vnd knytten ait eyner yck-
^■chen stat, da thr aplaP was, vnd es lanck vnd dveff
^Bn dy nacht was. Vnd nach mitternaeht (1. August)
^^üben dy pmi-der vnd hcrrei» iin m^h zw k^^sen yn dem
bevHgen grab vnd vtt dem berck Calvarii' (vnd) vnd an
^Hpdcm end»»n, vnd galien den bylgerym das haylig sa-
crament, vnd wardt dfn morgen eyn herlicb ambt ge-
^BUngen vn dem hayligt^n krutz vft" dem berck Kalvarie,
^bnd vmb VIII vr vff den tagk lyefz man vnfz wyder
^Kss dem tfimpel, vnd safz der rat von Jerusalem davor.
^HVnd für dem tempel ist dy stiit gczaychent mit eym
steyn, da got der herr vyel mit dem krutz, da ist
aplaß sybeii iar vnd ayben quadragena. Darnach
^^engeu mir mit den pruedern yn das kloster zu Monte
^iByon, da »ungen »y eyn löblich ambt von dem heyhgen
geyst. Darnach macliten sy eyn löblich procej3 mit
^^ast vi! gesang vnd weysten vns den hohen altar, vnder
^Hemselben ist dy stat, da vnser her got da« abent
^Besen gessen hat mit »eynen tz^VddFP jüngeren vnd das
^^eylig sacramcnt da aufFgesatzt vnd gemacht hat, da
ist aplafz von peyn vnd von acholdt. Darneben stet
eyn altar, vff der stat hat vnser herrgot seyn jungern
dy füfz gewescheu, da ist apltt(^ syben iar vnd syben
quadragena. Darnach gengen mir vsjs der kerchen, vff
dy lenck handt X stafleln*) hoch hynder der kerchen,
ist dy etat, da der heyhg geyst ist kumen zw vnser
*) Nach Tobler, Topogr. II, 122; 13 Stufen. Die KR|jeilo
rw seit 1476 zci-stort.
104
lieben frawen vnd den tzwelff aposteln vff den heyligen
pfingstagk, da ist eyn kapellen gewesen, han dy hej'den
abgeprochen, da ist aplas von peyn vnd »cholt Dar-
nach gyngen mir mit der procefV herab yn den krwtz-
ganc-b» da stei eyii kapeil vff der stat, daryii dy aposteln
sich versamelt hett(*n nach Chrystvs todt vnd Jesus
ZV/ yn kom mit besehlossncr thiir, vnd als sandt Tho-
inan der vffersteüng nit glauben wolt, er leget denn
seyn fynger yn dy seytten, also kom Jesafz am achten
tag wyder vnd sprach zu sandt ThomaCz: k u m her
vnd [fg den fynger yn meyn wunden (Joh, XX,
27), da ist ajtlal.^ von peyn vnd von scholdt.
Vnd wurden dy byligerym geladen von den prue-
deren mit yn zu eseen, das dan also geijchach, vnd vmb
Vesper zyt sassen mir vff dy esell vnd rytten gen VVet-
lehem. Vnd da weyst man*) dy pyligerim yn den
krutxgangk zw legen**), vnd da schickten sich dy
prüder zw eyner prozep vnd dy bylgerym yecklicher
eyn prynnande kertzen vnd gengen mit der proceß yn
den krützganck vnd belibr^n da styll sten vnd byfz mon
gesang etzlich lobge.sanck vnd colecten, vnd wardt ver-
knndt das loch, da sandt Jeronimua dy bybel zu lateyn
gemacht hat, vnd daselbest ist aplat^i syben iar vnd
syben quadragena, vnd hat sandt Ensebeo ***) ach etlich
iar darynn geh'gcn, ach wurdt vn» verkündt, das dy
unschuldigen kindlen ach in eyni loch dapey gelegen
hatten, dii ist a|ila|> syben iar vnd syben quadragena,
vnd dy proceP macht nit darynn, dann der leüt waren
zw vil, aber darnach gyng eyn yckitcher darynn, als
dyck er wnit. Darnach gengen mir mit der proceß
V8S dem krützganck yn dy kyrchwn vff dy recht handt
neben dem chor zu eynem altur, stet vff der stat, da
♦) Fehlt in Handschrift — **) Gehen?
•*) Euscbius ¥. Cremona-, vgl. Tobkr, Bethlehem 189.
105
I
beschnytten ist worden, da ist aplaP von
peyn vnd scholt. Darnach gengen mir vff dy lenck
bandt zw eyne altar, ist dy stat, da sich dy heyligen
drey künig berayttfn, mit dem opfer Jesus zw pr>Tigen,
da ist aplaß eyben iar vnd syben quadragena. Dar-
nach gengen mir tzwnlflF staffeln *) dypff vnd«r sich yn
f»yn kroflPt, vnd vff dy lenck handt stet eyn altar, vnd
vnder dem altar ist dy stat, da got der herr geporen
ist worden, da ist apIap von pf^yn vnd scbolt. Dar-
nach veff dy recht handt vnder dem felCz stet dy krypp,
d» got der herr nach eeyner gepurdt yn gelegt ist
worden vor den esel vnd das r^nidt veff dy heyligen
chrj'stnacht, da ist apIas von peyn vnd scholt. Nach
mitternacht (2. Aag.) hüben dy herren an melz zu lesen
vff dem altar von der gepurdt Chryi«ty vnd vff dem
iltar vor der chrippen vnd vff dem altar von der be-
schneydung Chrysti vnd vff dem altar der vnschuldigen
kyndlen vnd vff dem grab eandt Jeronimus, vnd das
wert bys veff den dagk. Darnach ward aym ambt an-
gefangen vnd gesungen vff dem altar von der gepurdt
Christy vnd wardt gesungen von der gepurdt Chriety.
!?ach dem ambt sassen mir vff dy esell vnd rji.ten zu
dem hüfz Zachariafz**), das syndt tzwo zwbrochen
kirchen, vnd stet ayne vff der andern, vnd yn der
obrysten k\Tchen ist dy stat, da' Maria zu Elisabeth
gyng vber das gepirg vnd grue8t »y vnd lobgesangk
macht: Magnificat anima mea dominum (Luc.
1, 45), da ißt aplal5 syben iai- vnd syben quadragena.
Vnd ist auch dy stat, als Zachariafz schrayb das
8eyn snn Johannefz solt hayssen (Luc. I, 63). Dar-
nach gengen mir yn <ly vnderist kyrchen, da stet eyn
«teyn yn der mür, da Herodes dy vnschutdigen kynder
au ff.
•) Vgl. TWfer, 126-128.
•*) Siar Zakaij», über dessen Geschichte lobler, Topogr. ü.
106
lyefz totten vnd snecht sandt Johannes; da legt nandt
Elisabeth das kindt vff den st^yn, da tet sich der steyn
vff vnd verparg das kindt, da ist aplaß sjben iar vnd
dyben quadragena. Darnach gengen mir herab nit fast
hoch yn eyn kyrch veff eyn andern berck, vnd neben
dem altar vfF dy lencken handt yn eynem besOndem
gewelb da stet eyn altar, da sandt Johannes Baptista
geporn ist worden, da ist aplaß von peyn vnd scholi
Vnd dyfz payd kerchen syndt gewesen ZacharyaCs htlser
vnd synd zwerstort vnd wonn heyden darynn. Dar-
nach komen mir zw eyner kyrchen genant zu dem
heyligen kratz, han dy kerchen*) ynn, vnd vnder dem
hohen altar stet ayn loch, da der ayn bäm gewagsen
ist, da das heylig krutz aufz gemacht wardt, vnd weyst
man vns ach ayn handt von sandt Barbara, vnd ist
aplaß syben iar vnd syben qnad ragen, vnd komen nmb
vesperzyt wyder gen Jerusalem.
Des mitwochen nach vynculi Petri (3. Äng.) zw
abent gengen mir wyder yn den tempel vnd eyn yck-
licher byligerym besucht dy heyligen stet vnd lost den
aplap. Vnd nach mitternacht (4. Aug.) hüben dy herren
an mefz zw lesen, das wert byfz an den dagk, da hüb'
man wyder eyn ambt an vnd wardt gesungen vff dem
berck Kaluarie von sandt Petern, darnach gengen mir
wyder vefz dem t«mpel yck lieber zw essen.
Veff freytagk (5. Aug.) gegen dem abent sassen
mir wyder veff dy esell vnd rytten byfz gen Bethania
vnd beliben ligen yn dem feldt byfz gen mittemacht,
da sassen wir wyder vff vnd rytteu dy nacht, das mir
des morgens vmb echt vr an dem Jordan worden.
Daselbest ist dy stat, da got der herr von sandt Jo-
hannsen getauft ist worden, vnd da patten vnd assen
dy bylgerym, vnd daselbest ist aplaß von peyn vnd
♦) Griechen.
I
scholt. Darnach sassen mir wyder vflF dy esell vnd
rytten bey des hup, da sandt Joliantiofz w»'yfst vcff
Cbrystus vnd sprach : für was das i s t d a s l a m b
gottes (Job. I, 29). Darnach r}'tten mir durch Je-
richo, vnd ist dy stat, da got der Herr gfladpii wardt
von Zachcu, da ist aplal? sybon iar viid sybeiv quadra-
gpna. Darnach komen mir an den berck Quaran-
tanu*) vnd vnden standen mir ab vnd gingen den
btfrck byfz an dy mit, stet eyn kapeilen yn dem fetTz,
da hat vnser her got dy viertzig dagk gf^fast, da ist
aplafz von peyn vnd schult. Vnd oben vff dem bi-rck
btet eyn zwbrochen kapidlen vtT der stat, da dm- tüffel
got den lierren versm-cht hat, da iht iiplal* syben iar
vnd syben quadragena. Vnd man weyst vns auch das
todt mer, da dy fnnff «tet vnder seyn gangen, Sodoma
vnd Gamorra. Darnach gegen den abent aasaen mit
wyder vff dy esell vnd rytten gen Terr ar ossa**), vnd
ißt eyn zwprochen stat vnd ist dy stat, da Juaehym vnaer
frawen vatter (wa.s) gangen was zw seynem schofFeii,
als er zw Jerusalem yn dem tempel verspot wardt, das
Anna nit frnchtp»'r solt soyn, vnd ym der engel ver-
kUndt, das er wyder zw hiiTz solt gen vnd das Anna
fruchtper seit werden, da ist apiap syb^m iar vnd syben
quadragen. Und behben hgen byfz naoh mitternacht
vnd darnach »asseii mir wyder uff dy esell vnd rytten
vff suntagk zw morgen nach Vyncnla Pi-try (U. Aug.)
vnd kernen gen Bethania, da gyngen mir yn sandt
Maria Magdalena hfll^, das ist ayn zwbrochen kirch,
da ist aplatv von pyn vnd scholt. Darnach gengen mir
zu dem hulz sandt Martha, ist ach eyn zwbrochen
•) Hcuto KuruntuI, clor Voreuchangslücrg, über dessen Ka-
pellen Tabler, Denkbliitter aus Jonisaloni 710 ff.
••) So hiess die Oedo von Bethanien bei Jericho, ancli Adam-
mim (Tobkr, Topogr. 13, 607—509, wo sich auch dio hier erwähnte
Legende fijodet, und 776).
108
kircli. da ist aplaf> syben iar md sybrn qiudiagesa.
Diunach ort fccr davon werat man tik dr stat, da got
d«r Ik-it rff gv5c$fi«D hat md ICartha zw jm spneh:
A berr versta hr« gew-^sen, so wir Bttja
pradf-r La»aro nit gestorben ;Joh. SI, 21), da
ist apiat sjb^n iar rnd >Tbtrn qiiadxag<ena. Daraad
gip-ns«n mir zw dem grab Lasams md sahen dj etat,
da goc der herr gt^t^iiden hat. da «r Lasams Ton dem
todt «-rwcckt. da i»t aplaß »jben iar md sjben qoa-
dras^rna. md [kt d«-m grab Lasaros ist aplas tob peja
md TOB schoh. Tnd ban dj kvrvben dr bejden jbb.
[darnach fii^rt man vns zw dem holz SymoB des ao»-
ä^tzigirn. den goc der herr rem hat gvmaeht. Tod Maria
Magdalena got dem herren sem föelz gesalbt hat rwd
mit Term bar gcdmcket hat. Tiid ist em zubiochai
kicch Tnd i»t apiaf* srben iar Tnd sjben qpBadmgeoa.
Darnach mten mir gen Jerusalem, das mir zw der
m^ da «aren. Damach dv« abent rmb dy sex tt
IvrU man tbs wyder yn den tempeL da gyi^ eya etz-
licher bi!g>rryin za den heyiig>^n »teten den apiaß zw
biesöeben. Tnd nach mittemacht 10. Aog.) hobot dy
brrr^n an melz zw I^e^eB. Dw morgens Tmb dy newa
TT sang man eyn ambt Ton dem beyiigen oateitag^*).
Vff sandt Lorenzen tagk 10. Aog.t mit dem dadc
g«rng^B »tzlich b^^rym mit etlichen baifwsen ys das
grab Tikser Ijeben fitawen md horten melz daiyn md
syngt^B an alle dy h^Tligi»n stet rtff dem berck Olyneti,
wye ?y Ti>r benant syodt. Vnd neben der kirdhen, da
Tikstr berxv zw hymel geüuvn ist. ^tet ayn locii Tnder
dar erden, das £a$t dieff ist. tu demselbeB loch hat
* E5er 5:ir:: Ircm ju «eja Ivss iy ptabcK. itre in dem
-smpit cäataea. veriec. alio ^ier Tnctx: IV süfcna ■ariiMUBii.
■mvi-Juir TselSkdk bskisckziftiäch Tvc&a»ies uki cft pAraiLt ist
SSüriaie. Bäiax&eca äCL Nr. Si^.
I
I
I
gelegen sand Pelagia*) vnd hat yr fOeP darynn ge-
than vud stet yr begreb daryn, vnd forten vns dy
hayden darynn. Darnach weyst man vns den flecken,
da das dorff Getsymony gelegen ist, darynn dy echt
apostel yn wonni**), da Jesus gelangf^n wardt, da ist
aplaß syben iar vnd syben quadragena. Darnach gyngen
mir yn dy stat, fuert man vns yn das liüfz Pylatvfz,
vnd stet eyn wüegst kapt^lle darynn vff der siat^ da got
der herr vff vervrteylt ist worden, da ist aplaH von
peyn vnd scbolt, \7id wonen heyden daryn. Darnach
weyst man vns eyn schön kirch, ist gewest sandt Anna
hüfz, da vnser fraw geboren ist worden, vnd niochten
nit daryn, dann dy hyden han sy ynn, dann diircli
etljch ryfz sahen tnir daryn, da ist aplaiv von peyn
vnd achott Darnach weyst man vns das hul'z, da sandt
Maria Magdalena yr sundt yn vergeben worden, da ist
aplal^ syben iar vnd sybi^n cjuadragena. Darnaeh weyst
man vns des dorfz eyn stück vnd der niuren, da Chrystus
ufzgegangen ist mit dem krutz vff dem berek Kalvarie,
vnd gyngen von Pylatvfz hufz den weck, den got der
herr mit dßui krütz gynck, vnd ist eyn verrer weck
vnd perck vff bys an den berck Kalvarie vor den tempel.
Forter gengen mir yn eyn kapell, da sandt Johannfz
ewangelist yn geboren ist worden, vnd haudt dy Kry-
chen ynn.
Vnd vff sandt Lorentzen tagk zw abent sassen
mir vff dy esell vnd rytten von Jerusalem veff eyn tütz
rail, lagen mir yn dem feldt pis vmb mitternacht vnd
saasen wyder vff dy esell vnd rytten gen Ramath***),
vnd vff freytagk nach sundt Lorentzen tagk (13. Aug.)
rytten mir von ftamatb vff ayn jjalb tütz mil zu sandt
•) Üeber doii Bussort der St. Pelagia vgl. Tvtiler, Siloali<iufUti
126—130; Cotttcult/, 20, 126-127.
••) Vgl. Toiiler, SiloahquoUo 227-2ÄI.
•**J Ramiah.
uo
Jorges*', ist aya zvbraeke& kirek vad ist ij statt,
da äandt Jörg gienuLZtert ist wcfdoL wd vor deai altar
kt *ij stat gvrzajvLr^t i&i; r-va^m sc^'Tb. da na mjb
Lfcsp ^t abgvrä<:hLiigv-& vorirn**. da kt apIafS lybea
iar vT'i »jWn ^CA'ira^eca. vad haa dr herdcn jnB.
\jkd ^ü mvctagk Lach vn^r &aw.-n tagk aspamptioaÜi
■ 16. Aag. sase^o xir wjdirr \'S dy «:s«'Il md lyttea
«ydc-r gvn Jaffa vnd fäc'nrn jn dj gakam vnd lagen
da bjCz vff dvcmrc^tagk. ra mors^a 1 19. Aug.) Ijeli
man ?*-e^I fjllr-c. vnd v.'brrt «ich «jdier g<rn Zippen zw,
\iißi cfatijin dy gal<ra v3 sandt Andres tagk Tor dags
\ 3 j. Nov. gen V e- n •} d i g ***).
IL Herr Grafi Lndvigi n
Aano 1484 xnm heftigen Gimb
Tadt dabei anfgegangene ZehmagcB betxcOBBd.
IMcaer Herr ist za Triait in IteUen am Sadi ob-
grmHdtfii Jahres aal der Briwe yuitoihea vadt
laat beiliegenden Origiaal Attestati daadbat in
St Simeon« Kirdicn begraben wordenf).
p. 5. AU mjn Gn^digier H«r« Ht!«r Lwhng Grawe so
Hannaave onnd H<^rT za Lk-htc-nberg zu Baben-
ha^enTTi am Lnnstag Nach Sannt Vazeea Dag (27.
" Za -Lisser Lecen<i« t^L Tjiifr. Tvckbuin^r 588 S.
*", Hl« f-jizr rin !ateini!><. her tM^rCihr»r Infraschpce saat
y-Koiaai'.ii-iaes tcciüs zetK aac'.te -{Sis * OKd^nis pertyriais visi-
aamr. Et est «cKci^un .... v^kher v:«iäh.-lt haaifacknfUkli
amt aacii in x<iiren?a r*rti-:fc';c tekamt isc w^ 4ie geaanen
Xacaveiä« bei fi. f-TAnobL BibLiixii. $N$n{ii. Palaescnae. Beriia,
i89i>. :«>— 101. Xr. a»r.
v Äa. -kr SfKze -Lee Br&cihiL.<.'&c-a Biit«^ $t«&t Jas Testa-
meat aiis«r«> Gnfeo. daran icblxsst >icli aaLU>:-l2Viki«s Attsgabe-
filaoäier
tt- Bafcenkaasea «^ von Hitaaa.
in
April) nssgPiRitten ist., Ime Willen zri dfm Heiligen
Grabe selb drytte zu ziehen uiind die selbe iiaclit zu
Clingeiiberg *) gelegen, des Mitenbacbs (28, April)
darnach dar ussgeRitten und zu M i i ti- nbergk**)
über Meyne gefaren In anno domini in>strilV) octua-
gesimo quarto der minderen Zale.
Item VI ^ zu Miltenberg selb dreylter des Mitten-
bachs (28. April) über Meyn.
Item ein gülden PliiliiiTen ***) mit sampt eym a!bu Ime
za gelej-ts geldf^ v(in Myltcnbürgk biJss geiii Bistlioffs-
heim j) und der albus vonn inylteubt-rgk gein Clingen-
bergk.
Item XXIllI albosft) selbe vierde mit dem obgenannten
geleyts knecht unud Here Wilhelm vrm Hechberg Ine
L der herberge verz^-rt.
^■tem II albos der frauwen und der mede zu litzgelt f ff)*
^Bkem I album von einem Sattel zu füllen.
^■tem XII alboä H<^re Wilhelms Ge.sindtt /.i\ iÜscholTk-
^B heim Ime Sloss geschenkt, als myn Juncker darr Inne
über nacht läge.
Item I album m}-nem Jnnckernn am Morgen messe zu
Kfermen Ime Sloss.
Summa III gl. x ^.
tem V gülden Henseln Kleylin Here Wilhelms knecht
von BiscbfifFsheim bis gen Wy nasheim *t).
tem VI ß XXXIIII ^9) Margrefisch montze selb vierde
»mit dem geleyds knocht den Dornstag zu Nacht
unnd freytag zu Morgen (29. u. 30. April) zu Wyn.ss-
heim verzertt.
*) tliugenberg. — **) Miltonlwrg.
•") Ein Philippsgtildfiu hatte 15 Schillinge,
t) Taubor-BischolTslicini.
tt) Kin Albus oder Weis.spfonnig galt c. 30 Pfoimig = l
venetianisoker Oroscheu ixlor 1 Batzen, ein ITeller = '/» Pfenuig.
ttt) Tilükgeld.
•f) Windsheini nö. von Rotheiibory a. d. Tauber.
112
Item in S II /3t der frauwen zwey pfnnt, der mede
und knechten 1 S zu letze gelde.
Item II S VI >3) nmb des geleyde vonn Wynssheim
gein Er leb ach*).
Item V Grössen, thut einer VII /^, dem geleits knecbt
geschenckt, der mit unns reyde biss gein Erlebach.
Item zwene Grossenn umb ein geleits brieff von Erle-
bach biss gein Fürte**).
Item ein Grossen Ine essen und ein In opfer budel, and
tun VII /3) ein 1> (oder ein Grossen), und galt der
Gulden VllI ff, XI ^ oder XXIIII Grossenn***).
Summa XIIII S XIX ^, facit II gl. II S lU /d),
macht III gl. 1 orttt).
Summa huius lateris facit V gl. I ort X /^ Hei-
delberger.
p. 5.' Item. XV S III /^ selbe drj-tte des freytags zu
Nacht (30. April) unnd des Samstags zu morgen (1.
Mai) verzert, und asse der Kramer by mynem Junckern
und (?) quame XLII /d) für ein mass malwassyff)
und XIIII 1^ für eine messe zu lesenn.
Item II S XXI /^ der frauwen II S zu letzgeld, der
mede ein Grossen, dem dochterlin eyn und dem knecht
ein Gross VII ^ (der gl. VIII ff XII ^).
Item ein gülden mynem Junkern für ein sattel u£F den
zeiter.
Item XV dl für ein ein weyss duchs zu eynem Wisch-
duch.
Item IUI ff XVI ^ derselbe drytte des Samstags zu
n.icht zu Swabach-ftf), unnd reyde der Kramer mit
dachin und zerte zu vesper zit mit mynem Juncke-
renn, des quam III ff III /3) zur Zerung, der frauwen
•) Erlbach nördl. von Fürth. — •*) Fürth.
•*♦) Wichtige Angaben. - f) '/«. — tt) Malvasier.
ttt) Schwabach.
I
I
I
I
113
I ff zn letzgelde und den meden und knechten II
Grössen Letzgelts.
Item 1 6 XIIII /^ fhr daß geleyd» und dem geleyis
knecbt geschenkt von Swabach biss gein Giintzen-
hanse n*).
Item II ß XX ^ den Suntag Misericordias Domini
(2. Mai) zu morgen Imss**) zn Guntzenhnsen verzert.
]t«»ra XIIII ^ i\ifm geleyts knpcljt von Guntzenhusen
b jss gein G i n t z h « i m ***), dar geet. das Ottings f )
geleyde an*\
Item ein gülden III grossen I »Sj selb vierde mit dem
geleyts knecht den iSuntag zu nacht und den Mon-
tag zu morgen (3. Mai) vei-zert mit dem letzgelt,
das ist gewesen V grossen der frauwen und dein
geainde und VIII ^ dem setteler ane mynes Junckern
Sattel zn machen.
Item VI 5 dem geleits knecht von Ginitzenliüsen biss uf
den bergk ln^y DonauWe werdeff) geschenckt, und
wass der mnntag des heilignu Cruiz tag (3. Mai),
iinnd galt der gülden wisse möntze VIll ß X ^ ttt)-
Summa VI gl. I ü XVII ^, facit V Grossen V J^),.
Item Vlll h III Grossen 2 ^ den Montag zu naclit
und Dinstag zu morgen (4, Mai) zu Donauwe werde
verzert, das warde VI (> Vlll ^ verzert und der
frauwen II V* zu letjigelde, den meden und knechten
II grossen zu letagelt, und galt der gl. VII P je XXX
<di für ein P*t).
Item I IJ dem knecht und der mede und reyden biss
an die Herberge by Augsspurgk.
Summa dieser S}'t.en Vlll gl, XIlll ii^.
p. fi' Item U gülden VII Crutzer den V^orgenannten
•) Gunzenhauseii. — ") Imbiss. — ***) GnndelsheJm.
t) Grafen von Oettirigen. — tt) Donauwörth,
ttt) WitLtigo Angabe. — »f) Desgl.
N. F. XVI. Bd. 8
114
Dinstag zu nacht nnnd Mitenboch zu morgen (5. Mai)
mit den Zweyen Rolingern und dem knecht, der mit
uns ryten soltt, verzert zasampt eyner mass mal-
wassiers zu Augspurgk, und galten I gülden LX
Crutzer *).
Item XI Crutzer der dochter Irae huss echt (?) und
meden und knechten zu letzgelde.
It«m XVI Crutzer für acht ysen darselbst uff geslagen
und den knechten zu Drj'nckgelt.
Item VII Crutzer mynem Juncker nn darselbst für ein
paar schü.
Item V Crutzer vor mynes Junckemn Sattel zu flicken
darselbst.
Item II Crutzer um zwoe schauben**).
Item XII Crutzer mynem Junckemn für ein Deschen ***)
darselbst.
Item X /^ für das gehenck an derselben Deschen, gilt
eins IUI /^.
Itfim I gl. IX crutzer den vorgenanten Mitenboch zu
nacht unnd den Donderstag zu morgen (6. Mai) zu
Landspergf) zum lewen selbe vierde.
Item Uli Crutzer der Frauwen und III Crutzer den
meden und knechten zu letzegelde.
Item VIII ^, der IITI ein crutzer tunt, vor zwoe mass
wyns zu Schongauwe ff).
Item XL Crutzer dem knecht und der mede darselbst
zu letzgelde.
Item I gl. Contzenn dem knecht von Augspurgk biss
zum Roten burchfft) zu Reyt^n geschenckt
Item XVIIl Crutzer des freitags zu morgen (7. Mai)
Imss selb drytto verzertt.
•) Der Silberguldcu galt 2,40 Mark, also der Kreuzer 4
Pfennige.
**) Hüte. — •♦♦) Tasche. — t) Landsberg. — ft) Schongau.
ttt) Rothenburg a. d. Tauber?
115
item XXin Crutzer des fritags zu nacht zu Porten-
kirche*).
Item ein Crutzer dem knecht zu letzgelde.
Item XVU Cratzer des Samstags zu morgtm (H. Mai)
zu M i 1 1 «i» 1 w a ! d e **) derse Ibp d rytte.
Itein Xni Crutzer zum hi^ilig'^n Idude uf dem Sehe-
felde***) geopfert.
Item V Crutzer für Zolle, kese und brott zu vesper
Zitt.
]tem funfftzig crutzer zu Yn »8 brück des Samstags zu
Nacht lind des Suntags Jubilate (9, Mai) zu morgen
selb drytte verzert und zu letzgeld^^ Ni-ralicli der
frauweji VllI crutzer und dem gesiude dry zu letz-
gelde, das ander verzert.. Summa VIII gl. XXII
crutzer I /^.
p. 6' Item II Crutzer umb ein lade Muscaten nusse.
Item VIll Crutjser für ein He.sciven darsetb»t.
Item II Crutzer dem scherer für apotecken werck zu
Ynnsbruck.
Item VI gl. des Montags (10. Mai) zu 8tey n iiachf)
Ing«fle<(t, als myn .UiiiekRr zu niynem Herren von
Hannauw»?, Juncker vtmNassKun und rnym-m Juuuk»*riui
von Runcken qwam.
Item IX crutzer hat der 8cherer zu St ertzingen ff)
verzert, als er seiner kranckheit halb anhin reyde,
und myn Junckeriin by den Herrn zn Steynach.
lifm in criitzi-r darselbst zu .schernlone, siist bezalt der
Marggraffe all zurung.
It«<m II crutzer für i'in ysen darsei bst
Item darnach gein Ritzingenftf), ist ein bysthumb
und sif'ben myln von Steinach dva Dinstags (11, Mai).
Item von danm-n gein Boytzcn*fJ sint sechs guter
•) rartenkirchen. — ") Mittenwald. — *♦*) Soefeld,
t) Sleinach. — ft) Sterzing. — ftt) Bnxen.
•t) Botzoo.
8*
116
myln, dar lagen wir ober nacht nnd lytt gnff Wil-
helms grapp*), dar er zuerst vergraben ist, Lne dfannif
nnd kompt man darnach uiF die etachs des mitten-
bachs (12. Mai).
Item von dannen des Domstags (13. llai) zu Sannt
Michael**) assen wir zn mittag darselbst, fert man
nber die etschs an ey^em seyle, nnd ryden färter die
nacht gein Drent***) die nacht, daselbst ist auch
ein bistdmb nnd beatns Svmon darselbst, ist aof VI
myln.
Item des Samsstags (15. Mai) Riden wir nach Jnbilate
znm S p i tt a 1 e t), ist nf fnnff myln von Drente, darby
hat der Hertzog von Osterrich ein gut Sloss ligen,
heiflst Bressenft). Damach kompt man zn vier
slossen, heissen zwey Delgennanwfff), nnd dar-
selbst dry gnlden zngelegt.
Item II Österreicher*!), dutt einer ein Mar«elle**t), hatt
myn Here zn Trentt veropfert und nmb zeichen
geben ***t).
Item X Cratzer dem scherer für ein lass ysen zn Tei^
fesef*).
Item IX Österreicher hat myn Juncker seliger zn Ter-
fese verspilt. Summa X gl. LI Crützer.
p. 7' Item II gülden mym Herrn für ein lauten dar-
selbst.
*) Welcher Graf Wilhelm gemeint ist konnten wir nicht
feststellen.
••) St Michael. — **♦) Trient — f) Ospidaletto.
tt) Ob Perzene (Perzine) oder Brenta?
ttt) ^ kann »i^r Telvana in Tal Sugmna gemeint sein {An-
drea MontebeUo, Notizie . . . della Valsagana. Roveredo 1793,
164, 263 fr.).
*t) Wohl Wiener-Xeustädter.
**t) 1 Marcello war = 10 Solidi = 60 Centesimi heutigen
Geldes.
••*t) Für Wahrsagung? — t*) Treviso.
It«m TIl diicaten*) an der zerung darselbst Ingelegt zu
Derfese,
Item XXX Dticaten dem Wyrte zu Venedig für das
JLene (?), so für proviande für dry person Ins schyff
gekauft ist.
Item XXI Ducaten an der Zerung, so Ime huss die Zitt
verzBrt ist
Item IIIU Rinisdi Gniden siner frauwen zum Vicrden
deile zu eini'r syd«n schamt'latt **).
Item X Rinisch Gulden der frauwen und dem gesinde
Ime huse guschenckt zum vitirdf-n teile.
Item V' XXIII Ducatt'n dt'm Patron von dryeii person
zu scbifTlone.
Item XVllI Ducaton zu dryen Malen Ingelegt an der
Hinfart für dry person.
Item VI Ducaten hatt man uf die Vlo Ducaten, so der
Krämer zu Franckfort VlIIc Riniseh gülden ent-
pfangen hat, die zu Venedig von der Banck zu Ueberm
musst man ein Dukaten die Zickin***) haben (?).
Item VII Marzpllfi zu uf Wechsel an den XIII Ducaten
an marcketen f) vom haraer (?) uf yeden Dnckaten
ein Marzeila.
Item XJl Dukaten den Heren zu Jherusalem uf
Monte syonit) umb gottes willenn gehen, als
ander heren der glichen auch detten.
•) D«r Venetianische I>uc*tcn oder die Zethine stand 1483
wie 135 : 100 zum rhein. TioliiguUlnn (h'M. 146) und barto 9,60
Mark, letzterer 7.20 Mnrk {RH. 115; H. 53) Worth (aiiuh 2fi Mei-
dineo oder 52 Ah[ierarcrti j^leich zu louhiiüii); l Meidin im XVI.
.lahrhundort war = 4 vcntffiiinischo Scliillmfro =r '/, Moceuigo, ein
Moceuigo = 4 Conbtaiizer Batzen — l(i Heiler ^ '/i Marcello,
1 Asperor = 1—2 Kieuzer.
**) Eigentlich selbst soviel ala Seidenstoff.
*) Zechioe.
t) Marchetto war = '/la Marcollo = '/t Weisspfennig.
tt) Den Miöoriteo auf deai Zionsbeige.
118
Item XVn mazzeDe dem scherer am kutaay*) dar Ton
uAü za Richten.
Item VI Dackaten za Jheroäalem Ingelegt.
It«m VI marzellen zu zweyen malen fiör kertxen In
TempeL
It^rn llll Dnckatfn Ine das heilig grab geben.
Item VI Dackaten zu Jaffa af Egidy (1. Sept) In-
gelegt.
Item VI Dackaten aber af dem Scbjff Ingelegt af Sams»-
tag Nach Lamperti (18. Sfpt).
Item II Duckaten den kochen af dem Schyffe.
Item VI Dackaten aber Ingelegt za Madan**) afiT
Dorn»<tag Nach Michaelis (3f). Sept.).
Item XII Dackaten za Corfän***J Ingelegt of onde-
cim miliam virginam (21. October).
Item VI Duckaten zu letze Ingelegt uf Suntag vor Blar-
tini (7. Nov.).
Item VI Duckaten aber Ingelegt uf Montag Nach Mar-
tini (15. Nov.).
Item VI Dackaten zu Capof) Ingelegt uf Suntag Nach
praesentationis Mariae (28. Nov.).
Item VI Duckaten aber Ingelegt zu Casselnovajf)
uf Dornetag vor Andree (25. Nov.).
Item XI Duckaten IX Grössen zu Romafff) aber In-
gelegt uf frytag Nach Andree (3. Dec.).
Summa I1I< XLII Duckaten, XVI gl. Rinisch, V
Marcellen, II Marcketten und IX Grössen.
p, 7' Item ein Duckaten II Karlin zu Dorbuan*t)
verzert uf fritag Nach Andrea (3 Dec.).
*) (Jortcsy, oourtoisie. Triukgcld. — **) Modon.
•*•) ('orfu. — t) Capua.
tt) Der Namo Caüteliiuovo ist in der Gegend zwischen Otranto
und Neapel ausserordenüii-h häufig (bei Campli, bei Molise, bei
MaiiM, im Principat, bei T^aviano, bei San Severo).
ttt) Rom. — »t) Serofeno?
119
Item I Duckaten II Grossen zu Viterff*) verzert uf
Samsstag Nach AiuUea (4. D<c. ).
It(!m I Duckaten Uli Gronsen mit dem lutze und moKSG
gelt zum hangenden Wasser**) uff Samsstag
zu Nacht nach Andree (4. Dcc).
Item VI Grossen dem knecht, der midu uns von Roma
dorhinnn RfMde.
Item IX Karline***) des Suntags zu Nacht zu Clavicot)
(5. Dec).
Item I Duckaten des Montags zu Nacht (0. Dec.) zu
der Hoensinff) NeniHch uf unser lieben frauwcn
abent.
Item I Grossen für Kressen darsiclbst.
Item IX Karliu des Dynütaga (7. Dec.) zu nacht zu
Tabernellattt)-
Item lU Duckaten HI Grossen mit dem letzgelde und
für Holtz, des Dornstags zu Nacht unnd Fritug (9. u.
10. Dec.) den Tag zu Flore ntz.
Item X Karlin IM Grossen von den setteln zu fulh^n
und für ettlich küssen und ryemen an den Wattsack.
It»*m I Duc-katen 11 Grossen .Sanisstags zu Nacht, Sun-
tag zu Morgen (11. u. 12. Dec.) zu der Scarpa-
r i e n *t).
Item I Duckaten vier Grossen In der andi;ren Ht^rherge.
Item II Grossen dem niüln knecht **t) under wegen zu
zeren.
Item II Grossi'n /u Sc a r og a las s***i") zu zolle.
Item I Duckaten III Grösi>en In der netten Herberge
by Bolo n iaf*).
*) Viterbo, — **) AcquapendoEte.
••*) 1 Dueateu = 10 Kai-olinen.
+) Radicofani '.•' — ffl Offenbar Siena.
♦f) ßcarpena. — ♦*t) Maultiiiorttoibor.
*f) Sc*ricaiasino, — f*) Bologna.
ttt) Tavemelle.
120
Item n Dackaten fOr Zerong and letzgelt vone Dinstag
ane biss af den Dornstag (14. — 16. Dec.) za Bolonbu
Item ein Grossen für beslagk darselbst.
Item ein Dackaten II Grossen uf Dornstag so Nacht
(16. Dec.) by Sannt Jobann*) verzert.
Itein VII Grossen des fritags (17. Dec.) zu Mong-
port**) über das wasscr.
Item I Duckaten IX Grossen des fritags za nacht za
Sant Martin***).
Item I Duckaten I marzelle za Kassef) af Samsstag
zu Nacht (18. Dec).
Item I marzelle darselbst über das Wasser Genannt die
Pfauft).
Item I Duckaten IUI Marzelle II Crutzer of Santag
(19. Dec.) zu Mantua.
Item I marzelle zu Wilden franckenfff) za Zolle.
Summa XXI Duckaten, VII marzellen, X Cratzer.
p. 8' Item in Duckaten zu B e r n'*f ) mit dem letzgelde
und für Holtz zwoe Nacht verzert des montags und
mitenbochs vor dem heiligen Christtag (20. a. 21.
December).
Item in Marzelle darselbst für ein boledt**f) nf der
Klüsen ***t).
Item l Duckaten IUI Crutzer mit dem letzgelde ein
nacht zu Burckettf*).
Item XL Crutzer des Dornstags (23. Mai) za nacht zn
Mackrelef**).
Item 111 Crutzer für schererlon am Cristabend (24. Dec.)
zu Trent.
*) San Oiovanni. — •♦) Nonanhda? Modena ?
*•♦) San Martino. — t) «uastalla. — ft) Po.
ttt) Villa franca. — *t Verona.
•*f) Bolotto, Passiorschoin. — ***f) Veroneser Clause,
t*) Borghetto. — t**) Martarollo.
I
I
XXXVm Crutzer dem smydt darselbst far be-
slagk.
Item Xn Crutzer dem setteler von den (aattel) zu füllen
für rj'ftmen und ander pletgwerck *}.
Item XI gl. XXini crutzer zu Trent verzort von Crist-
abent ane biss uf S«msstag Nach Epiphania domini
(24. Dec. 1484 - 8. Jan. 1485).
Item XLVU Crutzer uf Samsstag Nach Epiphania Do-
mini (8. Jan. 1485) zu Botzen.
Item II gülden zwoe Nacht zu B r y t z « n **) und zum
Loe***).
Item II gülden Jobanneu vonu Dorn darmit die Zernng
zu YnBsbruck geethem zu bpzaln.
Item xn Crutzer darKplbst für beslagk und die settel
zu füllen und zu machen.
Item I gl. VI Crutzer zu Mittelwalde den Domstag
zu nacht und frytag zu morgen (13. u. 14, Jan.).
Item III Crutzer zu Port e n k irch en von den pferden
zu scherpffen.
Item Lini Crutzer die Samsstags zu nacht (15. Jan.)
zu Oetigen (?).
Item XII Crutzer den Samsstag zu morgen zu S ch ong au.
Item I gl. IUI Crutzer am Samsstag zu Nacht und
Suntag zu Morgen (15. u. 16. Jan.) mit dem letz-
gelde zu Landsperg.
Item Vlll Crutzer für beslagk und die Settel zu füllen
darselb.st.
Item liVin Crutzer uf Suntag zu Nacht und Montag
zu Morgen (16. u. 17, Jan.) mit dem letzgelde ver-
zert zu Angsspurgk-
Item I gl. Vin Crutzer des Montags zu Nacht (17. Jan.)
zu Donauwe werde mit dem geleydt« gelt
•) Flickwprk. Flickerot. — *•) Brixon.
•••) Offenbar im Lueg auf dem Breiiner.
122
Item XXim Crntzer zu M o n h e i m*) mit Hertzog Goigen
und der von Pappenlieim guleitüknechten, dan sich
die geleyde darselbst scheyden.
Summa XXII gl., XXXVIII crntzer, Uli ^ackaten,
IUI marzelle.
p. 8^ Item XL Crutzer des hertzogen geleitsmann
vom Werde biss gein M o n b e y m mit dem Reyde gelt
Item I gl. VIII crutzer zu Wissen bürg**) mit dem
geleits gelt ane Dürstag ^20. Jan.) zu Wissenburgk.
Item XVI Crutzer der Herren von Pappenheim geleits-
knechten nach Man he im biss gein Wissenburgk,
und gilt ein person XIIII <^ zu geleits gelt und XVI
V} zu Reyde gelt.
Item I gl. IUI S den Mitenbach U^- Jan.) zu nacht
und Dorstag (20. Jan.) zu morgen mit dem letzgelde
zu N Urem her g uf Sebastiam (20. Jan.) verzert
Item XXIIII /^ von Erlebauh biss gein Winssheim
des fritags für geleits gelt (21. Jan.).
Item Vlll S uf fritag zu nacht Nach Sebastiam (21.
Jan.) mit dem gelt>itsknecht zu Wynssheim verzert
Item VI S 11 albos init dem gelcitsknecht uff Samsstag
(22. Jan.) zu nacht zu Merge theim***) verzert.
Item XXXVl /^ von Wynssheim bis gein Mergetheim
zu geleitsgelt.
Item XVI albos dem geleitsknecht für Reyde gelt und
schanck gelt.
Item II albos für geleits gelt von Mergetheim biss gein
L u d e n b u r g f ).
Item XII /5( zu R«!yde gelt.
Item I album zu Borstattff) zu Myltenberg aber
Meyne, und die Nacht lagen wir zu Clingenberg.
*) Monheim n. v. vorigen.
*•) Woissonbiug. — ***) MergeDthcim.
t) Laoda? Laadonbui^ liegt so. von Morgentheim.
123
I
I
I
I
liem I alhnm zn Wall statt*) über Meyne uf montag
Nach Convprsionis Pauli (31. Jan.) uml die s»']b
Nacht gejn Babenhus«*n. Summa VI gl., XXIllI
albos, ni <^.
Summa der vorgeschriebi-n Zerunf; ist IIl" XVIII
Duckaten, III AJarx^He», 111 Marcketen.
Summa LXXVII gl., 1 ort Rinisch und II ^.
p. 9' GemBynÜ88 Gabe von mynes Guedigen
Herren Grave Ludwigs uiind sius Bt^scheits
hal |i ge sehe ü n.
Item XIIII Duckaten für Ducb sydeii von tlcm Maiitfl,
wams.s und Hös*'n zn Machmi, zu Venf-dit-n.
Item IUI Duckaten 11 Marzellrn für die Kitttd, hf-rndfir,
sotall**) und facillet***) für da« ducho und mach lone.
Item X marzelle für vier par lyner bösen, sin gnaden
zv/ey und dem soherer zwey.
Item irm DuckatHn für XXVIl ein Rotz Duch zu dryen
Röckeu und XVllI Marzellen dar von zu machen.
Itera III Duckattiu für die gofulten und (li(! KrMK-n brüst
Dacher.
Item II] Duckaten für mynes Heren seligen zwey par
^hu des eins mit zwifeclitigen stdn, fostHtin XXII
Marzellen, vnd dan funff par für IX Marzellen.
Item I Dnckaten IUI Marcketen fnr zwey Swartz bareth
mynem gncdigen Junckurnu.
Item XV Marzellen fm- die .smock (smäck?) opsel (?).
Item VI Marzellen zn allen malen vcrfarHU und Jo-
hannes geben er mynem Junckernn zu farerlono dar-
geliuwen hatt.
Item II Marzellen Henchen mynes herreu von Nassau's
iSotten (?) geschenckt.
•) Wallstatt.
••) Setola. ital. Bürste?
•*•) Fazzoletto, ital. Taschentuch.
1-24
Item n Manelleo von mynes heren U^dem aa DTpick-
gelt
Item II Marzelle dem Bader knechten m Vraedien ge-
schenckL
Item VUI Marzellen von mynes Jonckern vier Wappoi
zu Vene dien zu machen.
Item III Marzellen dem Scherer, als er gein Terfese
solt nach dem gelde sins pferts halber xa Mon-
sters*).
Item VI Duckaten VIII Marzellen for yglieherley hande
ns.s geben Inde eines Zettels hiebey.
Item XI Duckaten für III Beth, der Cost eins zwene
Duckaten I Ort. und mynem Junckern ein lyderin
kys^en zu lidem. der von ein Duckaten and sin Beth
und küssen zu lidern darvon ein Duckaten und fbr
Leder.
Item M Duckaten VUI Marzellen IUI Marketen fiir
iglicherler hande. so für mynen Heren Inne Sonder-
heit Ine die Appotecken kauft lade derselben nf
Zeich ni.«.
Summa LV11 Duckaten, II Marzellen, 11 Slarcketen.
p. 9^ Item im Duckaten hat myn Here des Don-
derstags Nach pfingsten ^10. Juni 1484) za naicht,
al» man zu schiff gin zu Sunt Niclauss**), ^^^^^
spielt.
Itrm lin Duckaten VI marzellen für mynes Heren kisten
uud seglematten und zu tragen zn Candia Ins
schiff.
lt<»m Xn Marzellen Hern Han^n von Nfllbenhase uf
dem &ch3rff geschenckt.
Item II Duckaten den beckern uf dem schiff amb gots
willen geben.
Item II Duckaten und HH marzellen den Herrn von
*) Mcstie bei TtncOig. — **} St Nicolo.
Jherusalem nf dem schiffe *) für zwoe brillen **)
winss gfiben.
Item 1 Dntkaten zu Betlfthem In buwe ***) geben.
Item II Duckjit>^n für den Dürckischen Rocke.
Item HI Duckatfin urab das gebende dar zu.
Item IUI Marzf^ÜP umb die hubw dar za.
Item II Duckaten vor yglicliKrley hande zu Jhernsalftm
kaufFt pater nosterf) uniid t^firtel.
Item 11 Duckaten hat myii Hnri' cintzig uf dt>ra schiff
den Beckern, den knechten und sust verdrüncken
und uss geben lassen.
Item V Marzellen mynem Heren uf dem schiff, ee wir
gein Jaffa qwamen.
Item ein Marzelle zum selben male vor wyno.
Jtem ein Marzelle for dry scbitäseln und dre seckliu zu
dej korte-sya.
Item VI Dufkatcn marzellen und Marketen, alss sin giiade
uss dem scliyfF uf da.s landt dradi'.
Item 111 Marzellen den (durchstiichen, darüber: begyn)tt)
zum selben male.
Item II Marz(!lle Jacobsen uf dem Schyff für Wyne.
Item 11 Marzelle mynem Herrn Irae sehyff In by wesen
KmericIiK von Nassau wes.
Item VI Duckaten IUI Marzellen umb zwene schamelott.
Item III Duckaten und II Marzellen für ein sdianielntt.
Item IUI Duckaten und 4 Marzellen für zwen deppich.
Humma XLIIII Duckaten Uli Marzellen.
p. 10*^ Item VI Holanten ff j) umb die Syropp und
ein Gla.s8 dar zu.
Item V bolanden von dem Wattsack daraelb^it zu machen.
•) ÜDin Guardian.
•*) leal. baiilla, ein UohlDia.s8.
•) Ob verschrieben für buchse oder burse?
t) RoseukrüDze. f\) BeguioeV
fff) UnbokannCo Ocldsorte.
126
Item IX Duckatcn dem mfllnknecht von Florenti bia
^in Berne myiiem Herrn seligen zd fnren.
Item II marzellen dem knecht, hat er ander wegen
verzert.
Item I marzelle umb byni.
Item VI marzellen cmb f>yropp and ein flesch darcza
zu Iti'rn und umb ptifimen.
Item Yl marzellen für die Karbo*) dar Inne mjfn Herr
selij^r gefaren hatte.
Item I Duckaten von dem Samet zu Zolle zn Herne.
Item III marzelle für Wa]i{Hm ilan^lbst.
Item I Ihu-katen d^m mfdn knecht von Bern biss gein
Trent.
Item I marzelle dem knecht geschenckt.
Item XII marzelle von Matrelt* bi!*s gein Trent nf
einem Wagen zn füren.
Item XIII Crutzer zu Trent für zwey par sehn.
Item II l'nitzer für wyne zu Trent.
Item VI };l. der frauwen In der Herberge for Ir mfilbe**),
als myn Herr si-liger ürestorben war zu Trent.
Item II gl. minus VI Crutzer zu zweien malen In der
Herberge ge."«eb»'nckt.
It»'ni VI Cnitzer for bottenlone und zerung zu Trent,
die abe und zu sint komen.
Item I >rl. In di«- Herberjte zum Hude ***) geben zn stüer
an der zerung. >o doktor Fageler. decban von Anwe
ZM wirtzpurg. Herr Ilansj vimn Grumbach und ein
prii->t»'r i>t l>y schenk l'hilipsen von Limpurgk bliben
die narht dar uml gingi-n mit mytt^m Herrn seligen
zn firab*'.
iN-rn \lll Crnt/j-T aber von einem andern wattsack zu
lutu II ?l dem arzt zu Trent genannt Archangehis.
', ffal nun, lam. n H«- *«*•• •^'
*) Bote.
Item XXll Cnitzer für yglicherlHy uss der Apoteckon.
Item XVIll Crutzpr für Wappen zu Trfnt. Summa
XllII Ünckaten, I Marzelte. Suniniü XII gl Hinischs,
p. 10' Itftm XL Crutzer fnr das raustfir uf mym's
Herrn Sftligfiii Grabstein uuc!i scliylt \\m\ auders zu
kunther f^ylieu. *) Summa per o. Summa d<M' Vorge-
schrieben Gfimeynen Ussgabe ist III'' XLVI Duckattm,
II gl. Riiii^L'hs.
p. 11' Item 11 Marzrijlci) fur pater iiosti-r Zu Bodyss.
Item 11 Marzellp zu unser frauwei» uf dem bt-rge zu
Uodyss geopfert.
Item II Marzf'Ucdem Jungen bubeu eym sprenger zu Rodyss.
Item VI marzfllp den Drumptern des nipyusterH**) ge-
schenkt,.
It«m 1111 Marzelleu dfu monchen darsfdbst In Iren buwe
geben.
Item Uli Marzellen dem raoller zu Rody.s8 geschfnckt.
Item II Alarzellpii für Holtz zu Rodyss sult Herr Hans
etenbaÄ uf .srnyd^ri.
Item II Marzellen für zwey schvybe Iet.gin ***) zu C an d i a.
Item H Marzellf^ für me.sse lone darsf^lbst.
item IUI Marzelle den moncben gegen dem Spital über
darselbst.
It^m 1 Ihickaten Herr Kameltg (herkönmilich ?) dem
müntbe siulwerf] an siue schiff lone.
Item II marzi'Ue Hansen dem Snyder bat luyrt Herr
geheissen.
Item V marzelle liot myn Herr zu Modnii verzert In
der Herbt^rge,
Item IUI Marzelle hat myn Herr darselbst verzert und
uss geben.
') Abcoutorfeypn, abbilden. *♦) GroB.'^mcfstera.
) Ob lezgiu (Loci i Oll un V) ; oder ob lead wugl, Bleistift laria
t) Steuer.
128
Item Vm Marzellen darselbst verzert af Santag beczaU
myn Herr für die thenmarckschen. *)
Item IX Marzellen mjuen Herrn für eine brille winss
darselbst.
Item II Marzellen darselbst verfaren nf das Gloster dar-
selbst und wieder und füre.
Item II marzelle mynem Herrn nf dem schiff geben zn
dem selben male.
Item II marzelle vor wyne af Samsstag of dem schyff.
Item III Marzellen für nesthlene und sehn, alles zn
M a d o n.
Item I Duckati^n dem Snyder von geheiss mynes Herrn
Sfligen.
Item I marzelle den gallioten uf dem schyff In der
fortune.**)
Item III Marzellen nmb gots willen zum selben male.
Item I Duckaten aber umb gots willen einem bruder
zu Sant Jacobe***) und anderswoe.
Item II marzelle ej-nem monche zu einer Ketten.
Item I marzelle für wine nf dem schiff zum selben male.
Item II marzellen mynem Herrn von Nassauw hat er
den Dnmipetern zu Candia dar geliuwen.
Item I marzelle für drüben f) zu Candia.
Item VI Marzellen Johann von Derne hat er mynen
Herrn seligen geliuwen.
Item VI Marzellen mynem Herrn nf dem schiff geben,
Summa IX Duckaten, III Marzellen, IUI Marcketen.
p.. 11^ Item III Marzellen den mernernff), als man
das Ruder wieder hynge.
Item III Marzelle Hans Snydern, hat er mynem Herrn
zu Candia drüben, pflumen und anders darumb kanfft
♦) Däuische Pilger? **) Fortune, ital. Sturm.
**) Für die Pilgerscbaft nach Santiago,
t) Ikmaben. tt) Mariuaro. ital. Matrose.
129
Item n morzelle uf dem Snyder, Imt er mynem Hnrm
seligt-n allprlei gcpletzt.
Itom VI Alarzelk; uf dorn Schiff myiiom Horrn uf Calixti
(13. üctob.).
Item VI Marzülleii Jacoben von geheiss mjTies Herrn
Seligen.
Item X Marzplle zu Bargfin (?) verzert.
Itt'ra 1 Marzellu uf dem Sloss geschenckt.
Item I Marzelle darselbst verfaron.
Itmn ni Duckatcn mynom Herrn Seligen zu Corfun
geben.
Ito.m I marzelle dar-selbst zu wasthtsn.
Itfm IUI marzfllle uf der Galo<'n darseihst den knwehten.
Item I marzelle Sane*) dem Knaben dar.selbst.
Item I marzellH darselbst verfaren.
Item I marz«'lle für die Ampel darselbst
Item Y Üuckaten mynem Herrn seligen zu Attrant**)
af Dttr.'^tag Naeb aller Heiligt^i tag (4. Nov.).
It^m III Karlin den knechtf^i, die mit uns gingen zum
vierden deile von Attrant biss gein Letschen***)
geschenckt.
Item XXX Diickaten für den More.
Item XI Duokaten fivr den Z(dter.
Item XII IhKkaten für den Granu |).
Item IUI Karlin zu Halffter gelt.
Item 11 Duckuten V Karlin für den Sattel und ander
blat/wercke an dio settel zu machen.
Item III Karlin für beslagk.
Item IH Karüu für zwi-y par spornen.
Itein II Karliii für die utAn sehn und sporen leder.
Item VIII Karlin für die lederboseu, alles zu Letschen.
*) nioji, Domiiiutiv von Giovauni, Johann.
••) Otraiito.
•••) Leooe.
t) OfTeobar em Pferdcuame.
». P, XVI Bd 9
d&
130
Item in Karlin mynem Herrn za Tarant*) an sani
Martinsabent (10. Nov.).
Item II Karlin für die Wissen sehn.
Item n Karlin für das bletzwerck. Summa LXIX Dak-
katen, V Karlin, II Marzeilen, YIII Marcketen.
p. 12' Item I Karlin für die kleyn socklin zu machen.
Item I Duckaten III Karlin für das socken und hant-
schuh duch zu Naplass**).
It«m X Karlin für das duch zum lypp Rocke mynem
Herrn seligen.
Item I Duckaten von mynes Herrn seligen Beltz zu
futhern.
Item Vni Karlin dem Snyder von demselbigen und von
den Hantschnen zu machen.
Item VlII Karlin für zwey Hemder mynem Herrn seligen
darselbst.
Item Xn Karlin von mynes Herrn seligen sehnen und
lederhosen darselbst.
Item II Karlin für scheerlone mynem Herrn seligen
und ander.
Item III Karlin für zwey Halfftern, alles zu Naploss,
und galt der Ducatt X Karlin.
Item II Karlin für beslagk, alles zu Neapolas.
Item I Karlin zu Capo***) für beslagk.
Item II Karlin zu F u n d a n f) für beslagk, ist ein Graff-
schaift.
Item I Karlin zu Kasse von mynes Herrn seligen
ryemen zu Machen und ane zu newen.
Item I Karlin zu Castelnoua für Snyder lone nnd
yglichs zu Bletzen.
Item I Karlin zu Roma den sant Johanns kirchen nf
fritag nach Andrea (3. Dec).
*) Taront. — ♦♦) Neapel. — ••♦) Capua.
t) Foadi bei Gaöta.
131
tem n Karlin zum heiligen Crutz geopfert.
U*ra VII Grossen dem Bichtiattcr zu bichten.
Itein XXVI Crutzer for zwey par schue.
It«m n Grossen zu sc-hcrelono darselbst.
Item VI Grossen dem iSetteler darsplbst.
Item Xn Grossen zu beslagen darselbst.
\tßm n Grossen für einen Hammer daselbst.
Item IV Gro.s.s.sen den kni'cbten by dem stru.^is*).
Item XIIII Gru.<>sen dem gesinde zu Roma In der Her-
berge geschenckt, als rayn Herr seliger hinweg Ryde.
Suaima XI Duckaten.
p. 12* Item ein Uuekaten dfim pfefHin geschenckt, der
mit uns Reyde und ging zu den heiligen stetten.
Item n Duckaten den zwcyen Kochen, dorn Nassau-
wischon und tlem Hanauwischen.
Item HI Duckaten denselben uf dem schyff geschenckt.
Item II Karlin von mynes Herren seligen beltzgen zu
machen darselbst
Item I Grössen für die bucLsen, dar Inne man die
Agnus Dei legt.
Item I Grossen von mynes Herren seligen sv^ert zu
fegen,
Item IX Grossen für die Wappen zu Rom.
Iteui I gl. für die Vron ecken**).
Item IUI Grosen den priestern geschenckt, dar sie die
fronecken wyssten.
Item I gl. V Karlin den Notarien von den bap.stlichen
briefen zu Copyren.
Item Uli Duckaten für ein apiass brief.
Item I Karlin den hit.ensl*'hern zu Florentz.
Item III Duckaten für Arlzney dar.selbst niynem Herrn
seligen.
') Gastliof.
") Schwcisßtuch (l«r Veronica In Rom.
132
Item I Duckaten dem Artzt darselbsi
Item I Grossen umb die flesch zum Syropp.
Item im Karlin für das Haupt küssen mynem Herrn
Seligen.
Item IUI Karlin dem, der mynen Herrn Seligen den
Zettel anhing.
Item I« II Duckaten Nemlich XX ein Rots sammets,
Cost XLV Duckaten, XX ein Grins, costen XXIX
Duckaten, und XX ein swartz, Costen XXVIII Dnc-
kiiten.
Item HI Duckaten darvon zu Zolle zu Florentze.
Item III Karlin dem dutschen underkeufFer.
Item VI Karlin füre das gewechsst duch, für die laden,
dar Inne man den samet legt.
Item III boarken *) am Doer geschenckt
Item IUI Duckaten zu 60 Ion ia für ein langen beltz
sack mynem Herrn seligen.
Summa Ic XXVI Duckaten, II Kailin, II bearken.
p. 13' Als myn Gnediger Herr Seliger Grave
Ludewig uf Donderstag Nach Nativitatem
Christi (30. Dec.) In anno mill. LXXX Quarte
gestorben ist**), diess nach geschrieben
ussGeben.
Item III crutzer dem priester, der mynem Herrn seligen
das heilig oley bracht.
Item VllI crutzer für zwen Diele zum lichkare ***).
Item IUI Crutzer dem darvon zu machen.
Item XIII Crutz vom Grabe zu machen.
*) Pioser Namo einer Gcldaoi-tc war nicht za bestimmen.
**) Von später Hand ist hinzugefügt: za Drent und lidt by
sant Reinonem begraben. Leider ist in der sonst so sorgfältigen
Beschreibung Triente und seiner Denkwürdigkeiten von Mariani,
Treoto, ibid. 1673 von unserem Grabdenkmal keine Rede.
***) Leichenwagen.
Item XXXVI Crutzer zu saut Yigilion
Item XVin Crutzer Ime. Dliunib
Item \11I Crutzer zu sant Pt-ter f al!rs fur
Item Uli Crutzpr zu unser lifihi'n frauwen , lüde
Item Uli Crutzer zu sant Maria Magdalcn [ gelt.
Item IUI Crutzer zu saut Marco
Item im Crutzer zu sant Laurentz
liem im 0. facit XLVIII Crutzer, der brudersuhatft zu
den heuwern * ).
Item XXXVIII Crutzer der bruderscliafft d«r kurssner
und das sie mit Im kertzen mit der liehe zum gnibe
gingen.
Item XXX Crntzer dwn Knechten Ine den obgemelteii
dryi'u brudiTsuliaffteti, dit; die kertzon drngen.
Item Vni Crutzer den Kyiidnn und Alrausenern, die die
Kertzen getragen haben.
Itera IUI gl. umb das swartz duch uf die bare.
Item XVI Crutzer dar von und anderes zu Machen.
Item III gl. XLIX Crutzer umb die Kertzen zu der
begrebniss.
Item 1 gl. VIII Crutzer umb XVI lesende me.'ise.
Item XXnil Cnitzer umb zwey Singende Ami>t.
Item I!l Crutzer WoUTeln dem Knecht In der bruder-
Bchafft, hat helffen die Ding zu Richten.
Item HI Crutzer umb Gots willunn.
Item XXXIII Crutzer der bruderscliafft der Schumacher.
Summa XIUl gl, VU Crutzer.
p. 13* Zum Siebenden. Item II gl. fi>r dreissig me.'*se
ye ein vier Crutzer.
It^'m XL Crutzer den Zweien pfernern**) vor Vigilicn
und zvveyen yingenden auipten.
Item XVI Crutzer für wechsenlicht zu den selben
messen.
•) Hauer, Bergleute. — **) Pfarrern.
134
Item m Crutzer aber Welffeln, das er darcza gehol-
fen Imt.
Item X Crutzer den dag veropfert und umb gots willen
geben.
Item I gl. dem pferner myneü Herrn seligen nf der
Cantzeln zu gcdenckeu ein Jarlangk.
Item I gl. dem glockner zu sant Peter für sin Recht
und das er zu den Kerzen sehen seit ein Gantz Jare,
das sie zu yeder Zitt enbrant werden.
Item VIII gl. den zwey pfernurn für XXX vigilien und
XXX Singende messe allen tag biss zum drissigen*).
Item II gl. Herr Bechtolden für ein lesenden drissigen.
Item VI gl. 111 B> IUI Crutzer vonn drissigen mynes
Herrn seligen Ine allen kyrchen zu Trent werden
umb die LIIII messen und VI vigilien.
Item XXXI gülden Herrn Hausen, dass man zu den
Siebenden XII Haupt kertzen und zu dem drissigen
XXX Kertzen und darzuschen allen tag zwoe Ker-
tzen dag und nacht uf dem Grabe und zwoe kertzen
uf dem altare, so man vigilien oder messe thnt,
brennen, und forter das gantz Jare zwoe kertzen nf
dem grabe halten solle.
Item 11 gl. Herr Hausen, das er dass messe gewande
mit siner zugehorde machen soll lassen.
Summa LIllI gl., XIX Crutzer.
p. 14' Item V gl. dem steyn Metzen für den steyn
uf mynes Herrn seligen Grabe, und so man das daten
uf den selben steyn In smeltzen soll uf den steyn,
soll man Ime noch I gl. geben.
Item X gl. dem meyster geben uf das smeltzen zu
Nuremberg und so er dass gemacht hat, soll man
Ime noch X geben.
*) Der drizegste oder drizor ist dor 30sto Tag nach der
Beordiguug, an dorn zum letzten Male Soclengottcüdienst gehalten
ward.
Item V gl. dem Maler darsetbst für schilt und bnnder,
and so er e» geinacht hat, soll man Itnu iiouh futiff
geben.
Nota funff elen samrneis lian ich voa dem Swartzen
sammet gesnytten uf mjiies Hpitii seligen Grabe.
Summa XX gl. Sunmiii myjies Ht-rrn Seligi-n Dude
ist LXXXVnil gl., XXVI Crutzt^r. Summa Suinmfi-
nim aller vorgefechriebt'ii usö gäbe ist VI'- LXlllI
Diickaten, 111 Warzi-llfn, 111 Älarcktiten. Sumraa 1^
LXXVU gl. VI alboa Rinischs.
p. 14"- liam Vlc Duckaten vom Krämer an der
Wechsel Kntjjfaiigcn*) zu Vent-dieti.
Item LXXX gülden hat Emerich von Nassauvve zu
Trent mynt;m Jiinck(:-nni «eligt.-n gelilwt'u, das ur dan
von Ime ein schultbrteff under siiiem Secrete ent-
pfangen hat.
Item IJc guldt'n hain- ich myiicm Herrn »fügen mit
Hansen Snyder Tif das SIoöö geächickt iif den tag,
als wir hinwegk Ritten.
Summa Vlc Duokaten unnd 11^' LXXX gl. Riniychs.
Nota Innam und usa (iabe g«g«n einander gelegt Über-
trifft die Ub.<s Gabe die Innam LXllll Duckateti, III
Marzelleii, 111 Marcketen. Nota so übertrifft die In-
nam die Ui3.sgabe am Rini.schen getde Ic 111 gl., I
rt, facit ane Duckaten LXXVII Durkaten, dieselben
an den obgenannten LXllll Duckaten ubgctzrtgen
Übertrifft die Innam die Uhu Gabe XUI Duckaten.
p. 15'- (1487.) Item Als Herr Hanns vonn Wal-
brunn und Johannes Gyse und Selbdrytte
uf fritag Nach Pauli Conversionis (20. Jan.)
Anno 87 u .4 a g e R i 1 1 e n sin die W a 1 1 f si r t von
mynes Herrn Seligen wegen gein Worms
and Heylprun zu leygten. haben die erst
•) Sc'hoo üben S. 117 erwilhnt.
136
nacht und Samsstag zu Morgen verzert far
all ding XVIIl albos zu Heidelbergk.
Item XI albos minus I ^ zu Wympffenn*) den
Samsstag zu Nacht (27. Jan.).
Item IX albos zu Heilprun uf Suntag zu morgen (28.
Jan.).
Item XIIII albos III ^ zu Wympffenn die selb nacht
und den lilorgen verzert.
Item XII ^ darselbst verschenckt.
Item ein album darselbst für ein ysen.
Item VI /5j zu Salm**) über den Necker.
Item XVIII albos zu Heydelbcrg uf montag und Dina-
tag (29, u. 30. Jan.).
Item I album darselbst verschenckt.
Item X /^ den Smydt von eynem Isen abzubrechen
und (den fuss) zu bynden.
Item XVIII albos zu Wormss uf Miltenbachen
unser lieben frauwen dag (2. Febr.) zu Nacht unnd
Donderstag zu Morgenn (1. Febr.).
Item XII >Si zu zweyen Malen über Ryne.
Item IUI albos unnser lieben frauwen zu Heylpmn für
1 U Wachs.
Item II albos für ein Messe darselbst zu lesen.
Item VI albos auch des glichen zu Worms.
Summa IUI gl, X albos, VI ^, ye XXIIII albos
für I gl.
p. 16' Diess nachgeschrieben hat Herr Hans
vonWalbrun verzert, als er selbdrytt gein
Heilprun und Worms die wallfart geleyst
hat. (Concept des vorigen Ausgabenregisters).
p. 18'***). Item 1 Marzelle vor mynes Junckern esser
oder büdel.
*) AViuipfen. — **) Nookarsulm.
***) I». 16^, 17r und ▼ leer.
XTIl Miirzelle für vier Gtirtel,
liein XVI Man'kf'ten vor Uli par Mfsser.
Ik-rn XXVIII Murckekn fur VI Dützet Twsb'] miil VI
P gripsa Ryemen.
Itfm Xn Marckc^ten fnr ein .s|>i«'g{!l.
»Itt.'m II niarzellen fm zwen kam ileiw scberer.
Item Vni li fur oin bflrste dt»rn 8cli«fer.
Item XXII f* fies sclierurs sflieiihcn hut.
Iltcm 11 jiiarzellün von den cl^dü^t^n zweyen Imdcm zu
nmb neu wen.
Item in Marzelk'n III (^ fur f^cyk- tiro-ss und klcyn
XI Klafftern.
Item I marzell«! tinib das Huntbeyln.
Item II marcketen umb das bore.
Item Vlll Marcketen umb ein Uicbten.
It*-'ra II inarzelleii fur den par stegreiff.
Item V & fur fünf lefFel.
Iltem im marzellen IUI ).i vor zwoe sclirybetatteln.
Iteni XI I* doitor Ludwigen vor drüben.
Item III marzellen fur 111 Heschen.
Item II niar/.elle» für zwi-n luiupt pult.
Item HI marzellen VI l.^ \üi 111 glesseii flesclien.
Iltem IX marzellen vor acbruben, Hesseneckf* imd anderes
Johanns geben.
Item 1 marzelle umb ein sciierre.
It«m 1 marzelle fur finger liude, nadein und garn.
Item II marzelle dem scherer fur etlieli ding zu
Ikautfen.
Summa IUI duckaten, IUI |.<.
p. IS*- Item Vlll Marzellen tiane ieli mynem Junckern
zu allen maln geben zu opfferu,
Item VI marzellen uf dem seiiiff Jacoben und sust fur
Wyne geben.
Item II marzellen zu C a n d i a dem sclierer.
Item 1 marzelle darselbst zu wescheu.
138
Item II Marzellen den dromptern za Candia.
Summa XIX Marzellen.
Item V marzellen vor zangen, meUwel und klappet
Item I marzellen für ein luchten.
Item III marzelle vor die snorr In die Hosen.
Item III Marzelle uf dem tbumb zu Vene dien n>-
allem male.
Item I Marzelle für schusseln.
Item U marzelle vor II seite.
p. 20' Item als myn Herr Seliger denScherer
von Trent gein Venedien schickt uf Sun-
tag Nach dem Heiligen Cristag (26. Dec.)
yglicherley hant von dannen zu bryngen,
hat er uss gegeben diess nachgeschriebenn.
Item X Duckaten für die dry Stege In die Rynge mynem
Hern seligen zu versetzen.
Item II Duckaten IHI marzellen hat der scherer vei^
zehrt underwegen.
Item I marzelle von dem Gevede (?) zu tragen bis gein
Meisters.
Item V marzellen für wäppen.
Item VI Marzellen zu Sannt Niclanss veropfert.
Item I marzelle dahin zu füren.
Item VI Marzellen zu unser lieben frauwen veropfert.
Item II Marzellen Johannes dem schryberchen geschenckt
Summa XUII Duckaten, II Marcketen.
p. 20"^ (Quittung des Hans von Walbum über die oben
(S. 135) als vereinnahmt aufgeführten 80 Gulden, welche
Emmerich von Nassau dem Grafen Ludwig von Hanau
zu Trient geliehen hatte. Hans von Walbum erklärt
darin, dass er das Geld empfangen habe für seinen
Herrn, verpflichtet sich, dass das Geld am Sonntag
Laetare ohne Verzug und Schaden wieder lorfick-
gezahlt werden solle. Donnerstag nach d. heil. Christ-
tage 1484 (26. Dec.)).
139
p. 23* Diess Nachgeschrieben hat Juncker
Ludwig Grave zu Hanaawe und Herr zu
Lichtenberg verzert und ussgeben, als er
gelb d r y 1 1 zu in heiligen grabe zöge*).
Item driehnndertachtzehn Duckuten, III Marzellen, III
mnrckctt'n.
Item Siebentzig siebenden halben Gulden, ein ort, ü /5j
Rinif:cbt;r Gulden allijr der geraeyn zerung.
'Item III*^ XLVI Duckatcn, Item XII gülden Riiiische,
ibt der gomeyne ussgabe von niyns Herrn seligen
bestheit Geschehen.
"B^ti-ni LXXXVIII gl. XXVI cmtzer iss uf myns Herrn
seligen dott gangen, als er zu Trent gestorben ist. **)
»- 24» (Johannes Ortwin, Pfarrer zu Maleyt, erklärt,
dass er durch Hans von Walburn empfangen habe
• für meas, vigily und wax henantlith VI gl. III S
IUI -^ und fiir die XXX vigily und selarapt bis» auf
den dreissigsten VllI gl.« Datum am Freitag nach
den heil, drei Königen im (14) 85sten Jahre (8.
Jan.)***)).
27' ' (Briefe des Graft-n Philipp von Hanau an Johann
Ortwin, Pfarrer zu Maleyt, Verweser von St. Simon
20 Trient, und au ßartholomaeus, Pfarrer zu St. Peter
ebenda, Concepte, nicht leserlich).
32^ (Quittung des Hans Ortwin, Pfarrer zu Maleyt,
\erwcsiera der Ca[)elle des unschuldigen Rläftyrera St.
iSiiuon, über den Empfang von 31 Gutd. Rheinisch
luroh Hans v. Walbrun, wovon für das Grab des
■rafen Ludwig Wachskerzen gekauft wt^rden sollen).
3^ (ßrief des Grafen Philipp von Hanau an seine
Schwester).
34 (Urief des Bartholomey, Pfarrers zu St. Peter in
Triciit, an Herrn Hans (v. Walbrunn?), worin er mit-
•) p. 21 ». 22» und » leor. **) p. 23» leer.
***i p. 24 * leor.
140
tbeüt^ dass afles tn Trieni gut und löbtich ansgerlisiet
aei, aiiT das v«rB|iiochen« Mwiagcwrimd aocb aidit
ctmgvInHMi anV
pu 35 (Gamm« AnfinkliDaag dgaaca, was fäi das Seeien-
lieil dca Grafiea Ludwig ia venchiedenen Kirchtu xa
Trient geacheben aolk).
p. 37 (Brief des Grafen Ladwig an Philipp, worin er
ihm mittheilt, dasa er aetn Teatament beim Beginn der
BetoB abgelaiEat habe, legi daaaelbe bei und bittet \m
aeiBem evoitiiellen Abieben um Beobachtung desaelben).
p. 38 (Brief LodwigB an aeine Schwester ilazgarethe).
p. 39 (Iletaelbe zeigt aeiner Schwester an, dasa er vor
seiner Abreiee aein Teetament gemacht und dem Grafen
Philipp zur eventuf^llen Eröffnang Qbergeben habe;
ihr selbst habe er die Kleinodien aeiner Eltern rer-
oncfal Er bittet aie^ im Falle eeioea Todea durch
Beten und Almoeengeben för das Heil seiner Seele
ra sorgen).
p. 40 — 41 (Briefe Adolfs von Nassau und Philipps von
Harn»!! bvtri'ffend den Tag der Teetamentseröfoong).
p. 42 iGräfiu Elisabi'th von Nassaa dankt dem Amtmann
Frit^rich von Dorfeiden, dass er ihr Machrichten von
ihrem Gemahl habe sokommen lassen).
p, 43 (Ritter Heinrich von Nassau fordert im Auftrage
seines Junkers den genannten .\mtmann auf, zwei
Botan anasoaenden, um Nachrichten Über die Pilger
einzuholen).
p. 44 < Friedrich von Dorfeldt bericbtet dem Grafen
Philipp. da$s auf Grund Uim zugekommener Meldungen
Graf Ludwig gesund sei und die Wallf^thrt glücklieb
vollendet habe (^1483. 1. Sept.'.!.
p. 4ö — 48 (Privatsachen).
p. 49 (Friedrich von Dorfeldt meldet, dasa Graf Ludwig
in Venedig angelaugt sei, den 6. Oec 1483).
p. 50 — &4 (Privatsachen).
55 (Lucas von E., Hofmeister, meUlet FriRfiricli von
Dorfc'ldt, das» er von seinem gnäcl. Herrn Naclnidit
habe, dass die Pilger in Neapel gelandet und nach Rom
gegangen «eieD, infolge dessen fürtbte er, dass die
nach Venedig geschickten Boten keine Nachricht
würden erlangen können, und empfiehlt, durch andt^re
Boten jene zurückzurufen).
56 (Privatsache).
57 (Undatirter und iinadressirter Brief eines Unge-
nannten, worin gemeldet wird, dass ein gewisser
Ludwig Fronhöber bei unserer gnädigen Frau gewesen
sei, um ihr mitzutheileii, das.i die Herr*^'a von Ki(V
purch und von Heydeck ihn ausgeschickt hätten, um
zu melden, dass die Pilger zu Venedig im deutwhi'n
Hause am Sonntag nach Lucae (19. (Jttober) mit üiiii'H
zTisammengi'trofFen snim, doch hal>e er nichts .sclirift-
liches zu seiner Beglaubigung aufwftiscu könucn,)
t. 58 (Bittschrift des .Süitthalters von Haniui an dt^n
Pfalzgrafen Phihpp bei Rhein, dass er sich beim Erz-
herzog von üsterrt-jch vt-rwenden möge, dass dif.ier
den Pilgern sicheres Geleit gewähre, da (J.swald vnn
Tyiiersteiii und sein Schwager Graf Johaun von Nassau
L^nen auflaure, um sie niederzuwerfen),
friß (Brief des Amtmanns Fritnlrich von üorfeldt an
den Grafen Philipp von Hanau mit Rathschlägen, wie
man die obigen Nachstellungen vermeiden könne).
HO (Privatsache),
61 (Brief des Grafen Philipp an Ludwig von Ysen-
borg. Grafen zu Büdingen, worin jener dicsrni den
Samstag nach dem Sonntag Vocem juonndihitis als
Terrain bestimmt, an wt^lchem boide das übernommene
Schied.srichteranit in dr^r Streitsuche zwi.schnn Adolf
von Na«sau und Phiiipj) von Hanau ausüben wollti-n).
62 — 78 (Briffe di*r beiden Partnit*n und Schieds-
richter über die Feststellung eines anderen Tages).
14ä
p. 80— 85 (Klageschrift des Anwalts des Adolf von Nanaa
und seiner Gemahlin Margarethe gegen den Grafen
Philipp den jungem).
p. 86 — 93 (Briefe Adolfs von Nassau und Philipps Yon
Hanau über einen Termin zur Eröffnung des Testaments).
p. 94 (Lateinische Erwägung, ob Graf Philipp überhaupt
gehalten sei, das Testament zu erfüllen und seiner
Schwester die Legate herauszugeben).
p. 95 — 96 (Lateinische Klageschrift eines Advokaten
Jacobus Koler, Vertreter der Gräfin Margarethe, an
das Mainzer Gericht gegen den Grafen Philipp).
p. 97—102 (Protokolle de« Matthias Eberhard von Kon-
nigsperg notar. publ., der vom geistlichen Gericht der
Mainzer Curie den Auftrag empfangen hatte, über
eine Verhandlung zu Han.iu (20. Dec. 1486) zwischen
dem Grafen Philipp, dem Beklagten, und den Klägern^
Graf Adolf v. Nassau und seiner Gemahlin Margarethe).
m. Reise des Grafen Reinhard von Hanaa nach
dem heiligen Lande 1550.
Den 12. May sein mihr von Hanau hinwegk
gzogen nach mitagk : erstlich B e n fz h e y m '), H e y d e 1-
berg, Brüssel*) Breden 1, Dillitz"), post gse^ssen,
EnfzwegeM) 2, Canstat») 3, Eberfzbach«) 4,
Anno Domini 1550 den 12'«» Mai bin ich von
Hannau auss selbdritt nach Venedich geritten. Item
den ersten tag von Hannau nach Bensheim [von
Bensem auss habe ich zu Prussel zu morgen gessen],
forter den andern taeg gen Tillitz, ist ein dorff, leit
for Bretten, alda bin ich die nacht noch auff die
post gesessen, die erst post biss gen Enswoiler, die
') Benshcim. — ») Bruchsal. — *) Dicdelsheim. — *) Enx-
woiler. — *) Canstatt. — •) Ebersbocb.
143
I
I
die alten stat ') 5. Difz »int difi post, dio wir ghabt
haWn: Gippingen, Heyfziingen, Vlm etc. Zu
Ylm sein mihr vff ein holtzflos gsefzen, gfarn wie noch
folgt vf der Tbonau. I.Bethlehem*), 2. Flingen»),
3. Biel*), 4) Genfzburg*) stat, 5. Reys«nburg^),
6. Lantstrost^, 7. Baumgarten"), 8. Gudel-
lingen») S., 9. Lauingen'») S., lOj Dillingen")
S.. 11. Hanstat'*) S., 12. Donn<^WRrt '^) S., 13.
Neuenburg ") St. vnd schlos, do haben mihr gsehen,
wie ee die Spanier geraubt haben vnd verstört haben,
14. Ingelstat"), do haben mihr die fe.stonge gsehen,
vnd eyn wunderbarlich wafzer efzen in d'w Thonaii aufz
den greben, 15. Neuenstat *^) S., 16. Kberfzberg ''),
17. Kolheym"')S., 18. Abach'''), lO.Blciflingen»!,
closter, 20. Regen fzp urg. do haben mihr ein dag stil
gelegen vnd 4 pferdt gkanfft vnd gzogen wie fulgen wirt.
ander biss gen Canstatt, die dritt biss gen Ebers-
pach vber Esslingen'^} hinaussen, die viert gen
Altes tat., zu Gib bin gen") zu morgen gcs-sen, den
abent zn Geislingen*') gelegen, die funffte po«t gen
Ulm; zu Ulm bin ich auff die Donau geHessen, den
ersten taeg gen L a w i n g e n, den andern tag gen N h w e n-
burgk**), beide hert^og Otto Heinricli zugehörig, den
dritten taeg zu Ingolstat zu morgen ges.sen, den
abent zu Kelheim, deu vierten taeg zu Kegens-
purgk vor mittag. Von Regenspurgk auss wiederumb
zu lande;
') AltstAdt — ') Wir kcnaon nur Einen Ort dieses Nomons
bei Laupheim (i?. 76). — ») Thnlßu^jen. - *) Bühl. — *) Oünz-
burg. — •) Roisenburg. — ') Laiideßtrost. — •) Baumgaileu. —
•) üuodelfingen. — '") Ijiumgon. — ") Dilliugen. — '») tlöcL-
tttidt — '") Douauwüiih. — '*) Ncuburg. — '*) Ingolstadt. —
••) Neustadt. — ") Abepaborg. — »•) Kclboim. — '•) Abbacli. —
•*) Ptüfeniug. — »') Esslingen. — »•) üöppingon. — *•) Goisü-
ÜDgen. — •*) Neuburg.
144
Von Ylm ghen Reg. 25 meil. Regenspargk, die
meyl angzegt bis ghen Venedic: Neu er ni') 5 ein marg,
LanTzhut^) 4, schlos vnd stat^ Dorfui") 4, maxg.,
VVasserburgk*) 4, schlos vnd stat, Rofzenheym')
4, marg., Kopstein^) 4, schlos vnd stat, Raden-
burg') 4, stat, Wolckenstein"), schlos, Schwatz*)
2, stat, Hall'") 2, stat, Isbruck") 1, schlos vnd
stat, do haben mihr die hertzogen von Ostreich geist-
lich vnd weltlich abggofzen gsehen in mefzing vnd
etlich hertzogin auch abgegofzen, M a n t e r n '') 3, I m-
lueg") 2, Stertzingen") 2 »tat, Brixen") 4, schlos
vnd stat, C 1 a u fz e n '*) 2, stat, B o t z e n ") 4, stat,
N e u e n m a r g '") 3, fleck, T r e n t '*) 4, schlos vnd stat.
Item den ersten taeg gen Neuerin, den zweiten
tcieg zu Lautzhuet zu mittag, den abent zu Dorf-
fern g<?legen, den dritten taeg zu Wasser burgk za
mittag, den abent zu R o s e n h a i m gelegen, den vierten
taeg zu Co pst ein zu mittag, den abent zu Raden-
burgk gel(('g)en, den funfften tag durch Schwatz
vnd Hall zu mittag vfl:' dem schloess (Wolckenstain)
bey dem H. von Woickenstilin abgestanden, zu nacht zu
Ysbrueck gelegen, den sexten taeg zu Gosssen-
fvess*') zu mittag [mir seint auch neben Stert-
zingen hergezogen], zu nacht zu Rrixen gelegen,
') Nüiifalirn. — *) lAndcHlmt. — *) Dorffou. — *) Wasser^
l)ur{(. — '■) Hoscnhciin. — *) Kufstein. — ') KatteDberg. —
») Wolkonstciu. — ") Schwatz. — ">) Hall. — ") Innsbruck. —
'») MatiX'i. — '^) So hiess früher das Wirths- und Zollliaos nat
dein Brciinor {Zeillrr, Itinorar. Ocrninn. I, 347). — '*) Stertziog. —
Bri.\cn. — •'') (.'lau.scn. — '•) Itotzcn. — ") Xcumarkt — »•) Tiicnt.
T)ic hier erwähnte (irsühichto, wonach dio Judon ein 2'/i jähriges
('liiistonkind gosohlachtot hiilx'n sollon, wird genauer zum Jahre
1475 bei Xcndrckyr und I'rdtei; Spalatins Nauhlass I, 121, auch
in einigen IMgortextcu {KM. 1(K), L*90). am ausführlichsten in
ilart'nnü Treiito, 1(>73, 115—116, 174—175 craählt. — »*) Gosseusass.
145
do haben milir das kindlein gesehen, das die Juden
mit nadeln erstochen solten haben, sein auch ime huuüz
gewest, do es in geschehen ist, B u rg ') 4, L i 1 i *), G r i n ')
2, do fengt der Venediger l.'indt an, Valters*)3, stat,
Deruifzen') 5, stat fest, Meysters'') 4, stat, Mayr-
gero'), das fart do man vber nach Venedig zu fert,
Venedick.
Ab wir nun vffs mehr katuf^n noch Venedig zu,
kamen wir gegen ein heufzh-hi, do kamen die schergen
zu vns gfarn vnd forten zum erste n die poleten *), die
wir zu Trent bekomen hatten, als sie dieseibig gsehen
hattttn, beHuchtnii sit* vns die wotaeck '*) (?) derhalben,
ob in*'hr boxen oder sunst irgent ein wehr doin hetten
steckeii, wir hatten aber vnfzer buxen zu Trent gloifzen.
Sie schriben vns aiuJi mit namen vfF, darnoch fuhren
mir hinein in die herberig zum schwartzen ad-
1er«") etc.
I
I
den sibenten taeg zu Dosscnheim ") so zu mittag
abgestanden, forter biss gen Botzen, da hab ich die
j>o«t genituiHn, noch stdbigeu abejit drey posten bis gen
Drient, alda einen tag »ttl gelegen, den neunten tag
zu L y I y zo morgen, zu abent zu G r i n, den zeheivten
tapg zu Veiters zu morgen, zu nacht zu Carnuda'-),
den elften taeg zu morgen zu Deruissen, von Der-
uisRfn h-it Äleisters vnd Margiero, zwen flecken,
den abent zu Venedich. — [Nun folgun drei leere
Blatter, das eine grösstentheils IierausgeschuittenJ. —
') I'ergine. — *) Lcvico, — ') Origno. — ■•) Feltro. —
*) TievihO. — *) MeBtro. — ') Margliero. — •) D. i. holotto da|tasso,
f'a!»siore< hein. — •) ReispsacL. — '") Uober diesen und andere
Ci«£thcifc iu Veucdig vj;!. J{. I2, 47 — -18. — ") OfTcubar idcutisch
mit dern uiitpti im AUNgabci-e^^ihtei' zu neitiiouden Dassea d. L
Teutscheu. büdlith vou Claus t'ii. — ") Coruuda.
K. V. XVI. B4.
10
146
Wes mihr za Venedigk gesehen haben.
Erstlich das zeughans, welches sie das arixonal'}
nennen, do haben mihr wunderbarlich ding in gesehen
von allerley weren, harnis, spies, hellebarten, bartesan,
Schlachtschwert; ringharnis, das man vff den gallehen
braucht, die do rügen ^), buxen, in summa galleen 400,
wie sie vns gsagt, ich hab er nit gzelt, aber 46 stock
buxen hab ich gzelt, die vff einer nauen') gweiseB
sein. Darnoch kamen wir in die montz, sahen die Mn-
ceiner^) muntzen, in suma ich weis es nit all anzu-
zeigen, was es vor ein grofz wergk vnd ejrn grolter
kosten in dem hanfz seien begriffen, sie wollen sagen,
es sol alfzo grofz sein als Ulm, aber es bdonckt mich
doch etwas kleiner. Darneben sagen sie, sie haben
teglich hantwergs volck do in 400 man etc.
Vff des fronliechnams tag (5. Juni) ist ein grolae
fest, grofzer triumpff ich a1 mein tag nit gsehen bot,
do mufz der hertzog sampt dem ratht in der kiichen
sein, do wirt solich wunderbarlich ding gzeit von alten
historien, als in einer procefzion, die weret wol 3 stnndt,
ist eyn gang auffgschlagen auff sant Marcus platz von
eim ortli vor der kirchen an in die gvirtt bis an das
ander orth der kirchen. Als nun der triumpff voll-
bracht wart, stimten die eltisten von dem ratht, dho
nam ein ieder ein bilgrim, eyn ieder sunst ein brennet
liecht in der handt tragen, fürten vns in der procession
auch herumber gleich wie die andern gangen woren.
Als nun dasselbig gschehen was, musten wir al ein
*) Audere Berichte über die Scbensvürdigkeiten Venedigs
sind aus deutschen Pilgortoxten zosammengestellt bei Jl. 52.
•) mdom.
») Ti-ansportschiff; vgl. Conrady 280.
*) Moccnigostücko, zu Ehren des gleichoamigon Dogea so
genannt; ein M. galt nach R. 54 im XYI. Jahrhundert 4 Coo-
stanzer Batzen; vgl. oben 117.
I
ieder noch dem andern eynem alten vom ratht an stat
des h<'rtzog8 die hont geben, dan der hertzog was
kranck, das nr diis mal nit in kiichni kam, sein stul
stundt aber dho, do safzen die vom ratht heniniber.
iJie kjrchen ist von lauti-r marmoratein gemacht, oben
vff der kii'chen sthnhen 4 nifssiiigtir pert vff dem vmb-
gang, hoit Ro. key. sie darzu gtrungen, das sie ims
verhejfzen '). Üanioch liahpn mihr 8. Marx turn gselien,
der ist gemacht, das t-yner hinvff rfiteii kundt, vif
deinselbigen tum kan man die gantz stat vbersehen.
Neben Sant Marx ist ein man in eyn stein ghangen
mit zweien greifF»*n, sagi^n sie vor ein warheit, es so!
gschehen sein *), das die zwen vogel den man alfzo
hf»ch in die lufft gfurt aolten haben, doeh mit der ge-
stalte, er sol die vogel hinigi'fig haben loifzen werden,
wie sie inen hinvff gefurt iiatten, hat er ileis ghabt
vnd in die hohe ghalten, dariioeh vnder sich, so waren
sie widern mh her aber gflogHU. Dar noch haben mihr
die fest Mallemoca^) gaelnn, M lar an*) haben mihr
die glefzer sehen machen. Den 15. juiii hatten sie
aberniala ein grofae ffsst, furo mit schieffen zu der
kirchen, hd'zen ein schieff brücken schlagen, dasselbig
fest halten sie derhalben, es ist das jar gwen, das sie
Bad na gwtmen hatten, wie sie furn, liefznn sie mit
drompeten vor sich her plafzen bia bey den palast, do
stunden sie anfz, gingen in pahist ^).
*) üeber diese vipr eljenion Rossn, wolclio nicht durch
Kaiser Friedrioh 1., somieru erst durcli den bogen 1204 nuck der
Eixiboruiig <'otiHtantiu(.>|it^l)> iti den Kcsitz dc-r Vcnetiauer kameu, üiebe
die sorgfiiltigon Nauhwciso boJ Conrtviy S/6.
*) lu den Pilgci-schrifteii sonst nicht ciwAliut.
*) Mnlaniocca.
*) Murnno,
'') 1*1* ^iteo bis zum Anfang des iiüobsteD Blattes siad frei-
gelassen.
10*
148
Ein ieder bilgerinn mnss dem patron 50 cronen
geben etc., der bilgern waren 94. Den 16. janü sein
wir von Venedig gzogen gegen abent vff das schief
ghen M a 1 m o c k e n, do haben mihr glegen bis v£f den
18. junij, do sein mihr aafz der port gegen abent
gzogen vnd seint komen sontags den 22. jnnij gegen
abent gegen Ancona') 200 meyl, wir hatten kein
gutten windt. Den 23. jnnj haben mihr windt bekomen
gegen morgen vnd komen von Ancona gegen ein
kirchen, heyst Maria nostra dona de Larete*).
Den 24. junij fru waren mihr gegen ein kloster, gmint
Sancta Maria de Tremy'), ein munchkloster, iat
Anno Domini 1550 seindt vnser 94 bilgerinn von
Venedig den 18. Janü nach Jerusalem gezogen vnnd
habent den ersten taeg, als mier aas gesogen seindt,
zu abtönt einen kleinen stürm wind gehabt, welcher
mehr wieder vns dan mit vns gewesen ist, den 19i
haben mir guett weder gehabt, aber gar keinen windt
wheder mit vns noch wider vns. Den 20t for mittag
guet weder, nach mittag vmb den abent ger^;enet vnd
etwas wind mit gewosen, aber vns nicht -geholffen, den
selbigen taeg haben mier das welsch gebierg gesehen,
den 21t. haben mir auch morgents vnd abents guet
weder gehabt aber auch kaynen wind, der vns geholffen
hette, den 22t. auch abonts vnd morgents guett aber
keynen guetten windt, seint wieder an das gebirge
komen, haben daruif gesehen ein closter, in welchem
munch wonen genannt Sanct Cheorci [vnd haben in
den 5 tagen nit mehr den 200 meil gefaren]. Den 23t.
haben mir abents vnnd morgens guet weder gehabt
vnd gueten wind denselbigen morgen bekommen vnnd
') Aiicooa. — *) 8t. Maria de lotrcto. — *) Die Tremiti-
InselD liegen gegenüber von Termoli, nördlich von der Halbinsel
Manfredonia.
I
■
I
149
von Ancona 240 mpyl, dasselbig closter ligt an eym
gbirg, heyst S. Angulo'), Opulio'') hcist sonst das
gbirg vnd ist ein landtsuhafFt, etlich nonnen ea B o i a'),
e« wechst vil safran dn in. Gegen abeiit sein mihr
gegen ein »tat komen, lipyst Biestj *)>»), rechf^t man
von Tremy 60 niryl. Den 26. juiiij gegen abent liaben
mir windt bekoni«*n vnd liaben gsegelt von FSiestj bis
gegen Corfun*), welches daii ist von St. Ängiilo 240
meyl. [Corfun s.il d;is stcrcksts haus sein in dnr Ve-
nediger land. Der turck ist mit aller mneht darvor
glegen.]. Den 2H. junij waren raihr fni do. Corfun ist
ein eigen landt, ghort den von Wnedig, sprach ist grecis,
ligt neben einem gebirg, lieybt Albania, ist ein eigen
lantschafft, haben kein hern. Der Turck hoit zwo
haben auch gesehen ein Sitatt Ancona genannt [bei
Ancona leit ein kirchen, genant iSancta Maria de La-
retta, vff einem hohen berg], den 24t. »int mir kommen,
wie die «onnen vff gangen ist, an ein claester, genant
Sancta Maria deTreni oder Tremiti, leit von An-
cona 2 hundert vnd 40 nieilen, welches leit an einem
gebirg Sancto Anclielo, die gatttze laidschatTt hei.sst
Opalis. ist aber auch ein eitel gebierg [das clnster
Tremeti ist zu einer Festung braucht worden, vnd leihen
for vnd for kriegslout darinnen].
a) bei welchem schlness wechs.t rebarhara. Den
25t. seint mir for mittag fürt g«faren, aber nach mit-
tag hatt vns der wind wieder zurucke gejagt liinder
das gebirche, aber doch schocn weder, Dim) 2Gt. auch
bösen windt gclmbt vnd gegen abent haben mir wider
halben windt bekummi'n vnd mit def:;si:'lbigen von dem
gebirge in die weite üehu komen. Den 27t. auch gueteu
wind gehabt.
•) MoDte S. Angolo auf derselben Halbinsel, — •) Apiilien.
— ") Pugli&, der moderne Nama des voiigeo, — *j Bitjegiie tlicbC
b«i Trani. — *) Corfu.
l&O
posteien angfangen zu bauen, domit er vermeint sie
vnder sich zn bringen, etlich nennen dasselbig gbiig
Ziniera')a). Von Opulio bis ghen Albania 80 meil,
ligt vf dem mare Adriaticam; Opulio ist key. maj.
Den 1. jnlij sein mihr komen gegen Cephalania'X
ist 80 meyl weyt vnd brej-t ein gut fruchtbar landt,
darin Hgt ein seh los, ist ser starck, wirtt sterck gwacht
mit knechten, ghort den von Venedigk. Darnoch fnnff
meyl ein insel Zante, ghort auch den Venedigem so,
ligt auch ein haufz, wirt gwacht mit knechten, dar-
unter ligt ein fleck, hoit funifzehcn hundert haulz ge-
ses, dieselbig insel ist lang 18 meyl, breyt 7 meyl
Den ersten julij sein mihr dohin komen, do blieben bis
a) [mir seint auch gefaren in den zweien tagen
biss den 28t. zu morgen iij hundert meilen, nntaen
vns nit meher in die reiht dan iij meilen. Von sanct
Anchelo biss gen Corfun 2 hundert vnd 40 meilen].
29t. for mittag haben mir den windt wieder vns gehabt
vnd auch den ganzen taeg gnett weder gehabt, bis vff
den abent vngeferlich vmb acht vren ist eine solche
grosse vngestumme vff dem meher worden von plixen
vnd donnern vnd regen die gantze nacht, das mir vns
heftig besorget haben ein schieffbruch zu leiden. [Anss
Opulio biss in Albania 70 meilen.] Den 30t. for mit-
tag guet weder gehabt, aber hosen windt, nachmittag
hatt es angefangen zu regen, haben auch damit halben
windt bekommen [in Chiffern : den ^jelbigen abent war
dan gros weder gewebt ist, ist der Relynger') geroert
worden]. (In Chiffern :] Ende dis«'s monatz vnd fengt
an der monat Julius, hat 31 tage. Julius. Item seint
mir den ersten julii bey ein lentlein komen auch gantz
birgigt :das lentlein iest nit lenger dan 20 meilen
deutsch, gross 80 welsch meyleni, in welchem viel her-
tzogen wonen, vnd ist genant Sephalonia.
') Chimara. — *) Kephaloiiia. — *) Es kann nur Friedikb
Bthlinger gemeint sein, dessen ^eichzeitige Beisebeschreibang im
Aaszug bei BM. 408 — 113 zu findeD ist
■vff den 3. jnlij, sein mihr ^'liün al>ent zu sclneff gangen.
IVon Corfun bis ghcti Zantt; 20() irit'yl. Das körn frefzen
efzel vnil iift-rt, aufz ligt i'iii klosbü-, holt eyii einig
munch gbaut. mit. almufzi-n, rlasselbig kloster iat alt
40 jar, in dem fli^ckf^n ligt o\n barfufzer Cluster, da in
ligt Marcus Tullius Cicero Ix'grabcn, vff dem grub«t.ein
stet ghaugeii: Marcus Talbus Cicero. Haue. Et tu
tertia anthudina ').
Man weis vns auch ein stuck von dem creutz,
da got an gystorbmi ist, wir haben wafzer dariiber
gtrnnokfn aiifz cirn kdeh etc. Gi'gf'n Zaatu vbt-r bgt a)
ein fustongo, heyst Tnrmsü''), gliort dem Tiirck(!n, ligt
vff einem saht liolitni herg. Da.-sselbig gbirg h«yst
Morea vnd ist ein laiitschalTt wol 700 meyl gro.s. Den
»4 julij nach mittag s^iiit niiiir neben ein ötat koraen,
heyst Ä! o d 0 n ^>, gebort dem Ttircken, ist eyn sehr fest
fetat, Turck hoit sit^ den Vent'digern gimomen, sie. in-
- gehabt f»n jar, wie er sie gwunen hoit, sagen sie, haben
P sie ein turn an eym castel loifzen bawen. darin sie vi)
Christ4'ngebi'ints ingmaucrt haben — Modun ist von
Zaote \00 meylen — dan sie haben alk'S erwtocbfJi,
wes sie darin fluiden haben ■•) b). Item den (i. jidij sehr
P
a) ein gebirgen, genant Montana d e Gal I i ta"*),
daranfT leit ein hohes schloess, genant Castella
Tournes e.
b| vnd haben den gantzen taeg guet weder ge-
habt, ubtT nicht sondi-rs von windt vormittag, nach-
mittag vnd diM gaiitze nacht selier gueten wintlt. Den
f)t. hab<Min mir d<Mi gautzt-n taeg gui-t wedt-r vnd
halben windt geliabt, gegen abent aber haben mir gUften
windt bekommen, das wir den 6t. gegen morgen frae
1} Die vollständige Orabeohrift siehe bei EeliUiiger {fiM.
409) i vgl. R. 58-59.
•) Tomese. — *) Modon.
♦) 10. August 1500 {Öonrady 203).
*) Dieser Nanio nur hier.
fru sein vnyhr gegen ein insel komen, welche heyst
Candia oder Creta*). Do liab»'n milir zwifzen zwo
eteden glegen, ein hpyst S»flnno*), di« ander Fhs-
gia")j ligHn 60 meyl von «'inaridcr vnd gegen ein
insel Gosdj*), weldie gros ist 40 mt-yl, gliort vnder
Candia. Gosdj ligt zu der linck«n seyt<m, Cnndia za
zu der reehtem, zwifzen dfn bpydfn inseln haben mihr
glegen biss vff d^n 7. julij. Volgentd dir nacht, vmb,.,
11 vhr haben mihr wiiidt bekomen, den 8. julij gegen'
ein ßtat komen, heyst Jeropetra^). Den 9. jnly
an das gf>hirgp vnn Candia soindt kommpn [das landt
Candia leit von Modun 2 Imndert meilen, die statt^
ab«!r U'it 8 hiuiderl nniilen von Modon]. Mir sfiint
über den giuitzfn taeg vnd die nacht an dem ainen
bergen blieben loilien, dan wir gar keinen windt ge-
habt haben wt'der wieder vn« noch mit, vns, mir haben,
auch den gantzf-n taeg gnet w^'ijer gehabt [die gantze^
lantschaflft Candia ist 7 buiidi>rt rneilen gr(»ss*> vnd ge-
hört den von Venedirh zu]. Den sibenten seint mir
aaclt still gelegen for mittag, nach mittag seint mir
ein wenig fort gevvaren, aber doch kaynen gueten windt
gehabt, haben mir ein statt geseben, genant Fachia,
vnd liaben dt'n gantzen tag guet weder gehabt, in der
nacht vrab elffe vngeheuerlich haben mir guetten windt
bekommen, das mir .seint an ein ^tatt kommen, di«
liaben mir gesehen den Ht. gegen morgen, vnd heisst
die stittt Jeropatra [die leut von Jeropotra schiessen
mit flitzbngen, da seint die ei«en von den pfeilen iij
finger breit], allda hatt der windt gar vff gehört, biss
nach mittag liabtjii mir lialben windt hekonimen, mir
haben aucli di-n giintzi'n taeg gueft weder gehabt. In
der nacht vmb 9 unm haben mir ein grossen stürm
gehabt.
') Vgl. H. 59. ~
*) Dns alte Salinae im Sinus Amphimalus, östlich voo C«ne«
■n der Nordkiiste.
») Fraschia auf der Nordtiiüte.
*) Cazucai, Casu, nö. vou Candia.
') Jerapetra in der SüdkiLate.
I
»ein mihr des gbirgs ein endt komen des abents. Can-
dia ist gros 700 meyl, lanck 3(X> ra«yl, ghort. dfin Ve-
nedigern zu. Candia ligt 6(XJ meyl von Zante, des
gbirgs ein ende nach Cyjiro. Di-n 9. julij haben mibr
ein zimlichen atiirra ghabt gf'g«"n abpnt; denselhigen
abent hab ich zwen fifz gsehen, die gflogen haben. Den
9. julij haben mihr des abents ein greulich wetter ge-
komnn, nemlich schrecklich getonert von drey oder vier
orthen her gewetttTlencht gewest bis an den morgen,
das wir nit anders vermeinten, mihr musten verghen,
Schlages halben i). Den 12. jniij sein mihr des nachts
vmb 11 vhr in die port ghen Lemeeon^) kompn vn-
geuerlich, de sahen mihr vil feiier brennen an dem
gebirg von Cypro. Sagen sie, es wer ein zeichen, wan
die fener brennen, so ist es noch fride ime landt. Des
morgents fru sein mihr von dem schieff noch Lemesou
gfaren, do in kirchen gangen, do sahen mihr 1. prister
der gab eim ieden ein bifzeu brot, vnd wer es von
ime entfieng, der kost ime die handt, darnach zeigt er
den kelch, er gab inen aber nit zu drincken; es was
aber keyn sacrament, win wir vermeinten. Der Turck
hoit es aufzgebrent bey 16 jarn '■'), wie sie dan sagten,
das feaer ist auch ine kirchen komen an ein taffel,
rings vmb die taflfel hergebrent aber vns liebe fraw,
aifzo weyt ir begriff gewefznn an der taffel, ist nit
verbrent noch schwartz gesengt. Mihr haben auch den
zucker sehen wachsen, darzn die baumwoh Den 16.
zu abent seint mihr wider umb zu schieff gangen b),
dieselbige nach ein zimlichen stürm ghabt, mehr hinder
a) Den 10t. vnd den 1 1 1, haben wir gueten windt
vnd guett vFeder t-ag vnd naclit gehabt.
b) vnd forter nach Jaffa gezogen^ den 17t. haben
') Limissol.
*) LiniLSBol watd 1&36 und 1645 Yerwüstot {RM 409).
154
sich als für sich gfarn. Den 18. julij sein mihr gegen
ein stat komen, gnant Cesarea Philip pj*), welche
stut Julius Osar hoifr bauen loilzen, zwLTzen der-
selhig*'!! «tat vn<l Jaffa sein mihr gelegen bis vflF den
21. julij, do snin mihr in die haffen von Baffa')
komen. Zwifzen Cesarea Philippi vnd Baffa do ligt ein
berg, griiint Carraelj Promont*), do ligt ein turn
Sancta Helena, Sancta Helena hoit ine bauen loifzen,
wie sie das heylig creutz wieder gfonden. Cesarea
Philippi 20 meyl von Jopffe, Lemeson 250 damon,
do haben mir ine der half gelegen «) vnd des gar-
dian.s gfwert bis vff den 26. jwlij, do ist der gardian
vff das schieff komen vnd gprediget vnd vns vermant,
wir rnnsten gdult haben in alU*u dingen, wie dan die
Turck<^n mit vns vmbghen wurden. Darnoch ist der
oberst voiin Rama auch auflf das scIiielT komen mit
etlichen Durcken, do hoit vnfzer patron inen efzen vnd
drincken geben. Dornoch wie sie wideramb hinw
sein gfarn, do lioit der patron inen zu eren drey sthack
bnxen ab loifzen gehn. Darnoih hoit vns der gardian
zu Joppe auff das landt gfuxt, do hoit der oberst vns
zelen loifzen vnd mit namen vflFschreiben loifzen, dar-
noch ine ein gweib gtban, do musteu milir bleiben die
mir halben windt gehabt, den 18. gegen morgen seint
mir an d-AH gebirge von Raffa kommen.
a) vnd den li)t. auch, dan vns der windt gar zu-
wider gewesen ist, den 2()t. .seint mir auch stil gelegen,
21t. viigduuu-rlich vmb fier vr^n nuch mittag seint mir
zu Jaffa in den halfen ankörnen vnd seint do blieben
leyhen vff dem sehieff vnd der gardians von Jerusalem
gewart 22t. 2'M. 24t. 25t. [Jaffa leit von Lemesa cc
vnd 2 meilen welsch]. Den 26t. ist das gardian an
das .schieff kommen. —
') Caesaituu
*) Nicht BaSa, Tsphos, aoodera Jaffa ist gemeint
>) Carmel; über 4en Thorm vgL Omrody 113.
I
gantze nacht. Den 27. noch mittag sein mihr noch
bis gb»n Rama gzogen, allda hoit m»n vris vvidBriimh
ine ein spitall gezelt, welchen S. Helena, des keysers
Constantini mutter, darzu gstifft solt hahfii, alda liabi-n
mihr den 28. stil gelegt-n biis an d^n abeiit Als d^r
nrionat vffgegangen ist, sein mihr vff gsffzen vnd noch
Jernsalt^m gezogen. Mibr sein auch zwifzen wegen
zwei mal abgewefzen, dti?s tags einmal vnd des nac-hts,
des andei'mal stiiu ntibr inn* feit abgewefzen viid gerast.
Den 29. gegen abent sein mihr ghen Jerusalem koinen.
Zwifzen wegt-n boben mibv ge.sehen den berg, do Gnliat
von dem David erKchlageti ist wnidtni, das hausi Jnrpmie,
dorin ChristUB sein junger da« pateinoster glernt, dar-
noch das huus, do Johannes in gbcirn ist vnd vil an-
derer mehr heufzer vnd stet, die icli nit belialten. Den
30. sein mihr zu Jerusalem stil gelegen. Den 31. sein
mihr noch dem bt;rg (.'alvarie gangen viid haben erst-
lich gsehen das ort, da Cbri.stus mit detn creutz ge-
starizi ist, als er von dorn biTg ist komen, aldo haben
mihr ein weyl warten murzeii, vnd hoit ein ickheher
sein vnd .seines vattms naun-n anzeigen itmfzen vud
alsdan in die kirchen gi^zi'lt worden, in welcher uiihr
die gantz«^ nacht venschlofünii gewest sein. 2 da.s hey-
lig grab, 3 den stein, do der engel vff gesefzen sol
sein, wie die drey frawen st<in komen das grab zu
suchen, 3 die eapeUnn, darin Christus seiner mutter
erschienen ist, als er vtfurstanden, 4 .stut ein stuck von
der seueln in der eapt-ln, daran Chri.stua gekeyfzelt ist
— ist ein gerembts davor. Wir habt^n mit ein licht
hinein gleucht noch sthvvcis als viis budaucbt vnd die
munch vns erst gsagt haben, sahen, 5 wie Christus
Marie Magdalene erschienetv ist in der gestallt eins
gerteners, 6 das gfencknus, da Christus inn gesefzen
da eie in vervrtheylten [difzer »eint die die das heylig
■ grab bewaren: Latiui, Greei, Surriani, Abassini, Kopfti,
I
Gcirsiani, Annfni; difze sein abgfallen wie nachvolgt:
RIaroniti, Jacobiti, Nüstoriani] '), 7 das orth, do die
knedit vmb den rock spiltvn, 8 daa orth, do das hey-
WfT rn»utz widrr grfundfiii ist worden, 9 das orth, do
Ilnlena «Mii weyl bÜHben ist, als das creutz wieder
gfiinden ist wordfn vnd das beiden Christi weither be-
ilarht, 10 da» ortii, lilia ('hri-stus göbrent') ist worden,
1 1 das urth, da Clirisstiis gecreutzigut ist worden, vnd
auch das orth, da Christus snine nmtter Johanni vnd
Johannem spjncr mutter befohlen hoitt, 12 da Christas
gsalbt ist worden, wie er von dem creutz gnomen
ist worden; der berg Calvurie ist zu eyner kirchen
gbaweti worden, weliches Helena hoit gethan. Difzes
allfs hntt VHS der gardian, als mihr mit der procelz
vniligatigt'n soin, des nacht« gew^yst. Des morgents
vor mittig hoit man vns widcrumb heranfz gzelt.
Den erbten augusti bat man vns widerumb von
dem berg »Sion gefurt vnd gzeigt wie nachvolgt: zum
1 diis hauH Caiphe, 2 das haus Hanne <>), portam spe-
ciosam, 8 ti'ni|rlum Snlonionis, 4 Maria Magdalena haus,
5 da.s orth, do Maria Magdalena bekert ist worden^'),
6 des reichen mans haus, do Lazarus kam, 7 die
strass, die Christus mit dem ereutz ist gangen, 8 das
orth, da Simeon getrungen ist worden, das ehr das f
boitt mnfzen tragen. 9 das orth, do Pilatus sprach:
ecce homo; sein noch zwen breyder vierecketer stein ein-
gemauert, 10 das orth, dn vns liebe fraii in amaoht
fi<;l, als Christus aus dem hauss Pilatj kam, 11 das
a) der propheten, zum 3ten. portam spetiosam
templi Salomonis fin den Tempel Salomonis darf man nit
gehen, entweder ess mnss ein Christmenseh seinen glauben
verleickenen oder sich totschlagen lassen],
id auch das haus Herrodis vn(
15?
liaas Pilatj, 12 das bans Hprrodis nit weit von pyti-
ander, IH t«'ni|)]um Saloni., hoit o Strassen, do man hinzw
mag kometi, 14 sanct Anna liaus, dn Maria in gbnrn
ist worden, 15 StefFan port, 16 die giild(iii port, ist
vermauert, 16 das orth, do S. St^ffan gest<^iiiiget ist
worden, 17 das orth, do viifzer liebe frawen grab ist;
am selbigen ort ligt aucli bi^graben S. Joacliirn vnd S.
Anna» das grab ist selir finster, 48 steffnl viidor erden,
steht auch ejn brun beyin grab, 18 das orHi, do
Christus bluet gschwitzt hoit, 8 Steffel vnder erden, 19
das orfh, do die junger gschlaffen haben, diewey! Chris-
tus gebettet hat, '20 das orth, do Petrus Maico n) das
ohr abghauei) hat, 21 do Chriatua gfangcii ist worden,
22 Jetsenianj, do Christas die junger hoit glofzen, 23
Absalon grab, '24 do Cliriistus vber das wasscr Cedron
ist gangen, 25 das orth, do die junger hingeflogen sein,
als Christus gfangen ist worden, 2t> do sich Judas ge-
henkt hoit, 27 den brun, do vns lii^be frau die wiiidi'lu
ausgwefzen hoit; do ist eyn viereckigt gemeuerta,
welcher von Christen daruff begriffen wurt, der inust
Seins glaubens verleiiknen vnd munst Turckis werd»in,
28 Natatorie Siloo, ein brun, do Christus die Bünden
sehen macht, 21) den brunn, do Esaias d^r prophet ent-
zwey gesegt ist worden, 30 das orth, do sich die
aposteln enthielten, als Christus gfangen ist gewest^ 31
den blutacker acceldt-mat;, 32 das haus, do sie rath in
hielten, wie sie Christum fingen, 33 do Christus die
stat beweint, 34 do Christus den glauben glernt, 35 do
das pater noster geben, 36 do vnser lierre gott zutn
hiniel gfaren ist, doselbst stet noch ein fufztrab, den
gott zu eym zeichen gloissen hat, dor Turck hoit ein
stul darbey bauen loissen ; welcher darulf tret, dem
biegen sie den kopff ab, 37 den gegenet Sod. vndGo-
a) Text: Malcy.
158
morra, 38 das orth, do vns 1. fran di« botfzafft bekam,
das sie sterben snlt, 39 IJethphage, do Chr. vmb den
elzel schickt, 40 Mur. Magdal. Laus, 41 Marthas haas, 42
der st(ön, do vnrzfi h<rgot vff gsefzeu iht, do Martha kam:
her wers dhu hie gewettt, so wer mein bruder
nit gfttorben (Joh. XI, 21), 43 Lazarus grab, do er
vom tndt erweckt ist worden, 44 das orth, do Magdalena
penitentz tet, 4» das orth, do der bauin g.standen lioitt,
den gut vermalladeyt, 4ö der ecksteiu, iigt zu Jerusalem
an der maner.
Den 2 Angustj sein niihr des abends nach Beth-
lehem geriteii. Üo haben wir gesehen wy nachvoJgt.
zwifzen wegen: 1 ein banm, do vnfzer liebe frawe
vnder gnrast liot, «an sie von Bethlehem nach Jera-salem
ist gangen, ih^rselbig bauni ist zuin nfiftf-r mal angsteckt 1
worden, haben in aber nit verbrennen konten, 2 das
haus Abaem-, 3 das orth, do das alleluia fiinden ist
wordi'U, als die liirten vff dem velde warn, do der enge!
kam, 4 Joseps haus, do der engel ist komen vnd gsagt,
er sol mit Maria fliegen in Egi]tten, b die spelunca,
do Maria liingtlogcn als llerod. dit* vunchuldige kindlein
lies vmbbringen. Darnach sein mihr zum closter komen
vnd di'S nacht-s mit der jtrocefziun vmbgangen; holt der
gardian vns gzeigt wie noili volgt: zum ersten, do
Christus gborn ist worden, 2 die krippe, do er in glegen
ist, 3 das grab S. Jeronime, 4 das orth, do er die bibel
gmacht lioit, 5 das ort, do Christus bescliuideu ist
worden, 6 do die droy heiligen konig ihr opfer ghabt
liaben, 7 das loch, do der stern soll hineyn gfallen
sein, 8 do ihr pferde gstanden haben, 9 ist in der
krippen eyn angesicht in eym stein, das sichtiglich zu
sehen. Den 3 auguatj sein mihr widorumb von Beth- |
lehem nacL Jerusalem gerithen, do sein mihr von ;
weiden ein dorti'" gzeigt worden, in welchem Dorff keyn
Tnrck noch Morr sal können eyn jar leben, wouen auch
bey 4p Christen dohe, nit weyt doselbet von ist der
platz, do der engel achtzig datisnnt geschlagen hoit.
Als wir nun widerumb vff den berg Sion sein komen,
das nnnraehr ein closter ist, seyn mihr bey iiHch in das
haus gefort worden, do Christus das naclitnial in ghalten
hoit, mnst eyn ieder eyn astperlein ^\ geben, mosten jar
stil sein, dan sie liefsen vns heimlich in, do ist das orth,
do Christus den jungern die fuefs wuel'z, do Christas
durch verschlofzfne tliur orschin sein jungern, do Toh-
mas bekert; do der heylig geyst hingfallen ist vff den
pfingstag. Dauids grab — das selbig grab wird sehr kost-
lich ghalt.en mit brennetten larapfen, mit kostlich dep-
petzereyen ^) ; das grab Lst lang 20 span. De« 5 augustj
sein mihr widerumb in das heylig grab giingf^a, do
gsehen das loch, do das creutz in gstanden ist vnd
zwey ronthftr locher, do Chr. in gsefsen, als sie innn
venirtheylten ; das orth, do Ht^lena die crentz probirt
mit eym tod»'n, welchns das recht f wer, im chor von
dem heiligen grab do ligt ein viereckic-hter stein, als
man sagt, an de.mselhigen orth sal es mitten in der
widt sein. Des Morgents fru 9 Augnstj schlug der jar-
dian zu ritter, welche sich des vorigen tags Iiatten an-
gezeigt, in dem helligen grab. Den 6 augiistj lies man
vns heranfz. Vor der kirchen hieaufz stet eyn gfeiick-
nns, do S. Peter in gfangen gesefzen.
Den 7 Aug. sein mihr widerumb von Jerusalem nach
Rama gzogen. Do sahen mihr die wiistung Johannis,
zogen laugst eym perg her, do Machabaus erschlagen
i.st worden. Den 8 Aug. kamen mihr vmb den mittag
ghen Rama, den 9t. von Rama noch Jopfe gzogeu.
Des nachts zogen wir bey eyner cappellen her, do der
riter S. Jörg in begraben ligL Den 10 zu abend hoit
vna der oberst von Turckcn in das schief zelen loifzen,
'} Asp«rer, über deäsen Werth s. obeu 117.
*) Tapezieieroi.
148
Ein ieder bilgprinn rauss dsm patron 50 cronen
geben etc., der bilgern waren 94. Den 16. juiiii sein
wir von Venedig gzogen gegen abent vff das schieff fl
ghen Malmockeri, do haben mihr glegen bis vff den
18. junij, do sein mihr aufz der port gt^geu abent
gzogen vnd seint komen sontags den 22. junij gegen ■
abfint gegen Ancona') 200 meyl, wir hatten kein
gutten windt. Den 23. jiinj haben mihr wiudt bekomen
gegen morgen vnd komen von Ancnna gegen ein
kirchen, heyst Maria nostra dona deLarete*).
Den 24. junij fru waren mihr gegen ein kloöter, gnant
Sancta Maria de Tremy*), ein mnnchkloster, ist
Anno Domini 1550 seindt vnser 94 bilgerinn von
Venedig den 18. Junii nach Jerusalem gezogen vnnd
habent den ersten taeg, als mier aus gezogen seindt,
zu abent einen kleinen stürm wind gehabt^ welcher
mehr wieder vns dan mit vns gewesen ist, den 19t.
haben mir guett weder gehabt, aber gar keinen windt
wlieder mit vns noch wider vna. Den 20t. for mittag
guet weder, nach mittag vmb den abent geregenet vnd
etwas wind mit gewe.sen, aber vns nicht geholfftHn, den
selbigen taeg haben mier das welscli gebierg gesehen,
den 21t. haben mir auch morgents vnd abentä guet
weder gehabt aber auch kaynen wind, der vns geholffeji
hette, den 22t. auch abente vnd morgents guett aber
keynen guetten windt, seint wieder an das gebirge
komen, haben daruflF gesehen ein closter, in welchem
munch woiien genannt Sanct Cheurci jvnd haben in
den 5 tagen nit mehr den 200 meil gefaren]. Den 23t.
] laben mir abents vnnd morgens gmA weder gehabt
vnd gueten wind denselbigen morgen bekommen vnnd
') Ancona. — ') St. Maria d« I^roto — •) Die Tromiti-
Id8«1u liegca gegenüber voa Termdi, oürdiich voa der Uftibinsel
Manfrcdoni».
I
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I
I
^Yi Ancona 240 meyl, dasselbig closter ligt an eym
gbirg, beyfet S. Angiilo'), Opnlio-) li^'iat sonst das
gbirg vnd ist ein lancltschafFt, etlieli nennen es B o i a ^),
es wechst vil safran i!n in. Gpgen abent sein mihi'
gegen ein stat krtmen, heyst Biestj*)»), rochft man
von Tremy 60 meyl. Den 26. junij gegen abe,nt habon
mir winiät bekomfn vnd haben gsegelt von Biestj bis
gegen Corfun*''), Wülches dau ist von St. Angiilo 240
meyl. (Corfun i*al das stercksts haus sein in der Ve-
nediger land. Der tnrck ist rait aller macht darvor
glegen.]. Den 28. jwnij waren milir fru do. Corfun ist
ein eigen landt, ghort den von Venedig, spraeli ist grecis,
ligt neben einem gpbirp, heyst Atbania, ist ein eigen
lantschafft, haben kein hern. Der Turck Itoit zwo
haben auch gesehen ein statt Ancona genannt [bei
Ancona leit «in kirchen, genant Sancta Maria de La-
retta, vff einem hohen berg], den 24t. sint mir kommen,
wie die sonnen vff gangen ist, an ein cloester, genant
Sancta Maria de Tren i oder Trenii ti, leit von An-
cona 2 hundert vnd 40 meilen, welches leit an einem
gebirg Sancto Anchelo, die gantze hmtschafft hei.sst
O p u 1 i s. ist aber auch ein eitel gebierg [da.s chister
Tremeti ist zu einer festung braucht woi-den, vnd leihen
for vnd for kriegeleut darinnen].
a) bei welchem schloess wechst rebarhani. Den
25t. seint mir for mittag fnrt gi?faren, aber nach mit-
tag hatt vns der wind wieder zurucke gejagt liinder
das gebirche, aber doch sclioen weder. Den 2tjit. auch
bösen windt gehabt vnd gegen abent haben mir wider
halben windt bekommen vnd mit tiesselbigen \on dem
gebirge in die weite sehe konieii. Den 27t. auch gueten
wind gehabt.
') Monte S. Angelo auf dorselbon Halbinsel, — *) A[)uHen.
— ■) Puglia, der modern© Namo des vorigen. — *) Biceglie dicht
bei Traoi. — *) Corfu.
162
die barg aa8 vmb wafier, die barck knndt nit wol an
das landt komen, der windt wandt sich vnd wart befzer,
alfzo lies der patron ein stuck boxen abghen zam
zeichen, domit sie widemmb zu vns eylten. Als nnn
da« wafzer vnd die bargk ins »chieflF komen, vermeinten
mihr, der windt solt gwert haben, segelten ongeaerlicb
vmb 30 meyl ; darnach kam \tis der windt widemmb
entgegen, also segelten mihr widerumm noch der inseln
vnd anckerten. Do schick der patron nochmals die
bargk vmb mehr wafzer, vnd mihr bliben ligen vnd
horchten vff windt. Den 1 nonember bkamen mihr
windt vnd faren von dannen, nach mitag bkamen mihr
ein grofzen stürm, der weret bis vff den 2. taig, den
6 nou. krigten mihr wiederumb ein greulichen weiter,
vnd dameben mosten mihr bey verborgne steinklippea
her, die mihr nuhn nit wnstenn, vff welcher seyten
mihr sie betten ; alfzo thet vnfzer patron die segel ab
bis vff ein vnd lies das rüder anbinden vnd der ging
vom corapast hinwegk vnd liefzen es also treyben in
gottes gwalt. Des nachts unegeuerlich vmb 10 vhr
kam ein liecht ') vfF den mastbaam sitzen. Dho wart
der patron sampt den bötzknechten hoch erfrawet,
sagten es solt glock sein. Als nun dasselbig liecht
verging, kortzlich nach kam noch ej-ns, das kleiner
war als das erst, satzt sich auch an dieselbige stat.
Darnoch kam eyn grofzer regen, vnd es wart zimliche
Stillung auff dem mehr. Den 7 nonembris krigten mihr
nochmals ein greulichen stürm, darzu war eyn greulich
Wetter in dem himel. Do kam das liecht nochmals vor
mitt«»rnacht vff den marzbaum ; do wurden sie wideruaib
hochlich erfrawet vnd hielten es vor eynn heyligen vud
betteten es an, alfzo wolteu sie sagen, wen sie es mit
dem rechten namen nenneten, fzo solt es scheyden:
eyn nenneten sie S. Jora etc. *). Dph 14 nou. sein
mir zwifzen zweien inseln Lergfarn, die ein heyst
Lifzna*X die ander S, Andre de Bufze, do ligt
eyn clnster vff, glioren den V<"nr'digprn, vtid nneh sfhr
vil m«'lir iiv.stdii, die doseUi.st tier lig<'n, kompii all d*ni
Vtnedigern zu ; sprach ist Schlauoiij »).
Y
1 . Zu gedencken Bastian us von Ämmerbach,
der mit m. g. h. zu Jh^nisnlem im heyligen landt war,
i«t Spin zerung vonn Venedig ghein Angspurgk vij daler
r> batZH.nn, fur j pferdt xj (^ronn, hat Wallendorif im
anch gidilii'nn vj golt H. ij batz. : v fl. xij batzenn : die
zerung zu Augspurgk viind bilz gehn Amerbach fi fl.
xij batzenn.
Suninja tliut inn einer summa xxxviij fl. vj batzenn.
2. Ich Crafft Specht vonn Bubenheina,
aniptniaiiin zu Hi»'d«lhr'im, bokhfn hiemit dieser handt-
scbriti't, das der wolgeborn gratt" vad her bor Philip.**
graue zu Hanaw vnd bnr zu Mintzenperg etc. mir durch
Cristoffern Ramsberg^r s<nner g. sclireiber sexigk thaler,
welche m. g. h. graff Fridtnich Magnus seiner g. zu
Sonnonwald furgesetzt, vnd dan faiiffzigk thaler, bo
sein g. mir vor einen zaeltfr, auch sit-ben gtdt gülden
vor g<»kaufft ledder zu bo.sen zu thun gewesen, heut
dato hatt libbern lassen, disses zu vrkundt hann ich
a) nior folgen 3 Iccrc Blätter dann: Dieses ist der eydt, so
einer schworen muss, so elir ntte^i- 'la Jpriisftlem iiue hoylifjoD
grab gsclitago will soiii, also das lateinibclic ('ercmonioij, wie
dio Kittor zum lieiliguu Orabo t;es<."l'la{;en wunior. I)as»e]bit ist
sehr oft gedruckt {RM. 32-!^; li. 71— 7:i), bleibt dahor weg.
Hierauf fulg^n wieder noch 9 unbcschiiobono liUittcr mitl auf be-
tonderom Blatte oben abgedruekto zwei Aetouätücke,
') Es ward auch St. Germanusfoucr genannt {R. 67).
') Lissa, westlich darou die lusoln S. Andrea und Bu&i.
11*
164
mich mit eygener handt vnderschrieben. actnm freitags
nach Catherine anno etc. 1550.
(m. pr.) Kraffl Spechtt,
Ohne Siegel. In verso steht noch:
60 taler i
50 taler ] Graft Spechten.
7 golt golden f
Anno domini 1550 denn zwolfften Mai].
Grane Reinhardt zn Hanaw naher Jhemsalem
gezogen Anno etc. 1550 den 12 Maij.
Item hoitt mein gnediger herr graff Reynhart bey
sich gehapt wie volgt:
Item erstlich 60 golt gülden '). Item 43 dacaten poi^
tngalie *). Item 30 daler — 3 krön.
Item Johan bei sich gehapt:
Item 100 golt gülden. Ite m 80 portagalis dacaten.
Item 35 daler — 20 krön.
Item ich bei mihr gehapt:
Item 200 golt gnlden. Item 35 daler.
Item ist ein klopper zu Dcrnifzen'; verkauft
worden vmb 14 oder 15 krön. Item noch fdr zwei
pferdt, eins dem capiten Peter Carrion, das ander
Bastian Gr. von Amerbach haben mihr kaafit
ztt Deruifzen für 21 krön landt ihrer beider zettel, ist
dasselbig gelt von Augspurg in die summa gerechnet
worden vnd volgends hinein geschickt noch DeniiliEen,
hoitt mein gnediger her dem capiten seins geschenkt,
wes mihr irem*) vorgestreckt haben, vnd hoit Bastian
') Ucber dio Wcrthe der hier genanuten Oeldsorten rgi.
R. 52-53 und oben 117.
*) Portugalische Ducaten galten so viel als hollfiodische (9,60
Mark). Der Thaler galt c. 3,60 Mark, die Krone 12 Mark.
') In Treviso verkaufton die Pilger gewöhnlich ihre Pferde
(R. 12.)
*) wes — vorgestreckt haten am Rande nachgetragen; das
dritte wott ondeatlich: irem? inem? ineim? irena?
\
165
Bein tayl meynem gnedigen hern mit arbait abverthinet
^laudt seins zettel».
■ Als mein gnedtger bei- grafF Reinhart von Hanaw
^^fteritien ist dvnn zvvolfften tag Maij Aduo Doniiai
■K
Item vber denn Maynn zu farenii . . 9 ,^
Item XU G en fzhey rn ') vt-rzerett . . 1 gl. x batx.
Item dem gesinndt im haufz j achreck.
Item zu B r u s s B ! verzerett j fl.
Iltem ist mfiin gnedigur hur zu Dillitz
vff die püst gesessen daruari gegebiMin
Item dem postkn«cht . .
Item zu Kufzweyll-) . . .
Item dem pofstknecht . . .
Item zu C o n s t a t
Item dem postkuncht . . .
Item zu E b e r fz b a c h . . .
dt
wem»
ij dater
j schreck,
ij daler
j schreck-
ij daler
i schreck,
ij dalor
j schreck,
ij daler
j ftichreck.
ij biitzimn
j bdtzen
j bittzen
XV batzen
xviij batzen
ij batz.
ij batz.
j batz.
j batz.
iiij dal. mi-
nus, ij batz.
[:Item in die knchenn j daler
>) Bensheim. — ') Eazwoilcr, sonst vgl. zur Eoute oben 142 ff,
^ Mittolhochd. kaote, kanne.
Bltem dem po«$tknecht
"^ Item zu der alten s 1 1
Item dem postkiiecht
Item die nach vfF der post j kanth ^)
■ geschaptt
Item noch einem postknecht
Item einem der für durch den Nee
Item zu Gippingen verzerth
Item die nacht zu Geysslingo
Item dem gesinde
Item dem scherer
Item einem wey.st vns denn wege
Item almussenn . .
Item zu Vlm verzerth
n n
reyth
166
Item denn medenn 4 batx.
Item verzerth zu Laningen xv bati.
Item zu Neuenburgk ij fl. 1 «9^
Item das schlofz Newenburgk zu besehenn
geschenckt ij daler
Item zu Ingelstath verzerth . . . . xj batz.
Item dem walknecht*) ij batz.
Item almussen j batzenn
Item zu Colhaynn^) verzerth .... xvj batz.
Item dem haufzknecht j batz.
Item zu Regenspurgk verzerth . . . xj fl. yj ,^
Item darin gerechnet eynn wafzsack ^) vor viij batz.
Item j windtlicht vor 4 batz.
Item bey dem satler vonn kussenn vff zu-
schlagenn vnnd sunst zu flickenn viij batzen
Item der frawenn j daler
Item denn medenn 4 batz.
Item haufzknecht j batz.
Item vor j sattel ij daler
Item vor j haliFter 4 batz.
Item zu Neuerin verzerth ij fl. 20 /^
Item zu Regenspurgk vor j pferdtt mit
aller rustung xxv dal.
Item halffter geltt iij batzenn
Item noch vor j pferdt xxiij fl.
Item halffter iij batzen
Item noch vor j pferdtt xx fl.
Item halffter geltt iij batzen
Item vor j pferdt xiiij dal.
Item halffter gelt iij batz.
Item dem schieffman von der flofz . . . vij fl.
Item vor essen speyfz vff das flofze . . iij fl.
*) Der auf dorn Walle Posten steht?
*) Kelhoim.
'} Reisesack.
167
lern schreyber, der nn^inem gnedigen
hern diis buth ') iutlz whrHyb . . j cronn
dem jungenii der im luilff' .... 4 biitzen
zu Lau Tz hu et vt'^rzerth .... xiiij b;itz.
zu Dorffin verzerÜi ij daler
dem schmidtt'^) ....... j batz.
za Wasserburg k j fl. 38 .^
dem schmidtt j bat^z.
zu Rosen he ym jduc. jbatz.
hatifzknet'ht j batz.
zuKopstein jfl. 10^
zu Raden burgk ij fl.
dem schmidtt j batz.
zu Wulckeustey n in kudienn j dal.
zu Ifzbruck jH.H2cr«utz.
dem haufzknecht j biitzenn
dem satler vj creucz.
dem wechter, der vns aufziiefz . . ij batz.
der die gegossene bildnu.5 zu Ifz-
bruck weysf*) iij batz.
almussen j batz.
zu Gossen so» verzerth .... 82 crentz.
einem kneclit zu Wasserburgk» der
vns den weg zeigt ij batz.
vor Brixenn hieraufz inn der her-
berig vj creutz.
vor Brixenn j fl.ljcroutz.
dem haufzknecht j batzenn
zu Dassenn*) verzerth .... 69 creutz.
1 zu Botzenn verzerth vj batz.
i zu Botzenn mein gnediger her vff die
post gesessen, daruon geben . . . j cron
•) Wohl einen „Pilgorführer".
*) Steht DUi Sek mit Abküizuiigshaken.
•) Vgl. oben 144. — *) Hespl. 14.j,
168
Item dem knecht zu Brixenn abgefertiget 6 dal.
Item za Dennenmargk*) 89 creabc
Item dem schmidt j batt.
Item dem haoTzknecht j bats.
Item vor ij wappen. eins gehn Dorffin, das
ij gehn Wasserbnig j daL
Item za Trent verzerth üj daL
Item dem schmidt vj batzen
Item dem scherer ij batzemi
Item das kindlein') zu besehen . . . . ij batzena
Item dem haoTzknecht j batzenn
Item za Lilj") verzerth xüij batz.
Item doselbst pferdt entlenet xij batz.
Item denn jangen, der denn esel ron Lilj
gehnn Trent wideramb reytt . . . ij batzenn
Item za Veldre^) verzerth xiiij batz.
Item za Carmita') j dacaten—
j batz.
Item dem haafzknecht j batzenn
Item za Deraifzen verzerth .... xxj batzenn
Item stock gelt^ xij batz.
Item verfamn vonn Deraifzen bis ghenn
Mapgero v£F einem wagenn . . . viij batzenn
Item verzehrt zwischenn Deraifzen vnd
Mainstres^ vj batz.
Item vff dem wasser vonn Mayrgero^
bifz ghenn Venedig 8 batz.
Item als mein gnediger her die nannen
besag verfamn 4 batz.
Item bod mein gnediger her Palandt*)
vnd Ärnbricht xij batzenn
•) Neuenmarkt — •) In Trient: vgL oben 144 f.
») VgL oben 146. — *) Feltre. — ») Oamuda.
•) W«8 ist das? — ^) Mestre. — •) Marghero.
*) Offenbar ist ein Bitter aas dem Geschlechte der Pallandt
gemeint
I
l
169
ttem vor onalnaBir 8 p
Item den knechten gescheiickt . . . . ij batzenn
Item die gleser sehenii machen zu N iu-
ra n^) 8 batzenn
Item Compeste] •) zu besechenn . . . . j batzenn
Item dem schiffmann, der meinen gnedigen
hem dasselbig mal fureth .... viij batzenn
Item almussen j batzenn
Item mein gnediger her verspilt . . . iij cronn
Item banckier xv batzenn
Item dem warsager j batzenn
Item dem schneyder vonn nn-ins gnedigen
hern wegen lauth des zettels . . . x kr.
Item dem kiraener v fl. an golt
Item Marckenn dem postbottenn . . . j diiler
Item dem gultschmidt xvvj fl. an
golt min. 8 batz.
Item vor das frantzosis testa*') . . . . j gfl.
Item vor da.s italianijs tfsta 5 batz.
Item vor die .stürm haiibenii ij fl. an golt
Item dem knecht, der sie in die herberig
trug j batz.
Item vor die barta^ann . . . . . . . iij fl. an golt
Item vff dem Wasser verfarnn . . . . ij batz.
Item dem geschentksi, der donn lisch von
Melath^) brneht 4 batz.
Item m«jyster J u h a n n vor j kaiiff. laudt
seinsi zetteis xxxj fl. an
golt
') Murano.
•) Herr Obci-studienratli Prof. Dr. Ifrtfd theiUe mir gütigst
mit, 4aas hior woM cino Nfichhilduug der berühmten Wallfahrts-
kirche Santiago di Coinpot^tdla gemoint »ein könoo. Composte! hioss
aaoh eiue Herberge in Trier (Menu^t, (ieach. von Na-ssau V, 44f*).
•) Pass.
*) Herr Oberstiidienrath Prof. Dr. Heyd möchte die Insel
Heleda darunter vemtehea.
170
Item dem schiffer noch j batsenn
Item als der hertzog aufz der kirchenn für j batz.
Item meynem gnedigen hern vor j schaa-
benhuth x ß
Item verspilt xij 0
Item dem j doimetz 8 cronn
Item in becher gelegt j cron
Item dem fergenn 2 batas.
Item vo. m. g. h. wappenn ij cronn
Iti>m mein gnediger her vor j pfar hentschen xij batz.
Item vor die kogelinn ij batz.
Item dem wirtli bezalt laudt seins zetteis 22 portag.
duc. zeck.
Item in die kucbenn geschenckt . . . . j daler
Item dem patronn bezalt laudt seiner hand-
sehrifft vfF üj personen wie volgett . 189 gL fl.
8 batz.
bezalt für j 50 kronn, für ein person
50 cronen ').
Item hab ich m. g. h. gebenn zu Venedig j dncaten
Item zu Altsantenn') vor obs . . . j batz.
Item aufzgab, was der wirth zu Venedig
verlegt laudt seines zetteis ... 18 dal. 20 ß
Item zu Lemesonn^) vor muselnn . . j batz.
Item dem eseltreyber j batz.
Item zu Jopfe*) vor ej-er 4 0
Item vor brodt vnnd eyer ......80
Item vor brodt vnnd eyer 6 0
Item vor huner 8 0
Item vor m. g. h. und mich dem esel-
treyber 4 0
Item vor kertzenn 4 0
Item vor gottes melz 8 0
Item vonn einer zwoP) znsamen ... 2 0
>) vgl oben 14a — ■) Ztnte. — •) Limisaol.
*i itßk. — ■) Haadtooh.
I
171
Item vor veldt huner 5 medin ')
Item dem eseltreyber 16 p
Item vnser frawen grab zu sehenn . . . 2 P
Item da vnser heri*e gott gehn himel ge-
farn ist 2 (i
Itvm Lazarus grub 2 ß
Item eseltreybei 4 P
Item das orth, «La vnser htr gott das nacht
ni. gehalten hat, vor in. g. h, vnrid
mich 8 ß
Item vor pater noster'^j 8 batzenii
Item vor j toffel zu dem wa|j|>unn . . . j martz.
Item pater (noster) 4P
Item m. g. h. . 5 medin
liem schlaff haubenn 5 medin
Item vor eyer 4 P
Item zu R a ni a ') matratenn ■*).... 8 p
Item zu Rama dem eseltreiber , . . . H p
Item vor brodt vnnd eyer 12 P
Item esi'ltreihfr 8 p
Item vor brodt vnnd truubenn .... 8 P
Item vor eyer 4 P
Item dem schiffknecht 4 P
Item stroe zu Jopfn 4 P
Item vor brodt vnnd was»er vffs schiff . 4 P
Item vor wein dt^m sehieffkiiecht . . . 8 P
Itoni /n Salina'^') hcinbder zu waschf^nii 4 P
Item schieffkni'tliti-n voiin dem wasser vffs
schieff 6 p
Item almufzen 4 P
Item einem jungen zuFamegusta") 4 p
') üeber die Meidine, eine kleiiio türkische Müuze, vergl.
S. 53— &4 und oben 117.
•) Rosenkranz. — =•) ßamla, — ') MatratzoD.
•) Salinac auf Cypcrn. — ') FamagusU.
>
172
Item vor liecht m Salina j maili.*)
Item vor thnch 2 medin
Itfm dem wirth gebenn zu Salin« . . xxij bati.
Item dem (»chiffman der m. g. h. iiuis
schiff fdr j macts.
Item vor j fligen wedell 4 ß
Item vor almofzenn 8 ß
Item vor brodtt j maits.
Item za Baffa almafzenn 2 ß
Item vor retich 4 ß
Item noch vor Rin gewesen 2 ß
Item vor denn bro6t lappenn aaff dem schiff viij bats.
Item ro. g. h. gebenn d»>r Dnrckischen
asperlenn za Jherasalem .... 6 medin
Item za Parens') in Hystria verzerth
< darin ist gerechnet der capiten) . doppelten doc
Item dem scherrigenn, als mir von Parens
kamen 4 bats.
Item za Marge ro vber za famn ... 10 ß
Item za Margero von einem pferdt . . 4 batz.
Item za Meynsters verzerth .... 9 ß
Item za Deruissenn vor die schildt 4 ß
Item dem pfarrer zn Venedig. . . . 4p
Item za Deniissen verzerth . v daler xviq batz.
Item dem gesinndt 2 bati.
Item denn knechtenn haifiter gvit . . . x^ batz.
Item vonn einem haff hamer 3 batz.
Item za Capella verzerth 24 bats.
haafzknecht j bats.
Item za Velders*) verzerth 12 bats.
Item zn G r i n i * < 2^ batsenn
Item haalzknecht j bats.
Item za Leai^'i j2 bats.
' Ueber den V«oetianis<h» Jlaxv«Uo \^. R. 5S— 54 and
ol«n 117.
r. Pamuo. — *i Fehl«. — *> Otigno. — *) Leviea.
I
I
173
Item dera satler «uTrent 3 batz.
Item zu neuen margk') 20 batz.
Item knecbt j batz.
Itt^m von denn pferdt^^nn zu beschlugeiin . v bat^.
Item dem satler 9 er.
Item zu Seuillj*) verzerth j krönen
Item zu Lider') 18 creutz.
Iteni zu Stadel«) 22 batj:.
Item knecht zu L e d e r J batz.
Item dem schnejder voim voge] in zu
iiehenn j batz.
Item m. g. h. verspielt zu Augapurgk . xvj batz.
Item zu A 8 s e n d o r f ^) ve. o) . . . . xvj batz.
Item knecht j batz.
Item zu D o n n a w e r d t ") xij batz.
Item zu scherpenn die pfprdtt .... 5 batz.
Item knecht j batjs.
Itera dem satler 6 creutzer
Item zu Meting^) ve. l") xiiij batz.
Item knecht j batz.
Item zu Kreil rz(heim)*') j daler
Item zu B lofelden*) xij batz.
Item zu M ergeten n '") ij H,
Item dem postbntten zu AugKpurg zerung 20 gH.
Item ver: zu Atigspurg in 5 tagen, darin
iat gerechnet der capiten vud Bast, von
Amerbach 11 gü.
NoU. Summa .... M kr.
a) sie! = verzerth? — b) verzerth?
') NeuoDmaikt.
*) Schwabsole», Dördlich von Lceder.
•) Leedcr, .südlich von Laudsburg.
*) Stadol. 3 Stutiilen von Landslierg, 5 Stundea voo Sohongau
ist wohl liier gcJUGint.
») Wo? — •) Douauvvüith. — ') Müttingeu. — ») Craüslieini.
•) BlaufüldeD. — '•) Merjjeutheim.
Difz ist die recbnung, die mich Johann Wettlanffer
betrifft, da ra. g. h. drinn zu Jherusalem gewest ist
im jar MDL. Innam dlsses registers anno domini 1550.
Item hab ich Johann VVetlanffer vonn Wilherich
Wallyndorffer iMitpfangen j hundwrtt goltt fl. vnd
Ixxx portagalis ducatenn x.\ krouenn vnnd xxxv duler
vnnd darza hab ich gelegtt xxviij goltt fl.
Item von Augspnrgk mit einem postbottvnn
den wirth ghen Venedig vnnd denn wirth ght^nn
Dernyssen nemlich j hundertb vnd viertjsig neun
goltgulden.
Vff dinstag dönn zwolfftenn maij m. g, h. mit
iij pferdtenn vonn Hanau nach Jhc^rusalitm, hab ich
anfzgegebenn wie dann volgftt:
ij batji. für j seh warn zu Brussell.
ij /^ armenn leuthi-nn vff dem wege.
xxii) batz. j nacht verzerth vnd die pferdtt ij nacht zu
Bretten n.
j cronn vff der erstenn po.st hab ich m. g. h.
postirtt vnn Brettenii.
j batz. dem postknechtL
j LTunn die zweytt post zu E n t z w e y 1 e r.
j batz. df-m [»nstknoclift.
j tritnn vunn der drittcnn post zu Constat.
j batz, dem postknecht.
j cronu vonn der virdtfn post zu F. berbach.
j batz. dein postkti*'chi
j cnmii die funffte po.st vonn Geyfzlingenn geiu
Vlm.
j batz. dem knecht, der mir das pferdt hrachtt hattgeynn
Kyfziingen mit m. g. h. pofst pferdtt.
ij batz. arninn letitb**nn vff den wegf.
ij daler eyneni botetjn gehfnn, der die pferdtt vonn B ret-
ten n gehnn Hanau verzerenn soltt.
iiij golt H. für ij elenn j virthel .schwartzen sammat zu
Bcheydenii vnnd gurtel zu Vlm.
nacl
I
icn
4
I
batz. für j anzuger zu Vlm.
atij batz. voiui j rajiier vniitl kurtzpm dt>g«n schrmu zu
machenn upu seh<'ydenn rnit sammat zu ofxTzihfMiri,
km»j)ff viuid i-reutz zu sthwirtznrui zu Vlm.
batz. von pim gurttd mit samiriat zu vbnrzigen vikI
das befichlege zu .scbwirtzeii.
8 batz. dem schmidt.
ij fl. X batz. j nacht vnrzerth vnd j iAg zu Landts-
bergk.
vij batz. dem boodpr zu Ijamid.sbHrgk.
ij batz. dem suhmidt.
IV creutzer für j haubenn zum vogell.
j batz. vonn hns(mn zu bR.sBonin zu La n iHsb prgk.
XX batj;. j crt'utzin-: dctiri m.-nKMiu geacheiickt zu Laudts-
bnrgk.
ij batz. denn hanfzknecliüin.
j patz, armen leutliBii.
üij batz. verzerth zu morgen zn S t a d e 1 1 e a).
V batz. mein. g. h. gobenn zn Augspurgk.
üij batz. vonn Durpliys glit'nn Vi^nrdig zu farenu vff
einer karfttfu. Wie ni. g. Ii. nach .AiigsiJurg gt—
ritten ist, bin iili von Vfripdig mit eines burgers
8ohnn von Cohin zu m. g. Ii. in üerplijs komen.
üij batz. vonn vnns zwen hinüber zn farenn geben zu
Venedig,
iij batz. wsderumb ruber gefarenn, wie ic-h mit dem
baupimann m, g. b, nachgezngeuii bin, ist Wal le n-
d or ff e zu Derpliis gewest vnnd vnseraldo gewartet,
thun xvj ^ ij medin, hat juni kh<'r Wallcndorff mir gHben
zu Famegusten, baU ie.b.s armen leutlxuni ge-
gebenn.
üij batz. vonn einer knrettenn vonn Mey nsters') gebnn
Derpbys,
X batz. verzehrt zu mnrg. /.u Botzenn.
a) Die ersten Buchstaben undeutlitdi, da korrigirt.
•) Mebtre.
1^6
xiiij batz. verzerth j nacht zu C o I m a r *).
viij batz. verzehrt zu morgen zu Brixenn.
XV batz. iij ^ verzertb j nacht zu Stertzingenn.
viij batz. verzehrt zu morgen zu Brixenn.
XXX batz. j er. verzerth j nacht zu Jfzbruck^.
viij batz. verzerth zu morgen zu Barterkirchenn^).
Item iij golt guldenn dem postbotten, der m. g.
h. vonn Venedig heraufz furth, geschencket aufz
bevelich m. g. h.
X /^ vonn denn pferdtenn zu hefftenn zu Bartenkirchen,
j fl. 2 er. verzerth j nacht zu Ammerich*),
j batz, denn vogelnn für fleisch,
j fl. v er. verzerth j nacht zu Leydernn*).
xiiij batz. j nacht verzerth zu V e 1 d e r s ').
XV golt fl iiij batz. verzehrt zu Augspurgk inn vij
tagen n.
j cronn für j gurteil.
iij fl. j er. einem botenn, der die mherkatz vonn Ve-
nedig bracht hatt.
ij batz. für j pfar hentsgenn^) zu Augsbnrgk.
vj batz. für iij lang vessell^) zu den vogelenn.
iiij batz. für ij windtlichter zu Augspurgk.
j batz. für fleysch denn vogelnn.
j batz. für zocker der mherkatzen.
XX batz. verzerth zu morgenn zuAsschaffenbnrgkA).
j batz. dem haufzknecht gebenn zu B retten n, der
denn tag halfT wartenn das pferdtt, da ich hinweg
gepostirtt bin.
ij batz. dem postknecht, der mich von der letzstenn
post hinein gein Geysslingenn furth.
a) [folgen 2 unbeschriebene Blätter die letzten der Lage].
*) KoUmann, zwischen Brixen und Botzeo.
*) Innsbruck. — •) Partenkirchen.
*) Ammcringeu, heut Obor-Ammergau {Zeiler^ Itinerar. 0er«
mau. I, 359).
») Leeder. — *) Feltro. — '') Handschuhe.
•) Wohl Kettchen.
ifttz. pinem bubenn, der vonn Brettenn vfF die post
ieff, hat die Knecht hinein bßscheyden.
V batzeun hat mein g. h. verspillt zu Vim inii lieii
treazeug ').
j bat/., von m. g. h. buchfzenn ladenn zu leihiJiHrin zu
Vlm.
j batzen eyner narrin gegftbenn inii dpr kirchenn zu Vlm.
xj /5j hanfzarmenn ipiithenn für der kirchenn zu Vhn.
j batz. haufzarmenn leutht'iin zu Iiigelstatt,
j cronn dem vvirth zu Hegenspurgk ku einem wa|)f-
tVnn.
j bat/, für j mancnn kampff-) zu liege n.spurgk.
ij batz. vnnn j satel zu fulJenn zu Brixenn.
X ^ armen leuthen zwischen Brixenn vfF dem wege.
j golt fl. j nacht verzt^rth zu Gerinnen^).
jj cronn für ij bf^uer^) pferdtt zu Gerinuenn.
ij batz. für j fuder denn pferdenn zu Gerinnenn.
iiij heller armt-nn leuthenn zu Brixenn.
xiij <Sj vonii dfinn pferdtenn zu IiefFtenn zu Brixenn.
iij batz. einem furmanii gebrn, der mich vonn Derjth ij.s
gein Meysters fuiih.
iij batz. denn acherchenn uff dem wasner aulz beveluli
ra. g. h.
[10 ducaten meynöterla) meyn.sfpr Johaauienn fvr
kuihenspeyfz vtt* das schiff zu V(-nedig gebenii.
j cronn dem dolmetschenn gesthenektt, der m. g. li.
vmbgefnrth liatt inn der stadtt zu Venedig.
xiiij batz. denn knfttditeun im zeugehaul'z geschi'nckt.t
zu Venedig.
V batz. für j pfar i>antnfl"«dnn m. g. h. vff das .schiff.
viij batz. einem dolniet-schen, der mit m. g. Ii. im zeuge-
haulz gewest ist zu Venedig.
a) die eingeklammerten Worte am Rande nach-
getragen.
•) WaJjrscheitiUcli .ia,s KarteDS|»iel Triscbak.
') Rijigliaiujit'-Si;haiis(iict ?
') Griguu — ') iliftbb|)t"(ijd.
JR. r XTl. Bd. 12
178
iij batz. einem schiffiman gebenn, der vns vmbgefnith
hatt.
iiij batzeon der magd im hanlz geschencktt, da m. g. h.
za gast wäre,
viij ß vonn mir za famn geltt gebenn.
j batzenn armen leathenn geben vfT der gassenn.
j batzenn iiij ^ einem schiflbiann. der mein g. h. inn
die herberig wideramb farth.
xiij -S) fnr ij elenn scbnner bat m. g. die ringk ann
hals geschencktt *).
iij batzenn einem mann gebenn vff der kammer aolz
bevelch m. g. h.
xij cronenn zn einem galdenenn creatz g«^benn za
Venedig, liat m. g. h. lassenn macben.
j fl. ij ,^ fnr schwartz geschricktt ' • serdene bantenn.
iij batzenn for schellenn, hat m. g. h. denn Tarckoi
wollenn gebenn.
j batzenn armenn leathenn vff der gassenn.
iiij ^ einem, der die spilz inn die herberig trag.
V batz. iiij ^ einem schiffmann, der m. g. h. vff das
schiff gefurth hatt vff denn xvj jnnij.
X batz. for iij mappenn vnd j heimlich gemach vff
das schiff,
iij batz. fnr vj dosenn nestelt '). haben sie denn Tarcken
gebenn.
iiij batz. für bappier vnd dintenn vff das schiff,
j batz. dem schiffman, der m. g. h. inn die herberig farth.
j batz. einem, der mich zn meyster Johann fnrth.
j fl. ij /^ far j schwartz seydene hanbenn, hat m. g. h.
Sigmandtenn geschenekt.
ij batz. eynem annenn pfaffenn im schiff gegebenn auiz
bevelch m. g. h.
viij batz. denenn gebenn, die die ring aalzgebenn habenn *).
•i Wis soll das hei&»enV — •) gi'sprcDkelt
'I Hosenträger varen <ieo Muselmiinneni im heiL Laode seht
enrüoscbt iRil. 410).
*) Was bedeutet da&V
lüj batz. inn das tuch gelegtt vff dem schiff,
ij batz. für j schaubenhut zu Venp.dig.
Vff dinstag den ij Juli ist mein gnediger herr
gein Alesandra^) kommeii vnnd aufzgebftnii wie
volgtt, mitt dem schiff suikornmenn.
j batj!. fnr j liclit inn das scliifF.
ij batz. vonii meyiifs g. Ii. hpmbdder zu waschenn.
j batz. von dfm lieyligtumh zu bcselienu zu Alpssaudra.
iüi ^ einem gegebeiin, der mich vimd Wallendoiffenn
iiis schiff furth.
iüj ,^ der (»chiffmaun, dem mich aiiTz dem schiff gein
Alesandra furth, hab j falz gehabtt.
vj batz. für bisem zu Venedig,
üj batz. einem schilfmann, der m. g. h. ins zeugehaufz
gefurth hat zu Venedig.
ij zickynnen hat mein g. h. ij naclit zu Alesandra
verzerth weniger viij hatzenn, habenn doch irenn
gnadenn dasselbig entpfangenn von mir,
j batz. der m. g. h. inn das scliiff furth zu Ale.sandra,
wie das sehieff' angehenn woltt.
j batz. hat m. g. h. verspÜtt mit Eyssuolenn -), ist man
in .schuldig gewesenn.
V P für j melann ') zu Aiesandra.
ij ß armenn leuthenn,
ij P denn schiffknechtenn.
viij <^ für nebe seydt nn zu denn creutzer vff zu nehenn.
j batz. daruann.
iüj n voji denn hi'mbdernn zu we.schenn.
iij |i für zwirnn zu denn seckenn.
Vff denn sontag denn xxj julii ist m. g. herr zu
Leraeso ankommenn mit dem schiff vnnd da gelegenn
vier gantzer tag,
ij -5i für mehrmu.scbf'lnn.
•) Zantc, wollin flraf Rf irihard zu dieser Zeit kam ; vergL
oben S. 150 f.
') Eis-svogol, auch oiu Begleiter.
*) Melone.
12*
180
iij batzenn far j pfar schae.
X batz. far iij hewer pferdtt, hat m. g. h. denn zocker
sehenn wachsenn.
viij batzenn für zwo hantzweinn ^) vff das schiff,
viij /^ vonn den hanernn vfT das schiff zn forenn gebenn.
iiij fl. xiiij batz. verzerth in vier tagenn vnnd nechtenn.
iij batz. inn die knchenn geschencktt
iiij batz. einem armenn manche,
iiij tdi far mehnnascheinn.
iiij /^ denn schiffknecbtenn gebenn, haben m. g. h.
auTz den schiff gefarth.
xvj ß zu zwey malenn haufzarmenn leathen zn Lemeso.
vj batz. far iij hinth *).
vj batz. far iij pfar messer.
j batz. far traubelnn aaff dem schiff,
iiij batz. hat m. g. h. verspiltt im schiff,
j cykynenn dem koch vnd keller vnnd schalcker im
schiff geschencktt.
iiij /dl fnr mascheinn, hab ich Bastiann wideramb
gebenn.
viij /5j far j geltt geweckseltt, hat m. g. h. vonn her
Sigmandten genommenn.
viij batz. dem mann mit der pfeiffenn'), der das schiff
regirt, gegeben,
ij batz. ij knabenn im .schiff, da m. g. h. nach Jhera-
salem hatt wollen reiten,
ij batz. dem scherer vff dem schiff,
ij batz. denn tisch dhienernn.
ij batz. denn botsknechtenn.
ij batz. den botsknechtenn, die am rüder stehenn am
.schiff,
j batz. einem tiscbdhiener.
iiij |) einem knaben inn dem schiff.
') Handtücher.
*) Ob verschrieben für leuth?
'j Steuermann.
j zickinenn dem schri'ybnr im schiff.
xiij batz. iiij ,<"} Hiriiiiiiui fli-m toirnftachenn j zyc-
kinen abgeweyselt hat mein g. h. tntpfangHnn.
Vff dpn xxvj jnlij ist m. g. h. vom schiff gozogpn
nach Jerusalem vnnd da gelegen ix tag mit iij per-
sonell, ist auLsgubenn worcJt^n, wie dann volgett:
V batz. iiij •^ für j liants wellen') zu Biiffenn^).
vi batzenn denn Durckenn gegeben.
viij ^ für draubenn zu Baflfenn.
xvj /5} für iij huner zu R h a m e n n.
iiij idi für brodt zu Rhamenn.
xxvij batz. ij rSj für j durckisclioii ducatenn, hat m. g.
h. bekommen zu Rhanien geweckselt.
iiij batz. fur durckisch geUt gewet-kseltt zu Rliaiucnii.
xvj td\ eim Durckenn voiin Baffenu gein Rhanicu gebeu
vor j esel.
xxvj batz. vonn j durckischenn ducatenn geweckseltt
zu Rhamenti.
vj batz. vnnn Rhamenn geiu Jherusalem von j esell.
iij batz. fur stein zue suhwangern weibern ').
ij batz. vonn iij seckenn zun machenn vff dem schiff,
j cronn einem armen» pilgerung vff dum scJiiff.
iiij .■^( hat mir m. g. h. gebenn vnns<?r libenn fiaucnn
grab zu beseii.
viij ^ vonn j esell, da m. g. h. an das orth reith, da
vnnser herre gott zu liimmel gefiirnn ist,
ij p einer daruonn zu beselienn geben n die vfffart de.y
herroti C'hri.sti.
ij P von Lazari grab zu besehenn.
iiij batz. für ti-aubeln zu Jherusalem.
viij /^ vonn j esell vonn Jherusalem gein Bethle-
h e i m.
») Handtuch. — ') .laHji. — '\ Kaiiila.
*) Sonst wnrfkm Binden auf das heil. Grab golegt. welche
das Gebären erleichtcra solltoD (N. 74), hier mögen vou den l'ul-
tusstiitteD ahgeschlagcno Steinstiickclien gemoint »ein.
182
ij ß vonn der kirchenn za besehenn za Bethleheim.
iij /^ vonn Bethleim geinh Jherasalem zu reytten.
viij hell(er) far liechter zu Bethleheim inn der kirchenn.
iiij batz. zwenn armenn pilgerong zu Jherasalem.
iiij batz. für pater noster.
ij cyckinem denn monchenn im closter zu Jherasalem
für almulzenn gegebenn.
j zickynenn xvj ^ hat m. g. li. j ducaten vonn her
Sigmundtenn geweckselt zu Jherasalem.
V zickynen j batz. iiij /d{ verzerth zu Jherusalem in ix
tagenn.
iiij batz. vonn m. g. h. wapenn inn ein stein za schney-
denn zu Jherusalem.
ij batz. an turckischer muntz hab ich m. g. h. gebenn.
iiij batz. für huner vnnd broth zu Jherusalem.
iiij batz. für iij nuTz zu trinckgeschirnn kaufft aa Jhera-
salem.
XX batz. viij /^ für j pfar turckischer stifeln vnnd j
pfar schue zu Jherusalem kaufft.
j zickynenn iiij batz. die m. g. h. gefangenn habenn,
darmit widrumb ledig gemacht'),
viij idi für ayr zu Rhamenn.
vj batz. hat m. g. h. ann muntz tarckischer arth zu
Rhamenn entifangenn.
ij batz. eynem armenn pfaffenn zu Rhamen.
viij /d) einem armenn pilgerumb zu Rhamenn.
xvj y^ vonn j esell bifz geinh Jhrusalem vonn Baffe nn.
ij batz. für broth zu Baifenn vif das schiff,
viij ^ für feigenn.
j zickinenn dem durckischenn dolmetschenn gebenn vff
das schiff, da m. g. h. vonn Jherusalem ist kommen,
ij batz. für j fafz wasser vff das schiff,
xxiiij batz. hat m. g. h. inn j auer gelegtt, ist larerey
gewest vff dem schiff.]
') Es handelt sich offenbar tun einen Erpresstmgsversaoh
. der Muselmänner; vgl. B. 21, 62.
p
Vff donnerstag den xxj augnsti ist m. g, h. gehnn
Salena kommen vnd da vf^rzerth vnnd aufÄgt^benn,
wie volgett, vnnd dennöelbigenn abennd gehnn Nica-
8 i e n n ') gerittenn vnd sein mii denn xnorgenn liernach
gerittenn.
iiij batz. zweyenn pföitlhünn fiir j futur gebenn zu Sa-
lena; daruff Walltmdurif vnnd ich gein Nicassien
geriltiinn seindt.
ij batz. von m. g. b. Ijeinder zu weschenn zu Salena.
xxxij batz. verzerth junckher Wilherich Wallendorff
vnnd ich zu Sabona; i»t m. g. h. mit dem grauunn
vonn Driple-) vonn Salena genh Nycasienn
geritt«vnn.
V£f sambstag denn xxiij augusti zu nacLtt sind
Wallendorff vnnd ich m. g. h. hernach gerittenn gehn
Nicasienn vnnd da gelegenn v tag, ist verzerhtt vnd
aafzgebenn wordenn, wie volgtt.
X batz. für j heuer pferdtt vonn Salena gein Nicasienn.
ij batz. eynem gebenn, der ra. g. h. vonn wasser vff
j pferdt gein Salina furth.
vj (dl vonn einen henibdt zu waschenn zu Salena.
X batz. für j heuer pferdtt gehnn Nyeasienn zu reytenn.
iüj batz. einem hotten n, der mit vnns rit, der vnn.i
denn wegh weys*t.
iüj batz. verzerth die pferdtt vnnd mir, da wir die
nacht abge.standen sind,
iüj batz. hat m. g. b. armenn leuthenn gebenn zu Ni-
casien ins grauenu haufz.
iij batz. hat m. g h. verspilt inn des grauen hauXz zu
Nyea.sienn.
j batz. für ) orth^) banndt zu Nycasienn.
XX batz. für j pfar stifelnn zu Nycasienn.
iüj batz, vom hembdernn zu weschenn vnnd schlaff
gelt zu Nycasienn in v tagenn.
') Nicosia.
*) WahrscbeiDÜch ein Titulargraf von Tripolis. — *) ^It,
184
ij gl. xi batz. habenn Wallendorff vnnd ich inn der
herberig verzerth.
Vfi' donnerstag denn xxviij angnsti ist m. g. h.
vonn Nicasienn hinweg gerittenn gein Famegastenn.
üij -^ armenn leuthenn.
viij v) einem armenn man vff der kammer.
iij batz. hat m. g. h. mir gebenn, hab ich es vmbs
bach gegeben n zn Famegastenn.
ij batz. hab ich m. g. h. zn Famengostenn ins bredt-
8pi1 gebenn.
viij ^ inn j gemein almalzenn zu Famegastenn in der
kirchenn.
XX batz. für ij heuer pferdtt von Nycasienn genn
Famegastenn.
ij cronn dem barbirer, hat m. g. h. denn schenckel ge-
heylett zu Xycasienn,
ij cronenn zu gedenckenn hab ich es EyÜEVOgeln gebenn
aufz bevelch m. g. h.
ij batz. einem armenn mann, der m. g. h. inn die
kirchenn furth za Famegustenn.
viij batz. für iij 6 färb za denn pferdtenn zu Fame-
gustenn.
viij batz. für j zeichen, das da verguldet wardtt, den
ij landt^knechtenn.
üij batz. für j seckell.
iij batzi'un für drey korb zu denn feldhunernn.
ij batz. von m. g. ii. hosenn zu bessern zu Famegastenn.
viij batz. dem barbirtrr. hat m. g. h. ein ademn ge-
la^senn zu Famegustenn, ist schwach gewesenn.
xij zickynenn verzerth in ix tagenn vfF iij personenn
zu Famt-gustenn.
ij batz. für j heut-r zu Famegustenn.
xij batz. des haubtmans knechtt geschenckt zu Farne«
gustenn. hat m. g. h. ij zamer feldhuner bracht
viij batz. vonn einem heuer esel hat. die haner vnnd
danbenn vonn Famegustenn ghenn Lemesa ge-
tragenn.
ij T>atz. einem botten, der mit li«»ff.
j batz. habenn die [>ft'rJ inn der nacht verzurth vfifum
Wege,
vj blitz, hat m. g. h. verzertli zwischenn wegenn vfFen
dorff iritt einer nudit.
y batzenii viij /Sj des graiiemi knabeii gescbencktt zu
Famegustenn.
Vff sambstag zu nachtt denn vj septembris ist m.
g. b. voDii Famegustenn gein Salena kommen.
iij cyckinonn für j mehrkatz.
xvj /v) vonn zwey malenn vff das schiff zu farnn zu
Salena.
iij zickynenn verzerth inn v tagenn zu Salena.
vüj Sj ins schiff iij mal zu fanm zu Salena.
viij /^ zu vier mal ins tichifT zu farnn zu Salena.
ij batz. für j fafz wasser uff das schiff zu dt^nn handtenn.
iij batz. viij ^\ für cimet rinden vff das schiff.
viij ^ für granatenn epftd! vff das schiff.
yj batz. ij <^ für ij Iiuiuu" vff das schiff.
viij bati. vonn hembdernn vnnd leilacJienn ') zu weschenn.
vj .^ für granatenn epfell.
vj zickynenn inn eytff tagenn zu Salena verzerth.
ij zyckinenn hab icli vunu m. g. Ji. entpfangenn zu
Salena in der herberig, hab denn doctur darmit
bezaltt, ist m. g. h. schwach gewest, für artzney.
vüj h'diz. dem dnctor für seiner arbeyth gescheucktt.
ij batz, vonn denn hunern vtf das schiff zu farnn gcbenn
zu Salena.
ij batz. für j hi-nibdtt.
vj /Si dem schiffmann, der mich von .schiff gehn Salena
furth.
Uff donneratag denn xviij septembris ist m. g. h.
vonn Salena vff das schiff gezogen n.
viij batz. für vj junger huner uff da.s schiff zu Leme8 8.
ij batz. verzerth zum morgenn essenn zu Lemess.
^) Laken.
186
ij batz. vonn einem faCe wasser tiifs schiff aa fkrn zu
Lemes.s.
viij batz. für j fafz wein vif das schiff zu Lemeso za
füren,
j batz. für broth.
Uff freytag zu inorgenn denn xxvj septembris ist
m. g. h. gein Baffe nn kommen und da gelegennüij tag.
j zickinenn v batz. viij ^ hat m. g. h. verspUtt uSf
dem schiff zu Baffenn.
X batz. vonn ladenn vnnd wein ins schiff zu farn za
Venedig,
xxij batz. für xiiij huner vff das schiff zu Baffenn kanfffct
iiij batz. v p für brodt zu Baffen vff das schiff.
V batz. für eyer vffs schiff zu Baffenn.
j fl. verzerth inn iiij tagenn zu Baffenn bleibt m. g. b.
Balandten ') schuldig,
iij batz. für j spilhreth zu Venedig,
xxiiij batz. für j fafz wein vff dem schiff denn bots
knechten abkaufft.
iiij batz. für ij huner dem buch(s)enn meynstar.
vj batzenn iiij ^ vor spil g«ltt vff dem schiff,
iiij batz. hat m. g. h. denn botsknechtenn geschencktt
vff sanct Martini abennd vff dem schiff,
ij doppel ducaten minus xj batz. verzerth zu Parens
in ij nachtenn vonn m. g. h. entpfangenn.
8umnia 10 taler 1 batz. 5 /5}.
Des hotten n zerung von Augspurg, der mit m. g.
h. raufzer geritten ist
V crtz. vonn dem scherchenn vff dem wasser, wie m.
g. h. vonn Venedig ghenn Augspurg ritte sampt
zwey.
ij crtz. vonn denn wotseckenn ') zu hauff zu binden im
teutschenn haufz zu Venedig.
>) vgl. oben S, 168. — «) Parenzo.
') Boiscsäckoo.
187
crtz. vonii denn wotstckenn zu polirenn zu Venedig
im teutsehen haufü:.
lij creutzer armenn leuthinn,
^v batz. dvm schiffraann, hat in. g. h. vnd botenn her-
au^^ gefurett.
iüj bat2. verzerth zu margenn zue May r gern,
Ixs crtz. vonn denn pft-rdteim zu bi^schlagenn zu Der-
phy.s.
V batz. haufzkni'cht vnnd magdenn geschenckt zu
Derphys.
xxxvj crt«. verzerth j nacht zu C ar n o t e n n ').
xvj batz. j nacht verzijrth zti Velilers^).
j batz. arniHiui knithonn vR" dein WBge.
vij batz. vfrzerth zu morgenn zu Gerin ^).
B j daler verzorth j nacht zu Li neun*).
iüj batz. vonn j sattel zu machenn.
ij crtz. armenn leuthenn.
Ixx batz. j nacht verzerth zu Schar bann*).
j crtz. dem haufzknwht.
\x batz. verzerth zu rnorgHTin zu Neuen Margk.
ij batz. dem schmidt zu Neuen, Margk.
xxiiij batz. iij crtz. j nacht verzerth zu Botzenn,
jj batz. i crtz. dem schmidt.
k batz. verzerth zu morgen ti zu Co 1 mar*),
j batz. armenn leuthenn vff dem wege.
xxij batz. j naciit verzi-rth zu Brixenn.
iüj batz. dem Schumacher von schuen vnd etiueln zu
flickenn.
ix batz. verzerth zu innrgenn zu 8te r tz ingen n.
xix batz. verzerth j nacht zu Steynach.
ij fl. ij batz. verzerth j nacht vnd ] tag zu Hz brück.
iüj batz. für j windlicht.
') Carnuda. — ') Feltro. — *) Grigno. — *) Levico.
*) ZanibanB bei Trient?
•) KoUniaun.
188
j batz. für negell za denn pferdtenn.
j batz. armenn lenihenn.
ix batz. verzerth zu morgen vff dem sphefeldtt ').
iij crtz. dem schmidt vff dem sehefeldti
j daler verzerth j nacht za Bartennkirchenn.
iij creutzer dem schmidt.
xj batz. j crtz. verzerth zu morgenn zu Sochenn *).
i fl. xj batz. j crtz. zu Schochenn.
') Seefeld zwischen Innsbruck und Partenkirchen.
*) Schongau?
-1-4-
Anmerkung des Redactions-AnsschusBes.
Die oben S. 90 ff. unter Nr. I mitgetheilte Reise
des Grafen Philipp des jüngeren von Hanau-Münzenberg
nach dem heiligen Lande findet sich zwar bereits ab-
gedruckt in Band 111 des Hanauischen Magazins
V. J. 1780, Stück 7 und 8. Allein die Seltenheit dieser
Zeitschrift und der Umstand, dass sie vielen schwer
zugänglich sein wird, rechtfertigen zweifellos den er-
neuten Abdruck der Reise, zumal der Text diesmal
weit correcter und in genauer Wiedergabe des Originals
erscheint.
189
IV.
Die Antithesis Christi et Papae in der
ScMossklrehe za Schmalkalden.
Von
Otto Gerland.
I
3^,n d«er so überreich mit raalfrischHin und bilJuerischera
^^Schmuck verziRrteii Kapelle des Schlosses Wil-
helmsburg za Schinalkalden befinden sich sowohl an
den Brüstungen der Kmporen als an der durch dui
Kanzel und ihren langen Schaft geth<iilten We.stwarul
e weisse Stuckfiilchen, Sagt dem Beschauer .schon
der erste Bück, dass diese Flüchen früher nicht so kahl
gewesen sein können, weil sie zu unschön von den
übrigen Wand Rächen und der Decke abstechen, so
zeigen uns auch die an den Bdmtnngen angi-braehten
fortlaufenden Nummern und an der Westvvand Sjjui'en
von Klammern, dass hier etwas angebracht war, das
dazu diente, die Farbenharmoiuy der Wände nnd der
Decke auch auf diese Flilchen auBzudehnen. tind so
verhalt e-s sich in der That, hier waren vierzig Tafeln
angebracht, auf dejien ein Bilderkreis zur Darstellung
gelangt war, der nach den im Königlichen Staatsarchiv
Marburg befindlichen Akten über die Erbauung dea
190
Schlosses Wilhelmsbnrg als »Antithesis Christi et
Papae« bezeichnet wird.
Schon der Name Äntithesis Christi et Papae leitet
ans darauf hin, dass wir es mit einer Darstellung
zu thun haben, die sich an ältere gleichartige an-
Rchliesst. Der diesen Antithesen zu Grunde liegende
Gedanke lässt sich Jahrhunderte weit zurOckverfolgen *).
Schon in der heiligen Schrift tritt der Gegensatz
zwischen dem Christenthum und dem bis zum Wider-
christlichen, d. h. bis zur Verzerrung des Christentliums
in sein Gegentheil gesteigerten Bösen hervor, das sich
bis zu seinem Höhepunkt entwickeln und erst durch
die Wiederkunft Christi, wann er den Wider^ oder Anti-
christ (auch verderbt in Endchrist} vom Throne stossen
soll, sein Ende erreichen wird. Diesen Gegensatz hatten
schon früh die oppositionellen christlichen Parteien auf
das päpstliche Kirchenregiment bezogen. Besonders
wichtig ist aber für uns, dass als am deutlichsten aus-
gesprochener Träger der auch auf unsem Bildern dar^
gestellten Gedanken der englische Reformator Johann
Wiclif (t 1387) in seinem Tractat de Christo et suo
adversario Antichristo zwölf »conditionea papae Christo
contrariae« genauer ausführt.
Der von Wiclif ausgesprochene Gedanke wurde in
hussitischen Kreisen wieder aufgenommen und nicht
bloss mit Worten, sondern auch bildlich dargestellt.
Auch Luther drängte sich der Gedanke, im Papst-
thum den Antichristen selbst oder doch dessen nächsten
Vorläufer zu sehen, auf, und er gab ihm zuerst Aus-
druck in seinem 1520 ergangenen Aufruf an den christ-
lichen Adel deutscher Nation.
•) Vcrgl. Katrrmu, I^sioiial Christi und Antichristi. Lukas
i.1iinai''hs Holzsebuitto mit dein Texte von Molaiiclithon, im Steo
Band von iyekrrrrg deut.si'heD Drucken älterer Zeit in Nachbil-
dangen. Berlin I88ä S. V. ff.
li>l
Ea fallt schwer, anzunehmen, dass alle diese
jriften unabhängig von einaiidtT gescliriebim sein
lien, es scheint d^m uiibefatigeiien Benbathtpr iiii
Gegentheil weit mehr als eine /ufallige, innere Ueber-
einstimmnng vorzuliegen und man wird tlie fortge-
setzte Arbeit von Jahrhunderten hierin finden miissen.
Auf diesem Boden baute nun Lncas Cranacli, Luthers
künstlerischer Mitstreiter, weiter, indem er, ohne sich
an die geschichtliche Reihtnfolge der dargestellten That-
sachen zu binden, 18 Dojipolbilder in Holzschnitt ver-
fertigte. Zu diesen Biltleni, welclie mit Vorwissen
Lutheirs kurz vor dessen Abreise zum Wormser Reichs-
tag im März 1521 in Angriff genoranieu wnrden, stellte
Melanchthon Unterschriften für die Darstellungen atis
Christi Leben aus der heiligen Schrift, für die Dar-
stellungen des Papstthunis aber au» dem katiüiiischen
Recht zusammen, wobei ihm der Jurist Jiihannes
»Schwertfeger hehülflicb war. Gleich nach Schluas des
Reichstags ersclnen das Heftche n in einer deutschen und
einer lateinischen Aufgabe, um gleich der Armenbihel
neben dem Text dnrch die Hüder auch auf die des Lesens
unkundige Menge zu wirkerj, weshalb denn ancli bei Her-
stellung der Bilder weniger auf eine künstlerische als eine
drastische, packende Darstellung gesehen wurde. Der
Titel der deutschen Ausgabe laufet: Passioual Christi
und Antichristi, der der lateinischen : Antithosts hgnrata
Christi et Papae. Ad lectorem Eusebius, Das Aufsehen»
welches dies Werk erregte, und der Beifall, welcher ihm
zu Theil wurde, waren ungeheuer, wie sieh aus den
rasch folgenden zahlreichen Ausgaben, aus den zum Theil
gleichzeitigen Nachdrucken und anderweiten Bearbei-
tungen ergiebt, deren letzteren, wenn auch noch so ent-
stellt, stets die Cranach'schen Bilder zu Grunde liegen,
wie sich auch die beigegehcnen Texte dem ursprüng-
lichen Text Melanchthons möglichst anschliesaen.
192
Die Zimmerische Chronik *) erzählt zwar, dan
Lnkas Cranach seine Vergleichang Christi und des
Papstes auch in Gemälden für den Kurfürsten von Sachsen
ausgeführt habe, welche im Schloss zu Toigaa aufge-
stellt waren, wo sie im Schmalkaldischen Kri(^ von
den spanischen Kriegsvölkem zerstört worden seien.
Nach gütigen Mittheilungen des Professors Dr. C. KiUMbe
zu Torgau beruht diese Nachricht aber nur auf einer
Sage, da Kaiserliche — Spanier sind gar nicht in die
Stadt Torgau gekommen — nach Besetzung der Stadt
sofort das Schloss nach derartigen Bildern durchsuchten,
dort aber nichts fanden. Nach einer weiteren freund-
lichen Mittheilung des Herrn Dr. Ä. Erbstein zu
Dresden möchte die Nachricht auf ein Bild zurückzu-
führen sein, auf dem vermnthlich der Kurfürst Johann
Friedrich die Allmacht gegen die Vernunft abwägt, wie
eine gleiche Darstellung von Kurfürst August auf einer
Medaille von Tobias Wolf vorkommt.
Diesen Darstellungen nun schloss sich die Bilder^
reihe der Schmalkalder Schlosskapelle an und zwar
dergestalt, dass sie nicht direkt an die Cranach'schen
Ausgaben des Passionais anknüpfte, sondern an einen
um 2 Antithesen vermehrten, 1521, höchstens 1522
durch Melchior Sachse zuKrfurt bewirkten Nachdruck**),
eine Ausgabe, in welcher jeder Antithese ein latei-
nischer Hexameter beigegeben ist, dessen erste Hälfte
sich auf Christus, die zweite aber auf den Papst be-
zieht, und wovon jede Hälfte auf den Rand neben das
zugehörige Bild gesetzt ist. Sodann scheint mir noch
eine Bearbeitung der Antithesen in lateinischer Sprache
von Zacharias Durantius ***), welche 1557 erschien, die
♦) Herausgegeben von Bartick, 2. Auflage. Freiburg ood
Tübingen 1883.
♦♦) Katcerau, a. a. 0. S. XXIV E. 1.
•*•) daselbst 8. XXIX J. 1.
193
Antithesen bis auf 18 vermehrte und eine der bibliächen
Gescbichte entsprechende Reilieiifolge brachte, von Ein-
floss gewesen zu sein.
Lim nun seinen Wunsch, diesen Antithesen ähn-
liches in der neuen Sohto.sskaptdie anzubringen, befrie-
digen zu können, liess Landgraf Wilhelm zu den den
Raumverhältnisaen der Kirche entsprechend auf 20 ver-
mehrten Antithesen durch den Sehlossnialer Georg
Kronbard*J Bilder malen und dazu durch seinen damals
ISjäbrigen Sohn Moritz, welchen die Nachwelt mit dem
Beinamen des Gelehrten geziert hat, lateinische Hexa-
meter machen, die zum Theil wörtlich die Verse von
Melchior Sachse wiedergnben, zum Theil sich an die-
selben anlehnen, theils aber auch vollständig abweichen.
Jedem Hexameter entsprechen zwei gereimte deutsche
Zeilen, d^ren jed*'! cinv Hälfte d»'s Hexameters frei
übersi^tzt. Diese Verse unterzog der Landgraf einer
genauen Prüfung, die am 3. Juni 1587 vollendet war.
Diese deutschen Verse werden den auf Goldgrund ge-
malten Bildt'rn **) seitwärts mit schwarzen Buchstaben
auf dem Goldgrund beig)'setzt gewesen sein, wie auch
die, sicher vom LandgratVn selbst ausgewählten Stellen
aus der Bibel, dun Dckretalen, den Heschlüssf*n des
Tridentiner Konzils u, s. w, in lateinischer Sprache,
soweit sio uns noch an den Wänden der KapHll« er-
halten, mit schwarzen Buchstaben auf Goldgrund an-
gebracht sind und zwar uiiti-r den für die Bilder be-
Ktimmten Stellen, während diu lateinischen Verse in
gleicher Weise übin* den Rildnrn angebracht warnn. Die
♦) Üeber dieseu Maler koouto liiJor iiii-hts festgestellt
weixlen.
••) Onsihirt: Historin Schmalkaldica, Hüft I (Schmolkalden
I^ipzig 1881) sat't S. 71 vou dioseu Bilderu, sie suica ,Diit
toin Uüld bemal ta TaroLu".
K. F. XVI. Bd. 13
194
lateinischen Bibelstellen entsprechen nicht gans dem
Text der Yulgata.
Da die Bilder, wie weiter anten erzählt werden
wird, verloren gegangen sind, so hat es kein allge-
meines Interesse, ihren Inhalt zu erörtern; es mag die
Bemerkung genügen, dass sie sich meist an die Cra-
nach'schen Darstellungen angeschlossen haben, nur mit
dem Unterschied, dass wohl zur schärferen Zuspitzung
der Antithese Christus und der Papst mit gleichen Ge-
sichtern dargestellt werden.
Wohl aber dürfte es auch weitere Kreise interes-
siren, die Antithesen sowohl wie sie in den Stellen der
heiligen Schrift und den diesen entgegengesetzten Be-
stimmungen des kanonischen Rechts, als auch wie sie
in den beigesetzten Versen enthalten sind, kennen zu
lernen, weil sie für den Landgrafen Wilhelm und auch
dafür, was damals in den Kirchen als erbaulich galt,
ein schätzbares Zeugnis ablegen, und mögen diese daher
hier folgen.
Ant. 1. Jesus autem, cum cognovisset, qnod ventnri
essent et rapturi ipsum, ut facerent ipsum r^em,
secessit in montem ipse solus. Joan. 6.
Nos habemus imperinm totius orbis, nam omnia
regna nostra sunt propria et a nobis in feudum con-
ceduntur. Episfola Adrian, in Avent IIb. 6 et 6
decret de sent.
Regna fugit Christus, Christus fleucht weltlich könig-
reich.
Sibi vendicat omnia praesul, die sich der babst zu-
eignet gleich.
Ant. 2. Milites autem plectentes coronam de spinis
imposuerunt capiti ejus et veste pnrpurea circnmde-
derunt enm, dicentes : Ave rex Judaeoruro, Matth. 27.
Tradimus ei, de praesenti, diadema, coronam ex
auro purissimo et genimis preciosis, sceptra et omnia
imperialia signa, et indunienta ft potestatis nostrae
gloriam. distinct. fHj (*. Constantiiins.
Spinosam Christus, Christus trügt einen Crantz
von Dorn,
Triplicem fert. ille coronam, der babst von goldt ein
dreifacht krön,
Ant. 3. Jesus autf>m accepto hnteo procinxit se, deinde
pmisit aquam in pt'lvim, et caepit lavare* pedes dis-
cipiiloruin suoruin. Joli. 13.
Onines, nijiiscnnque sint dignitatis et praemi-
tu-ntiap, ter rluhtMit ant«- papiim genaa flectere, et
pedeB ejus oscnlan. Lib. cern. Font.
Äbluii ipse ppdcs, Chriatus wäscht seiner jünger
fuess,
Reges bis oscnia fingnnt, dem babst man seine
kils-sen niass,
Ant 4. Christus cum esset in forma dei, humiliavit
sfnietipsum, factus obediens, nsqtie ad mortem, mor-
tem autcm crucis. Phil. 2.
Papa ejit omnia super omnia, dens in terris, et
habet concurrens cum Christo tribunal, major est
omni honiine, ipsis angeli.'«. Bald, in Hb, Barbarif)
19 de off. ptor. symb. Antonini 5.
Se extenuat Chriatus , Christ wie ein Knecht sich
niedriget,
Papa se super orania tuUit, der babst sich vber alles
erhebtt,
Ant, 5. Ecce rex tuus venit tibi man.%uetus sedens
super asinam et super jiullum subjugalis a.sellae
Matth. 19.
Vt nmplissime pnntificale decus praefidgeat, de-
cernimus, ut Bom. Eccles. clerici mappulis et liutea-
13*
196
minibus, id est, candidissimo colore decoratos eqaos
eqnitent. Constit. Constantini vide Hb. Cer.
Christas adest humilis: Christas zeugt ein sanfft-
matiglich,
Praesal cam divite pompa, der stoltze babst gantz
prechtiglich.
Ant. 6. Ego sam pastor ille bonas. Pastor bonos
animam dat pro ovibas, et illam, qaae perierat, im-
ponit in hameros suos gandens. Joh. 10.
In collatione imperator aut rex portabit primom
ferculum, dabit aquam manibas, primom pocolam,
serviunt regam filii aot nobiliores. Lib. Cer. Sect.
3 de Conviv.
Pascit oves Christus, Christas seine schäfflein weiden
thutt.
Lnxum fovet ille superbas, Babst lebtt in saofz vndt
vbermutt
Ant. 7. Exivit autem Jesus in eum, qui dicitor Cal-
variae locam, Hebraice autem Golgatha, bajulans cro-
cem suam. Joh. 19.
Princeps civitatis, quam Papa intrabit, imo rex vel
imperator, si adesset, sellam cum Pontifice humeris
suis aliquantulum portare debet. Lib. Ceremon. Pont.
Bajulat ipse crucem. Sein Creutz geduldig trägt der
Herr,
Cum fastu fertur at ille. Den babst tragen seine
Schmeichler.
Ant. 8. Sanguis Jesu Christi filii Dei emundat nos
ab omni peccato. 1. Joh. 1. Non igitnr corruptiiibus,
auro vel argento, redempti estis, sed precioso san-
guine quasi agni immaculati et incontaminati. 1. Pet. 1.
Si quis dixerit, antequam ad regna caelorum
aditus patere possit, quod nullus reatos paenae ex-
solvendae vel in hoc vel in futuro purgatorio rema-
neat, anathema sit. Concil. Trid. Sess. 5 Can. 30.
line nos Christus, Christ durch sein Bhxtt all
sundt abwischt.
Mentito hie cxpiat igiie, daitzu dur babst ein feg-
fi!ur dichtt.
Ant. 9. Non facia« tibi sculptilu nwjiie omiiem siinili-
tndinem, quae est in t-aeJo desuptn" ei in terra de-
orsum, nee eorum quae sunt in aquis sub terra.
Exod. 20.
Rcverentia, quae imagini Christi üfft-rtur, Christo
offertur et proptt'rea imagini ejus debet cnllii!» divi-
num adorationis i-xhiberi. Boiniventiira sup. sent,
Lib. 3. Diöt. 9. 4. 2. Thuru. Tar. 3. 4. 25 cap. 3.
Hie idola vetat, der Herr knin Götzen leiden kann,
Hie dicit pronuä adora, dur babüt gebeut sie zu
beten an.
Ant. 10. Gratia eatia ealvati*) per fidem «t hoc non
ex vobis, Dei enim donum est, non ex operibus, ne
.qais glorietur. Rpheö. 2. JuHtificamnr autem gratia
per illius gratiam et redemptionen, quae est in Christo.
Rom. 3.
Si qiiis dixerit, lioniinem jiistificari ex eo, quod
certo credat, anatht^ma sit. Misaae enim, peregri-
nationes^ reliquiae, aqua lustralis, chrisma, sal, her-
bae consecratae, vestium et ciborum dclectus, et si-
milia, quantum ad consequendam salutem valeant,
ipsorum libri teütantur. Conc. Trid. Sess. 13.
Hie tribuit fidei, Christu.s durch den glauben selig
raaeht,
Meritis dat papa salutem, der babst die werk viell
liöher acht.
Ant. 11. ()j)ortet Episcopum irreprehensibilem esse,
unius uxoris virum et praesbji:ernm sine crimine,
habentem filios fidetes. 1. Tim. 3.
•) Oeüthirt setzt o. a. ü. iirtliiimlicti für salvati ^servati".
198
Si quis dixerit in sacris ordinibns constitatos,
etiamsi non sentiant donum castitatis, posse matri-
monium contrahere, anathema sit. Concil. Trid. Sess.
23. Canon 3.
Hie nabat omni» ait, Christus die ehe will haben frey,
CleroB ast ille repellit, der babst verbeuts der cierisey.
Ani 12. Per viam, quae praecepit Dominus, ambtilate.
Non in statutis patrum vestrorum omisso enim prae-
cepto Dei, frustra me colunt mandatis hominom.
Deut. 5. Marc. 7.
Traditiones Patrum et Sedis Apostolicae consti-
tutiones, pari pietatis affectu et reverentia cum utri-
usque Testaraenti libris serventnr. Concil. Trid. Sess. 3.
Hie hominum commenta vetat, Christus verwirfft all
menschen tandt.
Quae papa tuetur, damit der babst beschwertt all
landt.
Ant. 13. Vulpes foveas habent, et volucres caeli ni-
dos, filius autem hominis non habet, ubi caput sunm
reelinet Matth. 8.
Volumus rusticos tanto pensionis onere gravari,
ut ipsa exactionis suae paena compellantur ad recti-
tudinem festinare. 23, q. 6 c. jam vero.
Vitam re-stituit, Christus die todten auferweckt,
Sanctos erudeliter urit, die heyüchen der ins fewer
steckt.
Ant. 14. Intravit Jesus in templum Dei et ejiciebat
omnes vendentes et ementes in templo et dieit eis:
domus mea domus orationis vocabitur. Matth. 21.
Papa, etiamsi spiritualia omnia promercalia faciat,
nihil tarnen eo ipso criminis admittit, nee sacra ven-
dendo et recipiendo pecuniam Simoniacus erit. Feli9
ine. ex part. 1 de off. deleg. Carta (?). Jae. de Con.
Üb. 4 c. 9.
199
Tendentes pepulit templo, Kaufflouth treibtt Christ
zum tumpel nauss.
Quos alUcit iste. Diu zeucht der babst in Gottes
liuuss.
lt. 15, Omnus sitientes venite ad aquam et qui non
hnbftis argenttim |»nipfnite, eniite et comedite, veiiitt%
emite, abijque vil« tonnnutatiüni'. Esa. 55.
Taxa canoel. apost. quunti vel turpisäinia scelera
rtdimi possiut, docet, utpote sacritegia, perjuria, in-
cestus, bestiulitates, üt bis sirnUin, si tioxi majora.
Die Quellenangabe ftdilt.
Hie prece peccatuiD, Chriütus gibt seine gaben aus
vmbsuiiöt,
Precio sed papa remittit, die d«r baböt verkaufft vmb
goldt vnd gunst.
Von den Antitbr-sun 18—20 sind leider nur noch
die Verse erhalten.
Ant lö. Vectigal aolvit, Christus der Herr gibt selbst
den Zoll.
Clcros hie eximit omnes, Heyn pfaff^n freytt
ehr allzumahL
Int. 17. Distribuit cwnctis caenam, Sein Nachtmahl
gibt Christ unzertrennt.
Qnam mutilat ille, dvr teidig babst es stüm-
pelt und öchändt.
Ant. 18. Spernit Christus opes, Christus acbt wedder
geldt noch gutt.
Papa fjuas corradit avarus^ der babst isaucht
aus der armen bluti
Ant, 1!>. Dat sua Caesaribus, Christu» den Keyssern
dii.s ihre gibt.
Pedibus quos conterit iste. Welche der baböt
mit fuessen tritt.
200
Ant. 20. Ascendit Christus, Christns dt>r Herr gen
Hinimfl fuhr.
Desceiidit ad infera praesul. In Abgrund die
Babilonisch hulir.
Diese Bilder iTrcgtt'n grosses Aufsehen; es erbat
deshalb dtjr regsame ßnclid rucker Michat^l Schmück za
Sfhnialkalden am 25. August 1594 vom Landgrafen
Moritz die Erlaubni-ss, diese Antitlifsuii durch den Druck
mit Holzschnittfn zu vervielfältigen, wünschte aber da-
zu mit Rücksicht atuf die vurraussichtlich entstehenden
Kosten der Herausgab« ein« Unterstützung durch den
Landgrafen *).
Da kein Antwortschreiben vorliegt, so wird der
Landgraf kein Interesse daran gehabt haben^ die Her-
ausgabe der Bilder durch eigne Opfer zu unterstützen,
auch scheint die Absicht Schmucks nicht zur Aus-
führung gelangt zu sein, da sich von einem derartigen
Abdruck nirgenda auch nur die geringste Spur findet.
Als Landgraf Moritz IfiüS bei Einführung der
Verbesserungspunkt« die Kruzifixe und Heiligenbilder
aus den Kirchen entfernen Hess, verlangten die Be-
wohner Schmalkaldens, denen dies besonders unan-
genehm war, dass nun auch die hier besju'ochenen
Bilder beseitigt werden sollten. (Jbwohl es mit diesen
Bildern eine ganz andere Bewandtnis« hatte als mit
denen, die der Landgraf hatte entfernen lassen, säumte
Moritz doch nicht, dem Verlangen der Schmalkalder
nachzukommen, und liess die Bilder in das Schloss zu
Rotenburg bringen. Dort sah sie Herzog Ernst der
Fromme von Sachsen-Gotha 1641, erbat und erhielt
sie zum Geschenk und liess sie in die Bibliothek auf
dem Friedenstein zu Gotha setzen, wo eie Geisthirt
1711 noch sah. Von dort sind sie spurlos verschwunden.
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I
♦) Akten im KöEiglichen Staatsarchiv zu Marburg.
I
68 keine grossen Kunstwerke waren, ist ans der
tik Wilhelms IV. vorn 2'A. März 1589 zu entnehmen,
wo er sagt: >Erätlich ist an allen bililern böse pro-
portion gehallten, seindt auch die augiui gar zu grob
gemalt Item des Sahuitors wie auch des papsts aii-
gesicht siehett einander nitt gleich, soll der niahler
darumb mit allem fleis« diiran sein, dieselben gleich zn
machen, es seindt auch sonst alle angesichter vbti! com-
ponirt.« Wäre i-s auch im Interesse der Gevsanimt-
wirkung der SchlosskapcH« der Wilhebnsbnrg und fftr
die Geschichte der Antithesen werthvoll, wenn die
Bilder noch vorhanden wären, so wird die Kunstge-
schichte durch den Untergang der Bilder wohl nichts
verloren haben.
202
V.
Beiträg:e znr Geschiehte der Schiffahrt
in Hessen, hesonders auf der Fulda.
Von
Dr. Hugo Brunnier,
ßihliothcliar m der Lawkijsbililk'tliek zu Kassel.
IllStchon seit längerer Zeit wird die Stadt Kassel und
J^*^ihre BiirgprsL'haft li'bliaft durch das Projekt der
Schitfbarmacluiiig dfs Fiddaflusaws bewegt, welches nun-
mehr thatsächlich seinur V»Tvvii'kliehiing entgegenzu-
gehen Htlieiiit. Indessen wird die Frage, ob die Fiild»
überhaupt zur Schiffahrt geeignet sei oder nieht, sehr
verschieden beantwortet, und während die einen hoch-
gestellte Erwartungen an den sich neu eröffnenden
HandeUsweg kirüpfen, versproctiLMi steh andere nur ge-
ringen Nutzen daraUvS.
Die Xnkunft wird die Antwort darauf schon geben.
Unwillkilrlieh aber uud von selbst lenken sich unsere
Bbcke in die Vergangenheit, und wir fragen : wie war
es früher mit der Scliiffahrt auf unserem heimatlichen
Strome bi-steilt? Da finden wir denn, da.ss Kassel
JahiliLinderte lang einen bald mehr bald weniger leb-
hiiften Wasserverkehr gehabt haben muss. Wenn dieser
immer wieder erlahmte und die Stadt nicht denjenigen
Vortheil daraus gezogen hat, den sie hätte haben
können, so lag die Schuld weit weniger an der Be-
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BcTiafFenlipit, des Wasserweges als an nachbarlichen Vpr-
hältnisseii, dertsn man hier nicht Hyrr werik-n koniitt. Im
allgemeinen ist hierüber bis jetzt wenig bekannt, und
es verlohnt sich daher wohl der Mühe, die Entwicklung
der Schiff;thrt auf unseren hessischen Striinifn und
namentlich auf unserer nachbarlichen Fulda hibtoriacU
zu beleuchten.
Gewobnlicli wird, wenn van der früheren Schiff-
barkeit der Flüsse die Rede ist, hervorgehoben, dass
selbige zuvor waöserreicher gewesen seien als dermalen.
Bis zum Xn. Jahrhundert wird über die Wahrheit dieser
Behauptung nicht zu streiten sein. Als aber mit jenem
Zeitpunkte die grossen Waldrodungen in Deutschland
allmählich ihren Abschiuss fanden, da konnte auch an
dem Wasserstande der Sü'öme keine grosse Verände-
rang mehr vor sich gehen. Nun ist unsere Kenntniss
der heimischen Schiffahrt vor dem XII. Jahrhundert
sehr gering, darum kommt jene Zeit überhauivt wunig
in Betracht.
Dass unsere Altvorderen auf Fulda, Eder und
Weser (Werra) sich in den ältesten Zeiten bereits der
Kähne und Flösse bedienten^ ist zu natürlich, als dass
man solches erst zu erweisen nöthig hätte. Keiu^mfaUs
können wir aus dem Umstände, dass Tacitus bei seinem
Bericht über den Angriff des Uermanicus auf den chat-
tischen Hauptort Miittium im J, lö n. Chr. von vor-
handenen und zum üeberschreiten der Edder etwa ge-
brauchten .ScliitTen hichvveigt, den Schluss ziehen, dass
die Chatten solche nicht gehabt hätten. Es ist das
auch vfillkoramen gleiehgiltig, so lange wir nicht wissen,
in wie weit unsere Vorfahren sich der iStröme als
Handetswege bedient haben.
Ebenso ist es ohne Bedeutung für die t^oschichte
der Schiffahrt hier zu Land«, dass Sturmi, der Schüler
des Bonifatius, um einen für die Klostergrüudung ge-
904
eigneten Ort zu finden, von Herffeld aus mit einem
Schifft', die Fulda iiafwärlB fuhr*). Wichtiger ist schon,
dass Kaiser Lothar I. i. J. 850 das Kloster Fulda von
Zölh.'Ti und Ab^ubtin bufreit und ilim das Rocht ertlieilt,
d«HS Ihindf'ls wrgtjn zu Landu wie mit iSehifftn zoll-
frei nach alh-n Richtungen hin zu fahren**), wonn auch
die Nachriclit nicht allzu liouh anzuschlagen isl, da die
Namen ih'v Ströme fehU'n. P-rt>t zwei Jahrhunderte
spätsr, als di« Klöster Fulda und Hersfeld bereits in
voller Bliitln; standen, als dii^ einstige unabsehbare
Waldcinüde durch den Flciss der treffliclien Mönche in
bliibeiide Acktrfläclmn umge.schaffen war, i«t es der
Streit der beitlen Kleister über die Schiffahrt auf der
H (i r H e 1, welcher uns einen geeigneten Rückschluss
gestattet ***).
Wenn Hersfeld auf diesem Flüsschon hartnäckig
das alleinige Recht der Schiffahrt behauptete und das
Nachbarkloster lange Zeit ausschln.ss, so kann das nicht
bloss in der schmalen Beschaffenheit des Fliissbettes
seinen Grund gehabt haben, wie man etwa aus dem
nachherigen Vergleiche {v. J. U79) »chliessen möchte f).
Eine gewisse Handt'issrrvalitat rnuss im Spiele ge-
wesen seinj und die Klöster, die für sich und ihre Mi»
Tiisterialen um die Hörselschiffahrt' haderttin, Hessen
ohne allen Zweifel ihre Schiffe auch weiter die Werra
hinauf und hinunter und ebenso auf der Fulda gehen.
Bei der Bescliaffenhett der Landstrassen waren sie, um
die reichen Kurngefälle, die sie überall in Thüringen
*) Ft'iiü'B Vita Sturmi, Momtm. Genn. ed. Pertz, SS. II, 367.
Dass mau in HprsTcld iu den ersten Zuitcn der Ncugründung auch
mit Schiffen auT der Fulda fuhr, xcigt eitio Notiz aus den „Mira-
cuLia 8. Wigherti", M. (?. SS. IV, 224. wo von eiaem Mönche
Gerhelm die Redo ist, der tüglich ülxjr den Fluss fuhr.
") S. Dionkc, Cod. dipl. FulJ. Nr. 5ö8, S. 251.
•••) Hafner, Dio Rpk-hsalitci Ilorsfeld, S. 26 u. 29.
t) S. iMmkc, Cod. dit»i. Fuld. Nr, 720, a. 335.
I
I
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205
wie in Hessen hatten, • fortscli äfften zu können, von der
Natur seihst auf d\f. Wassi'rn't'gi! gewiesen.
Wie hoch wir deren Bedeutung für die ältere Zeit
fiberbanpt anöclilagi-n müssen, lehrt die einfache Be-
trachtung der Lage unserer Städte. Die Veranlas.sung
znr ytädt.t'gründnng gab der Markt. So finden wir
unsere ältesten und bedeutendsten Städte entweder in
der Nähe bedeutender Klöster und Burgen, oder an den
Strömen, oder bei beiden zuglfieh. leb erwähnn nur
Fulda, Hersfetd, Frit.zlar, Frankenbt'rg, Botenburg, Mel-
dungen, Kassel, Münden, Allendorf, KKuhwegt;, Witzen-
hausen, selbst Treysa und Ziegenhain; auch Heimars-
hausen, Trendelburg u. s. w. Wenn ein Ort Markt-
recht erhielt, so war dies in weitaus den mnisten Füllten
die Legalisirung eines bereits besteheiuleii Waarniivt>r-
kehrs, die Stflhtng unter den königlieheii Burin. Kai.ser
Heinrich II. verwilligte z. B. dem Kloster Kaufnngen,
dessen Kirche den Namen Ecclesia .saiittae cnnis führte,
im Jahre 1019 einen dreitägigen Markt auf da« Fest
der Kreuzerhrdiung ; gleiclizeitig schenkt er dem Kloster
die Kirche des heil. Jaliaim^'s des Täufern in Wolfsanger
und verleiht eben diesem Dorfe eiiuvn Jalirmarkt von
3 Tagen am Festt? des genannten Heiligen und Kirchen-
patrons*). Jedesmal i>t also der Jahrmarkt am Kirch-
weihfeste. Bei solchen Gelegenlieiten aber, also beim
ZasamineDstrümen der Nachbarschaften, war es allge-
mein, da.ss aucli Händler lierlieiHhömten, anfangs wenige,
später mehr, je nach der Bedeutung des Ürtes, bis end-
lich das Bedürfnis« Königlichen Schutzes hinzutrat.
Kunfungeu war ausserdem, wie schon der Name sagt,
ein uralt<"r Kauf- und nandeUjiliitz an der Stra.sse vim
Thüringen nach dem Kheine ; uiul Wulfsanger verdankte
seine Bedeutung zweifelsohne der Lage an der schiff-
baren Fulda.
*) Ledderhoacy Kleiuo Scluittca U, 2ä6.
206
Weshalb Kaufangen es nicht zur Stadt gebracht
hat, ist dunkel; Wolfsanger wurde wohl durch das be-
nachbarte Kassel an der Entwickelung gehindert Hier
haben wir die nächste Nachricht über die Scbifffahrt
durch eine Urkunde Landgraf Heinrich Raspes von
Thüringen, vom 10. Juli 1229*). Derselbe befiehlt
seinen Beamten in Eisenach, Kreuzburg, Allendorf,
Kassel und Münden, die Schiffe des Klosters Lip-
poldsberg frei und ohne Zoll auf der Werra und
Fulda passiren zu lassen. Zweifelsohne besass Kassel
damals bereits Stadtrechte**); sein Emporblühen be-
ruhte einmal auf den sich hier kreuzenden Strassen
von Thüringen nach dem Rheine und von Franken
nach Westfalen; sodann auf der Fuldaschiffahrt.
Allein der Handel der Stadt Kassel erlitt einen
schweren Schlag durch das Aussterben des tliQringischen
Landgrafen hauses und die Auflösung der bisher vereint
gewesenen Territorien (i. J. 1247). Namentlich war es
die Occupation von Münden durch Herzog Otto von
Braunschweig, welche dem hessischen Handel in der
Folgezeit schwere W'unden schlug. Wann und auf
welchen Rechtstitel hin der Herzog die wichtige Stadt
in Besitz genommen hat, ist bis jetzt noch wenig klar.
Eine Urkunde vom 7. März 1246***), welche denen von
Münden die alten Gerechtsame bestätigt und einige
neue, werthvolle Privilegien erteilt, ist mindestens in
*) Abgcdr. bei Kuchenbecker, Erbhofiimtcr. BeiL D, S. 6. —
Die daselbBt unter Lit. A. abgodr. iiDdatiito Urkunde L. Ludwigs
(IV. V) von Thüringen spricht überhaupt nicht von SchifTahrt und
kann deshalb auch nicht herangezogen Vrci-den, entgegen Kucfun-
becker a. a. 0. S. 31.
**) Das Privileg L. Hermanns vom Jahre 1839 (Anal. Hass.
IV, 262) spricht nur von einer Erneuorung der verloren ge-
gangenen Statuten. Auch kommt 1225 bereit» ein Civis deCasla
vor (s. Zeitschr. f. hoss. Gesch. N. F. V. 110, Anm. 1).
**♦) Abgedr. bei Kuchetibecker. Erbhofiimter. Beil. F, S. 8,
Bezug auf ihr Datum Zweifeln unterworfen *). In-
dessen ob die llrknnde ocht sei oder nicht, ist insofern
■ ganz einerlei, als sie stets für echt gegolten hat und
die darin enthaltenen Rechte widerspruchslos unerkannt
■worden sind. Dahin gehört vor allen Dingen das der
Stadt verliehene Stapelrecht: alle Fahrzeuge**),
welche zur Stadt kommen, sollen ihre Ladung das*'lbst
zu Kauf und Verkauf aush^gpn, «lamit die .St^-utt davon
gehoben werde.
Merkwürdiger Weise hören wir über ein halb Jahr-
hundert hindurch keine Klage bezüglich der lustigen
Folgen, welche dieses Handelsprivileg für die Städte
an d^r W»-rra und Fnkla gehabt haben miisste. Erst
im Jahre 131() verordnet eine Urkunde Landgraf Otto's
von Hessen, dass, da man die mit Salz durch die Stadt
Münden hindnreh ziehenden Kasseler Bürger nöthigt*,
diu Hälfte ihrer Waaru in Münden selbst zu verkaufen,
deuMündeuer Bürgern bezüglich aller Waaren in Kassel
solarge ein Gleiches auferlegt werden solle, bis sie jene
dem Kasseler Handel nachtheilige Bestimmung aufheben
würden***). Bedenkt^n wir, dass Hessen mit Braun-
schweig in jener Zeit in heftiger Fehde lagf), so ist
immerhin nicht ausgeschlossen, dass in jenen kriege-
rischen Zeiten das Müjidener Stapfdrecht zuerst zur
Anwendung kam, vielleicht die betreffnnd(* Urkunde da-
mals erst in bevvusster, gegen Hessen gerichteter Ab-
sicht gefälscht wurde.
Ob Landgraf Otto's Represaivmassregel Erfolg ge-
liabt habe, steht wegen der s]>äteren Entwiekclung der
Verhältnisse sehr zu bezweifHln. Denn die Mündener
\
•) Vgl. Wmek; Flps.s. Lajidengesch. 11, 4H2. A»üi. Ilgl.
Zeitaehr, für Ivess. Oosch. N. F. X, 297 ff.
•*) Vccturp, — also im wcitrslnn Sinup.
•••) Annl. haus. ed. K iK-hcnbpckni-, IV, 267.
t) S. Hofnmel, Hess, Gesch. JJ, lOö IF.
208
Stapelgerechtigkeit blieb nach wie vor bestehen und
wirkte jedenfalls lähmend auf den Verkehr der Stadt
Kassel ein. Diigcgen erlangte diese im Jahre 13S6
auch ein Stapelreciit. Kaiser Ludwig IV. ertheilte zu
Schleusbigen auf üitteii L. Heinrichs II. der Stadt das
Privilng, dass alle durchziehenden Kaufleute verpflichtet
sein sollen, ilirt- W'aaren drei Tage lang zum Verkaufe
daselbst auszulegen *). ZweifelloH wollte der Landgraf
damit die Hebung der von ihm «rweiterten Stadt
bezwecken, und dafts es ihm gelang, dafür reden man-
cherlei directe und indirecte Reweise. Ueher den SchifFs-
verkfhr spectptl haben wir aber lange Zeit hindurch
k«iui'rlci erhebliche Nachrichten ; nur der Familienname
>Sclu"ffmann', dem wir im Anfang des 15. JHhrhunderts
in Kassel begegnen, deutet allenfalls darauf hin.
Schwerlich konnte in den Fehden Landgraf Her-
raanna mit Mauisj, Thüringen und namentlich mit Her-
zog Otto von ürannschweig die Schiffahrt gedeihen.
In dem Friedensverträge de* Letzteren mit L. Hermann
vum L August 1389 ist wenigstens von diesem Fuidite
gar keine Rede**).
Im folgenden Jahrhundert wird niih der Verkehr
wiederum besser gestaltet haben ***). Zweifellos kamen
*) Abgeilr. bei KHchetiUrker. Ei UliofitnUer, Beil. U. S. 21 f.
— Diese Urkunde hat vci-SL-liicdeue AuKleguiigen orfuhren. Die
hessische Cfmtfi^ifn (hpj K»rlic7if>fri-rr. Anal. Hase. Coli. 1, S.
4 f.) schreibt ihr die Ent»tobiiiig der 3 iUte.'^tea Kftfiseler M^rklo
zu, — wüför allerdings der WorÜaut dersüllam durt'haiiH kouien
Aiibalt bietet. — Sfltninickf in seiner Beschreibung der Stadt
Kaasel, 8. SGO, will das Staiieli'peht auf alle Scbirfo beziehen,
■welche der Stadt vorlwifahren ; allt'iri von ychiffen ist in der Cr-
Jiuiidc überall kdim Ri.'de. wxh tjatiirlich nicht ausschltesüt, dasa
eolcbc auch dou Sta]jol anszu halten batteiv.
*♦) Äbßcdr. iu dieser Zeitsclui». N. F. Bd. XI, S. 298, ff.
•*•) Eiuon Hauirthandelsartikel bildete der Waid, deeseo bei
Gelegenheit der Verzollung auf der Wem ni Witzeuhausen tuid
^
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I
209
die verhältnismässig ruhigen Zeiten im 15. Jahrhundert,
welche dem Handel und Wandel im ganzen Reiche
einen mächtigen Auf^ichwung gaben und an vielen Orten
die Veranlassung zum Abschlüsse von Handelsverträgen
wurden *), auch unserer jjeijnisclien Schiffahrt zu Gute.
Das ersehen wir aus einem Vertrage, den Hessen und
Braunschweig zu Anfang des 16. Jahrhunderts abzu-
ßchliessen für gut fanden.
Im Jahro 1506 nämlich schlo&sen Herzog Erich
d. ä. von Braunschweig -Kaienberg und Landgraf Wil-
helm <1. m. von Hessen innen Unionsvertrag, kraft dessen
»ie sich dahin vereinbarten, dass ihre Unterthanen gegen
gewöhnlichen Zoll, Zins und Wegegeld in ihren beider-
seitigen Ländern und Gebieten zu fahren, zu fiiessen
und nach aller Nothdurft zu handeln und zu wandern
Freiheit haben sollti;n**). Im besonderen trafen Ab-
geordnete beider Fürsteii im Jahre 1509 zu Höxter
eine Vereinbarang hinsichtlich des Weserstromes. Man
verglich sich dahin, dass man diesen Strom und die
Schiffahrt darauf sichern und von aller Gewaltthat frei
halten wollte. Ebenso wollten die Fürsten daran die
gleiche Anzahl Zölle und in dem gleichen Betrage
haben; die Furten sollten mit gleichen Kosten zu be-
nutzen stehen. Und weil die Weser zur Schiffahrt
damals nicht geeignet war, so wollten sie dieselbe in
schiffbaren Stand setzen lassen.
Allendorf Mulig Erwäbmiug gcscliicht. Latidaü's Collect, auf der
Kasseler Landoshibliothek.
*) S. Ijanijn-eeht, Doutsches W'irtLschaftslobcn im Mittelalter,
II, 294 f.
•*) Diese VürlüUtnisse, soweit sie Hessen und Firnunscbwcig
betreffen, fintlt?n sich doi-gestollt in eiiior oret kiirdicli von mir
aafgefundouou Hnndischrin der Stündis^hon Laiidcsbibliutliek zu
Kaxsel au.s dorn Ende des XVII. .lAlirliundoiLs (•iign. Mss, Haas,
4" 256), mit dfni Tittl: ,ReUtiü Histurico lu sülIiüij llosson
S. F XVI Bil 14
■a
210
Vergleichen wir hiermit, was Wilh. Loixe in seiner
Geschichte der Stadt Münden, S. 27 f., sagt. Es heisst
daselbst: „So auch hatte Herzog Erich schon einige
Jahre vorher in seiner Sorge fär das Wohl unserer
Stadt die privative Schiffahrt der hiesigen Schiffer vor
Fremden aof der Fulda sehr ausdrücklich in Schatz
genommen. Die unserer Stadt zustehende Stapel-Ge-
rechtigkeit war der hessischen Regierung in Kassel
immer ein Dorn im Auge, ohne dass dieselbe der Aus-
übung unseres Rechts Abbruch zufügen konnte.
„Doch während der Abwesenheit Herzogs Erich
lagerte sich einstmals Landgraf Wilhelm II. von Hessen
mit seinen Kriegsvölkern auf der Rothenbahn (Rabanen-
kop *) und Hess das hierunter in der Fulda befindliche
Lachswehr, welches die freie Vorbeifahrt der hessischen
Schiffe hinderte, wegreissen.
„Aber der Herzog nebst seinem Bruder Heinrich
von Braunschweig Hessen solches wieder in den vorigen
Stand setzen.
„Den ersten Pfahl rammte der Herzog selbst ein
und sagte dabei sehr eifrig: »Wer mir den ausreisset,
der soll mir auch Land und Leute nehmen.«
„Er Hess de.shalb oben auf dem Tanzwerderthore
den jetzt noch dort an der Brücke stehenden steinernen
Löwen aufsteUen, welcher, das Schwert in seiner Pranke,
trotzig hinaufschaute nach der Höhe des Rothenbahnen-
kopfes, wo sich die Hessen mehrere Male drohend ge-
lagert, um uns in feindlicher Absicht Schaden zuzufügen."
Diese leider ohne genaue Jahresangabe erzählte
Begebenheit fallt zweifelsohne in die Zeit des hessisch-
braunschweigischen Streites von 1498 — 1500, der durch
contra Braunschweig. Die freye Schiffahrt auf der
Fulda. Werra und Woser betreffend".
*) Sind beide Namen wirklich identisch? Rabaneokop würde
jetzt „Rabenkopf' lauten!
die Zusammenkunft Erichs mit L. Wilhelm IL int Boarfe
Spickershauspn an iler Fulda ge«Mitligt wurde*). Die
Theilnalirnc nt-rzog rieinrielis un der Abwehr des hes-
sischen Angriffs lässt ebt*nfails rlaniuf schliessen,
Ifinsichthdi (hr FiiUhisL-hilTiilirt scheint hiernach
L. VVillmliii II. ziuiiichst nichts errt-icht zu hüben. Der
Vertrag vom Jahr«' läfl6 dagegen lässt in seiner All-
gemeinheit keine aiiiliTe Antf'itssung zn, als dass auch
hier Herzog Krich ffini-n luspriinglichen Widerstand
habe fallen lassen.
Der Sfdui nnd Nachfolg»'r Wilhelms d. m., Land-
graf IMiilipp der Grossmüthige, traf in den dreissiger
Jahren des XYl. Jahrliuiideit inne Reihe wichtiger Be-
stimmungen zur Ht^buiig von Handel und (IpwHrhe im
allgenn^int^n**). Einen schweren Liebelstand, unter dem
die Schiffahrt zu W'uhn hatte, stellt der § 49 seiner
peinlichen Halsgericht.s-Ordnurig v.J. 1535***) ab, das
ist das .sogenannte Strandrecht, jener eigenthümliche
Recht.sbfgriff, wonach ein auf Grund gerathener und
schiffbrüchig gewordener Schiffsmaiin den Anwohnern
des betr. Orte.s mit LmK Schiff' nnd allen Gütern ver-
fallen war. iJie V<'rordnung des Landgrafen ist des-
halb von [ujucipieller Bedeutung, weil sie ausspricht,
dass die Wasper.stmssfn künftighin der privatrechtlielien
Sphäre entzogen und unter den Schutz des Staates ge-
stellt sein Bollten.
Tlin.sithtlich des Fuldastromes allein brachte das
Jahr Ib'iii tüne Vereinbarung. In diesem Jahre hatten
die beiden Fürsten, Herzog lirich und Landgraf Philipp,
*) liommel, IIoss. Clesch. III, 114 iT.
**) Ij. Philipps Reformations-Orilnmiig. ontli. im I. Bande
lor Floss. lÄiitlosoixIiiungcD. Ausp^nbe v. .1. 17(57. Vergl aui-li
Übel tlieheti (iigeuMaml Nunjmcl, Hess. Gesch. IW. IV, S. I!l3 u.
Aon». S. 15r. ff.
••♦) Eheiiila S. 87.
u*
^1^
einp Zusammenkunft in Kassel znm Zwecke der Aus-
gleichung von Grenzsti'eitigkeiten im Amte Sichelstein.
Bei dieser Gelegenheit wurde ausdrücklich verabredet
und beöchlossen, dass, abgesehen von der Fischerei, die
Schiffahrt und der Waaserstrom der Fulda
frei und offen bleiben solle wie von Al-
ters her.
Trotzdem durch solche Verträge nun für Hessen
die freie Fahrt auf den beiden genannten Fiüssen (und
ebenso auf der Werra) hätte frei und unbehindert sein
sollen, begannen, «ttwa gegen das Jahr 15H1 zuerst
wieder, die l'^inwoliui-r von Münden den hessischen
Schiffern Schwierigkeiten in den Weg zu legen *). In
dem Jahre nämlich liessen Bürgermeister und Rath
der genannten Stadt, gestütjst auf jenes alte Stapel-
rechtÄprJvilegium, durch den braunschweigischen Amt-
mann ürbanus Regius dasidbst Beschlag auf das SchiflF
eines gewissen Kurt Krüger aus Kassel legen und ihn
selbst sogar gefangen setzen, angeblich weil er etliche
Jahre zuvor ihrem Verbot zuwider bei Tag und Nacht
der Stadt Münden vorbeigefahren sei, ohne sich an jenes
Stapelrecht zu kehren. Da Krüger aus seiner Haft ent-
wich, so wurde sein eingeladenes Salz zu Münden zu
öffentlichem Verkaufe ausgesetzt, nach eigenem Be-
kenntniss der stiidtischen Behürdii daselbst in ilirt*m
darüber an die hessische Regierung abgelassenen Schrei-
ben (v. 11. Sept. 1561).
Nun folgten He[>re8salien. Der hessische Amt-
mann zu Trendelburg^ weil er auch ein Achtel Salz in
•) Die Erhöhung des WesorzoUe» zu Holzmioden durch
Herzog rieirnuh vou BraunRchwoig-WoIfcDbüttel zum Nachtheil
des hessischen Salzhmitlel.s kommt liier wotitger in Botraeht, zumal
sie durch oiogii Erla.ss Kaiser Karls V. vom J. 1541 (abgedr. in
den hoss. IjiiideKordiiuagon, Dd. I, S 423) abgestellt wurde. Vgl.
Itotmwi, U. U. Bd. V, S. 295; dgl. 25d.
jenem Schiff gehabt hatte, lies« durch den Znllverwalter
zu Giebehverder ileni Bürgerrnüister von MimuIhu, Hans
Matheiis, 2 Tomifn Butter, welche von Brniuen kamen,
mit Beschlag belegen. Und die Mündener nahmen
dagegen dem Kasselei* Bürger Hans Schröder seine
Bremer (d. h, Coloniat- und Spezenn-) Waaren fort.
Indessen da «ie sich erboten, gegen Losgebung der
Butter auch Salz luid übrige Wuaren frei zu lassen, so
ergingen die entsprechenden Bof^lile, und man meinte
hessiecherseits d'w Sache mit einem Verweis, den man
den benaL-ld)artiot TlHhürdcn in der Gegenschrift vom
13. September ertheilti-, für immer beigelegt zu liabfn.
Nicht so die von Münden. In eben dem Herbst
hatte der Landgraf durch den Hentsehreibi^r Henrich
Hesse zu Trendelburg einige hundert Viertel Frucht
ausserhalb des Landes aufkaufen las.sen. Um sie nun
Ton Veckerhagen aus nach Kassel bringen zu können,
liess er Bürgermeister und Rath zu Munden um die
freie Durchfahrt ersuchen, — eine übel angebrachte
Höflichkeit, wie sich bald zeigen wird. Denn diese,
mit aller mtiglu'hen Entschuldigung, beriefen sich wieder
auf ihr altes Privilegium uiul weigerter» sich (in einem
Schreiben vom 30. Nov. 1561), die Frucht anders als
in Mündiscfien Schiffen nach Kassel führen zu lassen*).
Ein iandgräflisches Schreiben vom 8. Deccmber wider-
sprach zwar ausdrücklich jenem angemassten Rechte
und erklärte, das« man hessi-soherseits nicht gewillt sei,
so sich diu freie Schiffalirt auf den offenen Wasser-
strömen sperren zu lassen. Doch die Mündener ent-
•) Iliemüt tritt die Angelogonhoif in ein onues Sfadium.
Es ist intcre».sant va. bGobachteti, wie die Müiidcuer aus ihrem
ufsprünplichen 8lnpc4rcclit. d. li. der blosse» Verpflichtung der
fremden SchilTer in Münden anzulejjen, jetzt das Recht eiitvvickGlu,
aileiQ don Fluss befahren und allo anderen übcrliaupt vun der
liffabrt ausschliesHen au dürfen.
214
gegneteii schlau: ilt?r Lainlg:r.if habe ja selbst
durcli sein Krsiichen iiin freie Durchfahrt
das Recht der Stadt MündBii auf Sperrung
anerkHiiiit Und es blitb jenem thatsächlich nichts
anderes übrig, als die Frucht unterhalb der Stadt aus-
lade!) und auf Wagen iiaeh Kassel führen zu lassen.
Im Jahre 1572 wollte Landgraf Wilhelm IV. etliche
Schock Dielen von Sulmuilkaldeu auf der Wwrra und
dann an Rlünden vorbei auf der Fulda durch »einen
Schiffsniaiin nach Kassel führen lassen *). Es scheint,
dahtj sie in Münden umgeladen wiu'den. Denn auf An-
halten der dortigen Sthitfer legte der braiinsehweigische
Kanzler lleich tlaselbist Beschlag auf eijien Tlieii der
Dielen, den der Landgraf am 5, Juli alduden lassen
wollte. Sofort wurde he.ssischerseitö um Aufhebung des
Arrestes nachgesucht, aber wiederum erklärte die Re-
gierung in Mumien, obwohl sie aus Hücksiclit auf den
Landgrafen bereit war, für diesmal die .\bholuug der
Dielen zu gestatten, dfuss es ein unvordenkliches Her-
kommen sei, die für Kas.sel be.stimmten Waaren nicht
anders als in Slündener Schtflen zu tran.sportiren luid
dass sie die erbetene Erlaubtiiss nur gebe unter
*) Eid ußdÄtirtea Memorial Laudgi-. Wilhelms auf der Stand.
Landesliilil. zu Ka>vsel (Lomhin'ivhc l.Villt'ot, k. v. St-liiffiahrt) be-
zieht sH'h jodoii falls hicrnul; es laufet ausziiglich : Punkt 2) I'riser
Cauxlcr (Heiiihaid Seboircr) tiad gclidiilo fijito soUcd der Seliiflahrt
ao dov Fulda und Wona eiugcdeuk sein uimI die nicht ia V'ergeas
stolli'ti; und Mnidorlieli, das« Dr. Canis (der Viiekanilor) und
ilarsack zu Al*li<inint5 dor Sfliifflcutc zu Allendorf, Escbwege und
WitzeuliauscM abj^poixhiot wriden. — l'uukt 3) Wir bedächtea
au<'li Inoiliei nicht uiviaHiMinili soiii, duss zu Was.ser etwas, das
nicht viel zu liedeuteti und di'.s voiiiuittiehen .\rre.sts erwarten
könne, wieder vor Münden über hinauf naih Kassel geführt und
do es von den Brauiisohweigischen arrestii-t, alis dann dem L'amtner-
goricht aoslüluliclier Hoiiflit gcthau, wie es dabevor mit der
SrliifTiihrt herkommen etc. und daiauf ein Muudatum sine olausula
init>cUiii wei-do.
I
ansdrüc klichpm "Vorbehalt der alleinigen
Schiffahrt auf di<r Fulda für ihren Laiides-
herrn und die Stadt Münden.
Vergebens machte Hessen dagegen das Yölker-
reclit geltend, wornaeh alle Schiffalirt auf den offenen
Strömen frei sein snlk-. Vt;i-ge)>ens berief man sich auf
den Vertrag von 1536, der doch keinen Sinn halje,
wenn nur einer der beiden Contrabenten der Berech-
tigte «ei. Britun.schweigiöelierseits wandte man stets
das unvordenkliche Herkommen ein und bezeichnete den
Wannenstein*) als die Grenzstheide btnder FürNten-
thümer, darüber hinaus kein liessisehes Schiff kommen
dürfe. Auch die Entsendung hessiücher Rätlie naeli
Münden im Jahre ]o73 und üire mündlichen Yurstel-
lungen blieben erfolglos. Darum ent-^chloas sieb end-
lich Landgraf Willielni IV. zur Klage V>eim Keichs-
kamniergericht in Speier. Er wirkte ein Mandatum
sine clausula de rela.xando arresto wider Hi-rzog Erich
zu Braunsehweig und .seine Käthe aus und lie^s solches
zu Münden am 2. Mai 1573 insinuiren. Hierauf wurde
der Arrest zwar aufgtdiobeir, aber die Mündencr Hessen
nun die Oielen durch ihre Schiffsleute nach Ka.>jael
fahren und dort am Ufer niederlegen^ wa» dem Land-
grafen wiederum nicht recht war. Denn er liess beim
Reichskammerger ichf an den braunschweigischen An-
walt die Forderung stellen, zu erklären, dass diese
Lieferung der Dielen nicht anders verstanden werden
solle, als wenn der Landgraf sie durch seine Schiffer
hätte abholen lassen; sowie dass derartige Beschlag-
nahmen vor der Sachen ordentlichem Austrag wider
Hessen nicht ferner verhängt werdf^n sollten.
Hierauf Hess sich der braunscliweigische Anwalt
natürlich nicht ein. l'ir erkliU-ti^ nur zu Protokoll, dass
*) Vielleicht der Wcmjnberg gegonübor Wilhclmshauscn
der Fulda.
216
der Arrfst aufgehoben und dem Mandat Folge gegeben
sei. Im übrigen inachtu er an» 23. Sept. 1573 die
Zeugen für den Beweis des seit unvordenklicher Zeit
ausgeübten Rechtes namhaft und brachte damit den
Rechtsstreit in den gewöhnlichen langsamen Gang des
Proiessverfahrens. D^nn erst am 16. April 1577 kam
es zu deren AbluVrung.
Mittlerweile Hess Landgraf Wilhehn auch seineN*
seits bei den Schiffern des Werrasfronis wegen der auf
diesem früher ausgeübten freien Schifffahrt Erkundigung
einziehen und gab dt?n hessi-schen Beamten daselbst,
insonderheit dem .Schnltheissi-n Knnrad Motz zu Witzen-
hausen, den Befehl, keine Mündener Schiffe fortab dort
vorbei passiren ku lassen. Gleichzeitig Hess er eine
neue Ladung Dielen die Weser herauf bringen, und als
der Bürgermeister Hans Matheus in Münden abermals
Beschlag daranf legte, Hess er beim Reichskammer-
gericht ein zweites Mandatiun sine clausula auswirken,
— nicht aber gegen die Stadt Münden, sondern direkt
g^en die braanschweigischen Käthe daselbst (den 27.
Aug. 1573).
Ob nun zwar diese die Exceptio nullitatis et ob-
reptionis gegen das Mandat emwendeten, da weder sie,
noch ihr Herr der Herzog von dem Arrest wüssten oder
solchen verhängt hätten, bewies man hessischerseits
doch durch beigebrachte Schreiben, dass es der Hof-
richter und die Käthe seien, unter deren Autorität die
Beschlagnahme erfulgt sei, und am 28. September er-
ging unter Strafandrohung ein IJrtheil an die Genannten,
binnen Monatsfrist die geschehene Folgeleistung anzu-
zeigen.
Indessen der Monat verstrich, es gingen Jahre
hin. Schriften wurden herüber und hinüber gewechselt,
mid am 22. September 1579, also nach fünf Jahren,
fand das Reichskammergericht es sogar für nöthig,
_J>etr
noch einmal Beweis darüber erheben zu lassen, wieviel
der hessischen Dielen es gewesen und an was für Orten
dieselben hingelegt worden seien, wozu die Zeugen-
vernehmung wiederum nicht, vor dem 4. Sept. 1581
stattfinden konnte. Die hessische Btjweisschrift mit den
treffenden Aussagen wurde sogar erst am 11. De-
ber 1583 übergeben.
Inmittöls starb Herzog Erich IL, and sein Land
fiel an die Verwandten von der Wolfe nbütteler Luite
(1584), und auch Landgraf Wilhelm IV. wurde (im J.
1593) zu seinen Vätern versammelt Daher entschlum-
merte auch der Streit über das zweite Rlandatum sine
clausula und blieb von 1583 bis 1598 ganz liegen, ebenso
ein dritter Rechtsstreit, der eigentliche H a u p t p r o c e s s,
den wir hier vorläufig kurz erwähnen wollen. Um
nämlich für die Werra die gleiche rechtliche Basis zu
erlangen wie für die Fulda und Weser, — denn auch
da wollten die jMündener ausschliesslich privilegirt sein,
— Hess Landgraf Wilhelm im Jahre 1574 ein AUen-
dorfer Schiff mit Waid nach Bremen abfertigen und
den Stadtachreiber von Allendorf als Begleiter mitgehen,
damit im Punkte des Rechtes nichts versehen werde.
Das SchifT hatte das nämliche Schicksal wie die übrigen,
und so reichte denn Landgraf Willuilm im Jahre 1578
im Verein mit den hauptsächlich interessirten Städten
Kassel, Witzenhausen, Allendorf und Esch-
wege gegen Herzog Erich und die Stadt Münden Klage
ein, wesentlich verschii;den von den früheren insofern,
als es sich hier nicht um Aufhebung von Arresten,
sondern um Freigabe der gesamraten Schiffahrt han-
delte, Wir wollen diesen Proce.s8 einstweilen seinen
ruhigen Gang gehen lassen und uns zunächst wieder ins
Jahr 1574 zurück versetzen.
Wie bereits gesagt, hatte in dem Jahre der hes-
sische Amtmann in Witzenhausen gleich bei Beginn der
M
218
Streitigkeiten den Befehl erhalten, keine Mündischen
Schitfn nn^Itr vorhei piiasiren zu lassen, und hatte dem-
entaprecliend vi-rfahren. Hiergögen erhob, wie nicht
anders zu erwarten, di-r Ruth von Münden bei der
hessischen KygiLTung Beschwerde.
Ab(*r ohwolil er ein Privüegiuni, das kurz zuvor
onf dem Rfich.süigt? zu Siiuier (den 15. Dec. 1570)
Kaiser Maximihan II. diT Stadt Münden verliehen hatte,
und das ansdrikklich den dortigen Kürg<'rn ihre Güter
zu WiLsser und zu Land gegen Arreste und Kepres-
halien in Schutz ualmi, in Ka.ssel insinuirte, und un-
geaditet Herzog Erich sieh ;)ersüiiiicli an Landgraf Wil-
helm wandt«: hessiiicherseits erklärte man kurzweg,
das kaiserliche l'rivilegiuui könne und dürfe dein Land-
grafen an den ihm in seinem Lande zustehenden Re-
galien und fürstlielien Gerechtigkeiten nicht nachtheilig
sein ! Wollte aber die Stadt Münden den hessischen
Schiffern die freie Ihirchfahii gestatten, so würde die
Regierung auch ihrerseits zu allem freundnachharlichen
Entgegenkommen bereit seiru
Dazu konnte sich die Stadt nun allerdings nicht
entsehliessen, und die Folge davon war eine Verkehrs-
sperrung, die auf so kleinem Gebiet mitten im Reich
zugleich läclierlich und unerträglich sein musste. Die
Mündener verboten niindtch ihren Schifi'sleuten, die
Bremer Waaren stromaufwärts weiter ins Hessische
zu befördern. I*afiir raussten sie aber auch ihre aus
Thüringen kommenden Handelsgüter statt auf der Werra
auf der Achse nach Münden führen lassen. Erst auf
ihr vielfältiges Bitten wurde diese Sperrmassregel im
Jahre 1582 vom Landgrafen etwas gemildert.
Wie sehr derartige Massregeln zugleich mit der
rigorosen Handhabung des Stapelrechts auf zahlreiche
Verhältnisse, namentlich aber auf Handel und Gewerbe
lähmend einwirken mussten, liegt auf der Haiid. Im
I
Lanfe der Jahre scheinen sich die Verkehrsbeziehnngpn
natnrgpmäss von selbst zum Bessern gttregelt zu luiben.
Nur war es nicht zu unigelien, tlass bis zur enclliclu-n
Entscheidung des Procpsses dieMüml(*ner im aiisschliess-
liclien Bi'.sitzf der .Schiffahrt blieb<.'n. neruiodi seln-^n
wir aucii ab lunl zu das ^tapelivcbt in seiner sthroffen
Form wieder zur Anwendung gebracht, vielleicht um
es nii'ht aus.ser üebung kommen zu lassen tuid seiner
Verjährung vorzubeugt^n. leinen .'5<)l€lien Fall werden
wir weiter unten zum Juhr(^ 1612 erwähnen. Die Auf-
regung, die er liervnrrief, zeigt, dann diu Ausübung des
Rechte» etwas ung<;wtib[dic]jcs war. Indesstin wenn auch
die VerkelirsbezieJiungen zwischen Kassel und Münden
sich mit der Zeit freundlicher gestalteten: schon die
Thatsache, dass letztere Stadt mit Hülfe ihres Privilegs
Spedition und Zwischenhandel in die Hände bekam, ge-
nagt zu der Erklärung, weshalb ein richtiger Geschäfts-
verkehr hier in Kassel nieht aufkommen konnto, «lenn
das Stapelrecht dieser Stadt konnte den Miindenern
wenig schaden. Sollte deswegen luisere Nacbbarstadt
Mtinden durch den Anschhiss Ka-ssel« an die Weser-
schiifahrt geschädigt werden, so könnte man versucht
sein, darin einen Akt der historischen Gerechtigkeit zu
erblicken.
Kehren wir inde.s.sen zu unseren Proce.ssen zurück.
Was aus dein ersten derselben geworden ist, darüber
schweigen wir um f*o lieber, als auch die Qmdlen dar-
über schweigen. Den zweiten im Jahre lö83 ent-
schlafenen ualini Landgraf Moritz im .fahre l.'>98
wieder auf, indem er beim Reichskammergericht die 15
Jahre zuvor eingereichte Prubatiunsschrift wiederholte
und darum nachsuchte, dass dem Uegner auferlegt
werde, sich zu erklären. iJies geschah. Der neue Her-
zog Heinrich Julius (seit 1589) aber wandte nun
ein, daßs er wohl der Lehensnachfulger Herzog Erichs,
220
nicht aber dessen Land- (d. h. Allodial-) Erbe sei, und
dasK ihn der Proces-s dahiM' gar niclit-s angehe. Hier-
gegen macht* Hessen mit. Recht geltend, dnss der Herzog,
indem er den im Jahre 1578 über die freie Schiffahrt
auf der Fulda, Werra und Weser angefangenen Haupt-
process wieder aufgf^nomnien hahi", hierin als Lehens-
nathfolgHr Herzog Eriths, nieht aber als Landerbe gehan*
deät. habe. Clleiuliwie die Landerbim nicht das Fürsten-
thum Braunscliweig und dessen Ciprechtigkeiten erbten,
also könnten sie auch nicht die darausfolgenden Proce-sse
erben. Vergehens! Der braunscliweigische Anwalt blieb
in seiner, den Ifi. Äkii l&ib übergebenen Erklärung bei
seiner alten Einrede, wiederholte sie 1607 noch einmal
und brachte damit den Process wiederum ins Stocken.
Wn.t endlich den 1578 begonnenpn HauptprocesB
anlangt, so war dieser bis zu dem t^ben genannten
Jahre 1607 glücklich .soweit gediehen, dass der hes-
sische Anwalt anf .schkninige llrtheilssprechung dringen
zu dürfen glaubte, iudera er um Verwerfung einer von
Mündt^n im Jahre 1597 erhobi'nen Widerklage nach-
snchtp. Als aber das L'rth<*i! so bald nicht t^rfolgte,
vielmehr wiederum der Jalire sech-s oline Entt^cheidung
ins Land gingen, verlor endlich Landgraf Moritz die
Geduld und schickte sfincn Rath Wilhelm Burkhart
Sixtinus im J. 1Ö13 eigens d^swegi-n nach Speier.
damit er bei dem Kammerriditer und den Assessoren auf
Keschlennigung des Rechtsganges andringe. Die un-
mittelbarn Veranlassring zn diesem Schritt mochte ein
an sich unbmkrutender Vorfall sein, der sich zu Ende
des vorhergehenden Jahres in Kassel ereignete und auf
den ich oben bereits hinwies*).
Im Decemher 1612 kam ein Fuhrmann aus Wicken-
code mit cthchen Karren Weines in Rassel an, den er
*) Akten des Kasseler Stadtarchivs, J. 190 z. J. 1612.
221
hier in Schiffft laden und gen Münden führen lassen
»wollte, denn der Wein gehörte dieser Siidt und war
Yon ihr am Rhein gekuuft. Da liess der Magistiat von
Kassel den Fuhrmann aufs hiesige Rathhaus fordern
»und ihm anbefehlt'n, er solle etliche Fass seines Weines
liier stechen und der Stadt verkaufen. Wenn er aber
nicht selbst den Preis der Weine setzen könne, so möge
er hinab gen Münden ziehen und dun Stiidtweinschenken
von dort herauf bescheiden, mit dem wt;rde man sich
Bdann des Preises einigen. Natürlich wollte der Fuhr-
^■Ann sieb dazu nicht verstehen, auch nicht, als man
^^OTi vorhielt, das» zwei Jahre zuvor bereits in ganz
gleicher Weise verfahren sein. Er verstieg sich sogar
Ixu Drohungen ; aber hiermit kara er bei dem Magistrat
von Kassel ühfl an. Und mürbe und eingeschüchtert
verstand sich dtir Mann endlich, — es war schon Nacht
und die Herren wollten eben vom Rathhause fortgehen,
— dazu, zwei Fass zu stechen. Wpgen der Auszah-
lung des Kaufpreises verwies man ihn an den Stadt-
zäpfer.
Allein wpt nicht erschien, um das Geld abzuholen,
Iwar der Fulirmann. Andern Tages verhid er seinen
übrigen Wein in die Schifie und fuhr ab mit den spöt-
tischen Worten : die hc*it(Mi Weine liätten die Herren
auf dem Rathhause doch nicht hinkommen!
Der erst« Gegenschlag, den Münden that, war die
Beschlagnahme etlicher Tonnen Brandheringe, die einem
hiesigen Kaufraanne gehörten. Der zweite war ein»
schriftliche Vorstellung des Rathes an ihre hiesigen
CoUegen, worin sie gegen die geschehene Ge%valtt,hat
protestirten und die Herau-sgabe der Weine nebst voSlur
Entschädigung beanspruchten, widrigenfalls aw. beim
Herzog unverweilt entsprechende SchrittK thun und
Klage pjnrpiehen würden. Der Magistrat von Kassel
antwortete durch eine und nachher noch durch eine
222
zweite Gegenschrift, worin er den Sachverhalt umständ-
lich darlegte und aus der wir folgende Stelle hervor-
heben, weil daraus die mehrfach geschehene Ausübung
des Stapelrechts durch die Mündener sich ersehen lässi
Es heisst da: »Es sei un vorborgen, wie die von Mfinden
je bisweilen die Kasselischen Bürger, wenn sie mit
Victualien und sonderlich mit Frucht in Münden an-
langten, angehalten, ihre Waare daselbst niederzulegen
und feil zu halten, es auch bei etlichen dahin gebracht,
dass sie es thun müssen, dessen sie dann sonderlich
wollten privilegirt sein. Das aber sei man in Kassel
auch; man habe ein solches Becht ohne Widersprach
schon oft ausgeübt, und könne Privilegien von Bom.
Kais. Majestät darüber vorlegen. Man traue ihnen als
verstündigen Leuten nicht zu, dass sie das, was ihnen
selbst recht sein solle, andern nicht auch gönnen wollten.
In Kassel wolle man gern den Commercien, die nach
der Völker Becht frei und ungespannet sein sollten, ihn«
freien Lauf lassen, und es liege nur daran, dass die
Herren sich auch dazu bequemten. An Be.stitution der
Weine sei nach Lage der Verhältnisse zwischen den
beiden Städten nicht zu denken, dagegen liege der
Preis von 164 fl. jederzeit zur Abholung bereit, ge-
schehe dies nicht binnen 14 Tagen, so werde man das
Geld gebührlich de^oniren, dessen man aber um nach-
barlichen Verkehrs willen gern geübrigt sein möchte.«
Von diesem gütlichen Vergleich wollte der Bath
von Münden nichts hören. Er verklagte vielmehr die
Stadt Kassel am 22. April 1613 bei der hessischen
Begierung dahier und Hess die Klageschrift 2 Tage
später durch Notar und Zeugen insinuiren.
Die Entscheidung des Processes fehlt in den Akten
des hiesigen Archiv.s, der wahrscheinlich in Speier
weitergeführt wurde. Denn merkwürdig ist auch, dass
das so wichtige Privileg Kaiser Ludwigs, auf das
22a
I
I
I
I
das iStayvelrPcht dpr StaJt Kassel gründen soll,
weder unter dtiii Urkunden der Stiidt", nticli im Staats-
■Bchiv vorhanden ist. Wir bositz«n hier nur eine (der
Handschrift des Stadtachreibers nach) in eben dem
Jahre 1613 angefertigt!! Copie; woraus zu scbliessen
ist^ dass das Original, wie so viele andere Beweia-
urkunden, bei den Akten des Reicliskammergerichts
liegen geblieben ist.
Jedenfalls war der Vorfall dem Landgrafen Moritz
ein Sporn mehr, in Speier auf rasche Entscheidung zu
dringen, w'w. oben bereits ausgefüllt wurde. Sein Rath
Sixtinns begab sich also dorthin und erreichte aneh in
der That soviel, dass die Processakten hervorgesucht,
ad refprenduni gegeben und die Refi-renten vom Kannner-
richter «ermahnt wurden, sich mit ihren Relaiionpn zu
beeilen. Dass darüber wieder Jahre vergehen mussten,
war selbstverstiindlicfi.
Ebenso natürlich aber musste es sein, dass solcher
jämmerlichen Reichsjustiz gegenüber die Stände darauf
bedacht waren, ihre Streitigkeiten auf anderem Wege
auszumachen. Nicht mehr durch den Fehdegang, wie
ehedem, sondern unter .sicli, durch Vergleiche und Com-
promisse. Die Mitglieder der protestantischen Union
im Reiche hatten grosses Interesse daran^ d<'ts9 unter
ihren Angehürigen kleinliche Misshelhgkeiten niiiglitdist
ansgeghchen wurden. Darum legte sich das Haupt
dieser Union, Kurfürst Friedrich V. vnu der Pfalz,
auch in die zwischen Hessen und Bratin.schweig ob-
schwebenden vielerlei nachbarhchen Gebrechen und
brachte es dahin, dass in dt>n Jahren 1(31(3, 1617 und
1618 beiderseitigp Abgeordnete in Giittingen zu güt-
lichen Conferenzeu zusammentraten. Die Streitpunkte
betrafen ausser der Schiffahrt-sfrage noch die Herr-
schaft Plesse, Schloss und Dnrf Bovendfn, das Kloster
Rückelheim, das Amt Radolfshausen und deren l*erti-
224
nenzien. Und in der Tliat kam am 30, April 1616 ein
vorläufiger Vergleith über diese Punkte zustande, leider
ist jedoch nicht ersichtlich, in weicher Weise man sich
bezüglich der freien Schiffahrt vorläulig einigte.. Jeden-
falls war der Vergleich für Hesi^en nicht ungünstig,
wie sich aus dem "Verhalten der Stadt Münden er-
geben wird.
Um ihn rechtskräftig /u machen, schickten die
beiden Fürsten, Landgraf Moritz und Herzog Friedrich
Ulrich, denselben an den Kurfürsten von der Pfalz ein
und leiteten ihn damit in den Weg eines neuen Pro-
cesses vor dem kurpfillzischen llofgericht in Heidelberg,
in der Weise, dftss das etwa in Speier ergehende Urtheil
auch dort, d. h. in Heidelberg, publicirt werden sollte.
Man He.ss letztere Ma.'^snahme jedoch fallen au.s Rück-
sicht auf die Emphndlichkeit des Reichskaramergerichts
und kam tiberein, statt dessen das vom Hofgericht er-
gt'limide Urtheil durch das Kammergericht publiciren
zu la.ssen. So gedachte man die Sache ans der Welt
zu schaffen.
Allein so leichten Kaufes gab die oberste Reichs-
justizbehorde den Fall nicht aus der Hand. Am 20.
Juni 1617 meldeten die hessischen Räthe Dr. Sixtinus
und Johann von LinKJngen dem Landgrafen von Speier
aus, dass die Abschhessung des Vergleiches hier sehr
verschnupft habe ; auch habe man dem hessischen An-
walt Dr. Eckhard die Vertröstung gethan, dass de.r
Referent mit seinem Bericht fertig sei und dass ea
demnach nur noch auf Publikation des Urtheüa an-
komme. Die Nachricht an sich war gewiss sehr erfreulich.
Da aber erwuchs eine neue Schwierigkeit aus dem Ver-
halten der Stadt Münden. Nachdem die braunschwei-
gischi'! Regierung am 29. Oct. 1618 di'n mit Hessen
getroffenen Vergleich der Stadt mitgetheilt, erkUirten
Bürgermeister und Rath, um so weniger dariu einwil-
I
I
ligPD zu können, ab man sie beim Abschluss desselben
nicht mit zugezogen habe. Am 21. Juni 1619 Hessen
sie sodann vor Notar und Zeugen feierlich dagegen
Verwahrung einlegen und stellten beim Reichskammer-
gericbt, in Erwägung dessen dass der Process hier
noch in der Schwebe sei, den Antrag, besagten Ver-
gleich für null und nichtig zu erklären. Man weiss
thatsächtich nicht, worüber man hier mehr erstaunen
soll : über die Eigenwilligkeit der Stadtbehörde der
Landejsregierung gegenüber; über der letzteren geringe
Autorität, oder über das Verhalten des Reichskaminer-
gerichts, welches der Beschwerde, statt gab und froh
schien, einen endlosen Process noch weiter fortspinnen
zu können, anstatt ihn durch Vergleich aus der Welt zu
schaffen. Indessen gleichviel! Die Nichtigkeitserklärung
wurde ausgesprochen. Am 23. Juni 1620 eröffnete das
Gericht dem hessischen Anwalt ein mandatum cassa-
torium et Inhibitorium und gab ihm auf, binnen vier
Monaten die giischehene Nachachtung anzuzeigen. Infolge
hiervon und in Anbetracht des ausgebrochenen Krieges
und der immer schwieriger werdenden Zeitumstände
sahen sich die Fürsten Moritz und Ulrich Friedrich
genöthigt, beim Hofgeriuht in Heidelberg den Antrag
zu steilen, den Compromtss-Proces.<i vorläufig auf ein
halbes Jahr zu suspendiren. Er ist aber hier gar nicht
wieder aufgenommen worden.
Die furchtbaren Ereignisse des dr eis sigjälir igen
Krieges drängten alle anderen Fragen in den Hinter-
grund. Was sollte man auch über freie Schiffahrt
streiten, wo Handel und Wandel gänzlich darnieder
lagen! Schien es doch zeitweilig, als sollt*! die Frage
einfach dadurch gelöst werden, dass der Landgraf von
Hessen sich i. J. 1631 in den Besitz von Münden und
Göttingen setzte und auch wohl, wenn Gustav Adolf
von Schweden am Leben geblieben wäre, die Lande lür
N. r. XVI. Uli. 15
226
sich behalten haben würde *). Bemerkenswerth ist, dala
alsbald nach der Besitznaiime von Münden durch die
Hessen das verhasste, schon oben erwähnte Lachswehr
durch die hessischen Dragoner unter Rantzaa weg-
gerissen wurde**).
Als endlich das Elend aufliürte und geordnete Zu-
stände zurückkehrten, da ward auch wiederum der
Versuch gemacht, sich mit Münden gütlich zu einigen.
In den Jahren lfi53 und 1654 kamen hier der kessische
VicekanzJer Müldner und der braunschweigische De-
putirte Dr. B r ü n i n g nebst dem Syndicus der Stadt
Münden zusammen ; man machte von hessischer Seite
geltend, dass Herzog Friedrich Ulrich bei Herausgabe
der Städte Güttingen und Münden u. a. dem Landgrafen
die freie Schiffahrt aus Dankbarkeit zugestanden habe;
allein man konnte sich trotzdem nicht einigen, und
so schwebte der Proceas am Reichskaramergericht
weiter.
Soweit aus den Akten des Marburger St^iat»-
archives ersichtlich ist, wurde derselbe auch nie zu
Ende geführt. Er wurde 1(594 und 1739 zwar wieder
aufgenommen, allein ergebnislos. Auch die noch häufig
unternommenen Versuche zu gütlicher Beilegung des
Streites verliefen ohne Erfolg, sodass noch im Jahre
1824 berichtet werden konnte: >da8s ein besonderer
Vertrag, wodurch den kurhessischen Schiffern von
Münden nach Kassel zu fahren gestattet worden, bis
dato nicht abgeschlossen sei, die Sache vielmehr sich
noch in der vorhin nigen Lage befinde« ***).
•) Rommrl. Hess. GcKoh. Vlll. 161. — lj»(%e. Gesch. der
St»dt MünUen, S. 86 ff. — Zeil- und GetekicMl-Beaehreibuag der
Stadt GötÜDgen, S. 197.
♦•) Loixe a. a. 0. S. 89.
***) Diese Nachricht verdanke ich freiuidli'cber Mittheiluag
tue dem Kgl. Staatsarchiv.
I
I
I
227
Wir kehren imnm*':lir, nachdem wir die Streitig-
jten mit der 8tadt Münden im Zusammfenbange be-
ßbtet haben, zur weiteren Geschichte der Schiffahrt
in Hessen zurück. Was zunächst die Fulda betrifft,
BO war, wie wir gesehen, der Weg stromabwärts ge-
' sperrt. Es galt also, wenigstens stromaufwärts den
Wasserweg, so gut es ging, nutzbar zu machen. Hier
war anch insofern für weitere Entwickeiung mehr Raum,
al3 man nicht durch die erdrückende Masse der Zoll-
Ktütten behindert war. Denn die Weser war, wie die
1 meisten deutschen Ströme, im 16. Jahrhundert bereits
|init Zollstjütten überrHichUcli besetzt. Innerhalb einer
[Strecke von 23 Meilen lagen deren nicht weniger als
zwei und zwanzig, und ein Versuch der Stadt Bremen,
der Schiffahrt Erlt;ichterung zu verschaffen, war von
keinem flrfolg *). Selbst die Fi'achtaätze waren nicht
gering. Ks betrug z. B. die Fracht für ein Fuder Wein
I von Bremen nach Münden 4 Reiclisthaler, nach heutigem
fGelde also ungefähr den sechsfachen Betrag. Von
I Münden bis Ka.ssel zahlte man dafür lO'/a Batzen**),
Darum also und aus solchen Gründen wandten
die Ijandgrafen ihren Blick stromaufwärts. Landgraf
Wilhelm IV. und weit mehr noch sein Sohn Moritz
haben in dieser Richtung die regste Thätigkeit ent-
faltet. Welche hohe Meinung sie beide von dem Werthe
fder Schiffahrt hatten, ersahen wir schon aus dem Eifer,
mit dem sie den Frocess gegen Münden und die braun-
sthweigische Regierung betrieben. Die Erschliessung
des Wasserweges stromaufwärts hatte zugleich den Vor-
theil, dass man den Handelsstätten am Rheine und in
Süddeutschland näher war und dem Verkehr so zu
t*) Das Nähere s. hiertbiT in Bd. I dieser Ztschr., S. Ifi.'i tf.:
PB über Vo&erzöllo und Wt^seihandel im 16. Jahiliuniloit,
0, tjQndau,
**) Ronimcl. Hess. Gcucli. Bd. V, 8. :ül. Ann«. S. 225.
22h
fiagen ein Hinterland erschloss. Wilhelm IV. wollte
daram die 8chtlTalirt bis Ziegenbain wenigstens aas-
dehnen und die Scbwalm mit bereinziehen. Er ertheilt
zu dem Ende im Jalire 1576 von der genannten Stadt
aus seinem Hofjunker Johann von Hertingshausen den
Befehl, mit den Hindernissen im Strombette aufzuräumen,
die Klänge (Sandbänke) wegreissen and allenthalben
Simmeten *), weil solche dazu sehr dienlich and förder-
lich seien, einlegen zu lassen. In der Nachschrift heisst
es: „Als auch unsers Schiffsmanus Wennicken Bruder
auf der Fahrt nach Ziegenhain ist, so wollen wir, dass
du dich sobald ufmachest und ihnen ehir und zuvor er
hier ankomme, underwegen ereilest und selbst mit ra-
sehest, wie es allenthalben von statten gehe. Und wo
vielleicht Mangel sei, da es auch an einem oder mehr
Orten von nöten sein will, dass man mehr Schleussen
bauen mitsse, soltu mit Rath unser Baumeister dieselben
bauen und die ganze SchiiTahrt also zurichten lassen,
dass sie zum besten gefürdert und ohne Seumnis iiu
Werk gerichtet werde. Denn wir wollen deinem Vleis«
diese Schiffahrt vertrauen, . . . dass zu unser Wieder-
kunft derselbig [Bau] ganz und gar fertig und ohne
Mangel sein möge" **).
Weit mehr als Wilhelm IV. aber war dessen Sohn
L. Moritz auf Hebung der Schiffahrt bedacht Die
Anwartschaft, welche Hessen auf das Stift Hersfeld
gewann, legte den Plan nahe, den Fuldafluss weiter auf-
wärts bis zur Stadt Fulda zu gehen. Der Versuch des
Landgrafen, die Fuldische Regierung zum Anschluss ru
bewegen (1592 und 1597) blieb zwar erfolglos, und er
musste sich daher auf den Raum zwischen Kassel und
Hersfeld beschränken. Hier aber entwickelte er um so
grösseren Eifer.
•) Bius«o, lat semita.
**) Landauh Coli. Stand. Landesbibliothek in CisseL
i
I
I
I
229
Am 3. Juni 1600, so erzählt der Chronist Friedrich
ttcae *), richteten Ht-rr Landgraf Moritz zum ersten
Male diese Schiffahrt an fnämhch von Rotenburg bis
Hersfeld). In Hersfeld traten sie in e'm grosses Schiff
sammt Herrn Joachim, Abt und Fürsten zn Hersfeld,
und noch mit zweien grossen Schiffen, worinnen dero
Bedienten sassen, scbiffeten herunter bis hieher nach
Rotenburg und weiter nach Kassel."
Wohl mochte pich bei dieser Probefahrt noch
manche Unznträglichkeit herausgestellt haben, denn ira
folgenden Jahre übertrügt der Landgraf seinem Rüchsen-
meister, oder wie wir heute sagen worden, Artillerie-
nnd Ingenieiir-Hanptmann Giliax Leise den Befehl,
den Grund der Fulda mit einem eisernen Rechen auf-
zaröhren ; und alle Amtleute, Rentmeister, Schultheissen,
Vögte und Landknechte der Aeinter am Fuldastrom er-
halten die Weisung, ihm hierbei behilflich zu sein.
Gleichzeitig wurden die Ufer befestigt und mit Weiden
bepflanzt, an den Miililenwehreii werden Schleusten an-
gelegt, neue Schiff« werden erbaut, und noch in dem
selben Jahre macht Landgraf Montz eine zweite Probe-
fahrt stromaufwärts. In Begleitung seiner Gemahlin,
der schönen Juliane, sowie des Herzogs Christoph von
Brannschweig-Lüneburg, der Grafen von Solms und
von Hanau und eines zahlreichen Gefolges fuhr er in
drei eigenen Schiffen hinauf bis Blankenheim an der
Hersfelder Grenze zu einem neuen Besuche des Abtes.
Gastmähler und Lustbarkeiten aller Art fanden hierbei
statt, wie sie nach des prachtiiebenden Fürsten Sinn
und Gewohnheit waren.
„Am 24. Sept. dess. Jahres arrivirten, wie Ltteae
schreibt, hier zu Rotenburg zum ersten Mal 3 Schiffe
•) Lucaf, Rnteiibui'gor Übronii. lls. der Stund.
biblioÜiclt zu Ka&»el (MKi>. lltis^. Fol 47).
Laudes-
230
mit Bremer (d. h. Colonial-) Waaren beladen und gingen
dann weiter gen Hpr«feld."
Damit war also die Schiffahrt im Gang. Ihwn
Ahschluss erreichten die Arbeiten durch eine landgräf-
lithe Verordnung vom 8. April 11302, welche den Ver-
kehr und alles, was dazu gehürtp, bis ins Einzelne
regelte, und die Schifferei wäre soweit in Ordnung
geweben, wenn nur die Schiffer selbst zur Ordnung za
bringen gewvsen wären. Am 13, November d. .1. bt-
richtet Klius Ilumberg aus Kasäel an den Landgrafen
hierüber f«ilgenderma.ssen : „Die Wnsserbäue sind, Gott
Lob, dcrmas&tn gi-fertiget, d.iss man die Schiffahrt
nunnii'hr mit gutem Nutzen und Bestand verhoffentlicb
gebrauchen kann. Ist noch wi>hl etwas &langels bei
den SchiB'leuten, so sehr unfleissig und ungehorsam
bishero gewesen. Wenn man itzo anfangs jegen ihnen
nach Nottiuft den gepürenden Ernst an die Hand nehmen
wöHen, haben teils wol gar zurück zu trett^n sich ver-
lauten lassen, können aber und müssen mit der Zeit
besser in die Ordnung tind Gehorsiun pracht werden."
Es scheint, als seien die widerspenstigen Schiffs-
leate endlich bis 1618 zur Ordnung gebracht worden;
denn in diesem Jahre erhielten sie eine solche schrift-
lich ausgefertigt, und wurde ihnen namentlich das Zer-
stören der Schleussen strengstens verboten *). Als L.
Moritzen Sohn Otto i. J. 1606 Administrator des Stifts
Hersfeld wurde, hatte dies einen noch engeren An-
schlnss der betriebsamen Stadt an Hessen zur Folge.
Ein Geschenk von zwei Schiffen, das der Landgraf
seinem Sohne im Jahre darauf machte, sollte beweisen,
welchen Werth er der Schiffalirt beigelegt zu sehen
wünschte **).
••) Landau^ Collect. Sl, L-BtbL
Aehnlichp, wenn auch nicht die. gleiche Fürsorge
wie der Fulda, widmete Moritz der Werra. Hier lagen
die Verhiiltntsse insoffin weeentlich anders, als einmal
die Strorareguliruüg weniger \'on nöteii war; sodaun
aber Hessen geringereu Antheil am Stromlaufe hatte
wie bei der Fulda. Im Jalire 1603 trat der Landgraf
mit der Regit^rung zu Äh;iningen behufs Schiffbar-
macbnng der Werra in Beziehung und legte Kosten-
anschläge vor. Auch war Kurfürst Christian U. nicht
abgeneigt, auf dessen Vorschläge einzugehen. Allein
hier wie bei Fulda zerschlugen sich die Verhnndlimgen
wieder. Die Schwierigkeiten, welche die Dörfer Fraucn-
breitungen, VVernshaasei» nnd Schwallungen und die
adeligen Ganerben zu Walldorf erhoben, waren nicht
zu beseitigen. Es fürchteten dieselben nämlich, die
Pferde, welche zum Ziehen der Schiffe gebraucht würden,
möchten ihnen ihre Wiesen vertreten *).
Also auch hier war Hessen auf sich selbst an-
gewiesen. Um aber auf dem eigenen Gebiet möglichst
thätig zu Werke zu gehen, verlieh Moritz am 130. Aug.
1608 dem gewerbfieissigeu Orte Wanfried Stadtrechte,
„weil, wie es in der Urkunde hei.s.st, bei ihnen wegen
des Werrastrorabs vil Ab- und Zareisens und Hand-
tierens" **). um besonders hier die Schiffahrt zu
heben, verordnete Moritz gleichzeitig, dass diejenigen,
welche neue Schiffe bauten, für die bei der ersten
Fahrt eingeladenen Waaren an den hessischen Zoll-
stätten frei vorübergehen sollten, welche ZolH'reiheit
oft 70, 90 und mehr Gulden betrug ***). So kam es,
♦) Zeitschr. f. hcsg. r.osuli. IV, S, 163 f.
•*) Kucfienbcekcr, Kleine Sehrifton, Bd. ÜI, S. 220 ff. Vgl.
doTO Pfister^ LADdoskunde von Kurhessen, S. 176.
♦**) Kucheitbccker a. a. 0. Spater musste diese Vergünstigung
in ein einmaliges Geldgeschenk lungewandelt werdeu, weil die
Schiffer selbige zu sohr ausnutzten und alle paar Jahre neue SohilTo
bauten, naubdem &Lo die alten an auswärtige Sohiffor verkauft hatten,
dass Wanfried, das ausserdem durch seine Lage an der
von Möhlliausen kommeiidRii Thüringer Handelsstxasse
begünstigt war, ein natürlicher Stapelplatz für die Gegend
stromaufwärts wnrde. Noch zu Anfang dieses Jahrhun-
dert« befuhr der Ort mit SOSchiPFen die VVerra ; jetrt dürfte
die SohifFahrt ab^r wohl ganz ins Stocken gerathen sein.
In den Jahren 1659—1667 gab sich, — gewisser-
massen eine Genugthming für die Manen Landgraf
Moritzens, — Herzog Ernst von Sachsen-Gotha, die
grösste Mühe, mit Hessen vereint die Schiffahrt, ins
Work zn setzen, allein seine Bemühungen waren von
wenig Erfolg gekrönt *).
Wir kehren nunmi'hr wieder zur Fulda zurück.
Während des JrHissigjährigen Krieges mufiste di«
Schiffahrt naturgemäss in Verfall kommen, doch lassen
verschiedene Anzeichen erkennen, dass sie niemals ganz
gestockt hat. Wir tinden z. B. im Jahre 1625 hier
noch einen SchiflFbaner mit Nnmen Georg Friedicke.
Anch heisst es in dtT Armen- und Bettelordnung vom
Jahr<? 1627, §. 3: Die SchifFleute sollen k*»in Bettelvolk
uff den Schiffen mit herein auf die Schlacht führen,
bei 5 Gulden Straff**). — Im Jahre 1644 erlä.sst die
Landgräfin Amelip Elisabeth eine Verordnung, wie es
wegen der Errichtung der Accise, Niederlagr und Trank-
«teuer von denen auf der Schlacht zu Kassel ankom-
menden frHmbden Getränken zu halten***). Darin heisst
es zur Begründung: Die Landgräfin habe erfahren, dass
an schuldiger Accise und Nifd^rlage von den zu Kassel
ankommenden und abgehenden Getränken und Bieren
ünternchleif getrieben werde. Es erfolgt der Befehl,
dass kein Brantwein, spanischer oder anderer aus-
ländischer Wein, fremde Biere, Brühan o. dgl. hier auf
*) LattiUm, CoDect St L.-Bibl.
*•) Bas. Ltmdu'Onbi, Bd. II, S. 6.
-^ Ebenda, S. 86 t
■*?!
I
der Schlagd ans- oder eingeladen werden sollen, ohne
dass sie zuvor von den beeidigten Schrüdern und den
übrigen Steuerheamten aufgeschrieben -seien. Der Oher-
aufseher der Tranksteuer und der Schlagdvogt haben
besonders darauf zu sehen, dass keine Getränke als
trockene Waaren an- und abgeführt werden.
Der langersehnte Frieden kam der Schiffahrt so-
wohl im Allgemeinen *), wie namentlich in einem Punkte
zn gnte: man durfte wieder wagen, mit Pferden die
Schiffe stromaufwärts ziehen zu lassen, was bisher,
theils weil man keine derartigen Thiere mehr hatte,
oder aus Furcht vor streifenden Partheien sie nicht an-
zuspannen wagte, unterblieben war. Es geht dies hervor
aus einer Reihe von Klageschriften theils gegen die
Stadt Kassel, theils von hiesigen Bürgern gegen Aus-
wärtige aus den Jahren 1649 — 1651, welche sich im
Archiv hiesiger Stadt befinden und aus denen wir be-
sonders zwei hervorheben. Im Jahre 1649 haben Bürger-
meister und Rath za Kasse! drei Mündener Schiffsleute
bestraft; und auf die Beschwerde derselben bei der
Vormünderin-Kegentin führt die städtische Behörde zu
ihrer Rechtfertigung Folgendes aus : divss nämlich die
betreffenden Schiffsleute sich unterstanden hätten, die
Gärten und Wiesen von dem Hellewerder an der Fulda
hinauf aufzureissen und die Hecken wegzuräumen, damit
»ie mit ihren Pferden, die sie nunmehr wider Her-
koromen anstatt der Schiffsknechte vor den Schiffen
hätten, einen Weg haben möchten. Die Stadt habe
darauf das Ziehen mit Pferden verboten und den Lein-
pfad im Hellewerder mit einem Bauholz verschliessen
lassen. Trotzdem aber seien die Supplikanten den
Leuten wieder mit Pferden durch die Gärten gezogen.
*) Ueber den Handel nach dem dreissigjähngen Kriege s.
Rommel, Hess. Gesch. FX, 131—134. XJober den hesstscheD Salz-
haadel insbesondore dasei bat S. 123.
ib
234
Im Jahre 1651 klagen die hiesigen Einwohner,
welche Gärten und Länder an der Fulda besitzen, über
und gegen die Schiffer von Melsangen, Röhrenfort,
Körle, Guckshagcn, Dittershausen, Dennliausen und Bergs-
hausen, „diiiii) sie mit Schiffen von oben herab fahren
und wider das Herkommen Pferde vor dieselben spannen,
wodurch sie die Gärten, Wiesen u. s. w. an der Fulda
zu Grunde richten." Es sei Herkommen, die Pferde
am sog. Sauplatz auszuspannen. Jetzt aber brächten
sie dit^'jelben bi» unton an die Gärten, wo sie sie halten
liessen, bis .sie (die iSchiffer) sich in der Stadt voll und
toll gesoffen (die allgemeine Klage über die damalige
Landbevölkerung). Später, wenn die Thore verschlossen,
unterständen .sie .sich, mit den Pferden die Wiesen und
Gärten auszuhiltHn, das Kraut zu stehlen u. a. m.
Aus dem über diese Beschwerde aufgenommenen
Gerichtsprotokoll ist besonders nachstehender Passus
hervorzuheben: „Nachdemmahl dann gleich wol die Be-
klagte nicht leugnen können, dass die Schiffe vor diesem
80 häufig und penn'iii nicht als itzo gewesen, sondern
die Orte an der Fulda ... ahnitzo mit Schiffen
fast übrig versehen" u. s. w., woraus also her-
vorgeht^ da.ss die Schiff riLrt sich wieder gehoben hatte.
Gleichwohl dauerte es noch einige Jahre, bis die
hessische Kegierung ernistlich daran dachte, auch ihrer-
seits etwas für die Hebung des Verkehrs auf den Flüssen
zu thun. Bereits im Jahre 1649 wird Klage darüber
geführt, dass das Bett des Fuldastromes gar arg ver-
Bchleromt sei und man kaum mit einem Schiffe bis
Rotenburg zu gelangen vermöge *). Zwar nimmt die
Fischerei-Ordnung Landgraf Wilhelms VI. vom Jahre
*) Latidau'a Collect St. L.-Bibl. Es vrar besonders Land-
graf HemiAon von üesscD-Gotenborg (f 1658), der sich nacli dem
Tode seines Vaters, iet? L. Moritz, die ädüffabrt auf der Fulda
angelegen soiu lies.'-.
I
1857*) bei den Vorschriften über die Anlage der Aal-
fliage (in § 10) bereits darauf Bedacht, die überfiiissigeii
abzaschaffen und die andern so einrichten zu lassen,
das8 die Schiffe bequem vorbeifahren könnten, wie
denn auch die Besitzer für den üferbau sorgen sollen.
Allein erst vom Jahre 1G62 ab wird wiederum energischer
an der Herstellung des Schiffsverkehrs gearbeitet.
In diesem Jahre erlie.ss die Regierung zu Kassel
an den OberschultiiHissvn und den Rentmeister zn Roten-
burg ein Schreiben, aus welchem hervorgeht, dass Land-
graf Wilhelm VI. selbst die Gelegenheit an der Fulda
in Augenschein genommen und gt'iunden habe, dass
das Buschwerk an den Ufern des Flusses allzu hinderlich
sei, weshalb sie den Befeh! erhalten, für die Entfernung
desselben Sorge zu tragen**). Allein im Jahre 1669
war weder dies geschehen, noch waren auch, wie bereits
durch die Fischerei -Ordnung von 1657 befohlen, die
Fischwehre im Strombette entfernt, so dass die ge-
nannten Beamten in Rotenburg aufs Neue angewiesen
werden, die rfh der Fulda liegenden Ortschaften ernst-
lich znr Entfernung der betr. Hindernisse anzuhalten***).
Dasselbe Schreiben erging an die Beamten zu Spangen-
berg, sowie an die von Banmbach zu Binsförth und
die Scholey'sche Wittib zu Malsfeld.
Nunmehr schien im nächstfolgenden Jahre das
Wfrk soweit gediehen zu sein, dass eine Probefahrt
von Kassel nach Hersfeld stattiinden konnt.»\ Der
Bericht tles hesfsischen Beamten Joh. Christoff Werner
an die Landgräfin Hedwig Sc»phi{) vom 21. März 1670 f)
zeigt allerdings nicht, dass die Fahrt glatt von statten
gegangen wäre. Gleich bei der Abfalirt fiel eines der
*) He«». iMTitJt's-Ord». II, 444.
**) Nach dem Original auf der I^andosbibl. {Landau'sche Cbtl.).
»♦♦) Desgl.
f ) Nach dem Orlgiual auf der L&odeäbibl. {Landausoha Coli.).
236
Pferdp um und schlug dem Knecht ein Bein entzwei,
deshalb kamen sie an d^m Tag nicht weiter als bis
Ouxbagen. Am zweiten Tag erreichten sie Melsnngen,
am dritten Heinebach und am fünften endlich Hersfeld.
Der Bericlit ergab, d:iss die Herren von Riedesel und
namentlich die Frau von Scholley dem Befehl, das Flnss-
bett zu £>äubern, nicht nachgekommen waren. Denn
nicht nur die Tücken des Stromes, auch die Wider-
Bpenstigkeit der Anlieger legte den Schiffern manche
Schwierigkeiten in den Weg und die Vortheile eines
regeren Handelsverkehrs schionen der hessischen Land-
bevölkerung des 17. Jahrhunderts nicht einzuleuchten.
Ihre Äalfänge waren ihnen lieber. So reicht der herr-
schaftliche Schiffer Christoph Stucke von Hersfeld, der
in der Folge mit der Aufräumung des Fuldabettes betraut
war, am 4. Juli 1672 einen Bericht ein, dem wir Fol-
gendes entnehmen : *)
Am 10. Juni d. J. erhielt er schriftlichen Befehl
von der Regiemng, das Fuldabett aufzuräumen und
zur Schiffahrt zu aptiren. In dem Schreiben war zu-
gleich enthalten, dass alle Beamten und Forstbedienten
des Fuldastromes nicht nur täglich mit den nöthigen
Leuten zur Beihülfe bereit sein, sondern auch das nöthige
Reis- und Pfählholz ihm verabfolgen lassen sollten.
Auch war bisher seinem Begehren überall an
Händen gegangen worden, ausgenommen zwischen Mals-
feld und Binsforth. Zwischen diesen Orten waren elf
Aaltänge, welche die Sthiffahrt hinderten nnd fast un-
möglich machten. Ob er nun wohl bei der adeligen
Frau Wittib in Malsfeld, der schon genannten Frau
von Scholley, das ihm ertheilte Rescript vorzeigte und
um .Abschaffung der Aalfänge und Stellung der nöthigen
Mannschaft anhielt, er auch einig« der Aalfange, welche
am binderlichsten waren, wegräumen lassen wollte, so
•)De8gL
Wurde ihm verboten Hand anzulegen ; ebensowenig wurde
ihm Mannschaft zur Hülfe gestellt, und *t niusste un-
verricbteter Dinge wieder abziehen.
Das Regierungsausschreiben an die Scholley'sche
Wittib (wie sie in der Aufschrift heisst), und art die
von Baumbach zu Binsförth lässt dann an Deutiichkeit
nichts zu wünschen übrig.
Noch schlimmer erging es dem genannten Stucke
im Jahre 1694. Am 14. Murr schreibt er an Landgraf
Karl wie folgt*): „Euer Hochf. Durchlaucht kann ich
liiennit klagend nicht verhalten, zeiget» auch der hier-
bei kommende Schein von Schultzen und Vorstehern der
Gemeinde Heinebach mit mehrerem, wie dass, als ich uf
gnädigsten Befelch in der Fulda zwischen denen beiden
Gemeinden Heinebach und Niedern - Ellenbach wegen
der Schiffahrt ackern müssen, die Gemeinde Niedern-
Ellenbach mich mit Hacken, Gabeln und Stangen ver-
folget, geschlagen und fast ums Leben gebracht haben,
auch meinen Knecht und Pferde so tractiret haben,
dass sie vor tot gelegen." Vergebens zeigte der öeber-
fallene den erzürnten Bauern den landesherrlichen Be-
fehl. „Sie achtet<ni dessen nicht", riefen sie ; und wenn
die Nachbarn von Heinebach jenem nicht zu Hülfe ge-
kommen wären, so hätte man ihn wohl tot geschlagen
Landgraf Karl hätte nicht der sein müssen, der
er war, wenn er eine dem allgemeinen Besten dienende
Sache an der Wiederspenstigkeit einzelner Personen
hätte scheitern lassen.
Endlich kam die Sache alfio in Gang, und der
schon mehrfacli citirte Chronist Friedrich Ltic/ic, damals
Hofprodiger in Rotenburg, berichtet voll patriotischen
Eifers ums Jahr 1702 folgendermassen über die Fulda-
HchifFahrt **J : „Von der Zeit an (nämlich vom Jahre
•) Nach Ueni Origirmi aut der T.Andes>bi 1)1. (/^/«fetu sehe Coli.).
•*) Rotenburger l'lironik auf der St. Liuidfsbibl. iu Kassel
238
1602) ist die Fuklii iiavigab«^ blieben. Darum verübet
der bekannte neue Geseliithts-Verfasser*) einen groben
Fehler, schreibende : Die Inwohner im Hersfeldischen
und Rotenhurgischen haben zwar an unterschiedenen
Victualien Ueberfluss, aber aus Mangel der Gelegenheit
nnd da die Fulda keine Schiffahrt hat, können sie
dieselbigen nicht fortführen nnd zu Gelde machen.
Es scheinet, dass er nicht wisse, welchergestalt zum
wenigsten alle 14 Tage die beladenen Schiffe pas- und
repassiren und bei kleinem Wasser heraufwärts, desto
ehender fortzukommen, die Schiffe durch angespanntc-
Pferde zi»'hen lassen. Wer demnach nur viele schwere
Güter in seinem Handel vermöchte, der könnt« sie gar
gemächlich von Rotenburg und Kersfeld zu Schiffe
nach Kassel, von dar nacher Mütulcn, von dar auf «ier
Weser nacher Bremen und von dannen auf die offen-
bare See und folgend« wohin er wollte gen W»'sten
oder Norden bringen und Profit machen. — Vor etlichen
Jahren kamen die Amsterdamer Kanflente durch ihre
Negocianten bis ins Rotenburger Amt und fiössten ans
dem Ober^Eilenbacher und Ludwigsecker Forst die
gr«)ssten Eich- und Bucbbäume von der Fulda auf die
Weser, von der Weser auf die offenbare See mit gutem
Nutzen in Holland. Es ist wahr, dass bei truckenem
Sommer die Fulda keine grosse Schiffahrt gestattet,
jedoch solches begegnet wol denen grössten Strömen,
darumb aber hebt das verkleinerte Wasser keineswegs
die Schiffahrt auf, zuraalen hernach das hochgestiegen«_
W'asser das Versäumte wieder ersetzen kann.'^
(Mss. Hass. fol. 47). — Die Abfa-ssung der Chrottik fällt un^cfShr
in das im Texte augcgeb«ne Jahr, vgl Friedr. Lucae, Der Chronist
Friedrich Lucae. Frankfurt a. M. 1854, 8. 344,
') Wer gemmut sei, wird leider nicht gvsagt Winketmann ist
es nicht., denn derselbe bezeugt in seiner Best'hreibung der Fiirsteo-
thumer Hessen und flersfeld, S. 391 (vgl. dnau S- 58) ausdrürklirh,
dass auf W'erra, Fulda und Weser die Schiffahrt betriebea »crdf.
239
Dieser selbe Frieilrith Lucae, der aus Schlesien
um seines Glaubens Willen vertrieben, hier in Hessen
gastliche Aufnahme und seit 1676 in Kassel ;tls Hof-
prediger Anstellung gefunden hatte, führt uns nunmehr
zu der interessantesten Episode in der Geschichte der
Schiffahrt unseres heimischen Stromes, nämlich zu den
Versuchen Papin's dahier in Kassel mit seiner Taucher-
maschine und seinem Räderschiff.
Der Briefwechsel Lucae's mit Leibnita*) gibt uns
Nachricht hiervon. Er zeigt uns einmal, mit weleliem
Wohlwollen der grosse Philosoph dio Experimente
Papin's verfolgte ; andererseits aber auch, wie stark das
hämische Misstrauen war, mit dem man allgemein, wie
iCii scheint, in Kassel die Versuche betrachtete. Lucae
selbst ist nicht frei davon, und nur schlecht verhehlt
er seine Schadenfreude über die Misserfolge des grossen
Franzosen. Um so höher aber müssen wir die Einsicht
und den edeln Sinn Landgraf Karls anschlagen, der
trotz alledem Papiii seine Gunst nicht entzog. — Seit
den Forschungen StiUing's und GcrlantVs **) darf ich als
bekannt voraussetzen, dass Papin kein wirkliches mit
Dampf getriebenes Schiff auf der Fulda hat gehen
lassen. Aber das acheint doch festzustehen, dass er
das Modell zu einem solchen hier construirt hatte ; dass
selbiges nur nicht tief genug war, um die Dampf-
maschine in sich aufzunehmen. Dieses Modell hat er
auf der Fulda gehen lassen, nur wurde es in Erman-
gelung des Dampfes mit den Armen fortbewegt, und
insofern dürfen wir mit Recht behaupten, die Fulda
habe das erste Dampfschiff getragen. Papin wOrdo eben
den Dampf angewandt haben zur Fortbewegung, wenn
die Tiefe des Flusses es zugelassen hatte.
•) Abgedruckt in der eben citirten Lebensbeschreibung dos
Chronisten, S. 292 ff.
••) VerofleDtlicht in dieser Zeitschrift, N. F. Bd. MIT.
240
Infolge der unglöcklichpn Explosion seiner Dampf-
kanone musste Papin am 24. Sept. 1707 Kassel und
Hessen verlassen und wollte sich mit seinem Schiffs-
modell die Fulda und Weser hinab nach Bremen und
von da nach England begeben. Um aber mit dem Modell
an Monden und seiner Stapelgerechtigkeit vorüber zu
kommen, Hess er es von dem dortigen Schiffer Lodwig
ins Schlepptau nehmen, da ihm die Erlaubniss, es auf
eigne Hand vorüber zu führen, nicht ertheilt worden
war. Der Drost von Zenner zu Münden hatte ihm hier
auch bereits die Weiterfahrt gestattet, als die auf ihr
Recht eifersüchtige Schiffergilde, die nun einmal kein
Kasseler Fahrzeug an Münden vorbei kommen lassen
wollte, das Schiff ans Land zog und in Trümmer schlug.
Diese Trümmer wurden am 5. October auf Anordnung
des Bürgermeisters trotz der Einsprache des Drosten
öffentlich versteigert.
Dieses Ereignis ist die traurigste Fracht der eng-
herzigen Stapelgerechtigkeit. Denn eben hierum, nicht
weil sie die Concurrenz der Dampfkraft gefürchtet hätten,
wie vielfach noch geschrieben und geglaubt wird, haben
die Mündener Schiffer Papin's Modell zertrümmert, von
dem sie gar nicht wussten, dass es ein Dampfschiff
war. Die Mündener waren in ihrem Recht; allein vom
alten rOmischen Reiche galt das Wort Goethes:
Es erboD sich Gesetz und Bechte
Wie eioe ew'g« Krankheit fort
Und der Gönner Papin's, Landgraf Karl, der auf so vielen
Gebieten anregend und fruchtbringend wirkte, und dem
es, um ein von der Weltgeschichte gepriesener Friedens-
furst zu sein, nur an einem grossen Reiche fehlte,
wollte auch bekanntlich den Handel seines Landes von
dem Alp der Mündener Stapelgerechtigkeit und dem
dadurch bedingten Privileg der Spedition frei machen.
£r fasste deshalb den grossartigen Plan, von Karls-
liafen aus einen Kanal bis hier zur Fulda anzulngen,
»ja ilm später weiter hinauf zur Lahn fnitziiführen und
so Rhfin und Weser zu verbinilen. Dieser Plan kam
nicht zur Ausführung; der Landgraf starb und seine
Nachfolger nalimen den Gedanken, vielleicht weil er
undurchführbar war, nicht wieder auf. Aber die Spuren
des Kanals sind noch heute von Trendeüburg bis Karls-
bafen zu sehen *). Von bleibendem Werthe für den
hessischen Hände! war atmach nur die Anlage der letzt-
genannten Stadt, seiner eigensten Schöpfung. Das Kmpor-
blühen von Karlshafen hat den Mundener Handel nicht
wenig geschädigt, wie ausdrücklich bezeugt wird **}.
I Im Jahre 1722 erliess Landgraf Karl noch eine
»Verordnung, wie es auf der Schlacht zu Kassel bei
Kauf und Verkauf, auch Messung des Holzes und anderer
dahin gebrachter Güter gehalten werden solle« ***). Nach
I seinem Tode geschah, wie es scheint, wenig mehr für
Erhaltung der Schiffahrt und Regulirung des Flusses.
Eia neues Leben kam in die- Sache erst wieder im
siebenjährigen Kriege, und zwar durch die Franzosen |).
Diese erkannten die Wichtigkeit der Wasserstrasse für
ihre Zwecke und hatten sogar den IMan, die Fulda bis
hinauf gen Fulda zu erschliessen. Sie nöthigten des-
halb den Bischof und die Grafen von Schlitz zur Aus-
führung der dazu erforderlicheii Dauteii ; und es wurden
■ L J. 1762 von Hersfeld aufwärts auch wirklich eine
Reibe von Schleussen angelegt, so beim Eichhof, bei
I
•) Des Nähereu handelt über diese Caualprojecto Erost Qer-
iand in dieser Zeiüichiift, N. F, Bd. IX. S. 348 ff. Vgl. auch eine»
Aufsatx von f'fporg] Lfmuiau] ini Hess. Vulksblatt von IS'lil,
Nr. 16 u. 17 ülber die Bautoü und Trojeüte zur Suhillbarmaehung
der hes.si.schfD Flüsse.
••) Aoa*?, a. a. 0. S. 238.
•*•) Hea«. Landesordniingcn Ili, 881.
t) S dariilior eiiieu Aufsatz vou Landau im FIpss. Volksbl,
V. J. 1843, Nr. iö u 17.
N. V XVI. Bd. \\y
242
Rimbach, Frauen-Rombach, Pfordt und Hemmen. Der
Friede unterbrach die Arbeiten; doch der hessischen
Regierung schien das einmal Begonnene so wichtig, dass
sie nun ihrerseits mit Fulda und den Grafen von Schlitz
in Verhandlungen trat. Selbige sollten nur noch 4
Schleussen bauen, deren Kosten auf nicht mehr als
20000 fl. veranschlagt waren. Auch die Zusicherung von
Frankfurter Kanfleuten hatte man, dass sie ihre Bremer
Waaron fortan über Kassel und Fulda kommen lassen
wollten. Trotzdem aber scheiterte 'der Plan. Die voll-
endeten Schleussen werke waren noch zu Anfang dieses
Jahrhunderts zu sehen, seitdem sind auch sie ver-
schwiinden.
Dagegen wurde nach dem Kriege die Verbindung
mit Hersfohl wieder aufgenommen. Neue Marktschüb
wurden gebaut, da noch im letzten Jahre des Krieges
die Verbündeten duri-h Fortführung und Vemichtong
zahlreicher Fuldaschiffe, um sie den Franzosen zu ent-
ziehen, der Schiffalirt schweren Schaden gethan hatten ;
und diese Marktschiffe gingen bekanntlich bis in unsere
Zeit wiWhentUch zweimal. Sie haben sogar ihre poe-
tisi'lie Verherrlichung gefunden in Dingekiedfa kleinem
Roman »Die neuen .Argonauten«, der leider nicht in die
(ie^inimtau9gabe seiner Werke aufgenommen ist and
heute bf^rxMhit »Is selten bezeichnet werden mnss. Die
;>v'hwiorii;keiten einer Fahrt von Hersfeld nach Kassel
sind darin mit köstUohem Humor geschildert.
K.he d>e jregtMJwärtige tiefe Srille auf unserem
heiniAthlu hen Fluss«^ eintrat« gab e« auch noch einmal
eine Iü;<^tu^> /«'it für ihn. IXis w.ir in drn heitern Tagen
deci Konu:n'iohs Wt-stfjilen Die Fulvla. welche bereits
<e\i\ l^:rpf<«:lr.tf i'-n m;r.i.t:üre iidrurra hatte, schaukelte
vtJt Ä'Cir A"»t ihrtni WtUtn em iVÄlrtx'^ht«?* Kri^sschiff
r.:.: Dt'C(''.Dt\'h:*'r ]tlATrv'«$«-ii and julrz: Zabehur. aber
AUvh i'ur t'ia Sp'^LfrCC. «ii» der Könif von Holland
SPiTieni Bruder J^rnme zum Geschenk gemat-ht hatte*).
Der König und die Königin fuhren mit zahlreicher Be-
gleitung in drei oder vier grossen sog. Bücken, welche
mit den westpiiäli sehen Landesfarben augestrichen und
mit Büschen und Blumen reich geschmückt waren, die
Fulda hinunter bis Münden, um das »Kriegsschiff* in
Empfang zu nehmen, das man die Weser heraufgebracht
Latte. Für Jerome und seinen Hof war das Ereignis
eine willkommene Veranlassung, in Münden ein Fest
■ feiern zu können, üeberhaupt hatte Jeröme, wahr-
scheinlich in Erinnerung an seine frühere Stellung als
Seeoffizier, eine fast kindliche Vorliebe für Wasser-
B patthieen. So erzählt Friedr. Müller in dem unten
angeführten Werke, dass der König öfters in seinem
Kriegsschiff, unter Entfaltung aller Segel, bis hinauf
zum Üamme fuhr, wo dann die kleinen Kanonen ab-
gefeuert wurden, während der Hof ihn in zahlreichen
Nachen und Booten umschwärmte. Die übrige Bevöl-
kerung machte es ihm nach, und ein im Jahre 1814
\ erschienenes, die Zeit des Königreiclis Westfalen nicht
uneben schilderndes Werk, »die Französische Garküche
an der Fulda* betitelt, sagt auf S. 102, dass oftmals
Wasserparthieen von 150 Per.sonen mit Sang und Klang
die Fulda durchschwärmten, bald bei diesem, bald bei
jenem Dorfe ans Land stiHgen und hier bis an den
helhni Morgen tanzten. Jetzt sucht man vergebens einen
Nachen mit fröhlichen Mt-nschen, der den Spiegel des
Flusses belebt, und doch sind die Ufer, zumal strom-
abwärts, so schön!
»
I
•) Friedr. Mütkr, Kassel «eit 70 Jaliron I, 20. Vprgl. dazu
lA)t*e, Gesch. der Stadt Uüodeu, S. 192 f. "WeDii der Ixjtzterc diö
Ankunft des Scbiif«s iu deu August di>8 Jahics 1812 setzt, äo ist
diese Zeitangabe uiclit richtig, da König Ludwig von Holland schon
im Jahre 1810 abdankte.
-öDi-
16
244
VL
Ans den letzten Tagen des Ednigreiehs
Westphalen.
Von
Arthur Kleinschmidt
j^ljs ging mit Napoleons GlQck zu Ende, in Kassel
^^mangelte es durcliaus an zuverlässigen Nachricliteii,
der Moniteur de Westphalie war ungemein verschwiegen
nnd hütete sich wohl, der Erfolge der alliirten Trappen
flher Napoleon zu erwähnen ; von Ohr zu Ohr ging nur
ein Flüstern, ein Streifcorps ziehe heran. Eine gewisse
Erregung blieb im ganzen Königreiche und schon im
August 1813 meldete der Gensdarmeriebrigadier Scheffert
in Rodenberg bei Nenndorf dem Generalkommissär der
hohen Polizei in Braunschweig, Guntz: „Das Volk im
ganzen hoift sehr auf die Russen — besonders im
Hannoverschen." (Staats-Archiv in Hannover *). Reper-
*) Zur Abkürzung werde ich bei Angabe meiner nnge-
druckten Quellen miuh folgender Buchstaben bedienen: für das
Staatsarchiv in Hannover St.-H.. für das Geheime Staatsaicbiv in
Berlin St.-B., für das Haus- und Staatsarchiv in Darmstadt 8t*D.
Manches entnahm ich den nachgelassenen ungedruckten Papieren
eines Neffen meines Grossvaters, des Hofraths Hermann Becker.
(Hermann Becker, Kurhess. Hofrath, später auch Notar bei der
I
I
I
I
torixun der Akten aus der westphälisch-französischcn
Zeit. XV. Polizeisachen. Nr. 51.) Da.ss es dem Kas-seler
Hofe nicht ganz geheiter erscheine, schlössen aufmerk-
Mune Beobachter aus der in ihren Motiven schwer er-
klärlichen Einstellung der Conscription für das Jahr
und aus der Suspension der auf der Tagesordnung
stehenden sehr bedeutenden Bauunternehmungen. (De-
pesche des grossherzoglich he^ssischen ausserordentlichen
Gesandten und bevollmächtigten Ministers in Kassel,
Baron de Moranville, an Grossherzog Ludwig L, 17.
Sept. 1813. Grossherzogl. hessirtclu-s Haus- tmd Staats-
archiv in Darmstadt.) Hier und da tauchten im Han-
noverischen feindliche leichte Truppen auf und man ver-
nahm von kecken Abenteuern dei* russischen Reiter-
föhrers Alexander Iwanowitsch Tscheruitschew, der über
die Elbe daher stürmte ; so hatte er Mühlliausen zerstört,
die Behörden gefangen und in einen Wagen eingekeilt,
den er mit sich führte. Im Land Hannover gingen
Gerüchte um, der Feind nahe ; die Garnison in und
um Celle zog sich zaräck, die Commandanten in Celle
und in Uelzen gingen nach Hannover, hier zitterte der
allgemein verhasste l'olizeikommissär Frömbling für sein
Leben und war entschlossen, hei Anmarsch des Feindes
Hannover sofort den Rücken zu kehren, während sein
minder bedrohter Amtsbruder Grahn auszuhalten ge-
willt war. Die Militärbehörden in Hannover trafen Vor-
sichtsmassregeln, die Thore blieben von acht Ulir Abends
bis zum Sonnenaufgänge geschlossen, die Militärs und
einige Civilbeamte bereiteten alles zur Abreise für den
Moment vor, sobald der Feind eingerückt sein werde ;
Wüsenhiuslotterie iu Kassel, war damals Sekretär bei dem Obor-
gerichte in KasisoL, verhoitathot am 2fi, Mai 1824 mit Auguste
Landre (f 14. Dec, I83B), Tochter des Rittmoiüters a. D. Landre
und der Philippine KlpioHchmidt, einer Scbwc&tor meiiiOB Gross-
vaters wie auch der Kreisiiitliin Henibe in Kotenburg.
246
die Polizei war durch Geheimagenten benachrichtigt,
derselhe wolle «ich um jeden Preis der Archive der Hohen
Polizei und der Genbdarmerie in Hannover bemächtigen,
darum ordneten beide Kommissäre in der Nacht zum
12. Sept. die Papiere und Archive zum Zwecke ihrer
Entfernnng anter bewaffnetem Schutze. Bei dieser be-
drohlichen Lage zeigte die Bevölkerung eine d«r hohen
Polizei auffallige Ruhe : letztere hatte bei der Anhäng-
lichkeit so vieler Hannoveraner an das alte weltische
Regiment Seenen erwartet und die KominissäiT Grahn
und Frömbling schrieben am 14. Sept erstaunt an Gontz :
„Es scheint, es giebt unter ihnen solche, die anfangen,
Vernunft anzunehmen, und ihr wahres Interesse erkennen.'*
(St.-H. XV. 51.) Die Bevölkerung blieb auch ruhig, als
am Morgen des 20. Sept. ein Detachement von achtzig
Mann, Kasaken» Husaren >von Estorf«, Jäger »von Kiel-
mannsegge< und zwei britische Husaren in Celle ein-
ruckten : von ihrem Vorhaben, einen Gefangeneu zu be-
freien hielt der Polizeikommissär Haas die Scha&r durch
die Vorstellung zurück, der Mann sei ein Betrüger; sie
begnügte sich nun mit der Versiegelung einiger Kassen,
dem Verbrennen der Conscriptionslisten und ähnlichen
Dingen und sprengte, als etwa vierzig westphälische
Garde-Chevanxlegers um Mittag übfr sie herfielen, davon,
wobei acht bis neun Leute gefangen wurden. (Bericht
von Haas in Celle an den Generaldirektor der Hohen
Polizei, Bsiron Bongars, 21. Sept. St.-H. XV. 51.) Ein
Polizeikommissär in HQdesheim macht» Gnntz am 20.
Sept. darauf aufmerksam, der vom Könige besonders
ausgezeichnet« neue Cnterpräfekt von Nordenflycht
äussere sich höchst illnyal und die Treue des Präfekten
Staatsraths von Reiman sei zweifelhaft. (St-H, XV. 51.)
Vorerst blieb die Ruhe im Distrikte Hannover ungestört
und auch um Celle zeigten sich keine weiteren Partei-
gänger; erst am 30. Sept. verliessen die Gensdarmerie
and die Militärbehörden Hannover, wo vorerst der Präfekt
Frantz blieb. (Bericht von Fraiitz un den Minister des
Innern, 30. Sept. St.-H. XV. 62.) Im Draunsehwei-
len zuckte plötzlich ein uiiheiinhcli«>r Blitz, der
ipteussische Oberstlieutenant F. \. L. von der Marwitz
überschritt mit dem S. neumärkischen Landwehr-Reiter-
regimente am 22. Sept. diu Elbe, überrumiieltt' am 25.
Braunsc-hweig und entfülirtf hui dem Abznge eine Reihe
diensteifriger königlicher Beamten nach Stargiird. Dif
Geheimpolizei aber war im Königreiche noch rühriger
als bisher, die Privat -Korrespondenz wurde befetändig
erbrochen, die Zeitungen lugen nnter dem doppelten
Drucke der französi.schen und der westphäli-schen Regie-
rung. Jedermann befleissigte sich peinlicher Vorsicht,
um nicht in Contiikte zu gerathen ; an den baldigen
Eintritt einer Gefahr für Kassel glaubte man nicht,
weil der König in Kas.sel blieb ; freilich sandte er seine
kostbarsten Kffekten weg und liess unter dem Verwände
der Dekorirung eines neuen Thronsaals die schönsten
Statuen aus dem Marmorbade und die Hauptschätze des
Museums zusammentragen, um sie leichter wegschaffen
lassen zu können. Erst am 26. Sept. berichtetti der
Moniteur du Westphalie» der Herzog von Reggto, Oudinot,
sei am 24. Aug. hei Grossbeeren nicht ph'icklich gewesen
und siei nach Wittenberg zurückgegangen, der Fürst
von der Moskwa, Ney, habe da-s Commando übernom-
men und zwar am 5. Sept. Tauentzien geschlagen, sei
aber Tags darauf auf dem Marsche durch Bülow genö-
thigt worden, sich auf Torgau zurückzuziehen ; zwischen
den Zeihen konnte man grössere Misserfolge lesen.
Flüchtlinge, denen man vftrgebens den Zutritt wehren
wollte, verbreiteten bald Kenntniss von der französischen
Niederlage bei Dennewitz oder Jüterbogk vom B. Sept.,
und neue Sorge ergriff die Gemütlier, um so melir als
Nachrichten von der Grosseri Armey fast ganz ft-hlten.
248
(Deppsche des preuRsischen Geschäftsträgers Legations-
raths von Mettingli, Berlin 14. Okt.. an Friedrich Wil-
helm 111. Geheimes Staatsarchiv in Berlin. Hessen. Rep.
1. Nr. 24.) Allmälig mathte sich alle Welt mit dem
Gedanken an eine wahrscheinliche Katastrophe vertraut,
niemand schien jedoch zu wissen, wuher der Schlag
kommen würde. Dass der französische Gesandte, Baron
Reinhard, schon länger Befürchtungen hegte, bekundet
sein Brief an den Herzog von Bassano, Maret, vom 12.
Sept., worin es u. a. hie,ss: ,,Ich habe jetzt weniger
als im letzten April für den Fall Zutrauen, dass der Feind
die Stadt Kassel bedrohen sollte, die in militärischer
und politischer Hinsicht sicher ein sehr wichtiger Punkt
ist. Der König denkt, der Feind könne sich nicht an
diesen Punkt wagen, und seine Erwägungen sind sehr
richtig; aber wir leben in einer Krise, die voll unvorher-
gesehener Fireignisse ist, und ich möchte wenigstens,
der König hätte ausser seineu Husaren etwas fran-
zösische Infanterie um sich." Dieser Brief wurde vom
Feinde abgefangen, erschien in einem österreichischen
Journal und diente, wie ßaron Du Casse sagt, als Anlass
zu l'schemitschews Zug auf Kassel, das diesem von
Vertheidigungsmitteln ganz entblöst dünken mochte.
Jerome schien resignirt und meinte, alle Massregeln
getroffen zu haben, um von jeder Bedrohung der Resi-
denz zeitig avertirt zu werden: schlimmsten Falls hielt
er das Corp.s Bastinellers bei Heiligenstadt für stark ge-
nug, sich einige Tage gegen überlegene Streitkräfte zu
wehren and ihm derart zu einem gut geordneten Rück-
züge Zeit zu verschaffen. In der Frühe des 27. Sept
belustigte er sich mit dem Hofe auf einer Landpartie,
als ihm ans Nordhausen gemeldet wurde, von dorther
seien Ka.saken im .Anmärsche, doch verliess er sich auf
Bastinellers Schritte wie auf den Umstand, dass der-
eelbe noch keine verdächtige Bewegung bemerkt habe,
I
nahm von der Meldung keine Rücksicht, spasste viel-
mehr darüber mit den Hoftlatnen. (8t.-B., Depeschp.
V. Mi'ttinghs an Friediii-h WiUielm 111., 14. Okt.) Im
diplomatischen Corps zu KasHcl regte sich Unruhe über
die nächste Zukunft; der hessi-scbe Gesandte Baron
Moranville .siedelte im Stjfitembcr nach Arolsen über, wo
er auch akkreditirt war; der österreichische Gesandte
Baron Schall war in Folge de.s Anschluase.s von Oester-
reitb an Nupoleou;* Gegner am Iß. August abgereist, den
preas«i8fhen Gcscbäftsträger von Mettingh hielt man in
Hausarrest. Während des 26. und 27. September liefen
in Kassel beunruhigende Nachrichten ein, man erfuhr
nicht nur von Marwit.z' Handstreichj sondern Bastineller
meldete auch, dass sich im Harze feindliche Schaaren
zeigten und bis Mühlhausen und Nordhausen vordrängen.
Den Angriff erwartete man nach wie vor vom Harze
aus, nicht von der Unstrut, weshalb nachher die Ueber-
raschung so ungeheuer war. Der Kronprinz von Schweden,
Bernadotte, gestattete dem unter ihm dienenden General-
major Tschernitscliew, dessen ich oben erwähnte, einen
Ueberfall von Kassel zu versuchen, und gab ihm Offiziere
bei, die mit den hessischen Lokalitäten vertraut waren,
unter ihnen den Major Freiherrn von Dörnberg. Tscher-
nitschew umging Ba.-^tineller und erschien in der Frühe
des 28. zwischen Ober- und Nieder-Kaufungen.
Um 4 Uhr in der Frühe des 28. Sept. war General
Bongars^ der Chef der Hohen Polizei, von dem Heran-
nahen der Ru8.sen unterrichtet worden. Er begab sich
sofort zu J^rome. Dieser liess die Garnison unter
Waffen treten, sandte 25 Husaren und 2 Compagnien
Garde-Chasseurs auf Recognoscirung aus, doch geriethen
diese in Folge des dichten Nebels mitten unter die
Rossen. In Kassel hörte man lebhaftes Kleingewehr-
feuer aus der Gegend der Leipziger Vorstadt; rathloa
rannte die Hufgesellschaft einher, als sie vernahm, dort
250
SPien die Kasaken ; letztere nahmen mühelos die sechs
Geschütze aaf dem Forst und fingen ab, was ihnen aus
Kassel entgegen geworfen wurde. Die Anstalten zum
Schatze Kassel» zeigten sich als ganz anzalänglich ;
Jerome stieg im Hofe des Bellevue-Schlosses zu Pferd,
ritt darcti die Reihen und ermunterte die Kleinmüthigen ;
die Generalität, die Minister und hohen Beamten sam-
melten (»ich ullmiilig um ihn. Gern hätte man auch
die üffentlicben Kasten gerettet, schleunigst zahlte man
den Beamten für September und Oktober den Gebalt
aus, ja einigen auch für die beiden letzten Monate von
1813 und beugte dadurch schweren Bedenklichkeiten vor.
Immer mehr Kasaken zeigten sich, immer näher hörte
man das Schie«sen. Im Besitze der Geschütze vom
Forst drängte der Feind die Westphalen hinter die
Wahlebach zurück ; an der Leipziger Strasse behauptete
sich zwar auf der ßettetbrücke bis zum Nachmittage
der kühne Commandant der Garde-Jäger, Major Baron
(seit 13. Mai) Johann Ludwig Boedicker, doch masste
er, auf den Flügeln umgangen, sich auf das Leipziger
Thor zurückziehen. Die Russen brachen gegen 10 Uhr
in die L'nterneustadt ein, bemächtigten sich des Castells,
ans dem sie alle Gefangenen, über hundert, befreiten
und gegen elf endete das Feuer, der Feind zog ab. Um
diese Zeit erfuhr Tschemitschew, dass es möglich sei,
eine halbe Wegestunde oberhalb von Kassel den Fluss
zu durchschwimmen, und schickte Kasaken an diese
Stelle. Sobald Jerörae hiervon hörte, hielt er den Moment
zur Flucht für gekommen; wenn die Russen dort, bei
der Neuen Mühle, die Fulda passirten, so konnten sie ihm
die Frankfurter Stnisse, d. h. die Hauptverbindang mit
Frankreich, abschneiden : darum gab er den Gardes-du-
Corps und Garde-Husaren Ordre, die Frankfurter Strasse
zn besetzen. Einige hundert Garde-Hu.saren rückten
tnm Frankfurter Thor hinaus, Jeröme jagte ihnen nach,
von den Gardes-du-Corps, einigen Haufen Clievanx-
legers und einur AbUieilung Garde-Grenadiere mit üiren
Fahnen*). Bastirieller war am 28. in Lichtenaa ange-
i kommen und konnte somit die Russen im Rücken fassen;
' als er aber den Kanonendonner hörte, vermuthete er,
Kassel sei genommen, und zog seitwärts nach Morschen
■ zu; seine Leute desertirten in Masse und schliesslich
fanden sich in Friedberg, wo endlich die Flucht auf-
hört?, mit Einschluss der Offiziere noch etwa 80 Mann
znsainmen. Diesen Feind brauchte somit Tschernitschew
nicht zu bekämpfen.
Jeröme dachte nur an ili« eigene f^icherheit und
ritt in einem Zuge bis Wetzlar, d, h. 14 Meilen weit.
Tst'hernitschew belielligte seinen Abzug nicht, denn er
fürchtete, Bastiiieller falle über ihn her. (Depesche v.
Mettingh's an Friedrich Wilhelm 111., U. Okt. St-B.)
J^röme's Gefolge hatte sich sehr vermehrt, die Mini.ster
und viele hohe Beamte, besonders Franzosen, waren ihm
nachgeritten, viele andere Franzosen verliessen zu Fuss
die Residenz und manchem gelang es nicht, den Kasaken
zu entrinnen, die nicht anstanden, ihn bis aufs Hemd
auszuplündern. Die Kasaken lockten eine Reihe Garde-
■ Husaren von der Frankfurter Strasse ab durch den Flass,
zogen ihnen die prächtigen Uniformen aus und jagten
fsie in Hemd und Hose, auf dem Kopfe die spitze hohe
Mütze, unter wildem Gelächter zum Leipziger Thor
hinein, wo sie im Wachthaus blieben, bis man alte
Mäntel für sie fand. (Brief Wilh. Grimms an Arnim,
15. Dhc. 1813. Kleinere Schriften 1881.) Auch unter
den Truppen, die Jerome folgten, rissen Disciplinlosigkeit
und Desertion ein. Nicht mehr als 180 Mann rückten
am Nachmittage des 29. in Marburg ein, Jerome war
ihnen vorausgeeilt, übernachtete in Wetzlar und setzte
♦) Uobcr dio Stollung Jorönie's am Wai-teküppel und bei der
Knallhütte s. f. Spttkl, Das Königreich Westphalen Ü. 167 u. 168.
252
am 30. seine Flucht bis Coblenz fort. Reinhard, der
mit Jerome abgereist war, schrieb verzweifelnd am 29.
aus Wetzlar an den kaiserlichen Minister des Aeusseren,
Herzog von Bassano : „Wir haben absolut keine Nach-
richt aus Kassel. Niemand ist zu uns gestossen. Der
König und seine Umgebung wissen nicht, ob es besser
sei, sich nach Coblenz, kurz nach Frankreich zu begeben
oder weitere Nacli richten am rechten Rheinufer abzu-
warten, um, wenn h'w: gut lauten, nach Marburg umzu-
kehren . . . Ich schreibe in Eile und mit zerrissenem
Herzen." Auch Jerome theilte aus Wetzlar am 29. dem
Kaiser, dessen Zorn über seine voreilige Flucht er ahnte,
seine letzten Erlebnisse mit und schloss also*): „Bei
dieser Sachlage blieb mir keine andere Wahl, da ich
nicht daheim aushaltnn und auf keine HiiJfe rechnen
durfte, als mich auf Coblenz zurückzuziehen, den Rhein
werde ich aber nicht überschreiten, bevor ich die Inten-
tionen Ew. Maje.stiit kenne. Ich werde meine Truppen
iu Wetzlar sammeln. Lieber wäre ich mit ihnen ia
Marburg geblieben, da aber die öffentliche Stimmung
dort .sehr schlecht war, so wäre die Desertion unter
meinen wenigen Soldaten eingerissen. Selbstverständ-
lich könnte ich in kurzem nach Ka.ssel heimkehren, Sire,
wenn ich erführe, <las.s irgend ein französisches Corps zu
meiner Hülfe heranzöge." Des Königs Brief fiel streifenden
Kasaken in die Hände und kam gleichzeitig mit Tscher-
nitsehews Bericht über seine Expedition an Kaiser Ale-
xander. Der König liess sich im Schlösse zu Montabaur
nieder, von wo er am 1. Okt. der Königin schrieb, die
am 10. März Kassel verlassen hatte und in Aleudon lebte ;
er sprach ihr die Hoffnung aus, jetzt werde der Herzog
von Valmy ihm ein Corps senden, mit dem er in wenigen
Tagen wieder in Kas.sel einziehen könne , lobte die
Haltung der Kasseler Bürgerschaft, tadelte bitter einen
*) Baron Du Cassf^ LesBois Freres de Napoleon I«(- Paiifi 1883.
I
25:^
eil des Hofadels, rühmte aber warm die ritterliche
Haltung des 84jalirigen Generals von Sclilieffeii ; er be-
tonte, wie nothwendig es jetzt sei, sparsam zu leben,
■nnd überwies ihr durch Buiron Sorsuni 400,000 Frcs.
zum Ankauf einer kleinen Besitzung bei Paris; er er-
klärte, er habe nicht soviel mitnehmen können, um das
Hemd zu wechseln, denn allea sei in Feindes Hand ge-
fallen. Gleichzeitig schrieb er Napoleon, derselbe künne
darauf rechneu, Hessen in zwei Tagen im Aufstande
2U sehen. „Die Einwohner sind sehr wild, man wird
gegen sie viel Gewalt anwenden müssen. E. M. weiss
besser als Jemand sonst, dass ich voraussah, was ge-
scbiuht, nnd dass ich Ihr, um dies Unheil zu vermeiden,
wiederholt vor.schlug, mir in Kassel 10 — 12 Bataillone
za lassen." Von Montabaur zog Jerome alsbald nach
Coblenz, wo sich seine Minister um ihn sammelten ;
auch der sächsische Gesandte, Graf Schönburg, nnd der
badische Geschäftsträger Friedrich begaben sich jetzt
von Kassel nach Arolseu, den württembergischen Ge-
sandten, Baron Gremji von Freudenstein, rief Künig
Friedrich nach Stuttgart ab, da seine Mission als be-
endet angesehen werde. Wenden wir uns nun vom
Könige zum Königreiche zurück!
Tschernitüclipw hattt* sich nach Alelsungon zurück-
gezogen ; er betrachtete seinen Handstreich auf Kassel
als miflslungen, da die Bürgerschaft für die Russen
nicht Partei ergriff uiitl der König ihm entwischte. Bald
aber vernahm er, wiii Jerönie über Wabern abmarschirt
sei und Bastinetlers Corps sich in kläglicher Verfassung
befinde. Der Cominandant Kassels, General Altix, liess
zwar in den Monitpur vom 2i>. einrücken: , .Einige hun-
dert Kasaken erschienen gestern vor der Stadt, wurden
aber derart empfangen, dass ihnen die Lust vergi*hen
mus.ste, wiederzukommen. Nach beträchtlichem Verluste
fiücht.eten sie sich durch die Wälder. Die Ruhe der
254
Stadt ist keinen Augenblick unterbrochen worden, und
die Einwohner wie die Truppen haben sich vollkommen
gut betragen*', doch hielt er eine Wiederkehr der Rassen
für nicht unwahr.scheinlich. Am 29. blieb alles mhig^
man sah keine Russen mehr. General v. Zandt hatte
sich endlich auf den Marsch nach Kassel begeben, brachte
aber nur die Schwadron Garde-Husaren und höchstens
200 Mann westphälische Infanterie durch das Leipziger
Thor mit. Um Mittag des 30. riefen die Kasaebiier
einander zu, die Russen kämen wieder; vom Ane-Thor
sah man aus dem Sühre-Walde einen langen Zog daher
kommen. Zwischen 3 und 4 Uhr begannen die Rassen
die Stadt zu beschiessen, denn ein Trompeter, den
Tscbemitschew an Ailix entsandt, um die Uebergabe
zu fordern, war heimgeschickt worden. (Depesche Mo-
ranTÜle's an Grossherzog Ludwig, Arolsen, 9. Okt, St.-D.)
Einer Deputation, die Allix zum Nachgeben zarieth,
erwiderte er, er habe strengsten Befebl, Kassel bis zum
letzten Manne zq vertheidigen ; dieser Auasprach erhöhte
die Angst, die Rürger tauchten wieder in den Strassen
aaf, junge Leute liefen nmher und riefen, Widerstand sei
anmöglich und bringe Verderben ; sie wollten die Tbore
mit Gewalt öffnen und griffen das Militär an ; es feuerte
und ein Jüngling Hei. Ein Offizier der Garde-Cbevaux-
Kgers wurde anter Jub«l auf seinem Stuhle durch die
Strassen getngen^ weil er gesagt hatte, es wetde capi-
tolirt. Unter dem Volke bewegten sich die ans den ¥Asen
befreiten Gefangenen nnd Üessen es an Skandal nicht
teUcB. Wütbend warfen sich die Haofen auf die So4-
diteB, aÜBafaBadeteBD oihI reiAtßkuiAam sie. Allix s«Ibs(
«ad 8MB» fcfichstwi Ofluisr» eatgingen kaam körper-
IkÜMir Verletsang; hänfig kam es vor, das« Soldaten
tatmwMmft wardes, was sie ganz geatttküch g«9cbeb<{n
lisssi«. Grimtm eniUt «on dm Gardfr-Hawaiui: ,^
waten nodi ganz jange lleaadtca, aocb akhl eiwaal
255
vollständig moiitirt, si«« halfrm selber die iieae blau
und weisse Gurt über ibreti französischen Provinzial-
kittel oder einer farblosen Uniform abbinden und in
der Gnsse forttreiben ; auch suchten sie ordentlich
redlich in den Taschen mich den beigesteckten Patronen
■ und reichten sie bin." Auch schildert der grosse Ge-
lehrte, damals Secretär an der Kasseler Bibliothek, wie
■ die Kasernen während der Kanonade geplündert wurden
and die Raublnstigen »Feuer* riefen, um die Leute von
sich abzulenken. Unterdessen rückte der russische Oberst
Baron Konstantin von Benckendorff, der später so be-
rühmte General, gegen das Leipziger Thor, die daselbst
haltende Chasseur-Carabiniers-Compagnie vom Zandt-
schen Corps, anf die Genera! All ix besonderes Vertrauen
gesetzt, lief, ohne den Angriff abzuwarten, zum Feinde
H über. Zum Theil bewaffnet, stürzte sich nun das Volk
auf die Vertheidiger der Fuldabrücke, nahm ihnen
Flinten, Säbel und Mützen und warf dieselben ins Wasser.
Einer der Offiziere, ein Deutseber, half mit bei der Ent-
waffnung und trank den Bürgern zu : „Zum ersten Male,
liebe Landsleute, wieder für deutsche Freiheit!" Eine
H Kanone wurde auf der Brücke umgestürzt^ der Munitions-
wagen zerbrochen und die Munition in den Fluss ge-
schüttet, die Wagen an der Brücke wurden bei Seite
geräumt, die Offiziere mit einem Steinhagel zerstreut
(Depesche Moranville's an Gros.sherzog Ludwig, 9. Okt.
St.-D.), dann zog das Volk die Kanone durch das Thor.
Major VOM MeiVjom erhielt von Allix den Befehl, die
H eingt'drungenen Russen wieder aus der Stadt zu ver-
treiben, eroberte (his Lei[izigi-r Thor und behauptete
sich auf der Fuklalirilcke. Allix" Lage ver.schlimmerte
H mch beständig und T-schertiitscliew sandte ihm den
Oberstlieutenant Grafen Balniain mit der Aufforderung
zur Uebergabe ; unter den Ausbrüchen massloser Fpude
I trug das Volk Baimain durch die Strassen auf daa
256
Oberneiistädter Rathhaiis und überall schrie man : „Es
wird capitulirt!"' Die Gefahr einer Plünderung schien auf-
gehoben. iVUix war froh, dass der Feind vor ihm von
Capitulation sprach, ging darauf ein und stellte Bedin-
gungen, die Baimain und drr OberstUeutenant von Bolt«
Tschemitschew überbringen sollten; dann ritt er mit
dem Reste seiner Cavallerie vor das Kölnische Thor,
um auf dem Armenfeld die Antwort des Belagerers zu
erwarten. Benckendorff kam mit Baimain und dem
Major Fritz von DiVrnberg auf das Oberneustädter Rath-
haus, wohin AllLx zurückgekehrt war, die Verhandlungen
begannen zwischen ihnen und dem von Allix bevoll-
mächtigten Büscadronschef Dayon de la Contree., AUix
suchte günstigere Bedingungen zu erzielen, die städti-
schen Beamten aber boten an, sie wollten unterzeichnen
und Kassel txotz seiner übergeben. (Depesche Moran-
vilie's, s. oben, St.-D.) Während der Verhandlung er-
schienen Kasaken vor dem Frankfurter Thor, dessen
Besatzung davon gelaufen, russische Gefangene in der
Wachtstube öffneten ihnen, und sie streiften, 50 — 60
Manu stark, bis zum Ratb hause. Allix war entrüstet
über ihr voreiliges Einrucken in die Stadt und machte
Benckendorff bittere Vorwürfe; dieser befahl den Ka-
saken abzuziehen, und um halb sieben Abends onter-
zeichneten Benckendorff und Dayon de la Contra die
Capitulation auf Tscbernitschews Bedingungen hin, AUix
setzte auf einem Schemel vor der Kölnischen Thorwache
seine Unterschrift hinzu, auch Tschemitschew zögerte
damit nicht. Jetzt fielen die letzten Schranken der
Disciplin, die Militärs zogen Civilkleider an, um weniger
beachtet zu werden, und bald sah man keinen franzö-
sischen oder westphälischen Soldaten mehr; Allix war
mit seiner Suite und den letzten Soldaten mit Waffen
und Gepäck, aber ohne Geschütze um 7 Uhr durch das
Kölnische Thor über Kircbditmold nach Arolsen zu ab-
I
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257
gf^zogen, der grösste Theil der frnnzösisc hen Beamten
war ihm gefolgt, Kasaken begleiteten Allix, auf den bei
dem Marsche durch Dornberg aus einem Hause ge-
schossen wurde. Er zog über Arolsen und Korbach
nach Marburg, wo er am 2. Oktober eintraf.
Die Kaeaken begegneten in Kassel allgemeiner Be-
geisterung, durch Ausrufer wurden die Einwohner auf-
gefordert, alle Fenster nach der Strasse zu beleuchten,
man brachte unzählige Kürb& mit Nahrungsmitteln in
das Bivouak auf dem Forste. Mit unendlich geringer
Einbu8.se war am Tage des heiligen Hieronymus ein
voller Sieg Tsehernitsthew in den Schoss gefallen.
Mettingh, der aus seinem Hau.se zuerst die Ver-
wün.schuugen gegen Allix und die Regierung, jetzt das
tolle Jubelgeschrei hörte, berichtete seinem Könige^ dass
Graf Fürsfenntein seinen königlichen Freund begleitete,
die anderen Minister und viele hohe Beamte nach Pader-
born gingen, wohin fast alle fremden Diplomaten ab-
reisten ; nur der dänische Gesandte, Baron Selby, und
der Secretär der sächsischen Gesandtschaft blieben und
Tschernitschew versprach ihnen bei der Capitulation vom
30. Pässe. Die geflüchtete Regierung hatte die letzten
Tage bestens verwerthet, um die Kassen zu leeren und
fortzuschaffen, was irgend beweglich war. Ihre über-
eilige Flucht verschaffte Mettingh die Freiheit, er bat
Tschernitschew um Rath, welche Route er nach Preussen
einschlagen solle, und diest^r meinte, am sichersteu sei
er bei seinen Kasaken ; Mettingh befolgte die Weisung,
zog nachher mit Tscliernitscbew ab und wurde vorzüg-
lich behandelt, bis er ihn am ü. ükt. in Bodenteich *)
verliess und nach Berlin reiste. Von ihm erfahren wir
auch, welchen Alarm Tschernitschews Streifzug bis zum
Rhein hin verbreitete; Dalberg, der Grossherzog von
Frankfurt, ging auf die erste Nach rieht von Aschaffen-
•) Diesen Ort ucnut Mettiugh lu der citirteu Dopesche.
K. F. XVI. BU. 17
258
barg nach Konstanz, die Ka&aken streiften über die Paida
hinaus und fingen Couriere ab, ans den so erlangten
Depe&chen aus Paris und Neapel ergaben sich merk-
würdige Details über die öffentliche Stimmung, besonders
in Neapel, und über die Unruhe, welche die Sachlage
und der Mangel einer regelmässigen Verbindung mit der
Grossen Armee verursachten. (Depesche Mettingbs au
Friedrich Wilhelm 111., 14. Okt, St.-B.)
Schon in der Frühe des 1. Okt. strömte das zur
Freiheit gelangte Volk nach dem Forst. P'inen eigen-
thümlichen Eindruck machte das feierliche Amt, das ein
Pope vor den Truppen abhielt und wobei die Kasaken
sangen ; mancher freilich, der zu nahe hinzutrat, ver-
misste später Uhr, Ringe, Pfeife oder ähnliches. Dej Ge-
neral Tschernitschew rüstete sich zum Einzüge in Kassel
und verbot bei Todesstrafe die Absendung einer Post.
Drinnen rief der Präsident des jüdischen Cou&istoriums
Dr. Jacobson *) eine Judenversammlung ein and verkün-
dete, die Gesänge Zions sollten laut auf den Gebirgen
Westphalens hallen. Gegen zehn Uhr erfolgte Tschernit-
schew's Einzug, ganz Kassel umringte ihn frohlockend.
Der schöne Mann in der grünen reich mit Gold gestickten
Uniform, mit dem breiten rothen Ordensband und meh-
reren Sternen stach besonders den Frauen in die Augen ;
barhäuptig ritt er daher, in der Hand die weisse Tuch-
mütze, mit der er voll Anstand unaufliörlich grü.«ste ; ihm
folgten mehrere Offiziere, etwa hundert Dragoner und
Kasaken, und um ihn rief man: „Eis lebe Kaiser Ale-
xander!" ,.Es lebe der Kurprinz!" Zu letzterem Rufe
führte das Gerücht, der Reit<^r mit dem rothen Bande sei
nicht Tscheruitschew, sondern der Kurprinz von Hessen,
Viele glaubten es, denn sie hatten den Prinzen Wilhelm nie
*) S«Lne Bi<:>graphie gab icb io der ..2ciUchhft des Harz-
Vereins für Geschichte mid AlterÜtuuskaDde**, 23. Jahrg. 1. Hilft«.
Wernigerode 189a
259
gesehen, Andere lufinten, sein Haar sei dunkler und
krauser geworden, mehrere Weiber versicherten, sie
kennten ihn ganz genau^ denn sie hütten ihn ja oft an der
Hand geführt, ja eine colportirte, der Prinz habe ihr die
Hand gereicht und gesagt: „Morgen kommt mein Vater."
Ein russischer Offizier aber sagte den Kasselanern ins
Gesicht, er müsse sich wundern, dass sie ihre Fürsten
nicht besser kennten. Als Tscliernitschew auf den
Markt kam, konnte er nicht mehr weiter, man küsste
ihm Rockschoss, Hände und Füsse, „an den Stiefoh»
ward er festgehalten, ja einer, weil er nicht näher kommen
konnte, hielt den Hals seines Pferdes umarmt'* (Grimm).
Der General bezog das vormals Herlepsch'sche, damals dem
Grafen de la Ville überlas.sene Haus der Bellevuestrasse
und der von ihm zum Stadtkommandanten ernannte
Oberstlieutenant der Isum'schen Husaren Ra.schanowitsch
das trothe Haus« {Hotel zum Kurfürsten). Im Theater
spielten die französisclien Akteurs vor den russischen
Eroberern und die Aktricen begannen Liebeshändel mit
den Offizieren. So lange Tschernitschew da war, hörte
der Auflauf an seiner Wohnung nie auf und Grimm
sagte: „Die es am herzlichsten meinten mit der Hoff-
nung auf die herannahemle völlige Befreiung, gingen
dahin und die schlechtesten, denn man sah auch die
Agenten der geheimen Polizoi horumschleichen, zum
letzten Mal das Geld zu verdienen, das vor Gott schwerer
als Blutgekl wiegen niuss." Denuncirt wurde freilich
genug, viele Leute, besonders Polizisten, wurden arretirt
(Depesche Moranville's vom 9. Okt. St.-D.) ; wie man sie
dahin führte mit den vorängstigten Zügen, erweckten
diese Sjuirhunde, die so viel Jammer in die Familien
getragen, von neuem den Grimm des Volkes, das nur
mit knapper Noth verhindert wurde, sie zu erwürgen.
Tschnrnitschew lii^ss das Schloss unberührt und nahm
von allen Schätzen, die Kassel umschloss, nur zwei
17*
260
Erinnerungen für Kaiser Alexander mit, das Portrait
einer der schönen Schwestern J^romes und sein Vermeil-
Schreibzeug, welch letzteres heute noch im Schranke 1
der Galerie der Kostbarkeiten in der alten Eremitage
zu St. Petersburg zusehen ist. Er übersandte am 1. Okt
die Schlüssel der Stadt seinem niichstt-n Vorgesetzten,
dem General Lieutenant und Commandanten des 2. Corps
der russischen Hauptarmee, Baron Ferdinand Wintzin-
gerode, and berichtete ihm über seinen Handstreich, über
„den Jubel und die Aufnahme bei den Einwohnern, die
80gar die Begeisterung der Berliner übertreffe." In der
That waren die Tni5>i>en Tschernitachews die verwöhnten
Kinder der nächsten 'i'age ; zu den Festen im Lager
drau&sen liefen die Französinnen und viele andere Frauen
aus Kassel gern hin ; „besonders beliebt"., sagt Grimni,
„war ein Kalmücke, ein dicker Keil mit einer unglaublich
freundlichen Miene, die nicht aufhürte ; an seinem kleinen
spitzen himmelbhiut!]! Mützchen kenntlich, grOsste er
jedernianu ohne Unterschied auf das Freundlichste."
Zwischen den Kasaken tauchte dann wohl auch in den
Strassen da und dort eine hessische Uniform wieder auf,
die sieben Jahre im Kasten gelegen hatte und davon
noch die Falten zeigte ; die Franzosen blieben meist
daheim, um nicht mit dem überfrohen Volk in ConHikt
zu gerathen, und dies suchte sie nicht auf. Am 28.
Sept. bereits hatten Kasaken eine Wegstunde von Kassel
auf der Frankfurter Strasse die bildschöjie Gattin de«
königlichen ersten Chirurgen, Ritters Garnier de Saint-
Rouraiii, Tochter des Zahlmeisters Baiti aus Bayonne,
aufgegriffen und zu Tscherriit^chew, dem »Löwen von
der Newa*, gebracht, der sie zur guten Beute erklärte;
sie trennte sich nicht von ihm, theilte sein Bivouak
und vergass, dass sie erst fünf Jahre verheirathet war,
80 sehr, dass sie seinem Antrage gemäss mit ihm Kassel
Terliess und bei den Kasaken den Feldzug mitmachte.
J
(Depesche Moranville's an Grossherzog Ludwig, 9. Okt,
St.-D.)
Gegen Abend des 1. Okt. erschien die allbekannte
Proklamation Tscliernitschews »An die Bewoliner des
Köniprcicfis Wesipliak-n*, worin im Nnmen dc-s Zaren
und auf Befehl <ii'S diu Nordarmee kommandirenden
Kronprinzen von Schweden „das Königreich Westphaleti
von ht'nto an anffiörte : jf;doch nicht, nm es als erobr-rtes
Land zu Urhandi-tn, snndf.Tri um es von dnr franÄÖsi8chen
Herrschaft zu befreien." Die.se Kundgebung zertrüm-
merte mit einem Schlage- das Kartenhaus dm- Ji'ronie-
sehen Herr.'=;chaft , überall <'r!o.sch die Autorität der
königlichen Behörden, da nnd dort warf sich das Volk
auf missliehige Beatnfe, mjs.shandelte oder vertrii^b sie;
besonders in den kleineren Orten mussten 8t»-m;rbeumte
und Polizisten hart leiden. So wurde in Eimbeck der
ziemlich unbesonnen« Maire vom Pöbel fast ermordet,
der Unterprafekt mit seinem Personale verjagt und der
mit seiner aus lauter Veteranmi bestehenden Departe-
mentalgarde heranziehende Priifekt aus Giittingf*n, Deliu"?,
hinau.sgeworfen ; ein Diener des Distrikts-Controleurs für
die indirekten Steuern warf sich znm [{»Agenten der
Stadt Eimbeck auf und organisirte eine Pöbel herrschaft,
sodass AUix heranzog und hundert Hn.saren anssandte;
Allix drohte zwar, die Stadt anKUZÜndeu, abt^r der An-
führer seiner Husaren begnügte sich mit dieser Drohung
und kehrte wieder nm, ohne Eimlieek ein Leid zuzu-
fügen. Auch in Geniuiiden hei Jessberg demotirten die
Einwohner das Haus des Mairc und seines Adjnrditen,
eine Militärexekutinn war auch hier nöthig. (Depesehu
Moranville's an Grnsslierzog Ludwig, Arolsen, 12. Okt.
St.-D.) So war durch Tschern itsehcw die .Vutnrität in
Westphalen zerstört, ohne dass er im Stande war, eine
neue dafür einzusetzen; vielfach begegnete man schon
Kopfschütteln und Sorgen um die nächste Zukunft;
262
was wollte die geringe Streitmacht auf dem Forste be-
deuten, wenn von Mainz das erste beste franzöeische
Corps herankam und allus rückgängig machte? Fanden
auch, zumal in Kassel und Braunschweig, die Rossen
die herzlichste Aufnahme, so erfüllten sich doch Tscher-
nitisi-hews Hoffnungen nicht, dass 4—5000 Mann rego-
lärer Truppen einige Wochen im Lande blieben nnd
sich bald um 20—25000 Nationale vermehrten, ffir die
Waffen beschafft würden. (Depesche Mettingh's an
Friedrich Wilhelm 111., 14. Okt. St.-B.) Noch am 1. Okt
bemächtigte sich Tschern itschew der öffentlichen Kassen,
in denen er 79000 Thaler fand, und sämmtlicber Mflitir-
etablissements : alle Pferde in Kassel* wurden reqnirirt,
um die Kanonen, die königlichen Equipagen, die Mnni-
tion etc. wegzuführen, das Gardemoenble wurde Terheeit
und die Kasaken verkauften, was ihnen unnütz schien,
auf offener Strasse : auch das Müitärbekleidnngsmagaxin
im ehemaligen Cadettenhause wurde ihnen preisgegeben.
Sie stapelten die Beute auf ihren Sätteln thnrmhoch
auf. zogen, den Zügel im Arme nnd auf der Schulter
die hohe Lanze, ihr Pferd hint«rr sich nnd boten ihre
Waaren zum Verkaufe an, nahmen aber kein Kleingeld,
sondern nur harte Thaler: in diesen fli^gpuden Läden
kauften nun kleine Leute und Händler Tuch n. deigL,
wobei tau>end Betrügen? ir'o und Streit igkeit>*n mit unter-
liefen und e# oft g>'nug Prügel absetzt«*, obwohl es
Sonntag war. Mit Hi>?b<c>n ihr»*s Kantschu zwangen die
Kasaken mani-h»-n. ihn'^ii abzakanft-n. andir-re nahmen
e$ ihm wi»-d<rr ab nnd übten n-x-hmaU difselbe Pression.
iDe[vsvhe Moranvillt» vom 9. Okt. an Gtos&herzog
Ladwig. St.-D.»
Am ± Okt. schwirrten allerhand Gerächte darcb
Ka^sieL geeignet die Aufcegong in steigern : ein pceasaiscb-
ce:^err*k*lüs«.'hes Corpi« soihe heranziehen, nuui spiack
von K\X\^ Mann, dcvli kamen nur etwa löO pROssen,
"TlT
äterreicher und Russen, elend huwaffiiete Zersprengte,
hernitschew kuniite sk'ti mit seinen wenigen Trnppen
unmöglich in Kassel behaupten ; eins aber hatte er er-
reicht, „die Wirkung, die das Ereigniss vom letzten Sep-
tember auf die Moralität ausübte, die Auflösung der ganzen
Armee, die Auflehnung der Einen, die Entmuthigung
der Anderen, endlich ein Zustand von Anarchie, dessen
Folgen unberechenbar" (Depesche Mciraiivilles an Gross-
herzog Ludwig, 9. Okt. St.-D.); der westphälischen
Regierung hatte sein Hantistreich mehrere Millionen
gekostet. Trotzdem er nun zum Abzug rüstete, glaubte
doch Mancher in Kassel nicht an Jt^römes Restauration,
fortwährend baten Leute den General um Pässe und
reisten davon ; die dänische GeKandtschaft ging nun
auch nacli Paderborn, die Gräfin Fürstensteiji «elbst,
eine geborene Gräfin Hardenberg, ,,die ihr Gatte auf
Gnade und Ungnade einem Feinde tiberlassen hatte,
der so oft als barbarisch und brutal verschrieen worden
war", erbat sich in einer Unterredung mit Tschemit-
schew einen Pass und erhielt ausser diesem eine Es-
corte unter dem Befehle des jungen Kasakenoffiziers
von Reitzpustein, der für sie alte erdenklichen Rück-
sichten nahm und ilir die Reise erleichterte (Depesche
Mettiughs au Friedrich Wilhelm lll., U. Okt. St.-B.).
In Paderborn und Münster befanden sich jetzt die
meisten Franzosen, die in J^n'ime's Dienst hohe Aemter
bekleideten; die französischen Behörden verweigerten
ihnen die Pässe, um auf das linke Rheinufer hinüber zu
gehen (Depesche Moranville's an Grossherzog Ludwig,
9. Okt. St.-D,), Da Tscherriitschew voraussehen musste,
dass nach seinem Abzüge eine wahre Anarchie ein-
reissen würde, so forderte er den Municipalrath auf,
eine provisorische Regiernngs-Konimiasion zu wählen;
der Municipalrath wählte eine von 13 Mitgliedern, die
nach seinem Abzüge ihre Thätigkeit begann.
Nun vcriiess der russiseho Train mit der reichen
Beutn die Stitdt, die Fortschaffung der Gt?«cliütze und
Waffen bot viel Beschwerde und mancli^r Ka38£'lanor
sah w(d)miith!5Vo]l seinen sclifVniMi Pferden nuch ; könig-
lich« Equipagen, Wagen mit Geld fuhren hinaus, auch
sechs für .Jer^ine eingefahrene. Hirsche waren im Zuge.
Die Russen führten mit sich fürt den verhiissten Prä-
fekten des Fulda-DopartemiMits, Piautaz*), den Maire
von Kassel, Freiherru von Canstein, und den Post-
direktor Otto. Um zwei Öhr Nachmittags folgte Tscher-
nitsidiew .selbst dem Corps, nach allen Seiten htdter
grüssi-nd wie bei seint-m Einritte; er liess Raschano-
witsch mit einer schwachen Kasakenabthetliing in Karssel
ziiriuk, Schon am 4. Okt. zog auch Raschanowitsch
mit sfinen Lfiutcn ab, die letzten Kasaken verschwanden
aus der Geg«nd um Kassel.
Tschernitschew mu-sste dem Feinde auszuweichen
und wo möglich die Elbe ohne Kampf zu über.sclireiten
suchen ; am ersten Tage ging «r nur bi.s Münden, dann
beschleunigte er seine B^^wegung und zog auf Braun-
schweig zu; da er aber benachrichtigt ward, die Brücke
von Ferchland, auf die er gerechnet, existire nicht mehr,
80 ging er nach Diimitz. Am sechsten Marschtage er-
reichte er Bod«mteich, wo ihn der preussisclie Geschäfts-
träger von Mettiiigh verliess, um in Dannenbcrg zu dem
Corps Wallmodens zu stossen ; dort stiess Raschanowitsch
mit seinen Leuten zu ihm und hinrichtete, in Kassel sei
alles ruhig geblieben und man höre noch nichts vom
Anmarscho irgend welcher Truppen. Am 10. Okt. wollte
der General die Elbe passiren und in Perleberg einige
Tage ausruhen, als er Refehl erhielt, links der Elbe zu
bleiben und zur Nordarmee zu stosaen. (Depesche Met-
♦) Seit Mai 1813 wai' Josoph Marie Piautaz Pi-Sfekt des
FuIda-Depai-temcnts.
I
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265
tingVs an Friedrich Wiihflm III., 14. Oki St.-B.). 22
der erobf-rteii Gi;;schützc, Hie Pnlvt^rwHgPH ^tc. wurden
von ihm nach Berlin geschickt, von den 79000 Thalern
vertheilte er 15000 iint-pr seine Trtippen.
In Kassel herrschtf? narh T.schMrnitschew'.s Abzug
eine Tod»'sang.st, was da kommen würde ; aller Po^tvf rkehr
unterblieb, man wusste nichts von der Aussenwelt; bei
den Wachen lief die Meldung ein, difi Bauern aus den
Nachbardörfern würden des Naehis kommen und [.»Hin-
dern, die Leute trafen Gegenvorkehrungen, Niemand
aber kam; am liellen Tage strichen Vagabunden umher,
manche mit Säckt-n zum leicljteren Wogschleppen, und
kein Polizist Hess sich sehen : die am 28- Sept. aus dem
Ca.stell befreiten Sträflinge, darunter schwere Verbrecher,
trieben ihr Unwesen, und es wurde, im Bellevue-Schlosse,
in den Ministerhotels u. s. w. viel gestohlen. Die Kom-
mission der Dreizehn forderte am 4. Oktober die Kas-
eelaner auf, bei der Nationalgarde Dienste zu nehmen, da
diese allein den Strapazen nicht gewachsen war, und
willig folgten die besten Klassen dem Rufe. Der einstige
Gouverneur von Ka.ssel, General Graf von Heldring,
übernahm auf Bitten der Muntcipalität provisorisch das
Gouvernement, Major Baron von Boedicker dag Com-
do der Natioiialgarde ; durch die Energie des Letz-
en wurde es möglich, schon am 5. Okt. sechs Com-
pagnien zu 90 Alunn zu bilden und zu bewaffnen. Mo-
ranviile berichtet<3 seinem Grossherzoge: „Alle ehrlichen
Leute Hessen sich in die Listen einschreiben." Da In-
fanterie nicht an.sreitlite, wurde auch Cavallerie anfge-
etellt ; wer ein Pferd hatte, bestieg es oder lieh es einem
Anderen ; starke rairouillen streiften Tag und Nacht
ninber ; wer in der Dunkelheit ohne Laterne getroffen
wurde, kam in Haft, alle Unruhestifter und einige der
am 28. Sept. losgekommenen Verbrecher wurden einge-
sperrt und so herrschten bald Ordnung und Sicherheit
266
Diu Kommisaion fand in dun Kasisejx nichtsi vor, e« fehlte
IIa- darum an Gt-id uud sie niuäste !^ich damit helfen,
das8 sie die von Jerorae ausgeschriebenen Kriegssteuern
i'rhtil); die Magazine, diu ganz li^ur waren, füllten sich
all mal ig wieder.
Mittlfiwyjle lebte König J^rome bei dem Präfekten
Dünzau in Coblouz; bei ihm befanden sich seine Mi-
nister und dfr französische Gesandte Baron Reinhard,
den vom tl. Okt. an der L^gation^sekretur von Malartic
vertrat. Seiner Gemahlin, dem Kaiser, dem Kriegsaünister
desseSben, Clarke, Herzog von Feltre, stellte Jerome
in seineu Elerieliteu über die letzten Tage die Begeben-
heiten und seine ruhmlose Rolle sehr gefärbt vor; am
9. Okt. «chrieb er Katharina; ,, Wären meine Truppen
treu gewesen, so trüge Tsehernitsehew s»nne Ohren
nicht davon." Den wfeiberfrohen Mann zerstreute ein
Knn.s von Damen, die in den **r.sti*n Tagen in Coblenz
eintrafen, unter ihnen dit; Urälinnen Fürbtenstein und de
Ja Ville-Kur-lllon, letztere die präelitig gebaute Tochter*)
des berühmten Vertlieidigers von Gaeta, des Landgrafen
von lietjsen-l'hilippsthal, die Geueralin Chabert, die Prin-
zessin 8alm und seine (Jeliebte. die Ftirptin Ernestine
von Löwenstein-Wt'rtlu'im-Freudenberg. Hingegen ver-
liessen jetzt auch Manche seine Sache, von deren Treue
er sich überzeugt geglaubt hatte, Dur Oberceremonien-
meister, Graf A. W. K. Hardenberg, hatte sich während
der ruftsi-schen Occupation -sehr vordächtifj benommen,
ubwohl er Fürstensteins Schwiegervater war ; iliu" Alheim
der üräHu Marie de la Ville-sur-lllon, der Oberkamraer-
lierr Ernst Constantin, Prinz von Hessen-Pliilipp-sthal,
hatte sich in den letzten .Stunden, welche JenJme in
Kassel verweilte, ihm nicht zur Seite gestellt, sondern
*) Sie ütarb, 1814 gosfliir5iJeii uod mit einem PiauohiSndJer
Angclini in Rom vcrlietradwt, aui -1. Aug. 1872 itii Kloster.
anf dem Schataamte seinen und seincT Gpmühlin und
Nichte, di*r Palastdamej Gehalt gefordert, dann waren
Beide in Kassel geblieben; Fürstensteins liriider Le
Camus, der Schatzmeister des Ordens der »Krone von
Westphalen« , hatte verabsäumt, 2üO,00(J Frcs. vor
Tschernitschew zu retten, und sein Vorgesetzter als
Generalsthatzraeister, Staat.srath Baron von Schulte,
Fürstensteiiiö Verwandter, Latte sich wie Hardenberg
zweideutig geriri I)ie.sen traurigen Beispielen gegenüber
sah Jerome mit Befriedigung auf den Cauibuceres West-
phalen«, der in CobJenz wie in Ka&sel neben ihm stand,
auf Graf J. J. 8irti»'on ;, der grosse Staatsmann wollte
längst nach Frankreich heimkehren, jetzt zögerte er aua
Zartgefühl, den Abschied zu nehmen; erst als Jeröme
nach Kassel abreißt«», nahm er am J2. Okt. seine Ent-
lassung und sein Abgang wurde allgemein beklagt*);
sein Nachfolger war der Minister des luueren, Graf
Wolffradt, den» in seinem Departement interimistisch
Malehu», Graf von Maiienrode, folgte. Die schwerste
Sorge bereitete J^rome das beharrliche Schweigen des
Kaisers, der ihn als Bruder und als König preiszugeben
schien ; als er am 4. Okt. einen Brief von Napoleon
empfing, berührte derselbe die Kreignisse in Kassel gar
nicht , und der franzt'i.sisclu; Legationssecretair von
Malartic meint in einem Berichte an den Herzog von
Bassano (Coblenz, 10. Okt.): „Ich wusste Fürstenstein
darauf nichts zu sagen, ich scliwieg.''' Jerorne sandte
mehrere OfKziere an Napoleon, doch konnten diese nicht
zu ihm gelangen, denn die Strasse nach Erfurt war ab-
geschnitten. Eine Reihe Getreuer kehrte von Coblenz
nach Kassel zurück, der Generalpostdirektor Pothuau,
der Polizeipräfekt, der Finanzrainister, Malchus, Graf
♦) Graf Simöoii, oin Ycttor meinra Vaters, bUvh aui 10. .Jan.
1842, im 93. Jahre, als Paii von Frankreich.
268
von Marionrode^ der Generalintiridant des Schatzes, der
Intendant dt-s käniglidien Hauses Moularil u. A., J^röme
selbst, langweilte sich und bescbloss, ebenfalls nach
Kassel umzukf'br<^n.
Goneral Aliix war mit dnn Garde-Husaren »J^röme
Napoleon« am 2. Okt. in Marburg eiiig«'rüt;kt, wo er
den Befehl dn.s Köuigs, Ka««el wiedtr zu besetzen, und
seinp Bestallung als Statt Iialt(»r (liiMitenant du roi) vor-
fand; der König war zur Anwendung von Stn-nge und
Gewalt entsuhlosgon. Bei der geringen Truppenzabl,
die Allix zu Gnbot st^nd, b<'i der erklärten Antipathie
der Bevölk*'r(uig gfgfn du* Krnf'uening der königlichen
Herrschaft und bei dem absoluten Verfalle der ganzen
Sbuit.sverwultuiig war seine Aufgal«; der Restauration
eine linthst wehwierige. In Marburg erapting »der
Königslieutenant' die Behürden, die Universität etc.
und gab Diners zur Bestärkung königlicher Gefühle ;
am 5. bracbeu seine Schaaron gogen Kassel auf
während Bekanntmachungen des General -Kommissärs
der Polizei F. von Wolff und des l'räfekten des
Werra-Oepartemeiiits, Frhrn. A. von Trott, auf das
Landvolk einzuwirken suchten.
Die Deutscligesinnten und FreiiieitJifrGunde waren
niederges(hlag»*n, als sieh am 7. Okt. plötzlich wieder
französische und westphalisehe Truppen, 4—500 Mann
zu Pferd, in Kassel zeigten; altmälig sammelten sich
auf dem Ständeplatz (Plaee des t'-tabi) die gerifjgen
Reste der Gardefe-dn-Cnrfis, einige 80 Mann, die Offi-
ziere der Garde -Grenadiere, alle zu Pferd, Abthei-
lungen der Garde-Husaren ■Jeröine-Napo]er.in<, franzö-
sische Gardes-d'honneur, andere französische Reiterei,
selbst von» Mamelukencorps. Die Soldaten logen, was
alles der Königslieutenant t.lmn würde, ihre Offiziere
prahlten, sie seien der VoHrab einer grossen kaiser-
lichen Armee, die ganz Westphalen besetzen und decken
solle, Polizeiofficianten wagten sich wieder ans Licht,
die Genfsdarmen zogen ihre verpönten Uniformen wieder
hervor, überall sah man Franzosen und Fraiizüstinge,
die ihrem Jubel vollen Lauf lieösen und französischer
thaten als die Söhne Frankreichs; die Frauen hatten
inanebes holde Lächeln, man dien verheissungs vollen
Gruss für die Einziehenden.
Alle Thore wurden mit Fiqueta besetzt, jeder
durfte herein und niemand hinaus. Am Abend sah
man die Franzosen voll Uebermuth im Theater. Am
folgenden Vormittag um zehn Uhr zog Allix ein, seine
finstere Wiene erweckte die sschlimmsten Befürchtujigen ;
ihm folgte bis zum 10. in mehreren Colonnen, nicht
gleichzeitig, ein Infanteriecorps von kaum einigen
tausend Mann. Alli.\ bewirthete mit einem glänzenden
Diner die französischen Generale und Stabsoftiziere, die
Minister und Staatsräthe, einen Theil der Drffizehner-
Kommission etc., unter enthusia-stischem Beifall wurde
auf Jeröme und Napoleon getoastet, nach vierzehn Tagen
aber erhielt ausser Allix jeder Theilnehmer am Essen
eine Rechnung, auf zehn Thaler lautend; Abends gab
man im Hoftheater »La Chasse de Henri IV.« mit Ballet
und der Moniteur berichtete Tags darauf (9. Okt.), alle
Kranzo.sen seien begeistert eingefallen, als die Musik
intonirt habe >0ü peut-on etre mieux qu'nu sein de
sa famille?« Der Moniteur brachte in rascher Folge
Bekanntmachungen des KönigsSieutenantH. Die Hoff-
nung, Allix werde Milde walten lassen, wurde bald
hinfällig; er erklärte die Stadt Kassel für alles ver-
antwortlich, was am Bestände vom 27. September fehle.
Um den Feinden Frankreichs den Muth zu nehmen,
verkündete der seit dem 9. Oktober wieder erscheinende
Moniteur, in dem Allix einen gefärbten Bericht über
die Tschernifcschew'ache Episode erscheinen liess, der
Kronprinz von Schweden sei von der kaiserlichen Armee
270
gpschlagen und auf das redite Eibufer zurückgeworfen
worden ; diese Meldung hob ab»>r im Gegeutheil die
Hoffnung, denn Niemand in Kassfl hatte gewusst, dass
Bernadotte mit der Nordarmee bereits bis zur Elbe
vorgerückt oder gar über dieselbe gegangen sei: es
fehlte ja an jeder zuverlässigen Nachricht und man
ahnte nur, dass wohl die Entscheidungschlacht zwischen
Napoleon und den AlUirten nicht allzu ferne sein köjine.
Am y. und 10. kamen durch das Frankfurter und das
Leipziger Thor Abtheilungen französischer Infanterie,
leichter Cavalieiie und ein ziemlich langer Artillerie-
train, der Rrösste Tlieil gehörte dem in Rotenburg
stehenden Corps Rigaud an ; die Cavallerie wurde
meistens auf die Dörfer verlegt, einige Trupps Infanterie
zogen in der Richtung auf Münden ab; die Kasselaner
musßten die Gardes d'honneiir bewirthen, als wären es
lauter UfHziere, was sie in hohem Clrade belästigte.
Da nur einige Excesse gemeinster Sorte bestraft wurden,
fühlten sich die Bürg<*r im ganzen beruhigt, zumal
man von AUix gemeint hatte, er sei „ein heftiger Mann,
der sich nur zu sehr über die Einwohner zu beklagen
iiabe und gewiss Exempel statuiren werdn" (Depeschen
Mornnville's an Grossherzog Jjudwig, 9. u. 16. t)kt.
St.-D.).
An Exempeln sollte es aber nicht fehlen. Grenzen-
los war die FJe.stürzung, als man erfuhr, in der Nacht
zum 11. und am 12. seien viele Verliaftungen erfolgt,
meist früher kurhesaische Staatsdiener, jetzt in der
Municipaüitiit oder in der Komuirssion der Dreizehn.
ftlan schleppte die hochverdienten Männer in das Castell,
in schmutzige Löciier, wo man sie aufs härteste be-
liandelte ; AUix wollte eigentlich die ganze Kommission
als Landesverräther vor ein Kriegsgericht stellen und
erschiessen lassen ; er sperrt« sie und die anderen Ver-
hafteten vfui allem Verkehre, auch mit den näch.sten
4
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erwandten ab nnd letzteift bpfürelitften für sie das
Loos Engliiens, Hofers und Palms. Der Prinz von H<'.ss<m-
Pbilippsthal wurde in seineni: Haus« bewaclit, Meilon
weit um Kassel erfolgten Verhaftungen, die Kerker
in Kassel füllten sich immer niebr. Dass der Prinz
jetzt abtrat, wurde ihm sehr verübelt; er hätte freilich
besser gethan, nie Dienste bei Jeröme zu nehmen und
sieb nie mit Woblthaten von ihm überhäufen zu lassen ;
weit korrekter hatte unbedingt der Landgraf von Hessen-
Rotenburg gehandelt, der trotz aller Verlockungen
und Verfolgungen dem Hufe des Usurpators fern ge-
blieben war. Durch königliches Dekret vom 9. Oktober
erhielten der Prinz von Hessen-Pliilippsthal, Graf Harden-
berg und Bamn Scluilto die erbetene Entlassung, laut
königlichem Dekret vom lU. wurden die Brüder Frei-
herrn von und zu Gilsa abgesetzt und ein Haftbefehl
gegen sie erlas.sen, am sie als Verräther am Landes-
herrn vor eine Militär-Kommission zu stellen, der Ba-
taillonschef wurde wirklich ins Castell eingebi-acht, der
Capitain entHoh zeitig.
Es lag ein furchtbarer Druck auf allen Uemüthern,
die Stimmung war beklnmraen, niemand fühlte sich
seiner Freiheit für die nächste Stunde gewi.s.s, eine ohn-
mächtige Wuth ergriff die (ieängsteten; die Kommission
der Dreizelm hatte des Königs vollen Dank erwarten
dürfen, und nun wurde ihr derart von seinem Stell-
vertreter gelohnt.
Am 12. Oktuber Abends gab man das Schauspiel
«D^fiance et raalice«, die Posse »Monsieur Vautour*
und die Oper »Le Tonnelier«, und ein Ausrufer ver-
kündete im Tlieater, alle OfH/iere hättcMi sich am fol-
genden Morgen im Zeugliause zu stellen; als sie dort
eintrafen, tbeilte man ihnen einen Erla.ss des Kriegs-
ministers General vun lloene vom 13. mit, wonach die
zerstreuten Soldaten je nach dem Corps, dem sie an-
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gehörten, in Kassel, Marburg, Ziegenhaln, Melsungen,
Münden, Hofgeismar und Grebenstein sich einfinden
und die Offizicire sich sofort dahin begeben sollten.
Freihch beljielt es mit dem Wiederkommen der Mann-
schaften gute Wege, man hielt auf dem Lande das
Reich Ji-'röme's für von Tschernitschew aufgelöst.
Wenig(i (Jrte nur lieferten Ruh»*störer nach Kasse!
ein, z. B. Hufgcismar, Cirebt^nstein und Kimbeck; im
Distrikte Eimbeck gab es fortgesetzt unruhige Auftritte,
wie wir aus den Berichten des Distriktskontroleurs Fulda
wissen (St.-H. 1. CJeiu^ndia Nr. IG9) ; dort trieb aucb
der angeblich britische Werber Franz Kümmel sein
Weben, bis er nach Kassel ausgeliefert wurde, in Uslar
wurdti am 18. Okt. auch seine Liebste VHrliaftet und
nach Kassel geschleppt. Dei den Tumulten in der
Gemeinde Silberbor ti .spielte der seit lange bei dea
westphäli.sch<*n iJeliünten »als Raufboid berüchtigte«
Koch den Hauptbelden, der Maire-Adjiinkt wurde miss-
handelt, der ühiire Rente bat um den Abschied, da er
zumal vor Kocli seines Lebens nicht sicher sei, und
der Cantonsmaire in Nienover unterstützte am 21,
Okt. das Gesuch bei dem l'räfekten des Leine^Depar-
teraents. Der Cantonsmaire in Altersheim berichtete
demselben Prüfekten am 23. Okt. von den am 8. Okt
stattgehabten bedenklichen Tumulten in Rühle, bei
denen man Maire und Steuereinnehmer absetzen wollte,
und forderte entrüstet die Verbriagiiiig der drei Rädels-
führer in die Residenz; der Maire-Adjunkt Siecke in
Ahrenborn kündigte wegen empörender Beleidigungen
den Dien.st und di-r Maire von Budenfelde bat den
Präfekten am 25. Okt. um Gewährung seines Wun-
Rclies, da er »der einzige vernünftige Mensch in ganz
Ahrenborn sei» (ebenda). Auch in Boden werder wider-
setzte man sich dem Maire, die zehn Hauptschuldigen
wurden dem Gerichte in Rinteln überwiesen und der
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Präfekt des Leiiie-Departements, Ritter Dellus, hoffte,
strenge Strafe werde abschreckend wirken (Hrief des
Präfekten an den Minister des Innern, Güttingen 23.
Okt. St.-H. XV. Polizei-Sachen. A. Generalia und po-
litische Polizei, Nr. 62).
Im Distrikte Rinteln widersetzten sich die Steuer-
pflichtigen längere Zeit den Steuern und den Polizei-
gesetzen und der Präfekt Delius wies den darüber kla-
genden Direktor der indirekten Steuern des Departements
Chemnitz, mit dem er wiederholt darüber korrespondirte,
RR die Hülfe der Gensdarmes. (Briefe vom 18. und 23.
Okt., St.-H. I. Generalia Nr. 169.) üeber die Zustände
in Göttingen belehren uns des Näheren die Briefe, welche
Delius mit den Mijiistern Jeröme's wechselte. Am 20.
Oktober schrieb er von Wolffradt: „Bei Annäherung
des Feindes berief ich die Einwohner Göttingens zur
Bildung einer Bürgergarde; dabei waren sicher die
Lehrer der Hochschule einbegriffen, aber sie zogen vor,
sich unter Autorität des Prorektors mit den Studenten
zu be.sonderem Corps zu vereinigen, da» unabhängig
von Manicipalinstitntion die Polizei in dem TheiSe der
St^idt unterhalten wollte, wo die meisten akademischen
Bauten gelegen sind." Obwohl es ihm nicht entging,
dass solche Separining, „in einer Zeit, wo das gemein-
sam.ste Interesse, das der Sicherung der Behauptung guter
Ordnung, das Signal für alle Klassen der Bewohner
gegeben habe, mit vereinten Kräften für dies allgeiUfiine
Ziel zu arbeiten", ungünstig sei, Hess er die Sache zu,
überzeugte sicti aber bald, dass sich die Studenten
schlecht bewährten; ihre Jugend, der Zweck ihres
Auhnthalts, der dem Interesse aller anderen Göttinger
ganz fremd war, führte zu Unzuträglichkeiten mit letz-
teren ; der Maire von Göttingen suchte sich mit dem
Prorektor, dem als Oculist berühmten Profes.«or Karl
August Himly, zu verständigen, doch verwarf dieser
X. F. XVI. Bd.
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'274
seine wohlwollenden (?) Varschlägfi »ans SektengHst«
und brachte »die. Akademie« in stete Opposition mit
der Bürgerschaft ; deshalb bat der Maire den Präfekten
zu entscheiden, ob die Professoren im Noth falle
verpflichtet seien, seinen Sommationen zu folgen und
in der Bürgergardn zn dienen. Delius' Antwort ging
dahin, im Falle der Noth seien sie dazu verpflichtet,
sonst aber sei ihr Dienst unnütz. Die Profe^asoren
waren sinderer Meinung und beriefen sich auf eine
Entschlieaüung des Generaldirektor.-* dea öffentlichen
Uuterriclits Barons Leiat, der aber nach Delius' Ansicht
hier gar nicht mitzusprechen hatte ; sie zeigten gerade-
zu Verachtung für den Dienst in der Bürgergarde und
bot^n an ihrer Statt je zwei MifthSiiige an, die den
untersten Klassen angehörten. Imh^ni Delius bemerkt:
„Ich beschreibe Eurer Excellenz nicht, welche Auf-
regung ein solch liochmüthiges Betragen hervorrufen
musste", erklärte er, er wünsche die Profe.'ssoren nur
voll Rücksicht verwandt zu wissen, „die Greise, die
Schwächlichen, die Theologen u. A. sollten ganz aus-
genommen sein". Er schrieb, ohne des Näheren darauf
einzugehen» Himly die ürheber-schaft der ganzen Spal-
tung zu und begnügte sich damit., seine „absurden An-
sichten" zu bekämpfen. Der intt*rimistiselie Minister
des Innern, von Makhus, antwortete ihm in demselben
Sinne, d'w. Professoren dürften keine ungerechten Prä-
tensionen erheben (8t. -H. I. Generalia Nr. 171). Am
24. Okt. -schrieb der Präfekt dein Pron^ktor, Studenteu-
unruhen wie die der letzten Nacht könnten jetzt weniger
als je geduldet werden, er bitte ihn, für Ruhe und
Ordnung bei den wenigen jetzt iti Göttingen befind-
lichen Studenten zu sorgen ; von zehn Uhr Abends an
müssten die Stadtthore geschlossen und Jeder sollte
verhaftet werden, der sich dann noch mit Anderen
troppvveise in der Stadt herumtreibe. In seiner Antwort
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Delius vom gleichen Tage gestand der Prorektor
die Unruhen zu und nannte den frühzeitigen Schluss
der Wirthshiiust'r di*; beste Abhülfe bei den 400
Stadenten, die noeli da seien. (St.-H. I. Generalia.
Nr. 169.)
Laut Bericht des Unterpräfekten in Rinttiln an
den Minister des Innern vom 27. Okt. kam es Tags zuvor
in Hameln zu Unruhen des Volks und des Genndarmerie-
detachenients, und schon am 21. schrieb der General-
direktor der Hohen Polizei, Baron Bongars» bei Ge-
legenheit der Einsendung von tSerichten über Herstel-
lung der Ordnung in Hameh», Brauns(;h^\eig etc., dem
Minister von Wolffradt: Gunsdarmerie genüge absolut
nicht, um die Ordnung wieder ins Leben zu führen und
dem Gesetze Re^spekt zu verschaften, hieran sei eine
grössere Truppenmacht erforderlich. Von Nordeiifiycht,
Unterpräfekt des Distrikts in Hildesheim, niehlete am
20. Okt. dem Minister des. Innern : in der Gegend ereigne
sich zwar manches Ungebührliche, doch sei im allge-
meinen die Haltung der Hildesheimer weit besser als
die ihrer Nachbarn ; trotz der angrenzenden hannove-
risclieik Ortschaften äussere sich kein ungünstiger Ein-
flusft, dort hingegen liege „alles im Zustande der kom-
pletsten Anarchie". (St.-H. XV. A. Nr. &2: I. Nr. 171.)
Die vom Königslieutenant angedrohte Rlilitür-
kommission trat am 14. Okt in Funktion und gerade
die verdientesten Männer wnrdmi vor sie ge-steilt.
Von dem Präfekten bis zur Grenze des Rhein-
und Mosel-Departements begleitet, reiste Jerome am
13. Okt. von Coblenz ab und betrat nochmals in Mar-
burg westphjili.sc he Krde, ohne Geld, ohne Heer, ohne
Aussichten. Er drohte mit Anwendung blutiger Strenge,
machte dem Präfekten von Trott eine be-sthimpfende
Scene und beleidigte, anstatt um Liebe zu werben.
Seine Haltung verrietb von neuem die Unsicherheit
18*
216
seiner Stellung: viele Franzosen ahnten das Ende deT
Herrlichkeit, entäusserten sich unter der Hand am
jeden Preis ihrer fahrenden Habe und gingen in der
Stille davon. Im Moniteur de Westphalie stand kein
Wort vom Kriegsschauplatze, seine Spalten waren voll
von Paris, Spanien und der Türkei; wenn etwas von der
Armee in Sachsen erwähnt ward, so war es von lako-
nischer Kürze oder geradezu lächerlich, z. B. : „Der Kaiser
hat da^i Kommando eines Corps der jungen Garde dem
Herzoge von Reggio übergeben" oder „Das Gallenfieber
des Fürsten von Neufchatel hat aufgehört, er befindet
sich auf dem Wege der Besserung.'* Am 15. kündigte
die Mairie die Ankunft Jerome? in Kassel als bevor-
stehend an, befahl, die Häuser zu erleuchten und Vivat
zu rufen. Eine Abtheilung französischer Infanterie
folgte ihm, als er am 16. Mittags um 2 Uhr geräusch-
los, aber officiell empfangen, einritt; dass er so ernst
aussah, schrieben Spötter dem Verschwinden der schönen
Frau Garnier mit den Kasaken zu. Grosse StUle
herrschte in den Strassen, auf den Seelen wuchtete
zuviel Druck, die Illumination aber ging unter der
strengsten Aufsicht vor sich und selbst die Gefangenen
im Castelle illuminirten ! Die Minister nahmen ihre
Thätigkeit wieder auf und Allix erklärte, lieber würde
er Kassel in Brand schiessen als es übergeben, was
neuen Schrecken erzeugte. Der König bekannte sich
durchaus zu den Gesinnungen von Allix ; bei der grossen
Cour, die er am 17. im Bellevue-Schlosse abhielt, be-
tonte er mürrisch, ihm liege wenig daran, König von
Westphalen zu sein, als französischer Prinz sei er mehr;
er sei überhaupt nur zurückgekehrt, um den Bürgern
Rahe und Ordnung zu sichern. Der alt« General Frhr.
Martin Ernst von Schlieffen, der bei Tschern itschew's
Ueberfall treu zu Jeröme gestanden, rief: „Sire, wir
wünschen uns zu Ihrer Wiederkehr Glück, wünschen aber
I
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auch F.. M. Glück tlazu, denn Sie befinden Sich jetzt
iu di-r Lage, die edelsten Trärogative Ihrer Krone, Be-
lohnung and {inade, walten zu lassen.*' Mehrmals fiel
der König d«Mn erst<'n Adjunkten tind StelJ Vertreter des
Maire iiiH Wort, der für die verhafteten Mitglieder der
Municipalität und der Commis«ion Fürbitte einlegte,
und sprach von drei bis vier »manvais sujets« unter
denselben.
Der mit ihm ziirütkgfkebrte französische Gesandte
Baron Reinhard setzte wenig Vertrauen in Jeröme's
Königsrolle und meinte schon am 17., J^rome bedauere,
zurückgekehrt zu sein; die G#*8Hndten Sachsens und
Hessen-Darmstadts wollten am 2li. Okt, nach Kassel
zurückkehren, dnch lii'ss man ihnen durchblicken, dies
zu thuri sei nicht klug. Haron Moranville frug bei
Reinhard an, alt fr kommen solle oder nicht und wie
der Stand der Dinge wirklich isei, die Ereignisse ent-
hoben Reinhard der Antwort. (E)epe.schen Moranville's
an Grossherzog Ludwig, Arr»|.sen, 18. und 23. Okt.
St.-D.) Reinhard raissbilltgte unverblümt die Riicher-
roUe, in der Jdrome um! Allix sich gefielen; Jerome
bestätigte am 18. Okt. alle vom Lieutenant du roi ge-
fas.sten Bescldüsse, erhob Allix zum Grafen von Freuden-
thal und wies ihm WXX) Fts, Pension aus neinpr Privat-
kas-se an, wie er überhaupt Orden und A emier wieder
reichlich vergab.
J^röme und Allix brüteten Rache vor allem an
der Kommi.ssinn der Dreizehn. Reinhard .schrieb am 18.
dem Herzog von Bassano : „Des Königs Absicht geht,
davon bin ich überzeugt, dahin, Gnade zu üben, doch
will er, das» diese Leute zum Tod verurtheilt werden.
Alle Kerker sind voll. Der Schrecken regiert." Von
allen Seiten bestürmte man Reinhard mit Vor.stel hingen;
er ging zu Allix und liess sich in einer langen Unter-
redung über den Zweck der Militärkommission unter-
278
riehtpn, fand aber Allix ganz verrannt in Vorurtheile
und schrieb an Bassano: „Wehe dem Manne, der fähig
ist, im gegenwärtigen Momente das Leben von 20
Ehrenmännern und durch die Wirkung eines solchen
Verfahrens auf ein erbittertes Volk das Leben der Fran-
zosen im Falle eines neuen Rückzuges vielleicht auch
des Königs Sicherheit und die kostbarsten Hülfsmittel
der grossen Armee zu opfern, — alles für gereizte
Eigenliübe."' Der Präsident von Meyerfeld war von der
ganzen Kommission der Dreizehn allein einmal verhört
worden, Reinhard rettete dieselbe vor dem Tode, den
Allix ihr zugedacht. Von seinem Haasarzte Dr. Harnier
ange^spornt, richtete er ein ausführliches Schreiben an
Jeröme, zeigte ihm, wie ungerecht und eigenliebig
Allix's ganzes Verfahren sei, verwandte sich energisch
für die bedrohten wackeren Mitglieder der Kommission
und pochte auf sein Gewicht als Vertreter des Kaisers.
Die Militärkommission begnügte sich mit der Erschiessung
des Werbers Franz Kümmel, der früher preussischer
und rassischer OfKzier gewesen; am 20. brachte man
ihn unter dem Geläute der sonntäglichen Glocken wie
unter Trommeln und Pfeifen in Kassel ein, am Czako
stand »Memento mori!< und in der Aue fiel er untex
den Kugeln, das letzt«' der vielen Opfer des westphä-
lischen Militärstrafrechts.
Es schien, als sei Jeröme nur zurückgekehrt, um
allf Kostbarkeiten fortzuschaflFen, Tag und Nacht gingen
schwerbepackte Wagen nach Krankreich, die FHihrlente
durften getrost das Vierfache an Ijohn fordern : die j
Franzosen packten gleich dem Könige, trotzdem blieb
viel stehen und wurde andrängenden Gläubigem in
Bau»ch und Bogen überlassen ; mancher der westphä-
tischen Grossen ist mit gespicktem Beutel abgezogen,
mancher auch so arm, dass er seinen gestickten Rock
deni Trödler verkaufte, um nur Brod zu finden. Vom
Besitze der hessischen Landgrafen wurde auch viel ein-
gepackt. Es hiess, Jeromo habe Befehl gegeben, dass
alle Franzosen, vorab die Frauen, binnen 24 Stunden
reisefertig sein sollten. (Depeschen Moranvilles an Gross-
herzog Ludwig, Arolaeii, 23. Okt. St-D.)
„Die Hoffnung zur Wiederkehr", berichtet Völkel,
„schien ganz aufgegeben zu sein. Denn hätten sie sonst
wohl die Wohnungen ihras König» unbewohnbar ge~
macht, die Spiegel aus den Mauern ausgebrochen, die
Tapeten von den Wänden abgenommen ? Ja die
Schlösser mancher Thüren sollen sogar verkauft und
im Fürstenstein'schen Hause der Fussboden aufgehauen
worden sein.** Die Scliiacht bei Leipzig wurde ge-
schlagen, ein lügneiisthes Plakat unterrichtete zwar
am Abend des 22. die Kasselaner von einem voll-
kommenen Siege des 4. Armeecorps unter General Graf
Bertrand; merkwürdiger Weise aber unterblieb der
übliche Geschützdonner, der sonst in diesem Reiche der
Löge alle sogenannten Siege begrüsste.
Jede nähere Nachricht über den Sieg vom 19.
fehlte und es erweckte wenig Vertrauen, dass der Trans-
port königlichen und privaten Eigenthums im regsten
Zuge blieb, die Diligence nach Frankfurt übersetzt,
Plätze darin auf 10 — 12 Tage zuvor belegt waren; man
sprach davon, der König werde bald abreisen, ein fran-
zösischer Gouverneur die Regierung übernehmen und
Westphalen eine Provinz des Kaiserreichs werden. Durch
Oberst Iiallemand erfuhr Jeröme am 23, von Napo-
leons Auszug aus Leipzig am 18. Oktober, und Rein-
hard berichtete Tag.s darauf dem Herzoge von Bassano:
„Des Königs Absicht geht dahin, sich nach Empfang
von Nachrichten von Sr. Kaiserl. Majestät nach Mar-
burg zurückzuziehen, falls er nicht gezwungen wird,
B8 früher zu thun." Jerome hatte den Oberbefehl über
die Division Rigaud übernommen, nun theiUe er die-
280
selbe, hehiplt die fine Hälft-e selbst und gab dip andere
dem Generale Jligaud; die» beleidigte Allix, er trat
dem Könige derart entgegen, dass ihn derselbe entliess
und ihm, wie W. Grimm berichtet, Grafendiplom und
Schenkung wieder abnahm ; niemand freute sich hier-
über mehr als sein persönlicher Feind Reinhard, der
Baswano schrieb : ,, Dieser Mensch könnte unser Ver-
derben w»Tden; iti diesem Momente ist es nöthig. ihn
ans jedem politischen Einflasije zu verdrängen." Von
allnn Seiten kamen die Feinde heran, Nachts streiften
Patrouillen i^L-hou bis auf die Entfernung von Flinten-
schüssen um Kasse!. Am 24. besetzte General Baron
Osten-Sacken Mühlhauscn, wo ali^bald eigenmächtig der
\vest|)hülische Steuer-Direktor von Motz (der spätere
preuü-iische Finanzminister) als preus-sischer Landratb
enschien und preussisch zu administriren begann ; am
22. begriis.ste Stendal jubelnd die Kunde von Leipzig.
Jörönie hielt am 24. seine letzte Revue über die Truppen
auf (lern Bowlinggreen der Aue ab und beorderte die
garde« d'lionneur zum Abmar.sch auf den folgenden Tag;
dieselben logen, sie zögen nach Dre.sden. rückten aber
in der Frühe des 25. zum Frankfurter Thor hinaus und
dem Rheine zu, ihnen folgte da.s Detacheraent der
Kaisergarde zu Fu.ss.
Am Abend des 24, besuchte der König das Theater,
in dem m«in «Madame de Sevigne« und «Les Amans
Prothee« gab, und unterhielt sich dann mit den Hof-
damen, die er bat ganz unbekümmert zu sein, und ver-
tröstete, er werde ihnen 3 — 4 Tage vorher sagen, wann
er abreise. Am 25. erliielten die älteren Pagen Befehl
zum Packen, die kleineren wurden auf unbe-stimmte
Zeit zu iliren Eltern beurlaubt. Jeröme fühlte, er
könne nicht länger in Kassel bleiben, sein Billet vom
25. an König Joachim athmet die grösste Aengstlich-
keit, and auch die Kasselaner wussten jetzt, wenn auch
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ongenan, dass es nm Könij^ iinfl Kaiser schlecht sb'he;
fast offen spraehtin sie SL-it dcrn 2b. davon, die grosse
Armee 8ei bei Leipzig geschlagHM iiiid im ciligstHn
Rückzug«!. »Schon am 24, hatte Jöröiiif vier Mitglieder
der Dreizehner-Kommissiun fieigegebt^n, bei «einer Ab-
reise kHinini alle Gefangenen in Freiheit
In der Frühn de.s 2ö. erklärtf? der König den Offi-
zieren der Garde-Grenadiere, er 5nuBse Kassel verlassen
and stelle ihnen frei, ihm zu frilgen oder zurückzu-
bleiben ; da trat nur mein Grossvater hervor, der Khren-
stallnieister der Königin, Citi^itain Ghevalier (Jeorg Klein-
schmidt, den nun .iHiuiiit' zuju Oherstlientenant und Or-
donnanzoffizier beförderte (und am 4. November in Köln
entliessj, allen anderen wurden auf königlicliHn Defeht
Entlassungsscheint* ausgestellt Deutlicli hörte man um 2
und um 6 Uhr Kanonendonner und Jeröme reiste von
Napolponshöhe, das bald wieder Willudnishübe beissen
sollte, ujii f) Uhr ab, ohne Kassel zu berühren ; ihn beglei-
tete ein Bataillon leichter Infanterie, einige hundert Garde-
Grenadiere, tiO Mann Gardes d'honneur, eine Compagnie
Kuirassiere, eine Couipagtiie Dragoner, diese drei Ab-
theihmgen lauter Franzosen, und etwa UM) westphä-
lisehe Gardes-du~corps; mit ihm reisten die Generale
Chabert., Danloup-Verdun, Graf Wickenburg und Baron
Bongars, die Grafen von der Mal.sburg und von Bocholtz,
der Oberst von Berger. Da der Weg zwischen Mar-
burg und Frankfurt durch die Barnni und ( )e.«*terreicher
unsicher er.schien, nahm der enttlirnnte Fiir.st die Rich-
tung über Arolsen; der Waldeckische Hof gerieth in
grosse Verh'genlieit, .sich bei den Alliirten seiuetwegen
zu komprnmittiren, und war herzlich froh, als er am
Morgen des 27. weiter reiste.
Am Nachmittag des 2t>. waren auch, eskortirt von
J^rome-Napnleon-Husaren, die Minister Grafen Wolffradt,
Hoene und Marienrode abgereist, die in Köln zu Jerome
282
stiesseii, Frau von Wolffradt reiste mit und in Köln
Bchlosis sich die Palastdame Gräfin de la Ville-sor-Illon
an. Am 26. trafen in Kassel die Redte der westphä-
liächen Regimentor von der Grossen Armee unter General
von Wolff in kleinen Häuflein ein und bestätigten Na-
poleons Niederlage bei Leipzig; der Stadt bemächtigte
sich grosse Sorge., die fliehenden Franzosen würden
über Kassel kommen und alle Unbilden ausüben oder
die sie verfolgenden Sieger würden mit der Garnison
handgemein werden; am Abende erschien im Monit-'^ur
die bekannte vom 25. datirte Proklamation »des Rathes
der Minister des Königreichs«, unterzeichnet von WoIfF-
radt, Hoene und Marienrode,
Als interimistischer Vertreter des Ministers de«
Innern befahl noch Makhus, Graf von Marienrode, am
26. den Präfekten: falls ihre Departements von feind-
lichen Truppen überzogen würden, sollten sie und ihre
Onterbohörden ihre Funktionen fortführen, wenn der
Feind es gestatte, jedenfalls aber keinerlei Eid leisten
und auf keine Veränderung eingehen (St-H. L Gene-
nilia. Nr. 169).
Die Nationalgarde hielt die Nacht vor der Mairie
in Kassel und bezog erst die Wachen, ak am 27. all«
franaöeischen Truppeu unter General Rigaud sich dem
Rhein zuwandten. Noch weit toller als am 3. Okt.
ging es vor deren Absnge in der Monturkammer her:
die Franzosen rissen, was da lag, heraas nnd verkanften
es um ein Spottgeld an den Pöbel« es setxte blutige
Köpfe und nur ein OfSzier sucht« dem Raub Einhalt
m Uiuu, mehrere Compagniea sogen mit den neuen
Bärenmätzen der Garde^Greuadiere ab, die sie dem Magft-
a ine entnommen hatten. Am holländischen Thoce, durch
das der Zqg ging« kam es so wnnderlichieB Auftritten;
der benüche Herbettag lockte tausende vctt Zuschanern
herbei Da sah man Weiber, die vergebens aof der
Diligeuce oder einem Wagen Platz suchten^ den Sol-
daten schreiend ihre hülflosi'n Kindor entgegen hielten
and Bich glücklich dünkten, wenn sie auf einem Ba-
gagewagen kam-rn durften; da gingen, das Bündel am
Stocke, MänntT und Jünglinge einher, denen die flüch-
tige Zeit ihre kecken Hoffnungen nicht örfüllt hatte;
neben ihnen trauerten die Künstler des französischen
Theaters, von denen z. B. Philipp Taglioni nnd seine
Frau 20,000 Frs. Gage bezogen hatten, und wie mancher
Gläubiger lief hinterdrein, ohne einen Heller zu er-
halten.' Um drei Uhr war kein Franzose mehr in
Kassel.
Am späten Abend des 28. trafen die ersten Russen
unter dem Generale Yusefowitsch in Kassel ein, jubelnd
begrüsst, Tags darauf folgte das 8. Corps unter Graf
Saint-Priest, am 30. zog der Kurprinz ein und erliess
die schöne Proklamation ; „Hessen ! Mit Eurem Namen
nenne ich Euch wieder!''' Am 8. Nov. nahm man Na-
poleons Statue von ihrem Piedestal und am 21. em-
pfingen die Hessen ihren angestammten Landesvater
wie einen Erlöser. Die alten Be.sitzer kehrten in die
ihnen genommenen Gebiete, die bisher Westphalen ge-
bildet hatten, zurück, so Preussen, Hannover, Braun-
öchweig, He.ssiHn. Westphalen war vom Erdboden ver-
schwunden, keine Hand regte sich dafür.
öeher Arensberg und Lennep war Jeröme am 1.
Nov. in Köhi eingetroffen, hier stiessen diR drei Minister
nnd einige west]diälJ8che UfHziere zu ihm; je mehr
Leute aber er um sich hatte, desto grösser ward seine
Geldnnth ; er verkaufte Silbergeräth, um nur leben zu
können. Am 4. Nov. verabscLiedbte er die Gardes-du-
Corps und die anderen Militärs, sie mussteu ohne Reise-
geld heimziehen und General Chabert zwang obendrein
die Gardcs-du-Corps, 40 an Zahl, Pferde, Uniformen
und Waffen zurückzulassen. Auf Befehl des tief er-
ä
284
bitterten Kaisers Hess sich der Exkönig in Aachen
nieder, von wo er am 15. November nach Compi^m
übersiedelte. Hinter ihm drein flogen in Masse Spottr
gedichte, meist elenden Kalibers; so heisst es im „D^
part de Cassel":
Adien, mesdames, adieo, meesiearB,
D'un roi qui part en diligence
Becevez les tristes adieux.
Le momeot devient dangereux;
Mais teoez boone contenaoce!
Les soaverains de ma naissance
De lear antique residence
Ne quittent jamais les sigets,
Que pour voler k leur defense.
Im Marburger Staatsarchive (Abtheilang IX) be-
findet sich eine lange Reihe solcher Spotterzengnisse,
das Pasquill »Stammtafel der Familie Bonaparte«
(Kassel 1813), das Singspiel »Der Abschied ans Kassel«
von Germanns (Moskau 1813), das Gedicht »Abschied
von Napoleon« (Kassel 1813), das imitirte Dekret »Wir
Hieronymus Napoleon durch Gottes Zorn . . . Zaun-
könig von Westphalen« (Kassel 1813), Schellers »Jero-
mtade« in sieben Gesängen (Kassel 1813), »Domen-
stiche för Napoleon und Hieronymus Buonaparte« (Köln
1814), Hilarius' »Humoristische Reise durch ein hoch-
Sfliges Königreich« (Quedlinburg 1816), das Lustspiel
»Hieronimns aus Corsika« (Leipzig 1816) u. a., auf der
Landesbibliothek in Kassel ist n. a. zu finden »Die
französische Garküche an der Fulda« (St. Petersburg
1814).
Ein Process vor dem peinlichen Hals-
g'erichte.
1636 — 1641.
Von
Carl von StamTord.
iL» Jahre 1636 und 1637 brachten dem Htssen-
^fj lande ungeheure Trübsal, des langen Krieges
Schrecken lagen weder vorher noch nachhfrir über der
anglücklichen Bevölkerung härter als in dieser Zeit.
Gewährten den kleinen Städten ihre Mauern und Be-
festigungen auch einigen Schutz gegen streifende feind-
liche Partheien, 80 war doch das flache Land dies^en
fast schutzlos preisgegeben, zumal Landgraf Wilhelm V.
im Bunde mit Schweden oft die Deckung seines eigenen
I Landes den grösseren Kriegszwecken nach ordnen musste.
Da mögen wohl die Kreignisse eines Somraertages von
»1636 in der Nähe der Stadt Lichtenau nicht ohne In-
teresse sein, indem wir an ihnen einen Einblick in die
Zustünde jener tranrignn Zeit gewinnen und zugleich
über die damalige Gerichtsverfassung und Verfolgung
von Verbrechen uns unterrichten können.
Die Schriftstücke, welche Lamkin^n Spürsinn und
SammelHeiss retteten und die sich in den Landau-Col-
lektaneen der ständischen Lande.sbibliothek vorfinden,
I
^86
enüialten die Dexi(/tmiw aelonon (auch jRolulus acUmtn
genannt), in welclier der Gerichtsschreiber (Äctuarius)
den Verlauf des Verfahrens nacli der Zeitfolge eintrug;
sie umfasste die Anträge, Termine, Bescheide und deren
Insinuation udiT Publikiition in Form der Registratur.
Der andere Theil der Acten eint*s Processes, die
von den Partheien eingereichten Schriften (Recesse)
und die Protokolle über die Verhandlungen in gericht-
lichen Terminen de« Processgerichts oder anderer requi-
rirter Gerichte, welche nach Nummern geordnet und
in der Dfsignatin angezogen wurden, ist nicht erhalten.
Dadurch ist ein vulles Verstäridniss des in unserer
Designatio zusammenhängend dargestellten peinlichen
Proce.'^ses nicht zu erlaitgcn.
Die Vorfälle, um welche es sich handelt, spielten
sieh an einem Tage des Juli 1636 ab „um Jacobi, den
25. Juli" und dif Verfolgung derstlben durch die Ge-
rechtigkeit scheint anfänglich ziemlich Uis.sig gewesen,
wenn nicht gar unterblieben zu sein. Das aufbewahrte
erste Zeichen der Recht^äpHege in diesem Falle ist ein
Zeugnis« vom 15. Sejitember 1(>3B, in welchem zwei
Einwohner von „Leuchtenaw", Valentin Juätenig und
Cbristoffel Jeger, die aus dem Munde eines andern
Bürgers von Lichteaau, Ziriax Siemtm, gehtirte Aussage
durch ihre üntersdirift bekräftigen. K» ist nicht er-
sichtlich, auf welches öffentlichen Beamten Geheiss
jenes Verhör stattfand, zu welcln-ni „Jacob .Schneider
inwohner und Scheif (Schotf ?) von Heisa nach , der
Leuchtenau kam und von dem Bürger zeugnus haben
wollte, welcher zwei kaiserlichen Reuttern den weck
nach EisicInüiBtrut hette zeigen sollen". Immerhin deut«t
der Inhalt der Aussage der beiden Zeugen darauf hin,
dass eine IJnter.suchung dys Falles bereiti* im Gange war.
Wir müssen uns hier erinnern, dass der Landes-
fürst im Juni 1<336 Hanau von der Belagerung durch
I
I
I
den kaiserticlien General Lambny befreite, dann In den
folgenden Monaten mit. seinem Heere seiner HauptstJidt
Kassel fernblieb, wiilirend die Landschaft von Homberg
bis zur Werra von dem kaiserlichen Feldmarschiill Gi^tz
und anderen feindlichen Generalen bedrückt nnd da-
durch der bürgerliche Rechtezustand in holiem Masse
beeinträchtigt wurde.
Der fürstliche Fiscalts, welchem ex ofHcin die
Verfolgung der Vergehen und Verbrechen oblag, hatte
die«ea in unserem Falle eingeleitet und es Hndet sich
folgende Vorladung der Angeschuldigt+^n:
„Defs durchleuchtigen hoichgebornen Fur.sten viidt
Hern, Hern Wilhelrnfs, Landt.grafF zu Hefaen etc.. Meines
gnedigen F'ursten viidt Herrn, Seiner P. ün. Schultheifs
vndt Richter in Häidt vndt Anipt Cafsel, Icli Burchard
V i g e I i u s, fuge. Kuch PVantz N o 1 1 e, Ctiri.stiati 8 ebne i-
der, Hanfs Engelhardt, alle von Heisa vndt Gürge
Brnbach von Vngsterode, wie auch eucli .Tohahnes
Kosenbl att, Jost Bre ull, Simon Kap jte fw, Henrich
Gerhardt, Friedrich Eng e I h r e c h t, Hans W i e h a r d t
senior, ("hristian 8 u to rn, Valttiii H eh e,st r ic li, Hunfs
Löber, Valtin (xun delach, .Simon Riemann, Con-
radt Mergart t vndt Clofs Teichgräbern, alle sefs-
haftige Bürger vndt Aui|its Vriderthan zu Lichtenaw,
hirmit zn wissen, vndt habt ihr Kuch selbst zu erinnern,
welcher mafsen hei jüngstem F.infall der Gützischen
Armee zwen Schwedische RenttiT bey der Lichtenaiiw
von euch niedergemacht vuilt daaialfs auch zwein Kay-
serische Rentter todt gewcblagen, dass zwistdien Fach,
Denen von Heisa, vndt Denen Aiifsm Aniptt Liehte-
naiiw streit vorgefallen, welches die Kayserische oder
Schwedische gewesen.
Wan dan Solche F-uer Mörderische böse tliatt vndt
mirsliandlnng vngestrafft dicht hingehen kau noch soll,
alfs citire lieifse vndt Erfordere Ich Euch wegen trageudeu
26d
i
Richk'rltchen amjjts, hirmit zum Ersten, Andern vndt
(IritttMi mahl jitsryirijjturie, also vndt der gestaltt, dals
ihr Montags den 30. Januarij, des mit Gott annalienden
lü37'«n Jahrfh Schierrskfiiifftig vor öffentlichem pein-
lichen haifsgericht, ahn gewuhnlitlier gerichtsstatt ahm
Marck alhier zue Calsel vmb acht Vhr vor Mittag zn
eigener ptirs»"»lin ginvifs vndt aufspleiblich (unausbleib-
lich) erscheinet, geschickt zue vernehmen, wafs fürst-
licher Hessischer Fiscalis jegen Euch obgedachter Miß»-
handlung halber zu klagen, darauff zu antwortten vndt
ander rechtlich r Notturft, da ihr deren zu haben ver-
meinet, fürzubringen vndt bescheidts gewertig zu sein,
mit dero Verwarnung, Ihr erscheinet alfs dar alfso oder
nicht, dass nichtowoniger vff Fiscalis ferner formblich
ansuchen, ergehen vndt geschehen soll wafs recht ist,
daraach ihr Euch zue richten, Ich will euch auch Ein
frey, Sicher pelaidt zue m Hinditen vor viibillicher gewaldt
hirmit vermiige der peinlichen Halfsgerichts Ordnung
zuegeachrieben haben, Geben zue Cafsel vnder Meinem
Ampts-Secret Insiegel den 5 DecemUris Anno 1(j36.
Burchardt Vigelius'' *).
Daa Siegel, ein viereckiges Blättchen auf Wachs
ausgedrückt, zeigt, einen herzförmigen Schild mit einer
Wage, darüber die Gestalt der Gerechtigkeit, welche in
der Rechten eine Wage, in der Linken ein Schwert hält
hn Anschlüsse an vorstehende Ladung sei hier
bemerkt, dass, wenn das Gericht in Thätigkeit trat,
auf die Gerichtsbank ein eiserner Handschuh, das Richt-
*) Siiiltet in ,Die Entwickolung dos golohrton Ricbtor-
tliums etc.* Bd. I. S. 311 setzt um das Jahr lüiKJ für Kassel die
Scheidung des PoJIogium literatum von dem c itliteratum beim
Stadtgcriolito sowie don Begimi der Reilio gelehrter Sc-hultheifsseo.
VigcliuH (Wcipcl) iius Wolter oder desson Nähp, war Schultheiss
von ]t)30— Uilti. Ikreits im Jahro 1540 hutto die Stadt Kjissel
den Ijuidgrafen iiin Beiordnung von 2 gelehrten Kiithen su den
ungolohrton Schöffen gotjetcn, (SloheJ das. S. 355.)
I
schwert, ein Strick, eine Scheere, ein Schlägel und ein
Beil gelegt wurden, die sogenarmteii »Zierrathon«. Sie
bedeuteten, dass das Gericht als peinliches Halsgencht
den Blutbann ausübe, d. h. über ein scliweres Verbrechen
das Urtheil finden solle. IIil- Zierrathen blieben bis zur
Aufhebung des Gerichtes auf der Bank liegen; diefie
wurde umgeworfen, wenn das Gericht aufgehoben wurde.
Wir finden zunächst eine Bittschrift von zwölf
Einwohnern der Stadt Lichtenau an Landgraf Wilhelm,
vom 12. Januar 1()37; datin heisst es: „Als im nechst-
verschienfuen Sommer vmb Johanni die feindliche
Götaische Armee vor Homberg gelegen, haben sich
starke und geringe Trouppen von deroselbigen unseres
Orts sich befunden, grausamb zugesetzt, dass wir in
die gewalde, CluHte vnd höhlen vns verkriechen raiLssen.
Zwen Reuter vom Feinde hatten sich verspätet, welche
wihr vmb Verhütung grosses Vnglücks, so uns durch
sie gewisslich were zin*gefuegt worden, in solcher be-
stnrtzung vndt sonderlich, weil wihr sie nicht wegen
der feinde, von denen wihr allenthalben vmbgeben ge-
wesen, gefangen vff Cassidl oihu" sonstut wohin sielinr
zue bringen vermocht, frlegt vndt niedergemaciit, derent-
wegen vf des Hern Capitän Leutenampts Lorentz Sue-
dermann vom Grünen Regiment anclage wir nach der
handt nicht allein in gefüngnüsse gesteckt, sondi^rn
auch . . . mit peinlichen procefs»*n beleget werden »olt>>n,
vnter dem fürgehen, ob solten obige beide Reuter
Schweden gewesen sein und vom Feinde abreiten wollen,
da doch ilazumahl vmb verwendten Tag Jacobi (25. Juli)
wie menniglich bewust keine Schweden sondern feinde
vmb vndt vmb vns gelegen, sie sich auch feind-seelig
verhalten vndt von des fwindes Armee kommc^n: alfs
haben wihr aller Völcker vndt natürhchen Rechts vns
gebraucht vndt das pmevcnire . . . mit ihnen . . . ge-
spielet, dass um diesertwegen vnser zwülff urlicher Lent
N. F. XVI. BJ.
19
290
Söhne . , . also prostitnirrt werden . . . vnd iufamn
werden sollen, dass seye Gott im hohen himmel vnd
Ew. Füret). Gn. mit Seufzen vnd threnen geclagt . . .
Wihr bitten Sie geruhen in aller Gnade vns solche*
proccsaes vndt Labyrinths ... zu erlassen. Solches
wird der allwissende Gott . . . Ew. F. Gn. reichlich
belohnen , . .
Lichtenau . . . Hans Reinhardt, Simon R i e m a n,
Valtin Gnndelach, Jost Breul, Simon Kappes,
Hans Rosenblat, Valtin Hebeetrick, Fiitz Engel-
brecht, Hans Löwer, Christian Sa der, Conrad
Mergardt, Clofs Schmidt"
Sämmtliche Namen sind von demselben geschrieben,
welcher den Text der Bittschrift abgefa.sst hat. Zu be-
merken ist, dass von den Bittstellern Hans Reinhardt
und Clofs Schmidt in der Vorladung des Kasseler Schul-
tbeissen vom 5. December nicht bezeichnet sind, wo-
gegen letztere auffährt : „Henrich Gerhardt, Haus
Wiehardt settior (vielleicht identisch mit Hans Rein-
hardt) vndt Clofs Teich grabet".
Die peinlich Angeklagten von Lichtenau richteten
weiter nnter dem 19. Januar 1637 ein Bittgesoch an
den Landgrafen: ,J)archIeachtige Ew. P. Gn. wollen
sich vnaer jüngst nbeigebener Untertfabiiger ntppHealkm
Tmb erlafBDng des mit tds vorganonmenea PeinlidMa
I\oee$»es iweyer bey dex Götxischfln Mardm vnd feiod-
•eUgaa Zmetsen eri^^er Keysoischer Realer halben in
allen giuideii erinnern. Diewul wir ms am vnsers dero
Zeh bi^agten vnd abgenötigten b^nnens vf (onleser-
bcher Name, vielleicht Wolf) vnser YftigueeUle Obrig^
keit, alle den Hern Landvogt m ^nagmbeigkf ancii
gantte Stadt md Ampi Lenehtwmw bendlea.
Alfe geteben soe E. F. Gn. wir dieser vnterthenigea
boii— g, Se «erden Vaa dieoerimlb weÜar nicbt gra-
Sokhea nie. Lenebtenaw den 19. Janiur
I
i
. E. F. Gn. Vnterthänige (unleserlich) vndt demülige,
sampt vnsem weibem vndt kindern, folgen die zwölf
Namen wie oben.
Landgraf Wilhelm war nach mehr als sechsmonat-
licher Abwesenheit vnn seiner Hauptstadt am 26, De-
cember 1636 unter dem Donner der Kanonen der Festung
heimgekehrt; kurze Zeit darauf lag er in den Forsten
bei Spangenberg der Jagdlust ob und hier verfügte er
auf die Eingabe der Ijchtenauer vom 19. Januar Fol-
gendes :
„Nachdem wir in gehapter Nachfrage berichtet
worden, das diejenigen vmb welcher willen Suppltcanien
peinlichen verfolget werden, keine Schweden, sondern
Kayserische gewesen, wofern dan deme also, sehen
wir nicht, wie Sie mit angezogenem Process pcrseqnird
vndt beschweret werden köimen, vndt wird demnach
Vnsere Regierung vff solchen fall dahin zu sehen wissen,
damit Sie mit fernerem Proccss verschonet vnd weiter
nicht grariret werden mögen. Sign : Spangenbergk den
20. Januar 1637. Wilhelm etc."
Der Fürst war also geneigt, weitere Verfolgung
der einer blutigen That Beschuldigten einstellen zu
lassen, allerdings unter der Bedingung, dass die nieder-
gemachten Reiter Kaiseri.sche, d. h. Feinde des Hessen-
landes gewesen seien ; er war auch nur in diesem be-
flondern Fall dazu geneigt, da es den Bewohnern des
Landes auf das strengste untersagt war, auf eigene
Faust Krieg zu führen. Der durch den bereits ira vier-
zehnten Jahre währenden Krieg zunehmenden Verwil-
derung sollte u. a. das gegen die Soldatesca, dann aber
auch gegen 'Herrnloses Gesindlein zu Ross und Fuess«
gerichtete Edikt Landgraf Wilhelms vom 14. März
1632 steuern, in welchem „den lieampten und Unter-
tlianen ernstlich befo'hlen wird, wan dergleichen Rau-
_ bereyen, Plünderungen vnd Plackereyen vff den Strassen
ft 19*
I
I
I
I
293
sich begeben . . . solle solch Dorf, sobald mit
Glocken ein Zeichen geben, jedermann, der solch Zeichöt'
hört, zulaufFen . . . Solteu die Thäter sich zur Wehr
stellen vnd ohne Verwundunge nicht zn eriangen sein, M
so sol deren (wan deren schon einer oder mehr Todt *
bleiben sollen) nicht gefrevelt oder misshandelt sein . .**
Das von dem Schultheissen Vigelius eingeleitete
Verfiahren hatte seinen Fortgang und am 30. Janaar
1637 fand das von ihm vor dem peinlichen Gerichte
angesetzte Verhör statt. Darüber findet sich das Pro- fl
tokoll, worin es heisst : „Fiscalis proditciri ein ArticuUrie i
Klag entgegen vndt wider Frantz Köllen, Cbristmann j
(oben Christian) Schneidern vnd ewisorien^ batt die- ■
selben \i solche Klagartikel eigenes mundts . . . ant-
wort geben zu lassen. Die Anklage^ welche zwanzig
einzelne Punkte enthielt^ ist leider nicht erhalten, so-
dass vieles dunkel bleibt Es mögen hier nar diejenigen
Antworten Platz finden, aus welchen hervorgeht, um
was es sich bei der Frage handelte. Die Orales lie-
aponsioties des Frantz Nölle lauten : ad 2) es seien
keine schwedische, sondern feindtsvolk gewesen, ad 3)
hatten sie als feindte darnieder gemacht^ hoffen nicht,
daas sie das verdient hätten (Strafe) ... ad 9) sagt
Ja, es hat ein Bürger ihnen gesagt, dass die reuter
einen vorm thor mitgenommen (als Wegweiser), da seyen
sie hernach gelauffen, ad 10) sie haben erstlich den
rentern zngorufen »was volck?«, hab der eine reuter
sobalt nach der pistole gegriffen und schiesen wollen,
da sei Albert Engelhardt, nunmehr selig, eher fertig
worden vnd den reuter herunter geschossen ... ad 13)
hab nichts geholten (wol Botenlohn) so betten sie auch
nichts gefordert, er hette aber die pestilentz alin bein
gehabt (der zuerst erschossene Reiter).
Christ mann Schneider sagt aus: ad 2) die
realer hätten geantwortet »Gatt Kayserisch«, sodann
I
I
I
n
*
293
wie Nöll zu 10); ad 10) er sei nicht liinttr dem Busch
vorgesprungen, sondern im Wt^g« don rtnitern naclign-
laufen, gefragt ii. s. w. wie oben Nfil], Kngelhardt liabe
den treff gegeben, dass er vom Pferdt gestürzt; ad 12)
er neben Wagener und Jolian Eiige.lhardt lietttin Feuer
gegeben ; ad 20) er liube nicht einen helirn' bekommen.
Fiscalis accepfirte aus beider Bekhtgten rc»i)an-
sivtiibu^ . . . vnd [latt Termin fernerer Handhmg an-
zusetzen.
Die Aufschrift dieses Protokolhis lautet über: Frantz
NöUe, Christmanu Sehiieiilern, Albert vndt Huns Engel -
hardt alle von HeLsa vnd Georg Brübarh von Viigste-
rode. Ob auch die in lU-r prima Cilathn des Scliul-
theissen vom 5. Decemher IHIU) vurgeladeni'ii Kinu'ohner
erschienen sind und verhört wurden, ist nicht ersichtlich.
E« scheint, da«» sie erst am 16. März lß87 vor dem Hals-
gerichte erscheinen sollten, denn es ist auf dt^r prima Cikt-
tion aussen vermerkt: >Dse Lichtenawische vnd Helsisclii-,
30. Januar vf den It). März A. D. 1637.* Aber das Proto-
koll eine« am 16. März abgehaltenen Verhörs über diu
Liclitenawer tijulet sich nicht, dagegen d. d. 17. Mür/, :
ArtirtiUrte peijul/thc Clayt ... In Sachen . . . fürstlich
HesBischen Fi-scali» ex officio Cläger . . . contra 12
benannte von Lichtenaw, darunter 6 gesessene Bürger:
Hans Reichurd avitior, Jobst Ureul, fenstermacher,
Simon Kappes, schneyder, Hans Rosen blatt junior,
Valten Gu n d e lach, Simon Riemann, sodann Valten
Hebestrick, Fritz Enge (brecht, Hans Löber,
Christian Sutor, Cunrad Mergard, Claus Schmitz,
all« peynlich Beklagt« von Ijichtenaw. Unter 2) heisst es
. . . hätten d e n k a i s e r 1 i t h e n R e c h t e n vnd fürst-
lichen Verbotten zuwider im nächstv erlaufenen
Monat Awjifsio zwei schwedische Reuter . . . jämmerlich
ermordet. Weiter unter 3) . . . dahero wahr und er-
folgt, dass peinlich Btsklagte allezusahmen vnd ein jeder
294
insonderheit laut obgesetzten Rechten hinwiederujnb>
kyb vnd leben ganta exiinplaritcr zu bestralfen aej
... 4) vnd dan eygentlicher diese böse that zu erclären,
80 ist wahr, daz der reuter 3 gewesen . . . aus Wester-
Gohtland biirtig, 5) wahr dass d^m ariic: Lorentx
Larson sein pferdi ganiz matt und müde gewesen, daher
langsam vor der Lichtenaw über reitet, bis die andern
ihn einholen, B| die andern in die Lichtenaw geritten
um Bnttfin nach Cassel zu bekommen, 7) Lorentz Larson
mit grossem Schmertze allmälig vf den vnbekannten
Wegen bis Cassel geritten, zu SödHrmann kommen,
8) dort etliche tage vf seiner Leuttgesellen ankunft ge-
wartet, 9) diese Reiter bei Nördlingen gefangen, vom
Feinde abgeritten, sich zu ihren Compagnien zu be-
geben, 10) auch Niemanden zu Lichtenaw etwas zu
Leide gethan. 11) dennoch die peyniich Beklagten heraus-
gefallen, die reutter ohne uhrsach abgesetzt vnd in den
rohrberg geführet, 12) siuch wahr, dass sie dieselben
mehrentheihi mit prügeln zu todt geschlagen vnd danach
die kehlen abgeschnitten, 13) auch wahr, dass die etc.
Beklagten nicht allein die pferde sondern auch Koller
vndt viel geldts bekommen, 14) dann wahr, dass das
eine Pferd daz dem Corporal gehört nach der Vfsechlacfat
verkauft, 15) wahr, dass die etc. Beklagten schuldig
seyen, nicht allein die färbe des Pferdes, sondern auch
den namen des Käufers zu nennen, 16) . . . müssen
anzeigen wohin das andere pferdt verparthieret sey,
17) die Koller hier in der Stadt verkauft, 18) dahero
sie dann schuldig, die KMuffer zu benennen, 19) endlich
wahr, dass von dieser bösen That zn Lichtenaw ein
gemein geschrey gegangen,
wan nun nach diesem allen in jure et facto allso,
dass etc. Beklagte diese mölthat (vielleicht Mordthat?)
verübt, so bittet Fiscalis, im recht hierüber zu erkennen
vnd etc. Beklagte vermöge der peinlichen Haisgehchts-
Ordnung an leyb vnd leb^n gantz ernstlich, andere da-
mitt zu stliretkeii, zu Imstniffen, worüber d;in das
hohe pttynliche Halfsgericlit bestes fieisees angreifen wird.
Salro jure addcndi miuuendi corriyendi et mu-
tandi aUjsque bcnefidjs salti.'<.
Der Inhalt der Verliörjuifnahme vom 50. Januar
und die Klagepunktu vom 17. März sind im Zusammun-
hango liiur gegeben, obvvol zwisuliL-n döns^lbim ein Be-
richt in der Angelegenheit an den Landgrafen t^rfülgt
i«t, welcher für die Klage vom 17. März vorlag. Vice-
statthaltt'r, Vizekanzler und Räthe zu Kassel
berichteten unter dem 22. Februar lf)37 an L. Wilhelm
k nach Berühren der Gesuche der Lichtenauer vom 12.
«nd 19. Januar d. J. sowie der Eiitücbeidung des Föi'Bten
vom 20. Januar: „Die entleibungssache nachfolgende
Beschaffenheit ; Caiutänlieutenant 8udermann hat kurz
nach vorgangener götzischer feitidtliätlicliktüt mit Ham-
berg vns vndertlniiig clagend zu vert>ehmeu gegeben,
vrelchor gesbdlt 3 in der Nördlinger Schlacht gefangene
SchwediscliH Rii^utfr von Gustav Horna armi'r^ nahmens
Erich Larson, Magnus Person vnd Lorenz Larson nach
ersehener geU'genheit, dasy öiü ihre langst zuvor gehabte
inteniion wieder zur Sehwudiöchen armca vnd zu ihrem
regiment zu gulaiigen zu wurck setzen kernten, vom
feindt abgereist vnd sich vf Cafsell begeben wollen . . .
vnfern Lichtenaw de» yinen Lorenz Larsou-s pferdt müdo,
' sie auch des weges vnkundig raths worden, dasa der
mit seinem müden pferdt geineclilich voranreiten, die
■ boyde aber einen wegweifser \'f Cafsell aus der Liclite-
naw holen vnd ihme schalt folgen wolten. Der Voran-
reitende zum öftern seiner beyden Camcmdvn gewartet,
P ia die gedanken gerathen, da^ä sie andern weg vf Calsel
getroffen . . . seinen weg so gut er gekont, fortgesetzt
, «loch vber fleissiges nachforschen von ihnen nichts ge-
ft wahr werden können, bis er vor etlich tagen in er-
296
ftihning: bracht, di
mnning: tiracnt, üass si« böyde von Rtlicheii Lichtenawem
jämnmrlicli ermordet, ilire jjfurdte ein fuchs mit weissen
mehnen vnd lün brauner an Georg Becker znr VTsschlacht
ins Landt Braunsthweig beide zu 32 Rtbir. vnd ein Coller
alhir vor 12 Uthlr. verkauft, auch sie naeket aasgerogen,
aUes . . . berauT>t worden weren, darüber sich dan'der
eine gar kläglich geberdet vnd weilen er aas mangell
zehrung nidit lenger zu bleiben vermocht, den Capitain-
lieiiteiiant ala Landsmann fleiasig gebeten, sich seiner
anzunehmen, dass der mnrd gerochen werde. Der Capitän-
lieutennnt ihm dies zugesaget, auch etliche der Theter
ausgemachet , . , Wir haben den Rentmeister zur Lich-
teiiaw zum Bericht aufgefordert mit verweifs, dass er
dasseäbe nicht üchnn seiner Schuldigkeit nach getlian,
ihm befohlen, die indiviiie in liaft zu nehmen; er hat
seinen Bericht erstattet, dass bei seiner damahligen
ausfluclit desselben tages deren feile sich 2 bey den
Licbtenawern begeben, tian erbtlich weren im mit-
tage 2 ReuJer ojjnfern von der Statt in einem garten
an 2 Eliirger CiJiax 8iemon vnd Michael SchindewolfT
Sawhirten kttuinrien vnd begehret, dass ihrer einer sie
iiacher Cafse! vmb ein nrompnts vf P^schenstruth (dan
sie vf Heisa mit vorgeben, dass Schnaphanen danelbst
sich vfliinlt''!! nictit gewoit) füliren wolte, d»'nen sie
Burger anfangs nicht getrawet, viidt sich verkrochen,
doch vf ihr instendiges anhalten. sich arrcw*orfire< derae
darnf der eine Reuter 1 Reichsthah-r \'7»dt ein Kopf-
stück gegeben. Sie waren aber kaum ein inousquetcn-
schufs fort undt von der Stadt kommen, da weren sein
Siemnns aufsage nach, 5 Heisische mit Ruhren aufsen
Busche hervor gelaufen, deren einer sobalt ein Rhor
der Reutor einem an Kopf gesetzt vnd zu boden ge-
schofsen, der andere sobalt absteigen müfsen, mit sich
in walt gefübret vndt ohnerachtet er flehentJich vmb
aeii» leben gebeten, sich vf seinen zue Cafsell habenden
I
er beruffen vndt 30 Rthlr. vor sein Leb«n gebotien,
gleit'hfallä niedergeschofscn, auch was sie bvi sicla gf-
Ihabt gebeutet, von welcher Beute ancli ein Lichtonawer
Burgtor Henrith Gerardt parhc/pircl hatte . . .
Gegen Abendt vtnb 7 Uhr waren noch
2 ander KayfseriBche Reuter auch ans Licbte-
nawer thor kommen, deren einer abgestiegen vndt zur
Stadt eingangen vndt anwesende wenige Bürger ans
furcht, dass dören mehr sich finden möchten, sobald
sich verkrochen, aber da sie keine mehr vernoniuien,
sich etliche von bürgern, biirgersk indem vnd Jungen
heruorgethan, die Beuter ge-sprachet vndt wie sie sich
■ gut Kayfscrittcli vndt dass sie mit einer paithey vor Allen-
dorf gewesen, erclän^t haben sollen, auch sie bey dem
einen, so sich vor ein Corporal ausgeben, eines ganz
I blutigen Degens in der scheide gewahr worden, hetten
sie dieselbe vbermeistert, ahn Rhurberg geführet, ab-
gesetzet, vndt die Jungen sie erstlich mit briie^gein weid-
lich tractirel nachmals ihnen die Helfse mit messern
abgeschnitten.
Die Lichtenawische ulfs Helsisehe diiwer thaten
halber uf vnsere verordtnung captivird, vmb zu ver-
nehmen, welches theil eigentlich an entleibung der beyden
Schweden thätig sein möchte, jedweder ab'-r daran vu-
schuldig sein und dass die, vvekhe sie niedergeimu ht,
die Keyfserischen und nicht die Schweden zu sein be-
haubten (die Helsisehe auch, dass des Bentmeisters
hifjuisihan ganz jiarteylig stye) . . . damit Warheit
zu tage komme, das vnschuldige Blut nicht angerochen
bleibe, dergleichen (/mssrt(iofir,'< alfs pi'.sshm' c.rcwpti
denen vnderthanen, so in müitia nicht begriffe«, vndt
ander solchem schein mancher reisender redlicher Mann
vmbs Leben schändlich gebracht wirdt, vnsers wenigen
es keinesweges nachzusehen, alfs haben wir
iscali befehl gethan, beiderseits Auge-
I
298
geb^nen Lichtt-nawische vnHf Hflfsische peinlich an
clagL'ii viult sie hui pt^inliclie» Gtuicht (alfs vor wwlches
viidt nicljt das rivihv.vichi dnr Liihteniiwer t'inbilden
lüjch di<'.sü eotfüilion geljörig) ilire gerülunbte Inuoccnx
aiisfüiidig maclirn iafsL'ji sultt*, vriderdt-rsim wir sie
gL'icliwiiltl zuf hfjih'U tht'iten vf gidfiwtfte gehörige
caufion dt;r wüixkliclifi» liaffteu L-rlufsun vndt ihiieu
sicher gelcidt zum ÜBuhteii V4nstattft . . .
iSolclics kiirz<'i" Vf'rljiuf viid lUij^jfnige worüber bei
E- F. Uli. si(' (|Ui'rulireti vndt üb«r Vns sich beschwim'n
wolkui."
Ein J'mtiiknll über die Ardworten d«r Ut'klagttüi
auf die von dem Fiscal formulirten lU Fujikte der
Klagt* gr^i'ii dio Ijti'liti-MiaiK'r ist nicht erhaltt-n, was bei
dem murkwiirdigcn Zusamim-ritrofft^n dur boiden Uebel-
thatcjii zu bi'klagfii ist, da die Aussagen der Lichte-
iiautT eitdgi^s Licht übi»r das Duiik^l der Angelegenheit
verbriiiteii dürften. Man kann freilich bezweifehi, das»
das auf den lü. Blärz angesetzte Verliür gehalten wurde;
es ist denkbar, das8 der Fiwal seine Klage infulgß (Ihs
Gnadenrfscriptcs vom 20. Januar geHtssentlich versspätet
einreicht»', wodurch das Verfahren ruhte.
Es folgt in ti* 11 erhaltenen I'apieren eine Lücke
von zwei Jahren hei dein Processi;; vielleicht ist der-
selbe unterbrochen gewesen, was durch die im April
1637 beginnende hi.s in dtii Juli währende schreck-
liche Venvnstung Niederhes-sens durch die kaiserlichen
Generale erklivrlJch seui würde. CJeiude der nordöst-
liche Theil des Landes war am härtesten heimgesucht
worden. Unter dem 4, April 1637 crliess noch Land-
graf Wilhelm ein neues Edict gegen die üewaltthaten
der »Soldatesca als auch „vnserer eigenen Vnterthanen
von Bürgern, Bawern vnd anderm Herrnlasen Gesind-
lein, so sich Partheyenweifs zusammen rottiren
Und schon am VI. April, dem Gründonnerstage
1
diese« ■
Marterjahres, wie Rommel es nennt, betraten an der
Werra die kaiserlichen Scharen mit Mord und Brand
den hessischen llot^üiij solchen Ediktus spottend.
Erst im März Itl^iif Hndi-t sich wii-der t^ne An-
gabe über Weiti'rführuiig des l'rocf-süH.s ; aie geht in
dem Tuxte des Verhörs vom 30. Januar lf>37 wniter
und laiitvt win folgt :
„Adum ahm 12, MdiiiJ A. UVAM. Fisvads'. Nach-
dem fürstlich« RBgitirung befohlen, dun peinhchen pro-
cess mit den LichteiiawiMlien und Heisischen Vüllendts
hinaus vnd zu Ktidh zu führen, \'nd er dan aus den
Actis veruijript, dass Null vnd Schneider vf die
Clage reiffmt/fUni *), aber darvf bestanden, dass die-
jenigen 2 reuter, so sie niedergemacht, Kaiserische vnd
nicht schwedische gewesen, ihre a^nffdüu aber in ao
geraumer Zeit nicht bewiesen, noch zu beweisen
sich jemals understanden, als [littet er [Fiscalis] ihnen
darzu termiu auh pmcJKdkio pnievhtftionis aiiziisetzön,
die vbi'ig«'. Vngelun-same aber heuantlich Albert vnd
J o h a n K n g e 1 h a r il t von Heisa vnd G e u f g e B r ü-
bachen von Lhigsteiude nunmehr in himmnn zu de-
chriren, im Fall Hern Richter vnd Schöpffen Solches
noch zur Zeit bedeiakeu tragen snlten . . . (ntilesorlich).
[2] ViUilio ad dum um ist ad Acta braclit**J.
[3] lU'sgleichen ist die Citatio der von Hulsa vnd
Ungsterode ad Ada bracht
Achim ahm 21. Janimni UiAi) (auch »lieser neue
Gerichtsact ist im Texte des Vorhergehendeu weiter-
geachrieben);
*) Beide gehörttm zu der Gruppe der Ähgoschuldigtcn auB
Heisa oiid üngstcrodo; dio ßeklngtcu au:s Lioliti-nau sotieiriea vor
dem poioliuhen (iftricht^ nicmaLi er»chieaoii uod veracMUlueu
worden zu aom, da sich komorlci auf sie bcsügliohor Eiutrag in
dieser HiDäiuijt Findet.
**) Die oiiigeschiossGimn Znlilon bozioliea sich aiü die Aii-
lagen, waluho veiiorou gegaugeu biud.
300
„Fiscalü rejvtirf seinen am 12. Mnrti des abge-
wicüfnen 1639ten Jahre» gehaltenen reccss vnd bittet
wie darinnen.
Eofletn sindt die Acten dem gericht vorgelegt."
Der Hinweis des Fisials am 12. März 1639 auf
den Befehl der fürstlichen Regierung den Process WHiter
und zu Ende zu fuhren, macht es höchst wahrschein-
lich, diiss er seither geruht hatte. Es findet sich als
Ergebnis» der Vorlegung der Acten beim Gerichte am
21. Januar 1640 folgender
„D e sc h e i (1 h : In {leinlichiMi sachen Fürstlich
heösischeii Fiscalix aniptKanklegers ahn einem entgegen
vnd wider Frantz Noilen el Coiufortes in Actis benant,
ahm andern ilieil, todtsclilag /;/ Arti.s angezogen be-
langeiidt, wirdh Fi.scali sein des liauni gegen Albert *)
vndt Johan Eiig«'lhardt von Heisa vnd Georgen Brii-
bachen von Ungsterode beschtihenos suchen noch zur
Zeit abgeschlagen vnd gegen dieselben sevtimla ciialio
erkaiit vndh ijst soviel die vbrige peinlich Beklagte als
nemhiich Frantz Notlen vndt Christian Schneider an-
langet, bescheidt, können vndt wollen Sie, dass die in
Actis angezogene abgelebte reuter feindsvolk gewesen,
wie , . . darthun vnd beweisen, «otlen sie darin gehört
werden vnd Ihnen darzu Zeit 4 wochen hiermit
vndt angesetzt sein."
Actum ahm 8. Fcbntarü A» 1640;
„iSindli Frantz N o II e vndt C h r i s t a n Schnei-'
der ad audic/idain Srnieutiam citirt."
Actum ahm 14. Febnmrii 1640:
,,Ist obgedachter bescheidt, so ob ahm 21. Jannarit
1640 ertheilt, vf heut publicirct. In anhüren Dcfcn-
soris Schreckers).'*
3
•) Albert EugoUiaidl wks hcreils ani 30. Januai:
Terutorben bezeiobnet.
1637
301
[5] Eodem ist sernnda eiiniio WRgftn Albert v n d t
Hans E n g e 1 h a r d t von Heisa vndt G e o r g e B r ü b a u h
von Ungsterode ausgefertigt i-ermina — BO. MartiJ.*^
Es ist nicht ersiclitlicb, wesslialb der Bescheid
vom 21. Januar erst am 14. Februar publicirt wurde,
sodass den Angeklagten noch drei Wuchen über die
gewährte Frist von vier Wochen zur Beschaffung ihrer
Beweismittel zu Gebotestanden, weiterhin durch Hinaus-
schiebung des Terrains von 4 Wochen vnm 14. Februar
auf den 30. März noch 14 Tage dazu kamen, Wir
finden dann
Actton ahm 30. iMartiJ Ao 1640:
Pincalis: „Demnach die peinlich Ctiirte benentlich
Albert vndt Hans Kngelhardt von Heisa vndt
Georg Brübach von Uugsterode verstorben sein
sollen, wie dus Vogts zu Kauiungen vf der CitaUon
geschriebene Handh au.sweiset, als wil er solches liier-
init ad prolücuüum notifmrt, darbencben aber gebetten
haben, weil Frantz Nulle vndt Christian Schneider mit
Ihrem vferlegtem beweifthumb bifhero verpliben, Ihnen
terminwn suh prarjitdicio fmif(it/sioHi.s ntinniehr anzu-
setzen,"
Avium ahm 14. Aprilis A'> 1640.
Siudh die Acten dem Gericht vorgelegt.
Actttm ahm 26. MaiJ A'j 1640.
Bescheidt; „In peinlichen Sachen .... wirdt
Franb Nöllen vndt Christian Schneider dem« ahm 14.
Vihnmrii , . . ergangenen bescheidt ein genügen zu
thun vndt Zeit der Ordnung hiermit nochmals benent
vndt angesetzt, mit dem Verwarnung, wofern sie dem-
splbigen also in bestimbter Zeit nicht nachkommen
werden, das alsdann in Ihrem vngehorsamb, .... (wol:
geurthttilt) vndt erkant werden soll was Recht ist.
Dieser be.scheidt ist alsbald dem Vcigt zu Kanfungen
zugeschickt, denselben den von Heisa zu hmnuiiTn,'^
302
Arinm ahm 16. Junij Ao 1640.
„Nachdem obgesetzter letzter bescheidt nicht
allein dem Vogt za Kanfungen, den Beklagten ra in-
sinuireii, zugeschrieben, sondern sie auch hiemach vnder-
schiedlich alhie zu erscheinen vndt diesen bescheidh
anzuhören erfordert, . . . Dieweil Sie aber jedesmal rn-
gehorsamlich verplieben. So ist nochmals beykommende
(Xtaiion ahn Sie vndt Ihre Burgen vom hern Schnl-
theifen abgangen."
In den fünfzehn Monaten von der Wiederaufnahme
des Processes am 12. März 1639 bis zum 15. Juni 1640
war, so weit hier ersichtlich, in seinem Gange nichts
gefördert. Sonderbar erscheint auch, dass der Fiscal
am 12. März 1639 den Vorschlag macht, Albert Engel-
hardt in bamium zu declan'ren, nachdem vor mehr als
zwei Jahren, am 30. Januar 1637, Franz NöU ihn als
verstorben erklärt hatte, als er im Verhöre ihn der
Theilnahme an dem Todtschlage bezichtigte.
Heisa liegt nur einige Wegstunden von Kassel
entfernt, trotzdem scheint ein unübersteigliches Hinder-
niss das peinliche Gericht von den Uebelthätern zu
trennen; der Arm der Gerechtigkeit ist erlahmt Erst
der Beschluss des peinlichen Gerichts vom 16. Juni
hatte einigen Erfolg, es heisst:
Actum ahm 19. Jumj 1640.
„Hans Seitz vndt Christoffel (unleserlich)
von Heisa als von Christian Schneider vndt Jacob
Schneider bürgen abgefertigte vndt vollmechtige,
zeigen ahn, das sowohl, der peinlich Beklagte (Chr.
Schneider) als auch der bürge Jacob Schneider, welche
beide personen allein von peinlich Beklagten
vndt Bürgen noch im leben weren, vnpäslich
vndt ahnitzo nicht erscheinen könten vndt wolten die-
selben hiermit entschuldiget haben, doch ist der ob
ahm 26. Maij verzeichneter bescheidt Ihnen, den . . .
303
■pnhlirirri, desen sie Copiam gebettPii vndt So Ihnen
zagelafsen.
Actum vf der amptstubon in beyseiti Heru Scliul-
theisen Vigelij vndt Hern Auihonij Bücher,, Raths-
schöpffen."
Hiemach war vi)n dun in des Schnltheissen Vor-
ladung vom 5. December 1636 genannttsii vier Personen
aus Htilsa und üeugst«^rode nur noch Eine am Leben ;
vermuthlich waren es Leute im kräftigen Mannesalter
gewesen und dürfen wir hier einen Beleg für die Ernte
des Todes in jener Zeit erblicken. Der Fiscal liess es
sich nicht sehr angelegen sein, die Sache von der Stelle
zu bringen, so findet sich über ihn
y, Actum ahn 11. Jnvij 1640.
Fücatis: nachdem Nölle vndt Schneider dem jüngst
ergangenen Jnterhcut (UeweisUescheid) so wenig als
dem vorigen ein genügen gethan, als . . . vndt bat wie
in fitir liifcUi gebeten ■worden, nunmehr zu erkennen
vndt vrtheil ergehen zu lassen.« Dies muss
sich auf das am 30, März und am 26, Mai KUD Er-
gangene beziehen. Nach sieben Wochen regte der
Fiscal sich wieder, nämlich
Ädum 30. Jnlij 1640. *)
„Fifscalis repetirte seinen am 11. .In nij gehaltenen
Recess vndt nachdem die peinlich Beklagten ihren bj-
weifsthumb zu suchen Zeit genug gehabt^ als wüst«
er sich mit Jacob Schneidern des mit Beklagten Vattm-
nunmehr nicht einzulassen, sondern batt wie damals
gebetten. Dieser Recess ist alsbald difpusion zngescliickt.'*
Der Fiscal bezog sich auf das libellum, seimi An-
klageschrift und bat, deren Schlus.santrag zum Urtb»^il
zu erheben; die Schrift ist nicht erhalten und so ver-
möchte man nur Mnthmassungen darüber anzustellen,
*) An diesem Tngo l)psuchto Bwior dio Latiiigriifiti Aiaalio
EliBabeth.
304
doch wissen wir, dass die Strafen der peinlichen Hals-
gerichtsordnung meistens auf den Tod laateten. Änch
wies die Vorladung des Schaltheissen vom 5. December
1636 auf die zu erwartende Strafe hin.
Der Vertheidiger des Helsaer Angeklagten Christian
Schneider entfaltet um diese Zeit einige Thätigkeit, es
heisst in dem Verzeichnisse der in dem Processe vor-
genommenen Gericlitsacte :
„Aduni 30. JuniJ 1640. De fensor Kühn wegen
Jacoh Schneider zu Heisa vhergab die schrift vndt bat
wie darinnen."
Achim 8. Auyusti 1640. Sindh die Acten dem
Gericht vorgelegt.
Affum rt Puhlicatnm 25. Augnsti 1640.
Bescheidh : wird Defensor spin in den» ahm 30.
fhinij jüngsthin vbergebener schrift wegen des fär.st-
licheji Hi'8cri|)t.<<, dadurch Er vnd andern des
peinlichen process Erlassen sein sollen, be-
schehenes angeben, wie Recht darthun vndt beweisen
vndt zu dem Knde Articulos prohatorios cum nominif/tts
teiffiKm ei ilhecforio vberguben, Sol er darmit gehört
^iidt wegen abhörung der Zeugen vndt sonstet ergehen^
was Recht ifit; puldiraiiim vt supm.
Actum 16. MStpientl/fis 1640.
Fiscalis: Demnach /^p/J^isor mit seinem vferlegten
Bewi'iftluiinb rdingelinr.sattiblich verbleibt, als acciiJfirt
er desen roiduniacinm mit jiitt, demselben einen ter-
mhmvi finb praejviiirio pracchtsionis darzu zu persigniitn
vndt anzusetzen.
Artnui 17. Noretnbn's 1640, Sindh die Acten dem
Gericht vnrgejegt.
Arlum 23. Novenil/n's 1640.
Bi'.scheidt: . . . Defi'nson^ deme ahm 25. Ättgusti
ergangHju'ii b^^wcheidt ein genüge zu thun vndt zu
folgen . . . nochmals 14 tage pro Tennino mit der
306
vervrarnung persigmrt vndt angesetzt, das dafen» er
demselben nicht nachkornmeu wird, alsdaii vf Fiscalis
ferner förmbliches Suchen vndt anruffen ergehen viidt
erkant werden sol, was Rpcht i-st.
Actum \. Dercmln'is 1(340.
Fiscalis: Demnach Deffmsor einen wege als den
andern verpleibt, als accusirt or dessen confumaeiam . . ."
Actum 7. Dceettibris lü40.
Defensor vbergab articulos prol/aiorics [9];
Hiermit war dem Bescheide des Gerichtes vom
25. August 1Ö40 endlicli Genüge geleistet, nur ist nicht
ffsichttich, ob der wichtige Punkt eines in der Sache
erlassenen fürstlichen Rescriptes berührt und erledigt
worden ist. Die Artikel sind wie alle Anlagen nicht
erbalten.
Amelia Elisabeth, welche seit dem Tode des Land-
grafen Wilhelm V. am 21. September lfi37 die Re-
gierung führte, aber erst im März 1640 nach Hessen
zurückgekehrt war, hatte um diese Zeit nach längerem
Waffen.ttillstande die Feindseligkeiten gegen die kaispr-
licljt'n Kriegsviilker wieder eröffnet. Die VVurbungen
für die hessischen Regimenter, welche von neuem voll-
zäldig gemacht werden nmssten, mögen Einen und den
Anderen der unter Anklage Stehenden, noch Lebenden
in die Sicherheit des Kriegsdienstes gebracht haben,
wie in jener Zeit es vielfach geschah. Der Zug eines
hessischt'n Heerhaufens aus Westphalen durch die öst-
lichen Theile Niederhessens, dann der Marsch des
Bäuerischen Heeres die Werra herunter dui'ch diese
Landschaften und die Bedrängung durch die kaiser-
lichen Kringsschaaren erschwerten die Rechtspflege un-
zweifelhaft in hohem Maasse vom Frühjahre 1640 ab.
Vom 7. December d. J. verging wieder geraume
Zeit, bis ein Zeichen von Thätigkeit angemerkt ist, es
wird berichtet:
K F XVI. üd. 20
306
„Actam 27. Janaarii 1641.
Fiscalis: salrüt exceptionibiia tarn etmtra
f/uam dicia tesHian lis er geschehen das die . . . Zeogen
abgehört ^vurden, vbergab zugleich beikommende Inter-
rogation mit bitt solche Zeugen nicht weniger vf die-
selben als die gegentheiligen arlicttlos probatorü» zu
examiniren ..."
^^At'tutn 8. Februarü 1641." Ausser diesem Da-
tum ist hier nichts eingetragen.
Acimn 9. Febi-itarii 1641.
„Sind die Acten dem Gericht vorgelegt
Eodetn Bescheidt: Es werden die gebottene 9tib-
sridifües ahn die Obrigkeit, darunter die auagesessene
Zeugen seshaft, wie auch cotutnissio zu abhöning der-
jenigen Zewgen, so dem peinlichen Gericht alhier vnder-
worfen vf den Richter vndt zwey Schöpffen hiermit
prkänt"
Adum 23. Febrttarii 1641.
„Bindh die sub^füUaies *) ahn Landvogt zu Spangen-
b«rg vndt die Beampten zu Lichtenaw durch Hansen
Bdebach von Walpurg Ampts Lichtenaw vberschickt
worden, wie auch se/relario Jacobi die von Fürstl.
Regierungs-Cantzley ausgefertigten sulmdiales der ge-
pühr irufinuiret worden."
Actum 16. Martij 1641.
Sindli difc! AtteMationes (Zeugenaussagen) aller-
seits ad Acla kommen. [10]
Adum 29. MnrUj 1641.
Fiscalis : ,,nachdem die Zeugen nunmehr abge-
höret als pat er . . . vndt defensori ein tennitium zur
liandhlung anzusetzen."
Dieser recens ist defensori alsbaldt zugeschickt
*) Sul)siJiales sc. littorae, schriftliche Ersuchea am Rechts-
hilfe, hier Ersuchen am Zeagenvemehmung au auswirtigo G«-
ricfat«.
307
Actum 21. April 1641.
Fwcalis: Demnach (tefcnsor in so geraumer Zeit
mit haiidtlung verplieben, so accusiri er dessen co/iiu-
niaciani mit pitt iennimnn stib pr. pr. *) anzusetzen.
Dieser rerens ist alsbald dcfensori zugeschickt."
Actum 24. April l(i41.
„Acten dem Gericht vorgelegt. Beseheidli: «fe-
fe/isor 8ol sich vf den Recess vom 29. Marti iti puncto
publioationis Atiestationum atl prolocollum erklären
vndt ihme dazu Zeit der Ordhnung pm iermino mit
dem anhang angesetzt sein das wofern er demselben
also in bestimmter Zeit nicht nachkommen wird, die
von FiHcaii gebettene publicalio et cmmmmeaiio hier-
mit erkant \'ndt Fiscalis zur handhlung zugelassen
sein soll.
PubUcatum 27. April 1641."
Actum 7. Maij 1Ö41.
„Defensor weil er vernimpt, dass die Zeugen al
abgehört sein solien, so bat er gleichfalls publimtionem
et rontTnnmratiouern AUrsiaiioncin salro quontnquc jure,
srtln's item exceplionibus tarn contra j>ersonas quam
iliiia tc.stium.'''^
So war denn in der zweiten Periode des Pro-
eesses seit dem 12, März 1639 derselbe soweit ge-
fördert worden, dass Zeugen — soweit .«lolche noch
vorhanden waren — vernommen worden waren und
df-r Vt^rtheidiger dos au.«! der Hdsa-Üengsterüder Grujipe
allein übrig gebliebenen Christian Schneider die Ein-
sicht in die Protokolle der Vernehmung nachsuchen
konnte. Aus welchen Gründen etx;, Kühn, dem laut
Eintrags vom 29. März 1641 „alsbald von der Verneh-
mong der Zeugen Kenntniss gegeben war", von da ab
bis zum 7. Mai sich zu der Krkiiirnng an diesem Tage
*) ]it. [>r. l>o<leutet praojudieio praeolusioniK.
20*
308
saramf^ln mnsstR, ist nicht zn prkpnnen. Dass ihm di?
ZengAnaussagen balüig^t zur Kcimtiüss gestellt worden,
ist nicht tu bezweifeln, es lieisst mit Bezag darauf
weiter in dein Schriftstück« über den Process:
Actum 20. Maij 1641. FUcalitt ; obwol Defeiufor
sowol als er publicafianem et a/iKimmiraiionn/i At-
lestatiottum gebetten, so were doch derselbe mit femer
gehöriger handtlung verplieben, derentwegen er desen
eontiimaciam wil liiennit ni)t:;limals accKsirt vndt ge-
betten haben, die peinlich Beklagte nachdem sie ihre
asserttaft^ dass neniblich die ermordete Kayserische ge-
wesen vnd sie deretwegen des peinlichen processes er-
lassen in solchen Altestationiitua nicht erwiesen, exem-
plariier zu bestraffen.
Dieser rcct'as ist alsbaldt deft'tusori communicirt"
Wieder vergeht ein Monat und dann liest man :
Actum 22. JuitfJ 1641. Defeiisof sagt, ob er wol
dem inierloctit gern ein genügen thun weite, so sei es
jedoch andeme, dass des peinlich Beklagten Schwager,
so ihn (den defensor) vor diesem in der Sachen ein-
vndt anderes vCzusetzen ersucht, itzo als Soldaten mit
fort ziehen müssen vndt dahero weder copiam aJttesta-
Honuni oder vbrigen Acten keinen buchstaben zu sehen
bekommen kan, weil des peinlich Beklagten Vatter
nicht allein ein alter besrei^iger (V) kranker man . . .
sondern auch keine mittel zur auslose (Befreiung der
Soldaten) vberschicken kan, als bat er, daferne er in
dieser »ache etwas ferner handldeu solte, ibme die or/a
«c officio za eomtNunü-iretty wo nicht, protentin er dt
MM diligentia und möchte in der sache geschehen
haaen, was Recht ist."
Der Vertbeidiger wollte mit dem letzten Satse
sich dagegen verwaltreu, dass er etwas versiomt habe.
Man ersieht auch aus seiner Aussage, dass einige an
dsn Processe Betheiligte „als Soldaten mit fort
309
»
n)fi68en*\ was oben auch unter den den Gang der
Sache störenden ElementHii allgemein angenommen
worden i^t.
Der Fisci»! wie da.s Gericht waren am 22. Juni
1641 lliätig, indem E<jikm, Fmalis: „es hiitti.^ dcfvnsor
der aUejiiationnm lüilhur nrjub nicmulö eini|.,'ü nsich-
snchung getlian oder thun lassen, derentwegen sieh vf
den Artuarium beziehendt weile da» vbrige vorgeben
allerdings nichtig, so rcpciirl er seinen ahm 2U. Mai
gehaltenen recess,"
E(Hicm; Sind di« Acten dem Geriehte vorgfh'gt.
Bescheidt : „es wird Ftsvali sein am 10. JintiJ ad
p/vlocollu7n gegebenes) suchen noch zur Zeit hiermit
abgejichlagen vndt ist bescheidtj das Drfrusor sich vf
die den 27. Aprilis publicirte Atlej^ffithiies, zu ilem
endt ihme dieselbe aus den von ihme angezogenen
vrsacben ez officio cotnmtinmrel werden sollen, zu er-
klären vnd was sich gepülirt zu handblen schuldig
vndt ihm darzu Zeit der Ürdtnung angesetzt sein solle,
mit dem anhang, woferne er demselben in bestimhter
frist nicht nachkommen xvirdt, das vf Fiwalis ferner
förmbliches anrufen in der sathen ergehen sol was
rechtens."
Publimtum 26. Jtmij 1641. Wieder vergeht ein
Monat, dann findet sich:
,yAchtin 29. JitUj 1641. Fiacalis: Demnach De-
fensor mit handtlung betrefft-nd die Aikaiatkmcs ver-
pleibt so acrrisiri er desen cmdnmaciam nitt bitt ter-
niinuin sttb prarjudkio tüuchisionis ilime darzu ahnzu-
■»tzen."
, Der Fiscal stellte hiermit den Antrag, gegen den
Vertheidiger den Rechtäiiachtlieil de» Actenöclilusses
auszusprechen, wodurch demselben jeder weitere Schritt
zu Gunsten des von ihm Vertheidigten abgeschnitten
worden wäre. Allein der Antrag ist nicht von dem
SlO
Gerichte genehmigt worden, denn es lautet weiter in
der DesigiMtio :
^y Actum 2. Augiisti 1641. Defcnsor: Demnach
aus denen von Jost IjentzHii und Nickol Heiner, beide
bürgtr vuii der [jichU'iiaw abgelegten eidtlichen AUesta-
tiouil/uny Sudan des Ciliux Riemünn eingezog«ner Mi-
quisition dar zu vertiehineii, das die entleibt« beide
reuter keine andere al« kayserische Völker vndt damals
offene feindte gewesen, vndt sicli damals nicht Eina,
sondern vf beschi-hene nachfrage verschiedentlich dar-
fiir ausgegebi-n vndt dahi-ri> armer peinlich B«"klagt>T
sein iutent genugsam erwiesen, So batt er nunnjeht
ahsoltdioiiem euin refiisione expcnsannn (Lossprechang
mit Krlass dt-r Kosten) im widrigen fall vndt da diesi
beweiftimmb nicht allerdings pro sufficicntc ange-^
nomnien werden solte, ist sein principal ehrpietig, des-
wegen das jummenlton suppldorium so auch in solchen
Fällen zulässig zu erstatten, batt h i c h dazu zu ver-
statten.
Actum 6. Avguati 1641. Fiscalis: „weil das jm/'o-
mtnhtm supphtorium in cnmiimlibus nicht stadt finde,
80 bat er Veßusorcm mit »einem suchen abzuweisen
und definitive zxi erkennen, zu welchem ende er seinen
recees vom 20. Moij n>iH'tirti^."
Acitiw 13 Aiiijiisd l<i41. Acten dem Gerichte
vorgelegt.
Es vcrgeheu wieder drei Monate, au.s welchen
keinerlei Zeichen einer Thätigkeit des Gerichten oder
der beiden Parteien vorliegt, bis endlich am 8. No-
vember 1641 der Fiscal erklärt :
„Nachdem er vernehme dass vrtheil abgebest,
bat er dieselbe zu publicirea vndt öffentlich abzulesen.*'
Und so geschah es.
Urtheil, In peinlichen Sachen Fürstlich Hes-
sischen Fiscalb von amptswegen anklegers ahn einem
311
entgegen vndt wider Cliristian Sclineider von
Heisa peinlich Beklagten ahm ander theil todtschbg in
Actis angezogen belangend, erkennen Richter vndt
SchöpflFeji dieses peinlichen gerichts vf gcthane Frag
antwort, geführten beweifthumb vndt tilies anders schrifft-
vndt mundtliche-s Vorbringen miff beschehenen Schlus
vor Recht das der peinlich Beklagte von diesem Gericht-
standt zu absolviren vndt loszusprechen, wie Inmasen
Richter vndt Schöpften durch diesen Ihren Reclitspruch
Ihnen darvon absolviren vndt lossprechen. Publicatuvi
ahm 8, Novembris ltJ4I."
So war denn der Process geendigt, welcher der
vor mehr als fünf Jahren begangenen scliändlichen That
in keiner Weise eine Sühne verschaffte; dass der zulebt
übrig gebliebene peinlich Beklagte nur -von diesem
Gcrichtstandt absei virt und losgesprochen« wurde, ist
wo! dahin zu verstehen, dass er »unbeschadet des Ur-
theües des bürgerlichen Gerichtes über etwaige Civil-
ansprüche gegen den Angeklagten wegen Entschädigung
oder geringerer (bürgerlicher) Strafe oder über etwaige
Ansprüche des freigesprochenen Angeklagten« von pein-
licher Strafe freigesprochen wurde.
Vermutlich ist der Verlauf des Mordtages bei Lich-
tenau in dem Berichte von Vicestatthalter, Vicekanzler
und Räthen an den Landgrafen vom 22. Februar lt)37
ziemlich der Wahrheit gemäss geschildert.
Die aus kaiserlichem Dienst abgerittenen drei
jhweden wollten «ich über Lichtenau nach Kassel be-
äben : Lorenz Larson war wegen Müdigkeit seines
Pferdes langsam an Lichtenau vorbei weiter geritten,
sein Bruder Krich und Magnus Person erlangten in dem
Städtlein einen Führer, C'iriax Siemon, welcher anfänglich
sich weigerte, dann mit ihnen ging. Sie wurden ge-
mordet, nach Siemons Angabe von einigen aus Heisa.
Abends desseiben Tages, dessen Datum nicht fest-^
312
steht, in di^n letzten Tagen des Juli oder df»n ersten
des August, gelangten zwei andere Kelter nach Lieb-
tenaa. Sie kamen von Allendorf her, gehörten za
einer Streifpartei von dem Heere des kait^erlichen Feld-
marsi-halls Grafen Götz und gaben ihre Eigenschaft
als 'Kaiserische« auf die Anfrage der Einwohner, welche
sie antrafen, zu erkennen. Sie wurden niedergemetzelt,
höchst wahrschfinlich von Bewohnern Lichtenau's.
Durch das ZusammentrftfHn dtr beiden Blutthaten
an einem und demselben Tage wurde die Verfolgung
der Frtvter erschwert und verwickelt; es lag nahe, dasa
jede dtr beiden angej^chuldigten Gruppen die an den
Schweden — als Hessen Befreundeten — begangene
Miösethat der anderen zuzuschieben suchte, da die Nieder-
machung der beiden kaiserlichen Reiter als von Feinden
auf Verzeihung oder gelinde Ahndung hoffen Hess.
Auf Lorenz Larson's Klagen hatt<* der hessische
Capitainlieutenant Södermann bei den Räthen zu Kassel
Anzeige des an seinen Landsleuten begangenen Mordes
vorgebracht und mehrere der von ihm ausgekundschai-
teten Thiiter namhaft gemacht. Die Riithe erliessen
Befehl an den Rentmeistcr zu Lichtenau, Bericht zu
erstatten. Man darf annehmen, das.s das Verhör vom
15. Soptbrnber IHSfi infolge des Befeliles der Käthe auf
Anordnung dt'S Runtmeisters abgehalten wurde. Nach
des letzteren Berichte wurden die Angeschuldigten von
Lichtenau wie von Heisa auf Befehl der Räthe ge-
fangen gesetzt, später gegen geleistete Bürgschaft jedoch
aus der Haft entlassen.
IUe Lichtenauer wendeten sich unter dem 12. Januar
1637 bittend an dnn Ijandgrafen, dann noch einmal
unter dem l!t, und L. Wilhelm erliess darauf schon am
20. Januar das Rescript, welches bedingungsweise die
Regierung anwies, die Unterzeichner der Bittschriften
mit fernerem i*rocesse zu verschonen. Die >gehapte
313
»
Nachfrage« , von welcher das Rescript im Eingange
spricht, dürfte bei dem Beamten in Lichtoiiau angestellt
worden sein und dann die R»-gierung in Kassel (Vice-
statthatter, Vicecanzlar und Räthe) Befehl zur Bericht-
erstjittung erhalten haben, welche unter dem 22. Februar
1637 erfolgte.
Es findet sich von d<eni Erlasse des Gnadenrescriptfi
ab nur noch die Heisischen Betreffendes von dem Ge-
richte verzeichnet. Diese sind gernäfis der Ladung defi
Scbultheiesen Vigeliiis am 30. Januar HJHT ve-rhört
worden: aussen auf der Ladung vom f). Dccember IfiSfi
ist bemerkt: „Hie Lichtenawisilie vnd Helwisclie, 30.
Januar vf den 16. Martij A. I). 1637." llie.ser Aufschub
kam offenbar nur den Lichtenauern zu Gute und ist
wol als Erfolg ihrer Gesuche anzusehen. Da die Hel-
sischen den Weg, des Fürsten Gnade anzurufen, gar
nicht betraten, ist anzunehmen, dass ihre Sache nicht
gut für sie stand.
Ein Verhör der Lichtenauer vor dem llalsgerichte
stiheint überhaupt nicht stattgefunden zu haben. Der
Fiscal überreichte die »articulirte Klage« gegen sie am
17. März, dem Tage nach dem vom Schulthoissen für
das Verhör angesetzten 16. März; ein Pfotokoll über
ein abgehaltenes Verhör ist nicht überliefert, daher ist
vielleicht die Annahme gerechtfertigt, da-ss der Fi.scal
seine Klage geflissentlich verspätet übergeben habe,
am die weitere Verfolgung der Lichtenauer einzustellen,
entsprechend dem fürstlichen Erlass vom 20. Januar 1637.
Die Untersuchung wurde nur gegen die von Heisa
fortgesetzt und man darf sie mit grosser Wahrschein-
lichkeii als die Thäter betrachten. Die beiden schwe-
dischen Kriegsleute waren im Begriffe, ihr vaterlän<lisches
Heer, damit die Partei des Hesseufürsteo, aufzusuchen^
sie hatten sicherlich friedlich und freundlich gegen die
Leute sich benommen, auf welche sie trafen, sie wollten
314
nicht aaf Heba ziehen >dan alda Schnaphanen sich
vflialtun solten* — da fanden sie ein trauriges elendes
Knde unter den FäustHti von beutegierigen Wegelagern.
Aber auch der raartervolle Tod der beiden kaiser-
lichen Reiter war beklagenswertli und die That der
Lichtcnauc^r doch in keiner Weise damit zu rechtfertigen,
dass sie *zur Verhütung grosseb Unglütka . . . das pme-
ttenire geapiek't hätten«. Die Liühtenaner wussten,
dass sie es nur mit diesen beiden kaiserlichen Reitern
zu thun hätten; der Rentmeistur zur Lichten an hatte
ihre Aussagen dem Berichte an die Räthe zu Kassel
zu gründe gelegt und in der letzteren Beric hte an den
Landgrafen vom 'J2. Februar lü37 heisst es »(die Lichte-
naucr Bürger) hätten sich verkrochen, aber da sie keine
(Kayserische) mehr vernomme. n . . . sich heraus-
gethao u. s. w.« Die beiden einzelnen Männer hätten
doch nicht die Stadt Ijiiliti^nau eratürmen können.
Von der Verwilderung in der sctireckhchen Zeit gibt
der Umstand eirt« Atideutung, dass die Kaiserischen
Reiter erstlich von den Jungen »weidlich mit bruegeln
tractiret«, d. h. wol ziemlich zxx Tode geschlagen wurden,
nachmals ihnen die Hälse mit Messern abgeschnitten.«
Das liört sich an, als hätte es sich um Kaubthiere
gehandelt. —
Am Schlüsse des vorstehenden Berichtes ist es
mir nine angenehmr^ Pflicht, dem Herrn Reichsgerichts-
rathe a. D. Dr. von M e i ho ra zu Kass*d, d^^s-sen juristische
Einsicht mir wertbvolten Beistand leistete, meinen Dank
auszusprechen.
Die Theilnahme des Kurfürsten Wil-
helm I. TOB Hessen am Oesterreichisclien
I Kriege 1809.
m F
iml
Von
Dr. Willi V»rg«e.
-<§-'
m Folgenden soll auf Grund von Akten*), die sieh
im KgL Preussischen Staatsarchiv zu Marburg be-
finden, eine Darstt'ilimg der Tlicil nähme des von Napoleon
depossedirten Kurfürsten Wilhelm I. von Hesaen am
Kriege von ISCH) gegeben werden.
Wh der Krieg im Jalire 18(HI anszul)rechen drohte,
wurde dem Kurfürsten, der seinen Sit» in Prag ge-
noninien hatte und einen ständigen Vertreter in Wien
unterhielt **), von der Oesterreichischen Regierung er-
klärt, dass man das Tributäraystem Napoleons zer-
•) Es kommen in Betracht vior Bände Aktoii (gebuuden),
die den Titol „Kriojj jiiit Fnuikrcich ISOil* fiiliron. Diese Biindo,
dio fnihor in dur WilhulinshitUor RihlioHn^k aurbcwalirt und von
Kaiser Wilhelm dem Marbuif^or Archiv ül)crwiG«on wurdon, ent-
halten dio miLtitri»che Corrottpondenz des Kurftirsteo. — Citirt
unter C. 1. 11 u. s. w.
••) 1809 war chargö d affaires v. Lepel; ihm stand zeitweise
ein T. Heimrod zur Seite.
I
316
Btören und jeden rechtmässigen Eigenthömer, also anch
den Kurftlrsterr, wieder in den Besitz der ihm vor der
Zeit der Usurpationen Napoleons ztige,hörigen Lande
set:son wolle. Da man auf Grund der Borichte Metter-
nichs den isiclieren 8iej^ Oesterreiclis erwartete, so glaubte
der Kurfürst bald wieder in den Besitz »seiner Staaten»
zu kommen, zumal ja zuerst der Plan bestand, über
Sachsen naeh Norddeaisehland vorzudringen und so
auch Hessen zu befreien. Der deposnedirte Fürst er-
wartete aber von dem Siege Oesterreiclis nicht aUein
die Wiederjiewinnung seines Thrones, sondern auch eine
Vergn'isserung und Abrundung seines Staates, natürlich
auf Kosten der Nachbarn. Er wusste, das« er diesen
Plan nur mit Hülfe Oesterreiclis ansf(ihren könne. Eis
war also für ihn tiotbwendig die Bereitwilligkeit diese-s
Staates zu gewinnen oder eventuell auch durch Opfer
zu erkaufen. Er bescbloss daher dem Staate für den
bevorstehenden Krieg thatkräftige Hülfe anzubieten und
erklärte sich — Anfang März, aUo noch vor Ausbruch
des Krieges — bereit ebenso wie der Herzog Wilhelm
von Braunschweig ein Trtippencorps anzuwerben und
als Bundesgenosse auf Seiten Oesterreiclis zu kämpfen.
Das Anerbieten kam der Regiening des Kaisers sehr
gelegen. Man hoffte, dass, wenn der Kurfürst von
Hessen und der Herzog von ßraunschweig sich in ihren
frilheren Gebieten zeigen würden, sich die Unterthanen
derselben erhfben würden und eine allgemeine Insur-
rection 'im Ktmigreich Westfalen entstehen würde
Unterm 14. März nahm der Kaiser das Anerbieten des
Kurfürsten an *). Der letztere erklärte jetzt, er wolle
noch vor Ausbruch des Krieges eine Legion von 4000
Mann, bestehend aus drei Bataillonen Infanterie, einem
Bat-aillon Jäger, &ech» E)ikadrons Cavallerie und ent-
sprechender Artillerie, ins Feld stellen, auf seine Kosten
•) Brief dos Koisorö t\ i, S. 6.
m
ansrflsten nnd untprlialtmi Der Gpnfratissimus Erz-
herzog Karl wurdf boanftragt mit dem Kurfürsten eine
entsprechende Militär-ConvMition abzusthliessen. Die
Verhandlungen fanden in I'rag, dem Aufenthaltsorte des
Kurfürsten, statt. Im Namen des Erzherzogs führte
dieselben der Obristlieutenant im 42. Infanterie-Regi-
ment V. Steinmetzen, im Namen des Kurförsten der
Kriegsrath Schminke und der Kammerherr, Major und
Flügeladjutant v. Thümmel. Am 20. März fand unter
I Vorbehalt der beiderseitigen Ratifikation der Abschluss
der Convention, die geheim bleiben sollte, statt *).
Der Kurfürst genehmigte dieselbe am selben Tage, der
I Erzherzog Karl mit Vorbehalt eines Artikels**) am 4.
April zu Wien.
Der Kurfürst verspricht [Art. 1]***}, so weit es
seine „gegenwärtigen und künftigen Kräfte verstatten"
Oesterreich seine Unterstützung im Falle eines Krieges
mit Napoleon. Um diese Unterstützung zu sthaffen,
will er [Art 2] in seinen Ländern, also im Königreich
Westfalen, unter der Hand die nöthigen Kinleitungen
wohl zur In.surrection und Anschliiss an seine Sache,
treffen und ein kiein^^s Corps aufstellen, da.s als noyeau
und als cadre für die Aufstellung einee demnächst zu
bildenden grösseren Armeecorps dienen soll. Dieses
Corps (Art. 7J, das aus Ut--]2Ü(.)0 Mann, einschliesslich
entsprechender Cavallerie bestehen soll, soll errichtet
werden, sowie der Kurfür.st in den Wiederbesitz seines
Landes gekommen i&t. Eine weitere Vermehrung dieses
hessischen Corps wird in Aussicht gestellt, wenn der
Kurfürst durch förmliche llebergabe noch anderer
Länder und nach erhaltenen englischen Subsidien in
♦) C. I, S. 21, vgl Beilagö I. S. 334 f.
••) Art. 13.
*•') vgl. Beilago I. S. 334.
318
den Stand gesetzt ist, Ober die nöthigen Mittel zu d}»-
poniren [Art. 7j. Der Kaiser veri)flicljtet sich seiner-
seits seine Operationen so einzurichten, dass Hessen so
schnell als möglich vom Feinde, befreit wird [Art. 111.
Cr sichert dem Kurfürsten, seinem Land und Hh»!
seinen Schatz zu [Art lOJ. Er verspricht seinen thä-
tigsten Beistand bei Herstellung der früheren Ordnung
in den Ländern seines Verbündeten [Art. 12J. Beim
Friedensschluss will er sich für die Yergrösserung
Hessftns möglichst verwenden (Art 14|.
Der Vertrag war für den Kurfürsten sehr günstig;
er versprach viel, aber seine Versprechungen waren so
verklausulirt, dass er im Grossen und Ganzen nur dann
Leistungen zu übernehmen hatte, wenn ihm von Oest-
reich grosse Vortlieüe gewährt, waren. Selbst bei der
Errichtung des Grundstocks seiner Armee will er keine
Opfer bringen. Er bittet um Oesterreichische Verwendung
und Unterstützung zur Erlangung Englischer Subsidien,
„da seine eigenen Mittel beschränkter sind, als man
glaubt" [Art. 3]. Oesterreicli überschätzte die Hfllfe
des Kurfürsten, ganz im Gegensatz zu Napoleon, der
dem ancien Electeur de Cassel eine ziemliche Verach-
tung zeigte. Man glaubte, er würde sich an die Spitze
eines Corps setzen und mit dem Säbel in der Faust
sein Land wieder erobern, man hoffte, er würde alle
seine Kräfte anwenden, um das Land zu insurgieren
und 80 den Boden für den Angriff zu bereiten, aber
diese Annahmen wurden getäuscht. Der Kurfürst konnte
sich ZQ einem eigenen thatkräftigen Handeln nicht auf-
schwingen. Er machte Oesterreich zwar das Zuge-
ständniss sich in die Nähe seines treuen Volkes zu be-
geben [Convention Art. 6], aber in He.«isen einzudringen
wagte er nicht. Ebensowenig vermochte er die Geld-
opfer zu bringen, die zu einer grossen Operation nöthig
waren. Hatt« er doch selbst seiner Dienerschaft, die
(
I
319
wegen der theuern Lebensverhältnisse in Prag um eine
Gehaltserhöhung einkanien, dieselbe einfach verweigert
und die Bittsteller mit Kiitlassung bedrolit Er be-
gnügte sich zunächst damit, in Hessen die nuthigen
Vorkehrungen für eine Insurrektion zu treffen und seine
Legion aufzustellen. Er hoffte, dass in Hessen seine
Anhänger, besonders Döraberg, schon das nöthige Geld
auftreiben würden, [zu einem Vorschuss Hess er sich,
wie bekannt ist, nicht hinreissen]*), und dass ihm bei
Errichtung seines Corps Oesterreichische und Englische
Hülfe nicht fehlen würde.
Die Bildung der Legion**} Hess sich anfänglich
gtinstig an. Als Werheplatz und Sammelplatz wurde
dem Kurfürsten die sehr güiistig gelegene Stadt Eger
und Goncurreua überwiesen***}. Hier stiessen vier Länder
zusammen, Sachsen, Thüringen, Böhmen und Bayern.
Vor allem war dieser Ort leicht für die Hessen zu er-
reichen. Der Erzherzog Kai'I förderte das Unternehmen
des Kurfürsten in jeder Weise. Er überwies demselben
eine Anzahl Hessen, die in der Oesterreichischen Armee
dienten und die dt-n Kern der Legion bilden sollton.
General Bellegarde erhielt den Befühl, dem Kurfürsten
bei Formierung der Cadres beliülflich zu sein. Der-
selbe sollte den Kurfürsten über alle Zeitverhältnisse
unterrichten, damit er sich an die Spitze seiner Truppen
setze und „die Regierung seines Landes übernehme"!).
Besonderen Zuzug versprach man sich aus Franken.
*) Er gab, wie bekannt ist, nur eine Anweisung anr 20000
^y ,wihlbftr, wonu der Aufstand gelungen", vgl, Lynrker, Oesch.
der Insurrection otc. Kassel 1857.
•♦) Tgl. Jrtrycjt, rUo liCHssischc I.,<?gioii, Boriclito dos Hoch-
stifta Frankfurt a. M,, IB90 S. 484 ff.
•••) Couvoiition Art. 15,
t) Rrior des Erzherzogs an den Kurfürsteu vom 1. A)»ril,
C. I. S. 42.
Hier war der Preussische Rittmeister a. D, und frühere
Adjutant des Prinzen Louis Ferdinand, Carl v. Nos-
titz, der als Major jetzt in die Dienste des Kurfürsten
getreten war, thätig, um Ansbach und Baireuth, die
altpu Brandeuburgischen Gebiete, zu insurgieren. Die
Bewohner waren voll Eifer, das Bayerische Joch abzu-
weisen. Ausser 200 Miinn gelernter Jäger war eine
zahlreiche Landuiiliz vorhanden. Baireuth zerfiel in 5
Kreise, jeder Kreis in 11 Marken. Jede Mark stellte
160 Mann Lamlwt'hr. Ausserdem befanden Hich vi^le
heimgekehrte preussische Soldaten und Offiziere im
Lande. Auch waren nicht unbedeutende Geldmittel
vorhanden. Nostiz wollte hier einen Guerillakrieg be-
ginnen. Er glaubte an Erfolg, weil im Fürstentimm
Baireuth nur 3000 Mann feindliche Truppen standen,
darunter zwei Kavallerie-Regimenter „mit abgerittenen
Pferden"*). Nostitz, der sich in Selb in Baireuth auf-
hielt, erliess einen Aufruf an die Bewohner de-s Lan-
des**). In kurzer Zeit verfügte er über 200 Mam
aber er sah bald ein, dass die ßaireuther mit den'
Plänen des Kurfürsten nicht überein-stimniten***;. Die
Leute wollten geru für ihren alten Herrn, den König
von Preussen, kämpfen» aber für den ihnen unbekannten
und fremden Hessenfürsten wollten .sie die Waffen
nicht ergreifen. Er konnte so seine Verpflichtungen
gegen den Kurfürsten, dessen tangsames, dem that-
krüftigen Handeln abholdes Wesen ihm auch nicht
sympathisch war, nicht erfüllen. Er verliess daher den
Dienst desselben und trat in Oesterreicliisehe Dienste.
Erzherzog Karl übertrug ihm sofort die Errichtung
•) Vgl. Boriciit vou Nostitz C- 11, S. 1; vgl. I. S. 44, 51,
vergl. C. I], S, 82 Anlixge.
•*) C. n, y. 14.
•n c. 11, s. 1.
I
I
I
321
einer eigenen Legion in Baireutii*). Mit Nostitz ver-
lor der Kurfürst einen thiitigen Offizier und ein tüch-
tiges Material von Soldaten, denn die Baireuther, die
Nostitz geworben, traten in die Baireuthische Legion
über. Franken war ihm verloren. Ea musste jetzt
versnebt werden dnrch Werbung die nöthigste Mann-
schaft 7u beschaffen. Die Ijeginn wuchs nur langsam,
obwohl die hessä.schen Weiber mit der grös-sten Un-
verfrorenheit ihr Handwerk nach der Art des 18. Jahr-
hunderts betrieben. Unter dem 22. Mai beschwert sich
General Graf v. Riesch**) beim Knrfürsten über den
Unfug der hessischen Werber ***J. Sie hätten Oester-
reichische Soldaten und Deserteurs eingestellt, ja sie
hätten sich nicht einmal entbindet, Leute, die von
Oesterreichischer Seite frisch angeworben waren, ab-
spenstig zu machen. Auch aus Hessen kamen wenig
Leute zu der Fahne ihres alten Fürsten, obwohl der
letztere den General Bellegarde angewiesen hatte, ihm
jeden die Grenze passirenden Hessen abzuliefern*).
Auch ein zweites in Prag errichtetes Werbeamt schaffte
wenig Leute. Nach und nach strömte eine Anzahl
Soldaten zusammen, aus dienen man ein Corps bildete,
das nach althessischem Zopfstil, — die Uniform schrieb
der Kurfürst .selbat vorf), — gekleidet, bewaffnet nnd
gedrillt wurde. Die Waffen, Flinten, Säbel und Ka-
nonen, 2 leichte Haubitzen, 2 Dreipfünder und 2 Sechs-
pfünder erhielt das Corps aus Oesterreichischen Arse-
nalen ff), die Pferde kaufte der Kurfürst, Abgesehen
•) Pftteut dos Erzherzogs für Nostitz vom 20. April 1809,
C. U. 8. 17.
**) Genoral der Cavallerio, Graf voa Rieseli, war Com man-
direndcr General in BöUmeii.
"*\ r. I. S. 103.
t) Brief don Kurf, vom 2(). .^pril, C I, 8. 80.
tt) 0. !11. IV.
N. r. XVI. Bd. 21
322
von den ehemaligen I^andeskindern des Kurfürsten be-
stand das Corps nicht ans dem besten Material Di^
I^euti», di(» steh ainverbi'ti lioss^n, hatten meist schon
in den verschied bnstfn Heeren gedient. Nicht wenig*«
waren aus der einen oder der anderen- Armee mit
Schimpf und .Schand« ausgestossen *). Aber alle diese
Soldaten, die aus den verschiedensten Staaten stammten,
waren einig im Hass gegnn Napoleon. Man fürchtete
allerdings, da.ss sich in dem Corps franztisische Spione
anwerben lie-ssen, um die O[)erationen der Oesterrei-
chischen Armee den Feinden zu verrathen. So theilt
der Herzog von Braunschweig dem Kurfürsten mit**),
„dass mun franÄÜ.*iischer Seit-s bemüht sei, ihnen atta-
chirte Subjecte bei den feindlichen Corps zu attachiren,
namentlich habe der Marschall Davoust darüber Aaf-
tiäge gegeben*'.
Dass in dem Corps nicht der beste Geist herrschte,
lässt sich denken. Die Rapporte des Koromandirenden
berichten von Kxcessen aller .\rt : Verstö.sse gegen die
Subordination, Rebellionen und Desertionen waren ao
der Tagesordnung***). Während der Expedition nach
Sachsen betheitigten sich die Hessen an den hässlichen
Vorgängen von WilsdruflF — 10. Juni — . wo sich auch
die Braunschweiger grosse Ausschreitungen zu Schulden
kommen Hessen. Der Erzherzog Karl erliess in Folge
dessen eine ernste ße.schwerde an den Kurfürsten. Das
Officiercorps konnte auf den Geist nicht sehr bildend
wirken. Die meisten waren ja tüchtige Leute, beson-
ders der Kommandeur Obristlieutenant v. Müller, aber
es macht sich doch bei ihnen auch eine gewisse Ver-
wilderung geltend. Es waren zum Theil althessische,
znm Theil frühere preassische Offiziere, die 1806 bei
•) C L S. 92, S. 95.
-> C. I. a 95.
•*0 CL U. S. 142.
I
I
I
Verminderung der Preussischen Armee ihren Ab-
schied genommen oder erhalten hatten. Siß komman-
dirten nach alt«r Weise und verstanden nicht das Ehr-
gefühl bei den Untergebenen zu wecken. Die barba-
rischen Mittel der alten Zucht, Stockschläge, Gassen-
laufen wurden in strengster Form angewendet*). In-
dessen durfte man gegen die geworbenen Soldaten, die
ein Kapital reprä-sentirten und fiir die schwer Ersatz
zu schaffen war, nicht mit der stärksten Strafe, dem
Füsiliren, vorgehen. „^^'^^ Leute müssen geschont
werden und sind lieber mit Gas.senhiufen zu bestrafen"**),
befahl der Kurfürst auf die Berichte des Kommandi-
renden hin.
Da« Corps, etwa 500 Mann, lag bei Eger; es
sollte von hier mit einem Oesterreichischen Corps und
der zu bildenden Bairetither Legion nach Norddeutsch-
land und Hes.sen vorrücken, um Dörnberg beim Aus-
bruch der ln.su rrektton zu Hülfe zu eilen.
Der Kurfürst schloss sich seinem Corps nicht an.
Er hatte sich freilich erkundigt, ob in Eger für ihn
Quartier zu finden sei***), aber dann hatte er es vor-
gezogen, in dem festen Prag zu bleiben, Von hier aus
leitf^te er sein Corps. Er glaubte seine Pflicht gethan
zu haben, wenn i?r aftinem Hrichstkommandirenden, dem
eben er^vähnten Oberstlieutenaut und Flügel ad] uhint
C. M. V. Müller täglich durch Stafette die nüthige Parole,
da.s Keldgcschrei und allerhand unnüthige Zopfbefehle
gab. Er.st nach der Schlacht bei Aspern wagte er es, das
feste Prjig zu verlassen und sein Corps zu inspiciren.
Aus der Expedition nach Hessen wurde in Folge
des Kriegsuuglücks der Oestern'icher nicht.s, zumal
auch der Aufstand Dürnbergs zu früh ausgebrochen
•) C. n. S. 145, 146, 160.
♦•) C. II. S. 1B5.
^) C. IL S. 15.
21
324
war. Dörnberg hatte vom Kurfürsten die Weisiing er-
halten, nicht eher loszuschlagen, als bis er durch ein
Oesterreichisches — wahrscheinlich unter Bellegarde —
oder Hessisches Corps unterstützt werden könnte*):
die Bewegung war aber zu allgemein geworden« sie
konnte nicht mehr zurück gehalten werden und brach
so zu früh aus.
Der Kurfürst musste erst neue Verständigungen
treffen, um eine zweite Insurrektion Hessens zu orga-
nisiren. Der Erzherzog Karl suchte den Fürsten zum
energischen Handeln anzutreiben. Am 7. Mai theilte
er aus dem Hauptquartier Schweinitz demselben mit,
dass der Herzog von Braunschweig seine Operationen
in Norddeutschland eröffnen werde, und dass der Prens-
sisehe Major v. Schi II eigenmächtig einen Einfall in
Westfalen gemacht habn. Heide hofften auf grosseo
Anhang in Norddeutächlaud. „Ich muss es der Auf-
merksamkeit fiw. Liebden überlassen, fährt er fort,
Ihre Pläne nach diesen Voraussetzungen zu entwerfen,
und wenn die-se günstigen Hoffnungen wirklich realisirt
würden, davon schleunig den umfassendsten Gebranch zu
machen"**). Der Kurfürst entschuldigt seine Energie-
losigkeit durch die Schwierigkeiten, die er mit der
Werbung habe. Er erklärt, dass er nur im äassersten
Fall Frag verlassen und sich dahin begeben wolle, von
wo er den Erzherzog erreichen oder nach dem Aos-
*) Brier det> Karfünitoa an Erzhorzog Rarl vom 3. Juni
1800: ,Uebrigeas katui ich nicht genug bedauern, dass die IdsqT'
rektion inHessen ge(;en meine ausdrückliche A«u88erang za
frühe ausgebrochen ist Insurrektionen ohne militärische
Hülfe glücken seltea Daas otan diese und nameotlich ein
Kaiserlich Oesterrcichisches Corps abwarten soUte, war ^eicb an-
fangs Ew. liebdeD Idee tind auch die meinige,*' C L S. 122.
(Üonoept) Hinter Oesterreichisches Corps steht im Concept ans-
gttlriohen .des Bellegarde".
••) Cl. S, 88.
325
land operiren könne*). Einstweilen gestattete er, dass
die hesssischen Truppen zur Yerthfidigung van Böhmen
verwendet werden sollten.
Unmittelbar nach der Schlauht bei Aspern macht
der Erzherzog einen neuen Anlauf .uif den Kurfürsten.
Es war für ihn vom höeh.steii Interesse im Rücken der
Rheinbundstruppen und der Franzosen das von Truppen
fast ganz entblösste Norddcutschland in Aufstand zu
bringen und einen Guerillakrieg nach Spanischer Art
zu organtsiren. Die schönen und wurmen Worte des
Briefes**) machten aucli diesmal keinen Eindruck auf
den Kurfürsten. Wie sehr den Oesterreichern an dem
Erscheinen des Kurfürsten in Hessen lag, geht daraus
hervor, dass Erzherzog Karl am 31. Mai eine neue
Aufforderung an den Kurfürsten ergehen Hess. Er
theilt ihm mit, dass man Oesterretchischerseitä ent-
schJosäen sei, zwei Diversionen nach Deutschland aus
Böhmen zu machen. Von der Landwehr könnten sich
zwar nur die betheiligen, die sich freiwillig meldeten,
doch würden sich an jedes Corps 4 — 6(MJÜ Mann an-
fichliessen. „Diese Exiteditionen, sowie die llnterueh-
raungeu des Herzogs von Braunschweig-Uels und des
Majors Schill, heisst es dann weiter, werden die kleine
feindliche Macht in jenen Gegenden hinlänglich be-
schäftigen und es Ew. Liebden erleichtern, sich Ihren
Staaten zu nähern, wo, wie ich hoffe, Ihre kleitte
Truppe äusserst schnell Bedeutung gewinnen wird. Bei
längerem Zögern möchte der Eifer Ihrer jetzt aufge-
regten önterthanen erkalten und die Gegner dürften
■ manches, was jetzt noch leicht ist, erschweren*'***).
H Jetzt, wo ihm thatkräftige Hülfe zugesagt war,
H entschtoss sich der Kurfürst endlich zum Handeln, Am
I
I
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•) Brief vom 24. Mai. C, 1. S. 90.
••) C. I. S. !I5, vgl. Beilage 2.
•r) c. 1. s. 119.
326
3. Juni theiilt er dem Erzherzog mit, dass seine Trappen
Befehl, sicli den Oesterreich«rn anzuscliliessen, erhalten
haben. Eine Insurrekiiun in Hessen 80II die Angrei-
fenden unterstützen. Er verspricht sich von dem guten
Geiste, welcher die MenNchen beseelt, den be*>ten Er-
folg*), l^ wurden jetzt die Einleitungen zu dem be-
kaniit*in Marbiirger Aufstand getroffen, der dann ?pät«r
in der Nacht vom 28. zum 24. Juni stattfand. In den
bisher citirten Akten tiiiden sich über die EntsbebuTig
diese.s Auf>;t;iiides keine Angaben, dagegen geben die
im Staat.sarcliiv zu Marburg betiiullicheu Verhöre**)
einiger Haupttheihiehmer am Aufstand klar an, da$i3
der Kni'fiirst der Urheber des Aufstandes ist. Die Vor-
höre der Häupter des Auf«tiindes, den Hofrath und Pro-
fessor Stern berg und des überstea Emmerich, die
in Ka.s.sei standrechtlich am 17. und 19. Juli erschossen
aind, sind nirht erhalten ***). Vielleicht ist es Üörnberg
gewesen, der auf Marburg als die für einen Aufstand
g^tostigste Gegend hingewiesen hatf). Die Ka-sseler
Gegend war inigeeiguet Diti Bürger der Residenzstadt
hatten sich dem iJörnberg'schen Auf.^tand gegenüber
aehr ablehnend verhalten ; es war zu befürchten, das8
sie auch jetzt sich nicht an einer Insurrektion bethei-
ligen würden. Zudem hätte Jernine, der mit seinem
Heer in Sachsen stand, leicht zurückkehren und den
Aufstand im Keime erdrücken können. In Uberhessen
•) C. I. S. 1*22.
•*) Äfta, liie wegen dos Aiifrahrs vom 24. Jimi arrotierten
betreffend eto.
•••) Id den Akten g(«gon Koch findet sich eine AussAgo
SternborgB.
f) C. 1, S. 99. Brief des Erzherzog Karl an den Kur-
fürsten: ,l>en (iborsten Baron von Dümborg habe ich mit Ver-
gnügen aurgcnoiiiinon. Seioo Kenntnisse der neuen Verhältnisse
im Königreich Wost|ifaaloD kann sehr dienlich soin.'' Vgl. Moni-
teur Westphalien vom 27. Juni 1809.
die Insurrektion Dörnbergs nicht zum Ausbruch
commen, da die Meldung nicht rechtzeitig gebnidit
war. Es war hier also «och viel Zündetivff vorhaiidttn.
Die Erbittenirig im L;inde war gross, die Bauern und
althesaiüLhen Soldaten, die schon am Aufstand von
1806 theilgenoinmen hatten, wetteiferten in ihrem Hass
gegen die Fremdherrschaft. Der Sieg von A.spern hatte
auch hier gross« Wirkungen, man glaubte fest, dass
Jerömes und Napoltions Herrüchkeit zu Ende gehen,
vuid der Kurfürat zmütkkehren würde. Sodann war
die Provinz von Truppen entblösst ; in Marburg standen
nur 150 Mann. Dits nächste grössere Corps, das diis
Hei-zogs von Valmy, stand üi Hanau. Entacheith^nd
war wohl aucli, dass raan von Oberhussen aus mit dem
Oesterroichischeu Corps des General Rudivnjevics und
mit der fränkischen Legion des Major Nostitz, die
einen F'infall in Franken niatlien sollten, in leichte
Verbindung treten konnte.
Die Leitung des Aufstandes übernahm der Mnr-
burger Professur Ji)liann Heinrich Sternberg*). Ihm
zur Seit« stand der Uberst a. D. Andrea» E m m e r i u h **).
Die Liebe zum Vaterlande und zu ihrem För.sten, der
Has8 gegen die Feinde hat diese Miinner zu ihrem Han-
deln angetrieben, nicht bio.sser Ehrgeiz, wie man wohl
geurtlieilt hat ***). Sternberg suchte zuerst die alt-
•) Stern borg, geb. 1772 zu Goslar, stndirtc zu Götttngen
Medicin uud wuriio 1804 l'rofessor zu Marburg. Vgl. Slrmier,
Grundlage zur Hos.s. Gclo)irtong<?sctiichte Bd. 15 ; Varyes, Tägliche
Rundschau 1889 Beilage Nr. 210.
**) Emmerich, geb. 1734 im Haoauiachcn, engl. Oberst a, D,,
kämj>ft.o utitor Friednuh dem GroBsen und in Nordamerika. Eine
cnglisolio Pension l)ezo{; er nicht. Vürgl. G. Ijamlau, IIoss. Jalir-
bacb 1U54, 8. 1&7.
•••) Lyncker, Gesdi. d. Insuirektion; Oaecke und Ugen, Gesch.
dee Köaigroichs WcütfaloQ.
328
hessischen Soldaten zu gewinnen^ die dann die Bauern
bearb(-iti'ii soHten. Wio die Akten ergeben, war er im
Besitz vtMi Briefen und ürdrus des Kurlürsten, die er
den Leuten zeigte. Wir können nicht annehmen, dass
hier ein Betrug vorliegt, wfun ciulIi Stt'rnberg sonst
durch drastisclie Mittel, durt;h tield und Branntwein,
auf die alten Soldaten einziiwirktm suchte. Wahrschein-
lich handelte k'T auf Befebl des Kurfürsten, der in fseineo
Briefen nicht sehr schonuMgKvoll mit seinen früheren
UnterthanfMi um!j|>rang *). Am meisten wirkte auf die
Bauern und Soldaten die Erklärung des Kurfürsten, dass
er selbst ersdieiuen nnd sich an die Spitze der Seinigen
stellen werde **). Das Volk hing ja mit einer an Fana-
tismus grenzenden Liebe an seinem Fürsten. L'nter
den besseren »Ständen, die di«* Voiiheile der Regierung
Jeroraes einsahen, fand »Sternlterg keinen Anhang. Im
wesentlichen betheiligte sich nur das niedere Volk an
der UnternHmiung. S'dinld mau Nachricht vom Heran-
nahen der Oesterreichei" und Hessen hatte, wollte man
losbrechen, die Stadt Marburg überrumpeln und den
Aufstand dann allgemein auf das flache Land ausbreiten.
Aber das Herannahen der befreundeten Truppen wurde
nicht abgewartet; auch dieser Aufstand brach zu früh
aus. Sternberg wurde krank, und Kntmerith schlug in
blindem Ila.ss gegen die Franzosen und aus Ilebereifer
mit unbedeutenden Streitkräften in der Nacht zum 24.
Juni los ***). Er wurde bald überwältigt. Er und dann
•) ^Jeder hessische Soldal solle hich einfinden ; wer aus-
bleiW, verliere ilpn Kdipf." — „Wer nicht daltei |jc\Teson, der werdo
als Feind bohaiidelt." — .Wer nicht mitgehe, dorn werde Haoa
und Hof vcrhiaiiut.'^ Vgl, Unlersuchungsakten.
•*) lieber deu Maihiiigt-r Aufbtand vgl. Vat-gai, Tägliche
Rnndsthau 1889. Beilage Nr. 258. 259.
••*) Bericht des Substitut du procureur general an den ministt«
de jostice vom 25. Juni. (Marburger Archiv.)
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dach Sternberg wurden nach Ka,wel gebracht und dort
stm 17. ond 19. Juli erscliüsssen*).
Das hessi-sehe Cc)r[w huttn sich auf Befiehl des Kur-
fürsten der Ex|iedition nach Sachsen, die unter dem
Kommando des GeneraLs am Ende stand, angeschlnssfa.
£s sollte hier {;egeii Jenutuj käitipfcii und einen Kinfall
in We.stfali.'ii versuchen. Das Cür[t.s war nach inricn
recht schwach. Die Werhangen schritten aur latigsani
fort ; die l'ranzosen hatten die Grenze von Baireutli mit
Förstern und Polizeidienern besetzt, so dasa hier keine
Leute zu bekommen waren. Auch sucliten die Wi-rber
der Oeeterreicher und d*'r Major von Nostiz den ]lM.ssen
das beste Mat(;rial abzufangen **). Doch wuchs die
Legion, namentlicb, nachdem die hi^ssischen Krieg.s-
gefangHuen au dieselbe abgegeben wurden, anf 7 — 800
Manrt. Die »{.»äteren Angaben, die von HXX) — 1500 Mann
reden, sind wohl übertrieben ***).
Ära ß. Juni buganri dwr Marsch dvr 1 lassen |) unter
dem Oberstlieutciiaiit v. Müller, am 1>. Jtini ven-inigten
sie »ich mit drr Uestreichischischeu Arint'e und der
Legion des Herzogs Willirlm von üraunschweig, der
schon am 21, Mai einen vtrgebhchen Einfall in Sachsen
gemacht und sich mit dem General Thielmann herum-
gescldageti hatte. Das Oestreichisch-Ulrautisidiweigisch-
Hetfsiscbe üi'er zählte ungefähr iU(JUO Mann und besas.s
20 Geschütze. Thielmann, der nur über etwa 20<JO
Mann verfügte, wich vor der Uebermacht zurück. Am
*) Hessische Gcheiniatteii XI, 16. Nr. 27 (Marburg, Staats-
archiv); Universitatsaktcn ebondaj. Die Briefe StcroherKS, dio er
aus dem Ca^tet an seine Frnu ficliriob, sind im Besitz einer Frau
Greve, gob. Sternborg, in Marburg. Sie otitlialten aber für die Ge-
schichte seines .\iifstajidoM wcnif; ÜpfiiHitoiidos.
**) C. I. 133. Die Werber erldiirtoti : Was sio sich bei dem
armen Fürsten, der ohne Land und Leute wjiro, anwerben wotUon.
•) C. 1. S. 145.
t) Berichte v. Müllers an den Kiufdi-stefl. U. IL 8. 2ü ff.
330
11. Juni zog das Corps der Verbündeten in Dresden, am
22. in Li?i{izig ein. General am Eiidti liiitte am 6, Juni
den Kurfilr.st itufgefordtat, sich der ExiMHÜtion ins Aus-
land anzusohliessen, er erhielt ablehnende Antwort. Am
Ende führte seinen Vorstoss nicht aus ; auf die Kunde
vom Anrücken eines Sächsisch-Westf^ili.schen Heeres
räumte er die 8t«dt Leipzig und zog n'\ch nach Dresden
zurück, das aber auch bald preisgegeben wurde.
Jetzt übernahm der Feldmarschall Kienmayer den
Oberbefehl über ilie Curps des (ienerals ajn Ende mid des
Generals Radivojevics. Dieser sendet« eine kleine Schaar
tmter am Endw gt^gen Dresden, er selb.-st rückte mit der
Han|(tniacht, der auch die Hessen und Braun.schweiger
sich anscbloKsen, über Chemnitz und Zwickau zur
Bayerischi^n Grenze, um Radivojevics Hülfe gegen Junnt zu
bringen (2H, Juni), Am S. Juli wurdi' Junot ge.schlagen
und zog .sich bis Amherg zurück, Jetzt wendete man sich
gegen das Sächsisch-Westfälische Corps, das von Dresden
nach Phuien vnrj,5erückt war, um <'ine Vereinigung mit
Junut zu suchen. Am 11. rückte man nach ikif; die
hessischen Truppen hatten ein Ge]»länkcl mit den west-
fahschen Vorposten; Jerome zog sich nach Sthleiz zu-
rück. l>er Herzog von Brannschweig wollte Jeröme
daselbst mit seinen und den hessischen Truppen übor-
fallen und aufheben. Der l'lan wurde verrathen ; der
König verliess Abends II l'hr 8chleiz und reisie nach
Jena ah. Diese vereit*:!te Gefangennahme des West-
falenkönigs machte dem Kurfürsten grossen Kummer *).
Die WosträJiscli-Sächsischen Trupjien folgten dem Kimig
und zogen .sich auf Jena und <Jann auf Erfurt zurück.
Zu einem Treffen zwischen Hessen und Westfalen kam
es nicht mehr. Ebenso wenig wurde etwas aus einer
*] C. U. 132. Berieht von MiillHr«. BandbemerkuDg des
Karfurstcn: „Solche» sohr zu ttoklagon."
331
-xpedit-inn nach Hessen. Die Rreigtiisse de« grossen
\riegssch.iu{ilatz('ü hiiulerten diu Atiüfiil innig ilersulben.
"^V'üre der WaffenstilUtaiid von Znaiin eiiiigu Tage
Lj&pitter geschlossen, so hätte das Hi'sstsclui Corps den
1 Tlinfall in das Königr^ieh Westfalen versucht- Am 16.
-Juli theilte der Feldmarsclial! Kienmayer*) dorn
Oberstlieiitfjuant v. Müllur mit, dass in Hessen ein«
grosse rinvolution imügubrouUyn wäre iinil (hum in Kassel
■und Marburg viele Franzosen uinj^tdyrjiclit wären. Es
Isei also die achleuiiigstH Unteistiitzung nüthig. Der
Oberstlieutenant fasste den Plan, sopleich abzninar-
schieren und nach Hessen vorzudriiiyi.'ii. KRiuiiiayr'r
wollte gegen Juuot marscbiren und uauh Hesit'giing
desselben ubt-tifaHs in Hi^ssen ciiidiiiigt'n **). Müller
hatte schon Marscburdiiuug gi-geben, alles überHü.ssige
I Gepäck nach Eger beordert luid war auf dem Pniikte
aofzuhretht-n, als er die ,,uiighu'kliche Contreordrp"
bekam, die durch den Waffenstillstand vnii Znaim ver-
anlasst war. Der ^.schönste Plan war so zerstört",
schreibt Müller ***). Dio einzige Hott'iimig war jetzt,
dass der Wattenstillstand nur ktirzn Zeit dauern und
nicht zum Frieden führen würde. In diesem Falle
I hatte Müller beschlossen sich eventuell dem Corps des
Herzogs von Braunsehweig auzuschliessen und mit
diesem vereint in Westfalen einztirallen f). Da djis
Gerücht die Ausdehnung des Marburger Aufstandes sehr
übertrieben hatte, so hoffte er auf grossen Erfolg. Er
meinte, wenn der uiigliielilR"lie Waffen.stillstand nicht
dazwischen gekommen wäre, so würde Hessen in einer
Zeit von 8—14 Tagen von den Franzosen befreit
♦) 1. Rapport V. M. an ien Kurfürsten, Plauen don 16. Juli
C n. S. 132.
•♦) ibitl.
•••) 2. Rapiiort vom 16. Jidi. C. IT. S. 134.
t) Meliiuuß V. Müllers vom 17. Juli. C. U. 8. 137.
^2
sein*), um die Stimmung des Landes zu erkunden,
schickte er einen verständigen Mann, einen früheren
Schill'ftchen Unterofticier aus, der die günstigsten Nach-
richten brachte**).
Man wartete auf diis Ende des Waffenstillstandes
und auf Befehle des Kurfürsten. Der letztere war
durch den Waffenstillstand in seinen schönsten Hoff-
nungen getäuscht***). Er wusste, daas ohne Oester-
reichs Hütf^* ein Einfall in Hessen niissglttcken musste.
Seinem Üherstlieutenunt send^tt; er aber keinen Befehl,
er sprach weder seine Zustimmung zu dem Marsch ans,
noch verbot er denselben fli. Vielleicht wünschte er,
dass V. Müller eigenmächtig handeln sollte. Dieser
aber war ein vorsichtiger und verständiger Officier, der
sich nicht auf 'Abenteuer einliess. Er sagte sich, dass
die Franzosen während des vierwöchentlichen Waffen-
stillstandes eine zu grosse Macht in Norddeutschland
anhäufen würden, der er nicht gewachsen war, zumal
er auch über den Marsch des Herzogs von Braun-
schweig nichts mehr hfirteft). Am 22. Juli wurde der
Rückmarsch nach der Böhmischen Grenze, die als De-
markation.slinie festgesetzt war, angetreten. Die Offi-
ciere und Soldaten, die immer noch auf einen Ein-
marsch in Hessen gehofft hatten, waren hiermit sehr
unzufried^-n. Die Unzufriedenheit st^-igert«^ sich so
unter den Ufficieren, die bc-fürchteten beim Friedens-
schlofis, welchem die Auflösung des Corps folgen musste,
•) ibid.
*•) C. II. R. 198. Der ünterofficier sollte auch erkuoden.
wie weit die Engländer, von di^aen man anDahm, dass sie an der
Weser gelandet heien, \ ori;oriifkt wiircn. (tiapport 12. Äug.)
*••) Randbemerkung am 2. Kapjwrt v. Müllers vom 16. Juli:
„Wie BoLr HoIchoH zu beklagen, nicht auszudrücken.* C II. S. 134.
t) BaadbemerkuBgi ^Vorsätzlich habe er keinen Befohl ge-
geben." C. n. 8. 137.
tt) Rapport v. Müllers vom 19. Juli, ebenda.
333
fcrodlos zu werden, dass einige beschlossen mit einem
Theil der Truppen und der Artillerie in Feindesland
«iuzurücken. An der Spitze des Coinplottes stand der
^Rittmeister von Uttenhofen. Nüstitz und Pfuhl wollten
sich mit ihren Truppen den Hessen anschlieasen.
Sie hatten die Absicht nach Brennen vorzudringen,
"am sich da, wie der Herzog von BramiHchweig, nach
England einzuschiffen. Mit dem Englischen Vertreter
in Prag, Jauäon, waren die näheren Verabredungen ge-
troffen*). Am 11. .September sollte der Abmarsch er-
folgen, aber am 2. September wiu'de das Complutt
entdeckt. Die hessischen üfficiere wurden verhaftet,
durch Kriegsgericht zum Tode verurtheilt, aber auf
Befürwortung Kienmayers begnadigt**!. Sie hatten vor
dem Kriegsgericht angegeben, sie hätten Hessen in-
surgiren wollen***). Der Kurfürst war zu der Begna-
digung nur schwer zu bewegen. Er erklärte, dass
durch das Unternehmen seine üuterthanen wieder zu
einem vergeblichen Aufstand angereizt und bei dem
eingetretenen Frieden dann verlassen sein würden. Eine
Menge derselben wäre so abermals unglücklich ge-
worden. „Kann ich gegen dergleichen unempfänglich
sein", 9chlie.s.st sein Brief an den Feldmarschall Kien-
mayerf).
Nach dem Friedensschluss verfügte er die Auf-
lösung der Legion ff). Die Ofticiere traten grössten-
theils in Oesterreichische Dienste, die Mannschaften
wurden entlassen. Theilw(>!so mussten die Soldaten mit
Gewalt durch österreichisches Militair entwattnet werden.
♦) C. II. S. 216 ff.
•♦) C. II. 8. 249. Fi-otoLoll des Kriegsgerichts S, 405.
*•*) C. II. S. 332.
t) C. n. S. 405.
ff) C. IL S. 500 ff. Wjihrotid der AuJlüsung deseiiirte eiu
Lieatonaiit von Xatzmer luil einer grossen Äuzah! Soldaten.
334
Die letjii* Th^tigkeit des Kurfürsten als Höchstkom-
inandireinler bfstand darin, dass fr den ( )berstlieute-
na«t V. Rlüllt^r zum Oberst und mehrere Kapitaine zu
Majoren ernannte.
Zu den Friedensverhandltm^'en enise-ndete er den
Legationsratli Haron von Lejml. Doch liatten die
Bemühungen desselben keinen Krfolg.
Oesterreich konnte ja ni< ht einmal für sich günstige
Bedingungen erlangen. Dtfr Kurfürst zog sich wieder
in sein Stillleheii in Frag zurüek und wartete auf
günstigere Zeiten. Erat die Freiheitskriege gaben ihm
sein Land zurück.
H e i l a g e I.
Convention zwischen Oeaterreich und Kurhessen
Prag am 20. Miirz 1809.
Convention.
RndesunterzeichnetR, als zu Ahschliessung der
gegenwärtigen Convention bevollmächtigte sind über
folgende Punkte übereingekommen,
1.
Se. Kurfürstliche Durchlaucht von Hessen erklären
und versprechen für den Fall eines zwischen Oestreich
und Frankreich au.'^brechenden Kriegs Ihren thätigen
LJ«!ittitt zur allgemeinen Sache gegen letztgenannte
Macht. Sie machen sich verbindlich, so viel es Ihr«
gegenwärtigen nud künftigen Kräfte verstatten, erstere
Macht und Ihre Armeen zu unterstützen.
2.
Verbinden sich Se. Kurfürstliche Durchlaucht so-
gleich nach geschlossener Convention unter der Hand,
\
I
nnd besonders in Ihrpn Ivänclfrn all« vorläufig luithigen
Einleitungen zu tretfen, und dprmalen ein kleiues
Tnippencorps als Noyeau, hauptsächlich aber eine Cadre
im voraus zu bilden, wetclier die denmiichstige Auf-
stellung eines grösseren und bedeutenderen Armee-Corps
erleichtere und vorbereite.
8.
Dieses Corps trägt den Namen des Kurfürstlich
Hessischen und wird sowohl in spin^r Kntstfhung als
in seinem Fortschreiten von Sr. Kurfürstlichen Durch-
laucht aus eigenen Mitteln errichtet und besoldet, jedoch
behalten sieh Höchst Dieselben die Kaiserlich Oest-
reichische Verwendung und Unterstützung zur Erlangung
von Englischen Subsidien vor, indem ihre eigenen Kräfte
beschränkter sind, als man glaubt.
Zweckmässig würde hierbei sein, den Zahlungsfuss
dergestalt anzunehmen, dass die iSubsidien nach der
Zahl der Mannschaft eingerichtet — und wie sich diese
vermehrt, jene ohne weiteres, auch vergrössert werden.
4.
Sr. Kurfürstlichen Durchlaucht steht die Ernennung
sämmtlicher Chargen und alle sonstige innere Ein-
richtung zu. Höcli.st Dieselbe nehmen keinen Anstand
in dieses Corps ausser ihren Landeskindern auch sonstige
dermalige Westpliäliselie Unb'rthanen , und besonders
gediente Leute aus anderen deutschen Provinzen auf-
zunehmen, damit sich vorerst so schnei! als miiglicli
pin rassembicment bilde und das Gerüclit davon sich
allgemein verbreite.
5.
Sobald nur irgend eine Anzahl derselben vorhanden
sein wird, werden .«sogleich ("omjiagnien und respve.
E.scadrons und Ilataillons daraus formirt. Diese for-
mirten Körper schlJessen sich dann hey dem Ausmarsch
unverzüglich an das erste der Hessischen Grenze sich
336
nähernde Oestreichische Corps-d'armee an, und etabliren
nach Maasgabe ihres Vorrfickens ihre Versammlnng»-
pankte, nnd Werbplätze immer näher der Hessischen
Grenze.
6.
Se. Kurfürstliche Dorchlancht finden sich ganz ge-
neigt., Sich an ein verhältnismässiges Kaiserl. Oestreichi-
sches Corps anzuschliessen und sich ihrem treaen Volk
zu nähern, um sogleich die Regierung Selbst wieder
zu ergreifen, indem hierdurch die Wieder-Organisation
ihrer Truppen sich sehr erleichtem und beschleunigen
wird.
7.
Machen sich Se. Kurfürstliche Durchlaucht feierlich
anheischig, sogleich nach erlangtem Wiederbesitz Ihrer
Länder ein Armee-Corps von 10—12000 Mann incl.
eines Fünftheils Cavallerie mit den nöthigen Kriegs-
Erfordi'rnissen, zu deren Anschaffung man Oesterreichisch.
Seits alle Bereitwilligkeit zeigen wird, versehn, in dem
möglichst kürzestem Zeitraum aufzustellen. Hierbei soll
es aber sein Bewenden nicht haben, sondern Se. Kur-
fürstliche Durchlaucht versprechen, dass wenn Höchst-
dieselben durch förmliche Übergabe noch anderer Länder
nnd nach erhaltenen englischen Subsidien in den Stand
gesetzt sind, über die nötigen Mittel zu disponiren, Sie
erwähntes Corps so vermehren wollen, dass des Kaisers
von Oesterreicb Majestät an Höehstdemselben einen
wahrhaft treuen und solchen AUürten haben werden,
der fähig ist, recht nützliche Dienste zu leisten.
8.
Dieses Corps d'armee hat von seiner Entstehung
an und für die Zukunft in seinen Operationen durchaus
nach der Intention Sr. Kaiserl. Hoheit des Erzherzogs
Generalissimus zu agiren, steht aber sonst unter keinen
anderen Befehlen, als denen Sr. Kurfürst] Darchiancht,
in Ansehung der inuRrpn Einrichhing und jedem anderen
Punkte. Es bleibt während des jetzigen Kriegs der
Westpbälischen Armee angeschlossen und wird ganz
als ein mit derselben alliirtes Corps betrachtet.
9.
Die Deserteurs von der Kayserl, Oestreich. Armee
und von - dem Kurhess. Corps d'Armee werden gegen-
seitig ausgeliefert.
Wenn von diesem Corps d'Armee Kriegsgefangene
gemacht werden, so wird festgesetzt, dass sie an die
nächsten Kaiser!, Oestreieh. Truppen zur weiteren Trans-
port irung respve Verwahrung abgegeben werden sollen,
jetbu'h hehült man sich vor, dass bei dem erfolgenden
Frieden auf die von den Hessi.schen Truppen einge-
brachttm Kriegsgefangenen die nötbige Rücksicht g(i-
nommen werde.
10.
Kaiserl. Künigl. Oe.sterreichischer Seits macht man
sieh feierlieh verbindlich, Sr. Kurfürstl. Durchlaucht,
ihren sümmtiichen Staaten und auch dem erwähnten
Corps d'Armee jeden Schutz angedeiheu zu lassen.
11.
Des Kaisers und Königs Majestät werden vor-
zügliclien Bedacht darauf nehmen, die Kriegs-Operationen
so einrichten zu lassen, dass die Kurhessischen Länder
so schnell als möglich vom feindlichen Einfluss befreit
und Sr. Kurfürstlichen Durchlaucht, als ihrem recht-
mässigen Herren zurückgegeben werden.
12.
Man verspricht Kayserl. Königl. Oesterreichischer
Seite Sr. Kurfürstl. Durchlaucht, so lange es nötig seyn
sollte zu Herstellung der vorigen Ordnung der Dinge
in Ihren Ländern auf jede Weise den thätigsten und
kräftig-sten Beistand zu leisten und
h. F. XVI. Bd. 22
1
338
13.
Höchstdemselben einzaräumeD, auch aus den be-
nachbarten Ländern die Leute und Mittel zusammen-
zubringen, um hierdurch oben wohl erwehnten Zweck
zu erreichen.
14.
Des Kaisers Majestät werden bey dem dereinstigen
Frieden Sr. Kurfürst]. Durchlaucht den Besitz Ihrer
Länder nicht nur garantiren, sondern sich auch auf
alle mögliche Weise zu Dero Vortheil und Vergrösserung
verwenden.
15.
Die Stadt Eger und Concurenz wird zu dem ersten
Sammelplatz des Corps od. Cadre bewilligt; desgleichen
für die wenigen Leute, welche sich hier in Prag stellen,
wünscht man einige Casernen-Stuben zur einstweiligen
Unterkunft angewiesen zu bekommen.
16.
Die erste Naturalverpflegung der Kurhessischen
Truppen geschieht gegen den Magazinpreis in den Kaiser-
lichen Landen.
17.
Werden, um bey Errichtung des Kurhessischen
Corps dasselbe gleich mit der nötigen Armatur zu ver-
sehen, aus den Kai.serlich Königlich Magazinen nach-
stehende Waffen, Geschütz und Rflstungs-Sorten gegen
haare Bezahlung im Aerarial-Anschaffungsäpreis 14 Tage
nach dem Empfang an die dazu angewiesenen Ca.ssen
verabfolgt, als
1. an Waffen
a. zwey leichte Haubitzen,
b. zwey dreipfündige Canons,
c. zwey sechspfündige Canons nebst dem nötigen
Lad-r und Brandzeug zu diesem Geschütze, des-
gleichen wird an Munition das vierfache der
gewöhnlichen Ladung np.bst verhältnismässigen
Kartetschen Büclisen mitgegeben, sowie die
hierzu erforderliche I]esi>annung,
an Infanterie-Gewelireii werden 1200 Stück, so-
dann 2(X> Stück Carabiner und ebensoviel Paar
Pistolen nebst vierfacher Ladung, und pp. Gewehr
6 Steine abgeliefert.
Anm. Sollten KX) Carabiner mehr und 50 Jaeger
Stutzen verabfolgt werden können, so würde es
Sr. Kurfürst! Durchlaucht sehr angenehm seyn.
Ein Hundert und Fünfzig Stüek Dragoner und
ebensoviel Husaren Saebels.
2. An Montur Bedürfnissen wird man geben, was
für 2Ö00 Mann Infanterie und 350 Mann Cavallerie er-
forderlich ist, in sofern solches in den Kaiserlich Königl.
Magazinen gleich hrauelibar vorhanden ist. Was wegen
Verscliiedenheit der Kleidung nicht aus den Magazinen
gegeben werden kann, hierüber werden die nötigen Be-
stellungen Kayserl. Königl. Scits durch die Oekonomie
Behörden nach eiieilten Mu.stern eingeleitet werden,
weshalb ein DfHcier der Kaiserl. Königl, Oekonomie
Commis.=!ion beauftragt werden wird, sich mit den Bevoll-
mächtigten Sr. Kurfürstl. Durchlaucht in Einverständnis
zu setzen. Dasselbe gilt auch für das Lederwerk.
3. An Pferdeiüstungen wird desgleichen für 150
Dragoner und loO Husarenpferde das nöthige angeschafft
werden.
Doch an Pferden selbst nur 150 Stück,
4. Mit dem, was zu dem Bedarf an Feldrequisiten,
Trommeln, Feldflaschen, Kes.=ieln erforderlich ist, wird
soweit PS möglich und vorhanden ist, ebenwohl aus-
geholfen \v*^rden.
5. Wünschen Se. Kurfürst!. Durchlaucht 9 Gespann
Pferde zu Drod- und Rüstwagen, desgleichen 20 Pack-
pferde zu erhalten.
22*
ö4\f
Sämmtliche Armatur und Montur- Gerätschaften
werden durch Vorspann, imch Kaiserlich Königlicher
AerarioJ Bezahlung an die Grenze geliefert
18.
Wird ein von iSr. Kiirfüratl. Durchlaucht zu be-
ßtiinmender Kuihessischer Officier zu llnterlialtung der
Correspondenz und Verbindung in dem Hauntquartier
Sr. Kayserl. Hoheit des PLrzherzogs Generalissimus und
dagegen ein Kayserl. Künigl. üfticier zu demselben
Zwecke bey Sr. Kurfünstl. Durchlaucht angestellt.
19.
Es wird eine mit dem Kaiserl. Künigl. General-
commando in Böhmen verabredete Karte oder sonstige
Sicherheits Maasregel festgesezt, damit sich keine ver-
dächtigen Personen einschleichen, unter dem Vorwande
zu dem Kurhessischen Corps zu gehören.
Se. Kurfürstl. Durchlaucht versprechen zugleich
in den Kayserl. Künigl. Landen die strengste Manns-
zucht halten zu lassen.
20.
G^enwärtige Convention wird geheim gehalten,
und nach erfolgter Ratification der Ijöchsten Interessenten
gegenseitig ausgewechselt.
In üeurknndigung gegenwärtiger Convention ist
solches von Kndt;sunterächriebenen unterschrieben and
besiegelt worden.
Prag 20. Merz 1809.
Im liöchsteu Auftrag Sr. Im höchsten Auftrag Sr.
Kayserlichen Hoheit des
EnherzogsG eneral issimus
und tuiter Voraussetzung
der höchsten Ratification
L. S.
tt'iih. Fht. r. Steinmelimf
K. K. Obrist-Licutenut
KurfQrstl. Durchlaucht von
Hessi-n und unter Voraus-
setzung der höchsten Ge-
nehmigung
L. S.
Kfsü. Kri^jsrath.
I des 42t«D LinieD-lDFaot.-
I KcgiiiK
341
L. S. V. Thümmel,
Kurf. EammerhetT Mfijor und
Flügoladjutaat, Ritter des
Ordens Pour la voitu militaire.
Vorstehende Convention wird durchaus von mir
ratificirt und mit meinem Siegel bekräftigt.
Prag dBn 2(>ten Merz 1HÜ9.
Wilhelm Kf. von Hessen. L. S.
I Vorstehendü Convention wird hiennit in allen
■ ihren Punkten, jedoch was den 13. Artikel betrifft mit
der ausdrücklichen Beschränkung genehmigt, dass des
Herrn Kurfürsteni Liebden aus den mit d«n Ihriptui
benachbarten Ländern die Leute und filittel nur «o und
nicht anders zusammenbringen und zu benutzen be-
rechtigt sein werden, wie solches von Kaiserlich
Oestreichischer Seite geschehen wird.
Wien den 4. April 1809. Carl.
L S.
9
W Brief deB Erzherzog Carl an den Kurfürsten.
I (C. 1. 115.)
P ... Seit der Zeit, als ich Euer Liebden den Vor-
schlag machen liess, die von demselben aufgebrachüm
Truppen mit zur Vertheidigung von Böhmen verwenden
2U wollen, haben sich die Umstände in vielem geändert.
Die gerechten Waffen etc. ...... Die Nachricht von
diesem glücklichen Ereignis wird in Noirddeutschland
den Muth sehr aufrichten. — Böhmen .scheint für itzt
keinem nahen Angriff ausgesetzt; dagegen sieht sich
der Feind in dem von Truppen entblössten Nord-
_ deutschland an verschiedenen Punkten bedroht.
■ Schill zieht die Aufmerksamkeit des gemeinschaftlichen
Beilage II.
342
Feindes auf sich und ist in Gegenden, wo der Feind
beinahe gar keine disponible Truppen hat, kein nnbe-
deatender Gegner. Wenn er auch ohne höhere Aato-
risation erscheint und daher diplomatische Verbindungen
mit ihm nicht gedenkbar sind, so dürfte er doch unter
dem missvergnügten Volke und unter den vielen in
Norddeutschland zerstreuten gedienten Leuten vielleicht
zahlreichim Anhang finden. Der Herzog von Braun-
schweig-Oels beginnt in diesen Tagen seine Operationen
nach Norddeutschland. Was sich an Schill nicht 'an-
schliesst, wird unbedenklich dem Rufe eines Prinzen
ans erlauchtem Hause - folgen. Ich habe bereits Befehle
gegeben mit allen im Königreich Böhmen disponiblen
Truppen, und selbst mit einem beträchtlichen Theil der
Böhmischen Landwehr Diversionen nach dem Königreich
Sachsen und nach dem Bayreuthischen zu machen. Noch
einige andere mehr oder weniger wichtige Diversionen
werden die Aufmerksamkeit des Feindes fesseln.
Dieser Augenblick scheint günstiger als je einer
zu sein, um das brave Hessische Volk durch die Nähe
ihres rechtmässigen Fürsten zu beleben. Auch dürfte
itzt mehr als je Zeit gewonnen werden, um die Miss-
vergnügten im Lande und die gedienten Hessen zu
sammeln, und, wenn auch mit einem sehr geringen
Anfange bald eine nicht unbedeutende Masse von Streit-
kräften zu formieren. Aber um diesen Zweck im
Grossen zu verbreiten, müsste ihr Fürst erscheinen.
Die Völker können nur dann ermunternde Hoff-
nungen fassen, wenn die Fürsten zeigen, dass sie selbst
von Hoffnung beseelt sind. Die Völker scheinen überall
brav und zu Opfern bereit, — vieles ist zu hoffen, wenn
in dieser Krisis die Fürsten selbst sich an die Spitze
stellen, um die zertrümmerten Fürstenstühle wieder aof-
zarichten, welches nur durch kühnen Mut und schnelle
Entschlüsse erreichbar ist.
343
Je länger man zögert, desto mehr könnte man
Zeit gewinnen, dun von Euer Liebd. unterhaltenen Ver-
ständnissen im Hüssisühen auf die Spur zu kommen,
and die waifenfähige Mannschaft des Landes, auf welche
die Hoffnungen Euer Liebden gegründet sind, anders
wohin zu ziehen.
Ich ersuche Euer Liebden mir Ihre Absichten und
Entschlüsse möglichst bald zu eröffnen, damit ich in
Stand gesetzt werde, die zu treffenden Massregeln zu
entwerfen , und auf jeden Fall ohne Zeitverlust die
braven Hessen auf irgend eine Art in die Lage zu ver-
setzen, ihre guten Gesinnungen werkthätig und zur
Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu beweisen.
Ich etc. etc.
Hauptquartier Breitenlec
im Marchfeld Carl.
24 May 1809.
344
DL
Ans alten Gesehossregistern.
Von
Gustav Siegel
in lichtenau.
O-ofiC^
[eute, im Zeitalter der immer mehr in die Höhe
^gehenden Gemeindesteaern, ist es gewiss für manchen
Leser von Interesse, den Blick einmal anf den Haushalt
eines hessischen Landstädtchens oms Jahr 1600 zu lenken.
Die Möglichkeit dazu bieten uns Geschossrechnungen
aus jener Zeit Im Stadtarchiv zu Hess. Lichtenau
werden deren noch sechs aufbewahrt, die einzigen,
welche die Stürme des 30jähriges Krieges und die Zer-
störung der Stadt (1637) überdauert haben. Sie ent-
stammen den Jahren 1577, 1586, 1591, 1615, 1616
und 1619, umfassen also gerade die vier Jahrzehnte
vor dem Ausbruch des Krieges, sowie dessen Beginn.
Schon das Aeussere der Bände lässt auf ihr hohes
Alter schliessen. Der Umschlag besteht 1577, 1586,
1615 und 1619 aus den Pergamentblättern ehemaliger,
vor der Reformation benutzter Kirchenbücher. Schrift
und Noten haben sich vorzüglich erhalten, selbst die
rothen und blauen Anfangsbuchstaben leuchten noch
in nahezu voller Farbenfrische. Weiteren geschieht-
12 Alb.
1 Alb.
liehen Werth haben diese Unberreste nicht. Im Uebrigen
sind die einzelnen Rechnungen in Quartform angelegt,
sauber geheftet und 1 bis 2 Fingor stark. Eintheilung
und Einrichtung des Inhalts bleiben sich im Wesent-
lichen gleich. Für unseren Zweck gt-nügt es daher,
einen der Bände herauszugreifen. Möge es der von
1591 sein. Das Titelblatt lautet:
„Geschoss-Reehnung gemeiner Stadt Lichtenaw von allen
Iefällen und ist auf folgende Art eingenommen vom
Jahre 1591
erstlich :
H auf den Tisch . . .
H auf 1 Mark . . .
^1 Bürgermeister :
H Lucas Albrecht.
^ft Bauheren :
^B Hennrich Oeste und
H Friederich Leimbach.
^ft Vormünder :
^m ChriBtofr Riemann
^P Hans Harttung.
Durch den Vermerk : „erstlich auf den Tisch"
wird der Einlieitssatz der dirctten Ahgabi-n angegebt^n.
Das TisfbgL'ld war eine Art Kojtfstnuer und vtin jeilem
Burger zu entrichten. ^Vittwen zahlten nur die Hälfte.
Die Abgabe von den „Marken" entspricht der heutigen
Grund- und Gebäudesteuer. Sie haftete auf Haus und
Land. Zur Berechnung die.seö Steuerwrtrags sind im
ersten Theil des Geschoss-Rt-gisters di« HiirgMr und
Bürgerivittwen mit dem gesammten F.igenthum auf-
geführt, z. ß.
„Jost Kirchoff
12 Alb. Tischgeld
5 Mark auf dem Hanse
1 '.'i » auf der Scheu nenstiltte
346
l'/2 Mark, V* und Ve vom Erbe
'/4 » von der Wiese auf der Strndt
*/2 » von der Mutter
2*/2 » von seiner Frau
3'/a > und ';4 von Hanns Ullers Erben
Lat. l Tisch, 15'/« und ^'e Mark."
Die Summe an Tischen und Marken wird also
zunächst auf jeder Seite, hernach im Ganzen gezogen.
Sie belief sich 1591 auf 140 Tische und 1138 Marken,
wozu noch 15 Marken von auswärtigen Besitzern kamen.
Die Einnahme an Tischgeldern ergab 64 fl. 16 Alb.,
die an Marken 43 fl. 20 Alb. und 1 fl. 4 Alb. Die
übrige Einnahme setzte sich wie folgt zusammen:
Zins von Wiesen und Gärten in
und ausserhalb der Stadt . . 10 fl. 20 Alb. 5 Hlr.
Pacht vom Kiliansrasen, Käutels-
rasen und den Hainörtern
(Pflanzenorten) 7 » 4 » 6
Zinsen von ausgeliehenen Kapi-
talien 31 » 13 » 1
Hauptgeld, so zinsbar gewesen und
abgelöst (zurückgezahlt) worden 4 » — » —
Für Fische aus der Stadt Teichen — » — » — -
Bussen in Brauerei- u. Stadtsachen — » — > —
Braugeld 27 » 5 » —
Verdienst am Weinzapfen im Jahre
1591 43 . 2 . 4
Wegegeld 15 » 4 » 3
Forstgeld aus der Stadt Gehölz . 8 > 16 » 5
Bussen aus der Stadt Gehölz . . — > — » —
Rügegeld — » 13 » —
Für Benutzung der Tische und
Schüsseln im Hochzeitshause . 1 > 9 » —
Marktgeld 7.4» 8
347
'Pacht von den Lohhäusern und
Töpff^rofen — fl. 25 Alb. 6 HIr.
Ziegeln aas der Ziegelhütte (Zu-
gang lOOf) St.) _.__,-.,
Von den Stadtochsen ^ » — , — .
Von den Saat-(Feld-)Hüt4'rn . . — » — » — •
Von den „alten'* Schossherrn (Uber-
^_ schuss des Vorjulires) .... 146 » 7 » 4V8 »
V\on den Fleisch«chirnen . ... 1 » 5 » — »
BürgiTgeld . — » — • — •
Bürgergeld von dfOK.'n , diu die
Bürgerschaft auf MicluiL-liij qv-
H worben haben — »18» — >
InsgeniL'in — • — » — »
Beisteui'r des Landgrafen zu den
J Kosten derFlurhewachung (Feld-
hiite) 5 » 22 . — .
US dem Vt^rmächtntss der „Fleisch-
hauerin" (ElisabethLöberf 15 . .)
zum Wege- und Stegebau . . 4 » 6 » — »
Summa im Ganzen . 425 ► 9 » l'/a »
Die Ausgab« vertheilt sich auf:
Ausgeliehene Gelder ..... 2 fl. 12 Alb. — HIr.
Zinsen für geborgte Oeldur . . — » 20 ► — »
^ Den Sokluti'ii nach C'aüsel geliefert 27 » — » — »
HDen Bürgern Zusteuer für Ziegeln 3 > 25 > 6 >
Im Brauhaus verwendet .... 35 > 23 > 2 >
^Zum Gericht und zur Rathsver-
H änderung ........ 8 » — » — »
Beim Gi:'ric:litj5tag auf Mithaüli.s aaf-
gegatigeti , 6 • 13 • — •
Für die Geschossrechnung ... 18 > 2 • 4 •
H Besoldung der Stadtdiener . . . 6'J • 19 • 6 •
In Geschäften des Landgrafen und
in Stadtßachen , 22 » 20 • — •
348
Auf den Keller — fl. - Alb. — Hlr.
Verbaut (im Rathhaus, Hirtenhaas,
Thor etc.) 8 » 19 » —
Dem „Zeichenheber" 3 » — » —
An der Stadt Wasserkump and
Ziehbrunnen verbaut .... 5 » 20 » —
An Pfarre und Schale verbaut . — » 4 » 10
Für die Ochsen 8 » 15 » —
Fleischspende 7»6» —
„Landleitung" (Vermessen und Ver-
steinen) 2 » 23 » —
Um Gottes willen 2 » 23 » —
Insgemein in Stadtsachen ... 35 > 24 > 8
Am Steinwege verbaut . . . . 13 » 6 » 10
Summa im Ganzen . . 283 > 17 * 10
Die Rechnung schliesst mithin mit einem Über-
schasse von 141 fl. 17 Alb. 3V'2 Hlr. ab.
Gehen wir nach diesem Gesammtäberblick die
verschiedenen Kapitel näher durch, so stossen wir aaf
eine Fülle bemerkenswerther Einzelheiten. Die 140
Tische setzen sich z. B. aus 128 ganzen und 24 halben
zusammen; dazu kommen noch 10 steuerfreie (von
Geistlichen, Stadtdienern etc.). Es waren also im Ganzen
162 Haushaltungen vorhanden. Zählt man die Familie
durchschnittlich zu 6 Köpfen, dann ergiebt sich eine
Bevölkerung von 972 Seelen. Aus den vereinnahmten
Zinsen folgt, dass die Stadt etwa 600 fl. ausgeliehenes
Baarvermögen besass. Sie kann deshalb als wohlhabend
bezeichnet werden. Den Wohlstand verdankte sie zu
nicht geringem Theile verschiedenen alten Rechten. So
durfte in den Gerichten Reichenbach oiid Lichtenau
nur solches Bier verzapft und verkauft werden, das in
der Stadt gebraut war. Das Braurecht wurde von den
einzelnen Bürgern der Reihe nach ausgeübt Das Brau-
haus mit den nöthigen Geräthschaften gehörte der
Stadt. Für die jedesmalige Benutzung mossten 1 fl.
349
Alb. Braugold entrichtet, werden. Hpiratheten zwßi
„Brauerkinili.'r" tnnauder, dftiin gab ihnen ilie Stadt
gewissermassen als ÄLtgift einen „Hochztuisbräu". Das
Braugeld betrug in diesem Falle nur 7 Albus. Ausser
dem Bierbrauen war der Bezug und Aussuhank von
Wein und Branntwein städtisches Vorrecht. Mit grosser
Strenge hielt der Rath darauf, dass nur gute und
I trinkbare Weine eingeführt wurden. Zur Abhaltung
T Hochzeitsfeiern stand den Bürgern ein besonderes
Gebäude (Hochzeitshaus, die heutige 1. Pfarrei) zur
Verfügung. Dasselbe war sowohl mit einer Küche ver-
sehen, als auch mit dtsm erforderlichen Tafelgeschirr
(Schüssehi und dergl.) reichlich ausgestattet. 1591
worden 5 Hochzeiten darin gefeiert Dem .Stadtsäckel
Öossen für jede Benutzung 7 Alb. zu. Bürgermeister
und Rath verwalteten ihr Amt als Ehrenamt. Der
jährlich eintretende Wechsel in der Person des amts-
fiihreiiden Bürgermeisters gab jedoch jedesmal Anlass
zu einem grossen Schmause, der 1591 3 fl. kostete.
Dreimal im Jalire war öffentliches Gericht Die
Rathsverwandten wirkten dann als Schöffen mit. In
Beherzigung des alten Spruches „Im Wein liegt Wahr-
eit" lies.'ien sie dabei auf Dreikünigstig und auf Wal-
mrgis je 2 H. VA Alb., auf Michaelis sogar tJ W. 13
Alb. in Wein und „Proviant" aufgehen. Hierzu sei
jedoch bemerkt, dass die Verköstigung der Gerichtsherrn
und Beisitzer auf Stadtkosten zngiHch den Entgelt
für die gehabte Arbeit und Mühewaltung darstellte.
Auch die „Scliossherr3i'* wurden für das Aufstellen der
GesclioKS- Rechnung in derselben Weise entscliädigt.
Sie verbrauchtfU nämlich nur 3 Alb. 4 Hlr. für Lidit,
r Lebensmittel aber IH fl. Die einzelnen Posten
mOlgen hier folgen :
8 fl. 6 Alb. für Bier von Milcher Koch
2 » 4 » » Brot und Wecke von Christoff Rieman
350
1 fl. — Alb. für Brot von Curdt Sieppell
— » 13 • » Häringe
5 * 24 * > Wein für Beamten sammt Bürger-
meister und Rath damals (!)
— > 4 » • Käse von Cbristoff Konnig
— » 3 • 4 Hlr. für Lichte damals.
Weitere 10 fl. erhielten die Schossherrn im Laufe
des Jahres für „Zehrung in Stadtsachen". _ Für Fertig-
stellung der Reinschrift bekam der Stadtschreiber 6
Alb. ß Hlr. Die Besoldung der „Stadtdiener** kenn-
zeichnet in ihren Sätzen recht anschaulich den Wertb
des Geldes um jene Zeit Es bezogen jährüch buar:
der Stadtschreiber 14 fl., der Schulmeister 14 fl., die
beiden Wächter je 6 fl., Davidt, der Stadtknecht 7 fl.,
die Kinderfrau 1 fl., der Diakonus Bastian 3 fl. für
Stellen der Thunnulir, der Fürster und Kügeschütze
Ribelandt 12 fl., der Thorschliesser 2 fl. Ausserdem
erhielten die beiden Wächter je 's fl., der Stadtknecht
1 H. zu Schuhen. Dazu trat ein „Mietliegeld'* von jo
H Alb. für den Lehrer und den Stadtschreiber, je 3 Alb.
für den Fürster und den Stadtknrcht und je 2 Alb.
für die Wächter. Auch die beiden Kuhhirten, wie die
zwei SauhirtiMi bezogen ein solches von je 2 bezw. 1
Albas. Im Verhältniss zu diesen Löhnen ej-scheint der
Preis einer ins Brauhaus be.schafften neuen Butte mit
20 fl. 24 Alb. ausserordentlich hoch. Dagegen wurden
gezahlt für eine neue Thür ins Hirtenhaus 11 Alb.*),
für 2 Feiuter aufs Unterthor 21 Alb., für einen Ofen
*) Ilouto kostet eine neue Thüro hierorts etwa 18 Jt = G
Thlr. De« Thulor zu 32 Alb, gerechnet, stellte sich dor Oeldwerth
von ir)9l zu jetzt vio 1 : 18. Pas auKgollohetio HAorrermügen dor
Studt liSttp ako 108O0 11., dii" Baart)osolduti{j des Stadtsohreibors
utid dos lii'hrei-s je 2.V2 II. k'tingeu. Ilii-iitu kanioii aber ncicK
Hole- und Fruchtgenillc, sowie Boitiitge aus dem «Goistlicben
Lehn*.
351
Alb., für eine Waage, düniit man Brot und Wecke
"xwiegt, 20 Alb. und für das Ausbessern eines Schlosses
irJ Alb., das Stälilpn Pinnr Hacke oder eiiie.s HammHr.i
leostete 3 Alb^ eiiiti neue Picke H, ßin Hammer 10 Alb,
Der Steinstitzer erhiplt für Herstellung eines Steinweges
"vor dem Unterthor und mitten in der (lasse herauf
"7 fl. 13 Alb. Der Tagelolin eines Brunnenarbeiters
"betrug 3 Albus.
Kranken oder in Noth genithenen Leuten verab-
xeichte man von Stadt wegen kleine llnterstützungen.
Die bezüglichen Gaben sind unt»ir der sehönen lleber-
«chrift: „Ausgabe um Gottes willen" zusaintnengefasst
Die Empfänger gehörten allen Ständen an. Da er-
seheint zuerst *^in armer Hergkneclit von Kisleben. Kr
wird mit 3 Alb. bedacht. Zwei arme Studenten be-
tommcn 2 Alb. Der Bürger Cnrdt Heiiner erliält 13
Lib., damit er .seine Tochter heilen lasse. Einem Manne
iron Breitenbach, mit der fallenden Sucht behaftet^
werden 2 Alb., zwei „verbrannten" Männern au.i Metzt^
iach 4 .Albus, den Leuten von Mindershau.sen zum
tirchenbrju fi Alb., einem armen Pastor 2 Albus zu-
gesteuert u. dergl. m. Den ort.sansä.%sigen Armen ver-
abreichte die Stadt für 7 H. 6 Alb. Schaf fleisch, ferner
62 H. 21 Alb. aus dem Ertrag milder Stiftungen und
iwar 30 H. haar, den Rest in grauem Tuch.
Die bisherigen Eriirterungen haben durchvvt'g in-
nere Angelegenheiten der St^tdt berührt. Auf das Ver-
hältniss der Letzteren zum Staate weisen insbesondere
dii^ für da."^ Heerwesen gemachten .\usgahen bin. Untnr
^^der Lleberscbrift „den Soldaten gen Ka-ssel geliefert"
^^Bfot 1591 zunächst eine feste Steuer von 27 fl. ver-
zeichnet, die auch in den anderen Rechnungen in
^-gleichi'r Hübe erscheint. Ferner musste die Stadt löitl
^Pliuf einen Monat 3 Soldaten zur Besatzung von Kassel
stellen. (Die drei Krieger hiessen Haus Sander, Caspar
Schneider und Christof Seitz, mussten auf Erfordern
des Obersten zu Kassel einen Monat daselbst auf dem
Walle „aufwarten", verbrauchten 6 Alb. für Pulver und
Blei and 1 fi. 2 Alb. als sie hin und surück zogen.)
Von den sonstigen Steuern sind nur 20 Alb. Grund-
geld vom Brauhause in die Rechnung aufgenommen.
Erwähnen wir noch, dass die Stadt auf dem Landtage
2U Kassel durch den Bürgermeister, einen Schöffen und
den Stadt^chreiber vertreten war, dass diese an den 4
Sitzungstagen 4 fi. 4 Alb. verzehrten, und dazu tiigüeh
je 3 Alb. „Belohnung" erhielten, so ist alles Bemerkens-
werthe erschöpft.
Wieder schreiben wir 1)1. Aber 3 Jahrhundert«
sind verflossen, seitdem die Rechnung aufgestellt wurde.
Was sie d<'r Stadt an gufpii Tagen, wie an Kriegsnoth
und Unglück gebracht, diirüber ein ander Mal.
Zoitschrill
des
V^ereins für hessische Geschichte
und Landeskunde.
-&^»t«-
Neue Folge. Siebenzehnter Band.
(Der ganzen Folge XXVII. Band.)
--^-Q^I^^Jiae-^ —
Kassel.
Im Commissionsvorlage von A. Freyschmidt^
Hof-Bttchhandlimg.
1892.
T'nifk vftn I.. lii'll ii. K;i-.«o!
Inhalt.
Seite
I. Der Chronist Wigand Gerstenberg. Nebst T'nter-
suühuiigüti übof ältere hessische (Jcsuliichtsquelleu.
Von .1 u 1 i u s P i H 1 0 r 1
II. Die Ritterburgen der vormaligen Abtei Fulda. Von
Dr. Ju.stus Sfhnoidcr in Fulda 121
III. Johann von Pappenheim und seine Fehden gegen
den Bischof Johann IV. von Hildesheim. Vou
'iustav von Pa pitenhei ni 176
IV. Burgfriede der Ganerben des Schlosses Schildeck
(d. 22. p-ebruar 142.').) Mitgethcilt von L. von
Locwenstein 213
V. Die Kasseler Bibliothek im ersten Jahrhundert ihres
Bestehens. (Ifi. und 17. Jahrhundort.) Von Dr.
Carl Schoror 224
VI Zur Geschichte der Schmalkalder Kirchenbibliothek.
Ein« Piorichtiguug von Dr. Carl S chore r. . . . 260
VII. Zur hessischen Familiengeschichte. Von Aug.
II cid mann 2U4
VIII. Beitrag zur Geschichte des Posumts Bebra. Von
.loscpli Ruhl 30.T
IX. Der Marburger Aufstand des Jahres i8og. Von Dr.
Willi Vargos 350
X. Beiträge zur Geschichte des Landgrafen Hermann II.
von Hessen. Von Friodrich K üch 400
XL Die Porzellansammlung des Schlosses Wilhelms«
thal bei Kassel. Von Dr. Chr. Öuhoror. . . . 440
öfiiöiä täj'^ «/ 1^* t" i^V iJj ijiJjpi t?i*:? lij-ii *'■* ■ ^
I.
Der Chronist Wigand Gerstenberg.
Nebst Untersuchungen über ältere hessische
Geschichtsquellen.
Von
Julius Pistor.
Erster Abschnitt.
I.
Einleitung.
tie BediDgnngen, unter denen die politische and
; kirchliche Entwicklung Hessens im früheren Mittel-
alter vor sich gegangen ist, haben mit denjenigen viel
Verwandtes, die für die Ausbildung des benachbarten
thüringischen Gebietes massgebend gewesen sind. Beide
Länder waren schon früh Theile des fränkischen Reiches,
behielten aber dabei eine Zeit lang einen gewissen
Grad von Selbständigkeit: in Thüringen wie in Hessen
finden wir ein nationales Herzogthum, das sich freilich
hier bedeutend länger hielt als dort. Man wird zwar
nicht behaupten können, dass der Schwerpunkt des
Reiches in jenen Zeiten dauernd in den genannten
N. F. XVn. Bd- 1
Territorien gelegen habe: trotzdem entbehrten sie
aber keineswegs einer nach einer anderen Seite sich
geltend machenden Bedeutung: Hessen diente Jahr-
hunderte hindurch den fränkischen Herrschern als Stütz-
punkt für ihre Unternehmungen gegen die Sachsen;
in einem noch höheren Grade und während eines viel
grösseren Zeitraumes lag Thüringens Bedeutung in
seiner Eigenschaft als Grenzmark gegen die slavische
Welt»).
Viel Aehnlichkeit zeigt sich auch hinsichtlich der
kirchlichen Entwickelung beider Territorien. In Hessen
wie in Thüringen bestand das Heidenthum nach der
Bekehrung der Franken noch zwei Jahrhunderte fort,
bis Bonifatius dort dem Christenthum eine bleibende
Stätte schuf. Um diesen Zweck bald und vollständig
zu erreichen, fasste man die Stiftung von Bisthümern
in's Auge : in Thüringen sollte Erfurt, in Hessen Büra-
burg der kirchliche Mittelpunkt werden. Allein hier
wie dort scheinen wichtige Vorbedingungen für ihre
Existenz gefehlt zu haben*), denn von einer Wirksam-
keit des Erfurter Bisthums hören wir gar nicht«')
und die Thätigkeit, die Büraburg entfaltete, war gleich-
falls nicht von Belang*). Auch andere Stiftungen
des Bonifatius in diesen Landen konnten nie za
rechtem Gedeihen kommen: Ohrdnif in Thüringen
und Amöneburg und Fritzlar in Hessen. Aber darin
liegt ein wesentlicher Unterschied, dass hier die Klöster
Fulda und Hersfeld sich schnell zu grosser Bedeutung
') Vgl. Fr. X, V. Wegelc in den Anuales Roinhardsbrun-
nenses (Tbür. Geschiclitsquellen I. Bd.) p. VE ff.
*) Vgl. hierüber u.a. \V. Artiold, Deutsche Ge.schichte II, 1.
8. 213 ff.
•) F. W. Jiettberg, Kirchengesch. Deutschlands II, 367 ff.
*) Rettberg, I, 698 ff. und H. Heppe, Kirchengeschichte
beider Hessen 1, 36 und 44.
wigf^angeacn
I
I
mdit Bor dan si» die Erbschaft d<>s
Bisthoms Bürabug antraten and durch
päpstlicbe und kais«Hicbe Prifikgien die Immunität
von Bisebofia- and ürafeng«walt erbu^ji, anch in
Tbnnng«n nahmen sie anter den kirvhlichon tieualti'u
die erste, anter den weltlichen eine nicht xn nnter-
acbätaende Stellong ein. Selbst Mainz konnte hier
diesen Klösteni weder an änssereu Machtmitteln noch
an Einflos» aof das kirchliche Leben gleichkommen ''V
Diese Verhältnisse sind begreiÖiclitTweis«» nicht
ohne nachhaltigen Eintiass auf die Entfaltung des
geistigen Lebens und besonders auf die Entwicklunu;
der Ge«chichtschrnibung i]i beiden Lündern gewrsvi».
Der hervorragenden Stellung entsprechend, welche die
genannten Klöster im Reiche einnahmen. Hnden wir in
ihnen eine z, Th. glänzende hiatoriographische Tliütig-
keit zu einer Zeit, wo in Thüringen noch niemand
daran dachte, geschichtliche Ereignisse aufzu^eicluien.
Bald sollte indes das umgekehrte Verhältnis eintreten.
Denn kaum ist die Historiographie in Hessen verstummt,
da entfaltet sich im Nachbarlande, anknüpft-iid an das
Geschlecht Ludwigs des Bärtigen, eine grosse Regsam-
keit auf dem Gebiete der Ge-schichtschreibmig, zuerst
in Erfurt, dann in Reinhardsbrunn und später in Eise-
nach'^}. Unter der nicht geringen Zahl der hessischim
Dynastengeschlechter jener Zeit findet sich kninea, das
auch nur im entferntes^ten von der lledeiitutig für das
Land gewesen wäre, welche das Haus Ludwigs für
Thüringen hatte; und als nun gar diu hoträchHiciien
gisonischen Besitzungen an Thüiingen kamen und der
Kern des hessischen Laiidüs zu einem Anlulngsel des
Nachbargebietes herabsank, da konnte dort von nini-m
*) Tit. Knocfte/iliaucr, Gesch. Thuriogciis in flöi- kurul. «tjil
fl«chs. Zeit S. 140 IT., bos. S. 1G4 it.
•) p. HVjj«'fc a. a. (>. i>. X uni] .\I.
1*
Erwachen des eingeschliimmprien gescliithtlichpn Tnter-
eM€8 keine Rede sein. In der That sind die Nach-
richten der späteren hessischen Chronisten über diese
Zeiten höchst spärlich, und vergeblich versuchen sie
diese Dürftigkeit durch eine intensive Berücksichtigung
der thüringischHn Verhältnisse zu verdecken. Man hat
es eben danuils untt'rlassen, Aufzeichnungen zu machen,
und das Versäumte konnte später nicht nachgeholt
werden. Infolge dieses Umstandcs fing die thüringische
Historiogra[)hie an einen ausserordentlich starken £in-
fluss auf die hessische auszuüben, und dieser machte
sich auch noch für die Zeiten geltend, wo sich in
Hessen bereits eine ansehnliche Ge.schichtschreibung
entwickelt hatte.
Nahezu Imndertundzwanzig Jahre war ein grosser
Theil von Hessen im Besitze des thüringischen Land-
grafenhauses gewesen, da errang das Land durch den
Tod des Heinrich Raspe seine politische Selbständig-
keit wieder, es bekam in Heinrich von Brabant einen
Herrscher, dessen Persönlichkeit und Tluiten wohl ge-
eignet waren, der heimischen Ge.schichtschreibung neue
und nachhaltige Anregung zu geben, ludessen ist über
das Wiedererwachen histori.scher Studien in dieser Zeit
nichts Sicheres bekannt, weil die Quellen, aus denen
der sogleich zu nennende Johannes Riedesel für
die zweite Hälfte des dreizelinten Jahrhunderts schöpfte,
nicht nothwendig schriftlich fixirt gewesen sein müssen.
Riedesel ist der Verfasser einer hessischen Chronik, die
jedoch nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern nur
in — freilich, wie es scheint, ziemlich vnllständigen —
Auszügen erhalten ist, welche Wigand Gerstenberg
gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts aus
derselben machte
Schwerlich wird es gelingen, übwr die Person des
Verfassers völlige KJarheit zu schaffen. Der Chronist
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I
hiess Johannas und gehört** dem bekannten hessischen
Adelsgeschleclite der Riedesel an^); nielir lässt sich mit
Bestimmtheit nicht behaupten ^).
Trotz der mangelhaften (leberliffernng tritt übrigens
der Charakter der Arbeit unzweideutig hervor: der
Verfasser ist offenbar b(*müht, die Regebenheiten ob-
jektiv zu schildern: A'nisseninfjen subjektiver Art fin<htn
sich nicht, doch lässt sich seine Anhänglichkeit an das
hessische Fürstenhaus unschwer erkennen.
Riedesels Chronik, die übrigens in Hessen wenig
verbreitet gewesen sein muss, — denn nur von Gersten-
berg steht es unzweifelhaft fest, dass er sie unmittel-
bar benutzt hat, — ist begreiflicherweise von nicht
geringem Einfiuss auf spätere Darsteller der hessischen
Geschichte gewesen: ausser Lauze war kein einziger
unter diesen Chronisten in der Lage, Riedesels Naeh-
richten richtig zu stellen oder gar durch andere Quellen
'zu ersetzen.
Mit der Landesgeschichte muss sich auch die so-
genannte Hessenchronik beschäftigt haben. Gersten-
berg citirt dieselbe im ganzen 14 mal, aber nur in
grossen Zwischenräumen. Der unbekannte Verfasser
ist in seiner Darstellung bis auf Heinrich I, zurück-
gegangen und hat ohne Zweifel den genealogischen
Verhältnissen des hessischen Fürstenhauses besondere
iwksamkeit geschenkt, doch berichtet er auch über
') 0. [A}ren\, Deutsrhlands tjesf.hiülitsquellen Il\ 93 will
uicht etvtsclieiden, ob Joh. Hiedescl der Verfasser oder nur dor
Besitzer der Ohiouik war. Doch kann kciuerlei ZiveifeJ hierüber
obwalten: (ierstcnberg sagt (bei Fr. Ckr ikhmim-kr, Moiiimenta
IJa^eiaca IJ, S 437) ausdrüuklidi : „Älsus schiilmt Jolian [\yte|iol'-,
femer 8. 445: ,alfi Johan Rytefjel beschribet'" und ähalich auch
8. 378, 448, 451, 45:i, 457 u. s. w.
*) Dass Riedusol im .Jahro l;^27 gohtorbBti sei, wie Jos.
^ fiübBam bei Wetxer uod Wtltc, Kirehcül(^xikoIl 2. Aufl. 5. Bd.
B Sp. 1934 aDnimmt, beruht auf einem Inlhum.
6
änssere DTiternehmangen. besonders über solche ans
der Regirrangs^t'it des Landgraffii Hermann. —
Die Zeiten des vierzehnten und des beginnenden
UlnhchuU^n Juhrliuiiderts waren für eine kräftige and
gleicIiniässigH' Entfaltung der die Landesgeschichte be-
handelnden Hi^^toriographie nichts weniger als günstig,
während gerade die lokale Geschichtschreibung man-
cherlei Anregung erhit-lt. Wohl vollzogen sich damals
wichtige Umwiindlungf'n, aber sie traten selbst für den
aufmerksamen Beobachter nicht sogleich in ihrer vollen
Bedeutung !iervor : sie waren auch z. Th. wenigstens
von zuviel Unruhe und Unglück für das Land begleitet,
als dass die Wissenschaften hätten blühen, dass die
Geschichte namentlich in ausgiebigem Maasse hätte
Bearbeiter finden k«innen. Hierher gehört zunächst das
eifrige und beharrliche Streben der Landgrafen, den
überkommenen kleinen und sehr zerstückelten Besitz-
stand zu vergrö.ssern und abzurunden, ein Bemühen,
das nach Lage der Dinge anfangs nur schwachen Er-
folg haben konnte. Am glücklichsten war hierin Hein-
rich I. und dessen Enkel Heinrich IL Bedeutungs-
voller war es, dass es erstereni gelang, seine Erhebung
in den Heichsfürstenstand durchzusetzen ; aber noch
wan'n nur geringe Tlieilc. nicht sein gesammtes Be-
sitztlunn als ein dem Reich« unmittelbar angehörendes
Lehen anerkantit : dies war erst der Regierung Hein-
richs II. vdrhehalten. Allein dieses EniiKU-kommen war
doch nur langsam und in beträchtlichen Zwischen-
räumen erfulgt und ausserdem zu wenig mit bedeu-
tenden äussere.!» Vorgängen, etwa siegreichen Feld-
zügen und ganzen den Thaten^ verbunden gewesen, als
dass die Historiogra[ihie hit^r rechte Anknüpfungspuakt«
hätte finden können,
Stärker niussteu schon die kriegerischen Ereig-
nisse der Zeit, imäbesondere die langwierigen Kämpfe
I
I
mit Mainz um riif staatJichc und territonal-kirch liehe
Selbstänrjigkeit Hessens in'e Auge fallen"). Bereits in
der Zeit dur Vfrliimluui; diesem LaiKi»-» mit Thüringen
hatten diesflbrn ÜH-yonm^n ; heftig^T waren sie dann unter
Heinrieh I. entbrannt, der trotz Acht und Bann die mit
Nachdrutk c-rhnbfni^n unbilligen An.-^prneho das Erzbis-
tbuni^i nach vieljabrigen mit aller Krbitterung geführtun
Kämpfen zurilekwii^s (1283). Nach dem Tods des Land-
grafen Johann brach, da die um dio mainzisehen Lehen
des Verstorbenen zwischen dessen Druder Otto und
Peter von Maijiz geführten IJntfrhandluugen erfolglos
blieben, der 8tre.it von neuem aus, und wiederum litt
Hessen unȟglich unter der Barbarei der rnainzischeu
Kriegsvölker. Krht nach d«m Tode dt-r b<'ideti Fürsten
kam es zu einem Vergleich. Lange dauerte aber die
Ruhe nicht: nach ergebnis!o&en (Interhaiidluugen grilT
man zu den Watten, und der Kampf endete mit deui
Siege Heinrichs U. (1347).
Kill Vjfirteljalirhurnli-rt <"tvva ruhten nunmehr die
Fehden mit dem gefahrlithen Nachbar, aber diese
Epoche war nicht dazu angethan, die schweren Schäden,
die Land und l^eute erlitten, zu heilen, im Gegentheil,
die 8chlimm8t<'n Zeiteu kamen erst, al.«s Heinric-h 11. und
sein NeHe Hermann mit dem Hbermütliig<'n iie^si.schen
und benachbarten Adel um ihre Existenz ringen mussten.
Diefjen Konflikten folgte ein womr)g!ich noch heftigerer
Zusammenstoss mit den nirderhe.ssischen Städten, die
sich soeben noch als »lie treiiesten Helfer der Fürsten
gezeigt hatten. In engem Zu-sammenliang mit diesen
Unruhen .standen die gegen He.s.sen gelichteten kriego-
•) VitkI. il'p üb('i>ic'litliclic DarslfUung tlor HpziolningcD
DefiSCUB zu Kiiiriiaiuz bt-i If, Frmhnxf»irg, Ijindgraf tleimatiD 11.
, der Gelehrte von Hossmi und Erzbisclwf Adolt 1. von Maiuz
(Zeitschr. für Iies.s. tiesM'h. N. F. XI, 3 fl,i un4 besonders bei
Heppe n, u. o. 1, 47 11.
^
8
rischen Unternt'limungen benachbarter Fürsten, des
Markgrafen Balthasar von Thüringpn, des Herzogs Otto
von Braunschweig und des Erzbischofs Adolf I. von
Mainz, di»>, unterstützt von dem hessischen Adel, nichts
Geringeres als die Vernichtung der Landgrafschaft be-
absichtigten. Auch die Städte regten sich und konnten
nur mif Mühe iiiHdergehalten werden. Aber trotzdfni
ging aas all di^'sen wecliHelvollen Kämiifen die zähe
Ausdauer Hermanns siegreich hervor, nicht jedoch,
ohne dasa dieser Erfolg der Territorialherrsehaft mit
einem starken Nit.<UTgang des hessischen Städtethanis
und mit beträchtlichem materiellen Schaden des ganzen
Landes erkauft worden wäre. An Zwistigkeiten mit
Mainz felilte es zwar auch während der letzten Re-
gierangsjahre dieses Fürsten nicht, doch ruhten we-
nigstens die Waffen, und erat Hermanns Nachfolger
Ludwig 1, war es beschieden, durch zwei Siege die
fort und fort erneuten Cebergriffe dauernd zu besei-
tigen (1427).
Alle diese Konflikte^ zu denen noch zahlreiche Feh-
den mit benachbarten wt-ltlichen und geistlichen Fürsten
und vereinzelt auch Zwistigkeiten innerhalb des land-
gräflichen Hause.s kamen hatttin die gesunde, stetige
Entwicklung d<'T politi.suhen Verhältnisse stark beein-
trächtigt und im Znsammenhang hiermit eine Ge-
.schichtschrRibniig, die sich hühere Ziele steckt als die
tokalf, nicht recht anfkommen lassen. Doch war trotz
mannigfacliT Misserfolge die Dynastie aus diesen
Kämpfen und Verwicklungen siegreich hervorgegangen,
sie hatte diren Besitz orlu-blich vermehrt, ihr Ansehn
war in den Nauhbargebieten und darüber hinaus nicht
unbeträchtlich gestiegen. Besonders reichen Zuwachs
hatte die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts
durch die Erwerbung der Grafschaften Ziegenhain,
Nidda und Katzenelnhogen gebracht. Und als dann
allmählich ruhigere Zfiten eintraten, als in Hassen das
Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, das sich trotz
■ dfir Thf^ilung des Landes in zwei Fürtstenthürner stets
erhalten hatte, durch die Erfolge der Landgrafen mehr
und mehr erstarkte, da begann entsprochend dieser
Steigerung der äusseren Macht und dt^s damit verbun-
denen Selbiitgefühts auch die Historiographi»» einen
kräftigen Aufscliwung üu nehmen.
H Auf die Mitte des genannten Jahrhunderts etwa
weisen zunächst nicht näher bekannte Aufzeichnungen
des Tileniann Hnllauch, des Kanzlers Ludwigs L,
Bdiß von Späteren benutzt wurden. Sie handeln, soweit
dies aus vereinzelten Citaten ersichtlich ist, von Er-
werbungen des genanntem Fürsten, Um dieselbe Zeit
^fcentstanden, vielleicht in Zierenberg oder dem benach-
harten Klnbter Hasungen, kurzn in kunstloser Form
abgj'fasste Notizen, welche die Zeit von 1455— 1460
behandeln und unter anderem auf Ereignisse Rücksicht
nehmen, die Hessen betrafen '").
Jline viel höhere Bedeutung haben die Werke, die
gegen das Ende des fünfzehnten und im ersten Viertel
des sechzehnten Jahrhunderts entstanden: es sind die
Chroniken des Wigand Gerstenberg aus Franken-
berg und des Johannes N o h e n ' ') aus Hersfeld. Beide
Vor?.
K quell
^Lxeitu
m
) Ahgedniekt bei Ncnic, Anzeiger für Kunde der deutseben
Vorzvit 1835 Sp. 28l' ff. Vgl. Lorrm, PeutKchlandH <rew'lii«;hts-
quelloii II', tt4 uuii hierzu A. Wi/ss in der Iloutschen Kiltcnitur-
wUuug VIII (1KH7) .S|). r.mi
") So sehroibt er soiiipn Narnoii in df^r von Lamlan nach
vorniuthliclicii Aiitiijria|ili heraiisgcgflbeucn L'hrouit (Zoilsrhr.
Tür hess. Ge?cli. V. K. 1). Dieselbe Form liat aunserdeiu Ot/r.
SfiaHfimhcTfiy Flctincbergischo L'hronika (Sti aü.sburg 15910 8. 8—10
und 219, wüfnit dossolhon Adelspie^^^il II. 12 zu vorpleiihcn ist.
\a der Krfurtür Matrikel ist er (1461) vorioirhnot als Joh. Non
(Akten d. Kif. Univ. I. 287). fiauxe iieTint ihn in dpin creton,
noch ungedruL'ktcE Tlioile seiner Chronik (S. 30a, 252, 268, 2(J3,
10
Männer hatten nahe Beziehungen zam Landgrafenhaose :
Gerstenberg war Kapellan Wilhelms ITL, Nohen stand in
den Diensten der Landgräfin Mechthilde, der Witwe Lud-
wigs II., und scheint Hofmeister des jungen Wilhelm 11.
gewesen zu sein. Gerstenberg, dem wir uns nunmehr
ausschliesslich zuwenden, schrieb neben einer Geschichte
seiner Vaterstadt Frankenberg eine ausführlichere thü-
ringisch-hessische Chronik,
II.
Die Handschriften und Ausgaben.
Die Frankenberger Chronik ist in zahlreichen
Handschriften überliefert*'*), von denen jedoch nur die
der Ständischen Landesbibliothek in Kassel gehörige
Mss. Hass. in 4° nr. 26 in Betracht kommen kann, da sie
wie ein Vergleich mit zwei von Gerstenbergs Hand
herrührenden Schriftstücken lehrt, von dem Chronisten
selb-st geschrieben ist *'). Dieselbe enthält ausserdem
Johann Emmerichs Frankenberger Stadtrecht, das
anfangs (bis Blatt 8 einschlies.slich) ebenfalls die Schrift-
züge Gerstenbergs aufweist.
u. s. w.) Nhuon oder Nhun. Dagegen weist der nach eioer
schlechten Handschrift von Scnckenberg in Solecta jur. et bist. V.
veranstaltotc Abdruck einer Chronik des Hersfelder Oeschicht-
schroibers 8. 463 die Form Nohe auf, während man S. 388 wieder
Nohen liest. Nu<;h heute kommt der Familienname Xuhn in einigen
westlich von Uersfold gelegenen Dörfern (Kirchheim u. a.) vor.
") Vergl. Ph. A. F. Walfhcr, Literarisches Handbuch für
(üoschichte und Landeskunde von Hessen im allgemeinen und dem
Orossherzogthum Hessen insbesondere. 2. Suppl. S. 13 (nr. 90).
") Hierauf hat, wie ich nachträglich sehe, bereits 0. Schenk
XU Schiceimbery (QuartalblSttcr des hist. Vereins f. d. Grosshorzogth.
Hessen 1884 S. 35) aufmerksam gemacht. Eine nochmals vorge-
nommene Vergleichung der von diesem herangezogenen Urkunde
vom Jahre 1497 und eines oigonhäiidigcn Schreibens Gerstenbeiigs
(mitgetheUt unten im Anhang I.) mit dieser Bandschrift und dorn
t
Der Codex umfasst im ganzen mit Ausschluss iIpr
lehren Vorsetzblattes 68 blättur. vnn denfn 60 mehr
oder wf^niger beschritlien sind. Davon kommen 40 auf
die Frankenberger Chronik, flie iirspriiiiglieh 41 Blätter
umfasste. An Stella von Blatt Hi und 17 (nach (xcrsten-
bergs Zählung), die JiertUisgerisHPn sind, ist nümlicli
später nur f. in RIatt eingeklebt und dasselbe uucli nur
theilweise beschrieben. Im Texte findet sieb aliso hier
eine beträchtliche Lücke. Mit EMatt 41 beginnt das
Frankenberger Stadtn^cht, das liis Blatt BO reicbt. Die
übrigen B, ursprünglich 9 Blätter — denn das erste
ist weggeschnitten — sind leer.
Das Titelblatt trägt folgende Aufschrift in grossen
Buchstiibeji, vun denen einige im Anfang der Wörter
mit Roth ausgemalt sind :
IHec chronica francohergen-sia edita sunt a
H venerabili viro domino (hiigando Gerstenberg
B dietn vietnris Incliti priru-ipis ac. domiiii domini
Cfuilhelmi bmtgrauij Sacellano et hiiius ciuitMis
filio.
Darunter steht von späterer Hand nnd mit an-
derer Tinte geschrieben:
Pro Civitate Francobergensi.
Dann nnUn n-chts mit dunklerer Tinte die Zahl l'15Ü.
Die Riick.seite und die erste Seite des nächsten
Blattes ist unbo;it;hriehen. WH^il^'M-liiii folgt auf der
zweiten iSeitu des zweiten RIatte.s ein Verzeichniss der
geistlichen Orden mit Angabe ihrer Stiftung.szeit u. s.w. ").
" noch zu erwiihiionden CtHlex, wck-hcr diß glcichriUl.s vwi Gorsten-
bcrg sei 1*1 gestbriebcDe tliüringisch-heKsischü l'hfonik enthiilt, be-
stätigt obif^^o Anuahmo.
'*) Vielleicht, hat \m «lieser ZnsaiitmousteIl»iiig dio Uoltcr-
BJcht De ordinibuH ci^clet-iae, die (MinjitMi HajidsLlirifteii <ioi Thronik
des von üerstenberg viel benutzten Engplliu.'i ajigchiingt ist (vorgi.
C Script, rer. Brunsv. II. 87), als Vorbild gedieot, Beide
12
Mit Blatt 4 beginnt die Chronik und zugleich mit ihr
die vom Verfasser herrührende Blattzählung vermit-
telst römischer Zahlzeichen, die zunächst bis Blatt 10
geht; dann sind letztere beim Einbinden ganz oder
tbeilweise weggeschnitten mit Ausnahme von Blatt 27,
29, 32, 33, 34, 35 (nach der Zählung des Chronisten,
der wir hier folgen). Blatt 10 und 11 sind von an-
derer Hand numerirt. Am Schlosse der Frankenberger
Chronik befindet sich ein ausführliches sachlich geord-
netes Register.
Mit dem Frankenberger Stadtrecht beginnt eine
neue Blattzählung; die römischen Zahlen sind hier in
Roth ausgeführt, aber ebenfalls häufig ganz oder tbeil-
weise weggeschnitten (Blatt 1, 2, 3, 4 — Blatt 6 fehlt
ganz - 9, 10, 12, 17. 18, 19, 21).
Der Theil der Handschrift, in welchem das er-
wähnte Stadtrecht verzeichnet ist, ist wohl erhalten.
In weniger gutem Zustande befinden sich die Blätter,
auf welchen die Chronik niedergeschrieben wurde.
Letztere enthält 15 angetuschte Federzeichnungen
(nach der neueren Zählung S. 2, 3, 4, 5 a, 8, 10 a, 12,
13 a, 17, 20, 21, 25, 26, 29 a, 32), von denen 5
(S. 5a, 21, 25, 29a, 32) eine ganze Seite einnehmen.
Dieselben haben keinen hohen künstlerischen Werth,
sind aber nicht ohne Bedeutung für die Kenntniss des
damaligen Bauwesens, der Tracht, der Bewaffnung
u. s. w. Diese Bilder sind auf Veranlassung des Chro-
nisten der Handschrift einverleibt, und letzterer ver-
weist stets auf dieselben mit den Worten: „Hir sal
stehin . . . ."
Die Schrift ist die des ausgehenden 15. und des
beginnenden 16. Jahrhunderts, die Tinte ist schwarz
Verzeichnisse sind nach chronologischen Oesichtspunkten angelegt,
hinsichtlich der Reihenfolge, der Zahl der Orden and der Angabe
ihrer Stiftungszeit finden sich aber einige Differenzen.
I
I
I
I
and stark aufgetragen. Die Anfänge der einzelnen
Abschnitte sind mit rothen, sorgfältig ausgemalten Ini-
tialen geschrieben, auch sonst sind einzelne Anfangs-
buchstaben mit derselben Farbe gezeichnet. Roth
nnterstrichen sind die Quellenangaben, die Denkverse
nnd hier und da auch einzelne Sätze und Wörter, die
besonders hervorgehoben werden sollen.
Zahlreich und von verschiedenen Händen sind die
Notizen zwischen den Kolumnen und am Rande; sie
enthalten mei.st kurze Inhaltsangaben. Zuweilen findet
sich auch ein NB und ähnliches und dabei allerlei Be-
merkungen, wie z. B. S. 31 a, wo zwischen den Kolumnen
mit Beziehung auf den Text der Chronik die Worte
stehen : tempora nostra.
Schliesslich mag noch bemerkt werden, dass auf
dem letzten (35.) Blatte, des Textes, das übrigens mit
einem anderen zusammengeklebt ist, sich zwei Ab-
schnitte zu den Jahren 1507 und 1520 finden, die aber
spätere Zusätze sind und demgemäs.s auch in dem un-
mittelbar darauf folgenden Inhaltsverzeicluiis.-i nicht be-
rücksichtigt wurden. Der ursprüngliche Text reichte
nur bis zum Jahre 1505.
Wann die Reinschrift angefertigt wurde, ist nicht
zu ersehen. Am Schlüsse des Frankenberger Stadt-
rechtes findet »ich zwar die Notiz : finis anno domini
1493 — und darunter von anderer Hand eine weitere
Bemerkung über den 1494 erfolgten Tod Emmerichs,
idlein die erstgenannte Jahreszahl bezieht sich wohl
auf die Zusammenstellung der Rechtsgewohnheiten
durch Emmerich, nicht auf die Zeit, wo die Abschrift
angefertigt wurde. Möglich ist auch, dass das Stadt-
recht bereit-s 1493 abgeschrieben wurde, dass später
auf irgend eine W^eise der Anfang verloren ging, her-
nach wieder von Gerstenberg ergänzt und da.s Ganze
schliesslich mit der Chronik znsamraengebunden wurde.
14
Von Blatt 9 des Stadtrecbts an sind nämlich, wie er-
wähnt, die Schriftzüge nicht mehr die des Chronisten,
auch wird nunmehr ein dunkleres Papier mit anderem
Wasserzeichen verwendet.
Was oben über den Wertii der der Ständischen
Landesbibliothek in Kassel angehörenden Handschrift
von Gerstenbergs Frankenberger Chronik gesagt ist,
gilt auch von desselben Verfassers thüringisch-hessischer
Chronik, die gleichfalls Eigenthum der genannten An-
stalt ist (Mss. Hass. in 4" nr. 115). Die Handschrift
enthält abgesehen von 4 leeren Blättern, die vor dem
Texte eingeheftet sind, und dreien, die hinter dem-
selben sich befinden, im ganzen 340 Blätter und be-
ginnt mitten in der Geschichte Alexanders d. Gr., so-
dass also, wie ein Vergleich mit dem Abdruck der
Chronik bei Ayrmann in dessen Sylloge anecdotorum
omnis aevi etc. 1. 3 ff. zeigt, etwa 3 Blätter fehlen müssen.
Die Blätter sind mit arabischen Ziffern numerirt,
aber erst als das Titelblatt und der Anfang nicht mehr
vorhanden war; damals fehlte ausserdem ein Blatt
zwischen 283 und 284, was jedoch nicht bemerkt wurde.
Eine alte Hand schrieb dazu die Bemerkung : - „difs plat
hat schwerHch ein from man ausgeschnittenn." Die
Zählung ist auch sonst eine ungenaue, indem dieselbe
erst mit dem zweiten Blatte beginnt: ferner folgt nach
Blatt 76 und 99 sogleich Blatt 78 bezw. 101, ohne
dass dazwischen ein Blatt fehlte, dagegen sind 2 Blätter
mit 223 bezeichnet.
Die Schrift ist dieselbe wie in der Frankenberger
Chronik, auch die dort gebräuchlichen Formen der
Initialen und Abkürzungen kehren hier wieder.
Verbesserungen und Zusätze von der Hand des
Schreibers, wobei meist dieselbe Tinte benutzt wurde,
sind selten; sie finden sich S. 127, 130a, 137a, 150,
158, 192a, 193, 206a, 235, 238, 275a, 282a, 296.306a,
335, 337. Hipr und da sind Theile des Blattes her-
ausgenommen und durch neue, von derselb«»]! Hand be-
schriebene ergänzt: s(» S. 48, <>2, 71, 94, IUI, 148, 263.
Zwischen Blatt 108 und 1Ü9, ebpuso zwisi-lieii 112 und
113, 126 und 127, 138 und 139 sind scjimale bp-
.schriebene P;q>ierHtreifen «»ingfkli'bt.
Sehr zahlreich sind die von verschiedenen Hunden
in deutscher und lateinischer Sprache gemachten Rand-
bemerkungen. Der Text geht 8. 340 a bis zum Tode
Wilhelms I. (1515). Rs finden sieh dann nocli zu den
Jahren 1524 und 1549 zwei Zu.sätze von späterer Hand.
Die Handschrift ist mit zahlreichen Federzeieh-
nuDgen gesdimückt, die aber theilwei.se später dadurch
veruu.staltet wurden, dass mau einigen l'ersonen Barte
malte oder einzelne Gegen.stände (Fahnen, Wapiten-
schilder u, .s. w.) in ungeschickter Weise knlorirtn. Voll-
bilder Hnden sieh S. 14, 35 a, 3ß, 38a, 40, 41, 42 a,
45, 46, 60, 64 a. 267 a, 270, 272, 275, 276, 286 a;
kleinere Bilder S, 4a, 5a, 6, 7, 8, 9, 9a, 12a, 13, 15a,
27a, 34a, 36a, 44, 45a, 47, 48, öl, 57 a, 62, 63, 65a,
267, 268a, 273, 274, 285, 287a. An vielen Stelleu
wird auf ein zugehörige-^i Bild verwiesen, wo aber nur
der für letzteres nuthige leere Raum zu finden i&t.
Lieber das Schicksal der beiden Handschriften
lässt sich nur soviel sagen, dass als Fr. Chr. Srhmiucke
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die thüringisch-
he.ssischfc Chronik herausgab, die ('odices bereits auf
der Kasseler Bibliothek zu finden waren. Dvnn die
Mittheilung, die sich auf dem Titel einer neueren
Abschrift der Frankenberger Chronik '•') tindtt, dass
die Kopie auf Veranlassung des Johann v. Bodenhausen,
Landvogte.s an der Eder, im Jahre 1706 von Abraham
Strpithoft" angefertigt .sei, da die Frankenbergur Chronik
nr. 49.
■') Ständiijche Landeabibliothek in Kassel, Mss. Hass, in lol,
16
„fast alt und nicht wohl zu le|ven" war, ist doch zu
Hübest im mt, um einen einigerinassen sicheren Schloss
auf den diimaligen Aufbewahrungsort der hier wohl
geiuciiittn Originidliajuischritt zuzulassen.
Die Friiiikenherger t'lu-onik ist verhältnismässig
früh, im Jahn" H)19, von Johann Friedrich
Faust, demselben, der auch von der Limburger Chro-
nik eine Ausgabe veranstaltet, hat, in fol. veröffent-
licht worden unter dem Titel : Franckenbergisch
Chronick vnd Zeit-Buch. Zusammen getragen durch
Weygand Gerstenbergern, hoiisten Huddenbender ge-
nandt. Au.sgefnhret biss vfs Jahr Christi Ein tausend
funff hundert viul funfl' vnd zwantaig. Itzo zu son-
derer lieb vnt! wulgefallen allen Historischen Antiqunriis
an tag gegeben e Mss. J. F. F. V. A. Mit sonder-
barer von den Heiligen Reichs Vieariats Macht er-
theilter Befreyhung, verlegt durch Gotthard Vogelin. Im
Jahr, 1619. — iJiese Ausgabe ist weder ganz voll-
ständig noch in Beziehung auf die sprachlichen Formen
zuverlässig: es fehlt z. B. Sp. 'M die llittheihing über
die Schädigung der iStadt in der Fehde des Landgrafen
Heinrich L mit Gerhard von Mainz (vgl. Joh. Phil.
KuchmbtTker, Analecta Hassiaca V, 186) ; Sp. 69 hält
es der Herausgeber für überflüssig, die Leiden und
Drangsale der Bürger nach dem Tndo Heinrichs 111.
.sümintlifh aufzuzülilen, und begnügt sich mit dem Hin-
weis auf „die alte t'hionica". womit die handschrift-
liche Ueberljeferung gemeint ist. Auch sonst kommt
es ihm wenig auf Genauigkeit an : »Sp. 70 lässt er im
Kauernkrieg 5tXXJ Bauern vor Fiankenberg erschlagen,
PfeitVr und Münzer aber bei Frankenhausen hinge-
richtet werden. Kin Heispiel mag zeigen, mit welcher
Willkür der Text behandelt wurde, bezw. wie gering-
werthig die von Faust seiner Ausgabe zu Grunde ge-
legte Handschrift ist.
I
I
I
17
Faust Sp. 1.
. . . Das ist, Er hat ge-
bauwet die hohe porten
des Herrenhauses.
He liat gebuwet die
hohin port*n dephemhuPes.
DufPfi Worte sint be-
schrebin in dein buch der
tageredde des altin testa-
ments in dem tzvveytin
buche in dem XXVU ca-
pit*<L Vnde sint gRSchre-
bin von dem fromen kon-
nige der judden Joathan
g<'nant, wilcher dan lip
buwen die hohin porten
der heiligin stad Hierusa-
lem, auch vile stedde in
dem gebyrge juddischlants,
darzu an den enden der
weide lip er buwen casteMa,
bolwercke vnde torne, want
er streyd geyn den konnig
der soene Aramon vnde
vwerwan eu auch vnde
thet vil gutes vnde alle das
godde behagelichin was,
upgftscheyden das er ge-
statte das sin folck geyn
god sondigete.
Da Fausts Abdruck mit iler Zeit sehr selten ge-
worden war, gab dann 1731 ,hh. Ph. Kucheubvcker
die CJironik nach einer gleichfalls schlechten Handschrift
und ausserdem nicht einmal vollständig heraus (Analecta
Hassiaca Coli. V, 145 — 240). Nach seiner eigenen ¥.t-
klärung am Schlüsse der Vorrede hat er ,,a]les das-
jenige, was der Autor von alten Zeiten und sonst zu
N. V. xvn. BJ. 2
Vnd seynd diese wart
geschrieben von dem fro-
men Konig der Juden, ge-
nandt Jotham, welcher liae
bauwen die hohe pforten
der H. Stadt Jerusalem,
auch viel Stadt im Gebirg
des Jüdischen Lands. Da-
zu an den enden der Walde
lise er bauwen Castelln,
Bollwercke und Turne.
Dann er stritt gegen die
Sohne Ammon, vnd vber-
wand sie, vnd thet viel
guts vnd was Gott gefiel :
Ausgeschfjiden dass er ge-
st^attete, dass sein Volck
wider Gott sundigete.
18
der Hessischen Historie nicht gehörigen Dingen et
wehnet, mit Fleiss ausgelassen, um mit Ungewissen und
wenig oder gar nichts dienenden AusschweifFungen das
l'apier nicht nliiinüthig zu verderben." Dies veran-
lasöte Chr. Fr. Ayrmann die fehli-nden Stellen in
seiner Sylloge anecdotorum 1, 623—672 zu ediren
(1746). Zugleich ven-.ff.-ntlichte er (a. n. O. S. 3-1H8)
die bi.s daliin noch iiicSit gedruckte thüriiigiscli-liessische
Chronik G erste nberg.'<, die aher nur unvullständig wieder-
gegeben wird und gh-ich Sfineu Krgänzungen zu der
von Kuchenbeeker veranst^ilteten Ausgabe der Franken-
berger Chronik auf mangelhafter handschriftlicher Grund-
lage beruht. Erst FV. Chr. Srhjiiitirh' ging auf die
OriginaJhaudfichrift zurück. Kr ergänzte zuniichst (1747)
Ayrmanns Ausgabe der thüringisch-hessischen Chronik
(Moninienta Hassiaca 1, 31— 2i);-J) und lieferte im
folgenden Jahre einen für jene Zeiten sehr genauen
Abdruck der weiteren Stücke bis zum Schlüsse (a. a. O.
11. 295—574), —
Wie die übrigen hessischen ("hrniiisten des fünf-
zehnten und sechzehnten Jahrhunderts, so hat auch
Gerstenberg eine eingehende und ausführliche Bearbei-
tung noch nicht erfahren. Kaum nennenswerth sind
die dürftigen Angaben, die Kii(heiil>€rk4'r seiner Aus-
gabe der Frankenberger ('hronik (a. a. 0, Vorrede S.
2 f.) voraussehicktn : von der thüringisch-hessischen
Chrciiiik hatte derselbe nur ungewisse Kunde, da er
sie nie selbst sah. Das Gleit he gilt von Ayrmann und
seinen Renii-rknugen über ili-n nätidichi-n Gt'genstand
in der 17;12 er.schienenea Einleitung zur luvsstschen
Historie der ältiini mul mittleren Zeiten S. 13 f. Krst
//. Chr. S/'/ifhithrytf gab dri-i Jahre später einige
Mittheilungeii über die tliüringisch-hesBische Chronik
(Selecta juris et historiarura tnm. HI. praeloqu. p. 56
und 57), erkanntf* ih'n \Wrlh di-r.^ieJben aber so wenig,
19
dass er die Ansicht vertrat, die Kenntnis der hes-
sischen Geschichtt^ wiirdt* durch einn Horansgabe der
Chronik kaum gefürdert wt^rde.n (v>=;l. auch tom. V.
praef. p. 36 und 37). Besser unterrichtet zeigte sich
später Ayruiann in der Vorrede der r>bnn erwiUint^in
Sj'lloge § 1 — 14, dncli stützte sich sein« Kenntnis der
Chi'onik anf eine, wie gesagt, ungenaue und dazu noch
nicht einmal vollständige Abschrift, die in der Haupt-
sache nur bis zu dt'U Zeiten Karls d. Gr. reichte. Den
geringen hisitori.schen Werth dieser l'urtieen erkannte
Ayrmann, und es veranla.^fsten ihn daher fast ausachlieaa-
lich andere Gründe zur Veröflentliclning derselben: es
war ihm in erster Linie um die Sprache des Chronisten
zu thun. Weitere Beiträge brachte bald darauf Fr. Chr.
Schmincke in den Vorreden zu der oben erwähnten Aus-
gabe der thiiringi.sch-hessischen Chronik,
Recht wesentlich wurde die Kenntnis von Geraten-
bergs Arbeiten erweitert und vertieft durch Ilflfr. lienih.
Wenck, den Verfasser der Hessi.schen Landesgeschichte.
Die Schrift, die wir hier im Auge haben, ei*8chien zu-
eröt 1777 und zwar unter dem Titel: ÖHschiehte der
hessischen Historiographie; sie wurde dann in erweiterter
Fassung dem ersten Bande des soeben erwähnten
Werk»'s einverleibt"^). Auch heute noch haben seine
Geratenberg und die übrigen liessiMchen Gedchicht-
schreiber behandelnden Ausführungen hohen Werth.
Die territorialgescliichtlichH For.-<ehung unseres
Jahrhunderts hat sich in sehr bescheidenem Maasse mit
der Liutersucluitig der heimischen Ge.scbiclit-squellen be-
fas&t, und nur gelegentlich fällt dalier hier und da ein
Streit! i<ht auf letztere. So finden «ich im zweiten und
dritten Bande von Christoph Homnu-ts Ge.scbichte von
Hessen einzelne dankenswerthe Bemerkungen, ilii» in-
'•) Unter dor üt4ierF,(;lirift : Vf>ii den QuoHod der hossiwlien
jüi'.htö. Dort wird § 11 urtd 12 über üersteobet)? gehaudelt«
2*
I
sofern von besonderer Bedeutung sind, als sie über die
Zuverlässigkeit des Chronisten oder seiner Gewälu*»-
niiumer einigen Aufschluss geben. Wenig Neues und
maiicliws Unrichtige enthält dagpgen B. Rös4'\s Artikel
Gerstenberg in Ersch und Gruber's Allgemeiner Encyklo-
pädie 1. Section, 62. Theil 8, 9U— 93, der besonders auf
Wenck zurückgeht. WerthvoUer sind wieder Wt/ss* kurze
Ausführungen in der Allgemeinen deutschen Biographie
IX, 6t) f. und die Ergebnisse, welche die Untersuchungen
von Ilgen und Vogel über den thüringisch-hessischen
Erbfolgestreit {Zeitschr. f. Iie.s.s. Gesch. N. F. X, 161 flf.)
hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Gerstenbergs Vor-
lagen gehabt haben '').
III.
Das Leben Gerstenbergs. Inhalt und Cha-
rakteristik der thüringisch- hessischen
C h r o n i k.
Die äU8.seren Lebensumstände des Chronisten sind,
soweit sich dies bei der Dürftigkeit unserer Niieli richten
beurtheilen lä.sst, wenig bewegter .\rt gewe.sen. Wigand
Gerstenberg, genannt Boddenbender oder Doleatoris '*),
") Die Oersteoberg lietreffendea SteÜPü finden sich b. a. 0.
S. 157 und 178.
"} In dein unten im AubatJg niit^ptheilteD Brief neuntorsich
(luiffandus Gorstenberg (nicht Oorstenbcrger), gcnnnnt Bodiiibender.
In der Franloiibergtr Chronik fiiidtjt sich (S. la, 32a und 34 der
ursprünglichen Xurncrirunjj) dieselbe Naincnsfoi'ni mit d<3m Zu-
satxo ^Bodderibcodirs'-. Dio Eiftiifor Matrikel (s. .\iini. 20) ver-
zeichnet ihn als Wigand iis Doleatoris. und &o »(.hicibt er seinen
Namen auch in oinom von seiner Hand ausgestellten Keverse (s.
Aiim. 26). Uebor diese geuetiviischo Namonsform vgl. Albert _
Beinxe, Die deiUscheu Familicuuameu S. 34. Der doppelte Zu- |
nanio, den der Chronist führt, erklürt sich wohl, wio schon Ayr-
nmnn (Syllogo I, Piolfgoni. § l) vornmthot, so, dass die Familie
zunächst nach dem Urte ihrui Herkuuft bosannt wurdo und dass
eist später in Kücksieht auf da& UültelibjiiaDdwerk irgend einw
I
I
I
wurde am 1. Mai 1457 in Frankenberg geboren'*).
Heber seine Eltern, seine Familienvc^rliältnisse und seine
Jagend wissen wir nichts, und nur soviel ist bekannt,
dass er im Frühling 1473 die Erfurter Hoclisriiule be-
zog, die damals viwl von Hessen busucht wurde, um
ßich dem Studium der Theologie zu widmen ^"). Im
Jahre 1486 Hndüu wir ihn ak Altaristen in P>anken-
berg wieder, wo er auf seine Kosten den Kirchhof ein-
friedigen lässt*'); 1497 stattet er zwei Altäre auf das
prächtigste aus '^^l ; zwei Jahre früher ist it als Ka-
pellan des Landgrafen Williulm des Jüngeren mit diesem
auf dem Reichstage zu Worms, über den er ausführ-
liche Mitthnilungnn inacht*'*). Hier setzte er es durch,
dass die Stadt Franktniberg ihr Banner wiedererhifrlt,
welcliea die Bewohner von Medebach bei einem
llf'berfalle t^inst erbeutet hatten "). Bald darauf wurde
er von letztgeniuiuteDi Fürsten mit dem Altäre Felicis
et Adaucti auf dt-m Schlosse in Marburg belehnt, wo-
rüber er am 10. Januar 1497 einen Revers ausstellte''^).
I
Gliedes derselbe« der ßtiiiame Bodeiibondor (BodiJenbontlci) in
Gebrauch kafu. Nicht nacbzuueisen ifit, ilnss Genstenbt'rg solbst
letilere Benennung io Vietor oder Viefüris iwio auf doin alten, abor
nicht von dem rhrouisleu herriUrrcnden Titel der Fraiikutib. ChroD,
zu Jescn ist) Ifttinisiii: babo. Vgl. hifriiber nut-h Schenk a. a. 0.
'•) Vorgl. Abr. Saur'a Diaiium zum 1. Mai (S. 257). Säur
stamrate gleichfalJs aub Franienberg.
*") Ocsdiiuhtsijucllou der Frovinz Sachsen V']]!. Bd. Akten
der Erfurter ruiversitat. 1, Tiioü. S. 3ö2. Vgl. auch M. Stölzl,
Studirejtdo der Jtdiro 1368— lüOO aus dem Gsbiote des späteren
K'irfüi'steutliuinH Hessen iu der Zeitschrift f. hess. (iesch. N. F.
V. Supplom. S. 25 und 8. 5, wo von der Bedeutung der Univer-
bität Erfurt fiir Ho.s.sen die Rede ist.
") Frankenb. Chron. od. Faust Sp. 70.
»») Pas. ep. 72.
*■) Monini. Ilass. II. 657 ff.
**) Franken b. Chrou. Sp. 72.
") Abgedruckt in den Quartal bliittcro dos biBt. Vtu-cina für
das GroBsherzogtlium Ilcssou 1B84 t>, ^5.
22
ttT, im Jalirp 1517, wan<ife er sich in einem
Schreiben an ilon Amtmann BalthuHar Sulirantf^nbach
in Giesspn mit der Bitte um Fürspraclie bf'i dvr Land-
gräfin Anna, der Witwe Wilhelms des Mutieren, za
Gnnstt'ii eint'S Alts^rs der Pfarrkirche zu Frankenberg**).
Am 27. August 1522 ist er gestorben ^^). Dies ist
alles, was sich mit Bestimmtheit über sein Leben er-
mitteln lässt"**).
Von den lieiden Arbeiten Gerstenbergs nimmt
hinsichtlich ilirer Bedeutung für die Kenntnis der
älteren hi'sstschen Hihtmiographti! die thüringisch-hes-
sische Chronik die er.ste 8t<«llo ein. Sie ist nach
seiner eigenen Angabe im Jahre 1493 „zusammen ge-
Hclirieben '■'). \hi aber Nachrichten sich finden, die bis
zum Jahr»! Ihlh reichen '"j, so geht wohl nur die erate
Anlage des Werkes auf jenen Zeitpunkt zurück.
Dass ea bei Gerstenbergs nahten Beziehungen zum
hessischen Fürsteiiliause nicht zufällig ist, wenn er die
Abfassung einer Landesgeschtchte untt^rnahm, zeigt die
Einleitung. Anknii[)fend an das Bibelwoii: Mementote
operum patium, quae fecerunt in generationibus suis, et
accipieti.s gloiiam magnam '") — heisst es dort: „Und
wiewol die vorgescbriebeti worte uns vorgelegt werden
zu einer geistlichen lehre, jedouh zu ehren dem edlen
fürstfutluini zu Uewrscn nn'igen sie wol vorgelegt werden
I
I
••) Abgodtuokt uiitnti im Anliaiig 1.
*») Säur 0. a. 0. üium 27. AuKiwt (8. 476).
*•) rio aiischftiiliuhc Si-hildcruiig von dum BtHiide der Stadt
Frankenboi'i; i. .1. I47(i (Frankt'tib. Ohron. Sp. öl ff.) legt die Ver-
mufhung nalio. dass («erslenberg Augonzeinjo war. Dass G. niclit
iiherail, wo or iils holclicr schreibt, dies ausdriiuklich bemerkt,
crgiobt der ürvviüititti oitigehendo Beriubt über d«a Reichstag eu
Worms.
") Äyrniantf, SyUoga I, 6,
«•) B. n. 8. 15.
»'} I. Makkftb. 2, 51.
23
den Hrleuchteten bachgebornen fürsten und bcrrti den
landgrafen zu Hessen, auf das sie gi'dencken der wercke
der alten fürsten, darzu ihrer elturn und ahnherrn, was
sie getban haben in ireu gnberdt'n und iglicher in
seiner zeit seint-s regemwnts, auch was die alten fürsten
lind Herrn gegen goit und die weit und gfffren ho lande,
guts geÜiHii haben, da.s.s des die jungen und nach-
kommende fürsten und Fürstinnen ein exempel haben,
denselben nachzufijigen, was ancb unbequem und ver-
seumlioli von den alten füröten und herrn gehandelt
were, dass da die jungen fürsten sich vor hüten und
in ein bessern wandeln uiöehten" u. s. w. ^-). Die
Chrnnik ist also — ol) infolge besonderen Auftrages
oder nicht, lässt sich nicht ermitteln — zunächst für
die hessischen Fürsten und deren Gemahlinnen und
weiter für die künftigen Herren des Landes hestluimt.
Dass dieselbe in deutscher Sprache abgefasst wurde,
dafür giebt Gerstenberg den Umstand als Grund an,
dass „beyde geistliche und weltliche capitel und stiffte
in deutschen landen ire briefFe schreiben, ausgeben und
innemen in deutscher sprach, da doch in vergangen
**) Äymiatm a. a. 0. ö. 4. Aehtilich äussert sich Gersten-
berg Monim. Haas. IJ, 406 und, auf dio VorMltnisso seiner Vftter-
stjidt siuh beziehend, Franken b. Chrou. Si). 2 f, — Die in dioser
Arbeit inittietheilton StoIIpii aun der tliiiiin(^i.sch-hes.Hisrheii Chroirik
habe ich iift(,h durAusgabo voti Ä/»«/«fAt' wio<lof|;e|j;obon, und nur
da, wo oin Citat ia der OiigmalhaDd^chnft uieht jnälir m Hnden
ist und denigeniäfis auch bei ikhininekc foklt, wurde Ai/nnaun's
Abdj'Uek zu Hülfe gononiiiien ; douJi mussto dessen ri'ijelloso Oiiho-
graptiie etwas gloicbmasüigor gestaltet worden.
Bei Citatoti aus dflr Frankonbetgei Chronik ist dio Ausgabe
von Fällst, bo/.w. Km-hvnbecker borüot.siLbtigt woideu, duch war,
soweit dio betr. ytolleu in der UrJginalhaüdsi.hrift tioüb stehen,
mit eiuigeti goiiugnii Vuriindcrungcn die vou Gerstoiiborg auge-
wantitc OrthogrB]>hie massgebend. Dio weiter unten aus Lauzes
Chronik entnommenen Stücke sind gtcichfalls fast ganz uuver-
üiidert geblicbuu,
24
jähren auch die leyen lateinische brieffe gaben und
namen." ^%
Der Inhalt der Chronik ist ein aueserordenttich
mannigfaltigen Gerstenberg theilt denselben in zwei
Bücher, deren erstes die Gt^schichte von Thüringen
(wozu seiner Ansieht nach auch Hessen gehörte) bis zur
Trennung hfider Liiiider unifasste, im zweiten kommt
lediglieh He.ssen in Betracht. Als ältesten Beherrscher
nennt pr Alexander d. Gr., den er ausführlich b^
handelt. Nachdi^m Gerstenberg dann di« Hiadoehcnzeit
flüchtig gt'strcift, wendet er sich dnr römischen Ge-
schichte zu, in deren Mittelpunkt CüHar und dessen
angeblich«* Rrftbenuigt'ii in Deutschland gestellt werden.
Weitläufiger noch sind einzelne EfMsoden aus der Ge-
schichte der Merowinger und des alten Thüringerreichea
dargestellt. Dann kommen die Karnlinger, von denen
wieder Karl Martell und Karl d. Gr. mit ihren Be-
ziehungen zu Thüringen eine besondere Rolle spielen ;
auch der Thätigkeit des Bonifatius wird eingehend g
dacht. Wo überhaupt die allgemeine ReichsgeschichtB
mit den Ge.sehitketi Thüringens sich irgend berührt,
wird dieselbe in weiterer Ausdehnung behandelt, was
besonders bei Heinrich IV. der P'all ist. Dagegen tritt
diese von da an, wo di« Geschichte der Landgrafen
beginnt, mehr in den Hintergrund. In der ausführ-
lichen Dar.stellinig dieser Zeit nimmt wieder das Leben
der heiligen Elisabeth und ihres Gemahles den meisten
Raum ein, und nur hin und wieder fällt ein spär-
liches Facht auf die Geschicke des hessisthen Lundws.
Das zweite Buch beginnt mit der Darstellung des
thüringiech-hessischen Erbfolgestreites und behandelt
im weiteren Verlaufe die einzelnen hessischen Land-
grafen von Heinrich I. bis zum Tode Wilhelms I. (1515),
»») Ayrmann a, a, 0. S, 5.
25
I
I
I
I
I
ihre Fehden mit benachbarten weltlichen und geist-
lichen Fürsten, unter denen die Grafen von Nassau
und die Erzbischöfe von Mainz die erste Steile ein-
nehmen, mit dem einheimischen und fremden Adel,
ihre Erwerbungen, die Gründung von Städten, Stiftern
und Klöstern in Hessen und den umliegenden Landen
u. s. w. Seine besondere Aufmerksamkeit richtet er
auf die genealogisclien Vt^rliiiltnisse nicht nur des hes-
sischen Fürstenhauses, smidern auch der Grafen von
Ziegenhain und KataenelnbogiMi, dnien Gebiete später
durch Vertrag an Hessen fielen '^*). I>ies ist in grossen
Zügen der Inhult der Chronik. Ausserordentlich zahl-
reich sind Eitiwchieb.sel aller Art, dit* Wunder, Himmels-
erscheinungen, Hnngersnnth, Seuchnn, Mis.«geburten u.s.w.
behandeln; daneben finden sich Nachrichten über Hei-
lige, über die Ent-stehung der geistlichen Orden, sowie
einzelne Episoden aus der Kaiser- und Papstgeschichte.
Besonderes Gewicht legt der Chronist auf solche Ereig-
nisse, die geeignet sind, die Fitistcn über ihrn Pflichten
zu belehren und sie von allerlei Untugenden und Miss-
griffen abzuhalten. So warnt er vor IIirmäHsigk^it im
Essen und Trinken"*), önkfuschheit^^l, vorschneHem
LlrtheiP"), Simonie^") und thörichten Ratligehern *"),
zeigt an Beispielen, wie unvortheilhaft es ist, wenn
Fürsten und Herren ihre Frauen mit in den Krieg
nehmen *''), wie gerährlich, wenn erstere ihr Ijeben und
*') Monim. Hilss. II, 407: Na<'li denimalo du das dio gravo-
scheffte von Ziyeiibayn, njn Nidde, vwi KaUiiwlnbogeo undo von
Dietz liirnacli an das taut lu Hti|>iui kutiunen utiile angevallcn
siat, so geliurt skh deruolbm gravea auch nudde zu ytid«nckoa.
•*) Aifrmami, Syllogo I, 14.
«) Das. S. 87. "
»T Monim. Hass. I, 80.
») Daa. S. 107 f.
*•) Ayrmanti, Sylloge 1, 80 uud 40,
") Daa. S. 143 f.
26
ihre Gesnndheit nnvorsichtig ganz ihren Dienern an-
vertrauen"), »nd ermahnt zur Wohltbätigkeit ") und
Gerechtigkeit*'), zur unausgesetzten Sorge fflr Kirche,
Land und Leute und zur Demuth vor Gott**).
Sonst tritt der Verfasser fast nie mit subjektiven
Aeusserungen hervor**), er vermeidet es absichtlich,
seine Person in den Vordergrund zu stellen. Dem aus-
führlich S. 557 — 564 von ihm beschriebenen Reichs-
tage zu Worms (1495) hat er selbst beigewohnt; er
spricht jedoch, wie oben gesagt, nicht hiervon, sondern
erwähnt es nur an einer Stelle seiner Frankenberger
Chronik, wo er es nicht gut verschweigen konnte*").
Die Anordnung des Stoffes ist im ganzen ge-
nommen streng chronologisch. In den meisten Fällen
giebt er da, wo er hierzu im Stande ist, die Jahreszahl
bei den einzelnen Ereignissen an ; sonst begnügt er
sich mit Wendungen wie: „bie dußen getzyten", „in
denselbin jaren" u. s. w. Die grössere oder geringere
Ausführlichkeit, mit der er die Begebenheiten erzählt,
«'} Das. S. 16 f. und Monim. Hass. I, 84 f.
««) Ayrmann, Sylloge I, 89 und 100.
*•) Monim. Hass. II, 426.
**) Ayrmamt, Sylloge I, 103 f., 130 und Monim. Hass. 1, 44.
Auch die Stolle bei Ayrmann S. 60 über die Herrschaft der Römer
ist in lehrhaftem Tone gehalten. Vgl. ferner das. S. 36 f., 43 oad
Monim. Hass. I, 48 und H, 397 f. Ob B. Röae Recht bat, wenn
er a. a.0. S. 91 annimmt, dass Gorstonbergs moralislrende Tendenz
hervorgerufen sei durch das von ihm benutzte Speculum histotiae,
dessen Verfasser die nämliche Neigung zeige, ist nicht zu er-
weisen.
'*) Nur einmal klagt er {Äjfrmann, Sylloge I, 121) gelegent-
lich darüber, dass die Laien im Besitze von Zehnten, die Geist-
lichen von weltlichem Out seien. Vergl. auch Fnmkenb. Chron.
Sp. 66, wo er seine Mitbürger zur Dankbarkeit gegen die Be-
wohner von Treysa auffordert.
«•) S. 0. S. 21.
I
I
I
I
langt bei ilim in der Regel nitht von ihier Wiclitig-
keit ab» sondern ist lediglich diircli den Unifang der
jedesmaligen Quelle bedingt ; so kommt es, dass oft Vor-
gänge von untergeordneter Bedeutung viel eingehnnder
besprochen werden als wichtige.
Auf mancherlei Einwendungen ist der Chronist ge-
fasst. Solche, tVm ihm einen Vorwurf daraus machen wollen,
dass er Ereignisse darstelle, die er gar nicht miterlebt
habe, verweist er auf Sallust und Livius, auf Hiero-
nynius und Ambrosius, denn auch diese beriefen sich
auf glaubwürdige mündlich« oder schriftliche Quellen'").
Doch zeigt er in seiner Darstellung selbst eine starke
Abneigung gegen mündliche Uebexlieferung. Ausdrück-
lich erklärt er in dem Berichte über die Regierung
Ludwigs des Frtedsanien (1413 — 1458), dass ihm der
Stoff nahezu ausgehej da ihn die x'^ufzeichmmgen für
die nun kommende Zeit fast gänzlich im Stiche liesscn;
wie bisher, «o verschjnähe er es auch jetzt, daa Ge-
BChehene nach Hörensagen darzustellen und überlasse
die Aufgabe, die Geschichte dieser Zeit zu sclireiben,
solchen, welche die Ereignisse erlebt und sich z. Th.
in der Umgebung des genannten Fürsten befunden
hätten. Es genügt ihm, etliche Daten und Punkte,
") Aijnuann, Syllogö 1, H f. Diu Stelle ist übrigens bus
Lu|iais' Ix'bun dos heil. \Vn;lH?tt (Aot.i Snutitonmi Boll. 13. Aiig.
111. 1». 134 linke Koluniito) ntitlohnt. wo es IioJKst; Ncc veio cui-
l|iuun liacc idi'u jii*lit:uutui iiiliiina, r^iiod octiiigcutesiiiui trigivsiaio
nxto annij DorfiiiiiL-ao Imianiationis . . . luaosons upvisculum cu-
doiis ante nonaKinta arviioa acta rejMsteie videar; cum [»nirecto, si
vel levtter eruditos, non ignorot Salustium Crispviin THumquo
Liviuia non pau^^a, quao illonim aeintem longe firaecosscrant,
patlLm auditu partim kLitimio toniperta iianassc ot, ul ad nostros
veniam, Ilioroüynuim Pauli soi vitaiu, quae ceito rfinotis&inia
fucrat, lirtoriM illustrass« et at>ti.stiteni Aiiil)i'ü.sium Viiginis Agues
passionoiii, cm profocto coatemiKjralis non fucrat, editain reli-.
quisse.
28
die er ,,zu.samTn engelesen", aufzuzeichnen „zn vortfasel
deme, der vortraers schrib«?n wil"*").
IV.
Inhalt und Charakteristik der Frankei
lerger
Ch
roni
k.
Gerstenberg ist, wie erwähnt, auch Verfasser einer
Chronik di^r Stadt Frankenbi-rg. Wann er dieselbe
begonnen, ist unbestimmt, doch fällt die Beendigung
des Werkes nicht vor 1505**'). Durch die Feuersbrunst
vom 9. Mai 1476 war fast der ganze Ort Ringpäschert
worden und auch der grösf^te Theil der im öffentlichen
und auch wohl im privaten Besitze befindlichen ür-
kund<*n, Rechnungshiicher, i'hronikaJischen Aufzeich-
nungen u. s. w. vernichtet oder sonst abhanden ge-
kommen. „Dar verhrante der stad", so klagt der Chro-
nist, „alle ire altin briefe, Privilegien unde frj'heid, die
sie hattin von keyl^er Karolo, von kurvnig Curde, von
kunnig Hinridie unde von andern fursten unde hem.
Darzvi verbrautin en vile chrnniken, aide regist«r unde
vile guter rechtbucher""*"). Ger.stenberg übernahm es
nun, mit Hülfe von Urkunden, Au.szügen aus solchen,
Abschriften und mit Benutzung chronikalischer Notizen,
die sich auf irgend eine Weisse erhalten hatten, den
Verlust, soweit dies noch möglich war, zu ersetzen *').
Wie er sein grösseres Werk über die thüringisch-
hessische Geschichte gewisserniassen dem landgräflichen
Hause widmet*"), so hat tr nach seiner eigenen Aus-
sage die Stadtchronik der Bürgerschaft „zu eren ge-
*•) Monim. Hasa. U, &22 f.
») 8. 0, S. 13.
«•) Sp. 62.
*') Sp, 3, wo autih von tier verbranntGu „herrlichen" Stidt-
chronik die Rede ist, und Bp. 70. Vgl. ferner Sp. 63.
w) S. 0. B. 22 f.
t
I
I
I
macht, gfischrebiii iinde vor eyn g^dechtenisse geschenkt
linde gplapin, syner darbie zu gedenken" ^^), Auch
hier wird der Zweck der Arbeit deutlich ausgesprochen.
Die jungen Bürger sollen sich die Thaten der Vorfahren
zum Muster nehmen^ sich aber vor deren Fehlern
hüten ; er will ihnen zeigen, dass die Stadt durch den
echten Bürgersinn ihrer Bewohner vor Zeit<'n gross
und mäclitig gewesen ist'^*). Bevor er die Geschichte
seines Heimathortes erzählt, weist er in einer Art von
Einleitung auf die bedimtende Stellung hin, die Franken-
berg einst eingenommen, und nennt mit Bezug auf ein
Bibelwort, das er auch hier an den Anfang der Chro-
nik set^t^ die Stadt eine Pforte des Landes, weil sie
den fränkischen Herrschern als starker Stützpunkt
gegen die Sachsen gedient habe. Eine „Pforte der
Christen" und „hohe Pforte Gottes, des ewigen Hi-rrn",
wurde Frankenberg dadurch, dass Karl Martell, Karl-
luann, Pippin und Karl d. Gr. von hier aus die heid-
nischen Sachsen bekriegten, die schliesslich überwunden
und zum Christenthum bekehrt wui'den. Endhch war
die Stadt auch „eine gute Pforte, am Ende des Landes
gelegen", als die von Mainz, Köln, Paderborn, Nassau,
Ziegeniiain, Waldeck, Wittgenstein und andeie Wider-
sacher die Landgrafen befehdeten. —
Nach der Meinung des Chronisten hat Franken-
berg eine fast tausendjährige Geschichte. Der Franken-
kOnig Dietrich erbaute nämlich gfgen die Sachsen, die
in Sachsenberg ein starkes Bollwerk halten und von
hier aus Hessen häutig beunruhigten, im Jahre 520
Landes auf einer .'Vnhölie eine Krni-
dieselbe Frankenberg. Diese Burg
zum Schutze des
nate und nannte
") Sp. 70.
") Sji. 2 f. Äeluiiiih spiiclit er sich in dor thüririniseh-
hessiscben Chiunik {Ayrmann^ Syltoge I, 49 f.) über den Oenioin-
äiun der Küiiicr au.s,
30
war auch in den folgenden Jahrliunderten der Aus-
gangspunkt für dif> gingen Ale Sachsfin gerichteten
Unternehmtuigi-'n der fränkistln^ii Herrscher bis auf
Karl df-n Grossen, der diesülbn zu einem HauptwaflFen-
plafz maclite. Mit einem gewissen Behagen beschreibt,
sodann der Chronist die Lage der inzwischen za einer
ansehnlichen Sttidt gewordenen Keste, die Strassen u.
8, w. und iiir Wacijsthmn, das nach seiner Ansicht
hauptwäohlich der Anffijidiing von Uoldinirien, der An-
kgung einer Münze in der Stadt durcli Karl und zahl-
reichen Privilegien zu verdanken war. Weitere Ver-
günstigungen wurden derselben durch König Konrad 1.
und .später durch den Landgrafen Heinrieh L zu Theil.
Auch hier lässt es .sich Gerstenberg nicht nehmen, ein
ausführliches Bild von dem Wohlstand der Stadt zu ent-
werfen, Abt'T aUmählich kam Frankenberg infolge ver-
schiedener Unistande und Itesonders durch die zahlreichen
Fehden der Landgrafen mit ihren Nachbarn herunter, und
als nun gar im Jahre 1476 ein furchtbares Brandunglück
die Stadt heimsuchte, war es für immer mit der Blüthe
derselben vorbei. Denn nach dem Tode Heinrichs des
Reichen (1483), der dem Orte auf all*? Weise aufzu-
helfen suchte, wurde Fraukenberg durch die Diener des
Doch unmündigen Wilhelm dt^s Jüngeren und deren
Helfershelfer unterdrückt und geschädigt. In kräftigen
Worten macht .lich der Chronist Luft über diese
„Schälke" und „Sjut-zhüte" und unterzieht sich der
Idühe, ein langes Verzeitliriis ilirer au der Stadt ver-
übten Mis.setliaten aufzustellen ''''). In den folgenden
AbstJinitten werden hauptsächlich die Bemühungen
wohlhabendiT Bewtdiner um eine eijiigernia.ssun wür-
dige Ausstattung ihres üotte.sliauses erwähnt, Vorgänge
von grösserer Wiihtigkeit dagegi^i nur in beschränkter
"•) Dasselbe i<<t. weil es in tieo Ausgaben Tohlt. uutea im
AntiODg II abgedruckt
Zahl: z. B. die Wallfahrten W'ilbphns des Jüngeren
nach Frankeiiberg, der Besuch der Stadt durch den
Kardinal Kaimund im Jahre 1503, der zweimalige Aus-
bruch der Pest i» demselben (ind dem folgenden Jahre
u. a. m. —
Mit den ihm zn Gebote stehenden Mitteln musste
Gerstenberg von vornherein diirauf verzirbteii, si-itien
Mitbürgern ein lebensvollea Bild von der üest:liicht<n
der Stadt zu entwerfen; es konnte ihm nur darauf an-
kommen, alles zu.samiiiHnzu.stelieii, wits gei^igimt war,
irgend welchen Auffichluäa zu geben. Man darf daher
bei der Beurtheilung dieses Flickwerkes keinen strengen
Maastab anlegen, man darf inbaltlich und formal
letzteres nicht mit den gleichzeitigen historiographischeii
Erzeugnissen der grossen Städte im Süden, Westen
und Norden des Reiches vergleichen, wo die Chronisten
einen wesentlich umfassenderen und inhaltsreicheren
Stoff zu verarbeiten in der Lage waren. Nur für einen
verbältnismäs.sig kleinen und an hervorragenden Ereig-
nissen recht armen Zeitraum kann sodann der Chronist
als Augenzeuge gelten. Dass er ab^r anschaulich zu
erzählen versteht, zeigt unter anderem die Scbilderung,
die er von dem grossen Brande der Stadt entwirft.
Wenn es ihm ferner nicht stets gelungen ist, die Ge-
schichte der letzten?» ioit der des Landes in innigere
Bezieliung zu setzen, so trägt auch hier die dürftige
Ueberüeferung die meiste Schuld ; freilich findet .sich auf
der anderen Seitn wi<'der eine Anziihl von Stellen, welche
mit Frankenberg nicht das Geringste zu tliun Imben.
V.
D i e Q u e 1 1 e n und i li r h H e n u t z u n g.
In der Einleitung zu seiner thüringi-sch-hessischen
Chronik stellt Gerstenberg ein ziemlich voll.staudiges
Verzeichnis der von ihm hauptsächlich benutzten
Quellen auf; was er ausser diesen noch verwandt bat,
führt er meist im Texte an**). Ein recht ninfang-
reiches Material ist hier zur Verarb*>itiing gekommen,
und zwar geliürt dasselbe nicht nur der mittelalter-
lichen scholastischen und historischen Litterator an,
auch das Alt^rthom i.st vt^rtretf-n. Schmilzt bei näherem
Zusehen diu stattliche Anzahl d^i-r angeblich benutzten
Autoren aoch bettächtlieh zusammen, indem der Chro-
nist viele nur mittelbar aus Citaten hei anderen Ge-
schichtschreibern kennt, so ist seine Belesenheit doch
eine immerhin achtungswerthe.
Von antiken Schriftstellern macht er namhaft
Aristoteles, Galenus, Lucanus, Seneca, Valerius Maxi-
mus, Josephus (Hegesippus), Plinius den A eiteren, Sue-
toniuB, Justinus, Kufus Festus, Macrobius ; ferner Au-
gustinus, Hieronymus, Orosius, Gregorius Magnus.
Häutiger als aus diesen nimmt er seine Mitthei-
lungen für das Alterthnni und vv<^iterhin für das Mittel-
alter aus den damals gangbanm Handbüchern der Ge-
schichte: Bedas und Ilelinandiis' Chroniken werden wie
das Pantheon des Gotfried von Viterbo und das als
Cursus muiidi bezeichnete Cosmodromium des Gobe-
linus Per.sona^') nur sehr vereinzelt genannt; wenig
Gebraucii hat er auch von der Historia scholastica des
Petrus Comestor gemacht; hier und da bezieht er sich
*•) Einen Tlieil der Autoren titirt er golegcntlich auch iu
der FratiLenbotgor Chronik; andererseits ist die Anzahl der Schrift-
steller sehr giiringt die nur hier und nicht auch in der thüringisch-
hessischen Ciironik genannt werden.
") Frankonb. Chrnn. 8p. 8, Ayruuinn S. 18 und Moniro.
Eass. II. 53(\ Da die Setzte Stelle He/ug auf do-s Jahr 1440
nimmt, während die Chronik des Uobelinus l'ersojia nur bis U18
reicht, so int entweder das Citut falsch oder Gersteoborg hit
irgend eine Fortsetzung benutzt. — Die oben angeführte Ucber-
setzuDg de8 Wortes Cosniodroniiuin findet sich schon bei Engel-
hu» (88. rcr. BranBv. II. 979).
33
auf den Traktat, des Jordan von Osnabrück De prapro-
gativa Romani imperii. Nur t*inmal wird Honorius
genannt ^*). Oefter bmuft sich Gerstfnberg auf Hfr-
Diannus Jaiiui-nsis und auf Marfinus Fuldensis; am
metstvn wcii«"ipft er aus dnui Speculum bistoriae des
Vincenz von Beauvais, dem Fasuiculus temporura des
Wnrtier Rolewinck und der Chronik d^^s Dinfrich
Engelhus.
Für gewiss*» Perioden des Mittelalters dienen ilira
:il;< Quelle Gregor von Tourn, Paulus Üiaconus in seiner
Hi.sttiri;! Romana und Historla Ijangobardnnun und der
gefiilisfhtH 'i'urpinuH; seltener citirt nr Dietrich von
Ni' m und Aeneas Silvius. Reichlicheren Gebrauch
macht Gersteiiberg von i-ineni Ge>>chicbtÄweik, dessen
Verfasser er Lambertus Leodicensis nennt •'*''). — Nicht
tiälier bekannt scheinen die Arbeiten zweier Kano-
niker, des Kburhartus und Waltberhis ""), und die
Schriften zweier Mönche, des 8alumarus und Theo-
tbonea "') zu sein, auf die «t einmal liinweiüt.
Von einznlnen Länder- und Städtegeachichten be-
nutzt er mehr oder minder liäutig folgende: Heinrich
*•) Moüini. Hjvss, I, 54.
") Wriii-k {Ht!ss. Ijwidehgesch. 1 p. XVI) vermuHtpt, dASS
liier eine Verwi-chsluug mit Ijiuibcrt von fJei^f&ld vorliegun iiiüsüe.
Oiea ist unrichtig, denn Otirstenberg eitirt den LamlH3itus 1x<odi-
(CUMK oiclit nur bei Nacliricliten, die Uiatsiichlicli auf den llers-
leldev Chrouisteti zurückgnhen, soiideru auu*h nookI, wo au eine
Benutzung d«s letzteren nicht zu deulcii ist und wo die Mitthei-
lungen aus Biutio (de bcllo Saxonico), Uornuld und andorfsn Ge-
Hchitlitschr eibern goscLüpft Hiud. Itli finde Laruljertus Loodi-
ceasis zuen^t Monira. Hass. t, 4ti (z. .1. 908), zuletzt das. 246 (tun
1170) citirt
<»«) Ayrmann S. 123.
*') Pas. S. 109, wo jedoch der Heraiisgelwr iritliüailitli
Tlieodorus statt ThL^tooes sohreibt.
K. F. XVII. B<l.
8
34
Rosla's Sachsenchronik ^% eine schwäbische ") and eine
der sehr zahlreichen thüringischen Chroniken**); femer
die Strassburger Chronik des Jakob Twinger vtm
Königshofen, eine Mainzer Chronik*^) und die Nfin-
berger Chronik des Hartmann Schedel, die er in der
von Georg Alt herrührenden Uebersetzung gekannt sn
haben scheint ^). Was er diesen Werken entnahm, be>
zieht sich zum grössten Theile auf die allgemeine dentaehe
Geschichte, dagegen ist ihm die Limbnrger Chronik
ausserdem noch eine verhältnismässig reiche Fund-
**) Auf dieses Werk des Verfassers der sog. Heriingsbeiga
hat meines Wisseos zuerst A' Ontbe (Jdirb. d. Görres-OeBelliick
III, 62 f.) aufmerksam gemaclit Die Stellen, wo Sosla's Sadiaen-
chroaik vou Gerutenberg uitirt wird {Aifrmami 8. 199 nnd Fkan-
kenb. Chron. Sp. 16), verbreiten kein neues Licht über RobU's Ar-
beit: Gerstenberg nennt beide Male neben Roela aadi Eogelhw
als Gewährsmann, und letzterer führt an der entsprechenden Stelle
in der That einige Verse Rosla's wörtlich an {Leibnüx, 88. rar.
Brunsv. II, 1062).
**) Ich vennuthe, dass hiermit die bei Pottkast^ BibUotheca
S. 424 verzeichnete 'Chronik des Thomas Lirer gemeint ist, die
ich nicht einsehen konnte.
**) Nicht das Werk des Johannes Rothe, sondern die sog.
Chronica und Zeitregister von No^, die auch von anderen hes-
sischen Chronisten benutzt wurde. Vgl. über dieselbe Wenek a. a.
0. p. IX und X.
**) Der Verfasser derselben ist vielleicht Johaoo Hebelia
von Heymbach, der in seiner (freilich erst im Jahre 1600 ver-
fassten) Chronik die Inschriften der Kirche zu 8t. Alban bei Mainz
aufgezeichnet hat (daraus mitgetheiit von Ph. Joffe in den Mooa-
menta Moguntina S. 714 ff.;. Gersten berg erwähnt oiimlich (bei
ÄyrmmtH S. 58) eine Grabschrift des Mainzer Bischöfe Anrei«,
aus der er das Todesjahr desselben (454) entnimmt, und fühlt
(das. 8. 140) wörtlich die In.schrill auf dem Sarge der Fastrada
au, die sich vollständiger in einer Würzburger Handschrift roo
Hebeiins Chronik findet (Monum. Mogunt. 8. 71 f. Note 8). Ueber
Hebelin vgl. besonders D. König in den Forsch, z. deutsch. Gesch.
XX, 63 ff.
*") Nur diesen nennt er.
I
I
I
I
I
grabe für die hesaisebe Geschicbte im vierzehnten Jahr-
hundert gewesen.
Daneben bat die Legendenlitteratiir Bedeutung für
ihn. £r kennt die Lebensbeschreibungen des Einsiediers
Paulus von Hieronymus, der Agnes von Ambrosins *'),
des Goar von Wandalbert, des Kilian ^), des Boni-
fatius**), des Godnhard von VVolfliere '"). Das von Die-
trich von Apolda verfasäte Leben der heil. EÜBabeth
bat er grossentlieils in seine Chronik berüberge-
nommen"), auch die Biographie Ludwig'» IV., ihres
Gemabl-i, die von dessen Kaplan Bernhard herrührt,
wird üfter benutzt. In sehr wenigen Fällen ist ihm
die Historia Longobardica des Jacobus de Voragine
Quelle gewesen, und nur einmal kommt eine nicht
näher bekannte Vita der Wilhildis vor'*).
I
*') Diese beiüeii wonigsleDS dem Naxneo aacb: vgl ADm.47.
*') Fraiikcub. t'lirou. Sp. 8, Es scheint die bei Canüitts^
Lect antiqu. {ed. duv.) 111, 1 aligedrackte, ftugL-Mict) voo Egtlward
herrührende Vita pemeiut zu seiu. Die dort (S. 17J>) iu Betracht
komDiende vStelle lautet: Qua {ac. Gallia) pemietata in provinciam
Gertnanioe derenit quae ab iucoUa terrae ipsiua OrieataliB Francia
voci(atur,
••) Frauken b. Chroniic 8p. 6 und Atfrmann S. 108. Nach
dem Citat aa letzteroi' Stelle kannte Oenstenberg mehrere Legenden
des Boiiifatius; doch lässt sich die dort raitgeth«ilte Sage von
eiaem Siege des Heiligen über die Sachsen am Gehülfenbcrge in
den godractten älteren Legenden nicht nachweisen und ist wobl
sp&teien Ursprungs. Vgl. auch Acta Sauet. Bell. 5. Juni 1, 498 f.
'") Die Monira. Hasa. 1, 06 angefahrte Steile ist theila aus
Wolfhere's Vita Godehardi prior (Motium. Genn. SS. XI, 194, *— b
uad 10— la), theils aus der Vita posteiior (das. S. 209, m-b?) ge-
nommen.
") Dass er nicht die uotei dein Tittd Chrooica sant Elisa-
bet orschienene Uebersetzuog der genannten Biographie benutzt
hat, erwähßt bereits Wenck a. a. 0. p. VIL Die deutsche Ueber-
traguQg 'wurde erat i. J. 1520 gedruckt (bei Mathcs Maler in Erfurt).
•*) Frankenb. Chron. Sp 8, wo aber die falsche Lesail Wich-
tUdiB steht.
8*
36
Scliliesf,lich mag noch erwälmt werdfii, dass er
einmal iJfti Glossogr;i|>h»'ii l'ajiias '•') und den Papst
Innocenz 111."*) t-itirt. Hin und wieder entnimmt er
Nt^iuen QiM'lli'H, tiumfiiHicii Kng^'lims, Uenkvers*^ (Mouim.
Ha.s.s. 11, :i7:i, 4i!U, 44«, älH, ^26, im, 546, ööO) •*) und
bezieht sich auch einige Male auf Urkunden, indem er
dieselbiMi bald wörtlich, bald ausü,ngsweiise mittheilt,
bald nur kurz auf sie verweist (*S. 468 ff., 496 f., 506,
623, 534). Zuweilen hat e.s den Anschein, als ob er
urkundliches Material benotzt liabe (S. 450, z. J, 1310;
S. 494, z. J. ia'^3: S. 5Üti, z. J. 1389 u. s. w.).
") Aynuamt 8. 18.
'*) Mooitii. Haiäs. I, 83.
'^) Damittor hehaiiiielti zwei (S. 420 uud 518) Ereigniaae
aus der hessiselicii ( losuhii.hto : der erMtore botrifft den Brand von
Marburg (iiu .F. 1261). vvalircrid "i<.'r aiiden* sich auf die EiniLsthe-
rmig vtjti Kiicbliaiii dmi-li dtsu Orafou Ileiiiritih (VII.) von W'aldock
(iru J. 14J2) boaiolit Lotztcror Vers kehrt bei Lau\e S. 262,
aber iu etwa» verandcrtor Form, wioder. Ein anderer Denkvprs
auf diisselbo Krcigniss, d(>n Johauu Bop|i«nhouKor auH Kirohhain
Terfasst«, findet sich in der ,Hos.sigf.bpD Zoitrccfuiung" (S. Ifiüa
dos d<ir Stund. Ijvndcsbibl. in Ka.s.sel angohürcuden Kxemplares des
Alten und neuen hess. Sc-breib-, MiLrkto- und iMnüiiikuii-Kalondur!*).
— Von den Ix'idon liL^dichteii, dio tiei"steiiberg luitlheilt (S 51 5
und Ö36), bat das eine die Ermordung Friedricb s yoq Üi-nun-
schweig (im J. 1400} zum Go^ooMand und ist aus fh'rtrich Eiiyei-
hu* i'hroaik (SS i-cr. Brun.sv. II, ll37i gononuncn, das audure
feiert Liuidjfiaf Ludwig 1, als trefllitlien Landesfüi-sten Auch
«lieser Vers lindet sich, ((loiclifaüs etwns umgostaltot, l)ei [aiux^ S.
267a. Letzb-ier tbyilt au.sBoriieiu S. 2456 folgeudej* L>i»tK:hon auf
J.udwig mit, das, wie dm Aufaiig lebrt, aus einem grös-serea
Ganzen stammt:
Quiqae ob iuütttiae cultuin k-guinquo sacrarum
üblali tituloa abauit imporii.
Pie Quelle mag ein Loligediilit auf tien Ijinilp-afen seio,
wie soiclio z. II. eiu italienischor Humanist auf Wilhelm den Ael-
tereii verras.sle (mitgetbeilt in />r7iVA"* hoss. L'hrouik, Ausgabe v.
ie05. 11. 263a ff.).
I
I
I
Von grösserpr Wichtigki^t ist fs, dflss Gprsten-
berg eine Anzahl hessischt^r GeschicbUqiiplIen benutzt
und in den meisteji Fallen iiucli iiiimh-ift geinaclit hat,
d'w in ihrer ursprünglichf'n Gestalt verloren ptegangen
sind. Für einen erliebliclieii TKeil des dreixehnten und
da-s erste Drittel des vierzehnten Jithrhundetts ist Ried-
esel Hauptquelle, für das letztere kommt dann bn-
sonders die sog. Hessenchronik in Betracht. Von
untergeordneter Bedeuhing sind sodann Aufzeichnungen,
die in den Klöstern Hersfeld, Georgenberg hei Pranken-
berg, .Spiesskapjjel, Aulisherg und Hainu gemacht
wurden ; in Haina ist wohl auch die einige Male von
Gersteriberg benutzte Legende den Bruders Kurd von
Hirle-sheim entstanden. Ganz vereinzelt scIiHjift der
Chronist auch aus nicht näher bekannten Aufzeich-
nungen des Kanzler^; Tileniann Hulliiuch und giebt hin
und wieder die Ziegenliainer und Katzenelnhogener
Grafen betreffende Nachrichten genealogischer Art, über
deren Tr-spriuig gleichfalls I'nklarheit herr.Hcht.
Hin.'siehtlich der t^Hiellenhenutzung erklärt er aus-
drücklich, dass er nichts willkürlich hinzugesetzt, aus-
gelas.seii und, abgesehen von einer hier und da ge-
drängteren Daratellung des Stuffes, keinerlei Verände-
rungen mit letzterem vorgenommen habe. Bei der
grossen Verschiedenheit der einzelnen Quellen rück-
sichtlich der Chronologie, der Ausführlichkeit und der
ganzen Art der Darstellung sieht Ger&tenherg voraus,
dass man neberein.stimmung mit anderen Werken in
diesen Punkten häufig vermissen wird ; er warnt aber
davor, bei einem wtih'lu'n Falle in der ,, ersten Bewe-
gung" seine Arbeit gering zu acliten oder zu verbe.sse.rn.
Der Betreffende soll vielmehr die vom Verfasser be-
nutzten Schriften erst gründlich lesen; dann wird er
dass einer lencer oder korzer
sich davon unerzpugei
die daten schreibet
lenger od
ann der ander". Doch will der
38
Chronist dies nicht so verstanden wissen, als ob sein
Werk gar keiner Richtigstellung bi^dürfe : er legt viel-
mehr jedem wirklich Händigen die Bitte ans Herz, zu
j^corrigiren, einendiren und bessern in der warheit" '*).
Da unsere Kenntnis der oben erwähnten hes-
sischen Geschichisquellen fast nur auf Ger^tenbergs
Vermittelung beruht, so ist es von Wichtigkeit festzu-
stellen, üb er bei Benutzung seiner Vorlagen gewissen-
haft verfahren ist oder nicht, ob also das Bild, das er
uns von der früheren hessischen Geschichtsthreibung
giebt, auf Zuverlässigkeit und einige Vollständigkeit
Anspruch erheben darf. Wir wählen zu diesem Zwecke
einen Vergleich mit der Limbiirgor Chronik''). Die-
selbe, die Gerstf'.nbürg etwa 40mal citirt, eignet sich
hierzu nicht nur wegen der verhältnismässig sicheren
Ueberlieferung, sondern auch deshalb, weil sie sehr
viel Hessisches enthält.
l'^in Vergleich der aus dieser Quellenschrift her-
rührenden Nachrichten in seiner thüringisch-hessischen
Chronik mit den Parallelstellen der Limburger Chronik
Zf'igt, dass er im ganzen sich eng an »eine Vorlage
anschliesst und diese genau wiedergiebt. Doch finden
sich einige Fälle, wo er gewisse Bemerkungen der
letzteren auslä.sst. So fehlt S. 467 (z. J. 18351 der
Zusatz der Vorlage (S. 25, 9): ,,«nde lagen nun dage
in dem lande zu Sassen*'. S. 481 f. (z. J. 1350) hat
sich Gerstenberg kürzer gefasst und ein Stück {S. 38,
10—13 u. 1» „bit an Cassel") nicht wiedergegeben. Eben-
so fehlt S. 507 (z. J. 1391) die Bemerkung der Vor-
lage (S. 83. 22 u 23), dass auch der Bischof von Pader-
born und Herzog Otto von Braunschweig an dem Zuge
I
'*) Ayrrnanity Syllogfl I, 8 f. Aehnlich auiisort sich M ar-
tinufi MinorJta bei Eemrd, Corp. bist. med. aov. I, 1551,
") Hflrauhgegeheu von Arthur H'yss in den Monum. Germ-
Deutsche Chionikeo IV, 1.
gegen die Herren von Padberg theilnalimen. Die Nach-
richten der Limburger Chronik S. 63, 1 — 10 über
die Stärke des Landgrafen und der Sterner, über die
Verwüstung des Landes bis in die Gegend von Fritzlar
und die Fortsetzung des Krieges hat Gerstenberg S.
491 ff. gleichfalls übersehen. Djis Dattim läsjat der
Chronist S. 510 f. (z. J. 1396) au8 (vgl, Limb. Chron.
S. 91, 24 u. 25); S. 513 äusserst er sich nur allgemein
über die Zeit des Fuldaer Brandes, während die Limb.
Chron. S. 95, I7 dm genaue Datum aufweist.
Andere Auslassungen sind von geringerem Belang.
So fehlt bei Gerstenberg S. 483 die Angabe der Lage
der Burg Falkenstein und des Sitzes der Hunde, die sich
in der Limb. Chranik S. 37, 18—20 findet; S. ijOtj (z.
J. 1390) schw^nigt er über die Lage von Liubenau,
wälirend die Limb. Chron. S. 82, 2-t einen dieiselbe
bezeichnenden Zusatz hat. Beide Male konnte der
Chronist jedoch die Oertlichkoiton al.s bekannt voraus-
setzen. Auch die Bemerkung seiner Vorlage „unde ge-
schah daz mit vurrederie" beachtet Gerstenberg nicht.
Ganz unberücksichtigt geblieben sind die Nach-
richten der Limb. Chronik S. 26, 6—12, S. 42, ö— 7 u.
S. 46, 12—14 (über die Theuerung in Hessen).
Weniger Anerkennung würde seine Genauigkeit
hin.sichtlich der Chronologie und der "Wiedergabe des
Inhaltes verdienen, wenn wir bestimmt ent.M*heiden
könnten, ob nicht die Art der Ueberliefernng die Schuld
trüge. Dies ist in der That das wahrscheinlichere,
llebrigena sind auch die liierher gehörigen Fälle selten.
Ein chronologi.'ücher Irrthura ist es z. B., wenn er S. 510
die Zerstörung der Burg Elkershausen 1395 erfolgt
sein lässt, während der Verfasser der Limburger Chro-
nik S. 90, U u. 12 dies Ereignis in das folgende Jahr
versetzt. P'ben damit hängt es wohl auch zusammen,
dass Gerstunberg S. 485 die Grafen von Katzenein-
40
bogen Wilhelm und Eberhard nennt, wogegen die Lim-
burgiT Chronik .S. 8R, 2h und 87, i Kberl»ard und Dift-
hard hat ; ftM-ner biuite nach Ci ersten ber/i^ Wilhelm, nach
der Limburger Chronik Kberhard da« Schloss Schwal-
bach. j\u«serdem hat üersttinberg — und dies spricht
sehr für »tic obige Annahme — hier Natlirieht^n, die
wir vergeben« in der Linihiirger Chronik suchen.
Wenig zuverlässig zeigt er sich in seiner Citir-
methode ; doch i.st dies ein Mangel, von dem übe r-
haapt kauuv eiut-r der gleichzeitigen Clironisteti ganz
frt'i sein dürfte. Ausserordentlich häutig nennt er
niunlich ««ine Vorlage gar nicht. Man vergleiche bei
Cujrsteiiberg 8 482 die Hemerkiing über GerUich von
Mainz und Landgraf Heinrich IL mit der Limb. Chron.
S. 39, 16—30; indessen muss der Chronist hier noch
eine zweite Quelle ausgeisehrieben haben, da er die
Notiz über Kirchhain allein hat. Ebenso wenig spricht
er sich S. 506, wo er von einer Missgeburt in Boppard
erzählt, über seine Vorlage aus; die Nachricht stellt in
der Limb. Chronik 8. 79, U— 16, Diese BeispieU-, die
sich übrigens sehr vermehren Hessen, mögen genügen.
Noch häufiger sind die Fälle, wo in Bezug auf
die Quellenangabe rrigenauigkeiten mit unterlaufen.
Der Chronist citirt näniUch nicht selten die Lim-
burgtvr Chronik anv Schlüsse einer Reihe von Mitthei-
hmgcn. die nur zum Tlieil aus derselben herrühren.
Es geht 7. B. das Citat 8. 475 oben nur auf den
zweiten Abschnitt (vgl. die Ijiinb. Chron. »S. 29), nicht
auf den ersten, wo 8. 474 von dem Tode des Grafen
Engelbert von Zii*genhain die Rede ist. Zu demselben
Ergebnis gt-!au^'t man bei dem Citat S. 5(}0 (z. J. 1392),
wo die Mittheilung über die Gründung der Hochschule
zu Erfurt anderswoher genommen ist, das übrige aber,
wie auch Gersti^nberg angiebt, der Limburger Chronik
(S. 84, 43, 82, 86) entstammt. Selten zeigt er sich so
if
gpnanj das» er, wie dies z. B. S. 510 f. der Fall ist,
am Schlüsse einiger Nachrichten eine Wendung ge-
braucht wie: ,,Du(* vorgfschrebiii lef^it man alln in
der chronicken von Lympurg." Dies trifft in der Thut
auch zu (vgl. (Ihzu die [iimb. C'hron. S. 91 h Ganz so
verhält es sich mit d^ii MitHittilnngen S. 013 f., womit
die Limburger Chronik S. 93, t)I, 94 und 95 zu ver-
gleichen ist.
Zuwfiii'n werden Hiah Nachrichten ans anderen
Quellen mit solchen au-a lii'r Limb. Chronik verbnnden
und letztere wird allein namhaft gf-miu-hl. Vgl. z. R.
S. 474 f. (Bie den getzyten was — li-bebO mit Limb.
Chronik S. 29, 22-24 u. 29-30. S. 482 üttinimt di<^ Be-
merkung, dass Landgraf Heinrich II. seine Bundesg«-
nosHen entla-ssnu habe, nicht aus dm* Limb. Chronik
8. 3fi (Kap. 26), ebensowenig i-^t, wie erwähnt, von der
Belehnung des genannten Landgrafen mit Kiichhain
(das.) etwas in der Limb, ('hronik 8. 39 (Kap. 29) zu
finden. Lnigekehrt wird 8. 4H7 (z. J. 136H) ülier den
Tod Ottos des Schützen neben dur Tliüringrr Chronik
auch die Limburger citirt, in der sicli nichts hierüber
findet.
Manchmal deutet Gerstenberg mit gewissen Wen-
dungen die Kenntzung anderwcitigi-r (juellni an, die
aber, da die Hanpts-ache der von ihm gnnannten Vorlage
entnommen Ist, nicht weiter erwähnt werden. So
heisst es 8. 474: „AU* man das auch lehit in der
chronicken von Lympurg". In der Tliat hat die Limb.
Chronik S. 25 f. weder den Nanien der Tochter Hein-
richs IL (Adelheid), noch den des Klosters (Alniaberg),
wa.s also einer anderen Voilage entlehnt sein nmss. Man
vergleiche ferner 8. 4HH („Alt^ man da.s auch le(5it in
der chronicken von Lympnrg'') mit der Limb. Chronik
S. 5ö, wo wir drn gnwsten Theil der von Cn-rstenberg
a. a. 0. gebrachten Mittheilungen vergebens suchen,
42
Fast regelmässig bedient er sich dieser Wendung
in seiner Frankenberger Cbronik, wenn er andeuten
will, dass «r neben der von ihm angeführten Haupt-
quelle speziell für die Frankenberg angehenden Ereig-
nisse noch anderweitige Aufzeichnungen benutzt hat.
Sehhesslich findet sich noch eine Anzahl von
Stellen, wo der Inhalt verschiedener vrtn ihm namhaft
gemachter Vorlagen so miteinander verquickt ist, dass
sich die einzelnen Bestandtheile der letzteren zuweilen
nur deshalb mehr oder weniger genau bestimmen lassen,
weil die Quellen Gerstenbergs entweder sämmtlich oder
bis auf eine noch erhalten sind. Vgl, S. 481 (Chronik
von Limburg, Strassbiirg und „andere" Chroniken), 485
(Thüringer-, Hessen- und Limburger Chronik), 493 (die-
selben Chroniken imd „andere gelepe"), 495 f. (Lira-
burger und Thüringer Chronik), 503 (Hessen- und Lim-
burger ("hronik), Öü5 (Thüringer-, Hessen- und Lim-
burger Chronik),
VI,
Gerstenberg als Historiker. Seine wissen-
schafi liehe Bildung.
Ganz gegen die damals herrschende Gewohnheit
nennt Gerstenberg vielfach seine Quellen und giebt
dieselben in einer Fassung wieder, die zuweilen — was
besonders gegenüber den in deutscher Sprache ge-
schriebenen der Sache gemäss hervortritt — mit den Vor-
lagen wörtlich, meist aber wenigstens sachlich überein-
stimmt, t'mschreibungen und Erweiterungen, wie sie
in derartigen Werken jener Zeit häufig vorkommen,
scheint er ahsiditlich vermieden zu haben. Indessen
kommen aber auch, wie oben gezeigt worden ist, Fälle
vor, wo er das Lob einer gewissenhaften Quellenbe-
nutzung und genauen Citirmethode keineswegs in dem
Masse verdient, wie man es ihm gespendet hat.
Aber noch andere, schwerer wiegendB Mängel müssen
hier erwähnt werden. Dazu gehört vor allen Dingen
sein kritisches Uiivt-rmögen. Von dem vj^rschiedenen
Werthe seiner Vorlag^-n hat kt keinu Ahnung, er citirt
■ in einem Athem nt^ben .losephus dun Fasciculus tt*m-
porum, ufbfn Justinus odi'i Orosius das 8pi;'cti!um
»historialle. Bei Ueben-instimmung zwtner uder mrlirtTer
Quellen gelten ihm die Berichte derselben als dem
wahren SachverhHlt üntsprechend ; er denkt nicht daran,
düSä der eine seiner Gewährsmänner von dem andern
P unmittelbar oder mittelbar abhängig sein kann, dass
sein Zeugnis mithin keinerlei selbständigen Wertli bat.
Wenn ihm flu ein Kreipnis nur eine Quelle zu Gebote
steht, benutzt er dieselbe ohne Bedenken i wenigstens
deutet er nirgends an, dass er auf Wiedergabe einer
Vorlage wegen mangelnder Zuverlässigkeit derselben
verzichte. Wie könnte er sonst seinen Quellen Nach-
richten ilber das hohe Alter von Frankenberg und von
anderen Städten, über die Beziehungen der Merowinger
und Karolinger zu seinem Heimatlisorte n, a. m. nach-
schreiben? Nicht gerade häufig kommt er in die Ver-
legenheit, es mit zwei einander widersprechertden An-
gaben zu thun zu haben; selbstverständliih denkt er
dann nicht daran, den Werth der Vorlagen gegen
einander abzuwägen oder an den Mittheilungen selbst
Kritik zu üben. Er entscheidet sich in einem solchen
Falle entweder gar nicht '•*) oder er stimmt dem Ge-
währsroanne zu, dessen Angaben von anderen Geschicht-
schreibern bestätigt werden ''^). Höchst selten ist er im
**) Vgl. Aijrmanti. «\-lloge ], bf} (Entstphimg umJ Bedeutung
des Namens dor Fianken). MoDim. Hass. 1, 106 (Repoiungszoit
Kaiser, Heinrichs III, ), ]], 54ü f. (Tod des Landgiafen Lud-
wig I.) u. B.
'♦) Aus die-sem Unindo verwirft er Monim. H«.sm. I, 'J7ö f.
ein« Anpahe des Fasticulua. Einen aliniicheu Fall biotel das S.
71 und 74.
Standf, wenigstens ein Moment von einiger Bedeutung
beizubringen ; dies ist denn aber auch für ihn ausschlag-
gehend. Ein Beispiel mag geniigen. Gerstenberg ver-
wirft die Ansicht des Vincentiuü, da*is Rndolf, der Gegen-
könig Heinrich'« IV., Herzog von Rnrgund gewesen sei,
indt'm er sieh auf den Fascicnlus und andere Chroniken
beruft, als Hauptgrund aber ilen Umstand geltend raacht,
dass genannte llerrst her tifter „in den landen bie Sa(>en
gelegen'' mit einander gekämpft hätten ^). In ver-
einzelten FällHti geht er ziemlich leicht über derartige
Fragen hinweg. So läs.st er es in ^seiner thüringisch-
hessischen Clironik (Monim. Hass, II, 399 f.) dahiti-
gi'stellt -sein, von wem [jandgraf Hermann, der Sohn
der heiligen Klisabeth, vergiftet worden sei; in der
Frankenberger Chronik dagegen, wo er sich auf die-
selben hierin einander widersprechenden Quellen — die
Thüringer Chronik und Riede^sel — beruft, folgt er,
ohne Riedesel'« abweichende Angabe überhaupt zu er-
wähnen, ohne weiteres der Thüringer Chronik"').
Hinsichtlich seines Hrtheils über der allgemeinen
Geschichte angehörende Personen und Ereignisse ist
ein F'ortschritt bei Gerstenberg nicht zu konstatiren,
er steht keine.sweg.s über seinen Quellen, dem Fasci-
culus, Speculum, dem Cursus mundi u. s. w. ; gläubig
schreibt er ihnen vielmehr alle Märchen und Fabe-
leien nach,
Von seiner geringen Befähigung, die Begeben-
heiten selbständig und ohne fremde Stütze zu beur-
thcilen, scheint übrigens der Chronist .selbt-t über-
zeugt gewesen zu sein, und dies mag im Verein mit
seiner Gewissenhaftigkeit ilin veranlasst haben, die
Zeitgeschichte nur skizzenhaft zu behandeln. Dass er
sich auf (iie Itarstellung der letzteren überhaupt ein-
•«) Das. S. 182 f. - "') Sp. 2.5.
I
lässt, hat nach seinem eigpiien Geständnis darin spinen
Grund, dass *^r eiiiPtn etwaigen FortsetziT sichen- An-
haltspunkte an die Hand geben will **). Dt^nii wo er
sich auf t^'iellen berufen kann, schit-bt t-r gewisser-
luassen die Wiantwortnng für seiut* Mittheiliungen von
seinen Schultern auf du- Hein«r GHWiUirsaiiinner, und
wohl nur aus diesem Grundn machte er [«'tztert^ nam-
haft; wo es sicilii abiT darum handelt, Nachrichten
über Vorgänge und Personen, welche dt^r Gegenwart
oder der nahen VergangHiihi'it angehören, einzuziehen
und für deren Zuverliisssigkeit Gewähr zu leisten, legt
ihm seine Vorsicht und Befangenhftit stiirke Hinder-
nisse in dfn Weg. Er erklärt st-lbst nur dürftig*' Anf-
zeiciinungen über die Tliatf» Ludwigs dn.s Friedsamen
und seiner Nachfolger viirge, fluiden zu haben und will
wie bisher, so auch fortan von mfindlicher Heberliefe-
rung nichts wisssen "''). Trotzdem bleibt er diesem
GruiKlsatz«' nicht in allen Stückten treu, denn unmöglich
haben ihm über sänimtliche Kreignisae, dift sich im letzten
Vierttd des fünfüebnt*'n und im Anfang« des sech-
zehnten Jahrhundert« zutrug'Ml, schriftliche Berichte
vorgelegen; von manchen Begebenheiten, wie z. B,
dem mehrfach erwähnten Reichstage zu Worms (1495),
schreibt er vielmehr als Augenzeuge "■•) •, andere Nach-
richten beruhen nach seiner eigenen Angabe auf Hören-
sagen "'').
") S. ol.cn S. 27.
»•) Mdiiini. Hass. II, 522 f.
•♦) Vgl. oWu S. 21.
**) Moniin. ITa-ss. II. .V23 lioisst es, nactiiJnm Gerstenberg
unmittolbai" vorlier jt-ocu (iruudsaU aufgestellt hat: ,Maii simohot
wie (Itjßfin fursten" u. 9. w, iJas. S. 524 ist er nicht ganz
sicher, ob Htnjiiant), ein Sohn Lud'wi(;;'s des FriodsAtnon, Domherr
zu Mainz und zu Kölu göwe.suu >ei. Er setzt deshalli seiner dies-
bezüglichen MittheiiuDg die Bemerkung hinzu: ,a!|l ich vw-
Btand«!! habe''.
46
Freilifli mag er übor vieles nicht gut unterrichtet
gewesen sein. Er selbst spricht dies einmal deutlich
aus und verweist auf andere, die als Zeitgenossen und
Angeuxeugftn eher berufen seien, über die Vorgänge auf
dem Tage zn Aachen (1456) Bericht zu erstatten, als
er"*'). Auffallender ist diese Unkenntnis bei Fragen
genealogischer Art, über die er sich doch sonst gut
unterrichtet zeigt. Er erklärt z. B., nicht zu wissen,
ob Ludwig der Fiiedsame mit seiner Gemahlin Anna
tuehr Kinder gehabt habe als die sechs, die er nament-
lich aufzählt**'); in derselben Lage ist er bei den Nach-
kommen Ludwig's des Freimüthigen, seines älteren Zeit-
genossen *"').
Im Znsammen hange mit der geringen Sorge des
Chronisten um üewinnnng reichhaltigen Stoffes, die da
bemerkbar wird, wo es sich um Darstellung des aus-
gehenden Mitfelaltera handelt, steht ohne Zweifel auch
die seltene Heranziehung urkundlichen Materials in der
thüringisch-hessischen Chronik, während er gerade in
dem der Geschichte von Frankeuberg gewidmeten
Werke reichhchen Gebrauch davon macht. Indessen
hat letzterer Umstand nicht sowohl darin seinen Grund,
dass mit der Herbeischaffuug und Benutzung der Ur-
kunden keinerlei Schwierigkeiten verbunden waren, da
doch meist nur das in Fraukenberg selbst befindliche
Material zur Verwendung kam, als vielmehr in dem
Bedürfnis, die gerade hier überaus magere chronis-
tische Ueberlieferung nach Möglichkeit za vervollstän-
digen. Wären ihm nicht nur für einzelne Partieen
seiner Stadtgescbichte, sondern für das ganze Werk
die chronistischen t^uellen reichlicher zugetiossen, er
hätte gewiss vollen Gebrauch von denselben gemacht^
••) Monim. Haas. U, 643.
") hu. ö. B24. — «} Das. S. .'544.
47
"fand es ist sehr fraglich, ob fr dann ein so grosses
Gewicht auf Ausnutzung der inhaltlich zumeist doch
recht dürftigen Urkunden gelegt hätte.
Hinsiclitlich der Chronologie und der Zuverlässig-
keit seiner Nachrichtt'n für die geHiiinmte älterft hessische
Geschichte bis etwa zur Mitte des fünfzehnten Jahr-
hunderts bietet Gerstenberg im ganzen nicht mehr
Sicherheit als seine Quellen, da er mit wenigen Aus-
nahmen ganz auf ihnen fusst. Er selbst deutet an,
dass ihm die chronologischen Bestimmungen und die
kürzere oder ausführlichere Darstellungsweise seiner
Vorlagen Schwierigkeiten verursachten ^% und dies muss
[besonders Uistig in solchen Fällen gewesen sein, wo er
sich im Interesse der Vollständigkeit genüthigt sah, die
'Berichte verschiedener Chronisten, deren Angaben sich
häufig nicht mit einander deckten oder an Unklarheit
litten, zu einem Ganzen zu verschmelzen. Üass diese
^Versuche missglnckten, beweisen z. B. seine Ausfüh-
rungen über die Sternerfehde (Monim. Haas. 11,491 — 493),
wo ohne Heranziehung urkundlichen Materials ein auch
nur annähernd genaues Bild nicht gewonnen werden
konnte. Dies hat Gerstenberg hier und anderwärts
Versäumt, wenn er auch geli-gentlich Urkunden, die ihm
'gerade zur Hand sein mochten, so verwerthet, da.ss er
ihren Inhalt mittheilt ""). An eine Berichtigung der
Quellenangaben durch letztere, wie sie z. B, fünfzig
Jahre später Wn/afid Lanxe vereinzelt vornahm, ist bei
unserem Chronisten nicht zu denken. Dass Gersten-
berg übrigens neben zahlreichen Irrthüniern auch viel
Brauchbares in seine Darstellung mithertibergenonimen
hat, zeigen, um nur eines anzufüliren, .seine das he.s-
sische FürstenliauH betieffenden genealogischen Angaben,
die in der Haufjtsache als zuverlä-ssig gelten k(innen;
•») Ayrmann, Sylloge I, 8. — »") S. o. S. 3ö.
48
auch an der Regierangszeit, die er den einzelnen Land-
grafen zuweist, ist wenig auszosetzen. Von Ladwig L
(1413 — 1458) an sind in dieser Beziehung seine alle
Glieder des Fürstenhauses umfassenden Bemerkungen,
die sich häufig sogar auf den Ort, das Monatsdatum
und die Tageszeit erstrecken, mit sehr geringen Aus-
nahmen zutreffend. Irrthömlich ist es z. B., wenn er
die Vermählung des genannten Landgrafen iu das Jahr
1433 setzt, statt, wie Rommel annimmt'^), 1436; auch
weiss er nichts von dessen Tochter Anna, die frtth
starb ^-); von den Kindern Ludwig's II. erwähnt er die
früh verstorbene Elisabeth nicht, setzt aber, wie be-
reits erwähnt, vorsichtig hinzu, er könne nicht sagen,
ob es mehr Kinder gewesen seien ^^}. Auch sonst irrt
er zuweilen in Beziehung auf Ereignisse, die seiner
Zeit nicht allzu fern lagen: wenn er z. B. die Unter-
werfung der Herren von der Lippe, von Boren u. a.
unter Hessen bedingt sein lässt durch einen Feldzug
des Landgrafen Friedrich von Thüringen im Jahre
1448**), der ausserdem 1440 bereits nicht mehr am
Leben war (vgl. Jiofnmel, Gesch. v. Hessen 11. Anm.
S. 214 u. 188). Doch ist zu bemerken, dass er auch hier
nicht gewillt ist, die Verantwortung für den grösseren
Theil seiner Nachrichten auf sich zu nehmen '^).
Gerstenberg's Abneigung gegen eine selbständige
Behandlung und Verarbeitung des Stoffes, die er
übrigens mit vielen berühmteren Vertretern der histo-
rischen Litteratur im ausgehenden Mittelalter theilt und
die besonders in der engen Anlehnung an seine Ge-
»') Gesch. von Hessen 11. Anm. S. 247.
•*) Das. Audi. S. 248.
•») Monim. Hass. 11, 544. Vgl. o. S. 46.
•*) Das. a, B32.
•») Er setzt a. a. 0. hinzu: „Hir sagen etzliche"' und weiter
unten: „DesgUchin sprechin etzliche".
I
I
I
I
I
49
währamänner zu Tage tritt, zeigt aieh auch sonst. Nie
versteigt er sich zu dem Versuche, de« Charakter eines
Landgrafen auf Grund eigener Erfahrung oder doch der
Kenntnis der Thaten desselben zu schildern ; wo sich
solch« CharaktHrzeichiiungen finden, wie z. ß. die Hein-
rich's I. (Monim. Hass. 1!, 424} und seines Sohnes Otto
(S. 452), Hermann's II. (S. 490 f.), Ludwig'» l (S. 519 f.),
sind sie ohne Zweifel den betreffenden Vorlagen ent-
nommen.
In dieser kompilatoriachen Thätigkeit des Ver-
fassers liegt auch der Grund für den Mangel an Eigen-
art, den die Sprache fast durchweg zeigt: auch hier
«klavische Abhängigkeit von seinen deutschen Vorlagen
und, wo er auf eigenen Füssen steht, abgesehen von
wenigen Ausnahmen dCirftigt^s Aneinanderreihen der
Thatsachen, das im stärksten Gegensatze zu der reichen
Gestaltungskraft eines Johannes Nohen oder der frischen
Darstellungsweiae eines Dietrich von Schacliten*^), seiner
Zeitgenossen, steht Lässt sich doch überhaupt in
beiden Chroniken kein einziges Mal die Anwendung
von Bildern oder irgendwelches Bemühen des Verfassers
um rhetorischen Schmuck nachweisen, kaum dass er
sich einmal herbeiläast, ein Sprichwort zu gebrauelien^').
Ueber die wissenschafdiche Bildung und den geis-
tigen Gesichtakreis des Chronisten sind wir zwar nicht
in Wünschenswerther Weise unterrichtet, doch geben
seine .\rbeiten immerhin einigiMi Aufschluss. Dass er
in Krfurt theologischen Studien obgelegen, ist bereits
gesagt worden; Spuren hiervon finden sich in seinen
Chroniken: er führt dort nicht nur öfter HibeLstell«u
an, die er dann zuweilen zum Ausgangspunkt für kür-
zere oder längere geistliche Betrachtungen und Ermah-
••) Vgl. ül)or Icl/ttren ü. Lorenz, Deutschlands Geschichfa-
qu«ll«u JP, % und die Allgoni. deutsche Biographie XXX, -iHG.
•') Ein »olclioM tinJot Mich z. B. bei Aynnann S. 14.
H. r. XV 11. Bd. 4
30
nmigen macht **). soDdem zeigt anch Bekanntschaft mit
txegtitisfch^ Schriften des Aagnstinas, Gr^orios und
Beda**): einmal nimmt er aaf das kanonische Recht
Bezug '''^;. Was seine hmnanistische BUdong betrifft,
so kann man daraas, dass er einige römische Aatoren
citirt, nicht aaf eingehende Stadien schliessen, denn die
oben genannten klassischen Schriftsteller sind durch-
weg solche, die das ganze Mittelalter kennt, aaf die
der Blick nicht erst darch die Hamanisten gelenkt
worden ist. Tiefere Kenntnisse auf diesem Gebiete
darf man selbstverständlich bei ihm nicht erwarten:
die Begriffe, die er vom Altertham hat, sind höchst
seltsamer Art and grfinden sich mehr aaf die von ihm
benatzten Lehrbücher der Weltgeschichte als aaf ein-
gehendes Stadiam der römischen Historiker selbst Dass
er die griechischen Schriftsteller, die er namhaft macht,
im Original gelesen habe, daran ist vollends nicht za
denken ""). Ueberhanpt steht er in dieser Hinsicht
genau aaf dem Standpunkte, den der mehrfach erwähnte
Koben einnimmt. Bei beiden findet sich nicht die
leiseste Spur einer dem Geiste der hereinbrechenden
neneren Zeit entsprechenden Auffassungsweise. Von
diesem Standpunkte aus betrachtet, könnten Gersten-
berg's Arbeiten recht gut zwei Jahrhunderte früher ent-
standen sein. Nicht anders steht es mit seinem Aber-
••) Vgl. Ayrmann S. 40, 47, 100, 103, 120, 131; Monim.
Hass. I, 44, 81, 110, 192 f., 194; II, 397 f.; Frankenb. Chron.
8p. 3, 70 u. 8. w. In den meisten Fällen fügt er dem Texte der
Vulgata eine gereimte Uebci'6et;sung bei, deren Verfasser er selbst
zu sein Hchoint; wenigstens gicbt er Monim. Hass. I. 49, 122 und
Ayrmann S. 16 f., 27 lateinische Verse und Ayrmann S. 36 so-
gar ein Citat aus Aristoteles in deutscheu Keimen wieder.
••) Ayrmann S. 4, 5, 30, 61.
•0«) Das. 8. 46.
!•>) Vergl. das lateinische Citat aus Aristoteles bei Ayr-
mann 8. 36.
61
und Wunderglauben. Auffallende Himmelserscheinungen
sind ihm Vorzeichen von allerlei verderblichen Ereig-
nissen, von Hungersnoth, Stauchen, Krieg u. s. w., und
die Wunder der hei!. Elisabeth erzählt er Dietrich von
Apolda ebenso treuherzig nach wie d«r Legende die des
Bruders Kurt von Ilirle.-sheim, des heil. Wigbert und
anderer. Mit dieser Autfassungsweise verträgt sich in-
des recht gut dio hohe Meinung, die er von der BucL-
druekerkunst hat'"*), und ebenso der Umstand, dass er
er! für nötliig eraclitet, in seiner thüringistdi-hessischon
Chronik auch der Entdtelmug deutscher Universitiit.en
karz zu gedenken '*'^).
Eine weitere Schwäche liegt in seijien etymolo-
gisch en Spielereien, mag er nun selbst der Urheber
oder nur der gläubige Nachbeter sein. Doch trifft
die.ser Vorwurf nicht Gerstenberg allein und snine Zeit-
genossen: mit nicht viel bussernu MittiHu machten sicli
später die humanistischen Geschichtschreiber — in
He.ssen Lanze — an die Aufgabe, alte Volks-, Per-
sonen- und Ortsnamen u. s. w. zu deuten und auf diese
Erklärungen hi.starische Schlüsse aufzubauen. Es ist
daher nicht gerade schlimm, wenn er die Stadt
Wannfried mit Winfried in Verbindung bringt und den
unweit davon liegenden Gehülfenberg seinen Namen
daher haben lässt, dass einat Bonifatius an dieser Stelle
gegen die heidnischen Sachsen giVttliche Hitfe erHeht
und erhalten habe'*"), wenn er fertn*r in die Nähe von
Hammenhausen ein altes Heiligthnm des Jnppiter Am-
ninnins verlegt u. a. m. '"").
Recht erfreulich ist dagegen sein Streben nach
Wahrheit und Gerechtigkeit, das ihn vor absichtlicher
'**) MoDiai. Ilass. 11, 645.
"») Vgl das. S. 498 (Hoidelbern), 504 (Küln), 6«>9 (Erfurt).
"•) Ayrtftatm S. 108.
'«•) KraDtenb. L'hron. Sp. 7.
.4*
62
Verdrehung der Thatsachen und vor jeder unbilligen
Parteinahme bewahrt hat. Es ist ihm wirklich Ernst
mit den Worten, die er im Eingange seiner grösseren
Chronik sich zum Grundsatze gemacht hat: „Darin
ist nichts unrecht eingesetzt noch unrecht abgebrochen
noch die meinunge verwandelt, sondern als die materien
und dinge verhandelt sein, rechtlich und in der war-
heit ufge^ch rieben" '*'^). Es fehlt ihm auch nicht an
Muth, seine Meinung selbst über fürstliche Persönlich-
keiten offen auszusprechen, wo andere es für zweck-
mässiger gehalten haben würden, zu schweigen: wie
nachdrücklich tadelt er z. B. die Jagdliebhaberei Wil-
helms III. und die Misswirthschaft während dessen
Minderjährigkeit, wie zieht er übur die Augendiener
und Schurken her, welche die Stadt Frankenberg um
ihr Eigenthum betrogen und es noch obendrein fertig
brachten, dass dieselbe bei dem jungen Fürsten in Un-
gnade fiel *'^^). Neben diesem schlichten und geraden
Sinn zieht uns sodann noch die reine Liebe und Ver-
ehrung an, die ihn mit dem angestammten Fürsten-
banse verbindet; nirgends in seinen Werken leiht er
zwar dieser Gesinnung lauten Ausdruck, aber sie ist
doch aus seiner ganzen Darstellung deutlich herauszu-
fühlen »"8).
"«) Ayrmann S. 8.
'«») Frankenb. Chron, Sp. 68 ff.
*'*) Nicht zum mindesten beruht dieselbe auf der hohen
Verehrung, die er der heil. Elisabeth entgegenbringt. Vgl. Monim.
Has.s. 11, 407, wo es heis.st: „. . . . nachdem es (sc. das Hcssen-
Isud) den rechtin erben gefulget hat al)» den horrn, die von dorn
heyligen liebe sent Elyzabetb undo von enne kunnigUchin eddelin
blude geborin sint. Das sint bynamen die irlucbten hochgeporoen
furstin undo herrn die eddeleu hertzogen von Brabant, die sich dan
hirnehist schriben lantgraven zu Hefien.''
63
VII.
erstenberg's Einfluss auf die spätere
hessische 0 e s c h i c h t s c h r e i h n n g.
Der Einfluss, welchen Gerbtenburg auf (\\e spä-
teren Darstpllutigen der hussischpn Geschichte ausgeübt
hat, ist sehr bedeutend; hierin kann dem Clironisten
höchstens noch der sogen. Sentkenheigisclie Annuymus
an die Seite gestellt werden "*•']. Zunächst schloKS sich
ilim Wigand Lanze in vielen Sliitken, wenn anch nicht
unbedingt und nicht ohne Zuhilfenahme, anderweitigen,
urkundlichen Materials an. Gerstenberg's Nachrichten
hilden gewissermassen den Grund.stock seiner Arbeit.
Noch stärker tritt er bei dem Verfasser der sog. Con-
.geries"") und weiterhin hei dem liessiscln^n Reim-
'chronisten in den Vordergrund'"), dessen Kr^ählung
der Hauptsache nach nichts weiter ist als eine Wiedergabe
G erstenberg's in seinen beiden Clironiken und des er-
wähnten Anonymus. Dies sind auch im wesentlichen
die Quellen des geistlosen Abschreibers Joseph I m~
hof"''). Reicheres Material hat dagegen wieder Wil-
helm Dilich "^J vorgelegen : neben Gerstenberg, dem er
besonders für das dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert
L.folgt, benutzte er den Anonymus und femer Lauze,
"*) H era.il s^ego bell von Serickenberg, Selcota juris ot histo-
riarum 111. 303 IT.. Diese Chronik ist, wie ich an oiciem amtcieii
Orte nadiÄiiiwei.scü i^edookc, oiclits weiter al.n eine Komitilatifju
aua vorsfhiüdcneii Arbeiten dos Johnanos Xolieii von Hersfeld.
'") Zuletzt hetiiu.sgeRebeu vou Xebelthatt in der Zeitschrift
für hess. Gesch. VII, 309 ff.
*") Zuletr.t Iierau.sgegcbcii von Adrian, Mittlioilungeii aus
HatidsLliiifteii und sclteuea Diuckworten S. 136 ff.
"*) Hcrjviisgcgeben vou Hermann Müller in der Zeitschr,
I. preusü. (.lesch. a. Landosk. XVIll, 389 f\.
'") ^gi- ''l>Pi' deuhclbflu J. CÜsar in der Zeitsciir, f. hess.
Gesch. N. F. VI, 3J3 ff. iiiiii in der .'^llgcin. deutschen Hingraphic
V. 225 f.
54
der hier überhaupt zum ersten Male zur Geltung
kommt, daneben hat er aber auch einzelne Nach-
richten, die unbekannten Quellenschrifteif entnommen
sein müssen. Auch bei dem letzten der hessischen
Chronisten, Joh. Just \V i n k e 1 m a n n, ist der Ein-
fluss Gerstenberg's noch deutlich wahrzunehmen, wenn-
gleich er in vieler Beziehung noch reichere Hilfs-
mittel zur Verfügung hatte als Diiich. Dieses Material
bestand indessen nicht etwa in neuentdeckten heimischen
Quellen, sondern mehr in Arbeiten, die inzwischen über
einzelne Punkte der Geschichte Hessens und besonders
der der Nachbarlande erschienen waren. Noch heute
ist Gerstenberg nicht selten die einzige Quelle, die für
wichtige Abschnitte der hessischen Vorzeit, wenn auch
nicht ausreichenden und untrüglichen, so doch immer-
hin dankenswerthen Aufschluss giebt.
Anhang.
I.
Wigand Oersietiberg an Balthasar Schratäenbach, Amt-
mann in Oicssen. Frankenberg 1517, Juni 30.
Gerstonberg bittet Schrautonbach, durch Fürsprache bei der Laod-
gräfin die Belohnung des Magisters Heinrich Solde mit dem
Altar der heil. Anna in der Pfarrkirche zu Fi-ankenberg zu
erwirken.
Dem ernvesten unde acbtbarn hern Baltasarn
Schrutenbach, amptman zun Gifpen, mynem fruntlichen
lieben hern*).
Ernvester unde achtbar her amptman, myn ge-
j-._ beet unde willigen dinst alletzyt zuvor. Lieber herre,
Jnniiealß ich itzt kortzlich tercia post Viti mit uwer vesti-
*) Aeussere Adresse.
56
keyd gen^tlj Imbft eynß altarP lialber sancte Anne ge-
wogen zum Frantkenberge in armario ecclesie paroclii-
alis, der prafsenh^ ninnibiis et siiigiilis i;omiHitatis by
2 gülden fallen hat unile nicht meer etc., nu hiddüt
difper geynwirtigftr ht-r Hiiirich Soldt? arcium niugistfr*)
umbe gt-nantun altar niide spriclu't \iv vvulle eii v;ist
bt^fl'fiii by nainen mit 20 guldi.*n liou[>tgelts. Uff das
nu der altar so gebessert mocht ivi.'rden. so wil ich
myner rfdde vergeflien und fallfn lat^eii uiidn bitt«
uwer ernvostikeid dem genanten hern Hiiiriche frunt-
licb unde furrlerlich zu «yii, das niyne giiedige frauw
zu Hessen i^a wulte giiediglichen mit genant<'m altar
verseben und presentirn. Wil ich utnbe uwer vestikeid
gerne verthinen. Herkennet god der iich lange tzyt
frolich »iiaren wuile. üatuni Frantkenberg terciu poat
Petri et Pauli anno domini MDXVII. JuniSO
üuigandus Gerstenberg genant [iodinbeiidc/" priestcr.
[firiginal. Staatsarchiv in Marburg.]
n.
Ein ancdtties StikJc der Fmitkr/ibin/rf Chruitik**).
In üiinderlieid so jjaiithin .sie die lüde unib« borti- S.3la
holtz. Ob das selbe lioltz wule bireken und« aspen
worin unde in dem vorliultze an dem fidde gehauvven was,
so sprochin dio .selielke sie ensultin nicht da adder da
hdUz hauwen ufF das »ie nicht das wiltpret veriageden.
Item [lanthiu si« die Itido das sie in den weiden ire
phee butten unde sprochin wie da.s wiltpret sulde das
graP essen. Alsu-s musten eich die lüde mit m\ umbe
die paijde vertragen. Abel- die öelbin sebelke hegeden
•) Studierlo 150,7 in Ei-furt. \g\. S/ötxcl a. a. o. S. 'M.
**) Enthüit Aio ausführlir;tiü ]»ai'stollim|j; ilpr Hpdruiiifnis der
Sladt, über die Faust in seiner Au-s^jabu S(i 69 (vgl. Aijrmnnn
S. fi7l) mit dou Worton liinwog geht: ,Alltue wil ich (jüeitjüLon,
was dei aJte cluoDiuus meldet . . ,"
66
die wustenunge unde die gronde enselbers, wante dy
gfibur niUKten eii das graip irmliin machin unde das
hauw hfyin fureii addnr verkotifftin das hauw. Jtem
darnach blebin die lüde mit deme mit d«iu (sie) phee
in dem Mdc, da quainun die dorffschultlieyl^in nnde die
lantkiiechte von Wulckerjydorff von Geil^mar von Rod-
deiia linde von andivrn gebiden unde panthin unde
slugin die hirten darnidder uiidi' sprochin das feit ge-
horte in ire ampt«. Hera darnach trebiri die lüde, das
phee in ire figin i'rpwel.>in al|^ uflF der Nune in der
Nuttze zu Feringepdorff zu Holtzhupin in dem Bech-
tüldel^heync und« di-r glichiji, do p<int«n die schelke
unde sprodiin wy dun die kuw« et'nn die eicheln die in
dy wepin gevallfln wereu von den eiehinboymen, wy
wole dicke und vile keyne eichele darselbis gewafl^en
war. Item panthin wie die lüde darum!)« das sie das
waft^er in ire wetUn karten unde sprochin die schelke
wy das die fische musten nterben darunibe das en das
wari3er n]\ der Edern unde uß der Nune getmuitnen
wurile unde dt^l.^ zuwenick hi'tttn. Item der schult-
heif^e von Rodeuauw nam sich an allep verthedings
unde bufpe biß in den bach tzuaschin dem Gorgenberge
nnde der Nuwenstad. Item der von Firmyn nam eß
sich au biL^ vor die Tzidderbrueken. Item der schult-
hei!3e von Gfil^rnar nam eJ3 sich ane bi(.^ widder die
gartini vor der OeijAmarjtortt'n. Item dif knechte zn
Wuickprl'ditrff nam^-n b\S aicli ane biH vor die Flatarcken
B. 32. wilcha dan alle gelogln was, naehdeme male Francken-
berg das eldeste sIo|3 unde ampt ist in all dufl^er
plege so mag man wul^^ mircken das ( eli auch dinst
gerechtikeyd unde zugehorunge liat. Audi mag man
fiulche login mircken, al(\ man dan beschrebin findet,
wie das bischoff Gerlach zu Meuttz habe den lantgraven
angesprochin umbe das nuwe halpgerichte (das itzunt
an der Margburger strafße stehit), wy das selbe sulte
nff dep bischofFa eygentlmm .stphin, iiiide so er das
»nicht mochte bybrengin, da bfhilt der lantgrave sulch
gerichte mit rechte*). Item was die stad adder der
raith zu schicken hatte da tzogin sich die hcrnknechte
jn unde machten ef* nach erem gevallen widder der
ßtad gemeynen nottz. Item namen der stad ire gemeyne
Iunde tzunten f>w yn. Mvm d'w sch^vlke fingen die lüde
in dem felde unde furtin sie ho sie cynen boyra fnnden,
da hingen sy die lüde unde worgetin sie unde schattz-
stin en ire narunge abe. Item die scihin schelke ver-
lettzstin die. bürgere in der stad und« tzogin sie in die
keller unde slugen sy darynne. Item die schelke fingen
die bürgere in der stad unde furtin sy geyn Margburg
in den torn. Item die schelke drungen die Inde das
sie sultiri ire toehtere unde ander frauwefnamen en
■ zu der ee geben unde dardnrch brochttn sie das fulck
auch umbe vil narunge. Item shigin sie die lüde uff
der straße in der stad ditriiidder unde stochtn sie uff
die kyrmeft.''fintage in der fryheyd. Ilem dio schelke
namen sich ane gei.stlicher dinge alt^ eesache unde
ander das alleyn vor die geistlicheid lioret unde ver-
drungen unde veriagedin die lüde. Item namen sie
sich ane die priesterachafft zu straffin unde namen den
priestern ir phee unde dadcn en vil uugemachs ane,
dartzti den terminarien unde den ordensluden al(l den
von Heyne von Wepintfelt vom jGorgenberge unde hir-
nehist den sustern unde legedin vil gewalt unde un-
recht» an die geistüchin lüde unde namen en ire na-
runge. Item die schelke unde jegere namen den von
FranckenhtTg zu tzween mala ir jihee unde musten eli
die lüde gar dur widder 1o|>in. Item namen sie den
bürgern Ire acker garten unde erbe mit gewalt. Item
namen sie den luden ire hemel u|^ den perehin. Item
I
•) Vgl. Frankenb. Chion. Sp. 43 (t. J. 1366J.
58
begingen sie vil schalkheyd mit den scheffern onde mit
iren banden. Item dadin die schelke den laden ver-
derplichin grof^en schaden an iren fruchten äff dem
felde, da sie dan steideß mit iren handen durch tzogen
zu faße unde zu pherde liffin ande ranthen unde ver-
terbetin die fruchte. Item gingen die schelke den
luden zu büße unde boden schoffe körn keße unde
alleß das die lüde in iren büßen hatten unde wer en
nicht gab, den belogin sie unde brochtin en tzehin-
falt darumbe.
-K>^-
Zweiter Abschnitt.
Einleitung.
Gerstenberg hat keineswegs in dem Masse wie
etwa Johannes Rothe auf dem Gebiete der thüringischen
Historiographie alles, was bis dabin über die heimische
Geschichte niedergeschrieben worden war, in seine
Chroniken herübergenommen, denn zwischen letzteren
und den Arbeiten des etwa gleichalterigen Johannes
Noben, der im ganzen dieselben Zeiten und dieselben
Personen behandelte, finden sich kaum einige dürftige
Berührungspunkte. Diese an sich befremdende Er-
scheinung hat ohne Zweifel darin ihren Grund, dass
der Hersfelder Chronist mehr aus niederhessischen
Quellen schöpfte, während Gerstenberg's Nachrichten zum
guten Theile aus Oberhessen stammen. Trotzdem ist
letzterer von grösserer Wichtigkeit für die Kenntnis der
hessischen, als Rothe für die der thüringischen Historio-
graphie, da Rothe's Quellen fast sämmtlich noch erhalten
59
eind, während dies bei dem hesssischon Chronisten
nicht zatrifft. G ersten herg's Bedeutung steigt aber
noch btütrikfit^ich, wsnn mau ihn mit st*in«'m fben ge-
nannten Ij;iridsm.innti! vergleiuht: er macht nämlich,
wenn auch nicht immer, so doch in den meisten Fällen
seine Qu^dlen namhaft und leistet somit gewi^sermassen
dafür Gewähr, dass, wie er auch ausdrücklich ver-
sichert, die geseliiclitliche Uebtrlieferuiig durch ihn
keine Trübung oder Kntetelliing erfahren hat "■*). Mag
er auch si'ine Vorlagen, wo »ie ihm wegen ihrer weit-
läufigen Fassung in die meist knappe Form seiner
Darhtellung nicht zu passen schienen, gekürzt und die
clironologischen Fragen bisweilt-n im Widers pnicli mit
seinen Quellen selbständig zn lösen versucht haben,
60 ist er trotzdem von ungleich höherer Bedeutung als
Nohe«, der nicht das geringste Gewicht auf Nara-
haftmachung setner Quellen legt und unn dadurch ausser
Stand setzt seine MittLeilungen nach dieser Seite hin
zu kontroliren. Gerstenberg giebt somit, um ea kurz
zu sagen, unter den hessischen Chronisten, von denen
hier überliaupt nur Wtgand Lanze und höchstenh noch
Wilhelm Dilich in Betracht koram<;n kötinen, das ver-
hältnismässig treneste und vollständigste Bild der älteren
Historiographie, und eints jede Untersuchung über letz-
tere wird von ihm auszugehen haben.
II.
Johanne» Riedesnl und seine Chronik.
Riedesel's Aufzeichnungen, die von 1333 bis etwa
1330 reichen "•'), beschäftigen sich, soweit dies aus den
'") 8. 0. S, 62.
"*) Auf diesen Etultorni in weist eine Reihe von Nat^hrichten
der Frankeob. Chmn. Sp. 38, wo am Schlüsse Riedesel und für einen
Theil der Mittheilungen die Lijnbvu'ger Chronik als Quelle aiit^egoben
ist. r>io Bemt'ikurjg über die W'iedeieinlÖBung von Frankenberg im
60
bei Gerstenberg erhaltenen Bruchstücken zu erkennen
ist, fast ausschliesslich mit der Geschichte des hes-
sischen Fürstenhauses : die Ankunft der Herzogin Sophie
von Brabant in Hessen, ihr und ihres Sohnes Empfang,
ihr Zug nach Thüringen, ihr vergebliches Bemühen am
die Erwerbung dieses Landes und schliesslich ihr Re-
giment in Hessen, — alles dies wird, z, Th. eingehend,
dargestellt. Dann wendet sich der Chronist den Thaten
Heinrich's I. zu und schildert mit besonderer Ausführ-
lichkeit die Streitigkeiten mit Mainz und die Säube-
rung des Landes von Raubschlössern ; weitläufig werden
auch die Zwistigkeiten zwischen dem Landgrafen und
seinem ältesten Sohne Otto und deren Beilegung er-
zählt. Otto, den Riedesel als einen weisen und milden
Herrscher preist, tritt dann ausschliesslich in den
Vordergrund, indem seine Fehden mit Mainz, Nassau
und Braunschweig eingehende Berücksichtigung finden.
Ausser kriegerischen Ereignissen erwähnt Riedesel hin
und wieder auch die Vergrösserung des Gebietes ^"), Ver-
träge "'), von den Landgrafen unternommene Bauten **'),
Theuerungen, Seuchen'*') u. s. w.
Ueber die Person des Chronisten wie über seine
Leben.szcit giebt Gerstenberg, der nichts weiter als den
Namen nennt, keinerlei Auskunft, und es wird schwer-
lich gelingen, hierüber völlige Klarheit zu schaffen,
wenngleich die von Gerstenberg mitgetheilten Bruch-
stücke aus der Chronik desselben einzelne, wenn auch
Jahre 1330 stammt ohne Zweifel aus Riedesel, während die Nach-
richt von dem TrefFea bei Gudonsberg (1360) der Limburger Chro-
nik entnommen ist, wie die Darstellung des letzteren Ereignisses
in OerstenborgR thüringisch-hessischer Chronik S. 481 f. beweist
>■«) MoDim. Hass. U, 432, 458.
>") Das. & 416, 429, 435, 439, 451, 456.
»«) Das. S. 412 f., 432, 448, 451, 457.
»'») Das. S. 413, 448 f.
61
dürftige und nur mit Vorsicht zu vcrwerthpiide An-
lialtsputikte bieten. Es finden sich niimlicU gi^wisse
Andeutimgpii, di« auf eine geraumti 7je'\i nach den Er-
eignissen erfulgtt^ Abfassung dtr Chronik hinweisen;
indeBsen ist von vornhprfiin die MögUchk«it niclit ganz
ausgeschlossen, dass dieselben in dnr Vorlag« «ich nicht
fanden, sondern Zusätze Gerstftnberg's sind.
Zunächst ist es selbstverständlich, dass Uiedesel
nicht die ganze von ihm behandelte Zeit Ivoti einem
Jahrhundert} erk-bt hab«in kann ; sodann findet sich
üj[>erhaupt in sämmtlichen Bruchstücken keine einzige
Andeutung, dasss der Verfasser einmal als Aiige.nzeug«
berichtet, wenn schon einzelne Vorgänge ziemlich ein-
gehend geschildert werden: man vergleiche Moniin.
Hass. II, 41 ü — 418 die Erzählung von dem Schwüre des
Markgrafen Heinrich und seiner Mannten und S. 427 — 429,
besujidwa 429, die Darstellung des Sieges Heinrjch's 1.
über Erzbischof Werner von ilainz (1277). — Die für
unsern Zweck hauptsäcldich in Betracht kommenden
Stellen sind f(ilg*-nde :
S. 378 heisst es zum Jahre 1232 von Fritzlar:
„want all< Johan Kytefsel schribet in syner crtniic^ken,
80 was dit^ fstad vorhitine gro|ier dan sie itzund ist."
Ohne Zweifel beziejit sich dies nicht auf eine Be-
sehreibung Fritzlar*» durch Riedesel, sondern nur
auf eine gelegeiitliilic llem''rkuiig desselben über den
Umfang der Stadt vor seiner Zeit.
S. 383 berichtet Riedesel von der Verbrennung
der Ketzer hinter dem Marburger Schlosse und fahrt
fort: ,, darumbe hei(>et es noch in der
Ketzerbiich'*.
S. 399: „Unde darumbe ao wart dem frumnieii
jungen herrn {hc. Lamh/raf Herman7i rou Thüringen) von
deji eddelhiten vergeben unde man .sprichst, ep
sie zu Wetter gescheeii. Atsus schribet Johannes Hyd-
62
eJJel in sinpr ciünk;ken." Dies können nur Worte
Riedfsels sBJn, d«r, sicli auf Hörensagen 8tUtzi*nd, eine
falsche Angabe macht, dfr'nn thatäächlicli starb Her-
mann in Kreuzburg.
Ö. 412: „ uude (sc. Sophie) undörstunt eyo
nuwe 8lo8 uff eyneu bergk gftj'ii Blancksteyu zu buwen
unde lieiliit nacli hnde bitage ufT der Nuwen-
burg."
S. 416; „ unde (sc. Sophie) versatzste eme
die jjtad Wildungen vor 7U0 inarg aweren phennige,
wilche htiid '/Ai vil getzyten ist geheit^chin wurden widd^r
zum lande zu Heßen zu stellen^ das daniioch nicht
gesclieeii ist. Alsiis schriDet Joliann Rytef^el in sein«
cronicken." Zunächst irrt der Ghroni.st hinsichtlich der
Verpfändung von Wildungen durch Sophie : vgl. Rommcl^
lies«. Gösch. I, 31 fi f. und Vaitduujvit, Grundlagen der
waldeekischen Gesch. 1, BOl — 3üH. Ferner wurden,
Hoviel bekannt, die hessischen Ansprüche auf die ge-
nannte Stadt nach 1294 erst wieder lJi47 und 1368
geltend geraadit'*").
S. 462 f. jst (z. J. 1327) von einer Niederlage
der Mnrburger Bürger die Rede. Der Chronist fahrt
dann fort: „DuJ3 geschach al.s man schreib nacli gots
geburt 1327 jare uff sontag vor pinx.sten genant Exaudi,
unde er bleib so vil toit, das man nach alle jare
ders eibin begenckenilie lieldet mit vigilien
unde seleraeljen zu den predigerherrn zu
Margburg." Dieses und das gleich darauf folgende
Datum (uff unsers hern lichenams tag) sind die einzigen
genauen Zeitbestimmungen, welche in den von Gersten-
berg angeblich aus Riedesel entlehnttin Stücken vor-
kommen.
Die mitgetlieilten Stellen zeigen, falls sie von
Riedesel selbst herrühren, was bei den meisten wahr-
•«•) Rommel, a. a. 0. 11. Aom. S. 67.
I
63
scheinüch ist, aber durchaus nicht sicher nachgowieseft
werden kann '^'), und iiiclit Zusätze und Bemerkungen
Gerstftnbergs sind, dass die Nachrichten geraum*» Zeit
nach den Ereignissen und nicht gleichzeitig mit diesen
' niedergeschrieben wurden.
Für eine spätere Abfasfiung der Riüdesftl'schen
Chronik sprechen bestimmter die Uligenauigkeiten, die
sich zuweilen finden: schon oben wurde auf den Irr-
tham hinsichtlich der Verpfandung von Wildungen
hingewiesen; auch leidet die Darstellung de.s hessisch-
thüringischen Erbfülgestreites an erheblichen Älitngelu '-").
Ebenso äussert sich Riedesel in einzelnen Fällen über
den Inhalt von Verträgen nicht in alli-n Stücken zu-
treffend '^=*).
Ziehen wir ans dem Gesagten den Schlus.s, so ist
es walirscheinlich, dasa die Abfassung der Clironik ge-
raume Zeit, vielleicht einige Jahrzehnte nach 1330 fällt.
Die Quellen mögen grossentlieil.s mündliche, in einzelnmi
Fällen auch scliriftliclie geweaen sein; manches hat
Riedesel wohl auch selbst miterlebt.
Ueber die Person des Verfassers wissen wir nichts
Sicheres. In den hessischen Urkunden aus dem letzten
Jahrzehnt des dreizehnten und der er.sten Hälfte de.s
vienieiniten Jahrhundert-^ wird unter den Zeugen häutig
ein Johannes Riedesel, meist mit der Bezeichnung
miles oder Ritter, gitnaunt '''^"j. Ob wir es hier mit
"'j Zji'lit man in üetiacht, das.'i Gersteuberg eine Zeit lang
als Priester iu Waiburg lebte, so gewinnt die Annalitno goliv an
\Vahrsclieiulicliktit, dass weJiigstonK die oben niilgethcilte Notiz
von den Vigiliou und Hecleiime.ssoii, die doit aJljiiliiiiirh für die
Gefallenen gehalteü werden, von ilim lieirülirt. Vergl. S. &<.KJ die
BeuiHikuug über citiu [*ii)iätli(:lie Abüohitioii, „dio man m Uargburg
nach hüt."
'") Vgl. Ilffen und Vogel a. a. Ü. ö. 157 und 178.
'") Siehe dio Auüfübrungen Am Schlüsse dieses Kapitels,
"') Ein Job. Riede»el kouiiut meines Wiüseos zuerst im
Jahre 1245 vor, wo er als miles üctieiclinet wird (Wenck 111. Ur-
einer oder mehreren Personen zu thun haben, kommt
für unsere Zwecke ebensowenig in Betracht, wie die
F'rage, welcher Ritter Johannes Riedese! der Vater eines
gleichnamigen Geistlichen war, der zwischen 1334 und
1341 als Hofmeister (*ines Grafen von Ziegenhain mit"
einem Emi>fehlungsschreiben und wichtigen Aufträgen
des Landgrafen Heinrieh 11. zum Papste Benedikt Xll.
reiste ^^^). An und für sich kann sowohl der Geistliche
kundb. nr. CXCll); leiner 1296 (das. II. ürkdb. nr. CCXXXIX).
1297 ida-i. III. nr. CXC'VI; IJ. or. (XXL u CCXLII), 1304 (d«s.
ur. CCLIV), 1312 (das. nr. CCLXXIl als iniit>a), 1321 (Hess. Ur-
kuDd«?ubucli, Ijerausgeg. von Artkur Wyss 11. nr. 3',>2 : JoUnune»
niiieä fogiiüiniiiatuä Kitesel mit zwei Sijbuou JuhaaQ und Heinrich;
erwähnt werden aiig.seidem minderjälirige Sohne und Tochter des
er^teron), 1328 (Hohs Urkundt-a, herausgeg, von Ludteig liaitr,
1. ui. 021: HträDuu.s niilc.s' Juliaunes dictum i^itliesil; hier weiden
auch die (reuen llienste erwiihiit, die die!»er dem Land^tafeii Otto
leiirtcte), 13:^) (das. nr. 739: Johannes Hythesel iiiilüs), 1333 tlexs.
Urkuiidb. 11. nr 5W: her Johan ßyetcfvcl lyttere und her JoiiAii
Ryetesel pherner zu ürÜiieubörg), 1333 (das. nr. 5S8: stretmus et
faniosus vir dominus Juhanueu liytUe^ii miles; dessou GaltiuueD
liedwifj und Meditilde), I33(i (da.s. nr. 630: älrauuus wile>> domi-
nus Johaniiüh dictua Kithesilji, I33ö (H'etjri- II. ur. CtVXXXllf:
Hcn- Joli. KyeleKcl, ritter), 1337 {Bruekner^ Heiiueb«rg. Urkuudoo-
buch IJ, nr. XLVI: Johan liiothobil. rittui | AuHscideui erwähut
Landau, liitlerl)uit;en IV, 2 aun iSÜfl einen Hitter Joliauues Kied-
esiel als •St-hultliuisseu von Franti^nherg, sowie desseo Oeuiahliu
Hedwig. Klieiiso war ein Johaiinos KieiJesel als Schiedsrichter hei
den Streitigkeiten Äwitsehen I^audgrnf Utto und Erzliischot MatthJU
von Mainz lelheiligt: vgl. die Urkunde vom Jahre 1324 bei
Ö»K/f«Hx, Cod. diplüiii, tum. III. II. 219. Eine audere Person ist wokil
der 1353 vorkoinnieiiJe Johann Kicdefiel, Sohn des Johanu, ge-
nannt vou der IJunt7.{iai;h (Hes.t. rikiindl. 11. ur. 888) uud der in
einer Urkunde v. J. ]3ü9 oiwiiliüte Ritter Johann Kiedesel, Amt-
mann in Homberg a, d. Ohm {da«, nr. |)87). Mit letzterem scheint
der hitler Joh. Riedescl identisch xu «ein, der urkundliuh (bei
Baur, Hess, Urkunden 1. ur. 920, Note zu nr. U41u. zu ur. 1039)
iu den Jahren 1357. 1361 uod 1370 vorkommt.
•") Das Schreiben int gedruckt bei Schamttit, Viudem. lit-
I
I
I
I
I
I
der Ritter Verfasser einer Chronik sein '^*'), denn es
ist, wie die Geschichte der deutschen Historiographie
im Mittelalter zeigt, nichts ungewöhnliches, dasa vor-
nehme Laien in vorgerückten Jahren geschichtliche Auf-
zeichnungen machen. Es hat sogar die Annahme viel
für sich, derjenige Johannes RiHdesul möcEite der Chronist
sein, der das besondere Vertraunn dHs Landgrafen Otto
besass und von ihm zum Schiedsrichter iji den Streitig-
keiten mit Mainz bestellt wurde, der ferner nach dem
Bekenntnis Heinricli's II. dessen Vater Otto zahlreiche
wichtige Dienste ieistete; diese Vermuthung gewinnt
sehr an Wahrsclieinlichkeitj wenn man in Betracht
zieht, dass der Chronist das Bild Otto's besonders
scharf zeichnet und ihn trotz der Streitigkeiten mit
seinem Vater als gottesfürchtigen Mann und trefHichen
Fürsten [ireist.
Ebenso schwirrig zu beantworten ist die Frage
nach der ursprünglichen Gestalt und dem Umfange der
Chronik. Gerstenberg citirt dieselbe in seiner thürin-
gisch-he-ssischen Chronik 3(J mal und mit einer Aus-
nahme nur in .solchen Fällen, wo es sich um hessische,
bezw. thüringisch -hessische Verhältnisse handelt"').
terar. Coli. 11, 126 f. Dei- Hofmeister wird das, S. 127 als Jo-
httnnes nntus Johaiinis Ryetese! miliüs bcaetuhuet.
""j Auf dic'M Möglichtoit weist UcjicA-, fles.s. Laadesge&ch,
I. ^. VIU und Not» 1 liJD. Vfrgl. auch Q. Landau, Die hess.
KittcrburgeD und ihie Besit^cer IV, 2.
'«) MouJm. Uass. 11, 378, :^84, 399, 411, 412, 413 (2 mal),
416 (2 mal), 418. 4'i4, 429, 431, 4»-» (2 mal), 434, 435, 43ß, 437,
439, 445, 448, 449, 451, 4ft3, 457 (2 mal>, 4f^, 462, 4(13. Auch
in der FiBukeiib. Chronik wird Sp. 25 (wo Hiodesers »nistoiie"
oder „Flistorjen* citiil woi-don), 27, 30 (wo dor Herauüjjeber die
Quellenangabe auagelasson hat), 32, 37 und 38 auf lüedesol Bezug
genommen , SilmmÜicheStcllou komineu abgesehen von der letzten
auch und zwar in aiisliihtliehcrcr Fassung in der tliür .-Ivpü'*. Chro-
nik vor. Doch hat üoi-stenberg, wie die» schon aus dem Umstand
N. r. Bd. XVII. 5
66
Da Gerstenberg in seiner Chronik nicht selten auch
Dinge berührt, die zu seiner eigentlichen Aufgabe nicht
in Beziehung stehen '*"), »o kann man wohl annehmen,
dass er Riedesel anch bezüglich anderer als hessischer
Angelegenheiten hier and da zu Rathe gezogen haben
würde, wenn dieser sich nicht fast ganz auf Hessen
beschränkt hätte. Es ist also Riedesers Chronik wohl
eine hessische, und nur der Anknüpfung wegen werden
in ihr, wie auch Wenck vermuthet '-^), die letzten Zeiten
der thüringischen Herrschaft über Hessen behandelt '•*).
Nicht leicht ist es dagegen wieder, über den Umfang
der Chronik etwas Gewisses zu sagen, denn Gersteu-
berg citirt Riedesel nicht Jahr für Jahr, sondern mit
Unterbrechungen, so z. B. 1242, 1246, 1247, 1250,
1277, 1286, 1288, 1293. Bei einer Chronik, die wie
die Limburger naturgemäss Vieles bringen muss, was
Gerstenberg für seine Arbeit nicht verwerthen konnte,
wäre ein solches Verfahren des letzteren keineswegs auf-
fallend, aber Riedesel gegenüber liegt die Sache anders.
Entweder hat die Chronik des letzteren nicht viel mehr
enthalten als das, was Gerstenberg wiedergiebt, oder
dieser hat da, wo sich zugleich bei Riedese] und bei
anderen Chronisten Berichte über dieselben Ereignissi
fanden, mitunter nur letztere benutzt. Ks wäre aber
jedenfalls auffallend, wenn Gerstenberg über hessische
hetvorjijeht, äasa eine aus Riodesel eutlehiito Stelle der Fraiikon-
Lerger l'hroiuk in seux-r groBsmcn ArlK?it nicht nachgewiesen
worden kann, nicht die befieiTcnden Stellen seines ertitgoiiaunten
Werke» aux der rhür.-lioi^ Clirunik veikürzt lieriiborgfiiomuieo.
»«•) 8, 0. S. 25 und 31.
"») A. a. 0. p, VUI,
'*<') AbgeHetit'n von der Monini, Haüs, II, 378 sich Gudendeu
Stelle üIkt Fritzlar, die niugliclierwuise im Zusamuioulmrig mit der
Eroberung der Stadt dureh Landgraf Koniad (t232) stellt, ist S,38.1
vüu Koorad von Marburg und S. 399 von Landgraf Qenuaua von
Thüringen und dessen Tüd die Rede.
I
I
I
I
Verhältnisse in erster Linie nicht Riedesel zu Rathe
gezogen hätte, vorausgesetzt, dass dieser Auskunft geben
konnte. Auf der anderen Seite wieder darf man nicht
ausser Acht lassen, dass Gerstenberg häutig ganz über
seine Quellen schweigt oder es versäumt, bei überein-
stimmenden Angaben versehiedener Gewährsmänner die
Berichte derselben auseinanderzuhalten*^'); bisweilen
nennt er, wo er zwei Vorlagen hatte, nur eine '*''), und
nnr einmal, bei starker Abweichung Rii-deseVs von der
Thüringer Chronik, merkt er dies ausdrücklich an '**). Es
ist also recht gut möglich, dass er hier und da Riedesel's
Nachrichten allein oder vermischt mit Bestandtheilen
anderer Quellen benutzt hat, ohne hiervon Mittheilung
zu machen. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin,
dass wir gar nicht in der Lage sind, bestimmt nachzu-
weisen, wieweit Gerstenberg seine Vorlagen gekürzt
wiedergegeben hat ^^). Wenn auch die knappe Fassang
der Limburger Chronik von letzterem im Ganzen unver-
ändert gelassen wurde, bedingt dies keineswegs ein
ähnliches Verfahren des Chronisten in Bezug auf die
eingehendere Darstellung in der Arbeit Riedesel's. —
Neben Gerstenberg muss auch Lauze ans Riedesel
geschöpft haben. Lauze pflegt im Gegensatz zu den
früheren Partieeti seiner Chronik bei der Darstellung
der hessischen Geschichte seit Heinrich L seine Vorlagen
»ehr selten zu nennen '^*l ; nur wo er bekannte und
"') Vgl. Moniin. Haas. U, 412, 415, 431, 449 u. o. 8. 40 f.
»•*) Vgl. z. B. thiir.-besfi. Clnxm. a. a. 0. S. 4W f. (,Nu
woriu olzlicbo — tzweydim-ht^) mit Frautenti. Chron. S|j, 27. la
letzterer wird Hiede.sel, in «■rstorer die Thüringer Chrouik als
Quelle angegeben.
>•*) Monioi. Hiws. II, 399. \^l o, S. 44.
'=■♦) Pass er übciiiaupt (gekürzt hat, ist Ö. 37 bereib» orwähnt.
'"*) ^'gl- <löß ei"steij, ooch ungedruckten Band soiner Chro-
nik. Die Ori^ittalbaudaLbrift ist iu der Stand. Landesbibliothek in
Kauäul (Mas. llu.s.s. in lol. ur. 1).
5*
berülimte Namen wie Nauclerus, Irpnicus, Brusciuns
u. s. w. aufzählen kann, verschmäht er «s auth liit-r
iiiclit. Aeuf^scrt ft sich nhrr einmal über eine Qui'IIh,
bü thut er dies in der Regel ziemlich allgemein. S. 247
fipritht er V(»n hes&iiöchrii Jahrbüchern. S. 239 von einer
fuldischen Chronik, 8. 2äU vfiri einem fuldischeii Chrono-
graphen; anderwärts wieder neunter zwar Namen, ver-
säumt es aber, den Titel des betreffenden VV^erkes be-
Htimmter anzugeben. Kinige Male erwähnt er Johannes
Nohen von Hersfekl, aber nur an »iner Stelle bezeichnet
er die Vorlage genauer '^"^l ; Gerstenberg, den er neben
Neben sehr häufig benutzt hat, nennt er im ganzen
nur 4 mal '^'), wo er, nach dem Inhalt der Citate zu
urtheiien, dessen thüringisüh-bessische Chronik im Auge
gehabt haben muss. Da nun Rieile.sel nirgends von ihm
erwähnt wird, so hegt ziiniiulist freilieli die Aiinalinie
nahe, das8 da, wo Lauze mit dem genannten Clu'cMUKten
übereinstimmt, Gerstenberg der Vermittler i.-it. Tliat-
sächlich lassen sicIj die meisten 8tüeke bei Lauze, die
nur aus Riedesel htanimeu küiinen, nahezu in der
gleiclien Fassung bei Gerstenherg naebwt-isen. Einmal
nennt Lauze letzteren sogar als IJuelle, wo sicli dieser
auf Riedesel beruft. Itides.sen ist zu bemerken, dass
Lauze hier, wie sich aus natlisteheiHler Zusammen-
stellung ergiebt, vielfach doch vom seiner Vurlage ab-
weicht und noch anderweitige Quellen gehabt haben
muss.
Gerstenberg (Monim.
Hass. 11, im f.).
Bie dißen getzyten wo-
ren in dem lande zu Heßen
vjlti roupstoße uude niort-
kuten, die dan ire leben»
>») iS. 290a.
>") S. 29 a, 95 a, 2ä6, 240 a,
Lauze I, 240a.
Ümb diese zeit waren
irer noch viel vom adel iin
land zu Hessen, welche aih^
freiherru sein und ire leben
nicht «mbe den forsten ent-
phaen wulden, sundcrn si«
wnrexi des tants fygent, etz-
liclu' uffenberliclip, ftzlithc
heymclichiii, dii' b»'.streid
dpr lantgrave uruli' {jcwim
sie, ntzlicht! brfuii iT zu
grundü nidder, e.tzliclif. he-
satzste er mit den syn^'n
unde in sunderheit doße
nachgeschrebin 18 sloße
Rlancksteyii , die t^wi-y
HfjeiitVKJi'he, diu tzn'cy Gu-
dt'nbevg*', den Keßeberg
uff dßi- Eddern, Aldetiburg,
Rulkirehen, Rudellien,
Swartzenberg, Helftinberg,
Wulffeshiißen, Ruckers-
bußen, Landeßhurg, Czi-
genberg, Pederßbsyn, IJl-
richsteyn unde Eyßenbach.
Alstis schribet Johan Ryt-
eße! in syner chronicken.
vom hnidgraven nicht era-
phoen wolten, denn sie
battcn znvor, da die land-
.scdiafft. nne ein gewiß liatibt
gewesen, viel dnrffer zu
sich gezogen, welclie ima
(yic) fuistenthumb und
«itbt iiu'U zugehürteii. der-
halbeii hat sie der land-
grave überzogen und aus
dem lande vertrieben, und
werden fiirnemlirli diese
von herv Wigaiid Htwlen-
bendern vom FrJinckenberg
bejietit : Wolffe von tiuden-
berg, die Gieren von Guden-
lierg, die Reseu von Guden-
Uerg, die von Blaivf.ken-
stein, Keiserberger, Ruel-
kircber, HelfFenberger, Ul-
richsteiner, Ei wen bet her und
andere mehr, die Guden-
berger für sich -sei ha liaben
getlian wa« sie schuldig
waren und seinil im lande
blieben, dergleitheti auch
die Wolffe von Gudeiiberg,
aber die Resen und Gieren
seind an Rheinätraum kö-
rnen, die anderen haben
sich in andere lender bge-
ben {sie) müssen.
Wichtiger sind zwei andere Stellen bei Lanze
(S. 240 f. und 243 f.), wo dieser ausführlicher aU Ried-
esel bei Gerstenberg (S. 427 ff., 456 f. und 462 f.) ist
und in Einzelheiten von letzterem abweicht. Es liegt
alfjo die Frage nahe: hat Lauze hier Kiedesel in an-
derer Gestalt vor sich gehabt als in der Fassung bei
Gerstenberg, oder hat er noch anderweitiges Quellen-
70
material benutzt und auf Grund desselben die Erzählung
Riedesel-GerstHnberg's vervollständigt, bezw. bprichtigt?]
Btitrat'htt'n wir zunächst die zweite 8t(^llH, welclie
Nachricht<^n über den Zwist Landgraf Otto's mit Erz-
bischof Mathias hinsichtlich der mainzischen Lfihen in
Hpssfn enthält. Lauz«' hat hier, vvip hs auf den prsten
Bück scheint, Riedesel-Gerstenberg vor sich geliabt, seine
ausführliche Erzühliing ist indes, wie die nachstehende
Zusammenstellung zeigt, daneben z. Th. wenigstens
aus anderen Quellen gefjo.ssen, mögen dies nun Urkunden
oder eine auf tetzteren beruhende Diirstelhmg geweben
sein.
Geretenberg.
S. 456 f.
Darnach sprach der
bischoff[ Peter] Widder dißen
fursten »ne nmb»^ die leen-
sehafft die lantgrave Jolmn
vooi stifft zu Mcntz gehabt
hatte unde sprach : nach-
dem male syn bruder sun-
der libes erben verMtorhen
were und« dii-s lant ver-
teilt were, so weren die
lehene dem stiffte ledig-
lichin verfallen.
80 entwerte der huit-
grave, wy das das hnit
unde die lehenschafft nach
nye verdeylt geweat were,
snndern syn vater seliger
hette tzußchen en ejTie
mutschar gemacht, auch
ob es schone verdeilt ge-
Lauze I, 243 f.
Anno etc. 1323.
Das 7. Capitel.
Mathian grave von Buch-
eck eiu Hurgtindier und
moncli S. Henedicti ordens
zu Maurbach im Elsaß,
volgents ertzbi.sclioff zil
Meintze, kam auf den whan,
noehdem weiland landgrave
Johan ojie manliche leibcs-
erben v<'rstorbeji, weren
seine tehen so er und seine
Voreltern von dem bisthumb
Meintze zu leben getragen,
ime und gemeltem ertjsstifft
als vertedigte lehen heim-
gefalleri. dagegen hielt es
der landgrave dofur: weil
angezeigte lehen durch
recbtmessige und besten-
dige erbscbafft an seine
Voreltern kommen, davon
er auch allerlei alter und
glaubwirdiger urkhunde für
konte legen, das dorzu in
71
I
West were {des doch nicht
was), 60 hoefte he das in
rechtin nicht herkant sulde
werden, das eynsr an libes
erben stoi'be der eynen
naturliehim lebeiiigfii bm-
der naL'ii eme li|H', ydoch
so wuitä he s>ynLi rechtin
by dem Romschin riche
bliben .
Alsus sthribet Joban Rit-
eßel in synt-r cronicken.
S. 462.
Bisctiotf Älathias von
Mentz (alß Johan Riteßel
schribet in siner throni-
cken) herweckede widder
uff die Sache mit den lehin-
gutern die lantgrave Johan
gehabt hatte, a(ß vor ge-
schrebin stehit, unde ge-
dochte alletzyt darnach, wie
he die hintgraven gantz
verdiigen mochtt: unde das
laut zu Hessen in sine ge-
walt brengiji mociite.
Unde*j hat der vorgen.
unser herre erzebischot" zu
Menze unde wir mit trnweti
gelobt u. zu den heiligen
gesworn stede u. veste zu
haltende an alle geverde
dissen iegenwortigen brief
unde wie uns die vorge-
nanten sunlute richten
nach minne oder nach
reichte also da vorgeäcliri-
ben stat.
der Separation oder mut-
scherung so er etwan mit
seinem brnder Joiian ge-
halten ausdruglich vorbe-
halten were, das alle lehen
ein samptlehen sein und
bleiben solte.n und sie also
keine erbliche division oder
todttheyhing gethan und
er nu one manliche lehens-
erben verscheiden were, er
als ein rechter erbe dorzu
und solchs lehen an inen
devolvirt und noch nicht
für verledigte lehen zu
halten.
Zuletst kam es dohin,
das beide partheien auf
nachben ente putliche under-
handler bewilligten: Emi-
chen graven zu Nassaw,
heren Wenceßlaum von
Cleen burggraven zu Fried-
berg in der Wi-di-raw und
andere mehr.
verhiessen auch zu beiden
tlieilen, \va.s die in solchen
irrungeu ansprechen, dor-
bei solte es jede parthei one
Weiterung bleiben lossen.
•) Oudenim, Cod. Diiilom. III. p. 220 (Urkunde vom 12. Juli
1324. Uor Erzbischof und der Landgraf vereinigen sich tber die
zu erwählenden ^chiodäriuhtcij.
72
. . .Wir*) grefe Emiche
von Nassau . . . und wir
Wenzel von Clwn biirg-
graf« zu FriRdeberg und
Bernhart von Guus ritlert!
. . . ratlutn und si;h«idH,lut»'
^ekorn umb dit- lfli(*«i uixl
gut di<! de vnrgt-riHnt*? *'itÄ-
bisclifjff zu Minifzi' fitrdf'rt
und spricht, flas sio ihme
und seinem stifte von Innt-
grefen Johannes tode wt^gen
ledig werten siut und an
in und seinem stifti* li'dt-g-
lich (erstorben, diu der vor-
nante lautgref»* Ot.te be-
sizt't und innt! ht4 sit sin es
brnders huitgri-fen Johan-
nes tod. spreche nt und er-
teilent uf unsern cit mit
diesem bricfe, das (h-t vor-
genante hmtgrefe Otte in
den vorgenanten leben und
gut öizen sol. und wil in
der vorgenante ertzbischof
dorumbe ansprechen und
beteigedingen, so zal er dem
vorgenanten lantgrefen Otte
für sine man tag mahnen
als recht ist um! was die
ertuilent, das zol er liden
und stete halten . . .
dorauf sprechen diesel-
bigen nu also auß, das
der landgrave Otto billich
bei allen lehen seines
vatters und auch deren
so weiland landgrave Jo-
han inue gehabt und ver-
lossen so lange solte ge-
lossen werden, biß der
von Meintze inen mit ei-
nem bessern rechte davon
tribhe. da nur» dem bi-
schofF dieser sentenz nicht
gefeilig, mochte er den
landgraven für seinen man-
gericht furnemen und von
deme weiters bescheids ge- j
wertig sein.
•) Schmincke, lle auperarbitrijs Beilage 11. und Ouf/cwi« 1. c.
p. 226 (Aus dein Schied.ssprucho Eiuirbo'» von Nassau, Weüzel'e
von Cloen und Bernhard's von Qüas: Eylohe bei Amöneburg, S,
Mailinüabead (Nov. lO.J 1324).
HHIHl^^E ■
^^^V
^H
^^^^L . . . Des *) quam ich
Hieran wolte der bisclioff ^M
^^^H^ieo zu Amenborg uff S.
nicht benug«t Hi'in, vergaß ^H
^^^^fMeriens tag, du sprach myn
aller znsa^H und citirto dif^ ^^H
^^^^H hfrregrevf Emiche f^r helte
benf^nten sclu-idsrichter al- ^^^H
^^^■('yn brj'v la^spn ^uht-yb^n,
lesampt gc-n AiiH'lbcrg und ^^^|
^^^Hden &olt ich besigihi. du
begerte an die.selbigf^ii iim; ^^^|
^^^^B sprach ich: herre das tntiin
solch«8 »prnch.s «'in mklp- ^^^H
^^^V ich nicht, ich Itizal is von
rung zu thuen. als nn die ^^^|
^V rechte nicht, tun . . . dps
schnidsrichtir'r crsr-bfini^n ^^^H
^^^H lud mich min herre von
und des biijchojfs mi::innng ^^^H
^^^HMfntze darumb au sin gei.>jt-
hatten angfhort^ weigcrtt^n ^^^|
^^^^ licli gerichte zu Mantae . . .
.sie sich weiter erklernng ^^^|
^M und drang mich diirzu mit
zu thuen und liesst^n es ^^^H
^M bannp den !nr an mich K^gte,
bei getlianem anB.s[)roch, ^^^H
^H da.s ich den bryff . . . bu-
den der landgrave Vu4l du- ^^^|
^M sigihv rauste mit myme, in-
wider p rötest iren und be- ^^^|
^M gesigil widder minen willen.
.Htendige Ursachen anzeigen, ^^^|
worumb sie solclier ^^^|
Sachen weiter nicht betten ^^^H
KU erkennen, jedoch ward ^^^H
am leisten grave Einicho ^^^|
uberredt das er dem bischoff ^^^|
zu willen sein wolte, aber ^^^|
der burggravH von Fried- ^^^|
berg bh'ib istetf bei vor- ^^^|
gesehener abrede, derhal- ^^^|
ben hie.sch inen der bischoff ^^^|
ghen Meintze und da der ^^^|
burggrave ausäanblt^ib, ^^^|
sprach inen der bischoif zu ^^^|
banne. solte er davon ^^^|
wider erlediget werden, so ^^^|
muste er .>iingen wie es der ^^^|
hischoiT haben wolte. ^^^|
^M und das8 alle lüde dy dyssen
Nichts desteweniger be- ^^^|
^M hryff seh in oder horin lesen
klagte äich hernach in ei- ^^^|
^M disse vorgeschr. rede wissen
nem öffentlichen au (^schrei- ^^^|
^M und d^ste ba.ss glouben
ben angeregter burggrave ^^^|
^M mögen, so liab ich . . .
solches hohen gewalts so ^^^|
ill (Erkliirung de» Bui^grafen ^^^H
^H *\ ScAmincke a. a 0. Beilage
H Weuzet VQD Cleeu |1327 Kobr. 2Jj
^^^1
74
Gerstenberg S. 462.
uode hat eynen grof^en krig
mit dem lantgraTen ange-
fangin ande thet eme vil
veidrißes ane. za eyner
tsjt ninthin die sinen vor
Marparg ande fingen die
lade in der porten ande
fürten sie dor den Loynberg
ande namen aach midde
was sie von phee betxaden.
da tzogin die von Marg-
borg nach biß vor Amene-
barg. da wantin sie sich
dy figende ande hattin ey-
nen hinderhalt ande siagin
ande hiben sich, so das
die von Margbarg nidder
lagin ande worden jemer-
lich hermordet herslagin
nnde gefangin. daß ge-
schach als man schreib
nach gots gebart 1327 jare
äff sontag vor pinxsten ge-
nant Elxaadi . . .
an inen geleget were far
allenneni^ichan, aber der
bischoff Ueß aicli aolchea
nicht hoch anfechten, son-
dern that landgimve Otten
aach in bann and erledigte
alle seine andeithanen irer
aidpflichte so sie irae als
irem angebomen und erb-
herren gethan betten, ließ
ime dorza aaß Amelbaig
and Friedßler aach dem
schlösse Melnaw bei Wetter
grossen schaden zofagen.
denn die seinen ritten far
Wetter and Marparg er-
legten viel vom adel und
andere barger aas dem
land za Hessen, and als die
barger za Marparg solches
steten zngrifs aberdrossig
worden and den Mentzi-
schen biß hart far Ämel-
harg nachzogen (das ge-
schähe aaf den sontag
Elxaadi den nehesten vor
pfinsten) worden sie aber-
eylet and irer viel er-
schlagen and gefiangen.
Lanze theilt sodann ein Schreiben Ladwig's von
Bayern an den Landgrafen Otto seinem Wortlaut nach
mit^^) und stimmt dann wieder bis aaf einige Zusätze
mit Riedesel-Gerstenberg überein.
Gerstenberg S. 463.
. . ande balde darnach äff
unsers herrn lichenams tag
im seibin jare [1327] tzoch
Lanze I, 244 t
Aber das alles ange-
achtet, weil er gesehen das
hohermelter konig ebea der
**j Abgedrockt nach einer Kopte in der Zeitschr. für hess.
GcKh. T, 58.
76
»
bischoff Mathias mit großer
gewult in da» lant zu
Heßen unde verkundigety
uffenberlieh das sie niulits
schfmen sultin, es vvlt
stedde dorff«'re kircliin kln-
ßen claisti^r*' spitale g locktet
Hildct kej'iier gcvvyhptJi»
»tt'dde nach|iriHst*"ivii mim-
cbfn junfferji addier noiiiieii
undf gab applaß undf gnade
dartzu, wiltlier vil suhadtrjs
unde vil niurdcns unde
^bbel gfetLun mochtH, dtiin
suitin vergebin syii alle
«yne sonde. hirumbe en-
sulten sie nymante schonen,
er were geistlich adder
werntlich. aber lantgrave
Hinrieh satzste sinen ge-
truwen in god den lierrn
unde in die besthniunge
sent Elisabeth unde sprath
eyne frunde an, dartzu fijii
lant atnde lüde luule ent-
hsl t sich vor den Hie utzsclii n .
aUus schtibet Juhan Itit-
eßel in siner elii'ünicken.
zeit 'mit seinen eigenen nn-
ligen nnd des reichs ge-
8cheften viel zu thun hat
und nberladen war. hot er
einen offentliehen zog gegen
den liindgraven fnrgenom-
men nnd in sveiuer absage
nieniglieliem erlaubet kir-
ehen elausen spital und
.sichenhäuser zu spoliireii
und keins .stand» noch
menschen zu viTschonen .
hat also mit gewalt die
<'invvoner der stadt Gicssen
gedrungen sich an inen zu
ergeben, wie Chaspar Bra-
schius im leben dieses
bischoffs deutlich anzeiget,
aber sich duiin weit irret,
das er Henrienni nennet
welcher vurlungst abge-
storben und landgrave Otto
sein soen am regiment war
welchen er fiueh endlich
dohin geuutiget hat ime
etliche viel tausent gülden
für seinen aufgewendtfu
kriegsknsten zu gehen . und
ist dennoch der haupt-
sachen halben nichts be-
schlossen noch vertragen
worden.
1-
^B Ganz ähnlich steht es mit den unten nebenein-
ander gestellten Nachrichten beider Chroni.sten über
den Streit, der zwischen Heinrich I. und dem Erz-
biechof Werner von Mainz über die Ausübung der
Sendgericht-sbarkeit in Hessen entstanden war, Doch
fehlt hier das urkundliche Material.
76
Lanze I, 239 flP.
Anno etc. 1277. Lfimliirav« Heinrich hat. weiland
Gi'rljHrilnm rrf/bischitffun zu M<Miitze von wegen des
seentlx }>rsiln'iihi'ii. <lenn die (ifHc-ialc? serndprob.ste und
ertzprit'stcr zu Fiieilßler Aincnebnrg und Meintze be-
schwerten die nutertlianej) im land zu Hessen uberaas
hart mit Kolchetj diiigen nnil mißbrauchten also irer
empter, das wo •■iner nur etwas an narurig vermochte
der ward durcli dii' seeudpfaffen heiiidiih geruyet und
{infiegHbeii, ids snlte er tJvit diesem uitd iheiiem laster
beselireit und verargwotjet .sein, dorauff ward er den
aobaJd titirt und ;,'eliiden auf die [trobsteien hart be-
sidiuldigi t tirid etwan an sinem guten nsinien und leu-
mund dadurch sehwerlich verletzet, understunden sie
hieb den «hoen zu etit-^chubitfien mit irem aide, ha) ff es
docli ntL-ht, sivndiTiv u;ud den antragern niedir geglaabet
den iren )HirgatinnibiJs, aoeli da einer noeh so unschul-
dig erfntuli'ij, niuste er doch tinib die erledigungsbriefft*
viel gelt-s geben, das verdroß den jandgraven und weil
seinf .schrüften bei dem vorigen biseboff ein geringe
anseheiis gehabt, beschreib er Wernerum ertzbischoff
doselbst dieser saclien halber auch und zeigt denie an
da.s ime solhch^s lenger nicht zu leiden sein wolt, das
über alles alt herkommen die armen dermas^n solten
beschweret werden, gesann darneben auch an die ertz-
und seendpfaffeu sich des seends zu sitzen biß attflf
weiter erortfcerung in seinen landen zu enthalten, hieranff
Gerstenberg S, 427 ff.
Du man schreib nach
gois gehurt 1277 jar, do
starp bischoff Gerhard von
Mentz unde quam eymer
nn sine stat der hiß Wern-
lierus. rlußer Wernher
ertzbisclioff zu Montz hatte
den fursten lantgraven Hin-
rich im vorgenanten jare
zu banne bracht unde eyn
interdict in das gantze
land zu Heßen gelacht
ur.de wa.s vi) dedingenfl
sprach bischoff Werner
den landgraven in bann
und gebott im gantzen
furKtenthumb Hessen alle
gewonliclie gottesdienst«
und ceremonien zu under-
loRsen, samlete dorzu ein
groß kriegtjvolck, hengte
grave Gotfried von Cziegen-
hain auch an sich und den
graven vonW"itge)istein,wel-
cher zn dem mal noch die
Stadt Battenberg inhatte,
lagerten sich in den Bas-
I
I
.^Ji
fri'
arbeit uinbe, so das
d(;r furste 7 jar lang in
,dein b.iniiH wiis. so nun
it;r bischoff sach ciiis lu"
H» mit bat)»« uiiiJ« iiiti'i'-
ditt iiitlit bdtzwiiigi'ii
i mochte naclj syme willen:
Öo versamiufte be eyngntih
bere unde tzoch inver eii
und legerte sich in dt'ii
Bucbseciier dail, so wart
dem lantgravKti geriiti-Ji,
das he sit-ti in i^ynt-n fridr
unde sunt' gfhc: mit iU'Ui
bischnfft*. deß saute dfr
Jantgravc syiie trufHiclie
biitsehaft dar und« liß vmv
byden dry tuseat niatuk
colsclier pliiMuiigt', da.H er
und« syn lant u|,i di^nj
baiiuu konnjicti rumrlitt'ii.
sulchs eiiwiilde dt!r bistlifiti"
nicht tbun, äundern hn
tzoch vortfrli in syne stad
geyii Fritzlar iindn thet
daruti groß»*n scbadt-n dum
lautgruvi-n, want graw
^■Gtvdfrid vnn CzigiMÜieyn
^■unde giave Widdekynd von
Hattitiburg, der daii vuii
gebiirt uas t-yntr von Wit-
g^'nsti.-yn, di« wurin it^s
bi^chott's hidfftT«^ mit an-
dern ht-rrn. deti sannuftH
diT latitgravt' aut:h vyn
groili iiere und geboit in
»ymti laniU; daß allt-
manslude, diu i-ymni -sti-cknu
addt-r swt;it getragiti moch-
ten, das die q(U'niutJ vui
Fritzlar, du lyß der iant-
grave eyneu strid dem
si'ckerthal und liessen dein
landgraven alle frHundt-
scbatt't absagen, da rie-
tlien vit»l, man snite aicli mit
dem biiscliotT giitlicli ver-
tragen, etliche aber wider-
rietben dasselbigc in liofFe-
niing dieses krit^gs besser
zu geniehsen. doch ward
xuletst bi'sthloHscMi, man
sulte etliche vum adel an
dej] biöcbofit' sfcliicken und
Versuchen lussen, ob siH
diese irrung in der gute
kanten iiijiit*g«n und ver-
tragen, duraufl" fordert.«
gemelt.er bischoft' dreilnm-
dert niarck colnisclier phen-
jiing für seine aufgewendte
kri(^gsrustung, darneben et-
iiclu^ stedte imc* und dein
ertz.stift Meiutze zu über-
geben, im war der latid-
giave urbutig di« ange-
forderte summa gelts zu
erlt^gen, aber stedte hiciiiu-
gebeii war er nicht bu-
docbt. — — — — ^
i!^iclits deate weniger
iiocli Vollendung angezeig-
tnr saclnn nani gedocliter
bibcluitf wider einen zog
geg<*n dem landgiaveii für
. . . und als er mit seinem
bantFeii noch griiaser muhe
bili lur Friedßler kam und
.sok-hi's der laiidgnive ve-r-
mun , iieli t'r jediTiiiau
im lande gi-i)iHen, d<r nur
einen steeken tragen konte,
auff zu sein und das ge-
meinte vatterland erretten
^8
bisthoffft anliyten. den nam
Ijh iift' undt* tzoch uÜ der
stad zu leide, undtt al6
der bisclioff sach sulch
grniß folck, do flnhe he
widiJtr zu der staid. Unde
die bürgere forchtin sich,
queme der bischoff mit.
synie frikke widder in die
stad, daß es gar dure dar-
inne wurd<^ luule wiirfien
auch uBtiwemiiu von dem
• lantgraven belcgert unde
villichte aber verbvant unde
verstört moditin werden,
alb en vormalß von lant-
graven Curde zu Doriiigen
unde ließen gescheen was.
unde hirumbe so singen
sie die dore zu unde lißen
den bi.sfhoff mit 20 |jht*r-
den yn uude lißen tiie an-
dern darulV, die musten
.sich behdffiii in den gra-
ben, tzt'neu unde iti den
hi"ißerchin die in den gaiiin
stunden. unde alßbalde
gesan der bischoff eyner
frnnischafft, anders were.n
die büßen der stad vil
liebte von den Heßeu alle
toit geslagen wurden, also
wart dem landgraven eyn
fridde unde smie, wy hi*
selberß wukle nach alle
syme willen unde del"
bisr.lioff, der vor in dem
Buebsecker daie nieht tie-
raen wuide dry tusend
marck,dem enwart nu keyn
p bei) TT ig unde niuste dem
lantgraven unde synie lande
Erstlich das derbischoff
den laudgraven mit dem
gantzen lande aus dem bann
thuen und absolviren solte.
darnach das er und alle
ni\elikom''ne bischotie zn
Meintze den seeiid nicht
anders* setzen noch halten
.snlten wider der vermuge
der beschriebenen gevst-
I
zu helffen, der bischoff
war keck und moHg. da-
rum hott er dem land-
graven eine ofTentliche feld-
Schlacht an. al.s er aber
den herzu sach kommen,
er.scbrack er so heflTtig. das
er noch der stadt F'riedßler
eylete und begerte sich
alda einznlossen. aber die
burger wolten inen nicht
stercker als mit zwantzig M
pferden eirdossen. Da nu ■
der khune heldt nirgends
anß wußte, ließ er bei
dem landgraven umb güt-
liche underhandelung an-
suchen, doraut!" endtlich
nachvi)lg(Mider vertrag auf-
gericht und im Felde vor
FriedsJer cemacht ward.
eyne absnlation bestellen
iifF syne eigin kostu und«»
dem lantgraven all synen
schaden gent/Jiohiii keren,
auch allfc; ansproehe bie
uiide abestellen. darzu be-
hilt der lantgrave sulch
priviley unde fryheid, das
eyn bischoff von M^ntz
adder die commiBari<Mi
unde officiali^ vortmeis kpy-
neu &enth niimmermee hal-
tf'n sullun in dfiu steddin
syns lants , und« fiirsteu-
tbumps zu Heßeii, LJurch
wilcliB sennthe syne arme
]ude vnrmalßgeschynt unde
geschrappirv worden t. alsus
schribfit Johann Kyteßel
in syner ehronicken.
I
liehen und welthchen rechte
von altere her zu halten
zugelossen und bewilliget
were. zum liritteu das
hinfurter kein seeridprobst
auf der ertzpriester an-
geben oder jemands anders
elage einigem underthaiien
aus dem fursteuthumb
Hessen umb welthcber
Sachen willen oder geld-
srhulden für ire geystlicbe
gerichte heischen noch
laden, das dennoch land-
grave Heinrich nu ver-
gebens und umb sonst
alles erlangte welches er
zuvor von dem zornigen
ertzbischoffe mit guten
Worten und angebottener
grosser »umina g**It? niclit
konte erhaltt-n. denn der
zuvor umb fried ansuchte
mochte er nicht werden,
der ihnen aber nicht haben
wdlte, wird nu froe das er
dorzu gelossen wirdt.
Lauze hat, wie ohen gezeigt wurde, in seinem
Berichte über den Zwist zwischen Landgraf Otto und
Mathias von Mainz urkundliches oder auf Urkunden
zurückgehendes chronikaltsichr.s Materia! verarbeitet.
Vielteicht sind auch gewisse andere H^-mcrkungeri in
dieäem Abscbnitte, die sich bei ihm, aber nicht bei
Gerstenberg finden, derselben Quelle entnommen. Letz-
terer spricht nämÜch nur von einer Schädigung der
Bürger von Marburg durch die mainzische Be.«iatÄung von
Amouf^burg, während Lau/.e auch Mehiau utid Wetter
eine Rolle spielen lässt und allein die Angabe von der
an lilainz gezahlten Kriegsentschädigung hat, die auch
80
bei lirufchins (Magtium opus S. 1» f.) fehlt. Sehr nahe
liegt die Yerinuthung, dass Lauze hier wie in dem oben
S. 68 f. initgetheijtfii Stück den vollständigen Kied-
es»'! benutzt hat, den er, wie sogleich dargetlian werden
wir«l, Dfifli in anderer Gestalt, als bei Gerstenberg, viel-
leicht ni nler ui-spriinglicIuMi, gi'kannt hab^Mi muss.
Dii-srlbcn Muiiieiite konimi;n a»th bei den beider-
seitigen Beriuht«n üb«r den Streit iipinricirs I, mit
Werner von Mainz in Bi-traclit, der über die miss-
bräuulilicbe A(i.>jübung der Sendgericht^barkeit in Hessen
entstanden war. Auch hier weicht Lanze von Ried-
«sel-Gersteiiberg nianiiigfath ab, ind^Mn er ^n der Lage
war, nnderwi'itiges Matcriiil heranzuziehen. Er spricht
nämlich ziemlich au^tiilirlich über das unkanonische
Verfahren der Sfudprob.sft*, das von Hiedasel-üersten-
berg nur ganz kurz erwätint wird ; weiterhin gedenkt
er einiger Schreiben, die di'r LiinJgrat in dieser Sache
an Werner und dessen Vorgänger richtete: auch hiervon
ifst d<tit nichts /,m finden. Von grösster Uedeiitung sind
aber die Abweichungen, welche die MiÜheiluingeu der
Chronisten über den Vertrag anfwuisen. Nach Gersten-
berg hätte iiiinilich Heinrich vollkommene Sendfreiheit
für alle lieüüischen Städte erlangt, während Lauze aus-
drückhch und in Uebereinstimniung mit dem wirklichen
Sachverhalte erklärt, dass nur die den kanonischen
Satzungen widersprechende Ausdehnung der Sendge-
richtsbarkeit auf weltliches Gebiet fortan unterbleiben
sollte '^Y
Obwohl wir, wie (iben gesagt, nicht In der Lage
sind, die Urkunden genauer zu bezeichnen, die I^auze
hier vorgelegen haben, so giebt uns dieser selbst doch
einige beathtenswerthe Andeutungen über seine Quellen.
'•*) Vgl. H. Hrppc, KinhotiKfHuli. hpider Hesson l, 4K und
AU8H0I der ilort aii(it'führten Litteratur noch Si>Uan^ Zui tJpsi-h d.
äUult Alsfeld ][, 10.
81
Er erwähnt Sclirfiben, dii- LanJgraf Ht'iurich an WVrnflr
und itfsseii Vorgänger in der ineljrfadi f;rvväljnten An-
gelegenhf'it gerichtet habe: ;ius diesen ist wohl sicher
des Chronisten Erzählung von dnm iinkanunischen Ver-
fahren der St'ndpriester von Fritzlar, Amöneburg und
Mainz geflossen. Auf feine Aufzählung der mannig-
fachen Bescliwpriien des L;mdgrafen in dt;n betr.
Schreiben, di« an sich schon natürlich genug ist,
weisen ausdrücklich die Worte Lauzes hin; ,,Da8
verdroß den hmdgraven und weil seiue schrifften bei
dem vorigen bischoff eine geringe ansehens gehabt, be-
schreib er Wenierum ertzbischotf doselbfit dieser sachen
halber auch und zeigt deme an, das ime sollichs lenger
nicht zu leideu sein wolt, das über alles alt herkomen
die armen deruiasen (d. h. wohl, wie es der Landgraf
in seinen früheren Schreiben auseinander gesetzt hatte)
solten beschweret werden^'. Ausserdem hat Lauze die
Vertragsurkuiide st-lbst alä Quelle gedient '*"). Dafür
spricht nicht nur die Angabe des Ausätelkingsortes
(„im felde vor Friedsler"), sondern auch die eingehende
und genaue Mittheilung di^r Bedingutigt^n.
Auch sonst finden sich Differenzen: Riedeael-
Gerstenberg weisü z. B. nichts davon, dass, wie Lauze
niittheilt, dem Landgrafen der llath ertheilt wurde, die
streitige Sache mit dem Schwerte zu entscheiden.
Ferner forderte nach Lauze di-r Erzbischof 30CJ Mark
kölnische Pfennige und einigte lie»sische Städte, währund
Riedesel-Gerstenberg die Sache so darstellt, ak habe
der Landgraf seinem Gegner 3UUU Mark augeboten, und
von Städten überhaupt nicht spricht. Auch darin
'*") Aobulicli hl das Veiliältuis zwtsciieu Ijiuzb S 249 f.
uad Gersten bcig a. a. U. S. 4y2, ebenso scIieiDeii I>auic's llitth<?i-
lungcii S 24Ua über oineu zwisulieti doin I^iirfptaf«!H lleiiiriuli II.
und Ludwig dtiJii Junker abgeüL-klosäeacn VerüB); aur urkuDdlicher
Grundlage zu beruhen
». F. XVll. Bd. 6
üpgt eine Ver.SLhie<!«'nheit, diiss nath Lanze der Land-
graf in die Abtretung vn» Städten riiulit willigt, wäh-
hend bei Riedesel-Gerstenbcrg der Erzbischof die ange-
botene Summe aussi-hlagt; «*bt!iiso Iä.sst der letztge-
nannte Chrcuiist den Landgrafen seinem Gegner vor
Fritzlar einen Streit anbieten^ während nach Laiize der
Bischof der Herausforderer ist. Zu erwähnen ist
bchlieüslich noch, das» Lauzu die beiden Züge des letz-
teren (in das Buseckerthal und nach Fritzlar) viel deut-
licher von einander scheidet^ aia diea Riedesel-Gersten-
berg thut.
Diese Verschiedenheiten können nur darin ihren
Grund haben, dass Lauze Riedesers Chronik noch in
anderer Gestalt kannte, als* sie bei Gerstenberg er-
halten ist, und dass Gerstenberg's Auszug der kürzere
und weniger genaue ist. Fraglich bleibt es dagegen,
üb Lauze das von ihm verarbeitete urkuiidlithe Material
bereits in der Chronik Riedes-el's vorfand oder nicht.
Im ersteren Falle müsste Gerstenberg nicht nur seine
Vorlage recht erheblich gekürzt, sondern sich der er-
strebten Knappheit der Darstellung zuliebe geradezu
schwerer Irrthünier schuldig gemacht haben. Allein
zu diestr Annahme sind wir, weil wir Gerstenherg sonst
als einen im Ganzen gewissenhaften Geschichtschreiber
kennen gelernt haben, durchaus nicht berechtigt. Lauze
wird vielmehr Riedpsel auf Grund von Urkunden still-
schwt'igt'iid berichtigt und hier wie auch sonst in seinem
Werke (vgl. 2. B. S. 253a das Schreiben Hermann's
des Gelehrten an die obcrhessische Ritterschaft, S. 264 f.
die Bemerkung über die Bulle Paul's Tl., die Lauze
selbst eingesehen hat u. n. w.) einen Brief, von dem
er gelegentlich Kenntnis erhalten hatte^ seiner Erzählung
eingefügt haben. Ausgeschlossen ist natürlich nicht,
do.'js er Hucli bei Riedeael einzelne Urkunden vorfand
und hMiufzti-, —
I
I
I
Es Pi'übrigt noch das Vfrhältnia der sog, Ried-
eserschen Excerpte zu Riedesel-Gerstenberg näher zu
beleuchten. Die unter diesem Titel von Kncbenbeeker,
Anal. Has». ill, 1 — 71 verüffHntlichten Notizen, zu
denen dann später Ayrniami Krgänaungen gab (das. VI,
457 — 473), wurden bereits von Scfnnincke (Vorrede zu
Mon. Hass. II.) für Auszüge aus Gerstenberg's thürin-
gisch-hessischer Chronik gehalten. Dies trifft der Haupt-
sache nach 211. Selir fraglich ist dagegen, ob Gersten-
berg selbst seine Arbeit excerpirt hat; denn diese An-
nahme stützt sich lediglich darauf, da.ss in einer die ge-
nannten Auszüge enthaltenden Handschrift der ehe-
maligen V. llflFenbach' sehen Bibliothek der Chronist als
der Urheber der E.xcerpte genannt wurde '^'). Wer diese
Bemerkung gemacht hat, kann zudem nicht einmal
ermittelt werden.
Der Werth dieses Auszüge» wird allgemein mit
Hecht als sehr gering bezeichnet '**}, und ebenso be-
langlos sind auch die wenigen Nachrichten, die die
Fortsetzung bis zum Jahre 1547 bezw. 1552 enthält.
Waa zuvörderst das Verhältnis der Excerpte zu Ried-
esel-Gerstenberg betrifft, so zeigt ein Vergleich der
einander entsprechenden Notizen, dass der Auszug
recht dürftig ist und dass nicht einmal alle von Ger^^ten-
berg aus Riedesel entnommenen Stellen berücksichtigt
wurden. Nur eine kleine Differenz ,tindet sich, die
aber vielleieht auf eine Ungenauigkeit des Abschreibers
"') V^'l. Wnick 8. a 0. tiXVIIJ u. Noto 3, Anderer An-
sicht als Wt'tick ist yVtjsf (Iteut.Hiilu' Littonduraeitung 1H87 Sp. iSiiö)
Diet in der Ktänd. Laiidcalittit. in Ka-sscl autbowalitteu Äbsehrifteu
der Excel |jta ohroiiici Hi<-'des©liaiii (Mbs. llass. in 4* nr. 8, 116 u.
124) ctithulteti keine Mittlieilungen iibor den Kpitomator,
'") Nur Ufjen und Vo()el bezeichnen (Zeitsclir. f, Hess. Gesch.
N. F. X. 178) eine niihero Untorsuehung üor Kxc. Ried, und ihres
Vorhältnissos zu Kiedesol- Gersten borg als wüüschenswortli.
6*
u
7.iJTÜLkzuführ<'n ist: bei Kiichenbecker 111, 5 f. zerstört
Landgraf Kmirad sechs Dörfer im Nassauischen, wovon
Hteth'sel-Ciersioiiberg S. 883 f. nichts weiss.
Von gröss<!rein Belang sind die Abweichungen des
Kpitoniiitors von Ger»tenberg in den die Sternerfehde
behand»^lndi-n Partieen, wo die Erzählung des letzteren
ziemlich dürftig ist. Manches hat der Epitomator der
LiinburgtT Clironik entnommen (so S. 2t) die Nachricht,
dass die Sterner länger als acht Tage auf hessischem
Boden weilten und das Land bis nach Fritzlar hin
verwüsteten, und die Mittheihnig von dem Versnche
des Grafen von Katzenehibogen Hadamar zu über-
rumpeln), anderes stammt aus Ger.stenberg*s Franken-
berger Chronik oder der Quelle, die dein.seU)**n als Vor-
lage gedient liat (so S. 2t) f. die Erzählung von dem
Anschlag der Sterner auf die Neustadt von Frankenberg,
wo der Epitomator aber am Schluss noch eine Nachricht
aber die Altstadt hat, die sich bei Gerstenberg niclrt
findet). Der Ur.sprung anderer Mittheiluiigen ist dagegen
gar nicht nachweisbar; S. 26 ist von dem Tode des
Grafen Gottfried von Ziegenhain und der Fortführung
des Krieges durch seinen gleiclinamigen Sohn die Rede ;
S. 27 wird über die Verbrennung von Wetter sammt
dem dortigen Stifte und S. 27 f. über die Thätigkeit des
Landgrafen Herniann in Marburg und Kassel berichtet,
wfiran sich die Nachricht von dem durch die Feinde
angerichteten Schade-n und der Bestrafung der untreuen
Edelleute scldiesst Auch Lauze gedenkt, aber nur
kurz, S. 254 des Landtages in Marburg (wo aber ausser
Hermann auch Luiidgraf Heinrich II. anwesend ist), sowie
der Verbrennung des Stiftes (nicht der Stadt) Wetter und
S. 254a u. 255 der Züchtigung der ungehorsamen Ititter;
auch der Tod des Grafen von Ziegenhain wird S. 255
von ihm erwähnt. Ebensowenig wie der Epitomator
nennt Lauze seine Quellen; aucJi Gerstenberg, der eich
I
85
S, 493 auf die Chroniken von Tliüringen, Hessen, Lim-
burg und Huf „aniJere geleße" beruft, kann liier bei
der Allgemeinheit seines AuBtlruckes keimen Aufschlags
geben. Da indess, wie vveitm- unten gnzvi^i wprdon
wird, Lauze für diese Partieen hau}it«üch!ic-h dia Ib-tssen-
chronik oder eine verwandte Quelle benutzt hat, so ist
es nii'ht unvviihrselieinücüi, dass auch die Mittli*^ilungei>
des Eijitomators auf denselben oder ähnlichen Gi'nnd-
tagen beruhen.
Was sich etwa sonst noch an Abweichungen
findet, ist sehr geringfügig und hat wohl meist in
Lese- oder Schreibfehlern seinen Grund. So lässt der
Kpitomator S. 4B (z. J. 1438) das sich an das Bei-
lager Ludwig's des Friedsanien anschliessende Turnier
in Sachsen abgehalten werden, während Gerstenberg
S. 527 Kassel nennt; S. 07 giebt der Kpitiimator das
Lebensalter Wiibelra's des Jüngern auf 18^a Jahre an,
wogegen Gerstenberg 8. 569 nur 18 Jahre hat; auch
hinsichtlich des Todestages der Landgräfin Jnlantha
besteht eine Differen?, (vgl. die Excerpte S. B7 und
Gerstenberg S. 570). SchlJe.sslioh bestimmen die Ex-
cerpte S. 56 (z. J. 1479) das Ende des letzten Grafen
von Katzenelnbogen zeitlich noch genauer als dies
Gerstenberg S. 551 thut.
III.
Die Hessenchronik.
Gerstenberg citirt die Hessenchronik 14 mal in
seiner thünngi-sch-hessischen Chronik, aber auch wie
RiedesePs Werk in grossen Zwischenräumen '"). Nur
einmal beruft er sich in der Frankenberger Chronik
"') Monim. llasa. II, 430, 461, 462, 485 (z. J. 1360), 486
(s. J. 1360), 487 (z, J. 136t), 493 {etwa 1372), 496 (etwa 1373).
501 (z. J. 1381), &02 (2. J. i:«3 und 1380), 503 (z. J. 138«;, 506
(jt, J. i;i88), ril4 (2. J. t3!l8).
w
Sp. 38 auf sie nnd zwar för ein Ereignin, das er in
dem erstgenanntfMi Werke S. 464 anter Hinweis auf
Hainaer Notizen erzählt Indesi^en deutet er beidemal
an, dass er auch noch andere Quellen gekannt bat '**).
Der Verfasser muss in seiner Darstellung auf Heinrich I.
zurückgegangen sein "*) und hat, vielleicht weil er dem
Landgrafenhaus näher stand, den gt-nealogiscben Ver-
hältnissen des letzteren besondere Aufmerksamkeit, ge-
schenkt '*"!, doch berichtet er auch über äussere Unter-
nehmungen, besonders aus der Hegierungszeit des Land-
grafen Hermann '"''). Die von Gerstenberg mitgetheilten
Bruchstücke sind zu dürftig und ausserdem nicht selten
80 mit Bestandtheiien der Liniburger und der Thüringer
Chronik vermengt, dass der Charakter dieser Quellen-
Bchrift nicht in der erwünschten Deutlichkeit hervor-
tritt "»).
Von den späteren Chronisten scheint nur Lauze
in Verbindung mit der Hessenchronik gebracht werden
zu können. Wie oben bemerkt wurde '*^), beruft sich
derselbe einmal auf die hessischen Jahrbücher, und zwar
ist dies der Fall bei (ielegenheit einer chronologischen
Frage, doch lässt sich hier etwas Sicheres nicht aus-
machen, da Gerstenberg von Lauze an die-ser Stelle ab-
weicht und eine Quelle überhaupt nicht angiebt. Dagegen
'") In der Ihüiingiwh-hessjjichen Chronik heisst es: „Hirvon
leBit man nuuli au Heyne", wogegen das CiUt in der Frankea-
hpigor letilct : „wie iiinn dai* liudet weiter tcsihneben in der
hoKsischen iliioDik". Fieihch i^t dioso Ixsait nichl sicher — das
betroffonde Blatt (16) fehlt in der Iland-sclirift — , und Kucheti-
btcker'a Abdruck (Anal. Usf^s. V, 101) hat „(mc,li" statt „weiter",
'**) Monim. Ilass. II, 4253 f. sf)rii1it er von der zweiten Ver-
inühlung dieses Landgrafoti.
'«) Vgl. das. ausser S. 429 f. uwh 459 IT., -186 f. und 602.
'") A. a. 0. S. 500 f., 502 (z. J. 1385), 502 f., 504 f., 514.
'") Z. B. S. 46'J, 486, 490-493, 502 f., 604 f.
"J S. S. 68,
87
fallt in*a Gewiclit, tlass Lanze nie genau mit GerütRiiberg
hinsichtüth solcher beiden gemeinsamen Stellen über-
einstimmt, die Gerstenberg aus der Hessenehronik ent-
lehnt hat. Es wird sich dal»'r kaum etwas gegen die
Annahme einwenden lassen, dass Lanze diese Quellen-
schrift nicht nur in der Gestalt der G ersten berg'schen
Ueberlieferung, sondern auch in anderer Fassung gekannt
habe, mag diese nun die ursprüiiglithe oder eine fiber-
arb^'itete und mit anderweitigen Nachrichten verquickte
gewesen sein. Man vergleiche :
I
Gerstenberg S. 482 f.
Im seibin jare do man
tzalte ] 351 jare, du fingen
die von Hoitzfeld graven
Johan von Naßauw lierrn
zu Hademar mit vi! öinie
folcke. duß geschach bie
Loynberg uff des heiligin
crutzes tag im herbeste,
dißes nidderwurfls worden
die von Hoitzfeld so riuhe
nnde so mudig, das sie
hirnehist balde auch des
fursten laiitgraven Hinriuhs
fygent worden.
Gerstenberg S. 485 f.
Im seibin vorgenanten
jare [1360], do woren die
von Hoitzfeld deß iants
zu Heßen fygent nnde da-
din mirckliibin großen
schaden, wante der grave
von Naßauw deß Dilnburg
ist der halff den von
Hoit^fekl. also wart lant-
grave Hinridi widder reydc
unde tzoch uwer den von
La uze 1, 249 a (z. J.
1349).
Die vonHotzfeldt hatten
vor wenig jaren einen gra-
ven von Nassaw erlegt und
groß gut bei demselbigen
bekommen, derwegen sie
gantz frech und stolz
worden, Hessen sieh auch
landgrave Ijudewigen an-
reizen, das sie sich wider
iren angebornen lands-
fursten untierstunden auf-
zulehnen, hierzu thet auch
gute forderuug Gerlacus der
newlifh ervvelete erzbi-
schüf zu Meintze grave von
Nassaw.
landgrave Heinrich und
sein sun Otto zogen iren
feinden under äugen kuuien
zusammen bei Hohensolms.
da worden den von
Hotzfeldt und iren an-
heiigern siebenzig settel
ledig gemacht und ir ganze
häufe in die flucht ge-
sehhigen. den folgten die
Hessen iijich biß für die
st ii d t Siegen, pl und er te n
alles was sit? ankannen.
chronologischen Differenzen
"Naßaiiw unde quamen zu-
sammen vor Hoeiisolms
unde der lantgrave bebilt
das feit unde gi-wan 70 ge-
saddelter idierde dem von
Naßaw ane. unih- der lant-
grave zoch vorterß und»-
thet vil Kohadens hiß geyn
Sigen, Al.sus tiiidet man
in der Hetien uhronicken.
Ganz abgesehen von
ist Lanze auch sonst vielfach mit Gerstenberg nicht in
U*^beretnstimmnng. Grosses Gewicht ist zwar nicht
darauf zu legen, wenn Lauze den „ganzen Haufen" der
Feinde durch die Landgräflichen in die Flucht ge-
schlagen wi'rden lässt: das kann zur Noth aus Gcrsten-
berg's Bericht herausgelesen werden; anders aber liegt
die Sache, wenn ■ man in Betrat Irt zieht,, das» nach
Lauzp Landgraf Ludwig seine Hand im Spiele hat,
dash ferner Otto der Schütz an dem Zuge theilnimmt.
Hierfür bietet Gerste nberg nicht den geringsten Anhalt;
auch aus der Limburger Chronik, die nur von der
Niederlage des Grafen Johann von Nassau spricht
(Kap. 19), konnte Lauze nichts entnehmen.
Nahe Verwandtschaft bestellt trotz mancher Ver-
schiedenheiti-n auch zwii^chen den Berichten Gersten-
berg's und Lauze's über Landgraf Heinrich H. und den
Bund der Alten Minne. Gerstenberg beruft sich auch
hier auf die Hessenchronik.
Lauze S. 255.
(Jbwol der Sterner bund
aufgelost und geschwecht
war . . . .so war er doch
darumb noch nicht aller-
dinge zerbrochen, den die
hauptursacher desselbigen
gaben ime einen andern
Gerste nberg S. 49t),
In dißen gotzyten kreig
der alte furste lant.gtave
Hinrich unde sin vetter
larttgrav« Ht-rman Dredoiff
zu sich von graven Emiche
zu Naßauw. das verdroiß
grave Johan des Dilnburg
I
namen, nanteii sich nicht
m^hr Sterner, Knnd«riii die
Alti-n Manne unil hot gravc
Jolian von Nassaw di-n-
snlbigeji i^llHrmf'ist erri'gt, . .
Da im iliHseii vortfil grave
Julian irsaliH und Ki'irn'in
brudcr aiicli f^jiTrn- gedit-net
lietti-, damit er zum bi.s-
tltiunb knrtii'n tmd die
tandgraveri zu Hessen also
dahf:im('n behielte, ubc^rfiol
fr das gi^richtft Blarvckcn-
st^'iri, \\'idfiihauf<fu die vor-
hii\di an M;ir[>iirg, Herman-
sti'iii bciWctzHar, Ridem;ap
die Stadt, Dutplie Ba^rn
Kaldern Huttenberg und
Gi^ssen, fürte nincn grossen
raub hinweg, si-hlug auch
dem landgraveH bei Wetz-
flar einen guten hauffen
rt^ysiger pferde abe, den
diu landgraven dorfftt^n f^ich
aus dem underfurstenthumb
nicht in gegenrustung be-
geben, dieweil inRn herzog
Otto von Braunöchweig aufF
dem halse lag und seiner
Bchanxe auch warnam. das
demnach das Heasenland
durch diesen graven und
seinen anhang einen raerg-
licliern schaden genommen
den zuvor durch die
Stern«rvede.
Fast ebenso verhält «*s sich mit den beiderseitigen
Mittheilungen über die Gründung der Stifter in Kaasel
und Rotenburg ;
' *) Bare? Der AnfaQgsbuchHtabe ist to der Uaudschrift otubt
deutlich zu lesen.
unde machte eynen
grossen bivnt zusammen,
die hissen die gesellen von
der Aldeti Mynne unde wart
fygent unde waiff die lant-
gravesi-hin rittcr iiidder vor
Wetzflar unde tln4 so
grossen schaden mit sinen
helff-rn in d<'m bonde, ilas
des nicht wole zu aclitcn
stehit. sunderliehin im
ampte zu KoTuiigeßbei'g zu
Gissen zu Hermansteyn zu
Blancksteyn zu Bidenkap
unde umhe Margburg in
den gerichten zu Laie *)
zu Dutphe zu Caldern im
Hittenberge unde in andern
enden, so bestunt der alte
forste zu buwen geyn den
von Nassauw unde buwete
zu Yßemerade und er den
Hessenwalt. Alsusleßit man
in der Hessen chronicken.
90
Gerste nberg S. 4ß2.
Dft vorgp.nante furste
lantgrave Hinrich b«ßerte
gar wole sin laut, want
wo HZ gute wustenunge
hatte, da li^'li er ußrniiien
lind dorffen^ buwini.
Kr machte auch tzweim
etiffte in dem furstfnthutii
zu Hi'lJiiii , tii'nitdich zu
(.'aliid Hilde zu Hodinberg.
Duß h-ßit mau in der
Heßi-n tlininkkeii, auch
fyn teil in dpr chronickeii
von LimjHirg.
Lauze I, 255 a.
Er fue. HeinrUh II.)
hat die zwo herliche stift-
kirchen eine zu Cassel auf
der Freiheit und die andere
zu Knd(Md)('rg auf der Fulda
erhauwen hifisen und die
beide mit grosen gutern
dotiert und begäbet, auch
die ütiti Cassel seer erweitert
und grosser gemacht.
Die Worte „Der vorgenante furste — sin lant*'
hat Ger-stenberg der Limburger Chronik S. 26, 3 ent-
nommen, das Übrige stammt aus der Hessenchronik,
aus der auch Lauze mittribai" tider unmittelbar ge-
schöpft habt^n mu8i<. Die Mittheilung des letzteren
über die Begabung der Stiftskirchen muss nicht
notliwendig sich auch in der Hessenchronik gefunden
haben, wohl aber die Nachricht von der Vergrössening
der Stadt Kassel.
Vergleicht man ferner Gerstenberg S. bOO „Im
Sflbin jare .schickte lantgrave Herman — dadin uß
HoitztVIt^' und S. 501 „Deß scliickte der lantgrave
Herman eyn h<'re dar — an ircn fniohten" mit Lauze
in der Zeitschrift f. hess. Gesch. N. F. XI, 305 „Cunrnd
Spiegel — das der Sandgrave muste abziehen'*, sodann
Gerstenberg S. 503 „Üa trait die furstj-nne heraß —
versprach sie en so gar, das sie uffbrochin" '*'') mit Laaze
'"') Diese Stelto fiadet sich rriilit in dei Limburger Chronik,
die Gerstenborg neboii der Ueääoiidiroaik als QueEo nennt, sie
roo-ss ai»o 9US loUterer staimnen.
I
I
I
I
91
a. a. 0. S. 308 f. „Als sie aber ungeverlich zwene tage
dafür gelegen waren — das er nicht wüste was er ir
darauf zur antwort gebun solte", so unterliogt es keinem
Zweifel, dass Lauze hier wie anderwärts entweder ans
der Hessenchronik selbst oder aus einer Darstellung
geschöpft bat, die auf jt-ne zurückgeht Am wahr-
scheinlithsten ist die Annahme, dass beide Geschicht-
stbreiber die Hessenchronik je nach Bedürfnis bald
weitläufiger, bald kürzer excerjnrten, dass Gerstenberg
aber auch andere Quelh-n — in erster Linie die Lini-
burger Chrnnik — benutzte, während Laaze sich meist
wohl nur an die Hessenebronik hielt und die Natbrichten
der letzteren in ausführlicherer Form herübernahm, als
dies von Seiten Gerstenberg's bei des&en grundsätzlicher
Kürze geschehen konnte.
IV.
Die Aufzeichnungen des Tilemann Hollauch.
Tilemann Hollaucb war Kanzler Lndwig's des
Friedsamen und machte Aufzeichnungen, die nur Er-
werbungen diciefj Landgrafen durch Kauf, Lehen u. s. w.
betroffen zu haben scheinen ; wenigütens bandeln davon
die 4 von Gerstenberg angeführten Stellen, voji denen
3 auch das Monatsdatum aufweisen (S. 5B2, z. J. 1449;
S. 534, z. J. 1451; S. 53r>, z. J. 1453 und 1456).
Die Schrift, denen die Notizen entnommen sind, nennt
Gerstenberg (z. J. 1449 und 1456) „Register". Auch
Wilhelm L'nch will in seiner haiidiscliriftüclien hessischen
Chrnnik diese Aufzeichnungen benutzt haben; indes
kennt er dieselben offenbar nur durch Gers-tenberg's
Vermittebing '*').
'*') Vgl. Waft/i/T, Litcriir, Ilariilbucli. 2. Ku|n.L S. 17 (nr. 104).
Die in der SfHnd. Landcsbibl. in Ka.ssel aufbewahvle AUsclirift von
Biich's Chronik {uns. Hass. in iol. nr. Iö4) stammt aus. dioüeni
Jatu-hundcit uuii ist wogen der ziJürciclicu Lesofubler kaum zu
gebrauchen.
92
Die Frankenhprger Aufzei ch n wn g<>Ti.
Der grossu Braml vnn Frankenberg im Jahn« 1476
hat n«ben den Schäbsen an Urkunden, R»?chtsbüchem,
KegistcrTi 11. s. w. auch i'im-: Anzahl von Chroniken
und dariuiti-r die- „hrrrliühi?" Chronik d«r St»dt ver-
nichtet "*''l Welcher Art die genannten Chroniken ge-
wwsen -sfin miigiMi, <iaiauf liisst sich ebensowenig eine
bestimmt** Antwort gebt'U, wie auf di«+ Frage nach der
näheren He(?chafFenh«.'it jener Stadtchronik. Dass man-
cherlei urkuiidlielii' Aufzeichnungen theils im Original,
th«ils in AbKthriften oder Auszügen nwh erhalten hatten,
deutet, wie oben erwähnt, der Chroni.st selb.st an '^'),
und aus diesem Material baut er vorzüglich seine Arbeit
auf. Indessen bt-hvveigt er ganz von den chronika-
lischen Quellen, die er gleichfalls in ausgi*tbigem MasM
verwendet.
In der Frankenberger Chronik finden sich näm"
lieh vom Ausgang des zwölften Jahrhunderts an Nach-
richten in gröwseren oder kleineren Zwischeuräumen,
die bald nur wenige Zeilen ausmachen, bald — be-
sonders für das vierzehnte, und etwa die erste Hallte des
fünfzehnten Jalirhunderts — recht ausführlich werden.
Im Allgemeinen kann man sagen, das» gerade das vier-
zehnte Jahrhuiuh-rt mit seituiu Seuchen, Geisseifahrten,
Städte- und Hilterbünduisseu, seinen Kämpfen zwischen
dem emporstrebenden Bürgerthum und dein herunter-
gekommeni^n Adel, wozu noch die fort und fort sich
erneuernden Zwistigkeiteu innerlialb der Gemeinden
kamen, diß städtische Chrouistik in Hessen und ander-
wärt« zu einer gewissen BUithe brachte. Dies lassen
" ' ' rkennen. Seine das
lagt
-rg
'»») Frankenb. C:hron. Sp. 62 f., 70, 3.
'»•) t?. 0. S. 28.
geiianiiti' un«J ilas fnlgmid« JahrliurifU'rt bi4 reifen dt' n
Mittlieilungeii zeichnen sich duifth AiisfiUirlichki'it und
Geiiauiglifit aus, währfend die früliere Z«jteii bphaii-
delndpn meist so kurz und allgemein gchalton sind,
dass die ViTmutliuiig sich aufdrängt, os inöehti« diti
»Entstehung derselben ihren Grund in der Verlegenheit
des Chronisten haben, der wohl Kiniges über die allge-
Tiieine Geschichte des Landes in jenem Zeitraum zu
sagen weiss, nichts aber über die Geschichte der Stadt,
die er doch darstellen möchte. Von grossen Htdden-
thaten setner Mitbürger zu sprechen, verbot ihm seine
■ Gewissenhaftigkeit ; indessen lag es nahe, dass bei einer
schweren Nif'derlagt^ des hessischen Heeres, bei einer
allgemeinen Verwüstung des Landes auch das Fritiiknu-
berger Aufgebot starke Verluste erlitt, dass die Stadt
selbst mit ihrem Weichbild geschädigt wurde. Dies ist
ider erste Eindruck, den gewisse Mittheilungen des
Chronisten hervorrufen.
Sp. 29 ist von einer Fehde zwischen Landgraf
Heinrich l. und Paderborn die Rede. Derselbe Gegen-
stand wird in der thüringisch-hessischen Chronik S. 424
behandelt Die Grundlage für diese Nachricht bildet,
wie nachstehende Zusammenstellung zeigt, eine thürin-
gische Chronik.
är inger Chroni k Thür.-hess. Chron.
S. 91 a "^').
r^n zeitten zogen In den getzyten du
estphalen, der tzogen die Westphe-
F r a n k e n b. Chron,
(Anal. Mass \M77)»").
h\ diesen zeiti-n wa-
ren tue VVi'st|ifäling
'*•) Ich dfire nnch dem Exeiiiplaro der Stätsd Londosbiblio-
thek in Knnsel Mss. Hass. in 4" nr. 117, das aus dor z\veitou Hälfte
des IG. Jahihundeits zu f>tan!inpii sthcint.
'**) Diese Stelle ist in «Inr Origiiialliniidschiift niclit mehr
volktündig zu losoii, weil das stark bruchige Papier hier abgo-
Bprnngen ist. Nur der t>chlusssatz (unde slug — crotiikon) ist
derselben entuonimen. Für dtis Übri((o wurtJo Kwiieiibecker h Ab-
druck benutzt, der sich vielfach Kuverlürisigcr erweist als der Faiist'g.
|»ch aden
^er niitt innii und
vonn Palburn, linge ande der bisehoff and PaderbornUcli«
nfflaiitgraveHeinrichen von Padeborn uwer feinde und t baten
und tbatt ime vi«! lantgraven Hinricbe dieser stadt viel
da streitt ande dadin eme schaden, hs gescliak
großen schaden in za einer zeit, da.sä ihnen
H e ß e II. da nistede sich lan<)tgrafr Ht^iirich
der furste unde tzoch nachjagte und kam an
Kchlugk irer mehr dann eii entgeyn unde streyd sie und stritten zu-
nndi'rthalbhundert mit eu ande gewan saniinen einen groh^en
ioidt und üiitk irer den strj^d unde alug er mächtigen streit, und
hundert und zwanzigk, niee wan löOtoid unde gut t gab dem landtgraff
die gaben vii'l geldes. finck er 120. Alsus leßit Henrich das glück, das«
man in der Doringer er den streit gnwaii —
ehronieken. unde slug er inee wan
15ü toit und hiick er
120 guter wo^>ener, als
mau das auch lesit in
der Doringer cronik«'n
Darauf, da.s8 nach dor Fraukenberger Chronik der
Landgraf dnu Feimleu nachjagte, was weder in der
thüriiigiftchfn noch in Gerstenberg's thüringisch-hes-
sischer Chronik erzählt wird, ist kein grosses Gewicht
zu legten : eine solche BemHrkung konnte Gerstenberg
zur Noth auf Grund der geiianjiteii llau|iti|Uelle machen.
Wichtiger ist die. Erwähnung des von der Stadt erlit-
tenen Schadens in der Frankenberger Chronik, wohin-
gegen in der thüringisch-hessischen Chronik nur allge-
mein von Hessen die Rede ist, Erstere Notiz muss
der Verfasser aus einer anderen (Juelle geschupft haben :
hierauf deutet mit Sicherheit der Zusatz „auch" ara
Schlu.sse der Stelle in ilcr Fraiikcnberger Chronik, den
Gersteuberg bei Citaten auHtiahmsIoH nur dann hat,
wenn ilim neben der angeführten Vorlage noch eine
zweite, in der Regel minder ausführliche Quelle zur
Verfügung stund '^'^). Letztere ist in diesem Falle be-
ötiniint lokaler Natur gewesen.
'**) \'k'- '1''^' Mitthüll ang über den Fraukeubergcr Teich io
Nicht ganz so steht es
Thür.-hess. Chroii. S.428.
. . . be {sc. der Erxbischof von
Mainx) tzocli vorterll in
syne stadgH.yn Fritzlar utidc
thet daruß großen
schadiin de in lantgra-
ven, want grave Godfrid
von Czigenheyn «ride grave
Widdekynd von Battinburg,
■ der dan von gebiirt was
Uyner von Witgensteyn, die
worin des bisch otts helffere
mit andern herrn.
mit folgenden Stellen:
Frankeiib. Gliruii. Sp.30.
In dißiir pliedn leyd
d i « a ta d F r a n ck e ii b « r g
a u e b V i I .s c bade n a., want
grave Godfrid von Czigen-
liayii unde gravftWiddekynd
von Buttenbiirg (der dan
von gebart waa einer von
Witgensteyn), die woren
des bischoffs helffere mit
vil andern liern.
S. 429: Alsus sühribet Jo-
hann Ryteßel in syner
chionicken.
Alsuß schribet Joban Hyt-
est^l in siner croniken '*'^).
Hier beruft sich Gerstenberg beide Male auf Hied-
esel, ohne dass er in der Frankenberger Chronik eints
Andentung über eine etwaige zweite Vorlage macht.
Wieder anders gestaltet sich die Sache, wenn man
nachstehende Stellen miteinander vergleicht:
Thür.-hess. Chron.S.485, Frankenb. Chron. Sp.43.
Im seibin vorgenanten
jare do woren die von Hoitz-
feld deß lairts zu Heßen fy-
gent n n d e d a d i n mir ck-
] i ch i n g r o ß e n s ch a d e n,
wante der grave von Nas-
sauw, deß Dilnbnrg ist, der
halflf den von Hoitzfeld . . .
S. 486: Alfius findet man
in der Heßen chronicken.
Im seibin vorgenanten
jare du woren die Junckern
von Hoitzfeld delJ lants zu
Heßen fygent u n d e d od i n
den V n n F r a n k e n b e r g
s u n d e r l i c h i n mir ck-
1 ich in schaden, want
der grave von Naßauw, «leß
IJiliiburg ist, der halflf en.
der thür.-heiis. Chronik 8. 432 und in der Krankctibeigfr Clironik
S|>. 32, wo beide Male gesagt wird, diLss ^auch" Riodesel hierüber
berichte.
"') Dies Citat fehlt in der AupgaKe von Faust.
^
Gfirstenberg nennt also nar in der thüringiscb-
liessisoheu Chronik seine Quelle, erwälint dort aber
auch Frankpnbprg nicht.
VÄiw zweite Klasse von Mittheilungen, welch«
Fninkenberg betr^tfen, ist ebenfalh in Berichte über
den Gang der Ereignisse in Hesspn überhaupt einge-
flickt, enthalt aber ganz spezielle, wenn auch kurze
Nachrichten, die meist nur lokalen Ursprungs sein
können, Sp 38 wird der Verlust der Frankenberger
schon genauer bestimmt : ,,Llnd in diesem streit nanien
die von Franckenberg unmeßliehen grossen schaden
an toden, an gefangenen, an hämisch und an pferden,
dann sie mit grosser macht da waren, und dieses ge-
Bchach uf S. Lnnrentiustag. und war dies die erste
gemeine niderlag deren von Franckeiiberg seither den
ersten landgraven zu Hes-sen : wie man das findet
auch beschrieben in der hessischen cronica". Dieselbe
Sache wird, jedoch ohne Krwähnung der Franken-
berger, in der thüringiscli-hessischen Chronik S. 464 f.
erzählt, wo Aufzeichnungen üu Flaina als Quelle ang«?-
gegeben werden.
Sp. 23 ist von kriegerischen Ereignissen des
Jahres 1195 die Rede, in welche aucli Hessen ver-
wickelt wurde. Derselbe üegenstand wird in der thü-
ringisch-hessischen Chronik (Monim. Hass. I) S. 273 f.
behandelt Die Grundl.ige der Darstellung in der
Frankenberger C'hronik bildet eine Thüringer Chro-
nik, deren Bericht Gerstenberg nahezu wörtlich in
sein grös-seres Werk hinübergenommen hat. Man
vergleiche
T!iür-hes.s. Cliroii. Thil ringe r Cliro- Frankenb. Chi
nik S. 62 f.
Do man schreib nach Kinjar darnach anno Darnach do nlll
goddea gehurt 1195jare, Christi 1194 jar, da schreib nacli gots
du wurden die fzwene worden die bischoffe burt 1195 jare, d
bischofFe von Mentz
e von Collen lant-
»en Hernians vigen-
unde tzogin vor
nenberg unde ver-
ntin eme das gar.
tzu tzogin sie vor
i^burg unde ver-
ntin auch das. in
alß lantgrave Her-
3 das wei'in wulde
le tzoch mit vll
ikes iai Hessen : da
te sich der von
len besammet unde
gaß der sun« unde
itunge unde tzoch
en heymidichen in
ringen unde thet
ßen schaden. da
i lantgrave Herman
füre , du karte er
Iderumbe unde wul-
mit den MilJenern
iden, da wurdin sie
shtig und er wart
i gefangin, die liß
lantgrave furin
,'n Warperg unde
enach unde sattzste
in get'enckeniße, in
3 tzogen die tzwene
zbi-stlHjffe vorters
r Melsungen unde
Iden das gewynnBii.
t2och lantgrave
rman zu en unde
ilde sie bfcstriden.
quamen die tzwene
te von Fulda unde
n Hersfeld unde na-
^n den kr ig uff unde
K. y.XVlLBi
von Meintz und Collen
lantgrave Hermans fein-
de und zogen vor Grun-
bergk und verbranten
ime die statt.
indeß aber lantgrave
Herman das ateueren
wolte,
hatte sich der marg-
grave von Meissen be-
sammet und vergaß der
shune und schlichtunge
und zog uff inen in
Doringen heimliclien
und thatt grossen scha-
den, da das lantgrave
Herman erfur, kherte
er Widder umb und
wolte mit dem marg-
graven streitten. da
Hoch er von dem felde
und der seinen wurden
viel gefangen, die er
fürte gein Wartpergk
und Isennach und sazte
sie gefenglich. indes
zogen die zwene erz-
bischoff vor Milsungen
und wolten das ge-
winnen, da zoch lant-
rave Herman zu inen
und wolte. sie be-
streiten, da kamen
die zwene epte zu
Fulda und Hirsfelt
und undemamen den
kriegk und richten sie
bischoff Curt von
Mentze unde der bi-
schoff vou Collen fy-
gent uwer lantgraveii
Herman unde tzogini
in Hessen mit großer'
macht unde legertin
sich vor Gronenberg
unde darnach vor Marg-
burg unde verbrantin
die tzwene flecken alle
gar. deß bnwetin dy
von Frantkenbergk 6
guter wartte genant
uffme Ihiymbache Nu-
wenwarte Hoenberg
Aldenwart«^ unde Callo-
warte. in duii«r phede
leyd die stüd vil un-
gemach.s unde sunder-
lich von den Colschen
mit er«n lieiffern. Von
dußf;n gesell ifhten Hn-
dA man auch in der
Doringm" croniken.
98
richten sit^ fniiitlicli uff freundtHch uff dem
dem fplde .... üuße felde.
gesell ichte IcBit man
in df^r Doringer cro-
Jiikfn.
Auch hier ist in der Frankenberger Chronik neben
der Hauptqnelle eine Vorlage lokalen Ursprungs benutzt
worden. Ziemlich bestimmt lautet ferner die Nachricht
ohne Quellenangabe z. J. 1295 {Kuchenbecker, Anal.
Haas. V, 186 — die Stelle fehlt in der Ausgabe von
Faiist), wo Graf Wtttekind von Battenberg als Helfer
des Erzbischofä Gerhard von Mainz bezeichnet wird.
In der thiiringiHch-hessischen Chronik S. 432 (z. J. 1289)
und 435 (ohne Angabe des Jahres), wo sich Gerstenberg
für dieselbe Begebenheit auf fliede.sel als Gewährsmann
beruft, ist aber von den erwähnten Grafen nicht die Rede.
Sp. 37 (z. J. 1315) wird von der Schädigung der Stadt ge-
sprochen, indem der Erzbischof Peter vnn Mainz Batten-
berg und Rosentbal innegehabt habe. In der thüringisch-
he.ssischen Chronik S. 456 fehlt auch hier wieder die
Jahreszahl und ausserdem die Erwähnung der genannten
Orte. Beide Male nimmt der Verfas.ser Bezug auf
Riedesel, doch hat es, wie später weiter ausgeführt
werden wird, den Anschein, als ob letzterer in der
Frankenberger Chronik nicht in Beziehung auf die Fran-
ken borg betreffenden Vorgänge als Gewährsmann
genannt würdH. Nach 8p. 42 hielt sich Landgraf
Heinrich 11. auf seinem Zuge gegen Itter in Franken -
berg auf Am Schlüsse lieisst es: „Älll man das auch
leßit in der croniken von Lympurg.'* Diese.s „auch" weist
bekanntlich auf eine zweite Quelle hin. In der thürin-
gisch-hessischen Chronik 8. 483 spricht Gerstenberg z. J.
1354 von demselben Ereignis und beruft sieh nur auf
die Limburger Chronik, liat aber ebensowenig wie
letztere (S. 43, 12—18} die Frankenberg betreffende
99
RlitÜieiliing. Sp. 41 wird (nach den ChronikRn von
Limbarg. Strassburg und dem Fasciculus) wie auch in
der thüringisch-hefc.'sifiiLlieii Chrotiik S. 476 ff, (wo neben
denselben Quellen der FascicuJus nicht genannt wird)
von der Judenverfolgung und den Geisaiern berichtet ;
PS findftn sich in der FrankenbiTger Chronik aber auch
NachriuhtH.n über die Verbrennung der Juden in Franken-
berg und die Geisseibrüder, denen Jiier di« Fahnen und
Kerzen abgenonjmen wurden, Sp. 50 f. wird der Zug
des Ltindgrafen Hermann gegen Padberg erzählt, wobei
sich ausser dt-m fjeiianen Liatura Angaben über dessen
Aufenthalt in Frankenberg und die Stärke des Heeres
tinden. Am .Schhn*&e heisstcs: „. . . . a!ß man auch
leßit ni der crouiken von Lympurg." Aus letzterer
Quelle entnahm Gerstenberg auch seinen Bericht in
der thüringiscb-hehitiischen Chronik S- 507 f. über die-
selben Ereignisse, wo aber, wie in der Limburger Chronik
(a. a. U. S. 43), weder ein Datum noch Franken berg über-
haujjt erwähnt wird. Ein Frankenberg betreffender Zu-
satz ist ferner Sp. 47 (z. J. 1880) zu hiiden^ wo die Theil-
nahnie der Bürger mit 50 Reitern — die Zahl bietet die
Haiulschrift S. ÜÜa, wiibrtmd Kaust dieselbe weglässt
- au der Verwüstung der Fluren von Mardovf n. s. w.
durch Hermaun den Gelehrten erwähnt wird. Hiervon
weiss d\e thOringiseh-hessisthe ('bronik S. bUO nichts.
Hiiisifhtlicli der Herkunft fler oben angefülu'ten
ganz ktirzeii Kemerkungtüi über die Schädigung der
Stadt u. 8. w. fehlt jeder Anhalt dafür, dass üersten-
herg diese und die etwas eingehenderen gleichfalls auf
Frankenherg bezüglichen Mittheilungt*n i'infach erfunden
habensoll: dies würde im schärfsten Gegensatze zu der
Gewissitnhaftigkeit stehen, die ur anderwärts zeigt. Beide
Gruppen von Naclirichten können, an und für sich be-
trachtet z. Th. wenigstens aus Landesgeachichten, der
Chronik Riedesefs und der Hessenchronik, stammen.
7*
m
Denn es ist nicbt unmöglich, dass die Verfasser in irgend-
welchen Beziehungen zu Frankenherg standen und aus
diesem Grunde die Stadt besonders berücksichtigten.
Riedesel erwähnt z. B., wie oben bemerkt, die Anlegung
des grossen Teiches in der Nähe des Ortes durch Hein-
rich I. i. J. 1288. indessen ist zweierlei zu bedenken:
zuvörderst deutet Gerstenberg an mehreren Stellen
durch den schon mehrfach besprochenen Zusatz „auch"
bei den Quellencitaten an, dass er noch anderweitiges
Material gekannt habe; was sodann seine Quellenan-
gaben am Schlüsse von kürzeren oder längeren Ab-
schnitten anlaugt, wo die Stadt betreffende Nachrichten
in Mittheilungen allgemeinerer Art eingeflickt sind, aber
keine lokale Quelle aufgeführt wird, so zeigt wenig-
stens die Sp. 41 sich findende Stelle über die Ver-
brennung der Juden in Fratikenberg u. a. m., dass hier
sein Citat ungenau ist : er beruft steh auf die Chroniken
von Limburg und Strassburg und ausserdem auf den
Fasciculus temporum, wo Frankenberg mit keinem Worte
erwähnt wird. Er hat also hier Nachrichen unterge-
bracht, die mit den von ihm citirten Vorlagen nichts
gemein haben, und es liegt somit die Vermuthung nahe,
dass er auch sonst, wenn er sich z. B. auf Riedesel
beruft, daneben noch aus nicht namhaft gemachten
lokalen Quellen geschöpft habe.
Auffallend ist auf den ersten Blick, dass Gersteu-
berg sich über letztere nicht näher auslässt, während er
doch sonst ziemlich tieissig citirt; indes steht er hierin
nicht ganz allein: auch Königshofen nennt z. B. ab-
sichtlich, wie es scheint, keinen einzigen seiner zahl-
reichen Strassburger Gewährsmämier ""). Bei Gersten-
berg hängt dies Schweigen wohl damit zusammen, dass
die benutzten städtischen Aufzeichnungen bekannt and
allgemein zugänglich snin mochten.
»•) Vgl Deutsche iitüdtechfoiükeu VUJ. S, 161 und 175.
101
Rßcht ausführlich sind schlies-slich noch einige
Nachrichten, die z. Th. wenigstens nur in losem Zu-
sammenhange mit den Geschicken des Landes sieben.
Hierhin gehiirt Sp. 45 f. die Erzählnng von dem Ueber-
fall der Franke tiberger Neustadt durch die Sterner (um
1372); Sp. 46, 48 f. u. 50 die Mittheilung über Her-
mann von Treffuit, Friedrich von Padberg und den sog,
Kran von Bige und ihre Beziehungen zu Frankenberg;
Sp- 56 f, der Bericht über die Räubereien des Gottfried
von Langen und Johann Schobbel und die Verluste dtir
Frankenberger bei Hallenberg (1463); Sp. 58 ff. die
Notiz über die Niederlage derselben am Schartenberge
(1473), über den Aufenthalt des Landgrafen Heinrich 111.
in Frankenberg (1474) u. s. w.
Mag auch der Inhalt einiger von diesen Stellen,
die sich auf Ereignisse des 15, Jahrhunderts beziehen,
auf eignen Erlebnissen des Verfas.sers beruhen oder
aus mündlicher Tradition geflossen sein, so spricht doch
die Mehrzahl derselben deutlich dafür, dass der erwähnte
Brand der Stadt nicht sämmtliche chronistische Anf-
zeichnungen früherer Zeiten, besonders des vierzehnten
Jahrhunderts, vernichtet hat **^). Gerstenberg hat eie
'**) Abgosehcn toxi P'raiikeobnrg brachte man damals auith
in andern besttischen Stadien, besoodei*» in Eleifsreld, der Zeitge-
echiohtfl oin lebhaftes Intoresse catgegcn. In Ifersfeld gaben di«
sogeu. Sternorfehde, iu welcher die Stadt *ine hervorragende Rolle
spielte, die Kampfe dor Bürger mit betjachbarten EdelleutoD, mit
dem Stifte u. a. m. Stoff zu AufzoiehnungeD (vgl die bei Scnrken-
berg, Solecta jur. et bist. V abgedruckte Chrouik S. 378 f.. 380—
393, 398—402, 410—412 ii. s. w.), diP, wie liier nicht weiter aus-
geführt werden kann, darcbaxis den Cbaralcter gleichzeitiger Ab-
fa.<:sung trngcn. Ilen Kfu'biitjhten der sctppii OiiujrrieK (ZeilKiliiift
f. hess. Gebch. Vll,}, welche üio in diiM iclzk? Viortol des 14. .lahr-
liundertu EaUenden kriegürisulieu Vorgüuge in Niederhessüu und
bosondciifj um Kaasel behandeln (S. 330 IT.), liegen elwnao Auf-
zeichnungen KU Grunde, die gleichzeitig mit den Ereignis»eD
niedergeechrieben wurden. Dor Verfasser derselben, auf weluhe
102
ohne Zweifel im gatizpn so wioderpegeb<»n, wie er sie
voffüiid '"*^), und kann für Ihiriolätigkeiten nicht wohl
neuerdings wieflur W. Frin/rnit/ittrif aufmoilsam madito (abgodr-
in der Zcitnchrift f. hess. «JChL-b. N. F. XI. :^10 r.) ist pielricjh
Schwai'K, der i. J 1403 als Kauoniku» des Martiu&btiftos in Roü^el
urkundlich vorkommt {Kuehmberker. Anal. Hass. V, 23; vgl. mich
S. 85 nnd 112). Eino auf die gpnaotiten EreigniKie bezügliche
Anekdote wurde erst sfwüer S'.hriftltL-h äxirt. Sie findet sich in
dfJi CouRiMit's (8. a3'J) und iiiit woitcifii Anjiafaou in H. W. Kirch-
hofes Wtuduüiiiut (Aütg. V. Oesterlcy 11. ^29 f.). Uftxr den Ur-
sprung Beioer Notizen üustteil sich Kirchhoff (S. 3U0) folRendor-
massen: , Diese f;escliicht hah ich von Nickel Nußpioker seligon,
einen fleJBiceti liot)hal)er der Iti^itoiien, abgesx'hrioben, hotte er von
eioom alten n>c>nch. weiland iiu bruderolobter allhif zu (''a.saol, herr
Anebold f^eheißen. wnlclicni e« -»eio großvater crzclilet cohubt und
dio obgeuielto biioJel hett verrichten helffen, eirabn'n-, — Zu der-
selben Art von Nachrichten sind sodann Aufzeicbuuii(ien in dem
sogen. ^Bürgerbueh' von Gt^lohausen aus dem Ende dos 14. und
Anfang des IB. Jahrhunderts (Zeitschnft f. hess. Gesch. N. F. Xll,
40ä ff.) und wohl uiich die Erzählung von dem miBsgliickton An-
griffe des inainzischeii Hiiu|itmnnns Iii|iebrant auf Uoniberg zu
rechnen, die Lauzo (S. 260, z J. 1401) einer lokalen Quelle ent-
oominou XU haben «(ihciut.
'*") Lauze's Boiichto über emigo Frankenberg betroffende
Ereignisse enthalten Angaben, die tiieils im Widerspruch mit den
eotfipreclieiidcu MitlJieilungen Gerstenborg's stehen» theils sich bei
diesem gar nicht titKleu. üierhcr ist (S. 24tS a) aeioe Erzalilung
von dem Stifil der Bruder llerniann und Friedrich v. TrclTurt
(welch" letzlcvcr von Uei-stenberg Moii, Hass, 11, 4!(3 f. und Fran-
ke« b. (Jhron. S|). 4tj gar nicht erwiihnt wird) mit den Bürgern von
Frankcnberg zu rechnen. Am Schlüsse fügt <jr seiner Bemerkung,
daas beide Edelleute aus der Stadt vüi+rioben wurden, noch folgende
Notiz hinzu; ,. . . etliche sagen, sie (d. h. die v. Treffurt) seient
von den baig*jrn in solchem lerm beide umbkommen and er-
schlagen worden." Also bat l^uze für seine Erzählung mindestens
zwei in einzeluGii ruukten von einander und von Oerstenborg ab-
weichende lUiibtelkuigcn gekannt. Eine andere (Juello als dieser
mus.s ihm auch für dio kurze Nacluicht über die Niederlage dor
FrankeDberger am Schartenburge (i. J. 1473) und dio hierauf
folgenden Ereignisse (vgl. Mon Hnss. 11, 549 und Frankenb. Chron.
Sp. 58, 59 u. 60) vorgelegen haben, da er (S. 274) die Bürger
103
verantwortlich gemacht werdßn, i];t ihm das Material
zur Koiitrole jener Leber iieferungt'n fehlte. Hierhin
gehören auch seine topographischen Hoschruibungtn
und eingehenden Schilderungen von d<fm städtischen
Leben nnd Verkehr frühtin-r Jahrhunderte: Sp. 11 — 15
für die Zeit Karl"« d. Gr., Sp. 81 f. u. 34 — 36 für die
des Landgrafen Heinrich 1. Letztere für Erdichtung
Gerstenberg's zu iialten, geht nicht an, da dies zu der
Gewissenhaftigkeit, die er Kunst zeigt, im stärksten
Gegensätze stände. Er hat dieselben sicher älteren
Aufzeithnungfrn entnommen , die vielleicht als Theil
einer Stadtchronik eine topographische Besehreibung
des Ortes enthielten.
Es erübrigt nocli, die Denkverse zu erwähnen, die
der Chronist gelegentlich anführt, ohne das« er sich
Ober den Ursprung derselben äu.ssert. iSp. 5 finden
sich zwei, die sich auf die Gründung der Stadt durch
den Frankenkönig Theoderich im Jahre 520 bezielien.
Sp. 17 erzählt Gerstenberg von der Erbauung der
Marienkirche in Frankenberg und deren Einweihung
durch Liillus im Jahre 810, wozu er die gleiche Anzahl
Verse mittheilt. Dieses Gottesbaus wurde nach der
durch die Bewohaör vun Bilstein, Gerstenbeig aber durch dio von
Brilon geschlagen werden lässt. Nach Gerstenberg schicktcü so-
datYD. ahi Landgraf Ueinricb III. skh 2U einem Iitadiezuge gegen
die Westfalen nistete, letxtnre und in&bpgondere die von Brilon
nDge&ehcno Leute (deren Namen niclit weiter niitgethntlt werdou)
zum Landgrafen mid baten nm Verzeih ung, wahrend Ijiuze als
OfifeaDdtt! Gottlned Lang und Johann Schoeubichel namhaft macht
Diejjc sind ohne Zweifel identisch mit den beiden EdcUfuteo Oott-
fned V, Langen und Johann Si'lioblicl. die nach tj*>rstenl>ei'g (Fran-
kenb. Chrun. Sp. äB f.) zi'hii .labie fniher Frankeiihcrg belustigten,
bei den in Kedo stehenden Angolegeuheitoii aber von ihm gar
uii-bt erwähnt worden. — Allem Anschein nauh sind dio Mit-
tlieilungen um Fiaukeubeigor Chrouisteo genauer als dio Lauze'a,
der Gerstenberg hier weder unmittelbar noch auch ausschliesslich
benutzt haben kann.
104
Angabp eines ziomlich ausführlichen Metrums Sp. 31
i. J. 1286 abgebrochen und von Heinricli L durch ein
neues ersetzt. Sp. 56 findet «ich sodann ein Dpnkvers
auf den Profit des Jahre.s 1430 und Sp. 67 zwei solche^
auf den Brand der Stadt i. J. 1476. Der letzte, Sp.
71, handelt von der Ankunft der Süster in Franken-
berg (1487).
Ganz abge.sehcn davon, daas die Gewohnheit, auf
wichtige Ereignisse Denkverse zu machen, er«t im spä-
teren Mittelalter aufkam, kennzeichnet schon der In-
halt der beiden ersten den geringen Werth derselben :
es handelt sich, wie erwähnt, um den Ursprung der
Stadt, den der Verseschmied in das Jahr 520 setat, und
weiter um die Einweihung der Marienkirche durch
Lullus zu einer Zeit, wo letzterer bereits mehr als
zwanzig Jahre todt war'^')- ^'tf*» zuverlässige Nach-
richten liegen hier also auch nicht zu Grunde, und es
sind wohl sämmtliche Denkverse erst im fünfzehnten
Jahrhundert entstanden. —
Trotzdem Gerstenberg sich über die ältere Franken-
beiger Historiographie nicht weiter ausspricht, ja nicht
einmal eine einzige hierher gehörige Quelle namhaft
macht, ergiebt doch, wie gezeigt wurde, eine nähere
Betrachtung des von ihm verwandten Materials, dass
ihm neben einigem Wertlosen auch wichtige Nach-
richten, insbesondere für das 14. Jahrhundert, vor^
gelegen haben, die unsere Kenntnis der mittelalter-
lichen städtischen Chronistik. in Hessen nicht unbe-
trächtlich erweitern.
'*') In seiner thüriiigisch-bessi sehen Chronik {Äi/rmarm S.
140) setzt er dagegen den Tod des Erzbischofs gaaz richtig in das
Jahr 786.
105
VI.
Die Hersfelder Chronik.
Wie Gerstenberg selbst im Eingange seines grüs-
seren Werkes angiebt, hat er eine Hersfelder Chronik
benutzt '^*). Wir wissen darüber nichts Näheres, doch
muss sie, da sie von dem Chronisten, mir zweimal, soweit
ersichtlich, herangezogt-n wird, wenig brauchbaren 8totf
enthalten haben, um wenigsten wohl für die Geschichte
von Hersfeld, die der Chronist gar nicht berührt. Hätte
er darin ausführliche Nachrichten über dieses Stift ge-
funden, so würde er sie 2. Th- wenigstens wiedergegeben
haben. Die Berücksichtigung von Hersfeld hätte zwar
seinem Programm nicht entsprochen, da er e.s zunächst
mit Hessen zu thun hat, allein seine zahlreichen No-
tizen über benachbarte und entferntere Klöster u. s. w.
zeigen, dass er es hiermit nicht genau nimmt. That-
aächlich geht die erste der beiden aus der Hersfelder
Chronik mitgetheilten Stellen auf Lambert von Here-
feld zurück:
Gerstenberg (Monim.
Has.s. 1, 103).
Dußer bobist (Leo IX.)
hilt evn concilium zuWentz
unde eynen Heenth in geyn-
wirtickeyd des vorgenanten
keyßer Hinrichs unde in
byweßen 42 biscliuffe. Alß
man das auch leßit in der
croniken von Herßfelt
Lambert z. J. 1Ü50
(Handaii-sgabe S. 31).
Leo papa Mo-
gontiae sinoduin eidebravit
praesidente imperatore cum
42 episcopis.
Der Zusatz „auch" lässt anf Benutzung einer
zweiten Quelle achliessen, aus der verrauthiich die der
Erwähnung der Mainzer Synode vorausgehende Wunder-
erzähluug von Leo IX. und dem aussätzigen Bettler
»*) Affrmann S. 7,
gescliöpft. ist, die in wine Clironik von Her.sf«'ld offen-
bar gar nicht liineiiip;i.sst, wnhirigpgeti es nicht auf-
fällig ist, wenn Hirn; kniz«- Notiz über dir. gt^nannte
Synod« sich in ein«*in Werke findet, da» sich allem
AnKchMin nach an Lambert anlehnt. Diestjr ist aiiclii
mittelbar oder unmittelb;ir di»v yuell« für die andere,
aus dem zweiten Butlie jener Chronik entnomraßne
Nacliririvt (n. a. O. 8. 129), welche gleichfalls nicht
von Het'sffld Landelt. Fls ist von vier Plagen di« Rede,
die aus der Uneinigkeit Heinrich'« IV. mit seiner Ge-
mahlin und dem Papste erwachsen seien : „Di« irste,
das der k<ryßer darnach stiint tag unde nacht, wie er
Doringer land betzwingen mochte. die ander plage,
das der bischoff zu Mentze Dtyringer lant uff tzehindin
gebin tzwirigen wulde, die dritte, wie der keyßer ver-
fiilgete ütten von Saßi^n liertzog zu Beyern mit sarapt
dem lande zu Saßen, die vierde, das der bobist mit
dem keyl^er tzvv<«ycl rechtig wart unde mit der paffheyd.
daruß dan vort»*rH quam so große rrrunge ande tzwey-
dracht tzußchin den paffen unde den leygen, alß hyr-
vor ymfhe gewe.st ist, alfi man daa wol hirnach ho-
i'in sal."
Auch C. Bruschinji benutzte, ohne den Verfasser
2U k«»nnen, Lamberts Werk in dem Fulda betreffenden
Abschnitt seiner Chronologia monasteriorura Germaniae
pra(.'cipuorum. Dagegen scheint .'=!ich Ctjr. Spangeubcrg
im Adelspiegel 11, 41(j, wo er über Han.s v. Dörnberg
handelt und „etliche hessi.sche Annales" neben einer
,.lier.schfeldi.schen Chronica" titlrt, auf Arbeiten des
mehrfach genannten Nohen zu bezieheu. —
Das Wenige, wa.s Giir.'itenberg aus der Hersfelder
Historiographie mittheiit, .scheint der klösterlichen, nicht
der atädtisclien Gcschichtschreibung anzugehören, giebt
aber keinerlei weitereu Aufschluss über die dortige
hibtoriographische Thätigkeit. Von höherer Bedeutung
hierfür situl clio Mittheilungen d^s soeben erwähnten
Nohfn, in ils^ssen t.h«'iKveise freilich nicht in originuler
Fassung «bf'rli«>ft'rt«n Werken sicli iinvHrk(.Minbnri' Spnn-n
einnr zwar nicht nrnfanr^rc^ichi-n, nlii-r immerhin be-
iriHrkiMiswHrtluMi liersfcldi.scli«n Chronistik im 14. und 15.
Jahrhundert linden.
VIJ,
Di« Aufzeichnung c n von Hai n a it n d
A u i i R b u r g.
Hierher gt4iört tlie vprmuthlirh in d»'in Cister-
zienserkloster Haina von finein JJnbekanntmi verfasst«
Legende des Bruders Knrd von Hiileshoim '*'^). Glieder
dieser FüiTiilie. kommen gcgi-n das Knde des 13. und
während des 14. Jalirhumh-rts hnntig in Urkunden als
Wetjjlarer Bürger und Scheffen vor'"'^); ein anderer
Zweig di-a Geschlechtes scheint schon frühe nach dem
benachbarten Hessen gekommen zu sein, und diesem
geliürte vvnhl Kuid, der Vuter des Hainaer Mönches,
an'"*). Derselbe unternulira gegen das Jahr 1200 mit
einem Grafen von Ziegenhain eine Falut an den Rhein,
beide verunglückten beim Uebersetzen über den Strom
'••i Der Ort, von dem iins Attoltigchclituilil v. IL koiocd
Namori hat, lieisst heute llüitislwira uud liegt in lier Nahe von
Wetzlmr.
'•*) Irt dem IteissiMlrf*!! rikuiidenLmt'lie vod WyKS. Hil I u, »
werdeil in ticm ;;i ttinji«(»ii üiiiiaum ijiti.xt als SubuiTe'ii von WoUlar
geuaniit; iluilrad. llaitmaiiu, Johniiii, KU^rtiattl uud Heinrich von
Herlishcim. lliesolben Peisoiicu werden auch (mit AusiiäIjuh» von
Harticann) l>pi v. l'lmertstri/i, Oesch. v. Wetzlfvr erwiihiit (\pl divs
Register im 3. bände unter v. lleihsheim).
""*) Hess, rrkundenh. I. nr. iJjy findet sich (1267) ein Her-
mann V. Herlishom aLs Schelfe in llomberg a. d. Ohm Nach
Gerstpnher^, der tMunini, lIa.sH. 11. 8()(i IT) vermufhlitli mich dor
Legende Kuitl's Näheres über Irtzteron mittheilt, war der Vator
desüolben ein betisijicher Bitter (das. S. 307).
106
and wurden zu Erbach begraben. Erst nach dem Tode
des Vaters kam Kord zur Welt. Diesen benannte die
Motter Hedwig nach ihrem Gemahl und erzog ihn
sorgsam. Im 18. Jährt* zum Ritter geschlagen, wurde
er in demselben Jahre Mönch in Altenbaina, wo er
drei Jahre lang, bis 1221, verblieb '*•). Zu dieser
Zeit siedelten die Brüder nach Haina aber. Hier
fährte Knrd ein erbauliches Leben "^) bis zum Jahre
1270, wo er starb. Er wurde in Haina begraben '•")
und wirkte noch nach seinem Tode in wanderthätig«r
Weise ««»).
Die Legende, welche wohl nicht vor Beginn des
14. Jahrhunderts entstanden ist""), unterscheidet sich
offenbar in nichts von der bekannten .\rt solcher Auf-
zeichnungen : sie bringt viel Stoff über den frommen
Lebenswandel und die Wunder des Heiligen und nur
hier und da werthvollere Bemerkungen über geschicht-
liche Ereignisse. Gerstenberg citirt sie zweimal "'),
■**) Demnach tnösste er, wie oben «Dgenommen, um 1200
geboren «ein.
'*') Vgl, die Stück© auh seiner Legeode bei Gereteoberg
a, a 0. S. 394—396, wo übrigen» dor Heraasgeber einige Woodur-
erzählangen als weilbloB nkbt mitgetheilt hat.
'••) Pas. S. 426 und Frnnkenb. Chron. Sp. 29. In den »hl-
rcic-hei) Hainaer L'iiuiiden (abgedr. Anal. Hass IV, 305—349;
VllI, 275-321; XI. 122-184) findfl ich Kmd nur einmal al.s
Zeugeu 10 einer dies Kloster belreffendeo Urkunde des Grafen
Beithold (I.) von Ziegenbain v, J. 1264 (a. a. ü. IX, 140) und iwar
an erster Stelle aufgefühil (frater Cunradu.<} de Herlesheim mona-
chüs et sacerdoH).
'••) Landgraf Heinrich 1. gelobte, al.-* er 1296 gerabrlich or-
kiankt war, oino Waüfalut z.um Grabe Kunla uud wurde gesund.
(Jei^tunboig a. a. 0. 8. 437 f. Ueber die Zeit der Kraniüiett TgL
fV. Rehm, Handbuch d. Gesch. beider Hessen I, 1&2.
iiej Ygi diß vorige Anm.
"') S. 394 (306) und 438.
I
doch hat es den Anschein, als üb er sie häufiger benutzt
habe, ohne sie zu nennen "*). Einen anderen Charakter
txagen gewisse Aufzeichnungen, die nach Gerstenberg's
Angaben in den Klöstern Haina und Aulisburg geraacht
wurden. Diese Mittheilungen zerfallen in zwei Gruppen :
die einen sind gleichzeitige Aufzeichnungen von kriege-
rischen Ereignissen, die sich gegen das Ende des 13.
und im Anfange des 14. Jahrhunderts in Hessen und
den Nachbargebieten abspielten, die anderen behandeln
fast ausschliesslich die Geschichte der klösterlichen Nie-
derlassungen in Aulisburg und Haina.
Betrachten wir zunächst die erste Gruppe. Gersten-
berg weist an drei Stellen auf Hainaer Quellen hin:
S. 425 f. ist von einem Einfalle der »Westfälinger« in
Hessen und ihrer Niederlage durch Landgraf Heinrich I.
bri der Karlskirche (1270) die Rede'"). S. 433 wird
erzählt, wie Graf Gottfried von Ziegenhain dieselben
"») So z. B. 8. 306 f., wo die Geschichte Kurd's bis zu
seioem Eiotritt lau Kloster, und 8. 426, wo scta Tod erzählt wird.
Uit der letzten Stelle ist Frantenb. Chton. Sp. 29 zu verglcichea.
'") ,Alsus leßit man zu Heyne'". Die.solbo Nachricht findet
sich auch und zwar mit gouauoi'er Zeitangabe (^im herbeste*) und
mit Hiuwois auf dieäellw Quelle in der Frankeub. Chrou, Sp. 2k t.
Vielleicht liegt aber hier eiue üiigeiiauigkeit lezw. eine Verwechs-
lung mit dem Siege des Graftiu Gottfried von Ziegeuhaiu über die
Weatfalea bei Geismar vor, der nacli der thiir.-hoss. Cbroaik a. a.
0. S. 433 in den Eieibht dos .rahrcä 129^1 fiel. Die dies Ereignis
botreffende Naohriclit bei I*auzo S. 2;i!( (z, J. 1270) lautet: „Anno
etc. 1270 kam der gennnto bischofF voa Paderborn wider mit
grosser macht ins Hessenland, da tinf landgrave Heinrich mit ime
UB ferne von Gudensperg; da blieben auf des bischoffs selten vier-
hundert man aul der walstatt und dorzu worden iuie hundert und
zwanzig eibar man abgefangen, und hol gcniclfä^ bisthuinb dic'sen
schaden in vielen jaien nicht tonnen erstatten." Hiusicbtiicb der
Zeit und des Oitca der Sohlacht steht Lauze im Einklang mit
Oerstenberg, auch die Zahl der Oefallcncu ist bei beiden die oüm-
Uche; dagegen spricht Lauzo von ISO gefangenen Rittern: hiervon
110
Feinde bei Geismar besiegte (1293) "% S. 464 f. findet
sich eine Nachricht über einen Zug des Erzbiächofs
Matthius vun Mainz und de» Grafen Johann von Nas-
saii-Dillenburg und über das Treffen bi'i Wetzlar
(1328) ^'^).
Wesentlich vi-rschieden lii+rvoti sind die Mittliei-
langen, di«^ die Gescliichte der gouannton Ansit-de-
hingen behandeln. Ks kommen hierbei 2 Stellen in
Betraclit: Monini. Hasa. I, 225 f. ist von der Stiftung
von Aulisburg durch Poppo von Rpiehf^ibach die Rpde;
das. II, H07 f. stt^hen Alittheihingen über Bruder Kurd,
über Altt-nliiiina, Haina, Aulisburg und Ji-n Eintritt des
Grafen Heinrich von Ziegenhain in lijis Kloster Aulis-
burg u. 8. w. ''").
lieber diese Dinge haben wir noch einen zweiten
Bericht, iler etwas kürzer gehalten ist und bei mancher
weJHS Gerstenbetc nii.'hts. Vicllciobt beruht diesö Zahl auf einor
V^rworhshing mit ciiit^r Aiigalm (ifixtetitwrg'H S, -424, derzufolgis
bei eiiif.Mu fnihiiiou Kiüfall diM' Wcstfalpn 12(> Mann gcDingoii
wurden.
"M ,Alsu8 loÖit nvnn zu Heyne". Lauzo S. U41a hat im
i;«iiKHii dtPKüIbo Nachrieht, aber ohne Angabe der JahreMcit, wif
sie sich bei Oorstetiborg tindot. Ebenso suelit mau hier die Be-
merkung dos letzturen, dass wenige iimkamon, vergeblich. Anderer-
seits schlicsst [jiuze seine Mitthciluiiij mit den Wotten ; ,niid
fürte sie (d. h. die •iefan{,'eiicii] mit suli ghefv C/.ietjenhaiii." Oli-
wohl dies an und fiir sieb ein willkürlicher Zuwilz Lauze's sein kann,
so liat es doch iti Anbetracht der soeben besprodienen Ahwrei-
cbungeu den Anschein, als ob er sich einer anderen Quelle al»
«jersteoberg's bodient habe.
"°) ,Hitvw leßit man auch xu Heyne". l>ies deutet
Gfirsteoliergs Citirniethode zufolge bestimmt auf das Vorlianden-
fifiin noch anderer Quellen. In der That zeij^t Gerstenberg Fran-
kenb. Chron. S[). ü, dass er auch deu Bericht der Hesseuchronik
über üaR gleiciie Ereignis gekannt hat.
^'*) ,DuB findet man zu Heyne uiido zu Atilißburg.*^
"■m
Abweichujig von Gerstenberg's Erzählung doch wieder
viel Uebereinstimmung zt-igt: er ist in der Chronik
Lauze^s enthalten, dt^r einige Zeit Vorsteher des Hospi-
tals in Hiiinu war ''^). Bt-idti Chronisten verdanken
entweder ihrti Nachrichten einer Schrift, deren Ver-
fasser Urkunden benutzt hat, oder sie haben den Stoff
selbst aus solchen entnommen.
Wir sind in der Lagu einen Theil der Urkunden
nachzuweisen, aus denen dit« Berichte der beiden Chro-
nisten mittelbar oder unmittelbar geflossen sind: sie
finden sich bei Ktichenbeeh'r, Anal. Hass. IV, 341 ff.
^KDie Hauptquelle scheint der unter nr. IV abgedruckte
urkundliche Bericht vom Jahre 1244 zu sein.
In nachstehender Zusammenstellung sind der bes-
seren Uebersicht wegen die ehizelnen Sät^ze der Ur-
kunde, wo dies nöthig erscheint, so umgestellt, dass
sie unmittelbar neben die Parallelstellen aus Gersten-
beig'.s Chronik zu stehen kommen. Kine solche Um-
stellung ist aus diesem Grunde auch einmal bei Lauze
vorgenommen.
»erste n b e rg.
oim. Hass. I, 225 f.)
(n demselbin jare.
<0) du gab grave
po von Eichen bach
folbort siner ge-
eln frauwen Berten
cloistiT zum Al-
ampe ordenß von
ercien die stedde
ßburgk mit alle
r zugehorunge. deß
Anal. Ha.ss. IV, 356 f.
Praesenti autentico
testAmur no.*! inteite-
xisse, quod cum comes
Boffo de Ricln^nbach
cum uxore sua Hertha
nomine muntern tjni di-
citnr Aulesburg cum
suis appendieiis eccle-
siae tJainpcnisi Cister-
cienais Ordinis obtn-
Lauze I, 219a f.
(z. J. 1221).
"") Vgl. die Ausgabe vod Benthardi uud Seliubart (Zoitscbr.
f. hess. Opsch. 2. Su]ij>l.) Bd. 1. Vorw. p IV und dio Allgera.
deutsche} Biographie XVUI, 80.
ll^
der apt von Al-
iencampe dry conveute
eyiien nach dem
srn. dw irste wonte
etatliche tzyt na bic Aii-
lisburg an •^ym-r stt-dde
gtumnt Loiielbath, dev
gingk vortets geyn
IliftViisteyn. darnach
WLMietin eynß andern
onlenßgoistlicher lud^*,
raoiichb Qnde nennen
Louelbach. dar-
santin die vom
'AldencamiH' den an-
dern convi'nt geyn Au-
lißburg, der gingk auch
vortane geyn Blicht;!-
ßteyn an dem Hartze
gelegen, zum dritten
male santin die von
dorn Aldeiicampn aber
eynen convent geyn
Aulißburg, der ginck
I Widder heyra. alsus
prart das cloister Auliß-
burg hirneiiist ver-
rerlaßin, alß die geist-
jielien 38 jare allezu-
pkininen dar gewcmet
hatten, nnde darnach
quamen widder monche
geyn Aulißbnrg, als
man hirnach beacbre-
I ben findet, dnßer vor-
genante grave Boppo
von Kicbenbach der
1 was eyner von Czigen-
heyn geborn unde fürte
dasselbe wapen, sun-
lisäet anno gratiaell50.
eadem ecclesia tres
conventus singillatim
.sibique siiccedentes ad
dictum locom scilicet
Aulesburg transmisit,
tjuorum primuö ali-
qiiamdiu moratus in
Louelbach transivit Ri-
feusteine. posteiusdis-
cessum etiam alterius
religionis monacbi et
moniales ibidem sunt
demorati. Becundus
post habitationem in
Aul*isburg venit ad La-
pidem sancti Michaelis.
tertius de Hegene re-
diit in Campum.
Anno 1150 seiod
zwolff personell
von Altfin Campe in?
Hessenland komen und
haben den Auliöbetg
beneben dem dorffe
Louilbach eingenoi
men der meynung ati
ein kloster zu baawen,
seind abpt bald eii
andern zuroth wordi
und da dannen gen
Louilbach und wider
alda dannen ghen Rei
fentcin gezogen,
durnuch sandte der
vt'nt zu Alden C«
abt.Tniols zwolff p«i
sonen ins U-
die giengen ^.
stein.
zum dritten sandte
noch zwolff pei
sonen, die zogen ans
Hessen wider nach Al-
ten Campe,
as der name
ielt was, Duß
nan zu Heyne
1 Aulißburg.
m. Ha SS. II,
307 f.
B in dem vor-
D jare dn man
nach gots gn-
J21 jar«, du
r conveiit von
yne mit bruder
on Hirlwßheim
ander stedde
iwütin da eyn
liion&ter iiode
genant Heyne.
vonnalß das
Bu Aldencanipe
beydedördryer
\f wie vorge-
\ siehit^ die
\u]ißhurg \'er-
jab grave IJin-
n Czigenheyn
stedde dem
am Alden berge
in gelfgen, des
T apt vnii Al-
i genant Coß-
fnen convt'iit
ulißburg, dtB
darselbis unde
zu Aldenheyn«
in wol 3S jare
geyn Heyne
unde das bu-
Ad ultimum vero, cum
eeclesia ('ampensis ab
eodem loco recessasset,
comus Henricus de
Zigenhagen . . . prae-
fatum deo locum et
gliiriiiisae virginiMariae
. , . obtulit. hunc er-
go locum in suam suh-
cepit cnram quidem
abbas de Aldenberg,
GozwinuK nomine . . .
et fratres illuc de pro-
prio trauttuiisit coe-
nobio . . .
Aber in diesem ob-
gemeltcm 1221. jar,
den zwanzigsten
tag Mail, ist dersel-
bige cunvent wider
alda aufgebrochen und
ghen Heyne kommen.
domach anno 1188
ward vom Altenberge
bei Collen ein convent
gen Aulißberg ge-
.schickt. dieser hat
den Anlißberg ver-
lossen, i«t ghen Alten-
oder Obern-Heyne kom-
men und alda ange-
fangen zu bauwen, da
man es jet^und auf
dem Espe nennet, und
seind noch etliche alte
maurenrumpe und bor-
ne doselbst vorhanden.
und an dem ort ist er
drei und dreissig jar
blieben.
8
Weten. dußergraveHin-
ricli wart eyn moiuh
zu Aulißburg mit vilen
eddeln syaer ritter-
achafft uiide er was ein
iieve des vorgest-hrebpii
graven Boppn von
Richenbach. Alsus fin-
det man zu Heyne be-
jhreben.
114
. . . comes Henricus
de Zigiuiliagfcn nupos
prafdii-torurn nübilinm,
qui püstea facttis est
monachua in Aules-
burg . . . cum quibiis-
dam nubilifvribiis sua«
prüvinciae niilitibus . . .
Cistertium . . . adiit ,
if^m
. . . Heinrich grave
Czingeiibain , noc
dem im e se in eh
g e m !i h e 1 V e r 8 t o
ben, ist mit viel
vom adel in beme!
kloster gangen , b
auch dasselbige
vielen zuhenden, wi
den und gutern z
rithlichaten dotiert uiiJ
bpgabet, auch den platj
und boden , dorauff
angezeigts kloäter
baawet, welche s
erbeeigentbumb seind
gewesen, dorzn
geben . . .
Vergleichen wir zunächst Gerstenberg's Bericht
mit dem Inhalte der Urkunde, so ergiebt sich, dass die
erste Hälfte des ersten Absclinittes bis zu den Worten ;
»geyn Michelsteyn an dem Hartze gelegen« fast nichts
als eine Uebersetzung des entsprechenden Stockes der
Urkunde ist. Dagegen läsat sich in der zweiten Hälfte
die Dauer des AufenthaltfS der Münclie in AuUsburg
(38 Jahre, also bis 1188} ebeuso\venig urkundUuh
nachweisen, wie die Notiz, dass Graf Poppo von
Reichenbach ziegenhainisehcn Stammes gewesen spi.
Der andere Abschnitt beginnt mit einer Mitthei-
lung, die Kurd's Legende entnommen sein kann. Auch
hinsichtlich der Uebersiedwlung der von Goswin ge-
sandten Brüder von Anlisburg nach Altenhaina und der
Dauer ihres Aufentlialtes in beiden Klöstern (33 Jahre,
also bis 1221) giebt die Urkunde keine Auskunft.
Lauze's Darstellung zeigt gleichfülls sehr viel Af^hn-
lichkeit mit Gerstenberg und dwr angeführten Urkunde,
doch lässt er die Nachricht von der Anwesenheit von
115
Mönchen und Nonnfu ,,*'y"S andern ordenß" (alterius
nfligionis) in liöhlbaoh aus. Auf der andern Seite hat
er aber di«-^ Notiz, duH» dreimal hint«i<'in:iiidKr je zwölf
Mönche vrm Altrnkiunpe [uifbraeht-n und dns-s die üeber-
siedlung von Altenhaina nach Haina am 20. Mai 1221
r'rfolgti' ; auch findet sich bei ihm allein din Bpmfrkung,
da.ss Graf Heinrich nach dem Tode seiner Ge-
mahlin in's Klo.ster ging.
Gerstenherg mus.s also wie auch Lauze noch ander-
weitiges Material benutzt haben: dass solches einst
vorhanden war, geht aus dem urkundlichen Berichte
.selbst hervor. Abgesehen von einer Urkunde v. J. 1215,
auf die sicli dieser (S. 357) bezieht (abgedruckt Anal.
Has.s. XI, 124—130 unter nr. II; dieselbe kommt ausser-
dem noch Anal. Hass. IV^ 347 — 355 als Transsumpt in
einem Aktenstücke v. J. 1493 vor), wird ein anderes
Schriftstück namhaft gemacht, das nicht mehr vorhanden
ist. Die Stelle lautet: Constat etiam ex alio scripto et
testibus, quorum haec sunt nomina : Joannes ahbas,
Hermannus prior, qui conventum de Canipo missum
vidisse se meminit in Aulcsburg. et Conradus con versus
monasterii memorati. —
Diese drei Gattungen von Aufzeichnungen werden
anscheinend auch durch die Art und Weise, wie Ger-
stenberg bei jeder die Quellen citirt, von einander ge-
schieden. Bei der Legende Kurd's heisst e.s S. 394 :
„Man leßit zu Heyne in syner legenden"' und S. 438:
„Alsuß leßit man zu Heyne in bruder Curts legenden".
Bei den Nachrichten über die erwähnten kriege-
rischen Vorgänge wird auf Haina verwiesen (vgl. Anm.
17.^, 174, 175).
Als Quelle für die Geschichte der klösterlichen
Niederlassungen nennt er Aufzeichnungen zu Ilaina und
Aulisburg (vgl. Anni. 17G), An einer der liier in Be-
tracht kommenden Stellen (Monim. Hass. II, 308) heisst
8*
HB
ea zwar: „AImus Hndct. man zii H^yiift besohreben" —
es fällt abnr in's tJewk-ljt, tlass (u'rsti'nbiTg den grössten
Tlieil seiinT Mittlirilmiycn uftViibar ntis der Legende
Knrd's gcnuinniiMi hat (vgl. Anin, 172), die eben nur
in üiiitiii entstanden sein kann. Der Chronist führt
also hier wie anderwärts am Schlnsse seiner Nachrichten
nur eine der benutzten Quellen an. Andererseits ist zu
iM'in-hteu, da.ss er in der l'ariillel.stelle der PVanken-
berger ('lironik Sp. 23 f. (wo die Nachrichten über
da-s Leben des Heiligen fehlen) ausdrücklich Haiuaer
niul Auli.»liurger Aufzeichnungen aU Quelle angiebt.
Freilich ist auch bei der ungenügenden Kenntni-s die
wir viin der l{es(liat^V'nheit jener Notizen haben, die
Möglichkeit nicht ganz ausgeschlnssen, dass nicht allein
die sogen. Ilainaer und Auli.sburger Aufzeichnungen,
sondern ancli Kurd's Legende einzelne Nachricliten über
die kliisterlicheii tStiftungeti eirthielt. und da.ss Gersten-
berg .sich .somit für dic:>elhe Sliitheilung da?» eine Mal auf
diese, das andere Alal auf jene IJuelle berufen konnte ''•*).
"'» Noch audere (Jnellen als Geretenborg hat Jo/iantie* I^xner.
der Vf'iiflssir i.nuoi- Jloschreilnuif.' des Klostors H«ina (Miihlliausen
lö8«j. iliö KtivliPttUrkrr A\in\. Hnss. IV, l!.0b—A40 (uiivollstiindig)
wieder abgoiiruckt hat, benutzt. I^txnrr zählt (Anal, Ha-ss. IV,
336) ettiigo XÜnichn Uch Klnstons iiiis Uc-in Eude des 13. uuU de«
ersten Hälfte des 14. .(nfiihutiderts auf und boruft sieh dnbci auf
ein altcä Menuuieiibnch, das also wohl aus Haiua stammte. Bui
Erwälmung von lieliquii'ti und Wuodeni zu Main», von Wall-
fahrten u. s. w. nennt er (das. S. 31U| ein ,^^'alslläusis^■hcs Xlinsal".
und PS ist wohl dieselbe Quelle von der er weiter miteu (iS. 318)
mit den Worten spricht: «wie d«s alles und sonslen viel dergleicheu
eine alle Agenda, worin forn und bintcn von sulchein jahrmarckt
viel geschnoben, ctwan aus dorn (."lostoi' Wa<'!sliuscn herfür komcn,
anzifget." — Ihiss man in Aulisbuiii \vis,st>nschaflliLheu llestrebungen
nicht «btiold war. zeigt ein Vfizenhuis vun Biitherri meist theolo*
t;isihi'ii Inhalt.s, die ulii-mals in dirsriii Kloster sicli vorfanden (vgl.
die Irkunde v. .1. 1244 bei Kmhtidifrkvr ^. a. ü. S,359). Dortist
auch, vomvuthlieh im Aufango des IS. Jafirliunderi<?, ein lateinische«
117
TUT.
Die A u f z e i 0 li nun f? u n von G t^ o r g u n b ü r .u' und
S p i e s s k a p ]> ts 1.
Dürftig sind di« Nachrichten, dif (ittr.stKnbfrg als
US dem risterzienserinnpnkloster Georgeiiberjf bei Fran-
konb*^rg stammend hracichnet. Er berichtet S. 489
(z. J. 12it7), dass der viiii Hi^inridi I. in dor Nähe dieser
itadt angelegte Teiuh ausgebrochen spi und grossen
Schaden angerichtet habe ; der genannte Lamlgraf habe
ihn deshalb vun neuem eindämmen lassen. Ihr; gleiche
^BAittheilung bringt, aber ohne Quellenangabe, die
Frankenberger Chronik Sj». 84. Vielleicld ist auch die
^otiz von der Gründung des* Klosters i. J. 1249 in
er thüringisch- hessischen Chronik S. 413 auf dieselbe
(Tluelje znrückznfiibren. Dagi'gen bernhen wohl die
Mittlieilungen in der Fiiinkenberger Chronik 8p. 27
und 28 über So])hie von Rrabant und deren Beziehungen
zum Kloster auf urkundlicher Grundlage.
P^iine grössere Hedeutuiig können inicli die Nach-
richten aus dem rrämonstratenserkloster ^pictsskappcl
icht in Anspruch nehmen. Gersteuberg erwähnt di«-
selben z. J. 1801 (S. 441), wo von den Stiftern des
Klosters und di'r F.inäscherung desselben die Rede i.st.
\ Verwandt hiermit ist Lauze's gleicIifalLs kurzer
Bericht in de.ssen Chronik 8. 242 (z. .1. 1801), der jedoch
in.^ofern von (Jenstniberg ahweiulit, al.s er eint-sllieils
d:Ls Gründiingsjalir von Spiesskappel (1221'» niittlleilt,
anderntheiU aber die Nachricht von dem Eintritt des'
einen der beiden Stifter in\s Klo.ster nicht hat.
^
^N«
(licht eiitstaiidern welches Joh. Fr. Cour. RHhr in «Ion lleas.
^»chrirMtPn HI. D— 14 mitthoilt.
118
Die A uf zu icli 11 u nsr mi über il i e Grafen von
Z i e g u n li a i u.
Seinem l'niignimm« gemäss berücksichtigt Gt-rsten-
berg in der thüriiigisch-hessi-sclitin Clironik mich die
Gnifi-n von ZifgHtihaiii : 15 Mal bi^riihrt er — abg»^si*hfn
von .solclii^ii .Stullen, wo l«*tzt«rc' im Ziisammeiihaiig mit
Ereigiiissen der liessischen Gesubichtu erwähnt werden '^*)
— in dem Z(^itritunie von 1 "247— 1431 ziegenhainiHch©
Verhältnisse. Dt-r Inhidt dieser Nach richten betrifft
fast durchgängig Familiüiiereigniwse drjs ürnfenhause«,
und Kwar wird lii Mal ein gfiiaues Datum angegtibeu :
darunter «iud 10 Tinltestag** v(iii Angehiirigeu des Gh-
schlecJitö '*"•), 1 Mal ein llitterschlag '"'). 1 Mal eine
Heirath '''^K ^ ^lal ein ^ieg"*); nur in 2 Fällen ist]
das Jahr allein angegeben, das genaue Datum dagegmi]
fehlt '***).
Nur einmal giebt Gerstenberg eine Andeutung
allgenieint-r Art über die Quelle dieser Nachrichten, in-
dem es .S. 442 lieiöst : ,,Alsus leßit man zu Czigenheyn."
Dieselben entstauinien wohl Meraorie,n- oder Messbüchern,
"») Wie (lies z. B. Monini. Uass. II. 4a« 1., 4Ü1 f., D04 {.
s. TV. der Fttll ist. Hiürxu sind wohl aui.h S. 531 und 51^3 (in
»r FratikiMib. Chroii. Hi>. 5ti) die üfineikuiigüii über dio Besjtzor-
■ircifuut; der DraBsciiaft durch Ludwig deu FriedsaiiiCD und den
Tud düK Ictiteo Urafeti zu rockneu. ^Borücksiciitigt ist feruer iiiulit
die Stelle S. 433 iilter piui-ii 6^icg dcü (irafeii (Jollfried, wo es
heisßt: ,Alsub leßit man m Ik-yne.'"
'•«) Müinm. Uass, ]]. 412 {t. .1. 1247), 419 (r. J. 1257j
426 (z J. I-JTO), 4H2 (z. .1, l28tS|, 442 (z, J. 1301), das, (i. J.
J307). 46*5 (z. J. 1333J, 474 (z. J. 1342), i'JO («. J 1371), Ö25.
(z. .1. 1426j.
'">) Das. S. 490 (z, J. J371).
'"} Du». S, 524 {-i. .]. 1417J.
'") l)a.s. S. 527 (z. .1. 1431).
"*) Da». S, 49:) {i J. 1371) und bH {i. J. 1419).
•119
in die derurtigb Aufzeichnungen gewöhnlich gemacht
wurden, wie denn auch z. B. später Lambertus CoUraHnn
in solchen Büchern ähnliche Notizen vorgefunden und
in seiner Baumbachischen Familienchronik benutzt hat.
Auch Lauze giebt S. 211 a und 219 einige die
Ziegenhainer Grafen betreflfende Mittheilungen, die indes
mit den Natlirichten üerstenberg's nichts gemein haben.
Die Bemerkungen, die er sodann S. 266 a Und 267
über Johann (IL), den letzten seines Geschlechtes, macht,
ötaminen wohl ans der ehemals ziegenhainischen Stadt
Treiaa: so die Mittheilung von dem gräflichen Leichen-
zug, der auf dem Wege von Ziegenhain nach dem Erb-
begräbnis in Haiua Treisa berührt habe (S. 266 a),
vielleicht auch die Erzählung von dem gewissenlosen
Rentmeister Johann's; jedenfalls erklärt Lauze, der
einige Jahre in Treisa It^bte, eine von ihm mitgetheilte
Nachricht über Beziehungen des Grafen zu der Stadt
(S. 267) dortigen Stadtregistern entnommen zu haben.
Uebrigens hat sich das Andenken an Johann noch lange
im Volke erhalten. Letzner theilt in seiner oben er-
wähnten Geschichte von Haina (Anal. Hass. IV, 319)
eine auf die ungewöhnliche Leibesstarke des Grafen
bezügliche Anekdote mit, die ihm „viel guter alter Leut"
bezeugt hätten.
Die Aufzeichnungen über die Grafen von
Katzenein bogen.
Gerstenberg'.s Mitthcilungen über die Grafen von
Katzenelnbogen, die übrigi^ns gleich den das ziegen-
hainische Graffnhaus betr«*ITenden nach Wenck fast
sämmtlich zuverlässig sind "'^), haben einen ganz ähn-
lichen Charakter wie diese : sie beziehen sich gieich-
*) ». «. 0. p. XVI.
120
falls auf Geburten '""), VermüliUingen *"), Todesfälle *^)
und sonstige VorkommnissHj die für das Clcschleclit
von Bedeutung waren '**"). Auch hier findet sich häufig
neben der Jahreszahl da» genaue Datum angegeben.
Lieber die Herkunft seiner Mittheihingen schweigt der
Chronist mit einer Ausnahme (S. 48n), wo er sich auf
die Limburger f'hronik bn-zieht. Indes zeigt ein Ver-
gleich mit der in Frage kommenden Stelle (a. a. O. S. 86
unten und 87), dass ausserdem noch eine zweite, von
Gerstenberg nicht genannte Quelle herangezogen sein
tnuss. Anderes hat er Urkunden '*') oder wohl he«-
eiachen Quellen entnommen ""),
•«) Monim. Haas, il, 616 (z. J. 1402), 525 (z. J. 1427), 531
(s, J. 1443).
'") Das. S. 609 (z. .1. 1393). 525 {z. 3. 1422), das. (z. J.
1427), 531 (K. J. 1448).
"») Das. S. 4«5 (z. .1. 1329), 466 (z. .1. 1331), 535 (*.
J. 1453). Zu den beiden letztaii Atii^sltetr vgl. die Grabsuhriftoo bei
Wmrk a. a. 0. LI,-B. S. 273 (ur. X) und 277 (ur. XXV|
'••) Das 8. 409 (um <i. .1. 124K1. 419 (a. J. 1255), 427 (x.
J. 1276), 485 (um d .1. 1356). 525 {/.. .1. 1421).
'•") So die Mittlieilung i>. .')34 über die Eht«l»oreduQg zMii^ctioo
Landg^raT Ileinrifh III. und Anüa von Kafzenelul.»ogeii. S. o. S. 36.
'*') lliorhei ist S. 534 «iio Nathrii-ht üljer die Vermählung
Heim juh's III. und ä 551 die Nutiz über den Tud deh letzton Grafen
von Katzeuolnbogco zu reuhaen.
— -^ggp-
121
IL
Die Ritterburgen der vormaligen Abtei
Fnlda.
»
9
Von
Dr. Justus Schneider
in Fulda.
Literatur.
Broiter, Fuldensium antiquitatum Litui IV. Antwerpen
1612.
Scftannat, Fiildischpr Lcfin-Kof sivp. iln ClientelH Fnl-
densi. Fraiikfiut :i. M. 1720.
Sckanitai; C<ii-jms tnnlitiorium & Biu-liouia vetus. 1724.
ScfiatiKof^ Histiiria Fuliit^iisis & eü(l»^x prf>hatiuimm. 1724.
fiif/irrmftfui, {n'sclili'clitsri'gistcr dfr HiMclisfi-eyntiniittfl-
ban^n Ritt<'i'sctiaft JjjiiuiHs zu Frank^Mi löblicliHii Orts
Rhön und Wcrra. Hayri'iitli 1 74U.
Detiner, rrkuiulcu iles Fiildacr .-Viuliivs übur dir elie-
maligeii FuUliseliHii .\iiinh'r. 2 lläiule. Maimscrijit.
Ldfuiati, Ilie Hps-siscIiPii Kifterburgfu und ilir« ßt'sitzer.
H Hände. VmmA IKti-lOi.^
Schnvii!a\.fmcph, Hiiclinnia, 4 Hiindi'. Fulda 1826 — 1829.
Schneitier, Juspph, Hcsi lircibimg tli's liohou Rbiiii^ubir;^««,
2. AuHagH. Fuldii 184<J
von Eta-fsiein, Luiiis Fcrdijiaiid Freilierr, ürkuiidliüliB
Geschichte des tviclisriüinlichi'ti LiH.schleijhtets vrin
Eberstnin auf der lilulri, 1, liaud, 2. .'\usgabe.
Berlin 1889.
ron Kberaiein. Stammreibi- und Fidrd«'. l^-rlin 1887.
122
^Sf^m Juli 1890 hielt ich bei der 56. Jabresvenammlung
Jjj^dHis Vereins ffir hessische Geschichte und Landes-
kunde zu Fulda eiufn Vortrag über die Ritterburgen
di-r vorrnftlt^n-ii Abti'i Fulda, in welchem jedoch da«
Tlieina kaum zur Hiilfte erschöpft werden konnte. In
ganz fragmentarischer Form wurden die Ritterburgen
des ehemalö fuldaischen tlebii'.te.s in den jetzigen Kreisen
Fulda^ Gersfeld und Hfmfeld, sowie in den jetzt zu
Sachsen-Weimar gehörigen Theilen in liistoriHcher Be-
ziehung behandelt. Angeregt durch die Füll« von vor-
liegendem urkundlichen und geschichtlichen Material
habe ich nunmehr die Geschichte der Ritterburgen
Fultla's in kurzer Besprechung weiter zu einem gewissen
Abschlui?« geführt, indem ich noch die Beschreibung
der im westlichen Tlieil des Kreises Fulda, im Kreise
Schlüchtern und in denjenigen Theilen der früheren
Abtei, welche nunmehr zum Grossherzogthilm Hessen
und Königreich Bayern gehören, anfügte. Auf Voll-
ständigkeit niaclit deshalb diese Arbeit keinen An-
prucli, ind(Mn eine erschöpfende Behandlung des Gegen-
ndes ein wenigstens ebenso starkes Werk zu Stand«
bringen würde, wie die hessischen Ritterburgen von
Landau. Wenn auch in diesem vorzüglichen Werke
unseres berühmten hessischen Geschichtsforschers die
Beschreibungen einiger fuldaischen Burgen enthalten
sind und von mir benutzt wurden (Steinan, Haselstein
Buchenau, Haun, Eisenbach und Steckeisburg), ist doch
meine Arbeit bezüglich der übrigen Burgen neu und
sehr viele Angaben nur zerstreut in den oben ange-
führten Werken enthalt»'n, vieles überhaupt n^ch nicht
gedruckt erscliienHii. Dazu gehören namiMitlich viele
Auszüge aus UrkundiMi des Fulda^r Archive«, welches
zwar gegenwärtig dem hessischen Archive zu Marburg
einverleibt ist; doch waren mir «ine grosse Menge ein-
schlägiger Urkunden in Ab.-«chriften zugänglich, welche
n
I
der früliere hiesige Archivar Denn er iinttr dem Titel:
„Die Fiildischen AHmtei" im Manuscript gbsainmelt
und mit üebersichten viTsehcn, in einem zweibändigen
Werke der hiesigen Landeshibliothek liinterlassen hat,
dessen erster ISund lfH_>0 fjuurtseiten, der zweite 848 zählt.
Zunächst möchte ich die Grtjnzen des geistlichen
Fürstenthums, (h^r Abtei Fulda feststellen, innerhalb
Mekher ich die Kitterburgen, weiche im Mittelalter bt*-
standen hahen, bei meiner Arbeit berücksichtigt habt».
Ohsehon diese Gretiüen im Laufe der Jahrhunderte in
Folge der vielen Verkaufe und Verpfändungen selir ge-
wecliselt liaben, kann man doch die Grenzlinie im
Allgemeinen so feststellen, dass das Hnujitland abge-
rundet (erscheint, wenn auch die von mir nachfolgend
bezi'iLdinute Linie nicht gt*rad*; allen enthält, was jemals
fuldaisch gewesen ist und andererseits Theile innerhalb
dieser zur Herrschaft anderer Dynasten stets oder zeit-
weise gehört haben.
Wir denken uns also die Abtei Fulda im Mittel-
alter folgenderniaHst-n umgnMizt ; Im Norden von der
Abtei 11 e r s f e 1 d, der Landgrafseliaft Hesse n-C a s s e 1,
die nördlichsten Orte waren Hermannspiegel gegen
Ilersfeld,, Vacha gegen Hessen; im Osten von den
Hennebergisclien Besitzungen und von dem liis-
thnm Würz bürg. Der listlichsti^ ftildaische Ort war
Zillbach bei W'ernshansen an der Werra. Im .Süden
grenzte das Amt II a jn m e 1 b n rg mit dem äussersten
Orte Hnndsfeld ebenfalls an Würzburg. Weiter isolirt
lag im Süden die Prupstei H njz k i rc h en, 5 Stnnden
.südwestUch von Wiirzbnrg mitten in dessen Gebiet.
Im Westen grenzte znniiuh.st Hanniielbnrg an di« Be-
sitzungen <|er Giiifen von Fiienick; dann bildeten die
Grafschaften Man an ninl Y.senbiirg die Westgrenze
gegen d;is ;\rnt Sa 1 nr ii n s t e r, fi-rner die Riedesel-
schen, früher K isenbuch'schen Besitzungen gegen die
lU
Äemter Neu hof und G rossen 1 Oder; Stadt and Amt
H erbfetein war der am meisten nach Westen gelegene
Theil Fulda'». Im Nordosten bildete die 8 eh litzer
Herrschaft gegen die Landgrafächaft Hessen -Cassel
die Grenze. Die vielen isolirten Besit^zungen, welche
im Mittelalter meist durch Verpfändung wieder verlurt:n
gingen, kommen hier nicht in Betracht.
Die Ritterschaft, die freien Männer, welche, zahl-
reich im Gebiete des Stiftes Fulda und an dessen
Grenzen wohnten, begaben sich grösstentheils in den
Schutz der .\bt«i und wurden dann als Commendirte.
vassi oder vasalli bezeichnet. Die Ritter bauten
»ich Burgen und befestigten dieselben. Auch das Stift
selbst stand wieder unter dem Schutz eines mächtigen
Herrn; der Graf von Ziegen ha in war der Schirm-
vogt des Stiftes Fulda. Aber trotz die-ses wechselnden
Schutz Verhältnisses, trotz der Lehens vertrage mit Rittern
und Grafen kam i'.s bald zu Streitigkeiten und Zer-
würfni.s.sen zwischen Schirmvogt, Abt und Ritt»?rn.
wt.'lclie vom 12. bis zum Anfang des 16. Jahrliuudertä
andauerten und die Kräfte und den Reichthum des
Stiftes Fulda sehr ersclif'ijiften.
Ich beginiin zunächst mit den Ritterburgen, welche
in nächster Nähe der Abtei Fulda, in den jetzigen
Krei.sen Fulda. Hünfold utid Gersf^-Id gnlegen waren.
I.
Haselstein *).
Die ersten Käin|>fe der Abtei mit den Rittern be-
gannen unter der Regierung d«\s Abti-s Wolfhelni
(^1109 — 1114). I)ie fuldaischen Ministerialfu von Hasrla
suchten ihre dem Stifte gehörige Burg H ase 1 .str i n
dnm-'jelbeti xit «'ntrt'i.sseii und lietrii-hmi »eifrig Raub und
Wegelager an dvu vorübiTziehenJen Leut»*n. Vergeblich
*, Landau, die hessiächcn Kitterburgeo, 1. Baad S. 293 ff,
I
p
125
htf Abt Wolfliflm den Riinhern ihr Handwerk zu
li'gcii. Kr wurde bei der Belagerung der Warthurp, als
er Kaiser Heinricli IV. 1114 in einem Feldzuj; nach
acljs^n Hf^eresfolge hnstfte, von di-m LundgrafiMi Lud-
vig von Thüringen gefangen genommen und nach
liroirtr *) drei Jahre lang auf der Milseburg in de-
fangen.schaft gehalten. .Sehnn SrifififtNni**}^ der s|Kitere
fuldaische GeHchiclitsschreiber, schenkt dieser Behauptung
keinen Glauben. Er meint, ass der Ort der Gefangen-
schaft richtiger Merseburg heissen solle. Comcl
nennt das Gefängniss Meysenburg. Der Nachftdger
Krlolf (1114 — 1122} erstürmte Haselstein und Milsehurg,
vertrieb deren räuberi-fche In.sassen und befestigte beide
Plätze zum »Schutze der .■\btei. Bald darauf kamen die
von Hasela oder von Ha.seistein wieder auf ihre Burg
und fingen das Räubergewerbe von Neuem an, welches
im Buclienlande bald allgemein unter den Rittern wurde.
AbtBortho I. von Schlitz soU eines unnatür-
lichen Todes gestorben sein, als er der Baubsucht seiner
Lehensmannen steuern wollte. \hi Marquard I.
(1150 — lltio) musste Haselstein, welches sein Ministerial
Gerlac'h von HaseLstein (Gerlacus mile^s) in
der alten Wei.sie als Scddiipfwinkel für seine Raubzüge
benutzte, wieder erstürmen. Gerlach wurde vertrieben;
Nachkommen von ihm sühnteii sich indessen mit den
Aebten wieder aus und verlangten abermals ihre Stamin-
barg, welche indes.sen später an andere Familien (von
Taffta, von Schlitz und von Buclienaul kam. iril2 war
Dietrich von Ebersberg dort .Amtmann. Die alte Burg
zerfiel, es wurde ein neues Schln*,s als fuldiii.scbes .•Vmt'^-
haus unter dem Felsen erbaut, welches noch steht und
jetzt zwei ]>reu.ssischen Förstern zur Wohnung dient.
Die Familie v(m Ha.seistein gilt als längst ausgestorben ;
*) Broictr, lib«r IV, pug. 2<)."i.
Seimmtal, Buchonia vetus, pag. 367.
jt^docli »«rhieU v(ir rinigpii Jahren der Lehrttt zu Hasel-
st^iri HiiK'ii UrH'l" vfiii (^imim iist<^rr(.'ichisfliHn üffizier
Nanifiis von H asels t h i ii, wi^ldior sieh nach seinen
angt'blichpn Ahnen erkundigt«. li»'biijytons sah ich in
d»+r Schweiz in (l<'r Gt'gt^rrd von ('hur aiith «Mn«^ Ilurg
Hast^lsteiii, wo ein Gesclilccht flicscs Namens ansäfisig
gewesen sein soll.
Ih^r Has>ei.stein ist eine der ]>räc]itigsten unserer
Bergruint-ii. Zwischen Hilnfeld und Geisa erh«?bt .sich
der steile kleinf« Kegel von vollendeter Glockengestalt
in einem Kcsselthale, welchos von schönen bewaldeten
Bergen rin^js iinjgeben ist. Oben findet man noch
zi*Miilifh viel ManejwtM'k mit einip»'ii Fensteriiffnnng^'n.
Am Abhang des Kegt-ls bis zur 1'lialsohle der Host»!
breitet sich das tVeundlitiie Dnrfelieu gleichen Namens
ans, dessen hik-h.'^ter ('unkt das oben erwälinte »««ue
Schloss ist, während von der Bevölkerung die Burg-
ruine ,,d}i8 alte Schloss" genannt wird.
Milseburg.
Die obigen Angaben (8. 125) über die Mil.sebut^g
ifad die einzig wenigen, welche beweisen sollen, dass
atif diesem schönsten unserer Rljunberge eine Burg
gHstandeu habe. Da nirgends in den Urkunden Fulda'«
von einem RitteTgeschleclite Mil-seburg etwas erwähnt
wird, i.st es wahrscheinlich, da.ss wenn überhaupt da-
»«•Ib.st eine Burg stand, die>e den Herrn von K ber-
stein gehört hat. in deren Gebiete von Alters her
dieser Berg gelegen war, welche sie 1540 an die Herreu
von Uosenbach verkauften, nach deren .Ausst^irben
die von Guttenberg, Graf Sickingen und von
Zcibel die alte Herrschaft Schackau beute noch be-
sitzen. Auf dfT Hiilie kann die Burg nicht gestanden
haben, die jetzige Kapelle ist als Burgpintz zu klein
Aber auf dem vor der Milseburg gelegenen Hügel Liedeu-
kOppel findet sich noc-Ii etwas MauRrwerk, möglicherweise
war dieses der Btirgphitz.
Di« alte Eberstei]i".sulie HerrsLliiift umfaü.st die
Milsebiirg und die derselben zwtiäcliHt gelegenen Berge
und Wälder, die Dörfer Schackau, Kleiiisassen, Ober-
beridiards, Eckweisbach, Ruppsroth, Brand und Wickers,
In Schackau .steht noch ein altes Schloss, jetat
dem freiherrlich von Guttenberg '.sehen Fideiknmmis ge-
hörig, in WHichera ein Ileutverwalter und ttbeifurster
wohnt.
iir.
Eberstein.
Die Stammburg der Herrn von Eher.stein war auf
dem Tannenfels bei Brand gelegen. Ein Nachkomme
dieses edlen Geschlechtes, Freiherr Louis Fer-
dinand von Eberstein, preussischer Ingenieur-
Hauptmann a. I). zu Berlin, hat uns eine urkundliche
Geschichte des reichsritterlichen Geschlechtes Eberstein
in 4 grossen Qnartbilnden in 1. AuHage 1865, in 2.
Auttage 188H übermittelt, ein hüch.'it verdienstliches
Werk, welchem die folgenden geschichtlichen Notizen
entnommen sind.
Die Stammburg Eberstein auf dem Tannenfels,
einem hübschen, von herrlichem Buchenwaid gekrönttm
Kegel, ist bis auf die Spur eine.^ Wallgrabens gänzlich
zerstört. Hier war die spätere Grenze der Herrschaft
Tann und des Stiftes Fulda, daher der Name Tann-
und Fuldaisch, Tann-FöLsch, worau.s der Name Tannen-
fel.«» entstand, der also mit Tannen, die hier im Bnchen-
laude nicht gefunden wurden, gar nichts zu thun hat*).
•) Bei Kbergtciti, mkundliclic rjeschiulite I, Baud S. 439
heisst es: .„Naeh Krob«ruiig des EbcrsteinH theilten sich Fulda und
Würzburg in die Mark Hrand." 1464 wurde ,di<> Wüstuni; Blande
halp" als Zubclmr /,uiii Scbltmsn Auen* borg dorn llatis viui der
Tomi v(}r)ifäiiii«t ... (In gehöito also diu oiiie Ifäiriu der Mäik
128
Th'n Familii* von Eh^'i-stpin ist sohr alt. I)pr~
StaminvatiT aller jetzt iiot-h It'hciiiJen ilins^ä (jesclileclite-s.
dpr 1 67ß gestnrbf ne K r n s t A S b r e c h t von E b p r-
stpin äussi^rt sich in finfin lli-it-fe fnigenderniassen :
,,Dip ffpi-fränkiscli rittprlschi- Familie, welche mit den
bftidfM) griitliihi'n pini's rrspiunrrs und nur ut dictns
wpgpn Hfirath pinr»r Patritierin vnri Augsburg 903 als
adelig geachtet, hat das biTübmtf Süunrnhaus Elipr-
atpin. welches Stamm.srldoss von dt*M Hischüfüi» Ber-
tJntld zu Wiirzhnrg und Bertoch Abt.pii zu Fulda, weil
PS ihnen /n fiinhtiMlicli war, sidcr 12S2 zerstnrt stpht."
Das wii'kliiii liisturistli«« diT fnilifstMi Sehiekwiilp dieses
Hausps will ich iiarli di'tn angpfiihrtRii urknndliehpn
^Vpl•kp »childcrn. Caspar B r u s t- h i u s *) schreibt
( 1 af) 1 ) vom Abt Marqnard • .,Arcpin Haselstein
ab a n t p c e 8 s o r i h n s p •' r v i m o c c u p a t a m p e-
(• u n i i s n u m P r a t i .H p e r s o l v i t a c e m i t, a r c e m
Ebprstnin vi rpjiit." Das gpschah liriO.
Nach Scßiautfftf filhrtp Maiijuard mit Zustimmung
des I'apstps und <1ps KatJHers iÜp Waffe gegen seine
eigenen adoligi'n LidiPiish-ntp. die des Stiftes Güter niclit
anders, wie Krii'g.sbputt* ziTiisscn. eroberte die Burg
Hasetstein iun\ legte zum .Schutze der Abtei gegen die
Ritter die befestigte Burg B ) •' her» te i n an. Wenn
auch Sthannat von der Krnbennig des l^bersteins durch
Marquard im Jahre 1150 nichts meldet, so ist doch
klar, das» die der Milsebnrg, dem dctininirenden Berge
in der Kberstein'schpu Herrschaft gegenüber angelegte
Brand den Hpitcm von der Tniin, die aiideip Hülfte dem Stifte
Fulda uiid seit joriei Zeil fiiinle doi' die Kuiiie Ebersteiii tragende
Uerg im Vo!k»uiiiiide den Namen ,Tfiitiii-Fnldise!ie Kümiel" oder
das „Tann-Pöliistdi". wnriitis dincli Niehtvnrstiindriiss der dortigen
Yidksmniidart seitens dei' Kailni^raidieii „Tntmeiifels" gemacht
wordeo ist.
•) Uti inunnsteriis Oormaniao pi-aecijiuis pitg. 61,
Iliir^' <1mj!U tliinH'ii soilti', tln-ii Herrn von Ebersteiii einen
Ka(i[)z;uiin aiizii leiten.
Naclj fK>r KberstHiii'sclitüi Familifiitradition sollen
mir ihesr Zeit drei Sühne des Botliu von Eberstein aus
d«r Burg vfntriebMi und iiiich dyr Rückkehr von dem
Krouzüuge soll ü\*^ Abt H erinsin n (Uüö— 1168) wiedpr
mit ihrer Hurg belehnt hah«:')). 12H1 verlieh der Bischof
Mertiiann von Würzburg den Eber«teinen das Marachall-
anit. Die schlimmste Katustrojthe in der Blüthezeit
des FauJ?tlvehtl^s trat in dein Kuldaer Stiftslunde 1271
ein. In fiiH'r Fehde der Ritter von Eberstein, von
l'il)er.sberg, von Steinau t-te. mit dem Stifte Fulda wurde
der Bitter Herrn iinn vnn Ebersberg gefangen ge-
nommen; der Abt Berti) (> 11. viui I^eibolz lieas
ihn inif deui Markte zu Fulda durch (lerliich Küchen-
niei.ster öffentlich enthaupten, wodurch die ititter im
höchsten Grade erregt wurden. Die Ritter Albert
und H ei n rieh V on Kbersbcrg, Uy so von Steinau,
Albwrt V iMi Brandow, Eberhard von Spal,
ToTirad und Bert ho von Luppe In und Conrad
von Uossdorf verschworen aicli, den Abt zu er-
un>rileu; auf der gros.seu Wasserkuppe, noch heute im
Volk.'sinnfide der Spivlherg oder auch Pfafteuberg ge-
nannt, lo.sten sie, wer die Verschwörung leiten und den
ersten tödtlicheu Streii-h gegen den Abt führen sollte.
Das Lous traf U y 8 u von S t e i n a u. Sie drangen
unter der Maf>ke • der Frömmigkeit in die St. Jakobs-
kapelli; nehin der Abishnrg am 15. April 1271 zu der
Zeit ein, alä der Abt die Mesfcn' la» und stachen auf
ein Zeiclu^n Gyso's von Steinau den L'ngtikklichen nieder,
der mit 2t) Dolcbötichen das Leben aushauchte. Die
Bitter .sprengten auf ihren bereit gehaltenen Pferden
davon ; der rasch er^vählte Kaclifolger des ermordeten
Abtes, Bert ho IB. von Macken z eil, verfolgte mit
seinen Mannen die Bitter, welche sich in der Burg
N. V. XV n. Hd.
9
Stjtinan ge-suniinflt liattxjii, vertrieb sin ans derselben
und errtfichtu a'w in dem l)i>rff Hantel (bfiite Kirchbasel^,
wo sie -sieb in der Kircbe versiliaiizt biitten. Mau er-
bnifli iVw verramnu'lte Pforte und rk-btete unter ibneu
oin M'hrecklit-be.s Bbitbad an. Alle kamen um, nur die
bfMilcii Vf»n Kbersberj/ wurden lebendig gefangen ge-
nnmi>i«'ii und auf Uefebl de.s Kaisers Hudnlpb von
Habsburg zn Frankfurt a. M. 1274 gprädert. Nach dieser
Stliandtliat wurden die von Steinau, Ebersberg und
Kberstein als Häupter der Verscbwürung iluvr Güter
cni»fi:ti. I)ie Hurgcn Ebersberg and iVippcnbattöen
wurden sufitrt gt-sehleift. ^.etzt^'re^< geborte damals dein
WürzbuigiML-heii Marsdiatl Conrad viin Khersteiu
genannt v on 1' u p j» e u b au & e n. Die Burg Kberstein bot
bartnätkigi-i) Widerstand; der Mar.seliall leistet« seinem
Hruder Hotlio ilort kräftigen Heistand, wodurch dif
Fehde zwischen dem Wilrzburger Fürstbischof Her-
thrtUI vdii Stern berg uii«l dein fuldaistlien Abto
Hej-nittlV. vun Hinibaih | rJ74— 1280) entbrannt
sein i5ii]l. Heide Fürsten liatti'ii iiat^h heftigem Wort-
htreite zu <Uit WaHVin gegriBcn und gegenseitig ihre
Liiiider vi-iwüf«tct. Kaiser l!udc»l]ih 1, vennittplte
dieKcn Streit zu Niinibtrg und briuliti.' eine Sühne zu
Staude. Ha sich der Streit aber nicht in aller Kürze
beenden lies», berief er die Parteien naeh Oppenheim
und ühertrug das. Schiedsriclitfrauit tten Julien Plber-
h nrd von Scii 1 ü»se ! Iju rg, (i <it t f r ied vii n H run-
eck uiul Hertlinid vnn Liebesberg, welclie zu
FuflisstaiU eiiifi) Vergleich zu Staude brachten, worin
Kie iM-stinnnten, dass die streitenden l'arteien Würzburg
iniil Fulda das llnuti zu F.berst^in. als den Stein di«
Anstossi's, geaieiiiscliaftlicli niederreissen. gleicher Weise
aucli das ("astrnni wud den tht Brand zu bt*f est igen
(ibernelmien sollten, im iiluig<'n liaitiii sie und ihre
l'ntfrHiaiu'ii sich nach dem zu richten, was schon vor-
I
Iier zu NüiitltHrg vnr dvm Kruiigt* zu hi idci-scitlgem
Frii^deTi ;in<:f'(jnln(4 worilfii. In der lirkiiiKl** von 1282
hiMsst i's : „Wir sclnillrii tiiit fiicimliT daz Hiis zu Kber-
h,tch\ bitx-lifii hihI iiii.siT iiMfhkanudJng siil daz winUfi-
biiweii, iiücli .sidk'ii vuidit-iigcn, duz i'S Jeuiaii witnler-
buwr. Wir .sfLiillen nvh uiiuiudei- Iniweu zu Bruiidowf
bnrg und statt und alli daz gut, daz iji die MiU'keii
zu Hraiidout' hör<ft, daz sulle wir iiiitHiniinder haben
gt^mwin." Di(* Burg Ehorsti'iu wurde gründlicli zerstiVrt,
so dji«s heut« von ilir nur iVw Spur uintis WallgraWns
auf dt^m Tannf nfels übrig ist. Wie lang das gcmeiii.samt'
Schlftss in dem a>n Kusse desst-lbcii gu legt mm Dorfe
Brand bcstiuiduii iiat, ist uns idcbt bi'kaunt. Nur sehen
wir. dass von deni8<'lbc'ii eben so wenig übrig gubbeben
ist wir von j^Tcr, iiHinlicli die. S()ur eines Wallgi'abens
im Uarteti vor d*'j« Schul hause in Brand.
Nach dum Ebersteiu' seilen Werke waren die Familien
vtm KbiTsberg und Rbt'r.strin nahe verwandt, Zweige
eijies llauptstanimes, die früher ein Cie.sippe ausmachte.
Sil! liattt'ii zusiinvnien die Gannrltsc-haft in Popponhausen
und fütirten beide in ihren Wappen die Strcitangel, ge-
nannt fränkische ijilie, die Kbersteiner drei wei.s.s*^ IJÜpu
im bliiufji Felde, die Kberübcrger luir «ine.
IV.
Bieberstein.
I)as Stihloss Bieberstein, von Marqnard 1. zur
Vintbeidtgnng gegen die Raubritter 1150 erbaut*) und
*) Vcrgl. Brnirer, Üb. III. pag. 267: Ego Mtlrr(aar(hm roejii
acilifirai'o i'flsh'uin lUlici-sfctn, mm ijno'I convcniat Moiiailiis ui.'^i in
Mniiitstcriii hnliitarc», et »[liiitimlia ])rneliii oxercon;, sini <|iiin inuiidus
in m.aligho po-silus, noscit n malo crdcrc, iiisi por violoiitiain oi
rosistntm*. l'üj.'itahani ciiiin iti animn meo: Ecifo locus ca.stn hnjiis,
si all nüqijo ho.stiuin KccIcKiao rnerit dn])relicnsus, ointio mnlnm
noiiis injii'relur; t>t iioti iiisi nin^'iin (JotiiinoiitD mnini, *^t iiericvilu
9*
Vi2
mit gttrfumi Mumni) iH-st-tüt, frliiflt sieb stfts im Be-
sitze di-r Abte v*ui Kulila. ^^^•ll:ll♦' es fihrigciiK saninit
dtr Ve.rwaltunjj; lU-s Atiiti'>> (»ittT an rittt'ihcljHftlii-hi«
Familit^n vurliülii-ti tid«'!' vfrplamli'ti'ii. so an von Mal-
koz IH.%, vuii Hu 1)1' (HiiiniK) l^ß'i und 13H2, von
Backji'iiau 1401, von LiUkM I44VI*). Di^m Ahte Bal-
thasar V o n 1) H r n h a e h i ir»7U — 1 i'AÄh, wnlchcr loTO
abgesetzt wurdt% wuid«^ 1579 bis zu seiner Rpstitiitinn
l<j<J2 Uii'lxT.steiu als Wiihnsit/ anp('\vi(!>i»'ji. Für.stiibt
A li a l h k' rt l. S c li l<*i f r a^, der l-'a-liaucr des ! ►omf?' ninl
ScbloHsi's y.ii Fuldn, lii'ss hi»'r 1711— ITDl das ji-tzigp
n<iib ftti'liriid*' StbltKss tTiifditi-n, wi-IiIm-s von «einen
NiuldVdyrn als Soniiin'rn-öidcnz benutzt wurd«' **),
V uml VI
Poppenhausen und Ebersberg,
Iti dem jetzigen L' up jm n b aussen am Fusse
Kbitrsbt^rgf/s liatteii die r«aui'ihcn von Kbirstein, von
Ebersberg und von Stuinaii rin festes Subloss, welches
zwar nacb der Fri-veltijnt von ri71 wie der Kbei-sberg
gefscldeift, aber wit^der aufgebaut wurde, tiacbdeui sich
der jüngere Hruder der hiiigei-itht» fni beltlen Kbersbei-ger,
Gyso, K-i05 mit dem Abte lleiniitlii 11 lirafen v<)M
Wtiilnau wieder ausgCMilnd luiHe. Dntli »'nt.standen
mit dem Abte neue l'VJiden, so das^ WM Fürstabt Fried-
ricli von Honirod genu-insaiu mit dmi Landgrafen Bal-
thasar von TbiMiiigen inid dem W ürzfuug'T Biücliofe Gei*-
hard vitn Sc-hwarzenburg das !>cliluf5H Foppenban^en bti-
IioiJiininn. ejieietur. Kx hoe c«n'|ii illvul |iossidert\ ot in tisuii» £c>-
eleKiiio roiigfie. ot ruiii lidelibus et iiioiuusterii lioiifircm queiX)»-
liUiK militilius *Jisjioiieie; i|iii jmaniento Imc eeiiHimaninf, miii-
quam sf, nihi |H'o lumuie MuiiaHteiii et Abbatis. iice in inniio ilnloie,
*) Dmnev. Kuldiselio Aenitür, 1. llanU, S, 1—33.
**) Vgl. Sfhmitler. Hmlioiiin 2. B.1 . J. H. S, 107.
lagerte, Wficlics übi-r iiielit iniigomiiiineii weiden konnte.
Krtniitliigt durelt diei^f Kifolgö bauten die Flbersberger
iSire ;ilte Stanimhiir^r wieder auf (K-Ülfi— l'iiXiV H^t
Abt Joliann von Jb-rlnn. dessen Mitti-l dunli den Brimd
dnr Stiftskirehr. hi-zii-liniigsweise di-ren notliwendige
Wii^lerbi'rstellung pi'.-ebwiicht waren, tmisste den Ebers-
berg (b-r Familie wieder zum Leben geben unter der
Iw'^dingnnß, d«8s jeder iniinnli<-be Sprosse im 12. Leben«-
jabre der Abtei tU-n Vnsalleneid leistete. Docb .schon
I4Ö1I' lu'gaiinen aufs Neue die Fehden iler Steinauer
und K.bersbergcr g*'}icn die Abti-,
Der Abt licinbard Graf von Wi'ilnau war
glückliclicr als sciim Vorgänger intd i-robr-rtc I4r>if das
feste Seblnss in J'o|ii)enlunjsen : die liurg am Kbersberge
wnrdr 14t)ü tiacb lbi*wer*), 14fi5 naeb ßruscbiiis ebenfalls
criiliert und zi-rstiiit. Seitdem liegt dieselbe im Schutte;
doeli ist i's die bedi-utcudste liuine sin fuldisclien Lande,
Auf di'in ßHtt Meter bubcii Kegel des Ebersberges er-
bebi-n >icb noch inirnt-r zwei aitsr-bnlielie Tbürme, welche
ilurch Mau(i'w<'rk verbunden sind. Der eine Tburm ist
1854 diueh den bayerschen Landrichter Geigel von
M'eyhers mit einer Trepjie versehen worden ; von ihm
kann man die lierrüebe Aussiebt nat-h allen Seiten ge-
niessen. Im ä«i<ferTi Mauerwerk unter den Tbtirmen
hat der lilifuiklub i-inc Scliutzhiittt^ i'rhaut. Das Ge-
sirhteihi tler Ib-rrcu vnn EtiersbiTg bh'Uite notli bis in
die neueste Zeit.
Y]I. uu.l VÜI,
Schneeberg und Weyhers.
Volt di'ii liiugst ausgestorbenen Ibnreu von Stbnee-
)erg, deren Stammburg auf t-ineui Vnisjuunge tles Feld-
bergPK aui Haudt' dir Ittdicn Itluin gelegen war^ von
*) Biijirvr. hli IV, }»ag. SÄ*.
134
der ausser Resten eines Wallgrabens keine Spuren mehr
vorhanden sind, hatten die von Rbersberg die Herrschaft
von Gersfeld erworben, das würzburgisches Lehen wurde,
während ein anderer Zweig von Ebersberg gen. zu
Weyhers sich in Weyhers niedergelassen hatte. Die
dortige Burg befand sich an dem Platze, den jetzt das
mittlere Wirthshaus einnimmt*).
IX.
Gersfeld.
In Gersfeld bestanden noch im vorigen Jahrhundert
drei Linien, das obere, mittlere und untere Sehloss.
Die beiden erstoren starben aus; der letzte Sprosse,
Generallieutenant Gustav Alexander Freiherr zu
E b e r s b e r g, genannt z u W e y h e r s, starb zu Darm-
stadt am 27. März 1848. Im Jahre 1740 erbaute Frei-
herr Hugo Carl Isabella von Ebersberg- Wey-
hers das gro.sse untere Sehloss, wie es jetzt noch steht.
Dessen Tochter heiratliete 1785 einen französischen
Grafen von Montjoye-Woffray, der sieh zu deutsch
Frohberg nannte. Dessen Enkel Graf Ludwig von
M o n t j o y e besitzt heute noch die Herrschaft Gorsfeld **).
Von dem Schlosse zu Poppenhausen ist nichts mehr
übrig; es soll das Gebäude am Marktplatze, wo jetzt
der Tanzsaal des Gasthauses zum FiUgel sich befindet,
gestanden haben. Ein alter Thorbogen an einer Mauer
hinter dem Gasthause zum Stern mag noch von dieser
Burg herrühren.
Bei dem Bau der Kirche zu Poppenhausen vor
etwa 40 Jahren wurde ein grosses Lager von mensch-
lichen Knochen gefunden, deren Träger vielleicht in den
Kämpfen des Mittelalters gefallen waren.
*) Juneph Schneider, Beschreihung des liolicn Khöugebirgcs,
2. Autl. S. 171 ff.
**) Justins Sc/meider, Fülircr durch die Rhön. 4. AiiH. S. 139.
*) Liinthii. he>s. liitteilmigLii. 1. Bd., S. 2U9. — Jnurjilt
üchneitler, Khöiibo-stliieibutig. S. Sl'y.
136
und tim|>Hiig in Neapel, wo «icli dtr Kiii.st-r mit der
Prinzcs.HJn Leoiion^ von Portugal vt-rmähltc, di-ti Kitter-
8chlag. Fortwährende Hpf«4ulung»^n und liblehnnngt'ii
kamen im 15. Jalirhiiiuk'rti' vor. Im 17. Jabrhundfrt
finden wir üennral von Stcinau in »äcliäi-schcn und
bayeri-sthen Diensten. Natli Landau soll das (iestlilecht
«trloschen sein; doch tinde ich im |»reussistlieti Medizi-
nalkalender drei Aerzte von .Steinau genannt
yteinrilük in Berlin.
Die Stammluirg Stcina« is*t wahrscheinlich bis
Knde des IH. Jahrhnndert> in dem Besitze der Faniiliu
gewesen. Von derselben i!<t itber niebifs inebr übrig.
In dem Burghofe, \\i'T von einem nun trockenen (irubun
in Form eines Vierecks umgeben wird, »ind 5 Bauern-
häuser eingebaut. Nur einige dicke Grund- und Keller-
Diauern erinnern nocii an die alte Burg.
XI,
ßabenstein.
Im Haupttbt'ile des Hln'irigebirge» bestanden ausser
den früher genannten nur noch einige Ritterburgen.
Auf dem R a b e n s t e i n nächst dem Ihunnit-rsfeid
tinden sich Ueberie.ste von Mauerwerk und ein alt*'«
Kellerlocit, an den benachbarten Otteriteineii der Re>it
eines Wallgrabens, l eher diese Ritterburg»'n »cliweigt
die (jeöchicbte giiTizhcli, es ist nur ehie Vermuthung.
da»» Ahnen der Herrn von Thüngen hier gehaust hätten.
XU.
Lichtenburg
Die nicht im fuldais<chen Besitze gelegenen Burg-
stätten österbnrg, Salzburg bei Neustiidt, Sond-
heim und liildenburg im Streutliale übergehe ich
gänzlich, ich möchte nur nueli wenige Worte über die
noch immer .stattliche Huine Lichten bürg (oder
VM
liUliti-iilirrgl In-i n^tlii-im \Mi ili'i Itluni sug»'ii*l. Sie
stumnit Vtahrhchfinlicl) :iiis ili-m !2. JiilirhumlcH und
wmtlf viirn Kaiser Fricdrk h 11. dem Abti- Kinm vnii
Fulda I ril(i -1:*2J) gfstliciikt Sii« vviiidi- von dem
drafrii V t.i 11 Hdil en I au l)t^ n wiiMl-rreelitlich bt^f^ftzt,
abiT vdiii Ahh' Cniirud 111. von Alalkoz 1 1222 -1247»
wieder erobert, widclu'r dw Burgmatuicn von Lieliteii-
burg dort /u iliici Vfriln-kliguiig einsetüte. Im 14
Jalirbuiidert ktim die Hurg an diu Grafen von Heiineberg,
Diuli deren Auf^xterhen an Sacbsen-Weiinar, wekdu-s das
Ajnt Liibteiiburg, jef/t (Kstheiin mit den Orten .Si>nd-
lieim, Stetten und Ursjvriiigi ii als Kntlavi' im baytri^cbun
Ciebieti- iincb besitzt.
Xlll.
Auersberg.
Niebt weit vnti Hurg Eberstein nder Taniicufels
iiaJH- bei dem Amtsnrte Iliklvrs springt vor dem liolien
niid .scinin bewaldeten Aitersberge eine niedrige Il^rg-
terrasse vor, die das* alte Siblri>s Auersberg trägt**).
Huht^s Mauerwerk in Ftirni eines S^'cihseckes mit den
J{e>*ten eines Tlinrinp.s mit Ausliigriffnuiigen gegen (.).
und S. biblet eine sebr sthiine stattlitli«; Ruin«'. Da«
Mauerwerk ist 1876 auf Kosten des Staates re|iarirt
und vor Verfall gescJiützt, anch eine Treppe und Altane
mit Tbürnuin-n zum (Senusse der Aussiebt eingebaut
wurden. Ilas Sddoss «oll urs^iirftngliili der Famibe von
N ith a r ds ha U5i e n gehört haben. Ftne lUrrgfrau muj
Auer?«bt'rg, weicht^ trotz der Warnung ihres Kutschers
durch lue angeschwollenen Fluthen der lltster in des
Teufels Namen fahren wollte, i^t der Sage nach er-
trunken, \\rdir<'nd der gottesfürclitige KuJ-^cln-r gerettet
uurtle. Die Hurg war .«päter wüizburgisihr-r Amts.sitz,
*) ScfuiHnat, ßueliottin vetus. |jag. 420.
•*) Schneider, .hmi'it, b'liöuKsclneilning S. 239.
138
welcher aber im 17. Jalirliundert nach Hilders verlegt
wurde, worauf dieselbe zerfiel. Diese Burg dominirt das
ganze obere lllstertlial von seinem Ursprung bis zu dem
10 Kilometer von Hilders entfernten Tann.
XIV.
Tann. *)
In Tann finden wir am südlichen Knde des Städt-
chens am Ufer der Ulster die drei im Viereck erbauten
Schlösser der Freiherren von der Tann, das gelbe,
rothe und blaue, an deren Stelle früher die alte Burg
Tann gestanden hat. Dieses uralte buchische Adels-
geschlecht wurde schon 9H8, 1165, 1234 und 1284 bei
den Turnieren zu Merseburg, Zürich, Regensburg und
\VHrzburg genannt und betrieb zur Zeit des Faust-
rechtes die Räuberei gleich den übrigen , schon ge-
nannten Adelsgeschlechtern. Der Abt Heinrich VI. von
Hohenburg (1315 — 1353) zwang die Herren im Jahre
1323 ihre Burg ihm als Lehen aufzutragen. Als sie
trotzdem ihre Refehdungen fortsetzten, drohte der Abt
von Fulda 1405 durch den Hauptmann des Landfriedens
Friedrich Schenk mit Gefangenschaft. Sie unterwarfen
sich dem Abt aufs Neue als Vasallen und versprachen,
von jedem männlichen Sprossen im 15. Jahre den Eid
der Treue ablegen zu lassen. Da die nach Fulda
ziehenden Wallfahrer sehr von diesen Kdelleuten be-
lästigt und ausgeplündert wurden, musstnu dieselben nebst
anderen Rittern für die Zeit vor und nach dem Boni-
fatius- und Allerheiligen-Fest freies Geleit versprechen,
worüber sich in dem Tann'schen Archive folgende Ur-
kunde findet : „Wir Dietrich von Fibersberck Ritti-r,
Simon und Carlen von Steinau. Steinrück genannt,
Gebrüder Hermann Giese und Kduard, alle genannt von
*) Schneider. Khiiiibesilireibuii}; S. 288. — Schatmat. Bu-
uliotiia vetus, pag. 413. — Sc/nuuuU, Anti<iuif. Fuld.. pag. 303. —
Biedermann. «.Jeschlecbtsrcgister. tabula 181 bis 15(3.
VVirylii-i's. Kij^ifUianlit. Mfitiml «ml liriiiliiird, Simi>ii luul
tiauii!«'!! (ii'brü*lt;rii, W illu-lrn iimi Addljili (.ichrüdeni
und A[u4 von Kr^iftiberg, alle genannt vnn der Taiui,
bfk(Min<'ii in (lifsi'iii offf>n<'n Hrii'fi', tl;iss wir um snnd^n*-
ÜcIkt li^^y^chruiij^ willen de« ehrwürdigen .Inliaiin*;«
Abteil icu Fnlda, Herrn GjxVs Dechiint's und de» Con-
vcntes yunipinlifh daselbst unsere liebe giuidifie Herre
gesichert lurd geseligt haben, alle die Menschen mit
allen ihrer Habe, dt« kommen untl wandeln, rytening,
fahrning, .L,n'uiug, ud<'r sie kommen gen Fuld dar und
(Uuiiu", aelit Tage vor dem ni'u'hsjten Sancte-Bonifaiieti-
Alu-nd und acht Tage vur dem Allerheiligen Aber.d,
als die Gnade und Ablas8 eingehen, nud als lauge Zeit,
als dieselben Giiadeii währen, naeb Ußweisung der
Brief, di(; unser heiliger Vater der i'api^t darüber ge-
geben hat und aubt Tagu darnach .^ie kommen nacli
Ablass, {luaden, Kanfmannscliaft, Niitb rbri.-stu*? (ieburt
vierxeSndunidert Jabr, dauacli im sechsten Jabr auf die
Jlittwuebeu, nächst, der Pallwochen" *}. bn .tahri' 1501
wurde dieses Versprechen erneuert, wcdil ein Zeichen,
dass esi nicht allzu genau gebalten worden war.
iJie drei Linien vun der Tann stamuien vuri
Drillingsbriidern ans dem 13. Jahrhundert alt. Ans der
Reform atinnszL'Jt ist Eberhard von <ler Tann als
persönlicher F'reund Lntber.s zu erwähnen, Der ala
•bayersclier (leneral bekannte Ludwig von der Tann
entstammt der Ivinie d«'r (Sclbschlüs.ser, welclie sich von
tler THini-UatlisaiidjauseJi nennen.
XV.
RockenstuhL
Von Tanu luis fällt uns bereits ein hübscher kegel-
förmiger Herg in dii' Augen, welcher das mittiere Illsster-
*| MatmsL'ri|it der \tni der Tniin .m In ii K'rpistratlir. abge-
Jrui.kt iu Jm. ScIuiciticrH itköubüsjchreiluu);; S. 204.
140
tlial chfiiso iloniiniit win der Auorsberg das obtre, der
Uo ckc iistnli 1 hei (Jeiisa. Nach Schau not*) bedeutet
Roggen-8t<)l(! : Roggonis sedes, die Burg des Gau-
grafen R(»ggo, mit welcher später (1303) Graf Berthold
von Henneberg als seinem alten Stamln^>chlosse vom
Fürstaht Heinrich Y. von Weilnan belehnt wurde.
Später war der Hctckenstnhl fiildaischer Amtssitz.
Am F^ide des 17. Jahrhunderts wurde das Schloss
abgebrochen und von demselben Materiale das Schloss
zu Geisa, jetziges sächsisches Amtsgericht, erbaut.
Gegenwärtig Hndet sich nur noch spärliches Mauerwerk
auf dem Kockenstuhl, in welclies erst kürzlich der
Khönklub einen Aussichtsthurm eingebaut hat.
XVI-XXIII.
Fischbach, Neidhartshausen, Lengsfeld, Weilar,
Gehaus, Rossdorf, Buttlar, Mannsbach.
Die übrigen Burgen des Fuldaer Landes in den
Ämtern Geisa und Fischbach (später Dermbach), welche
jetzt zum 4. Verwaltungsbezirk des Grossherzogthumes
Sachsen-Weimar g(^hören, wollen wir nur kurz erwähnen,
da sie niclit viel bemerkenswerth«'s bieten. Der fuldai-
sche (Jerichtssitz Fischbach lag auf einem Berge,
dem Hähnchen, nahe bei »hr schönen l'ropstei Zella,
welche jetzt noch als Domäne erhalten ist. Auf dem
Hähnchen findet man noch Mauerwerk und einig«)
Kellerlöcher. Das lange verpfändet gewesenem Amt Fisch-
bach wurde vom Fürstabt Adalbert I. von Schleifras
(170U— 1714) nach Dermbach verlegt und das Schloss
zu Dermbach von demselben erbaut, welches jetzt den
Behörden als \V<tlniung und Bureau dient.
') Sr/iainiiii, Huclionia votus pag. 1^72.
♦') ihid. j»ag. 104 f. — Si-fiaHuaf. Tra>iitionos pag. 554.
141
N.iIjh ]h;\ Zellii l'u-gt aiuli <!;i> Dorf N^-iLlliarbshMUseti.
nächst tli'in diu lluij-' dfh i'iiplm \ nu Nitljurds-
hiisc^n stand, lU'V da.s Klust«^r Z<dlii xn"iiid<;tc. Dii'
FaniiliH war vii-llacli im FuldaiMilit^u l)id(diiit imd auch
an di'ti Fcli(h"ti d**r Hittor hi-tJu^ihgt,
Dir hfutr noch bet^tidirndnii AdtdssitzH der Fi't'i-
hr'iiii und (irid'cn von Hnyntr-bmjj; in [ji^nusf-ld *i, Wi'ihtr.
(jf'liaus, vuit Jlansliarh inid vnn (li'vso zu Mannshat h.
von (icysn zu Wciiigiüitatt und Hossdurt, von \V«li-
niar /.u Kn.ssdnrF. ühi'igidiH itli, ohgleich die gHiumntiMi
Frt'ihrriii und (irat'un saninitUidi zum Fuhlanr Ltdjfns-
veibaiuh- gtdiöit.i'U. da aus th'r uigcntürhen Ilittvrzeit
niclitä von ih'nj?i:'lhon zu ht^iichti3n i^t mit Ausnahme von
Man.sbaili. wilclu's liJHO vvi'gon Räiibprei der Huaitzor
Vf»m Abtt' licrtho IV. von llinil>iu-li ;zt'sc'ldcift vvnrrh-**).
Im DorJV Hnttliir hat auch die Wu-gc di-s gli-iilinamigen
hessischen Adelsgeschh^Jitt-s gestanden
XXIV-XXVI
Morsberg, Mackenzeil und Wehrda
Im Nnrih'it di-r At>tt'i. im Kreise ilüidVJil. Hnden
wir noch zahlrciulie Hurgiru, vnn weklien UuLbeiiau,
Stopjtelisbt^rg und Fürsteiieuk ilie bedrutHUiistL'ji sind:
Haselstein wurde sclion beliandelt; am Morsb»*rgH
bei Itasdorf', ciinjin der Herg** des grossen Kegiilsijide.s
hatteii die Kdleii gleicbc'n Nanu^ns ein« Burg, die aus
dem 12. rJahrhuudert ütanimtc, von der noch wenig
tSimreii übrig sind ***j. In Mackenzellf) .stand eine den
Herrn von Sclienkwald, ^lnlt(•r von Unulienau gehörige
Hurg. welche später Amtssitz wurde.
•) I.rf?ng.sfol(l ist HJurcli Kilisdiaft au die lirafcii vciii Kdlcii-
hun, jetzt an. von tJiitti>iil»t'r;< gi'koiiuupn.
Sthauwjl, Bu" lnDiiii vctus. )iag. Stiö.
•••) iliid. |iaj; 367. - \i iliid. [mg :{«ß.
142
In Wohrda waren von Alters her die Herren
von T r ü ni b a c h <Kl«r T r u b *> n b a c h *) begütert ; ihre
Burg war seit 1869 beständig fuldaisclies Burglehen.
Die Herrn von T r ü m b a c h und von Stein zu
Nordheim, welche durch Heirath (1828) nach Wehrda
kamen, besitzen heute noch die zwei dortigen Schlösser
und Rittergüter.
XXVJI und XXVIII.
Burghaun und Stoppelsberg.
In Burghaun und auf dem Stoppeis berge,
hausten die Ritter von H a u n oder Hüne, über deren
Burgen ich noch nähere geschichtliche Mittheilungen
machen niuss**).
Das fuldaische Amt Burghaun war zur Zeit der
Gauverfassung ein Centgericht. Der älteste Ort war
Hünhan (Hunhain), das Geschlecht von Hüne oder
Haunc wurde mit ihrer Burg Hanne und dem Cent-
gericht von den Fuldaer Achten belehnt. Auch sie
waren im 13. Jahrhundert bereits Raubritter; ihre Burg
wurde 1274 vom Abte Berthold IV. von Bimbach
erobert, aber später der Familie wieder verliehen. Um
die Burg war bereits 1824 ein Ort angebaut, das heutige
Burghaun. Die von Haune hatten noch eine andere
Burg auf dem Stoppelsberge, Hauneck genannt, welche
auch fuldaisches Lehen war. Frowin von Haune ver-
kaufte 1422 die Hälfte von Hauneck an den Fürstabt
Johann von Merlau, der somit zu den Ganerben der
Burg gehörte. Der Fürst von Waidenstein und die
Familie von Rom r od bekamen durch Kauf einen Theil
*) Schatinat, Cliontela. pag. 173.
**) I^iK/fiH, hcs.s. Ritterburgen, 1. IJand, S. S7 ( Barjxltaun).
S. 121 (Hauneck). — Detnirr, fuldischc Aonitor, 1, BaiuK S. 496
bis 711. — Srhannal, (Miontola, pag. IIH.
I
I
I4:i
davon ; «I*m' noinnKlsiilii- Tln-il nuifl«' 14iH) clicnfalls iIhui
Stift.^ Fiililii v.Tk:iiirt.
Trutztl^Mi) truyrji iHh (ijuicibi'ii viui Hauiie und
Fi'tist villi Wiiitli'iisti-iii ilfin IjiiiidgiatV'ii vun Hpsshti-
Kass»'] iiiiitt'ilisti^t'i- \Vi>ist> du' Hiiifz niiiiiictrk ziirii LcIihii
auf. Kr.st l.'iMi) trat. Ilt'.sst>ii nijt i<t-i)ii'ii Aiis|>rütlifii nnW
ili-ri'n Bi'Sintigiiiig (It^ni xUitu vun FiiUla tli**uei- zu .sti'lit*ii
kam. Die Ffimilie von Hanne erlf>s(h iju 17. Jahr-
hnndf-rt: alle ilirt' (lüttT theilten der Abt vrm Fiikia
niiil \'()l]if'rt Hanifl von Schenk zu .Schw ei iis-
berg niiter sic-h. iJiesev erhielt dnnn für seinen An-
tlieii ein Seblus.s zu Bnclienuu, su dass Burg uinl
Amt llurgbaun lediglich zu Fulda geb/irten. iJie Burg
wnrile vom Fürstabt A d a 1 b e r t 1. v o n .Sc h i e i f r a s
iiligebr«irlu'n und anf dem Hitrgbofe die jetzige kuthrv-
liscbe Kircli*» erbaut.
Itie von Hanne betheilijjten sich allezeit an den
Hitterfehdeii des Mittelalter«. Die erste Zerstüruiig
ihrer liurg wurde selmn erwübnt: 12H;-J kämpfte 1 ' I-
rich vun llauiM' im Wiirzburgi.'icluin gegen die
Griden vciM llenTKberg ntnl Kastell, Sinmui vriii llauiie
gelnirte deni Stenierbuinie an, welcher Hessen 11171 bis
1373 verwüstete. Simon, Ajiel und Jteiiibard von
Hanne befehdeten 1878 die Stadt llrrsfeld gemeinsam
mit dem dnrtigen Abte und verwüstoten deren ganze
Uingegend entsetzlich. 1385 kiiuipfte Simon mit dem
Krzstifte Mainz gegen lle.s.-!en. (.iysu vnii Ilanii« war
Projtst auf dem ]'eter.'>berge und später tirossdeehant
der fnldai.sclien Kirche. Im Jahre 1402 Helen die von
Haunu mit mehreren buehüschHU Rittern in das hessische
(irhii't ein, wurden aber vom Landgraf Hermann bei
Hnniberg gcscldagen. Sie zogen sich nach llautieck
auf den »Stoppelsberg zurikk ; der Landgraf erstürmti'
ihre Ihirg. 14fH1 sühnten sie sicli wieder mit dem-
s»*lben ans. Hans und Iteinhard von Hanne tielen später
144
in «las tliüiinfrisclu' und liMUHliuigiJ^clK- fif})i«-t ein. Dt-r
Lüiidyiuf Fiii'diicli villi Tluiiinyi-ri mit Kckanl vmi d»*r
Tuiiii zngi-11 iliiriinf vm litirglnmii tiiul suLlitrn die Barg
durch Vorratii zu UflmiiMK als dw Hitt^r zur Kirche
gegangen wanMi, galuMi du- nng»'tr«'Ui'n Kiicchti* •'in
Zfiohi'ii, worauf der AiigriH' fftitlgtc llin.li hatte llt^in-
hard Zeit g<*nug, »ein** Kemnate zu gewinnen, er töt«^te
• lit' KiiK-liti' und .setzt«' dii' Verthuidigung schnell ins
W^'rk und mit (iu!eh*'ni Krt'nlgc. da:?s der Angriti" abge-
siddagi'ii wiu-dc. Vuii Nfnem Hei er bald darauf wieder
ins Hetinehci^risclie ein und setzte seine l'lünderungcn
feilt, ih-di W'illielm vmi Huniieberg zog nun mit 2UCK)
Mann vor lliirghatin niid schloss däi^-selbe «ui. Rein-
hards Bruder Hans, IJertliold von Man.shach und Carl
von Liider suchten einen Verghnch zu Stande zu bringen,
der aber an IJeinliarrl.s Widerspruch scheiterte.
Am 24. .lannar 1442 schritt Wdhehn zum .Sturm,
wobei sitli besoudHrs die Schnudkalder ;uis/,eichncten.
Hie Mauern wurden erstiegen, das SchloK.s er()bert.
Graf Willieliii brfreite viide seiu<r Inti-rtlianen aus
dem lUirghainier Kerker. Kiiiihard und ^ein Sühn
IMtilipp von llaiuH' wurden gefangen geniuninen. tJnif
Georg von Ib'imt'lH'rv;, Williehn.s Nachfolger und der
!'>ist hof von Winzlinrg imissten nun einen Antln-il der
llnrg [luune erhalten, den sie. aber an riiilipp von
Haune, nachdejn sie sieh ausgesöhnt, wieder heraus-
gaben.
Dieser Pliilipp tindet sieh 14HH als hessischer
Atntmann zu Rotenburg. Im Jahre I4H;5 befehdeten
die von Haujie im Rumh^ mit den he.ssi.schen Hittern von
Falkenberg. Holzsadel. I.anpsrhenkel und liorken die
beiden Stifte llrr.^hdd und Fulda. Sie \erwü.steten die
(legend und raubtt-n eine Menge Vieh, »o dass Land-
graf Ludwig vcm Hessen als Schntzherr der .\btei
Hersfeld hinsclireiten niusste. 1,1er Fnrstabt von Fulda
m -
TT^
I
146
emiittflt«* titiil si'tzti" ft'pt, diiss die von Hanne eine
Entschädigung von 200 Uiihlen ini Hersfuld zu zahlen
ha.tt«?n. Dii sich die Zahhnij^ viTzögerte, gab der Fiirst-
abt aus eigHiif^r Kasse das Ütdd. vwil er fürchtete, der Land-
graf ^vürde die Burg Hauiie erobern. Eine Streitigkeit
zwischen Philipp und Gyso von Hanne, die dadurch
entstiiiiden war, dass letzterer den ersten mit der Arm-
brust bedrohte, wxrrde von dem Abte zu Fulda beige-
legt. Es wurde ein Burgfrieden mit scharfen Be-
Btimnmngen zwischen den Ganerben festgesetzt, dem
auch der fuldaische Amtmann zn Hanne Lucas von
Trürabach beitrat.
lieber die Belagerung des Schlosses Hau neck
auf dem StopfeUberge voi» 1402 be.iteht noch die
Sage, daäs die Hessen es lange belagert und durch
Herabwerfen von Steinen viel Schaden gelitten liätten ;
nachdem sich der Ritter von Haune nicht mehr länger
halten konnte, habe er .sich in einer Wastterkufe, welche
oben mit Leinengarn bedeckt und von einem Fiael ge-
tragen worden sei, getlQchtet.
Der Landgraf von Hessen blieb nun im Besitz
des Stoppelsberges, den er durch den früher erwähnten
Kauf zn sichern suchte. Durch die benachbarten Herren
von Kiichetian, welche mit Fjandgraf Heinrich HL in
Fehde lebten, wurde Hauneck l-ttü) abermals erstürmt
und niedergebrannt. 1482 lie.'js es der Landgraf wieder
herstellen. Engelhard von Bucbenau wird 1499 als
Amtmann von Hauneck, Jacob Schröder 1572 als Vogt
„uff Hauneck*' genannt. Darauf schweigt die Geschichte,
das Schloss ist wohl unbewohnt geblieben und zer-
fallen.
Der Stoppelsberg mit der Ruine Hauneck ist nun-
mehr einer der .schönsten Au.sflngs- und Aus.sichtspnnkte
der nördlichen Rhön. Der steil kegelförmige Berg
bietet eine überaus weite Aussicht, da er ziemlich im
M. r. XVU Bd. 10
146
CVntrum zwischen vier Gebirgen, dem Thüringer Wald,
Rhöngebirge. Vogelsgebirge und dem hcü^ischen Berg-
land liegt.
Die den Gipfel krönende, intere-ssante Raine be-
steht aus zwei Theilen; das überwölbte Bargthor fuhrt
in den Bui^hof mit zwei Hauptgebäuden; das südliche
ist ein grosses Viereck mit dicken Mauern: das nörd-
liche ist thurmartig und wird von dem preossischen
Generalstab als trigonometrischer Punkt benutzt, der
mit der Milseburg und dem Inselsberg korrespondirt.
XXIX.
Bachenaa.
Bei weitem das mächtigste und berühmteste Ge-
schlecht unter dem buchischen Adel waren die Frei-
herrn von Buchen au *j. Sicht weit vom Stoppels-
berg an der Eitra liegt das Dörfchen Buchenau auf
einer Anhöhe, welche die umfänglichen Schlossgebäude
trägt, die aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen.
Dieselben fallen nach der Westseite ungemein steil ab
und machen heute noch den Eindruck einer ächten
mittelalterlichen Burg.
Im 12. und 13. Jahrhundert erhielten die von
Buchenau viele Lehen von den Abteien Fulda and
Hersfeld. Die vielen Gerechtsame, welche ihnen let^stere
Abtei eingeräumt hatte (darunter das Holzförsteramt)
führten auch zu häufigen Streitigkeiten. Im 14. Jahr-
hundert kämpften sie mit den Grafen von Ziegenhain.
Der Landgraf von Hessen versetzte ihnen das Schloss
Friedewaid ; auf Fürsteneck wurden sie erbliche Burg-
leute. 1374 vermittelten sie die Fehde zwischen dem
Bischof Gerhard und der Stadt Würzburg. Mit dem
Landgrafen von Hessen fochten sie bei Wetzlar 1378,
*) [Mn/lau, hcas. Ritterburgen, 2. Hand, S. 95. — Schannai^
Gliciitola, pag. 60.
^
k
*
1884 Ulli) IHH;')^ jibi'i' dann auch gi'geii den liaudgrafpii
Ht-rmaini mit verscliu^dciien Verbiindeten.
Kbcvhard von Uticlieniin, gmiannt di*» idtt» Gans,
zog 1384 g«gL'ii RntHiiburg, des^sen Amtmann er ge-
wesHii war, wurdt' aber zurÜLkgeschlagen. Im folgenden
Jahre zog er mit dem Landgrafen von Thüringen,
Markgraf Friedrich vim MHisstm und dem HiTzng von
lirannscliwcig gingen ('assel. Da^s Hessfidaiid ward arg
verwüstet. Landgraf Hermann sah sich genüthigt, einen
unvortheilha['ti-(i Frieden üu ischlie,ss('n. Die Buchetiau
('rhieltiüi wic^diT viele Tfandschafteii in Hessen und
halfen ilun atuli 1I-JU3 geg<"ii dii^ von Baumbach in
einer Fehde, bei wehdi^r sich üineii auch die von Kol-
metsch, Trcttt, von llomrod und Treusch von Bnttlar
als Mitkämpfer angt'selilossen liatUm. 1387 befehdeten
die linehenauer den Grafen von Schwarzburj?, 1395
befelidete Eberhard die alte Gans gemeinschaftlich mit
Neidhart und Heinrich von der Tann den Grafen Hein-
rich von llenneberg. Im 14. Jahrhundert fanden in
Folge der ausgedelinten Hesitziingen und Pfandschaften
in Thiiringen tinch mehrere Fehden in dortiger (iegend
statt, schliesslich anch noch eine Fehde mit Hessen
wegen Friedewald. Im 15. Jahrhundert nahmeji diese
Fehden, verbunden mit vielen Grilueln und Schreckens-
thaten, immer tun h ihren Fortgang. Selbst Albreclit
von Hucln.mau, Aljt des Stiftes Hersfeld, zeichnete .sich
durch Grausamlccit und schimiiHichts iJelian<lhiiig seiner
Unterthanen aus. Auch Hermann von Bnchenau,
welcher Abt des Stiftes Fulda wurde, war ein gevvalt-
thiitiger Mann. Ihirch die Heirath der Anna von
HMclu'inin mit Kurt, von Wallensteiti entbrannte ein
heftiger Familienstreit über die Krbachaft, die zur Be-
lagerung Bnchenau's .seitens der 4000 Mann starken
verbündeten Trupjten de.s Ijandgrafeii Heinrichs von
Hes.sen-Marbnrg, des Abtes von Fulda, d<-r Grafen von
10*
148
Henneberg nnd Büdingen fuhrtijn, abpr mit HillFf tie«
I^andgraffn Ludwig von Heiisen-Ca*»*-! üifgreicli abge-
schlagen wurde. Cn«pur von But-benau war mit d*>in
Stift Wiirzbarg 1479 in einen Streit verwitk^'U und
verübte im Amt Uotljenfels nächst Asthaffenbnrg uner-
hörte Grauiiamkeiien. Durcl» Vermittehing des l'falz-
grafen Pliibpp kam am 11. Febraar 1480 eine Sübne
zu Jitaiide. Trotz des wilden Kriegerlebeus wurde in-
dessen Caspar von Buchcnau Vorsteher der 1491 vom
Fuldaer Abte Johann 11., Graf von Henneberg, gestifteten
Gesellschaft des heiligen Ritters Simplicius.
Engelhard von Buchenau. der ein sehr wüstes
Leben führte, verkaufte 1494 dem I^andgrafen Wil-
helm 111. von Hessen-Marburg einen grossen Theil
«einer beträchtlichen Hute, Da der vorgenannte Abt
von Fulda als Lehensherr den Verkauf nicht gent^h-
migte, entbrannte ein Streit. Der Marschall des Land-
grafen, Hans von Dörnberg, fifl in das Fuldaische ein
und verbranntem das Dorf Hauswurz. Der Abt zog
gegen Buchenau; Kngelbard's Leute, zehnmal stärker,
drängten Anfangs die Fuldaer zurück : diese aber er-
mannten sich und griffen die Buchenauer so wüthend
an, dass sie vollständig geschlagen wurden und nahmen
Engelhard gefangen.
Die folgende Geschichte der Buchenauer bietet
noch eine Menge von Besitzstreitigkeiten gegen die
Aebte von Fulda und Hersfeid, welche kein besonderes
Interesse erregen dürften
Im dreissigjäbrigen Kriege zeichneten .sich noch
mehrere von Buchenau au.s. Ein Theii der Güter,
welche Fulda erworben hatte, wurden lö'J2 an Wolf
Christoph Schenk zu Schwein.sberg verkauft. Diese
Familie ist noch im Besitze dieses Gutes, das Schlos.s
mit schönem Giebel in deutscher Kenaissance liegt ab-
seits von der grosseren Burg im Dorfe.
^
Ein Drittheil der Hen-Jichaft kam I70'i durcli
Heintth an Wolf Danii-I zu Boy neb iirg-Lengs-
fi-ld nnd durch Erbsclirtft später an den Obergerichts-
Ilin^ctor von Warn.sdorf in Fulda und schUfsshth
an dt'ssKU Tochter Freifrau v(*n Spiegel-l'eckwJsheim.
Der andere Tliei! dor Güter blieb dtT Familie von
Hnchenau; die zwei letzten Sprossen waren Karoline,
die in Ra.sdorf !81ö unverehlitlit starb und Ludwig
von Buchenau, welcher sich in Folge eines Liebes-
handels am 22. Mai 1815 erstihoss. Der Kurfürst von
Hetiswn sjuclite darauf als früherer Ltdu-^iislRnr das (Jut
an sich zu ziehen ; es entstand ein langwieriger Prozesa
desselben mit der Familie von Seckendorf-Gutt'ud,
Welche Ansprüche machte, da eine Tochter von Lud-
wigs Urgrossvater einen Freiherrn dieses Geschleclitb ge-
lieiratln't liattt'. Der Prozess wurde durch Vergleich zu
Gunsten der Seckendorf entschieden, welche heute noch
die Herrschaft ausser dem Schenk'schen Gut allein be-
sitzen, nacfidem sie das SpiegePache käuflich dazu er-
worben hatten.
XXX.
Fürsteneck.
Das noch erhaltene Schluss Fü rsteneck, welches
nafie bei Buchen au an der .Strasse von Eiterfeld nach
Scheiiktengsfeld liegt, muss der Vollständigkeit halber
hier erwähnt werden *). Es waren daselbst verschie-
dene Bitterfamilien, darunter von Buchenau, beliehen.
Später war es Eigenthnm und Anitssitz des Stiftes
Fulda; die jetzigen Gtd)and»^ sind im vorigen Jahr-
Imndert von den Fürstbischöfen von Buseck und von
Harstall grnsstentheils neu erbaut wurden und dienen
jetzt aU preussische Staatsdomäne.
*) Sckannai, Buchoaia vetuä, pag. 352.
IGO
An der westlichen GretiZK il^r Abt»'i Folila, in
dem jetzt zum ürüHslicrzogthuiii Hessen geljön-ndrn
Grenzgebiete, liegen ncM-li einige merkwürdige Burgen,
deren Besitzer fuldiiisclie Vasallen waren , näuilicli
iSchlitz, Warten bürg und Eisenbach, von wel-
chen nnr Wartenberg in Trnmniern lifgt, wührend
Stlilit^ noch Iietii<leiiz der Cirafen von (ji<"»rz ist und
da« herrliche Kisenbach den Freiherrn Riede^el zu
Kitienbaci) gehört. Die übrigen Schlösser der Frei-
iierrn von Uiede»et zu Lüuterbach nnd Stuckhansen
hrauL-he ich nicht zu erwähnen, da dieselben nicht zu.
den mittelalterlichen liurgisitzen gehören.
XXXI.
Schlitz.
In Schlitz*) ist allerdings da-s hübsche Ih'isideiiz-
M;hloi3.s llullenburg und die noch Jienere liiTlehurg auch
nicht ala „Burg" anzusehen; aber hoch auf dem üijifel
des Berge«, an welchem da« anmuthign Schlitz im
Kesaelthale zwischen Seiiger.sherg und Kisenberg ange-
baut ist, erheben sich noch zwei echte alte Burgen,
die Vorderhurg und Hinterhnrg. In ihren
Grundrissen und in mancher Kinzelhcit haben sie das
mittelalterlichy Gepräge vollkoninien erhalten. Da« Ge-
schlecht von Slitese, von Slitz, später Freihenn und
Grafi-n vnn Schlitz, genannt Görz, wird zwar viel-
fach in den Fehden de.s Mittelalterä erwähnt, doch ist
die Stammburg in Sciditz nie belagert, erobert oder
zerstört worden. Bereits 1116 kommt Krnienoldus de
*) limlmnann, (jehuhleclits-Kogistcr. tiib. 86— 9ti. — tichnu-
nni, Biiüliüiiia vetiis [mg. 375. — Si-hniiiuil, Clieiitela. jia^. l.jt).
Dio Angaben aus der nouereu Zeit staninu«n aus einer gesihric*
henen ITarvcliionik. von der Eiiisii'lit zu nelitneii Ilrfr Oberpfarrcr
Diofionharh in Snhiitz gütiKst {r^sfatteto. wi)f(ir irli deiii^ellMMi
liieimit meuun l'unk uuHüpreche.
151
Slitesse als Zt.uij,'e in einer ScltonkiingsurkurulM iks
.Grafen l'opiK) von Henn^'hfrg vor. Derselbe schenkt»-
sein Uut HtiuiPnrrKl tlm* Kircho zu Fnld.i. Sfin .Sohn
Gerlauh von Slitese schenkte derselben Kirche ein Gut
in 8walnif»na}ia (Scliwalmgrniul). Bortlir» 1. von
Schlitz ri'giLTte die Abtei Fuklu als Fürstabt 1133—
1134; t^r zog mit Kaiser Lothar nach Kon», als diesscr
vorn i'ajt.sto Innoccnz 11. gekrönt wurde. Weil or der
liaiibsiuht diT fuidatschf'U Lf'h«'nymännor zu steuern
suchte, soll ff eim-.s nniiaiiirlichen Todvs gestorbeji
tjein. Friedrich und Herjnann von Schlitz und dessen
GemahUn Agnes erhielten Lehen von der Abtei Fulda
und gaben ihr Gut in lilankenwatd zur Gründung des
Klosters lilankena« Iht {1169). Simon von Schlitü
hatte 4;in Li-ln-ti in Mtiss (Mosa), die Raxburg. VM\h
war ilerselbe Scliiedsmaiui zwischen dem Abte Ht-ia-
rich VI. von Hohenburg und dem Uischofe von Würz-
biirg Mild GraffMi Heinrich Ylll. von Henneberg. I>er
,Abt hatte den Schlitzer in einer Fehde mit dem Land-
grafen Otto von He.ssen zuvor unterstützt (131 B). Hein-
rich vtm Schlitz war 1333 zwi.schen demselben Abte
und dem Erzbischof von Mainz Schiedsrichter. Kr
hatte 3 Söhne: 1) Simon, Burgmann zn Bodenlaube
bei Kis.singen; 2) Heinrich, ftildaischer Hofmarsclial! ;
3) Friedrich zn Kochingenberg, einer Bnrg, welche auf
dem Kützeiiljerge im Schildwalde, unweit von Hemmen
gestanden }iitt. Seine drei Töchter verheiratheten sich
mit vim der Tann, v<m Rnchenaii und von Schenk zu
SeJiweinsberg. l'-in anderer Simon von Schlitz cnhielt
1-431* im Namt'u seim-r Ganerben die Herrschaft Schlitz
als tniinnliclies l'-vblehen. Die Herrn von Schlitz wartoi
fast ständig Isrbm arisch alle der .Aldei Fuiila. bekleideteji
abfr auch Hof- und Staatsäniter in Tiisse! uml Würz-
hiirg. Kustach von Schlitz genannt GiVrz, geboren 1527.
gcsturben 15U8, ibt der Stammvater der jetzigen gräf-
152
lielii'ii Hauses. Ks bestanden frülinr 4 Linien: 1) die
zu Steiriaii (Kiiigüiigs iTWülint), 2) diu zu Hasi*lstcin,
3) die von Blankenwald, 4» die von Rechenberg (dem
h«nitigf^u Hichthof) oder Kötzt>nh<Tg. Sie hatten ein
g«infin,sam<p.s \VripiM*r> und warnn durch Hini.*ii Vertrag
vf-rpflidittt, als gemeine Burglierrti, auch üörzische
Biirgmanni'ii und Cianerbfii sich gegenseitig zu schützen.
Noch »einige Daten juih der Ciescbichte des Gt^-
Kchlethtes möchte ich eiwiihtien. 1265 schlug der Abt
Bertho von Leiholz den (iriifeii (lottfried von Ziegen-
hain, mit dem die «Sthlitzer vcrhihnh-t waren, zerstört«
deren Burg zu Hüaiikenwald und verwandelten das
Mannwkloster Ulainkenau in ein Frauen kloister. 1330
war die liekarmte Kin|iMriing der Putdaer Bürger unter
Führung des Sthirmvugte.s Grafen von Ziegenhain,
welcher vom Abte lieinrii-h VI. nnch 8clditz zurück-
getrieben wurde. 149;S legte Landgraf Wilhelm der
mittlere von Hessen-CasHel den Streit der Brüder Si-
mon, Ludwig und Johann von Schlitz bei. Wilfiehn
Balthasar von Schlit.z genannt (lürz war Hol.itein-Gnt-
torp'scher Geheimer Rath und dann Minis^ter König
Karl XB- von Schweden. Er wurde am 13. März 1719
enthauptet; sein Leichnam ist in der TiMtlichen Seiteti-
kapelle der Stadtkirche zu Schlitz beigesetzt. Frindrich
Wilhelm von Sdditz genannt Görz wurde 1H77 in <lrn
Reichsgrafen-stand erhoben.
XXXII.
Wartenberg *).
Vor dem hessischen l)orfe Angersbach auf dem
Wege nach Lauterlmcli ^4 Stunde entfernt lag die
Burg Wartenberg (oder Wartenhach) auf einem kleinen
•) iMHiifin, lias». Ritterburgen S, ;{Bft — Srhurhler. Jos,.
Bachonia, A. Bd., I, Heft, y. 170.
I
Hiigfl, vim (li'i nur nucti ganz spärlit-ln' Maimrrfste
übrig sind, wt^ltihe iiocli tliux-li (Irabfn lusub Scliätzen
von den Aiigershachtr Bc^wohiinni weiter zt^rstürt wardfn
sind. Der Burgplfitz war gross, wie man aus den
Rufsttn d«r Wiodfrlagsmaui'rn »jrsiflit. BfirKits 1261
wurde die Burg von d^m Fürstabt HtTtho 11. vnn |jfi-
hoh zfr^tiirt. Im 12. Jalirliiuideit scheint di»^ Familie
vnn Angersliacli die Bru'g besessen zu hahi^n, dni-pn
Krben die Herrn von Wartpnherg gewesen sein müssen.
Später tn-iinte sieh da* GiMjclileclit in zwei Stämme,
di-n-n jüngerer sich von EisenbHch nannte. Dot-li gab
es iiweh einen älteren Stamm vuu Eisenbach. Die von
Wartenberg und von Eisen bach gehörten zu den liaub-
rittern, deren Burgen von Bertho II. zerstört wurden.
Die letzte des Stammes, Agnes von Wartenberg, st-iienkte
der Gemeinde Angersbach einen grossen Wald; die
übrigen ihr zustehenden Gefälle erliielt das Kloster
Fulda. Angersbach, wo bereits Banifatius ein Kloster
( A n gar ius-K Ins ter) erbaut hatte, und Ijauterhach
gehiirten der Abtei Fulda. Die Gefälle dortselbst vvurdeii
von dem Kämmerer in jedem Jahre am Dreikönigstage
erbüben, dem bestimmten Tage des Gi-riebfcs, welches
den Namen Saugerieht erhalten hat, weil dabei ein
Scliwein zu einer Mahlzeit gegeben und nach l>e-
stimmter Vorscfjrift vertheilt wurde.
XXXIIL
Eisenbach. *)
Die Burg Wartenberg scheint nach ihrer erwähnten
Zerstörung nicht wieder aufgebaut zu sein, wohl aber
Eisenbacb an der Strasse von Luuterbaeli nach Hi-rb-
stein, welcln-s heute noch nh echt uiittelalterlitrhe Burg
im Aeusseren und Inneren als Wohn.sitz des Merrn von
♦) LiiH'inu, ho*.s. KJtterUn-geti. 3. IW. S. 359.
154
RidcK'si'l zu Kis»'n?»a€li Itcsicht. Nach Srhaunol (C'lii'Ti-
t(fl:i pag. 145) wiuili; lasen hücli. woltlu-!? lüirichius von
Kist-nbacli*) hcrfits als fuld:ii.sch«>s Iji>hen iiine gi^baht
hatte, von dossMn Nachfolger H^Tinann von Hif*dest;l
aufs Nmu^ als .solches arnM'kannt. Dieser Familie ist
duH liiirrliflie Srhioss verMicben, Durch den Kunstsinn
des jetzigen He?iitzfrs und seiiu*r Frau Mutter entbalt
es im Inni-rn ein wahres Mu^•l•un^ niitti-laltfrliclier
Mübel und Knustgt-genstiitide, welche mit dem ganzen
Bau hannoniren. Der Besucher wird dort vollkommen
in die schöne Zeit des liittiTlebeiis und der Minnesänger
zurückversetzt. Di«^ Hesucher des Vfjgclsgebirges, dessen
nördbclie Pfort« das schöne Kisenbach bildet, werden
durch dassidbe niiwillkiirlich an die Wartburg erinnert,
die in ilhulicher Weise das 'i'hürijiger Waldgebirge er-
achliesst Aus einem grüin^n Wiesenthaie erfiebt sich
der basaltige Berg, der die Burg trägt. Die Abhänge
sind nut herrltclu-n Wahlanlagen geziert. Die alt«n
Be^'estigutlg^manern unischlies-sen einen wohlgepflegtun
Schlossgarten. J>ie eigentliche Burg liegt gegen Osten ;
die Vorbnrg, als Oirkononiiegebäurle, gegen Westen und
Süden. Das erst"* (Tcbänile rechts vum Thur ist sehr
bncli und trägt «las Hie.desersche und Malsburg'sche
W a|ipen und am Hand die Wappen vun (i verwandten
Geftchlecliteni. Diesi'S ist nach der Inschrift 1559 er-
baut. Es folgen noch zwei iUtere (iebäude, (lann an
ih'r Nortlseite die Burgkirche aus dem 17. Jahrhundert.
Nun stehen wir vor der eigentlichen Burg, die «in
groHses Recliteck bildet und aus zwei llauitttheiltMi be-
steht. Nürdlicli sind sie durch eine Maunr, »üdlich
durcl] (la.s Thorgebäude verbunih-n Auf liner Tafel
i'ifxr dem Tlmre ht-Hndet sich ein Schild mit einem
Stück Ihud mit di-r Jalires/,i»hl UilH. (>;«■ Baut soll
♦) ik'hanfioi, rmlialiniiui» Clicntelue L'L'IJ, pog. 28(1.
lf)5
vi>ii i!*ni li'tztrn lliirt-n stfimtin-ii, th-v :iii <l»'ui WKge
iiiiih Stit(kliiiu><Mi flippt wunlH, iJiis grn.-jse vier-
tM-kiyr Gi-liumi».' mit ilcm Si-hii-ftTiiucli st-iunrnt ans rler
zwi'itf II Hiilftt^ tlt's HJ. Jaliilmiidi'it-*. Ks ist sicher iLltur
iuhI vielfiich umgebant, jetzt nicht inelir bewohnbar;
seihst der ftiiiiere Hitteisaal hat mir kahle Wiuitle.
F.iii fünfrckitfes 1 Jiuruigi'haitdc suhhesst sitli .sniihcJi
an. Uas tjeL'* ii Westen liegeiidc HauptgKhäiide bildet
diu zweit*« Längsseite der Hnrg. Kiri viuretkiger
Treppenthurm mit schöner Wendeltreppe führt bis an
das fünfte Stockwerk. Die Inschrift eint»» Saales im
4. Stocke trägt die .lahn-szahien !5H(> luid löbl. Die
übrigen Gebäude sind jünger, l'ni die tSiirg lünft die
Hingmaner mit Knndelen und Schiesssclmrten und der
Zwinger. Am Fussr des Iliugberges huwässerte ein
Hach den Wallgriiben. Von mehreren Teichen ist nur
iMJch einer übrig, neben welchem lieste einer alten
gotliischeii KapeUe sich vortinden.
XXXIV u.i.l XXXV.
Luder vind Bimbach *).
Zalilreich waren ilie lJnrg<Mi und Adelssitze aas
(Jetn Mittelalter in dem Amtsbezirke (.1 rossen lüder.
Leider ist hier von ilen wirklieh altrn fast riiclds mehr
übrig, (irossenlüder selbst war iler Staminsitz der
Fiinülie von Luder, von tier riueli einige tüi;btige
(Jenerale in Diensten der Landgrafen V(ui Hessen-Cassel
rühmlichst bekannt sind. Die Freiberrn von Lüder
waren tireingesessene Eflellente, welche dem Kloster
Fidda zuerst fromme Stlienkuogen zuwendeten und
s|iiiter ihr« (Jüter zum liehen auftrugen, .\nsserdem
waren in diea(>ni ISe/irki- noch ansässig ImHc von Müss,
von Kaitz in Mnss, von Lütterz J.uthardsi, von Miil-
*) Schneider, .losoph. l!u.;li..iiut. ISJ. 4 Iloll I. S 7W tf.
156
küz in Rlalkcs und NicdtTnulcr, von Stt-inbacli zu P(i|i(irii-
ruil, von liffhauscri, von ItiinbjKli (Bu'nbi«t}i), von Pilaji-
k«n\valt in Blankt'nati. .Sin (^ind meist frühzeitig, schon
in» IH. Jahrhnnttt'it. ansgi-storbi'n, mir die von R i m-
bach inid von L ü d h r iiiittcn rtlfdir gt'.schiehtliclie
UiMii'iitiUig. litt rtlin Von 11 i in 1) ac ii und fonrad
V u II Malktiz waren bereits Irülier ycnanntf, tüchtige
Ah)btH Fulda'«. Von der Burg m Bitiibuth sind iioth
spärliche I 'eberrfstt' in <!iiijg*-n Mauern des der Kirche
zunächst gi'legHntni BitHHridiofy.s in Obcrbinihach zu
tirnJon. Auch ein schöner, steinerner Sockel eines
iihrigens in Fachwerk erbauten Bauernhauses deut«t
auf einen Adelssitz hin. In Unterbimbach findet man
noch in einem Grasgarten eines Bauern Ueberreste eines
Wallgrabens. Ausserdem i«t nucli eine vollständig er-
Jialteii« Kenuiate, da» Steinhaujs mit hohen gothische«
(iiebeUi, mit einem Erker und einer steinernen Weudel-
trejipe von 52 1 ritten bemerkenswerth. An dem
steinernen Thi^re sah mein Vater (Buchonia Bd. IVJ
1. Heft Seite 9H) einen Sclihiss.stein mit der Jahreszahl
l."»87 und dem B«.»yneburg'sclien Wappen. An der
Hausthüre steht jetzt noch die Jahreszahl 1579, an der
Stallthüre 1583 und an dem eisernen Ofen im Wobn-
zimmer 1587. llas Haus, ein gros.ses Bauerngut, ge-
hört Herrn Ferdinand Döppner. Bas Geschlecht vnni
Bimbach ist wahrscheinlich im 15, Jahrhundert ausge-
storben, seine Güter an die von Lüder und .später an
von Boyneburg übergegangen.
In G ro.ssenlüde r hatten die Herren von Luder
z we i Du rge n , die \" c *r d e r- oder Fr ö seh b u r g und
ilie Hinter- oder 1 ■ n ter bu rg, auch 1) ör i n g sb urg.
Beide sind im IH. Jalirhundert modern umgebaut worden.
Die Fröschburg diente als Heiitereigebäude und gehört
seit 12 Jahren dem Gastwirthe Piacidus Weissniülier,
sie ist jetzt an Beiuntt' vermiethet.
157
I*i'r Villi TiH'iinMii Vater »^rwähiitt- ['forti-m-iii-
fiaiig mit klrtrh'ii SaiiU'ii ist riinlit iTUjIir zu sclioi.
Aucli v\i\ V(Ui iifiiisnll)|j|) erwiiliriti's steiiiertie.s Thor au
dein \Vf;;i:' nach AFüss mit der Jiilirt'jszalil löl'i ist iiidit
mf»lir vurhandi^n. Dii^ llnterbtirg <m](M" Hinterburg fut-
liinlt bis löWi di*' Wolniuhg tli's Aktuars iiiul die hfrr-
schaftlitlien FnuIitbiMh-ii. Dtn- (ijti'teii dabei irst mit
MautTu uingebt-n und heijäst noch der groKse I nt^r-
burgsgartf'n. .b'tzt i.st das (Jcbändi:' llbiM'fnrsterei.
Das DaciiWHfk ist cin.scbiMnfnd Ifi^.'i gii/iuimfrt. Das
schont* alte Amtsgericlit^gt^bütide mit dem Schleifras'schen
Wappt'n war aucb ein Bnrgaitz. Ks ist jedenfalls voti
dem tJrussdecbant des Fuldaer Stiftskapitejs. an den
das Gericlit von den Herrn von Boyneburg, doneu es
als Krben der Herrn vuu Lüder vtTijfiiudet war, <tiireli
Rückkauf überging, als Anitsliiuis erbaut würdtsn. Das
Amt GroüriCidüder geliürte von da ab dem Fuldaer Stifts-
kapitel, wesshalb auch die Kirche daselbst am Portale
die Wapjivn der IT» Kapitulare des Hochstiffces trägt.
XXXVI.
MÜ8S *).
Eine Linie derer von Lüder hatte einen liingsitz
zu Müss. Jiiacli deren Aussterben kam derselbe «ammt
der Hinterburg zu Grossetdüder an l'hilipp Döring,
später an die Familie von Romrod. I>ie Uurg von
Müss ist jetzt nucli als I^auertihof wohl erbalten und
sehenswerth. Das zweistöckige Hauptgebäude hat in
der Mitte einen vorsjjnitigendeti K^rkerthurni mit einer
Wendeltreppe und in der Uicbtung der ^Stiege «clnefen
Fenstern. Die Treppe hat 43 Tritte, welclie im obersten
Tbnrmgexcbnsse ganz klein und zierlich sind. Heber
der Thurmpforte, einem herrlichen Hau in deutscher
*) Itu<ibuDiu 1. u.
L
IM
Ri*riai8snncf> befinden sich di« Wappen des Geschlwrhti's
der mit l^üdfr VHrwüiidb-ti von Komrod, von OiHinar
nnd Schad von I^eipolz. Ii«*her der KelltTtiifir hnfindet
»ii-h »ÜP Jahrt*s«a[>l lo<J3, in Steiiifn U^r Nebengt^bäud^
1582, 1618 and 1687: Besitzer des Gebunden ist der
Hauer Franz Keller.
XXSVU.
Blankenau.
In BlanktMiiiii*» sind noch di*.' schönen Propstei-
gebäadf als Staatsdomänen erhalten«. Das alte Ge-
fK:hleeht von lUankf'nwfild, eine Linie der von Schlitz,
hat auf dem nahe gelegenen Haiin berge eine Hnrg be-
t^e.s.sen, von der keine Spnr mehr übrig ist Durch
«Stiftung und Verkauf dieser Hitter von Schlitz-Hlanken-
wald wurde das Cisterzienser-Nonnenkloster 1266 zu
Blankenau gegrfjndet, welches im 16. Jahrhunderte zu
der adligen l5enedictiner-Proj>stei umgewandelt wurde«.
Am Eingang der Kirche rechts Bndet sich noch das
Grabdenkmal de« llirtnann von Schlitx. genannt Blan-
keriwalt, gegen üO(J Jahre alL
Wir kommen nun zum südlichen Theile der Abtei.
Hier waren von hervorragenden Hurgen der Branden-
stein nächst Kim, die Steckel.shurg d«'r Hi'rrn von
Hatten und die übrigen HntteTiscIien Hurgen nnd
Schlösser: Stolzenberg bei Soden, Altengronau, Ronis-
thal, sowie die Thüngen'schen Schlösser zu Zeitlofs,
Weissenhach, Rossbuch, Sodenberg und Kenssenberg,
ferner im .■\rnt Hammelburg Saaleck und Trimberg und
im HrückfMiiiner Amt die Schlösser in Hrückenan
itümejrbhag, die Burgen Schihh-ck und Wi-rberg, I>ie
*) Buclionia 1. c.
159
Biii'jj Iin Amtsnrt** Scliwarzonfols, sfhr rtunnntisch auf
Miiifiii isdlirti'ü IJnrp' gflrgeii, ^julirirti- dm fiial't'ii von
Hnnaii und \v:ir vijii ilif.seji mit UiiigmainiHU ^^ll1mtltt;^
von KltHrsti'in) besetzt.
XXXVIII.
Brandenstein.
Hra n den s t« i II*} li<'|it doniinircnd auf einer
Anliülin gi-igeuübiT dein IJahnliofti FJin. Ih^r erst<^ der
sieben Tunnels der Bahiistn-eke Elm — üemnuden führt
unter dem Brandenstein hindurch. Die Burg geln'jrte
urspriingiicb (lern Kloster Sohliichtern, von welchem
sie 1424 Mangold von Kbcrsteiii zum Leinn erhielt,
i^püter waren die CuaftMi von Haiuiu Leheiir+heirn. IHe
Burg i.st iioeli erhalten, die üebäude stuiinni-u inde.-jseii
miH der neueren Zeit und wurdeji i'ineni (.Jrafen von
Stollberg-Wf'rnigerode vom Staat verkauft. Derselbe
hat sie nunmehr wieder an Herrn Hauptmann von
Scheffel verkauft. Fuldaiseh ist also die Burg nie ge-
wesen, ieh erwiihoe derselben nur darum, weil die Be-
sitzer im Mittelalter, die Freiherrn von Eberätein, ful-
daiache Lehensleute waren. Aus dieser Zeit ist die
Fehde Mangolds von Hb er stein (eines Enkels dfls
vorher erwähntet) gleiclinamigi'n) mit der Stidt Nürn-
berg benierken.swerth. Diese Ftdide fällt in tien Schhiss
der inittelalterlit-hen Zeit de.s Fau-streclitn (1516 büs
If/i'i) und bietet «in Mierkvviirdige.>s Material für die
damalig*' Zeit der lieclit.sn(i.sielierheitj Willkür uiul Ge-
waltherrschaft des Adels, der würdig seiner Vorgänger
in Ihinb, W'egelagtM'utig und (lewaltthätigki-it ati nn-
sL'huhligen Reisenden und KauHeuten sein freehes Spiid
') ron Efjcintn'ii, uikiimllidiL' Ooseliieiitc, I. limtd, S. 259;
ron Elurntrin, Stamnuvilie und Kr>liilc. S. i:{7.
160
trieb, wan wohl riii-ht zum w^nigst^n zum Aoftbrachf
de« biTÜclitigti^n Bau**rnkri«-f;i»« beitrug.
Die Fehde wurde veranla»8t durch eine angeb-
liche Verwandte Mangnhis von Kberstein, Wittwe Agatha
Oedheinier, welche sich mit ihrer Tochter Helena in
den Schutz Mangold's begab, weil die Stadt Nürnberg
deren Anxitrüche riicht befriedigte, die sie nach der
Vertreibung v<»n ihrem Oute Farrnbach bei Nürnberg
erhoben hatte. MangoM sandte 1516 einen Fehdebrief
durch «einen Neffen, einen Iiruder llrichs von Hütten
(einen ., reisigen Knaben") mit der Aufforderung, die
Ansprflclie der Oedheime.r im Betrage von über 2ü,(XX)
(lulileji in 4 Wochen zu befriedigen, an den Hath von
Nürnberg. Der Kath war hoch erstaunt^ meinte, Man-
gold „lege seine Sichwl in einen fremden Schnitt'*, weil
Agatlia (tedheinier Niirnberg's ,,verptlichtetp und unge.-
ledigte Bürgerin" «ei; iles!j*'ii nngi.'rtilitet sei er erbötig,
die Saiihe unv\\ Mangiilils Beliebmi entweder vor dem
Kaiser, vor der fränkischen Ritterschaft, oder vor an-
deren geistlichen oder weltlichen Herren zum Austrage
bringen zu laswin. iJaraut ruhte aber die Sache bis
1519, wo Mangold im Namen der Oudheimer einen
neuen Fehdebri^'f nach Nihnl)erg sandte. Mangold er-
öffnete die Kelide mit Hülfe vieler verbündeter Ritter
(»oineH Vetti^'H Georg Kbersteiri von üinolfs, der von
Fiosenberg, von Hütten, von der Tann, von Thüngen
u. a.) und führte «ie bis zum Jahre 152*2 fort. Doch
ist B8 iriihümlich, zu glauben, das.s Mangold mit seinen
und seiner verbündeten Mannen gen Nürnberg gezogen
sei, um seine Forderungen geltend zu machen; ein
Strauch- oder VValdnuib wurde in Scene gesetzt und
alle lleisende, welche auf den damaligen alten Ver-
kehrswegen Frankfurt— Nürnberg, oder Frankfurt — Leip-
zig im weitesten l'ni kreise des HrandeuKteins, vom Main
bis zur Fulda und Ulster des Weges herzogen und im
Ißl
I
Verdacht .standen, von Nürnberg zn stammen, oder mit
NtirnburgiTn zu lumdcln, wurden aafgt'griffen und nach
dem Brandeiifitciii in das Uefiingniss geschleppt, in
iStock uml Ketttjii gflegt und g*'folteit, bis sie ein
hohes Lüsf'geld auftriebün. Selbst Schweizer, Polen
und Saehsrn wurdi^n imht vtTSühont! Dir» prntnkol-
lariisclieti Aussagen der urraeii Gefangenen, welche di«se
iiatli t'ndJit'her Befreinng in der Kriegsstube in Nürn-
berg luaelitfMi. sowie Briefe derselben an die Ange-
hfVrigen, worin aie um Einlieferurig des Lösegeldes
bitten, sind uns in den Eberstein'-schen Werken auf-
bewahrt und entrollrn uns das ganze Scliandbild dieses
,,ritt.erliehen" Treibens, welches die Thaten eines ver-
kommenen rohen und gewaltthätigen Adels am Knde
dieser über 400 Jahre währende Periode des Faust-
rechts beschliesst. Die Stadt Nürnberg verklagte Man-
gold von Eberste.in vor dem Kaiser, worauf derselbe
sammt der Agatha Oedheimer in die Reithsaeht gethaii
wurde. Graf Georg von Wertheim sollte Mangold'd
Güter einziehen und bemiichtigte sieh am 17. April
1522 des Hrandensteitis. Mangold hatte sich aber
schon vorher in die nahe Steckelburg Kurückgezogen,
da ihm durch Einkauf seine« Vaters daä Recht zustand,
sich derselben in seinen Fehden als Waffenplatz zu be-
dienen. Von hier begab er sich zu seinem Freunde
Franz von Sickingen, dem er im eben ausgebro<"henen
Kampfe mit dem Kurfürsten von Trier half. Hier be-
schbiss der edle Mangold sein ritterliches Leben, indem
er bei der Belagerung von St. Wendel durcli einen
Scliuss tüdtlich getrofien wurde.
XXXIX.
Steckelberg *).
Mangolds von Ebt>rstfin Scliwe.ster Ottilie bei-
rathete 1486 Ulrich von Hütten zu St ec kelbe r g.
•) Ijiiuian, lioss. rtilfnrl.utt'.ni. 2 B.l, S. 1H7.
K. P. XVIl. HA 11
163
Ihr 1488 Rebor(»npr Sohn war der bekannte Schrift-
stellir, Dithivr und Keformator Ulrich von Hütten.
Dessen G«^burt.sst-iitt<\ dit- jf'fzt in Trümm»*rn liegend*«
Burg auf dnin Stfckelberge, ist nur hiuh Stunde von
dpm Hrandpnstein entfernt, und wird am besten von
der Station Vollinerz nächst FJm bestiegen. Der Burg-
berg senkt s.ich nach Westen g»"gen Volhnerz und Ram-
liolz hin ab. Gegen Osten steht er mit einem höheren
Bergrücken, dem grossen Nikus in Verbindung. An
seinem Abhang entspringt die Kiiizig. Etwas weiter
nordwestlieb von der jetzigen Huine stand eine älter«
Burg, welche kaum noch Spuren erkennen lässt, Sie
wurde von einem alten Ge.scblechte von Stnckelberg
bewohnt, kam dann zu Würzburg, von welcher sie
Graf Reinhard von Hanan znm Lehen hatte. Kaiser
Buddlph von Hab.sburg liess sie 127rt abbrechen, sie
sollte auch ohne küiserliche Erlauliui.ss nicht wieder
aufgebaut werden. Deshalb wurde von dem alteren
Ulrich von Hütten 1388 die Burg an einem anderen
riutze wieder aufgebaut; er bei-ass dieselbe als Wiirz-
burgi.scbe.s Lnhen. Die alte Familie von Hütten soll
aus dem 9. Jahrhundert sbimmen, ist aber erst au8
dem 13, Jahrhundert geschichtlich bekannt. Dieselbe
ist selir weit viTzweigt und unter^ubted sich in eine
Gronauer, Stolzenberger, Steckelberger und fränkische
T>inie, Dieselbe blüht heute noeli im fränkischen
Stamme und besitzt die früher fuldaischen Güter im
Romsthaler Grund bei Salmünster. Die Güter der
Hi;rrn von Hütten waren theils würzburgische, tbeils
fuldaische und banauisehe Lehen. Sie waren ange-
sehene Beamte und Marschälle dieser Höfe, wenn auc!i
häufig blutige und erbitterte Fehden das gute Kinver-
nehmen mit ihren Lehensherren störten. Die (Te.scliichte
des berühmtesten Trägers d«'S Butten'scben Namens,
jenes Ulrich, der am 21. Afiril 1488 auf der Steckel-
bürg geboren wurde und nach vielen Reisen in aller
Herren Länder am 31. August 1523 auf der Insel
Ufnaii iin Ziirirher Ses starb, kann ich ats bekannt
hier übergehen.
Die Hnine imf dem Steckelberge besteht aUB zwei
gewaltigen Stintiniiiuern und einem Thurmreste mit 0
Fnss dicken Mauern, in dem sich du« Burgverliesa be-
fand. Im Schlusstein eine» Thnrbngens befindet sich
noch die etwas defecte Inschrift: „Anno üoniitii
ir>09 Ulrich von Hntten"'. Daran stös.st noclj ein
viereckiger Hofbau.
XL
Sannerz.
Im 17. Jahrliundert verfiel die Steckeiburg all-
miililig, die Besitzer Philipp Daniel und sein Sohn Jo-
hann Hartmann von Hütten verzogen nach Snnnerz.
Nach denx Aussterben der Steckelberger Linie kam das
schöne Schloss in Sannerz an Fulda zur Lehensherr-
scbaft ziirtk-k und wnrde Prupstei Jetzt dient das
Gebiiiide einer Rettnngsanstalt für vei-wahrioste Knaben.
Die Steckelberger Herrschaft kam an die Gronauer
Linie mit dem Wohnsitz in Ramliolü, nach deren Aus-
sterben an von Landers, Grafen Degenberg, Fürst Ysen-
burg-Büdingen und ist jetzt durch Kauf an Herrn Ritt-
meister Stnmm gekommen, der schon viel für Erhal-
tung der Hurgreste auf dem 8teckelberge gethan hat.
XLI.
Stolzenberg*).
Eine andere Hutten'sche Hurg i.st Stolzenberg ge-
wesen, deren Trümmer, Mauern und ein alter runder
Thurm sich über dem Städtchen Soden, gegenüber von
») !.muUiu, liosH. I,'ilt.'rl.iut;f'«i, 3. Jia., S. 211.
11*
164
Salmtiiister Hihi'bpn. Vom VtJgelslHTg lienib koinmi-rid,
führt diT IJac'li Salaa clurt-li den llutttwischi'n Grund,
hcstehund aus den Üürfurti Romstiml, Kerbersdorf,
Eckardsr(jth, Wtdderts tiud Marborii liiorlier zu dt^m
nach seinen Siilzijiiellen genannten Süden, ttiustojal-^ die
Saline Ful<las. jetzt ein aulTi lallendes junges Soolbad.
Inj 9. Jidirlmudiirt g».'lit">rte diese tJegi-iKi eiinMn (irafen
Stephan, welcher .sif; dem fiddaischen Abte lliigo gegen
den Ort Criechesfelt vertauschte. Das nahe Sahnünster
gehtirte aiicii dazu. Zum Schatze des F^aud^triehes er-
bauten die P'tdiäaer Aehte die iJurg Stolzenbcrg, welche
im 13. Jahrhundert bereit« einmal zersttirt, aber vom
Abt Heinrich IV. auf Befehl und mit Hülfe Knnig Wil-
helms wieder aufgebaut wurde. Unter dem Schutze
der Burgmauern entstand zuerst der Ort Salz (jetzt
noch ein Hof) und dann Soden (anfanglich Stolzenthai
genannt), welcher Ort auf V'or.stelhmg des Fuhlaer
Abtes Ileinricli V., Graf von Weilnau, Stadtreclite er-
hielt Die Stolzenburg erhielt vom Abte Burgmannen
(von Eppenstein, Graf von ButteubiTg, von Joss, von
Altenburg), l;i"J8 wurden die Brüder Friedrich und
Frowin von Hütten erbliclie Burginannen. 1340 wurde
Stoltenberg zuerst an Ulrich von Hoelin, dünn 1384
an Frowin und Conrad von Hatten für .')4<X> Pfund
Heller sammt Salmünster und dem später sogenannten
Hutteu'schen (Jrunde verpfiindet. Der Abt behielt ><ich
verschiedene Gerechtsame und die Oeffnung der Burg
vor. Als Luther 1521 von dem Reichstage zu Worms
7Jirn<kkehrte, soll er auf Sbdzenberg bei Frowin von
Hütten, kurmainzischeru Marsehall, zu Gast gewesen
sein. Der letztere war mit Franz von Sickingen ver-
bündet, in Folge dessen von den diesen bekämpfenden
Fürsten Salmünster und Stolzenberg erobert wurden.
]r)12 war ein Theil di'r Burg eingestürzt; 1")U) wurdr-
sie neu erbaut. Frowin verkaufte 1528 die säramt-
Ulf)
liehen Güter an den frilnkisclien Stamm von Hütten.
1B24 kündigte der Abt von Fulda seinen Antheil an
der Pfandöchaft. Ein Theil kam an Mainz, welches
\TM durdi VLTgleich das nunmehr verfallene Scliloss
Stnlzenlun-g, Sodun und Salmünster für 52500 Gulden
iin Knldii zurück gab. Älit Fulda kam dann dag Amt
Saluiiiii.ster an Kurhessen (1816).
Ohne die Tlialburgen der Herrn von Thüngen zu
Zeitlnfs, RossViacli, Weisscnbach, Burgsinn etc., welche
siimmtlit-h noch theils als Schlösser, theils als Oeko-
nomiegHbäude ht-wohnt sind, hier näher zu beschreiben,
wende ich mich nun zu den südlichsten Ritterhurgen
des fuldaischen Gebietes im Hammelburger Amte:
Sudenberg, Renssenberg, Saaleck und Trimberg, von
wckheu nur Saak'ck noch buwohnt i«t. Alle diese
stattlichen Jluinen auf den Höhen zwischen Main und
fränkischer »Saale, besonders auch die schöne und
grosse würzburgiscbe Ruine Homburg, werden heute
noch, nicht nur wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung,
finndern auch wegen ihrer hervorragenden landschaft-
lichen Schönheit als herrliche Aus«ichtjjpunkte im Laufe
des Soinniers von einer grossen Anzahl Touristen Mittel-
deutschlands! besucht
XUl.
Sodenberg.
Der So den he rg*) (neueidings der fränkische
Rigi genannt) liegt am linken Ufer der Saale, 2 Stunden
von llainuu'lhnrg, 3 Stundi-ii von Geinünden am Main
und erhebt sich :")[)(! IMi-ter über der MeeresHäche, l;54tj
Meter über den Spii-y«-l d(!S Mains. Der Berg ist schön
bewaldet und hat ungeheuere Basaltfelsen. Die Aus-
*) Traberi, da« Frankenland (Würrburg bei Wooil), S. 13.
— Sf:hannat. Clientela, pag. 17G.
HiH
sidit iiuf das Saalthal, niith (lt*m UlHingehirge und
Spessart i^t weit und umfassend. Ueber einen Rinjj-
whU krvtnint man an eininn stf^inernt'ii Crticitix mit ilt*in
Thiliigen'scLßn Wappen und der Juhrfszalii 1Ö15 vor-
bei zu der am liöchsten GipW gelf^ene Uuint; mit
doppfiltyn Kingniaiiern und cinetn sehr gcräumigiMi Rurg-
liof. Dlt altü lii)lie Tliurtii ist. vor etwa üO Jahrtsa
gänzlich eing^^faHun. Yoti dwm Rhöndub ist auf dessen
(ivundmiiuern ein hölzBrn«!' Aussiclitsthurm erbaut
wurden.
Nach Sclmunal (1. c.) ist die Burg Sod««nberg
1431 mit dor ausdriickltcbfn Zustimmung des Abt*w
Johann von Fulda <*rbaut worden. Theadoricli, Karl,
Conrad, Eberhard, Engelhard, Balthasar und Sigismuiid
von Thüngi'n empfingen dieselbe als männliches Lelien
und ihre NHcbkumnien .snllten, so oft i'.a iiothwendig
erscheine, die Belehnung neu empfangen und andere
Personen sollten daselbst keinen Besitz erhalten, ausser
mit Genehmigung de« Abtes vnn Fulda. Später wurde
inde.ssen ein Theil an das Juliusspital zu Würzburg
veräus.sert. Von den Krstgebi>renen der Geschlechter
von Thüngen empfingen die Belehnuitg von Fulda: 1536
F, ustach von Tliüngen auf Soden berg, 154U
Panc- ratius von Tliüngen daselbst, \bb^ Neidhart
von Thüngan zu Zeitlofs, 1073 Wigbert von
Thüngen zu Reussenberg, löHfi Philipp von
Thiingen zu S öden berg und G reiffens tein, HiOI
Wernher von Thüngen, lfi3H Albert von Thüngen
zu Kossbacb, Hiöl Neid hart von Thüngen zu
Sodenberg. Uebrigens hat frfiher bereits* eine Burg auf
dem Sodenberg, ehemals Kilianstein genannt, gestanden,
die 120H urknndlieh erwähnt wird und Hermann von
S o t e n b e r g gehiirte. Ein Theodorith von .Sotenberg
wird 130H erwähnt. Die von Thüngen waren schon
im 14, Jahrhunderte im Besitze der Burg und brand-
167
schätzten von da und dem nahen Reussenberg die
üt^pend ebtMiso, wi«.* die anderen Rittfrgeschlechter.
1.H93 mtifisten !*i<' die Bnrg an das Hufh-stift Würzburg
abtreti^u, um cli-r Ktnchsacht zu Hntgehen, ranbten aber,
da sie als Lelicnslente difselbe behielten, weiter fort.
Von Bischof Gerhard von W'ürzburg wurde deshalb
1395 die Bnrg belagert und fT.stürmt, welcht-r dieselbe
sodann an die von HuttiMi zum Lfhen gab. Nachdem
sich fepiltpr dit' von Thiiiigen wieder des Sodenberges
bemächtigt Iiatten, trugen sie, wie oben bemerkt, die
Burg dem Abte von Fulda als Lehen auf. Götz von
Ber lie h ing<* n verlebte hier bei seinem Onkel Neid-
hart von Thüngen zum Theil seine Jugendjahre. Im
Bauernkriege versuchten die atifständischen Bauern ver-
geblich den Südenberg einzunehmen. Die Verpfändung
des Schlosses an das Juliu8fi]>ital geschah gegen den
Willen des Fuldaer Abtes 1660. I)a.s Schloss zerfiel
iillmählig, i's wurde aber weiter unten ein nekonomie-
Inif angfifjiit, weh her noch in gutem Betriebe ist und
den Herrn von Thüngen gehört, nachdem sie einen
hinj.'wifrigen Trozesa erst in der neueren Zeit ge-
wonnen hatten.
XU IL
Reussenberg.
F.ine Stutide südwärts vom Sodenberge liegt der
Reussenberg mit schiiiier Iluinn ; die Burg war 1333
voji Herrn von Thüngen erbaut und ist von den Würz-
burger Bi.icliiifiTi (ifters belagert wurden. Bei den dem
Bauernkriege vorausgehenden Unruhen wurde 1J22
hier der fulflaische Propst zu Johannesberg, Mel-
chior von K uch en meiste r ermordet, als er von
einem ISesuclie der gleichfalls fuldaisehen l'ro[)stei
IHK
Holzkiruhen in ünterfranktin liciitizuriMSfii im Begriff
stand*).
XLIV.
Saaleck.
Das sdiüxie iSulilo.s.s SaalfL-k niichst Haiunn-Ibtirg
hatte für die Fuldaer Abtei einen doppelten Werth ;
f'innia! als Cireiizfi'ste gegen das ko oft fi-indlifli« Hoch-
8tift WürÄljurg und die iini>icheret) I{iit«*r und oft un-
getreuen Vttsallen der dortigen Gegend; dann aber
auch als ergiebige Wein-Domäne. Der an dein Süd-
abhange des Sddos.sberges gewachsene W^in steht an
Güte den besten Ktieiti- und FrankenwciinMi nicht nach
und war niichst dem gleichfalls der Abtei gi'liörigHi»
rheinischen .Inliaimcsberger die Zierde der Fuldaer
IloftafLd.
Hammelburg wurde bereits 777 von Karl dem
Grossen dem Stifte Fulda geschenkt. Fin idter sagen-
umwobenta' viereckiger Thiirni auf Saaleck soll aus
diesen früheren Zeiten herrühren. Urkundlich wird die
Burg Saaleck im 14. Jahrhutiderte crwäliut. Im Bauern-
kriege wurde sie zerstört. Die jetzigen hübschen
Scldossgebäude tiageu die Wappen des Fürstabtes Jo-
achim von Graf-'ni'ck (lü44 — 1671) und des letzten
Fürstbischofes Adalbert von Harstall. Saaleck kam
18] ß an die Krone Bayern und wurde 1866 an Herrn
Banqnier Vornberger in Würzbuig verkauft**).
XLV.
Trimberg ***).
Zwei Stunden aufwärt» im Saalthale von Saaleck
entfernt liegt die alte Burg Trimberg. Von derselben
•) Sehnrider, Joseph, Buthouia 4, Uand. 2. Ucll, S 32.
••) Se/iiieider, .Fustus. Führer dtiifti die IMiün (4. Auf! Würz-
burg bei Staliol). S. lüJ.
*•*) Sehneider, JustUH, 1. e. S. U>5.
169
stflipn noch die Hiiuptmauern und zwei CÜHbt;! wände,
worin ein« Rfstiiuriition mit altdfutsuliiu' Kiiuiclitung
i'ingebaut ist. Kdle voji Trimberg wtrdc!» IIH?
genannt. Nach dem Ausstt^rben der Familie 1239 kam
die Burg an das Hochstift Wiirzlmrg als Amtssitz. VAn
Zwoig der von Huttrn war llil^r erblich belehnt*).
Wenn auch Tritnberg nie zu Fulda, gelnlrt^^ wurden
doch die .-\nitsleute Hartrad und Friedrich von Hütten
zu Trimberg KiK4 und Friedrichs 8olin Conrad als
erbliche Burgmannen zu Saaleck vom Fnldaer .'\hte
Friedrich von Romrod (1383 — 1395} eingesetzt.
ZuWtzt haben wir nun nocti der Burgen zu er-
wähnen, welche in dem vormals fuldaischen, ji-tzt bay-
ri.scl)en Amt Brück enau g^-legen .nind. Zwei Ruinen
fin4h'n sich nur in dieser Gegend, welche wegen ihrer
romantischen Lage d«'!! Bc^ruch der Bhrnitouristen veran-
la.ssen, Schildeck und Werl) erg. beide waren eigent-
lich keine Bitterlnirgen, sondern Amtssitze, niii.s.sen
aber zu jenen in so fern gerechnet werd<'n, als sie
vielfach den mächtigen Kitterge.schlecht<;rn der liegend
ver]»fäTidet und verkauft und von diesen mit mehr oder
weniger Recht wieder an andere verkauft wurden.
Beide Burgen liegen im südlichen Vorgebirge der Blum,
der 8childeck (5s)<J m), auf einem schönen Kegel dicht
an der Landstrasse von Brückenau nach Kissingen mit
ziemlich ansehnlichen Mauer- und Thurmresten, der
Werberg nahit bei dem Horfe gleichen Namens, l Stunde
von Kothen in einsamer waldiger Gegend, ein kleiner
steiler Kegel mit mächtigem Basaltfelsen, der nur sehr
spärliche Mauerre.ste der ein.stigen stolzen Burg trägt,
von Ge.^talt dem Haselstein ungemein ähnlich.
*) SrliatnifiL i'licritcla, pa^^. 117.
17U
XI.VI UM.I XIA'll.
Schildeck und Werberg.
liu (juscliiühte tliespr zw(m Burgon gcbi'ji
die fulduisc-hen Gcsc!iifht8sclireib<^r iSchatm/it und Ürvitcr
iui.s!?t>rst geridgp Auskunft ; und doch li<!gt bczüglit-li
drr.Holhcii in d^m fuldaisclien Archive, wfltln'.s sich nuii-
melir in Marburg bt>findet, uiu walircr Schatz vc*n IV
künden verborgen, welch«* uns darüher Auskunft geben
können. Mit Hülfe eines lunfHiiglichen Manuseriptes
über die ehomals fuldaisi;hen Aemter des früiipren Ar-
cliivars Jfcnurr, wm-in dieser Mann mit walirein Bie-
neuHtäss .siimnitlichc' Arcliiv-I Urkunden co|iirt, kritistli
gesiclitet und übersichtKch besprochen Init, bin ich
in den Stand gesetzt, einen richtigen hi.storischen
Utiberblic'k betreffs diei^er Rurgeri und Aetnter zu gehe»,
wie derselbe noch nirgend.s in alteren und inHiemi Ar-
beiten unserer Lokalgescbit-hte vi>rlipgt.
Vcni 8 eil 11 deck berichtet Ihriffcr *)^ dass esi ein
heriilmites Schloss und der Aufenthalt vieler Herren
gewesen sei, auch den Titel eines Gerichtes und Amtes
getragen habe. Es sei aber unter der Regierung des
Fürstabtos Heinrich IV. von Ertba! das Amt nach
Drückenau gekurnmen (124^}). weither Ort den Namen
von der hier über die Sinne geschlagenen Brücke be-
kommen habe, früher sei er Sinnaa genannt \vc>rden.
Nach den von Ik'mtur*'^] angeüogein-n Urkunden ist
Schildeck ein Burgschloss und .\nit gi'Wesen, welches die
Ortschaften Schondra, Singcnrain, Cii-rod. Mitgenfeld
und Hiedenberg umfitHste und in dem den Karolingischen
Kai.sern geliürigen Salzfortst gelegen war, von welchen
Theilc diesem Walde.s dein Klo>ttr Fidda gesehenkt
•) Bnjinr, Hbei- IV, pag. 307.
*•) Denner, FulJ. Aointer 1. Bd. S. 72—181.
I
wiiriien. ]i\v Avhiv halifii .stuts d'ivHe Schenkung als
ihr Eigi-nthitm geg*^n fremde Ans[>iik-lte VHrtheidij;t, bis
1575 (Irr lialhe Antlieil von d«-» von Thüiigoii aU fruiws
Eigetitliiim bi-an.spnu-ht iiml durch liiiii IKimdi'clianten
zu Würzburg, Neidliart von TliüiigBU an Fürstbischof
Julius verkauft wnrdf. Jt:doc:h wnrdi- auf Bebcliwt'rd«.^
Fu!<hts durch Kaiser Hudulph 11. di-r Kauf wieder rück-
gängig gemacht (10711), wi-il der Vertrag vom Fürst-
aht Balthasar von Deriibach przwiuigpii wniilen sei.
Fulda mnsi^to indessen für den „Rückkauf"', bewirkt
von den Kaiserlichen Kommisaarien Heinrich, Hocli-
und iJeutsclinu'i.ster unil .Joliann Achilles Jesting zu
Kirchberg und Linde. 15,<A)0 Gulden zahlen (l;>7!Jl.
Viele klf>iiie und grosse Dynasten haben von
Kulila durch Verpfändung Schloss und Amt Sclnideck
itti Laufe der Zeit erworben, aber nie als Krblehen,
.sondern stets nur auf Wicdurkauf oder Kinlosuug. Das
Besitztiuiin war deshalb oft in Gefahr verloren zu
gehen, da mehrere dieser Herren widerrechtlich darüber
verfügten, wie der Herzog .Schwantebnrg zu .Stettin,
welcher den halben Theil als Erbeigenthum an Dietrich
von Bibra um ;WKJ Gulden veräusserte. lirkiindlich
liegen .solche Kaufliricfe au.s der damaligen Verpfiin-
dung-s-Epoche vor von dem Kurfürsten von Mainz, den
Herzögen von Stettin*) und Sachsen, den Für-stbüschiifen
von Würzburg, Landgrafi-n von Hessen, Grafen von
Henneberg, Herren von Haberkorn, von Bibra, von
Merlau, von Riedesel, von Sauwenheim, von Döring-
berg, von Görz, von Steinau genannt Steinrück, von
Hütten und von Thüngen. Schliesslich kam Sehildeck
an die in Ib»mer.shag von Fulda belehnten Herrn von
der Tann. Im Jalu-e 1(>'.I2 wurde, aber dieses Tannische
•) Ich vormuthe, dann , Stettin" ein SflireihMilcr mioi (n-
thatu seitens Detuiera ist und. dahs es .,VVt'ttin'' lierh^cii iiiukj.
Lülii-n zu Ildnirrsliaj: samnit 8i.-lnldt«ck, Gerud und
Mitgeiiffld für 105.(XK.) Ciulden witnlnr von dem Abte
riaridus vnii Drnstc gekauft. Dio Hnrg SL-Inldeck soll
iin di't'issigjiilirigi^n Kriege zorstört vvoid«^ii sein. Ihr«
Trüinmer dicntun noch im Anfangt? des vorigim Jahr-
hunderts dazu, um den bekannten wohlthätigen Fnhlaer
l\:it)zli?r Johannes V'ogeHns als Herren von Sehihleck
in den Adidstand zu erhi-ben, von welehem die .Schil-
deck'sche Stiftung zum Nutzen verannti^r Fuldaer
Bürger lierrührt.
Das Scidüss Wcrh^^rg gehörte, wie Sthihh'ck,
ebenfalls zu dem TheiU* des Salzforstes, w«dcher be-
reits Hlfj von i'ipin und Karlmann dem Kloster Fulda
geseheukt wurde. Der Nanu- Wtrberg, auch Warherg,
Werenberg, Wernberg in d'-n Urkunden genannt, dtüut-et
darauf Iiin, da.ss diese Hurg gebaut ist, um di?n Feind
vvalirzunehmen (gleich wie Warte, Warttliunn), oder
öiih dessen zu wehren. Da i^n adfdig*-.s tiestddecht
vnii Werberg nie hetitandejj hat, ist wohl anzunehmen,
diiss dit- Burg in diesem Sinne von den Fulda**r Aebten
trbaut worden ist. Eine ge.-iLliiclitlirlie NactirJeht über
deren Erititehmig feldt gänzlich, die älteste Urkunde
ist von DUO, in weleher der Fiirstabt Heinrich VI. von
Huhenherg dem Ajjel Kiirlienmeister ein Bnrggut zu
Werberg, näniluh eint- llofstutt i,iii demselben Huße
bei der Ca|)ellen und ilie halben St;illungeu nswendig
dem Hülle, ubeii dem Thorhuli etc." für UÄ) l'fmid
Helk;r auf Wiederkauf übergiebi
Die zweite Urkundi' von l'Sl'ri b»'sagt, dass Fürst-
abt lieinricli VII, von Cralucke das fuldaischi? vSchloss
und Veste Werberg, ww auch da-s Gericht Motten mit
allen Widdern, Wa.^^sern, Diufi-rn, Vorwerken etc. dem
fuldaisclien Mar.schalle Kunrad von Hütten, Frowin
seiueni FSruder uiul ihren Erben für HUUJ l'fiind Heller
versetzt und die Kinlü.sung des KücJienmeister" sehen
1
Bnrglehi^iis für 10) PfiitvJ I heller {,'ftstat.tet Imbo. Die
Grenze lIl-b Aiiite.s Werbcjrg gp^jt-ii tJi'ii \\ ürzburgisfluMi
Tlieil ilfS iSjilzfortstes ist 1512 v<m KuiiK Sclmd zu
Kotlniii un<l VValtiier äljvitin als Sf!mltln'i.ss di-rer zu
WeyhiTs bestimmt und verstPint woideii; sie ging von
Riedfiibfrg bis zum Sinuboni, scluMiit ;ily(> von der
vojderen Sinn gebikb-t worden zu sein.
Kaeb der Verpfündnng von 1362 ist Werberg eine
eclite ll.'iubrittr^rbnrg gowonb^n und gtibÜ^^bi^n bis zu
ihrer ZerstTtrung im Jidin^ 140H. tSi>:itt!r vr^rhintet vom
Amte „Werberg" nichts muhr. da der Amtssitz muh
Motten kam. Das Amt ,. Motten" war also mit dem
frnherüti Amte „Werberg"' identisch, gleich wie Amt
Orückenau mit Amt Schihleck. In Weiberg und Um-
gebung verübten nun die von Hutttiu die bekannten
Öcbandtbaten als ..Reiebdungen". Krowin Vater und
Scdiii und llartiiiann von Fhitten gaben den pfandwr'ise
t'rhnlteJien Besitz als Eigenthum aus, verkauften 'k
davon an lu'zbisciinf Koniad von Mainz und gaben dem-
selben ant.h die Deffining der l'urg, welche Fulda aus-
schliesüliL-li vurhehalten war. Sie beraubten niir andern,
dem Stift feindlichen ftittiTu die fuldaistlieii TTnter-
thanen in den Aenitern Saluiünster und Neuhof durcli
Brand.schatznngen, beraubten die (jeistlichen, Kirchen
und Friedhöfe, hoben die ülnckcn aus den Tljürinen,
raubten Pferde, Schweine und Kühe und plünderten
die Weisenden. Sogar bis nach Fulda erstjeckto eich
ihr freches Riiuberhandwerk. Aus der Walkmühle da-
selbst entwendeten sie das WoUtutb, welches die da-
mals in Fnlda blühende VVollvveberzunft gefertigt hatte.
Aus dem Kloster Johaunesberg bei Fulda raubten sie
300 Stüek Schafe- und Pferde.
Zwei Helagerungen des Schlosses sind gescbicht-
liili bckioitit. Die erste 1351 seitens der Grafen von
fleniirberg ereignete stell vor der VeriiRnidung an die
174
von Hiitt*'!!, als Wcrlx-rp iiorli fiildaisclitr Amtsitz war.
Sie wurdn durch i-nw VAnh- vfiatilaHiit, di« Kürstaht
H«^inrich VI. von Holionburg mit dem Landgrafen voh
HesH^'U liattt*. Der Fiir-stabt hflafff-rtt^ di« liessische
Stadt AlsMd: tJraf Heinric-h von Ilpunt^bprg war mit
dorn LrtTidgniff'u verbtiiidct und snchtt! AlsfeKI zu ent-
setzen, wurde iilicr VMiii Pürstabt gpfunjrHn genommen.
Um sein<ni Vater zu riichnn, zog tJnif Mfrmani) von
Hi^nneberg gegen Werberg und bekam ilurult List, diase
Hurg in sRinp ru-iwalt, wurde aber v<in dem Ftirstjxbt
wieder dnrau.s vertrieben. Nochmals versuchte dor
Henneb^rgfir Graf die Belag<^rang mit verstärkter Mann-
schaft, wurde ab*ir durch den folgenden Fürstabt Hein-
ricli Vll. von Craluke abermals zuröckgeschlagen.
Die zwtiite Belagerung und Vernichtung der Burg
Werbt'rg aber geschah in Folge der Hutten'schen tJränel
und Häuber^ien durch ein kaiserliches Kriegsheer, ge-
bildet VOM würzhurgtHcheti, fuldaischeti und henne-
bergischen Mannschaften unter Anführung des Haupt-
manns Friedrich Schenk zu Limburg auf Befehl des
Kai.sers Ruprecht im Jahre 1403. Es hat dabei sehr
blutig hergegangen und wird urkundlich erwähnt, dass
nicht nur die hehigertcu Matinen der von Hütten sich
tüchtig gewehrt, sondern dass; aucli die Belagerer durch
andere Hutten'sche Mannschaften, die zum Entsätze
herbeigezogen waren, von den Geschützen bedrängt
wurden. Es kamen also hier schon Feuerwaffen in
Anwendung, obwohl grösgtentheils noch damals mit
Pfeil und Bogen ge.'schossen wurde. Die Burg Werberg
ist dabei gründlich zerstört worden, so dass aich gegen-
wärtig nur ganz spiirliche Reste davon finden. .\ber
bereits seit 2(X) Jahren graben und ackern die Bf»-
wohner des Dorfes Werberg immer wieder F'feile uinl
Lanzeiispitzen von Zeit zu Zeit aus den Aeckern, die
die alte Burg umgeben.
175
Im Jahre 1404 vvnnJ*- wicHiT Fritnlen geschlossen
und die Liquidatinn dns Fiirstabtüti zu Schwein fürt für
dir' durcli von linth^u «erlittenen Bf.sch«diij;nng«Mi auf
^ Ki/O) tinldcn b^'n^chuftt. rK)c-)i ist dicht urkimdlith
H festg(*stellt, (d) d*^ Fiirstabt das Geld »^rluiltHn hat. Die
AnHj>riithp d^rer von Hntten waren indpsHeii mit der
Zerstörung von Wt-rbcrg nicht erledigt. Dun-li Wieder-
verpfändnng und Vererbung oder Ueirath machten fol-
geiidi^ Familien noch Ansprüeh« auf das Amt Werberg
oder Matten: von Kiiclienmeister, von Huiie, von Lich-
tenstein, von Stein zu Altetistein, von .Seckendin-f, voji
IMörle, von Schenk zu Schwoinsberg und von W'eyhers.
Da-s Stift Fulda kündigte zweimal (1540 und 154K) die
l'famlsehaft auf. Es entstand ein l'rozess ant Kanimei"-
gericlit, welcher bis 1504 währte. Von da ab kam das
Amt Motten nach Befriedigung aller Ansprüche der
l'fandinbaher wieder unmittelbar zu dem Stift Fulda
und verblieb dabei bis 1810, wo es »amtnt Brflckeuau
und Hamnielburg an Bayern überging.
176
III.
Johann von Pappenheim nnd seine
Fehden gegen den Bischof Johann IV.
Yon Hildesheim.
Von
Gustav von Pappenheim.
Ungodruckto Quellen.
Akten des Marburger StAatsarchiv's : Politische Abthei-
lung Hildeslieim und Paderborn.
Akten des Stammer Archiv's : Ehepakten und Verträge.
Copialbuch der Gebrüder von Pappenheira a. 1570.
Gedruckte Quellen.
Die Stiftsfehde von Hermann Adolf Liintxel. Hiides-
heim 1846.
Die Hildesheim'sche Fehde von Dr. A. Delius zu Wer-
nigerode.
Ileinemann, Geschichte von Braunschweig und Han-
nover 2. Band. Hildesh. Stiftsfehde S. 275.
^^ohann von Pappenheim war der zweite Sohn des
dl^aus dem hessisch - paderborn'schen Kriege (1464
—1471) .schon bekannten Burchard von Pappenheim.
Zur Gemahlin hatte letzterer in zweiter Ehe Elisabeth
von Boineburg-Hohnstein. Die Ge.schwisti>r Johann's
177
hiesseii: Frictärith. Hfinliaid. In-org. Uiuxliardt, der
jniigH mrul Olitki-, Im .hilirr 1508 war Johatiii Senior
di^r FiiiriiliH und tii-list seiru'Oi Unidcr Guorg Amt-
mann zu. Gieselwfrdt^i. Sciiin Gfiiiahliu Kunue von
l ffidn, widühe ihm einen iSohu und eine Tochter ge-
boren hattf. liinterliess er im Januar des Jahres 1518
als \Vit\v('. I)*n' Sohn Johanns Ww.^s Lndnjf und f3eine
Tochter Maryaretlui. Lctztcrti heiratliftt! im Jahr« läHü
iIi'h Hitt<'r und Üuctor der Rechte, Georg Vf»n Boiiie-
bur|jr-Lt'n}j;.sfi-ld , den Sohn des bekannten hessi-scheu
Lnud(>s-irofnieisteri=i Ludwig von Boineburg.
Nachdem über <lie Gründe, welche, ßurchhardt —
den Vater Johanns — veranhissten, im hessisch-i>ader-
born'schen Krieg die Partei des Landgrafen zu Hessen.
zn ergreifen, trotzdem ihm die Hälfte der Stadt Liebe-
nau für fiOllO Goldgulden vcim Bischof Simon von
Paderborn veridVindet worden war, noch nichts ge-
naueres bekannt ist*), so sei es gestattet, hierüber
folgendes aus den Paderhnrner Akten d. Marb. St. A.
nvitzutheilen : 1) hatte der Bi^lchof voji I'aderborn, nach
dem Tode Habe.s vom Caleuberg (im J. 1464), den
Bnrchard von Pappenheini mit dem Calenberge bei
Marburg nicht beliehen, obgleich Burchard der leibliche
Yettt*r Rabe's v. C. war und mit demselben in einem
Ganerbscbafisvertrag gestanden hatte ;
2l war der Bischof vor Li^benau gezogen, hafte
den Burgfrieden gebrochen und versucht den Burchard
von l*ap])enheim gefangen zu nehmen. Letzterer wurde
jedocli bei fliesein imerwarteten IJeberfal! von er-sterem
nicht Zinn G<'fang«'nen j;emacht. sondern es gelang dem
Bisehof nur einen Knecht Burcliard.s, namens Muth-
.scll, in seine Gewalt zu bekommen. Ausserdem hatte
*) Vergl. ZeitsHirift fiir hrssisnlie Oosiliirlite uinl Laiidcs-
kiuide. Neuo Folgo Bd. 2 flnft l S 'J(> u. lü. v^n .s'/';/;r/.
N. V. B4. xv;.
12
178
iIl'I' lii«clHtl itliiie dazu Ih-ieuliti^t zu >i'iiu it»ii im lit-
füiijüii^ss zu IjiL'beiiau bctindln luii Fciiiil llnrc-hardN,
iiiiiiiliLli den .Sju-ckljorirl* vnii (iodliiigi'ii, iius Mfiiieni
üeUiiigJiiss freigi'lii.vsni. IjurL-liicul war liifrdurch st.-
wohl, wie iuul) dunli die Kiitzii-lmiijj sciiHT l'adei-
bornschpn Ki-blcSn-ii, Wfk-iu' iliin di-r l!i>iln>f nun v«»]-
piitbielt-, gt'zwmijm'ii nvouUmi : iIlt Feind drs BiMiliofs
und <U>s iStift.s raderbnrn zu weidrn.
„Musste fck von Noitwt'jjt'n ut di-iue. Liiiidi' ntvu
und eintüi gutnibgen Hi-nen fsuktMi, das« ftk iindu' d^n
imib viff dusend (lulden tlu» Si-liadHii yi-komnu-n bin
u. s. 1. !*" bi'klagti- sitli Btirilinrd in seinem Fclidebrirf
an d<'n Uistljof vtui Paderborn i vorlaiigtf «»'int- Krb-
h'Jien im Stift raderbitm znnhk, sowie die ä()(M) Gnld-
^uldcn, fni' neltlif iliui die Iläitte. von Liebeium vor-
pfändet worden war *j. l utr-r dem gniidigeu H«'rrn,
dem sich Bnrcbard nun in dem liessistli-iiiiderbornischen
Krieg anscldoss , ist utt'enbar I.and;iraf Ludwijr II.
zu Hoswen gemeint. IHesser Fehdebriuf, d«\s.snn l>atnrn
nicht ersiclitlicli, ist oftVnbjir erst nach dnm im .labre
1471 zwisthfn Hi:!esi»'n und l'a<ierbi>rn abjjtesfhlosisi'nen
Frieden auf 'A'ii Jahre von Bunliard von l'apjjfTdu'iin
verfasst word4Mi. iJvini der Biwhof Simon von l'adefbnru
konnte sich nicht H.ntÄcJdit'sst'n, dem linreliard von
Pap]H']dKMm die ihm entzogenen Lehen im Iloeh>tift
Paderborn wifder herauszugeben, wie es di«« IJostini-
nningen des Frieden.sscldusscs erhoiscliten. Auch di«
Spiegels vom Desenberge, wekiie zum Aulning dos
Uischofs <j;ehürten, waren, da sie (iii* ihnen vor dem
Friedens-sclduss gehörige Hälfte der St;ult Liebenuu
Yorloren hatten, die erlnttersten F'einde des vont Land-
grafen von Hessen zum Amtmann in ]<ii-Vienan eing»«-
*) I'a'lerliiiiii. Akt. «Ics Marburger Staatsarchivs.
setzt«ii Burcfiurd vnn i'iipitfnbeim gfvvorileii *J, Wie
iiiflit iiii<l<;r8 XU i'twiuti'n, fiUiiien dies»! Mi.sshclligkciteii
iiiicfj iKt Fflidi'ci'kliining Ikirchai'ds sehr bald zu Tliüt-
liuljki'itci). Ks wariin zunächst di« .Siihin' des Aint-
mtiniH's Hprinanii vim Spiegi-I zum SchönebHig inul
s<!lii»'r (ii'inatdiii .lutta**): llunrich und Selion<'h<'rg,
wt'lrln' den iSuiilKird v^m 1'. und seiin'ii iJriuler Fiicd-
rirh bidVinde'tiMi. In Fulj.««' dessen wiird** ziinüflist am
20. Ortidjt'r 1471) Ih'iuii-h viin Spiegel vnn Bm-eliard
und Fiii-drich v. l'. im iVeii-ti Felde !jei Liebeuau ge-
fiingwn gfsnommpii.
8eine Freiliissung erlangte er erst, nachdem p.t
Urphetl*' p«'.scljwoivn und gegen genügend« Bürgstdiaft
gelobt liaftf bis znin 2(1. Dcldber 8(K) gute rlieiiiisclie
üuldgulden zu liezahlen ***l. Die ganze Fehde wurde,
am ]B. Miirz 1474 auf Ansuehm des Ri!>eliid"s zwar
durth die Vtinntthuig des Landgrafen beigelegt, doL-h
war di*>si'lbe hiermit nfuli langt* iiiuht boendet f). Denn
im ( k'toher di-s Jahres 1477 überzog IJurcliard von
l'a]t{ieidieiiu, verbündet mit Werner von Ifaiistein und
Hans vnn Stock luinsen, das Hiiclustift Paderborn wieder
mit Krieg tf). Ferner wurde Schoneberg von Spiegel
am 2H, Juli 1478 sun Hurchard v. I'. und seinen
Freunden — dem Joliaiiii. Hermann und Caspar von
Midsebug - gefangen genommen und zu Zusehen ins
Ciefäugniss gesetzt. Nach Kriegung (tiner betriichtlieInMi
Summe Geldes und Angelobung der Urphede kam
*) ZoilschrilY für hessische Ooscliiehte und LaiHleskiiiKlD
Xoufl FiAfin -2. Bd. von Stiihei S. 21 ii. 22.
♦•) Wormoler ürk. aun. HM n. 1468.
♦*») Cojijnlljuih lier Uolirüdpi vair rapiiGuhoiin, Kozos-s uud
t) .Stniiunor (Vjpialljui^h IJl. äTU, Fnlrlcnilirhier S. 272.
ft) Lniulnii. Hi'ssisilH' li'ittfiluiij^'eii I IJiind S. t'>9.
12*
180
Öchonebt^rg von Snifgi-I dann wieder frei*). Wieder
wurde am 5. August. 1478 (Imcli den Liiiidynifm zu
Hessen Friede zwischen den fclKlfiideiv riirthiM4'n ge-
stiftet. Doeh lange nneh na.ch dßni Todi' ßimhards
von Fapjienlniini (| 14!]8) dauerten die Misshelligkeiten
niid Güterstreitigkeiten zwischen den Nacti kommen der
Familien Faiipenheim und Snit^gel und führten auch
vielfach noch zu Thätlichkeiten, In diesen Verhält-
nissen, unter Kämpfen und niaacht^rli*i Gcfaliren waren
Johann von l'appenheim uihI simih- Brüder zu tüehtig»»!
ritterlichen Männern herangewachsen.
Bevor nun zu einer eingehenden DarstidUuig der"
Fehde des Johann von I'appeidieini mit dem Bischof
J(diann dem IV. von Hildesheim gesehritten werden
kann, ist es durchaus nöthig im, allgomeint-n über die
damaligen Hildi'sheinier VerhiiUnif«ste orientirt zu sein.
Das liisthum Hildesheiua dehnte siel» damals im
Osten bis zur Ocker und im Westen noch über din
Leine aus. Ausserdem gehörte noch zum Disthnm das
Gebiet von Dassel am Sülling. An allen .seinen Marketi
war das Bisthum von Braunschweigisch-Wolfenbüttel-
schen Länderg»^bieten begrenzt. Auch das (Jebift um
Dassel am Solling war von denselben gänzlich um-
schlossen. Das Land zwischen Deister und Leine bildet
die nördliche Hälfte dir Herzoglieh-Brauiischweigischen
Länder, welche zum Fürstrnthum Kaienberg gehörten.
An der oberen Leine, von Nordheim über Göttingen
südwestlich bis über Münden, dehnte sich die südliche
Hälfte des Kalenbergischen LänderantheiU aus**).
Der Ländi.-rantheil Braunschweig- Wolfenbüttels
zerfiel in die nördliche vtm ostwärts der Aller bis west-
*) CopialbacU der Gebrüder von Pappciiheim, ßezcss und
Vertilge in Akt. des Stanuuer Archiv's.
♦•) NiV'Ji godiucktou (juoltcii üWr djo Hildcälioiuicr Fohdo
nnd Mittheiluugon des llorni Arcliiv-Attsiblonteu Ikliu* w. n.
181
lieh iii-v Ocker rtiicliende luid die aüdlicht; etwa vua
Goslar bis über die Weser sich ausdeliuende Hälfte.
Joliaiin IV. Herzog zu Siichsrin-Latienburg war seit dem
Jaliru 160H Bisc'liuf zu Hildesheini. Sein Bruder Erich
war sein Vorgüngt>r gewesen, welcher iui Julire 15t>2
niieh dem Tode des Bischofs Barthold zum Bischof
da.selbst erwiddt wurden war. Das 8tift Hildesheim
war schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts derart ver-
schuldet gewesen, da-sji der Bischof desselben oft nicht
eine unvei'pfiindete Burg besass, wo er seinen Woluisitz
nehmen konnte. Diese Verhältnisse veranlassten wahr-
scheinlich den Herzog P-ricIi zu .Sachsen - Lauenburg
sehr bahl nach seinem P!linzug in die Stadt Hildesheim
auf seinen Biscliofsstuh! zu verzichten*). Derselbe wurd«
dann im Jahre 1508 zum Fürstbischof von Osnabrück
und Baderborn erwählt.
Sehi Bruder Bischof Johann IV. versuchte, nach-
dem er vom Papst noch im Jahre 1503 zum Bischof
von Hiklesheim bestätigt worden war, die finanziellen
Veihältni-sse des Stifts wieder zu ordnen, wobei er aber
In-i di!r Ritterschaft des Stifts auf grossen Widerstand
stiess, theils weil dieselbe befürchtete, die Macht des
Bi.Sfhofs würde hierdurch zu gross werden^ theiis weil
sie di(! ihnen verpfändeten Burgen schon längst als ihr
uijablösbares Erbe betrachtet hatten.
Mit di'H MiTzögen von Braunschweig-Kalenberg
und Wolfenbüttel befand sich der Bischof nicht in
gutem Einvernehmen, weil dieselben die Burgen und
deren Zubehörungen, welche Herzog Bernhard von
Lüneburg und seine Sühne Otto und Frie(h'ich von der
Grafschaft Kbersteiri und Herrschaft Homburg im Jahre
143'-{ dem Bisehof Maunns von Hildesheim für eine Summe
*) Lüntxel, LkUtta; Jkinemanti, Brauriscbwoig. öesoh. 2.
Band u. y. f.
182
Geldi'8 vt!i>cliriL'ljiiii liatttii. au-sliweii wullk-u. Iliiimit
war natürlich der Bisehuf von Hildtisht-im niilit wohl
zufrifdcn. iJi^ andere an diesen Hi'.sitzungen noch Ati-
thcil iKibf.'inJe Linie Braiinschweiy-Ltuieljur}/, welche das
Land iniie liatte, das im Süden an \V»jlf'eid)iittel, Hildes-
heim und Kalenherg angrenzte und sich nürdlich bis
Harburg erstreckte, liatte kein Interesse daran, die an
llildesheini verpfändeten Scldüi^ser einzul^isen, weil («in
Sohn Herzog Heinrich dt'!< Mittleren zum Nachfolger
tle.>s I{i*.(hof.s Johann IV. hcstimmt worden war. Sclion
frühzeitig eiiistarnlen Reibereien zwischen den unzu-
friedenen Stiftsrittern und dem Hischof vnti Hildesheiin,
welche von den Herzogen l^rich und Heinricli von Braun-
öchweig-Kalenherg und Wolfenhüttel auf «las bereitwil-
ligste unterf^tiitzt wurden und die V<irboten und Anfänge
der grossen Hüdesheim'sthen Fehde bildeten. In Lihi-
t^cFs*} Besclireibung der Stiftsfclide wird auch ein auf den
Hiscliüf abgesehener Ueberfall erwähnt, dem der Bischof
aber nidit zum Ofifer fiel, sntidem nur einig«^ Herren
seines tlefolges. Nachdem letztere am li eine |{(dle in
der l*a)>jH'iilieiin'.sclieM Fehde spielen und der Hergang
beim Leberfall iu dm Akten des Warb. St. A. ent-
halten ist, stv dürfte e.s nicht ganz un zweck mii.ssig .sein,
über den Bericht der Akten hierunter MittheilungKn
zu macJien.
])en Hergang hei diesem Heberfall schilderten
die llofJu'rrn des Bischofn in einem Schriftstin-k vom
'3. Juli 1514 folgendermassen : -In dein Jalire. vifften
Jjimdert und elwün (1511) am Abend der heiligen dreier
Köjiige dem hocliwüidigen. dnichlauclitigen Imehge-
Imruen •''ürsten und Herrn. Herrn Johann Biseinip
tili« JlildeidJen, Hertoge zu Sal'ien, lungern nnd We-st-
Ufilcn, unsre genädtgen Herren: also K. f. (in, Hmn-d-
•; Elioiida .S )U
las
tii^rru in cliit Kluster MariciUMtit' hv UiklttnljtMi belegnn,
ilarfiilvvHht K. f. (1. der lir>m'st.eii FJne f>yiii'>' KvunuMpe
iK^s DiigHs linfft willig riitfarigeii, gi'folget lu'litcii ; also
\v\ iiji (]<" N^'gede by dat Kloster gekommen durch itt-
lii;he liittiT, dann hown» dpni Kloster (^yn Holt gesti-
elii't {Holz vcrstf'tkt), ewt-ryleth (iibctffillen), ürder go-
würpHii und gffenklithM iuigpnomnuii syu worden. L'nß
iß nverst dt's dagejj Tiiclit geseclit, in Wfß Hcnde wy
g<*f;mg(*n syu und liefite wy fnrdürt (und würden wir
g(^ford«'rt) nnli stelliMi sollten, snndenv unt* zugesagt,
wey wy au diMi Hüjih kommet), solle unß sodanli tho
wi'tendc wenli'ii. 80 awer.st. dt-r Hiip»:^ dy Flucht ge-
nommen nnd wy davon nicht hcbbrn kommen mügtm,
.sind «leßludlii'U zu Zwillinge (im Zweifel) gestunden, so
lange dat iirimr May Lodcwich von Veiten au de Rid«--
schap des StiH'ts von llitdenfieu gisehreven und si<di
beklagt hcfft, dat lum^ di\s angetzHgeden Itages durch
lioclige)». iniimTu gn Hern-tr von llildenljt'U mnrglich,
Ikdranknilic niyt der Najacht gesulndieir, dardurch he
von ]*ferdr und Knechte gedrungen. Heffte sich in der
8ehri(t vor «'inen llnmntm:inn de.s Ftndeli zu Marienrodts
o|ifiitli(k»' angcgt'upn nnd uns och ungefülirliche in dry
\\ ML-hi-n na .sodau Ciefenkniss mit eyiie opeii Brewe,
daran 8yn wontlich lugesegHlle geih'ucki mul gee.schet
ai» eyn Huwetln-r dt-s Kadeß, wy E. f. g. und gy uts
lierinu liegende
Koj
neu u. s. w.
Dieser Urh'i war von den Hoflierren den? Bischof
drin Kurd uinl llcrbur«! von Mamlesloln- und .'\srhe von
8teinbi-i-g(^ an dm Bi.sLhuf und dir Stift^ritti-r.schaft gi-
riclitt't. um .sic-h gpgeii ungereclitn Jii'.scbuldigungen der
Stiltsfrinde: Jnbst von (ileiflingtoi und IjU<lwig von
Wlthrnu zu rrchtlVrtigt'n. hie ganze Saclif vcrtiielt
sitdi ntui fidgeiulcrnuissi'n ; lli*» (ir<i.ssv«if^tt* nnd Ibtfhfrrcn
des I5i.sclit»l.-> Kord und Ibolnud von MandeslolH- mul
Asche von Steiuber^f waren von den Stiftsfeinden Jubst
1H4
VLtii GluidiiigLii und ilriii llunuiitii vuii Marifnrode
Luihvig von Veltlieim bei dem IJeborfalK* gi-fangcn ge-
riouiTiu^n worden und gegen das G«dübde : sicli auf üiiä
Begehrten dtr Sieger zu jeilcr Zeit wieder als G«;fiinguiiK
in diu HändH derselben zu stellen, freigelassen wonk'n.
Niich S Wocben war ihnen dann ein offener Brief von
Ludwig von Veitheim zugesendet worden, worin ihuen
d<«rBe)be befahl : dass sie samt zweien Knechten mit
Harnisch und rfc-nU-n drei Tag nacli Empfang dief^et»
Briefes in der Taverne zu Ilarpeke bich eiiizusttillen
hätten und daselbst so lange ein (lefängnias lei&ten
wollten, bis er ihnen weiteres befehlen würde. Selbst
wenn der Krug i Wirthtihausi aUbn-njite, sollten sie so
lange auf der kalth-n IStiittt' halten, bis er ihnen wei-
tere Befehle ertheilen würde. Acht Tage nach Empfang
dieses Rriefeh und nachdem sie dem Bischof von Hildes-
heim sowohl wie d»'ni Herzog Hi'inrich dem Aelteren von
Braunschweig-Lfmeburg ihre Landes- und Heereskraft
aufgekündigt hatten, traten die lloflierren des Bischofs
ihr Gefängniss zu llarpeke an und Idiehen dastlbst 11
Wocheji. Erzbiscliof Ernst, Prinz von .Sachsen, welcher
damals bei ausbrecliendr-ri Streitigkeiten zwischen be-
nachbartf^n Kürstenthümern zumeist als Schiedsrichter
erwählt wur<J<% war auch in dieser Sache von dem Stift
Hildesheim und seinen Feinden zu Uathe gezogen worden.
Die gefangenen Hofherreu des Bisehofs wurden in seine
Hände gestellt, naciidem dieselben ihr Gefängniss zu
Harpeke abgeleistet hatten. Von demselben hatten die
Gefangenen dann B<'fehl erhalten, sich nach Wnltuir-
stiidt zu verfügi^n, wo ihnen abermals ein Gefängniss
von 21 Wocben auferlegt wurde. Nachdem diese Zeit
abgelaufen war, wtirden .sie einstweilen freig(das.stin.
Ihre Saclie war unterdessen zur Verhandlung gekommen.
Der Erzbisciiüf Ernst von Magdeburg, der Bischof von
Hilde^sheini iiful Ijudwi;^ von Veiten hatten in Maricnrode
J
ia5
eiuu ZiKHatmuBiikuiift gelitibt, wo der StM;liv(T]Kilt ln-i ilt^iii
I clK-rfiill festgestellt wurde. Diu Stiftsfeinde Asche vom
Kiiuniiic mi"l Jnst tUeidiiijzen liatten tiäiidieh hehiuiptet,
dasü siu die Hnflierreii bei dem 1 (d)rrfall idiein gtfiingen
genommen hätten, und dietielhen deshalb nur ihren l!e-
feliien sich fügen müsstf-'n. Ludwig von Veiten g.'«b
hiergegen indessen freimUtliig an: die llofhwren des
nisclittfs wären ihm durch seine Knt^chtp in die Hiinde
geliefert worden, und die Fanggidden seien im Heisein
der beiden «Inngherren Jost von Gleiditigen ntui Ast:he
von Kr.imme von ihm den tlefangenen absrenomme.n
worden. Anch Kord von Mandeslohp, dei< .seligeu
Hartolds Sohn, hatte brieHitb angegeben: niubt Joböt
\on trieidingen od^r Ascbe von Kranune hätten sie ge-
fangen geuoninum, sondern ein Kurcht Vernt genannt.
Jter.">elbe Knecht habe ihm dann auch zu llarpi-ke einu
güldene Kette abgenoinnn^n und im Beisein vi^Oer Juiik-
herren, Franen, Jnngfrauen und Knechten xu Aschwrs-
k4)eM zn Ludwig.s von Veiten* Handsuhidil gemacht.
Letzterer erbot sich dann, die Gefangenen gegenüber
den Forderungen des Jost Gleidingen und Asche von
Kramme zn verantworten, wenn dieselben sieh ihm
wieder zu Wolmirstädt .<tellen vvCirrlen. Asehe Kramme
und Jost Gleidingen hatten hingegen verlangt, die Ge-
t'aijgwnen sollten sich ihnen zu Züptzen in Polen stellen.
Letztere Ixguheii sieli jedoch nach Wdlmir-städt und
leisteten dort abermals ein !iart<'s Gefiingniss. I>arauf
wurden sie in den llnf Kormessen auf der S. Moritz-
burg zu Halle iK-folih-n, wo dann der Erzbisehof Krtist
von .Magdeburg eirn-u Recht-ssfiiuch in dicsi-r Streit-
sache zwischen dem lüsebof von llildeslieim und dem
Ludwig von Vcitnu dabin tliat, dass die Gefangenen
1 r[»bi'di' /u leisten hatten und dann fr<'ige8]iroi-ben
werden »ullten. IHeser Rechtsspruch wurdi- angenommen
und dii- Gefangenen, nachdem sie ürphede gesihwuren
ISli
liatlen. ilm-s (i* f;uiyrji.ss;ib i-iitlii&si;ii. Nutli ileiii Tode
df« Fii/bisi:b(tfs Killst von Mu^ilebur^ (tK>l3) wnitl«'ii
die Hiiflicririi d«'.s UlsiliotVi uuf niin- unbciTtlitiHtf M;ili-
nuiig sicli zum Gefiingiiiss zu st<^ll*Mi gt^nüthiyt, .sich
vor der vf^rsaTiiriTcItMii Kitterschiift di's Stift« Hiklehlieini
iiHcliinals zu vrnuitwortHn, w;<s. wie ol>cii angeführt,
im Jalir ir>14 geschah, worauf du- tinbfgrüiuhten Khigen
di'i' Stiftsfiimlf ahgf'wicsi'ii wurden nud weitere Anklagen
unterhliflieii. Im h('>l(eien Vxiud zu f^rustlielieren An-
lässen — zur ;.'n>?^sen Mildeslieitiier Felmle --- wurden
dit'^ JStreitijikeiten, wt'kiie im Jahte 1014, lölf» urnl
ir>](> zwischen dem Hisilmf vnn llilde.sheim und seinen
iStift.srittern, den Metren von iSaldern. wegen der Eiu-
jnsini;; Üinr Hurgen ausgelirnL-hcn waren, wuraut' hier
niehJ vM'iter i'inge^angen werden kann.
Zu iliesfr Zeit hatte auch tlie Fehde des Johaiui
von Tappenlieirn mit deuj lii^ehnf v(ni llildesilieini ihren
Anfang genonnni'n. Am 11. November Ifilö beritditete
der Üischof Kri<h von n.suiihriiik und l'ailerbnrn au
rien Stntthniter zu Kas.-;el, Krnfit von lin<lenhanseti ;
Johann \nn FaftpiMiheiin .sei mit seinem Anhang in
das Amt Aertzeii hei Hameln eingefallen und habe
den lUssehötlieh-llilde.stieiniiHehen rntt^rthauen dn^eibst
gros.«en SeliadtMi zugefügt. l)ieser Angrifi" auf da.s Stift
Hildpsh*'itn wiUe aiitli von etlitdien seiner l'ntfrtLanen
ohne sein Wissen und Willen unterstützt worden, wes-
hiilb er heiiireirte. obgh'ieh er sonst mit .seinem Hruder
gut stände, der ISistlnif könne ihm entgelten lassen,
und er bitti' ihm nntzntlieiliii, wa.s er zu erwarten
liiihen würd*', wenn er die Verwalter und liäthe dus
Für.'ätejithums H^jssen um Hülfe er.'^iK'hei» vviinlH,
DtT Hischof von Hildesheim befand sich indessen
s(dinn zur Zeit in Virhandhingen nnt der dainaligen
Jtegentin von lb'.s,sen — th/r Lanilgr.itin .\tina, )un dem
gewaltsamen Vorgehen dos Johann von ['aii|>iMiheun
gegBii daM iStift Hi!(lt'«lifiin wiii Kiulc zu itucluii. Jinlcin
ft sicli liittcr tiluT .Itiliaiiii vdii I'u|i}it'ii]iriiii ln>i:linfi'te,
wnkher ilnn v'uvm M.'iiini|iHiili"Mi liaik'MiM-lilii],' vci^ctzt
habe — wie t-r fiiifjiili - vi-rliiiigt>' im-: Kiitsiliiuligmij^
iinil Einstellung Ai-v Kdiilc hif LinnlgräHn viTsicUcrk^
(Ifin Hiscliof in «'iiieni Siliicilicn vuiii 2!{. l)<-zt'niht'r löli"):
«las.s ihr (lii- Filid*- ni<|it lieh mA, und sit! .-sicIi hIIi;
Miilic gfbfn \\r>liH, den Jtdiiiiiii von Pappenlie-itn zur
Kini>ti'llnnjur d« r F(did<' zu bewrgcii. nrn alle Streitigkeiten
auf friedlicliejn AVege zu selilii Ideii. Jnliann vuu raji[ien-
luniu äusserte, »ich djinti auch f<ilgi iideruiassen auf ein
Oll dm vciu der Laudgrätin gori(ljtetes Schreiht-ii : nach-
dfUi er mit dem Grossvrtgt di's liiseht^fs, dem Herbord
vnn ]Majide.slwhe. Sfreitigkeitin gehabt liabe, su sei an-
fangs Sein ganzes Ik*mnti»ni darauf hin gerichtet gewesen,
dieselben auf friedlichi- Weise zn sihlieliteii. Mit (.'iner
V'ursihrift (d. li. liegb-itsthreibHu i der l^andgräHii liabe
er dein Bischdf dann scliriftlieh seine [lesclavt-rdcii über
3[aiid*-silolje zugesendet, aber wtder vom Uiscliuf nueh
dem Mande^lnhe eine Antwort darauf bekornnu'n. In
F<ilge dessen hätte sich iliinii die Fehde zwisttnii dun,
dem f{i>ch()f und Herbord von Mandeslohe entwickelt.
Jedutli nur die äuf>serste Notli habe ihn dazu bt;w»igen
oder gehracdit, dem l!iselif>f und seinen ruterttiaiien
die \Varuiu)g und Erklärung zu übersendHU : da.s.s er
von nun au mit seinen Helfern und Itelfer.sheitVrn de*;
Hiscliofs und «eines F^andes Frind sein wulle. Damit
dit' Landgriitin nur iiielit glanbr - wie vniii liischof
bi liaiiidet uiinb', — daö« er die Feluh- aus Miitliwilleii
bi'gontien habe, erklare er sich zu eiueui W affetistill-
stand in der l''idnie und »n einer '1 ugsatzung bereit
und sehing <'iiii'ii lli-stand der Fehdi- bis xuiii 'M. Mai
vor. nirsei 'l'tiiiiin eix bieii iler Ijandgrätiii zu kurz,
und dieselbe rrsuthtf itiii, d<'ii Stillstand dt-r Fehde
liucb zu verlängern. F.ine Tag.sat/ung mit dem lüsthof
188
wurde (liiiiii <un 17. Juli zu Höxter verabrydet uud dw
Stillstaiifl der Fuhde bis zum 25. .hili hinausgeschoben.
Kurz vor dvr anpesctzten Tajjsatziini? liattr« nun di-r
Bischof durch M-incn Diünfr, den daumli>,'pn Amtinaiin
auf der Toncnburj; bin Höxtpr Starius vnn JJiincbhaiiseu
dvr Lundgiätin schriftlich inittheilwn lassen, dass er zu
diT aiigcsiftztcii Tagcssatznng nicht kommen köniio,
ihr später aber («iue Tagsatzung am 5. August vur-
öcliltigcii lassen, mit dem Krstuhen, dit'sclbt» ])ersöt«lich
zu besuchen und mit ihm daselbst zuj^amnicnzutreffen,
Dilta letzte Scliretbrn ist vom 29. Juli datirt und vom
Hischof wurde eine i»f»rsiinlic'he Zu.samiiicnkunft mit
der Landgriltin hauiit.säcbhch desshalb begehrt, wuil
vv wünsehti;, einen früher .schon zwischen- Hcs.sen und
Uildcfiheim aufgerichtetiiii Vertrag zn enuHU-rn und zu
befestigen, — DiT Statthalter Krafl"t von Bodenhausen,
w^'lchem dies Schreib<*n von einem Boten des .Starius
von Münchhuusen zugestellt worden war, konntt* das-
selbe di-r l^andgrätid nicht gleich zustellen, da dii^selbe
abwe.'it^nd war. Fast am H. Angu.st Morgen.s war dies
Schri'ibeii zur Beaidwtirtiirig dem Jobann von Pappen-
liuim zugesendet witrden. Tnter anderem schriet» der
letztere wiirtlich folgendes: Diewi-ile .solche Zusammen-
kunft meiller gnädigen Frau und des Bi.sehofs mir wio
meinoi Gesellen zu hiugweilig werden raöelite und in
vorliegender Gestalt nur zu IJii kosten und iScbadon
gereichen wiirile, so habt ihr wohl abzunehmen, was
ich ihrer Gnaden für eine Antwort darauf nur geben
kann
Der Hess. Katb lt< 1 Löweiistein zu Löwenstein tlieiltc
dem Johann v(iii l'anpi-idieini ilar:^uf am 4. August
mit: Sobald er zur Regi-ritin ntui .seinen Freunden käme,
würde er anf Mittel und \Ve|;e denken, die ihm gidegen
wären, um airf seiner Feh«bf zn beliarren — doch bis
dahin — möge er in Ruhe stehen. — Die Tagsatzung
fand nun wahrschRinlich dessbalb niclit Ktatt, wi-tl
Jdliaitn von raiipfiilifiai nitlit znjürSLjiricl)i'ii Imth', dur
angf.sttztL- 'IV-iuiiii zu kurz wm- iiiul die Landgräfin. dimh
R(^giprui)gögescliäftt' vi'rliindi-rt. vvtirdi-, dciistilbfu zu hi--
sucliMi. Die Antwort iK'S Johann v<.)n Pappfnlifirii war
dfim St. von Miiiii.ljliaust'ji auth üngtsamlt vvordon.
Nach den Angaben des Starius von MihicldiauHen,
war der Bischof chuth das Nichtzuatanilekommen d^r
Tagsatzung nnd Nichtersciunni'n der [/andgrätin sn
iirgerhch geworden, tiass ein paar Wochen vergingen,
ehe er geneigt war, die Verliandhingen vvii-der aufzu-
nelmien. I'is zum Eiule des Jahres IhUi wurden noch
nndirere Schreiben zwiselien der Ilildesheinisclieu und
Hessischen Itegieruug gewechselt, welche jedocdi zu
keineu Verhandhingeu fährten, weil der Bifseliof die :in-
gesi^tzten Tagessatzungen jedesmal kurz vor ihrem He-
gitni absehrieb. Vielfach liatte Johann von Pappeu-
heim der Landgriilin schon abgenithen, sich mit dem
Bischof in weitere Verhandlungen einzulassen, da der-
selbe eine Beendigung der Fehde auf dem Wege des
liechts gar nicht beabsichtige, sondern nur danach
strebe, ihm dieselbe bis in den Winter hinein unmöglich
zu madien, I)<ich die Landgräfin hatte trutzdeiii die
Versuche einen Frieden herbeiKuführen nicht aufgegeben,
und Jobaiui von Pappenheim war dadurch gezwungen,
den Stillstand der Fi-hde bis zum Jalu- 1517 einzuhalten.
Im Anfang des Jahres 1517 gelang es dann auch
dem bischöHichen Ditiier Starius von Münehliansen den
alteil Vertrag, welclier ehemals zwischen den» Biselmf
Bartholt von Hildesheiui und dem Landgrafen Wilhelm
von Hessen im Jahr 14111 den 24. Septendier auf
20 Ja)ire abgeschl(»syen worden war, wieder mit d**u
Hessischen Ruthen zu Kinheek aufzurichten und zu
erneuern. Dieser Vertrag erschien dem Juliann von
l'aiipenln'im für ilie Fiu'tfiihrnng seiner Fehde sehr
nachtlieili)z. wiilirMlMrnlic-li weil sie auf Gruiiil iWsi>lbi'ii,
ganz lUH'li l'K'lii'beii der nevolluiätliti^'tcn bci<li*r Lntidfr
ht^igt'lfgt wcrdi'u kdiint»', olin»' üubei auf sfini' i?viMitnr!l
bfri-clitigt»Mi Kftnb'ruiigiMi liüi-ksii-ht zu ju-hmfii. An
diMnsi'liir'ii Tiigf — walirscheinlicli am I. April — , an
wclclieni di-r Anifnianii Stnriu» von Müiichhausm nnd
di«* ht\si<istli»'n Ixiitln' in Kinbtck sieb zur Alt.scldifhsung
don VertragHs versammelt hatton. f^rgriff Jobatin vim
I'a|>p<'nbeini wieder die ( •ffi-nsive in der Febde, indem
er im (Jeriilit Aertzen bei Hameln die StiftHunterthanen
angriff. Kin Dort. Lfider gKiannt. wurde hierbei vpr-
brnnnt. Krlolgrridi drang er dann nucb weit nb«*r «Im-
WeHer, Leine und Innerste ini Stift llddesbeim vor.
lieber die Art und Weise seine» Vf>rgehejis und
die Ansfrdnung dieser kriegerischftn Ihitwnebmungen ist
wenig bekiinnt, <la die {'tirresiniiub-nzon darüber nur
einige Tlüitsarlien beiiiliten. Das Haus und Cieri<dif
Aertzen war damali> vuii ilmi HisLlmt' von Hilde!^beim
nn den StiirinH von Müncbliau^^ien und den Heinricli
vrni Hiircicnberg veri>rän<let worden. Letzterer war
Unterfban des Bischofs von I'iiderborn und hatte früher
zn den Feinden de.s Stifts Hildesln*ini gehurt*). Auf das
Aiisijtheti uiiil die Hitte des* Hi.sihofs vou Paderborn
lies.s Jobann von Va|iiienlieini die Güter und linterthanen
des Heiniitli von Hardenberg im (Sericht Aertzon nn-
behelli>it. Kh bei lioch erwiUuit, dass Heinrich von
ilardetiberg im Jalir lälH mit den Müinbhaiisens in
eiupn ern.stlichen Streit wegen der l'jnuahmen des
Pfandliaiines Aertzen gerieth und dadurch veranhiMst
wurde, stcb in die |)ien,«ste des Bischofs Franz V(»n
Minden zu Itegebeti. Letztf^rer zog dann mit aller
Matld atu H, Se|itenil><-r ir>l.S vor das Haus A«^rtz«"n,
Ulli da<si'lbr .tii/.iuii'litnen, was ilini aber nicht gehing.
') llfiucnntnu. ilfw-lt, von Hrauiisuliwei«; 2. IJd. S. 213.
UM
D**i" Hiscliof Juliiijiii IV. liattf zu ilii'Nfi' Zi'it ila^ {iunze
ilans Ai'tt/.fJi fiir !KK^ lliililcii Jii den Sfinins tiixi
.l(jl».'>t Villi Miiiirliliitiiwii \ri|it;iiKlrt. CtHrt'sjminlriiZHii
Vdiit 7., 1*. und '2H. Aiiiil Miuir vuui l. M;ii
■k-li
vom Hisfliof vuii HiMfslicirii und ziuiii'ist vinn Sturius
voit Müiiuliliiitiscii iiii dii! Landgrüiin Anna ntui diu
hii-ssisclie llt'gifi'ting abg»\si'nilt't wurilt'ii, hiTiidjtfti in
klagender \Vi;is(> über ilii- Anyriffi- des Jnliaiiii vrin
]/a)>jK'idifim luid die Bcstliiidijiungen, w^kdiw tlerselbn
ilincii utnl ih'ii iStift.snntritliitncii zugntögf liiibf.
StiU'lHS vuii llünL-hliuusoii b(.'bt in dvn Klagen
g<-^i'n Juliariii von Fji(i[ifnFn'iin buti|tt>iu Idirb bi^rvor,
dass U'tzti'i-*'!' ihn sn scbuiidilit b ruissbatulflt und j;h-
scliädigt bald-, weil rr dnn iilti^ii Biitidnissvi^rtrag
xwistbcri Ib'ssru tind Hddr.sbi'im üum Wnble hi'itb'f
Liiiub-r wii-diT Hutgt'iitrbt«'! und t'innnt - zu Abscldtis^
gebracht buhe. Ki-rrn-r: .lubjuin von PappHhliwim be-
fürthti' li:ni[)tsiudjb(b dniib den Vintnig in sc^irnT Fcbdc
bi'eiiihiitbtigt und briiuLbtliieiligt zu Wfrdi'ii, bcstntidfrs,
wriut IM- g^•zwungen .sei, .sieh auf friedlichem Wi-ge mit.
dpiai Jli-schof" zu Vfrgli'itln'ti. Im wciti^rcm bH;iri.>[)riKhti'
StarJn« den Schutz Ib'sstMis gegen das genv:dt>!anii' \«jr-
gehen seines Gegners, Weil er als Amtmiuiii von der
Toiienburg mit Hessen verwandt oder besisissther l iitri-
than warf. — (Das Stift Corvey, zn welchem die ebe-
nialige Tinienbnrg gehörte, stand datnuls unter bessiisubeiii
Sfliutz.) — Auch über den Bisubnf von Paderborn er-
ging sieh Starifis in Klagen, weil derselbe den Heinrieb
von Hardi-nlierg unter meinen Sebutz gestellt habe,
während i-r iini dem gewalttbätigen Vorgeben dis Jubann
von l'apivenbeim gänzlich preisgegeben liabe. --
Der Hiscliof von Hildesheim btTlclitete ebentalls
in seinem Brief an die Landgriilin Anna nichts andern«
als Beschuldigungen gegen spinen Feind, den Juhafni
von I'a]i]<enlieim, und tbeilte ibr unter vielem anderen
192
mit: (laas Jolianii von Pappi'nhcini in di-in Hylensi^chpii
Walde ilrei Männer — sein«? Unt«*rthnnen — gefangen
gi'ii(»Mini<Mi hiibc, wclclic sich noch im G<'f;ingnis*. za
Linbenau befainJi-ii. Jubann von Pappeuhfini «^rklurte
anf alle dicso Anklagen dtr Landgrätin Anna: vor Ab*
»chluHS d<^8 HiiTiduissvpvtragPs — d*T oben erwähnt —
habe er dem Bisclmf und Sfim-n Intcrtlianf^n gcnfig«>ndi«
Waniungfii iiiiil F('b<i«'brief(' zngcdien lassen und werdo
ihre unbtTechtigtiMi und übermütbigen Klugen nicht
weiter btTra-kniubtigen. Ausserdem wären ihm im Ge-
richt Aertzeii Knechte in einer ganz gi-ausamen Wi'isp
getödtet W(»rden.
Die Liuidgräfin hentühtf sith indi^.sssen, auf dif vie.l-
faehcii (Jesiiche d^s iJiscIiots und d<-s Amtmanns von
Müucldiausen, einen Stillstand der Fehde und friedliche
Violiaiidliiiiyf^n zwiBchen dnu beiden feindlichen l'ar-
thi'ieii hi'ib»>izuftilirfti. Am 7. Mai hatte sie eine Tag-
»atznng für dt;n !l. Joiii aiiberaiiint, womit »ich der
Biscliof «'inviTstandi'U nklärte. — Aber am nämlichen
Ta;^ sendet^' Jüliaim vdh Pap[)enheim von noiieni einen
F(*]id«"tniiif an das Donikapitel, an den Dürj/ermeister
und liath der Stadt llildesheim, die Ritterschaft und
alle Stünde des Stifts, worin er den benannten ins
tji'diielitiiiis zurückiuft : — dass er wegen der Anforde-
rung, Welche er an den Ileibold von Rlandeslohe zu
nia<']ien habe, wie iliiieii wuliUji-kanut sei, dem ganzen
Stift die Fehde s<rhon lange erkliirt habe. Fevner stellte
er sie folgendermassrn zur Rede: Sn bah" iefi mich
solcher Fehde etliche meiner Knechte zn Fuss jüngst
gewesener Zeit auf Fach als meinen Feind anzugreifen
auHgefi^rtigt, <lie dann auf dem Holts (wahrscheinlieli
(Holz oder Wald) nach Lntger mit etlichen LandstraMseii.
Waiulerei-ii und Kohh'ufülireni, den von Schwiecliels
ziigehihig, gemangelt (gefuchten.) In solcher Handlung
einer tm-iuer reisigeti Kiieeht, Kiniz genannt, den ich
von Jiigpiid auf reisig erzognn von den Wyilderwetien
(Feinilen) «rsclir>ssfi( uml «tiitlcibt. Davon waren sie
aber nicht gosiittigt, sondt^ni darüber durch den hoch-
miifclügen und blutgierigen Kurt und Ludwig von
Scbwifchel ihm nach Entleibnnge durch den Diebs-
henker ohnp rechtliche Ürdnimge als einen rovetter-
lichen (raubritt*'rlichen> Obenkttitthor (Abenthf-'urer) rath-
stosen und richten laßfii: und hewct lliiie mir zum
Hohn und schniähligen Spott und möglichen Nachteil
zu Salzkittel bei dor Ilnndwaßen (Landstrassen) gesetzt
und vor ein Sjjiegel aufgerichtet. Das ich mich mit
dem erwehren, dermassen zu handeln, das« genannt
und 7M ihme — al« KitternUis.sigen — noch keinen
andfrn dess adelichon ritterlichen Gelübdes oder ihren
Mitthelfern solches zu bestehen nit hat vennuthet.
Auch soJiches obens aus alten Herkommen, sonderlieh
in gute Verwarnungen und Fehde meines Vorsehens nit
gebräuchlich. Wi*' erhahrlich ihm dasselbe ist: Das
steil ich zu Euch uiul alli- bysinnige Menscheuherzen
zu ermessen; — mu.ss solchen dem allmächtigen Gott
und der Zeit befehlen. Ich habe Jetzo einige der Euren
aus euer Stadt Hildesbeim, die da wohnhaftig sein,
in meiner Haft gefiinglicli: was ich mit denselbigeu
euch wieder tliueus wiederum beginnen werde, syn
ich noch he bedacht " Den Brief der Land-
gräfin vom 7. Mai beantwortete Johann, nachdem er
ihr den Verlauf der Fehde mitgetheilt hatte, wie es
schon erwähnt ist, folgenderma.ssen : Dass er seinen so
schändlich geschmähten und ermordeten Knecht noch
nicht gerächt habe und seine sämmtlichen Knechte sich
solange darüber nicht beruhigen würden, bis entweder
diese grausame an seinem armen Knecht verübte schänd-
liche That durch Wiedervergeltung gesühnt worden wäre,
nder der K(ir]ier seines getödteten Knechtes in geweihter
Erde nach christlichem Brauch bestattet worden sei.
N F. XViJ. Bd. 13
UM
Erst, wc'jiii tl:is ».'iii>' ndi-r amlcri' gcsclii-fimi wäro. kiiiine
t>r sich auf t*MitMi Stillstand ült Fflide eiulas.snn. Die
LaiuIgiiiHii, wi'K-h<i bi'sorgt war, diM" üisf[u>f könne der
HHSsisclitiii H<'gii'rniig ScInviorigk^Mtfii bri-citeii, da er
di« strcngöti' Kinhaltuug d<'.s l'liuungf^vi'rtrajji'.s forderte
ntid die Einstt'lluiig der ihm so lästigen Fidide des
Johann von I*ai>p('id)eini unt4n' alltMi rm.stäuii»^ vt-rlaiiffte,
8nclitt> — dinTli vi(-lfa<ln> Erinalmnngifn und llmhutigen
— den Johann vnn l'a]t])»']dH'ini zu Itewegen, seine An-
ftirderiingf'n an di-u iÜM-lmC vuid s<üne Stiftsritt.<'i' fallen
zu las.si'H und in einen Stillstand der Fehde "■niziiwiiligen.
Ausdrikklieh fügte sie auch nocii hinzu: sie müsso
diesi's ihres Herren und iSidmes wegen verlangen, um
den Frieden mit dem Stift Hildesheim aufrecht zu er-
halten. Nachdem Johann von Pappeidieiin hierauf aber
nif-'ht einging, befall! sie ihreu Käthen init ihm /u
handeln und hdgendes von ihm zu verlangen:
1 . den Bestand der Fehde ohne Weigerung an-
zunehmen ;
2. ilinr vcirznlialtcn : dass er vernuige der hifbenauer
Pfandversebre.ibung, - keinerlei Fehde oder Krieg gegen
andere zu führen berechtigt sei ; er tliu** dann das mit
Erlaubnis^ eines Fürsten zu Hessen oder desselben Ver-
walters ;
3. wenn er sich länger weigere, den Anstand und
die Tagsatzuvig anzunehmen, sollten sie ihn mit keinerlei
Hülffi, Verschub und rntersthleifmig unterstützen und
im äusserstf^u Fall gfgen ihn werben Auch wurden
diese, gegen Johann von Papiieuheim, von der hessischen
Regierung ergriffenen Älastsregeln dem Iii.sthof von
HUdesheim schnftbch mitgetlieilt, um ihn zufrieden zn
stellen. Aber zugleich raussten ihm auch die hessischen
Käthe am 2H. Mai mittheih^n: da.s.s Johann von Pappen-
heim den Stillstand tler Fehde noch niclit bewilligt
habe, weil sein geschmähter Kjiecht noch kein christ-
I
I
Ulf»
lichf-s Rfgrübnifjs iTlialtcn hätte. Naclulem der Riscltof
und Hi-\\w Stiftsrittcr (liesem Verlangen des Johann vun
rappfidifinv nicht imi-tikainen, so verstrichen die von
(ItT Laiulgriitin !iiig»',s('tzt«'n Tagsatzungeii im Monat
Juni, ohne dass verhandelt werden konnte. — In Zu-
si-h ritten vom 1. und H. Juli vom Bisehof an ttie Land-
Ijjrätiu berithtete derselbe: dass Johann von l'appen-
heim ibni nun Antwort auf die angesetzten Tages-
satzungen gfgebi^n habe, indem er über die Weser,
Leine und Iinierste • im Stift vorgedrungen sei, seinen
geistlielien l:r>t<'rtliatjen, den MarscliiUlen Knrdt und
Ludewig von Sehwieheide, aus ilein Kleister Reichen-
berg am Harz (hei Gofdar), 44 Oehseu tiehst mehreren
üeffiiigeiien genommen habe und auf^serdem noch viele
Bescliädignngen zugefügt habe. — Obgleicli nun die
Schwichelder den Johann von l'ap|ienlieim treundlieli
hatten bitten lassen, ilmen dii? ()ch*icn nnti Gefangenen
wieder zuzustellen, so habe Joliann dieselben doch bis
nach Liehenau mitgenommen.
Ferner beschwerte sich der Bischof über den an
seine sämmtlithen Stiftsnnterthanen gerichteten Fehde-
brief des Johann von Pappen heim, in welchem der
Bischof gjinzlieh ignorirt worden war, und sagte
nnter vielem anderen folgendes: „Uiide können über des
Fappenheims Sehreiben nit to fül utwundern, dat my
alle liandeln schol, wo ome gefällig. Went J. Tj. und
gv liebben gut wetten, dat in allen lianden, geistlich
und weltlich, de Onynge (Ordnung) und Gehork (Ge-
hrauehl: dat nich Kapittid, Ritterschap oder Landschap,
sondern allein de regerende Landesfürsten vor sich
und de seine Geleide pflegen tliuende. Wir laten uns
averst uth ('a|ipenheims mntlnvilligcn Handlunge, der
he sick von Tagen zu Tagen inuner und m^tn' betlitigt,
nit anders bedunken, wie dat J. L. und gy seiner
niflit mächtig sei u. s. w."
13*
Ks geht liieraus hervor, wie wenig dvr BLschnf diu
beleidigpiidf HaiidluiigsweisH sf iner.Stiftsriiter dum Johann
von l'aji[)HnIipim g(^gfnübfir in H(!tracht zog. Ferner be-
richteti' der Bischof: Johann von F'a{)p(.'ulit;im habe 8i*ine
KiSrg<T hl Hodenwerd«^* geschätzt (das lioisst: gcf.ingi'U
genommen und gegen genügende Bürgschaft »nd Ge-
lübde wieder fn^gelasscn), — Der Bischof verhingte dess-
lialb : das dnrch (ieiühdi; von den iSiirgi'rii binlungene
Geld sollte angefordert bh'ihen.
Fcrnf-r enthielt der Brief des Biüihofs ein Knt-
schuldigniigs.'sehreiben des Kord und Ciodelbert von
Scbwicheld, welche den schon todteii Pappenheimschen
Knecht gerichtet hatten. Dieselben berichteten über
diesen Vorfall folgendes: Von Katenauer dein Schweine-
meistet und nocli ein paar Buben seien ihnen schon
vor längerer Zeit etliche l'ferde geraubt und nach
Hessen geführt wordeik. In Folge dessen hätten sie
später, als ihnen abermals 21 Pferde hinweggefiihrt
worden wären, dieselben durch Nacbjäger den l'ferde-
wegfübrern wieder abnehmen la-snen wollen. Die Nach-
jiiger liätten dann die letzteren auch eingeholt und
angegriffen. Bei dem Kampfe wären 2 ihrer Kneclite
erschlagen worden und ein Knecht ihrer Gegner sei
ebenfalls bei dem Kani[if ums Leben gi;kommen. Auch
die Pferde seien fa.st alle todt gestochen worden. Nach-
dem sie inin nicht gewusst hätten, da.?s Johann von
Pappenheim ihr Feind sei und sie den getödteten
Knecht ihrer Gegner nicht als Pappeiiheim'schen er-
kannt hätten, so könne die Hinrichtung des Knechts
ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, hesonder.K
da bei dem Kampf zwei ihrer Knechte getödtet worden
wären, während ihre Gegner nur den einen verloren
liätten. —
Der Schweinemeister Katenauer, der Knecht Gott-
lingk und noch Andere, welche den l'faffenmarschällen
197
ti etliche Pferde vor «liesem letzte» Riiucontre weg-
geführt hatten, waren von dnm hessischen Amtmann
F'rhan vrtn Eschwege ausgefertigt worden, lebten in
n'dilichpr Fehde mit dem Stift Hihleslmiin und gp.hörten
nicht zu den Knethtcn des Johann von Pajjpenheim.
Indf'ni nun noch mehrere Schreiben zwischen
Hildesheim und Hessen hin- und hfrgospndet wurden,
ohne eine Tag.satzung herl>eizufiihrei), niilierte sit-b der
Monat seinem Kndo. Dir Landgräfin Anna wie auch
der Hischof wünschten dringend, die ihnen so lästige
Fehde des Johann von I'ai>[>«nheim zu schlichten.
Drith ijer Fjetztere besorgte, dass ein R«c!itssprucb,
wekhtT auf Grund des vorerwähnten Vertrags zwischen
den vorbiindeten Kegierung*ni gefüllt wurde, ihm nacli-
theilig sein könnte, wesahalb er seine Reclitserbietnngen
80 stellte, dass ein .Stillst^^nd der Fehde noch nicht
eintreten konnte.
Der Bischof hatte ausserdem noch hundert Gulden
Schatzgeld an die, l.andgriiHn gesendet, welche die von
Johann von ra)>]H*nheini freigelassenen Bodenwerder
Bürger — ihrem üelübde nach — jim 25. Juli dem-
selben zu bezahlen hatten. Der Bischof schrieb noch
der Landgrätin : Bis zum Tage des Vei-hörs wolle er
seine Fordi-rnngen einstellen und bitte die LandgrilHn
nur dringend, den Johann von l'appenheim zu bewegen
die Feliile bis dahin zu nnt>'rlassi'?i. Doch der Land-
grätin gelang «-s ni<;ht (h'n Johann v<ni Pappenbeim
znr Kinstellung der Fehde bis zum Itt. f)ctober zu be-
wegen, tmtzdeni ihm zur Kinsiebtnabme ih-r oberwithnte
Bündnissvmtrag zugesendet worden war und ihm ferner:
keine Hülfe, Vorschub und Unterschleif im P'iirstenthum
Hessen mehr gi-wtatti't werden sollte. Indem er der
Landgrätin noebnnils den Verlauf der Fehde auseinander-
setzte, den ll»*heruuitb und die nnritterlic}ie Ihmdlung.s-
weise seiner Gegner schilderte, den Schaden, den er
198
durch die.selhen «rlitteii, beaehrit'b, ilie Kittscliuidigiiiigs-
Bchreiben der Pfaffenmarschälle, als mit den Tliatsachen
nicht ühereiiistiinmi'nd erwies, wt'igerte er sich dem
Befehlo der Landgrätin Folge zu leisten.
Ferner äusserte er : Der erst neuerdings abge-
8ch1o&sene Biindnissvertrag zwischen Hessen und Hildes-
heim könne seine Fehiie, die viel älter wäre als der
Vertrag, weder ungeschelum machen noch beenden,
bevur der Biächof und seine .Stifts ritter nicht seinen
vielfach erwälmtftn billigen Forderungen nachgekommen
wären. Die Reclitskräftigkeit des Bündtiisu Vertrags
würde erat hiernach Geltung für ihn erlangen können.
Wenn nun aber der Hündnissvertrag in gänzlich unge-
rechter und unbilliger Weise gegen ihn gebraucht
werde, um ilin danach wegen seiner Fehde abzu-
nrtiieilen, tat würde er sich mit Gotte.-< Hülfe und
üeinem Schwert weiteren Rath zu scliaffeii wissen.
Denn er sei nur dnrclj den Uebermuth und die Unbillig-
keit seiner Gegner 7,u der Fehile gezwungen worden
und sei um seiner Kfire willen gezwungtMi die Fehde
80 lange noch fortzuführen, bis er von seinen Gegnerti
genügende Genugthuung erlangt haben würde. Nicht
um schnöden Gewinn, Haub oder MuthwillBn, — wie
ihm seine Gegner vorwürten, — fehde er, sondern um
seine Khre, welche er mit Gut und Blut vertheidigen
mflsse. Kbfiuso wolle er der LandgräHn und seinem
Landesherren mit seinein Gut und Blut dienen und in
allem gehorsam sein, ausser in seiner Fehde. — Hier-
mit endigten nun die Verhandlungen in der F<«hdM
wieder, ohne dass ein .Stillstaiul derselben zu St^inde
gekommen wäre.
Nachdem die I.,andgriitin die vom Bisehof über-
sandten lOÜ Giddeii von den durch Johann von Pappen-
heim gegen Gelübtte freigelassenen Bürgern von Boden-
Wei'der wi<'der zurückgeschickt hatte, bestellte Johann
I
I
1<19
von l'appenlieim die Bürgen dieser Bürger für den 17.
Anglist in ein»! Herburgt* iiiicli U'ürbiirgj iitn ilim ihrem
üelühde gemim die liiuiiiert Guldeji bis zum 25. August
zu b*,'zaldeii.
In dipscv Zeit kamen die Streitigkeiten zum Aus-
trag, welelif der Biscliof mit f^eineu Ijntertliaiien, dötu
Hillebnuit, Burcliart und Kord v(m Saldern, wegen der
Au.sliisung der ihnen ver[ifitndeteii hisi-hütliclieti Bnrg
Laneiistein hatte. Das Lösegeld für die Burg Itatte der
Biscliof in Hildesheim bei dem Abt zu S. Michaelis in
Hildesheim deponirt, da die iSaldern dasselbe nicht
hatten annehmen wollen. Die Saldern sollten nun ge-
waltsam aus der Burg vertrieben werden, wnxii der
Bischof von dei Laudgrätin für die Zeit eines Monat*
hundert Reisige — laut des BündnissvertragBö - ver-
langte. IHe Landgräfiii erkiärte sieb damit einverstanden
und schrieb: Den Bedingungen fies Vertrags wolle .sie
natjlikommen. nuf bitte sie den Biselinf, ihr es 54 Tage
vorher wi>v^eii xu la.s.sen, wenn er die HtdlV tiötiiig habe.
In einer ajig(diiingten Beischrift jedotdi stellte die Land-
giütin mich ilte Bedingung; da.ss ^sie vor Uebersendung
der Hülfe noch einen Vergleiehsversuch zwisclien dwrn
Bisciiof und seinen rnterthunen — den Salderri —
Versuchen wolle.
Hierauf wtdlte sich der Bi.schof aber nicht ein-
lassen, somhn'n schrieb ihr auf das Schreiben vom 10.
August am "Jfi. August wieder: IHe Ijandgräfin «olle
iilim, ohne vorher i'inen .Aui^gli-ichsversucli zu machen,
<he Hülfe idti'rsendcn, Wenn er sie veriangeii würde. —
lndes.sen wurdi-ii die von Satdern durch einen Schieds-
spruch der Hilde.sheitner Stände ge/wungen, dem Bischof
den tjjiueii.stiiM zu filiergeben und somit hatte derselbe
die lns>ii.K(lii- Hülfe nicht nöthig. — Dunh Zuschriften
vom 11, und 27. Angu.st hatte die LandgriiKn ixn hmals
vei'ciuclit den Johann von ruppetiheiui zum Stillstand
200
der Fehde bis zum 16. October xn bewegen. — Starins
von Mütuiiliausen, welcher das BUndniüs zwischen
H«?«sen und Hildesheini zu Stande {iebrarlit hatte, durch
wt^lchefs df^r Biscliof hoffte, dit^ Fnlide des Juhann von
Pappenheim zum Nachth<^il dt^sselbeii zu bewndigfn,
hatte letzteren auf der Tfineuliurg bei Höxter über-
fallen, wiH Münchhaiisen am 1. »September an den
Statthalter K rafft von Bodenhausen berielitete, walir-
.scIiHinlich um ihn für die gegen ihn gerichteten An-
klagen und lutrtguen zu bestrafen. Müuchhausen
schreibt hierüber: „Ick hedde my nicht verhopet, dat
Joliann von Papenheim hedde vergcmth worden, dat
hy my thor 1'hnneuborch und dat myn alle darßo
rofflich angetastet, so ik in Huldi-u dene Fürstinne von
Heßi'n da vfirgewauth was (verwant oder untertimnig)
und ick niyu hohe Kechte.s-Arbediuge hedden ange-ssen
werden , dat ik viel ündankeß und Unwillen
kregen hebte um des Fürsteudomß Heß«u wyllen dare
my duth alle und to gefnppet warth ..,.., dat ik
up myji Alter nun honer werden linrfFt wento gy hebbt-n
wol afftrennende daß vi! ouer veerhnndert
Gulden to Schaden u. s. f."
Die Landgräfin, welche damals gerade mit Kegie-
rnngsgeschäften sehr überladen war, schrieb dem Statt-
halter von Kassel, er solle den St^vrius von Münrldiausen
gegen Juhann von Pappenheim beschützen und was
ihm genommen wäre, soSIe ihm wieder zugustelit
werden, was aber wohl nicht geschah, denn am 4.
October richtete MünchhausfU ein dringendes Gesuch
an die Landgrätin, ihm zu stMuem Recht zu verhelfen.
Er führte auch an, dass er als Amtmann des Stifts
Corvei Steuer an Hessen zu bezahlen habe und dess-
haib auch den Schutz Hnssens beanKjinKhen könne.
Es sei nur bemerkt, dass er in Wirkliehkeit nur des
Bischofs Diener war und bei <ler Fehde nur die In-
2m
teressen deeselben und die «einige» vertrat. Die Land-
gräfin liatte schon am 7. »Sept^rnber von Johann von
I'apjxMiluMni verlungt, einen Stiltstantt der BVhde und
Tagsatiinng anzunehmen und dem Starius von Münch-
hausen das genommene wieder zuzustellen. Indessen
liatte der Statthalter Krafft wn Hodenhausen wegen
einem Hilde.siieimer l'nterthan, Namens iSternt-r, welelier
ohne eine Fehde gegen Hessen zu haben, einem
Mann ausj Witzenlausen zwei Pferde und eine Sunim»-.
Geldes genommen hatte und in dem G törichte der
Gebrüder Kordt und Ludewig \on Schwithelde Schutz
gefunden hatte, bei dem Bischof Klage geführt. Dii«
von Schwichel verweigerten aber denselben zn strafen
oder auszuliefern.
Die Landgrätia übersandte dem Johann von Pajtjien-
heim nochmals einen ernstlichen Hi?fehl, den .Stillstand
der Fehde gegen den Bischof und eine Tagsatzurjg an-
zunehmen, ohne auf den vorher an den Bischof ge-
stellten Anforderungen zu bestehen, da derselbe diese
nicht annehmen wolle. Doch Jidiann von rajipenheim
antwortete am 9. Dezember : dass kurz vor dem vom
Bischof bewilligten Stillstand der Fehde ihm luid
seinen Brüdern das Dorf Sunrike bei Borgentreich
von bischriflichen Unterthanen geplündert und verbrannt
worden sei, ^ Auch waren einige Leute von dort als
Gefangene mit fortgeführt worden. LJer Latidgräfin zu
Gefallen wolle er einen .Stillstand der Fehde, aber
nochmals bis zum 2. Februar 1518 «nnelnnen^ wenn
die Sache wegen seiner 2 Knechte, welche von den
Herrn von Alfeld« (Linie der von Steinberge auf
dem Wispenstein bei Alfelde) getödtet worden wären,
zur HauptverbandJuiig gemaclit würde und alles Uebrige
zu einem gütlichen Yerbtir kommen solle. — (Die Al-
felde hatten zwei Knechte des Johann von Fappenheim
ermordet und sich damit entschnldigt, dass sie dieselben
•202
ntctit als PappM'nlieim''8che Knrcbtf erkannt bitlva..
Sollte dies der Bischof nicht annehmen, so hÄtp **r die
I^ndgräHn. ihn nicht iirMitr>r za bedrängen. Bondem
nai.-h I^ntlefiKinang zu b^M.-hfitZfn. Dem ULscbof tbeilt«
dann die LandgräRn d^n Inhalt di«i< PHppenhfim'Mben
Krii^fpH oiit and bat den Stillstand d^r Fehde bis ram
22. Pebrnar anzunehmen. Doch der Bt«ehof schira
Mehr itngnhaltf^n über das Schreiben des Johann tob
Fa{»|tf nhtfiin zn sein nnd behauptete : da«s s^ine roter>
thaiii^n limt Dorf Sunrike nicht während de« StilUtaads
der Fehde beraubt hatten. Auch würde es ihm schwer
werden — wie er erklärte — «ich mit Pa|ipenbeim in
einen Stillstand der FVhde zu begaben, bevor derselbe
ihm nicht seine tiefangeiien ausgeliefert hätte. Femer
tbeilt« er der I^andgräün am 17. Januar mit: Han$
von Steinberge habe tiich bei ihm beklagt, dass Jobann
von l'appenheim ihm kürzlich 2 »einer Knechte ge-
fangen genommen habe, welche noch im Gefängnis^
zur Liebenan nassen. Auch der H^nwische Statthalter
Krafft von Hodenhansen habe ihm geklagt: das8 ««ine
Ilnterthaneii aus dem Stift llil(ie.sheim den Hansen
von Stockhansen in Stammen beranbt hätten. Doch
solle der Hani« von Stockhnusen »ich über die Hildeä-
heim^schen nicht weiter be.scliweren. da sie durch
Pappenheim» gewaltsame Handlungsweise gezwungen
worden wären sich zu entsfhädigen. Johann von
Pappenheim war iiacl) dem Zeijg»i.s,s der Lehnsurkunden
schon vor dem 11'. Januar 1518 gestorben und ein
Volkslied ans der d:imaliu*'[i Zeit, von dem nur der
erste Vers noch bekannt i.st, bi'.'^ingt ihn aU den Helden
der Fehde folgeiidermassen :
Ocr ale Hüb' von P))|i«nheiin.
I>e llog vüii sirior Mi^te:
ilc si-littt ^ivn\ üiskopp U|) den Ko|i|t;
Nu bil)i. Jleir Jet^u Cliriste!
I
I
^
Ain 17. PVbruar 1518 hatttMi Itf ITaridlicin-ii den
.Stift« Hiklf'shtfim PUi Bündiiiss gegen den liiscliof von
Hildeshi'ini abgeschlossf^n und «ich uiitfr den Schutz
«ler liurziVgi» von BniunschwfMg t^fsttllt für den Fall
da88 sie mit dem Üisehof in tone hVlide konmien
-Jfurden. Auf den Lanensteiii hatte der llischof, uach-
'dem er denselben von den von l^aidern ansgehist hatte,
den Statins von Müm-hfiausen gestützt. Als derselbe
am 22. Februar IT) 18 vom Ijauenstein ztnn Rist-hof
reiten wollte, würde er unterwegs — vvahrseln'inlii-h von
den t^tiftsrittern des i3nnde8 — ermordet und am
andern Morgen erst von Mühlenschntten in der Innerste
gefunden.
Im Monat März de« Jalires 151b war dt-r Land-
graf Pitilipp zu Hes.sen von deni Kaiser Maxitnilian
alft volljährig erklärt worden und hatte die Firgierung
des Fürsti^nthunis Hessen im 14. Jahr angetreten. Der-
selbe -suchte nun auch sogleich die Feluh' de& ver-
storbenen Jobann von Pappenheim mit dem Stift
Hihlt'.slinim, wehdie letzterer auf aeim-n LSruder Georg
und Vtdter Christoph den Aelteren vererbt hatte, bei-
zulegen.
iSchon am 8. Mai 1518 hatte Landgraf Philipp
Hiti Schreiben an den Bischof gerichtet, worin er sich
über etliche Buben; (.'orde Sterner und iindere be-*
Hthwerte. welche »einen Ilntertbanen ilrei Pferde ge-
nommen und die Leute auf der Strasse angefallen
hatten, üeber die.selben hatte .'*ich auch der Statthalter
in Kassel sehon besc-.hvvcrt, konnte aber von dem
Bischof nichts erlangen. Landgraf Philipp setzte dem
Bi-schof auch mich auseinander, «la.sa er aus einem
Brief der vom Bischof an Johann von Enzenberg gf^-
richtet gewesen wäre, er.sehiMi habe, dass er diesen
Bnln'n srlber habe entlaufen la.ssen nnd machte ihm
darüber heftige Vorwurfe. Auch über den Dietrich von
204
Ilticke zu Nordholz l)escli\verte sicli der Landgmf. Der
Bischof erklärte darauf am 15. Mai 1518: da»s nr
fiiurhaus kfiii Gefiilli'u an dt^n Thaten des .Steriier.s und
üenosHeii färid»", ?*<iiiclerii die Sache, wie der Landgraf
■AMH den beigeti'gteli Briefen des Hietriclj von Bocke
ersehen könne, — habe untersuchen lassen. Dem
.Statthalter von Kassel wären auf seine Zuschrift hin
Hti<h schon 2 Pferde wieder zugesendet worden. Mit
Dietricli Boke wolle er die Verhandlungen wegen seiner
vr-rmeinteti Klage ganz nach dem UefallHU de?« Land-
grafen einleiten, wenn er es wünsclie. Auch wäre es
sein Wunsch sich mit den Krben des Johann von
Pappeiilieim in Verhandlungen einzulassen, um eine
Abstellung und Beilegung der Pappenheimschen Fehde
gegen das Stift herbeizuführen. Die grosse Hildcsheimer
Fehde hatte inde.ssen im Anfang des Jahres 1519 be-
gonnen, auf welche hier nicht weiter eingegangen werden
kann. Es sei nur bemerkt, doss der Bi.scliof von Hilde«*-
heim schon am W, April den Landgrafen Philipp bat,
ihm hundert Heilige, gerü.stet mit Harnischen, am
25. April nach Bas-sel zu >>cl)icken, indem er .sich auf
den Einungsvertrag zwi.schen Hessen und Hildesheim
berief. — Der Landgraf lehnte die.ses ab: da er auch
in einem Büiidnii^svertrag mit den Herzeigen von Braun-
schweig stände, wi-h-hen seine Mutter im Jahr 1514
abgeschlossen habe, wobei tue, mit denen Hessen früher
in Rinung gestanden hatte, au.sgeniimraen worden
wären.
Wiederholt suchte mui noch der Bischof den
Landgrafen zu überreden, die dem Herzog Frich von
Braunseliweig zugesendeten Hülfstru])pen abzuberufen
und ihm Bei.staiul zu lei.sten : worauf ihm aber, der
Landgraf l'liJliii|» zuletzt um '2iK .Mai ir)H> einen ganz
entschiedenen AKsagehrief iibeisandte. iJie lle.s.sisc.hen
Hülfatruppen, welche der Landgraf den Braunöchweigischen
p
HpTzögRn ziig«^s:in(H hatte, waren intie.ssen schon ano
liK Mai im LugiT von (jHiuiiJrsheini mit lit'ii Hrauii-
scljvvHigi^c-ljeii Truppen in Streit giTHtlii-n, tlii letztere
den Hi'.Sfsiöciien Löwen — in dem Banner derselben —
fnr einen Hnnd gehalten hatten. Das Wnrt Htinde-
Ijessei», welfln'S von den Drannsciuveigenj gebrancht
worden war, führte dann zu AuseitianderKfttznngen,
wobei die Hessen ilire Waffen gegen ihre BiindeHge-
nossen gebrauditen nnd in Folge dessen auf ihr An-
suchen voji di'u Herzügen von Hraunsehweig entlassen
wurden. An der für die Braunse.liweiger Herzöge so
nngliu-kliclien Scidaclit bei Soltau am 28. Juni wan-n
keine Heüsen betfieiligt.
Arn (i. Jnti bekam der Lundgij^if durch ein Hand-
schreiben Herzog Heinrieh des Jüngeren von Brann-
schvveig-Wolfenhiittel die ersten Nachrichten über diese
merkwürdige .Schlacht*), wm-in die Verbündeten (Herzitg
Heinrich vun Braunsehweig-Lüneburg und der Bischof
von Hildesln-iui) durch Üire ritterliclie Reiterei einen
glänzenden Sieg über ihre Gegner erfochten. — Kurz
vor der Schlacht bei .Soltau hatte der Landgraf den
Herzögen wieder 350 Reiter und (iOO Mann zu Fus»
zugesendet, welche am Harz die SchUisBcr Herzog
Heinricli des Jüngern von Braunsciiweig-Wolfenbüttei
nach der Schlacht gfgeii die Lnneburger deckten.
Am 3. Juli 1519 hatte der damalige Statthalter
von Kasi.sel Christian von Hantitein abermals* ö(K) Mann
Hülfstruj-ipen abgesendet und die an« BraunschwHig
früher abgezugenen Iles-sen sich zurückziehen lassen.
Nachdem nun im Spätherbst in der groswen Felule
ein Stillstand eingetreten war, fingen die Verhandlungen
zwisctien dem Landgrafen l'hilipp nnd dem Hiscletf von
Hildusheim iu der kleinen Fehde wieder an. Der
*) Siehe Anlage.
20ß
Hisclinf liHittc iiin 2f). Novi'inln-r 1519 iui den Land-
gnifnii gHSthriir'bHn : er Imbn (Ifswlln'ii Sclirt-ibfn gnli-seii
und hrdank«' wicli für dif Mülu*, wdi ln^ sich der Land-
graf p'irüKlif hnb»', urti ^ti^^ Ffhd*.« ?,ti Etulo zu hriiif.'eri
lind erhiit*' sich mnen Sfiilstaiid der Ft-Iidf bis zum
20. Mfirz 1520. .Indnch «inp Tagsatzung in d^r
Zwi5ifbpiiZ4'it vftni 2fi. NnvcmbiT bis \\ pihriat Idt-ii
kimiH* or nicht annehmfn, da er durch vi<dfucbH (ir-
schftft« verhindert wäre dit*s(ilbe zu bftsucht^n.
Durch wfiten' Verhniidliiiigcn wurd*' am 27. März
ciiiH Tap.satüung v«'rabredef, vvidchi:' aber aucli nicht
»tatitinden konnte, weil iler Hi.schfd' damal.t anssi^r
Lancb's war. Ahrr auch dieser wurde nicht «'ingfhalt«-!!.
jedoch trat ninH V«rlängHriing d^s Stillstands d^r Fflide
bi.s zum 29. April ein. Am IH. April bi'jzaunfu ihuin
wicdpr dip Verhandlungen wegen einer Tagsatzung.
Hessische rnterthaneii, welche der hischöHiche Vogt
zntr» fjauenstt'in im ticriutgni.ss sitzm hatte, wollte der
Bischof nicht eher ans ihrem (lefängnis.'» entla.ssen
wis<si^n, bevor nicht auch lUo Hildcshfiin'schen Hntcr-
thanen, vvelcli«^ sich im Liehenauer (lefängTii.ss befanden,
freigelassen worden wären. Der Landgraf Philipp
bewng ilann auch sehr bald die beiden Ün'idcr von
Pappenheim, ihm ihre befangenen in die Hände zn
.«^teilen, was er dem Hischof am 21. April mittheilti*.
indes« hatte der Landgraf auch dem Bnrcbardt, Cord.
Hilmar und Vsebwig von .Steinberg geschrieben und
um Auslieferung des Corde Sterner gebeten. Dersell)?
hatte nämlich im Amt Immen han.sen durch Mord und
Raub viel Schaden angerichtet und hessische Strnssen-
wanderer vielfach niedergeworfen und beschädigt. Seine
Frau und Kind wohnten im Amt zu Bukeinheim, von
denselben wie auch von seinem Hrnder und seinen
Freunden war er bei seinen iJaiib- und Mordthaten
immer unterstützt worden. Die v<>n St»nnberge stellten
daran t" ilnvn GefangHuen, den Cord 8t<>riu!r nämlich,
in dii- Hiindn iIhs Bisthofs von llildf.sluMni. NhcH-
dctii liifraiif vojn f'iistoflVl uikI (.H^m-tr von rajipeidieim
t'in diHiinoiiatiiclna' Stillstunil iIi^t hV-lidn b«-\villigt woril<-n
war, hat drr l>niitliriaf Pfiilipii den liiscliof Joluinn ihm
t>in«^ii Tui; iinil ^t."lcj.'i<ji«' Malsliitte anzuwcbeM, wo iIhi'
Fi'icdcn j^cseldos,<fii \vi*rdf'ji .soUi^
EinigH Wftiif tiodi lihtM- das fernfTH Le.ben d<^r
luddfti ai> di-r Ftdidi* hi'tlj<"ilijit»'ri Vettern von Papppii-
hi'im, dun Erbfii dt'H Fi^hiUAiMen Johanji, mögen tliese
Mittltt'ihmyen bnsehlij'ssen. — Gtsorg von Pajijienheiin,
wt'khi'r nach seiner viirziipJicliHu Schrift zu artheilen *)
cini'n für din diimaligH Zrit }»nti*n rritt-rricht genossen
haben muss, wurde vom Landgraf fhilipp znm liessisc-lien
Kalh enniunt. Ferner im Jahr \hM, als Landgraf
Phiitjjp sich auf seinem Kriegzug znr Einsetzung ih-s
Herzogs Tllrieli.s von Wiirtendierg in sein Land befand,
gehörte er zu den Statthaltern und Landesverwesern
zu ib-ssen. Mit der von (h-r niederhessisthen Ritter-
Schaft aiifgebraehteii HißH} Heiter starken Reiterei ver-
iiiehtete bekanntlieh Landgraf l'hilifip bei dem ober-
widjnten Kriegiszng dar* uns ]8,4(K> Mann bestelienib*
I kaiserliche IJeer, welclies bei Lanffen am Nekar eine
überaus starke und feste StelUmg eingenommen hatte.
In erster Ehe war Georg votJ Pappenheim mit
Christine vcui Uerle|),>^ch und in der zweiten Ehe
■ niit Margarethe von Hopfgarten vertiiiihlt. Seine Nach-
kommenschaft blühte noch lange in Hessen und auch
in Dänennirk unJ erlosch im Jahr 171U.
Cristoffel von l'iip[ienheim, der Sohn des schon
infangs orwidinten Friedrich des älteren von Pappen-
leiia, ist der .Stammhalter der noch jetzt lebenden
I
*) SelniftsHick vom .Fahre iSltt, feste scliiino IlaudschrifL,
üamnls .■.eilen, llildeslieimer Akleit doH Marl>iu>;er Staats-
iV8.
äOR
l'app('iiliinnrsi;]mn Familie gewesen. Seine erste Frau
war Ortliif von Dutingtrude und seine «weite Anna
von Liebenstein.
Bpilagp I.
Schreilit^n des Jolmmi von Papprnhcint an ihe Land-
yräfht Anna, uoriti er derselben crUärt, utut ihn l>e-
■n'ogpii Itahf, dem BLschof von nUdeshvhn und dem Oross-
roift iffssrllu-n — dem HrrUH'd von Mnndenlohr — die
Fvhde \u rrkiaren und div.sclliiH im Gericht Avrixrn
XU üfM'r fallen. 1516 April 4.
Durchlauchtige, hncligfiborne Für«tinnfi, genÜ4]ige
Fran, meine und<»rdänig*>, schuklige und ganz willige
Dienste, sy E. f. g. worin alle willig lewen !
Erentveste, liebe flheinn', Schwäger und gnde
Freunde, myne freundlichen Dienst tounr ; genüdige
Fürstin und erenvi'ste, liebe Oheime, Sehwäger und
guten Freunde !
Euer fürstlichen Gnaden und Freundschaft Sriven
und itzund eyne Absrivet eines Hrewes K. f. g. nnd
Freundschaft tho gesrewen von dem Hiscop von Hildes-
heim, nnd bedrifiende die Fede, so sick twischen dein
obgeiiannt Bischoppe, auch Herhorde von Mandeslo
seinen Untersätzen und mir intfaldit bette. Inhalts
desselbigen Bribess und Schrift geleßen und verstanden.
— Gebbe darauf ¥.. f. g. nnd Freundschaft dienstlich
und freunillich tor Antivort: dat iny K. f. g. und
Freund><chaft sollen to recht mächtig syn, in der Foiz nai
Retzi (= Aertzen) mid ausirhalben, was mit Feden nnd
Venvirrunge geschein ist. Winttin Ich mich sunner Sache
allezeit von Anfange wintti hier E. g. s. und Freund-
schaft zu Rechte erboten hau und erbede mich so noch:
dass Ich dann keyne Antwordt uf E. f. g. und Freund-
scliaft geaädigeii uiitl üeuiidücheii Vorschrift vor
mich haben gedan von dnm Bisclioppe vorgenannt
habe erlangen mögi'H und das dorch hett mich die
Not das heingebracht : dass ich des Bischofs, synes
Landes und Lud<^ und Herbrirdess von Mandeslo
Feynt geworden bin. Das aver E. f. g. und Freund-
schaft nicht etwa poniren sollin, dass ich moitwilligen
Lüsten zu Fiideai habe, mag ich wohl erliden pynen
Best^tnd twischen irst kommende Fingsten ; Und wie
mir der Bestand vom Bischop und den Sinen der Sachi
mit Oeme tho schiken — haibt-n tho gesriv^e wird,
dann soll der Bestand aingein. Und dat dann ein
dach in der Sachi bynnen Eimbecke gemachet und
angesakt würde, und Ich mit mynen Freunden tho so
dannen Tage — tho und äff — mit felichen Geleyde
und vSffkerheit in unsir Gewarsam mögen versorget
werden : dann sollen E. f. g. und Freundschaft myner
tho rechte mächtig sein. Des geben Ich E. f. g. und
Freundschaft stt dienstlich und freundlich vvidderuinb
tor Antwordt. — Geschrieben unter mein Insiegel am
Dage Ambrosius dv. x*-"xvi.
Joliann von Fapenheim.
Beilage 11.
Em Schrp.ilten Johamis ron Pappenfieim vom 8. Atigitst
J517 au lUc Ldwlifififhi Aiiftn ;m [ffssru, icon'n rr
ihr wiUliriH, tairnni er einen Sfilfstaiid in dn- Fehde
(ffye.H den [iisthof Johann ron ffildeaheim nicht ein-
gehen kann.
Durchlauchtige, Hochgeborne Fürstinne, gnädige
Frau und «'rnvestcn, grossgiinstigen Freunde, Euer
fürstliche Gnaden und Euch meinen underdünigen Dienst
in allen Fleiss gewend!
N. V. XVll. Hü.
14
210
Kuer Liebden, fiirhtlioh ünudfn titui »^iicr Schr^-iben
mit inliegeiidt'.r dss Uischofs von Ililii('sl)i>im hahf ich
sammt anderen Copieen «ntertliäiiig itinpfang«'» und
Inlialts: als Aufscliluss und Verlüng«'rung dfs angesetzten
Tag»'s un<i Bestand« vermerkt, mit erai!.tlicher Krmali-
nunge, des bis aaf nächstkünftigen S. Gallen zn VRr-
folgen. Wie aber ic!i nit peftinnt — hat ich als dtm
Inhalt der anfgerirhten Kinung norh zwyschen den löb-
lichen Fürstentimm Hesaeu und IIildosheim''schen Stift
zu ermessen — des mir weiter meine Fehde obgedacht^R
Fürstenthiim zu enthalten gar nit gegönnt wird ; darauf
S. f. g. lind Euch ich underdiinig und freundlichst zu
erkennen geben : nachdem E. f. g. und Euch zweifellos
alin, unviTgessen — vvelche^s Mass ich meines mannich-
faltigen Klagens und Erhietens des mir Jahre und
Tage zuwent alles unfruchtbar erhoffen zu solcher
Fehde bewegt, diem^ K. f. g. und Eufh zu gonädigen
Gefallen; vylmal ich undcrdäniglichen willigen Bestand
und Tage verfolgt, ili*r mir dann zum Theil so ich mit
meiner Freuiulschaft in meiner Behausung gewest, in
Willent des Tages Aiisut^uiige zu verfolgen — durch
den Bischojjp abgekündigt und folgenden, da ich eines
Tages zu Hexnr mit sanmit meine« Beistand Handlungen
gewartet, war aussonblieben, — ■ kein Widerbot schrifft-
lich noch mündlich dahin verfertigt. Solches Uratreibens
und Auflialtens myin-n armen Cit-scUen zu möglichen
unüberwindlichen Schaden erHossen ist und doch bisher
nicht bittlich sein mügen — und das der Bischop jetzund
ein unziemlich Längerunge des Bestaudts bis in der
Wintert'ige — derzeit dann jene armen Gesellen noth-
dürftige Wanderung in Fehden nit vorniöglich stille
stehen, uns ansinnen thut, kann ich solches seines ob-
knndigen Aunsenhloibens und manniclifaltigen Auf-
haltens, auch anderer möglich bewegendi-r Ursach —
anders nichts ermessen: dann das mich df^r Hildesheimer
Bischof snU'ln's seines nnitlnvilligen L!ratroihtn3 und
Aiiflialti;tis in ewigen, vertlerblielien .Scliadcit bringt und
dif Ftluk* in di« Länge mnth *) zu maclien vermeint.
Aus solchen Allen abgezeigten und andRr<m üraachen,
kann noch will ich furtur keins gütlirlien Anstand*
dulden noch leiden. Ich will doch zu E. f. g. und
Euch mich di-ssfalU mit Zuvordenken genüdiglich und
gtittn' lioff innige trugen, auch iiiennit undrrdilnig und
freundlich bitten, — solchen Uebermuths, so mir von
dvni Htldi'sheimsclien Bischof und etzlichen seiner Ver-
wandten begegnet, aus fürstlicher Unbilligkeit und
adelicher Tugend zu beherzigen lassen und de,s FürsttMi-
thums Hessen und sunderlich der Liebonau, daran icli
mein Geld hab, auch meine seligen Voreltern — die
dem und anderen — immer ihr Hecht zu vielmalen
daraus gewährt, mich armen Gesellen nit verzagen
wollen, sundern micli hinfürtt-r — so bisher Inhalt der
aufgerichteten Vereinunge noch des Fürstfuithums Hessen,
80 ich rechts alhveg erb(itig und erduldet habe, mög«
genädiglich liden laden und rechts giinnen möge mit
Bedacht, das ich derselben Vereiningt? und Fürstenthums
ine Geleit - und das meine Verfnlgunge, Verbot, Ver-
warnunge. und Felule, chn der Vereinunge des Fürsten-
tums zu Hessen und Hddesheiinschen Stift aufgerichtet^
der ich jetzo Inhalt copeilich empfangen und erstanden
und angefangen ist. — Sei aber ich über soliches Alles
des Fürstenthums zu Hessen und meiner Behausung —
dfis dorch zu K. f, g. und Euch ich gar kein Vertrauen
— noch Zuvorsicht habe verurtheilen werden — des
Holt Gott allmächtige erbarmen ! went mich soliches
auch ahn gemeiner Landschaft mei Herr und Freund,
der dl »eil allenthalb mit sammt K. f. g. und Fach
meiner aller Ehre und Billigkeit — nusgesundert (was
') (I, li. matt.
14
212
mit V^^rwarnunge nnd Fehde bestehe) mächtig sein solle.
Und Erstr;hen8 solches Gewaltü zu beklagen und dem-
nach wieder Rath haben, meine Anfordemnge mit
Hülfe des Ailmüchtigkeit zu erfordern. Des aUo E. f. g.
nnd Euch dahin ich mich mit Unterthänigkeit. freund
willig zu dienen schuldig erkenne ich im Widern nit
gewiss zu verhalten: bei meines Siegels des Tages S.
Cyriacus anno '=xxvii.
213
IV.
Burgfriede der Gran erben des Schlosses
Sehildeek.
(Montag den 22. Februar 1425.)
Hitgetheilt von
L. von Loewenstein,
Major z. L). zu Kassol.
Vy I i 1 .loliaims vor» gots gnaden apt zu Fuld« bekeiiUBii
lA^ ut'Hntlifhin an dispm hricffe füre uns, nnspr
Hill likoiniui und stift, und Dittcrith here zu lUckinb.icli,
Kikitigcr v(ni Siiuwinshfciine i-ittm-, Conrad von Sti'inuuwe,
Stuinruckf- gonant, und Conrad vom Hütten bekennen
an disem uHin brieffe geyn aller menlicb, wir Joliann
apt füre uns unser nacbknmeii und stift, und wir die
andirn uns icblicber behindern füre sich und sine, erbin,
daz wir eines rt^chten bin'kfrid«»s als von des sloßes
Sebildeck wegen obttr eyne knmen sin als ferre der
borkfride wendet und begriffen hat als hernach ernand
wirdft. Älit namejT daz wir Johanns, unser nachknrnen
und stift zu eyuum halben tnyle des itzund genanten
slnßes und* siner zugfhorungo, und wir dy andirn alle
und unser erbin zu dem andirn halben teyle ueuielichen
214
unser iklicher und sine erbin zu eynem virden teyle
desselbin halbin teiles gutlich sitzen und unser einer
den andirn und dy sinen ire lip und gud us und in
deme borkfride getruwhch scluuen, schützen und schirmen
sah Und sal unser keyner ader dy sinen den andirn
ader dy sinen darus ader dar yne nicht angriÖin ader
beschedigen mit worten ader werken ader nicht ver-
unrechten, nemlich daz unser keiner des andern gesinde
in neraen sal, es were dann daz sie sich es weren
knechte oder meyde mit gunst, willen adder rechten
von yme gescheiden hetten angeverde. Were auch daz
zweitracht worde also, daz unser eines ader mere
knechte des andirn knechte obergeben mit scheltworten
ader werken, raesser adder ander waffen gewonnen,
ader wonten in deme borkfriden, da solte nymands der
darzu queme dem andern heliTen, sundern welich unser
adder die sinen darzu quemen, die sohlen getrewlicli
scheiden und denselben, der dene frebel ader bruch
getan hette, begriffin und in unßme gemeinen thorme
und beheltnis daselbest zu Schildeck behalden bis ere
deme cleger eine gnuge getan liette umbe solichin
frebel und bruch. Und were daz sy sich des nicht
vereinen konden, waz danne dy andirn ganerben dy
dannoch weren, dy der sache nicht zuschicken hetten,
derkennten ader ire der merer teile, daz umbe so-
lichin frebel und bruch buse gnuck were, darby solde
es bliben und von beiden teilen gehalden werden. Sluge
aber ir einer den andern tod, da god füre sy, were
danne darzu queme der ganerbin oder dy sinen, der
solde denselbin hemmen, uffhalden und gefangen legen
in unser aller beheltnis dene thorme daselbest zu Schil-
deck, und dene getruwlich berwaren und bewaren lassen
alsolange bis er buse umbe solchin frebel und totslak
getede nach rechte, ob er anders nicht gnad(^ an dene
nehesten frunden des der derschlagen ader derstochen
N
were findi-n inoclite, allt's an arglistu. Wem aiiüh daz
unser eynne knecht« ader raere eynon der ganerbin oder
inert' ohergebßM mit wurten, werken, messer adtr ander
waffin geuorinen, frebelich woiiteii ader tod.slugeii,
des god nicht wolle, were darzu queme, der solde den-
selben der alftu gi^frebelt hfttc. iifflialden ntid kommern
aislange bijs ere denie clegor ader dinie clegeni darumbe
Wandel und buse getan hette nauii deine als vorgoschriben
steet an geverde. Snndern were. ancb daz unser der gan-
pi'biu einer ader mere den andirii sinen aniptman ader
vtjyd hise ligen frehelicb in deme borkfride, der soldö
von atunt als ere des vormant werde, us deine öIoü
Scbildcck und dorne borkfride daselbst rid«^n und da
yne nicht körnen itmewendig vire wocben den nebelten
(larnauh als ere soliches gernand worden wt^re, und
sülde ihinu darnach abor dar in nicht komen bis daz
ero darunibt' busü nnd waiulel getede nadi demo dy
gekoren drie un.ser frnnde dy wir ober dison borkfride
gekoren haben ader zu zyten von uns ader unsern
naclikonien uml erbin gekoren werden, ader ire der
raereteil erkenten. Were aber daz unser einer ader mere
dt'r ganerhin den andrin sinen amptman ader voyd
obergebin, also daz wir messer ader ander waftin ober
ay gew(uinen ader sie wenten in tieme borkfride
frebelichen, so solde derselbe der solicbin brach getan
bette, von stund als eve des verniaud werde, us deme
slolifi und borkfride riden und byinien eyme gantzen
virteil jare-s dem« neht^sten darnach darin nicht komen,
bis daz ere buse darnnibe getan \u-tit* nach derkentids
der drier gekoren ober den borkfride ader ire deme
nieren teile, es were danue vor mit deue ciegeru in
rruiitsiliaft abgetragi'ii an geverde. Were aber ungeverlich
daz dy drii- in deme virteil jares nicht zusanienkomen
mochten, ader mit was sacbin sich daz vnrschickete,
doch also duz daz sumen an deine, der deue bruch getan
2lß
hette, niclit werr, .si> nim-liti- dMisrlin' .sich wiiltT zu
sinem tnily gehaldt'ii, dar vim- riil'-u tiu»! tsich de-s ge-
l)nK']i**n, nUiy ddch duz rr<' dariiucli buse untl wände]
tede wann crt' daiurnho gcf<»rdi-ii werdi-, alles nach
derkentni.s der drier miuh dömn als vor und nach gv-
stlirÜHMi sfeet. Wer« es hucIt, daz got verbiete, daz
uiiser der gaiierlicii eyinT den andern totslOge, werde
der begriffen, da danne audi alle gaiierbin die geiiiwerJig
weriMi und die iren getrewlich zu belffeii und yne halden
solden ob sy mochten, so lise man mit yme gehin
waz recht were, ob ere anders nicLt f^nade an den«
clegern Hnden kende. — Were aber daz ere dar vone
(jiaem*% so sal ero sinr^s teiles an Schildetk beraubt xiii
mit allem deme daz darzti gelioret. und solliii des
derslagen erbin sinen teile an ftcbildcck mit sinen zu-
gehornngen inneinen und inm-liaben alsolange bis der
morder dariimbe zu bnse ader riclitunge kometi were. —
Nemelich ist geteidinget, daz unser keim-r der ganerbin
dem andern nymaiid vor vnrteidiiigen iubr verantworten
sal. ere sitze daiui buwelieli by yme ader tbue es« mit
rechte an arghst. — Sundern ist geteidinget, daz unser
kyner des andern finde ader die yme adder den sinen
nji-rkliclieij ad»'r gröblichen schaden getan lietten, zu
Schild^'ck in denie sloße add^r borkfride nicht lialden
ader verteidingen sal mit furesatze, geschee es aber
an Vorsatz, so morhte der deme, der .sinen find atb-r
der yme ader den sinen solchiii .schaden gethan bette,
schribin und an yme muten, daz ere yne vcrmochtL*, ob
ere anders sin find were, daz ere die fwhede und ver-
warunge ab tede ader yme buise, karunge und Wandel
tede umbe Bolichin schaden. Tede ere es dann nicht
von stunt, so salde ere yne da dann heisen komen
mit siner habe innewendig zweier tage und nachtfrist,
dar an man yne auch niciitis hindern sal. Tede ere
des aber alsdann nicht, so möchte der, des find ere
wero utlder tk-tin' f-ri' .suIuhIfii f^t-tliuii liette. es mit
ytiiL^ liiiklijüi wif yup yelustft ati witldtrsprechen eines
ic'klic:t)pn an allt^s gevciili' und an iirgclii^te-. — Nfmlifli
ist grtetilinget ditz unser keyner tli'r gancrhin niumaud
zu Scliildeck in deniR slfißn oder borukfride lialden s*al,
daryne adtT darus ynianden iuiztigritt'fn, ere wolli? nin
dann zti rechte mechtig sin. — Wi-re auch daz unser
einer ader mere der ganerbin undereinander zu feheden
ader krige queme adder daz andere heren adder ludo
mit eyne krigeten, ;tl.so daz unser einer ader niert) ufF
eyne, und eyne ader niere nff dy andere syten wereti,
so sal diicli unst^r keiniT adder die sinen dene andern
adder die sinen ns adder in dene borkfride nicht an-
griffi^n ader besi-liedigeu, snndern dar yne als giide
ganerbin uiKlereyiiander sitzen und bliben nach allera
deme als vorgerort ist angeverde, — Snndern ist bered
und geteidinget worden, ab wir Johann apt abgingen
und eine niiw^e apt zu Fulde worden, daz der zu deme
.slnße Schildeeke niclit gelalien werden sal von unser
keyrae der ganerbin noch auch deme voite der von
des Stiftes wegen da were, ere habe danne disin bork-
fride vore gelobet und gesworen. Desselbin glichen
were, daz unser einer adder mere der ganerbin sone
betten dy zu iren jaren, nemelioh zwelff jaren, komen
weren, wolden sieh die n.s und in daz vorgenante sloß
und borkfridf^ iScliildm-k xielien und isich des gebrochen,
adder ob unser einer adibr itiere der ganerbin irert
teile verpffettden ader vt-rkeuffin, musten ader wolden,
ader ob der ganerbin einer ader niere fnrmunder ge-
wonnen, adder ob unser einer der ganerbin ader mere
zu zyten einen amptmann ader volt daselbst liine setztn
wolde, daz man der keine zulaßin sal, ere habH danne
zuvorntan disin borkfride gelohnt und gesworen zu
halden an argliste. Me i.st gered, ob unser der ganerbin
einer ader inere, sine naclikunu-n ader erbin iieii teil
218
initciiiiaiulcr iult-r ciu tcyh- miil ii'H zugf^liorurigu an
dfinu voigfUtintfn iiiiHHrme aloßf. Schild t»ck verpffenden
ufi' wnUnkauflF ader nrtfcIt'cUchin vcnkaufHii wnUl»«!!,
wordf (laz uif uns Johanns apts syten also g«legen,
waz wir dann an ntisi-rnu- t«*ile \ t^rpfFendüii woldeii, daz
sr>|(|(>ii wir ilcti aiidirn tinscrn gancrbiii addtT ir«ii
crbiii anbieten ein gantz virteil jari;s vore sant IVter»
tage ad cathedram genend. Wolden sy dann ir «.'iner
ader nxert* uns als vile als andi^ie darufF lihen, so soldeii
wir yne des gönnen vor allin ajidurn, wolden wir
t'H aber verkt-uffin, so solden wir p« yne aber aolicht-r
nui.si' v<^rkondigr'n als nulifst gerort ist; and waz wir
dann also daran verkHufFeri wolden alles oder oin t«ilt».
daz .stilden wir yne nicht thnrer at-htün dann daz sich
ye ein acbienteib an denie vorgenanten gantzen sloßü
und siner zugfborunge gebore fnre nnnbundert giilden
naili ant/ak', usgenüinen waz wir ader unsere nacli-
konifii an nnsernie teile sundern gebuwet betten nach
dato dis briffes, daz nicht an genieynen buwe ge-
scbeen werü, dene solden sie uns aucdi nacbgiiche ab-
legen und liiniiach geben, und idi wir uns darumbc
under eyne nicht vereynen m<'chten, waz dann unser
gekoren dry frinde erkenten in eyuie glichen, daz sy uns
dafure geben solden, darby sohle es bliben und gehalden
Werden. Were aber daz sy der v(>rsatznngn (ub-r kauflW
mit uns stilieliermasi-n nicht nng<diin widden, .so niechten
wir des kauffes mit andern unsern genoßen oder sinnen
hnlwn angelten uird daryn«* tun mich unserrnn besten
niitzt«n an ire, irer erbin und eines icklichen widd*'r-
sinechen. also dotdi daz dinselbin, dy darzii also kuniLMi
sohlen, disrn bnikfride nach sineju innholden gelobet
und geriworeii hallen, rre dann sy zu denie vorgenanten
slolie adder siner zugehormige gelassen werden nach
dunie als nehest gerort ist »n hIIus geverde. Were aber
duz es uns Dytterichu her« zu Bickenbach, Erkinger
von SauvvinslioyiiKi rittttr, Conrad vun .Sti'iiuiuwe Stein-
rucke gfii;m*l, •iilder Conrads vom Hnttfn luisur eines
addiT lucri' sache also gflrgt-n vvonlen. ilaz wir ridef
udshj- (-rbiu tjiißern teile, welcher daz \ver<^ vrrst-tzrn
iuli-r vt'rkeuffon musstfii ader wolden, daz soldc uiihit
einer, \vi'It]ifm daz also gflt^gcn wi-rdt', dene iitidr^n
itznnd geiiunteii sint'ii ganeibin anbieten ; wold«u sy
dann daruflF nicht lilifii ad«r dai-uuibe kmiffi'n, so soldeii
wir fs darnacb unserme. obgenaiitt-n gnedigen lierren von
Fuldu iidcr sinen naclikomen aiibictt^n und demt' aucL
btlgi-n und iiacligeben mit der pttandunge oder verkautTu
welches daz were in alle der mase als neht>st von dem-
.si'lben unsme berren vun Fulde und sineu nachkoineii
gHBcIiriben sttn-t, und wokl**« alsdann ir kf-iner danitf
lilien adi-r dnrumbe keuiffen, so uiaebten wiv di^s kautfes
adrr pffandunge mit i-yme odi-r ineren un.serti genoliin
angeliiii und dar ynnf tun nacli unBuie willt^u und
nutzen an widderspreclien eines ikliehen, also auch daz
dt'rs<'lbt' ader diftelben, dy also zu t'yneni teile da
konien wolden, zu voran disiu borkfride globet und
gsworen haben zu lialden, alles nach deme als nehest
und auch da vore gescbriben steet angeverde. Und
welicli unser sinen teile solicberma.se also verpffente
ader verkeuflfte, so Kfilden die anflern ganerbin deme
der daz keufFte ader daruft" übe naeh deme als nelioöt
geroit ist zum borkfride ncraeu und kernen lassen an
inleguiige. — Ujid were daz der vurkeuHVr sine teil
des dickgcnanten sloßes »Schildecke mit der zugehorunge
miteinander verkeuffte und nieht an derae sloßy he-
hilde, sio sokb-n dy andirn ganeibin yine ader ort yne
widerumbe deiiselbin iren nachkonien, stitfto ader erbtn
vorderme von dys luirkfrides wegen lenge nicht verbunden
sin an alles geverde. — Auch ob man sieh füre dys
nbgeuante slr>ß legem ader daz verbnwin woldt», wie
das queme, welicbo ganerbin daz dann erfuren, dy
220
.siililrii i'M \nii ^tll|lt tlcti aiiilci'n zu wiüHun tun und »dliif
al^ dann unser iekli<jht'i- von stunt gptruwlich darzu tun
mit allnr siner vprniögende und es helfen pintsehuden
mit luden, kosten, gi'schotze addrr was dann «m not-
dorfft wer« angfverde. — Worde aber daz vorgenante
sloß vinloreii, wii daz (jueme. so eolde icklich gauerbt«
getrnwlich daran helfi^n und tun mit lii-bu und gutn
ob wir daz widder gt'wyinien niouliten, und wii daz
wiilili'r gewonnen worden, so solde ilfich icklicher
Widder zu sin^ni teile komon angeverde. — Ks ist
auch nemolich gered und geteidinget, daz ans«^r ik-
licber dor ganerben thonnem, tborhutern und wechtrrn
h>nfn ntul beköstigen sal nacli antzale und geborunge,
als er« teil,s an deme vorgenauten sSoß hat, an arglist.
Vorder ist beteidinget, daz wir den ganerben alle jare
zweene n« uns kysin sollen, dy da niaclit haben zu
buwen und y.u beisaern unsern gemeinen buwe. daselbest
zu Scliildeck, doch nach rate und derkentnis unser
aller, es sy an bruken, czunen, siege adder andern
saclien, des dann nod ist, darzu dann auch unser ick-
licher gebin nal nach geborunge als ere an dem sloße
hat, und were das unser etlicher daran sumigk worden
und sine teil nicht usrichte, so mochten dieselben
buweuieister, welche dan zu jare weren, dis>elben ader
dy iren darunibe jifFenden unil solche antzale und ge-
boriinge durvrm u^richti'H und daz auch als dicke tun
des not wii'det an alles gevi'ide. — Auch sal unser
keiner buwin an dc-r gemeyne des dickgenanten sloßes
an der andirn gam-rhin aller wilkn und rad an geverde.
KemelRh ifst bered, daz wir Johann apt des stiftes?
Ftilde und unser iiachkouien einen der gekoren darzu
kynin und gehen snlleu, und wir Dittericli here zu
Hiekenhacb, KrkingiT von Sauwinsheyin ritter, Conrad
von Steinawe Steinniek«» genaud, und ( -imrad vuni Ilutten
dtn andern, mid uir obgenaiiten miteinander einen
gem«ynen obprmun, als wir Johann ai»t ilaiui itzunder
Hansen vom Huttoi ik-tic jungten gokoren Jiaben, und
wir obgemmtini dtMi iiiuliru jiinu'rbin Casjvar von Hybra,
und daniu^ initeJuandfi- Älanguldc von KliiT-stnin als
einen nberman gekornii liabeii. Und wann man von
gebrecht^n w^'g^^n des Imrkfrides vorgonirte di^r itzunt
gfnantnn bedaiif, ho sollin die jiaitbifn, die der .sauli«
dann widdtfr einander zu schicki-ii liaben. die.selbin ir
iküchw besundern darzu bidden und daz auch tun als
dicke den not wirdef., und yne die saclii^ furlegen ;
was sie dann alle adder ir der merer teil erkenten by
irme eyde, also solde es von allen teilen gelialdeu
werden. — Und wie dicke derselben gemeynen gekoren
einer abginge, wer der uff unser .fohanus aptes siiteu
gekoren gewest, so solden wir adder unser nachkoniftn
einen andern an desselbun abgegangen stad kyt^ntl
innewendig vire wocben dene nehesten als wir darunibu
gemand worden von den andern unseni ganerbin ir
eyme ader mere. Desselbigen glichen solden wir die
andern ganerbin auch tun, ob unser gekoren fruinl
abginge, wann wir des vermanet worden vuu denie vor-
genanten onsern bern von Fulde oder sinen naclikonnn,
Und welchem teile daz also gelogen worden, wenne
der ader die gekoren betten nacfideme als nebest ge-
scbriben steet, die solden daz der andern parthie zu
wissin tun. — Were aber daz unser gekoren obernian
abginge, so solden wir innewendig zweien nienden den
nehesten darnach als uns daz zu wissen worden were, uns
zusanien verboten und eines genieynen obernians an des
abgegangen stat oberkomeu und kysin an all geverde. Rs
sal un.ser icklicher und die sinen den andirn und die sinen
futcrunge erlassen in demeborkfride ungeverlich. Welch
unser der ganerbin einer ader mere von «ine ader der
sinen von borkfride wegen zu dem andern zu sprechen
hette, darninbe ere yne meynte antiulangen, tede ere
090
darnnihf! iiiclit. kctiitl'n Itt' vnriliTiiiipc bynnft der jarsfrist
ndifst )i;h;IhIoiiK' iVn^ ;<;»< hr i,'fS(-litTi< wi-rt\ wo 8okK' sie
vurd»*r tu«! iiinl iibi*. syii und kv'uw v«nd4'niiig(; darunibe
zutundc. litibi-n angnverd«. — IHser burkfride sal weren
und nicht fibgi'bin mit godt-j^ bfiffe dii wile wir di^s
vorgfiianfai sloß imd gi^richti« also inne bab«>n, und sal
dune unaiü" keyncr widdt'rejncehi^n adur uicbt daruß sin
mit Worten adfi' wirken, Ji^ynielitb »der oflinlich in
keynti wys andurs dann diser britf von wortt? zu wort«'
ludet und Kuget, u.s wt-rn danne daz wir, uns(*r nacli-
koTTifu und erbiu gemeinlicli «Mn«s andern bessprn Imik-
fride nbMrquenien und t^ine wurdfii, alifr.s au argk.
iJistn" vurgescliribi'iK" binkfiidi^ sal angi^lien an dpin<"
sloßft Schitdftck und dar ym- und darambe so ferre
bis gt^in Sclauitra, von iStlinutra bir^ gnin Metcbinfeld,
von Mutcbinfeld biss gein Ititeubergk, von Ilitenbergk
biss gein Gtirnode, von Gp.rnodt! g«yn Sincliinrayne, von
Sinchinrnyiu' widder gein Schuntra und darynne unibp
und unibe biß an daz sloß vorgonanto, also doch
diAZ taiiser kuynnni der ganerbfu, »iutn naclikomeu oder
erbiti daz keyneu stdiaden bringe an inusj'r iklicbes
rechte daz wir in dene itzund genanten dorffen und
borkfridi' liabin ongeverde. — dise obgeschribin artikpl
alle und iklicbin besundern. als diu von Worten zu
worti'u liinr inno gcMdu'iidx^n sti-i^n, haben wir ob-
genantHU Johann apt des stiftes Fulde und wir Ditterich
here zu Bickenbacb, Elrkingur von Sanwinsheyme ritter,
Cnnrad von Steinawe Steinrucke genand, und Conrad
vom lluttf^n, wir Jubann ajit iure uns, unsnr naclikoineii
und ötift und wir itzund gfnanten hnxt uns und unser
F^rbin unser Biner dem andirn mit hande in bandn
mit einc^r rethttn steten tniwen gelobet und darnach
mit uftgeraebten bngern liplich /u den heiligen gesworen
stete, feste und unverbrüchlich zu balden an alle geverde
und argliste, — lind des zu bekentnis mul merer sicher-
223
heite haben wir Johann apt unsor groser ingt-sigcl furo
uns, unsor nachkomen un<l stift, und wir Ditterich lier«
zu Bickenhach, Erkiiig(;r von Sauwinsheinie ritter,
Conrad von Steinawe Stoinruck gonand, und Conrad vom
Hütten füre uns und unsere erbin unser iklicher sin
eygen ingesigel mit rechtin wissin aucli an disen -britf
gehangen, datum anno domini millesimo quadringente-
simo vicesimo quinto, ipsa die beati Petri ad Cathedram.
Die schadhaften Wappen der Herrn von Bickenbach,
Steinau und Hütten hängen an, das des Aptes von
Fulda ist abgefallen.
Dio wohleihaltene Porganicnt-Urkundo bcfiiultit 8ioh im Hc-
sitzo der Bibliothek des Voreins für hess. Geschiolito und T.and<'S-
kimdo zu Kassel.
o-örs^
r<?^,
Mt^Ewö'-''
:ß-<.
224
V.
Die Kasseler Bibliothek im ersten Jahr-
hundert ihres Bestehens.
(IG. und 17. Jahrhundert.*)
Von
Dr. Carl Scherer.
^l'^^uncker hat in seiner als Festschrift zum 300jäh-
4^^rigen Bestehen der Landesbibliothek zu Kassel
erschienenen Abhandlung: Landgraf Wilhelm IV. von
Hessen, genannt der Weise, und die Begründung der
Bibliothek zu Kassel im Jahre LÖ80, Kassel (Theodor
Fischer) 1881, ein anschauliches und lebendiges Bild
gezeichnet von der ersten Entstehung dieser schönen
Sch(>[)fung jenes Fürsten, von dem warmen Kifer des
Stifters für ihr weiteres Wach.sthum und von den Be-
mühungen und Hilfeleistungen befreundeter Gelehrten
*) Die nachfolgende Darstellung beruht, namentlich in ihrem
zweiten Theilc, soweit nicht andere Quellen namhaft gemacht
worden sind, vorwie{>ond auf den bislang unbeachtet gebliobciicn
Akten der Landosbibliotiiok. Ich habe den betreffenden Angaben
die Bezeichnung: A. L. 15. zugefügt.
zimial v<iii dt;r Thiitigkt'it u»il ilem Lt'bfii des ersten
Bibliothekars .loSuinu Buch. Das frühste Zeugnis da-
für, diiss dur GenaJuitt: UibliuthL'kiir dtr landgräfiichcn
Bik-htTsaramhiiig war, .staraiut aus dt^ni Jahre 1584 und
bildet siuh in v.'iuvr R«de, die dw Marburger Professor
riiiHiipns Matth.ieus am 16. Februar dieses Jahres auf
den Tüd des Landgraffsn l^hilippa IL des Jüngeren, der
eiiiHt des Magisters Huch lJnt«nTicht genossen liatte,
hielt und zu Marburg dem Druck übergab *). Ist hier-
nach gewiss Buch der Bibliothek als deren erster Vor-
steher gesichert, so müssen wir doch andererseits die
Zeitgrenzen für die bibliothekarische Wirksamkeit jenes
Mannes, wie sie Diincker gezogpn hat, einschränken,
denu tbatsiichljch ist Buch nicht bis zu seinem Tode
iin September 1 599 **) u ii u n t e r b r o c h e n an der
Bibliothek tliätig gewesen. Es findet sich unter den aus-
gewiihlten Gedichten des Rodolphus Godenius ein Lied,
welches dem »Joanni Ko<lingo: illustrissiuii Principis
D. D. Guilielmi, Hassiae Langravii, (Jtc Bibliothecario :
& opt. Miitrouae Margaritae Transfeldiae, novis Sponsis«
gewidmet ist***); wir wissen andererseits aus der poe-
tischen Zueignung, die drei Freunde Rudolf Goclenius,
Hieronymus Treutier und Jacob Thisius dem Joh. Ro-
dingus beim oben erwfihnteu Anlass zusandteji, dass
•) Oratio do vita ot obitu illustris.simi Principi« ao Domiui
Domini PLilippi Junimis . . . habita Maipurgi a Phili[ipo Mattliaoo
. . , Marpuigi (Ter Au}j. C'olbium.) 1584. 4. AViodorliolt im I'a-
negjr. Aoad. Marjj. Maij». 1590. 8.
") Dor 29. Sejitembor ist der Bcf,Tä bmatat; Buchs nach doo
von SfJtmiticke aiigefcntigteii Auszügen aus deu Kasseler Kirchoii-
bücborn. Mscr. IIa««, foi. 113 [Stand. Laiidosb.] s. dazu Dutieker
ft. a. 0. S, 9.
***) Libor selectkjrum carminum Rodoljtbi Godonii . . . Nuuc
priitiuin in lucetn edil:iis. Marburg (lIiitwolokerK IGOö. 8. Flbcu-
so bezeiohuGt ein Anugi'ainin des Fabrouius auf ,)oh. Kodin^ die.son
in dor lioberscbrift als „Poeta et Magister artiuui Üibliütiiüc. Ca.s-
seltamis'- .s. Mst-r. Poot. foi, 12 S. 762. (SHlnd. T-.-B.|
N. K XVII. Bd. ir>
S26
die Hochzeit im Jahre 1588 stattgefunden hat*). Wir
gtnviiiTifi) somit für dicwn Zeitpunkt oiiu-n zwciti'ii
BibliothekMr in clrr l'ci-soi» dos Jnliannos iiodiiigUä. Ale
Soho**) dets iM'kaiiiitiMi Marburger Theologen nnd l'ro-
fessors Nikolaus Koding und Enkel des vermnthlicb
ans der Schweiz eingewanderten, sjüiteren Treysaer
Bürgermeisters Johann Uoding***) zu Marburg geboren,
erhielt der Jüngling seine akademische Bildung auf der
Hochschule seiner Vaterstadt, in deren Album er vom
zeitigen Rektor Oldendorpius am 22. September ir>62
eingeschrieben istf). Johannes hatte sich wie sein
berühmterer Hmder Wilhelm ff), der zuerst das Ca-
mendrecht in ein System brachte, der Hechtswissen-
Hchaft gewidmet und erscheint so als Notar und An-
walt in Kecbtsurkunden aus den Jahren \hH2, 1592
und löilTttt)- I'ii Jf»hre 1(JU2 begegnet er uns wieder
als Bürgermeister von Kassel und Oberhaupt des dor-
tigen Stadtgerichts, im folgend(Mi Jahre noch einmal
unter den Schößen der Stadt *t)- Wajin Roding, der
•) Stniyirr, üol. Gesch. Bd. XI S. 326; Rodings crstr Krau
war am 15. Nov. 158ö begraben, s. Älscr. Ilsuis. fol. 113 111. 330.
ISttod. 1^-ü.j
•*) Siölxel, Die Eutfliüklung dos gclolitleu Kichtorthuui«.
Bd. I S. 121 u. 145.
•♦•) Slrüder Bd. XI S. 322 und SlöluJ a. a. 0. Bd. I S. 121
Note 28.
+) Catalorfus atudiosorum ... ed. Cncxar. P. IJ j). 64,
tt) üebor iliu s. üUniXring, Uesohichto der Deutsch, ßechte-
wissenscJiaft. B<1. I >S. 520; in der Ausgabe der l'atidectAruui
Comerolium dos 'Wilhelm Boding von 1(KI4 (Ca-ssol Itui Weisel
gedruckt) bat Jobaoue« dorn verstorl>cnon Firuder ein Epitaptiiuiu
geeetzt.
ttt) Slöixei a. a. 0. S. 445; die Urkunde vmi 1592 Uifüzt
dio BiblJothok des Oeticbiubtjivoroius.
't) t^tc'hrl, BürgermoiKtcr und Uath der StiuJt Ka.«j!al
(ja^^'J— KJ50). In der Zeitschrift dMVoreins für Hoss. Otmah. N.R
Rd. V 8. 150.
zum letzten Mali' misci'es Wissens im Jahre 1606 als
fiirstliclHT Rjitli iTwäliiit wird, g<?storl><Mi ist, war nicht
zu ürmittelij ; sicher war er bereits nicht mehr am
LeVidi etwa im Jahru 1(121. '22, wo wir in einem Knt-
wurt ilt^s Miiritzschen Hof- und Kanzley-Staats Johannis
Koilitigi H'M'ligt-n Wittib mit uinem CiiiatU-iiguhalt von
47 tt und 211 all», jiilnlich htnlaclit sehen*). Kodiiig
niuss, das lässt sich «oibst aus den spärlichen Nach-
richten suhliessen, eine angesehene 8teihing einge-
nommen haben. Wir sehen ihn in Bezielmitgen zu D.
Jnliannes Magnus, dem fürstlichen Kath, dem er als
litteraristher Beistaniä den Abdruck t^iners Werkchens in
Nürnberg und Bescluitfnng von Büchern aus Kassel
nach seinem Wohnorte Treysa vermittelt**). In dem
umfangreictien Foliobande, der die noch zum grössten
Theile nugeih'iK'kten Dichtungen des Philologen, 'rheo-
logeu, Rechtsgelfdirten und gekrönten Dichters Her-
mann Fabrouius ***) enthält und der nach uianclien
Schicksalen schliesslich in der Kasseler Bibliothek ein
sicheres iJhdach gefunden hat, steht — denn nicht
leicht ist eirj damals Lehendt^r von des Fabronius
Mus«* verschont gebliehen, — auch eine dem Rodinguss
gewidmete Klegiefj. Voii Kassol aus, wo die Pest
tobt, schreibt der Heimgekehrte an den Magister Job.
Iiodingns, den Dichter und einzigtheuren Freund, der
sich nach der ländlichen iStille von Rengersbausen
♦) Mscr. nass. fol. 77 Bl. 21. [Stand. Landesbibl.] und
wnten B. 236.
•^) Mscr. lia&s. fol. 101 Bl. 296. [SUind. Landesbibl.] Jo-
aimis Fodingii ad, D. Jobaiiiiein Magnmn . . . Epistola data o
Iiago lioDgoi-sliauseu. 9. die Oct. 1598. Abschrift von Kalck-
bulTs liand.
*) Jiomuiel Bd. VI S. 479 und Slrieder B4. IV S. 48 ff.
t) Mscr. Poet. lol. 12 Elogiar. Libcr IV. Elegia XV S. 341.
ücbfir die Scliitksulo derliandschnft s. die Bemerkung ifej7i/<arf/i*
vorn in dei-selben.
15*
228
geflüchtet hat und hier in Trauerliedern der Opfer ge-
denkt, die dit^ grimme Semhc in der Stadt tbrdt;rt.
Ein ürigiiialbrinf, gleichfalls im lj<'sitz dnr Landes-
]>ibUothek*J, zt-igt veitrauttn Vtrkflir mit Jatobus Mo-
fianus, di-nj spraehenkundigi-n Leibarzt und eifrigi^n
JlitnrbL'itor des fjandgrafiTi Moritz in dessen tliennsuhem
Ijaburatorium **), demselben Mainie, der im Verein mit
seinem Frennde Hermann Wolff im Jahre 1609 eine
Besclireibiuig de.s dainuls „neu eröffneten und an seinen
thngunden vvunderbarlich befundenen" miniTnlischen
Hrunnens bei Nordshauseji unweit von Kassel lierausge-
geben hat***). Das »Schreiben, unterm 18. August 1599
in gewandten Distichen abgefabst, wendet sich an den
Freund, der augenbltcklicjj in Kntenburg weilt, mit
einer eiligen l^HchricIit. Der Inhalt ist leider dürftig;
es haiulelt sich um eine für den Briefempfänger wichtige
Angelegenheit, die der Sclireiber offenbar nicht dem
Papier anvertrauen mochte und von der wir nun, weil
sie allzu wielitig und geheim behandelt ist, nichts er-
fahren dürfen. Die Nachschrift emptiehlt den Dr. Lu-
canus — es ist vernuitliltcli der Dr. jur. und Hers-
feldische Rath Laurent! US Lucamis gemeint f) — der
gelegentlichen Frirs|irache und Unterstützung beim Land-
grafen. Für die gute .Stellung, die Kodiug zu seinem
Fürsten einnahm, spricht am besten eine kleine, launige
Finladung.'fkarte, die Moritz an den rechtskundigen Mann
am <>. October KiOö aii.s .seinem staubbedeckten Museum
I
•) Mscr. litt. fol. 4 iintci' Rodingus.
••) f{ornmei Bd. VI S. 493 u. Strialcr RJ. XVII S. 2S5.
***) Bescbrc'ibuug dos MinemlischeD Biuuoens, so newlicher
Zeit boy Cossol in Hosson M'iderumb in Brauch gebracht -wordeu
. . . Cassol (Wossol.) 160il. Jn doiiiselben Jftbr erscbiou ebenda
auch dor lateiiiiscbo Text.
t) Pio auf den Tod seiiior Onttiii (8. OH, ir»9()) crscliienenon
,Elegiao ot üoiisolatioucB'- wiirdt-ir löHl bei I'. Egeuolph in Marburg
godruukt.
229
richtet*). Der Golohrte soll ilin am andern Moi'gon um
6 Uhr besuchen und einpauckpii für dw juristischen
In.stilutinntf^ii, dit- dor T.aiulgruf iui dHmselb<^ii Tage mit
binigt'.ii juugen EdelleutBii troiben will; aber kurz und
klar soll die Vorlfsung sein, denn so iiräge er *hs sich
am leichtesten ein und iUjfimittete es am besten seijien
Schülern.
Von der Thätigkeit Rodings als Dichter, die gewiss
dt-r öitti! dur Zeit entsprechend sowie den ihm verliBhenen
Titel „roi'tn*' reclitfertigend eine grosse gewesen ist,
habe ich nur zwei gedruekto Kinzelwerke in den
Händen, eine dem Landgrafen WilJielm IV. gewidmete
Tniuerklage auf den Tod vtui Reinhard Seheffer, Johann
von Meysenbngk nnd Eckbrecht von der llalsburg aus
dem Jahre 1587 und ein Glückwuti.scligedichtfür Augustus
Sagittarius **). Fane Ethik, deren Vorrede, datirt vom
1. September, sich an Bernhard von Anhalt wendet,
ist mir nur in der Hanauer Ausgabe von 1593, wo sie
zusammen mit des Scribnnius Etliik erschien, bekannt***).
Sie gibt nach Ramistischer Methode in schulmässiger,
knapper Form die liegritf^hestiinninngen der Sitteidehre.
Nach einer Bemerkung Kalckhoffs soll Roding auch den
Pandekteucommentar des Matthaeus Wesenbeek zuerst
•) Mausol. Maurit. S. 20. s. auch liominet Bd. VI Ö. 499.
**) Quoriinoiiia lugubris super obitum Roinli. ScholFuri . . .
Joamiis de Meysenlmgk ... ot Egbroditi de Mal-sburgk . . . .\utoie
.luanne liodiugo llasso. Mai'burg (P. Egeuoliili.) 1587. Das Titel-
blatt des Kasseler Exemplars hat 3 handscbnftticlie DiBtiulien,
ciiio Widmuni; an einou ungcüanuton Dr. med. — Carmen in Lü-
norem . . . Dri .\ugusti Sagittarii Dresdeiisis, yradmn Raccalau-
reatus in Acaduiiiia lhu'[turgensi consoquentis, 2.S Maij Anno &c.
77 soriptuni a Jolianno Rotüngo Martispargousi, o. IX u. .1.
1 Bl. fol.
*♦*) Ethitae Libri Quatuor Joaiinis Kodiugi Marpurgensi» ;
Ad irictbodi Hamce Icgcs confoimati. Nuuc secuudo in lucem cditi.
llanoviae 1593,
2m
1602 zu Lieh veröffentlicht hitlxii *). Hati»ltecliriftlich
b«!.sitzt <li»^ Laiuleshihlidtliek von Unding eine ..Parie-
gyris" auf Pltilip]» uiul .,Mi'moralii|ia" a«8 Wilhelms
Leben, bfidt- dem Landgraft-n Moritz gewidmet **).
Kndings Thiltigkeit an der Kasseler Bibliothek ist
vt'rmuthlich nicht von langer Dauer gowesen, denn bereite
Hin 1, Jatiutir 1593 wird der alte Ruch wiederum v^r-
pHiehtet „die Fürstliehe Bihliipthec, Mappen und in-
fttrumenta mathematica in guter Verwahrung und in-
ventario zu halten" ***). Möglich, dass Buch nunmehr daa
Amt bis XU seiiiöm Tode iiine gehabt hat,
Der Mann, dem an dritter Stelle, soweit wir wissen,
die Verwaltung der Bibliothek übertTagen wurde, war
J acob u s T hy s ins. Ein Vlamliuider von Geburt und
gebildet auf den Schulen zu Antwerpen und Löwen, liatte
Thysius als Jüngling die Fremde aufgesucht, in Mar-
Itnrg, Heidelberg und Ingolstadt studirt, sich in Frank-
reich, Ungarn und Italien umgesehen und auf den
dortigen Hochschulen, zuletzt in Padua, gute Sprach-
kcnntnisae und juristisches Wissen erworben. Die
inneren religiösen und politischen Unruhen versuheuchten
ihn später, wie so manchen seiner Landsleute, ans der
Heiinath; in Hessen, wohin er mit Empfehlungen kam,
fand er sein zweiU-s Vaterland f). Bis zum Jahre 1788,
wo das Gebäude dem neuen Brückenbau weichen niussto,
*) .Toll. Christ. Kalr&hoff'a Hassia liternta. Mscr. lla^s. Col. TAi.
[Stand. Landesbibliothek.]
♦♦) Im Sammolbaiid Mscr. llass. fol. 48.
•••) Sfrkder M. 11 S. 50 Anmorkung.
t) Die HauptquLdln für Thysius ist Williolm IHlirh.
LUbe ot Acadeiiiia Mfli|.urgetiMi cd. i'uosnr. l*. IV S. 3»i Daraus
abgOBchriobeu .sind die KfilrJJiii/J'm-]\ou handschriftlichen Nach-
richten der Kasseler Bibliothek (Ms. Hass. 4" 79 und 4" 13H) sowie
Freher, Theatruin virorum eruditioiie clarorum. S, IU28, der auch
das Bildnis iibemotntneD hat; s. auch Jio/mnrl Bd. VI S. 5(.)3 u.
808; Frieder Bd. XVI S. 181 u. Duncker a. o. 0. S. 27.
pries *;ini-- liisuluift ;iiji Thysiiisschen, dem öiiäteri'U
ftiltuigi;t.-hi;ii Haus(.i iiiti Markt zu Kassi'l lUiti gastliclu^n
(iL-rüiiü des LuiidgrafL-ii Moritz, dfr liit^r (fiin?m Ver-
triebenen eine ZuHiichtsstüttu bereitet hatte *). Etwa
löi>5 mag Thyöius nach Kassol gtikommen sein; im
folgoiiden Jahre finden wir ihn noch einma! in seiner
üfbnrt,sstu(]t Antwerp<^n. VAn BriHf, dt-n vi von dort
am 10. Juli nach Kas.sol an den Dr. jur. und FüjrsH.
Uath Magnus VV*.il!"Hnbadi schickt **), lässt einmal ein
gewisses Anseilen ln-ini Antwwrpener Rath, bwi dem er
siel) in Saeiitii dt-s Weiffenbaeh verwendet, erkennen
nnd Hiiderer^seits ein bereits günstiges Einvernehmen
mit seinem neuen Landeslierrn vermuthcn.
Am 4, August UVLHJ gründete sich Thysius seinen
Hansstand, indem er die nachgelassene Tochter des
Hes.si.sclii'n {'apitäns Caspar Geysc, der beim Bau do8
JägerbaiHes zu Kassel umgekommen war, als (.iattin
heimführti' ***}. Was der befrenndete Kabronius in seinem
unvermeidlichen Hodizeitsgediubt den jungen l*jlielcuten
ge.wiin.scht hatte :
„Tliysi, fausto, [)recor, rognont jii noujugo locto,
Thysius ut blandus {»rodoat iurJo puer*f)
gijig überzeitig in Erfüllung, denn im Kirchenbucbe lesen
wir bereits unterm "21. October desselben Jahres; ,,liat
Jaccdms Thysius taufen lassen, Gevatter gewesen der
Cammerraeister Johann Heugel und dem Kind der Namen
Johann P'riedrich gegeben" und der Schreiber fügt hinzu :
•) Ca»]iarswi, Gesohh'hto sarnnitl. tlessen-Cassel. frauis.
Colonien. 8. 6 — 7 und Strieilcr Bd. XVI S. 181 Anmerkung.
»♦) Abschrift, vou Katckiwffs Hand in Msor. üa»,s. 4" 101.
[tituad. Laude»bil>Iiothok.j
*'*) .Si.htiiiuili'C-'' A\iB7Ä\ge aus doü Kircheubüuberu in Mäcr,
Ilass. M. UJ Bl. :^21 b [Stand. Lauilehbibliothek.] und Strieder
Bd IV S. 33.
t) Fabiumi Epigr. Lib. 11. Macr. Poet. fol. 12 S. 436. [Stand.
Laudesbibiioth.l
232
„Es ist abi-r Thysiana nona pn^t nuptias septimana ins
Kindsbett kommen non .sine graiuli i-irclesiar- hnjus scaii-
dalo weil sie in cinnni Kraritz zur Kirch*'! gegangen" *). In
(-beiulieftom Jahre wäre iiat-b nomnu'l**) Thysius Sekre-
tarius und Bibliothekar geworden, nach Strieder li^tzteres
t-rst 1(320***). Ich tiiuh- dem gegenüber folgendes.
Kabron ius nennt im Jahre li6(.K.> den Tliysius Licentiatii«
juris, ebenso bezeichnet sich der Gekehrte selbst in einem
Huldignngsgedicht, das der itiililuiischen Sprachlehre
seines Fretuides Catharinus Ditlcis vom Jahre lt305 vuige-
drnckt istf), sowie in einejn kleinen, handschriftlich
vorhandenen Lobgediclit auf Melsntigen aus dein h-tzten
Jahrzehnt des 16. oder ersten des 17. Jahrhunderts fj).
Ein kurzer, wohl derselben Zeit angehöriger Firief des
älteren Goclenius trägt die Aufschrift an den Geheiitj-
Sekretär Jacobus Thysius f'i't)- Ttiese Zeugen wissen also
nichts von einer Stelhing an der Bibliothek. Der erst«.-,
den ich als Gewährsmann dafür anführen kann, dass
Thj-.^ius fürstlicher Bibliothekar war, ist Bartoloniarnis
Hilovius in den dem Letzteren gewidmeten VerscMi im 40.
Ruch seiner Epigramme *fj, wo er diesen ausdrücklich mit
I. IT. L. l*üeta egregius und Bihlinth. Cas.sell. praefectus
anredet. Das genannte Büchlein des Bilovius ist zwar
ohne Angabe des Druckjahres erschienen, muss aber
zweifellos im Jahre Kill entstanden und veröffentlicht
•) Mscr. llasa. fol. 113 Bl. 321 h. [Stand. Undcsbiblioth.]
") Bd. VI S. fJ03 iitid Diaiclcr a. a. 0. K. 27.
"•) Bd. XVI S. Ifll.
t) Cathariiü iKdcis Scb<>In Ilalioa . . . FraiiTOfotti. [IHOö.J 8.
b. auch Ilouimd LJd. VI S. 477 utnJ ,SlrHtlcr VA. III S. 243 ff.
tt) Mscr. Hass. fol. 12 Bl. 202. Überschriebon: Dedicatio
MilBUDgiae, [Stund. T<andesbibl.J
ttt) Mscr Hass. 4* 101 S. 2ö7. [Stand. I^indesbiblioth.] Absohiift
von Kaickhoff.
*t) narptolomaoi Uilovii Epigramtnatam Libeilus XL. Magd«
bürg (Joachim Boehus.I o. J. 8.
233
sein. Ein unsteter, nicht iinbf^anlagtt'r, iib»>r i'twas liidf/r-
licher und vyrlit'hter Geselle, dum die Kn'inung zum
kaifvinliehen l'oeta laurcatu.-? vennutldicli den Kit|>f vcr-
war
B
ilovnif* iiai'h man
c'hen KHiseii K511 nach
(h'f'htc
Hp^isen iiuf|,'L^hrochpn. Von Marburg, wn t-r mit (h'U
l'rnf
cssorcukfeisiMi
Fühl
IUI
g E
(nvanii.
am *•!■ iia(
h K:
d
an den Huf, vvu Moritz den Gel(*lirtfU günstig aufnahm.
Entweder in dankbarer Gesinnung oder eher noch in
Hoffnung auf Anst«dhing trat der l)icht<M' ilamal.s das 40.
Buch seiner Epigramme, das sicii fast aiusKchliesshch an
Hessische Persönlichkeiten wendet, geschrieben und dem
Landgrafen gewidmet, noch ehe er um Neujahr 1612
auf Kasseler Empfehlung hin die Recturstelle in Schmal-
kaldeii erhielt*). Fällt somit jenes Gedicht auf Thj'.sins
ins Jahr 1611, so erhalten wir hierdurch ein sicheres
Zeugnis für dessen Thätigkeit als Bibliothekar. Wenn
es i-rlaubt wäre, ein Mahnschreiben des Thy.stus**J, in
dem er am 6. Februar 16<J5 Bücher zurückfordert, als
Dienstsache und nicht als Privatangelegenheit aufzu-
fa.sscn — und beides ist möglich — so kämen vvir höher
hinauf in das Jahrlf)05.
Bereits 161 ;i erhält dann der Gelehrte seine Be-
rufung an die Hucbschule in Marburg, wo er an StelSe des
schon 1614 erkrankten Hermann Kirchner sich als Pro-
fessor der Geschichte und I'oetik mit Gregorius 8chönfeld,
der die Hedekunst ühernalim, in des Erstgenannten Lehr-
thütigkeit theilt***). Nach b Jahren kehrte 'fhysius
nach Kassel zurück, um noch 8 Jahre am (^oUegiura
Adeipbicum als Lehrer der ausländischen .Sprachen zu
•) Über ßilovius s. Strieder Hd. 1 S. 421) H. Ausliilirlicliere
Niu'lin'.htofi bietet dor von Strieder nicht honntzio (ieialliirf iü der
Hisloiia Schnialeal'iica [jpft II S. 128 (Zuitschrift des Vereins Für
Huimoti. Gesch. .Siip[>!. Hff. tll
•*) .Msür. litt. fül. 4 unter Tl<\ sius. (Stäud. LaJidesbJbl.J
*) Vatalogus studiosoruiii . . , od. Caesar, t'art. IV S. 95.
234
wirk«!!*). Am 80. November 1628 trag man rlen THjiili-
rigf-ii zu (.Irahe; »eint« Ciattin, «li« ihn um einige Jalire
üfH'ilebte, ist am 17. April 16^52 gestorben **i.
rn»ben seiner Knnsütf^ itigkeit als Dicht^-r, wie ihn
tlii' beredten V<!rse .seiner IVJitjüiiger in Apoll gern fi-iern.
hind gedruckt wie ungednickt verstreut erhalten Anders
stellt es mit einem vernieintlieljen ^^öi<seren Werke des
Tlijbius. " Als Nebelthau im Jahre 18ÖH die sog.
hKbijisc-he Congeries herausgab ***), verwendete er für die
iJrucklegun^f neben zwei anderen Hiinrlschriften einen
SainnieÜKiiid der .Ständischen Landesbibliothek zu
Ku8!*et f ), der n. a. von Bl. 17H — 202 eine Beschreibung
des Liindes Hessen nebst den Sitten und Thaten seiner
Hewiitiner entbiilt, die unter dem Titel : Lk.svnptio lolmn
Jlufisi.w ut vi (hi mofihus et rrhitJi gestis Ila.ssorum aU
herrenlose 8chrift auch in den huideskundlichen }land-
bücbern von Walther und Ackermann verzeichnet ist.
Am Knde dieser Beschreibung ^iebt nun unglücklicher
Weise aufjHer anderm ein Gedicht, geschrieben von einer
«ndi'ren Hand als die vnrbergebenden Blätter, wohl von
der des Verfassers -selbst, der aus der Unterschrift sich
als unser Jarubiis Thysiiis I. [I. L. ergibt. l>ie Verse,
ilie der Stadt MeUungen rulinivnllr Vergaiij/eidieit preisen,
haben mit der vunuisgehenden Beschreibung llessscns
nicht da« gpringste zw tluin. Trotzdem hat Nebelthau ft),
die von iJuncker ftt j offenimr ohne Nachprüfung ge-
theilte Vermnthung gewagt, dfws jene Unterzeichnung des
Thy-sin« auf die gesammte Desjcriptiu zu beziehen und
*) Slrirdcr l!d. XVI S, ISI. Imbümlich Iflsst ihn Fabronius
bei liilicli (.s. o. .S, L>;jU Aiim.) ^ils. <iioihiiaili IJLltjieii /.inuekkclireit.
♦*) Mucr. Hass. fol. ll'J Ul, 33T u. löö. [Stumi. Ltiridesbjbl.)
**•) Zeitaohrift Aa^ Vereins für hesiisulie Oeschiclite. VA. VII
.S. 309 ff.
t) Mscr. HasB. lol. 12.
tt) a- 0- 0. S. 311.
tft) a. 0. 0. S. 27 Aarn. 2.
235
womit diese als Arbeit de« Genaiuiten anzusi'hen sei.
Nebeltiiau wiire «cliweiTich ani diesen (ledanken ge-
ktmuiH'ii, liiitte rr die dem f'if.'i'iitlieltc)i Texte vonui-
geseliickten Widmungen niilier aiigeseluMi.
Die Zueignung iles Werkes ist gesclirieheii und
untiTzeJelinet von Johiiiitie.s Hjirtmannus AmWergens [mint.
Will man aus ilir allein Selilrnse ziehen, — und dun
konnte nmn wnhl, so lange man wie Nebeltlmir nur eine
^Niederschrift der Kescriptio kaiuite, — so inus.s niun
in Hiirtmann *), dem bekannten Chemiker und Leibiirzt
des Landgrafen Moritz, den Verfasaer seilen. Freilieli
liegt die iSaebe thatsächlieh etwatu anders. Die auf
der Landesbibliothek betindlielie Hand«chrjft ist nnr
eine Abschrift des Uriginals, welches ausser dem
Texte auch die Federzeiühnungen der beschrtebunen
Ortecliaften enthielt, angefertigt von einem Manne, der
sieh lange in Hessen nmgeseben iiatte. Aneh dies
üriginalwerk ist zum Glück erhalten; aus der fürstlieben
Bibttrvtliek zu Ka.s.sel kam es einst ins Wilhelmshölier
Sthluss, von wu es ins Marburger ^>taat.*:artdiiv gelangt
ist. Diese Handschrift gibt uns den Vfill-stiindigen Titel
des Werkes und mit ihm dessen Hau[)tverfasser, Wilhelm
Dilich**). Diliehs BezieJiungeJi zu Johannes Hart-
niann .sind bekannt; er war es, der seinen nin.stigen
Lehrer veranlasste von Wittenberg nach Kassel zu
kommen ***), wo fr sieh alsbald mit ihm verband zu
diesem gemeinsamen llnldigungswerk für Mi>ritz, der irj'.U
entstandenen Desuriptio Hassiae. Von Dilich sind Text
•> Hunmul Bd. VI 8. 483 ft. u. Strieder Bd. V S. 281 IT.
2*) s. Caesar, Ueliei Willi. Uilii'hs lieben und Snlmlteri. I.d.
Zoitsrhrift den Vereins f. ho8s <Sescli. N. F. Bd. VI S 318, der irrig
die I>C8criptto in J>llt«•b^ <)|iäterc Zeit set«t, uud bosotiders Kf/cftea-
tUirffn. Wilhidiii l)ili(:ll^ lies.sisctie rhnmik, Im IVintiftlMaU füi
BiUiothükswebou. IM. II S. 485 f,
•••) Caesar a. o. 0. S. 313-314.
236
und FtHliTZHieliiiniigeii ejit.worfen, von HHrtrnaiin stammen
dii* Widmurij^svur^H iiml die zalilrciclifn inictischt-Mi
Kinlugen «um lAthc der .Stiidtc Mit di-r Autoiiichaft
di's Tliysiu> für dii-stj H<'.sL-lirt'il)uny ist h,s also nicht» ;
w<ihr.si'lii'inli<lxcr ist di« Vfrnmtltiiii^', da.s.s dm- Samimd-
band, dir Jviit' ctitltiilt, aus dem Besitze Diliclts in den
de« Thysiti« ültprging, tmd sich so der Zusatz Jos
lÄ'tztcn-n t'rklürt*). Die l'rivatbibliothwk des Thysjus
i.st deshalb Wühl entgegen der Aiinaiiiiie Rom tu eis**),
nueb der sie gesthhissfn an den Cirafen Ernst von
Scliaumbiirg gekommen wäre, wenigstens zum Tbeil
in den Besitz des Landgrafen Moritz übergegangen.
Tliysius hat die Aufsicht über Bibliothek und
Kunstkanimer nach seiner Rückkehr von Marburg und
naeb Antritt der Ka.sseler Professur im Jahre 1620
nicht wieder erhalten, wofür wenigstens der Meg;ativo
Beweis zu «'rbringeu ist***). Die StäJidisclie Landr-s-
bililicithek besitzt handschriftlich eine Uebersicbt des llof-
uiid Kanzleystants unter Landgraf Moritz f). die zwar
nndatirt i.'*t, aber m. K. aus inneren Gründen nur in
das Jahr 1&2] 22 fallen kiniu tf). In diesem VerziMchriiss
werden alle Beamten und Bediensteten n:ich ihren
amtlichen .Stellnngen und Uidiidtern, meist unter Bei-
fügung der Namen, aufgeführt Aus dem Umstände,
da.ss die Stelle eines Vorstehers von Bibliothek und
♦) Ich glaube aucli sonst in dor cnviihuten ilandschrirt {Mser.
Ila8.s. fol. 12) die iSpurcn des Thysius zu eiitdeukou.
♦♦) Bd. VI S. 50:^ 11. 80H.
•*•) Stn'rticr HJ. XVI S. l81 durfte sii^j zur Slülxc scifier"
yioKonlUoiligoii Ansicht tiii'ht aul da» augefülirle Epigiamin Uo»
Ijilovius bcriifpii.
it) Mscr. Ilass. ful. 77.
tf) T)io zmtlirlio l'Viistsetziuig ergiebt sich darauä, üas& Job.
Hnrliiiaun schon fd.s Leihntzt vnilioouiU. was er orst seit 1621 war
iS/tiriffi Ltd. V S, 28.'{j. lind djLss Wilhelm lJiiivkhai-d Sixtinue,
der am 13. .iHimur IG2'ä heiiie iJietiste verliess (>Strü'dcr ßd. XV
ti, 2t)), uocli uutei den luiüieu aufgeführt wird.
237
Knnstkammpr gar nieht vorkommt, dürfti* zu schliosspu
spin, dass sie unbesetzt, niso iiitht in den Händen de»
Thysius war *).
ürf^ifl)are Spuren, diu sich bis auf unsure Zeit hin
auf der Bibiiotln'k verfo|tr(»ii lies8«*n, hat die Wirk-sairiki-it
ji'iier drni erxten rJibIi«tt]irkarp nieht hintfrlassen, s|iiitt*n-
Thiitigkeit liat ihre beseheidi'iieji Leistmigi'H aufgehoben.
Yjü ist ein Irrthum, wenn Hembardi glaubte**), dass
di'i" nnili jetzt in Gebr;uich betiiidlicln' aliiSiabetisch«'
Zettelkatalog der Bibliothek in seinen Anfängen auf
Buch zurückgelu^, ich vermag vielmehr^ was hier zu
weit fnhriMi würde, dwn sicheren Beweis zu linfem, dass
fr nicht früher als zu Anfang des 18. Jahrhunderts,
wahr.sclu'inlicb in den 20er Jahren desselben, angelegt ist.
Rs ficheiut, dass die Anstalt in der Zeit des Land-
grafen Moritz grössere und wichtigere P^nverbungen
nicht gemacht liat ***). wenn wir absehen von dein, was
des Fürsten Litblingsbesehäftigung, die Chemiu und
Althemie, schliesstich für die Handscbriftfnsammhing
gelmulit hat. Ks ist nicht eben wunderbar, wenn
Kojn), flu berufener Fachkundiger, sich mit diesen
Beschäftigungen des Ih-Sfjisclien Landgrafen in seiner
Geschichte der Alchemie f) in nur wenigen Zeilen ab-
•) Mscr. Haas. fol. 77 J51. 22 wird eiuo Kii.sal«th ] Ligen
mit einem Gnndengolialt von 47 11. und ÜO Alb. als Buchor-
"\V[ärtorin| geführt. Sie wird zu dcui besoheidenen Aemtiheii des
Slaubwischeus und Fegens verwendet woi-don sein.
**) Vier Kriefo die Begilinduu^ der . . . Laiidcsl)ililiothck
betr. L d. Zeitschrift des Vereins f. hess. ticsoh. Bd. VI S. 148.
**•) Im Jaliro 1596 erwarb Moritz von Halthasar Marold die
BiblJütholc von dessen voi-storbcnoin Vater, wofür er ihm ein „Out
zu Elgershnuscu, welches 3 llufon Landes hält und dasOrebeugut
genannt wird, gegen eine 12 Viertel partim jährlich uad die Haltung
eines Freififcrdos zu Erblehen " gab. s. lAtudnii% flandschr. Nachl.
unlor ^KasscL" [Stand. L.-H j
t) Die Alchemie in älterer und iioueror Zeit Th. I S. 120
u. 220. Th. 11 P. 34.^. Heidelberg 1886.
238
findet, harren doch die hierhin einschlägigen, hand-
schriftlich auf der Kasseler liibliothek erhaltenen Studien
Moritzens und seiner Mitiirbeiter zumeist nOf,h der
Durchsicht und Bearbeitung. Und doch war, wie
Joseph Quercetanus, der französische Leibarzt, in seuier
Pharmacopoe *) rühmt, die Officin dieses Fürsten da-
mals die trefflichste und bestversehene in Italien,
Frankreich und Deutschland. Würdig zur Seite stand
dieser Sammlung chemischer Präparate die zugehörige
Handschriftenbibliothek, die sich auf 600 Werke belief.
Moritz liess kurz vor seinem Tode die sämmtlichen
„Codices Mstos Chymicos in sein Schlafzimmer bringen,
ordnen und katalogisiren" **). Si»; sind indessen nicht
sofort nach seinem Tode in die Bibliothek übergeführt
worden, sondern sie blieben noch im Laboratorium,
bis sie etwa Anfang der 70 er Jahre des 17. Jahrhunderts
in die Bücherkammern gebracht und dann auf Befehl
vom 22. Juli 1675 nach dem vorhandenen Inventar
dem zeitigen Bibliothekar überliefert wurden ***).
Während der geschilderten Zeit hat die Bibliothek
mehrmals ihren Unterkunftsort gewechselt. Man nimmt
seit Dunckers Abhandlung anf), dass bereits unter
Wilhelm lY. im Jahre 1585 eine Übersiedelung aus dem
Kanzleigebäude im Renthof nach dem Oberstock des
damals errichteten Marstalls stattgefunden habe. Ich
glaube, dass diese Ansicht, für die ich zweifellose Belege
vergebens gesucht habe, Misverständnissen ihren Ursprung
verdankt. Einmal konnte die angeblich früher am Mar-
stall eingehauen gewesene Iiuschrift „Pro Mulis EtMusis"
zu dem Glauben verleiten, dass jener Bau von Anfang
*) Pharmacoi)oea dogiuaticonim lostituta. KU. 2. S. 500.
**) KaUktioffs Hassia literata. Mscr. flass. fol. 71 | Stund.
Ixindcsbiblioth.] und limnmcl Bd. VI S. 426 ff.
"**) Voifügung an Dr. Angolocrator. A. L. B.
t) a. o. 0. S. 16 f.
230
Uli (J«'ii Manlthiercii niul zugU-icli tli-ii Kiml* rji ilrr Mu.st'ii,
i\vu HüL-lit'i'ii, cinf^tTiinint «icwcsi'U «(ii. Nun ist ahcr
jnii! lii«lirift, ilii- ziuTst im Jahre 1H12 «iifiauLlit.,
»lurL-hiius ;i|K)kfV[ili und kinini «:?twas aiiderH als l'bfr-
tiaguiig iMiies Witzes, der von Voltaire mit Brzng auf
die Berliner Academie erzählt wird, auf die ;llit>li(hi'ii
Kasseler Vcrliältuissü *). Zwt'it**iis abi-r ktiniti«- nui*
dem IJmstaiidi-, ilass die lübliritliek im 17. Jiid- .sieh min
einmal im Murstall befand, li'ieht rälschlich geschlossen
werilen, dasa «ie von jeher dort yuwe.seu sei, wie dies
iSchminckc in seiner Heschrribung von Kassel denn
wirklich thut**J. Sicher bezeugt ist jedoch nun***),
<htss die Bibliothek KUH aus dem Schlots in das von
Moritz gestiftete Collegium Adclphicum d. li. in die
Gebäude dei> ehemaligen Carnieliter- oder Brüderklosters
gebracht wurde, um den Zwecken der Schule dienlich
gemacht tu werden. I>iese Biblinthek wird „amidi.ssima*'
genannt, e8 kann also niinniglieh, wie Duncker willf),
eine etwa der früheren Hofsclmle gehörige, kleinere
IJüchersammlung gemeint sein, lleberhaupt gab es eine
solche nicht, vielmehr hatte man damals, wie ich ilein
Berichte eines späteren Bibliothekars entnehme, nur 2
Bibliotlieken ff). Die eine war die gros^se, die Wilhelm
begründet und Moritz für das Haii.s Kassel be.stätigt
hatte, die andere die vom Letztgenannten erst ange-
legte sog. Kammer-Bibliothek, die in de-s Landgrafen
eigenem Cieinach getrennt aufge.st^illt war und nacti-
nials in den Be.sitz seines Sohnes Hermann überging.
Besass die Ilofschule sonnt keine besondere Bflcher-
•) Dttneker a. o. 0. 8. 18.
♦*) a. a. 0. R. 105.
•**) Joli. tVoMMÄ, l)e vilft et olutu Maurilii . . . im Moii, Sop. II
S. 21 ; Ilariiviff^ Die Ilufsclnüo zu Cas.s<il. H. 8Ö,
t) a. «. 0. S. 18 Anin. 2.
•ff) Memorial den SdioJastieus vum 4. Jauuai- 1653. A. L. B,
240
eammluiig, sr» liegt die Vfrmutliunp iiah«^, dass Moritz,
wie er im Jalii'e 1(518 dvin Ailuljthicuin die grosse
Bibliothek zi]gi'iiif;licli niaehtt?, so sie früher aus Röck-
sieht auf die HoLscliuh' aus dem Kanzleigebiiiide etwa
159.') nach Hegriiiuluiig jener Anstalt*) ins Schloss
hat biirigi'ti lassen, von wo sie dann, wie oben erwähnt,
1B18 in Jen Ilenthof ziirüekkehrte. Von hier ist sie
vielleicht im Jahre 1633, ats> iJas (.'uUeginrn Adelphicuni
in der nengegründeten Kasseler Universität anfging.
veruinthlich jeducli noch später, in den Oberstock des
Marstallgebäudes gelangt. „Nacli dieser Translation
der Bücher aus dem Collegio". wie es ausdrücklich
heisst **), hat die Bibliotiiek „etliche Jahre ganta confuse
über einem hauffen gelegen", so dass länger als 4 Jahre
nöthig waren, um die Büclier zu „separiren, xu coliocirn
und in ihre Stellung zu bringen" ***). Auch dieser Um-
Btsmd sprielit, tienke ich, dafür, dass die Bibliothek
nJL'ht schon 1585, sundern erst in den 30er oder 40er
Jahren des 17. Jahrhunderts in den Marstall gekommen
i.st, denn man darf doch unmöglich g!aul;en, dass vier
Bibliothekare an der Reihe weg es verabsäumt haben
sollten, der Unordnung auf derselben ein Knde zu
machen. Wuzu wiireu «ie sonst dagewesen?
Indem ich von 4 Bibliothekaren rede, bleibt der
Name des vierten noch zu nennen. Es ist der bisher
in dieser Stellinig unltekamite, au.s den Akten derLandes-
bibliothek nun ausgegrabene i^icolaus Crugius oder
K rüg, der, als Rektor der Stadtschule thätig, von Moritz
zngleich an die Hofschule berufen wurde und zu der Zeit,
wo er die Bibliothek unter sich hatte, was sicher von 1633
bis 1^44 der l''all war, als rrufeäsor der Logik an der
•) Earbrig a. a. 0. S. 7 f.
**) Mcitiorial des ochctlasticus ps. d. VJ. Moi 1664. K. L. IJ.
•*•) Schreiben dossolljöii )),s. d. 20. Juni 1665. A. L, D.
sler Universität wirkt*^*). Damals war di« Kuust-
kanirruT vt)n «kr Bibliotliyk, mit dor sie bislang zu-
samtni.'n vt-rwalt^'t war, getrennt tmil der Aufsicht eines
flr. Grau, ilf.T Mediciner und Physiker war**), unter-
stellt, bis erst im Jalim 1644 beide Samnilniigen wieder
in finer Hand vereinigt wurden. Uebrigt'ns stallte man
sich der Lliiiversitiit, die 1633 den Antrag auf iSe-
uiitzung, nicht auf Ueberlassung überhaupt gestellt
hatte, merkwürdig schroff und ablehnend gegenüber;
auch wurde die Zugänglichkeit, die früher offenbar all-
gemeiner gewest'ii war, damals sehr dadurch erschwert,
dasa Wilhelm V. in einem eigenhändigen Schreiben
seinem liibliothekar befahl ,, Keinem kein Buch ohne
Ihrer Fürstlichen Gnaden .special befehi aussfolgen zu
lassen" ***}.
Wohl mag die Zeit für die Bibliothek oltnedies
jetzt eine ruhige und stille geworden sein, waren doch
die Stürme des dreissigjährigen Krieges mit ihren mäch-
tigen Wehen auch über das Ilesseidand inzwischen
längst hereingebrochen. Lnsrer jungen Anstalt war es
indessen nicJit nur beschiedeu, ihren alten Besitzstand,
was nicht jede ihrer Mitschwestern vermochte, zu
wahroTi, nein, sie ging auch unter dem schützenden
Schilde ihres siegreichen Landeslierrn auf glückliche Er-
oberungen aus,
W'ir werden hierbei auf die Erwerbung der Fuldaer
Handächfiften mit ihrem grüssten Schatz, dem Hilde-
*) Memorial des Schdasticus v. 4. Jau. bS. A. L. B. s. auch
Sfrieder Bd. U fcS. 46.^ und Weber, Gesch. der »lädt. Uelehrteu-
schule zu Cossol. 8. 132 ff.
*') Memorial des Scholasticus ps. d. 19. Mai 1654. A. L B.
und dazu Strirder Bd. V S. 76 und Hartmg a. a. 0. S. 79.
***J Memorial vom 4. Jan. 16[)3. A. L. B. Die Angabe, dass
dor Landgraf nich.t habe nncligebeo wolion. dass ,eittein oder an-
dern [irivat«» L'iu Buch auss dor Bibliotkok geliebea werden »oUte",
liownist, djj.'.s früher dio Ansloiliuug lil)eralor geli»n»^hnM wordou war,
N. V. XVII. Bd. lt>
242
braadsli«6<^, und aaf die Schicksale der hoclil
dortigen allun Bibliothek geführt. Ein etgcotllf
Dnnkel lagert noch immer aber dem plötslicbMi Ver-
»cbwindeD die^ier Sammlang aus Fulda ; nur wenige
dflrftige Nachrichtpn lassen Vermathangen Spielrmatn,
Micbdren Aafschiiiss vermag ans wohl nar noch ein
raiger überraschendtT archivaJi^her Fund zu bringen.
stimmt« Zeugnisse geben un.s die Gewähr, dass im
Jahre 1618 die Haudschrifteussammlung, wenn auch
mit kleinen Locken, noch dastand, gleich sichere Angab«'n
belehren uns, da«» »ie noch dem dreissigj ährigen Kriege
•porlns verschwanden war *). Während dieser Zeit wird
demnach auch Hessen für die Kasseler Bibliothek seine
Heute davongetragen liaben **). Es fragt sich nur ; wann ?
Ehe Gii.stav Adolf im Februar 1632 nach Franken
zog, hatte er dem Landgrafen von Hessen die Abtei
Fulda sowie die Stifter Paderborn und Cor\'ey eigen-
thünilich und erblich Qbergeben. Bereits Ende Februar
waren die landgrüHichen Bevollmächtigten in Fulda,
um die Vereidigung vorzunehmen. Eine der er.sten
Handlungen der zugleich einrückenden hessischen Sol-
daten war die Austreibung der Jesuiten, in deren Kirche
bereits am 29. Februar ilfr Kalvinische Hofprediger aus
Kassel predigte ***). Man begnügte sich jedoch nicht
*) Rutand, Die Bibliothok des alten Benedictiner-Stifts xu
Fulda. Jm Soraiieum Jhrg. XX S. 2'J2 ff.
*•) DasH (iie Hiaudbth.itzunp von FuliJa darch Philipp lö2B
auch die liibliüth»?k betioflen habe, wie Kindlimftr, Katalog und
Nauhriuhton von der ehemniigen . . Bibliothek in Fulda. 8. lö,
liuloful a, A. 0. R. 143, Orosit, Über den llildebrandts-Lied-Codex
... In d, Zeit.s<.-brift des Vereins f. bess. Oescii, N. F. Dd. VlU
S, 149 nnd Dwirhr a. 0. 0. S. 30 annehnien. glauli« ich nicht.
weil in d(Mi Vcrhiitidlungen liber die Wiedercrlanguu^ der damals
eutfiibiton äiKrhau ausser von Ilauftgenitlien, Geschützen u. a
nur von Urkunden die Rede ist.
••*) Rommel Bd. VIII S, 18S f. und Rfhut Bd. IT S. 348.
243
mit der Ausweisung, mau machte sich mm auch an die
Hinterlassenschafton des geHüchteten Orduns. Am 6.
März wnnd»,'rteii, wii* di-r gleichzi-itig lebpiuh; Fuldaer
Chronist Gangolf üai't ii ng *) berichtet, nicht nur die
„Schöne Neuwe Sfackfass*' aus dem Schlosskeller auf
des Landgrafen i^igens geschickten Wagen nach Kassel,
sondern mit ihnen auch viele Sachen „auss dem Jesu-
witters Kloster", und unter dem 20. März schreibt
derselbe Mann weiter: „ist dnckter andRech der audydor,
undt sein Brudi-r, der Cantzl^r, aus-s dor Stadt fulda
gi^zogm uaciii Kassfll, undt haben im Schloss die aentften
mit nach Kassell g^^nohmen, undt die Senfften im Schloss
auss der Bibelüteck fohl Bucher gelahtf-n undt auch mit
nach Kassell gpfulirf' **). Wir können m. K. bei dieser
Bücherentführung nicht an die wenigen Handschriften
denken — es mögen deren 20 — 25 sein***), — die die
Landesbihliothe.k noch heute aus Fulda besitzt; hätte
man sich wohl überhaupt als Herr des Landes mit einer
80 geringen Zahl von Bänden begnügt, wenn man es
in der Hand gehabt hätte, die ganze Handschriften-
bibliothek, die nacli Hunderten zählte, mitzuuehmen ;
hätte man aus jeder Repositur nur einen oder wenige
Codices ausgesucht anstatt die gesaramten Schränke
auszuräumen V üanz gewiss nicht. l>ie alte Bencdictiner-
Bibliothek muss damals schon aus Fulda fortgewesen
eeinf), sie konnte aus diesem Grunde nicht mehr ent-
*) Kino Fuldaisehe Chronik aus der ersten Hälfto des 17,
Jahrhds von Gangolf //«»/hm//, Ug. von Oegenhaur. l'rog. des UyiuD.
z F. 186:i S. 28 f.
**) a. «. ü. S. 29.
••*) Gross a. 8. 0. S. 163 ff.
t) Ruland a. a. 0. 8. 312 ff. und Gross a. a. 0. 8. 168.
Sidier wüide doch Abt Johann liBiubard Schonet zn Schweinsberg
im Juli 1631, wo er .\ichiv und Kirchciischatz flüchteto, auch die
Bibliothek gesichert haben, wcdd sie noch bestanden hätte, a.
Oross a, o. 0. S. lf)7.
führt, werden ; sie kann deahalb unter der von Härtung
erwähnti»!! nicht verstandpn wei-den, wir müssen uns
nach einer anderen umsehen.
Es ist bislang iincii unbemerkt gehlioben, dass die
Kasseler Bibliothek eine recht bftdftutende Anzahl von
nieist der kathnhschen Theologie aiigHliörigen Drucken
besitzt, die sich durch den handschriftlichen Eintrag
„S. Societatis Jesu Fuldae" als ehemaiigu Angehörige
der 1573 mit dem Einzug des Ordens in Fulda be-
grüiuletcn Jcsuiteiibibliothck ausweisen. Die Jesuiten
haben bis auf die Jahre 1632/33, wo hessische Besetzung
sie fern hielt, bis zur AuHüsung des Collegiums 1773
in der Stadt gesessen. Ich habe dagegpu trotz eifrigstem
Nach.suchen bis jetzt - und das ist kein Zufall —
kein Werk im Kasseler Hibliotheksbesitz von denen,
die au.s der Jfi.suitenhibliotliek stammen, auffinden
können, welches junger wäre als die 20er Jahre des
17. Jahrhunderts. Was in Kassel ist, wird also nicht
erst in späterer Zeit hergebracht sein, es muss, um es
kui'z zu sagen, aus der Zeit stammen, wo man die
Jesuiten verjagt hatte und ihre Anstalt ausplrtndftrt.e,
aus dem Jahre 1H32*), Jene Bibliothek des Härtung
ist die Jesuiteiibibliothek. Sollten aber damals nicht
auch unsre wenigen Fuldaer Handschriften mit nach
Kassel gekommen sein? Es ist nicht eben unwahr-
scheinlich. Wir wissftn aus gleichzeitigen Berichten,
dass den Jesuiten die SttftAbibliothek offen stand, und
dass sie deren Handschriften namentlich für ihre Ver-
öffentlichungen fleissig benutztt^D. Zweifellos sind so
Manuscripte vorübergehend in ihre Behausung gekommen,
die entweder zurückbehalten wurden oder zu einer Zeit,
wo die Handscbriftenbibliothek schon entfuhrt war.
I
*) Aas der jüngeren Jesuitenbibliothek kamen 218 Bände
in die neube^ündeto Laudesbibliothek zu Fulda, s. Zwcnyer, Zur
Gesch. der Fuld. Ijandeslibliotltek. Im HessflnlHiid .Ihrg, IV S. ,S22.
nicht mehr zurückgegeben werden konnten *). So
können immerhin auch die. Fuldaer Handschriften der
Landfsbihliothek in die J^suitf^nbibhothek gewandert
und dann s. Z. mit ihr nach Kassttl gokommfiii sein.
Dass dif Fuldaer Jesuiten alte Handschriften aus der
früheren Bibliothek auch noch später hatten, die sie
1632 bei ihrer Austreibung mit sich genommen haben
müssten, war dortigen Orts im 18. .taltrhundert offenes
Geheimnis. Der letzte Bibliothekar des Ordens Schul-
theis verschwand bei der Aufhebung 1773 mit ihnen
nach Breslau auf Nimmerwiedersehen **). Was von den
Fnldaischen Erwerbungen nach Kassel gelangt war,
kam vielleicht zum Theil sofort zur dortigen Bibliothek,
ein Ueberre-st hingegen stand noch im April Ißöl im
Schloss „bey der Kirchstuben" und wurde erst damals
tuif Antrag des Bibliotheksingpektors nach dem Marstall
gebracht ***).
Wir verlassen hiermit den immerhin nicht ganz
sicheren Bodeji der 30er Jahre, um uns desto be-
stimmteren Schrittes ins folgende Jahrzehnt zu wenden,
zur Thütigkeit des 5. Bibliothekars, liudolphus Scho-
lasticus oder Schäl er f). Als Sohn des ehemaligen
Mathematikers an der Hofschule und später an der
Ritterschule zu Kassel Johann Scholasticus 1617 zu
Marburg geboren, bat Rudolph seine Jugendzeit in
Kassel verbracht, wo er in der Freihuiter Gemeinde im
Jahre 1630 kontirmirt wurde ff). Seine Studien schlugen
eine der Lehrthätigkeit des Vaters ähnliche Richtung
•) Gross a. a. 0. Ö. 155; KüuUntger a. a. 0. S. 16 ff.;
andei« Ruland a. a. 0. 8. 292.
♦•) KinHlhtger a. n. 0. S. 17.
*••) Mcnioriai des Änjjoloorator ps. d. 6. April 1661. K. L. B.
t) Harttcüj, Dio Ilofrtchule . . . S. 75.
tt) iilriefier, IM. IX Ö. 19G u. Mscr. flasa. fol. 113 Bl. 156.
[Stüud. Lande.sbibl.]
246
eio, wofür die Berechnung der Mondfinsterniss vom
Jahre 1R45 spricht, die er am 30. Januar dem Land-
grafen Wilhelm überreichte *). Scholasticus war da-
mals bereits 9 Monate im Amte, in tias ilin Amalie
Elisabeth am 1. Juli 1644 als Bibliothekar und Mathe-
maticus gesetzt hatte **).
Die wenigen Berichte, die wir von Scholasticus
Hand unter den Akten der Landesbibliothek besitzen,
sind werthvnll, weil sie manche Streiflichter auf die
frühere Bibliotheksgeschichte werfen und fernerhin die
Persönlichkeit des neuen Bibliothekars mit guten
Strichen kennzeichnen. Dieser Mann ist eifrig bedacht
auf das Interesse seiner Sammlungen und macht ver-
ständige Vorschläge zur Hebung derselben, Während
man die Vorbereitungen für die Zurückverlegung der
Hochschule nach Jlarburg traf, tauchte der Gedanke
auf, die Fürstüclie Bibliothek dorthin abzugeben und
nur die für die Universität nicht nöthigen Werke zu-
rückzulassen. Ein Memorial Schülers vom 4. Januar
1653 trat diesem Plane mit aller Entschiedenheit ent-
gegen ***). Die Bibliothek, so führt es aus, ist von
Wilhelm IV. für Kassel gestiftet und in diesem Sinne
von Moritz bestätigt, sie gehört zum Hause Ka68«l;
komme die Universität einmal davon ab, so gehe aucb
die Bibliothek, falls man sie damit verbände, zugleich
verloren. Wolle man einzelne Fächer geschlossen au»
ihr abgeben, so sei folgendes zu beachten. Die juri-
stischen und politischen Werke müssten der Käthe wegen
zurück bleiben, die matht-mati^cheu Bücher gehörten zu
den Instrumenten, die botanische, zoologische und
chemische Sammlung aber könne in Kassel nütjslicher
*■) Mscr. AstroD. foi. 8. [Stand. Landesbiblioth.]
**) Sobreiben der Wittve des Scholistioiu ps. d. 15. Jan. 1672.
A. L B.
•*^ A. L. B.
247
gebraucht, werden als in Marburg. Habe man dagegen
vor, aus sänimtlichfii Abtlieüuiigen einzelne Stücke
auszuliefern, so mache man alle Fiicher unvollständig.
Entweder — und dieses ist die energische Schlnss-
fnrderung — man giebt alles ab oder nichts. War
Scholastitiis so auf Krlialtung des Ueberkommenen
eifrig bedacht, so suchte er auch für die Vermehrung
de.s Bestandes zu sorgen. Seit 35 Jahren und noch
länger, so führt eine Kingabe vom 19 Mai 1654 aus*),
sei nichts mehr hinzugekauft, und doch werde täglich
neues gedruckt. Man möge die lUibletten, zumal die
raedicinischen, vertauschen oder verkaufen, man solle
Beträge für Neuanschaffungen auswerfen und müsse
schliesslich den Bxicbdruckern hier im Land zu Marburg,
Kassel und Kioteln auferlegen, von jedem bei ihnen
gedruckten Buche einen Abzug frei zu liefern. Wir
stossen mit dieser Forderung, die gewiss mit den
scharfen Bt-stimraungen, die der Kaiser hinsichtlich der
l^fliehtlieferntig für den Frankfurter Bücherverkehr
damal.s erlie.ss **), in Verbindung zu bringen ist, zum
[ersten Mal in Hessen auf die Angelegenheit der Frei-
exemplare, deren Beitreibung dank den höflichen
Weigerungen maiicher VerpHichteten noi.li heate nicht
eben zu den annehmlichsten Dienstobliegenheiten des
Bibliotheksheamb'U zählt. Ile.brigens war der Vorschlag
des Suhola.stifus, der unberücksichtigt blieb, damals
von grösserer Bedeutung als jetzt, weil zu jener Zeit
in Hessen verliältnismässig mehr gedruckt wurde als
heute. Unter Scholasticus — vielleicht erst durch ihn
— war die Bibliothek nach Fächern aufgestellt. Ob
er (»der bereits ein früherer Beamter den Katalog an-
gelegt hatte, der nachweislich***) am 20. Juni 1670
♦) A. L. B.
••) Kajip. Cteschichlü des Deutschen Buchhandels. Bd. I
8. 661 ff.
***) Sohraibea des Aageloci'stof. A. L. Ü.
seinem Nachfolgor ilberlipfert wurde, aber leider verloren
ist, war nicht festzustollen.
Scliolasticiis sollte ilio Früchte seines Schaffens
nicht langt' grniessen. Schon im Mai 3654, nachdem
dir Kunstkammer mm hergerichtet war, ging man damit
um, iiini dio Vcrwidtung derselhf^n zu nnhnien *) : ein
Jahr darauf sollbni ihm Bibliothek und Kunstkaramer
f ntzogen werden **). Ein Uechtfcrtigungs- und Bitt-
gesuch bewirkte noch einen Anfsclinh der Entlassung,
bis im März 1657 endgiltig der Dr. Michael Angelo-
crator (Engelhard), ein Mediciner and fürstlicher Leib-
arzt, den Befehl erhielt, sich von Sciiolasticus die beiden
Sammhmgen überliefern zu lassen ***). Die Abnaiime
zog sich mehrere Jahre hin f ), denn es stellte sich
herans, dass sowohl 3t) instrumenta ff) als auch eine
grosse Anzahl von Rücheni nicht mehr vorhanden
waren, Scholasticus starb am 4. December 1669, ohne
dass die verlorenen Werke beschafft waren ; man hielt
feich nun an seine Wittwe Elisabeth Christina, die
wunderbarer Weise alsbald die mathematischen In-
strumente und darauf die Bücher bis auf 1 h Bände am
20. Juni 1670 ablii-fHrte Iff). Die noch fehh;ndeii waren
bis zum 15. Januar 1672, wo die Wittwe in einem
Gesuch um Erlassung des Ersatzes flehte, noch nicht
zurückgekommen*!). Ob der biedere Ehevogt, der
*) Memorial des ScholasHcus |»s. d. 19. Mai l(J54. A. L. B.
^^^ •*) Sohreiboii des Soholastinus ps. d -"0 .luiii 1655. A, L. B,
^^^r ***) Einifabe der Wittwe pa. d. 16. .Iiuuiar l(j72. A. L. B.
V ■}•) Bfiriclit des Aiigoloi-rator vom 8. Nov. 1658 and Yerfuftung
■ vom 16. .luni 1650, A. L B
■ ff) IhtncX-er, Die Erwerbung der ITalzer nofliibliotliek. Im
■ CentralWatt für Bibliotheksweseu. Bd. II S. 214.
■ .|^j Bericlit des Aiit;elocrator vom 20. Juni 1670. A. L. B.
I üeber deu Todestag des t!choIasli«ni9 s. dos flans TleiDrich Aniold
I Hauschntnika. 8. UX Ms.n. ilass. 4" II. |Rtiliid lAndosbililtnthek.J
I *f) Schreiben der Witlwe ». o,
einer P^hehiilftt nach deren ÜHständnis reichliche
Schulden hinterliess, die Folianten versetzt oder ver-
iUissert liatte, und die?* dtT Grniid zur Amtsr-nthehting
gewestfu ist? Zwei andere Möglichkeitfii bleiben fn^ilich
ufFfn. Die* fraglidn^n Werke konnten einmal bfi dem
Urazug in die neuen Käame, bei welchem nach des
Seliolusticus Berichte *) die BihSiothek thntsäddich
llichstahle zu erleiden gehabt hatte, mit verloren ge-
gangen sein, uder «ie waren verliejien, und der Benutzer,
der nicht gebuclit war, liatte die Rücklieferung ver-
gBäsen.
I Wie schlimm es in Ausleihesaehen gerade damals
bestellt war, beweist ein Fall, der kurz aus den Akten
dargestellt werden möge. Her Trofessor ('rocius hatte
ei seiner Uebersiedelung imch Marburg, an dessen
rjeuhegründeter Hochschule er einen Lehrstuhl erhielt,
eine grössere Anzahl meist werthvoller Weike am 24.
Juni 1653 aus der Fürstüchen Bibliothek zu Kassel
geliehen erbalten, um .sich „deren bey der hohen 8chul
ein Jahr über zu gebranclien" **j. Crocius, der nach
Jahreefriöt nach Kassel zurückzukehren gedacht hatte,
kam hinterher niciit wieder von Marburg fort, und so
sehen wir ihn auch noch 1659 im Besitz jener Bücher.
Damals bewog die Hesurgnift vor baldigem Tode den
Gelehrten, sich am 15. Juni freiwillig zu melden mit
der Anfrage, wohin er die entliehenen Werke ai>liefern
könne ?*■**) Entsprechend dem landgräHithen Befehl
wurden die Bücher durch den Dr. med. Chr. Fr. Crocius,
der Liniversitiit.sbibliothekar war, aus dem Hause des
Entleihers abgeholt und „nebenst der Universität
Bibliothec absonderlich und wohlverwahrt*' hinge-
*) Schreiben des Soholasticus. s. S, 248 Atmierk. •
♦•) Wüisutig ati Suholasticius vom 9. Juni I6n3 uikI Schreiben
•ebst Kntleiliscbein des Crocius vom 24. d. M. A. h. B.
♦♦♦) Brief den Crocius vom 1ü. .luni 1659. A. L. B.
setzt *). Nun ruhtti die Angelegenheit und mit ihr
dJH Bündle nuf der Marburgur Universitäts-Bibliotlifk,
bis AiigHlocrsitor unterm 6. Aprit 16(il diP Rückliefernng
vvi<id»;r in Aiirnguiig brachte **1. Aber es gingen weitere
4 Jahre ins I^and, ehe nach Marburg die Verfügung
erging, die dort aufbewahrten Bücher sollten eingepackt
und so lange hinge.st^'^llt werden, bis man Gelegenheit
zur lli'ht^rfiihrung naoh Kassel hätte ***). Jetzt scheint
zum Ijnglück die Gelegenheit ausgeblieben zu sein,
weshalb Angelocrator nochmals am 27. September 1666
in recht bestimmtem Tone die Angelegenheit höheren
Ortes in Krinnernng brachte f). Dies half endlich.
Bereits am näxdisten Tage wurde der Dr. Crocius an-
gewiesen, die „fasse" mit den Büchern dem Kammerrath
Walther zu zeigen, während Letzterer den Befehl erhielt,
dafür zu sorgen, dass sie „von ampt zu ampt durch
einen expre.s wohlverwahrt und unbeschädigt abge-
schickt" und „womöglich in Begleittung jeden ortea
Landtkneclite bi.s anhero zur Bibliothek gebracht und
Dr. Aiigelucrator überlieffeii" würden tt) Damit wird
dtMin die in dieser Hinsicht recht lehrreiche Entleiliungs-
geschichte endlich iliren .4bschluss gefunden hab**n.
Ange.sichts solcher Misstände war es begreitlith,
wenn der neue Bibbotln-ksinnpektor Angelocrator, um
ähnlichen Vorkomm ni.ssen vorzubeugen, in einer Eingabe
vom 10. April tftöö u. a. durum hat: „Das Ihro
Durchlaucht möthte ein befeUli urtlieilen, das wer
♦) Laiidgi-ftflifhes Srhreibeti an Joh. Crocius vom 28. Juni
lt)5ü und dc-^gl. an Pr. innd. Crocius. A. L, B. und fhas in den
Ileaa. Beitnigew zur (^olelirsanikeit u. Kiinsf, Bd. H S. 2H3.
♦•) A, L. B.
•*•) Schreiben der I.aiidgralin an Dr. Crocius vom 10. Ajiril
1665. A. L. B.
t) Memort*] dos Angclocrator. A. L. A.
ff) Verfügungen an Dr. med. Crocius und Wallher vom 28.
Seilt 166«. A. L. B,
ler auss der Fürstl. Bibliothf^c «ntlehnen würde,
las er solche innerhaäb vi<T woclit'n wider gaiitz undt
'uiibfifli'tkt wider (^inliefft^rcn uiult iiiflit jalir undt trig
bey sich bfdialtt^i inüsten"*). Diesem Voschlag wurde
unt^rra gleicben Tage entsprocben und hinzugefügt,
dass jeder K-ntleilun* oinp ..pobriftliehe einschickende
und beylegende uhrkuiidt" auszustellen hab« **), und
sofort nach Ablauf von 4 Wochen bei Nichfeinlieferung
Anmahnung erfolgen solle.
Nahm sich so Angelocrator d«r Bücher draussen
nach Kräften an, so suchte er ihnen auch in ihrem
eigenen Heim den Auf*^nthalt möglichst augen<dim zu
machen. Da-s f,Losament'' auf dem Marstall bedurfte
der Wiederherstellung, es regnete hinein, Kalk und Stuub
verdarben die Werke***). Auf dem Gange vor dej
Bibliotlieksstube, an dem auch die Zugänge zur Rüst-
nud (.ie.scliirrkammtjr sich befanden, lagerte getroekn^iter
Flachs, im Räume nebenan waren Fruclitvorräthe aufge-
sfieichert. Danach zogen sieb die Mause, die öfters ihren
Raub bei den Büchern bargen und diese benagten f).
Auch hiergegen schritt der neue Bibliothekar, zumal
ihm der Stallmeister, der erste Mann im MarstHilsg<d)äude,
gro8se »Schwierigkeiten bereitete und sogar g«degent]ich
zum Schabernack Bibliothek und Kunstkammer ver-
riegelte, mit allem Nachdruck ein. Auf seine Vorstel-
lungen hin wurde befohlen den Uang sauber, rein und
unter stetem Verschluss zu halten, wäbrond die bisherige
Fruclitkamraer den Zwecken der dem Angelocrator
anvertrauten Sammlungen eingeräumt wurde ff).
»*) A. L. B.
'*) Befehl an Angelocrator v. 10. Aiiril Ißttö. A. L. B.
m*") Memorial Vüm 10. April 16«ö A. L. H.
|p f} EiDgabeu vom 6. Apiil liHib und 10. Stipt. 1666 nebst
n zugeborigen Kettulutiiinen. A. I<. B.
f t) s. die vor. Aumerk. und das Sclireiben des Augel. v. Nov. 66
nebst Resolution v. 10. Nov. 1666. Ä. L. B-
252
Zur Vurmehning der Bücherbestände griff man
zuiiiu'tist zwei Vorschläge des Scholasticus von neuem
Huf: dif Vt^räusserung dt^r überflüssigen und unvollstän-
digi'ii Wt'rkr« und d'w Huranzit-hung der Buchdrucker
niiil Verlf'gi'r in den Fürstlichem Landt^n zur Li»*ferung
VDii Frnicxemplareu *). Ersteres bheb auf ^ich beruhen,
|ft/t.t'T('8 wurdn einer weiteren Verfügung vorbehalten,
dit* jedoch ausidieb. Von grösster VVicIitigkeit dagegen
war 08, dasH Angejocrator unter Berufung auf die
KrJtliirmig dei» ver.storlienen Landgrafen Wilhelm VI.,
diT zu jeder Frankfurter Messe 5C) bis 100 Ueichsthaler
für die Bibliotliek hatte bewilligen wollen, im Jahre 1665
bei der Ijandgräfin Mutter es durchsetzte, das« „alle
ilieHsi^n" aO^ im Jahre also 100 Thaler, zu Bücher^
ariBchaffiingen ausgeworfen wurden. Dem Inspektor der
Hibliothi'k wurde befohlen, jedesmal eine „SpeciticAtion"
tier Bücher, die mau zur Frankfurter Mes«e oder sonst
niitbringen lassen wolle, bei Zeiten zu übergeben, worauf
dann „Assignation" und Zahlungsbefehl erfolgen sollte **).
Haue rnau hiermit einen ständigen jährlichen Verlag ge-
WHiuien, iso blieb derselbe jetzt merkwürdiger Weise fast
utiangebrochen und war so bereits ira Jahre 1672, wo
man ihn in Angriff nahm, auf öOOTlialer angewachsen***).
Man zog aus dieser übel angebrachten »Sparsamkeit den
SchluBs der UnbedürftigkiMt und setzte deshalb den
jährlichen Zuschuss auf die Hälfte, also auf ÖO Thaler
herab. Eiiizelni' Ankäufe hatten freilich immerhin
inzwisclien stattgefunden, unter denen ein grösserer die
Erwerbung der Hücher.sammlung des Hofmalers ßngel-
hardt Schäffler war, die für l'i TJialer gekauft und am
10. Üeceniber 1666 der Bibliothek einverleibt wurde f),
•) s. die öfters erwähnten Meiuorialia. A. L, B.
••) Memorial vom 6 A|»ril VUlh nebst Resolution vom 10.
A|.iil a. .]. A. L. B.
**•) Veifüjjuiig Rti *lie Hpnlkainmer vom 1. Februar 1672. A. L. li.
f) Büülioirecliuuütj vom 17, De«. 1660. A. L. B.
Warf II wir in der Lage von der Wirksamkeit des
Ingelncrator ein deutliches Bild zu gewinnen, so sind
'wir hinsichtlich seitu^s Nachfolgers auf nur äusserst
dürftig!' Nachrichten bi-fithränkt. Johann rhili[jp Il»>ppt>,
der fdienialigc Lclirer der Söhne Wilhelms VI., der nach-
mals vom Artillpripoffizier zum Obersten und Comman-
danten von Kassfl eniporstifg, muss die Geschäfte der
Bibliothek schon im Februar 1673 geführt haben*),
wenngleich die endgiltige ITt-berliffcrung der genannten
.Anstalt sowie der Kunstkainmer an ihn erst am 11.
^pril 1G73 dem Leibarzt Angelocrator befohlen wurde**),
^'ach kaum einem Jahre seilen wir indessen schon wieder
einen neuen Herrscher in der Hibliotliek, den aus Bern
als Krzielier der hessischen t'rinzen im Jahre 1670 nach
Kassel berufenen Johann Sebastian Haas, den treuen
JE^reund Denis Papins.
Seit Heppe, besonders aber seit der Amtsthiitigkeit
jines Nachfolgers, herrscht auf der Bibliothek regeres
Leben, jetzt erst nntJite man die Mittel ans, die fürstliche
Gnade der Anstalt bewilligte. Hatte man früher schon
ausser zu Kasseler Buchhändlern wie Joliann Schütze
nn<J Johann Ingebrand auch gelegentlich zu auswärtigen
Druckern und Buchführern wie Matthäus Merian und
Jjakob Gottfried Seylnr in Frankfurt in Beziehungen
gest-anden, so finden wir den Let-ztgenantiten seit dem
Jahre 1673 in regelmässigem Geschäftsverkehr mit der
tibliothek ***). Landgraf Moritz hatte einst der Bnch-
biritlerzunft zu Kassel den nlh'inigen l'apierverkanf
^verbrieft, woxu Wilhelm VI. am 29. Mai 1652 das wnitere
^^Vorrecht hinzugefügt hatte, dass die Zunftangehtirigen
^KnUein auch die Kalender und andere gebundene oder
•) Buchen echruiiif: vom 20. Februar 1673. A. L. li.
") s. Dwivker im Centralbl. f. Rihliotlieksw. lld. 11 S. 214
nu.s Akten des Kas!<eier Museums.
***) Büc'herreciinxiufjeu aus doni 17. ,Ihd. A. L. B.
1^:
PFr.
_Ja
254
ungpbundf nt' Bütljer feil haben sollten *). Dies galt
jedoch nur für dit* innrktlusc Zeit im Jahre; an dea
hieben offenen Jaiirinärkten, wo die Budenreihen auf
dem Markt und den iiächstgelegenen Gassr-n und Plätzen
aufgeschla-^en wurden **|, war auch den answärtigeu
Bnchführern dpr Handel mit Büchern freigegeben. So
sehen wir denn aiuh ijeii Frankfurter iSeyler zunächst
zar Zeit der .lahriiiärkte in Kassel, falls ihn nicht Reisen
nach anderen Orten am Erscheinen behinderten. Jedoch
wurde bereits Anfang 1674 entgegen den Zunftbriefen
dein Cieiiannten von der Landgrätin bewilligt, auch za
anderen Zeiten im Jahr als zur Messe seine Bacher
feil zu halten ***). Seyler bezahlte fOr die.««e Erlaubnis
jährlich zwölf Tlialer, gab aber statt dessen auch ge-
Ifgeiitlicli Hru^kwurke wie z. B. 1675, wo er der
Bibliothek 2b Karten von Samson anbot, die bereitwillig
statt de« (ieldes angenommen wurden. Uebrigens flos.sen
die Mittel für die Anschaffungen ziemlich reichlich,
auch konnte man vermuthlich zunächst noch von den
Ersparnissen der Vorjahre zehren. Allein für Bficher-
ankauf ohne dif Knsten des Kinbindens wurden im
Jahre 1673 rund 150 Thaler, 1674 etwa 30() und 1675
ungefälir wiederum Ifvt) Thaler verausgabt Eine be-
sonders kostspielige Krwerbung machte man im Jahre
1674, wo aus London die unter Leitung des Theologen
Brian Walton in den 5Üer Jahren erschienene grosse
l'olyglnttenbibul nebst dem zugehörigen Lexicon hepta-
glotton des Castelli bezogen wurde, die allein die Summ«
•) Sammlung Fürstlicli-Hessiucher LAndcsordHungen. Tli. III
S. 401. Dies Privileg bestätigte Carl aiii 12. A|iril 1682.
•*) SrJimnuke, Beschreibung der Hesideiiz- und Hauptstadt
Oassel. S. 3"J2 ff. Die Ruulidrueker hatteo ilir<? Staude in der Nabe
der Kmizlei s. Brunner. üescluclite von liaudel und Uewerbo
in Ca-ssel ... In d. (.'asael. Allgein. Zeitung. Jbrg, 1891. Doc.
•*•) Eine Vorurdiiung vom 18. Februar lüäG [IjandesorUnaageQ
Th. III 8. 400J machte dies überhaupt für künftig giltig.
Hbi
115 Th. 24 all). 6 lilr. verschlang. Diese sog,
Londoner Polyglnttn lijl<1ct: mit d«*!- snlir .selt«?ii gu-
word^ri*'!! Couiphiti'iist'r i'olyglotti" von 1513 — 17 und
dt-r Ajitwerpener oder Hiblia regia vnti ir)B9 c-ine Zinrdp
er reichlialtig<*n Kasseler BibelsammliHvg und ist wegon
ihres liühen wissenschaftlichen Werthes noch lu-ute
ein gesuchtes und theueres Werk *). Hei den Neu-
eschaffiingen bediejito man sicii ziiweih^n des sach-
kundigen Bciraths des hukHiiuten Johann Dietrich von
Kunovvitz, der selbst eine bedeutende l'üc-hersamnihnig
besass, die später, alh^-dirtgs auf l'mwegen, z. Th. in
Besitz der Laiidesbibliotbek gekommen ist**).
Für deu l*jiubaiid wurde meist alsbald nach dem
Einkauf der liücher gehiiriger Massen gesorgt. Ausser
dfu liuehbindern Gerhard Henckel und Johann Dieterich
Abel, von denen der Letztere z. B, 1672 ein Kh^inod
der Anstalt, die Luift'tscbe auf Pergament gedruckte
Bibel von 15fil ***), neu band, erscheint als Meistbe-
scbäftigter Juliaini (ieorg Striegel, der nachmals am
27. August lÜ8ti 07 JahrtJ alt zu Kns.sel verstarb f)-
Uebrigeiis Hess man dem biederen Meister nicht immer
die Rechnung unbeanstandet ihirchgehen, sondern sie.
wurde zuweih-n zunäclist vom Bibliothekar um etliche
Thaler und Albus „decourtirt*', worauf dann der nach-
prüfende Kassenbeamte gelegentlich der glatteren
Rechnung wegen auch noch die übrigen Albus abzog
und nur die Tbaler stehen lies» ff).
*) Ileoi-Eitri/k-lopädie f. protest. Theologie . . hg. v Ilerxoti.
d. Xri S. 23 IT. und Qraesi^e. Ti.'sor 1 8 :KJ2 f.
•*j iSYr/a/rc Bd. V S, 190 Aiiinerk. ; Schieibeu des Hopptv
vom 7, Aug. 1H73. A. L. li. Dir Kataloge der Kunowitzscheii
Bibliotliok bcsiUt die Landi-sbibliotlieV unter Mscr. litt. fol. 11
und 4« 10.
••*J Bibl. German. fol. 6.
I f) B. Auszüge aus Hans Ileinricli Arnolds Hauschrou. Msci
Hasä. 4» 11 S. 19Ü. [Stiiud Uiidesbild.j
■(••(•) BücherrechDungeu 17, Jhd. A, L. B,
Säinmtliche Bücher, die neu ankamen^ wurden
nach hohem Befehl in den Bibliotht^kskatalog, von dem
eine zweite Aanfertigang sich auf der Land-Can«lei
befand, eingetragen. Es ist dies der oben bereits er-
wähnte alt.(^ Katalog, der m. W. nicht auf uns gelangt ist.
Eb war im September lti77. als der Bibliothekar
Haas, um der unnützen Ballast auf der Bibliothek los
zu werden, in einem Schreiben an den Landgrafen
Carl diesem die Veräasserung der bei der Sammlung
„sich in du[ilo befindenden oder deroselben sonst uuan-
stiitjili;^<*ii Bücher" vorschlug mit der Bitte um weitere
Verfügung. Der Fürst genehmigte unterm 6. September
di'ii Antrag, worauf der Verkauf der I>nbletten - - es
waft'ii fjüij Stück — begann *). Kaum hatte sich die
Kunde hiervon verbreitet, als ein Störenfried, der dem
Kasaelsehen Hause schon mehr als einmal Schwierig-
keiten bereitet hatte, Ernst von Hessen-Kotenburg,
brioflieli beim Landgrafen die Ansprüche seiner Linie
auf einen Theil der Bubletten aussprach und zu begründen
suchte**). Wir müssen, um dies Auftreten zu versstehen,
in die 20er Jahre des 17. Jhds. zurückgehen. Als
im Jahre 1627 der erste Abschied zwischen den beiden-
genannten Linien aufgerichtet wurde, hatte man rflck-
sichtlieh de« Zeughituses, der Bibliothek u. a., ohne
sich darüber völlig auseinanderzusetzen, von Roten-
burgischer Seite sieh den vierten Theil für den Fall
des Ablebens des Landgrafen MoritK vorbehalten. AU
man dann im Jahre 1(>4<) in einem weiteren Abschied
u a. die noch .schwebenden Funkte erledigte, gab
Kotenburg, damit die Bibliothek, die ohnehin von ge-
ringem Werthe sei, der Universität nicht entzogen
würde, zumal e.s schon nach dem Tode Moritzens dossen
") Orig. Schreibeu de.i Wasta und laiidgr. Verfügung (Eatw.)
A. I^ B.
••) Orig. Briof. Rlioinfelss d. S./18. Mai 1078. A. I^ B.
I
besontlern Kamnit>il>ibliotlifk frhalten hatte, seine An-
spriube :inf; dagugni gcstliaL damals von derKassPÜschea
Seite aus das Erbifti'ii, ,,wari etwas von Juristischen
Bücliem in diiplo vorhanden, das solches der Fürstbchon
Roti'nhfrgiscliiTi Ib-rschafft. wan sie es begehrte, ausge-
fidgt werden, niL-ht.sdt'ätüw*Miigfr aber in dem übrigen
d^r FürstUehen Rutfenbergischun Herrschaft, und deren
Bedienten sich derselben zu gebrHUchen und darzu ein
freyer Access zu dem Ende nicht henummen, sondern
ausdrücklich vorbehalten seiji solk' *). Auf dies Zugeständ-
nis gestützt, das er in Anlage abschriftlich htüfiigte,
b(^Bnftj>ruchte jetat Landgraf Krnst für seinen Be-
volliiiiiclitigten Kies freien Zutritt zur BibUothek,
Auslieferung der noch vorhandenen juristischen Dubletten
und Schadenersatz für die bereits veräusserten. Ks
war wunderbar, dass die Linie jetzt nach dreissig
Jahren mit diesem Anspruch hervortrat. Landgraf
Carl Hess sich zweifellos durch den sicheren Ton des
Schreibejis einschüchtern und verlangte alsbald eine
Liste der noch unverkauften sowie der bereits verkauften
Dubletten, ja er ging in seiner Auslegung der Ahniachungen
von lü4ü so weit, dass er nicht den Det^tand der
Hihliothek von damals, sondern den des Jahres 1677
der Auslieferung zu Grunde legen wollte. Hiermit wäre
er der gleichen, aber irrigen Auffassung Ernsts völlig
entgegengekommen.
Der Bibliothekar Haas Hess sich inz\vischen ge-
nügende Zeit zur Abfassung des ihm auferlegten
Verzeieliiiisses, er hielt es für nothwendiger, zunächst
den Hoteuburgischen Gesandten und alsdann seinen
*) Für diese AuBeinandersetzQDg s. Abdruck Derer Zwtschea
dem ilooh-KüiHtl. Regier, llauso Hepscn-Cnssol Und dfi" Aljgcflicilten
Für.stl. JvolenlturRisthen Linie Weijoti der Qunit erriuliteteii Vor-
triigi'. Cassel 1762. besonders S. 7 ii. 25. Fornur liie Eingabe dos
Scliulasticus vom 4. Januar 1663. A. L. B.
N. F. Bd. XVII 17
fflnstlichen Herrn über die Gmndloeigknt der "wt»^
d«« Landgrafen Krnst geraachten, vermeintlicben Rechte-
«nupriiclie auf2uklär<MK Diese Kingabe des Haas ist von
eritschHidendera KinHiK<s auf den weiteren Verlauf ge-
wesen *), Kr erklärte mit vollem Hechte, der AnHpmch
auf Dublptten könne sich nach dem Abschiede von UH6
»inngemäsf* nur auf den damalig«.»n Bestand erstrecke«,
»eitdem »i>i vieles zur Sammlung liinzugekomme-n ;
dift iJiblintheken Wilhelms V. und VI. seien mit ihr
vereinigt worden, die siegreichen hessischen Waffen
hätten in Fulda und Paderborn Beute eingeholt, eine
Lhizahl von Büchern sei durch Kauf hinzugewachsen;
daher kiinien die jetzt vorhandenen Dublcttpn. nicht
aber au8 rier Bibliothek, wie .sie von Morit^ä hinterlassen
wäre; wären damals I)<ippelstflcke vorhanden gewesen,
so würde sicher s.Z. l>uiMlgrafH<'rnianii nicht v»rabsäuint
haben, sie einzufordern. Vollständig im Sinne dieser
Aufsfiihrungen fiel nun das Antwortsschreiben aus, welches
am 18. Mai von Kassel nach Rheinfels abging. Caii
wies nicht nur das Kotenburgische Ansinnen rundweg
ab, nein er führte auch zugleich einen Gegenstoss aus,
indem er den Landgrafen Ern.st ersuchte, zu vi-ranlnssen,
dass die Bücher, die sein Bruder Herrnann vor vielen
Jahren aus der Kasseler Bibliothek eutliehen habe,
endlich an ihren Platz zurückerstattet würden **). Nnn-
nu'lir trat der Ittiteiiburgfr in seiner ICrwiderung ***) in
so weit {h'ii UückzDg an, als er jetzt entgegen den
iliirrli stMiien Bevolhdächtigten Ries ausgesprochenen
Fiirdennigen erklärti-, dass auch er seine Ansprüche
nur auf dieje.ivigen Werke bezogen sehen wolle, die aus
*) Entwurf uiidafirt; zu sotzeti xwisolieii 8. n. 18. Mai IC78.
A. L. B.
••) Entwurf. A. L. B.
•*•) Orig. -Seh reibe II vom -^ 107S. A. L. B.
259
seines Vaters Bibliothek noch doppelt vorhanden wären
sowie auf die, die „in wehrendem Krieg auss den Clöstern
und anderweitig acquirirt" worden seien; wie er hierin
auf Entgegenkommen hoffe, so sei er andererseits zur"
Aufsuchung der von Hermann entliehenen und bisher
nicht zurückgegebenen Bücher in jeder Weise erbötig.
Leider lässt sich der jedenfalls nach seiner grundsätz-
lichen Seite hin wichtige Rechtsstreit nicht weiter ver-
folgen ; wir werden jedoch kaum annehmen dürfen, dass
Hessen-Kassel aus seiner einmal eingenommenen Stellung
wieder herausgegangen ist. Gewiss aber sehen wir Haas
auch in dieser Angelegenheit als tüchtigen und treuen
Beamten, wie er sich stets im Dienste seines gnädigsten
Herrn und Fürsten bewiesen hat.
Wir sind am Ende, denn wie wir unsre Dar-
stellung im Anfang anlehnen mussten an einen Auf-
satz Dunckers über das Gründungsjahr der Kasseler
Bibliothek von 1580, so können wir sie auf der anderen
Seite stützen durch das Jahr 1686, über deren glänzende
Erwerbungen aus der Pfälzer Erbschaft gleichfalls erst
Licht verbreitet zu haben ein schönes Verdienst des
verewigten Gelehrten ist und bleiben wird *), Ein
zweiter Beitrag mag uns demnächst ins 18. Jahr-
hundert führen.
*) s. 0. S. 248 Anm. .O,
17
260
^l^ei
VI.
Znr Geschichte der Schmalkalder Eirchen-
hibliothek.
Eine Berichtigung
von
Dr. Carl Scberer.
reimbach schreibt in seinem Aufsatz „Die Bibliothek
im Lutherstübchen zu Schmalkalden" in der Zeit-
schrift des Vereins für Hennebergische Geschichte . . ,
zu Schmalkalden. Heft l (1875) S. 8 : ,,Es ist von noch
jetzt Lebenden behauptet worden, dass diese unsere
Bibliothek zu Gunsten der Landesbibliothek zu Cassel
im 2, oder 8. Dezennium unseres Jahrhunderts geplündert
worden sei" und sucht sodann diese Angabe als irrig
zu erweisen einmal mit der Begründung, dass der Bücher-
raum zu Schmalkalden, der niemals grösser gewesen sei,
noch jetzt vollständig und lückenlos besetzt sei, und
zweitens aus der Erwägung heraus, dass es, die „Plün-
derung" vorausgesetzt, räthselliaft erscheinen müsse,
warum man dann gerade die werthvollsten Bücher der
Lutherbibliothek unberührt zurückgelassen habe. Ich
bin in der Lage, diese Beweise zu entkräften und in
diesem Falle den alten Leuten zu ihrem Rechte zu ver-
helfen, denn thatsächlich besitzt diu Ständische Landes-
261
lübüotht'k zu Kassel «inige wenige Werku, die der
iScbiiuilkukier !S;uiimIiing lijitiiommt-n t*ind, ohne dass
freilich hiiirdiircli dür Ausdruck „riünderurig*' gerecht-
fertigt wikde.
In dem Abdruck des 1752 zu iSchmalkaidfin bei
Ilfiiirich Willjchn (.iül)el erscliiciietieii Catalugiis I Biblio-
thm-ae Kwlesiae Sniak'uUlensis *), den dio Küsswk'i-
Uibhothek besitzt, findet sich von dw Hand Jacob Grimms
dr-r F'iiritrag: a" 1829 sind aus Schmalkalden folgende
dieser Bücher nach Kassel zur Kurf. LSibl, gekommen:
fol. 3. deutsche Bibel. Nb. 14H3.
Ö. Docretum Gratiani. Basil 1486.
107. 1Ü8. Vischers Postill. Schmalk. 1570. 1574.
2 voll.
114. rrbuni Regii teutsehe Sehr. Nbg. 1562.
134. JUjusv%itae opera. Norimb. 1501.
4" 20. Graf Boppen loci communes, Ulsen 1587.
Nur 6 Nunnnerii sind tm mit 7 Bänden, aber kein
Werk ist ohne einen gewissen Wertli, wührend zwei
darunttsr von hervorragender Bedeutung sind.
Die loci communes, eine nach saeblichen Gesichts-
punkten geordnete Spruchsammlung, ititeres.sireu nus
ihres Verfassers wegen, des eifrig lutheranischen Boppos
XU., eines der let.zten Grafen der Schleusinger Linie**);
die Ausgabe des llhegius ist die erste der deutscheu
kSchrifteu des hervorragenden Lüneburger Reformators
überhaupt ***) : die Yischer.schen Werke haben für eine
hessische Bibliothek ihre besondere Bedeutung als
*) Leiiubach schciat ihu ebenso wenig 7.u leenneu wie den in
Oet'til/n'rts flistoria SchnialL-aldica enthaltenen Katalog, naiid-
.SLhrinUt:h auf der Ijinfle.sljibiiiitliek, jptict gedrückt in der Znit-
schrift des Vereins l'. lleuiiolK Gösch. . . . Suii|il, Hft. I .S, 4n IT.
••) s. SfhuUei:, Dijilomat. Gcsoh. des GriUll. llnusos tlenuc-
borg. Th. II Abth. C S. 18&— 191.
•♦•) AllRemeino Deutsche Diograj.hio. üd. 28 S, 374—378.
262
Schmalkalder Drucke, die Rasier Ausgabe des Decretums,
eine der 39 *j, die allein schon das 15. Jhd. brachte,
stammt aus d(}r berühmten Druckerei des zweiten be-
kannten Daseier Druckers Michael Wenssler **). Ein
prächtiger Druck ist die Nürnberger Bibel von Koberger
aus dem Jahre 1483, die neunte unter den hoch-
deutschen und von diesen wiederum die erste, die einen
gebesserten Text und zu demselben grosse, in unserem
Exemplar grob kolorirte Holzschnitte brachte***). Letz-
tere sind freilich bis auf die acht zur Apokalypse, die in
Nürnberg gefertigt wurden f), nicht neu ; sie sind viel-
mehr von denselben Holzstöcken abgezogen wie die der
älteren niederdeutschen, Kölner Bibel, als deren Zeichner
manche den Israel van Meckenem (Meckenheim?),
andere mit grösster Ilnwahrscheinlichkeit den Nürn-
berger Michael Wohlgemuth ansehen wollen ff).
Dios unter fol. 134 verzeichnete Werk schliesslich
mit dem vollständigen Titel „Opera Hrosvitac Illustris
Vir I Ginis Et Monialis Germanae Gen j Te Saxonica
Ortae Nupet A Gonra | Do Gelte Invtmta" wurde nach
dem handschriftliclien Eintrage, wie so manclies andere,
von David Pforrius am 26. üctober 1687 der Kirchen-
bibliothek geschenkt. Wir haben in ihm den Erstlings-
druck der Werke der Gandersheimer Nonne vor uns,
deren Handschrift Conrad Geltes bn Kloster St. Emmeram
•) Ilain, liopcrtor. bibliograpli. Vol. I P, 1 S. 496—504.
•*) Kappy ('loschiuhte des deutschen Buchhandels. Bd. 1
8. 113 IT.
**♦) Walfhcr, Die Deutsche Bibclüborsctzuug . .. Th. I (1889.)
Sp. 106—111 u. 116—117. Hase, Diu Kobergor. S. IIG ff.
t) Thmmnij, Dürer. Bd. I S. 65.
ff) Haue a. a. 0. MtiÜier. Die ältcsteu deutschen I^ildur-
Biboln. S. 6—13; und, Die deutsche Bücherillustration der Ootliik
. . . Bd I 8. 51—52. Gracsse, Tresor. Bd. 1 S. 376; Xagler,
Künstler- Lex icon. Bd. VIII S. 535 ff.
263
zu Regensburg aufgefunden und 1494 für die Heraus-
gabe, die 1501 zu Nürnberg erfolgte, geliehen erhalten
liatte*). Acht grosse (h. 215 br. 145 mm) Holz-
schnitte sind dem Druck zur Zierde beigegeben, sie
wurden einst Dürer **) un d werden neuerdings Wohl-
gemuth und seiner Schule zugewiesen***).
*) Die Werke der IlrotstciVia. Ilg. von Baraek S. LV if.
**) Oraesse, Tn'jsor. Bd. III S. 381. Dies erhöhte noch be-
sonders den Werth der Ausgabe. Sie sind Dürer cntscliioden ab-
gesprochen von Thnusiiuj a. a. 0. Bd. I S. 276.
*♦♦) MtUhcr, Büchorillustration Bd. 1 S. 63.
2ft4
VII.
Zur hessisehen Familienffeschiehte.
Von
Aug. Heldmacn.
1. Das Bachsackische Familienstipendimn zu
Marburg.
fr I'farr*-r Conrad Buch sack, wek-her s^fit J^'in
Anfangs dts 16. Jahrhamlert-i zn Ros^nthal stand
nnd dur«;li »-iin^ am Cäcili^'ntajre 22. Nov. IS*"*! von
Schi»MUfreuiidtn. H»'nruh von I)»T<ch und Volpert
.Schenk zn Schweinsbt-rg. au^gt-st-^lltt" Irknnd^ DifF»^
renz'^'n mit d*-m Klostt-r Ilaina Wfg»»n streitiger Pachte
beil*-gen lif-^.s * . hinterlie.ss bei seinem um 154C> ••"»rf<"»lgten
Tode neben «rinigf-n frühzeitig verstorbenen Kindern einen
gleichnamig»'n Sohn Conrad Buchsack. gen. Hess. w»»lohor
als Schulth»-i»s zu Marburg am 15. Januar lo^Mo kinder-
los starb, und zwei Töchter, beide Catbarina genannt,
von welchen die eine au den Marburger Hofgerichtsrath
Dr. jur. David Laucke Lucanus ■ aus Frankenb^rs. die
andere zu Kosenthai verheirathet war. Von der letzteren
wissen wir nur. dass .sie zwei Töchter, Elisabeth und
Kloäter Haiaai^che- CopialbucL Xr. 119.
265
Margaretha, und mehrere Knktil Lattt\ deren einer Nico-
laus Bössler hiess.
Der Schultheiss Coiinid Biiclisack bestimmte laut
Stifhings- und Donationsurkundp vom S. Thoniastage
21, Dez. 1565 die Zinsen eines Kapitals von lOOO Gulden
harter, grober, ganghafter Münze, wnlchns die Univer-
sität Marburg mit Genehmigung des Stittlialtt-rs Hur-
kard von C ramm und des Kanzlers Reinh. Scheffer
zur Einlösung der von den Klöstern zu Wirberg, ürün-
berg und Nordshausen vordem versutztm Fruclitreiiten,
niiinlich 72 Ma!ter Grünberger Masses und 70 Kasseler
Viertel, von ihm geliehen hatte *), zu einem Benetizium
für zwei .Studierendu aus seiner Verwandtschaft derge-
stalt, dass zunächst der obige Nieolaus Bossler bis zur
Erlangung einer Anstellung die Zinsen der Stiftung ge-
niessen sollte. Nach ihm sollten dit^setben in zwei
gleichen Theilen an je zwei Knaben aus des Stifters
Freundseljaft, welche zum Stadium dienlich befunden
und ins l'ädagogium zu Marburg aufgenommen werden
könnten, und zwar jedesmal nur, „bis sie zu Conditinnen
geljraucht werden*' könnten, sofern aber keine Studie-
rende aus seiner Verwandtschaft vorhanden, mit Vor-
wissen des Rectors und Decans <U^r Universität Marburg
ran je einen bedürftigt^i Stndterendmi aus Marburg und
Rnsenthal, eventuell an arme Studirende überhaupt, die
sich fromm und fleissig erweisen, aber nicht länger, als
bis jeder durch seine eigene Gesehicktichkfit sicli das
Brod selbst erwerben köntu^ von zwei Kxecutoren ver-
thuüt werden. Der Empfang uiul Genuss des Bene-
fiziums soll jedoch nicht an ein bestimmtes Faknltähs-
studintn geknüpft, .soiuiern die Fakultät gleicligfUtig
sein. Ditj Kx4'cut<irt'n sollen im Falle der KückzalilnTig
des Kapitals Seiten der Universität Marburg für and<.'r-
•) Caesar, C^talogi studioiäorujui scholao Marpurg. Part.V, p. 11.
266
weite sichere Anlage desselben Sorge tragen. Als erste
Exekntoren ernannte der Stifter »einen Schwager, den
HofgerichtÄrath Dr. D. Laucke, und seinen Vetter Hein-
rich H o f m a n n, gen. Rosenthaler, zu Marburg und Hess
die Stiftungsurkunde durch den Universitätsroktor Dr.
jur. Cour. Matthaous und die Professoren Dr. theol.
Joh. Lonicer und Wiegand ürth, sowie den Dekan
Mag. Peter Nigidius und Mag. Theoph. Lonicer be-
siegeln.
Die Universität war durch den mit diesem Kapital
erlangten Vennögenszuwachs an Früchten im Stande,
das Kapital schon 1572 wieder abzutragen, worauf es
die Stadt Marburg „zu sich genommen mit der Ver-
pflichtung, davon jährlich Stipendia mit 50 fl. Pension
(a fl. = 26 alb., a albus — ■ 12 hlr.) uff Trium Regum
vermog gemelts Curdt He.ssen selig Stiftung verrichten
zu lassen." Seitdem ist das Stiftungskapital bei der
Stadt Marburg, welche neben Rosenthal, wie bemerkt,
eine Eventualexspectanz auf das Benefizium für ihre
Söhne hat, verblieben und bei der StJidtkasse unter be-
sonderem Titel neben dem von P'Jisabeth Schönbach,
gen. Lasphe, 1539 für zwei Marburger Bürgerssöhne
zum Studium der heil. Schrift ge.stifteten Benefizium
von 400 fl. und dem im Jahre 1720 für einen lutheri-
schen Studenten gestifteten Brunn ersehen Benefiz
von 100 fl. verrechnet, eine Aufkündigung aber von der
vorhinnigen Regierung zu Marburg am 25. August 1823
dem Stadtrathe ohne desfalls vorher dazu erwirkte Ge-
nehmigung der Regierung untersagt worden. Ungeachtet
die Collatoren bereits 180L und 1802 beantragt hatten,
da.ss die Stadtkämmerei die Zinse nach der hessischen
Verordnung vom 18. August 1786 berichtigen solle, und
laut einer von dem Mttnzrathe Fulda unter dem 18.
März 1800 aufgestellten Kvalvation das Stiftungskapital
von 1000 fl. im 10' /s Guldenfuss, wovon die Stadt nur
I
W^'
Rtlilr. 20 C. alb. Ziasen bezahlte, nuninelir im 20
Gtilclenfuss UmO Guldfin 47 xr. = 1307 Rthlr. ß G.
aih. 1 hlr. iiietJerhcssiscliPr Wiilirung In>tnig, so wurcU;
dit! Stadtkikminerrn doch erst durch Verfügung des
Steuercollegs zu Cassel vom 17. Mai I81i) angewiesen.
die Zinsen nach diesem Fusse mit jährlich 08 H. "2 xr.
1 hlr. = ri5 Rthlr. 10 sgr. 8 hlr. vom Jahre 181i> ab
au.szuzahlen, sodass die Stiftung dadurt:h in dieser Zeit
»einen Verlust von mehr als 15 Rthlr. jährliuh oder 864
fi. 40 xr. 2 hlr. im Ganzen erlitten hat, welche der
»Stadt zu Gute gekommen siad. Als diu Stadt Marburg
1856 ein grüsseres Anlehen durch Ausgabt} von vier-
prozuntigL-n \Vei-t.h[vapi(!n-u aufnahm, Iil'.ss dieselbe ohne
Rücksicht auf di^' Regieruiigs-Vt^rfügung von 182B das Stif-
tungskapital aufkündigen, verglich .sich jedoch sclilieas-
licii mit den Iteidcn ('(ȟatnren ill. und 17. Febr. 1858)
dahin, dasselbe vum Jahre 1858 ab zu vier I'ntzent
verainstich zu behalten, sodass seitdem der Zinsenertrag
auf 156 M. 85 Pfg. zurnckgi'gangen ist, welcht-r jähr-
lich, am lieil. Dreikönigstag fallig, an zwei Studenten
mh^' Schüler ih-r Oh{*rklasscn des Gymnasiums aus den
Kaclikommen der Sclivve.ster des Stifters, Catharine
Lucanus, verwilligt wird.
Eint' Oeschräukinig auf das ehemalige Kurfürsten-
thum oder Studierende zu Marburg ist von den CoUa-
toreii niemals anerkannt, .'sondern das Benefiz auch an
die ^'achkomnieri im Grossherzogtliurn um! Studierende
zu Giessen, als Tochteruniversität Marburgs, und weil
zur Zeit der Stiftung Hessen noch ungetheilt gewesen,
verliehen worden. Es ist dieser Grundsatz schon im
origen Jahrhundert hinsichtÜch der ganz aus Hessen
verzogenen Familien Dorn.seif und von l'renschen ge-
bandliabt wordi-n.
Minüiehtlich der Collatnr trafen im Jahre 1587 die
vom Stifter dazu ernannten Dr. lJavi<l Laucke und
268
Hcinr. Hofmaiiii d. A. die Bestimmang, dass nach ihrem
Ablt^bea ihiu-n ihre Söhne, welche dazu tauglich sein
würden, darin folgi;n sollten, nämlich der .spätere kaiser-
liclie Hofratli und uuj^urische Festungsdirekttor Job.
Lucanus und Joh. Hof mann oder Heinr. Hofmanns
Bruder Ludwig, „damit nicht die Freundschaft um das
herrlich»' Kleinod durch fremder oder nngesipter Leut«i
Verwaltung utul Nachlässigkeit kommen müg«." Ludwig
Hofmann wurde nach seines Bruders Tod vor dem
8tadtschreiber am 16. Jan. 1589 alsCoUator verpflichtet^
und nach Dr. David Lucanus Tod (151HJ) folgte ihm sein
Enkel Mag. Ludwig Lucau in der Collatur. F.im;
Veri)tlichtung dt*r ('olliitnr*'n ist .«^iiäter ausser Gebrauch
gekomuu'U. Der überlebende ('ollator hat in der Regel
den anderen cooptirt, wobei darauf Rücksicht genommen
worden ist, da.ss jede der beiden berechtigten Linien,
die Lynkeritjche und Herdenische .sowohl in der
Cullatur vertraten, wie bei der Verleiliung thunticlist
bedacht worden ist. Meistens ging die Collatur auf die
Sühne, wenn diese dazu tauglich waren und in Marburg
oder des.sen Nähe wohnten, über. Doch i.st es in älterer
Zeit auch zuweilen hinsichtlich der Collatur und der
Bezug«lunechtigung zu förmlichen Processstreitigkeiten
zwisclum den Cum pi-ti-ntcti vor der R<*gierung zu Marburg,
so H>88 zwischen dein Dr. jnr. Dan. Reysser und Lic.
Simmer zn Marburg gckomnn-n. Aiuh s]Ȋter noch be-
vollmächtigten die unter anderen Herrschaften geseeseuHn
Familien Prenschen und Chelius den Regierungs-Pro-
cnrator Rabe zu Marburg, ihn' Anspruch»' g"gen einige
Cullatoren zu Marburg, welche, die ("ullatur und den Ge-
Tiuss des Eieiiebciums auf ihre Familien zu beschränken
sucliten, geltend zu machen, indem hs durch unge-
nügende Aufsiebt der Universität dahin gekommen,
dasi^^ Simmers Sohn das Beiiebcium 17 Jahre bezogen
und im Genüsse gestorben sei.
I
I
^
Die Verleihmig erfolgte in älterer Zeit in der Regel
für die ganze Studienzeit; in Folge der grossen Aus-
breitung der Nachkommen des Stifters geschielit die-
selbe seit 1853 nur noeh von Jahr xu Jahr. Ks bat
daher auch die von der Stadt Roseiithal in ihrem
Steuerkataster für ilirr Kiiidin' gewahrte Eventuali'xs|Jek-
tanz keine Aussicht <xuf Vi-rwirklichuiig. I>ie beigefügte
Stammtafel, welche die Nachkommen bis zum Ausgange
des 18. Jahrhunderts gibt, aber keiTieu Anspruch auf
Vollständigkeit macht, gibt nur die Hauptzweige und
Namen der berechtigten Familien. Es gehören dazu
noch die Familien : Justi, Schedtler, Kolhe, Kahler,
Wenderoth, Clinlius, VVieber etc. Nnbilitiii wurden:
1) Der kaiserliche Hofrath Dr. jur. Nicolaus Christoph
von Lynker (geb. zu Marburg 2. April 1643, f zu
Wien 27. Mai 1726 und begrahtMi im Kloster dur
Bchwarzen Spanier daselbst], ein Sohn des Universitäts-
vogt Aegidius Lynker und Urenkel dos Job. Daniel
Lynker d. J. zu DagobfrisliausiMi, welcher mit Catha-
rina, der letzten dtvs Hallenberger Zwejg.s der Sclu^nck
zu Schweinsberg, vermählt war. Nicolaus Christoph
von Lynker, welcher 1670 Professor der Jurisprudenz
zu ü!ies.sen, 1680 zu Jena und wiederholt von den
sächsischen Herzögen mit Gesandtschaften an den Kaiser-
hof betraut war, wurde durch Diplom Kaiser Leopukls 1.
d. d. Wien 7. Oet. 1G8S in den Adels- und Kitterötand,
und 7, Aug. 17(Xt in den lieithsfreiherrnstand erhoben.
Die Nachkommi^n, welche im Wappen ein silbernes
Lamm in blauem Feldn führen, theüf-n sich in die grättich-
liitzt'nwieck.sclH^ in Bühnii^n ansässige und in die frei-
h+^>rrlichen, schlesische (ältere) und thtiringi.'3che (jüngere),
Linien, die schlesischi! Linie in den älteren Damnier-
schen und jüngeren briindenburgisehen Zweig*).
) Uotbaiscbus frcUicrrl. TascbeubucL 185«, 8. 4üy ff. 1870,
8. 533.
270
2) Aus der Familie Preuschen, welche sich von
dem aus Frankenberg stammenden Pfarrer Mag. Henrich
Preusch zu Roddenau, f 1657, und dessen zu Schün-
stadt gestandenen Sohn, dem Pfarrer Joh. Michael
Preuschen herleitet, durchs 18. Jahrhundert die beiden
milchlingschen Patronatpfarreien Schönstadt und Sterz-
hausen inne hatte und am letztgenannten Orte mit dem am
29. Januar 1832 verstorbenen Bauer Joh. Michael Preu-
schen im diesseitigen Lande erloschen ist, wurde für
Georg FiHist Ludwig Preuschen, bad. Geh. Rath, spät.er
Kaiserl. Reichs-Kammergerichts-Assessor zu Wetzlar, zu-
letzt Nassau ischen Geh. Rath und Regierungspräsident zu
Dillenburg, und dessen Bruder Ludwig Conrad Preuschen,
Burg-Friedbergisdien Kanzleirath, durch Diplom Kaiser
Josephs IL d. d. 8. März 1782 der angeblich alte Adel
ihrer angeblich luxembnrger Vorfahren von Preysch
erneuert, 28. Juli 1791 der erstgenannte unter Vermeh-
rung des Wappens und mit dem Prädikate „von und
zu Liebenstein" in den Reichsfreiherrnstand erhoben,
nachdem derselbe (11. Juli 1783) von Nassau mit der
Burg Liebenstein und Herrschaft Osterspey und von
Baden als Graf von Spanheim mit der Burg Osterspey
belehnt worden war. Ihre Nachkommen, welche in
nassauischen Diensten standen, theilen sich in eine
ältere von Georg Ernst Ludwig und jüngere von Lud-
wig Conrad von Preuschen abstammende Linie *). Beide
Nobilitirte waren Urenkel des am 11. Jan. 1683 beim
Brande des Pfarrhauses zu Schönstadt umgekommenen
Pfarrers Mag. Joh. Aegidius Ruppersberg und des obigen
Pfarrers Henrich Preusch zu Roddenau, Enkel des obigen
Pfarrers Joh. Mich. Preuschen und Söhne des Pfarrers
Gerhard Helfrich Preuschen zu Nidda. Zwei andere
Brüder August Gottlieb und Friedrich Wilhelm standen
') Oothaisch. frciborrl. Taschonbuch ia^7, S. 558. 1859, S. 594.
in badisclien Diensten als ( onsistoiisilrath, bezw. Geli.
Rath zii Karlsnilip.
3j Alis der Familie 1'' c ii ii e r, wulctu^ von diun aus
Hejdelbach bei Alsfeld gebürtigen und als Kaplan zu
Lohra ICibii gpstorliL^nfiti Heinrich Fenner, bezw. dpss<>n
a!s l'farrer daselbst I72(j g''stni'benen Ktiki'l Joli. Liidwif^
Fenner abstammt, wurde den Hrndeni Au;^. Ferdinand
(t als Krtdsrath zu Kirclihain) und Friedrieli Wilhelm
Fenner. Sühnen des Majors Hcinrieli ('hristoph Pfiiiier.
von welelien der erstere Major im 1., der andere r;i]dtjin
im 2. Hess. luf.-Rpgiment war, d. d. Wien *J1. Jan. liSl7
und rbi-nso ilirein Vetter, dein Geli. Hath und llruniieiiMrzt
Dr. med. Heinrich ('ln'i.sto|ih Mnttbarns Fenner zuSrlivval-
baeh, einem Solin»' ile.s Oberpfarrer.s Ludwig Hejinieh
Fenner zu Marburg, am 17. Febr. 1821 dio Krianhnis.s
j5nr VViederannahnie,' ihres angeblitli TyroK-r Adels als
Fenn er von Fen neberg ertJieilt. Ein Enkel des obigen
Friedrich Wilhelm Fenner und Sohn des k. k. öster-
reiclii.schen Feldmarschall-Lieutenants Franz Philipp
Fenner von Fenneberg aus dessen h'Aw mit einer tirätiii
Ferraris war Ferdinand Fenner von F., welcher in Folge
seiner Führerstellung in den iy48er Hevolutionsbewe-
gungen in Oesterreich und in der Pfalz 1849 den .^del
verwirkte und zu Newyork im Wahnsinn verstarb, dessen
Trielitern Agnes und .'\delgunde ji-doch in Folge des all-
genuinen Auiiiesstiedekrets vom 20. Juni 1807 durch Ordre
d. d, Laxenburg 21. Juli 1871 der Adel restituiert wurde.
Die in den erwähnten Diplomen eirthaltenen Uedewen-
dungen von Erneuerung das abgelegten Adels der an-
geblich luxemburgischtüi oder tyrolisehen Vorfahren sind
nach der in den Diplomen seit dem 17. .Jahrhundert
üblichen Redeweise zu beurtheilen. Eine Erneuerung
di's Adels liegt hüehstuns vor bei der Familie Lynker,
welche, wie bemerkt, mit den Schenken zu Schweins-
berg schon im 1(>. Jahrliundert verschwägert war und
im Bt'sibEe ritterschaftlicher Giiter zu Dngobertshausen
bfi Marburg, sowie clnrch [Kundschaft dos Hnhnisch»Mi,
seit 1570 Dersischon Kittcrguti's Tu'isbach bfi Vi.-r-
münden sich befunden hat. Endlich
4) aus dpr in der Stammtafel wiederholt vorkom-
mendon Familif Fabricin.s, widche aus oinor Börger-
fainilip Schmidt zu Schlitz abstammt und im 17. Jahrb.
zu dem das lutherische Kirchen we.son restaurirfndt'n nnd
li'ittMidcn Marburger SupfrintfndcntHn Dr. thftol. (j«'f»ry
Herduni 118 in naher verwandtschaftlicher Hezif^hung
stand, ist der hessen-daimstädtische Geh. Rath, nachherigo
Kanzler und kaiserliclu' Hofpfalzgraf Dr. jur. Philipp Lud-
wig Fabricius ans Bierstein (geb. 1599, | 14. AugUbt
IH66) durch Kaiser Ferdinand III. am 19. Nov. 1644
in den Ueichsadelstand crlKtbcn. Fabricius, anfangs bei
der IlegifTung zu Marburg, dann zu Giossen, zuletzt zu
Darnistadt, liatte zur Wrwirkliclmng der Be.strebjnigen
Landgraf Georgs JI. die Wirren des drei.ssigjährigen
Kriegs beizulegen und dem Vaterlande den F'rieden ■wieder-
/.ugeben, schon in jungen Jahren wiederholt Gesandt-
scliaftiMi bekleitlft; er war namenilich zu den Friedensver-
liaiHUungenzu Prag and Pirna und dem Reicbsileputations-
tig zu Frankfurt i lG4"ll deputirt und enifFnete am 5. Mai
1650 aufs Neue die Universität Gieasen. Landgraf
Georg II. elirte .seine Verdien.str durch Htdehnung mit den
hessischen Lehen der 27. Ukt. Iüii4 erlüsdienen Familie
V. Schleyer, gen. Schlaegerer zu SchifFelbach, nämlich
deren Gut zu Gemünden an der Wiihra und der Wüstung
llerting.shauseti zwischen Rosentba! und Gemünden *)
Kowie mit mehreren i.senburgisfhen Lehen, über welche
dem Laiulgrafen Georg 11. kraft der ihm v<un Kaiser ein-
gerüumtiMi Bi'sitznahmp iler (iiafscliaften Isenburg und
ISruitngeij die Lehn.sh(dii'it danial.s zustand. Es wnreti
dieses die ilurch das im Dezember 16H<> erfolgte. Aus-
♦) Lebiibriof d. d. 8. Nov. 16.Sö.
273
sterben der Familie Schlaiui von Linilen eröffneten Ltlinn
zu GrossrMilimlpn *), sowio ein durolj den Tod des Joh.
Wilhelm von Lautern und Pihrliard Wilhelm von Sal-
ffld frr)ffn(4r>s isenhurgisches Ilafgnt zu Stnniinht'ini **}.
Als die desliaihige Kaiseil. Cessirmsakte vom 7. Juli 1635
später durch Vertrag vom 24. Nov. 1642 zwischen Darm-
stiidt und den Grafen von Isttnbarg rückgängig gemacht
wurde, erkannten h-tzti-re die vollzogenen Belehnungen
ausdrücklich an. Fabrizius Nachkommen wandten sich
später nach Norden in Mansfeldische, Lüneburgische
und Mecklenburgische Dienste und änderten ihren lati-
nisi**rten Namen Fabricius in den französierten Fabrice;
ihre hessischen Lehen zu CJemünden verkauften sie 1710
an den Major Wolrad von Hornung. Aus ihnen stammt
der königlich siichsische Staats- und Kriegsminister Alfred
von Fabrice, geb. 23. Mai 1818, f '-^ö' März 1891,
welcher wegen seiner Verdienste um Erhaltung der Königl.
sächsischen Armee in drvn Bedrängnissen des Jahres 1866
und seiner rastlosen Tliätigkeit um deren Reorganisation
in der Folgezeit von des Königs von Sachsen Majestät
am 1. Juli 1H84 in den erblichen («rafenstand er-
hoben wurde.
AnJagon zu 1.
Ich Conrad Buchsagk, genandt Heß, Schultheiß
zu Marpiirgk, bekenne und thue kund hiermit inännig-
lich: Nachdem ich ohnlängst dem Elirwürdigen und
Hoehgelahrten Herrn Rectori, Decauo und Professoribus
der liiblichen Universität Marburg Tausend Gulden
Landeswebrung, den Gulden zu 26 alb. gerechnet,
um rutid auf 50 Ü. jährlicher Ztnß auf einen jeden
Neiienjahrstag fällig nächst berührter Wehrung, Kraft
darüber aufgerichteten und mir zugestellten versiegelten
Verfichreibung ausgethan, und durch beschehene wirk-
•) Essfiectaiizbricf d. <i. 6. Nov. 163ü.
") Lehubriofe d. d. 8. Mai 1636 uud 6. .Jan. 1638.
N. 9. XVII. Bd. I S
274
liehe tradition in ihre Gewahrsam cingfantwortfit, d*
ich luit zt'itigor guter VorhHtntclitmim initl zur B<>for-
derung Gottus Ehrnn, in der allerbesten beständigsten
Form und Gestalt, wi(^ das in Kraft nnd Macht einer
ffichtinässigen beständigen nnd in Rechten privilegirter
disposition oder Legati ad pias causas «um kräftigsten
aller Gtriclit und recht, Geistl. und weltlich beschehfii
aolle und möge, obberrührte 1000 H. wie hernach un-
dersciiiedlicben folgt, ad pio.s usus verordnet, ausgemacht
und gegeben habe, thne das auch jezzo hier mit diesem
Brief mit Mnnd, Hand und allen Worten, auch Gewahi«-
sainkoiten, wie da« am furmliehsten Kraft und Macht
haben solle und möge, also und der Gestalt, dass an-
fänglich Nicolas Bösslern, meiner Schwester C'athariua
sei. Tochter, nelinilicli Hli.sabetlien Sohn von Rusenthal
obberührte 50 fl. jährliclie pension zu Vollführung seiner
angefangenen Studien durch meine unten henante und
angegebene execntores von dato diegeö und fort von
Jahren zu Jahren und so lange biß er wird eine cou-
dition versehen können und länger nicht sollen gereicht
und zum Unterhalt wirklicii folgig gemacht werden.
Wie ich denn ferner in luid mit Kraft dieses Briefes
ordne und will, da berührter Nicohuis Uössler bei seinen
angefangenen Studiis verbleibt, und somit darin pru-
moviret, dass er wird eine condition versehen können,
dase alsdann die viel angeregte 50 H. jährliche pension
forter in zwei Tlieile gesezt und zweyn Knaben aus
meinen nächsten Freumlen, sie seyen gleich allhier zu
Marburg, Rosenthal oder sonst zum studio dienhch sich
wohl anlegen, auch sti fern kommen sind, dass sie all-
hier im Paedagogio können aufgenommen werden, und
also eiiHMJi jeden jährlich 25 H. sollen gereicht und zu-
gesteltet werden : doch mit der Maas und Bescheiden-
heit, da solche meinem nächsten Freunde zuständige
Knaben so weit ihre Studia bringen und vollführen,
276
dass Bie gleichfalls zu cojiditiojit'n küuiit'ti gpbraucht
1111(1 iM'stHllt werdiMj, dasö atsdann «olche viel berührte
50 H. |H'iisioii zwBeu anderen Knaben aus berührten
meinen Freunden in allermas, wie nächst gemt'ldüt,
sollen ausgt'than und von Jahren zu Jahren davon
wuterlialtüu werden und sollen hiorinneu die ärmsten
Freunde nllvvege den Vorzug haben.
Im Fall sich aber über kurtz oder lang zutragen
oder begeben würd«', dass aus meiner Freundschaft sich
kein« Knaben zum 8tudieri^n verschicken nnd begeben,
oder aucii dazn tiiglich befunden werden milchten, und
aber allhier zu Marburg, deßgloichen zu Rnsenthal
arme Kinder, so an beyden Orten gezogen und ge-
bühren, deßgleichen auch fromme und zu Stndiis dien-
lich vorhanden seyn würden : so sollen mit Vorwißen
und Itatli eines jederzeit regierenden Rectoris und De-
cani die zwey Executores meiner Freunde und Ver-
wandten einen armen Knaben aus Ilosenthal, welche
alsdann hierinnen in allerwege den Vorzug haben sollen,
2ö H. und einen ans Marburg gleichfalls auch 25 fl. so
lange und langer nicht dann biß ein jeder durch seine
eigene Geschicklichkeit sein Brod selbst erwerben kann,
jiihrlich zum Unterhalt liandreichen und geben, wie
ich denn auch, dass auf den Fall, da keine Knaben
aus Marburg and Rnsenthal hierzu tüglich und dienlich
befunden, ferner geordnet und in Kraft dieser meiner
letzten dispositioii und Verschafi"eniß gesetzt tiaben will,
daß durch berührte meine Freunde und die Herrn Rec-
toren, Dccanum und Professores, so zu jederzeit sein
werden, oft angeregte &0 H. jährlicher Pension zwey
armei^ Stndiosis, so sich frömlich und fieissig erzeigen
und zum Studio wohl anlegen werden, jährlich zur
nnferhaltung gereicht und darge.streckt werden sollen,
doch länger und weiter niclit, dvuu biß einer oder sie
alle bnide eine conditi<in nach Nothdurft versehen, und
18*
276
ihnen selbst Unterlialt schaffen mögen. Es sollen auch
diese Knahcii niolit, wif aiidtTi- geaieine Stipeinliaten
gehalten, sondern ciiinn jeden tnügelaßen worden, sich
zu pinrr Fütultät. ii;izu in Lnst hat und dieiiHth be-
funden wird, zu bfgelu'ti und wie andt^re frumniC' >Stu-
denton, so keine Sti|>endia liahen, zu Icluu. \ui\ ila
»ich hiiikiinftig über kurtz oder lang /iitriigen «idcr
begeben würde, dass dn; lü bliche Universität ullbier zu
Marburg (welches doch der Almächtige nach seinem
gütlichen Willen verhüten woU) in Abtall kojnnuMi,
odtT aber von derselben lUCK) H. vorgestreckten Haupt-
geldes abgeloist und meinen Krben wiederum verlegt
werden solten, so ordne, will, befehle und heisse ich,
dass meine Krben und Nachkommen solc;lie ll/K) H.
wiederum an gewisse Urte alsbfdd austhun und an-
logen, und die gewisse Verordnung und Vorsehung
thun sollen, dass die jährliche Gülten und Hentheii, so
jederzeit darüber fällig sein werden, Kraft dieser meiner
Stiftung jährlich ausgegeben und in keinen andoren
Gebrauch, deini wie vorgem«ldet und vuu mir in tliescr
meiner Kinsezung, Versehung gethan, angewendet und
ausgelegt werden sollen ; darauf die itzige und nachkom-
mende F.xecutores jederzeit zu dencken haben, und da-
mit diese meine fujulation und Stiftung stet atid vest
gehalten, auch zu jederzeit alle dasjenige, so darinnen
verordnet, wirklich und Heissig vollzogen werde, so er-
nennt ich hiermit den Ehrenhaften und Hochgelahrten
Herrn David Laucken, <ler Kechte Doctoren und Fürstl.
Hofgerichtsralh alUiier zu Marburg, meinen frenndl.
lieben Schwager, deBglcichen Henricli Rrvsenthal, nifMnen
Vetter, zu Kxecutoren, und wen dipselhen forters nadi
ihrer Gelegenheit heut oder morgen dazu aus der
Freundschafft an ihrer statt ernennen werden, will an«»>
dabeneben liierniit und in Kraft dieses so
alle und jede übrigkeiten, sie seyen G
277
Weltlii-h, unteTthänig und fleiösig gebeten haben, ob
diKser meiner dispn.sition und Einsezzung fleissig zu
Imlten und nit zu gestatten, daß dersolhen im geringstfin
widerlich, oder auch einigen Abbruch gehehen m(3ge.
TJocIi soll mein Testament dispositinu und donation, so
ich vur die«.<»r Zi-it andi-rer nieiiuT Güter und Naiu'iiiig
halber aufgerichtet, stet, fest und kräftig bleiben, und
dawider auth g»^gen diese meine fnndation und Stiftuug
von den iiistituirten Erben bei l'oen ilin-s geordneten
Anthejls nichts vorgenommen oder ins Werk gerichtet
werden. Alles iihiie Gefardi^ und Arglist. Des zu
wahrer llrkuiid habe ich mich mit eigenen Händen
unterschrieben und mein Insiegel hierunter au wißent-
licli gehenkt, auch zur Bewilligung der vorgedachten
i'Xf'rution und zu mehrerer Bekräftigung und ewiger
Handhabung di«*ser fundation die Ehrwürdigen, Hoch-
uml Wohlgelahrten Herrn Conradum Matthaeum, der
Rechte Doctorem und itziger Zeit der löbL Universität
Marburg Kectorem, tlerrii Joh. Lnnicerum und Wigan-
dum Urtliiuni, beide der H. Schrift Doctores, M. Pe-
inim Nigidium, Decannui und M. Theoph. Lonicerura,
alli- iler l.'iiiversit^it allhier KU Marburg Professores, ab
vci?i mir hierzu insonderheit erforderte Zeugen, dienst-
lieh und freiuidlich gebeten, dieser meiner Stiftung und
Insazzung siel) mit eigenen Händen zu unterschreiben,
auch vor sich die gantze Universität, und alle ihre
Nachkommen mit der Universität grosen anhangenden
Vnisirgel zu bekräftigen, welcher Subscriptiüu und Siege-
hing wir vorgenannte Rector, Üeeunus und l'rofessores
vor uns, die Universität und unsere Nachkommen also
hiermit bekennen, auch neben dem allen den Ehrbaren
linil Wnidgclahrtt'n Joh. Hartmann als üfifentlicht-n No-
"•«(.juirirt und ersucht, beneben ubberührten Herrn
m, diese meine fundation gleichfalls zu unter-
I sein gewöhnlich Notariatszeichen hier-
278
neben atifzudnicken. Welches geschehen Marburg Tia(
unseres Ilt.'rni und Seligmachers Jesu Christi Geburt
als man zählt 15H5 in <liii Thnmae Apostoli, 4en 21. xbris.
Conrad Buchsack, gut. Hess.
Cnnrad Mattliaens, Rector.
Joliatint's Lonicerus D.
Wiegand Orthius Th. D.
l'i'tras Nigidius, I)oc!iri.
Thi'ojih. Lonicerus.
Kgo Jnh. Hartmannus, auctoritati' impvriHÜ pubJ.
Notarins, udl liuiic actum reijuisitus, tru- in Yulvni omnium
praedictorum subscripsi et Notar, »igiuim apiiobui, quott
hac manu mea propria attestor.
Disposition der beiden ersten Executoren der
Buchsackischcn Stipendienstiftung, wer nach ihrem Ab-
sterben ihnen succediren solle:
Zu wissen und kundt sey Jedermann, so dessen
von Nöthen haben, dalJ nachdem weilandt der Ebren-
geachte ('urt Buchsack, genannt Heß, gewesen Schul-
theiß zu Marpurgk, Gott zu Ehren und seiner ganzen
Kruuudschaft zu Gute, Ihme selbst zu löblichen Ge-
dechtnuß ein Beneticium oder Stiftung von Taosendt
Gulden Capital oder Haupt Summa lauths Brief and
Sigelln aufgericht, dergestalt, daß jherlich Fünfzig
Gulden Pension davohn erhoben, welche Inhalt gemelier
Stiftung an seine Blutsverwanthen vornemblich nnd in
Mangel derselben sonsten nach Außweißung der fan-
dation zum Studiren angewandt wtirden sollen, und datui
zu steifer und Vesthaltung derselben Stiftung Wir Nacb-
benandte. nemblich ich Davidt Lauck von wegen mstner
Hausfrauen, gemeldtes Stifters [SchwesteniJ, and ich
Henrich Hofmann, genannt Rosenthaler, als auch Blnth»-
verwandter und Vetter des Stifters, zu '"
solcher Stiftuni» mit dt'm Anbang vornem'
279
uml verordnet worden seyndt, Also daß Wir die Tage
unsers Lebens, wie treuen F^xecutoren zusteht, dieselbe
Stiftung so viel iiiäglicli vcrwaltt^u luid handliahon,
auch auf den Fal) richtig andere Kxecntores an unserer
statt zu erwehlen Macht haben sollen.
So haben Wir beyd<^ obbemeldt** verordnete it^ige
ExecutoreB IJnß dahin freundlichen vergUiihen und Kraft
dieser Bekahntnuss vereiniget, Wenn der liebe Gott
nach seinem Gottl. Willen unser eineu über kurz oder
langk, odtn' aucii beide samptt von dieser Welt zu sich
abfiutleni würde, daß alsdann an unserer stedte zu
Veiwaltung solches Beneficii und Stiftung unsere Söhne,
wi'lclie dazu dienlich «eyn mochten, hiermit geordnet
seyn .sollen, inmassen Wir sie auch hiermit darzu am
kreffttgsten solches beschehen macht, verordnet haben
wollen, und benennen anfengltch dazu Ich David Lauck
meinen ältesten Sühn Jolianncm Lucanum und Jcb Hen-
rich Hofmanr» meinen Bruder oder meinen Sohn Jo-
hanneni Hofniann dergestalt, da Unser einer oder Wir
beyile sanijit mit Tüdt abgeben .solten, daß alsdann
diese benielte beyde Johannessen, oder uflf den Fall
andere Unser Söhne darzu dienlich seyn wurden, an
Unser stadt tretten und solch Henefieiuni oder Stiftung
in seim^n WurdiüJ. .so viel ihnen mt'iglich, eriialten jjollen,
im Fall aber dieselben ernandte als Ludwig Hofniann
nder andere beydc'rseit.s Freuiidschafft darzn zwo tüg-
licbe IVrsonen sich solcher Verwaltung annehmen und
aHesanipt dahin bedacht sh}-!!, das solche Verwaltung in
der zufiehfh'igen Freunde Hainjen hit-ibc, und die Freund-
bchaft iiit umb das herrliche Kleinoth durch Fremder
oder ungesipter Leut Verwaltung, wie es gemeiniglich
in solchen Fällen durch Nachlessigkeit zu beschehen
ptiegt, kommen möge.
Vcrnialim-n derhalben und bitten Wir itzige Exe-
cutoreii uii.sei' jSnchkooimen zu die-ser Stiftung gehörig
280
allfsampt daß sie dieselbe in ihren Würden und krefFtig
iussen und erhalten, so licL iluicii iÄvti und d'w Freund-
schaft ist.
Desen zur Urkundt etc. Actum Marpurgk im Jahr
Tausend Fünfliundert achtzig und Sieben.
David Lauck Dr.
Henrich HofFmann, der Blter.
Zu wilien, Nachdem weilandt der EhrgeHchte Cnrt
Bitchsack etc. kurtz vor seinem Tndt fine Stiftung von
IfKlO fl. Cupita! etc. uffgericht «ftc. und daiui zu Execn-
toreii und Verwaltern solclier Stillung den Ernvesten etc.
Dr. David Lauck etc. und Henrich Hoffmann, gen. liosen-
thaler, Bürgfr und L(>\ver zu Mur[)urg, von ermeltem
Stifter henantet, aber nncl) Schickung Gottes der «ine
Executor neniWich Henr. Hoffmium des nechst ver-
gangenen Jars Achtzig Acht mit Todt abgegangen und
daher an des.sen Stadt der Erb. Ludwig Ihiffmann, gen.
Rosenthaler, gedachtes Henrichs sei. Bruder zum anderen
Executor und Verwalter vor anderen als (h'ssen Stifters
Verwandten durch gedachten Dr. David Lauck erwi-hlt
i.st worden, ao hat gedachter Ludwig in Beiseyn Meiner
unterschriebenen Notarii und Stadtschreibers zu Mar-
purg zugesagt und gelobt solche obengemeldte Stitt'tung
treulich helffeii Hand zu haben, bis etwa derlmlben
weiter Verordnung erfolgen mag. Dessen zu Urkunth otc.
Actum Marpurg, den 16. Jauuarii anno 89.
2. Die Faustischen Stiftungen.
Der seit dem Jahre 1804 zu Treisbach im An»t.e
Wetter zuerst als Adjunkt, seit 1807 als Pfarrer ge-
standene C 0 n r ad D a n i e 1 F a u s t, gt-boivu zu Löhlbach
den 26. Okt. 1772 als Sohn des Pfarrers Job. Friedr. Faust,
hatte aus seiner Ehe mit Charlotte Dorothea Eigenbrodt,
geb. 22. JuH 1784 zu Hof Lauterbach bei Vöhl uu'
einen Sahn W i 1 h e l m G e o r g, welcher nach volltindeteni
theologischen Stiuliura als Pastor extraordinariiis 29.
Okt. 18^-^8 zu Treisbacb starb. Eine gt-lt'g^ntliche Bv-
mfii'kung des letzteren, dass fT, wenn nr über Verniögnu
zu testieren hiitti', dasselbe zu FuiniliRnstipendien be-
stimmen würde, wurde seinen Eltern Anlass, in diesem
8iniHr über ihr Vermögen k'tztwillig zu verfügen und dureh
Testament vom 21. Juni 1H3'J neben mehreren kleineren
Legaten für iiire l'athen und Dienstboten und einer Stif-
tung von 50 Tblrn., di-ren Zinsen unter Verwaltung der
Kirche zu Treishacb zum Ankauf von Schulbüeliern für
arme Kinder daselbst verwendet werden soIIhh, zwei
weitere Stiftungen zn inaciien, niimlieh 1200 Thlr. zu
einem Stipendium für Studierende und HOU Thlr. zu
einem Benefizium für VVittwen und unverheiratbete arme
Töchter aus den Nachkomuifin der Geschwister der Stifter.
Hinsichtlich beider Stiftungen sollen die Nach-
kommen des seit dem Jahre 1800 zu Löhlbach, seit 1823
zu Röddenau gestandenen Pfarrers Job. Wilbelm Faust
(f 15. Jan. 1836) und des.sen Ehefrau Mari<! Sophie
Amalie Antonette, geb. Eigenhrndt (f 11. Dez, 1845)
vor den Nachkommen aller amleren Geschwister den
Vorzug des Genusses haben, ein Heligiun.swechsel und
liebertritt zur katholisclien Kirche aber V(ni den An-
sprüchen an diese Stiftungen sowohl ilen ( 'onvertiten,
wie dessen Nachkonunr-u au.sscldiessen. Die Zinsen der
Stipendienstiftung .sollen einem Studierenden ohne Kück-
sicbt auf die Fakultät für je 3 Jahre des Universitäts-
studiiims, jedoch nicht über dasselbe hinau.s, aber auch
schon einem Secundan^r, der sich durch Fleiss und
gute» Betragen auszeichnet, nach Ahlauf der ü Jahre
aber einem andern Berechtigten verliehen, in F-rmaiigi'-
lung derselben die Zinsen zum Capital gt-sehlagen,
und die Zin.sen davon wieder, wie bezeichnet, verlieben
werden.
282
Ebenso sollen flie Zinsen der anderen Stiftung fiir
arme liintcrlasscnH und nnvurheirailifte Töchter n«d
Wittwen, welclin einen christlichrn und sittlichnn Wandel
fiilir<'n, an i'ine oder zwei solcher Töchter und Wittwen
von drei zu drni Jahren verliehen werden, der Ge-
nuxM des Lt'gatfs ahir dnrch Vorheiratlumg oder sonstige
Besserung der Lagis wimmi dies«* der Unterstützung nicht
mehr hodarf, erlöschen. Auch „sollen die Töchter ond
Wittwen vom Stande, wt-i! diese iiii.ht taglühnern können,
denen vorge!ien, die aus niedrigem Stamle sind, und so
lange die ersteren d» sind, stehen die Letzteren immer
nach," Die Verleihung beider Benitizien soll (§ H) ilureh
zwei der Aeltesten, je einen uns der Familie Faust
nnd Eigenbrodt, unter Aufbicht des Con&istoriums xu
Marburg geschehen und dieser Behörde jährlich Retdi-
uung gelegt werden, die Vermarhtnis.se aber er.««t nach
dem Ableben beider Stifter ins Leben treten, der über-
lebende! Khegatte als Universalerbe des erstverstorbenen
im Hesitz und (Jenuss des ganzen Vermögens bleiben (§ 8).
Der rfurrer Cour. Dan. Faust starb Jim 25. März
1843. Seine Wittwe überlebte ihn uui 28 Jahre und
starb erst am 2^. Dez. 1871 zn Wetter; .?ie wurde
neben ihrem Manne und Sohne zu Treisbach be-
graben. In die.ser langen Zeit hatten .sicli die Ir'reis-
verhältnisse der Lebensbedürfnisse gegen die frühere
Zeit wesentlich verändert: und die Wittwe, welche „ihr
Tlerz und Hand gegen Bedürftige nicht verschliessen
konnte", infolge dessen einen Tbeil des Vermögens ver-
braucht, so da.ss dasselbe zur .\uszahlnng der Vermächt-
nisse und Stiftungen nicht ausreiehte. i.'nter Berück-
sichtigung dieser Vermögeiisverminderung und weil das
Testament vom Jalire 18311 niani he juristische linvoll-
k'tmtnenheitf'n hatte, uamentlieli über die Nachlaas-
regulirung und .\usfülining der Vi'rmachtni.s.se nichts
enthielt und ein löachungsfühiger Erbe nicht vorluitKltm
283
war, äo setzte diu Wittwu uuf (irund thv ihr über-
tragenen Univpr-salk^rbschaft dnrrh feinen Tesfcunents-
iiaclitiag vom 5. Angu.'^t 1870 nebon einigen gering-
fügigen Zusätzen unter Wii-dürhnlurtg des lH3^*er
Testaments den Einsender dieses znm Erben ein.
Nach einer vom damaligen Consiatnriai- uml Kieis-
gorielitasdirektor Kraushaar zu Marburg entwurteneu
Consistorial-uud einer derselben beipHichtenden Gericlits-
vevfügung vom 6. bezw. 18. April 1872 erfolgte dann
diese Nachlassregiilierurig in der Weise, dass der Testa-
inentserbe, der die Erbschaft unter der iiechtswohlthat des
Inventars angetretPTi, auf die faicidische ^luirt gegen eine
angemessene Vergütung für s^iuc» Mühewaltung ver-
zichtete, und aus dem Erlös des Nachlasses zunächst
alte Gerichts-, Begräbniss-Kosten etc. berichtigt und die
Legate an die Dienstboten und für arme Schulkinder
zu Treisbacti im stiftunj^niässigen Betrage, dagegen die
Legate an Fanrilienglieder und an beide Faniilienstif-
tungen pro rata ausbezalilt vvurdi n. Aus dem Nachlass
von insgesammt '22*J1 Tldr. IH .Sgr. 0 Mir. konnten
nach Erfüllung obiger Verbttidhchkeiten (ii24 Thlr. H)
Sgr. 6 Hir.) an die Stiftungen (*tc. 85*/» Prozent be-
zahlt wt-rden, d. li. an die Stiiiendierisfiftung 102f5 Tlilr.
7 .Sgl". 1 HIr, und an die Tr>chterstiftung riÖ4 Tidr.
4 8gr. 1 1 Hlr., vk-orin die Erlischaftssteuer {&) l'ldr.)
enthalten ist. Letztere wurde mit 'S Prozent tiicht von
dem obigen wirklich gezaidten, sondern laut einer älteren
preussischen l"ubinet8or<lre vom 18. Juli 1845 von dem
gestifteten ganzen Ca|)itale [l'äß) und S(tO Thlr.'), also
auch von den nictit gezahlten 14';;- i'rozent des Stif-
tungjskaintals arigefurdcirt und bezahlt. Da von den
i>tiftern keine Bestimmungen über die ( 'ollatur getroffen
waren, so bestimmte der Tesiniieutiserbe den Pfarrer
und Metropolitan Reitih. Daniel Faust zu tJrosseii-
wiedeu bei Rinteln von der Faustischen FumilJ*'
284
den Pfarrer Oitstav Eigfiibrodt zu Steinbach b»'i
Giessen von th^r Eigen brotiti.soluni Si-ite zu f'ollatoren.
Boidf Collatoren vereiiibarton alsbald cnri vom Con-
üistorium genehmigtes Verwaltungsstatut über die Bc-
.stt'llung der Collatort-n, Reclinungsiegung und Verlei-
Iiuiigsmodiis der Stipi-ndii-u, .su dass die Stiftungi-n seit
1K72 in Kraft trrt»-» kcttuiten. I'er erste Henehziariiis
war der stnd. [iliil. l^'ritz Möller au?> Dodenhausen,
welclier im Jaliri' zuvtir nacli der Scldaclit bei Sudan
zum Leutnant avanciert und das eisern^ Kreuz erlialtL'u
liatt<". lurd als f )l»*'rtelirer am Kaiserlichen Lyceum zu
Mt'tz ll>. August 18H9 verstorheji ist.
Das GttsamnitconHiütorium zu Kassel, auf welches
naeli Aufhebung des Marburger C-ousistoriumö die Auf-
sicht über diese Stiftungen übergegangen war, wollte
.sich dieser ihn» anvertrauten Aufsicht ganz entscblagen,
weil diestdb^Mi ein kircldicht-'ts hiteress« iiiclit bütiMi und
jitellte höheren Orts dabin gehenden Antrag, der jedoch
selbst von dem damaligen f'ultusministHr hr. Falk nicht
gtiindimigt vvurdf, so dass dassrlbf erst l!S. Sept 187f>
dem Testamentserbeii dir crbet^-ne Dechargc ertbeilte.
Ht-n-cbtigt zn bi'idi'u Stiftutigcn sind die Nach-
kunum'n der (.T('!^t]i\vi.st('r di-r Stifft'r. Die Familie Faust,
aus welcher seit 171;') bis in die Neuzeit 15 Glieder in
geistliehen, einige auch in jutistisehen Aenitern in Hi'sseu
gestarub'n, v^isehieden von dervrni d«'m Hersf^-ldm" Hürger-
nii'ister < 'unrad Faust (ff (il5) abstammenden Familie*),
stammt von eini'tn Bergmann Alban Faust zu Kllers-
hausim bei Fraukenberg (f vor 1(335), dessen JCnkt-l
Andreas Faust zu GL'ismar drei Söhne geiistlicli
studieren Hess. Die Naebkoinnieti des Pfarrers Jnh.
Paust zu Maina if 1745». Halsdorfer Linie, haben keinen
Antheil an dtJii Stiftungen.
*) Strieder, Hobb. Gel. Gesch., 4, 75.
2%
Die Familie Eigetibrodt., welclie sich von einem
aus MarioiihagfMi bei Vöhl stammenden .Schmiedf" Jo-
hannes F, igenbrodt nnd d<'ss<'ii nach lSachsenhau,«ien
in Waldock verheirathntt-t» Sulm Ji>4it H t- i u r ic h (f U>97|
und dessen Khefraii Anna Klisah«jth Bchenu herleitet
inul im Laufe WHiiigci' Jahrzi^tnitii die tiüclisteh Staats-
iimtf'i' erreichte, ergibt die Uiiclisarkisudit' Stammtafel.
Der daselbst genannte älteste Hriider der Stifteriii,
Staatsratii Carl Christian KiijtMibrodt zu Ihirmstadt,
ist der Begründer des IH'M lan<!eslierrlieh bestätigti'u
historischen Vereins für das ürossherzogthuin llessiMi
ntid dessen Zeitschrift, iU'.h sogenainiten „Hessiächfn
Archivs", welchns derselbe mit einer diplomatisclu-n tii'-
schichte der Dynastmi vnn FalkeiisttMii t'rriffiict und mit.
mehreren anderen PublikatintiiMi ("ibt-r di*' Hessische Vor-
zeit versehen hat.
:i. Die Plittischen Stiftungen zu Wetter.
Im Jahn' lfii(2 vrrheirathete sicii dnr Bürgprssnlni
Job. Jacob IMitt aus Hindenkopf (f 1744), wti di«;si.'
Faniilin nncli in zaidreicben Glied«*rn bhllit, mit .'\niui
F^hsiibeth De.\bach zu Wetter und wunh' hierdurch der
Stammvater einer zahlreichen Natlikoinmen.schaft, die
zwar im Mannesstamme zu Wetter seit 100 Jahn'u
wieder erloschen ist, abf-r ausserlialb noch fortblüht und
namentlich eine Reihe von nainhaftt^n Theologen ht*r-
vorg*'bracht hat. Von Job. Jacob 1'lit.t.s zwiilf Kindern,
deren sechs jung starben, war der dritte Sohn Georg
Matthaeus, geb. 1. April 1701. nach kurzer pfarr-
ainthebtr Adjunktur in seiner Hcimatb 173Ü Pfarrer und
Dekan zu Caldern, wo er nach gesegnetem Wirken IT.
Juli I7n7 starb und in der Kirche begraben wurdo,
wühlend Johann Conrad 1*1 itt, geb. KiitT, vermiihlt
mit Anna Maria May, den St-amm zu Wetter fortsutzte.
Auch von seineu 11 Kindern starlveii 4 frühzeitig. Der
286
ältestr Sohn, nach seinem Grossvatpr benannt, Joliaun
.lac.ob l'lit.t. geb. 27. Fr.biuar 1727, wurd«' nach voll-
endeten theulogischen und jjhilosui)liischen Studien zn
Marburg (1744) und Halle (1745) und nach erlangter
philiixiphi.si.lMM- JliigirsterwiJrdf von seiner akademischen
Laufbalifi abgelenkt und 1748 zum zweiten Pfarn-r an
der lutherischen Cl«,'.meinde zu Kassel, wo er sich (17r)())
mit Henriette Sophie, des f Tfarrers Friedrich Philipp
Schlosser Tochter, vermählte, 1755 aber nach aieben-
jidiripei- reioh jj;esegneter Anitsthätigkeit znni nnlent-
licheii I'rofL'ssor der Theologie nacli Kinteln berufen.
Auf seiner Reise nach Rinteln erwarb er am 17. S«pt.
j, J. hei der theologischen Fakultät zu Göttingen di#*
tlienlogisclie Ddctürwiirde, iiiiclidetn er allen denhalbigen
Anforderungen genügt hatte. Irn Jahre I75ü übernahm
er neben seinem akadetiiiseheii Lehranite auch zugleich
wieder ein Pfarramt als Diakotui.s und bald nachher al.s
P;j.stur jiriniririnis zu Hintchi und wurde nach dem 1701
erfolgten AbSeben des \h. Jnli. l'liil. Fre.siMiius 17Ü2
zum Pfarrer, ("un.si.stftrialrath und Senior des geistlichen
lutherischen Ministeriuni.s zu Frankfurt a. M. berufen,
in Welcher ötelhing er auch die Hebungen des dasigen
theulogischen Candidaten.seminars zu leiten hatte und
Hill 6. April 1773 starb. Ur. Juh. Jacob Plitt stand
gegenüber dem eindringenden Ratinnalismu.s noch fetit
im alten Glauben der lutherischen Kirche, wie seine
zahlreicJien t!iecilogi.schen und philosopliischen «Schriften,
welche meist apologeti.schen Inhalte sind, und .seine ge-
druckten Predigten beweisen. Namhaft und bekannt
•sind be.«ii>niler.s seine Schriften über die Kijidertaufe*).
l'htt i*i über ni<'ht blos wegen seiner theologiscljen und
*) Beu-nK "lass die Kindortaitro in der JI. Schrift befoltlcu
utid in der oiRfon cbrjstliuhcn Kirch« üblitth gowogen. Hamburg
1751, Ih'nactinlt'o liistorictwthcologifn sistciis tcstimoiiia quorundani
otM'Iexiao ['ntriuii ]>m lia|itiNriui iiirantiirn a fulsiK iiitcrpreUtiouibiut
yfarramtliclioii Wirksanikfit an ili-r liitlM-ri^ilhii (lemeinde
zu Kassel urnl zu tiiiitcln, sujuNtii aiuli w«f(eii seiner
,,Nacliriclitrti Villi (Irr ol)fi-i)''.ssii.'>clu'ti ^St;ult Wt:'tt«'r und
d**r darauis stainnu'inii'ii GtOt'brtun." I7G9, in (li-m-n <t
seiner Heimatli iitid soioen Landslouteii ein ehrenvoll«'«;
GtHlächtiiis gt^setzt hat, von Bcdt'utnng. Plitt hnU>'
liifi'zu zwei Vorarbfiti'n vmi VVettfiiscIuMi Ijanilbli-utfii
und Anitslirürlfni, welch« er überarbeitet und zum Druck
bf'fürdi-rt hat. Von dem Pfarrer Jnh, Liulwig Mahrt
zu N*"Ustadt sin d*'r Hardt, spater zu Hersberg in der
CirafsL-haft Falkenbi-rg, geb. 12 November 1087, rübrt
der erstp Th^il, die eigentliehe Wetterische Stadt- und
Amtschronik her, ein Werk, in dem man über die vor-
reformatorisclie GeschichtH Wcttor», nftineiitbeli übi-r die
Vt'rhültnisse Hessens zum Erzstifte Mainz, sowie über
das dasige ,,frei weltliciie Stift unserer lieben Frauen
vom Himmelreich'' und vieles andere vergeblich .•Vuf-
schluss sucht, das ahrr wegen dpr rn-tlichen Keschrei-
bung, der l'farr- und Scbulvcihältnisse, sowie «lunli
Abdruck älterer auf diu Grsthitdite der Stadt bezüg-
lichen Urkunden aus d«?ni 17. Jahrhundert niclit ganz
unwichtig ist und für die VorbescJireibung zum Steuer-
kataster die Hau]itqu«'!k' abgegeben hat. Von grösserem
rnitl blfibeiideiii Werth i.st der zweite Tlieil, die Wet-
terischo Gelehrt.engi-schichte, welche von dem zu Treis-
bach h»d Wr-tb-r 17H0 bis 17fi6 gestandenen Pfarrer Joh.
tii'urg Junk verfasst ist, welcher sich auch durch eine
1745 herausgegebene lateinisehe Lebensbesclireibung di's
hiMilbinten Ileidelbergiscben Phihdogen Friedrich Sylbiirg
aii.'^ Wi'tter bekannt Hcmaciit hat.
nl. novoiiii vindicata ITUf*. — Seine IwObeiisbosclireil'Unt; uiuJ
Si'liiirii'ii sind in den i^'imt nvi» fftUninslim 17ti8. Tom. IUI, S. 53il
euflifilten und deroii Titol iu linri ^,X»rhrir/ilrn von der olwrhes».
Stndt Wetter". Frankfurt 17<i^. S. 252 -'JtüJ al»pednK>kt.
288
Zwei jttngiTP Brüder des Frankfurter Seniors mit
Namon Joli. Philip[) Tlitt, geb. 5. Nov. 1729, und
.loli. II<tIh)1iI riitt, gt'b. 7. Nov. 1732, zogea nach
Norden Joli. IMiilip|) wurdrr Kaufmann in Hamburg,
Joli, Hetbold l'ustur äu NeMeiikirtheii und Hoheidukow
in Mt'klfnburg, wo er sicli mit de.s Superinteiidenti*n
Menkel xii Schwerin Tncbter veriniildte. Weil ihniMi
(Jott Glück uihI Segen auf ihren Lebenswegen in d^r
Fremde beschert hatte, erriehteteu .sie, d. d. Hamburg
12. Miirz und ir. August 1779, zum Dajik gegen ihn und
die Lehrer ihivr Jngeiul zwt-i Stiftungen von je r)<KJ
tluldoji für die Lehrer, Schulen nud Armen ihrer
\ at^r'^tadt.
A.
Im Namen Gottes.
Wir unterzeichnete Gebrüder, Sühne des weilnnd
Herrn Juliann Cnnrad l'Iitts, Bürger und Handels Mann»
in W«'tter, haben bei vergnügtem .^ndenken an unser«
Scliuljahre in unserer Vuterstidt un.s ziugleicli der mau-
uigfaUigerj Wohlthaten erinnert, woiriit der Herr uns
bei oft wunderbarer Führung in fernen Landen über-
schüttet hat. Innigst gerührt über seinen Segen, haben
wir, da wir wohl nicht mahl den Wunsch haben können,
jemaLs wieder in un.sere Vaterstadt zu kommen, doch
gurne ein Denkmal unserer Liebe zu derselben darinnen
aufrichten vv<dlen. Demzufolge
1.
schejiken wir der evangelisch-lutherischen Schule zu
Wetter zu ewigen Zeiten, Gott zu Ehren und der Schulf^
üum Hellten, Fütifhuridert Gulden Frankfurter WüJirung-,
neun Gulden auf einen liunit^dor g»'recliiit't .' nemlich icli
Johann Philipp l'litt, Kauf- und Handels-Mann in der
KnyserlielH'n freien Heichsstadt flaiuhnrg, schenke dazu
4(J(J tl. und ich Johann Hfrbold l'litt, Pastor zu Neuen-
kirchen im Herzogthum Mecklenburg, schenke dazu 100 fl.
289
2.
Für diese 500 fl. soUi'u entweder Grundstücke, als
Aecker, Gärten oder Wiesen, auf dem 8tadtWde gekauft
und nachher vermictliet werden, oder wenn solches der
Stadt Yerfaßung etwa nicht, gemäß sein sollte, so sollen
aia an keinen Particulier, sondorn an eine ganze Com-
mune, es mag nun eine Stadt oder ein Dorf sein, zins-
bar uusgetlian werden. Die Anwendung der Einkünfte
oder Zinseji von diesen ÖOO H. soll folgendermaßen ge-
schehen.
Am Tage Gregorii, den 12. Mertz, sollen alle Jahr
die Einkütifti^ odrr Zinsen von 300 fl. an die drei Herrn
Sehul-Cül legen dergestalt vertheilt werden, dass wenn
z. E. das Geld H pro Ccntum Einkünfte bringt, so soll
der Herr Rector (i fl., der Herr Coiirectur ;") fl. und der
Herr ( 'ollega tertius 4 fl. davon haben ; trägt es aber
ü i». Cent., so bekornmt erster 7, der zweite 6, und der
dritte 5 fl., imd trägt es nur 4 p. Cent, so bekommt
erster 5, der zweite 4, und der dritte 3 fl. und nach
diesem Verhältnis soll die Vertheilnng allemahl ge-
schehen. Wir wünschen von Herzen, dass diese geringe
Ergötzliclikeit den Herrn Schulcollegen ein nnuer Be-
wegungsgrund sein möge, mit unermüdeter Treue an
den Seelen, welche der Herr Christus so theuer erkauft
hat, zu arbeiten und auch bei der kärglichen Belohnung,
welche die Welt oft für die saure Schularbeit gibt,
immer der göttlichen Vtirheißung eingedenk zu sein, dass
Er die Worte der T(»chtcr Pharaonis, Exod. 2, 9: Nimm
hin das KiniUein und säuge mirs, ich will dii's lohnen,
an allen redlichen Schulmännern erfüllen wird.
4,
Die Einkünfte von den übrigen zweihundert Gulden
sollen zu Bücher für Stadtkinder angewandt, und solche
bei den gewöhnlichen Frühjahr-i- und Herbst-Examinibus
N. F. XVIJ. Bd. \\)
290
folgender Gestalt von dimi jedesmabligeii iltTrn Obor-
pfavrer verthfilet wcrdfii. Bei jptlpni Kxainine werden
die Einkünfte von ItX* fl. genommen. Sind solche 5 fl.,
«0 aollon für 2'/s fl. 2 Bücher, ein latpioisches und ein
deutsches, gekauft werden. Dftvon soll das erste einem
fleißigen, gottesfürchtigen und gehorsamen Schüler aus
der ersten Classe, und das andere, nemlich d-An deutsehe,
einem fleissigen und frommen Schüler aus der anderen
Classe gegeben worden. Für die anderen 2';- fl. oder
wie viel auch die Hiilfte dnr Einkünfte betragen mag,
sollen geringere Rücher gekauft werden, und solche an
nicht bemittt^lte Kinder, «lie sich aber durch Gehorsam,
Frömmigkeit und Lernbegierde auszeichui'n, gt-geb^^n
werden.
Wir wünschen herzlich, dass diese kleine Ermun-
terung die liebe Jugend ZU Weiter erwecken möge,
frühe Gott fürchten zu lernen, und auf diesem W'ege
allein, wie wir es zum Preiße Gottus aus Erfahrung be-
zeugen können, die Glückseligkeit dieses und jenes
Lebens zu finden; wie der heilige Apostel Pauln.s 1.
Tim. 4, 8 bezeuget: Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen
nutjz und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen
Lebens.
Damit nun aber auch diese unsere Donation ins
Künftige allemahl gewisst'nhaft un.serm Willen gemäß
verwandt werde, so wollen wir, dass der Herr Metro-
politan als Scholarcha der Schule mit Zuziehung des
Herrn Rectors und Conrectors bestimmen soll, welchen
Schülern ohne Ansehen der Person diese Bücher sollen
gegeben werden. Und wenn sie dann von dem Herrn
Scholarcha am Schluß des Examinis vertheilt werden^
80 soll der vorhergehende § 4 vorher laut von ihm als
ein Extract aus dieser Donations-Acte verlesen werden.
6.
I)ip Anfbewahnm^f dieses von uns b«idpn eig(^n-
häiidig unterschrifbem'n und mit unseren gewölmliL-hen
l'ittschaftcn besiegelt*»!! Uriginals soll in dnm Kirrhen-
Arcliiv geschehen. Ks soll aber auch eine begiaubte
Abs*chrift davon genomniRu nnd in dem Stadt-Archiv
niwiergclegt werden. Und w<'nn das (.'apital zuerst ver-
wandt oder 80 oft nachher eine Veränderung damit vor-
genommen wird, soll alleinahl die obrigkeitliche Be-
stätigung da gesucht werden, wo das Jus patronatus
über die .Schule hingehört.
Wir Erbitten uns für diese Donation das gütige
Andenken und Gebet U(iser*'r lieben Landes Leute, und
wünschen von Herzen, dati die gute .Stadt zu ewigen
Zeiten grünen und blühen und ihre F'inwohner wohl
gedeihen mögen.
llrkundÜcli geschrieben zu Hamburg und Neuen-
kirchen den VI. Mertz 1770.
Johanti Philipp PUtt,
Bürger und Kauf Mnuu in (lain-
buig. nipprja.
(L. S.)
Johann Herbold PUtt,
Pastor ZM N'eueukircheu uud
llobeDluckow. mppria.
(L. S.)
B.
Im Namen Gottes!
Wir unterschriebene Gebrüder, Söhne des weiland
Herrn Johann t'onrad l'litt, Bürger und Handelsmann
zu Wetter, haben mit Vergnügen vernommen, dass die
Donation von ÖUO ti,, welche wir zum Besten der
Schule in un.serer gnten Vaterstadt Wetter im Frühjahre
a. c. gi?macht haben, zur P'reude der Lehrenden und
Lernenden gereicht hat. Wir haben uns daher bewogen
fundeii, niicli eine andere Donation der Lutherischen
Schule und den Armen /u Wetter zu machen. Dem-
zufolge
292
schenken wir Gott zu Ehren und unserer Vaterstadt
zum Beßten noch einmahl Fünnmnderi (.iniden Frank-
furter Währung, den Lrmisdor zu l> ti. gtjroehnet, zu
ewigen Zeiten an die cvangelisch-hitherische Schule und
die Armen zu Wetter, nemlich ich Johann Philipp Erlitt,
Kauf- und Handels-Mann zu Hamburg, schenko dazu
vierhundert Gulden, und ich Johann Herbold riitt^ Pat'tor
zu Neuenkirchen im Herzogthum Mecklenburg, schenke
dazu Einhundert Gulden, und zeiget beiliegende Assig-
nation, wo diese 5UU H. zu erheben sind.
2.
Für diese 500 H. sollen entweder Grundstücke an
Aeckern, Gärten oder Wiesen auf dem Stadtfelde zu
Wetter angekauft oder auch das Geld mit obrigkeit-
licher Bestätigung an eine Commune, es mag nun eine
Stadt oder ein Dorf sein, nicht aber an einen Privatum,
sicher ausgethan und die Hinkünfte davon folgender
Gestalt verwendet werden.
3.
Wir nehmen an, dass diese 500 fl. zu 5 pro Cen-
tum bestätigt werden und folglich 25 fl. jährlich ab-
werfen dürften. Davon sollen dann gegeben und im
nächstfolgenden .hiüir 1780 der Anfang gemacht werden,
wie folget:
a. Beim Herhst-Examine 1780 und zu ewigen
Zeiten alle Jahr in diesem Termin sollen davon haben ;
der Herr Rector Scholae 4 fl., der Herr Conrector 3 fl,
und der Herr Collega tertius 2 fl., zusammen 9 fl.
b, sollen 6 fl. zu Bücher verwenilet werden, der-
gestalt dass für 3 fl. 2 deutsche Bibehi gekauft und
beim Oster-Examine an 2 Knaben, einen aus der la-
teinischen und den anderen aus der deutschen Classe,
gegeben worden, die sich durch FleiÜ, Frömmigkeit und
gute Sitten dieser Wolthat würdig gemacht haben.
293
Sollten diese 2 Bibeln nicbt völlig 3 fl. kosten, so
mögen für das übrigp. einige klfine Bücher gekauft und
an arme Kinder gegeben werden. Auf eben die Art
soll e<< mit den anderen 3 fl. beim Herbst-Examine ge-
lullten werden. Die Vertlieilung dieser Bücher soll vom
jedesmahligen Herrn Oberpfarrer mit Zuziehung der
Herrn Scbulcollegen beim Kxaraine geschehen.
c. sollen 4 fl. zur Disposition des Herrn Rectoria
überlaßen werden, die er zum Beßten der Schule nach
seinem Belinbeu verwenden mag ; entweder Büelier zum
allgemeinen Gebrauch dafür anzuaeluiffen, oder auch zu-
weilen zur Verschönerung des Schulgebäudes zu ver-
wenden. Doch muß das letzte nicht auf Reparaturen
gezogen werden, welche eine .andere Cas.ge bisher hat
besorgen müßen, .sondern auf eigentliche Verschöne-
rungen, z. B. Äirmahlen der Classon mit sinn- und lehr-
reichen .Sentenzen, Anschaffung eines Ventilatora in den
Fenstern zur Erhalturjg gesunder Luft in den Claaseu,
Ansdiaffung bequemer Stühle und Tische für Lehrende
und Lernende u. üs. w. Doch soll niemahlen über die
Hälfte auf dergleichen Dinge verwendet werden, sondern
wenigstens 2 fl. jährlich zu Büchern, Landkarten, Noten-
bücher, auch wohl musikalische Instrumente zu gottes-
dienstlichem Gebrauch, bestimmt bleiben. Wenn dieses
cum grano salis geschieht und die angeschafften Dinge
opconomisch bewahrt werden, so kann die Schule mit
der Zeit einen Apparatura von nützlichen Dhigen er-
langen.
d, für die übrigen 6 H. soll am Sonntag Laetare
gutes Roggenbrod von einem Bäcker gekaiift, in die
Kirche getragen und von d*^n lutherischen Herrn Pus-
toribus und Kirchenältesten an alle dürftige Leute ge-
geben werden, welche sich dazu in der Kirche einfinden,
sie mögen nun unserer lutherischen oder der reformierten
Confession sein.
294
Sollten diese 500 fl. nun oielir oder weniger, als
25 fl. Einkünfte jährlich tragen, so wird der Ueberachuß
oder Mangel verhiiltnisinilßig von Lit a. b. c. and il
entweder abgezogen oder zugelegt.
4.
r>aniit aber mm di(-SB unsere Donation obne alle
rurteiliubkeit zu ewigen Zeiten nach unserer Absicht
verwendet werde, so soll
a) dieses Original in da.s Kirchen-Archiv gelegt,
eine vidimierte Abschrift über im Stadt- Archiv ver-
wahrt, und dm Einhebung der Zinsen und Wahrneh-
uuuig des Capitrils der lutherischen Geistlichkeit und
Kirubenältesten überlaßen werden.
b) Wird der Herr Oberpfarrer den Interessenten,
welche Lit. a. b. c. d. genannt sind, von Zeit zu Zeit
einen Auszug aus dieser Douations-Acte vorlesen, der
sie eigentlich angehet, und damit ein jeder wiße, daß
ihm kein Unrecht geschehe.
So wie wir nun hoffen, daß diese jetzige und auch
die vorliergohen<le Donation niemahlen einen Vorwand
geben werde, andere hergebrachte Eniolumenta den
Herrn Schuleoliegen und SchüSeni zu schmälern, also
erbitten wir uns zum gesegnett^n Furtg:iiig aller unserer
Handlungen und Wege das Gebet und die guten Wünsche
unserer lieben Vaterstadt, welche wir der treuen Hut
und Wache unseres guten Guttes übergeben und zu
ewigen Zeiten empfehlen.
Diesem Höchsten und allein gewaltigen Gott, dem
König aller Könige und Herrn aller Herrn, sei Khre,
Anbetung und ewiges Lob, Amen.
Urkundlich haben wir dies eigenhändig unter-
schrieben und mit imseren gewöhnlichen Pittschafteii
btatärkt. So geschehen zn Hamburg, den 6. Aug. 1779
und zu Neuenkirchen, den 1. Aug. 1779.
Jobunn Philipp Pütt,
Bürger uud Kaufmann zu Ham-
burg, infipria.
(L. S.)
Johann Herhold Plilf..
Pastor zu Neut'tikirchpii und
Uohenluckow im Horzofrtam
Mecklenburg, inpprin.
<L. S.)
I>a sich eine Gelegenheit zur Ausleihung des 8tif-
tungskapitiJ.'* an *Mne Commune nicht alsbald darbot,
die Ausleihung an einen Privaten aber ausdrücklich
untersagt war, «o gab der l'. Joh. Herbold Plitt am
20. Mai 1780 eine von seinem Bruder Joh. Philipp Plitt
am 30. desselbfn Monats bestätigte authentische Er-
klärung über die verzinsliche .Ausleihung : „Weil vsrir
in (lieser Gegend oft gesehen haben, daß Gelder, welche
Private angelielien haben, verloren gehen, so haben wir
durch jene Clausel diesem besorglichen Verluste vor-
beugen wollen. Wenn aber diese Besorgnis in Hessen
vergeblich sein, im Gegentheil der Fundation ein Schade
durch die Clausel entstehen sollte, so heben wir solche
sehr gerne auf und überlaßen es der Weisheit der Vor-
ge.setzten, wekihen Gebrauch sie von den lOOÜ fl. machen
wollen, wenn nur die Zinsen davon jährlich richtig ge-
geben werden.
Auch beim xVckerkaufen ist es gar meine Meinung
nicht gewesen, daß die Herrn Sulmlcollegen solchen
selbst verwalten sollton. Das gereicht auf dem Lande
schon der Geistlichkeit zur Hinderung, noch viel mehr
in Städten. Dah^r habe ich hier in meinem Ort schon
vor If) Jahren mit Bewilligung d(rs Durchl. Herzogs den
grüliten Theil meines Pfarrackers zu ewigen Zeiten
gegen 75 Dukaten jährlicher Hebung verpachtet und
mir nur ein Stück Land, das völlig ausser aller Cora-
munion ist, von circa 8000 Q Ruthen vorbehalten, um
doch 4 Pferde uud 8 Kühe bequem halten zu können.
296
Wenn dfiranach für die 1000 fl, Güter gekauft werden
sollten, so müßten solclif vrTpachtet und die Miethe
davon zum bestimmten Helinf angewendet werden," J
Der in der ersten Stifturigsurkunde erwähnte Gr«-
goriiistag (12. März) war von Alters Iier für die Schulen
und Schfi!t*r zu Wetter t;iii Festtag. An diesem Tage
wiirdi'u die neu angehenden Schüler in die Schule auf-
genommen und derselben voix den Schülern der (>b«'r-
clas.se zugeführt, oder richtiger auf den Schultern zu-
getragen, wobei dann die Kleinen mit Bretzein behängt
waren und ihnen su ein Geschmack am ]'>rnstö des
Schullebens beigebracht wurde, wiihrejid die übrigen
Schulkinder paarweise vorangingen und folgende latei-
nischen Verse .sangen :
VoB ad 8e, Pueri, priniia invitat ab arini.s,
Atque sua ('hristus voce venire jubet.
Praemiaque ostendit vobit» venientibus ampla.
Sic vos, o pueri, curat amatfjne Dens.
Vo8 igitur laeti properate occurrere Christo;
Prima sit haec Christum noscere cnra ducem.
Sed tarnen ut Dominum possis agnoscere Christum,
Ingetiuaa artes discito parve puer.
Hoc illi gratum officium est, hoc gaudet honore,
Infantum fieri notier ore cupit.
Qnare nobiseum studium ad eoriimune venite,
Ad Christum monstiat nam schohi no.stra viara*).
Die Knabenschule zu Wetter verfolgte wesentlich
die Zwecke einer Lateinschule, welche den Schülern im
Lateini.schen ungefähr die Vnrbildung bLs zur Obertertia
eines heutigen Gymnasium.s gewährte. Nur hii-rdureh
war es möglich, dass aus Wetter eine vorliäitnismässig
grosse Zahl von studierenden Jünglingen zur benach-
barten Universität Marburg udt'r der Grlehrtenschule
*) 7oA, Jtic. Pliti, Nacliriübtea vou Wettor, S. 71 ff.
zu Soest zielinn, und so viele Gelehrte aus rlie-ser Stadt
iiervorgelicii kfjiiiitt'ii. Seit d^r Unibililiiiig des Schul-
wesens in der Neuzeit und dc^m Vorwiegen der realietischen
Ausbildung luu.sste auch dif liumiiiiis,ti8fln! Bildung In
der Wetterischen iSchuh' dieser Richtung weithi'u. Da-
mit erhieltHn auch die l'littiselu-n Stiltungen theilweise
i'iue andere Verwendung. l)ie Austheilnng lateinischer
Hüeher bei der Herbstprüfung hörte auf und statt dessen
wird in neuerer Zeit jedem Kinde beim Abgang von
der Schule am rontirmationstermine ein Gesangbuch
aas der Stiftung bewilligt. Auch die Verlesung der
Stiftungsurkunden liat spiitor nur noch selten .stattge-
funden. Dagegen ist die den Lehrern aus der Stiftung
bewilligte „Ergötzlichkeit" in den behufs Ausmessung
der Staats- etc. -seitigen Besoldungszu.sehüsse aufge-
.stellten Besoldungsnoten und Competenzen nicht zur
Anrechnung gebracht, sondern vor die Linie ge.stellt
worden, weil es eben eine „Ergötzlich keit" für die Leiirer
für ihre sauere Schularbeit, aber nicht für die Staats-
kasse und andere Verpflichtete sein sollte.
Auch hinsichtlich der Verwaltung dieser Stiftungen
wollte sich der l.lebergang der Schulangelegenheiten von
dem Consistorium auf die Regierung und der Zug der
Neuzeit, die Stiftungen in weltliche Hände zu legen,
geltend machen. Obwohl das Consistoriuin zu Marburg
selir geneigt war, zu seiner Erleichterung derartige
Stiftungen für Sclml- und Armenzwecke abzugeben, so
trat da.s.'ielbe in dij'.seni Falle doch dem deshalbigen
Verlangen der Regierung, „wegen de.s Mts.sfallens, das
diese Verwaltungsändernng in den Gemiithern der Ver-
wandten und Anbünger der Stifter erngen mochte'*,
entgegen und für die Beibehaltung di^r Viisherigen Ein-
richtung, als der Absicht der Stifter entsprechend, nach-
drücklich ein, und auch das vorhinnige Ministerium zu
Kassel wies unter dem 2U. Februar 1832 die [{egierung
wegen ihres Verlangens, die Plittiscben Stiftnngen in
ihre Verwaltaog zu nehmen, ab, weil die nach Inhalt
der Minidterial Verfügungen vom 7. September 1822 and
4. September 1826 der Regierung zukommende Ober-
an&icht eine Abänderung der von den Stiftern ange-
ordneten nnraittelbaren Aufsicht der lutherischen Geist-
li«*heM und Kirchenältef<ten zu Wetter und deren Ver-
waltung nicht nothwendig zur Folge haben müsse.
Va mag noch erwähnt werden, dass auch der in
der Pfarrkirche S. Maria zu Wetter befindliche schöne
Kronleuchter ebenfalb eine Stiftung aus der Plittischen
Familie ist, nämlich der jüngaten Schwester obiger drei
Brüder Anna Maria Plitt (f 15. November 1794),
Ehefrau di^s Postmeisters Joh. Jakob Göbel,
4. Die Schmidtischen Stiftungen zu Ebsdorf.
In dem frühereu kurhessischen Staatähaiidbuch,
jetzigen Königl. Freusa. Staatsdienst-Kalender für den
K«^g.-Bez. Kassel werden die Schmidtischen Stiftungen
zu Kbsdorf als unter der Aufsicht des Consistoriuras
stehend aufgeführt. Es sind dieses zwei ganz verschie-
dene Stiftungen, verschieden nach ihrem Zweck, wie
nach der Zeit und Person ihrer Stifter. iJie eine Stif-
tung, deren Zinsen der Stduillelirer zu Ebsdorf bezieht,
ist von einem Henrich Schmidt um 1 640 errichtet
und wird bei der dasigen Kirche verwaltet. Die andere
i«t eine von dem seit 175(3 zu Treisbach, seit 1758 zu
Ebsdorf gestandenen Pfarrer Joh. Georg Jacob
Schmidt, eim-m Sohn des 1732 verstorbenen Mar-
burgischen SujierintendentHn Joh. U iet r ic h Sr h midt,
d. d. 17. März 1789, am Tage vor seinem Tode, er-
richtet»* Familien-Stipi'ndienstiffuiig, welche von den
Senioren di-r Familie unter Aufsicht des Consistoriums
verwaltet wird. Der Pfarrer Joh. Georg Jacob Schmidt
setzte seine Niulite Barbara Margaretlia Elisa-
beth Uhr hau, Tochter des zu Hauisch-Hnlzhausen
1735 vcrstoiiH'iR'ii PIVirnT« J oh. W i I h. V h r h a n, wf^lch«
ihrn den Hausltalt geführt und ihu in dev Kriiiikheit
gepHt^gt hiittf, zur Universalerbin seines Verniügens ein,
mit der Auflage, jedem drr KindtT seiner drei Schwestern
t.'in Legat von 'iOO Thlrn. Frankfurter Währung zu
zahlen, ausserdem seine Bibliotliek und Mannstripte,
Kleidiiiigsstik-ke nebst Stock und den znr priesterlichen
Kleidung gehörenden (silbernen) Schuhschnallen zwischen
seinen Patheii, dem Rector J o li. Philipp Jacob
Phrhan zu Rauschenberg, und dessen Neffen Joh.
Jacob üeorg Uhrhan zu verloosi^n, und endlich
„zum Pehufe eines Familienbeneüziums ein Legat von
1000 Rthirn., welches diejenigen Studierenden, welche
sich dnni «tudio theologico, aus seiner Familie und
seiner Anverwandten P\'imilie, widmeten, auf drt'i Jahre
gegeben werden solle, dass solche alsdann die Interessen
davon geniessen sollten, an den Pfarrer Christian
Wilhelm Uhrhan zu Wittelsberg als Subsenior ab-
zugeben. Bei des Pfarrers Ulirhaii Sohn zu Wittels-
berg, der jctzo jura studiere, solle allein «ine Ausnahme
gemacht und solclietn diesus bn-neficinui zuerst und dann
seinem Bruder auf drei Jahre contVrirt werden. Von
dem Pfarrer Uhrhan zu Wittelsberg .solltu auch sobald
fin Instrument über diest^s beneficiuni gemacht und von
ihm ais Subsenior der Familie die t'ollatur desselben
besorgt werden. Nach diesen 6 Jahren .solle alsdann
dieses^ beneticiuin der Professor Enge Ischali zu Mar-
burg drei Jahre lang geniessen, welchem jedocb frei-
stehe, ob er es behalten oder seinem Vetter üeorgH,
des f Oberpfarrers Justi Sohn zu Marburg abtreten
wolle."
Der Erblasser hatte drei Schwestern, von welchen
1) Margare the Elisabeth an den lutherischen
300
rfarrpr Thpopbi! Ludwig Marschall zu Waldalges-
licini in (Kn- l'iuiz vi-rmählt war, derpu 7 Töthter schon
17S9 thcils in Scbwabun an mehrftre gräHich Dt^ge-n-
ff kusche öt-amte, CramtT, Cliristlinb etc., andere
zu Mannhi-im (Linmin) und Worms (Walther), eine
an f'uwn llausvi^rwalter des holländischen Gesandten zu
Wifji verlieirathet und so zerstreut waren, dass der
Krbla.'ise.r die Zahlung der Legate von gHniigeniler Legi-
timation abhängig niaclite. 2) Catharine Marga-
retha war mit dem Marburgischen Superintendenten
Mag. Jnli. Cliristoph F,n g elscbal 1 (f 1753) und 3)
Anna Cathariiia rnit dem zu Rauistli-Hnlzhausen
1735 verstorbenen Ffarrer Joh. Wilhelm Uhrhan
v»'rmiihlt gt'we.spii. Der letztgenannten Kinder waren
die üniversah^rbin Barbara Margarethn Elisa-
beth Uhrlian, und deren 4 Brüder, der Pfarrer
Christian Wilh, Uhrhan zu Wittelsberg, dessen zwei
Söhne das Rent'tiziiim zunächst und zwar Joh. Jacob
Georg Uhrhan ausnahmsweise als Jurist geuiessen sollte,
und Job. Philipp Jacob Uhrhan, Hector zu Rauschen-
bt*rg, Tbeophil Friudi'ich Uhrhan, Verwalter zu Ros-
berg, und Ludwig (.'bristuph UbrhaTi, Verwalter zu G(!-
münden. Von dem Pfarrer Christian Wilh. Uhrhan
sstammun die s[)ätt'r zu Kirehvers und Lohra gestandent^n
Pfarrer dieses Namens ab, während sich die Nachkommen
dnr verheiratheten Engelscball in der Familie des späteren
Professors und Marburgi.schen Superintendenten Dr. Carl
Leonhard Justi fortsetzen.
Das von dem Erbla.sser in seinem Testament an-
geordnnte und durcli den PfarriT Uhrhan zu Wittels-
berg aufzurichtende Instrumiait über das FamiliiMibene-
lizium ♦•rrichtHti' dii-ser d. d. 22. OctoluT 1789 wie folgt:
„Der weiland hochebrwürdige und hocbgnlahrte
M«*rr Job. Jacob George Schmiilt, gewesener Pfarrer zu
Kbsdorf, hat iu suiueiu den 17. Mertz 1789 gerichtlich
gemachten and durchgängig als rechtsgültig und be-
ständig anerkannten Testament oder letzten Willeirs-
meuiung snb iiumero
Drittens, ein Legatuiii vnii Kintausend Hthlr. frunkf.
W. KU einem Faniili<*ii Stipendiu ausgesetzt, wie, solches
hesiigti'fi und in den Händen der dreyeu darati th'-il-
neliinendeii Stämme seiende Testanietit aiiswfiset und
bestätiget, und mir dem i)isherigeji Subseiiiori der
Schmidtisclien Familie, nun aber an seine Stelle treten-
den .Seniori den Auftrag gethan, nacli seinem mir ila-
rüber bekatiiit guinachteti Willen nicht nur ein Instru-
ment, als eine Norm, Regel und ujuibünderliches Gesetz,
nach welchem dabei nun und zu ewigen Zeiten ver-
fahren werden solle, aufzurichten, sondern auch die Cul-
latur zu besorgen. Es will denn aber, setzet und ver-
ordnet oben gedachter Herr Pfarrer Schmidt als Stifter
dieses Beneticii:
I. Daß dasselbigo denjenigen, die sich jetzt und
forthin zu dem allgemeinen Ahnherrn und Stammvater,
dem weiland hnehwiirdigen Herrn Superintendenten und
Consistorial-Rath, Herrn Jv)h. Dietrich Schmidt, als
seinem im Leben liebgewesen Vater rechtsbeständig
werden legitimirfn) künnen, mithin seine Collateral-Krben
1, einzig und alli-in eonferirt werden solle; die Kinder
ter im Leben ihm lieb gewesenen drei Schwestern
ul dtren Deset-ndenz haben sich also allein desseibigen
zu erfreuen, nemlich — folgen die Namen der oben
genannten drei Schwestern und ihrer Khemänner — .
Alle aber, welclie sicji nicht zu den Kindern und An-
stämmlingen vorgedachter dreier Schmidtischen Töchter
legitiiniren können, sind davon auf immer und ewig
ausgeschloßen.
und damit ein zeitiger Director und DIspensator
hierin ordentlich verfahren könne, so soll ein ordent-
licher Stammbaum der resp. Schmidtiächen Descendenz
sind.
unt
SOS
und Familk^ nat-h beglauhten Attestatis verfertiget werden
und der zeitig« Collator in Händen haben. In welchem
Stamnibauni das Alter ein«!* jeden Zweiges, nach Jahr,
Monat und T«g beizusetzen ist. Und ein jeder zu der
Familie gehörig« soll schuldig iiiid gehalten sein, am
Ende des Jahres die Veränderungen seines Hauses mit
beigelegten Kxtiactfn au>* den Kinhen-l'rotocollen, dem
(.'iiratturi franeo cinzusendHn, um den StaRimbauui voll-
stündig erhalten zu können, in dessen Kntwtehung aber
sieb selber zasehn-iben, wenn ihm und seiner Familie
Seliuden daraus erwäclmt.*'
Die Kosten des Stammbaums, des Kinbandes des
Instrmuents, sowie eines Rcehnungabuches aollen dif
drei Stamme gemeinsam trag(ni.
„n. Zu einem immerwährenden Schmidtischen
Familien Stijjendio hat Herr Stifter desselben, Herr
rtarrtfr J. J. G. Schmidt nach dem dritten Abschnitt
seines Testaments Kin TausDud Thaler Frankf. W. den
Thaler zu 4h alb. dt^n alb in ü ^^ gerechnet, nach dem
Fuß der Louisdor zn 9 fi. gezablet, auch bei Lebzeiten
schon ausgeliehen und die dahin gehörige documenta
oder Schuldbriefe mir dem nunmehrigen Seniori, Pfr.
Cbn Wilh, L'brhan durch die Universalerbin zugestellt.
Und da Eintausend Gulden davon laut Versicherung nur
zu 4 pro Cent, und 500 fl. zu 5 pro Cent ausgeliehen
sind, so hat er noch verordnet, daß erstere auch auf
5 pro Cent gebracht, auch jedem Studierenden seine
löO Itthlr. als eine dreijährige Interesse von 1000 Rthlr.
voll gewährt werden solle, auch wo möglich dahin be-
dacht zu sein, daß die.se.s Capital in einer unzertrennten
Summa auf einen sicheren Fond ausgeliehen und di«
Interes-sen richtig gezogen werden können.
111. Als ohnabiinderliche und ewig geltende Ge-
setze verordnet aber der Stifter diese.s Schmidtischen
Familien-Stipendü ;
I
I
1. daß solches nur ilHiien aus seiner Familie, die
sich dem studio thfologico widmen, c-onferii-t werden
solle mit drr im Testament etc. gemaehteti exception
etc. (fiilgt tjliigtt Testainejitwbt^Htimmuug zu (Tiinstnn des
Ktud. juf. Iihrhan, des Prof. Engelschall u. »»v. Georg
Justij.
2. Ein jeder, der dasselbe genießen wolle, wenig-
stens 2 Jahre auf einer hessischen Universität, Marburg
oder Rinteln studieren solle.
3. Hit Conferirung desselben solle t's also gelialten
werde», daß nach dem St4inimbauni jederzeit der Aelteste
unter denen, die Theolngiam studieren wollen, und der
seinen citrsnrn acadernicnm eritwed^n- schon augefangen
hat, aber noch nicht vollendet, oder im Begriff ist, eine
Universität zu beziehen, oder auch, wenn er schon ab-
solviret hat, Zeugnisse beibringt, daß er seine Zeit wol
angewendet, drei Jahre haben solle. (Eine Ausnahme
hinsichtlich der Alter.sreihe soll nur für etwaige Tauf-
pathen des Stifters stattfinden.)
4. Fände sich der Fall, daß keiner in der Familie
vorhanden, der sich dem studio theologico gewidmet,
so aollen in der Zeit die eingehenden Interessen zum
neuen Capital gemacht und das BeneHcium vergrößert
werden.''
5. Besonders fleißigen und fähigen Familien-Sti-
pendiaten „soll als eine außerordentliche Aufmunterung,
zu den schon genoßeTn^i drei Jahren der Collator noch
das vierte Jahr zuzusetzen bt^fngt und berechtiget sein."
6. „Es solle auch Keiner, wenn er gleich rechts-
beständig zu der Familie sich legitimiren könnte, der
aber niclit Seiner, des Herrn Pfarrer Schmidts, als des
Il*n-rn Stifters, und seiner Väter Heltgion, nemlich der
Kvangelisch-Luthoriscben zugethan ist, daran Antheil
haben, sondern eben deswegen, weil er sich zu einer
304
anderen Rpligion b^kennpf, von dem Gennß dieses Bene'
ficii schlt^t'ht<'i(lings ausgeschlnlien sein.
7. Der Collator und Dispensator dieses B'amilien-
Stipendii soUn jederzeit einer aus der Fatnilie im Vater-
land sein unil zwar jede.siii;il der Aeltfst*^; weswegi«»
dann oueli der Merr Stifter den derinaligen 1*. Plir. Willi.
L'ljrlian zu W. ».4c. im Testainont znin ( 'oliat-or ernennt
und verordnet liat, und demHelbigcii die Verfertigung
dieses Instruments nach seiner ihm bekannt gemachten
„Willeniä-Meinnng" anbefohlen und anvertrauet hat.
Nacli der Bestimmung des Stifters solle sieh der
Senior am Einle eines jeden Jahres vor dem Subsenior
liinsichtlich des Rechnungswesens etc. legitimiren, nach
Heinem Tode die i'apiere etc. dem Subsenior überliefert
werden ; jeder CulLitur soll dieses Amt
8. „lebenslänglich führen, es wäre denn, daß der-
sidbe erweililich betrüglich gehandelt hatte'', daher nur
ein sulclier dazu heütellt werden soll, der 150 Thir,
Caution zu stellen im Stande ist.
IV. Jedem Senior der drei Stämme soll eine von
allen 3 Stämmen anerkannte Abschrift die.sea Instru-
ments ertheilt werden.
In Folge der Beschränkung auf Theologie Stu-
dierende lutherischer Confes-sion aus der Sclimidtschen
Descendenz und der Zerstreuung der Nachkommen der
etc. Marschall in Süddeutschland ist das Henefizium oft
ünvergeben gi-hlichen und daher der Kapitalstnck durch
dmi Zinsetizuwaehs narneiitlieh in neuerer Zi-it sehr vcr-
melirt worden. Derselbe beträgt dermalen 3921 Mark
58 Pfg. Collator ist der Ikrr Geh. Eath Prof. Dr. F. Jn.sti.
&.
iker,
g, geb.
1673.
Bth L
. Wilh. Ust,
r. jur.,
Advocat zu '
;, QX. Heloni
des Dr. jun
1. Sälzer T. [
l Dan. Wilh. I
idvocat zu 1
bürg, ux. M
Christ Cral
4. Catha
Marii
mar. PU
Domsoii
Eisenbau
oto.
IrF..
»frnt
»m,
)th
l.
305
Via
Beitrag: zur Geschiehte des Postamts
Bebra.
Von
Joseph Ruhl,
pQsteekreUlr zu Marburg.
— ÖJ»^
fi der Zusammpustpllung dieser Geschichte des Post-
amts Br'bra sind vor allem di»^ Im KMniglifheii
8taatsarchtv<> zu Miirliurg bt-KmllicIiLM» ültt»reii hessisclK'ti
Postakten benutzt worden ; die Akten des Postamts
Bebra siiul zum grussten Theile noch vollständig und
gut erhnltfn und als solche auch änsserlich bbzeicbnut.
Für d'w jüngste, uns am nächsten liegende Zeit sind
einigte Aktfn benutzt worden, welche sich bei der Kaiser-
lichen tJber-Postdirektion in Ka.ssel befindeji und mir
s. Z. auf meinen Wunsch zur Benutzung gütigst über-
lassen wurden. Die neuesten statistischen Angaben über
das l'ostamt Bebra verdanke ich dem vorhinnigen Herrn
Postdirektor Sclnnidt. Lü'rade der limstand, daas ich
über das Postamt Bebra ein so vollständiges Akten-
nmterial vorfand, hat mich bewogen, eine Geschichte
desselben zusanimenzustellen. Wenn diese Darstellung
auch zunächst nor für Bebra selbst von Wichtigkeit ist,
so lässt sie doch zugleich noch manche allgemeine
ünindsätze erkennen, die in der Verwaltung unseres
alten hessisclien Postvvesens massgebend waren ; dies(»s
N. V. Bd. XVIl.
2U
306
letzteren Umstandes wegen ist auch diese Darstellung
öfters etwas ausführlicher gegebt^n worden. Dieselbe
behandelt die tleschichte des Postamts Hebra von ihrer
Einrichtung 1704 bis zum Jahre 1886; unter den in
diesem Zeiträume von 182 Jahren in Bebra gewesenen
7 Vorstehern gehörten 5 der dort ansilssigen Familie
Rehwald an; da man den Posthalter Johann Heinrich
Graf, welcher von 1760—1783 die Posthalterei in
Bebra verwaltete, als Schwiegersohn des im Jahre 1739
verstorbenen ersten Bebraer Posthalters Johann Reh-
wald auch zu dieser Familie rechnen darf,' so sieht
man, dass ausser dem Posthalter Mathias Dietz, von
1739— 17(K), die. übrigen 6 Vorsteher der Postanstilt
Bebra einer und derselben Familie angehörten, ein Ver-
hältnis, welches früher in Hessen vielfach vorge-
kommen isi
Die Darstellung hat folgenden Inhalt:
I. Johannes Rehwald, Posthalter . . . 1704—1739.
U. Mathias Dietz, „ ... 1739—1760.
III. Johann Heinrich Graf, „ ... 1760—1783.
IV. Johann Christoph Rehwald, Posthalter 1783-1793.
V. Johann Heinrich Rehwald, „ 1793—1825.
VI. Johannes Rehwald, Posthalter und
Postmeister 1825—1850.
VII. Christoph Rehwald, Postverwalter und
Postdirektor 1850- 188().
VIII. Verlegung der Posthalterei von Bebra
nach Rotenburg (1837—1839).
IX. Der Postbote Johann Martin Wepler
in Bebra 1715—1751.
X. Privatbesteller der Postverwaltung
Bebra 1838-1852.
XI. Landbriefbestellung in Bebra . . . 1815-1863.
XII. Einiges über die jetzigen Verhältnisse des Post-
amts Bebra.
*
I. Johannes Rehwald 1704—1739.
Als ini Jahre 170O der dsinriiiligp kursächsischa
Obfir-Postmeister J oh u im Jacub Köss zu Leipzig
mit Erlaubnisö des L an dg raf e ii Carl in Kassvl eine
fahrende Post von Leipzig durch W :i ii tri h d und
Kassel über J-'aderborn und M ü ii s t u r tiach II n 1-
1 u II d eiugftichtot hatte, wurde alsbald im Anschlüsse
an diese Post auch eine neue fahrende Post von Kassel
naeb Nürnberg eingerichtet, welche in Kassel die
,,Nürn berger Post" genannt wurde. Diese Post
nahm nach Verhandlungen, welche im Jahre 1705
zwischen dem hessischen Postmeister Johann Philii»]»
llüddickt.'r in Kassel im Auftrag»- de» Landgrafrn (^arl
und dem l'tistmeister von Waldsach.stn zu i\bniiingen
im Auftrage des Herzogs Ernst Ludwig zti Sachsen-
Coburg und Meiningen stattgefunden haben, ihren Weg
von Kassiel ans über Weisungen, Morachen, Bebra und
Hersfeld nach Vaeha, vnn wo dieselbe ihren Weg über
Saizungen, Meiriingeu und Coburg nach Nürnberg fort-
setzte. Zum Püsthalter in IJebra wurde beim Ein-
richten dieser Post im Jahre 1704 der dortige Gerichta-
schultheiss Johannes Rehwald von dem Land-
grafen Carl besteilL Die Nürnberger Post fuhr jede
Wochi^ einmal hin und zurück und der Bebraer Post-
halt«r Rehwald fuhr dieselbe- von Bebra nach Hersfeld,
sowie von Bebra nach Morschen, bezw. Heyda bei
Morschen. Wie aus weiteren Verhandlungen aus den
Jahren 1717 und 1718 zu ersehen, erhielt der Post-
halter Ptehwald für diese beiden Fahrten jährlich 200
Thlr., der Posthalter in Kassel erliielt 108 Thlr., der
Posthalter Süss in Melsungen 280 Thlr. und der im
Jahre 1715 in Iler-sfeld angestellte Posthalter Betz 200
Thlr. für das Fabreu des Postwagens. — Im Jahre 1717
fanden Verhandlungen statt zwischen dem damaligen
lieBsischen General-Postamtc und dem Land-
20*
kammerrath von Waldsachspii in Coburg wegen Ä.ende
rung dieses Postkursas, Von dem sächsi.sL'lK»ii Vprtrctt-T
wurde beantragt, die Post über Eisenach und Wanfried
nach Kass&l xu führ*'n, während der damalige hessi-
sche G eneral-l'ostme. ist»^r von liar die Post
von Hersfpid aus auf dt^m kürzestiMi Wegp uiit Ueber-
gehiing der Stationen Bebra, Morschen und Mclsungen
üb^r Hfjmbf-rg iuu;h Kassel fuhren wollte. tienenil-
Postmeister von Bar brachte seineu Vorschlag zur Aus-
führung, demgemäsa die „Nürnberger Post'* zum letzten
Male am 31. Dezember 1717 über Melsungen, Morschen,
Bebra und Hersfeld nach Vacha und von da weiter
nach Nürnberg fnlir: von da ab fuhr dieselbe v(»n Hers-
feld über HoinbHrg nach Kassel hin und her. Da aber
dieise Fahrpost mit jhrun Po-stsendungen aus Holland
sehr oft nicht den Anschluss an die von Coburg nach
Nürnberg abgehende Reichspo^t erreichte, fanden im
Dezember des Jahres 1718 Verhandlungen zwischen dem
hessischen Pustküinmissarius Renner und dem Post-
meister von WaUlsachsen statt, d<Mien /ufolgt- diu Nürn-
berger fahrende Post vom 14. DezembLT 171K an von
Kassel aus zugleich mit der hoiländischen Po«t nach
Leipzig über Lichte n a u und E s c h w e g e bis W a n-
fried gemeinsam befördert wurde, von wo ab dann
eine besondere Fahrpost über Eisenach, Salzungen,
SchmalkaldtMi n. s. w. nach Coburg be^w. Nürnberg
iliren Auschhiss erhielt. Doch auch diL-se Einrichtung
bewährte sich niclit und auf Grund von neuen Verein-
barungen, welohü am 16. März 1723 zwischen dem
hes.sisch*Mi Ober-Po.sttneister Kminer und dem sächsi-
schen Kammerrath und Postdirektor vcm Waldsachsen
zu Coburg in Salzungen stattfanden, nahm die fahrende
Nürnberger Post vom ö. Afjril 17'23 an wieder ilircn
anfänglichen Weg von Kassel über Melsungen, Morschen,
Bebra utnl Hensfeld nach Vacha u. s. w. bis Nürnberg.
I
Dio Nürnberger falirf-nde Post hattn also vom
.luluu 1718 an bis zum 5. April 1723 die Station Bebra
iiirlit borührt: von diesem Z<Mtfmiikt(^ ab aber nahm
di<'SL"lli(! \viucl^>^ stets iliron Weg über B*'bra bis zur
Anfliobung dii's<n' Post, welche mit der Kiiifiihmng der
Kisciibabn von Kassid nach Rt'bra im Jahrf* 1849 nr-
fiilgh". Als vom .lahnt 1718 ab di«^ Falirpost nach
NünilM-r«,' übt-r Ibitnbt'rg, bzw. äbt-r Wanfried und Eise-
nat;h gelt^itet worden war, wurde zwischen Kawsel nnd
NürnbtHrg eine „Nu r n bi^rgc r rc. itnndt? Post"
ins Leben gerufen, welche über Melsungen, Bebra und
von hier geraden Wegs auf Vacha n. s. w. nach Nürn-
berg ging. Das hessische General-rostanit machte, die
Einrichtung dieses neuen reitenden Postkurses den
Stationen, also auch der Poststation Bebra, dnrch „ein
besonderes N nt ifications - Pate n t" bekannt.
Die reitende F'ost von Kasstd nach Nürnberg nahm
ihren Anfang Sonnabend, d«n 1. Januar 1718; diese
reitende Post ging wöchentUcJi "2 Mal.
Als die fahrende Nürnberger Post von 1718 an
nicht mehr die Stationen Meldungen, Morschen und
Bebra berflhrte, war jedoch in Betreff der Kxtra-
pofsten nnd Knnriere bestimmt worden, da.<5S diese
nach wie vor über MeUnngen und Bi.'hra und von
hier aus auf „der reithenden Ruute'* geraden Weges
auf Vacha und Salzungeu geleitet werden sollten und
ebenso umgekehrt.
Ausser diesen Posten bestand nachweisbar vom
Jahre 1715 an, wenn nicht noch früher, eine wöchent-
lich 2nuilige Botenpost von Bebra nach Hersfeld.
Im Jahre 1751 ging diest^r Bote in Bebra ein und es
musste ein Bote von Rotenburg aus die Briefe nach
Mersfeld und wieder zurück befördern. (Vergleiche den
liesonderen Artikel: IX. Johann Martin Wepler, Post-
bote zu Bebra 1715-1751.) Der Posthalter Johannes
310
Ilcliwfild ist im JaJin- 17f)4 als solcher bentellt wordnn ;
dfiHt (Irr im Jahn' 1760 zum I'osthalter Lii Bebra bc—
stellti! Juhatin Heinrich Graf, Schwiegersohn des 1730
verstorbciii'ii l'osthaltor.s rlubaiiims R<?hwaUl, erwähnt
gi'legi'iitlich im Jalir(i 1764, dass «ich di« l'ost seit
1704 in ijüinem, dem ehemals R e h w a 1 d'schen Hanse
hi'linidi'ii und dasH sein verstorbener Schwiegervater die
ruüthtatioii Bebra Von 17(>4 bis 1739 verwaltet habe.
Hieraus ersieht man, dass die Nüriiberger fahrende l'ost
im Jiihre 1704 ihren wirklichen Anfang genommen hat.
Wa« nun die Vergütungen betrifft., die der Post-
halter Rehwald für seine Püstdienstle istungen erhielt,
80 erfaiiren wir diese ans den Verhandlungen, welche
Seitens des licssischen Ober-Postamts in Kassel (G> (i.
Geschwind und Elias Ewald) im Jahre 1739 mit seinem
Nachfolger, dem Posthalter Mathias Dietz, geführt
worden sind Darnach erhielt der Posthalter Rohwald
vierteljübilich:
1. Für wöchentlich einmalige Fahrt d«s
Postwagens nach Morschen und
nach Hersfeld .Hl Thir 6 Ggr.
2. Für wöchentlich 2 Postritte nach
Vacha und wieder zurück ... 25 „
'S. Für den Boten, welcher wöchentlich
zweimal das Bri<?fpacket nacfi Hers-
feld und zurück tragen musste . . 5 ,,
4. Ein Dritttheil des erhobenen inländischen Pnrtos.
b. Jährlich 74Wei Livreen für 2 Postilione und alle 2
Jahre 1 LivrcH' für den Horsf eider Boten.
Di« festen Eitmahmen des Posthalters Johannes
Rehwald betragen hiernach in der Zeit vor seinem Tode
vierteljährlich Gl Thlr. ß Ggr., also jährlich 245
Thlr. — Der Posthalter Johannes Rehwald starb im
April 1739.
311
I
k
n Mathias Dietz 1739-1760.
Als (ItT l'ostlialt^r Ji>liann«'S Rehwald im April
] 73ii gestorben war, luf^ldeteii sich zwei Bürger von
B("l>ra bt'i der hfsHischen Regierung zu Cassel als Post-
lialtiT und zwar: l) Heinrich Christoph Oraf,
Scliwicyersnlin dt's vtu-sturhenenKi-hwald und 2) Alnthiaa
IHft/, wnlchur mit Klwruiarf Magdaleiiu Auitduux ver-
lieinitht-t war. (irgcti den MiihiMVprlxT IMathiii.s Diütz
rtMcfiit' der geimiinte tiral' licini Laiidgrufeii Wilhelm
ein beaoudere» Gesuch i-iii, worin er sagte, dass der
seitherige Gastwirth M. Dietz zu Behra, der ausserdem
mit seiner dem Trünke sehr ergebenen tSehwiegermutter,
der VVittwe Amelutix, in „schlechter Harmonie" lebte,
„sehr leiitscheu wäre und zu einem Pnsthalter, wie
ietjsiger Zeit erfordert wird, schlecht nualiHeirt wäre";
das Amelunx'sche Hau« Hesse sich wold ztun l'osthause
einrichten, doch sei der Hofraum um dasselbe nicht
gros« genug, so dass die Postwagen nicht gut vorfahren
könnten; das lielivvald'sche Haus passe sich am Besten
zur Post und da diese schon vor vielen Jahren sich in
demselbeji befunden habe, so möclite ihm der Fürst,
als dem jetzigen Besitzer des Kehwald'schen Hauses,
die Post in Bebra übertragen, obwohl auch der Amt-
mann .1. Ä WVnderoth zu Rotenburg auf Krsuchen des
Uber-l'ostumts in Kassel die Angaben des H. Chr. Graf
über den M. Dietz bestätigte und noch besonders her-
vorhob, dass Graf als ehemaliger Wachtmeister im
Schreiben und f-technen wofil erfahren sei, dass er Be-
sitzer des Reliwald 'sehen Hauses geworden und schon
„seit den letzten Jahren das Pustwesen in Bebra ad-
jninistriref habe, so wurde doch die Posthalterei in
Bebra am 8. Mai 173U dem oben genannten Mathias
Dietz übertragen unter denselben Bedingungen, wie sie
der verstorbene Posthalter Rehwald seither gehabt hatte.
Dietz hinterlegte mit seiner Frau Eleonore Magdalena
312
Amelunx zu Rotenburg am 25. Miii 1739 als Kaution
von KHKJ Tlilvii. da« überkomnu'iH.^ Aitielunx'sch<* Haus
liebst Hofn'itc, .suvvi»! die von seinen t'^igi>n<'ii Filtern «r-
i'rbti'ii Gnindutiickt' in der (.Tein;irk.iiiig H4'})r;i. [)araut'
wurde derselbe am 24. Juni 1739 von Landgraf Wil-
ln'lm definitiv zum I'ostbülter von Hebni b<'stfllt njid
t's wurden ihm folgende tte.züge v iurte) j ä brl ich zu-
gesprochen :
„1) Für wöubentlicb Imal den l'o*>twiigen
„nach Morschen, sodann Imal nach
„Hersfold ohne Retour zu fahren . . 31 Thh. 6 Ggr.
„2) Für wöchentlich 2ma] die ordinair
„reitende Post nach Vatha und ziu"ück
,,zu iiberfühnm ....... .25 ,, —
„3) Für dpn Boten, so wöchentlich 2mal
„das lirief-Paquet nach Hersfeld und
„zurück bringt. 5 „ -
,,4) Pro expt'ditiono '/»theil von dem erhobpiien inlän-
„dischen Briefporto :
„5)8odann erbieit er noch jährlich 2 Livreen auf 2
,.Pnstilloni* und alle 2 Jalire eine dergleichen auf
„den Ilersfelder Boten.*'
Die festen Bezüge des Posthalters in Bebra waren
also damals vierteljährlich 61 Tblr. 6 Ggr. einschliess-
lich des Lohnes für den Bebra-Hersfelder Boten.
Am 14. Januar 1752 erhielt Dietz für Anschaffung
bzw. Stellung eines besonderen Reitpferdes für die Nürn-
berger Reitpost eine jährliche Zulage von 20 Thiru,
Dietz hatte zur Beförderung der Posten einen Be-
stand von 10 Pferden zu halten. Er starb am 27. April
1760 und hinterliess neben seiner Wittwe 5 Kinder,
darunter eim^n Sohn von 22 Jahren, rier in den letjsten
Jahren schon das l'ostwesen in B<'hra für seinen kranken
Vater besorgt hatte. Die Wittwe bat nach dem Tode
ihres Manues das Ober-Postamt, ihr und ihrem ältesten
Sohne die Posthalterei flbertragen zti woIKmi, Ferner
lui^lflete sk-ii <I*T frastwirth Johan» Heinrich Graf,
(ItT sdion oben genannte Schwiegtn'solin lies im Jahre
1H3?1 ver^itnrbenen Posthaiters .fnhannes RehwaliK Als
dritter meldete sich noch als Posthalter zu Bebra Gg.
rhristnph Ivnobfl, Sohn fWn verstorberuMi iJekiUis
Knnbel zu Kotenhurg und Pfarrers in ()herelribaL;li. I>i«
l*nsthalterei Bebi*a uurdn von dem Landgrafen Frit'drich
durch Ri'stallungsnrkuudf^ vom 10. Juni 1 7f>(j vam 1.
Jub iTbü ab dem Gastwirth Johann Heinrich Uraf
übertragen.
rm. Johann Heinrich Graf 1760—1783.
I Graf musste auch eine Caution von 1(KX> Thlr.
gerichtlich hinterh^gen. Seine Bezüge waren folgende
fiir das Vierteljahr:
1) für die Beförderung der fahrenden
Post wöchentlich einmal nach Mor-
schen und Hers^feld nlnie Ketour . HlTlilr. ÖGgr.
2) für Befiederung der ordinaireu reiten-
den Post wöchentlich zweimal nacli
Vacha und zurück ,H2
3) für Expedition der Posten den dritten
Theil de« in Bebra aufkommenden
iidänd lachen Rrief-Portos excl. der
fremden l'ortoau.slagen ;
4) jährlich zwei Postilhuis-Livreen nebi^t
Brust.scliihl, Hut und zwei ('<u'<ious;
5) Vergütung für Schreibmaterialien
B) Freier Bezug bzw. freie Lieferung
von zwei (,'as8e1er Zeitungen.
^m .\m 4. Juli 1 7W> wurde (Iraf zu Rotenburg von dem
^f Reservat-CNnnmissarins Ullrich als l'osthalter von Bebra
verpflichtet und vereidigt. Seine dienstliche Tbätigkeit
begann er mit dem l. Jiiii.
Pi
— .. H
314
Graf musste für die Beförderung der Posten 9
Pferdt' halten, für welche er im Interesse einer ordent-
lichtMi P(»<tbffürdtTiuig um Befreiung von den MfFentlichen
Fuhren bat, die ihiu auch gleich den underen hebsibchen
Posthalttsrn gewährt wurde.
iJer Piislhalter (iruf heiacliwei'te sich im Juli 17B2
hei dem ( Hier-l'u.stanit zu Cassel, da.ss ihm französische
Soldaten bei ihrem Uurch/.uge durch Bebra Flier, Brannt-
wein und Wein abgefordert und nieht bezahlt hätten ;
ebenso hätten aie ihm am 5. Juli 16 Rationen Hafer
abverlangt und ihm einen Revers darüber ausgestellt.
Kr habe «ich mit diesein an den Magazinverwalter
Rittmeister ("haumont in Rotenburg um Erstattung
der M> Rationen Hafer gewandt, ji-dorli ohne Krfolg ;
darum bitte er das Ober-Postamt, ihm zur Wiederer-
langung de« Hafer« behülfiich zu sein. Wie aus den
verscliiedfnen Schreiben hervorgeht, hatte der Marschall
Prine von Sttnbise, lun den l'< istverkehr in Hessen
aufrecht zu erhalten, schon vorher am 6. Mai 1762
BefehJe gegeben, „dass den Postbedionteii nichts iiin-
weggenommen, betionders aber die Fonrage gelassen
werden sollte." Das Ober-Postamt wandte sich daher in
einem französischen iSchreiben an <len Prinzen von Soubiae
und bat detLselben, „</<' vuuloir Idcn maintenir l'onion-
navce qvelle a doiiu4e pour la police des posics et accorder
unc saure ijurdr ä rette stntion de Hehm, comme atissi
dordonner qw ks iß raiion^ d'aroinc soycnt ic^tÜv^j
du magasin de ilotenbourg et qtie (es iroupiies nr
doivent rien cxiger des maitrcs de jx)ste conformemcid
ä la (/'« (dite) ordonnance du 6. Mrn 1762.''' (Zu Deutsch:
„Er wolle den gegebenen Befehl zur W^ohifahrt der
P(i«t aufr»-{ht erhalten und der Station Bebra eine
Sicherheitswache gewähn^n, wie auch anordnen, dass
die 16 Rationen Hafer aus dem Magazin zu Rutenburg
wieder erstattet würden und dabs die Truppen den
315
Postmeistern nichts wegnehmen dürften gemäss der
genannten OrHiinng vom H, Mai 1762;'''')
Im April 1764 stolltf di-r alte I'osthaltf r tJraf bei
dem Ober-1'ostamt in C*assel den Antrag, „daas sein
jüngster Sohn Genrg Anthon Graf Ihme zur Pust-
Administration cum s]>e yuccessiniiis adjungiret werden
miKdite." iJas Ober-Postamt legte dieses (itisuch dem
Landgrafen vor und bat um Gewährung diesi-r F^itte,
,,weil der jungi- Grnf von Per?inn fin hübscher Menscli
Hc\, dess«Mi Bruder als Kittmeister untt^r den Ilessiseh*-n
Husaren gestand**!!, und weil jener sich bissher zu d»m
Post-Expeditionen Üeissig appliciret habe, das jetzige
Post-Hauss in Bebra auch am besten gelingen und in
gutem Rufe sei." Her Landgraf aber bestimmte am 28.
Äprih dass dem Gesuche des Graf nocfi nicht zu ent-
s]>rechen sei, da er f rst 4 Jahrw Pusthalter gewesen ■
er möchte seinen Sohn ferner im Postdienste unterweisen
und später sich wieder middcti. Der Posthalter Graf
reichte aber sclion am 24. Mai desselben Jahres wieder
ein ähnliches Gesuch bi-im Ober-Postamt ein. Er be-
gründete dieses sein Gesuch, ihm seinen Sohn als Ad-
junct zu geben, auf folgende Weise :
1; sei es nicht unbekannt, dass die Post seit 1704 sich
in seinem, dem Rehwald'schen Hanse befunden
habe, und zwar habe sie sein verstorbener Schwieger-
vater von 1704 bis 1 7 HiJ versahen; bei Lebzeiten
seines Schwiegervaters liabe er schon das Poat-
wesen in Bebra raitv^rsehen; von 1739 bis 1760
sei M. Dietz Posthalter gewesen und von 1760 au
habe er die Posthalterei inne;
2) gab er an, dass er schon aSt sei und „durch die
assistence seine« jüngsten Sohnes soulagiret werden
müsste" ;
3) führte er au wohl als hauptsächlich durchschlagen-
den Grund : „Ueber dies, so könnte dieser mein
316
Sohn anjptzo sein Glück durch oinft Hoyrath machen,
dHs abfr blos darauf hftrnhet, wunn Er mit pinom
All«!ry^nädi(^'.steii Hesfri|)t v^rsdien wäre (als Post-
halter-Adjuiictl."
Schon am folg«ndeii Tage, Aan 25. Mai 1864, ge-
iit'liMiigt** (If'r T/;«tKlgr»f die Knu'triuuij^ dfs jungen Graf
zum l'osthiilJi'r-Adjunct und uiti '2Ci. Mui fertigte dtT
Obe;r-Po8tdirfctor Canngiossfir das bezügliche Riiscript ans.
Im .Jahn? 1780 liatten der alte rostiialter Graf und sein
ihm hiMgegc'bniiirT Sohn um Zulage geboten, da sie imraer
noch trotz der eingetretenen grossen Theuerung diiiselben
Bezüge gtMiöseen, tlie ihnen 1760 vm'willigt waren. Das
Gehalt des rnstbaiters in Bebra betrug, wie oben schon
mitgethfilt jährheil 255 ThaSer vierteljährlich 68 ,tf 18
Ggr. In den Jahren 1772 und 1773 war dem Posthalter
in Bebra wegen ganz ungewöhnlicher Tlieuerung eine
aussergewöhnliche Zulage von 15 und 12 Thlr. viertel-
jährlieh verwilligt worden. Da aber die ungünstigen
TlieuerungsverhiiltnisHe beständig andauerten, so befür-
wortete da.s Ober-l'ostamt am ^Ü. November 1780 das
Gesuch des Graf und bat den Landgrafen um eine jähr-
liche Zulage von 50 Thlr. für den Posthalter von Bebra
„zur nntigen bessern 8ubsjstenz vors künftige und zum
„Besten des nienste» üherliaupt." Diesem Gesuche wurde
aber nicht willfahren.
Der Po.-<thalter Graf kam in seinen Yermögensver-
hältnissen nach iitid nach zurück ; dieser iUickgang war,
wie das Über-rostamt selbst am 12. Dezember 1782 in
einem Berielite »n den Ltindgrafen Friedrich ausführte,
iiielit allein durch die allgemeiiu': Theuerung, sondern
auch durch die Verluste, Beschädigungen und Drungsale
des 7iährigen Krieges verursacht worden. Da der alte
Graf und sein »Sohn nicht mehr im Stande waren, die
Post in Bebra zu verwalten, so schlug da.s Ober-Postamt
den dortigen wohlhabenden Gerichtsschultheiss Johann
Ch r i .s 1 0 p h R e h w a 1 d als PostliaUer vor, welclier Vor-
sehlag auch vnrii Laiidgraffii F ium) r i fh am -iO. Ilüzem-
ber HS"! gHiiGJiniiyt wurde. Kfhwald illn;rrtiihiii die
rosthaltei'ni Bebra unter denselben Bedingujigen, wie
sie sein Vorgänger Graf gehabt hatte. Da Graf «einen
Dienst stets treu und redbch besorgt hatt« und vhxw.
sein Verschulden in so schleolite YerinGgensverhäitnisse
gekommen war, empfald das Über-Pustamt den beinahe«
ÖOjälingen Greis der Milde des Lainigrafen, worauf
Landgraf Friedrich den: alten i^osthalter Graf am 20.
Dezember 1782 eine jälirliche Pension von 50 Tblr.
vom Jahre 1788 an gewahrte. Durch dif schlechten
Verniügensverhäitniisse \hü Postlialters Graf war bei seinem
Abschiede 178i5 aucli nuch ein Rezess vtn-bandeu, wegen
dessen Bezahlung das Oher-Pustanit mit den Graf'sclien
Kindern einen Prozess führte. Im Jahre 1788 betrug
dieser Rückstand noch 2öH Thlr. 9 alb. und die Graf-
schen Erben erboten sich, die Hälfte zahlen zu wollen,
wenn der Landgraf dann die Arjgelegenheit beruhen
lassen würde. Da« Ober-l'ostaint bat ara 7. Juli 1788
den Landgrafen, den Vergleich annehmen zu wollen,
da die Familie Graf ihr selir beträchtliches Vermögen
durch die Verluste an Pustpferden, so wie durch deji
Krieg und dessen Verwü.stungen und Drangsale verloren
habe. Am II. Juli 1788 genehmigte der Landgraf den
angeboteneti Vergleich, so dass der Prozess endlicli durch
die Zahlung von 126 Thlr. 20 alb. 0 hlr. Seitens der
Grafschen Erben seine Erledigung fand.
IV. Johann Christoph Rehwald. 1783—1793.
Joliaun ("hri.stüiih Hehwald, welcher vom Landgrafen
Friedrich am 20. Dezember 1782 als l'o.stlmlter an-
gen<mimen war, wurde am 27. Dezember desselben
Jahres durch den liatb und Heservat-Conimissariu«
Lieutenant Kh-inluins /u ludenhurg vereidigt. Kr über-
318
nahm sämnitliclie Geschäft^! der Station Bebra vom 1.
Januar 1783 an. .Se.iiifi Bezüge waren g^nau dit^selben,
welch«' süiti Yorgiiiigcr Graf genossen hatte. Zur Be-
wältifiung des l'ost.ilit'jistf-s auf df^r Station Bebra musst**
er auf ausdriieklicUe Anordnung 2 vollständige Gespanne,
tüchtig« Pfftrde und ,.ge8chickte wegknndige
Kn wehte und kleine Jungens bernit halten".
Die l'ostrechnung nius-ste er vierteljährlich aufstellen
und späte.stens 8 Tage nach Ablauf d«s dritten Monats
an das CJber-Pofcitanit in Caseel einsenden; ebenso musste
er, wie seine Vorgänger, eine Cantion von 1000 Thlr.
hinterlegen. Er starb gegen Enile des Jahre.« 179H und
ihm folgte als Posthalter zu Bebra sein Sohn Johann
Heinrich Rehwald.
V. Johann Heinrich Rehwald. 1793—1825.
Joliann Heinrich Kt'hwald wurde am 14.
Dezember ITOI-J vom Landgrafen Wilhelm als Post-
halter von Bebra angenommen und bestellt; am 30.
Dezeinher 1703 wurde er zu Rotenburg durch den Cora-
niissarius ('. Älartin als Posthalter vereidigt. Seine
Leistungen waren dieselben, wie hei seinem Vater; seine
Bezüge waren folgende:
1) Für Beförderung der ordinairen fahrenden Post
wöchentlich 1 mal nach Morschen und Hersfeld
ohne Rückfahrt jährlich 125 Thlr. oder vierteljähr-
lich 81 Thlr. 6 Ggr:
2) Für die Beförderung der ordinairen reitenden Post
wöchentlich 2 mal nach Vacha und wieder zurück
jährlich IfTfi Thlr., oder vierteljährlich 38 Thlr.
1« Ggr;
3) Ein Drittheil von der Briefporto-Einnahme aus-
schliesslich der fremilen Briefporto-Auslagen :
4) Vergütung für Schreibmaterialien vierteljährlich 8
Ggr.
5) Freier Bezug von 2 Casseler Zeitungen ; untl
6) jährlich zwei complete Poftillons-Livreen
In jener Zoit waren dk: Hebt^rfällö unJ Hnrau-
buDgiui der Posten in Deutsolilantl su häutig, dass sogar
von Reiehawegen allgemeine Verordnungen zur Be-
kämpfung derselben angeordnet wurdfui ; ebenso waren
di« Liniidesfürsten, welciie ihre eigenen Posten hiitb-n,
geiiftthigt, für die Sicherheit derselben zu sorgen.
Meistentlieils ent-schlnss man sich erst zur Siche-
rung der Posten, wenn sie beraubt worden waren. So
ging es auch mit der reitenden Post von Bebra über
den Säuliug.swald nach Vaeha. In der Nacht vom 29.
auf den 3U. Octoher 1790 war, so berichte^ der Post-
haiter Jobann Heinrich Heliwald von Bebra am 'M.
October nach Cassel, „sein Postknecbt auf dem SUu-
lingswalde von zwei Ränbern überfallen worden; die-
selben hatten ihm da.s Felleisen abgeschnitten, alles
durchsucht und den Postillon geprügelt und abscheulich
misshandelt; auch war dreimal nach dem Postillon ge-
schossen worden.'' lU-.r ResiTvat-Commissariu.s Martin
in Koten bürg wurde mit der sofortigen Untersuchung
des Vitrfalie.s beauftragt, und der Amtmann Gössel in
Friedewald musste den Säulingswald durchsucheti lassen.
Wegen Gefährdung der Post über den Säulingswald
stellte die Ober-PustdirKction am 7. Dezemhar 1799
beim Landgrafen Wilhelm den Antrag, ein Kommando
Soldaten von 1 Unterofhzier und 8 Mann nach Friede-
wald zu legen, um dem Räuberwesen zu .steuern, wjis
aucli gHschah.
Der Po.sthalter Johann Heinrich Rehvvald, wie
.schon oben gesagt, von I^audgraf Wilhelm am 14.
Dezember 1793 bestätigt, erlebte luid überlebte die
traurige Zeit der französischen Fremd her r.schaft in
Messen und nach der Verti'eibung der Franzosen diente
er noch der hessischen Post bis zum Jahre 1825 ; er
320
Tiat fs auch frlcbt, das» das Landgrafontluim Hessen
zum K u r f ü r s t f II t h n m (-r]iobt;ij wurde ; it hat i^s ferner
miterlebt, daas die Ausführung des Postwesens in
Kurhessen vom 1. Juli 1816 an den Fürsten von Thurn
und Taxis übertragen wurde, infolgedessen in Fran kf iirt
am Main eine k u r fürs tl i cli hessische General-
P ostdirectio n und in C asse 1 eine kurhessische
Gen eral-Postinspectif>n ins Leben traten, welchen
beiden lieliörden die Leitung und Teberwachung des
Püstdienstes im Gebiete des kurhessischen Staates ob-
lagen. Während der Franzosenherrschaft in Hessen
blii'li das Postwesen des Nürnberger Kurses unver-
ändert bestehen. Im November 1818 bat der schon
bejahrte l'nsthaltt^r Rehwald die kurfürstlich he^isische
Ueneral-PostiJirection in Frankfurt am Main, „dass ihm
rücksifhtlich seiner Alterscliwäche, wie auch seiner
langjährigen treu geleisteten Dienstzeit mnn Sohn Ju-
lian ni^s cum sjie stjccedt'ndi adjungirt werden möchte.*
Die kurht'ssische General-rvjstiiisiiection in Cassef^^
welcher diese-s Gesuch zur vveiter*m Hehandlung von
der kurhcfesisehcji (leucral-PnNtdirectinn in Fraukfiu-t
abgegeben w<trden war, bidnrwortete das Gesuch des
Rehwald in vinem besonderen Berichte vom 13. Dezember
181 B an den Kurfürst<>n, denigcmäss dessi-u Sulni
Johannes Rehwaid Unit kurfürstlicher Fintschliessung
vom 18. Dezember 1818 als Adjunct mit der HoflFnung
der Nachfolge bestellt wurde, jedoch unter der Bedingung,
„sofern und so lange die lV>sthalterfi in Bebra bei-
behalten würde." (Die über die Aufliebung bzw. Ver-
legung der Posthalterei Bebra gepHogenen Verhandlungen
folgen in einem besonderen Artikel Vlll.) Die dem
Pot!thalter-.\djunct Johannes Heliwald zugefertigte
F'rnennungsiirkunde ist am 24. Dezember 1818 ausgestelU
worden: die Vereidigung und Verpflichtung als Post-
lialter-Adjuiict für den Pustdienst in Bebra erfolgte
I
am 31. Dezember 1818 vor dem Reservat-CommiMarius
und Rath Arsteiiius in Rotenburg an dor Fulda. Noch
iyi'cha Jalirt? Ii-Mo der alte Po^ihalter Johann Heinrich
Rehwahl: er siarh am 17. Januar 1825.
VI Johannes Rehwald 1825—1850.
Nach dem Tode seines Vaters bat der .seitherigH
Po«t.lialter-Adjunct Johannes Rehwald al.sbald die kur-
fürstliche General -l*ostdirt'ctiou in Frankfurt lun
llebertrag\ing „des durch den Tod seines Vaters erledigten
Postdienstes in Bebra." Alexander Freiherr von
^B Vrints-Berberich, der damalige kurhpssische General-
^ rnstdirector iu Frankfurt, hinrichtete am 21. Januar
1825 an die kurfürstlich liessist:hy Gcneral-I'ostinspi'ctidn
^1 zu C'assel, dass er gegen die definitive lU'bertragung
der Posthalterei Bebra an den bi.sherigeu l'*t,sthalter-
Adjunct Johainiep liehwald nichts einzuwenden habe,
B zumal derselbe ja die Anwarischaft auf diese Stell«
schon seit d^ni IH. Dezember 181Ö besitze: b»*v(n-
jedoch die Stelle in Bebra wieder definitiv besetzt
würde, möchte die General-Postinspection darüber noch
^^ Auskunft geben, wie e.s steh zur Z«Mt mit BcibeJialtung
^" oder Aufhebung der Posthalterei Bebra verhalte. Am 21).
Jajmar wurde in dieser Ängelegeuh('!it beschlns.*mu, dass
die Station Bebra vorläufig beibehalten werden sollte;
ji'doch sollte in das Bestellungs-Rescript des Johanne.s
liehwald wifdi-runj die ülausel : „so lauge die
^h Po sts t ation in Bebra beibehaltetr wird''
eingf.'<chaltct \v(-r(it*n. Hiervon wurde die kurhe.sni.^che
Geiu'ral-Pnstdirection in Frankfurt am 7. Februar
benachrichtigt. Am IH. März 1825 stellte die General-
Postdirec'tiou in Frankfurt im Auftrag den Frbland-
postniei-stei-s, des Fürsten von Thuru und Taxis, bei der
GH]i(»ral-Po.stiuappctioii zu (Jassel den Antrag, „dem
Johannes llclnvaild die hikdisitlandes- niid lidHisherrliehe
N y ud xvir 2i
322
B^ätfttignng als ku!für.stlii:ln-r 1 Visthaltor üu IJ«;bra
t-rtheilfin zu wollen. "^ Auf Anfrag ih-r Gfiu-nil-l'ost-
inspection vom 5. April wurde der hislinrigc I'osUialter-
Adjunut Johantips Hcliwnid laut kiirfür.stlicbMr Ent-
scliliessuiig vrmi S. .Imvi am 17. .Iiiiii 1825 zum
Posthalter in Hi-bra crniinnt ,,init<*r ilcni V«>rh»'lialtf' der
fi'.riHnpn Heihelialturig di>r l'obtiialti'rri in Iti-brn."
Im Febnnir 1H31 bat der Posthaltt-r Johannes
Rehwald dio General-Postdirection in Frankfurt uuj
(iHhaltst'rhöhung lizw. um Gleiclistellung seines IHenst-
eiukonimcns mit dern des damaligen Postmeisters
Scheuch in Morschen, worauf ilim am 25. Februar
eint? iiiliiliehe Zulape von 25 Thir. gewährt wuid«-.
Aui 7. Juli 1838 bat Hehwald die Gftneral-l*r»stiiiKpe.ctinn
in Cassel um Verleihung des Titels „Postmeister";
er begründete sein Gesuch damit, dass andere Post-
itffiziatiteTi mit nicht so ausgedehnten Postgeschäften
ebenfalls diesen Titel schon belassen ; die iStelle in
Bebra habe sich seit seinem Dienstantritt im Jahre IblK
ganz verändert und ,,aus der ehemaligen L'niiedeuten-
heit sei sie zu einer anselinlicljen Station geworden.
Wöchentlich habe er ausser den bedeutenden extra
Arbeiten gegenwärtig viermal F a li r p o st und
13 Brief- und liu th en-P ost-Ex ]iediti o neu. Mit
Cassel, Melsungen, Morschen, Botenbiirg, BischhautiPU,
Sontra, Ivschwege, Nentershausen, Hersfeld, Fuldiv,
Vacha, Schmalkalden, Herrenbreitungen, Salzungen.
Friedewald u. s. w. stehe er in unmittelbarem Karten-
und l'ackete-iSchhjss" ; in Betreff seiner iJJeustfühning
betonte er, daüs ihm noch nie ein Verweis zu Tlieil
geworden, dass er aber schon mehrmals „Bei ob u n gs-
sch reib eil" erhalten habe; ja er habe sogar durch
BeschhisH des kurffirstUchen Staatsininisterinms, Abtbei-
lung des Inueni, am 15. September 1830 als Beweis
und Ausdrack besonderer Zufriedenheit mit seinor
323
I
rtieiistfiihnmg dii:- silinTue Vfrclienstmedaillf trhaUen.
Obwohl diu gute DietistfiüirHng des JNjsthalters Heliwald
aligemein anerkannt wurde, so erfolgte doch Seitens
th'x GeMeral-l'ostins|iectii>a am 19. August 18.HJJ ein ab-
Rchläglicher Bescheid aufsein Gesuch vom 7. Juli desselben
Jahiv.«:. Die General - Postinspection führte in ihrem
liest heide unter anderem an, dass es um der ConsHqenz
willen gegenüber den anderen hessischen l'osthaltern
nicht angängig sei, dem I'osthalter von Bebra den
Titel „Postmeister" zu ertheileu. Die kurhessisclie
General-Postiuspection hatte dieses Gesuche» wegen
auch an die kurhessiHchn Regierung berichtf^n müssen •
der damalige Postrath Günstj welcher bei der General-
Pnsitinsjyectioti die Uf^handluiig der PostsaclH'ii auszu-
führen hatt*^. berichtete bei dieser Gelegenheit an die
kurfürstliche Regierung, dass nach dem Reglement
vom 13. März 1762 auf die Post halt er die Post-
V er Walter folgten, welcher Titel für die Posthalter
lUid kleineren Postex]n^diteure schon eine Anszeichnurvg
sei ; die Postverwaltt-r erhielten dann späterhin auf
Nachsucheji den Titel .,Püs tm e istt» r"; gewrvhnlich
aber sei dieser Titel nur den Inhabern von bedeuten-
deren Stationen gegeben worden.
Kehwald begnügte sich aber nicht mit diesem
üdwuhliglichon Bescheide, sond<^ru wandte sich srhou
Skia 31. August mit einem gleichen Gesuche an den
damaligeji Kurprinzen und Mitregenten Friedrich
Wilhelm, welcher dasselbe der General-Postinspection
zur Herichterstattung zugelien Hess. I>er Bcriclit der
Gi'neial-PohitiuspwtiMii laut^de wiederum dahin. tla.ss der
I'ctsthulter Keliwald in Bebra höchstens Anspruch aitf
den Titel Postverwalter habe : da aber Rehwald „als
ein thatiger, pünktlicher und n-chtlichcr Postoftiziant
bekannt sei", so stelle es die Ueneral-Postinspection
dem Kurprinzen anheim, dem iNisthalter Johannes
21*
324
Ei'hwald ilfii Titel Postmp ister als eine pprsönliche
Begüiistigntig zu (»i-tlu-ilon. So wind»* nun don> Po»t-
halter Hehwalfi cndlicii am 10. Januar 1834 von dem
Kurprinzen und Mitrt'genten B'riedrich Wilhelm der
Titel „rostmeistor'' verliehen. Im Jahre 1841 hatte
der Posthalter Knhwald wiederum um Krliidiung seines
Dienateinkoinmens gebeten. Die kurfih>tlit'}ie General-
Püstdirection zu Frajikhirt willfahrte diesem Gesuche
am 10. September 1841. Ihus Ge.saromteinkommen
des Pf»stmeist.er8 Itehwald bestand vf»n da ab ll au«
einem Fixum (festen Gehalte) von 100 Thlr jiUirlich,
2) aus 5 J'roeeiit vom Brief- und Päckerei-Pnrto und
Franko, welche nach den Üechnungen von 18H9 4()
ungeHihr IH Thlr. 4 Gr. 7 ^j betrugen, H) aus <Umi
s g, Kmohunenten (Nebeneinküiiften), welche ungefähr
47 Thlr. jährlich betrugen, ho tla.s.s si<'h das gesammte
Einkommen jährlich auf nngefälir U>5 Thlr. heliof
Aus dem unter 3 genannten Betrage musstf« der Post-
meister K(4iwald jedoch die sämnitUcheu Amt-sausgaben
und Schreibmaterialien be-streit^-n ; das bisher bezogene
Schreibmaterialien-Aversum (Vergütung) kam in Wegfall.
(lieber den Orts- und Landbestelldienst der Poststation
Bebra siehe die besonderen Abhandlungen X und XI.)
Der Po.stmei.ster Johannes Rehwald »tarb am 6. März
1850; sein Sohn, der damalige Pnstpracticant ("hrisloph
Heliwald, zeigte den Tod .seim'« Vater« am 8. März der
Kurfürstlichen Gencial-Postinspection zu Cassel an.
VH. Christoph Rehwald, Postverwalter, Postmeister
und Postdirector. 1850—1886.
Da Herr I'ostdirector Rt'hwald noch im Ruhestand
in Bebra lebt, folgen hier rmr die nachstehenden wenigen
Angaben über denselben. Christoph Rehwald, der Sohn
des am t). März \Si)0 ver.storbeneii Bt-braer Postjneist,er8
Johannes Kehwald, ist am 12. Dezember 184.^ als Post-
325
geliülfe eingntrek-n nnil IUI dwnselbeii Tage für den
rustdieiifjt vfrpHit'litt't worden. Am 20. Juni 1848
• ■rfnlgte iiaelj vortiusgirigangeiinr Vt'r]if1ic]itiing seine
Krucnmnig zum l' ostp r ak ti k an t cn.
Nuclulem sfin Vater am 6. März 1850 veretorben
war, hat t-r dir- Fostanstalt in Hubra verwaltut bis
zum 2. Juni IHol, im welchem Tuge er vom Landes-
lieirii üiiin P o st. v er w al 1 1; r in Hebra ernannt wurde,
Steine Kmennung znni l'ostme ister erfolgte am 27.
Mai IH6H, dit'^jenigi.' znm 1' oiJtd i r ec to r am 1. Januar
1872. — Vom 15. September 1848 bis zu der am
1. Juli 1886 eiiigoiretenen Versi^tziuig in den Rnbestand
ist Rflnvald utuinterbruchen bei der Poatanstalt in
Bebra beschäftigt gewesen, — Beim Uebergange des
Tburn und Taxi.s"3e.ben I'ostwesens an Preus-sen Wurde
das reine Difinsteinknmmen des Rehwald, welches
grösstentheils im Bezüge vun Emuluroeuten beöt^uiden
hatte, auf img<'räbr 450 Thir. jährlich festgesetzt. .Sein
Gi.'Iialt als Püstdirector richtet«) sich nach den Bestim-
mungen des l'ostetats.
¥
*
VIII. Verlegung der Poßthalterei in Bebra nach
Rotenburg.
Wh der nachmalige Postmeister Jobannes Kehwald
in Bebra am 24. Dexember 1818 zum PostbaUer-Ad-
junct seines bejahrten Vaterü Johann Heinrich Behwald
ernannt wurde, erfolgte diese Ernennung unter dem
ausdrüeklicben Vorbehalte, „so fern und so lange diu
Pii-stbalterel in Bebra beiliohalten würde" ; ebenso er-
folgte die detinitive llebertragung der Posthalterei
Bebra an i\vn Posthalter, den späteren Postmeister
Jolianne.s lieliwaW am 8. Juni 1825 unter demselben
Vorbelialte. Man ging also schon im Jahre 1818 mit
dem IMant* um, die Posthalterei in Bebra aufzuheben
und zu Verlegen und zwar nach Rotenburg. Dieser
326
F'lan rnlite jedoch bis znm Jahre 1837; am 8. Ffbr«iar
diese« Jahres re.gte das kurliessische Ministerium pndhvh
diese »clion sü lange Zeit offene Fragw hei der (äeneral-
rüstiiis[)ec.tion in Cassel an. Nachdem der Pontroeister
Kehwald von der beabsichtigten Auihebung der Poet-
halterei in Uebra und V<?rli'*ning derselben naeh Rotenburg
Kenntnis bekuiiiinrn hatte, wandte er sicii am 4. Mira
1837 an den kurhessitichen Minister von Motz und
bat um Beihelialtung der Bebrai-r l'ostbalterei ; Ileiiwald
hob in jjeinem (jfsuche hervor, dass die Station Bebra
iin der Nürnberger Landstrasse im Mittelpunkte zwischen
Hersfeld wnd Kotenburg liege: hier treffe auch die Son-
traer Nebenstrasse mit der Nürnberger I^andstrasse
zusammen und Bebra sei wieder der Mittelpunkt zwischen
Hersfeld und Bischhausen ; ebenso sei Bubrn der
Mittelpunkt eines bedeutenden Holzhandels zwischen
Kriedewald, Herka und Morschen : seiner günstigen
Lage wegen erfolge von hier aus am besten dio Be-
förderung allf^r Sendungen imch dem RichelsdorA-r
Bergwerk, nach Neiitershausen, Wildeck u. s. w, ; durch
die geplante Verlegung der Posthalterei von Bebra nach
Rotenburg werrle er in seinem Haushalte sehr geschädigt,
ja vollständig ruinirt ; ausserdem werde die Tour so
erheblich verlängert, dass für die Pferde der grösattf
NachtheU erwachsen müsse; zu dem habe er geradein
den letzten Jahren grosse Ausgaben gemacht zum Ankauf
von guten l'ostp leiden, welche noch nicht alle gedeckt
seien ; schliesslich berief sich der Pustmeister Kehwald
noch auf seine gewissenhafte und treue Dienstfiihrung.
Am 14. April 1837 erstattete die General-Pofct-
inspection ihren Bericht über diese Frage an das Mini-
sterium ; dieselbe erkannte die von dem Postmeister
Kehwald betonte für (Jen J'ostdienst und den allgemeinen
Verkehr so günstige Lage Bebras voUkummen an. Bei
Fortsetzung dieser Verhandlungen mit der General-
Piiistiiispeciinn crkUirte sich Rehwald undltuh ln-fBit,
iWi! ['osthultiTi'i von {Si'lua iiauh Htit«nburg zu vi-ilegt-n,
in Hcbra iil)«*r die JVi,stc'xi«'ditiuii weiter Ix'izubt'halten,
sowii- t.'iji Ri-Iais einzurichten behonJers wegen des neu
ciiigiM'iL-ljteti'n 15 r i e f-( ' o u r i e r-K ii r s e s von Bebra
iibiT Siintia uiiuli HiscJihausen. Auf allcrbüchste Geni'h-
iniyinig wnrdp dann um 24, Mai 1 8*37 vuifflgt, dass diu
l'ii^lli;iltiTi'i vfin He4nvi nach llutcnbnrg verlegt, wurden
sollte. Duch war iliusi^ Verloginig nicht sri lek-ht
ausgeFüln-t. al.s t^'w angi;c>rdni't windt-u war ; d<.*nn diu
Eiitffrnuiig von llersfuld nach Hf»t«iiburg betrug 2^/4
Meilen und war ffir iUr rnstpfcrdf üu yrowr* und iiach-
theilig : dii- KjitlVrnuiig zwischtMi Ihnsfidd und I5i'l>ra
bt'trug nur 2 Mi^ilfu. i)in iVisthaltfroi Ilotunhurg sulltu
drni riishiU'istff Uihwidd übu-rtraguu vvordtni, wtluhur
sich IV'intT \i'r[iHiclitcn nuiüste, in lJ»d)ra fin Pfurdu-
Relais beizubL-balten, sowie tlie dortigu t^ustexpudition
weittn- zu VfrHi'liL-n. Vor der Vrrh^guiig dm- Pusthal-
teri'i von Bebra nach Uotenburg sollte abt>r erst noch
ein« geeignete ZvvJscbenKtation zwiscbcti Bebra und
Jb-'i-stVld fingerichtet worden, ftvva tu den (h-ten Breiten-
bach odi-r lälankcnhain. Das Kurfürstliche Finanz-
iMiuiiiti'riuni furdt-rte bit^rüber unterui 5. September
eingelienden Bericht von der GeneraJ-l'ustdirection.
Iliese wandte sicti am 14. Septenilier an die kurfürstliche
(^t'Meral-l^rstdirection in Frankfurt inid bat utn deren
gutacbtliclie A<'UBserung. Der Bericht der General-
l^ofitdirnetion vom 14. (JetoluT sagt, „dass allerdings
die Entfernung zwischen liotenburg und H^rsfeld — ä'V*
Meili;n — für eine Station bei den jetaigen Anforderungen
an den Fostdien.st zu gross sein würde" ; sie stimmte
nicht für Einrichtung einer Zwischenstation in Breiten-
bach oder Blankeidiain ; denn wenn naan dieses thun
wollte, müsste zwischen Blankenhain und Bifichhauaen^
wo die Entfernung ö Meilen betrüge, ebenfalls noch
328
eimi Station eingerichtet werden ; die General-PüBtdLrec-
tion spricht schliesslich ihre Ansiclit dahin ans, diu
Htation Bobra in ihr»>in dormalijifen Stand»; zu la.sst^n
und von tiiner Yrrlugung der Pusthalterei tiiu,'ii Kot^n-
burg abzustihen. Nachdem die üeneral-l'ostinspection
dicHfii IlHriilit dt-r Cienerat-rostdiruction am 21. November
d<-iii kiirftjrstiii.lieii Ministerium raitgetheilt hatte, wiirdv
atn 2ö. desselben Monata im Ministerratlie diese Ange-
legenheit wiederum verhandelt. Minister von Motz hat
damals unter den Bericht der Cieneral-Postdiri'ction
eigenhändig folgende Worte geschrieben: „Die tieneraJ-
l'ostdirection hätte nicht erst ihre Hereitwilligkeit zur
Verlegung der Pusthalteroi von Bebra nach Rotenburg
an den Tag legen sollen.'* Das Resultat des MinisttT-
rathea war der Beschluss vom 29. November, welcher
lautete : ,,Die Verlegung der Posthalterei von Bebra
nach liutunburg Lst festzuhalten ohne eine Station
zwischen Bebra und Hersfeld.*' Am 5. Dezember wurdi«
die Geneial-Postinspection von dt*m Miiu.Siterium mit
der Ausführung die.'jt.'r Verlegung beauftragt, dio
General-Postdirection wurde von diesem Beschlüsse
am 28. Dezember in Kenntnis gesetzt. Diese traf
sofort die nötliigen Einleitungen, uin die Verlegung der
Posthalterei von Bebra nach Rotenburg vom 1. April
1H3H ab ins Leben trf'teii zu lassen, Sie verhandcdte
zuerst mit dem Postmeister Hehwald, w^elcher an-
fänglich sieh auch geneigt zeigte, die Pcmthalt^rei
vom 1. .\pri! IJ^SH ab in Rotenburg zu übernehmen
und zti unttnhalten. Am 2:-*. Februar 1838 berichtete
aber die General-Postdirection an die kurfürstlich«
üeneral-Postinspection in Cassel, dass Rehwald ihr
ganz uin'rwartet Tnitgetlieilf habe, das« er «dine beson-
dere Kiitschiidjguiig und l.inter.stützung aus der Post-
kasse die Posthalterei in Rotenburg nicht tibernehmen
und unterhalten könne und daaa er es vorziehe, gestützt
329
Hilf Hi'in Anstt'llnngs- iukI lii^stiitigungsrnscript, so wie
auf § 56 tler Verta.ssurif;.sm'kuride, s«ine Poötlialterei
ganz in hislitn-igfr Wnisi.- fort zu versehen. Trotz
nochmaliger Auffot'ck'riiiig Soitt-iis der Geiu^rul- Post-
dircctiftii ist Rehwald hei dieser seiner aldtdinenden
Mrklärung stelu-n gehliidn-Ji. Uie CieJieral-l'n.Ntdin'Ltinii
WH»' jedoch nicht der Meinung, da,s.s Hehwidd eimi
Kntschädigung für die Verlegung der Posthalterei nach
!uttenl)urg zu verlangen habe •. im Gegentheil würde
die An.stellniig desselben mit der Verlegung der Pust-
halterei von Bebra nach Kotenburg ihr Ende erreichen,
da er nur unter der Bedingung in Bebra angestellt
worden sei, „so lange die i^üsthalterei in Bebra bei-
behalten würde'*; wenn er darauf beharre, nicht nach
Rotenburg zu gehen, so sei ihm nur auf Widerruf
die Po^^texpedition in Bebra zn belassen und ihm für
die l^xtraposten nach Witxeiihausen eine Rehis-Post-
halterei daselbst zu übertrugen, wofern er sich hierzu
noch verstehen würde. Die Gerieral-Po.st<iirection ersnchtB
schliesslich das Ober-Po.staint Hassel , wegen Hehernahme
der Postlmlterei in Rotenburg mit dem dortigen Post-
meister Gessner zu unterhandeln Die General-Post-
inspection tlieilte die iiat hträgliche Weigerung des
Postmeisters Rehwald zur Pebernahme der Posthalterei
in Rotenburg am 5. März 1HB8 dem kurfürstlichen
Ministerium mit und bat um weitere Vi'rhaltuugs-
massregeln in dieser Aiigelegeidieit- Unter diesen
Umständen war die Verlegung der Pnsthalt.eri'i nach
Rotenburg vom 1. April an, wii* angeordnet worden
war, natürlich tinausfüluhar. Die nun mit dein Post-
meister Gessner wegen li (.'hernähme der l*osthalterei
in Rotenburg geführten Verhandlungen waren v«*n dem
besten Krfolg, da Gessner, der als tiiclitiger Beamter
bekannt und durch seine günstigen Yermögensverhält-
nisse im Stande war, die Posthalterei zu errichten und
330
zii iintorhultRti, sofort »ich zur UnbiTnahra« deniflben
ln'ivit »rkliirt liat+c, wie «in Bciicht der (ioneral-
l'd^Wirectiori vom 20. März lsH8 an diu (iein-ral-l'obt-
insiiKM'tion in Cassel ausweist. Dnch als di^r robtmei&tt-r
] {(.-li Willi I hiervMii KHiuitnis« bekommwn hatte, bat «r d»^n
iiiiiSi [{utf.'nhiirg ^'f8iuidti.'ii Coiuniissar, bvi iiv.r Tost-
bulttTf'i-Verlfj^imji dcieli auch auf dm Kiu-ksiclit iifhiinMi
zu wollen, iiideni ir versprach, auf die verlangtt« l'nt^r-
stütziHi^' und Kntstliädigung aus der l'nötkusist' iiiinrriidir
VHiüiuhten zu vvoll^m. I>ii< CiriuTaUPostdirectitin »uhliig
abur in <.'aäsid an ursier IStellp diMt I 'uätmeisttM' (jif«9U«>r
als ] 'osibalti^r in Rotenburg vor, den I'üstnKdsb'r
Kidjwald Wut in zwidtor Stellf. Dir Civnfral-l'dstin-
sjiiüitiuti thfilte diesen Sachverlialt dem kurf'ür.stliL-lii.-n
JVlinisti'riuin am HJ. April mit und macht«- dt-n Vnriscbhig,
dem l'iistnii'iKtiT tiessiufr in f{(d.rnhurg «lit; dortige
rortthaltin'i /M libertragen, dugi-jien dem I'twtnitiister
Kehwald in Hnbra nebun dtir Kxjjudition da^s^•lb»t noch
ein Kelais fiir dio Seitcnrouten von da libur 8ontra
tjaclt Hisch hausen, suwie nach Yacha zu btdasät'n.
Aiti 4. Mai 1838 genehmigte dii« kurfürstliche llegiuruug
(Üh vcm der Cien(U'al-l'u.stdin'<tnMi, siowiu von d»tr
(.■i('ni'ral-l'(>stiiispecti(jn ihr uiift'i breiteten Vurwhljige,
. wtirrmch der l'o»tuieister Ge««nfr die l'o^tlialtt^rei in
Rotenburg erhielt : ilie Geiieral-rosiinepeetiou wurde
vimi Jlinife^teiiiun beauftragt, die nüthigen Verfügungen
zu treffen und zu erlassen. Postmeister Geis8iier
versprach die Pufsthalterei vnrn ]. Januar lv*3*.> ab ins
Leben treten zu lassen. Uie kurlHssiwche Itegierung
verlangte von der General-l'ostinspoction, da&s sie darauf
halten sullte, dass die Verlegung der l'oathalterei von
Bebra nach liotenburg nunundir auch wirklich mit
dem l. Januar 183ii erfolge.
331
IV. Johann Martin Wepler, Postbote zu Bebra
von 1715 1751.
Juliiiim Martin \\'<|tli-r, guliürtig aus Hn-ib'iihacli
bei IJt'bru, \v;ir im .hilim 171Ö von dem rn^tliiilfur
JuhiiiuiKS Ri-lnvald zn Ik'bni als l'ostbote HngHtniniimni
wortlüM, um (l<Mi Hrit'riK-uti'l wöchmitlirU 2 ma! vun
Hebra nach Hersfeld nitJ vvieck'r zurück zu b<'s<irgt;t>.
J}ieseii rostbottfiitiieiiiht luit vx unnnterbruclii'ji ,S(i Jabrn
lang bis Kmb; April 1751 „tnMi, Huissig und unvut-
droBSfii vi>rricbtL't und ssicli jctltrzt'it fci auf^nluhrt, duss
Niemand t>icii übfr tlin zu bescliwcrun jt-nials I;r«ucht'
gi^iubt". Vom Mai 1751 an war dieser Postbotyiidicnst
so eingL'viclitt't worden, das-s ein Postbittt' vun liiiten-
burg aus über Hebra nach flerst'eld und wieder zurück-
ging, infolge dessen der alte Weplei-, wie er sich sellj.st
ansdri'nkt, ,,dimittirt" wurde. Kr wandte »ich deis-sbalb
an duö Uber-rtwtamt in ("aösel uiul Itat um eine jähr-
liche Ihiter-stützung au.s tier Tostka-Sbe. In dicöem Ge-
suclie sagte er unter arulerem noch iolgende.s: „Kr habe
nun sein Stückchen Brud verloren und durch die vielen
Strapazen und die beschwerlichen saureji Gänge, su er
über 36 Jahre jedesmal bei Nachtszeit habe verrichten
niüösen, sei er ein alter abgelebter und .schwikliiitdier
öOjähriger Mann geworden und derget?talt von Kräften
gekommen, daas er mit anderer schwerer Arbeit tseiu
Stückehen Urod und Lebensunterlialt zu verdienen fast
nicht mtdir capable jsei, mithin als ein alti-r (Htjähi'iger
Mann, vvelclier 36 Jahre als l'ofjtbute treu gedient, einer
(tnade wohl würdig wäre."
Wepler musste auch wirklich ein treuer, recht-
schaffener Postbote jederzeit gewesen sein, wie drei
von ihm beigebracht^^ Zeugnisse beweisen. Die im
Jahre 17r4 noch lebende Wittwe di's i. .1. 1739 ver-
.stürbeuün l'osthaltei-.s Johannes llidiwald IClisabetha be-
scheinigte ihm am lilteu August 1751, „dass Johann
332
Martin Wepler a,us Breitenbacli in anno 1715 buy mir,
ulß ich die I'osthalterey zu Bebra gfliabt, alß l'oßtbotte
angciiomint'n, auch diu gantze Zeit über, so lang ich
diu Post gehabt, seinen Dienst jeder Zeit treu und erlich
Verrichtet und übtahaupt seine hierin (in dem Bittgesuche)
angeführte motiven in der walirheit gegründet, mithin
derselbe einer Gnade wohl werth »eye.'*
Die Postmeisterin WittweM. C Fuhrmännin zu Hers-
feld bezeugte ihm am 22. Ang. 1751, dass „Wejjpeler"
die ganze Zeit ihre» Hierseins den Pustbotengang zwischen
Bebra uiul Hersfeld stets exact besorgt habe ; ,, sogar
bei dem allerschlimmsten Wetter habe er seine Zeit
richtig eingehalten, und habe sicli des Nachts zwischen
II und 12 Uhr urdeutÜch eingefunden; dahey habe ex
sich stets treu, ehrlich und redlich verhalten und so
gedienet, dass nicht die geringste Klage eingelaufen,
vielmi'hr jedermann, besonders die hiesige Station, wohl
mit ihm zufrieden gewesen sei."
Ein ebenso günstiges drittes Zeugnis stellte ihm
am 24. August 1751 der Gerichtsschultheis zu Breiten-
biich P. P. Eckhardt aus.
Das Ober-Postamt befürwortete das Gesuch des
alten, ehrlichen nml verdienten Wepler am 28 October
1751 und am 14. Januar 1752 verfügt*^ der Uber-Post-
director und llegierungspräsideut f'alckhoff, dass dem
alten Hebräer Postboten Wcpler „ad di»'s vitae" der dritte
'J'heil desjenigen Gehaltes, das er als l'ostbote zuletzt
erhalten, als Pension aus der Postkiwse gezahlt werden
sollte. Der Commissariua und Postkassirer Ewald wurde
beauftragt, diese Summe gegen Quittung jährlich an
dtiii Wepier au.süuzahleji und im Postetat in Ausgabe
nachzuweisen. Wie tibeu unter 1 und 11 zu ersehen,
zahlte die Iies.sisclu* Piistverwaltuiig jährlich für diesen
Boten an die Pusth;ilter /,u Bebra "iU Thlr. : ausserdem
lieferte sie alle 2 Jaliie lür d'^uselbon ein« Postbut'inlivree.
I
X Privatbriefbesteller der Postverwaltung Bebra.
Am 4. Juli 1838 wurde d^r Pn>stmkiist<n- Rohwald
von dem Ober-Postamt Cassel aufgiifordt^rt zu berichtpii,
,,durt:h welches Individuum die- aiiktuiimeiiden Briefe etc.
Hir den Ort selbst an die Adressen befördert würden",
worauf derselbe nm 8. Jnli naeli Cassel bfrichtete: „dass
lue lirit'fe und TiHjuet^e, welche in den Ort selbst ge-
liörten, von den Betiieiligten selbst abgeholt würden"; uuf<
dem Zusätze des Berichte», dass diese Sendungen nur für
Staatsdiener und Lotterie-Colleeteure bestimmt seien,
geht hervor, dass der damalige l'ü-stverkehr des Ortes
Bebra ein sehr geringer gewesen ist; ein Briefträger für
Bebra selbst war damals noch ki-iii Bedürfnis. An;
10. Februar 184'2 führte aber das nber-!'i»Htaint Ca.'i.se!
Klage über die hiVuhst mangelhafte Briefbe.stellung bei
der Postverwaltung Bebra und forderte den Postmeister
Rehwald auf, auf Grund seiner i. J. 1841 stattgefundenen
(jehalt.«ierhühung und der ihm demgeniäss fd>liegenden
Verbindlichkeit, für ordnnngsmässigo Bestellung der
Postsachen zu sorgen, ,, binnen 14 Tagen ein (jualiti-
zirtes männlichef> Individuum zur Briefbestelhing anzu-
nehmen und davon unter Vorlage von Zeugnissen über
dessen seitherigen sittlichen Lebenswandel Anzeige zu
machen, resp. dessen Verpflichtung zu beantragen".
Daraufhin nahm Postmeister Kehwald einen gewissen
Georg Gleim*) als Briefträger für Bebra an. Am 2. Juni
184.H beantragte Postmei.ster Relnvald für denselben
b4"im Ober-Pu.stamt Cassel eine jahrliche 1 nterstützung
aus der Postkaase, „da die Kinnahme, welche dem
UrieflKiten durch die Be.st<^llgebühren wih'de, zu unbe-
deutend wäre, al.s dass ein Mann seine Famdit^ nrdentlicli
davon ernähren küinite"; aus .seinem eigenen un-
*) hioaei' Georg Oleim ist nicht zu verwonhselii mit dorn im
Jrtliie JH47 augeuouiitioueii lAiiübrioftrager llkiinu
bfdr-iiiciidfii rrish'iiikomrnfn köiiiiti' fv den Glfim nicht
doch l»est»iid«'i.s uiitri>.tüti5(Mi. lMi"s«'s (ii-siicli dfs l'ost-
ineistHrs Ktdiwald wurdi; am H>. Juni 1843 von dem
^)bt•r-l'r>^;tamt Casst-l ahgi'uicsiMi tiiit dt-ni Bemt^rk»Mi,
dass t'J' nach Sf^iiwr iai Jahte 1841 am lU, Suptenibor
erfolgten (rchültsorliöhung verjifiichtet sei, aus seinen
Alittflii für eine ordnungsmiis.sige Bestellung in Bebra
zn sorgen. Gleiin war bis zum 1, April 1849 Brief-
träger in Bebra und von da an versah er die Stelle
eines Wagen meisters daselbst und hatte vor allem
das l'ndadeii der F'nstsachen anf dem Bebraer Bahnhofe
zu h<*.sorgeii.
Am 14 September 1849 bat G leim das Ober-Post-
amt ('asael um d<'tiiutive Austeilung als I'ostwagen-
meist>'r. Dieses (lesiuli des (.ih'im wurde von dem da-
maligen t)ber-rt>stmeister, dem Fostrath Sezekoni, am
ö. Februar 1850 abgelehnt, da nacli dem neui'aten
üebereiiikommeii mit dem Tostmeister Rehwald vom 26.
März 1849 dieser lediglieb verpHicbtet sei, auf seine
Verantwortung hin den Wag*^nmeisterdienst durch ein
geeignetifis, in sseincm l'rivatdien.st steln'ndes Individuum
versehen zu lassen.
Am 21. Januar 18.^0 bat der E^ostraeister Rehwald
für den Wagenmeister Gleim um Bewilligung eines
Mantels, der ihn gegen die strenge KiÜte .schützen könne,
da Gleim täglich von (i Uhr Morgens bis Abends 9 und
10 Ihr Dienst habe und besonders auf dem Bahnhofe
beim Abwarten der ßahnzüge, sowie beim Umladen der
Postsachen sehr dem Luftzuge und der Kälte ausgesetzt
.sei. Der Über-IVistmeister und Ober-Postrath Sexekorn
legte die.ses Gesuch am 7, Februar 1850 der kurfürst-
lichen General-Postdirettion in Frankfurt vor und be-
fürwortete dasselbe. Die General-Postdirnction aber
lehnte da> Ge.suth am 11. April ISäO ab, erklärte sich
Jedoch bereit, dem Postwagen meister Gleim süitt des
Mai)ti'l.s „i'uw vollständige ri)?tbotciiniontnur, iilso das
niur Jahr Jatke utirl Müt/x-, dfi« aiui*-!'«^ Jiilir dagi-gen
nbi-rrnck iiinl Mütze zu verwilligeji". Dir Wageii-
iin'ister (ileim erbiolt aiifängliL-h vun dem l'ustrtU'istFr
tU'liwaid monatlich 5 Thlr ; hierzu frhielt t^r vom J. iHfiO
ab „(Miip vollstündigt' Postboteiiinoiitom" : .spütcr wurde
sBin Gehalt von 5 Thlr. auf nioiiatlich 7 Thlr. «rliülit.
Am "I. März 1SÖ2 niaehti- üiiorg Gleim als Brief-
triigpr und Bureaudit-ncr zu Ihibra ein Gesuch an ihis
(Mjer-Postaiiit f'a'jäel, worin er unter Darb'gUDg seiner
häusliehen und FanulienAerijültinsMe um GrhaltserbidHiiig,
(utvt'w um Ijieferung eines Mantels bat: das b^tztere bp-
griiudete vr hesnuders damit, da».s i-r wi-gen seiner
dienstlaben Verrithtuiigiui am Bebraer Bahnhofe gar
sehr allen unfreundlichen Witterungsverhältnissen aus-
gesetzt wäre. Der Btistverwalti^r KeliwaUl bcfiirvvorb'tp
dieses Gesuch des tileim und b*gte es am 26. März
lHo2 dem Ober-Postanit Cassel vor. Dieses lehnte je-
doch da.s Gesucli unterm 2. April ab, indt?m es dem
I'ostverwalter Rehwald erklärte, dass er nach seinnm
Anstellungsdecret verj)tlit;htet sei. alle Amts- und Bureau-
kosten ohne Unterschied aus seinem IMensteinkomuien
zu bestreiten, mithin auch das erfnrderliche Tuterbe-
amtenpersoual auf .seine Ko.steu zu halten und zu be-
zahlen ; glaube er, dass sein Einkommen zu gering sei,
so werde ihm anbeim gegeben, nach Ablauf eiims vollen
Uienstjahres eine genaue Uebersicht idjer alle seine
Dienstbeziige und all« davon be.stritteueii Ausgaben vor-
zuh'gen, worauf rnan dann nach Betinden die Erhöhung
sp.iner Dienstbezüge in atigemes.sener Weise bei der
Gber-Potjtilirection in Frankfurt befürworten w<ille.
XI. Landbriefbeatellting in Bebra. (1815—1836).
Nneh dem Anflniren der fraiizüsischen Fremd-
herrschaft in Hes.set^ .suchte di*' kmliessischi- Ober-
336
Pöstdirpction in Casspl das hossische PoHtw»\sexi überall
SU \tc.\u'U und zu lit^ss*'rn. Am 25. Juni 1815 fordtrie
der damalig«» kurftirstiiche Obor-Postdirector von
Sta rekln ff di<'siimrjitliLlieti kurhessischeii l'ostanötalten
anf. piii V^rzivicIiniKs übfr alle Orte und Dörfer mit
Angab«' iliM- l*"ntfHriuuig von don bptn^ifendeii Postaii-
fltaltm aufzustellen und «-iiiznrficlicu. um auf Grund
•<iuor solchen allgemeiniMi ZusanuntMistelhnig die Wr-
»4>ndung der Hnstsachcu auf den hi-ssischt'u Post^^n ohiif
jt'glich»* \Vrs])ütur)g rasch erfolgen zu lassfni. Ks läset
hieb nicht verkennen, djujs auf diosi^ Wi-iso die Leitung:
dwr {'oütsfMidntigeii geregelt und di« IVfördprung der-
«f?lbeii be.Hchleunigt wurd4\ li> dpu Unbraer l'oRtact.en
tindcMi wir nach d»'r oben erwähnten Aufforderiing des
Obf^r-l'nstdirertoiM vnn Stjirtkloff voui Üf). Juni 18IÖ
bc'treffVi der lian(n>riefstelhnig erst wieder im Jahr« 18iJ8
f'i?ie Virfiignng de^ knrfür.stli<.lK'n dber-PoHtanit» ('asstd,
wiuin die^ l'»istst;(tii»n llebra aufgefnnlert wird, zu be-
richten, durch welclii> Personen in Bebra dio Postsen-
dungen im Clrt selbst, sowie in den zugehörigen
liinrdnrttoT bestellt würd4'ii. Am 30, .luni 183H berichtetH
der Pustmeiater Uehwald in Betrytf der föt den dortigen
L(iiidb<'.st,ellbezirk bestimmten l'ostseudungen, „dass kuinp
solche Individuum (!) daselbst angcistcllt seien, wcdcbn
die Briefe bestellen" : er tbeiite in diesem Bericht
ferner mit, dass die Herrn von IVott zu Solz und das
kurfürstliche Bergamt zu Fricdricbshütte ihre l'ostsachen
dnrch eigene Boten und zwar die Herrn von Trott
wöchentUcli 2 mal und das Bergamt täglich abholen
Hessen : die stinstigon Sendungen mussten von dmi
Empfängern selbst in Fiebra abgeholt werden. Auk
den noch vorhandenen l'nstacteu der Postanstalt I3(;bra
ersehen wir, da,<iH im Jahre 11^39 ein gewisser Paul
S p o h r a I s .L a n d b r i e f t r ä g e r in Bebra thätig war
und dasa von Bebra aus folgende 21 t)rt« ilire Post-
337
Sachen erhielten: 1. Asmnshausen, 2. Breitenbach, 3. Bo-
ilentlial, 4. Braunliausen, 5. Blankeiiliain, Ü. Friedrichs-
hütt(!^ 7. Gilfershauseii, 8. Höiiebach, 5). lmshaus(.'n, 10.
Iba, U. KieÜK-iiööc, 12. Li«penliuusfn, 13. Liidcrsdorf, 14.
Mfickbach, 15. Mecklar, 16. Richelsdorfur Gebirg, 17.
Rk-helsdorfer Hütte, 18. Ronshausen, 19. Solz, 20. Wei-
terode und 21. Wildeck. Docb wurden damals diese 21
Orte nicht sämmtlich von dem Landbriefträger Spohr
b»'gangen; derselbe bestellte nur die für die Ortx Blan-
kenliain, Lüdersdorf, Meckbach und Mecklar vorliegenden
Postsejiduiigeii und zwar täglich ; dagegen war die
Bestellung nach den übrigen Orten noch immer eine.
Rrivatbestellnng ; wie nämlich Postmeister Reliwald
unterm 29. Juni ISSH' an das Ober-Ro.stanit Cassel
berichtet, wurden die für Asmushausen vorliegenden
."^*Midutigen tilghch durch den Unterfüräter Gleim bestellt;
die für die Orte Bodenthal, Friedriehshütte, Iba, Richels-
dorfer Gebirg und Richeladorfer Hütte vorliegenden
Sachen wurden täglich durch den Boten der Richt^l.s-
dorfer Hütte abgeholt und bestellt; die Sendungen für
die Orte: Braunhausen, Gilfershausen, Irashausen und
Solz wurden jeden Dienstag und Freitag, zuweilen auch
noch öfters von dem Solzer Boten abgeholt und btfstellt ;
die Sendungen für die Orte Hönebach, Kleinensee,
Ronshauaen, Weiterode und Wildeck wurden durch einen
Boten des Herrn von Ziegh^r in Wihh-ck abgeholt und
bestellt; die Bewohner von Lispeidiauaen muasten sich
ihre Sachen auf der Post üi Bebra selbst abholen.
Der W'ildecker Bote besorgte die Bestellung ohne Kr-
hebung der Bestellgebühren ; di« übrigen Privatboten
erhielten für die Bestellung die tarifmässigen Bestell-
gelder und zwar: '.'2 Gr. für einen Brief und 1 Gr. für
einen Geldbrief oder ein Packet. — Die Landbrief-
bestellung war also noch im Jahr 183Ü in Bebra mehr
eine private, alö eine amtlich geregelte. Dif kurhes-
K. r. Bd. xvu. 2'2
338
sischo Postbt'lic)ri]o war aber damals sclioii st'hr bestrebt,
auch tlif LaiKÜiricJbt'istellung nach niid nach nur durch
hierzu eigens aiiKestellte Personen ausführen zu lassen.
Wit' au» di'ii Acttn ferner zu erselien, betrugen damals
die Bostellgeldfr für Briefe und Packete bei der Post-
anstalt Bebra jährlich ujigütälir 30— ciH Thlr , welche
die Briefträger bzw. liuttiii erhielten.
Im Jahre 1845 fanden Veiliundlmigen statt, um
dio am weitesten von Bebra ••ntlegmen Orte änderten
näher gelegt^.nen l'ostanstalten zuzuweisen. Auf Grund
dieser Verhandlungen wurdf am 17- Februar 1847 vom
Ober-i'ostunit Cassel verfügt, dass die Orte Bodenthal,
Kichelsdorfer Gebirg und RicheUdorfer Hütte, sowie
Wildück und Solz dem Landhestfllbezirke der Pust-
nnstalt Nentorshausen, das Dorf Lispenhausen dem-
jenigen von Rotenburg und der Ort Klein<Misee dem-
jenigen von Friedewald zugetheilt würden. Gleichzeitig
wurde der Postmeister Hehwald aufgefordert, für die
der Postätation noch verbleibenden Orte eine geregidto
Bestellung durch verpflichtete Briefhesteller derart
einzurichten, dass jeder Ort niindefttenii 2 mal und
nach Bedürfniss auch niehremal in der Woche an be-
stimmten Tagen und zu be.stimmten Stunden durch den
Briefbesteller begangen winde . ferner nuisste der Post-
meister Kehwalii für diene liandbriefbeHtellung ein
Tourenverzeichniss aufstellen und an das Ober-Post-
amt Cassel einreichen, aus welcliem die einzelnen Orte,
welche zu einer Tour gehörten und deren Entfernung
von einander, sowie Tag und Stunde der Begehung
durch den Ijandhrieftrager z\i ersehen waren. Post-
meister Rehwald Muchte von den vorher genannten
Orten das Dorf Sulz nebst Gunkelrode beizubehalten,
doch verfügte das^ r)ber-Postatnt Casse! nochmals, das.s
nach den getroffenen Bestimnnnigen vom 17. Februar
1847 Solz nebst Gunkelrode zum Landbestellbezirk«
339
dpr Postverwaltnng NentPrsLau8en gehören sollte. —
l'ostnipister Eeljwalil nalmi ri\ni zum Liuidbriefträger
einen gewissen Gleim an, vvuiüheni er jälirlich 36
Thlr. gab. Während der vürh'ui gescliilderteii Unter-
liandluiigen mit dorn Ober-rostamt Ca.sscl und auch
noch später bat Poötmeister Hehwald am Bewilligung
einer Unter.stiitjzung zur Unterhaltung dieses Briefträgers
und zwar um monatlich 2 Thlr., sowie um Abgabe
eiller „Pastboten-Moutour'*. Am 16. April 1847 ant-
wortete das Ober-Postamt Cassel, dass dem Postmeister
Kehwald nach seiner Gehaltsierhöhung vom 10. September
1841 die Verbindlichkeit obliege, mit seinem Dienstein-
kommen alle Amtskost«n zu bestreiten, wozu auch
gehöre, dass er sowohl für den Landbrieftriiger, sowie
auch für eine geordnete LandhrieftH'steüung .sorgen
niü.'^se, zumal er ja auch alle Bestellgebühren beziehe;
wenn er glaube, dass sein Aversum (Entschädigungs-
summe) für die Amtsknsten und die Höhe der Emohv-
mente (Nt>beneinknnfte) unzulänglich seien, so möchte
er darüber einen sicheren Kaehweis führen und den-
selben vorlegen, damit höheren Orts eine Erhöhung
seiner Entschädigung für Amtskosten beantragt werden
könnte. Diesem kam der Postmeister Kehwald baldigst
nach und auf Grund seiner nochmaligen Ausfiihrungen
beantragte das Ober-Postamt unterm 12. Mai 1H47 bei
der kuifürstliclien IJeneral-Postdirection in Frankfurt
für den Postmeister Kehwald eine Erhöhung seines
Avorsutiis um jäiirlich 25 Thlr., sowie utrr Gewährung
einer ,,P»riefboten-Montour" für den Landbrieiträger.
Am 30. April 1847 reichte der Postmeister Rehwald
das verlangte Tuureiiverzeichniss für die neu einzurich-
tende bzw. zu regehide Ijundbriefbestellung von Bebra
an das Ober-Postamt in Cassel zur Begutachtung und
Geiielmiignng ein und zwar in folgender Ausfertigung
und Form :
22*
340
Tour en-Verzftichni.s8
für den Landbriefbesteller der Postverwaltung Bebra.
Abgang
Ankauft Der Bote trifft ein
von Bebra
in zur Tageszeit
Stunde.
Braunhausen . . . ' Morgens
^~8',s
Ü Vockerode . .
'l M
9
Mittwoch
Iinshausen . .
!■
9', 2
und
ji Gilfershausen .
!■ »
10
Sonn-
'! Friedrichshütte
1 n
10 '/s
abend
Iba . . . .
»
11V4
Morgens
Hönebach . .
Nachmitt-ags
2
7 ühr.
i, Ronshausen .
' »>
3^4
1 Weiterode . .
1 "
4^4
1' Bebra . . .
.1 !
5»/2
Ulfermühle. . .
1 Morgens
71/2
Sonntag
Meckbach . . .
!
! »5
8»,' 2
und
Kneipmühle .
1 "
9V2
Donners-
Mecklar. . . .
1 )>
UV*
tag
Blankenhain . .
, Nachmittags
1
Morgens
Lüdersdorf . .
1
3
7 ühr.
Breitenbach . ,
" 1
3"'/4
Bebra ....
»1
4'/2
Täglich
|i Breitenbach . .
1
1 " '
4-5
Dienstag
il
1
und Freitag
i
nach Rück-
1 Asmushausen . . . ' „
5« 2
kunft von
!■ \
Breitenbach.
1 1.
Bebra, d
en 30. April 1847.
Der Postmeister:
Rehwald.
Dieses Tourenverzeichniss für die Landbriefbestel-
lung von Bebra legte das Ober-Postamt Cassel am 12.
Mai 1847 der kurfürstlichen üeneral-Postdirection in
Frankfurt zur weiteren Begutachtung und Genehmigung
841
vor glt'iclizeitig mit dem schon oben erwälmtfn Ersuchen
fk's IVi^tnu'tisters Relnvattl, demselhen für den Land-
briefbfstrllur t-iii fixes Gehalt, mindestens aber eine
„Muntour'* zuweisen zu wollen. Das Ober-Postamt
(.'usshI fülirte auf Grund des Gesuches des Postmeisters
Jtfliwald aus, dasj? die letzte Regtilirung des Gehaltes
desselben am 10. September 1841 stattgefunden habe;
dumaU seien seine Nebenein nahmen auf ungefäbr H5 Thlr.
jiUirlich veranscdilagt wurden ; diese könnten aber nicht
inelir alt» hinreichend betrachtet werden, da er hiervon
«•owobl die Landhriefbestellungskosten bestreiten, sowie
den Dienst hn der Bebra wieder berührenden Cassel-
Hersfflder Personenpost versehen lassen mtisste ; diese
Kfiijten könnten sich leicht auf 60 Thlr. jährlich be-
laufen, üa Rehvvald nur 35 Thlr. hierfür habe, „so
aiüsste er das Fehlende aus .seinem übrigen, ohnehui
sehr geringen Dienstehikommen von 100 Thlr. Fixum
und etwa 20 Thlr. Tantiemen decken." Das Ober-
Pustamt beantragte daljer, dem Reliwald, der seit 1^25
im Dieiuste wäre und sieh stets einer treuen Dienst-
fiihrung befleissigt bätte, ausser seinen jetzigen Emohi-
menten noch ein Aversum von 25 Thlr. sowie eine
,,Montotir"' zu gt^:wä]n-en. Hierauf antwortete die kur-
fürstliche General-l'üstdirection am 26. Juni 1847, dass
sie jnit der beabsichtigten Landbriefbestellung einver-
standen sei, dagegen könne sie keinen haaren Zuschuss
zn den Kosten der Landbriefbestellung gewähren, da das
Gehalt des Postmeisters Reliwald so reichlich bemessen
sei, dass er recht gut auch diese Kosten noch aas
seinem Einkommen hätte decken können; jedoch erklärte
sie sich bereit, dem Landbriefbesteller zu Bebra eine
Montour, welche abwechselnd in euiem Jahre aus Jacke
nnil Mütze und im anderen au« einem Oberrock bestand,
zu liefern, Dns kurfür.stliche Obr-r-Postamt Cassel theilte
dieses alles «hna Tostmei-ster Rehwahl am H. Juli 1847
342
mit und fordort« ihn auf zu b«jri«:hten, von welchem
Tilgt' ab min die Ljxiidbni'i"be8telUii»tjr iiacli dem vor-
gelegten und genehmigten Plane ihren Anfang nehmen
sollte. Am IB. Juli 1847 erstattete Postmeister Reliwald
den verlangten Fiericht nach Cassel, indem er meldete :
,,da8S die Landbriefliestellung für den Di.strihut.ions-
liezirk (Bebra) in der begutachteten Weise durch einen
verpflichteten Landbriefträger seit dem 8. d. Alts, in
Ausführung gebracht worden sei." In einem besonderen
Ausschreiben wurde dieses am 2t>. Juli vom C>ber-P<)»tamt
("assel sänimtlicheii kurhessischen l'oj^tanstalten zur
Kenntnisa gebracht.
Zum Landhestellbezirke Bebra gehörte auch die
Friedrichtshütte, woHelb.st der erste Hergheamte vt»m
Richelsdurfer Bergwerke, der Bergruth Fulda, sowie der
Ilüttentichreiber Krause und der Kuhh-nmesser Schn-
ell a r d t wohnten. Das Bergamt holte bekanntlich schon
früher seine Postsachen durch einen besonderen Boten
in Bebra ab. Nachdem nun die regelmässige Land-
briofbestellung nach der Friedrich-shütte von Bebra aus
eingeführt worden war, bestellte die Postverwaltung
Bebra die für das Bergamt vorliegenden Briefe durch den
Landbriefträger und erhob auch dafür die entsprechen-
den Bestellgebüliren. Das kurfürötliehe Bergamt weigerte
sich aber diese Be.stellgebühren zu bezahlen und wollte
seine Postsachen nach wie vor durch seinen besonderen
Boten abholen lassen. Die Pos^tverwaltung Bebra be-
stellte aber die für die Friedrichshötte vorliegenden Post-
sendungen nach wie vor auf (»rund des §. 5 c des kur-
fünstlichen (Jenerale vom Jahre 1843, worin bestimmt
ist, das-s von der Erhebung der Bestellgebühren nur
dann abzuhehen sei, „wenn die .\dressaten in Krniang-
lung einer regelmässigen Briefl)estellung ihre Briefe von
dem Postbüreau abholen oder abholen lassen." Auch
343
das nbi!r-Po«tamt ('ussul, wttlchfm iV[v.>ni Angelegenliest
vor;,'rtriigc'ri worduii war, war der Meinung, daiss ditJ
HritilV nach der Friedrkhsliütte diireh den Landbiief-
träger von Bebra zu bestellen und dass auch die Bu-
uti'llgebülin'ii zu erheben seien. Dagegen entschied die
(.«ejieral-ro.sti]iK]it'ction zu Cassel, welcher diese Ange-
legejdieit zur Kntsclieidung vorgetragen worden war,
ara 2. August 1847, dass das Bergami nach wie vor
seine Oorr<'S|)undena durch eigene Boten abholun lasseji
köjitite und iiiiiit gelullten wäre, die Befetellgebiihreii
zu bezahlen ; dieser Eintscheiduiig der (jKneral-I'ostin-
»[ledion zu ('assi'l trat, auch die kurfürstliche General-
l'nstdirectiun zu Frankfurt aiu l'.). November 1847 hui.
Am 29. November 1847 wurde die Postverwaltung Bebra
vt»ii dem ( Jber-Postanjt Cassel denients[jrecheiid benach-
richtigt und angewiesen, die für die Frietlriohshütto
bzw. für das BergJirat vorliegenden PostsendungRU nicht
inelir durch den Landbriefträger bestellen zu lassen,
sowie lue dem Bergamt angesetzten Bestellgebühr<ru
wieder abzusetzen bzw. zu vergüten.
Wegen freier Bestellung der herrsc haft-
lichen Briefe und Packete durch die Landbrief-
träger von Bebra und Nentershausen hatte auch die
kurfür.stliche Hnfdomainen-Karomer Anfangs April 1847
bei der tleiu-ral-Postinspection zu ('ai*sel eine Anfrage
gestellt. lUese wandte sich am 8. Aiuil an das Ober-
Postamt Cassel und forderte dasselbe auf, zu berichten,
wie dieses in Bebra und Nentershausen geliandbabt
würde Auf Grund der von den beiden gonainiten
Postanstalteii eingeforderten Mitthi-ihitigen berichtete
das Ober-I*ostatnt am 3. Juni 1847 an die. General-
PostinH[iection. dass die an die in den Bezirken der
Lundbriffträger von Bebra und Nejitershausen wohnenden
liofrvvierfurstcr bestimmten Sendungen schon immer
unentgeltlich durch die Landbriefbesteller heaorgt worden
344
seien; dafür jedutb, dass die Brii^fträger die von den
Förstern abzusendenden Briefe in ihren Wohnungen
abholten und mit zur Post naliraen, erhielten die Brief-
träger in Bebra und NenttU'sbauHen unter Zustimmung
der Hofdomainen-Kammer jährlich ein bestimmtes Quan-
tum Holz. Das <.)ber-l'(jst«mt sprach eich schhesslicli
dahin aus, dass die Briefträger herrächaftliche Briefe
und l'aekete unentgeltlich an ihre Enij>fiuiger zu bestellen
hatten, dass sie jedoch nicht verpflichtet wären,
Briefe und Packete, welche mit der I'ost versandt werden
sollten, zu sammeln und mit znr I'ost zu bringen, da
die Auflieferung der Sendungen zur Post lediglich dem
Absender selbst zukomme.
Wie aus dem Tourenverzeichniss für die Land-
hriefbestellniig der Fostanstalt Bebra vom 30. April
1847 zu ersehen, fanden auch die LaudbesteUgänge am
.Sonntage statt und dauerten von Morgens 7 lihr bis
4'/» Uhr Nachmittags. Im Jahre 1850 wurde in Kur-
hessen allgemein die Sonntagsbestellung wieder beseitigt.
Am ^2. Jmii ordnete das Ober-Postamt Cassel an, dass
die Landbriefbestellung an den Sonntagen in Bebra
aufhören und von da ab nur der ganz nahe bei Bebra
gelegene Ort Breitenbaeh am Sonntage noch begangen
werden sollte. Die Landbriefbestellung der Postanstalt
Bebra wurde demgemäss neu geregelt in der Weise,
dass ein Tlieil der zugehörigen Orte wöchentlich 4mal
und ein anderer Theil wöchentlich 2mal begangen wurde.
Jm .lahre 1857 wurden Seitens des Ober-Po.stamts
Cassel auch Verhandhnigen mit der Postverwaltung
Bebra gepfiogen wegen Aufhebung bzw. Beschränkung
der Landbriefbestellung an den auf einen Wochentag
fallenden Festtagen, nämlich am Neujahrstage, am Kar-
freitage, am zweiten Oater-, Phngst- und Weihnachtstage,
am Himmelfahrtstage, sowiß am jährlichen Busstage.
345
Das Bestreben der kurliessiscben I'ostbehörde, die
Lautlhrierbesti-lliiny bei ibr^u PoBtanstalten »tots zu ver-
bcstjorn, iTkiMinnii wir aiicli au^ inner Verfügung des
ObtT- Postamts Cassel vum fi. Juni 1861 an die l'ostver-
waltung Bubra, durch welcbe eine weitere Vermehrung
der Landbri«!fbestellung dort erstrebt wrrrden sollte. In
der angeführten Verfügung wurde die Vermehrung der
[iandbriefbestellnug auch iu Bebra gefordert, ,,da »i:tn
in dieser Beziehung nicht hinter den Pust Verwaltungen
benachbarter Länder zurückbh-ibeu wolle, welche taeisteu-
tbeihs sogar tägliche. Bestellung nach all»n Landorteu
eingeführt hätten". Am 24. Juni 1861 berichtete der
i'üstverwfilter Kehwald uach Cassel, dass seine beiden
Ijnterbediensteteii, der Privatwageunieister Klein und
der Landbrieftriiger Gleim so vollötändig be.scbäftigt
seien, dass er den.selben keine Mehrarbeit zumutheii
könne; wenn eine Vermehrung der Landbriefbestellung
eintreten solle, müsse er noch einen dritten Ihiterbe-
amteu aniudimen. Die Vermehrung der Laiulliriefbe-
stellung liesse sich am besten iu Bebra .so ausführen,
dass diejenigen Orte, welche bis jetzt viermalige Bestel-
lung in der Woche hätten, demnächst ömalige Be-
stelhuig und diejenigen, welche jetzt nur 2 malige
Bestellung hätten, 4malige Bestellung erhielten. Das
Ober-Postiimt erklärte sich am 19. September t8(>l mit
diesem Vursclilage des Postverwalters Rebvvald einver-
standen und forderte ihn auf, die Landbriefbestellung
in Bebra demgemäss einzurichten. Laut Bericht der
Postverwaltung Bebra v^un 18. October 18(il au da«
Ober-Postamt l'assei fand die Landbriefbestellung vom
1. November 1861 an in folgender Weise und nach
folgenden Orten statt:
1) Kine wöcli eut 1 i c h •' 4 mal ige Beste] Jurtg er-
erliielten folgende Urte : .'^snmsbausen, Blankenbain,
Braunhausen, Hof Fassdorf, lliinebach, Knei|iinühle
346
böi Mecklnvi-Ii, r/iKlursilorf, MLukhiicli, Mncklar, Ob«r-
iiuihlo bi'i WeitiTodt', RanteriliausMji, Roiislmusen,
rilViinühlH, l'nUTinillili- be-i [Jonslinusoti, lintHrmülilr
büi Wtiiturodü und ZiubachsinüLli! bin Ronsliausen:
2) uine wöchentliohe 6 malige B wstellnng er-
liiwlttMi die Oiie; Hof Bodt-iithal, Bocksrode, Gilfers-
liauMfU, Giinkteh'odt', Iba, Irasbauson, Solz, HufFricscli
lujd VockiTiide ;
3) einif täglicliH Bestellung erlilelteti die Ort*:
HreitmbHch, Cornbei'g und Hof Misclu-Iö. (^irnhfTg
•'iliiult seine Pot^tsaehfii tä^^lit-di dun-h d<ai Wagen-
buyluit«r der Bt-bra-Escltwegor l'yst
Nachdem im September 186H zu Uaboldsiiausmi
»'iiii" iH'iie l'obthitidhi t'iiigei'iulitet wnulpir war, wurden
diu bis dahin zum Landbfstellb^.'zirke der To^tverwaltung
Rotenburg gehörigen Höfe Diekenröck und PHanzen-
grabfu dem Landbestellhezirke Bebra's zugi^tfuMlt. Das
„Ijamlbt'st*<lltuur-Verzeieljni»s der Postverwaltung Bt'bra*'
vom 22. Sf.'i>teiiiber 18()3 umfasst fulgende lirtsciiaften,
Hitfi' und Mühlen und deren Begang fand in folgender
Weise dureh 2 Landbriefträger statt:
Monktfjf I. L a n d b r i e f t r ä g e r : Asniushausen , Braun-
hausen, Kleine Mühle bei Äsmuübausen, RautenhauHen,
Hodt-ntlial, Bockarude, Bruchinülili; bei Iba, Gilfers-
hauseii, Grundmidde bui ]ba, Guukelrode, Iba, hus-
hausen, Oberniüble bei Uilf<^Tshau8eii, Oberiiuibie bei
Solz, 8ehnei(l(imüh!e bei Iba, 8(dz, Ta^jpgemiible bei
Iba, Vurwi-rk Tr)*\>)L-b, üntermühJe und Windmühle
bei Sülz, sowie Muf Vnekerude;
IL La n d bri i'fträger : Breitenbach, Hof Mischeis,
Ihckcnrück und l'Haiizengrabfn, Hof P'assdnrf, H«uu—
l)aL'b. nlurmühh" Ix'i Weiterode, Ronshau-seu, UlftT-
uiülilc, Ijnterun'ihlc bt'i Ronshausen, Untermühle hei
Weiterode und Ziebuchemühle bei Ronsbausen.
347
JHcuaUui, ]. L u II d b r i e f t r ä g t< r : Bodunthal, Bucks-
rode, Biucl]UiJiliIi> bei Iba, üiUVrsImuüen, GrundnuihV-
hi^i 1ha, (niiiknlrnilv, ]ba, Imsluiusifn, OheriniiliU? bei
tiilftirwliauseii, Übuiriiidil« bei Solx, ^icliiUiidiMimhle
bei Ibu, Solzj Tapjtgt'inüldo btn Iba, Vorwerk Triiiseh,
l!iitt'riiiühli.' bei Sulz, Hof Vockerode und Windiniildi'
hei Solu;
IJ. L a n d bri t' ft räger: Breitenbacli, Huf Miscliels,
I)ii-k*'iu'iuk und I*Hat)ZHngrabi,Mi, BliiukHnhaiii, LüdHix-
durf mit Müblr, Muckbaclj und ilecklar mit Mülili;.
Mühvmk, 1. Laiidbriefträger: Win Montag.
II. Landbritifträgtir: Blankptiliain, BrfitKiibaid»,
Miscliels, Dickenrück iiiid l'tlaiizeiigi'abt'n, Hfif Fas«-
durf, Htuiebacb, Km-ipinühk' bi-i RIi'tkbat:li, Liid«!-«-
dorf mit Rliilde, Meckbacli, Äb^cklar mit MüIj1»s
Obermüble bei \Vi;iti?rode, Ruiishatisi'n, Ulffinnibh',
iJiitermühJe bei Konsliausen, Liiitcrinüblf bfi Weite-
rode und Ziebachsmühle h<i>\ lloualiausen.
Dotiiurstaq^ 1. L an db rieftrüg er: wie Montag.
' II.
Freitcuj, I.
11.
i:iotmabcH(i, 1. „
n.
Sonniatf: Breitfubaeli um! Miscliels.
J)er ürt ('oruberg erhielt noeli immer seine I'h.sI-
sachen täglich durch den Wagenbegleiter der Bebra-
Eschweger l'ost.
XII. Einiges übet- die jetzigen Verhältnisäe des
Foetamts Bebra.
Naclidem der l'tJütdirector ('hri-stuph Uehwnld am
1. Juli 188H in den Rulie-stand getreten war, wunle der
damalige Über-Postaecretair Schmidt zu Marhurg zum
l'ustdirector in Bebra Krnannt. Das l'astamt Bebra,
.,
wie Montag.
)>
wie Dienstag.
M
wie IHen.Htag.
»>
wie üontag.
^J
wie Mittwoch
348
welcliKs als Station des alten Nürnberger I'ostkl
stets von geringer Bedeutung gewesen war, venJitnkt
Heine jetzige Bedeutung liauptsik^hlicli dem Umstünde,
das» Bebra ein Knotenjmnkt der Hahnen Frankfurt
(Main) -Eise nach, B eb ra—üött Ingen und d«r
Bergisch -Märkische n EJHenbahnen geworden ist,
wodurch eine nicht unbedeutende Umleitung und Um-
HilH'itnng der Postsendungen daselbst täglich stattzn-
liuden hat. Das Postamt, mit dem eine Telegraphen-
betriebststelle Verbunden ist, befindet sich auf dem um-
fangreichen Bahnhofe, Täglich kommen an und
gehen ab nach dem Stande von 1889 36 l'osten
und zwar kommen nn und gehen ab bei Tage 1 Land-
post und 25 Kisenbahn|iosten und bei Nacht kommen
an und gehen ab 10 F.iÄeidiahnposten. — Wie oben
unter X und XI niitgetheilt, war der Postverkehr zu
Bebrt» noch im Jahre 1838 so gering, daas der damalige
PoKthalter Johann Kehvvald die Anstellung von Brief-
boten nicht für luibedingt nothwendig erachtete. Im
Jalire 188H war die Zahl der für den Ort Bebra allein
eingebenden Postsachen so gross, dass täglich eine
4nialige Heütellung der Briefe, Packete, Geldbriefe und
Postanweisungen daselhirt statt fand ; Sonntags fand nur
eine Bestellung statt. Die Zahl der im Orts-, Land- und
EiHenbahndienste zu Bebra beschäftigten ünterbeamten
betrug laut Bapjjort vom 13, Februar 1889 18, die Zahl
der Beamten einschliesslich des Postdirectors 7 Personen. —
Zum Landhestellbez.irke cles Po.stamts Bebra gehörten
1881* 20 Ortschaften, von welchen 13 Orte eine werk-
täglich eiimialige Bestellung iiatten, während 7 Orte
wcrktäglith eine zweimalige und sonntäglich eine ein-
malige Bestellmig hatt<ni.
Während die Finiialune an Porto und Franko, wie
oben unter VI zu ersehen, bei der Postnnstalt Bebra för
das Jalir 183U 40 uiig-lähr 303 Thir. betrug, beträgt
349
dieselbe jetzt jährlich etwa 10000 Mark ohne die son-
stigen Einnahmen.
Das Postamt Bebra ist Abrechnungspostanstalt für
die Postagenturen: Cornberg (Bz. Cassel), Heinebach
(Kr. Melsungen), Hönebach, Mecklar und Solz (Bz.
Cassel).
Diese wenigen Angaben mögen genügen, um zu
zeigen, dass die einst so unbedeutende Postanstalt in
Bebra durch die jetzigen für Bebra so günstigen Ver-
kehrseinrichtungen in ganz kurzer Zeit einen grossen
Aufschwung genommen hat, den man noch vor 50 Jahren
nicht geahnt hat.
••>.
IVr
351
berg'sclieii Aufötaiulfcs, Wi'lcliu trotz all den niederschla-
genden Erfignivssi-H in Hi-fs^etj nicht ganz erstickt war",
vorliegt*). Der Marburger Aufstand ist eine, wenn auch
kleint) Episode in dein Kriege, ilen Oesterreich 1809 mit
Frankieidi führte. Er sollte den geplaut«Mi Einfall der
Oesterreichischpii Corps unter d<'U (ieneralcii Rndivn-
jevics iijul Am Ende, welcli letzten-n .sich die Kurfürst-
lich Hessische Legion angeschlossen hatte, in da-s König-
reich Westfalen unterstützen**).
Die Quellen für eine Geschichte des Marbiirger
Aufstaudes Hiessen nicht reichhaltig, Di*^ Untersuchungs-
akteji der Fühi'er dm Aufstaiides sind nicht erhalten ***).
Wii' sind auf die Untersnehungsakten einiger Theiltiehmer
an dem Aufstande, auf eine Anzahl officieUer Berichte,
Briefe und l'niversitätsakten, die sich im Staatsarchiv zu
Marburg befinden t), und auf mehrere Fbig»chrift<*n
jener Zeit angewiesen ff). Hit* Briefe fff), die der Hiiii»
Führer des Aufstandes, Professor Sternherg, vur seinem
Tode aus dem Castell an seine Frau schrieb und die
in der Anlage veröffentlicht werden *t)» enthalten für die
Gesuhiclite des Aufstandes nur weni" Bedeutendes. Die
♦) Lynckrr, a. a. 0. S. 173.
*•) Vgl. Aufsatz 1 diese Zeitschrift. 1891. S. 326. 329.
••*) Auch im Berliner Staatsarchiv, wohin dor Nachlivss .lo-
rotnes gckojiiinen ist, lielindon sich die den .\ ufst.iiid hetreffendeii
Kriegsgcrit'htsakten, wie mir die Direktion giiligst mittheiltc, nicht.
t) Es kommen bosondors in Betracht die .,aetft, dio wcnon
dPH Aufiuhra nm 24. Juni ari-etirteu Luätrig Koch^ Johann Sloil.
Jiihitnn Mooff hefrtfletid." lu den Akten cioutra A'or/* bcliiidet siili
L>iu Auszug aus dem Vorhcji- Sti?rnbcrgs. Vj;!. Hoilago H.
t+) Die entlarvte hohe und geheime l'nliitei des «ersttJitou
Kiinigreitthos Wustfalen 1814, r. Wcdff, Kurzr» Harstwllung der
Vei wiiltting der liohoti Polizei iüi ehonialigen wehtfidisohen Depnr-
tenK'iit der Wcria eto. Apiil 1814.
ttt) Die Briefe sind im Piivat-Bcsitz. HofTeiitiinh wenlen
die.wlbeii späfoi' iloni Maiiiinfier Archiv ühoiwiesfiii.
•t) Vgl. Beiluge IV.
363
auf die Politik bezüglichen Stellen sind von dem franzö-
sischen Censor gestrichen.
In meinem vorjährigen Aufsatz ist die Vnrg«
schichte des Aufstandes kurz berührt worden *). Die^
Anregung des Aufstandes geht auf den Erzherzog Karl,
den Generalissimus der Oesterreichischen Armeen zurück.
Ks war für ihn von grosser Wichtigkeit, dass das von
Truppen fast ganz enthlösste Norddeutschland in Auf-
.stand gebracht wurde, und hier im Rücken der Fran-
zosen und Tiheinbundstruppen ein Guerillakrieg nach
.spanischer Art organisiert wurde. Der Kurfürst von
Hessen, den der Erzherzog aufforderte, in seinem frfi-
h«^r«ii Lande mit getreuen l^euten, mit denen er ja in
Verbiiulung stand, die nothigen Vorbereitungen zutreffen,
verhielt sieh zuniiclist ablehnend. Er wusste, dass In-
surrektionen des Landvolkes ohne Beihülfe regulärer
Truppen selten Erfolg haben **J. Auch wollte er seine
früheren Unterthanen schonen***). Bezeichnend ist die
Stelle in dem Briefe, den er am 3. Juni 1H09, nachdeniij
der DLiruberg^sehe Aufstand missglückt war, an den Erz-*
herzog Karl schrieb : „üebrigens kann ich nicht genug
bedauern, dass die Insurrektion in Hessen gegen meine
ausdrüeklicli e Aeusserung zu frühe ausgebrochen
ist. Insurrektionen ohne militärische Hülfe glücken
selten, dass man diese und namentlich ein Kaiserlich
Oesterreichisches Corps (des Bellegarde) abwarten sollte,
war gleich anfangs Ew. Liebdon Idee und auch die mei-
nige I)." — Erst als der Erzherzog dem Kurfürsten
nach der Sclilacht bei Aspern mittheilte ff), di
•) Diese Zeitschrift. S. 324.
'•J ebenda S. 324. A. 1.
•♦*) ebenda S. 333.
t) Akten „Krieg mit Frankreich 1809" im Staatsarchiv eu
Marburg Bd. I. S. 122. (Goncept) „des Beltegarde'' ist im Ooncopt
diUThgostaicIieti.
t1) ebeada Bd. I. S. 115. Vgl. Aufsatu I. S. 325 und 341
(Beilage II) und Brief vom 31. Mai. Akten etc. I. 8. 119.
35S
man dpn flau gpfasst haW zwei Owsterruichische Corps,
von denen jedes durch 4— f)(XKJ Mariti Landwehr unter-
stützt würde, riatii Deutscldand zu werfen, ontschloss
sioh der Kurlürst zu einem energischeren Vorgehen.
Am 3. Juni *) erhalten die hessischen Truppen ih'u
ISefehl .sich den üesterreicliern anzuschliessen. tUeich-
zpitijU wiril der Man zu einer Insurrektion in Hessen,
die die Westfälischen Truppen im llüfken hedmhen
soll, gefasst. Th-r Zeit.[ninkt für einen Aufstand war
sehr günstig gewählt. .Schill hatte durch seinen leicht-
fertigen, eigenmächtigen Zug die nordlichen Teile des
Ki'inigreichs Westfalen in grosse Unruhe versetzt**).
Seine KatiiHtn>i>hn war allerdings schon am 31. Mai
prfolgt, aber sein Auftreten wirkte nach. Von Sachsen
her wollte der Herzog von Ikaunächweig im Verein mit
einem OesterreichiscJien Corps unter Am Knde, V(»n
Franken ein anderes Oe-sterreicliibches Corps unter Ka-
divoJBvici in das ]inich Jerumea eindringen. Den (Tbt^r-
hefelil über beide Cor[is erhielt .später General Kien-
mayer. Eine glückliche Erhebung Hessens^ das theilwei.se
noch von dem Dörnberg'schen Aufstande her in einer
gewi.ssen Gährnng war, jnus.ste auf die allgemeine po-
litisclie Lage von grosser Einwirkung sein.
Die Verbindungen, die der Kurfürst in Hessen
unterhielt ***), zeigten ihm den Ort und die geeigneten
Leute, die einen Aufstand organisieren und leiten
konnten. Die Wahl des ()rte3 war nicht leicht gewenen.
Schon bei Dörnbergs IJntenu'hmeii war es zu Tage ge-
treten, dass sich keineswegs nlle liev»JlkerungHkn;i.se von
der Bewifgung mit fortreis.seji liessen. Die Einwohner
von Kassel hatten während derselben eine apathische
♦) Akteu etf. I. S. 122.
♦♦) Vgl. Lym-Ler a n. O. S, 1B2 (T.
'»*) rticpo Zoifsdnifi. IHül. S. 324.
läge 11. S, .T4:{.
N. F. Bd. XVII.
V^;!. ,1111 li ebfiida Bei-
23
Rah«> bewahrt. Im Werrathal vergfigenwärti§:te man «ich
wohl (las Misslingeii der Versnchf zur Nii'tl^rwprfung
der Franzosen aus dem Januar 1807 und deren F<dgi»n.
Selbst Fritzlar, das ganz in der Nähe von lioniberg
liegt, hatte trotz angestrengter Bemühungen ebenfalli«
nicht zum Anschlnss gebracht werden künnen *). An
die Kasseler Gegend war auch deshalb nicht za denken,
weil Jerome, der mit seinem Heer in Sachsen st^nd,
leicht zurückkehren und den Aufstand im Keini er-
sticken konnte.
Am geeignetsten erschien Obcrhessen nnd Mkt-
hurg. Obeihessen hatte sich an dem rnternehmen
Iitniibergs mit Eifer bethniligt; am 22. Mai war in
Marburg nur deshalb alles ruhig geblieben, weil man
versäumt hatte, Naclirichten von dem Au.»<bruch dt«.H
Anfitandes zu geben. Die (.Jährung nnd F.rbitt<»rung
im Lande war, besonders nach der Schlacht bei AsiKrrn,
gross; die Bauern und althossiöchen Soldaten, welche
schon an den» Aufstande, welcher 180ti in Marburg
.stattfand, theiigenoninien und an die Befreinng von der
Frenulherrschaft durch Dörnberg geglaubt hatten, wett-
eiferten in ihrem Hass gegen die Herrschaft Jeromes,
Hierzu kam, dass die Provinz Überhessen von Truppen
entblosst war**). In Marburg befanden sich ru jener
Zeit au.sser einer Veteninen-Compagnie und einer etwa
bO Mann s^tarken Departemental-rompagnie (IVäfektur-
garde) IjV) Mann grossherzoglich Bergische Soldaten.
.Ms Hiiuptort des Departements war die Stadt d«»tj
Sitz de.t f'innmandanteii des Werra-Departements, al
d.-r l*nf«ten war damals nicht besetzt Der bisherig«
Inhaber, der französische General Börner, hatte F.nde
Februar mit der zweiten westpliälischen Armeedivision
den Marsch nach Spanien angetret*?n, und Sftin Nnch-
•) fiorrlr und Ilifrn. K')nij;rci<'li Wosl|iliftlon a a. O. 8. IB3.
••) hjfirh-r o. a. U, S. 17»>.
folger, der Oberst, von Dahvigk, f'ln'f don Generatstabs
des Gouvernftnients in Cassi'l, war iukIi lUL-ht (mh^**-
troffrii. Das iijklistp {^rüsse^ro fraiiztwiscli«' Ciirps, ihis
lies llrrzLtgs von Valmy, befand sieli ln'i Hanau. A»
(lur Spitze des Departements stind ilor rdifekt, Banin
Friedrich Ludwig von Bfi-lp|isclj. Kr führti* zugieicli
ilas Commando über die; I'riiftd<tn»gftrde, die Imnptsiiuli-
lich den rolizeidicnst zu verrichten hatte. General-
Prrjkurinir — prncureur du roi — war <^in Herr von
Han.stein. Cliuf der hohen Pulizei war der Gcnoral-
Commissar von Wolff, ein ElsiLsser, ein Mann, der iti
der Gescinthte des Anfstandes eine bedeutende, aber
wenig schone HoHe spielt. — Auch die fe.ste Fjage
Marburgs kam bei der Wahl de.s Brennpunktes fiir den
Aufstand in Betracht. Eine kleine gut organisiei-te
Truppe konnte Ricli liier eine Zeit lang auch gegen
eine llebei'jnacfit halten. Am entselieidendsten war
aber der Idoment, chiss man von Marburg und Ober-
lie^-sen aus ]<'icht in Verbindung mit dem ö.sterreieliisehen
Cor]>s des Genc^rals Radivojevics und mit thi fränki-
schen Legion des Major von Nostitz, die einen Kinfall
in Franken inacben .sollten, treten konnte.
Vielleicht ist es Dörnberg gewesen, der auf Mar-
burg und Oberhessen hingewiesen hat. Dörnberg stand
bekanntlich vom Mai 1808 bis Februar 18U*.> in Mar-
burg in Garnison. Er WiU' Oberst und Cominan-
deur des dort liegenden Elite-Bataillons der Jiiger
(Carabiniers). Nach seinem ini<>sglückten Aufstand be-
gab er sich zunächst zum Kurfürston nach Prag und
von da ins Hauptquartier der Ocf^terreichi^chcn Armee
zum Erzherzog Karl, wo er bestens aufgenommen wurde.
Nach seinem Eintreffen schrieb der Erzherzog an den
Kurfürsten : „Uen Obersten Baron von Dörnberg halte
ich mit Vergnügen aufgenommen. Seine Kenntnis.«»«
df-r neuen VerhäUnis.s*' im Königreich Westphalen kann
23*
356
sehr dienlich sein"*). Vormüge seiner Kenntnis der
Marburg^^r Verhältnisse ist er es wohl aucli gewesen,
der den Kurfürsten auf einen geeign4'ten Leiter und
Organisator des Anfstundes hingewiesen hat. Es war
hierzu ein Jlanii mithig, der vermöge seiner Stellung
ohne in Verdacht zu gerathen in leichte Verhinilung
mit den üniversitätükreisen. den PrnfeKsnren nnd Stu-
denten, der Hürgerschaft und vor allem mit den Bauern
und den alten hessischen .Soldaten treten konnte. Man
fiind denselben in dem Professor der Medicin, dem Hof-
rath Jnhann F'riedrich Sternherg.
Im IT). Band von Strieders**) Grundlage zn einer
hessischen Gf'lelirtengeschiehte hat Steruherg »Mne Selbst-
biographie bis 3!u seiner Berufung nach Marburg ge-
geben. — Kr wurde am 15. April 1772 zu Gtislar ge-
hnren, wo sein Vater 8tadtpli\>;iku8 war. Da letzterer
früh starb, wuchs di-r Knabe unter der Obhut seiner
Mutter heran, die treu für ihn sorgte nnd in jeder
Weise für seine Anshildung bemüht war. Er besueht«
die Stadtschule und erhielt nebenbei Privatunterricht.,
nauieutlieh in den Sprachen. Besonders fe.sselte ihn
das Studium de^s Tlomer und des Horaz. Er liebte die
Kün.ste, vor allem die Musik. 1793 bezog er die Uni-
versität tiijttingen, um Medicin zu studieren. Er ver-
lie.ss dieselbe 1796 und wnrdi' 1797 Stadt- und Berg-
)t!iysikus in der Harzstadt Elhingerode 180(> siedelt«»
er nach Goslar über, wo er sich bis IH<>4 aufliielt und
.sich mit Charlotte Siemens» der Tochter des Stadt-
•) Akten , Krieg luil Fjviukreich cto.'* Hd. 1, S. On. Moni-
leur wcst|ihalieu v. 27. Juui lüOQ.
•**) Sfrmipr, (Jniii*ila^o äu oiiier 1 Irssisclten nj-lelirtoiige-
scliiclite. Sflit der I{or(irmation. ('hhkoI IRXi. Mol oiiior I/>l»'iis-
goscliirlitc Stenilnirgs koiniiion fiiicli ilin (rKirdtMii St.ialsarcliiv zu M.ii-
Ixug aijflxnvnlirten) l'nivprsil;it,saJihiii lii H»'lrai-lit. Ein« Silhnui-'tte
Steriiliergs li*>fiiidot aich iiii l'jivatlicsil/,
357
diiHkloi's Jdliunii Gf;urg Si^nu'rib viainahftH. Er Itihti-i
in frutcn V('r[iäU(ii.ssi;ri und bniuulite rl;iln^r filr si'ine
üiüHiclif Helmndlmig k«in Honorar zu nelinicn. fn der
Zfit seines titislarcr Aufenthalts cntstiindt-n hu« sfintr
Feder eine Anziild medicinisclipr Abliarulhinguri *), di-nMi
Titt'l er in seiner Selbstbiographie angiebt. Im Jülir«
17518 starb sein«! Mutter, und vinr Jahn^ spütt-'r seitit;
t'inzigt» in Gusliir verlieiratlietu Scli\vest»*r.
Im Oetober 1804 wurde it als Naclifulger liul-
dinpiTs als ürdfiitlicber I'rofessur tlfir l'atliolugic und
Thfrapie nach Marburg berufen. Er wurdu zuji^leicJi
zum Direclor dor inedicinischen Krankenanstalt und
znni Hofratli ernannt. Kr erhielt eiu (lehalt von 8(JU
„schwerfiu Thalfrn". Bei seinem Tude 1809 bozog ei
ein Gelialt von fWXl Thalern = B4ilt> francs 50 cent ;
jHo Monat 291 francs 37' ä cent. oder 75 Thaler**].
• — Die inedifinisc'he Fakultät der Universität Marburg
war damals recht bescheiden. Es gab iu derselben 7
Profeasoren, die zusammen einen Gehalt von 3500
„schweren Thalern" erhielten. Im Jahr« WOS wurtle
für Gehalt der Profe-ssoren und für Hrlialhiug der In-
stitute die gewaltig« Summe von 5000 RciehstliaiHrn
verbraucht. Die Zahl der studierenden Mediciuer war
isehr gering. Im Jahre IKOi) besuchten die Universität
1;^ Mediciner, 18t*8 wurde «'in studiosus medicina(; ini-
niahikuliert***). Mau vergleiche damit die heutigen Ver-
hültiüsse. —
Im Jahre 1809 hatte Sternberg die Aufsicht liber
das „Marburger clinicum", ausserdem trug er von 10 — 12
Llhr ein practicum vor, „das von dem t'atliolngi.stheu
und Therapeutischen der einzelnen Krankheiten han-
*) Vgl. (Jus Vorxpichnis l)ci .S'/ri«/«- a. a <i, Ud. Ih ühIit
„Stortiljerg".
•') Pemunalabteo Steruboigs. I 'iMveiyitilLsuktcii a. a. U.
***) Vgl. Universitiitaakteü a. a. Ü.
358
lU-lU?" *), Nach si'iiiHf Veiliiiniin^' tibtntiahiii I'rofes.'jor
runradi ,,di<' Kiihniiif: des i.rmtcuni.**"**).
Stembnig war ein tüchtiger Arzt und guter Do-
zent. Er wusste sitli huld bei s«Mnen Hiirern, btM
dl' II übrigfn Studenten und hui di-r Bürgfrscliaft beliebt
zu machen, kam aber schnell in «'in gespaiinti's Ver-
hiiittiis zu einigen seiner Ketllegen. Schon in Elbingt^
rode \v:ir vv ent-rgisch gegon .,deri «ehr kranken Zu-
btand im Medicinalwesen"^, wie es in seiner Selbstbio-
grajihip heii^st***), aufgetreten und auch in Marburg ging
er gegen jeden alten Schlendriiin, dfcr sieh namentlich
unter IJaldinger eingeschlichen hatt«', Vor. In den Se-
nats-sitzungei) em[ifahl er Neueningen und gerieth da-
durch vielfach in Streit mit diin [ledantischen Kolleg«'n,
<lie nieisst Anhänger des hergebrachten Alten waren.
iSo kam er auch bei den Professoren der übrigen Fa-
knitäten in d*'n Huf nirirs revidutionären und unruhigen
Ivüpfes. Nach der Aufrichtung des Kruiigreiches West-
phalen wnnh- diese Spannung noch durch die politischen
Verhältnisise vergrössert. Witlirend die mei!<t<tn Pro-
fessoren sieli in die VerhiUtni.><se geschickt hatten und
sich unter der Regierung Jeronies sehr wohl befanden,
fühlte sich Sternbeig als deutischer und hessischer
l'atri(rt. I''r stand mit den anderen frctheitsliebt^ndeii
Mannern in KorreH[)onder)z, ö(t mit Friedrich von
Schlegel f), dem Verfasser der gliihi'nden Proklama-
tionen des Erzherzogs Karl von Oosterreicli, und ^uchto
initt^r Bürgern uiul Studenten den Cn-dankcn an eine
Befreiung des Vaterlandes vom Jitche der Fremden vor-
zubereiten. l)ie We.'^tphäli.sche Ui'gierutig kanntn seinen
l'jintiuss wnld und liättt; ihn gerne aus seinem Ainly
♦) Vgl. tlio l'orsoualakteii Sf, n. n. (>.
*') cboiida.
♦♦♦) Strieder, a. n. ü.
t; Vgl. r. Woiff. tt. a. (J. ö. -14.
359
eiiÜunit. Jni Juli 1H08 fia^^te tlt-r iMitiMi'u'litsiiHiiiütt^f
an, ob iSternbKrg so nothwendig für ili(; L'niversität
stii*). Es wiu'iln ihm gejintworti't, «n* sui mifiitln-lii-
licii. Man licss ilm daher in neiiier .Stellung, chikiiniciiu
ihn aber in jeder \Vt;ise ; unter andm-uni wurde ir ge-
rnassri'gtdt, wtnl er ein Buch der Güttiiigi-r rtiivrrsitiit
übur die gewöhnliche AusdiMhezwit bebaltun hatto **).
Dio Spannung, in der Sti^'nbt'rg mit seinen Kol-
legen lebte, hat viel dazu beigetnigtni, die Meinung
Aber ihn in der Geschichte zu trüben. Dur Professur
der Theologie Dr. M uns eher sprach sieh über ihn
folgejulertnassen ans: „Dieser unruhige Kopf hatte selion
im akademiHchen Senat viele Händel angefangeu und mit
den meisten Professoren sich entzweit. Kr hatte dnreh
leere Vorspiegelungen und durch Yerniistaltuug v<jn Lu.st-
partien sich einen Anhang unti-r den Studenten ver~
Bchaffi Die Uegierde, eine Rolle zu spii-leu, verführte
ihn, sich auch in politüsche Händel zu mischen"***).
Lyiteker liat sich diesem harten, ungerechten Urthnil
angesehlo.ssen, „Wenn nicht die seit der Jenasclihiclit
in Norddeutschhind sehr verbreitete abenteuerliche Sucht,
durch kühne waghalsige Lnternehmutiigen gegen den
Lande.>?feind sich au.szuzeicbneti, die Ibiujittriebfeder der
Chefs gewesen ist, so mr>chte e-i scliwer fallen, irgend
ein Motiv zu finden, welches mit Ilück.siidit auf Zeit
und Umfang des Aufstandes, vor dem Richterstulde der
gesunden Vernunft be.stelitn lviirinte"t}. Auch fiocclcc
♦) riiivorsiUUsaktuii a. a. (•.
*♦) Pcrsonalaktcu St a. a, (.>.
**•) Liftirker, a. a, Ü. B. 174. Lyntkei-s I5ui Ii wuidu iiiub
seinem Todo beraus|j;egebeji. Mail merkt iinuR-iitliH.li tu ilen lotzti-icn
Tlieileii, dnas dorn Woik dio letzti? roliliu lelilt.. Vgl. Lijnt:ker
S. 179. — u. unten S. 3<}6. Aiini. 1.
t) oljt'iida.
tt) Guecke Uüd lUfm, u. a. U. S. l&.
360
itennt Stt-rnberg ,, einen unruliigpn uml tmcli Au.szeich-
lumg Irailitt'iulun Mann'' ff).
Die hiirten UrHieiU^ Münscliers, Lynckcis und Goec-ktfs
sind nicht 1)ena;litigt. Miinscher war gfgen Sternbi-rg
i'iiigenumnn'ii, und weder Lynckcr, nocli Goecke haben
den Zn.sammenhang erkannt, den der Mtirburger Auf-
stand mit den Ereignissen des Jiihres 180l> iint. Woder
AbeMteut'rsuclit, noch Ehrgeiz hiib**n Steniberg Hnge-
Irieben, die Organisation und Leitung des Aiif«tand«s
zu übernehmen, sondern die Liebe zum allgenieinnn
deutschen und besonderen hessischen Vaterland und der
Hass gegen die fremden Interdriieker. Er liandeltu
nic-ht aus eigenem Antriebe, sondern auf Befehl des
Kurfürsten von Hessen, seines alten Herrn. Ihn trifft
weder die .Sohuld, einen nutzlosen Aufstand provoziert
zu haben, noch die Schuld des Misslingen«, wie wir
unten sehen werden*). Die Insurrektion Hes.sens war
nütliig, sie äpielt ein« Holle im Kriegsplan der üe*t»^r-
reicher. Um diesen Plan .auszuführ<^n, wurde Sternberg
ein U[)fer für das Vaterland**).
Ob Sternberg auch am Dornberg'scben Aufstand
betheiligt war, wissen wir nicht, doch ist es mehr als
wahrscheinlich. Dürnberg liielt sich ja ein Jahr lang
iti Marburg auf und wird sjcIhm' mit dem bekannten
Professor in Verkehr gostauden haben. Die Kinver-
stiindnisse wurden selir gi'heini gehalten. — Der Kur-
fürst hatte die Ideen, die Erzherzog Karl in seinem
Brief vom 24. Mai angiebt***), zn seinen eigenen ge^
maeht. Er wies Sternberg an, die Mis!>vergnügten nnd
vor allem die gedienten Soldatf'ti zu sanuneln. Er
•) Vgl. nueh Lijncktr S. 17D. ii. unten S. »i6. A. l.
•*1 Vgl. die lloilage III. Verhör Sternl>erf;p vom II. Juli
la» S. *il und Ueil, IV. Brief I. ,kli bin iiiHit Anstifter* S. 396.
•") Vgl. Jalnt;, 1892. Ik-ilag« Jl, S. 343. (Brief des En-
lierzogs Carl.)
361
schickt»! st'iiit^iji frülR-rrii riuffShsor Atjwiisuiigf»i und
rrokljimatiotibii *) und orklärtp, ur wordi; soforl heim
Ausbruch dfs Aufstaiidus im Liuide ersclu-iiieii und sich
an dits Spitze ih'H Vitlkshet^res 8ti.dlen **). Ul) vr t's
wiiklicii beabsichtigt hat, sich in das fuindliche Limd
zu bfgeben, ist nicht melir zu entschi-iden, JeilHnfidla
liat di«; Kunde von dem Kninmtm des KurfürstiMi, vviu
Ki-zherzog Kar] riclitig annahm***), in der Kiitst"e:hungö-
geachichte des AnfstanJes einti grosse Rolle g4'Si>ielt.
Das Volk hing in blinder, hessischer Tn;ne an dem
Für.-iten, den man für einen Miirtyryr hielt.
Steniberg ging khig ans Werk. Sein Beruf als
Arzt ermöglichte es ihm, ohne Verdacht zu erregen,
mit Leuten jeden Berufs in Verbindung zu treten |), Er
gewann äo Bürger, unter denen sich bekannte Mar-
hurger Namen, wie Klingi-lhüfer, Cramtrding, Jüä-
bächer, Hiiuser, Ahitthaei, Justi linden, einige frühere
liessische Ofticiere, so den Lieutenant Hesse ^oder
Hess) und vereinzelt auch einige Professoren, wie
den Mineralogen Ullmarin, für seinen Plan. Vor allem
kam es ihm darauf an, die alten hessischen 8ol-
*) UDtprem'liuiij,'Mklcii widor .lolianiies Mo')|^. 1. Sciiteuibcr
IHIÜ. ^Stcrnberg liulc ilmi Pa[iicre, auijublicli von dem olanui-
ligt'n Kurfih-stou von Hc.*seii utTter^chrieben, gezaigl.'
•♦) ebenda 7. Sept. 18 10. ,Es .soUtoti Hriefo vom KiiiTiirstoii
da soin, derselbe werde an deu l'lntz kommet). . . . Dies habe ihm
Stemborg gesagt und ilitii die Briefe j^ozeint.'*
•**) Riicf des Erzherzogs: .Dio Vulkcr künueu nur (iiuin er-
inuiiternde llnQiHiiigoiv rasson, wenn die Füllten zoi^oi. da»s siu
selbst von llöfFrnuig beseelt sind. !>ii? Vülkor schoiuort ülwruU
brav und ku Opfüro bereit, — violos ist zu hoffon, wemi in dioser
Krisis die Fiii-steti selbst sich an die Spitze stellen, um die 'i«v-
triiiivuiortfri Fürsteiistiihlu wieder aufKiiiiohtoti, wekhos nur durch
kühnen Miitli und scliiiellir Ents(hlii?<sii erieirbb.'xr ist." —
tj Vgl. das Vorzeichiiiti der iiaeliwei.sbaroii Theilneluner.
Ueilago I, S. 388.
308
daipn, di« tlKÖlwcpM* «cbon am Aafstaiid von läU6
(lieifgH)oniin*^ri hnltA:n, za gtrwianen aml sa b«u^
h«!it«n*). H<M «eiiiHoi L'ntcrnehtnpn lei^Mt-n ihm be-
ttonüffM xwfi alt«? 8rilc]at»'n, d^t Tagelöboef M o og anb
cl«ni I)urf(! •Sti'rzliauttei] nnd der GärtD«r StembefigB
Vorm Hell lag W^mdere Dienitie. Sie sucliUfii di« aHem
8oldiiti-n auf und frilirt»*n .sie dem Professor zn. Geld
und KninritWKin, V«Tsi)rec hangen and auch Ürubungcn
wurdtm nicht g(;»|mri, um die Leate za gewinnen **X
H4<(iondiirM wirkti^n die Briefe des Kurfürsten, dt^r, wie
VH (»cliijint, nicht sehr »chonungsvoll mit seinen früheren
Ilntcrthnnen umsprang. „Jeder hessische Soldat mOä^e
nifh einfinden, wer ausbleibe, verliere den Kopf." ,,Wer
nicht dabei gewesen, würde als Feind betrachtet*'***),
— dat) waren Worte, die die alten Soldaten und anch
di«! Hauern «lufeicbrcckteii. Aus den alten Soldaten
Bf»llle ein ft'hter Kern für da.s Vulksheer gebildet werden.
„Wiiren die Stddateii zusammen, so sollten sie aus sich
ihre Anführer erhalten, und zwar sollte Moog den Hest
der alten fb'.ssiscUen Garden und Vormschlag den Rest
ile.s rhi'm;iligt'ii Hegiuiciits -Kurfürst' knmiaandieronf).
Ihr alten Soldaten wühlten unter dem Land-
vulk. In allen (trti'ii (Jbcrhessens bildeten sich wie
iiu iJalin- 1H(M> kleine IJanden, die nur auf ein Zeichen
von Marburg warteten, um luBzubreclim. Die besseren
Stäiule vi'rliielti'u Bieii ileni Inttriu-hnien gegenüber
nblelniend. Ynn den luiberea IJeamten des Departo-
*) Kfi w'ml alho rlersotlw IMaii wio \mm Marburger Aa£»taut]
Vfiti 1S0<1 vcrfaliift. Vgl, dio Aumh«({0 Kix-li» ülicr 18("M5. .Jj» da
luiKci) nllu Id'trf«"»- in Utcser «iogend tlicilgonomiiK«», «uil die Unlre
vuh K«utM>| ({ekdimiien wiiio. dasH nllo nlton Soldaten sich sloUeii
»ollton.* — rii(or'siu'lmny[>iiikltMi n a. o.
••) V|«l, |fnioiiJHehimjp<nkf(-<ii.
*") elHMida.
t) Verhör Stcrulx'i-gs. licilogo III. h». 3l>i. Vgl. auch Bei-
U^ I, N. 12. IB, 8. 389.
I
3f>3
nu-iilsi, ilif fast iillu Ikiit>tljt; witreii, l)*^Uj«niigi<" ^k:li
Niemand. Audi dif StiidiMiti'ii« bclieincii hieb iiulit
betlji'iligt zu liabi-fj, *ibw4ilil sie gerade duixli iiriniitliijiif«
Veiordruingen, wie ilas herüliuiti- Kdict <tf.s Herrn vun
Wulff über da» Barttragen, gereizt waren. „Ks läsjst
.sich vbt-ij nicht leuguen, duss ein grofiser Teil gerade
der gebildeten Deut.scliei), durelidrungen von der Un-
möglichkeit des Fortbestehens der alten ZiistiindH, sich
durch die Neuordnung der Dinge angezogen fühlte und
an sie Hoffnung auf dauernden Bestand knüpfte, Wolil
iät der Mang*'! an Nationalgefühl, der dabi-i zum Vor-
schein kommt, zu beklagen, aber wir diirfen doch auch
nicht vergessen, dass unsere Laudsleute von dunials in
einer ganz anderen Kntwickehing gestanden habi-n als
wir, ihre weit glücklicheren Naclifahreii. Im Kaufnianus-
und Handwerkerstaude bcwirktt^n rein praktissche Hück-
sichten, duaa man sich mit dem neuen Gouvernement
aussöhnen zu künrißn meinte. Sab man sich auch fast
überall in den Erwartungen, die man anfanglich auf
(hiind der glrK'kverhci.sscnden französi.^cben Matiifestu
hegen zu dürfen berechtigt schien, «elir bald .^^tark ge-
täuiäclit, mau erkannte doch in manclier Bezieliung eine
Besserung und hoffte immer iictch auf die Zukunft."
So schildert tJoecke treffend die Stimmung der besseren
Kreise*), — Der MarUurgor Aufstand ist im wesent-
lichen eine ICrliebiing des juedereii Volkes, vor fdlem der
Lajulbevnlkerung, iler Hauern und der alten bes.sisehen
Soldaten, die sich aus dem rSauernstande rekrutierten.
Alles ging gut von Statten; I'ulver und Blei waren
in SIenge vorbanden, Man gi>ss Kugeln und suchte die
alten hessischen l'niformen hervor, „damit der Kurfürst,
wenn er käme, gleich rlie Seinen erki'nne"**f. Die
Führer der Verschwörung versammelten sich entweder
•) Ooerkc a. n. 0. S. l&i Vgl. niiteii, S. 373. 374.
**) Vorhör Moogs. IJotersuchungsaktea a. a. 0.
364
in 8ternbergs H:m.s atii lifiithof in Marburg oder in
tiuriji «insamcri (idiöft vor der 8t<idt, dem (lörtzliHiiser
Hnf. Ks war siiiitt'r ein Aiikhigt>[iunkt ^»'geii Sternberg,
,,rr liubi! mit sriiieji (VHisurteti in seiiii-tii tiarten üfture
Knuren-rizitii wobei man l'apiere und Landkarttrn
br.iuclitc, gvhaht," *J Die Führung dos Ynlkslitn^rt-Jä
hatte Stertjberg, der wolil wussti^ das« i'X nicht? vom
Krie{•^5^v*)«e^ verstand, dem Obersten Emmerich über-
,ueil dief«»'!' Jie Soldaten, wenigstens; die alten,
■bei
aus Amerika kenne und aueli von diesen gekannt sei."**)
Sowie man genauere Nachrichten vom Herannahen
der oesterreieliiscben und hessischen Truppen und betref-
fende Ordre« vom Kurfiirsti;n hatt<\ wollte man los-
schlagen und Marburg überrumpeln. Die westphälischen
Behörden hatten noch keinen Verdacht geschöpft.
Sternberg hatte so klug operiert, dass nicht einmal all«
Betheiligten vvussten, dass er der Leiter war. Kr hatte
die Zöndsclinur klug im Yerborgeufin gelegt ; auf oinen
Wink von ihm platzte die Mine, und ganz Uberhessen
«tand im Aufstande.
Aber dieser Wink wurde von Sternberg nicht ge-
geben. .Auch über diesem rnternebnien waltete, wie
über den übrigen Aufstandsversuchen dieser Zeit, kein
glücklicher Stern. Gerade als der Leiter am nöthigsten
war, wurde derselbe durch eine bö.se Krankheit, den
Typhus, auf das Krankenlager geworfen. An Sternbergs
Stelle trat jener Mann, dem die militairi.scbe Führung
de.s Aufstundes übertragen war, der Oberst Andrt*as
rjunK-rJch.
Andreas K m m e r i c h **) wurde im Jahre 1 737 jtn
Kilianstätt*'n bei Hanau als Sohn iles Hessisch-Hanani-
•) f. Wotff', Kurze lJRi>ito!liinp der Verwaltung dor hoben
I'olizci etc. 1814. S. 44.
•♦) Veihür «torobergs. Boilago III, S. 391.
***) Eine auisführliehe Lcbensgpscliichte Ejtmtoriohs existier
sehen Fitrstfirs geboren. Kr widmetf sit-h zuerst, dem
Waidwerk. I75ö ging er «lacli KngliUKl und tr;xt als
Jäger in die Dieiistf* des Herzogs von {'umberland.
Als dieser 1757 das Kommando der verbündeten Armeen
bekam, kehrte Emmt-rifh mit ilim nsitli Dentschland zu-
rfifk. Er trat jetzt als Freiwilliger in das neu erricbtete
Jägercorps des* Grafen von Scbuleiiburg ein und zeiolinet«
sieb bald als kühner I'arteigänger ans. Zum Lubne
für seine Dienste wurde er Lieutenant. Naeb dem
Kriege ernannte Friedrich d«*r Grosse ihn zum Forst-
meister, Krieg«- und Domainenrath. F<r legte tlief*e
(Stellen aber bald wieder nieder nnd ging narli Kiiglaiid,
mii bei iler Scli.'itzkamnnn* seine auK dein letzten Kriege
herruhenden Forderungen einzutreiben. Kr haue bier-
mit ki^ineti Krf<rlg, erhielt al)er di»' Stelle eiin's l)e|)nty
.Snrveyor General in den königlichen Forsten. llt*j
Ausbruch des Amerikanischen Krieges errichtete er als
Obersttieutenant und Commandeur ein Cor])S Küchter
Trtijipen. Auch in dem fremden Krdtbeil zeichnete er
siub aus. Nach dem Kriej^e kehrte er nach Deutschland
zurück. Mit der Kintreibuiig der Forderungen, die er
aus dem Amerikanischen Kriege an den Kngli.scln-n
Schatz zu stellen hatte, hatte er ebenso wenig Frtolg,
wie mit den früheren Ansprüchen. Kine englische
Pensioei bezog er nicht, wie Lyncker annimmt. So
versank er immer mehr in Dürftigkeit. Er lebte zu-
erst in Köln, dann unstüt bald hier, bald dort. Zuletzt
hielt er sich in Marburg auf. Hier trat er in Ver-
bindung mit Dtirnberg. Bei dem Unternehmen des-
selben war er zum Führer des Aufstandes in Oberhessen
nicht. E-s würde dazu luii h an .Matnial felilcu. Rr sollest kiViulpto
lliH oino KDlhstblofjrapIric in 5 ISiiiiüon nn. DK'«elW< ist uKor
uichf orsehioricn. Vj;L /.iirn K(vI(;(>iiiJoii f.», lAtmiun, Kiniiunrrli,
llesHisches Jalirbiii-h lSö4. S. 148 IT.
bcstiranit*). Kr liat sicli dann oliiic Zaudcfni Storii-
berg zur Verfügung gestellt WHSPntlich er hat dazu
bf'igotragf^n, die alten Saldaten zu g^winnfii, denn er
kaiintn dio ältoron vim AnuTika her. Sein Name war
g«u-ht<*t und gefürchtet. Audi verschmrihte er es keinps-
w<*g8 dip Kneipen des niedenii Volkes, das den martia-
lischen Erzählungen df*.s alti-n Ofticier« gern lausfiite,
anfzustirhon,
Kmm**rich war seiner Aufgabe nicht gewaclis«m.
llun ist (lit* Sclmlcl zuzusjtlireibi'ii, dass der Aufstand
unter den ungünstigen VerliiUfuishen. die zum Mifjslingen
fiihreu inussten, nicht unterblieb. Wäre Steniberg nicht
erkraidU, so hätte der Anfstand wahrHeheinlicli niP
stattgefuiulen **). Aus den Briefi^n, die Sternberg vor
seinem Tode sehrieb***), sclieint hervorÄUgeh<*n, dass
Kmniericli gegen das ausdrückliche G«*bot Sternberg-s
Insgeschtagen hat. Steinberg fidlt über ihn ein selir
hartes lirteil. Kr .schreibt: „Jetzt erst erkenne icli.
Welch t'iii Mensch der Emmerich ist: ein Prahler, ein
Lügner, ein l'nver.ständiger, ein Manu, dem weder Ehren-
wort noch Ihindscldag lieilig sind. Ich kann nichts
mehr als — ihn verachten? am wenigsten doch als einen H
ErUiirnTlicheii bemitleiden, und seine Handlungsweise
verachtet). ICiii Ptdtron i.st er. ein Aventurier. Viel-
leicht t.'^t e-s hart, da^^s ich von einem Manne, der noch
einmal .so alt ist, al.s ich, iio .spreche, aber ich habe
auch wolil Ursache dazu."!) Aehulich nrtiieilt Landau:
*) Vgl. LijHcker a. a. ü. Lyuckrr stützt sich nuf oino
Acusscrun^; Maitiu?;, des bokaunfon Thoilnchmcrs nm Dörnbor^;-
H<.'heu Aufstaud.
•*) \'^\. I.iinrLnn l!rinoiktnig a. a. 0. S. 179. .„Bin Aurcii-
Koupe crxJihit jedoch, dn.^s Stoinberp an dein unzciligori Ausbruch
des .\uf*.tnnd<>s nicht St:lai!d goweaen.''
"»♦♦) VkL UeilaKö lY. S. 393 fT.
t) \\'l. Ih-ilaf-e IV, 2. S. 397. Vgl. nnnh die Stolle in
Üiii'l ri: „Miiiicid iiinl Vormthcifi stürzou iiiith his Grab.'' Vgl.
„Kmmerich gphörte zu ji-iirii waglialsigen Mensclien,
die zu allein bereit siiK.I, nur um iliren Tliuti-iiiliir.^t zu
befrietligtri, uini b^i (Iciien es mir du von uliliiiiigt, tu
weltlio lialni das Schicksal sie. wirft, um ,siu zum Hidden-
tlmme zu fübreii oder sie zum Sclu-etkun dt^r Mi^iiscbhfit
zu uiacliftn/' *) —
Die Urtlieile sind wohl t^twas zu hart. Etnnu'rii-b
bat nitdit blns.s au.>i Abrntfiuer.sutht **) ; sondern nncdi
bestem Wissen und in be&ter Absicht gehandelt, abpr
er war seiner Aufgabe nicht gewacbstn. Er war ein
t4i|)ferer Handegen und Daranfgiinger der alten Schule.
Er Ware geeignet gewesen, die Bauern und Srddateii
gegen eiiui Batterie zu führen, denn Muth hat er oft be-
wiesen***), aber er war nicht fiUiig eine Erhebung klug
KU leiten, l'-r war kein Politiker und I)i|diirn;\t, sondern
nur Soldat. Vielleicht ist aus diesejn Grunde die
Leitung des Aufstände» 8ternberg und nicht Emmerich
übertragen. Sternberg und Emmerich ergänzten sich.
Ersterer war der Kopf, letzterer die Faust. .Sowie der
Knjjf fehlte, machte die Faust Thorheiten.
Sobald der alte Oberst an der Spitze steht, zeigt
sich eine Planlosigkeit und Ljnvorsichtigkett, dio grenzen-
los ist. Die. ("orrespondenz mit den auswärtigen Leitern
— aut-di Briefe von Schill wurden gefunden |l — wurde
so otfenherzig betrifdien, da.ss es allgemein, nieiit bloss
seinem llau.swirth, dem Bäcker Justi, nufhei. Wie un-
vorsichtig er war, geht daraus hervor, da.ss er qh ver-
säumte bei Ausbruch des Aufstandes seine compromit-
tiert^ntlen BrietVichaften zu verbrennen. Als er narh
aueli den Aiisdruek: „Eininoiiehs nnlioaonnones Reginnots'" in
Uiiet 2.
*) Lnmlfni a. ft. O. S, 149.
^*) \^\. (iiierJce ii. a 0. S. 193. dagepoii t-aitrhr nii.ii S, \1'.\.
"**) Vgl. Lmuiftu a. a D. S. ir.0 IT.
t) Vgl. Monilenr wesl|ili.alion
368
Ka$8f>l abgf'fiilnt
dem Mitgefange-
ilf, äusserte e
11**11 üCititlMT "'). „Wtim man seine Briefe fände, würde
er unausbleiblich erscliusst-n." **) — Auch sonst ver-
säumte er die einfaelisten Vurstuhtsmassregeln. Er hi«lt
in den Sciienken Marburgs und der umliegenden Orte,
besonders in Ockershausen, aufregende Keden. So
wnsste bald Jedermann, das.s ein neuer Aufstand ans-
zubrecben drohe***). Sternberg konnte niclit warnend auf-
treten, deim er war dem Tnde nahe. Auch dtsm fran-
ztisischen l'räfecten Baron von Berlepsch kamen die Ge-
rtielite ku Ohren. Rr liess Emmerich vor sieh kommen,
aber der alte Mann machte einen so nnbe<l«'ut)'nden
KijulriH^k, dass er frei gelassen wurde. Dneh erhit'U
der Generalkuramissar der Ijolim Polizei v. WolflF, «1er
sich auf einer Dicnstieisi: in Vaelia luvfand, am 21. Juni
Bef<'lil, iiacli Marburg zurückzukt-liren, da man einen
Aufstand befürcbtete j),
Der Vorgang, da.s.s Emmerich zum Trüfecten b<»-
Rchieden wurde, hat den .Aufstajid zur Unzeit hervor-
gerufen. Kmmerich glaubte sich verrathen, er wollt.e
daher der Wcstphälischen Regipruug zuvorkommen. In
KrinneniDg an all die kühnen Thaten, die er früher
v«dlbraclit, hielt er es für mcighcb auch mit einer kleinen
Schaar Leute Marburg in Besitz zu nehmen. In der
Citadclle, dem Schloss, wollte ev sich dann so Inn^e
halten, bis nach der Verabredung die Verstürkungen
aus den anderen Orten und die Hessischen und Ot»8ter-
reichi.sch»>n Trui»]»en eingetioffiii wären. Die Gerücht«»
halten die Aimidierung dieser Troppen gewaltig uber-
') Verliiir des Onutlu«r. oi-tirlmsson nni 19. Jiili 1H09, Tnler-
siieliiiugwikteii n. n. 0. Vgl. Ifoil. l u. 11, S. ;j8y. .S90,
♦♦) Verhör Oüiitliei-s vfun 'A. Juli tWKi. l'ntentuchungsakU'n
ft. a. 0.
*•*) V<;J. Uutci-sucliunpsaktcji a. n, O.
t) '■• nW/T" a. a. O.
triftben. HJRrzu kam noch, das:«; die iingstlicli in WVst-
phaleii gelieiui gehaltciu' Nachricht vom dt^r Niederlagn
Napoleons Iku AsperTi die Hfiffnung auf bessere Zeiten
rege gemacht hatte.
Kmmerich glaubte, der güiistigti Moment für den
Aufstand sei gekommen und so schlag er los. Auf
Sternherg hat ftr wahrs^chtMiilieh iiioht mfhr gehört,
weil nr annahm, dass dics^ir todtkrank sei und ho kein
Urthteil über di« zeitige Lage habe^ die er, Emmerich.
für sehr günstig hielt. Kr gab Befehl, dass sich die
Verschworenen aus den Orten ückersliausen, Kaldern,
Sterzhausen am 23. Juni in OckershauHen versammeln
sollten. Mit dieser kleinen »Schaar wollte er den Hand-
streich wagen.
Schon am 22. Juni erfolgten iii Sterzhausen bei
Marburg Tumulte. Auf einer Holzversanunlnng erschien
der oben erwühnte Moog mit einer Proklamation des
Kurfürsten und forderte die Bauern zum Aufstand auf.
Die Mahiunige» di^s Mair^s fruchteten nicht*j, am
nächsten Tage folgten die Bauem dem Aufwiegler nach
Ockershausen.
Am Abend des 24. Juni %'ersammelten sich die
Verschworenen an dem angegebenen Orte. Emmerich
und Vormschlag hielten zündende Reden und suchten
die Ziigernden durch Drohungen fnrtzureissen. Nach
der Aassage de.s Daniel Muth bedrohten sie diejenigen
mit dem Tode und mit Verbrennung des Hauses, die
uiclit mitgehen würden *).
In der Nacht gegen 1 Uhr rückte die kleine Schaar,
nach einer Nacbricht waren es 45, nach dem ofHciellen
♦) Verliiir des Üauiel Muth, erscbosseo am la. ,luli IRiy.
Tn den UntcrBiiohiingsakten der illiiigen Angeklagton finden sich
dagegen Aussagou. datw Nioinand diirHi Droluingoii zur Tlteil-
imhino am Aufstand gezwungen sei.
N. F B4. XV Jl. 24
irr
S70
Rpriclit*) IBO Mann**) — gfgpn Marburg vor. Der
grösste 1 heil dcrstillmn rückte durch den „rothen Graben"
zu dem vr>r8c-hl*iss«iien Harfüss^r Thor vor und machte
hier Hiili Auf dem Marsche nach diesem Thore traten
ihnen ttinige üeiisdarmen entgegen. Sie trieben die-
selben zurück und nahmen dem Gensdann Wellhausen
sein I'ferd ab. Kiu Theil der Verschworenen drnng
am Grüner Thor durch ein offenes Seitenpfuttchen
in die .SüuU. ein, eilte durch die »Strasse „Am Grün"
zum Barfü.sser Thor, überrumpelte die Thorwache und
öffnete die Thore. Die Aufstündischen drangen ein,
entwaffneten die Soldaten und rüsteten sich mit den
abgenommenen Flititeii und .Säbeln aus. Emmejrich
rflckti^ iruii bis /.um Markt vor und bereitete der
dortigen Wache dasHelbe Schicksal. Dann zog er durch
die Stadt bis zum Ritter***). Hier stellte sich ihm die
Priifectwrgarde in den Weg, wurde aber zurückgetrieben.
Es entstand ein gewaltiger Tumult. Die Bauern
scho8!<en und lärmten. Die Bürger stürmten mit den
Glocken, um der Umgegend da» Zeichen zum Losschlagen
zu geben. Berittene Baueniburschen galoppierten durch
die Stadt und riefen : „Lichter heraujs, die kurhessische
Kavallerie vor".
Die westphäli^clien Beamten und Offiziere wurden,
obwohl sie wusstt-n, dass ein Aufstand auszubrechen
drohe, völlig überrascht. Nur der Prufect verlor den
Ko]>f niclit. Er schickte sofort einen Konrier nach Hanau,
wo der Herzog von Valmy mit einem grösseren Corps
.stand, und bat um Hülfe. Unter den übrigen Beamten und
Offizieren herrschte eine grosse Panik. Wolff gibt ilavnn
in seiner Flugschrift eine, ergötzliche Schilderung f).
*) Vgl. S. 371.
*♦) Na«:h dem Monilour \Ve,Hfplialic!i wai'eu es liOO.
•**) B^-lcaimtes L]a.sniauH ki Marluirg.
t) r. ll't,l/l a. a. U. S. 40.
371
„Manehpr, sagt er, fühlte sclmn das Kisen in seinpn Ein-
geweidi'ii." Dift meisten suchten ihr Heil in der Flucht,
andere verstet'kten awh. So verkrocli sich dfir Gen-
darni<n'it*-Kapitaiu Duduri ; ein Bc-rgisülior OÜiziiT fand
hidtor di-'n Mörsern des Hofapotheker Hesse sich nicht
sicher genug und kroch ins Stroh"; ,,ein angesehener Be-
amte ttüchtete sich unter das Bftt seiner Magd". Die kleine
Garnison, etwa 110 Mann grossherzogUch Bergiftcher
Tru[ipen, verliess die Stadt durch das ElisabethtT Thor
und stellte sich vor demselben auf, um die Strasse nach
Kassel zu decken. Der Plan war gelungen, Emmerich
war, wenn auch nur auf sehr kurze Zeit, Herr der
Stallt. Der Zufall entriss ihm den Sieg, den er freilich
wohl schwerlich lange behauptet hatte, von Wolff*)
erzählt den Vorgang etwa folgendermassen : „Der Kom-
mandeur der Westiihälischen Truppen, Major von Dalwigk,
welcher etwa mit 200 Mann — ßergische Truppen, Prä-
fecturgarde, Gensdarmen, Veteranen — vor dem Eli-
sabetber Thor stand, schickte seinen Bedienten in die
Stadt, um aus seijier Wohnung etwas Leinwand und
Geld holen zu lassen. Der Diener wurde unterwegs
von Bauern befragt, wer er wäre. Er verlor die Geistes-
gegenwart nicht, machte glauben, er sei auch einer
der Aufrührer, worauf der andere klagte, da.ss alle Ver-
bündeten ausblieben, und daes sie etwa, 45 Mann stark,
zu schwach wären, was au.szu richten." Der Diener
kehrte sofort zu seinem Herrn zurück und meldete ihm
das Gehörte. Dieser rückte nun mit .seiner Truppe
in die Stadt ein und drang unter Trommelschlag bis
7um Markt vor. Hier stellten sich ihm die Aufstün-
dischen entgegen, aber durch einige Salven wurden sie
auseinander getrieben. Einzelne fielen, den Meisten
gelang die Flucht, Emmerich und sieben seiner An-
hänger wurden gefangen. „Dem Spass war ein Ende
•) r. VVolff VL. a. 0. S. 41.
24
372
gemacht", sagt Wolff in st^iiipr frivolnn Weiae. Die
Ruhe, wurdn schintJI wieder hprgest*.*Ht.
Am folg(iiid(>n Tage, dem 25. Juni, wurde der
"Vorfall durch den Substitut du procureur general an
den Justizmiuister »Siuieoii gemeldet*). E« begannen
sofort die Verhöre durch den Untersuchuiig.srichter (juge
d Instruction) dnn j>einliichen Gerichtshofes ^Tribunal cor-
rectioni^l) — weil einzelne Gefangene sehwer verwundet
waren, und man fürchtete, daas sie sterben würden,
bevor die Commission militaire die Untersuchung über-
nelimen köiintf". Am 26. Juni Abends 10 Uhr rückte
dt'T Cieneral Boyer, t'hef des Genera Istabe.s der Obser-
vtitionsarmee, mit 150U Mann französischer Infanterie,
einr^r starken Abtheihmg liragom^r und einer Batterie
leichter Artillerie in Marburg ein**).
Jntzt konnte die Untersuchung durch den General-
Cnmiiii.s.sar v. Wolff in Scene gesetzt werden. In der
Stadt herrschte die Stille des Todes. Tag und Nacht
zogen die Patrouillen durch die »Strassen. Am 28. Juni
kam die Antwort vom Justizminister aus Kas.sel ***). Es
wurde zunächst Bericiit vom Präfecten und vom Pro-
cureur du roi von Hanstein eingefordert. Dann wurde
•) Wir theilen den Bcriclit, der auch durch sein ecbünes
Frau ziisisch auffallt, theilwoise mit; Va-g les um //eures «prh müuiU
um fimlp des itatjtfaun 'Jen rnrtiißn«, n />«« prr» 15(K *'«•«' fHtU'e
PPTS ks itorte.<f de la rille, a deanitnr la garde i) la portt de l)rniik-
fort et en orcupant l'ctflisc, ils aonnireni pendant quelques wiuutm
lea toram. l^phiparl ik« bmtrgoüi restoü tranquilk, t/ttoiqtse quclt/ucs-
Hti9 fonl suspi-rl« d'aroir pris pari n ce» (roublcs. Stluii taut n/t'
jtarence k sieiir EtnmfrMi^ aneien coloiicl ilniiritraut ici il y a
qurlqttfui iMui« e*l l'atüt'nr de ceife imiurrection Ia- dit Kui-
merirh a He fail prifotmier votiime ptu^ieum autrt*, qui la pfu-
part ont He blcsscB ä la mort etc.
Brief vom 25. .Tiiui 1809. — A »wi KmUtnrr. Mrmsieur k
mmislrr. da jualice - im Sloatsaichiv zu Marburg.
••) Maiiiteur Westi>)ialicii vnin 27. .\mn 1800.
••*) Brief vom 28. Juni iSUtf. StanLsjudiiv zu Marburg.
373
hnfohiBH die verdiicIitigKn Bürger zu vi'rhöreii und Em-
merich mit den andi-reii Gefarigeiieji nach Kasst^ zu
.scliick«n *). Der Befehl wurde sufdii ausgeführt. Die
Gefangenen — mit Emmerich acht an der Zalil — wuiden
unter starker Bedeckung nach der Hauptstadt gebracht
und am 1. Juli in das Oastdl eingehefert.
In Cassel beginnt jetzt die kriogsgefiditliche Unter-
suchung. Man hatte den Briefwechsel Emmerichs und
darin die schwerwiegendsten Schuldbeweise gefunden.
J*tnch dem Moniteur fand man auch einen an Schill
adressierten Brief, in dem er diesem mittheiit, „dass
Diirnberg bald zu der unter seinem Befehl btehenden
lliUiberhfiude stossen würde." Emmerich benulitn sich
vor dem Kriegsgericht standhaft und muthvoll. Als er
nach seinen Genossen gefragt wurde, antwortete er un-
wilhg: Ich heisse Emmerich, und verweigere jede
Aussage **). — Nicht so verschwiegen waren die anderen
Gefangenen, es wurden Geständnisse gemacht, die eine
Arizald Marburger Bürger und Bauern der Umgegend,
besonders aber Sternberg hart belasteten. So .sagte der
mit Sternberg zusammen erschossene Günther aus:
Sowie er gehört, sei ein gewisser Namens von Sternberg,
wohnhaft in Marburg, mit in dieser Sache begriffen.
Der Muth (ebenfalls erschossen am 19. Julij und Haber-
korn müs.sen aiich darüber mehrere« wis-sen, denn .sie
hätten ihn mehrmals erwähnt ***)". Nach BVj/^*f) sollen
gegen Sternberg auch eine Anzahl Denunciationen ein-
gereicht sein.
Am 2. Juli traf aus <*aösel der Befehl an den
General-Commissar von Wnlff in Marburg ein, tSterttberg
zu verhaften. Wolff erzählt in seiner Flugschrift tt)> ^^
*) Moniteur Wcstphaüen vom 27. .luni 1809.
**) So Lyncker, a. a, (>.
•••) Aussage Günthers.
t) p. Wolff a. a. 0. S. 44. — ff) übenda S. 43.
374
Imhp diK Kranklu'it Stembtirgs als Vorwuiul luMiutzt, um
AuFsuliub für dii' Aiisführuiig tler Verhaftung zu erlangen
und dann zw«i Herrn im Urt'idensteinischen Garten den
eben erhaltenen Befolil mitgcttuiilt in der Krwartung, sie
würden Stcrnherg warnon und ilini zur Flucht verhelfen.
„Ich will zur Ehre dieser Menschen anniihmfin, fiihrt er
dann fort, dass sie nicht dachten, die Sache würde sulche.n
Ausgang nehmt-n, als sih nahm, sonst wäre ihre «Schaden-
freude satanisch gewesen ; kurz sie warnten Sternberg
nicht, und leider erfuhr ich, dasH einer jener beiden
Boin geschworener und grösater Feind war. Noch in
Händen habende Papiere geben hiervon sichere Kunde''.
— Üb die Aussagt^ des Herrn v WolfF, der als «in
ziemlich dunkler Khrenmann erscheint, wahr ist, kann
nicht mehr entschieden werden. Es ist kaum glaublii-h,
dass er sich „des einmal erkiesenen Staatsopfers wegen",
wie er sagt, in dienstliche Lnannehnilichkeiten gestürzt
hatte, zumal er Steniberg nach seiner Behauptung gar
nicht kannte. Sollte die Warnung aber wahr sein, so zeigt
sie uns, wie ablehnend sich die besseren Stände dem
Aufstand gegenüber verhielten. Man gab den Schnl-
digeu Preis, um Stadt und Universität zu retten. Stern-
berg hätte die Warnung freilich auch nicht ausnutzen
können, denn er lag immer noch schwer krank zu Bett.
Am *>. Juli traf i'ine ausserordentliche Unter-
sm-lmngskummission unter dem Vorsitz des Haupt-
manns im 3. Linienregiment fhf Lonije tle Beauveset.,
Coiiintnuihitt in chef du Revnttemcnt dans la /c IHH-
sion inllilaiie et Rnpiiorteur du Sr. Ttihunal sjnkial
militnirc iKnnancnt, .sf'aui d Cdiufcl in Marburg ein.
Ihr gehörte aueli ein Abgeordneter des Justizministers
Simeon an, ein Herr Detroy*}. Die Sitzungsräume der
*) Lipicker, a. a. 0. S. 178 sclireiljt Detroit. Steruberg ia
seineu Briefen Detroy. Vgl. Beilage IV. L S. 35M.
375
üntei'sDL'liiingK-(V»nimiKsic»]i lu-fuiulnii .siuh im 8(-h\varzRn
Adlt;r. Jutzt wurdn iHo Verliaftiing iStüi uburgs ausgt?fülu-t.
ööin Haus wurdü durchsucht und allü sein*; 8acheii ver-
siegelt*). Er selbst wurde aber Jiicht in die G«tanguisse
des Schlosses gebracht, sondern Wolff wies ihm in
seinem Hause — dem jetzigen Hanse des Dr. Hüter auf
der Reitgasse — eine Wohnung an, obwohl dies die
Missbilligung vieler Einwohner Marburgs fand.
Ob dies nur durcli Mensclicnfreundlichkeit, um
den kranken Mann zu schonen, veranlasst war, ist sehr
fraglich. Wolff .scheint vielmehr die Absicht gehabt zu
haben, eich Stfirnbergs Vertrauen erwerben und so den-
selben zu einem Geständnis zu veranlassen. tSternberg
hatte Zeit gefunden alle verdächtigen Papiere zu ver-
nichten. Es wurde freilich der Comnüssiün von einem
iJenuncianten die Adresse von Friedrich Schlegel in Wien,
die man bei Sternberg gefunden, was allerdings sehr
verdächtig erschien, überliefert, aber hierauf, wie auf die
unbestimmten Aeusserungen der Gefangenen hin, konnte
man iho nicht zum Tode verurtheilen. Man wollte das
Geständnis seiner Theilnahme an der Insurrektion. Sein
Tod war so gut wie beschlossen, da man von seiner
Schuld überzeugt war. Auch sollte wohl an einem hodi-
gustellten Mann ein Exempel statuirt werden, um so den
überaus gefährlichen Insurrektionen ein Ende zu machen.
Wie stark die Erbitterung gegen Sternberg war, zeigt
sicJi auch darin, dass seine persönlichen Gegner noch ein-
mal den \ersuch machten, den Gefangenen in ein ge-
wöhnliches Schlüssgefängnis zu bringen, aber ,,ein Con-
silium niedicum'', das aus den l'rofessuren Michaelis,
Ullmann dem jüngeren und dem St^dt- und Land-
physik us Hofrath Schumacher bestand, sprach sich
gegen den Transport des Kranken aus.
*) Ujief des iiauiituiantis de Longo <ie Beauveset au die
Wittwe Sterobergs.
776
Da SUmberg noch sdir «diwach imd
war, hielt maji es nicfat fftr schwer, dciM^ben snati Gv-
vtändnu) zu bringen. Man erklärte deoMelben, dans
alles verraihen sei, und daas namentlich Emmerich
wettgebtTode Geständnisne gcsBacbt habe*).
Als Stemberg trotzdem lengneiei, griff WoW an
«in«;m diabolischen Mittel das Geständnis zn erlai^en.
^¥ün( Tage lang, erzählt «r **), b<>harrte Stemberg dar-
auf, HT sei UQJscbntdig, da *;rwi9chtf> ich von ni
diH Aktfin, — an anderer Stell«***! sagt er, man
iiim den Einblick in die Akten s^^iner Tbeilnabme
dfn Angeklagten wegtun nicht geittatttrt, — die mir
«ehr viel Licht gaben. Die» stellte ich ihm den 6. Tag
Morgen« gleich nach seinem Erwachen vor, — ich be-
stürmte ihn zu bekennen, und sich so wenigstens den
Wng der Gnade nicht zu versperren." \\s der Hofrath
wankend wurde, wendete der edle Commisitar eine Art
geibtiger Folter an, am zum Ziel zu kommen. Er
liatt"^ die Gemahlin des Hofraths aufgesucht und der-
«(;lhen vorgestellt, dass Alles entdeckt, und dass ihr
Mann verloren sei. Nnr ein offenes Gestiindni.s nnd
di<: Appellation an die Gnade des Königs könne ihn
retten, hatte er zugefügt. In ihrer Herzensangst bat
die Frau, die keine Ahnung von den Plänen ihres
Manne» nnd den Folgen ihres Vorgehens hatte, den
Commits^ur un) Zula.ssung zu ihrem Manne; sie wolle
denselben bewegen, da.s.s er gestehe nnd sich der
(Inude des K«(nigs empfehle. Wolff bestellte darauf
die Frau auf denselben Murgen, an dem er den An-
fstiirtn auf Sternberg machte, ~ eü war der 11. Juli, —
Hin 4 riir in sein Haus. Kr erklärte, er wolle ihr den
*) Fliomiif gohcn wohl die Anklagen Stembergs in Brief 2
Beil. TV Kuniok. S, 397. Vgl. oben S. 366.
") \l'„l/f a. a. 0. .S. 47.
•♦•) obuuda Ö. 4G.
a77
Zutritt zu ihrem Manne, den dip Commis.ston ihr vrf-
wehrt hiittfs gütigst gnwahnui. Als Sternberg nun bei
(Ipii Enthüllungen Wffiffs scliwankBnd \vurtJi\ holte
dieser die im Nebenzimmer harrende Frau herein. Es
spielte sieh nun eine ergreifende Scene ab. Die Frau
beschwort ihren kranken Mann nffen zu bekennen, nur so
könne er sich retten. Rndlic;h wurde Sternberg mürbe,
„er ward ühnmächtig, begehrte Wasser, trank und rief
dann in achraerzliich-sichtbarer Verzweitiung aus; Ü
Mann! wie hab ich Sie zu mHinem Unglück verkannt I
— ja ich bin schuldig, aber nicht wie man glaubt, —
ich worfe mich in Ihre Arme!"*). -— Kr forderte Pa-
pier und Feder und setzte sein Bekenntnis in einer
Form, die ihn so wenig wie möglich compromittirte **),
selbst auf.
Wolffs Plan war gelungen. Lieber seine Infamie
ein Wort zu verlit-ren, ist iiherfln.**üig. Er giebt zwar
an***), er habe sofort ein Begnadigungsgesucli an den
König nach Sachsen und an die Minister durch Staf-
felte gesandt, aber diese Angabe des Ehrenmanns ist
zu bezweifeln.
Sternberg hat das Spiel, das mit ihm getrieben
wurde, nicht durchschaut. Bis zu seinem Tode hielt
er Woltf für seinen Freund und Wohlthäter. Am Rande
seines letzten Briefes steht : „Dank dem G[eneral|-C[om-
missair] v. Wolif'f). Seine Frau hat erst s]Ȋt durch-
schaut, dass sie als Werkzeug benutzt wurde, um ihren
Mann zu vernichten, Nach dem Tode ihres Mannes
verehrte sie WolfF einen wertlivolleu Flügel ff).
♦) Wolff a. a O. S. 47 >icliteiht hjp, ihre klein; gomeiiit
ist V. Wolff.
*♦) Vgl. unten Boüage ill. S. 391.
'•») IViAff ti. a. tl. H. 48.
f) Beilage IV. Brief 4.
ff) Wulff orklärtc freiiidi. or habe dewselbeti von der Huf-
itttbia St. gekauft.
378
Durch Hhs (Tfetfiiidnis war da« Schicksal dva Hof-
raihes ent-jchiiedijn. Man hatte jetzt küinen Grund
mehr d^Tiselben in Marburg zurückzuhalten. Am 12.
JuU wurde ^'.T mit den anderen Angeklagten, e«
waren fihif Wagen voll, nach Ivassel abgei^chickt. Stern-
berg fuhr in seinem eigenen Wagen. Bei seiner
Abreise, geschah dem Armen noch eine öffentliche
Beschimpfung. Die Kunde von i?einem Gestän<lniä hatte
sich in Marburg verbreitet, und man fürchtete, .Stern-
berg habe %'iele comproniittirt. Als er abfuhr, rief
man ihm aus der Menge : Judas, Judas I — zu *}.
Am 14. Juli wurde er in das Kastell eingeliefert**);
er sollte dasselbe nur zu seinem Todesgange verlassen.
Er wurde im Kastell gut behandelt. Der f'ommandant,
Major von Krupp, ein leutseliger, menschenfreundlicher
Herr, der Hauptniann de Longe de Beauveset, der oben-
erwähnte Herr Detroy, die Officiere des Kriegsgerichts,
die Wärter, Freunde in ("assel selbst wie die Hofräthin
lltlmantj, suchten dem Mann, der im Geheimen schon
zum Tode verurtheilt war, seine Lage so leicht wie
möglich zu machen ***).
Die kriegsgerichtliehe Untersuchung hatte einen
schnellen Fortgang. Sternbei'g und die anderen Ge-
fangenen wurden täglich zweinml verhört. Der Hofrath
legte sich nicht aufs Leugnen. ,,Ich habe nichts Vftr-
schwiegen, verschweige nichts und werde nichts ver-
schweigen, Was sollte ich für Gründe dafür haben. An-
fangs glaubte ich verhindern zu können, dass nicht Km-
merichs unbesonnenes Beginnen eine Menge Menschen
ins Unglück stürtzte. Dieser Grund fällt jetztganz weg",
schreibt er an seine Frauf). Er glaubte nicht zum
*) Vgl. von IVoiff'ä DfiretcUung a. a. 0. 8. 49. ,Er spielt
sich auch hior wieder iiis Froiind titoniivergs auf."
••) Vgl. Beil. II. S. 390.
*•") Vgl. die Briefe Storaborgs. Beilage IV. 1—2.
t) Vgl. Beil. IV. Brief 2.
379
Tode VHruitlieiit zu werden, sondern huffte mit Fe.stung8>
liaft — walivsclitinlich in Mainz — davon zu kommen.
Diese HoH'nung tüusehti' ifin.
Arn IH. Juli wurde Andreas Kramericli und
zwei ehemalige kurhessischü Soldaten, Wendid G ü iith er
Hus Sterzliausen. 33 Jahr alt, frülieriir Husar (seit 17il2)
und Diiniel Muth aus Ockershausen, am 17. Juli
Sternberg standrfichtlich zum Tode vernrtlifilt.
Am 18. Juli am frühen Morgen wurde Emmerich
auf dem Forst bei Kassel erschossen, üer alt« Soldat
sah dem Tode kühn ins Auge. Wie die Schill'schen
Ofticiert! verschmähte er die Binde. Die brennende
Tidjuk.spfeife in der Hand erwartete er die tödtliche
Kugel, Kr starb mit dem Rufe: ,,F!s lebe der Kurfürst"*).
Sternberg wurde durch die Verkündigung des
Todesurtheils, obwohl er dasselbe nicht erwartet hatte,
nicht erschüttert. Kr traf seine letzten Anordnungen
mit Ruhe und schrieb an seine Frau. Auf die Giiado
des Königs rechnete er nicht mehr. Der Pfarrer Götz
btsreitete ihn zum Tode vor.
An seinem Todestage munn ihm noch etwas
Scbrecktiches passirt sein. „Und wenn mir jetzt der
König Gnade geben wollte -- nein, diese üeschimjtfnng
ist zu gross", schreibt er eine Stunde vor seinem
Tode**). Worin diese Beschimi>fung bestanden, ist
nicht mehr zu erkunden.
Am 19. Juli Nachmittags 5 l'hr trat er zusammen
mit Günther und Muth den Tndesweg nacli dem Forst
an. Um 6 L'hr wurde das. Urthuil vollstreckt.
Heber das Endo Sternbergs liegt ein Bericht des
Majors von Krnpp vor***), „Die fünfte Stunde,
♦) Vgl. lAtttdau a a. O. .S. 148, Lyurker a. B. 0. S. 180.
•♦) Vgl. Beilago IV, Brief 4.
♦*♦) Brief des Major vod Krupp an dou Geuei-al-Commissar
von Wolff. Vgl. Beilage V.
heiüst es darin, Mittags den ]!). dieHes war es, in
wtlchein yr mit noch zwei des Aufruhr.s Angeklagi*^n
und lk'bt'rwi<*s*Mi(>i), durch ein militairibches Commando
zum Executionö-Platz geführt wiirdü. Die Zeit vum
Mittag bis dahin um 5 Uhr dauerte Ihm no lange, das«
Kr oft nach den Kpnstern ciltt;, um za sohen, oh da»
für diu bestimmte (.'ommando noch nicht komme. Mit
ausserordentlicher Standhaftigkeit betrat er tlen Kxe-
cutiona-Platz! trat einige Sehritte zurück, ver-
band sich selbst die Augen und empfing ho das ihm
zuerkannte Hiei." Er war schlecht getroffen und lag
wimmernd am Hoden. Die Kugel eines mitleidigen
Jägers machte seinem Leben ein Knde*). Die Opfer
wurden auf dem Executionsplatz begraben; eine ein-
same Eiche, die Sternberp-Eiche, bezeichnet ihr Grab**j.
Sternbergs P'rau glaubte sicher, dass der König
Jerouie Gnade üben W(«rdt!. Sie wollte sich nach
Katjsel begeben, um den König persönlich um dieäeUH<
anzufachen, aber in Jesberg***) musste sie umkehren, weil
sie die Geburt eines Kindes erwartete, Sie würde,
auch wenn sie die Heise ausgeführt hätte, ihren Mann
nicht mehr am Leben getroffen haben. Er war am
Selben Tage, wo sie aufbrach, erschossen. Am Tage
nach dem Tode ihres Manne« gab sie einem Knaben
das Leben. Sie hat erst spät erfahren, dass ihr Mann
erschossen ist. Ursprünglich glaubte sie, er sei in Folge
seiner Krankheit gestorben j).
I
I
*) Vgl, Liftickrr a. a. O. S. 180.
♦*) Vgl. ebeuda S. Iü8. Das Denkmal, Uesäen Grundstciii
lü^'i gelegt wurde, ist uiclit vollendet. Auch iu Idarburg findet
sich keitie Oedonktafel.
♦**) .Jesberg, zwei Meilen südlich von Fritzlar. Wolff schreibt
.losliach, OS kiiniitu deinuneh aucli der Ort .Inhbauh gemeint seiu^
walirs<,'lu>inlii.'iier ist abec, dass der Flecken .lusberg gcineitit ist.
fj Vergl. Vorbemerkung zu Boilago IV,
381
Die Rädelsführer waren bestraft; man hatte ge-
zeigt, dass man alten Anfstan dsversuchen energisch ent-
gegentreten würde. Jetzt liess die Regierung Milde
walten. Der Justizministev Simeon war gegen jede
unniithige Strenge xind bewog den König, „nachdem
das Exempel gegeben war", Gnade walten zu lassen.
So wurden am 5. August 18CK1 Friedrioh Hrvhl^ Jo-
hann Muth, Daniel Haberkorn, C'hrisjtian Matthaei,
Friedrich Keppler and Ludwig Klos, die vom Tri-
bunal special militaire zum Tode verurtheilt waren,
begnadigt und in Freiheit gesetzt, nachdem sie die
Kosten des Verfahrens getragen*). Von dem Üeld,
da« Klos bezalden musst-e, erhielten der marechal de
logis f>0 francs und die Agenten der Polizei r>(> frauca
Belohnung **).
Der Professtor der Mineralogie Ullmann erhielt
nach fiinfwöchentlieher Haft seine Freiheit wieder***).
Die am Aufstand betheiligten Bürger Josbächer,
Cramerding und der Chirurg Klinge I hoefer
waren ,,in das Darnistädtische*' geflüchtet Die Flucht
erfolgte, als man dieselben ins Gefängnis bringen
wolltet). Am 2b. August theilte der JustizmTni.«*ter
mif, dass der König, nachdem das Kxempel statuirt sei,
gegen alle Flüchtlinge eine stillschweigende Amnestie
erlassen habe : sie könnten zurückkehren, sollten aber
polizeilich überwacht werden ffj. Ausgenommen von
dieser Amueistie .sollten die Rädelsführer Moog, Koch
♦) Brief des JustizministerK vom ö. August 180B. Staat.H-
art-hiv tu Marbiirp,
**} VerfügiiDg des HauptniaiiDä do Ijongc de Dcauveset.
eiH?uda.
*•♦) Ijyneker a a. tl.
f) Bericht au den Justiz in itiistor vorn 22. Augiisr 1H09.
Staatnarchiv zu Marburi;.
tt) Brief dos ■Justiziiiiiiistei^ vom 28 Aug. IHK). Staats-
arohiv KU Uarburg.
nnd Scholl als anverbesserlicb werden, denn ees 3
indivtdua otU prü reilaviivemntt pari aus troi* rt-
voUc$ siicceifshes, ö cellc J806, sur Casaei ei Mai bürg f
ces iroia Jtomiuea sont iitcorriifUAts* ).
Auf die Amnestie hin kehrten fast alle PlOcbt-
tiiige hl ihre Hcimath zurück. Obwohl ea sich im Ltttf
der weiteren Uiitej»uchui>g zeigt*?, dass noch roanclt^r
derselben arg compromittiert war, wie Vormschlag,
der Gärtner SternbergB, der Wirtli Heuser zu Ocktr»-
haaeen, die Ackersl^ute Schneider aus Oberwalgero,
Heuser und Rhein aus Cyriaxweitnar, — so hielt
die Regierung Wort und begnügte sich damit, die-
selben zu überwachen **J.
Im März 1810 wurden die Flüchtlinge Koch und
Stnlj prgriff«n und in Marburg eingeliefert, »Sie sollten
abpr nur auf reinen ausdrückhclien Befehl des Ministfrs
vor die Geschworenen gestellt werden***). Im August
wurde auch Moog ergriffen und dem Gerichtshof über^
wiesen. Kb konnte nun das Verfahren gegen sie vor
dem peinHclH'tt Gerichtshof zu Marburg eingeleitet
werden. Die öffentlichen Verhandlungen fanden im
Oct<ib»'r statt. Liebrigens hatte man Mühe, die nötliigt'.n
(iHKi-hworHuen zusammenzubringen f). Am 29. October
I81Ü wurden die Angeklagten auf Grund der Gesetze vom
14. Februar 1795 und vom 9. April 1809 — betreffend
Hoc-hverrath und persönliche Sicherheit des Landed-
herrn — zum Tode verurthfilt, aber der Gnade des
Königs (empfohlen, weil ih sotü si^uittt ])ar le profes-
seuf Sternlicnj, qui na t'ftaryw' ni promesses ni me-
*) Brief di<s Jus-tiKininisten» vom 12. Mürz 1810 an <leo
Oeneral-Pnwui-our v. Hftustoiu. Staatsarchiv zu Marburg. IV-
gleit«ohrc«Jbcn dcH Aiiuiestie-Erlassos; obcnda.
**) Brii'f dofe Ministers vom 28. Miirz 1810. Marburger
Archiv.
**•) Brief de» Mini.sters vom 3. .Vpril 1810. elieuda.
f) Bericht an den Miuister vom 28. August I8l0. ebeoda.
H83
naces ni argent pour les 4garer*). — Am selben Tag
erliielt der Superintp'ndpiit .Insti die Weisung, die
Vt»riirtln'ilten von einem l'rediger lif^sni-lien und zum
Tod« vorbereiten zu lassen**). Man rechnete also auf
die Vollstreckung des Urthoils. Aber der König Hess
;inch jetzt (Inade. walten. Unter dem 3. Dezember
IWIO wurde mitgetheilt, dass die Verurtheilten be-
gnadigt seien. Die Todesstrafe, wurde in Gefängnis
(Eisenstrafe, peine de.s fers) umgewandelt. Miwtg er-
hielt 20 Jahre, die übrigen je 10 Jahre Gefängnis
(Festung) ***). Die Verurtheilten wurden nach Magde-
burg gebracht, um dort ihre Strafe abzubü.ssen. l>ie
Freiheitskriege brachten auch ihnen die Freiheit,
Man muss aiierkenneu, dass die Wastphklische
Regierung bei der Bestrafung des Aufstandea viel Milde
hat walten lassen. Es ist dies wohl vor allem dem
Justizminister Simeonf) zuzuschreiben, der gleich nach
Unterdrückarig des Aufstaudes die Kommission anwies,
jede unnüthige Strenge zu vermeiden. Er traf aber
damit auch die Absicht des jungen Königs, der eben-
falls kein Freund von Grausamkeiten war.
Der Aufstand hat wie das Drvriiberg'8{:he linter-
itehmen keinen glücklichen Ausgang gehabt. Er war
•) Bericht an den .lustizniinistpr vom 2ft. Ocf. 1810. ebenda.
•*) Bncf des flerichtaliofs an Snperintondont Jnt-ti vom 29,
i><:t. 1810. Staatsarchiv zu ilarliurg.
•♦•) Brief des Justizministcni vom 3. Doz. 1811). olvetida.
•\) ^SiniMOu, frühor i'rofossor der Keelite nj Aix. hatte sieb
in A^w stüiDiisolieD Zoiteu der hV'volutiou uctt des l'onsulats
mchrf.arh boiiierkliar i^omadit, wesliaU) NapolMii ihn nach Sfiiier
K.aiäeikmDung zum Grafnn nhotioii ud<1 in den Staatsratb («rufen
hatte. Er i^t als ein Mamt voti hoher sittliu'her Bildang tiud
^liinzoudcm Ycrstandi« bekauut uitil hat dmch liio .]uhtizvi.Mfas.sxuig,
welclio das Konigrojrh wilhrend der s^hsjülirigeii l>aucr si-hios
Ministeriums urliii'll, diu IxTedtcstcn I'roben s<>iiioi- Hi-fiihiguitg
gegeben. LyncKrr, ^.Konig Jerwiiie umi wiiie Minister". IJea^.
Jalirb. 1B64, 8. m.
384
wie dieses Vorhaben an lit-r Theilnahmlosigkeit der
BeviVlktfiung gescheitert Nur in Folge dieser Apathie
hatte» die Versuche zur Befreiung des Landes von der
Knechtschaft Napoleons im Wesentlichen so rasch im
Keime erstickt werden können. Jerouie hatte nur
zu recht, mit seiner Behauptung: ,,Der Deutflchu ist
kein Verräther.*' Sein gerader Sinn maelite es ihm
schwer, die Schleichjifade des Verschwörers zu wandeln.
Dazu kamen Schwerfülhgkeit und Nüchternheit hi seinen
Anschauungen, ja auch ein gewisser Grad von Indolenz,
namt^nilich unt«r der städtischen Beii ölkeruiig, die
ihn nicht sofort begeistert in den Aufruf seiner Be-
freier mit einntimnien liessen. Sein Bilhgkeitsgefiilil
erkannte und würdigte auch an dem neuen Regiment
manches Gute"'). Kmmerich hatte gehofft, das.s sich
lliin .sofort ganK Marburg aii-schhessen würde, aber wie
Ka.sseJ bei iJürnbergs Laiteriiehmen, so verhielt sich
jetzt Marburg ruhig. Nicht einmal die Studenten, die
doch json.st für ein leichtlebiges Völklein gelten, schlössen
sich ihm an. Die Städte sahen mit sehr wenigen Aus-
nahmen die Erhebung ruhig mit an, ohne die WafTeii
zu ergreifen. Aber auch die Landbevölkerung, auf die
man sicher rechnete, versagte im enbichejd enden Augen-
blick. Die Leute wollten erst einen Erfolg sehen, und
als dieser ausblieb, hielten sie sich ruhig zu Hause.
He.ssen war kein Tirol.
Es ist nicht zu hedüuern und zu beklagen, dass der
Marburger Aufstand zu früh ausgebrochen ist Hatte
Emmerich auch noch einige Zeit gewartet, hätte er auch
alle seine Streitkräfte zusammen gezogen, er würde doch
kein glückliches Resultat gehabt haben. Im besten Falle
hätte er sich der Stadt Marlturg und Oberhessens auf
kurze Zeit bemächtigt Gegen die überlegenen Streit-
kräfte aber, über die die ^Vest^)häl^sche Regierung ver-
•) Outr/.r u. liijen a. a. ü, S, 196,
885
fügte, konnte er sich auf keinen Fall halten, df*im
das, was einzig seinem llnternplimeii Bestand und
Erfolge gegeben linttf, der Kinfall der O^isterreicher und
KurlH'SSMi in da&t Königrc^icli VVest[<lialeii, iiuttTblinb in
Folge der Ereignisse auf dum grossen Kripgssehau-
(datze. Kin Abwarten Emmerichs liiitte nur vie] mehr
Leuti! ins Unglück gestürzt und auf den Sandhaufen
gebracht — Vip.lmehr zu tadeln und zu bedauern
ist, dass der Aufstand überhaupt ansgebrncben ist.
Hierfür trittt Emmerich die Schuld allein. Wäre »Stern-
berg nicht krank geworden und hätte er die Ober-
leitung behalten, so wäre der Aufstand nnterblieben,
Sternberg liiitte bei seiner Vorsicht nur losgeschlagen,
wenn er des Erfolges ganz sicher gewesen wäre, wt'un
eben die Oesterreicher in das Land eingefallen wären.
Wie der Kurfüret sali auch er ein, dass Insurrektionen
ohne niilitJiirische ßeihülfe selten Erfolg haben. —
Auf die Ereignisse des gros.sen Krieg.sscbau|)latzes
hatte der Aufstand wenig Eintluss. Jerome, der mit
seinen Truppen in Sachsen stand, scheint sich nicht
sonderlich beunruhigt zu haben, da er sofort über die
Fiinzelheiten desselben unterrichtet war. Er gab darauf-
hin nach Kassel die nötliigen Weisungen zur Unter-
drückung des Aufstandes und zur Bestrafung der Theil-
nehmer an demselben *). Lyncker **) nimmt an, dasa
Jerome in Folge der Nachricht von dem Aufstande
unruhig geworden »ei, was .sich in der llnsicherbeit dr^r
Bewegungen seiner Armee gezeigt habe, und sich bald,
zur Verwunderung von Freund und Feind, mit seinen
Ciarden in Eilmärschen nach Cassel zurück begeben habe.
Diese Annahme ist nicht richtig. Der .aufstand fand am
23. Juni statt, aber erst am 19. Juli ***) kehrte Jerome
♦) Ooeckn u. Hgm ft. a. 0. S. 196.
••) Lgtteker a. a. o. S. 180.
••*) Eh war ilor ToUwstag Sternberga.
N. W. Bd. XVll. 2Ö
386
mit seinen Gardpn nach Kassel znröck, „nachdem ihm
am 17. Juli Juli 10 Uhr Abends durch dnn Lieutenant
Septeuil, Adjutant des Marschalls Berthier in Obtr-
Frautnidorf di«* Nachricht und die Artikel finps eben be-
.schlosst-iiRn Waffenstillstandes der krif^gsführemten Mächte
überbraeht war** *). Kr wuHste, dass auf dtjn Waffenstill-
stand dtT Friede folgen würde und kehrte deshalb in sein«»
Residenz zurück. Vielleicht stützt sich Lyncker auf
eine Bemerkung, die sich in dem Tagebuch des Gene-
rale von Wachhol tz tindet**). Ale dieser nämlich
den missglückten Ueborfall von Schiejz erzählt, durch
den Jerorae von den Oesterreichern, BraunBchweigern
und Hessen***) aufgehnhen werden sollte, beni*'rkt pr,
,,nian könne sich nicht erklären, weshalb d»'r König
von Westfalen Schlei/, verlassen hätte." Wachholtz
nimmt als Grund des Abzuges die Landung der Eng-
länder hei Vlissingen an. Lyncker hat wnhl den Mar-
burger .Aufstand als Ifr.sache des Rückzuges ange-
nommen f ).
♦) Srfmeidan'mi, Dor Krion Oesterreichs ge^n Frankreich.
dessen Alliirtn und tinn Rhuiiibmid im .laJirc l!S(jy. 1842. IW. IJ.
S. 102. 194. — Europas raluitibiicsJc, llesterroiclia Kiiogsgeschichto
im Jnhrü 1809. I^ijizig u. Alteoliurg 1810. Bd. II. S. 230 ff.
••) Aus dem TagelmpU iJos Oenerals von Wachholtz.
Uraunschweig 1843. S. 293 und Anm.
***| Vgl. uieinen eretcn Aufs, .lahrg. 189J dieser Zoitschr.
S. 330 u. Anm,
t) WachholtÄ giebt an der angeführtea Stelle a. a. 0.
S. 293 Anm. die Schilderung, die sich ülter den Feldrug Jeromos
in T^ rtn/aume de We^lphulie^ Jeronie linimajmrte, m rour, ««
famri'ta et «es JumtMlres. I'av u» trmoiti orulaire Paris JS20
S. IIÜ findet. Die Schilderung ist üli'rtrielieu, sie tautet: Totit Ir
niomU domiait <ks (/rdren^ et j^emunnr. n'en rcccrail: v'Hail wie
vraie )H'lnudiere. I^» fimmtissnirr^ dcit ffiierren pillaieiil ; Ifx sol-
dttta Haind eti mnraude; ks yiWraux jemaietif rl huuHpHiaieMt le»
piks; un iir »arail dans tnut crla-, tpii eommntidni'f. Ijn mi x'rUiil
fait minr i/iir um partie dt sn rour; r'i'ldif h» ntnuuhrt^n^tt de
»87
Auf österreichischer und kiirhessischer Seite war
der Anfatanil von gntsserer Bedeutxiiig *). Am 16. Juli
erhielt der Feldmarschalllieutcnant von Kienraayer
sehr übertriebene Nachrichten von dem i\ufstande. In
Hessen sollte eine grosse Revolution ausgebrnchen sein,
und in Kassel und Marburg viele Franjinsen umge-
bracht sein. Es sei scldeiuiigste Hülfe nüthig. Kien-
mayer theilte diese Meldungen sofort dem Commandenr
der Hessischen Legion, dem Oheratlientenant von
Müller mit. Dieser fasftte sofort den Plan abzu-
marsehiren und in Hessen einzufallen. Es wäre so das
umgekehrte Verhältnis von dem eingetreten, was ur-
sprünglich beabsichtigt war. Die Insurrektion sollte
stattfinden, wenn die Hessen und Oesterreicher im
Lande wiiren. Jetzt rief der Aufstand den Plan des
Rinmarsehes hervor, Kienmayer wollte sich zunächst
gegen Junot wenden und rsach Hesiegung desselben
auch in Westphalen einfallen. Müller wollte schon ab-
marschiren» als die Nachricht von dem Waffenstillstand
von Znaim kam Die Expedition war so vorliuitjg ver-
eitelt. Müller hoffte, dase der Waffenstillstand nicht
zum Frieden führen werde. In diesem Falle wollte er,
vereint mit dem Herzog von Braunschweig in West-
phalen einfallen. Aber ohne einen Befehl des Kurfürsten
mochte er niclit vorgehen, Er war ein vorsichtiger
und verständiger üfticier, der nicht eine abenteuerliche
und eigenmächtige Politik treiben wollte. Er wusste,
das» er mit seiner kleinen Schaar nicht viel gegen die
Truppenmassen, die die Feinde während des Waffen-
stillstandes zusaramtMtgezogen hatten, ausrichten konnte,
fftMiaux, (ir voiiures, tle ealels et ik gens iniäikfi, a faire ^n-ur; ß
w. »nitt m^mt, s'il n'y arait pna quelfftte« eomMima au qiutrtit^r
ijrni'rni, j>our jtmrr leit prorertwf< au camp,
•) Vgl. moijioii Pisten .\iifsatz .lalirg. iH91, S, :131, 334 und
die RniMiortc v. Müllers iti "Ion Knotjsantcn.
25*
388
aber einem HeMil st^nes Kriegsherrn lilitte er Folge
gtdinstet. Ein Bi-fehl ths Kurfürst«^» traf nicht ein und
so unt«?rhli«;b die ICxiH'dition nach Hpssen.
Das Complütt des Rittmeisters v<iji Itten-
hofeii*), der mit einem Theil der Truppen und der
Artillerit* in Feindesland einrücken wollte, hat mit dem
Marburjjjer Aufstanii nichts zn thun. Die Verschwörer
gabRu zwar vor dem Kriegsgericht an, sie wollten Hessen
insurgiren, aber sie hatten vielmehr den Plan nach
Ureinen vorzudringen und in Englische Dienste zu
treten **). Auch die Desertion des Lieutenants von
N atzmer hängt mit dem Aufstand nicht zusammen***)*
Zum Schluss soll noch eine Unrichtigkeit Dynckers
berichtigt werden f). r*erselbe sagt: „Selbst der Kur-
fihfit von Hessen, weteheui sicherlich übertriebene Kunde
von einem Aufstand in Oberhessen zugekommen war,
erwachte auf einmal vtdl FlotFnung zu neuer Thatkraft.
Kr eilte nach Kger, um siich an die Spitze seiner 900
Mann starken böhmischen Armee zu stellen und seinen
für ihn aufgestandejien g(;treuen Unterthanen die Hand
zu reichen." — Der Kurfürst hat diesen Plan nicht
gehabt. \'A begab sich erst Ende Juli, also nach Ab-
schluss des Waffenstillstandes nach Kger, um seine
Truppen zu bi'sichtigen. Nach der Revue kelirte er
nach Prag zurück. An einen Kampf hat er nicht ge-
dacht tj)-
♦) Mein Aufs. Jahrg. 1891 8. 332.
••) ebönda 8. 333.
•*•) ebenda 8. 333, A. 6.
t) Lyncker a. a. 0. S. 180.
ff) ßri«r des Kurliirsteti an Ei7.liei7<i{; Karl vom 1. Aug.
ISniJ. Kiirgsaktei) BU. I. S, t4i>, 8ta.'it-yin;l»iv /.u Matinirg. .^loh
bio vuii eiiior Tour ^.iirückgokonimoii, die iuli iiuteiQüiuiueii )iabe,
um meine Tnippeu zu Ruhen.'*
Beilage 1.
Verxek'hnis ävr naihtrnsban-n Thcihivhvicr am Auf-
fitattä XU Marburg.
1. Johann Hoinrich Sternberg aus Marburg,
Hufratb, Professor der Medizin; geb. 15. April 1772
zu Goslar, erscho-ssen am 19. Juli 180() zu Kassel.
2. Professor der Miiieralogit; LI 11 mann aus Marburg.
3. Andreas Emmerich, Englischer übrist a. D.
aus Marburg, geb. 1737 zu Kilianstättcn bei Hanau,
frschos.seii atn 17. Juli iHQi) zu Kassul.
4. Lieutenant Hess (Hesse) aus Marburg, Bruder
des VBrwalters der füratlichen Kalkbrennerei (wolin-
haft am Grün).
5. Bürger Josbächer aus Marburg, amnestirt.
6. Bürger Crunierdinger aus Marburg, amneötirt.
7. Chirurg Klingelhöfer aus Marburg, amnestirt.
8. Christian Matthaei aus Marburg, vom Tribu-
nal special rnilitaire zum T<ide vexurtlieilt, be-
gnadigt.
9. Friedrich Keppler aus Marburg, ebenfalls zum
Tode verurtheilt, begnadigt.
10. Daniel Wuth aus Ockershansen, Landmann, ehe-
maliger hessischer ßoklat ; erschossen am 19. Juli
zu Kassel.
11. Johann Muth aus Uckershausen, vom Tribunal
special niilitaire zum Tode verurthcilt, begnadigt
12. Siegfried Vorras chlag aus uckershausen, 28
Jahre alt, diente H Jahr beim Kegiment > Kurfürst*
zu Marburg, Gärtner »Sternberg», amnestirt.
115. Wirth Heuser aus Ockershausen, amnestirt.
14. Daniel H a b e r k o r n aus Ockershausen (?), am-
nestirt.
390
15. Wendel Günther aus Sterzhausen, Landmann,
33 Jahr alt, von 1792 — 1806 hessischer Husar, er-
schossen am 19. Juli zu Kassel.
16. Johannes Moog ans Sterzhausen, 56 Jahre alt;
ehemaliger hessischer Soldat 29. Oct 1810 zum
Tode verurtheilt, zu 20 Jahr Festung begnadigt.
17. Ludwig Koch aus Caldern, 32 Jahre alt; diente
12 Jahr 8 Monat bei der Garde-du-corps. 29. Oct.
1810 zum Tode verurtheilt, zu 10 Jahr Festung
begnadigt.
18. Johannes Stoll aus Wenkbach, 43 Jahr alt;
diente 27 Jahr bei der hes.sischen Garde in Kassel,
29. Oct 1810 zum Tode verurtheilt, zu 10 Jahr
Festung begnadigt
19. — Schneider aus Oberwalgern, Landmann, ehe-
maliger Soldat, amnestirt
20. Johann Heuser aus Ciriaxweimar, Landmann,
amnestirt
21. Heinrich Rhein aus Ciriaxweimar, Landmann,
amnestirt.
22. Andreas Löwenstein aus Wetter, Kaufmann,
amnestirt.
23. Ludwig Klos aus (?), vom Tribunal special zum
Tode verurtheilt, begnadigt
24. Friedrich Hohl aus (?), vom Tribunal special
zum Tode verurtheilt, begnadigt.
25. — Günther aus (?), amnestirt
26. — Rimmel aus (?), ehemaliger Soldat, amnestirt.
391
Beilage 11*).
XI. He«8. Geh. Acten 16»«» Colieft **) Nr. 27.
Natneiälirhea Verx mit h is
derer Rlilitair- und CiviFpftreonen, welche wegen Itisur-
rektion durcli ein Krieg.sgericlit zum Tode vorurtbeilt
und erschossen worden sind.
Tag dos I
^*"«- 1 UrtbeiLs.
Eintritts Vor- und Zuuaiiio.
im Kaätel.
1809
Zweite Insurrektion.
29, April
1.
Wachttneister im 1.
Elbe-De-
den 3. Mära
Cuira8sier-Reg. Chri-
partement
1809.
stoph Honemann.
30. April 2J, Friedrich v. Hasseroth
AUendorf den 13. May
\
1809.
Dritte Insurrektion.
1. Juli
1-' Andreas Emmerich
Im Hanau- den 17. Jiily
1 ehmal. Kngl. übrist
ischen 1H09.
2.
Wendel Kinder***)
Ackersmann
Sterz-
bau.sen
3.
Joh. Heinr. Sternberg
Marburg
dt-n 19.
' Professor
JnlylÖOO.
14.JuU
4. Dani««l Muth
Oekers-
Ackersmann
1
bauäen
*) Eiujselblatt im StoatsarL-hiv zu Marburg. Unten aal
doin Utatt stobt mit Bleistift: I>ic IIau|vt- und s|»czielinn Verzcich-
ijisso liudon sieh in dor Bit^üotliok zu Williclmsliöli*) uotof doi Ku-
luik llißtoirp do Hesse in ciut>tn bcbond. Foliobajid.
") nit'bt lesbar.
•*•) Wendel Uunthor.
392
Btiilagu III.
Verhör Skrnbcrtjti am IL Jtdi ISffü.
Da-ssnlhe ist eiäialtpii in tieii L nt.trsiiL'hniig.sakten
des L. Kuch. Der Kommissar v. Wollt giebt in
»einer Flug:jelirift S. 50 den Inhalt dus Selltts>tb«kennt-
nisses .Sternbergs ;in, das mit einem Tht^il dus Verliörs
AHiinliclikeit hat. Zur Vergleichuiig w«^rd«n beide Aus-
äugen neben «inander mitgetheilt.
Verhör,
in. Frage.
Was Comparent seiner
Seits fiir a'intm Plan habe
btifolgen wollen.
A n t w o r t.
Nachdem ( "unipareiit von
der Erliitterung der Bürger
auffallende Proben gehabt
nnd von seinem Ciurtner
Vormschlag Nachrichten er-
halten habe, dass die Bauern
ebenso gestimmt seien, da
er besonders geliOrt habe,
du8s diese Erbitterung be-
sonders gegen einzelne Per-
sonen gerichtet gewesen,
da sei bei ihm der Ent-
sehliiSä gefasst worden, da-
hin zu wirken, dass die
bevorsteliejiden Grausam-
keiten vermieden würden,
und einen nicht zu ver-
meidenden Aufstand zur
Ordnung und einem be-
stimmten zu leiten.
Darstellung v. Wolffs
a. a. 0. S. 50.
Sternbergs selbst gesulirib-
benes Gestiindniss war :
er habt! durch die BesOP-'
gnng <ies Clinicums mit
vielen Handwerkern Um-
gang gehabt, von diesen
das allgemein — durch die
übertriebenen Steuern und
das Nichtbezahlen für ge-
schehene Lieferungen —
verursachte Elend erfahren ;
er hätte also, wenn er
einige tausend Mentschen
gesammelt, mit diesen mit
Casset ziehen, und den
König vermögen wollen,
seine Einan/plüne zu än-
dern. —
393
Hiurzu haben ihm diu
Suljordination gewohnten
Meiiselien die brauehbEirsten
erschienen und deshalb
habe er beiii erstes Augen-
merk auf die alten Soldaten
gerichtet.
Zum Anführer dieser
Soldaten habe ihm Emme-
rich am tauglichsten er-
schienen, weil dieser die
Soldaten aus Amerika kenne,
wenigötens die Alten, auch
er von diesen gekannt sei
und weil Comparent ihn
für einen guten Menttchen
gehalten habe. Waren die
Soldaten zusammen, ao
solltun sie aus a'mh ihre
Anführer erhalten, und zwar
sollte Moog aus Sterz-
hausen den Rest der alten
Hessischen Garden und
Vormschlag den Rest
des ehemaligen Regiments
Kurlürst konimamliuren.
Beilage IV.
Briefe Stcntberijs an seine Ftan ^).
SternbiTgs Frau, Cliarhitte, war die Tochter des
Kriegsraths und Stadtdirectors Georg Heinrieh Siemens
*) Die Briefe sind im pjivafbesitz. Sie waren dem \'ev'
fassor von der EokeJüi Storubürga, Krau Helene Greve, geb.
Stern berg, welche vor kurxem gestorben ist, gütigst eur Pubti-
ktttion zur VerfüguDg gestellt.
394
za Goslax. Dit^selbe hat erst sehr spät oder gar
erfahren, dass ihr Mann erschosäen ist. Man liese aäe
in dem Gianben, da&s derselbe an deit Folgen seiner
Krankheit gestorben sei. Sie hat dalier die nachfol-
gendt-n Briefe nie erhalten. Dieselbe fanden sich im
Nachia&s ihres Bmders vor and wurden dein Sohue
Sternbergs*), der Privatdozent und Rechtsanwalt in
Marbiug war, ausgeliefert.
pjngeleitet werden die Briefe darch ein Schreiben
des Hauptmanns du Longe de Beauveset^}.
Cassel den 26. Juli 18UM.
Hochzaverehrende Frau Hofräthin I
Indem ich die Ehre habe, Ihnen einliegend drei
Briefe Ihres verstorbenen Gatten zu übersenden, benach-
richtige ich Ihnen zugleich, dass derCoffr« in Verwaiimng
bei dem Herrn Major Krupp steht, und zu jeder Zeit
verabfolgt werden kann. Genehmigen Sie Frau Hof-
räthin die Versicherung meiner Hochachtung.
de Longe de Beanveset,
Kap|)orteur vom Militairischec rermtincnlen
Special TribonaL
Brief U
Kastei, am Tage meiner Ankunft
1809, Nachmittag» •**)w
Mein theuerstes, inniggeliebtestes Weib!
Kränker am Körper, als ich von dir scheiden mosal
bin ich zwar nicht hier angekommen, aber — ich fühle
*) gelwreii am 20. Juli 1800, also ain Ta|^ nach dem
Todestage seines Vatcn.. Vgl. oben S. 380. Er ist der Verfaaser
einer Rc<;htsge6chichte. Das Geschlecht der 8t«mbergs ist seit
kurzer Zeit erloschen.
•'J Vgl. Brief l. Äom. 6.
•••) Am U. Juli 1809. - Vgl. Beilage IL S. 3ai
395
äin Lükkti neben mir, nur allzuKelirü Doch iiniri, ich
will für nichts davon siig«ii: Hu wfisstj wiis icJi dir
sagen iiiücbte., und ich besatir« dir und mir nichts damit,
wenn ichs ausspreche. Gott wird geben, dass wir uns
bald wiedersehen; und dann soll alles vergessen seyn,
— Alles Ungemach I Du kommst mir dann mit einem
gebunden Kinde entgegen, das unseren Träumen gleicht,
und nie werden wir wieder getrennt. 0 meine beste
Lotte M!
Mein Kopf ist mir, wie du denken kannst, »elu*
wüat, und schon, was gestern geschah, ist mir wie vor
einem Jabre geseheben. Aber mein gefährlielister Thei],
meine Brust, leidet doch nicht. Uebrigens bin ich nur
auch raati
Der Major von Krupp*), Commandant, ist ein
alter leutseliger und menschejifreundiicher Mann. Er
bat mir sogleich von der alten Hätbiii L! 11 mann**)
ein sehr gutes Bettzeug besorgt; und diese bat mir
sagen lassen, wenn ich etwas bedürfe, so möchte ich
es nur fordern la.ssen. Mein Zimmer ist gut, hoch und
trokken, und bell. Auch mein Wärter ist, wiü es scheint,
recht gut. Das Kssen hab ich heut Mittag auch recht
gut ans einem Spi^isequaiiier gehabt. Also von dieser
Seite habe ich in meiner Lage nichts weiter zu wünschen.
Herr Detroy ***) ist schon heute Morgen bei mir
gewesen und !iat mir etwas Schreibmaterialien gebracht.
Ich bin dabei noch alle.s aufxnsetwn, wa.s ich mich nur
irgend erinnere, und mit Wahrheit sagen kann. Auch
•) Mjyor von Krapp, t'oninvandaut des Kastol in Kassol,
♦•) Käthiü riliiianii, MuÜgi (?) Jes rrofoHsois der Mitier»-
logie U. JD Marburg'.
***) Dt'tiax (Ltfiirkei- sclireiU Delmit), Beamter des Justii-
iinaistorinm, war Mitglied der vnii Kassel naeb Marturg gescndoten
auäseroideatlicboD Uutcrsachungsuommiasioa,
396
habe ich an Sn. Kxut'llunz den Hyrrn Kri^gsmintster *)
noch einmal guscliriebun, und ihn um seine Fürsprache
gebeten.
Späterhin hat mich Herr Hauptmann de L o n-
ge**) besucht. Kr liat mir mit st-ineni biederen Erns.-t<*
noch einmal versichfirt, das» er alles mögliche für mich
thun vv^rde : und ila.s thnt er auch gewiss, denn er hat
ja selbst Frau und Kind ! Ich besinne mich hin, und
ich besinne micli her, was mir wohl noch zu sagen
übrig ist, das ich aufzuschreiben hätte, und ich glaube,
das viele Busiurien auf einen l^uiikt in seinen Details
niacht mir ehen den Kopf erst noch recht wüst. In
einigen Tagen erwartet man den König***), und dann
kann die Entsclieidung gleich da seyn. Ich sehn«
mich danach mit festem Vertrauen auf das Mitgefühl
meiner Richter. Denn ich bin ja kein heiser Menäch
und nicht Anstifter. Werde ich dann nach Mainz
gebracht, so sehe ich Dich doch einige Stunden in Mar-
burg : und wenn Dein Wochenbett vorüber ist, kommi^t
Du zu mir nach Mainz. Nicht wahr?
ü, leb wohl meine Lotte I
Ewig dein
Stenibcry.
(Gesehen und gelesen de Longe de Beauveset.)
An die Frau Hufrätliin Sternberg in Marburg.
Abgeschickt von Cassel de Longe de Beauveset.
*] Haroti £bli\ franznsischor Divisioosgcneral und Ueaeral
dur Artiibrio, vorher Comirmndant von Mapdeburp.
") de Longo de Dcau vrset. Flmiiitniann im 3. Liiiien-
ipgiinonl wnr !r Cotumtiudant nt Chef du IfrerulefuriU dnns la F CH-
rifion Militaire et Rapjxjrteitr du St: Tribunal ttpeeiai militaire per'
vianeut, smnt ii Ca-c/tel. Er war der Vorsitzetide der in A. 4, er-
wähnten Kommission.
***) Jerome traf am 19. .iuJi in Kassel ein.
3!^7
Brief 2.
Casse! am . . July *).
Bestes, theuerstes Weib !
Friihei- kiuirite icK Dir nicht schreiben, so gern
ich CS auch gethan hätte: vor einem Vorwurf dit'ser-
halh hin ich bei Dir ganz, sicher, Du wirst dich nach
Nachricht von mir sehiitn, und ich schreibe Dir gern
alle.H, was ich Dir schreiben kann. 0 dass ich es Dir
niiitullich sagen könnte, meine Lotte. Wan gäbe ich
nicht darum ! Aber dann würden wir eine Zeit lang
die Vergangenheit über die Gegenwart vergessen !
Ich weiss, Du bist für jetzt am meisten über meine
Gesundheit besorgt, und wünschst gewiss zuerst zu
wi.ssen, ob meine jetzige Lage nichts mit sich führe,
was mir besonders schaden könne. Meine liebe Lotte,
gewiss nicht. Mache Dir darüber keine unnüthige Sorge.
Ich habe erstlich ein gutes, hohes, trockenes Zimmer,
das zugleich hell ist. Ich habe ferner ein Bett, das so
gut ist, als ic!i es nur wünsclien kann. Mein Ewsen
bekomme ich recht gut: Mittags nehme ich nur Fleisch-
brühe und Gemüse; und Abends etwas Salat und
Braten. Oft liabe ich es in diesen Tagen meiner se-
ligen Mutter im Stillen Dank gewusst, dass ich so
wenige Bedürfnisse kennen lernte, und in Allem, wa«
Aensseres ist, so leicht zufrieden zu stellen bin! Der
Major V. Krup|>, Kommandant, ist ein sehr leutseliger,
menschenfreundlicher Mann: und die Aufwürter scheinen
recht gutnuithige Menschen zu seyn, nicht so hart und
rauh, wie man sonst wohl dergleichen Menschen zu er-
warten hat. In einer Lage wie diese sind auch Kleinig-
keiten gross, und es thut dem Herzen wohl, nicht auf
Härten zu stossen. ITfbrigens hab»? ich ao wohlf<*il
noch nie gelebt. Mein Betinden ist erträglich : freilich
*) Oenaueres Datum ist niolit augegeben.
lait, dan ich tub rinca llaaiMi, der »oek
all M als ici^ ao apieebe: aker ick haW
Ick bin jrtzt gaai wwiüg fiber aw» üitkea.
wanBin Blut ist owin Srngehem^ nickt cta
VielaMkr kabe irfa das Gate gmüt Ick kia
gfwmattt^ nad bin es aoch. Und aiit JMf
tw^iiL, niul b^i menschlich fahleaden RiektatB ^tf idk
ja wohl rahip iwjrn, S<>]r da es aack. nngwi drr Zn-
399
kanft, mein bestes Weib! Denk zurück, wie sich in
nipirifin Sf-hk-ksalp immer Glück auö Unglück ent-
vvickt'lt».': und was mir so uft bogegtipte, kann mir auch
dii^snial bpg^'gneii. Nur das eine öchimTzt mich tief,
sehr tief, daws Du mit mir leiden musstü
Meine Gedanken sind nun mit Dir und rapinen
Kindern*) beschäftigt, so oft ich nun nicht mit meiner
Lagp üu thun habo. Ich seline mich nach Nachricht
von Dir. Vielieicht hast Du die Schmorzensstuiule
hchon gincklich üherütanden V Gott gebe es, und kurz
und gut! Oft sehe ich in Gedankon schon dnn Kind
an Deiner RruBt, dan unseren beiden seltsam überein-
stimmenden Triinmen gleicht, sehe Riekchen und Lott-
chen **) und Deine trauen Freundinnen mit der zärt-
lichsten Sorgfalt um Dich beschäftigt. Aber lange darf
ieli mich »ojchen Gadanken nicht überlassen ! —
Lass mir doch recht bald Nachricht geben, wie
Dir ist! Du weiset ja, was sie mir seyn wird.
[jeb wohl, meine Lotte ? Grösse die Kinder, nnd
alle, die uns gut sind von
Deinem treuen
BHef S.
Theuerstes WeibI
Diess ist schon mein dritter Brief an Dich, und
Da hast meinen ersten noch nicht ! Ich habe Nach-
richt von dem Inhalt Deines Briefes (o, den innigsten
Dank dafür I) aber ihn selbst habe ich nicht gesehen.
Du Hprichüt mir Trost nin? Leider muss ich es Dir.
♦) Es sänJ Lottplien und Rk-krhen Pllcgpit Inder SiokiImmub.
(lio i'irio t'io Kind si^irtnr vnvtorltcneii Schw»'stor. die audcre eine
Schwester seiner Frau.
•*) l'Hcfji'lindi^r S(oiiil>c*rt,'R.
•KX)
Mache Dich auf alles g^tfasst *).
ist alles iiniHon.si. In B6 Stunden bin ich nicht mehr.
Ich hahf. männlich stets gehandelt, ich gedenkt» auch
männlich zu äterheii. Nur der Gedanke an Dich und
die Kinder**), ist mir fürchterlich, fürchterlich. Vergebt
mir! Ich riäs Euch ins UnglUck, weil ich die Meiiischnn
nicht für das hielt, was si«i sind. Lebt wohl ! S^ti»
über Euch ! Lebt wohl I Grüsst Carl ***), die Geschwlst*^,
dit' Freundo noch einmal und wem ich etwas hi-h^i-
digendt^s gethan liahe, den bittet für mich, dass pr
mirs nun vergesse; ich. dagegen scheide ohne allen
Groll. Thi'Uerstf'S Weib, was hast Du mit mir nicht
.schon eitragnnl (> Dank für Deine Liebe, Deine gren-
zpjilose Liebe zu niirl Gott lohne sie Dir. Wir werden
uns wiederfinden, wieder lieben: vielleicht wo «8 besser
ist. Kinder werdet und bleibt gut: ich hätte Euch
gern gross und glücklich gesehen, aber es hat nicht so
aeyn sollen, Meineid und Verrätberei stürzen mich ins
Grab. Seid tugendhaft, trt^u und fest von Wort: dann
könnt ihr einst dem Tod ruhig ins Gesicht sehen, und
wie et* Euch auch ergehen mag, ihr werdet nie un-
glücklich seyn.
Noch einige Kinrichtiingi-n habe ich Dir zu em-
pfehlen, da das ganze Vermögen Dein ist, und man das
Deinige Dir nicht nehmen wird.
Vor allen Dingen werden sie Dir den Wittwen-
gehalt iler Professorenwittweji nicht versagen können.
Der Wagen, worin irli liergekomnu'n, und der
noch Dir und Deinen Gp.scIiw ister u gemeinschaftlich zu-
gehört, steht liier auf der Post.
*) Zwei Zeilen siud von dem iVoBor. Haiiptmanu do IiOng«>
de Geauveset gesüieheu.
••) Vpl. Brief 2. A. 2.
"•) Schwagei Btembergs.
.A.
401
Von meiner Bibliothek ist manches verliehen. In
dem unterfiten Fache links auf meinem Sehreibtische
liegt ein gelbes Bikhelelieii, darin ist das meiste Ver-
liehen« aufgezeieliiiet. Ausserdem haben nur Studenten
noch etwas. Der Student Schmidt in Wetter hat
noch vom Hovens Handbuch 2 Bände, — dagegen ist
auch einiges nicht mein Eigenthum. Auf der Kammer
in dem Präpositorium an der Bibliothekstabe im 3.
und 4. Fach stehen Bücher, die Ullmann gehören.
Anf meinem Arbeitstische liegen die „Sammlungen für
Wundärzte", die gehören dem guten Claus. Auf
meiner Kommode liegt Wedelii de Pathologia und Lower
de torde, die gehören ztir Universitätsbibliothek. Auch
liegt da Westra vom Spiessglanze, das gehört dem
iiltesten Ullmann. Ausserdem habe ich von Wielands
Werken noch an den Präfecturrath H i 1 1 e luid Dr.
Grau mehre Bände geliehen.
Ist da» Unglückskind unter Deinem Herzen ein
Knabe, so magst Du ihm nach Belieben die Bibliothek
erhalten, ist es ein Miidchen, so verkaufe sie. Aber
übereile Dich nicht damit, sondern verzieh, bis es
Frieden ist, und sorge, dass der Katalog gut verbreitet
ist. Sende ihn an Hofrath Hörn in Berlin, Professor
Kühn und Rosen müll er in Leipzig, Professor
Seiler in Wittenberg, Professor Gontt [?)*} und Hil-
d e h r a n d t in Erlangen, Hofrath Ackermann in
Heidelberg, Dr. Beyerle in Mannheim, Dr. Henard
in Mainz, Hofrath Schäfer in Regensbnrg, Hofrath
üünly in Göttingen, Dr. Mühry in Hannover, Pro-
fessor Pf äff in Kiel, Professor von Siebotd in
Würzburg, Professor Krämer (?)*) in Helmstedt, Pro-
fessor Goyer und Spangenberg in Braunsclnveig
u. s. w. — Am liebsten ist mirs, wenn er systematisch
*) nicht IcHbar.
N. V. Bd. xvn.
26
l
geJruckt wird, t-twa in der Ordnung, wie in dem v<
mir Hclion angi^fangenen Verzeichnisse. Die Ordnung
folgt eo: erst da« kleine Kepositorium über der Stuben-
tbüre, dann das grössere daneben, dann das gerade
gegenüber, dann das über der Kammertbür, dann das
grosse daneben, dann das an der hinteren Wand, dann
das nobr'ii ^iom Kleiderscbrankf. Die Foliobände werden
an iliNKm Orte uingeüchaltet. Du kannst gleich nume-
rieren lassen.
Meine Hefte kann Niemand brauchen, denn sie
Bind nur meine Concepte gewesen, und ich möchte
nicht gern, dass sie in fremde HaiuU^ kiimen. - Barth n
bitte um ViTzeihung, rlass ich nun mein Werk nicht
biM'ini4'ii kann: es schmerzt mich bitterlich. Schicke
ihm aus dem gelben jjergamenti-in'm l inschlag die
bereits ausgearbeiteb-n Krankengeschichten (Morrom
lt<*nnt sie! und aus der Sehieblade meines SchreibtiM^hes
links ditf Ahhanillung über tiallen-steine. iJies mag er
zusammendrucken unter dorn Titel: Nachlese aus den
Papieren des unglücklichen Hofrath Sternberg.
Die ungebundenen Hefte der Jenaer Literntur-
jteitung schicke an die Expedition zurück, und bitte
sw dieselben wieder anzunehmen.
Meine Musikalien betreffeud, so habe ich noch
mehrt'res von Uli mann, was er sich aussuchen mag.
Was icli noch von anderen habe, und uuaufgescbnitteu,
und luibeschmutzt, sende zurück. Die Suite von aus-
gesthriehtinen Arien lass in den Zeitungen ausbieten,
80 auch die Partituren. Wo bei den ausgeschriebenen
Arien die Singstimmen fehlen, lass sie von Zeiss dazu-
Rchreiben. Findet sich nicht zu dem Ganzen ein Käufer,
8o lass einen Katalog drucken und vertheilen. MehrRr«s
liegt bei Arnoldis, Heins, und Möllers. M^ino
Variazionen suche in einer guten Buchhandlung anzu-
bringen, so auch meinen Monolog, den du durch tlejn
Professor Bacher wieder erhalten wirst. Meine Flöte
las» dem Professor ÜUraanii, meine Geige verkaufe.
Meine neuen Klarinetten, (nebst diMi beiden Schnäbeln,
die auf der Bibliothek auf dem Tische Hegen,) wird
Meyer in Goslar Dir am besten anbringen können.
Kine Klarinette hat l'cter nofh, sie ist etwa 4 Rthlr.
werth. Die B-Klariiiette mit A-iStück, welche Karl Dir
senden wird, wird Peter für b — 6 Rthlr. gern behalten.
Peter hat auch noch ein Bassethorn : beide können für
5 Rthlr. verkauft werden. Die Oboen gehören Zeiss.
Den Flügel b«*halte doch zum Andenken. Meine Bratsche
verkaufe auch. Von Sehmitj! ist noch eine Violine ohne
Bogen da; von Gillen eine mit' Bogen, die bei der
}]v\n oder Müller liegt. Das Papier wird Krieger
behalten oder Boyerliäster.
Lass meine Zuhörer zusammen kommen, und
ihnen durch DU mann für ihren Fleiss und ihre Liebe
danken, besonders Claus und Kronemeyer. —
Wächtern und Bauern Inss ein Lebewohl sagen.
Und allen meinen Freunden. — Besonders danke Ar-
n oldis, Heins, Müllers, grüsse Schm itz, Pistors,
Schindlers, Gillen s, Sehlarbaums, ganz vor allen
Dingen aber den guten Uli mann und Usener für
ihre treue Liehe zu mir. — Von Usener habe ich noch
einen Band von Kiehhorns Geschichte, er liegt in
meiiKvr Bibliothek.
Vermuthtich wirst Du bald nach Goslar ziehen.
Was der Nachfolger unserer Wohnung im Garten be-
halten will, zu meinen Anlagt«n gehörig, das laas ihm
um billigen Preis, damit er sich, wer es auch sein
möge, zuweilen meiner im Guten erinnere.
Wo werden die Kinder bleiben? Lottchen nimmt
vielleicht Koch in Hamburg. Oder die Familie erzieht
sie nach Deines seligen Vaters Willen. Für Riekchen
26»
404
soigen vielleicht rnfthrere zusammen, Schlüter und Grum-
brechts etc. Sag ihnen, ich fmpffhie sin ihnen.
0 Lotte! Dit'h nicht iiocIj eninial sehen, die'
Ivinder niciit uoch «iuDial, dieö ist mir schrecklich,
Hchrecklicli peinigend. Ich hätte ja gerne Tagelöhner-
arbeit gethan, wenn ich nur bei dir geblieben wäre !
Aber HS sollte nicht aeyn *)
Die Fakultätsfikten und das Fakultätssiegel (es
liegt in meiner mittelsten SchreibtisL-hschublade) wird
Busch zusammennehmen und abholen.
Unseren Mägden danke nochmals für ihre treue
Anhänglichkeit, welche sie mir in den letztf'n Tagen
meines Auf«Mithaltes in Marburg so sehr bewiesen babnu.
Schuldig bin ich auch noch an die Musiker für H
Konzerte, jedem a 8 ggr. für das Konzert, und au Rein
für einige Buch Papier a [-10 xr.
Die Notenpulte guliüren Zeiss bis auf den braunen
und noch zwei andere. Schmolz liat ni»eh Musikalien,
di« zu den Andreeschen gehören, nämlich 4 oder 6
(ganz neuer) Violinkonzerte.
Meine Briefschaften und Papiere, die nicht Fami-
liensnchen betreffen, kannst Du alle verbrennen ; sie
können für Niemand weiter Werth haben, oder von
Nutzen seyn, selbst mein« medizinischen Mannscripte
nicht au.sgenommen, da sie noch nicht korrigiert sind,
und der Korrektur erst noch bedürften.
Zur Standlmftigkeit will ich Dich nicht ermahnen.
Weiber, wie Du, werden selten geboren. Du hast Kraft
in Dir, um! ohne mich je zu vergessen, wir.st Du doch
auch von dem harten Schlage nicht ganz niedergebeugt
wt'cden. Du bist ein herrliches Weib, einps günsti-
geren Loses würdig ! Gott gebe Dir glücklichere Zeiten.
*J Drei Zeilen sind von der r"eu8ur gestrichen.
106
Ich will seilen, ob iuli Ilir niuht noch titwas von
meinen Haarwn schicken kann. Du hasts doch gern,
und kannst es tiebfu Jennys nncl l'hili[ip«*) Haaren k-gen.
Wohl Euch, ihr ruhimdcn Kinder!
Am IB. J.
Leb wohl, bestes Weib, in ein paar Stunden bin
ich nicht mehr. Auch der König ist angekummen **),
aber — keine Unadt;, Leb wulil! Küsae die Kinder!
Ewig dein
Stbg.
Brief 4. ••*)
Kassel 1 Stunde vor meinem Tode, f)
Hier beste» Wi-iib! noch eine Hajirlokke ! Noch
ein Lebewiili] da/,u Dir und den Kin<lern! Gott sey
mit Kuch ! Er verzeihe allen, die Unrecht thun ! Sieh,
ich bin voll Fassung! Eltern, üeschwister, Kinder!
*) Kioder 8tombergs, die im frühen KindoHEÜter gostorbou
siud.
'*) Jeromc tinf am 19. Juli in Ksäsel ein : dnrauis fulgt, da&ü
der ijuliluss doti Briefes am {Morgen de.«») Vd, Juli geschrieben iät.
(Vgl. Boilago V.)
♦*•) Wolff kannte dioseu Brief; vielleicht ist der Brief durch
Wvl^' all seine AdrcsKO j!;elaegt. Kt tliuilt deiiseUien in spiuer
Schrift alwr utcht genau uiit, Die Fasnuug bei iro///" lautet : a. a.
0. S. 60.
Kassel am 19. Juli 1809.
Liebe Lotte!
In oinor Vlorfelstuiide ist mein Endo da, ich stcrl)0 ge-
triwtot, überzuuRt, dass w\\ nk:iits B'isti;. wollte, tiouh gethan —
jiL ich bin 80 gefaast, dass es mich silinierait'n wiü-do, weini dur
Kiiuig mir jetzt uoch Unade wiederfall ren Hess. Fasse auch [>u
dich und sey gewiss, das» ioh auch noch Jenseitä bin
Deiu iStemberg.
Dank noch einmal daii) (icueralkominissair von WolfT.
t) 19. Juli 1809 4-5 Uhr Nachmittags.
406
Bald werd ich bei Euch seyn! Bald in einer besseren
Welt! . . .*)
Nie bin ich böse gewesen. Menschenwohl war
mein höchstes Ziel ! Pfarrer Götz ist bei mir gewesen :
die Linterhandlung mit ihm war mir erhebend, denn
seine Ideen sind die meinigen. 0 hätt ich Euch nicht
Weib und Kinder, wie gerne schied ich aus einer
Welt, die mir nur Jammerthal war. Die Freuden
gingen meinen Leiden voraus, um diese desto fühlbarer
zu machen. Genug ich habe ausgekämpft. Nie war
mein Herz böse. 0, an Dir und an den Kindern, wie
innig es daran hängt, das fühle ich jetzt Aber ich
will Mann seyn, wie ich immer gewesen bin. Und
wenn mir der König Gnade geben wollte — nein diese
Beschimpfung ist zu gross. Gott sorge für Euch und
sey Euer Vater! Lebt wohl.
Ewig Dein Sternberg.
Dank dem G. K. v. Wolff. **)
Beilage V.
liericht des aotmnwidanten des Kasteis, Major von
Krupp über Sternbergs Ende.
Castel zu Kassel den 23. Juli 1809.
Herr General-Commissair !
Ich beehre mich, Sie zu benachrichtigen, datss
zwey Briefe von Ihnen mit Einlagen an den Herrn Hofrath
und Professor richtig eingelaufen sind. Die erstere,
nehmlich der Brief von dessen Frau Gemahlin, wurde
*) Von dor Oensiir gestricheu.
**) Stobt am Rande dos Briefes. Vgl. v. Wolff a. a. O. 8. 50.
407
mit (ienehmigung der Üntersuchuiigs-Coiuinission Ihm
eitigHhiuidigt 5 und zwar ;iiii iifhnilichen Tag, an welchem
Hr duiijh den Ausspruch des Krit'giäguricliita zum Tod vi;r-
urtlit'.ilt ward. Die Fünfte Stunde Mittags duti 19.
DifHHs war es, in welcher er mit noch zwei des Auf-
ruhrs Angt'klagton und üeberwiesenen durch ein mili-
tairisehes Koniniandn zum Executioii.s-L'latze geführt
wurde. Die Zeit vom Mittag bis dahin um 5 Uhr
dauerte ihm so lange, dass Er oft nach d(mi Fenster
eilte, um zu sehen, ob das für Ihn bestimmte Com-
matido noL'h nicht komme.
Mit ausserordentlicher Standhaftigkeit betrat er
den Executions-lMatz ; überreichte hier den obgedacbten
Brief seyner Frau mit einigen Zeilen von ihm selbst
begleitet des Inhalts; „dass Se. Majestaet der König die
zurücklassenmüssenden Seinigen mit einer Pension be-
gnadigen möchte", dem commandirenden Offtziwr, mit
Bitte ihn Sr Majestaet selbst oder durch einen anderen
einliänUigen zu lassen ; er trat einige Schritte zurück,
Verband sich selbst die Äugen, und empfing so das ihm
zuerkannte Bley. Morgens schon nahm er schriftlich
Abacbied von seiner Frau, lies» sich eine naiir-Lücke
abschneiden, und bath, diese als letztes Andenken von
ihm aufzubewahren. Dielintersuchungs-Commisaion nahm
jenes Verniächtniss, weil sie Bedenken trug, ohne Vor-
wiesen Sr Excellenz des Kriegs-Ministers es fortschicken zu
dürfen, mit unter der Versicherung nach erfolgter höherer
(Genehmigung es der Behörde sogleich zu übertnachen.
Die zurtickgelassenetj Kleidungsstücke, Uhr, ein Louiador
und einige ggr. an Geld etc. finden sich in seinem ver-
schlossenen Coffre, wozu ich dem Capitame R a p p o r-
teur de Longe den Schlüssel übergab, nebst einem
Bette den l'fühl und Kissen, unter meinem Gewahrsam,
und ich erwarte nur die Nachricht, wann und wohin
ich diese zur weiteren Besorgung absenden soll. Die
408
xwoif«^ KinlH^ii liab«; ich anliegend die Ehre za remit-
iiriai, lind Sie nitünor vorzÜgHchsten Hochachtung zu
vnrHiuherun.
Der Cummandant de8 Catttels:
(gez.) Krupp.
IKmii Hnrrn ivn Wolff.
(iuni>ral-(yoinmiHHuir der Ober-Polizei
im Womi-l)o|)artomont
XU
Marburg.
X.
Beiträge zur Geschichte des Landgrafen
Hermann 11. von Hessen.
Von
Friedrich KUch.
Vorwort.
I'ie im Folgenden gegeltuneii Beitrag« bHziHhen sich
*aiif einige für die Gescliiclite Hurmann» des üe-
lehrten, wie für die des Landes Hessen gleich wich-
tige Begebenheiten. Die kriegerisi;hen Verwickelungen,
welche der Kintritt den ursprünglich zum Geistlichen
bestimmten Neffen Heinrichs II. in die Regierung zur
Folge hatte, sind zu verschiedenen Zeiten der Gegen-
stand eingehender Spezialuntersuchungen gewesen. Wenn
hier noch einmal auf diese wegen der Kargheit und
UnMicherheit der cbrüinkalischen Nachrichten und der
Nüchternheit der urkundlichen Zeugnisse sehr lücken-
haft und häufig in schlechter Beglaubigung uns über-
mittelten Begebenheiten zurückgekommen wird, so ge-
schieht es, um auf eine in den bisherigen Darstel-
lungen unberücksichtigt gelassene Quellenkat^gorie hin-
zuweisen, die mehr als jede andere gec-igntit ist, die
rhrtvni-sten auf ihre Glaubwiudjgkett zu prüfen und sie
zu ergänzen. Es sind die« di« Rechnungen der land-
410
ftnhmm^ymg,
RenC-
diiaM«
2mm Zwcckfe 4er
V«nraMs4er kadedbecri
■ad Am^ikca gcHU Bock, aad ■■ SeUane des Jahnm
oder «■ Eade der AaiiBlak«ug «noEdea die Tag ftr
Tag geaaditea Aabeidhamgca bi eia Heft ode« ciaae
RobdaB iiMuaaieageaduiebeB. la ndugea Zeüan otMl
dieee ReduHugea il»eai lahabe natk liiiailä li dficfitg
aad BMcea aieeK aar wuMiadHfciaeedacBDKaHa ut~
t>ri'aiii, ia kiiegeiiwA bewegten Jahrea ij^yyn achaiJloa
eie dafdi die gntese ZaU der aasec rofdcai&che n Ao»-
ffuttn aa and gewnuMS daoaini eine era§iile Bedaa-
taag^ daas bn einxelaeo Falle mit gröeeerer oder g*-
nagenr AnsfilhriicbkeTt dnr Aalaas fdr die y^r^'t»
An^gabe oder Kinnahm«» angegeb«n «ritd. So koauat
em^ daae sie aebea einer FfiUe gleichgültiger oder aar
lokale Bedeotottg hakender Kotixe« binfig Nachnchbo
über wichtige poliäsche Ereignisee biiagea, von deaea
ant»er« chroDikaliächeii and orkandiicfaeB Qaellen acbwei-
gen, tmd der Werth dieser Notizen ist nm ao groeaer,
ab die einzelnen Posten oft ancb mit geaaner Tagce
angäbe eingetragen sind.
Die hier herangezogenen Rechnungen, die sämmt'
lieh im Staat^rubiv zu Marburg aufbewahrt werdea«
dürfen auch n<x:h deswegen fine besondere Bedeatang
beaiigprachen, weil .sie zn den älteren huidjgiÜlieb-
he«»si8chen Einnahme- and Ansgaberegtütern guhOiaa.
die sich fiberhuapt erhalten haben. Sie sind ala Beii-
Ingen den einzelnen Abtheilungen beigeüBgt« ab«
nur im Aaszag, da die Wiedergabe der ganaen Kech-
nangen einen unverhältnisämässig groeeen Raum er-
fordert hätte. Immerhin glaubte ich mich b«»i dfr
Auswahl der abzudruckenden Fartieen nicht auf das be-
schränken zu sollen, was in der Üarstellung selbst rer-
411
Wendet wordvji i«t, ich lialw vu^Jmdir anvU eine Reihe
voll sonstigen Notizen aufgL-nommen, die t^ntweder in
den Zusammenhang gehrirtem oder mir wiehtig er-
schienen; so Naclirichteu über den jewuilignn Aufent-
Jialt der Landgrafen, über Ankunft und Abreisi/ be-
me.rkenswerther l'ersönlichkeiten, über B(>t<'nst;ndn(igen
IL A. m. Die einzelnen wörtlich wiedergegebenen Posten
«ind des leichteren Citirens wegen numeriri Bei der
Hehandhing des Textes sind im Allgemeinen die in den
„De.ntÄthen Reichtagsakten" zur Anwendung gekom-
meniin (irundsätze massgebend gewesen. Die in den
Originalen iiuäscbliesslich verwandten römischen Ziffern
sind durch arabische ersetzt worden.
I. Der Sternerkrieg *).
Der Sternerkrieg hat in dieser Zeitschrift bereits
durch Landau**) eine eingehende Behandlung gefunden,
die besonders dnrch die Heranziehung eines reichen
Urkundenmateriales von Wertli ist, Unter den von
ihm abgedruckten Beilagen zeichnet sich vor Alli-m der
Briefwechsel zwischen Landgraf H^^rmann und dem
Grafen Gottfried IX. von Ziegeiihain***) durch den sich
auch mit den kriegerischen Ereignissen beschäftigenden
Inhalt aus. Leider hat aber Landau die.sß Scbriftatiicke,
welche ohne Jahresdatuni siind und nur üuin Tbeil den
Tag der Ausfertigung »juthalten, in ein falsches Jahr
gesetzt und dadurch die chronologische Folge der Be-
•) Das Naclistoheudo bildet den laliiiU oiaob am 2. März
181i2 in der MouatHt>itzuug des ^weigveiciab Marburg gelialtoueti
Vorti-agB.
**] Die RjttergeseUsvhafteii iu Hesseo während dc^ 14. uud
15. Jfthrh. 1840 Suppl. I S. 24-90. Vgl. Colombel, der Steruer-
bntid u. Kupreeht d. Streitbare vod Nassau. Nass. Aonalon Bd. 8
S. 293 ff.
♦*•) Ö. 1U8-I14.
gebenh«^iten und ihri^n iirKHchlicIicn Zimainmenhang
arge Verwirrung gebrailit. Diu» soll im Folgenden be-
richtigt werden.
Klie auf dit*e Diug« nähur eingegangen wird,
dürft« eine kurze Ueberfeicht der in Betracht kommenden
cbninikalischen (Quellen geboten sein, da dieselben von
Landau olin« genugendf Kritik b^-nutzt worden sind.
Eini^ glnicbzt;itige hessische Chronik aus dieser
Zeit besitzen wir bekanntlich nicht*), dafür treten aber
einige gleichzeitige Chronisten benachbarter Gebiete
ein : die Limburger Chronik des Johann Elhen von
Wulfhiigen**), zwei anonyme inhaltlich nahe verwandte
tliüringische Chronisten***) und die Mainzer Bischof»-
L'hronik I). Alle stimmen im Wesentlichen überein, sie
behandeln aber den Krieg ziemlich kurz und be-
schränken sich auf die Hauptsachen. Dazu kommt
eine Ajizabl späterer Autoren: der thüringische Chro-
nist Johann lUitlieffl, der die eben genannten thürin-
gischen Clironikert benutzt, sie aber mit einer ganzen
Reihe detailltrter Nachrichten ergänzt, die nicht selten
Erzeugnisse seiner Phantasie sind : dann ein Hersfelder,
der gegen Ende des 15. Jahrhundert» eine thüringisch-
hessische Chronik geschrieben hatfft). Auch er be-
*) Mit AuHtialii:i«j dei' kurzeu Aur2eiijlmuugeii eines Kaäso-
lanors au» den Jaluen 1.385—1388 io der , Hessische» Zoibtsch-
nimg", wiedei' «b^odiuikf von Frkiknshtri) in dieser Zeitechrift
N. F. 11 S. 310 f.
**) Ausg. voa Wys8 in Monum. Germauiao hist,, Deutsche
Chrüuikon IV 1 S. 62 f.
♦••) Anonymus Eq)buHfordesusiw bei Pistorni» - Stritae rer.
4iciiii. suri[iL od. 3 Bd. 1 8. 1351 tT. und Uistoria de landgravitb
Tliuriii(,'i«t' twi Knarilii^ Uistur. geuoal. piiin.-. Saxoniae stip. S. 460.
Hiwher gehört auch das Chroniton Thiuingicum l>ei Schöttgen u,
Kretfuatg^ Ili|>[oiiiatana et scrifitt. S. 103.
t) llrgei Chroniken der deutschen Städte 18 8. 188.
tt) <'• LUirnirwh Thiiring. Gcsi;lii<;hts>|uollpu Bd. 3 S. 020 H.
fttJ i>encktnbcr(jr SelecU juris et histt>n*uuni Bd. 3 SS. 3068.
I
I
I
413
nutzt die aiionymon thüringischen ClironistHt», fügt aber
ein*' Anzalil anscheiupmi auf uiiindlielier Tradition be-
ruht^nder Nachrichten, meist von iokai hersf<'ldisL;hem
Charakter, hinzu. Die Keih«'nfülg« der Kreignisse be-
handelt *^r sehr willkürlich. Der Frankenberger ChroniHt
Wigand Gerstenberg hat den Vorzug, dass er in seinen
beiden Werken*) die von ihm benutzten Quellen in der
Regel angibt; für den Sternerkrieg sind es die Lini-
burger Chronik, eine thüringische Chronik und die ver-
lorene Hessenchronik, der einige glaubwürdige Nach-
richten zu entstammen scheinen. Auch er fügt einige
aus mündlicher IJeberlieferung hervorgegangene, auf
BVankenberg bezügliche Mittheilungeii, hinzu. 8i'hliess-
lich sind noch zu erwähnen : der Hersfelder Chronist
Nnhen**), Wigand Lanze***), die Hessische Reim-
chronikl) und die Kasseler Congeries |f). Alle diese
sind Compilationen aus den uns grösstentheils be-
kannten alteren Quellen. Nur Lauz.e hat daneben ur-
kundliches Material benutzt; was er aus eigenem Wissen
iiinzufügt, i-st in der Hegel falsch.
Was nun die Vorgeschichte des Sternerbundes
betrifft, so kann im Allgemeinen auf die Ausführungen
Landaus verwiesen werden fit). Als der einzige Sohn
L. Heinrichs 11., Otto, gestorben war, waren vorn
*) ThüriDgisch-hessisuhe Chronik bei Sc/iminclr Muniin.
Ilafis. tom. 11 S. 490 ff., die .sog. Riedeselschen Kxeerpte, die imv
oinoii Tlieil iJDisSGlbeu W'oikos bildon. bei Knclienbe^l,er, .Inal. Haas.
<Vi||. IIT S. 24 ff, und die Frarkonberger CJiroiiik bei Kiu-hm-
Urkpr Anal, Coli. V Ü. 204 ff.
**) Sewiniberg, Soloutn .juris t»t hiat. Bd. 6 S. 438 ff.
••*) llaiidschnflürli auf der Ijandi^sliihlioHiok zu Kas.sol foil.
252 ff.
t) KueliPttber/xr, Am\. Ha.'». Coli. V] S. 280 ff.
ft) NfMthnu in Zeit.s<ihr. f. hess. Opsnli. ii. I^jtkdf-, Bd 7
S. 309 BT.
ttt) a. a. 0. S. 24 f.
414
Mannfflstamm iIpr hp88isch(»n Fürstpnhaasps nur noch
am Lfben d^r Bruder Heinrichs II., Hermann, der nn-
verlieirathet und hoclibetagt war, nnd Hermann, beider
Neffe. Der ältere Hermann hatte sich bereits am 24.
.^iignst 1H66 mit seinem Neffen in Betreff der even-
tuellen Krbfolpe geeinigt nnd der Rückkehr des j(inj>eren
Hermann, der Domherr in Magdeburg war, in den welt-
lii-heii »Stand lag nichts im Wege*), Ueber den Zeit-
imnkt, wann dieser von seinem Oheim zur Mitregie-
run«; berufen wurde, wissen wir nichta Bestimmtes.
Landau schlies.st aus der angeblieh bereits am 15. März
^13ü7 vollzogenen Verlobung Hermanns mit Johanna
von Nassau, dass wegen der kurzen Zeit, die zwischen
di^ni To«iestag Ottos (H. oder 10. Dec. 1366) nnd diesem
Termin gelegen habe, die Berufung sofort erfolgt sein
müsse nnd bekämpft ans demselben Grunde die Erzählung
der späteren Chronisten, wonach Heinrich II. ursprünglich
si'intni Knkel Otto, den Sohn seiner Tochter Elisabeth
und des Herzog» Ernst von Braunachweig, für die
Nachfolge bestimmt habe, deren dieser aber durch eine
voreilige Aeussening verlustig gegangen sei**). Die
Angabe des Verlohungstages ist aber falsch. Die Ur-
kunden, auf welche sieh Landau stützt***), sind datirt:
1367 Montag nach Rfminiscere, aber nach dem Trierer
Styl; dies würde, da der Trierer Jahresanfang bekannt-
lich der 25. März ist, dem 6. März 1368 nach unserer
Bezeichnung entsprechen. Die betreffHuden Urkunden
enthalten die Wittumsverschreibung für Johanna von
Nassau und den Befehl an die Burgmannen und Büi-ger
Giessens, ihr zu huldigen. Sodann handelt es sich hier
*) Landau a. o. 0. S. 26 A. 1.
••) Der Ansicht iMndmui tritt auoli Frinhtt*hiirfi bei, Zeit-
sohrifl N. F. Bd. ll S. 10 Amn.
•**) Wnirk, IlesN, Lamlos^'oseli. Uli. 2 S. AX\ u. 432 und
Kuchefifierker, AuaI. liaMS. «lutl. II S, 273.
bä
■^
415
nicht um iVie Wrlf^bung, sondprii t\\p Vormiilihuig Her-
maiiits mit lipr damals nocli nicht dr*M/(^ljiijalirigen Jo-
hanna war bereits vollzogHn *), walirÄclit-iivlich an dfm-
selbeii Tage. Als Tag der Verlobung ist vielmehr der
17. November 1367 anzusehen, an welchem die Khp-
berednng aufgesetzt wurde**). Die ersten mir bi--
kannten Fälle, wodurcli llermanuH Auftreten als Naili-
folger in Hessen urkuttdlith bezeugt wird, sind zwei
Urfehdebriefe vom 6. Mai 1367, die die Gebrüder
Ludeger, Adam und Jobann Grebe imd die Gebrüder
Johann und Jordan von Reen dem L. Hermann, dem
Jüngeren und dem Lande zu Hessen ausstellen***).
Trotzdem hierdurch derZcitninni zudem „Zwischen-
akt für Herzug Otto" vergrössert wird, la.ssen es dnch
die übrigen von Landauf) geäusserten Bedenken als
höchst uuwahrscheinlich erscheinen, dass L. Heinrich
bei Lebzeiten eines männlichen Sprossen seines Hauses
dem Sohne seiner Tochter bindende Versprechungen in
Betreff der Nachfolge gemaclit habe, Ea sind zudem
nur die ^späteren Chronisten, welche dies überliefern
und ihre Erzählungen tragen das Gepräge des Sagen-
haften an der Stirn. Wie die Sage entstanden ist, ist
übrigens leicht ersichtlich. Sie geht zurück auf die
anonymen Thüringer Chronisten, weiche berichten, dass
Hermann bei seinem Oheim nicht besonders beliebt
gewesen sei nnd dass die Sterner die Absicht gehabt
hätten, den ersteren aus seinem Erbe zu vertreiben ff).
') Johanna v.iid auHdriicklicb alü üotiiiaiius elieliitlic Friui
Imzoiclinet.
♦*) Wetirl- a. n. 0. S. 432-434.
***! Oiig.-rikJk. im Slaatsarcbiv Marluirg, Abt. Fehde- nnd
Siilmcbiieie.
t) n. a. 0, S. -M.
tt) f^. n. f^. "ilfi Aiun. 3 (Latidgraviiis), t|ui non babiiif Uae-
redem, um tihuni Ftahis nnn ituiltinn liili'ituiti, i|iiotii oxliueiedi-
tare uitubaului.
410
Rothe hat dies nacli seiner Art ausgeschmückt und
hagt, ntto sei .seinem Grossvater lieber gewesen als
Hermann und hätt*' das Land gern an sich gebracht.,
was aber nicht angeguiig«'ii sf\. Dies hat sich schliess-
lich in die von den spät^-ren Chronisten wiedergegebene
K.iziihliing ausgestilt-'t.
Viel grössere Wahrsthi-iulichkeit hat die Annahme
[{(irnmels*), dass Heinrich seinem Enkel HoiYnung
auf die Erbscltaff hessischer Gebietstheile, etwa Be-
sitzungen an der Werra, gemacht habe. Hierfür spricht
nicht nur der am 'ä. August 1371 abgeschhissene ziegen-
li!iiiiisrh-hraunt*c!iweigi.sLh«' Khevertrag**), wonach Otto
seinem Schwager Cmttfried als ßrautschatz tausend
Mark von dem nach Heinrichs 11. Tode zu erwartenden
Anfall von dem Ijande zu Hes.sen verschreibt, sondern
auch das uns von dem Hersfelder Anonymus***) er-
haltene Bruchstück eines Volksliedes, dessen Ursprung
nicht weit hint«'r diesen Ereignissen liegen kann. Die
Weigerang Hermanns, sich auf die Abtretung eines
Theils seiner Erbschaft einzulassen, wird dann den
Bund gegen ihn in's Leben gerufen haben, der es sich
schliesslich zum Ziel setzte, ihn ganz aus seinem Erb-
theil zu verdrängen.
Das» Otto von Braun-schweig der Urheber und das
eigentliche Haupt de.'i Bundes war, wird von den zu-
verlässigsten Chronisten übereinstimmend berichtet. Die
Mainzer Bischofschronik nennt ihn den capitaneus der
Sterner, die beiden anonymen thüringischen Chronisten
sagen : „ciuorum capitaneus principalis erat Otto dux
Binnswigensis et adhue tres alii" und dementsprechend
die Limburger Chronik: ,,mit namen was der (geseih
Schaft) ein anheber herzöge Otte von Brunswig . . ,
•) GeBohiclitd von Hessen Bd. 2, Anin. 62, S. 125.
•*) Landdii a. a. 0. S. IOC, fiilBchlioh unterm 2. August.
•♦•) Senckenberg. Solecta Bd. 3, S. 37«.
der grebe von Zigenhan, grebe Johan von Nassauwe
berre zu Dill<?nb«rg, dftr grebe von Catzeneliibogen, her
Johan von Hu<:iing«:>n undt* anders du- liRrreii" etc, Krst
Gerstenberg, dum fjHMdau folgt, nennt als den Haupt-
mann des Bundes den Grafen Gottfried von Ziegenbain.
Die Zabl der TKeiliiehinRr wird übereinstimmend auf
2000 Ritter und Kneclite mit 350 Schlössern angegeben.
Was nun den Verlauf des Krieges selbst betrifft,
.so mag zunächst der hauptsächlichste Irrthum Landaus
berichtigt werden.
Unsere zuverlässigste Quelle, die Limburger Clironik,
meldet zum Jahre 1372, dass Landgraf Heinrich Feind
des Herrn (Friedrich) von Liesberg, eines Mitgliedes
des Sternerbundes, geworden sei und deshalb seinen
Neffen Hermann mit mehr als 1000 Rittern und Knechten
vor den Herzberg geschickt habe. Der habe zur Be-
lagerung dieser Burg ein Haus aufgeschlagen, sei aber
durch die Stemer, die mehr als 1600 Mann stark heran-
gezogen seien, abgetrieben worden, worauf die Sterner
das Land bis Fritzlar verwüstet hätten. Dort hätten
sie sich nach acht Tagen aufgelöst. L. Hermann habe
dann den „täglichen Krieg" gegen die Sterner mit
grossem Erfolge „bei Jahr und Tag" fortgesetzt. Aehn-
lich lauten auch die Berichte der anonymen Thüringer
Chronisten. Man sieht, die gleichzeitigen Chronisten
betrachten die Unternehmung gegen den Herzberg und
den Entsatz durch das Stemerheer als das Hauptereignis
des Krieges, soweit er wenigstens in Hessen geführt
wurde. Die genannten Quellen geben übereinstimmend
das Jahr 1372 als die Zeit des Zuges an. Landau da-
gegen setzt das Ereignis in das Jahr 1371 und beruft
sich dabei auf den von ihm abgedruckten Briefwechsel,
hauptsächlich ein undatirtes Schreiben des Grafen Gott-
fried von Ziegenhain an die Stadt Marburg*), indem er
•) A. ». 0. S. 112.
K. F. Bd. xvn. 27
418
folgendermasaen argmnentirt *) : „Der Graf spricht hi^r
mit klaren Worten von der Belagenuig des Herzbergs
und dftin Kntsatzt' durch die Sternor, indem er sich
wogen der auf dem Heereszag vorgefallenen Verwü-
stungen rechtfertigt Den Vorwurf dieser Verwüstung
eutbält schon der landgräHiche Brief vi>m 30. November
1371- Da nun in dem Schreiben des Landgrafen vom
2. September und der Antwort darauf noch nicht davon
die Rede ist, so muss die Belagerung etc. iu den Oktober
oder Anfang November 1371 fallen," Nun hat aber
das Schreiben an Kassel **) gar nicht das Datum des
30. November 1371, sondern entliält nur das Tages-
datnm : »Sonntag vor Nicolai; dies kann aber ebensogut
der 5. Deceraber 1372 sein. Die ganze Beweisfühning
Landaus schwebt demnach in der Luft. Dass aber der
Kam}tf um den H<»rzberg in der That dem Jahre 1372
gehurt, wie unsere zuverlässigen Chronisten berichten,
dafür liefern die Aufzeichnungen des Marburger Rent-
roeisters Heinrich von Ecki^richsberg den sicheren Be-
weis ***j. Dass die Belagerung auch nicht „in den
Oktober oder Anfang November" fällt, wird später zn
zeigen sein.
Landau war nun, da die Fehdeerklärungen und
andere urkundliclie Zeugnisse deutlich für das Jahr
1372 als erstes Jahr des Krieges sprechen, genöthigt,
die Belagerung des Herzbergs untl den Zug der 8terner
nach Fritzlar als „FnindseJigkeiten vor dem Beginn der
Fehde" f ) aufzufassen. In Folge dessen stehen die Be-
gebenheiten, die er zum Jahre 1372 schildert, ohne
rechten Zusammenhang da, während sie mehr oder
weniger mit dem Zug nach dem Herzberg in Verbindung
stehen, Ohne auf die dadurch hervorgerufenen weiteren
•) 8. 41, Inm. 2. — •*) S. 110.
•••) Boilapp Nr. 91, — f) A. a. 0. H. 39.
419
Irrthümer Landaus näher einztigehen, mögen deshalb
im FolgBinlen die Kreignisse des Jahres 1372 in kurzen
Zügen geschildert werden.
Ueber d«n Zeitpunkt der Entstehung des Bundes
wissen wir nichts Bestimmtes. Nicht unwahrscheinlich
\^\ die Wrmuthung Landaus, dass schon am 5. Oktober
1369, als Friedrich von Lieaberg, einer der bedeutendstfn
Theilneiimer di>s Bundes und der Besitzer des Herz-
herges, bei Herzog Otto in Münden war, die Vorberei-
tungen dazu getroffen wurden. Jedenfalls dauerten die
freundlichen Beziehunge» H*?inrichs II. und Ottos auch
nach Herraann.s Verlobung und fCintritt in die Mitregie-
rung fort, ein Grund mehr zu der Annahme, dass Ottos
Absichten nicht von Anfang an auf die Nachfolge
Heinrichs 11. in Hessen gerichtet waren. Auch in dem
Khevertrag vom 'A, Angust 1371 verpflichtete sich Otto
u. A., ohne seinen Schwager Gottfried von Ziegenhain
kein Abkommen mit Hessen (in Betreff der auf ihn
fallenden bessi-schen Erbschaft) zu treffen und noch am
b. Oktober dieses Jahres .sehen wir L Hermann als
Ottos Gast einem Turnier in Göttingen beiwohnen *).
Erst nach dieser Zeit kann also der Bund mit seiner
gegen Hessen gerichteten Tendenz hervürgetreten sein,
wahrscheinlich zu Anfang des Jahres 1372, denn am
16. Februar erliessen die Landgrafen ein Ausschreiben
an die oberhessische Ritterschaft, sich nicht am Sterner-
bunde zu betheiligen **).
Hermann niuss überhaupt sehr rührig gewesen
sein, seine Streitkräfte gegen die Sterner zu sammeln
•) C. 0, Schmidt, Göttiog. Urkundentuoli Bd. 1 S. 291.
*•) iMudau, a. a. 0. S. 115 aus Lauz«8 Chronik. Unter don
Orten, nn welche das Ausschroiben gBriohtet ist, hat k dawM
l'oboraplilagutig einorZeilo ansgolasfion: jltocDiberg auf der Ohme,
Nordeckoii, ("irueiiborg'' (hinter ,SchwoiiiH(»er|{" einzusühalten).
27 *
420
und auch ausserhalb Hessens Ritter und Knechte an-
zuwerben *), dunn als er gegen den Herzberg zog,
gebot er über eiiin für die damalige Zeit recht stattliche
Macht. Auch war er eifrig bemüht, sieh durcli Bünd-
nisse zu kräftigen **) und die AemtHr und Hurgen mit
geeigneten und energisclten Männern zu besetzen ***).
Nach atlen diesen Vorbereitungen kann Hermanns Lage
beim Beginn des Krieges nicht so trosth>8 gewesen sein,
wie die späte chronikalisc!ie UeberUeferung sie hinstellt,
und man wird die dramatische Sceue auf dem Markte
zu Marburg, wo Hermann difi Bürger mit Thränen in
den Augen um Hülfe gebeten haben soll, da er seine
Anhänger mit einem Hbllerbrode speisen könne f), in
das Reich der Fabel verweisen müssen; die Erzählung
ist wohl nur die sagenhafte Umgestaltung der oben
erwähnten Abmahnung vor dem Sternerbund.
Den Ausbruch des Krieges kann man mit ziem-
licher Wahrscheinlichkeit in den Anfang Mai setzen;
damals sandten die Anhänger des Landgrafen dem Grafen
Gottfried von Ziegenhain ihre Fehdebriefe ff). Zu
•) Meist thüringische und eichsfeldische, Von einigen haben
sich die Quittungen über orfolyre Besoldung erhalten; so quittireii
am 4. Jan. 1373 die Wappnor Horman und Curt von HastenbecL,
Eukebreoht vou Viitikin und Julian von Sledere den LI. Heinrich
und Hermann über Sold und Gleviougeid für sich imd die Wuppner,
die sie in ihre Dienst« gebracht haben, am 1^. Jan. quittiren Diet-
rich Schttwe und Cuit von Osseo, aoi 28. April Reinhard Radgobe,
Fritz von Teytelebin und Albreoht Horiu<>i8ter, am 21. Mai djc
Brüder Cuit und Jan von EUdaleybin, Iloinridh von Husin, L'urd
Wendelrod, Hans von Fryniar u. A., am 16. Mai 1374 Ciut von
Natza über Schuld und Schaden, ^den ich voitlinet undc gauuiueu
hatta in erme diuste da sii kregin tnid den Storneru". Orig.-Urkk.
im tjtaatsarch. Marburg, Abt. Quittungen.
") Vgl, iMftdau a. a. 0. 8. 50.
•♦♦) Dere. S. 47.
t) Kuchenhecker, Aool. Coli m S. 27 f.
tt) Vgl. Landmt a. a. 0 8. 48.
421
gleicher Zeil muss auch der Kanj|>f g<;geii den Bischof
Heinricli von Paderborn untbrannt sein, der von den
Brüdern Werner und Heinrich von Gudenburg, den In-
habern der Aemter Wolfhagen und Freienhagen, mit
Krfolg geführt wurde*). Ihnen gelanges am 17. Juli**)
den Bischof mit einer grossen Zahl Heiner Anhänger
gefangen zu nehmen. Von dem Krieg gegen Ziegeiüiain
wissen wir wenig. Den Hauptschlag versuchte Hermann
durch die Eroberung der Burg Herzberg zu führen.
Dass das Unternehmen nicht, wie Landau will, in
den October oder November fällt, sondern bereits im
Juli oder August ausgeführt sein muss, dafür sprechen
folgende Gründe. Aus der im Anhang abgedruckten
Amtsrechnung geht hervor, dass der Zug vor den 29.
September fallen muss. In dem Briefe L. Hermanns an
die Stadt Cassel vom 5. December 1372 ***) macht dieser
dem Grafen Gottfried unter Anderem den Vorwurf, dass
er ,,Kirohe und Kirchobe gebrant und geschinf und
seine Klöster gt^brandschatzt hätte. Gottfried erwidert fj,
dergleichen sei ohne sein Verschulden geschehen, als
L. Hermann vor dem Herzberg gwlegen hätte und die
Stornei' ihm nachgezogen seien, um ihn zu suchen.
Nun berichtet Gerstenberg ff) — die bestimmte Tages-
angabe lässt eine gute Quelle vermuthen — , dass die
*) Schon kurz vorher hatten sio mit Glüok gegen west-
{ihäÜBcbe Gegner gokäinpft. Am 24. Marx d. J, rechnen sie mit
rlen LaudgrafeD ab j^azgenomoa .... snlobea schadon, den sie
iioiuüu tif dem walde, alse aie die von der Brackinburg uado die
von Hedömynne niderworfin". Cop. iin Staataarch. Marburgs 0«n.
Rop. Wolfliagen.
**) Die Augabe de» Tages stammt von LAuze, aus unbekannter
Quelle, das Faktum berichtet auch die Mainzer Biflchofschrauik.
•••) Landau a. a. 0. S. 111.
t) Ebenda S. 112.
tt) ikhmincke, Mou. Haas. Bd. 2 S. 492.
422
Sterner am 14. und 15. Angust da« Kloätvr Cappfl hv-
ratibt hätten. Man darf wohl anneliinun, das« L. Her-
mann dlöHe Tliat ineintt^, ala er dem ürafen d«n er-
wähnten Vorwurf machte, und wird danach die Belagerung
iler Burg Herzberg kurz vor diese Zeit setzen dürfen.
Ijandan bezieht sich noch auf den Brief dvs L. Hermann
an „seinen lieben Neffen", den Grafen Gottfried *), der
Mittwoch nach Aegidii datirt ist und worin er sich
entschuldigt, daaa seine Mannen den Grafen geschädigt
hätten. Aber dieser Brief, der ofTenbar an den jüngeren
Gottfried gerichtet ist, — der Vater starb am 8. October
1372 — ist jedenfalls erst am 2. September 1373 ab-
gtifasst, zu einer Zeit, wo die Landgrafet) mit den Stex-
nern in Unterhandlung standen**).
Knvähnt werden muss noch die von den beiden
anonymer) Thüringer Clironisten gebrachte und von
Hothe erweiterte Nachricht, dass auch Markgraf Bal-
tlia.'iar von Meiesen-Thüringen an d(^r Belagerung Theil
genommen habe. Dieser Bericht, welcher von Landau ***j
augezweifelt wird, gewinnt aber dadurch an Glaub-
wiirdjgkett> dass in dieser Zeit, am 12. August 1372,
Graf Hermann von Beichlingen, Graf Hiinrich von
•) Landau a. a. Ü. S. lUy, 1.
•*) Man kann die Zeit der .i^nkuuft des L. Heniianu \u
bürg aus doD Angaben den Marbui-gi>r RcDtmei.stors bcrochne
Wenn dieser aeit der Rückkobr den I^andgrafcu vom llorzberg
Michatdis 18 Mattier Korn und 86','i M. Hafur, und von Michaelis
bis rauh Bflkoliiung, also iu 118 Taj^üii. 60'j» Malter Korn und
löO M. llafor verausgabte, sn kommt mau auf oiuo Dumhschnitts-
summe von 40 Tagen, dio zwiscliiiii der Ankunft des Landgrafeu
und dem 29. Sci^tomber licgoii, diese würde also etwa am 14. Aug.
erfolgt sein. IHo Berpolumiig kann natürhnh auf Oenauigkcit keinen
Anspruch niaohon, dn der Vcrln'auch an tlcdvidc nicht immer
dor»eIbfl war.
♦•♦) A. a. U. B. 42,
423
JSchwarzburg u. A. WHg(;n d«s Markgrafen Balthasar
dem Grafen Gottfried die Ft'hde erklärtBn *).
Den Abzug des L. Hermann vom Herzberg und
die Verfolgung durch die Sternür hat der anonyme
Hersfelder Chronist**) mit einer ganz sagtniiaftjm Kr-
Zählung durch flochten, die ihm auch getreulich nach-
erzählt worden ist. I.lf^r Landgraf und sein Heer hätten
heim Herannahen der Öterner kaum Z«it zum Aufhruuli
geliabt, seieji eilig nach Hersfeld getlohen und von den
Bürgern, trotzdem sich Abt Beiihold selbst als Sterner
zu erkennuii gegeben habe, mit knapper Noth in Sicher-
heit gebracht worden. Aus dem eben angezogenen
Briefe des Grafen Gottfried von Ziegenhain geht aber
hervor, dass die Sterner dem Landgrafen gar nicht so
dicht auf den Fensen waren***), und ferner kann man
ans der Stelle der beigegebenen Marburger Amtsrech-
nuiigf): „do min juncher der lantgrefe nz dem here
tjuam und daz grolle folk tzti Marpurg quam von dem
Hirtzberge", folgern, dass L. Hermanns Abzug nicht
nach Hersfeld, sondern in der entgegengcHetzten Rich-
tung, nach Marburg, stattgefiuiden hat ffj. Unterdessen
zog das Sternerheer sengend und brennend nach Fritz-
lar tif}, wo es sich nach einiger Zeit auflöste.
•) Ebenda S. 50.
•♦) Sendietibcrg, Selocta B<]. 3 S. .'iSö zum .lahr 1.^76.
***) flDo zogen yme uiisir herrin, wir und unsir (josellin asch
und suchüa i:i an den stedin. do luisir kerrin, uoh uad ansir ge-
E^jUin diichta.'^
t) Nr. 91.
tt) Der Heraberg liogt etwa 4 StandoQ östlich vou Alafold
uud für L. (lennaun war dioso laudgräfliche Stadt leichter zu er-
roioheu, als das weiter gelegene Uersrelii.
ttt) ^'acb Imu\c a. a. <>. wurde bei dieser Gelegenheit die
uicht lange vorher orbaulu Ki-oihoit von llemberg i. H. uieder-
gebranut.
424
Während die Unterndiniung L. Hermann» gegen
den Herzberg an der Ueberraacht der Gbgner scheitert*;,
gülang dagegen die Eroberung einer anderen feindlichen
Burg, des Schonsteins, welche ebenfalls in dieser Zeit
erfolgt sein muas. Der Schönstein war eine Ziegen-
liainische Feete westlich von Jesberg und im Pfand-
besitz der von Gilsa. In einer Urkunde vom 9. Mai
1376 *) erwähnt Johann von Gilsa eine Verschreibung
des Grafen von Ziegenhain und sagt : „daz wir den brieff
virloren, do die lantgrebin daz hus Schonstein gewonnen."
Auf dies Ereigniss ist es jedenfalls zurückzuführen, dass
am 26. September 1B72 Henne von Gilsa dem Grafen
von Ziegenhain einen erzwungenen Felidebrief sandte**);
die Eroberung der Burg muss also vorher erfolgt sein.
Im Juni 1373 war sie, wie aus der Marbuiger Amts-
rechnung hervorgeht***), bereits im Besitze des Land-
grafen. Auch Borken, Romrod und Falkenstein scheint
L. Hermann damals in seine Gewalt gebracht zu
haben f).
Das Üperationscentrum aller diaser Unternehraungen
wird Marburg gewesen sein, wohin L. Hermann den
grösaten Tljeil sumea Heeres geführt liatte ff). Nach
der Liniburger Chronik hatte er mehr als 600 Gleven
Rittrr und Knechte im Sold, mit welchen er den Kampf
gegen die Sterner im kleinen Krieg fortsetzte. Auf der
Marburg %vurde im Herbst und Winter fleissig daran
gearbeitet, die Keller für die Aufnahme der Gefangenen
•) Landau a. a. 0, S. 163.
•♦) Ebenda S. 49.
**♦) Beil. Nr, 62 u. 53 mm 25. Juni. I,. Hermaan veri)ro-
viantirte damals den Schönatein.
t) Vgl. den oft (jnvähntcn Briefwechsel und die Erörterungen
Lafulaua a. a. 0. S. 43 Aum. l u. 2 und K. 41 Aiim. 1.
ff) tJie ausserordentlichen Auagabeu au Koru und Hafer in
der M&rburger Amtsrecliaaiig daueru noch bis zum 25. Jan. 1373.
^
^
in Stand zu setzen *) und die Burg vertheidigungsfähig
zu machen **).
Von der TlieilnafimH Ottos von Brannscliweig an
diBSt^n Kämpfen im heHsisch<;u Gebiet wiesen wir nichts.
Nach ßothcs Bericht wurdu der Krieg gegen ihn ge-
meinsam durch hessische und meissnische Trn[ipc'n ge-
führt, welche (im J. 1373) seine Stadt Dranafekl ein-
nahmen und ausraubten.
Während des Winters ruhte in Überhessen dtr
iStreit mit den Wafifun, er wurde aber zwischen L. Her-
mann und Graf Gottfried um sr> eifriger mit der Feder
fortgesetzt. Der Ziege.nhainer schrieb an liHssische
Städte und den alten Landgrafen und macht« dem L.
Hermann die bittersten Vorwürfe wegen aller möglichen
IlebBlthaten. Der Landgraf blieb nichts schuldig, er
sandte «eine Entgegnungen an die »Städte, die sie wieder
an den Grafen befürdurten ***). Landau hat aus einer
Aeuöserung des Landgrafen in einem dieser Briefe |)
einen »voreiligen Schluss auf dessen Charakter gezogen,
der auch für spätere Beurtheiler massgebend gewesen
ist und de8halb hier berichtigt werden mag. Graf
Gottfried hatte ihm den Vorwurf gemacht, da.s8 er einen
I
•) 8. Beil. Nr. 4, 5, fl-l'i.
**) Beil. Nr. 13—15. Besonders iDteressftiit ist die aus Nr. 18
und 19 hen'orgohende Thatsacho, dass bei der .\rmii'nng der Burg
bereits Fouorwaffon eine Rollo gospiolt liabon. Nai-li Winkclmami
{C'hroaik S. 343) soll L, Hemianii 1380 ,die danialeii neu erfundetion
Biichseu" bei der Belagerung von Hatzfcld zuerat argowandt habau.
Icli glaube auoh, dass in dem Brief des Grafen Gottfried v. Z.
{Lantiau a. a. 0. S. 109), ia welchem sich dieser beschwört, dass
L. HermanQ „ubir uaseu bodin raute, der trnse bussin trug, und
brach yme dy äff", nicht von „(lerii-htsbußen*. wie l^udau (8.31')
nntiimmt. die Rede ist, Botiderti ubenfallM von HJner Feuerwaffe.
*'*) iMudau a. a. < *. nie Rcüieiilbige itud Datirung der SchriJt-
stücte ist Dar.Ii dem Vorstehenden zvt borichtigeu.
t) Urtdau S. U4; vgl. auch Nr. 6 8. 113.
426
gräfliclieii Diener, Wigand von Diftcrshausdn, der doch
nicht aein Ft^ind wäre, gefangen genommen habe, worauf
li. Hcrmaiitv erwidert: „Oich als her schrybit iime Wi-
gandn von Dytirshusen, wis-sit, daz wir des grebin, sinea
landes und lüde fyent sin und wollin, daz wir er vide
Iiettin^'. Liuidau fsusst dieäe Aeusüeruiig sü aaf, aU
jiätte sich i\tii Landgraf in frovelhaftein Lk'bermiitii
Huigliclist vii'Ns Fi'iddf g^nvünsclit, während er nur bagen
will, da er des Grafen und seiner Leute Feind sei,
könne er sich nur wünschen, möglichst viele von ihnen
zu Gefangenen zu haben. L. Hermann war eine rück-
sichtfllose und eiiergifjche, beinahe starrköpfige Natur,
aber derartige l*rahlerftieii lagen ihm fern.
Dieser Briefwechsel scheint den Anlass zu den
ersten mündlichen Unterhandlungen mit den Sternern
gegel)en /m haben. Knd»' Januar 1373 fand in Fritz-
lar, vielleicht unter Mainzischer Vermitteluiig, eine Zu-
sammeidtunft statt, die von iandgrätlicher Seite mit
dem iJeutschorderiskrimthnr zu Marburg*) und dem
landgrättichrn Kanzler l'eter beschickt wurde**), lieber
die dort ge|itltigeiien Verhandlungen ist uns nichts be-
kannt, .sie müssen aber jedenfalU erfolglos geweäen
sein, denn im Frühjahr brach die Fehde aufs neue aus,
die diesmal hauptäitehlich in den solniäischen und
naasauischen Gegenden wiithete ***). Aber auch Ober-
hessen wurde wieder durch den Krieg heimgesucht; und
u. A. Iiatte Marburg einen erustlichen Angriff der
Gegner au.szuhalten. Wenigstens entnehmen wir d«n
*) Jobann vom Uoiu (iia<;li Itout^cliordontjurkJc. im Staats-
arüliiv Mar barg).
•*) Bull. Ni'. 23. l'usoro Kochiiunii ist die einzijre QuolK
die 4\e Kunde von diotjoii und den s|»utoren Voiiiaiidlungcn or-
hnlten hat
*•*) üober diese Kiiiiipfo vergl. iMiuJau, Rittergesellschafttia
S. 56 ff. und CJotombei a. a. O.
427
*
f
Aufzeiclimmgeii dfö Marburger Rentnieiöttrs, da-ss bei
eiiHMii feindliclKP Angriff das Thorhaus an ih>r Burg
iiietlcirgtibraimt wurde*). Dtni Kampf g''gyn d<'ii Ziegwn-
liairiKr fühi-te L. H^rniajH) bis zum Sommer tort, wie
aus den Lebensmittelsenduiigen desselbHii R«nt.iuttisters
nach Kircbhain zur Verproviantiruug des Schöiisteins
lieivorgnbt**).
]ni Juli wurden die. Verhandlungen mit d«ji Ster-
nurii wieder aufgeuommc.n. Gegen End« dieses MiuiHts
fand «iue Zusammenkunft in liürgttlii östlich bei Mar-
burg statt***), der am 19. September eine zweite folgte 'ji.
Zwischen diese beiden Tage fällt eine abermalige Be-
lagerung der Burg Herzberg, die Kraft Rode, der Amt-
mann zu Marburg, leitet-e||).
Mit dem Ende des Jahres 1373 war die Kraft
Sternerbundes gebrochen. Zwar hatte das land-
r&fliche Gi-biet viel unter dem Kriege zu dulden ge-
habt fff), und die Landgraft^n hatten eine Schuldenlast
auf sich geladen, die für die innere Kntwickelung des
Landes von verhäiigni.svollen Folgen war, aber es war
doch der Thatkraft L. Hermanns gelungen, sich das
Erbtheil seines Oheims ungesclimälert zu erhalten. Man
muss auch das Geschick bewundern, mit dem er durcii
♦) Beil. Nr. 48. DiBse Reparatur wviriie etwa Mitte Müit;
gemacht. Vgl. Nr. 29.
♦♦) Beil. Nr. .'>2 u. &3 mit dem Datum des 26. .luni. Vgl.
obtin S. 424.
***) Oeil. Kr. ijy. Da dor iiiiclihte I'osteu uiitciiii 2b. Juli
iiotirt ist, wird dioser crsto Uürgeler Tng uiigoHlhr lu dieaoibo Zeit
oder mclit laiigii vorher fallen,
t) Beil. Kl. 9U.
tt) Beil. Nr. 65. — üui dieselbe Zeit wurde auch ati der
Befestigunt; dor Mm (»urg iloiH.si|r gearbeitet, wie aus Nr. 57, 58.
63, B7-7:1 lu'iA Ol gellt.
"H"!') Mau vgl. ■/,. I>. vvn.'s 'iei'stiiiiliur^' von de« Diauysalen
eizählt, die some Vatorstadl Fratikeiibütg durcli diu Wcstj»ü&len
za erlfliden hatte. Kuciieubecker^ Aual. Coli. V S. 205.
428
eine Reihe von Bündnissen *) die aaswärtigen Mit-
glieder de« Stenierbundes im Scbach zu halten ver-
stund, wfährt'-nd i't •julbst im eigenen Lande die Gegner
einzeln niederwarf. Auf diese Weise brachte er es za
.Stande, dass, wie die Thüringer Chronisten sagen, der
Bund bfietts im dritten Jahre seines Bestehens zerfiel,
nnd seine Mitglieder sich schämten, fernerhin die Sterne
zu tragen.
Am 6. Decemb« 1" 1373 wurde L. Hermann der
Preis des Kampfes zu Theil, als er aus den Händen
Karls IV. die Landgrafschaft Hessen zu Keichslehen
eni])Kng und zugleich die kaiserliche Genehmigung zu
der am 9. Juli 1378 geschlossenen Erbverbräderung
mit Thüringen-Sachsen einholte. Im Verlauf des Jahre«
1H74 schloss eine ganze Reihe von Mitgliedern des
Sti'rnerbundes einzeln ihren Frieden mit dem Land-
grafen, das deutlichste Zeichen, dass der Bund zer-
fallen war; am 4. F<>bruar Friedrich von Lisberg, An-
fang März die von Eisenbath, im Juni die von Hatz-
feld. In einer Urkunde vom 2. Juni 1374 bezeichnet
Hans von Reckerud, der ehemalige Amtmann in Roten-
burg und Friedewald, den Krieg als bereits im März
erloschen**). Freilich dauerte es noch fast ein Jahr,
ehe auch das Haupt des Bundes, Herzog Otto von
Braunschvveig, .sich unter dem Druck der gegen ihn
geschlossenen Bündnisse zum Frieden fügte***), wenn
auch nur zum Schein : denn er wartete nur auf eine
günstige Gelegenheit, um sich den Gegnern des ver-
hassten Rivalen aufs neue in die Arme zu werfen.
*) Das Näher« über dieso Verträge bei Lanckui a. a. U.
8. 52 ff.
*•) Ong.*Urk. im Staatsarchiv Marburg, Abt. Quittungon.
*) lieber das Ende des Krieges vgl iMwlau a. a. 0. S. 62 ff.
429
Beilage.
Att.<t:?i(f atis tfetn Einvahvif- mul Jttsi/nltfmfistcr des
landyrü fit keil Heniweklers Heinrhh tun Eekvrkhsbeiy*)
ui Marbttry 1372—1373.
Diit ist min usgebin in dem andern jare mccclxxn.
1. T^um erstin uff unser frowfn abint nativitatis**)
loste ich iiz der hcrbfirge in Thidi'rich Schützen
hu8 den von Brand infelß, hern Heinrich von Stoc-
husin und hern Kolmetz vor 9 lib. h. 5 s. und
3 h.*^).
2. Item ich gab Theynharte niins herren boden 4 gross,
tzti taerne und daz fudir wynes uf den wegin tzii
fuUene, daz tzü Grunenberg geladin wart.
3. Item von dem oben« uf der bürg tzü machene,
eynen nüwen hals und eynnen nüwen herd darin,
4 gross.
4. Item meystir Heinrich dem steynmetzin von eyme
nfiwen obinloclie und von eyme steyne dar vor
tzü howene und von eynir treppin und von tzwen
wengirn f) in dem ketre, dar dy gefangen under der
großin stobin inne sitzen, 10 gross.
5. Item von dem nüwen bergfride by der köchene
und von dem schribhftz u.svvundig tzfi bewerfen?
J:i72
') In dem lieyister seibul wird der Name den HentwtmsterH
uicfU ffetiannt, dagegai wird in einer Urkunde von 1,172 Mai 24
Jier neinricJi von Eckerichesbejgo a(^ reiitnieister zft Alsfelt uiul
üft Murubfng eririiJml, .Slaatsarchir Morburt/. Abt. Quittungen, ht
filier ('rk. ifou lH7i Apr. S kommt Elöinrich vom Etcliosbergu m/j*
renloineystir tzü Marburg ror. f^batda.
**) Die Tageabexeichniing i*t nacUtriiglich iibergeseitrieben,
***) Die rorkwmiicnden Bexeicfinungeii dar Qeldaorten »ind:
lib. li = Pfund Hdkr, s, äol. h = ScfiiUing, b, lill. = heller,
grosB. = Orosehen,
fl ü^fer die Bedeutung des Wortes vgl. Schiller n, Lübbeu,
Alittelniederd. Wurterbitoh Bd. 5, S. 670,
IS.
Tkt.
tS-lfi.
und in dem grnßin kelre oyn stocke eynir mären
widdcr tzü maciiun^i und lucLert- hindtr der al-
mäsinkamern tzO stoppt^ne, da d:tz waßir in der
gffnngiMj kf^Ifp ging, 6 gross.
(i. It<'ni icli koyftf eyn vas wyneß umme Johann«* von
Martorf, da/, inyme liprreij tzü C'assel ward, dax
bnliilt fnidtcdudhe ann- nnde koste 51 lib. b., daz
linlbe vor 17 h.
Ai/Miftifien für tlert Ankauf eiiws weilcren Fasses Wiin
und für den Transport nacft CkisseL
7. It^ni in df'r fronefastin vor Micliaheljs don por-
tcMUTH, tnndiudern, wncht«rn, wingertir und dem
armborstir 14 lib. h. und 5 8. b,
Ausyabfrn für Kelterarbeiteii. Ablöhnnnt) von Hand-
irfrkeni }uid Kurrldtn und Ausrhüffnufi von Geriiihen.
S. Itoni in der fronffa.stin in dem advente *) don jmr-
teneni, tbornhudern, weclitern, wingertir und dem
armhorstir 13 lib. h. und 5 s. h.
Verschiedene Ansgahcfi, hauptsäddicb für Handioerkfr-
arbeiten auf der Burg.
9. Item Hennen steynmetzfin von fiinft«»halbin tagt-n
tzrt erbo^ydin in den tjswHu kidrin und dpr küchen,
da dy gefangen in gusast wordiu, funftcdialbin gross.
l(f. Itnm dei) tzymerlud«n von tzwen törin darvor tzü
machen und anders des in dt-n kelrin not was, da
dy gefangen sitzen, l'a lib. h. und 2 s. h.
11. Item umme gebcnkR und gesmyde tzü denselben
türen 6 grotäs.
12. Item umme tzwey sloz mit tzwen ketJijn an dy
seibin tfirn 8 gross.
/.'/. Item den tzymprhidin von dm- tzogobrncken daz
holtz tzft walde tzu liowi-no nnd sie tjiü inachene,
8 lib. h.
•) aduuöuto Orü/.
14. Item vir knoehtin, dy ien liulfen dy brücken nbe
brpchf'ii iiihI dy tzogebruL-kcn dar liftikni, hfbin
unde tragen, 1 lib, h.
lö. Iteni dfiu ainydp vor ysinwerg und vor gesmydp,
daz tzti der brücken quiini, un«! vor sin ;irb*-yd 0 lil>,
!i. niul 4 h.
Ifi. Item von eyme iiüwen slagen vnr df^m hnin tzn
maclien, 1',« lib. und 2 ». b.
/7. Itf^in iini butirn 4^/« gross.
0
7<S'. Itt'in von cynir ryndesliiit und vir kalbizfrlliii tztt
gt^rwen tzi^ ücn tzi'ibnichfii buliin G gross.
W. Item dorn korsiiLT dy bidliii und dy imlvvf t,zfi nt^wnn
ntid t/A\ bulfen, 4 a, b
2(1 It* in umme gugelflr tzü dt^n pulwen 32 h.
21 Itcni dfm segern 3 Hb. b., dy dyl titi .snydene tzflr
tzogebrucken und tzfi eynir m'iweii [jurtin vor ily
bürg.
22.lti'iu di-m sloßir von eyme tniwwn sclianke*) in dem
kloyiicn ktdiir tzti boalaliin nnd um gehtsnko unde
sUjz dar an, nnd von dren andern sloßin an dy bft-
telige **) und an dy kamern uudir der cajipeUen,
11 gross.
2'i. Item nf den maiitag vor convorsionpm l'anli n-yd
ich tzü AletVdt mit dem kiiuitur tzü Marburg und
mit hern Petir, mins jungliern schribir, do sie vor-
baz ryden geiu Cassel, um den tag mit den St^rnern
tzü Fritzlar tzti leystin, unde gald vor sie in Ede-
lindti Stfbins hüz l'/s lib. h.
2'L lt< in ich blpyb Ipngir dar dorch des tjsolliz und andpr
geschffFede willfn und vortzf*rtc' ti grn,HB.
i.m
Jan. 24.
♦) = Schrank.
Ausgatten für Bierbraueti, DacftdeckerarbeHen auf der
Iturtf und Arbeitslöhne,
Fdr, 26. 25. Itera uf den söriabiiid vor Flsto mtchi reyd ich tzü
Alsfelt von gcht'jßi- iriiirs jnngliirn des lantgreven,
da uf tzil lu^bin dy rfnti% daz ich da mydu betzalte
junghürii HßitKrith von Nassowe und junghern Jo-
hanna vuii 8olmes ir bftrglehen, darum sie do
phendeii woldirij den mir enward da nicht, und vor-
tzerte 6 gross.
26. Item ich gab demselben junghern Heinrich von
Nassowp 5 marg tzft bnrglene von geheiße niins
junghern, daz sind 9 üb. h.
27. Item junghern Johanne von Solmes 12 marg, das
ist 21'/» lib. h *), auch tzö burglene.
W^
Löhne für Ktiechte und Mätfdc.
W. 28. Item uf dy mittewoehen vor Oculi sand ich myme
herren dem lantgreven eynen sahnen, den koyft ich
vor 5 lib. h. und 2 gross.
9—12.
Arbeitslöhne u. A. m.
29. Item in der fronefastin nach dem Eschedi^ den
portenern, torn hudern, wuchtern, wingertir und dem
armboratir 13 lib. h. und 5 s. h.
30. Item meystir HHittrich dorn steynmftt^en und sime
ge^ellin 8 lib. h. den bürnen vullen tzü machen in
dem höbe.
31. Item demselbiii steynmntzen 3 lib. h., .sieyne tzö
bri't-hin tzA demstdbin burnen.
32. Item tzwen knechtin, dy den burnen 08«tin**) und«»
fegetin, 4 gross, ane 4 h.
•) Loch im Papier.
**) oBea = oumeMpfm.
433
Andere Ausyaheji xu demselben 2ki'€ckc und Löhne für
L'ültner und Schröter.
33. Item meystir Heinrich dem tzym«raiau von (Iren
tagen tly blocher m dem walde tzü howene, dar
man dy dyl uz sn^yt tzür bnickin und tzft dt^ai
btirgtorb', 6 s. h.
34. item demselbiii vi in dreii tagen dy btmke iti der
kücbeni- tzü btliow^ne und widder tzft maehene
und anders da innü tzü machene, dt;s not waz,
und von eym« schankf in dem kleynen kelre tzü
machent', ti s. h.
35. Item demseibin vuii 5 tagwn dy dyl tzü richtene
und dy tzogebrucknn uminu damyde tzfl bewndHnt^
und eyne nftwe bune uf dem toniH tzü niachiii, H) s. h.
36. Item demselbiii von vir tagin, dy winden ubir dorn
bürntm in dem hohe by tzü rucken« und sie anders
tzü setzene, dax man dem buruKn geosin mochte
und dy winden do tzü legene und von spanbottin *)
uf (ItT bürg tzü machene^ 8 e. b.
37. Item demaelbin von 5 tagin ein nüwe to und eyner
nüwft portin in dfn heingartin tzü machen und
von ander erbeyd in dem hofe 10 s. b.
38. Item deniselbin von tzvven nüwen gateru uf dem
sale au dy poteligtm tzü machin, 7 s. h.
39. Item Syffride dem smyde 5 gross, vor 9 nüwf spad-
yain in den heingartin,
■to. Item demselben 32 h. vor 4 klamerii, dy vir steyu«
oben uf dem burnen t^üsamene tzü klanu^rti*^.
41. Item dren knechtin, dy dy erdin widder um den
börnen fürten und trugen, 5 s. h.
42. Item tzwen .steynmetzen, dy den burnen mit eyme
steinwegp umme gredetin, 28 8. h.
43. Item eyme knechte, der ien half, M s. h.
♦) = BetUUUeu.
N, V. BX xvu
28
4B4
44. Item eynen gross, um eyn ysern band unden an
daz tor in dem hofe.
45. Item 4 gross, am gebenke, nehele and gesmyde an
daz tor unde portin in dem heingartin.
46. Item 2 s. h. um gehenke an dy tzwene gadern af
dem sale an der potelige.
Ansgahen für Bierbrauen u. A.
47. Item Wentzeln dem smyde 2'/» lib. h,, 6 s. h. nnd
2 h. am tzw nüwe ysim schufein amme dry näwe
kerste unde von 27 kerstin tzä irlegene in dem
wingarten.
48. Item von eyme stucke der müren by dem obirstin
tore in dem wingartin, do dy viende daz torhüz
abbranten, gab ich tzwen steynmetzin 18 gross, vor
rechtiz ....*) tzü machen.
49. Item Ruprecht Wisgerwir 38 lib. h., dy gefilen von
der bede zu Lare.
Atisgaben für ausgeführtes Bier und Hafer.
Juni 50. Item in der fronefastin tzü phinkestin den tom-
^—^^- hudern, den dorwertern, den wechtero, dem win-
gertir und dem armborstir 13 lib. h. und 5 s. h.
51. Item 26 guldin, daz sind 23 lib. h. und 8 s. b., vor
tzwey doch, mins herren nnd junghern dyner mit
tzü kleydin.
Juni 25. 52. Item uf den sunabent nach sente Johannis tage des
toyfirs sant ich mime junghern dem lantgrebin
12 stocfische tzüm Kirchein, dy kostin 2 lib. h.,
do man den Schonenstein spisete.
53. Item 3 lib. h. um brot, daz ouch dar quam tzum
Schonensteine.
54. Item eyme, der gertin hiew tzü dem tzün an den
wingartin uf der bürg by der smittin und tzü dem
*) lA>ch im Papier.
435
55.
üf}.
57.
■38.
59.
(iO.
r,L
02.
ÜH.
heingartin unde welliii tnide doriiir dartzft, 11 grOBS.
ane 4 h.
Itpin tzwen kiiHclitin, dy den tziln maolititi und
welleten und t-ynen nfiwt'ii w<'g niaihtiii in dtiJi
heingartin, 28 s lt.
Item pyme knechte, <)<'r yn half, 6 s, h.
Item tzwMi steyiimt'tziu den swynstal nuder di'iu
bachiiz tzü grt'di'ue und dy mön*n by der sniittin
tzö hocliene und t/ü luirnteno und eyn swfllfn in
mins hem^n staU« uf der bürg nndir t/ft mftrne,
21 8. h.
Ifpui eyuH^ kneclite, der \<t'^\ half, 6 snl. h.
MfMx des abiiuliz, do der burggrt'be her Jnhan von
Bf^ldirsheJm und dy andern qnamen von dem er.stin
tage, den man tzü Birgein mit don Steniern gflfty-
stit hatte, gab idi 8 s. li. um eyn virteyl gndiz
wines.
Item um staute Jacobiz tag gab Heinric!) den karten- Jidi 2a
knechten *) in dem höbe ehi phund heller vor sinen
lialbin Ion.
Anstfnhcn für Lohn nmi Wein.
Item ich reyd gein Alsfelt von gebpyiie mins jiing-
hern, dy vorwerg tzft vorpachtiu und den tzol tzft
bfistellene und liern .St<-bin, dem jdi*'rrer, sin gelt
tzü betzalne, nnde waz da tzw nacht nnd vor-
tzerte 6 gross.
Verschiedene kleinere Attsgalien.
\U^v[\ die mure in dem hofe by dem mitte .... **),
da von gab ich 5 gross widder y. . . . **).
Item dy wand in dem brühuse hin ....**) unde
brante ; dy lies ich abbrechen . . . **), so lies ich
*} So, wM karrpuknechte,
*'J fjirhir im Paiiiri; fji felileii jedesmal eitea 4—5 Wartt.
28*
436
eyne mnren machen dar by von .... biz an dy
müren, dy nmme den hop get; davon gap ich
6 gross.
64. Item Emerich mins herren knecht der mich w . . .
. . . *), daz Krone tzü Ludi ....**) gestorbin
were und wolde sich unde ....*) hain von mins
heren wegen, waz sie gesassin hette, des enwoldin
yme dy voyde tzü Alsfelt nicht gehengen vnd reyd
Aug. 29. darumme dar af sente Johannis tag, als he ent-
hoybtit ward, und vortzerte 6 gross, und mir en-
ward da nicht.
Ausgaben für Handv^erkerarbeiten.
65. Item demselbin ***) von zweyn tagin von vier blochern
in dem walde zcü hauwcn zcü den tylen, die hnr
Craft Kode vor den Hirtzberg lech, 4 sol. hll.
66. Item Cünen, sime gesellen, 2 gross.
67. Item demselbin meistir Heinriche von zwein tagin
daz holtz in dem walde zcA hauwen zcü eyme
nüwen tore uff dem steinwege vor der ußern portin
geyn der stad uff der bürg, 4 sol. hll.
68. Item Conen, syme gesellen, 2 gross.
69. Item demselbin meistir Heinrich von 16 taghi, daz-
selbe tor unde eyne portin zcü machen. Vi* Hb. hll.
70. Item Conen, syme gesellen, 15 gross.
71. Item von dem seibin tore zcü deckene, dy bredir
tzü ho wen und tzü nüwen, 10 s. h.
72. Item dem sraede umbe gesmyde darzcü 1 lib. h.
73. Item umb zwey sloz dar ane 16 gross.
74. Item demselben sloßer 8 s. h. vor nüwe sloßele und
sloz Widder tzü machen uf der bürg und in dem hofe
und von krappen tzun kanelin uf der bürg 4 sol. hll.
•; FefUt ehoa 1 Wort.
**} I^nch im Papier, Ludirbach?
^**} sc. Meister Heinrich., dem Ziinmemunw.
437
AiiSfjaben für Botenlohn :
Tft. Item eynem bodiii zcil Honberg zcü Heinrich von Nese,
du Wigand von Erfirshusöii die swin gBuommen
hattf, 20 hll.
7f), Item eyriem boduti zuü Krmgibburg 30 liJl., daz li«
die swin ließe bolen zcu Marpurg.
77. Item Hynem bodin zcö Caasel zcö niymtj jünchern
unde vorbaz geyn ürebinstein durch der raestetswine
willen 5 gross.
78. Item uflf sante Stephans tag eynem bodeu zcrt Wettir i;i72
10 lill. nach Johann sohriber unde -sime geöellen, ^^'
du man die habirn setzin sohle.
70. Item eyme boden zcu Damme nach Gumpracht von
Stedebach durch dezselbin willen oucli 10 bIL
bO. Itera ufF unser frauweii tag puriticatiuiiis eynem 13?^}
bodin zcü Cassel zcfi myme junchem, unde muste *'*'■• ^•
mau yn vorbaz suchen mit bryben hern Stebius
unde Petira, 6 gross.
8J. Iteui eynem zcü Heinriche von Nese durch der ha-
birn willen zcö Wettir 30 hll.
8^. Item eynem bodin geyn Wettir zcur eijtilieu unde
zcu den von Fleckebol urabe er Ö niarg, die sie
myme herren geb^n, 1 sol. htl.
63, Item eynem boden, der myme herren den salmen
zcü f"as.sel brachte, 2 gross.
84. Iteni «ynera boden zcü Alsfelt zcü Petro, dem
scliriber, mit der antwort, die her Johan der cappe-
lan von hern Johan Setzepande brachte von der
brybe wegin von abe .... unde von der leistunge
wegin zu Frankefurt 2 gross.
85. Item eynem boden zcu Wettir tzu Johan .schriber
1 sol. hll., du dy wegin uff dem burgwalde uff ge-
rumet waren.
I
-338
Satt. 19.
I
1372
Aug. 'Ji.
1372
Sept. 29.
S6. Ittim t'jTiein boilin zcft Casst-I dmch der dryßeg
immli' helliT willpi), die liprn Gräfte von HntzMt
zcü Wettir werd'm snllpii, wart gevangin iiff dem
wege, daz he nyt vulleii gtnk, 2 gross.
87. Itpm eynem bodin zcti AlsfVlt uuibe daz gedingecze
von Engiinradp, daz der marschalg daz behilde
myint' jiititlit'rn nnde aiidirs nymande gebe, 2 gross.
88. Item eyrntm bodin zcii Grüiienberg diircli Johan
Snmdis gndis willeji, alse myn herre mir geschrebin
battf, 30 hll.
8Ü. Item eynem bodin zcti AnnT-iirbnrg durch dez gudis
wilSen zci'i Rcwdorf, daz Hille Frantzen gekomert
liattü, 10 hll.
00. lt«m oynem bodin zc<l Blankenstein mit junchem
Wigand<*s brybe von Krtirshusen unibe den tag. der
uflF den mantag nach Lanipi-rti zcu Birgiln soldin (!),
1 sol. hll.
Es folffi dan Geld-Eintiahnieregisicr, welches mit den
WoricM bc(jinni: Diit ist duz iiinvinen. Tzum erstin tif
sunte Bartliolumcus tag 2'ia lib. und 4 s. b. von «l«r
voydige tzö Ebistorf, und den Rest der vorderen Seite
dfs^ Rotuliia tinuimmt. Das Folge ad*' skhi auf tter
Rilckseile.
Diit iat daz uzgeben der Irutbte.
Ul. Tzum ersttm do min jftncher*) der lantgrefe nz
dem h(^re quam und daz große folk tzfl Marpurg
quam von dem HirtzpLTge, dar nach**) gab ich
Tliiderich .Steyiideckir an biz uf st-ntt; Michels tag
17 malder kornis und 1 maider kornis, daz quam
vor rtcboncbrojl, daz uf dem liiiz do gi-ßin ward.
02. Item ich gab yuic uuch 8f)' t maldnr bavern izd
fuderne.
^) .Innher, Oriy,
*) l'cber der Linie.
439
93. Item von den tzwen frunefastin vor sente Michehelis ^*P<-
jg jg
und dy andir vor Wynachtin gab den tzwen porte- /j^
nern 2 malder kornis. 15—18.
Weitere Löhnungen an Korn.
94. So hain ich Thiderich Steyndeckir gegebin von sente 1372
Michels tage biz uf sente Paulus tag, als he ^^1373
kard ward, 60 V^ malder kornis unde hundert maldir Jan. 25.
unde 80 maldir havern tzü fuderne.
Verschiedetui Ausgaben an Korn und Hafer.
Jils folgt das Fmcht-Einnafwieregister und schliesslich
das Register der Ausgaben für den Weingarten.
Papierrotulus im Staatsarch. Marburg. Abt. liechnungen.
440
XI.
Die Porzellansammlnng des Schlosses
TVilhelmsthal bei Kassel.
Von
Dr. Chr. Scherer.
o-.ae.-o
J^jftngefähr zwei Stunden von Cassel entfernt und mit
^^der Bahn von Station Mönchehof ans bequem zu
erreichen liegt halbversteckt in Mitten eines pracht-
vollen, sorgfältig gepflegten Parkes das kleine Schloss
Wilbelmsthal. Unter Landgraf Wilhelm VIII. durch den
Architekten Carl Dury in den 50er Jahren des vorigen
Jahrhunderts erbaut, hat dasselbe, wie fast alle Schlösser
dieser Zeit, im Grundriss und Aufbau wenig Bemerkens-
wertlies *) ; erst wenn man das Innere betritt und die
Reihe der zumeist noch beinahe unversehrt erhaltenen
und nur zum Theil durch spätere Zuthaten veränderten
Gemächer des Erdgeschosses und ersten Stockes durch-
wandert, staunt man über den Reichthum und die Fülle
zierlicher Ornamente, die über dieselben ausgegossen sind.
Zwar kann sich Schloss Wilhelmsthal an Gross-
artigkeit der inneren Ausstattung nicht mit jenen über-
reich verzierten Schlössern zu Würzburg, Bruchsal, Brühl,
Schieissheim und manchen anderen, in jener prunk-
*) Vgl. C. Gitrlitl, Geschichte des ßai-ockstyles und des
Rococo iu Deutschland S. 439 f.
liebenden Zeit untstaiidenün mbsstin, allein es wird duch
stets zu den reizvuUäten SchöpfungHii de» Roeocustyls
auf <leutsch«ni Roden z;ildf*ii, den es in «iin-r zwar
glanzeuden, aber ducb aia('wsv<)!len Gmstalt veik*irpert.
Die mit prächtigen, buntfarbigen Hulzachnitzereien ge-
sclimückten Wandt; und Tbüreii, die hurrUclien, hier
und du Itiiclit vergoldeten Stuckverzierungen der in den
zartesten Tönen gelialtenen Decken, tJie feingeinusterten
Seideutapeten und endlicli auch di« zahlreicbHii Gemälde,
die in die Wände eingelaüsen von J. W. T i scbb^'i n's
Meisterband gesübafFt-n sind: Alles dies wirkt zusammen
zu einem glänzenden, aber vornelun und anheimelnd
gehaltenen Ganzen.
Allein nicht dieser Wand- und Deckenschmuck*),
der noch immer einer würdigen Verütfentlichung harrt,
wie sie anderen äbnlicben Rococoaeblössern hcIjoii längst
zu Theil geworden ist, soll uns im Folgenden beschäf-
tigen, vielmehr mochten wir die Aufmerksamkeit der
Leser auf feinen Zweig der Kunstindustrie lenken, der,
wie in allen Schlössern und Palästen dieser Zeit, so
auch hier in Willielmsthal eine reiche Verwendung ge-
funden bat und einen wesentlichen Bcstandtli«*il der
gesammten inneren Ausstattung bildet Es sind die Por-
zellane, ostasiatisebe wie deutsche, die in den Kcken
der Gemächer sowie auf reichverzierten Wandtischchen,
Kaminen nnd Konsolen aufgestellt, mit ihren zum Tbeil
phantastischen Fornu'u und leuchtenden Farben sieb so
wunderbar in diese heitere und anmuthige Umgebung
einfugen.
Zwar ist schon hier und da gelegentlich auf den
Wertb dieser Sammlung hingewiesen und wohl auch
*) Dei-selbe wurde uoler lioitung des BildbaiKM-» J. A. Nahl
(1710— 1781) ausgeführt. Vfp,] KriarkfutiK, Yi^iitscho KunstgesoliiohtP
II, S. 274 ff. Hier wird üagh Scüloss W. uod soiuo AussMilitiiückuug
eingohead gewüi-di^.
442
(li»'?;i!s (»der jciifis Stück l)i!s[ir<>i;lu'n wonliui*!, allein t-iiie
nitigi'laeiidt* Würdif^ung hat dieselbu bisher noch nicht
erfahren. IJad doch enthält sie 80 viele Stücke
er« teil Ranges, die das Auge des Kpnners wie des
Laien in gleichem Maasse erfreuen und wohl verdienen,
auch weiteren Kreisen bekannt zu werden.
Ueber die Geschichte der Wilhelmstlialer I*or-
zelhmsammhing ist, so viel wir wisäen, keine sichere
Nachricht vorhanden; nur das eine steht fest, dass sie
in ihrem jetzigen Bestände verschiedenen Zeiten angehört
und nach und nach hier zusammengetragen ist. Den
Grundstock wird vermuthltch Wilhelm VUI , der Kr-
baa«r des Schlosses, gelegt haben, der während seines
langjährigen Anfeiithaltes in Holland im Dienste der
ticiieralätaaten genug Gelegenheit hatte, o&tasiatisches
Porzellan, dessen grossartige Einfuhr nach Kuropa in
erster Linie durch den holländischen Handel vermittelt
wurde, für seine Schltisser anzukaufen. Zu diesem
Grundstock kamen später — wie es heisst, im Jahre
1827 — eine Anzahl anderer Stücke, so z. B. säiumt-
liehe Berliner Figuren und einige sechseckige Vasen
von noch nicht sicher aufgeklärter Herkunft, welche
bis dahin der von Landgraf Friedrich II. in der „Schil-
derey-Galerie" auf der Oberneu.stadt zu Kassel errich-
teten „l'orcellaine-Galerie*' angehört hatten; endlich
fanden iu der Mitte der 80er Jahre drei grosse Bis-
knitgruiipeu, die ursprünglich im Schlosse zu Wabern
aufgeötellt gewesen waren **), in Wilhelmsthal ein
neues Heim. Wie und wann alle übrigen Stücke, be-
sonders die vielen figürlichen Porzellane der Meissener
•) So r. B. bei Zai«. Die Kurrnainzischo rorzellan-Manufaktiir
zu Hf'tcbst S. 89 und in dor lk)spreohun{; ilicüos Uuohes von A,
Pab$l im K uustgewcrbcblatt IV. (1888) S. 41.
**\ Mimdlicho Mittheilung do8 Horra KasteliauSteitidecker
in WUUehiuilbal.
443
uml Fiililaer Manufactui' , dortliin Relatigtun, lä-sst sich
bei deiu F«itltMi jetlt!s ulitcninässigun, Ausweises nicht,
mehr genau feststellen. Docli ist anzuiveiinien, dass si«
schon friihe dort untergebracht wurden, du sie sämint-
lich der in das vorige Jahrhundert fallenden Bhithc-
zeit jener Fabriken angehören und bereits in dwm
ältesten vorhandenen Mobihar-Iiiveiitiu- des Sclilosaes
aus dem Anfange dieses Jahrliunderts Erwähnung finden.
Ohne uns auf weitere Vermnthunget» iiht!r die Gb-
öchiuhte, der Sammlung einzulassen, ge!ien wir nunmehr
auf deren nähere Hetrachtung über.
Untier den tjstasiati-schen Porzellanen der Wilhehns-
tlialer Sammlung, nm mit diesen ais den ältesten z« be-
ginnen, nimmt ihrer Zahl nach eine Gruppe japanischer
Erzeugnisse die erste Stelle ein. Ks sind melirere, der
I'rovinz Imari entstammende Gefässe, die in den wir-
kungsvollen Farben blau (unter Glasur), eiseuroth und
gnid bemalt seit dem 17. Jahrhundert in grossen Massen
durch die Holländer nach Europa gebracht wurden*).
Weitbauchige Deckelvasen, zum Theil von beträehtlifher
Hölie, ferner sog. Stangenvaaen, jene nach oben stark
aubladeiulen Gefässe von cylindrivscher Form, von denen
einige als besonderen 8chmuck in je zwei länglich
ovalen Feldern plastisch gebildete Bhiinen tragen, und
kleine gedeckelte Na[>fclien bilden die llaupttyjjen dieser
Gruppe, welcher fernerhin zwei schlanke, U,t)Ü() hohe
Vasen angehören, hei denen der vorherrschend schwarz
gehaltene Grund dnrcli ausgesjiarte, regtdlo!^ hingestrenie
und mit bunten Landschaften uml IMumen bemalte
•) Eine bedeutende Znlil dioser Gerässe, die iibrif,'ens iii
Jnpnti vorzugsweise für die Ausfuhr hergestellt wurden und «Jäher
licute vnn ihrer Woithschiltzuag erholiiich eJngcl>üs.st haben, besitzt
die I'i.trAellansammlung im Dresdener Johanneum; andere schöne
Exotupiare helindou sieh u. A. in der Kothschilil'seboii Va-seii-
y^miiiluog zu Frankfurt a. M. uud im Königl Museum zu Kassel.
444
Felder von ikir raannigfaelistoii Form belebt ist. Es
iät dk'h ein nngenu'?!!! reicher und eigenartiger Dekor,
ih'.r jviclit allzu liiuiHg anzutiv.fft.'n ist.
Dieser auaerwäliiteji (.Jrujijie von ErzHUgniüiseii »If-
japHnitjchen l'orzeiliiii.s reiht sich eine andere, nicht
minder werthvolle an^ als? deren Heimath China an-
zustehen ist. So zunächst vier Staiigenvaöen, die in der
Rlittn vuti einem Hachen, görtelartigen Wulst umgeben
und ziui) Tlieil mit buntfarbigen, figürlichen Darstellungen,
Scenen aus dem liüusiiclien Leben der Chinesen, zum
Theil mit Vügehi und Blumen geschmückt sind; eodann
vier andere, iiaarweise zusanimengehörige Vasen, bei
welchen auf künig.-iblauen ürund von grosser Schönheit
und Tiefte Hhirnen im zartesten (ioldton aufgemalt
sind, ferner zwei prachtvolle becherförmige Gefässe und
vier schon durch ihre kolossale Grösse als Ausfuhr-
artikel erkennbare Vasen von jenem nur in blau unti-^r
Glasur gemalten sog. Nankingporzellan, schliesslich
zwei weitbauchige, 0,620 hohe Vasen der sog. famillc
verte, deren hutföruiige Deckei mit dem idiantastinchen
Hunde des Foh, dem Sinnbild des Friedens und häus-
lichen Glückes, bekr<int sind. Der Körper dieser V)eidea
Vasen zeigt auf dunkelgrünem, fast schwarzem Grunde
sorgfältig und flott gezeichnete grüne Ranken mit bunt-
farbigen, asternähnlichen Blumen dazwischen und in
z\\*'\ weissi'u Aussparungen lebendig gezeichnetes Ge-
Hügel und Blumen in bunten, leu(!htenden Farben.
Ein be.sonderes Interesse beanspruchen aber zwei
kleine sechseckige Deckelvasen, von denen die eine
mit Blumen und Frauengestalten, die andere an ihren
sechs unteren ISeitenflilchen mit vielfarbigen Vögeln
und Blumen bemalt ist, während die an den mit
mäanderartigeni Mn.ster in ziegolrirth verzierten Hals
anstossenderi oberen Flächen grüne Planken in rothem
Felde und an den Ecken abwechselnd eliien in
446
gespartem Kaume gemalten liahniilinlichf-n Vogel mit
ausgebreiteten Sdiwingi-n und eine asternartige Blume
als Huhiriuck tragt-n. I)i<'.sr letzten' Vase ist nun üfiViibar
das Vorbild für di»^ vier in WilliflniHthul hetindlichtin
0,720 bolien Fayence-Vasen gewesen, welche in Form
und Dekor merkvvürdig jnit jener übereinstimmen *).
Freilich unterscheiden sich dieselben hinsicfitlich der
Ausführung wieder wesentlieli von ihrem Vorbihi. Di-nn
während difses und sein itbi'u Hrvvälnitt'8 (}cgi'n.stück
sich durch grossn t^urgfalt und L«?iclitigke'it di-r Malerei
auszeichnen, sind jene vi^r Fayence-Vasen an ihrem
ungleichmässigen, diiiineu F:irhen;iut"trag .stiwin an dem
geringen Gescliiek imd der At^ngstlieLkfit, mit welcher
besonders die Ranken gezeichnet sind, sofort als schwache
Nachahmungen zu frkennen. Indem wir uns vurbeliaitHu,
bt'i anderer Gelegenheit auf sie zurückzukomrneu, b«-
merken wir hier nur, dass man dieselben, gestützt auf
die Thatsache, dass nie bis jetzt mir in Schloss Wil-
helmsttial und in der Porzeüansainrnlung des Kasseler
Museums nachzuweisen sind, für Erz«Mignisse einer
Fayencefabrik hält, die in der zweiten Hälft«^ des vorigen
Jahrliunderts in Kassel gegründet werden war **). Wie
weit diese Vermutbung richtig ist, rauss uine eingLdien-
dere Untersuchung lehren.
Wenn wir hiermit unseren Kundgang durch die
Sammlung der ostasiatischeu Porzellane des iSchlosses
beendigen und uns nunmehr den übrigen, aus deutschen
*) Es mag hier envälmt weiilen, dnss diese Oattnug chine-
Hischer Xusi'u auch von dor Meis»uiior Manufaktur iu ihrer Früh-
zejt Uftchgehildnt woiduii ist. In üeii l'oi-zellaasamndaDgen zu
Drefideu und Kassel sind soklie MeJssf-nor Naclibiliiuugen vou
derselben Form uuti doinselberi Dekor vorliaiideii.
•♦) Mündliche Mittheilung des Herr» Miiseunis-Custos Pro-
fessior Lenz in Kassel, üeber die Faycnce-Fabrikeu von Knssol
vgl. -.d. I'. Lh-apfi, FftioncH- ujid Porzellan -Fnliriknit in Alt-Kjiss<>l.
Heüseidnnd 181H Nr. 9 IT.
446
Fabriken li«rvorgpgangpnMTi Erzengnissnn zuwenden, so
müflueii narli Zahl uinl Kunstwi'rth difjpiiigen der
MeisBPiier Mmiiiftikliir an »Mst^T Stellt« gi-nunnt werden.
Unter ilini-n losst-tt zunächst «In Sata von fünf
Vasen unsere Aufmerksamkeit, die durch ihr Alter und
die Ynllendunp ilires malerischen Schmuckes in gleich(>tr
Weise ;iufin:r'Äi'ichiiet erscheinen. Es sind eine 0,560
liohe wiMtUitneliige Ueckelvaae, zwei ähnliche kleinere
und zvvi'i n,4()0 hohe Stangenvaeen mit gai-telartigen
Widfiten. SämmtJiche Stücke sind an der Vorderseite
mit di'm hessischen Hauswappen in bunten Farben ge-
schmückt und mit von Figuren belebten Landscliaiten
im zarb'sti'H l'urpurcaniayeu bemalt, die von zierlichen,
zum Tlieil stliwarz contvirirten üoldornamenten von
feinster Zeichnung lunscljlossen werden. Dazu kommt
auf der Rückseite der drei zuerst genannten Vasen,
deren Körper hier und da mit den gerade für ältere
Erzeugnisse Meisyens charakteri8ti.schen Streublürncheu
und Insekten bedeckt ist, ein grellbunter ßhtmenstrauss
mit Vögidn dazwischen in den leuchtt-ndsten, sattesten
Farben, di^ zu der vprltältnissmiissig sich vornehm zurück*
ha!tt;nd«Mi übrigen Malerei einen eigenartigen Gegensatz
bilden. Es i.st, als ob hier zw>!i Farbensysteme und
Dekorationswi'isen, die ursjjriingiich nichts miteinander
gemein haben, zum Kampf um den Vorrang zusammen-
gestos-sen wären : dort dit^ alte, noch ganz von deti
Vorbildern (Jstasitms beherrschte farbensatte Palette,
liier die bereits vom nahenden Rococo berührte feine
und zarte RIalweise *). Dieser koloristische Gegensatz
in Verbindung mit den noch vollständig nach chinesisch-
japanischen Mustern geschaffenen, .schweren Formen
würde an sich schon deutlich genug für eine frühe
*) DJQ Presdenor PorzßKansnuHiiluug besitzt mehrere ganx
aiiiilicJi vArzioric ficRlsse, boi ilonni sieb gleichfalls diese boiden
Malwoisrn fiiifloii.
447
Entstehung der Gefässe spi-echfii, auch wenn die eine
der br^idnri Stangenvasen nicfit mit Hi-m aus A und H ge-
bildettMi Mdiiiigriunm Ijezuitlniet wjuh, das sich bckamit-
lich nur an ältttrcn, d. h. dw zweiten l'eriode d«n' Mei-ssener
Manufaktur (1720 -174U) angidiüiigHii StütkiiH Hndet*).
Mit dipsem Ansatz stimmt audi dio auf einer I{andhemer-
kung im „Mobiliarinventar" von 182^ beruh«Mjde Ueber-
lit'ferung vortrtd'flich übert^id, nach wcdcher di^^sR Vasen
vuij König August dt^m Starkt.'ii an fjaudgiaf f'arl ge-
schenkt wurden seien ; zweifelhaft bleibt jedoch, ob
wirklich dieser ganze Satz oder nicht viehnelir imr jene
eine mit dem Monogramm versehenem Vase dieses Gp-
flchenk gebildet habe, welchem dann später, vielleicht
ah ein weitere» Gwsclienk oder auch in Folge eiupr
Nachbestellung seitens des Landgrafen, die übrigen vier
Stücke, die merkwürdigerweise die Cliurschwerter aU
Marke tragen, hinzugefügt worden wären. Allein wie dem
auch sei, das eine steht fest, dass wir hirr hervorragende
Kraetignisse ans der älteren Periode Meissens (etwa um
1730( vor uns haben, wenn anch die Bemerkung im
Mübiliariuventar des Schlosses, dieselben stammten aU
die ersten Stücke der Dresdener Fabrik aus den Jahren
17Ü7 oder 1710, zwar gut gemeint ist, aber keiner
weiteren Wi<h»rlegung bedarf.
Ungefähi' derselben Zeit der Meissener Manufaktur
gehört ein zweites, nicht minder werthvolles Stück an,
ein vollständig*^s, für sechs l'ersoneu bestimmtes Service
nebst allem Zubehör von zum Theil noch ziemlich
schweren, an Metallstyl erinneniden Formen. Die säiumt-
liehen Tlioiie desselben sind mit vielfarbigenj fein ge-
malten ('hinoi-^ierien nach franzüsi.schein Geschmack
ver/Jert, die von zierlichen und reich ornamentirtHn
Huhmen in Gold, mit farbigen Blumen durchHochten,
*) Vgl. W. V. Shidtiix. Dio Spitziior'soha Sammlung AM-
Meisj«enpr PorzHhne. Kniisl-llinmik. V. F. [[, (1891) S. .%6 ff.
44«
nmgf^bpn sind. Kin Stück dieses Services trägt npbeii
Jen ("litirseliwerteni iVw Marke K. V. M. *) Uful weist
(ladurch in Vt'rbiudnug mit d««» F'ornien und der De-
koration auf die Kntstt'linng di*s8»^lben etwa in den 20er
oder Anfang der 30er Jabre dea 18. Jahrhunderts hin.
Wenn wir sodann noch eine kleine, leider nicht un-
versehrt erhaltHn»^ Vase nennen, deren eigenartige De-
koration, ein Belag mit plasti.sclj gebildeten Schnee-
ItrtllenblüthtMi, auf die mit den weissen Hlüthen der
Mumepflaum« belegten tJefässe altchinesischer Herkunft
zurückgeht, an haben wir liiernüt die Reihe der deut-
schen Gefassporzellane der «Sammlung erschöpft und
können uns nunmehr den zahlreichen Gruppen und
Figuren zuwenden, jenen reizenden Werken der Klein-
plastik des 18. Jahrhunderts, in welchen uns das Ro-
coco von seiner liebenswürdigsten Seite entgegentritt.
Voransteht auch hier wieder Meissen, das ja im
vorigen .Jahrhundert, beiäoiiders unter J. J. Kändlers
Leitung (um 173B), auf diesem Gebiete die grössteii
Triumphe gefeiert hat und hierin von keiner der anderen
Fabriken erreicht worden ist. Leider müssen wir uns
bei der grossen Menge altmeissener tigürlicher Porzel-
lane, welche die Gemächer des SchlosBee enthalten,
darauf beschranken, nur die vorzüglichsten und inte-
ressantesten Stücke hervorzuheben und können denen,
welche sich als Forscher oder Liebhaber mit diesen
Gegenständen beschäftigen wollen, einen Besuch des
.Schlosses Wilhehn.stlial nicht dringend genug anem-
pfehlen.
Kiner der kleinsten Räume, der vermuthlich einst
als Ankleidekabinet diente und trotz oder vielmehr
gerade wegen der Schlichtlieit seiner Farbenstiuimang
einen überaus vornehmen Eindruck macht, birgt cinf»
*) Köiiiglitjho Pontellnn-Mnnnfartur.
449
ganze Reilie altmuisjjener Gruppen und Figuren, deren
Aufstellung im (.'ngöti^n, man könnte sagen, im orga-
ni.scht!!! Zusainnipnbang mit di^- gosrimmtfn Dekttration
dieses Raunit,*H sbdit luid sit'h mit derselben zu einem
wirkungsvollen Ganzen vereinigt. Da stehen zunächst
auf dem SimsM des Kamins jene bertthnit*;n Figuren
d<*r fünf Sinne, eine der reizendsten Schöpfungen
der Meissuner Manufactur, für deren einstige Beliebtheit
schon der Umstand spricht, dass sie in drei verschie-
denen Entwürfen bekainit sind. Ausser den fünf
sitzenden kleinen Damen im Zeitkostüm, welche u, A.
die Dresdener Sammlung besitzt, und jenen Frauen-
Hgürclien in buntgeblümter, antikisirender Tracht, von
denen eine jede neben ihren Attributen noch ein
Tbier zur Seite hat, welchem der betreffende Sinn in
ganz besonderem Maasse innewohnt, begegnen wir hier
in Wjlhelmstbal noch einer Rrweiterung dieses zweiten
Entwurfes durch Hinzufügung von kleinen Knaben,
welche in humorvoller \Vei.se einen jeden Sinn durch
ihr lustiges CJebahren verköri>ern, und durch die Ein-
fügung dtir einzelnen Sinnesorgane in das zierliclie
MuBchelwerk der Kococopostamerite. Man könnte viel-
leicht an dieser starken Häufung von allerlei Attri-
buten AustosH nehmen und dem Modelleur zum Vor-
wurf machen, dass er nicht Phantasie genug besessen,
um auch ohne dieselheu dem Gedanken, den er ver-
ki'irjiern wollte, An.sdrnck zu verleilieo, allein die naive
Freude, mit welcher er Alles darstellt, und der frische,
humorvolle Zug, den er in viele Einzelheiten hinein-
gelegt, versrduien vollkommen mit dieser Schwache,
und wohl Niemand wird sich dem wunderbaren Reize
entziehen können, den die Anmutb dieser meiüterbuft
modellirten Formen und der zarte Schmelz dieser duf-
tigen Farben ausüben.
N, K. n*i xvti. 29
4f.O
W«iid<'n wir uns sodann dmi übrigen Statuetten
dieses «^utzückendMn Itaumes zu, die auf je zwei öher
einander befiudlichi'n I'orzellankonaoUm stehen, welche
zu beiden .Seiten des über dem (.'aniiiie hängeuden
Spiegels angebracht und niiteinan<ler durch das holz-
geschnitzte, farbige Kankenwerk der Wandfüllungen
Verbunden .sind. Die Itiik.s auf der unteren ronsoje
stehende (rruppe stellt den Uaub der Proserjüna durch
Pluto dar, eiru^ jener heftig bewegten und völlig ma-
lerisch aufgefassten sog. Haptusdarstellungen, welche
von Giovanni da Bologna, Bernini und Giirardon iu
die monumentale Plastik der Zeit eingeführt die
Ivjeblingsprnjipen der damaligen (Jartensculptur bild*»ten
und von da auch in das Porzellan übergingen. Auf
seinen iSchnlteni trägt der muskultiae Gott mit Zacken-
krone und lose umgeworfenem Lendentuch die sich
heftig sträubende Schöne, deren Körper nur mit
einem leiuhteo Hatternden Gewände bekleidet ist, in
hastiger Eile von diiiiiieii. Im Gegensatz zu dieser
heftig bewegten, iuiili |iatheti8cheii Gruppe, in welcher
niiinnliche Kraft mit weibJicher Ohnmacht ringt, doch
ohne das» Manier und llebertreibung so stark darin
zum Ausdruck kamen, wii* in fast allen ähnlichen
Werken jener ohengetiannteu Bildhauer, zeigt uns die
reizende Sfaituette auf der über ihr betindlichen Con-
sole ein Bild heiterster Ruhe. Eine junge zarte Mild-
chengestalt hat sich zum Bade entkleidet und ist im
Begriff, das Wasser vorsichtig mit der Spitze des Fusses
berührend, das letzte Gewandstück fallen za lassen,
nm den Körper der erfri-schenden Fluth anzuvertrauen.
I)iese.s kö.stliche, vom Zauber keuscher Sinnlichkeit tim-
tiossene Werkchen, nicht minder fein in der Modellirung
wie zart in seinen Ffiiben, i.st jedoch keine Original-
schüpfniigMei.ssens, sondern die getreue Copie eines in den
Sammlungen d»'S Louvre b-'fitidliehen Marmorbildwerks
461
von i1<*r Hand dt'» bekannten franzö«isclieii Rouocobild-
Imtiprs K. M. FhI kfUK^t. dpr auch als MatlHUfur für rlit-
I'orzt'llanmjinufKct.iir vun Sevres eiiif unifangreiclu' und
fiiiL'hfhringL'iid»; Tliät.igktiit entfaltet hat. Auf ein für
Sf'vriis ciTigt^ft^rtigtee Modell dies<;s Künstl<*rs geht also
o(!'cid)ar unsere Meisöeiier Figur zurück*). Ihr üegeii-
stück auf der oberen Conaole der rechten .Seit« bildet
die iStatuette eines in behaglicher Rahe an einen Raum-
ötamm gelöhnten jugendlichen Apollo, die frwie, itn
Geiste des Rouoco umgescliaffenti Copie einer jener
zahlreichen antiken Statuen des Gottes, denen wir so
oft in Gärten und Mu!*<u^n begegneti. Während sich
in diesem fai'beufrohen Kigürchen männliche Jugend-
fribche mit Schönheit paart, zeigt uns »ein Genosse auf
der darunter bt^tindlichen vierten Consolo. ein Bild
greisenhafter Gebrochenheit. Ks ist di«; bekannte iVn'-
sonitikation des Winters, eine Einzelfignr aus der
Gruppe der vier Jahreszeiten, welche nicht minder
volksthüralich gewesen waren wie die Sinne, die Krd-
theile oder die Elemente. In einen Pelz gehüllt steht
die weissbärtige Gestalt fröstelnd neben einem Kohlen-
becken, ihr zur Seite zur weiteren Ausmalung des dnrcli
sie verkörpertRn Begriffe.? dienend, ein nackter Knabe
mit Holzhacken beschäftigt**). Leider ist nur diese
eine Figur aus jener berühmten Gruppe in Wilhelnis-
thal vorhanden und vergebetts sehen wir uns nach
*) Eid anderes für Sevres angoferttgtas Modell diosor Mois^ters,
oineu sitzenden Cit|iidü, der iu Fürstonborg oachj^ebildet worden
ist, hftlw ich an anderer Stelle iiacUgowieseu, vgl. Kiiostgewerbe-
Jilfttt, N. F. III. S. 31 f. l'ebrigeiis hat aucli die Herüber Mtuiu-
lat'tur die Badende von Fnlkonet tiarhgebiidot.
••) Der Yoüständigkeit wegen seinn hior noch die in diesotii
("abiuet auf einoiii Tischchen ateheiule Figur eines Apostels ge-
iisinat, vornrulhlich Moissotier Fabrikat und a» L. MatfioUi's Sta-
tuen au der Hofkircbc xu Dresden erii»iJornd, sowie die zwei
buchst naturwahr und lebendig dargestoJlten PudelJmode,
29*
452
iht'i-n flffalirtcn um, jeiu-m trauhynverzehn'iiden BacdjUK,
iler ilt'ii flerbst verköriH'rt, luiti jt;iipn Vieiden ivizfiulen
wt-iblichi^ii Clestalteii, von denen die Hine an einer
Hlnnie rieclifiid d^n Frühling, dii^ arKleif mit Siclif»!
und At'hren dtMi Somuior versiTuibildlicht. Gewiss
waren auch sii^ ursprünglich hier vorhanden und wurden
wohl mit violfni anderen, was lii'ute noch dort vermiHst
wird, unter Jeronies ziigcUosvt Herrschaft ihren Unt^r-
gung gefunden haben. Zum gnten Glttck besitzt da«
Schlösschen noch manches andere kostbare Stück Alt-
meissens, so dass uns jener Verlust nicht allzu schmerz-
lich zu berühren braucht.
So befinden sich u. A. im ersten Stockwerk zwei
grosse lUiren aus Goldbronze, die eine von Collier fils,
die andere von Etienne le Noir in Paris gefertigt. Jene
stellt einen Triumiihwagen dar, der von zwei weisjsen
llüH.sen in Sevresporzellan (?) gezogen wird und einen
Knaben, der den Frühling darstellt, zum Lenker hat
Dieser, sowie alle anderen Insassen des Wagens :
ein in die Posaune stossender GeniuH, eine sitzende
ininervenartige Gestalt mit Helm und Scepter, die von
einer Siegesgöttin bekränzt wird, ferner Knaben als
Ja!iresz4^it.en, ein Adler auf der Spitze der Uhr und
.schliesslitb auch die zierlichen Blümchen und Guir-
landen, die das ganze ßronzegestell ak Schmuck um-
geben, sind säninitlich Erzeugnisse aus der besten Zeit
der Rleissener Fabrik und von feinster, sorgfältigster
Anaführung. Dasselbe gilt von den verschiedenartigen
Gruppen und Kinzeifiguren, mit welchem das zu lauben-
artigen Verschlingungen sich rankende Gezweig der
anderen Uhr besetzt ist. In Inintem Durcheinander, aU
Jiätte öie der Zufall oder ein lustiger Maskenscherz zu-
samnrengeführt, sehen wir hier die Grupp'- eines Edel-
maiuies mit seini^r Dame, einen sit/i-inli'n Lantenspielor,
ein Neg.-rpaar, vinen Harlequin, di-r mit einer Katze
463
spielt und einen Knabtsn mit Blnraeii, de» auf fintsm
PuHfamKntf sitzuncl den Friilding verkörpert,
Vauv. älinlicli*' Vi;rwL'!idiing als Schmiuk vnti (in-
iätlnMi liabtTi zvvi'i als Gegt^nstücke gcdacliti- tiiupiicn
gttfiind«n, von welclien die eine den unter einem Baunns
mit seiner Lyra sitzfiidfein Apollo darstellt und nebten
ihm (lüi) getüdtt"ti-n PythtnidracluMi, dii', andern eine
(ibenfalls unter einem Huume «itjtende weibliche Gestalt,
wabrsclieinlicli ilie Muse des Gesangea, die, unturstiitzt
vun einem nackten Knaben, ihre Melodien ans einem
Notenblatt in die Lüfte schmettert, Kine jede dieser
beiden Gruppen dient zur Ausschmückung eines Tafel-
iHuehters hwh Goldbronze in Gestalt einer blätterreiehi^n
Laube, aus deren Ae^ten die fünf Leuchterdillen lier-
vorwachseiu
Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch unter
den übrigen kleineren Aitmeissener Figuren nocli manelifs
Stück sich bt^tindet, wnlches einst ähnlich wie die so-
eben genannten verwendet worden war; bei einigen
weist schon die Beschaffenheit der LnterHüche ihrer
Postamente*) deutlich auf diese ursprüngliche Bestim-
mung hin. Wohl die .schniiste unter den »Stittuetten
dieser Art ist jenes weibliehe Miniatnrtigürcben, das in
luftigem Gewände mit untergeschlagenen Beijien da-
sitzend die Finger über die Saiten der Ijaute dahin-
gleiten lässt.
Andere Figuren wiederum sind sicher von vorn-
herein für keine dekorativen Zwecke bestimmt gewesen^
vielmehr als durebans selbständige Kunstwerk«? anzu-
sehen; doch müssen diese, wie die meisten l'nrzellan-
tignren des IH. Jahrhunderts, nielit snw()lil für sich
;dlein, als vielrnefu' zumeist mit eiia-ui Gegenstück ge-
paart oder zu Gruppen und Jteihen viTeint gerhicht
*) riioRi'lboii xtnjjr'ii JKH'h deiillirlii' S|)iiicii von licim, mit
welulieui sio auf de» Oruiid licft-stigt wiiu'ii.
wiTileii*). Iiuliiii gi'liört z. B. t-ino Folgt; von fein
juisgBführtfn Figiiicii, wek'li«', /uin grosstvii Tlifik« ilt-r
['linkt- uikI St.(^injiL*rioJK Meis.sPii.s (1763 — I78U} ange-
hiVrig, Typen des Marktes veraiisihuuliclien, wif eine
{.ifHugül- und FrücliteliändU'i'iri, ein EierhiindltT u. «. w.;
ferner müssen hit-r genannt werden ein Gärtner und
eine Gärtnerin und si-bliesslich als Stücke von ganz
besondiTer Peinlicit und liebenswürdigem Reiz; ein
junger Cavalier itt hlam-r, mit feint'n Gülds{iitzt;n be-
setzter Jacke nnd hellblauer Kniehose, der mit dem
DreispitK unter dem Arm, wie es die Sitte erlipischt,
in der Itwltten einen Kranz, auf der Linken einen
Vogel liält und seine Gf^nossin, eine jung« Damu In
ft-in geniUHtertum Kleide und spitzenbesetztem Mieder,
die einen Vogelbauer trägt.
Während diese und andere Stücke, unter denen
tuicb die als »Annette et Lubin« bezeichnete. Gru[i|ie
dreier Figuren zu nennen wäre, welche offenbar irgend
eine Kührscene aus einer der zeitgenössiHcheii Hund-
vverksopern darstellt, die üblichen geringen Maassu
nicht oder doch kaum überschreiten, zeichnen sich
einige von ihnen, mit welchen wir zugleich die Be-
trachtung der Meissener Plastik beschliessen wollen,
durch besondere Grösse, vor allen übrigen aus. Es
sind vier paarweis verbundene Statuetten: ein Chi-
nesenpaar und ein in arkadischer Nacktheit dargestelltes
Schäferpaar, jene 0,350, diese gar 0,360 hoch, die
ersteren mehr durch ihren höchst lebendigen Ausdruck,
die letzteren mehr durch ihre körperliche Anmuth und
die Schönheit ihrer Formen fesselnd, beide Paare aber
gleich sorgfäitig und liebevoll l)!.^ in'» Kleinste und
ICinzelste au.«>geführt.
*) Neuerdiogs hai •/. Urhtkmann wieder aiil den eugeren
ZusaiDniMiliang doi PurzellaiiügutcMi des 18 .laliiliuudeils hinge-
wiesen, verg!. fJetuht dos Musmuiis für Kunat und Goworbo in
liauibui-g 189U S. 10.
455
Ohne mit den hier genannten Werken die Zahl
der in Schloss WiUiflmstlinl tnu-rhaiipt vorhandenen
Krzt.'iignisse d«T l't>iz<'ll:tiiplji.stik Altmt'JKs*'iis rr-sehöpft
zu haben*), verlasüi^n wir docli ilicstllM-n, um aiiuh den
übrigen älnilicln'ii Wcrkt^Ji dni andi-ri'ji deiitsehen Fa-
briken i'ine kurz*^ Betraclitung zu gönnen. Unter ihnen
müssen an erster Stelle diejenigen der (ehemaligen
bisLliüflithen Manufactur zu Fulda genannt werden,
Welche hier so ausgezeichnet vertiett-n sind, wie man
sie anderswo kaum kennen lernen kann. Die Fuldaer
Porzellanmianufactar **) hat trotz der Kürze ihres Be-
stehens — sie wurde 1763 durch den Bijschof Amandus
gegründet, aber schon 1780 von dessen Nachfolger
wieder aufgelöst — Leistungen aufzuweisen, widclte
einen Vergleich mit denjenigen anderer Fabriken nicht
zn scheuen braucheji ; ja wir tragen .sogar kein Ht^-
denken, das aus Iß kleinen Musikanten bestehende
drehe st er und die vier T änzer paa r e, die Schloss
W'ilhclmüthal besitzt, dem Besten und Zii-rlichsten beizu-
zählen, was überhau [it auf dem Gebiete iler l'orzellan-
[ilaötik hervorgebracht worden ist lieber diese Werk-
ehen, welcln? wie es scheint, einst zum Ausputz einer
Tafel oder eines Tafelaufsatzes dienten***), ist der
ganze Zauber jener köstlichen Anmiitb und Grazie aus-
gegossen, wie sie nur der heiteren, lebensfrohen Kunst
des Rococo eigen war. Es i.st nicht nur die überaus
feine und zarte Modellirung nebst der duftigen uiitl
diskreten Farbengebung, welche wir an diesen Figürchen
♦) Zu erwähnen wiiren om^h inohrerc kuiocnde ^.^liineseii-
finuren mit Bcbnioii in den Hlirideii, ofTonbnr .ins der frühesten
Zeit MeiHseiis, und «tas Kigürclien einer iiltei-en Dame in liüuslicher
Timhl, die nn einem TiRchchea «tzend, auf vvf«l<.lioin ein SiiiimLiil
stellt. Spindel iini] Bm.:h iu den Iliindeit li.ih.
**) Vgl, F. Ji'imnHr. (irundrtKS d«'r K'iTnntik S. 786.
••n \'td. ÄiiV a, a. U. S. 89.
45fi
bewunfl(^rn, sondern v<ir AlJeni auch die höchst indi-
vidw'lh' Bchaiidhui);^ j»'4lcs ciriZfhH'U, diu sich ebeuso
sehr in d(^r Manniirfaltigkeit der Stt'llunj^i'ii, wie im
Ausdruck (h'r Köpf»; kuiidgil>t. Da bi-rncrkt man nichts
von jeiiMiii stMmotypdi, spitzigen Läciiehi oder jenem
sinnlich<*n Zug, den man so oft an den Köpfen der
Gross- und Klciuplnstik jener Zeit beobachten kann ;
hier ist viebnehr Alles schlicht, einfach und wahr
wiedergegeben, wie es dem Modelleur die Natur bot.
Auch der Maler hat sich nur aufs äusserste beschränkt
und in dieser sonst so ungewöhtdichen Zurückhaltung
eine vollendete Meisterschaft bewiesen. Die vorherr-
schend weisse F^arbe der Gewiinder ist nur hier und da
durch zarte Goldränder oder Goldmusterungen in Ver-
bindung mit farbigen Händern und .Schleifchen belebt,
die an Feinheit der Behandlung nur noch durcii die
von den Tänzern und Tänzerinnen gehaltenen Blumen-
kränze und Guirlanden übertrofFeti werden, welche in
ihrer minutiösen .\usfiihrnng unsere laute Bewunderung
hervorrufen.
Mit die.seJi reizenden Fignrchen kann sich denn
auch keins der übrigen plastischen Erzeugnisse Fuldas
messen, Am nächBten kommt ihnen noch jene zur
grossen Gattung der sog. Pastoralen gehörige Gruppe»
die einen jungen »Schäfer darstellt, iler seiner unter
einem Baume eingeschlafenen Geliebten ein Körbeben
mit einem unter Blumen verstrickten Briefe überbringt,
«Sie gehiirt, was Formen- und Farbenge bung anbetrifft,
gewiss zu dem Besten in ihrer Art, wenn auch die
Composition selbst auf besondere OriginRÜtät keinen
Anspruch erheben kann. Dasselbe gilt von den beide«,
dem gleichen Gebiet entnommenen Gruppen, die als
Gegenstücke gedacht ebenfall» Scliäferpaare dai'stellen,
in ihrem harten Colorit aber wenig erfreulich wirken,
wähniid in vier anderen zusammengehörigen Gruppen
m
457
zweimal derselbe Vorwarf mit geringen Verändern ugen
behaiid<?lt worden kt: hier drei Kinder bei der Obst-
ernte, dort ein Kinderpärchen in vornehmer Tracht mit
einem als Pierrot gekleideten Knaben unter einem
Baum. So anniuthig und natiirlieb hier die Figuren
wiedergegeben sind, so ungeschickt und geradezu häus-
lich sind die Bäume gebildet, an denen man die Un-
zulänglichkeit dea Materials und die Grenzen seiner
Leistungsfähigkeit nur allzu dentlich erkennt.
Nennen wir ferner noch die Figuren eines Gärtnei*»
und einer (lärtnerin, die in ihren weissen, goldgerän-
derten Costümen an jene obengenannten Musikanten
erinnern, mit denen sie jedoch an Frische der F'rfindung
und Feinheit der Detailbehandlung in keiner Weise
wetteifern können, eo haben wir hiermit die sümmt-
lichen Stücke der Fuldaer Manufaktur aufgezählt und
gehen nunmehr zu denjenigen von Berlin und H ö c h a t,
den beiden einzigen Fabriken, die ausser den genannten
noch in Wilhelrnstha! vertreten sind, über.
Von Höchst, um mit dieser letzteren zu be-
ginnen, besitzt die Sammlung nur ein einziges, aber
vortreffiichea Stück, das den alten Ruf der Manufaktur
auf dem Felde dwr Porzellanplastik im vollsten Maasse
rechtfertigt. Ks ist eine gro.sse Schäfergruppe*) in der
Art der Pastoralen Fran<;-ois Boucher's. Vom
^Vande^n müde ii^t ein Schäferknabe am Fusse eines
von einer Urne bekrönten Postaments in tiefen Schlaf
gesunken, nachdem er zuvor Tasche und Hirtenstab ab-
gelegt hat. Da naht sich die Geliebte, ein junges
Schäferniädchen, uivd setzt dem von seinem treuen Hund
bewachten, in süssen Träumen gewiegten Schläfer einen
Blumenkranz aufs Haupt. Dies der Gegenstand, den
*) Ea ist vermuthliub du'selbw tJnappe, die in dem bei Zaia
a. a. 0. S. 151 aligediui'kt«!) WaareuvermabnisH uater Nr. 29 an>
{^erüliH wird.
m
Modelluur und Maler zu einer anmuthsvollen Kompo-
sition gestaltet haben, die einen Vergleicli mit »hnlichea
MeLssener GrHp]Kui wohl auszuhalten vermag.
In einen völlig atulnron Gedankenkreis, in das
Gebiet der Mythologie und Allegorie, führen uns drei
Prachtgruppen der altbertiner Manufaktur, die,
wie schon obnn erwähnt wurde, ursprünglich in der
l'(»rzeltiingalterie des Landgrafen Friedrich II. aufgestellt
waren. Die Stärke und Schönheit v(^rkörtJBrn die etwa
0,330 hohen, sitzenden Figuren einne Herkules and
einer Venus, beide berührt vom Geiste der Antike, wie
Kie die Fla»tik des 18. Jahrhunderts verstand and
wiedergab. So erinnert zwar der mit Keule und Löwen-
fell dasitzende Heros mit di.;m mächtigen Körper in
mauchen Einzelheiten, so vi>r Allem in der sorgfältigen
Durchbildung der Muskulatur, an das antike Vorbild
des Herakles Farnese, mehr aber noch an andere, ähn-
liche Werke von l'igalle und Paget; die auf ihrem
Taubenwagen sitzende, kranzhaltende Venu-s ist nun
vollends gana im Geiste eines Coustou und Allegruin
geschaffen und hat mit ihren griechischen Schwestern
nur wenig noch gemein ; trotzdem sind beide Figuren
in ihrem zarten, durch den Glanz und die Reinheit der
Glasur noch gehobenen Fleischton sowie in der frischen,
naturwahren Wiedergabe der Körperformen und der
wundervollen Leuchtkraft der Farben von entzückender
Wirkung. Dasselbe Lob gebührt im vollsten Maasse
der fast monumental aufgefassten Gruppe des Mars und
der Gescliichte, in welcher eine gewisse, schon das
Nahen eines neuen Styles verkündende Strenge im Aufbau
der Komposition durch den Reiz der Farben und die.
Schönlieit der Umrisse gemildert und ausgeglichen wird.
Schon vüllig auf dem Boden der von Antonio
Canova mit Kifer erstrebten, von Thorwaldsen aber erst
erreichten Antike stehen dann jene drei figurenreicUen
4&9
ti luppenbildwfrke in Bisknit, die au» dem
SchloKSK zu WabtTii nach Wilhelmsthal versetzt worden
sind. Mit ihnen wollen wir unsere Bt^trachtiing \u'-
scliliessen. Alle d^^Ji führen una in streng pyramidalpm
Aufbau alltigurische Gestalten vor, wie detön so viele die
Kunst des 18. Jahrliunderts hervorgebracht hat. Die eine
dieser Gruppen zeigt uns Apollo mit der Lyra im Arm
auf rundem Postament, um welches Iierum vier wtiibliolie
Figuren stehen, welche die Künste personitiziren. Es
sind die Architektur, Bildhauerei, Malerei und Musik,
eine jede mit den sie bezeichnenden Attributen aus-
ge-stattet. Die zweite stellt die Welttheile vor : auf
holn^m Felsen Europa in einer an Athena erinnernden
EröcUeinung und unten um den Felsen steheml ilie Oe-
btalten eines Negers (Afrika), einer Türkin (Asien) und
einer Indianerin (Amerika». Dir dritte endlich ver-
körpert in vier Figuren die Klmu-nti?; hier bildet die
(iestalt der Luft, die in der erhobenen Rechtim «nnen
Vogel hält, die Spitze und den Mittelpunkt der Grupiie,
um welchen die Figuren der Erde, iles Wassers und des
Feuers mit ihren zugehörigen Beizeichen gruppirt wind.
Ist der materielle Zusammenhang unter den ein-
zelnen Figuien dieser drei Gruppen auch nur ein loser und
rein äusserlicher, entbehren dieselb^-n auch jeder tieferen
Cliarakteristik und jt^der nur einigermassen bewegten
Handlung, so rauss doch jede für sich, was den Adel
der Zeichnung, die Feinheit der Ausführung und die
Schärfe der Modellirung anbetrifft, als ein kleines Meiater-
werk bezeichnet werden. Eine gewisse Vornehmheii
de-s 8tyles in Verbindung mit dem an den Marmor i^t-
innernden Material vorleiht diesen Figürchen trotz ihrer
Kleinheit einen echt monumentalen Charakter, der sich
ebensosehr von einer allzustrengen Nacliahmung kla.s-
sischer Vorbilder wie von einer naheliegenden theatra-
lischen Gespreiztheit oder affektirten Grosaartigkeit fern
zn haiton verstanden hat. Leider sind sämmtliche drei
Stück«' unbezeiclinet, sodass <«ich weder fiber ihre Her-
kunft nr>ch über ihren Schöpfer — unzweifelhaft sind
alle drei von derselben Hand modellirt — Sicheres
sagen lässt*;. Dass der Letztere zu den bedeutenderen
Modelleuren seiner Zeit gezählt werden muss und die
drei Gruppen nur einer von denjenigen Fabriken zu-
geschrieben werden können, die auf diesem Gebiete
wirklich Hervorragendes geleistet haben, kann keinem
Zweifel unterliegen. Vielleicht, dass in nicht allzuferner
Zeit das Dunkel, welches noch über diesen Gruppen
schwebt, gelichtet und der Name ihrer Herkunft wie
ihres Schöpfers entdeckt werden wird.
Wir sind hiermit am Ziele unserer Wanderung
durch die Sammlung der Wilhelmsthaler Porzellane an-
gelangt und blicken zurück auf eine reiche Fülle
schöner Werke, die in diesem einsamen Schlösschen
ein nur Wenigen bekanntes Dasein führen. Wer nicht
aus blosser Neugierde getrieben das Innere desselben
betritt, sondern von wirklichem Interesse geleitet ist,
wird wohl in erster Linie dem reichen Wand- und
Dßckenschmuck, den Tischbein'schen Gemälden und
kostbaren Möbeln seine Aufmerksamkeit schenken und
nur vorübergehend auch den Gefässen nnd Figuren in
Porzellan eine flüchtige Betrachtung gönnen. Gerade
diese Besucher möchten wir durch den vorstehenden
Aufsatz auf den hohen Werth auch dieser Gegenstände
hingewiesen haben ; daneben aber wollten wir Dem-
jenigen, der sich ernster mit denselben befassen will,
den Inhalt dieser Sammlung nutzbar machen, welche
Keiner umgehen kann, der die Kleinkunst des 18 .Jahrhun-
derts znm Gegenstand seiner Forschungen gemacht hat.
*) Dasselbe gilt von der vorzüglich modellirten, weis.«« gla-
sirten Gärtnorgrappe, die ebeofalls ohne Marke ist.
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